RB F oh Zenat, Dei br Re Ma "elie ladienag antun Aare mp SB any ie ee: De er ira regen Hertel wirt EINES Bar We Men el r NBL Eee Eee — Archiv für Mikroskopische Anatomie und Eintwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Siebenundfünfzigster Band. Mit 45 Tafeln und 66 Textfiguren. Bonn Verlag von Friedrich Cohen RO0T: mus NE "li ws alle 0 a ! ph IHIE Br, A: VAHBLRWE N ET PTaeT) en ya art, A, 107 Ki er, "N Fnir un Ar, iR ‘ au Ay ET 4% @ % 4 Si ve ‘ - “ ” 1 A = Ä % es Inhalt. Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Endothel. Von VERF EHdLe Ve re De an ee 0 Biologie der Zelle. II. Die Reitung und Betruchtung des Eies. Von Dr. med. P. Poljakoff, Prosektor am anatomischen Institut zu St. Petersburg. Hierzu Tafel I, II u. III Die Reifung und Befruchtung (des Eies von Petromyzon fluviatilis. Von Dr. Karl Herfort, Arzt der Königlichen Landesirren- anstalt Dobran in Böhmen. Hierzu Tafel IV, V und VI. ‘Ueber die elastischen Fasern in der Froschhaut. Von W. Ton- koff. (Aus dem anatomischen Institut in Freiburg i. Brse.) Hierzu Tafel VII e ‚Ueber die in den Sehnen der schiefen Banohmuskeim Bi Eee vorkommenden „Inseriptiones elasticae“. Von Dr. Richard Hans Kahn, Assistenten am physiolog. Institut der deutschen Univerität in Prag. (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universitätin Prag. Vorstand: Prof. Dr. Sigmund Mayer.) Hierzu Tafel VII. 3 0 3 ARE ge. ‚Ueber die Endverzweigungen der Arterien der menschlichen Niere. Von Dr. M. Zondek. (Aus dem anatomisch-biolo- gischen Iustitut der Universität Berlin.) Mit 2 Textfiguren. Ueber das elastische Gewebe des Haarbalgs der Sinushaare nebst Bemerkungen über die Blutgefässe der Haarpapille. Von P. Ksjunin. (Aus dem Laboratorium des Prof. A.E. Smir- now an der Tomsker Universität.) Hierzu Tafel IX Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. Von Walther Kolmer, cand. med. aus Wien. Hierzu Tafel X. Studien über Flimmerzellen. Theil I. Histogenese der Flimmer- zellen. Von Dr. Alexander Gurwitsch, Assistent am ana- tomischen Institut. (Aus dem anatomischen Institut in Strass- burg.) Hierzu Tafel XI und XI. Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. Yon H. Be in Prag. Hierzu Tafel XIII u. XIV und 2 Textfiguren ‘Zur Pankreasentwicklung der Säugethiere. Von Dr. Konrad Helly, Prosector. (Aus dem I. anatomischen Institut zu Wien.) Hierzu Tafel XV, XVI u. XVII und 20 Textfiguren Die Morphologie des Kaninchenblutes im Fötalzustande und in Seite Re} {5} 102 15} 229 IV. > Inhalt. den ersten Lebenstagen. Von Prof. Dr. N. Tscehistowitsch und Dr. W.Piwowarow. (Aus dem bacteriologischen Labo- ratorium der Kaiserlichen medicinischen Militärakademie zu St. Petersburg.) a ro 6 Die Pars ciliaris retinae des Vosklauzes Von M. Nussbaum. Hierzu 6 vom Verf. gez. Figuren im Text Ueber die Histogenese des peripheren Nervensystems bei Sana salar. Von Dr. phil. Ross Granville Harrison, Johns Hopkins University, Baltimore, U.S. A. (Aus dem anatomi- schen Institut zu Bonn und dem anatomischen Laboratorium der Johns Hopkins Universität zu Baltimore.) Hierzu Tafei XVIOI, XIX u. XX und 7 Textfiguren . Weiterer Beitr ag zur Kenntniss des Nervenverlaufs in nd Rücken. haut von Rana fusca. Von Dr. A. Kühn, I. Assistent der medieinischen Universitäts-Klinik zu Rostock. Mit 13 Text- higuren 72% ‚ s Bemerkung zum Kutkatzt Dr. r ir Streiff, St mit Al koholkammer etc.“ Von Dr. G. Alexander. (Aus dem l. anatomischen Institut in Wien.) . EEE. Zur Kenntniss der Zelltheilung bei My Esnden. Von Fr. Meves und K. v. Korff. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel XXI und 5 Figuren im Text le Hl. Bemerkungen zu der Arbeit: Dr. W. Tonkoff: Die Entwickelung der Milz bei den Amnioten. Dieses Archiv Bd. 56, S. 392. Von J. JanosSik er { Untersuchungen über das ER ondyaem des Köunchens, Von Dr. R. Krause und Dr. M. Pbilippson. (Aus dem anatomisch -biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XXII-XXV Die Implantation des Eies der Maus in die ee und die Umbildung derselben zur Deceidua. Von Georg Burckhard. (Aus dem Institut für vergleichende Anatomie, Mikroskopie und Embryologie und dem anatomischen Institut der Universität Würzburg.) Hierzu Tafel XXVI, XXVI u. XXVII und 4 Textfiguren IB. 30. re N: Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. Von Gustav Embden. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg.) Hierzu Tafel XXIX v Weitere Mittheilungen über den Bau en RN, der hack: lichen Epidermis und ihren sog. Fettgehalt. Von Dr. Franz Weidenreich, Assistent am anatomischen Institut. (Aus dem anatomischen Institut in re Hierzu Tafel XXX u. XXXI und 1 Textfigur es n in der Kehliarenkeulämn von Pula Yon Dr. H. Smidt. Hierzu. Tafel XXXII Untersuchungen über die normale und nnlorinahl Hypotrsis Seite 335 346 354 445 480 481 487 488 528 570 622 Inhalt. cerebri des Menschen. Von Waldemar Thom, Assistenzarzt an der chir. Abtheilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder (Prof. Witzel) zu Bonn. (Aus dem pathologischen Institute der Universität Kiel.) Mit 2 Textfiguren Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. Von orte Bauer, appr. Arzt. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Hierzu Tafel XXXIII u. XXXIV und 2 Textfiguren re ya ER Zur Rückbildung embry Annalen Ahlasen! Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel XXXV—XXXVIH . : er Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der idechse IE Die Schlundspalten in ihrer Anlage, Ausbildung und Bedeutung. Von Dr. Karl Peter, Privatdocent und Prosector. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel XXXVIII, XXXIX u. XL und 2 Textfiguren ne. SP: Ueber den Verhornungsprocess. Von Dr. Hugo Apolant. (Aus dem anatomischen Institut in Berlin.) Hierzu Tafel XLI und XLU SS er mc, A ia. © 2. ee Ueber Knochenregeneration. Experimentelle Studie. Von Dr. H. Wendelstadt, Privatdocent und Assistent am pharma- kologischen Institut in Bonn. Hierzu Tafel XLII, XLIV und XLV BL RE ae ee 2 Zur Entwickelung der bleibenden Niere. Von Dr. Ulrich Ger- hardt. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Ber- liner Universität) V Seite 632 198 Karl y h N BEN L t > Pu ’ q a } » t r j j L dr £ vn, 7 N Al 4 un & h v AN tr Bad: ME WE j Au Pa n y% 15 227 I Br. UN Ta lo} j ae | ame 4 abi Y 4 ö Ne A 7 om, BEN?" 2 2: RER laute FREE a h, SER Pi a LE SATT AU EEE Pe Er En Ai E N A| ke f IR Fr ı KR Al ars u iLi ı+ F > uf #57 FH 7114 I De NR SD. ee MZ H): it, TIER TTEE f u | Aa .s pr (ur) ah ıl # ir ERLITT Krn. ul Aal Da AUF HR N I ER Mare IST A | | EIER 2 m ang ar Dr: > f a 4 E- “ a un RT WUERUT, u J nen Pe Kr 5 Sau ıs wg ’ ’ . N vo) 2 HALLE. Ha ef 47 [3 1} ce N “ (sk 37% "Ai ed fr %; er 2 N y TR 5 e . ee en “ . i | Be re ” = N Pi Y I ber mi, \ u I 08 eh TR 5 LE 7 N 2 12 gi , = N A > R Pi j en h Fr Puch r 10 ; | Be. % er RER 5 f F f Nm ,e . NA BR e N RR u AB: De! ef ki N I, Bo 42 h u DEE 72 Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Eindothel. Von W. Waldeyer. In dem Gedenkbuche der Societe de Biologie in Paris: „Cinquantenaire de la Societe de Biologie. Volume jubilaire, publie par la Soeiete. Paris, 1899. 8. Masson et Cie.“ S.531 ff. habe ich vor Kurzem Gelegenheit genommen, die in der Ueberschrift bezeichneten Begriffe einer kurzen Besprechung zu unterziehen. Ich wählte diesen Gegenstand, weil noch immer so verschiedene Deutungen gegeben werden und die Namen manchmal wahl- und ziellos zur Verwendung kommen. Neues habe ich nicht viel bieten können; ich habe nur das zusammen- gestellt, was in der Litteratur vorhanden war und die Meinung, zu welcher ich, gestützt auf eigene Untersuchungen, gekommen bin, angeführt. Ich komme bezüglich der Grundsubstanz und Kittsub- stanz zu dem Schlusse, dass die Kittsubstanz am besten aus unserer Nomenklatur zu streichen sei und will die Schlusszeilen meiner eitirten Mittheilung im Livre jubilaire zu näherer Erklärung an- führen: „Unter „Grundsubstanzen“ oder „Interzellularsubstanzen“ ver- stehe ich lediglich Bildungen, welche zu den Bindesubstanzen gehören und für diese charakteristisch sind. Diese Grundsub- stanzen sind homogene und strukturlose Bildungen, in welehe die fibrillären Bestandtheile der Bindesubstanzgewebe eingelagert sind, ebenso wie deren zellige Elemente. Ihre Konsistenz kann sehr verschieden sein: schleimig-weich beim Gallertgewebe, etwas fester, aber noch mueinhaltig beim gewöhnlichen fibrillären Binde- gewebe, schneidbar fest beim Knorpel, verkalkt und hart beim Knochen und Zahnbein. In diese Grundsubstanz sind die Binde- gewebszellen, die Knorpel- und Knochenzellen eingelagert, und Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 1 2 W. Waldeyer: ebenso, wie bemerkt, die Fibrillen, die elastischen und Binde- gewebsfibrillen in ihren verschiedenen Modifikationen, die Knorpel- fibrillen (des Hyalinknorpels), die Knochen- und Zahnbein- fibrillen.“ „Diese sämmtlichen faserigen Bildungen müssen sehr wohl von der alizeit strukturlosen und homogenen Grundsubstanz unter- schieden werden. Beiläufig bemerke ich, dass ich in der Frage, welches Strukturelement beim Knochen und Zahnbeine die Kalk- salze enthalten, mich auf die Seite v. Ebner’s stellen muss, welcher dieselben in die Grundsubstanz verlegt, die Fibrillen aber unverkalkt sein lässt. Was die Entstehungsweise der Grundsubstanzen anlangt, so bin ich auch heute noch der Meinung, dass sie nicht einer Sekretion der Gewebs- zellen, sondern einer Metamorphose des Protoplasmas derselben ihr Dasein verdanken. Hiermit ist, denke ich, zur Genüge dar- gethan, was ich unter „Grundsubstanz“ verstehe.“ Die Gründe, welche mich dazu veranlassen, eine besondere „Kittsubstanz“ zwischen den Epithelzellen, zwischen den glatten und gestreiften Muskelfasern (z. B. des Herzens) und an anderen Stellen zu leugnen, sind folgende: Bei den Epithel- und Endothel- zellen sind jetzt fast überall Interzellularbrücken nach- gewiesen worden, durch welche die Zellen zusammenhängen. Nicht nur bei den Plattenepithelien finden sich diese Brücken, sondern auch bei Cylinder- und Flimmerepithelien, wie es u. A. Barfurth vom Uterusepithel nachgewiesen hat, s. Anatomische Hefte Jahrgang 1897 S. 79. In den zwischen diesen Brücken ausgesparten kleinen Lücken noch eine besondere Kittsubstanz anzunehmen, dazu liegt durchaus kein Grund vor. Es spricht vielmehr alles dafür, mit der Mehrzahl der neueren Autoren an- zunehmen (Citate vgl. im „Livre jubilaire*), dass die gewöhnliche Iymphatische Gewebsflüssigkeit es ist, welehe diese kleinen Lücken erfüllt. — Bei den glatten Muskeln wurden von mehreren Autoren, zuerst von Kultschitzki, ebenfalls Interzellularbrücken angenommen — Citate s. Livre jubilaire —; neuerdings setzt man ein umspinnendes Fasergerüst an deren Stelle; von Niemandem aber ist zwischen den Maschen dieses Gerüstes eine besondere Kittsub- stanz nachgewiesen worden. Auch die Herzmuskelelemente sollen, wie bemerkt, durch eine Kittsubstanz verbunden sein. — Vgl. u. A. Browiez (1). Diese Kittsubstanz soll nach letzterem Autor Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Endothel. 3 einen stäbehenförmigen Bau haben; es deutet dies, wie ich meine, auf Interzellularbrücken hin, zwischen denen wohl nur Gewebs- flüssigkeit sich noch befinden kann. Ich zeige ferner in meinem Artikel im „Livre jubilaire“, dass man auch an den übrigen Orten, wo man eine Kittsubstanz geglaubt hat annehmen zu müssen, ohne eine solche auskommen kann. — Was die Inter- zellularlücken ausfüllt und an die Stelle der Kittsubstanz zu treten hat, ist, wie gesagt, die mit der Lymphe in enger Be- ziehung stehende Gewebsflüssigkeit. Es kann auch nur zu Verwirrungen führen, wenn wir beim Knochen- und Knorpelgewebe von einer „Grundsubstanz“ oder von einer „Interzellularsubstanz“ sprechen, dagegen beim faserigen Bindegewebe von einer „interfibrillären Kittsubstanz“, wie das häufig genug geschieht. Was hier die Fibrillen zusammenhält, ist histologisch und genetisch dieselbe Grundsubstanz, wie beim Knochen oder Knorpel, nur nach der Konsistenz und nach ein- zelnen chemischen Eigenschaften verschieden. Ich komme am Schlusse dieser kleinen Darlegung noch einmal auf diese Dinge zurück. Was die Frage: „Epithel“ und „Endothel“ anlangt, so müssen wir uns daran erinnern, dass W. His sen., von wel- chem die- Bezeichnung „Endothel“ herrührt, darunter die zelligen Bekleidungen jener Oberflächen des Körpers verstanden wissen wollte, welche zu keiner Zeit mit der äusseren Oberfläche eben dieses Körpers in Verbindung stehen: Bekleidungen der serösen Häute, der Gefässlumina, Gelenkhöhlen, Schleimbeutelhöhlen, Sehnenscheidenhöhlen u.A. Ich schlage vor, die Hohlräume dieser Art „Binnenräume“, die sie begrenzenden Flächen „Binnen- flächen“ und den sie vorkommenden Falls bekleidenden Zell- belag „Endothel“ (im Sinne von His) zu benennen, während ich die äussere Oberfläche des Körpers und die in ihrer Konti- nuität fortlaufenden, das Darmrohr, Luftrohr, Harn- und Ge- schleehtsrohr begrenzenden Flächen „Aussenflächen“, die betreffenden Hohlräume „Aussenräume* und die sie be- kleidende Zellenlage „Epithel“ heisse. Zweifellos sind die Gelenkspalten, Schleimbeutel und Sehnen- scheiden niemals in Verbindung mit der Aussenwelt gewesen ; aber sie entbehren auch — und das ist sehr bezeicehnend — einer besonderen zelligen Auskleidung, die man als „Endothel“ be- 4 W. Waldeyer: nennen könnte. Die Entwickelungsgeschichte lehrt ferner, dass die Möglichkeit besteht, die thatsächlich vorhandenen zelligen Beläge der übrigen ebengenannten Hohlräume, einschliesslich der Augenkammern und der Iymphatischen Räume des Nervensystems, von ächtem Epithel abzuleiten, d. h. die betreffenden Hohlräume genetisch als „Aussenräume“ anzusehen. Freilich, weiter als bis zur „Möglichkeit“ können wir z. Z. auch noch nicht gehen. Würde sich erweisen lassen, dass diese Möglichkeit Wirklichkeit wäre, dann wäre es somit nicht nöthig, den Begriff „Endothel“ beizubehalten: es gäbe thatsächlich kein Endothel! Bezüglich der serösen Höhlen und Häute bin ich der An- sicht, obwohl ich die von Ziegler (2) jüngst vorgebrachten Gegen- sründe sehr wohl würdige, dass sie genetisch mit den Aussen- räumen, bezw. Aussenflächen im Zusammenhange stehen, ge- brauche also für ihren Belag einfach den Namen „Epithel“, während ich, bis auf bessere Belehrung, für die zelligen Aus- kleidungen der Blut- und Lymphräume sowie der Augenkammern noch die Bezeichnung ‚„Endothel‘‘ beibehalten möchte. Dies die Ergebnisse, zu denen ich in der erwähnten Mit- theilung gekommen bin. — Wenn auch Forscher ersten Ranges den histogenetischen Standpunkt verlassen haben und sich auf eine rein morphologische Basis stellen, so prophezeie ich es doch vorher, dass die Frage nicht eher ruhen wird, bis sie genetisch völlig geklärt ist. — Ich verweise auch auf den ausgezeichneten, eingehenden Vortrag von F. Marchand bei der 2. Tagung der patholog. Gesellschaft auf der Naturforscher-Versammlung in München 1859. — Siehe Verhandl. der Deutschen Pathologischen Gesellschaft Il. Berlin, G. keimer, 1960, 5.38, „Ueber die Be- ziehungen der pathologischen Anatomie zur Entwickelungsge- schichte, besonders der Keimblattlehre‘“. Ich benutze nun diesen Platz, um meiner ausführlicheren Darstellung in dem Livre jubilaire der Societe de Biologie noch Einiges aus der Litteratur sich Ergebende hinzuzufügen. Hammar (3) vertheidigt gegenüber den von einigen Seiten (Erlanger, W. Flemming, His) ausgesprochenen Bedenken, dass die von ihm beschriebenen Verbindungen der Blastomeren unter einander in der That protoplasmatisch und primär seien. Sie wer- den durch den ektoplasmatischen Grenzsaum bewirkt, der an den von Ham mar benutzten Echiniden-Eiern vorhanden ist. Uebrigens Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Endothel. 5 gibt Hammar auch das Vorkommen von sekundären Verbin- dungen zu. In wie weit nun die an den späteren Gewebszellen nachgewiesenen Interzellularbrücken mit diesen primären (oder sekundären) Blastomerenverbindungen in Zusammenhang gebracht werden können, ist schwer zu sagen. — Bezüglich der Annahme einer Kittsubstanz an den Nervenfasern sind noch die Ar- beiten von Koch (4) und Scehiefferdecker (5) zu er- wähnen, welehe eine solehe als Ausfüllungsmasse der Lanter- man’schen (nieht Lantermann'schen, wie häufig geschrieben wird) Einkerbungen zulassen wollen. Johannides (6) nimmt an der Stelle dieser Einkerbungen gleichfalls eine besondere Substanz an, die er nach längerer Härtung der Nervenfasern in einer Mischung von Kaliumbichromat und Kupfersulfat durch Hämatoxylin färben konnte, äussert sich aber nicht näher über die Art dieser Substanz, obwohl er am meisten zur Ansicht von Koeh und Sehiefferdeeker neigt. Uebrigens hebt er selbst die Verschiedenheiten hervor, welche zwischen dem Ver- halten der von ihm supponirten Substanz und dem der gewöhn- lieh als Kittsubstanzen bezeichneten Dinge bestehen. Ich will hier nur betonen, dass wir keineswegs genöthigt sind auf Grund der Befunde von Johannides eine Kittsubstanz in den Lanter- man’schen Einkerbungen anzunehmen; das kann ebenso gut eine protoplasmatische Masse sein; es können auch Niederschläge aus einer eiweisshaltigen Flüssigkeit sein, die sich färben. Gegen die Annahme, dass die Silberniederschläge zwischen den Endothel- zellen (Epithelzellen) der Blutlymphgefässe und serösen Häute die Existenz einer Kittsubstanz beweisen, hat sich auch schon vor einigen Jahren H. Rab] (7) ausgesprochen. Letzterer stellt sich auf die Seite Schweigger-Seidels, der meinte, dass es sich um Niederschläge in einer Iymphatischen Flüssigkeit handeln müsse, welcher Ansicht ich mich gleichfalls anschliesse. Was die Natur dieser Niederschläge anlangt, so begründet es H. Rab, dass es sich nm Silberverbindungen handeln müsse, nicht um metallisches Silber. Flemming hat auf die Verschiedenheiten dieser Flüssigkeit und der in den geschlossenen Lymphgefässen strömenden ächten Lymphe aufmerksam gemacht, worin ihm L. Merk (8) folgt und deshalb diese Flüssigkeit als „Saft“, „Suceus“, und speziell für die Epithelien (Epidermis) „Suceus epithelialis“ genannt wissen will (l.c. S. 19). Ich gehe in der 6 W. Waldeyer: Spezialisirung nicht so weit und gebrauche lieber den Namen „gGewebsflüssigkeit“, Für die glatte Muskulatur scheint nunmehr nach dem Erscheinen der ausführlichen Arbeit von Sehaffer (9) und den Bestätigungen seiner Ergebnisse durch v. Lenhossek (10), Volpino (11) wd Henneberg (12) von Interzellularbrücken Abstand genommen werden zu müssen. Das, was man für Inter- zellularbrücken gehalten hat, ist auf Durchschnitte eines Waben- werkes dünner Bindegewebslamellen zurückzuführen, welches die Muskelfasern zusammenhält. Einer Kittsubstanz wird damit natürlicher Weise nicht das Wort geredet; sie wird von den be- treffenden Autoren auch ausdrücklich zurückgewiesen; darauf aber kommt es hier an. Hansen (13) hat keine völlig sich gleichbleibende Namen- gebung für die verschiedenen Bestandtheile der Bindegewebsarten. Abgesehen von den Zellen unterscheidet er, wie allgemein angenommen, die homogen erscheinende „Grundsubstanz“ und die darin sichtbaren Fasern, eollagene und elas- tische. Die Grundsubstanz besteht aber wieder, wie er, über- einstimmend mit den neueren Ergebnissen von Tillmanns, v. Kölliker, v. Ebner u. A., nachweist, aus einer amorphen ZAwischensubstanz und eingelagerten, jedoch durch diese Zwischensubstanz (offenbar wegen der gleichen Liehtbreehung m.) unsichtbar gemachten (maskirten, Hansen) Fibrillen, die sich durch besondere Feinheit auszeichnen. Diese Zwischensub- stanz nennt Hansen nun auch wiederholt „Kittsubstanz“, wie s.Z. auch Tillmanns. Es findet sich für dieselbe aber auch der Name „Grundsubstanz“. So heisst es z. B. S. 424: „Ich habe überall constatiren können, dass die mehr weniger hyaline Knorpel- grundsubstanz aus sehr feinen Bindegewebsfibrillen („Collagen“), welche in einer basophilen Grundsubstanz eingelagert sind, besteht“. Ebenso wird S. 426 in der letzten Alinea der Name „Grundsubstanz“ für diese amorphe Zwischensubstanz gebraucht. Für eine Bezeichnung sollte man sich aber entscheiden. Ich schlage vor folgende Namen zu wählen, bezw. beizu- behalten: Die ganze hierhergehörige Gewebsgruppe heisse: Grundsubstanzgewebe von demjenigen ihrer Bestand- theile, welcher sie den anderen Grundgeweben des Körpers, dem Epithel-, Muskel- und Nervengewebe, gegenüber charakterisirt. Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Endothel. 7 Zu diesen Grundsubstanzgeweben gehören nun das Bindegewebe, das elastische Gewebe, das Schleimgewebe, das Knorpelgewebe, das Knochengewebe, das Zahnbeingewebe, das Pigmentbinde- gewebe, das Fettgewebe und das Iymphoide Gewebe. Sie alle führen in mehr oder minderer Masse und Ausbildung eine struktur- lose Grundsubstanz; darunter möge die basophile amorphe „Zwischensubstanz“, [„Kittsubstanz“ (Tillmanns, Hansen)] verstanden werden. Ferner führen sie meist Fibrillen von besonderer Feinheit und mehr starrem Verlaufe, die keine Bündel bilden und am frischen Präparate fast stets unsichtbar, d. h. in der Grundsubstanz maskirt sind, diese Fibrillen nenne ich „Grundfibrillen“. Da es nun erwünscht ist Grund- fibrillen und Grundsubstanz, welche an frischen oder auch an er- härteten Präparaten eine nicht weiter auflösbare Einheit bilden, mit einer besonderen Benennung zu versehen, so möge dieser Komplex, den Manche als „Grundsubstanz“ bezeichnen, mit dem alten Namen „Interzellularsubstanz“ belegt werden. Damit wird zugleich angezeigt, dass Zellen dieser Substanz eingelagert sind. Die „Zellen“, welehe nun den dritten Bestandtheil der Grundsubstanzgewebe darstellen, sollen in allgemeiner Bezeichnung den Namen „Grundsubstanzzellen“ führen. Sie unterscheiden sich in vielerlei Arten: die fixen und beweglichen Grund- substanzzellen, sowie die grosse Gruppe der „granu- lirten Zellen“. Die fixen Zellen umfassen die Bindegewebs- zellen, die Knorpelzellen, die Knochenzellen, die gewöhnlichen sternförmigen Pigmentzellen u. A., die beweglichen Zellen um- fassen die verschiedenen Formen der Lymphoeyten. Als vierten Bestandtheil hätten wir dann diejenigen „Fasern“ zu nennen, welche am frischen Präparate nicht maskirt sind, also ohne weiteres mikroskopisch siehtbar sind; dahin gehören die collagenen (Bindegewebs-)Fasern und die elastischen Fasern. Zweifellos müssen hier noch weitere Unterarten, wie sich bei mikro- chemischer Untersuchung herausstellen wird, z. B. die Retieulum- Fasern, die Milzfasern u. A. unterschieden werden. Alle diese „sichtbaren“ Fasern schlage ich vor als „Interzellular- fasern“ zu benennen, da sie in der Interzellularsubstanz liegen. Kurz zusammengefasst hätten wir also als Bestandtheile der Grundsubstanzgewebe: 1. Die Zellen=Grundsubstanz- fo) W. Waldeyer: Kittsubst. und Grundsubst., Epithel u. Endothel. \ zellen, 2. die Interzellularsubstanz, 3 diednter zellularfasern. Die Interzellularsubstanz bestände wiederum aus der Grundsubstanz und den Grundfibrillen. Literatur -Verzeichniss. Abgesehen von den im „Livre jubilaire“ angeführten Schriften vergleiche man: re 1) © 6. = > 13. 14. Browiez, T., Ueber das Verhalten der Kittsubstanz der Muskel- zellenbalken des Herzens in pathologischen Zuständen. Wiener klinische Wochenschrift 1889 und „Virchow’s Archiv“ 1893. Ziegler, H. E., Ueber den derzeitigen Stand der Coelomfrage. Verhandl. der Deutschen zool. Gesellsch. 1898. Hammar, J. A., Ist die Verbindung zwischen den Blastomeren wirklich protoplasmatisch und primär? Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entw.-Gesch. Bd. 55, S. 313. 1900. Koch, Ueber die Marksegmente der doppelcontourirten Nerven- fasern und deren Kittsubstanz. Dissert. inaugur. Erlangen 1879. Schiefferdecker, P., Beiträge zur Kenntniss des Baues der Nervenfasern. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30, S. 435. Johannides, J. E, Die Ringbänder der Nervenfaser. Archiv f. Anatomie und Physiologie, Physiol. Abth. Supplement. 1892 S. 41. Rabl, H., Ueber geschichtete Niederschläge bei Behandlung der Gewebe mit Argentum nitrieum. Sitzungsb. d. K. Akad. d. Wiss. in Wien. Math.-naturw. Klasse Bd. CII, Abth. III Juli 1893 Merk, L., Experimentelles zur Biologie der menschlichen Haut. I. Mittheilung. Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wiss. in Wien. Math.- naturw. Klasse Bd. CVIII, Abth. III. Juni 1899. Schaffer, Zur Kenntniss der glatten Muskelzellen, insbesondere ihrer Verbindung. Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 66, Heft 2. Juli 1899. S. 214. v. Lenhossek, M., Das Mikrocentrum der glatten Muskelzellen. Anat. Anzeiger Bd. 16, S. 334. Sept. 1899. Volpino, in: Atti della R. Accad. delle seienze di Torino. V. XXXIV, Disp. 5a. 189. Henneberg, B., Das Bindegewebe in der glatten Muskulatur und die sogenannten Intercellularbrücken. Anatom Hefte, herausg. von Fr. Merkel und Bonnet, Heft 44. Wiesbaden, Bergmann 1900. Hansen, Fr. ©. C., Ueber die Genese einiger Bindegewebsgrund- substanzen. Anatom. Anzeiger Bd. XVI, S. 417. 1899. Studnicka, F. K., Ueber die intercellularen Verbindungen, den sogenannten Cuticularsaum und den Flimmerbesatz der Zellen. Sitzgsber. d. K. Böhmischen Ges. d. Wissensch. Math.-phys. Kl. 1898. Biologie der Zelle. TE Die Reifung und Befruchtung des Eies. Von Dr. med. P. Poljakoff, Prosektor am anatomischen Institut zu St. Petersburg. oO Hierzu Tafel I, II und III. Bevor wir zur Analyse der Befruchtungserscheinungen über- gehen — die Untersuchungen sind hauptsächlich an Ascaris megalocephala angestellt — richten wir vorher unsere Aufmerk- samkeit auf die Geschlechtselemente, die Samenkörper und die Eizellen. Auf Grund meiner bisherigen Beobachtungen, die noch nicht abgeschlossen sind, kann ich jetzt schon erwähnen, dass der Samenkörperkopf hauptsächlich aus Kernkörperchensub- stanz besteht (Fig. 72, 73); das Mittelstück stellt das äussere Lininogenkörperchen vor; alles zusammen umhüllt eine geringere oder grössere Menge Lininsubstanz, aus der auch der Samenend- faden aufgebaut ist, der dem Lininogenkörperchen entstammt. Das Ei enthält alle Theile der Zelle: 1. Das Protoplasma, das in geringerer oder grösserer Menge Vorrath von Nährstoff ın Gestalt von Dotterkörnehen einschliesst, 2. den Kern (Keim- bläschen), 3. das Kernkörperchen — den Keimfleck. Viele Autoren erkennen den Keimfleck nicht als echtes Kernkörperchen an, vornehmlich aus dem Grunde, weil er in der ferneren Entwicke- lung in Chromatinelemente übergeht und dieses den neuen Theorien von der Befruchtung und Vererbung widerspricht. Die Befruchtung vollzieht sich in 2 Abschnitten: 1. der äusseren Befruchtung, d. h. der Verbindung von Samenkörper und Dotter, 2. der inneren, oder dem Verschmelzen des männ- lichen und weiblichen Kerns. Richten wir zuerst unsere Auf- merksamkeit auf die Bedingungen, die die Annäherung des Samenfadens zum Ei und deren Verbindung hervorrufen und auf 10 BrPoljakoff: den Umstand, dass nach stattgefundener Copulation ein Eindringen anderer Samenkörper ausgeschlossen ist. Was veranlasst den Samenkörper, das reife Ei, das ein und derselben Thierart angehört, aufzusuchen, sich ihm zu nähern und mit ihm sich zu vereinigen ? Meiner Meinung nach ist dm Chemotropismus hierbei die Hauptbedeutung zuzuschreiben. Alle Autoren stellen das Factum fest, dass das Ei bald nach seiner Vereinigung mit dem Samenkörper von einer Membran umgeben wird, der Dotter aber sich zusammenzieht, einen freien kaum zwischen seiner Oberfläche und der Membran hinterlässt und dadurch ein Eindringen ven weiteren Samenkörpern ins Ei verhindert. Die Bildung der Membran erklärt sich nach der bisherigen Meinung dadurch, dass der Dotter, der sie bildet, da- dureh auf die Erregung, die die Berührung mit dem Samenfaden hervorruft, reagirt. Meiner Meinung nach jedoch sind letzt- genannte Erscheinungen einem anderen Grunde zuzuschreiben. Der Samenkörper, der sofort nach seiner Berührung mit dem Dotter sich stark nährt, bekleidet selbst das Ei mit der Membran. Dieses geht folgendermassen vor sich: Der Samenfaden berührt das Ei und bohrt seinen Kopf mittelst der Bewegungen des Schwanzstückes in den Dotter hinein; der Schwanz büsst wäh- rend der weiteren Bewegung des Samenfadens im Dotter seine Bedeutung ein und wird durch eine andere Vorrichtung ersetzt. Samenkörper jedoch, die keinen Endfaden besitzen, legen sich bloss an die Eioberfläche an. In dieser Lage verbleibt der Samenkörper einige Zeit scheinbar ohne Veränderungen. In der That jedoch vollzieht sich folgendes: Der Samenfadenkopf, d.h. das eigentliche Zellkernkörperchen, scheidet noch während seiner Bildung, zwecks Verstärkung seiner Ernährung, im nachfolgenden Lebensstadium ausserhalb der Mutterzelle ein äusseres Lininogen- körperehen aus, das aus einer Theilung des inneren Kernkörper- chentheiles hervorgeht, während der andere als Hauptbestandtheil im Kernkörperchen verbleibt. Das äussere Lininogenkörperchen, das dem Mittelstück des Samenfadens entspricht, erzeugt eine grössere oder geringere Menge Linin, das den Kopf umhüllt und falls es vorkommt, den Endfaden bildet; in Fällen, wo der End- faden fehlt, stellt das Linin den Samenkörperleib vor, in dem ein Kernkörperchen und äusseres Lininogenkörperchen enthalten Biologie der Zelle. 11 ist. Ich wies bereits auf das Linin hin, als eine Substanz, der die Eigenschaft zukommt, die Nährstoffe aus dem umgebenden Medium auszusuchen und aufzusaugen. Das Linin, das den Samenkörper umsehliesst, hat dieselbe Bestimmung. Kommt der Samenkörper in Berührung mit dem Ei, so theilt sieh das äussere Lininogenkörperehen. Hierbei muss man bemerken, dass die Hauptrolle beim Bestimmen der Eilage und der Bewegungsrieh- tung des Samenfadens zum Ei derselben empfindenden und er- nährenden Lininsubstanz zufällt. Das Lininogenkörperchen theilt sich stets, wo eine Verstärkung der Kernkörperchenernährung nöthig ist; zu diesem Zweck vergrössert es seine aufsaugende Berührungsfläche mit dem Medium, dem es den Nährstoff ent- nimmt. Es könnte als unnütz erscheinen, die im gegebenen Fall schon so reichliche Ernährung durch den Dotter noch zu erhöhen. Hier sei erwähnt, dass ausser dem Dotter, der sozusagen die festen Nährstoffe bietet, ebenso unbedingt für die Ernährung auch gasförmige und flüssige Substanzen sind, die unmöglich in ge- nügender Quantität im Ei vorräthig sein können. Die Zustellung dieser Substanzen wird durch eine besondere Vorrichtung er- möglicht. Es gelang mir an vielen Präparaten von Ascaris me- galocephala, die die ersten Befruchtungsphasen darstellten, die allmählichen Veränderungen der Samenfäden nach deren Verbin- dung mit dem Ei festzustellen. Sie bestanden in Folgendem: Kommt der Samenkörper in Berührung mit dem Ei, so vertheilt sich ein Theil von ihm (Fig. 77) schnell an der Eioberfläche, bedeckt dabei das Kernkörperehen und drückt dasselbe mit dem äusseren Lininogenkörperchen an diese Oberfläche an. Die ober- flächliche, offenbar elastische Dotterschicht erhält unter dem Drucke des kugeligen Samenfadenkopfes eine trichterförmige Vertiefung mit einer Oeffnung im centralen Theil, durch die der Kopf bereits durchgegangen ist, während der Endfaden dagegen noch in der engen Trichteröffnung eingeklemmt ist. Die ganze triehterförmige Vertiefung ist weit über den Rand hinaus mit der Lininsubstanz des Samenfadenleibes ausgelegt, wodurch ein halbkugeliger Fort- satz an der Eioberfläche entsteht. Dieses Bild könnte leicht dazu führen, von einer partieulären Ausscheidung von Dotterbestand- theilen zu sprechen, statt vom eingedrungenen Samenkörper, wenn es nicht so deutlich zu sehen wäre, dass die oberflächliche Dotter- schicht, die kraterförmig eingebogen ist, eng anschliessend den 12 BuBoljakotf: Schwanztheil des Samenfadens umgiebt. Die obere elastische Dotterschicht umschliesst offenbar die unter dem Drucke des Samenfadens entstandene Oeffnung beim Durchgang des letzteren, passt sich seiner Gestalt an und macht dadurch das Durch- dringen der Dottersubstanzen nach aussen unmöglich. Indem ich an verschiedenen Präparaten das Schicksal des ausserhalb verbleibenden Samenkörpertheiles verfolgte, kam ich zu dem Schluss, dass dieser allmählich sich verflacht, an der Eioberfläche zerriunt and das erste Material zur Bildung der äusseren Eihülle giebt. wachdem der erweiterte Theil des Samenkörpers mit dem Kernkörperchen in den Dotteraum gedrungen ist, sein Endfaden aber noch eingeklemmt ist, unterliegt er einer Umwandlung. Seine früher fast homogene, auf keine Farbstoffe reagirende Leibsubstanz zerfällt jetzt deutlich in 2 Theile; die äussere Schicht bleibt wie früher unfärbbar, d. h. die, welche bei der Copulation den Deckel für den eindringenden Samenkörper-bildet und später die Eihülle formirt; die innere Schieht jedoch, die das Kernkörperchen und äussere Lininogenkörperehen umschliesst, nimmt jetzt in Pierocarmin eine Rosafärbung an. Diese Reaction unterscheidet streng die Samenkörper, die sich mit dem Ei ver- bunden haben, von solchen, die dies nicht gethan haben und blos dem Ei anliegen. Die ferneren Veränderungen des Samenkörpers bestehen vor allem in einer Theilung des äusseren Lininogenkörperchens. Soweit ich aus den Beobachtungen schliessen darf, vollzieht sich diese Theilung auf mitotischem Wege. Mir gelang es sehr oft, Phasen des Muttersterns, der Metakinese, Tochtersterne zu be- obachten; die achromatische Spindel trat dabei deutlich hervor. Der Kopf des Samenkörpers wies im Stadium des Muttersterns, der Metakinese, im optischen Schnitt eine halbmondförmige Ge- stalt auf und war schwach gefärbt, stärker dagegen in den Phasen des Tochtersterns und der Bildung der Lininogen-Tochter- körperchen. Die gefärbten Elemente des sich theilenden Lininogen- körperehens, die den Chromosomen entsprechen, erschienen im Stadium des Muttersterns (bei Ascaris megalocephala bivalens) als 4 kugelige Körnchen (Fig. 75), die später in der Richtung der Spindelfäden zu Stäbchen sich ausreckten, in der Mitte durehbrachen (Fig. 76), dabei untereinander dureh Lininspindel- fäden verbunden blieben und schliesslich zu den Spindelenden Biologie der Zelle. 13 auseinanderrückten, d. h. den Kopf- und Schwanztheil des Samen- körperleibes einnahmen. Ich verwendete besondere Aufmerksamkeit au? die Theilungs- art der Lininogenkörperehen im Samenkörper von Ascaris megalo- cephala, weil sie uns Aufschluss giebt über die Theilung der Lininogenkörperchen im Allgemeinen, sei es, dass sie sich im Kerne, als Bestandtheil desselben, oder ausserhalb des Kerns be- finden. Diese Theilungsart wirft ein klares Licht auf den Theilungsprocess des Micronucleus verschiedener Infusorienarten, wie ihn Balbiani, Bütschli, Maupas, R. Hertwig und viele andere Gelehrte beschrieben haben. Der Micronucleus der Infusorien bildet, wie bekannt, einen Theil ihres Kernsystems und entspricht seiner Function, Gestalt und Theilungs- art nach dem Kernkörperchen von Zellen höherer Thiere. Balbiani z.B. sah an Paramaecium aurelia, dass der s.ch theilende Mieronucleus an Grösse zunimmt, sich in die Länge zieht und längsgestreift erscheint; dieses letztere hängt von der Bildung eines Lininfadenbüschelchens in der Richtung der langen Micronucleusaxe ab. Die färbbaren Körn- chen, die früher in ihm systemlos verbreitet waren, gruppiren sich nun als äquatoriale Platte in eine Ebene, die die Mitte des Fadenbüschel- chens schneidet, das nun Spindelgestalt annimmt; eine solche Gestalt erhält um diese Zeit auch der ganze Micronucleus. Die Aequatorial- platte rückt später auseinander, und ihre Hälften streben den entspre- chenden Spindelpolen zu. Der Micronucleus verlängert sich jetzt noch mehr und nimmt Hantelngestalt an. Die die ganze Micronucleus- länge durchziehenden Lininfäden reissen in ihrem mittleren Theile durch, wo eine Einschnürung entsteht, die den Mieronucleus in 2 birn- förmige Abschnitte halbirt; im erweiterten Theil dieses letzteren befinden sich die färbbaren Körnchen, im anderen Lininfäden. Nach diesem gewinnt der Tochtermieronucleus mütterliche Gestalt, wird kugelig, und die färbbaren Körnchen vertheilen sich im ganzen Körper. Eine Membran umschliesst ihn während des ganzen Theilungsprocesses, im Protoplasma aber sind nirgends Attractionssphären oder Sternfiguren zu erblicken. Schwer dürfte es fallen, den Vorgang der Micronucleus- theilung zu verstehen, wenn nicht die Theilung des äusseren Lininogenkörperchens im Samenkörper bekannt wäre. Weder Centrosomen, noch Attractionssphären mit ihren Sternfiguren weist die Theilung des Mieronucleus sowohl innerhalb der Membran, als auch ausserhalb im Protoplasma auf; es fehlt somit ein An- ziehungs- oder Abstossungscentrum, ein centrirter oder decentrirter Fokus. Den Theilungsmechanismus des Mieronueleus klären die 14 P. Poljakoff: existirenden Theorien keineswegs auf, das Theilungsbild jedoch zeugt hier von einem karyokinetischen, vom typischen bloss ab- weichenden Vorgang. Auf Grund meiner Beobachtungen, und meiner Zelltheilungstheorie entsprechend, erkläre ich mir den Theilungsmechanismus des Miceronucleus auf folgende Weise: Berücksichtigt man, dass der Micronucleus dem Kernkörperchen entspricht, das in ihm befindliche färbbare Körnchen aber dem Centralkörperchen der inneren Lininogenkernkörperchensubstanz oder des inneren Lininogenkörperchens, so versteht man, dass diese Theilung der gewöhnlichen Kernkörperchentheilung ent- spricht. Deshalb fehlen der Micronueleustheilung die Centrosomen und Sternfiguren, obgleich eine Spindel auftritt. Das färbbare Centralkörperchen des Micronucleus theilt sich in eine bestimmte Zahl Tochterkörperchen, die später, eine bessere Ernährung bezweckend, sich in einer Ebene gruppiren. Als unumgängliche Folge der Centralkörperchentheilung erscheint die entsprechende Neubildung von Lininogensubstanz, die jedes Körperchen um- giebt, weshalb auch der Miceronucleus so bedeutend anwächst. Die Membran des Micronucleus schwindet niemals während der Theilung, weil sie weniger eigentliche Membran ist, als die Chromatinogensubstanz des Kernkörperchens, die sich passiv zu allen Verwandlungen der unter ihr liegenden inneren Li- ninogensubstanz und des Centralkörperchens verhält. Während die alte Lininogensubstanz des Mieronucleus zur Zustellung des Nährstoffes der ganzen Centralkörperchennachkommenschaft dient, sorgt die um jedes Körperchen neuentstandene Lininogensubstanz nur für ihr Körperchen. Zu diesem Zweck wird, verständlicher Weise, jede neuentstandene Lininogensubstanz von jedem Oentral- körperehen aus sich nur in 2 Richtungen ausdehnen, um die Nährsubstanzen in möglichst günstigem Grade aus dem umgeben- den Medium aufnehmen zu können und zugleich nieht ähnlichen lininogenen Fortsätzen der benachbarten Centralkörperchen zu begegnen. Die Fäden der neugebildeten Lininogensubstanz, die jeder in sich ein Oentralkörperchen fassen, recken sich in die Länge und dehnen dadurch allmählich die äussere Chromatinogen- substanz aus, wodurch der ganze Micronucleus in einem seiner Diameter ausgereckt wird, seine kugelige Gestalt allmählich in eine ellipsoidische sich umändert und schliesslich Hantelgestalt annimmt. Alle diese Verwandlungen des sich theilenden Micro- Biologie der Zelle. 15 nueleus werden verständlich, wenn man sich auf meinen Stand- punkt stellt. Die Centralkörperchen,. die früher in Unordnung im Mieronucleus lagen, beginnen sich in eine aequatoriale Ebene zu sammeln. Dieses geht folgendermassen vor sich: Sobald der Fortsatz der Lininogensubstanz an irgend einer Seite die Fläche der Chromatinogensubstanz berührt, heftet er sich an diese an und unterlässt sein Weiterwachsen in dieser Richtung; an der entzegengesetzten Seite setzt er sein Anwachsen fort, bis er auch dort die Chromatinsubstanzfläche erreicht. Dann setzt sich das Centralkörperechen in der Mitte seines Lininfadens fest, um da- durch die Möglichkeit zu gewinnen, zu jeder Zeit in einem be- stimmten Grade den Nährstoff aus beiden Hälften zu erhalten. Auf diese Weise lagern sich allmählich alle Körperchen in einer Ebene, die die Mitte des Mieronucleus schneidet. Haben sich alle Centralkörperchen in einer Ebene angeordnet, so beginnt die gleichmässige Ausarbeitung der Lininogensubstanz, die sich als Verdiekung zur grösseren Nährstoffaufsaugung an beiden Fäden- enden ablagert. Hierdurch wird erstens die alte Lininogensub- stanz aus den Endtheilen des Micronucleus in die mittleren ge- trieben, wo die Centralkörper liegen und wo sie noch zur Er- nährung dieser letzteren unbedingt nöthig ist. Zweitens breiten sich diese Endtheile allmählich immer mehr und mehr aus, wäh- rend die mittleren durch allmähliche Zerlegung der alten Sub- stanz und Entfernung der neuentstandenen in die Endtheile zu- sammenschrumpfen. Wenn sich die Centralkörperchen in einer Ebene angeordnet haben, unterliegen sie noch einmal einer Längs- theilung und jedes der Tochterkörperchen rückt an’s entsprechende Mieronucleusende ab, von seinem Abschnitt des sich zusammen- ziehenden Lininfadens angezogen. Zwischen den auseinander- rückenden Körperchen bilden sich von neuem Verbindungsfäden derselben Substanz, welche erst mit der Einselnürung des ganzen Mieronucleusleibes reissen. Auf diese Weise stellt es sich heraus, dass jeder Tochtermieronueleus nach Abschluss der Einschnürung in sich erneuerte Lininsubstanz und in vergrösserter Menge Cen- tralkörperehensubstanz fasst, welche wahrscheinlich theilweise zur Bildung des Central-Tochterkörperchens, theilweise zur Er- neuerung der Chromatinogenkernkörperchensubstanz verwandt wird. Anfangs trägt der Tochtermieronucleus ein gestreiftes Ge- präge, so lange noch die alte Lininogensubstanz des Muttermiero- 16 P. Ploljakoff: nucleus nicht aufgebraucht ist und als Zwischensubstanz zwischen den Fäden aus neuer Lininogensubstanz mit anderer Licht- brechung liegt; mit vollkommener Aufbrauchung der alten Sub- stanz fliessen die einzelnen Fäden zusammen und nehmen so dem Mieronucleus sein gestreiftes Aeussere. Wir sehen nun, dass uns die Kenntniss der Theilungsart des Mieronucleus bei Infusorien über die Theilungsart der Lini- nogenkörperchen des Samenkörpers aufklärt; sie ergänzen und erklären einander. Während der Theilung des äusseren Lini- nogenkörperchens bleibt das Kernkörperchen des Samenkörpers ohne Veränderung. Betrachtet man die stete Vertheilung der färbbaren Sub- stanzen des Kerns und Kernkörperchens an der Oberfläche dieser zusammengesetzten morphologischen Gebilde, deren beständiges Streben zur Oberfläche hin, falls sie aus irgend welchen Gründen von ihr entfernt werden, so wird unwillkürlich die Vermuthung wachgerufen, dass genannte Substanzen eine grosse Rolle als Aufnehmer von Nährstoffen aus dem umgebenden Medium, nament- lich von gasförmigen, und als Bearbeiter dieser Substanzen zur Erzeugung von Lebensenergie in der Zelle durch Vermittelung von Kern und Kernkörperchen spielen, das Linin aber und die Lininogensubstanz diese Nährstoffe aufnehmen, in sich ansammeln und sie weiterleiten. Die färbbaren Substanzen haben an und für sich keine Bedeutung für die Zelle; ihr physiologischer Ein- fluss ist ein passiver. Die lebende, wirksame, färbbare Substanz ist stets organisch mit dem nichtfärbbaren Linin und der Lini- nogensubstanz verbunden und in dieser Verbindung ruht ihre Kraft und Bedeutung. Die färbbaren Substanzen, die sich in einem der Zellgebilde ohne organische Verbindung mit dem Linin und der Lininogensubstanz befinden, haben weiter keine physio- logische Bedeutung und erscheinen bloss als Fremdkörper. Indem sie sich in der Zelle zerlegen, können sie vielleicht noch werth- volle Nährstoffe geben, jedoch nicht als Stoffaufnehmer und Um- arbeiter dienen. Dort, wo die färbbare Substanz sich fern von der Kern- oder Kernkörperchenoberfläche befindet, wie z. B. das 'entralkörperchen des Kernkörperchens oder Lininogenkörper- chens, ist sie stets mit der Oberfläche dieser Zellgebilde durch Linin oder Lininogensubstanz verbunden, dureh die in ihm, als Resultat der Lebensthätigkeit, der Stoffwechsel vor sich geht. Biologie der Zelle. 17 Fehlt jedoch eine organische Verbindung mit der Kern- oder Kernkörperchenoberfläche, so ist es bestrebt dieselbe herzustellen. Im gegebenen Falle hat das Centralkörperchen durch Theilung in eine ganze Körperchengeneration die frühere organische Ver- bindung mit der Kernkörperchenoberfläche aufgehoben ; deshalb strebt jedes Tochterkörperchen danach, diese Verbindung wieder herzustellen. Zu diesem Zweck scheiden die Tochterkörperchen nach entgegengesetzten Seiten aus der sie umgebenden Lininogen- substanz Fortsätze aus, die die Oberfläche der Chromatinogen- Kernkörperchensubstanz erreichen, und verbinden sich dadurch mit dem Kernkörperchen organisch, wie ich meine, wesentlich zu Ernährungszwecken. Eines der Lininogen-Tochterkörperchen (Fig. 77), das sich nach der Theilung im Schwanzende des Samenkörpers befindet, bleibt ausserhalb des Kerns in der neuentstandenen Eimembran, deren Wachsthum und Ernährung es fördert; das andere Körperchen aber, das ein Lininfadenbüschelehen der ehemaligen Spindel mit dem ersteren verbindet, rückt mit dem Kernkörperehen des Samen- körpers zum Eicentrum hin. Die Vorrichtung, die diese Be- wegung ermöglicht, ist dieselbe, wie wir sie bei der Zelltheilung gesehen haben. Das Lininogenkörperchen schickt ins Protoplasma in der Richtung der beabsichtigten Bewegung äusserst feine Fortsätze seiner Lininogensubstanz aus, haftet mit diesen an dem netzartigen Protoplasmafaserngerüst und bewegt sich durch Con- traetion dieser Fäden. Zugleich scheidet das Lininogenkörperchen in die Umgebung eine Menge feinster saftaufnehmender Fäden aus, die ihm die Nährstoffe zuführen. Die Ernährung des Samen- kernkörperchens geht somit auf doppelte Weise vor sich: einer-. seits durch das Lininogenkörperchen, welches mit dem Kern- körperehen in den Eidotter hineindringt, andererseits durch das Lininogenkörperchen, welches die Eikernmembran formirt. Betrachten wir nun jene Erscheinungen, die im Ei als Folge der Bildung der äusseren Lininmembran vor sich gehen. Vor allem verhindert dieselbe ein weiteres Ausscheiden jener speci- fischen Eisubstanzen, die die Samenfäden anzogen. Auf diese Weise erklärt sich das Faetum vom gleichgültigen Verhalten der Samenfäden zum Ei nach stattgefundener Befruchtung; nicht aber dadurch, dass der Dotter, erregt dureh die Berührung mit einem Samenkörper, an seiner Oberfläche eine Membran aus- Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 2 18 P. Poljakoff: schiede und durch spätere Zusammenziehung eine flüssige Masse produeire, wodurch ein Raum zwischen Membran und Dotter ent- stände, durch den die Samenfäden nicht zum Dotter gelangen könnten. Zweitens erscheint als Folge der Lininmembranbildung ein Raum zwischen der Membran und Dotteroberfläche (Fig. 75). Vorher wurden die Produete des Stofiwechsels des Eies unge- hindert in das umgebende Medium ausgeschieden, mit dem Auf- treten der Membran jedoch, die dem Dotter fremd ist (s. meine obige Darstellung) — was besonders wichtig ist — häufen sich diese Producte zwischen Membran und Dotter an. Drittens ruft das Auftreten der Lininmembran eine Stoekung im Ausscheiden der Abfälle des Stoffwechsels im Ei hervor. Ausserdem macht sich dem Eikernkörperchen ein Mangel an Ernährung fühlbar. Dieser Umstand erscheint auf den ersten Blick merkwürdig, da, wie man geneigt ist anzunehmen, das Ei im Uebertluss mit Nährstoffen versorgt ist. De facto verfügt das Ei im Ueberfluss über Nährstoffe, jedoch bloss über feste Substanzen, während die flüssigen und gasförmigen, die für das Ei ebenso unumgänglich sind, aus den umgebenden Medien be- zogen werden müssen. Mit der Bildung der Lininmembran jedoch, die fürs erste zur Ernährung des eingedrungenen Samenkörpers dient, hört der freie Zutritt der gasförmigen und flüssigen Sub- stanzen zum Ei auf. Da sich die Lininmembran allmählich bildet, und dabei an der Berührungsoberfläche des Eies mit dem Samenkörper be- ginnt und somit auch hier der Zutritt der gasförmigen und flüssigen Nährsubstanzen gehemmt wird, strebt erklärlicherweise das Eikerukörperchen zur entgegengesetzten Eioberfläche hin. Dort fehlt noch die Membran und die Nährsubstanzen haben zum Eiinnern noch freien Zutritt. Bedeckt jedoch die vom Samen- körper erzeugte Eimembran erst das ganze Ei, so wendet sich das Eikernkörperchen unterm Einfluss mangelhafter Nährsubstanzen der Seite zu, von wo es früher dieselben in grossem Massstabe erhielt, d. h. zur nächsten Dotteroberfläche. Gereizt von den sich ansammelnden Abfällen des Stoffwechsels, beginnt nun das Kernkörperehen sich zu theilen, da es nur auf diese Weise auf die Reizung reagiren kann. Beobachtungen zeigen, dass das Ausscheiden der Polkörperchen fast immer in dem Theil der Ei- Biologie der Zelle. 19 oberfläche stattfindet, der der Berührungsstelle von Ei und Samen- körper entgegengesetzt ist. In dieser Reihenfolge jedoch gehen diese Erscheinungen nur in den Eiern vor sich, in denen die Ausscheidung der Polzellen nach ihrer Verbindung mit dem Samenkörper stattfindet (z. B. bei Ascaris megalocephala). Jene von den Autoren als unbestimmt aufgestellte Kraft, die das Keimbläschen verschwinden, den Keimfleck aber und sein Derivat sich bewegen und theilen lässt, erscheint auf diese Weise als ein vollkommen bestimmter Factor, der dieselben Erschei- nungen in der Zelle unter allen übrigen Bedingungen hervorruft. Wir schliessen unsere Analyse der Befruchtungserscheinungen mit der Frage, wie diese in den Eiern vor sich gehen, die ihre Polzellen erst nach der Verbindung mit dem Samenkörper aus- scheiden (Ascaris megalocephala bivalens). Der Samenkörper bewegt sich weiter ins Innere des Eies hinein, von seinem äusseren Lininogenkörperchen dorthin gezogen. (Fig. 77). Diese Bewegung ist auf dieselben Gründe zurückzu- führen, die den Samenkörper zum Ei hinlockten. Die Umstände haben sich jetzt in dieser Hinsicht für das Samenkernkörperchen, dem ehemaligen Kopfe des Samenkörpers, keineswegs geändert: die Substanzen, die vom Eikern ausgehen, locken es wie früher an. Allerdings existirt jetzt bereits kein Keimbläschen mehr als solches, seine Membran hat sich aufgelöst, sein Kermkörperchen aber ist zur Peripherie abgerückt, um sich dort bessere Be- dingungen für seine Ernährung zu suchen. Das Eikernkörperchen, d. h. der Keimfleck, erregt durch die angehäuften Abfälle des Stoffwechsels — eine Folge seiner eigenen Lebensthätigkeit, — reagirt auf diesen Reiz mit Theilung. Die Theilung des Eikernkörperchens nimmt denselben Ver- lauf, wie wir ihn überhaupt an jeder sich theilenden Zelle wahr- nehmen. Zuerst theilt sich das Centralkörperchen mit seiner Lininöogensubstanz, zwei Lininogenkörperchen bildend, von denen das eine nach aussen aus der Chromatinogensubstanz des Kern- körperchens heraustritt, das andere aber drinnen als Grundbe- standtheil des Kernkörperchens verbleibt. Beide Lininogen- körperchen jedoch bleiben während der ganzen Entwickelung untereinander durch ein Büschelehen Lininfäden,- das bei der Theilung als Spindel dient, verbunden. Das äussere Lininogen- körperchen umgiebt sich bald nach seinem Austritt aus dem 20 P. Poljakoff: Kernkörperehen mit äusserst feinen saftaufnehmenden lininen Be- wegungsfäden, die zusammen die bekannte Sternfigur bilden. Unter der Leitung seines Linuinogenkörperchens, welches nicht nur als äusseres Bewegungs-, Ernährungs-, sondern auch als Empfindungs- organ dient, wendet sich das sich theilende Kernkörperehen der Dotteroberfläche zu, als dem günstigsten Ort zur Erlangung der flüssigen und gasförmigen Nährsubstanzen. Indem sich das Ei- kernkörperchen zur Theilung und Fortbewegung vorbereitet, ent- lastet es sich von allen ihm nun unnützen Substanzen, d. h. den Keimbläschentheilen. Die Keimbläschen-Membran zerfällt, das Chromatin und Linin löst sich auf. Alle diese nnd noch andere Substanzen, das Kernkörperchen ausgenommen, die vorher das Keimbläschen bildeten, üben wie früher eine anziehende Wirkung. Dieses veranlasst das Samenkernkörperchen zum ehemaligen Orte des Kerns, als dem für die Ernährung günstigsten, hinzurücken (Fig. 78). Das Samenkernkörperehen erreicht somit den ehemaligen Ort des Eikerns und hält sich dort eine Zeit lang auf. Der Zellsaft, die Auflösungsproducte der Kernmembran, des Linins, Chromatins, die dort verblieben, bieten offenbar dem Samenkern- körperchen die beste Ernährung und dieses beginnt den Kern um sich zu organisiren. Die Kernbildung ist eine Folge der verstärkten Ernährung des Kernkörperchens und dessen Bestrebens, von dem umgebenden Dotter und dessen unmittelbarem Einfluss sich zu separiren. Die bläschenförmige Kernkörperchen-Membran wird nicht vom Kernkörperchen, sondern vom äusseren Lininogen- körperchen gebildet, das seine Masse für dieselbe liefert. Es entsteht dadurch folgendes Verhältniss zwischen Lininogenkörper- chen, Kernkörperchen und Membran: nimmt man einen optischen Schnitt in einer Ebene, die diese 3 Gebilde schneidet (Fig. 79), so tritt vor unsere Augen das Bild eines Schnittes durch einen Siegelring u. z. in einer Ebene, die parallel der Peripherie liegt; der Ringbogen wird dabei dem Schnitt durch die Membran, die Steineinfassung dem Lininogenkörperchen, der Stein, der in der Einfassung ruht, dem Kernkörperchen entsprechen. Vergessen wir nicht, dass der auf diese Weise entstandene Samenkern durch das Lininogenkörperchen seiner Membran mittelst Lininfäden mit dem gleichen Körperchen der Eimembran ver- bunden “ist (Fig. 80). Auf Grund des oben erwähnten ist es Biologie der Zelle. 21 klar, dass die Bildung der Ei- und Samenkernmembran Lininogen- körperehen verursachen,. die aus der Theilung ein und desselben äusseren Lininogenkörperehens des Kernkörperehens, d. h. dem Mittelstück oder Hals des Samenfadens entstanden sind. Wir sehen zuletzt das Eikernkörperchen in dem Zustande, wie es unterm Druck ungenügender Ermährung und der Anhäu- fung von Stoffwechselabwürfen sich zur Theilung vorbereitete, sich von der Membran und überhaupt allen Substanzen, die sie zusammensetzten, befreite, das Lininogenkörperchen ausschied und sieh zur Dotteroberfläche hin bewegte, um dort bessere Bedin- sungen für seine Existenz zu suchen. Auf seinem Wege theilt es sich. Anfangs theilt sich das Kernkörperchen mit bestimmten Wiederholungen, eine feste Anzahl Tochterkernkörperchen gebend, 7. B. bei Ascaris megalocephala bivalens in 4 Theile. Jedes dieser Kernkörperchen verbinden, wie früher ihr gemeinsames Mutterkernkörperehen, Lininfäden mit dem äusseren Lininogen- körperehen (Fig. 81). Später theilt sich das äussere Lininogen- körperchen und giebt 2 Endkörperchen. Diese gehen nach ent- gegengesetzten Seiten auseinander und haben zwischen sich ein Büschelehen neuentstandener Lininfäden ausgespannt; gleichzeitig sind sie mit jedem Kernkörperchen durch ebensolche Fäden ver- bunden, die aus einer Spaltung derjenigen Fäden hervorgegangen sind, welche vorher die Kernkörperehen mit dem äusseren Li- ninogenkörperchen verbanden. Durch ihr Auseinanderweichen nach entgegengesetzten Seiten veranlassen sie die Lininogenend- körperehen, sich in einer Ebene zu gruppiren, die gleich weit von ihnen beiden entfernt ist und perpendieulär zu dem zwischen ihnen gespannten Büschelehen steht. Die Bewegung zur Dotter- oberfläche hin (Fig. 80) nimmt unterdessen ihren Fortgang, wobei jenes Lininogenendkörperehen die Richtung angiebt, das sich zufällig näher zur Dotteroberfläche befindet. Ich hatte bereits Gelegenheit zu sagen, dass ich das achromatische System, das bei der Zelltheilung aus dem Kern- körperehen hervorgeht, als ein Ganzes ansehe, in dem das Cen- trum der Ernährung oder Stoffverwendung und ebenso der Em- pfindung die Lininogenkörperchen sind, unabhängig davon, ob diese sich ausserhalb oder innerhalb der Kernkörperchen befin- den. Diese Centren empfangen mittelst radial aus ihrer Masse nach allen Seiten ausgeschiedener, feinster Fortsätze Nährsub- 22 P. Poljakoff: stanzen und Reizempfindungen aus dem umgebenden Medium und übertragen gleiehmässig das Empfangene mit Hilfe ihrer saft- leitenden Linin-Verbindungsfäden in alle Theile des Systems. Man muss annehmen, dass die Reizempfindungen mit den Nähr- stoffen weitergegeben werden, und dass Uebertragungen auf alle Lininogenkörperchen des ganzen Systems stattfinden. Befindet sich ein Lininogenkörperchen unter günstigeren Bedingungen, so entsendet dieses den Ueberrest seiner Ernährung den anderen Lininogenkörperchen des Systems zu und das ganze System nährt sich dann vornehmlich durch dieses Körperchen. Aus diesem Grunde kann während der Fortbewegung des Systems des sich theilenden Kernkörperchens keine Uneimigkeit in der Wahl der Richtung eintreten, da jedes Körperchen in gleicher Weise empfin- den muss, wo die Ernährung für das ganze System sich am günstigsten gestalten wird, und desshalb wirken alle in einer Richtung. Das System des sich theilenden Eikernkörperchens gelangt somit in gerader Richtung zur Dotteroberfläche, von dem zu dieser am nächsten gelegenen Lininogenendkörperehen gerichtet; infolgedessen nimmt auch die Axe seiner Figur perpendieuläre Stellung zur Eioberfläche ein. Nachdem das leitende Lininogen- endkörperehen die Dotteroberfläche erreicht hat, verändert es sich, wenn auch nieht immer, je nach Umständen. Das bis da- hin kugelige Körperchen nimmt jetzt die Gestalt eines abge- platteten Knopfes an oder die einer runden Platte, die dieht der Dotteroberfläche anliegt (Fig. 32 u. 83), um dadurch die Mög- lichkeit zu gewinnen, in grossem Masse unmittelbar die Nähr- säfte mit den nöthigen gasförmigen Substanzen aufzunehmen. In anderen Fällen (Fig. 92) theilt es sich im 2 oder mehrere Endkörperehen. Dementsprechend verändert sich auch — aller- dings ist das nicht immer der Fall — symmetrisch das andere Lininogenendkörperehen (Fig. 94). Hierauf folgt nach der uns bereits bekannten Art eine Längstheilung der äquatorialen Kör- perchen in Lininogenkörperchen, die in der Aequatorialplatte ver- bleiben, und in Chromatinogenkörperchen, die zu den entsprechen- den Lininogenendkörperehen auseinander gehen (Fig. 82). Die äquatorialen Lininogenkörperchen haben um diese Zeit bereits die netzartige Linintrennungsplatte gebildet, deren Fäden in der Ebene ihrer Ausbreitung bis zur Dotteroberfläche reichen (Fig. 83tp). Biologie der Zelle. 23 Später zieht sich diese Platte in centripetaler Richtung zusam- men und trennt das abgefasste Dottersegment zu einem selbst- ständigen Gebilde ab (Fig. 84), zusammen mit dem in ihm ent- haltenen die Richtung angebenden Lininsgenendkörperchen und 4 Chromatinogenkörperehen. Je mehr sich die äquatoriale, netz- artige Trennungsplatte zusammenzieht, um so mehr ragt allmäh- lich der abgekniffene Dottersector mit der in ihm eingeschlossenen Hälfte des sich theilenden Kernkörperchensystems über die Dotter- oberfläche hinaus und wird auf dieser von einer immer tiefer werdenden Ringfurche abgegrenzt. Diese Furche nimmt all- mählich concentrisch ab, vertieft sich dabei immer mehr, bis sie schliesslich vollkommen den erfassten Dottertheil von der übrigen Eimasse abtrennt. Jetzt zieht sich die äquatoriale Trennungs- platte dermassen zusammen, dass alle 4 Lininogenkörperchen zu einem Lininogenzwischenkörperchen zusammenfliessen (Fig. 84, 85), dasnoch die beiden abgetrennten Hälften des Kernkörperchensystems zusammenhält. Schliesslich theilt sich das Zwischenkörperchen in 2 Tochterkörperchen, wobei jedes in seinen entsprechenden Theil des getheilten Systems abrückt. Nachdem verbleibt zwischen diesen nur noch ein Büschelehen Linin-Verbindungsfäden. Auf diese Weise theilt sich die sogenannte erste Polzelle ab. (Fig. 86— 89.) Jedoch nicht immer geht dieses so vor sich. Es existiren einige Abweichungen vom Normaltypus. Hier seien einige von ihnen angeführt. Das die Richtung angebende Lininogenend- körperchen theilt sich, nachdem es die Dotteroberfläche erreicht hat, oder noch etwas früher in 2, bisweilen 3, oder sogar 4 Körperchen (Fig. 92), welche zum Zweck grösserer und besserer Aufsaugung von Nährstoffen von einander abrücken. Dement- sprechend theilt sich auch die Spindel in ihrem oberen Theile in 2, 3, 4 Büschelehen und stellt das vor, was v. Beneden als y-förmige Figur beschrieb. Diese Figur, und das muss un- vermeidlich geschehen, verwandelt sich später in eine V-förmige, sobald die Kernkörperchen. in der Aequatorialgegend auseinander- rücken (Fig. 95). Nachher kann noch dieselbe Figur H-förmige Gestalt annehmen (Fig. 94), wenn nämlich sich das dem die Richtung angebenden Lininogenendkörperchen entgegengesetzte Körperchen in 2 Theile theilt. Während der Metaphase, solange die Längstheilung der 24 P. Poljakoff: Kernkörperchen stattfindet, formiren die äquatorialen Lininogen- körperchen die äquatoriale, netzartige Trennungsplatte und nähern sich selbst zwecks besserer Ernährung der Oberfläche des Dotters, die sie bisweilen sogar erreichen (Figur 95). Infolgedessen findet gleichsam ein Umbau der ganzen Spindelfigur des sich theilenden Kernkörperchens statt. Beim ersten Blick auf die Figur (Fig. 96) verwischt sich die eigentliche Spindel des sich theilenden Kernkörperehens mit ihren Lininogenendkörperchen vor der deutlich hervortretenden, um diese Zeit besser ent- wickelten äquatorialen netzartigen Platte und deren Lininogen- körperchen. Diese letztere erscheint beim Untersuchen in be- stimmter Lage mit ihren Kernkörperchen als echte Spindel, nur parallel zur Dotteroberfläche gelegen. Am Anfang der Anaphase, wo die Chromatinogenkörperehen ein wenig bereits zu den ent- sprechenden Polen abgerückt sind (Fig. 98, 99), erreicht die Simulation zwischen der echten Spindel und der äquatorialen Trennungsplatte ihren Höhepunkt, da es um diese Zeit fast un- möglich ist, das die Richtung angebende Lininogenendkörperehen und den Spindeltheil, der an dasselbe grenzt, als einzelne Ge- bilde zu erkennen. Jetzt, nach Abschnürung der ersten Polzelle, sehen wir deutlich an dieser so sehr in die Augen springenden falschen und unechten Spindel, als ob die Theilung nieht in der äquatorialen Spindelebene, sondern einer Axe entsprechend, die parallel der Dotteroberfläche liegt, stattfinde, wie es v. Beneden beschrieb (Fig. 100, 101). Aus diesem Grunde nannte er diesen Process, durch den die Abtheilung der Polzelle vor sich geht, — Pseudo-karyokinese (pseudo-karyokinese). Ausserdem dachte er, dass hierbei die Chromosomen nicht zu den entsprechenden Spindelpolen auseinander gehen, sondern dass blos anfangs eine Halbspindel mit 4 Chromosomen, später aber noch die Hälfte der nachgebliebenen mit 2 Chromosomen ohne Umbau der Spindel ausgeschieden wird. In Wirklichkeit jedoch vollzieht sich, wie es aus obigem ersichtlich ist, auch hier, wie immer die Thei- lung in der äquatorialen Spindelebene, die mit der tangentialen der Dotteroberfläche zusammenfällt und in der die netzfaserige Trennungsplatte liegt, die durch ihre Contraetion die erste Pol- zelle ausscheidet. Selten gelingt es zu sehen, dass die Lininogenendkörper- chen zur besseren Ernährung sich in so viel Tochterkörperchen Biologie der Zelle. 25 theilen, als äquatoriale Kernkörperchen vorhanden sind (z. B. bei Ascaris megalocephala bivalens in 4). Hierdurch erhält jedes äquatoriale Kernkörperchen 2 eigene Lininogenendkörperchen und ist zugleich mittels Lininfäden auch mit dem übrigen Kör- perchen verbunden. Auf Grund des von der Bildung der ersten Polzelle er- wähnten wird es verständlich, dass nach deren Ausscheidung die Ernährung des im Dotter zurückgebliebenen halben Systems des sich theilenden Kernkörperchens bedeutend zurückgeht. Bis dahin erhielt das ganze System seine Nährsubstanzen vom Lini- nogenendkörperchen, das eine oberflächliche Stellung einnahm, jetzt jedoeh fällt die Ernährung dem Lininogenkörperehen zu, das im Innern des Dotters liegt. Der Gasaustausch sinkt er- klärlicherweise, die Nährsubstanzen des umliegenden Dotters aber werden noeh mehr durch die angesammelten Abwürfe des Stoffwechsels verschlechtert. Alles dieses veranlasst das im Dotter verbliebene halhe System des sich theilenden Eikern- körperehens zu mehrfachen schnellen Theilungen, ohne sich Ruhe- pausen zu gönnen (Fig. 85). Noch vor Formirung des Tochterkern- körperchens theilt sich das Lininogenendkörperchen in 2 Tochter- körperehen; diese (Fig. 86) untereinander durch ein neuent- standenes Lininbüschelehen verbunden, rücken nach entgegenge- setzten Seiten auseinander; hierbei zertheilen sie die zu ihnen gehörige Halb-Spindel in 2 gleiche Büschelehen Lininfäden, mit deren Hilfe sie bei ihrer Bewegung 2 von 4 Chromatinogenkör- perchen der Halbspindel nachziehen. Die Bewegung der Lin- inogenendkörperchen nach entgegengesetzten Seiten hat ihre Grenzen. Das Linmogenzwischenkörperchen, das Lininfäden mit jedem der 4 Chromatinogenkörperchen verbinden (Fig. ST), ver- hindert ein weiteres Fortbewegen, nachdem sich die Lininogen- endkörperehen mit ihm in eine Gerade gestellt haben. Es liegt jetzt in der Aequatorialebene mitten zwischen beiden Lininogen- endkörperchen (Fig. 88); beiderseits von diesen parallel der äquatorialen Ebene liegen je 2 Chromatinogenkörperchen, die einerseits mit dem entsprechenden Endkörperchen, andererseits dem Zwischerkörperehen verbunden sind. Auf diese Weise for- mirt sich die Spindel der zweiten Theilungsfigur zur Ausschei- dung der zweiten Polzelle. Natürlich hat diese Spindel einen feineren Bau, als die der ersten Theilungsfigur: sie entstand nur 26 P. Poljakoft: aus der im Dotter zurückgebliebenen Halbspindel, die sich nur zu entrollen hatte. Die neuentstandene Spindel bewegt sich aus demselben Grunde, wie die erste und setzt sich mit ihrer Axe einem der Dotterradien entsprechend fest (Fig. 89, 90), wobei eins der Lininogenendkörperchen die Bewegungsrichtung angiebt und die Dotteroberfläche erreicht. Jetzt theilt sich auch das Lininogenzwischenkörperehen, wenn auch nicht immer, in mehrere Theile (höchstens 4), die in der Aequatorialebene, wie vorher die äquatorialen Lininogenkörperchen, die netzfaserige Trennungs- platte bilden. Diese Platte zieht sich darauf allmählich zu- sammen und scheidet die zweite Polzelle aus (Fig. 91), in die das die Richtung angebende Lininogenendkörperchen und 2 Chro- matinogenkörperchen hereinkommen, d. h. die Hälfte der sich theilenden zweiten Spindel. Auf diese Weise tritt bei der Bil- dung der zweiten Polzelle, infolge des schnellen Vorgangs, weder ein Ruhestadium ein, noch findet eine Längsspaltung der Linin- fäden, — Verbindungsfäden zwischen dem Lininogenend- und den Öhromatinogenkörperchen — statt, oder eine Längstheilung der äquatorialen Kernkörperchen, da diese hier Chromatinogenkör- perchen ersetzten, die keiner Theilung und nur einer passiven Fortbewegung fähig sind. Zum Schluss theilt sich nur das Lininogenzwischenkörperchen, und damit findet die Ausscheidung der zweiten Polzelle ihr Ende; diese wird nun mit dem Dotter durch ein Büschelehen Lininfäden, die sich zwischen den Lininogen- Tochterkörperchen hinziehen, verbunden. Verfolgen wir nun das weitere Schicksal der Polzellen. Die erste Polzelle theilt sich sofort nach ihrer Bildung in 2 Tochter- zellen mit je 2 Chromatinogenkörperchen. Die Theilung vollzieht sich analog der Theilung des im Dotter zurückgebliebenen halben Systems des sich theilenden Kernkörperchens. Anfangs theilt sich das Lininogenendkörperchen in 2 Tochterkörperchen, die nach entgegengesetzten Seiten an der Oberfläche der Mutterpol- zelle auseinandergehen und auf die Oberfläche des Dotters an den diametral entgegengesetzten Berührungspunkten des Dotters mit der Polzelle übergehen. In dieser Richtung an der Dotter- oberfläche sich weiter bewegend, zieht jedes Kernkörperchen 2 Chromatinogenkörperehen mit sich, und hernach findet dann eine Abschnürung der Polzelle in 2 Tochterzellen statt. 2 Lininogen- endkörperchen und ein Zwischenkörperchen, die an dieser Thei- Biologie der Zelle. 27 lung theilnahmen, befmden sich an der Dotteroberfläche. Hier auch sind das End- und Zwischenkörperehen der zweiten Pol- zelle (Fig. 84). Meistentheils jedoch geht die erste Polzelle bei ihrer Bildung mit Hilfe ihres Lininogenendkörperchens auf die äussere Eimembran über, die um diese Zeit den Dotter beinahe berührt (Fig. 104); die erste Polzelle wird hierbei mit der zweiten durch ein Büschelehen Lininfäden, die zwischen den Lininogen- zwischen-Tochterkörperehen gespannt sind, verbunden. Inden die Polzelle der inneren Fläche der äusseren Eimembran anliegt, verdiekt sie sich und schwimmt gleichsam auf dieser auseinan- der. Alle Lininogenkörperchen aber, die an der Ausscheidung der zweiten Polzellen theilnahmen, bilden un die Dotteroberfläche herum, an der sie sich befinden, die innere Linin-Eimembran — die Dottermembran der Autoren (Fig. 105). Auf diese Weise arbeitet das Eikernkörperchen, ebenso wie es das Samenkernkörperehen thut, zur Sicherung seiner Ernäh- rung eine Membran um den Dotter aus und ist mit dieser durch ein Büschelehen saftleitender Lininfäden verbunden. Ausserdem ist es aus oben Erwähntem ersichtlich, dass die Reductionstheilung, wie es jetzt Viele anerkennen, nicht nur dazu dient, um den Eikern von der überflüssigen Hälfte seines Chro- matins zu befreien. Die Ausscheidung der Polzellen machen diese Autoren von der Nothwendigkeit der Chromatinreduction abhängig und sehen deshalb in diesen bloss eine unvermieidliche Folge eines physiologisch wichtigen Vorgangs, der Chromatinreduction. Sie vertreten den Standpunkt, dass die Polzellen eim Abwurf ohne jegliche morphologische und physiologische Bedeutung sind. Bei der Zellenphysiologie stösst man auf eine Menge Facta, die da- von zeugen, wie ökonomisch jedes organisirte Gebilde in der Zelle aufgebraucht wird. Nichts verschwindet in ihr umsonst, nichts wird ausgeschieden und alles unterliegt einer Umarbei- tung, falls es sich in seinem gegenwärtigen Zustande als werth- los erweist. Während wir dieses alles wissen, stossen wir plötz- lieh auf eine solche Erklärung eines allbekannten Faetums, dass die Zelle, um sich vom Ueberflusse ihres Chromatins, das ihr schon als halbe Menge genügt, den Rest”nach aussen mittels eines bestimmten Processes ausscheidet und dass diese Chroma- tinmasse ausserhalb der Zelle zerfällt. Jedoch bei aller meiner Hochachtung vor der grösseren Erfahrung und Vertrautheit jener 28 P. Poljakoff: Autoren, die diesen Standpunkt vertreten und ungeachtet der allgemein für dieses Faetum angenommenen Erklärung, kann ich mich nicht mit diesem einverstanden erklären und motivire mit Folgendem meinen Standpunkt: „1. Das Chromatin ist eine derart hoch differenzirte chemische Substanz, deren Ausarbeitung mit grossen Kraftaufwendungen und grossem Substanzaufbrauch verbunden ist, dass die Zelle dasselbe, als eine Substanz von hoher Potenzialenergie, äusserst ökonomisch mit ihrem Leben zu- sammen aufbraucht. Das ganze Leben der Zelle, nach ihrer Er- neuerung durch Theilung, nach ihrer Verjüngung, während wel- cher sie sich mit Chromatin versorgt, besteht ja in einer nach- folgenden Zerlegung dieser äusserst zusammengesetzten chemi- schen Substanz, wodurch die in der Zelle latente Energie frei wird und in verschiedensten Erscheinungen, den sogenannten Lebenseigenschaften der Zelle, zum Ausdruck kommt. Deshalb kann es unmöglich zugegeben werden, dass die Zelle freiwillig so zu sagen und dabei durch einen derartig complizirten Process, sich von dem trennen kann, was ihre Lebensfrage berührt, da doch mit der Vernichtung des Chromatins und der Unfähigkeit, durch Theilung den Vorrath zu erneuern, der Tod der Zelle ein- treten müsste. Angenommen selbst, dass der Kern wirklich aus irgend welchen Gründen sich von der Hälfte seiner Chromatin- masse befreien muss, so braucht er dazu doch nicht zu einem so verwickelten Process Zuflucht zu nehmen und das Chromatin unbedingt nach aussen auszuscheiden. Bei den Infusorien z. B. wird bei der Conjugation der Hauptkern (macronucleus) und ein grosser Theil der durch Theilung des Nebenkerns (mieronucleus) hervorgegangenen Kerne nach aussen ausgeschieden und dient zur Ernährung der durch die Conjugation sich neubildenden Or- ganismen, bis in diesen ein neuer Haupt- und Nebenkern sich gebildet hat. Dieses Beispiel muss um so sprechender sein, als die Autoren in ihm Erscheinungen derselben Chromatinreduetion sehen, wie sie die Zellen der höchsten Thiere aufweisen. 2. Die Bewegung des Kernkörperchens der Ei-Mutterzelle aus dem cen- tralen Dottertheil zur Oberfläche verursachen, wie wir oben er- klärten, bestimmte Gründe, die nichts mit dem Bestreben gemein haben, sich vom überflüssigen Chromatin zu befreien, das um diese Zeit sogar beim Kernkörperchen fehlen kann, da dieses vor Beginn der Theilung das ganze alte Chromatin und die an- Biologie der Zelle. 29 deren Kernsubstanzen im Stiche lässt. 3. Der sogenannte Re- duetionstheilungsprocess selbst verfolgt nicht den Zweek der viel- genannten Chromatinreduction, sondern bloss das Bestreben, der Ernährung möglichst günstige Bahnen zu geben; die Chromatin- reduction erscheint hier schon in zweiter Linie, als Folge dieses genannten Bestrebens. Hier muss ich noch auf einen Umstand von grosser Wichtigkeit hinweisen: die Ohromatinreduetion kann in keiner Weise auf Grund der existirenden Theorien vom Zell- theilungsmechanismus vor sich gehen. Nach diesen "Theorien wären keine Gründe, weshalb die Chromosomen sich nieht auch im gegebenen Fall längstheilen wie in allen übrigen Fällen der Kerntheilung. Die Verfechter der Chromatinreduetion führen keine sprechenden Gründe an, weshalb im gegebenen Fall keine Längsspaltung der Chromosomen stattfindet, wie es sonst stets der Fall ist; unmotivirte Reduetionsgründe hielten sie für noth- wendig, um dadurch ihre scharfsinnige Befruchtungs- und Ver- erbungstheorie zu bekräftigen, die hauptsächlich auf dieses eine Factum gebaut ist. 4. OÖ. Hertwig verglich die Bildung der 4 Samenzellen aus einer Samen-Mutterzelle mit dem Bildungs- process eines befruchtungsfähigen Eies und dreier Polzellen in Gestalt rudimentärer Eier aus der Eimutterzelle und sagt: „diese (die Polzellen) haben sich im rudimentären Zustande erhalten, weil sie bei der physiologisch wichtigen Reduetionstheilung eine Rolle spielen.“ Welche Bedeutung jedoch die Reductionstheilung auch haben mag, so liegt kein genügender Grund vor anzu- nehmen, dass die Polzellen sich bilden und einige Zeit existiren, nur weil sie für die Reductionstheilung nöthig sind. Beachten wir, dass die erste Polzelle aus einer normalen Theilung hervor- gegangen ist und keine Beziehung zur Reduetionstheilung hat, da letztere erst nach ihrer Bildung eintritt. Das Schicksal je- doch der ersten Polzelle und der zweiten, die durch abnorme Reductionstheilung entstanden ist, ist dasselbe. Die Bedeutung beider Polzellen ist somit ganz unabhängig von der Reductions- theilung. Jedenfalls liegt kein Grund vor zu behaupten, dass die Polzellen nur in ihrer Beziehung zur Reductionstheilung in Betracht kommen, selbst jedoch an und für sich bloss rudimen- täre Eier darstellen, die einer spurlosen Vernichtung unterliegen sollen. Es fehlen ebenso genügende Gründe anzunehmen, dass die Polzellen rudimentäre, unentwickelte Eier darstellen. Wie 30 P. Poljakoft: bekannt, entstand diese Anschauung auf Grund der Aehnlichkeit im Bildungsprocess der Polzellen und Samenkörper. Diese heut- zutage angezweifelte Aehnlichkeit jedoch liegt in keiner Weise vor und dieses beabsichtige ich in Kürze in einer besonderen zu publizirenden Arbeit zu beweisen. Ich zeigte schon oben und werde es auch noch später thun, dass die Polzellen ausgeschieden werden, um die Ernähb- rung des Eikernkörperchens zu heben und die des zukünftigen Keims sicher zu stellen. Sie haben somit eine vollkommen be- stimmte morphologische und physiologische Bedeutung. Indem wir zur Geschichte der Entwickelung des Eikern- körperchens zurückkehren, erinnern wir uns dessen, dass dieses Kernkörperchen nach der Copulation von Samenkörper und Ei und nach der Bildung der Eimembran den Mangel an Nährstoff im Dottercentrum zu fühlen beginnt, von den 'angehäuften Ab- würfen seines Stoffwechsels gereizt wird und in Folge dessen zur Dotteroberfläche hinrückt. Bei dieser Bewegung leitet die qualitative Differenz der Nährsubstanzen das Kernkörperchen, welches die Seite der besseren Substanz wählt. Zugleich reagirt es auf den Reiz mit Theilung. Die Theilung des Kernkörper- chens vollzieht sich an der Eioberfläche, d.h. unter Bedingungen, die für seine Ernährung sich günstiger gestalten. Nach der ersten Theilung und Ausscheidung der ersten Polzelle theilt sich sofort das Kernkörperchen, fühlt jedoch keine gebesserten Er- nährungsbedingungen, im Gegentheil verschlimmerte, gönnt sich daher nach der ersten Theilung keine Ruhe und dieses führt unvermeidlich zur Redueirung bis zur Hälfte der in ihm ent- haltenen Chromatinogenkörperchen. Bedenken wir, dass diese vereinfachte Theilung unter normalen Bedingungen bis jetzt nur beim Heranreifen geschlechtlicher Producte d. h. des Samenkör- pers und Eies bemerkt wurde, und ziehen wir in Betracht, dass diese Theilung Bedingungen einer ungenügenden, abnormen Kern- körperchenernährung hervorrufen, besonders scharf beim Process der Eireifung, so sind wir im Recht zuzugeben, dass durch eine solche Theilung das Kernkörperchen gleichsam beabsichtigt seine Aufgabe zu lösen, nach Bildung der Eimembran die Bedingungen für seine Existenz besser zu gestalten, Bedingungen, die im Ei selbst ruhen. Indem das Kernkörperchen bis zur Hälfte seine Chromatinogenkörperchen redueirt, verringert es erstens auch um Biologie der Zelle. 31 die Hälfte seinen Bedarf an Nährstoffen; zweitens häufen sich auch in geringerer Menge jene Abwürfe des Stoffwechsels. Mit der Redueirung der Chromatinogenkörperchen ist die Ausschei- dung der zweiten Polzelle verbunden und ebenso die Bildung der Lininmembran um den ganzen Dotter (Fig. 105), die mit dem in diesem verbliebenen Theil des sich theilenden Kernkör- perehens durch ein Büschelehen saftleitender Lininfäden verbun- den ist. Alles dieses müsste stark die Ernährung des sich thei- lenden Kernkörperchens heben, in Wirklichkeit jedoch gestalten sich die Bedingungen für diese immer ungünstiger und besonders an der Dotteroberfläche, da der Gasaustausch aufhört, die An- häufung der Abwürfe des Stoffwechsels dagegen zunimmt. Zu- gleich vollzieht sich im centralen Dottertheil der Gasaustausch vollkommen normal durch die äussere Eimembran, da diese durch saftleitende Lininfäden mit dem Samenkörperchen in Verbindung stehen. Die Ernährungsbedingungen ändern sich im centralen Dottertheil, sobald das Samenkernkörperchen dorthin gelangt, dermaassen zum Besseren, dass das Eikernkörperchen nun nach der Qualität der diffundirenden Ströme, die von dort zu ihm gelangen, deutlich dieses zu empfinden beginnt. Empfindet das Eikernkörperehen die Nähe eines Ortes mit besseren Ernährungs- bedingungen, so rückt es sofort dorthin, vom äusseren Lininogen- körperehen, diesem Organ seiner Bewegung, Ernährung und Empfindung, geleitet. Vor diesem formirt sich, nach Bildung der zweiten Polzelle, die aus einem Lininogen- und 2 Chroma- tinogenkörperchen besteht, der Rest des sich theilenden Kern- körperchens im Dotter auf oben erwähnte Weise zum Kernkör- perchen im Ruhestadium (Fig. 105). Nach Schluss der Thei- lung, nach Formirung und Ausscheidung des äusseren Lininogen- körperehens zur Hebung seiner Ernährung, hebt das Kernkör- perchen allmählich durch die sich ansammelnde Flüssigkeit, — eine Folge seiner Lebensthätigkeit, — die es umschliessende Lininmasse nach allen Seiten ab und bildet so den bläschenför- migen Kern (Fig. 106). Seiner Entstehung und äusseren Ge- stalt nach unterscheidet sich dieser Eikern in keiner Weise von dem oben beschriebenen Samenkern. Der sich nun im Dotter befindende weibliche Ei- und männliche Samenkern (Fig. 107) ähneln darin einander, dass sie beide durch saftleitende Linin- fäden mit den Eimembranen verbunden sind, der erstere mit der 32 P. Poljakoff: inneren, der zweite mit der äusseren. Ich erwähnte bereits, dass das Eikernkörperchen, nachdem es zum Kern sich herangebildet und den Ort der günstigsten Ernährungsbedingungen ausfindig gemacht hat, sich nach dieser Richtung hinbewegt, vom äusseren Lininogenkörperchen geleitet. Bald nähert es sich demnach dem Samenkern, der seinerseits dieses Herannahen zu fühlen beginnt, da Diffusionsströme der Dotterflüssigkeit mit Produeten des Stoff- wechsels des Eikernkörperchens zu ihm gelangen, ähnlich den Strömen, die vorher die Samenkörper zum Ei heranlockten. Um diese Zeit haben sich die Ueberreste des Ei-Mutterkerns, die den Samenkörper zum Dottercentrum angelockt hatten, bereits voll- kommen aufgelöst und zur Ernährung gedient und können nun nicht mehr, wie früher, die Reizbarkeit des Samenkörpers beein- flussen. Der Samenkern wird daher beim Herannahen des Ei- kerns von diesem Reizeinflüsse erhalten und beginnt entweder diesem sich selbst entgegen zu bewegen (Fig. 106), oder aber zu ihm sein äusseres Lininogenkörperchen auszusenden. Haben sich Ei- und Samenkern genügend genähert, so berühren sich vor Allem zuerst die äusseren Lininogenkörperchen (Fig. 108). Zuerst tangiren einander die lininen Bewegungsfäden und nach deren Contraetion ebenso die Lininogenkörperchen, die darauf zu einem gemeinsamen Körperchen für beide Sexualkerne zu-' sammenfliessen (Fig. 109, 110, 127, 128, 129). Bald darauf (Fig. 115) theilt sich dieses gemeinsame Lininogenkörperchen in 2 Tochterkörperchen, die nach entgegengesetzten Seiten zwischen den einander genäherten geschlechtlichen Kernen auseinander- rücken und legen sich im Dotter in eine Linie (Fig. 111, 112), die mit der Axe der künftigen Spindel der ersten Eitheilung zu- sammenfällt. Nachdem sieh die Lininogenkörperchen verbunden haben, beginnt die Theilung der Kernkörperchen in den Kernen (Fig. 108, 113), die eine Neubildung von Chromatin und Linin zur Folge hat, — ein Fall, der überhaupt in jeder sich thei- lenden Zelle vorkommt (Fig. 114). Nachdem ich den Verlauf des Befruchtungsprocesses be- schrieben, auf die hierbei richtenden Kräfte verwiesen habe, wie es in den Eiern vor sich geht, die nach ihrer Vereinigung mit dem Samenkörper ihre Polzellen ausscheiden, möchte ich nun noch von demselben Standpunkte aus denselben Process beurtheilen, der in den Eiern vor ihrer Vereinigung mit dem Samenkörper Biologie der Zelle. 33 stattfindet, jedoch zugleich nur auf die Eigenheiten hinweisen, die eine Abweichung vom oben beschriebenen enthalten. Die Ausscheidungszeit der Polzellen variirt vielfach. Bei verschiedenen Thieren beobachtet man diese Ausscheidung ange- fangen vom Bildungsmoment der Ei-Mutterzelle im Eierstock bis zur Copulationszeit mit dem Samenkörper. Die junge Ei-Mutter- zelle geräth, was ihre Ernährung betrifft, nach ihrer fertigen Bildung in durchaus schlechtere Verhältnisse, als es früher mit ihr der Fall war. Dieses veranlasst ihr Kernkörperchen sich zu bewegen, um dadurch bessere Ernährungsbedingungen zu er- langen. Das Kernkörperehen rückt zur Dotteroberfläche bin, theilt sich hier in bekannter Weise und bildet die Polzellen und Membran, um so die Ernährung besser zu gestalten. Zur Be- fruchtung herangereift rückt hierauf das Kernkörperchen, nach- dem es um sich den bläschenförmigen Kern gebildet hat, zum centralen Eitheil hin. Bei allen seinen Translocationen wird das Kernkörperchen ausschliesslich von der Differenz der Ernährungs- bedingungen geleitet und strebt stets dem Ort der besten Be- dingungen zu. Die vom Kernkörperchen um die Eizelle gebil- dete Membran kann in keiner Weise der Copulation der letzteren mit den Samenkörpern hinderlich sein, da sie genügend locker für deren Eindringen ist. Die Substanzen jedoch, die ein Pro- duct des Stoffwechsels im Ei darstellen und die Samenfäden an- locken, werden durchaus nicht von dieser Membran aufgehalten, da diese gleichen Ursprungs mit den Substanzen des Eikerns sind. Der Samenkörper vereinigt sich demnach mit dem Ei, bildet die äussere Eimembran und richtet sich zu dem im cen- tralen Dottertheil liegenden Eikern hin. Da die Bildung der äusseren Membran durch den Samenkörper eine Verschlechterung der Nahrungsbedingungen für das Eikernkörperchen zur Fulge hat, sendet dieses, von den vom Samenkörper sich ausbreitenden Diffusionsströmen mit grösserem Sauerstoffgehalt dazu angetrieben, sein Lininogenkörperchen zu dem sich ihm nähernden Samen- kernkörperchen aus. Dieses erklärt sich dadurch, dass das Samenkernkörperchen, das mit der äusseren Eimembran durch saftleitende Lininfäden verbunden ist, die Nährsubstanzen nicht nur aus dem Eidotter bezieht, sondern ebenso aus den das Ei umgebenden Medien. Die Saft aufnehmenden, zugleich Empfin- dungs- und Bewegungs-Fäden der Lininogenkörperchen beider Kern- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 67 34 P. Poljakoff: körperchen (des Eies und Samenkörpers) recken sich gegenseitig einander zu, greifen in einander und tragen durch gegenseitige Contraction zur schnelleren Vereinigung ihrer Lininogenkörperchen bei und beschleunigen folglich auch die Bewegung des Samen- kernkörperchens. Das gemeinsame Lininogenkörperchen gelangt ins Innere des Eikerns und zieht dabei das Samenkernkörperchen zu seiner Membran an. In dieser Lage verbleiben Eikern und Samenkernkörperehen einige Zeit, ohne zusammenzufliessen, da ihr früheres lebhaftes Annäherungsbestreben jetzt durch die Ver- einigung ihrer Lininogenkörperchen befriedigt ist. Nach diesem tritt das Samenkernkörperchen in die Eikernmembran ein und, vom Lininogenkörperchen angezogen, nähert es sich und ver- bindet sich später mit dem gemeinsamen Lininogenkörperchen und dem Eikernkörperchen. Nach dieser Vereinigung tritt eine Ruhepause für das Kernkörperchen des befruchteten Eikerns ein, welches sich nun in nichts von dem der übrigen Gewebezellen der- selben Thierart unterscheidet, seine bedeutende Energie ausge- nommen, die während der Theilung zur Geltung kommt. Ich möchte noch eines wichtigen Factums erwähnen. Wir erinnern uns, dass der Samenkern nach seiner Berührung mit dem Ei, mit Hilfe eines der Lininogen-Tochterkörperehen, die aus der Theilung des äusseren Lininogenkörperchens, d. h. des sog. Mittelstücks oder Halses hervorgegangen sind, die äussere Ei- membran bildet. Indem das Samenkernkörperchen ein Lininogen- Tochterkörperchen in der äusseren Eimembran zurücklässt, mit dem anderen aber zum Eikernkörperchen ins Dotterinnere dringt, ist es mit der Membran durch saftleitende Lininfäden verbunden. Ebenso verbinden solche Fäden das Eikernkörperchen, nachdem es die Polzellen und innere Eiinembran formirt hat, mit diesen letzteren. Sobald sich die Lininogenkörperchen beider Kern- körperchen verbunden haben, vereinigen sich beide Membran- systeme der Lininogenkörperchen, Polzellen und Kernkörperchen, in ein geschlossenes System (Fig. 109), das die Ernährung des befruchteten Eies bewerkstelligt. Die äussere Membran stellt dem befruchteten Ei den Nährstoff aus den umgebenden Medien zu, die innere — aus dem Dotter; die Lininogenkörperchen der Kernkörperehen erhalten ausserdem die Nährsubstanzen selbst unmittelbar aus den benachbarten Dottertheilen. Dieser compli- zirte Mechanismus zur Ernährung des befruchteten Eies bewahr- Biologie der Zelle. 35 heitet sich dadurch, dass mit seiner Bildung eine besondere ver- stärkte Thätigkeit des Kernkörperchens beginnen muss, die die Ausarbeitung von Chromatin und überhaupt aller Substanzen der Kerntheilung hervorrufen muss. Mit der Entwiekelung des Kerns, angefangen von der ersten Segmentation des befruchteten Eies, erhält jede der 2 Tochterelemente eine ebensolche Chromatin- menge, wie sie der Mutterkern aufwies; anfangs nimmt diese Menge in jedem Tochterelement sogar zu. Diese verstärkte Thätigkeit des Kernkörperchens verlangt eine stärkere Ernährung, die die Eimembranen auf sich nehmen. Diese können nicht ein- flusslos auf die Ernährung des entstandenen Keimes bleiben, — sie weisen dazu einen complizirten Bau auf (Fig. 109), da in der äusseren Membran ein Lininogenkörperchen und die erste Pol- zelle liegt, die innere dagegen mehrere Lininogenkörperchen und die 2. Polzelle fasst. Wir kennen die Bedeutung, die die Lini- nogenkörperchen für die Ernährung der Kernkörperchen und der Zelle überhaupt haben; deshalb muss auch die Anwesenheit der Körperehen in den Eimembranen von grosser Bedeutung für die Ernährung des Keimes sein. Der Umstand aber, dass an der inneren Fläche der äusseren und an der äusseren Fläche der inneren Membran sich die Polzellen befinden, spricht auch von einer Bedeutung dieser in derselben Hinsicht. Ich nehme an, dass die Polzelle sich allmählich verflacht, mit der Substanz ihrer Protoplasmamasse, die zu diesem Zweck sich in eine äusserst feine Platte verwandelt, die ganze Membranoberfläche überzieht und auf diese Weise den primären serösen Raum bildet, der mit flachem Epithel ausgelegt ist. Das Epithel aber erscheint hier als zweckmässig, da es die Umarbeitung und Ausscheidung der Substanzen, die ins Ei aus dem umgebenden Medium gelangen, und ebenso die Abwürfe, die das Ei während seiner Ernährung ausscheidet, regulirt. Dass die Bildung der äusseren Eimembran bei Asecaris megalocephala durch den Samenkörper und nicht durch den Ei- dotter verursacht wird, bezeugen Befruchtungserscheinungen an jenen Eiern, die zufällig sich einander berührten. Würde der Eidotter die äussere Membran liefern, so entständen stets ein- fache Eier mit nur einem Keimbläschen. Nach der Berührung des Samenkörpers mit dem reifen Ei würde der Dotter durch Ausscheidung der Membran das gegebene Ei vom benachbarten 36 P. Poljak off: abgrenzen, das ihn berührt oder an ihn angedrückt ist. In Wirk- lichkeit jedoch sieht man dieses nicht. Wird eines der beiden aneinander grenzenden reifen Eier (Fig. 125) befruchtet, so breitet sich die vom Samenkörper gelieferte äussere Membran über beide Eier aus, ohne Grenzen direct von einem Dotter zum anderen übergehend. Im ersten Fall müssten dann ausserdem alle übrigen Befruchtungserscheinungen nur in dem einen befruchteten Ei auf- treten, ohne das benachbarte zu berühren. Es fehlen jegliche Gründe zur Bildung der äusseren Membran um das benachbarte, nichtbefruchtete Ei, jegliche Gründe zur Bewegung des Keim- bläschens in diesem Ei, zur Ausscheidung der Polzellen und für andere Erscheinungen. In Wirklichkeit jedoch sehen wir, dass die benachbarte, der befruchteten anliegende, reife Eizelle von der Eimembran umgeben wird (Fig. 125), die ohne Grenzen auf diese von der befruchteten übergeht. Ferner sehen wir, dass das nichtbefruchtete Ei allen Verwandlungen unterliegt, die das direet befruchtete Ei charakterisiren (Fig. 126), wenn auch diese Verwandlungen zeitlich etwas zurückbleiben. In solchem, so zu sagen indireet befruchtetem Ei beginnen nach Bildung der äusseren Membran die Verwandlungen des Keimbläschens gerade so wie bei einem reell befruchteten. Stellt man sich auf meinen Standpunkt der Eireifungs- und -Befruchtungstheorie, so werden alle Erscheinungen verständlich; die bis jetzt vorgebrachten Theorien hingegen vermögen keines- wegs über Alles eine befriedigende Aufklärung zu geben. Ich füge dem Erörterten noch nachstehende, die allge- meinen Verhältnisse des Zellenlebens und das Wesen der Be- fruchtung berührende Betrachtung an: Viele behaupten, dass 2 einander genäherte gleichartige Zellen zu einer Zelle zusammen- fliessen können, wenn auch mit 2 oder mehreren Kernen, je nach Anzahl der Kerne der ineinandergeflossenen Zellen. Im eigentlichen Sinne können meines Erachtens jedoch 2 oder mehrere einzelne Zellen nicht verschmelzen, sondern sich nur möglichst einander nähern. Mögen 2 Zellen scheinbar sich ver- einigen, so bleiben sie physiologisch doch getrennt, so lange ihre Kernkörperchen nicht verschmelzen. Es muss eine Verschmelzung der Kernkörperchen stattfinden, damit die Zellen auch eine phy- siologische Einheit bilden und aus 2 Zellen in der That eine Biologie der Zelle. 37 einzige wird. Eine solche vollkommene Verschmelzung bleibt aber ein Privilegium der Sexualzellen, des Eies und des Samen- körpers, deren Kernkörperehenelemente verschmelzen und ein einziges Kernkörperchen bilden; darin eben besteht der Befruch- tungsvorgang. Ich erblicke also das Wesen der Befruchtung im Ver- schmelzen zweier Kernkörperchen von Zellen, die ver- schieden geschlechtlichen Organismen angehören. Das Ei ist reichlich mit Nährsubstanzen versorgt und bleibt deshalb unbe- weglich. Der Samenkörper, ohne Vorrath an Nährstoff, ist beweg- lich; es fehlen ihm die äusseren Nährsubstanzen, die es dem um- sebenden Medium mit Hilfe des ihn umschliessenden Linins durch das Lininogenkörperchen entnimmt. Das Fehlen von eigenem Vor- rath an Nährstoff bringt den Samenkörper dazu, das Ei aufzusuchen, wenn dieses sich in der Nähe befindet. Der Grund, dass er dem Ei den Vorzug vor etwelchen sonstigen Zellen giebt, liegt darin, dass der Samenkörper nur im Ei das passende Nahrungsmaterial vorfindet, dasselbe, von dem er sich in der Mutterzelle nährte. Hierdurch erklärt sich beim Befruchtungsprocess das Streben des Samenkernkörperchens zu dem Ei zu gelangen und umgekehrt. Beim Befruchtungsprocess sind alle Bewegungen der geschlecht- liehen Kernkörperehen mit dem Suchen nach besseren Ernährungs- bedingungen verknüpft. Dasselbe beobachtet man beim Theilungs- process der Zelle. Das Ausscheiden der Riehtungskörper wird dadurch bedingt, dass das sich theilende Kernkörperchen sich zwecks besserer Ernährung an der Dotteroberfläche hält. Die Nothwendigkeit etwa überflüssige Chromatinelemente abzustossen (Reduktionstheilung), vermag ich nieht anzuerkennen. Schwerlich kann ein Vorahnen des Zukünftigen in einer Zelle zugegeben werden. Die Aus- scheidung der Polzellen spricht daher nicht von einem Bestreben des Eies, sich zur Aufnahme des Samenkörpers bereit zu halten, dessen Ankunft es nicht voraussehen kann. Polzellen werden auch von Eiern ausgeschieden, die sich parthenogenetisch ver- mehren, für die es offenbar überflüssig wäre, sich zur Aufnahme des Samenkörpers vorzubereiten u. z. durch Ausscheidung der halben Chromatinmenge, um dadurch einer Verdoppelung der- selben zu entgehen. In allen Fällen wird die Bildung der Pol- zellen durch das Bestreben des Eikernkörperchens erklärt, seine 38 P. Poljak off: Ernährung, die im gegebenen Augenblick gesunken ist, zu heben. Dadurch wird auch die Zeit der Bildung der Polzellen bestimmt. Je früher das Eikernkörperchen den Mangel an Nährsubstanzen zu fühlen beginnt, um so früher bilden sich die Polzellen, bis- weilen schon lange vor der Vereinigung mit dem Samenkörper. Eier, die mit reichlichem festen und flüssigen Nährstoff versorgt sind, haben relativ Mangel an gasförmigen Nährsubstanzen. Wird mit der Bildung der Polzellen dieser Mangel aufgehoben, so ist das Ei auf die Ankunft des Samenkörpers besser vorbereitet. Eier, die sich parthenogenetisch entwickeln, scheiden gewöhnlich nur eine Polzelle aus, nieht weil die Bildung einer zweiten für sie verderblich sein könnte, sondern weil im gegebenen Fall eine Polzelle zur Hebung der Ermährungsbedingungen des Eikern- körperchens genügt. Es giebt jedoch auch Eier, die 2 Pol- zellen ausscheiden und dabei sich parthenogenetisch entwickeln. Dass das Chromatin an und für sich keine wesentliche Be- deutung für die Befruchtung (und die Zelltheilung) hat, zeigt ausser dem oben Erwähnten das Faetum, dass es bei den Teleosteern und vielen anderen Thieren fehlt, wo nur Kern- körperchen vorkommen, die allmählich in den folgenden Segmen- tationen immer grössere Chromatinmengen ausarbeiten. Bei der Befruchtung vereinigen sich somit zwei ihrer individuellen Thätig- keit nach gleichbedeutende Kernkörperehen. Hier findet keine gegenseitige Ergänzung fehlender Elemente statt, wie es Boveri vermuthete, sondern ein vollkommenes Verschmelzen erblicher gleichförmiger Keime. Der in den beiden Theilen meiner Biologie der Zelle aus- geführte und möglichst nach allen Richtungen hin besprochene Grundgedanke liegt, wie eine Verfolgung meiner Darlegung ohne Weiteres ergiebt, darin, dass ich einmal dem Kernkörperchen die Bedeutung eines vitalen Centralorganes für die Zellen zuschreibe und ferner darin, dass ich in dem Ernährungsbedürfnisse der Zellen und ihrer Theile den Antrieb für alle die mannichfaltigen Vorgänge suche, welche bei der Zelltheilung, sei es der mitotischen wie der amitotischen, beobachtet werden. Indem sich die gleichen Prineipien auch zur Erklärung der Erscheinungen, welche wir bei dem Befruchtungsvorgange beobachten, verwerthen lassen, wie ich zu zeigen versuchte, hoffe ich für alle diese verwickelten Biologie der Zelle. 39 und scheinbar disparaten Processe eine sie verbindende gemein- same Unterlage gefunden zu haben. SE: Ich halte es für meine Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Exeellenz Professor Theodor Zawarykin, meinen auf- richtigen Dank auszusprechen. Diese Arbeit sei ihm als Gabe meiner Dankbarkeit gewidmet. 10. nl Literatur -Verzeichniss. Arnold, J.. Ueber die Theilungsvorgänge an den Wanderzellen. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. XXX. 1889. Derselbe, Weitere Mittheilungen über Kern- und Zelltheilung in der Milz; zugleich ein Beitrag zur Kenntniss der von typischen Mitosen abweichenden Kerntheilungsvorgänge, Ibidem, XXXI. 1888. Balbiani, Sur la structure du noyau des celiules salivaires chez les larves des Chironomus. Zoologischer Anzeiger. 1881. 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Die auf diese Weise präparirten und dabei sterilisirten Gläschen mit capillarem Zwischenraume, der mit einer CINa-Lösung ausgefüllt war, wurden Meerschweinchen auf längere oder kürzere Zeit in den panni- eulus adiposus oder die Bauchhöhle gesetzt. Darauf wurden diese Gläs- chen sofort nach der Herausnahme in verschiedene Flüssigkeiten zur Fixation gelegt: (Solutio acidi osmiei 1/,—1/30/,, schwache Flemming- sche Lösung — verändert durch Fol —, Mischung von Pikrocarmin- lösung und Sol. acid. osmici 1/,%/, aa u. a.) und in dieser von ein- ander getrennt. Nach genügender, jedoch nicht allzustarker Fixirung der Präparate -—- bei einiger Uebung bestimmt man das nach Augen- maass — auch bei geringer mikroskopischer Vergrösserung, wozu man die Deckgläschen in einem kleinen Schälchen mit flachem Boden in der Fixirungsflüssigkeit schwimmen lässt, wurden die Deckgläschen nach ordentlicher Durchwaschung in Farblösungen, namentlich in Pikrocarmin gelegt. In Anbetracht dessen, dass im gegebenen Falle an der Gläschenoberfläche sich äusserst zarte Neubildungen befinden, muss man darauf besonders Acht geben, dass man das Fixirbad nicht zu lange wirken lässt. Ein Uebermaass äussert sich darin, dass alle Zellelemente und übrigen Gebilde in allen Theilen zusammenschrumpfen, zufällige Niederschläge von Eiweisssubstanzen aller Art sich bilden, die das Bild trüben und in bedeutendem Grade die Reaktion auf fär- bende Substanzen beeinträchtigen. Nach Färbung und Durchwaschung der Präparate wurden diese in eine Mischung von Glycerin und Wasser 3:1 gebracht. Das Studium der Präparate wurde mit Hülfe von Zeiss- schen Apochromaten vorgenommen. Zum Studium der indireeten Zell- theilung wurden ausser den speciell dazu gewählten Eiern von Ascaris megal. ein Vorrath von Präparaten mit Bildern der indireeten Theilung angewandt, die zu verschiedenen anderen Zwecken, nach verschiedenen, allgemein angenommenen Fixirungs- und Färbungsmethoden hergestellt waren. Zum Studium der ersten Befruchtungsphasen an Eiern von Ascaris megal. eignete sich Pierocarmin, obgleich ebenso mit Safranin schöne Resultate erzielt wurden. Für diese Objeete wurde die Methode van Beneden’s angewandt; ist diese auch nicht ideal, so haben die übrigen, später vorgeschlagenen, auch ihre Mängel. Eine Beschrei- bung der Abbildungen ist im Text gegeben. Da die Schriftzeichen für alle Figuren gleich sind, so gebe ich hier nur eine allgemeine Erklärung: 54 P. Poljakoff: != Linin. /f = Lininfaden. fif = Lininfaden, fixirender. nlf = Lininfaden, nutritiver. EA — Chromatin. achr = altes Chromatin. nchr — neues Chromatin. chlf\_ fich [ — Linin-Chromatinfaden. alch = Lininchromatinschleifen. ig An Is! — Lininogensubstanz. chg \ chgs | — Chromatinogensubstanz. echg = Chromatinogenkörperchen. clg = Lininogenkörperchen. clgä — äquatoriales Lininogen- körperchen. elge = gemeinsames Lininogen- körperchen. elge = äusseres Linininogenkörp. clgp ] je pelg | elgt = Lininogenzwischenkörp. Lininogenendkörperchen. Biologie der Zelle. elgm = Membran des Lininogen- körperchens. rn — nucleus (Kern). nl = nucleolus (Kernkörperchen). nll= Centralkörperchen im Nu- cleolus. sf = Spindelfäden. apl = altes Protoplasma. npl = neues Protoplasma. jz = junge Zelle. zpl\ BR, pP] e— äussere Lininschicht. s = Samenkörper. vg — Keimbläschen. sp = Polspindel. me — äussere Membran. mi innere Membran. st— Raum zwischen Dotter Membran. elltrennungsplatte. und pz pzl pz2 —= zweite Polzelle. sk — Samenkern. ek —= Eikern. — erste Polzelle. Die Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. Von Dr. Karl Herfort, Arzt der Königlichen Landesirrenanstalt Dobran in Böhmen. Hierzu Tafel IV, V und VI. Einleitung. Diese Untersuchungen begann ich im Jahre 1895 auf Anregung meines Lehrers, Professors Vejdovsky, in dessen Institute wir im Jahre 1892 die künstliche Befruchtung von Petromyzon Planeri, 1895 von Petromyzon fluviatilis vor- Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 55 nahmen. Das von Vejdovsky hauptsächlich in Flemming'scher Flüssigkeit conservirte Material der Befruchtungsstadien von Petromyzon fluviatilis erhielt ich damals zur Bearbeitung. Mir gelang es unter der Leitung Vejdovsky’s darzuthun, dass die eigentlichen Reifeerscheinungen im Petromyzonei von den Autoren, die sich mit diesem Gegenstande befassten, voll- kommen übersehen wurden und die von ihnen als Polkörper beschriebenen Gebilde mit der Reifung nichts zu thun haben, Resultate, die ich im Anat. Anz. 1895 (22.) veröffentlichte. Ich beschränkte mich in dieser Abhandlung nur auf den Reifungs- process, da das Material zu einer eingehenden Beschreibung der Befruchtungserscheinungen bei diesem Thiere nicht hinreichte. Die nächsten Jahre waren leider für die Beschaffung eines neuen Materials sehr ungünstig, da Hochwasser in diesen Jahren es vereitelte. Erst im Frühjahr 1897 erhielt ich ein reichliches Material von geschlechtsreifen Petromyzon fluviatilis aus der Moldau, das zum grossen Theil von V. Rohon, dem Vorstande des k. k. böhmischen Institutes für Histologie und Embryologie in Prag, angekauft wurde. Professor Rohon stellte mir gütigst sein Institut zur Vornahme der künstlichen Befruchtung zur Ver- fügung, wobei mir bei der Conservirung des Materials seine beiden Demonstratoren, die Collegen R. Fibieh und Josef Sebor hülfreich zur Seite standen. Professor Rohon und ge- nannten beiden Collegen spreche ich hiermit meinen herzlichen Dank aus. Speeieller Theil. Literatur: Von den Cyelostomen sind die Befruchtungserscheinungen nur bei Petromyzon studirt worden. Die interessanten Befruch- tungsphänomene, die man in vivo, wie vielleicht bei keinem zweiten Wirbelthier, bei Petromyzon beobachten kann, wurden zuerst von August Müller im Jahre 1864 in einer Carl Ernst von Baer gewidmeten Abhandlung (38.) beschrieben. Auf diese völlig in Vergessenheit gerathenen Beobachtungen lenkten von neuem das Interesse Calberla im Jahre 1877 in seiner Habili- tationsschrift (9) und 1878 Kupffer und Benecke in der Fest- schrift für Theodor Schwann (31). Die eigentlichen Be- 56 Karl Herfort: arbeiter der Befruchtungserseheinungen sind Böhm (7, 8) (1887, 1888) und Herfort (22, 23, 24) (1893, 1899). Die Laichung von Petromyzon. Kupffer und Benecke (31) konnten das Laichen von Petro- myzon Planeri in der Natur in einem Bach in der Nähe von Königsberg beobachten. Sie geben eine genaue Beschreibung, auf welche ich zu verweisen mir erlaube. Vejdovsky (54) beobachtete die Laichung von Petro- myzon Planeri im Aquarium. Vejdovsky gab in ein Aquarium, in dem sich 4 Männchen befanden, ein geschlechtsreifes Weibchen, das gerade zuvor zur künstlichen Abstreichung der Eier benutzt wurde. Sobald das Weibchen, das sich sogleich an einem Steine an- sog,insAquarium kam, begannen, nach der Darstellung Vejdovsky’s, die 4 Männchen plötzlich im Wasser wild herum zu jagen, bis sie das Weibchen erreichten, auf das sie sofort Angriffe unternahmen an ihrem Körper eine Stelle suchend, wo sie sich ansaugen könnten. Die Ursache dieser plötzlichen und lebhaften Action der Männchen ist in einem reizwirkenden Stoffe zu suchen, den das eben ab- gestrichene Weibchen von sich gibt. Bei der künstlichen Be- fruchtung geht gleichzeitig mit dem Rogen reichlich eine schleimige Masse ab, mit der sich die Eier zusammenkleben, ehe sie ins Wasser gefallen sind. Möglich, dass die schleimige Masse einen Stoff enthält, der sich im Wasser verbreitet und auf den Geruchs- sinn der Männchen eimwirkt, sie zum Geschlechtsakte reizend. Vejdovsky urtheilt so aus dem Umstande, dass die drei Männehen, in deren Nähe sich das Weibchen ansog, früher aus ihrer Ruhe kamen als das vierte Männchen, das weiter sich befand und das etwas später in schnellen Bewegungen das Weibchen zu er- reichen trachtete. In der Nähe des Weibchens angelangt, suchten alle vier Männchen sich an demselben anzusaugen und zwar bald an der Seite bald am Schwanze oder am Rücken, aber nur momentan, bis zwei von ihnen fast gleichzeitig sich am Kopfe des Weibcehens ansogen, eines in der Gegend oberhalb des Kiemen- korbes hinter dem Pinealflecke, das zweite aufs Auge. Das erstere verjagte mit mächtigen Exeursionen nach rechts und links das zweite Männchen, das das Weibchen losliess, wie schon früher die anderen zwei Männchen gethan hatten und sieh wie diese an einem Steine ansog. Unterdessen bereitete sich der des Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 57 Weibehens habhaft gewordene Petromyzon zum Laichen vor, was sehr schnell geschah. Sobald er nämlich seinen Neben- buhler vertrieben hatte, schlang er seinen Körper nach links um das Weibehen herum. Darauf schmiegte er die Gegend des Penis eng an den Körper des Weibehens an und begann leb- haft an den geschwollenen und röthlichen Lippen des Abdominal- porus zu streichen. Sofort entleerte der Abdominalporus des Weibehens den Rogen einzelweis, aber keinesfalls auf dieselbe Stelle. Sobald das Weibchen zwei, drei Eier abgegeben, hob es seinen Körper und machte bald nach rechts bald nach links un- bedeutende Exeursionen, beständig Eier entleerend. Das Männchen unterdessen hörte nieht auf zu streichen. Dann aber hörte es plötzlich auf und ohne das Weibehen zu verlassen, hob es etwas schief die hintere Partie des Körpers mit dem Penis. In diesem Augenblicke spritzte es einen Strahl von Spermatozoen ins Wasser, der zwar fadendünn, aber in Folge seiner milchweissen Farbe sehr deutlich zu sehen war. Das Sperma spritzte verhältniss- mässig weit, aber immer auf dieselbe Stelle. Dessen war sich das Männchen instinktiv bewusst und begann, nachdem es sich ausgestreckt, mit mächtigen Schlägen nach rechts und links das Wasser zu bewegen, in dem das Sperma sich befand. Dadurch wurde selbst der Rogen auf dem Sande aufgewirbelt und hin- und hergeworfen, wodurch er offenbar mit dem Sperma in Ver- bindung kam. Dieses natürliche Umrühren des Rogens von Seite des Männchens dauerte eine geraume Zeit, worauf dasselbe — offenbar ermüdet — das Weibchen losliess, um sich an einem Stein anzusaugen. Das Weibchen verblieb ruhig auf derselben Stelle. Die künstliche Befruchtung. Nach dem Beispiele Vejdovsky’s nahm ich die „nasse“ Befruchtung vor. Emaillirte flache Schüsseln wurden zur Hälfte mit Wasser gefüllt, darauf der in ein Tuch gehüllte Rogner aus- gestrichen und während mein Assistent mit einem Glasstabe das Wasser mit dem frischabgestrichenen Rogen umrührte, wurde die Milch beigesetzt, die aus dem Penis schon bei schwachem Drucke auf die Bauchwände des Männchens in feinem Strahle weit weg- spritzt. Doch bin ich zu der Erfahrung gekommen, dass auf diesem Wege viele Eier unbefruchtet bleiben, was das Studium 58 Karl Herfort: ungemein verlängert und erschwert. Darum wurde auch diese „nasse Befruchtung“ von Fischzüchtern aufgegeben und machte der „trockenen Befruchtung“ Platz; bei dieser streicht man zuerst den Rogen, dann die Milch in leere Schüsseln ab und giesst erst nachträglich, nachdem man mit der Fahne einer Feder den Samen mit den Eiern tüchtig vermengt hat, Wasser zu. (Paul Vogel, Ausführliches Lehrbuch der Teichwirthschaft. Bautzen 1898.) Mir gelang es nur Gastrulastadien aufzuziehen, da mir Saprolegnien die ganze Zucht vernichteten. Vejdovsky, der die Eier täglich sorgfältig überklaubte und alle mit Sapro- legnien angefallenen Eier beseitigte, gelang es, bis 4 cm lange Ammocoeten aufzuziehen. Angewandte Untersuchungsmethoden. Als Conservirungsmittel benutzte ich die von v. Rath (41) ange- gebene Pikrinosmium-Platinchloridessigsäure und Pikrinplatin-Chlorid- essigsäure; weiter conservirte ich mit Sublimateisessig. Mit allen 3 Methoden erhielt ich schön eonservirtes Material, das uns die feinsten Structuren des Protoplasmas lesen lässt und sich in Paraffinserien gut zerlegen liess. Doch muss ich bemerken, dass manche Fläschehen, obzwar die Eier auf dieselbe Weise conservirt wurden, ganz unbrauchbares Material ergaben, in welchem der Dotter zu einer dem Schilddrüsenkolloid ähnlichen Masse zusammengeschmolzen war und die überhaupt nicht zu schneiden gingen, sondern vollkommen zerbröckelten. Die erste halbe Stunde conservirte ich und zwar jedes Stadium auf die oben angegebene dreifache Weise alle 5 Minuten, später in viertel- bis halbstündigen Intervallen. Die Eier wurden ein- zeln in Paraffin eingebettet, und zwar erhielt ich, wie aus meinen Zeichnungen zu ersehen ist, schön orientirte Eier, was mich freilich erst eine lange Erfahrung lehrte. Ich benutzte nämlich beim Ein- giessen der Eier ins Paraffin breite, oben napfförmig erweiterte Pi- petten, wie sie bei den Tropffläschehen in der Augenheilkunde An- wendung finden, sog in eine solche zuvor erwärmte Pipette das Ei auf und liess das Paraffin mit demselben langsam auf ein mit Glycerin bestrichenes Objectgläschen ausfliessen. Mehrere Eier auf einmal ein- zugiessen und zu schneiden, bewährte sich nicht. Das Ei zerlegte ich in Serien von 50—100 Schnitten, die ich mit Wasser aufklebte. Die Schnitte färbte ich hauptsächlich mitM. Heidenhain’s Eisenhämatoxylin und mit Delafield’s Hämatoxylin, daneben einige mit Fuchsin und Safranin. Mit der E. A. H.-Methode erhielt ich schöne Präparate, be- sonders wenn dieselben noch mit Eosin nachgefärbt wurden. Für die stärksten Vergrösserungen zeigte sich die E. A. H.-Methode allein als die beste, und wendete ich dieselbe später fast ausschliesslich an. Die Entfärbung kontrollirte ich zwar unter dem Mikroskope, doch war ich Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 59 was besonders die Centralkörper anbelangt, vollkommen dem Zufall preisgegeben, da diese Gebilde bei Petromyzon allzuklein sind. Doch waren gerade schwach oder wieder stark entfärbte Präparate oft sehr instructiv. Speciell möchte ich darauf aufmerksam machen, die Eier nicht allzulange im Alkohol absolutus zu lassen, sondern lieber ins Paraffin eingegossen aufzubewahren, da sich solche Eier noch heute geeradeso schneiden lassen wie frisch eingegossene, während sich Eier, die ich lange in Spiritus aufbewahrt hatte und die anfangs sehr gut zu schneiden waren, als vollkommen unbrauchbar erwiesen. Die Zeich- nungen der mikroskopischen Schnitte wurden mit Reichert’s Zeichen- apparat nach Abbe gefertigt. Die mit meinem Reichert’schen achromatischen Mikroskope gemachten Befunde controllirte ich mit einem im Besitze der Landesirrenanstalt zu Dobran befindlichen Zeiss- schen Apochromat-Mikroskope. Die Befruehtungsphänomene iin vivo. Obwohl meine Beobachtungen in vivo an Genauigkeit hinter denen Calberla’s und besonders Kupffer und Benecke’s weit zurückstehen, weil ich mein Hauptaugenmerk auf die Conser- virung des Materials richten musste, so ergänzen dieselben doch nicht unwesentlich die Beobachtungen dieser Autoren, wobei mir auch die unveröffentliehen Beobachtungen Vejdovsky’s sehr zu gute kamen. Die frisch abgestricehenen Eier sind gelblich weiss, circa 1 mm lang, und sind sehr klebrig, wodurch sie sowohl an der Unterlage anhaften, so dass man das Wasser abgiessen kann, ohne dass sie sich lostrennen, als auch untereinander sich leicht zu grösseren oder kleineren Klumpen verkleben. Die Ursache dessen ist der schon erwähnte schleimige Ueberzug, der mit Aus- nahme des animalen Poles das Ei umgiebt. „Das Ei hat die Form eines Rotationsellipsoids“ und ist bis auf eine helle schmale Zone am animalen Pole, die auf optischem Querschnitte sichel- föormig dem übrigen Theile aufsitzt, undurchsichtig. Am ani- malen Pole sehen wir schon in vivo eine körnehenfreie Proto- plasmaschicht, die als solehe richtig von Calberla beschrieben und gedeutet wurde im Gegensatze zu Böhm, der dieses „Pol- plasma“, wie er es nannte, vom Eikern abstammen lässt. Das Ei zeigt sieh bei schwacher Vergrösserung von einer einfachen Eihaut umgeben, die am animalen Pole verdoppelt und verdickt erscheint. Dieser verdiekten Stelle der Eihaut sitzt die von August Müller als „Flocke“ bezeichnete sichel- 60 Karl Herfort: förmige Masse auf, auf die wir später noch zu sprechen kommen. während die übrige Eihaut von einer breiten Schleimschicht um- geben wird. Bei stärkerer Vergrösserung und auf Schnitten erkennen wir, dass das Ei von einer doppelten Eimembran umgeben wird. Am animalen Pole werden beide Membranen dieker und wölben sich zugleich uhrglasförmig vor. Calberla beschreibt treffend dieses Verhältniss. Nach diesem Autor sind sowohl die breitere äussere als auch die weit dünnere innere Eihaut von dichtge- stellten feinen Kanälen durchzogen und zwar so, dass die Ka- näle der inneren Eihaut sich in die der äusseren direkt fort- setzen, was Kupffer und Benecke bestreiten, und nur die innere Eihaut von dichtgestellten Porenkanälen durchzogen sein lassen. Ich habe weder in vivo, noch auf Schnitten Porenkanäle beobachtet. Calberla beschreibt und zeichnet. eine deutliche Mikropyle am animalen Pole. Nach Kupffer’s und Benecke’s Darstellung ist die Mikropyle nieht eine offene Pforte, „wohl aber eine per- meablere Stelle“. Auch Vejdovsky vertritt seinen Beobach- tungen in vivo zufolge die Existenz einer Mikropyle. Ich habe in vollkommener Uebereinstimmung mit Böhm weder in vivo, noch auf Schnitten eine Mikropyle beobachten können. Nehmen wir in ein Uhrgläschen Eier unmittelbar nach der Befruchtung, so constatiren wir als erstes, dass sich der animale Pol von der Eihaut zurückzieht und zwar beginnt, wie dies schon die früheren Autoren gesehen haben, diese Zurückziehung nicht am Pole, sondern seitlich in Gestalt eines Walles. Auf anderen Eiern ist schon der ganze animale Pol von der Eihaut zurückgezogen, und hängt durch einen hyalinen plasmatischen Cylinder und einige plasmatische Fäden noch mit derselben zusammen. Verfolgen wir nun ein einziges Ei, so macht es fol- gende Bewegungsphänomene durch. Der hyaline Cylinder und die Fäden verschwinden. Aus der Mitte des von der Eihaut zurückgezogenen Eipoles beginnt ein hyaliner plasmatischer Tropfen zu wachsen, der seitlich von kleineren Tröpfehen umgeben ist. Derselbe erreicht eine bestimmte Grösse, um dann ebenso wie er erschienen sich wieder einzuziehen. Gleichzeitig schnürt sich die übrige Eiperipherie von der Eihaut ab. Dabei geht das Ei aus der ovalen in eine Birnform über. Indem sich die der Ei- haut noch eng anliegende Eiperipherie beständig verkleinert, Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 61 wird die Birnform nach dem vegetativen Pole zu immer spitzer und spitzer, bis die ganze Eiperipherie von der Eihaut sich zu- rückgezogen hat. Das Ei rundet sich hierauf zu einer voll- kommenen Kugel ab, von den plasmatischen Gebilden am ani- malen Pole ist nichts mehr zu sehen. Oft konnte ich beobachten, dass der Uebergang zwischen der von der Eihaut schon abgeschnürten und der derselben noch eng anliegenden Eiperipherie nicht abgerundet, sondern scharfkantig ist. Während der Abschnürung des Eies von der Eihaut läuft diese Kante über das Ei, bis sie den vegetativen Pol erreicht. Betrachten wir nun jenen hyalinen Zapfen am animalen Pole, den Dottertropfen Calberla’s, bei stärkerer Vergrösserung, so sehen wir, dass derselbe amöbenartig seine Form ändert. Sehr oft konnten wir in Uebereinstimmung mit Calberla, Kupffer und Benecke beobachten, dass der Dottertropfen seine Basis „zu einem feinen Stiele* verdünnt, „der jeden Augenblick zu reissen droht“, worauf er sich wieder einzuziehen beginnt. Wie Kupffer und Benecke, so sahen auch Vejdovsky und ich im Polzapfen kleine Körnehen, die Brown’s Molecularbewe- gung zeigten. Seitlich vom Dottertropfen quellen aus dem Pol- plasma kleine hyaline Tropfen hervor, die sich wie der Dotter- tropfen wieder einziehen. Um die allerersten Bewegungsphänomene am befruchteten Ei zu studiren, habe ich einige frisch abgestrichene Eier in ein flaches Uhrglas mittelst Pipette übertragen, worauf mein Assistent in dasselbe den Samen eines bereitgehaltenen Milch- ners spritzte. Nach Umrühren mit einem Glasstabe wurde das Uhrglas sofort unters Mikroskop gestellt. Die Spermatozoen um- schwärmen massenhaft das Ei und hauptsächlich in der Gegend der Flocke, wie dies treffend schon Kupffer und Benecke beschreiben. Die Retraetion der Eiperipherie beginnt seitlich und zwar in der Weise, dass dünne Verbindungsfäden übrig bleiben, die sich von der Eiperipherie zur Innenseite der Eihaut ausspannen. Die Basis dieser Fäden hat auf optischem Durchschnitte die Ge- stalt eines Dreiecks. Die Retraetion schreitet nun auf diese Weise sowohl zum animalen als auch vegetativen Pole vor. Vom ani- malen Pole zieht sich der Dotter so zurück, dass zwischen ihm und der Eimembran auf optischem Durchschnitte ein breites {er} DD Karl Herfort: hyalines Band sich ausdehnt, das sich immer mehr in die Länge zieht, dabei aber continuirlich an Breite abnimmt. Unterdessen sind die dünnen Fäden gerissen und ihre Enden runden sich zu kleinen Tropfen um. Den der inneren Eihaut anliegenden Tropfen hat Calberla den Namen „Randtropfen* gegeben !). In jenem hyalinen Bande erscheint plötzlich ein kleines längliches Gebilde, das Spermatozoenköpfehen, das rasch im Dotter verschwindet. Unterdessen beginnt das hyaline Band sich in der Mitte einzu- schnüren, bis es endlich in 2 Hälften reisst, von denen die obere sich kugelig abrundet, ähnlich den schon beschriebenen Rand- tropfen, die untere Hälfte sich in das Ei einzieht. Die Ober- fläche des animalen Poles befindet sich in lebhafter Bewegung, aus demselben wächst dann jener hyaline Polzapfen, den wir schon oben kennen gelernt haben. Das Eindringen des Spermatozoons durch die Eihaut habe ich nicht beobachtet. Darüber berichten jedoch Kupffer und Benecke; nach diesen Autoren dringt das ganze Spermatozoon sammt Schwanz in das Ei ein. Calberla nannte jenes hyaline Band am animalen Pole, durch welches wir das Spermatozoon durchtreten sahen, „Leit- band des Spermatozoons“. Kupffer und Benecke verwerfen diesen Namen, „da er einer Annahme entspringt, die vorschnell den Einzelfall zur Regel erhoben“ und schlugen den Namen „Axenstrang“ vor. Sie haben das Spermatozoon an den ver- schiedensten Punkten der uhrglasförmigen Wölbung, häufig ganz nahe der Peripherie derselben, die Eihaut perforiren gesehen. Meine Beobachtungen sind in dieser Beziehung lückenhaft geblieben. Nur einen Befund möchte ich hier noch anführen. Oft fand ich nämlich jenen grossen Randtropfen, der nach Zer- theilung des Axenstranges an der Innenseite der Eihaut hängen bleibt, nicht streng polar, sondern seitlich an der Eihaut hängen. Wie lassen sich diese so interessanten Bewegungsphänomene am befruchteten Ei erklären? 1) Nach Kupffer und Benecke stammen diese Randtropfen nur zum Theil von den an der Eihaut zurückbleibenden Enden der Verbindungsfäden. „Zu einem andern Theil aber stammen diese Bläs- chen vom Sperma her und zwar von Köpfen, die mehr oder weniger tief in die zweite Schicht der Eihaut sich einbohren oder dieselbe eben durchdringen.“ Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 63 Calberla, der genaue Messungen mittelst des Zeichnen- prismas während des Befruchtungsvorganges angestellt hat, „ist es als zweifellos erwiesen, dass der Dotter sich nicht contrahirt, dagegen die Eihaut sich enorm ausdehnt. Der Raum zwischen Eihaut und Eidotter ist mit Wasser angefüllt, welches einzig und allein durch die feinen Poren der Eihaut eingedrungen sein kann,“ wie sich Calberla durch Versuche, in denen er dass Wasser mit 0,5°/, Inulinlösung gefärbt, hat überzeugen können. Da die Eiperipherie der Eihaut fest adhärirt, indem sie die feinen Poren der- selben verstopft, weicht die aus „klebrigflüssigem“ körnchenfreiem Protoplasma bestehende Randschicht nicht einfach in toto ınit dem übrigen Dotter zurück, sondern wird zu den erwähnten feinen Fäden ausgezogen. Die Entstehung des Dottertropfens bewirkt nach Calberla ein Contraetionsvorgang im Dotter, den nach geschehener Copulation, die sich um den Eikern, den er unter- halb des Polplasmas gesehen haben will, concentrisch anordnenden Dotterelemente bewirken sollen, eine Ansicht, die, wie wir sehen werden, ganz falsch ist. Kupffer und Benecke geben folgende Erklärung dieser Vorgänge: „Ausgehend von den beiden Thatsachen, dass sich der Dotter noch vor der Berührung desselben durch ein Zoosperm von der Eihaut am activen Pole zurückzuziehen beginnt, und dass das penetrirende Zoosperm zuletzt alle Bewegung einstellt und in radiärer Richtung angezogen wird, nehmen wir einen um diese Zeit in Wirksamkeit tretenden Körper im Dotter an, der sowohl auf das Protoplasma des Dotters als auf die Zoospermien eine Anziehung ausübt. Die von diesem Körper ausgehende Anziehungskraft denken wir uns als eine mit der Entfernung abnehmende, aber mit der Masse zunehmende, und den Körper als beweglich im Dotter.“ Diese Kraft verlegten sie in den sich bildenden Eikern, dessen Anziehungskraft in Wirksamkeit tritt. „Die nächste Wirkung ist die Ablösung des Protoplasmas von dem Uhrglase und die Anziehung desjenigen Zoosperms, das den ge- ringsten Widerstand an der Eihaut findet, d. h. desjenigen, das in dem die Mikropyle treffenden Radius herankommt. Da nun die Anziehung als eine gegenseitige zu denken ist und mit der Masse wächst, so muss bei dem excentrischen Auftreten des Kerns die grössere nach der Seite des passiven Pols hin gelegene Masse des Eies diesem Kern eine Bewegung gegen das Uentrum hin ertheilen. Dadurch entfernt der- selbe sich vom Uhrglase, und es nimmt seine Anziehung auf die übrigen Zoospermien ab. Mit der Annahme einer Bewegung des Kernes gegen 64 Rarl Herfort: das Centrum harmonirt die allmählich vorschreitende Einschnürung des Dotters.“ Die Vor- und Rückwärtsbewegung des Zapfens bleibt, wie Kupffer und Benecke selbst zugeben, durch diese Hypothese unerklärt. Unterstützt durch meine an Serienschnitten gewonnenen Er- fahrungen gebe ich diesen Bewegungsphänomenen, die sich am animalen Pole des befruchteten Petromyzoneies abspielen, folgende Erklärung: Dieselben sind ein Ausdruck des „gelatin- flüssigen“ Aggregatzustandes (Rhumbler) (42) des Protoplasmas, das als Polplasma kappenförmig dem animalen Pole aufsitzt und als eine von zahlreichen Flüssigkeitsvacuolen erfüllte, von mir (22) als Alveolarschieht bezeichnete Randzone die übrige Eiperi- pherie einnimmt. Der wahrscheinlich schon durch das Eindringen des Spermatozoons in die Eihaut auf das Ei ausgeübte Reiz hat unter Äuspressung von Flüssigkeit eine Contraetion desselben zur Folge. Der dem Reiz am nächsten gelegene Locus minoris resi- stentiae ist eben die Alveolarschicht unterhalb des Polplasmas, da dieselbe im Gegensatze zu diesem von zahlreichen Flüssigkeits- vacuolen durchsetzt wird, die, wie ich annehme, bei der Retraction der Eiperipherie zum Platzen kommen, da nach Retraetion der Eiperipherie die Alveolarschieht nicht mehr vorhanden ist. Wie es eben dem dickflüssigen Zustande des Protoplasmas entspricht, löst sich dasselbe nicht einfach von der Eiperipherie ab, sondern unter Fadenbildung; da die Cohäsion des Plasmas geringer ist als dessen Adhäsion an die Eihaut, bleiben Flüssigkeitstheil- chen an der festen Eihaut hängen, die unter dem Einflusse der Oberflächenspannung zu den Randtropfen ebenso sich abrunden, wie dies Verworn (58) für Protoplasmamassen anführt, die durch Zerquetschen und Ausschneiden der Zellwände aus der Zellmem- bran herausquellen. Da das Polplasma, wie wir uns in vivo und auf Schnitten überzeugen konnten, aus lauter Protoplasma besteht, haftet es der Eihaui fester an als die übrige Eiperipherie. So kommt es bei der Retraction desselben von der Eihaut zur Bildung des Leit- bandes (Calberla) oder Axenstranges (Kupffer und Benecke), den ich für einen Empfängnisshügel halte. Schnitte durch diese Stadien lassen schwerlich eine andere Deutung zu. Freilich sprechen dagegen die sehr bestimmten Angaben Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 65 Kupffer's und Benecke's. Diese Autoren geben zwar zu, dass es ın 80—90 Procent zur Bildung eines Axenstrauges kommt, aber das Zoosperm braucht nicht den Axenstrang zu passiren. Unter fünfzig von diesen Autoren beobachteten Fällen des Ein- dringens des Spermatozoons in das Ei (Petromyzon fluviatilis) lag die Perforationsstelle im Scheitelpunkte des Uhrglases nur sechsmal, d. h. nur sechsmal unter fünfzig Fällen wurde der Axenstrang als Weg für das penetrirende Spermatozoon in das Ei benutzt, was nach diesen Autoren auch für Petromyzon Planeri gelten soll. Bei der Retraction des Polplasmas von der Eiperipherie reisst auch dieser Axenstrang, wobei sich sein peripheres Ende zu einem grossen Randtropfen abrundet. Der Polzapfen, der nach Einziehung des Axenstranges aus dem Polplasma hervorquillt, ist nach meiner Ansicht nur ein Ausdruck des lebhaften Assimilationsprocesses, den das in das Polplasma eindringende Spermatozoon hervorruft. Wie wir uns auf Schnitten überzeugen konnten, beginnt unter rascher Assimi- lation von Dotterkörnern eine schnelle Vermehrung des Pol- plasmas, das sich in lebhaftem Aufruhr befindet; seine ganze Ober- fläche ist in beständiger wellenförmiger Bewegung; wie eine Amoebe entsendet dasselbe in Gestalt des Polzapfens und kleinerer kugeliger Gebilde Pseudopodien in den unter der Eiperipherie befindlichen Eiraum. Für die Pseudopodiennatur dieses Gebildes spricht die von Kupffer und Benecke angeführte interessante Beobachtung, dass der Zapfen manchmal die innere Eihautfläche „ableckt“ und die plasmatischen an ihr hängenden Randtropfen in sich aufnimmt. Kupffer und Benecke legten auf die Berührung der Eihaut durch den Zapfen einen besonderen Werth, indem er auch Zoo- spermien aufnehmen soll und schreiben ihm eine ergänzende Rolle bei der Befruchtung zu (Nachbefruchtung). Böhm’s und meine Untersuchungen sprechen gegen eine Polyspermie, niemals fanden wir mehr als ein Spermatozoon im Protoplasma. Ich gehe nun zur Darstellung meiner auf Serienschnitten gewonnenen Resultate über. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 5 66 Karl Herfort: Das unbefruchtete Ei und der erste Richtungskörper. Die 1895 (22) von mir gegebene Beschreibung kann ich vollkommen aufrecht erhalten Ein zum Zweck der künstlichen Befruchtung der Bauchhöhle des geschlechtsreifen Mutterthieres entnommenes Ei ist m Taf. IV, Fig. 1 dargestellt. Am animalen Pole befindet sich ein kappenförmiges, auf Durchschnitten sichel- förmiges Gebilde, das Polplasma Böhm’s, das aus feingranulirtem Protoplasma besteht. Die übrige Eiperipherie weist schon bei schwacher Vergrösserung ein deutliches grobschäumiges Gefüge auf; ich bezeichnete diese Randzone als Alveolarschicht. Seitlich, etwas unterhalb des Polplasmas, sehen wir die alveolare Rand- schieht unterbrochen. Hier fehlen die Alveolen, dafür sehen wir hier eine Einsenkung in der Eiperipherie, in der sich der erste Riehtungskörper befindet. Unter dieser Grube finden wir im Ei eine kleine tonnenförmige Spindel. Diese Gegend der Eiperipherie bildet den Ausgangspunkt einer deutlichen Radiation, die dadurch zustande kommt, dass die Dotterplättchen um die Grube strahlen- artig angeordnet sind. Das Innere des Eies ist von Dotterplätt- chen erfüllt; diese stehen unterhalb der Peripherie am dichtesten und sind auch viel kleiner als im Innern des Eies, wo sie zu- gleich lockerer angeordnet sind; wir sehen hier auf Durchschnitts- präparaten zahlreiche helle runde Flecken zwischen den Dotter- plättchen. Das Ei ist von einer doppelten Eihaut umgeben, der am animalen Pole die Flocke (Taf. IV, Fig. 2) in Gestalt von unregel- mässigen Zacken aufsitzt. Das Polplasma zeigt bei starker Vergrösserung eine deut- liche alveolare Structur, ausserdem finden sich in demselben grössere und kleinere Dotterkörner und Flüssigkeitsvacuolen ein- gelagert. Diese Wabenstructur lässt sich auf dünnen Schnitten auch in den Dotter hinein verfolgen. Die übrige Randzone be- steht aus dicht aneinandergereihten Vacuolen, bei stärkster Ver- grösserung, besonders mit Zeiss apochrom. homog. Immersion, lösen sich die Zwischenwände dieser Vacuolen in deutliche Waben auf. Sehr schön zeigt diese Wabenstructur ein Schnitt, der quer durch diese Randschicht geführt ist, wie wir solche als erste und letzte Schnitte unserer Serien durch unbefruchtete Eier erhielten MakıV. Fig. 5). Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 67 Besonders deutlich erkennen wir diese Wabenstruetur, wenn wir bei stärkster Vergrösserung (Zeiss homog. apochrom. Im- mersion, Compensationsocular, 8, 12, 18) mit der Irisblende das Gesichtsfeld immer mehr und mehr verdunkeln, wobei uns die Waben körperlich als kugelige Gebilde, die die grossen kreis- förmigen oder polygonalen Hohlräume umgrenzen, entgegentreten. Diese eben beschriebenen, in der grobschäumigen Randzone die Grösse bis von 12 u erreichenden „Alveolen“ halte ich für Deutoplasma-Kugeln, für Flüssigkeitstropfen, welche besonders zahlreich an der Peripherie des Petromyzoneies angeordnet sind, aber auch im Inneren vorkommen, wie wir aus der Anordnung der Dotterkörner schon bei schwacher Vergrösserung erkennen. —- Die Dotterkörner haben bei schwacher Vergrösserung eine läng- liehe oder runde Gestalt, bei stärkster Vergrösserung (Taf. IV, Fig. 4) erscheinen sie auf optischem Querschnitte sechseckig mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken. Ihre Grösse schwankt zwischen mikrosomaler Kleinheit bis zu der von 10 u. Die Riehtungsspindel besitzt eine schöne tonnenförmige Ge- stalt und eine Länge von eirca 12 u. An den Polen habe ich weder Sphären noch Centralkörper beobachten können, was — besonders die letzteren — sich auch schwer constatiren lassen dürfte, da die Spindel rings von Dotter- körnern umgeben ist. Die Chromosomen sind kleine kugelige, oft unregelmässig gestaltete Brocken, von einem Zählen derselben ist keine Rede. In meinem neuen Materiale habe ich nur wenige Präparate, die die Riehtungsspindel deutlich zeigen, da dieselben zumeist mit Heidenhain’s E. A. H. gefärbt sind, der die Dotter- körner tief dunkelblau färbt, so dass, besonders auf diekeren Sehnitten, die Spindel verdeckt wird; wir können daher nur aus der Einsenkung an der Eiperipherie und dem Richtungskörper in derselben auf deren Existenz schliessen. Im Jahre 1893 (22) habe ich eine grosse Reihe unbefruchteter Eier in Serien zerlegt. Damals habe ich die Eier mit Pikrokarmin in toto durchfärbt; alle meine Präparate hatten den Dotter schwach gefärbt, was mir das Finden der Riehtungsspindel sehr erleichterte. Ich ver- weise daher auf meine damaligen Befunde, welche beweisen, dass das befruchtungsfähige, unbefruchtete Ei von Petromyzon fluviatilis schon den ersten Richtungskörper abgeschnürt hat. Niemals konnte ich die Bildung desselben beobachten, immer 68 Karl Herfort: war er schon ausgebildet. Ich glaube auf Grund meiner Befunde annehmen zu dürfen, dass der erste Richtungskörper schon sehr zeitig gebildet sein muss, da ich an zahlreichen unbefruchteten Eiern schon einen Zerfall desselben wahrnehmen konnte. Bei einigen unbefruchteten Eiern konnte ich überhaupt keinen Rich- tungskörper mehr finden, sondern nur eine Richtungsspindel unter der fast vollkommen ausgeglichenen Grube, die sich durch das Fehlen der Vacuolen schon bei schwächerer Vergrösserung gegen die übrige Eiperipherie markirt. In dem Taf. IV, Fig. 3 abge- bildeten Schnitte besitzt der Richtungskörper eine Länge von 24 u, eine Breite von 12 u und lässt eine innere diehtere, mit einigen Chromatinbrocken erfüllte Zone und eine hellere Aussen- zone erkennen, die beide auf manchen Präparaten einen wabigen Bau zeigen. Manchmal finden sich in dieser Aussenzone des Riehtungskörpers ein bis zwei Dotterkörner. Die ersten Befruchtungserscheinungen. Die ersten Fläschehen, die die gleich nach vorgenommener Befruchtung eonservirten Eier enthielten, ergaben folgendes Resul- tat: Nur wenige Eier waren befruchtet, die meisten Eier waren noch unverändert, aber in der Flocke finden wir zahlreiche Spermatozoen eingelagert und auch vereinzelt liegt hie und da ein Spermatozoon seitlich der Eimembran an. Zwei solche frei- liegende Spermatozoen sind in Taf. IV Fig. 9 und 10 dargestellt, Sie besitzen eine Länge von circa 8 u und lassen ein deutliches Mittelstück erkennen, vom Schwanzfaden ist nichts zu sehen. Das jüngste Befruchtungsstadium, das ich auf Schnitten erhielt, stellt Taf. IV Fig 6 dar. Verfolgen wir zunächst die Ge- staltsveränderungen des Polplasmas. In dieser Figur besitzt dasselbe die Gestalt eines Empfängnishügels, indem seitlich die Eipheripherie retrahirt ist, während sonst das Polplasma der Eihaut eng anliegt. Auch die Ueberbleibsel der dünnen Fäden, die wir in vivo beobachten konnten und die nach Reissen der- selben zu kleinen Kügelchen sich abrunden, finden wir auf den Schnitten wieder. Diese sind es wohl, die Böhm (8) irrthümlich für Bichtungskörper angesehen hat. Ich besitze Serien, wo ich auf einem einzigen Schnitt bis zehn solcher Plasmatropfen vor- finde. Bei der Conservirung, wie ich schon früher (22) be- Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 69 schrieben, können sie leicht von ihrer Unterlage abreissen und den Eindruck von Riehtungskörpern machen. Der Axenstrang stellt sich also auf Durehsehnitten als ein wahrer Empfängnishügel dar. Er sitzt anfangs mit breiter Basis dem übrigen Polplasma auf (Taf. IV Fig. 6). Mit der weiteren Entwiekemung beginnt an seiner Basis eine Unterminirung des Axenstranges und zwar, wie ich aus der Vacuolenbildung, die ich an einigen Präparaten beobachten konnte, schliesse, unter Ausscheidung von Flüssigkeit, die eine Abschnürung des Axen- stranges vom übrigen Polplasma zur Folge hat; sein Hals, der ihn mit dem Polplasma verbindet, wird immer dünner und dünner Mars TVo. 7. u:08). An einigen Präparaten fand ich ausser jenem centralen Halse des Axenstranges zwischen dessen verbreitertem Ende und dem darunter gelegenen Polplasma breitere und engere Verbin- dungsbrücken; so sehen wir z. B. auf Taf. V Fig. 22a links vom Halse des Axenstranges fast in der ganzen Ausdehnung das Polplasma mit diesem noch in Verbindung, rechts geht dann von seinem verbreiterten Ende ein dünner Faden zum Polplasma. Dies beweist, dass also das Polplasma sich in der Weise retrahirt, dass zuerst ein breiter Empfängnishügel zur Ausbil- dung kommt; derselbe dehnt sich bei der weiteren Retraection in die Länge und unter Flüssigkeitsausscheidung an seiner Basis kommt es zu einer allmählichen Abschnürung desselben vom Pol- plasma. Anfangs ist der Axenstrang durch einen centralen Hals und durch breitere und dünnere Protoplasmabrücken mit dem Polplasma verbunden; diese letzteren reissen mit der weiteren Retraction des animalen Poles von der Eihaut ab, so dass nur der Hals des Axenstranges als einzige Verbindung übrig bleibt, bis schliesslich auch dieser sich vollkommen abschnürt, wie man so schön in vivo beobachten kann. Bei dieser Absehnürung des Polplasmas vom Axenstrange fliesst die Mehrzahl seines Plasmas durch die erwähnten Verbindungsbrücken und den Hals des Axenstranges in das darunter gelegene Polplasma über, während nur ein kleiner Theil desselben an der inneren Eihaut haften bleibt, wie sich in vivo constatiren lässt. Aus’ Taf. IVORie2 6, 7, 8) Taf. V Figw221 ist’ ersichtlich, lass der Hals des Axenstranges auf Präparate, die mit Heiden- hain’s E.A.H. gefärbt sind, eine breite dunkelblaue Contour be- 70 Karl Herfort: sitzt. Der Axenstrang selbst verhält sich bei dieser Färbung anders als das übrige Polplasma, indem sich sein Protoplasma schön blau färbt. Das Polplasma nimmt unter rascher Assimilation von Dotter- körnern beständig an Grösse zu und wächst immer mehr und mehr in den Dotter hinein, wie es Taf. IV Fig. 6, 7, 8, Taf. V Fig. 22, 23 zeigen. An seinem Uebergange in den Dotier sehen wir ein neues Gebilde, das dem unbefruchteten Ei fehlte. Wir sehen hier auf Schnitten eine breite „wellige Membran“ (Böhm). Dieselbe ist auf Taf. IV Fig. 6 noch ganz peripher unter dem Axenstrang gelegen, mit der Zunahme des Polplasma rückt sie immer mehr und mehr in die Tiefe, wie aus Taf. IV Fig. 7, 8, Taf. V Fig. 22, 23 ersichtlich ist. Auf manchen Präparaten (Taf. IV Fig. 7) besitzt dieselbe auf der Innenseite spitze Zacken. Bei mittlerer Vergrösserung erweist sich diese wellige Membrane als aus dichtem Protoplasma bestehend und zeigt eine deutliche Querstreifung (Taf. IV Fig. 7, 8, Taf. V Fig. 22). Ich halte dieses interessante Gebilde für ein Differenzirungsprodukt des Polplasmas, das bei der Assimilation der Dotterkömer eine wichtige Rolle spielen muss. Es entsendet nämlich wurzelfadenartige Fortsätze in den Dotter hinein (siehe Taf. IV Fig. 6, 7). Diese plasmatischen Fäden (und die noch später zu erwähnenden Radien der Furchungs- spindelpole) waren es, die mich die eigentliche Struetur des Protoplasmas im Ei von Petromyzon fluviatilis kennen lehrten. Bei Immersionssystemen erkennen wir, dass diese plas- matischen Fäden, die von der welligen Membran in den Dotter hineinziehen, nicht Fäden, sondern, wie wir es noch später auch bei den Radien der Polstrahlungen beschreiben werden, Alveolen- züge sind, deren Wände uns Fäden vortäuschen. Diese wurzel- fadenartigen Fortsätze der welligen Membrane halte ich für Protoplasmaströme, die die aufgelösten Dotterkörner der welligen Membran zuführen, die sie dann dem Polplasma abbiegt. Ueber- all auf den Präparaten sehen wir unter der welligen Membran, dass hier ein Zerfall und Auflösung der Dotterkörner stattfindet. Die Dotterkörner unterhalb der welligen Membran zeigen gegen- über Farbstoffen ein ganz anderes Verhalten als die übrigen Dotterkörner; diese färben sich z. B. mit Heidenhain’'s E.A.H. tief dunkel, während jene sich weit schwächer färben; eigentlich Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 71 finden wir hier alle Nüancen von tief dunkel sich färbenden bis vollkommen ungefärbten Dotterkörnern; überdies überwiegen hier kleinere Dotterkörner. Die wellige Membran selbst löst sich bei stärksten Ver- grösserungen ebenfalls in Alveolen auf, deren Wände sich im Gegensatz zu der Gerüstsubstanz des übrigen Polplasmas viel dunkler färben. Die Veränderungen des SpermatozoonsimE£Ei. Die Bildung seiner Sphäre und des männlichen Vorkernes. Das in das Ei eingedrungene Spermatozoon hat zunächst die Gestalt, wie die in der Flocke beschriebenen (Taf. IV, Fig. 11, 17). Solche noch ganz unveränderte Spermatozoen finden sich an den verschiedensten Stellen des Polplasmas, gewöhnlich aber fand ich dieselben seitlich im Polplasma gelegen, ihre Längs- axe ist unter einem Winkel von eirca 45° gegen die Ober- fläche des Eies geneigt, wie dies schon Böhm richtig beob- achtet hat. Doch fand ich auch andersgelagerte Spermatozoen, solche, die knapp unter der Peripherie parallel mit dieser liegen, andere wieder, die in der Richtung des Eiradius gelegen waren. Aus meinen Präparaten schliesse ich, dass das Spermatozoon unter Schraubenbewegungen im Polplasma vorrückt, dabei nimmt es selbst eine schraubenförmige Gestalt an, wie aus den Taf. IV, Fig. 12, 13 ersichtlich ist. In einigen Fällen konnte ich mit Bestimmtheit hinter dem Spermakopfe ein distinet gefärbtes winziges Körperehen eonstatiren, den „Spermahals“. Dieser sitzt in Taf. IV, Fig. 11, 16 dem Hinterende des Spermakopfes auf, entfernt sich mit der weiteren Entwicklung von diesem und liegt „nackt“ im Polplasma. (Taf. IV, Fig. 13, 15, 18). Das Polplasma um das Sperma herum zeigtin diesen Stadien gar keine Veränderungen. Das Sperma und der von diesem getrennte Centralkörper (Hals) liegen wie Fremd- körper in dem aus deutlichen Alveolen bestehenden Polplasma. Im weiteren Verlaufe können wir im Polplasma folgende Ver- änderungen constatiren: 1. Die Bildung eines hellen Hofes um das Spermatozoon und einer Sphäre, die den Ausgangspunkt einer Radiation bildet. 72 Karl Herfort: 2. Zerfall des Spermakopfes in einige Theilstücke, die Spermatomeriten (Böhm). 3. Rotirung des Spermas um 180°. In Taf. IV, Fig. 6, Taf. V, Fig. 22a, 23 konnten wir im Polplasma um das Sperma keine Veränderungen wahrnehmen. Bei starken Vergrösserungen besitzt dasselbe, wie es Taf. IV, Fig. 11—18 zeigen, dieselbe alveoläre Structur wie an anderen Stellen. Betrachten wir Taf. V, Fig. 25a, so finden wir beim Spermatozoon schon die Spermatomeriten. Bei 500 facher Ver- grösserung, bei der dieses Präparat gezeichnet wurde, sehen wir um den Spermakopf einen hellen Hof ausgebildet, den Böhm schon beschreibt und zeichnet. Hinter dem Spermakopfe nehmen wir einen deutlichen Centralkörper schon bei dieser Vergrösserung wahr. Um das Spermatozoon herum, eigentlich um dessen Hof, finden wir ein feingranulirtes Protoplasma, das besonders hinter dem Spermakopfe um den Centralkörper zu einer deutlichen Sphäre!) angehäuft ist, die den Ausgangspunkt einer schönen Radiation bildet. Die Strahlen derselben präsentiren sich bei dieser Vergrösserung als grobe Fäden, die sich allmählich im Polplasma verlieren; besonders will ich hervorheben, dass sie sich nicht bis zur Eiperipherie verfolgen lassen. Untersuchen wir dieses Stadium bei stärkster Vergrösserung (Taf. IV, Fig. 19, 20, 21), so erkennen wir, dass das SpermatozZoon von einem hellen Hofe umgeben ist, der aus schwach gefärbten Alveolen besteht. Die Sphäre besteht aus feinschaumigem Protoplasma; ähnlich umgiebt, aber nur in dünner Zone, ein feinschaumiges Protoplasma den hellen Hof um das Spermatozoen. Die Strahlen lassen sich deutlich in Alveolenreihen auflösen, zwischen denen, wie schon bei schwächerer Vergrösserung (Taf. V, Fig. 25a) wahrnehmbar ist, sich grössere Deutoplasmavacuolen befinden. Der Centralkörper ist in diesen Stadien sehr deutlich wahrzu- nehmen und ist auf gut entfärbten Präparaten von einem Hofe schwächer sich färbender Alveolen umgeben (Taf. IV, Fig. 20). 1) Ich wende dieselbe Terminologie an, wie Haecker (20), nämlich: Centralkörper (den Ausdruck Centrosom will ich wie Katze | Meves (36) vermeiden) Sphäre Polkahinng)) Astrosphäre. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 73 Sehr interessante Veränderungen kann man am Spermakopfe selbst wahrnehmen. Wie schon Böhm festgestellt hat, zerfällt derselbe in einige Theilstücke, denen er den Namen Spermato- meriten gab; ich kann der Beschreibung, welche Böhm von ihnen gibt, zustimmen. Betrachten wir mit Zeiss Hom. apochr. Immersion diese Spermatomeriten — besonders deutlich zeigen dies stark entfärbte Präparate — so können wir wahrnehmen, dass sie eine maulbeerförmige Gestalt besitzen (Taf. IV, Fig. 19), indem sie nämlich sich aus kleinen dunkeleontourirten Bläschen zusammen- setzen. Mit der weiteren Entwicklung werden die Spermatomeriten undeutlich, indem die soeben beschriebenen Kügelchen sich zu einem unregelmässigen, traubenförmigen Gebilde (Taf. IV, Fig. 21) gruppiren. In Tafel V, Fig. 26a und 27b sehen wir schon den Spermakopf in einen runden männlichen Vorkern umgewandelt, dem eine spindelförmige Sphäre anliegt. Das Präparat, nach dem Fig. 26 gezeichnet ist, ist schwach entfärbt und zeigt be- sonders schön die Radiation um die Sphäre. In Taf. V, Fig. 27a befinden sich in der Sphäre zwei Centralkörper. Wir sehen also, dass die anfangs rundliche Sphäre sich spindelförmig auszieht, wobei der Centralkörper sich theilt. Der helle Hof, den wir um den Spermakopf wahrnehmen konnten. ist geschwunden, auf Taf. V, Fig. 26a sehen wir, dass dem männlichen Pronueleus links einige helle Alveolen aufsitzen. In Taf. V, Fig, 26 u. 27 erkennen wir an der Eiperipherie noch Spuren des schon ein- gezogenen Polzapfens, indem sich hier eine umschriebene Partie des Polplasmas schön blau färbt. Bei stärksten Vergrösserungen besitzt der männliche Vorkern eine lappige Gestalt (Taf. V, Fig. 28), seine Struetur ist schwer zu enträthseln; wir sehen hier ein (serüst- werk, dem grössere und kleinere Chromatinschollen eingelagert sind. Aus den Bildern auf Taf. IV und V ist ersichtlich, dass das Spermatozoon sich im Polplasma um 180° rotirt. Das Spermatozoon liegt anfangs, wie wir bemerkten, eirca 45° gegen die Eiperipherie geneigt im Polplasma, die Sphäre mit dem Centralkörper befindet sich hinter dem Kopfe, also näher der Eiperipherie (Taf. V, Fig. 25). Mit der weiteren Entwicklung dreht sich das ganze Gebilde, so dass dann die Sphäre von der Eiperipherie weiter entfernt ist als der Spermakern (Taf. V, Fig. 26, 27). Diese Rotation scheint gewöhnlich während der 14 Karl Herfort: Umwandlung des Spermakopfes in die Spermatomeriten und in den männlichen Vorkern zu geschehen, doch habe ich vereinzelte Beobachtungen, aus denen ich schliesse, dass die Rotirung manch- mal gleich nach dem Eindringen des Sperma in das Polplasma erfolgt. (Taf. IV, Fig. 17.) Die Bildung des zweiten Richtungskörpers und des weiblichen Vorkernes. Während die eben beschriebenen Vorgänge im Polplasma am Spermakern sich abspielen, kommt es zur Bildung des zweiten Richtungskörpers und des weiblichen Vorkernes.. Im unbe- fruchteten Ei fanden wir den Eikern unterhalb des Polplasmas in Gestalt einer tonnenförmigen, kleinen Spindel vor; der erste Riehtungskörper ist schon abgeschnürt und liegt in einer Ein- senkung der Eiperipherie (Taf. IV Fig. 1,3). Nach der Befruchtung verschwindet jene grobschaumige Randzone, die wir im unbe- fruchteten Ei schon bei schwacher Vergrösserung so schön wahr- nehmen konnten, ein Umstand, der das Finden der Spindel sehr erschwert. Meine mit Heidenhain’s E. A. H.-Methode ge- färbten Präparate sind für das Studium des Eikernes wenig ge- eignet aus dem schon oben angeführten Grunde, ich verweise daher auf meine alten Befunde aus dem Jahre 1893 (22). Nach erfolgter Befruchtung ist die periphere Grube und der erste Richtungskörper verschwunden. Die Spindel finden wir etwas von der Eiperipherie entfernt seitlich im Dotter liegen, gewöhn- lich finden wir dieselbe auf Serien schief durchschnitten. Unge- fähr °?/, Stunden nach der Befruchtung lässt sich die Bildung des zweiten Riehtungskörpers sehr schön verfolgen. In der Ei- peripherie sehen wir eine kleine Einsenkung, in der der zweite Richtungskörper sitzt. Derselbe ist ungefähr um die Hälfte kleiner als der erste Riehtungskörper und zeigt auf mit Heiden- hain’s E.A.H. gefärbten Präparaten eine breite, dunkie Contour (Taf. V Fig. 25 5). Die Spindel ist im Gegensatze zur ersten Riehtungsspindel nicht tonnenförmig, sondern besitzt eine klare Spindelform. DBetreffs der Sphären und Centralkörper kann ich nichts Bestimmtes angeben, doch bin ich eher der Ansicht, dass diese Gebilde auch bei Petromyzon der Richtungsspindel abgehen. —1 en Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. Die Aufnahme des weiblichen Vorkernesin das Polplasma. Das Polplasma besitzt anfangs die in Taf. V Fig. 25 und 26 dargestellte Form. Mit der weiteren Entwicklung lässt sich constatiren, dass dasselbe allmählich in die Gegend des Eikernes hinfliesst, his es die Eiperipherie erreicht, um den Eikern nach Bildung des zweiten Richtungskörpers in sich aufzunehmen, wie aus den Fig. 27—31 der Taf. V auf das deutlichste zu ersehen ist. In Fig. 29 haben wir ein Stadium, wo das sehr in die Länge gezogene Polplasma an zwei Stellen der Eiperipherie an- liegt; die zwischen diesen zwei Stellen befindlichen Dotterkörner werden mit der weiteren Entwicklung aufgelöst (Tat. V Fig. 31). Die Absehnürung des Polplasmas von der Ei- peripherie und die Conjugation der Vorkerne. Wir sahen, dass das Polplasma aktive Bewegungen aus- führt, um den Eikern aufzunehmen. Das nächste Stadium, das ich auf meinen Serien fand, stellt Taf. VI Fig. 32) dar. Das Polplasma hat unter beständiger Assimilation von Dotterkörnern bedeutend an Grösse zugenommen und beginnt sich von der Eiperipherie zurückzuziehen. Am animalen Pole bildet dasselbe eine dünne Kappe, in deren Centrum sich der weibliche Vorkern, der eine deutliche gelappte Form besitzt, be- findet. Die grössere Masse des Polplasmas ist schon in den Dotter hineingerückt und ist durch einen breiten Hals mit der Peripherie verbunden; in der Mitte der grösseren Masse liegt der inännliche Pronucleus. Die Fig. 32—36 der Taf. VI zeigen uns die Absehnürung des Polplasmas von der Eiperipherie, der Hals desselben wird immer dünner und dünner, wobei besonders auf manchen Präparaten (Taf. VI Fig. 35) zahlreiche grosse Vacuolen in demselben auftreten, und wird allmählich vollkommen vom Dotter verdrängt, nur aus einer lockereren Anordnung der Dotter- körner an dieser Stelle erkennen wir noch seine Spuren (Taf. VI 1) Die Figuren 32 bis 37 der Tafel VI sind im Original bei der- ‘selben Vergrösserung (Reichert Objeetiv 8, Ocular 3) gezeichnet, wie die meisten Figuren der übrigen Tafeln. Da dieselben aber zu gross ausfielen, musste ich sie um ein Drittel verkleinern lassen, worauf ich auch hier besonders aufmerksam mache, um das richtige Grössenver- hältniss im Auge zu behalten. 76 Karl Herfort: Die eben beschriebenen grossen Flüssigkeitsvacuolen können wir nicht nur in der Gegend des Halses, sondern überall in dem das Polplasma umgebenden Dotter wahrnehmen, wie sie besonders zahlreich auch Böhm (8) in seinen Figuren 25 bis 30 zeichnet. Das Polplasma bildet das Centrum einer besonders auf manchen Präparaten deutlich zum Ausdruck kommenden Radiation, indem die Dotterkörner um dasselbe radienartig angeordnet sind. Das Polplasma hat bedeutend an Masse zugenommen, dabei aber wird seine Struetur weit lockerer, grobschaumiger, dureh Bildung von zahlreichen Flüssigkeitsvacuolen in demselben. Bei stärksten Vergrösserungen, aber besonders auf mit v. Raths Pikrinplatin- chloridosmiumessigsäurelösung conservirten Präparaten, erkennen wir zwischen diesen aufs deutlichste die feine alveoläre Structur des Protoplasmas. Die wellige Membran, die wir als breites das Polplasma vom Dotter trennendes Band kennen gelernt haben, wird immer dünner, oft zackig und löst sich stellenweise voll- kommen auf; sie scheint in diesen Stadien ihre Rolle schon aus- gespielt zu haben und zu zerfallen. Welehe Veränderungen beobachten wir in diesen Stadien an den Vorkernen ? In Taf. V Fig. 26 uud 27 sahen wir, dass dem männlichen Vorkerne, der eirca 6u gross ist und schon Kugelgestalt ange- nommen hat, eine deutliche Sphäre anliegt, welche eine spindel- förmige Gestalt besitzt und in der auf gut entfärbten Präparaten zwei Centralkörper sich befinden. Das nächste Stadium, das ich in meinen Serien besitze, ist in Taf. VI Fig. 32 dargestellt. Der männliche Vorkern ist bedeutend gewachsen (12 u) und um den- selben kommt es zur Bildung eines eigenthümlichen Gebildes, nämlich eines hellen Hofes, der besonders auf mit Eosin nach- gefärbten E. A. H.-Präparaten schon bei schwacher Vergrösse- rung ungemein deutlich hervortritt, indem das übrige Polplasma sich roth färbt, während dieser den männlichen Vorkern um- gebende Hof ungefärbt bleibt bis auf plasmatische Fäden, die vom Kern zur Peripherie dieses Hofes ziehen, und die sieh mit Eosin weit intensiver färben als das umliegende Protoplasma. Auf nur mit Heidenhain’s E. A. Hämatoxylinmethode gefärbten, besonders auf stark entfärbten Präparaten machte dieser helle Hof um den männlichen Pronucleus zuerst den Ein- druck eines Artefactes, dadurch entstanden, dass bei der Conser- 1 I Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. virung sich das Protoplasma vom Kern retrahirte, doch war mir schon in diesen Präparten auffallend, warum dies beim weib- Jiehen Pronucleus nicht der Fall ist, der in denselben Präparaten, oft auf demselben Schnitte von einem die alveoläre Structur des übrigen Polplasmas aufweisenden Protoplasma umgeben wird. E. A. H.-Präparate, die mit Eosin nachgefärbt wurden, lehrten mich, dass es sich um ein Artefact nicht handeln kann, sondern dass dieser helle Hof um den männlichen Pronucleus schon in vivo vorhanden sein muss. Ehe ich auf eine genauere Structur- beschreibung desselben eingehe, will ich gleich hier anführen, dass in diesen hellen Hof der weibliche Vorkern hineinrückt, der von der Peripherie durch den Hals des Polplasmas auf den männlichen Vorkern zusteuert, wie es die Fig. 32—35 der Taf. VI zeigen. In diesem Hofe finden wir dann die conjugirten Vorkerne (Taf. VI Fig. 36). Betrachten wir den hellen Hof um den männlichen Vor- kern bei starken Vergrösserungen, so erkennen wir auf günstigen Präparaten besonders beim Drehen der Schraube, dass er sich aus grösseren und kleineren Abtheilungen, Kammern zusammen- setzt, die in den Präparaten Hohlräume sind, in vivo wohl von einer Flüssigkeit erfüllt sein müssen. Dieselben umgeben auf manchen Präparaten fast symmetrisch den Kern (Taf. VI Fig. 33), ihre Scheidewände erscheinen auf optischem Querschnitte als doppelt contourirte plasmatische Fäden, die sich am Kerne in- seriren und bogenförmig wieder zu demselben zurückkehren. An diese den Kern unmittelbar umgebenden Hohlräume können sich noch grössere und kleinere Fächer ansetzen. Diese blasige Structur des den männlichen Vorkern um- sebenden Hofes können wir nur auf sehr gut conservirten Prä- paraten wahrnehmen. Bei der Conservirung kommt es nämlich oft, wie ich dies besonders bei meinen Sublimatpräparaten be- obachten konnte, durch Retraction des umgebenden Protoplasmas zu einer Deformirung des ganzen Gebildes, die Wände der eben beschriebenen Hohlräume platzen, werden beim Schneiden zer- rissen, beim Färben und Auswaschen der Schnitte vielfach weg- geschwemmt und dann erhalten wir Bilder, die erst schwer zu verstehen sind. Der Kern befindet sich nämlich in einem breiten hellen Hofe, hie und da geht von ihm ein Faden aus, der in dem Hofe blind endet, oder liegt ein Bruchstück der plasma- 78 Karl Herfort: tischen Scheidewände lose in dem letzteren (Tafel VI Fig. 34, 39). Was stellt uns dieser Hof dar? Ich kann, trotzdem ich eine grosse Zahl von Präparaten bei den stärksten Vergrösse- rungen durchstudirt habe, auf diese Frage keine bestimmte Ant- wort geben. Sicher ist, dass es sich nicht um ein Artefaet handeln kann, sondern dass dieser Hofschon in vivo vorhanden sein muss. Ein Uebergangsstadium von den in Taf. V Fig. 26, 27 abge- bildeten Verhältnissen zu diesen Stadien konnte ich nicht finden und das ist der Grund, warum ich mit der ausführlichen Arbeit so lange aussetzte, da ich gerade auf die Beantwortung dieser Frage mein Hauptaugenmerk lenkte und in der Hoffnung, ein Uebergangsstadium zu finden, eine grosse Zahl von Befruchtungs- stadien zerschnitt, aber leider mit negativem Resultate. Ich werde im allgemeinen Theile nochmals auf diesen Hof zu sprechen kommen und zeigen, dass ein ähnliches Gebilde schon von anderen Au- toren beschrieben wurde. Was die Deutung dieses hellen Hofes um den männlichen Vorkern besonders erschwert, ist der Um- stand, dass in diesen Stadien jede Radiation um den Kern fehlt, wodurch das Auffinden der Sphären fast unmöglich wird. Ich fand oft (Taf. VI Fig. 33, 36) an entgegengesetzten Seiten des Hofes im umliegenden Polplasma feinschaumige Protoplasmaan- häufungen, die als Sphären gedeutet werden könnten, doch wage ich es nicht, dies mit Bestimmtheit zu behaupten. Es müssen hier jedenfalls chemische Processe eine Rolle spielen, die das den männlichen Vorkern umgebende Protoplasma in dieser Weise verändern. Der männliche Vorkern ist auf allen Präparaten, wo er von dem eben beschriebenen Hofe umgeben wird, schon bedeutend vergrössert. Während er auf Pröparaten, wo ihm eine Sphäre anlagert, (Taf. V Fig. 26, 27) ca.6 u misst, beträgt sein Durch- messer auf diesen Präparaten 12—15 u. Seine Gestalt ist rund oder oval. Weiter ersehen wir aus den Fig. 32—35 der Taf. VI, dass der männliche Vorkern in den Stadien, wo er von dem Hofe umgeben wird, keine Ortsveränderungen macht, sondern ungefähr im Centrum der Masse des Polplasmas liegt, während gerade in diesen Stadien der weibliche Vorkern in reger Bewegung sich befindet, indem er von der Eiperipherie durch den Hals des Pol- plasmas auf den männlichen Vorkern zusteuert. 1 (de) Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. Dies geschieht nicht immer direct, sondern manchmal, wie es Taf. VI Fig. 33 zeigt, in einer Bogenlinie, indem er zuerst seitlich vom männlichen Vorkern zu liegen kommt und sich erst dann direkt auf den männlichen Vorkern hinbewegt. Das den weiblichen Vorkern umgebende Protoplasma unterscheidet sich in nichts von dem übrigen Polplasma, Sphären oder Central- körper habe ich nirgends constatiren können. Der weibliche Pronucleus geht aus der lappigen (Taf. VI Fig. 52) in eine runde Gestalt über, seine Grösse beträgt auf diesen Stadien 9—12 u. Fast immer ist er, wie aus den Fig. 32—35 d Taf. VI zuersehen ist, kleiner als der männliche Vorkern, doch besitze ich zwei Serien, wo das Gegentheil der Fall ist. Auf Taf. VI Fig. 34 sehen wir, dass derselbe sehon den Hof des männlichen Vorkernes erreicht hat. Er wandert nun in den Hof hinein und konjugirt sich mit dem männlichen Vorkerne. Präparate dieser Art, wo die beiden konjugirten Vorkerne von einem hellen Hofe umgeben sind, besitze ich eine grosse Zahl. Auch in diesem Stadium fehlt jede Radiation. Was ist nun das eigenthümliche Gebilde, das Böhm (8) in seinen Figuren 28, 29, 30 zeichnet? Er fand im Polplasma an der Stelle, wo ich den männlichen Vorkern mit seinem Hofe beschreibe, eine aus grösseren und kleineren Kugeln combinirte Gruppe vor, von der einseitig eine Strahlung ausgeht. Diese Gruppe besteht (Böhm Fig. 25) aus fünf schwächer gefärbten grösseren und etwa zwanzig kleineren stärker gefärbten Kugeln. Die in der Fünfzahl vorhandenen grösseren Kugeln, die in nächster Beziehung zu den Strahlen stehen, hält er für die Spermato- meriten. Die kleineren stärker gefärbten Kugeln sollen nach Böhm aus einer Zerklüftung des weiblichen Vorkernes hervor- gegangen sein, und werden von diesem Autor als Ovomeriten bezeichnet. In seiner Fig. 29 besteht diese Gruppe aus zwölf grösseren und sechzig kleineren Kugeln. Derselben liegt ein sphärenartiges Gebilde an, das den Ausgangspunkt einer deut- lichen Radiation bildet. Aus seiner Fig. 30 ersehen wir, dass jedes einzelne Kügelchen dieser Gruppe, jeder Merit, aus zwei Theilen besteht, nämlich aus einer quantitativ bedeutenderen, sich schwach färbenden, peripheren Hauptmasse und aus einem, manch- 80 Karl Herfort: mal zwei intensiv tingirten Körperchen, denen Böhm den Namen Mikrosomen des Meriten gegeben hat. Diesen Angaben Böhm 's stehe ich vollkommen rathlos ge- genüber; sicher ist aber die von Böhm gegebene Deutung dieses Gebildes irrig; vielleicht sind es gerade die Stadien der Bildung des hellen Hofes um den männlichen Vorkern, die zu finden mir nicht gelungen ist. Der Furchungskern. So unverständlich die Verhältnisse durch Bildung des eben beschriebenen Hofes um den männlichen Vorkern sich gestalteten, so werden dieselben wieder mit der weiteren Entwicklung ganz klar, Befunde, wie ich sie im Anatomischen Anzeiger (24) bereits beschrieben und gezeichnet habe. Das Polplasma rückt immer tiefer in den Dotter. Es be- steht aus zwei Theilen: l. aus einem grösseren oberen Theil, der im allgemeinen eine linsenförmige Gestalt besitzt und besonders auf manchen Präparaten sehr in die Länge gezogen ist. Am obern Pole hat derselbe eine Ausbuchtung, die die letzte Spur des in früheren Stadien das Polplasma mit der Eiperipherie verbindenden Halses desselben ist; 2. aus einem kleineren, die Kerne respective die Spindel enthaltenden Theile, der auf Durchschnitten als eine rundliche Ausbuchtung der grösseren oberen Polplasmamasse auf deren Unterseite erscheint. Die wellige Membran ist in diesen Stadien zumeist ge- schwunden, nur auf einigen Präparaten fand ich dieselbe die Unterseite der linsenförmigen oberen Polplasmamasse als dünner Saum begrenzend, während sie in dem die Kerne oder Spindeln enthaltenden unteren Polplasmatheile niemals zu finden war. Der oben beschriebene helle Hof um die Vorkerne ist ge- schwunden. Die conjugirten Vorkerne, die aus der runden in eine ovale Gestalt übergegangen sind, haben an ihren Polen deutliche Sphären. Die Vorkerne sind beide gleich gross, ihr längster Durchmesser beträgt circa 24 u!). Die Sphären sind 1) Die Messungen wurden mit dem Zeiss’schen Compensations- Ocular 6 mit !/, Mikron-Theilung ausgeführt. Ich muss hier auf einen Fehler in meiner kurzen Mittheilung (24) aufmerksam machen, in der die Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 81 eirca 6 u breite, kugelige Gebilde und besitzen besonders auf Ösmiumpräparaten eine deutliche feinschaumige Struetur; auf mit Heidenhain’s E. A. H.-Methode tingirten Präparaten treten sie als dunkle Kugeln schon bei schwachen Vergrösserungen sehr deutlich hervor. Auf einigen Präparaten fand ich mit Zeiss homogener apochromatischer Immersion einen kleinen Central- körper, der von einem hellen Hofe umgeben ist, der sich aus schwächer gefärbten Alveolen zusammensetzt. Die Sphären sind auf manchen Präparaten schön rund, doch besitze ich Serien, wo ihre Begrenzungslinie unregelmässig erscheint; auf solchen Präparaten ist auch die Radiation schwächer entwickelt; ich glaube, dass diese ein Vorstadium der ersteren sind. Die Radien sind keine Fäden, sondern Alveolenzüge, deren Wände uns als Fäden erscheinen, die einen vielfach geschlängelten Verlauf be- sitzen. Diese Radien verlieren sich allmählich im Polplasma und wie wir auch später bei der Furchungsspindel beschreiben wer- den, kreuzen sich die den Vorkernen zunächst gelegenen Strahlen der einen Sphäre mit denen der anderen. Der obere Theil des Polplasmas besitzt ein stark gelockertes Gefüge, was durch Ein- lagerung zahlreicher Flüssigkeitsvacuolen wohl zu erklären ist. Die beiden Vorkerne verschmelzen zu einem Furchungskern, der eine Länge von 30 u besitzt. Er ist ebenso wie die Vorkerne von einer deutlichen Membran begrenzt, die aber in der Gegend der Sphären aufhört. Er lässt noch seine Entstehung aus den beiden Vorkernen erkennen; seine eigentliche Structur ist schwer zu enträthseln. Wie bei den Vorkernen, so fand ich auch in diesem grosse Hohlräume; die Peripherie zeigt immer ein dichteres Gefüge und sind hier zahlreiche Nucleolen eingelagert. Wir unterscheiden in den Vorkernen wie im Furchungskern einige grössere rundliche, manchmal auch nierenförmige, und zahl- reiche winzige brockenförmige Nucleolen, die letzteren oft zu Längsreihen oder kleinen Gruppen angeordnet. Die eigentliche Struetur der Kerne kann ich aus meinen Präparaten nicht er- kennen. Sehr deutlich tritt der bogenförmige Verlauf der Sphären- strahlen um den Furchungskern und zwar mit nach der Eiober- Dimensionen nicht richtig angegeben sind; die dort angegebenen u-Werthe sind nur die Zahlen der von dem Bilde des gemessenen Ob- jeetes in einem gewöhnlichen Mikrometerocular bedeckten Intervall- theile, aber nicht u, wie ich dort annehme. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 6 83 Karl Herfort: fläche gerichteter Konvexität hervor. Weiter konnte ich wahr- nehmen, dass an der Grenze zwischen dem grobschaumigen oberen Theile des Polplasmas und dem den Furchungskern mit den Sphären enthaltenden unteren Theile eine Einwanderung von Dotterkörnern in das Polplasma erfolgt. Die erste Furchungsspindel. Die Bildung der Spindel habe ich nicht beobachten können, dafür besitze ich mehrere schöne Präparate der Spindel selbst. Dieselbe ist zunächst tonnenförmig und hat auf diesem Stadium die Grösse des Furchungskernes, also circa 30 u. Die Sphären sind auf optischem Querschnitte rundlich oder halbmondförmig, wie dies schon Böhm angiebt. Die Chromosomen, die anfangs zerstreut in der Spindel liegen, stellen sich zu einer Aequatorial- platte zusammen. Sie sind meist brockenförmig, doch haben sich einige in dünne, gebogene Stäbchen umgewandelt. In der Metaphase zieht sich die Spindel bedeutend in die Länge, dabei wird sie immer dünner und dünner, ihre peripheren Fäden immer weniger und weniger gebogen. Die Sphären weisen eine „[einschaumige“ Struetur auf und besitzen auf diesen Stadien eine Grösse von eirca 12 u. Auf einigen Präparaten konnte ich in ihrem Centrum einen deut- lichen kleinen Oentralkörper wahrnehmen, der von einem aus schwächer gefärbten Alveolen bestehenden Hofe umgeben wird. Die Radiatien ist im Stadium der Metaphase am deutlichsten entwickelt, besonders tritt jetzt die Kreuzung der beiden Strahlen- systeme sehr deutlieh hervor. Während der Metakinese vermehrt sich die Zahl der stäbehenförmigen Chromosomen, doch tinden wir ausser diesen immer noch brockenförmige. Die Zahl der Chromosomen ist eine grosse, ein Zählen derselben ist unmöglich. Ueber die Structur der Spindel kann ich Folgendes aussagen: Am deutlichsten tritt dieselbe hervor im Stadium der Metakinese in dem mittleren, zwischen den Tochterplatten sich erstreekenden Theile der Spindel. Bei stärkeren Vergrösserungen sehen wir hier vielfach geschlängelte, selten ganz gerade verlaufende Fäden, die in der Mitte breiter sind als an den Enden. Mit Bestimmt- heit konnte ich bei stärksten Vergrösserungen Querverbindungen zwischen den Fäden constatiren. Auf mehreren Präparaten konnte ich eine schiefgestellte Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 83 Spindel wahrnehmen, gewöhnlich aber steht dieselbe senkrecht auf der Längsaxse des Eies. Diese Einstellung geschieht schon im Stadium der Conjugation der Vorkerne, indem sich die durch die gemeinsame Berührungsfläche der Vorkerne auf die Sphären- centren gelegte Copulations-Ebene (Rückert 43) senkrecht auf die Längsaxse orientirt; diese Einstellung kann aber auch später erfolgen. Mit der weiteren Entwicklung sehen wir an den Polen der Spindel grosse ovale, „grobschaumige“ Gebilde, deren längster Durchmesser 48 u, der kürzeste 32 u beträgt. Schon bei schwachen Vergrösserungen nehmen wir in»der Mitte dieser so mächtig an- gewachsenen Sphären eine Verdichtungszone wahr, in der Central- körper zu finden, mir nicht gelungen ist; desgleichen zeigt die Peripherie der Sphären eine dichtere Structur. Die Querverbindungen zwischen den Fäden sind auf diesem Stadium sehr deutlich zu sehen. Wir sehen eigentlich nur in der Mitte Fäden, während gegen die Tochterplatten zu sich die Fäden in Alveolen auflösen; auch zwischen den Chromosomen der Tochterplatten konnte ich Alveolen wahrnehmen. — Ober- halb der Spindel seben wir im Polplasma an der Grenze seines oberen und unteren Theiles eine Schicht von Dotterkörnern, deren Einwanderung ins Polplasma wir schon im Stadium des Furchungskernes verfolgen konnten. Die erste Theilunse. fo) In Taf. VI, Fig. 38 ist die beginnende Theilung des Eies abgebildet. Das Polplasma hat sich in ein hantelförmiges Ge- bilde ausgezogen und bildet den Ausgangspunkt einer deutlichen Radiation im umliegenden Dotter. Das Mittelstück des Polplasmas lässt schon bei dieser Vergrösserung eine feine Streifung als letzten Rest der Spindelfäden erkennen. Bei stärksten Ver- grösserungen sind auch hier zwischen den Fäden aufs deutlichste Querverbindungen wahrzunehmen. Das Polplasma jeder Blastomere besteht wieder aus den zwei T'heilen, die wir schon am unge- theilten Ei beobachtet haben: 1. aus dem oberen Theile, der auch hier auf manchen Präparaten sehr in die Länge gezogen ist und in den Hals des hantelförmigen Gebildes übergeht; 2. diesem oberen Theile sitzt der kugelige untere Theil 84 Karl Herfort: auf, der die in einem hellen Hofe gelegenen Tochterkerne enthält. Am animalen Pole beginnt schon die Einschnürung des Eies. — Auf vorhergehenden Stadien, wo noch das Ei rund ist, hat das Polplasma mehr die Gestalt eines Schmetterlinges. Das Mittelstück ist noch viel breiter, zwischen dem oberen und dem den Tochterkern enthaltenden unteren Theil jeder Theilhälfte ist eine tiefe Einkerbung, wodurch das Polplasma die Schmetterlings- gestalt annimmt. Auf solchen Präparaten besteht der Kern aus einigen grösseren und kleineren Theilstücken. Dieselben machen den Eindruck von Blasen, in deren Randschicht wir grössere und kleinere Chromatinschollen eingelagert finden. Auf älteren Stadien finde ich schon einen einheitlichen Tochterkern, der aber noch eine unregelmässige Gestalt besitzt, bis er zur Bil- dung eines ovalen Kernes kommt (Taf. VI, Fig. 37). Auch auf diesem Bilde sehen wir noch eine höckerige Ausbuchtung an der Kernperipherie. — Das die Tochterkerne umgebende Plasma weist eine „grobschaumige* Structur auf. Dieser Hof ist wohl aus den riesig angewachsenen Sphären der Furchungsspindel hervorgegangen, in die die Chromosomen eingewandert sind, wo sie sich zu einem Tochterkerne umbilden. Centralkörper konnte ich auch auf diesem Stadium nicht finden. II. Allgemeiner Theil. 1. Auf allen Stadien des Petromyzoneies habe ich einen wabigen Bau der Zellsubstanz im Sinne Bütschli’s und von Erlanger’s gefunden. Besonders auf jungen Befruchtungstadien, wo das Polplasma noch ein dichtes Gefüge besitzt, tritt die Wabenstructur aufs deutlichste hervor und lässt sich auf sehr dünnen Schnitten auch in den Dotter hinein verfolgen. Mit der weiteren Entwicklung wird die Structur des Polplasmas durch Einlagerung von Flüssigkeitsvacuolen immer lockerer. Sehr schön zeigt die alveolare Struetur die Randschicht des unbefruchteten Eies. Auch in betreff der Structur der Sphären und ihrer Radien stimme ich mit Bütschli und v.-Erlanger überein. Die Sphären zeigen besonders auf Osmiumpräparaten ein deutliches „fein- schaumiges“ Gefüge, nur ist bei Petromyzon keine; concentrische Anordnung der Waben in den Sphären wahrzunehmen. Auch Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis.. 85 die Strahlensysteme der Sphären lösen sich in Alveolen auf, „deren fortlaufenden Kanten uns als Fäden imponiren“, daher der vielfach geschlängelte Verlauf der Radien. Contraetile Fäden im Sinne der Muskelfadentheorie (van Beneden, Boveri, Kostanecki, M. Heidenheim) die an der Peripherie der Eizelle sich inserirten, muss ich für das Petromyzonei ent- schieden in Abrede stellen. 2. Der Spermakopf besteht bei Petromyzon, ehe er sich zu einem einheitlichen runden Vorkern reconstruirt, aus einer Gruppe kleiner Bläschen. Rückert (44), der ganz ähnliche Verhältnisse am Spermakopfe von Pristiurus und Torpedo beschreibt, hält diese Zusammensetzung aus Kügelehen für eine Täuschung. Auf älteren Stadien tritt nach Rückert erst die wahre Structur hervor und „nun erkennt man, dass sie aus einem sehr diehtgewundenen Chromatinknäuel besteht, der regelmässige rundliche schwächer gefärbte Lücken freilässt“. Für Petro- myzon musr ich diese Ansicht Rückert’s bezweifeln, es sind dies wirkliche Bläschen, wie sie bei Wirbellosen schon mehrfach beschrieben wurden (so Griffin (19) bei Thelassema, Katharine Foot (18) bei Allolobophora foetida). Diese Bläschen sind wohl identisch den Karyosomen (Platner), aus denen sich der weibliche Vorkern und die Tochterkerne bilden, wie dies Platner (40), Vejdovsky (51, 52), Wilson (59), Griffin (19), Katharine Foot (18), Sobotta (47) und andere Autoren angeben. 3. Aus meiner obigen Darstellung folgt, dass ich, wie v. Erlanger (10), die Spermasphäre ebenfalls vom Eieytoplasma herleite. In Uebereinstimmung mit den Befunden bei Wirbellosen finde ich also hinter dem Spermakopfe eine Sphäre. Einen Centralkörper, der direet den Ausgangspunkt des Strahlensystemes bildete, wie es Sobotta (48), Behrens (2) für das Wirbel- thierei angeben, habe ich bei Petromyzon nicht finden können. Eine Spermasphäre zeichnet auch für das Wirbel- thierei Oppel (39) im Reptilienei, Fick (13) im Amphi- bienei. Der Spermakopf wandelt sich in einen runden männlichen Vorkern um, wobei die Sphäre sich spindelförmig in die Länge zieht, welchem Processe eine Zweitheilung der Centralkörper in der Sphäre vorangeht. 86 Karl Herfort: Ich finde dann die schon getheilten Sphären wieder an den Polen der schon eonjugirten Kerne. Die die Sphäreneentren verbindende Centrenaxe (Rückert [43]) fällt in die Be- rührungsebene der Vorkerne, in de Copulationsebene (Rückert). Die Sphären bilden mit der weiteren Entwicklung die Pole der Furchungsspindel, ohne zuerst besondere Verände- rungen durchzumachen. Im Stadium der Metaphase beginnen sie bedeutend an Grösse zuzunehmen, wobei sie aus der fein- schaumigen in eine grobschaumige Structur übergehen. Meine Befunde an Petromyzon sind eine vollkommene Bestätigung der 3efunde Wilson ’s (59) und v. Erlanger’s (12) am Seeigelei, Agassiz und Whitman’s (1) an Teleostiereiern, Angaben, die schon im Jahre 1886 Vejdovsk y (51) für das Ei von Rynehelmis vertrat. In Uebereinstimmung damit sind die Befunde von His (26) an Furchungszellen des Forellenkeimes. Der Schwerpunkt der Angaben dieser Autoren liegt, wie auch Lilie (35) für Unio complanata nachgewiesen hat, darin, dargethan zu haben, dass die Sphären der Spivdel riesig anwachsen und dann die Tochterkerne in sich aufnehmen. Die direkte Einwanderung der Tochterkerne in die Sphären habe ich bei Petromyzon nicht beobachtet, doch schliesse ich darauf, da ich die Tochterkerne von einem grobschaumigen Hofe um- geben fand, den ich als Sphäre deute. Centralkörper habe ich auf diesen Stadien nicht gefunden. Auch v. Erlanger (12) zeichnet in dem zweigetheilten Ei die Tochterkerne von grobschaumigen Sphären umgeben, in denen ihm auch Centralkörper zu finden nicht gelang. Wie bilden sich nun die in den mächtig angewachsenen Sphären gelegenen Tochterkerne in die nächste Spindel um? Darüber geben uns heute nach meiner Meinung den besten Auf- schluss die interessanten Befunde Vejdovsky's (Bl, 52) an Rynchelmiseiern. Dieser Autor hat gemeinsam mit Mräzek (56) seine alten Befunde einer Controle unterzogen und fand seine alten Angaben vollauf bestätigt. Die wunderbaren Präparate dieser Autoren, die Vejdovsky (57) auf dem IV. internationalen zoologischen Congresse in Cambridge 1898 (57) demonstrirt hat, müssen jeden, der sie gesehen hat, von der Richtigkeit ihrer Angaben überzeugen. Nach diesen Autoren findet in der riesig angewachsenen Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon uviatilis. 87 Sphäre eine endogene Bildung der Tochtersphäre um den Centralkörper in Gestalt eines hellen Hofes statt. Der Central- körper theilt sich, worauf die Theilung der Tochtersphäre er- folgt. So entsteht die Centralspindel, in die die fertigen Tochter- kerne eindringen. Innerhalb der centralen Tochtersphäre (Toechterperiplaste) befindet sich ein kleiner Centralkörper, wie sich Vejdovsky und Mräzek (56) auf mit E. A. H. gefärbten Präparaten über- zeugen konnten. Diese von Fol (17) bekämpfte „Einschachtelungstheorie* sewann durch die Befunde von His (26) an Furchungszellen der Forellenkeimscheibe eine vollkommene Bestätigung. Wie schon Henneguy (21) angibt, entstehen nach den Befunden von His auch hier „die Tochtersphären im Innern der Muttersphäre, während diese mehr und mehr sich ausweitet und schliesslich randwärts sich verliert. Es ist ein Verhalten, das man demjenigen von sich folgenden Ringwellen vergleichen kann. Um die Centrosomen kommt es zu einer Verdiehtung bez. zu einem dichteren Zusammenströmen des Plasmas; nach Art einer Ringwelle breitet sich die primäre Verdichtungszone aus, immer weitere Kreise beschreibend, und während sie so dem Zellenrande zustrebt, entstehen in ihrem Innern neue Wellen- ringe, die nach denselben Gesetzen sich weiter entwickeln. Will man das Bild noch weiter führen, so kann man die von der Peripherie aus vor sich gehende und centralwärts fortschreitende Wiederverdiehtung des primären Innenhofes mit einer zurück- seworfenen Welle vergleichen. Soviel steht fest, dass die Tochtersphären neue Bildungen sind, die nicht aus der Theilung deralten Sphäre sich ableiten lassen“}). Für die endogene Entstehung der achromatischen Figur in den Muttersphären sprechen auch die Befunde, die an den Richtungsspindeln Mac Farland (34) in Molluskeneiern, van der Strieht (50) im Ei von Thysanozoon Brocchi gemacht haben. Ich theile also die Ansicht der Autoren, die die Tochter- sphären für neue Bildungen ansehen, während die Centralkörper 1) Ich habe mir erlaubt, den letzten Satz des Citates durch ge- sperrten Druck hervorzuheben. tote) Karl Herfort: „permanente Organe“ darstellen. Die grossen kugeligen Gebilde an den Polen der ersten Furcehungsspindel im Wirbelthiereie sind also Sphären (Periplaste, Centro- sphären [Vejdovsky], Centroplasmen [v. Erlanger]) mit Centralkörpern, nicht riesig angewachsene Gentrosomen, wie Sobotta (47,48) und Behrens (2) im Sinne Boveri’s (6) annehmen. 4. Der heikelste Punkt meiner Untersuchungen ist jener helle Hof, den ich auf bestimmten Stadien um den männlichen Vorkern bei Petromyzon ausgebildet fand und in den auch der weibliche Vorkern einwandert. Wie dieser Hof entsteht, wie er verschwindet, was während seines Bestehens die Sphären und Centralkörper machen, darauf kann ich keine Antwort geben. Dasselbe Gebilde wurde nach meiner Meinung schon von Oppel (39) im Wirbelthierei beschrieben. In Fig. 7 und 8 seiner Abhandlung zeichnet Oppel in einer Keimscheibe von Anguis fragilis (Fixirung: Sublimateisessig) ganz dasselbe Ge- bilde, wie ich es bei Petromyzon beschreibe. Oppel hält diesen Hof für ein Artefact, das erst unter Einwirkung der Fixirungs- mittel entstanden ist, bedingt entweder durch Schrumpfung der Kerne oder durch Schrumpfung und Retraetion der Umgebung. Die zweite Möglichkeit, „dass die Höhle im Leben bestände und von einem sehr wenig feste Bestandtheile enthaltenden Theil des den Furchungsdotter durchziehenden Protoplasmas erfüllt wäre“, erscheint diesem Autor als weniger wahrscheinlich. Auch bei Wirbellosen zeichnet ein ähnliches Gebilde Vej- dovsky (52) in Taf. VI, Fig. 15 seiner Entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen. Zum Schlusse erlaube ich mir, meinem theueren Lehrer, Herrn Professor Vejdovsky, dessen Anregung diese Arbeit ihre Entstehung dankt und der mir seine reichhaltige Bibliothek zur Verfügung stellte, und meinem Chef, Herrn Dr. HraSe, Direetor der königlichen böhmischen Landesirrenanstalt in Dobran, der unser ärztliches Laboratorium meinen Zwecken entsprechend her- richten liess und meine wissenschaftlichen Intentionen in jeder Weise förderte, meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 89 Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV, V und Vl. Tafel IV, Fig. 1—5. Das unbefruchtete Ei. Fig. 1. Vergröss. Reichert Obj. 4, Oc. 3. Am animalen Pole das Polplasma als eine feingranulirte sichelförmige Protoplasma- anhäufung, die übrige Eiperipherie nimmt eine durch Ein- lagerung zahlreicher grosser Flüssigkeitsvacuolen grobschäu- mige Randzone ein. Seitlich in einer Grube der Eiperipherie der erste Richtungskörper, darunter die Spindel. Radiation der Dotterkörner um die Grube. v. Rath. — E.A.H. Fig. 2. Vergröss. Reichert Obj. 8, Oc. 3. Der animale Pol des un- befruchteten Eies. Das Polplasma zeigt eine alveoläre Structur. Die Verdiekung der beiden Eihäute. Der äusseren Eihaut sitzt die Flocke in Gestalt eines halbmondförmigen, aus ein- zelnen unregelmässigen Fransen bestehenden Gebildes auf. v. Rath. E.A.H.-Eosin. Fig. 3. Vergröss. Reichert. Hom. Immers. !/s. Die Richtungsspindel und der erste Richtungskörper. v. Rath. Delaf. Hämatoxylin. Fig. 4. Vergröss. Zeiss. Homog. apochrom. Imm. 2, Compens.-Ocul. 8. Die grobschäumige Randzone. v. Rath m. Osmium. E. A.H. Fig. 5. Dieselbe Vergröss. Tangentialschnitt durch dieselbe. v. Rath m. Osm. E.A.H. Fig. 6. Vergröss. Reichert Obj.8, Ocul.3. Befruchtungsstadium 5 Mi- nuten nach vorgenommener Befruchtung conservirt. Seitliche Retraktion der Eiperipherie von der Eihaut. Plasmatische Tropfen an der Eiperipherie. Polplasma zum Axenstrang um- gewandelt, in demselben der Spermakopf. Unter dem Pol- plasma schwächer gefärbter Dotter. An der äusseren Eihaut Reste der Flocke mit eingelagerten Spermatozoön. v. Rath m. Osm. E.A.H. Fig. 7. Dieselbe Vergröss. Befruchtungsstadium nach 5 Minuten con- servirt. Einschnürung des Axenstranges. Polplasma stark vermehrt, gegen den Dotter zu von der gezackten „welligen Membran“ umsäumt, die in den Dotter wurzelfadenartige Aus- läufer entsendet. v. Rath m. Osm. E. A.H. Fig. 8. Dieselbe Vergröss. Aehnliche Befruchtungsstadien wie in voriger Figur — nach 1 Stunde 45 Minuten conservirt. Die Querstreifung der welligen Membran sehr deutlich. v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 9-18. Vergröss. Reichert Homog. Immers. !/ı;. Ocul. 3. Fig. 9. Ein der Eimembran anliegendes freies Spermatozoon. v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 10. Spermatozoon aus der Flocke mit deutlichem Mittelstück. v. Rath m. Osm. — E.A.H. 90 Karl Herfort: Fig. 11—21. Die ersten Veränderungen des Spermatozons im befruchteten Ei. Fig. 11. Nach 15 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 12. Nach 5 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 13. Nach 5 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 14. Nach 5 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 15. Nach 10 Minuten conserv. — Sublim.-Eisess. — E. A.H. Fig. 16. Nach 5 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 17. Nach 15 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 18. Nach 15 Minuten conserv. — v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 19—26. Vergröss. Zeiss. Homog. apochrom. Immers. 1,30. Compens.-Ocul. 8. Fig. 19. Nach 1 Stunde 10 Minuten conserv. Spermakopf in 3 maul- beerförmige Spermatomeriten aufgelöst, von einem hellen, aus Alveolen bestehenden Hofe umgeben. Hinter dem Spermakopfe eine feinschaumige Sphäre mit Centralkörper. Strahlensystem in Alveolen aufgelöst. v. Rath m. Os. — E.A.H. Fig. 20. Nach 1 Stunde 10 Minuten conserv. Spermakopf aus Bläschen Fig. bestehend. Um den Centralkörper ein „Höfchen“. v. Rath. EA, H. . 21. Nach 1 Stunde 10 Minuten conserv. Traubenförmige Gestalt des Spermakopfes. v. Rath. E.A.H. Tafel V. ig. 22 a—c. Vergröss. Reichert Obj. 8, Ocul.3. Nach 15 Minuten eonservirt. Drei hintereinanderfolgende Schnitte derselben Serie. Der Axenstrang. In Fig. 22a der Spermakopf im Pol- plasma. v. Rath m. Osm. — E.A.H. . 23. Dieselbe Vergröss. Nach 10 Minuten conservirt. Der Polzapfen. Im Polplasma der Spermakopf, hinter ihm ein „nackter“ Central- körper. Sublim.-Eisessig. — E. A. H.-Eosin. ‚. 24. Vergröss. Reichert. Homog. Immers. Richtungsspindel aus derselben Serie. . 25a. Vergr. Reichert. Obj. 8, Oc. 3. Nach 1 Stunde 10 Minuten conservirt. Spermakopf in Spermatomeriten zergliedert, um- geben von einem hellen Hofe. Sphäre mit deutlichem Central- körper. Schön ausgebildeter Spermaaster. An der Peri- pherie des Polplasmas der letzte Rest des schon eingezogenen Polzapfens. v. Rath. E.A.H. ig. 25b. Dieselbe Serie und Vergr. Bildung des zweiten Richtungs- körpers. Rechts an der Peripherie der Rand des Polplasmas. .26a und b. Vergr. Reichert. Obj. 8, Ocul. 3. Nach 1 Stunde 45 Minuten conservirt. Zwei aufeinanderfolgende Schnitte der- selben Serie. Spermakern mit anliegender spindelförmiger Sphäre. v. Rath m. Osm. — E.A.H. 27a undb. Dieselbe Vergr. Nach 1 Stunde 45 Minuten conserv. Zwei aufeinanderfolgende Schnitte derselben Serie. Männlicher Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Petromyzon fluviatilis. 91 Vorkern mit anliegender Sphäre, in der zwei Centralkörper. Das Polplasma beginnt in die Gegend des Eikernes zu fliessen. v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 28. Vergr. Zeiss. Homog. apochrom. Immers. 1,30. Nach 1 Stunde 45 Minut. conservirt. Lappenförmiger männlicher Vorkern. v. Rath m.‘Osm. —- E.A.H. Fig. 29. Vergr. Reichert. Obj. 8, Ocul. 3. Nach 2 Stunden 15 Min. conserv. Das Polplasma, bedeutend in die Länge gezogen, hat fast die Eiperipherie in der Gegend des Eikerns erreicht. Der Eikern auf diesem Schnitte nicht vorhanden, aber der zweite Richtungskörper in einer Einsenkung der Eiperipherie. v. Rath m. Osm. — E.A.H. Fig. 30. Dieselbe Vergr. Nach 1 Stunde 10 Minuten consery. Aehn- liches Stadium wie vorige Figur. An der Peripherie der zweite Richtungskörper. v. Rath. — E.A.H. Fig. 31. Dieselbe Vergröss. Nach 1 Stunde 45 Minuten conserv. Auf- nahme des Eikerns in das Polplasma. v. Rath mit Osm. — E.A.H. Tafel VI. Die Figuren 32—37 sind bei derselben Vergrösserung (Reichert Obj. 8, Ocul. 3) wie die Figuren der anderen Tafeln gezeichnet. Da dieselben zu gross ausfielen, liess ich sie um ein Drittel verkleinern. Fig. 32. Nach 3 Stunden 15 Minuten conserv. Aus zwei aufeinander- folgenden Schnitten combinirt. Das Polplasma bedeutend ver- grössert, beginnt in den Dotter sich einzuziehen. An der Peripherie der bläschenförmige weibliche Vorkern. In der Mitte der Polplasmamasse der von einem hellen Hofe umgebene Vorkern. Sublim.-Eisessig. E. A.H. Fig. 33. Nach 2 Stunden 45 Minuten conservirt. Der Hals des Pol- plasmas beginnt vom Dotter verdrängt zu werden. Der männ- liche Vorkern vom Hofe umgeben. Der kleinere weibliche Vorkern, rechts von jenem gelegen, ist aus dem nachfolgenden Schnitte eingezeichnet. v. Rath. E. A.H. Eosin. Fig. 34. Nach 2 Stunden 15 Minuten conservirt. Der weibliche Vor- kern knapp neben dem Hofe gelegen. Der nächste Schnitt der Serie ist in Fig. 39 dargestellt. v. Rath m. Osm. —E. A.H. Fig. 35. Nach 2 Stunden 45 Minuten conservirt. Der Hals des Proto- plasmas dünn und von zahlreichen Flüssigkeitsvacuolen er- füllt. Der weibliche Vorkern hat gerade diesen Hals passirt und liegt oberhalb des vom Hofe umgebenen männlichen Vorkernes. v. Rath. E.A.H. — Eosin. Fig. 36. Nach 2Stunden 15 Minuten conservirt. Polplasma vollkommen abgeschnürt. Der weibliche Vorkern ist in den Hof des männ- lichen Vorkernes hineingerückt und conjugirt sich mit diesem. v. Rath mit Osmium. E.A.H — Eosin. Fig. Fig. 10. 11; Karl Herfort: ‘, 37. Nach 6 Stunden 45 Minuten conservirt. Querschnitt durch die Blastomere des zweigetheilten Eies. Tochterkern in einer grob- schäumigen Sphäre gelegen. Sublim.-Eisessig. E.A.H. . 38. Vergr. Reichert, Ocul. 4, Obj. 3. Längsschnitt durch das sich theilende Ei. Hantelförmige Gestalt des Polplasmas. Im Halse der Hantel Reste der Spindelfäden kenntlich. Die Tochter- kerne von der Sphäre umgeben. Radiation im Dotter. 39. Vergr. Reichert. Homog. Imm. !/;; Ocul. 3. Der männliche Vorkern in dem hellen Hof, links davon der weibliche Vorkern. 40. Dieselbe Vergr. Nach 2 Stunden 15 Minuten conservirt. Der männliche Vorkern mit dem Hofe. v. Rath m. Osm. E. A.H. Literatur -Verzeichniss. . Agassiz, A. and Whitman, C. OÖ. The development of Osseous Fishes. II. The praeembryoniec stages of Development. P.I. Memoirs of the Museum of Comparative Zoology at Harvard College. Vol. IV. 1; 51889! Behrens, G., Die Reifung und Befruchtung des Forelleneies. Inaug.-Dissert. Wiesbaden 1898. (Anat. 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Die vorliegende Notiz betrifft eine Reihe von Befunden über die elastischen Fasern in der Haut und in der Schwimm- haut des Frosches. Ich bediente mich bei Eruirung derselben 96 W. Tonkoff: des unlängst veröffentlichten Verfahrens von Weigert!), das auch hier schöne Ergebnisse zu Tage förderte. Soviel mir bekannt, sind moderne Untersuchungsmethoden zum Studium des elastischen Gewebes in der Haut niederer Wirbelthiere bisher nicht angewendet worden, und besonders liegen über die elastischen Fasern in der Haut der Amphibien nur sehr wenige Befunde vor, auf die wir unten noch zurück- kommen. Einige Worte über den Bau der Froschhaut im All- gemeinen will ich hier vorausschieken. Man unterscheidet in derselben bekanntlich?) ausser dem Epithel drei Schichten, eine oberflächliche, eine mittlere und eine tiefe. Die oberflächliche Schicht (Fig. 1 s), netzartig, maschig und von reichlichem Pigment, Gefässen und Nerven durchsetzt, bildet ein lockeres Fachwerk für zahlreiche Hautdrüsen (Fig. 1 dr) und wurde daher von L. Stieda°) als Drüsenschieht beschrieben. Die mittlere Schicht (Fig. 1 m), die Schicht der wagerechten Fasern nach L. Stieda, bildet die eigentliche Grundlage der Haut und be- steht aus einem compacten Bindegewebe, dessen Faserbündel ausschliesslich parallel zur freien Hautoberfläche verlaufen, wobei sie sich grösstentheils unter rechten Winkeln mit einander kreuzen; durchsetzt wird diese Schicht von Bindegewebsbündeln, welche von L. Stieda als „senkrechte oder aufsteigende Faserzüge“ beschrieben wurden. Diese mittlere Schicht entspricht der sog. Lederhaut (Corium) der Säugethiere. Die dritte (tiefste) Schicht endlich besteht nach der Beschreibung von R. Wiedersheim (a. a. O.) aus einem weitmaschigen, zarten, nerven- und gefäss- reichen Reticulum und hat die Bedeutung eines Lymphraumes. Es liegt also die aus festem Bindegewebe aufgebaute mittlere Schieht zwischen zwei Lagen lockeren, pigment- und gefäss- reichen Gewebes. Ich gehe nun zu den elastischen Fasern der Haut über und muss hier zunächst auf die vorhin angezogene Arbeit von 1) C. Weigert, Ueber eine Methode zur Färbung elastischer Fasern. Centralbl. f. allg. Pathologie 1898. Bd. IX. 2) A. Ecker u. R. Wiedersheim, Die Anatomie des Frosches. 3. Abth. Braunschweig 1882. S. 62. 3) Ludwig Stieda, Ueber den Bau der Haut des Frosches. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftl. Medie. Jahrg. 1865. Lpz. S. 52. Ueber die elastischen Fasern in der Froschhaut. 97 L. Stieda hinweisen. Dieser Autor bemerkt, dass der tiefen Schicht der Haut viele elastische Fasern beigemischt sind; auch in der mittleren Hautschicht konnte er mit den ihm s. Z. zur Verfügung stehenden noch unvollkommenen Methoden, elastische Fasern entdecken: „nach Behandlung feiner der frischen Haut entnommener Schnitte mit Alkalien lässt sich leieht eine Bei- mischung von elastischen Fasern zum Gewebe erkennen und zwar namentlich in den senkrecht aufsteigenden Bündeln.“ Die späteren auf den Bau der Haut der Amphibien bezüglichen Arbeiten ergaben nicht nur nichts Neues bezüglich der elastischen Fasern, sondern stehen sogar im Widerspruche zu den soeben angeführten Befunden von L. Stieda. Eberth!) z. B. spricht von der Anwesenheit zahlreicher elastischer Fasern der tiefen Hautschichten und bemerkt, dass sie der eigentlichen Cutis (d. h. der mittleren Schicht) mangeln. Auch die jüngste bezügliche Arbeit von E. Fiealbi?) bringt nichts Neues auf dem uns bier beschäftigenden Gebiete. F. Leydig°) endlich bemerkt im all- gemeinen, dass die elastischen Fasern der Lederhaut sich bald in den oberen Fasern des Coriums, z. B. bei manchen Säugern (Schaf, Rind etec.), bald in den unteren bei den Selachiern, den Vögeln (Auerhahn), den Batrachiern (Frosch) zu eontinuirlichen Netzen vereinigen. Auch bei A. Ecker und R. Wiedersheim (a. a. O.) ist nur von elastischen Fasern der tiefen Schicht der Froschhaut die Rede. Ich benutzte zu meinen Untersuchungen Rana esculenta L. und Rana temporaria, und zwar entnahm ich Hautstücke aus verschiedenen Gegenden — Rücken, Bauch, Extremitäten —, wobei im ganzen die nämlichen Befunde zu Tage traten. Wie schon im Hinblicke auf das früher Bekannte zu erwarten war, erwies sich am reichsten an elastischen Fasern die tiefe Schicht: hier verlaufen dieselben gewöhnlich parallel zu der freien: Haut- oberfläche in verschiedenen Richtungen unter Bildung eines diehten Netzwerkes, welches in die Wand der Lymphräume eingelagert er- 1) Carl Jos. Eberth, Untersuchungen zur normalen und patho- logischen Anatomie der Froschhaut. Leipzig 1869. S. 17. 2) Eugenio Ficalbi, Ricerche sulla struttura minuta della pelle degli anfibi. Messina 1896. 3) F. Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M. 1857. S. 79. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 7 98 W. Tonkoff: scheint. Auf Fig. 1 ist dieses Netzwerk nicht ganz deutlich siehtbar, weil es von Pigmentzellen verdeckt wird. Weit instruetivere Bilder gewähren Uebersichtspräparate der Haut. Hautstücke, auf gewöhnliche Weise fixirt und gehärtet (gesättigte Lösung von Sublimat und Alkohol von steigender Concentration) wurden zu diesem Zwecke nach Weigert gefärbt und sodann in Canada- balsam so eingebettet, dass die innere Hautoberfläche dem Beob- achter zugewendet bleibt. Bei diesem Verfahren hat es keine Schwierigkeiten, Verlauf und Anordnung der elastischen Fasern in ziemlich grosser Ausdehnung zu verfolgen (ich habe solche Präparate von mehreren Quadratcentimetern Flächenraum ange- fertigt). Man erkennt, dass die elastischen Fasern in grosser Anzahl sich zur Bildung loser Bündel vereinigen, welche unter mehrfachen Kreuzungen und Anastomosen nach verschiedenen Richtungen hin verlaufen, wobei zwischen den einzelnen Bündeln Zwischenräume entstehen, die häufig ovale Form darbieten (Fig. 20). Es sind jedoch auch diese Räume nicht ganz frei von elastischen Fasern, vielmehr beherbergen dieselben ein sehr zartes Netzwerk, dessen Fasern unter verschieden grossen Winkeln sich von den vorerwähnten Bündeln abzweigen. Kehren wir nun zur Betrachtung der Schnittpräparate zurück, so ist zu bemerken, dass von dem in der tiefen Hautschicht ein- gelagerten elastischen Netzwerke Faserzüge gegen die mittlere Schicht hin verlaufen und zwar nahezu ausschliesslich recht- winkelig zu der Hautoberfläche (Fig. 1 el). Es sind dies jene elastischen Fasern, welche L. Stieda in den aufsteigenden Bündeln vorfand. Heute sind wir vermöge der ungemein electiven Methode von W eigert in der Lage, den Verlauf dieser Fasern und ihre Beziehungen zu den umgebenden Theilen im einzelnen zu verfolgen. Allem zuvor bemerkt man, dass diese elastischen Fasern unzweifelhaft als Bestandtheile der aufsteigenden Bündel erscheinen, sich durch ihre Zartheit auszeichnen und durch die mittlere Schicht der Haut verlaufen, ohne ihre Richtung zu ver- ändern; Fasern, die in verschiedenen, wenn auch ganz benach- barten Bündeln verlaufen, anastomosiren nie mit einander im Be- reiche der mittleren Schicht, und überhaupt entbehrt die Schicht der wagerechten Fasern des elastischen Gewebes völlig, wenn man von den soeben erwähnten aufsteigenden Elementen absieht. Nach Durchsetzung der mittleren Schicht der Haut lösen Ueber die elastischen Fasern in der Frosehhaut. 99 sich die elastischen Fasern unvermittelt in eine grosse Anzahl noch feinerer Fäserchen auf; viele von ihnen setzen ihre Bahn in der früheren Richtung fort, durchdringen die äussere Schicht der Haut einschliesslich des ganz oberflächlichen, gewöhnlich Pigment einschliessenden Theiles derselben und verlieren sich, immer feiner und feiner werdend, schliesslich dieht unter dem Epithel. Andere Fasern nehmen mehr oder weniger schräge Richtung an, wobei Fasern verschiedener Bündel nieht selten mit einander Anastomosen eingehen (Fig. 1 a); so entstehen elastische Arcaden, die in der oberflächlichen Schieht der Haut ver- laufen. Alle die genannten elastischen Fasern stehen in nächster Be- ziehung zu den Hautdrüsen, sie bilden einen Bestandtheil der bindegewebigen Hülle der letzteren, und gewinnen, indem sie als zartes Netzwerk den Körper der Drüse fast von allen Seiten umspinnen, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der Entleerung des Secretes. Die geschilderten elastischen Fasern sind in wechselndem Grade in den verschiedenen Hautregionen nachweisbar; in der Bauchgegend z. B. erscheinen sie sehr stark ausgeprägt. Es ergibt sich aus dem bisher Angeführten, dass die vertikalen Bündel der mittleren Schicht ausser Bindegewebs- fasern, glatten Muskeln und Pigment beständig auch reichliehe Mengen elastischer Fasern enthalten, was der Haut unzweifelhaft einen höheren Grad von Elastieität verleiht und eine festere Verbindung ihrer einzelnen Schichten gewährleistet. Es erübrigt hier noch mit einigen Worten der Schwimm- haut zu gedenken, da die Structur derselben einige Besonder- heiten darbietet. Es ist die Schwimmbaut bekanntlich eine Haut- duplikatur, in welcher ansehnliche Lymphräume sich vorfinden. In dem bindegewebigen Theile derselben können unterschieden werden: 1) eine innere unpaarige Schicht (Fig. 3 ö), welche die eigentliche Wandung des Lymphraumes bildet; sie beherbergt starke Blutgefässe und entspricht der tiefen Schicht der Haut; 2) eine äussere paarige Schicht (Fig. 3 sm), entsprechend der äusseren und mittleren Schicht der Haut; der tiefere Theil dieser Schicht besteht aus Bündeln festen faserigen Bindegewebes, die parallel zur Hautoberfläche verlaufen, und entsprieht der mittleren Schicht der Haut, ist aber um ein mehrfaches dicker als letztere; der oberflächliche Theil der äusseren Schicht besteht aus lockerem Bindegewebe, enthält viele Drüsen und (unmittelbar unter dem 100 W. Tonkoff: Epithel) Pigmentzellen ; da, wo Drüsen fehlen, geht dieser Theil der äusseren Schicht fast verloren; wo eine sehr umfangreiche Drüse vorliegt, nimmt dieselbe die ganze Aussenschicht ein, wobei das feste Bindegewebe der letzteren völlig zurücktritt. Ich sehe mich deshalb nicht in der Lage, in der Schwimmhaut eine äussere und mittlere Schicht als selbständige Gebilde zu unterscheiden, wie dies wohl für die Haut als zutreffend anzu- erkennen ist. Auf Fig. 3 (Querschnitt der Schwimmhaut mit nach Weigert gefärbten elastischen Fasern) sieht man Lymphräume (2) und in der Wand derselben ein reiches elastisches Netzwerk, dessen Fasern, wie dies auch in der Haut das gewöhnliche, parallel zur Oberfläche des Epithels verlaufen, um das sie hier sehr viel zahlreicher erscheinen und ihr Durchmesser merklich grösser ist. Der Verlauf der Fasern tritt deutlicher hervor an Flächen- präparaten, die ganz in der oben für die Haut angegebenen Weise hergestellt werden, wobei die Schwimmhaut in der Höhe der Lymphräume sich in zwei symmetrische Platten leicht spalten lässt. An solchen Präparaten erkennt man, dass die Fasern durchweg in einer und der nämlichen Richtung, und zwar ungefähr unter rechten Winkeln zur Axe der Finger, verlaufen, wobei dieser Winkel gegen die Fingerenden hin sich nach und nach zuspitzt, bis die Fasern schliesslich fast parallel zu der Axe der Finger hinziehen und in dem freien Rande der Schwimmhaut sich ver- lieren. Im Gegensatze zu dem Verhalten der übrigen Haut findet in der Schwimmhaut keine Vereinigung elastischer Fasern zu Bündeln statt, welche freie Zwischenräume gegen einander abgrenzen (Fig. 2 b), sondern hier bilden die elastischen Elemente ein sehr dichtes und feines Geflecht mit gleichmässig vertheilten Fasern. Von dem soeben beschriebenen Netze, welches die Wand der Lymphräume bildet, begeben sich, ganz wie in der Haut, in vertikaler Richtung Faserbündel zur äusseren Schicht, durch- dringen diese, zerfallen dann in feine Fäserchen und verlieren sich unmittelbar unter dem Epithel (Fig. 3 el). Charakteristisch für die Schwimmhaut ist der Umstand, dass die elastischen Fasern derselben nicht als gesonderte, mehr oder weniger von einander unabhängige, durch ansehnliche und sehr oft regelmässige, gleich grosse Zwischenräume von einander getrennte Bündel abgehen, Ueber die elastischen Fasern in der Froschhaut. 101 sondern die ganze Dicke der Schwimmhaut mit einander anasto- mosirend durchsetzen (Fig. 1 und 5). Es ergibt sich hieraus ein grosser Reichthum elastischen Gewebes in der Schwimmhaunt, was zugleich die hohe Elastieität dieser Membran bedingt. Man darf die Schwimmhaut des Frosches mit Recht zu den am besten mit elastischen Gewebe ausgestatteten Organen rechnen. Berlin, Juni 1900. Erklärung der Figuren auf Tafel VII. Die Abbildungen sind mit Hülfe des Abbe’schen Zeichenappa- rates entworfen. Fig. 1 ist nach einem mit Borax-Carmin und Weigert- scher Lösung gefärbten Präparate, Fig. 2 nach einem nur nach Weigert gefärbten Präparate gezeichnet. Auf allen Figuren bedeutet: dr=Drüsen. — el=elastische Fasern. — ep = Epithel. — p= Pigment. Fig. 1. Querschnitt der Bauchhaut von Rana esculenta. a4= Anastomosen elastischer Fasern; © = untere Schicht der Haut; m = mittlere Schicht; s= äussere Schicht. Vergr. 100:1. Innere Oberfläche der Bauchhaut von der Fläche ge- sehen. b= Bündel elastischer Fasern: o—=Zwischenräume zwischen denselben. Vergr. 120:1. Fig. 3. Querschnitt der Schwimmhaut. b=Lymphräume; sm = äussere Schicht = äussere + mittiere Schicht der Haut. Ver- grösserung 200:1. = ug [80] 102 (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universität in Prag. Vorstand: Prof. Dr. Sigmund Mayer.) Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauch- muskeln bei Fröschen vorkommenden „Inscriptiones elasticae“. Von Dr. Richard Hans Kahn, Assistenten am physiolog. Institut der deutschen Universität in Prag. Hierzu Tafel VII. Im Jahre 1863 hat J. N. Czermak!) bei einheimischen Vertretern der Froschlurche, nämlich bei Rana fusca und Rana esculenta, jener milchweissen Streifen kurz Erwähnung gethan, welche bei Entfernung der Bauch- beziehungsweise Rückenhaut in ca.42°/, der Fälle neben der ventralen, beziehungsweise dor- salen Anheftungslinie der schiefen Bauchmuskeln sichtbar sind. Nach einer kurzen Besprechung ihrer Lage und der Häufigkeit ihres Vorkommens erwähnt er auch jene Details im feineren Bau dieser Streifen, welche ihm bei seiner Methode — Zerzupfen und Behandlung mit Essigsäure — sichtbar geworden sind. Er beschreibt den Uebergang einer scharf konisch mit ihrem Sarco- lemm endigenden Muskelfaser in ein kern- und faserreiches Binde- gewebe, welches sich unvermittelt in einen Strang „heller, dicht- gedrängter“ Fasern fortsetzt, während diese von Czermak als elastische bezeichneten Fasern ihrerseits wieder in das Binde- gewebe der Sehne übergehen. Als Stützen für die Annahme, dass die in die Sehne ein- geschalteten faserigen Elemente den Charakter elastischen Ge- webes haben, führt er ihre „netzförmig anastomosirende Anord- nung, ihr starkes Lichtbrechungsvermögen“ sowie die Thatsache 1) Joh. N. Özermak, Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln bei Fröschen vorkommenden „Inscriptiones elasticae“. (Gesammelte Schriften Bd. I, 2. Abthlg. pg. 660. Leipzig 1879.) Vorl. Mittheilung: Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1863. No. 50. Sitzber. d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. 48. 1863. Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 103 an, dass man durch Tetanisiren, also bei Contraction der Muskeln die in Rede stehenden Streifen auf das Doppelte ihrer Breite vergrössern kann, und dass sie nach Aufhören des Zuges wieder zu ihrer ursprünglichen Breite zurückkehren. Die zweite und wie es scheint letzte Erwähnung besonderer, im feineren Bau der Sehnen der schiefen Bauchmuskeln bei Fröschen vorkommender Eigenthümlichkeiten rührt von Leydig') her. Er hebt hervor, dass beim Laubfrosch „am Rücken längs der Wirbelsäule eigenthümliche Sehnenstreifen herabziehen, die sich nach Abzug der Haut sehr bemerklich machen. Von glänzend weissem Aussehen, erscheinen sie dem freien Auge histologisch aus feinen elastischen Netzen zusammengesetzt, in welche das Bindegewebe dieser Stelle völlig umgewandelt sich zeigt“. Ich habe mich eifrig, jedoch ohne Erfolg, bemüht, in der Literatur weitere Angaben über diese doch recht merkwürdigen Gebilde aufzutinden. Weder bei Duges?), noch in der von Gaupp ?) bear- beiteten Monographie des Frosches von Ecker-Wieders- heim ist auch nur mit einem Worte dieser gar nicht seltenen Erscheinung gedacht. Haslam’s*) englische Bearbeitung letzteren Werkes und Marshall’s5) englische Monographie des Frosches haben mir leider nicht zur Verfügung gestanden. Als ich im vergangenen Jahre Gelegenheit hatte, im hiesigen histologischen Institute zu arbeiten, machte mich Herr Prof. Sigmund Mayer auf diese Streifen aufmerksam und theilte 1) Leydig, Die anuren Batrachier der deutschen Fauna, Bonn, 1877, pg. 100.— Kölliker (Handbuch der Gewebelehre des Menschen VI. Aufl. 1889, pag. 119) erwähnt bei Gelegenheit der Aufzählung der Fundorte elastischer Fasern, dass solche „in der Form von Sehnen in den Bauchmuskeln des Frosches (Czermak)* vorkommen, ohne jedoch auf die hiedurch bedingten auffallenden Streifen hinzu- weisen. 2) Ant. Dug&s, Recherches sur l’ost&ologie et la myologie des batraciens A leurs differents ages. Sciences math&matiques et physiques. Tome VI. Paris 1835. 3) A. Ecker’s und R. Wiedersheim'’s Anatomie des Frosches, bearbeitet von Dr. E. Gaupp, III. Aufl. 1896. 4) George Haslam, The Anatomy of the Frog. Oxford 1889. 5) A. M. Marshall, The Frog. Manchester aud London, II. Ed. 1885. 104 Richard Hans Kahn: mir mit, dass ihm dieselben schon vor sehr langer Zeit ge legentlich der Anstellung physiologischer Versuche an Fröschen aufgefallen seien. Da er über diese Gebilde in der sehr aus- führlichen Darstellung der Myologie des Frosches von Ecker keinerlei Angaben aufgefunden, so sei er eben im Begriffe ge- wesen, eine kurze Mittheilung von deren Vorhandensein zu machen, als ihm durch Zufall die Arbeit von Czermak in die Hände fiel, in welcher die genannten Streifen bereits erörtert waren. Da also die Angaben über diese weissen Streifen sehr spär- lich sind, und ausserdem seit deren Veröffentlichung beinahe ein halbes Jahrhundert verflossen ist, habe ich es unternommen, mit den heute zu Gebote stehenden besseren Untersuchungsmethoden den Bau des in Rede stehenden Gewebes zu untersuchen. Ich habe mich als Untersuchungsobjectes einer grösseren Anzahl von Exemplaren von Rana esculenta und Rana fusea be- dient und auch einige Exemplare von Hyla arborea und Bufo untersucht. Die in Verwendung gezogenen Frösche waren ver- schiedener Grösse, verschiedenen Ernährungszustandes und ver- schiedenen Geschlechtes. Ich fand bei fast 65°/, der Thiere die Streifen deutlich sichtbar. Laubfrösche und Kröten habe ich leider nicht in genügender Anzahl zur Verfügung gehabt, um Genaueres über das Vorkommen der zu besprechenden Gebilde aussagen zu können; ich konnte dieselben aber an ersteren nach- weisen. Was nun zunächst das makroskopische Ver- halten der in Rede stehenden Streifen betrifft, so kann ich im Allgemeinen auf die Angaben Czermak'’s verweisen. Zur raschen Orientirung will ich das Wesentlichste davon in Kürze anführen, wobei ich bemerke, dass ich nach meinen Unter- suchungen seine Angaben bestätigen kann. Es finden sich an einem Thier im Ganzen acht solcher Streifen, vier auf dem Rücken, vier auf der Bauchfläche, von denen je zwei, theilweise sich deckend, symmetrisch zu beiden Seiten der Mittellinie gelagert sind. Die Fasern der schiefen Bauchmuskeln inseriren sich einer- seits in die Fascien des Rückens, andererseits in die des Bauches. Der Museulus obliquus internus sendet seine Fasern von hinten und unten schräg nach oben und vorne, der Muse. obliquus ex- Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 105 ternus von hinten und oben nach unten und vorne. Die dorsale Anheftungslinie des Must. obl. extern. in der Rückenfascie reicht von dem oberen Viertel des Darmbeines bis über die Mitte des Schultermuskels (Muse. lombo-humeral, Duges). Dieser Linie entsprechend findet sich beiderseits nach Aussen vom Becken und der Wirbelsäule der erste dieser weissen Streifen. (ÖÜzer- mak, Fig. la). Die dorsale Anheftungslinie des Muse. obliqu. intern. be- sinnt tief unten im Becken, läuft längs des Innenrandes des Darmbeines empor, schlägt sich um das obere Ende der daselbst entspringenden Oberschenkelmuskeln (Muse. ex- ilio- trochanterien, Duges) auf die Rückenfläche herauf, und verläuft in der die Rückenmuskeln deekenden Fascie bis in die Höhe des Querfort- satzes des fünften Wirbels. Dieser Linie entsprechend findet man beiderseits den zweiten der dorsalen Streifen. (Özermak, Bie.xT:b). Die vier weissen Streifen der Bauchfläche laufen den ven- tralen Anheftungslinien der beiden schiefen Bauchmuskeln entlang (Czermak, Fig. II und II). Der dem Muse. obliqu. extern. zugehörige ventrale Streifen verläuft beiderseits vom oberen Rande dieses Muskels längs des äusseren Randes des Muse. rectus abdominis bis etwa zur dritten Inseriptio tendinea desselben, indem er die Grenze zwischen diesem und dem grossen Brustmuskel markirt. An dieser Stelle wendet er sich sodann nach aussen, biegt nach unten um, und verläuft, sich verjüngend, gegen den Schenkelbug. Der in der Sehne des Muse. obliqu. intern. verlaufende ventrale Streifen liegt bis zu der genannten Stelle unter dem eben beschriebenen, tritt dann von der die vordere Fläche des Musculus reetus be- deckenden Fascie an die die hintere Fläche desselben bekleidende und verläuft, ohne seine Richtung zu ändern, gegen die Scham- beinfuge hinab. Auf diese Weise sind je zwei über einander liegende Streifen theilweise nebeneinander sichtbar, theilweise decken sie sich vollkommen in ihrem Verlaufe. An jedem Thiere, an welchem diese Gebilde überhaupt sichtbar sind, finden sieh stets acht an der Zahl; niemals habe ich beobachtet, dass nicht alle Streifen gleich ausgebildet gewesen wären, oder gar einer oder mehrere gefehlt hätten. Um Genaueres über den feineren Bau der in Rede 106 Richard Hans Kahn: stehenden Gebilde aussagen zu können, bediente ich wich folgen- der Methoden. z Zunächst war ich darauf bedacht, an Zupfpräparaten mich über die Anordnung der einzelnen Fasern im Streifen zu orientiren. Zur Maceration bediente ich mich mit bestem Er- folge einer 0,1°/, Chromsäurelösung, welche ich eine Woche ein- wirken liess. Die auf diese Weise leicht zu erhaltenden Muskel- bündel wurden mit der daran hängenden Sehne theils ungefärbt untersucht, theils nach der auch für Zupfpräparate mit sehr gutem Erfolge anzuwendenden von Weigert!) angegebenen Färbemethode für elastische Fasern behandelt. Einzelne Bündel der Muskelfasern brachte ich, nachdem die Chromsäure in Wasser ausgewaschen worden war, in eine Schale mit der Weigert- schen Färbeflüssigkeit (alkohol. Lösung eines aus der Mischung von Fuchsin und Resorein gewonnenen Farbstoffes) und fand nach etwa einer halben Stunde die elastischen Fasern blauschwarz ge- färbt. Diese Bündel wurden dann in Alkohol entwässert und in Ol. Origani in ihre Elemente zerzupft, wobei ich mir Mühe gab, die zu den einzelnen Muskelfasern gehörigen Theile der Sehne an denselben zu erhalten. Die Präparate wurden dann in Xylol- Balsam montirt. Auf dieselbe Weise habe ich auch Zupfpräpa- rate mit Alaun-Cochenille gefärbt. Gute Resultate ergab auch Maceration in einer Mischung von Essigsäure, Glycerin und Chloral- hydrat, wie sie von Sihler?) zur Vorbehandlung quergestreifter Muskelfasern behufs Darstellung der an ihnen befindlichen Nerven- Endorgane angegeben wurde. In diesem Falle folgte der Mace- ration eine Färbung in mit geeigneten Farbstoffen gemischtem Glycerin. Ferner habe ich die Structur der in Rede stehenden Ge- bilde vielfach an Schnittpräparaten untersucht. Zur Fixation zog ich den Alkohol, den Sublimatalkohol, die 0,2°/, Chrom- säure und das Flemming sche Säuregemisch in Verwendung, ohne von letzterem besondere Vortheile für den Zweck meiner Untersuchung zu bemerken. Im Gegentheil habe ich gefunden, dass die zur eleetiven Färbung elastischer Fasern angegebenen 1) C. Weigert, Ueber eine Methode zur Färbung elastischer Fasern. Centralbl. f. allg. Pathologie u. pathol. Anatomie Bd.IX. 1898. 2) Chr. Sihler, Cleveland, vorgelegt v. J. Gad in d. Verhandl. d. physiolog. Gesellsch. zu Berlin, Decemb. 1894. Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 107 Methoden, namentlich Tänzer-Unna’s Orceinmethode, nach der Fixation in Chrom-Osmium-Essigsäure, sowohl bezüglich des Annehmens des Farbstoffes, als auch bezüglich des Abgebens desselben in andere zur Weiterbehandlung dienende Flüssigkeiten besondere Geduld und Vorsicht erheischen. Die in den angegebenen Flüssigkeiten fixirten Muskelplatten wurden ungefärbt durch Alkohol, Alkohol-Xylol, Xylol und Xylol- Paraffin in Paraffin eingebettet und auf dem Jung schen Sehlittenmikrotom im Schnitte zerlegt. Selbst für die an die Dünne der Schnitte ziemlich hohe Anforderungen stellende Wei- sert’sche Methode habe ich die Schnittdieke von 10 u für aus- reichend gefunden. Die auf diese Weise gewonnenen, mit ver- dünntem Alkohol auf dem Objeetträger befestigten Schnitte habe ich nun auf verschiedene Art gefärbt. Zur Darstellung der Kerne bediente ich mich der ver- schiedensten Farbstoffe, wobei ich mit besonderem Vortheil das Delafield sche Hämatoxylin in Verwendung zog, und zwar deshalb, weil es, combinirt mit anderen besondere Zwecke ver- folgenden Färbemethoden sehr gute Kernfärbungen liefert. Als Stützen für die Annahme, die in Rede stehenden Streifen bestünden aus elastischem Gewebe, führe ich an die Färbung nach den für die Darstellung desselben angegebenen electiven Methoden, und den negativen Erfolg der Anwendung der zur Färbung des Bindegewebes vielfach verwendeten Säurefuchsin- Pikrinsäuremethode. Zu besagtem Zwecke habe ich die Schnitte in die von Tänzer angegebene und von Unna!) modifieirte Orcein- lösung gelegt. Mit Ausnahme der in Flemming 'schem Ge- misch fixirten Präparate genügten 15—20 Minuten zur Färbung. Nach Differenzirung mit der von Unna angegebenen Flüssig- keit erhielt ich die Streifen hellbraun auf hellem Grunde. Nach- dem ich die Schnitte längere Zeit (15 Minuten bis 2 Stunden) in reichlicher Menge Wassers ausgewaschen hatte, brachte ich sie in eine verdünnte Lösung Delafield’schen Hämatoxylins, in welcher ich sie 5 bis 15 Minuten liess. Nach abermaligem längeren Verweilen in Wasser hatten die Schnitte makroskopisch I) P.G. Unna, Notiz betreffend die Tänzer’sche Orceinfärbung ‚les elast. Gewebes. Monatsh. f. prakt. Dermatol. Bd. XII, p. 394—396. 108 Richard Hans Kahn: eine blaugraue Färbung angenommen. Nun wurden sie einige Sekun- den in eine zur Hälfte mit Wasser verdünnte concentrirte Pikrin- säurelösung gebracht und sodann nach nochmaligem kurzen Aus- waschen mit Wasser durch Alkohol und Xylol in Xylol-Balsam montirt. Auch audere Combinationen des Orceins mit Kern- und Plasmafärbungen (Alaun-Cochenille, Methylenblau, Eosin, Bleu de Lyon) habe ich ohne besonderen Vortheil verwendet. Weiters habe ieh vielfach Schnitte nach der von Weigert!) neuerdings angegebenen Methode gefärbt, wobei der Vorgang im Wesentlichen derselbe war, wie bei der Orceinmethode. Auch nach der von Martinotti angegebenen Methode der Safranin- färbung nach Chromsäurefixation habe ich positive Resultate erhalten. Schliesslich will ieh noch erwähnen, dass ich die van Gieson sche Methode allein und auch eombinirt mit Färbungen für Kerne und elastische Fasern angewendet habe, und zwar in der von Hansen?) zur eleetiven Färbung des Bindegewebes angegebenen Modification. Dabei färbte sich das Bindegewebe leuchtend roth, die Streifendurchschnitte aber schwach gelb. Diese Färbung lässt sich leicht mit einer der für elastische Ele- mente angegebenen Methoden combiniren und giebt dann sehr instructive, farbenreiche Bilder, nur dass das Roth des Binde- sewebes weniger leuchtend und gesättigt ist, als Hansen es bei seiner Methode angegeben hat, und wie man es auch in der That bei Anwendung derselben ohne Combination mit anderen Färbeflüssigkeiten unschwer erhalten kann. Die Resultate, zu denen ich mit den erwähnten Methoden gelangt bin, sind folgende: Die beiden in Betracht kommenden Muskeln, nämlich der Muse. obliqu. externus und der Muse. obliqu. internus (M. trans- versus, Ecker), stellen sich als dünne Platten dar, welche an ihren beiden Enden durch Bindegewebe mit ihren Ansatzpunkten verbunden sind. Sie bestehen aus einer etwa 5—20 fachen Lage quergestreifter Muskelfasern, welche ziemlich parallel laufen und von einander durch sehr spärliches Bindegewebe getrennt sind. Zwischen den einzelnen Fasern verlaufen in reicher Menge capil- Meck#a2220: 2) ©. Hansen, Eine zuverlässige Bindegewebsfärbung. Anatom. Anz. Bd. 15, No. 9. Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 109 lare von einzelnen Pigmentzellen begleitete Blutgefässe und spär- liche Nervenstämmehen. Bei mit Flemming 'schem Säurege- misch fixirten Präparaten treten massenhafte Fetttröpfehen in den einzelnen Fasern durch Osmiumsäure geschwärzt hervor. Weder in dem bindegewebigen Zwischengewebe, noch in der diese Muskeln bedeckenden Fascie gelang es mir grössere Mengen elastischer Fasern nachzuweisen. Das die weissen Streifen bildende Gewebe besteht theils aus langen, dieken, fast gar nicht geschlängelten, theils aus kurzen, dieken, unregelmässig angeordneten Fasern. Erstere liegen genau, oder fast genau in der Richtung der Muskelfasern der zugehörigen Muskeln, also senkrecht auf den Verlauf des Streifens und parallel der Fläche der äusseren Haut. Sie unter- scheiden sich nicht besonders von den in anderen Geweben nach- gewiesenen elastischen Fasern. Meistens kann man beobachten, dass sie durch die ganze Breite des Streifens ununterbrochen sich fortsetzen. Je eine grössere Anzahl von solchen Fasern ist durch ein gleich zu besprechendes Gewebe zusammengehalten, und die dadurch entstandenen Bündel sind durch die zweite oben er- wähnte Art elastischer Elemente getrennt. Diese letztere stellen kurze, dicke, unregelmässig angeordnete Gebilde dar, welche untereinander ein Flechtwerk bilden und durch mechanischen Zug auch in ganz frischem Zustande leicht aus ihrem Gefüge zu bringen sind. In dieser Anordnung der beiden Faserarten ist wohl auch die Ursache zu suchen, warum die in Rede stehenden Streifen so leicht in querer Richtung auf ihren Verlauf in Bündel zertrennt werden können, und in dieser Annahme wird man durch folgende Betrachtung bestärkt. Man findet leicht bei genauer Durchsicht der Schnittbilder Stellen, an denen die Zahl der im Schnitt getroffenen Muskelfasern mit der Zahl der durch die eben erwähnten kurzen Fasern getrennten elastischen Faserbündel übereinstimmt (Taf. VIII, Fig. 1). Es scheint also, dass zu einer jeden Muskelfaser ein Bündel der langen elastischen Fasern gehört, eine Annahme, welche durch die Thatsache gestützt wird, dass man beim Isoliren der Muskel- elemente sehr leicht die zugehörigen Bündel von einander trennen kann und dann an den Rändern derselben das elastische Binde- mittel, nämlich die zweite Kategorie der oben erwähnten Fasern, hängen sieht. 110 Richard Hans Kahn: Schon in ungefärbten und auch in den mit eleetiven Methoden (Orcein, Weigert ete.) gefärbten Schnitten fällt der grosse Reichthum des elastischen Gewebes an Kernen auf, welche zwischen den Fasern bemerkbar sind. Bei Anwen- dung von Kernfärbungen ist man nun leicht im Stande, die Be- deutung derselben zu erkennen (Taf. VIII, Fig. 2). Die Kerne sind hier der sichtbare Ausdruck für ein von spärlichen Fasern (Taf. VIII Fig. 5), aber reichlichen zelligen Bestandtheilen ge- bildetes Bindegewebe, welches das Gerüst der oben besprochenen elastischen Faserbündel ausmacht. Es sind runde oder schwach ovale Gebilde, welche regellos zwischen den Fasern eingestreut sind, und schon im ungefärbten Präparat so deutlich und das ganze Bild beherrschend ins Auge fallen, dass es Wunder nehmen muss, das Czermak, welcher das Wesentlichste im Bau dieser Streifen trotz seiner unzulänglichen Methoden bereits erkannt hat, des überraschenden Vorkommens dieser Gebilde im elastischen Gewebe mit keinem Worte Erwähnung thut. Das dritte der bei unserem Objeete in Betracht kommenden Gewebe ist das den Rest der Sehne und theilweise auch die Verbindung der elastischen Bänder und der Muskelplatten bildende Bindegewebe. Dieses unterscheidet sich wesentlich von dem an anderen Orten vorkommenden und auch von dem in anderen nicht mit elastischen Elementen durchsetzten Sehnen sich finden- den Bindegewebe. Es fällt zunächst auf, dass die Zahl der faserigen gegenüber der Zahl der zelligen Bestandtheile bedeutend zurücktritt. Man findet von zarten fibrillären Bälkchen gebildete Maschenräume, in denen eigenthümliche, von den Kernen des sonst sich findenden Bindegewebes durchaus verschiedene Kerne sich vorfinden. Dieselben haben eine ausgesprochen elliptische Gestalt, eine beträchtliche Dieke, sind etwa 2 bis 3 mal so lang als breit und zeigen meistens eine geringe Schlängelung (Taf. VII, Fig. 5). Sie liegen stets mit ihrer längsten Achse in der Richtung der Sehne, also auch der elastischen und Muskelfasern, und scheinen ihrem Wesen nach mit den oben beschriebenen Kernen zwischen den Elementen des elastischen Streifens identisch zu sein. Betrachtet man Schnitte, welche senkrecht auf jenen Theil der Sehne geführt wurden, welcher keine oder fast keine elastischen Elemente mehr enthält, so bekommt man Bilder zu sehen, welche sehr leicht zur Annahme eingelagerter glatter Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 111 Muskelfasern im Querschnitt verleiten könnten. Da erscheinen die besprochenen Maschenräume als sehr zierliche, regelmässig angeordnete Felder, welche in ihrer Mitte meistens den Durch- schnitt des Kernes zeigen (Taf. VIII, Fig. 4). Schliesslich sei noch erwähnt, dass sich sowohl in dem elastischen, als auch in dem aus Bindegewebe bestehenden Theile der Sehnen ziemlich reichlich Blutgefässe, in der Umgebung des letzteren auch kleine Nervenstämmchen vorfinden. Was nun die Verbindung der Muskelplatten mit den ihnen zunächst gelegenen Theilen der Sehnen, den elastischen nämlich betrifft, so habe ich darüber Folgendes ermittelt. Die Verbindung der einzelnen Muskelfasern mit den zugehörigen Bündeln elastischer Fasern erfolgt auf zweierlei Weise. Einmal — und das halte ich für die bei weitem häufiger vor- kommende Erscheinung, treten die beiden Gewebsarten nieht mit einander in direete Beziehung, sondern sie werden, wie es schon von Czermak auf Grund seiner durch Zerrupfen erhaltenen Präparate angegeben wurde durch Bindegewebe mit einander verbunden (Taf. VIII, Fig. 1, 6). Es macht den Eindruck, als ob sich das oben beschriebene Bindegewebe, welches das Inser- tionsende der Sehne ausmacht, als Gerüst mit noch mehr ver- ringertem Gehalt an fibrillären und zum Mindesten gleichem Ge- halt an cellulären Elementen durch den elastischen Streifen fort- setzte, um an den Verbindungslinien mit der Muskulatur wieder zur früheren Beschaffenheit zurückzukehren, wobei sich ein Unter- schied nur bezüglich des reichlicheren Gehaltes an eingestreuten elastischen Fasern und bezüglich der Grösse und Gestalt der Kerne bemerkbar macht. Diese sind nämlich im Allgemeinen kleiner und haben nicht die langgestreckte Gestalt der Kerne am peripheren Sehnenende, sondern gleichen etwa den im elastischen (Gewebe befindlichen Kernen. Sie liegen unregelmässig in grosser Anzahl in den hier nicht so deutlich ausgesprochenen Maschen des Bindegewebes. Dieses Gewebe nun, dessen Ausdehnung in der Achse der Muskelfasern etwa die Breite einer Muskelfaser oder etwas darüber beträgt, tritt in direete Beziehung zu denselben und zwar in folgender Weise. Die Muskelfasern, welche häufig an ihren Enden die bekannten Kernanhäufungen in mässig ausgesprochener Weise zeigen, verschmälern sich konisch, ohne jedoch eine scharfe Grenz- 112 Richard Hans Kahn: linie erkennen zu lassen. Jedoch macht es meistens den Ein- druck, als wären die Anhäufungen nicht so gross und die Form der Kerne nicht so sehr von den anderen Muskelkernen ver- schieden, wie dies an den Verbindungsstellen von Muskelfasern mit bloss aus Bindegewebe bestehenden Sehnen beschrieben worden ist. Diese konischen Enden sind von den Strängen des oben beschriebenen Bindegewebes derartig umfasst, dass es nicht mög- lieh ist, den Uebergang des einen in das andere Gewebe genauer wahrzunehmen. Das Bindegewebe legt sich häufig an die ver- schmälerten Enden der Muskelfasern eng an, so dass gleichsam eine Einschnürung entsteht (Taf. VIII, Fig. 6). Wie schon er- wähnt, sind in der Regel in diesem Gewebe einzelne elastische Fasern bemerkbar, welche sich direet an die Muskelfasern an- legen. Die zweite Art der Verbindung ist die, wie mir scheint, viel seltenere und interessantere. Die Bündel langer elastischer Fasern reichen bis an die Muskelfasern heran und treten in direete Beziehung zu denselben. Durch vielfache Verästelung und Anasto- mosenbildung entsteht gleichsam ein elastischer Korb, welcher die Muskelenden umgibt und sie auf diese Weise unsichtbar macht (Taf. VIII Fig. 7). Ueber die Art der Verbindung dieser elastischen Netze mit dem Sarcolemm Genaueres anzugeben, bin ich nicht in der Lage. Zur Darstellung und Auffindung dieser Bilder eignet sich ganz besonders die Weigert sche Methode, wie ich überhaupt glaube, dass dieselbe zur Färbung der feineren Structurverhältnisse, bei denen elastische Fasern in Betracht kommen, der Orceinmethode vorzuziehen ist: Freilich verlangt sie dünnere Schnitte und eingehender zerzupfte Präparate. Die Verbindung der beiden eben besprochenen Gewebe ist eine sehr feste. Ungemein schwer gelingt es, das Muskelgewebe durch Zerreissen mit Nadeln an der Verbindungsstelle abzutrennen, stets reissen viel leichter die Muskelfasern nahe an ihren Enden entzwei. Am peripheren Ende der elastischen Streifen geht das Binde- gewebe allmählich in das elastische Gewebe über, indem sich die schon an und für sich in geringer Anzahl vorhandenen fibrillären Elemente bis auf geringe Reste in der grossen Masse elastischer Fasern verlieren (Taf. VII, Fig. 1). Auch dies lässt sich an nach Hansen gefärbten Schnitten deutlich verfolgen. Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 113 Aus all’ diesen angeführten Thatsachen geht also hervor, dass nicht etwa ganze Theile der Sehnen der schiefen Bauch- muskeln bloss aus elastischem Gewebe bestehen, und diese „elasti- schen Sehnen“ an ihren beiden Enden durch Bindegewebe einer- seits an den Ansatzpunkten der Muskeln, andererseits an den Enden der Muskelfasern befestigt sind. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass der Grundstock dieser Sehnen überall aus Binde- gewebe besteht, wobei allerdings das Verhältniss der fibrillären zu den cellulären Bestandtheilen desselben sich an jenen Stellen, an denen die elastischen Elemente eingelagert sind, ganz be- sonders zu Ungunsten der Ersteren verändert. Die Bündel ein- gelagerter elastischer Fasern, welche von je einer Muskelfaser in Anspruch genommen werden, bilden mit ihren den Muskeln zugewendeten Enden keine gerade Linie, sondern reichen theils — und dies ist der fast regelmässige Fall — weniger, theils mehr an dieselben heran. In ersterem Falle tritt der binde- gewebige Grundstock als besondere Zwischenschichte hervor, in letzterem scheinen die elastischen Fasern den Muskelfaserenden anzuliegen. Zu ermitteln, in welcher Weise die Entwicklung dieses elasti- schen Gewebes vor sich geht, habe ich nicht versucht. Man könnte wohl durch Untersuchung verschiedener Entwicklungsstadien der Thiere darüber Aufklärung erlangen. Schliesslich habe ich noch über die Befunde an solchen Sehnen zu berichten, in denen makroskopisch keine Spur der besprochenen weissen Streifen wahrzunehmen war. Hier bestanden die Sehnen aus fibrillärem Bindegewebe, untermischt mit äusserst spärlichen feinen elastischen Fäserchen. Es zeigte sich also das auch an anderen Körperstellen in den Sehnen in Erscheinung tretende Verhalten. Wenn ich also die bei meiner Untersuchung gewonnenen Ergebnisse kurz zusammenfasse, so bestehen sie in Folgendem: 1. Die Sehnenadernschiefen. Bauchmuskeln bei einigen Anuren, vorzüglich bei den Fröschen, bestehen bei einer erheblichen Anzahl von Thie- ren auseinem eigengshümlichen, fibrillenarmen, zellenreichenBindegewebe, ausgezeichnet durch Kerne besonderer Grösse und Form. 2.4In diese Sehnen einzelagert finden,sich mächtige Mengen elastischenGewebes, zusammen- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 8 114 Richard Hans Kahn: gesetzt theils aus Bündeln langer, dicker, unge- theilter, in der Verlaufsriehtung der Muskelfa- sern liegender, theils aus Geflechten kurzer, un- regelmässig angeordneter elastischer Fasern, ebenfalls wohl charakterisirt durch ein Gerüst fibrillenarmen, zell- und kernreichen Bindegewebes. 3. Die Verbindung der Sehnen mit den Mus kelfasern erfolgt durch dieses Bindegewebe oder dureh direeten Contact mit den elastischen Faser- bündeln. 4. Bei Fehlen der Streifen im makroskopi schen Bilde ergiebt die mikroskopische Unter- suchung den Befund gewöhnlicher aus Bindege- webe bestehender Sehnen. Wir haben also in dieser von Czermak und unabhängig von ihm von Leydig schon vor langer Zeit mitgetheilten, und von mir genauer untersuchten Erscheinung den bemerkenswerthen Fall vor Augen, dass Elemente, welche nach der sie ganz be- sonders charakterisirenden Eigenschaft, der Contractilität nämlich, befähigt sind, bei ihrer Contraetion ihre beiden Ansatzpnnkte ein- ander zu nähern, beziehungsweise bei fixen Ansatzpunkten und bogenförmigem Verlauf einen Druck auf ihre Unterlage auszu- üben, sich mit solehen Elementen verbinden, welche den bei der Contraetion erreichten Effeet geringer erscheinen lassen, als er bei ihrem Niechtvorhandensein sich ergäbe. Diese Thatsache er- schien schon ÖÜzermak so unverständlich, dass er sich fast ver- leiten liess, die Existenz dieser „Inscriptiones elasticae“ für wider- sinnig und unzweckmässig zu erklären. Trotzdem ich weit ent- fernt bin, den Zweck oder gar einen Nutzen dieser Combination zweier Gewebe eingesehen zu haben, glaube ich doch, mich des- halb nicht allzusehr darüber verwundern zu müssen, da eine nicht geringe Anzahl von Autoren uns mit ähnlichen Erschei- nungen bekannt gemacht haben. So ist von Seuffert!), Kölliker 2), Bauer?) u. A. das 1) L. Seuffert, Ueber das Vorkommen und Verhalten glatter Muskeln in der Haut der Säugethiere und Vögel. Würzburg 1861. 2) Kölliker, Zeitschr. f. wiss. Zool. IX, p. 140. 3) K. Bauer, Beitr. z. Kenntniss d. Talgdrüsen d. menschlichen Haut. Morph. Arb. Bd. III, 3. Heft. Ueber die in den Sehnen der schiefen Bauchmuskeln ete. 115 Vorkommen elastischer Fasern als Sehnen glatter Muskeln fest- gestellt worden. Aber auch die Angaben über die Verbindung elastischen Gewebes mit quergestreiften Muskelfasern sind nicht vereinzelt. So hat Ranvier !) gezeigt, dass die baumförmig verästelten quergestreiften Muskelfasern in der Membrana retrolingualis beim Frosch vermittels elastischer Sehnen auf ihre Ansatzpunkte wirken, und die von Podwyssotzki?) in dem Papillarkörper der Lippen- haut beschriebenen Sehnenfäden verästelter, gegen das Epithel gerichteter, quergestreifter Muskelfasern stellen sich, mit Orcein oder nach Weigert gefärbt, als elastische Elemente heraus. Ebenso hat Martinotti°®) den Zusammenhang des elastischen und muskulösen Gewebes erwiesen. Schliesslich hat Smirnow*) bei den verschiedensten Thieren an verschiedenen Körperstellen aus elastischem Gewebe beste- hende Sehnen quergestreifter Muskelfasern gefunden, und als biologisches Gesetz für die Klasse der Wirbelthiere den Satz auf- gestellt: „In allen den Fällen, in denen die quergestreiften „Muskelfasern nicht in direete Beziehung zum knöchernen oder „knorpeligen Skelett treten, in denen sie sich an andere mehr „weiche Formen des Bindegewebes anheften, bestehen ihre Sehnen „aus rein elastischem Gewebe, oder es ist ihnen wenigstens eine „mehr oder weniger grosse Menge elastischer Fasern beigemengt.“ Diesen Satz kann ich nach vielfachen Untersuchungen, welche ich zum grössten Theil noch vor dem Erscheinen der vorläufigen Mittheilung Smirnow’s im hiesigen histologischen Institut ange- stellt habe, bestätigen und möchte nur noch hinzufügen, dass die quergestreiften Muskeln fast an allen von Smirnow ange- 1) L. Ranvier, Des &l&ments musculaires et des elements elastiques de la membrane r£tro-linguale de la grenouille. Journ. de Mierographie, Quatorzieme annee. 1890. No. 7. 2) W. Podwyssotzki, jun., Ueb. die Beziehungen der querge- streiften Muskeln zum Papillarkörper der Lippenhaut. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. 1887. 3) C. Martinotti, Sur la reaction des fibres &lastiques avec l’emploi du nitrate d’argent, et sur les rapports entre le tissu @elastique et le tissu musculaire. Anat. Anz. Bd. XVI, pg. 201. 4) A. E. Smirnow, Ueber d. Beziehungen zwischen d. Muskel- und elastischen Gewebe bei den Wirbelthieren. Anat. Anz. Bd. XV, No. 23. 1899. 116 Riehard Hans Kahn: führten Stellen, an denen sie elastische Sehnen haben, auch ver- zweigt sind. Bezüglich der physiologischen Bedeutung der in der vor liegenden Arbeit untersuchten Gebilde eine auch nur hypothe- tische Erklärung aufzufinden, ist mir trotz aller Ueberlegung nieht gelungen. Fig. wD Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII. Schnitt durch die dorsal gelegene Sehne desM. obliqu. ext. von Rana esculenta, parallel zum Verlaufe der Muskel- fasern und senkrecht zur Fläche des Muskels. Die vier im Schnitte getroffenen Muskelfasern (oe.) sind durch kernreiches Bindegewebe mit je einem Faserbündel des elastischen Streifens (el) verbunden. Die zu dem untersten Faserbündel gehörende Muskelfaser ist nicht mehr im Schnitt getroffen. Der distale Theil der Sehne (s) ist frei von elastischen Fasern. (0,2%, Chromsäure — Hämatoxylin Delaf., Orcein.) Zeiss, Apochr. v. 16,0 mm Brw., Comp.-Oe. No. 4. Schnitt durch die ventral gelegene Sehne des M. obliqu. ext. von Rana esculenta, parallel zum Verlaufe der Muskel- fasern und senkrecht zur Fläche des Muskels. Der durch eingelagerte elast. Fasern ausgezeichnete Theil der Sehne (el) ist durchsetzt von einer grossen Zahl von Kernen als Ausdruck eines aus Bindegewebe bestehenden Gerüstes. Zu beiden Seiten des bloss aus Bindegewebe bestehenden Theiles der Sehne (s) und zwischen den Muskelfaserenden verlaufen capillare Blutgefässe (bg). oe= Muskelfasern des M. obliqu. extern. (Sublim.-Alkohol — Hämatoxylin Delaf.) Zeiss, Apochr. v. 16,0 mm Brw., Comp.-Oe. No. 4. Schnitt durch die ventral gelegene Sehne des M. obliqu. ext. v, Rana esculenta, parallel zum Verlaufe der Muskel- fasern und senkrecht zur Fläche des Muskels. Das bloss aus Bindegewebe bestehende distale Sehnenende (s) und die Ver- bindungsstücke zwischen den Muskelfasern und den elastischen Einlagerungen haben die der electiven Bindegewebsfärbung nach Hansen entsprechende Farbe angenommen. Dagegen sind die Muskelfasern (oe) und die Blutkörperchen in den capillaren Gefässen (bg) gelb gefärbt. Die elast. Fasern haben fast keine Farbe angenommen. Zwischen ihnen treten spär- liche Bindegewebsfibrillen als rothe Linien hervor. (Sublim.- Alkohol; Säurefuchsin-Pikrinsäure-Gemisch nach Hansen.) Zeiss, Apochrom. v. 16,0 mın Brw., Comp.-Oe. No. 4. Ueber die in den Sehnen der sehiefen Bauchmuskeln ete. 117 Fig. 4. Querschnitt durch das distale, keine elastischen Fasern mehr enthaltende Ende der dorsal gelegenen Sehne des M. obliqu. intern. von Rana esculenta. In den grossen Maschen- räumen (m) liegen die Querschnitte der Bindegewebskerne (k). (0,2°/, Chromsäure — Hämatoxylin Delaf.) Zeiss, Apochrom. v. 3,0 mm Brw. Comp.-Oe. No. 4. Fig. 5. Längsschnitt durch das distale, keine elastischen Fasern mehr enthaltende Ende der dorsalgelegenen Sehne des M. obliqu. extern. von hana esculenta. k= Bindegewebskerne, m = Maschenräume. (0,20/, Chromsäure — Hämatoxylin Delaf.) Zeiss, Apochrom. v. 3,0 mm Brw., Comp.-Oe. No. +. Fig. 6. Längsschnitt durch eine Muskelfaser (mf) des M. obligqu. ext. von Rana esculenta mit dem dazu gehörigen Bündel elastischer Fasern (el). Die Verbindung beider Gewebe erfolgt durch eine kurze Schichte kernreichen Bindegewebes (bk), in Form einer Einschnürung. (0,2%, Chromsäure — Hämatoxylin Delaf., Orcein), Zeiss, Apochrom. v. 16,0 mm Brw., Comp.- Oeul. No. 18. Fig. 7. Längsschnitt durch eine Muskelfaser (mf) desM. obliqu. intern. von Rana fusca und den dazu gehörigen Theil der elastischen Einlagerung (el). Die elastischen Fasern reichen bis an die Muskelfaser heran und umgeben vielfache Anasto- mosen bildend das Ende derselben mit einem elastischen Netz. (Sublim.-Alkohol — Weigert’sche Färbung.) Zeiss, Apochr. v. 16,0 mm Brw., Comp.-Oec. No. 18. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Ueber die Endverzweigungen der Arterien der menschlichen Niere. Von Dr. M. Zondek. Mit 2 Textfiguren. Im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte sind die makroskopisch- anatomischen Untersuchungen der Niere zu Gunsten der mikro- skopischen in den Hintergrund gedrängt worden. Es ist darum begreiflich, dass sich in vielen anatomischen Lehrbüchern be- 118 M. Zondek: züglich der makroskopischen Anatomie dieses Organs einerseits verschiedene ungenaue, selbst unrichtige Angaben finden, und dass anderseits schon beschriebene wichtige anatomische Befunde garnicht erwähnt sind. So ist z. B. das Nierenbecken zumeist weit grösser darge- stellt, als es der Norm entspricht, und der Ureter wird gewöhnlich als ein gleichmässig eylindrisches Rohr beschrieben, indem man stillsehweigend die normale Gestalt des Ureters mit seinen Er- weiterungen und Verengerungen als ursprüngliche bezw. erworbene Abweichungen von der Norm ansieht ; und ebenso haben in vielen Lehrbüchern (Henle, Toldt, Broesicke, Gegenbaur u. a.) die natürliche Theilbarkeit der Niere, die Thatsache, dass oft 2 gesondert aus der Aorta entspringende Aa. renales vorhanden sind, u. a. mehr, keine Erwähnung gefunden. Von dieser Erwägung ausgehend hatte ich zunächst das makroskopische arterielle Gefässsystem der Niere einer einge- henden Betrachtung unterzogen !), und diese ermöglichte mir neue Erklärungen für die Genese von pathologischen Processen in der und um die Niere (Nieren-Abscesse, Paranephritis) und die An- gabe von Modificationen von Operationsmethoden an der Niere (Nephrotomie, Nieren-Resection), die schon mehrfach Anerkennung gefunden (Braatz, Deutsche medic. Wochenschr. 1899 Nr. 10, Barth, Chirurgen-Congress 1900) bezw. praktisch angewandt worden sind (Israel, Koerte). War nun im Gegensatz zu den makroskopischen Unter- suchungen der Niere das Studium der mikroskopischen Verhält- nisse dieses Organs im allgemeinen nicht so stiefmütterlich be- handelt worden, so waren doch speciell die kleinen Arterien der Niere nur wenig Gegenstand eingehender Untersuchung. Es schien mir darum von Interesse, auch diese einer genaueren Be- trachtung zu unterziehen, um so mehr, als gerade hierüber die Ansichten der bedeutendsten Anatomen geteilt sind. Bei der Verschiedenartigkeit im Bau und der physiolo- gischen Bedeutung der Harnkanälchen in der Rinde und im Mark drängte sich vielen Autoren die Frage auf, ob das arterielle Gefäss-System des Marks und der Rinde nicht gesondert, von einander unabhängig ist, oder ob es vielmehr als ein einheit- 1) Archiv für klinische Chirurgie. 59. Bd. Heft 3. Ueber die lindverzweigungen der Arterien der menschl. Niere. 119 liches aufgefasst werden kann, ob, wieBowman!) und Kölliker) es scharf ausgedrückt haben, alles arterielle Blut der Niere dureh die Glomeruli führt. Bevor ich auf diese strittige Frage eingehe, will ich kurz das meinen Untersuchungen zu Grunde liegende Material an- geben. Ich habe die Nieren von zwei Neugeborenen, eine Niere eines 4jährigen, eines 7 Jahre alten Kindes und zwei Nieren von Erwachsenen mit Carmin-Leim im warmen Wasserbade injieirt, die Injection ist verschieden stark erfolgt, meistens absichtlich in nur mässigem Grade; unmittelbar nach der Injection wurde die Niere, zur Erstarrung der Leimmasse, in kaltes Wasser gelegt, und nach etwa 10 Minnten, in etwa 12 Teile aufgeschnitten, in 95°/,igen Alkohol. Die Stücke wurden dann in Celloidin ein- gebettet, und, worauf mich Herr Dr. Röthig aufmerksam machte, in Formalin gebracht, wodurch die Präparate sehr fest an die Holzblöcke fixirt wurden. Die Aufhellung der Sehnitte erfolgte durch venetianisches Terpentin. An diesen Präparaten fand ich zunächst die Angabe Vir- chows?) bestätigt, dass die Arterien, nachdem sie durch die columnae Bertini an die Grenze zwischen Mark und Rinde ge- langt sind, nicht, wie es gewöhnlich in den Lehrbüchern ge- zeichnet ist, unter rechtem Winkel an der Basis der Pyramiden entlang führen, dass sie vielmehr unter flachem Bogen bis etwa zur Mitte der Basis der Markkegel verlaufen und sich hier in die aa. ascendentes auflösen. Ein sehr klares Bild über den Verlauf dieser Gefässe er- giebt auch die Betrachtung der Corrosinspräparate, auf die es gestattet sein mag nur mit wenigen Worten zurückzukommen. Die Aeste der A. renalis verzweigen sich im Hilus, zuweilen auch im Parenchym der Niere, in Arterien, welche gesondert nach der ventralen und nach der dorsalen Nieren-Partie führen. Die Ar- terien umschliessen das Nierenbecken ; dementsprechend verlaufen sie in einem nach dem Theilungsraum leicht econcaven Bogen, der um so grösser ist, je grösser der dorso-anteriore Durchmesser des Nierenbeckens ist. An der Grenze zwischen Mark und Rinde 1) Bowman, Philos. Transactions 1842. I. 2) Kölliker, Gewebelehre. 3) Virchow, Ueber die Circulationsverhältnisse in den Nieren. Virchow’s Archiv Bd. 12. 1857. pag. 318. 120 M. Zondek: ziehen sie unter sehr flachem Bogen nach der Basis der Mark- kegel hin, nachdem sie sich zuvor, der Linie der natürlichen Theilbarkeit annähernd parallel, dichotomisch getheilt haben; oft tindet auch eine weitere diehotomische Theilung in gleicher Richtung statt, und zwar immer so, dass je zwei benachbarte Nebenäste einander entgegenstreben; dass hier keine Anastomosen vor- kommen, wie Stein annimmt, bedarf wohl keiner besonderen Widerlegung. In den Lehrbüchern heisst es, dass aus der convexen Ober- fläche der arkadenförmig verlaufenden Gefässe die aa. interlobu- lares entspringen. Es entsenden jedoch die in leichtem Bogen an der Basis der Markkegel vorüberführenden Arterien nach allen Richtungen die Aa. ascendentes, nur nach dem Theilungsraum der Niere zu sind sie nackt. Das Gleiche gilt von den in den co- lumnae Bertini verlaufenden grösseren Gefässen, die nach der Peripherie hin divergent ihre Aeste entsenden. Virchow hat bereits auf die Verlaufsrichtung der V.afferentia aufmerksam gemacht, dass sie i. a. „rückläufig* angeordnet sind. In der der Basis der Markkegel zunächst liegenden Schicht der Rinde verlaufen sie unter einem mehr oder weniger spitzen Winkel nach unten, nach der Peripherie der Rinde zu nehmen sie zu- meist eine mehr horizontale und schliesslich eine mehr schräg auf- steigende Richtung an; jedoch führen sie nicht in gerader Richtung zu den glomeruli, sondern münden zumeist erst nach Bildung eines nach oben hin convexen Bogens von oben her in die Glomeruli. Das 3lut strömt daher in die Glomeruli, schon gegen die Markkegel gerichtet, sodass auch der Secretionsdruck nicht nach der Peri- pherie der Niere, sondern nach der Marksubstanz, nach den Spitzen der Markkegel gelenkt wird. Würde das Blut auf directem, seradem Wege in die Glomeruli geführt werden, so würden, wo- rauf Virchow mit Recht hinweist, bei dem starken Druck, unter welchem das Blut aus der Aorta in die A. renalis und ihre Ver- zweigungen geschleudert wird, öfters Zerreissung der Glomeruli erfolgen. In dieser Anordnung der V. afferentia ist auch eine mechanische Vorrichtung zu sehen, die nächst anderen (worauf ich bei einer späteren Gelegenheit hinweisen werde) dazu ge- eignet ist, zur Verminderung der Stromgeschwindigkeit des Blutes in der Niere und zur vollen Ermöglichung der feinen secretorischen Vorgänge in der Niere beizutragen, die nicht so Ueber die Endverzweigungen der Arterien der menschl. Niere. 121 gut vor sich gehen könnten, würde das Blut, ohne besondere Hindernisse zu finden, die Niere durchströmen. Ich komme nun zu der oben bereits kurz berührten Frage, ist das arterielle Gefässsystem der Niere ein einheitliches, oder ist es als ein in Bezug auf Mark und Rinde gesondertes auf- zufassen. Was nun zunächst die Arterien der Rinde betrifft, so ist zu bemerken, dass auch hier bereits von einigen Autoren eine zwiefache Anordnung angenommen wird: es führen von den Aa. ascendentes nicht allein Aeste zu den Glomeruli, um nach Bildung eines Wundernetzes zu einem Gefäss, dem Vas. effereus, zusammen- zufliessen und dann erst nach einem mehr oder weniger langen Verlauf sich in Capillaren zu zertheilen, sondern es entspringen aus den Aa. interlobulares auch Zweige, welche direet in das die Harnkanälchen umspinnende Netz übergehen. Gerlach !), Ludwig ?), Schweigger-Seidel?) vertreten diese Anschauung. Gerlach verlegt den Ursprung dieser Gefässe in die Ge- gend dicht oberhalb der Markkegel, Ludwig in den oberen Theil der Rinde, Schweigger-Seidel findet diese Gefässe in allen Theilen der Rinde vor; er muss aber, so lebhaft er auch für seine Anschauung eintritt, zugeben, dass er über die Zahl solcher Ge- fässe keine bestimmte Vorstellung gewinnen konnte. Die meisten Autoren berücksichtigen garnicht diese An- gaben, und wenn Virchow, ohne die Möglichkeit solcher Be- funde zu bezweifeln, sie für verhältnissmässig sehr selten und darum wenig belangreich hält, so kann ich dem auf Grund meiner Präparate nur beipflichten. Die letzten Ausläufer der Aa. ascendentes schemen in der That öfters sich direkt in Capillaren aufzulösen, die die ober- flächliche Rindenschicht versorgen. Wenn man aber genau zu- sieht, so erkennt man, dass die scheinbar direeten Fortsetzungen der Aa. interlobulares Vasa efferentia sind, die gewöhnlich von hinten her die Glomeruli verlassen und sich in nach aufwärts steigender Richtung in Capillaren zerlegen. 1) J. Gerlach, Beiträge zur Structurlehre der Niere. Müller’s Archiv. 189. 2) C. Ludwig, Wagner Bd.2. Handwörterbuch der Physiologie. 3) Schweigger-Seidel, Die Nieren des Menschen und der Säugethiere. Halle 1865. 122 M. Zondek: Von den soeben beschriebenen Verzweigungen der A. ascen- dentes, welche direet in Capillaren übergehen sollen, sind die- Jenigen Aeste der Aa. interlobulares wohl zu unterscheiden, welche ebenfalls nicht zu Glomeruli führen, sondern die Tunica fibrosa durchbrechen und sich in der Fettkapsel der Niere in Capillaren auflösen. Auf diese Aa. perforantes habe ich bereits in meiner oben erwähnten Arbeit hingewiesen. Das arterielle Gefässsystem der Rinde ist darum im allge- meinen als ein einheitliches aufzufassen ; weit wichtiger dagegen ist die Frage, ob das arterielle Gefässsystem des Marks als ein gesondertes, für sich allein bestehendes zu betrachten ist. Diese Frage deckt sich mit der Frage über die Herkunft der Arteriolae rectae, derjenigen Gefässe, welche aus dem dicht ober- halb der Basis der Markkegel gelegenen Theil der Rinde in die Marksubstanz hinabführen, parallel den Sammelröhren verlaufen und kurz oberhalb der Spitzen der Papillen in das die Harn- kanälchen umgebende Capillarnetz zerfallen. Ueber den Ursprung dieser Gefässe werden fast alle über- haupt möglichen Ansichten vertreten. So betrachten Bowman, Kölliker, Gerlach, Stein!) die Arteriolae rectae lediglich als Fortsetzungen der V. efferentia, jedoch nur derjenigen, welche dicht oberhalb der Markkegel ge- legen sind. Huschke, Henle?, Hyrtl?®, Kollmann‘®) leiten die Vasa recta ursprünglich von den Capillaren der Rinde ab. Die V. reeta würden demnach weder Arterien, noch wirkliche Venen sein, sondern den Charakter der Pfortadergefässe haben, die sich wieder in Capillaren zerlegen, um erst dann zu Venen zusammen- zufliessen. Virchow vertritt dagegen lebhaft die früher schon von Arnold gemachte Angabe, dass die Arteriolae reetae direct aus den Verzweigungen der Nierenarterien vor ihrem Eintritt im die Glo- 1) Stein, Die Harn- und Blutwege der Säugethier-Nieren. Würz- burger medieinische Zeitschrift 1865. 2) Henle, Handbuch der Eingeweidelehre 1873. 3) Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie des Menschen 1884. S. 771. 4) Kollmann, Zur Anatomie der Niere. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie von v. Siebold und Kölliker 14. 1864. Ueber die Endverzweigungen der Arterien der menschl. Niere. 123 meruli hervorgehen. Dasselbe behaupten Donders!), Beate, Schweigger-Seidel, Luschka, Golubew?’) Gegen- baur°). Virchow stellt das Eindringen der Ausläufer der V. efferentia in die Marksubstanz keineswegs in Abrede, hält sie aber nicht für die Arteriolae reetae; sie sind vielmehr „langge- streckte Ausläufer, welche in das Capillarnetz des Marks, zu- weilen nach einer Seite hin in das des Marks, nach der anderen in das der Rinde sich auflösen“. Gegen die Herkunft der Arteriolae reetae aus den den Mark- kegeln zunächst liegenden V. efferentia macht Virchow auf die Thatsache aufmerksam, dass die V. efferentia wesentlich enger als die V. afferentia sind, dass dagegen die Arteriolae reetae ein fast so starkes, ja sogar noch stärkeres Caliber als die V. afferentia haben. Virchow bemerkt: „Ich lege auf diese schon für die einfache Betrachtung sehr in’s Auge fallende Verschiedenheit ein sehr grosses Gewicht, weil sich daraus von vornherein die Unwahrscheinlichkeit er- giebt, dass diese grossen Stämme aus Vasa efferentia abstammen“. Bezüglich des Grössen- Verhältnisses der Vasa W " afferentia und V. efferentia FA kann ich den Angaben Vir- ER 7 ! chows nur beipflichten; TH auch Kölliker’s Mes- = sungen ergaben dasselbe, wenn auch die absoluten Werthe wesentlich kleiner angegeben sind. Ich konnte aber gleichwohl die Arteriolae rectae als direete Fortsetzungen der V. efferentia nachweisen, da diese nach unten hin allmählich an 1) Donders, Handbuch der Physiologie. 2) Golubeso, Internationale Monatsschr. f. Anat. u. Hist. 1858. 3) Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie d. Menschen. 1893. 124 M. Zondek: Lumen zunehmen und kurz vor ihrer Auflösung in die büschel- förmigen Markgefässe oft noch breiter sind, als die Vasa afferentia (shrRig.il). Wenn Schweigger-Seidel behauptet, dass sich das Vas efferens niemals so büschel- und quastenförmig theilt, wie dies in den Abbildungen Virchow’s und in seiner Zeichnung gezeigt ist, so steht demgegenüber der positive Befund in vielen meiner Präparate. Gegen die Virchow’sche Anschauung wiederum wandten sich Ludwig, Stein, Kölliker, Henle, Hyrtl. Es ist klar, wenn es gelingt, die Injeetionsmasse blos bis an die Glomeruli heran zu bringen, dass dann die Arteriolae reetae, wenn sie aus den Aesten der A. renalis vor ihrem Eintritt in die Glomeruli stammen, injieirt werden müssten. Die einschlägigen Versuche der Autoren haben hier zu verschiedenen Ergebnissen geführt. Virchow hat, um die Masse nur bis an die Glomeruli zu treiben, die Injection frühzeitig unterbrochen und eine sehr dicke mit grobkörnigem Zinnober vermischte Masse dabei verwandt; seine zuverlässigsten Präparate gewann er an einer Niere mit starker amyloider De- generation, an denen er mit Sicherheit den Ursprung der Arteriolae rectae direet aus den Endästen der A. renalis nachweisen konnte. Demgegenüber berichtet Ludwig: „Um solche Präparate mit Sicherheit zu erhalten, wurden entweder der Injeetionsmasse Zinnober oder Ultramarinkörnchen beigemengt, welche klein genug waren, um durch die zuführenden Gefässe der Knäuel in die letzteren zu gelangen, aber zu gross, um die feineren Gefässe der letzteren zu passiren. Oder ich liess erst die Niere durch einen Strom von Wasser, den ich durch die Arterien hinein und durch die Venen austreten liess, soweit aufquellen, dass die Niere selbst für Wasser undurchgängig wurde, und dann injieirte ich gefärbten Leim. Oder endlich ich injieirte unter ganz niederem Drucke die Arterie mit gefärbter Masse und schloss das Gefäss, nachdem erste Spuren von Färbung auf der Nierenoberfläche sichtbar waren. Wenn es auf diese Weise gelungen war, die Grenze der Injeetion innerhalb der Gefässknäuel zu legen, so fanden sich niemals auf Längen- und Querschnitten, die das Mark seiner ganzen Ausdehnung nach durchsetzten, injieirte Gefässe vor.“ Stein injieirte die A. renalis zunächst mit rother und unmittel- Ueber die Endverzweigungen der Arterien der menschl. Niere. 125 bar darauf mit blauer Masse, so dass die rothe Masse die Glomeruli passirt hatte, während die blaue bis zu den Gefässknäueln, z. Th. aber auch bis in die V. efferentia gelangte. Die Vasa recta waren nun sämmtlieh mit rother Masse angefüllt, nirgends aber waren blau gefärbte Vasa recta zu sehen, die sicher hätten da sein müssen, würden die V. recta direct aus den Verzweigungen der A. renalis bis zu den Vasa afferentia hin entspringen. Gegen die ausschliessliche Herkunft der Vasa recta aus den V. efferentia, wie sie also von Stein, Kölliker, Gerlach angenommen wird, und anderseits zum Beweis für den Ursprung derselben aus den Rinden-Capillaren macht Henle geltend, dass in Präparaten, in denen die Injeetionsmasse von den Harnkanälchen aus in die Capillaren der Rinde extravasirt war, die Glomeruli wie immer leer, die Vasa recta aber stark gefüllt waren. Sehweigger-Seidel weist dagegen darauf hin, dass Capillaren der Rinde in die V. efferentia münden; es können darum sehr wohl von den Capillaren aus, ohne dass eine Injection der Glomeruli erfolgt, diejenigen Arteriolae reetae gefüllt werden, welche die Ausläufer der Vasa efferentia sind. | Auch das Hyrtl’sche Experiment hält Schweigger-Seidel für nicht beweiskräftig genug, um, wie Kollmann meint, die Angaben Virchow’s zu widerlegen. Hyrtl injieirte die Niere mit einer in der Wärme flüssigen Harzmasse von den Venen aus bis in die Capillaren und, nachdem er das Organ hatte er- kalten lassen, injieirte er dann die Arterien mit einer ätherischen Masse. In diesem Präparat fand er die V. recta nur mit der von den Venen aus injieirten Harzmasse angefüllt. Schweigger- Seidel bemerkt dagegen, Hyrtl gebe selbst an, dass bei seinen Capillarinjeetionen die V. efferentia gefüllt wurden, ebenso gut „konnte oder musste die Masse von den Capillaren aus auch in die eigentlichen Arteriol. reetae eingedrungen sein, so dass dieselben später von der Arterie aus nieht mehr injieirt werden konnten.“ Ich habe nun zur Entscheidung der Frage über die Her- kunft der Arteriolae reetae über 100 Präparate untersucht und habe mich zunächst bemüht, ihren Ursprung aus den direeten Verzweigungen der A. renalis bis zu den Vasa afferentia hin nachzuweisen. Auf die Schwierigkeit der einschlägigen Unter- suchungen haben bereits fast alle Autoren hingewiesen, denn die Vasa reeta verlaufen zumeist in einer den grösseren Arterien, 126 M. Zondek: aus denen sie entspringen sollen, geradezu entgegengesetzten Riehtung, und dazu kommt noch, worauf ich besonders hinweisen möchte, dass der obere Theil des Gefässes wiederum oft in einer anderen Ebene als der untere Theil gelegen ist. Man wird darum die Arteriolae reetae in ihrem ganzen Verlauf nur in recht dieken Schnitten verfolgen können. Das bringt aber wiederum einen Nachtheil mit sich, denn, je dieker der Schnitt ist, desto mehr geht die Uebersichtlichkeit verloren, desto grösser wird die ohne- hin schon vorhandene Schwierigkeit sich deckende Gefässe von aus- einander entspringenden zu unterscheiden. Ich habe die Schnitte durch Mark und Rinde, in einer Dicke von 100—180 u, und dann nicht immer in derselben, sondern in verschiedenen Richtungen angelegt. Bei der Güte der Injeetionsmasse, welche mir durch das Institut freundlichst zur Verfügung gestellt wurde, ergaben die Präparate trotz der ausserordentlichen Dicke anschauliche und klare Bilder, und die Betrachtung mit dem Stereoskop-Mikro- skop erleichterte erheblich die Durchsicht der grossen dieken Schnitte. Bei oberflächlicher Betrachtung der Präparate sieht man nun oft eine grosse Zahl von Vasa reeta, welche von einem grösseren Ast der A. renalis zu entspringen scheinen. Sieht man aber genauer zu, so zeigt sich, dass sie von hinten her in Bündeln bogenförmig über die Arterie hinwegziehen; sie sind oft oben abgeschnitten, sodass auch ihre anderweitige Herkunft nicht nachgewiesen werden kann. Sehr leicht zu Täuschungen führen ferner Präparate, in welchen die quastenförmig verlaufenden Gefässe dicht an einer grösseren Arterie gelegen sind, die man aber bei genauerer Betrachtung als Fortsätze von Vasa efferentia erkennen kann, die höher entspringen und hinter der Arterie hervorkommen oder gabelförmig sie umklammern und unmittelbar unterhalb derselben sich quastenförmig vertheilen. Besonders beachtenswerth sind ferner einzelne Vasa afferentia, welche in dem untersten Theile der Rinde bezw. in den Columnae Bertini horizontalwärts bezw. in leichtem Bogen nach unten verlaufen und so lang sind, dass sie kurz vor ihrer Einmündung in die Glomeruli abgeschnitten, sehr leicht als Arteriolae reetae imponiren können. Von diesen leicht zu Täuschungen führenden Befunden ab- gesehen, habe ich jedoch in mehreren Präparaten den Ursprung Ueber die Endverzweigungen der Arterien der menschl. Niere. 127 von Art. reet. aus den grösseren Aesten der A. renalis mit Be- stimmtheit nachweisen können (s. Fig. 2). Das sind allerdings relativ seltene Befunde; bei der Schwierigkeit ihres sicheren Nachweises ist darum jedoch die Schlussfolgerung nicht gerecht- fertigt, dass diese Herkunft der Art. rectae selten und darum wenig beachtenswerth sein muss. Figur 2. Demgegenüber sind die Arteriolae reetae in fast allen Prä- paraten und stets vielfach als directe Ausläufer der Vasa efferentia zu erkennen; die derart entspringenden Arteriolae rectae sind darum relativ sehr häufig. Wie Schweigger-Seidel habe auch ich eorticale Capillaren in die Vasa efferentia einmünden sehen, und kann darum diesem Autor in seinen oben angegebenen Widerlegungen der An- schauungen von Henle, Kollmann, Hyrtlu..a. nur bei- pflichten. An Präparaten mit sehr starker Injection sind besonders gut, worauf auch Virchow hingewiesen, die capillären Ausläufer des corticalen Maschennetzes parallel den Arteriolae rectae in das Mark zu verfolgen. 128 (Aus dem Laboratorium des Prof. A. E. Smirnow an der Tomsker Universität.) Ueber das elastische Gewebe des Haarbalgs der Sinushaare nebst Bemerkungen über die Blutgefässe der Haarpapille. Von P. Ksjunin. Hierzu Tafel IX. Indem ich mich unter Anleitung meines hochverehrten Lehrers, Prof. Dr. A. E. Smirnow, mit der Untersuchung des Baues, der Innervation und Blutversorgung der Spür- oder Sinus- haare beschäftigte, habe ich meine Aufmerksamkeit besonders auf die Anordnung der elastischen Fasern in den verschiedenen Abtheilungen des bindegewebigen Haarbalgs gerichtet. Veranlasst wurde diese Untersuchung erstens durch den Umstand, dass in der umfangreichen Literatur über die Sinushaare bis jetzt über diese Frage nur wenige und unvollständige Hinweise existiren und zweitens durch den Wunsch, mich davon zu überzeugen, ob nicht ein Theil der elastischen Fasern des Haarbalgs in einer mehr oder weniger engen Beziehung zur Glashaut der Spürhaare steht, oder ob diese Beziehung — nach den bekannten Untersuchungen von R. Bonnet — nur eine scheinbare ist, welche durch den eigenartigen Bau der structurlosen Membran bedingt wird. Bei der Bearbeitung dieser Frage bin ich auf einige Facta gestossen, welche den Gegenstand dieser Mittheilung bilden sollen. Bevor ich zur Darlegung der Methode und des Resultats meiner Untersuchungen schreite, erlaube ich mir eine kurze Zu- sammenstellung der in der Literatur vorhandenen Daten über den Bau des bindegewebigen Balgs der Spürhaare im besonderen und der Beziehungen des elastischen Gewebes des genannten Haar- balgs zum collagenen Gewebe im allgemeinen zu geben. Das Das elastische Gewebe des Haarbalgs etc. 129 letztere bildet bekanntlich die Hauptmasse der Hülle der Wurzel der Spürhaare. Alle Abtheilungen des Haarbalgs wollen wir nacheinander, von aussen nach innen fortschreitend, d. h. indem wir uns allmählich der Glashaut des Haarbalgs nähern, durchmustern. Bezüglich des äusseren Theils des bindegewebigen Haarbalgs ist durch die früheren Untersuchungen bereits festgestellt, dass der- selbe Aehnlichkeit hat mit dem Corium der Haut der Säugethiere (Leydig, Dietl etc... Sonach besteht der äussere Theil des Haar- follikels aus Bündeln bindegewebiger Fasern, welche vorzugsweise der Länge nach verlaufen; zwischen den Fasern des Bindegewebhes liegen abgeplattete Bindegewebszellen. Hinsichtlich des mittleren Theils des Haarbalgs ist festgestellt, dass dessen Gerüst aus einem bindegewebigen Balkenwerk besteht, welches sich von der äusseren fibrösen Kapsel hauptsächlich in der Richtung nach oben und nach innen hinzieht, wobei die Balken in der Nähe der äusseren Wurzelscheide, hauptsächlich im Gebiete unter- halb des Kreissinus zusammenfliessen und in den inneren Theil des Haarbalgs übergehen. Die Balken des cavernösen Gewebes, welche die äusseren und inneren Theile des Haarbalgs verbinden, bestehen aus einem faserigen Bindegewebe, das viel zarter ist und zahlreichere Zellen enthält, als dasjenige, welches die oben beschriebene äussere fibröse Kapsel des Spürhaars bildet. Unter den collagenen Fasern, welche die Hauptgrundsubstanz der bindegewebigen Trabekeln des cavernösen Gewebes bilden, beobachtet man auch elastische Fasern (Leydig, Dietl). Die zahlreichen Zellen haben im Vergleich zu den- jenigen in der äusseren fibrösen Kapsel eine rundliche Form; sie be- sitzen nicht soviel Fortsätze, als die Zellen im inneren Theile des binde- gewebigen Balgs der Spürhaare (Leydig, Diet). Der innere Theil des bindegewebigen Balgs der Spürhaare, welcher die Epithelial-Wurzelscheide unmittelbar umgiebt und von dieser letzteren nur durch die Glashaut getrennt ist, besteht aus einem zarten faserigen Bindegewebe. Die Hauptmasse dieses Theils des Haarbalgs ist aus collagenen Fasern zusammengesetzt, unter welchen man auch elastische antrifft. Die Zellen des inneren Theils des bindegewebigen Haarbalgs haben eine spindel- oder sternartige Form; sie enthalten ziemlich grosse Kerne und anastomosiren oft mit- einander durch lange, zuweilen sich verzweigende Fortsätze (Diet]). Im Gebiete des oberen und des unteren Endes des Haarfollikels ver- einigt sich der innere Theil des Balgs mit dem äusseren, wobei an diesen Stellen ein allmählicher Uebergang des einen in den anderen Theil stattfindet und irgend eine scharfe Grenze zwischen den ge- nannten beiden Theilen nicht zu bemerken ist (Dietl, Bonnet). Im Gebiete des oberen Endes des Haarfollikels verdickt sich der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 9 130 P. Ksjunin: innere Theil des bindegewebigen Haarbalgs bei seinem Uebergang in die äussere fibröse Kapsel allmählich, so dass dieser Abschnitt desselben die Form eines mit seiner Spitze nach unten gerichteten Kegels an- nimmt („kegelförmiger Körper“ Odenius’). Die Grenzen dieses Kör- pers bilden nach oben der Boden der Talgdrüse, nach unten der venöse Sinus, in welchen er in Gestalt eines mit seiner Grundfläche nach oben gerichteten Kegels hineinragt. Der kegelförmig gebildete Körper des inneren Theils des bindegewebigen Haarbalgs steht seinem histologischen Bau nach sehr nahe diesem ganzen inneren Theile; demnach besteht die Grundsubstanz des kegelförmigen Körpers aus collagenen Fasern, zwischen denen Zellen mit grossen Kernen wahr- zunehmen sind; hier trifft man auch elastische Fasern an; auf irgend welche charakteristische Anordnung der letzteren in dem besprochenen (Gebiete weisen die früheren Forscher nicht hin. Unterhalb des kegelförmigen Körpers befindet sich die sogen. „eompacte Lage des Schwammrohrs“, unter welcher Benennung man nach Dietl, entgegen der Ansicht der Mehrzahl der Forscher, nicht den ganzen inneren Theil des bindegewebigen Haarbalgs verstehen muss, sondern nur denjenigen Abschnitt desselben, welcher unmittelbar unter dem Kreissinus liegt, an der Stelle, wo die herabsteigenden Querbalken des cavernösen Körpers in grösserer Anzahl ineinander fliessen. In dem compacten Abschnitt des inneren Theils des Haarbalgs, welcher mit aneinandergereihten elastischen Fasern angefüllt ist und zahlreiche spindel- und sternförmige Körperchen mit langen Fortsätzen enthält, findet man, nach der Beschreibung Dietl’s, auch „runde viel- granulirte Zellen von dem Aussehen der Wanderzellen in grösserer oder geringerer Zahl (Maus, Ratte, Katze, Kaninchen), die vor den anderen blassen Kernen sehr deutlich hervortreten“ (l.c. S. 221). Von irgend einer Charakteristik in der Anordnung der elastischen Fasern in dem collagenen Gewebe des compacten Abschnitts des cavernösen Körpers ist bei den früheren Forschern keine Rede. Wir wollen noch einige Worte über einen eigenartigen Abschnitt des inneren Theils des bindegewebigen Balgs der Spürhaare hin- zufügen. Im Gebiete des venösen Sinus, nahe dessen Mitte, bildet der innere Theil des bindegewebigen Balgs der Spürhaare einen Wulst, welcher in die Höhlung des Ringsinus hineinragt. Die ersten Angaben von diesem Gebilde wurden von Odenius mitgetheilt, welcher dasselbe „Ringwulst“ nannte. Nach ihm hat der Ringwulst die Form eines Halbmonds; er geht von dem inneren Theil des bindegewebigen Haar- balgs aus und erstreckt sich in den venösen Sinus, indem er die Epithel-Wurzelscheide in einer Ausdehnung von °/, bis ?/, von deren Peripherie umfasst. Nach der Meinung von Odenius unterscheidet sich der Ringwulst histologisch durch nichts von dem denselben bildenden inneren Theile des bindegewebigen Haarbalgs. In der Folge wurde Das elastische Gewebe des Haarbalgs etc. 131 der Wulst von Dietl sehr sorfältig untersucht, der ihn als „schildför- migen Körper“ bezeichnete. Die Ergebnisse dieses Forschers wurden darauf von Bonnet eingehend nachgeprüft und vollständig zutreffend befunden. Hiernach wird der Ringwulst nur dort angetroffen, wo es einen Sinus giebt, und daher kann von ihm keine Rede sein bei den Spürhaaren des Rindes, des Schafes und des Pferdes. Was die Spürhaare des Schweinsrüssels anbetrifft, so giebt es, obgleich hier weder ein Ring- wulst noch ein venöser Sinus existirt, dennoch bereits deutliche Anzeichen von der Bildung des einen wie des andereu; einer der gewöhnlichen Trabekeln des cavernösen Körpers mit allen für ihn charakteristischen histologischen Elementen (colagenen und elastischen Fasern, wie auch Zellen, die einen Kern enthalten) erscheint hier viel dicker als die anderen, weshalb derselbe an den schildförmigen Körper erinnert. Die Aehnlich- keit wird dadurch noch erhöht, dass das den Trabekel umgebende Ge- webe mehr oder weniger verdünnt ist, so dass man an dieser Stelle etwas in der Art eines venösen Sinus erhält. Bei charakteristischen Spür- haaren enthält der venöse Sinus in seiner Höhlung stets den schild- förmigen Körper. An Querschnitten hat der letztere die Form eines Halbmondes oder einer Sichel, welche sich der Wurzelscheide in °/, ihres Umkreises anschliesst. An Längsschnitten des Spürhaars kann man die Theile des genannten Gebildes an beiden Seiten der Wurzel- scheide wahrnehmen; diese Theile stellen sich in Art von Halbkreisen oder besser gesagt in Nierenform dar, welche mit ihrer Einbiegung an dem inneren Theile des bindegewebigen Haarbalgs befestigt sind, während der bauchig gewölbte Theil derselben frei in die Höhlung des Sinus hineinragt. Man kann sich leicht von dem Endergebniss Dietl’s über die Form des genannten Gebildes überzeugen. In dem- jenigen Theile des venösen Sinus, in welchem ein Drittel der von dem schildförmigen Körper nicht umfassenen äusseren Wurzelscheide liegt, kann man ein einmaschiges cavernöses Gewebe wahrnehmen. Der histologische Bau des schildförmigen Körpers ist im allgemeinen der- selbe, wie der innere Theil des Haarbalgs; seine Hauptmasse besteht demnach aus einem collagenen Bindegewebe mit elastischen Fasern; in diesem Fasergewebe liegen zahlreiche, zum Theil runde, zum Theil sternförmige Zellen (OÖdenius, Diet]). Der innere Theil des bindegewebigen Haarbalgs der Spürhaare ist von der äusseren Wurzelscheide durch die Glashaui getrennt, welche sich an Längs- wie an Querschnitten des Spürhaars in Gestalt eines mehr oder weniger hellen Grenzstreifens darstellt. Die Glas- haut wurde bereits im Jahre 1851 von Ü. Gegenbaur beschrieben, nach dessen Untersuchungen dieselbe „eine structurlose Membran ist, glashell, eine gleichmässige Dicke hat und oben mit deutlichem freien Rande endet“ (l.c. S. 21). An diese structurlose Membran legen sich unmittelbar die bindegewebigen Fasern des inneren Theils des Haar- balgs an; einige von ihnen sind nach der Beobachtung Gegenbaur's stärker an die structurlose Membran befestigt als andere, 132 P. Ksjunin: Die Ansicht Gegenbaur’s von der Glashaut wurde von Leydig getheilt, welcher bereits eine genauere Angabe über die Natur der dieser Membran dicht anliegenden Fasern giebt. Er sagt: „Die homo- gene Grenzlage (resp. Grenzhaut der schwammigen Schicht) zeigt an der äusseren Seite scharfe Linien, welche von feinen elastischen, dicht beisammenliegenden Fasern herrühren (Hund, Pferd)“ (l. e. S. 717). Allein Odenius (1866) konnte die Frage nicht unzweifelhaft entscheiden, ob die feine Streifung der äusseren Oberfläche der Glashaut in Wirk- lichkeit durch das Durchdringen der elastischen Fasern an dieser Stelle bedingt sei, wie dieses Leydig annimmt, oder ob die hier in grösserer Anzahl beobachteten parallelen Linien vielmehr als Ausdruck einer Leisten- und Rippenbildung der structurlosen Membran selbst erscheinen. Diese letztere Meinung theilt Bonnet, während er die Angaben Gegenbaur's und Leydig’s über das Vorhandensein von elastischen Fasern, welche die äussere Oberfläche der Glashaut der Länge nach durchsetzen, als nicht zutreffend bezeichnet. Auf der inneren Oberfläche hat die Glashaut — nach Bonnet — ebenfalls ein ganzes System von Vorsprüngen, von denen die be- deutenderen eirculär verlaufen, während die kleineren sich in der Längsrichtung hinziehen; diese wie jene reichen in die äussere Wurzel- scheide, in die Zwischenräume zwischen deren Cylinderzellen, hinein. Indem sich die wallartigen Vorsprünge der Glashaut eirculär und der Länge nach anordnen, theilen sie die innere Oberfläche derselben in Abschnitte von verschiedener Grösse; ausserdem trägt die innere Ober- fläche der Glashaut die Abdrücke der derselben anliegenden Cylinder- zellen der äusseren Wurzelscheide. Auch beobachtete Bonnet, dass die Glashaut aus zwei Schichten besteht, welche sich zu den sie färbenden Flüssigkeiten verschieden verhalten. Die peripherische Schicht färbt sich also intensiver, und daher unterscheidet sich die Glashaut an Carmin- und Hämatoxylin- Präparaten von dem inneren Theile des bindegewebigen Haarbalgs durch sehr scharfe Contouren; die innere Schicht, d. h. diejenige, welche den Cylinderzellen der äusseren Wurzelscheide unmittelbar anliegt, erscheint dagegen immer blass. Ausserdem bemerkt Bonnet: „Bei schwacher Vergrösserung zeigt die innere blasse ungefärbte Schicht im Gegensatz zur völlig glatten und homogenen äussern ein fein granulirtes Aussehen‘ (l. ec. S. 353). Bei stärkerer Vergrösserung erweist sich die innere Schicht der Glashaut als porös — man be- obachtet in ihr Löcher und Spalten. Die Glashaut lässt sich von der grösseren Verdickung der Haar- zwiebel (wo die Glashaut in Form eines sehr feinen hellen Streifens erscheint) bis zum Halse des Haars einschliesslich verfolgen. Hier, im (Gebiete über dem verdickten Theile der äusseren Wurzelscheide, bildet die Glashaut mehr oder weniger bedeutende Querfalten. Ob die Glashaut in die Membrana propria der Talgdrüsen übergeht, um sich Das elastische Gewebe des Haarbalgs ete. 133 dann in der peripheren Grenzmembran der Cutis fortzusetzen — diese Frage lässt Bonnet unentschieden. Die späteren Forscher haben sich nicht speciell mit der Unter- suchung des histologischen Baues der Glashaut der Spürhaare be- schäftigt, sodass die Untersuchungen Bonnet’s, so viel mir bekannt, der Zeit nach die letzten sind und dank ihrer Genauigkeit mit Recht in der Literatur über die Spürhaare als herrschende gerechnet werden können. Ueber die elastischen Fasern im bindegewebigen Haarbalge findet man noch folgende Angaben: Bei A.v. Kölliker (Hdb. der Gewebelehre des Menschen 6. Aufl. 1889, Bd. I S. 234): „Die äussere Faserhaut besteht aus gewöhnlichem Bindegewebe mit längsverlaufenden Bündeln, mit vielen elastischen Fasern an ihrer Oberfläche und im Innern mit ziemlich vielen läng- lichen, spindelförmigen kleinen Bindegewebskörperchen und in seltenen Fällen einzelnen Fettzellen.“ Bei J. Renaut (Traite d’Histologie pratique. T. II, Fascieule 1. 1897 p. 325): „Entre cette (membrane) vitr&e et le plan des faisceaux fibreux annulaires on voit une couche de fibres et de grains elastiques. Elle envoie des expansions entre les deux couches connectives du sac et de la gagne le syst&öme gen6rale des fibres elastiques du derme avec lequel elie se continue.“ Nachdem ich einen kurzen Ueberblick auf die bekannten Daten über den histologischen Bau der verschiedenen Theile des bindegewebigen Balgs der Spürhaare geworfen und die Hinweise über die Lage und Anordnungsweise der elastischen Fasern im collagenen Gewebe der Wurzelscheiden der Spürhaare angeführt habe, gehe ich zur Darstellung der Methode und der Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen über. Zum Studium des Baues der Spürhaare präparirte ich mittelst der Scheere die Haarfollikel von frisch getödteten Thieren — des Hundes (Canis familiaris), der Katze (Felis domestica), der Ziege (Capra hircus), des Kalbes (Bos taurus), des Hasen (Lepus variabilis), des Kaninchens (Lepus cuniculus), des Meerschweinchens (Cavia cobaya), der Maus (Mus musculus), des Hamsters (Cricetus frumentarius), des Backenhörnchens (Tamias striatus) und der Wühlmaus (Arvicola terrestris). Die Haarfollikel, welche einzeln oder zu Bündeln von 3—4 zu- sammen gewonnen waren, wurden wie gewöhnlich in Spiritus, Formalin, Sublimat, Flemming’scher Mischung, doppeltehromsaurem Kali, Müller’scher Flüssigkeit gehärtet. Nach der Erhärtung wurde das Objeet wie gewöhnlich in Celloidin oder Paraffin eingebettet. Ferner wurden mittelst des Mikrotoms Längs- und Querschnitte (4—8 Mikra), zuweilen auch eine ganze Reihe von Schnitten hergestellt. 134 P. Ksjunin: Zur Färbung der elastischen Fasern des bindegewebigen Balgs der Spürhaare bediente ich mich anfangs des Orceins, in der Folge wurden aber die damit erzielten Resultate mittelst des neuen Farbmittels Weigert's nachgeprüft, welches sich für die Objecte meiner Unter- suchungen besonders tauglich erwies. Wie gesagt, gaben die ÖOrcein-Präparate vollkommen gute Resultate. Diese Färbung wurde in der Weise ausgeführt, wie sie von Prof. A. E. Smirnow angegeben ist, und zwar: zu 200 cem der Örcein-Lösung (nach Unna) -—- (Orcein [von Grübler] 0,5 + Alcoh. abs. 40,0-+- Aquae dest. 20,0 + Acid. hydrochlor. 20 gutt.) — wurden (nach Anweisung von Prof. Smirnow) 0,5 gr Pikrinsäure hinzugefügt. Die Schnitte blieben in dieser Lösung von 15—20 Min. bis zu einer Stunde liegen. Dann wurden die Präparate in absoluten Aikohol (nieht angesäuerten) gebracht; hierin blieben sie so lange, bis der Alkohol keine Farbe mehr herauszog. Darauf wurden die Präparate inirgend ein ätherisches Oel gebracht (Nelkenöl, Bergamottöl, Ol. ros- marini). Schliesslich erfolgte die Einbettung in Harz. Bisweilen wurde eine doppelte Färbung vorgenommen und zwar zuerst durch Orcein und darauf durch Pikrocarmin, seltener durch Ehrlich’s Hämatoxylin. Die Weigert’sche Färbung wurde unter genauer Beobach- tung aller vom genannten Autor angegebenen Vorschriften ausge- führt!). Die Paraffin- oder Celloidin - Schnitte wurden in die Wei- gert’sche Flüssigkeit auf 20 Minuten bis zu einer Stunde eingetaucht. Darauf folgte das Abspülen in Spiritus und die Aufhellung durch Xylol (aber durchaus nicht durch Nelkenöl etc.), wie es Weigert empfiehlt. Auf Anrathen von Prof. A. E. Smirnow benutzte ich zur Aufhellung gewöhnlich Oleum Origani, wodurch ebenso gute Resultate erzielt wurden, wie bei Anwendung von Xylol. Soviel ich bemerken konnte, färben sich die Celloidin-Schnitte viel schlechter als die Paraffin- Schnitte. Zuweilen blieben die Schnitte in der färbenden Flüssigkeit einige Stunden liegen, danach musste man sie, auf Weigert's An- rathen, in Alkohol eintauchen, der mit Salzsäure angesäuert war, damit die erforderliche Differenzirung in der Farbe hervortrat. Am besten erwies es sich, wie die Versuche lehrten, wenn man die (Paraffin-) Schnitte der Spürhaare nicht länger als 15—20 Min. in der Wrigert- schen Färbflüssigkeit liegen liess, dann erscheinen die elastischen Fasern dunkelblau, zuweilen fast schwarz, während das dieselben umgebende Gewebe mehr oder weniger blass bleibt; das letztere beginnt sich bei längerer Einwirkung der Weigert’schen Flüssigkeit zu färben, und dann treten die elastischen Fasern selbstverständlich nicht mehr so deutlich hervor. 1) C. Weigert, „Ueber eine Methode zur Färbung elastischer Fasern“. (Centralblatt für allgem. Pathologie und patholog. Anatomie Bd. IX, No. 8/9. 1898, Mai.) Das elastische Gewebe des Haarbalgs ete. 135 An unseren Präparaten lässt sich erkennen, dass die äussere fibröse Kapsel des Haarfollikels in ihrer Hauptmasse aus Bündeln von collagenen Fasern besteht; diese Bündel sind, wie man an Querschnitten deutlich wahrnehmen kann, von einander durch enge Spalten getrennt und haben eine verschiedene, ziemlich unregelmässige Form und Dieke. Die fasrigen Bündel gehen vorzugsweise in der Richtung von oben nach unten und erscheinen, wie die Längsschnitte zeigen, mehr oder weniger wellenförmig (Fig. 1). Unterhalb, im Gebiete der Haarzwiebel, d. h. dort, wo die fibröse Kapsel durch die m den Boden des Follikels hinein- ragende Haarpapille durchbrochen wird, verlaufen die fasrigen Bündel nieht mehr vertikal, sondern schräg oder sogar mehr oder weniger in horizontaler Richtung. Zu den collagenen Fasern, welehe die Hauptmasse des äusseren Theils des bindegewebigen Haarbalgs bilden, gesellen sich zwischen den leimgebenden Bündeln gelagerte elastische Fasern, wie dieses bereits aus der oben an- geführten Literatur bekannt ist. Auf Grund unserer Präparate müssen wir den Schluss ziehen, dass die elastischen Fasern, welche im allgemeinen die Richtung der collagenen Bündel ein- halten, durch Anastomosen unter einander Netze bilden, ähnlich denjenigen, welche man im Corium in der mittleren und unteren Schicht wahrnehmen kann. Die Vertheilung der elastischen Fasern in dem collagenen Gewebe ist keine gleichmässige, son- dern man kann an den Präparaten bald einzelne elastische Fasern, bald stellenweise eine bedeutende Anhäufung derselben beobachten, wie dieses aus Fig. 2 ersichtlich ist. Der mittlere Theil des Haarbalgs besteht im allgemeinen aus einem fasrigen feinbüschligen Gewebe. Die Hauptmasse der bindegewebigen Trabekel des cavernösen Körpers besteht aus collagenen Fasern, aber mit einer grösseren Beimischung von elastischen Fasern, als dieses in dem äusseren T'heile des Haar- balgs stattfindet. Die Bündelchen collagener Fasern des caver- nösen Körpers sind nieht zu dieken Fasernbündeln vereinigt, wie wir dieses in der äusseren fibrösen Kapsel gesehen haben; hier weichen die collagenen Fasern und deren Bündelchen, welche im allgemeinen die Hauptrichtung der Balken einhalten, d. h. haupt- sächlich von aussen und von unten nach innen und nach oben verlaufen, oft von dieser Hauptrichtung ab und verzweigen sich 136 P. Ksjunin: n unter einander. Die elastischen Fasern in den Balken des caver- nösen Körpers verlaufen in derselben Richtung wie die colla- genen Fasern. An derjenigen Stelle, wo die Trabekeln des caver- nösen Körpers zusammenfliessen und eine mehr oder weniger dichte fasrige Platte als Grenze des Kreissinus bilden, sind die elastischen Fasern in grösserer Anzahl anzutreffen, als an den übrigen Stellen des mittleren Theils des bindegewebigen Haar- balgs (Fig. 1). Betrachten wir nun die Art und Weise der Anordnung der elastischen Fasern und deren wechselseitige Beziehung zu den collagenen Fasern in den verschiedenen Abtheilungen des inneren Theiles des bindegewebigen Balgs der Spürhaare. Die Bündel und Bündelehen der eollagenen Fasern im inneren Theile des bindegewebigen Haarbalgs sind, wie die Quer- und Längsschnitte zeigen, nach zwei Hauptrichtungen vertheilt — die einen verlaufen der Länge der Wurzelscheide nach, die an- deren der Quere nach, indem sie dieselbe umgürten. In dem Gebiete unterhalb der Talgdrüsen findet die letztere Anordnung dem Anscheine nach vorzugsweise immer statt, wie bereits Bonnet bemerkte. In dem peripherischen Abschnitte des inneren Theils des Haarbalgs trifft man die elastischen Fasern anscheinend nur in geringer Anzahl an; sie verlaufen im collagenen Gewebe bald eireulär, bald durchdringen sie dasselbe von der Peripherie zum Centrum, indem sie von den Trabekeln des cavernösen Kör- pers aus dahin gelangen und ihre Richtung nach der inneren Grenzschicht des bindegewebigen Haarbalgs nehmen, d. h. zu der sogen. Glashaut. Diese Glashaut kann man auf mehreren der beigefügten Zeichnungen wahrnehmen. In der Nähe der Epithel-Wurzelscheide trifft man die elastischen Fasern in unver-, gleichlich grösserer Anzahl an, als in dem peripherischen Ab- schnitte des inneren Theils des Haarbalgs: hier bilden die elasti- schen Fasern zwei sehr diehte Geflechte und Netze, ein äusseres eireuläres und ein inneres langgezogenes. Bevor ich aber von den Geflechten und von den Netzen der elastischen Fasern spreche, seien noch einige Worte über die Glashaut selbst ge- stattet. Die Glashaut der Spürhaare erscheint als ein heller Grenzstreifen. An Längsschnitten kann man wahrnehmen, dass die Glashaut gewöhnlich unten im Gebiete der grössten Ver- Das elastische Gewebe des Haarbalgs ete. 137 diekung der Haarzwiebel beginnt, wie dieses bereits R. Bonnet beobachtet hat, wobei sie hier in ihrem Anfange in Art eines äusserst feinen Streifens erscheint. Nach oben verdiekt sich die Glashaut allmählich; im Gebiete der Mitte der Haarwurzel, d.h. der birnförmigen oder ovalen Verdickung der letzteren, erlangt sie ihre grösste Dieke, und indem sie ferner den erweiterten Theil der äusseren Wurzelscheide bekleidet, verdünnt sie sich wieder, sodass man sie fast niemals bis dieht an die Talgdrüsen verfolgen kann, und deshalb ist es auch, wie Bonnet ganz richtig bemerkt, schwer mit Gewissheit zu sagen, ob die Glas- haut unmittelbar im die Membrana propria der Talgdrüsen über- geht. Im Gebiete des Haarhalses, d. h. unterhalb der Talg- drüsen, bildet die Glashaut, wenn auch nicht „immer“, wie Bonnet sagt, so doch jedenfalls sehr häufig einige ziemlich grosse Querfalten. Die Glashaut stellt wahrscheinlich nichts anderes dar als die innerste compacte, fast homogene Grenzschicht des bindege- webigen Haarbalgs und liegt der äusseren Epithel-Wurzelscheide unmittelbar an. Die Cylinderzellen der äusseren Wurzelscheide, welche die Aussenreihe der letzteren bilden, lassen Fortsätze ihrer peripherischen Seite in die Substanz der Glashaut hinein- ragen, in dieselbe hineingedrängt werden, und daher sind die Cylinderzellen der Wurzelscheide, wie schon längst bemerkt wor- den, sehr schwer von der homogenen Grenzschicht des inneren Theils des bindegewebigen Haarbalgs zu trennen. Wenn man die Cylinderzellenreihe der äusseren Wurzelscheide beim Zerreissen des Präparats von der Glashaut abtrennt, so kann man wahr- nehmen, dass die innere Oberfläche der letzteren die Spuren der in ihre Substanz hineingedrückten Fortsätze der Cylinderzellen zeigt; auf solche Weise stellt die innere Oberfläche der Glashaut im wesentlichen sich als mit vielen Fortsätzen versehen und ge- zähnelt dar; ihre Fortsätze oder Vorsprünge rücken zwischen die entsprechenden Fortsätze der Cylinderzellen der äusseren Wurzelscheide ein (Fig. 3). Nach den Untersuchungen von R. Bonnet und meinen Be- funden stellt sich demnach die innere Oberfläche der Glashaut nicht als glatt dar, sondern sie ist bedeckt mit einer ganzen Masse von Eindrücken und denselben entsprechenden Hervorragungen, 138 P. Ksjunin: Die Glashaut ist keine eompacte, sondern eine deutlich poröse Membran (Fig. 5), besonders im Gebiete der Verdiekung der äusseren Wurzelscheide. Durch die Poren der Glashaut, welche dieselbe annähernd quer durchsetzen, dringen die Nerven- fasern hinein, die in die äussere Wurzelscheide eintreten, um hier hypolemmatische Nervenendigungen zu bilden, und zwar ent- weder die Tastmenisken oder freie intraepitheliale Nervenendi- gungen). Oben habe ich bereits einige Angaben angeführt, welche sich in der Literatur über die Spürhaare hinsichtlich des Vor- handenseins von elastischen Fasern an der inneren Oberfläche der Glashaut vorfinden. Die erste dieser Angaben rührt von C. Gegenbaur her (1851), welcher unter der Anleitung von A. v. Kölliker beobachtete, dass einige Fasern des inneren Theils des bindegewebigen Haarbalgs stärker an die homogene Glashaut befestigt sind, als andere, welche ebenfalls derselben anliegen. In der Folge spricht Leydig schon sehr bestimmt von solchen Fasern: nach seiner Meinung sind das feine, der Länge nach verlaufende elastische Fasern, welche das Aussehen von auf der äusseren Oberfläche der Glashaut annäheruugsweise parallel sich hinziehenden Linien haben. Ein späterer Autor, Odenius, konnte darüber keine entscheidende Meinung äussern, ob die feine Längsstreifung der äusseren Oberfläche der Glashaut durch die dort hindurchgehenden elastischen Fäserchen bedingt ist, wie dieses Leydig annahm, oder ob in Wirklichkeit die auf der äusseren Oberfläche der Glashaut beobachteten parallelen Linien als Ausdruck von Falten der homogenen Grenzmembran selbst anzusehen sind. Um diese Frage unzweifelhaft zu ent- scheiden, wurden von Bonnet besonders sorgfältige Unter- suchungen des Baus der Glashaut angestellt. Diese Untersuchungen führten zu einem verneinenden Resultat in der gestellten Frage: die Angabe über das Vorhandensein von der Länge nach durch- gehenden elastischen Fasern auf der äusseren Oberfläche der Glashaut erweist sich, nach Bonnet, als der Wirklichkeit nicht entsprechend. Nach Bonnet ist die äussere Oberfläche der 1) P. Ksjunin, Zur Frage über die Nervenendigungen in den Tast- oder Spürhaaren. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 54. 1899. S. 416. Das elastische Gewebe des Haarbalgs etc. 139 Glashaut der Länge nach geriefelt und demnach mit einem ganzen System von der Länge nach und parallel sich hinziehender Vor- sprünge oder Rippen bedeckt. Die Querschnitte dieser Rippen erscheinen als Querdurchsehnitte von elastischen Fasern, gleich- sam als ob solche der äusseren Oberfläche der Glashaut anlägen. Meine Untersuchungen führen dagegen zu einem entgegenge- setzten Schluss. Die Querdurchschnitte der elastischen Fasern, welche sich (in Wirkliehkeit) auf der äusseren Oberfläche der Glas- haut hinziehen, wurden von Bonnet augenscheinlich für die Querdurehscehnitte von Rippen der homogenen Membran gehalten. Wenn die der Glashaut dicht anliegenden hellen elastischen Fasern ungefärbt bleiben (z. B. auf Fig. 3), so wird die äussere Contour der quer durchschnittenen Membran selbstverständlich gezähnelt erscheinen, und man kann diese Zähne leicht für die Querdurchscehnitte der der Länge nach durchgehenden Rippen der Glashaut halten. In Wirklichkeit bildet die Glashaut nur srosse Längsfalten (Fig. 3); kleine Längsrinnen, wie sie Bonnet beschrieben, und ihnen entsprechende Rippen der äusseren Ober- fläche der Glashaut habe ich niemals beobachten können. Mit Hülfe der Orcein- und der Weigert'schen Färbung gelang es mir an der äusseren Oberfläche der Glashaut zwei diehte elastische Netze zu entdecken: ein äusseres eirculäres und ein inneres längsgezogenes. Unten, im Niveau der Haarpapille und ein wenig höher erscheint das cireuläre fasrige Netzgeflecht noch ziemlich undicht (Fig. 2), im Gebiete der Erweiterung der Haarwurzel ist es dichter (Fig. 3), auf der Strecke des kegelförmigen Körpers und im Niveau der Talgdrüsen stellt es sich als äusserst dicht und ausgedehnt dar (Fig. 4 und 5). Das innere Geflecht und zugleich Netz besteht aus elastischen Fasern, welche der äusseren Oberfläche der Glashaut dicht an- liegen und hauptsächlich parallel der Längsachse des Haars ver- laufen; aus diesem Grunde erscheinen die elastischen Fäserchen des inneren Netzgeflechts auf Querschnitten als Punkte, welche ziemlich gleichmässig längs der äusseren Contour der quer durch- schnittenen Glashaut vertheilt sind. Um die Art und Weise der Anordnung und die wechsel- seitige Beziehung des Quer- wie des fasrigen Längsgeflechts genauer zu studiren, kann man sich der Tangentialschnitte der 140 P. Ksjunin: Spürhaare mit Vortheil bedienen. Auf einem solchen Schnitte bleibt gewöhnlich auch ein abgeschnittener Theil der Glashaut übrig, welcher in Art eines halbdurchsichtigen Häutchens die durch dasselbe durehschimmernde Epithel-Wurzelscheide bedeckt, von welcher ein Theil ebenfalls stellenweise auf dem Schnitte zurückbleibt. Indem wir die Schraube des Mikroskops drehen, können wir nach Belieben entweder die Glashaut mit den unter derselben hervorleuchtenden Zellkernen der äusseren Zellen der Epithel-Wurzelscheide, oder das unmittelbar über, resp. unter der Glashaut belegene fasrige elastische Längsnetz, oder aber das noch mehr oberflächlich, resp. tiefer belegene äussere eireu- läre fasrige Netz ins Gesichtsfeld stellen (Fig. 6). Das innere, unmittelbar der Glashaut anliegende Netz be- steht, wie bereits gesagt, aus elastischen Fasern, welche vor- zugsweise in der Längsrichtung verlaufen. Die elastischen Fasern des inneren Netzes verzweigen sich oft und wiederholt und anastomosiren mit einander mittelst ihrer Seitenzweigen, auf solche Weise ein ziemlich dichtes Netzchen mit winkligen, in die Länge gezogenen Maschen bildend (Fig. 6). Die elasti- schen Fasern des oberflächlichen Netzes verlaufen hauptsächlich kreisförmig, indem sie die äussere Wurzelscheide mit der die- selbe bedeckenden Glashaut und den unmittelbar auf letzterer liegenden inneren längsverlaufenden elastischen Fasern umgürten. Die eirculär verlaufenden Fasern, wie auch die tiefer belegenen des inneren Längsnetzes anastomosiren mit einander mittelst ihrer Seitenzweigen und erscheinen daher netzartig verflochten; aber die Maschen des äusseren elastischen Netzes sind im Ge- gensatz zu denen des inneren nicht in die Länge gezogen (d. h. parallel der Hauptachse des Haars), sondern hauptsächlich in die Quere, d.h. in annäherungsweise senkrechter Riehtuug zur Längs- achse des Haars (Fig. 6). Man kann ziemlich oft wahrnehmen, dass Zweige des eir- culären elastischen Fasernetzes sich der inneren Oberfläche der Glashaut dicht anlegen und sodann sich parallel der Hauptachse des Haars nach oben, resp. unten begeben; auf solche Weise gehen sie von dem äusseren eirculären elastischen Netze in das innere (längsfasrige) elastische Netzgeflecht über. Bisweilen kann man auch bemerken, dass die die äussere Wurzelscheide Das elastische Gewebe des Haarbalgs etc. 141 umgürtenden elastischen Fasern des äusseren elastischen Netzes selbst in die Tiefe gehen, d. h. an die Glashaut herantreten; darauf beugen sie sich mehr oder weniger rechtwinkelig nach oben oder unten und ziehen dieht an der Glashaut parallel der Längsachse des Haars hin; demnach gehen nieht nur die Zweige der elastischen Fasern des äusseren eirculären Netzes in das innere elastische Netz über, sondern zuweilen auch die Fasern selbst. Es trifft sich auch, dass ein elastisches Fäserchen beim Uebergange von dem äusseren zum inneren Netze, indem es sich unmittelbar an die äussere Oberfläche der Glashaut anlegt, seinen früheren eireulären Gang beibehält (Fig. 2). Das äussere eirculäre und das innere längsverlaufende elastische Netz sind beide in der ganzen Länge der Haar- wurzel an der Glashaut belegen. Ersteres erscheint, wie bereits gesagt, in dem unteren Gebiete der Haarwurzel wenig dicht, in der Mitte der Länge aber, im Gebiete des kegelförmigen Körpers und besonders im Niveau der Talgdrüsen schr dieht und um- fangreich. (Vergl. die Fig. 2, 4 und 5.) Die elastischen Fäserchen kann man an der äusseren Ober- fläche der Glashaut bereits im Niveau über der Haarpapille er- blieken, wo die Glashaut vergleichsweise noch sehr dünn er- scheint (Fig. 2). Höher hinauf, im Niveau der Mitte der Länge der Wurzelscheide triftt man die elastischen Fasern in srösserer Anzahl an; hier liegen sie dicht beisammen und sind dabei regelmässiger vertheilt (Fig. 3). Im Gebiete des kegelförmigen Körpers (Fig. 1 und 4) gehen die elastischen Fasern des tiefen Längsnetzes in der Rich- tung von der Spitze des Kegels zu der nach oben gerichteten Basis desselben auseinander. Hier begegnet man auch ausser den erwähnten von unten nach oben auseinandergehenden ela- stischen Fasern und dem dichten eireulären elastischen Netze ferner (im peripherischen Abschnitte des kegelförmigen Körpers) Zügen von in verschiedenen Richtungen verlaufenden elastischen Fasern (Fig. 4. Allein bei weitem nicht alle elastischen Fäserchen, welche der äusseren Oberfläche der Glashaut anliegen, entfernen sich von der äusseren Wurzelscheide im Gebiete des kegelförmigen Körpers. Höher hinauf, sogar im Gebiete der Talgdrüsen, wo die Glashaut nieht mehr wahrzunehmen ist, trifft 142 P. Ksjunin: man noch eine bedeutende Anzahl von elastischen Längsfasern an (Fig. 5). Im Gebiete der Talgdrüsen liegen auch die Längsfasern des tiefen elastischen Netzes gewöhnlich in nächster Nähe der Cylinderzellen der äusseren Wurzelscheide. Das äussere eireuläre elastische Netz erscheint im Gebiete der Talgdrüsen, wie bereits gesagt, gut entwickelt. Zwischen dem eireulären und dem längsverlaufenden elastischen Netzgeflechte trifft man hier, wie auch in den niedriger belegenen Gebieten des Haars oft Anastomosen an. Wir haben demnach auf der äusseren Oberfläche der Glas- haut die Längsriefelung und die von ihr bedingte Reihe von parallelen Vorsprüngen resp. Rippen R. Bonnet’s nieht wahr- nehmen können. In Wirklichkeit liegt unmittelbar auf der äusseren Oberfläche der Glashaut, wie unsere Präparate darthun, eine faserige netzförmige Kapsel (die winkeligen Maschen des Netzes sind im allgemeinen längs der Achse des Haars ausgezogen). Diese elastische netzartige Kapsel wird ihrerseits von netzartig durehflochtenen elastischen Fasern, welche im allgemeinen kreis- förmig verlaufen, umgürtet; die Maschen des letzteren Geflechts sind in annäherungsweise senkrechter Richtung zur Hauptachse des Haars ausgedehnt. Zwischen dem ersten und dem zweiten Netzgeflecht sind häufig Anastomosen wahrzunehmen. Um die Beschreibung des inneren Theils des bindegewebigen Balgs der Spürhaare abzuschliessen, erübrigt uns noch die Dureh- musterung der von ihm gebildeten Verdickung, welche in den venösen Sinus hineinragt — des „schildförmigen Körpers“ Dietl's, des „Ringwulst* Odenius’, des „bourrelet annulaire* Ranvier's. Wir haben bereits oben erwähnt, dass der schildförmige Körper Gegenstand einer speciellen Arbeit Dietl’s wurde, deren Daten nach sorgfältiger Nachprüfung auch von Bonnet als voll- kommen richtig anerkannt worden sind. Die Resultate unserer Untersuchungen stimmen mit den Daten dieser beiden Autoren fast vollständig überein. Hinsichtlich des histologischen Baus des schildförmigen Körpers möchte ich indessen Einiges hinzu- setzen. Die früheren Forscher unterschieden im schildförmigen Körper dieselben histologischen Elemente, welehe man im inneren Teile des Haarbalgs und im Gewebe der Trabekeln des eaver- nösen Körpers beobachten konnte, d. h. eollagene und elastische Das elastische Gewebe des Haarbalgs ete. 143 Fasern und bindegewebige Zellen dieser oder jener Form. Unsere Präparate zeigen, dass der schildförmige Körper in Wirklichkeit nur aus collagenen Gewebe- und Zellelementen besteht, elastische Fasern jedoch in seinem Innern nicht anzutreffen sind; nur zu- weilen kann man beobachten, dass sich einzelne elastische Fä- serchen in den alleräussersten Abschnitten des sehildförmigen Körpers und in dem kleinen Stiel befinden, mit dem der schild- förmige Körper an dem inneren Theile des Haarbalgs befestigt ist. Die fast vollständige Abwesenheit der elastischen Fasern in dem collagenen Gewebe des schildförmigen Körpers fällt um so mehr in’s Auge, als in dem inneren Theile des bindegewebigen Haarbalgs eine grosse Menge elastischer Fäserchen sichtbar ist, welche hier nieht nur vereinzelt und in Zügen auftreten, sondern sogar die obenbeschriebenen elastischen Netze an der äusseren Oberfläche der Glashaut bilden. In den dieht sich ver- flechtenden Bündelehen collagener Fasern des schildförmigen Körpers liegen bald mehr oder weniger runde, bald sternförmige Bindegewebszellen mit einem gut sich färbenden Kerne in ihrem Körper. Die Fortsätze der sternförmigen Zellen sind zuweilen sehr lang und anastomosiren mit einander. Oft konnten wir auch im schildförmigen Körper die Anwesenheit von Körnern von braunem oder dunklerem, fast schwarzem Pigment beobachten (Fig. 1). Jetzt noch einige Worte über die Talgdrüsen der Spür- haare. Nach der Meinung Dietl’s bilden die Talgdrüsen der Spürhaare des Schweins eine Ausnahme von der allgemeinen Regel der Lage nach: hier liegen sie, wie schon von Gegen- baur beschrieben, umgeben von den Epithelzellen der äusseren Wurzelscheide — wobei das Epithelgewebe der äusseren Wurzel- scheide in das Bindegewebe des Haarbalgs hineingeschoben er- scheint. Wie unsere Zeichnung (Fig. 5) darthut, findet eine fast ebensolche Lage der Talgdrüsen auch bei den Spürhaaren des Hamsters statt. Die Talgdrüsen der Schweinshaare bestehen, nach Dietl, aus einer kurzen Zellreihe und sind sehr rudimentär, was von den Talgdrüsen der Spürhaare des Hamsters durchaus nicht gesagt werden kann, da die Talgdrüsen hier (wie auch bei anderen T'hieren) aus einem mehrschichtigen Epithel bestehen ; allein die Drüsenzellen, welche sich in verschiedenen Stadien der 144 P. Ksjunin: Fettdegeneration befinden, sind beim Haar des Hamsters wie auch des Schweins unmittelbar von den Epithelzellen der äusseren Wurzelscheide umgeben, von denen sie sich ziemlich scharf durch ihre Grösse, Form und Lage, besonders aber dureh ihre Licht- breehung unterscheiden (Fig. 5). Die Talgdrüseu, welehe in dem bindegewebigen Haarbalge liegen, haben, wie gewöhnlich, eine tunica propria und um dieselbe eine compacte bindege- webige Hülle. An der äusseren Oberfläche der Talgdrüsen findet man ein Netz von elastischen Fasern; die elastischen Fasern des genannten Netzes an der äusseren Oberfläche der Talgdrüsen gehen in den allerverschiedensten Richtungen aus- einander. Zum Schlusse bringen wir einige Bemerkungen über die Blutgefässe der Wurzel der Spürhaare Die Haarwurzel stellt bekanntlich ein Bündel des feinfa- serigen Bindegewebes dar, welches durch den Boden des Haar- follikels hindureldringt und sich unten in die Haarzwiebel hinein- schiebt. Die Haarzwiebel und die Haarpapille liegen meistens in einer geraden Linie mit dem Haar (wie dieses fast immer bei den Haar der Katze stattfindet), aber zuweilen weichen erstere von der Hauptlängsachse des Haars ab, indem sie mehr oder weniger bedeutende Krümmungen machen. So beobachtet man häufig an den Spürhaaren des Backenhörnchens (Tamias striatus), dass die Haarzwiebel und die Haarpapille fast unter einem rechten Winkel gegen die Längsachse des Haars gekrümmt sind, und die Haarpapille erscheint oft missgestaltet, gleichsam eingeknickt. An der Stelle, wo die Papille durch den Boden der Haarzwiebel hindurchdringt, erscheint sie immer vergleichsweise dünn, bei dem Fortschreiten ins Innere der Haarzwiebel verdickt sie sich aber bedeutend und verdünnt sich dann allmächlich, wodurch sie das Aussehen einer in ihrer Mitte stark erweiterten Spindel erlangt. Der kegelförmig verengte Teil der Spindel (ihre Spitze) erhebt sich zuweilen sehr hoch. Die bis jetzt vereinzelte Angabe B o n- nets darüber, dass bei Hunden und Katzen die Wurzel der Spürhaare eine sehr lange zu sein pflegt und zuweilen bis in das Gebiet des Haarhalses hinaufsteigt, wird auch durch meine: Präparate als vollkommen richtig bestätigt. Ihrem histologischen jau nach ist die Haarwurzel analog, man kann sagen identisch Das elastische Gewebe des Haarbalgs ete. 145 mit den Haarpapillen, sie ist nur viel grösser als diese. Die Papille der Spürhaare wird dureh die Arteria papillaris (Bonnet), welche oft von ein oder zwei sie begleitenden kleinen Arterien geringerer Grösse ergänzt wird, reichlich mit Blut ver- sehen. Diese kleinen Arterien zerfallen in der Haarwurzel in zahlreiche kleine Zweige, welche ihrerseits wiederum ein dichtes engmaschiges Capillar-Netz bilden, das sich sehr weit nach oben erstreckt (Bonnet). Bereits im Jahre 1822 wies Heusinger darauf hin, dass beim Abschneiden der Spürhaare (bei lebenden Thieren) an der Austrittsstelle des Haars aus der Haut aus dem Schnitt des Haars ein Tropfen Blut hervortritt. Allein die entsprechenden Untersuchungen Bonnet’s bestätigten nicht die Angabe H e u- singers. Wir sind zu dem Schlusse gekommen, dass der Versuch Heusinger's nur bei erwachsenen Thieren gelingt und nur beim Abschneiden grober Spürhaare, oder mindestens soleher von mittlerer Grösse. Wenn wir bei dem Abschneiden ziemlich grober Spürhaare eines erwachsenen Tieres (Katze) an der Austrittsstelle aus der Haut dennoch (entgegen der Angabe Heusinger's) keinen Tropfen Blut erblickten, so genügte nur ein leichtes Andrücken der den Follikel umgebenden Haut, da- mit das Blut aus dem Haarschnitt hervortrat. Eine solche Er- scheinung kann durch die Zeichnung eines meiner Präparate (Fig. 1) vollkommen erhellt werden: es zeigt sich, dass das Capillar-Geflecht sich fast dicht bis zur Hautoberfläche empor erstreckt; die Maschen desselben können noch im Niveau der Mündung der Ausführungsgänge der Talgdrüsen wahrgenommen werden. Wenn diese Maschen beim Abschneiden des Spürhaars nicht getroffen wurden, so erhöhen wir bei einem Druck auf die Haut im Gebiete des Haarfollikels den Blutdruck und können beim Zusammenpressen des Follikels selbst leicht einen Riss der dünnen Gefässwände herbeiführen. Das längs dem zarten Gewebe der Substanz des Haarschafts aus den zerrissenen Capillaren heraus- fliessende Blut gelangt leicht bis zur Oberfläche der Haut, wo es in Gestalt eines kleinen Tropfens hervortritt. Wenn dieser Versuch mit einem kleinen Spürhaare (eines erwachsenen Thieres) angestellt wird, so tritt das Blut an der Schnittstelle zuweilen in so unbedeutender Menge zu Tage, dass man es nur mit Hülfe einer Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 5 10 I 146 P. Ksjunin: Lupe wahrnehmen kann. Unsere Injectionspräparate zeigen, wie das Capillargeflecht der Papille, entsprechend ihrer Erweiterung in dem mittleren Theile derselben, sich ebenfalls erweitert. Höher hinauf, im Gebiete der kegelförmig verengten Spitze der Papille werden die daselbst zahlreich angesammelten Capillare sehr be- engt und begeben sich fast in gerader Richtung in die Höhe, wo sie ein reiches Netz bilden, dessen Maschen in der Länge des Haars stark vorgerückt sind und bisweilen bis zur Mündung der Ausführungsgänge der Talgdrüsen reichen (Fig. 1). Erklärung der Abbildungen!) auf Tafel IX. Fig. 1. Spürhaar einer Katze. Längsschnitt. Injection von Berliner- blau. Orcein-Färbung. Reichert's Mikrosk. Oc. 2, Object. 4. Auf der Abbildung sind sichtbar: «a = äusserer Theil des binde- gewebigen Haarbalgs, resp. die äussere fibröse Kapsel des Haarfollikels; b = die Trabekeln des cavernösen Körpers, welche von der äusseren fibrösen Kapsel hauptsächlich nach oben und nach innen zum inneren Theil des bindegewebigen Haarbalgs gehen. Zwischen den Trabekeln liegen venöse Räume, welche mit Blutkörperchen ausgefüllt sind. e= der innere Theil des bindegewebigen Haarbalgs; d= der venöse Ringsinus, welcher mit Blutkörperchen ausgefüllt ist, und in dessen Höhlung der vom inneren Theil des Haarbalgs aus- gehende schildförmige Körper — e — liegt. Höher hinauf geht der innere Theil des Haarbalgs allmählich in den äusseren über ; diese Stelle des Uebergangs des einen Theils des Balgs in den anderen wird der conische Körper — f— genannt. Die Spitze des Kegels ist nach unten gerichtet; g=Talgdrüse. Zwischen dem inneren Theile des bindegewebigen Haarbalgs und der Epithel-Wurzelscheide ist ein heller Streifen sicht- bar — die Grenzschicht des inneren Theils des Haarbalgs, resp. die Glashaut, welche nach unten bis zur Stelle der grössten 1) Alle Figuren sind auf die Hälfte verkleinert. Fig. Das elastische Gewebe des Haarbalgs etc. 147 Verdickung der Haarzwiebel verfolgt werden kann. In dem collagenen Gewebe, welches die Hauptmasse des bindege- webigen Haarbalgs bildet, sind in dem äusseren, dem mittleren und dem inneren Theile desselben die durch Orcein gefärbten elastischen Fasern sichtbar, welche sich an der Glashaut ver- flechten. In dem kegelförmigen Körper gehen die elastischen Fasern von der Glashaut in der Richtung von unten und von innen nach oben und nach aussen auseinander. Nach innen von der Glashaut ist die innere Wurzelscheide belegen, welche deutlich in eine äussere und eine innere Lage getheilt ist. Die äussere Wurzelscheide geht unmittelbar in das Stratum Mal- pigehii der Haut über. Im Gebiete der oberen Hälfte der äusseren Wurzelscheide ist dieselbe birnförmig erweitert. Die äussere peripherische Schicht der äusseren Wurzelscheide be- steht aus Cylinderzellen. In ‘er inneren Wurzelscheide unter- halb, in der Nähe der Haarzwiebel, kann man die äussere Schicht (Henle) von der inneren Schicht (Huxley) unter- scheiden, welche durch die in ihrem Protoplasma vorhandenen Eleidin- resp. Keratohyalin-Körner charakterisirt wird. Noch mehr im Innern ist die Cuticula sichtbar, welche aus dach- pfannenartig angeordneten kernlosen Schuppen besteht, die im Gebiete der Haarzwiebel in kernhaltige Zellen übergehen. Nach innen von der Cuticula liegt der von ihr bedeckte Haarschatt, welcher aus der Rinden- und Mark-Substanz besteht. In der Haarwurzel ist ein reiches Capillargeflecht sichtbar, dessen Maschen sich bis zum Niveau der Ausführungscanäle der Talgdrüsen erstrecken. Unten erblickt man die Anastomosen zwischen dem Wurzel-Capillargeflecht und dem Geflecht im inneren Theile des Haarbalgs. In dem inneren Abschnitte des Haarbalgs ist ein Theil der Capillaren an der äusseren Oberfläche der Glashaut belegen. Oberhalb sind die Blutgefässe im kegelförmigen Körper und das dünne Capillargeflecht der Talgdrüsen sichtbar. Spürhaar eines Hamsters. Querschnitt gleich über der Wurzel. Sublimat-Präparat. Färbung der elastischen Fasern nach Weigert'scher Methode. Mikroskop Reichert’s. Oc.3, Obj. Sa, Camera lucida Abbe-Reichert's,. a=äusserer Theil des Haarbalgs; b= innerer Theil; d= Trabekeln des cavernösen Körpers; e= Schicht derjenigen Zellen, welche noch nicht in die Elemente der verschiedenen Theile des Haarschafts (Matrix oder Keimlager) differenzirt sind. e=Glashaut. Die elastischen Fasern sind sowohl im inneren wie auch im äusseren Theile des bindegewebigen Haarbalgs sichtbar; dieselben gehen längs den Trabekeln des cavernösen Körpers von dem einen zum anderen Theile über. 148 Fig. Fig. 2 O PK sjunin: Spürhaar eines Hamsters. Querschnitt durch die Mitte des Haars. Sublimat-Präparat. Färbung nach Weigert’scher Methode. Mikr. Reichert’s Ocul. 3, Obj. 8a. Camera lucida Abbe-Reichert's. a = peripherischer Theil der äusseren Wurzelscheide; die Cylinderzellen der inneren Reihe ragen mit ihren Fortsätzen in die Glashaut hinein, welche stellenweise porös erscheint. An der äusseren Oberfläche der Glashaut liegt ein längsfaseriges elastisches Geflecht (die querdurch- schnittenen Fasern erscheinen in Art von dicht bei einander- liegenden Pünktchen). Weiter von der Glashaut entfernt befinden sich im inneren Theile des Haarbalgs einzelne elastische Fasern des kreisförmigen Geflechts. „ce“ = die Trabekeln des cavernösen Körpers, in deren collagenem Gewebe elastische Fasern in der Richtung zum inneren Theile des Haarbalgs verlaufen. Diese Fasern treten stellenweise an die Glashaut heran und nehmen Theil an der Bildung des bei derselben sich befindenden elastischen Geflechts. Spürhaar eines Hamsters. Querschnitt im Niveau des coni- schen Körpers. Sublimat-Präparat. Färbung nach Weigert- scher Methode. Reichert’s Mikrosk. Ocul.3, Obj. Sa. Camera lucida Abbe-Reichert’s.. a=äusserer Theil des Haarbalgs; e = venöser Ringsinus (der obere Theil derselben); 5 = innerer Theil des Haarbalgs, oder der sog. conische Körper (vergl. Fig. 1); d = äusseres kreisförmiges elastisches Geflecht; e=inneres längsfaseriges, elastisches Geflecht; f= äussere Wurzelscheide. Spürhaaar eines Hamsters. Querschnitt im Niveau der Talg- drüsen. Sublimat-Präparat. Färbung nach Weigert’scher Methode. Reichert's Mikr. Ocul. 3, Obj. Sa. Camera lueida Abbe-Reichert’s. a=äussere Epithel-Wurzelscheide; bb = Talgdrüsen; e=längsfaseriges elastisches Netz an der äusse- ren Oberfläche der äusseren Wurzelscheide; d= kreisförmiges elastisches Netz im inneren Theile des bindegewebigen Haar- balgs. Spürhaar eines Hamsters. Tangential- Längsschnitt mitten durch die Länge der Haarwurzel. Sublimat-Präparat. Färbung nach Weigert’scher Methode. Mikroskop Reichert’s Oe. 3, Obj. Sa. Camera lueida Abbe-Reichert’s. a=äussere Wurzel- scheide; db — innerer Theil des bindegewebigen Haarbalgs. Auf dem Präparat ist die unversehrt gebliebene halbdurch- sichtige Glashaut sichtbar (der obere Theil ist abgeschnitten). Unter derselben schimmern die Kerne der Zellen der äusseren Wurzelscheide hervor. Unmittelbar auf der äusseren Oberfläche der Glashaut liegt das längsfaserige elastische Netz; mehr 13% 14. Das elastische Gewebe des Haarbalgs etc. 149 oberhalb ist das eireuläre Netz der elastischen Fasern belegen. Stellenweise kann man den Uebergang der Fasern von dem äusseren circulären zu dem inneren längsfaserigen elastischen Netze wahrnehmen. Literatur-Verzeichniss. Steinlin, W., „Zur Lehre von dem Bau und der Entwicklung d. Haare.“ Zeitschrift für rationelle Mediein Bd. IX. 1850. Gegenbaur, C., „Untersuchungen über die Tasthaare einiger Säugethiere.* Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. III. 1851. Leydig, Franz, „Ueber d. äusseren Bedeckungen d. Säugethiere.“ Arch. f. Anat. u. Physiol. v. Reichert und Du Bois-Reymond. 1859. S. 677. Ödenius, M. V., „Beitrag zur Kenntniss d. anatom. Baues der Tasthaare.“ Arch. f. mikr. Anat. M. Schultze Bd. II. 1866. S. 436. Dietl, M. J., „Untersuchungen über Tasthaare.“ Sitzungsberichte d. k. k. Akademie d. Wissensch. 1. Abth. Bd. LXIV. Juliheft 1871. III. Abth. Bd. LXVI, Juliheft, 1872. III. Abth. Bd. LXVII, De- cemberheft, 1873. . 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Die Nervenzellen des Centralnervensystems galten bis vor wenigen Jahren als gleichartig und gleichwerthig. Die Methoden, die man zu ihrer Erforschung und zur Darstellung ihres Baues anwendete, waren wenig geeignet, uns hierüber Aufklärung zu verschaffen. Alle Forscher, die sich mit ihnen beschäftigten, be- schrieben nnr Unterschiede der Grösse und der äusseren Form. Je- doch wurde schon frühzeitig die Vermuthung ausgesprochen, dass die verschieden funetionirenden Nervenzellen schwerlich dieselbe Structur besitzen. So hat Sehwalbe (1) bereits 1876 die Meinung ge- äussert, dass die Nervenzellen der verschiedenen Orte des Nerven- systems auch in ihrem inneren Bau sehr verschieden sein dürften. Den Beweis dafür brachte jedoch erst Flemming (2), indem er die Unterschiede der Spinalganglienzellen den centralen Nerven- zellen gegenüber klar stellte. Im Jahre 1885 gelang es Nissl| (3) mit Hilfe seiner Me- thode die Structurdifferenzen einer ganzen Reihe von Nerven- zellen festzustellen. Zwei Jahre später zeigte derselbe auf der Naturforscherversammlung zu Köln (4), dass an den verschie- densten Stellen des Centralnervensystems constantdieselben gleichartig strueturirten Nervenzellen auftreten. Er machte speciell auf eine besonders charakteristisch gebaute Zellart aufmerksam, welche in der Thierreihe sowohl wie beim Menschen stets an denselben Orten angetroffen wird. So besitzen alle motorischen Hirnnervenkerne und die Zellgruppen der moto- rischen Rückenmarksnerven gesetzmässig nur diese eine eigenartig strueturirte Zellart. Niss] glaubte auf Grund dieses gesetz- Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 11 152 Walther Kolmer: mässigen Zusammenhanges zwischen einer bestimmten Zellstruetur und bestimmten Regionen, welche anerkanntermassen eine Be- ziehung zur motorischen Function haben, zu der Behauptung be- rechtigt zu sein, dass diese bestimmt strueturirten Zellen in irgemn@=eimer'’Beziehung- zur moto rischen Function stehen. Er bezeichnete diese Elemente als motorische Nervenzellen, aber wohlbemerkt nicht deshalb, weil sie die motorischen Zellen des Centralorgans sind, sondern weil er nachweisen konnte, dass es eine ganz bestimmte Zellart giebt, die man in der Thierreihe gesetzmässig an Orten mit zweifellos motorischer Bedeutung antrifft. Wir finden aber ausser- dem noch Zellen dieses Typus an einer ganzen Reihe von Orten, deren Function uns bisher unbekannt geblieben ist (Deiters- scher Kerm, Formatio retieularis, rother Kern der Haube ete.). Sind wir nun berechtigt zu sagen, dass diese Zellen an Orten, deren Bedeutung wir nicht kennen, auch mit motorischen Func- tionen in irgend einer Beziehung stehen? Gewiss wäre es nicht logisch, von vornherein zu schliessen, dass Zellen, die gleich aussehen, auch die gleiche Function besitzen. Ausserdem kann man einwenden, dass die Methode der electiven Zellfär- bung, mit der wir die Zellunterschiede darstellen, gerade die Neurofibrillen, also denjenigen Zellbestandtheil, der in neuerer Zeit als der funetionell wichtigste erscheint, nicht zur Anschauung bringt und somit einen Schluss auf die Function nicht erlaubt. Trotzdem muss man sagen, dass die sogen. motorische Zelle durcehrdie ganze Thierreihe Kennzeichen aufweist, wie sie keineranderenZelle zukommen. Dies ist ein im eleetiven Präparat sichtbares Axon, welches vom sogenannten Nervenfortsatzhügel entspringt. Auf diese Eigen- thümlichkeiten soll an anderer Stelle eingegangen werden; hier sei nur betont, dass bei der Anwendung der Nissl’schen Me- thode keine andere Nervenzellenart ihr Axon ohne weiteres deut- lich erkennen lässt. Nur die Spinalganglien machen eine Aus- nahme, doch ist deren von den centralen Nervenzellen abweichen- der Bau schon von Flemming nachgewiesen. Die Anordnung der färbbaren und nicht färbbaren Zellsubstanz ist in den sogenannten motorischen Zellen so charakteristisch, dass letztere überhaupt nur mit einigen wenigen anderen ebenso grossen Zellarten bei oberflächlicher Betrachtung verwechselt werden Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 158 können. Genaueres Zusehen aber zeigt sofort, dass diesen der Nervenfortsatzhügel fehlt, und dass auch ihr Kern — wie später erörtert werden soll — anders gebaut ist. Zweifellos bieten die Nervenzellen gleicher Orte bei den einzelnen Thierarten mit Bezug auf die histologischen Einzelheiten weitgehende Unterschiede. Aber so gross auch die Differenzen z. B. im Bau der Spinalganglienzellen bei Hund, Kaninchen, Mensch, Rind, Fisch ete. sind, so werden doch die Grundzüge des Aufbaues der Nervenzelle durch die ganze Thierreihe mit grösster Zähigkeit festgehalten. Wie die Spinalganglienzellen in ihren feinsten Details bei verschiedenen Thieren Differenzen er- kennen lassen, so treten solche Unterschiede auch mit Bezug auf die Purkinje’schen Zellen, motorische Zellen und andere charakteristische Nervenzellen zu Tage. Studirt man aber z. B. beim Kaninchen die Unterschiede, welche zwischen den einzelnen Zellarten verschiedener Orte bestehen, und macht dieselben Ver- gleiche bei anderen Thierspecies, so nimmt man mit Staunen wahr, dass dieselben Differenzen, die sich bei dem Kaninchen zwischen den Spinalganglienzellen, den motorischen Zellen, den Purkinje- schen Zellen, den grossen Pallisadenzellen des Ammonshorns haben feststellen lassen, beim Rind, beim Hund, beim Menschen, beim Fisch ete. sich in genau derselben Weise wiederholen. Es handelt sich hierbei, wie Niss| betont, um eine gesetzmässige Erscheinung, sodass derjenige, der beim Kaninchen z. B. die Spinalganglienzellen, die Purkinje’schen Zellen und die Zellart der motorischen Elemente histologisch genau kennt, zwar nicht über die feinsten histologischen Details der gleichen Zellarten auch beim Menschen oder Hunde unterrichtet ist, aber mit aller Sicherheit die genannten Zellarten lediglich auf Grund ihres speci- fischen Baues auch beim Menschen, Hund und jedem anderen Thier wird unterscheiden können. Er vermag die Spinalgang- lienzellen als Spinalganglienzellen, die Purkinje’schen Zellen als Purkinje’sche Zellen und die anderen Zellarten als solche zu identificiren. Diese gesetzmässige Aehnlichkeit, die die Zell- arten der Centralorgane in der Wirbelthierreihe zeigen, be- rechtigt uns, die gleichartigen Zellarten verschiedener Thiere zu vergleichen, obschon wir genau wissen, dass das histologische Detail solcher gleichartiger Zellen bei einzelnen Thierspecies unter Umständen selbst weitgehende Unterschiede darbieten kann. 154 Walther Kolme:r: Bei Durchschneidung von zweifellos motorischen Nerven und- Bahnen treten ausschliesslich nur bei den motorischen Ner- venzellen regressive Veränderungen ein, und zwar sind diese wieder typisch, nicht allein hinsichtlich der Form, sondern auch des Verlaufes der regressiven Metamorphose. Ja man vermag auf Grund der Degenerationsbilder selbst die Art des Experi- mentes zu erkennen und ungefähr auch die Zeitdauer zu be- stimmen, welche seit der Durchschneidung verflossen ist. Die motorischen Zellen sind auffallend widerstandsfähige Gebilde; Jedenfalls leiden sie bei der Präparation viel weniger als die anderen ebensogrossen Nervenzellenarten. Man kann sie daher mit den verschiedensten Methoden gut zur Darstellung bringen, während andere ähnlich grosse Zellarten nur bei einer ganz be- stimmten Technik zu Tage treten. Aber auch während des Lebens scheinen sie dem Einfluss der Schädlichkeiten besser zu widerstehen als wenigstens die grosse Mehrzahl der übrigen Zell- arten. Beide Umstände enthalten wohl die Erklärung dafür, dass man sich von jeher mit dieser auch durch ihre Grösse sich auszeichnenden Zellart mehr beschäftigt hat als mit irgend einer anderen Zellart der Centralorgane. Auch die Bahnen der ungefärbten Zellsubstanz zeigen in den motorischen Zellen ein besonderes Verhalten. Während die- selben in den meisten Zellarten überaus klar als deutliche Stränge zwischen den färbbaren Substanzportionen zu verfolgen sind, sind sie hier meist nur angedeutet. In Folge des kolossalen Fibrillenreichthums und andererseits der nach allen Richtungen sich abzweigenden Dendriten ver- tlechten und durchkreuzen sich die Fibrillenstränge in einer sehr complicirten Weise. Es ist daher nicht zu verwundern, das keine langgestreckten ungefärbten Bahnen im Zellkörper zu verfolgen sind; in den Dendriten dagegen kann man häufig ebenso schöne ungefärbte Bahnen wahrnehmen wie im Zellleib anderer Nerven- zellarten. Ohne auf die Frage nach der Bedeutung der färbbaren Zellleibssubstanz eingehen zu wollen, möge hier nur darauf hin- gewiesen werden, dass nach den Ergebnissen der electiven Zell- färbung (Nissls Methylenblaumethode) auch diese Be- standtheile des Zellkörpers der motorischen Zellart hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 155 topographischen Vertheilung im Zellleib sich von dem Verhalten der färbbaren Bestandtheile anderer Zellarten in characteristischer Weise unterscheiden. Wenn auch Niss] die von ihm auf Grund des Verhaltens der färbbaren Zellleibsbestandtheile aufgestellte Eintheilung der Nervenzellen neuerdings nicht mehr im vollen Umfange aufrecht hält, so ist doch seine Definition einer spezifischen „motorischen“ Zellart, „die mit der mo- torischen Function’ in irgend einer Beziehung steht“, noch von Niemandem widerlegt worden. Dagegen wurde die Besonderheit der motorischen Zellart bereits von zahl- reichen Forschern bestätigt. Mit einem Worte, wenn wir alle uns bekannten Thatsachen zusammenfassen, so erscheint es in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Zellart der motorischen Zellen (nach Nissl’s Definition) auch dann „mit einer motori- schen Function in irgend einem Zusammenhang steht“, wenn sie nicht an einem Orte mit sicherer motorischer Funetion (wie z. B. im Faeialis-Kern) angetroffen werden, sondern sich an irgend einer anderen Stelle des Centralorgans finden, dessen funetionelle Bedeutung uns unbekannt ist. In neuester Zeit sind Anschauungen über die funetionelle Bedeutung der Nervenzelle bekannt geworden, welche in hohem Grade von der allgemein getheilten Auffassung abweichen, Apathy (5) und Bethe (6) haben nachgewiesen, dass in der ungefärbten Substanz der Nervenzellen Neurofibrillen enthalten sind, welehe von den beiden Forschern als leitende Elemente im Centralorgan angesprochen werden. Nach den Anschauungen Bethe’s und Apäathy’s sind die Neurofibrillen kein Proto- plasmabestandtheil der Nervenzellen, sondern dringen von aussen in die Zelle ein, durchsetzen sie und verlassen sie wieder. Bethe hat durch seinen Versuch am Carcinus maenas bewiesen, dass die complicirten Reflexe der zweiten Antenne auch ohne eine einzige Nervenzelle ausgelöst werden können. Als das Re- flexcentrum für das zweite Antennenpaar des Taschenkrebses sind daher nicht Ganglienzellen, sondern das sogenannte Elementargitter Apäthy’s zu bezeichnen. Nach den Untersuchungen des letzteren Forschers besteht dasselbe aus einem Gitter von Elementarfibrillen, welehe die Differenzirungsprodukte besonderer nervöser Zellen sind. 156 Walther Kolmer: Aus dem Elementargitter entwickeln sich die Neurofi- brillen, das heisst Bündelchen von Elementar- fibrillen, und begeben sich direct in die peripheren und centralen Nerven, oder durchsetzen erst die Nervenzellen, in deren Zellleib die Neurofibrillen ein intercelluläres Neurofibrillen- gitter bilden. Die aus diesem Zellgitter austretenden Neuro- fibrillen begeben sich theils direet in motorische Nerven, theils lösen sie sich wieder in Elementarfibrillen auf, d. h. sie treten wieder in das Elementargitter Apäthy 's ein. Das Elementar- gitter mit Einschluss der in den Ganglienknoten der Wirbellosen befindlichen Nervenzellenfortsätze, Nervenfasern und der bindege- webigen Antheile ist identisch mit der Punktsubstanz Leydig's und mit dem Neuropil von His. Niss1(7) hat diese Forschungs- ergebnisse nicht nur anerkannt, sondern hat an der Hand expe- rimenteller und pathologisch-anatomischer Thatsachen gezeigt, dass auch beim Wirbeltlier und beim Menschen die Nervenzellen keineswegs die alleinigen und ausschliesslichen Träger der ner- vösen Functionen sind. Er wies nach, dass die sogenannte graue Substanz nicht bloss ein Sammelausdruck für das zwischen den Nervenzellen gelegene Gewebe sein kann, also nicht allein die Summe der Fortsätze der Nervenzellen und ihrer Endigungen, sowie der hier befindlichen markhaltigen und marklosen Nerven- fasern, und endlich der entsprechenden Antheile des Gefässappa- rates und der Glia ist, sondern noch einen specifisch- nervösenBestandtheil, vämlich das nervöse Grau enthält, das ebenso wie die Nervenzellen bei der nervösen Fune- tion in Betracht kommt. Ueber den Ursprung und die Structur dieses nervösen Bestandtheils vermochte Niss| keine Auskunft zu geben. Bethe und Apäthy haben bis jetzt bei den Wirbelthieren und beim Menschen Neurofibrillen nur in den Ner- venzellen und in den Axencylindern nachzuweisen vermocht. Sie sind aber lediglich bis an die Oberfläche des Zellleibs und bis zur Spitze der Dendriten zu verfolgen. Nur die Neurofibrillen des Axons gehen continuirlich in den Axeneylinder über, und sind in seinem ganzen Verlauf als continuirlich dahinziehende Drähte wahrzunehmen. Wo jedoch der Axenceylinder sich ins Grau einsenkt und unseren Blieken sich entzieht, sind auch seine Neurofibrillen nicht weiter zu identifieiren. Nissl stellte die Hypothese auf, dass möglicher Weise das ner- Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 157 vöse Grau sich strueturell analog dem Elementar- gitter Apäthy’s verhält. Die nicht nur von Bethe, sondern auch von Golgi (8), Auerbach (9), Semi Mayer (10), Held (11), Ramön y Cayal etc. beschriebenen pericellulären Gitterstrueturen sind nach der Hypothese Nissls (7) ac- ecessorische Einriehtungen. vermöge welcher die hypotheti- schen Elementarfibrillen des nervösen Grau’s mit den in den Neurofibrillen der Nervenzelle enthaltenen Elementarfibrillen in Beziehung treten können. Demnach wären die pericellulären Gitterbildungen oder, wie Bethe sie nennt, die Golginetze Kabel- netze um die Nervenzellen, in denen Elementarfibrillen einge- schlossen liegen, welche sowohl aus den Nervenzellen als auch aus dem nervösen Grau, vielleicht auch noch aus den Neuro- fibrillen einer Anzahl direct mit dem Gitter zusammenhängender Axencylinderendigungen stammen. Während Nissl früher die Nervenzellen nicht nur als die ausschliesslichen Träger der nervösen Function betrachtete, son- dern auch die Meinung vertrat, dass die verschieden gebauten Nervenzellenarten die Träger ganz bestimmter nervöser Funetionen sind, hat er in Folge der neuen Untersuchungsergebnisse erklärt, dass die von ihm aufgestellte Hypothese einer speeifischen Function der Nervenzellen hinfällig geworden ist. Aber gleichzeitig bater mitallem Nachdruck betont, dass deshalb, weil ausser den Nervenzellen auch noch das „ner- vöse Grau* als Träger der nervösen Function an- erkannt werden muss, der Begriff der speeifischen Nervenzellenfunction keineswegs verschwindet: „er ver- schiebt sich nur und erhält eine andere Bedeutung.“ Nach der derzeitigen Sachlage ist eine endgültige Beant- wortung der Frage bezüglich der Bedeutung der Nervenzellen und ihrer verschiedenen Straeturen ausgeschlossen. Jedenfalls aber ist die strueturelle Verschiedenheit im Baue der Nervenzellen eine feststehende Thatsache, auf welche jede Antwort, mag sie ausfallen, wie nur immer, Rücksicht nehmen muss. Eine ebenso gesicherte Thatsache ist die Feststellung Nissls, dass alle Nervenzellen der Wirbelthierreihe, welche sich an Orten von zweifellos motorischer Bedeutung finden, gleichartige Kennzeichen besitzen, welche diese Zellart von allen übrigen centralen Zell- arten unterscheiden. 158 Walther Kolmer: Da Niss! diese Zellen nicht deshalb als motorische Zellen bezeichnet hat, weil sie die motorischen Zellen sind, sondern ausdrücklich deshalb, weil es ganz bestimmte, von allen übrigen Nervenzellen sich unterscheidende Elemente sind, von denen wir sicher wissen, dass sie mit der motorischen Function „in irgend einer Beziehung“ stehen, wird auch die Bezeich- nung dieser Zellart nicht geändert zu werden brauchen, gleich- gültig, wie zukünftige Forschungen die Frage nach der Bedeutung der Nervenzellen und ihrer verschiedenen Structuren auch lösen werden. Ebenso klar ist es, dass unsere Untersuchung durch die gänzlich veränderte Sachlage, welche durch die Forschungen Apäthy’s und Bethe’s geschaffen wurde, in keinerlei Weise beeinflusst wird. Im Jahre 1875 hat Betz in der vorderen und hinteren Centralwindung des Menschen die sogenannten Riesenpyramiden beschrieben. Untersuchen wir nun diese Theile mit der electiven Methode, so finden wir, dass sich den Riesenzellen Betz’s ent- sprechend in der von ihm beschriebenen Anordnung Zellen finden, welche denselben Bau zeigen, wie die der motorischen Orte. Es ist hier auf einen Irrthum hinzuweisen, der sich vielfach in der Literatur findet. Verschiedene Autoren nennen schlechthin alle sehr grossen Cortexelemente, etwa solche, die mehr als 30x40 u messen, Riesenzellen. Deshalb werden Riesenzellen nicht nur in der Centralwindung, sondern auch an anderen Stellen der Hirnrinde beschrieben. Kölliker (12) z. B. spricht noch in der 6. Auflage seines Handbuches der Gewebelehre (II. Theil, pag. 682. 1896) von Riesenpyramiden im Hinterhauptslappen. Eine derartige Nomenclatur war früher, als man noch nicht die verschiedenen Nervenzellenstructuren darstellen konnte, berechtigt. Heute aber wissen wir, dass die besonders grossen Cortexelemente durchaus nicht einheitlich gebaute Zellen sind, sondern eine diffe- rente Structur besitzen. Schon Meynert wusste, dass im Hinter- hauptslappen sehr grosse Zellen vorkommen; letztere aber haben mit jenen Elementen, die Betz Riesenzellen nannte, nichts zu thun, weil sie eine wesentlich andere Structur besitzen. Der Be- griff Riesenzelle der Hirnrinde ist also heute identisch mit der Bezeichnung Cortexzelle motorischer Art oder motorische Hirn- rindenzelle. Nachdem wir die verschiedenen Gründe kennen gelernt Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 159 haben, welche uns dazu berechtigen, die Nervenzellen des mo- torischen Typus auch dann als „mit motorischen Functionen in irgend einer Beziehung stehend“ aufzufassen, wenn sie nicht an einem Orte sich befinden, dessen Functionen uns genau bekannt sind, dürfen wir auch die Betz’schen Riesenpyramiden als mo- torische Zellen bezeichnen. Von der Rinde können wir allerdings nicht sagen, dass uns deren Funetionen ebenso unbekannt sind, wie zum Beispiel die des Deiters’schen Kerns oder des rothen Kerns ete., wo wir ebenfalls Zellen des motorischen Typus nach- weisen können. Im Gegentheil wissen wir, dass diejenigen Re- gionen der Hirnrinde des Menschen, in denen Betz seiner Zeit die Riesenpyramiden entdeckt hat. zweifellos auch mit motorischen Funetionen zusammenhängen, ja man hat diese Gegenden schlecht- weg motorische Oentra genannt. Es ist daher auch sehr wohl begreiflich, dass Betz und viele andere Forscher nach ihm die Riesenpyramiden als motorische Zellen aufgefasst haben. Aber wir müssen darüber vollkommen im Klaren sein, dass diese Auffassung ausschliesslich nur durch den Standort der Riesenzellen in einer motori- schen Rindenregion und durch dasFeblen gleich grosser Zellen inden anderen nicht motorischen Regionen begründet wurde. Diese Auffassung hat mit der unseren nichts gemein. Wenn Jemand die Betz’schen Riesenpyramiden schon bisher als motorische Zellen betrachtete, so musste er die übrigen Nerven- zellen derselben Region auch für motorische Zellen halten, denn ein anderer Unterschied, als die Grösse, konnte nicht gezeigt werden. Wenn sich aber Jemand darauf berufen würde, dass die Riesenzellen von Betz schon durch ihre eigenartige Topo- graphie kenntlich sind, so muss ihm entgegnet werden, dass die grossen Solitärzellen (Meynert’s) im Hinterhauptslappen ähnlich etablirt sind. Aber auch wenn wir zugeben, dass die Betz’schen Zellen eigenartig und leicht erkenntlich angeordnet sind, so bleibt doch immer noch die Unmöglichkeit bestehen, die kleinsten Betz’schen Zellen von den grössten der gewöhn- lichen Pyramidenzellen sicher zu unterscheiden. Da wieder- holt betont wurde, dass die Anschauung Nissl's bezüglich des motorischen Charakters der Betz’schen Riesenzellen durchaus keine neue Errungenschaft in sich schliesst, vielmehr von vielen 160 Walther Kolmer: Seiten und schon längst ausgesprochen wurde, bin ich auf den fundamentalen Unterschied zwischen den Anschauungen Nissl's und der älteren Forscher eingegangen. Uebrigens ist darauf noch hinzuweisen, dass thatsächlich von verschiedenen Seiten „Riesenzellen“ auch im Hinterhauptslappen und an anderen nicht motorischen Orten der Rinde beschrieben wurden. Nach der Auffas- sung Nissl’s jedoch kann ein Zweifel darüber, welehe Zellen als motorische Rindenzellen zu bezeichnen sind, nieht bestehen. Es ist nur ein ganz äusserliches Moment, dass diese Zellen zu den grössten gehören, die es in der Rinde überhaupt giebt. Wie man sich leicht überzeugen kann, sind nicht alle motorischen Rindenzellen gleich gross und nicht immer grösser als die grösseren übrigen Rindenzellen, sondern es giebt unter den motorischen Rindenkörpern auch kleinere Elemente, dievonanderen Zellarten derRinde an Grösse übertroffen werden, und sehr viele grosse Rindenpyramiden besitzen dieselbe Grösse und Formen wie ein beträchtlicher Theil der motorischen Zellen im Cortex. Würden sich übrigens die alten Anschauungen mit denen Nissl’s decken, wie Manche irrthümlicher Weise zu glauben scheinen, so könnte man nicht gut verstehen, dass von keiner Seite darauf hingewiesen wurde, dass die Vertheilung der motorischen Zellen durchaus nicht mit den Grenzen der sogenannten motorischen Zone zusammenfällt. Um jedes Missverständniss auszuschliessen, weise ich nochmals auf die Definition der motorischen Zellart seitens Nissl’s hin, sowie darauf, dass dieser Autor an verschiedenen Orten mit allem Nach- druck betont hat, dass beim Aufbau der Rinde Zellen verschieden- ster Art sich betheiligen, und dass sowohl der verticale als der horizontale Durchschnitt der Rinde örtliche Bauunterschiede er- kennen lässt. Insbesondere ist nicht zu übersehen, dass die motorische Zellart in der Rinde in auffallend wenig Exemplaren vertreten ist. Ein gutes Verständniss von der Vertheilung der motorischen Zellen in der menschlichen Rinde giebt eine von Nissl (7) herrührende Photographie!). Auf diesem Bilde sind nur sechs Zellen der motorischen Art sichtbar. Aber gerade deswegen, 1) Figur 3 in Nissl’s Aufsatz Nervenzelle und graue Substanz. Münch. med. Wochenschrift No. 31—33, 1898. Fig. 4 stellt den Durch- schnitt einer Hunderinde dar. Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 161 weil sie in so spärlicher Zahl auftreten und so überaus scharf auf eine ganz bestimmte Rindenregion beschränkt sind, erhält dieselbe ein eigenthümliches Gepräge. Niss] hat daher mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn wir noch gar nichts von dem inneren Aufbau der Rinde wüssten, die einzige Thatsache des Auftretens echter motorischer Nervenzellen an einer ganz bestimmten Rindenregion vollauf genügen würde, um die Frage bezüglich der Existenz örtlicher Bauunterschiede der Rinde im positiven Sinne definitiv zu beantworten. Ich brauche wohl nicht noch eigens zu betonen, dass der Nachweis echter motorischer Nervenzellen an einer scharf umschriebenen Stelle der Hirnrinde noch gar nichts präjudieirt. Wir ziehen aus diesem Nachweis nur den einen Schluss, dass an einer scharf umschriebenen Stelle der Rinde Zellen auftreten, die mit motorischen Funetionen in irgend einer Beziehung stehen. Selbstverständlich sind wir darüber im Klaren, dass dies nur ein Wahrscheinlichkeitsschluss sein kann, für den erst noch der exacte Nachweis zu erbringen ist. Keinesfalls solldamit gesagt sein, dass deshalb, weil Zellen motorischer Art an einer scharf begrenzten Region der Hirnrinde auftreten, diese Region ausschliesslich eine motorische Bedeutung habe. Dieser Schluss wäre ebenso unberechtigt, als die Auf- fassung, dass die verschiedenen Zellarten nicht motorischen Typus nichts mit motorischen Funetionen zu thun haben. Immerhin ist die Feststellung von Cortexzellen derselben Art, wie sie in den motorischen Kernen durch die ganze Wirbel- thierreihe beobachtet werden können, von grösstem Interesse, das sich noch erhöht, wenn man erwägt, dass sie in einer scharf umschriebenen Zone der Hirnrinde auftreten, welche in der Region der sogenannten motorischen Centren liegt. Da Nissl motorische Zellen wohl in der Himrinde des Menschen, Affen, des Hundes und der Katze, niemals aber bei Kaninchen und Meerschweinchen fand, veranlasste er mich, im anatomischen Laboratorium der Heidelberger Irrenklinik das Auf- treten der motorischen Zellen in der Thierreihe systematisch zu verfolgen und das Verhältniss dieser Elemente in der Rinde ein- zelner Thiere genauer zu studiren. Bei dieser Untersuchung wurden die Hemisphären der be- treffenden Thiere in 96°/, Alkohol in toto conservirt. Nach 162 Walther Kolmer: mehrmaligem Wechsel des Alkohols (Alkohol darf dabei durchaus nicht gespart werden!) wurden die vollständig gehärteten Hemi- sphären sowohl in frontaler wie in sagittaler Richtung in eine Serie von ungefähr 1 mm dieken Scheiben zerlegt, deren Lage in der Hemisphäre genau aufgezeichnet wurde. Die Objectblöcke wurden durch Theilung der erst erhaltenen Scheiben hergestellt und in die Zeichnung genau eingetragen, sodann auf Kork mit Gummilösung aufgeklebt und uneingebettet in Serien von je 10—15 u dieken Sehnitten zerlegt. Je nach dem Objecte und der Region, die für jeden Schnitt auf Grund der Zeichnung leicht zu bestimmen war, wurde theils jeder Schnitt der Serie, theils nur jeder 5. oder 10. genau untersucht und das Verhalten der motorischen Zellart in der betreffenden Region notirt und eingezeichnet. Gefärbt wurden die Schnitte mit der electiven Zell- färbungsmethode (Seifenmethylenblau)nach Nissl. Auf diese Weise gelang die Feststellung der Vertheilung der motorischen Zellen in der Hirnrinde verschiedener Thiere ohne besondere Schwierigkeit. In den nach der Nissl’schen Methylenblau-Methode herge- stellten Präparaten zeigen die motorischen Zellen ein bei allen Thieren ziemlich gleichartiges Verhalten. Ich will bei der Be- schreibung der motorischen Zellen speciell von der menschlichen Rinde ausgehen. Die Kontur der Zellen lässt sich gegen das umgebende Gewebe hin nieht ganz exact abgrenzen. Die Form ist, wenn die Zelle senkrecht getroffen, die eines unregelmässigen, lang- gestreckten Polyeders, nur in seltenen Fällen die einer reinen dreiseitigen Pyramide. Gegen den Abfall der Windungen hin werden die Elemente kürzer, während zugleich die Breitendi- mension zunimmt. Die meisten Zellen dieser Art besitzen einen Haupt- oder Spitzenfortsatz, der gegen die Oberfläche der Rinde gerichtet ist, und drei, fünf oder mehr Basalfortsätze. Die Basis misst etwa 30—40 u, während der Längsdurchmesser wegen des sich allmählich verjüngenden Spitzenfortsatzes schwer genau an- gegeben werden kann. Immerhin ist der Spitzenfortsatz häufig noch in einer Entfernung von T0—80 u von der Zellbasis aus ge- rechnet 10—15 u breit. Spitzen- und Basalfortsätze geben mehrere seitliche Fortsätze ab. Die Fortsätze gesunder Zellen entstehen ohne Ausnahme durch die allmähliche Verjüngung des den Kern tragenden Zellleibs. Die gefärbten Substanzen zeigen eine cha- Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 163 rakteristische Anordnung. Es enthält die motorische Zelle zweierlei färbbare Substanzen, eine, welche sich mit basischen Farbstoffen schwach tingirt, und eine andere, welche in den Complexen der ersteren in Form unmessbar feiner Körnchen eingelagert, mit den- selben Farbstoffen sich intensiv färbt. Jene grossen und typisch geformten Portionen färbbarer Substanz, wie wir sie an anderen ähnlich grossen Pyramidenzellen nach Niss1's Vorgang als Basal- körper und Kernkappen bezeichnen, finden sich niemals in der motorischen Zelle. Die färbbare Substanz ist in eckigen, bald mehr oder minder länglichen, verzerrt polyedrischen Schollen angeordnet. Diese sind an der Peripherie der Zelle grösser als im Inneren, und an der Abgangsstelle des Spitzenfortsatzes wieder etwas umfangreicher als anderswo. Im Innern der Zelle werden die färbbaren Substanzportionen gegen den Kern hin wieder kleiner, nur auf der dem Spitzenfortsatz zugewendeten Seite des Kernes treten einzelne mittelgrosse Schollen auf. In den Proto- plasmafortsätzen finden sich häufig längliche Rhombenformen, an der Abgangsstelle der seitlichen Dendritenfortsätze treten intensiv sich färbende Körperehen in Dreiecksform auf, die sogenannten Verzweigungskegel. Die Farbenintensität der färbbaren Substanztheile ist nicht überall gleich stark. Mit besonderer Vorliebe finden sich an der Peripherie der Zelle sehr stark gefärbte Figuren. Die Art und Weise, wie die gefärbte Substanz in den Schollen angeordnet ist, ist noch immer nicht genau genug bekannt. Zum Theil sind die einzelnen färbbaren Figuren, namentlich die Spindelchen in den Dendriten, anscheinend vollständig homogen, zum Theil bilden sie Körnerecomplexe, wieder ein anderer Theil ist unregelmässig strueturirt, indem hellere und dunklere Punkte miteinander ab- wechseln. Sehr viele färbbare Substanzen zeigen sogenannte „Körperchenvacuolen“ (Nissl). Je homogener die Scholle ist, desto glatter ist ihre Kontur. In gesunden Zellen, wie wir sie beim Menschen verhältnissmässig selten zu Gesichte bekommen, sind die Spindelehen in den Dendriten nur eine relativ kurze Strecke weit zu verfolgen; es kommen aber auch Dendriten vor, welche kaum gefärbt sind, jedenfalls aber nirgends deutliche Schollen enthalten. Solche Dendriten sind aber immer sehr dünn und gehen niemals aus einem breiten Ansatz des Zellkörpers hervor. Form und Anordnung der färbbaren Gebilde ist abhängig von 164 Walther Kolmet: der Lagerung der dazwischen liegenden, mit Methylenblau im Normalpräparat sich nicht färbenden Substanz. Diese enthält nachgewiesenermassen die Fibrillen und eine andere vorderhand als perifibrillär zu bezeichnende Substanz. Diese ungefärbte Substanz nimmt den Raum zwischen den färbbaren Figuren ein und bildet sehr häufig die äusserste Zell- zone. Die peripheren Theile der Dendriten sowie das Axon und zum weitaus grössten Theil sein Nervenfortsatzhügel, besteht ausschliesslich aus ungefärbter Substanz. Im Zellkörper selbst präsentirt sich die ungefärbte Substanz in Form von Strängen oder ungefärbten Bahnen, welche zwischen den färbbaren Figuren einherziehen. Theils begeben sie sich von den Dendriten nach dem Zellkörper, wo sie in den verschiedensten Richtungen sich kreuzen; ein anderer Theil tritt durch einen Dendriten ein und wendet sich entweder zum zunächst liegenden oder zu einem entfernteren, um die Zelle auf diesem Wege wieder zu verlassen ; ein dritter Theil schlägt die Richtung nach dem Nervenfortsatz- hügel ein. Stets aber lassen sie den Kern zur Seite, manchmal jedoch sieht man auch Bahnen, die direet den Kern ganz oder theilweise umkreisen. Am deutlichsten tritt der Verlauf der Bahnen in den breiteren Dendriten zu Tage; hier beschreiben die ungefärbten Züge häufig deutliche Spiraltouren. Der Axeneylinderfortsatz entspringt meist in der Mitte der Zellbasis. Im Nissl’schen Präparat zeigt er ein eigenthümlich glasartiges Aussehen, vermöge dessen er sich immerhin von der ebenfalls ungefärbten Grundsubstanz der Rinde genügend abhebt. Structurdetails sind bei dieser Behandlung nicht wahrzunehmen. Hier und da begegnen wir zwar einem Axencylinder, der einen Hauch von Farbe annimmt. Jedenfalls aber enthält er niemals irgend welche Figuren färbbarer Substanz. Wie ich schon oben bemerkt habe, sind bei völlig normalen Verhältnissen die Axencylinder aller übrigen Arten der Rinden- zellen niemals als solche zu erkennen. Fortsätze, die keine färbbaren Suhstanzportionen enthalten, sind allerdings dann und wann auch an anderen Zellen der Rinde bei Anwendung unserer Methode zu sehen. Niemand aber ist auf Grund eines solchen Be- fundes berechtigt, sie ohne Weiteres als Axeneylinderfortsätze anzu- sprechen. Bei der motorischen Zellart der Rinde aber zeichnet sich der Axeneylinder nicht nur durch sein homogenes glasartiges Aus- Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 165 sehen aus, sondern auch durch seinen Abgang aus einem besonders strueturirten Theil des Zellleibes, nämlich der von Nissl als Nervenfortsatzhügel bezeichneten kegelförmigen Ansammlung un- gefärbter Substanz. Dieser Nervenfortsatzhügel setzt sich mehr oder minder scharf, immer aber deutlich in einem nach aussen gegen den entspringenden Axeneylinder hin offenen Halbkreis gegen den übrigen Zellinhalt ab. In einzelnen Fällen schliessen die färbbaren Figuren die Linie des erwähnten Kreissectors ab, in anderen Fällen aber setzen sich die färbbaren Portionen des Zellleibes noch ein Stück weit in den Ursprungshügel des Axons fort, wo sie rasch immer kleiner werden und bald ganz verschwinden. Aber auch im letzteren Falle, wo der Hügel nicht so scharf gegen den Zellleib sich abgrenzt, bleibt der peri- phere Theil des Hügels mit dem Ursprung des Axons von färb- barer Substanz gänzlich frei. In jedem Fall verjüngt sich der Axeneylinder bald nach seinem Austritt mehr oder weniger stark. Der Kern der Zelle lässt sich im eleetiven Zellpräparat nur dann scharf abgrenzen, wenn der Schnitt zufällig mitten durch den- selben geht; ist dies nicht der Fall, so wird seine Membran durch die über und unter ihr liegenden Figuren mehr oder minder ver- deckt. Er ist an sich relativ gross. Das Grössenverhältniss zwi- schen Zelle und Kern ist etwa das gleiche wie bei den Zellen der Spinalganglien. Der Kern ist meist ziemlich kreisrund und erscheint im Normalpräparat fast vollständig farblos. Seine Membran zeigt niemals die bei anderen Ganglienzellkernen so überaus häufigen Linien, welche Nissl als Faltungs- erscheinungen der Kernmembran auffasst, auch ein Kennzeichen, das die motorische Zelle von vielen anderen Zellarten der Rinde unterschei- det. Vom Kerninhalt nimmt man nur in einzelnen Zellen unbedeutende Andeutungen wahr. Nur das Kernkörperchen, das stets sehr gross ist, ist intensiv gefärbt, ja der am stärksten gefärbte Theil der ganzen Zelle. In normalen und frisch ge- färbten Zellen erscheint es als ein homogenes, annähernd rund- liches Gebilde. In älteren Präparaten, manchmal aber auch in frisch gefärbten Zellen, kann man ein oder zwei etwas hellere kreisrunde Gebilde in ihm feststellen: die sogenannten Vacuolen der Nucleolen. In letzteren ist, namentlich wenn die Schnitte abgeblasst sind, oft auch im frischen Präparat je ein stark licht- 166 Walther Kolmer: brechendes Körnchen zu erkennen: die Krystalloide der Nucleolen, wie Nissl diese Gebilde benennt. Pigment tritt in der Norm am häufigsten im Zellinnern auf, in zweiter Linie auch am Abgang der Dendriten und im Nerven- fortsatzhügel, selten in den peripheren Theilen der Dendriten, niemals aber innerhalb jenes Stücks derselben, wo die färbbaren Figuren absolut fehlen. Auch im Nervenfortsatzhügel befindet es sich immer zwischen den färbbaren Substanzportionen, niemals im ungefärbten peripheren Theile. Nur die motorischen Cortex- zellen des Menschen besitzen Pigment. Nissl unterscheidet mindestens zwei Sorten von Nerven- zellenpigment. Das häufigere auch im Nissl’schen Präparat an seiner Farbe kenntliche hellgelbe oder goldgelbe Pigment ist auch in den motorischen Zellen vertreten. Zwar besitzen dieselben auch noch daneben ein dunkleres Pigment, aber dasselbe bedarf zu seiner Darstellung besonderer Methoden. Sind jedoch die Pigmenthaufen sehr gross, so kann man auch bei der eleetiven Me- thode zwischen den goldgelben Massen einzelne dunklere, bräunliche Körnchen erkennen, die der zweiten Sorte von Pigment ange- hören. Wir haben keine Ursache, auf diese zweite Sorte Pigment des Näheren einzugehen. Nissl hält das gewöhnliche hellgelbe Pig- ment für ein Umwandlungsproduct der sich intensiv färbenden Substanz. Thatsächlich können wir in motorischen Zellen nicht nur häufig hellgelbe Pigmentkörner in den intensiv gefärbten Figuren eingesprengt finden, sondern begegnen manchmal färb- baren Figuren, deren intensiv gefärbte Körnchen ganz durch hell- gelbes Pigment ersetzt sind. In solchen Fällen zeigt sich jenes schon von Niss] beschriebene Bild einer Honigwabe, deren Wände die blau gefärbte Substanz bildet, während das goldgelbe Pigment den Inhalt der Waben darstellt. Das eben beschriebene Verhalten zeigen sämmtliche mo- torische Zellen auf der Kuppe der Gyri der menschlichen Rinde. Die in der Rinde der Furchen und deren Abhänge befindlichen motorischen Elemente verhalten sich zwar structurell ebenso, aber ihre äussere Form ist im Allgemeinen etwas anders. Abgesehen davon, dass an diesen Orten der Breitendurchmesser unverhältniss- mässig auf Kosten des Längsdurchmessers ausgebildet ist, fehlt hier gar nicht selten der Spitzenfortsatz gänzlich. Ja man kann Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 167 selbst beinahe randliche Elemente beobachten, deren Fortsätze sich nach allen Riehtungen hin gleichmässig entwickeln. Soweit können wir uns im electiven Präparat über die Structur der Zelle unterrichten. Wollen wir auch über jene Strueturtheile Aufschluss erhalten, die das elective Zellpräparat nicht färbt, so bleibt niehts anders übrig, als andere Methoden zu Hülfe zu nehmen. Da wir jedoch nur die Merkmale der mo- torischen Zellen und ihre Unterschiede von anderen Zellarten kennen lernen wollen, genügt es, mit Hülfe eines brauchbaren Kerndarstellungsverfahrens über die feinere Kernstructur der motorischen Zellart sich zu orientiren. Soweit es sich nur darum handelt, Unterschiede in der Kernstructur zwischen verschiedenen Zellen zu finden und nachzuweisen, dass wie der Zellleib so auch der Kern der motorischen Elemente sich von dem Kern aller übrigen Zellarten unterscheidet, reichen wir mit den gewöhnlichen Methoden vollständig aus. So erhalten wir beispielsweise nach Fixirung der Rinde mit Sublimat oder mit Hermann ’'scher oder Flemming’scher Lösung in Verbindung mit Heidenhain’s Eisen- alaunhämatoxylin-Methode eine genügend distinete Kerndarstellung. Wir können dabei immer die Besonderheit der motorischen Zell- kerne feststellen. Die grossen kreisrunden, wegen des reichlich vorhandenen Kernsaftes verhältnissmässig hell gefärbten Kerne zeigen eine dünne, schwach tingirte Kernmembran, die im Gegen- satz zu anderen Kernen niemals Faltungserscheinungen darbietet. Im Innern finden wir ein zartes, nur blass gefärbtes Liningerüst mit zahlreichen Ansammlungen von Lininsubstanz. In letzteren sowie in den zarten Lininfäden sind einige intensiv gefärbte Körnehen eingelagert. Dieselben färben sich auch mit basischen Farben, sind aber häufig so spärlich vorhanden, dass in der Regel auf dem Schnitte der Kerninhalt absolut ungefärbt er- scheint. Das Kernkörperehen hat eine besonders differenzirte Aussenzone, die sich tinetoriell etwas anders verhält als der Kernkörpereheninhalt. An zwei gegenüberliegenden Stellen des Nuceleolus findet man, mit seiner Oberfläche aufs innigste ver- schmolzen, zwei winzige, äusserst intensiv gefärbte Körnchen, die Polkörperehen Nissl’s. In ihrer Lage entsprechen die Pol- körperehen einerseits der Richtung des Spitzenfortsatzes, anderer- seits dem Axon. Man kann auch manchmal 3 Polkörperchen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 12 168 Walther Kolmer: wahrnehmen; in letzterem Falle ist aber eine Beziehung ihrer Lage zur Gesammtzelle nieht deutlich zu erkennen. Man beobachtet ausserdem die sogenannten „Anlagerungs- körner* Niss!’s, welche sich in keiner Weise von den im Linin- netz suspendirten Körnern unterscheiden, stets aber den Nucleolus begleiten, wenn er zufällig durch eine Rauhigkeit des Messers aus dem Kern gerissen wird. Meist sind im Inneren des Kernkörperehens die schon erwähnten Vacuolen nachzuweisen. Zur Darstellung der in ihnen liegenden Krystalloide bedarf es eigener Methoden. Was die Neurofibrillen-Präparate Bethe’s betrifft, so kann ich mich auf seine Schilderung des Ver- haltens der Neurofibrillen in den Cortexzellen berufen. Da, wie es scheint, ein prineipieller Unterschied bezüglich des Verhaltens der Neurofibrillen in den Zellen der motorischen Art und den übrigen Cortexzellen nicht besteht, so gilt die Darstellung Bethe’s auch für die Zellen dieser Art. Selbst- verständlich ist damit nicht gesagt, dass die motorische Zellart im Cortex mit Bezug auf ihre Neurofibrillen vollständig den übrigen Zellarten entspricht. Im Gegentheil auch im Hinblick auf die Neurofibrillenverhältnisse unterscheidet sie sich sehr wohl von den Elementen anderer Art. Die Unterschiede be- ziehen sich auf die Menge der Fibrillen, auf die Verlaufsart und die Durchflechtung ihrer Züge, sowie auf die auffallend reichlichen Massen von Neurofibrillen, die zu Axonfibrillen werden. Mehr lässt sich zur Zeit nicht aussagen. Wie schon Bethe be- tont hat, sind die Bilder seiner Methode genau die Negative der Nissl’schen Bilder, die als die positiven aufzufassen sind. Der Hinweis auf diese Thatsache allein genügt schon, um zu beweisen, dass die Zellart der motorischen Zellen sich auch hinsichtlich des Verhaltens der Neurofibrillen von den übrigen Zellarten der Rinde unterscheidet. Dadurch, dass die färbbaren Substanztheile fast allseitig von ungefärbter Substanz umgeben sind, in der die Neurofibrillenzüge eingebettet liegen, durchflechten und kreuzen sich die letzteren in viel höherem Maassstabe als in anderen Cortex- zellen. Uebrigens ist das Bethe’schen Präparat nicht nur mit Bezug auf den Zellleib das Negativ vom Positiv, das durch Nissls Methode erhalten wird, sondern für den Kern gilt das Gleiche. Auch hier ist das Bild der Bethe’schen Färbung das genaue Negativ des mit der Nissl’schen Methode gewonnenen positiven Kernbildes. Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 169 Es erweist sich namentlich der Kernsaft als ein Conglomerat aus diehtgedrängten, körnigen, fädigen und scholligen gefärbten Elementen, die Kernmembran dagegen als ein nicht scharf ab- gegrenztes Gebilde, während das Linin und die Masse des Kern- körperchens kaum gefärbt erscheint. Von den Dendriten strahlen die intensiv gefärbten Neurofibrillen in dichten Zügen in den Zellleib ein, erreichen jedoch denselben nur zum Theil, da eine Anzahl von Neurofibrillen sich von der Hauptrichtung abzweigen, um die nächstliegenden Dendriten zu erreichen, in deren Bahnen sie die Zelle wieder verlassen. Die durch den Hauptfortsatz in den Zellleib ziehenden Fibrilienbahnen streben in directer Rich- tung dem Kern zu, lösen sich aber noch bevor sie ihn erreicht haben, in eine Unzahl kleinerer Bahnen und in eine Masse sehr feiner Fäden auf, die in allen Richtungen sich kreuzen. Das Gewirre der in der Umgebung des Kerns befindliehen Fibrillen und Fibrillenbahnen ist viel zu dicht, als dass man im Stande wäre, einzelne Bahnen oder gar einzelne Fibrillen im Detail zu verfolgen. Gegen die Zellwand, namentlich aber gegen die Den- dritenursprünge, ordnen sich aus dem Gewirr der um den Kern gelegenen Fibrillen wiederum deutliche Züge, die man gut in die einzelnen Dendriten verfolgen kann. Die zu Axonfibrillen werden- den Neurofibrillen bilden bald näher, bald etwas weiter vom Zelleib entfernt einen dieken Draht, indem die einzelnen Neuro- fibrillen so dieht aneinander liegen, dass von einem Auseinander- halten derselben absolut nicht die Rede sein kann. In der Nähe des Nervenfortsatzhügels verbreitert sich das Axon, und nun kann man auch die einzelnen Fibrillen und Fibrillenbündelehen wahrnehmen. Dieselben durchziehen fächerförmig ausgebreitet den Nervenfort- satzhügel und treten von da zum Theil in irgend eine der zunächst liegenden Dendritenbahnen, zum grössten Theil aber in das um den Kern befindliche Gewirr von sich kreuzenden Fibrillen und Fibrillenbahnen ein. Auf Wunsch des Herrn Dr. Nissl habe ich der Abbildung einer motorischen Zelle des electiven Präparats die entsprechende Zeichnung aus einem Bethe’schen Präparat beige- fügt. Endlich weise ich noch darauf hin, dass die von Golgi, Auerbach, Held, Semi Meyer etc. beschriebenen pericellulären Netz- oder Gitterstrueturen in seltenen Fällen auch im Bethe’schen Präparat zur Darstellung gelangen. Wie mir Herr Dr. Nissl zeigte, treten die pericellulären Gitterstrueturen auch bei der 170 Walther Kolmer: eleetiven Methode zu Tage, wenn schwere Schädigungen auf die Zellen eingewirkt haben. Am reinsten und klarsten werden bis jetzt diese von Bethe als Golginetze bezeichneten Structuren durch die Bethe’sche Methode dargestellt. Ich er- wähne diese in ihrem feineren Aufbau und hinsichtlich ihrer Bedeutung noch unbekannten Gitterstructuren deshalb, weil die verschiedenen Zelltypen ganz verschiedene Gitter besitzen, und der Hinweis auf die besonders geformten Gitterstructuren der motorischen Zellart ein weiteres seweismittel für die Specifität der motorischen Zell- art ist. Bis jetzt wurde von vielen Seiten der Begriff motorische Zellart gebraucht. Im grossen Ganzen kann man wohl sagen, dass diejenigen, welche sich dieses Begriffes bedient haben, sehr verschiedenartige Nervenzellenarten damit bezeichnet haben und zwar sowohl Zellen der motorischen Art im Sinne Nissl's, wie auch noch andere ähnliche grosse Zellen, deren Funetion Niemand kennt. Zweifellos giebt es in der Rinde des Menschen und der Thiere grosse Zellarten, welche den motorischen Zellen auch in structureller Hinsicht ähnlich sehen. Namentlich gilt das be- sonders von einer Zellart, welche Nissl als Uebergangsformen bezeichnet hat, weil sie structurell den motorischen Zellen sehr ähnlich sind und gewissermassen eine Uebergangsform zwischen den motorischen und andern grossen Rindenelementen darstellen. Diese Elemente der Uebergangsform haben aber ein viel grösseres Verbreitungsgebiet im Cortex als die motorischen Zellen. Immerhin kann man die Uebergangsform von den moto- rıschen Zellen deshalb leicht unterscheiden, weil erstere keinen ausgesprochenen Nervenfortsatzhügel besitzen und ausserdem das Kernfaltuangsphänomen darbieten. Hinsichtlich der topographischen Vertheilung finden sich die motorischen Zellen des Menschen zum grössten Theil oberhalb oder innerhalb der Schicht der Ganglienzellen nach Hammar- berg(13). Es ist dies jene Schicht, welche sich nach der Meynert'schen Eintheilung zwischen der Schicht der polymorphen Zellen (4. Meynert’sche Schicht) und der Schicht der Spindel- zellen einschiebt. Nach Nissl’s Eintheilung besteht die Rinde des Menschen aus dem zellfreien Rindensaum (erste Schicht Meynert's), aus der Pyramidenschicht, welche wieder in die Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 171 Schicht der kleinen (2. Meynert’sche Schicht) und in die Schicht der grossen Pyramiden (3. Meynert'sche Schicht) zerfällt. Drittens aus der kleinzelligen Schicht (4. Meynert’sche Schicht) und endlich aus der Markfaserschicht, welche Niss|l in eine äussere Zone (die Ganglienzellenschicht Hammarberg’s) und eine innere Zone (die 5. Schieht Meynert's) zerlegt. Bei dieser Eintheilung wird auch das Verhältniss zur Faserung berücksichtigt. Man muss allerdings wissen, dass die Schichten keineswegs überall gleich stark entwickelt sind; so fehlt speciell die kleinzellige Schicht oder ist nur andeutungsweise an den Orten entwickelt, wo wir die eehten motorischen Zellen finden, ein Umstand, der auch diese Rindenregion zu einer besonderen stempelt. Die klein- zellige Schicht entspricht der Höhe des mittleren Tangential- fasersystems (Baillarger’scher Streifen. Statt einer aus- sesprochenen Schicht kleiner Zellen findet sich im Verbreitungsgebiet der motorischen Zellen eine relativ zellarme Zone. Nach aussen stösst daher dieselbe an die innere Grenze der grossen Pyramiden, innen an die äussere Grenze der Hammarberg'schen Ganglien- zellenschicht oder an die äussere Grenze der Markfaserschicht Niss!’s. In dieser zellenarmen Zone, in der sich massenhaft tangential und radiär verlaufende Fasern finden, ist der weitaus grösste Theil der motorischen Zellen angeordnet. Freilich sind einzelne auffallend weit gegen die Schicht der grossen Pyramiden vorgeschoben, und ebenso stehen einzelne motorische Zellen dieht an der inneren Zone der Markfaserschicht oder an der Schicht der Spindelzellen Meynert’s. Der grösste Theil aber ist, wie schon gesagt, in der genannten zellenarmen Zone etablirt und zwar hinwieder vorzugsweise in der Grenzzone der Ganglienzellenschicht Hammarberg's. In Folge dessen steht auch die grösste Zahl der motorischen Zellen in ziemlich gleicher Höhe. Sie bilden daher auf dem Schnitt eine einfache Reihe von Zellen, da nur einzelne nach innen oder aussen vorgeschoben sind. Das Ver- halten der motorischen Elemente in dieser Reihe ist sehr cha- rakteristisch. Die Reihe ist, wie bekannt, nicht geschlossen, sondern die einzelnen Zellen sind durch Zwischenräume von 20 bis 100 u und mehr getrennt; sie sind also in ihrem Verbreitungs- gebiet gleich einer Vorpostenkette angeordnet. Häufig sieht man in dieser Kette statt einer einzelnen Zelle kleine Gruppen von 2, 3, 172 Walther Kolmer: selten mehr Zellen, die dann ziemlich dieht nebeneinander stehen. Die Lagerung der einzelnen Zelle im Rindengewebe habe ich schon mitgetheilt, nur weise ieh noch auf den Umstand hin, dass die motorische Zellart mit besonderer Vorliebe vor zahlreichen gliösen Trabantkernen umgeben ist, die sich enge an die Zelle schmiegen. Man findet gar nicht so selten 20 und mehr solcher Gliakerne, be- sonders an der Basis der Zelle. Die motorischen Zellen der Hirnrinde entsprechen in jeder Hinsicht den motorischen Zellen anderer Orte, indess bieten sie doch eine kleine Abweichung insofern, als sie namentlich beim Menschen sogenannte Kernschüsseln besitzen können, welche die motorischen Zellen der Hirnnervenkerne und des Rückenmarks niemals zeigen. Nissl versteht unter den Kernschüsseln jene färbbaren Figuren, die in Form einer Schüssel so enge sich an den Kern anlegen, dass man die Kernmembran in der Umgebung der Schüssel nicht von ihrer färbbaren Substanz abzugrenzen vermag. Auf genau senkrechten Durchsehnitten sieht natürlich diese „Schüssel“ wie eine dem Kerne dicht anliegende Sichel!) aus. Ich habe als Paradigma der Zellen der motorischen Art die motorischen Cortexzellen des Menschen geschildert. Da ich mir nicht die Aufgabe gestellt habe, die einzelnen motorischen tindenelemente bei verschiedenen Thieren zu beschreiben, sondern bloss deren Vertheilung in der Rinde einzelner Thiere, so kann ich mich mit dem Hinweise begnügen, dass die motorischen Zellen überall, wo diese Zellart bei Thieren überhaupt auftritt, dieselpoen Verhältnisse in ihrer Struetur und in ihrem Verhalten zu anderen Rindenzellen erkennen: lassen. Ein ausgesprochener Unterschied besteht nur hinsichtlich des Pigments, das den Thieren fehlt. Auch hinsichtlich der topographischen Vertheilung der mo- torischen Cortexzellen und ihrer Lagerung in der Rinde, sowie der Menge der sie umgebendeu grauen Substanz, der Markfasern und Gliazellen sind überall, wo motorische Zellen auftreten, analoge Verhältnisse vorhanden, so dass auch hierauf die Be- schreibung der menschlichen Rinde ziemlich passt. . Nissl legt auf diesen Umstand ein ganz besonderes Gewicht, weil 1) Fig. IT Tafel X bringt die Kernschüssel an der rechtsseitigen Kernwand und zwar an deren unteren Hälfte zur Darstellung. Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. No die Gesetzmässigkeit, mit der analoge Verhältnisse der Rinde bei verschiedenen Thieren wiederkehren, ein weiterer Beweis dafür ist, dass man beim Auftreten motorischer Zellen in der Hirnrinde es nicht mit einer zufälligen Erscheinung zu thun hat, sondern mit Bau- verhältnissen, die, wie die Physiologie und Pathologie beweist, in innigster Beziehung zur Function stehen. Aus diesem Grunde hat mich Herr Dr. Niss] veranlasst, die Regionen festzustellen, in denen sich diese analogen Bauverhältnisse bei verschiedenen Thieren finden, und das Verbreitungsgebiet der letzteren in der Thierreihe exaet zu umgrenzen. Es ist damit natürlich nicht gesagt, dass die menschliche Rinde in dem Ge- biete, wo die motorische Zelle sich findet, etwa direct mit der- selben RKegion anderer Thiere verglichen werden dürfe. Im Gegentheil, wie schon Nissl betont hat, unterscheidet sich zum Beispiel die Rinde des Hundes total von der Rinde des Menschen, nicht nur hinsichtlich der einzelnen Zellen, sondern auch hin- sichtlich der Schichtung und vieler anderer Umstände. Aber wie man beim Menschen dieselbe Zellart, die seine motorischen Kerne enthalten, auch in der Rinde als flach ausgebreitetes Feld in einer innerhalb der radiären Faserung befindlichen Schicht antrifft, die relativ arm an Nervenzellen ist, so wiederholt sich dasselbe Verhalten in der Thierreihe. Man findet auch beim Hund und anderen Thieren ein Rindengebiet, das Zellen enthält, die den Zellen ihrer motorischen Kerne in jeder Beziehung ent- sprechen und sich in einer innerhalb der Radiärfasern befindlichen und an anderen Zellen armen Schicht in derselben vorpostenketten- artigen Weise vertheilen. Ich habe schon früher auf zwei von Niss] veröffentlichte Photographien hingewiesen, welche einen senkrechten Durchschnitt durch die motorische Rindenregion des Menschen und einen ebensolchen beim Hunde darstellen. Aus den beiden Bildern ergibt sich ohne Weiteres, dass die beiden Hirnrinden in toto sehr weit von einander verschieden sind. Was aber das Verhalten der motorischen Zellen betrifft, so ist es bei beiden auf den ersten Blick analog. Meine Auf- gabe besteht nunmehr darin, diese Analogie nieht nur beim Hunde, sondern überhaupt bei denjenigen Thieren zu beschreiben. welche eine motorische Rindenregion, das heisst, eine Region be- sitzen, inder Zellen jener Nervenzellenart enthalten sind, 174 Walther Kolmer: welehe in der ganzen Wirbelthierreihe die Wurzelzellen sämmtlicher motorischer Hirn- und Rückenmarksnerven ausschliesslich liefert. Unter der „motorischen“ Hirnrindenregion eines Thieres oder des Menschen ist also jenes scharf nmschrie- bene Rindengebiet zu verstehen, in dem Zellen der motorischen Nervenzellenart in einer typischen Weise angeordnet sind, d.h. in einer vorpostenkettenartigen Vertheilung innerhalb einer Schicht, welche in der Regel nur wenige andere Nervenzellen enthält und noch innerhalb der Radiärfaserung sich befindet. Als Zellen der motorischen Nervenzellenart sind diejenigen Nervenzellen zu bezeichnen, die in physiologischer Hinsicht mit motorischen Funktionen in irgend einem, d. h. in einem zur Zeit uns noch unbekannten Zusammenhange stehen und welche inanatomischer Hinsicht von allen übrigen Nerven- zellen sieh dadurch unterscheiden, dass sie im elecetiven Zellpräparate 1. ein Axon erkennen lassen, das sich aus dem Nervenfortsatz- hügel entwickelt, 2. einen grossen Kern mit ungefärbtem Inhalt zeigen, dessen Membran nur ausnahmsweise und unter bestimmten Voraus- setzungen beobachtet werden kann, niemals aber Kernmembran- faltungen darbietet; 3. eine eigenartige Gesammtanordnung der mit Methylenblau färbbaren Substanzgruppe besitzen; von den typischen sehr verbreiteten Figuren, wie Basalkörper, Kernkappen, Ver- zweigungskegel u. s. w. zeigen z. B. die motorischen Zellen ausschliesslich nur Verzweigungskegel und die kleinen Den- dritenspindelchen, die motorischen Nervenzellen der Rinde des Menschen allerdings auch noch Kernschüsseln; 4. im Gegensatz zu den anderen grosszelligen Nervenzellenarten viel schwerer erkennbare, weil undeutlich zu Tage tretende, ungefärbte Bahnen im kernhaltigen Zellleib a dass sie 5. im Bethe’schen Neurofibrillenpräparate eigenartige Golgi- netze aufweisen, und dass sie 6. in mit Flemming’scher oder Hermann’scher Flüssigkeit ete. fixirten Präparaten bei distineter Kern- und Kernkörper- chenfärbung gegenüber anderen grosszelligen Nervenzellen- Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 175 arten erhebliche Unterschiede in der Anordnung des soge- nannten Lininnetzwerkes resp. der in diesem Netze vorhandenen Ansammlungen von Lininsubstanz wie auch der im Lininnetze eingebetteten und im Farbtone der Nucleolen gefärbten Körnchen darbieten, vor allem aber gegenüber anderen grosszelligen Zellarten stets nur winzig kleine Polkörperchen der Nucleolen besitzen. Den Schwerpunkt meiner Untersuchung lege ich nicht auf eine detaillirte Analyse der „motorischen“ Region und auf die Differenzen, welche in Bezug auf liese Rindengegend bei den ein- zelnen Thieren zu Tage treten, sondern auf eine möglichst genaue Abgrenzung jener Gebiete, die motorische Rindenzellen besitzen, von solchen Oertlichkeiten, welche keine motorischen Zellen enthalten und auf die Feststellung des Auftretens dieser „motorischen“* Re- gion in der Wirbelthierreihe. Mensch. Die motorischen Zellen des Menschen wurden zuerst in der Hirnrinde von Betz (14) in Kiew entdeckt und beschrieben. Er fand sie in der ganzen vorderen und bis zum oberen Ende in der hinteren Centralwindung. Dieser Befund wurde von Hammarberg genauer untersucht und bestätigt. Letzterer gab auch an, dass die Zellen, auffallend durch ihre Zahl und Grösse, an der inneren Fläche der Hemisphäre im Paracentralläppcehen zu finden sind. Es bezieht sich diese Angabe aber nur auf grosse Zellen im Allgemeinen, ohne dass dabei die Besonderheit der motorischen Zellart berücksichtigt wurde. Wenn man jedoch speciell nur auf diese achtet, so ergibt sich für die menschliche Hirnrinde etwa folgendes Verhältniss: Die mo- torischen Zellen bilden einen geschlossenen nach unten zu schmäler werdenden Streifen, der der Fissura centralis Rolandi auf beiden Seiten folgt. Die Zellen treten zuerst in grosser Anzahl im Lobulus paracentralis auf, gehen dann auf die obere Fläche des Gehirns zunächst in die vordere Centralwindung über. Hier er- strecken sie sich über die ganze Breite dieses Gyrus im oberen Drittel. Auch auf die hintere Centralwindung über die Central- furche hinüber erstreckt sich der motorische Zellstreifen und findet hier im mittleren Drittel der Windung seine grösste Breiten- 176 Walther Kolmer: ausdehnung, indem er genau die gesammte Breite des Gyrus einnimmt. Von da abwärts verschmälert sich der Zellstreifen zu beiden Seiten der Centralfurche, so dass endlich im untersten Theil nur mehr auf der vorderen Centralwindung ein ganz schmaler Streifen übrig bleibt, der gegen das Opereulum hin verschwindet. Ich verweise hierbei auf die beigegebene Tafel, welche die Ver- hältnisse dieser, sowie der nächst beschriebenen Rinden möglichst genau wiedergibt. Was die genauere Zellvertheilung betrifft, gilt Folgendes: Am oberen Ende der vorderen, sowie in der Mitte der hinteren Centralwindung, finden sich besonders dichte Ansammlungen sehr grosser motorischer Elemente. Von der Fissura centralis aus- gehend, nimmt im beschriebenen Gebiete die Dichte der moto- rischen Zellen und, damit gleichen Schritt haltend, auch der Streifen des nervösen Graus, der sie umgibt, an Breite ab. Der Uebergang des motorischen Feldes zur übrigen Rinde erfolgt ganz allmählich und ohne scharfe Grenze. Dieser Befund stimmt mit den Angaben der Autoren so ziemlich überein. Einen auffälligen Unterschied in der Grösse der motorischen Elemente der rechten und linken Hemisphäre, wie ihn Betz von seinen Riesenpyramiden beschrieben hat, konnte ich niemals constatiren. In der Um- gebung der Region finden sich noch viele grosse ähnlich gebaute Zellen, denen aber die charakteristischen Merkmale fehlen; es sind dies die eingangs erwähnten Uebergangszellen. Man con- statirt eine Anzahl von diesen Elementen in der Wurzel der Stirn- windungen, sowie nach rückwärts gegen den Sulcus retrocentralis und interparietalis zu. Auch im Hinterhauptslappen sind bekannt- lich sehr grosse Pyramiden enthalten. Dieselben haben aber nichts mit der motorischen Zellart zu thun. Affe, Zur Untersuchung wurden verwendet die Hirnrinden von Macacus und Cynoscephalus. Im grossen Ganzen zeigen sich hier dieselben Verhältnisse wie beim Menschen. Das Feld der echten motorischen Zellen beschränkt sich auf einen etwa 1 cm breiten Streifen, der auf beiden Seiten der Centralwindung hin- zieht. (Ich folge bei der Beschreibung der thierischen Rinden jener Nomenclatur, die Flatau und Jacobsohn {15) in ihrem „Handbuch der Anatomie und vergleichenden Anatomie des Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 177 Centralnervensystems der Säugethiere“ aufgestellt haben.) Be- merkenswerth ist, dass die einzelnen Elemente auf der vorderen Centralwindung diehter stehen, als auf der hinteren, und dass sie nirgends die ganze Breite der Gyri einnehmen. — Von den Affen erwähnt schon Betz, dass er beim „grauen und grünen Affen“ Riesenpyramiden auf demselben Gebiete wie beim Menschen gefunden hat. Das hier beschriebene Feld stimmt so ziemlich genau mit dem beim Affen von den Physiologen beschriebenen motorischen Centrum überein. Nur ist letzteres etwas grösser, was sich wohl leieht dureh die Fehler erklären lässt, die die nicht genau zu umgrenzende physiologische Reizung ergibt. Hund. Beim Hund ist die motorische Region am längsten bekannt. Sie wurde hier zuerst durch das physiologische Experiment ent- deekt und genau erforscht. Auch Betz hat sich mit dieser Region beim Hunde beschäftigt und fand Riesenpyramidenzellen im „gleichen Gebiete“ wie beim Menschen, die, etwas kleiner als die menschlichen, sich bestimmt in Nervenfasern fortsetzen und alle Attribute motorischer Zellen besitzen. Die Untersuchung ergab hier Folgendes: Die motorischen Zellen bilden ein zusammenhängendes gelapptes Feld; sie finden sich — von vorne ausgehend — zuerst in der Mitte des Gyrus coronarius, begleiten beiderseits in schmalem Zuge die Fissura coronalis; hier breitet sich sodann das Gebiet über den hinteren Theil des Gyrus suprasylvius anterior aus, überschreitet die Fissura entolateralis und bedeckt die im Bereich der Fissura ansata gelegenen Theile des Gyrus centralis posterior und Gyrus entolateralis. Von hier aus breiten sich die Zellen, langsam an Zahl und Dichtigkeit abnehmend, über den Gyrus suprasylvius medius und ectosylvius medius aus, um in der Mitte der Fissura sylvii zu verschwinden. Nach rückwärts setzt sich das mit nur wenigen Zellen noch besetzte Feld über den Gyrus ectolateralis und suprasylvius medius fort. Der Uebergang der motorischen Region in die übrige Rinde ist ein ganz allmählicher, indem die dichte Anordnung der motorischen Elemente vom Centrum, der Fissura ansata, nach aussen hin nach und nach abnimmt. Die einzelnen Zellindividuen sind etwas kleiner, selbst in ihren grössten Exem- plaren, als die des Menschen. Sie sind nicht so schlank wie 178 Walther Kolmer: diese, stimmen aber sonst im inneren Bau ziemlich mit den menschlichen Zellen überein. Auf die geringen Unterschiede kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Auch beim Hunde stehen die motorischen Elemente in einer zellenarmen Schieht der radiären Markfasern; indess zeigt sie eine geringere Breite, als bei den höheren Thieren. In Folge dieses Um- standes stehen die Zellen dichter, so dass man auf gleichem Raume mehr Zellen sieht, als beim Menschen. Auch be- obachtet man beim Hunde eine Gruppenbildung von 3—5 Zellen gar nicht selten. Die sogenannten Uebergangszellen trifft man auch hier in der Umgebung des motorischen Feldes, besonders nach unten hin an. Speciell beim Hunde nahm ich Gelegenheit, in der eingangs besehriebenen Weise durch Serienschnitte die ganze Hemisphäre genau zu untersuchen. Dabei verdient hervor- sehoben zu werden, dass niehteineeinzigeZelle in der ganzen Rinde ausserhalb des Centrums sieh auffinden liess, welehemitden motorischen Elementen hätte verwechselt werden können. Das Verhältniss der motorischen Zellen zur Schichtung ist in der Rinde «des Hundes ein ähnliches wie beim Menschen, dennoch kann man die für die menschliche Rinde passende Be- zeichnung der Schichten nicht hier in Anwendung bringen, da die Rindenschiehtung von der menschlichen sehr verschieden ist. Katze. Auch von der Katze hat schon Betz angegeben, dass sie motorische Zellen besitzt. Es lässt sich diesbezüglich Folgendes feststellen: Die Elemente zeigen den beschriebenen charak- teristischen Bau, sind etwas kleiner als bei Mensch, Affe und Hund und stehen dieht in einer Reihe, doch ist ihre Kette nicht so regelmässig ausgebildet wie bei den höheren Thieren. Be- merkenswerth ist es, dass ein zellarmer Streifen hei diesen Thieren in der Umgebung der motorischen Elemente kaum ausgeprägt und nicht überall mit Sicherheit zu constatiren ist. Das motorische Feld begrenzt sich wie folgt: Es finden sich die motorischen Zellen schon ganz weit vorne in der Rinde des Gyrus cen- tralis anterior vor der Fissura eruciata. Von hier ausgehend breitet sich das zusammenhängende Feld der motorischen Zellen Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 179 über die Fissura eruciata weg nach rückwärts über die ganze Breite der zweiten und dritten Bogenwindung, bis etwa in ihre Mitte gleichmässig aus; nach unten hin bildet die Fissura ecto- sylvia die Grenze des Feldes. Einzelne Elemente lassen sich auch noch über die Mitte der oberen Bogenwindung nach rückwärts eine Strecke weit verfolgen. Bemerkenswerth ist der Umstand, dass bei der Katze in auffallender Weise die motorischen Elemente von der obersten Bogenwindung auch weit auf die mediale Rindenoberfläche übergreifen. Sie sind hier nur etwas weniger dicht gestellt als auf der lateralen Hemisphärenfläche, reichen aber nach unten bis zur Fissura splenialis. Das motorische Feld ist bei der Katze im Verhältniss zur ganzen Rindenober- fläche sehr umfangreich. Fledermaus. Bei der Untersuchung dieser Rinde stellte sich heraus, dass sie wie alle Rinden der unteren Repräsentanten der Säuge- thierreihe einem viel weniger differenzirten Typus angehört. Man findet die einzelnen Zellen dicht stehend, von wenig grauer Sub- stanz getrennt. Eine vollständige Serien-Analyse ergab das ab- solute Fehlen jeder motorischen Zelle in der gesammten Rinde. Igel. Der Igel und andere Insectivoren besitzen, wie alle niederen Säugethiere, keine einzige motorische Zelle. Bei genauer Durehmusterung der Rinde gelang es kaum, wenige Zellen zu finden, die sich auffallend durch ihre Grösse von den anderen unterschieden, ohne aber irgend wie die Charaktere der motorischen Zellart aufzuweisen. Nagethiere. Die glatte Hirnoberfläche der Nagethiere wurde an Kanin- chen, Maus, Ratte, Meerschweinchen von vielen Beobachtern, be- sonders auch von Nissl untersucht. In dieser Rinde giebt es niemals eine motorische Zelle, überhaupt sind die Grössen- unterschiede der einzelnen Elemente nicht so extrem wie beim Menschen etc. Bei diesen Thieren ist das übrige Centralnerven- system ziemlich genau bekannt und man weiss, dass die anderen motorischen Orte ganz genau ebenso ent- 180 Walther Kolmer: wiekelt sind wie bei anderen Säugern. Die Zellen der Vorderhörner im Rückenmark, der Spinalganglien, der motorischen Kerne, sind wie bei den höheren Thieren strueturirt und überall ausgebildet. Mit diesem Befund stimmt überein, dass beim Kaninchen Verletzungen und Abtragungen ein- zelner Theile der Hirnrinde, ja selbst Wegnahme einer Hemisphäre keine so grosse Schädigung der motori- schen Erscheinungen zur Folge hat, wie zum Beispiel bei Hund und Katze, Schwein. Das, was von den Nagethieren gesagt wurde, scheint auch für alle tieferstehenden Klassen Gültigkeit zu haben. Die windungs- reiche Rinde des Schweins wurde in Serien untersucht. Auch hier liess sich keine einzige motorische Zelle con- statiren. Die Rindenelemente stehen hier nicht so dicht ge- drängt wie bei den Nagethieren. Der Cortex ist etwas zellärmer, und es finden sich einzelne ziemlich grosse Elemente, die einem ganz eigenen Typus anzugehören scheinen, der aber nichts mit dem motorischen gemein hat. Bund: Auch das Rind besitzt in der ganzen Ausdehnung seiner Rinde trotz des grossen Reichthums an Elementen nur wenige grössere Zellen. Es sind dies besonders lange, spindelartige Elemente mit zwei Basalfortsätzen, die so lang sind, dass sie sich durch fast zwei Drittel der Pyramidenschicht erstrecken ; keine einzige Zelle aber hat Aehnlichkeit mit mo- torischen Elementen. Leider war es mir durchaus unmöglich, die Hirne niederer Thiere (speciell die windungsreiche Rinde der Pinnipedier und die der Edentaten käme hier in Betracht) in so frischem Zustande zu erhalten, dass ich sie zu dieser Untersuchung hätte ver- wenden können. Es ergibt sich aus dieser Betrachtung der „motorischen“ tindenregion im Sinne Nissl’s, dass, so weit es die heutigen Methoden gestatten, nur bei wenigen höheren Wirbel- Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 181 thieren in der Hirnrinde eigenthümlich differenzirte Apparate zu constatiren sind, welche sich in jenen Regionen der Rinde befinden, welche auch von der Physiologie als mo- torische Rindencentra angesprochen werden. Die charakteristischen Bestandtheile dieses Apparates bilden die motorischen Zellen. Von diesen wissen wir, dass sie zur motorischen Funetion in irgend einem Verhältniss stehen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass beim Menschen dieBeziehungen zwischen Rinde und Muskelsystem sehr innige sind. Apoplexien und Erweichungen in der motorischen Region haben Monoplegien zur Folge. Beim Affen zeigt sich ein ganz analoges Verhalten (Monakow). Beim Hunde hingegen finden wir als Folge einer derartigen Schädigung bloss vorübergehende Lähmung und bleibende Ataxie. Beim Kaninchen aber hat der Verlust einer grösseren Rindenpartie, ja einer ganze Hemisphäre nicht jene Folgen auf motorischem Gebiete, die wir beim Hunde, beim Affen und Menschen kennen. Durch diese Thatsache wird unsere Annahme gestützt, dass Zellen der motorischen Struetur auch in der Rinde mit der motorischen Funetion in irgend einer Beziehung stehen. Welcher Art diese Beziehung ist, wissen wir nicht. Ja, wir vermögen hierüber nicht einmal eine Hypothese aufzu- stellen. Die niederen Wirbelthiere besitzen, wie aus dem Vorher- gehenden erhellt, diese Elemente nicht. Ob sie andere motorische Zellen in der Rinde besitzen, lässt sich mit Bestimmtheit weder bejahen, noch verneinen; die blosse Thatsache der Existenz einer Pyramidenbahn berechtigt jedenfalls nicht zu einer bestimmten Antwort auf diese Frage. Immerhin ist zu betonen, dass die Ergebnisse der Pathologie und des Thierexperiments mit den Befunden meiner Unter- suchung im besten Einklange stehen. Was die histologische Ausdehnung des „motorischen“ Cen- trums im Sinne Nissl’s betrifft, so lässt sich deutlich eine Fort- entwiekelung in der aufsteigenden Thierreihe constatiren. Der Grad seiner Ausbildung drückt sich in verschiedenen Um- ständen aus. Die ontogenetisch höher stehenden Thiere besitzen grössere motorische Elemente mit einer feineren Differenzirung ihrer Structur und ausserdem sind die Abstände zwischen den 182 Walther Kolmer: einzelnen Elementen grösser und die sie umgebende graue Sub- stanz mächtiger entwickelt. Für die vergleiehend-anatomische Forschung er- gibt sich die Thatsache, dass, ganz unabhängig von der so viel umstrittenen makroskopischeu Configura- tion der Rinde in ihren einzelnen Bezirken und Win- dungen, das übereinstimmende Auftreten bestimmt cha- rakterisirter Zellen der geeignetste Anhaltspunkt für das Auffinden homologer Regionen bei verschiedenen Thieren ist. Literatur -Verzeichniss. 1. Jenaische Zeitschrift für Mediein und Naturwissenschaften 1876. „Bemerkungen über den Kern der Nervenzellen.“ 2. „Vom Bau der Spinalganglienzellen.“ Beitrag zur Anatomie und Embryologie als Festgabe an Henle. Bonn 1882. 3. Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Strassburg 1885. 4. „Ueber den Zusammenhang von Zellstruetur und Zellfunetion.“ Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Köln 1887. 5. Apäthy, Studien über die Histologie der Najaden. Math.-naturw. Abtheilg. d. ungar. Acad. der Wissenschaften 1884. — Nach welchen Richtungen hin soll die Nervenlehre reformirt werden? Biolog. Centralblatt 1889. — Ueber die Schaumstructur, hauptsächlich bei Muskeln und Nervenfasern. Biolog. Centralblatt 1891. — Con- tractile und leitende Primitivfibrillen. Mittheilungen aus der zoolo- gischen Station zu Neapel 10 Bd., 3. Heft 1892. — Ueber das leitende Element des Nervensystems und seine Lagebeziehungen zu den Zellen bei den Wirbelthieren und Wirbellosen. Compte rendu des seances du III congr£es international de Zoologie, Leyden 1595 und Mittheilungen der Zool. Station zu Neapel. 12. Bd. 1897. — Bemerkungen zu Garbowski: Darstellung meiner Lehre von den leitenden Nervenelementen. Biolog. Centralblatt Bd. XV11I. 1898. — Ueber Neurofibrillen, Extracted from the Proc. of internat. congr, of the zoology. Cambridge 1898. 6. Bethe, Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. 50, p. 460—546 und 589--689; Bd. 51, p. 382—452. — Ebendaselbst Bd. 54, p. 135. Die Degeneration der markhaltigen Neıvenfaser ete. — Anatom. An- zeiger Bd. XII. 1896. — Die anatomischen Elemente des Nerven- systems und ihre physiologische Bedeutung. Biolog. Centralblatt 1898. p. 843. 7. Nissl, Münchener Medieinische Wochenschrift 1898, No. 31—33. 8. Golgi, Boll. della societä med. chir. di Pavia. April u. Juni 1898, Archives ital. de Biologie. Juni 1899, Beitrag zur Kenntniss der „motorischen“ Hirnrindenregion. 183 9. Auerbach, Zur Anatomie und Physiologie der Nervenfasern. 68. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt am Main. 1896. Neurolog. Centralblatt 1898. p. 445. Nachtrag ebenda p. 734. 10. Semi Meyer, Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. 46. 1895. — Berichte der math.-phys. Klasse der sächsischen Gesellschatt der Wissenschaft zu Leipzig. 25. X. 1897. —- Ueber centrale Neuriten- endigungen. Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. 54. 1899. p. 296. 11. Held, Beiträge zur Struetur der Nervenzelle und ihrer Fortsätze. Archiv für Anatomie und Physiologie, Anat. Abtheilung 1895, 1897, Supplementbd. 1897. 12. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre 1896. Bd. II. 13. Hammarberg, Studien über die Idiotie. Stockholm 189. 14. Betz, „Anatomischer Nachweis zweier Gehirncentra.“ Centralblatt für medieinische Wissenschaften. 1879. 15. Flatau und Jacobson, Handbuch der Anatomie und vergleichen- den Anatomie des Centralnervensystems der Säugethiere. 1899. Aeltere Literatur. Remak, Observationes anatomicae et microscopicae de system. nerv. structura. Berlin 1838. Fromann, Untersuchungen über die normale und patholog. Anatomie des Rückenmarks. Max Schulze, Stricker’'s Handbuch der Lehre von den Geweben B0.215 p-108 Hans Schulze, Die fibrilläre Structur der Nervenelemente bei Wirbel- losen. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. XVI, p. 57. Erklärung der Abbildung auf Tafel X. Fig. 1. Normale motorische Zelle der menschlichen Hirnrinde. Fixi- rung 96°/, Alkohol. Färbung des Schnitts aus uneinge- bettetem Material (von 10 u) nach Nissl’s Seifenmethylenblau- methode. Zeiss, Apochromat 2 mm num. Apert. 1.40, Oecul. 8. Vergrösserung ca 1000 x. Fig. 2. Sehr grosse motorische Zelle des Menschen, Bethe’s Fibrillen- färbung. Vergrösserung wie bei Fig. 1. Fig. 3. Topographie der „motorischen“ Hirnrindenregion des Menschen. Fig. 4 Topographie der „motorischen“ Hirnrindenregion des Cynos- cephalus. Fig. 5. Topographie der „motorischen“ Hirnrindenregion des Hundes. Topographie der „motorischen“ Hirnrindenregion der Katze. = 13 © Archiv f. mikrosk, Anat, Bd, 57 13 184 (Aus dem anatomischen Institut in Strassburg.) Studien über Flimmerzellen. Theil Il. Histogenese der Flimmerzellen. Von Dr. Alexander Gurwitsch, Assistent am anatomischen Institut. Hierzu Tafel XI und XI. Wenn auch die Untersuchung der Flimmerbewegung ein im Wesentlichen physiologisches Problem ist, so bleibt sie immer- hin so innig wie nur denkbar mit einer genauen anatomischen Kenntniss der feineren Structur der flimmernden Zellen verknüpft; andererseits ist eine rein deseriptiv-anatomische Darstellung der betreffenden Structuren, ohne Berücksichtigung der funetionellen Verrichtungen der einzelnen Bestandtheile des Wimperapparates, sehr wenig befriedigend, da sie uns jedenfalls über mehr oder weniger gut begründete Hypothesen nicht hinausführt; von einer Erklärung irgend einer vitalen Erscheinung kann wohl nur dann die Rede sein, wenn es gelungen ist, unsere physiologischen Kenntnisse über die betreffende Erscheinung in völligen Einklang mit den ana- tomischen zu bringen, d. h. wenn wir für jede anatomische Einzelheit des Objectes eine entsprechende Function oder physiologische Be- deutung, oder auch umgekehrt, wirklich nachgewiesen haben. Unser Erklärungsbedürfniss wird dabei in Bezug auf die gegebene specielle Frage befriedigt, obwohl wir ja natürlich in letzter In- stanz die daraus erkannten Wirkungsweisen auf andere, allge- meinerer oder höherer Ordnung zurückführen müssen. Dass das Verhältniss der physiologischen zu den anatomischen Kenntnissen speciell in der Flimmerbewegungsfrage ein sehr wenig befriedigen- des ist, muss wohl allgemein zugegeben werden; es sind uns mehrere physiologische Erscheinungen in der Flimmerbewegung bekannt, für die bis jetzt noch keine anatomische Basis gefunden ist; ich will als Beispiel den sog. Metachronismus nennen, d. h. das zeitlich streng geordnete auf einander folgende Schlagen der einzelnen Flimmerhaare, wodurch eine continuirliche, regelmässig fortschreitende Bewegungswelle entsteht. Auch kaun man noch vorderhand die Hoffnung nicht auf- Studien über Flimmerzellen. 185 geben, an den grössten und dieksten Repräsentanten der Flimmer- haare eine feinere Structur zu finden, welehe als anatomische Grundlage für die so mannigfaltigen Contractionserscheinungen derselben gelten könnte. Wenn wir uns die Flimmerhaare als aus den in der Längsaxe fest orientirten Engelmann’schen Inotagmen bestehende Complexe vorstellen, so wird noch daraus nicht klar, warum die Haare z. B. in der Regel ein actives Schlagen, d. h. eine Contraction nach einer Richtung, unter Umständen aber eine pendelnde oder gar eine Triehterbewegung ausführen, d. h. warum die Reihe der Contraetionen der einzelnen Inotagmen bald an einer Seite des Haares geradlinig, bald in einer Spirale (Triehterbewegung) u. s. w. fortläuft. Als unerklärt muss es insofern gelten, als es aus der hypothetischen Natur des einzelnen Inotagmas nicht folgt. Noch mangelhafter ist unsere Kenntniss über die physio- logische Bedeutung einiger Structuren, die zum Theile allen uns bekannten Flimmerzellen eigen sind, zum anderen wenigstens so vielen Arten zukommen, dass sie unwillkürlich in einen intimen Zusammenhang mit der spezifischen Beschaffenheit des eigentlichen Flimmerapparates gebracht werden müssen. Zu den ersteren gehören die sog. Fussstücke oder in der letzten Zeit nach Apathy’s (1) Vorgang „Basalkörper* der Flimmerhaare genannte Bildungen; zu den letzteren die merkwürdigen fibrillären Structuren innerhalb vieler Flimmerzellen, die wir kurz als Faser- kegel bezeichnen können. Geleitet durch eine, allerdings zuweilen sehr auffallende äussere Aehnlichkeit eines Basalkörpers und des dazugehörenden Flimmerhaares mit der ersten Anlage des Axenfadens des Sperma- schwanzes aus dem Centralkörper der Spermatide, haben, wie be- kannt, Lenhossek (16) und Henneguy (11) gleichzeitig und von einander unabhängig die Vermuthung ausgesprochen, dass die „Basalkörper“ den Centralkörpern zu identifiziren wären, oder erstere aus den letzteren entstanden gedacht werden müssen. Daran anknüpfend suchten sie auch darzuthun, dass in den Basalkörpern ihrer centrosomalen Herkunft gemäss auch das „kinetische Centrum“ der Flimmerbewegung zu suchen wäre, eine Ansicht, welche auch Peter (19) durch seine physiologischen Versuche zu stützen glaubte. Die Hypothese von Lenhoss&ek-Henneguy wurde von vielen, so z. B. von Flemming (7) beifällig aufgenommen, ist jedoch in der 186 Alexander Gurwitsch: von ihren Begründern ausgesprochenen Form durchaus unhaltbar, wie histogenetische Untersuchungen der in Betracht kommenden Fragen, die sehon kurz in einer vorläufigen Mittheilung (9) und ausführlich in der vorliegenden Arbeit geschildert werden sollen, ergeben. Wohl ist sie aber geeignet, noch einmal die Aufmerk- samkeit auf die merkwürdige Thatsache zu richten, dass ein, aus dem sog. Centralkörper der Spermatide herauswachsender Faden im Wesentlichen die gleichen Erscheinungen wie ein Flimmerhaar zeigt, d. h. dass doch ein flimmerndes Haar unter Umständen aus dem sog. Centralkörper herauswächst (voraus- gesetzt, dass derAxenfaden der Spermatide oder die Centralgeissel flimmern, was bis jetzt noch nieht nachgewiesen ist). Es muss daraus geschlossen werden, dass 1) entweder verschiedenen heterogenen Be- standtheilen der Zellen die Fähigkeit zukommt, aus sich ein Plasmaproduet zu differenziren, welches die merkwürdige Eigen- schaft der spontanen Flimmerbewegung besitzt, oder dass 2) da nachgewiesener Maassen die Basalkörper nicht aus den Centralkörpern hervorgehen, jedoch eine denselben völlig entsprechende Funetion besitzen, beide Bildungen auf etwas drittes, ihnen Gemeinsames zurückgeführt werden müssen, d. h. dass der Centralkörper der Zelle nicht als ein genuiner, immanenter Be- standtheil, Organ der Zellen, etwa dem Kerne gleichgestellt wer- den kann, sondern ein Differenzirungsproduet des Plasma’s wäre, oder endlich 3) dass das, was in den Spermatiden und Epithelien von den Autoren für einen Centralkörper, d. h. für ein in den bekannten Mitosevorgängen eine hervorragende Rolle spielendes Gebilde gehalten wird, es in der Wirklichkeit gar nicht ist. Die genauere Discussion dieser Alternativen wird u. A. die Aufgabe der folgenden Zeilen sein. Ich wollte hier zunächst nur andeuten, dass wir in den Flimmerzellen u. A. eine regelmässig wiederkehrende Structur haben, deren physiologische Rolle vorläufig noch in ein Dunkel gehüllt bleibt. Die zweite anatomische Besonderheit der Flimmerzellen ist der sog. Faserkegel, der schon Ende der 70er und namentlich im Jahre 1880 von Engelmann (6) sehr genau beschrieben wurde, jedoch in seiner Funetion völlig unaufgeklärt blieb. Sollte es uns gelingen, für dieoben angedeuteten physiologischen Erscheinungen eine entsprechende anatomische Grundlage, und für Studien über Flimmerzellen. 187 die zwei von uns besprochenen anatomischen Structuren eine physiologische Bedeutung und Rolle nachzuweisen, so würde ein bedeutender Schritt vorwärts in unserer Kenntniss und im Ver- ständniss der Flimmerbewegung gemacht werden. Die nach Möglichkeit vollständige Lösung dieser eben an- gedeuteten Fragen war die Aufgabe und der Ausgangspunkt der orliegenden Untersuchung: dies möge auch gleichzeitig als Ent- schuldigung für deu fragmentarischen Charakter der Abhandlung dienen, deren Aufgabe es zunächst ja ist, die Lücken in den verschiedenen in Betracht kommenden Fragen, theils physiologi- schen, theils anatomischen Inhaltes, auszufüllen. Der Weg, der dabei zunächst eingeschlagen wurde, ist vorwiegend ein embryologischer: es wurde versucht, den Ent- wicklungsgang einer Reihe von Flimmerzellen zu studiren, mit der Hoffnung, aus demselben einige Aufschlüsse zu gewinnen; der Inhalt dieser, leider vorderhand sehr unvollständigen (woran hauptsächlich die Schwierigkeit der Beschaffung des nöthigen embryologischen Materials die Schuld trägt) Untersuchungen bildet den ersten Theil dieser Arbeit; im zweiten Theil werden die neuen Thatsachen über die Structur der fertigen Flimmerzelle und einiges über die physiologische Rolle ihrer Bestandtheile ihre Besprechung finden. Die Histogenese der Flimmerzellen. Es wurde schon in der vorläufigen Mittheilung angedeutet, dass der Entwicklungsgang verschiedener Flimmerzellen so ausser- ordentlich abweichend ist, dass eine allgemeine, für mehrere Arten gültige Schilderung ganz unmöglich ist. Ich werde daher versuchen, einige Typen der Entwickelung aufzustellen, um in dieselben die verschiedenen bei ber Untersuchung gewonnenen Ergebnisse einzureihen. Typus I. a) Tubarepithel des Kaninchens. Wendet man sich an die Säugethiere, so ist wohl das be- quemste Untersuchungsmaterial das Flimmerepithel der Tuben und namentlich des Pavillons derselben mit seinen Fimbrien; diese ziemlich grossen und schönen Flimmerzellen, die keine Secretionserscheinungen zeigen und, sich beim Schneiden leicht in der gewünschten Richtung orientiren lassen, verdienen ent- 188 Alexander Gurwitsch: schieden den Vorzug vor den so vielfach benutzten Zellen des Nebenhodens. Im Aufbau einer fertigen Flimmerzelle der Fimbria sind keine besonderen Structureigenheiten wahrzunehmen. Der Zellleib ist ziemlich dunkel gefärbt, das dichte Plasma ist fein und grob granulirt, von irgend einer Spur einer faserigen Plasma- struetur ist nichts zu sehen. Die Basalkörper der Flimmerhaare sind in einem hellen, von dem dunklen Zellleib deutlich abge- setzten Zellsaum eingelagert. Jedes Basalkörperchen ist annähernd hantelförmig, erinnert somit in seiner Gestalt an die Centralkörper der Epithelzellen, ist jedoch bedeutend kleiner, als letztere. Der direete Vergleich kann leicht in den jungen Stadien geführt werden (Fig. 2), auf die wir noch weiter zurückkommen. In den Zellen b und c, die noch nicht flimmern, sind die Diplosomen zu sehen, welche an Grösse die Basalkörper der Flimmerzelle «a um ein Bedeutendes übertreffen. Die Reihe der palissadenförmig angeordneten Basalkörper nimmt die ganze Höhe des hellen, in unserem Falle mit Rubin roth gefärbten, hyalinen Zellsaumes ein. Irgend eine aufgelagerte Cutieula ist nicht nachzuweisen. Von jedem Basalkörper entspringt ein Flimmerhaar, wobei keine weiteren Differenzirungen wahrgenommen werden können. Der Entwickelungsgang dieses einfachsten Flimmerzellentypus lässt sich ziemlich vollständig an neugeborenen bis 8—10 tägigen Kanin- chen studiren. Das Epithel der jüngsten Stadien ist einfach eylindrisch und lässt zunächst weder im Innern des Zelleibes, noch am Zellsaum besondere Structuren wahrnehmen. Das dichte Zellplasma nimmt sehr begierig Farbstoffe an, erscheint daher sehr dunkel. Dieht an der feinen Oberfläche ist regelmässig ein Diplosom zu finden. Auch die „Centralgeissel“ [Zimmermann (25)] ist ein ziemlich häufiger Befund (Fig. 1). Betrachtet man das Epithel eines ca. 4tägigeu Thieres, so fällt zunächst ein mehr oder weniger scharf differenzirter, heller, fast vollständig hyaliner Zellsaum auf, dessen Höhe der Grösse des Diplosoms noch nicht ganz gleich kommt. Eine scharfe Trennung des hyalinen Saumes von dem stark körnigen Plasma gelingt nur in manchen Fällen. Meistens geht der helle Streifen ganz allmählich in das körnige Plasma des übrigen Zellleibes über; das Diplosoma ist noch zunächst in den allermeisten Fällen im hyalinen Zellsaum gelegen. Da es meistens höher als der Zellsaum ist, taucht sein inneres Ende in das granulirte Zell- Studien über Flimmerzellen. 189 plasma hinein, welches jedoch um den Diplosomakorn herum einen hellen Hof bildet. Diese oberflächliche Lage des Diplosoms innerhalb des hellen Zellsaumes ist speciell den jüngeren Stadien eigen, und man kann mit einiger Bestimmtheit sagen, dass eine Zelle b (Fig. 2) in ihrer Differenzirung der Zelle c um ein geringes voran ist, da in ersterer das Diplosoma den Zellsaum bereits verlassen hat. Dieses Verhalten lässt sich am besten vermittelst einer Zählung feststellen. Unter 80 gezählten Zellen eines fünf- tägigen Thieres war nur in 2—3 Fällen das Diplosoma unter dem Zellsaum gelegen; bei einem Stägigen Kaninchen war dagegen das in Fig. 2 (Zelle d) und Fig. 3 reproducirte Verhalten die Regel, Zellen wie c (Fig. 2) eine Ausnahme. Schon im Epithel eines ltägigen Thieres kommen spärliche, aber völlig ausgebildete Flimmerzellen vor; die überwiegende Mehrzahl befindet sich jedoch noch auf dem soeben geschilderten Stadium. Etwas zahlreicher sind fertige Flimmerzellen im Tubenepithel eines 8 tägigen Kaninchens, zu deren Schilderung ich nunmehr übergehen will. Der hyaline Zellsaum ist viel schärfer gegen den körnigen Zell- leib abgesetzt, die Diplosomen meistens aus demselben bereits ausgewandert. Wie weit die Differenzirung und die Abgrenzung des Zellsaumes gegen das Zellplasma fortgeschritten ist, lässt sich am deutlichsten in den Fällen wahrnehmen, wo infolge der Ein- wirkung von Reagentien das geschrumpfte Zellplasma sich von der Oberfläche retrahirte, die äussere Zellcontur und sogar die normale Vorwölbung derselben durch den, anscheinend viel resi- stenteren Zellsaum erhalten blieb (Fig. 3). Viel Schwierigkeiten bietet eine nähere Analyse der Structur des Zellsaumes. Es lässt sich wohl mit Bestimmtheit behaupten, dass derselbe nicht ganz homogen ist, ob er aber einen wabigen Bau besitzt, wie man ihn in Fig. 3 angedeutet sieht, oder aus einzelnen Stäbchen besteht, entgeht einer direeten Wahrnehmung, kann aber mit ziemlicher Sicherheit mittelbar aus den weiteren Stadien zu Gunsten des wabigen Baues entschieden werden. In dem Zellsaum entstehen nun die Basalkörper der späteren Flimmerhaare. Bei der ausserordentlichen Kleinheit der Elemente kann man nicht gut von einer Vorstufe derselben sprechen. Ein Zwischenstadium zwischen den Zellen ce (Fig. 2) oder Fig. 3 und der Zelle Fig. 4 giebt es schlechterdings nicht. In dem hellen Zellsaum ist plötzlich eine Reihe von deutlichen hantelförmigen 190 Alexander Gurwitsch: Basalkörpern aufgetreten, deren Höhe ganz genau den Zellsaum ausfüllt. Es treten immer mehrere Basalkörper gleichzeitig auf; es ist mir wenigstens nie gelungen, eine Zwischenstufe zwischen den zwei in Fig. 3 und 4 dargestellten Stadien zu finden. Es ist dabei zu beachten, dass die ersten auftretenden Basalkörper nicht etwa auf einer Zellregion concentrirt, sondern ziemlich rerelmässie in weiten Abständen von einander vertheilt sind. Eine Abknospung von dem Centralkörper oder Fragmentirung des letzteren erscheint schon demnach höchst unwahrscheinlich. Dass die Anzahl der Basalkörper des Stadiums Fig. 4 keine definitive ist, ergiebt sich mit einer viel grösseren Deutlichkeit auf Tangentialschnitten (Fig. 5). Neben vielen Zellen, die in der Höhe der Centralkörper angeschnitten sind, treten uns einige wenige entgegen, in welchen der Schnitt durch den Zellsaum ging. Der Zellsaum ist nun deutlich wabig gebaut. Es sind meistens regelmässige Waben, welche bis an die Schlussleiste heranreichen; die Basalkörper sitzen nun in den Knoten- punkten der Wabenmaschen. Bei der Klemheit und Zart- heit der Verhältnisse bleibt man zuweilen im Zweifel, ob nicht der eine oder der andere Basalkörper innerhalb einer Masche gelegen ist, oder ob zu demselben nicht ein ganz feiner Ausläufer einer Wabe hingeht. Im Allgemeinen lässt jedoch das Bild keinen Zweifel zu, dass die Lage der Basalkörper mit derjenigen der Knotenpunkte der Wabenmaschen zusammenfällt ). Ich glaube, dass diese T’hatsache, vereint mit dem absoluten Fehlen jeder Zwischenstufe, ein fast zwingender Beweis für eine s.z.s. autochtone Herkunft der Basalkörper als Differenzirungs- produet des Zellsaumes ist. Wenn man auch als Möglichkeit die von Bütschli (7) hervorgehobene Thatsache in Erwägung zieht, dass die in anderen Zellabschnitten entstandenen und se- eandär in den Zellsaum hineingelangten mikrosomalen Einschlüsse auf Grund der Oberflächenatraction sich vorwiegend in die Waben- knotenpunkte begeben, so wäre es immerhin unerklärlich, dass man nie Zwischenstadien beobachten kann, d. h. dass man nie etwa eine Anhäufung von Basalkörpern wahrnimmt, welche sich allmählich gleichmässig im Wabenwerke vertheilt. An diesen l) Der Flimmerbesatz einer fertigen Zelle ist dagegen so dicht, dass in den geringen Abständen der einzelnen Basalkörper auch auf einem Tangentialschnitte keine weiteren Einzelheiten wahrgenommen werden können. Studien über Flimmerzellen. 191 letzteren Modus muss man unwillkürlich denken, wenn man die immerhin auffallende, schon von Lenhossek (16) hervorgehobene Thatsache berücksichtigt, dass in den mit Basalkörpern versehenen, wenn auch noch nicht flimmernden Zellen (Fig. 4) Centralkörper stets vermisst werden, obgleich sie sich gleichzeitig in den benachbarten Zellen nachweisen lassen (Fig. 1—5). Das war ja auch übrigens einer der hauptsächlichsten Gründe, welche Lenhossek zur Annahme bewogen, die Basalkörper von dem Centralkörper abzu- leiten. In unserem Falle würde der hypothetische Vorgang wohl nur in der Art zu Stande kommen können, dass die Substanz des Centralkörpers sich im Zellplasma auflöst, in Folge dessen unserer Beobachtang entgeht, um dann wieder im Zellsaum in Form einzelner Basalkörper aufzutauchen. Ob der Vorgang möglich und denkbar ist, ob directe Beobachtungen an anderen Objeeten denselben nicht direet ausschliessen, wird aus der weiteren Darstellung und dem theoretischen Abschnitte der Arbeit ersichtlich. Es sei hier nur hervorgehoben, dass die Substanz- menge eines Centralkörpers höchstens derjenigen von 3—4 Basal- körpern gleich kommt, so dass zur Annahme einer Production sämmtlicher Basalkörper aus dem Centralkörper noch eine weitere, die einer Wachsthums- resp. Assimilationsfähigkeit der Central- körpersubstanz hinzukommt. Diese Möglichkeit wurde übrigens von verschiedenen Autoren aus manchen Gründen für zulässig und sogar thatsächlich bestehend erklärt. Ich muss somit zugeben, dass, soweit ich aus meinen Prä- paraten schliessen kann, in der Regel das Diplosom aus der Zelle gleichzeitig mit dem Auftreten der Basalkörper im Zellsaume verschwindet. Zur Annahme eines causalen Zusammenhanges beider Erscheinungen, oder gar der Abstammung der Basalkörper aus dem Diplosom liegt eigentlich gar kein Grund vor, um so mehr als 1. in vielen Fällen auch in den mit dem Basalkörper- besatze versehenen Zellen schwarze Körperchen von mir beobachtet wurden, die immerhin eine grosse Aehnlichkeit mit Diplosomen besitzen, wegen ihrer wechselnden Lage jedoch nicht sicher diagnostieirt werden können; 2. eine Analogie in den Befunden von Studnicka (23) und Henry (12) vorliegt, welehe in anderen Flimmerzellenarten Centralkörper mit Sicherheit nach- gewiesen haben und!) 3. gleichzeitig mit dem Auftreten der Basal- 1) Wie ich einer gütigen brieflichen Mittheilung des Herrn Prot. 199 Alexander Gurwitsch: körper innerhalb der Zelle auch sonstige Veränderungen vor sich gehen, welche möglicherweise eine weitgehende Bedeutung für die Thätigkeit der Flimmerzelle besitzen. Es ist nämlich sehr auffallend, dass die in Bildung begriffenen und um so mehr die fertigen Flimmerzellen im Volumen die benachbarten jüngeren Zellen um vieles übertreffen und dieselben häufig hochgradig zusammenpressen (Fig. 3 und 6). Entsprechend der Turgor- zunahme des Zellleibes wird auch das Cytoplasma viel heller (Fig. 6), so dass wir wohl in der Annahme nicht fehl gehen, wenn wir eine bedeutende Flüssigkeitsaufnahme als Begleiterscheinung dder Metamorphose der vorbereitenden Entwickelungsstadien in die definitive Flimmerzelle annehmen. Es sei noch erwähnt, dass die gleiche Beobachtung, vielleicht in einem noch höheren Grade, auch bei den entsprechenden Vorgängen in den Rachen- und Oeso- phaguszellen des Salamanders gemacht wurde, worauf ich noch ausführlicher im weiteren Laufe der Beschreibung zurückkomme. Dieselbe auffallende Turgorzunahme und Abrundung der Epi- thelien wird ja auch übrigens bei der Mitose beobachtet, worauf Reinke neuestens ganz speciell aufmerksam macht (20). Ich habe die Darstellung der Entwickelung auf dem Stadium der Fig. 4 abgebrochen. Die Basalkörper der Flimmerhaare haben sich in den Knotenpunkten des wabigen Zellsaumes ent- wiekelt und zwar als Verdiekungen der Ersteren (Fig. 5); aus den Basalkörpern wachsen nun die Flimmerhaare heraus. Es ist dieses entschieden der schwierigste Punkt der Untersuchung, über den ich noch keine volle Klarheit erlangen konnte. Es ist zunächst grosse Vorsicht geboten, um in einer Zelle, wie z.B. Fig. 4, die Anwesenheit von kurzen Haarsprossen auszuschliessen, da die- selben ja bei einer schiefen Lage in einen anderen Schnitt fallen können. In einer grösseren Anzahl von Fällen, in denen die Aussenwand des Zellsaumes ganz scharf abschneidet, lässt es sich jedoch mit Bestimmiheit sagen, dass in einem bestimmten Stadium der Entwiekelung die Basalkörper ausgebildet sind, von den Flimmerhaaren dagegen noch keine Spur vorhanden ist. Fast unmöglich ist es dagegen, an unserem Object etwas Näheres über v. Apäthy entnehme, ist demselben durch eine Nachvergoldung der Nachweis von Oentralkörpern im Ependym des Kalbes gelungen. Die „Centriolen“ sind in diesem Objecte von einer sehr deutlichen „Sphäre“ umgeben. Die sehr kleinen Basalkörper sind hier und da zu unterscheiden, Studien über Flimmerzellen. 193 den Wachsthumsmodus der Haare auszusagen. Die einzige Mög- lichkeit ist eigentlich ein Hervorsprossen aus der Substanz des Basalkörpers, welche ihrerseits in dem Maasse, wie sie aufge- braucht wird, aus dem umgebenden Plasma regenerirt wird. Der Vorgang lässt sich leicht vorstellen, wenn man bedenkt, dass die Basalkörper verdichtete Knotenpunkte eines Wabenwerkes sind. Solange es Waben giebt, wird stets in den Knotenpunkten der- selben eine gewisse Substanzanhäufung sich finden müssen und somit immer neues Material geliefert werden. An dieser Stelle genügt es, diese Hypothese angedeutet zu haben. Eine nähere Begründung und Besprechung derselben wird im Zusammenhange, nach der Schilderung der anderen Entwickelungsmodi der Flimmer- zellen, mehr am Platze sein. b) Rachen- und Oesophagusepithel der Bufolarven. Dem oben geschilderten Entwickelungsgange des Flimmer- epithels der Tuba und Fimbria schliesst sich am engsten die Entstehungsweise des Flimmerepithels im Rachen und Oesophagus der Krötenkaulquappen an. Wie wir im weiteren Verlaufe der Schilderung sehen werden, wird dadurch eine ganz auffallende Divergenz in der Histogenese identischer Gewebe bei zwei sehr nahe stehenden Thieren — der Kröte und dem Salamander — geschaffen. In meiner kurzen Mittheilung (9) habe ich den Befund bei einer Krötenlarve, der einzigen, welche mir zur Zeit zu Gebote stand, geschildert und abgebildet (9, S. 50 Fig. 1). Ich habe schon an jener Stelle hervorgehoben, dass im Gegensatze zu den entsprechenden Stadien des Rachenepithels der Salamanderlarven (l. e., Fig. 2), der wabige Zellsaum im Rachenepithel der Kröte ein sehr niedriger ist und nur aus einer Reihe prismatischer Waben besteht. Ich konnte mir aus dem vorliegenden Bilde keine bestimmte Vorstellung über den weiteren Entwiekelungs- gang der fraglichen Elemente bilden und war geneigt, anzunehmen, dass der niedrige einreihige Zellsaum nachträglich an Höhe zu- nimmt, mehrschichtig wird, kurz, den für den Salamander typi- schen, in der erwähnten Mittheilung bereits geschilderten Ent- wicklungsgang einschlägt. Es erweist sich jedoch, dass das weitere Schicksal des wabigen Saumes (Fig. 7 dieser Arbeit, Fig. 1 aus 9) bis auf einige geringe Unterschiede mit demjenigen des Zellsaumes des Tubarepithels übereinstimmt (Fig. 1—6 u. 7—9). 194 Alexander Gurwitsch: Was zunächst die wabige Struetur des Zellsaumes des Krötenepithels betrifft, so ist dieselbe ausserordentlich scharf und deutlich ausgesprochen. Es fallen etwa 20—30 Waben auf den grössten Zelldurehmesser. Betrachtet man die Zelle von der freien Oberfläche, in einem Tangentialschnitte (Fig. 9), so sieht man, dass die Waben meistens fünfeckige Prismen sind, welche an den Rändern der Zelle eine regelmässige sog. Randstellung (Alveolar- saum Bütschli) annehmen. Verdichtungen der Knotenpunkte sind zunächst noch nieht wahrzunehmen, dieselben treten erst im weiteren Verlaufe der Entwickelung auf (Fig. 8). Betrachtet man dagegen mit einem sehr starken System die Waben auf einem senkrechten Zelldurehschnitte (Fig. Ta), so merkt man, dass die der Oberfläche angrenzenden Abschnitte der Wabensepta ein wenig dicker als die basalen Theile der- selben sind, so dass ein verticaler Schnitt durch eine Wabenwand gegen die freie Oberfläche zu etwa keulenförmig anschwillt; ein färberischer Unterschied ist aber dabei noch vorderhand nicht wahrzunehmen. Der ganze Zellsaum hält z. B. das Eisenhäma- toxylin nur sehr wenig zurück, färbt sich dagegen bei einer Nachfärbung mit Rubin ziemlich intensiv roth. Gehen wir aber in der Entwickelung einen Schritt weiter, so ändert sich das Verhalten insofern, als die verdiekten Stellen der Wabensepta, namentlich die Knotenpunkte, sich nunmehr mit Eisenhämatoxylin intensiv schwärzen und sich von nun an als die ersten Anlagen der Basalkörper präsentiren (Fig. 8). Der ganze Vorgang lässt sich graduell viel besser als die entsprechenden Prozesse am Tubarepithel (Fig. 4—5) verfolgen. Man kann näm- lieh mit aller Bestimmtheit nachweisen, dass 1. die Basalkörper als kleinere Substanzanhäufungen auftreten, die durch weiteres Wachsthum ihre definitive Grösse erreichen (vgl. Fig. 8, Zelle a und 5b); 2. dass ihr Auftreten auch nicht gleichzeitig erfolgt, vielmehr zunächst nur wenige Basalkörper auftreten, allmälich sich auch weitere herausdifferenziren, und sogar ihren Flimmer- besatz erhalten, ehe ihre definitive Zahl erreicht ist (Fig. 7 b und 85). Auch in diesem Objeete ist die Thatsache von Be- deutung, dass in keinem Falle und auf keinem Entwieklungs- stadium auf eine gemeinsame Entstehung der Basalkörper aus einer Quelle, etwa dureh Abknospung oder Absehnürung ge- schlossen werden darf. Die Bilder Fig. 7 und 8 schliessen viel- mehr jede derartige Möglichkeit direet aus. Studien über Flimmerzellen. 195 Eine Eigenthümlichkeit der Verhältnisse bieten die Flimmer- zellen des Rachenepithels der Kröte in der Beziehung der Basal- körper zu dem scharf abgegrenzten Zellsaum. Wie ich bei der Schilderung des Tubarepithels bereits hervorgehoben habe, nehmen die Basalkörper der Flimmerzellen des letzteren stets die ganze Höhe des wabigen Zellsaumes ein und erscheinen als einfache Rippen der prismatischen Waben. Unserem zweiten Objeete — dem Rachenepithel der Kröte — ist es dagegen eigenthümlich, dass der basale Theil des Zell- saumes auch in der ausgebildeten Flimmerzelle als ein heller hyaliner Streifen bestehen bleibt (Fig. 7 Z), was ja übrigens leicht erklärlich ist, da die Basalkörper als Differenzirungen der gegen die Oberfläche der Zelle zu gerichteten Schicht des Zellsaumes auftreten (Fig. 8). Eine Beziehung der Basalkörper zum wabigen System des Zell- saumes, wie sie in der Ontogenese in beiden von uns besprochenen Zellarten zu Tage tritt, lässt sich an völlig fertigen Flimmerzellen der betreffenden Epithelien nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. Der Flimmerbesatz wird nämlich so dicht, die Basalkörper stehen auf einem Tangentialschnitte in so eng aneinander schliessenden Reihen, dass man von vorneherein darauf verzichten muss, in den kaum wahrnehmbaren Abständen zwischen den einzelnen Basalkörpern noch weitere Structureinzelheiten, d. h. im gegebenen Falle, mehr oder weniger dunkel gefärbte dünne Streifen, welche eine Verbindung der Basalkörper in ein Wabensystem herstellen sollen, nachweisen zu wollen. Nachdem man somit den Beginn des eigenthümlichen Differenzirungsvorganges mehr oder weniger stufenweise direet verfolgen konnte, muss man sich mit der immerhin berechtigten Annahme begnügen, dass der weitere Vor- gang in einer ganz analogen Weise fortschreitet. Um also den Entwickelungsmodus für beide bis jetzt besprochenen Zellarten zu recapituliren, will ich noch einmal hervorheben, dass die zuerst spärlich, dann in immer dichteren Massen auf- tretenden Basalkörper der Flimmerhaare sich als Knotenpunkte eines Wabennetzes aus demselben herausdifferenziren und, soweit man sie noch einzeln 1) M. Heidenhain(10) bildet u. A. eine Oberflächenansicht einer Flimmerzelle des Leberganges der Helix, in welcher die einzelnen Basal- körper mit einander durch Substanzstreifen verbunden sind, 196 Alexander Gurwitsch: verfolgen kann, durch Substanzbrücken — die Waben- wände— mit einander verbunden bleiben. Weiter können wir annehmen, dass das Wabennetz immer dichter wird, somit nach- träglich neue Knotenpunkte geschaffen werden, aus welchen sich wiederum neue Basalkörper herausdifferenziren. Es spricht ja alles dafür, dass der fertige Flimmerbesatz einer Zelle aus lauter völlig gleichartig gebauten Elementen besteht, so dass das, was wir für einen Theil der Flimmerhaare direet beobachten, wohl auch im Grossen und Ganzen für die später nachrückende Hälfte gültig sein wird. ec) Darmepithel des Lumbrieus. Die histogenetischen Vorgänge, die wir im Laufe der Onto- genese im Tubarepithel eines Säugethieres und im Rachenepithel der Krötenlarve verfolgt hatten, treten mit einer ungeahnten Deutlichkeit als verschiedene physiologische Zustände einer Zelle des erwachsenen Individuums im Darmepithel des Lumbrieus auf: es wurde, soweit ich übersehen kann, zum ersten Male von Greenwood (8) nachgewiesen, dass die Cilien des Darmepithels des Regenwurmes retractiler Natur sind, so dass, je nach dem physiologischen Zustande der Darmschleimhaut, die Epithelbeklei- dung der letzteren bald aus echten Flimmerzellen, bald aus Cutieularzellen besteht. Greenwood hat nur die physiologische Seite des Vorganges berücksichtigt, die feineren structurellen Ver- hältnisse dagegen nicht weiter besprochen; es treten jedoch einige anatomische Thatsachen zu Tage, welche auch ein aällgemeineres eytologisches Interesse beanspruchen können. Die epitheliale Auskleidung des Regenwurmdarmes besteht aus zweierlei Zellarten: sehr hohen und schlanken, zusammen- gepressten und auf manchen Funetionsphasen flimmernden Zellen (Fig. 10 #7) und dazwischen gelegenen, an grossen granulären Einschlüssen sehr reichen Drüsenzellen (Fig. 10 D); dies soll nach Greenwood das Bild der Darmmucosa im Hunger- zustande sein (]. e. Fig. 5, diese Arbeit Fig. 10). In meinem Falle war der Darm voll des gewöhnlichen erdigen Inhalts, so dass, jedenfalls das in beiden Fällen identische Bild wohl nicht aus- schliesslich auf den Hungerzustand zurückzuführen ist. Im Sta- dium der activen Fettresorption soll nach Greenwood das Studien über Flimmerzellen. 197 Bild ein wesentlich anderes werden. Die Drüsenzellen sind fast vollständig entleert und in Folge dessen zusammengefallen, die Flimmerzellen haben ihren Flimmerbesatz eingebüsst und haben statt dessen eine aus kurzen starren Stäbehen bestehende Cuti- cula aufzuweisen, welehe unter Umständen auch mehr oder weniger strueturlos werden kann. Greenwood erwähnt nun gar nicht, ob die verschiedenen Zustände der Flimmerzellen und Drüsenzellen gleichzeitig in den verschiedenen Darmabschnitten desselben Individuums zu finden wären; das ist jedoch nach meinen Befunden zuweilen entschieden der Fall und liefert durch die graduelle Abstufung der Zustände in den benachbarten Zellen ein sehr werthvolles Beobachtungsobjeet für die für uns in Be- tracht kommenden Fragen. Ich gehe in der Schilderung der Verhältnisse von einem Querschnitt durch den Lumbrieusdarm aus, in welchem sämmt- liche Zellen dem in Fig. 10 entworfenen Bilde entsprechen. Die Drüsenzellen sind mit grossen runden, mit Eisenhäma- toxylin sich schwärzenden Granulae gefüllt, welche an Menge gegen die freie Oberfläche zu bedeutend abnehmen; die freie Mündung der Drüsenzellen ist in eine sehr eigenthümliche, kreis- förmige Schlussleiste eingefasst (Fig. 10 D und 11); das sonst sehr dichte und dunkle Zellplasma hellt sich in der Um- gebung dieser Schlussleiste in einer sehr eigenthümlichen Weise auf; die Authellung hat in der Regel eine regelmässige, fünf- theilige Rosettenform (Fig. 11). Ob das Ganze eine eigenthüm- liche Vorrichtung für Exeretionszwecke ist, lässt sich mit Sicher- heit nicht sagen. Die zwischen je zwei Drüsenzellen gelegenen und von den- selben stark zusamınengepressten Flimmerzellen haben aus dem letzterwähnten Grunde eine sehr schlanke Gestalt; der in der Mitte der Zellhöhe gelegene Zellkern bedingt eine geringe An- schwellung des Zellleibs, welcher auch gegen die freie Oberfläche zu an Breite bedeutend zunimmt; die Flimmerzellen stossen an der freien Oberfläche mit ihren Schlussleisten dicht aneinander, und werden nur an ihren Kanten durch die kreisförmigen oben er- wähnten Schlussleisten (Fig. 11) von einander gesondert. Das Zellplasma der Flimmerzellen ist fast völlig homogen oder zuweilen schwach granulirt; eine dicht der freien Zellober- fläche angrenzende Zone (Z) zeichnet sich von dem übrigen Cyto- 198 Alexander Gurwitsch: plasma sowohl durch ihr eigenthümliches vollständig structurlos homogenes Aussehen, als auch durch ihre optischen Eigenschaften aus; sie ist nämlich stark doppeilichtbrechend ). Wir werden im Weiteren sehen, dass diese Zellzone eine ganz eigenthümliche Rolle bei den mit verschiedenen physiologischen Zuständen verknüpften Umwandlungen der Flimmerzellen zu spielen hat. Dicht uuter der freien Zelloberfläche sind in regelmässigen Abständen kurze, aber ziemlich grosse, kugelförmige Basalkörper gelagert: es kommen ihrer etwa 20—30 auf den grössten Zell- durchmesser. Von jedem Basalkörper entspringt ein langes und sehr feines Flimmerhaar. Die Flimmerhaare sind im fixirten Zu- stande meistens sehr deutlich nach einer Seite gebogen. Die zwischen den Flimmerhaaren frei bleibende Zellober- fläche besitzt einen sehr dichten, regelmässigen Stäbchenbesatz ; die einzelnen Stäbchen sind so deutlich als solche sowohl auf senkrechten wie auf den Querschnitten zu erkennen, dass jede Täuschnng in der Deutung ausgeschlossen ist, d. h. dass es gar nicht denkbar ist, dass wir es hier etwa mit einer durch poren- förmige Kanäle durchbrochenen Cutieula zu thun hätten, wie solche an vielen Flimmerzellen thatsächlich auftritt, und u. A. von Zimmermann für die eigenthümlichen, mit pseudopodien- artigen Fortsätzen versehenen Zellen des Ileums des Menschen angegeben wurden (26). Die Stäbchen dieses Cuticularbesatzes sind, soweit ich be- obachten konnte, starr, nehmen keinen nachweisbaren Antheil an der Bewegung der Flimmerhaare. Die Beobachtung ist jedoch in diesem Falle mit solchen Schwierigkeiten verbunden, dass ich vorderhand die negativen Ergebnisse derselben nicht für definitiv halten möchte. Dem soeben geschilderten physiologischen Zustande der Darmepithelien reihen sich in einer ganz continuirlichen Folge verschiedene Zwischenstufen an, welche zum völligen Verschwin- den sowohl des Flimmer- wie des Cuticularbesatzes der Zellen führen. Die durch Fig. 12—15 veranschaulichten Bilder sind ein und demselben Object entnommen und zwar ist deren Reihen- 1) Auf die optischen Eigenschatten der verschiedenen Abschnitte des Flimmeraparates in den fertigen und in der Entwickelung be- griffenen Flimmerzellen werde ich im zweiten Theile der Arbeit noch zurückkommen, Studien über Flimmerzellen. 199 folge bei der Durchmusterung eines Querschnittes durch den ganzen Darm auch in den Abbildungen eingehalten. Der dazu benutzte Regenwurm befand sich in anscheinend gleichen Lebens- bedingungen wie der vorhergehende, beide waren seit 2—3 Tagen in Gefangenschaft in einer mit gewöhnlicher Gartenerde gefüllten Holzkiste. Ich kann daher vorläufig ebenso wenig eine Erklärung für die von einander so stark abweichenden Zustände der Zellen geben, als auch mit Bestimmtheit die Reihe für eine progressive oder regressive erklären, d. h. die Zellen (Fig. 12 bis 15) für Vorstufen in der Entwicklung der Flimmerzellen, oder umgekehrt, für regressive Zustände derselben halten; eine specielle darauf hin gerichtete Untersuchung würde wohl diese Frage aufklären; für mich war es jedoch vorläufig von Wichtig- keit, die bei einer physiologischen Modification sich abspielenden morphologischen Vorgängezu untersuchen, daman ja mitsehr grosser Berechtigung erwarten kann, dassin der gleichen Weise wie die Flimmerzelle Fig. 10 sich durch die Zwischenstufen Fig. 12 bis 14 in eine Zelle, wie eine in Fig. 15 dargestellt ist, ver- wandelt, auch umgekehrt aus der Zelle Fig. 15 wieder die Zelle Fig. 10 entsteht. Beide Vorgänge finden Platz, das kann man ja mit Bestimmtheit aus ihrem physiologischen Charakter, d. h. aus den veranlassenden Momenten, welche ja in kurzen Abständen wiederkehren müssen, erschliessen; für die Annalıme eines in beiden Fällen verschiedenen Hergangsmodus werden wir erst dann Veranlassung haben, wenn wir zwischen beiden extremen Zuständen (Fig. 10 u. 15) eine doppelte Reihe von Zwischen- stufen gefunden haben werden, was bis jetzt noch nicht der Fall ist. . Ich werde daher versuchen, in der Schilderung der ver- schiedenen Entwicklungsstufen ganz objeetiv vom Zustande a, b u. 8. w. zu sprechen, ohne etwas von der Zeitfolge der gegen- seitigen Abstammung zu präjudiziren. Wenn wir die in Fig. 10 abgebildeten Zellen mit a be- zeichnen, so kommen als deren nächste Zwischenstufe (b) die Zellen der Fig. 12 an die Reihe. Der Flimmerbesatz ist noch immer sehr dicht, der Stäbchensaum jedoch nicht so hoch wie im Stadium a. Die hyalinen, unter den Basalkörpern gelegenen schon in Fig. 11 abgebildeten Streifen Z haben an Schärfe und Breite zugenommen, auch ist ihr Doppellichtbrechungsvermögen stärker geworden. Am deutlichsten sind jedoch die Unterschiede in der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 14 200 Alexander Gurwitsch: Gestalt der übrigen Abschnitte des Zellleibs; infolge des Zu: sammenfallens der im Stadium a so prallgefüllten Drüsenzellen (D) nimmt ersterer seine ihm auch sonst zukommende breitere und regelmässigere Gestalt an. Die Drüsenzellen entleeren sich nun allmählich vollständig und Hand in Hand damit geht auch eine weitere Umwandluug der Flimmerzellen vor sich, welche uns zum Stadium c (Fig. 15) überleitet. Der Stäbehensaum ist nun ganz niedrig und unregel- mässig, der Flimmerbesatz bis auf einen relativ spärlichen Rest redueirt; statt der sonst im grossen Zelldurchmesser etwa zu zäh- lenden 23—30 Basalkörper sind es nunmehr 4—5; ein jeder der- selben trägt aber noch ein Flimmerhaar; im Stadium d (Fig. 14) verschwindet nun aber auch dieser spärliche Haarbesatz, die Zahl der Basalkörper wird noch geringer, redueirt sich auf etwa 8 bis 10 Stück für eine Zelle; gleichzeitig damit rücken die Basalkörper von der Zelloberfläche mehr in das Zellinnere. Vom Stäbchen- saum sind auch nur spärliche Reste geblieben. Betrachtet man die Flächenansichten der verschiedenen von uns beschriebenen Stadien, so ergibt sich eine sehr überraschende Analogie mit den auf Seite 191 von uns geschilderten histogenetischen Vorgän- gen am Tubarepithel des Kaninchens und Rachenepithel der Kröte. Der Flimmerbesatz der Zellen, Stadien a u. b (Fig. 10 u. 12) ist so dicht, dass keine weiteren Structurverhältnisse zwischen den Basalkörpern wahrgenommen werden können; anders dagegen in den Stadien ce u. d (Fig. 13, 14 u. 15). Die Oberfläche der Zellen zeigt nunmehr eine deutliche wabige Structur; die Waben reichen bis an die dieken, mäandrisch geformten Schlussleisten. In den Kno- tenpunkten der Waben sitzen die spärlichen aber sehr grossen und deutlichen Basalkörper. Mit dem Stadium d (Fig. 14) ist jedoch der Umwandlungsvorgang der Flimmerzellen noch nicht vollendet; seinen Abschluss findet derselbe vielmehr im Stadium e (Fig. 15). Es ist nunmehr weder Flimmerbesatz mit Basalkörpern, noch Stäbehensaum vorhanden, statt dessen ent- stand an der Stelle der schon vorher beschriebenen hyalinen Zone (Fig. 11—14Z), welche nach unten zu ohne scharfe Grenze in das anliegende Cytoplasma überging, eine ‚nunmehr von Letzterem völlig scharf abgesonderte, etwa 2—3 u hohe Schieht, welche undeutlich wabig gebaut ist, in ihrem färberischen und sonstigen optischen Verhalten vom übrigen Oyto- Studien über Flimmerzellen. 201 plasma scharf absticht, jedoch auffallender Weise nieht mehr nachweislich anisotrop ist. Die Anisotropie hat ständig vom Stadium b ab abgenommen, in dem Maasse, als die Stäbehen- eutieula und die Basalkörper mit dem Flimmerbesatz in den Be- reich der Zone z hineingezogen wurden und letztere sich immer schärfer von dem übrigen Cytoplasma absetzte. Es ist nicht angebracht, sofort daraus einen Causalnexus zu construiren, die Thatsache ist aber um so bemerkenswerther, als die dem Flimmer- apparat unmittelbar anliegende Zone auch in vielen anderen Flimmerzellen nach meinen Beobachtungen deutlich anisotrop ist. Ich hoffe auf diese Frage noch im weiteren eingehen zu können. Eine grössere und schönere Uebereinstimmung einer morphologischen Modification als Folge verschiedener Funetionszustände mit onto- genetischen Processen, wie dieselbe an den bis jetzt beschriebenen drei Objekten — dem Darmepithel des Lumbrieus einerseits und dem Tubar — und Rachenepithel andererseits — zu Tage tritt, lässt sich kaum denken. Man kommt demnach in Versuchung, den uns bekannt ge- wordenen Entwicklungsmodus als den einzig existirenden oder möglichen zu erklären, da er ja unter so verschiedenen Fällen in gleicher Form auftritt, folglich auch anscheinend das Wesent- liehe, Nothwendigste in sich enthalten müsste, und doch ist es nicht so. Der Entwieklungsgang des Flimmerapparates schlägt noch manchen anderen Weg ein, welcher in einigen Fällen von dem uns bis jetzt bekannt gewordenen so sehr abweicht, dass man sich im ersten Augenblicke fragen muss, ob nicht ein Beobachtungsfehler in einem der Fälle vorliegt; glücklicherweise lässt sich ein solcher mit Sicherheit ausschliessen. Als ein unseren drei bisherigen Objeeten gemeinsames Ent- wiekelungsmoment haben wir das zuerst erfolgende Auftreten der Basaltheile des Flimmerapparates, der sog. Basalkörper, gesehen. Die Flimmerhaare wachsen aus denselben heraus oder, in einem Falle im Darmepithel des Lumbrieus, verschwanden wieder spurlos bis auf die Basalkörper; anders dagegen bei dem an dieser Stelle zu schildernden Objeete: es ist das Rachenepithel des Salamanders (S. maculosa). Die Histogenese dieses Epithels bildete den Haupt- inhalt einer kurzen vorläufigen Mittheilung, da eine prineipiell wichtige Frage — die Lenhossek-Henneguy’sche Hypothese 202 Alexander Gurwitsch: — über die Entstehung der Basalkörper aus den Centralkörpern durch dieselbe im negativen Sinne erledigt wurde. Zur Zeit der ersten Veröffentlichung fehlten mir noch einige Zwischenstadien, auch konnte ich den Sachverhalt nur durch etwas schematische Abbildungen erläutern, so dass eine erneuerte ausführliche Besprechung der diesbezüglichen Thatsachen wohl am Platze sein wird. Typus IL Rachenepithel der Salamenderlarven. Die Rachenepithelzellen von ganz jungen, ca. 1 em langen Salamanderlarven enthalten noch sehr zahlreiche Dotterplättchen, das Plasma ist unregelmässig im Zellleibe vertheilt, an vielen Stellen retrahirt, nur um den Kern und die Zellwänden herum etwas dich- ter angehäuft (Fig. 16). Gegen die freie Zelloberfläche zu weisen Jedoch die Zellen eine ganz beträchtliche, ziemlich scharf abge- setzte Plasmaanhäufung auf, welche ich nach F. E. Schulze’s Vorgang (22) „Crusta“ nennen will (Fig. 16). Diese Cruste ist durch eine ziemlich deutliche Contur von dem Zellinnern abgesetzt, es haftet ihr jedoch eine Partie des Zellplasma an. Soweit ich mich überzeugen konnte, ist die Crusta auf dem mir vorliegenden Stadium structurlos, ziemlich stark lichtbrechend, anscheinend isotrop. Von der Anwesenheit von Centralkörpern in den ruhenden Epithelzellen konnte ich mich bis jetzt nicht überzeugen, obgleich dieselben in den zahlreichen in diesen Zellen vorkommenden Mi- tosen auf das schönste gefärbt waren. Der Nachweis derselben wird allerdings durch die sehr beträchtliche Grösse des Zell- kernes erschwert. Die Art und Weise, wie die anscheinend homogene Zell- kruste (Fig. 16) in das nächstfolgende Stadium (Fig. 17) übergeht, lässt sich nicht genauer verfolgen. Bei einer nieht unbedeutenden Höhenzunahme der Crusta sieht man in derselben einen ausge- sprochen wabigen Bau auftreten; entgegen dem uns von den an- deren Objecten her bekannten Bilde ist die Gestalt und Anord- nung der Waben wenig regelmässig; in den jüngeren Stadien sind die Waben ziemlich gross, deutlich einzeln zu unterscheiden und gewöhnlich in zwei Reihen angeordnet (Fig. 17). Ueber die Beschaffenheit des in den Wabenmaschen gele- genen „Enchylemm’s“ lässt sich nichts Näheres eruiren — die Studien über Flimmerzellen. 203 Färbbarkeit desselben ist stets nur sehr gering, so dass die Wabenwände sich in jedem Falle vom helleren Hintergrunde dunkel abheben. Die Abgrenzung des wabig gebauten Zellsaumes gegen das Cytoplasma ist nunmehr eine sehr scharfe geworden, sodass die Bezeichnung „Crusta“ nicht mehr gut angewendet werden kann und man besser thut, von einem „Zellsaume*“ zu sprechen. Das dem Zellsaume anliegende Cytoplasma ist auch in diesem Ob- Jeete, wie in den analogen anderen Fällen verdichtet und ziem- lich stark anisotrop. Je weiter der Differenzirungsvorgang fort- schreitet, desto auffallender wird diese Abgrenzung eines scharf unterschiedenen Plasmastreifens, welcher darin eine Aehnlichkeit mit der im Darmepithel des Lumbrieus beschriebenen Zone ge- winnt. Auf den weiteren Stadien wird sogar ein sich durch Eisenhämatoxylin schwärzender Strich wahrnehmbar, welcher die Abgrenzung der Zone von dem central gelegenen Cytoplasma noch mehr verschärft (Fig. 18). Der Unterschied im Aussehen der Zone (z) und des central gelegenen Plasmas ist ein ganz beträchtlicher. Erstere sieht ganz homogen aus und färbt sich dunkler als das ziemlich grob granulirte Innenplasma; es wurde ausserdem schon erwähnt, dass die Aussenzone auch im Gegen- satze zum Innenplasma deutlich anisotrop ist. Die änfänglich annähernd zweireihige Anordnung der Waben des Zellsaumes auf den jungen Stadien macht allmählich einem etwas complieirteren Verhalten Platz: Die der Aussenfläche des Saumes anliegendev Rippen (Schema, R) blei- ben in ihrer früheren Anzahl und Grösse auch weiter bestehen; es fallen ihrer etwa 25—30 auf den grössten Zelldurchmesser, ihre Conturen und Anordnung sind im Ganzen regel- Schema mässig und bieten eine völlige Analogie mit den uns bei der Kröte (Fig. 9) bekannt gewordene Bildern. Aus diesen der Oberfläche anliegenden Wabenrippen ent- steht somit ein netziges Häutehen, welches die freie Zellober- fläche überspannt und auch durch sein färberisches Verhalten von den nach innen zu gelegenen Partien des Zellsaumes sich nunmehr unterscheidet. Auf der Fig. 17 ist dasselbe als eine 204 Alexander Gurwitsch: scharfe oberflächliche Contur a zu sehen, wobei sein Zusammen- hang mit der oberen Wabenreihe noch erhalten bleibt. Indem aber das innere Wabenwerk weitere Umwandlungen eingeht, löst sich das oberflächliche Häutchen von seiner Unterlage ab, um vollständig individualisirt weiter zu persistiren (Fig. 18, 19a, das Maschenwerk in Zelle a Fig. 20). Das übrige Wabenwerk des Zellsaumes erleidet nun aber merkwürdige Veränderungen: die Wabenstructur verwischt sich allmälich, um einem dichten unentwirrbaren „Filzwerk“ Platz zu machen. Ich könnte wirklich keine passendere Bezeichnung für das eigenthümliche Aussehen des zukünftigen Flimmerbesatzes auf diesem Stadium finden. In einigen Stellen kann man kleine, in der Richtung der Längsaxse gedehnte Wabenmaschen erkennen, in einigen anderen sieht man schon mehr oder weniger individu- alisirte, noch stark gekräuselte Haare, welche zweifelsohne in ihrer Längsrichtung aus mehreren aneinander stossenden Wabenwänden entstanden sind. Auch Tangentialschnitte durch die betreffenden Stadien bieten keine nähere Aufklärung (Fig. 18u. 18a); man kann mit Sicherheit nur das eine sagen, dass durch einen Um- Tormunssprocess des sehr diehten und zarten Wabennetzes allmählich individualisirte Haare entstehen, die imo ihrer unreselmässiren ver flochtenen Anordnung und ihren wellenförmigen Conturen deutlichihre Entstehungsweiseaus dem Wabenwerke erkennen lassen. Es ist etwa ein ana- loger Vorgang, wie er häufig bei der secundären Orientirung der Mitomfasern der Centralspindel aus dem dichten Gerüstwerk des Kemlinins erfolgt!) (vergl. Strasburger). Als Endresultat des complieirten Umformungsprocesses des Wabenwerkes sehen wir endlich einen regelmässig gebauten, diehten Flimmerbesatz auftreten (Fig. 19). Es wurde schon in der vorläufigen Mittheilung hervorgehoben, dass wir es hier mit einem merkwürdigen Falle zu thun haben, wo dem vollständig ausgebildeten Flimmerbesatz zunächst noch die 1) Der Vergleich bezieht sich selbstverständlich nur auf eine secundäre Örientirung eines zunächst regellosen Aggregates nach bestimmten Richtungen. In einem Falle haben wir es mit Wabenwänden und ihren Produkten (Fliimmerhaaren) in den anderen mit einem Faden- gerüst zu thun. Studien über Flimmerzellen. 205 Basalkörper tkehlen, somit sich’erst secundär herausdifferenziren!') In diesen Umstande haben wir den schroffsten Gegensatz zu den bis jetzt beschriebenen Objecten, denen sich noch zwei weitere hinzugesellen sollen. Das Rachen- epithel der Salamanderlarve ist bis jetzt das einzige Object ge- blieben, an welchem ich diesen merkwürdigen histogenetischen Vorgang beobachtet konnte. Ich liess es daher auch nicht an Vorsicht fehlen, um jedem Irrthum aus dem Wege zu gehen. Dass wir es thatsächlieh mit einem wohlausgebildeten Flimmer- haarbesatz zu thun haben, beweisen auch die Tangentialschnitte mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt. Fig. 19 und 20 sind demselben Objecte entnommen. Bei einem ganz oberflächlich durch den Flimmerbesatz gehenden Tangentialschnitte (Fig. 20a) trifft man das bedeckende, weitmaschige Häutchen (s. 0. S. 202), den einzigen Ueberrest der wabigen Structur des Zellsaumes. Durch die weiten Maschen des Deckhäutchens treten Querschnitte durch Flimmerhaare durch, an ihrer Spitze sehr dünn, gegen die Basıs zu etwas dieker; trifft der Schnitt den Flimmerbesatz etwa auf halber Höhe oder tiefer, so ist nichts wie Querschnitte durch die einzelnen Härchen zu seben, wobei jedes als ein deutlich eonturirter Punkt hervortritt. Wir können somit die thatsächliche Auflösung des wabigen Zellsaumes in einen Flimmerbesatz direct verfolgen. Es blieb nun zu eruiren, wann und aus welchem Material sich die Basalkörper herausdifferenziren; ein allmähliches Auf- treten derselben, ähnlich wie wir es an den anderen Objecten beobachten konnten, ist in diesem Falle nieht zu constatiren; es scheint sich vielmehr eine Zelle, wie die in Fig. 21 b abgebildete, mit einem Male in eine fertige Flimmerzelle (Fig. 21 f) durch Abstreifen des bedeckenden Häutchens und Hinzutreten einer dichten Reihe von Basalkörpern zu verwandeln. Es ist dabei sehr bemerkenswerth, dass die Basalkörper in einer ausserordent- lich dichten und regelmässigen, durch parallele Ränder be- grenzten Reihe angeordnet sind (Fig. 21 a). Diese Anordnung im Verein mit der Erwägung, dass jeder Basalkörper mit einem 1) In Figur 1 seiner Arbeit bildet Studnicka (24) in einer Reihe fertiger Flimmerzellen einer älteren Salamanderlarve auch eine Zelle ab, die sehr genau meinem Bilde 19 und 21 entspricht, erwähnt aber, merkwürdigerweise mit keinem Worte den eigenthümlichen Befund. 206 Alexander Gurwitsch: Flimmerhaare verbunden ist, lässt eigentlich nur eine Möglichkeit für die Lokalisirung der Muttersubstanz derselben: Die Basal- körper entstehen in ihrer definitiven Stellung dicht an der Basis des Flimmerbesatzes und zwar von einander unabhängig, als einzelne Individuen. Ob es sich nur um eine Verdichtung und Differenzirung der basalen Theile der Flimmerhaare handelt, was das bei weitem wahrscheinlichere ist, oder ob auch ein Theil der schon oben (s. S. 202) beschriebenen anisotropen Zone (Fig. 18 Z) dafür in Anspruch genommen wird, konnte ich vorläufig nicht entscheiden. Halten wir uns an eine wahrscheinliche Analogie mit den anderen uns bekannt gewordenen Fällen, so muss man sich den Vorgang am einfachsten folgendermaassen erklären: Der basale Abschnitt des wabigen Zellsaumes (Fig. 18) behält seine engmaschige Structur und lässt in den Knotenpunkten der Maschen, ähnlich wie in den übrigen Fällen, die Basalkörper entstehen, die dadurch von vorneherein mit den hinzugehörenden Flimmerhaaren eins bilden. Es ist mir jedoch vorläufig noch nicht gelungen, einen wirklichen Beweis dafür zu erbringen, und so lange es nicht der Fall ist, warnt uns die auffallende Verschiedenheit in der Histogenese der einzelnen Epithelarten vor einer Verallgemeinerung der gewonnenen Resultate. Wenn es nach dem Obengesagten noch eines weiteren Beweises für die Unmöglichkeit einer Abstammung der Basalkörper aus dem Centralkörper bedürfte, so könnte derselbe durch die in den be- treffenden Zellen ein paar Mal beobachtete Mitose erbracht werden!) (Fig. 19). Man müsste zu einem wahrlich undenkbaren Vorgange Zuflucht nehmen, um diese Hypothese zu retten; es könnte sich ja nur um einen Zerfall des Centralkörpers in mehrere Hunderte Theile (wobei jeder Theil demselben an Grösse etwa gleich käme), eine Wanderung der Zerfallsproducte zur Basis des Flimmer- besatzes und eine seeundäre Anlagerung und Verwach- sung mit je einem Flimmerhaare handeln!?) 1) Auch in den ruhenden Zellen wurden ab und zu Körnchen beobachtet (Fig. 21), die möglicherweise für Centralkörper angesprochen werden dürften. 2) Nach Lenhossek (16) haben wir uns diesen Vorgang folgender- maassen vorzustellen: „... die Centralkörper unterliegen einer fortge- setzten Theilung, bis sich die ganze Oberfläche der Zelle — ein saum- förmiges Gebiet am Rande abgerechnet — mit Centralkörpern bevölkert. Diese lassen dann .. . je einen fadenförmigen, beweglichen Fortsatz Studien über Flimmerzellen. 207 Anders verhält es sich freilieb damit, wenn man den Ge- danken an die permanente individualisirte Existenz des Central- körpers aufgibt und folglich mit der Möglichkeit einer Auflösung seiner Substanz im Cytoplasma und eines späteren Wiederauf- tauchens derselben an einer anderen Stelle rechnet. Doch davon später. Ich habe schon vorher (s. S. 203) erwähnt, dass das netzig gebaute Häutehen, welches den Flimmerbesatz überzieht, zum Ab- schlusse der Entwickelung verschwindet. Es ist kaum anzunehmen, dass dasselbe in toto abgestreift wird. Aus den vorliegenden Bildern muss man vielmehr schliessen, dass es allmälich dem Drucke des eingeschlossenen Flimmerbesatzes nachgibt und wahr- scheinlich zerrissen wird; in den älteren Zellen sieht man häufig, wie die Contur des Häutchens stark nach aussen zu vorgewölbt und hier und da von einer Gruppe von Flimmerhaaren durch- brochen wird. Das definitive Verschwinden dieser zusammen- haltenden Membran erfolgt ungefähr gleichzeitig mit dem Auf- treten der Basalkörper. Es ist selbsverständlich, dass ihre An- wesenheit auf die Thätigkeit der Flimmerhaare hindernd einwirkt, so dass es leider dahin gestellt bleiben muss, ob die Basalkörper zum Zustandekommen der Bewegung des Flimmerbesatzes noth- wendig sind, oder nicht. Das letzte Umwandlungsstadium der Zellen, wie Fig. 19, 21b, in eine fertige Flimmerzelle geht mit mehreren weiteren Veränderungen des ganzen Zellhabitus vor sich. Es ist zunächst auffallend, dass der Turgor der Flimmer- zellen auch in diesem Falle, ebenso wie in den Tubarzellen (s. 0. S. 191 und Fig. 6) bedeutend zunimmt. Das Zellplasma ist viel lockerer angeordnet, sieht auch somit viel heller, als in den benachbarten nicht fertigen Zellen (Fig. 215) aus. Die Zelle nimmt dabei auch an Höhe zu, so dass der Flimmerbesatz der fertigen Zelle in ein etwas höheres Niveau, als derjenige der Jüngeren Zellen fällt (Fig. 21). aus sich hervorgehen“ etc. (S. 117). Henneguy (11) geht auf die problematische Entstehungsweise der Basalkörper aus den Centralkör- pern nicht näher ein, begnügt sich vielmehr mit der allgemein ge- haltenen Behauptung, dass „les granulations et les cordons colorables qui sont en rapport avec les cils vibratils des cellules &pitheliales, chez les animaux, sont de veritables centrosomes“ (S. 494). P2 208 Alexander Gurwitsch: Am auffallendsten jedoch sind die Veränderungen an den Flimmerhaaren selbst: Die vielfach zusammengeflochtenen Flimmer- haare der vorbereitenden Stadien sind ausserordentlich zart, nehmen nur sehr wenig Eisenhämotoxylin auf, lassen sich über- haupt mit aller gewünschten Schärfe nur an Tangentialschnitten (Fig. 20) und an besonders gelungenen Stellen eines senkrechten Schnittes (Fig. 19) erkennen. Anders dagegen in der fertigen Flimmerzelle (Fig. 21 f): Jedes einzelne Haar tritt sehr scharf und ziemlich intensiv gefärbt hervor. Ich glaube, dass man die Dickenzunahme und auch das veränderte färberische Verhalten nach der Befreiung der Flimmerhaare von dem bedeckenden Häutchen (a Fig. 18, 19, 20) wohl hauptsächlich darauf zurück- führen kann, dass die einzelnen Haare einen Ueberzug von dem zähen Schleim der benachbarten Schleimbecher oder von sonstigem Inhalt des Rachens bekommen. Thatsache ist es, dass die Haare stets gruppenweise zusammengebacken und in eine schwach färb- bare Substanz eingelagert sind. Es bliebe nun noch die Besprechung zweier Objecte übrig. Zunächst das Mundepithel des Lumbrieus: Die vor- derste nach hinten mit dem musculösen Pharynx abschliessende Partie des Darmtractus des Lumbrieus — das Prostomium — hat beim erwachsenen Individuum eine einschichtige epitheliale Aus- kleidung. Das Epithel ist eylindrischh nicht flimmernd, besitzt eine dieke, regelmässige Outicula. Die Beschaffenheit des Cytoplasmas ist eine ganz eigenthümliche. Der ganze.Zellleib besteht aus einem dichten Geflecht von verschieden starken, bald gerade gestreckten, bald etwas geschlängelten Fasern. Besonders stark nimmt diese Faserung an der Basis und an den Seitenwänden der Zelle zu. Die Grenzen der einzelnen Zellen sind nur an dieser eigenthüm- lichen Verdichtung der Plasmabeschaffenheit zu erkennen. Be- trachtet man einen Querschnitt (Gegend des 4. Segmentes) durch einen sehr jungen ca. 3 em (im mässig gestreckten Zustande) langen Regenwurm, so hat man folgende Verhältnisse vor sich: Der stark gefaltete epitheliale Schlauch — Prostomium — (Fig. 22 pr.) hat in den mit schwarzem Strich bezeichneten ventralen Abschnitten einen durch kurze flimmerlose Structur unterbrochenen Flimmerüberzug; die ganze dorsale Wand des Prostomiums ist dagegen mit dem gewöhnlichen ceutieularen Cylinderepithel aus- gekleidet; dorsalwärts vom Prostomium ist eine blinde Tasche — Studien über Flimmerzellen. 209 der Pharynx — im Schnitte getroffen, welche auch bei erwachsenen Thieren eine eontinuirliche Flimmerzellenauskleidung besitzt. Es unterliegt nun keinem Zweifel, dass die fliimmernden Abschnitte der ventralen Prostomiumwand vorübergehende dem Untergange seweihte Bildungen sind. Die ganz kurzen, dazwischen liegen- den, nieht flimmernden Strecken, welche sich meistens nur über wenige Zellen erstrecken, können daher mit ziemlicher Sicherheit für regressive Stadien des Flimmerepithels angesehen werden. Eine genauere Uutersuchung derselben ergibt einige interessante Details. In der Fig. 23, welche den Abschnitt a des Prosto- miums (Fig. 22) bei starker Vergrösserung wiedergibt, gehören die Zellen d d der dorsalen, die Zellen © der ventralen Wand des epithelialen Rohres an; der Zellleib der dorsalen Zellen ist ziemlich hell, der faserige Bau im ganzen Verlauf gleichmässig ausgesprochen. An der Oberfläche der Zellen unter der Cutieula ist keinerlei Plasmaverdichtung oder Anhäufung wahrzunehmen. Anders dagegen in den ventralen Zellen der epithelialen Aus- kleidung, von welchen vier flimmernde Zellen und eine zwischen denselben liegende, auf einem regressiven Stadium befindliche Zelle abgebildet sind. Es fällt uns vor allem die relativ dunkle Färbung der Zellen auf, welche mit der Dichtigkeit des Cyto- plasmas und namentlich des faserigen Gefüges desselben zu- sammenhängt. Besonders auffallend ist dabei die dunkle Plasma- zone an der freien Zelloberfläche, unmittelbar unter den Basal- körpern der Flimmerhaare. Die faserige Structur der letzt- erwähnten Zone (Z) ist fast völlig verwischt, sie sieht mehr oder weniger homogen aus. Es ist dabei zu beachten, dass sie in der nicht flimmernden Zelle (Fig. 27 r) viel weniger scharf, als in den benachbarten Flimmerzellen ausgebildet ist. Der Flimmer- apparat besteht, wie gewöhnlich, aus sehr regelmässig angeord- neten und deutlich einzeln wahrnehmbaren Basalkörpern mit langen, zarten Flimmerhaaren; die Cuticula der Zellen wird von letzteren durchbrochen, wobei es sich nicht um präformirte Canäle handeln kann, da die einzelnen Haare, je nach ihrer zufälligen Lage, einen bald geraden, bald schiefen Verlauf innerhalb der Cutieula einnehmen. Die Cutieula muss demnach von einer weichen, halbflüssigen Consistenz sein. Statt der einzelnen, discreten Basalkörper tritt nun in der Zelle » ein dünner, continuirlicher Substanzstreifen auf, der sich 210 Alexander Gurwitsch: färberisch ähnlich wie die Basalkörper verhält und an seinen freien Enden direet in dieselben übergeht. Es ist somit das regressive Stadium der Flimmerzellen (in diesem Falle, d. h. im Prostomialepithel des Lumbrieus) an fol- sende zwei Vorgänge gebunden: Die Basalkörper der Flim- merzellen fliessen, nachdem sie ihren Haarbesatz ein- sebüsst haben, zu einem continuirlichen Substanz- streifen zusammen, welcher sich zunächst färberisch mit ihnen gleich verhält, dann aber verschwindet; ebenso sehwindet allmählich die scharf gekennzeich- nete, homogene, oberflächlich gelegene Plasmazone. Als Endproduct der regressiven Metamorphose haben wir endlich Cutieularzellen, welche sich in keiner Weise von den dorsal ge- legenen, in dd abgebildeten unterscheiden. Diese zwei Thatsachen sind von Wichtigkeit für die all- gemeine Auffassung der Histogenese der Flimmerzellen, wie es sich aus dem Folgenden ergeben wird. Ich hatte leider bis jetzt kein embryologisches Lumbrieus- material zur Verfügung und muss mich daher auf diese spärlichen Angaben beschränken !). Das letzte hier zu besprechende Object ist das Epithel der Tela choroidea der Salamanderlarven. Wäre dasselbe Henneguy oder Lenhossek vorgelegen, so könnten sie in der That darin eine sehr gewichtige Stütze ihrer Ansichten erblicken. Im Zu- sammenhange mit den vorher an anderen Objeeten gewonnenen und oben geschilderten Resultaten gewinnen jedoch die jetzt zu besprechenden Thatsachen eine andere, ganz eigenthümliche und für die ganze „Centralkörperfrage“ wichtige Bedeutung. Die Epithelzellen der Tela choroidea wurden von Stud- ni@ka (24) und auch von mir in einer vorläufigen Mittheilung besprochen. Ich erwähnte daselbst, dass auch in vielen Zellen eines erwachsenen Individuums der Flimmerbesatz kein regel- mässiger und ununterbrochener ist, vielmehr nicht selten in einzelnen unregelmässigen Gruppen auf der sehr ausgedehnten Zellober- fläche vertheilt ist. Diese Unregelmässigkeiten und Lücken ge- hören jedoch zur geringen Minderzahl der Fälle und treten ent- 1) Auf die eigenthümliche Structur des Pharyngealepithels komme ich im 2ten Theile der Arbeit zurück. Studien über Flimmerzellen. 211 schieden im Vergleiche mit der regelmässigen, ziemlich dichten Bewimperung in den Hintergrund !). Anders bei den Zellen in der Tela einer ca. 2 em langen Salamanderlarve. Die Zellen sind ziemlien gross, in ihren Conturen sehr inconstant — bald mehr kubisch (Fig. 25, 26) bald ziemlich stark abgeflacht. Sie sind in einer Schicht angeordnet und liegen einer dünnen homogenen Basalmembran auf. Das Cytoplasma ist ziemlich dicht, fein granulirt, füllt den ganzen Zellleib aus. Häufig treten als Zelleinschlüsse grosse Myelintropfen auf, welche nach der Paraffin- Behandlung als runde Defecte im dichten Cytoplasma persistiren (Fig. 25 m). Die freie Zelloberfläche trägt eine von Studnitka ge- nauer beschriebene Cuticula; Studnicka hält sie für wabig gebaut, mir scheint sie eher eine Stäbcheneuticula, ähnlich wie in den Nierenepithelien der Salamanderlarve, zu sein (s. u. a. Meves 18). Dicht unter der Cutieula ist ein von der Umgebung deutlich abstechender Plasmastreifen gelegen. Er ist vom übrigen Cyto- plasma durch seine Helligkeit ausgezeichnet und durch scharfe geradlinige Conturen begrenzt. Eine deutliche Anisotropie konnte ich bis jetzt in dieser Schicht nieht nachweisen, es mag aber vielleicht theilweise an der Kleinheit der Verhältnisse liegen. Innerhalb dieser Zone entsteht nun der Flimmerbesatz der Zellen und zwar in einer von den bis jetzt bekannt gewordenen etwas abweichenden Weise. Die Basalkörper tauchen nämlich ganz vereinzelt in weiten Intervallen und anscheinend ganz regellos auf (Fig. 25, 26). Wenn wir die Fig. 24 betrachten, so können wir uns des Eindruckes nicht erwehren, dass wir ein gewöhnliches sog. Diplosom mit einer „Uentralgeisel“ vor uns haben — man braucht nur z. B. das Bild mit einer Fig. der letzten Abhandlung von Meves (18) etc. zu vergleichen. Noch mehr, wir haben auch kein Uriterium — weder ein positives, noch ein negatives — um beide Gebilde auseinander zu halten, oder ihre verschie- dene Natur zu erkennen. Im Tubarepithel hatten wir z. B. ın den nicht fertigen Zellen Diplosomen als Vergleichsobjekte mit den viel kleineren Basalkörpern; im Rachenepithel der Kröten- 1) Diese Beobachtung wurde neuerdings von Studnitka (Anat. Hefte Bd. XV No. 2) bestätigt. 212 Alexander Gurwitsch: larve konnten wir den Vorgang der Entstehung derselben aus den Wabenknotenpunkten verfolgen. In allen Fällen waren jeden- falls die Basalkörper Bestandtheile eines Wabenwerkes. Für eine ähnliche Genese in dem uns jetzt vorliegenden Objeete haben wir jedoch gar keine Anhaltspunkte, dürfen somit höchstens einen Analogie-Schluss machen. So lange wir somit in einer jungen Telazelle ein Flimmer- haar sehen, können wir vorderhand nicht erfahren, ob uns ein sog. Diplosom mit einer Centralgeissel oder die erste Anlage eines Systems von Flimmerhaaren vorliegt. Sobald ein zweites, drittes Haar u. s. w. auftaucht, wobei von einer Art Ab- knospung vom ersteren nicht die Rede sein kann, können wir nur constatiren, dass Gebilde, die in keiner durch unsere bisherigen Untersuchungsmethoden bekannt gewordenen Weise sich von den sog. „Centralkörpern“ unterschei- den, in einer grossen Anzahl innerhalb einer Zellzone entstehen können, wobei ihre Muttersubstanz jeden- falls nieht als ein morphologisch präformirtes, ständigals solches bestehendesZollorgan inner- halb der Zelle vorhanden ist. Mit dem letzten Satze berühre ich die in der letzten Zeit so unendlich oft besprochene und discutirte Controsomafrage. Da, meiner Ansicht nach, die hier niedergelegten Beobachtungen über die Entwiekelung der Flimmerzellen geeignet sind, einiges zur Klärung dieses strittigen Themas beizutragen, werde ich im Folgeuden auf dasselbe noch ausführlicher zurückkommen. An dieser Stelle will ich aber zu- nächst die sich auf die Flimmerzellen beziehenden Thatsachen abschliessen. Ueber die weitere Eutwickelung unseres letzten Objektes — der Zellen der Tela cehoroidea — lässt sich nichts Weiteres sagen. Der Flimmerbesatz nimmt allmählich an Diehte zu, beschränkt sich aber gewöhnlich nur auf einen Theil der Zelloberfläche und zeichnet sich von den übrigen uns bekannten Flimmerzellen durch seime Unregelmässigkeit und Regellosigkeit aus. Wenn auch die bis Jetzt geschilderten Ergebnisse der Histogenese der Flimmerzellen eine sehr grosse, ganz ungeahnte Mamnigfaltigkeit des Entwiekelungsganges ergeben, und uns zur grössten Vorsicht Studien über Flimmerzellen. 9213 in der Verallgemeinerung der immerhin fragmentarisch zusammen- hängenden Thatsachen mahnen, so können wir doch unmöglich auf erstere vollständig verzichten; es wäre ja zu traurig, wenn uns das Recht genommen wäre, in der grossen Mannigfaltigkeit ver- schiedener, aber in ihrem Wesen analoger und, was die Haupt- sache ist, zu gleichen anatomischen und physiologischen Produeten führender Entwickelungsvorgänge, eine allen gemeinsame Grund- lage zu suchen. Es wird daher wohl bis auf Weiteres berech- tigt sein, bei allen Flimmerzellen einen im Wesent- lichen gleichen Mechanismus zu suchen und auch den ständigen Bestandtheilen desselben, trotz einiger Unterschiede in Grösse, Configuration u. s. w., eine wesentlich gleiche physiologische Fune- tion beizumessen. Dieser letzte, eigentlich als selbstverständlich vor- kommende Satz muss immer von Neuem ins Gedächtniss zurück ge- rufen werden, wenn man bedenkt, dass ein anscheinend wichtiger Be- standtheil des Flimmerapparates, die sog. Basalkörper der Flimmer- haare, welehe in den» meisten Fällen primär auftreten und aus sich die Flimmerhaare hervorwachsen lassen, bei einem Objecte umgekehrt, erstnach der vollständigen Ausbildung des Flimmer- haarbesatzes erscheinen und als ein Differenzirungsproduct aus dem Basaltheile des Flimmerhaares entstehen. Halten wir an der Identität der Basalkörper in sämmtlichen Flimmerzellen fest, so ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, dass beide Theile des Flimmerapparates — Haar und Basalkörper — nur zwei geson- derte Bestandtheile derselben Substanz sein können. Untersuchen wir zunächst das Wachsthum der Flimmerhaare in dem 1. Typus der Histogenese (Flimmerzellen des Tubar- epithels des Kaninchens, des Rachenepithels der Kröte und des Darmes des Lumbriceus): Die Basalkörper sitzen in den Knoten- punkten des Wabenwerkes und reichen bis an die freie Zellober- fläche heran. Die Flimmerhaare erscheinen stets als unmittelhare Fortsetzung der Basalkörper, ja es ist im gegebenen Falle keine andere Entstehungsweise der ersteren, als ein direetes Heraus- wachsen aus den letzteren, möglich, es fehlt ja eine verfügbare Plasmamenge, welche, etwa durch die Basalkörper angeregt, sich zu einem fadenförmigen Fortsatz ausziehen sollte. In letzterer Weise stellt sich nämlich Meves den analogen Fall des Heraus- wachsens des Axenfadens der Spermatide vor: „Es dürfte sich vielmehr um einen Mitomfaden der Zellsubstanz handeln, welcher 214 Alexander Gurwitsch: ebenso, wie z. B. ein Polstrahl oder eine Spindelfaser der achromatischen Figur der Mitose, an dem Centralkörper ange- heftet ist, und welcher die Substanz, auf Grund deren er wächst, um den Centralkörper herum oder vielleicht dureh ihn hin- durch!) aus der Zelle bezieht“ (17, S. 117). In unserem Falle handelt es sich um grössere Mengen Material für den gesammten Haarbesatz, die unmöglich in einer für uns unsichtbaren Weise „um die Basalkörper herum“ aus dem Cytoplasma stam- men können. Es wachsen somit in unseren Objeeten die Flimmerhaare aus den Basalkörpern hervor. Es ist klar, dass bei diesem Wachsthumsmodus die Substanz des Basalkörpers in kurzer Zeit verbraucht wäre, wenn nicht ständig für Ersatz für das Aufge- brauchte gesorgt wäre. Die dazu bestimmten Plasmamengen können entweder aus der Substanz des wabigen Zellsaumes, oder aus dem darunter liegenden Cytoplasma stammen. Lenhossek (15) stellt sich den Vorgang (für die ent- sprechende Erscheinung an den Spermatiden) als eine Seeretions- erscheinung seitens des Oentralkörpers vor: „es kann sich nur um eine Art von Ausscheidungsproduct der Centrosomen han- den“ (15 S. 301). Der Centralkörper wäre demnach ein „assi- milationsfähiges Organ“, welches die nöthigen Stoffe aus dem umgebenden Oytoplasma bezieht, „eine Forderung, die ja auch den Anschauungen M. Heidenhain’s entspricht“ (S. 300). Wir sehen demnach in beiden oben dargelegten Anschauungen, trotz der wichtigen Unterschiede, einen gemeinsamen Hauptpunkt aufrecht erhalten. Der Centralkörper erscheint in beiden Fällen, nach der Ansicht von Meves ebenso gut wie von Lenhossek, als ein selbständiges Zellorgan, unter dessen Einfluss oder als dessen Ausscheidungsproducet der Axenfaden der Spermatide entsteht. Beide Autoren schliessen ganz ent- schieden die Möglichkeit aus, dass die Substanz des Centralkörpers unverändert in den Faden übergehe; als Hauptgrund dagegen geben sie das verschiedene färberische Verhalten beider Substanzen an. Der Axenfaden nimmt nur in geringem Maasse Färbstoffe auf und weicht darin von dem sich so stark tingirenden Central- körper ab. 1) Im Original nicht gesperrt. Studien über Flimmerzellen. 215 Dieser färberische Unterschied kann kaum für besonders beweiskräftig gehalten werden; 1) es übertrifft einmal der Central- körper den dünnen Faden um ein mehrfaches im Umfang, so dass es nicht Wunder nehmen kann, wenn er begieriger den Färbstoff aufnimmt, oder denselben zäher zurückhält; 2) es können ausserdem so viele Modificationen der Centralkörpersubstanz so- wohl physikalischer wie chemischer Natur mit im Spiele sein, die vollständig zur Erklärung der färberischen Unterschiede aus- reichen, uns jedoch kein Recht geben, von einer anderen dem Centralkörper völlig fremden Substanz (Meves), oder von einem Ausscheidungsproduct der ersteren (Lenhossek) zu sprechen. Der Begriff des Ausscheidungsproduetes involvirt in sich die Vorstellung von einem chemischen Körper (ohne bestimmte Organisation), welcher von einem mehr oder weniger complieirt gebauten Organ produeirt wird. Es muss jedoch zugegeben werden, dass wir vorläufig keinerlei Anhaltspunkte für eine der- artig complieirte und willkürliche Annahme von der Natur der beiden in Betracht kommenden Gebilde — des Centralkörpers und des Axenfadens — haben. Wir brauchen uns nur eine Auf- lockerung des Gefüges der Centralkörpersubstanz bei ihrem Ueber- gange in den Axenfaden, oder einen ähnlichen einfachen Prozess vorzustellen, um eine völlig befriedigende Erklärung für die fär- berischen Unterschiede zu gewinnen; wo wir zu unbeweisbaren Hypothesen Zuflucht nehmen müssen, ist es ja immerhin ein Vorzug, eine möglichst einfache gewählt zn haben. Ich habe an dieser Stelle die Wachsthumserscheinungen des Axenfadens in den Spermatiden einer kurzen Betrachtung unterworfen, weil dieselben uns einige Anhaltspunkte für die Untersuchung unserer speciellen Frage, des Wachsthumsmodus der Flimmerhaare, geben. Rein morphologisch betrachtet, bieten die beiden Vorgänge sehr weitgehende Analogien. Ich habe schon vorhin angedeutet, dass die von Meves für die Axen- fäden zugelassene Entstehung aus dem angrenzenden Oytoplasma in unserem Falle ausgeschlossen ist. Wenn der Erklärungsversuch von Lenhossek (s. o.) für die Spermatide nichts weniger als beweisend und wahrschein- lich ist, so wird ein analoger Vorgang bei der Entwicke- lung des Flimmerapparates direct zur Unmöglichkeit. Der Prozess ist nämlich im letzteren Falle umkehrbar. So gut Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 15 916 Alexander Gurwitsch: wie in unserem Typus I (Tubarepithel, Rachenepithel der Kröte, Darmepithel des Lumbrieus) die secundär auftretenden Flimmer- haare aus den primär entstandenen Basalkörpern hervorwachsen, tritt im Typus II (Rachenepithel des Salamanders) zunächst, als erstes, der Flimmerbesatz auf, und erst in zweiter Linie, als dessen Differenzirungsproduet an der Basis der Flimmerhaare — die Basalkörperreihe. Wir könnten somit mit dem gleichen Rechte im ersten Falle die Flimmerhaare für „Ausscheidungsproducte* der Basalkörper, wie im Typus II die Basalkörper für „Aus- scheidungsproducte“* der Flimmerhaare erklären. Es leuchtet ein, dass dies gegenseitige Verhältniss ein Ding der Unmöglich- keit ist. Wir kommen somit auf einem, wenn auch indireeten, doch ziemlich unanfechtbaren Wege zum Schlusse, dass uns in beiden Componenten des Flimmerapparates — den Flimmerhaaren und den Basalkörpern — morphologisch gesonderte Bestandtheile der- selben Substanz vorliegen. Eine völlig physikalisch-chemische oder physiologische Identität beider Gebilde braucht daraus nicht unmittelbar zu folgen; es wird vielmehr dadurch nur ausgedrückt, dass die zum Aufbau der Basalkörper dienenden Plasmatheilchen unter entsprechenden Modificationen in die Flimmerhaare über- gehen können, was im erhöhten Maasse während der Histogenese des Flimmerapparates, aber auchin der ganzen weite- ren Existenz. der fertigen Flimmerzelle, in Anbetracht derständigen Abnützung des Flim- merapparates, vorsich gehen muss. Das Verhält- niss des Basalkörpers zum Flimmerhaare wäre demnach etwa demjenigen der Haarzwiebel zum Haarschaft zu vergleichen. Die plasmareichen, wenig differenzirten Zellen der Haarzwiebel sind mit den hoch differenzirten Zellen der verschiedenen Schichten des Haarschaftes zwar nicht direet identisch, unterscheiden sich aber von den letzteren so graduell, dass man von einem einheit- lichen Gewebe sprechen kann; aus der Umkehrbarkeit des Pro- cesses in der Histogenese des Flimmerapparates (s. S. 214) müssen wir auf eine ähnliche nahe Verwandtschaft in der Structur beider zusammenhängenden Theile — des Basalkörpers und des Flimmer- haares — schliessen. Setzten wir an die Stelle der einzelnen Zellen (Haarzwiebel und Schaft) im letzteren Falle nicht näher definirbare Plasmatheilchen, so wird die Analogie eine vollständige. Studien über Flimmerzellen. 917 Die von Meves als eine Möglichkeit zugelassene Vor- stellung, dass das Material für den Axenfaden „durch den Central- körper hindurch“ geht (s. o. S. 112), deckt sich, wenn ganz allgemein gehalten, mit meiner Auffassung. Erstere ist ja kaum in dem Sinne zu verstehen, dass der Centralkörper von dem durchgehenden Axenfaden durchlöchert wird, sondern dass die in den Centralkörper einrückenden Plasmatheile denselben nach manchen nicht näher definirbaren Modificationen in der Gestalt eines Haares verlassen. Die unmittelbare Folge des über die Entstehung und das gegenseitige Verhältniss der Basalkörper und der Flimmerhaare oben Auseinandergesetzten ist die Thatsache, dass wir unmöglich die Basalkörper (im Gegensatz zu den Flimmerhaaren) für ein Organ in dem Sinne, wie es gegenwärtig von den meisten Cytologen für den Centralkörper geschieht, halten können. Wenn wir von einem aus mehreren oder aus einer Zelle bestehenden, oder von einem intracelullaren Organe, etwa dem Zellkerne sprechen, so bleibt diesem Begriffe die Eigenschaft inhärent, dass er normaler Weise seinen stofflichen Bestand ent- weder nur in den allgemein giltigen Stoffwechselvorgängen, oder während seiner seeretorischen Thätigkeit ändert. Jedes Organ hat ein mehr oder weniger complicirtes, festes Gefüge, welches eine nothwendige Voraussetzung für seine normale Thätig- keit abgibt. Wir kennen kein Organ, dessen Thätigkeitsproduet ihm gleich oder ähnlich, ein Theil seiner selbst wäre, oder noch mehr, zu seinem eigenen Erzeugnisse in einem umkehrbaren Verhältnisse stünde, d. h. unter Umständen letzteres aus sich selbst entstehen lassen könnte. Ein ähnliches Verhältniss besteht aber, wie wir oben gesehen haben, zwischen den Basalkörpern und den Flimmer- haaren und das ist der Grund, weswegen wir die Vorstellung, dass wir im Basalkörper das active, schaffende Element, im Gegensatze zu dem passiven, erzeugten Flimmerhaar vor uns haben, fallen lassen müssen. Der Begriff „activ* wird im Bezug auf die Basalkörper auch in einem zweiten, sehr weittragenden Sinne angewandt. Man ist geneigt, in demselben ein „kinetisches“ Centrum für die Flimmerbewegung zu erblicken!), ähnlich wie 1) S. u. A. Peter (19). 218 Alexander Gurwitsch: man den Centralkörper für das „kinetische“ Centrum der Zelle hält. Ich will anf das Unklare und Unbefriedigende des Be- griffes an dieser Stelle nicht weiter eingehen; es liegt mir nur daran, zu zeigen, dass, nachdem wir den Entwickelungsgang beider in Frage kommenden Gebilde — des Basalkörpers und des Flimmerhaares — erfahren haben, auch der letzte Schein der Bereehtigung einer ähnlichen Annahme verschwinden muss. In der That, so lange man von der Vorstellung eines per- manentenZellorganes — des Oentralkörpers oder Centro- somas — ausgeht, welches durch seine Anwesenheit in den ver- schiedenen Zellabschnitten Impulse zu motorischen Processen in den betreffenden Zellterritorien abgeben soll, könnte man auch eine ähnliche Bedeutung den den Centralkörpern so ähnlichen Basalkörpern vindieiren. Nachdem wir aber erfahren haben, dass die Basalkörper nur bald primär, bald secundär auftretende Theile eines untrennbaren Ganzen des Flimmerapparates sind, fällt auch die letzte Wahrscheimlichkeit für die oben erwähnte Hypothese. Es wird auch nichts an der Sache geändert, wenn der bestimm- teste Beweis erbracht würde, dass die Basalkörper zum Functio- niren des Flimmerapparates nothwendig sind. Die Unentbehrlich- keit der ersteren kann ja thatsächlich bestehen, dabei aber in den allerverschiedensten Momenten ihre Quelle haben. Ich glaube daher, dass man auf Grund des oben dargelegten bis auf Weiteres in den Basalkörpern nur Anhäufungen einer Sub- stanz zu erblieken hat, welche zum Nachwuchs des Flimmer- haares sowohl im Laufe der Histogenese, wie auch als ständiger Ersatz des Verbrauchten im weiteren Leben der Zelle bestimmt ist. Einen speciellen, complieirteren Mechanismus im Aufbau des Basalkörpers anzunehmen, welcher demselben die Bedeutung eines „kinetischen Centrums“ beilegen soll, liegt gar kein Grund vor. Wir müssen uns nun fragen, ob die histogenetische Unter- suchungsmethode, die hier angewandt wurde, in der vorliegenden Frage — über die Bedeutung und Function der Basalkörper — mehr als die experimentelle Methode geliefert hat. Wenn man sogar die Ergebnisse der Untersuchungen von Peter (19) für definitiv feststehend und eindeutig hält, so folgt zu- nächst aus denselben im besten Falle nur die Unentbehrlichkeit der Basalkörper für das Functioniren der Flimmerhaare. Ich sage Studien über Flimmerzellen. 219 „im besten Falle“, weil es gar nicht ausgemacht ist, dass durch die mechanische Abtrennung der Basalkörper von den Cilien nicht auch letztere dermassen beschädigt werden, dass sie ihre Funetionsfähigkeit einbüssen. Eme nähere Funetion der Basalkörper wurde aber bis jetzt auf experimentellem Wege nicht festgestellt. Anders bei der histogenetischen, also rein beschreibenden Untersuchung. Nachdem wir feststellen konnten, dass 1) die Basalkörper sich im Laufe der Ontogenese allmählich (s. beson- ders S. 193) herausdifferenziren, im Laufe der verschiedenen phy- siologischen Stadien sich wiederholt desorganisiren und reorga- nisiren können (Lumbrieus), gewinnen wir dadurch zunächst die Erkenntniss, dass wir es nicht mit Derivaten eimes specifischen, morphologisch individualisirten Organes der Zelle (wie es für das Centrosom vielfach angenommen wird) zu thun haben; da wir andererseits feststellen konnten, dass die Flimmerhaare stets im Zusammenhang mit den Basalkörpern entstehen, haben wir dadurch wenigsten eine Function der letzteren mit Sicherheit erkannt: d. i. die Basalkörper liefern den Nachwuchs für die Flimmerhaare sowohl im Laufe der histogenetischen Entwicke- Inng, wie auch des weiteren Lebens und Thätigkeit der fertigen Flimmerzelle. Es wurde bis jetzt nicht genug berücksichtigt, dass die Flimmerzellen, die ja zweifelsohne ein längeres indivi- duelles Leben haben (was aus der Seltenheit der Regenerations- erscheinungen an denselben hervorgeht) und eine ausserordentliche Thätigkeit ihrer Flimmerhaare entfalten, auch eines ständigen Nachwuchses derselben bedürfen. Da der Vorgang des Heraus- wachsens des Haares aus dem Basalkörper im Laufe der Histo- genese nachgewiesen wurde, liegt es auch nahe, dem Letzteren dieselbe Function auch für das spätere Leben zu übertragen. Wir kommen somit zu unserem Ziele — zum Nachweis einer bestimmten Function für die Basalkörper. Ob denselben auch andere, uns vorderhand Unbekannte zukommen, blieb zu- nächst abzuwarten, wir haben aber jedenfalls wenigstens theil- weise unser eingangs hervorgehobenes Postulat erfüllt — für die anatomische Structur eine entsprechende Function nachzuweisen, d. h. erstere biologisch zu erklären. Ich habe vorhin (S. 192) die Frage über die Herkunft des Ersatzes für die verbrauchte Basalkörpersubstanz in suspenso gelassen. Es lässt sich jedoch 220 Alexander Gurwitsch: auf Grund des wabigen Baues des Zellsaumes, in dessen Knoten- punkten die Basalkörper sitzen, mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass nach Massnahme des Substanzverlustes durch fortschreitendes Wachsthum der Haare den Basalkörpern neue Substanzmengen aus den Wabenwänden zufliessen. Die physikalischen Voraussetzungen für einen derartigen Process sind vollständig erfüllt, da die Knotenpunkte des Waben- werks bekanntermaassen wie Attractionscentren auf die m den Wabenwänden vertheilten Substanzen wirken. Es liegt aber noch ausserdem zu Gunsten dieser Annahme eine sehr schwerwiegende Stütze morphologischer Natur vor. Da im Typus II (Rachen- epithel des Salamanders) der ganze Flimmerapparat aus den Wabenwänden des Zellsaumes entsteht (s. o. S. 202—204), liegt es auch natürlich nahe, für identische Bildungen in den anderen Flimmerzellen eine ähnliche Entstehungsquelle anzunehmen. Eine für die Auffassung des Flimmerapparates wichtige Thatsache ist die schon auf den frühesten Stadien erfolgende scharfe Absonderung des gesammten Materials für den ersteren aus dem übrigen Cytoplasma. In dieser Hinsicht scheint eine Uebereinstimmung in allen, wenigstens in den uns bekannt gewordenen, Fällen zu bestehen. Wir haben es in der That stets mit einem scharf abgegrenzten hyalinen Saum zu thun, welcher implicite das Material für die Flimmerhaare und Basalkörper enthält. Auch das anscheinend so abweichende Objeet — die Zellen der Tela choroidea des Salamanders — scheint darin keine Ausnahme zu machen, da wir auch hier eine scharf begrenzte Zone bereits auf Stadien finden, wo nur ganz wenige, zerstreute Basalkörper vorhanden sind. Letztere können auch so regellos über das weite Feld der Zelle vertheilt werden, stets sind sie in dieser Zone gelegen, voraussichtlich (wie es sich aus Ana- logie mit den anderen Fällen ergibt) auch in derselben, oder aus derselben entstanden. Ich glaube, dass man auf Grund dieser Thatsachen zur Vorstellung gelangen muss, dass das Wesen der Histogenese des Flimmerapparates iu einer Art Arbeitstheilang innerhalb des zu- nächst als indifferent zn denkenden Cytoplasmas besteht. Es sondert sich ein specifisch beschaffener Plasmatheil aus dem Ver- bande, welcher die Fähigkeit der Bewegung in sich ganz be- Studien über Flimmerzellen. 221 sonders concentrirt und durch weitere Differenzirung alle Be- standtheile des Flimmerapparates aus sich hervorgehen lässt. Dass es überhaupt dieser Constatirung noch bedarf, und dass sie nicht nur nicht selbstverständlich, sondern eigentlich unerwartet ist, erhellt sofort, wenn man die zahlreichen Arten von Flimmerzellen beachtet, in welchen den Flimmern intracelluläre Differenzirungen entsprechen, welche in inniger Verbindung mit denselben stehen. Die s. g. Flimmerzellen treten in sehr verschiedener Gestalt auf. Am ausführlichsten wurden die verschiedensten Arten des „Fi- brilleneonus“ schon von Engelmann beschrieben und ab- gebildet, in der letzten Zeit wieder mit neuen Methoden von M. Heidenhain (10), Benda (3), Apathy (1). Man müsste eigentlich für diese Zellarten & priori den innigsten Zu- sammenhang des Flimmerapparates mit dem ganzen Zellleib !), eine morphologische Untrennbarkeit beider, annehmen. Das wäre eine Beschränkung des oben aufgestellten Satzes von der völligen frühzeitigen Emancipation des Flimmerapparates von dem übrigen Cytoplasma, welche beinahe einer Nichtigkeitserklärung desselben gleich käme. Der einfachste Weg zur Entscheidung dieser Frage, die histogenetische Untersuchung der fraglichen Zellen, scheiterte bis jetzt an Mangel an geeignetem Material; die nöthigen Ent- wicklungsstadien der Teichmuscheln und auch der Landschnecke sind sehr schwer zu erhalten. Es war für mich daher von grossem Werth, für eine Zellart nachweisen zu können, dass die direete Fort- setzung der Flimmerhaare in den Fibrilleneonus eine nur scheinbare ist, dass vielmehr die Fasern des Fibrilleneonus wohl in die Nähe des Flimmerapparates kommen, jedoch nicht organisch mit den Basalkörpern zusammenhängen. Besonders deutlich gelang es mir an den klassisch gewordenen Flimmerzellen des Mitteldarmes der Anodonta. Die schönsten Zellen sitzen gewöhnlich be- kanntermassen auf der s. g. Typhlosolis, einem in der Längsaxe des Darmrohres verlaufenden, in dessen Lumen hinein- ragenden Walle.. Da man gewöhnlich Querschnitte durch den Darm, d. h. auch durch die Typhlosolis anfertigt, und dadurch die Zellen stets von ihrer schmalen Seite zu sehen bekommt, so verfällt man leicht einer optischen Täuschung. Man sieht gewöhn- 1) In allen Phasen der Histogenese. 222 Alexander Gurwitsch: lich 8 bis 10 Basalkörper in einer Zelle (vergl. die Abbildungen von Apathy) und etwa ebenso viele Fasern des Fibrillenconus. Letztere brauchen nicht alle in derselben Ebene zu liegen, um gleichzeitig wenigstens annähernd scharf gesehen zu werden. Da ihre optischen Projeetionen auf eine Ebene zusammengedrängt sind, hat man wirklich den Eindruck, dass sie dieselben regel- mässigen Abstände wie die Basalkörper einhalten und entweder direet zu denselben ziehen, oder nach der Angabe Apathy’s mit denselben abwechseln. Betrachtet man dagegen günstige Flächenschnitte der betreffenden Zelle, so ergiebt sich Folgendes: Die Oberfläche der Zellen ist stets länglich, wobei die Längsaxe der Oberfläche mit der derjenigen der Typhlosolis zusammen- fällt (Fig. 27). Die S—10 von der schmalen Seite sichtbaren Basalkörper waren nur Glieder von ebenso vielen, ziemlich regel- mässigen Reihen, von denen jede etwa 20—30 Stück enthält. Senkt man den Tubus und stellt statt der Basalkörper die unter ihnen befindliehen Querschnitte durch die Fibrillen des Fibrillen- conus ein, so kann man deren höchstens 20—30 auf der ganzen Zelloberfläche zählen, wobei sie ganz regellos vertheilt sind und weder in ihrer Lage, noch in der Anzahl den Basalkörpern ent- sprechen (Fig. 28), oder mit jedem derselben zusammenhängen können. Es wäre nun noch der Einwand möglich, dass die Querschnitte durch den Fibrilleneonus ganze zusammengeschmolzene Fibrillengruppen treffen, die sich dicht an der Zelloberfläche in einer grösseren Anzahl auffasern könnten (vgl. Heidenhain 10). Ein Blick auf die Figuren Apathy’s genügt aber, um jede derartige Annahme zu entkräften. Die Fasern des Fibrillenconus sind gerade bei diesem Object durch ihren parallelen Verlauf und völlige Abwesenheit jeder Dichotomie in der ganzen oberen Hälfte der Zelle ausgezeichnet. Ich will mich hier nur mit dem angeführten Beispiel begnügen. Wenn es sich auch ergeben sollte, dass in eini- gen Flimmerzellenarten jedem Basalkörper eine Fibrille des Kegels entspricht, so ändert es nichts an dem Sachverhalt, dass beide Bildungen genetisch nicht zusammenhängen können, und dass folglich auch die mit intracelullären Differen- zirungen versehenen Flimmerzellen keine Ausnahme von der Regel zu machen brauchen, dass der flimmernde Anpa- ratsich sehr frühzeitig in einer morphologisch Studien über Flimmerzellen. 223 noch nieht differenzirten Gestalt, sozusagen en bloevon dem übrigen Zellplasma absondert und nunmehr in der weiteren Differenzirunginkeinen Wechselbeziehungen mit demselben steht. Eine physiologische Verwerthung dieser Thatsache gehört in den zweiten Theil dieser Arbeit. Die spärlichen in der Litteratur über diese Frage vorhan- denen Angaben scheinen im vollen Einklange mit dieser Schluss- folgerung zu stehen. Die Histogenese der Flimmerzellen wurde meines Wissens überhaupt noch nicht untersucht; über die Ent- stehung des Flimmerapparates bei Infusorien finden wir aber einige ältere Angaben von Engelmann (5), die ich hier anführen will: „Der Process beginnt hier mit der Bildung einer wulstartig hervorragenden, glashellen, homogenen Verdichtung der Rindenschicht des Leibes. Gleich von Anfang an zeigt dieser Wulst undulirende Bewegungen. Die unmittelbar unter dem neuentstehenden Wulst gelegene Partie des Körperprotoplasmas behält dabei ganz das gewöhnliche Aussehen und lässt durchaus keine Bewegungen erkennen. Sie unterscheidet sich nicht merk- bar von den benachbarten Stellen der Körperrinde.*“ Der Wulst wird zueiner Leiste und „diese Leiste oder Membran .... spaltet sich dann, wenn sie eine gewisse Grösse erreicht hat, allmählich in einzelne parallele Stücke, die durch weitere Spaltung in einzelne Wimpern sich zerklüften. Die Zerklüftung kann vollkommen oder unvollkommen sein“ (5, S. 157). In der botanischen Litteratur finden wir dagegen sehr zahl- reiche neuere Angaben über die Entwickelung des eilientragenden Bandes bei Antherozoiden und der Geisseln der Schwärmesporen. Die Verschiedenheiten in der Entwiekelung beider Gebilde scheinen nicht geringer als die von uns in der Histogenese der Flimmerzellen aufgedeckten zu sein. Durch die ziemlich übereinstimmenden Angaben von Bela- jeff (2), Webber (25), Shaw (21), Ikeno (14) wurde für das Cilienband der Antherozoiden mehrerer Objeete, namentlich Schachtelhalme, Gingko, Cycas revoluta, Zamia, Marsilia ete., folgender Entwicklungsgang festgestellt: bei der letzten Theilung der generativen Zelle des Pollenschlauches treten in der Nähe beider Spindelpole ceentrosomähnliche Körper auf, welche nach dem Ablaufe der Mitose eigenthümliche Veränderungen ein- 224 Alexander Gurwitsch: gehen, welche ihnen den Namen „Blepharoplasten* (Webber) eintrugen. Die kugeligen Körper strecken sich zu einem langen schmalen Bande aus, welches das Antherozoid spiralig umwächst. Das Band besteht aus einzelnen Körnern, die sich zu je einer Cilie ausdehnen. Der Cilienapparat der Antherozoiden verdankt somit seine Entstehung zweifelsohne einer eircumscripten Substanzanhäufung im Innern der Zelle. Soweit die Thatsachen, die anscheinend feststehen. Um so strittiger ist die Deutung der Natur der Blepharoplasten geblieben. Manche Autoren, namentlich Bela- Jeff und Ikeno sprechen sich für die Centrosomennatur derselben aus, andere, wie Webber und Strasburger (23) und Shaw halten die Blepharoplasten für Bildungen sui generis. Belajeff und Ikeno führen folgende Gründe zu Gunsten ihrer Annahme auf: die fraglichen Gebilde zeigen während der Mitose eine zuweilen prächtig entwickelte Strahlung und befinden sich in der Nähe, nach Belajeff (bei Marsilia) sogar in den Polen der Spindeln. Andererseits sprechen auch sehr gewichtige Gründe gegen die centrosömale Natur der Blepharoplasten; 1) weder in den vorhergehenden Mitosen, noch in den Furchungsspindeln des be- fruchteten Eies wurde jemals bei irgend einer in Betracht kommenden Pflanze ein Centrosom nachgewiesen. 2) Wird die Cilienbekleidung der Antherozoiden während des Befruchtungsactes abgestreift, und bleibt an derOberfläche des Eies, wo es zu Grunde geht, nimmt somit keinen Antheil an der Befruchtung, wie wir es von einem Centrosom auf Grund unserer Kenntnisse der entsprechenden Vorgänge bei thierischen Geschlechtszellen annehmen sollten. Wir sehen demnach, dass die ganze Frage über die Herknnft der Blepharoplasten noch nicht spruchreif ist, kann daher weder zu Gunsten noch gegen die präsumptive Verwandtschaft der Basal- körper der Flimmerzellen mit den Centralkörpern in’s Feld ge- führt werden. Eine wichtige Stütze kann ich dagegen in den Ergebnissen der botanischen Forschung für den von mir aufgestellten Satz von der wesentlichen Identität der Basalkörpersubstanz mit den Flimmerhaaren erblicken: die Insertionsstellen der Cilien brauchen nicht unbedingt als morphologisch gesonderte „Basalkörper“ in ver- schiedenen pflanzlichen Objeeten aufzutreten: „die Anschwellungen an der Basis der einzelnen Cilien sind in der That bei Schwärme- sporen und Gameten zu unbedeutend, um als Basalkörperchen Studien über Flimmerzellen. 225 gelten zu können, und sie fehlen, wie schon erwähnt wurde, an der Basis pflanzlicher Spermatozoiden, allem An- schein nach, ganz.“ (Strasburger 23, S. 210%). Der ganze Blepharoplast wird somit zur Cilienbildung aufgebraucht ?). Der Vorgang der Cilienbildung bei den Schwärmesporen bietet einige nähere Anknüpfungspunkte an die Vorgänge der Histogenese der Flimmerzellen (Typus I). Es liegen neue Unter- suchungen von Strasburger an Vaucheria, Oedogonium, Clado- phora und Bryopsis vor. Allen Objecten ist die Entstehung der Cilien an der Peripherie (aber aus dem Material) einer linsen- oder höckerförmigen Anschwellung der Hautschicht des Cyto- plasmas gemein. Die Cilien wachsen pseudopodienartig aus der Hautschicht hervor, ihre Insertionsstelle giebt sich gewöhnlich durch ein kleines Knötchen zu erkennen; ob dieses Knötcehen durch sein färberisches Verhalten besonders ausgezeichnet ist, ist aus den Angaben Strasburger’s nicht zu ersehen. Strasburger sucht nun die beiden anscheinend so divergenten Entwickelungs- typen der Cilien im Pflanzenreiche durch die Annahme in Ein- klang zu bringen, dass wir es in beiden Fällen, sowohl im Ble- pharoplast, wie in der linsenförmigen Anschwellung der Hautschicht mit Anhäufungen des Kinoplasmas zu thun haben. Die Hautschicht des Cytoplasmas soll nach Strasburger in der Regel kino- plasmatischer Natur sein; wir stossen aber auf keinerlei Schwierig- keiten, um eine Wanderung der Hautschicht in das Zellinnere anzunehmen: findet ja der Vorgang jedes Mal bei der Entstehung der Zellplatte statt. Die frühzeitige morphologische Abgrenzung einer speeifischen Plasmaschieht — der Muttersubstanz des gesammten Flimmerapparates — ist somit ein cardi- naler, sowohl den thierischen als pflanzlichen Objeeten gemein- samer Punkt in der Histogenese. Strassburg i. E., im Juli 1900. 1) Im Original nicht gesperrt gedruckt. 2) Ich möchte dabei erwähnen, dass bis jetzt in keiner thieri- schen Wimperzelle Basalkörper vermisst wurden. Auch an dem ein- zigen mit den meisten Methoden untersuchten Repräsentanten der Protozoen (Infusor Colpidium Colpida) konnte Hoyer (13) den Basal- körpern analoge Bildungen nachweisen. Der Gedanke liegt nahe, dass die Cilienapparate des Pflanzenreiches bei ihrer sehr kurzen Exi- stenz keiner Reservesubstanz zum Nachwuchs bedürfen (s. o. S. 215). 226 Fig. Fig. Fig. Alexander Gurwitsch: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI u. X. Alle Objecte, mit Ausnahme der Fig. 23—24 in Sublimat oder Perenyi’s Flüssigkeit fixirt. Fig. 23—24 von Carnoy - Präparaten. Färbung Eisenhämatoxylin-Rubin. Vergrösserungen, wenn nicht anders angegeben, Seibert Apochr. 2 mm, Oc. 12, Höhe des Objecttisches. 1. 10. Zelle aus dem Fimbriaepithel eines Stägigen Kaninchens. Hya- liner Zellsaum noch nicht scharf differenzirt. Oentralkörper mit „Centralgeissel“. Fimbriaepithel eines 8Stägigen Kaninchens. Hyaliner Zellsaum scharf abgegrenzt. In Zelle ce Centralkörper ausnahmsweise noch innerhalb des Zellsaumes. Eine andere Partie desselben Präparates. Zellplasma von der Oberfläche retrahirt. Der Zellsaum zeigt Andeutungen einer wabigen Beschaffenheit. s— Schlussleiste. Dasselbe Object. Ein vorbereitendes Stadium in der Entwicke- lung der Flimmerzelle. Im Zellsaume mehrere Basalkörper aufgetreten; Flimmerbesatz fehlt noch vollständig. Dasselbe Object. Tangentialschnitt. In einigen ganz oberfläch- lich getroffenen Zellen ist die wabige Beschaffenheit des Zell- saumes zu erkennen. In den Knotenpunkten sitzen die Basal- körper. In den übrigen Zellen Centralkörper. Zellen aus dem Fimbraepithel eines ca. 10tägigen Kaninchens. Die Flimmerzellen sehr gross und prall. Die nicht flimmern- den Zellen stark zusammengepresst. Epithel aus der Uebergangsstelle des Rachens in den Oesophagus einer 1 cm grossen Krötenkaulquappe Zelle a = fertige Flimmerzelle. Unter der palissadenförmigen Basalkörperreihe ein schmaler hyaliner Streifen — z — wahrnehmbar. Zelle b — Vorbereitungsstadium; deutlich wabig gebauter Zellsaum. . Ein Abschnitt des Zellsaumes der Zelle b (Fig. 7) um die keulenförmige Anschwellungen der äusseren Partien der Wabensepta zu zeigen. Dasselbe Objeet. a= erstes Auftreten der färbbaren Basal- körperanlagen in den Knotenpunkten der Wabenwände. Zelle b — fertige, aber sehr spärliche Basalkörper mit Flimmerbesatz. Dasselbe Objeet. Tangentialschnitt. Wabige Structur des Zellsaumes — im Stadium der Zelle b (Fig. 7). Darmepithel eines erwachsenen Lumbricus. Gegend des Typhlo- solis. Stadium des Hungers (s. S. 19). F=Flimmerzelle durch die benachbarten Drüsenzellen — D — stark zusammenge- presst. Z= Hyaline anisotrope Zone. Dichter Stäbehenbe- satz, Flimmerhaare. D = Drüsenzelle mit sehr zahlreichen granulären KEinschlüssen. $ = Schlussleiste mit der hellen Ro- sette. Fig. Studien über Flimmerzellen. 397 . 11. Dasselbe Object. Ansicht von oben. In zwei Zellen die Basal- körper eingetragen. Die dritte Zelle in der Höhe des Stäbchen- saumes getroffen. Fig. 12—15. Zellen aus dem Darme eines Lumbricus in ver- schiedenen physiologischen Zuständen — aus einem Querschnitte durch den Darm. 12. Flimmerzelle mit dichtem Haarbesatz und deutlich ausgespro- chenem Stäbchensaum. Zone — Z — stark anisotrop. Cyto- plasma zeigt in den oberflächlichen Abschnitten eine faserige Structur. D= Drüsenzelle. . 13. Flimmerbesatz nur sehr spärlich vorhanden. Stäbcehensaum mehr in das Zellinnere gerückt. Zone Z schwach anisotrop. . 13a. Dasselbe Stadium. Ansicht von der freien Oberfläche. Basal- körper durch deutliche Plasmazüge mit einander in Verbindung. .. 14. Flimmerhaare fehlen. Basalkörper in sehr spärlicher Anzahl vorhanden und mehr in das Zellinnere gerückt; Stäbehensaum wie Fig. 13. . 14a. Dasselbe Stadium. Ansicht von der freien Oberfläche. Vgl. Fig. 13a. . 15. Vollständiger Schwund der Basalkörper. Zone Z (isotrop) sehr scharf von dem Cytoplasma abgesetzt, deutlich gestrichelt. Stäbchensaum in die Zone vollständig eingerückt. Fig. 16—21. — Rachenepithel von verschieden grossen Sala- manderlarven. Ap. 2 mm, Oe. 8. . 16. Zelle aus dem Rachenepithel einer 1 cm langen Larve. Zahl- reiche braune Dotterplättchen. Deutlich abgesetzter hyaliner Zellsaum. . 17. Etwas späteres Stadium. ca. 2cm lange Salamanderlarve. Der Zellsaum ist deutlich wabig gebaut, die Waben in zwei Schichten angeordnet. a= Schnitt durch das oberste netzige Häutchen. . 18. Aelteres Stadium. Der Zellsaum hat eine undeutlich faserige Structur. Z=hyaline, anisotrope Zone. a — siehe Erklärung zu Fig. 17. . 15a. Querschnitt durch den Zellsaum desselben Objectes. Sehr enge, unregelmässige Maschen mit einzelnen punktförmigen Querschnitten durch die Flimmerhaare alterirend (s. Text S. 203). . 19. Etwas älteres Stadium. Der Zellsaum aus deutlichen Flimmer- haaren zusammengesetzt. a — wie Fig. 17 und 18. . 20. Tangentialschnitt durch dasselbe Object wie Fig. 19. Zelle a ganz oberflächlich, Zellen b etwas tiefer angeschnitten. In Zelle a deutliche, das netzige bedeckende Häutchen mit da- zwischen hervorragenden Flimmerhaaren zu sehen; b = Quer- schnitte durch die Flimmerhaare. . 21. Uebergangsstelle des Rachens in den Oesophagus. Zellen bb auf dem Vorstadium. Zelle f=fertige Flimmerzelle in der Zelle b (links) = Centralkörper. (?) Alexander Gurwitsch: ‘. 21a. Einige Basalkörper bei stärkerer Vergrösserung. wurmes. pr = Prostomium, Ph = dorsale Pharynxtasche. Schwarze Striche = Bereich des Flimmerbesatzes. Ap. 16mm, Comp.-Oe. 4. . 23. Die mit a bezeichnete Stelle des vorigen Bildes bei starker Vergrösserung. vzv= Zellen der ventralen, dd = der dorsalen Prostomialwand. Ap. 2 mm, Comp.-Oe. 12. . 24—26. Epithel der Tela choroidea einer ca. 2cm langen Sala- manderlarve. Stäbchensaum; m = Myelintropfen. Erklärung siehe im Text S. 210. Fig. 27. u. 28. Querschnitt durch zwei Flimmerzellen aus der Typhlosolis einer Unio. . 27. Hohe Einstellung. In Zelle a die ganze Oberfläche von dichten Basalkörperreihen eingenommen. Zelle b — theilweise der Fibrilleneonus im Querschnitte sichtbar (rechte Seite der Zelle). :. 28. Dieselben Zellen bei tiefer Einstellung. Querschnitte durch die spärlichen und unregelmässig vertheilten Fasern des Fibrillenconus, welche in ein dichtes dunkles Cytoplasma ein- gebettet sind. Vergr. Fig. 27 u. 23 Ap. 2 mm. Oc. 12. Höhe des Objecttisches. Literatur -Verzeichniss. Apathy, S.v., Mittheilungen aus der Zoologisch. Station i. Neapel Bd. XII. 1897. Belajeff, Berichte der deutschen botanischen Gesellschaft. 1899. Benda, C., Weitere Mittheilungen über Mitochondria. Verhand- lungen d. physiologischen Gesellschaft zu Berlin. 1899. Bütschli, O., Untersuchungen über mikroskopische Schäume und Protoplasma. Leipzig 1892. Engelmann, Jenaische Zeitschrift Bd. IV. 1868. Derselbe, Pflüger’s Archiv Bd. XXIII. 1880. Flemming, Ergebnisse von Merkel und Bonnet Bd. VII. 1898. Greenwood, Journal of Physiology. Vol. 13. 1892. Gurwitsch, A., Anatomischer Anzeiger Bd, XVII. 1900. Heidenhain, M., Anatomischer Anzeiger Bd. XVI. 1899. . Henneguy, Archives d’Anatomie microscopique. Vol. I. 1898. Henry, Archives d’Anatomie microscopique. Vol. III. 1900. Hoyer, Archiv f. mikroskopische Anatomie. . Ikeno, Jahrbücher f. wissenschaftliche Botanik 1898. . Lenhossek, M. v., Archiv f. mikroskopische Anatomie Bd.51. 1898. Derselbe, Verhandl. der anatomischen Gesellschaft in Kiel. 1898. Studien über Flimmerzellen. 999 17. Meves, F., Archiv f. mikroskopische Anatomie Bd. 50. 1897. 18. Berselbe, Festschrift für Kupffer. Jena 189. 19. Peter, K., Anatomischer Anzeiger Bd. 15. 1899. 20. Reinke, Archiv f. Entwicklungsmechanik Bd. IX. 1900. 21. Shaw, W. R., Berichte d. deutsch. botanischen Gesellschaft. 1898. 22. Schulze, F. E., Sitzungsberichte d. Akademie d. Wissenschaften in Berlin. 1896. ; 23. Strasburger, E., Histologische Beiträge, Heft VI. Jena 1900. 24. Studnicka, Sitzungsberichte der kgl. böhmischen Gesellschaft in Prag. 1899. 25. Webber, H. J., Botanical Gazette. Vol. XXIV. 1897/98. 26. Zimmermann, Archiv f. mikroskopische Anatomie Bd. 52. 1898. Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. Von H. Rex in Prag. Hierzu Tafel XIII und XIV und 2 Textfiguren. Die nachstehenden, mit Unterstützung der „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Li- teratur in Böhmen“ ausgeführten Untersuchungen bilden die Fortsetzung jener Studien, über welche ich in meinem Aufsatze „Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente“!) berichtet habe. Dieselben beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Schicksale jener Gebiete, welche mit Balfour als „Kopfhöhlen“ bezeichnet werden. Von diesen ist, wie ich in meinem Aufsatze mitgetheilt habe, nurmehr die vorderste, prämandibulare Kopfhöhle bei meinem Untersuchungsobjeete wohlentwickelt vorhanden. während diezweite und dritte Kopfhöhle mit dem Verluste der Liehtung mehr weniger bedeutende Formveränderungen erlitten haben. Die Untersuchung befasste sich mit Embryonen vom vierten und fänften Bruttage 1) Arch. f. mikr. Anatomie u. Entwicklungsgeschichte Bd.L. 1897, 330 H. Rex: und ist bis zu jenen Stadien fortgeführt worden, in welchen die zelligen Anlagen der Augenmuskeln schärfere Umrisse gewinnen. Vielleicht sind zunächst einige Worte über die Altersbe- stimmung der untersuchten Embryonen am Platze. Für jüngere Stadien giebt die Zählung der Urwirbelpaaare ein gutes Kriterium der Entwieklungsstufe ab. Ich habe diese Art der Altersbestimmung bis zur Entwieklung von 45 Urwirbeln in Anwendung gebracht. b Figur 1. Bei älteren Keimen versagt die Zählung indessen bald und ich habe bei solehen mit folgenden Maassen mein Auskommen ge- funden, welche in der Textfigur 1 verzeichnet sind. Das mit aa bezeichnete sagittale Maass des Vorderkopfes dürfte wohl das wichtigste sein. Es gestattet verlässliche Rückschlüsse auf die Entwicklungsstufe des Vorderkopfess. Die Maasse bb und cc geben uns die grössten Längen des Embryos vom Scheitel- und Nackenhöcker aus gemessen an. Von diesen beiden ist das Maass cc allerdings etwas weniger verlässlich. Ich habe gefunden, dass bei Entenkeimen — und dies dürfte wohl für Vogelkeime überhaupt zutreffen — eine bei der Fixirung nicht selten auftretende, wenn auch geringe Einknickung der zwischen den beiden Extremitätenanlagen befindlichen Rumpfstrecke, hauptsächlich aber die etwas variable Krümmung des Rumpfes bei Embryonen derselben Entwicklungs- stufe das angeführte Maass in seiner Verwerthung beeinträchtigt. Alle drei Maasse sind vom gehärteten Objecete genommen, Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 331 Als Schnittebene der Querschnittserien wählte ich jene, welehe in der Textfigur mit der Linie «x, angezeigt wird. Wurde eine andere Linie gewählt — etwa parallel der Linie aa, so werde ich dies besonders hervorheben. Die Orientirung der Sagittalschnitte und der diesen entnommenen Abbildungen ist die gleiche, welehe der Embryo in der Textfigur 1 zeigt. Es folgt zunächst die Darlegung der Weiterentwicklung der Prämandibularhöhle. Nachdem bloss diese Höhle bei der Ente zur Entwicklung gelangt, so kann ich von ihr als Kopfhöhle schlechtweg sprechen. Ich beginne mit der Schilderung der Verhältnisse, welche wir bei Embryonen mit 35 und 36 Urwirbeln antreffen. Wir suchen uns zunächst in einer Quer- schnittserie jenen Schnitt auf, in wel- chem die Höhle den grössten Umfang aufweist. Ein solcher von einem Embryo mit 36 Urwirbeln ist in der Textfigur 2 wiedergegeben. Der Schnitt geht knapp über dem Scheitel der Hypophysentasche hindurch. Vom Verbimdungskanal der Höhlen ist nichts mehr erhalten. Es liegt also die Vermuthung nahe, dass es nicht zur Aushöhlung seiner Anlage kam und diese bald rückgebildet worden ist. Bei älteren Keimen werden wir deutlichen Kanalresten begegnen. Die Textfigur orientirt uns über die nachbarlichen Beziehungen der Kopfhöhle. Es ist wohl vortheilhaft, an der Höhlen- wandung besondere Abschnitte mit be- stimmten Bezeichnungen zu versehen, auf welche sich die folgende Beschreibung beziehen kann. Wir können von einer Vorder- und einer Hinterwand sprechen, An ersterer erblicken wir einen medialen, dem Hirnrohre nahe benachbarten, und einen lateralen, dem Augenbecher zu- Figur 2. gekehrten Abschnitt. Ebenso können wir im Bereiche der Archiv f. ınikrosk, Anat. Bd. 57 16 239 H. Rex: Hinterwand einen medialen und lateralen Abschnitt erkennen, welche beide namentlich bei älteren Keimen sehr deutlich erkennbar sind. Vorder- und Hinterwand vereinigen sich mit einander in der dorsalen und ventralen Circumferenz der Höhle, die lateralen Abschnitte beider Wände treten zur Bildung der lateralen Cir- ceumferenz zusammen. Ueber den Bau der Wandung belehren uns namentlich Sagit- talschnitte. Wir finden eine einschichtige Zelllage vor; Form und Grösse der Zellen sind recht wechselnd. Namentlich im Bereiche der ventralen Circumferenz sind platte Zellen häufig. Neben diesen finden sich kubische Zellen, und diese wechseln wieder mit solchen ab, deren basaler Abschnitt in einen stark verjüngten dünnen Fortsatz ausgezogen ist. An einzelnen Stellen zeigt sich der Beginn einer schärferen Abgrenzung gegenüber der Nachbarschaft. Die Zellen sind hier zu einer deutlichen Epithelschieht angeordnet, welche wohl ausgebildete Zwischen- zelllücken aufweist. Suchen wir uns jene Schnitte auf, in welchen wir den Stiel des Augenbechers antreffen, so finden wir, dass von der Ventral- hälfte der Vorderwand der Höhle eine Proliferation lockeren embryo- nalen Bindegewebes ausgeht. Dieselbe ist nicht sehr bedeutend, jedoch immerhin durch ein wenn auch geringes Maass der Ab- geschiedenheit gegenüber dem Bindegewebe der Nachbarschaft leicht erkennbar. Verfolgen wir die Serie weiter nach einwärts, so wird diese Proliferation bald recht dürftig; endlich gemahnen nur mehr charakteristisch gestellte Zelltheilungsfiguren in der vorderen Höhlenwand daran, dass hier ein Wucherungsprocess eingeleitet wird. @Querschnitte lehren, dass der Hauptsitz des letzteren im Bereiche jener stumpfen Kante gelegen ist, in welcher die beiden Abschnitte der vorderen Wand zusammentreffen. Das Studium des lateralen Abschnittes der Höhle zeigt uns kleine ventrale Divertikel derselben; wir finden ferner einen kurzen, leicht gekrümmten epithelialen Zug, der nahe der ventralen Cir- eumferenz durchs Bindegewebe dahinzieht. Es dürfte sich da wohl gleichfalls um ein Divertikel der Höhle handeln, welches zunächst den Zusammenhang mit dieser und sodann auch seine Lichtung einbüsste. Den Beleg für diese Auffassung giebt ein anderer Befund. Ich meine eine von der Höhle ventral abgehende rundliche Aussackung, welche sich bald verschmälert und sodann Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 233 dorsalwärts als sebmaler lichtungsloser Epithelzug längs der vor- deren Höhlenwand eine beträchtliche Strecke weit emporzieht. Damit ist wohl der Entwicklungsgang des vorhin geschilderten im Bindegewebe eingelagerten Epithelzuges klargelegt. Hie und da lenkt das Epithel der Höhlenwand von der Lichtung ab, um nach kurzem Verlaufe im benachbarten Bindegewebe zu enden. An seiner Stelle tritt letzteres, indem es die Lücke in der Höhlen- wand ausfüllt. Alle diese Befunde scheinen mir darauf hinzu- weisen, dass die Aushöhlung der Höhlenanlage keine vollkommene ist und in der Nachbarschaft ihres lateralen Abschnittes Theile der Höhlenanlage im Bindegewebe verborgen sind, deren Aushöh- lung nicht oder nur in beschränktem Maasse vor sich geht. Diese Auffassung ist für die Deutung der Entwicklungsverhältnisse des M. obliquus inferior, welche wir später kennen lernen werden, von Wichtigkeit. Die nachbarlichen Beziehungen der Höhle sind folgende. Der erste Quintusast verläuft dorsolateralwärts von ihrer äusseren Circumferenz. Das spitze, nach vorne leicht umbiegende Ende des dünnen Oculomotorius endet in beträchtlicher Entfernung von der hinteren Höhlenwand, etwa ın der Höhe der Mitte der- selben. Der Endabschnitt der Carotis interna zieht zwischen dem medialen Bezirke der vorderen Höhlenwand und dem Zwischen- hirn nach aussen — s. Textfigur 2 cö — und theilt sich nach dem Austritte aus dieser engen Spalte in zwei Endäste, von welchen der eine dem Mittelhirn, der andere dem Vorderhirn zustrebt. Einmal beobachtete ich eine Anastomose zwischen der Carotis und ihrem Mittelhirnaste. Die erstere entsendet dort, wo sie den ventralen Umfang des inneren Abschnittes der Höhle kreuzt, einen dorsaien Ast, der hinter der Höhle aufwärts ziehend dem Mittelhirnaste zustrebt. So ist der innere Endabschnitt der Höhle ventralwärts in eine Gefässgabel eingelassen, welche von der Carotis und deren dorsalem Ast hergestellt wird. Bei Embryonen mit 38 Urwirbeln ist das Epithel der Höhlen- wand weit besser entwickelt. “Die verjüngten basalen Enden seiner Zellen sind mit einander zu einer zarten Membran ver- einigt; jede Zelle ist von ihrer Nachbarin durch eine deutliche Zwischenzelllüicke geschieden. Die Bindegewebsproliferation von Seite der vorderen Höhlenwand ist eine regere. Verfolgt 234 H. Rex: man dieselbe in einer Sagittalschnittserie, so bemerkt man wie früher, dass dieselbe medialwärts bald versiegt; gleichzeitig macht sich aber eine eigenartige Modification des Epithels des an der Proliferation nicht betheiligten dorsalen Abschnittes der vorderen Höhlenwand bemerkbar. Die Zellen besitzen einen stärker ge- färbten Kern, ihre den Kern beherbergenden freien Enden sind rosenkranzförmig aneinander gereiht und ragen in die Höhlen- lichtung vor. Das basale Ende jener Zelle ist zu einem langen, dünnen Fortsatz ausgezogen. Eine Vereinigung dieser Fortsätze zu einer Art Basalmembran ist nur stellenweise undeutlich er- sichtlich. Geht man in der Serie weiter nach einwärts, so er- lischt die Proliferation, um jedoch bald wieder, allerdings in beschränktem Maasse, einzusetzen; sie findet nun von Seite der ganzen Vorderwand statt. Endlich, im Bereiche des medialen Endabschnittes der Höhle, greift dieselbe auch auf die dorsale Cireumferenz über. Damit wird auch die vorhin beschriebene Modification des Epithels immer mehr dorsalwärts zurückgedrängt und ist schliesslich nur mehr im Bereiche des Dorsaltheiles der Hinterwand nachweisbar. In einer Querschnittserie finde ich den Rest des Verbindungs- kanales auf der einen Seite als deutlichen, lichtungslosen Zell- strang vor; er verbindet den verjüngten medialen Endabschnitt der Höhle seiner Seite mit dem Chordavorderende. Ich gehe nun zu etwas älteren Embryonen über, zu solchen mit 43 Urwirbeln. In diesem Entwicklungsstadium treten bereits die Anlagen von drei Muskeln des Oeulomotorius auf: die ge- meinsame Anlage für den Rectus inferior und Rectus internus, sowie jene des Obliquus inferior. Ueber die Formverhältnisse der Kopfhöhle ist zunächst zu berichten, dass jetzt die beiden Bezirke der hinteren Höhlen- wand deutlich ersichtlich sind. Dieselben treten zur Bildung einer dorsolateralwärtssehenden stumpfen Kante zusammen. S. Tafel- figur 2. Dem medialen Bezirke ist der Oeulomotorius (ZZI) nahe benachbart, dem lateralen ist eine zur Entwieklung der Anlage des M. obliquus superior in Beziehung stehende Zellmasse (Zm) angelagert. Das Epithel der Höhlenwandung zeigt eine Abnahme der Zwischenzelllücken; die Zellen rücken im Gegentheile recht nahe aneinander, so dass sie ein kubisches Epithel bilden. Ihre Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 235 Kerne sind stark gefärbt. Es ist wiederum die Hinterwand, in deren Bereich dies am deutlichsten ersichtlich ist. S. Tafelfigur 1. Dieselbe entstammt einem Sagittalschnitte, in welchem wir den Augenbecherstiel (A. st.) antreffen. Wir bemerken ferner, dass jetzt die ganze Vorderwand der Höhle, sowie auch die dorsale und ventrale Cireumferenz an der Mesodermproliferation theilnehmen. Indessen sticht die dem ventralen Höhlenumfange entstammende Zellmasse — m.r. inf. + int. — recht scharf vom Bindegewebe ab, das der vorderen Höhlen- wand seine Entstehung verdankt. Die Zellen sind dicht an ein- ander angeschlossen, ihre Kerne sind intensiv gefärbt. Ein Ueber- gang ins benachbarte Bindegewebe ist nirgend bemerkbar. Diese Zellmasse entspricht der gemeinsamen Anlage des Rectus inferior und internus. Der Abschnitt der ventralen Cireumferenz der Höhle, dem sie entstammt, ist der tiefst gelegene derselben. Er findet sich hinter und über dem Augenstiel (A.st.). Der Stamm der A. ophthalmiea durchsetzt den dorsalen Abschnitt der Muskel- anlage (a. o.). Die Proliferation embryonalen Bindegewebes ist wieder im Bereiche der ventralen Hälfte der Vorderwand am intensivsten; dorsalwärts nimmt sie ab. An einzelnen Stellen ist das epitheli- tale Gefüge der Zellen der Vorderwand unterbrochen; so in der Figur 1 bei &. Die ventrale Muskelanlage ist in acht Schnitten nachweisbar. (Sehnittdieke: 15 u). Einwärts von derselben ist die Proliferation von Seite der vorderen Höhlenwand eine gleich- mässig starke; im Bereiche der dorsalen Wand betheiligt sich namentlich der vordere Abhang derselben an der Wucherung. Gehen wir in der Serie noch weiter medialwärts vor, so bemerken wir, dass sich an die Proliferation von Seite der Vorderwand auch die Auflösung des epithelialen Verbandes der Zellen dieser Wand an- schliesst. Das Epithel der Dorsalwand findet nun am vorderen Ab- hang ganz unvermittelt ein Ende. Gerade von diesem Endab- schnitt nimmt die Wucherung einen besonders regen Aufschwung. Unter demselben drängt sich aber das neugebildete Bindegewebe in Gestalt eines schmalen, spitzen Fortsatzes in die Höhle vor, längs der freien Seite des Epithels eine kurze Strecke vorwachsend. Es ist dies der Beginn der Rückbildung der Höhlenlichtung. Die Durchsicht von Querschnitten zeigt, dass die Entwicklung des Bindegewebes nicht nur von Seite des medialen Bezirkes der 236 H. Rex: Vorderwand statthat, sondern dass sich auch der laterale Bezirk, wie die Tafelfigur 2 lehrt, an dieser betheiligt. Kehren wir nochmals zu unserer Sagittalschnittserie zurück. In nur geringer Entfernung vom ventralen Umfange des äussersten Abschnittes der Höhle finden wir einen kleinen schräg vor- und abwärts gerichteten Zellhaufen. Das Vorderende desselben ist rundlich; das Hinterende leicht verschmälert. Das Gebilde ist in vier Schnitten nachweisbar. Es ist die Anlage des M. obliquus inferior. Irgendwelche Beziehungen zur Kopfhöhle sind nicht nachweisbar. Wir werden über solche durch die Untersuchung etwas älterer Embryonen bald bessere Anskunft erhalten. Ueber die nachbarlichen Beziehungen der Höhle ist Folgen- des zu berichten. An jener Stelle, an welcher der Stamm der Carotis interna den ventralen Umfang des stark verjüngten me- dialen Endabschnittes der Kopfhöhle kreuzt, entsendet er einen seit- lichen Ast, welcher längs der Ventralwand der Kopfhöhle nach aussen zieht, die ventrale Muskelanlage durchsetzt und endlich die hintere Peripherie des Augenbechers aufsucht. — Dieser Ast ist die A. oph- thalmiea, welcher ich bereitsoben gedachte. Der Oculomotorius er- reicht den medialen Bezirk der hinteren Höhlenwand ungefähr in dessen halber Höhe, zieht sodann demselben nahe benachbart ventral- wärts herab. Sein spitzes Ende kreuzt den hinteren Umfang der Ophthalmica. Der der Höhle benachbarte Abschnitt des Nerven zeigt eine deutliche, durch das Auftreten von Ganglienzellen be- dingte Verdiekung, welche am hinteren Umfang des Nerven die Gestalt eines im Sagittalschnitte dreieckigen Vorsprunges an- nimmt. Der folgenden Schilderung sind Embryonen vom Beginn des fünften Bruttages zu Grunde gelegt. Ich wähle zunächst solche, bei welchen das sagittale Maass des Vorderkopfes aa (s. Textfigur 1) 3,5 mm beträgt. Für die beiden anderen Maasse erhalte ich folgende Werthe: bb schwankt zwischen 5,5 bis 6,0 mm, cc beträgt 6,5 mm. Sagittalschnitte lehren, dass die ventrale Muskelanlage vor- und abwärts, gleichzeitig aber auch auswärts vorgewachsen ist. Ihr Vorderende finde ich unmittelbar über jenem des Obliquus inferior; der Zusammenhang mit der ventralen Höhlenwand ist jetzt von hinten her etwas eingeengt. Die Proliferation von Seite der Vorderwand geht wie früher mit der Auflösung des epithelialen Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 237 Gefüges dieser Wand einher. Wir bemerken abermals, dass das neugebildete Bindegewebe längs der freien Fläche der erhalten gebliebenen epithelialen Wandstrecke in die Höhle vordringt. Die Anlage des Obliquus inferior ist in diesem Stadium sehr deutlich entwickelt. Ich verweise auf die Tafelfigur 3 (m. o. :.) Die Anlage ist jetzt annähernd keulenförmig gestaltet. Ihr ver- jüngtes Hinterende, der Stiel, findet hinter dem Anschnitt des lateralen Höhlenabschnittes (KA) sein dorsales Ende. Charakteristisch gestellte Zelltheilungsfiguren im Vorderende der Anlage lasseu hier leicht den Sitz der Wachsthumsenergie errathen. Die hintere Abgrenzung der Anlage ist recht scharf, stellenweise durch einen feinen Spalt bewerkstelligt. Vorne tritt das benachbarte Binde- gewebe recht nahe an dieselbe heran. Die Kenntnis der Lageverhältnisse des Stieles sind für uns sehr werthvoll. Für's erste zeigt sie uns die Ursprungsstätte der Anlage und dann weist sie auch den Weg, den die Anlage von dieser auswachsend zurückgelegt hat. Das Studium dieses Schnittes und seiner Nachbaren lehrt, dass ein Zusammenhang der Muskelanlage mit der Kopfhöhle leicht erschlossen werden kann. Sucht man das Territorium dorsalwärts vom Hinterende des Stieles genauer ab, so findet man mitten im Bindegewebe epitheliale Zellzüge, welebe dem Anschnitt der lateralen Circum- ferenz der Kopfhöhle nahe benachbart sind. Einer derselben liegt gerade über dem Stiele unserer Muskelanlage. (S. Tafelfigur 3.) Ich habe bereits oben bei Keimen mit 35 Urwirbeln solche epi- theliale Züge beschrieben und zur Kopfhöhle in Beziehung ge- bracht. Nun sind im Bereiche der Entwicklungsstätte der Obliquus- anlage derartige Zellzüge gleichfalls nachweisbar; daraus darf man wohl schliessen, dass diese Anlage einem lichtungslosen Ab- schnitte der Kopfhöhle entstammt, der mit dem Verluste der Liehtung auch den Zusammenhang mit der Höhle einbüsste. Nach dieser Auffassung ist die Selbständigkeit dieser Muskel- anlage nicht eine ursprüngliche, sondern eine erst erworbene. Querschnitte lehren, dass der sagittale Durchmesser der Höhle eine Verkürzung erfahren hat; ferner, dass jetzt in die lateralen Abschnitte der Höhle das Bindegewebe der Nachbar- schaft eindringt. Zum Theil ergreift dasselbe von diesem Ab- schnitte der Lichtung Besitz, zum Theil dringt es längs der freien Fläche der Hinterwand einwärts vor. 238 Honren: Wir sind diesem Beginne der Rückbildung der Lichtung schon im Bereiche des vorderen Umfanges der Höble mehrfach begegnet, allerdings in sehr bescheidenem Maasse. Dort über- nahm das der Höhlenwand entstammende Bindegewebe die Rolle des Eindringlings. Hier liegen andere Verhältnisse vor. Der laterale Abschnitt der hinteren Höhlenwand verfällt der Rück- bildung. Man erblickt noch einzelne Reste desselben, welche von der Lichtung abgedrängt, nach kurzem Laufe frei im Binde- gewebe enden. Diese Rückbildung erfolgt, ohne dass es vorher zu irgendwelcher Proliferation gekommen wäre. Der Beginn dieses Processes wird uns in der Tafelfigur 2 ersichtlich. Wir bemerken hier an jener Stelle, an welcher Vor- der- und Hinterwand der Höhle zusammentreffen, eine Lücke im Epithel; durch diese dringt das benachbarte Bindegewebe ins Innere der Höhle vor. Mit der weiter vorschreitenden Rückbil- dung der Hinterwand wird dem Bindegewebe eine breite Einfalls- pforte geschaffen; wir bemerken, dass jene Zellen, welche die Lichtung jetzt begrenzen, recht platt sind. Ausgenommen von der Rückbildung bleibt der dorsale Ab- schnitt der Hinterwand. In seinem lateralen Bezirke bemerken wir schon den Beginn einer Proliferation, mit welcher wir uns bald näher zu beschäftigen haben werden. Es ist die Anlage des Rectus superior. Die Ganglionbildung im Bereiche des ventralen, in der uns bekannten Weise der Hinterwand der Höhle recht nahe benach- barten Endabschnittes des Oculomotorius hat weitere Fortschritte gemacht. — Der Nerv besitzt hier an seinem hinteren Umfange einen buckelförmig vorspringenden Aufsatz von Ganglienzellen, dessen Kuppe über dem lateralen Endabschnitt der Anlage der Abducens- muskulatur gelegen ist. Auch ist im Bereiche des medialen Um- fanges ein dünner Belag von Ganglienzellen nachweisbar. Die nächst älteren Embryonen, welche ich untersuchte, wiesen folgende Maasse auf. Das Maass aa des Vorderkopfes betrug 4.O mm; die Maasse bb und cc betrugen 6.0, bezw. 7.0 nm. Sagittalschnitte lehren, dass nur mehr das Epithel der dorsalen Circumferenz der Höhle erhalten ist. Mit Ausnahme dieses kleinen Abschnittes findet nun von allen Seiten das Eindringen von Binde- gewebe in die Höhle statt. Es ist dies in der Tafelfigur 4 er- Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 239 sichtlich. Wie der Vergleich mit der Tafelfigur 1 lehrt, ist jetzt die Liehtung der Höhle erheblich verkleinert. Wir erblicken links vom Höhlenrest einen Epithelzug mitten im Bindegewebe ein- gelagert. Er entspricht dem ventralen Abschnitt der Vorderwand, welcher noch vor seiner völligen Auflösung durch das in die Lich- tung der Höhle eindringende Bindegewebe von dieser getrennt wurde. Weiter einwärts von diesem Schnitte zieht das Binde- gewebe quer durch die Höhle hindurch, dieselbe in eine dorsale und ventrale Hälfte scheidend. Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass bei der Rückbildung der Höhle auch ein anderer Factor mit thätig ist. Das Studium mehrerer Serien ergiebt, dass die hintere Höhlen- wand als Ganzes allmählich ins Höhleninnere vorgewölbt wird. So finden wir ja auch in der Tafelfigur 4 den dorsalen Rest der epithelialen Hinterwand mit der ihm entstammenden Anlage des R. superior nach vorne in die Höhle vorgelagert. Von den der Höhlenwandung entstammenden Gebilden ist Folgendes zu berichten. Das Bindegewebe der Vorderwand lässt wie früher nirgend einen Uebergang in die Nachbarschaft er- kennen. Ueber den Beginn der Entwicklung der Anlage des Rectus superior habe ich schon oben berichtet. Die Anlage entstammt dem lateralen Bezirke der Hinterwand; ihre innere Grenze ist in der Kante gegeben, in welcher lateraler und medialer Bezirk zusammentreffen. Ueber die Höhe, in welcher die Anlage zu finden ist, lehrt die Tafelfigur 4 Folgendes: Wir sehen in der- selben, dass das Proliferationsfeld m. r.s. dem höchst gelegenen Abschnitt der Hinterwand entspricht, und überdies noch auf den hinteren Abhang des dorsalen Umfanges der Höhle übergreift. Querschnitte jüngerer Stadien, in welchen eben die ersten Zellen der Anlage aus dem epithelialen Mutterboden ausgetreten sind, lehren, dass dieselben sehr bald in Spindelzellen umgewandelt werden und zur Bildung eines schmalen Zellstranges zusammen- treten, welcher vor- und auswärts vorwächst. Ueber diese Ver- hältnisse giebt uns die Tafelfigur 5 Aufschluss. Wir erblicken in derselben den dorsalen Abschnitt der Kopfhöhle Xh im Quer- schnitt; nach einwärts von ihr sehen wir das zweimal getroffene Stämmehen der Carotis interna c. i., lateralwärts die ventrale Cireum- ferenz des ersten Quintusastes im Anschnitt V./. Dem inneren 240 H. Rex: Bezirke der hinteren Höhlenwand ist der Oculomotorius //I nahe benachbart. Die Kopfhöhle hat beträchtlich an Umfang einge- büsst; namentlich ihr sagittaler Durchmesser hat eine Verkürzung erfahren. Nur mehr ihre Hinterwand zeigt epithelialen Bau; die Zellen der Vorderwand haben im Anschluss an die von ihnen ausgehende rege Bindegewebsproliferation den epithelialen Ver- band eingebüsst. Medialwärts findet sich im Bindegewebe der vorderen Höhlenwand der Querschnitt eines dem Stämmehen der Carotis angeschmiegten Zellhaufens ZR., der ein dichtes Gefüge aufweist. Auch sind die Zellen stärker gefärbt. Wir werden über dasselbe bald Näheres erfahren. Im Bereiche der hinteren Wand ist die stumpfe Kante, in welcher ihre beiden Abschnitte zusammentreten, nur schwach entwickelt. Die Anlage des Reetus superior, welche sich aus dem äusseren Abschnitte entwickelt, stellt einen lateralwärts vorwachsenden Zellstrang m. r. s. dar. Die denselben aufbauenden Spindelzellen sind dieht an einander gelagert und satt gefärbt. Wie man sieht, habe ich der von Corning !) beschrie- benen Art der Entwicklung der Muskelzellen wenig hinzuzufügen. Der Autor fand bei Lacerta, dass die Bildung dieser Zellen in der Weise vor sich geht, wie z. B. auch an der Splanchnopleura, nämlich durch Abgabe von intensiv gefärbten Zellen von der betreffenden Stelle der Kopfhöhlenwandung. Diese Zellen ver- lieren sich jedoch nicht sofort im umgebenden Bindegewebe, son- dern bilden eine Masse, die als einheitliche Anlage in ähnlicher Weise wie eine Muskelknospe auswächst. Ich habe dieser Be- schreibung nur die oben erwähnte Beobachtung anzugliedern, dass sich die ersten Zellen scheinbar sehr bald, unmittelbar nach ihrem Austritte aus dem Verbande ihres epithelialen Mutterbodens in Spindelzellen umwandeln, welche diesem enge angeschmiegt sind. Meine Erfahrungen beschränken sich auf das Studium einer Muskelanlage, jene des Rectus superior. Für die zweite Anlage, welche in dieser Beziehung bei der Ente überhaupt noch in Betracht kommen könnte, also für die ventrale gemeinsame Anlage des Reetus inferior und internus vermochte ich den ersten Beginn der Entwicklung nicht mit wünschenswerther Sicherheit 1) H.K. Corning: Ueber die Entwicklung der Kopf- und Ex- tremitätenmuskulatur bei Reptilien. Morphol. Jahrb. XXVIII. 1899. Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 241 zu verfolgen. Mein Material war nicht reichlich genug. Ich kann nur mittheilen, dass ich den Eindruck erhielt, als würde die Entwieklung dieser Anlage bereits einsetzen, bevor noch das Epithel ihres Mutterbodens jene Stufe der Ausbildung aufweist, welche das der hinteren Höhlenwand, also auch das der Bildungs- stätte des Reetus superior erreicht. Auch die Frage nach dem Zeitpunkte, in welchem die ersten contractilen Fibrillen in den Spindelzellen der Augenmuskelanlagen auftreten, fordert dringend eine Erledigung. Mit der Entwicklung der den Muskellamellen der Urwirbel entstammenden Seitenrumpfmuskulatur hat die Bil- dungsweise der Augenmuskelanlagen nur wenig gemein; wie wir später sehen werden, spricht vieles dafür, dass wir weit eher an die Art der Entwicklung der den Seitenplatten entstammenden visceralen Muskulatur zu denken haben. Ueber den Zeitpunkt, in welchem bei dieser die ersten Fibrillen auftreten, verdanken wir Rabl!) Mittheilungen, welche besagen, dass auch hier, wie bei der Seitenrumpfmuskulatur, die Bildung der Fibrillen sehr frühe einsetzt. Zur Visceralmuskulatur müssen wir auch die Muskulatur des Herzens rechnen, welche sich aus dem primi- tiven Eetocard entwickelt. Bei Pristiurus treten nun schon zur Zeit, wenn das Eetocard nur eine einschichtige Epithellamelle vorstellt, an der basalen, der Pericardialhöhle abgewendeten Seite der Zellen die ersten Muskelfibrillen auf. Rab] theilt weiter mit: „Es scheint, dass dies auch für die Muskulatur der Kiemenbogen gilt; indessen habe ich hier die Vorgänge noch nicht bis ins feinste Detail verfolgen können.“ Corning (l. e. pag. 94) theilt uns wiederum mit, er könne vorderhand nur so viel sagen, dass ihm scheine, als ob bei Lacerta die Entwick- lung von Fibrillen in der Anlage der Kiemenmuskulatur bedeutend später ihren Anfang nehmen würde, als in den Myotomen. Ich kann leider zur Klärung der Frage, wann in den Augenmuskel- anlagen die Fibrillenbildung einsetzt, zur Zeit nieht viel Be- friedigendes beitragen. Kehren wir zu unserer Schnittserie zurück. Die ventrale Muskelanlage ist durch lockeres Bindegewebe vom Höhlenreste fast ganz abgedrängt. S. die Tafelfigur 4: 1) €. Rabl: Ueber die Prineipien der Histologie. Verhandlungen der anatom. Gesellschaft auf der dritten Versammlung in Berlin. 1889. 242 H. Rex: mr. inf. + int. — Unmittelbar einwärts von dieser findet sich im Bindegewebe, welches den auf eine schmale Spalte redueirten Höhlenrest nach vorne hin begrenzt, eine längliche Zellmasse vor, welche aus dicht gehäuften Zellen mit stark‘ gefärbten Kernen besteht und scharf von der Nachbarschaft absticht. Ein weit kleinerer Zellhaufen von gleichem Bau findet sich weiter ein- wärts im Bindegewebe, welches der Vorderwand des medialen Endabschnittes der Höhle entstammt. Derselbe ist in der Tafel- figur 5 ersichtlich (ZA). Ich habe über ihn bereits oben berichtet. Diese Gebilde erinnern nicht wenig an Muskelanlagen; bei älteren Embryonen finde ich dieselben nicht mehr vor. Das Stämmehen der A. ophthalmica sehen wir jetzt auf dem Zuge nach aussen zum Augenbecher hin zunächst in be- trächtlicher Entfernung ventralwärts vom Höhlenreste gelagert. Weiter aussen, wo die Höhle ihre Tiefe noch bewahrt hat, ist das Gefäss wie früher dem unteren Rande der Hinterwand an- geschlossen, um endlich zwischen den beiden selbständig vor- wachsenden Muskelanlagen hindurch zum Augenbecher zu ziehen. S. die Tafelfigur 4, a. o. Ich habe oben darauf hingewiesen, dass bei der Rückbildung der Kopfhöhle neben der Einwanderung des Bindegewebes auch die Vorwölbung der Hinterwand ins Höhleninnere eine Rolle spielt. Dies beweist uns auch das Lager- verhältnis der A. ophthalmica.. Wäre eine Lageveränderung der Hinterwand und der ihr benachbarten Gebilde nicht einge- treten, so müssten wir letztere viel weiter hinter dem Höhlen- reste gelagert finden. Denken wir uns in der Tafelfigur 4 die ursprüngliche Ausdehnung der Höhle wieder hergestellt, so fänden wir den Querschnitt der Arterie und den ihr benachbarten Ocu- lomotoriusabschnitt (///) im Höhleninneren gelagert. — Quer- schnitte (parallel der Linie aa in der Textfigur 1 geführt) lehren, dass die Arterie von ibrem Ursprunge aus der Carotis an bis nahe an den Augenbecher in einer lateralwärts nur wenig an- steigenden Ebene verläuft. Die völlige Verödung der Liehtung der Kopfhöhle erfolgt bei Embryonen von der zweiten Hälfte des fünften Bruttages. Ich habe solehe mit einem Vorderkopfmaasse von 4,5 mm unter- sucht. Für die beiden anderen Maasse fand ich folgende Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 243 Werthe: bb beträgt 7,5 mm; cc schwankt zwischen 7,5 und 8,0 mm. Ich schildere zunächst den Befund bei einem Embryo, bei welchem die Rückbildung der Höhle noch nicht ganz er- folgt war und gehe wiederum von einem Sagittalschnitte durch jenen Theil der Höhle aus, welcher ursprünglich die grösste Tiefe besass. Ein solcher Schnitt ist in der Tafelfigur 6 ver- zeichnet. Wir bemerken zunächst, dass jetzt auch der dorsale Ab- schnitt des Höhlenrestes seiner Rückbildung entgegengeht. Zum Theile wird dieselbe durch eindringendes Bindegewebe eingeleitet, welches entlang der Vorderfläche der Anlage des Recetus superior m. r. s. ins Höhleninnere vordringt; dann aber auch durch das Eigenwachsthum dieser Anlage. Der epitheliale Bezirk der Hinterwand, welchem letztere entstammt, ist bis auf einen kleinen dorsalen Rest aufgebraucht worden. Weiter einwärts von diesem Schnitte kommt es zur völligen Abgliederung des kleinen dorsalen Abschnittes der Höhle, wel- chen ich in der Tafelfigur mit & bezeichnet habe. Man kann denselben eine beträchtliche Strecke weit einwärts verfolgen, bis sich derselbe endlich mit dem fast gänzlich rückgebildeten inneren Höhlenabschnitte wieder vereinigt. Von der Seite des erhalten gebliebenen Epithelbezirkes der dorsalen Höhlenwand dauert die Proliferation embryonalen Binde- gewebes ungeschwächt fort. Nun zu den Muskelanlagen. Zu dem oben über die Anlage des Rectus superior Gesagten ist noch nachzutragen, dass ihr laterales, verjüngtes Ende nahe der dorsalen Circumferenz des ersten Quintusastes endet. Die ventrale Muskelanlage nimmt nur mehr in zwei Schnitten an der Begrenzung der Höhlenliehtung Theil. Sie ist um ein Beträchtliches ventralwärts, zugleich aber auch vor- und auswärts vorgewachsen. Ueber ihre Lagebeziehungen zur Anlage des Obliquus inferior, sowie über die Formverhältnisse und die Wachs- thumsrichtung dieser Anlage giebt uns unsere aus zwei benach- barten Schnitten combinirte Tafelfigur 6 Aufschluss (m. r. inf. + int. und m.o.i). Die bei dem vorhin geschilderten Embryo auf- gefundenen Zellmassen, welche sich einwärts von der ventralen Muskelanlage vorfanden, sind auch jetzt leicht wieder zu erkennen, 944 H Rex: Die äussere derselbsn steht ventralwärts mit dem medialen Ab- schnitt der ventralen Muskelanlage in Verbindung. Der Oculomotorius ist soweit vorgewachsen, dass sein leicht verjüngtes Ende den Unterrand der ventralen Muskelanlage er- reicht hat. Die Umscheidung mit Ganglienzellen erstreckt sich Jetzt am Stamm aufwärts bis zur Höhe der Anlage des Reectus superior, abwärts bis zur Gegend des Dorsalraudes der ventralen Muskelanlage; sie ist nun namentlich im Bereiche der inneren und äusseren Circumferenz des Stammes deutlich entwickelt. Der hintere Umfang weist im Gegensatze zu. früheren Befunden nur einen dünnen Belag auf. Hinten wird der Nerv durch einen mässig breiten Zwischenraum vom nach aussen vorwachsenden Abschnitte der Anlage der Abducensmuskulatur getrennt. Bei einem zweiten Embryo derselben Altersstufe ist die Lichtung der Höhle bis auf einen kleinen unbedeutenden Rest, welcher mit der Anlage des Reetus superior in Verbindung steht, völlig geschwunden. Man erkennt ihre Lagerstätte leicht wieder. Das an ihre Stelle getretene Bindegewebe ist ein recht lockeres. Jenes, welches aus der vorderen Höhlenwand hervorgegangen ist, hat Umfang und Lagebeziehungen treu bewahrt. Namentlich bei schwächeren Vergrösserungen fällt dasselbe sofort als selbstän- diges Gebilde auf. Die Zellen sind einander nahe benachbart, ihre Kerne etwas stärker gefärbt. Eine innige Verbindung mit dem lockeren Bindegewebe der Nachbarschaft ist nirgends nach- weisbar. Das Studium von Querschnitten lehrt Beziehungen erkennen, welche zwischen den Abkömmlingen der Höhlenwandung und den Hüllen des Augenbechers bestehen. Die erste Entwicklung der letzteren geht schon bei weit jüngeren Embryonen vor sich; ihre Beziehungen zu den Augenmuskelanlagen treten indessen erst jetzt deutlich in Erscheinung, so dass ich mir eine nähere Schilderung bislang aufsparen zu können glaubte. Ich bespreche zunächst die äussere der beiden Hüllen. Die- selbe umgiebt die hintere Circumferrnz des Augenbechers und stellt im Querschnitt ein aus enge an einander gelagerten Mesoderm- zellen aufgebautes, mässig breites Band dar, das sich scharf von der Nachbarschaft abhebt. Seine hintere Grenze nimmt den Ausgangspunkt vom Grunde der Hinterhälfte jener ringförmigen Furche, welche den an der Seitenfläche des Vorderkopfes vor- Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 245 ragenden Abschnitt des Augenbechers umsäumt und zieht von da an vor- und einwärts. Diese Grenzlinie ist dem hinteren Um- fange des Augenbechers keineswegs parallel, sondern mehr ge- streckt, wie ein Blick auf die beiden Tafelfiguren 8 und 9 lehrt. Aussen reicht die Hülle bis zum freien Rande des Augenbechers; über und unter dessen Oeffnung setzt sich dieselbe in das etwas dichtere Mesoderm fort, welches dessen vorderen Umfang umgibt und jeder schärferen Abgrenzung entbehrt. Nach einwärts von dieser Hülle findet sich noch eine zweite, dem Augenbecher dieht angeschmiegte, welche sehr dünn und gefässreich ist. Beide werden von einander durch eine sehr schmale Zone lockeren Bindegewebes getrennt. Für uns ist vornehmlich der mediale Abschnitt der äusseren der beiden Hüllen von Interesse. Durchmustern wir eine Quer- schnittserie in eraniocaudaler Richtung und lassen wir zunächst die dorsale Region des Augenbechers ausser Betracht; diese soll später beim Studium der Anlage des Obliquus superior eingehend berücksichtigt werden. In der Höhe der Anlage des Reectus superior finden wir folgende in der Tafelfigur 3 wiedergegebene Verhältnisse. Die Muskelanlage — m. r. s. — ist von annähernd keulenförmiger Gestalt, aus dieht an einander gefügten, gleich- laufenden Spindelzellen aufgebaut und besitzt ein mediales spitzes Endstück. Mitten in diesem ist ein Rest der hinteren epithelialen Höhlenwand eingeschlossen; die genauere Unter- suchung lehrt, dass die Anlage nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen vorwächst und hier sowohl entlang der vorderen wie auch der hinteren Fläche des benachbarten Abschnittes der hinteren Höhlenwand vordringt. Das Aussenende der Anlage hat den ersten Quintusast noch nicht erreicht und grenzt un- mittelbar ans Vorderende der äusseren der beiden Augenbecher- hüllen 7 an. Vor- und rückwärts von der Reetusanlage treffen wir das wohl abgegrenzte Bindegewebe der vorderen Höhlenwand an (Bd). Hinten stossen wir auf den Querschnitt des Oculo- motorius (///). In der anderen Hälfte des Schnittes sind deut- liche Reste des Verbindungskanales vorhanden. Weiter caudalwärts taucht der erste Quintusast auf. Das Bindegewebe der vorderen Höhlenwand gewinnt nun zu beiden Hüllen des Augenbechers nahe Beziehungen. Ans Vorderende der äusseren derselben tritt es so enge heran, dass eine Grenze 246 H. Rex: zwischen beiden nur schwer nachweisbar wird. Vor der inneren wird dasselbe durch eine feine, von spärlichen Zellen durchsetzte Spalte geschieden. Auf seinem Zuge nach vorne durchsetzt der erste Quintusast, der medialen Fläche des Augenbechers nahe be nachbart, die äussere der Hüllen. Die Tafelfigur 9 ist der Region der Anlage der Abducens- muskulatur entnommen. Der parallel der Vorderwand der Ju- gularvene J schräg nach aussen und vorne vordringende laterale Abschnitt dieser Anlage — ab. d. m. — tritt ähnlich wie der Rectus superior ans Vorderende der Hülle 7 des Augenbechers heran. Vor der Muskelanlage sehen wir den Querschnitt des Oculomotorius — ZI —; seine Umscheidung mit Ganglienzellen ist eine fast vollkommene; namentlich im Bereiche des medialen Umfanges ist der Zellmantel ein recht stattlicher. Das Binde- gewebe der Kopfhöhle Bd zeigt nicht mehr die vorhin beschrie- bene innige Verbindung mit der Augenbecherhülle; je weiter wir in der Serie caudalwärts vorrücken, desto geringer wird der Umfang des von demselben eingenommenen Areals und damit auch seine Verbindung mit dieser Hülle völlig gelöst. Wir stossen bald auf die Arteria ophthalmica; sie zieht knapp vor dem Oculomotorius und weiter zwischen beiden Hüllen des Augen- bechers nach aussen. Endlich treffen wir die ventrale Muskelanlage im Schnitte; ihre laterale Circumferenz stösst direct ans Vorderende der äusseren der Hüllen an. Letztere verliert nun auch bald ihre scharfe hintere Abgrenzung; die Anlage des Obliquus inferior scheint ausserhalb des Rahmens derselben zu liegen und zwar dessen ventralem Umfang von aussen her angeschmiegt. Mit der Schilderung dieses Entwicklungsstadiums verlasse ich für diesmal das Gebiet der Oculomotoriusmuskulatur; die Schilderung der definitiven Ausgestaltung dieser Muskelgruppe soll einer weiteren Abhandlung vorbehalten bleiben. Ich wende mich nun zur Entwicklung des Muskels des N. trochlearis. Der jüngste Embryo, bei welchem ich den Beginn der Ent- wicklung des M. obliquus superior nachweisen konnte, besass 38 Urwirbel. Wir haben also ein verhältnismässig spätes Sta- dium vor uns. Durchmustern wir in einer Sagittalschnittserie jene Schnitte, Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 247 in welchen der erste Quintusast zum Vorschein kommt, so be- merken wir, dass derselbe nahe der Aussenwand der Kopfhöhle nach vorne zieht, um über dem Augenbecher seinen Weg fort- zusetzen. Bevor er den letzteren erreicht, entsendet er einen starken rückläufigen Zweig, welcher sich von seinem ventralen Umfange ablöst und in leichtem Bogen nach hinten und abwärts verläuft. Nach kurzem Laufe endigt derselbe frei. Dieser Zweig schliesst mit dem Quintusaste einen nach hinten offenen Winkel ein. Beide Schenkel dieses Winkels sind in einer dichten mesodermalen Zellmasse eingelagert, welche namentlich den Winkel selbst völlig ausfüllt. Eine besondere Anordnung der Zellen, etwa in Gestalt versprengter kurzer epithelialer Züge, irgend ein Lumen mit dem Reste einer epithelialen Umsäumung konnte ich in dieser Zellmasse nicht nachweisen. Ohnedies wird die Einsichtnahme durch zahlreiche Gefässdurchschnitte, welche dieselbe durchsetzen, erheblich erschwert. Immerhin ist diese Zellmasse durch die etwas stärkere Färbung ihrer Kerne und da- durch, dass es in derselben stellenweise zur Zellgruppenbildung kommt, leicht erkennbar. Ich habe mich sehr bemüht, in diesem und älteren Stadien einen Zusammenhang der Zellmasse mit dem recht nahe benachbarten Dorsalabschnitte der Anlage der Trige- minusmuskulatur nachzuweisen; es ist mir dies indessen nicht gelungen. Querschnitte lehren, dass sich die Zellmasse nach innen zwischen die Jugularvene und die Hinterwand der Kopfhöhle fortsetzt, ohne indessen eine innere schärfere Abgrenzung er- kennen zu lassen. Embryonen mit 40 Urwirbeln zeigen uns bereits die ersten Umrisse der Aulage des Obliquus superior. Der nach aussen vom Quintusast gelegene Theil der Zellmasse hat eine festere Umgrenzung und ein dichteres Gefüge gewonnen. Derselbe tritt uns nun als länglicher, vorne leicht verjüngter Zellhaufen entgegen, welcher nach vorne und oben ansteigt und vom hinteren Abhange der dorsalen Circumferenz des Augenbechers durch einen mässig breiten Zwischenraum getrennt wird. Dieser Zellhaufen kann bereits als die Anlage des M. obliquus superior angesprochen werden. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 7 248 H. Rex: Bei Embryonen mit 43 Urwirbeln findet sich an Stelle des vorhin beschriebenen starken rückläufigen Quintuszweiges ein zarter Faden, welcher nach hinten und abwärts zieht. Nahe seiner Abgangsstelle und zwar nach hinten von derselben, besitzt der Quintusast an seiner ventralen Circumferenz einen annähernd dreieckigen, aus Ganglienzellen aufgebauten Vorsprung. Aus diesem tritt zunächst ein Zweigchen hervor, das mit dem eben geschilderten zarten Faden in Verbindung zu treten scheint, ferner ein Zweig, welcher vor- und abwärts zur Vorderfläche der bei diesem Embryo noch recht klemen Anlage des M. obliquus inferior herabzieht. Die Anlage des Obliquus superior zeigt jetzt eine scharfe Abgrenzung. Sie lässt zwei Randbezirke erkennen, welche sich aus dicht an einander gelagerten Spindelzellen auf- bauen und durch einen mittleren Abschnitt mit einander ver- einigt werden, welcher aus nur locker verbundenen und nament- lich schwächer gefärbten Zellen besteht. Ventralwärts läuft die Anlage spitz aus. Dies Ventralende, aus enge mit einander ver- bundenen Spindelzellen bestehend, liegt nach aussen vom dorsalen Endabsehnitt des Obliquus inferior. Das Studium einer Querschnittserie lehrt Folgendes: Die Muskelanlage ist zwischen der dorsalen Circumferenz des Augen- bechers und der Jugularvene leicht aufzufinden. Sie ist der Vorderwand der letzteren nahe benachbart. Weiter caudalwärts vorschreitend bemerken wir, dass die Anlage allmählich in eine ovale Zellmasse übergeht, welche der erste Quintusast auf seinem Zuge nach vorne durchsetzt. Der nach aussen vom Nerven. be- findliche Abschnitt ist durch das dichte Gefüge seiner stärker gefärbten Zellen vor dem inneren ausgezeichnet, welch’ letzerer sich aus etwas lockerer verbundenen, schwächer gefärbten Zellen aufbaut. In dieser Zellmasse erkennen wir jene leicht wieder, von welcher ich oben berichtete, dass aus ihrem lateralen Ab- schnitte die Obliquusanlage hervorgeht. Je weiter wir caudal- wärts in der Serie vorschreiten, desto kleiner wird der zur Muskelanlage sich umbildende Abschnitt der Zellmasse; endlich treffen wir in jenen Schnitten, welche die Kuppe der Hypo- physentasche getroffen haben, folgende Verhältnisse an. Die Zellmasse — s. Tafelfigur 2, Zm — ist annähernd oval gestaltet; ihr etwas verjüngter medialer Abschnitt ist zwischen der Hinter- wand der Kopfhöhle Xh und der vorderen Wand der Jugularvene J Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 249 gleichwie eingelassen. Im Bereiche ihres äusseren Umfanges be- merken wir ein kleines stark gefärbtes Zellhäufehen m. 0. s; es ist der Querschnitt des stielförmigen ventralen Endabschnittes unserer Muskelanlage. Noch weiter caudalwärts ist die Ver- folgung der uns interessirenden Einzelheiten recht schwer, da eine Abgrenzung gegenüber dem dichten Bindegewebe, welches sich zwischen dem hinteren Umfange des Augenbechers, der Kopf- höhle und der Jugularvene vorfindet, auf grosse Hindernisse stösst. In einer Sehrägschnittserie von einem etwas älteren Embryo — die Schnittebene schliesst mit der Medianebene einen ventral- wärts offenen Winkel ein — finde ich die Muskelanlage auf der einen Seite in ihrer ganzen Ausdehnung getroffen. Ich habe den uns interessirenden Bezirk des Schnittes in der Tafelfigur 10 abgebildet. Die aus enge aneinander gereihten Spindelzellen aufgebaute Anlage m. o. s. zieht in leichtem Bogen vor- und aufwärts. In Berücksichtigung der Schnittebene müssen wir noch hinzufügen, dass die Anlage auch nach aussen vorwächst. Die- selbe lässt wiederum zwei Sonderabschnitte erkennen, welche durch einen lockeren Zellzug von einander geschieden sind. Jeder derselben scheint selbständig vorzuwachsen. Der Stiel der An- lage bildet die Fortsetzung des dorsalen Abschnittes; sein ven- trales Ende ist leicht verdiekt. Nach einwärts von diesem treffen wir das dorsale Ende der Anlage des Obliquus inferior an. Im Laufe der weiteren Entwicklung scheint es zur Rück- bildung des inneren zum Aufbau der Muskelanlage nicht ver- wendeten Abschnittes der Zellmasse zu kommen. Die Anlage selbst wächst nun über dem dorsalen Umfange des Augenbechers aus- und vorwärts vor; sie ist vollkommen ein- heitlich, eine Trennung in zwei Sonderabschnitte, wie wir sie früher sahen, ist nicht mehr nachweisbar. Ihr Stiel geht der Rückbildung entgegen. Bei Embryonen von der zweiten Hälfte des fünften Bruttages reicht derselbe kaum mehr bis zur dorsalen Cireumferenz des ersten Quintusastes herab. Seinem ventralen Ende ist jetzt der Aussentheil des Reetus superior nahe benach- bart; derselbe findet sich ventral und einwärts von ihm vor. Ueber die Formverhältnisse und Lagebeziehungen der An- lage gewähren jetzt Querschnitte den besten Aufschluss. Ich wähle wieder jene Schnittserie, welche oben der Schilderung der 350 H. Rex: Beziehung zwischen der Oeulomotoriusmuskulatur und den Augen- becherhüllen zu Grunde lag. Suchen wir uns in derselben den dorsalen Umfang des Augenbechers auf. Seine Nähe kündigt sich durch das Auftreten der äusseren seiner beiden Hüllen an. Diese ist medialwärts völlig scharf von der Nachbarschaft abgegrenzt; von der Obli- quusanlage trennt sie ein mässig breiter Zwischenraum. Weiter caudalwärts nähert sich die Anlage bald völlig der Vorderhälfte der inneren Circumferenz der Hülle. Es ist dies in der Tafel- figur 7 deutlich ersichtlich, Die Anlage — m. 0. s. — hat die Form eines Dreieckes; ihr verjüngtes Hinterende setzt sich, wie die Durchsicht der folgenden Schnitte lehrt, nach hinten und einwärts in den kurzen Stiel fort. Die künftige Wachsthums- richtung der Anlage dürfte in der Richtung des vorderen Winkels liegen; es ist zwar die Hauptmasse der Zellen der Aussenfläche der Anlage gleichgerichtet, indessen sehe ich in ihrem Vorder- ende deutliche Zellzüge, welche nach dem vorderen Winkel hin- ziehen, sowie auch solche, welche aus diesem bereits vorwachsen. (Siehe die Tafelfigur.) Weiter caudalwärts treffen wir bald den kurzen Stiel der Anlage allein im Schnitte an und bemerken gleichzeitig, dass die Augenbecherhülle nur mehr bis zu jener Stelle eine innere scharfe Abgrenzung besitzt, an welcher der Stiel an sie angrenzt. Ist auch dieser aus den Schnitten verschwunden, so tritt das Aussenende der Anlage des Rectus superior an seine Stelle, mit welchem das innere Vorderende der Hülle in der uus bekannten Weise verbunden ist. Weiter caudalwärts ist das Gleiche mit der Anlage der Abducensmuskulatur der Fall. Diese Beziehung zwischen den Anlagen der Augenmuskeln und der Augenbecher- hülle scheinen mir einer weiteren Verfolgung werth. Wenig konnte über die Entwicklung des N. trochlearis er- mittelt werden. Bei Embryonen von der zweiten Hälfte des fünften Bruttages ist der Nerv eine stattliche Strecke ventralwärts vor- gewachsen. Das pinselförmig aufgefaserte freie Ende desselben ist von der Muskelanlage beträchtlich weit entfernt. Den Beginn der Entwicklung der Abducensmuskulatur traf ich bei einem Keime mit 21 Urwirbeln an. Ich habe über den- selben in meiner ersten Abhandlung Folgendes berichtet. Die Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 251 Anlage ist in diesem Entwicklungsstadium ein mesodermaler Zellhaufen, der dem Quintusganglion nahe benachbart ist. Er lagert ventral- und distalwärts von diesem. Die mittleren Zellen sind etwas dichter gedrängt; die peripheren Zellen, nicht selten in Kreisen angeordnet, umschliessen denselben. In einem Schnitte tritt in diesem Zellhaufen ein kleines ovales Lumen auf, das von epithelartigen Zellen umsäumt wird. Das ganze Gebilde ist nur in fünf Schnitten nachweisbar. Bei etwas älteren Embryonen, solchen mit 25 und 26 Ur- wirbeln, ist der proximale Abschnitt der Anlage eine kurze Strecke längs der Innenfläche des Ganglions emporgewachsen. Wir finden wiederum vereinzelte kleine Liehtungen, welche von Epithelzellen umsäumt werden; der proximale Abschnitt wird lateralwärts durch einen deutlichen epithelialen Saum abgegrenzt. — Mit Rücksichtnahme auf die Mittheilungen, welche wir Kast- Schenkio ı), Salzer 3, Grosser und :Brezina) ver- danken, ist es vielleicht von Interesse, auf eigenthümliche Um- bildungen der unserer Muskelanlage nahe benachbarten Venen- bahnen hinzuweisen. Eine eingehende Würdigung dieser Verhält- nisse kann hier allerdings nicht erfolgen, da eine solche ausser- halb des Planes dieser Untersuchungen läge. — Bei dem soeben besprochenen Embryo zieht die vordere Cardinalvene vom Augen- becher her schräg rück- und abwärts zur Innenseite des Quintus- ganglions, um von da an längs der Ventralfläche des Hinter- hirres distalwärts ihren Weg fortzusetzen. Beide Abschnitte der Vene, der zum Ganglion herabziehende, sowie der längs des Hinterhirnes verlaufende schliessen mit einander einen ventral- wärts offenen Winkel ein. Das Ganglion bildet mit dem benach- barten Abschnitte der Cardinalvene eine ventralwärts offene Nische, in welcher der proximale Theil der Abducensmuskel- anlage lagert. Bei Embryonen mit 30 Urwirbeln ist in den nachbarlichen Beziehungen der Muskelanlage zum Ganglion insoweit eine Aen- 1) Das Schlundspaltengebiet des Hühnchens. Arch. f. Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Jahrgang 1887. 2) Ueber die Entwicklung der Kopfvenen beim Meerschweinchen. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXIII. 1895. 3) Ueber die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. Ebendaselbst. 252 H. Rex: derung eingetreten, als dieselbe lateralwärts fast ganz vom Ganglion gedeckt wird. Es wird dies wohl durch die Wachs- thumsverhältnisse beider Gebilde bedingt. Embryonen mit 34 und 36 Urwirbeln zeigen wesentliche Veränderungen im Bereiche der uns interessirenden Venenbahnen. Die Hauptwurzel der vorderen Cardinalvene weist im Sagittal- schnitte einen bedeutenden Umfang auf; sie nimmt einen beträcht- lichen Theil des Feldes zwischen der vorderen Cirecumferenz des Quintusganglions und der Hinterwand der Kopfhöhle ein. Ihre Fortsetzung wird jetzt durch eine völlig neue starke Bahn bei- gestellt, welche auf folgendem Wege dem Herzen zustrebt. Sie zieht vor dem Ganglion und vor der Muskelanlage distalwärts und verläuft sodann über den dorsalen Endabschnitten der Kiemen- spalten, sowie ventral vom Gehörbläschen abwärts. Die Astfolge des Quintus und der Facialis lagern lateralwärts von dieser Bahn. Der Glossopharyngeus ist — um mit Kastschenko zu sprechen — im „Durchschneiden* begriffen. Die’ ältere Abflussbahn, welche noch bei Keimen mit 30 Urwirbeln allein vorhanden war, zieht wie früher längs des Hinterhirnes eaudalwärts. Dem neuen Strome gegenüber verhält sie sich jetzt wie ein stärkerer Neben- fluss, indem sie den dorsoproximalen Umfang des Innentheiles unserer Muskelanlage überschreitet und in den vor ihr vorbei- ziehenden Abschnitt der neuen Abflussbahn einmündet. Die Muskelanlage ist jetzt mit Ausnahme ihres distalen Endabsehnittes allseitig von starken Venenbahnen umsäumt. Ich möchte nun auf die Tafelfigur 11 verweisen. Sie bringt uns einen Theil eines Querschnittes von einem Embryo mit 36 Urwirbeln, der durch die Region der Muskelanlage hindurchge- führt worden ist. Die Anlage — abd. m. — ist jetzt ein wohl- abgegrenzter Zellhaufen, in welchem wir hie und da epitheliale Zellzüge eingelagert vorfinden. Ein solcher ist auch in der Tafel- figur ersichtlich. Diese Züge finde ich stets nur im Bereiche der dorsalen und lateralen Peripherie der Anlage vor, woselbst sie dieselbe nicht selten nach aussen sehr sauber abgrenzen. Ent- sprechend den vorhin geschilderten Veränderungen im Gebiete der Venenbahnen hat die Anlage jetzt dorsal- und ventralwärts die alte und neue Bahn zu Nachbarinen. (ca und J). Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 253 Etwas ältere Keime, solche mit 40 Urwirbeln, besitzen die dem Hinterhirn angeschmiegte ältere Venenbahn, die wir oben kennen lernten, nicht mehr. Ich möchte die neugebildete Bahn mitsamt ihrer Vorderkopfwurzel als Jugularvene bezeichnen, es künftigen Untersuchungen überlassend, diese Bezeichnung durch eine vielleicht passendere zu ersetzen. Jetzt ist auch der Facialis im Begriffe, diese Vene zu „durchschneiden“, der Glosso- pharyngeus liegt bereits einwärts von ihr. — Die Muskelanlage ist im Sagittalschnitte ein länglicher Zellhaufen, welcher schräg vor- und aufwärts zieht; sein Vorderende wird durch einen mässig breiten Zwischenraum vom ventralen Endabschnitte des Oculomotorius getrennt. Im Querschnitt finden wir zwischen dem ventralen Abschnitte des Quintusganglions und der Muskel- anlage die Jugularvene gleichwie eingelassen. Bei Embryonen mit 43 Urwirbeln haben sich die eben ge- schilderten Lagebeziehungen zwischen Anlage, Ganglion und Vene abermals geändert. Suchen wir uns zunächst jenen Ab- schnitt des Ganglions auf, welchem die motorische Wurzel me- dialwärts innig angeschmiegt ist. Jetzt findet sich der Quer- schnitt der Jugularvene nach einwärts vom Vorderende des Ganglions; beide bilden im Vereine mit dem benachbarten Ab- schnitte des Hinterhirnes eine Nische. Mitten in dieser lagert der distale Theil der Muskelanlage. Das Gefüge derselben ist nun namentlich im Bereiche ihres ventralen Abschnittes ein besonders dichtes, auch sind hier die Zellkerne stark gefärbt. Verfolgt man die Anlage cranialwärts, so bemerkt man, dass dieselbe allmählich die Umrisse eines Dreieckes annimmt, dessen Spitze ventralwärts und zugleich auch ein wenig lateralwärts gerichtet ist und ferner, dass dieselbe in der Richtung dieser Spitze längs der medialen und vorderen Fläche der Jugularvene in einen dünnen kurzen Fortsatz lateralwärts vorwächst. Im Sagittalschnitt finden wir unsere Anlage als länglichen Zellhaufen vor, der aus der eben beschriebenen Lagerstätte unter gleichzeitiger Verjüngung vor- und aufwärts ansteigt und zwar in einer Richtung, welche nach der ventralen Circumferenz des benachbarten Abschnittes der Kopfhöhle hinzielt. Sein Ventral- rand ist ziemlich geradlinig. Das Vorderende zeigt das be- reits beschriebene diehie Gefüge. — In diesem Entwicklungs- stadium wird auch der Abducens sichtbar. Ich finde einen ganz 254 H. Rex: dünnen, kurzen, aus nur wenig Zellen zusammengesetzten Faden, dessen Verlaufsrichtung — er entspringt einwärts von der Anlage des Facialis und dringt nach kurzem ventralwärts gerichtetem Laufe bald proximalwärts empor — die Sicherstellung leicht er- möglicht. Die Untersuchung älterer Embryonen lehrt, dass der sagittal gelagerte Abschnitt der Muskelanlage der Rückbildung verfällt; es gelangt nur deren lateralwärts vorwachsendes Vorderende zur weiteren Ausbildung. Dies ist schon bei Embryonen mit einem Vorderkopfmaasse von 3,5 mm deutlich ersichtlich. Das Vorderende der Anlage baut sich aus Spindelzellen auf, deren Kerne satt gefärbt sind; es dringt nicht nur längs der Vorderwand der Jugularvene nach aussen vor, sondern zeigt auch schon einen medialwärts gerich- teten spitzen kurzen Fortsatz. Die Zellen des sagittal gelagerten Abschnittes sind nur mehr lose mit einander verbunden und nur schwach gefärbt. — Der Abducens besitzt jetzt fünf zarte Wur- zeln; aus der Vereinigung derselben entsteht ein schwaches Stämmchen, welches zum medialen Umfange des sagittalen Ab- schnittes der Muskelanlage emporzieht. Nahe dem Hinterende desselben verliere ich seine Spur völlig. Bei Embryonen mit dem Vorderkopfmaasse von 4,5 mm ist der sagittale Abschnitt nur mehr als dünnes, schwach tingirtes Zellband nachweisbar. Das ventrale Vorderende der Anlage, aus dicht an einander gefügten Spindelzellen aufgebaut, ist jetzt lateralwärts weit vorgewachsen; ich habe bereits über seine Lage- beziehungen und die Verbindung mit der äusseren der Augen- becherhüllen auf pag. 246 berichtet und möchte nur noch auf die Tafelfigur 9 verweisen. Man erblickt in derselben auch den Querschnitt des der Rückbildung anheim fallenden Theiles der (Gresammtanlage (abd. m.). — Der Abducens zieht bei diesem Embryo zunächst längs der Innenfläche des sagittalen Abschnittes empor und gewinnt höher oben dessen Ventralfläche, längs wel- cher er nach vorne und aussen vordringt, um in den inneren Umfang des ventralen Vorderendes unserer Muskelanlage einzu- treten. Siehe auch Tafelfigur 9, V1. Die weitere Entwicklung der Muskelanlage werde ich später schildern. Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 255 Die Besprechung der im Vorstehenden geschilderten Befunde muss wohl zunächst an die ersten Entwicklungsverhältnisse der uns interessirenden Gebilde, also vornehmlich an jene des Kopf- höhlenpaares anknüpfen. Ich habe über diese in meiner ein- gangs eitirten Abhandlung berichtet und möchte den Leser bitten, sich mit derselben vertraut zu machen, da ja beide Untersuchungen, die vorliegende und jene ältere ein zusammenhängendes Ganzes bilden. Vielleicht thue ich gut daran, wenn ich in Kürze auf jene Auffassung zurückkomme, zu welcher mich der damalige Stand meiner Erfahrungen führte. Ich hatte Folgendes gefunden. Die Anlage des Höhlenpaares und dessen Verbindungskanales wird vom rückgebildeten, lichtungslosen äussersten Vorderende des Kopfdarmes und von mesodermalen Zellsträngen beigestellt, welche diesem seitlich entstammen. Der mittlere Abschnitt der Dorsal- wand des Kopfdarmes — und das gilt auch für seinen Scheitel — wird von einer Zellmasse gebildet, welche ich als das mit dieser Wand verschmolzene Vorderende des Kopffortsatzes ge- deutet habe. Die in die Anlage des Höhlenpaares mit einbe- zogenen mesodermalen Zellstränge entstammen jenem äussersten Endabschnitt des Kopffortsatzes, welcher mit dem Kopfdarm- scheitel verbunden ist. Diesen Befund habe ich im Anschluss an v. Kupffer zu deuten unternommen. Dieser Forscher hatte den Versuch ge- macht, das Höhlenpaar der Sauropsiden mit dem präoralen Darme bei Ammocoetes in Parallele zu bringen. Eine genauere Ausführung dieses Vergleiches schien mir Erfolg verheissend. Ich kam zum Schlusse, dass der Aushöhlungsprozess, welehem die anfänglich liehtungslose Anlage des Höhlenpaares unterliegt, zur ursprünglichen Lichtung des Kopfdarmscheitels in Beziehung zu bringen sei und nahm ferner an, dass am Aufbau der Wan- dung der paarigen Ausstülpung des Kopfdarmscheitels auch das äusserste Vorderende des Kopffortsatzes mit betheiligt sei. Nach Abschluss der vorliegenden Untersuchungen drängte sich mir indessen eine andere Auffassung auf, welche vielleicht vor der soeben vorgetragenen den Vorzug verdienen dürfte. Ich muss zunächst abermals auf einige Resultate zurückgreifen, welche meine ersten Untersuchungen ergaben. Das mit der dorsalen Kopfdarmwand verbundene Vorderende des Kopffortsatzes — die 256 H.Rex: mehrfach erwähnte Zellmasse — unterliegt einer in der Richtung von hinten nach vorne vorschreitenden Ausschaltung aus der Darmwand unter gleichzeitiger Differenzirung des ausgeschalteten Abschnittes in Chorda und Mesoderm. Schliesslich bleibt nur noch ein vorderster, letzter Endabschnitt desselben erhalten, weleher mit dem inzwischen lichtungslos gewordenen Kopfdarmscheitel verbunden ist. Letzterer geht einer allımählichen völligen Rück- bildung entgegen; die Differenzirung des in ihm eingeschlossenen Restes des Kopffortsatzes schreitet indessen weiter fort. Endlich löst sich dieser Rest vom Kopfdarm völlig ab; er bewahrt auch nach dieser Ablösung seine charakteristischen Eigenthümlieh- keiten. Seitwärts entstammen demselben mesodermale Zellstränge; in sein Hinterende taucht das Chordavarderende ein. Vergl. die Tafelfigur 11 meiner ersten Abhandlung; der Rest des Kopffort- satzes ist dort mit ./ bezeichnet. Derselbe wird nicht mehr zum Aufbau eines vordersten Chordaendehens verwendet; seine Diffe- renzirung ist vollendet, seine Aufgaben sind erschöpft. Wir haben in diesem Reste nur mehr eine zellige Commissur der seitlich vordringenden mesodermalen Zellstränge zu erblieken, welche keiner weiteren Fortentwicklung entgegensieht. In diesen Zellsträngen treten nun mehrfache, bald mit einander verschmelzende Lichtungen auf. Ein in mesodermalen, dem Kopffortsatze seitlich entstammenden Zellsträngen, also in einem Theile des gastralen Mesoderms auftretender Aushöhlungs- process ist wohl am ehesten als Entwicklung eines Coelomabschnittes zu deuten. Damit stehe ich auf dem Boden jener Auffassung des Höhlenpaares, welche fast sämtliche Forscher stets getheilt haben. Ich gehe weiter. Wir haben einen paarigen in meso- dermalen Zellsträngen auftretenden Coelomabschnitt vor uns. Dieser strebt medial- und lateralwärts an Ausdehnung zu gewinnen. Medialwärts vordringend stösst der Aushöhlungsprocess bald auf die Commissur des Höhlenpaares, den Rest des Kopffortsatzes. Wie ich vorhin hervorhob, ist derselbe nach Erschöpfung seiner Aufgaben nur mehr ein einfacher Zellstrang; die Aushöhlung greift von beiden Seiten her auch auf diesen über und endlich verschmelzen die in der Mediane hart an einander angrenzenden Lichtungen mit einander. Es ist dies eine bei Hohlgebilden gleicher Werthigkeit, welche in der Medianebene nahe benach- bart sind, durchaus nicht vereinzelte Erscheinung. Ich erinnere Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 257 nur an die Entwieklungsverhältnisse der Pericardialhöhle und hier an den Schwund des Mesocardium antieum. Nach dieser Auffassung ist der Verbindungskanal nur ein Aceidens, eine Bildung zweiten Ranges. Er gelangt bei der Ente durchaus nicht immer zur Entwicklung. Dasselbe vermelden Oppel, Corning und v. Davidoff für die von ihnen untersuchten Rep- tilien. Ob der Kanal bei Selachiern immer zur Entwicklung kommt, kann ich den diesbezüglichen Mittheilungen nicht ent- nehmen. Die eben geschilderten Entwicklungsverhältnisse erfahren eine weit schärfere Beleuchtung, wenn wir den Boden, auf welchem sich dieselben abspielen, nochmals überprüfen. Ich möchte hier vor allem auf die auffallende Verzögerung hinweisen, welche sich hier im Vorderkopfe in der Abgliederung des Mesoderms vom Entoderm sowie in der Differenzirung des ersteren bemerk- bar macht. Diese Verzögerung ist einem jeden Forscher, der sich mit der Entwicklung des Vorderkopfes befasst hat, wohl bekannt. Schon ein Vergleieh der Tafelfiguren 8 und 11 meiner ersten Abhandlung illustrirt uns diese Verspätung aufs Beste. In der Figur 8 von einem Embryo mit 9 Urwirbeln sehen wir vom Kopffortsatze nur mehr das kurze mit ./ bezeichnete Vorder- ende vor uns. Bis zu diesem Stadium schritt dessen Differenzi- rung stetig fort. Ihre Beendigung erfährt sie erst spät: erst bei einem Embryo mit 25 Urwirbeln — s. Tafelfig. 11 — finden wir dieselben beendet und den mit .J/ bezeichneten Abschnitt als einfache Commissur beider Höhlen wieder, erst jetzt ist der Kopfdarmscheitel völlig geschlossen. Fassen wir nun die dem Kopffortsatzrest entstammenden mesodermalen Zellstränge näher ins Auge. Ich möchte den Leser bitten, zu diesem Behufe die Tafelfigur 10, ferner die Textfiguren 7, 8 und 9 meiner älteren Mittheilung nachzusehen. Die eigenartigen nachbar- lichen Beziehungen der Zellstränge zum Vorderhirn, der Carotis interna, dem vordersten Aortenbogen und dem Kopfdarm dürften eine bestimmte Ausdehnung und auch Lagerung der Stränge be- dingen, und ihnen so eine gewisse Selbständigkeit verleihen. Noch mehr sind diese durch die Entwieklungsstufe derselben bedingt Sie stechen vom benachbarten, viel älteren, bereits zu embryonalem Bindegewebe umgewandelten Mesoderm des Vorderkopfes recht 258 IEaRex:: ab, da sie ja einem, der allerersten Differenzirung erst entgegen gehenden Abschnitte des gastralen Mesoderms entsprechen. Die Abgliederung dieses Mesodermabschnittes vom Mutter- boden, dem Kopffortsatzreste, steht ebenfalls im Zeichen der Verzögerung, diese dürfte wieder damit in Zusammenhang stehen, dass in diesem Mutterboden kein Chbordaabschnitt mehr zur Ent- wicklung kommt. Der bei Embryonen mit 21 Urwirbeln auf- tretende Anshöhlungsprocess, der in den Zellsträngen einsetzt, trifft, medialwärts vorschreitend, einfachste, ich möchte fast sagen ursprüngliche Verhältnisse an. Er geht in einem Abschnitte des gastralen Mesoderms vor sich, der seine Verbindung mit der Ursprungsstätte noch nicht aufgehoben hat. Dieser Process greift sehr bald auf die letztere über, sein Vordringen wird dureh den völligen Mangel einer einem Urwirbel entsprechenden Bildung er- möglicht. So wird auch der Kopffortsatzrest von beiden Seiten her ausgehöhlt. Er verfällt endlich der Rückbildung; seine Aushöhlung hat diese vielleicht etwas verzögert. Ich bin in meinen vorstehenden Ausführungen etwas aus- führlicher geworden, als es ursprünglich meine Absicht war. In- dessen schien mir mit Rücksichtnahme auf die so ungemein complieirten Verhältnisse, welchen wir gerade hier im Vorder- kopfe begegnen, eine eingehende Besprechung unumgänglich. Es lösen einander hier auf einem verhältnismässig eng be- schränkten Gebiete, dem des Kopfdarmscheitels, eine ganze Reihe von Entwicklungsprocessen ab. Wir fanden mit diesem den äussersten Endabschnitt des Kopffortsatzes vereinigt und die Lichtung des letzteren mit jener des Darmes in Verbindung. Hierauf trat die Rückbildung dieses Darmabsehnittes unter gleichzeitiger, allmählich vorschreitender, Differenzirung des mit ihm vereinigten Kopffortsatzrestes ein. Und wir beobachteten endlich, dass auf demselben Boden, auf welehem sich bereits so viele Umwandlungen vollzogeu hatten, die Ausgestaltung der medianen Commissur des Höhlenpaares vor sich gieng. Wenn ich der soeben vorgetragenen Auffassung den Vor- zug vor meiner älteren gebe, so thue ich es deshalb, weil ich dieselbe mit meinen Beobachtungen besser vereinigen kann. Ich kann mir namentlich nicht verhehlen, dass mit der Annahme einer paarigen Ausstülpung des Kopfdarmscheitels etwas Fremdes in den Entwicklungsgang des gastralen Mesoderms hineingetragen Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 259 wird, welchem wir sonst nirgend weiter begegnen. Ich komme hierauf weiter unten, gelegentlich der Besprechung der v. Da- vidoff’schen Befunde, nochmals zurück. Wenn wir dem Höhlenpaare den Rang eines paarigen Coelom- abschnittes zuerkennen, so ersteht wiederum die Frage, ob wir in diesem eine einem Rumpfurwirbel gleichwerthige Bildung er- blicken dürfen. Diese Frage ist von einer ganzen Reihe von Fort- schern, ich nenne nur Kastschenko, Dohrn (1885), Rabl, v. Kupffer, Corning und Sewertzoff, in verneinendem Sinne beantwortet worden. Auch meine vorliegenden Untersuchungsresul- tate sind der Deutung der Prämandibularhöhle in dem erwähnten gleichen Sinne durchaus entgegenstehend. Dieselben führen zu dem Schlusse, zu welchem die genannten Forscher kamen. Können wir also die Kopfhöhle als Ganzes einem solchen Vergleiche nicht zuführen, so ist dies um so weniger der Fall, wenn wir einen Theil derselben, etwa den medialen Abschnitt, in Betracht ziehen. Hier spricht das Auftreten des Verbindungs- kanales gegen eine solche Auffassung. Wenn in irgend einem Entwieklungsstadium auch nur der Beginn der Differenzirung der medialen Wandungsabschnitte im Sinne einer Urwirbelbildung eingesetzt hätte, so wäre der Durchbruch des Verbindungskanals gewiss nicht erfolgt. Ein epithelialer Wall hätte dem Vordringen des Aushöhlungsprocesses Schranken setzen müssen. Ich kann mich daher mit der Bezeichnung „palingenetischer Urwirbel“ nicht befreunden. Warum sollen wir gezwungen sein, unsere Einsichtnahme in ohnehin schwierige Entwicklungsvorgänge durch die Einführung einer nicht zutreffenden Bezeichnung zu erschweren? Wir würden damit immer wieder gewisse Vor- stellungen in die Betrachtungsweise einführen, welche sich mit den Thatsachen nicht vereinigen lassen. Ist aber die Be- zeichnung „Kopfhöhle“ schlechtweg nicht genügend, so kann man ja, wie Corning vorschlägt, mit dem Namen „Mesoderm- abschnitt“ des Vorderkopfes vollauf auskommen. Damit ist nicht mehr gesagt, als wir wissen. Im Bereich des paarigen, prämandibularen Coelomabschnittes kommt es also nirgends zu einer Differenzirung der Wandung, welche uns berechtigen würde, einen Vergleich mit der Urwirbel- - 260 H. Rex: bildung im Rumpfe zu ziehen. Ueber die Stellung, die wir dem Höhlenpaare anzuweisen haben, giebt mein Untersuchungs- object keinen befriedigenden Aufschluss. Das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente ist ja verhältnismässig ärmlich diffe- renzirt; es kann da wohl nur der Vergleich mit Befunden bei niederen Vertebraten, so vor Allem bei Selachiern, Auskunft ertheilen. Unter all den werthvollen Mittheilungen, welche uns die letzten Jahrzehnte über dies Thema gebracht haben, erregt gerade die jüngste, jene von Sewertzofft), unser besonderes Interesse. Wie schon oben bemerkt, weist dieser Forscher den Vergleich der prämandibularen und mandibularen Kopfhöhle mit Rumpfurwirbeln zurück. Seine Ausführungen werden daher für uns um so bedeutungsvoller, da wir ja zum ersten Male einem wohldurchdachten Versuche, die Vorderkopfhöblen in anderer Weise zu deuten, gegenüberstehen. Nach Besprechung der Zugehörigkeit des M. oblignus superior zur visceralen Muskulatur theilt uns der Autor über die Frage nach der Herkunft der Oeculomotoriusmuskelgruppe Fol- gendes mit: „Wenn aber diese Voraussetzung von der Angehörig- keit des M. obliquus superior zur mandibularen Muskulatur richtig ist, welche Bedeutung haben dann die Augenmuskeln, die sich aus den Wänden des prämandibularen Segments entwickeln?.... Mir scheint, dass, wenn wir anerkennen werden, dass das Man- dibularsesment und dessen Derivate Theile der mandibularen Muskulatur sind, wir aus demselben Grunde auch das präman- dibulare Segment und die aus demselben entstehenden Muskeln zur visceralen Muskulatur werden rechnen müssen. Zu Gunsten dieser Voraussetzung sprechen folgende Thatsachen, welche so- wchl bei Torpedo als auch bei den Haien beobachtet werden: das prämandibulare Segment bildet in frühen Stadien der Ent- wicklung eine unmittelbare Fortsetzung des Mandibularsegments und dies weisst darauf hin, dass wir es hier mit Gebilden von einer und derselben Bedeutung, d. h. mit Visceralbögen, zu thun haben.* Der Autor bespricht nun die grossen Unterschiede, welche Entwicklung und Bau des Höhlenpaares gegenüber jenen eines Urwirbels aufweisen. Er fährt fort: „Alle diese Merkmale 1) A. N. Sewertzoff, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Wirbelthierkopfes. 1. Die Metamerie des Kopfes des electrischen Rochen, Bull. des Natur. de Moscou (No. 2-3 1898). 1899, Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 261 scheiden das Prämandibularsegment !) aus der Reihe der typischen Somiten aus und sprechen eher zu Gunsten seiner Angehörigkeit zur visceralen Muskulatnr. Es ist schwer, zu sagen, ob wir auf Grund der Anerkennung des prämandibularen Segments für ein Element der visceralen Muskulatur die Existenz eines präman- dibularen Visceralbogens an dieser Stelle bei den Vorfahren der gegenwärtigen Vertebraten zulassen müssen, oder ob wir an- erkennen sollen, dass das prämandibulare Segment ein differenzirter Abschnitt des Mandibularbogens ist. Die Selbständigkeit des prämandibularen Segments in späteren Entwicklungsstadien und seine Innervirung vermittelst eines besonderen Nerven (des Oculo- motorius) spricht zu Gunsten der ersten Voraussetzung.“ Der Autor sagt am Schlusse seiner weiteren Auseinandersetzungen: »_—_ — (dass das mandibulare, das prämandibulare Segment und die „anterior head cavity“ der Selachier keine dorsalen, sondern ventrale Metameren sind und zum System der Visceralbögen ge- hören“. Sewertzoff schliesst also aus der Herkunft der Anlage des M. obliquus superior auf jene der Oculomotoriusmuskulatur. Der mandibulare und prämandibulare Mesodermabsehnitt sind nach seiner Auffassung Derivate der Seitenplatten; die aus demselben hervorgehenden Muskeln sind als zur Muskulatur der Visceralbögen gehörig zu betrachten. Nun hat Corning (l. ce.) die Entwicklung der Obliquus superior aus dem Dorsaltheile der Trigeminusmuskelanlage bei Laacerta nachgewiesen. Wir sind also wohl berechtigt, die Angliederung der Befunde bei Sauropsiden an jene bei Selachiern anzubahnen und damit der Deutung im Sinne Sewertzoff's näher zu treten. Zur Zeit erheischen jedoch nnsere Kenntnisse in erster Reihe eine gründ- liche Erweiterung und Vertiefung. Corning?) wies erst jüngst darauf hin, dass im Ver- gleich zur theoretischen Verwerthung der Kopfhöhlen und ihrer Produete bei der Beurtheilung der Segmenttheorie des Kopfes die Summe des Thatsachenmateriales entschieden zurückgeblieben ist, während bei der prineipiellen Wichtigkeit der Vorgänge jede Bereicherung unserer Kenntnisse von Werth sein muss. Diesen 1) Im Originale heisst es, wie der Zusammenhang leicht ergiebt, irrthümlicher Weise „Mandibularsegment“. Dr lsic, 262 H. Rex: völlig zutreffenden Ausspruch möchte ich dahin erweitern, dass das Gleiche von den in den Kiemenböden eingeschlossenen Coelom- abschnitten gilt. Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass wir dereinst in der Lage sein werden, eine Gliederung dieser Ab- schnitte in einzelne Bezirke von bestimmter Werthigkeit zu er- kennen, ähnlich wie wir heute bestimmte Territorien der Wan- dung eines Urwirbels und einer Urwirbeleommunication zu be- stimmten Organanlagen in Beziehung bringen können. Wir werden dann auch über das Verhalten des Dorsaltheiles jedes dieser Coelomabschnitte genauer unterrichtet sein als heute, und werden namentlich über deren Beziehungen zu Muskelanlagen sowie über das endgiltige Schicksal dieser Genaueres erfahren. Die Mittheilungen über den Dorsalabschnitt der Höhle des Mandibularbogens lassen ein derartiges Verlangen nach Aufklärung dringend erscheinen. Sind wir einmal so weit orientirt, so werden wir auch die Art der Vertheilung der Muskelanlagen auf die Wandung der Prämandibularhöhle einem Vergleiche zu- führen können. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint die einfache Registrirung der Resultate des vorliegenden Theiles meiner Unter- suchungen geboten. Im Nachfolgenden seien die wichtigsten der- selben zusammengestellt. | Ueber die Entwicklung der Kopfhöhle habe ich Folgendes zu berichten. Die Zellen ihrer Wandung erfahren eine allmählich vorschreitende Differenzirung; sie treten schliesslich zu einem deutlichen, niedrigen, fast kubischen Epithel zusammen. Stets ist es die Hinterwand, deren Epithel in seiner Entwicklung sämmt- lichen übrigen Wandungsabschnitten voraneilt. Aus der Vorderwand der Höhle geht unter allmähliger Auflösung des epithelialen Verbandes ihrer Zellen embryonales Bindegewebe hervor. Dieses Bindegewebe bewahrt eine grosse Selbständigkeit; einen Uebergang in jenes der Nachbarschaft, welches seiner Entwicklung nach ein viel älteres ist, konnte ich nirgend nachweisen. Ueber sein endgiltiges Schicksal habe ich keine näheren Nachforschungen angestellt. Ich finde es noch bei Embryonen vom 6. und 7. Bruttage als selbständiges, von der Nachbarschaft deutlich geschiedenes Gebilde vor. Die Hinter- wand der Höhle scheint, soweit sie nicht zu Muskelanlagen in Beziehung tritt, einer einfachen Rückbildung zu verfallen, Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 263 Die Muskelanlagen entstammen jenem Theile des lateralen Höhlenabschnittes, welcher die grösste Tiefe erreicht. Der dorsale Abschnitt der Hinterwand tritt hier in die Bildung der Anlage des M. reetus superior, die ventrale Cireumferenz der Höhle in jene der gemeinsamen Anlage des Rectus inferior und internus ein. Ich habe den Eindruck erhalten, dass der Beginn der Entwicklung der ventralen Muskelanlage schon einsetzt, be- vor noch das Epithel seiner Bildungsstätte die endgiltige Aus- bildung erlangt hat. Die Anlage des R. superior hingegen, welcher erst später zur Entwicklung gelangt, besitzt einen Mutter- boden von deutlich epithelialem Gefüge. Die Entwicklung des R. internus ist recht verschieden von jener, welcher wir bei Sela- chiern begegnen. Bei diesen nimmt der Muskel aus der Hinter- wand der Kopfhöhle seine Entwicklung (in der Textfig. IV Sewertzoff’s |l. e.] ist sein Zusammenhang mit dem Reetus superior noch deutlich ersichtlich). Die Anlage des M. obliquus inferior ist eine selbständige. Indessen kann ihre Zugehörigkeit zur Kopfhöhle leicht erschlossen werden. Die Untersuchung ge- stattet die Annahme, dass derjenige Abschnitt der Höhle, dessen Wand diese Muskelanlage entstammt, bei der Ente zunächst seine Lichtung eingebüsst hat. Im Anschluss hieran hat dieser Abschnitt auch seinen Zusammenhang mit der Höhle und end- lich auch das epitheliale Gefüge der Zellen seiner Wand ein- gebüsst. Bei der Rückbildung der Kopfhöhle spielt in erster Reihe das der vorderen Höhlenwand entstammende Bindegewebe eine Rolle; es dringt in diese ein. Indessen ist auch die Verlagerung der hinteren Höhlenwand als Ganzes nach vome hin an der Verödung der Lichtung mit betheiligt. Den Entwicklungsgang des M. obliquus superior möchte ich vorderhand noch nieht der Besprechung zuführen; die Er- ledigung der Frage, ob die in der Tafelfigur 2 ersichtliche Zell- masse (Zm) einem Abschnitte der Mandibularhöhle gleich- zustellen ist, sei einer weiteren Untersuchung anheimgestellt. Das Gleiche gilt von der Entwicklung der Muskelgruppe des Abducens. Die reiche Gliederung, welche diese Anlage bei Sauropsiden erfährt — bei Lacerta entwickelt sich aus derselben das System der Retractoren (Corning), bei der Ente die Nick- hautmuskeln — lässt den Wunsch berechtigt erscheinen, auf Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 18 264 H. Rex: Grund weiterer Untersuchungen eme breite Grundlage für das Verständnis dieser Muskelgruppe zu gewinnen. Ueber den Zeitpunkt, in welchem in den Spindelzellen der besprochenen Muskelanlagen die ersten contractilen Fibrillen zur Entwicklung gelangen, bin ich leider völlig im Unklaren geblieben. Von H. K. Corning’s Mittheilungen über die Entwick- lung des Mesoderms im Vorderkopfe von Lacerta sind für uns vornehmlich jene von Interesse, welche sich mit der Anlage der Augenmuskeln befassen. Corning’s Ergebnisse stimmen mit den meinen in der Grundsache überein; abweichende Befunde seien im Folgenden besprochen. Der Autor hat zunächst im Sinne meiner älteren Auffassung, welche ganz auf dem Boden der v. Kupffer’schen Lehre von der entodermalen Abstammung der Prämandibularhöhle stand, die ersten Entwicklungsverhältnisse dieses Höhlenpaares zu deuten versucht. Wir verdanken seinen Bemühungen eine Reihe werth- voller Einzelbeobachtungen, deren weitere Untersuchung mir sehr dankenswerth erscheint. Dieselben mit meinen Befunden bei der Ente in Vergleich zu stellen, scheint mir zur Zeit noch nicht räthlich; ein glatter Vergleich stösst denn doch auf manches Hindernis. Auch der Autor scheint derselben Ansicht zu sein, denn er theilt uns mit, dass erst erneuerte Untersuchungen an einem vollständigeren Material namentlich über die Bildung des vorderen Chordaendes Auskunft ertheilen können. Welche Be- deutung einer genauen Einsichtnahme in diese Verhältnisse inne- wohnt, habe ich oben ausführlich erörtert. Corning’s Schilderung der weiteren Entwicklung der bereits deutlich gesonderten Höhlenanlage stimmt mit meinen Befunden bei der Ente gut überein. — In seiner Tafelfigur 28 ist ein Sagittalschnitt durch den Vorderkopf eines älteren Lacertakeimes abgebildet, bei welchem die Entwicklung der Muskelanlagen von Seite der Höhlenwandung bereits eingesetzt hatte. Wir erblicken da einen Zellstrang, welcher den gut ent- wickelten Verbindungskanal mit dem Kopfdarmscheitel verbindet. Wir müssen in diesem Befunde eine beträchtliche Verzögerung in der Abgliederung des zur Anlage des Kanales verwendeten Abschnittes der terminalen Zellmasse erblieken, welche in Jüngeren Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 265 und jüngsten Stadien das Vorderende der dorsalen Kopfdarm- wand bildet (s. Corning’s Figuren 15—21). Auch die Ab- srenzung der an der Bildung von Muskelanlagen betheiligten Wandungsbezirke der Höhle bei Lacerta lässt sich mit meinen Angaben für die Ente leicht in Einklang bringen. Ich hätte nur zu bemerken, dass Corning die Anlage des R. superior auf die dorsale Cireumferenz der Höhle bezieht. Indessen — ist seine Tafelfigur 29 richtig orientirt, so ist es bei Lacerta der gleiche Bezirk der Höhlenwand, dem diese Anlage ent- stammt, wie bei der Ente, und Corning’s Bezeichnung ist wohl nur als Versehen zu deuten. Bei Lacerta finden sich kleine Divertikelbildungen im Bereiche der an der Muskelbildung be- theiligten Wandabschnitte. Bei der Ente kommen solche, wie ein Blick auf die Tafelfiguren 1—3 lehrt, nicht vor; auch ist für mein Object ein Vergleich mit den ventralen Ausbuchtungen der Kopfhöhle, aus welchen die ventralen Muskelanlagen bei den Selachiern hervorgehen, nicht durchführbar. Ich habe erst vorhin darauf hingewiesen, dass die Anlage des Obliquus inferior ihren Anschluss an die Höhle verloren hat. Corning theilt uns ferner (pag. 78) mit: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Kopfhöhle fast ausschliesslich Mus- kulatur liefert. Freilich wäre zunächst die Möglichkeit nicht aus- zuschliessen, dass einzelne Stützzellen sich aus jenen Theilen der Wandung entwickeln, welche nicht zur Muskelbildung ver- braucht werden. Aber von einem wesentlichen Beitrage zu dem die Kopfhöhle umgebenden Gewebe kann nicht die Rede sein. Viel- mehr sind es gerade diese Zellen, welche durch Einwuchern in das Lumen der Kopfhöhle letztere zum Schwinden bringen.“ Es ist also die Bindegewebsproliferation von Seite der Höhlen- wandung bei Lacerta auf ein Mindestmaass eingeschränkt. Dass das bei der Ente der vorderen Höhlenwand entstammende Binde- gewebe sich gleichfalls durch seine Abgeschlossenheit gegenüber der Nachbarschaft auszeichnet und mit an der Rückbildung der Lichtung der Höhle hetheiligt ist, habe ich bereits mehrfach hervorgehoben. — Ein epitheliales Gefüge der Höhlenwandung, wie es Corning’s Tafelfigur 30 zeigt, finde ich bei meinem Untersuchungsobjeete nicht. — Die Rückbildungsprocesse der Höhle bei Lacerta zeigen uns wohlbekannte Einzelheiten. — Die Untersuchung der weiteren Entwicklung der ventralen Gruppe 966 H. Rex: der Oeulomotoriusmuskulatur bei Lacerta scheiterte an den compli- eirten Verhältnissen, welche die Ausbildung der mächtigen Re- tractoren mit sich bringt. Es ist dies sehr zu bedauern; die Entwick- lung der Anlagen des R. inferior und internus, sowie die Selbst- ständigkeit jener des Obliquus inferior — diese von mir bei der Ente aufgefundenen, von den wohlbekannten Verhältnissen bei den Selachiern so sehr abweichenden Einzelheiten hätten durch die Kenntnis der bezüglichen Vorgänge bei Reptilien gewiss eine schärfere Beleuchtung erfahren. Vielleicht bringt uns Corning doch noch einen weiteren Ausbau seiner Mittheilungen. Wie sie uns jetzt vorliegen, gewähren sie keinen sicheren Anhaltspunkt zu fruchtbarer Vergleichung. Auf die bedeutungsvolle Entdeckung unseres Autors, dass die Anlage des Obliquus superior aus dem Dorsaltheil der An- lange der Trigeminusmuskulatur hervorgeht, habe ich bereits oben aufmerksam gemacht. Eingehend hat Corning auch die Differenzirung der Abducensmuskulatur behandelt, welcher bei Lacerta auch die Retractoren entstammen. Durch den Hinweis auf einschlägige Befunde bei Teleostiern und Urodelen erfahren seine Angaben eine Vertiefung. Der Autor hat auch Oppels!) Mittheilungen einer gründ- lichen Besprechung unterzogen, auf welche ich verweisen möchte. Die Angaben dieses Forschers über die Entwicklung des Obliquus superior möchte ich zur Zeit noch nicht in den Rahmen der Be- sprechung mit einbeziehen. Wir verdanken endlich Corning werthvolle Mittheilungen über die Entwicklung des Vorderkopfes der Säuger. Seine Be- funde führen ihn zur Schlussfolgerung, dass die Anlage der Kopfhöhle bei Sauropsiden und Säugethieren eine gleichartige ist. Interessant ist seine Deutung der Zimmermann schen Angaben (pag. 69). So sehen wir also auch für die Säuger die Einsichtnahme in die Entwicklung der Augenmuskeln in erfreulicher Weise an- gebahnt. Jene Mittheilungen von K. Reuter?), welche die erste Entwicklung der Augenmuskeln beim Schwein behan- 1) A. Oppel: Ueber Vorderkopfsomiten und die Kopfhöhle von Anguis fragilis. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXVI. 2) K. Reuter: Ueber die Entwicklung der Augenmuskeln beim Schwein. Anat. Hefte XXVIII-XXX (IX. Bd.) 1897, Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 267 deln, bedeuten in dieser Beziehung keine Förderung unserer Erkenntnis. Ich muss mich hierin völlig Corning’s Kritik anschliessen. Von grossem Interesse sind für uns die Mittheilungen v. Da- vidoff’s!) über die Entwicklung der Prämandibularhöhle beim Gecko. Sie lassen sich mit meinen Befunden leicht in Einklang bringen. Die Höhlenanlage wird beim Gecko von einer „entodermalen Zellplatte“ beigestellt, deren seitliche Abschnitte, die „Flügel“, ins benachbarte Mesoderm übergehen. Diese Zellplatte entstammt einem allmählich seine Lichtung einbüssenden vorderen End- abschnitt des Kopfdarmes, welchen der Autor als „mediales Divertikel“ des letzteren bezeichnet. Dieses „Divertikel“ unter- liegt einer ventralwärts vorschreitenden Abgliederung vom Kopf- darme, welche zu einer völligen Ablösung führt. Die seitlichen Abschnitte der Zellplatte wandeln sich zum Höhlenpaare um; ihr medianer Abschnitt schliesst das in Differenzirung befindliche Chordavorderende in sich ein. Nach vollendeter Ausbildung des letzteren stellt der Rest der Zellplatte eine zellige, lichtungslose Commissur beider Höhlen dar. Zur Entwicklung des Verbindungs- kanales, also zur Aushöhlung dieser Commissur, scheint es beim Gecko nicht zu kommen. Ich glaube, es steht nichts im Wege, was einer nahen Angliederung dieser schönen Befunde v. Davi- doff’s an jene bei der Ente, welche ich in meiner älteren Ab- handlung beschrieben habe, im Wege stände. Im Einzelnen jedoch weicht meine Auffassung dieses Ent- wicklungsganges von der des Autors beträchtlich ab. Bevor ich diese sehr wichtige Divergenz bespreche, sei zunächst Fol- gendes hervorgehoben. Die Untersuchung des Vorderkopfes der Reptilien ist mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Von diesen hat bereits Corning berichtet. Fürs erste ist es durchaus nicht leicht, sich eine lückenlose Serie von Entwicklungsstadien zu verschaffen, was namentlich von solch’ seltenem Materiale gilt, an welchem gerade v. Davidoff arbeitete. Dann aber scheint mir die schon in frühen Stadien auftretende Drehung 1) M. v. Davidoff: Ueber präoralen Darm und die Entwicklung der Prämandibularhöhle bei den Reptilien. (Platydactylus mauritanieus L. und Lacerta muralis Merr.) Festschrift f.C.v.Kupffer. Jena 1899. 268 H. Rex: des Kopfes die Anfertigung von Medianschnitten erheblich zu erschweren. Mit diesen Schwierigkeiten sind jene, mit welchen das Studium der Entwicklung des Vorderkopfes der Vögel zu rechnen hat, kaum zu vergleichen, und doch weiss ich aus eigener Erfahrung, welehe Mühe die Anfertigung einwandfreier Median- schnitte erfordert. Auf diese Schwierigkeiten hat vor einigen Jahren His hingewiesen; er räth zum Hilfsmittel der Recon- struction. Ich kann diesem indessen nur einen beschränkten Werth zuerkennen. Diese Abschweifung aufs technische Gebiet scheint mir nur deshalb geboten, weil ich in v. Davidoff 's Ab- handlung nur zwei einwandfreie Medianschnitte verzeichnet finde, einen solchen von einem Keime mit zwei und einen zweiten von einem Keime mit 23—30 Urwirbeln (Textfigur 3 und 12). In den uns interessirenden Fragen ist jedoch das Studium von Median- schnitten eine Grundbedingung für die richtige Auffassung der so ungemein schwierigen Verhältnisse. Die tiefstgehende Diserepanz zwischen unseren Auffassungen ist in der Ansicht v. Davidoff’s gelegen, nach welcher er eine Betheiligung des Vorderendes des Kopffortsatzes an der Entwicklung des Höhlenpaares ausschliesst. Er ist ferner geneigt, auch für die Ente anzunehmen, dass der Kopffortsatz mit diesen Entwicklungsvorgängen nichts zu schaffen babe. v. Davidoff hat da eines nicht bedacht. Er schildert uns ausführlich, dass beim Gecko im medianen Abschnitte der Höhlenanlage, also der „enterdomalen Zellplatte“, die Anlage des Chordavorderendes enthalten sei. Die Chorda nimmt aus dem Kopffortsatze ihre Entstehung. Ihr Vorderende aber nicht? Warum sollen wir gerade für ihr Vorderende einen anderen Mutterboden an- sprechen? Dazu haben wir doch keinerlei Anlass. Ich nehme daher an, dass die Dorsalwand seines „medialen Divertikels“ das Vorderende des Kopffortsatzes in sich birgt und verweise diesbezüglich auf seine Textfigur 3, welche einen sehr schönen Medianschnitt von einem Keime mit zwei Urwirbeln darstellt. Hier hat der Autor den der interepithelialen Zellmasse gleich- altriger Entenkeime entsprechenden Abschnitt der dorsalen Kopf- darmwand als „primäres Entoderm“ bezeichnet. Dass nun v. Da- vidoff später zu einer anderen Schlussfolgerung gelangt, scheint mir darauf zu beruhen, dass der nächst ältere Embryo, von welchem er uns einen combinirten Medianschnitt bringt, Zur Entwieklung der Augenmuskeln der Ente. 269 bereits sieben Urwirbel besass, also beträchtlich älter war, als der erst erwähnte. Der Autor dürfte also das Schicksal des primären Entoderms aus den Augen verloren haben. v. Davidoff hat auch die Lichtung im Vorderende des Kopffortsatzes der Ente zur Darmlichtung in Beziehung zu bringen versucht. Diese von mir als „dorsaler Schenkel des Divertikels* bezeichnete spaltförmige Lichtung tritt indessen, wie ich mich nachträglich überzeugt habe, schon bei Keimen auf, bei welchen es noch nicht zur Bildung des ersten Urwirbel- paares kam; bei solehen ist auch von der Anlage des Kopf- darmes noch nichts zu sehen. Die Spaltbildungen im Kopffort- satze sind vollkommen selbständig; sie sind von der Kopfdarm- liehtung unabhängig. Beide Liehtungen sind durchaus nicht gleichwerthig. Ich habe darauf bereits in meiner älteren Ab- handlung (pag. 99) hingewiesen. Die Abgliederung des äussersten Endabschnittes des Kopf- darmes beim Gecko fasst v. Davidoff als Resultat eines Ein- stülpungsprocesses auf, durch welchen die Dorsalwand des Kopf- darmvorderendes allmählich ventralwärts vorgestülpt wird. Diese Auffassung scheint mir keine wichtige Divergenz in unseren Be- funden zu bedeuten. Es finden sich ferner beim Gecko im Bereiche des ventralen Abschnittes des Kopfdarmscheitels lateralwärts vordringende Divertikel. Es ist dem Autor nieht unwahrscheimlich, dass auch diese am Aufbau der Prämandibularhöhle mit betheiligt sind. Ich habe diese Divertikelbildungen in Sagittalschnitten von Entenkeimen mit zwei, sowie mit sechs bis sieben Urwirbeln ebenfalls gefunden und in meiner ersten Abhandlung eingehend beschrieben. Eine Betheiligung am Aufbau der Höhle konnte ich nicht nachweisen. Beim Gecko erhalten sich dieselben weit länger als bei der Ente. Die Annahme, dass dieselben zur Bil- dung des Höhlenpaares mit verwendet werden, dürfte wohl aus den innigen Beziehungen geschöpft sein, welche zwischen den seitlichen Abschnitten der „entodermalen Zwischenplatte“ und der Dorsalwand dieser Divertikel bestehen. Ich möchte der er- wähnten Deutung dieser Beziehungen gleich v. Davidoff nur den Rang einer Vermuthung einräumen. Ueberblicke ich endlich den zunächst von v. Kupffer, sodann von mir und Corning, und nun auch von v. Davidoff 270 HeRex: unternommenen Versuch, die entodermale Abstammung des prä- mandibularen Höhlenpaares für die Sauropsiden zu erweisen, so kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass der von mir für die Ente erwiesene Aufbau des Höhlenpaares aus einem vordersten Endabschnitte des gastralen Mesoderms dieser Auf- fassung ein schweres Hindernis in den Weg legt. Den Aus- höhlungsprocess, welchem die Höhlenanlage unterliegt, zur Lich- tung des Kopfdarmscheitels in Beziehung bringen, heisst doch wohl so viel, als annehmen, dass sich eine Divertikelbildung des Kopfdarmvorderendes in ein völlig fremdes Gebiet, und zwar in einen vordersten Abschnitt des gastralen Mesoderms und dessen Ursprungsstätte hineinerstreckt. Damit kommen wir aber auch von der Bedeutung des präoralen Darmes im Sinne v. Kupffer’s gänzlich ab. Namentlich würden wir aber — ich betone dies nochmals — in die Entwicklung des gastralen Mesoderms etwas Fremdes hineintragen, welches für das Bereich desselben sonst nirgend bekannt ist. Vielleicht lässt sieh meine oben vorgetragene Auffassung dieser complieirten Entwieklungsverhältnisse mit den uns bekann- ten Thatsachen leichter vereinigen. Prag, am 17. Juli 1900. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIII und XIV. Fig. 1. Aus einem Sagittalschnitte durch den Vorderkopf eines Em- bryos mit 43 Urwirbeln. Vergr. 165:1. Aus einem Querschnitte durch den Vorderkopf eines Embryos mit 43 Urwirbeln. Vergr. 71:1. Fig. 3. Aus einem Sagittalschnitte durch den Vorderkopf eines Em- bryos mit dem Vorderkopfmaasse aa=3,5 mm. Vergr. 71:1. Fig. 4 Aus einem Sagittalschnitte durch den Vorderkopf eines Em- bryos mit dem Vorderkopfmaasse aa—4 mm. Vergr. 165:1. Fig. 5. Aus einem Querschnitte durch den Vorderkopf eines Embryos mit dem Vorderkopfmaasse aa—=4 mm. Vergr. 165 :1. Fig. 6. Aus einem Sagittalschnitte durch den Vorderkopf eines Em- bryos mit dem Vorderkopfmaasse aa—=45 mm. Vergr. 165:1. Fig. 7, 8 und 9. Aus drei Querschnitten durch den Vorderkopf eines Embryos mit dem Vorderkopfmaasse aa = 4,5 mm. Vergr. 71:1. I) Zur Entwicklung der Augenmuskeln der Ente. 271 Fig. 10. Schrägschnitt durch den Vorderkopf, welcher die Anlage des M. obliquus superior in ganzer Ausdehnung betrifft. Vergr. 72:1 Fig. 11. Aus einem Querschnitte durch den Vorderkopf eines Embryos mit 36 Urwirbeln. Vergr. 107:1. Allgemein giltige Bezeichnungen. Kh. = prämandibulare Kopfhöhle. bd. =der vorderen Höhlenwand entstammendes Bindegewebe. m.r.s.—= Anlage des M. rectus superior. m.r.inf. + int. — Anlage des M. rectus inferior und internus. m.0.5. = Anlage des M. obliquus superior. m.o.. —= Anlage des M. obliquus inferior. ab.d.m.= Anlage der Abducensmuskulatur. tr.m. = Anlage der Trigeminusmuskulatur. Hy. = Hypophysentasche. 4. —= Augenbecher. A.st. = Augenbecherstiel. H. — die äussere der beiden Augenbecherhüllen. Aur. = Labyrinthbläschen. IIL, = Öeulomotorius. Ggl. V= Trigeminusganglion. V.1. =eerster Ast des Trigeminus. VI = Abducens. c.i. = Carotis interna. a... =A. ophthalmica. ca. —= vordere Cardinalvene. J. = Jugularvene: (Aus dem I. anatomischen Institut zu Wien.) Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. Von Dr. Konrad Helly, Prosector. Hierzu Tafel XV, XVI und XVII und 20 Textfiguren. In den letzten Jahren erschien eine stattliehe Reihe von Arbeiten, die sämmtlich die Entwickelung des Pankreas bei den verschiedenen Klassen der Wirbelthiere zum Gegenstande hatten und die, wenige Ausnahmen abgerechnet, nur ein allen gemein- 272 Konrad Helly: sames Ergebniss zu Tage förderten: nämlich, dass die Bauch- speicheldrüse ihre endgiltige Form dem Aufbaue aus drei, vorerst getrennten Anlagen verdanke. Die Eine derselben entstehe aus einer Rinne oder Vorbuchtung der dorsalen Wand des primären Duodenum, die beiden anderen seien ventrale Anhänge des Ein- geweiderohres, woferne sie nicht überhaupt fehlen, wie Befunde an Cylcostomen und Selachiern gezeigt haben. Diesem gemein- samen Ergebnisse stehen nun noch einige Fragen gegenüber, deren Lösung hisher gar nicht, oder nur in widersprechender Weise gegeben wurde. Einen Theil dieser Fragen, soweit es sich dabei um Säugethiere handelt, zusammenzufassen mit dem Versuche, sie in einer den Thhatsachen entsprechenden Weise zu beantworten, war der Zweck der vorliegenden Arbeit. Es sei mir gestattet, diese Fragen gleich eingangs vorauszuschicken, da sie auch die Gesichtspunkte abgeben, welchen die den kom- menden Ausführungen zu Grunde liegenden Untersuchungen Rechnung tragen mussten. Betrachtet man das Lageverhältniss der dorsalen Pankreas- anlage zu den beiden ventralen, beziehungsweise beim erwach- senen Thiere das der ihnen entsprechenden Ausführungsgänge, so sieht man alsbald, dass bei den verschiedenen Säugethieren hierin keine Uebereinstimmung herrscht, indem der dorsal ge- legene Duetus Santorini bald eranial, bald caudal von dem ven- tral gelegenen Duetus Wirsungianus in den Darm mündet. Ja, sogar bei ein und derselben Species finden sich bei den einzelnen Individuen Verschiedenheiten nach dieser Richtung, wie das Beispiel des Menschen am deutlichsten zeigt. Selbstverständlich ändert die nachträgliche Rückbildung des Ductus Wirsungianus beim erwachsenen Thiere nichts an der Möglichkeit, seine embryonale Lage zu bestimmen, da wir ja wissen, dass diese im allgemeinen an die Mündung des Ductus choledochus gebunden erscheint. Eine zweite Frage, über die widersprechende Angaben vor- liegen, ist die nach der Einfachheit oder doppelten Lappung (beziehungsweise Paarigkeit) der dorsalen Pankreasanlage der Säuger, wobei es sich in erster Linie darum handelt, festzustellen, ob diese Zweilappigkeit zugleich mit dem ersten Auftreten der Anlage erscheint, oder, ob sie erst eine Folge späterer, wenngleich sehr bald einsetzender Wachsthumsvor- gänge ist. Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 273 Was den Vorgang der Abschnürung des dorsalen Pankreas von der Darmwand betrifft, so lassen die hierüber bestehenden Meinungsäusserungen bezüglich der Säugethiere ebenfalls wünschens- werth erscheinen, endlich zu bestimmen, ob sich derselbe wirk- lich im Gegensatze zum entsprechenden Vorgange bei den übrigen Wirbelthieren in eaudocranialer Richtung vollzieht, wie verschiedene sucher theils geradezu behaupten, theils aus der Art, wie sie diesen Vorgang schildern, entnehmen lassen. Weiters besteht noch eine gewisse Unklarheit darüber, ob die erste Ursprungsstätte der beiden ventralen Anlagen noch der Darmwand zuzurechnen sei, oder, ob man dieselben als An- hangsgebilde des primären Leberganges aufzufassen habe, wenn auch darüber kein Zweifel obwaltet, dass im Laufe der späteren Entwiekelung sicher letzteres der Fall ist. Eine Frage, deren Lösung bisher auch noch nicht allseitig in gleichem Sinne erfolgt ist, ist die nach dem Schicksale der linken ventralen Pankreasanlage. Hierbei blieb bislang vornehm- lich unentschieden, ob dieselbe immer mit der rechten Anlage verwachse, oder, ob sie nicht mindestens im einigen Fällen sanz zu Grunde gehen könne, so dass die weitere Ausbildung des ventralen Pankreas ausschliesslich auf Kosten der rechten ent- sprechenden Anlage vor sich gehe. In histogenetischer Hinsicht habe ich es für wünschens- werth gehalten, den Vorgang näher zu untersuchen, der sich bei der Verwachsung der dorsalen und ventralen Anlage abspielt. Insbesondere glaubte ich, mein Augenmerk darauf richten zu müssen, ob beide Anlagen bloss infolge der Wachsthumsvorgänge mechanisch an einander gerathen und an der Berührungsstelle verschmelzen, oder, ob auch gewissermassen eine active Betheiligung der beiderseitigen Zellgruppen bei diesem Vorgange wahrzuneh- men ist. Nebst den hier vorausgeschickten Fragen allgemeinerer Art ergaben sich da und dort auch noch einige, die nur mit Bezug auf die untersuchte Thierspecies von Belang waren. Ich behalte mir vor, auf dieselben im Verlaufe der weiteren Darstellung, soweit es der Stoff erfordert, noch näher einzugehen. Um nun der einschlägigen Literatur zu gedenken, glaube ich im Hinblick auf die mustergiltigen Zusammenstellungen, die von einigen Forschern in den letzten Jahren darüber gemacht 274 Konrad Helly: wurden, von einer Wiederholung derselben füglich absehen zu können. Ich werde mich daher lediglich darauf beschränken, jene Arbeiten anzuführen, auf die ich im Verlaufe meiner Unter- suchungen Rücksicht zu nehmen gezwungen war. Sehen wir von einigen älteren Angaben ab, die nur mehr geschichtlichen Werth besitzen und durch die Ergebnisse der neueren Forschung bereits überholt worden sind, so findet sich der erste Hinweis auf die Unklarheit, die darin gelegen ist, dass „beim Rind der Pankreasgang 6 Zoll analwärts vom Gallengang“ in den Darm mündet, bei Stöhr (26). Eine ähnliche Bemerkung macht einige Jahre später vv Brunn (4), der „diejenigen Fälle, wo, wie beim Rinde, ausser dem mit dem Duetus ehole- dochus ausmündenden Gange noch ein soleher weiter eaudalwärts mündender existirt....“ durch eine „spätere Wanderung der Mündung, sei es des Duetus choledochus eranialwärts, sei es durch die der dorsalen Anlage caudalwärts“ zu erklären versucht. Erwähnt sei, dass er bei einem vierwöchentlichen menschlichen Embryo die dorsale Pankreasmündung cranial, bei einem sieben- wöchentlichen Embryo dagegen „ein wenig caudal von dem Ducetus choledochus“ beobachtet hat. In die Zeit zwischen diesen beiden Arbeiten fallen die von Felix (7) und Wlassow (29). Ersterer hat aus dem Atlas von His (12) eine Zusammenstellung gemacht, wonach daselbst bei vier Embryonen die Pankreas- mündung — His kennt nur das dorsale Pankreas — cranial von dem Ductus choledochus dargestellt ist, während sie einmal der- selben genau gegenüber und dreimal eaudal von ihr liegt. Er selbst nimmt ein Nachabwärtswandern des Ductus choledochus an, welches der endgiltigen Lage seiner Mündung vorangehen soll. Letzterer findet beim Schwein die dorsale Anlage ein wenig caudal von der Mündung des Ductus choledochus gelegen. Eine ähnliche Umkehrung der Lage beider Mündungen, wie sie v. Brunn gesehen haben will, jedoch in entgegengesetztem Sinne, beschreibt JanoSik (15), der bei einem 1 em langen menschlichen Embryo die Mündung des Gallenganges näher dem Magen fand, als die des dorsalen Pankreas, während bei einem 2,9 cm langen Embryo beide den Platz gewechselt („ont change de place“) hatten, so dass die letztere näher zum Magen in den Darm mündete. Brachet (2), der die Pankreasentwicke- lung der Säugethiere am Kaninchen bearbeitete, beschränkt sich Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 275 darauf, das allmählige Hinabrücken der, angeblich schon zur Zeit ihres ersten Auftretens caudal von dem Ductus choledochus gelegenen dorsalen Pankreasmündung zu beschreiben und auf das beträchtliche Längenwachsthum des dazwischen liegenden Theiles des Duodenum zurückzuführen. Er vermeidet es jedoch, einen Vergleich mit dem Verhalten anderer Säuger anzustellen. Charpy (5) hält auch beim Menschen die caudale Lage des dorsalen Paukreas für den primären Zustand, aus welchem sich erst durch eine „inversion embryonnaire“ der bleibende (craniale Lage der dorsalen Anlage) ausbilde, so dass in jenen Fällen, wo beim er- wachsenen Menschen der Ductus Santorini tiefer mündet, als der Ductus choledochus, ein Stehenbleiben auf einer früheren embryo- nalen Entwickelungsstufe zu erblicken wäre. Alle übrigen, bisher nicht angeführten Arbeiten enthalten sich zumeist einer Aeusse- rung über diese Frage, woferne sie nicht die craniale Lage des dorsalen Pankreas als Regel betrachten. Die von Stoss (27, 28) und Wlassow (l. ec.) behauptete Zweilappigkeit, beziehungsweise Paarigkeit der dorsalen Pankreas- anlage wurde von Felix und Brachet in ihren vorerwähnten Arbeiten sehr richtig mit dem Hinweise auf die unpaarige Ein- mündung in das Duodenum bestritten. Wir werden überdies im Folgenden sehen, dass die beiden erstgenannten Forscher zu ihrer irrthümlichen Annahme dadurch gebracht wurden, dass ihnen nicht mehr die allerersten Entwickelungsstufen des Pankreas vorlagen. Der Abschnürungsvorgang des dorsalen Pankreas wurde, soweit er bei den Säugern bisher überhaupt Berücksichtigung fand, als caudocranial vor sich gehend geschildert; so nament- lich von Stoss(l.e.) und von Choronshitzky (6), welch Letzterer nicht ermangelt, auf den Unterschied hinzuweisen, der hierin gegenüber den anderen Klassen der Wirbelthiere gelegen ist, bei denen sich dieser Vorgang in umgekehrter, eraniocaudaler, Richtung vollzieht. Auf die, die ventralen Pankreasanlagen betreffenden Literatur- angaben übergehend, kann ich die Mehrzahl der bisher veröffent- lichten Arbeiten für den Ursprung dieser Anlagen aus dem ersten Anfangstheile des primären Leberganges ins Treffen führen; so namentlich die Arbeiten von Phisalix (21, 22), Zimmermann (30), Stoss (l. e.), v. Brunn (l. e.), Jankelowitz (13, 14), Jano- 276 Konrad Helly: Sik (l. e.), Joubin (16) und Brachet (1, 2). Hamburger (8) lässt beim jüngsten von ihm untersuchten menschlichen Embryo die ventrale Anlage noch aus der Darmwand hervorgehen und erst nachträglich auf den Ductus choledochus hinaufrücken. In diesem Befunde dürfte, wie ich noch später näher auseinander- setzen werde, eine Varietät vorliegen. Auch Brachet (1) giebt die Möglichkeit zu, dass die beiden ventralen Pankreasdivertikel manchmal dem Darmrohre selbst angehören. Am weitesten in dieser Hinsicht geht jedoch Choronshitzki (]. e.), der für sämmt- liche Wirbelthierklassen die Behauptung aufstellt, dass die ven- tralen Anlagen Ausstülpungen der Darmwand seien und erst secundär auf den Ductus choledochus abrücken. Ueber das Schicksal der beiden ventralen Pankreasanlagen berichtet zum erstenmale in ziemlich ausführlicher Weise Stoss (l.e.).. Nach ihm findet eine Vereinigung derselben miteinander schon sehr bald nach ihrem Auftreten statt. Alle späteren For- scher suchen ihre Befunde mit seinen mehr oder minder voll- kommen in Einklang zu bringen, wobei in jenen Fällen, wo nur eine Anlage gefunden wurde, die Annahme zu Hilfe gezogen wird, dass die Verwachsung beider Anlagen bereits auf einer früheren, im vorliegenden Falle nicht mehr zur Beobachtung gelangten Entwiekelungsstufe vor sich gegangen sein müsse. Es theilen daher die Ansicht von Stoss namentlich Laguesse (18), Jankelo- witz (l. ce), Brachet (1), Piper (20) und Choronshitzki. Wlassow (l. ce.) ist mit seinem Urtheile über diesen Punkt zurück- haltend und Brachet (2) stellt für das Kaninchen geradezu die Behauptung auf, dass sich dessen linke ventrale Pankreasanlage grösstentheils zurückbilde. Oppel (19) giebt eine übersichtliche Zusammenstellung der bisherigen Ergebnisse. Die Verwachsung der ventralen mit der dorsalen Anlage kommt nach dem Urtheile aller, die sich hierüber geäussert haben, als weitere Folge der Darmdrehung zustande, die bewirke, dass die einander genäherten Anlagen in ihrem fortgesetzten Wachs- thume sozusagen mechanisch aneinander gerathen, und an der jeweiligen Berührungsstelle eine anastomotische Verwachsung erfahren. Hiermit schliesse ich die Uebersicht über die bereits vor- handene einschlägige Literatur ab und behalte mir vor, einzelner Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. a77 hier nicht wiedergegebener Ansichten im Verlaufe meiner Arbeit an gelegener Stelle Erwähnung zu thun. Die folgenden Zeilen seien der Anführung des zu meinen Untersuchungen herange- zogenen Materiales, sowie dessen Behandlungsweise gewidmet. Mit Ausnahme eines menschlichen Embryos, den mir Herr Doe. Dr. H. Rabl in liebenswürdiger Weise als Serie geschnitten zur Verfügung stellte, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche, musste ich mich auf Thiere beschränken, bei denen die dorsale Anlage caudal von der Mün- dung des Ductus choledochus zu liegen kommt. Es sind dies eine, mit Bezug auf die ersten Entwickelungsstufen des Pankreas sehr vollständige Reihe von Embryonen der albinotischen weissen Ratte, desgleichen eine solche vom Meerschwein und eine fast vollständige vom Kaninchen. Dazu kommen noch einige Jüngere Embryonen von der Katze und vom Schwein. Als Fixierungsmittel wurde ein Gemisch von Pikrinsäure- Sublimat verwendet mit einem geringfügigen Zusatze von Essig-, beziehungsweise Ameisensäure. Die Einbettung erfolgte in Paraf- fin, die Färbung mit Hämatoxylin - Eosin, ausnahmsweise mit Carmin oder Cochenille-Alaun. Bei den Schweineembryonen wurde 8—10°/, Formollösung als Fixierungsflüssigkeit mit gutem Erfolge verwendet. Von dem erwähnten menschlichen Embryo, der in Celloidin eingebettet war, ist abwechselnd je ein Schnitt mit Hämatoxylin - Eosin, und je einer mit Hämatoxylin - Congoroth gefärbt. Die Schnittdicke betrug bei allen Embryonen 10 u; die Schnittriehtung wurde im Allgemeinen senkrecht zum grössten Krümmungsdurchmesser gewählt. Die Lückenlosigkeit jeder ein- zelnen Serie war eine vollständige. Von der Ansicht ausgehend, dass die einzige Methode, die es ermöglicht, wirklich vollkommen richtige Bilder der unter- suchten Organe zu gewinnen, die der Reconstruction vermittelst Wachsplatten ist, verfertigte ich von den menschlichen Embryo, sowie von der Mehrzahl der Ratten-, Meerschwein- und Kaninchen- Embryonen insgesammt 23 Modelle. Ich bediente mich hierbei für alle der einheitlichen Vergrösserung von 1:100, Beginnen wir die Durchsicht der vorliegenden Ergebnisse mit jenen, welche an den drei einander nächststehenden Thieren 278 Konrad Helly: gesammelt wurden — es sind dies: Kaninchen, Ratte und Meer- schwein —, so sehen wir bei jedem derselben im ausgewachsenen Zustande andere Mündungsverhältnisse des Pankreas vorliegen, als bei den beiden anderen. Während das Kaninchen sehr häufig, wenngleich nicht immer, beide Ausführungsgänge besitzt, findet sich bei der Ratte überhaupt keine, dem Duetus Wirsungianus oder dem Ducetus Santorini allein angehörende Darmmündung, und das Meerschwein nimmt eine Mittelstellung zwischen den beiden vorigen ein, indem bei ihm das Pankreas in einiger Ent- fernung von dem Duetus eholedochus durch den Duetus Santorini in das Duodenum mündet. 1. Kaninchen. Obzwar in der Reihenfolge der von mir untersuchten Thiere die Ratte den ersten Platz einnimmt und auch die eingehendste Bearbeitung erfahren hat, beginne ich den beschreibenden Theil meiner Arbeitsergebnisse dennoch mit dem Kaninchen, da bei demselben die Entwickelung des Pankreas gewissermassen den Grundtypus zeigt, als dessen Variationen die entsprechenden Vorgänge bei Ratte und Meerschwein gelten können. Es war mir nicht schwer, an vier Embryonen aus der zweiten und einem aus der dritten Woche die Angaben zu über- prüfen, die Brachet (2) über die ersten Entwickelungsstufen der dorsalen Pankreasanlage beim Kaninchen gemacht hat, und mich von ihrer Richtigkeit zu überzeugen. Ich wende mich aus diesem Grunde, sowie auch deshalb, weil ich noch bei den beiden anderen zu beschreibenden Nagern Gelegenheit haben werde, über ganz ähnliche Vorgänge in der Entwickelung dieser Anlage zu berichten, gleich einem Embryo zu, bei dem aus der primären, etwas erweiterten, jedoch unpaarigen Vorbuchtung der dorsalen Darmwand bereits ein grösseres Divertikel geworden ist. T: Dieser Embryo, der ziemlich genau dem von Brachet in Fig. 4 auf Pl. XVIII abgebildeten entspricht, zeigt folgende Eigenschaften: Sein grösster Krümmungsdurchmesser beträgt 3,8 mm. Von den Anhangsgebilden des Darmrohres erwähne ich nur die Lunge, Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 279 deren Anlage bis zur Bildung der beiden primitiven Lungen- schläuche gediehen ist, und die Leber, in der bereits die Ent- wickelung der netzförmig angeordneten Zellstränge begonnen hat, und deren Ausführungsgang schon deutlich ein als Duetus choledochus anzusprechendes Endstück aufweist (Fig. 1, 2), wenn- gleich ein eigentlicher Duetus ceystieus noch fehlt. Der Magen kennzeichnet sich erst als Ausbuchtung des Darmrohres vor- wiegend im geraden, zum geringeren Theile auch im queren Durchmesser, wie ja um diese Zeit der Erstere im ganzen Vorder- darme den Letzteren an Länge beträchtlich übertrifft. Auf dem Querschnitte erscheint er gegen die Medianebene schräge gestellt, was als Ausdruck der beginnenden Darmdrehung aufzufassen ist. Der Ductus omphalo-mesenterieus, der verbältnissmässig breit genannt werden darf, mündet in geringer Entfernung vom Magen in den Darm. Die dorsale Pankreasanlage liegt etwas tiefer, als die Mün- dung des Ductus choledochus, so zwar, dass ihr oberer Rand dessen unteren noch immer um etwa 20 u cranialwärts überragt. Ihre Höhe an der Abgangsstelle vom Darme beträgt 200 u. Sie steht mit demselben in weit offener Verbindung. Auf dem Quer- schnitte zeigt sich ihre Lichtung als kurze, blind endigende, sackförmige Fortsetzung des Darmrohres mit überaus dicken Wandungen. Die Anlage zeigt auch jene seichte, nur oberfläch- lich ausgesprochene Längsfurche, wie sie Brachet an einem seiner Embryonen von 10!/, Tagen gesehen hat. Fragen wir nach der Bedeutung dieser Furche, so erkennen wir in ihr alsbald, namentlich, wenn wir den nächsten Embryo in Vergleich ziehen, die nothwendige Folge der beginnenden so- liden Sprossenbildung der Pankreasanlage. Die Anlage als Gan- zes betrachtet weicht gegenüber dem Darme ein wenig nach rechts ab. Meine Beobachtungen stimmen also bis zu diesem Punkte vollkommen mit den von Brachet gemachten überein. Wesent- lich anders steht es aber mit den an den ventralen Anlagen an- gestellten, denen wir uns jetzt zuwenden wollen. Ich vermochte wohl auch zu beiden Seiten des Duetus choledochus je einen Vorsprung zu erkennen, aber dieselben vereinigen sich nicht am hinteren (ventralen) Umfange des Gallen- ganges, sondern bilden jeder eine deutlich umgrenzte, kuppen- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 19 280 Konrad Helly: förmige Verdiekung des Epithels desselben (Fig. 1, 2). Die rechte Anlage ist etwas breiter, als die linke (60 u gegen 40 u). Selbstverständlich bemühte ich mich, den Grund zu finden, der den Unterschied zwischen unseren beiderseitigen Beobachtungen mit den daran geknüpften Schlussfolgerungen bedingte, und glaube, ihn hauptsächlich in einem technischen Fehler gefunden zu haben, der bei der Reconstruction bislang unbekannt gewesener Organ- formen sieh sehr leicht einschleicht und nur durch ein Aufgebot grösstmöglicher Vorsicht vermieden werden kann. Auf den von mir beigegebenen Zeichnungen dieser Ent- wickelungsstufe sieht man, wie die beiden ventralen Anlagen bloss durch eine sehr seichte Rinne von ihrer Umgebung abge- grenzt sind. Es ist nun nichts leichter, als diese Rinne an der Unterseite der Anlagen am Modell schon durch sehr geringe Ungenauigkeiten in der Zeichnung der Sehnitte, noch mehr aber durch das Wachs zu verdecken, das man zur Verstreichung der Stufen zwischen den einzelnen Platten verwendet. Diesem Febler lässt sich durch zwei Massregeln sicher begegnen. Die eine ist durch Anwendung möglichst starker Vergrösserungen — nicht unter 1:100 — bei thunlichster Genauigkeit der Zeichnung ge- geben. Die zweite besteht darin, dass man die allerdings etwas Geduld erfordernde Vorsicht gebraucht, das Verstreichen der Stufen immer nur von einer Platte zur anderen vorzunehmen und dabei sorgfältig zu vermeiden, dass die Ränder derselben durch aufgestrichenes Wachs verdeckt werden. Man kann dann sicher sein, dass das Modell, ohne die immerhin für den richtigen Ge- sammteindruck etwas störenden Stufen zu besitzen, doch nicht jene trügerische Glätte der Oberfläche zeigt, unter der sich oft wichtige Feinheiten der wahren Formen verbergen. Hat man ein derart riebtiges Modell zur Verfügung, dann wird man auch leicht einer unrichtigen Schlussfolgerung ent- gehen, die man auf Grund der blossen Durehsicht der Schnitte ebensoleicht zu ziehen geneigt wäre, und die darin besteht, dass man an jenen von ihnen, die den hinteren Choledochusumfang bereits nahezu tangential treffen, das scheinbar mehrreihige Zellen- lager, welches sich zwischen beiden Pankreasanlagen ausbreitet, für eine brückenartige Verwachsung Beider hält, während doch nichts weiter vorliegt, als eben ein Schrägschnitt durch die Wand des Ductus choledochus an jener Stelle, wo zwar nicht mehr Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 281 seine Lichtung besteht, wohl aber noch die ihm beiderseits auf- sitzendeu ventralen Anlagen getroffen sind. Die untenstehenden, mittelst Zeichenapparates genau nach dem Präparate gezeichneten Umrisse der Schnitte dürften im Zusammenhalte mit der in Fig.3 wiedergegebenen Durchschnitts- ansicht des Modells, entsprechend der in den Fig. 1 und 2 durch die Linie ss’ gekennzeichneten Ebene, den besten Beleg für die von mir vertretene Ansicht abgeben, dass die Annahme einer schon um diese Zeit ihrer Entwickelung vorhandenen Ver- wachsung beider ventralen Pankreasanlagen den Thatsachen widerspricht (Textfig. I—X). Textfig. I—-X. D.—=Darm, D. ch. = Ductus choledochus, @. = Gallenblase, P.v.d. = Pancreas ventrale dextrum, P.v.s. = Pancreas ventrale sinistrum, P.d. = Pancreas dorsale. Ich habe noch die Aufgabe, der Frage näher zu treten, ob diese Anlagen als Theile der Darmwand, oder als Anhangs- gebilde des Gallenganges zu betrachten seien. Ersteres wurde ja gerade vor kurzer Zeit wieder von Choronshitzky (l. ec.) als eine für sämmtliche Wirbelthierklassen geltende Regel be- hauptet. Der Autor giebt auch Abbildungen, die diese Behaup- tung beweisen sollen. Er findet immer eine „kreuzförmige Aus- stülpung der ventralen Darmwand“; der mittlere Schenkel 282 Konrad Helly: derselben entspreche der künftigen Gallenblase, die seitlichen den beiden ventralen Pankreasanlagen. Ich kann mich mit diesem Gegenstande natürlich nur soweit beschäftigen, als die Säuger dabei in Betracht kommen. Die Frage ist nun die, ob wir zur Zeit des Auftretens dieser Anlagen noch berechtigt sind, die Leberanlage, vor allem aber das Ver- bindungsstück zwischen ihr und dem späteren Duodenum als Theil des Darmes im engeren Sınne anzusprechen, oder nicht. Dass die Leber bereits als selbständiges Organ zu betrachten ist, verlangt der Grad ihrer Entwickelung, die ja bereits bis zur Bildung der charakteristischen Zellstränge gediehen ist. Aber auch die Gallenblasenanlage und der primitive Ductus choledochus dürfen nicht mehr als Theile der Darmwand angesehen werden. Zwar bildet ihre Lichtung auf einer grösseren Anzahl von Schnitten die ununterbrochene Fortsetzung von der des Darmes; das ist aber nur eine Folge davon, dass sie an der Einmündungsstelle in denselben verhältnissmässig noch sehr weit ist. Ein Blick auf die Oberfläche dieser Organe belehrt uns aber sofort vollends über die allein richtige Auffassung derselben, indem wir deutlich einen gemeinsamen kurzen Stiel sehen, von dem der Ductus he- patieus und die Anlage der Gallenblase abgehen, während seinen seitlichen Wandungen die beiden ventralen Pankreasanlagen auf- sitzen (Fig. 1,2). Es ist klar, dass Schnitte, welche durch diesen Stiel — eben den primitiven Ductus choledochus — in der Ebene der genannten Anlagen gelegt sind, Bilder ergeben, wie sie Choronshitzky gesehen hat, und ich sie in obigen Textfiguren gegeben habe. Allerdings muss zugestanden werden, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Auffassungen nicht bestebt, da ja sämmtliche besprochene Organe in letzter Linie desselben entoder- malen Ursprunges sind. 11. Der nächstfolgende Embryo misst im seinem grössten Krümmungsdurchmesser 4,8 mm und entspricht ungefähr der von Brachet in Fig. 5 und 6 dargestellten Altersstufe. In seiner Grösse genau um ji mm von dem Vorigen verschieden, lässt er in der Entwickelung seiner Organe folgende Fortschritte er- kennen: Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 285 Die Lungenanlagen zeigen eben die ersten Spuren der dem- nächst auftretenden primitiven Lungenbläschen. Die Leber ist bereits zu einem mächtigen, die ganze Breite der Bauchhöhle einnehmenden Organe geworden. Die Gallenblase hat sich soweit abgeschnürt, dass ein, wenn auch noch sehr kurzer Duetus eysti- cus zu erkennen ist. Der Magen ähnelt noch stark seiner vorigen Form, zeigt aber bereits eine beginnende, nach rechts gerichtete Abbiegung in seinem oberen Theile. Auch ist seine Neigung gegen die Medianebene, entsprechend der fortschreitenden Darm- drehung, stärker ausgesprochen, als bei dem früheren Embryo. Von einem Ueberwiegen das geraden Durchmessers des Darm- rohres mit der dadurch verbundenen seitlichen Abflachung desselben ist, vom Magen, abgesehen, kaum mehr etwas zu sehen. Die Nabel- schleife hat an Länge beträchtlich zugenommen, so dass die Mündung des bereits bedeutend verengten Ductus omphalo - me- senterieus vom Magen weit abgerückt ist. Die dorsale Pankreasanlage liegt, wie es auf den ersten Anbliek scheint, noch weiter caudalwärts von der Mündung des Ductus choledochus, als es bei dem vorigen Einbryo der Fall war (Fig. 4). Wenigstens ist ihr oberer Rand jetzt um 60 u tiefer gelegen, als dessen unterer. Als Erklärung dieser Erscheinung kommen zwei Möglich- keiten in Betracht. Die eine wäre in einem entsprechenden Längenwachsthume des dazwischen gelegenen Darmstückes zu suchen, die andere in einer etwa vor sich gegangenen Abschnürung beider Organe vom primitiven Duodenum, die es nothwendig mit sich gebracht hätte, dass auch deren Verbindungsstrecke mit demselben verkleinert worden, und auf diese Art der Endpunkt der einen von dem Anfangspunkte der anderen abgerückt wäre. Um zu entscheiden, welcher Vorgang thatsächlich stattgefunden hat, wird es nothwendig sein, mehrere vergleichende Messungen anzustellen, und hierbei einige Maasse nachzutragen, die an dem vorigen Embryo gewonnen wurden. Messen wir zunächst die Gesammtlänge des in Frage stehen- den Darmstückes, so ergiebt sie beim Embryo I eine Strecke von 280 u. Als Anhaltspunkte für die Messung dienen dabei der obere Rand des Duetus choledochus und der untere des dorsalen Pankreas. Seine Gallenblasenanlage hat eine Höhe von 100 u. Bei Embryo II ist die bereits deutlich abgeschnürte Gallen- 284 Konrad Helly: blase 120 u hoch. Da die Tiefe der früher nicht vorhanden gewesenen Furchen (Fig. 4 f,f) Je 30 u beträgt, so muss sich hier sowohl eraniocaudal, als auch in umgekehrter Richtung ein Abschnürungsvorgang vollzogen haben. Messen wir nun wieder von dem oberen Rande des Ductus choledochus bis zum unteren des dorsalen Pankreas, so erhalten wir eine Strecke von 250 u, was verglichen mit dem Embryo I also gerade um so viel weniger ist, als die Höhe der cranialen Abschnürungsfurche der Gallen- blase beträgt. Es ist also das erwähnte Darmstück sicher nicht länger geworden, und wenn man bedenkt, dass die Höhenzu- nahme der Gallenblase, wie man an dem folgenden Embryo deut- lieh entnehmen kann, eranialwärts eine stärkere ist, als in eau- daler Richtung, dann dürfte es sich sogar ein wenig verkürzt haben. Diese Verkürzung kann natürlich keinesfalls mehr als 20 u betragen und könnte wohl im Sinne einer caudocranialen Ab- schnürung der dorsalen Pankreasanlage aufgefasst werden. Messen wir nun die Höhe derselben beim Embryo II an ihrer Abgangsstelle vom Darme, so finden wir für sie 130 u. Die ganzen soeben erwähnten 20 u hinzugerechnet, erhalten wir erst 150 u, was gegen die beim Embryo I gefundenen 200 u noch immer einen Unterschied von 50 u bedeutet: Es ist klar, dass derselbe nur die Folge eines eraniocaudal vor sich gegangenen Abschnürungsvorganges sein kann, der einen etwa auch in ent- gegengesetzter Richtung verlaufenen bedeutend an Stärke über- trifft. Wie man überdies aus der von Brachet in Fig. 28 ge- gebenen Abbildung ersehen kann, setzt der Erstere so früh und so deutlich ein, dass man kein Recht hat, den Anderen als den bei den Säugern, zum Unterschiede vonden übrigen Wirbelthieren, vorhandenen Typus zu erklären, wie es Choronshitzky gethan hat. Ich werde noch Gelegenheit haben, auf diesen Gegenstand zurückzukommen und weitere Beweise für die Richtigkeit meiner Ansicht zu erbringen. Kehren wir jetzt zur Beschreibung der dorsalen Anlage zu- rück, so sehen wir, dass aus der beim Embryo I angedeutet gewesenen Längsfurche ein tiefer Einschnitt geworden ist, wobei aus den früher eben angelegten Sprossen eine kurze linke und eine bedeutend längere rechte geworden ist, in welcher ich das von Hammar (9) an einem Kaninchenembryo von ungefähr gleich weit vorgeschrittener Entwickelung, aber grösserer Länge (8 mm) Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 285 beschriebene Divertikel zu erkennen glaube, dessen Bedeutung ihm unbekannt geblieben ist. Die nach rechts vom Darme ge- richtete Abbiegung der ganzen Anlage ist noch viel schärfer ausgeprägt, als es schon früher der Fall war. Begeben wir uns jetzt wieder zu den ventralen Anlagen, so sehen wir, dass an der rechten ein merkliches Längenwachs- thum stattgefunden hat, so dass sie sich uns in Form eines kurzen, von der Wand des Gallenganges abgehenden Zapfens darstellt, der auch sichtbar ist, wenn man das Modell von der linken Seite des Darmes betrachtet (Fig. 4). Die linke Anlage, die bereits etwas weniger scharf hervor- tritt, als im vorigen Falle, ist von der anderen nach wie vor deutlich getrennt. Ich befinde mich da neuerlich in einem Wider- spruche mit Brachet’s Befund, wonach die linke, von Anfang an mit der rechten verwachsene, ventrale Anlage im Verlaufe der Textfig. XI—XX. D.—=Darm, D.ch. = Ductus choledochus, @G. = Gallenblase, P.v. d. = Pancreas ventrale dextrum, P.v.s. — Pancreas ventrale sinistrum. weiteren Entwickelung des Embryos sich zwar ebenfalls zurück- bilden soll, aber dabei auch theilweise in den Lebergängen auf- gehe („Elle disparait en se eonfondant avee la paroi du canal choledoque et des canaux hepatiques“), wovon ich nichts beinerken 236 Konrad Helly: konnte. Ich glaube, dass auch diesmal der Grund für die Ver- schiedenheit unserer beiderseits gewonnenen Ergebnisse in dem oben besprochenen technischen Fehler gelegen sein dürfte, den zu vermeiden ich bei der Herstellung meiner Modelle bestrebt war. In den vorstehenden Textfiguren XI-XX habe ich wie- der die Umrisse der in Frage stehenden Querschnitte abgebildet. Auch hier besteht wieder eine zellige Verbindung zwischen den beiden ventralen Anlagen. Die Betrachtung des Modells lässt aber sofort erkennen, dass diese nur eine Folge der tangentialen Schnittrichtung ist, die den Gallengang an einer Stelle trifft, wo, wie beim Embryo I, zwar nicht mehr seine Liehtung vorhanden ist, wohl aber die Pankreasanlagen noch zu finden sind. Hiermit wollen wir diesen Embryo verlassen, um unsere Aufmerksamkeit dem nächsten zuzuwenden, DIT. Dieser hat einen grössten Krümmungsdurchmesser von 5,4 mm, und entspricht etwa dem von Brachet in Fig. 7 zur Ansicht ge- brachten. Die Abschnürung der Lunge vom Darme ist bereits soweit vor sich gegangen, dass man das Epithelrohr, welches die sich entwickelnde Trachea kennzeichnet, über eine längere Reihe von Schnitten verfolgen kann. An der Leber hat die Ab- schnürung der einzelnen künftigen Leberlappen oberflächlich be- gonnen und die Durchwachsung der Venenstämme durch die Leberzellstränge bedeutende Fortschritte gemacht. Am Magen hat eine auffallende Formveränderung Platz gegriffen, indem er sich namentlich in seinem geraden Durchmesser bedeutend ver- grössert hat (Fig. 5). Der Darm erscheint auf dem Querschnitte überall kreisrund. Die Nabelschleife zeigt eine eben beginnende Krümmung ihrer Schenkel, die auf die demnächst sich ein- stellende Bildung der Dünndarmschlingen deutet, und liegt mit ihrem Pole bereits stark nach rechts von der Leibesmitte. Der Duectus omphalo-mesenterieus endigt bereits innerhalb der Bauchhöhle. Die dorsale Pankreasanlage hat ihre Mündung wieder um ein Stück nach rückwärts verlegt, und es ist jetzt zur Bildung eines, zwischen ihr und dem Gallengange gelegenen Darmtheiles in der Länge von 110 u gekommen. Gleichwohl wären wir im Irrthume, wollten wir dieses beginnende deutlichere Auftreten des späteren Duodenum auf Rechnung eines Längenwachsthumes setzen, Io) —1 Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. das der erwähnte zwischenliegende Darmtheil erfahren hätte. Denn wenn wir das Maass für den Abstand des oberen Randes des Duetus choledochus von dem unteren des dorsalen Pankreas an ihren Einmündungsstellen in den Darm ermitteln, sowie wir es schon bei den beiden vorhergehenden Embryonen gethan haben, so ergiebt sich uns die Strecke von 240 u, was einer Abnahme von 10 u gegen den Embryo II entspricht. Es muss also eine weitere Abschnürung der beiden Organe stattgefunden haben, und zwar in erster Linie eine solche des Pankreas, dessen Höhe an der Abgangsstelle vom Duodenum nur mehr 90 u beträgt. Bemerkenswerth ist ferner die Formveränderung, die sich an ihm eingestellt hat. Während die linke Sprosse nur wenig gewachsen ist (Fig. 5) und bei dem folgenden älteren Embryo überhaupt nicht mehr als solche, getrennt von dem übrigen Drüsengewebe zu erkennen sein wird, hat sich die rechte an die Wand der Nabelvene angeschmiegt und umgreift sie von drei Seiten, nur ihre vordere Wand freilassend. Diese „hufeisenför- mige Krümmung“ wurde schon von Hammar (l. e.) gesehen und von Brachet bestätigt. Von den ventralen Anlagen hat sich die rechte weiter ent- wickelt, während von der linken nichts mehr zu finden ist (Fig. 5). Da die Erstere obendrein ausschliesslich auf die rechte Seite des Ductus choledochus beschränkt ist und ein Hinübergreifen auf die linke Seite desselben sich nirgends wahrnehmen lässt, so müssen wir wohl annehmen, dass die Entwickelung des ven- tralen Pankreas ausschliesslich auf Grund der rechten Anlage erfolgt, während es die linke nicht über die erste epitheliale Verdiekung der Gallengangswand hinausbringt, die ihr Auftreten kennzeichnet. Sie flacht sich vielmehr wieder ab, um schliesslich gänzlich zu verschwinden. Ich bin mithin in diesem Punkte zu einem ähnlichen Er- gebnisse wie Brachet gelangt, mit Ausnahme des Umstandes, dass ich zwischen beiden ventralen Anlagen zu keinem Zeitpunkte ihrer Entwickelung eine Verwachsung zugeben kann, sondern beide immer deutlich von einander geschieden wahrzunehmen ver- mochte. Keinesfalls aber kann ich Hammar'’s (10) Ansicht bei- pflichten, die dahin ging, dass in der von Brachet gesehenen linken ventralen Anlage eine irrthümliche Deutung eines richtigen 288 Konrad Helly: Befundes vorliege, indem man es hier mit einem dritten Leber- divertikel zu thun habe. Dass Joubin die Entwickelung des ventralen Pankreas beim Kaninchen nur auf eine und zwar die rechte ventrale An- lage zurückführt, hat seinen Grund wohl darin, dass der jüngste von ihm beschriebene Embryo schon 6 mm lang, beziehungsweise 12 Tage alt ist, mithin sowohl nach meinen, wie nach Brachet’s Untersuchungen die linke Anlange bereits ihre Rückbildung er- fahren hat. IV. Der nun an die Reihe kommende Embryo besitzt einen grössten Krümmungsdurchmesser von 7 mm und entspricht etwa dem von Brachet in Fig. 5 dargestellten. Die Entwickelung der Organe hat bedeutende Fortschritte gemacht, wie man aus der reichlichen Bläschenbildung in der Lungenanlage und der starken Lappung der Leber erkennen kann. Auch die Magen- und Darmdrehung baben ihren Fortgang genommen, und am Dünndarme sind bereits einzelne Schlingen vorhanden. Die dorsale Pankreasanlage hat sich mit ihrer Mündung von der des Ductus choledochus noch weiter entfernt. Wenn wir aber jetzt das zwischen beiden gelegene Duodenalstück messen, dann erkennen wir, dass nun dessenLängenwachs- thum das Auseinanderrücken der genannten Mündungen ver- anlasst hat. Es beträgt nämlich der Abstand des oberen Randes des Duetus ceholedochus von dem unteren des dorsalen Pankreas- ausführungsganges 330 u; das ist um 90 u mehr, als beim Embryo III. Das Zwischenstück des Duodenum, wie in den früheren Fällen von dem unteren Rande des Gallenganges bis zum oberen des Pankreasganges gemessen, beträgt 200 u, hat also ebenfalls um 90 u zugenommen. An den genannten Gängen selbst ist eine Veränderung ihrer Querschnittsmaasse nicht mehr nachzuweisen. Es ist also die weitere Zunahme ihrer Entfernung von einander ausschliesslich dem Wachsthume des Duodenum zuzuschreiben. Bemerkenswerth ist, dass dieses Wachsthum beim Kanin- chen erst stattfindet, nachdem die Abschnürungsvorgänge an Gallen- und Pankreasgang zu Ende gediehen sind. Aus der hufeisenförmigen Krümmung der dorsalen Anlage ie) Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 28 ist inzwischen ein, die Pfortader vollständig umgebender Ring geworden (Fig. 6), wie ihn auch Brachet als „anneau pe£ri- veineux“ beschreibt. Die ventrale Anlage, die sich bedeutend verlängert hat, steht mit demselben aber noch nicht in Verbindung. Wir befinden uns hier vor einer höchst eigenthümlichen morphologischen Thatsache, von der wir im Folgenden noch öfters sehen werden, dass sie sich bei anderen Thieren und an anderen Stellen in ähnlicher Weise wiederholt. Dass die Pfort- ader nämlich von der Bauchspeicheldrüse auf mehreren Seiten umwachsen wird, ist an und für sich nicht sonderlich merkwürdig, wenn man die Nähe beider Organe ins Auge fasst. Doch spielt sich dieser Vorgang gewöhnlich derart ab, dass die Vene an ihrem medialen und hinteren Umfange von der dorsalen Anlage umfasst wird, während sich an ihrem vorderen und lateralen Umfange die ventrale Anlage ausbreitet. Beim Kaninchen wächst nun die Letzere ebenfalls ein Stück entlang der vorderen Venenwand, bleibt aber im Allgemeinen in ihrer Entwickelung weit hinter der Ersteren und hinter jenem Maasse zurück, das sie bei anderen Thieren zu erreichen pflegt. Allmählich nimmt nun die dorsale Anlage den morphologisch der ventralen gebührenden Platz ein, was nur möglich ist, in- dem sie die Pfortader in ihrem ganzen Umfange umwächst. Doch werde ich noch Gelegenheit haben, über diese Eigenthüm- lichkeiten in der Formentwickelung der Bauchspeicheldrüse zu sprechen, und will nun zunächst die Beschreibung der auf das Kaninchen Bezug habenden Ergebnisse zu Ende führen. V: Ich untersuchte noch je einen Embryo von 7!/, mm, 8 mm und 3!/, em grösster Länge, und überzeugte mich an denselben von der Richtigkeit der Annahme Brachet's, dass das dorsale Pankreas im Verlaufe seiner weiteren Entwickelung bis an das Mesogastrium reiche. Eine Frage, die einige Zeit strittig war, ist die nach der Zahl der Pankreasmündungen beim erwachsenen Kaninchen. Krause (17) hat in seiner „Anatomie des Kaninchens“, im Gegensatze zu einer Reihe anderer Forscher, die Möglickeit des Vorhandenseins eines, mit dem Ductus choledochus gemeinschaft- lieh mündenden Duetus Wirsungianus bestimmt in Abrede gestellt. 290 Konrad Helly: Ich füge hier ein, dass ich an der vom Menschen herüber- genommenen Bezeichnung des Ausführungsganges der ventralen Anlage als Ductus Wirsungianus und dessen der dorsalen Anlage als Ductus Santorini festhalten will und ihr in der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsgeschichte jedenfalls den Vorzug gebe vor den Bezeichnungen Ductus pancreaticus und Ductus pancreaticus accessorius, wie sie nach der neuen anatomischen Nomenclatur für den Menschen gebräuchlich sind; denn diese, sowie alle anderen Bezeichnungen, welche mit Beziehung auf die Lage, Wichtigkeit oder Grösse der betreffenden Gänge gebildet würden, müssen infolge des Umstandes, dass nicht bei allen Thieren im ausgewachsenen Zustande dieselben morphologischen Verhältnisse obwalten, oft sinnstörend wirken. Ich selbst habe am erwachsenen Kaninchen der Frage nach dem Vorhandensein oder Fehlen des Duetus Wirsungianus nicht nachgeforscht, einerseits, weil mich dies über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hinausgeführt hätte, andererseits aber, weil ich glaube, dass hier durch die Arbeiten Joubins (l. e.) und Schirmers (25) genügend Klarheit geschaffen wurde. Ersterer wies durch Injeetion mit blauer Farbe nach, dass der Ductus Wirsungianus zeitlebens erhalten bleiben kann; Letzterer fand ihn unter 22 Kaninchen 7 mal. Solchen Angaben gegenüber müssen wohl, glaube ich, alle etwa noch gehegten Zweifel schwinden. Bei meinem 3!/, em langen Embryo, bei dem ventrales und dor- sales Pankreas mit einander verwachsen waren, konnte ich den Ductus Wirsungianus noch finden. Damit schliesse ieh die Untersuchungen über das Kaninchen und wende mich der Ratte zu. Zehatte: Die zwei jüngsten Embryonen dieses Thhieres, über die ich verfüge, besitzen einen grössten Krümmungsdurchmesser von 22 mm und 2,5 mm, und zeigen noch keine der Pankreas- anlagen. Ich gehe daher gleich zum nächst älteren Embryo über. 'B Derselbe hat einen grössten Krümmungsdurchmesser von 2,6 mın. Der Darm verläuft seiner ganzen Länge nach in der Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 291 Leibesmitte. Man erkennt an ihm die Lungenanlage (Fig. 7) in Form zweier kleiner Ausstülpungen seiner Wandung. Die Leberanlage zeigt soeben die ersten Lebereylinder; doch reichen dieselben noch nicht bis an die V. v. omphalo-mesentericae heran. Der Magen ist noch nicht angelegt. In allen Theilen des Darmes überwiegt der gerade Durchmesser über den queren. Der Ductus omphalo-mesentericus ist gänzlich verschwunden, was nicht Wunder nehmen kann, da er schon beim jüngsten, 2,2 mm langen Embryo nicht mehr nachweisbar war. Durch diese zeitige Rückbildung des Dotterganges thut sich eben auch die nahe Verwandtschaft kund, die zwischen der weissen Ratte und der weissen Maus besteht, bei welcher der frühe Schwund dieses embryonalen Gebildes schon vor mehreren Jahren von Ravn (23) berichtet wurde. Gegenüber der Mündung der Leberanlage hat die dorsale Darmwand eine Auftreibung und Ausbuchtung erfahren, die nach keiner Richtung scharfe Grenzen aufweist. Ihre Gesammtlänge lässt sich daher nur annähernd messen und mit 150 u im weitesten Ausmaasse bestimmen. Ihre oberste Grenze fiele dabei in eine Ebene mit dem oberen Rande der Leberanlage an der Abgangs- stelle vom Darme, während die unterste Grenze deren unteren Rand um ein Geringes — etwa 10 u — überragt. Diese Aus- buchtung besitzt anch eine etwas verdickte Wandung (Fig. 8), und kann wohl als nichts anderes betrachtet werden, als die erste Anlage des dorsalen Pankreas. Von den ventralen Anlagen ist noch nichts zu bemerken. M: Der folgende Embryo besitzt einen grössten Krümmungs- durchmesser von 2,8 mm, ist also nicht viel grösser als der Vorige. Gleichwohl hat seine Entwiekelung merkliche Fort- schritte gemacht. Die Lungenanlage zeigt bereits die beiden primitiven Lungenschläuche. Die Leber hat die V. v. omphalo-mesentericae erreicht und deren Wandungen bereits stark zerklüftet. Ihre Verbindung mit dem Darme wird durch einen ziemlich weiten Gang bewerk- stelligt, dessen ventraler Umfang wohl etwas verdickt erscheint; doch geht diese Verdiekung unmittelbar in die Lebersprossen über, so dass man nirgends eine deutliche Anlage einer Gallen- 292 Konrad Helly: blase wahrnehmen kann. Thatsächlich gehört ja auch die Ratte zu jenen Säugethieren, die in erwachsenem Zustande dies Organ immer vermissen lassen. Ich will noch hinzufügen, dass es mir bei keinem einzigen Rattenembryo bis jetzt gelungen ist, unzwei- deutige Spuren einer, wenn auch vorübergehenden Anlage der Gallenblase zu finden. Die Bildung des Magens hat bereits begonnen, und ist der- selbe als bedeutende Verlängerung des geraden Durchmessers an der betreffenden Stelle des Darmrohres zu erkennen. Gleichzeitig hat eine Ausbiegung dieser Anlage mit nach links gerichteter Convexität stattgefunden, während ihr dorsaler Rand ein wenig nach der- selben Seite von der Mittellinie abgewichen ist. Auch an der dorsalen Pankreasanlage zeigt sich, dass die Entwickelung der Organe nicht gleichen Schritt gehalten hat mit der Grössenzunahme des Embryos, sondern ihr ein wenig voran- geeilt ist. Denn an Stelle der früheren einfachen Erweiterung und Ausbuchtung des Darmrohres finden wir jetzt einen an- nähernd keilförmigen Anhang desselben (Fig. 9, 10), der an seiner Wurzel eine Höhe von 140 u besitzt. Es hat also eine geringe Längenabnahme der Verbindungs- strecke des dorsalen Pankreas mit dem Darme stattgefunden, mithin die Abschnürung des Ersteren bereits begonnen. Um nun zu entscheiden, in welcher Richtung diese vor sich geht, müssen wir zunächst feststellen, ob das Pankreas cranial oder caudal von der Mündung des Ductus hepatieus, wie ich denselben wegen der mangelnden Gallenblase nennen muss, gelegen ist. Stellen wir das Modell so auf, wie es in der Zeichnung dargestellt ist, wobei sämmtliche Anschnittsflächen wagerecht lägen, entsprechend der am Embryo eingehaltenen Schnittrichtung, die senkrecht zum grössten Krümmungsdurchmesser verlief, so wäre man beim ersten Anblicke vielleicht geneigt, dem dorsalen Pan- kreas die caudale Lage zuzuerkennen. Schlagen wir hingegen jenen Weg ein, welcher allein richtig ist, um die gegenseitige Lage zweier Punkte an einem Organe zu bestimmen, dann müssen wir dasselbe mit seiner Längenachse senkrecht aufstellen. Thun wir das mit unserem Modelle, so sehen wir, dass dieselbe etwa mit der neben der Zeichnung angedeuteten Linie 17 zu- sammenfiele, und wir gewinnen alsbald die Ueberzeugung, dass Pankreasanlage und Lebergang einander noch immer, wie beim Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 293 Embryo I, gegenüber liegen. Wenn wir aber vollends die sich jetzt ergebenden Maasse aufnehmen, so finden wir, dass die An- satzlinie der Ersteren die des Letzteren um 20 u eranialwärts überragt, während caudal dasselbe Verhältniss wie früher besteht. Wir werden also den Höhenverlust von 10 u, den wir an der Wurzel der Pankreasanlage nachweisen konnten, wohl mit Recht auf einen ceraniocaudal eingeleiteten Abschnürungsvorgang desselben beziehen können. Zur Form dieser Anlage will ich noch bemerken, dass sie wohl an der Oberfläche etwas höckerig erscheint, dass wir aber jene seichte Längsfurche, die wir beim Kaninchen fanden, noch vermissen. Fassen wir nun noch die Seitenwände des Leberganges ge- nauer ins Auge, so erblicken wir an denselben rechts und links, unmittelbar vor dem Uebergange in die Darmwand, je ein kleines Höckerehen, in denen wir unschwer die bei dem eben ge- nannten Thiere gesehenen ventralen Anlagen der Bauchspeichel- drüse wieder erkennen (Fig. 9, 10). Die Aehnlichkeit der Er- scheinung ist eine so grosse, dass ich mich damit begnügen kann, auf die beigegebenen Abbildungen zu verweisen, und mich der Beschreibnng des folgenden Embryos zuwenden will. II. Dieser misst in seinem grössten Krümmungsdurchmesser 3 mm und zeigt eine sehr geringe Weiterentwiekelung seiner Organe, deren Grad ich wohl am besten kennzeichne, wenn ich anführe, dass beispielsweise die beim vorigen Embryo im Beginne stehende Einstülpung der primären Augenblase zur secundären bei diesem beinahe vollendet ist, während das Linsengrübehen noch weit offen steht. Dass ich denselben trotzdem einer Be- schreibung theilhaftig werden lasse, hat seinen Grund in einer scheinbar geringfügigen Varietät, die er bietet, die aber für meine späteren Schlussfolgerungen gleichwohl nicht belanglos ist. Vergleichen wir nämlich die Lage des dorsalen Pankreas mit der des Leberganges, so sehen wir, dass es demselben nicht gegenüberliegt, sondern als Ganzes ceranialwärts verschoben erscheint; und zwar liegt sein unterer Rand um 20 u, sein oberer um 150 „ höher, als der obere des Ductus hepaticus. Seine Höhe an der Abgangsstelle vom Darme beträgt demnach 130 u. 294 Konrad Helly: Dass wir es hier thatsächlich mit einer Varietät in Bezug auf die Lage der dorsalen Anlage zu tlun haben, geht aus einem Vergleiche mit den übrigen älteren und jüngeren Embryonen hervor, bei denen sie immer gegenüber vom Lebergange zu finden ist. In welcher Richtung sieh die Abschnürung vollzogen haben dürfte, die zur Verkleinerung der Verbindungsstrecke mit dem Darme geführt hat, darüber lässt ein Blick auf den tiefen Ein- schnitt zwischen Letzterem und dem eranialen Rande der Anlage wohl kaum einen Zweifel zu (Fig. 11). Von den ventralen Anlagen tritt die rechte bedeutend stärker hervor, während die linke, die ebenfalls an Masse etwas zugenommen hat, nach oben hin ohne scharfe Grenze in den Lebergang übergeht. IV: Der nächste Embryo besitzt einen grössten Krümmungs- durchmesser von 4 mm; doch sind die Fortschritte in seiner Entwickelung gegenüber dem vorigen, um 1 mm kürzeren Em- bryo nur mässige zu nennen. An der Lunge erkennt man soeben die ersten Andeutungen, dass die Bildung der primitiven Lungen- bläschen begonnen hat. Die Leber lässt bereits die Anfänge des Zerfalles in mehrere Lappen bemerken, besitzt aber noch immer einen sehr kurzen Ausführungsgang. Der Magen, der bereits ziemlich schräge gegen die Medianebene gestellt ist, weitet sich nun auch entsprechend seinem Breitendurchmesser aus. Auch ist seine Krümmung nach der Fläche noch deutlicher geworden, als sie früher war. Der Darm erscheint auf dem Querschnitte jetzt schon überall kreisrund. Die Ablenkung der Nabelschleife nach rechts hat begonnen. Sehen wir uns wieder nach dem dorsalen Pankreas um (Fig. 12), so bemerken wir vor allem, dass seine Haftlinie am Darme sehr lang ist, und messen wir dieselbe, so finden wir sie mit 150 u. Da sie schon beim nächstfolgenden Embryo wieder be- deutend kürzer ist, so können wir wohl kaum annehmen, dass sie sich etwa durch aetives Wachsthum vergrössert habe, sondern werden den Grund für ihre auffallende Länge in einer hier vorliegenden Varietät vermuthen, die entweder dadurch zu Stande kam, dass die dorsale Pankreasanlage von Anfang an DD pie) or Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. mächtiger entwickelt war, als bei den anderen Embryonen, oder dass ihre Abschnürung durch irgend einen Umstand behindert war. Nach ihrer Form zu schliessen, dürfte erstere Annahme die richtigere sein. Was die Lage der Anlage zur Mündung des Leberganges betrifft, so verhalten sich die unteren Ränder der beiden ähnlich wie bei Embryo I und II, während der obere Rand des Ersteren den des Letzteren eranialwärts bedeutend -— um 70 u — über- ragt. Dass dieser Abstand so gross ist, lässt sich wohl auf die abnorme Länge der erwähnten Haftlinie zurückführen. Wir sehen demnach, dass die dorsale Pankreasanlage ihren Platz gegenüber dem Lebergange nicht verlassen hat. Ihre Form weist jetzt eine uns schon vom Kaninchen be- kannte Erscheinung auf, nämlich eine seichte Längsfurche, die an der dorsalen Seite der Anlage verläuft, und die, hätte man nicht die jüngeren Embryonen gesehen, eine primäre Zweilappung des Organs vorzutäuschen im Stande wäre. Daraus aber, dass diese Furche bei der Ratte erst zu verhältnissmässig später Zeit auftritt, nachdem das dorsale Pankreas schon früher an den ver- schiedensten Stellen die beginnende Sprossenbildung in Form kleiner höckeriger Unebenheiten seiner Oberfläche zu erkennen gab, vermögen wir zuentnehmen, dass ihr wohl nureine ganz neben- sächliche Bedeutung zukommt. Sie ist nicht mehr, als ein vorübergehender Ausdruck des Wachsthums der Drüse. Von den ventralen Anlagen hat sich die rechte bedeutend weiter entwickelt und zeigt bereits mehrere Höcker, die den neugebildeten soliden Sprossen entsprechen (Fig. 12). Die linke Anlage vermag ich nicht mehr zu finden, und wenn ich mich daran erinnere, dass sie schon beim Embryo III gegen den Lebergang theilweise einer deutlicheren Abgrenzung vollständig entbehrte, so neige ich zur Annahme hin, dass ihr wohl dasselbe Schicksal widerfahren sein dürfte, wie der gleichen Anlage des Kaninchens: dass sie sich nämlich zurückgebildet habe. Ich halte mich aber nicht für berechtigt, aus der blossen Thatsache, dass sie bei einem Embryo noch vorhanden war und bei dem nächsten, nur wenig älteren nicht mehr zu sehen ist, den Schluss zu ziehen, sie habe sich mit der rechten Anlage vereinigt, wie es Choronshitzky beispielsweise beim Schafe thut. Auch sprechen noch andere Gründe gegen die Annahme einer solchen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 20 296 Konrad Helly: Vereinigung, welche näher zu beleuchten ich mir aber für später vorbehalte. Zur Lage der ventralen Anlage sei noch bemerkt, dass sie bereits bei diesem Embryo sehr nahe an die V. omphalo-mesen- terica dextra heranreicht. V. Der folgende Embryo misst im grössten Krümmungsdurch- messer 4,2 mm, also nicht viel mehr, als der vorige. Ich habe mich gleichwohl entschlossen, seine Beschreibung hier aufzu- nehmen, weil bei ihm an den Pankreasanlagen zum ersten Male eine Lageveränderung bemerkbar ist, die für die spätere Form der ganzen Drüse von Wichtigkeit ist. Um zunächst die Fortschritte in der Entwickelung der Organe zu erledigen, sei erwähnt, dass die Abschnürung der Lungenanlage soweit vor sich gegangen ist, dass man schon ein kurzes Trachealrohr sehen kann. Die Magen- und Darmdrehung schreitet langsam vor, während die Schenkel der Nabelschleife noch keine Krümmung im Sinne der Anlage von Dünndarm- schlingen erkennen lassen. Die Mündung der dorsalen Pankreasanlage, deren Ansatzlinie am Darme nur mehr 120 u beträgt, liegt nach wie vor gegenüber der des Leberganges (Fig. 13). Die Anlage selbst ist ziemlich in die Länge gewachsen, und lässt noch die beim Embryo IV erwähnte Längsfurche sehen. Ausserdem beginnt jetzt in er- höhtem Maasse die Bildung neuer Sprossen. Die ventrale Anlage, die sich ebenfalls merklich verlängert hat, liegt stark nach rechts herüber und zeigt ähnliche Wachs- thumserscheinungen, wie die dorsale (Fig. 15). Da sich die Letztere aus ihrer Stellung genau hinter dem Magen, die sie bisher beibehalten hatte, herausbegeben und ebenfalls nach rechts gewendet hat, haben sich die Endpunkte beider Anlagen einander genähert, was sich durch Messung leicht nachweisen lässt. Fragen wir nach den Ursachen dieser Abweichung der Pankreasanlagen aus ihrer früheren Lage, so erkennen auch wir sie einzig und allein in der Darmdrehung, die es mit sich bringt, dass die im Darmgekröse liegenden Anlagen geradezu gegen- einander geschoben werden. Diese Annäherung, die nicht nur ihre Enden, sondern auch ihre Seitenflächen betrifft, gibt wohl Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. D I SI zweifellos den ersten Anstoss für ihre spätere Verwachsung ab, wenngleich, wie sich bald zeigen wird, hierbei auch noch andere Erscheinungen zu berücksichtigen sind. \.r Der nun an die Reihe kommende Embryo hat einen grössten Krümmungsdurehmesser von 5 mm. Auch dieser Embryo zeigt in der Ausbildung der zur Kennzeichnung der Entwickelungs- stufe von mir immer angeführten Organe keine wesentlichen Fortschritte gegenüber dem vorigen, ausgenommen etwa die sichtlich stärkere Lappung der Leber und die ersten Andeutungen der demnächst sich einstellenden Bildung der Dünndarmschlingen. Die Pankreasanlagen sind mit ihren Endpunkten infolge der zunehmenden Darmdrehung einander noch näher gerückt und schliessen jenen Theil der Vena omphalo-mesenterica dextra zwischen sich, welcher eranialwärts durch Vermittelung der hinter dem Pankreas gelegenen queren Anastomose die Fortsetzung der Vena-omphalo-mesenterica sinistra bildet. In der Form der dorsalen Anlage hat sich wieder eine Aenderung vollzogen, die darin besteht, dass unmittelbar vor ihrer Mündung ein Höcker entstanden ist, der sich gegen die ventrale Anlage wendet (Fig. 14). Umgekehrt ist an Letzterer eine gegen die dorsale Anlage gerichtete seitliche Ausbuchtung ihrer Oberfläche wahrzunehmen. Wir wollen diese beiden neuen Erscheinungen im Auge behalten und sehen, wie sich ihr weiterer Verlauf gestaltet. MIT, Da der Embryo, welcher jetzt an die Reihe käme, und der einen grössten Krümmungsdurchmesser von 5.5 mm besitzt, sich in der Entwickelung von dem Vorigen nur wenig unter- scheidet, so will ich ihn übergehen und sofort den nächst Fol- senden vorführen, der 6 mm misst. Da zu dieser Zeit die Entwiekelung der Organe schon viel langsamer vorwärts schreitet, so dass die mit Hilfe derselben vorgenommene Kennzeichnung der Altersstufe der Embryonen sehr umständlich wird, werde ich von derselben künftig Abstand nehmen und mich auf die Anführung des Längenmaasses be- schränken. Ich glaube, dies umsomehr thun zu können, als die 298 Konrad Helly: Unterschiede in der Entwickelung zweier Embryonen derselben Grösse von jetzt ab so geringe sind, dass die Anführung des grössten Krümmungsdurchmessers thatsächlich eine hinreichende Bezeichnung für deren Alter ist. Die dorsale Pankreasanlage nimmt gegen ihr Ende bedeu- tend an Masse zu und ist im ganzen der Fläche nach gekrümmt, so dass ihre Concavität der Pfortader zugewendet ist, wie wir das Gefäss bereits nennen dürfen, in welchem wir an dieser Stelle den früher erwähnten Theil der Vena omphal-mesenterica dextra wiedererkennen. Der schon angedeutet gewesene Höcker hat sich gleichfalls bedeutend vergrössert (Fig. 15), und lässt eine etwas stärker hervortretende Spitze erkennen. Dieselbe wendet sich gegen eine ähnliche am ventralen Pankreas, die wir ja eben- falls bereits beim Embryo VI vorgebildet fanden. Auch an der eben genannten Anlage zeigt sich immer deut- licher die charakteristische Eigenthümlichkeit der Bauchspeichel- drüse, sich in ihrer Entwickelung an die grossen Venenstämme anzuschliessen, indem sie in ihrem weiteren Wachsthume der vor- deren, theilweise auch der lateralen Wand der Pfortader folgt. Werfen wir noch einen Blick auf die Mündung der ven- tralen Anlage, so sehen wir, dass sie in nächster Nähe des Dar- mes in den Lebergang erfolgt. \VANIE Schon bei dem vorigen Embryo muss uns die Vermuthung aufgetaucht sein, dass die beiden, gegeneinander gerichteten Aus- wüchse der beiden Pankreasanlagen vielleicht mit der Zeit sich berühren und schliesslich zur Verschmelzung gelangen könnten. Der Embryo, den wir jetzt betrachten wollen, und der eine Länge von 6!/, mm besitzt, lässt uns über die Richtigkeit dieser Vermuthung keinen Zweifel mehr übrig. Suchen wir wieder die erwähnten Auswüchse auf, so be- merken wir, dass sich dieselben mit den bereits früher erkenn- bar gewesenen Spitzen einander fast bis zur Berührung genähert haben (Fig. 16). Da die Drehung des Darmes keine ausreichende Erklärung für das Gegeneinander-Wachsen der beiden Anlagen an dieser Stelle darbietet, so kann dieselbe wohl nur in dem, nach dieser Richtung eingetretenen, activen Wachsthume der Drüsenzellen gelegen sein. Eine genauere Betrachtung des mi- Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 299 kroskopischen Bildes der gedachten Stelle zeigt uns denn auch Folgendes: Das Mesenchymgewebe erscheint zwischen den einander am nächsten liegenden Punkten beider Pankreasanlagen etwas ge- liehtet, was die Folge davon ist, dass dessen Zellen hier in be- deutend geringerer Zahl vorhanden sind und das Zwischengewebe lockerer gefügt ist (Fig. 17). Da sich in der Umgebung zahl- reiche gut sichtbare Capillaren befinden, ist hierdurch das Bild gegeben, wie man es überall dort findet, wo eine Rückbildung embryonalen Gewebes stattfindet. Im vorliegenden Falle erfolgt dieselbe wohl unter dem Einflusse der reichlichen Zellwucherung, der die einander entgegenwachsenden Pankreasanlagen unter- worfen sind. Diese giebt sich aber durch die zahlreichen Kern- theilungsfiguren kund, die man im Gesichtsfelde wahrzunehmen vermag. Die Untersuchung dieser histogenetischen Vorgänge ist um diese Zeit noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da im Pankreas soeben die eentrale Aufhellung der bisher solid gewe- senen Sprossen begonnen hat, und seine Zellen noch vielfach der scharfen Grenzen entbehren. Dadurch ist die Unterscheidung zwischen Mesenchym- und Drüsenzellen häufig keine leichte. Mit einiger Geduld und unter wechselnder Anwendung verschiedener Vergrösserungen vermag man jedoch dieser Schwierigkeit Herr zu werden. Wir sahen früher, dass die Enden beider Pankreasanlagen unter dem Einflusse der Darmdrehung eine gewisse Annäherung erfahren. Sie kommen jedoch weder jetzt, noch später zur Be- rührung, da keines von ihnen die Vena portae genügend weit um- wächst. Im Verlaufe der weiteren Entwickelung entfernen sie sich sogar wieder von einander, da die dorsale Anlage sich hinter und unter den Magen begiebt, während die ventrale im Gekröse des Duodenums weiterwächst. Noch zwei Gebilde giebt es, deren weiteres Verhalten unsere Aufmerksamkeit erregen muss; das sind die beiden Pankreas- ausführungsgänge. Ich habe schon einleitend bemerkt, dass wir bei der er- wachsenen Ratte keine der Bauchspeicheldrüse allein angehörende Darmmündung finden. [Vgl. Savietti (24).]| Nach alledem, was wir über die Entwickelung des Organes bereits wissen, werden 300 Konrad Helly: wir zunächst an eine Rückbildung des Ductus Santorini denken. Thatsächlich sehe ich bereits bei diesem Embryo, dass die Lichtung des Ganges sich zu verschmälern und mit epithelialen Zellen zu füllen beginnt. Auch an der Mündung der ventralen Pankreas fand eine Veränderung statt. Sie ist nämlich nicht mehr in den Leber- gang gerichtet, sondern beide vereinigen sich und stehen mit dem Darme durch einen kurzen queren Gang in Verbindung, von dem man nicht behaupten kann, dass er einem von beiden allein angehöre (Fig. 16). Die Art und Weise, wie dieser Gang, den ich Duetus he- pato-pancreaticus benenne, zustande kam, ist wohl die, dass im Verlaufe der fortgesetzten Abschnürung des Leberganges vom Darme die Mündung der Pankreasanlage in den Ersteren von demselben ebenfalls abrücken musste. Der so geschaffene Leber- Pankreasgang liest in jener Schichte mesenchymatösen Gewebes eingebettet, welche die Bildungsstätte der späteren bindegewe- bigen und muskulösen Hüllen des Darmes abgiebt. Ich bemerke aber ausdrücklich mit Rücksicht auf die weiteren Vorgänge, die sich hier einstellen werden, dass vor dem Eintritte in diese Schiehte der Ductus hepaticus sowohl, als auch die Pankreas- anlage ihre vollständig gesonderten Wege gehen. IX. Wie zu erwarten ist, müssen die nächsten neuen Drüsen- zellen, die sich an der Stelle bilden, wo die dorsale und die ventrale Pankreasanlage einander so nahe gerückt sind, schon zur Verschmelzung beider führen. Ich wählte deshalb zur Unter- suchung als folgenden Embryo einen nur um 6.2 mm grösseren — er misst 6.6 mm —, als der vorige war. Die wahrnehmbaren Formunterschiede gehen denn auch grösstentheils kaum über jenen Grad hinaus, wie er durch die individuellen Verschieden- heiten gegeben ist. Wohl aber fällt uns sofort auf, dass die Verwachsung beider Pankreasanlagen jetzt vollzogen ist (Fig. 18). Untersuchen wir diese Stelle unter dem Mikroskop bei starker Vergrösserung, so gleicht sie vollständig jeder beliebigen anderen, die wir in der ganzen Drüsenanlage aufsuchen mögen. Das Bild der letzteren hat sich gegen früher nur insoferne etwas geändert, als die Zellgrenzen deutlicher geworden sind, des- Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. sol gleichen auch die schon sichtbar gewesene Lichtung der künf- tigen Drüsenalveolen "und -gänge, deren Weite ebenfalls zuge- nommen hat. Ich vermochte jedoch noch an keinem der in Betracht kommenden Schnitte in der Verwachsungsstelle einen durch- gängigen Gang zu finden, wohl aber daselbst und in ihrer Nach- barschaft die Bildung einzelner Gänge zu verfolgen, aus denen sich die später thatsächlich vorhandene Anastomose entwickeln wird (Fig. 19). Die Verlegung der Liehtung des Ductus Santorini durch epitheliale Zellen ist jetzt bereits eine vollständige. Seine Breite an der Mündung ist von 90 u beim Embryo VIII. auf 80 u bei diesem zurückgegangen. Zum Ductus hepato-pancreatieus will ich bemerken, dass es den Anschein gewinnt, als begäbe er sich aus der Mittel- stellung, die er früher zwischen dem Duectus hepaticus und dem Duetus Wirsungianus innegehabt hat, heraus und nähere sich dem Letzteren. Doch vermag ich noch nicht zu entscheiden, welches von den betheiligten Organen zu dieser etwa sich voll- ziehenden Aenderung am meisten beitrüge. Die nächsten Embryonen werden uns auch hierüber genü- gende Aufklärung bringen. Vorerst will ich mir aber erlauben, einen kurzen Vergleich zu ziehen zwischen der Lage des ven- tralen Pankreas bei der Ratte und jenem Theile des dorsalen beim Kaninchen, von welchem ich oben behauptete, dass es den morphologisch dem Ersteren gebührenden Platz einnehme. Man vergleiche Fig. 6 mit Fig. 18 und denke sich nun in Ersterer die Verwachsung des ventralen Pankreas mit dem dor- salen, die in einem späteren Zeitpunkte dort erfolgt, wo beide einander schon jetzt am nächsten sind, bereits vollzogen, dagegen den Ring des Letzteren, durch welchen die Pfortader verläuft, an deren lateraler Seite, entsprechend der mit la bezeichneten Streck unterbrochen. Es stände dann der mit a bezeichnete Theil desselben in fortlaufender Verbindung mit dem ventralen Pankreas und entspräche daher, sowie namentlich durch die Lage im Ge- kröse des unteren Duodenum, vorzüglich dem ventralen Pankreas der Ratte. 302 Konrad Helly: x, Ich gehe allsogleich zu einer Entwickelungsstufe über, die uns die noch eintretenden bemerkenswerthen Formveränderungen des Pankreas in sofort auffallender Weise sichtbar macht, und wähle zu diesem Zwecke einen Embryo von 10 mm Länge. Bei demselben ist die Verwachsung beider Anlagen bereits in ausgedehntem Maasse erfolgt. Wie ich mich an Embryonen von 7, 8und 9 mm Länge überzeugte, hat man es hierbei nicht bloss mit einem, von der ersten Verwachsungsstelle mehr oder min- der gleichmässig nach allen Seiten sich ausbreitendem Vorgange zu thun. Es sind vielmehr in deren Nähe unter ganz ähnlichen histologischen Bildern einige neue, zunächst solide, späterhin durchgängige Verbindungen beider Anlagen entstanden und erst im weiteren Verlaufe mit einander zu einer einheitlichen breiten Verwachsung zusammengeflossen. An dem 10 mm langen Embryo kann man bereits deutlich ver- folgen, wie der übriggebliebene Theil des Ausführungsganges der dorsalen Anlage in den Ductus hepato-pancreatieus mündet. Er bedient sich hierbei der Anastomose, welche infolge seiner Ver- bindung mit der ventralen Anlage eingetreten ist. Inzwischen hat die Rückbildung des früheren Mündungsstückes des Ductus Santorini schon grosse Fortschritte gemacht und ist an der Durch- trittsstelle desselben durch die gut kenntlich gewordene Museu- laris des Darmes fast bis zur Abtrennung von dem Pankreas ge- diehen (Fig. 20). Am Ductus hepato-panereaticus fällt uns gleich beim ersten Anblick auf, dass er an Länge bedeutend gewonnen hat. Wir unterscheiden jetzt deutlich zwei Theile an ihm, von denen der eine uns schon von früher bekannt ist als der, innerhalb der Darmwand verlaufende, daher nicht sehr lange Gang, während der zweite eine neue Erscheinung bildet. Verfolgen wir den Lebergang, den ich wegen seiner Zu- sammensetzung aus einem rechten und linken Aste Ductus hepa- ticus communis nennen will, auf seinem Wege gegen das Duo- denum zu, so erkennen wir an ihm zunächst eme etwas am- pullenartig erweiterte Stelle, die unmittelbar der Vereinigung bei- der Ductus hepatiei folgt. Kaum hat er jedoch diese Stelle hinter sich, als er sich auch schon in das Drüsengewebe des Pankreas einsenkt, und nun innerhalh desselben, was wohl das Merkwür- Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 303 digste ist, nebst dem Ductus Wirsungianus und dem theilweise neu gebildeten Ausführungsgange der dorsalen Anlage mehrere kleinere, aus den umgebenden Pankreasläppehen stammende Gänge aufnimmt. Wir können daher im vollsten Sinne des Wortes von einem zweiten, neu hinzugekommenen Theile des Duetus hepato-pancreatieus sprechen. Es ist also nicht, wie es noch beim Embryo IX den An- schein hatte, der ursprüngliche erste Theil dieses Ganges aus seiner Mittelstellung zwischen Ductus hepaticus eommunis und Ductus Wirsungianus heraus und Letzterem näher gerückt, son- dern das Pankreasgewebe hat gewissermassen von einem Theile des Ersteren Besitz ergriffen. Für die Art und Weise, auf welche dieser Vorgang sich abgespielt haben mag, giebt es zwei Möglichkeiten. Die eine bestände darin, dass das Pankreas sich am Ductus hepatieus communis sozusagen hinaufgerankt habe, und einzelne seiner Läppcehen nachträglich eine Mündung in denselben gewonnen hätten. Dem widerspricht aber die Wahrscheinlichkeit, da bis- her noch nirgends beobachtet werden konnte, dass derartige Vorgänge an dieser Drüse- möglich seien. Eine zweite Möglich- keit, die ich für die riehtigere halten möchte, bestände darin, dass eine rasche Dehnung des Ductus hepaticus communis statt- findet, bedingt durch das, ähnlich wie beim Kaninchen, etwas spät einsetzende Längenwachsthum des Duodenums. Thatsäch- lieh mündet bei der erwachsenen Ratte der Ductus hepato-pan- ereaticus ungefähr 2!1/, cm unterhalb vom Pylorus in das im ganzen etwa 7T—8 cm lange Duodenum, also verhältnissmässig tief, und schliesst mit demselben einen nach oben offenen, sehr spitzen Winkel ein. Da dieser Winkel bei den jüngsten Em- bryonen noch ein stumpfer war, während er beim Embryo VIII ungefähr 90 u betrug, so deutet sein Verhalten ebenfalls darauf hin, dass die Mündung des genannten Ganges sich von seiner Abgangstelle aus der Leber bedeutend nach abwärts entfernt haben muss, indem das wachsende Duodenum sie mit sich fortzog. Die Wirkung dieses Zuges mag sich nun dahin geäussert haben, dass nicht nur der Ductus hepato-pancreaticus länger wurde, sondern dass ihr auch die Mündung des Duetus Wirsun- gianus nach und nach unterlag, wodurch gewissermassen ein Theil dieses Ganges zwischen den Ductus hepaticus communis 304 Konrad Helly: und den Ductus hepato-pancreaticus hineingezogen wurde. War nur aber erst einmal diese neue Bildungsstätte für Pankreas- gewebe vorhanden, dann mochte sie sich weiterhin auch noch durch eigenes Wachsthum vergrössert haben, und so entstand dann das eigenartige Bild, dass scheinbar der Ausführungsgang der Leber in den des Pankreas mündet. Zur Gesammtform der Bauchspeicheldrüse sei bemerkt, dass um diese Zeit ihr läppchenförmiger Bau bereits hervorzutreten beginnt. xT. Da die Emhryonen jetzt auf einer Entwickelungsstufe an- gelangt sind, die sich von dem ausgewachsenen Thiere, abge- sehen von den, durch das fortgesetzte Längenwachsthum be- dingten Veränderungen, nur mehr dadurch unterscheidet, dass die dorsale Pankreaslage ihre Verbindung mit dem Duodenum noch nicht ganz aufgegeben hat, so erübrigt uns eigentlich nur noch die Aufsuchung jenes Embryos, bei welchem dieselbe zum erstenmale gänzlich unterblieben ist. Wir finden als solchen einen von 11 mm Länge. Seine Betrachtung zeigt uns an der Stelle, wo der Ductus Santorini früher mündete, einen kurzen Epithelzapfen, der noch innerhalb der Anlage der Submucosa, welche man schon gut unterscheiden kann, endigt (Fig. 21). In seiner zu denkenden Fortsetzung stösst man auf einen ebenfalls kurzen Fortsatz des Pankreas, welcher gerade noch in die äusserste Schichte der Musecularis Duodeni reicht, und deren Ende einen ganz gleich- artigen Zapfen darstellt. Wir haben also hier die letzten Reste des Duetus Santorini vor uns. Bald werden auch diese voll- kommen verschwunden sein, und schon an wenige mm grösseren Embryonen deutet nichts mehr darauf hin, dass der dorsale Gang einmal vorhanden war. Auch jetzt noch liegt die ehemalige Mündung des Ductus Santorini beinahe genau gegenüber von der des Ductus hepa- ticus, indem der obere Rand des Ersteren den gleichen des Letz- teren nur um 30 u überragt. XII, Ich habe nun noch einige ältere Embryonen untersucht und schliesslich auch am erwachsenen Thiere die Pankreasgänge Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 305 mit verschiedenen Injeetionsmitteln injieirt. Ich ging dabei so vor, dass ich den Ductus hepato-pancreaticus unmittelbar vor seinem Eintritte in die Darmwand unterband. Dasselbe that ich mit dem einen Duetus hepaticus (proprius), bevor er sich in die Leber versenkt, während ich in den anderen die Canüle der Injectionsspritze einführte, und nun unter mässigem Drucke injieirte. Es zeigte sich, dass von dem 2—2!/, cm langen Gange nur jener Theil frei von umgebendem und theilweise hineinmündendem Pankreasgewebe ist, welcher auf die Vereinigung der beider- seitigen Ductus hepatiei (proprii) folgt, und die schon erwähnte ampulläre Erweiterung aufweist. Dieser Theil ist sehr kurz; er beträgt bestenfalls nur 4—5 mm und stellt den Ductus hepaticus communis dar. Auf ihn folgt der Ductus hepato-pancreaticus, weleher ungefähr 3/, em, bevor er in die Darmwand eintritt, den Duetus Wirsungianus aufnimmt, während der in seinem End- stücke neugebildete Ausführungsgang, der dem aus der dorsalen Anlage hervorgegangenen Drüsentheile entstammt, sich einen weiteren halben em gangaufwärts mit ihm vereinigt (Fig. 22). Das histologische Bild des Ductus hepato-pancreaticus gleicht völlig dem der beiden mit seiner Hilfe mündenden Hauptaus- führungsgänge des Pankreas, die ihm nur an Weite nachstehen. In der etwa !/,, mm dieken Wandung liegen zahlreiche kleine Schleimdrüschen. Wir sehen also, dass die Bedenken, welche Krause (l. c.) beim Kaninchen gegen das Vorkommen eines gemeinschaftlichen Ausführungsganges für Leber und Pankreas geäussert hat, in- dem er sagte, es sei „von vorne herein einleuchtend“, dass die Einmündung eines Ausführungsganges in den einer anderen Drüse „ein anatomisch ziemlich exceptionelles Faetum darstellen würde“, durch die bei der Ratte gegebenen Verhältnisse wohl gänzlich widerlegt werden. Ich habe nun die Beschreibung dieses Thieres erschöpft und kann zu der des Meerschweines übergehen. 3. Meerschwein. Da bei diesem Thiere die Entwickelung des Pankreas sehr rasch bis zu jenem Grade gediehen ist, von dem ab alle weiteren Veränderungen zwar in beträchtlichem Maasse die Form der 306 Konrad Helly: Drüse betreffen, die Mündung derselben aber die gleiche bleibt, die auch dem erwachsenen Thiere zukommt, so wird es nicht nöthig sein, eine grosse Zahl von Embryonen zu untersuchen. Es wird mir vielmehr möglich sein, mich auf die Beschreibung von wenigen Modellen und einige flüchtige Angaben über mehrere nicht modellierte Altersstufen zu beschränken. RB An einem Embryo von 2°/, mm und an zweien von 5 mm grösster Länge vermochte ich noch nichts von den Pankreas- anlagen zu entdecken. Als Erste von ihnen erscheint die dorsale bei einem Em- bryo, dessen grösste Länge 3!/,, mm beträgt. An demselben ist von der Lungenanlage nicht mehr zu sehen, als die längliche Rinne an der ventralen Seite des Kopfdarmes. Die Leberanlage stellt noch eine an der vorderen Darmfalte verlaufende Ausstülpung des Vorderdarmes dar, die sich äusserlich gegen den nahe gele- genen Ductus omphalo-mesentericus nicht scharf abgrenzt. Ihre Wand wird durch ein stark verdicktes Zelllager gebildet, welches der ganzen Anlage das Aussehen eines quer zur Läng- achse des Darmes gestellten Wulstes verleiht. Der Magen ist noch nicht abgegrenzt. Eine nicht scharf umschriebene Erweite- rung des Darmrohres deutet seine spätere Lage an. Der Ductus omphalo-mesentericus verlässt den median gelagerten Darm nicht weit unterhalb der Leberanlage als ziemlich weiter Gang. (regenüber der Leberanlage findet sich eine seiechte Rinne des Darmrohres, die sich cranialwärts seitlich etwas erweitert und mit einer seichten Furche an ihrem oberen Rande abgesetzt erscheint; caudalwärts geht sie ganz allmählich in den Darm über (Fig. 23). Sie deutet uns die erste Anlage der Bauch- speicheldrüse an. Lässt nun schon die genannte Furche erwarten, dass auch bei diesem Thiere die Abschnürung sich demnächst in eranio- caudaler Richtung einstellen werde, so will ich dennoch nicht verabsäumen, wieder einige Maasse aufzunehmen, welche geeignet sind, uns über diesen Punkt völlige Klarheit zu verschaffen. Da an diesem Embryo die Abschnürung von der Leber- und Pankreasanlage noch nieht begonnen hat, so kann ich na- türlich keine vollkommen genaue Messung vornehmen, sondern Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 307 muss mich damit begnügen, für die betreffenden Organe das weiteste möglicherweise geltende Ausmaass aufzunehmen. Ich erhalte demnach für die Länge der Pankreasrinne etwa 210 u, für die der Leberanlage gegen 350 u. Der Grössenunterschied zwischen beiden ist derart vertbeilt, dass Erstere von Letzterer eranial um 110 u, caudal um etwa 30 u überragt wird. Man muss demnach folgern, dass beim Meersehwein die dorsale Pankreasanlage schon bei ihrem ersten Auftreten zwar gegenüber der Leberanlage, jedoch gegen diese ein wenig cau- dal verschoben liegt, wenngleich sie sie in letzterer Richtung infolge ihrer geringeren Länge um diese Zeit noch nicht überragt. IE. Am nächsten Embryo, der eine grösste Länge von 31/, mm besitzt, hat die Abschnürung der beiden unsere Aufmerksamkeit beanspruchenden Organe schon begonnen, was uns deren Messung wesentlich erleichtert. In der Entwiekelung seiner Organe kennzeichnet sich das fortgeschrittene Alter dieses Embryos dadurch, dass an Stelle der einfachen Lungenrinne nun schon eine beiderseits vertiefte Aus- buchtung der vorderen Darmwand getreten ist. An der Leber- anlage erkennen wir bereits neben einem rechten und linken Ast die Ausbuchtung, aus welcher sich die Gallenblase entwickeln wird. Der Magen tritt durch das Ueberwiegen des geraden Durchmessers des Darmrohres über den queren hervor. An seiner Form fällt uns wieder eine nach der Fläche stattgehabte Krüm- mung auf, deren Convexität nach der linken Seite gerichtet ist. Der Darm, der beim vorigen Embryo noch durch seine seitlich abgeflachte Form ausgezeichnet war, hat sich durch Verkürzung des geraden und Vergrösserung des queren Durchmessers der kreisrunden Form bedeutend genähert. Der Ductus omphalo- mesentericus ist bereits zu einem ziemlich engen Gange geworden. Die dorsale Pankreasanlage besitzt jetzt die Gestalt eines keilförmigen Wulstes (Fig. 24) und hat eine Länge von 190 u, an ihrer Wurzel gemessen. Sie steht mit dem Darme in weit offener Verbindung, ihre Wände sind deutlich verdickt, ihre Ober- fläche zeigt eine sehr seichte dorsal gelegene Furche. Die Verbindungsstrecke zwischen Darm und Lebergang hat 308 Konrad Helly: eine Länge von 150 u, hat sich also infolge der eingetretenen Abschnürung ganz bedeutend verringert. Die unteren Ränder beider Organe liegen so ziemlich in der gleichen Entfernung von einander, wie beim Embryo I, wäh- rend ceranialwärts das Pankreas um 70 u höher hinauf reicht, als ler Lebergang. Aus diesen Maassen geht hervor, dass die Abschnürung des Letzteren mit viel grösserer Geschwindigkeit vor sich ge- gangen ist, als die des Ersteren. Ob sie sich bei beiden nur in eraniocaudaler Richtung, oder auch umgekehrt vollzogen hat, will ich noch dahin gestellt sein lassen, bis mir die Ergebnisse weiterer Messungen zur Verfügung stehen. IM. Von dem Embryo, den ich jetzt vornehmen will, habe ich wohl auch ein Modell angefertigt, dasselbe aber nicht abgebildet, da es nur unwesentliche Formenunterschiede gegenüber dem Vo- rigen aufweist, und eigentlich nur der Aufnahme der Maasse dienen sollte. Der Embryo hat eine grösste Länge von 3,9 mm und ist dem früheren nur sehr wenig in der Entwiekelung voraus. So haben zum Beispiel die seitlichen Ausbuchtungen der Lungenan- lage zwar an Tiefe etwas zugenommen; es ist aber noch nicht zur Bildung eigentlicher Lungenschläuche gekommen. Ich will mich daher bei der Beschreibung der übrigen Or- gane nicht aufhalten, sondern gleich zur dorsalen Pankreasanlage übergehen. Deren Grösse hat sich fast gar nieht geändert, da sie knapp 190 u beträgt. Einen etwas merklicheren, wenn auch nicht sehr grossen Unterschied zeigt die Mündung des Leberganges, die um 10 u abgenommen hat, und also 140 u beträgt. Da der Abstand zwischen ihrem eaudalen Rande und dem des Pankreas ebenfalls um 10 u kleiner geworden ist — er misst nur mehr 20 u — so können wir diese Verringerung wohl auf Rechnung der beginnen- den Abschnürung der Gallenblase setzen. Die Folge des ganzen Vorganges ist aber, dass die caudale Verschiebung der Leberan- lage gegenüber der Pankreasanlage zugenommen hat. Keinesfalls ist aber diese Verschiebung einseitig auf Kosten der dorsalen Darmwand erfolgt, Zur Pankreasentwickeluug der Säugethiere, 309 IV. Der nächste Embryo, mit dem ich mich befassen werde, hat eine grösste Länge von 4 mm. Zwischen ihm und dem vor- hergehenden liegen drei andere von der gleichen Länge. Ich übergehe sie, weil sie nichts Neues darbieten, was der Beschrei- bung werth wäre. Bei dem hier zur näheren Schilderung seiner Pankreas- anlagen ausgewählten Embryo vermag man an der Lungenanlage bereits die primitiven Lungenschläuche zu sehen. An der Leber hat die Bildung der in die Venae ompbalo-mesentericae hinein- ragenden Zellstränge vor kurzem begonnen, und die Abschnürung der Gallenblase weitere Fortschritte gemacht. Magen und Darm liegen nicht mehr median, sondern sind etwas nach links ver- schoben. Die Mündung des Ductus omphalo-mesentericus in den letzteren hat sich bedeutend caudalwärts verschoben. Die dorsale Anlage (Fig. 25, 26), welche noch immer die seichte Längsfurche erkennen lässt, hat, an ihrer Darmmündung gemessen, eine Höhe von 140 u. Ihr oberer Rand liegt nur mehr um 20 u höher, als der des Leberganges, welcher eine Höhe von 110 u hat, ihr unterer dagegen um 10 u tiefer, als der des Ersteren. Es ist also neuerlich die Pankreasanlage mit ihrem erania- len Rande etwas tiefer, die Leberanlage etwas höher gerückt. Während wir Letzteres auf die fortschreitende Abschnürung der Gallenblase zurückführen können, müssen wir für Ersteres wohl eine fortgesetzte ceraniocaudale Abschnürung des Pankreas annehmen. Für diese spricht auch die Form des Winkels, den dasselbe mit dem Darme eranialwärts einschliesst, sowie der Um- stand, dass wir diesen Winkel schon am jüngsten Embryo, der eine dorsale Pankreasanlage hatte, in Form der oben beschrie- benen seichten Furche angedeutet sahen. Allerdings zeigt sich eaudalwärts nach und nach ebenfalls ein Einschnitt zwischen Darm und Pankreas; doch erklärt sich derselbe ungezwungen aus dem in gleicher Richtung sich ein stellenden Längenwachsthume des Endstückes der Drüsenanlage, welches, wie sich messungsweise leicht feststellen lässt, thatsäch- lich statttindet. Richten wir jetzt unseren Blick noch einmal auf den Leber- gang, so schen wir an dessen beiden Seitenwänden rechts und 310 Konrad Helly: links wieder je eine kleine Epithelverdiekung als Ausdruck der uns wohlbekannten ventralen Pankreasanlagen (Fig. 25, 26). Auch bei diesem Thiere sitzen sie unmittelbar vor der Mündung des genannten Ganges in das primitive Duodenum. Sie sind gegen ihre Umgebung deutlich abgegrenzt und stehen in gar keiner als Verwachsung zu deutenden Beziehung mit einander. V. Der folgende Embryo hat eine grösste Länge von 4!/, mm. Die primitiven Lungenschläuche sind zwar etwas in die Länge gewachsen, aber die Abschnürung der Lunge vom Schlunddarme hat noch nicht begonnen. Der Magen hat sich mit seinem ge- raden Durchmesser bereits in einen spitzen Winkel zur Median- ebene gestellt, womit seine Drehung eingeleitet ist. Der Duetus omphalo-mesentericus ist obliteriert und bildet nur mehr einen kurzen Anhang des Darmrohres. An der dorsalen Pankreasanlage ist die Längsfurche eben im Verstreichen begriffen. Die Länge ihrer Verbindungsstrecke mit dem Darme beträgt 120 u und überragt die des Leberganges, welche 100 u misst, caudalwärts um 20 u, eranialwärts dagegen gar nicht mehr. Was uns an dem Embryo sofort auffällt, ist, dass wir nicht mehr im Stande sind, die beim Vorigen soeben aufgetretenen ven- tralen Pankreasanlagen wiederzufinden. Wohl sehe ich an jeder Seite des Leberganges und der Gallenblase einige sehr undeutliche Unebenheiten der Oberfläche; ich trage aber lebhafte Bedenken da- gegen, irgendwelche von ihnen für die gesuchten Anlagen zu halten (Fig. 27, 28). Ich neige vielmehr zu der Ansicht hin, dass sie ebenso rasch, als sie erschienen sind, sich auch schon wieder zurückge- bildet haben. Um aber keinen Zweifel hierüber aufkommen zu lassen, will ich noch einen älteren Embryo untersuchen. AR Ich komme zum letzten Meerschweinembryo, von dem ich noch ein Modell angefertigt habe. Derselbe besitzt eine grösste Länge von 4'/, mm. Seine Entwickelungsstufe kennzeichnet sich dadurch, dass nun die Abschnürung der Lungenanlage schon be- gonnen hat, sodass man eine ganz kurze Luftröhre zu erkennen Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 311 vermag. Die Entwickelung des Leberzellengerüstes hat merkliche Fortschritte gemacht und die Gallenblase sich durch ihre fort- gesetzte Abschnürung soweit vom Darme entfernt, dass man be- reits einen deutlichen Ductus choledochus unterscheiden kann. Die schräge Stellung des Magens gegen die Medianebene hat sich verstärkt; die Schenkel der Nabelschleife verlaufen noch ungewunden. An der dorsalen Pankreasanlage ist die Längsfurche gänz- lich verschwunden. Weiter sieht man schon deutlich ein zwischen Drüsenkörper und Darm gelegenes, besonders verschmälertes Stück, das den künftigen Ausführungsgang vorstellt (Fig. 29). Die Anlage liegt als ganze jetzt schon sichtlich tiefer, als die Mün- dung des Ductus choledochus. Eine kurze Messung überzeugt uns aber sofort davon, dass ihr Hinabrücken noch keine Folge eines, etwa an dieser Stelle eingetretenen Längenwachsthumes des Duodenums ist. Denn der Abstand des unteren Randes des Duetus Santorini von dem oberen des Duetus choledochus beträgt 90 u, von dem unteren hingegen 20 u, was ebensoviel ist, als die Entfernung der oberen Ränder beider Gänge von einander. Trotz- dem sich also die Gesammtlänge des in Betracht kommenden Darmtheiles von 120 u bei dem früheren Embryo auf 90 u bei diesem verringert hat, liegt doch der Pankreasgang mit seinem oberen Rande gegenüber dem Lebergange jetzt tiefer, als es früher der Fall war. Er muss sich daher neuerdings in eranio- caudaler Richtung abgeschnürt haben. Ich füge hier zur Erinnerung ein, dass ich bei allen meinen Messungen zur Entscheidung, welcher von zwei Punkten des Darmes der craniale, mithin höher gelegene sei, so vorging, dass ich nicht die Längsaxe des Embryos, sondern die des Darm- rohres als Riehtungslinie betrachtete. Hingegen sind in den bei- gegebenen Abbildungen die Modelle häufig ungefähr so gestellt, wie die Lage der durch sie dargestellten Organe im Embryo ist, wenn derselbe senkrecht zur grössten Längenaxe geschnitten ist. Auch bei diesem Embryo vermag ich nirgends mehr eine Spur der ventralen Anlagen zu entdecken. Ebensowenig ist mir das bei einer Reihe älterer Embryonen gelungen, die ich noch daraufhin untersucht habe. Da auch beim erwachsenen Thiere in der Nähe des Ductus choledochus nirgends Pankreasdrüsen- läppehen zu sehen sind, die an ihn heranreichten, so haben wir Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 1 312 Konrad Helly: hier thatsächlich ein Säugethier vor uns, bei dem die ventralen Pankreasanlagen zwar vorübergehend auftreten, jedoch sofort wieder vollständig verschwinden; ein auf jeden Fall sehr merk- würdiges Verhalten. Da bei den Oyelostomen und Selachiern das Pankreas seine Entstehung nach den übereinstimmenden Untersuchungen sämmt- licher Forscher auch nur aus der dorsalen Anlage nimmt, so ist bezüglich der Pankreasentwickelung der einzige Unterschied zwi- schen jenen Thieren und dem Meerschweine der, dass bei diesem die ventralen Anlagen doch vorübergehend vorhanden sind, wäh- rend sie bei jenen überhaupt nicht zur Entwickelung gelangen sollen. Zur Morphologie der ganzen Drüse beim erwachsenen Thiere will ich noch bemerken, dass wir hierin einige Aehnlichkeit mit dem Kaninchen finden können, indem der Ductus Santorini durch ein nachträgliches Längenwachsthum des Duodenums sich um fast 5 em von dem Ductus ceholedochus entfernt, wodurch seine Mündung an das Ende des zweiten Drittels des ganzen Duode- num zu liegen kommt. Daher muss sich das dorsale Pankreas wieder in einem Gebiete ausbreiten, wo wir sonst ventrales Pan- kreas zu finden gewöhnt sind, nämlich im unteren Duodenal- gekröse. Werfen wir jetzt noch einen kurzen Blick auf den Weg, den die dorsale Pankreasanlage von dem Orte ihrer ersten Ent- stehung bis zu ihrer endlichen Mündung zurückgelegt hat, so sehen wir, dass, ähnlich wie bei der Ratte und beim Kaninchen, von Anfang an die dauernde Lage der Letzteren bereits ange- deutet war. Allerdings hatte es bei einigen Embryonen den An- schein gewonnen, als ob das Pankreas, nachdem seine Anlage zuerst — beim Embryo I — gegen den Lebergang ein wenig caudalwärts verschoben war, in entgegengesetztem Sinne gewan- dert wäre. Die vorgenommenen Messungen konnten uns aber leicht überzeugen, dass diese Wanderung nur die vorgetäuschte Folge davon war, dass die eraniocaudale Abschnürung der Leberanlage bedeutend rascher verlief, als die der Pankreasanlage. Als dann bei den älteren Embryonen die Letztere wieder nach und nach ihren eaudalen Platz gegenüber der Ersteren ein- zunehmen begann, war es auch nicht nöthig, zur Erklärung dieser zweiten Ortsveränderung eine neuerliche Wanderung jener an- zunehmen. Es genügte hierzu vielmehr wieder die fortschreitende Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 313 Abschnürung beider Anlagen, umsomehr, als das zwischen ihnen gelegene Stück des primitiven Duodenum sieh nicht nur nicht verlängerte, sondern sogar noch verkürzte. Erst nachdem sich ein Darmrohr von gewisser Länge auf solche Art hergestellt hat, beginnt dasselbe nun auch seinerseits in die Länge zu wachsen und damit eine weitere Entfernung der Mündung des Duetus Santorini von der des Duetus chole- dochus zu bewirken. . Waren meine bisherigen Untersuchungen von dem Bestreben geleitet worden, neue Aufschlüsse namentlich über die ersten Entwickelungsvorgänge an den Pankreasanlagen zu gewinnen, so ist es mir bei den noch folgenden vornehmlich darum zu thun gewesen, Vergleiche mit den von Anderen zu Tage geförderten Ergebnissen zu ziehen. Ich muss es dabei bedauern, dass es mir nicht möglich war, in den Besitz von entsprechendem Ma- teriale an Schafsembryonen zu gelangen, um auch bei diesem Säuger eine Nachuntersuchung des Verhaltens der ventralen An- lagen, sowie der Abschnürung der dorsalen Anlage vornehmen zu können. In der Reihenfolge, in der ich die noch übrigen Thiere — Katze, Schwein und Mensch — vorführe, liegt keine besondere Absicht, da sie eines inneren Zusammenhanges, wie er bei den vorigen vorhanden war, entbehren. 4. Katze. Von diesem Thiere berichtet Felix (l.e.) auf Grund seiner Untersuchungen, die er an nur zwei Embryonen ausgeführt hat, von denen der eine 9mm und der andere 11 mm lang war, dass zunächst eine ventrale und eine dorsale Anlage vorhanden seien. Bei dem zweiten Embryo hat sich aber schon „das dorsale Pan- kreas gegenüber dem ventralen bedeutend zurückgebildet“. Da er weiters bei der erwachsenen Katze nur einen mit dem Leber- gange vereint mündenden Pankreasgang vorfindet, so zieht er den Schluss, dass beim erwachsenen Thiere die Drüse nach „Lage“ und „Ausführungsgang“ dem ventralen Pankreas des Hühnchens entspreche, und dehnt diese Schlussfolgerung auch auf die meisten Säugethiere aus. Es war mir von vornherein klar, dass hier eine unrichtige 314 Konrad Helly: Beobachtung vorliegen müsse, die demnach auch zu gänzlich falschen Schlüssen geführt hat. Noch bevor ich an die Unter- suchung von Katzenembryonen ging, wusste ich schon aus zahl- reichen Präparationen am erwachsenen Thiere, dass sich immer beide Ausführungsgänge vorfinden. Um aber sicher keiner Täu- schung zu unterliegen, habe ich dieselben auch in einigen Fällen der mikroskopischen Behandlung zugeführt und an Serien mich davon überzeugt, dass beide Gänge vollkommen durchgängig sind und das Bild normaler Pankreasausführungsgänge geben, Mit diesen Beobachtungen stehe ich übrigens nicht allein da, sondern ich finde in der Litteratur beispielsweise die Angabe Schirmers (l. e.), der unter 17 Katzen bei allen beide Aus- führungsgänge nachweisen konnte. Allerdings hatte zwei Jahre vor ihm noch Stoss (28) die Bemerkung gethan: „Auch das Pankreas der Katze besitzt nur einen Ausführungsgang, den D. Wirsung.* Dagegen giebt neuestens Leche in Bronn (3) für die Katze die Anwesenheit zweier Ausführungsgänge an. Es war mir also schon aus der Anwesenheit der beiden Gänge nicht wahrscheinlich erschienen, dass sich die dorsale Anlage zurückgebildet haben sollte. Noch viel weniger aber ver- mochte ich bei der Betrachtung der Form und eben auch der „Lage“ der Drüse, mich dieser Ansicht anzuschliessen. Denn wenn auch von den beiden grossen Zipfeln des Organes der un- tere dem Duodenum nach abwärts folgt, mithin seine Ab- kunft aus der ventralen Anlage höchst wahrscheimlich erscheinen lässt, so ruft andererseits der Anblick des oberen, sich unter und hinter den Magen erstreckenden Zipfels sofort den Gedanken wach, dass er wohl der dorsalen Anlage entstammen dürfte, umsomehr, als er dem anderen an Masse entschieden überlegen ist. Nun wissen wir aber von allen bisher untersuchten Thieren, dass diese, wenn nicht die ganze spätere Drüse, so doch immer den grösseren Theil derselben liefert. Ich kann daher mit Rücksicht auf die von mir an Katzen- embryonen beobachteten Verhältnisse nicht umhin, der Vermu- thung Ausdruck zu geben, dass es sich in der bezüglichen Arbeit von Felix vielleicht nur um eine unglücklich gewählte und des- halb missverständliche Ausdrucksweise handelt, indem nicht die Lage des ganzen Pankreas, sondern nur die seines Ausführungs- ganges gemeint war. Da aber Felix am erwachsenen Thiere Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 315 nur den Duetus Wirsungianus zu finden vermochte, der sich als soleher durch seine gemeinschaftliche Mündung mit dem Leber- gange zu erkennen gibt, wäre es wohl leicht erklärlich, wie er dazu kam, die oben erwähnte Schlussfolgerung zu ziehen. Um mir nun die riehtige Deutung des zweiten Ausführungs- ganges in einwandsfreier Weise zu ermöglichen, habe ich drei Junge Embryonen in Serien geschnitten und einige ältere mit Hilfe der Loupe untersucht. Die drei Ersteren besitzen eine Länge von 4, 5 und 10 mm; ich will sie der kürzeren Ausdrucks- weise halber in gleicher Reihenfolge mit I, II und III bezeichnen. Embryo I besitzt noch beide ventralen Anlagen in Form kleiner Epithelsprossen, welche den Seitenwänden des Ductus choledochus kurz vor dessen Mündung in den Darm anhaften. Die rechte der beiden Anlagen ist deutlich stärker ausgebildet als die linke; eine Verwachsung zwischen beiden vermag ich nicht nachzuweisen. Die dorsale Anlage besitzt eine deutlich in den Darm sich öffnende Lichtung und reicht in ansehnlicher Ausdehnung bis hinter jene quere Anastomose beider Dottervenen, welche später- hin die aus ihnen stattfindende Entstehung der Pfortader ver- mittelt. Ihre Mündung liegt eaudal von der des Leberganges. Am Embryo II finde ich nur mehr eine ventrale Anlage, welehe von dem Duetus choledochus abgeht, an der rechten Seite des Duodenum liegt und sich weiterhin dem medialen und vorderen Rande der künftigen Pfortader anschliesst. Die dorsale Anlage ist stark gewachsen und schliesst sich dem hinteren Umfange des genannten Gefässes an. Sie mündet, wie früher, caudal von dem Ductus choledochus. Da sie in dieser Lage auch bei allen anderen Embryonen angetroffen wird, so erklärt es sich leicht, warum beim erwachsenen Thiere dasselbe Verhältnis besteht. Welches Schicksal der zweiten ventralen Pankreasanlage widerfuhr, vermag ich nicht zu entscheiden, da mir die Zwischen- stufen fehlen, die nöthig wären, diese Frage zu verfolgen. Ich muss mich damit begnügen, festzustellen, dass die hier vorhan- dene Anlage ihrer Lage nach wohl sicher auf die rechte zurück- zuführen, ist während die linke bereits fehlt. Ich könnte mich wohl versucht fühlen, ihr Verschwinden mit einer Rückbildung in Zusammenhang zu bringen, wie sie bei den früher beschrie- 316 Konrad Helly: benen Thieren stattfindet. Ich thue dies aber nicht, weil es doch immerhin möglich wäre, dass eine Verwachsung mit der rechten stattgefunden habe, wenngleich ich deren Zustandekom- men in so früher Zeit aus noch später zu erörternden Gründen nicht für wahrscheinlich halte. Denn wir schen in der Entwicke- lung des Pankreas nicht nur bei den verschiedenen Thiertypen, sondern auch innerhalb derselben Species so viele Mamnigfaltig- keiten, dass es meiner Ansicht nach nicht angeht, ganz unbe- denklich von einem Thiere auf ein anderes zu schliessen. Embryo III zeigt endlich, dass die weitere Entwickelung der beiden noch vorhandenen Anlagen in gleichem Sinne erfolgt, wie bisher. Die Verwachsung zwischen Beiden ist noch nicht eingetreten, wohl aber sind sie einander an dem vorderen Um- fange der Pfortader fast bis zur Berührung genähert. Ihre Ver- einigung bahnt sich unter einem ähnlichen histologischen Bilde an, wie die der Ratte, nur mit dem Unterschiede, dass die An- lagen schon weiter entwickelt sind, wie dort, und daher bereits grössere Gänge und Alveolen zeigen. Infolge dessen besitzen denn auch schon die einander entgegenwachsenden Drüsensprossen eine Lichtung, was die Bildung einer durchgängigen Anastomose wohl wesentlich beschleunigen mag. Von einer Rückbildung der dorsalen Anlage ist nicht die mindeste Spur zu bemerken; auch ihr Ausführungsgang besitzt eine vollkommen durchgängige, entsprechend weite Lichtung. Wäre bei einem Embryo von Il mm das dorsale Pankreas wirk- lieh, wie Felix beschrieb, schon „bedeutend zurückgebildet“, dann müsste doch bei einem 10 mm langen wenigstens eine An- deutung hiervon bereits zu sehen sein. Statt dessen finde ich eine nach allen Riehtungen hin in bester Entwickelung begriffene Drüsenanlage vor. Ich kann also, namentlich in Ansehung der Befunde an den noch älteren untersuchten Embryonen, wohl behaupten, dass bei der Katze genau so, wie bei allen anderen Wirbelthieren, die dorsale Anlage während ihrer ganzen Entwickelungszeit das Ueber- gewicht über die ventrale besitzt, und beim erwachsenen Thiere sowohl als mächtiger Theil der ganzen Drüse, wie auch durch ihren zeitlebens erhalten bleibenden Ausführungsgang nachge- wiesen werden kann. Ich habe damit den Zweck erreicht, den ich bei der Unter- Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 317 suchung dieses Thieres vor Augen hatte, und will mich nun dem Schweine zuwenden. 5. Sehwein. Die Kenntnisse, welche wir über die Pankreasentwickelung dieses Thieres besitzen, stammen aus der Untersuchung, welche Wlassow (l.e.) hierüber geführt hat. Das Ergebniss derselben gipfelt darin, dass die dorsale Anlage zweilappig sei, und zwar schon an dem jüngsten von ihm untersuchten Embryo, welcher eine Länge von 8Smm hat. Bei demselben ist auch die ventrale Anlage zweilappig; doch ist er nicht im Stande anzugeben, ob dieselbe von Anbeginn ihrer Entstehung an einfach war, oder ob sie aus zwei ursprünglich getrennten Anlagen hervorgegangen ist. Es geht also daraus hervor, dass er zum mindesten die Zweilappigkeit für den anfänglichen Zustand dieser Anlage an- sieht, die Möglichkeit einer ausgesprochenen Paarigkeit aber Angaben keinesfalls ausschliesst. Mir stieg alsbald die Vermuthung auf, dass Wlassow es, mit Rücksicht auf die ersten Entwickelungsstufen des Pankreas, mit viel zu alten Embryonen zu thun gehabt habe, und da mir ein Schweineembryo von 8 mm grösster Länge zur Verfügung stand, beschloss ich, mich von der Richtigkeit der betreffenden Angaben zu überzeugen. Nun lässt ein Blick auf das Präparat sofort erkennen, dass die erste Anlage der Drüse schon längst vorüber ist. Man er- kennt in beiden Pankreasanlagen bereits sehr deutlich die Zeichen der beginnenden centralen Aufhellung der künftigen Gänge und Alveolen. Dies, sowie die reichliche Sprossenbildung, weisen dar- auf hin, dass sowohl am dorsalen, wie am ventralen Pankreas die beobachtete Zweilappung wohl kaum mehr die Folge einer von allem Anfange an vorhanden gewesenen Paarigkeit sein dürfte. An der dorsalen Anlage ist sie auszuschliessen, wenn man die an den drei Nagern beschriebenen Verhältnisse in Vergleich zieht, bei denen sich deutlich gezeigt hat, dass die Zweilappig- keit der genannten Anlage nur ein vorübergehender Zustand ist, der obendrein erst einige Zeit, nachdem diese aufgetreten ist, erscheint. An der ventralen aber bin ich ebenfalls geneigt, die dop- 318 Konrad Helly: pelte Lappung nur für eine Wachsthumserscheinung zu halten, solange nicht der unumstössliche Beweis geliefert worden ist, dass bei den Säugethieren die Verwachsung der rechten und linken ventralen Anlage als Grundtypus gelten könne. Bis jetzt aber beschränken sich fast alle Angaben, die hierüber gemacht wurden, darauf, aus der Anwesenheit einer einzigen Anlage, nachdem zu einem früheren Zeitpunkte zwei vorhanden waren, die stattgefundene Vereinigung beider zu folgern. Ich behalte mir übrigens für die Schlussbetraehtungen vor, auf diese Frage unter Zusammenfassung dessen, was hierüber bekannt ist, zurückzukommen, und will mich damit begnügen, beim Schweine festgestellt zu haben, dass ein Embryo von 8 mm schon eine so weitgehende Ausbildung der Pankreasanlagen zeigt, dass es kaum möglich ist, aus ihrer Form einen Rückschluss auf deren erste Entwickelungsstufen zu ziehen. Ich halte es viel- mehr für nöthig, zu diesem Zwecke Embryonen zu verwenden, deren Grösse zwischen 2!/, mm und 5 mm gelegen ist. Wenigstens lassen alle bisher veröffentlichten Arbeiten ersehen, dass bei den verschiedenen Säugethieren die Pankreasanlagen älterer Em- bryonen über ihre erste Entwickelung schon hinaus gediehen sind. 6. Mensch. Ich komme nun zum letzten Säuger, dessen Pankreasan- lagen auf einer verhältnissmässig frühen Entwiekelungsstufe zu untersuchen mir möglich wurde. Das mir vorliegende Präparat betrifft jenen menschlichen Embryo Rabl’s, dessen ich schon Ein- gangs bei der Mittheilung des untersuchten Materiales gedachte. Derselbe besitzt, über die Krümmung gemessen, eine Steiss- Scheitellänge von 11 mm und entspricht in der Entwickelung seiner Organe etwa dem His’schen Embryo von 7!/, mm grösster Länge [His (12): zwischen No. 8 und No. 9], sodass ich glaube, auf die weitere Beschreibung verzichten zu können. Ich will mich vielmehr gleich den Pankreasanlagen zuwenden. Gegenüber vom Ducetus choledochus finden wir an einer etwas höher gelegenen Stelle des Duodenum den Abgang der dorsalen Anlage. Dieselbe hat eine annähernd rechtwinkelig ab- geknickte Form (Fig. 30). Ihre Verbindungsstreeke mit dem Darme hat eine Länge von 110 u. Der Körper der Drüse ist im geraden Durchmesser schmäler als im queren und erscheint daher Zur Pankreasentwiekelung der Säugethiere. 319 flach. Oberflächlich bemerkt man mehrere kleinere Uneben- heiten, welche mit der Bildung neuer Sprossen im Zusammen- hange stehen. Die Letzteren zeigen im Innern bereits die be- kannte centrale Aufhellung und vielfach auch schon Lichtungen. Die Anlage mündet vermittelst eines engen Ganges in das Duodenum. An dessen linker Seite fällt uns aber eine epitheliale Wucherung auf, die genau im Winkel liegt, welchen der Gang mit dem Darme einschliesst (Fig. 32). Innerhalb dieser Wuche- rung, die sich als eine dem Duetus Santorini aufsitzende und bis auf das Darmepithel hinübergreifende Pankreasknospe er- kennen lässt, sehen wir ebenfalls bereits deutlich eine sehr kleine Lichtung. Der abgeknickte Theil der Anlage liegt der dorsalen Wand der späteren Pfortader an; ihr Abgang vom Darme erfolgt unter einem caudalwärts sehr spitzen Winkel. Wir sehen also an der dorsalen Pankreasanlage dieses menschlichen Embryos Erscheinungen, die wir bei keinem der früheren Thiere in ähnlicher Form beobachten konnten. Was zunächst die Abknickung anlangt, so muss ich bekennen, dass ich mangels jüngerer Embryonen nicht imstande bin, eine aus- reichende Erklärung hiefür zu finden, wenn ich auch glaube, dass diese Form auf nachträglich während des Wachsthumes ein- getretene Verschiebungen der betheiligten Organe gegen einander zurückzuführen sein dürfte. Im Zusammenhange mit der Schwierig- keit, welche die Erklärung der Form in sich birgt, muss ich mich auch eines Urtheiles darüber enthalten, wie es zur Bildung des erwähnten spitzen Winkels kam. Es ist mir aus dem gleichen Grunde auch unmöglich, eine stichhaltige Ansicht über den Ab- schnürungsvorgang zu bieten, der hier in früherer Zeit stattge- funden haben musste. Die dritte Eigenthümlichkeit endlich, die wir noch sehen, ist durch die Pankreasknospe gegeben, welche auf der linken Seite im Winkel zwischen Ductus Santorini und Darmrohr ge- legen ist. Für ihre sonderbare Lage gibt es zwei Erklärungs- möglichkeiten; entweder stammt sie noch von der primitiven Pankreasausstülpung der Darmwand, indem sie sich aus dem verdickten Epithel derselben durch centrale Aufstellung gebildet hat, oder sie stellt eine spätere Wucherung derselben dar. Wie dem auch sei, so bietet sie mir doch jedenfalls eine erwünschte 320 Konrad Helly: Ergänzung jener Reihe von Embryonen, die ich vor kurzem zu- sammengestellt habe (11), um zu ermitteln, welchen Ursprunges das in der Papilla minor des erwachsenen Menschen vorkommende Pankreasdrüsengewebe sei. Sie zeigt eben, dass die Anlage dieses Gewebes schon in eine Zeit zurückreicht, in der von einer Anlage der Muscularis des Darmes noch nichts zu sehen ist. Da sie aber bis auf das Epithel des letzteren hinübergreift, ist es vollständig erklärlich, wie es kommt, dass sie bei ihrer folgenden Abschnürung von demselben doch nicht aus dem Bereiche der späte- ren Submucosa herauskommt. Denn dieser Vorgang vollzieht sich, wie ich an genannter Stelle gezeigt habe, erst nachdem die An- lage der Muscularis schon vorhanden ist, und dem weiteren Ab- rücken der Knospe von dem Darmepithel Halt gebietet. Nicht minder bemerkbar, wie die dorsalen Anlagen sind (die gleichfalls schon vorhandenen ventralen. Sie zweigen vom Duetus choledochus etwa 20 u vor dessen Einmündung in das Duodenum ab, welche ihrerseits wieder um 30 u tiefer liegt, als die des Duetus Santorini (Fig. 30). Die rechte ist grösser, als die linke; an ihrer Mündung in den Gallengang greifen ihre Zellen auch auf dessen ventralen Umfang über (Fig. 31). Eine that- sächliche Verwachsung mit der linken Anlage vermag ich aber nicht zu sehen; es ist vielmehr zwischen Beiden noch eine kurze Strecke der Choledochuswand zu unterscheiden, welche in ihrer Dieke den übrigen sicher von Pankreasbildungszellen freien Stellen desselben vollkommen gleich ist. Auch am Modelle kommt die Unabhängigkeit der beiden ventralen Anlagen von einander mit genügender Deutlichkeit zur Geltung. In der äusseren Form zeigen beide insofern eine gewisse Aehnlichkeit, als jede etwas platt gedrückt ist und mehrfache Unebenheiten der Oberfläche besitzt. Im mikroskopischen Bilde ergeben sich aber bedeutende Unterschiede zwischen ihnen. Wäh- rend nämlich die rechte Anlage sich als im vollen Wachsthume begriffen zu erkennen gibt, ihr breiter Ausführungsgang eine deutliche Lichtung zeigt, desgleichen auch die beginnende Alveo- lenbildung unverkennbar hervortritt, sieht man, dass die Zellen der linken Anlage viel kleiner und die Grenzen derselben viel- fach undeutlich sind. Von dem Rande der Anlage her wachsen stark erweiterte Capillargefässe in sie hinein und erzeugen die am Modelle früher sichtbar gewesenen Einschnitte ihrer Ober- Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 321 fläche. Zwischen den Drüsenzellen sammeln sich auch vielfach mesodermale Zellen an und verdrängen die Ersteren. Die Ver- bindung mit dem Ductus choledochus findet nicht, wie an der rechten Anlage durch einen durchgängigen Gang statt, sondern nur durch eine solide, bloss über wenige Schnitte zu verfolgende Zellschichte. Auch sonst sieht man nirgends deutliche Lichtungen. Wir haben mit einem Worte das ausgesprochene Bild einer in vollster Rückbildung begriffenen Drüsenanlage vor uns. Dieser Befund ist aus mehreren Gründen von nicht zu unterschätzender Bedeutung; denn vor allem wird dureh ihn die Lücke ausgefüllt, die bisher zwischen jenen Beobachtungen be- stand, welche von zwei ventralen Pankreasanlagen des Menschen Nachricht gaben, und jenen, welche nur eine nachweisen konnten. Es ist eben kaum anders zu erwarten, als dass bei Embryonen, welche kaum älter als vier Wochen sind, die linke Anlage be- reits ganz verschwunden und daher nicht mehr auffindbar ist. Daher konnten denn auch Jankelowitz und v. Brunns sie sehen, die anderen aber nicht. Doch kann ich mir nicht versagen, die von dem Ersteren als solche beschriebenen ventralen Pankreasanlagen einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen. Die Beschreibung ist in zwei, theil- weise verschiedenen Abfassungen erschienen, doch nur die eine von ihnen (14) mit Zeichnungen versehen. Aus diesen geht aber mit vollster Deutlichkeit hervor, dass der grösste Theil des als Pankreasanlagen beschriebenen Gewebes anf Rechnung der Gallen- blasenanlage zu setzen ist. Denn abgesehen davon, dass es bei der überwiegenden Grösse, welche die dorsale Anlage immer über die ventrale, namentlich aber zur Zeit ihres Auftretens besitzt, ganz unwahrscheinlich ist, dass man die Letztere über 20 Schnitte verfolgen könne, während die Erstere nur auf 22 Schnitten zu sehen ist, so fehlt mir vollständig der Hinweis auf die Gallen- blase, welche ja schon vorhanden sein muss, nachdem sie sich doch, zeitlich, vor dem ventralen Pankreas anlegt. Wohl aber sehe ich auf den Abbildungen eine bedeutende Erweiterung der Lichtung des Gallenganges, welche ebenso, wie die dadurch be- dingten, für die Pankreasanlagen gehaltenen Ausbuchtungen seiner Wände, nach allem, was wir bisher über die Entwickelung der Gallenblase wissen, nur dieses Organ darstellen kann. Ebenso neige ich vielmehr dazu hin, die als Pankreasgänge bezeichneten 322 Konrad Helly: Lichtungen mit jenen histogenetischen Vorgängen in Zusammen- hang zu bringen, welche sich um diese Zeit an der Gallenblasen- anlage beobachten lassen, und die mit der Bildung soleher Lich- tungen Hand in Hand gehen. Namentlich Fig. 8 bestärkt mich in dieser Deutung, da hier die rechte Anlage vollständig solide gezeichnet ist. Weiters muss ich gestehen, dass es mir nicht verständlich ist, wie es dem Autor möglich war, in dem etwas gleichmässigen Zellenlager die, allerdings nur dureh punktirte Linien angedeuteten, Grenzen der angeblichen Pankreasanlagen zu finden. Mir will vielmehr scheinen, dass dieselben, wofern sie überhaupt schon vorhanden sind, nur auf den letzten zur Ansicht gebrachten Ab- bildungen zu sehen sind. Einer ebenfalls hierher gehörigen Angabe muss ich noch gedenken, die von Felix (l. e.) gemacht wurde. Derselbe beschreibt an dem menschlichen Embryo H. M. 2, der eine Länge von 8 mm hat, eine ventrale Anlage, die auf die caudale Gallen- gangswand hinübergreift, und an der er eine Zweitheilung deut- lich wahrnehmen will. Er verwerthet diesen Befund im Sinne eines letzten Restes einer linken ventralen Anlage, was mit der bereits eingeleiteten Rückbildung an dem von mir beschriebenen Embryo ganz gut übereinzustimmen schiene, wenn nicht in der Formbeschreibung dieses angeblichen Restes einige Purkte ent- halten wären, die mich vermuthen lassen, dass überhaupt keine linke Anlage mehr vorhanden war. Zunächst zeigt ja der Rabl’sche Embryo gleichfalls das Hinübergreifen der rechten Anlage auf den caudalen, oder, was dasselbe ist, ventralen Umfang des Ductus choledochus. Wir sehen aber, dass von dieser Stelle vollkommen getrennt, die linke Anlage ihrerseits mit dem Gallengange zusammenhängt. Was jedoch die Zweitheilung betrifft, bezüglich deren Felix auf die von ihm gegebene Abbildung in Fig. 12 verweist, muss ich sagen, dass ich nicht vermag, sie aus derselben zu entnehmen. Ich sehe wohl auch einen soliden Theil der Anlage und weiter nach rechts eine Lichtung in derselben, erkenne aber hierin sofort die Aehnlichkeit mit der von mir in Fig. 31 gegebenen Abbildung wieder. Der solide Theil stellt nichts anderes dar, als jenen Bestandtheil der rechten Anlage, welehe zwischen ihrem Aus- führungsgange und dem Ductus choledochus liegt. Dass aber die Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 323 Lichtung des Ersteren so deutlich nach rechts verschoben ist, findet seinen Grund darin, dass sie von der des Letzteren sich eben schon ein beträchtliches Stück entfernt hat und daher bei der eingehaltenen Schnittrichtung nicht mehr in die Mitte der Pankreasanlage fallen kann. An dieser Stelle muss ich eines Umstandes gedenken, der schon in mehreren Fällen Irrthümer verursacht hat; das ist das Vorkommen von Varietäten an Embryonen, die, weil man die normalen Verhältnisse noch nicht genügend kannte, für die Letz- teren gehalten wurden. So beschreibt Hamburger (l.e.) an einem vierwöchentlichen menschlichen Embryo die Entstehung des ventralen Pankreas mit den Worten: „ihm (dem D. ch.) gegen- über liegt eine kleine, keulenförmige Drüsenanlage — das eine Pankreas —“, und schliesst weiterhin daraus, dass er bei einem fünfwöchentlichen Embryo die ventrale Anlage mit dem Gallen- gange vereinigt findet, dass diese Vereinigung erst nachträglich stattfinde. Ich glaube, dass man unbedenklich annehmen kann, dass der erstgenannte Embryo, die Richtigkeit der Beobachtung vorausgesetzt, eine Varietät darstellt. Wlassow (l. e.) hingegen, der bei einem 10,5 mm langen menschlichen Embryo nur die dorsale Anlage fand, nimmt auf die Möglichkeit einer Varietät Rücksicht, indem er eine vermuth- lich vorliegende „anormale Entwickelung“ annimmt. Ich habe eingangs eine Reihe von Fragen hervorgehoben, deren Lösung noch nicht in befriedigender Weise gelungen ist, und will nun versuchen dieselben einzeln zu beantworten. Zunächst können wir mit vollkommener Sicherheit die Mög- lichkeit ausschliessen, dass zwischen dorsaler Pankreasanlage und Lebergangsmündung ein wirklicher Platzwechsel im Verlaufe ihrer Entwickelung eintrete. Bei allen untersuchten Embryonen haben wir gesehen, dass die spätere Mündungsstelle des Duetus Santo- rini, ob sie nun erhalten bleibt oder nicht, von allem Anfange an durch die Lage der primitiven Pankreasrinne oder -ausbuchtung — jeder der beiden Ausdrücke hat seine Berechtigung — ange- deutet ist. Selbst beim Meerschwein, wo durch die eintretenden Abschnürungsvorgänge zeitweise eine scheinbare Verschiebung der genannten beiden Mündungen gegeneinander stattfindet, stellt sich bald wieder der ursprüngliche Zustand ein, und zwar wieder 324 Konrad Helly: infolge fortgesetzter Abschnürungen, nieht aber dureh thatsächliehe Verschiedenheiten im Längenwachsthume der einzelnen Darmwand- abschnitte. Im scheinbaren Widerspruche zu diesem Befunde stehen nur jene, bei Besprechung der Litteratur angeführten Angaben einzelner Forscher, welche die dorsale Pankreasanlage des Menschen caudal vom Ductus choledochus entstehen liessen. Da wir aber von sicheren Fällen wissen, in denen der Duetus Santorini beim Erwachsenen ebenfalls caudal von dem Gallengange mündete, und diese Fälle als Varietäten betrachten, so ist gar kein Grund vorhanden, die genannten embryonalen Fälle als den ursprüng- lichen Zustand anzusehen, wie es Charpy thun wollte, sondern wir können sie ohne weiteres als Varietäten ansehen. Es wäre nur noch die Frage zu beantworten, wie man sich ihr Zustandekommen zu erklären hätte. Die Antwort ist nicht so schwer zu geben, wenn wir uns an die bei den Nagethieren beschriebenen Verhältnisse erinnern. Bei allen Dreien sahen wir, dass die erste Anlage des dorsalen Pankreas gegenüber von dem Lebergange liegt. Während aber beim Kaninchen und beim Meerschwein eine geringe Verschiebung ihres ceranialen Randes in caudalem Sinne nachzuweisen ist, war dies bei der Ratte nicht der Fall. Wenn man nun weiter die Grösse der genannten Ver- schiebung in’s Auge fasst, so erkennt man, dass es durchaus keiner ‚besonders grossen Anomalien des Entwickelungsganges bedarf, um sie von allem Anfange an, oder erst späterhin in irgend einem Sinne, sogar auch im entgegengesetzten, zu verändern. Ich verweise beispielsweise auf die beim Rattenembryo III gegebene Varietät. Gegen v. Brunn’s Versuch, eine Wanderung eines beider Gänge anzunehmen, spricht aber ebenso, wie gegen Charpys „inversion embryonnaire“ eine rein physikalische Erwägung. Diese Wanderung könnte doch nur, wie schon bemerkt, durch ungleich- mässiges Wachsthum einzelner Theile der Darmwand bewirkt werden. Diese müssten aber folgerichtig eine Krümmung des Duodenums nach sich ziehen. Nun sehen wir von einer derar- tigen Krümmung noch lange nichts, während die künftige Lage der Gänge schon ausgeprägt ist. Diese Wanderung aber dadurch erklären zu wollen, dass man an eine thatsächliche Ortsverände- rung derselben innerhalb der Darmwand dächte, ist, abgesehen davon, dass für dieselbe kein einziger zureichender Grund anzu- Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 325 fübren wäre, so unwahrscheinlich, dass man diesen Gedanken wohl alsogleich wieder fallen lassen kann. Die dorsale Anlage ist ferner in allen Fällen, wo wir wirk- lich ihre erste Entwiekelungsstufe zu sehen bekamen, vollkommen unpaarig und hat die Gestalt einer rinnenförmigen Ausbuchtung der dorsalen Darmfalte. Die zu verschiedenen Zeiten der späteren Entwickelung auftretende und, wie wir gesehen haben, wieder vorübergehende Zweilappung des Organes ist nur — und hierin stimme ich mit Choronshitzky vollkommen überein — „als eine früh angedeutete Verzweigung der Bauchspeicheldrüse zu betrachten“, kann aber keinesfalls im Sinne einer primären Paarigkeit oder auch nur Zweilappung der dorsalen Aniage ver- werthet werde. Ich komme zu jener Frage, die sich mit der Richtung des Abschnürungsvorganges an der dorsalen Pankreasanlage befasst. Bevor ich an die Lösung derselben gehe, halte ich es für nöthig, zuerst eine Feststellung des Begriffes vorzunehmen, der mit dem Worte Abschnürung bezeichnet werden soll. Als solche verstehe ich jenen Vorgang, durch den die Haftlinie, die zwei Organe mit einander verbindet, im Laufe der fortschreitenden Entwiekelung kleiner wird. Nun ist es klar, dass dies Kleiner- werden im allgemeinen unter der Erscheinung einer Furche vor sich gehen wird, welche sich dort einstellen muss, von wo aus die Absehnürung beginnt. Es ist aber auch klar, dass nicht jede auftretende Furche der Ausdruck einer vor sich gehenden Ab- schnürung sein muss, da sie ja auch durch das Wachsthum der betreffenden Organe über ihre Haftlinie hinaus und ohne gleich- zeitige Verkleinerung derselben zustande kommen konnte. Wie erkennen wir nun, in welcher Richtung die Abschnürung stattfindet? Doch wohl nur derart, dass wir auf Grund von Messungen feststellen, ob sich die Endpunkte der betreffenden Haftlinie einander nähern, und welcher von ihnen dabei derjenige ist, der sich activ dem anderen nähert. Ich suchte meinen Zweck zu erreichen, indem ich für die Pankreas- und für die Leberan- lage die Abstände der Endpunkte ihrer Haftlinien gegeneinander aufnahm. Ich konnte so feststellen, dass die Abschnürung der Ersteren sicher in eraniocaudaler Richtung beginnt. Ich befinde mich durch dies Ergebniss im Widerspruche mit den Angaben von Stoss und von Choronshitzky. Da 326 Konrad Helly: ich keine Schafsembryonen besass, um eine Nachprüfung ihrer Angaben vorzunehmen, muss ich mich eines bestimmten Urtheils über deren Richtigkeit enthalten. Ich möchte aber kemesfalls unerwähnt lassen, dass es nicht angeht, von dem Abschnürungs- vorgange, wie er bei einem Säugethiere möglicherweise ange- nommen werden kann, verallgemeinernd auf den ganzen Typus der Säuger zu schliessen. Dies thut aber Choronchitzky und findet so den Unterschied zwischen diesen und allen anderen Wirbelthieren, bei denen ja die Abschnürung eine eraniocaudale ist. Uebrigens stellt nicht einmal Stoss in seimer ausführlichen Ar- beit die caudocraniale Abschnürung als die alleinige bei Schafen stattfindende hin, sondern nur als die zuerst eintretende; bald nach ihr soll auch in entgegengesetzter Richtung ein ähnlicher Vorgang beginnen. Beide Forscher aber haben sich ihre Schlüsse bloss auf Grund des Vorhandenseins der tiefen Furche zwischen Pankreasanlage und Duodenum gebildet. Wollte man ausschliess- lich auf diese, ich wiederhole es, nicht stichhaltige Weise vor- gehen, daun kann man nach dem Befunde, den mit besonderer Deutlichkeit das Meerschwein bietet, ebenfalls zu dem von mir gezogenen Schlusse kommen, dass die Abschnürung des dorsalen Pankreas eraniocaudal einsetzt; denn dort finden wir ja die erste Furche am eranialen Ende der primitiven Pankreasrinne (Fig. 23.) Die Meinungsverschiedenheit, die zum Theile darüber herrscht, ob die ventralen Anlagen aus dem Ductus choledochus, oder aus dem Darme selbst entstünden, hat ihren Grund wohl nur darin, dass es an einer Feststellung darüber mangelt, wo mau die Grenze zwischen diesen beiden zu ziehen habe, beziehungsweise, wann man von ihnen als von zwei verschiedenen Gebilden sprechen könne. Ich habe bereits beim Kaninchen (s. 0.) diese Frage er- örtert und kann mich jetzt darauf beschränken, festzustellen, dass bei allen bisher untersuchten Säugethieren die ventralen Anlagen aus der Wand des Ductus choledochus, oder vorsichtiger ausge- drückt, des Leberganges entspringen. Der Befund Hamburger’s, wonach die ventralen Anlagen zunächst an einer vom Duetus choledochus entfernten Stelle aus der Darmwand entspringen, habe ich bereits früher unter die Varietäten verwiesen. Die Frage nach dem weiteren Schicksale der beiden ven- tralen Anlagen erachte ich dahin zu lösen, dass nur die rechte Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 327 das Material zur weiteren Ausbildung erhält, während die linke sich wieder zurückbildet. Eine Verwachsung beider vermochte ich nicht nachzuweisen. Dieselbe erscheint mir auch nicht wahr- scheinlich, wenn ich die Angaben Choronshitzky's, der ja auch für ihre Verwachsung eintritt, durchsehe. Denn zwischen der Art und Weise, wie sie bei den Säugern zum Unterschiede von den an den Wirbelthieren auftreten soll, liegt ein bedeutender Unterschied. Während nämlich bei Letzteren die beiden Anlagen im Verlaufe ihres weiteren Wachsthumes, in verhältnissmässig weit ausgebildetem Zustande, aufeinander stossen, und ihre Ver- einigung daher auf eine ähnliche Weise zustande kommt, wie die der ventralen mit der dorsalen Anlage, sollten bei Ersteren beide durch eine Verdickung der caudalen Choledochuswand miteinander verwachsen, da sie selbst noch viel zu klein sind, um sich mit ihrer Körpern berühren zu können. Choronshitzky gibt übrigen anmerkungsweise zu, dass diese Verdickung „auch dem hintersten Abschnitte der Gallenblasenanlage oder ihrer Fortsetzung angehören“ kann, und scheint folglich von dem wirklichen Be- stande einer Verwachsung in dieser frühen Zeit nicht sehr voll- kommen überzeugt zu sein. Da nun aber „schon im nächsten Stadium... ein einziges ventraies Pankreas“ vorhanden ist, so schliesst er, könne dieses nur „durch Konfluenz der beiden ge- schilderten ventralen Pankreasanlagen entstanden“ sein. Ich habe schon einleitend auf den Sprung hingewiesen, der hier in der Schlussfolgerung besteht. Natürlich ergibt sich dadurch wieder ein Unterschied der Säugethiere gegenüber den anderen Wirbel- thieren, da „bei Ersteren zuerst die beiden ventralen Pankreas- anlagen konfluieren, während bei Letzteren zuerst die rechte ven- trale mit der dorsalen Pankreasanlage sich vereinigt“. Ich bin auf Grund meiner Befunde, wie gesagt, der An- sicht, dass die linke Anlage bei den Säugethieren der Rückbil- dung anheimfällt, und stütze diese Ansicht namentlich durch das Verhalten des menschlichen Embryos, bei dem die rechte Anlage gut entwickelt, die linke aber in vollkommener Rückbildung be- griffen ist, und dennoch keine Verwachsung zwischen beiden wahrgenommen werden kann. Für die weitere Entwickelung des ventralen Pankreas ist übrigens die Frage, ob die linke Anlage zu Grunde geht, oder sich mit der rechten theilweise oder ganz vereinigt, gleichgiltig, da Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 22 328 Konrad Helly: ja die Letztere schliesslich doch diejenige ist, welche das Material für die ventrale Anlage liefert, die überdies durch ihre Lage nach rechts hinüber auf ihre Entstehungsweise zurückdeutet. Mit Bezug auf die Gesammtentwickelung des ventralen Pankreas können wir sagen, dass dieselbe innerhalb der weitesten Grenzen schwankt. Sahen wir doch, dass das Meerschwein ihrer überhaupt vollständig entbehrt, während andererseits die so nahe verwandte Ratte, sowie auch die Katze, einen ansehnlichen Theil ihrer Bauchspeicheldrüse dieser Anlage verdanken. Es erübrigt mir noch, auf die histogenetischen Vorgänge ein- zugehen, welche sich bei der Verwachsung der dorsalen mit der ventralen Anlage abspielen. Nach dem mikroskopischen Bilde, das sich uns hierbei darbietet, vermag ich nicht, mich jenen An- schauungen anzuschliessen, welche diese Vorgänge einseitig auf die Wachsthumsrichtung der einen oder auch beider Anlagen zurück- führen wollen, ohne dabei eine active Betheiligung der Drüsenzellen anzunehmen. Denn wenn auch die Darmdrehung und die dadurch bedingte Annäherung des ventralen und dorsalen Pankreas gegen- einander sicher die erste Einleitung zur später eintretenden Ver- einigung Beider bilden mag, so reicht sie doch nicht aus, die Vorgänge zu erklären, die sich an der Ratte mit solcher Deutlich- keit verfolgen liessen, und die darin bestanden, dass zunächst zwei Sprossen, eine von jeder Anlage, einander geradeswegs ent- gegenwuchern unter deutlicher Verdrängung des dazwischen ge- legenen Mesenchymgewebes. Andererseits bleibt es unerklärt, warum die Verwachsung nicht auch am lateralen Umfange der Pfortader zustande kommt, wo beide Anlagen einander doch eben- falls stark genähert sind, zumal wir aus dem Verhalten des dor- salen Pankreas beim Kaninchen sehen, dass durchaus kein Hinder- niss für die vollständige Umwachsung dieses Gefässes gegeben zu sein scheint. Ich sehe mich also genöthigt, nächst den mechanisch von aussen auf die Verwachsung beider Pankreasanlagen hinwirkenden Ursachen auch noch solche anzunehmen, welche in den biologischen Verhältnissen der Drüsenzellen gelegen sein müssen, deren eigent- liche Natur mir aber gänzlich unbekannt ist. Für die letztere Ansicht mache ich noch den Umstand geltend, dass es ja, wäre diese Verwachsung nur eine nach den Regeln der Physik mecha- nisch vor sich gehende Erscheinung, ganz unerklärlich bliebe, Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 329 weshalb sie auch unterbleiben kann, trotzdem sich die beiden Anlagen bis zur innigsten Berührung genähert haben, wie Varie- tätenbefunde am Menschen erkennen lassen. Es ist ja nicht gar so selten, dass man als Hauptausführungsgang der ganzen Drüse beim Erwachsenen den Duetus Santorini findet, während der Duetus Wirsungianus nur einen kleinen Gang bildet, der, ohne mit jenem zu anastomosiren, in den Ductus choledochus mündet (s. Charpy). Ich bin am Ende meiner Arbeit über die Pankreasentwicke- lung der Säugethiere angelangt und will nur noch die Ergebnisse derselben kurz zusammengefasst anführen: 1. Die endgiltige Lage des Duetus Santorini gegenüber dem Lebergange ist sofort zu Beginn des Auftretens der dorsalen Pankreasanlage an- gedeutet; eine nachträgliche Wanderung eines Ganzes sefen den anderen findet nicht statt, wohl aber häufig ein Auseinanderrücken der Beiden infolge desLängenwachsthumesdesDuo- denums. 2. Die dorsale Pankreasanlage ist immer un- paarig alslängliche, ausgebuchtete Rinne der dorsalen Darmfalte angelegt; eine Zweilappung kommtals vorübergehender Zustand während derspäterenembryonalen Entwickelung häu- fig zustande. 3. Die Abschnürung der dorsalen Pankreas- anlage von dem Darme beginnt in eraniocau- danlershuichtuwng. 4. Die ventralen Anlagen nehmenihren Ur- Spa aus den segelrcehen Wänden desMeber- Samnees und nur dieses zunmittelbar, beywor.er inden Darm mündet. 5. Die beiden ventralen Pankreasanlagen weten “deutlichivomf einander gesondertrauf; eine Verwachsung zwischen ihnen konnte ich inkeinem Falle beobachten. 6. Dielinke ventrale Anlage fällt derRück- bildung anheim, während sich die rechtein der 330 Konrad Helly: Regel weiter ausbildet, ausnahmsweise aber ebenfalls wieder zurückbilden kann. 1. Die Verwachsung der dorsalen mit der ventralenPankreasanlage geht unter dendeut- lichen Zeichen einer activen, auf dieselbe’ab- zielenden Thätigkeit der Drüsenzellen vor sich, Literatur-Verzeichniss, 1. Brachet, Die Entwicklg. u. Histogen. d. Leber und d. Pankreas. Ergebn. d. Anat. u. Entw. Bd. 6. 1896. . Derselbe, Recherches sur l. devel. du panereas et du foie (Selac., Rept., Mammif.). Journ. d. l’Anat. et d. l. Phys. 18%. 3. Bronn, Klassen und Ordnungen d. Thierreichs (Leche: Säuge- thiere). Bd. VI, Abth. V, 54—56. Lief. 1899. 4. v. Brunn, Verdauungsorg. Ergebnisse d. Anat._u. Entwicklungs- geschichte Bd. 4. 1894. 5. Charpy, Variet. et anomal. d. canaux pancreatiques. Journ. d. l’anat. et d. 1. Phys. 1898. 6. Choronshitzky, Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase u.s. w. Anat. Heft. Bd. 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Fig. 7—22 beziehen sich anf die Ratte. Fig. 23—29 behandeln die Modelle der Meerschweinembryonen. Fig. 30—32 beziehen sich auf den menschlichen Embryo. Sämmtliche Modelle sind in natürlicher Grösse wiedergegeben und in der Vergrösserung 1:100 angefertigt. Fig. 1. Embryo von 3,8 mm, von links gesehen. Die Gallenblase ist 332 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. Konrad Helly: noch nicht abgeschnürt, der Ductus omphalo-mesentericus noch ziemlich weit, der Duetus choledochus bereits als ganz kurzer Gang kenntlich, dessen Seitenwand die linke ventrale Pankreas- anlage aufsitzt. Der craniali zwischen dorsalem Pankreas und Darm gelegene Einschnitt ist tiefer als der caudale. ss’ —= Schnittebene für Fig. 3. Dasselbe Modell von rechts gesehen. Am dorsalen Pankreas ist die Längsfurche zu sehen, am Ductus choledochus die rechte ventrale Pankreasanlage. ss’ — Schnittebene für Fig. 3. Schnittfläche des vorigen Modells, entsprechend der durch ss’ angedeuteten Ebene. Beide ventrale Pankreasanlagen sind von einander getrennt durch den ventralen, in der Zeichnung unteren, Umfang des Ductus choledochus. Embryo von 4,8 mm, von links gesehen. Die Gallenblase ist durch die Furchen /, und f, schon theilweise abgeschnürt. Die linke ventrale Pankreasanlage ist in der Rückbildung begriffen, die rechte weiter gewachsen. Am dorsalen Pankreas hat sich die rechte Sprosse mehr verlängert als die linke. Embryo von 5,4 mm, von links gesehen. Zwischen Ductus choledochus und Ductus Santorini ist bereits ein Stück Duo- denum zu sehen. Die linke ventrale Pankreasanlage fehlt schon gänzlich. Am dorsalen Paukreas hat sich die rechte Sprosse besonders verlängert und hufeisenförmig gekrümmt. Embryo von 7,0 mm, von rechts gesehen. Das Zwischenstück des Duodenum ist beträchtlich gewachsen. Das dorsale Pankreas hat sich zu einem Ringe geschlossen, durch welche man sich die Pfortader durchziehend zu denken hat. Das ventrale Pankreas hat sich verlängert, ohne aber das dorsale zu errei- chen. Die Längsfurche des dorsalen Pankreas ist nirgends wiederzufinden. Embryo von 2.6 mm, von rückwärts gesehen. Der Magen ist noch nicht kenntlich; das dorsale Pankreas erscheint als aus- gebuchtete Rinne der dorsalen Darmfalte und zeigt keine scharfen Grenzen. Lu. = Lungenanlage; ss’ = Schnittebene für Fig. 8. Schnittfläche des vorigen Modells, entsprechend der durch ss’ angedeuteten Ebene. Die dorsale Pankreasanlage erscheint als tiefe Rinne mit deutlich verdickter Wandung. Embryo von 2,8 mm, von rechts gesehen. Der Magen ist schon vorhanden, ebenso die rechte ventrale Pankreasanlage, welche der Seitenwand des Ductus hepaticus aufsitzt. Die dorsale Pankreasanlage ist nach oben und unten scharf be- grenzt. Le. = Lebersprossen; !l’=im Bereiche des Pankreas parallel zur Längsaxe des Darmes gezogene Linie. Dasselbe Modell von links gesehen. Die linke ventrale Pankreas- anlage ist ebenfalls schon da und sitzt auch an der Seiten- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. il, 16. 18: Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 333 wand des Ductus hepaticus, !!’=im Bereiche des Pankreas parallel zur Längsaxe des Darmes gezogene Linie. Embryo von 3,0 mm, von rechts gesehen. Das dorsale Pankreas zeigt schon mehrere Höcker an seiner Oberfläche, dagegen noch keine deutliche Längsfurche. Die cranial zwischen ihm und dem Darme gelegene Furche ist sehr tief, im Gegensatze zur caudalen. Das rechte ventrale Pankreas ist schärfer abgesetzt als das linke. . Embryo von 4,0 mm, von vorne gesehen. Am dorsalen Pankreas ist jetzt auch die Längsfurche aufgetreten. Das rechte ven- trale Pankreas zeigt als Ausdruck seines Wachsthums einige Höcker, das linke ist verschwunden. . Embryo von 4,2 mm. von rechts gesehen. Beide Pankreasan- lagen beginnen sich infolge der Darmdrehung einander zu nähern; am dorsalen ist die Längsfurche noch theilweise zu sehen. Embryo von 5,0 mm, von rechts gesehen. Am dorsalen Pankreas ist die Längsfurche nicht mehr zu sehen; an beiden Pankreas- anlagen ist je ein Zapfen, z und z,, an den einander zuge- wendeten Seiten aufgetreten. Embryo von 6.0 mm. Das dorsale Pankreas zeigt eine Krüm- mung nach der Fläche mit nach rechts blickender Concavität. Beide Zapfen z und z, sind grösser geworden und einander näher gerichtet. Der Ductus Wirsungianus mündet, wie bisher, in den Ductus hepaticus. Embryo von 6,4 mm, von rechts gesehen. Beide Zapfen z und 2; sind einander fast bis zur Berührung nahe. Die Mündung des Ductus hepaticus und des Ductus Wirsungianus in den Darın wird durch den quer verlaufenden Duetus hepato- pancreaticus vermittelt. . Querschnitt durch den vorigen Embryo in der Höhe der beiden Zapfen zundz,. Man sieht, wie sich beide unter Verdrängung des dazwischen liegenden Mesenchyms unter dem Bilde leb- hafter Zelltheilung einander nähern; an der Spitze des ven- tralen Pankreas scheint eine solche eben vor sich gegangen zu sein. Vergr. 1:400 lin. Embryo von 6,6 mm, von rechts gesehen. Beide Pankreasan- lagen sind bereits mit einander verwachsen. Der Ductus Santorini beginnt sich zu verschmälern. Das ventrale Pankreas scheint schon ein wenig auf den Ductus hepaticus überzugreifen. Querschnitt durch den vorigen Embryo in der Höhe der Ver- wachsungsstelle beider Pankreasanlagen. Man sieht in der Umgebung der noch soliden Anastomose viele grössere und kleinere Lichtungen im Drüsengewebe. Vergr. 1:400 lin. . Embryo von 10 mm, von rechts gesehen. Die Verwachsung beider Pankreasanlagen nimmt einen breiten Raum ein. Der 334 Fig. Fig. Fig. 180) So 25 . 80. Konrad Helly: Ductus Santorini ist schon stark zurückgebildet und an der Stelle, wo man sich seinen Durchtritt durch die Musecularis des Darmes zu denken hat, bereits sehr verdünnt. Der Ductus hepato-pancreaticus hat sich in seinen beiden Theilen stark verlängert. . Embryo von 11 mm, von rechts und oben gesehen. Die Rück- bildung des Ductus Santorini ist bis zur vollständigen Unter- brechung seines Verlaufes gediehen. . Erwachsene Ratte, von rückwärts gesehen. Leber- und Pankreas- gänge sind blau injieirt, alles Fettgewebe ist wegpräparirt. Am Ductus hepato-pancreaticus, der ebenso, wie der Ductus hepatieus communis im Bilde perspectivisch verkürzt erscheint, sieht man nebst den Einmündungen der beiden grossen Pankreasgänge noch die einiger kleiner, aus den nächsten Drüsenläppchen kommender. Mi.— Milz, Oe. = Oesophagus. Natürliche Grösse. Embryo von 3!/,, mm, von rückwärts gesehen. Die Leberan- lage —=_Le. ist noch nicht abgeschnürt, der Magen nur als unscharf begrenzte Ausbuchtung kenntlich. Die dorsale Pankreasanlage ist caudal noch nicht, eranial bereits durch eine seichte Querfurche —g von der hinteren Darmfalte ab- gesetzt. Embryo von 3!/, mm, von rechts gesehen. Der Magen hat sich entwickelt, die Leberanlage theilweise abgeschnürt, die Gallenblase angelegt. Am dorsalen Pankreas, das bereits scharf begrenzt ist, tritt die erste Andeutung der Längs- furche auf. Embryo von 4mm, von rechts gesehen. An der Seitenwand des Ductus choledochus ist die rechte ventrale Pankreasan- lage aufgetreten. Die Längsfurche des dorsalen Pankreas ist Jetzt sehr deutlich. Derselbe Embryo von links gesehen. Die linke ventrale Pankreasanlage ist ebenfalls bereits aufgetreten. Sie sitzt ebenso wie die rechte unmittelbar vor der Einmündung des Gallenganges in den Darm. . Embryo von 4!/, mm, von rechts gesehen. Die Längsfurche des dorsalen Pankreas ist im Verstreichen begriffen. Die rechte ventrale Anlage ist nicht mehr auffindbar. Derselbe Embryo von links gesehen. Auch von der linken Anlage ist keine sichere Spur mehr zu entdecken. . Embryo von 41/;, mm, von rechts gesehen. Die Längsfurche des dorsalen Pankreas ist verschwunden, der Ductus Santorini bereits unterscheidbar geworden. Von der linken Seite gesehen. Das dorsale Pankreas ist winkelig abgeknickt; an seiner Abgangsstelle vom Darme be- sitzt es eine kleine Knospe = K., welche ein wenig auf das Darmepithel übergreift. Von den beiden ventralen Pankreas- Fig. 32. Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. 335 anlagen ist die rechte viel besser entwickelt, als die linke; eine als Verwachsung zu deutende Verbindung beider besteht nicht. . Querschnitt durch den Embryo in der Höhe der beiden ven- tralen Pankreasanlagen. Die rechte zeigt einen gut entwickelten Ausführungsgang = D.W.„ sowie beginnende Bildung von Alveolenlichtungen. Die linke zeigt deutliche Erscheinungen der Rückbildung und nirgends zweifellose Lichtungen ; ihre Zellen sind kleiner als die der rechten und mit Mesenchym- zellen vermischt. Vom Rande wuchern zahlreiche Capillarge- tässe hinein. Zwischen den Anwachsungsstellen beider An- lagen an den Duetus choledochus ist ein mit D.ch. bezeich- netes Stück dessen Wandung zu sehen, das nicht verbreitert und gänzlich frei von Pankreasbildungszellen ist. Querschnitt durch den Embryo in der Höhe der Mündung des dorsalen Pankreas. Man sieht im Winkel zwischen dessen Ausführungsgang und dem Darmepithel die auf dasselbe über- greifende Knospe =K., welche eine kleine Lichtung besitzt. (Aus dem bacteriologischen Laboratorium der Kaiserlichen medi- einischen Militärakademie zu St. Petersburg.) Die Morphologie des Kaninchenblutes im Fötalzustande und in den ersten Lebenstagen. Brot: Von Dr. N. Tsehistowitsech und Dr. W. Piwowarow. Als wir ein experimentelles Studium der unter Einwirkung von Infectionsprocessen beim Säugethierfötus und neugeborenen Thiere stattfindenden morphologischen Blutveränderungen unter- nahmen, fanden wir in der Litteratur nur sehr spärliche Angaben über normale Blutmorphologie gewöhnlicher Versuchsthiere in den erwähnten Lebensperioden. Cohnstein und Zuntz !) untersuchten das Blut von 1) J. Cohnstein und N. Zuntz. Untersuchungen über das Blut, den Kreislauf und die Athmung beim Säugethier-Fötus. Archiv f. Physiologie Bd. 34. 1884, S. 173. 336 N. Tsehistowitseh und W. Piwowarow: Kaninchen-, Meerschweinchen- und Hundeembryonen. Das schwangere Thier wurde laparotomirt, dann wurden Uterus und Fruchthüllen eröffnet und schliesslich dem Fötus entweder aus dem Herzen oder den Nabelgefässen Blut zur Untersuchung ent- nommen. Es wurde nur Erythrocytenmenge bestimmt, über die Leukocyten fehlen jegliche Angaben. Die Blutkörperchenzählungen wurden mit der Hayem’schen Kammer und dem Thoma- Zeissschen Mischgefäss ausgeführt. Zur Verdünnung des Blutes bediente man sich der 3°/, Kochsalzlösung. Cohnstein und Zuntz fanden, dass in der ersten Lebensperiode des Fötus die Anzahl der Erythrocyten eine sehr geringe ist. Bei 0,59—2,6 g wiegenden Kaninchenföten konnten nur 376000—500000 rothe Blutkörperchen im Kubikmillimeter gezählt werden. Die Menge der Erythrocyten wächst im Laufe des Fötuslebens nur ganz allmählich an. Embryonen von 43—45 g Gewicht wiesen bereits 3200000 bis 4000000 Erythrocyten auf. Bei Meerschweinchenembryonen von 25,5—94,1 g Gewicht betrug die Anzahl der rothen Blut- körperchen 3521760—3498000. Bei Hundeföten von 115—117g wurden 4000000—4075000 Erythroeyten gezählt. Das Blut von Embryonen, welche bereits geathmet hatten, wies mehr rothe Blut- körperchen auf, als dasjenige von Embryonen, die noch keine Athem- züge gethan hatten. So wurden in Versuch I bei einem fast reifen Kaninchenfötus, der rasch von der Placenta abgetrennt und getödtet worden war, 3800000 rothe Blutkörperchen gezählt, während die Anzahl derselben bei einem anderen Embryo, welcher 4 Minuten lang geathmet hatte, ohne von der Placenta losgetrennt zu werden, und dann erst getödtet wurde, 4000000 betrug. Bei Embryonen, die länger mit der Placenta im Zusammenhange gestanden hatten, war das Blut concentrirter, als wie bei denjenigen, welche früher losgetrennt worden waren. Bei neugeborenen Kaninchen bis zur 5. Lebensstunde nähert sich die Erythroeytenmenge derjenigen ihrer Mutter, übersteigt dieselbe jedoch nicht. Von der 5. bis zur 18. Lebensstunde ist das Blut des neugeborenen Kaninchens concentrirter, als wie dasjenige seiner Mutter. Bei 6— 10tägigen Kaninchen beobachtet man wiederum eine Verminderung der Erythrocytenmenge. Ueber die weissen Blutkörperchen der Embryonen machen Cohnstein und Zuntz gar keine Angaben. Die Morphologie des Kaninchenblutes im Fötalzustande etc. 337 In dem bekannten Werke Hayem’s !) „Du sang“ finden wir folgende Angaben über Morphologie des Blutes von Kaninchen- embryonen. Bei 20—21 mm messenden Embryonen ist das Blut sehr arm an Formelementen. Die rothen Blutkörperchen zeigen sehr verschiedenartige Form und Grösse, es sind auch kernhaltige zu finden. Die kernhaltigen Blutkörperchen sind zu- weilen sehr gross, ihr Durchmesser beträgt bis zu 14—24 u. Sie enthalten meist nur einen Kern, welcher zuweilen in Theilung begriffen ist, selten 2 Kerne. Auf dem heizbaren Objeettische lassen die kernhaltigen rothen Blutkörperchen amöboide Be- wegungen gewahren. Sie stossen den Kern aus. Der Hämo- globingehalt der kernhaltigen Blutkörperchen ist ein geringerer, als wie derjenige der kernlosen. Im Blute der Embryonen kommen auch sehr kleine Erythrocyten vor. Die rothen Blut- körperchen bilden keine Geldrollen. Das Blut von Embryonen enthält nur wenig Leukoeyten. Sie gehören der zweiten Varietät Hayem’s, d. h. den poly- nucleären oder mononucleären mit polymorphem Kern, und der dritten Varietät — den grobgranulirten Leukocyten — an. Die polynucleären Leukocyten weisen zuweilen Hämoglobin auf. Die Angaben in der Litteratur erwiesen sich also sehr lückenhaft. Nirgends fanden wir Angaben über die Anzahl der verschiedenen Leukoeytengattungen bei Kaninchen- oder Meer- schweinchenföten. Da wir beabsichtigten hauptsächlich an Kaninchen zu ex- perimentiren, sahen wir uns genöthigt, vor Allem den normalen Leukoeytengehalt bei diesen Thieren im embryonalen Leben fest- zustellen. Der Lösung dieser Aufgabe stellten sich nicht wenige Schwierigkeiten in den Weg, von denen die grösste gar nicht zu überwinden war. Um das Blut von Embryonen zu gewinnen, muss man ein schwangeres Kaninchen laparotomiren, dessen Gebärmutterhörner eröffnen, die Embryonen herausnehmen und dann diesen die nothwendige Blutmenge entnehmen. So vor- sichtig wir auch immer diese Operation ausführen wollten, immer werden wir es jedoch mit bereits unnormalen Föten zu thun haben und kann also auch ihr Blut nicht für ganz normal gelten. Da wir einsahen, dass diese Hauptschwierigkeit nicht abzuwenden 1) Hayem, Du sang. 1889, S. 545. 338 N. Tsehistowitsch und W. Piwowarow: war, suchten wir wenigstens die Versuchsbedingungen so zu gestalten, dass möglichst wenig Noxen auf die Föten einwirkten. Die Operation führten wir in folgender Weise aus. Wir nabmen Kaninchenweibehen in der letzten Schwangerschafts- periode, um es mit möglichst grossen Föten zu thun zu haben. Dem Kaninchen wurde die Bauchhaut glatt rasirt. Weiter wurde in der Richtung der Linea alba von der Symphyse bis zum Nabel ein 6—7 cm langer Schnitt geführt, zuweilen nach vorher- gehender subeutaner Injection von einigen Tropfen einer 2°], Cocainlösung, öfter jedoch ohne diesen Eingriff. Einer der Ab- schnitte eines schwangeren Uterushornes wurde dann durch die Bauchwunde herausgezogen, mit in erwärmter physiologischer Kochsalzlösung benetzten Mullcompressen umgeben und durch einen Wandschnitt eröffnet. Nach Abfluss des gallertigen Frucht- wassers wurde der Fötus herausgehoben, doch nach Möglich- keit von der Placenta nicht abgesondert und in eine erwärmte Mulleompresse eingehüllt. Jetzt wurde eine der durch die Haut sichtbaren subeutanen Halsvenen angestochen und dann mit den entsprechenden Melangeurs Blut für die Zählung von rothen und weissen Blutkörperchen aufgezogen und ausserdem Trocken- präparate zum Zwecke weiterer Färbungen angefertigt. Die Blutkörperchenzählung führten wir in bekannter Weise mit dem Thoma-Zeiss’schen Apparate aus. Zur Zählung von weissen Blutkörperchen wurde das Blut 20fach mit !/, /, Essigsäure- lösung verdünnt. Zur Zählung der Erythroeyten bedienten wir uns anfangs, wie auch Cohnstein und Zuntz, 3°/, NaCl- Lösung, später jedoch verziehteten wir auf diese Lösung, da wir uns überzeugen konnten, dass sie dem Blute normaler Kanin- chenföten gegenüber nicht indifferent ist, dass vielmehr die Erythroeyten in derselben theilweise zerfallen; in unseren weiteren Versuchen bedienten wir uns in Folge dessen zur Verdünnung der Hayem’s Flüssigkeit. Bei der Leukocytenzählung in dem mit !/,®/, Essigsäure verdünnten Blute stellten wir zugleich mit der Anzahl der Leu- koeyten auch diejenige der kernhaltigen Erythroeyten fest, da die Kerne dieser letzteren sich nicht auflösen und von den Lym- phoeytenkernen nur schwer zu unterscheiden sind. Um die wahre Anzahl von Leukocyten und kernhaltigen Erythrocyten festzustellen, verfubren wir in folgender Weise. An Trocken- Die Morphologie des Kaninchenblutes im Fötalzustande ete. 339 präparaten, welche mit dem dreifarbigen Gemisch von Ehrlich und Jegorowsky !) (Orange, Säurefuchsin und Methylgrün) gefärbt worden waren, bestimmten wir, wieviel Procente sämmt- licher mit Kernen versehener Zellen kermhaltige Erythrocyten ausmachen, stellten so das Verhältniss zwischen kernhaltigen Erythrocyten und Leukoceyten auf und konnten dann, da uns die Gesammtanzahl der mit Kernen versehenen Blutelemente bekannt war, mit Leichtigkeit berechnen, wieviel kernhaltige Erythroeyten und wieviel Leukocyten ein Kubikmillimeter des betreffenden Blutes enthält. Bei der Leukoeytenzählung auf Trockenpräparaten unter- schieden wir folgende Arten derselben. 1. Polynucleäre Leukocyten mit pseudoeosinophiler Kernung. Diese Leukocyten enthalten mehrere Kerne, oder nur einen poly- morphen Kern. Dem Aussehen ihrer Granulation nach stehen dieselben zwischen neutrophilen und eosinophilen Leukocyten des Menschen. Ihre Granula sind zahlreich, grösser als wie die neutrophilen Granula des menschlichen Blutes, jedoch kleiner, als wie die eosinophilen Granula desselben. Es kommen unter ihnen auch grobgranulirte, den wahren eosinophilen Leukocyten ganz ähnliche, vor. In neuester Zeit haben J. W. Tallquistund E.A. Wille- brand?), welche sich der von dem letzteren vorgeschlagenen Färbungsmethode bedienten, gefunden, dass das Kaninchenblut ausser pseudoeosinophilen Leukocyten auch echte eosinophile aufweist. Erstere nehmen sowohl saure als auch basiche Farben auf, sind also amphophil im Sinne Ehrlich’s, während letztere acidophil sind. Solcher aeidophiler Leukocyten fanden Tallquist und Willebrand in dem Blute erwachsener Kaninchen etwa 0,5 bis 3°/, vor. Färbt man die Präparate mit dem Ehrlich- schen Triaeid (Säurefuchsin, Orange, Methylgrün), so lassen sich die beiden Leukocytenvarietäten nicht unterscheiden. Die Anzahl der pseudoeosinophilen Leukocyten im Kaninchenblute schätzen Tallquist und Willebrand auf 45—55 ?|,. 1) Jegorowsky, Inaug.-Dissertat. St. Petersburg 1894 (russisch). 2) Die Präparate werden bei 120—130°C. fixirt and dann mit folgendem Farbengemisch gefärbt: es werden eine 0,50, Eosinlösung in 70° Alkohol und eine concentrirte wässerige Methylenblaulösung zu gleichen Theilen etwa zu je 25 cem vermengt und dann ca. 10—15 Tropfen einer 1°/, Essigsäurelösung hinzugethan. (Tallquist und Willebrand, Scandinavisches Archiv f. Physiologie X. Bd. 1899.) 310 N. Tsehistowitsch und W. Piwowarow: 2. Mehrkernige Uebergangsformen. Grosse Leukocyten mit mehreren Kernen oder einem polymorphen Kerne, deren Proto- plasma sieh schwach rosaviolett färbt, jedoch keine Granula ge- wahren lässt. Diese Leukocyten vermitteln den Uebergang zur dritten Gruppe. 3. Grosse mononucleäre Leukocyten. Grosse Leukoeyten mit ungranulirtem Protoplasma und einem grossen, ovalen oder selappten Kerne. Die Kerne dieser Leukoeyten färben sich schwächer als wie die Kerne der polynucleären Leukocyten und der Lymphoeyten. 4. Lymphoeyten. Kleine Leukocyten mit rundem Kern und einem dünnen Saum spärlichen Protoplasmas. Ausser diesen vier Arten fanden wir in dem Blute des Kaninchenfötus und neugeborener Kaninchen jeweilen auch noch andere Varietäten in vereinzelten Exemplaren, doch war ihre Anzahl eine so geringe, dass es unnöthig schien, sie in specielle Rubriken anzureihen. So kamen in sehr spärlicher Menge zer- fallende polynucleäre pseudoeosinophile und eosinophile Leuko- cyten vor. In seltenen Fällen stiessen wir auch auf polynueleäre durehlöcherte Zellen, deren Protoplasma Vacuolen aufwies. Alle diese Leukocyten haben wir auf beigelegten Tabellen der Gruppe der polynucleären pseudoeosinophilen Leukoeyten zugerechnet. Da wir uns bei unseren Untersuchungen des Ehrlich’schen Farbengemisches (Säurefuchsin, Orange, G. Methylgrün) bedienten, so mussten wir überall eosinophile und pseudoeosinophile Leuko- eyten in eiver Gruppe unterbringen, da wir uns überzeugt hatten, dass bei erwähnter Färbung diese beiden Varietäten schwer von einander zu unterscheiden sind ). 1) Ausser den oben erwähnten Leukocytenvarietäten fanden Tallquist und Willebrand bei Anwendung ihrer Färbungsmethode in dem Blute erwachsener Kaninchen 2—5°/, Zellen mit basophiler Granulation (Mastzellen). Im normalen Blute erwachsener Kaninchen beträgt nach T. und W. die absolute Leukocytenmenge in Mittel 11000 (8800—13000). Hiervon gehören zu den: polynucleären pseudoeosinophilen Leukocyten 45—55/y. polynucleären oxyphilen Leukoeyten . . . 0,5— 30%/, grossen mononucleären Leukocyten nebst Uebergangsformen . . » 2 2.2.2.2... 20—25°/,, BISENDHOCytEn? 2. a. „2 ae 2 >, Mastzellen- ı#....22. Summe Maine. „sen rall, Die Morphologie des Kaninchenblutes im Fötalzustande etc. 341 Die Ergebnisse unserer Untersuchungen an Kaninchenföten veranschaulicht die beigegebene Tabelle I. Das Blut derselben bot folgende Besonderheiten dar. Die Erythrocytenmenge war stets geringer als bei erwach- senen Kaninchen. Obgleich wir es immer mit bereits ziemlich grossen, vollkommen ausgebildeten 4,5 bis 11 em langen und 24 bis 40 g wiegenden Föten zu thun hatten, betrug die Erythro- ceytenmenge nur 2515000 — 4720000 im Kubikmillimeter. Die Blutkörperchen liessen niemals Geldrollenbildung gewahren und waren von sehr verschiedener Grösse. Wir konnten auch ziem- lich viele kernhaltige Erythrocyten, 434— 2011 im Kubikmillimeter zählen. Dieselben entsprachen in jeder Beziehung der oben an- geführten Beschreibung Hayem’s. Nicht selten konnten wir in ihnen sämmtliche Phasen des Kernausstossens verfolgen. Die Anzahl der Leukoceyten war auffallend gering, wir zählten 202—1645 Leukocyten im Kubikmillimeter. Einige Präparate enthielten nur so spärliche Leukocyten, dass diese lange gesucht werden mussten. Bei so geringer Leukoeyten- menge stiess natürlich die Zählung ihrer verschiedenen Varietäten auf bedeutende Schwierigkeiten; es konnten nur sehr wenige Exemplare (100—300) gezählt werden und folglich konnten die erhaltenen Zahlen lange nicht auf solche Genauigkeit Anspruch machen, wie sie bei Blutkörperchenzählungen in jenen Fällen er- reicht werden kann, wo die Leukocytenmenge im Blute eine be- deutende ist. Die absolute Menge polynucleärer pseudoeosinophiler Leu- koeyten schwankte bei Kaninchenföten zwischen 152 und 859. Bei älteren Föten wuchs sowohl die Gesammtmenge der Leuko- cyten, als auch die Anzahl der pseudoeosinophilen Blutkörperchen an, blieb jedoch immer noch sehr unbedeutend. Die relative Anzahl der pseudoeosinophilen polynucleären Leukocyten erwies sich jedoch bei Föten als eine grössere, wie bei normalen er- wachsenen Kaninchen. Wir fanden, dass sie hei Föten 41,5 bis 62,7°/, sämmtlicher Leukocyten ausmachen. Polynucleäre Uebergangsformen waren stets nur in sehr geringer Anzahl an- zutreffen; wir zählten deren 21—129 im Kubikmillimeter (2,9—12,2 9/9). Etwas bedeutender war die Anzahl der mononucleären Leukoeyten: 45—207 im Kubikmillimeter (11,8—28,0 |,). 342 N. Tsehistowitsch und W. Piwowarow: Die Menge der Lymphocyten war auch eine sehr unbe- deutende und war grossen Schwankungen ausgesetzt: sie betrug 30—363 im Kubikmillimeter (4—26,5 %/,)- Ausser den eben angeführten Blutuntersuchungen bei Kaninchenföten haben wir einige derartige Untersuchungen auch bei neugeborenen Kaninchen in ihren drei ersten Lebenstagen vorgenommen. Das Blut zur Untersuchung entnahmen wir einer subeutanen Halsvene. Wie aus beigelegter Tabelle II ersichtlich ist, enthält das Blut neugeborener Kaninchen noch sehr viele kernhaltige Ery- throeyten: von 495—6057 im Kubikmillimeter. Die Leukocytenmenge wächst bereits am ersten Lebenstage recht bedeutend an und erreicht am dritten Tage eine Höhe von 3399 Blutkörperchen im Kubikmillimeter. Zugleich nimmt auch die Anzahl der Blutkörperchen in den einzelnen Leukocyten- varietäten zu, eine Ausnahme hiervon bilden nur die mononucleären Uebergangsformen, deren Anzahl auch post partum eine ebenso geringe bleibt, wie im fötalen Leben. Am Bedeutendsten wächst die absolute Menge der poly- nucleären pseudoeosinophilen Leukocyten an, doch werden auch die Lymphocyten und die grossen mononucleären Leukocyten bedeutend zahlreicher, als wie beim Fötus. Ueberhaupt nähert sich der Blutbestand demjenigen der erwachsenen Thiere. Betrachten wir die gefundenen Zahlenwerthe, so sehen wir, dass das Blut von Kaninchenföten sich in morphologischer Hin- sicht von dem Kaninchenblute im postembryonalen Leben haupt- sächlich durch seinen geringen Gehalt an weissen Blutkörperchen unterscheidet. So lange das Thier im Mutterleibe lebt, ist es gegen eine Reihe von schädlichen Einwirkungen, denen es von dem Momente seiner Geburt an ausgesetzt ist, geschützt. Die Hauptquelle solcher Einwirkungen bilden niedere Organismen, welehe sowohl mit der verzehrten Nahrung, als auch mit der eingeathmeten Luft in den Organismus des eben geborenen Thieres geraten. Den Hauptschutz gegen diese Feinde gewähren die Leukocyten. Andererseits geht auch die Ernährung beim Fötus in ganz anderer Weise vor sich, als wie beim bereits ge- borenen Kaninchen. Der Fötus erhält durch Vermittelung der Placenta aus dem mütterlichen Blute bereits fertiges, bearbeitetes Nahrungsmaterial. Die Morphologie des Kaninchenblutes im Fötalzustande ete. 343 Die Leukocyten der Mutter haben bereits Alles oder fast Alles, was dem Fötus Schaden bringen könnte, aus dem mütterlichen Blute entfernt. Der Fötus bedarf also in viel geringerem Maasse jener Vertheidigungsarmee, welche dem erwachsenen Thiere so nützliche Dienste leistet, und dementsprechend finden wir im Blute des Fötus eine verschwindende Anzahl jener Vertheidiger. Sowie der Fötus aus Licht der Welt gelangt, werden die Blutbildungsorgane zu erhöhter Thätigkeit angeregt und die Leukoeytenmenge im Blute wächst rasch an. Von sämmtliehen Leukoeytenvarietäten entfalten die polynucleären Blutkörperchen die eifrigste Phagoeytenthätigkeit und gerade diese Leukocyten produeirt das neugeborene Kaninchen in seinen ersten Lebens- tagen in allerausgiebigster Menge. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 23 Tabelle I (Embryonen). | 344 N. Tschistowiseh und W. Piwowarow: us1sdoyduAr] Aa aa erliar, „IS ca m © 5 DS or} N Ke) x = au - ı9p meyad P/o STR = 5 a am = u914H0yn97J a To LO 209: I! a m on = DSH a - an an I USE STOHUOUGEN aaa nn aa a a - S = 1op yeyoH %o > 2 1 U9AULIOFSSURD NER EN ee = o S . - R je») [e 0) I [e) Neite je 0) [er} aoqan TprnuAjod S i & a 5 aop eyan o = z "yn9J uajrydoumso9 ts; Kal 4m o x au en e = H - F= ee) X a a [a Ne) [oX ““ opnasd "pnuAjod I RENT “2 a = aap eyan) %o S = u9JddoyduA] © © 1a a no = (=) [>} or) - 7 op ae Le Near) n & de) [e) — —_ - um] [ap] - fe! Iyezuy 2 9 KH0yn9 1 15 U9JADONN: al era a nee 5 er UIIBIPINUOLLOUL . 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Von M. Nussbaum. Hierzu 6 v. Verf. gez. Figuren im Text. Im Laufe der Untersuchungen über die Entwickelung des Auges war mir unter Anderem auch die Verschiedenheit in der Entstehung und Ausbildung des Corpus ciliare auf der me- dialen und lateralen Seite, oder, wenn wir diese vom Menschen entlehnten Bezeichnungen auf die Thiere richtig übertragen wollen, auf der frontalen und oceipitalen Seite aufgefallen. Jüngst hat OÖ. Schultze!) auf die älteren Beobachtungen von Brücke, Merkel und Schön wieder hingewiesen und beim Menschen die Ora serrata der Retina nasalwärts etwa Il mm weiter nach vorn reichen sehen als temporalwärts. An dem Auge eines erwachsenen Mustelus vulgaris, dessen Iris in der Mitte der unteren Hälfte den Rest der Augenspalte zeigte und in dieser, 3 mm vom Pupillenrande, den in den Bulbus vorspringenden Sichelfortsatz trug, war kein Unterschied zwischen frontaler und oceipitaler Ausdehnung des Corpus ciliare zu er- kennen. Die Augenspalte beginnt hier ungefähr in der Mitte des unteren Pupillarrandes. Das Corpus ciliare ist nach beiden Seiten hin breiter, als von oben nach unten. Am eröffneten Auge stellt das Corpus eiliare eine Ellipse dar, deren längste Axe horizontal gestellt ist. Untersucht man das Auge eines Vogels, so tritt der beim Menschen bekannte, aber immerhin geringe Unterschied des late- ral zur Pupille und medial zur Pupille gelegenen Abschnittes des Corpus eiliare viel deutlicher hervor. Halbirt man aequatorial die Augen vom Huhn und von der Taube und misst am vorderen, mit der Innenfläche dem Beob- achter zugewandten Balbusabschnitt auf einer Graden, die mit der geschlossenen Lidspalte gleich gerichtet ist, so kommen auf den frontalen Theil des Corpus ceiliare 3 mm, auf den oceipitalen 5mm beim Huhn; bei der Taube 3 mm auf den frontalen und 4 mm auf den oceipitalen Theil. Beim Huhn liegt die von hinten 1) Sitzungsber. der phys. med. Ges. zu Würzburg, Jahrgang 1900. Sep.-Abzug. Die Pars ciliaris retinae des Vogelauges. 347 sichtbare Iris mit der Pupille in einer Ausdehnung von 6 mm, bei der Taube von 4 mm frei. Beim Fasan ist das Corpus ceiliare oceipital ebenfalls breiter als frontal, und die Lage der Augenspalte im unteren Theile der Iris und des Ciliarkörpers noch deutlich zu erkennen. In der Iris ist sie geschlossen ; im mittleren Theile ihres Verlaufes ist sie mit Binde- sewebe ausgefüllt; hier schlagen sich die freien Ränder der se- eundären Augenblase nach aussen um, und die bis zu dieser Fig. 1 ; Stelle unpigmentirten Zellen des inneren Blattes der Augenblase führen gleich den Zellen des äusseren Blattes Pigment. Die Augenspalte liegt nicht in der Augenaxe, sondern ist frontal- wärts verschoben. Im hinteren Abschnitt ist die Augenspalte geschlossen; gegen den Sehnerven zu liegt das Peecten. Ebenso verhält sich die Augenspalte beim erwachsenen Huhn; sie ist in der Iris geschwunden, im vorderen Theil des Corpus eiliare offen, dann flach verwachsen bis zur Gegend des Pecten, wo die Augenblase in eigenartiger Weise ihre Ränder zur Be- rührung bringt '). 1) Ausfülirliches hierüber wird eine demnächst erscheinende Ab- handlung bringen. 348 M. Nussbaum: Entwicklungsgeschichtliche Vorgänge können für die Ent- stehung des vorhin beschriebenen Baues des Corpus ciliare beim Vogel verantwortlich gemacht werden. Die nebenstehende Figur 1 ist eine Contourzeichnung eines Hühnerembryo vom dritten bis vierten Brütetage bei zwölffacher Vergrösserung. Die Sinnesorgane sind angelegt; die Nasengrube bei N, die Ohrblase bei OÖ und das Auge bei A. Am Auge ist die Augenspalte offen, und, soweit sich das beurtheilen lässt, zieht frontal und oceipital um die Linse die Augenblase in gleich srossem Bogen, um nach abwärts in einer die Linse halbiren- den Ebene die Augenspalte zu begrenzen. Die Augenspalte liegt somit senkrecht unter der Ebene, die die Linse in eine frontale und oceipitale Hälfte theilt. Dies Verhältniss bleibt bis zum vierten Tage bestehen. Die Augenspalte beginnt alsdann vom Pupillarrande an sich zu schliessen. Dies alles ist bekannt; ich wiederhole es und gebe auch eine Abbildung dazu, um den Gang der Veränderungen im Zusammenhang schildern zu können, ohne dabei auf die Abbildungen der embryologischen Lehrbücher verweisen zu müssen. Bis zum vierten Tage (siehe Fig. 2) verläuft in der Quer- richtung des Auges, sowohl von der frontalen als oceipitalen Seite her, je ein Gefäss, das, in den bindegewebigen Augen- häuten gelegen, nach vorn zu gegen die Iris zieht und sich ga- belnd die Gegend des Linsenrandes kreisförmig umzieht. Es ist Die Pars ciliaris retinae des Vogelauges. 349 dies eine später zwischen Seleraknorpel und der Chorioides ge- legene Arteria eiliaris. Vom vierten Tage an beginnt das fron- tale Gefäss zu schwinden (siehe Fig. 3) und das oceipitale sich auch auf der frontalen Seite weiter auszubreiten. Dieser Vor- gang ist am Anfang des sechsten Tages abgelaufen, und es ist dann nur das oceipitale Gefäss (siehe Fig. 3) übrig geblieben. Die Augenspalte ist schon merklich frontal verlagert. (Z. Linse, o. @. oceipitales Gefäss, Asp. Augenspalte.) Ciliarfortsätze sind noch nieht vorhanden; doch erkennt man an der Form des Pig- mentringes, der sich in der Gegeud des am 6. Tage entstehenden Corpus eiliare ablagert, dass die frontale Parthie kleiner ausfällt und mit der äusse- ren Grenze dem Linsen- rande näher gelegen ist, als die äussere Begrenzung auf der oceipitalen Seite. Im Laufe des sechsten Tages entstehen dann auf der oc- Bier. eipitalen Seite der Augenspalte unten die ersten Falten des Corpus eiliare, wenn auf der frontalen Seite noch keine Spur davon zu bemerken ist. Zugleich ist die Augenspalte weiter nach der frontalen Seite gerückt; sie ist nahe dem Pupillarrande dann schon ge- schlossen; auch beginnt dieht am Sehnerven das nach nnd nach wie eine Halskrause oder wie Wellblech gefaltete Peeten von der Augenspalte her gegen die Linse in den Glaskörperraum hinein zu wachsen. Die Zahl der Falten nimmt mit der Entwickelung zu; sie betrug beim elf Tage alten Embryo 7; beim dreizehn Tage alten dagegen 17. Zwischen Pecten und der verschlossenen Pupillarzone bleibt die Augenspalte jedoch, soweit ich dies bis jetzt an reifen Hühnerembryonen, am erwachsenen Huhn und Fasan habe nach- weisen können, vorn eine Strecke weit offen. Die Ränder der Augenblase vereinigen sich an dieser Stelle nicht, sondern schlagen sich unter Vergrösserung und stärkerer Pigmentirung nach aussen um. SD 350 M. Nussbaum: Zur Illustration dieser Verhältnisse sollen die folgenden Abbildungen dienen. Fig. 4 stellt bei zehnfacher Vergrösserung die Linse Z und das Corpus ciliare nebst distalem Ende des Peeten P einer von innen gesehenen vorderen Bulbushälfte vom 16—17 Tage alten Hühnerembryo dar. (Das Pecten ist bei * durehschnitten.) Die Ora serrata ist nasalwärts, rechts im Bilde, nahe an die Linse heran gerückt, sie rückt dann nochmals mit einer deutlichen Einbiegung oben und unten gegen die Linse vor, um dann zurückzutreten und in einem nach der oceipitalen Seite (links im Bilde) stark ausladenden Bogen weiter zu verlaufen. Es sind um diese Zeit 87 bis 90 Ciliarfortsätze nach Zählung an verschiedenen Augen vorhanden, die namentlich auf der na- salen Seite (rechts im Bild) nicht gleichmässig an die Linse heran- treten, so dass stellen- weise das hintere Iris- pigment sichtbar wird. Die Ciliarfortsätze stel- lenam Pupillarrand be- ginnende, hohe Wülste dar, die sich gegen die Ora serrata hin theilen und flach verlaufen. Bei Asp. liegt unten im Auge und mitten im Corpus ciliare der offen- gebliebene Rest der Augenspalte. Nach rechts von dieser weit frontalwärts gelegenen kurzen Spalte ist das Corpus eiliare schmal, nach links im Bilde dagegen breit. Es ist somit ein Leichtes, die Topographie des Corpus eiliare am Vogelauge zu erkennen, da unten der Spaltrest ge- legen und die frontale Seite am schwächsten entwickelt ist. Ueber die Lage und die Beschaffenheit des Corpus eiliare und der in ihm offenbleibenden Augenspalte gibt Fig.5 weiteren Aufschluss. Der Schnitt stammt aus der Gegend des unteren Lides uud ist horizontal durch die vordere Bulbushälfte eines 13 Tage alten Hühnerembryo unterhalb der Linse im Bereich der Fig. 4. Die Pars ciliaris retinae des Vogelauges. 351 Augenspalte geführt, die bei Asp. getroffen wurde. Die frontale Parthie des Schnittes liegt in der Abbildung nach unten. Man erkennt die grössere Ausdehnung des oceipitalen, nach oben von der Augenspalte im Bild gelegenen 'Theiles des Corpus ceiliare und zugleich die stärkere Entwickelung seiner quer und schräg getroffenen Ciliarfortsätze im Vergleich zu den oceipital gelegenen Ciliarfortsätzen. Gegen das obere und untere Ende des Schnittes geht die eiliare Zone in die eigentliche, im Schnitt dickere Retina R über. In der Figur 5 bezeichnet sodann C' den Conjunctival- sack; cut. den cutanen, sube. den subeutanen, conj. den con- Junetivalen Theil des durchschnittenen unteren Lides, auf dessen oceipitaler (im Bilde oberen Seite) der Lidmuskel Zm. nahe der Conjunetiva gelegen ist. S%k. ist das vordere Ende des Selera- knorpels; das III. Lid liegt nasal also unten im Bild; Se. k. sind Knochenplatten der Sclera; F. Federanlagen. Der eiliare Theil des inneren Blattes der secundären Augen- blase bleibt bis zum Uebergreifen auf die hintere Irisfläche zeit- lebens unpigmentirt; das äussere Blatt der secundären Augen- blase ist von einem gewissen Zeitpunkte an im ganzen Verlauf pigmentirt, An der Umschlagstelle der Augenblasenränder im mittleren, offen bleibenden Theile der Augenspalte wird aber, wie die Fig. 6 erläutert, auch das innere Epithel pigmentirt. Die unpigmentirten Zellen des inneren Blattes sind im ciliaren Theil der secundären Augenblase höher und schmäler als die pigmen- tirten; beide Zellreihen nehmen im offenbleibenden Theil der Augenspalte an Breite zu, ohne jedoch die Höhe der unpigmen- tirten Zellen zu erreichen. In der Augenspalte selbst liegt (in Fig. 5) bei @. ein Gefässdurchschnitt; Gefässe finden sich auch unter den Kämmen der Ciliarfortsätze, die nahe dem Epithel von einem weit lockereren Bindegewebe ausgefüllt werden als nach aussen hin. Dem Rest der Augenspalte gegenüber liegt der Querschnitt N. eines dicken Nerven; im festen, äusseren Binde- gewebe des Ciliarkörpers treten vereinzelte Chromatophoren auf. In der Figur 6 bezeichnet /. das innere, A. das äussere Blatt der Augenblase, oder das innere und äussere Epithel des ciliaren Theiles der Retina; C g. ein Blutgefäss im Ciliarfortsatz. Das Bindegewebe in der Augenspalte ist ungemein zart. Die Augenspalte war in der Serie dieses Auges (13 Tage alter Hühnerembryo) in 50 Schnitten von 0,01 mm Dicke ge- 352 M. Nussbaum: troffen. Die Schnitte durch den unteren Theil der Augenspalte zeigten die umgebogenen Ränder der Augenblase in Form der Fig. 5; je näher sie der Linse kamen, um so mehr bogen sich SI SS 58 Fig. 5. Fig. 6. die freien Enden wieder gegen die Spalte zurück, bis sie sich endlich, 0,56 mm von dem unteren Rande der Linse entfernt, in Form eines®, dessen Kuppe nach aussen lag, vereinigten. Es folgten Die Pars ceiliaris retinae des Vogelauges. 353 also auf die 50 Schnitte mit offener Augenspalte noch 36 bis zum unteren Linsenrande, in denen die Spalte geschlossen war. Sehnitte durch die entsprechenden Stellen des Corpus eiliare vom erwachsenen Huhn und Fasan geben dieselben Bilder; wohl varlirt die Ausdehnung der Pigmentirung in beiden Blättern der Augenblase an der Umschlagstelle in der Augenspalte. Durch die Untersuchung der vorderen Hälften gut gehärteter Augen aus verschiedenen Stadien der Entwiekelung des Huhnes lässt sich somit zeigen, dass das Corpus eiliare frontal schwächer sich entwickelt als oceipital, und dass die in ihm unten eine Strecke weit zeitlebens offen bleibende Augenspalte sich im Laufe der Entwiekelung in Uebereinstimmung mit diesen Vorgängen weiter frontal verlagert. Da ein freilich unerklärter Schwund des Gefässes auf der frontalen Seite und stärkere Ausbildung des ocei- pitalen Gefässes vorkommt, so wird man wohl die Erscheinungen auf stärkeres Wachsthum der oceipitalen Seite in Folge der besseren Blutversorgung zurückführen können. Es bleibt aber noch die Erklärung für das Offenbleiben des mittleren Theiles der Augenspalte beim Vogel übrig. Wie ich in der Entwickelungsgeschichte des menschlichen Auges!) mittheilte, entsteht der M. retraetor lentis der Fische aus der Augenblase. Die Ränder der Augenblase stülpen sich im eiliaren Theil der Augenspalte um, und ihre Zellen wachsen zum Theil in Muskelfasern der Campanula aus, andere liefern wie im übrigen Auge die Pigmentschicht der Campanula. Der Aceommodations- muskel des Fischauges entsteht also in der Augenspalte aus der Augenblase, wie der M. sphineter pupillae bei allen Wirbelthieren aus dem vorderen umgeschlagenen Rand der Augenblase. Ich glaube nun, da auch die Oertlichkeit übereinstimmt, in den im Ciliartheil der Augenspalte des Vogelauges zeitlebens nach aussen umgeschlage- nen Rändern der Augenblase das Rudiment, also das Homologon, der Campanula des Fischauges wiederzufinden. Beim Vogel gibt es keinen Accommodationsmuskel im Innern des Glaskörpers. Dafür ist ein ächter Ciliarmuskel wie bei den Säugern vorhanden, über den eine bald erscheinende Abhandlung im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der Binnenmuskeln des Auges aller Wirbelthiere berichten soll. a Graefe-Saemisch, Handbuch II. Aufl, II. Bd. 8. Cap. pag. 35. 1899. 354 (Aus dem anatomischen Institut zu Bonn und dem anatomischen Laboratorium der Johns Hopkins Universität zu Baltimore.) Ueber die Histogenese des peripheren Nerven- systems bei Salmo salar. Von Dr. phil. Ross Granville Harrison, Johns Hopkins University, Baltimore, U. S. A. Hierzu Tafel XVIIIL, XIX und XX und 7 Figuren im Text. Ueber die Entwicklung des Nervensystems der Knochen- fische liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Der grösste Theil von diesen, meistens in Arbeiten über die gesammte Entwicklung der Teleostier enthalten, bezieht sich hauptsächlich auf die erste Entstehung des Centralnervensystems; andere, wie zum Beispiel die Arbeiten von Retzius (9), Van Gehuchten (95 und 96) und Aichel (95), behandeln den Zusammenhang der einzelnen Gewebselemente, wenn auch nur in späteren em- bryonalen oder larvalen Stadien. In den ersteren wird jedoch die Histogenese wenig oder gar nicht berücksichtigt, in den letzteren die ersten Stadien der feineren Umwandlung der Zellen überschlagen. Schaper (97) hat zwar die Differenzirungen im Centralnervensystem der Forelle eingehend untersucht, aber seine Studien beziehen sich, soweit sie nicht dem Kleinhirn gewidmet sind, nur auf die allerersten Differenzirungen der Zellen in Stütz- und Nerven-Elemente. In Betreff der Entwicklung des peripheren Nervensystems der Teleostier sind unsere Kentnisse- sehr unvollständig, und über die Histogenese der Nerven bestehen überhaupt keine Angaben. Selbst in der berühmten Arbeit von His über die Entstehung der Neuroblasten wird der Teleostier- embryo nur wenig in Betracht gezogen. Dagegen giebt es umfangreiche Untersuchungen über die erste Formumbildung der einzelnen Gewebselemente im Nerven- system bei anderen Wirbelthieren; die Arbeiten von His und Vignal sind hier an erster Stelle zu nennen; an diese schliessen sich die mit Hülfe der neueren Methoden gewonnenen Ergebnisse Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 355 von Ramon y Cajal, v. Lenhossek und anderen. Das wich- tigste Resultat dieser Untersuchungen ist wohl der Nachweis, dass jede Nervenfaser als Auswuchs einer einzigen Zelle entsteht, d. h. dass Zelle und Faser von Anfang an eine morphologische Einheit bilden. Während dieser Schluss zunächst auf Unter- suchung der höheren Wirbelthiere begründet wurde, so ist es nicht ausser Acht zu lassen, dass auch die niederen häufig dazu herangezogen worden sind. Die Mehrheit der Arbeiten über die erste Entstehung des peripheren Nervensystems bei den niederen Wirbelthieren worunter Arbeiten von Hoffmann (83) und Henne- guy (88) über den Forellenembryo sich finden, beziehen sich jedoch mehr auf morphologische Fragen als auf die Histogenese. Soweit die Autoren dieser Arbeiten auf letzteres Thema eingehen, unter- stützten sie fast ohne Ausnahme die Lehre, dass die Nervenfaser aus einer Kette von Zellen entsteht, und dass Zellen aus dem Centralnervensystem herauswandern, “um die peripheren Nerven zu bilden. Selbst in den letzten Jahren hat diese Lehre, nament- lich seitens Beard (96), Platt (9), Sedgwick (96) und Hoffmann (98) Unterstützung gefunden. Die vorliegende Abhandlung enthält die Ergebnisse einer Untersuchung über die histogenetische Entwicklung des peripheren Nervensystem bei dem Teleostierembryo, Salmo salar, ein für histogenetische Studien sehr geignetes Object. Da das periphere Nervensystem nicht vom centralen zu trennen ist, so wird auch manches über die Differenzirungen im Medullarstrang berücksichtigt werden müssen; dies gilt ausser für die Nervenzellen des Rücken- marks, die die peripheren Nerven entsenden, auch für andere Ele- mente, namentlich die Commissurenzellen und das Ependym. Es ist der Zweck dieses Studiums, die Umbildung der einzelnen Zellarten Schritt für Schritt und möglichst zusammenhängend zu beschreiben und ausserdem Vergleiche mit den Befunden bei anderen Wirbel- thieren anzustellen Um diesen Plan auszuführen, wird es aber unvermeidlich sein, auf manche Einzelheiten einzugehen, die schon von früheren Autoren bei Embryonen anderer Arten beschrieben worden sind. Hinsichtlich der allgemeinen Schlüsse, die diese Unter- suchungen gestatten, ist hier nur zu bemerken, dass alle Befunde beim Lachsembryo für die Lehre sprechen, dass jede Nervenfaser von einer einzigen Zelle auswächst. Nichts habe ich finden können, was die Zellkettentheorie unterstützt. 356 Ross Granville Harrison: Die Abhandlung ist im zwei Abschnitte getheilt. Der erste enthält bloss die Beschreibung der Befunde bei den einzelnen Embryonen. Der zweite besteht aus zusammenhängenden Be- handlungen der einzelnen Themata, womit eine Besprechung der Angaben von früheren Autoren verbunden wird. In diesem Ab- schnitt wird Folgendes berücksichtigt: 1. Die Beziehungen zwischen Medullarstrang, Ganglienstrang und Epidermis. 2. Die Bildung und Differenzirung der Spinalganglien und der sensiblen Wurzeln. . Neuroblasten und Stützzellen. Die motorischen Wurzeln der Spinalnerven. Die Hinterzellen!) und deren Nerven. Da Material, das mir zum Zweck dieser Untersuchung zur Verfügung stand, waren Erıbryonen, bezw. Larven vom Rhein- lachs, S. salar, in den verschiedensten Stadien der Entwicklung. Der jüngste Embryo, der beschrieben wird, hatte ca. zehn Ur- wirbel; bei dem ältesten war der Dotter schon vollständig auf- gebraucht. Zum Fixiren wurde hauptsächlich Sublimat Essigsäure und auch zum Theil Flemming’sche Flüssigkeit gebraucht. Serienschnitte wurden in allen drei Hauptebenen des Körpers sowie in einer schrägen Ebene angefertigt; sie wurden dann meistentheils mittelst Hämatoxylin gefärbt und in einer wässerigen Lösung von Congoroth nachgefärbt. Ich musste vom Gebrauch der speeifisch neurologischen Methoden absehen, da, nachdem die Untersuchung im Gange war, mir kein frisches Material mehr zur Verfügung stand. Wenn nun diese Methoden für das Studium der älteren Stadien ohne Zweifel von Hülfe gewesen wären, so glaube ich nicht, dass sie zu wesentlich anderen Ergebnissen ge- führt hätten; denn es handelt sich in dieser Untersuchung haupt- sächlieh um die ersten Formveränderungen der Nervenelemente, die zu einer Zeit stattfinden, wo die Beschaffenheit ihres Proto- plasmas sich kaum vom embryonalen Zustand geändert hat und demzufolge die speeifischen Färbungen der Nervenzellen nur selten oder gar nicht zu erzielen sind. Ich möchte nochmals an dieser Stelle Herrn Geheimrath op 1) Auch Rohon’sche Zellen, Riesenzellen und „transient ganglion cells“ (Beard) genannt. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 357 Frhr. v. la Valette St. George danken für die freundliche Zuweisung eines Arbeitsplatzes im anatomischen Institut zu Bonn während des Sommers 1899, sowie Herrn Professor M. Nussbaum für die Ueberlassung seiner Serienschnitte, die als eine wichtige Ergänzung meines Materials dienen. I. Abschnitt. Beschreibung der Stadien. Stadium I!). Der Medullarstrang des Kopfes ist in diesem Embryo nur theilweise von der Haut getrennt. Im Rumpf sind keine Spuren von einem Ganglienstrang vorhanden. Dagegen finden sich im Kopf, eaudalwärts von der Augenblase drei paarige Ganglienan- lagen schon mehr oder weniger ausgebildet, die als Trigeminus, Acustico-Facialis und Glossopharyngeo-Vagus zu deuten sind. Die vorderste dieser Anlagen, die des Trigeminus, erstreckt sich von der caudalen Hälfte der Augengegend bis kurz vor die Ohrgrube. Sie hängt mit der dorsalen Fläche des Gehirns zu- sammen und bildet ein grosses Lappenpaar, das sich von seinem Ursprung ventro-lateralwärts streckt. Sie besteht aus einer dichten Zellmasse, in welcher viele Kerntheilungsfiguren vorhanden sind. Die Ganglienanlage ist auch mit der Grundschicht der Epidermis in Zusammenhang. Diese Schicht hört nämlich in einer gewissen Entfernung von der Mittelebene an jeder Seite auf, und der Ganglienstrang ist in der Mitte nur von der Deckschicht bedeckt (Textfigur 5 p. 392). Das Nervensystem: Medullarstrang und Ganglienstrang, ist also noch nicht von der Epidermis abgeschnürt. Caudalwärts vom Trigeminus ist eine ganz kurze Strecke (etwa 0,03 mm), wo der Ganglienstrang unterbrochen ist. Dann folgt in der Gegend der Ohrgrube die Anlage des Acustieo-Facialis, worin keine Sonderung in die zwei Bestandtheile zu merken ist. Diese Anlage ist nicht so weit ausgewachsen, wie die des Trige- minus. Sie macht im Querschnitt den Eindruck einer Haube, die auf dem Gehirn liegt. Mit letzterem, sowohl wie mit der Zu Der Embryo wurde am 16. Bebrütungstag (Wassertemperatur 70—-80C.) eingelegt. Die Anzahl an vorhandenen Urwirbeln war nicht genau zu bestimmen, wird aber auf zehn oder elf geschätzt. Dieses Stadium entspricht dem Stadium F’ von Henneguy (88, p. 481) und dem Stadium VIII von Kopsch (98, p. 200). 358 Ross Granville Harrison: Grundschieht der Haut, ist sie in eontinuirlichem Zusammenhang, liegt also zwischen beiden. Sie ist wie die Trigeminusanlage ein wahrer Zwischenstrang. Die Aecustieusanlage geht, caudalwärts von der Ohrgegend, in die Glossopharyngeo-Vagusanlage über, durch eine leichte Ein- schnürung davon getrennt. Letztere ist kaum so weit ausge- bildet wie erstere und wird nach dem Schwanz zu immer dünner, bis sie bald ganz aufhört. Stadium II). Die Trigeminusanlage dehnt sich in diesem Stadium weiter ventralwärts aus und ist schon aufgelockert. An den meisten Schnitten ist es kaum möglich, zwischen der Anlage und dem umliegenden Mesenchym eine Grenze zu ziehen. Die Vagusanlage ist ungefähr so weit entwickelt, wie die Trigeminusanlage im Stadium I. Im Vagusgebiet ist ein dichtes und scharf umgrenztes Mesenchym vorhanden; gegen dieses ist der Ganglienstrang zu unterscheiden. Das Mesoderm ist hier undeutlich segmentirt?); erst weiter caudalwärts (etwa 0,15 mm) hinter der Ohrgrube liegt die orale Grenze des ersten scharf um- grenzten Myotoms. Nach dem Schwanz zu wird die Fortsetzung des Ganglien- stranges rasch dünner, bis sie schon vor dem Gebiet der Myo- tome ganz aufhört. Der am weitesten caudal gelegene Theil des Ganglienstranges besteht aus einer schwachen Zellkette, die zwi- schen Epidermis und Medullarstrang eingeklemmt ist. Einzelne von diesen Zellen haben dünne, peripherwärts sich erstreckende Protoplasmafortsätze. In der Kopfregion hat die Abfaltung des Medullarstranges sammt Ganglienstrang von der Epidermis schon an gewissen Stellen stattgefunden. Ueber dem Trigeminuswulst z. B. stösst die Hautgrundschicht der beiden Seiten in der Mittelebene zu- 1) Der Embryo wurde am 17. Tag eingelegt. Die Augenblase weist eine anfangende Höhlung auf. Die Ohrgrube ist noch mit der Hautgrundschicht in Zusammenhang. Die Urwirbelzahl wird auf fünf- zehn taxirt. Dieses Stadium ist etwas weiter entwickelt, als Stadium G von Henneguy, aber nicht so weit wie Stadium IX von Kopsch. 2) Vergl. Nussbaum, M., Entwicklungsgeschichte des mensch- lichen Auges, pag. 64. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 359 sammen, und die Ganglienanlage bleibt nur mit dem Medullar- strang in Zusammenhang. Im Acustico-Facialis- und im Vagus- gebiet ist die Abfaltung nicht vollendet; die Grundschicht geht medialwärts in den Ganglienstrang über, und der mittlere Theil des letzteren wird direet von der Deckschicht bedeckt. Die ersten Stadien der Abfaltung sind in der Rumpfgegend zu beobachten Im caudalen Drittel des Embryo ragt der Medullar- strang keilartig zwischen die Mesodermstreifen hinein. An Quer- schnitten (Fig. 1) ist es ersichtlich, dass der Strang (m.s) lateral- wärts sich verjüngt und continuirlich in die Grundschicht (gr.s) übergeht. Die ganze Bedeckung des embryonalen Marks in diesein Stadium besteht ans der Deckschicht des Eetoderms (d.s), die jedoch noch recht diek ist. Die äusseren Zellen des Medullar- strangs sind senkrecht zur lateralen Fläche derselben verlängert. Die Höhe dieser Zellen fällt an der Uebergangsstelle (w) stark ab, indem die Schicht als Grundschicht fortgesetzt wird, die aus ceuboiden oder flachen Epithelzellen besteht. Etwas weiter kopfwärts wird der Uebergang des Medullarstrangs in die Epi- dermis schärfer; die runde Umbiegung wird zu einer Rinne ver- tieft (Fig. 7 bei w)'!), d. h. die Abfaltung hat begonnen. Der Querschnitt des Medullarstrangs wird durch diesen Vorgang schlusssteinförmig. Es bleibt eine Kante an der Stelle bestehen, wo der frühere Uebergang in die Epidermis lag (Fig. 7 fl.k). Noch weiter nach dem Kopf zu reicht die Grundschicht näher zur Mittelebene, aber erst im Trigeminusgebiet, wie oben be- schrieben, ist der Medullarstrang vollständig von ihr überdeckt. Stadium III?). Die vollständige Auflockerung der Trigeminusanlage hat schon stattgefunden. Dasselbe gilt, wenn auch in einem geringeren Grade, für die Facialisanlage. Die Vagusanlage ist noch intakt, obwohl die Zellen nicht so dieht aneinander gedrängt sind als im vorhergehenden Stadium. Sie hat sich sozusagen ausgestreckt, 1) Diese Figur ist nach einem älteren Embryo abgebildet. 2) Der Embryo wurde am 18. Tag eingelegt. Die Augenblase ist schon eingestülpt. Die Ohrblase wird von der Grundschicht der Haut abgeschnürt. Die Zahl der Urwirbel beträgt 19—20. Dieses Stadium ist zwischen den Stadium G und H von Henneguy und nur sehr wenig weiter entwickelt als das Stadium IX von Kopsch. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 24 360 Ross Granville Harrison: und direet unter der äusseren Haut verlaufend reicht sie bis an eine Kiementasche heran. Caudalwärts von der Vagusanlage sind nur einzelne Zellen vorhanden, an der Stelle eines compacten Stranges. Diese Zellen liegen zum Theil ganz frei in dem kleinen Raum zwi- schen Medullarstrang, Mesoderm und Haut und zum Theil in Zu- sammenhang mit dem erstgenannten, der in dieser Gegend eigent- lich die Anlage der Ganglien einschliesst. Die freien Zellen sind in dem zwischen Vagusanlage und erstem deutlichen Myotom liegenden Gebiet am zahlreichsten. Sie erstreeken sich zum Theil zur dorsalen Kante des Mesoderms. Nach dem Schwanz zu neh- men sie allmählich an Zahl ab; doch ist dies nicht ganz regel- mässig, denn z. B. im Gebiet des ersten Wirbels sind, auf beiden Seiten zusammen, siebenundzwanzig Zellen, beim zweiten Urwirbel zwölf, beim dritten achtzehn, beim vierten sieben und beim fünften eine; dann in der Gegend des siebten und elften sporadisch je eine Zelle. Die Zellen sind im Bereich eines Segments recht regelmässig vertheilt, und weisen keine metamere Anordnung auf. Die Abfaltung der Anlage des Nervensystems von der Epi- dermis ist im Kopf fast überall vollzogen, aber im Rumpf hängt der Medullarstrang lateralwärts mit der Grundschieht zusammen. Die Schnittbilder sind in diesem Stadium für diese Frage theil- weise sehr undeutlich, weil die Auflockerung der Ganglienanlagen des Kopfes schon sehr weit vorgegangen ist, und weil der dor- sale Theil der Hautgrundschicht äusserst dünn geworden ist. Stadium IV), Der Medullarstrang ist jetzt in fast der ganzen segmentirten Region des Embryo von der Haut abgeschnürt. In dem eaudal ge- legenen unsegmentirten Theil ist die Grundschicht der Epidermis noch mit dem Medularstrang verbunden, aber hier, sowie im Be- reich der letzten drei Urwirbel ist sie schon etwas weiter abge- faltet, als in der Fig. 7 gezeigt wird. Kopfwärts vom einund- zwanzigsten Urwirbel ist ein Gebiet, wo die Grundschicht nur stellenweise in der Mittelebene geschlossen ist. Die Abfaltung vollzieht sich also nicht ganz eontinuirlich vom Kopf nach dem Schwanz zu. Der Medullarstrang ist kopfwärts vom caudalen 1) Die Urwirbelzahl beträgt in diesem Stadium vierundzwanzig. Es ist nicht so weit entwickelt, wie Henneguy’s Stadium H und liegt zwischen den Stadien IX und X von Kopsch. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 361 Theil des fünfzehnten Segments überall von der Epidermis getrennt. An den Stellen, wo der Medullarstrang noch nicht abge- faltet ist, ragt derselbe zwischen den beiden Seitentheilen der Grundschicht etwas empor (Fig. 7). Die Zellen in dieser Er- habenheit und auch einige aus der ganzen oberflächlichen Schicht des Stranges lateralwärts bis zur Flügelkante bilden den Ganglien- strang. Die dorsale Fläche des Medullarstrangs ist an manchen Stellen, wo er abgefaltet ist, glatt abgerundet; obgleich selbst nach vollendeter Trennung eine leistenförmige Erhebuug dort wahrzunehmen ist (Fig. 8 g. str). Der Medullarstrang hat im Querschnitt eine Form, die am besten mit einem Schlussstein zu vergleichen ist. Seine dorsale Fläche ist gewölbt und biegt seitwärts, an der Stelle, wo der Strang am breitesten ist, plötzlich in die Seitenfläche um. Die hier gelegene, ausgeprägte Kante oder Leiste nenne ich die Flügelkante, weil sie von der Flügelplatte der Markanlage hervorragt!) (Fig. T— 10 fl.k.). Eine deutliche Membran, welehe aus dem äusseren Theil der Zell- membranen besteht, umgiebt den Medullarstrang, der noch ein solides Gebilde ohne Centralcanal ist. Die beiden Seitenhälften des Stranges sind durch eine sagittal gelegene Membran getrennt, die im Querschnitt als eine zackige, den Grenzen der einzelnen Zellen entsprechenden Linie erscheint (Fig. 8 c.c‘). Die Zellen des Medullarstrangs sind epithelartig geordnet. Sie sind prismaförmig, und die Längsachse der einzelnen Zellen liegt quer im embryonalen Körper. Die Zellen erstrecken sich von der äusseren Grenzmembran bis zur Mittelebene, aber ihre ovalen Kerne sind nicht in einer Schicht geordnet, sondern liegen in ver- schiedenen Entfernungen von der Mittelebene. Dorsal und ventral, d.h. in den Theilen der Wandungen des Medullarstrangs, welche der Deckplatte und der Bodenplatte entsprechen, haben die Zellen eine radiäre Anordnung; doch im ersteren ist die Regelmässigkeit durch das Vorhandensein der Zellen des Ganglienstrangs etwas gestört. Die feinere Structur des Zellprotoplasmas zeigt sich im conservirten Material als reticulär. An den Fäden des Netzwerks sind äusserst kleine Körnchen angereiht (Fig. 11—15). Die ein- 1) Siehe Anmerkung 2 auf Seite 400. 362 Ross Granville Harrison: zelnen Fäden verlaufen hauptsächlich, wenn auch nur undeutlich, in der Riehtung der Längsaxe der Zellen. Der mediale sowohl als der laterale Theil der Zellen weisen eine gleiche Struetur auf. Die Kerne der Epithelzellen nehmen die mittlere Zone der beiden Seitenwände des Medullarstrangs ein. Medial davon fin- den sich, wie bekannt, zahlreiche in Theilung begriffene Keim- zellen (Fig. 10 %.z.). In dem lateral von den Kernen gelegenen Randschleier liegen durch die ganze Länge der Markanlage eine Anzahl Neuroblasten eingebettet (Fig. T—10 h. zm. z uud nbl). Diese Vorstufen der Nervenzellen liegen jetzt vereinzelt und bilden kaum eine besondere Mantelschicht (His). Sie sind in allen Horizontalebenen des Medullarstrangs zu treffen. Durch ihre ver- schiedene Lage kann man schon mehrere Gruppen von Neuro- blasten unterscheiden. Erstens sind im Niveau der Flügelkante und dorsalwärts davon gewisse auffallende Zellen (Fig. 7, 8 und 10 AR.z), die zum Theil schon in früheren Stadien zu er- kennen waren, wo sie ganz nahe zur Uebergangsstelle zwischen Epidermis und Medullarstrang lagen. Es ist klar, dass diese Zellen örtliche Beziehungen zu den Zellen des Ganglienstrangs haben. Sie sind, wie später ersichtlich wird, die Vorstufen der Hinterzellen oder Riesenzellen von Rohon. Zweitens liegen die Neuroblasten, die sich bald zu Commissurenzellen herausbilden werden, direet ventral zur Flügelkante und bis zur mittleren Horizontalebene des Medullarstrangs (Fig. 9 com. 2). Drittens liegen in der ventralen Hälfte der Markanlage die künftigen mo torischen Zellen (Fig. 8 m. 2). Die Neuroblasten, die caudalwärts vom achtzehnten Ur- wirbel liegen, sind sämmtlich rund oder polyedrisch, und sind deutlich gegen die Epithelzellen abgegrenzt. In Bezug auf feinere Structur sind sie kaum von den anderen Zellen des Embryonal- körpers differenzirt. Die Fäden des Protoplasmagerüsts sind aber unregelmässig und nicht parallel mit einander geordnet. Die Kerne der Zellen sind rund und enthalten gewöhnlich ein rundes Kern- körperchen, während der ganze übrige Theil des Kerns etwas blass erscheint. Es finden sich schon in der Gegend des acht- zehnten Segments motorische und Commissuren-Neuroblasten, die eine etwas längliche Gestalt haben. Sie sind in ventro-lateraler Richtung ausgezogen und spitzen sich nach der Peripherie zu, wobei sie sich häufig gegen die äussere Grenzmembran des Me- Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 363 dullarstrangs andrängen. Die Membran bleibt jedoch noch deut- lieh und vollständig intakt. Weiter nach dem Kopf zu sind hier und da Zellen vorhanden, deren Auswüchse etwas länger sind. Dies ist bei den motorischen Zellen der Fall, aber noch in höherem Grade bei den Commissurenzellen. Der kräftige Auswuchs einer solchen Zelle, der in der That eine dicke stumpfe Nervenfaser darstellt, erstreckt sich ventralwärts in der Substanz des Rand- schleiers, entweder direct innerhalb oder unweit von der äusseren Grenzmembran. Im Bereich vom zweiten, dritten und vierten Urwirbel reichen die Fortsätze von Zellen, die an der Flügelkante gelegen sind, in einzelnen Fällen bis an die mittlere Horizontal- ebene des Medullarstrangs. Der Randschleier besteht auch hier aus einem reticulären Protoplasma. Das Netzwerk ist aber intra- cellular und nicht so weitmaschig, als dass die auswachsenden Nervenfasern durch die Maschen geführt werden könnten. Im Gegentheil ist ihr Weg durch das Protoplasma der epithelialen Stützzellen ausgehöhlt. Der Zellkern von fast allen diesen weiter differenzirten Neuroblasten nimmt eine etwas excentrische Stellung em. Das Zellprotoplasma tingirt sich etwas stärker mit dem Congoroth, und das Protoplasmagerüst hat eine bestimmte Anordnung, indem die einzelnen Fädchen nach dem auswachsenden Pol "der Zelle zu convergiren. In den Fällen, ws ein deutlicher Fortsatz vor- handen ist, verlaufen die darin enthaltenen Fäden parallel mit der Axe derselben (Fig. 17 und 23). Wenn die Querschnittserie vom Schwanz nach dem Kopf zu durchmustert wird, finden sich die ersten Zeichen einer Sonde- rung der künftigen Spinalganglienzellen von der Rückenmarks- anlage in der Gegend des dreizehnten Urwirbels. Die obersten Zellen des Medullarstrangs erheben sich hier als eine etwas deut- lichere Leiste, und einige Zellen, die an der Oberfläche liegen, entsenden lange Ausläufer, die sich peripherwärts nach der Epi- dermis und der Muskelplatte zu ausstrecken (Fig. 9). Beim elften Myotom, wie auch im Bereich des zehnten Segments, liegt eine Zelle beinahe frei auf der Oberfläche der Markanlage. Von der oralen Hälfte des zehnten Urwirbels giebt es in jedem Schnitt lose Zellen, oder solche, die im Begriff sind, sich loszulösen. Die ganze oberste Schicht des Medullarstrangs betheiligt sich an der Abgabe der Zellen, die dann in den freien Raum hinein- 364 Ross Granville Harrison: gleiten, der zwischen Haut, Medularstrang und Urwirbel liegt (Fig. 2 und 10). So bald diese Zellen frei liegen, ist an ihrer unregelmässigen Form und am Vorhandensein von Protoplasma- ausläufern zu merken, dass die künftigen Ganglienzellen wie Wanderzellen gestaltet sind. Sie ähneln sehr den Mesenchym- zellen desselben Stadiums.. Die Zellen, die sich aus dem Verband des Medullarstrangs gelöst haben, nehmen nach dem Kopfe zu recht regelmässig an der Zahl zu, jedoch nieht ganz ohne Sprünge und Rücktritte, wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist: [zanı der losgelösten, | [Zahl der losgelösten Myotom No. Zellen ' Myotom No. Zellen Rechts | Links | Rechts | Links | | 11 1 0 | 5) 13 ) 10 1 0 | 4 22 | 18 9 5 5) | 3 19 ı 19+21) 8 1 5 N 2 2642 | 26+1 7 8 | 1 3242 | 2242 6 10 4 a 52 | 4941 | Fast alle die Zellen liegen dorsal von den Urwirbeln, wo sie mit ihren Fortsätzen ein Netzwerk bilden. Doch beim sechsten Urwirbel liegt eine Zelle im Winkel zwischen Rückenmark und Urwirbel, als wenn sie im Begriff wäre, sich dazwischen hinein- zudrängen. Zwei Zellen haben sich im Bereich des dritten Myo- toms schon so weit hineingedrängt, dass sie ganz fest zwischen Muskelplatte und Medullarstrang eingeklemmt liegen. Beim zweiten Myotom sind rechts zwei und links eine solehe eingedrungene Zelle; beim ersten Myotom zwei auf jeder Seite; und bei dem vergänglichen Myotom a links eine Zelle, im Ganzen zehn, wovon zwei in Theilung begriffen sind. Auch im Gebiet des unsegmentirten Mesoderms sind viele Ganglienstrangzellen vor- handen und zwar in zunehmender Zahl je weiter nach dem Vagus zu. Der schon etwas aufgelockerte Ganglienstrang ver- läuft aber continuirlich vom Kopfe in den Rumpf hinein. Dies ist um so mehr zu beachten, als später den Myotomen a und 1 1) Die nach dem + Zeichen befindlichen Zahlen bezeichnen die Zellen, die sich schon zwischen den Medullarstrang nnd das Myotom hineingedrängt haben. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 365 entsprechend keine Ganglien und im Bereich des Myotoms 2 nur ein vorübergehendes rudimentäres Ganglion sich ausbilden!). Dass alle die eben aufgezählten Zellen ausschliesslich aus dem Ganglienstrang stammen, ist für sicher zu halten; denn keine freien Mesenchymzellen sind, ausser im Kopf, vorhanden, die eine Verwechselung hervorrufen könnten. Seitenplatten und Urwirbel sind überall sehr deutlich; letztere sind sogar mit einer bestimmten Membran umgrenzt. In den meisten Ursegmenten sind die Sklerotomdivertikeln nicht einmal entwickelt, und in den ersten sieben, wo sie vorhanden sind, sind die Sklerotome noch epithelial;: sämmtliche Zellen halten noch fest in dem epithelialen Verband. | Die Entwicklung der Hinterzellen kann am besten an schrägen Längsschnitten verfolgt werden, und zwar an Schnitten, die um etwa 30° bis 45° zur Frontalebene geneigt sind. In solchen schrägen Schnitten, die die Flügelkante treffen, und dem- gemäss die dorsale Fläche des Medullarstrangs, sowie die des Myotoms eben abschaben, treten die runden oder polygonalen Neuroblasten (Fig. 15 und 16 AR. z) gegen die länglichen, in Querrichtung gestreckten Stützzellen scharf hervor. Andere Neuroblasten sind vorhanden, die in der Richtung der Längsaxe des Embroys etwas gestreckt sind (Figur 16 bei c). Diese Zellen sind nicht gerade spindelförmig, denn der Zellleib, der den oft in die Länge gestreckten Zellkern enthält, liegt im Haupttheil, etwas medialwärts von der Axe der Auswüchse, die sich der äusseren Grenzmembran fest anschmiegen. Durch diese Verhältnisse erklären sich die Bilder, die man in Querschnitten erhält, wo der Kern ein wenig excentrisch in einer ovalen Protoplasmamasse liegt (Fig. 7, S und 101.2). Stadium V?). Die Auflösung des Ganglienstrangs ist jetzt bedeutend weiter vorgeschritten. Losgelöste Zellen sind bis in den Bereich des zweiundzwanzigsten Segments vorhanden. Die Entwicklung scheint besonders rasch in der caudalen Hälfte des Embryo vor 1) Harrison (9%), p. 560. 2) Bei Embryonen in diesem Stadium beträgt die Anzahl der Urwirbel neunundzwanzig. Das Stadium ist ungefähr dem Stadium X von Kopsch und H von Henneguy entsprechend. 366 Ross Granville Harrison: sich gegangen zu sein, denn die einzelnen Entwicklungsstufen sind örtlich nicht so weit auseinander wie im Stadium IV. So- mit haben sich Zellen verhältnissmässig weit caudalwärts, d. h. im Gebiet des zwanzigsten Urwirbels, zwischen Medullarstrang und Urwirbel hinemgedrängt. Doch sind diese eingeklemmten Zellen nur vereinzelt in diesem weit caudal gelegenen Theil des Embryos. Sie sind erst vom sechzehnten Segment kopfwärts in jedem Metamer vorhanden, aber bis zum neunten Segment sind nie mehr als drei Zellen auf einer Seite eines Segments zu finden. Beim achten Myotom können Andeutungen einer Grup- pirung der Zellen wahrgenommen werden. Beim sechsten und den kopfwärts davon liegenden Segmenten ist ein rudimentäres Ganglion vorhanden (Fig. 3). Man sieht nämlich, dass hier zwischen dem ventralen Theil des Medullarstrangs und der da- neben liegenden Muskelplatte eine Anhäufung von Zellen vor- handen ist. Etwa vier solche Zellen sind in einem Schnitt zu finden. Ventralwärts vom Zellhaufen ist ein leerer vum Medullar- strang, Chorda dorsalis, und Muskelplatte begrenzter Raum, wo die Mesenchymzellen aus den Sklerotomdivertikeln später hineinwan- dern. Derartige Zellen sind in dem betreffenden Segment nicht vor- handen, und es ist deshalb mit Sicherheit zu bestimmen, dass der oben beschriebene Zellhaufen ausschliesslich aus Zellen des Ganglien- strangs zusammengesetzt wird. Die Ganglienanlagen liegen caudalwärts von der Mitte des betreffenden Segments, aber auch in anderen Theilen der Segmente sind isolirte Zellen zu finden, Die bei dem ersten Myotom und Myotom « befindlichen Zellen- anhäufungen sind kaum bestimmt genug, um Ganglienanlagen genannt zu werden. Die gesammte Anzahl der Zellen, die aus dem Ganglien- strang im Bereich der einzelnen Segmente ausgewandert sind, ist bedeutend grösser als im vorigen Stadium. Kerntheilungs- figuren sind auch an diesen Zellen häufig zu sehen. Eine metamere Anordnung dieser Zellen ist nur in den in der Ent- wicklung am weitesten vorgeschrittenen Gegenden zu merken, d. h. nur wo die Ganglienanlagen vorhanden sind. Die Veränderungen, die seit dem letzten Stadium im Medullarstrang selber stattgefunden haben, betreffen fast aus- schliesslich die Neuroblasten. Diese sind zahlreicher geworden und ihre Fortsätze, besonders in der oralen Hälfte des Embryos, Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salıno salar. 367 sind zum Theil sehr lang geworden. Die Fortsätze oder Fasern von einigen motorischen Zellen überschreiten sogar die Grenzen des Medullarstrangs. Die erste solche Zelle (vom Schwanz ge- rechnet) findet sich in der Gegend des dreizehnten Urwirbels. Von hier bis zu (einschliesslich) dem siebenten Segment sind solche Zellen vorhanden, aber vor dem siebenten nur im vierten Segment, Eine sehr günstig getroffene Vorderhornzelle ist im Bereich des neunten Sesments zu sehen (Fig. 12). Der Fortsatz dieser Zelle, der schon zu einer deutlichen Faser (v. ww) ausgewachsen ist, durehbricht die äussere Grenzmembran des Medullarstrangs, und verläuft ventralwärts, der medialen Fläche der Muskelplatte entlang, welcher er sich fest anschmiegt. Es hat nicht den An- schein, als wenn die Faser direkt in die Muskelsubstanz hinein- wachsen würde, sondern als wenn sie für ein weiter ventral ge- legenes Gebiet bestimmt wäre. Die Faser ist noch protoplasma- tisch und hat die Differenzirung einer Nervenfaser noch nicht erreicht. Andeutungen von Fibrillen sind zu sehen, die zu parallel verlaufenden Zügen geordnet sind. Dieses Bild stellt ein sehr frühes Stadium in der Entwicklung der motorischen Wurzeln dar. In diesem Fall besteht die Wurzel aus einer einzigen Faser, obgleich in anderen Fällen Fortsätze von zwei Zellen nachzuweisen sind. Andere motorische Zellen liegen in der Nähe der Wurzeln, aber entsenden noch keine Fasern über die Grenze des Medullarstrangs hinaus. Fortsätze von den moto- rischen Zellen sind oft durch mehrere Schnitte in der Längs- richtung zu verfolgen. Die Länge der auswachsenden motorischen Fasern ist in den einzelnen Segmenten verschieden. Die im achten, neunten und zehnten Segmente befindlichen sind am weitesten entwickelt. Aus diesen Befunden ist zu ersehen, dass die motorischen Wurzeln den Spinalganglien in der Entwicklung vorauseilen, und dass ein regelmässiges Vorschreiten der Ent- wieklung der Wurzeln vom Kopf nach dem Schwanz zu nicht streng innegehalten wird. Das Verhalten der Sklerotome ist in diesem Stadium sehr günstig für die Beobachtung der motorischen Nerven. Denn nur vom vierten Segment oralwärts sind die daraus entstammenden Mesenchymzellen bis zur ventralen Fläche des Medullarstrangs vorgedrungen. Die auswachsenden Nerven sind frei von losen Zellen, die die Klarheit der Bilder stören könnten. Auch fehlen 368 Ross Granville Harrison: alle Zeichen einer Auswanderung von Medullarstrangzellen, um an der Bildung der motorischen Nerven Theil zu nehmen. Die sieben Wurzeln, die schon vorhanden sind, haben ihre Bildung zweifellos ohne Betheiligung von solehen Zellen erreicht. Die äussere Grenzmembran des Medullarstrangs bleibt überall intaet, mit Ausnahme der kleinen Durchbruchstellen, die nur für den Durchlass der Zellfortsätze gross genug sind. Die Commissurenzellen sind weit ausgewachsen. Caudal- wärts bis zum dreizehnten Segment sind ihre Fortsätze bis zur Austrittsstelle der motorischen Wurzeln zu verfolgen. Einige da- von sind bis zur ventralen Grenze des Medullarstrangs gewachsen, wo sie sich dann nach der entgegengesetzten Körperseite des Embryo umbiegen. Die Hinterzellen entsenden jetzt recht lange Fortsätze, die sich im Niveau der Flügelkante durch mehrere Querschnitte ver- folgen lassen. Die Fortsätze von mehr als einer Zelle sind zu kleinen Bündelehen vereinigt, die den allerersten Anfang des Hinterstranges darstellen. Es ist in den meisten Fällen klar, dass eine Zelle einen oral und einen caudal verlaufenden Fort- satz abgiebt, wovon bald der eine und bald der andere stärker ist. Einige Zellen bilden ausserdem querverlaufende Auswüchse, die sich nach der dorsalen Mittellinie des Medullarstrangs zu ausstrecken. In Betreff der Grösse und des Differenzirungsgrades übertreffen die Hinterzellen in diesem Stadium kaum die moto- rischen Zellen oder die Commissurenzellen. Die Verhältnisse zwischen den Hinterzellen und deren Aus- läufer sind in einer schrägen Längsschnittserie von einem etwas älteren Embryo !) zu übersehen. Die Ausläufer sind ansehnlich und sind länger als der längste Durchmesser des Zellleibs (Fig. 23). Der Gegensatz zwischen Zellleib und Zellfortsatz ist Jetzt sehr deutlich. Ersterer liegt fast gänzlich medial von der Achse der Längsfortsätze. Der Zellkern bleibt in einigen Fällen in der Mitte der Zelle, nimmt aber gewöhnlich eine starke exeentrische Stellung ein. Die Substanz der Zellen sowie die der Fortsätze bleibt noch körnig. Letztere sind noch nicht zu eigentlichen Nervenfasern ausgebildet; doch tingirt sich das Proto- 1) Embryo mit einunddreissig Urwirbeln, Länge des conservirten Embryos 3,6 mm. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 369 plasma der Fortsätze stark mit dem Congoroth und hebt sich dadurch von der Umgebung hervor. Die querverlaufenden Fort- sätze, die einige Hinterzellen bilden, sind auch schon recht lang geworden (Fig. 31). Bei einem noch älteren Embryo !) sind einige Hinter- zellen vorhanden, die etwas von der Flügelkante nach der Mittelebene zu abgerückt sind. Der Kerm von diesen Zellen liegt ganz an der medialen Seite des Zellleibs (Fig. 24). Die zwei Fortsätze verlaufen vom Zellleibe zunächst etwas Jlateral- wärts, um dicht innerhalb der äusseren Grenzmembran eine gerade Längsrichtung einzuschlagen, wo sie sich oft durch die Länge eines ganzen Urwirbels deutlich verfolgen lassen. Der Aufbau der Fasern nähert jetzt dem einer ausgebildeten Nerven- faser, obgleich die Fasern noch etwas dick sind. Stadium VI?) Die Entwicklung des Ganglienstrangs ist jetzt nur wenig weiter caudalwärts vorgeschritten. Dagegen hat der orale Theil deutliche Fortschritte gemacht. Eine grosse Anzahl von Zellen sind hier an ihre definitive Lage gelangt, und sie gruppiren sich um die ventralen Wurzeln, wovon schon zwölf vorhanden sind. Die Zellen der Ganglienanlagen sind theils im selben Sehnitt wie die entsprechende motorische Wurzel, theils weiter oral und theils caudal davon zu treffen. Die Maximalzahl der Zellen in einem Ganglion beträgt zehn, aber im Bereich der weit caudal ge- legenen Wurzeln ist mehrmals nur eine einzige Zelle vorhanden, die ihre definitive Lage eingenommen hat. Diese Zellen sind alle noch undifferenzirt und besitzen keine Nervenfortsätze; sie sind demgemäss ohne nervöse Verbindung mit dem Medullarstrang. Neben dem zweiten Segment finden sich neun Zellen in der Ganglienanhäufung auf der rechten Seite und sieben auf der linken, im Bereich des ersten Segments drei resp. vier Zellen. Dies ist von Interesse, weil in diesen Segmenten später eine Hemmung oder Rückbildung in der Entwicklung eintritt. Der vorübergehende Urwirbel (Myotom a) ist schon zum Theil einem 1) Embryo mit dreiunddreissig Urwirbeln. Dieser ist nur ein wenig jünger als die Embryonen im Stadium VI. 2) Die Zahl der Urwirbel beträgt in diesem Stadium fünfund- dreissig. Es ist etwas älter als Stadium XI von Kopsch. 370 Ross Granville Harrison: mesenchymatischen Zerfall erlegen, so dass es unmöglich ist, die Anzahl der vorhandenen Ganglienstrang-Zellen zu bestimmen. Die Sklerotomdivertikel sind in diesem Stadium schon zum Theil aufgelöst. Von dem letzten bis zum fünfzehnten Segment sind sie noch intact, aber schon beim sechszehnten zeigen sich die Zeichen einer Loslösung, indem einzelne Zellen dorsal gerichtete Ausläufer ausstrecken (siehe Fig. 2, die nach einem jüngeren Embryo abgebildet ist). Einige solche Zellen sind auch im fünfzehnten Segment vorhanden, und im vierzehnten haben mehrere sich zwischen Notochord und Muskelplatte hinein- gequetscht. Ein Segment weiter kopfwärts, erreichen die vom Sklerotom abstammenden Zellen bereits die ventrale Kante des Medullarstrangs. Es ist daher oft schwierig, von diesem Segment an, die Mesenchymzellen von den Ganglienzellen zu unterscheiden; beide Zellarten sind noch vollkommen undifferenzirt. In dem Medullarstrang selber ist in Betreff der gröberen Verhältnisse zu bemerken, dass der Centraleanal sich viel weiter caudalwärts ausdehnt, indem Andeutungen davon sich bis zum vierzehnten Segment finden; und weiter, dass die Kanten, Flügelkante und ventrale Kante, in dem oralen Theil der Rückenmarksanlage die Neigung zeigen, sich mehr und mehr abzurunden. In feinerer Structur sind die Stützzellen kaum verändert (Fig. 11 und 17); nur von etwa dem fünfzehnten Ur- wirbel kopfwärts ist die Aussenzone des Medullarstrangs mehr und mehr von den Fortsätzen der ausgewachsenen Neuroblasten durchlöchert. Letztere sind inzwischen zahlreicher und ihre Aus- wüchse beträchtlich länger geworden. Motorische Wurzeln sind nur bis zum vierzehnten Segment entwickelt, d. h. nur ein Segment weiter als im Stadium V, ob- gleich die oral gelegenen kräftiger entwickelt sind, und sie kopfwärts bis zum dritten Segment, sowie auch im fünften und sechsten, wo sie vorher fehlten, vorhanden sind. Im vierzehnten Segment tritt der Fortsatz der motorischen Zelle nur auf der linken Seite über die Grenze des Medullarstrangs. Der Zellfort- satz hat auf der anderen Seite die äussere Grenzmembran nicht durchbrochen. Eine deutlich birnförmige Zelle streckt ihren Fortsatz nur bis zur Membran aus (Fig. 11 m. z), in welcher übrigens eine Unterbrechung angedeutet ist, wodurch der Fort- satz jedenfalls sehr bald ausgetreten wäre, Das Nervenpaar Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 371 des dreizehnten Segments ist auf beiden Seiten weiter ausge- wachsen. Die Fasern schmiegen sich der Muskelplatte an und verlaufen eine kurze Strecke ventralwärts derselben entlang. Die Fasern der zwölften und der kopfwärts davon gelegenen Seg- mente lassen sich bis zur ventralen Hälfte der Chorda dorsalis verfolgen. Bei mehreren von diesen Wurzeln, zum Beispiel bei der des zehnten Segments, verlaufen nicht alle Fasern gerade ventralwärts, sondern wenigstens eine biegt sich lateralwärts und stösst direct gegen die Muskelplatte, wobei das stumpfe Ende der Faser dorsalwärts abgelenkt wird. Dies stellt den Anfang des Ramus dorsalis dar. In keinem Fall war es möglich, die Nerven-Fortsätze zwischen den einzelnen Zellen der Muskelplatte hinein zu verfolgen. Im Bereich des zweiten Urwirbels, dessen motorischer Nerv beim erwachsenen Lachs schwach entwickelt ist, ist kein Nerv in diesem Stadium ausgewachsen. Auch beim ersten und beim vorübergehenden Urwirbel fehlen, wie beim Er- wachsenen, eigene ventrale Wurzeln. Die Commissurenzellen sind jetzt in Querschnitten sehr auf- fällig und zur genauen Beobachtung geeignet. In der Abbildung (Fig. 13 com. z) ist eine Zelle dargestellt, die aus der Gegend des zwölften Urwirbels stammt. Der Zellleib liegt ungefähr in der mittleren Horizontalebene des Meaullarstrangs und entsendet einen kräftigen Fortsatz in ventraler Richtung. Der Fortsatz verläuft in einer geringen Entfernung von der äusseren Grenz- membran und biegt sich, der Membran entsprechend, in die Bodenplatte um; wo er nach einem kurzen queren Verlauf, etwas vor der Mittelebene in einer kleinen kolbenförmigen Verdickung (w. k) endigt. Dass der Fortsatz wirklich hier endigt, geht .daraus hervor, dass keine Spuren von der Faser in den nächsten Schnitten zu sehen sind. Die Faser verläuft in einem Canal, der in der Substanz der Stützzellen liegt; der Canal wird nicht ganz von der Faser ausgefüllt, was aber wohl auf Schrumpfung zurückzuführen ist. Ausserhalb des Canals ist die Structur der Stützzellen unverändert geblieben. Solche Präparate, wie das vorliegende, das als typisch gelten darf, deuten mit Bestimmtheit darauf hin, dass die auswachsende Nervenfaser ihren Weg durch die Stützzellen bohrt. Commissurenfasern sind in diesem Stadium sehr zahlreich und sind zum Theil weiter gewachsen als die eben beschriebene. Im Bereich des zehnten Urwirbels ist eine 312 Ross Granville Harrison: Zelle vorhanden, deren Axon quer durch die Bodenplatte hin- durch verfolgt werden kann, bis es nahe zur Austrittstelle der motorischen Nerven der anderen Seite endigt. In Bezug auf die Hinterzellen ist der wesentlichste Befund, der dieses Stadium kennzeichnet, das Auftreten der dazugehörigen peripher verlaufenden Fortsätze (Fig. 17). Diese Fortsätze ent- springen von der lateralen Fläche des Zellleibs oder von einer der Strangfasern und erstrecken sich ventrolateralwärts nach der Haut zu. Der in der Fig. 17 abgebildete Schnitt, der aus dem Bereich des fünfzehnten Segments stammt, zeigt die typische Anordnung der Theile. Der periphere Fortsatz (h. n) ist weniger differenzirt als die Strangfasern (h. str) der Hinterzellen, indem er sehr diek und stumpf ist und noch auf dem proto- plasmatischen Stadium steht. Neben dem Auswuchs, der direet aus dem Zellleib entspringt, ist auch ein anderer vorhanden, der von dem Hinterstrang abzweigt, d. I. einer, der nicht direet vom Zellleib, sondern von einer Strangfaser seinen Ursprung nimmt. An einigen Stellen sind die Nerven nicht so weit entwickelt wie die eben beschriebenen; manchmal brechen sie nicht aus den Grenzen des Medullarstrangs hervor, sondern verursachen an der Flügelkante nur eine Hervorwölbung desselben. Die peripheren Nerven sind segmental angelegt. Sie ver- lassen das Medullarrohr dem dorsalen Ende der Myosepten gegenüber; sie verlaufen dann in den kleinen Rinnen zwischen zwei aneinander liegenden Myotomen, und richten sich gegen die Epidermis zu. Es hat daher manchmal bei flüchtiger Beobachtung den Anschein, als wenn der Nerv in dem Myotom endigte. Die peripheren Fasern sind nicht in den weit oralwärts gelegenen Segmenten vorhanden. In dem betreffenden Embryo findet sich. die erste in der Gegend des neunten Segments; sie verläuft dem- gemäss zwischen dem achten und neunten Urwirbel peripher- wärts!). Der am weitesten caudal gelegene gehört zum sechs- zehnten Segment. In allen dazwischen liegenden Segmenten sind 1) Die Nerven der Hinterzellen liegen in ungefähr derselben Quer- ebene, wie die Spinalganglien und die motorischen Wurzeln. Sie sind also segmental. Die Myosepten verlaufen aber nicht senkrecht zur Längs- axe des Embryo, sondern von der Mitte dorsal und caudal. Dem- gemäss sind die Grenzen an der dorsalen Kante weiter caudal ge- lesen, als im Niveau der Chorda dorsalis. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 373 die Nerven vorhanden, mit der Ausnahme rechts vom zwölften und links vom zwölften und dreizehnten Segmente. In einigen Fällen betheiligt sich nur eine einzige Zelle an der Bildung eines Segmental-Nervens; in anderen sind es sicher zwei Zellen, aber mehr als zwei habe ich nicht beobachtet. Da im Bereich eines Urwirbels oft fünf oder mehr Hinterzellen vorkommen, so ist es klar, dass weniger als die Hälfte derselben periphere Fortsätze bilden. Stadium VII!). Der Medullarstrang ist durch seine ganze Länge von der Epidermis abgeschnürt, aber in dem frei über dem Dottersack aufragenden Theil des Embryo sind keine Spuren von einer Auf- lockerung des Ganglienstrangs vorhanden. Die ersten Zeichen dieser Auflockerung finden sich an der Schwanzwurzel im Gebiet des vierzigsten Urwirbels, wo einige Zellen sich von der glatten Ober- fläche des Medullarstrangs etwas abheben. Beim neununddreissigsten Segment sind Zellen vorhanden, die sich schon losgelöst haben, und beim fünfunddreissigsten haben einzelne Zellen sich zwischen Rückenmarksanlage und Muskelplatte hineingedrängt. An- deutungen von der Gruppirung der Zellen in Ganglien lassen sich erst im Bereich des sechsundzwanzigsten Urwirbels auf- finden. Kopfwärts von dieser Stelle sind deutliche Ganglienan- lagen in jedem Segment vorhanden. Die Zellen der Ganglien sind noch undifferenzirt. Die Erkennung ihrer Form wird da- durch erschwert, dass sie zusammengedrückt liegen, doch ist es sicher, nach Untersuchung mit Hülfe der stärksten Vergrösserungen, dass keine Nervenfortsätze mit diesen Zellen in Verbindung stehen, obgleich die motorischen Fasern längst differenzirt sind. Die Wucherung des Mesenchyms, hauptsächlich von den Sklerotomen her, hat beträchtlich zugenommen. Dies erschwert in hohem Grade die genaue Verfolgung der einzelnen Zellen des Medullarstrangs. Die Auflockerung der Sklerotome hat mit dem Zusammenziehen der Ganglienzellen gleichen Schritt gehalten. 1) Dreiundvierzig Urwirbel sind vorhanden. Der Schwanz ragt frei über den Dottersack. Der unpaare Flossensaum hat sich in seiner ganzen Ausdehnung entwickelt, und eine Verdickung des Somatopleura deutet die Brustflosse an. Der Vornierentrichter ist noch offen. Dieses Stadium entspricht ungefähr Stadium XII von Kopsch. 374 Ross Granville Harrison: Die ersten (vom Schwanz gerechnet) Mesenchymzellen, die sich zwischen Chorda dorsalis und Muskelplatte hineingedrängt haben, sind im Bereich des sechsundzwanzigsten Urwirbels, wo die am weitesten caudal gelegene Ganglienanlage sich findet. Ein Segment weiter nach dem Kopf zu reichen die Mesenchym- zellen bis an die ventrale Grenze des Medullarstrangs heran, wo sie sich dicht an die motorischen Nerven anlagern. Der Medullarstrang zeigt abgerundete Kanten, so dass er jetzt im Querschnitt fast oval erscheint. Die Flügelkante ragt nicht mehr über die Muskelplatten hervor. Der Central- canal ist bis zum dreiunddreissigsten Segment offen, und An- deutungen von einem Canal sind bis in das Schwanzgebiet des Embryo zu verspüren. Eine Durchmusterung der Querschnittserie von dieser Gegend nach dem Kopfe zu lässt die Art und Weise der Entstehung des Canals ermitteln. Caudalwärts vom dreiund- dreissigsten Urwirbel finden sieh zahlreiche kleine ungefärbte Vacuolen in dem dicht neben der medialen Membran befindlichen Theil der Stützzellen und Keimzellen; sie sind zum grössten Theil, wenn nicht ausschliesslich, intra- und nicht intercellular. (Vergl. Fig. 12 und 13 vac., die nach jüngeren Embryonen abgebildet sind.) Im Bereich des dreiunddreissigsten Segments ist am ventralen Ende der Medianmembran ein kleines Canälchen vorhanden, das offenbar durch Zusammenfliessen mehrerer Vacuolen entstanden ist. Der ventrale Boden des Canals ist gegen die Zellen der Bodenplatte abgerundet, der Canal läuft aber dorsal- wärts in eine Spalte aus (Fig. 12 und 13 c. c). Weiter nach dem Kopf zu dehnt sich der Canal weiter dorsalwärts allmählich durch Zufluss neuer Vacuolen aus. Am dorsalen Ende der Medianmembran erscheint auch eine unregelmässige Spalte oder ein Canälchen im Bereich des siebzehnten Urwirbels (Fig. 18); weiter kopfwärts wird dieses deutlicher und erstreckt sich weiter ventral- wärts bis in die Gegend des zehnten Segments, wo es mit dem ventralen Canälchen zusammenfliesst, um einen einheitlichen Uanalis centralis zu bilden. Weiter oralwärts dehnt sich der Canal direct unterhalb der Deckplatte seitwärts aus (Fig. 4). Diese laterale Ausdehnung nimmt oralwärts bis zum vierten Ventrikel allmählich zu, dessen caudale Grenze in diesem Stadium kaum bestimmbar ist. Die Structur der epithelialen Stützzellen des Medullarstrangs Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 375 bleibt wenig verändert (Fig. 15). Nur im Randschleier ist das Protoplasma etwas mehr durch die Zunahme der Nervenfasern durehlöchert. Die Neuroblasten sind jetzt in der oralen Hälfte des Embryo weiter differenzirt. Ihre Substanz ist sehr feinkörnig und das faserige Netzwerk tritt nicht mehr deutlich hervor. Die Auswüchse der Zellen, die Nervenfasern, sind sehr dünn und der Zusammenhang zwischen Faser und Zelle zeigt sich nicht so klar wie im vorigen Stadium, wo die Fasern dicker und weniger zahlreich waren. Motorische Wurzeln sind in jedem Segment, vom zweiten bis zum (einschliesslich) vierundzwanzigsten vorhanden. Die weit caudal gelegenen Wurzeln stehen auf ungefähr demselben Entwicklungsstadium wie die letzten Wurzeln im Stadium VI. Die weiter oral gelegenen zeigen, dass eine beträchtlich grössere Anzahl Vorderhornzellen sich an ihrem Aufbau betheiligt. Die Fortsätze der Zellen convergiren von allen Seiten nach der Aus- trittstelle der Nerven zu und, ausserhalb des Medullarstrangs ge- langt, breiten sich die Nervenfasern gegen die Muskelplatte aus, wobei sich einige Fasern um die ventrale Grenze der ent- sprechenden Spinalganglien dorsalwärts richten, und den Ramus dorsalis bilden. Zahlreiche Mesenchymzellen, die aus den aufge- lösten Sklerotomen stammen, lagern sich an die motorischen Nerven. Während die embryonalen Bindegewebszellen zwischen der Chorda dorsalis und der Muskelplatte liegen, sind sie lang ausgezogen und ihre Kerne ordnen sich parallel den Nerven- fasern. Fortsätze der Zellen erstrecken sich bis zur ventralen Grenze des Medullarstrangs. Ein Strang von solchen Mesenchym- zellen kann, wenn nur mit mittleren Vergrösserungen untersucht, leicht für einen Auswuchs des Medullarstrangs gehalten werden. Bei Untersuchung mit der Immersion lässt sich die Continuität der Nervenfasern und ihre Unabhängigkeit von den daneben liegenden Mesenchymzellen constatiren. Die Fasern von jedem Segmentalnerv treten als ein compactes Bündel durch ein sehr kleines Loch in der äussern Grenzmembran aus dem Medullar- strang heraus. Auswandernde Zellen sind auch in diesem Stadium nicht vorhanden. Die bedeutendsten Fortschritte in der Entwicklung zeigen sich in den Hinterzellen. Die peripher verlaufenden Fortsätze Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 95 376 Ross Granville Harrison: dieser Zellen sind zu hochgradig differenzirten Nervenfasern ge- worden, die sehr scharf contourirt sind (Fig. 18, Ah. n). Die Fasern sind viel dieker und viel leichter in ihrem ganzen Ver- lauf zu verfolgen, als irgend welche andere Fasern des embryo- nalen Nervensystems. Es haften keine Bindegewebselemente an diesen Nerven, so dass eine Verwechslung von Mesenchymzellen mit dem nervenbildenden oder nervenführenden Gewebe nicht vorkommen kann. Die Fasern bestehen nur aus einem nackten Axeneylinder ohne Scheiden und es ist klar, dass sie ohne Betheiligung von anderen Gewebselementen ausgewachsen sind. Die Nerven, die noch ihre metamere Anordnung aufweisen, ver- lassen den Medullarstrang an einer jetzt glatt abgerundeten Stelle, wo früher die Flügelkante war. Sie verlaufen über die Urwirbelkette hinaus in den kleinen Rinnen, die zwischen an- srenzenden Myotomen liegen, und erreichen somit den noch von losen Zellen freien Raum, der sich zwischen Muskelplatte und Haut vorfindet. Während des ganzen Verlaufs biegen die Fasern sanft ventralwärts; einige lassen sich bis zum Niveau der Mitte der Chorda dorsalis verfolgen. Es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass die Nerven für die Haut bestimmt sind, obgleich ihre Endigungsweise sich nicht klar zeigt. Nerven sind mit einigen Ausnahmen in den Segmenten vom zehnten bis zum ein- schliesslich fünfundzwanzigsten vorhanden. Sie fehlen schein- bar bei dem untersuchten Embryo in den dreizehnten, siebenzehnten, und zwanzigsten Metameren auf der linken Seite, und rechts fehlen sie in dem zwölften, fünfzehnten, achtzehnten und zwei- undzwanzigsten. Es fehlen also im Ganzen sieben von zwei- und dreissig (sechszehn Paar) Segmentalnerven. Manchmal be- theiligt sich nur eine einzige Zelle und manchmal zwei an dem Aufbau der einzelnen Nerven. Die Strangfasern, die aus den Hinterzellen entspringen (Fig. 18 h. str), sind länger geworden und zu ansehnlichen Bündeln vereinigt, die bei der Ab- wesenheit anderer Strangfasern in Querschnitten deutlich her- vortreten. An schrägen Längssehnitten gesehen, haben die meisten von den Hinterzellen sich in der Form wenig verändert. Sie sind nicht viel weiter von der Seitengrenze des Medullarstrangs abgerückt (Fig. 5). Die Kerne sind aber in fast allen Fällen rund. Das Verhalten der peripheren Fasern zu den Zellen zeigt Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 377 sich klar. Die Zellen, die diese Fasern entsenden, sind sonst den andern Hinterzellen ähnlich. Der periphere Fortsatz ent- springt gewöhnlich als ein lateraler Zweig von einem der längs verlaufenden Fortsätze. In der Mehrzahl der Fälle geht der periphere Nerv von der absteigenden Strangfaser (Fig. 5 und 22), manchmal aber von der aufsteigenden (Fig. 19) ab; auch kann er als direeter lateral verlaufender Fortsatz des Zellleibs ent- springen (Fig. 18). Stadium VIII!) Die Spinalganglien der oralen Hälfte des Embryo treten jetzt etwas deutlicher hervor, da die dazugehörenden Zellen dieht zusammengedrängt sind. Jedes Ganglion besteht aus ea. zehn bis zwölf Zellen, die um die entsprechende motorische Wurzel gruppirt sind. Die einzelnen Zellen sind noch kaum differenzirtt. Die Kerne weisen keine von den Eigenschaften von Ganglienzellenkernen auf. Der Zellleib ist etwas dick aber keine Spuren von auswachsenden Nervenfasern sind zu finden. Die Kanten des Medullarstrangs sind vollständig abge- rundet. Die Zunahme der Strangfasern fällt auf. Im oral ge- legenen Theil der Rückenmarksanlage bilden diese Fasern eine vollständige, wenn auch noch dünne Schicht, die sich vom Hinterstrang bis zur Bodenplatte dieht innerhalb der äusseren Grenzmembran erstreckt (Fig. 6). Diese Fasern, wie auch die Commissurenfasern, sind sehr fein geworden, und der Verlauf der einzelnen ist an Sublimatpräparaten sehr schwer oder unmöglich zu verfolgen. Motorische Nerven sind in allen Segmenten, vom zweiten bis zum fünfunddreissigsten, entwickelt, d. h. ungefähr durch das ganze Rumpfgebiet. Es haben keine bemerkenswerthen Fort- schritte in der Entwicklung der einzelnen Nervenwurzeln statt- gefunden. Viele von den Hinterzellen sind schon beträchtlich von 1) Die Anzahl der Urwirbel beträgt einundfünfzig. Eine deut- liche Brustflossenanlage, jedoch noch ohne Flossensaum, ist vorhanden. Der Embryonalleib bezw. Schwanz ist vom dreiunddreissigsten Segment an vom Dottersack abgefaltet. Der Vornierentrichter ist gegen die Leibeshöhle geschlossen. Das betreffende Stadium ist weiter entwickelt als das Stadium XII von Kopsch. 378 Ross Granville Harrison: ihrer ursprünglichen Stelle weggerückt. Sie liegen noch direct innerhalb der Grenzmembran, sind aber näher zur dorsalen Mittellinie des Medullarstrangs als vorher (Fig. 6. Ah. z). Der Zellleib ist bedeutend in der Querebene ausgezogen, denn die in Verbindung mit den Zellen stehenden Strangfasern bleiben noch in ihrer ursprünglichen Bahn (Ah. str). An Längsschnitten ist es zu constatiren, dass die Strangfasern aus dem distalen Ende des ausgezogenen, aber noch diek gebliebenen Zellleibs hervorgehen, so dass die Zelle jetzt fast unipolar geworden ist (vergl. Fig. 25, die nach einem älteren Embryo gezeichnet ist). Andere Strangzellen. die kleiner sind als die Hinterzellen, zeigen ein ähnliches Ver- halten (Fig. 20). Es giebt auch Hinterzellen, die nur einen ein- zigen Fortsatz haben (Fig. 21); diese Zellen sind birnförmig, spitzen sich in schräger Richtung nach aussen zu, um sich in eine Strangfaser fortzusetzen, die entweder oralwärts oder caudalwärts verläuft. Eine grosse Anzahl von peripheren Nerven, die aus den Hinterzellen entspringen, ist jetzt vorhanden. In einem Embryo entspricht der erste Nerv dem zehnten Segment, während der letzte in dem Bereich des neununddreissigsten Segments, d. h. an der Schwanzwurzel, liegt. Dieser Theil des Embryo ist von dem Dottersack schon abgefaltet. Die Nerven gehen vom Medullar- strang nur an den Stellen ab, die den dorsalen Enden der Myosepten entsprechen, aber sie fehlen, wie in den früheren Stadien, in mehreren Segmenten. Die Fasern selbst sind noch sehr scharf contourirt und besitzen in ihrem ganzen Verlauf keine Hüllen. Sie treten oft so deutlich hervor, dass sie fast wie ein Fremdkörper, ein Faden, aussehen (Fig. 6 h.n); ich habe solche Fasern bis in die Bauchwandung hinein, jedoch nie bis in die Dotterhaut verfolgen können. Nach der Peripherie zu wird der Nerv dünner. Bisweilen theilt er sich in zwei ansehnliche Aeste; sonst werden scheinbar nur kleine Zweige abgegeben, die sich aber nicht mit genügender Sicherheit von Gerinnselfäden unter- scheiden lassen. Dann und wann giebt es grosse Nervenzellen, offenbar Hinterzellen, die ausserhalb des Verbandes des Medullarstrangs, aber in nächster Nähe der Flügelkante sich finden. In jedem von drei verschiedenen Embryonen aus diesem Entwicklungs- stadium ist eine solche Zelle vorhanden. Jede entsendet einen Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 379 peripher verlaufenden Nervenfortsatz. Dieses sind wohl Zellen, die aus dem Rückenmark gewandert sind, aber die Spinalganglien nicht erreicht haben. Sie haben sich an einem atypischen Ort differenzirt. Stadium IX!). Die Spinalganglienzellen bleiben noch zum grössten Theil undifferenzirt, obgleich die Anzahl der Zellen in den einzelnen sanglien zugenommen hat. Nur in einigen von den am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittenen Ganglien sind die Kerne der Zellen deutlich rund geworden und enthalten ein scharfes rundes Kernkörperchen. Noch sind keine Nervenfasern in Ver- bindung mit diesen Zellen vorhanden. Das typische Verhalten von Spinalganglion und motorischer Wurzel lässt sich an dem in Fig. 4 abgebildeten Sehnitt über- sehen. An der linken Seite der Figur (rechter Seite vom Embryo) breitet sich der motorische Nerv aus, indem sich einige Fasern ventral und einige dorsal (r. d) richten. Letztere wenden sich um einen Zellhaufen, das Spinalganglion, das doso-lateral zur motorischen Wurzel liegt. Der Haupttheil des Ganglions findet sich im nächsten weiter caudal gelegenen Schnitt. Dies deutet schon die Lagebeziehung des Ganglions zur Wurzel beim er- wachsenen Lachs an. Das Ganglion, sowie der motorische Nerv sind von Mesenchymzellen umgeben. Auf der rechten Seite der Figur ist der Zusammenhang der motorischen Nerven (v. zw) mit den Vorderhornzellen (m.2z) dargestellt. An schrägen Längsschnitten gesehen, convergiren die Axonen der motorischen Zellen gegen die Austrittstelle der Wurzel. Einige Fasern verlaufen sogar in der reinen Längs- richtung, ehe sie über die Grenze des Medullarrohrs treten. Die motorischen Fasern lassen sich in Querschnitten, an günstig ge- troffenen Stellen, fast bis zur ventralen Grenze der Musckelplatten verfolgen. Sie sind jedoch sehr dünn, und ihre wachsenden Enden sind nicht mehr mit Sicherheit nachzuweisen. Die Stützzellen, die sich beträchtlich vermehrt haben, sind 1) Dreiundsechzig Urwirbel sind vorhanden. Die Brustflosse be- sitzt einen deutlichen Flossensaum. Die Anlage der Sinnesorgane der Seitenlinie erstreckt sich bis zur caudalen Grenze des sechsten Ur- wirbels. 380 Ross Granville Harrison: jetzt faserartig mit einer mittleren vom Kern verursachten An- schwellung. Die Zellsubstanz ist so stark zusammengedrückt, dass wenig mehr von ihrem Fadennetz und den Körnehen zu sehen ist. Die Zellen haben die Form der ausgebildeten Ependym- zellen. Die Fasern erstrecken zich radiär durch die weisse Substanz bis zur äusseren Grenzmembran und theilen dureh ihre Verästelungen die längs verlaufenden Nervenfasern in Bündel. Diese Strangfasern sind zahlreich und bilden eine bestimmte Schieht (r. s.) im Medullarstrang. Die Hinterzellen sind durchschnittlich näher zur dorsalen Mittellinie des Medullarrohrs gerückt als im vorigen Stadium. Einige wenige Zellen, im ganzen Embryo drei, liegen sogar in der Mittelebene. Die Hinterstränge bleiben noch in ihrer ur- sprünglichen Lage, im lateralen Theil des Medullarrohrs. Die Hinterzellen spitzen sich peripherwärts nach diesem Hinterstrang zu und die Fortsätze der einzelnen Zellen theilen..sich, um in die Strangfasern umzubiegen. Bei den meisten Hinterzellen ist auch etwas Zellprotoplasma an der medialen Seite des Kerns angehäuft. Die Lage der Hinterzellen, sowie ihre Gestalt, weisen viele individuelle Unterschiede auf. Einige sind sogar ganz an der Seite des Rückenmarks geblieben, so dass bisweilen an einem Querschnitt zwei Hinterzellen nebeneinander auf derselben Körper- seite liegen. Ausser diesen individuellen Verschiedenheiten ist es klar, dass andere vorhanden sind, die von der Form des Medullarrohrs abhängen. Dort wo die dünne breite Deckplatte besteht, in diesem Stadium vom Kopf bis zum zwölften Urwirbel, sind die Zellen nicht so weit aufgerückt wie weiter caudal, wo der Central-Canal eng und die Deckplatte verhältnissmässig dick ist. Eine Zählung der Zellen in elf aufeinander folgenden Segmenten (fünften bis fünfzehnten) zeigt eine Durchschnittszahl per Segment von vier Zellen auf jeder Seite. Die Zahl variirt in den ein- zelnen Segmenten von vier bis acht. Bezüglich der Ausbildung der von den Hinterzellen ent- springenden Nerven ist nichts wichtiges zu berichten. Der am weitesten oral gelegene entspricht dem motorischen Nerv des siebten Urwirbels; von hier aber bis zum fünfzehnten Segment fehlen eine Anzahl Nerven. Caudalwärts vom fünfzehnten treten sie regelmässiger auf. Ihr peripherer Verlauf ist jetzt kaum so leicht zu verfolgen, da die Fasern sich etwas mehr zu schlängeln Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 381 scheinen. Es ist von Wichtigkeit zu merken, dass diese Nerven noch die einzigen sensiblen peripheren Nerven sind, die im Rumpf des Embryo entwickelt sind. Stadium X!). Die Spinalganglien sind noch ohne Faserverbindung mit dem Rückenmark, obgleich die Ganglienzellen zum Theil spindel- förmig geworden sind, und deutlicher hervortreten als vorher, Die Form der einzelnen Zellen ist aber nur in den günstigsten Fällen zu bestimmen, da die Elemente stark aneinander ge- drängt sind. Dieses Stadium zeichnet sich durch das Auftreten von Zellen im Rückenmark aus, die in nächster Nähe zur Austritts- stelle der motorischen Nerven liegen. Diese Zellen sind ausser- halb der anderen Neuroblasten der Mantelschicht in der weissen Substanz eingebettet. Am Austritt von drei verschiedenen motorischen Wurzeln, der fünften bis siebenten, sind solche Zellen vorhanden, und zwar entweder eine oder zwei Zellen im Bereich von jedem Nerv. Ausser diesen giebt es keine anderen Zellen im Medullarstrang, die von der weissen Substanz umgeben sind. Die betreffenden Zellen sind rund oder oval mit wenig Proto- plasma und ohne nachweisbare Fortsätze. Sie haben den Habitus von undifferenzirten Neuroblasten. Stadium XI). Dieses Stadium kennzeichnet sich durch das Auftreten der sensiblen Wurzeln und Spinalnerven. Einzelne von den Ganglien- zellen sind spindelförmig; der dorsal gerichtete Fortsatz dieser Zellen spitzt sich in eine Faser zu, die die äussere Grenzmembran des Medullarrohrs durchbrieht. Die Eintrittstelle des Nervs findet sich kaum dorsal von der dorsalen Grenze des Ganglions; sie ist ungefähr in der mittleren Horizontalebene des Medullarrohrs. 1) Die Brustflossenanlage ragt bis zur halben Höhe der Urwirbel empor. Die Breite der Anlage an der Basis gleicht ihrer Höhe. Die Anlage der Sinnesorgane der Seitenlinie reicht bis an die caudale Grenze des zehnten Segments. 2) Die Brustfiossenanlage reicht bis zum Niveau der dorsalen Urwirbelkante; doch hat keine Sonderung der verschiedenen Gebilde oder Gewebsdifferenzirung stattgefunden. Die Anlage der Seitenlinien- organe ist bis zur caudalen Hälfte des dreizehnten Segments gewachsen. 382 Ross Granville Harrison: Innerhalb der Membran verlieren sich die Wurzelfasern im Hinterstrang (vergl. Fig. 14, die nach einem älteren Embryo gezeichnet ist). Die Achse der Spinalganglienzellen ist nicht senkrecht zur Längsachse des Embryo, sondern verläuft dorsal und etwas caudal, sodass das ganze Verhalten der Zelle zur Faser besser an Schnitten zu sehen ist, die zur Querebene etwas geneigt sind. Die einzelnen Ganglienzellen liegen dieht zusammen, und das Ganze ist von Mesenchymzellen umgeben. Dies erschwert die genaue Ermittelung der Verhältnisse. Zwei Punkte in Betreff der sensiblen Wurzeln sind hervorzuheben. Sie treten in das Medullarrohr an eier Stelle, die von dem Ursprungsherde der Zellen weit entfernt ist; und sie bilden sich erst dann aus, nach- dem die motorischen Wurzeln und die Hinternerven längst vor- handen sind. Die motorischen Wurzeln sind kräftig entwickelt. Was aber besonders auffällt, ist die Regelmässigkeit des Auftretens der Zellen, die an der Austrittstelle dieser Nerven liegen. Oft giebt es Zellen, die theils innerhalb, theils ausserhalb der äusseren Grenzmembran des Medullarrohrs liegen, und da das Loch in der Membran sehr klein ist, so sind die Kerne soleher Zellen oft ganz verunstaltet, um hindurch zu kommen. Auch sind hier und da Zellen zu finden, die ganz ausserhalb des Medullarrohrs liegen, vollständig von den motorischen Wurzelfasern umgeben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich hier um Zellen handelt, die aus dem Üentralnervensystem herauswandern. Sie sind wahrscheinlich als motorische Elemente des Sympathieus zu deuten. Die Lage der Hinterzellen im Medullarrohr ist moch wie vorher verschieden; es finden sich demgemäss recht verschieden gestaltete Zellen, die auch oft neben einander liegen. Diejenigen, die noch nahe zur lateralen Fläche des Medullarrohrs gelegen sind, sind kaum, was ihre äussere Form betrifft, weiter ausge- bildet als einige der Zellen bei einem Embryo im Stadium V. Das Zellprotoplasma und die Nervenfortsätze sind jedoch viel weiter differenzirt. Der Zellleib von solchen Zellen erscheint in schrägen Längsschnitten etwas in die Querebene ausgezogen, aber noch plump (Fig. 25 bei a). Die beiden Ausläufer ent- springen vom lateralen Theil des Zellleibs und schlagen un- mittelbar die Hauptrichtung ihres Verlaufs ein. In anderen Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 385 Worten, der Zellleib ist nach der Medianebene zu gewachsen, aber als Ganzes nieht von der Stelle gerückt. Der Kern nimmt eine exeentrische Stellung nahe zur medialen Zellwand ein; medial- wärts davon findet sich eine abgerundete Ausbuchtung des Zell- protoplasmas. Eine andere daneben liegende Zelle (Figur 25 b), die aus der Gegend des neunzehnten Segments stammt, ist etwas weiter fortgeschritten. Der Zellleib ist stärker ausgezogen und ist innerhalb der Abgangsstelle der Fasern etwas eingeschnürt. Die Fortsätze entspringen von der lateralen Spitze der Zelle und wenden sich zunächst lateralwärts, um gleich in die Längsbahn einzubiegen. Eine dritte Zelle, die aus dem Gebiet der vier- zehnten Myotom stammt, weist eine weitere Formumwandlung auf (Figur 26). Der Längsdurchmesser dieser Zelle (entsprechend dem Querdurchmesser des Embryonalkörpers) ist fast doppelt so lang wie der der zuerst beschriebenen Zelle. Der Zellleib ist also mächtig ausgezogen, und reicht nicht weiter als halbwegs nach der Mittelebene zu; peripherwärts ist er deutlich eingeschnürt. Am lateralen Ende des dünnen Theils entspringen die zwei Strangfasern. Es ist, als wenn ein dicker Seitenausläufer sich in zwei Längsausläufer T-förmig theilt. Der Anfang der Fasern ist diek und protoplasmatisch geblieben; erst etwas von der Theilungsstelle entfernt werden sie dünn und nehmen die Charakteristik einer Nervenfaser an. Die feinere Structur des Zellprotoplasmas hat seit dem vorhin beschriebenen Stadium eine Umbildung erfahren. Der Haupttheil davon ist jetzt feinkörnig, das Fadennetzwerk ist undeutlich geworden. Dagegen sind gröbere chromophile Körper (Fig. 25 und 26 chr) aufgetreten, die hauptsächlich in bestimmten Theilen des Zellleibs eingelagert sind. Der Hof um den Kern ist meistens homogen und frei davon; der mediale Theil des Zellleibs enthält eine Menge solcher Körper, und auch im lateralen Theil der Zelle findet sich eine Ansammlung dunkel gefärbten Materials, das den Ursprung einer von den Fasern durehquert (Fig. 25). Einzelne Körner finden sich im protoplasmatischen Theil der Fasern selber. In den Zellen, die weiter differenzirt sind (Fig. 26), scheinen die ehromophilen Körper in den Zellleib gezogen zu sein; die Ausläufer sind dann frei davon. Die peripheren Nerven der Hinterzellen lassen sich auch in diesem Stadium constatiren, obgleich die Verhältnisse nicht 3854 Ross Granville Harrison: mehr so klar zu Tage treten wie zuvor. Man findet sie zwar, wenn auch in scheinhar verminderter Zahl, an derselben Stelle, d. h, zwischen Myotom und Epidermis; doch ist die Verbindung zwischen Faser und Zelle nicht mehr klar, was sich dadurch erklären lässt, dass das Mesenchymgewebe, besonders als Rücken- markshüllen, sehr stark zugenommen hat. Aeltere Stadien!). Bei Embryonen von vier- bis achtundvierzig Tagen sind ungefähr alle Hinterzellen an ihrer definitiven Lage angelangt. Auch in der Gegend der Brustflosse, wo die Deckplatte jetzt verdickt ist, sind die Zellen bis an die dorsale Mittellinie des Medullarrohrs herangerückt. Einzelne Zellen bleiben aher hier und da an der Seite des Marks zurück, wo man einige auch in allen älteren Embryonen findet. Besonders in der Schwanzregion kommen solche Zellen vor. Die Anordnung der ausgebildeten Hinterzellen lässt sich in einer Frontalschnittserie eines Embryo von zweiundfünfzig Tagen übersehen?). Viele von den Zellen liegen in der Mittelebene des Marks, während andere sich lateralwärts hiervon befinden. Bisweilen finden sich drei neben- einander in einer Querebene. Trotz dieser Unregelmässigkeiten bilden die Zellen im allgemeinen eine doppelte Längsreihe. Die Anzahl Hinterzellen beträgt durchschnittlich etwas über sieben per Metamer auf beiden Seiten zusammen. Sie sind nicht gleichmässig vertheilt; vom vierten bis zum (einsehliesslich‘ achten Segment ist die Durchsehnittszahl nicht ganz fünf, während sie vom neunten bis sechszehnten (inel.) neun ist; letztere sind aber nicht gleich auf beide Körperseiten vertheilt; rechts sind nämlich fünf im Durchschnitt, und links nur vier. Diese Zahlen variiren beträchtlich bei verschiedenen Embryonen. Oralwärts vom vierten Myotom sind in keinen älteren Embryonen Hinterzellen vor- handen. Der Oeeipitalknorpel erstreckt sich bis zum Anfang des dritten bleibenden Myotom; zwischen dem dritten und vierten liegt der kleine sogenannte Oeceipitalwirbelbogen. Dremgemäss 1) Die Beschreibung dieser Stadien betrifft nur die Hinterzellen; es scheint daher unzweckmässig, sie zu nummeriren. 2) Die unpaaren Flossen treten als besondere Verdickungen des Flossensaumes hervor. Muskelknospen wachsen in die Anlagen der Rücken und Afterflossen. Die Länge des Embryo beträgt 11 mm. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 385 giebt es keine Rohon’sche Hinterzellen in dem Theil des Centralnervensystems, der zum Kopf gehört. An ihrer endgültigen Lage angelangt, erscheinen die Hinter- zellen jetzt in ihrer fertigen Form. Der Zellleib ist rund oder birnförmig, und enthält einen excentrisch gelegenen runden Kern (Figur 28). Die Zellen sind von einer auffallenden Grösse; der Durchmesser beträgt ea. 25 u, und der des Kerns 12 u. Von einer Seite des Zellleibs erstreckt sich ein kräftiger protoplasma- tischer Fortsatz, der die jetzt lang ausgezogene Verbindung zwischen Zellleib und Strangfasern darstellt. Dieser Fortsatz verläuft manchmal gerade in der Querebene, oder manchmal schräg oder geschlängelt. Er lässt sich an reinen Frontalschnitten bis zu einer Entfernung verfolgen, die den Durchmesser des Zellleibs um die Hälfte übertrifft; da die Faser sich allmählich ventralwärts biegt, um die Hinterstränge zu erreichen (Figur 32), so ist es unmöglich, den ganzen Verlauf an solehen Schnitten zu verfolgen. Auch an schrägen Längsschnitten ist es schwierig, denn in der Mehrzahl der Fälle macht die Faser einen der Oberfläche des Rückenmarks entsprechenden Bogen. Dies zeigt sich leicht an Querschnitten (Fig. 32). Einige Fortsätze ver- laufen aber nicht im Arcus der Gewölbe, sondern schneiden gerade durch, und sind an allen Seiten von Stützzellen umgeben. Eine solche Zelle, die aus der Schwanzgegend eines Embryo von vierundfünfzig Tagen stammt, wird in Fig. 27 abgebildet. Diese Zelle ist fast bis an die Mittelebene des Körpers gerückt, und die Theilung des Querfortsatzes in eine auf- und ein absteigende Strangfaser lässt sich deutlich constatiren. Während die grosse Mehrheit der Hinterzellen unipolar ist, so finden sich hier nnd da einzelne Zellen, die neben dem Querausläufer auch einen direeten Längsausläufer abgeben. Es giebt eine Anzahl Zellen, die einen zweiten Querausläufer entsenden, der sich nach der entgegengesetzten Körperseite begiebt; derartige Zellen sind am häufigsten in der Schwanzgegend vorhanden; sie liegen etwas von der Mittelebene des Körpers entfernt, und der Fortsatz ver- läuft dorsal-medialwärts, um die andere Seite des Marks zu erreichen. Sie sind wohl die im Stadium V beschriebenen Zellen (Fig. 31) in ausgebildeter Form. Dendritische Ausläufer sind nieht mit den von mir angewandten Methoden nachzuweisen. Der Körper der Zellen scheint im Gegentheil glatt und abgerundet. 336 Ross Granville Harrison: Was die feinere Strucetur der Hinterzellen anbelangt, so ist sie wenig mehr verändert. Der Kern ist von einem hellen Hof umgeben, der aus feinkörnigem Protoplasma besteht. Die chromophilen Körper bleiben an der Peripherie der Zelle und bilden manchmal eine förmliche Hülle; in anderen Fällen liegen sie hauptsächlich in grösseren Haufen, die bestimmte Aus- buchtungen des Zellleibs einnehmen (Fig. 27 und 28). Die aus den Hinterzellen entspringenden peripheren Nerven entgehen in diesen späteren Stadien der Beobachtung ; wenigstens vpach Fixirung in Sublimat-Essigsäure oder Chromo-osmo-Essig- säure kommen sie nicht zum Vorschein. Da sie mittelst Golgi’scher Imprägnirung von Van Gehuchten (96) an älteren Embryonen nachgewiesen worden sind, nehme ich an, dass ihr scheinbares Fehlen an meinem Material auf die Methoden zurückzuführen ist. Die Zunahme des Mesenchymgewebes und das Auftreten von Bindegewebsfasern liefern eine genügende Erklärung dafür. Bei einer jungen Larve von ca. 5 Monaten, bei welcher der Dottervorrath fast aufgebraucht war, befinden sich die Hinter- zellen fast ausnahmslos in einem Zustande der Degeneration. Das Zellprotoplasma ist jetzt homogen. Der Zellleib ist stark zusammengeschrumpft (Fig. 29 und 30). Die Zellkerne sind theilweise noch rund, aber in Fällen, wo die Degeneration weiter fortgeschritten ist, erscheint der Kern eingedrückt und unregel- mässig. Aelteres Lachsmaterial steht mir nicht zur Verfügung. Bei einer jungen Regenbogenforelle (S. irideus) von einer Länge von 2.5 em, bei welcher der Dotter schon längere Zeit auf- gebraucht war, sind hier und da nur Spuren von eingeschrumpften Zellen in der Lage zu finden, wo früher die Hinterzellen waren. Diese sind wohl als Reste der degenerirten Hinterzellen aufufassen. II. Abschnitt. Verlauf der Entwicklung im Einzelnen. 1. Die Beziehungen zwischen Medullarstrang, Ganglienstrang und Epidermis. Es ist nicht die Absicht, an dieser Stelle auf die Details der ersten Entwicklung des Centralnervensystems einzugehen, denn hierüber liegen schon genaue Angaben vor. Der Ganglien- Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 387 strang steht aber in solch intimen Beziehungen zu den Anlagen des Rückenmarks bezw. des Gehirns zur Zeit der Sonderung dieser Gebilde vom embryonalen Eetoderm, dass dieser Vorgang nicht unberücksichtigt gelassen werden kann. Zunächst werden die Entwieklungsvorgänge im Rumpfgebiet beschrieben werden. Nachdem die breite Verdickung des Eeto- derms, die Axenplatte (Götte), sich in einen soliden Zell- strang umgewandelt hat, der in die Tiefe zwischen den Mesoderm- streifen hineinragt, steht dieser Medullarstrang an jeder Seite noch mit der Grundschieht der Epidermis in continuirlicher Ver- bindung (Fig. 1); beide Gebilde sind von einer dünnen Deck- schicht (d. s) überzogen, die, wie Götte (78) nachgewiesen hat, sich nicht an dem Aufbau des Nervensystems betheiligt. Zu dieser Zeit sind keine Spuren eines selbständigen Ganglien- strangs zu finden, obgleich die Zellen (Fig. 1 g. str) am Ueber- gang zwischen Medullarstrang und dünnem Ectoderm, nach der weiteren Entwickelung zu schliessen, den Ganglienstrang dar- stellen. Die eigentliche Trennung des Medullarstrangs sammt Ganglienstrang!) vom übrigen Eetoderm wird nun eingeleitet, indem die Grundschieht allmählich von beiden Seiten nach der Mittelebene vorwächst. Hierdurch bildet sich an der Stelle der sanften Umbiegung (Fig. 1x) eine immer tiefer und schärfer werdende Rinne, die dann zum ersten Mal die Grenze zwischen Epidermis und Anlage des Nervensystems scharf bezeichnet (Fig. 7 «)- Eine Zeit lang ragt der Medullarstrang noch in der Mitte gegen die Deckschicht empor; aber schliesslich stossen die Zellen der Grundschicht, von beiden Seiten herkommend, in der Mittelebene zusammen und vollenden die Abschnürung des Medullar- strangs (Fig.8). Durch das Heraufrücken der Epidermisgrundschieht von beiden Seiten, welches gleichzeitig mit der fortgesetzten Einfal- tung der obersten Zellen des Medullarstrangs geschieht, werden die Uebergangszellen, aus denen der Ganglienstrang hervorgeht, etwas weiter nach der Mitte zu gezogen, sodass sie am Ende oben auf dem Medullarstrang liegen (Fig. 7 und 8 g. str), obgleich man selbst nach vollzogener Abschnüruug der Anlage noch keinen disereten Ganglienstrang unterscheiden kann. 1) Da zuerst der Ganglienstrarg mit dem Medullarstrang eine einheitliche Anlage bildet, werde ich die gesammte Anlage einfach als Medullarstrang bezeichnen. 388 Ross Granville Harrison: Im Kopf sind die 'Entwickelungsvorgänge insofern hier- von abweichend, als sehr früh eine zweite Verdiekung des Eeto- derms zu beiden Seiten der noch flachen Axenplatte auftritt, wie Götte, Hoffmann und Goronowitsch schon be- schrieben haben. Diese Verdickung ist die Anlage der Kopf- ganglien; sie ist zunächst durch eine Rinne von der Medullar- platte abgegrenzt!). Mit der Umwandlung der breiten Medullar- platte in den Gehirnstrang, der sich in die Tiefe einfaltet, rücken die beiden seitlichen Verdiekungen nach der Mittelebene zu, bis sie daselbst zusammenstossen und einen unpaaren Ganglien- strang bilden, der dann auf dem Medullarstrang liegt und eine Stellung zwischen letzterem und der Haut einnimmt (Textlig. 5). Der Ganglienstrang des Kopfes ist aber nicht ein continuirliches Ganzes; hinter der Gegend der Augenblase besteht er aus drei der Länge nach geordneten Zellhauten, den Anlagen des Trige- minus, des Acustico-Facialis und des Glossopharyngeo-Vagus?). Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Ganglienanlagen bloss von der Deckschicht der Epidermis überzogen. Lateralwärts gehen sie eontinuirlich in die Grundschicht über. Später werden sie, wie (der Medullarstrang des Rumpfes, durch einen von der Seite her vorschreitenden Abschnürungsvorgang von der Grundschicht getrennt. Ueber die Trennung der Anlage des Nervensystems von der Haut bei Knochenfischen weichen die obigen Angaben mehr oder weniger von den früheren Beschreibungen ab; die Auffassung des Vorgangs als Abfaltung ist bisher nicht hin- reichend betont worden. Götte betrachtet die Trennung als eine Delamination, wobei die ganze oberste Zellschicht der Axenplatte sich in die Grundschicht der Epidermis verwandeln 1) Götte (78, p. 157) hat diese Verdickung zuerst genau be- schrieben, aber wie Hoffmann (83, p.50) und Goronowitsch (85, p. 427) gezeigt haben, hat er ihr Schicksal nicht richtig erkannt. Götte hat die Verdieckung nämlich als Sinnesplatte bezeichnet und als An- lage der Kopfsinnesorgane gedeutet, während sie nach Hoffmann wirklich die Anlage der Ganglien ist. 2) Hoffmann (83) giebt eine kurze Beschreibung der Entwick- lung der Ganglienanlagen des Kopfes. Goronowitsch (88) bildet eine Reconstruction des Gehirns und Ganglienstrangs eines Lachsembryo in ungefähr diesem Stadium ab. Ueber die Histog. d. peripheren Nervensystems bei Salmo salar. 389 soll!), eine Ansicht, der Hoffmann beistimmt ?). Freilich haben schon Goronowitsch?) und besonders Henneguy*) darauf hingewiesen, dass die Trennung des Medullarstrangs von der Haut an der Seite beginnt und allmählich nach der Mitte zu fort- schreitet. Henneguy meint jedoch, dass die obersten Zellen des Me- dullarstrangs von den übrigen als Grundschicht der Haut getrennt werden’). Nach meinen Beobach- tungen, wie oben angegeben, ent- spricht dies aber nicht dem That- bestand. Textfig. 1. Querschnitt durch das Nervensy- stem eines Selachierembryos vor Für die Vergleichung der Be- gem Schluss des Medullarrohrs. funde bei den Teleostiern mit e.p. = Epidermis; g.str. = Gang- denen bei den Selachiern und den lienstrang ; m.s. — Medullarrohr. meisten übrigen Wirbelthieren ist ex f Fig. 4. lirter Verlauf mit Rücksicht auf das übrige Nervennetz ist durchweg in der Nähe des Mutterstammes am ausgesprochensten. Je mehr man sich dem Grenzgebiete zweier oder mehrerer Nervenplexus nähert, desto seltener sieht man sie letztere dureh- queren und desto mehr halten sie sich in ihrem Verlauf an das gewöhnliche Netz. Dies ist besonders auffallend in der Gegend der Mittellinie, und hieraus resultirt wohl die Schwierigkeit, an 462 A. Kühn: diesen doch sehr eharakteristischen Fasern den Uebergang von einer Seite auf die gegenüberliegende nachzuweisen. Von ihrem Mutterstamm zweigten sie bislang frühestens direet nach dem Ein- tritt des letzteren in die Haut ab. In diesem Präparat finden sich nun aber auch Stellen, an welchen die Abzweigung bereits im Lymphsack, also vor dem Eintritt in die Haut, erfolgt. Eine solehe Faser ist die mit a. bezeichnete in Fig. 4. Dieselbe verläuft, da ihr Nervenstamm N. erst bei der Linie m.n. in die Haut tritt, auch ausserhalb der letzteren getrennt vom Nerv. Die Figur ist wie die anderen mit dem Zeichenapparat bei schwacher Vergrösserung angefertigt. Die Theilungen der Fa- sern und ihre Verästelungen sind vollständig mit eingetragen. Das Charakteristische dieser Fasern ist, wie schon oft er- wähnt, ihre Dieke; nicht selten unterscheiden sie sich hierin aber auch von einander, ganz abgesehen davon, dass bei Degenerations- vorgängen das Mark quellen und dadurch die ganze Faser an Umfang gewinnen kann. In diesem Präparat sind die Fasern durchweg gesund und trotzdem gleich- mässig ausserordentlich verdickt. Ein Beispiel hierfür ist die Faser der Abb. 4, deren Theilung bei x in Fig. 5 bei stärke- rer Vergrösserung noch einmal wiedergegeben ist, um ihr Grössenverhältniss zu den gewöhnlichen Fa- sern, welehe sie an der betr. Stelle gerade schnei- det, zu beleuchten. Man sieht, dass sie diese Fasern um mehr als das Doppelte an Breite übertrifft. Ein Schluss auf eine besondere physiologische Function kann schon hieraus gerechtfertigt erscheinen. Brersuch '\V. Mittelgrosser gesunder Landfrosch. 3. VIII. 99 Operation: linksseitiger Lappenschnitt mit Resection von zwei Nerven. 6 Nadeln. Fig. 9. Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs ete. 463 9. IX. 99 reactionslos geheilt; keine nennenswerthe Sen- sibilitätsstörnng. Ist sehr munter und frisst gut. 31. V. 00 getödtet zur Anfertigung des Präparats. Die Zeitdauer zwischen Operation und Tödtung beträgt nicht ganz 10 Monate. — Die betreffenden centralen und peri- pheren Stümpfe der resecirten Nerven erwiesen sich bei der Ab- lösnng vollkommen retrahirt und verkümmert. Im Uebrigen war die resecirte Seite stellenweise fest mit der Unterlage verwachsen und liess sich nur mit der Scheere von derselben trennen. Die Möglichkeit, dass diese Adhäsionen Uebergangsfasern von den centralen Nervenstümpfen in die Haut und besonders in das de- generirte Gebiet enthielten, liess sich bei diesem Versuch, ähn- lich wie bei Versuch II, nieht ganz ausschliessen. Mikroskopisch zeigt sich an dem gut gelungenen Präparat folgendes Bild: Die beiden resecirten Nerven erscheinen im Ganzen blass; ihre Hauptstämme enthalten aber neben binde- gewebigen Strängen, den Residuen der zu Grunde gegangenen Fasern, die stellenweise in länglich kernhaltige spindelförmige und ovale Zellen übergehen, auch gesunde, gut gefärbte Nerven- faseın, welche sich auf dem helleren Hintergrund gut verfolgen lassen. Ueber den Ursprung dieser Fasern soll unten genauer berichtet werden. Auch das feinere Nervennetz in der Mitte ist gut zu er- kennen in Bezug auf den Uebergang von Fasern der einen Seite zur gegenüberliegenden. Nur fällt eine unregelmässigere An- ordnung auf; an manchen Stellen durchkreuzen sich 2—3 ver- schiedene, nur durch kleine Anastomosen mit einander in Verbin- dung stehende Netzsysteme, die unzweifelhaft zum Theil jüngeren Datums sind und wohl als Regenerationserscheinung angesehen werden müssen. Die gesunden Nerven, welche den degenerirten gegenüber- liegen, betheiligen sich an diesem Netz nur in ergingem Grade. Dagegen gehen von ihnen dicke Fasern aus, welche sich über die Mittellinie herüber bis nahezu in einen degenerirten Stamm der anderen Seite hinein erstrecken. Ein gleiches Ver- halten fanden wir schon bei den früheren Versuchen; hier ist nur die Menge der die Mitte überschreitenden Fasern, die oft einzeln, oft auch zu einem Strang vereint, verlaufen, auffallend. Eine einzelne Faser liess sich nun bis in einen Hauptstamm der A. Kühn: 464 Fig. 6 zur Dar. m ist inein verfolgen und diese Ze te h i stellung gebr anderen Se eise wie derselben W ın ichnung ist 1e aa acht Fig. 6. ; sind die gesunden Nerven der Fig. 1 verfertigt, N, und Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs ete. 465 rechten, N, und N, die degenerirten und darum blasser gezeich- neten der linken Körperseite. M. caud. — M cr. bedeutet wieder wie oben die Mittellinie. Mit a ist die vom Nerven N, aus- gehende und bis in den Nerven N, verlaufende Faser bezeichnet, welche sich auf ihrem Wege vielfach theilt und im Allgemeinen das Nervennetz berücksichtigt; obwohl sie der Kategorie der dieken Fasern angehört. Bei x war ihr weiterer Lauf sehr schwer zu eruiren, da lange Pigmentzellen das Bild undeutlich machten. Auch bei xx. ist eine undeutliche Stelle, die einen weiteren Verlauf nur vermuthen lässt. Eine andere mit eingezeichnete Faser b. erstreckt sich auch sehr weit ins degenerirte Gebiet, lässt sich aber mit Faser a, an Ausdehnung nicht vergleichen. Sie verläuft bei «we. unter dem alten Nerven- stumpf N,, der aus mehreren mitteldicken Stämmen besteht, in die er sich wahrscheinlich schon im Lymphsack getheilt hat. Was nun die Frage anbelangt, ob diese Uebertrittsfasern Produkte der Regeneration sind, oder ob sie als von einem ge- sunden Nerven stammend auch zwischen degenerirten Fasern einer Degeneration entgangen sind, also ihren ursprünglichen Verlauf beibehalten haben, so ist wohl mit Bestimmtheit anzu- nehmen, dass letzteres der Fall ist. Hierfür spricht in erster Linie der sich nach der allgemeinen Netzanordnung riebtende Verlauf der gezeichneten Faser, der besonders im degenerirten Gebiet bemerkenswerth ist. Eine neu entstandene Faser von gleicher Dieke wie Faser a. würde nach der Tendenz der neu wachsenden Fasern dieser Kategorie wohl die alten Bahnen der degenerirten Nerven nieht berücksichtigt haben. Es ist daher wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass sie, nicht gestört in ihrer Ernährung vom gesunden Nerven aus, den von den benachbarten degenerirten Fasern ausgehenden alteriren- den Einflüssen widerstanden hat. Da so viele Degenerationspräparate durchmustert werden mussten, bis ein direkter Faserübergang über die Mittellinie nachgewiesen werden konnte, so müssen dem Auffinden derselben gewisse Schwierigkeiten entgegenstehen, welche eben auch den früheren Forschern hinderlich waren und sie bislang zu keinem positiven Resultat kommen liessen. Diese Schwierigkeiten bestehen einmal in der Unmöglich- keit, eine, wenn auch dicke und gut gefärbte Faser in einem 466 A. Kühn: aus mehr als etwa 4 Fasern bestehenden Strang auf eine grössere Strecke im Auge zu behalten. Dann muss man annehmen, dass in der That nur sehr wenige Fasern in der in Fig. 6 wieder- gegebenen Weise verlaufen, da die meisten bereits etwa in der Mitte zwischen Mittellinie und Nerven enden. Schliesslich ist schon oben bemerkt worden, dass ein iso- lirter Verlauf von den bekannten dieken Fasern, welcher in der Nähe des Hauptstammes sehr häufig ist, im Bereich der Mitte sehr selten anzutreffen ist. Sie halten sich in dieser Gegend eben mehr an das Fasernetz. Ein BCnönEr Beispiel einer vom Stamm ausgehenden isolirten Faser ist die in Fig. 6 punktirt eingezeichnete Faser c.; sie verlässt den Stamm verhältniss- mässig früh und versorgt einen ziemlich grossen Hautbezirk. Ihre vielfachen Theilungen bieten nichts Abnormes mit Ausnahme der mit y. be- zeichneten; diese erfolgt nämlich in der Mitte der betr. Strecke, ohne dass die beiden Theil- äste sich sofort räumlich von einander trennen. Die Aeste laufen vielmehr erst eine beträcht- liche Strecke theils neben-, theils unter- und übereinander, bis sie sich schliesslich in einer Weise trennen, die bei flüchtiger Beobachtung erst als Theilung erscheint (ef. Fig. 7). Es wurde oben bereits von den in diesem Präparat auffallenden, aus jungen Fasern be- stehenden, verschiedenen Netzsystemen gespre- Fie. 7. chen. Derartige Netze finden sich nun mit Vor- Theilungsstelle y liebe in der Nähe der Hauptstämme namentlich der Faser ce von . ar Fig. 6. auf den degenerirten Seiten, so dass letztere von den l"’asern wie umsponnen erscheinen. Am deutlichsten ist dies bei Nerv N, in Fig. 6. Von diesem Nerv sind nur die grösseren Seitenäste im Präparat vorhanden; dieselben sind in diehte Verwachsungen — in Fig. 6 etwas schattirt — eingebettet und in diesen Verwachsungen hat sich nun ein reiches, meist aus den dieken Primitivfasern be- stehendes Fasernetz entwickelt, in Fig. 6 punktirt eingezeichnet. Die Fasern verlaufen vollkommen ziellos durch einander, sie ver- binden zum Theil die beiden reseeirten Stämme, zum Theil streben sie benachbarten gesunden Stämmen zu. In der Figur Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs ete. 467 sind die feineren und ganz jungen Fasern nicht berücksiehtigt, so dass also in Wirklichkeit das Fasergewirr noch viel diehter und complieirter ist. Die punktirten Fasern verlaufen unter der die Stämme enthaltenden Verwachsungsschicht. Der Ursprung der meisten dieser Fasern ist schwer zu erkennen, während sich einige mit Leichtigkeit in den caudal und den lateral benachbarten Nerven verfolgen lassen. Da sie in den Verwachsungen laufen und mit letzteren scharf abschneiden, sind sie höchstwahrscheinlich Rege- nerationsfasern der centralen Resectionsstümpfe, welche die Ver- wachsungen als Brücke benutzt haben, um in die Hant eintreten zu können. Es ist dies ein nicht beabsichtigtes Ergebniss, da Ja gerade der Hauptzweck unserer Operationsmethode der war, eine Regeneration vom centralen Stumpf zu verhindern, um dann die Versorgung der beiden resecirten Gebiete von anderen Nerven aus zu beobachten. Vier such VI. Grosser kräftiger Landfrosch 9. IX. 99 Operation. Die- selbe ist insofern modifieirt, als zunächst ein rechtsseitiger Lappen- schnitt mit Resection von 4 Nerven angelegt wurde; dann wurde die Wunde durch Nähte geschlossen und links ein etwa 1 em langer Längsschnitt geführt, welcher in der Mitte zwischen Rückenwulst und Mittellinie parallel zur letzteren verlief und die bereits in der Haut verlaufenden Verzweigungen der links- seitigen Ram. dors. med. durchtrennte. Zweck dieser Modification war, den Ausgangspunkt der Regeneration und ein event. Ueberschreiten der von der linken Seite neu gebildeten Fasern über die Mittellinie erkennen zu können. Auch diese Wunde wurde durch Nähte geschlossen. Beide Wunden heilten — dieses Mal unter Jodol — fast reactionslos. 6. VI. 00 getötet zur Anfertigung des Präparats. Zeitraum zwischen Operation und Tötung beträgt nicht ganz 9 Monate. Trotz des schweren Eingritfs waren hier keine Ver- wachsungen im Lymphsack vorhanden. Die noch eben sichtbaren Reseetionsstümpfe lagen weit von einander getrennt. Das Präparat weist, mikroskopisch betrachtet, zunächst, was die Degeneration anbelangt, vier nahezu vollständig degene- rirte Nerven der rechten Seite auf. Namentlich der 4. Ram, 468 N. Kühn: dors. ist nur noch ein bindegewebiger Strang ohne jede Faser- zeichnung. Auf der anderen Seite ist zwischen Mittellinie und Nervenstämmen deutlich die Narbe des Längsschnitts sichtbar, welche eben nur die Seitenäste der linksseitigen Ram. dors., nicht die Stämme selbst, getroffen hate. Nur muss der 4. Nerv wäh- rend seines Verlaufs im Lymphsack getroffen worden sein, da er auch auf dieser Seite in toto degenerirt ist. Das zwischen den Schnitten resp. Nerven gelegene Hautgebiet musste also eine Zeit lang von Nerven vollkommen unversorgt gewesen sein; auch jetzt ist es noch schwer, gut erhaltene Fasern in demselben zu finden. Dass die Nervenleitung hier eine Zeit lang ganz unter- brochen gewesen sein muss, erkennt man namentlich aus der neurotrophischen Veränderung der Pigmentzellen. Letztere unter- scheiden sich ganz erheblich von den gleichgearteten in gesunden, d. i. von Nerven versorgten, Hautbezirken. Sie sind grösser und plumper, ihre Fortsätze breiter und weniger zierlich verzweigt; sie communieiren durch dieselben oft miteinander, was unver- änderte Pigmentzellen nur selten thun. So findet man z. B. in der Mitte des betr. Hautbezirks einige diehte Rasen ineinander- geketteter Pigmentzellen. Ein Beweis für die neurotrophische Natur dieser Erscheinung ist der Umstand, dass auf der linken Hälfte unmittelbar hinter der Längsschnittsnarbe sich wieder normale Pigmentzellen vorfinden. Durch diese dicht gelagerten Pigmentzellen findet übrigens eine ausserordentliche Erschwerung der feineren Faserbeobach- tung statt. Gegen einen dunklen Hintergrund gehalten, hebt sich im Präparat mikroskopisch dieses zellenreiche Gebiet als hell- glänzende, wenig durchsichtige Partie ab. Der Faserverlauf bietet in diesem Präparat in mancher 3eziehung Bemerkenswerthes. So findet man zunächst an manchen Stellen der linken Seite ein vollkommen planloses Gewirr von Fasern, welche meist von den lateral von dem Längsschnitt liegenden centralen Enden der vom Schnitt getroffenen Aeste aus- gehen. Von einem Nervenstumpf schwärmen sie z. B. an einer Stelle plötzlich nach alien Richtungen hin auseinander und ähneln in dieser Weise nicht wenig einem Medusenhaupt. Die einzelnen Fasern verhalten sich dabei noch verschieden. Einige sind am Ende des cen- tralen Stumpfes nach innen eingerollt, nachdem sie bis zur letzten Ranvier’schen Einschnürung degenerirt waren, andere streben in Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs ete. 469 spiraligen Windungen nach verschiedenen Richtungen, auch nach der Mittellinie, wieder andere bilden nur eine Schleife und kehren dann zum Stumpf zurück. Man sieht eben eine völlige Regellosigkeit im Wachsthum der neuen Fasern. Dass sich die schon im normalen Nervennetz durch ihren besonderen Verlauf auszeichnenden dicken Primitivfasern sehr rege an diesem Durcheinander betheiligen, bedarf kaum der Erwähnung. Sie lassen sich jedoch, je jünger sie sind, desto schlechter färben. Aus den bindegewebig veränderten alten Nervensträngen im Gebiet der Mittellinie und dem Reichthum an entarteten Pigment- zellen erkennt man also, dass ein nervöser Einfluss im Bereich der Mitte des Körpers vollkommen gefehlt hahen muss; es müssen also alle jetzt daselbst nachweisbaren gefärbten Fasern neugebildete sein. Gehen wir nun zunächst, um diesen Fasern nachzuspüren, von dem Längsschnitt links zwischen Mittellinie und Rückenwulst aus. Hier finden sich wie schon erwähnt, viele der Mittellinie zustrebende Seitenäste, welche von dem Schnitt getroffen waren. Die meisten Fasern sind in denselben centralwärts nur eine kurze Strecke degenerirt und peripherwärts jenseits: der Narbe vollkommen entfärbt. Am cranialen Ende der Längsschnitts- narbe sind jedoch einige Fasern zu erkennen, welche als Produkt einer Regeneration vom centralen Nervenstumpf aus anzusehen sind; sie gehen wenigstens aus letzterem hervor, überschreiten die Narbe und verlieren sich, im alten Nervengeleise laufend, im degenerirten Gebiet. Derartige Stellen sind aber vereinzelt. Häufiger ist die Erscheinung, dass vor der Narbe die Nerven beider Seiten Halt machen und sich eranial- oder caudal- wärts wenden, so dass die Narbe selbst frei von Fasern ist. Am unteren (caudalen) Theil dieser Narbe befindet sich der Eingangs der Besprechung des Präparats erwähnte aufgefaserte Nerven- stamm. Hier scheinen sich die Fasern nach der Schädigung zum Theil wieder erholt, zum Theil regenerirt zu haben; man sieht wenigstens die meisten Fasern erst in abnormen Windungen und Schleifen an derselben Stelle beharren, um dann erst eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Viele wenden sich dann im Anschluss an das alte Nervennetz der Mittellinie zu, überschreiten sie und verlieren sich auf der gegenüberliegenden Seite. Sie lassen sich dabei wohl in die Nähe eines degenerirten gegenüber- 470 A. Kühn: liegenden Stammes verfolgen, aber nicht bis in denselben hinein. — Weiter caudalwärts findet sich der in Fig. 8 abgebildete Verlauf, weleher einen dirketen Uebergang über Narbe und Mittellinie von Seiten neugebildeter Nervenfasern aufweist. Es sind in die mit dem Prisma angefertigte Figur nur einige wenige besonders schön verlaufende Fasern eingezeichnet. So trennt sich die Faser a. vor der Narbe x. von ihrem Stamm N. Z., überschreitet mit einer Schleife die Narbe, wobei sie schon ü Fig. 8. etwas oberflächlich verläuft, geht dann in das alte Netz der Nerven N. R. über und endet in einem Hauptast desselben. Faser b. verliert dagegen nach dem Uebergang über die Narbe bald ihr Mark und endet nach einigen Windungen als feine Faser im gegenüberliegenden Gebiet. Beide Fasern gehören ausnahmsweise nicht zur Kategorie der dieken Fasern. Nerv N. R. enthält übrigens, obwohl reseeirt, noch ziemlich viele, allerdings in abnormen Windungen verlaufende, Fasern, von denen er auch einige über die Mittellinie — mn —herüber in die Nähe der Längs- schnittsnarbe schickt. Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs ete. 471 Die letzten correspondirenden Nervenstämme dieses Präpa- rats sind beiderseits noch total degenerirt, sie enthalten in ihren blassgelben Strängen auch nicht eine einzige erhaltene Nerven- faser, da ihre gegenseitig anastomosirenden Fasern eben auch geschwunden sind. Erst in der Peripherie ihres Faser- resp. Strangnetzes treten wieder gefärbte Fasern der Nachbar- stämme auf. Versuch VII. Mittelgrosses gesundes Thier. 16. VIII. 99 Operation: linksseitiger Lappenschnitt mit Resection von 2 Nerven. Schluss der Wunde durch fortlaufende Naht. 9. IX. 99 geheilt ohne Sensibilitätsstörungen noch Se- cundärinfectionen. 14. VI. 1900 getötet zwecks Anfertigung des Präparats. Die Tötung geschah nach vorheriger Entblutung wie bei den anderen Versuchen. Zeitraum zwischen Operation und Tötung beträgt 10 Monate. — Auch bei diesem Versuch war eine Wiedervereinigung der in den Lymphraum hineinragenden Resectionsstümpfe nicht ein- getreten, so dass sich also auch hier der centrale Theil der re- seeirten Nerven nicht an der Regeneration betheiligen konnte. Bei mikroskopischer Be- trachtung des Präparats ergiebt sich als Resultat der Operation eine fast vollständige Degene- ration der beiden resecirteu Nerven; sie enthalten nur einige wenige gut gefärbte Fasern. Der 3. Ram. dors. links ist ausser- dem von dem caudalen Quer- schnitt getroffen und lässt im Präparat centrales wie peri- pheres Schnittende gut erkennen. Es ist diese Stelle, da in ihr die Art der Kommunication zwi- schen centralem und peripherem Nervenende vermittelst neuge- Fig. 9. bildeter Fasern besonders deutlich ist, in Fig. 9 zur Darstellung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 28 472 A. Kühn: gebracht. Die Herstellung derselben erfolgte in derselben Weise wie die der übrigen Figuren vermittelst des Zeichenprismas. Der Nerv wurde bei schwacher Vergrösserung erst skizzirt und dann die einzelnen Fasern nach der stärksten Vergrösserung nach- träglich eingetragen. Man erkennt leicht die Auffaserung des centralen Stumpfes, die an frühere Bilder erinnert. Das peri- phere Ende, in der Figur blass gehalten, ist völlig degenerirt. —— N Fig. 10. Die wenigen erhaltenen Fasern, die es empfängt, stammen vom centralen Theil. Interessant ist die Art des Uebertritts dieser Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs etc. 473 Fasern. Sie kommen in geringer Anzahl —nur 3—4 — aus der Mitte des Faser-Pinsels und erreichen in Windungen die degene- rirten Aeste. Die übrigen vom centralen Theil ausgehenden neugebildeten Fasern — in der Figur nur zum Theil gezeichnet — gehen nach allen Richtungen auseinander, so dass man wohl annehmen muss, dass eine besondere Anziehungskraft für die Wachsthumsrichtung der neuen Fasern von Seiten zu Grunde ge- gangener Nervensubstanz in diesem Fall nicht vorhanden ge- wesen ist. Einige Verwaehsungen sind auch in diesem Präparat trotz des reactionslosen Verlaufs der Heilung zu erkennen. Die Nerven der gesunden Seite sind gut schwarz gefärbt und völlig frei von veränderten Fasern. Am Auffallendsten ist in diesem Präparat eine Regellosig- keit und ein Reiehthum der einzeln, d. i. isolirt verlaufenden Fasern, wie sie in keinem der anderen Präparate vorhanden war. Ueberall, sowohl in gesunden als in den degenerirten Hautbezirken sieht man sie das Nervennetz durchqueren. Eine völlig abnorm verlaufende derartige dieke Faser aus einem gesunden Hautgebiet ist in Fig. 10 dargestellt. Dieselbe geht von dem lateral vom Lappenschnitt gelegenen Nervenstamm N. aus und ist in der Figur mit dem Buchstaben a. bezeichnet und dadurch kennt- lich gemacht. Sie durchläuft eine lange Strecke, etwa 3 mm, in grossen Windungen ohne jede Theilung, um dann nicht in der Haut zu enden, sondern eher anscheinend eine Verbindung mit dem benachbarten Nerven herzustellen. Durch das Fehlen jeder Theilung unterscheidet sie sich hauptsächlich von den anderen gleichgearteten Fasern. Auch die jungen in der Bildung begriffenen Fasern scheinen in diesem Präparat schon einen Hang zum abnormen Verlauf zu haben. Mit Vorliebe bilden sie feine Netze, aus denen dann stärkere Fasern hervorgehen. Ein derartiges Netz zeigt Fig. 11. Hier zweigen die jungen Fasern von einer alten ab (Sehwann’sche Scheide?) und begeben sich in die oberen Schichten des Präparats. Der Reiehthum an Kernen, namentlich an Stellen, wo sich mehrere Fäserchen treffen, spricht wohl für die Jugend der letzteren. Oft verlaufen sie schon eine Strecke lang in Bündel geeint, trennen sich aber meist bald wieder und laufen dann isolirt. Die Zeichnung ist mit starker Vergrösserung nach dem un- 474 A. Kühn: gefärbten Präparat (nur Osmiumsäure) vermittelst des Prismas angefertigt. Die betr. Stelle befindet sich in der Narbe und die beiden sich kreuzenden dieken markhaltigen Fasern stammen wahrschein- lieh von einem nicht resecirten Nerven derselben Seite. Auch letztere verlaufen sehr unregelmässig und theilen sich noch vielfach, ebenso geben sie noch weiter in ähnlicher Weise wie in Fig. 11 feine weiter wachsende und sich theilende Fasern ab. EEE nl A ’ Hie#: In der Umgebung der resecirten Nerven findet man nun über- all derartige Netze von jungen zellreichen Fasern, die als Aus- gangspunkt den resecirten Stamm und seine wenigen gefärbten Fasern zu haben suheinen. Auch ältere markhaltige Fasern sind in der Nähe des rese- eirten Stumpfes am häufigsten und durehkreuzen ihn mit den ihn umgebenden Verwachsungen auf die mannigfaltigste Weise ohne Rücksicht auf das alte Bahnnetz. Es kommen also Bilder zustande, Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs etc. 475 die an Fig. 6, N, erinnern. Sie verlaufen lateral- und medial- wärts, biegen oft plötzlich um, machen Schleifen, wandern in die tieferen Schichten und kommen dann wieder an die Oberfläche. Auch sie gehen zum grössten Theil von dem Stumpf aus, der demnach doch nicht ganz von der Ernährung abgeschlossen ge- wesen sein muss. Nur zum kleinsten Theil betheiligen sich die Fasern der lateral benachbarten nicht operirten Nerven an dieser Regeneration. Die bekannten dieken Fasern, welche sich schon so wie so dureh ihren regellosen Verlauf auszeichnen, sind nieht minder von dieser allgemeinen Regellosigkeit ergriffen; auch sie bilden oft Schleifen, theilen sich, lassen ihre Seitenäste zu ihrem eigenen Stamm zurückkehren ete. Auch Dreitheilungen sind nicht selten. Eine besonders auffallende aus der Umgebung der reseeirten ersten Nerven zeigt Fig. 12. Was nun die Nervenfasern der gegenüberliegenden gesunden Seite anbelangt, so überschreiten sie wohl an vielen Stellen in der oben des öfteren geschilderten Weise die Mittellinie, betheiligen sich aber an der Regeneration der anderen Seite nur in geringem Grade. Wohl findet man an ihnen im Bereich der Mittellinie eine Vermehrung der Kerne der Sehwann’schen Scheide und des Perineuriums resp. Endoneuriums, auch entsenden sie wohl einige Ausläufer, welche mit dem neuge- bildeten Netz (ef. Fig. 11) in Ver- bindung treten. Doch ist auffallend, dass diese Proliferation weit zurück- tritt hinter derjenigen vom re- secirten Nerven der anderen Seite aus, soweit man natürlich die Aus- gangspunkte dieser jungen Fasern mit Sicherheit erkennen kann. — Bis Zweifellos ist indess, dass man in diesem Präparat dieke Primitiv- fasern, welche von den gesunden Nerven ausgehen und auf die reseeirte Seite ziehen, selten findet. Dieselben waren in den anderen Präparaten deutlicher. za Te $ r 3 2 E ey B ji 476 A. Kühn: Versuch VI. Mittelgrosser Landfrosch. 16. VIII. 99 Operation: rechts- seitiger Lappenschnitt mit Resection von drei Nerven. 9. IX. 99 gut geheilt. Keine Sensibilitätsstörungen. 5. VII. 00 getötet. Es sind also seit der Operation bis zur Anfertigung des Präparates fast 11 Monate verflossen. Mikroskopische Untersuchung des vorzüglich gefärbten Prä- parats: Man erkennt an der Anhäufung von Pigmentzellen noch deutlich die Narbe, während im Uebrigen Adhäsionen oder andere Entzündungsresiduen vollkommen fehlen. Dementsprechend war auch eine Wiedervereinigung der Resectionsstümpfe ausgeschlossen. Dieselben liessen sich bei der Lösung der Haut nieht mehr auf- finden. Das Präparat ist in allen Theilen klar und durchsichtig. Die 3 Dorsalnerven der rechten Seite, welche reseeirt waren, sind vollkommen degenerirt und auch der 1. und 4. nicht resecirte Nerv muss von einem Schnitt, wahrscheinlich den Querschnitten, getroffen worden sein; beide sind nämlich trotzdem eine Regene- ration von dem centralen Ende (nicht resecirt!) hätte stattfinden können, völlig entartet. Die correspondirenden Nerven der anderen Seite sind dagegen normal schwarz und enthalten keine einzige veränderte Faser. In den blass erscheinenden Strängen der rechten Seite heben sich nun vereinzelte dunkler gefärbte, meist der Kategorie der bekannten dieken Primitivfasern angehörige Fasern scharf ab und diese erhaltenen Fasern lassen sich meist mit Leichtigkeit über die Mittellinie herüber bis in irgend einen Hauptast eines gesunden Nerven der anderen Seite verfolgen. Es sind also ähn- liche Verhältnisse, wie sie schon früher beschrieben sind, und es ist daher von einer bildlichen Darstellung Abstand genommen. Unregelmässig verlaufende Fasern findet man hier im Gegensatz zu dem letzten Präparat viel seltener. Nur an einer Stelle — am kande des Präparates — waren sie sehr auffallend und diese Stelle ist, da an ihr die Art der Kommunikation zweier verschie- dener Primitivfasern im Bereiche der Mitte besonders deutlich ist, in Fig. 13 abgebildet. Es treffen sich hier Faser a. von der linken Seite und Faser b. von der rechten Seite ungefähr in der Mitte und ihre End-Verzweigungen treten mit einander vereint in die Oberhaut (y.), so dass also dieser kleine Hautbezirk von beiden Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs ete. 477 Seiten seine Innervation erhält. Interessant ist nebenbei die wieder- holte Dreitheilung der Faser b. (bei x.), da sie in dieser Weise sehr selten auftritt. Da diese Stelle, wie erwähnt, gerade an der Grenze des präparirten Hautstückes liegt, so sind leider die diese Fasern aussendenden Nervenstämme nicht zu sehen. Fig. 13. Zeichen einer wohl abgelaufenen Regeneration ist die An- häufung von dicken und gleichmässig tingirten Fasern in unmittel- barer Nähe der Narbe. Ihre Jugend erkennt man an dem völlig unregelmässigen Verlauf, wie wir ihn in den früheren Präparaten schon oft an den jungen Fasern kennen gelernt haben. Sie bilden Schleifen, durchkreuzen sich ete. und nicht selten kehrt eine Faser nach verschiedenen Windungen wieder in ihren Mutterstamm zu- rück. Dabei zeichnen sie sich durch ihren Reichthum an Ranvier’schen Einschnürungen ganz besonders aus, 478 A. Kühn: Im Uebrigen verlaufen in diesem Präparat die Fasern, wie erwähnt, völlig normal und bieten nichts Abnormes. Ueberblicken wir noch einmal die Ergebnisse der angeführten Versuche, so finden wir durch sie zunächst die Angabe bestätigt, dass die Mittellinie kein Hinderniss ist für den Verlauf der Fasern von einer Körperhälfte zur gegenüberliegenden, dass also auch die der Mittellinie benachbarten Hautgebiete meist von mehreren Nerven versorgt werden. Es giebt sogar, wenn auch sehr ver- einzelt, Fasern, welche direkt über die Mittellinie herüber zwei correspondirende Nervenstämme mit einander verbinden und bei Untergang des einen Stammes eine Innervation vom gesunden aus bewerkstelligen, einen „Impuls“ leiten können. Diese schwer aufzufindenden Fasern richten sich in ihrem Verlauf meist nach dem gewöhnlichen Nervennetz und unter- scheiden sich dadurch nicht unwesentlich von einer Kategorie von Fasern, welche sich neben ibrer Dicke und guten Färbbar- keit durch ihren unregelmässigen Verlauf auszeichnen. Letztere, wohl auch physiologisch von den übrigen zu trennenden Fasern halten sich mit Vorliebe in der Nähe des sie entsendenden Nerven- stammes auf und sind daher im Bereich der Mitte seltener auf- zufinden. Sie theilen sich oft ausserordentlich häufig, meist in zwei, selten in drei Aeste, und können so mit ihren Verzweigungen ein Gebiet versehen, welches zwei bis drei OD) mm gross sein kann. Nur in Ausnahmefällen verlaufen sie vollkommen ungetheilt. Da bei den obigen Versuchen auch Regenerationsverhältnisse des Oefteren berücksichtigt werden mussten, möge es mir gestattet sein, auch diese noch einmal kurz zu rekapituliren. Um eine Regeneration vom centralen Nervenstumpf von vornherein auszu- schliessen, war bei der Operation ein Stück aus dem Verlauf des Nerven reseeirt und dadurch das eine Ende räumlich von dem ande- ren getrennt worden; eine spätere Vereinigung war infolgedessen auch in keinem Fall eingetreten. Wo vom centralen Reseetionsstumpf ausgehende Regenerationsfasern auf dem Wege bindegewebiger Verwachsungen in die Haut gelangt sind, ist in den einzelnen Versuchen jedesmal besonders auf diesen Umstand aufmerksam gemacht worden. Es fand sich an den betreffenden Stellen dann stets ein dichtes aber regelloses Fasernetz, welches den in den Weiterer Beitrag zur Kenntniss des Nervenverlaufs etc. 479 Verwachsungen fixirten degenerirten peripheren Nervenstumpf um- spann, um dann erst in zweiter Linie sich in das Gebiet, dessen Nervenstämme resecirt waren, auszudehnen. Dieses zeitweise völlig nervenlos gewesene Gebiet wurde nun in der Hauptsache wieder von Fasern benachbarter Nerven der- selben Seite sowohl als auch der gegenüberliegenden Seite ver- sorgt und interessant war die Art und Weise, wie diese Fasern in das degenerirte Gebiet hineinwuchsen. So schickten die corres- pondirenden Nerven der anderen Seite meist ihre einfachen, im Nervennetz verlaufenden Fasern über die Mittellinie, seltener eine der dieken, stärker gefärbten Nervenfasern. Die benachbarten Stämme derselben Seite waren am stärksten an der Regeneration betheiligt. Die einzelnen Fasern zogen in grosser Anzahl und meist völlig regellos in das entnervte Gebiet; sie liessen sich auch durch Narben oder Entzündupgsresiduen nicht abhalten. Am schönsten sah man dies an den von Schnitten durchtrennten Aesten vom centralen Schnittende aus. Hand in Hand damit ging eine Bildung feiner junger Fasern, welche von den degene- rirten Aesten der resecirten Nerven auszugehen schienen und welche nicht selten ihre eigenen Netzsysteme bildeten. Es ge- nügt, darauf hinzuweisen, dass das hier Mitgetheilte für die bekannten Erscheinungen nach plastischen Operationen, Trans- plantationen, Vernarbung von Hautwunden zur Erklärung ver- werthet werden kann. 480 (Aus dem I. anatom. Institut in Wien.) Bemerkung zum Aufsatz: Dr. J. J. Streiff „Stabilitblock mit Alkohol- kammer etc.. .“'). Von Dr. &. Alexander. Streiff beschreibt einen hübschen Celloidinserienapparat, der eine Arbeitsunterbrechung bei der Herstellung von Celloidin- serien ohne Ausspannen des Objects gestattet, er hat jedoch übersehen, dass ein solcher Apparat längst vorhanden ist: Ich habe denselben vor mehr als 4 Jahren (Zeitschrift f. wissenschaftliche Mikroskopie Bd. XIII, 1896) ange- geben und abgebildet, wobei zu erwähnen ist, dass meine Vor- richtung durch die Hinzufügung einer Metalltasse und eine exacte Diehtung sogar bessere Brauchbarkeit als der von Streiff be- schriebene Apparat besitzt. 1) Dieses Archiv, 56. Bd., 4. Hett. 481 (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Zur Kenntniss der Zelltheilung bei Myriopoden. Von Fr. Meves und K. v. Korff. Hierzu Tafel XXI und 5 Figuren im Text. Zur Kenntniss der Zelltheilung bei Myriopoden theilen wir im Folgenden einige Beobachtungen mit, von denen besonders diejenigen von Interesse sind, welche wir über Verhalten und Lage der Centralkörper haben machen können. In den Spermatoeyten erster Ordnung von Lithobius forfi- catus (Fixirung mit Sublimat-Eisessig, Flemming’schem und Hermann’schem Gemisch) finden wir im Anfangsstadium der Mitose (Fig. 1) zwei Strahlungen an entgegengesetzten Polen des Kerns. Im Centrum der Strablungen liegen, von lichterem Cytoplasma um- geben, Centralkörper, welche schon auf diesem Stadium der Theilung verdoppelt sind‘). Die Centralkörper liegen der Kernmembran nicht unmittelbar auf, sondern in geringem Abstand von der- selben. Zwischen den Centralkörpern und der Kernwand be- obachten wir häufig einen hellen, halbmondförmigen Raum, wel- cher anscheinend von Flüssigkeit erfüllt ist; wir haben nicht den Eindruck, dass es sich um einen Schrumpfungsraum handelt. Der Kern wird in seinem Innern von einem körnigen Strang- werk durchsetzt, welches durch Eisenhämatoxylin schwarz, durch die Ehrlich-Biondi’sche Dreifarbenmischung (nach Fixirung in Sublimat-Eisessig) röthlich gefärbt wird. Nach der letzteren Färbungsreaktion besteht es aus Linin; das spärliche Chromatin des Kerns hat sich auf diesem Stadium bereits zu Chromosomen vereinigt, welche im Verhältniss zu der Kern- und Zellgrösse winzig klein und unmittelbar unter der Kernmembran gelegen sind. Der ruhende Kern schliesst gewöhnlich einen grossen Kuge- ligen Nucleolus ein; dieser erfährt im Beginn der Mitose einen 1) Gewöhnlich erfolgt eine Verdoppelung bekanntlich erst auf dem Stadium des Muttersterns. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 32 ad 482 Fr. Meves und. v. Korf!t: Zerfall in kleinere Kügelchen. (Fig.2; Theilstücke des Nucleolus roth gefärbt.) Die Zellsubstanz enthält unregelmässig geformte Körner, welche sich mit Eisenhämatoxylin schwarz färben. Es sind offenbar dieselben Gebilde, welche bei Myriopoden zuerst von Prenant!) aufgefunden und neuerdings von P. und M. Bouin?) genauer untersucht sind; wahrscheinlich sind sie mit den von v. la Valette St. George beschriebenen Cytomikrosomen der Hodenzellen (den Mitochondrien Benda’s) identisch. P. und M. Bouin beschreiben, dass die Körner in den Spermato- sonien von Lithobius durch Zerfall von Fäden entstehen und dass sie später eine Art gallertiger Umwandlung ihrer Substanz durchmachen; auf diese Weise entstehen sog. paranucleäre Körper, welche letzteren im Augenblick der Prophase verschwinden. Nach unseren Beobachtungen sind dagegen diese Körner in den Spermatocyten nicht nur noch in der Prophase vor- handen, sondern auch in den anschliessenden Stadien der Mitose nicht völlig verschwunden; sie haben vielmehr nur einen Zerfall in kleinere Elemente erlitten. In der Folge rücken nun die beiden Centralkörperpaare mit den sie umgebenden Cytoplasmahöfen und Strahlungen in entgegengesetzter Richtung vom Kern fort. Schliesslich kommen sie unmittelbar unter die Zellperipherie zu liegen (Fig. 3). In- mitten der Cytoplasmahöfe sind sie häufig noch von einem kleinen scharf abgegrenzten Innenhof umgeben (Fig. 4, 6). Bis zu diesem Zeitpunkt (Fig. 3) sind mit dem Kern keine weiteren Veränderungen vor sich gegangen. Erst auf einem folgenden Stadium beginnt das Liningerüst unter gleich- zeitigem Schwund der Kernmembran sich umzuordnen und zu Spindelfäden umzuformen. Und zwar streben die Lininfäden dahin, sich in der Richtung der Verbindungslinie der Central- körperpaare anzuordnen. Zunächst verlaufen sie noch stark wellig (Fig. 4). Erst später, nachdem die Chromosomen sich im Aequator gesammelt haben, nehmen sie einen geradlinigen 1) Prenant, A., Observations cytologiques sur les elements s&minaux de la Scolopendre et de la Lithobie. La cellule, t. 3. 1887. 2) Bouin, P. und Bouin, M., Sur la pr&sence et l’@volution des formations ergastoplasmiques dans les cellules s&minales de Lithobius forficatus. Bibliogr. anat., ann. 189. Zur Kenntniss der Zelltheilung bei Myriopoden. 485 Verlauf an. Zugleich verlieren sie ihre körnige Beschaffenheit und gewinnen ein glattes Aussehen (Fig. 5, 6). Die Anzahl der Spindelfasern entspricht derjenigen der Chromosomen, welche in sie eingeschaltet sind. Die Spindelfasern liegen in einer hellen Substanz (wahrscheinlich Kernsaft) einge- bettet. Nach den Polen zu konvergiren sie etwas; ihre Enden sind aber nicht mit einander vereinigt, sondern hören frei auf. Die Cytoplasmastrahlen, welche radiär um die beiden Centralkörperpaare bez. die sie umgebenden Höfe angeordnet sind !), gehen grösstentheils an den Seiten der Spindelfigur in einander über; diejenigen Strahlen, welche direkt auf die Enden der Spindelfasern zu verlaufen, treten mit diesen allem Anschein nach nicht in Kontinuität. Die Theilstücke, in welche der Nucleolus im Beginn der Mitose zerfallen war, haben sich bis zu diesem Stadium (Fig. 5, 6) erhalten; sie sind ins Cytoplasma übergetreten, wo sie in der Nähe der Spindelenden liegen. Ein derartiges Verhalten von Nucleolen ist zuerst für pflanzliche Zellen von A. Zimmermann, für thierische von Haecker beschrieben worden. Von botanischen Antoren sind solche ins Cytoplasma übergetretene Nucleolen ver- schiedentlich irrthümlicher Weise als „Centrosomen“ angesprochen worden. Ueber das Stadium der Figur 6 hinaus haben wir die Theilungsvorgänge an unserm Material bisher nicht genauer ver- folgen können. Jedoch haben wir constatirt, dass die Chromo- somen auseinanderrücken, ohne dass die Centralkörper ihre Lage ändern und in nähere Beziehung zu den Enden der Spindel- fasern treten. An den beschriebenen Beobachtungen dürfte in erster Linie die Lage interessiren, welche die Centralkörper bei der Mitose einnehmen; besonders auch desshalb, weil dadurch gezeigt wird, dass es nicht gerechtfertigt ist, aus dem Umstand, dass Central- körper bei der Theilung einer Zelle an den Enden der achroma- tischen Spindel auf keine Weise nachweisbar sind, auf ihr Nichtvorhandensein in der Zelle zu schliessen. Ein ähnlicher Befund wie der unserige ist bei thierischen 1) Die meisten Strahlen haben in den Prophasen ein körniges Aussehen: auf dem Stadium der Fig. 5 sind einzelne glatte Fäden zwischen ihnen aufgetreten. 484 Fr. Meves und K. v. Korft: Zellen unseres Wissens bisher nicht beschrieben worden, wohl aber bei pflanzlichen. Jedoch ist bei den letzteren die Central- körpernatur der in Frage kommenden Gebilde — unseres Er- achtens allerdings durchaus mit Unrecht — bestritten worden. Hirase!) hat im Pollenschlauch von Ginkgo, Webber?) in dem von Zamia (Cycadeen) bei der Theilung der generativen Fig. d. Fig. e. Textfiguren a—e. Nach Hiras£°). Theilungsstadien der generativen Zelle von Ginkgo biloba. In Fig. ce hat der Kern sich senkrecht zur Verbindungslinie der Centralkörper abgeplattet. 1) Hirase, S., Notes on the attraction sphere in the pollen cells of Ginkgo biloba. The Botanical Magazine, vol. 8, 1894. 2) Webber, H. J., Peculiar structures oceurring in the Pollen- tube ..of Zamia. Botan. Gazette, vol. 23. 1897. 3) Hirasc, S., Etudes sur la f&condation et l’embryog£enie du Ginkgo (second memoire). Journ. of the Coll. of Science. Imp. Univ. Tokyo, vol. 12, 1898. Zur Kenntniss der Zelltheilung bei Myriopoden. 485 Zelle, deren Tochterzellen sich zu Spermien umwandeln, von Strah- lung umgebene Körper beobachtet, welche auf der Spindelaxe, aber in merklicher Entfernung von den Polen der Kernspindel lagen. Hirase hat diese Körper als „Attractionssphären“ auf- gefasst und hält an dieser Deutung auch in einer spätern Arbeit!) fest, in welcher er das Verhalten der in Rede stehenden Körper folgendermaassen beschreibt: Die generative Zelle nimmt bald nach ihrer Entstehung eine ellipsoidische Form an. Auf der langen Axe des Ellipsoids treten ganz in der Nähe des Kerns zwei homogene Kügelchen auf. Nach einiger Zeit beginnen sie vom Kern abzurücken und sich den beiden Polen der Zelle zu nähern. Während dieser Wanderung vergrössern sie sich und umgeben sich mit einer deutlichen Strahlung. Bei der Theilung nehmen sie nicht die Pole der Spindel, sondern, wie zuvor, die- jenigen der Zelle ein; ihre Verbindungslinie fällt mit der Längs- axe der Theilungsfigur zusammen (Textfig. a--e). Beobachtungen, die auch in der Deutung mit denen Hirase’s völlig übereinstimmen, machte Ikeno?) an der generativen Zelle von Cycas revoluta. Dagegen meint Webber?°), dass die in Rede stehenden Körper in den generativen Zellen von Ginkgo und den Cyeadeen keine „Centrosomen“ sein können; denn sie weisen nach ihm nicht die beiden wichtigsten Eigenschaften eines „Centrosoms“ auf, welehe sind: Kontinuität von Zelle zu Zelle und Lagerung an den Spindelpolen während der Theilung. Wegen ihrer Be- ziehung zur Cilienbildung (sie umwachsen die Spermatide in Form eines Bandes, von welchem die Cilien ausgehen) hat er (97. 3) den Namen Blepharoblasten für sie vorgeschlagen. Strasburger*) schliesst sich der Ansicht Webber’s an. HrHıvase.s, Etudes sur la f&condation et l’embryog£nie du Ginkgo (second memoire). Journ. of the Coll. of Science. Imp. Univ. Tokyo, vol. 12. 1898. 2) Ikeno, S., Zur Kenntniss des sog. «entrosomähnlichen Körpers im Pollenschlauch der Cycadeen, Flora, Bd. 85, 1898. Derselbe: Unter- suchungen über die Entwickelung der Geschlechtsorgane und den Vorgang der Befruchtung bei Cycas revoluta. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 32, 1898. 3) Webber, H. J., l.c. und: Notes on the feeundation of Zamia and the Pollen tube apparatus of Ginkgo. Botan. Gazette, vol. 24, 1897. 4) Strasburger, E., Histologische Beiträge, Heft 4. Ueber Re- 156 Fr. Meves und K. v. Korff: Zur Kenntniss d. Zelltheilung ete. Für ihn ist es sicher, dass die Blepharoblasten der spermatogenen Zellen sich nicht an nachweisbare Centralkörper in sonstigen Geweben von Cycadeen und Ginkgo anknüpfen lassen. Er leitet sie phylogenetisch von den bei den Schwärmsporen der Algen sich findenden Cilienträgern ab, welche sich als verdiekte Haut- stellen aus „activirtem Kinoplasma“ bilden. Dieses „aetivirte Kinoplasma“ ist nach Strasburger in den spermatogenen Zellen augenscheinlich in eine gewisse Beziehung zu der Kern- theilung getreten: „Seine Abgrenzung wurde auf einige Kern- theilungen zurück verlegt; dadurch gewannen die Blepharoblasten Aehnlichkeit mit morphologisch nnd dynamisch bei der Kern- theilung mitwirkenden Centren“. Wir sind dagegen entschieden der Meinung, dass es sich bei den von Hiras&e, Webber und Ikeno beschriebenen Gebilden um echte Centralkörper handelt. Dem Umstand, dass der Nachweis von Centralkörpern in anderen als den spermatogenen Zellen von Cycadeen und Ginkgo bisher nicht gelungen ist, ver- mögen wir Gewicht nicht beizulegen. Unsere Beobachtungen zeigen, dass zweifellose Centralkörper thierischer Zellen bei der Mitose ein völlig gleiches Verhalten wie die sog. Blepharoblasten bei Cycadeen und Ginkgo zeigen können. Uebrigens hat Belajeff') eonsfatirt, dass bei Marsilia die Blepharoblasten bei der Theilung die Pole der Spindel einnehmen und daraus ebenfalls geschlossen, dass sie als Centralkörper zu deuten seien. Für diese Deutung spricht vor allem auch das Verhalten der Blepharoblasten bei der Spermienbildung, welches mit demjenigen der Centralkörper thieri- scher Zellen eine unverkennbare Aehnlichkeit zeigt. Die Abbildungen sind mit Zeiss’ homogener Immersion 3,0 mm (Apertur 1,50) und Ocular 8 unter Benutzung des Abbe’schen Zeichen- apparates (Projection auf Objecttischhöhe) entworfen; nach Präparaten, welche in Sublimat-Eisessig fixirt und theils (Fig. 1, 3, 5) mit Eisen- hämatoxylinnachM. Heidenhain, theils (Fig. 2,4, 6) mit der Ehrlich- Biondi’schen Mischung gefärbt waren. Sämmtliche Figuren betreffen Spermatocvten erster Ordnung von Lithobius forficatus. duetionstheilung, Spindelbildung, Centrosomen und Cilienbildner im Pflanzenreich. Jena 1900. 1) Belajeff, W., Ueber die Centrosome in den spermatogenen Zellen. Ber. d. Deutsch. bot. Ges., 1899. 487 Bemerkungen zu der Arbeit: Dr. W. Tonkoff: Die Entwickelung der Milz bei den Amnioten. Dieses Archiv Bd. 56, S. 392. Von 3. Janosik. Sei mir gestattet, einige sinnstörende Angaben, welche sich in die Arbeit W. Tonkoff’s eingeschlichen haben, in Bezug auf mein vorjähriges Resumee: Le pancreas et la rate. Bibliogr. anatomique. Tome III. 1895, richtig zu stellen. Zu dem, was Tonkoff auf S. 405 als Erläuterung meiner Fig. 22 anführt, ist hinzuzufügen, dass in meiner Arbeit hinter den Wörtern „6 jours“ sich einige Punkte befinden, welche statt der immer wieder sich wiederholenden Angabe „apres la ponte“ hier ein- gesetzt sind, was leicht verständlich wird aus den Erklärungen aller anderen auf Lacerta sich beziehenden Figuren. Auch aus dieser eorrigirten Angabe ist unmöglich zu schliessen auf den Grad der Entwieklung, worauf ich aufmerksam mache in der Erklärung der Fig. 5 und zwar mit nachstehenden Worten: „Il faut noter ici que les embryons dans des oeufs de m&@me jour ne se trouvent jamais du m@me stade de developpement. J’ai trouve A cet &gard des differences eonsiderables.“ Beim Hühnchen habe ich darauf bereits in einer früheren Arbeit!) hingewiesen. In diesem Sinne ist auch die Angabe Tonkoff’s auf Seite 456 bezüglich der Zeit der Entstehung der Milz bei verschiedenen Wirbelthieren zu corrigiren. Hier sei auch zu beachten, dass ich überall in meiner Arbeit von „Lacerta agilis* spreche und nicht von „Lacerta viridis“. In der Erläuterung zur Fig. 22 meiner Arbeit ist hinzu- gefügt: „Pres de n la coupe est un peu oblique“. Damit wollte ich eben bei dieser naturgetreu gezeichneten Figur diesem mög- lichen Einwande aus dem Wege gehen. Hier muss ich auch 1) JanoSik, Beitrag zur Kenntniss des Keimwulstes bei Vögeln. Sitzungsber. der k. Akademie, Wien. 1881. 488 Bemerkungen von Janosik. bemerken, dass ich meine Angaben über die Betheiligung des Coelomepithels bei der Entwickelung der Milz nieht auf Grund- lage dieser Figur gemacht habe, sondern auf Grundlage mehrerer Schnittserien, aus welchen dieser Schnitt eben zur Abbildung gelangte, welche nicht schematisirt ist. Was nun die Bemerkung Tonkoff’s anbelangt, dass ich nirgends in der Milzanlage vom Vorhandensein von Zellen vom Typus der Ureier spreche, so will ich nur bemerken, dass ich das Vorkommen solcher Zellen auch anderwärts im Coelomepithel bereits in einer früheren Arbeit!) constatirt habe und ich halte dieselben für keine speeifischen Elemente, um ihr Vorhandensein oder Fehlen besonders hervorheben zu müssen. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Untersuchungen über das Oentralnerven- system des Kaninchens. Von Dr. R. Krause und Dr. MW. Philippson. Hierzu Tafel XXII—XXV. In den folgenden Blättern soll berichtet werden über Unter- suchungen, welche wir mittelst der vitalen Methylenblaufärbung am Centralnervensystem des Kaninchens angestellt haben und zwar soll sich diese Mittheilung speeiell mit dem Baue des Vorder- horns des Kaninchenrückenmarks beschäftigen. Seit der Entdeckung der nervenfärbenden Eigenschaften des Methylenblaus durch Ehrlich ist dieser Farbstoff von zahl- losen Untersuchern zur Darstellung der Nervenverbreitung und der Nervenendigung hauptsächlich in den peripheren Organen und Ganglien benutzt worden, während über die Verwendung des 1) JanoSik, Bemerkungen über die Entwicklung des Genital- systems. Sitzungsber. der k. Akademie Wien. 1890. Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 489 Farbstoffs für das Studium der Centralorgane nur ganz vereinzelte Beobachtungen vorliegen, abgesehen von den Arbeiten von Semi Mieyer. Die von dem letztgenannten Autor geübte Methode der subeutanen Injeetion gesättigter Lösungen des Farbstoffs haben auch wir in zahlreichen Versuchen in Anwendung gezogen, sind aber von derselben vollständig zurückgekommen. Die Methode giebt wohl in einem gewissen Procentsatz der Versuche brauch- bare und gute Resultate für die Färbung von Grosshirn, Klein- hirn und besonders der Medulla oblongata, für die Untersuchung des Rückenmarks aber leistet sie bei weitem nicht so viel, wie die von uns in Anwendung gezogene intravenöse Injeetion, die auch von manchen anderen Gesichtspunkten aus den Vorzug verdient. Nach zahlreichen Versuchen und mannigfachem Probiren hat sich uns der folgende Modus procedendi am besten bewährt. Als Stammlösung dient uns eine 1 procent. Lösung des Farbstoffs in 0,6proc. Kochsalzlösung. Dem durch intraperitoneale Injection von Chloralbydrat (1—2 cem einer 50 proc. Lösung) narecotisirten Thier wird eine Glascanüle in die Vena femoralis eingebunden und die Farblösung mittelst einer Bürette mit Glashahn injieirt. Man muss bei der Injeetion sehr vorsichtig vorgehen, um das Thier möglichst lange Zeit am Leben zu erhalten. Zunächst verdünnt man die Stammlösung mit einem oder zwei Theilen Kochsalzlösung und lässt alle fünf Minuten einen Cubikcentimeter einfliessen. In der zweiten Stunde kann man dann zur Injection der 0,5- resp. 1 proc. Lösung übergehen. Bei solch vorsichtigem Vorgehen ertragen die Thiere die Injection mehrere Stunden lang, und es gelingt in manchen Fällen bis zu einem Gramm des trockenen Farbstoffs zu injieiren. Selbstverständlich muss die zu injieirende Lösung auf Körpertemperatur erwärmt werden; auch soll das Thier während der ganzen Operation künstlich warm gehalten werden durch Auflegen angewärmter Tücher oder ähnliche Vorrichtungen. Was die Erscheinungen anlangt, so soll hier nicht näher darauf eingegangen werden, vielleicht findet sich später einmal die Gelegenheit, über den ausserordentlich interessanten Verlauf der Methylenblauvergiftung Näheres zu berichten. Die Thiere sehen immer an einer Dyspnoe centralen Ursprungs zu Grunde. 490 R. Krause und M. Phillipson: Häufig geht der eigentlichen Dyspnoe eine Glottislähmung voraus, und es gelingt durch rechtzeitige Tracheotomie die Thiere noch einige Zeit am Leben zu erhalten. Immer auch gehen dem Tode heftige Krämpfe in der Muskulatur des Stammes und der Ex- tremitäten voraus. Der Cornealreflex ist dann schon völlig er- losehen, und mit einer heftigen, tiefen Inspiration steht. die Ath- mung still und lässt sich weder durch rythmische Compression des Thorax noch durch Vagusreizung wiederherstellen. Die Herzthätigkeit wird unter dem Einfluss des Farbstoffs stark ver- langsamt und abgeschwächt, immer aber sistirt zuerst die Ath- mung und dann die Herzthätigkeit. Sehr wichtig erscheint uns die passende Wahl des zu verwendenden Farbstoffs. Von den im Handel vorkommenden Methylenblausorten wurden auf ihre Wirksamkeit geprüft Methylenblau B, 2B, B extra und Methylenblau medieimale cehlorzinkfrei, sämmtlich von E. Merck in Darmstadt bezogen, ferner ein Methylenblau Bx von Grübler (wohl aus der Badi- schen Anilin- und Sodafabrik stammend) und schliesslich ein chemisch reines, aber chlorzinkhaltiges Methylenblau eryst., das uns von den Höchster Farbwerken in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt worden war. Von allen diesen Präparaten erwies sich das zuletzt genannte als das bei weitem günstigste, es giebt die weitaus besten Resultate und sollte für unsere Zwecke ausschliesslich in Anwendung gezogen werden. Was nun bei Verwendung des genannten Präparates und Beobachtung aller Vorsichtsmaassregeln die Bedingungen anlangt, unter welchen eine gute Färbung zu Stande kommt, so sind die- selben auch hier ganz unberechenbar, und man wird selbst dann, wenn das Thier grössere Farbstoffmengen ertragen hat, ein gutes Resultat nie voranssagen können. FEinigermaassen brauchbare Prä- parate erhält man allerdings eigentlich immer, Präparate, die wohl meist noch ebensoviel oder mehr als gelungene Golgiprä- parate zeigen. Sobald das Thier gestorben ist, wird das Centralnerven- system herauspräparirt und in 10 proc. abgekühlte Lösung von molybdänsaurem Ammon für 6—12 Stunden eingelegt. Die ein- zulegenden Stücke dürfen nieht zu gross sein, da die Fixations- flüssigkeit ziemlich schwer eindringt. Die mehrere Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschenen Stücke werden zunächst in Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 491 TO proe., dann in 95 proe. und absolutem Alkohol entwässert und durch Xylol in Paraffin eingebettet. Der ganze Process, Ent- wässerung und Einbettung, kann in 1—2mal 24 Stunden voll- endet sein. Neben dieser intravenösen Methode wurde dann die Farb- lösung auch intraperitoneal eingeführt. Man verwendet dazu 1—2proe. Lösung und führt je nach der Grösse des Thieres stündlich 5—10 eem ein. Auch hierbei erhält man manchmal prächtige Resultate, doch sind sie noch weniger constant, als bei der vorigen Methode. Unsere vorliegende erste Mittheilung soll das Rückenmark behandeln und zwar speciell die Vorderhörmner. Hier erhält man mittelst der Methylenblaumethode immer die besten Resultate, Zellen und Fasern mit Collateralen sind vorzüglich gefärbt und auf weite Streeken verfolgbar. Später soll dann das Hinterhorn bearbeitet werden, das der Untersuchung grössere Schwierigkeiten in den Weg stellt. Die Gestalt des Vorderhorns in den verschiedenen Höhen des Rückenmarks. In der Uebergangszone zwischen Medulla oblongata und Rückenmark hat das Vorderhorn eine eigenthümliche hammer- förmige Gestalt. Lateral bilden die sich kreuzenden Fasern eine Einbuchtung, welche die graue Substanz ungefähr in der Höhe des Centralkanals stark einschnürt. Die Spitze des Hammers sieht lateral, der Kopf ist gegen die vordere Fissur gerichtet. Wir können dabei an dem Vorderhorn drei Spitzen unterscheiden, die eine sieht direct lateral, eine zweite wendet sich ventral und eine dritte mittlere springt zwischen beiden schräg ventral und lateral vor. Die Formveränderungen, welche das Vorderhorn im Hals- mark erleidet, beruhen nun wesentlich darauf, dass, indem sich seine Höhen- und Breitendimensionen ändern, sich diese Spitzen gegeneinander verschieben. Zunächst wird die stark vorspringende laterale Spitze mehr und mehr eingezogen und rückt dabei immer mehr dorsalwärts gegen das Hinterhorn vor, wodurch gleichzeitig die stark in die graue Substanz vorspringende Insel der weissen Substanz mehr und mehr verkleinert wird. Die mittlere Spitze zeigt eine verschiedene Entwicklung im Halsmark. Zunächst verschwindet sie ganz und geht in einen abgerundeten Contour 492 R. Krause und M. Philippson: über; später erscheint sie wieder, um im mittleren Halsmark wieder zu verschwinden und im unteren Halsmark ihre grösste Ausdehnung zu erreichen. Sie rückt dabei immer weiter dorsal vor. Ein constantes Wachsthum von oben nach unten zeigt da- gegen die ventrale Spitze. Je weiter wir im Halsmark nach unten gehen, um so mächtiger wird sie, und um so weiter ent- fernt sie sich von der vorderen Fissur. Daher kommt es, dass der mediale Grenzcontour des Vorderhorns, der anfangs parallel der vorderen Fissur verläuft, sich später immer mehr schräg stellt und dass sich im Gegensatz dazu die Verbindungslinie zwischen ventraler und mittlerer Spitze immer mehr horizontal, also senkrecht zur vorderen Fissur stellt. Diese beiden Spitzen nähern sich im unteren Halsmark aber auch immer mehr und fliessen im oberen Brustmark zusammen. Wir haben also in diesem Theile des Rückenmarks ein ein- faches, schlankes Vorderhorn mit ventral gerichteter, abgerundeter Spitze. Die frühere laterale Spitze ist, wenn auch nur schwach angedeutet, doch noch vorhanden und geht in den im Dorsal- mark gut entwickelten Proc. retieularis über. Die wichtigste Formveränderung im Dorsalmark besteht darin, dass das Vorder- horn beständig an Höhe abnimmt und dass sich dadurch die mediale Grenzlinie immer schräger stellt. Im Lendenmark sucht das Vorderhorn das, was es durch den Verlust der ventralen Spitze eingebüsst hat, zunächst dadurch wieder zu gewinnen, dass es sich stark lateral ausdehnt. Indem dann im mittleren Lendenmark auch die ventrale Spitze sich wieder ausbildet, nimmt das Vorderhorn eine Form an, die der im unteren Halsmark sehr ähnelt. Es erlangt dann im unteren Lendenmark an der Grenze gegen das Sacralmark seine stärkste Entwicklung. Im Sacralmark wird das Vorderhorn mit abnehmendem Gesammtquersehnitt immer kleiner und rundet sich mehr und mehr ab, wie sich denn auch die ganze graue Figur hier abrundet. Die folgende Tabelle soll einige Maasse des Vorderhorns in den verschiedenen Höhen geben, Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 493 Basis | Höhe Breite mm | mme | mm Webersangszone "mama. 2 e 1.0 Hear 1.2 @beresHalsmark ı Pyameanzen 2 1.397 270.9 1.0 MibtleresrElalsmarke Frese: 1.24 | 1.0 13. Nitılexzes Hialsmarnlk Mrs Er 1.75, 1,1903 1.4 lünteresztlalsmarke es 1:3 Naenaer 3 1:25 Oberes Dorsalmark . mann 1.4156. 509 0.6 Nithleres?Dorsalınarke es 0.8 08 0.45 Umteres-Dorsalmark tr Er 0.8 0.7 0.7 Oberesthendenmark en lan! 05 0.5 Mittleres; Dendenmarka. Ser 113) IT, 0.6 Unteres Lendenmark . . .... 159 1 1.5 Sleralmark. «- "2%. 2 N al 11.08 0.7 Es wurde dabei als Basis des Vorderhorns eine Linie an- genommen, welche horizontal durch den Centralkanal verläuft, als Höhe eine Senkrechte darauf durch die am weitesten ventral vorspringende Spitze und als Breite eine Linie, welche, parallel zur Basis verlaufend, die grösste Breite des Vorderhorns durchmisst. Die Vertheilung der Zellen. Die auf dem Rückenmarksquerschnitt sichtbaren Nervenzellen des Vorderhorns lassen sich in grosse, mittelgrosse und kleine eintheilen. Von ihnen zeigen nur die beiden ersteren Gattungen eine Sonderung in bestimmte und constante Gruppen, während die kleinen Zellen sich regellos im Querschnitt vertheilen. Am schönsten und klarsten ist die Gruppenbildung in der Hals- und Lendenanschwellung ausgesprochen, und auf sie soll sich auch die folgende allgemeine Besprechung beziehen. Wir können zunächst zwei zellreiche Zonen erkennen, eine laterale und eine mediale. Die erstere nimmt den late- ralen Rand des Vorderhorns ein und wird fast ausschliesslich aus grossen und mittelgrossen Nervenzellen gebildet. Die mediale Zone dagegen nimmt den medialen, gegen die vordere Fissur gerichteten Rand des Vorderhorns ein und besteht theils aus polygonalen, theils aus länglichen, fusiformen Nervenzellen. Zwischen diesen beiden zellreichen Zonen findet sich zu- 494 R. Krause und M. Philippson: nächst am weitesten ventral ein von Zeilen fast gänzlich freies Gebiet, in welchem sich die aus dem Vorderhorn austretenden motori- schen Neuriten sammeln und zu den verschiedenen Wurzelbündeln ordnen. Wir wollen es in der Folge als Austrittszone be- zeichnen. Dorsal schliesst sich an die Austrittszone ein zellreiches Territorium, die Zwischengruppen, und am weitesten dorsal wird das Vorderhorn abgeschlossen in der Höhe des Central- kanals durch eine Zellmasse, die Mittelgruppe von Waldeyer!). Im Einzelnen zeigen die laterale und mediale Zellzone fast immer eine deutliche Theilung in drei hinter einander gelegene Territorien, so dass wir eine vordere, mittlere und hintere laterale, resp. mediale Zellgruppe unterscheiden können. Auch die Zwischengruppe theilt sich in eine vordere und hintere Abtheilung, welche in der Höhe der mittleren medialen und lateralen resp. hinteren medialen und lateralen Gruppe ge- legen sind. Zwischen diesen, also insgesammt neun deutlich zu trennen- den Zellgruppen des Vorderhorns, finden sich überall kleine, hier und da auch eine grosse Zelle, die zerstreuten Zellen von Waldeyer. Wenn wir die hier besprochene Gruppirung mit derjenigen vergleichen, welche Waldeyer (l.e.) vom Gorilla und Kind beschreibt, so finden wir eine weitgehende Uebereinstimmung. Unsere Präparate erheischten nur zum Unterschiede von Wal- deyer eine Trennung zwischen Lateral- und Zwischengruppen, was wohl auch beim Menschen angängig wäre. Nach dieser allgemeinen Besprechung der Quersehnittsform und der Zellgruppirung wollen wir nun dazu übergehen, die Details an der Hand einzelner durch die verschiedenen Höhen des Rückenmarks gelegter Schnitte zu studiren. Oberes Halsmark. Photogr. 1 und 2. Wie wir früher besprochen haben, endet in dieser Gegend das Vorderhorn in einer ventralwärts gerichteten Spitze. In der- selben findet sich eine grosse Gruppe von Zellen, welche ent- standen ist durch Verschmelzung der vorderen lateralen und 1) W.Waldeyer, Das Gorillarückenmark. Abhandl. der König!. Preuss. Akad. der Wissensch. zu Berlin vom Jahre 1888. Berlin 1889, Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens 495 medialen Gruppe, und die wir später in dem lateralen und medialen Winkel des Vorderhorns wiederfinden werden. In Photogr. 1 erkennen wir, dass diese Zellgruppe besteht aus sieben Zellen, welche in drei parallelen, sagittal verlaufenden Reihen angeordnet sind. Fig. 1, Taf. XXII giebt drei dieser Zellen bei stärkerer Vergrösserung wieder. Wir sehen hier drei länglich polygonale Zellkörper, ungefähr 50 u lang und 10—20 u breit. Sie besitzen ziemlich lange und kräftige Dendriten, die sich in zwei Hauptrichtungen ausbreiten, die einen laufen schräg lateral und dor- sal, die anderen schräg medial und dorsal. Wie wir noch an anderen Gruppen bemerken werden, zeigen diese Zellen mit ihren Dendriten einen ganz auffallenden Parallelismus, und zwar beschränkt sich derselbe nicht etwa nur auf Zellkörper und Stanmdendriten, son- dern es laufen auch die kleineren Aestchen parallel und gehen in gleicher Höhe von den gröberen Zweigen ab. Der laterale Stamm- dendrit theilt sich in grösserer oder geringerer Entfernung vom Zellkörper in zwei Aeste, von denen der eine mehr ventral abbiegt und mit seinen Zweigen in die weisse Substanz des Vorder-Seiten- strangs einlenkt, während der andere dorsal weiterzieht und in die mittlere Lateralgruppe eintritt. Ganz analoge Verhältnisse bietet uns der mediale Stammdendrit, hier tritt der eine Ast in den weissen Vorderstrang, der andere verzweigt sich in der mittleren Medialgruppe. Die Stammdendriten verlaufen entweder auf oder doch ganz nahe der Grenze zwischen weisser und grauer Substanz, ihre in die erstere eintretenden Zweige lassen sich hier oft auf lange Strecken verfolgen, in einem Falle bis 900 u. Ausser diesen Hauptdendriten schicken die Zellen noch wenige kleine Nebendendriten aus, von denen sich die einen ventral zwi- schen die Vorderwurzeln in die weisse Substanz, die anderen dorsal zur vorderen Zwischengruppe begeben. Was die Neuriten anlangt, so sind sie nicht immer gut ge- färbt, unsere Figur zeigt z. B. nur einen einzigen. Immer aber treten sie aus der ventralen Seite der Zellen heraus und strahlen in die vorderen Wurzeln ein. Es ergiebt sich übrigens auch aus Vergleichung derselben Zellgruppen aus anderen Höhen des Mar- kes, dass wir es in diesen Zellen ausschliesslich mit Wurzelzellen zu thun haben. Ein Blick auf die Photogr. 1 und 2 lehrt uns, dass in dem oberen Halsmark eine zellfreie Austrittszone nicht vorhanden ist, 496 R. Krause und M. Philippson: Mittlere Lateralgruppe. Durch die geringe Ausdehnung des Vorderhorns in dieser Gegend ist die Abgrenzung unserer Gruppe gegen die beiden vorigen nicht ganz leicht. Sie besteht aus einer Anzahl poly- gonaler Zellen, die in dem einen Durchmesser ca. 40 u, in dem anderen ca. 20 u halten. Wenn auch an den Dendriten dieser Zellen kein so weitgehender Parallelismus herrscht, wie an den früher beschriebenen, so nehmen sie doch der Hauptsache nach denselben Verlauf und verbreiten sich in vier verschiedenen Richtungen. Lateral und ventral entstehen Dendriten, welche sich in der weissen Substanz des Seitenstrangs verbreiten, lateral und dorsal gehen sie zur hinteren Lateralgruppe und geben da- bei Zweige in den Seitenstrang ab. Medial und dorsal begeben sich die Dendriten zur mittleren und hinteren Medialgruppe, medial und ventral durchdringen sie die ganze Spitze des Vorder- horns, um in die weisse Substanz des Vorderstrangs zu gelangen und auf ihrem Wege kleine Aestchen für die Vordergruppen ab- zugeben. Die Neuriten sind Vorderwurzelfasern. Hirastere Lateralerupne Diese Gruppe ist in Fig. 2, Tafel XXII durch zwei Zellen vertreten. Wir sehen grosse polygonale Zellen, 60 ux 30 u, deren Dendriten Bündel bilden und in vier Hauptrichtungen vordringen. Die einen gehen zur mittleren Lateralgruppe, die zweiten dringen in die weisse Substanz ein, drittens verlaufen Dendriten dorsal zum Hinterhorn und geben dabei Zweige an die weisse Substanz ab, viertens endlich begeben sich mächtige Dendriten- bündel zu den Mittel- und Zwischengruppen. Der Neurit ent- springt entweder mehr ventral oder lateral aus dem Zellkörper und läuft dann mehr oder weniger bogenförmig zur vorderen Wurzel. Mittlere Medialgruppe. Die mittlere Medialgruppe findet sich auf der Höhe der mittleren Lateralgruppe. Sie ist auf Photogr. 2 besonders gut ausgebildet und besteht aus fünf Zellen, die etwas in die Länge gezogen erscheinen. Der Längsdurchmesser beträgt 40—60 u, der Querdurchmesser 10—20 u. Die Dendriten breiten sich auch nur in zwei Hauptrichtungen aus, ventral und dorsal. Die ven Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 497 tralen gehen hauptsächlich zur mittleren Lateralgruppe, die dor- salen zur hinteren Medialgruppe; beide geben kleine Seitenzweige an die weisse Substanz des Vorderstranges ab. Die Neuriten verhalten sich wie die der folgenden Gruppe. Hintere Medialgruppe. Diese Gruppe besteht in dem der Fig. 3, Tafel XXI zu Grunde liegenden Präparat aus 10 exquisit fusiformen Zellen. Sie sind ca. 100 u lang und nur 15—20 u breit. Die meisten be- sitzen nur zwei Dendriten. Der eine dorsale giebt zahlreiche Aeste in die weisse Substanz ab und läuft auf die vordere Com- missur zu, der andere ventrale verzweigt sich in den Vordergruppen. Von der lateralen Fläche der Zelle entspringt ein meist wenig ansehnlicher Dendrit, der sich in den Zwischengruppen verästelt. Die dorsalen Dendriten lassen sich, zu Bündeln vereinigt, sehr weit verfolgen. Sie durchsetzen die vordere Commissur und dringen der Hauptsache nach in den weissen Vorderstrang der Gegenseite ein, nur schwache Aestchen gelangen in die Gegend der Mittelzellen. Je weiter man im oberen Halsmark cranial vordringt, um so mehr rückt die hintere Medialgruppe dorsal und kommt schliesslich in die vordere Commissur zu liegen. Die Neuriten dieser Zellen erwiesen sich in allen Fällen, wo sie beobachtet werden konnten, als echte Wurzelfasern. Sie entspringen von der lateralen Fläche des Zellkörpers und be- schreiben meist einen grossen Bogen, um in die vordere Wurzel zu gelangen. Hintere Zwischenzellen. Zwischen der hinteren Medial- und Lateralgruppe finden sich noch einige ziemlich grosse polygonale Zellen, ihre Durch- messer betragen 50 resp. 30 u, die ihre Dendriten nach allen Riehtungen hin ausschicken, ohne darin eine bestimmte Gesetz- mässigkeit erblicken zu lassen. Mittelzellen. Diese Zellen sind in der hier zu besprechenden Gegend wenig gut ausgebildet, weshalb auch nicht näher auf sie einge- gangen werden soll. Es sind mittelgrosse, 50x45 u, polygonale Zellen, deren Dendriten nach allen Richtungeu strahlen und ein Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 33 498 R. Krause und M. Philippson: weites Gebiet beherrschen. Wir werden später sehen, dass wir es hier mit Strang- und Commissurenzellen zu thun haben. Austrittder Wurzelfasern. Die Neuriten der Vorderhornzellen treten gewöhnlich in vier Bündeln aus der grauen Substanz aus und zwar zwei aus der Spitze selbst, die beiden anderen lateral resp. medial davon. Die Fasern kommen aus den verschiedenen Gruppen häufig in grossem Bogen hervor, durchdringen die die Spitze des Horns ausfüllende, vereinigte vordere Medio-Lateralgruppe, kreuzen sich dann grösstentheils und strahlen in die verschiedenen Wurzel- bündel ein. Mittleresund unteres Halsmark. Photogr. 3, 4 und 5. Das Vorderhorn hat in dieser Gegend, wie früher besprochen wurde, eine grössere Ausdehnung gewonnen. Die früher einfache ventrale Spitze ist in zwei ausgezogen, eine mediale und laterale Ecke. In jeder von beiden findet sich eine gut ausgebildete Zellgruppe, die vordere Lateral- und vordere Medialgruppe. Da- zwischen liegt ein zellfreies, von vielen Neuriten durchzogenes Gebiet, das wir als Austrittszone der Wurzelfasern bezeichnet hatten. Yondere;, Lateralerupp.e. Die vordere Lateralgruppe liegt in der lateralen Ecke des Vorderhorns und besteht in Photogr. 3 aus 10 mittelgrossen poly- gonalen Zellen. Ihre Durchmesser schwanken zwischen 35 und 40 u resp. 25 und 30 u. Die Dendriten verlaufen nicht streng parallel und sind auch nicht zu Bündeln vereinigt, man kann aber doch zwei Hauptrichtungen an ihnen erkennen. Die einen erstrecken sich zur mittleren Lateralgruppe, die anderen strahlen in die Austrittszone der Wurzelfasern ein. Ausserdem dringen schwächere Dendriten zur vorderen Zwischengruppe und zur weissen Substanz. Die Neuriten dieser Zellen waren fast in allen Fällen gut gefärbt und zeigten folgende Eigenschaften. Der Neurit entsteht immer aus einem spitz ausgezogenen Ursprungskegel. Er ist an- fangs ausserordentlich dünn und blass gefärbt, blasser noch als die Dendriten. Dieses und das im Folgenden zu beschreibende Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 499 Verhalten ist ausserordentlich charakteristisch und gilt für alle von uns beobachteten Neuriten ganz allgemein. Er ist ebenso, wie die Dendriten völlig glatt und zeigt meist einen schwach geschlängelten Verlauf. (Eine Ausnahme machen in dieser Be- ziehung nur die Vorderwurzelneuriten im Lendenmark, ef. später.) Nach einem Verlauf von 30—50 u von der Zelle schwillt der Neurit mehr oder weniger rasch zur 4—Öfachen Dicke an und erscheint ganz tief blau gefärbt. Er tritt in dieser Stärke durch die Austrittszone durch, giebt hier seine Collateralen ab und gelangt in eins der Wurzelbündel. Hier angekommen, verjüngt er sich nach und nach wieder auf die Hälfte oder noch mehr seiner Stärke. Ab und zu sieht man über den Neuriten quer herüber einen tiefblau gefärbten, etwas erhabenen Ring verlaufen. Mittlexe’Bateralgruppe. Diese Gruppe setzt sich in Photogr. 3 aus 12—15 poly- gonalen, manchmal etwas rundlichen Zellen zusammen, die durch- gängig etwas grösser sind als die vorigen, 23—40 x45—60 u. Die Zellen besitzen im Querschnittsbild 6—8 stärkere Dendriten, an denen man leicht fünf Hauptrichtungen erkennen kann. Es ziehen die Dendriten nämlich 1. zur weissen Substanz, 2. zur hinteren Lateralgruppe, 3. zur hinteren Zwischengruppe, 4. zur vorderen Zwischengruppe und zur Austrittszone und 5. zur vorderen Lateralgruppe. Die Neuriten begeben sich in die ver- schiedenen Bündel der vorderen Wurzel. Sie gleichen in ihrem Verhalten ganz den vorigen. Hintere Lateralgruppe. Diese Gruppe ist in unseren Präparaten vom mittleren und unteren Halsmark immer nur durch wenige, aber grosse Indivi- duen vertreten. Es sind das Zellen von 59—75 u X 20—30 u, die durch die Art ihrer Verbindung eine eigenthümliche Form annehmen. Von einem etwas in die Länge gezogenen, meist vier-, seltner dreieckigen Zellkörper strahlen fünf Hauptdendriten aus. Die correspondirenden Dendriten der einzelnen Zellen zeigen auch hier wieder einen ausserordentlich ausgesprochenen Paralle- lismus in ihrer Verlaufsrichtung. Von diesen Dendriten strahlt der erste genau lateral in die weisse Substanz, der zweite lateral und ventral zur mittleren Lateralgruppe, der dritte medial und 500 R. Krause und M. Philippson: ventral zur vorderen Zwischengruppe, der vierte theilt seine Zweige zwischen den Mittelzellen und der hinteren Zwischen- gruppe, und der fünfte und letzte endlich zieht sum Cervix des Hinterhorns. Der Neurit entspringt entweder von der ventralen oder dorsalen Fläche der Zelle und zieht dann entweder direct oder in grossem Bogen zur vorderen Wurzel. In der hinteren Lateralgruppe finden sich im Halsmark auch Zellen, welche zum Accessoriuskern gehören. Ihre Neuriten verlaufen schräg dorsal zum Caput des Hinterhorns, um von hier aus in geradem Zuge die weisse Substanz des Seitenstrangs zu durchsetzen. Es stimmt dieser Befund mit den Angaben von Bunzl-Federn!) überein, welcher seine Resultate mittelst der Degenerationsmethode erhalten hatte. Vordrere Medisaleruppe. Sie besteht in Photogr. 3 aus 6—8 polygonalen Zellen von 50 u x 25 u Grösse, welche dicht gedrängt liegen und vier Haupt- richtungen ihrer Dendriten erkennen lassen. Dieselben begeben sich eiumal zur mittleren Medialgruppe und auch durch sie hin- durch zur vorderen Commissur, dann in einem Bündel zur hinteren Zwischengruppe, ferner zur vorderen Zwischengruppe und Aus- trittszone und schliesslich zur weissen Substanz. Die Neuriten strahlen in die vorderen Wurzeln ein. Masitllerie M e dialeruppe: Sie besteht immer nur aus wenigen, meist dieht an der Grenze der weissen Substanz gelegenen, 60—65 u X 20—25 u grossen Zellen, deren Dendriten in je einem Bündel aus dem vorderen und hinteren Ende der Zelle entspringen. Dorsal dringen die Dendriten in die vordere Commissur und den gleichseitigen und gekreuzten Vorderstrang ein, vereint mit den Dendriten der vorigen Gruppe, ventral vertheilen sie sich in der vorderen Medialgruppe. Der Neurit entspringt aus der lateralen Fläche der Zelle und dringt in die vordere Wurzel. 1) Bunzl-Federu, Monatsschr. für Psych. u. Neurol. Bd. II. 1897. Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 501 Hintere Medialgruppe. Sie fehlt in diesem Theile des Markes. Man findet an ihrer Stelle nur einzelne zerstreute, grosse polygonale Zellen in der Höhe der vorderen Commissur. VordereZAwischensruppse: Sie bildet in Photogr. 3 einen sehr gut abgegrenzten, kreis- runden Zellhaufen, welcher ventralwärts direet an die Austritts- zone anstösst und von zahlreichen Neuriten anderer Zellgruppen umgeben wird. Sind diese gut gefärbt, so können sie die Zell- gruppe etwas verdecken. Die Gruppe zeichnet sich ferner da- durch aus, dass die Grundsubstanz zwischen den Zellen stark mitgefärbt erscheint. Bei stärkerer Vergrösserung erkennt man, dass dies davon herrührt, dass zwischen den Zellen ausserordent- lich zahlreiche, quer und schräg geschnittene Fasern verlaufen, Dendriten und Collateralen, welche hier enden. Die Zellen (Fig. 4, Tafel XXII) sind gleichmässig gross, polygonal 45 u x 25 u und besitzen 4—5 Dendriten. Die letzteren bilden in ihrer Gesammt- heit vier Bündel, welche in Form eines Kreuzes aus der Gruppe hervorstrahlen. Dorsal geht ein Bündel zu den hinteren Zwischen- zellen, lateral eins zur mittleren Lateralgruppe, ventral verlaufen die Dendriten zur Austrittszone und medial schliesslich zur mitt- leren Medialgruppe. Ueber die Bedeutung dieser Zellgruppe können wir etwas absolut Positives nicht aussagen, da wir in keinem Falle einen Neuriten aus einer Zelle entstehen sahen. Es ist aber mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es sich um Wurzelzellen handelt. Man sieht nämlich zahlreiche Wurzelfasern in der Gruppe endigen. Wahrscheinlich verhält sich die Sache so, dass der Neurit von der eranialen oder eaudalen Fläche der Zelle abgeht und deshalb seine Entstehung auf Rückenmarksquerschnitten schwer zu beobachten ist. Hintere Zwischengruppe. Obwohl diese Gruppe nicht so scharf gegen ihre Umgebung abgesetzt ist, als die vordere Zwischengruppe, so lässt sie sich doch durch die eigenartige Form ihrer Zellen leicht von den umliegenden Gruppen unterscheiden. Es handelt sich hier um grosse, O— TO u X 15—30 u, viereckige, etwas in die Länge 902 R. Krause uud M. Philippson: gezogene, oft rhombische Zellkörper, von deren Ecken vier Den- driten ausstrahlen, und zwar läuft der hintere laterale zu den Mittelzellen und der hinteren Lateralgruppe, der vordere laterale zur mittleren Lateral- und vorderen Zwischengruppe, der vordere mediale zur vorderen Medialgruppe und der hintere mediale zu den Mittelzellen. Was die Neuriten anlangt, so scheint diese Grnppe nicht einheitlich zu sein. Der grösste Theil der Zellen scheint zu den Oommissurenzellen zu gehören. Man sieht nicht selten ein starkes Bündel Neuriten aus der Gruppe austreten und in schrägem oder mehr geradem Verlauf zur vorderen Commissur ziehen, diese durchsetzen und in den Vorderstrang der Gegenseite einstrahlen. In einzelnen Fällen gelang es uns auch, Neuriten aus dieser Gruppe in den Seitenstrang derselben Seite zu verfolgen und auch das Vorkommen von Wurzelzellen in dieser Gruppe ist nach unseren Beobachtungen nicht auszuschliessen. Mittelzellen. Die Mittelzellen präsentiren sich uns im mittleren und unteren Halsmark als eine meist nur aus wenigen Exemplaren bestehende Gruppe mittelgrosser bis grosser, 49—70 ux30—40 u, polygonaler Zelien, welche auf der Basis des Vorderhorns ungefähr in der Höhe des Centralcanals liegen. Sie schieken ihre zahlreichen starken Dendriten nach allen Richtungen aus und zwar zu den ver- schiedenen Vorderhorngruppen, in das Hinterhorn, durch die Commissur hindurch und in die weisse Substanz. Die Neuriten der Mittelzellen begeben sich entweder bogen- förmig zur vorderen Commissur oder mehr gerade lateral zum Seitenstrang. Für beide Typen bieten unsere Photogramme Bei- spiele. Photogr. 3 zeigt zwei Mittelzellen, deren Neuriten zur vorderen Commissur, der eine in grösserem, der andere in klei- nerem Bogen verlaufen, in Photogr. 4 "sieht man eine grosse Strangzelle aus der Mittelzellengruppe. Ausser diesen bestimmten Zellgruppen finden sich nun hier und da auch noch zwischen den einzelnen Gruppen zerstreute srosse Zellen, welche dem Strang- oder Commissurenzellentypus angehören. Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 503 Die Austrittszone der Wurzelfasern. Die austretenden Vorderwurzelfasern bilden in der weissen Substanz 4—6 Bündel, welche ungefähr parallel verlaufen. Schon auf diesem Verlauf sieht man, wie aus dem einen Bündel Fasern in ein nebenliegendes abbiegen, wodurch natürlich eine Mischung der Fasern zu Stande kommen muss. Es galt uns nun, vor allem Klarheit über die Zusammensetzung der einzelnen Bündel zu er- halten. Es fragte sich, ob die einzeinen Bündel auch einzelnen Zellgruppen entsprechen, oder ob sich jedes Wurzelbündel aus Neuriten verschiedener Zellgruppen zusammensetzt. Wenn auch schon ein flüchtiger Blick auf Photogr. 5 zur Entscheidung dieser Frage genügt, so wollen wir doch diese Wurzelbündel in zwei verschiedenen Schnitten an der Hand von Fig.5 und 6, Taf. XXI genau analysiren. Wir gehen dabei von der lateralen zur me- dialen Ecke vor. In Fig. 5 besteht das erste Bündel aus fünf Fasern, von ihnen kommen die beiden ersten von der mittleren Lateralgruppe, die dritte von der hinteren Lateralgruppe, die vierte endet in der Gegend der vorderen Zwischenzellen, und die fünfte gehört der vorderen Lateralgruppe an, also fünf Fasern aus vier Zellgruppen. Im zweiten Bündel sind nur zwei Fasern gefärbt, von welchen die eine aus der vorderen, die andere aus der mittleren Lateralgruppe kommt. Die drei Fasern des dritten Bündels gehören der vorderen und mittleren Lateral- und einer der Medialgruppen an. Im vierten Bündel sind wieder fünf Fasern gefärbt, von denen sich drei aus den Lateral- und zwei aus den Medialgruppen herleiten; die einzige Faser des fünften, medialsten Bündels endlich stammt aus der vorderen Lateralgruppe. Ein anderer Schnitt, den Fig. 6 wiedergiebt, zeigt uns nur vier austretende Bündel. Im ersten Bündel ist nur eine einzige Faser gefärbt, welche aus der vorderen Lateralgruppe stammt, dazu kommt noch eine zweite, die, aus der vorderen Medialgruppe kommend und anfangs im dritten Bündel verlaufend, das zweite kreuzt, um in das erste einzutreten. Eine ziemlich vollständige Färbung erscheint im zweiten Bündel erreicht zu sein; es be- steht aus neun Fasern. Von ihnen stammt die erste, dritte und sechste aus der hinteren Lateralgruppe, die zweite von der vor- deren Lateralgruppe und die fünfte von der mittleren Lateral- gruppe. Die siebente und neunte gehören der vorderen resp. 504 R. Krause und M. Philippson: mittleren Medialgruppe an, und die vierte und achte enden in der Gegend der vorderen resp. hinteren Zwischengruppe. Ausser- dem treten noch aus dem dritten Bündel zwei Fasern in das zweite ein, welche aus den beiden Medialgruppen stammen. Wir haben also in diesem Wurzelbündel Fasern aus sämmtlichen in Betracht kommenden Vorderhorngruppen. Im dritten Bündel bleiben uns noch drei Fasern übrig, die aus der vorderen Lateral- und der vorderen und mittleren Medialgruppe herstammen. Von den fünf Fasern des vierten Bündels sind zwei nicht ausreichend gefärbt, die anderen drei lassen sich zur hinteren Lateralgruppe, zur vorderen Medial- und vorderen Zwischengruppe verfolgen. Aus alle dem geht hervor, dass die einzelnen austretenden Faserbündel Fasern der verschiedensten Zellgruppen enthalten, worauf in einem späteren Kapitel noch des Näheren eingegangen werden soll. Die sog. rücklaufenden Collateralen. Jeder Neurit der motorischen Vorderhornzellen giebt ent- weder in der Austrittszone oder kurz nach seinem Eintritt in die weisse Substanz ein oder zwei feine Aestchen ab, welche sich im Vorderhorn oder zwischen den austretenden Fasern ver- ästeln, die sog. rücklaufenden Collateralen. Zwischen dem Ge- wirr der austretenden Wurzelfasern findet sich so ein zweites Gewirr viel feinerer Fäserehen, und man könnte statt von einer Austrittszone der Wurzelfasern auch von einer Zone der rück- laufenden Collateralen sprechen. Die Collateralen entstehen aus dem Neuriten entweder in der Ein- oder Zweizahl, im letzteren Falle aber immer ganz dicht nebeneinander oder vis-A- vis. Niemals ist es uns gelungen, an einem Neuriten die Ent- stehung von zwei oder gar mehreren Collateralen an zwei ent- fernten Punkten zu beobachten. Entsendet der Neurit zwei Collateralen, so wendet sich immer die eine ventral, die andere mehr dorsal. In der grossen Zahl der Fälle schiekt jeder Neurit jedoch nur eine Collaterale aus. Sie entstehen meist aus einer kleinen, spitz ausgezogenen Erhebung des Axeneylinders, und nicht selten läuft hier ein dunkel gefärbter Ring über den Axen- eylinder, die Andeutung einer Ranvier’schen Einschnürung. Der Verlauf der Collateralen ist nicht ganz leicht zu verfolgen, was hauptsächlich daher rührt, dass sie zahlreiche und starke Krüm- Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 505 mungen beschreiben. Man muss deshalb recht dieke Schnitte, von 100 u und mehr, anfertigen, um über ihren Verlauf in’s Klare zu kommen. Fig. 7, Tafel XXI zeigt bei homogener Immersion ein Bündel von acht austretenden Wurzelfasern, von welchen an fünf Fasern rücklaufende Collateralen gefärbt sind, und zwar gehen aus vier Fasern einfache, aus einer Faser doppelte Collateralen hervor. Wir sehen hier einmal, in wie verschiedener Entfernung von der Zelle die Collateralen entstehen. Jede Collate- rale theilt sich diehotomisch und zwar meistens mehrmals hinter- einander. Gewöhnlich schlägt der eine primäre Ast eine dorsale, der andere die ventrale Richtung ein. Es begiebt sich so der eine in die Gegend der vorderen Zwischengruppe, wohl auch der vorderen Medial- oder Lateralgruppe. Hier kann man sehr häufig beobachten, wie die Endreiserechen der Collateralen an die Den- driten oder Zellkörper sich anlegen. Der ventrale Theilast da- gegen splittert sich in der Austrittszone auf, und es entsteht hier ein Gewirr von Fäserchen, welches sich eine Strecke weit in das Wurzelbündel hinein verfolgen lässt. In Fig. 8, Tafel XXII liegt einer der zahlreich beobach- teten Fälle vor, in dem man Vorderhornzelle, Ursprung und Ver- lauf des Neuriten und der rücklaufenden Collateralen auf das Schönste verfolgen konnte. (Zu bemerken ist dabei, dass die Ursprungszelle, um die Figur nicht allzu gross anzulegen, viel zu klein gehalten ist.) Es handelt sich um eine hintere Lateralzelle. Der Neurit wendet sich in grossem Bogen medial- und dann ventralwärts, um in das Wurzelbündel einzutreten. Ungefähr in der Mitte seines Verlaufs, innerhalb der grauen Substanz, ent- stehen aus ihm zwei rücklaufende Collateralen. Die eine läuft parallel mit dem Neuriten zur Austrittszone, um sich hier zu verzweigen. Die andere wendet sich lateral und theilt sich in drei Hauptäste, von denen der eine sich zur Gegend der vorderen Zwischenzellen, der zweite zur mittleren, der dritte zur vor- deren Lateralgruppe begiebt. Solcher Beispiele liessen sich noch eine ganze Menge beibringen, welche beweisen, dass den rück- laufenden Collateralen ein grosses Verbreitungsgebiet zukommt. Gleichzeitig zeigt uns aber auch dieses Beispiel, dass der Name rücklaufende Collaterale durchaus nicht immer den thatsäch- liehen Verhältnissen entspricht, und wir wollen deshalb in Zukunft nur von motorischen Collateralen sprechen. 506 R. Krause und M. Philippson: Collateralen des Seitenstrangs. Die Collateralen des Seitenstrangs bilden einen ganz wesent- lichen Bestandtheil des Fasergewirrs innerhalb der grauen Sub- stanz. Sie treten entweder einzeln oder zu starken Bündeln ver- einigt in die graue Substanz ein (Photogr. 6) und lassen sich meist nicht sehr weit in derselben verfolgen, da sie bald schräg abgeschnitten erscheinen. Das rührt daher, dass sie hier unter rechtem oder stumpfem Winkel in die Längsrichtung umbiegen. Wir werden deshalb ihren Verlauf besser an der Hand von Frontalschnitten später besprechen. Collateralen der Hinterstränge. Es sollen diese Collateralen später bei Besprechung des Lendenmarks behandelt werden, weil die Verhältnisse hier wesent- lich dieselben sind und unsere Präparate dort mehr Details auf- wiesen. Es bilden die Hinterstrangscollateralen ein dickes, gut gefärbtes Bündel, welches das Hinterhorn seiner Länge nach durchsetzt, die Mittelzellen umhüllt und bis zur Gegend der hinteren Zwischenzellen sich verfolgen lässt. An den Mittelzellen kann man auch, wie später auseinandergesetzt werden soll, die Endigung dieser sensiblen Fasern sehr schön beobachten. Das Dorsalmark. In Bezug auf das Dorsalmark können wir uns sehr kurz fassen. Durch die geringe Entwicklung des Vorderhorns in diesem langen Rückenmarksabschnitt wird naturgemäss auch eine geringe Entwicklung der Vorderhornzellen bedingt. Diese cha- rakterisirt sich vorwiegend durch eine Reduction der Zell- zahl, während die Grösse der Zellen in keiner Weise eine Ein- busse erleidet. Fast alle Zellgruppen sind gut entwickelt und deutlich von einander trennbar. Am schönsten präsentiren sich die Vordergruppen und die Medialgruppen, während die mittlere und hintere Lateraigruppe stärker redueirt erscheint. Jede Gruppe ist nur durch wenige Individuen vertreten. Die Zwischen- zellen lassen eine Untergruppirung nicht erkennen. Sehr stark vertreten sind meist die Mittelzellen, sie finden sich als grosse Zellkörper in der Höhe des Centralcanals und senden vor allem mächtige Dendriten in das Vorderhorn hinein bis zu den vorder- sten Zwischenzellen. Eine eigentliche Austrittszone der Wurzel- Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 507 fasern ist kaum vorhanden, vordere Lateral und Medialgruppe sind dieht aneinander gerückt. Nach vorn von ihnen bleibt ein kleiner zellfreier Theil grauer Substanz übrig, den man als Aus- trittszone auffassen kann. Anhangsweise sej bemerkt, dass die Clarke’schen Säulen mit ihren grossen Zellen sich immer sehr gut färbten, sie liegen, recht gut abgegrenzt, in der hinteren Commissur, jederseits dieht neben der Mittellinie. Das Lendenmark. Photoemwal 8. 9,.undy 10. Wir werden das Lendenmark nicht so ausführlich behandeln, wie das Halsmark, weil beide in vielen Punkten einen überein- stimmenden Bau zeigen. Es charakterisirt sich das Vorderhorn im Lendenmark durch eine sehr starke Entwicklung seiner late- ralen Partie und dem entsprechend zeigen auch die Lateral- gruppen hier eine mächtige Ausbildung. Vordere Lateralgruppe. Sie besteht aus zahlreichen mittelgrossen, 45 u x 15—25 u, manchmal etwas in die Länge gezogenen Zellen, deren Dendriten zwei Hauptrichtungen einschlagen. Der eine begiebt sich zur Aus- trittszone der Wurzelfasern, der andere zur mittleren Lateralgruppe. Kleinere Aeste lassen sich lateral zur weissen Substanz, medial zur Zwischengruppe verfolgen. Die Neuriten wenden sich meist gerade und medial und ventral zur vorderen Wurzel, oder sie beschreiben erst einen grossen Bogen, um in die mehr medial ge- legenen Wurzelbündel zu gelangen. Dabei lässt sich ein eigen- thümliches Verhalten des Neuriten beobachten, welches gerade im Lendenmark an den Neuriten der Vorderhornzellen sich sehr häufig findet und für sie fast als typisch bezeichnet werden kann. Der Neurit beschreibt nämlich nicht weit entfernt von seinem Abgang von der Zelle und zwar da, wo sein wenig gefärbter, dünner Abschnitt in den stark gefärbten dieken Abschnitt über- geht, einen Bogen oder eine kleine Schleife (Fig. 9 und folgende, Photogr. 8). Es lässt sich dieses Verhalten natürlich auf den Photogrammen, der starken Niveaudifferenzen wegen, nur schwer wiedergeben. 508 R. Krause und Philippson. Mittlere Lateralgruppe. Die Zellen dieser Gruppe (Fig. 10, Taf. XXID) sind etwas grösser wie die der vorigen, 60—70 u x 30—50 u und mehr polygonal. Sie zeigen, wie im Halsmark, durch ihre Dendriten Verbindung mit der Austrittszone der vorderen und hinteren Lateralgruppe, den Zwischengruppen und der weissen Substanz. Ihre Dendriten verhalten sich ähnlich, wie die der vorigen. Hintere Lateralgruppe. Die Zellen besitzen eine Grösse von 45—60 u X 20—40 u und sind wieder etwas mehr länglich. Unsere Präparate dieser Gegend zeigen uns ausserordentlich schön den Zusammenhang dieser Zellen resp. ihrer Dendriten mit den sensiblen Collateralen der Hinterstränge, welche letztere in einem starken Bündel aus dem Hinterhorn hervorstrahlen. Die in Fig. 11, Taf. XXII mit x bezeichneten Dendriten laufen unter fast rechtem Winkel auf jenes Bündel zu und lösen sich, an ihm angelangt, in zahlreiche feinste Reiserchen auf. Dabei legen sie einen Weg von beinahe 300 u zurück, auf dem sie sich gut verfolgen lassen. Mediale Gruppen. Sie zeigen keine Abweichung von den beim Halsmark be: sprochenen Verhältnissen, sind nur im Ganzen schwächer ent- wickelt als dort. Die hintere Medialgruppe ist vorhanden, aber immer nur durch ganz wenige Zellexemplare vertreten. Zwischengruppen. Die beiden Zwischengruppen lassen sich im Lendenmark nicht so leicht von einander trennen, als im Halsmark. Sie bilden einen mächtigen Haufen grosser Zellen, welche ihre Dendriten nach allen Riehtungen zu den benachbarten Zellgruppen hinaussenden. Austrittszone der Wurzelfasern. Auch für dieses Gebiet gilt ungefähr dasselbe, was wir für das mittlere und untere Halsmark beschrieben haben. Wir haben ausgezeichnete Präparate hier, besonders von der Lenden- anschwellung erhalten. Die austretenden motorischen Fasern (Photogr. 9) bilden hier auch wieder 4—6 Bündel, von denen wir in einzelnen über 30 gefärbte Fasern zählten. Jedes einzelne Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 509 Bündel setzt sich wiederum aus Neuriten der einzelnen Gruppen zusammen. Auch für das Studium der motorischen Collateralen bieten diese Präparate reiche Gelegenheit. Collateralen der Hinterstränge. Dieselben treten in einem geschlossenen starken Bündel durch das Hinterhorn durch und lassen sich so bis zur Höhe des Centralecanals verfolgen. Hier strahlen sie fächerförmig aus einander und treten einmal mit den Dendriten der Lateralzellen und dann mit den Zellen der Mittel- und Zwischengruppe in Verbindung. Fig. 12, Tafel XXII zeigt eine solche Mittelzelle mit den Endverzweigungen von Hinterstrangscollateralen. Die letzteren spalten sich zunächst dichotomisch in immer feinere Reiserchen, deren feinste mit starken Varicositäten besetzt sind, während die gröberen und die Fasern selbst gänzlich davon frei sind. Es gehen dabei die Aeste einer und derselben Collaterale zn verschiedenen Zellen, und eine Zelle kann wieder von zwei und mehr Collateralen versorgt werden. Die Endigung erfolgt so, dass sich die varieösen Fäserchen dem Zellkörper und den Dendriten anlagern. Von einer engeren Verbindung zwischen beiden war niemals etwas zu beobachten. Das Sacralmark. Photogr. 11. Im Sacralmark ändert sich das Querschnittsbild bedeutend, indem bei stetig abnehmendem Gesammtquerschnitt die graue Substanz die weisse immer mehr verdrängt, so dass schliesslich nur noch ein schmaler Saum weisser Substanz übrig bleibt. Die einzelnen Zellgruppen sind meist noch gut von ein- ander trennbar, nur die vordere Lateral- und Medialgruppe fliessen, wie im oberen Halsmark zu einer gemeinsamen Medio-Lateralgruppe zusammen (Fig. 18, Taf. XXIII). Sie besteht aus grossen, meist dreieckigen Zellen, und zwar liegen die Zellkörper immer so, dass die Basis des Dreiecks dorsal liegt und dem Contour des Vorderhorns parallel verläuft. Von den drei Ecken sieht die eine ventral zur Vorderhornspitze, die beiden anderen lateral resp. medial. Die aus diesen Ecken entspringenden, meist recht mächtigen Dendriten verlaufen zur weissen Substanz, zu den Medialgruppen und zur mittleren Lateralgruppe. Von der Basis 510 R. Krause und M. Philippson: des Dreiecks gehen schwächere Dendriten zu den Zwisehengruppen. Der Neurit entspringt entweder aus der Spitze des Dreiecks oder aus der Basis und wendet sich in letzterem Fall in einem grossen Bogen zur Wurzel. In vielen Fällen zeigt er die für die Neu- riten des Lendenmarks beschriebene Krümmung. Die mittlere und hintere Lateralgruppe sind gut entwickelt und zeichnen sich durch den Gehalt an sehr grossen Zellen aus. Grosse bis sehr grosse polygonale Zellkörper, nieht selten von über 120 u Durchmesser, mit zahlreichen, sehr starken Dendriten, die nach allen Richtungen hin ausstrahlen. Unter diesen Dendriten fallen besonders mächtige Aeste auf, welche in die weisse Substanz einstrahlen und sich bis an die Peripherie des Markes verfolgen lassen. Photogr. 11 zeigt uns die vordere Medio-Lateralgruppe und die hintere Lateralgruppe gefärbt, und man sieht hier sehr schön, wie von einer Gruppe, lange Den- driten in die andere einstrahlen. Die mittlere Lateralgruppe ist hier nicht sichtbar. Auch die mittlere und hintere Medialgruppe sind im Saeralmark gut entwickelt, fliessen aber meistens zusammen und lassen sich nur schwer von einander trennen (Fig. 14, Taf. XXI). Sie bestehen aus grossen, manchmal auch sehr grossen Zellen. Aus dem länglichen Zellkörper geht am ventralen und dorsalen Ende je ein mächtiger Dendrit aus, der zur vorderen Medio- Lateralgruppe resp. zur vorderen Commissur zieht. Die dorsalen Dendriten lagern sich zu einem starken Bündel zusammen, durch- dringen die vordere Commissur und senden ihre Aeste theils in den weissen Vorderstraug, theils in die graue Substanz der Gegenseite. Durch die sich von beiden Seiten kreuzenden Den- driten entsteht in der vorderen Commissur ein sehr dichtes Faser- gewirr. Der Neurit entsteht von der lateralen Fläche der Zelle und zieht im Bogen zur vorderen Wurzel. Von Zwischen- und Mittelzellen lassen sich bestimmte Gruppen nicht mehr unterscheiden. Sie sind vertreten durch zahlreiche polygonale Zellen, die regellos im mittleren und hinteren Theil des Vorderhorns zerstreut sind und zu den grössten Zellen ge- hören, die wir im Rückenmark des Kaninchens beobachtet haben. Zellkörper von 150 u Durchmesser gehören nicht zu den Selten- heiten. Sie schieken ihre Dendriten nach allen Seiten hin. Ihre Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 511 Neuriten verlaufen entweder zur Commissur, oder sie treten in den Seitenstrang derselben Seite ein. Frontalschnitte. Bhotosr. 15, 7K& und 15. Es sollen nun in dem Folgenden kurz eine Reihe von Frontalschnitten besprochen werden, welche die früher erhaltenen Resultate in manchen Punkten erweitern und vervollständigen werden. Ein erster Schnitt (Photogr. 15) ist gelegt durch die weisse Substanz des Vorderstrangs. Die austretenden Wurzelfasern, die wir früher auf dem Längsschnitt sahen, erscheinen hier quer getroffen. Wir erkennen fünf Längsreihen quer geschnittener Wurzelfasern. Jede Reihe besteht aus mehreren hinter einander geordneten Streifen. Jede Reihe ist von der anderen ungefähr 100—150 u weit entfernt. Es stellen also die motorischen Wur- zeln innerhalb der weissen Substanz 200— 300 u breite und 20 bis 30 u dicke Bänder dar, welche in Längsreihen hinter und neben einander angeordnet sind. Ab und zu sieht man in den Schnitten auch eine Faser von dem einen Wurzelband zum an- deren herüberlaufen. Ein nächster Schnitt (Photogr. 14) führt uns in die Aus- trittszone der Wurzelfasern. Aus den einzelnen Wurzelbändern strahlen hier die Fasern fächerförmig nach links und rechts aus- einander, um sich zu ihren Ursprungszellen zu begeben. Zwischen den Fasern erscheinen hier und da blass gefärbte Zellen, An- gehörige der vorderen Zwischengruppe. Was aber diesen Schnitt charakterisirt, ist die enorme Menge von motorischen Oollateralen. Fast jede Faser zeigt, bei stärkerer Vergrösserung, untersucht eine einfache oder doppelte Collaterale.. Es bildet sich so ein dichtes Collateralengewirr, das bei der Vergrösserung des Photo- gramms allerdings nicht zu erkennen ist. Was die Verbreitung der motorischen Collateralen anlangt, so haben uns die Frontal- schnitte nichts Neues ergeben, das Verhalten der Collateralen zu den Zellen demonstriren sie uns jedoch häufig mit grösster Schönheit und Deulichkeit. Fig. 15, Taf. XXIII ist demselben Schnitte entnommen wie Photogr. 14. Sie zeigt uns zwei Zellen der vorderen Zwischengruppe, darunter eine mit dem entstehenden Neuriten. Daneben liegen mehrere, theils quer, theils schräg, 512 R. Krause und M. Philippson: theils längs getroffene Neuriten. An dem einen quer geschnittenen Neuriten ist gerade die Stelle getroffen, wo zwei Collateralen entstehen. Von den anderen Neuriten entspringen theils einfache, theils doppelte Collateralen. So sieht man von dem Neuriten 1 eine doppelte Collaterale ausgehen, die eine wendet sich im Bogen um und verschwindet, die andere theilt sich. Ihr einer Ast verzweigt sich an einer ersten, ihr anderer Ast an einer zweiten Zelle. Wir sehen also, dass von einer Collaterale aus zwei Zellen beeinflusst werden können. Gleichzeitig wird aber die zweite Zelle auch noch durch eine Collaterale des Neuriten 2 versorgt, also ein und dieselbe Zelle von zwei verschiedenen Collate- ralen resp. Neuriten. Die Endigung der motorischen Collateralen ist ganz ähnlich, wie die der sensiblen, die feinen Reiserchen legen sich dem Zellkörper oder dem Dendriten dieht an, sie unterscheiden sich von jenen aber dadurch, dass sie niemals Knötchen oder Verdickungen besitzen. Photogr. 15 führt uns nun völlig in das Vorderhorn hinein. Wir erkennen auf der linken Seite den hellen Seitenstrang, auf der rechten Seite den schmalen Vorderstrang mit der vorderen Fissur. Zwischen beiden erscheint das Vorderhorn mit seinen Zellsäulen und zwar zunächst links die Lateralsäule, dann die Zwischensäule und am weitesten links die Medialsäule. Diese drei Säulen sind nun immer mehr oder weniger segmentirt, d.h. es wechseln zellreiche Partien mit zellarmen oder zellfreien Zonen ab. Meist ist die Segmentirung in den hinteren Lateralsäulen mehr ausgesprochen als in den vorderen. Die Zellen der Lateral- säulen erscheinen als grosse, TO—80 u X 30—40 u, polygonale Zellen, die ihre Hauptdendriten in drei Richtungen schicken, cranial, eaudal und medial zur, Zwischensäule. Lateral gehen sewöhnlich nur schwächere Dendriten zur weissen Substanz. Die Zellen der Zwischensäule sind noch etwas grösser als die der Lateralsäule, ihre Dendriten strahlen nach allen Rich- tungen aus. Die Zellen der Medialsäule sind kleiner, 40—50 ux20—30 u, sie schicken ebenfalls ihre Dendriten nach allen Richtungen, darunter besonders starke und zahlreiche Aeste in die weisse Substanz des Vorderstrangs. Diese Säule zeigt auch eine sehr hübsche Segmentirung; die einzelnen Zellgruppen sind 100 — 250 u hoch und stehen in 100250 u Abstand von einander. Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 513 In diese Zellsäulen treten nun von beiden Seiten Fasern ein aus dem Seitenstrang und aus dem Vorderstrang. Die aus dem Seitenstraug eintretenden Fasern sind entweder Strangfasern selbst oder Collateralen von solchen. Die letzteren gehen von den ersteren unter rechten Winkel ab, wobei sie die Faser etwas spitzwinklig einziehen. Sie theilen sich schon mehrmals inner- halb der weissen Substanz resp. geben Theiläste ab, welche sich weit vom Hauptstamm entfernen. In die graue Substanz treten sie häufig zu kleinen Bündeln zusammengeschlossen ein und be- decken sich bald, nachdem sie hier angekommen sind, mit Knöt- chen und länglichen Verdickungen. (Fig. 16 und 17.) Ihre Endi- gung finden sie an den Zellen der Lateralsäule ganz ähnlich wie die Hinterstrangscollateralen. Sie legen sieh dem Zellkörper resp. den Dendriten dicht an, manchmal einen wirklichen Korb um sie bildend. Wir haben diese Collateralreiserchen in einigen Fällen mit becherartigen Verbreiterungen enden sehen, welche den Endigungen mancher sensiblen Fasern in der Haut ähnlich waren. Auch direct rechtwinkelig in die graue Substanz ab- biegende Strangfasern kann man sehr häufig sehen. Fig. 16, Tafel XXIII, demonstrirt solche Fälle. Ferner ist noch er- wähnenswerth, dass die Fasern innerhalb der weissen Substanz schon Collateralen abgeben, welche auch innerhalb derselben bleiben und sich hier vielfach verästeln. Wir haben solche Bil- dungen gar nicht selten gesehen, sie scheinen beim Kaninehen ganz allgemein vorzukommen. Etwas anders als die Collateralen des Seitenstrangs ver- halten sich die des Vorderstrangs, vor allem haben wir sie nie so massenhaft gefunden, wie jene. Sie sind im Verhältniss zu den dieken Fasern sehr dünn, und es erscheint deshalb wohl auch die Stammfaser niemals eingeknickt. Die Vorderstrangs- collateralen gehen nicht immer rechtwinkelig von der Stammfaser ab, sondern sehr häufig oder meistens schief. In Fig. 18, Taf. XXIII sind einige solcher Collateralen aus einem Frontalschnitt abge- bildet. Faser 1 zerfällt noch innerhalb der weissen Substanz in zwei Theiläste, von welchen der eine im Strang weiterläuft, der andere in die graue Substanz eindringt. Faser 2 giebt dieht neben einander zwei Collateralen ab. Faser 3 biegt schräg ab, nachdem sie sieh plötzlich stark verjüngt hat, dringt in die graue Substanz ein und zerfällt-hier in zwei T'heiläste, Ihre Endigung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 34 >14 R. Krause und M. Philippson: finden die Vorderstrangfasern und -collateralen an den Zellen der Medial- und Zwischensäule ganz ähnlich wie die Seitenstrang- fasern. Damit hätten wir die Besprechung der einzelnen Schnitte beendet und wollen nun in den folgenden Blättern die erhaltenen Thatsachen sichten und zusammenstellen. Die Vertheilung der Nervenzellen im Vorderhorn. Im oberen Halsmark sind die vordere Lateral- und Medial- gruppe zu einer einzigen vorderen Medio-Lateralgruppe im spitzen ventralen Winkel des Vorderhorns zusammengedrängt, die beiden anderen Lateralgruppen erscheinen gut entwickelt, die hintere im lateralen Winkel des Vorderhors gelegen. Auch die Medial- gruppen sind gut erkennbar und von einander gesondert; die fusiformen Zellen der hinteren Medialgruppe liegen in dorso-ven- traler Richtung dicht an der Grenze des Vorderstraugs. Die Zwischengruppen und die Mittelzellen sind in dieser Gegend nur schwach vertreten. Im mittleren und unteren Halsmark finden wir dagegen alle die verschiedenen Zellgruppen in schönster Weise entwickelt und von einander getrennt. Die vordere Lateral- und Medial- gruppe haben sich von einander entfernt und sind in je einen Winkel des Vorderhorns gerückt. In dem dorsalen Theil der zwischen jenen gelegenen Austrittszone der Wurzelfasern erscheint scharf abgegrenzt die vordere Zwischengruppe, weniger scharf abgesetzt ist die hintere Zwischengruppe. Von den Medial- gruppen wäre nur die hintere besonders zu erwähnen, sie hat sich nämlich an der medialen Cireumferenz des Vorderhorns ent- lang dorsalwärts verschoben und ist so in die vordere Commissur gelangt, mit der ihre lange Zellen parallel verlaufen. Die Mittel- zellen werden durch grosse in der Höhe des Centralkanals ge- legene Zellen repräsentirt. Im Dorsalmark werden die Verhältnisse viel unklarer, hier, wo die Vorderhörner stark verkleinert sind, sind auch die Zellen viel spärlicher vorhanden, die einzelnen Gruppen fliessen zusammen und lassen sich nicht mehr von einander unterscheiden. Das mächtige Anwachsen der Vorderhörner im Lendenmark lässt auch wieder die Gruppirung der Zellen gut hervortreten. Im wesentlichen finden wir hier dieselben Verhältnisse, als im Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 51» unteren Halsmark. Besonders auffallend ist die mächtige Ent- faltung der Lateralgruppen, während die Medialgruppen eine schwächere Entwieklung, als im Halsımark zeigen. Wenn auch die Zwischengruppen durch zahlreiche Zellindividuen vertreten sind, so erscheinen beide Gruppen doch nicht scharf von einan- der getrennt. Das Sacralmark ähnelt dem oberen Halsmark wieder in- sofern, als wir hier eine gemeinsame vordere Medio-Lateralgruppe haben. Alle anderen Gruppen sind gut entwickelt und enthalten häufig aussergewöhnlich grosse Zellen. Zwischen- und Mittel- zellen lassen eine Gruppirung nicht erkennen. Alle diese Zellgruppen bilden nun im Rückenmark längs verlaufende Säulen, welche eine mehr oder weniger ausgesprochene Gliederung zeigen. Wir können so eine laterale, eine mediale und eine Zwischensäule unterscheiden. Die einzelnen Glieder, aus denen sich die Säulen zusammensetzen, schwanken in ihrer Höhe zwischen 100 und 300 u, sie werden durch zellarme oder zellfreie Zonen von 50—150 u getrennt. Der Charakter der Vorderhornzellen. Die weitaus grösste Mehrzahl aller Vorderhornzellen sind Wurzelzellen d. h. sie schicken ihre Neuriten in die vorderen Wurzeln hinein. Die von uns angewandte Methode, welche die Zellen mit ihren Dendriten und Neuriten auf weite Strecken dar- stellt ohne jedes störende Beiwerk oder irreführende Kunstpro- dukte, gestattet uns in dieser Beziehung absolut sichere Schlüsse. Ausschliesslich aus Wurzelzellen setzen sich zusammen die Lateral- und Medialgruppen, also die wichtigsten Zeilgruppen des Vorder- horns. Die Zwischengruppen sind gemischter Natur, sie be- stehen zum grössten Theil, in ihren ventralen Partien sogar aus- schliesslich, aus Wurzelzellen, in den dorsalen Theilen finden sich dagegen zahlreiche Strang- und Commissurenzellen. Ausschliess- lich aus letzteren scheinen nur die Mittelzellen zu bestehen. Wir können nach dem Gesagten mit unserer Methode die Angaben vieler Autoren, die mit der Golgimethode gearbeitet haben, nicht bestätigen. Sie lassen in dem eigentlichen Vorderhorn zahlreiche Neuriten des Vorder-Seitenstrangs entstehen. 516 R. Krause und M. Philippson: Gestalt und Grösse der Vorderhornzellen. Wir können im Allgemeinen im Vorderhorn zwei Arten von Nervenzellen unterscheiden polygonale und spindelförmige; die ersteren finden sich vorwiegend in den Lateralgruppen, die letzteren vorwiegend in den Medialgruppen. Die Form des Zellkörpers ist ausserordentlich verschieden und wird hauptsächlich bestimmt durch die Zahl und Anordnung der Dendriten, welche der Zell- körper ausschiekt. Mit Ausnahme der Kugel- und Birnform fin- den sich alle möglichen Zellformen vertreten, dreieckige, vier- eckige, polygonale, spindelige ete. Hinsichtlich der Grösse kann man unterscheiden: grosse Zellen von über 60 u Durchmesser, mittelgrosse Zellen von 40—60 u Durchmesser und kleine Zellen, deren grösster Durch- messer unter 40 u bleibt. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die mehr dorsal gelegenen Zellgruppen grössere Zellen enthalten, als die mehr ventral gelegenen. Die grössten Zellen über 100 u finden sich im Sacralmark und hier wieder in der mittleren und hinteren Lateralgruppe und unter den Mittelzellen. Zu den grossen Zellen gehören die hinteren Lateralzellen im unteren Halsmark, ebenso hier die hinteren Zwischen- und Mittelzellen und die mittleren Lateralzellen im Lendenmark, auch die hinteren Medialzellen des oberen Halsmarkes kann man hierher rechnen. Die Zellen aller übrigen Gruppen des Vorderhorns zählen zu den mittelgrossen Zellen. In den Vordergruppen finden sich auch vereinzelt kleine Zellen. Der Zellleib erscheint in den Methylenblaupräparaten meistens ganz homogen oder undeutlich längs gestreift, eine Längsstreifung, welehe sich auch auf die Dendriten fortsetzt. In selteneren Fällen erkennt man in dem Zellleib auch eine An- deutung der Nissl'schen Schollen. Der Kern ist meist dunkler gefärbt als der Zellkörper, ebenfalls homogen, und enthält in seinem Inneren, meist excentrisch gelegen, einen helleren rund- lichen Fleck, welcher jedenfalls dem Nucleolus entspricht. Die Dendriten der Vorderhornzellen. Wie schon erwähnt, wird.durch die Form und Zahl der Dendriten im Wesentlichen die Form des Zellkörpers bestimmt. Die Zahl der Dendriten ist sehr schwankend, niemals wurden weniger als drei und mehr als zwölf beobachtet, die meisten Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 517 Dendriten besitzen natürlich die exquisit polygonalen Zellen. Sie entstehen unregelmässig vom Zellkörper entweder mit breiter Basis, so dass sich der Körper direet in den Dendrit verjüngt, oder schmal und scharf vom Zellkörper abgesetzt. Meistens theilt sich der Dendrit unter spitzem oder stumpfem Winkel fortge- setzt diehotomisch, seltener entstehen mehr als zwei Aeste auf ein- mal. Eigenthümlich ist es, dass der Dendrit sich vor der Theil- stelle häufig etwas verdiekt und fast immer stellt der Theilungs- winkel wie bei den gespreizten Fingern keinen Spitzbogen, son- dern einen Rundbogen dar. Bei der Theilung können beide Aeste gleich oder ungleich stark sein. Schliesslich laufen alle in feinste Fäserchen aus, die sich sehr weit verfolgen lassen. Es ist uns so gelungen, Den- driten fast einen Millimeter weit vom Zellkörper zu verfolgen, besonders leicht gelingt das bei denjenigen, welche durch die vordere Commissur in die andere Rückenmarkshälfte hinein- strahlen. In den Methylenblaupräparaten besitzen die Dendriten immer eine absolut glatte Oberfläche, niemals zeigen sie ein solches bemoostes Aussehen, wie in den Golgipräparaten. Nur die allerfeinsten Fäserchen können hin und wieder perlschnur- artig verdickt oder in einzelne Körnchen zerfallen sein. Hier handelt es sich aber jedenfalls um Kunstproducte, entstanden durch den Zerfall dieser zarten Protoplasmafädchen. Das Verbreitungsgebiet der Dendriten. Wir wollen jetzt untersuchen, wie sich die Dendriten der einzelnen Gruppen verbreiten. Gerade für die Beantwortung dieser Frage, die bis bis jetzt noch wenig gewürdigt worden ist, liefert die Methylenblaumethode ausserordentlich klare Bilder und lässt uns auch wichtige Schlüsse auf die Function der Dendriten zu. Zunächst wäre ganz allgemein zu bemerken, dass fast eine jede Zellgruppe des Vorderhorns mehr oder weniger starke Den- driten in die weisse Substanz schiekt, entweder in die derselben oder der gegenüberliegenden Seite. Diese Dendriten sind meist sehr lang und verzweigen sich vielfach, im Sacralmark lassen sie sich bis an die Peripherie des Rückenmarkes verfolgen. Sie enden immer frei, in feinen Reiserchen und lassen irgend eine jeziehung zu den Gefässen niemals erkennen. 5:8 R. Krause und M. Philippson: Diejenigen Dendriten, welche in der grauen Substanz bleiben, lassen eine ganz bestimmte Gesetzmässigkeit erkennen, sie stellen immer entweder Verbindungsbahnen zwischen einzelnen Zell- gruppen oder zwischen Zellgruppen und Endstätten zuleitender Fasern her. Wie wir gesehen haben, bilden die einzelnen Zell- gruppen im Rückenmark Säulen, die aus einzelnen Gliedern be- stehen. Es lassen sich nun in allen diesen Säulen Dendriten nachweisen, welche die einzelnen Glieder einer Säule mit einander verbinden. Ferner sind aber auch die einzelnen Säulen durch Dendriten mit einander verbunden und zwar zunächst die late- ralen Säulen unter sich und die medialen Säulen unter sich, dann aber auch die lateralen und medialen Säulen mit einander mit oder ohne Vermittlung der Zwischensäulen. Was die Verbindung der Dendriten mit zuleitenden Fasern anlagt, so finden wir dieselbe einmal in der Austrittszone der Wurzel- fasern. Hier verzweigen sich zahlreiche Dendriten der drei Vor- dersäulen und dringen mit ihren feinen Zweigen noch bis in die Wurzelbündel hinein. Als zuleitende Fasern sind hier ohne Zweifel die motorischen Collateralen aufzufassen. Eine weitere Stelle, wo eine solche Verbindung statt hat, ist der hintere Theil des Vorderhorns. Hier treffen die Den- driten der Lateralsäulen zusammen mit den Collateralen der Hinterstränge. Es lassen sich ferner jene langen mächtigen Den- driten der mittleren und hinteren Medialsäulen durch die Com- missur durch in die gleiche Gegend der gekreuzten Seite ver- folgen und aller Wahrscheimlichkeit nach treffen sie auch hier mit den Hinterstrangscollateralen zusammen. Was die feinere Endigung der Dendriten anlangt, so ge- hört sie zu den Punkten unserer Untersuchung, die am schwierigsten zu ergründen waren. Die Dendriten sind ja im Allgemeinen nur blass gefärbt und werden natürlich immer blasser und dadurch ausserordentlich schwierig zu verfolgen, je dünner sie werden. Es gehören ausserordentlich distinet und intensiv gefärbte Prä- parate dazu, um über diesen Punkt Klarheit zu erhalten. Eine sehr gute Gelegenheit bietet in dieser Beziehung die vordere Zwischengruppe im mittleren Halsmark. Die feinsten Dendriten der Lateralzellen umgeben hier die Zwischenzellen, sie bilden sewissermassen Körbe um dieselben, aber niemals haben wir eine so enge Aneinderlagerung gefunden, :wie bei den Collateralen. Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 519 Der Dendritenkorb ist immer vom Zellkörper noch etwas entfernt, es bleibt zwischen beiden immer noch ein kleiner Zwischenraum. Der Dendrit endigt immer in der Nähe des Zellkörpers oder des Neuriten, niemals scheint eine Verbindung zwischen Dendriten selbst vorzukommen. Ueber die Verbindungsweise zwischen Collaterale und Neu- rit ist wenig zu sagen, beide splittern sich in feinste Reiserchen auf, welche sich eng aneinander lagern. In dem Schema (Fig. 19, Tafel XXIII) sind unsere Befunde dargestellt. Jede Gruppe ist durch eine Zelle, die Mittelgruppe durch zwei vertreten. Zellkörper und Dendriten sind blau, Neu- riten und Collateralen roth gehalten. Das Schema soll demon- striren die Gruppirung der Zellen, das Verbreitungsgebiet der Dendriten, Ursprung und Verlauf der Neuriten und Collateralen. Die Funetion der Dendriten. Was die wichtige und viel diseutirte Frage nach der Func- tion der Dendriten anlangt, so müssen wir uns entschieden für die ausschliesslich nervöse Natur dieser Gebilde erklären. Das er- hellt schon zweifellos aus der Verbreitungsweise. Wo wir den Dendriten auch hin verfolgen können, immer trifft er mit einem nervösen Gebilde zusammen, entweder mit einem Zellkörper oder mit einer Collateralen. Man hat immer als einen Hauptgrund gegen die nervöse Natur der Dendriten ihr Einstrahlen in die weisse Substanz angeführt. Wir haben aber gesehen, dass ihnen hier reichlich Gelegenheit geboten ist, mit Collateralen zusammen zu treffen, Collateralen, die niemals in die graue Substanz ge- langen, sondern sich in der weissen Substanz ausbreiten. Was sollte wohl den Dendriten dazu bewegen, in die graue Substanz der Gegenseite einzudringen? Die Ernährungsverhältnisse sind in beiden Hälften des Rückenmarks dieselben. Wenn der Dendrit wirklich Ernährungsorgan wäre, dann könnte er auf derselben Seite bleiben. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass der Dendrit nicht auch aus seiner Umgebung Nährmaterial aufnimmt. Das thut er ebenso gut wie der Axenceylinder und wie jedes protoplasmatische Gebilde auch. Wir haben unsere ganz besondere Aufmerksamkeit der Frage nach der Beziehung zwischen Dendriten und Gefässen ge- widmet. Die letzteren erscheinen bei der intravenösen Injeetion 520 R. Krause und M. Philippson: von Methylenblau oft sehr schön und prall mit gelb gefärbten Blutkörperchen gefüllt. Auch das Gefässendothel mit seinen Kernen ist gefärbt, ebenso, wenn auch wohl nieht vollständig, die begleitenden Neurogliafasern und Zellen. Es bot sich also hier die beste Gelegenheit zum Studium dieser Frage. Wir konnten niemals irgend eine Beziehung zwischen Gefässen oder Gliaele- menten und Dendriten finden. Es findet weder ein Anlagerung der Dendriten an jene statt, noch auch enden sie in ihrer Nähe. Die Dendriten sind rein nervöse Gebilde und zwar scheinen sie ausschliesslich cellulipetal zu leiten, es ist uns wenigstens kein Fall zu Gesicht gekommen, in dem man an eine ceellulifu- gale Leitung hätte denken können. Sie führen dem Zellkörper Reize zu, die sie entweder von einer Collateralen oder von einem zweiten Zellkörper empfangen. Der Neumat. Der Neurit der Vorderhornzelle entspringt in den weitaus meisten Fällen vom Körper der Nervenzelle selbst, seltener in einiger Entfernung von letzterem von einem Dendriten. Er er- hebt sich immer aus einem spitz auslaufenden Ursprungskegel, der sich in den Methylenblaupräparaten in nichts von einem Den- driten unterscheidet. Der Ursprungskegel läuft in ein dünnes, blassgefärbtes Fädchen aus, welches sich dann unter starker Diekenzunahme in den tiefblaugefärbten Neuriten fortsetzt. Wäh- rend der Ursprungsfaden nur Bruchtheile eines Mikromillimeters im Durchmesser hält, erreicht der Neurit sehr bald eine Dicke von 5—4 u und mehr. Die Länge des Ursprungsfadens beträgt im Mittel ungefähr 40—50 u. Dieses Verhalten ist für den Neuriten absolut charakteris- tisch, es wurde bei allen Neuriten gefunden und niemals ver- nıisst. So allgemein wie das Vorkommen, so schwierig ist die Erklärung dieser Erscheinung. Ein Kunstprodukt, etwa eine Quellung des Axencylinders, ist wohl mit Sicherheit auszu- schliessen, dazu ist das Vorkommen zu eonstant. Am nächsten liegt die Erklärung, dass sich hier die Markscheide mitfärbt. Dagegen spricht jedoch mancherlei. Zunächst müsste man dann an den Fasern, die wir ja auf sehr weite Strecken verfolgen konnten, Ranvier'sche Schnürringe gesehen haben, was nie der Fall war. Wohl aher haben wir an den Fasern, besonders Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 521 an der Stelle, wo die Collaterale abgeht, ringförmige Verdickungen gesehen, die sich wohl als jene Kittsubstanzscheiben deuten lassen, welehe zwischen die beiden Enden der Markscheide ein- geschoben sind. Als weiteren Gegenbeweis können wir noclı anführen, dass wir nicht selten in der weissen Substanz die Mark- scheide als sehr blass blaugefärbten Mantel beobachten konnten. Wohl aber wird die Markscheide die Veranlassung zu der Ent- stehung jener intensiven Blaufärbung abgegeben haben. Das Nervenmark enthält bekanntlich in dem Leeithin und Fett Stoffe von sehr grosser Reduetionskraft, sie werden den Sauerstoff des Methylenblaues jedenfalls begierig an sich reissen und beim Ab- sterben an den mit redueirtem Methylenblau geschwängerten Axen- eylinder abgeben. Wenn der Neurit ein Stück weit in dem Wurzelbündel verlaufen ist, so verjüngt er sich wieder und schliess- lich wird er ungefärbt in den alleräussersten Partien des Markes. Das erscheint aber nicht weiter wunderbar, wenn man einmal die Art der Blutversorgung der weissen Substanz erwägt und dann die Thatsache in Betracht zieht, dass die nach unserem Vorgang hergestellten Methylenblaupräparate immer an der Ober- fläche der Präparate eine weniger intensive Färbung aufweisen, als mehr nach dem Innern zu. Im Halsmark verläuft der Ursprungsfaden des Neuriten ent- weder ganz grade oder im kleinem Bogen oder leicht gekrümmt, im Lenden- und Sacralmark dagegen beschreibt er eine starke Krümmung, er bildet eine kleine Schleife bevor oder indem er in den Neuriten übergeht. Für dieses Verhalten, welches die grosse Mehrzahl der Neuriten des Lenden- und Sacralmarkes zeigen, fehlt uns bis jetzt jede Erklärung. Wenn das geschilderte Verhalten des Neuriten nicht wäre, so würde es in manchen Fällen gar nicht leicht sein, ihn von einem Dendriten zu unterscheiden. Der Ursprungskegel des Neu- riten sieht dem Anfangstheil mancher Dendriten so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Wir haben an den Zellen der hinteren Me- dialgruppen ausserordentlich feine, unverzweigte Dendriten ge- funden, die sich bis durch die Commissur hindurch verfolgen liessen und erst jenseits derselben in ihre Zweige zerfielen. Solehe Dendriten könnte man sehr leicht für Neuriten halten und wir sind überzeugt, dass das schon oft geschehen ist. Hier be- wahrt uns das geschilderte Verhalten des von der Lateralfläche 522 R. Krause und M. Philippson: der Zelle entspringenden Neuriten vor einem schwerwiegenden Irrthum. Was den Verlauf der Neuriten innerhalb der grauen Sub- stanz anlangt, so hängt derselbe, wenn wir von den Strang- und Commissuralzellen absehen, einmal von der Lage der Zelle, dann von der Lage des Ursprungskegels und von dem Wurzelbündel ab, in welches der Neurit eintritt. Im Allgemeinen kann man sagen, dass der Neurit bei den lateralen Zellen von der medialen, bei den medialen Zellen von der lateralen und bei den Zwischen- zellen von der ventralen Zellfläche entsteht. Doch giebt es von dieser Regel ausserordentlich viele Ausnahmen. In dieser Bezie- hung sei auf die Fig. 2 und 13, Tafel XXIII verwiesen. Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass jede Gruppe Neu- riten in jedes Wurzelbündel schickt. Daraus folgt einmal, dass die Neuriten, um in ihr Wurzelbündel zu gelangen, häufig grosse Bogen beschreiben müssen, und dann, dass innerhalb der Austritts- zone eine Kreuzung von Neuriten bestimmter Gruppen erfolgen muss. Wenn sich also so gewisse Gesetzmässigkeiten in dem Ver- laufe der Neuriten ergeben, so kann man andererseits in sehr vielen Fällen eine Erklärung für den eigenartigen Verlauf der Neuriten nur in Zellverlagerungen im Laufe der Entwieklung finden. Was die Zusammensetzung der Wurzelbündel anlangt, so haben wir dem früher Gesagten wenig hinzuzufügen. Jedes Wurzelbündel stellt ein von der grauen Substanz nach der Peri- pherie verlaufendes schmales Band dar. Die Bänder liegen in Reihen neben und über einander und zwar so, dass die Bänder der einen Reihen den Intervallen der nebenliegenden entsprechen. Man erhält so auf einem Querschnitt des Rückenmärks vier bis sechs Bänder geschnitten. Jedes Bündel setzt sich aus Neuriten aller Vorderhorngruppen zusammen, mit Ausnahme der Mittel- gruppe und vielleicht der hinteren Zwischengruppe. Die motorischen Collateralen. Aus unseren Präparaten geht mit Sicherheit hervor, dass die motorischen Collateralen beim erwachsenen Kaninchen con- stante und sichere Bildungen darstellen. Eine jede motorische Faser giebt in grösserer oder geringerer Entfernung von der Ur- sprungszelle, meistens aber innerhalb der Austrittszone der Wurzel- Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 523 fasern ein oder zwei feine Collateralen ab, die ein ziemlich grosses Verbreitungsgebiet besitzen. Zunächst wendet sich eine Collate- rale resp. ein Collateralast ventral und verzweigt sich innerhalb der Austrittszone und noch ein Stück weit im Wurzelbündel selbst. Die andere Collaterale resp. ihr Theilast verzweigt sich ebenfalls in der Austrittszone, schickt aber auch Aeste zu den verschiedenen Zellgruppen. Es entstehen so innerhalb der Aus- trittszone und noch im Wurzelbündel Collateralausbreitungen und Geflechte, mit denen die Dendriten verschiedener Vordergruppen, vor allem der vorderen Zwischengruppe, in Connex treten. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Collateralen selbst durch die vordere Commissur durchtreten, wenigstens konnte in einem Falle eine Collaterale bis zur Commissur hin beobachtet werden. Die motorischen Collateralen stellen, ganz ähnlich wie die Collate- ralen der Seitenstränge, Verbindungswege zwischen einzelnen Zellen dar. Sie sind im Gegensatz zu den Dendriten immer cellulifugal leitend und übertragen die ihnen übermittelten Reize entweder auf einen anderen Zellkörper oder auf seine Dendriten. Die Collateralen der Seitenstränge. Jede Faser des Seitenstrangs giebt auf ihrem Wege eine Anzahl Collateralen ab, von denen wir zwei Arten unterscheiden müssen, einmal Collateralen, die sich in der weissen Substanz verästeln und solche, welche in die graue Substanz eindringen. Die ersteren sind von uns vielfach gefunden worden und scheinen eine ganz allgemein vorhandene Eimrichtung darzustellen. Sie zweigen sich entweder von der Stammfaser oder von einer anderen Collaterale ab. Sie verästeln sich zwischen den Nerven- fasern des Seitenstrangs und treten hier aller Wahrscheinlichkeit nach mit den Dendriten der Vorderhornzellen in Connex, welche Ja auch in grosser Zahl in die weisse Substanz eindringen. Diejenigen Collateralen, welche in die graue Substanz ein- dringen, biegen unter rechtem Winkel von der Stammfaser ab, die letztere dabei leicht einknickend. Sie ziehen geradenwegs durch die weisse Substanz hindurch, ordnen sich dabei zu kleinen Bündeln an und gelangen so in die graue Substanz, wo sie bald rechtwinkelig umbiegen in die Längsriehtung. Aus diesem letzteren Grunde findet man die Endigung der Collateralen besser an Längs- als an Querschnitten durch das Rückenmark. Die »24 R. Krause und M. Philippson: Hauptendstätten der Seitenstrangscollateralen sind die Zellen der Lateralsäulen, doch dringen einzelne Collateralen wohl auch bis zu den Medialsäulen. Die Endigung erfolgt so, dass sich die feinsten Endzweige mit kleinen Verdiekungen, welehe nicht selten die Form von Tastscheiben annehmen, dem Zellkörper oder den gröberen Dendriten innig anschmiegen. Engere Verbindungen, wie sie von Meyer, Held und Anderen in letzter Zeit be- schrieben worden sind, haben wir in unseren Präparaten niemals beobachtet. Die Seitenstrangfasern selbst biegen schliesslich ebenfalls rechtwinkelig um. Sie unterscheiden sich von den Collateralen einmal durch ihr stärkeres Caliber und ferner dadurch, dass sie meist schon innerhalb der weissen Substanz in mehrere Aeste zerfallen. Nicht selten sieht man auch die in die graue Substanz eingedrungene Faser pinselförmig sich in eine grössere Anzahl von Zweigen auflösen. Ihre Endigung finden die Strangfasern in derselben Weise, wie die Collateralen. Die Collateralen des Vorderstrangs. Die Collateralen finden sich in dem Vorderstrang in den Methylenblau-Präparaten niemals so massenhaft, wie in dem Seitenstrang. Man sieht hier verhältnissmässig viel mehr direct endigende Stammfasern. Die letzteren verhalten sich etwas anders als die Seitenstrangfasern. Sie biegen nie unter rechtem Winkel, sondern immer schief ab und verjüngen sich ent- weder während des Umbiegens oder kurz nachher oder vorher nicht unbeträchtlich. Auch sie zerfallen schon meistens innerhalb der weissen Substanz in einzelne Thheilreste, von denen einer als Strangfaser im Strang weiter laufen kann, während die anderen in die graue Substanz eindringen. Die Vorderstrangeollateralen sind im Verhältniss zu den Fasern sehr dünn, sie gehen ähnlich wie die Strangfasern nicht unter rechtem, sondern schiefem Winkel ab. Sie finden ihre Endigung der Hauptsache nach an den Zellen der Medialsäulen und verhalten sich hier ganz ähnlich wie Seitenstrangscollateralen. Die Collateralen des Hinterstrangs. Die Collateralen des Hinterstrangs kommen in einam star- ken Bündel aus der Spitze des Hinterhorns hervor. Sie stammen aus dem Grenzgebiet des Hinterstrangs gegen den Seitenstrang, Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 525 aus der Gegend, welche zwischen dem Kopf des Hinterhorns und der Peripherie gelegen ist. Hier kann man auch sehr gut ihren Abgang von der Stammfaser beobachten, welch letztere ebenso wie im Seitenstrang etwas winkelig eingeknickt erscheint. Das Bündel durchzieht das Hinterhorn der Länge nach und theilt sich in der Höhe der hinteren Commissur in zwei Theile, von denen der eine mehr lateral, der andere mehr medial sich wendet. Der erstere tritt in Verbindung mit den Endausstrahlungen starker Dendritenbündel, welche der hinteren Lateralgruppe angehören. Das mediale Bündel umhüllt zunächst die Mittelzellen. Man sieht oft diese grossen Zellen völlig in das Collateralenbündel einge- bette. Dann strahlen die Collateralen hauptsächlich in die Zwischensäule ein und finden an den Zellen derselben, ebenso wie an den Mittelzellen ihre Endigung. Ein weiteres Vordringen der Collateralen, etwa bis zu den Vordergruppen, haben wir nie beobachten können. Vergegenwärtigen wir uns nun einmal, wie nach unseren Beobachtungen eine auf dem Wege der Hinterstrangfasern in das Rückenmark eingedrungener Reiz weiter verlaufen muss, so wäre Folgendes zu bemerken. Es wird einmal derselbe auf dem Wege der Hinterstrangscollaterale von den Dendriten der hinteren Lateral- zellen aufgenommen und auf die Wurzelfaser übertragen. Für die Ausbreitung des Reizes kommt dabei in Betracht, dass die Dendriten der mittleren Lateralzellen in der hinteren Lateralgruppe endigen und so die zugehörigen Neuriten in Thätigkeit versetzt werden können. Das Gleiche gilt auch von den vorderen Lateral- zellen. Dann müssen wir berücksichtigen, dass auf dem Wege der motorischen Collateralen die Dendriten der Zwischenzellen und so indireet auch die Medialzellen reagiren können. Es kann also durch einen Reiz eigentlich die gesammte Vorderhornzell- masse gereizt werden. Andererseits enden aber die Hinterstrangs- collateralen auch an den Mittelzellen, deren Neuriten in den Seiten- oder Vorderstrang eintreten. Es ist also so auch für eine Weiterleitung des Reizes auf höhere Theile des Rückenmarks auf dem Wege der Seitenstrangfaser resp. ihrer Collateralen gesorgt. Wir fassen dabei die Dendriten immer nur als centripetal leitende Organe auf, und damit steht ja auch die bekannte Thatsache der Physiologie in bestem Einklang, dass von der durehschnittenen vorderen Wurzel aus bei Reizung keine Bewegung erfolgt. 526 R. Krause und M. Philippson: Erklärung der Figuren auf Tafel XXII—XXV. Die Figuren der Tafel XXII und XXIII sind mittelst des Abbe&- schen Zeichenapparates entworfen und auf den Arbeitstisch projieirt. Vom Lithographen wurden sie auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Grösse redueirt. = “ Fig. 10. Fig. 11. Tafel XXI. Drei Zellen der vorderen Medio-Lateralgruppe aus dem oberen Halsmark. Zeiss D. D. Oe. 2. Zwei Zellen der hinteren Lateralgruppe aus dem oberen Hals- mark. Zeiss D. D. Oc. 2. Fünf Zellen der hinteren Medialgruppe aus dem oberen Hals- mark. Zeiss D.'D.'Oc. 2 Vordere Zwischenzellen aus dem mittleren Halsmark. Zeiss D...D.i/06: 72; 5 u. 6 zeigen die Zusammensetzung der Wurzelbündel in zwei verschiedenen Schnitten aus dem mittleren Halsmark. In Fig. 6 ist die Lage der verschiedenen Zellgruppen schematisch eingetragen. Vorderwurzelfasern mit motorischen Collateralen aus dem mittleren Halsmark. Zeiss hom. Imm. !/jo. Oe. 2. Eine hintere Lateralzelle mit Neurit und motorischen Collate- ralen. Zeiss hom. Imm. 1/i; Oc. 2. Um die Figur nicht zu gross anzulegen, sind die Fasern stark verkürzt gezeichnet. Drei Zellen der vorderen Lateralgruppe aus dem Lendenmark. Neuriten mit den chakteristischen Schleifen. ZeissD.D. Oe. 2. Zwei Zellen der mittleren Lateralgruppe aus dem Lendenmark. Zeiss. B.. 0£.;2. Zwei Zellen der hinteren Lateralgruppe aus dem Lendenmark. 22188-020202; . Endigung der Hinterstrangeollateralen an einer Mittelzelle. Lendenmark. Leitz hom. Imm. !/,, Oe- 2. Tafel XXI. 3. Vordere Medio-Lateralgruppe aus dem Sacralmark. Zeiss C. Oeul. 2. 4. Medialzellen aus dem Sacralmark. Zeiss D.D. Oe. 2. . Motorische Neuriten mit Collateralen und Endigung der letzteren an den Zellen der Zwischensäule. Leitz hom. Imm. 1/5. Oe. 2. . Seitenstrangfasern mit Collateralen aus dem mittleren Halsmark. Zeiss hom. Imm. 1/5 Oe. 2. . Endigung von Seitenstrangcollateralen an Zellen der Lateral- säulen. Leitz hom. Imm. 1/,, Oe. 2. . Vorderstrangfasern mit Collateralen. Zeiss hom. Imm. 1/5 Oc. 2, Untersuchungen über das Centralnervensystem des Kaninchens. 527 Re. 19. Fig. 20. Photogr. Photogr. : Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Photogr. Schema der Zellgruppirung und Ausbreitung der Dendriten im Vorderhorn des Kaninchenrückenmarks. Die Neuriten und Collateralen sind roth, die Zellen und Dendriten blau gehalten. Tafel XXIV., Schema des Vorderhorns vom Kaninchenrückenmark. Die einzelnen Zellgruppen sind durch Kreise markirt und durch jene eine Zelle dargestellt. Die Zellen mit ihren Dendriten sind blau, die Neuriten der Vorderhornzellen mit ihren mo- torischen Collateralen, die Seiten-, Vorder- und Hinterstrang- fasern und -collateralen roth gehalten. Tafel XXV. 1. Oberes Halsmark des Kaninchens. Leitz 3, Oec. 2. 2. Oberes Halsmark. Zeiss B. Oe. 2. 3. Mittleres Halsmark. Leitz 3, Oe. 2. 4. Mittleres Halsmark. Leitz 3, Oc.2. Eine Strangzelle der Mittelgruppe mit Nervenfortsatz. 5. Mittleres Halsmark. Leitz 3, Oc. 2. Die austretenden motorischen Wurzelfasern. 6. Mittleres Halsmark. Zeiss B. Oe. 2. 7. Lendenmark. Leitz 3, Oec. 2. 8. Lendenmärk. Zeiss, Wasserimmersion D. Oc. 2. Zellen der vorderen Lateralgruppe mit ihren Nervenfortsätzen. 9, Lendenmark. Leitz 3, Oc. 2. Die austretenden motori- schen Wurzelfasern. 10. Lendenmark. Leitz 3, Öc. 2. Die austretenden motori- schen Wurzelfasern, von denen besonders das aus den Medial- gruppen kommende Bündel bemerkenswerth ist. 11. Sacralmark. Leitz 3, Oc. 2. Es ist die vordere Medio- Lateralgruppe und die hintere Lateralgruppe gefärbt. Von einer Gruppe strahlen die Dendriten in die andere über. 12. Lendenmark. Leitz 3, Oc. 2. Das Einstrahlen der Seitenstrangscollateralen in die graue Substanz. 13. Halsmark. Frontalschnitt. Leitz 3, Oe. 2. Der Schnitt trifft die durch die weisse Substanz ziehenden motorischen Wurzelbündel. 14. Halsmark. Leitz 3, Oc. 2. Frontalschnitt durch die Austrittszone der Wurzelfasern. 15. Halsmark. Leitz 3, Oc. 2. Frontalschnitt durch das Vorderhorn mit den drei Zellsäulen. rn Aus dem Institut für vergleichende Anatomie, Mikroskopie und lim- bryologie und dem anatomischen Institut der Universität Würzburg.) Die Implantation des Eies der Maus in die Uterusschleimhaut und die Umbildung der- selben zur Decidua. Von Georg Burckhard. Hierzu Tafel XXVI, XXVII u. XXVIII und 4 Textfiguren. Einleitung. Während über die Entwickelung und den Bau der Pla- centa sowohl bei Thieren wie beim Menschen bereits ziemlich zahlreiche Beobachtungen vorliegen, sind dieselben über die ersten Veränderungen der Uterusschleimhaut zu Beginn der Gra- vidität und über ihre Umwandlung in diejenige Form, die wir, wenn sie fertig gebildet ist, als Deeidua bezeichnen, bisher recht spärliche. Es liegt dies wohl in erster Linie daran, dass man beim Menschen nur äusserst selten, und nur durch einen besonderen Zufall in der Lage ist, geeignetes Material zu erhalten, das dann immer nur für ein bestimmtes Stadium verwerthbar ist; aber auch bei Thieren ist es durchaus nicht immer ganz einfach und leicht, sich das für ein genaues Studium der genannten Vor- gänge nothwendige lückenlose Material aus den verschiedenen Zeitpunkten der Gravidität zu verschaffen. Die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungen wurden im Laboratorium des Institutes für vergleichende Ana- tomie, Mikroskopie und Embryologie der Universität Würzburg unter Leitung des Herrn Privatdozenten Dr. Sobotta begonnen und dann unter seiner Leitung im anatomischen Institut fortge- setzt. Ich möchte auch an dieser Stelle Herrn Dr. Sobotta, dem ich nieht nur die Anregung zu dieser Arbeit und das über- aus reiche Material, sondern auch mannigfache Unterstützung in kath und That während der Anfertigung der Arbeit verdanke, meinen herzlichsten Dank aussprechen. Die Implantation des Eies der Maus ete. 529 Es soll in Nachstehendem unsere Aufgabe sein, zu unter- suchen, auf welche Weise bei der Maus das in der Tube be- fruchtete und durchgefurchte Ei, nachdem es aus dem Eileiter in die Uterushöhle gelangt ist, durch das Uterusepithel hindurch- gelangt und sich in die Schleimhaut des Uterus einsenkt, da es sich später bei allen Thieren, die eine sogenannte Deeidua capsularis s. reflexa besitzen, in der Schleimhaut selbst befindet und vom Uteruslumen vollständig getrennt ist. Dabei sollen jedoch die Veränderungen, die sich am Ei selbst während dieser Zeit abspielen, unberücksichtigt bleiben !). Je länger und eingehender wir uns mit der Untersuchung der genannten Vorgänge beschäftigten, um so mehr lernten wir erkennen, eine wie grosse Menge Materiales man verarbeiten muss, um alle Varianten der einzelnen Stadien, deren Zahl eine recht erhebliche ist, überblicken, und alle Zufälligkeiten aus- schliessen zu können. Denn wenn man nur einzelne Exemplare des gleichen Stadiums zu untersuchen Gelegenheit hat, kann es sich sehr wohl ereignen, dass man eine der erwähnten Varianten für die Norm hält. So haben wir selbst nach Abschluss der Arbeit noch Stadien gefunden, deren Abweichung von der Norm uns obige Behauptung zu bestätigen im Stande war. Deswegen mussten wir uns ein relativ grosses Material für die Untersuchung gerade dieser Vorgänge zu verschaffen suchen, und wir haben längere Zeit hindurch eine sehr grosse Anzahl von Präparaten untersucht; es ist dies um so nothwendiger, als die einzelnen von einander schon recht verschiedenen Entwickelungs- stadien nur durch einen ausserordentlich geringen Zeitraum von einander getrennt sind. Des weiteren haben wir uns die Aufgabe gestellt, die Verän- derungen zu untersuchen, die die Uterusschleimhaut der Maus während der Gravidität eingeht und zwar speciell die Vorgänge bei der Umwandlung der gewöhnlichen Uterusschleimhaut in die Deeidua genauer zu verfolgen. Auch über diesen Punkt sind ge- nauere Untersuchungen an keinem Object gemacht worden, und auch der genaueste Voruntersucher, nämlich Duval lässt sich auf die Darstellung dieser speciellen Untersuchung wenig ein; 1) Genauere Untersuchungen über diese Vorgänge werden in Bälde von Herrn Dr. Sobotta veröffentlicht werden, Archiv f, mikrosk. Anat. Bd, 57 35 530 Georg Burekhard: insbesondere berücksichtigt er fast gar nicht die feineren Vor- gänge bei der Ausbildung der Deeiduazellen. Es ist nun besonders wünschenswerth, . die in Frage kommen- den Verhältnisse bei einer Thierspecies (Maus) genau erforschen zu können, die in vielen Beziehungen der Entwiekelung des Menschen näher steht, als sehr viele andere Säugethiere, nament- lieh in Bezug auf die Bildung der Deeidua, insofern als sie eine Decidua capsularis besitzt, und infolge dessen auch die Einbet- tung des Eies von den entsprechenden Vorgängen beim Menschen höchst wahrscheinlich in nur wenig abweichender Weise erfol- gen wird. Material und Methode. Als Material wurde ausschliesslich die weisse Maus benutzt. Da dieselbe fast drei Viertel des Jahres fortpflanzungsfähig ist, ist sie ein äusserst bequemes Objeet, zumal das Halten derselben nicht mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Da diese Thiere von März bis November, unter Umständen sogar noch länger brünstig sein können, und schon wenige Wochen nach ihrer Geburt fortpflanzungsfähig sind, gelingt es unter Berück- siehtigung des unten angegebenen Verfahrens im ganzen nicht schwer, das nöthige Material für die Untersuchungen zu ge- winnen. Wie Sobotta (5) nachgewiesen hat, ist die Maus, abge- sehen von der Zeit unmittelbar nach dem Wurf (Bischoff), am 21. Tag post partum wieder brünstig, zu einer Zeit, wo die Jungen im Stande sind, sich ohne Hilfe des Mutterthieres selbst- ständig zu ernähren. Man kann also diesen Zeitpunkt einerseits nach dem letzten Wurf bestimmen, hat andererseits, falls dieser nicht beobachtet wurde, aber auch andere, äussere Kennzeichen für den Eintritt der Brunst; es öffnet sich nämlich die gewöhn- lich verschlossene, durch epitheliale Verklebung ihrer Wände undurchgängige Vagina, so dass sie sieh erweitert, dabei röthen sich ihre Ränder und treten wulstig hervor. Am häufigsten wurde der Ovulationstermin am 21. Tage post partum benützt, um den Bock zur Begattung zuzulassen. Aber die erste Ovulatiovp nach dem Wurf erfolgt auch nicht immer mit absoluter Sicherheit gerade nach 21x24 Stunden, sondern kann gelegentlich auch etwas (!/;—1 Tag) später erfolgen. Die Implantation des Eies der Maus ete. 531 Man muss daher von diesem Zeitpunkt an genau auf die unten genannten Zeichen der erfolgten Begattung achten. Gelegentlich wurden auch Thiere gefunden, die, ohne vor- her geworfen zu haben, die äusseren Zeichen der Brunst auf- wiesen, und die man zur Begattung benutzen konnte. Diese letzteren Fälle wurden jedoch sehr viel seltener von uns zur Materialgewinnung gebraucht, da sie sehr viel weniger zuver- lässig sind. Die Erfahrung lehrt, dass man hier mit einem nicht geringen Procentsatz von Fehlgriffen zu rechnen hat, was bei bekanntem Ovulationstermin, wenigstens so lange man die Thiere unter günstigen Bedingungen hält, nur relativ selten vorkommt. Als Zeichen der erfolgten Begattung wurde die Anwesenheit des sogenannten Vaginalpfropfes, bekanntlich das coagulirte Samen- blasenseeret des Männchens, betrachtet, da es nur in seltenen Ausnahmefällen gelingt, die Begattung selbst zu beobachten; da der Pfropf höchstens 24 Stunden lang in der Vagina vorhanden ist, muss man die Thiere mehrmals am Tage durchmustern, um ihn nicht zu übersehen. Dies Zeichen wurde als Ausgangspunkt für die Zeitrechnung der Gravidität benutzt, und die Thiere zu verschiedenen Zeiten derselben getödtet. Eine ausserordentlich grosse Anzahl von Ovulis haben wir selber im Verlaufe der Untersuchungen geschnitten; ausserdem stand uns eine nicht unbeträchtliche Menge von Prä- paraten, die von Herım Dr. Sobotta schon früher für einen anderen Zweck hergestellt waren, zur Verfügung, so dass die Zahl der für diese Arbeit verwendeten und untersuchten Eiein- bettungsstellen beziehungsweise Ovula mehrere Hundert beträgt. Erleichtert wurde die Beschaffung des Materiales dadurch, dass wir in der glücklichen Lage waren, eine schon seit längerer Zeit bestehende, und in tadellosem Zustand befindliche grosse Mäusezucht zu benutzen. Unmittelbar nachdem das Thier getödtet war, wurde das Abdomen geöffnet, die beiden Uterushörner demselben entnommen und lebenswarm in die Fixationsflüssigkeit gebracht. Zum Fixiren der Objeete wurde Pikrin-Sublimat, Zenker- sche Flüssigkeit und Flemming’sche oder Herrmann sche Lösung benützt. Nachdem die Präparate in einer dieser Lö- sungen ea. 24 Stunden lang verblieben waren, wurden sie, die in Pikrinsublimat fixirten ohne vorausgängiges Auswässern, (die 532 Georg Burekhard: übrigen nach gründlichem Ausziehen der Fixationsflüssigkeit durch Wasser in gewöhnlicher Weise mit Alkohol nachbehandelt und in Paraffin eingebettet. Sodann wurden die Objeete in Serienschnitte zerlegt. Die Schnittdieke betrug bei allen Objeeten 5 oder 10 u; letztere genügt für die meisten Zwecke vollkommen. Gefärbt wurde mit Hämatoxylin und Eosin, nur die in Flemming’scher oder Herrmann ’'scher Flüssigkeit conservirten Präparate wurden mit Saffranin oder Eisen-Hämatoxylin tingirt. Wenige Objeete wurden vor der Einbettung in toto mit Borax- carmin durchgefärbt. Die Färbung mit Hämatoxylin-Eosin hat vor der mit reinem Carmin den Vorzug, dass ersteres die Unterschiede in den Ge- weben deutlicher hervorzuheben vermag; vor allem lässt sich die Anwesenheit von rothen Blutkörperchen besonders gut nachweisen, da sich dieselben bei Behandlung mit Pikrinsublimat und Zenker- scher Flüssigkeit mit Eosin intensiv roth färben, und bei einer Reihe von Stadien die Anwesenheit von Blut eine grosse Rolle spielt. Auch sonst ist die Färbung mit Eosin von Vortheil, in- sofern als das Epithel einen anderen Farbenton annimmt als die Decidua und man infolge dessen im Stande ist, schon durch die Färbung auch kleine Reste von Epithel, wie z. B. bei sieh ab- schnürenden Drüsen leicht zu erkennen. 3ei den frühen Stadien der Eiimplantation kennzeichnet sich der Sitz des Ovulum noch nicht wie später durch eine cireumseripte Anschwellung des Uterushorns, sondern es macht sich nur eine Hyperämie des ganzen Organes bemerkbar; die Corpora lutea sind für die Zeitbestimmung nicht maassgebend, da sie um diese Zeit (also etwa Mitte des 5. Tages) bereits das sleiche Aussehen haben können, wie die von einer früheren Ovu- lation herstammenden. Diese frühen Stadien wurden eben wegen Mangels eines äusseren Hinweises auf den Sitz des Ovulum in der ganzen Länge des Uterushorns in lückenloser Serie geschnitten und dann später nach erfolgter Färbung diejenigen Objectträger, auf welchen sich die für die Untersuchung geeigneten Schnitte befanden, ausgesucht und weiter behandelt. Auch die späteren Stadien, bei welchen durch die An- schwellung des Uterus sehon angedeutet ist, an welcher Stelle das Ovulum sich ungefähr befindet, schnitten wir anfangs voll- Die Implantation des Eies der Maus ete. 533 ständig in Serie, bis wir die Erfahrung machten, dass für das Studium der deeidualen Umänderung der Schleimhaut im Wesent- lichen nur die nähere Umgebung des Ovulum selbst in Betracht käme. Es konnte deshalb das ober- und unterhalb derselben liegende Stück der Uterusanschwellung in Wegfall kommen. Die Anwesenheit des Ovulum zeigt sich auf dem Quer- schnitt durch das Uterushorn schon eimige Zeit, bevor sie vom Schnitt getroffen wird, dadurch an, dass die in den Interstitien zwischen zwei Anschwellungen gelegenen Schleimhautpartien be- reits eine deeiduale Umwandlung ihrer Zellen erfahren. Es wurden deshalb zunächst von dem auf das Mikrotom aufgesetzten Block zahlreiche Schnitte abgetragen und unter dem Mikroskop eontrollirt, wann sich die genannten Veränderungen einstellten; erst dann wurden die Schnitte auf den Objectträger aufgelegt. Die zur Reproduction bestimmten Schnitte wurden bei einer Vergrösserung von 45:1 bis 370:1 auf mikrophotographischem Wege reprodueirt; die Photographien dienten dann als Grundlage für die Abbildungen, indem entweder nach einer genauen Pause gezeichnet wurde, oder indem dieselben auf Salzpapier eopirt und diese Copien in der von Sobotta (7) angegebenen Weise direct als Unterlage zum Zeichnen benutzt wurden. Nur eme Abbildung (Fig. 22) bei starker Vergrösserung wurde direet mit dem Zeichen- apparat übertragen. Literatur. Die Literatur über unser Thema ist, wie eingangs schon angedeutet, eine recht dürftige. Wir können hier unmöglich auf alle Details eingehen, die in der grossen Klasse der Säugethiere über die Veränderungen der Uterusschleimbaut während der Gravidität gemacht worden sind. Man weiss, dass alle deciduaten Säugethiere sich in 2 Hauptgruppen scheiden lassen, nämlich solche, die sich mit einer Deeidua capsularis in der Uterusschleimhaut entwickeln, und solche, bei denen diese fehlt. Es wird für unsere Uutersuchungen nur die erste Gruppe in Betracht kommen: zu diesen gehören von den Nagethieren die Muriden und Cavia Cobaya, ausserdem die Affen und der Mensch. Vom Menschen sind in Anbetracht der Unmöglichkeit der Beschaffung des Materiales die für uns interessanten Stadien noch nieht untersucht worden; für den Affen ist zwar das Vor- 534 Georg Burckhard: handensein der Keimblätterumkehr nachgewiesen, die frühesten Stadien der Eieinbettung jedoch sind noch völlig unbekannt. Es bleiben demnach nur noch übrig die Muriden und das Meer- schwein. Ueber Maus und Ratte finden sich die ausführlichsten Mit- theilungen in der grossen Monographie von Duval „Le placenta des rongeurs“ (2); über das Meerschwein hat Graf Spee (8) einige 3eobachtungen veröffentlicht, die ebenfalls zu berücksichtigen sind. Spee (8) theilt in einer kurzen Veröffentlichung den Durch- trittsmodus des Eies durch das Uterusepithel mit. Auch Duval (2) hat einige frühe Stadien untersucht; wir werden darauf bei Gelegenheit unserer eigenen Untersuchungen noch zurückkommen. Wir können uns mit seinen Ergebnissen nicht in allen Punkten einverstanden erklären: es finden sich eine Reihe von Ungenauigkeiten und unrichtigeu Beobachtungen, insbesondere macht Duval (2) einige sehr auffallende und unzu- treffende Angaben über das Alter der von ihm untersuchten Objecte. Es sind die Untersuchungen von Duval (2) insofern unvoll- ständig, als man bei ihnen vor allem eine lückenlose Beschrei- bung der einschlägigen Stadien vermisst, da er gerade die in Frage stehenden Verhältnisse relativ wenig berücksichtigt. Es standen ihm zwar die frühesten und einige ältere Stadien zur Verfügung, dagegen fehlten gerade die wichtigen, in der Mitte zwischen beiden liegenden. Infolge dessen ist er in die Lage versetzt worden, an einem viel älteren Präparat das beobachten können zu glauben, was thatsächlich schon sehr viel jüngere auf- zuweisen haben. Auch Selenka (4), der sich im Wesentlichen nur mit der Keimblätterumkehr beschäftigt, berührt unser Thema nur ganz flüchtig, aber das wenige, was er anführt und was man aus den beigegebenen Abbildungen ersehen kann, steht grösstentheils im Widerspruch mit den Ergebnissen unserer Untersuchungen. Be- züglich anderer Säugethiere kommt nur eine kurze Mittheilung von Graf Spee (2) in Betracht, der die entsprechenden Vorgänge beim Meerschwein untersucht hat. Sonst fehlen jegliche Beobachtungen, welche sich genau auf das von uns behandelte Thema beziehen. Für die weisse Ratte hat Christiani (1) einige Unter- suchungen angestellt; seine vorläufige Mittheilung ist jedoch so Die Implantation des Eies der Maus etc. 535 kurz, die Figuren sind so klein, dass man nur wenig daraus ent- nehmen kann. Eigene Beobachtungen. Bevor wir dazu übergehen, die mikroskopischen feineren Vorgänge der Festsetzung des Eies und der Bildung der Deecidua zu schildern, wollen wir zuerst in Kürze beschreiben, wie sich in den frühen Stadien der Gravidität der Uterus äusserlich verhält. Im Anfang, also etwa innerhalb der ersten 12 Stunden, welche sich das Ei in der Uterushöhle befindet, sieht man makroskopisch noch keine Veränderungen. Erst gegen Ende des ersten Tages (des 5. Tages nach erfolgter Imprägnation) bemerkt man einzelne, den Anlagerungsstellen der Eier an die Uteruswand entsprechende diffuse, zunächst noch wenig deutliche Verdiekungen der Uterus- hörner. Diese werden im Verlaufe der weiteren Entwickelung immer deutlicher, so dass man hald die Anschwellungen leicht von den übrigen nicht angeschwollenen Partieen unterscheiden kann. Je weiter die Schwangerschaft fortschreitet, desto eireum- scripter werden die Anuschwellungen, die nach und nach Erbsen- bis Haselnussgrösse erreichen, anfangs mehr rundlich, während sie in den späteren Stadien der Schwangerschaft eine mehr läng- liche Form annehmen, entsprechend der Gestalt des Embryo. Die allererste Entwickelung verläuft, wie nach unserer Kenntniss bei allen Säugethieren in der Tube. Bei der Maus gelangt das Ei nach ca. 4 mal 24 Stunden kleinzellig gefurcht und wahrscheinlich schon immer mit einer kleinen exeentrischen Furehungshöhle versehen in den Uterus. Während der Zeit, in weleher das befruchtete Ei den Ei- leiter passirt, zeigt der Uterus, insbesondere seine Schleimhaut, noch keine irgendwie in die Augen fallenden Veränderungen gegenüber dem nicht trächtigen Uterus. Selbst eine Hyperämie des Genitaltraetus ist um diese Zeit zunächst nicht zu bemerken. Wenn die befruchteten Eier die Tube verlassen haben, in deren letzten uterinwärts gelegenen Abschnitten sie meist ganz unmittelbar und dicht neben einander gelagert sind (Sobotta [5]), so zeigt sich die sehr auffallende Eigenthümlichkeit, dass sie sich anscheinend sofort über die ganze Länge des betreffenden Uterushornes verbreiten, so dass man die frühesten Stadien des 536 Georg Burekhard: Eies im Uterus nieht etwa nur in der Nähe des uterinen Tuben- endes zu suchen hat, sondern ebenso gut an der Vereinigungs- stelle beider Uterushörner. Die Stellen, an welchen sich die Eier nach Verlassen der Tube im Uterus vertheilen, scheinen die definitiven Anheftungs- bezw. Einbettungsstellen derselben in der Schleimhaut zu sein. So findet man in der zweiten Hälfte des 5. Tages die Eier im Uterus- lumen an gewissen, bestimmte Strecken von einander entfernten Plätzen und zwar zunächst so, dass dieselben irgend einen Ein- fluss auf die Uteruswand, sei es auf das Epithel oder auf die Schleimhaut nicht ausüben. Der Darstellung der ersten Veränderungen der Uteruswand an den Stellen, wo ihr Eier angelagert sind, sei eine Beschreibung der Verhältnisse am nicht graviden Uterus vorausgeschickt; dabei ist zu bemerken, dass dieselbe auch für die Zeit noch Gültigkeit hat, während welcher die Eier nach erfolgter Imprägnation sich noch in der Tube befinden. Betrachtet man Querschnitte durch den nicht graviden Uterus, so zeigt sich, dass die Uterushöhle excentrisch liegt, mehr oder weniger stark nach dem Mesometrium zu verlagert. Sie hat verschiedene Form, bald mehr elliptisch-rundlich, bald bauchig, jedoch nie so ausgesprochen lang gestreckt, wie man es in der frühesten Zeit der Gravidität findet. Ein Inhalt ist in der Uterus- höhle meist nicht vorhanden. Das Epithel ist einschicehtig ey- lindrisch; die Kerne stehen meist näher an der basalen Fläche der Zellen, sind länglieh und mit ihrer Längsaxe parallel der Längs- ausdehnung derselben gestellt. Flimmerhaare tragen diese Zellen nicht. Auf einem Längsschnitt durch das Uterushorn sieht man, dass das Uteruslumen kein glattes, das ganze Uterushorn durch- setzendes Rohr ist, sondern dass es zahlreiche, radiär angeord- nete Ausbuchtungen von verschiedener Tiefe besitzt, deren tiefste mehr als zwei Drittel der Schleimhaut durchsetzen. Je nach- dem man nun mit dem Schnitt eine Bucht trifft oder nicht, er- scheint das Lumen mehr oder weniger lang gestreckt. Die Schleimhaut stellt kein vollkommen gleichmässiges Ge- webe dar, man bemerkt vielmehr schon bei schwacher Vergrösse- rung, dass sich in der Nähe des Querschnittes vom Uteruslumen die Kerne dichter gedrängt anhäufen und näher aneinander liegen, als in den peripherischen Abschnitten. Die Zellen sind theils Die Implantation des Eies der Maus ete. 937 langgestreckt, theils rundlich; die letztere Zellform liegt haupt- sächlich in der Nähe des Uteruslumen. Die Zellen besitzen alle einen rundlichen, verhältnissmässig grossen Kern. Ein Unterschied bezüglich der Grösse der Zellen an verschiedenen Stellen des Uterusquerschnittes besteht nicht. Mit Blut gefüllte Capillaren finden sich im Bereiche des ganzen ÜUterusquerschnittes, i theils in Längs-, theils in @Quer- und Schrägschnitten; sie reichen bis dicht an das Uteruslumen heran. An der Peripherie sind einzelne Ca- pillaren stärker dilatirt. Die Drüsen sind, in wechselnder Zahl, ungleich- mässig vertheilt; man sicht sowohl Quer- wie Schräg- schnitte, selten reine Längs- sehnitte. Ihr Lumen ist theils leer, theils mit einem fein- fädig geronnenen Inhalt ge- füllt; ihre Epithelien sind einreihig cylindrisch, ohne Flimmerhaare. Textfigur 1. . Querschnitt durch das (nieht gravide) Aus der Art und Weise, S 8 Den nn Uterushorn der Maus. Nach Sobotta. BUS Alle a al! Vergr. 20:1. a= Schleimhaut (sche- Querschnitt vertheilt sind, matisirt), db — Ringmuskulatur, c—= geht hervor, dass dieselben Längsmuskulatur, d=Serosa, e=Liga- sehr stark geschlängelt sein mentum latum, g = Gefässe. müssen. Man findet nämlich längsgetroffene Abschnitte derselben meist nur in unmittelbarer Nähe des Uteruslumen, an den Stellen, wo sie in dasselbe einmünden, an anderen Stellen nur selten, und in kurzen Stücken. Ausserdem sind aber auch vollkommen quer getroffene Drüsenschnitte vorhanden, was auch nur möglich ist bei starker Schlängelung der im allgemeinen radiär zum Uterus- lumen gestellten Drüsen. | Auch später, zur Zeit der beginnenden Gravidität findet man auf Querschnitten an den Stellen zwischen den einzelnen Embryonalanlagen resp. Uterusanschwellungen den gleichen Cha- wi Georg Burcekhard: rakter der Schleimhaut, nur mit dem Unterschied, dass die Drüsen im Ganzen sowohl als auch in ihren einzelnen Elementen grösser geworden sind. Wie oben angegeben, besitzen die Uterushörner zahlreiche, zum Theil recht tiefe Ausbuchtungen ihres Lumen. Es scheint, dass dieselben (wohl immer) den Ovulis als Platz für ihre Festsetzung dienen. Es ist ohne weiteres verständlich, dass bei der Vertheilung der Eier auf die Länge des Uterushornes nach ihrem Austritt aus dem Eileiter, dieselben in diese Buchten der Uterusschleimhaut hereingleiten, wie es auch Christiani (l) für die weisse Ratte anzunehmen geneigt ist. Als Regel ohne Ausnahme dagegen darf es bezeichnet werden, dass die Ein- senkung des Eies stets in die allerdings tieferen und reichlicher vorhandenen antimesometralen Buchten des Uteruslumen erfolgt. Ob hierbei active Contraetionen der Uterusmuskulatur (etwa peri- staltische Bewegungen) im Spiel sind, ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden; man muss jedoch für wahrscheinlich halten, dass solche eine gewisse Rolle dabei spielen. Denn dass die Eier ‚lediglich der Schwerkraft folgend sich auf die Länge des Uterus- hornes vertheilen und in die Buchten eindringen, ist wenig wahr- scheinlich, zumal die Buchten, in welche die Eier eindringen, eher der Wirkung der Schwerkraft entgegen liegen. Eigenbe- wegungen der Eier können dabei nicht in Betracht kommen. Es bestehen hier individuelle Verschiedenheiten in Bezug auf die Verhältnisse der Einlagerung der Ovula in die Schleim- hautbuehten, die sich unter Umständen sogar bei verschiedenen, von demselben Thier stammenden Ovulis zeigen können. Vielleicht erklärt sich dieselbe dadurch, dass die Eier, die schon eine ge- wisse Grösse erreicht haben, sich offenbar die Stelle der Uterus- bucht aufsuchen, die am weitesten ist. Das Ei kann sich nämlich in den vom Mesometrium am weitesten entfernt liegenden Theil der Schleimhautbucht einsenken; es endet dann die Uterushöhle an eben dieser Stelle mit einer rundlichen Ausbuchtung, die durch einen leistenartigen Absatz im Epithel (s. u.) vom übrigen Uteruslumen getrennt ist (Fig. 1, Tafel XXV]). Die zweite Möglichkeit ist die, dass das Ovulum sich nieht an dem eben genannten Theil des Uterusecavum anlegt, sondern eine mehr oder weniger grössere Strecke näher nach dem Meso- 39 er Die Implantation des Eies der Maus ete. metrium hin; dabei besteht aber ebenfalls eine Absetzung der Uterushöhle gegen die spätere Eieinbettungsstelle durch die noch näher zu beschreibende Veränderung im Epithel. Aber auch der jenseits der Anlagerungsstelle des Eies gelegene Abschnitt der Uterusbucht markirt sich durch eine Einschnürung, so dass dann auf diese Weise die spätere Eiimplantationsstelle präformirt ist. Ausser dieser aber sind noch zwei durch dieselbe getrennte un- gleich grosse Theile der Uterushöhle zu unterscheiden, von denen der dem Mesometrium abgewandte der sehr viel kürzere und oft nur noch schlitzförmig gestaltet ist. Dieser geht, wie sich später zeigen wird, im Laufe der weiteren Entwiekelung zu Grunde (ier.e2, Pal. XXVE HEISS IIATEIRRNIN: Nachdem die Eier so einige Stunden im Uteruslumen frei gelegen haben, treten die ersten Veränderungen in der Uterus- wand auf (also etwa Mitte des 5. Tages). Es scheint jedoch, als ob diese Veränderungen sich nicht immer zur gleichen Zeit einstellten; denn nach dem Alter der Eier zu urtheilen, welches für die Bestimmung des Zeitpunktes der Gravidität allein maass- gebend sein dürfte, treten sie bald früher, bald später auf. Das Epithel der Uterushöhle zeigt in deren Haupttheil um diese Zeit keinerlei Veränderungen. Nur in der Gegend, welche sich als spätere Implantationsstelle und Deeiduahöhle markirt, sind die sonst eylindrischen Zellen niedriger geworden und er- scheinen mehr eubisch. Es ist dies wohl als das erste Zeichen der beginnenden Degeneration aufzufassen, da die Epithelzellen an dieser Stelle, wie sich zeigen wird, später verschwinden. Was diese Abplattung der Zellen verursacht, kann man sich zunächst nicht vorstellen. Wenn dieselbe auch durch die Anwesenheit des Eies bedingt zu sein scheint, so kann man doch kaum annehmen, dass dasselbe um (diese Zeit schon einen Druck auf das Uterusepithel auszuüben im Stande sei, denn es stellt noch eine kleine dünnwandige Blase dar, welche nieht einmal in Berührung mit dem Epithel steht. Je nachdem also, ob das Ovulum sich am antimesometralen Ende einer Schleimhautbucht oder in einiger Entfernung davon behufs späterer Festsetzung befindet, verhält sich das Uterus- lumen verschieden. Findet die spätere Implantation des Eies am antimesometralen Ende der Uterushöhle statt, so ist dieselbe in zwei deutlich von einander getrennte Abschnitte getheilt. Pflanzt 540 Georg Burcekhard: sich aber das Ovulum etwas weiter nach dem Mesometrium zu ein, so besteht dadurch, dass ein antimesometralwärts gelegener kest des Uteruslumen übrig bleibt, eine Dreitheilung desselben [vgl. Fig. 1 Tafel XXVI (Zweitheilung) mit Fig. 2 Tafel XXVI und Fig. 19 Tafel XXVIII (Dreitheilung)]. Der Fall, dass anti- mesometralwärts von der Implantationsstelle noch ein später zu Grunde gehender Rest von Uteruslumen und -epithel sich findet (Dreitheilung), ist bei weitem das Häufigere!). Die Abplattung des Uterusepithels an der Stelle der späteren Eieinbettung vollzieht sich mit einem plötzlichen Absatz gegen- über dem unveränderten eylindrischen Epithel, in der Weise, dass die Grenze des hohen und des abgeplatteten Epithels sich durch eine spornartig vorspringende Stelle des Uterusepithels markirt. Die Abplattung des Epithels ist zwar nicht im Bereich der Umgebung des Eies überall gleieh stark (Fig. 11 Tafel XXVI), stets aber ist sie so deutlich, dass die niedrigeren Zellen sich gegen das ceylindrische Epithel sehr scharf abgrenzen. Diese Erscheinung tritt schon in den frühesten Stadien selbst bei schwacher Vergrösserung deutlich in die Erscheinung (Fig. 1 Tafel XXV]). Die eigentliche Uterus-Schleimhaut hat zur Zeit, wo das Epithel die beschriebenen Veränderungen zeigt, noch keine Um- wandlung erfahren; ihre Zellen unterscheiden sich bezüglich ihrer Form und Anordnung in nichts von den Elementen der Schleim- haut des nicht graviden Uterus. Kerntheilungsfiguren sind nicht zu sehen. Allerdings treten die Schleimhautveränderungen, welche sehr bald den ersten Epithelveränderungen folgen, anscheinend nicht immer zur gleichen Zeit auf. So findet man noch völlig intacte Schleimhaut bei bereits ziemlich stark abgeplattetem Epi- thel und bei einer Epithelabplattung, die nicht geringer ist, bereits deutliche Veränderungen in ersterer (vgl. Fig. 1, 2 und 11 Tafel XXVD). 1) Es scheint, dass die Uterushöhle unter Umständen auch auf andere Fremdkörper in der gleichen Weise reagiren kann, man findet nämlich gelegentlich auf Serienschnitten die genannten Ver- änderungen in derselben, ohne dass ein Ovulum oder auch nur Zell- trümmer als Rest eines etwa zu Grunde gegangenen Eies sich nach- weisen liessen. Die Implantation des Eies der Maus etc. 541 Die Capillaren scheinen etwas reichlicher in der Schleim- haut vertheilt. Drüsen finden sich, verschieden getroffen, zahl- reich; die ganzen Drüsen hypertrophiren und dementsprechend scheinen auch ihre Epithelzellen bereits etwas grösser geworden zu sein. i Ausserdem sind in der Schleimhaut eine neue Art von Zellen, die sich im nieht graviden Uterus nieht in derselben finden, auf- getreten, nämlich Leukocyten in wechselnder Menge; dieselben sind ohne bestimmt nachweisbare Anordnung über den ganzen Schleimhautquerschnitt vertheilt. Annähernd das gleiche Alter scheint das jüngste von Du- val (2) beobachtete Stadium zu haben, welches er als „Stade de l’oeuf spherique“ (ungefähr 5. Tag) bezeichnet. Er ist ebenfalls der Ansicht, dass das Ovulum schon an seinem definitiven Platz angekommen sei. Die Schleimhaut soll schon seine bemerkens- werthe Hypertrophie aufweisen; diese Hypertrophie betreffe aber nicht die Partie der Schleimhaut, die nach dem Mesometrium zu gelegen ist, sondern gerade die entgegengesetzte, so dass das dem Mesometrium zugewandte Ende der Uterushöhle sich dicht an der Muskelschicht befinde, während das entgegengesetzte Ende derselben durch eine breite Schleimhautschicht davon getrennt sei. Dies soll das erste Zeichen einer localen Verdiekung sein, die zur Deciduabildung führt. Thatsächlich fände man auch an dem unteren (damit will er sagen antimesometralen) Ende des Uterusquerschnitttes stets das Ei, das in diesem Stadium noch nicht fixirt sei; das Epithel sei im Bereich des Ovulum noch intact. Diese Darstellung stimmt in manchen Punkten nicht völlig mit unseren Untersuchungen überein. Auffällig ist die Anschauung Duvals (2), dass um diese frühe Zeit — er selbst spricht als Zeichen der sehr frühen Ent- wiekelungsstufe von den noch fehlenden Veränderungen am Epithel — bereits Vorgänge in der Schleimhaut sich abgespielt haben könnten, die zu einer localen Verdiekung derselben führen. Wir haben an einer grossen Anzahl von Präparaten uns unzweifelhaft überzeugen können, dass bei noch völlig fehlenden Epithelver- änderungen die Uterusschleimhaut noch keinerlei Abweichungen von der des nicht graviden Uterus aufzuweisen hat, wenn die- selben auch nicht immer zur gleichen Zeit auftreten. Jedenfalls 542 Georg Burekhard: haben wir kein Präparat zu schen Gelegenheit gehabt, welehes Schleimhautveränderungen bei noch unverändertem Epithel ge- zeigt hätte. Ebensowenig können wir Duval (2) darin beipflichten, dass durch die von ihm angenommene Verdichtung der Schleimhaut eine Verschiebung des Uteruslumen nach dem Mesometrium zu bedingt sei. Es ist diese excentrische Lage des Lumen, wie wir es am liebsten bezeiehnen möchten, vielmehr schon am nicht sraviden Uterus mehr oder weniger deutlich ausgesprochen. Des weiteren ist Duval (2) der Ansicht, dass das Ovulum sich stets am antimesometralen Ende des Uteruslumen festsetzt. Dass diese Stelle als Eieinbettungsstelle in Betracht kommen kann, liegt ausser Frage; dass das Ovulum sich aber immer diese Stelle auswähle, ist ebenso zweifellos unrichtig. Dass Du- val (2) die von uns oben erwähnte Möglichkeit der Dreitheilung des Uteruslumen entgangen ist. nimmt uns nicht Wunder. Er hat offenbar an einem verhältnissmässig kleinen Material gear- beitet und aus diesem seine Schlüsse gezogen; so ist es wohl gekommen, dass er das, was er an einer gewissen, vielleicht nicht sehr grossen Anzahl von Präparaten zu sehen Gelegenheit hatte, für die Norm gehalten hat, während ihm das, was ausserdem auch normaler Weise vorkommen kann und was er bei einem grösseren Material sicherlich sehr oft gefunden haben würde, entgangen ist. Nur so können wir uns die hier zu Tage tretende Einseitigkeit seiner Auffassung erklären. Zum Schluss seiner Darstellung dieses Stadium sagt Du- val (2), das Epithel sei im Bereich des Ovulum intact. Es ist sehr wohl möglich, dass man das Ovulum frei in der Uterushöhle liegend findet, ohne dass es irgend einen Einfluss auf das Epi- thel ausübt; dies ist aber nur eine kurze Zeit lang der Fall und zwar, wie ich auszuführen Gelegenheit hatte, nur in den ersten Stunden, nachdem das Ei die Tube verlassen hat. Mitte des 5. Tages stellen sich bereits die Epithelveränderungen ein, als erstes und zunächst einziges Zeichen der Anwesenheit des Ovu- lum in der Uterushöhle, noch lange Zeit bevor sich in der Schleim- haut eine Umformung der Zellen bemerkbar macht. Erst nach- dem diese Vorgänge am Epithel bis zu einem gewissen Grade fortgeschritten sind, beginnt auch die Schleimhaut auf das in der Uterushöhle befindliche Ovulum zu reagiren. Man findet also Die Implantation des Eies der Maus. 545 niemals eine „Verdichtung“ der Schleimhaut, so lange das Epi- thel der Eieinbettungsstelle noch unverändert ıst. Duval (2) hat offenbar auf die ersten feinen Veränderungen am Epithel bei seinen Untersuchungen nicht geachtet, oder aber, diese Möglich- keit muss man auch noch ins Auge fassen, das ihm zur Verfü- gung stehende Material war nicht sorgfältig conservirt. Ein ebenfalls offenbar sehr frühes Stadium der Eieinbettung — allerdings vom Meerschwein — beschreibt Graf Spee (8); er giebt zwar nicht an, welcher Zeit der Gravidität die von ihm beobachteten Ovula angehören, da das erste derselben aber noch mit der Zona pellueida versehen gewesen ist, muss es einem sehr frühen Stadium entsprechen. Graf Spee (8) nimmt nun auch an, dass das Ovulum sich stets an der Stelle des Uteruslumens ansetze, die vom Meso- metrium am weitesten entfernt ist; hier soll es sich zunächst in einer Grube des Uterusepithels ansiedeln und dann im weiteren Verlauf der Entwiekelung durch dasselbe hindurchschlüpfen. Ist dies geschehen, so soll ein scharf begrenztes Loch im Uterusepithel bestehen, dessen Ränder sich später hinter dem durchgetretenen Ovulum wieder schliessen, und nun letzteres frei in der Uterus- schleimhaut ohne jeden Zusammenhang mit dem Uteruslumen liegen; durch diesen Vorgang soll sich also schon in der aller- frühesten Zeit die Decidua reflexa gebildet haben. Deciduale Veränderungen in der Schleimhaut sollen erst nach Abschluss dieses Vorganges erfolgen. „Die Mechanik der Reflexabildung durch Einnisten des Eies in die Schleimhaut“ sehen v. Herff (3) u. A. als auch die für den Menschen gültige an, solange nicht das Gegentheil be- wiesen sei. Dass das Ei sich thatsächlich in die Schleimhaut „einnistet“, werden wir im Nachstehenden zu beweisen suchen, aber dies geschieht, wie sich wenigstens für die Maus zunächst zeigen wird, auf eine völlig andere Art und Weise, von weleher Analogie- schlüsse auf den Menschen zu ziehen wir uns für berechtigt halten. Dass der Vorgang thatsächlich so erfolge, wie Graf Spee (8) ihn beschreibt, besonders die Vorstellung des Entstehens einer Lücke im Epithel, die sich später wieder schliessen soll, hat von vornherein wenig überzeugendes. In der weiteren Entwickelung, also etwa Ende des 5. Tages 544 Georg Burekhard: bis höchstens Anfang des 6., schreitet die Absetzung der Eiein- bettungsstelle, oder wie Duval (2) sie nicht unzweekmässig be- zeichnet, der Deceiduahöhle, etwas weiter fort. Die Grenze zwi- schen ihr und der übrigen Uterushöhle ist schärfer markirt, der trennende Sporn springt auf beiden Seiten weiter vor, die Eiein- bettungsstelle hat sich ampullenartig erweitert. Die Uterushöhle hat auf dem Querschnitt verschiedene Form: bald ist sie lang gestreckt, bald wieder geschlängelt und buchtig. Das erstere ist im Ganzen die häufigere Form. Ge- legentlich trifft der gleiche Schnitt auch eine mesometrale Bueht (Fig. 2, Taf. XXVI). Nach der dem Mesometrium entgegenge- setzten Seite verengert sich jenseits der Eieinbettungsstelle die Uterushöhle bei ausgesprochener Dreitheilung sehr erheblich, sie wird schlitzförmig. Das Epithel ist in diesem Abschnitt ähnlich wie in der eigentlichen Deciduahöhle abgeplattet. Das Ovulum hat sich aber noch nicht festgesetzt, sondern liegt noch frei ohne Berührung mit dem Epithel. Obwohl es sich gegenüber dem vorher beschriebenen Stadium nur um einen Altersunterschied von wenigen Stunden handelt, zeigt sich doch schon in der Schleimhaut eine unverkennbare Veränderung. In der Nähe und Umgebung der Eieinbettungsstelle treten an den Schleimhautzellen die ersten Erscheinungen der deceidualen Umwandlung auf!) (Fig. 2, Taf. XXVD. Man kann jetzt die Schleimhaut in drei Bezirke eintheilen, die jedoch ohne scharfe Grenze in einander übergehen. Am weitesten nach der Peripherie zu haben die Zellen noch den gleichen Charakter bewahrt, wie am nicht graviden Uterus; sie sind meist länglich, mit grossem rundem Kern, sie liegen nicht dicht gedrängt, sondern in mehr oder weniger grossen /wischenräumen von einander entfernt. In den centralen Theilen, also in der Umgebung der späteren Eieinbettungsstelle haben die Zellen ihre Form verändert; sie sind grösser geworden, haben im ganzen eine mehr rundlich-polygonale Form angenommen und besitzen einen grossen rundlichen Kern, haben also schon deutlich den Typus der Deciduazellen. Zwischen diesen beiden Zonen findet sich eine schmale Zone des Ueberganges, in der beide Zellformen mit einander abwechseln. 1) vgl. auch oben p. 540. Die Implantation des Eies der Maus etc. 545 Kerntheilungsfiguren sind vorhanden, aber sie sind selten und spärlich, so dass man unter dem Mikroskop viele Gesichts- felder durehmustern kann, ohne auf solche zu stossen. Sie finden sich in den peripherischen Zonen ebenso wie in der Uebergangs- partie, ohne in den central gelegenen Theilen gänzlich zu ver- schwinden. Ausserdem bemerkt man in der Schleimhaut das Vorhanden- sein von Leukocyten, die sich am stärksten in der mittleren Uebergangszone anhäufen; sie sind aber auch in den beiden anderen Partieen der Schleimhaut nachzuweisen, jedoch seltener; ebensowenig fehlen sie in der Muskulatur. Schliesslich treten noch eine Reihe von anderen Zellen auf, spindelförmig mit einem länglichen Kern. Man sieht deutlich einzelne Stellen, wo sie von der Wand bluthaltiger Capillaren ausgehen und mit dieser in Zusammenhang stehen. Wir haben es hier also zu thun mit Gefässsprossen, die eine Gefässver- mehrung in der Schleimhaut anbahnen. Sehr häufig findet man mitotische Theilungen der Kerne dieser Sprossen. Des weiteren findet sich in diesem Stadium eine Veränderung an den Drüsen, die bisher noch nicht zu beobachten gewesen war. In der Nähe der Eieimbettungsstelle sieht man nämlich eigen- artige Stränge, die aus einer Anzahl annähernd cubischer Zellen bestehen. Die Stränge beginnen mit einem spitz auslaufenden Ende in der Nähe der späteren Deeiduahöhle und lassen sich mehr oder weniger weit nach der Peripherie zu verfolgen, wo sie sichtlich anschwellen und blind endigen. Das peripherwärts gelegene Ende ist kolbig aufgetrieben und besitzt ein deutliches Lumen, welches alle Eigenschaften der Uterindrüsen besitzt. Das Ganze stellt also demnach nichts anderes dar, als eine Uterin- drüse, welehe in die vom Ei occupirte Uterusbucht einmündete und sich nun durch die hypertrophirenden Deciduazellen von ihrer Mündungsstelle (Fig. 11, Tafel XXVI) abschnürtee Man muss danach annehmen, dass der lang ausgezogene und durch den Druck der Deeiduazellen abgeschnürte Theil der Uterindrüsen zu Grunde geht, während die mit einem Lumen versehenen Enden der Drüsenschläuche erhalten bleiben und später nach dem Partus zur Neubildung von Drüsen verwandt werden. Die abgeschnürten und abgeplatteten Drüsenausführungsgänge gehen jedoch durchaus nieht sehr schnell zu Grunde, denn selbst in relativ alten Stadien Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 36 546 Georg Burekhard: (Fig. 13 und 14, Tafel XXVII) finden sich noch deutliche Reste der Drüsenschläuche innerhalb stark veränderter Uterusschleimhaut (typischer Deecidua). Die Drüsen enthalten um diese Zeit fast regelmässig ein mit Eosin stark färbbares Secret, welches bei schwacher Vergrösserung leicht Blut vortäuschen kann. Dieses Seeret erhält sich aber auch bei erheblicher Abplattung der Drüsenepithelien noch lange Zeit (Fig. 14, Tafel XXVII). Mit starker Vergrösserung betrachtet, erscheint es feinkörnig. Die Querschnitte der unveränderten Drüsen finden sich hauptsächlich nach den peripherischen Partieen des Querschnittes zu verschoben; sie werden, je weiter die deeidualen Veränderungen vorschreiten, desto mehr gegen die Ringmuskulatur des Uterus gedrängt; sie verschwinden auch in den relativ alten Stadien nicht ganz (Fig. 10, Tafel XXVIM). Die Gefässvertheilung scheint etwas reichlicher zu sein als in den früheren Stadien. Auch Duval (2) sieht in diesem Alter eine beginnende TJm- formung des Uterusepithels und Veränderungen an demselben, die seine Resorption und sein Verschwinden anbahnen; er sagt: Das eylindrische Epithel verwandelt sich im antimesometralen Theil der Uterushöhle in eine homogene Masse; die Kerne werden zahlreich, stellen runde Körper dar mit klarem Centrum und kleinen Chromatinmengen, die sich an der Peripherie ablagern. Das ist die Stelle, an weleher sich das distale Ektoderm in dies umge- formte Epithel, in welches seine Zellen eindringen, einzupflan- zen scheint. Ganz abgesehen davon, dass Duval (2) dies Stadium für älter hält, als es nach dem abgebildeten Ovulum thatsächlich sein kann, ist seine Auffassung der bestehenden Verhältnisse wohl eine irrige. Wir besitzen gerade von diesem Stadium eine recht erheb- liche Anzahl von Präparaten und können, uns auf diese stützend, den Vorgang, welcher sich in dem antimesometralen Theil der Uterushöhle, gelegentlich schon um diese Zeit, meist aber erst etwas später, abspielt, wesentlich anders darstellen. Dass an der genannten Stelle eine Vermehrung der Kerne einträte, wie sie Duval(2) beschreibt, haben wir nie gesehen. Nach unseren Beobachtungen gestaltet sich dieser Vorgang wesent- lich anders, wie wir später beschreiben werden. Die Implantation des Eies der Maus etc. 547 Betrachtet man die von Duval (2) zur Illustration des von ihm beschriebenen Vorganges gegebene Figur (Taf. VII, Fig. 77), so drängt sich einem unwillkürlich eine andere Deutung derselben auf. Wir haben bei einer Reihe von Präparaten ganz ähnliche Bilder gesehen, allerdings im Haupttheil der Uterushöhle selbst, wo sich das bisher stets einschichtige Epithel in ein mehrschich- tiges verwandelte, und jedesmal handelte es sich unzweifelhaft um einen Flachsehnitt. Wir glauben deshalb nicht fehl zu gehen, wenn wir für die genannte Abbildung Duval’s die gleiche Er- klärung in Anspruch nehmen. Duval (2) hält diesen Flachschnitt anscheinend für das in Frage stehende Stadium, weil das von ihm als nächstfolgendes beschriebene sehr viel älter ist, und deshalb für die Beurtheilung dieses Vorganges nicht mehr in Betracht kommen kann. Infolge dessen ist ihm auch die klare Vorstellung über das Wesen des- selben entgangen. Offenbar hat Duval (2) nicht die genügende Anzahl von Zwischenstadien zur Verfügung gehabt, oder es ist ihm bei der Auffassung der von ihm beobachteten ein Irrthum unter- gelaufen. Hierher gehört auch die Beschreibung Duval’s von jenem Stadium, das er für 7 Tage alt hält. Er beschreibt nochmals eine Anschwellung und Verdichtung der Uterusschleimhaut in der Nähe der Embryonalanlage, die aber schon, wie wir oben gesehen haben, am Ende des 5. oder Anfang des 6. Tages sich einstellt; er hält die von ihm beschriebenen Präparate also für älter, als sie wirklich sein können. Man findet sehr oft bei älteren Ovulis eine relativ geringe Epithelveränderung, dagegen schon starke Umwandlungen der Schleimhautzellen in der Nähe der Deeiduahöhle. Es kann sich also das Ovulum verschieden spät in die Schleimhaut einsenken, aber seine Anwesenheit in der Uterushöhle allein genügt von einem gewissen Zeitpunkt an schon, eine Reaction der Schleim- haut zu bewirken, ohne dass es mit dem Epithel in Berührung steht. An Präparaten, die wenig älter sind, also etwa der Grenze des 5. und 6. Tages entsprechen, liegt das Ovulum noch frei in der Uterushöhle, aber etwas näher an der Wand derselben, das Epi- thel ist dabei noch etwas schmäler geworden. In der dieses Stadium darstellenden Fig. 3, Taf. XXVI ist das Ovulum von dem dünnen Epithel der Uterushöhle etwas stärker abgegrenzt 548 Georg Burekhard: gezeichnet worden, als es gerade an diesem Schnitt zu sehen war: es ist dies deshalb geschehen, weil bei der schwachen Ver- grösserung eine Abgrenzung sonst nicht möglich gewesen wäre und es dann den Eindruck erweckt hätte, als ob die äusserste Zelllage des Ovulum schon mit der Wand der Einbettungsstelle verschmolzen wäre. An den nächstfolgenden Schnitten ist dieser schmale Raum zwischen Ovulum und Epithel sehr viel deutlicher sichtbar. Das Epithel der Uterushöhle ist unverändert, der Ueber- gang desselben in die schmalen Zellen der Eieinbettungstelle ein schroffer. Die Schleimhautveränderungen sind fast gar nicht weiter fortgeschritten, nur finden sich etwas weniger Drüsen, und es reicht die deciduale Veränderung etwas weiter nach der Peripherie zu. In der ersten Hälfte des 6. Tages hat sich das Ovulum meist schon an die Wand der Deciduahöhle angesetzt, und diese beginnt bereits, sich gegen die eigentliche Uterushöhle hin abzu- schliessen. An der Stelle, an welcher das Ovulum liest, wird die letztere immer stärker ausgebuchtet. Das. Epithel wird immer mehr abgeflacht unter dem Druck der wachsenden Deeidua einerseits, vielleicht auch durch den Druck des Ovulum von der anderen Seite. Durch die Dehnung entstehen wahrscheinlich direet Lücken im Epithel, und die übrig bleibenden Reste der Epithelzellen gehen schliesslich vollständig zu Grunde. Merk- würdig ist dabei aber, dass man nie, wie an anderen Stellen, an welchen sich ein ähnlicher Vorgang abspielt, Reste der Zellen oder ihrer Kerne sieht. Es lässt sich das wohl nur daraus erklären, dass das Epi- thel hier in einer so extremen Weise abgeplattet war, dass über- haupt nur wenige Kerne in Frage kommen, deren Reste sichtbar sein könnten. Vielleicht ziehen sich auch die Epithelzellen, welche durch den Druck der Deeiduazellen ihren Zusammenhang unter einander verloren haben, nach dem übrigen Epithel hin zurück, wo man dann sowohl an dem völlig abgeschnürten Theil der Uterusbucht, wie auch an dem gegen die Deeiduahöhle grenzen- den Theil des Hauptabschnittes des Uteruslumen deutliche De- generationserscheinungen sieht. Jedenfalls findet man in dem Abschnitt der Uterushöhle, welcher zur Deeiduahöhle wird, schon sehr bald nach Festsetzung des Ovulum kein Epithel mehr, son- dern die Höhlung wird direct von Deciduazellen begrenzt. Da Die Implantation des Eies er Maus etc. 549 auch sehr stark abgeplattete und dünn ausgezogene Epithelzellen, wie 7. B. bei den in Absehnürung begriffenen Drüsen sehr deutlich sicht- bar sind, würde man selbst äusserst stark abgeplattete Uterusepithe- lien, falls solehe noch vorhanden wären, unschwer erkennen müssen. Während also diese Art des Verschwindens der wenigen übrig gebliebenen stark gedehnten Epithelzellen nicht besonders auffällt, lässt sich das Zugrundegehen des Epithels bei den Prä- paraten, bei welchen eine Dreitheilung der Uterushöhle besteht, an dem antimesometral von der Deeiduahöhle gelegenen Theil des Uteruslumen in allen Einzelheiten genau verfolgen. Zunächst beginnt eine Desquamation der Epithelzellen in der ganzen Ausdehnung des genannten Raumes; die von ihrer Unterlage abgehobenen Zellen verfallen anschemend der hyalinen Degeneration, oder es tritt Karyolyse ein. Zuletzt ist die ganze Höhle ausgefüllt mit Epitheltrümmern und Chromatinresten (Fig. 15, Tafel XXVII). Der Abschluss der Deeiduahöhle gegen das Uteruslumen erfolgt durch starke Entwiekelnng des nach dem Mesometrium zu gelegenen Theiles des Ovulum, der unter dem Namen Ekto- placentarconus oder Träger bekannt ist. Dadurch, dass dieser Ektoplacentarconus grösser wird, füllt er das Lumen an der Grenze zwischen Deceiduahöhle und Uteruslumen vollständig aus und bewirkt so einen zunächst wahrschemlich pur mechanischen Abschluss, dem erst später eine organische Verbindung desselben mit der Umgebung folgt (Fig. 15, Tafel XXVII), In der Schleimhaut finden sich zahlreiche in Abschnürung begriffene Drüsen. Duval (2) verlegt den Beginn der Trennung zwischen Deeidua- höhle und Uteruslumen erst auf den 8. Tag; seine diesbezügliche Beschreibung weist, abgesehen von dem Irrthum in der Zeit, nichts Besonderes auf. Um die Mitte des 6. Tages (Fig. 5, Tafel XXVI) ist der Abschluss zwischen Deeiduahöhle und Uteruslumen definitiv erfolgt. Letzteres setzt sich im Anschluss an den Ektoplacentar- conus nach dem Mesometrium zu unverändert fort und zwar so- wohl in Bezug auf seine Weite als auch in Bezug auf sein Lumen. An der Eieinbettungsstelle hört das Epithel ganz plötzlich auf, in dieser selbst ist jetzt keine Spur mehr davon zu finden, die Zellen der Deeidua setzen sich vielmehr unmittelbar an die äussere 990 Goorg Burcekhard: Zellschieht des Ovulum an. Der antimesometrale Rest der Uterus- höhle ist in der vorhin beschriebenen Form noch vorhanden. Die decidual umgebildeten Zellen sind sehr gross, rundlich, polygonal und besitzen einen grossen rundlichen Kern mit einem oder mehreren Kernkörperchen und einem feinen Chromatingerüst, das sich hauptsächlich in der Peripherie der Kerne ansammelt. In unmittelbarer Nähe der Deciduahöhle sieht man auch eine Anzahl von platten Zellen mit länglich geformten Kernen, die nach der antimesometralen Seite zu in Reihen angeordnet strahlen- förmig sich unter die übrigen Deciduazellen verlieren. Zwischen diesen findet sich eine andere Art von länglich gestalteten Zellen, welche von Gefässsprossen herstammen. Zwischen all diesen Zellen liegen nicht weuige Leukocyten, die in allen drei Zonen der Schleimhaut zu beobachten sind. Sie sind regellos in das Gewebe eingestreut, zahlreiche davon sind ausgesprochen eosinophil. Kerntheilungsfiguren sind vorhanden, stellenweise in nicht unbeträchtlicher Anzahl. Man muss sie nach der Form der Zellen, in welchen sie liegen, in zwei verschiedene Gruppen theilen. Die einen sind rundlich und bieten ein Anzeichen für die Thei- lung der eigentlichen Deeiduazellen. Die zweite Art dagegen ist auffallend lang gezogen, ihr Vorhandensein ist bedingt durch eine Theilung der Elemente der Gefässwand bei der Vermehrung der Gefässe in der Schleimhaut. Die Kerntheilungsfi&uren, be- sonders der ersten Art, finden sich hauptsächlich in der oben ge- nannten Zwischenzone, weniger oder gar nicht in der peripheri- schen Zone relativ unveränderter Schleimhaut und fast gar nicht in den vollständig deeidual veränderten central gelegenen Partieen. In der ganzen Schleimhaut vertheilt sieht man vereinzelte, unregelmässig verstreute erweiterte Capillaren, nicht eigentliche Blutsinus, im Gegensatz zu den später auftretenden richtig sinus- artig dilatirten Capillaren. Sie besitzen eine Wandauskleidung von platten Endothelzellen und stehen nicht in direetem Zu- sammenhang mit der Eieinbettungstelle. Eine besondere An- häufung derselben nach dem Mesometrium zu, wie sie Duval (2) jetzt schon beobachtet haben will, ist nicht nachzuweisen, im Gegentheil finden sich auch amı gegenüberliegenden Theil, un- mittelbar unter der Ringmuskulatur zahlreichere Räume, die theils mit Blut gefüllt sind, theils durch ihre Endothelauskleidung sich als dilatirte Capillaren documentiren. Die Implantation des Eies der Maus etc. 551 Von Drüsenlumina ist auf den Querschnitten, die das Ovu- lum in seiner grössten Ausdehnung treffen, wenig zu sehen, nur vereinzelte Querschnitte finden sich, und zwar in den Seitenpartieen, dieht unter der Ringmuskulatur. In den Querschnitten ober- und unterhalb der genannten Stelle treten die Drüsen zahlreicher auf, und man kann hier ausser den Querschnitten auch schräg- und schief getroffene Lumina sehen; ihr Vorhandensein ist aber auch hier meist auf die peripherischen Abschnitte des Querschnittes beschränkt. Der Zwischenraum zwischen Deeiduahöhle und Uteruslumen verbreitert sich (2. Hälfte des 6. Tages, Fig. 6, Tafel XXV]) er wird eingenommen durch eine breite Brücke, die zum grössten Theil aus Blut und einigen Deciduazellen besteht. In der un- mittelbaren Umgebung der Deeiduahöhle finden sich die bereits erwähnten schmalen langgestreckten Deeiduazellen; sie reichen sogar bis in die Gegend des Uteruslumen. Uebrigens zeigen nicht alle Präparate eine derartige Abflachung der der Deeidua- höhle benachbarten Zellen. In dem dieses Stadium charakterisirenden Präparate, von welchem Fig. 6, Taf. XXVI entnommen ist, hat sieh offenbar das Ovulum in einer sehr tiefen Bucht des Uteruslumen festgesetzt. Auffallend ist es, dass ungefähr von dieser Zeit an (Ende des 6. Tages) sich constant in der Nähe des Ovulum ein mehr oder weniger grosser Bluterguss findet; diese Blutungen können unter Umständen sogar eine recht erhebliche Grösse erreichen und so den ganzen Raum zwischen Deciduahöhle und Uteruslumen ein- nehmen, ja sogar auch noch in letzteres hinein reichen. Dabei drängt sich naturgemäss die Frage auf, woher die auf einmal auftretende Blutung kommt. Wahrscheinlich stammen diese Blutungen aus einer der grossen Capillaren, welche unmittelbar in der Nähe der Decidua- höhle gelegen sind. Bei der Constanz dieser Erscheinung möchten wir vermuthen, dass es sich hier um einen physiologischen Vor- sang handelt, der vielleicht mit zur Ernährung des Ovulum oder der Deeiduazellen dient. Man findet nämlich, wie gesagt, später immer in der Nähe des Ovulum Blutungen, die offenbar keinerlei Gerinselbildung erfahren und vielleicht noch mit Gefässen in Communteation stehen. Anscheinend werden sie jedoch theilweise von den angrenzenden Deeiduazellen aus resorbirt (s. u. 8. 562). 552 Georg Burcekhard: An der Hand einiger Abbildungen (Fig. 15—18, Taf. XXVII) bei stärkerer Vergrösserung als die Figuren, welche als Ueber- siehtsbilder dienen, von Präparaten, welche das Uteruslumen, die (spätere) Deeiduahöhle und die zu Grunde gehenden Reste des durch die wachsende Decidua abgeschnürten Uterusepithels zeigen, möchten wir noch einmal ausführlicher auf den Modus, wie das Ovulum von der Uterushöhle in die nackte Schleimhaut gelangt, eingehen. Nach erfolgtem Abschluss zwischen Deeiduahöhle und Uterus- lumen (erste Hälfte bis Mitte des 6. Tages, Fig. 15, Taf. XXVII) ist letzteres im unmittelbaren Anschluss an den Ektoplacentarconus von gewöhnlicher Weite, die Epithelzellen zeigen keinerlei Ver- änderungen. Nach einiger Zeit beginnt das Uteruslumen dicht am Placentarconus sich zu verschmälern; gleichzeitig zeigt das Epithel in diesem Abschnitt Degenerationserscheinungen. Es wird unregelmässig, verliert seine epitheliale Anordnung und eylindrische Form, erhält dagegen unregelmässig geformte Kerne (Fig. 16, Tafel XXVII). So geht allmählich hier das Epithel zu Grunde, wahrscheinlich durch Druck der wachsenden Deeidua. So obliterirt ein weiterer Theil der Bucht, in welehe das Ovulum sich festgesetzt hatte. Nach und nach wird ein weiterer Theil der Uterushöhle ganz schinal und spaltförmig (Fig. 17, Taf. XXVII), sein Epithel geht ebenfalls zu Grunde. Schliesslich verschwindet auch dieser schmale Abschnitt des Uteruslumen noch völlig, und es besteht nunmehr zwischen Deeiduahöhle und Uteruslumen eine mehr oder weniger breite Brücke, die gebildet wird aus Deeidua- zellen, welche sich nun von beiden Seiten her unter der Basis des Ektoplacentarconus in der Mitte zusammenschliessen. Dieser Vorgang erfolgt jedoch nicht in der Weise, dass etwa an dieser Stelle eine besonders starke Vermehrung der Deciduazellen statt- fände, es werden vielmehr die einzelnen Zellelemente durch ihre eigene Vergrösserung und durch Druck der ebenfalls wachsenden Nachbarelemente mechanisch nach diesem Raum herübergedrängt. Die Degeneration des Epithels scheint sich auf die ganze Länge der seitlichen Einbuchtung des Uteruslumen, in welcher sich das Ovulum festgesetzt hatte, zu erstrecken, so dass schliesslich diese Bucht völlig verstreicht. So verkleinert sich die Uterus- höhle allmählich immer mehr und mehr, und auch auf Fig. 18, Tafel XXVIII ist dieselbe noch nieht so redueirt, dass die ur- Die Implantation des Eies der Maus ete. 5583 sprüngliche Bucht völlig verschwunden ist. Noch in wesentlich späteren Stadien (Fig. 7 u. 8, Taf. XXVII) findet durch weitere Epitheldesquamation, Karyolyse etc. eine fortschreitende Verkleine- rung des Lumen statt. Die Deeiduabrücke zwischen Decidua- höhle und Uteruslumen wird immer breiter, so dass letzteres schliesslich als ganz kleiner Querschnitt weit nach dem Meso- metrium zu gedrängt liegt; sie enthält dann, ebenso wie die Deeidua in ihrer Umgebung, dilatirte Capillaren, unter Umständen auch einmal eine grössere mit Blut gefüllte Höhle. Wir haben bisher nur Querschnittsbilder der Uterushörner für die Betrachtung der Veränderungen des Uteruslumen, der Abschnürung der Deeiduahöhle u. s. w. benutzt. In der That sind diese für die Beurtheilung der meisten Verhältnisse recht günstig, haben jedoch insofern Nachtheile gegenüber Längs- schnitten, als man die Obliteration der seitlichen Uterusbucht nicht so unmittelbar verfolgen kann, wie auf letzteren. Längsschnitte durch eine Anschwellung des Uterushornes, welche so orientirt sind, dass sie durch den Ansatz des Meso- metrium bis zu der gegenüberliegenden Seite des Uterus reichen, geben über die genannte Erscheinung den besten Aufschluss. Leider gelingt es wegen der zahlreichen Krümmungen des Uterus- lumen und der vielen complieirten Faltenbildungen nur äusserst schwer, einigermaassen genau orientirte und übersichiliche Längs- schnittbilder zu erhalten. Wir verziehten daher hier darauf, vollständige Längsschnitte abzubilden, da dieselben zahlreiche, die Uebersichtlichkeit störende Momente enthalten würden. Drei schematische Längsschnittbilder, welche wir als Textfiguren geben, werden diese Verhältnisse wesentlich besser erläutern. Der erste derselben geht durch eine erst schwach ausge- prägte und wenig eircumseripte Uterusanschwellung um das Ende des 5. Tages, also zu emer Zeit, wo zwar schon deutliche de- ciduale Veränderungen vorhanden sind, ohne dass das Ovulum in der Uterusbucht, in welcher es sich befindet, bereits festen Fuss gefasst hätte. Wir sehen in der Uterusschleimbaut diesseits und jenseits der Anschwellung zahlreiche Buchten, welche an der antimesometralen Seite sehr viel stärker ausgebildet sind als an der mesometralen, was schon daraus hervorgehen muss, dass die Schleimhaut nach der erstgenannten Seite zu dieker und das Lumen excentrisch gelegen ist. Im einer dieser Buchten findet 294 Georg Burckhard: sich das Ovulum innerhalb einer leicht verdiekten und geschwellten Schleimhaut, in deren Nachbarschaft die Schleimhautbuchten etwas Textfie. 2. Längsschnitt durch das Uterushorn einer Maus uın die Mitte des 5. Tages der Trächtigkeit (schematisirt). Vergr. 30:1. — ul = Üterus- lumen. 5b = Uterusbucht, 0% = Ovulum, gl= Drüsen, mm = Meso- metrium, rm = Ringmuskulatur, im = Längsmuskulatur. N Ih NA NN If \ \\ \\ N \ If (I Textfig. 3. Längsschnitt durch das Uterushorn einer Maus um die Mitte des 6. Tages der Trächtigkeit (schematisirt). Vergr. 30:1. 3ezeichnungen wie bei Fig. 2. zurückgedrängt sind. Die Uterindrüsen sind entsprechend dem vorher nach Quersehnitten geschilderten Verhalten im Bereich Die Implantation des Eies der Maus ete. 555 der eigentlichen Anschwellung in der Nähe der das Ovulum ber- genden Schleimhautbucht auf die Seite geschoben. Ein älteres Stadium stellt Textfigur 5 dar (etwa Mitte des 6. Tages). Wir sehen, dass die deeiduale Anschwellung bedeu- tend stärker geworden ist. Die Bucht, in welcher das Ovulum liegt, zeigt die beschriebene Dreitheilung; der Ektoplaeentarconus des Embryo schliesst den antimesometralen Theil der Schleim- Textfig. 4. Längsschnitt durch das Uterushorn einer Maus am Ende des 7. Tages der Trächtigkeit (schematisirt). Vergr. 30:1. Bezeichnungen wie bei Fig. 2. hautbucht gegen den mesometralen völlig ab. Letzterer hängt noch mit dem Uteruslumen zusammen, und dieses eommunieirt frei mit den diesseits und jenseits der Anschwellung gelegenen Theilen des Uterusabschnittes. Zuletzt betrachten wir einen Längsschnitt dureh ein Stadium, welches etwa dem Ende des 7. Tages entspricht; es ist dies eine Zeit, in welcher die Uterusbucht, welche das Ovulum auf- genommen hat, schon völlig obliterirt ist. Wir sehen jetzt im Bereich der nun bereits mächtigen Deeiduaanschwellung das eigentliche Uteruslumen in Gestalt eines schmalen Spaltes ohne jede Spur von Buchten. Die Deeiduahöhle mit dem Ovulum ist 556 Georg Burekhard: durch eine breite «deeiduale Brücke vom Uteruslumen getrennt. Letzteres communieirt wie früher auch, jederseits der Anschwel- lung frei mit dem Lumen der nicht veränderten Theile des Uterushornes. (rehen wir wieder einen Schritt in der Entwiekelung weiter (Anfang des 7. Tages, Fig. 7, Taf. XXVIN, so hat die Uterus- schleimhaut gegenüber den bisher beschriebenen Stadien wieder eine Reihe von Veränderungen aufzuweisen. Die deciduale Un- wandlung der einzelnen Schleimhautzellen, die sich bisher haupt- sächlich in der Umgebung der Deciduahöhle abgespielt hatte, ist jetzt bedeutend weiter nach dem äussersten Rand des Quer- schnittes zu fortgeschritten, so dass sich vollständig unveränderte Schleimhaut nur noch in der entferntesten Peripherie, unmittelbar innerhalb der Ringmuskulatur in ganz schmaler Zone findet. Die Zone rein decidualer Zellen hat sich also weiter ausgedehnt auf Kosten der eben genannten Zone unveränderter Schleimhaut und der früher erwähnten Uebergangszone, die beide mehr oder weniger verschmälert sind. Die schon wiederholt beschriebene mehrschichtige Zone länglicher Deciduazellen, die sich an die distalste Zellreihe des Ovulum ansetzt, zeigt auch unser Präparat. Die grossen runden Deciduazellen haben an Grösse erheblich zugenommen. Kerntheilungsfiguren sind in einzelnen Exemplaren noch vorhanden, sie finden sich meist in der Uebergangszone der kleineren in die grösseren Zellen. Die am meisten in die Augen fallenden Veränderungen haben die Capillaren erfahren, und zwar besonders an den Stellen, die seitlich von der Trennungszone der Deciduahöhle vom Uterus- lumen liegen. Hier findet man nämlich ein im wesentlichen transversal angeordnetes Netz, welches aus verschieden stark, theilweise sogar sinusartig dilatirten Capillaren gebildet wird. Durch diese erweiterten, spaltförmigen Bluträume werden die Deciduazellen in einzelne, theils rundliche, theils säulenförmig angeordnete Zellhaufen getrennt. Diese Gefässvermehrung_ er- streckt sich ausschliesslich auf die genannte Zone und erreicht an keiner Stelle die Peripherie. Die Stelle, an welcher die beschriebenen Vorgänge an den Gefässen sich abspielen, entspricht der späteren Placenta. Dass an dieser Stelle, also zwischen Deeiduahöhle und Uteruslumen, die Placenta später zur Entwiekelung gelangt, ist vielleicht im Die Implantation des Eies der Maus ete. 557 ersten Augenblick etwas befremdlich. Diese topographische An- ordnung ändert sich aber im weiteren Verlaufe der Entwickelung; wenn diese späteren Vorgänge auch streng genommen nicht in den Bereich unserer Arbeit gehören, müssen wir sie doch der Vollständigkeit halber in Kürze hier streifen. Wir wissen durch anderweitige Untersuchungen, dass — auf welche Weise dies zu Stande kommt, ist allerdings noch nicht sicher nachgewiesen — später das Uteruslumen an der mesometralen Seite völlig ob- literirt und statt dessen auf der antimesometralen Seite erscheint; dementsprechend findet man auch bei den älteren Stadien die Placenta mesometralwärts von der Deciduahöhle wie auch der Ektoplacentarconus sich eben nach dieser Seite hin bildet, und auch die starke Ausbildung der Gefässe keinem anderen Zwecke dienen kann, als zur Anlage der Placenta. Die Drüsen sind Anfang des 7. Tages auf dem Querschnitt äusserst spärlich und meist in die peripherischen Partieen des Schnittes verdrängt; hier findet man einzelne quer getroffene Drüsenlumina. Aber auch m dieser späten Zeit kann man noch vereinzelte langgezogene und in Abschnürung begriffene Drüsen sehen, die zum Theil mit ihrem einen Ende dieht am Uterus- lumen liegen und sich von hier bis nahe an die Ringmuskulatur erstrecken (Fig. 13, Taf. XXVII). Mitunter sind aber die Drüsen nicht so vollständig an den Rand gedrängt, wie eben beschrieben, sondern es erhält sich gelegentlich an einer dem Mesometrium genau gegenüberliegenden Stelle ein Abschnitt unveränderter Schleimhaut mit zahlreicheren Drüsen, wie dies in Fig. 12, Taf. XXVI dargestellt ist. Nach und nach findet eine immer reichlicher werdende Entwickelung von Capillaren statt (Mitte des 7. Tages, Fig. 8, Tafel XXVII); sie dehnen ihren Verbreitungsbezirk aus, indem sie seitlich weiter nach der Peripherie zu fortschreiten und gleich- zeitig auch in der umittelbaren Umgebung des Uteruslumen auf- treten. Ausserdem sieht man von dieser Zeit an als constanten Befund Bluträume in der Nähe des Ovulum entstehen. Das Blut hat sich, offenbar aus einer der gewaltig dilatirten Capillaren in grosser Menge in die Umgebung des Ovulum hin ergossen und bildet eine mehr oder weniger breite Schicht, die, einer eigenen von Endothelzellen ausgekleideten Wand entbehrend, einerseits x 558 Georg Burcekhard: von den distalen Ektodermzellen des Ovulum, andererseits von den Deciduazellen begrenzt wird. Die Obliteration des Uteruslumen, resp. des Restes der seitlichen Schleimhautbucht, in der das Ovulum liegt, schreitet weiter fort, bis, etwa in der zweiten Hälfte des 7. Tages, von der Bucht selbst nichts mehr zu sehen ist, und nur noch auf dem Querschnitt eine kleine Lichtung, das Uteruslumen selbst, ohne Buchten übrig geblieben ist (Fig. 9, Tafel XXVID). In Theilen der Deeidua, welche dem Ovulum am nächsten liegen und die genannten Bluträume begrenzen, findet man ausser einigen etwas abgeplatteten kleineren Zellen die grössten Deciduazellen, welche bereits jetzt als Riesenzellen bezeichnet werden können. Alle bereits stärker hypertrophirten Elemiente der Deeidua, nicht bloss die grössten in der Nähe des ÖOvulum, sind jetzt zwei- oder mehrkernig. Während die Umgebung der Eiimplantations- stelle wie überhaupt der gesammte antimesometrale Abschnitt der Uterusschleimhaut die stärksten decidualen Veränderungen zeigt, fehlen solche jetzt auch in der mesometralen Hälfte, also auch in der Nähe des Uteruslumen nicht. Es sind also jetzt auch Theile der Uterusschleimhaut in Umbildung zur Deeidua begriffen, welche bisher noch wenig oder gar keine Veränderungen gegenüber der nicht graviden Schleimhaut zeigten. Auch hier haben sich die Zellen vermehrt und sind grösser geworden. Auch in der Zone der grossen Deeiduazellen sieht man Mitosen; wahrscheinlich handelt es sich um solche, welche nur zu einer Theilung der Kerne, nicht der Zellen (s. u. S. 560) führen. Dagegen findet in der schmalen Randzone unveränderter Schleimhaut eine Ver- mehrung der Zellen statt, ähnlich wie in der mesometralen Hälfte der Schleimhaut. Die Brücke zwischen Deeiduahöhle und dem Uteruslumen ist relativ schmal, während sie in einem nur wenige Stunden älteren Stadium (Fig. 9, Taf. XXVII) sehr viel breiter ist. Dieser Unterschied hängt wohl mit der Tiefe der Schleimhautbucht, in welcher sich das Ovulum angesiedelt hat, zusammen; ausserdem ist bei dem einen Präparat (Fig. 8, Tafel XXVI) der aus der Dreitheilung resultirende, zu Grunde gehende Rest der Bucht noch vorhanden, der auf dem anderen Querschnitt (Fig. 9, Taf. XXVII) abgebildet ist. Es hat die weiter nach dem Mesometrium zu er- folgte Einbettung des Eies natürlich auch einen nicht zu unter- Die Implantation des Eies der Maus ete. 559 schätzenden Einfluss auf die Breite der späteren Deeiduabrücke zwischen Uteruslumen und Eiimplantationstelle. Gegen Ende des 7. Tages (Fig. 9, Taf. XXVII) ist, wie erwähnt, der letzte Rest der Schleimhautbucht meist völlig ob- literirtt, und es beginnen nun die Capillaren an der späteren Placentarstelle diesen ganzen Raum zu durchsetzen. Dies nimmt am 8. Tag (Fig. 10, Tafel XXVIII) immer mehr zu. Auch die Umbildung der Schleimhautzellen in Deeiduazellen ist weiter nach der Peripherie zu vorgeschritten, so dass von unveränderter Schleimhaut überhaupt fast nichts mehr zu sehen ist. Der antimesometral von der Deeciduahöhle gelegene Rest des Uteruslumen fängt meist schon früher an zu verschwinden (Fig. 8, Taf. XXVI) und zwar durch ähnliche Vorgänge, wie wir sie mesometralwärts von der Deeiduahöhle beschrieben haben. Auch hier beginnen die Deciduazellen sich von der Seite her in den mit Zelltrümmern, rothen Blutkörperchen und Leukoeyten gefüllten Raum hereinzuschieben. Eine besondere Ausbildung haben die Deeiduazellen, die im allgemeinen vom Centrum nach der Ringmuskulatur zu an Grösse abnehmen, an der Stelle erfahren, welche der Deeidua capsularis entspricht. Hier liegen die allergrössten Zellen, während die nach der Placentarstelle zu gelegenen wesentlich kleiner sind. Ausserdem finden sich in der Umgebung der Deeiduahöhle jetzt besonders grosse Bluträume, die, wie erwähnt, von der dünnen Lage des Ektoderms des Embryo einerseits, von den Deeiduazellen andererseits begrenzt werden. Unter letzteren wei- sen vereinzelte, aber nicht gerade wenige Zellen ganz eigenthüm- lich grosse, gelappte Kerne auf, die schon bei der Betrachtung mit mittleren Vergrösserungen auffallen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir kurz auf den feineren Bau der Deeidua capsularis eingehen, ohne näher bei den cellular- histologischen Details zu verweilen. Die Elemente der (späteren) Decidua capsularis s. reflexa sind die grössten Zellen, welche die Decidua überhaupt bildet. In späteren Entwickelungsstadien, etwa um die Mitte der Trächtig- keit erreichen sie eine Grösse von 128 u, die Kerne von 40 u. (Die grössten Zellen sind auch jetzt diejenigen, welche dem Ovulum am nächsten liegen). Da die Zellen der nicht graviden Uterusschleimhaut nur 12 u messen, beträgt also die Vergrösserung 560 Georg Burchbard: jeder einzelnen Zelle in extremo etwa das tausendfache. Diese enorm grossen Zellen mit ihrer riesigen Protoplasmamasse dürften ein vor- zügliches Object für Protoplasmastudien abgeben. Die grosse Mehr- zahl der Zellen der Deeidua eapsularis ist im ausgebildeten Zustande zweikernig. Wie diese Erscheinung zu Stande kommt, werden wir unten sehen. Zuerst wollen wir kurz auf die während der Entwickelung der Deeidua auftretenden mitotischen Theilungen der Zellen eingehen. Die Mitosen der Deeiduazellen haben nur in den jüngeren Zellen das gewöhnliche Aussehen anderer Mitosen mit regelmässigen Chromosomen; man sieht sie in den verschiedensten Formen, vom ersten Anfang bis zur vollendeten Zelltheilung. Dazwischen findet man ziemlich zahlreiche Mitosen in Gefässsprossen, mit denen wir uns jetzt nicht zu beschäftigen haben. Je älter die untersuchten Präparate sind, desto mehr Mitosen findet man, welche ihren typischen Charakter verlieren; sie be- sitzen sehr viel weniger ausgesprochene Sehleifenform der Chromo- somen. Je grösser die Zelle ist, in welcher sie liegen, desto stärker ist auch ihre Unregelmässigkeit, desto mehr ähneln sie in ihrem Aussehen unregelmässigen, mitunter auch pluripolaren Mitosen (Fig. 20, Taf. XXVIIN)). Während die regelmässig aussehenden Mitosen auch zu einer normalen Zelltheilung führen, ändert sich dies bei den un- regelmässigen; diese bewirken anscheinend nicht mehr eine Thei- lung der ganzen Zelle, sondern nur eine solche des Kermes. Dies beginnt schon, wenn die Schleimhautzellen die ersten deeidualen Umwandlungen erfahren, also schon zu einer verhältnissmässig früihen Zeit der Gravidität. Und so findet man thatsächlich auch in den frühen Stadien vereinzelte, in den späteren fast ausschliess- lich Deciduazellen mit doppeltem Kern. Die gleiche Erscheinung lässt sich auch an ein und demselben Uterusquerschnitt verfolgen: je näher man sich an der Peripherie befindet, desto mehr findet 1) Da bei letztgenannten Mitosen die achromatischen Figuren äusserst undeutlich sind, kann man nur aus eigenthümlichen Lage- rungen der Chromosomen — aber auch nicht mit Sicherheit — auf Pluripolarität schliessen. Nicht genügende Conservirung kann nicht der Grund für diese Erscheinung sein, denn man findet die Mitosen gewöhnlicher Form dicht neben den unregelmässigen im selben Schnitt (Fig. 20, Tafel XXVIII). Die Implantation des Eies der Maus ete. 561 man einkernige Zellen, je weiter man dagegen nach der Eiein- bettungstelle fortschreitet, desto häufiger werden die zweikernigen Zellen, bis man schliesslich in der unmittelbaren Umgebung der Deciduahöhle fast nur solehe sieht. Das Vorhandensein zweier Kerne in der Deciduazelle rührt nicht von einer Kerntheilung durch Zerschnürung; denn man findet niemals ein Anzeichen für diesen Vorgang, niemals Einziehungen am Kernleibe, die Kerne haben vielmehr fast stets eine ausgesprochen runde Contour. Um Durchschnitte der gleich zu erwähnenden gelappten Kerne kann es sich auch nicht handeln, da diese nie eine so genau runde, sondern stets eine unregelmässige Form aufweisen müssten. Manche von diesen Zellen, die sich durch eine ganz besondere (rösse auszeichnen, besitzen einen ganz unregelmässig gestalteten, vielfach gelappten Kern, einzelne sogar zahlreiche Kerne. Das Vorhandensein dieser merkwürdigen Erscheinung weist uns auf eine besondere Auffassung der Deciduabildung und -ver- mehrung hin. Während man bisher schlechthin von einer „Wuche- rung“ der Deeidua sprach, ohne sich darüber eine genauere Vor- stellung zu machen, auf welche Weise die Deeiduavermehrung erfolge, dürfte durch unsere Untersuchung der Beweis erbracht sein, dass die enorme Vergrösserung, welche die Uterusschleim- haut bei Bildung der Deeidua erfährt, zum allergrössten Theile auf eine Hypertrophie der zelligen Elemente, erst in zweiter Linie auf eine Hyperplasie, also eine Vermehrung der Schleimhautzellen, zurückzuführen ist. Sahen wir doch, dass anfangs eine Hyperplasie noch fast völlig fehlte, dass andererseits, sowie die Zellen eine gewisse Grösse erreicht haben, sie sich nicht weiter theilen, wohl aber noch auf das Mehr- und Vielfache ihres Volumen anwachsen. Man braucht sich nicht einmal vorzustellen, dass jede ursprüngliche Scehleimhautzelle auch nur auf die Hälfte der Grösse der vorhin erwähnten grossen Zellen anwächst, um lediglich durch Hyper- trophie der ursprünglich vorhandenen Zellen die gesammte Ver- grösserung der Uterusschleimhaut erklären zu können. In der That findet man nun aber auch einen gewissen Grad von Hyperplasie. Wir glauben auf Grund unserer Beobachtungen annehmen zu dürfen, dass etwa jede ursprüngliche Schleimhaut- zelle, nachdem sie durch geringe Hypertrophie sich vergrössert Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 37 562 Georg Burcekhard: hat, eine einmalige, höchstens wohl zweimalige mitotische Thei- lung erfährt. Noch einer weiteren Eigenthümlichkeit sei hier kurz ge- dacht, nämlich dass zahlreiche rothe Blutkörperchen im Bereich der grossen Deeiduazellen frei, d. h. ausserhalb der Gefässwand, intercellulär und anscheinend sogar intracellulär sich finden und dass diese ebenso wie die Zellen der grossen Blutergüsse in der Um- gebung des Ovulum durch die Deciduazellen gewisse Veränderungen erleiden. Man sieht nämlich, dass sehr viele Deeiduazellen, be- sonders die an letztgenannter Stelle liegenden, in ihrem stark streifigen Protoplasma rothe Blutkörperchen aufgenommen haben. Diese sind theils unverändert, theils findet man grosse röthliehe Schollen innerhalb des Zellleibes liegen. Man muss wohl an- nehmen, dass hier sich die Vorgänge einer Art von Phagoeytose abspielen, die durch Auflösung von rothen Blutkörperchen zur Ernährung der einzelnen Zellindividuen dienen. Schlussbetracehtungen. Die in Vorstehendem mitgetheilten Untersuchungen sind, wenn sie sich auch auf eine bestimmte Säugethierspecies allein beziehen, doch insofern von allgemeinerem Interesse, als bei diesem Thier Verhältnisse vorliegen, die nicht nur in Bezug auf die Entwickelung des Eies, sondern ganz besonders auch auf die Umbildungszustände der Uterusschleimhaut, die Ein- bettung des Eies u. s. w. dem bein Menschen sich findenden, beziehungsweise auf Grund der wenigen bisherigen Befunde zu postulirenden Verhalten gleichen. Bekanntlich können wir der Entwickelung nach 2 Typen von Säugethieren unterscheiden, wenn wir von der Entwickelung der niedersten Stufe derselben absehen. Fassen wir speciell die soge- nannten Deciduaten ins Auge, also diejenigen Säugethiere, bei denen es zur Bildung einer Decidua, d. h. zur Umbildung mütterlichen (Gewebes behufs Ernährung des Eies, also zur Bildung einer typi- schen Placenta kommt, so liegt der Hauptunterschied in der Ent- wiekelung des Eies darin, dass die eine Gruppe nach vollendeter Furchung relativ grosse, häufig sehr grosse, sei es kugelige oder eigenthümlich langgestreckte Keimblasen bildet, bei denen die Embryonalanlage sich auf der Oberfläche zeigt und infolge dessen Die Implantation des Eies der Maus ete. 363 auch die Keimblätter-(Primitivstreifen-)bildung auf der Oberfläche der Keimblase erfolgt. Der Embryo wird alsdann erst durch Bildung der Amniosfalten so wie bei den Vögeln und Reptilien von der Oberfläche in die Tiefe „verlagert“. Die zweite Gruppe von Säugethieren bildet nach vollendeter Furchung eine minimal kleine Keimblase mit entsprechend kleiner Höhlung, und die Embryonalbildung (Keimblätter-Primitivstreifen- bildung) erfolgt nicht an der Oberfläche, sondern von vorn herein durch einen eigenthümlichen Vorgang, der unter dem wenig passenden Namen der Keimblätterumkehr bekannt ist, in der Tiefe des Eies. Auf der Oberfläche der Keimblase dagegen, wenigstens an einem besonderen Theil derselben erfolgt lediglich die Festsetzung im Uterus, wodureh die Placentarbildung einge- leitet wird. Bei der ersten Gruppe von Säugethieren, also denjenigen, welche eine grosse Keimblase mit oberflächlicher Primitivstreifen- bildung besitzen, liegen die Keimblasen längere Zeit hindurch frei im Uteruslumen und nehmen von hier aus ihre Festsetzung an der Uteruswand vor. Zu dieser Gruppe gehören von ausge- prägten Placentaliern vor allem die Raubthiere; ferner auch eine Anzahl von Nagern, wie das Kaninchen. Bei ersteren zum Beispiel wird die frei im Uteruslumen lie- gende Keimblase durch resistente von den Uterindrüsen abgesonderte Schleimfäden, welche mit der Zona pellueida des Eies zusammen- hängen, provisorisch fixirt (Bonnet). Sie macht also einen be- trächtlichen Theil ihrer Entwickelung frei im Uteruslumen durch, nur durch vergängliche Gebilde befestigt. Erst in viel späterer Zeit kommt es zur Bildung der Placenta und damit zur defini- tiven Fixirung fötaler Theile an der Uteruswand. Bei der zweiten Gruppe dagegen, also bei den Säugethieren, welche die sogenannte Keimblätterumkehr zeigen, findet eine, gerade durch diesen Vorgang eingeleitete, äusserst frühzeitige Festsetzung des Eies in der Uterusschleimhaut statt, welche in der Weise vor sich geht, dass das Ei sehr bald das Uteruslumen verlässt und in die Schleimhaut selbst eingebettet wird; es liegt zu einer Zeit, wo vo» Keimblätterbildung (Primitivstreifen) noch keine Rede ist, bereits ohne jeden Zusammenhang mit dem Uteruslumen fest in der Uterusschleimhaut eingebettet. Die gewöhnliche Bezeichnung hierfür ist die, dass die be- 564 Georg Burcekhard: treffenden Thiere eine Deeidua reflexa oder capsularis bilden, d. h. das Ei liegt rings herum von Decidua umgeben und durch sie vom Uteruslumen getrennt. Zu dieser Gruppe gehören z. B. einige Nager (Muriden und Cavia), Affen und der Mensch; einige andere Formen scheinen Uebergänge zu der anderen Gruppe zu bilden wie die Fledermäuse (van Beneden). Beim Menschen sind zwar die frühesten Entwickelungsstadien des Eies noch nicht beobachtet worden, insbesondere noch nicht die für diese Gruppe von Säugethieren charakteristische Art der Festsetzung in der Schleimhaut und die Keimblätterumkehr. Da es jedoch keinem Zweifel unterliegen kann, dass das Vorhanden- sein einer sogenannten Deeidua capsularis mit der Keimblätter- umkehr im Zusammenhang steht, wie bei allen übrigen oben erwähnten Formen dieser Gruppe, da die Keimblätterumkehr nichts anderes ist, als ein Modus der frühzeitigen Festsetzung des Eies in der Uterusschleimhaut, so können wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen und behaupten, dass auch beim Menschen die Entwickelung des Eies und seine Festsetzung in der Uterus- schleimhaut nach dem gleichen Modus erfolgt wie bei den Muriden, zumal auch die frühesten bisher beobachteten Entwickelungsstadien des menschlichen Embryo mit grosser Bestimmtheit auf eine Keim- blätterumkehr hindeuten. Jedenfalls aber kaun mit Sicherheit angenommen werden, dass die Entwiekelung des menschlichen Eies nicht auf die Weise geschieht wie bei der ersten der beiden erwähnten Gruppen; ebenso ist es höchst unwahrscheinlich, dass eine Zwischenform beim Menschen in Frage kommen kann. Die gewöhnliche Annahme für die Entstehung der Decidua capsularis beim Menschen ist bekamntlich die, dass sich das Ei an irgend einer Stelle der Uterusschleimhaut festsetzen und dann von Schleimhautfalten überwachsen werden sollte. Letztere sollten sich dann, etwa nach Art der Ammniosfalten über dem Ei zu- sammenschliessen und so eine Schleimhaut-(Deeidua-)Kapsel um (dasselbe herum bilden. Letztere müsste bei diesem Bildungsmodus natürlich mit Epithel ausgekleidet sein. Es liegt zu einer der- artigen Annahme kein Grund vor, ja, man muss sagen, dass man sich diesen Vorgang nur äusserst schwer vorstellen kann. Was sollte der Anlass zur Erhebung zweier Schleimhautfalten sein, was die Ursache zu einer so mächtigen localen Vermehrung der Schleimhautelemente mit einem noch dazu so eigenartigen Effect, Die Implantation des Eies der Maus etc. 565 zumal wir Analoges in dieser Beziehung bei T'hieren überhaupt nicht kennen. Dagegen muss es im höchsten Grade wahrsehein- lich erscheinen, dass, wenn der gleiche Effeet bei Thieren auf ganz anderem Wege erzielt wird, dies auch beim Menschen in gleicher Weise der Fall sem kann. Wir gehen daher wohl nieht fehl, wenn wir annehmen, dass der Vorgang der Einbettung des menschlichen Eies, wenn auch vielleicht nicht ab- solut ebenso verläuft wie bei der Maus, so doch in einer principiell gleichen Weise. Dieser Vorgang ist von uns, wie wir glauben, zum erstenmal an der Hand einer genügend grossen Anzahl von Stadien geschildert worden, jedenfalls ge- nauer, als dies bisher von irgend einer anderen Seite geschehen war, und es dürfte die in Vorstehendem begründete Anschauung nicht nur für die specielle Entwiekelung der Maus, sondern auch ganz besonders für alle Säugethiere, welche sich nach dem Typus der genannten zweiten Gruppe, d. h. unter Bildung einer Decidua reflexa entwickeln, von Wichtigkeit sein. Da vom Menschen die entsprechenden Entwickelungsstadien zur Zeit eben noch völlig unbekannt sind, muss man auf die Verhältnisse bei den correspondirenden thierischen Stadien zurück- greifen, und insofern eine derartige Untersuchung auch für die Vorgänge bei der Festsetzung des menschlichen Eies maassgebend sein, bis auch hier nähere Untersuchungen angestellt sind, welche unsere Annahme entweder bestätigen oder das Bestehen anderer Verhältnisse nachweisen. Wie sehr die Art der Festsetzung des Mäuseeies von der landläufigen Vorstellung über die Festsetzung des menschlichen Eies und die Bildung der Reflexa überhaupt abweicht, geht aus unseren mitgetheilten Untersuchungen aufs Klarste hervor. Wir möchten jedoch im Anschluss hieran gerade einige in dieser Beziehung interessante Punkte besonders her- vorheben. Was zunächst die Art und Weise anlangt, wie das Ei aus der Uterushöhle herauswandert, so hätte sich nach der bisherigen Anschauung die Uterussehleimhaut allein aetiv an diesem Vorgang betheiligt; es wäre dann aber das Ei durch einen derartigen Process noch nieht eigentlich in die Uterusschleimhaut selbst ge- langt, sondern nur in einen abgesackten Theil der Uterushöhle. Man hätte nun wiederum noch weitere Veränderungen annehmen müssen, die nun erst eine wirkliche Einbettung des Eies herbei- 566 Georg Burckhard: führen würden. Welche Stadien bei dieser Deutung die Autoren, welehe sie bisher vertreten haben, für die Entwiekelung des menschlichen Eies angenommen haben, ist nicht ersiehtlich. Im Allgemeinen wird höchstens angegeben, dass dies in einem recht frühen Entwiekelungsstadium vor sich gehen muss, da alle bisher gefundenen menschlichen Eier schon eine ausgebildete Deeidua capsularis hatten. Kaum aber dürfte einer der genannten Autoren der Ansicht gewesen sein, dass das fragliche Entwickelungs- stadium des menschlichen Eies schon bald nach beendigter Fur- chung zu suchen sei, wie wir auf Grund unserer Untersuchungen bei der Maus annehmen müssen. Bei dieser hat das kleingefurchte, mit einer kleinen Keim- höhle versehene Ei kaum den Uterus erreicht, als es schon seine Einwirkungen auf die benachbarte Uterusschleimhaut äussert. Die- selben sind nun nicht etwa der Art, dass das Ovulum von Falten der Schleimhaut umwachsen wird, sondern man muss vielmehr sagen, dass das Ei selbst in die Uterusschleimhaut vordringt und die Uterushöhle verlässt, indem deren Epithel an einer bestimmten Stelle unterbrochen wird. Man darf sich diesen Vorgang allerdings nicht in der Weise vorstellen, wie Graf Spee für das Meerschwein angiebt, und wie sie v. Herff ohne weiteres auch für den Menschen übertragen will, dass nämlich die Keimblase durch das Uterusepithel einfach hindurchschlüpfe, ohne dass man nachher eine Spur davon wahr- nehmen könne, sondern das Ei der Maus setzt sich in einem Theil, zum Beispiel einer Bucht des Uteruslumen fest, schnürt durch Bildung des sogenannten Ektoplacentareonus diesen Theil der Uterushöhle vom übrigen Uteruslumen ab. Dabei geht das vorher bereits anscheinend unter Einwirkung der Nähe des Ovu- lum abgeplattete Epithel völlig zu Grunde, und so kommt das Ei in eine mit dem Uteruslumen nicht mehr in Zusammenhang stehende, von ihm völlig abgetrennte Höhlung zu liegen, deren ursprüngliches Epithel, wie erwähnt, zu Grunde gegangen ist, die sogenannte Deeiduahöble, denn letztere wird nun direct von der veränderten Uterusschleimhaut (Decidua) begrenzt. Da dieser Modus der Einbettung des Mäuseeies in innigem Zusammenhang mit der späteren Placentarbildung steht, so ist kaum daran zu zweifeln, dass beim menschlichen Ei die Festsetzung in der Uterus- schleimhaut in einer mindestens sehr ähnlichen Weise geschieht. Die Implantation des Eies der Maus etc. 567 Nach den weiteren Vorstellungen über das Wesen der De- cidua reflexa würde man nach Kenntniss dieser Art des Ein- bettungsmodus annehmen, dass derjenige Theil der Decidua, welcher zwischen Deciduahöhle und Uteruslumen gelegen ist, der Decidua reflexa entspricht, eine Annahme, die wir auch bei Duval vertreten finden. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Man hat vielmehr gerade an dieser Stelle die Entstehung der Placenta zu suchen, indem der Ektoplacentarconus des Ovulum, von dem die Bildung der fötalen Placenta ausgeht, sich gerade zwischen Deeiduahöhle und Uteruslumen festsetzt, da er ja, wie angegeben, überhaupt derjenige Theil des Eies ist, welcher den Abschluss der Deciduahöhle vom Uteruslumen bewirkt. Die wirkliche Decidua reflexa der Maus bildet sich aber gerade an der entgegengesetzten Seite, das heisst an dem von der Deciduahöhle antimesometralwärts gelegenen Theil. Im wei- teren Verlauf der Entwickelung des Embryo findet nämlich eine Verlagerung der Uterushöhle statt, in der Weise, dass das ur- sprünglich mesometralwärts gelegene Uteruslumen nunmehr auf die antimesometrale Seite der Deciduahöhle zu liegen kommt. Wel- cher Art die Vorgänge sind, die diesen Positionswechsel des Uteruslumen bedingen, wissen wir zur Zeit noch nicht. Da auf die Placentarbildung hier nicht eingegangen werden soll, müssen wir die näheren Details auch der Ausbildung der Deeidua reflexa ausser Acht lassen, möchten jedoch keinesfalls dieses für die Maus eigenthümliche Verhalten derart verallge- meinern, dass wir dasselbe auch direct für die Entwickelung des menschlichen Ovulum in Anspruch nehmen. Es ist sehr wohl möglich, dass die abweichenden Verhältnisse in Bezug auf Form, Grösse ete. des Uteruslumen auch abweichende Vorgänge in Bezug auf die Stelle der Einbettung des Ektoplacentarconus u. s. w. bedingen. Jedenfalls aber dürfte aus der Art und Weise der Einbettung der Eier mit Deeidua reflexa (und Keimblätterumkehr) der eine Schluss gerechtfertigt erscheinen, dass die das Ovulum bergende Deceiduahöhle nicht von Uterusepithel ausgekleidet sein kann, und dass nicht etwa Theile der fötalen Eihäute (Chorionzotten) aussen eine Lage mütterlichen Epithels tragen können. 568 Georg Burckhard: Literatur - Verzeichniss. Christiani, L’inversion des feuillets blastodermiques chez le rat albinos. Archives de physiologie normale et pathologique. De serie. 10. Duval. Le placenta des rongeurs. Extrait du journal de l’ana- tomie et de la physiologie 1889—92. Paris. Felix Alcan. von Herff, Beiträge zur Lehre von der Placenta und von den mütterlichen Eihüllen. Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäko- logie Bd. 35. Selenka, Studien über die Entwickelungsgeschichte der Thiere. 1. Heft: Keimblätter und Primitivorgane der Maus. Wiesbaden 1883. Kreidel. Sobotta, Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 45. Derselbe, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte der Uterusmuskulatur. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 38. Derselbe, Ueber die Verwerthung von Mikrophotographien für die Untersuchung und Reproduction mikroskopischer und embryo- logischer Präparate. Internationale photographische Monatsschrift für Mediein. 1899. Graf Spee, Vorgänge bei der Implantation des Meerschweinchen- eies in die Uteruswand. Verhandlungen der anatomischen Ge- sellschaft auf der 10. Versammlung. Berlin 1896. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI-XXVII. .1 Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus um die Mitte des 5. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. ig. 2. Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus in der 2. Hälfte Fig. des 5. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. 3. Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus an der Grenze zwischen 5. und 6. Tag der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. . 4. Theil eines Querschnities durch das Uterushorn einer Maus in der ersten Hälfte des 6. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus um die Mitte des 6. Tages der Trächtigkeit. (Die Längsmuskulatur ist nur in der Gegend des Mesometrium dargestellt.) Vergr. 45:1. 6. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus in der 2. Hälfte des 6. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. 1] Die Implantation des Eies der Maus ete. 569 Fig. 7. Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus am Ende des 6. his Anfang des 7. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. Fig. 8. Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus um die Mitte des 7. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. Fig. 9. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus in der 2. Hälfte des 7. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. Fig. 10. Querschnitt durch das Uterushorn einer Maus am Anfang des 8. Tages der Trächtigkeit. (Die Längsmuskulatur ist nur in der Gegend des Mesometrium dargestellt.) Vergr. 45:1. Fig. 11. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus gegen Ende des 5. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 120:1. Fig. 12. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus um die Mitte des 7. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 45:1. Fig. 13. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus am Anfang des 7. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 120:1. Fig. 14. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus am Ende des 7. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 370:1. Fig. 15. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus in der ersten Hälfte des 6. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 80:1. Fig. 16. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus in der Mitte des 6. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 80:1. Fig. 17. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus um die Mitte bis Ende des 6. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 80:1. Fig. 18. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus am Ende des 6. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 80:1. Fig. 19. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus in der Mitte des 5. Tages der Trächtigkeit. Vergr. 80:1. Fig. 20. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus; gleiche Zeit der Trächtigkeit wie Fig. 10. Vergr. 370:1. Fig. 21. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus; gleiche Zeit der Trächtigkeit wie Fig. 10. Vergr. 370:1. Fig. 22. Theil eines Querschnittes durch das Uterushorn einer Maus; gleiche Zeit der Trächtigkeit wie Fig. 10. Vergr. 370:1. Erläuterung der Figurenbezeichnung. O0 = Ovulum, — UTL = Uteruslumen, Haupttheil, A B = antimeso- metrale Schleimhautbucht, MB = mesometrale Schleimhautbucht, EP= Ektoplacentarconus, D= Drüse, DS= Drüsensecret, ER= Epithel- reste, (= sinusartige Capillaren, A=Blut, #7= Hämoglobinschollen, M= typische Mitose, M* = atypische Mitose. Die Figuren Nr. 1—10, 12—14, 20 und 22 wurden von dem Zeich- ner Herrn Freytag gezeichnet; die Figuren Nr. 11, 15—19 und 21 hatte Herr Dr. Sobotta die grosse Liebenswürdigkeit, für mich an- zufertigen. N 1 je} (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg.) Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. Von Gustav Embden. Hierzu Tafel XXIX. Max Schultze (1) hat zuerst eingehende Untersuchungen über die Structur der Nervenelemente der Netzhaut angestellt, und mit Bestimmtheit das Vorhandensein von gesonderten Fibrillen innerhalb der Ganglienzellen und ihrer Fortsätze behauptet. Späterhin hat namentlich Dogiel (2,3,4,5 und in andern Arbeiten) die Netzhaut als besonders geeignetes Material zum Studium von Nervenzellstructuren angesehen und zahlreiche, ver- dienstvolle Untersuchungen in dieser Richtung ausgeführt. Er bestätigte auf Grund seiner Befunde an der Retina die fibrilläre Structur der Nervenzellen und führte die Unterscheidung in Fibrillen und interfibrilläre Substanz strenge durch. Seine An- sichten wurden auch in dieser Hinsicht verschiedentlich bekämpft. Namentlich stellte Bach (6) das Vorhandensein einer fibrillären Structur in den grossen Ganglienzellen der Netzhaut in Abrede. Im Folgenden sollen kurz die Resultate mitgetheilt werden, die mit der Bethe’schen Methode der Primitivfibrillenfärbung gewonnen wurden (7). Die Methode war mir schon seit längerer Zeit zugänglich. Durch die Arbeiten von Apäthy (8) und Bethe (7, 9) waren Fragen wieder actuell geworden, die schon zu einem ge- wissen Abschluss gelangt zu sein schienen. Namentlich bedurften die vermittelst der Golgi’schen Silbermethode gewonnenen An- schauungen, welche ihren prägnantesten Ausdruck in der Neu- ronentheorie gefunden hatten, einer Nachprüfung. Von vornherein erschien die Netzhaut für eine solche Nach- prüfung besonders geeignet. Finden sich doch hier drei Neurone unmittelbar hinter- Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. 571 einandergeschaltet in inniger räumlicher Benachbarung und in ganz bestimmter, leicht erkennbarer Anordnung vor, so dass die Möglichkeit gegeben schien, nicht nur die Uebergangsstellen eines Neurons in das andere, sondern auch die zugehörigen Zellen selbst auf einem Schnitt zur Anschauung zu bringen. Speciell erschien das Verhalten der Primitivfibrillen zum Neuro- epithel der Retina von grossem. Interresse. Es muss gleich hier bemerkt werden, dass die erreichten Resultate weit hinter den erhofften zurückgeblieben sind. Nament- lich ist es trotz vielfacher Bemühungen nicht gelungen, ein irgendwie sicheres Urtheil über den Zusammenhang der bipolaren Elemente der inneren Körnerschicht einerseits mit den Neuro- epithelzellen, andererseits mit den Zellen des Ganglion optici zu gewinnen. Das ist wohl zum grössten Theil in dem eigenthümlichen Verhalten der Methode begründet. Was Bethe (7, 9) für seine Methode überhaupt angiebt, die ausserordentliche Ungleichheit der Erfolge, das trifft für die Netzhaut in besonders hohem Maasse zu. Gewisse Elemente, so namentlich die Horizontalzellen der inneren Körnerschicht gelangen häufig mit grosser Vollkommen- heit zur Darstellung; bei andern Gebilden, so bei den grossen Ganglienzellen des Ganglion optiei, ist dies schon seltener der Fall. In einer dritten Gruppe von Zellen, den Bipolaren der inneren Körnerschicht und den Neuroepithelzellen ist bisher der Nachweis von Primitivfibrillen überhaupt nicht gelungen. Was die Ausführung der Methode betrifft, so bin ich im Grossen und Ganzen völlig den Angaben von Bethe gefolgt. Fixirt wurde ausschliesslich mit Salpetersäure. Salpetersäure 5:100 bewährte sich ebenso gut wie solche von 3:100. Die Fixationszeit betrug gewöhnlich 6 Stunden. Das weitere Verfahren bis zur Einbettung entsprach meistens völlig der Vorbehandlung I von Bethe (7), nur dass die Zeiten zum Theil etwas kürzer genommen wurden. Mehrmals habe ich auch in 5prozentiger Salpetersale bei höherer Temperatur (bis 38°) fixirt und die Stücke nach genügen- dem Verweilen in Alkohol und Wasser direct in die 4 prozentige Lösung von Ammoniummolybdat gebracht. Die nach dieser Vor- behandlung gewonnenen Präparate unterschieden sich von den 572 Gustav Embden: gewöhnlichen dadurch, dass Zellfibrillen nur sehr mangelhaft zu erkennen waren, auch in den Fortsätzen traten die einzelnen Fibrillen weniger hervor als gewöhnlich, doch erschienen die Fortsätze im Ganzen intensiver und in grösserer Ausdehnung ge- färbt. Vielieicht wird sich auch anderen die hier angegebene kleine Modifikation zur Darstellung von Ganglienzellfortsätzen geeignet erweisen. Die Schnittdicke der stets in Paraffin eingebetteten Objeete betrug im Allgemeinen 10 u. Für die Darstellung gewisser Gebilde, so namentlich des diehten Fasergewirrs der inneren retikulären Schieht erschienen dünnere Schnitte wünschenswerth. Doch war die Färbbarkeit der letzteren auch bei Anwendung ganz kurzer Differenzirungs- zeiten und stärkerer Toluidinblaulösungen (1: 1000) derartig ge- ring, dass ich darauf verzichten musste, mit Schnitten von ge- ringerer Dicke als 10 u zu arbeiten. Die Differenzirung mit warmem, überschichtetem Wasser erfolgte, stets im Paraffinofen bei 57—60°. Die günstigste Differenzirungszeit lag meist zwi- schen 2 und 5 Minuten, doch lassen sich hierüber für die Retina ebensowenig wie für irgend ein anderes Organ bestimmte An- gaben machen. Manchmal wurde statt warmen Wassers mit gutem Erfolg Ammoniummolybdatlösung 1:3000 verwendet. Was die Färbung mit Toluidinblau anbelangt, so habe ich wie Bethe mit übergossener Farbschieht im Paraffinofen bei 57T—60° gefärbt. Die Stärke der Lösung. betrug gewöhnlich 1:3000, wo die Färbbarkeit eine geringe war, 1:1000. Es sei noch erwähnt, dass sich manchmal eine Abkürzung der gewöhn- lichen Färbezeit von 10 Minuten auf 5 Minuten als nützlich erwies. Die Färbungsversuche wurden anfänglich an den Retinae einer grösseren Anzahl von T'hierarten unternommen (an Pferde-, Ochsen-, Kalbs-, Hammel- und Schweinenetzhäuten). Da beim ersten Versuch die Präparate vom Pferde bei weitem am besten ausfielen, habe ich mich fernerhin ausschliesslich an diese Thier- art gehalten. Primitivfibrillenpräparate von der menschlichen Retina habe ich nur einmal herzustellen versucht, aber da das Material sehr scehleeht fixirt war, mit völlig negativem Erfolg. Da die von Bethe angegebene Methode der Primitivfibrillen- Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. 573 färbung gegenüber einer ganzen Reihe von Netzhautelementen bisher versagte, ist es selbstverständlich unmöglich, eine auch nur annähernd vollständige Schilderung des Verhaltens der Neuro- fibrillen in der Retina zu geben. Aber auch bezüglich derjenigen Zellen, in denen Fibrillen zur Darstellung gelangten, will ich mich ganz kurz fassen. Ich will mich auch dort, wo eine ge- nauere Klassifikation möglich wäre, mit der Beschreibung des Primitivfibrillenverlaufs in den Hauptarten von Zellen begnügen, ohne mich im Allgemeinen weiter auf die einzelnen Varietäten, wie sie Tartuferi (10, Ramon y Cajal (11), Dogiel und andere beschrieben haben, einzulassen. Genauere Speeifizirung würde nach meinen bisherigen Bobachtungen auch kein sehr grosses Interesse haben, sondern nur zu vielfachen Wiederholungen führen. Sehicht der’Neuroepitbelzellen. Es ist bisher nicht gelungen, innerhalb der Neuroepithel- zellen Primitivfibrillen nachzuweisen. Die Stäbehen und Zapfen sind an guten Präparaten in der Regel garmicht oder schwach gefärbt: auch die Limitans exterma bleibt farblos. In der äusseren Körnerschicht nehmen nur die Kerne der Sehzellen das Toluidinblau an, von den Zapfen und Stäbchen- fasern ist nichts zu erkennen, speciell bleiben die bekannten End- anschwellungen der Stäbehenfasern und der Zapfenfüsse farblos. Manchmal gelingt es, ganz feine Ausläufer der Horizontal- zellen eine Strecke weit zwischen die äusseren Körner zu ver- folgen; doch konnte über ihre Beziehungen zu den Sehzellen nichts Bestimmtes ermittelt werden. ANeussere retikwläresschiecht/ und Schicht der Horizontalzellen. Da weder der nach innen gerichtete Theil der Neuroepithel- zellen, noch der äussere Fortsatz der bipolaren Zellen zur Dar- stellung gelangte, so waren natürlich auch in der äusseren reti- eulären Schicht die Resultate höchst unvollkommen. Der an sich bedauerliche Mangel der Methode bot aber doch einen Vortheil: Es traten auf diese Weise die wohlgefärbten Ausläufer der Hori- zontalzellen mit ausserordentlicher Deutlichkeit hervor, 574 Gustav Embden: Ich will diese Ausläufer gemeinsam mit den Horizontalzellen selbst besprechen. Diese zuerst von H. Müller (12) beschriebenen Zellen sind später zwar von einer ganzen Reihe von Autoren bestätigt und genauer untersucht worden, die Frage nach ihrer nervösen Natur wurde früher aber sehr verschieden beantwortet. Bald wurden sie als Ganglienzellen, bald als Stützelemente aufgefasst. In dieser Hinsicht waren die Untersuchungen von Ramon y Cajal (11) und Dogiel (2) entscheidend. Beiden Forschern gelang nämlich der Nachweis eines aus den Horizontalzellen hervorgehenden Axencylinders. Dieser verläuft nach Dogiel nur eine Strecke weit horizontal in der äusseren retieulären Schicht, um alsdann in die innere Körnerschieht umzubiegen, diese und die folgenden Schichten zu durchsetzen und schliesslich zur Opticusfaser zu werden; nach Cajal dagegen ist der ge- sammte Axeneylinderfortsatz innerhalb der retieulären Schicht gelegen und endet hier unter Bildung einer ausgedehnten End- arborisation. Letztere Auffassung wurde von Kallius (13) namentlich an vom Pferde stammenden Methylenblaupräparaten bestätigt. Die Protoplasmafortsätze dieser Zellen werden, wie bekannt, in äussere oder horizontale, und innere oder verticale unter- schieden. Erstere sind stets in grösserer Anzahl vorhanden, sie entspringen zumeist vom äusseren Theil der Zellen und bilden schräg aufsteigend in der äusseren reticulären Schicht ein aus- gedehntes Flechtwerk. Letztere Fortsatzart fehlt vielen Zellen und zwar im Allgemeinen den kleineren und mehr nach aussen gelegenen. Sie findet sich dagegen meist an den grösseren mehr nach innen gelegenen Zellen, und zwar ist gewöhnlich nur ein verticaler Fortsatz vorhanden. Häufig sind statt dessen zwei, seltener drei derartige Fortsätze beobachtet worden. Die inneren Fortsätze durchziehen senkrecht oder etwas schräge die innere Körnerschicht und treten aus dieser in die innere retieuläre Schicht ein, wo — angeblich in ziemlich bestimmter Höhe — ihre Ver- zweigungen ein sehr reiches Flechtwerk bilden. Auf eine weitere Klassifikation der Horizontalzellen und die vielen von Tartuferi (10), Dogiel und namentlich von Ramon y Cajal (11) be- schriebenen Einzelheiten an ihnen einzugehen, hätte für uns keinen Sinn. or [I en Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. Die Horizontalzellen lassen sich mit der Fibrillenmethode in ausserordentlich schöner Weise darstellen. Es sind von allen Netzhautelementen diejenigen, bei welchen die Färbung am leichte- sten und vollständigsten gelingt. Will man das überaus reiche Geflecht ihrer horizontalen Fortsätze zur Darstellung bringen, so ist es am zweckmässigsten, möglichst grosse und möglichst horizontale Schnitte ganz kurz — unter Umständen garnicht — zu differenziren. Die Färbung geschieht dann in der gewöhnlichen Weise. Wohlgelungene derartige Präparate stehen — was die Voll- ständigkeit der Färbung betrifft — wohl kaum hinter gut ge- lungenen Methylenblaupräparaten zurück, nur dass bei der ver- hältnissmässig geringen Schnittdieke natürlich manches, was an Methyienblaupräparaten im Zusammenhang mit Zellen verfolgt werden kann, abgeschnitten ist. Auch die Axeneylinderfortsätze werden oft in grosser Aus- dehnung gefärbt, sind allerdings nicht so gut wie an Methylen- blaupräparaten von den oft sehr langen und wenig verzweigten Protoplasmafortsätzen zu unterscheiden, da — ganz abgesehen von der geringeren Schnittdieke — sie ebenso frei von Varicosi- täten wie die Protoplasmafortsätze erscheinen. Auch die Ver- schiedenheit der Structur bildet bei den kurz differenzirten Prä- paraten keinen genügend sicheren Anhaltspunkt, es erscheinen nämlich bei Anwendung kleiner Differenzirungszeiten auch die Protoplasmafortsätze ziemlich homogen. Einen Begriff von den so gewonnenen Bildern giebt Fig. 1, Taf. XXIX. Hier sind bei schwachem Immersionssystem einige Horizontalzellen mit ihren Fortsätzen gezeichnet, soweit dies bei gleicher Einstellung der Mikrometerschraube möglich war. (Bei Aenderung der Einstel- lung liessen sich die Fortsätze noch bedeutend weiter verfolgen.) Wie bereits oben bemerkt, haben Dogiel und Ramon y Cajal die nervöse Natur der Horizontalzellen durch den Nachweis von Axencylindern annähernd sichergestellt. Es lässt sich der Beweis, dass die Horizontalzellen Nerven- zellen sind, aber auch mittelst der Fibrillenmethode führen. Namentlich in länger differenzirten Präparaten treten die Primitiv- fibrillen in den Zellen und ihren Fortsätzen sehr deutlich hervor (Figur 1 ist als Fibrillenpräparat nicht genügend differenzirt). Es ist erwünscht, zu ihrer Beobachtung starke Immersionssysteme 576 Gustav Embden: anzuwenden, da sie durch ausserordentliche Feinheit ausgezeichnet sind und ausserdem ziemlich dicht bei einander liegen. Ueber ihren Verlauf giebt namentlich die oben gelegene Zelle in Fig. 2 einigen Aufschluss. Hier erscheinen die Fibrillen ziem- lich gleichmässig über die ganze Zelle vertheilt; speciell finden sie sich auch in nächster Nachbarschaft des Kerns vor. Ihr Weg innerhalb der Zelle ist allem Anschein nach ein äusserst einfacher, sie durchziehen letztere in leichtem Bogen, zum Theil fast gradlinig, um von einen: Fortsatz in einen andern zu ge- langen. Die hierbei vielfach zu Stande kommenden Durchkreu- zungen erscheinen meist ausserordentlich klar, und der Verdacht einer intracellulären Netzbildung kommt nirgends anf. Ihr Ver- halten innerhalb der Fortsätze scheint nichts besonders Charakte- ristisches zu bieten, höchstens ist ihre sehr gleichmässige Ver- theilung über den ganzen Fortsatzquerschnitt besonders hervor- zuheben. Die angewandte Methode bringt nun aber nicht nur die Primitivfibrillen der Horizontalzellen zur Darstellung, sondern liefert, wie erwähnt, speciell bei kürzerer Differenzirungszeit oft auch ausgezeichnete Fortsatzbilder. Ganz feine Fortsätze werden allerdings nicht häufig mit genügender Differenzirung gegen die Umgebung gefärbt. Bezüglich dieser feinen Fortsätze hat Dogiel (2) ange- geben, dass sie eng umschriebene „terminale Nervennetze* bilden, welche ganz aussen in der äusseren retieulären Schicht, also in inniger Nachbarschaft der inneren Enden der Sehzellen ge- legen sind. Diese Ansicht hat wohl nur ausserordentlich geringe Ver- breitung gefunden, und speciell ist sie natürlich von den Anhängern der Neuronentheorie nicht getheilt worden. Auch an Präparaten, die nach der Fibrillenmethode be- handelt sind, sieht man zuweilen in der äusseren retieulären Schieht gegen die Umgebung gut abgegrenzte Convolute feinster Fasern, die auch noch bei Anwendung schwacher Immersions- systeme wahre Fasernetze zu sein scheinen. Doch sind einer- seits die gewonnenen Bilder an sich nicht genügend scharf, andererseits ihr Zusammenhang mit Ausläufern von Horizontal- zellen nicht genügend deutlich, um daraus irgendwie sichere Schlüsse ziehen zu können. Es war also nicht möglich, den von Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. 577 Dogiel beschriebenen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den feinsten Ausläufern der Horizontalzellen zur Darstellung zu bringen. Dagegen gelang es mir, den Nachweis von ziemlich breiten Anastomosen zwischen Horizontalzellen zu führen. Ich bin mir wohl bewusst, wie vorsichtig man mit der Annahme solcher Anasto- mosen sein muss. Wie oft scheint selbst noch bei schwächerem Immersionssystem ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen zwei Zeilen zu bestehen, und erst eine wesentlich stärkere Ver- grösserung, manchmal auch schon eine passende Aenderung der Beleuchtung erweist den scheinbar unmittelbaren Zusammenhang als einfache Uebereinanderlagerung. An sich ist gerade bei dem diehten Gewirr der horizontalen Fortsätze der Horizontalzellen ein Irrthum besonders leicht möglich. Aber gerade zur Ent- scheidung der Frage, ob Continuität oder blosse Berührung vor- liegt, ist die Bethe’sche Methode hervorragend geeignet. Bei Golgi’schen und bei den meisten Methylenblaupräparaten sieht man die Fortsätze immer nur als compacte, undurchsiehtige Stränge, und für die Frage, ob in einem speciellen Fall unmittel- barer Zusammenhang oder blosse Aneinanderlagerung stattfindet, sind wir ausschliesslich auf das Verhalten der äusseren Fortsatz- conturen angewiesen. Wohlgelungene Fibrillenpräparate gleichen Glasröhren, bei denen man nicht nur den unmittelbaren Zusammenhang der Röhrenwandungen wahrnimmt, sondern auch im Röhrenlumen eine grössere Zahl scharf begrenzter Fäden von Rohr zu Rohr ziehen sieht. Fig. 2 zeigt eine Anastomose zwischen zwei Horizontalzellen, und zwar hängt ein Fortsatz erster Ordnung der unten gelegenen mit einem Fortsatz zweiter Ordnung der oben gelegenen grösse- ren Zelle zusammen. Ich will nicht unterlassen, auf die Selten- heit der beschriebenen Anastomosen aufmerksam zu machen. Bei Weitem die meisten Fortsätze der Horizontalzellen hängen — in ihren gröberen Aesten wenigstens — nicht unmittelbar unter- einander zusammen. Die Bedeutung der erwähnten breiten Anastomosen erscheint übrigens, gerade im Lichte der Fibrillenlehre, nieht besonders gross, ganz abgesehen davon, dass für andere Zellarten, sogar für Ganglienzellen innerhalb der Netzhaut [Dogiel (2) und Greeff (14)) ähnlich breite Brücken beschrieben sind. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 38 578 Gustav Embden: nnere Körnerschicht. Im Gegensatz zu den guten Resultaten, die die Primitiv- fibrillenmethode an den Horizontalzellen lieferte, versagte sie nahezu völlig gegenüber den bipolaren Elementen der inneren Körnerschicht. Es wurde nur relativ selten ein innerer, nie, so weit ich beobachtete, ein äusserer Fortsatz gefärbt. Die Färbung der inneren Fortsätze war sehr blass, und von fibrillärer Structur, geschweige denn von Primitivfibrillen niehts zu bemerken. Etwas mehr Aufklärung brachte die Methode bezüglich der Spongioblasten oder amakrinen Zellen. Innerhalb der Zellkörper gelangten allerdings auch hier Primitivfibrillen nur in vereinzelten Fällen und zwar höchst unvollkommen zur Darstellung; dagegen färbten sich die Fortsätze manchmal auf ziemlich weite Strecken, und es traten dann auch Primitivfibrillen mehr oder weniger deutlich hervor. Das Vorhandensein von Primitivfibrillen wurde in den Fortsätzen kleiner und grösserer Spongioblasten beobachtet. Doch war die Fortsatzfärbung nirgends so vollkommen, um die in Frage kommenden Zellen mit den einzelnen von Dogiel, Ramon y Cajal und Anderen beschriebenen Varietäten zu identifieiren. Auch disloeirte amakrine Zellen fanden sich manch- mal gefärbt; so dürfte die in Fig. 3 links gelegene, von einigen nieht sehr deutlichen Fibrillenbündeln durchzogene Zelle sicher den Amakrinen zuzurechnen sein. Innere retieuläre Scehieht. In derselben Figur rechts findet sich eine bipolar gebaute Zelle. Die den Kern bogenförmig umziehenden Fibrillen treten in der Zeichnung wohl etwas deutlicher hervor, als auf dem Präparat der Fall war. Eine Klassifikation dieser Zelle will ich nicht versuchen. Von dem Fasergewirr der inneren retieulären Schicht er- hält man häufig ausserordentlich scharfe und detaillirte Bilder. Gerade zur Veranschaulichung dieses Gewirrs wurde Fig. 3 bei sanz starker Vergrösserung und voller Beleuchtung gezeichnet; es ist in der Zeichnung nur das wiedergegeben, was bei einer bestimmten Einstellung der Mikrometerschraube völlig scharf erschien. Die Hauptfrage, die Frage nach der Art des Zusammen- hangs der feinsten Nervenfasern untereinander liess sich aber Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. 579 trotz der optisch sehr scharfen Bilder auch hier nicht entscheiden. Häufig kommen Faseranordnungen vor, die ohne Zweifel als echte Netze oder vielmehr Gitter zu bezeichnen sind. Bestehen aber die Gitter aus Neurofibrillen oder aus Stützsubstanz? Das erstere liesse sich nur durch den Nachweis des unmittelbaren Zusammenhangs der Fasergitter mit unzweifelhaften Nervenfasern resp. Primitivfibrillen sicherstellen. Das Fasergewirr ist aber, namentlich bei Anwendung der Mikrometerschraube so dicht, die Ueberkreuzungen so zahlreich, dass, so oft man glaubt, eine Continuität zwischen Nervenfibrille und Fasernetz zu sehen, man nachträglich irgendwo eine Stelle entdeckt, wo der Verlauf der Nervenfaser unsicher ist. Also auch hier kann ich leider weder nach der einen noch nach der anderen Richtung hin eine bestimmte Behauptung aufstellen. Ganglion Nervi optici. In den grossen Ganglieuzellen des Ganglion Nervi optici und ihren Fortsätzen gelangten die Primitivfibrillen zwar durchaus nicht regelmässig zur Darstellung, immerhin aber wurden häufig recht brauchbare und manchmal ausserordentlich schöne Bilder erhalten. Der Verlauf dieser Primitivfibrillen scheint mir be- sonderes Interesse zu bieten. Es finden sich nämlich einmal zahlreiche Fibrillen, die von einem Protoplasmafortsatz in den Axeneylinder, d. h. die Optieusfaser ziehen, Fibrillen also, deren Funetion nach der Hypothese in der Zuleitung von Lichtreizen zum Centrum besteht. Ausserdem kommen aber Fibrillen vor, die von einem Protoplasmafortsatz in einen anderen derselben Zelle ihren Weg nehmen, indem sie theils den Zellkörper passiren, theils aber ohne die Zelle selbst überhaupt zu berühren, direet von Fortsatz zu Fortsatz ziehen. Derartige Fibrillen von Protoplasma- fortsatz zu Protoplasmafortsatz sind in Fig. 4, 5 und 6 wieder- gegeben. Es wäre werthlos, theoretische Erörterungen über die physiologische Bedeutung dieser Fibrillenart anzustellen, nament- lich da man bisher nicht weiss, wohin sie aus den Protoplasma- fortsätzen ihren Weg nehmen. Immerhin darf man, die leitende Natur der Primitivfibrillen vorausgesetzt, auf Grund dieses Be- fundes wohl annehmen, dass die Zellen des Ganglion Nervi optici keineswegs ausschliesslich der Leitung des Lichtreizes von den nach aussen gelegenen Netzhautschichten zum Nervus opticus 580 Gustav Embden: dienen, sondern zugleich Bahnen für intraretinale Erregungs- vorgänge bilden. Eine ähnliche Behauptung ist übrigens schon von Greeff (14) auf Grund des Befundes von breiten Anastomosen zwischen Ganglienzellen dieser Schicht aufgestellt worden. Auffällig ist, dass an den Stellen der Fortsatzgabelungen, die sonst gleichmässig über den Fortsatzquerschnitt vertheilten Fibrillen oft sehr weit auseinanderweichen, homogene Dreiecke zwischen sich frei lassend (siehe Fig. 4 und 5). Die Axeneylinder der grossen Ganglienzellen lassen sich häufig bis weit in die Optieusfaserschicht verfolgen, die Primitiv- fibrillen in ihnen sind aber meist nur an der Stelle des Abgangs von der Zelle einigermaassen deutlich. Im Zellinnern sind die Fibrillenwege häufig recht eomplieirt. Die Fibrillen verlieren in dasselbe eintretend meist bald ihre bündelartige Anordnung und verlaufen dann in vielfachen Windungen, hierbei kommen Ueber- kreuzungen der verschiedensten Art vor. Namentlich, wenn dann die Fibrillen auf kürzere oder längere Strecken miteinander ver- kleben, können gitterähnliche Structuren hervorgerufen werden (Fig.7). Zwischen den Maschen dieses scheinbaren Netzes sieht man häufig noch wohlgefärbte Nissl’sche Schollen. Die von Dogiel (2) zuerst beschriebenen und dann nament- lich von Greeff (14): bestätigten breiten Anastomosen zwischen Zellen des Ganglion optiei habe ich nicht beobachtet; zur Dar- stellung derselben war die geringe Schnittdiecke wohl ziemlich ungünstig. Hervorheben will ich noch die eigenthümlichen I-förmigen Fortsatztheilungen, die ich mehrfach beobachtete. Eine derartige Theilung und der dadurch bedingte eigenartige Fibrillenverlauf ist in Fig. 5 abgebildet. Opticusfasern gelangten häufig, wie bereits erwähnt, im Zusammenhang mit den Ganglienzellen doch ohne deutliche tibrilläre Structur zur Darstellung. Ebenso führten in einem am Pferde-Opticus angestellten Versuche die Fibrillen zu färben, bisher nur zu höchst mangelhaften Resultaten, so dass eine Zäh- lung der in den Optieusfasern vorhandenen Primitivfibrillen, die vielleicht von erheblichem physiologischen Interesse wäre, bisher nicht ausgeführt werden konnte. Primitivfibrillenverlauf in der Netzhaut. 581 Literatur-Verzeichniss. 1. Max Schultze, In Strieker’s Handbuch der Lehre von den Ge- weben Bd. II. 1872. 2. Dogiel, Ueber die nervösen Elemente in der Retina d. Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 38. 1891. 3. Derselbe, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 40. 1892. 4. Derselbe, Zur Frage über den Bau der Nervenzellen u. s. w. Arch. f. mikr. Anat. Bd.741, 1893. 5. Derselbe, Die Structur der Nervenzellen der Retina. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 46. 18%. 6. Bach, Die Nervenzellenstructur der Netzhaut in normalen und pathologisch. Zuständen. Arch. f. Opthalmologie Bd. 41, Abth.3. 189. Bethe, Das Molybdänverfahren zur Darstellung der Neurofibrillen und Golginetze u. s. w. Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie Bd. 17. 1900. 8. Apäthy, Das leitende Element des Nervensystems u. s. w. Mittheil. d. zoolog. Station zu Neapel Bd. 12. 1897. Bethe, Ueber die Neurofibrillen in den Ganglienzellen von Wirbel- thieren und ihre Beziehungen zu den Golginetzen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 55. 1900. 10. Tartuferi, Sull’ anatomia della Retina. Intern. Monatsschrift f. Anat. u. Phys. Bd. IV. 1887. ll. Ramon y Cajal, La retine des Vertebres. La cellule. 1833. 12. Müller, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie Bd. 1II. 1851. 13. Kallius, Untersuch. über die Netzhaut d. Säugethiere. Anatom. Hefte Bd. 3. 1894. 14. Greeff, Zwillingsganglienzellen in der menschlichen Retina. Arch. f. Augenheilkunde Bd. 35. = Se Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX. Sämmtliche Figuren sind mit dem Abbe&’schen Zeichenapparat von Leitz entworfen. Im Allgemeinen ist nur das bei einer Ein- stellung der Mikrometerschraube scharf Hervortretende gezeichnet worden. Der feinere Verlauf der Fibrillen wurde häufig freihändig eingezeichnet. Sämmtliche Präparate stammen vom Pferde; die Schnitt- dicke betrug stets 10 u. Die Vergrösserung ist bei den einzelnen Fi- guren angegeben. Fig. 1. Horizontalzellen von der Fläche. Aus einem Flächen- schritt. Vergr. Leitz Ocular I, Seibert Homogenimmersion U/js. Die Fortsätze sind nur soweit gezeichnet, wie dies bei Fig. Fig. Fie. DD 6. Gustav Embden: einer Einstellung der Mikrometerschraube möglich war. Bei a findet sich ein Axencylinderfortsatz. Die Fibrillen treten nur wenig deutlich hervor. Die Kerne der Horizontalzellen zeigen die für die Bethe’sche Fibrillenmethode charakteri- stische Umkehrung des Bildes. Die frei liegenden Kerne im oberen Theil des Bildes gehören den bipolaren Elementen der inneren Körnerschicht an. Anastomose zwischen zwei Horizontalzellen. Aus einem Schrägschnitt. Vergrösserung: Zeiss’scher Apochromat 2,00 mm, Apert. 1,30, Compensationsocular 6. Die Fibrillen innerhalb der oben gelegenen, grösseren Zelle sind sehr deut- lich, die Fortsätze beider Zellen jedoch lange nicht in so grosser Ausdehnung gefärbt, wie in den der Fig. 1 zu Grunde liegen- den Zellen. Aus der inneren reticulären Schicht. (Schrägschnitt.) Vergrösserung wie bei Fig. 2. Beleuchtung: Voller Auerbrenner bei weit offener Blende. Deutlich gitterförmige Faseranord- nung; links unten eine dislocirte amakrine Zelle, rechts unten eine Zelle von bipolarem Bau. Die beiden dicken Protoplasma- fortsätze mit deutlichen Primitivfibrillen entstammen der oben links gelegenen Ganglienzellschicht. Ganglienzelle des Ganglion nervi optici. (Schräg- schnitt.) Vergrösserung: Ocular: Leitz I, Homogenimmersion Seibert !/j. Unten im Bild sieht man parallel angeordnete Optieusfasern. Der Axencylinderfortsatz der gezeichneten Ganglienzelle findet sich bei a. Beim Eintritt in die Zelle ge- winnen die bis dahin ziemlich gleichmässig über den Fortsatz- querschnitt vertheilten Fibrillen bündelförmige Anordnung, um weiterhin bald undeutlich zu werden. An den Gabelungs- stellen der Fortsätze sieht man mehrfach Fibrillen direct von Ast zu Ast ziehen. Die hellen Lücken an den Gabelungs- stellen entsprechen färbbaren Substanzportionen des Nissl- präparats. In der Umgebung der Zelle dasselbe Netzwerk wie in Fig. 3. ZelledesGanglionNervi optieimiteigenthümlich I-för- miger Theilung. (Schrägschnitt.) Vergrösserung! Zeiss- scher Apochromat 2,00 mm, Apert. 1,30, Compensationsocular No. 6. Bezüglich des Fibrillenverlaufs innerhalb der Zelle gilt das bei Fig. 4 Gesagte. An der im Bild links gelegenen I-förmigen Theilungsstelle finden sich zwischen den Fortsatz- ästen sämmtliche ınögliche Fihrillenverbindungen mit Ausnahme der zwischen dem rechts oben und dem links unten gelegenen Fortsatzast. Auch hier an den Gabelungsstellen breite, drei- eckige, den Nisslschollen entsprechende Lücken. Ganglienzelle des Ganglion Nervi optici. (Schräg- schnitt.) Vergrösserung wie bei voriger Figur. Die Zelle Primitivfibrillenverbrauch in der Netzhaut. 583 wurde wegen des äusserst klaren Fibrillenverlaufs gezeichnet. Der rechts gelegene Theil der Zelle mit dem Kern ist abge- schnitten; die hier vereinzelt und in verschiedenen Richtungen in verlaufenden Fibrillen wurden bei etwas tieferer Einstellung als die übrige Zelle gezeichnet. Im Uebrigen siehe Erklärung zu Fig. 4 und 5. Gitterähnliche Anordnung der Primitivfibrillen innerhalb einer Zelle des Ganglion Nervi optici. (Sehrägschnitt.) Vergrösserung wie bei Fig. 5. Bei & ein annähernd quer abgeschnittener Protoplasmafortsatz. Die Fibrillen schlagen, nachdem sie in bündelförmiger Anordnung in die Zelle eingetreten sind, gewundene Wege ein, wobei sie vielfach mit einander verkleben. Hierdurch wird die gitter- ähnliche Structur hervorgerufen. Fig. A (Aus dem anatomischen Institut in Strassburg.) Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht der menschlichen Epidermis und ihren sog. Fettgehalt. Von Dr. Kranz Weidenreich, Assistent am anatomischen Institut. Hierzu Tafel XXX u. XXXI und 1 Textfigur. In meiner Arbeit „Ueber Bau und Verhornung der mensch- lichen Oberhaut“ (33) habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass das Eleidin in den oberen Lagen der Hornschicht Umwandlungen erfahre, die sich besonders in Aenderungen seines Aggregatzustandes zu erkennen geben würden; den so entstehenden festeren Körper habe ich als Pareleidin bezeichnet und ihn als das anatomische Substrat der färberischen Differenzen in den verschiedenen Schichten des Stratum corneum der Vola manus und Planta pedis ange- sprochen. Weiterhin hatte ich der Vermuthung Ausdruck ge- geben, dass die Befunde, welche auf die Anwesenheit von Fett in dieser Lage hinweisen, auf Reactionen jener Substanz zurück- 584 Franz Weidenreich: zuführen seien. Meine Untersuchungen hierüber waren jedoch beim Abschluss jener Arbeit noch nicht soweit gediehen, um zu einem bestimmteren Urtheil gelangen zu lassen; ihre Resultate seien im Folgenden mitgetheilt. Zur Darstellung des Eleidins fand ich unter den vielfach angegebenen Methoden neben der von Friekenhaus (9) mit Recht gerühmten Wasserblaufärbung als die beste und am ehesten zum Ziele führende die von Buzzi (4) empfohlene Färbung mit Congoroth, von dessen 1°/, wässriger Lösung man 3—4 Tropfen in ein Uhrschälchen destillirten Wassers gibt. Die zu unter- suchende Epidermis der Sohlenbaut oder der Haut der Handfläche kann unmittelbar der Leiche entnommen oder auch vorher einige (4—5) Stunden lang in 60—70°/, Alkohol gehärtet werden; die Schnitte fertigt man am besten mit dem Rasirmesser aus freier Hand, jedoch erhält man auch bei Benützung des Gefriermikro- toms noch gute Resultate. Die Schnitte kommen sofort auf 3 bis 5 Minuten in die Farblösung, werden in Wasser gehörig ab- gewaschen und dann in Alkohol übergeführt; entstammen sie frischer, vorher nicht gehärteter Haut, so lässt man sie etwa bis zu einer Stunde im Alkohol, wodurch sie genügend fixirt werden, dann werden sie in Xylol gebracht und in Canadabalsam einge- schlossen; auf diese Weise hält sich die Farbe unverändert, wenig- stens habe ich bis jetzt (8 Monate nach der Färbung) kein Abblassen beobachtet, während bei Aufbewahrung in Glycerin schon nach 1—2 Tagen eine diffuse Färbung des Schnittes eintrat. Der Gehalt der Haut an Eleidin ist nun ein durchaus wechselnder; oft fand ich es überhaupt nur in Spuren, dann wieder sehr reichlich — selbstverständlich an denselben Haut- stellen. Hierbei scheint etwas von Einfluss zu sein, wie lange nach dem Tode die betreffende Haut entnommen wurde, bei noch warmen Leichen babe ich im Allgemeinen das Eleidin stets in grösserer Menge gefunden als bei solchen, die erst mehrere Stunden nach dem T'ode zur Untersuchung kamen; in den.letzteren Fällen gibt sich die bereits eingetretene saure Gewebsreaction sofort durch eine vorübergehende Blaufärbung der Congoroth- lösung zu erkennen. Was das Aussehen des Eleidins betrifft, so zeigt es sich in der Regel in Kugeln von wechselnder Grösse (Fig. 1, "und 3), oft finden sich mehrere kleinere wie Perlschnüre aneinander- Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht etc. 585 gereiht (Fig. 3). Diese Kugeln haben fast stets einen tiefer gefärbten peripheren Ring und ein schwächer tingirtes Centrum (Fig. la); sehr häufig trifft man auch länglich ovale Formen, die dann, neben einander gelagert, lange Reihen bilden (Fig. 1b). Immer lässt sich jedoch beobachten, dass das Eleidin, ob es nun im einzelnen kugelig oder oval, gross oder klein ist, abgerundete Conturen aufweist, wodurch es sich scharf vom Keratohyalin unterscheidet, und ferner, dass die einzelnen Kugeln fast niemals über die Grösse einer Zelle hinausgehen. Dass das Eleidin lange eontinuirliche, d. h. nicht von Einsehnürungen unterbrochene Streifen oder Bänder bildet, wie von einigen Autoren, so besonders von Buzzi, angegeben wird, konnte ich nicht beobachten. Derartige Bänder erwiesen sich stets als aus aneinandergereihten ovalen Gebilden zusammengesetzt, die in der Grösse mit dem Umfang einer Zelle der basalen Hornschicht übereinstimmen. (Fig. 1b.) Was die Lage betrifft, so findet sich das Eleidin, wie man. sich ohne Weiteres durch verschiedene Einstellung des Tubus überzeugen kann, auf beiden Seiten des Schnittes. Es kann also seiner Form und Lage nach keinem Zweifel unterliegen, dass es von flüssiger Consistenz ist und infolgedessen bei dem Anschneiden der Zelle aus dieser heraustritt und so der Färbung zugänglich wird, wie das von dem Entdecker der Substanz Ranvier (22) schon längst angegeben wurde. So erklären sich wohl die Kugelformen, nicht aber die ovalen Figuren; dass diese stets die Conturen der Zelle wiederholen und in Reihen nebeneinander liegen, ohne jedoch ineinander zu fliessen, spricht dafür, dass hier das Eleidin in der angeschnittenen Zelle selbst gefärbt sein muss. Diese Annahme erhält eine weitere Stütze einmal dadurch, dass bei Haut, die einer schon längere Zeit gelegenen Leiche entstammt, das Eleidin fast nur in dieser Form aufzutreten pflegt, und dann ferner, dass man bei Haut, die mit Tannin fixirt wurde, auf dessen besondere Wirkung ich noch zurückzukommen haben werde, innerhalb des Stratum lueidum Zellen antrifft, die sich intensiv mit Congoroth färben, mit Aus- nahme einer centralen runden oder ovalen Stelle, der Kernhöhle, und die genau den);Bildern entsprechen, wo das Eleidin ovale Form angenommen hat (vergl. Fig. 4 und Fig. 1b). Aus der angeschnittenen Zelle tritt also das Eleidin in Tropfenform aus, ist jedoch auch, wenn es in derselben liegen bleibt, der Färbung zugänglich. Dass der letztere Fall bei nicht mehr ganz frischer Brels) Franz Weidenreich: Haut der häufigere ist, lässt vermuthen, dass das Eleidin mit dem Erkalten iu etwas seinen flüssigen Aggregatzustand einbüsst und dann schwerer aus der Zelle ausläuft. Hinsichtlich seines Vorkommens in der Hornschicht ist leicht festzustellen, dass es sich vor allem im basalsten Theile findet, entsprechend dem Stratum lucidum, wo es 2—3 Zellreihen aus- macht. Jedoch ist es keineswegs auf diese Zone beschränkt; wie Buzzi (4) zuerst richtig bemerkte und auch Dreysel und Oppler (6) bestätigt haben, begleitet es die Ausführgänge der Schweissdrüsen fast durch das ganze Stratum eorneum hindurch und setzt sich andererseits mit diesen auch etwas in das Stratum sranulosum, bezw. germinat. hinein fort. Auch an diesen Orten zeigt es die Eigenthümlichkeit, kleine Tropfen zu bilden, die jedoch die des Stratum lucid. an Grösse nicht erreichen, sondern vor- wiegend feine punktförmige Reihen auf den platten Zellen bilden, ‘ die im Kreise die Ausführgänge umgeben; diese Zellen erscheinen oft auch in toto lebhaft roth gefärbt und eontrastiren dadurch von denen des benachbarten Strat. corn.; nach dem oben Gesagten wäre auch hier das Eleidin in den Zellen selbst tingirt worden. Ausser an diesen beiden genannten Stellen ist es mir nun aber auch gelungen, innerhalb der mehr mittleren Schicht des Strat. corn. eine verhältnissmässig breite Eleidinlage aufzufinden, deren Oberfläche sich mit zahlreichen kleineren und srösseren Tröpfchen wie besäet erweist (Fig. 2 st). Diese Tröpfehen unterscheiden sich in ihrer Form von denen des Strat. lueid. dadurch, dass sie im Allgemeinen etwas kleiner sind und eine grosse Neigung besitzen, sich zu perlschnurartigen Kettchen aneinanderzulegen (Fig. 3), ohne dass jedoch auch hier eine solehe Reihe die Länge einer Zelle überschreitet. Daneben bestehen noch Verschiedenheiten in der Dichte ihrer Anordnung und ihrer Färbbarkeit. Der Raum, auf dem sich hier das Eleidin findet, umfasst etwa 10 Zellreihen; nur sind die Tropfen über dieses Gebiet ziemlich zerstreut und liegen nicht so reichlich und nahe beisammen wie im Strat. Jueid., auch nehmen sie den Farbstoff weniger leicht an und färben sich nieht so intensiv (Fig. 3), dagegen fällt die ganze Schicht schon bei schwacher Vergrösse- rung durch ihre stärkere Färbung auf, wodurch sie sich von den Nachbarlagen unterscheidet. Die Grenzen gegen diese sind wenn auch nicht scharf, so doch immerhin deutlich genug abgesetzt; Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht etc. 587 sowohl nach aussen als nach innen bleiben die Tropfen im Wesent- lichen auf eine bestimmte Zone beschränkt (Fig. 2 und 3). Nach innen folgt eine Lage von ca. 5—6 Zellreihen, die vereinzelte Tröpfehen aufweist (Fig. 2 und 3 sr), nach aussen folgt die äusserste periphere Schicht (Fig. 2 und 3 sd), in der sich keine Tropfen mehr finden. Diese Beschränkung auf eine ganz be- stimmte Zone schliesst aus, dass es sich um eine Verschleppung des Eleidins aus dem Stratum lueid. handeln könnte, weil dann doch auch die dazwischen gelegene Lage mit verschleppten Tröpfehen besprengt sein müsste; ferner spricht aber hauptsäch- lich gegen diesen Einwand, dass auch bei der Messerführung von der Peripherie nach der Cutis zu das Bild dasselbe bleibt. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass an frischer oder kurz in Alkohol gehärteter und mit freier Hand geschnittener Haut sich ausser dem Strat. lueid. noch eine breite Zone innerhalb der Hornschicht findet, aus deren Zellen beim Anschneiden der In- halt heraustritt, und so der Färbung mit bestimmten Farbstoffen (Congoroth, Wasserblau) zugänglich wird. Dieser Zellinbalt charak- terisirt sich dadurch, besonders aber auch durch seine Form (Tropfen) als ein flüssiger; seinem ganzen Verhalten nach stimmt er demnach mit dem Eleidin des Strat. lueid. überein. Wir können also an dem Strat. corn. vier Zonen unter- scheiden (vergl. Fig. 2): 1) eine basale, das Stratum lueidum, mit reichlichem Eleidin- gehalt — Zone A (sl); 2) eine auf diese folgende Lage, ab und zu mit Spuren von Eleidin — Zone B (sr); 3) eine weiter peripher gelesene Schicht mit wieder reich- lichem Eleidingehalt — Zone © (st): 4) eine oberflächliehe Lage ohne nachweisbares Eleidin — Zone D (sd). Ich werde einstweilen diese Bezeichnung nach Zonen bei- behalten, weil sie die Beschreibung vereinfacht; inwieweit das Gebiet derselben sich mit der bisher üblichen, von Unna (29) eingeführten Eintheilung deckt und ob sie überhaupt eine Grund- lage für eine Eintheilung abgeben können, wird weiter unten zu erörtern sein. Der oben beschriebene Befund ist nun aber keineswegs ein durchaus regelmässiger. Während sich bei einzelnen Individuen 588 Franz Weidenreich: reichliche Mengen von Eleidin in der Zone © befinden, ist es bei anderen spärlicher vorhanden und oft nur in Spuren nachweisbar; fast stets bemerkt man dann aber in diesen Fällen eine mehr diffuse, stärkere Färbung der einzelnen Zellen jener Zone, die sich dadurch von den schwächer tingirten Nachbarschichten mehr oder weniger deutlich abhebt. Dieser wechselnde Eleidin- sehalt der peripheren Zone steht aber etwas im Verhältniss zu der Menge des Eleidins im Strat. lucid.; tinden sich hier viele Tropfen, so sind sie auch in der oberen Lage in grösserer Zahl vorhanden; finden sich hier dagegen wenige oder keine, so fehlen sie auch dort. Hie und da kann man in der äussersten Schieht — Zone D — intensiver gefärbte, unregelmässige kürzere Bälkchen oder Krüm- mel im Bereich einer Zelle nachweisen, die oft den Eindruck von Farbstoffniederschlägen machen, die aber, wie man sich durch entsprechende Einstellung des Mikroskops überzeugen kann, innerhalb der Zellen liegen. Um zu einer Deutung all dieser Befunde zu kommen, ist es nöthig, das Verhalten der Hornschicht am fixirten Material zu untersuchen. Je nach dem dazu verwandten Reagens wird das Bild ein verschiedenes sein. Härtete ich in Alkohol, so konnte ich entgegen den Angaben von Dreysel und Oppler (6) keine Eleidintropfen mehr nachweisen; im Gebiete des Strat. lueid. fanden sich allerdings kleine Krümmel auf den Zellen lie- gend, die jedoch nichts für flüssiges Eleidin eharakteristisches mehr zeigten. Nach diesen Autoren würde „gewöhnliche, nicht zu lang dauernde“ Alkoholhärtung keine Consistenzveränderung des Eleidins bewirken; als Dauer der Härtung in absolutem Alkohol wird von ihnen 2—3 Tage angegeben. Meine Hautstücke verblieben nur 24 Stunden in diesem Medium, allerdings dafür ziemlich lange (bis 8 Tage) in Celloidin, sodass möglicherweise die Differenz in den beiderseitigen Beobachtungen sich dadurch erklärt, für den Aufenthalt in Celloidin geben Dreysel und Oppler keine Zeit an. Nach Friekenhaus(9) soll sogar noch nach einer vierteljährigen Alkoholhärtung (absoluter?) das Eleidin seinen flüssigen Charakter behalten. Wie dem auch sei, ich halte diese Frage aus später anzuführenden Gründen nicht für prineipiell bedeutungsvoll. Jedenfalls steht fest, dass nach lang +lauernder Alkoholeinwirkung, gleichgiltig ob man mit trockenem oder befeuchtetem Messer schneidet, keine Eleidintropfen Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 589 mehr auftreten. So erhebt sich die Frage, was aus dem Eleidin geworden ist; da giebt es nun zwei Möglichkeiten: entweder es ist in Lösung gegangen, oder es hat seinen Aggregatszustand derart verändert, dass es beim Anscheiden der Zelle nieht mehr herausläuft, d. h. dass es fest geworden ist. Diese letztere An- sicht vertritt Grosse (8), während Friekenhaus zu der ersteren Annahme neigt. Ich trete hier vollständig auf Grosse's Seite; würde nämlich thatsächlich eine Lösung eintreten, so müsste dies doch in der Structur der Zelle zum Ausdruck kommen, und da sie aus Membran, Fasernetz und dem dieses erfüllenden Eleidin besteht, so würde bei der Lösung des letzteren das Maschenwerk hervortreten müssen. Dies ist nun aber bei den Alkoholpräparaten nicht der Fall, vielmehr erweisen sich die Zellen diffus von einer homogenen Masse erfüllt, wie ich es in meiner vorhergehenden Arbeit in den Fig. 15, 26 und 28 abgebildet habe, d. h. das Eleidin hat, jedenfalls infolge der wasserentziehenden Wirkung des Alkohols, eine feste Consistenz angenommen; eine wesentliche färberische Differenz tritt in den einzelnen Schichten nicht mehr auf, die gesammte Hornschicht färbt sich fast gleich- mässig. Ganz anders gestaltet sich das Bild, wenn man zur Fixirung eine 1°/,ige Tanninsäurelösung benutzt (24 Stunden bei ca. 30°, Auswaschen in fliessendem Wasser, Celloidineinbettung). Färbt man einen derartigen Schnitt mit Hämalaun und Congoroth (Fig. 5), so treten die Keratohyalingranula innerhalb des Strat. granul. deutlich hervor, während das Strat. corneum ein eigenthümliches Aussehen bietet. Unmittelbar auf die körnchenführende Schicht folgt nämlich eine ca. 10 Zellreihen hohe Lage (Fig. 5. sl und sr), in der roth gefärbte Zellen auf bläulichem Grunde hervortreten. Diese Zellen sind bläschenförmig, zeigen eine deutliche Membran (m), ein Faserwerk (/f) in ihrem Innern und eine centrale Kern- höhle (c), in der sich in den tiefsten Lagen noch ab und zu Kernreste (n) erhalten haben (Fig. 5 und 6). Membran und Netzwerk nehmen mit Uongoroth oder auch mit Pikrocarmin ge- nau dieselbe Farbe an wie das Eleidin und lassen sich auch mit Eosin sehr schön darstellen. Bei starker Vergrösserung machen diese Zellen den Eindruck, als wenn ihre Wände und die Fasern voneinander gezogen worden wären und nun eine schmierige, stärker lichtbrechende Masse sich zwischen diesen Fäden aus- 590 Franz Weidenreich: spannen und an ihnen festkleben würde (Fig. 6). Bei kürzer dauernder Tannineinwirkung tritt das Fasernetz weniger deutlich oder gar nieht hervor; man erhält dann Bilder, wie ich sie in Fig. 4 wiedergegeben habe, die sich von den mit der typischen Eleidindarstellung gewonnenen (Fig. 1) nicht unterscheiden. Die erst beschriebene Erscheinung ist jedoch nicht auf die unteren Zellreihen, die hier nieht nur das Strat. lucid., sondern auch die darüber gelegene Zone umfassen, beschränkt, sondern findet sich ebenso ausgesprochen an den seitlichen Sehnitträndern in der ganzen Höhe des Strat. corn.; in der oberflächlichen Zone tritt dagegen das geschilderte Aussehen der Zellen weniger scharf hervor, Netzwerk und Membran werden hier nur an einzelnen Zellen deutlich, etwas häufiger die Kernhöhle, während an Stelle der schmierigen Masse nur kleine Krümmel nachweisbar sind. Der übrige Theil der Hornschicht zeigt mit Ausnahme der Seiten- ränder eine diffuse Blaufärbung, wie an stark gehärteten Alkohol- präparaten. Die Abgrenzung gegen dieses Gebiet ist sowohl von oben und unten als auch von den Seiten her keine scharfe. Ich glaube, dass für die Erklärung dieses Bildes die folgende An- nahme die riehtige ist: die Tanninlösung dringt von allen Seiten her in die Hornschicht ein und verursacht eine Quellung der Zellen bezw. ihres Inhaltes; diese nehmen so eine bläschenförmige Gestalt an, und das Eleidin spannt sich zwischen den Fäden des Zellinnern aus. Indem so durch die Quellung und Fixirung ein fester Gürtel gebildet wird, kann die Flüssigkeit nicht zu dem centralen Theil der Hornschicht gelangen und seine Zellen nicht zum Aufquellen bringen. Dabei scheint das Tannin die Eigen- schaft zu haben, mehr auf den Zellinhalt als auf die verhornte Membran zu wirken, da die oberflächliche Schieht zum Unter- schiede von den angeschnittenen Seiten nur wenig bläschenför- mige Zellen aufweist; die Krümmel deuten hier vielmehr darauf hin, dass das Eleidin hier völlig eingetrocknet ist und damit auch seine Quellungsfähigkeit verloren hat. Dafür sprechen noch andere, später zu erwähnende Beobachtungen. Dass die zwischen dem Maschenwerk des Zellinnern ausgespannte schmierige Masse wirklich das durch das Reagens allerdings in seiner Consistenz veränderte Eleidin ist, geht einmal daraus hervor, dass das ganze Strat. lueid. diese Eigenthümlichkeit zeigt (Fig. 5sl) und dass Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 591 bei kurz dauernder Fixirung sich einzelne Zellen noch mit un- verändertem Eleidin gefüllt erweisen (Fig. 4 e). Fixirt man Sohlenhaut nach den Angaben Unna’s (32) in einer Lösung von 1,0 gr Tanninsänre und 1,0 Pikrinsäure in 100 cem einer 1°/,igen Salpetersäurelösung bei einer Temperatur von ca. 90°, bettet die so behandelte Haut dann in Celloidin ein und schneidet genau senkrecht zu den Riffen der Oberfläche, so er- hält man bei Färbung mit Congoroth oder Pikrokarmin folgendes Bild (Fig. 7): Die Hornschicht lässt sich deutlich in vier Zonen abgrenzen; die unterste Zone A, dem Strat. lueid. entsprechend (sl), ist intensiv gelb gefärbt, die Zellen selbst sind stark abge- plattet. Darauf folgt eine breite stark roth tingirte Zone B (sr); hier sind die Zellen bläschenförmig und lassen eine deutliche Membran und Fasernetz, sowie eine leere Kernhöhle erkennen (in Figur 7 wegen der schwachen Vergrösserung nicht wieder- gegeben); ähnlich wie bei den Tanninpräparaten spannt sich zwischen den Fasern eine stark roth gefärbte, schmierige Masse aus, das gequollene Eleidin. Auf diese Schicht folgt eine Lage (C) gelb gefärbter platter Zellen (st), an denen keine Structur zu erkennen ist und darauf wieder eine Zone (D) bläschenförmiger Zellen (sd) mit Membran, Fasernetz und leerer Kernhöhle und zwischen dem Faserwerk eine mehr krümmlige Masse. Der Uebergang von einer Zone in die andere ist zwischen A und B sehr scharf, weniger zwischen B und C und C und D. Neben dieser verschiedenen Schiehtung fällt nun sofort auf, dass im Gebiet der die oberflächlichen Riffe begrenzenden Furche, also in dem von Blaschko (2) beschriebenen Faltentheil die Zone C der platten Zellen sich gegen das Strat. Malpighi hin einsenkt und das Strat. lucid. (Zone A) erreicht (pi). Die Hornschicht erscheint also hier, wie übrigens schon Oehl (19) beobachtet und abgebildet hat, deutlich in den intrapapillären Theil des Strat. Malpighi eingefaltet, nur die oberflächliche Schicht ist dabei weniger betheiligt und weist nur über der Falte eine Einbuchtung auf (in Fig. 7 nieht ausgeprägt). Behandelt man einen derartig fixirten Schnitt nach den weiteren Unna’schen Angaben mit einer Osmium-Alaunlösung, so färbt sich Zone A und © intensiv oliven- grün (Fig. 8sl und st), wodurch die platten Zellen von den heller osmirten bläschenförmigen der anderen Lagen (sr) scharf con- trastiren; im Faltentheil (pi) erkennt man so besonders deut- 592 Franz Weidenreich: lich, dass hier die Zellen statt mit ihrem grössten Durchmesser horizontal orientirt zu sein, sich der Faltenrichtung entsprechend vertical gestellt haben. Dasselbe Verhalten hat nun bereits Zander (35) beobachtet; er giebt davon in Fig. 4 (Taf. V) ein anschauliches Bild. Dieses Zanderssche Präparat entstammt Haut, die in Chromsäure gehärtet und mit Methyleosin gefärbt war. Wir haben dort eine stark roth gefärbte Zone A (Strat. lueid.) mit platten, eine Zone B mit bläschenförmigen Zellen, eine Zone C mit wieder mehr abgeplatteten, die sich im Gebiet der Falte zum Strat. Malpighi einsenken und endlich eine periphere Zone D mit bläschenförmigen Zellen, die bei der Einfaltung weniger betheiligt ist. Zander hat dieses Bild so erklärt, dass die stark roth gefärbten und abgeplatteten Zellen total verhornt wären (Typus B), während die bläschenförmigen Zellen den für Vola manus und Planta pedis charakteristischen Bau zeigen wür- den (Typus A). Aehnliche Bilder ergiebt nun auch die Zenker- sche Flüssigkeit. Bei der Deutung dieses Phänomens entsteht als nächste Frage: Handelt es sich hierbei um ein Kunstprodukt, d.h. wird die eigenthümliche Anordnung und Verschiedenheit der Zellen durch das Fixationsverfahren bedingt, oder finden sich diese Unterschiede auch an frischer Haut? Ielı habe bereits auseinandergesetzt, dass sich thatsächlich an frischer Haut Differenzen insoweit nachweisen lassen, als wir je nach dem Auftreten des Eleidins vier Zonen unterscheiden können. Aber auch die Falte lässt sich ohne Weiteres nachweisen, nur erscheint die oberflächliche Schicht stärker eingebuchtet, dies entspricht eben der Furche zwischen den Riffen der Oberfläche. Diese Verhältnisse hat Oehl (19) nach Beobachtungen an frischer Haut in Taf. I Fig. 3 und 5 schon vor bald 50 Jahren abgebildet. Auch an Haut, die kurze Zeit in 60-—70°/, Alkohol gelegen hat, lassen sich diese Ver- hältnisse noch gut erkennen, sehr lang dauernde Alkoholeinwir- kung verwischt dagegen das Bild, eine Beobachtung, die auch Unna (29) bestätigt. Dagegen kann weder an frischer noch an kurz in Alkohol gehärteter Haut in der Zellstruetur der ver- schiedenen Schichten ein Unterschied wahrgenommen werden; niemals treten hier bläschenförmige Zellen mit Membran und Fasernetz hervor. Ihr Auftreten ist also auf eine Quellung zurück- Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 595 zuführen, wohl mit theilweiser Lösung des Zellinhaltes, d.h. des Eleidins; diese Quellung wird thatsächlich durch die zur Fixirung benutzte Säurelösung bedingt, in meinen Fällen durch die Sal- petersäure, Essigsäure und die Müller'sche Flüssigkeit, bei Zander durch die Chromsäure. Wie kommt es nun, dass diese Quellung sich nicht auf die ganze Hormschicht erstreckt, sondern nur auf bestimmte Lagen derselben? Da wir im Grossen und Ganzen auch an frischer Haut wesentliche Unterschiede finden, müssen diesen Ursachen zu Grunde liegen, die in einem besonderen Zustande des Stratum corneum zu suchen sind; diese können aber nichts anders als Spannungsunterschiede sein, welche ich an dem folgenden Schema erläutern will. Schema zur Erläuterung der Spannungsverhältnisse im Stratum corneum von Vola manus und Planta pedis. ah und ck=Zugrichtung im Blaschko’schen Faltentheil nach innen. Grosser Pfeil in der Mitte = Gegendruckrichtung nach aussen. Pfeile bei A und k = Richtung der die Zone ghik (Zone A) zusammenpressenden Kraft. Pfeile bei « und c= Richtung der die Zone abed (Zone C) spannenden Kraft. 0 = Interferenzzone (Zone B); ef= deren Mittellinie. Die Hornschicht ist im Gebiete der Blaschk o schen Falten gegen die Cutis zu stark eingezogen, während die zwischen zwei Falten gelegene Partie, die der Drüsenleiste entspricht, Archiv f, mikrosk. Anat. Bd, 57 39 594 Franz Weidenreich: nach der Oberfläche zu vorgewölbt ist; dadurch wird in diesen Theilen eine dauernde Spannung erzeugt, welche sich in folgen- der Weise äussert: Nehmen wir in der Richtung der Faltenlinie ah und ck einen gegen die Cutis wirkenden Zug an und dem- entsprechend im Gebiete des Drüsenleistentheils von der Cutis her einen durch den mittleren Pfeil angedeuteten Druck nach aussen, so entstehen in dem Gebiete achk Spannungsunterschiede und zwar werden in der Zone ghik die Zellen gegen die Mitte zu in der Richtung der Pfeile bei } und % zusammengepresst, wäh- rend in der Zone abed umgekehrt die Zellen von der Mitte nach den Seiten auseinander gezogen werden. Dadurch entsteht, da ja die Linien ah und ck sich einander nähern können, nach dem Gesetze eines an seinen Enden frei beweglichen Stabes eine Interferenzzone bdgi mit der Mittellinie ef, in welcher die Spannung gleich Null ist. Einer grossen Spannung unterliegen demnach einmal die Zellen der Zone ghik (Zone A, Stratum luecidum) und der Zone abcd (Zone C), ebenso die Zellen des Faltentheils b g und di, keiner dagegen die der zwischen diesen Linien gelegenen Zone bgdi und der an der Einfaltung nicht mehr betheiligten äussersten peripheren Schicht (Zone D). Die Zonen A und C haben demnach ein festes Gefüge, die einzelnen Zellen unterliegen einer starken Span- nung in horizontaler Richtung, während die Zonen BundD locker geschichtet sind, auf ihre Zellen also kein besonderer Zug einwirkt. In diesen Spannungsverhältnissen der einzelnen Schichten finden wir nun eine unzweideutige Erklärung für die Bilder, wie sie die verschiedenen Fixirungsmethoden liefern. Bei all den Mitteln, die Quellung verursachende Reagentien enthalten, wie die Unna’sche Lösung, die Chromsäure, die Zenker’sche Flüssigkeit ete., äussert sich diese Quellung zunächst in den loekeren Schichten, weil hier die Flüssigkeit am leichtesten ein- dringen und sich ausbreiten kann, die Zellen nehmen dadurch Bläschenform an und werden so fixirt; während dort, wo ein festes Gefüge besteht, die Flüssigkeit schwerer und später ein- dringt, so dass diese Zellen durch die bereits gequollenen und fixirten der Nachbarlagen an der Ausdehnung verhindert werden, ja vielleicht sogar dureh jene eine Zusammenpressung erfahren. So erklärt sich, dass die Zonen A und C, sowie die Blaschko- Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 595 sche Falte stark abgeplattete Zellen aufweisen, die infolge dessen auch färberische Differenzen zeigen werden, indem sie sich mit bestimmten Farbstoffen (Garmin, Congorot, Methyleosin) intensiver tingiren lassen. Verwendet man zur Fixirung dagegen Reagentien, die keine Aufquellung bedingen, wie den Alkohol, so kommen die Unterschiede der Schiehten weniger scharf zum Ausdruck; man findet hierbei keine bläschenförmigen Zellen, sondern durchweg mehr oder weniger abgeplattete, deren Inhalt in eine feste homogene Masse umgewandelt worden ist; doch bleibt die Blascehk o’'sche Falte deutlich ausgeprägt. Bei ganz frischer Haut ist sie dagegen oft etwas weniger bemerkbar, hier- bei trifft man dann eine mehr wellenförmige Anordnung derart, dass die Wellenthäler stets im Gebiet der Falte gelegen sind. Diese geringe Verschiedenheit ist darauf zurückzuführen, dass bei frischer Haut infolge der ihr innewohnenden bedeutenden Elastieität die natürliche Spannung durch das Ausschneiden des dünnen Rasirmesserschnittes etwas verloren geht. Ist nun der Inhalt der Hornzelle flüssig, wie bei frischer oder kurz in Alkohol gehärteter Haut, so wird derselbe beim Anschneiden das Bestreben haben, aus der Zelleauszutreten, und zwar in den Schichten, wo die Zellen einer besonderen Spannung ihrer Wandung unterworfen sind. Dies ist nun, wie aus- einandergesetzt, der Fall in den Zonen A und C, in den Lagen also, wo sich nach meinen eingangs angeführten Beobachtungen Eleidintropfen in reichlicher Menge nachweisen liessen; dagegen wird in der Interferenzzone B, ebenso wie in der oberflächlichen Lage D, da hier die pressende Kraft fehlt, nichts aus der Zelle ausfliessen. Es ist nun selbstverständlieh, dass diese Zonen ver- schiedener Spannung sich nicht scharf von einander abgrenzen, mit Ausnahme des Uebergangs von Zone A in B; hier tritt eine schärfere Trennung hervor, weil an dieser Stelle das Eleidin im Allgemeinen in eine festere Form übergeht. Aber auch dieser neuentstandene Körper kann noch hier und da ausgepresst wer- den, das ist dann der Fall, wenn die Spannungsverhältnisse gut ausgeprägt sind und sein Aggregatszustand nicht allzufest ist. Ist dagegen die Spannung eine geringere und das Eleidin wenig liquid, so gelingt es nicht, es noch in den höheren Lagen nach- zuweisen. 596 Franz Weidenreich: Die geschilderten Spannungsunterschiede können nun noch dureh eine rein physikalische Eigenschaft der Hormschicht sicht- bar gemacht werden, auf die von Ebner (7) schon längst aufmerksam gemacht hat, die ich aber merkwürdiger Weise in keiner Beschreibung der Epidermis erwähnt finde, das ist die Anisotropie des Stratum corneum. Untersucht man Hornschicht, die nach Unna fixirt ist, im polarisirten Licht, so erkennt man leicht, dass die Zonen A und C ausserordentlich stark doppellichtbrechend sind, bedeutend weniger dagegen die übrigen Zonen; lange nicht so in die Augen springend ist der Unterschied bei frischer Haut, weil die Elastieität hier die Span- nung ausgleicht; immerhin aber tritt sie deutlich genug in den Zonen A und C und in den gegen die Blaschk o’sche Falte geneigten Zellreihen hervor, besser noch wenn man die Haut etwas eintrocknen lässt oder ein kurz in Alkohol gelegtes Stück verwendet. Dagegen erweist sich nach lang dauernder Alkohol- härtung das Strat. cormeum fast gleichmässig anisotrop; behan- delt man aber einen derartigen Schnitt mit Essigsäure, so quellen die Zellen auf und in demselben Masse nimmt in den gequollenen Partien die Doppellichtbrechung ab, eine Beobachtung, die zu dem Schlusse berechtigt, dass nicht gequollene und gespannte Zellen je nach dem Grade der Spannung anisotrop sind. Ich habe mich bemüht, festzustellen, an welchen Zellbestandtheil die Doppellichtbreehung gebunden ist, an die Hornsubstanz oder an das Eleidin. Die erstere kann jedenfalls anisotrop sein, wovon man sich ohne Weiteres überzeugt, wenn man ein dünnes Stück- chen Nagel zwischen die Nicols bringt; die Ränder zeigen sich dann isotrop, die Mitte mehr anisotrop. Dagegen fällt für das Eleidin der Nachweis schwerer; an den Tropfen lässt sich mit 3estimmtheit nichts feststellen, dagegen erweist sich der ge- sammte Inhalt der Stratum lueidum-Zellen sehr stark doppellicht- breehend, ein Umstand, der mir doch dafür zu sprechen scheint, dass auch das Eleidin, wenigstens wenn es sich in einem ge- pressten Zustande befindet, anisotrop ist. Die Spannungsunterschiede der Hornschicht erklären nun aber auch ein Phänomen, - das neuerdings von Merk (16) be- obachtet wurde, von ihm aber, wie mir scheint, nicht in zu- treffender Weise gedeutet wird. Merk fand nämlich, dass bei Sr de) | Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. Injeetionen in die Fingerbeere eines frisch amputirten Fingers, gleichviel mit welcher Flüssigkeit, eine „Verbreiterung“ der über dem Strat. lueid. gelegenen Zone eintrat, deren Zellen aufquollen und Bläschenform annahmen. Ueber den Drüsenleisten war die Verbreiterung stärker, schwach an den anderen Stellen, sodass an den „von der Injection mehr entfernten Partien nur die erstere Art der Verbreiterung (d. h. eine Beschränkung auf die Drüsen- leiste. D. Ref.) bei schwachen oder mässigen Vergrösserungen entdeckt werden konnte“. Die Merk ’schen Figuren la und 7 lassen ohne Weiteres erkennen, dass seine „Verbreiterungszone“ identisch ist mit meiner Zone B (vgl. Schema und bes. Fig. 9 sr), die, wie oben auseinandergesetzt, locker gefügt ist. Es ist klar, dass infolgedessen die Injeetionsflüssigkeit sich in dieser Lage besonders leicht ausbreiten wird, nicht dagegen dort, wo eine starke Spannung herrscht wie in den Zonen A und B. Bei starkem Druck, d. h. also in der Nähe der Einspritzungsstelle wird dieser Widerstand überwunden und zwar zunächst in der Lage, in der er am schwächsten ist, also im unteren Faltentheil; die Flüssigkeit breitet sich dann auch hier aus. Bei geringerem Druck, d.h. bei grösserer Entfernung, bleibt sie dagegen auf die lockere Schicht beschränkt; sie wird hier diese Lockerung noch erhöhen und dem fixirenden Reagens das Eindringen in die Zone erleichtern; ist dieses säurehaltig, so bringt es sofort die Zellen zum quellen, thatsächlich rühmt nun auch Merk die Wirkung der Zenker’schen Flüssigkeit, die das Phänomen besonders zeige. Ganz abweichend hiervon beurtheilt nun Merk die mitge- theilte Erscheinung. Nach ihm handelt es sich dabei um eine Lebensthätigekeit der Hornzellen, die im Stande wären, überschüssige Flüssigkeitsmengen aus dem darunter liegenden Ge- webe aufzunehmen und an die Oberfläche abzugeben; es käme ihnen so eine bedeutende „regulatorische Thätigkeit“ zu. Trotz- dem ich bereits in meiner ersten Abhandlung gegen diese An- nahme, wie ich glaube, schwerwiegende Bedenken geltend ge- macht habe, hält Merk in einer eben erst erschienenen Arbeit (17) seine Behauptung aufrecht; er betont zwar ausdrücklich, dass ich seine Ausführungen nicht direet als gegen meine Person ge- richtet ansehen möge, weil mein Standpunkt der allgemein bisher 598 Franz Weidenreich: vertretene wäre; ich glaube aber dennoch das Recht in Anspruch nehmen zu dürfen, seiner Auffassung entgegenzutreten. Zunächst müsste man sich eigentlich darüber verständigen, was beiderseits unter einer Lebensthätigkeit der Hornzelle verstanden wird. Merk erläutert dies nicht näher, aber aus seinen Ausführungen geht hervor, dass er annimmt, die Hornzelle vermöge in dem vorliegenden Falle durch eine besondere Function ihres Proto- plasmas Flüssigkeit activ aufzusaugen, in sich aufzuspeichern und nach Bedarf wieder abzugeben; das ist doch wohl das Wesen einer regulatorischen Thätigkeit. Daneben führt er noch an, dass die Hornzelle bei pathologischen Processen Veränderungen eingehe, über deren Natur aber einstweilen keine näheren An- gaben gemacht werden; er erwähnt hier nur besonders die früh- zeitige Abstossung der Zellen nach Aetzung und Verbrennung und meint, wenn die Zelle doch schon todt wäre, könnte sie nicht gut auf diese Schädlichkeiten reagiren und so noch „todter“ werden. Derartige Einwände haben doch recht wenig Beweis- kraft. Liegt es dann nicht viel näher, für diese Reactionen Aenderungen in den rein physikalischen Eigenschaften der Horn- zelle anzunehmen? Von diesen käme besonders in Betracht die Elastieität, die Quellungsfähigkeit und die Neigung des in den tiefen Schichten z. Th. flüssigen Zellinhalts mit dem Vorrücken der Zelle nach der Oberfläche fest zu werden und einzutrocknen; eine vorzeitige Abstossung der Hornzellen kann ebensogut auf einer starken Lockerung des Zellverbandes durch rein mechani- sche Momente basiren. Das Merk ’sche Phänomen ist leicht, wie bereits gezeigt, auf physikalische Eigenthümlichkeiten der Zellen zurückzuführen. Dass also die Hornzelle durch chemische und thermische Reize verändert werden kann, beweist gar nichts für eine Lebensthätigkeit derselben. Wenn ich z. B. ein Stück altes Horn vom Pferdehuf in Kalilauge koche, so bildet sich zunächst eine schleimige Masse; niemand wird aber deswegen sagen, das todte Stück Horn ist nun noch „todter ‘ geworden; oder aber wenn ich ein Blatt von einem Baume abschneide und lege es an die Sonne, so vertrocknet es schliesslich zu einer dürren, brüchigen Masse; die Zellen waren aber schon bedeutend früher abgestorben, bevor dieses Endresultat eintrat, und auch in diesem „todten* Zustande kann es, bezw. seine Zellen, noch „todter“ gemacht werden, nämlich dann, wenn man es verbrennt. Zu- Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht etc. 599 nächst wäre demnach zu prüfen, sind die von Merk angeführten Punkte nicht auf rein physikalische Eigenschaften der Hornzellen zurückzuführen, die, wenn auch abgestorben, vermöge ihres Reichthums an solchen auf äussere Einwirkungen sehr leicht reagiren können. Als Haupteinwand gegen eine active Lebensthätigkeit hatte ich mit geltend gemacht, dass die Hornzellen des Kerns ent- behren und dass es unseren physiologischen Anschauungen wider- streite, einem kernlosen Gebilde wirkliches Leben zuzusprechen. Dagegen hebt nun Merk besonders hervor, dass er Kerne in den Hornzellen gefunden hane, die sich leicht färben liessen und dass in den Zellen seines Zehennagels solche gleichfalls nachweisbar waren. Ich weiss sehr wohl, dass man in den basalen Hornlagen ab und zu gut färbbare Kerne trifft und dass dieser Befund für die Hornzellen des Nagels der normale ist; allein die Thatsache bleibt bestehen, dass in den höheren Lagen der Hornschicht Kerne normaler Weise niemals gefunden werden; aber auch die in den tiefsten Lagen des Stratum corn. nachweisbaren Kerne lassen alle eine deutliche Schrumpfung erkennen und sind im Begriffe zu zerfallen (Fig. 5»). Ganz aber fehlen sie in den Zelllamellen der nach dem von Zander (35) so benannten Typus B gebauten Haut, d. h. an allen Hautstellen mit Ausnahme der Vola manus und Planta pedis,. Merk ignorirt in seiner Erwiderung den von mir bereits früher gemachten Einwand völlig, und doch kommen für pathologische Processe praktisch wohl hauptsächlich diese Partien in Betracht, jedenfalls aber dann, wenn es sich um eine wichtige physiologische Funetion der Hornschieht handeln soll, wie die „regulatorische Thätigkeit“ eine wäre. Ich muss also meine Frage wiederholen: Ist diesen Lamellen auch eine active Lebensthätigkeit zuzusprechen? Gelingt es hier überhaupt — darauf basirt ja in ihrem Kernpunkt die Merk’'sche T'heorie — Flüssig- keit in die Zellen selbst, nieht in die Interlamellarräume, mittels subepidermaler Injection himeinzuspritzen? Solange also keine stichhaltigeren Beweise für ein Leben der Hornzelle beige- bracht werden können, wird sie wohl einstweilen noch ihre Aufer- stehung nicht feiern; es bleibt vielmehr dabei, dass die Epider- miszellen einer fortschreitenden Degeneration unter- liegen, die schliesslich zum Absterben der Zelle führt }). 1) Es sei mir hier gestattet, obwohl es nicht direct im Rahmen 600 Franz Weidenreich: Der auffallende färberische Unterschied zwischen den ein- zelnen Schichten des Strat. corn. hat nun Unna (29, 30) schon früher veranlasst, eine Theorie hierüber aufzustellen; darnach würde es sich um Consistenzverschiedenheiten der Zelllagen handeln, was also im Prineip mit meiner Aufstellung übereinstimmen würde. Unna’s Untersuchungen beschränkten sich in der Hauptsache auf Fixirung der Haut in Osmium oder Alkohol mit nachfolgender Pikrokarminfärbung. Auf Grund so gewonnener Bilder nimmt er an, dass das Strat. lueid. sehr fest gefügt sei, eine darunter ge- legene „superbasale“ Schicht fest, eine folgende „mittlere“ locker und die „oberflächliche“ wieder fest. Für die Aufstellung einer eigenen superbasalen Schicht, die Unna als stark rothen, schmalen Streifen nur bei Pikrokarminfärbung fand, ist kein zwingender Grund vorhanden; ausserdem aber geht aus meinen Osmiumprä- des Themas liegt, kurz auch auf die Einwände Merk’s (17) einzugehen, die sich auf den Bau der Hornzelle beziehen. Zunächst habe ich nir- zends behauptet, dass sich zwischen den Hornzellen isolirte Fibrillen fänden, die entfernter gelegene Zellen mit einander verbinden würden. Ich leugne doch sogar schon eine Verbindung benachbarter Horn- zellen durch Fasern. Was nun die Frage nach den Poren der Zellen angeht, so hat Merk ein neues Argument dafür nicht vor- gebracht, noch meine Einwände widerlegt. Oberflächenbildern kommt hier m. E. wenig Beweiskraft zu, da hierbei sich niemals mit Be- stimmtheit sagen lässt, ob die Vertiefungen, wie sie sich in den Merk’schen Figuren A, B etc. finden, wirkliche Löcher oder nur Grübchen darstellen; die reprodueirten Photographien lassen die letztere Annahme sogar für richtiger erscheinen, die Zellen bieten nicht den Anblick einer siebartig durchlöcherten Hülle, sondern eher einer mit Zacken und Kämmen besetzten Oberfläche, die durch kleine Gruben von einander getrennt sind. Die Frage kann eben nur sicher ent- schieden werden mittelst eines Durchschnittes durch die Zelle; hierbei zeigt sich nun auf das Schlagendste, dass die Oberfläche mit Zähnchen besetzt ist, aber Durchbreehungen der Membran, wie sie doch beim Vorhandensein von Poren unfehlbar auftreten müssten, lassen sich nirgends, auch in den dünnsten Schnitten von 2,5 u nicht, constatiren. (Ich verweise hier nur auf die Fig. 15,16, 17,18,20 u. ff. meiner ersten Abhandlung.) Wenn es also gelingen sollte, auf einem Zelldurchschnitt Lücken in der Membran aufzufinden, die in das Zellinnere hinein führen, dann erst wäre das Vorhandensein von Poren unwiderleglich bewiesen. Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 601 paraten hervor, dass seine oberflächliche Schieht mit den von mir als Zone © und D bezeichneten ungefähr identisch ist. Be- rücksichtigt man dies, so deckt sich die Unna’sche Angabe über die Consistenzverschiedenheiten mit der meinigen; es würde also die basale feste Schicht der Zone A, die mittlere lockere der Zone B, die oberflächliche der Zone C und meine lockere Zone D wohl dem peripheren Theile von Unna’s oberflächlieher Schicht entsprechen. Allein in der Erklärung der Consistenzunterschiede weiche ich von Unna ab; er hat ziemlich eomplieirte Theorien über die Aeusserung der Oberflächenspannung auf die einzelnen Horn- zellen aufgestellt. Wieweit diese in Betracht kommen, will ich dahin gestellt sein lassen; ich glaube, dass die von mir gegebene Deutung wesentlich einfacher ist, sie deekt sich zudem völlig mit den Befunden bei den verschiedensten Fixirungen und von frischer Haut. Fasse ich nunmehr die Ergebnisse zusammen, so lässt sich über den Bau der Hornschicht folgendes sagen: Das Stratum corneum wird von Zellen gebildet, an denen sich eine verhornte Membran und im Innern ein Fasernetz unterscheiden lässt, das jedenfalls aus einer sehr resistenten Sub- stanz, sicher aus irgendwie verändertem, jedoch nicht ver- horntem Protoplasma, besteht; der übrige Zellraum wird von einer homogenen Masse eingenommen, die jenes Netzwerk ausfüllt. Diese Masse entsteht durch Ver- flüssigung der im Strat. gran. gebildeten Keratohyalingranula und heisst dann Eleidin; indenbasalen 2—3 Zellreihen der Hornschicht behält dieses Eleidin seinen flüssigen Charakter bei, nimmt aber dann eine feste, zähe, colloidartige Consistenz an und trocknet insden Oberflächenziellen) zu einer krümmelizen Masse ein, während Membran und Faserwerk mor- phologisch keinerlei Veränderung mehr erfahren. Ich hatte in meiner ersten Abhandlung einzelne Beobachtungen aufgeführt, die für eine Betheiligung des Schweisses bei der Eleidinmetamorphose sprechen, konnte jedoch weitere Beweise für diese Annahme nicht finden; nahe liegt es jedenfalls die Wirkung der Luft für die Austrocknung des Eleidins anzunehmen. Für die festere Form dieser Substanz habe 602 Franz Weidenreich: ich den Namen Pareleidin vorgeschlagen, weil mit dem Ueber- sang des Eleidins in diesen Zustand auch chemische Umwand- lungen einherzugehen scheinen, wofür die später zu erwähnende Osmiumreaction spricht. Demnach könnte man im Allgemeinen den homogenen Inhalt der Hornzelle jenseits des Strat. lueid. als Pareleidin bezeichnen. Neben dieser Structur der Zelle selbst bietet auch die Hornschicht als solehe in ihrem Gefüge wesentliche Verschiedenheiten dar. Die basale Schicht — Zone A, Strat. Iueid. — besteht aus stark abgeplatteten, festgefügten und gespannten Zellen, auf diese folgt eine lockere Schicht — die Interferenzzone B — mit weniger abgeplatteten Zellen, dann wieder eine feste Zelllage im Zustande der Spannung — Zone © — und endlich eine oberflächliche lockere Schicht mit den sich abstossen- den Zellen — ZoneD. Im Gebiet der Blaschk o’schen Falte erstreckt sich die gespannte Zone C bis zum Strat. lucid. herab und unterbricht hier so die lockere Schicht B (vergl. Fig. T, 8 und 9). Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass dieses eben ge- schilderte Bild individuellen Sehwankungen unterworfen ist, die in einem mehr oder weniger bedeutenden Ausgleich der Spannungsdifferenzen oder in der früher oder später eintretenden Aenderung des Aggregatzustandes des Eleidins, bezw. des Pareleidins bestehen. Es wäre jedenfalls zur Erkenntniss pathologiseher Vorgänge nicht ohne Werth, zu untersuchen, in wie weit Alter und Ermährungszustände diesen wechselnden Befunden zu Grunde liegen und in wie weit sie bei Krankheiten, welche die Hornschicht betreffen, eine Rolle spielen. Ein besonderes morphologisches Interesse bietet die angezogene Frage jedenfalls nicht. Vielleicht empfiehlt es sich vom prak- tischen Gesichtspunkte aus die einzelnen Schichten des Stratum corneum mit Namen zu belegen, die zugleich auch einen Hinweis auf ihren Bau enthalten; ich schlage also für den Fall, dass sich ein besonderes Bedürfniss nach einer dement- sprechenden ausführlichen Nomenelatur herausstellen sollte, folgende Bezeichnungen vor (vergl. dazu Fig. 9): Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht etc. 603 Stratum eorneum. en zz EESSESSEEE Pars arcuata (pa)!) Pars implieita (p) (Drüsenleistentheil) (Gebiet der Blaschko’schen Falte) A. Stratum lueidum (Oehl) (sive Stratum tensum profundum — Stratum basale Unnae) (sl); B. Stratum relaxatum (8. fehlt Stratum medium Unnae) (sr); C. Stratum tensum (bezw. tens. superfic.) (st) D. Stratum disjunetum (Ranvier) (sd) (C und D — Stratum superficiale Unnae). Die Pars implieita unterscheidet sich also von der Pars arcuata dadurch, dass hier das Stratum relaxatum fehlt, an seiner Stelle reicht das Stratum tensum bis zum Stratum lueidum herab. In der Mitte der Pars arceuata verläuft durch alle Schichten hin- durch der Ausführgang der Schweissdrüsen (ds). Es erscheint mir nothwendig, auch hier wieder besonders hervorzuheben, dass in der eben geschilderten Weise nur die Hornschicht von Vola manus und Planta pedis gebaut ist, während das Stratum corneum der übrigen Hautstellen aus wenigen übereinander geschichteten Lamellen besteht, die ab und zu durch Spalträume von einander getrennt sind, welche man zweckentsprechend als Interlamellarräume bezeichnen könnte. Die Lamellen selbst wieder bestehen aus stark abge- platteten, untereinander verklebten Hornzellen, deren verhornte Wände ihrerseits wieder aneinanderkleben, sodass ein Inhalt —- Faserwerk und Eleidin, bezw. Pareleidin — hier überhaupt nicht oder nur inSpuren nachweisbar ist. Durch besondere Reagentien gelingt es jedoch, die Zellen zu isoliren und auch die Verklebung ihrer eigenen Wände zu lösen, sodass sie zu bläschenförmigen Gebilden aufquellen. Für die Beurthei- lung pathologischer Processe ist es unbedingt nothwendig, diese Unterschiede im Bau der Hornschicht streng zu beachten; Re- 1) Die Buchstaben beziehen sich auf die Bezeichnung in der schematisirten Figur 9. 604 Franz Weidenreich: sultate von Untersuchungen über das Stratum cor- neum von Vola manus und Planta pedis können daher niemals ohne weiteres als auch für die üb- rigen Hautstellen geltend angesehen werden und umgekehrt. Die Frage nach der chemischen Natur des Eleidins, bezw. des Pareleidins ist eng verknüpft mit der nach dem Fettge- halt derHornschicht. Der erste, der die Behauptung auf- stellte, dass das Stratum eorneum Fett enthalte, war Ranvier (21). Langerhans (12) hatte bekanntlich gefunden, dass nach Be- handlung der Haut mit Ueberosmiumsäure eine Schwarzfärbung in der Hornschicht auftritt, die nach ihm das Strat. lueid. frei- lassen würde und oberhalb desselben sich als ein breiter Streifen zu erkennen gäbe, eine Beobachtung, die Ranvier bestätigen konnte. Er fand gleichfalls, dass das Strat. lueid. ungefärbt blieb, während ein breiter schwarzer Streifen unmittelbar ober- halb desselben auftrat und ein zweiter an der Oberfläche; da- neben zeigten aber auch die Schnittränder eine intensive Schwarz- färbung. Das so entstandene Bild eines schwarzen Rahmens führt Ranvier darauf zurück, dass die Osmiumsäure von der freien Stückoberfläche her nach innen vordringe und so die Schwärzung verursache, dann aber ihrem weiteren Eindringen durch die gleich- zeitige Fixirung des bereits passirten Gewebes selbst ein Ziel setze. Was nun den Grund der Färbung angeht, so schliesst Ranvier aus dem Umstande, dass sie nach vorausgegangener Behandlung der Haut mit absolutem Alkohol ausbleibe, dass sie auf eine Substanz zurückzuführen sei, die in diesem letzteren Reagens löslich wäre. „Cette substance est vraisemblablement de la graisse. Or, le stratum lueidum, en rapport direet avee des couches du revetement &pidermique encore molles, doit con- tenir une certaine proportion d’eau et par eonsequent ne pas se laisser imbiber par les matieres grasses qui infiltrent les cellules dessechees de la eouche ceornee. Il est done naturel qu’il ne reduise pas lacide osmique et quil soit incolore dans les pre- parations faites seulement au moyen de cet acide.* Dieser An- nahme trat Unna (30) entgegen. Nach ihm ist die Osmium- reaction der Hornschieht nieht durch das schrittweise Eindringen Weitere Mittheiluneen über den Bau der Hornschicht ete. 605 > des Reagens zu erklären, sondern würde auf den Consistenzver- schiedenheiten derselben beruhen; die von ihm hierfür ange- führten Gründe sind folgende: Der basale schwarze Streifen er- scheint auch dann zuerst, wenn man Schnitte von frischer Haut direet in Osmium überträgt; er besitzt eine konstante Breite und gerade die allerunterste Hornzellenschicht, zu der die Osmium- säure zuerst gelangt, schwärzt sich nicht. Dagegen glaubt auch Unna, dass die Hornschicht mit Fett imprägnirt sei und dieses die Osmiumreduetion bedinge; die Beobachtung, dass nach gründ- licher Entfettung eine vollkommene Inversion der Schwärzung eintrete, macht ihm jedoch wahrscheinlich, dass die Osmiumwir- kung auf die Hormschicht der Einwirkung dieser Säure auf fette Körper nicht einfach gleichzusetzen sei. Koelliker (11) be- schränkt sich darauf, zu bestätigen, dass nach Behandlung mit absolutem Alkohol die Schwärzung ausbleibe; er fand übrigens, dass auch das Strat. lueid. sich sehwärze; über die Ursache der Reduction spricht er jedoch eine eigene Meinung nicht aus. Mit der Entdeckung des Eleidins durch Ranvier (22) war die Fettfrage in ein neues Stadium gerückt. Ranvier selbst be- zeichnet es als ein „huile essentielle“, während es Liebreich (14) für ein Cholestearinfett hielt. Gegen diese beiden Behauptun- sen trat Buzzi (5) auf; er wies nach, dass das Eleidin weder ein ätherisches Oel, noch Lanolin sei und erklärte dasselbe für ein fettes Oel, ein Glycerinfett, vorzüglich wegen der Osmium- reaction der Tropfen. Rabl (20) bestreitet die Angaben Buzzi's; die Osmiumreduction der Hornschicht führt dieser Autor gleichfalls auf den Fettgehalt derselben zurück, jedoch findet er, dass das Eleidin bei Behandlung frischer Hautschnitte mit Osmium keine Schwarzfärbung annimmt, also auch kein Glycerinfett sein könne. Doch hält er es für möglich, dass das weitere Umwand- lungsprodukt des Eleidins ein Fett ist, oder wenigstens ein solches aus demselben abgespalten werden kann. Aus dem Auf- treten blauer und rother Zellen bei Behandlung mit polychrom- saurem Methylenblau schliesst Rausch (25), dass diese Färbungs- differenzen durch den Gehalt der Zellen an Fett und zwar wahr- scheinlich an verschiedenen Fetten in Bezug auf die Nuance be- einflusst werden, trotzdem nach Behandlung mit kochendem Aether diese Verschiedenheiten sich nicht ausgeglichen hatten. Die Frage nach dem Fettgehalt erhielt weiterhin einen neuen Anstoss 606 Franz Weidenreich: durch die auffälligen Befunde Unna's, die er mit seiner seeun- dären Osmirung (31, 32) gefunden hatte. Er fixirte Hautstückehen in der bereits oben angegebenen Mischung, bettete sie dann auf dem gewöhnlichen Wege in Oelloidin ein und belıandelte nach- her die Schnitte mit einer Osmiumalaunlösung (1,0 aä) in der Wärme. Auf diesem Wege erhielt er eine ausgedehnte Schwarz- färbung; darnach würden reichliche Fettmassen — ich erwähne hier nur die für unsere Frage speeiell in Betracht kommenden Zellen — sowohl im Strat. germinat. als auch im Strat. corn. nachweisbar sein; das Fett läge in diesen Schiehten in den Kern- höhlen und Lymphspalten. Jedoch macht Unna eine Ein- schränkung; die Fettbefunde sollen nämlich nicht eonstant sein, am reichlichsten fänden sie sich in der Haut der Fusssohle älterer Individuen von 40—70 Jahren, und wie ich einer liebenswürdigen Privatmittheilung Herrn Unna’s entnehme, auch hier nur unter zehn Fällen viermal in höherem Grade, viermal in geringerem, zweimal nur in Spuren und zweimal überhaupt nicht. In der Deutung der schwarzen Bildungen als Fett ist jedoch Unna zum Theil scharfem Widerspruch begegnet. Meves (vgl. 31) hat dieselben für Niederschläge erklärt; Török (28) behauptet sogar, dass ähnliche von Unna beim Ekzema seborrhoieum be- schriebene, mit Osmium geschwärzte Tropfen Luftblasen wären. Gegenüber diesen Einwänden hat Löwenbach (15) die Be- funde Unna's bestätigen können. Er fixirte Fusssohlenhaut nach Unna oder in Flemming'scher Lösung und färbte dann mit Sudan III; hierbei fand er die Kernhöhlen der Hornschicht mit rothen Fettmassen gefüllt, ebenso Fett an allen von Unna be- schriebenen Stellen; aus seinen Angaben verdient jedoch hervor- gehoben zu werden, dass er an 41 Fusssohlen elfmal einen posi- tiven Befund hatte, dagegen konnte er in den untersuchten 25 Fällen von frischer Haut weder mit Sudan noch mit Osmium Fett nachweisen. Sata (26) prüfte gleichfalls an einem reich- lichen Material die Unna schen Angaben, er fand jedoch mit der seeundären Osmirung niemals Fett in den Kernhöhlen und Lymphspalten des Strat. corn., dagegen wohl in Form kleiner Körnchen in den tiefen Schichten des Strat. germin., wo ähn- liche Beobachtungen bereits von Ledermann (13) und Went- scher (34) gemacht waren; bei einer Nachuntersuchung mit Sudan III waren jedoch rothe Tröpfehen in jenen Zellen nicht Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 607 nachweisbar; er schliesst daraus, dass die durch Osmium darge- stellten Granula jedenfalls nicht völlig aus Fett bestünden. End- lich neigt Merk (16) zu der Annahme, dass Unna’s Fettbe- funde nichts anderes wären als Osmiumreductionen, veranlasst durch die in der Fixirungsflüssigkeit benutzte Gerbsäure. An Gefrierschnitten durch die Sohlenhaut war nach Merk's Be- obachtungen nach einer halben Stunde weder im Strat. germin. noch im Strat. corn. oder in den Schweissdrüsen irgendwelche auf Fett zu beziehende Farbenänderung nachweisbar; an be- haarter Haut schwärzte sieh das Strat. eorn. nur in der Umge- gend der Haare in einer oberflächlichen dünnen Zone. In den tiefen Epidermiszellen traten dagegen gleichfalls schwarz ge- färbte Granula auf, jedoch vollzog sich hier die Osmiumre- duction später als an den typischen Fettzellen des Unterhaut- bindegewebes. Soweit in der Hauptsache die Literatur über die Fettfrage. Zum Zweck einer kritischen Betrachtung all dieser zum grossen Theil sich widersprechenden Angaben mussten die angeführten Versuche wiederholt werden; ihre Resultate will ich zunächst mit- theilen. Zu meinen Untersuchungen wählte ich aus später anzu- führenden Gründen Sohlenhaut, die noch warmen Leichen ent- nommen wurde; dabei trug ich die Haut sorgfältig mit dem Rasirmesser ab, um kein Cutisfett, wenn nieht besonders ge- wünscht, in das Präparat zu bekommen. Bringt man derartige Haut in eine 1°/, Osmiumsäurelösung auf ca. 5 Stunden, wäscht dann in Wasser aus und bettet in Paraffin oder in Celloidin ein, so erscheint das ganze Strat. germinat. und granul. grünlich ge- färbt, die Keratohyalinschollen des letzteren haben gleichfalls eine grüne Farbe angenommen, das Strat. lucidum, in dem das Elei- din in fester Form erscheint, ist olivengrün. Von dem eigentlichen Strat. ecorn. sind die Seitenränder des Schnittes geschwärzt, ebenso die oberflächliche Schicht, während ein basaler Streifen sich eben durch eine dunkle Linie anzuzeigen beginnt. Ich möchte gleich hier hervorheben, dass auf dünnen Schnitten die Farbe der os- mirten Zellen deutlich schwarzgrün ist und sich dadurch von osmirtem Fett immerhin im Aussehen unterscheidet. Hat die Osmiumsäure längere Zeit, etwa 12 Stunden, eingewirkt, so zeigt sich, dass sowohl der basale als der oberflächliche Streifen an Breite zugenommen haben, ebenso die Seitenränder. Diesen 608 Franz Weidenreich: basalen Streifen rechnet Unna (29) zum Strat. lueid., das er deswegen in zwei Unterabtheilungen — 4a und 4b — eintheilt; während 4a sieh durch Osmium sehwärzen soll, würde 4b unge- färbt. bleiben; infolgedessen nimmt er für das Strat lucid. sechs Zellreihen an. Dem kann ich jedoch nicht beistimmen. Das Strat. lucid. umfasst nicht mehr als 2—3 Zelllagen; man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man einen dünnen Sehnitt frischer oder wenig in Alkohol gehärteter Haut mit Os- mium behandelt; während dabei das übrige Strat. corn. eine dunklere Farbe annimmt, behält das Strat. lucid. lange seinen stark lichtbreehenden Charakter, der sich jedoch nur auf 2—3 Reihen beschränkt. Auch ist übrigens das flüssige Eleidin nur in den 2—3 basalen Zelllagen nachweisbar, und endlich hat auch der Entdecker der Schicht, O ehl, nur 2—4 Reihen angenommen, er sagt ausdrücklich (19): Le cellule dello strato lucido trovansi disposte a non oltre due, tre o quatro ordini. In seiner Abhand- lung erscheint allerdings das Strat. lueid. (auf Taf. II Fig. 17) ziemlich breit; dies aber hat darin seinen Grund, dass die Zellen jenes Schnittes durch die Behandlung — bollita nella potassa — stark gequollen sind. Ein vorzügliches Mittel in osmirten Präpa- raten das Strat. lueid. darzustellen, ist die Färbung mit Pfitzner- schem Safranin und nachheriger Differenzirung in schwach ange- säuertem absolutem Alkohol. Wie die Fig. 10 wiedergiebt, färben sich dabei nicht nur die Keratohyalingranula ausserordentlich scharf und intensiv roth (sgr), sondern auch die nicht geschwärzten Hornzellen, die nach innen von dem basalen Osmiumstreifen (b) nur 2—3 Zellreihen ausmachen (sl). Demnach besteht keine Veranlassung, das Strat. lueid. in zwei Unterabtheilungen zu zerlegen. Bleiben die Hauptstücke 24 Stunden lang in der Osmium- säure, so schreitet die Schwärzung immer mehr von den Rändern her gegen die Mitte zu fort, sodass sich an einzelnen Stellen die ganze Hornschicht geschwärzt erweist, mit Ausnahme des Strat. lueid., an dem ich hier nur eine tief dunkelgrüne Färbung beob- achten konnte. An einem derartigen Präparate war ich in der Lage, an einer Zelle des Strat. granulos. eine eigenthümliche, bisher meines Wissens nicht beobachtete Erscheinung zu con- statiren, auf die ich kurz eingehen möchte. Die Zelle (Fig. 11) liess neben einem deutlichen etwas geschrumpften Kern (r) und Weitere Mittheillungen über den Bau der Hornsehicht ete. 609 zahlreichen kleinen mehr hellgrün gefärbten Keratohyalingranula (k) eine grosse dunkelgrün tingirte runde Masse (e) erkennen, die sofort den Eindruck eines grossen Tropfens macht. Ich habe daraufhin meine sämmtlichen Präparate durchmustert und nur noch einmal an einem in Formol fixirten und mit Heiden- hain’schem Hämatoxylin gefärbten Schnitt dieselbe Beobachtung machen können; dort war dieser Tropfen intensiv schwarzblau gefärbt. In beiden Fällen entsprach also die Färbung genau der des Eleidins innerhalb des Strat. lueid.; nimmt man dazu die ausgesprochene runde Form der Masse mit den glatten Conturen, die so ohne weiteres als Tropfen imponirt, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier thatsächlich mit Eleidin zu thun haben, das im frischen Zustande eine Flüssigkeitsvacuole in der Zelle gebildet hat, die dann, durch die Behandlung fest geworden, auf dem Schnitt als eine Scheibe erscheint. Für die Ansicht, dass das Eleidin durch Verflüssigung des Keratohyalins entstünde, bietet diese Beobachtung einen weiteren Beweis; man kann sich denken, dass hier aus irgend welchem Grunde nahe beisammen liegende Keratohyalinkörner vorzeitig verflüssigt wurden und zusammenfliessend zur Entstehung einer Eleidinvacuole in der Strat. granul.-Zelle Anlass gegeben haben. Es ist übrigens interessant, dass Buzzi (4) bei Warzen häufig Kerato- hyalin neben Eleidin in denselben Zellen angetroffen hat. Um nun wieder zu der Deutung der Osmiumreaction der Hornschicht zurückzukehren, so schliesse ich mich hierin völlig den Autoren an (Langerhans, Ranvier, Rabl), welche die eigenthümliche Rahmenbildung auf die Art des Eindringens des Reagens zurückführen. Trotzdem auch ieh die Meinung vertrete, dass Spannungsverschiedenheiten in der Sehiehtung des Strat. corn. bestehen und dass diese von z. T. bestimmendem Einfluss auf die Fixation sind, glaube ich doch, dass man nicht berechtigt ist, diese für das Osmiumbild verantwortlich zu machen. Ich kann zunächst die Angabe, dass bei frischen Hautschnitten der basale Streifen zuerst auftreten soll, nicht bestätigen; die dagegen gern zugegebene Thatsache, dass er an fixirtem Material trotz fortgeschrittener Osmiumwirkung eine gewisse Breitenconstanz zeigt, führe ich darauf zurück, dass von der Cutisseite her durch das vorliegende und bereits fixirte Strat. germinat. und granul. das Eindringen des Reagens bedeutend mehr erschwert ist, als Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 40 610 Franz Weidenreich: dies von der freien Oberfläche her der Fall ist. Dass ferner das Strat. lueid. trotz seiner leichten Zugänglichkeit sich nicht schwärzt, hat seinen Grund eben in chemischen Differenzen des Eleidins gegenüber dem Pareleidin, wovon noch die Rede sein wird. Der Einwand Unna’s, dass sowohl der basale wie der obere Streifen sich immer schärfer abgrenzen, während die Schwarzfärbung des Randes ungleicbmässig nach innen vorspringe, findet seine Er- ledigung in der Anordnung der Zellreihen, die ja im grossen und ganzen parallel übereinanderliegen, sodass der grösste Zelldurch- messer stets auch parallel sich mit der Eintrittsebene des Reagens befindet; dadurch wird dieses, von oben nach unten und umge- kehrt fortschreitend, eine Zellreihe nach der andern ergreifen, also stets eine ziemlich scharfe horizontale Abgrenzung erkennen lassen, während an den Seitenrändern, wo die Zellen senkrecht zu der Eintrittsebene angeordnet sind, die Enden der einzelnen fixirten und geschwärzten Zellen je nach ihrer Grösse und Lage bald weiter, bald kürzer nach innen vorspringen müssen. So entsteht hier eine ungleichmässige Abgrenzung der Eintrittslinie. Die Beobachtung Rabl’s, dass der basale Streifen von den Seiten- rändern her nach innen vorzurücken scheint, kann ich an fixirtem Material bestätigen; da der Streifen etwa dem Strat. relaxatum (sr, Fig. 9) entspricht, das locker geschiehtet ist, wird sich hier die eindringende Flüssigkeit rascher verbreiten können, namentlich dann, wenn diese Lage durch den Seitenschnitt eröffnet wurde. Dies sprieht ja nun allerdings in gewissem Grade für die Unna- sche Annahme, doch neige ich aus den obenangeführten Gründen dazu, das Osmiumbild als eine Folge des bekannten Durehtränkungsmodus diesesReagens anzusehen; im Einzelnen mag das Eindringen durch die Schieh- tung etwas erleichtert oder erschwert werden. Wie verhält sich nun Haut, die vorher mit absolutem Alkohol behandelt war, gegenüber der Einwirkung der Osmiam- säure? Zur Prüfung dieser Frage wurden kleine Stückchen Sohlenhaut auf 24 Stunden direet in absoluten Alkohol gebracht, dann über Nacht in fliessendem Wasser ausgewaschen, auf 24 Stunden in eine 1°/, Osmiumlösung eingelegt und weiterhin in Paraffin eingebettet. Auch jetzt zeigte sich eine vollständige Schwarzfärbung und zwar des ganzen Strat. corn. mit Aus- nahme des Strat. lueid. Jedoch fiel mir dabei eine Besonderheit Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 611 auf, während frisch osmirte Haut bei ihrer Entnahme aus der Fixirungsflüssigkeit völlig geschwärzt war, trat bei der erst mit absolutem Alkohol behandelten diese äussere Schwarzfärbung erst beim Auswaschen und nach der Ueberführung in Alkokol ein. Es erinnert dies an die Beobachtung Starke’s (27), dass die Osmiumreduetion bei einzelnen Fetten erst secundär in Alkohol eintritt (Alkohol-Osmium-Reduction). Zunächst möchte ieh noch erwähnen, dass es mir ebenso wenig wie anderen z. B. Merk gelungen ist, eine Sehwarzfärbung des Strat. corn. zu erhalten, wenn ich frische Schnitte, entweder mit dem Rasirmesser oder mit dem Gefriermikrotom angefertigt, in die Osmiumlösung brachte. Nach längerer, mehrere Stunden dauernder Einwirkung des Reagens wurde zwar die Hornschieht in toto grün, niemals aber beo- bachtete ich eine Schwärzung wie bei der Stückosmirung. Was nun die secundäre ÖOsmirung angeht, so konnte ich mich trotz genauester Befolgung der Unna’schen Angaben von dem Vorhandensein schwarzer und als Fett gedeuteter Körper nicht überzeugen. Zwar nahmen die Schnitte die Osmiumsäure sehr schön an, d. h. sie zeigten, wie Fig. 8, deutlich die charak- teristische grüne Osmiumfarbe; aber weder in den Kernhöhlen noch sonstwo erhielt ich eine Schwarzfärbung, mit Ausnahme zweier Fälle, in denen schwarze Körner in den tiefen Lagen des Strat. germinativ. auftraten (Fig. 12 g). Diese negativen Resultate, die trotz wiederholter Versuche constant waren, brachten mich darauf, einmal nachzuprüfen, ob denn überhaupt mit dem Unna- schen Verfahren sich wirkliches Fett fixiren und secundär osmiren lasse. Ich nahm dazu Fett aus der Nierenkapsel des Kaninchens und aus dem Unterhautbindegewebe des Menschen, brachte es auf 24 Stunden in die Unna’sehe Mischung, wusch in fliessendem Wasser aus, bettete in Celloidin ein und behandelte die gewonnenen Sehnitte sofort mit der Alaun-OÖsmiunmlösung. Das Resultat war überraschend: ein leeres Masecehenwerk ohne jede Spur von Fett in den Fettzellen. Fixirt man gar in der Wärme, wie es Unna für die Haut empfiehlt, so beachtet man, dass das Fett ohne weiteres austritt und in Form von Augen auf der Fixi- rungsflüssigkeit herumschwimmt. Auf Grund dieser Thatsache bestreite ich entschieden die Fettnatur der nach der Unna’schen Methode zur Darstellung gebrachten Sehwärzungen, gegen die übrigens noch andere Momente 612 Franz Weidenreich: sprechen. Wenn nämlich thatsächlich die Kernhöhlen der Horn- zellen Fett enthielten, warum sollte sich dann dieses Fett nicht ebenso gut durch die primäre Osmirung darstellen lassen? In dem Strat. disjunetum (sd, Fig. 9) lassen die Zellen bei Anwen- dung dieser Methode ein schwarzgrünes oder schwarzbraunes Faser- werk (f) erkennen (Fig. 13) mit einer centralen Kernhöhle (c), in der ich niemals einen schwarzen Körper nachweisen konnte; dass übrigens an diesen Zellen das Fasernetz so deutlich hervor- tritt, hat seinen Grund darin, dass hier das Pareleidin, wofür ich bereits mehrere Beobachtungen anführte, sich im Zustande der Eintrocknung befindet und so seinen homogenen, das Netz ver- deckenden Bau eingebüsst hat. Weiterhin muss auffallen, dass an Hornzellen, die in Osmiumsäure macerirt und isolirt wurden, keine Sehwarzfärbung beobachtet werden kann, sondern nur eine grüne Tinetion der Fasern; ebensowenig ist etwas von einem schwarzen Körper in der Kernhöhle zu beobachten. Ferner wäre noch zu erwähnen, dass sich auch an frischer mit dem Rasir- messer oder mit dem Gefriermikrotom geschnittener Haut bei Be- handlung mit Osmium dieselbe T'hatsache constatiren lässt; insbe- sondere tritt bei Färbung mit Sudan III keine rothe Masse im Zellinnern auf. Alle diese Befunde sprechen also gegen die Fettnatur der Unna’schen Schwärzungen. Mich in Speeulationen einzulassen, wie dann die von Unna dargestellten Bilder zu deuten sind, liegt kein Grund vor; ich halte aber mit Merk für das wahrscheinlichste, dass wir es dabei mit einer Gerbsäure-Osmium- Reduetion zu thun haben; die Fixirungsflüssigkeit enthält nämlich 1°/, Gerbsäure; möglicherweise hängt es von dem Auswaschen ab, ob die Tanninsäure mehr oder weniger reichlich im Gewebe zurückgehalten wird und dann die Osmiumsäure stärker oder schwächer redueirt; dafür scheint zu sprechen, dass die Schwär- zungen nach Unna hauptsächlich in Höhlen oder Kanälen sich finden (Kernhöhlen, Schweissdrüsengang, Blutgefässe, Lymph- spalten). Aber selbst das Unmögliche zugegeben, es handle sieh um Fett, so spricht doch die Seltenheit des Vorkommens da- gegen, dass wir es mit emem normalen Befund zu thun haben; nach Unna’s eigenen Angaben und nach den Unter- suchungen von Löwenbach (15) würde es sich nämlich nur bei Personen zwischen dem 40. und 70. Lebensjahre finden und auch hier nur in etwa 40°), der Fälle. Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht etc. 613 Was nun die schwarzen Körnchen in den tiefen Lagen des Strat. germinat. betrifft, so wurde deren Vorkommen von Sata (26) bestätigt, und auch ich habe derartige Bilder, wie oben er- wähnt, gesehen (Fig. 12). Die von mir beobachteten, mit secun- därer OÖsmirung dargestellten Körnchen fanden sieh allerdings nur auf eine bestimmte Zone beschränkt, nie in der Hornschieht noch auch in der Cutis. Dagegen zeigten sie in ihrer Lage zu den Zellen absolut nichts charakteristisches; bald hatte ich den Ein- druck, dass sie auf der Zelle lagen, bald schienen sie in das Protoplasma selbst eingebettet zu sein, einigemal auch fand ich sie im Kern, ja sogar im Intercellularraum. Ihre Form ist nichts weniger als rund oder überhaupt regelmässig, sie zeigen vielmehr am Rande Zacken und Ausbuchtungen, sodass ich sie trotz der Beschränkung ihres Vorkommens auf eine bestimmte Zone für Osmiumniederschläge halten möchte. Selbstverständlich kann ich in diesem Falle nur meine eigenen Präparate beurtheilen, da ich die Befunde von Sata und Wentsecher (34) nur aus den Abbildungen kenne. Gegen die Fettnatur spricht durchaus hier, dass die Unna’sche Methode das Fett überhaupt nicht zur Darstellung bringt und ferner ihr Verhalten dem Sudan gegen- über, wobei sie nach Sata viel kleiner als nach Osmiumbehand- lung sein sollen; ich selbst habe sie übrigens mit Sudan nicht nachweisen können. Thatsächlich hat sich auch schon Leder- mann (13), der sich am ausführlichsten mit diesen Körnchen beschäftigt, über ihre Fettnatur mit grosser Zurückhaltung ausge- sprochen; mich wundert nur, dass nicht an die Möglichkeit gedacht wurde, dass die Körner Glykogen sein könnten, das sich Ja in der Epidermis nicht selten findet. Kommen also auch die Unna’schen Befunde für den Fett- gehalt des Strat. com. nicht in Betracht, so bleibt doch die Thatsache seiner Schwärzung bei Osmiumfixirung bestehen. Da wir nun ohne weiteres anzunehmen geneigt sind, diese Reduction auf Fett zurückzuführen, so ist nicht zu verwundern, dass allge- mein die Schwärzung der Hornschieht dementsprechend beurtheilt wird. Es ist dabei aber in hohem Grade auffallend, dass von den meisten Autoren sich niemand mit Bestimmtheit darüber ausspricht, woher denn eigentlich dieses Fett der Hornzelle stammen würde. Die Quelle kann zweierlei Art sein: entweder gelangt 614 Franz Weidenreich: es von aussen her in die Zelle hinein oder aber es ent- steht in der Zelle selbst. Der ersteren Annahme scheint Ranvier (21) zuzuneigen, da er die Hornschicht als von Fett „imprägnirt“ bezeichnet; woher aber dieses Fett kommt, wird von ihm nicht erwähnt. Gelangt es von aussen her in die Hornzelle, so können nur die Haut- drüsen dabei in Betracht kommen. Wir müssten uns dann vorstellen, dass diese Drüsen Fett produciren, das dann in flüssiger Form durch die Hornmembran der Zelle hindurch in diese hineindringen würde. Solche Fett produeirende Organe sind die Talgdrüsen, durch sie kann also Fett in das Strat. corn. ausgeschieden werden. Dabei ist aber zu bedenken, dass sich diese Drüsen weder an der Vola manus noch an der Planta pedis finden, während man doch gerade an dieser Haut den charakteristischen Osmiumbefund erhält. An der übrigen Haut können dagegen jene Organe eine Fettimprägnation verur- sachen, und der Befund scheint thatsächlich dafür zu sprechen. Ielı habe Hodensackhaut, die sich ja durch den Gehalt an besonders grossen Talgdrüsen auszeichnet, daraufhin untersucht und konnte hierbei constatiren, dass die Schwarzfärbung nicht die ganze Horn- schicht umfasst, sondern sich auf einzelne mehr oder weniger ausgedehnte Stellen beschränkt. Die geschwärzten Partien fanden sich im allgemeinen vorherrschend im der Umgebung der Talg- drüsenmündung auf der Oberfläche, sodass hier thatsächlich eine Beziehung zwischen Hautschwärzung und Fettausscheidung der Drüsen zu bestehen scheint. Immerhin aber ist diese Fettquelle wegen des Fehlens der Drüsen für die Hornschicht von Vola manus und Planta pedis auszuschliessen; da an die Möglichkeit gedacht werden muss, dass die Haut der Handfläche durch Be- rührung behaarter Körperstellen eingefettet werden kann, wählte ich, um ganz sicher zu gehen, für meine Untersuchungen Sohlen- hant, wobei diese Quelle kaum in Betracht kommen kann. Hier könnten also nur die Schweissdrüsen das Fett liefern. Bekanntlich wird ja für diese Drüsen von einzelnen Autoren eine Fettseeretion angenommen; ich will auf diese Frage hier nicht näher eingehen und möchte nur erwähnen, dass meine Beobachtungen nicht zu gunsten jener Annahme sprechen, da es mir weder mit der primären Osmirung noch mit der Sudanfärbung von Gefrierschnitten jemals geglückt ist, in den Knäueln oder den Weitere Mittbeilungen über den Bau der Hornschicht etc. 615 Ausführgängen Fett nachzuweisen. Es wäre aber immerhin denk- bar, dass ich, wenn wir mit Koelliker (11) annehmen, dass die Fettseeretion möglicher Weise mit der des Schweisses alter- nirt, gerade immer das Unglück gehabt habe, in fettfreien Mo- menten zu fixiren. Deswegen sei die Fettsecretion zugegeben, und es würde sich demnach fragen, ob die Schweissdrüsen das Fett liefern, welches die Hornschieht imprägniren würde. Wäre dies der Fall, so würde also das in den Knäueln produeirte Fett die Ausführgänge passiren, auf die Oberfläche des Strat. corn. aus- geschieden und sich dort ausbreiten. Da nun innerhalb der Horn- schicht der Ausführgang einer eigenen Wandung entbehrt, könnte das Fett noch in den Intercellularräumen vordringen, dieselben umspülen und dann schliesslich in das Innere derselben gelangen. Dazu wäre aber Voraussetzung, dass es sich in einem flüssigen Zustande befindet; ob nun die Temperatur der Hornschicht noch so hoch ist, um dies zu gestatten, erscheint mir mehr als fraglich. Aber ich will selbst den Fall setzen, dass dem so wäre, dann hätten wir uns vorzustellen, dass das Fett entweder direct von den Ausführgängen der Schweissdrüsen aus nach allen Seiten die Hornschicht imbibirt oder aber von der Oberfläche her, d.h. von der Gangmündung aus, nach unten durchsickert und die Horn- zellen durchtränkt. Stimmt nun damit das Osmiumbild? Wenn wir die geschwärzten Partien betrachten, so stellt sich ohne weiteres heraus, dass alle Stellen gleich intensiv gefärbt sind, die Schwärzung also nicht etwa in der Nähe des Ganges oder an der Oberfläche stärker ist und von da nach unten oder irgend einer Seite zu abnimmt; ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Zellreihen des Strat. disjunetum (Fig. 13) sogar weniger intensiv gefärbt sind, als die darunter gelegenen. Die Osmirung steht also nicht im Verhältnis zu der Entfernung der Zellen von den Schweissdrüsengängen. Da ferner feststeht, dass die Schwär- zung plötzlich eintritt, sobald die Zelle bei ihrem Wege nach der Oberfläche zu eine bestimmte Höhenzone, nämlich das Strat. lueid., überschritten hat (Fig. 14), so müsste sich also hier sofort die Zelle mit Fett imprägniren: das könnte natürlich nur dann der Fall sein, wenn die ganze Hornsehicht beständig, wenn ich mich so ausdrücken darf, „unter Fett gesetzt“ wäre; für eine solche Annahme spricht aber absolut nichts. Ueberall also den besten Fall gesetzt, dass die Fettseeretion der Schweissdrüsen 616 Franz Weidenreich: über allen Zweifel erhaben wäre, dass ferner die Tempe- ratur es gestatten würde, dass das Fett in flüssigem Zu- stande die Hornmembran passirt und die Zelle imprägnirt, so sprieht immer noch die gleichmässige und vondem Verlauf der Drüsengänge völlig unab- hängige Schwärzung gegen diese Erklärung. Demnach besteht aller Grund, immer angenommen, die Osmium- reaction der Hornschicht von Vola manus und Planta pedis beruht auf Fett, ene Durehtränkung der Zellen durch das Secret der Talg- oder Schweissdrüsen auszuschliessen. Es bliebe also noch die Möglichkeit zu erörtern, dass das Fett in den Zellen selbst entsteht. Da die Schwarzfärbung der Zelle eine gleichmässig homogene ist und die ganze Zelle erfüllt (sr Fig. 14), so müsste ihr die Substanz zu Grunde liegen, die sich ebenso verhält, das wäre also das Eleidin, bezw. das Par- eleidin. Das Eleidin ist nun bereits wiederholt seiner physi- kalischen und chemischen Eigenschaften wegen für Fett gehalten worden, besonders weil es sich in Osmium schwärzen soll. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass diese Schwärzung von vielen bestritten wird, und auch ich konnte sie nieht constatiren. Das Strat. Jucid. blieb auch bei lang dauernder Osminmeinwirkung ungeschwärzt (sl, Fig. 10 und 14). Aber auch diejenigen Autoren, die eine Schwärzung beobachtet haben wollen, geben überein- stimmend an, dass sie erst nach sehr langer Fixirung eintrat, ein Moment, das die Fettnatur des Körpers ausschliesst. Wie ich nämlich den Ausführungen Munk’s (18) entnehme, hängt mit dem Grade der Flüssigkeit eines Oeles oder Fettes auch der Gehalt an verschiedenen Fetten zusammen: der flüssige Zustand des Eleidins würde darnach voraussetzen, dass es besonders reich an Oelsäure, bezw. Olein, ist, Palmitin und Stearin dagegen in nur sehr geringer Menge enthalten würde. Nun haben aber sowohl Altmann (l)als auch Handwerck (10) nachgewiesen, dass eine rasche Reduction der Osmiumsäure nur durch den Gehalt eines Fettes an Oelsäure, bezw. Olein, bedingt wird, während die beiden anderen Fettsäuren nicht im Stande waren, Osmium zu reduciren: nach Handwerck ist eine intensive Schwärzung bereits nachı 1—2 Stunden eingetreten. Diese Thatsachen sprechen mit Sicherheit gegen die Fettnatur des — Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 61 Eleidins. Wie verhält es sich nun mit dem Pareleidin? So- bald das Eleidin in den festeren Aggregatzustand übergeht, also jenseits des Strat. lueid., tritt die Schwärzung ein: es wäre also an die Möglichkeit zu denken, dass das Eleidin sich in Fett umwandelt. Allein nach allem, was wir über die Umwandlung eines Zellbestandtheiles in Fett wissen, folgt, dass der Uebergang ein allmählicher ist, indem zuerst einzelne Fetttröpfehen auftreten, die schliesslich mit einander eonfluirend eine eimheitliche Fett- masse bilden. Wie aber aus Fig. 14 (sr) hervorgeht, ist von solehen Tröpfehen nichts zu sehen; die Schwärzung ist sofort eine homogene und die ganze Zelle ist davon gleichmässig erfüllt. Wenn man Haut in Alkohol fixirt, in Celloidin einbettet und die Sehnitte dann mit Osmium behandelt, so bleibt die Schwärzung aus. Wäre hier Fett gelöst worden, so müssten, etwaigen kleinen Fetttröpfehen entsprechend, Vaeuolen in den Zellen vorhanden sein, oder aber der gesammte homogene Zellinhalt fehlen. Beides aber ist, wie ein Blick auf die Fig. 15 zeigt, nicht der Fall; diese Zellen unterscheiden sich nur dadurch von den osmirten, dass sie grün gefärbt sind; Anzeichen dafür, dass etwas extra- hirt wurde, bestehen, trotz des Ausbleibens der Osmiumwirkung infolge der Behandlung, nicht. Alle diese Beobachtungen sprechen dafür, dass das Eleidin nicht einer fettigen Meta- morphose unterliegt, also auch das Pareleidin kein Fett sein kann. Dass die Osmiumreduction der Hornschicht thatsächlich nicht auf einen Fetteharakter des Pareleidins zurückzuführen ist, wird zur Sicherheit durch den Entfettungsversuch. Zu diesem Zwecke wurde frische Sohlenhaut 24 Stunden lang im Soxhlet- Apparat mit kochendem Aether behandelt !), dann auf ebenso lange Zeit in eine 1°/, Osmiumsäurelösung übergeführt, ausge- waschen und in Celloidin eingebettet. Der Erfolg war auch hier ebenso wie bei dem oben angeführten Alkoholversuch eine deutliche Schwarzfärbung der Hornschicht, nur mit dem Unterschiede, dass auf dünnen Schnitten die Schwärzung einen Stich ins Braune zeigte statt ins Grüne, wie bei frischer I) Herr Dr. Hajo Bruns, Assistent am bacteriologisch-hygie- nischen Institut, hatte die Liebenswürdigkeit, die Fettextraction vor- zunehmen, wofür ich ihm auch hier meinen Dank ausspreche, 618 Franz Weidenreich: Haut, eine Differenz, die sie übrigens mit dem Strat. germinativ. theilte. Eine Umkehrung der Schwärzung, wie sie Unna be- schreibt, konnte ich dagegen nicht beobachten. Was nun noch die Sudanreaection frischer mit dem Rasirmesser oder mit dem Gefriermikrotom geschnittener Haut betrifft, so nimmt die Horn- schicht stellenweise die Sudanfärbung überhaupt nicht an, an anderen Orten zeigt sie dafür eine hellrosa Färbung, die auch auf das Strat. germinat. übergreift. Wie aus den Angaben Daddi’s (5) hervorgeht und wie man sich stets auch selbst überzeugen kann, wenn sich an dem Hautschnitt noch fetthaltige Cutis findet, ist nur eine orangerothe Färbung für Fett charak- teristisch, nicht aber eine Hellrosafarbe. Aus dem ersteren Ver- suche geht nun hervor, dass eine Sch warzfärbung des Pareleidins durch Osmium selbst dann noch ein- tritt, wenn alles Fett extrahirt ist; aus dem zweiten folgt, dass das Pareleidin keine Fettreaction mit Sudan giebt. Demnach ist das Pareleidin kein Fett, dabei aber doch im Stande, Osmium zu redueiren; das letztere er- scheint nicht mehr anffällig, da es Beobachtungen genug giebt, die beweisen, dass auch andere Körper ausser Fett fähig sind, die Ueberosmiumsäure zu redueiren; ihnen wird das Pareleidin anzureihen sein. Zusammenfassend können wiralso sagen: 1) DieSehwarzfärbung der Hornzellen von Vola manus und Planta pedis durch dieOsmiumsäureistnicht auf eine Fett imprägnation des Stratum corneum von aussen her, d.h. durch das Secret der Talg- oder Scehweissdrüsen zurückzuführen. 2) Die Annahme, dass das Fett in den Zellen selbst entsteht und mit dem Eleidin, bezw. Pareleidin identisch ist, oder aus ihm abgeschieden wird, ist gleichfalls zu verwerfen. 3) Das Pareleidin, nieht auch dasElei- din, besitzt die Eigenschaft, die Osmium- säure zu reduecieren, jedoch erst nach längerer Einwirkung des Reagensals dies bei wirklichem Fett der Fallist; 13. 14. Weitere Mittheilungen über den Bau der Hornschicht ete. 619 4) Die mit seeundärer Osmirung erhal- tenen Scehwärzungen beruhen nicht auf Fett, sondern sind sehr wahrscheinlich Niederschläge. 5) An den behaarten Hautstellen ist die Osmiumreduetion wahrscheinlich auf eine Fettimprägnation der Hornschicht durch das Seeret der Talgdrüsen zurückzuführen. l. October 1900. Literatur -Verzeichniss. Altmann, Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig 1894. Blaschko, Beiträge zur Anatomie der Oberhaut. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. 1887. Buzzi, Keratohyalin und Eleidin. Monatsh. f. pract. Dermatolog. Ba. 8. 1889. Derselbe, Ueber Eleidin. Ebenda Bd. 23. 1896. Daddi, Nouvelle methode pour colorer la graisse dans les tissus. Arch. ital. de biolog. Bd. 26. 1896. Dreysel und Oppler, Beiträge zur Kenntniss des Eleidins in normaler und pathologisch veränderter Haut. Arch. f. Dermatol. und Syphil. Bd. 30. 189. Ebner v.. 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Rasirmesserschnitt; Färbung mit Congoroth. Leitz Obj. 7, Oc. 1. a=Kugelform mit Ringbildung; b = ovale Formen. Vertheilung des Eleidins im Stratum corneum. Geschnitten und gefärbt wie Fig.1. Leitz Obj.3, 0e. 4. c=Cutis, sg = Strat. germinativ., sl = Strat. lucid., sr = Zone B, st=ZoneC., sd= Zone D, e=Eleidin. Eleidintropfen im Stratum tensum (Zone C). Geschnitten und fixirt wie Fig. 1. Leitz Obj. 7, Oec. I, si= Strat. lueid,., sr— Zone B, st=Zone C, sd= Zone D, e= Eleidin. Eleidin aus dem Stratum lueidum. Kurze Tanninsäurefixation Celloidineinbettung. Färbung mit Congoroth. Leitz Obj. 7 Oc. 3. c = Kernhöhle, e= Eleidin. Zellen des Stratum corneum nach längerer Tanninsäurefixation. Celloidineinbettung. Färbung mit Hämalaun und Congoroth. Leitz Obj. 7, Oe. 1. sgr = Strat. granulos., sl = Strat. lucid., sr =Zone B, m = Zellmembran, f= Fasernetz, c=Kernhöhle, n = geschrumpfte Kerne. Zellen des Stratum corneum bei starker Vergrösserung. Be- handlung wie eben. Färbung mit Congoroth. Zeiss Ap.2 mm, Oe. 6. f= Fasernetz, e = Kernhöhle, rn = geschrumpfter Kern. Epidermis nach Unna fixirt. Celloidineinbettung. Färbung mit Congoroth. Leitz Obj. 3, Oc. 1. p= Cutispapille, sg = Strat. germinat., sö=Strat lucid, sr—= Zone B, st—= Zone C sd=Zone D, pt=Blaschko'sche Falte. Dasselbe Präparat, secundär osmirt. Leitz Obj. 3, Ocul. 4. Buchstabenbezeichnung die gleiche wie von Fig. 7. Schena eines Schnittes durch die Epidermis von Vola manus oder Planta pedis, senkrecht zu den Leisten der Oberfläche (vgl. Text Seite 602 u. f.). pa= Pars arcuata (Drüsenleistentheil) , ’ 622 Franz Weidenreich: pti=Pars implieita (Blaschko’sche Falte), sg = Strat. ger- minativ., sgr = Stratum granulos., s!= Strat. lueid. (Zone A), sr = Stratum relaxat. (Zone B), st=Strat. tensum (Zone C), sd = Strat. disjunct. (Zone D), vs = Capillarschlingen der Qutis- papillen, ds = Ausführgang einer Schweissdrüse. Fig. 10. Verhalten des Stratum lucidum bei Osmiumfixation. Zwölf- stündige Osmiumhärtung; Paratfineinbettung. Saffraninfärbung. Leitz Obj. 7. Oec.1. sgr =Strat. granulos., s!= Strat. lueid., b= basaler Osmiumstreifen, 2=noch nicht osmirte Horn- schicht. Fig. 11. Eleidinkugel in einer Zelle des Stratum granulosum. Haut der Fingerbeere. Osmiumfixation (24 Stunden); Paraffinein- bettung. Zeiss Ap. 2mm, Oc.6. n=Kern, k = Kerato- hyalingrarula e = Eleidintropfen. Fig. 12. Angebliche Fettkörnchen in dem Stratum germinativum. Fixation, Einbettung und Osmirung nach Unna. Leitz Obj.T, Oe. 1. e=Üutis, sg =Strat. germinat, g=schwarze Körn- chen fraglicher Natur. Fig. 13. Zellen des Stratum disjunetum. Osmiumfixirung (24 Stunden). Paraffineinbettung. Leitz Obj. 7, Oc. 1. f= Netzwerk im Zellinnern, ce = Kernhöhle. Fig. 14. Uebergang des Stratum lueidum in das Stratum relaxatum. Siebenstündige Osmiumfixirung. Paraffineinbettung. Zeiss Ap. 2 mm, 06.4. si= Strat. lueid., ‘sr —- Sirat. relaxat, Intercellularräume. Fig. 15. Basaler Theil des Stratum corneum. Fixation in Alkohol, seeundäre Ösmirung. Leitz 'Obj. 7, Oe 1. sgr—smar ’ granulos., sc. = Strat. corn., ?s = Intercellularräume. Ganglienzellen in der Schlundmusculatur von Pulmonaten. Von Dr. H. Smidt. Hierzu Tafel XXXI. Nachdem schon seit mehr als 30 Jahren die Ganglienzellen des Herzens der Wirbelthiere bekannt und vielfach untersucht waren, erschien 1376 eine Arbeit von Dogiel „über die Anatomie Ganelienzellen in der Schlundmuseulatur von Pulmonaten 625 und Physiologie des Herzens der Larve von Corethra plumi- eormis“ (1), in der gewisse, schon von R. Wagner und Leydig gesehene „birnförmige Körper“ in der Herzmuseulatur dieser Larve aus anatomischen Gründen als „apolare Nervenzellen“ an- gesprochen wurden. Im folgenden Jahre untersuchte derselbe Autor die Herzen verschiedener Mollusken (Peeten, Anodonta, Aplysia), sowie Salpen auf Ganglienzellen (2). Die nervöse Natur der „apolaren Zellen“ die er fand, wurde kurz darauf von Foster und Dew-Smith bezweifelt (3). Die von Dogiel gelieferten Abbildungen und Beschreibungen genügen auch unter Berücksichtigung der späte- ren Untersuchungen über ähnliche Evertebraten-Ganglien nicht, den Streit zu entscheiden. Nachprüfungen an Dogiel’s Unter- suehungsmaterial scheinen nicht gemacht worden zu sein. Ebenfalls 1877 wies Berger (4) analoge Gebilde im Herzen des Flusskrebses nach, einstweilen nur die Zellen ohne ihre ner- vösen Verbindungen. In den späteren Veröffentlichungen von Dogiel (5) (1894) und Nusbaum (6) (1899) wurde die Kenntniss der Ganglien- zellen im Crustaceenherz erheblich erweitert. Nicht nur wurde von beiden Autoren die innige Verbindung dieser Gebilde mit den Nervenfasern eonstatirt, sondern auch von Nusbaum das peri- celluläre Nervennetz (mit Methylenblaufärbung) sehr schön dar- gestellt. Auf diese Arbeiten!) beschränkt sich, soviel ich finde, die Kenntniss „sympathischer* Ganglienzellen im Muskelgewebe der Invertebraten. Alle erwähnten Untersuchungen beziehen sich auf die Herzmuseulatur. Es dürfte somit die Constatirung von Ganglienzellen in der Schlundmuseulatur von Evertebraten nieht nur anatomisches, sondern auch physiologisches Interesse haben. In gewissen Re- gionen dieser Museulatur trifft man bei Pulmonaten ?) sehr grosse 1) Der Aufsatz von Lydia Pogoschewa „Die Nervenzellen der Scheeren und des Herzens vom Flusskrebs, Note für Naturw. St. Peters- burg 1890 Nr. 5* blieb mir, weil russisch geschrieben, unzugänglich. eit. b. Dogiel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43. 2) Die hier geschilderten Verhältnisse beziehen sich in erster Linie auf Helix, doch stimmen auch Arion und Limax in allem Wesent- lichen mit ihnen überein. 624 H. Smidt: Zellen, deren Kerne vor allem sich von den Muskel- und Binde- gewebskernen durch ihr beträchtliches Ausmaass auszeichnen. Ihr Vorkommen ist ein topographisch scharf bestimmtes. Zerlegt man den Schlund einer dieser Mollusken in eine frontale Schnittserie, so bemerkt man, dass der Zungenknorpel denselben in eine orale und eine caudale Hälfte trennt. Oral- wärts trifft man die Mundhöhle, nach vorne begrenzt durch den Oberkiefer. Sie ist umgeben von einem lockeren Bindegewebe, untermischt von Muskelzügen, von denen einige, von der Epithel- wand ausgehend, caudalwärts, die Radula umgreifend, in die Muskelmasse ziehen, welche hinter dem Zungenknorpel liegt. Am caudalen Ende der Mundhöhle breitet sich transversal die Radula aus, welche weiter sich über die obere Fläche des Zungenknorpels legt, um sich hinter ihm in die Zungenscheide aufzurollen. Caudalwärts vom Zungenknorpel findet sich eine compacte Muskelmasse, durch die in der Mitte liegende Zungenscheide in zwei seitliche Hälften getheilt. Dieselbe hat im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte: 1. an den Seitenästen sowie am oberen und unteren Rande des Zungenknorpels; 2. an der Radula resp. deren Basalmembran, sowie an der Zungenscheide selbst. — Ferner geht ein Theil der Muskelzüge von der Epithelwand der Mund- höhle, wie erwähnt, in die peripheren Schichten dieser Museu- latur über. Die ganze, im Vorstehenden geschilderte Region vom Ober- kiefer bis zum caudalen Ende des Schlundkopfes ist endlich von einer Muskelschicht eingehüllt, deren Fasern in langen Spiral- touren von hinten medial nach vorne lateral verlaufen, zum Theil auch mit den Seitenästen des Zungenknorpels sich verbinden. Caudal- und dorsalwärts von dieser ganzen Muskelmasse liegt das paarige Ganglion buccale in lockeres Bindegewebe ein- zebettet unter dem Oesophagus und sendet jederseits einen star- ken Nervenstamm in dieselbe. Diese Stämme treten jederseits an der hinteren medialen Fläche der Muskelmasse ein und ver- breiten sieh von hier aus oralwärts zunächst durch die ganze hintere Schlundmuseulatur. Starke Zweige biegen um die trans- versale Radulaplatte und innerviren die Mundhöhlenmuseulatur sowie die spiralige Hüllmuseulatur. Bei gut gelungenen Golgi- Ganglienzellen in der Schlundmusculatur von Pulmonaten. 625 präparaten sind diese Fasern der Buccalnerven mit reichlichen motorischen Endplättehen versehen. Während so die motorischen Nerven oralwärts ziehen, mi- schen sich ihnen überall Fasern bei, die aus der entgegengesetzten Richtung kommen. Sie tragen keine Endplatten, sie sind im Allgemeinen zarter und zeigen häufiger (im Golgipräparate) Vari- cositäten sowie eingelagerte Kernchen. Ihre Hauptquelle ist die Basalmembran der Radula, die von einem ausserordentlich dichten Nervenplexus durchzogen ist. Auch die zu den Sinneszellen der Mundhöhle gehörigen Fibrillen sowie die Fasern, welche peripher als freie intraepi- theliale Nervenendigungen zwischen dem Mundhöhlenepithel endigen, ziehen um die transversale Radulaausbreitung herum zu den Buccalganglien. Die intraepithelialen Fibrillen münden in einen, mit Nervenzellen reichlich versehenen subepithelialen Plexus ein, aus dem wieder Fasern entspringen, die, in Bündeln zusammen- geschlossen, den Muskelzügen folgend caudalwärts ziehen. Den- selben Weg schlagen allem Anschein nach auch die Nerven der Sinneszellen ein, doch ist es natürlich fast unmöglich, die beiden Faserkategorien auf längere Strecken auseinander zu halten. Die Hauptmasse der letztgenannten beiden Fihrillengattungen tritt in den peripheren Muskelzügen verlaufend direct lateral in die Buccalganglien ein, kommt somit für das Gebiet der von innen in die hintere Schlundmuskelmasse (Zungenknorpel-Radula- ınusculatur) eintretenden Buccalnerven, die auch vom medialen Rande der Buccalganglien ihren Ursprung nehmen, kaum in Betracht. Die nunmehr zu besprechenden Ganglienzellen finden sich zunächst in grösserer Anzahl um diese letzterwähnten gröberen Nervenstämme gruppirt. Ferner treffen wir vereinzelte solche Zellen durch die ganze Zungenknorpel - Radulamuseulatur ver- breitet, besonders zahlreich in deren hinterer Hälfte. Nach vorne werden sie rasch spärlicher. Jenseits der transversalen Radula- ausbreitung, also im Gebiete der Mundhöhle, habe ich bei Helix überhaupt keine angetroffen; doch kommen sie bei Limax auch hier, besonders in der Hüllmusceulatur, wenn auch nicht zahlreich, vor. — Die Gesammtzahl dieser Ganglienzellen ist keine grosse. Die genaue Feststellung ist schwierig, da einestheils mit der Golgimethode nicht alle Zellen imprägnirt werden, anderentheils Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 41 626 H. Smidt: ganz lückenlose Serien feinerer, für andere Färbemethode benutz- barer Schnitte schwer zu erhalten sind; die grosse Härtedifferenz der in Betracht kommenden Gewebe erlaubt, selbst bei sorg- fältigster Einbettung nicht immer ganz tadellose Schnitte. In einer sehr gut imprägnirten, ganz lückenlosen Golgi- serie zähle ich 57 Ganglienzellen. 17 davon schliessen sich dicht an die medialen Bncealnerven an, die übrigen liegen zerstreut in der Museulatur. Zahlreicher habe ich sie auch mit anderen Methoden nicht nachweisen können. Die Form der Ganglienzellen ist eine ovoide bis spindel- förmige. In Zupfpräparaten isolirte Zellen nähern sich oft der Kugelform, was auf eine gewisse Elastieität und Anpassungsfähig- keit der Zellen an die verschiedenen Contraetionszustände der um- gebenden Museulatur schliessen lässt, die sich auch bei Schnitten, die Muskeln und Zellen quer treffen (die längere Axe des Zell- ovoids fällt in die Muskellängsaxe) erkennen lässt. Die quere Cireumferenz solcher Zellen stellt hier nämlich keine regelmässige Curve, wie bei den künstlich isolirten dar, sondern ist durch die umgebenden Muskelbündel vielfach eingedrückt. Die Zellen sind von einer kernhaltigen Hülle umgeben, die sich auf die eintretenden Nerven fortsetzt. Während diese Hüllen sich an den Nerveneintrittsstellen spitz ausziehen, folgt das Proto- plasma ihnen nicht oder nur wenig und behält somit seine ovoide Form bei. Meist treten an den beiden Zellpolen Nervenfibrillen ein, doch kommen auch mehrere Eintrittsstellen vor, oder sämmtliche Nerventibrillen eoncentriren sich auf eine solche. Man kann somit von nıono-, bi- und multipolaren Zellen sprechen. Doch dürften diese Verhältnisse eher durch die zufällige Lage der umgebenden Nerven bedingt sein, als auf essentiellen Differenzen beruhen. Das Ausmaass der Zellen ist ein sehr beträchtliches. Bei Helix pomatia (frisches Zupfpräparat) variirten die Maasse des grössten und kleinsten Durchmessers von 104/92 u bis 60/56 u. In Schnittpräparaten sind beide Durchmesser differenter. Eine langgestreckte Zelle von Helix hortensis misst 84/20 u, eine andere ähnliche 64/14 u. Gedrungenere Typen sind aber häu- figer mit Maassen von 32/20 u bis 52/32 u (Helix hortensis). Einen sehr bedeutenden Raum der Zelle nimmt der Kerm ein, wie aus folgenden Zahlen ersichtlich ist: Ganglienzellen in der Schlundmusculatur von Pulmonaten. 627 Zelldurchmesser Kerndurchmesser 104/92 16/76 16/52 45/25 | Helix pomatia. 60/56 49/36 54/20 52/16 Helix hortensis. Den Färbemitteln gegenüber verhält sich unsere Zelle durch- aus ähnlich den Centralganglienzellen. Das Protoplasma ist bei Färbung mit Thionin oder Hämatin-Apäthy erheblich blasser ge- färbt, wie die Formbestandtheile des Kernes. Ob seine feinen Fasern einem wabigen oder netzartigen Bau entsprechen, wage ich hier nicht zu entscheiden, eine Frage, die ja auch bezüglich der viel bequemer zu bearbeitenden eentralen Ganglienzellen controvers ist. Im Kerne fallen neben den Kernkörperchen zahlreiche in- tensiv gefärbte Körnchen (Edematinkugeln Reinke?) auf. Bei Sublimatfixirung sind sie von etwas schwächer gefärbten Granulis umgeben, ebenso bei gleich behandelten Centralganglienzellkernen. Bei guten Trockenpräparaten entspricht in letzteren den Granulis ein feines Netzwerk, in das die stark gefärbten Körnchen ein- gelagert sind. Es gelang mir bei der Spärlichkeit unserer Zellen nicht, von ihnen solche Präparate zu erhalten, doch lassen sich in ihnen wohl ähnliche Verhältnisse vermuthen. Andeutungen einesnervösen pericellulären Netzwerkessind auch in Thioninpräparaten zu finden. Um dieses einigermaassen vollständig darzustellen, bedarf es besonders gut gelungener Golgipräparate. Das silbergeschwärzte Fibrillennetz beschränkt sich an- scheinend wesentlich auf die Oberfläche der Zellen. Wenige Fasern dringen etwas tiefer, doch scheint der Kern durchweg frei zu bleiben. Eine deutliche Trennung in zwei Netze, wie sie Apäathy an centralen Ganglienzellen fand, kann ich bei den peripheren Ganglienzellen ebensowenig wie Nusbaum (l. e. p. 709) feststellen. Doch können an diesem negativen Resultate natürlich sehr wohl die gröberen Untersuchungsmethoden Schuld sein !). 1) Auch bei anscheinend vortrefflichen Imprägnirungen sehen wir in die Netze hier und da Gruppen schwarzer Körnchen eingelagert, Spuren unvollkommen differenzirter Fibrillen. Besonders die zarten sensiblen Fasern laufen auch extracellulär meist in solche Körnchen- reihen aus. Je spärlicher das dargestellte Netz, desto häufiger die Körnchen. — Je besser das Nervennetz differenzirt ist, desto weniger ist der Zeilleib erkennbar; sind statt der Nerveunfasern nur einige schwarze Körnchen bemerkbar, so markirt sich Zellkern und Zellleib etwa wie in osmiumfixirten Zellen, sind nur die Hauptzüge des Netzes 628 H. Smidt: In das Netz eingelagert finden sich häufig rundliche kern- artige Gebilde, die den motorischen Endplatten an Form und Grösse gleichen (s. Fig. 2, 3, 4 bei X. Die Endplatten X! in Fig. 3 liegen unmittelbar unter der Zelle). Hier und da trifft man mehr weniger parallele Fibrillenzüge, die sich in schrauben- förmiger Drehung um die Zellen legen, nie aber in der Regel- mässigkeit, wie bei den sympathischen Ganglienzellen der Amphi- bien. Im Uebrigen dürften die Fig. 1 bis 4 einen besseren Ein- druck der Form des Netzes geben, wie die Beschreibung. Es betheiligen sich an der Zusammensetzung der peri- cellulären Netze centripetale und centrifugale Fasern. Die sichere Constatirung des Verhältnisses beider Faserarten stösst in Einzel- fällen auf Schwierigkeiten. Wir dürfen wohl die aus dem sub- radulären Plexus stammenden Fasern für sensible halten. Ausser ihrer Provenienz aus muskellosen Schichten spricht dafür, wie erwähnt, die Abwesenheit motorischer Endplatten an ihnen sowie ihr zartes Kaliber. Die centrifugalen Fasern sind durehschnitt- lich stärker und zeigen in ihrem Verlaufe zahlreiche Ausläufer mit Endplatten. Die letzteren verlaufen zwar oralwärts, während die ersteren caudalwärts ziehen. Doch treten durchaus nicht immer diese am oralen, jene am caudalen Zellpole ein. Beide Arten können um die Zelle herumbiegen und je zum distalen Pole gehen, oder auch, wie sehr häufig, gemeinsam an der glei- chen Stelle in die Zelle eintreten. Die Entscheidung, ob in jede Zelle Fasern beider Gattungen münden, wird dadurch unsicher, dass oft nur eine Faser differeneirt ist oder ein Theil der Fasern nicht in die Schnittebene fällt. Jedenfalls ist aber an sehr vielen Zellen der Eintritt beider Faserarten sicher nachweisbar. So zeigen die in Fig. 3 und 4 mit „sens“ bezeichneten Fasern alle Eigenschaften, auf die sich die Wahrscheinlichkeitsdiagnose der „Sensibilität“ stützt. Die weitere Verfolgung derselben im Nervennetz ist aber leider un- möglich. Schon an der Eintrittsstelle finden sich meist mehrere Fasern so eng verflochten, dass man selbst hier die einzelnen Fäden nicht entwirren kann. Damit ist aber auch ihr Antheil am pericellulären Netzwerk unbestimmbar. Dass die pericellulären Fasern zu einem wahren Netzwerke gefärbt, so ist der Zellleib mehr oder weniger braun gefärbt und scharf umgrenzt (Fig. 5, 6). Bei besten Differenzirungen ist er als solcher kaum erkennbar und deshalb in Fig. 1—4 nicht mitgezeichnet. Ganglienzellen in der Schlundmuseulatur von Pulmonaten. 629 zusammentreten, scheint mir höchst wahrscheinlich. Auch Nus- baum nimmt offenbar in Fig. 7 (l. ec.) ein echtes Netzwerk an. Immerhin können Inerustationen, wie sie die Golgimethode liefert. bei aller Feinheit die Sicherheit nicht bieten, wie Tinetionen. Unter den Ganglienzellen finden sich vereinzelte in „oppo- nirter Stellung“, wie sie Bidder in der Vorhofscheidewand fand und auch Dogiel (Beitr. zur vergl. Anat. und Phys. d. Herzens, Taf. XIII, Fig. 15) abbildet. Unter den 57 Zellen der oben an- geführten Serie finden sich 4 solche Zellpaare. Die Verbindung der Zellen ist mehr oder weniger innig. In Fig. 4 deutet nur eine leichte Einschnürung die Berührungsebene an, während die Zellen in Fig. 3 sich mit emem viel kleineren Theile ihres Um- fanges verbinden. Die Zellnetze nehmen auf die Trennungsebene keine Rücksicht. — Ob diesen Zellpaaren irgend eine besondere funetionelle Bedeutung zukommt, kann ich nicht feststellen. Die Vergleichung unserer Zellen mit den von Berger, Dogiel und Nussbaum beschriebenen berechtigt uns, sie für diesen analoge Gebilde zu halten. Gestalt und Grösse (beson- ders des Kernes), Verbindung mit den Nerven und eigenes Nerven- netz zeigen die grösste Aehnlichkeit. Wir sind somit wohl be- rechtigt, ihnen auch die gleiche Funetion zuzuschreiben, wie sie nach allgemeinen physiologischen Anschauungen den Herzganglien- zellen zukommt, nämlich ohne Inanspruchnahme höherer Centren die automatische Bewegung ihrer Organe zu regeln. Muss auch ihre Verbindung mit den Geschmackszellen und den freien intraepithelialen Nervenendigungen noch zweifelhaft bleiben, so kann doch als sicher gelten, dass sie einerseits Fasern von dem sensiblen subradulären Nervenplexus, andererseits motorische Fasern der Schlundmuseulatur empfangen. Grade die Musculatur, in der sie vorzugsweise lagern, bewirkt vermöge ihrer Ansatzpunkte an Radula und Zungenknorpel die Bewegung der Reibmembran. Erfordert die Mundhöhle mit ihrem reichen Vorrath sen- sorischer Elemente zur Regelung ihrer complieirteren Bewegungen vielleicht eine centralere Verbindung, so ist es doch sehr wohl denkbar, dass die einfache Thätigkeit der Reibemembran mit Umgehung einer solchen lediglich auf den tactilen Reiz der ein- geführten Nahrungsstoffe hin durch Vermittelung der Ganglienzellen geleitet werden kann. Bellevue b. Konstanz, Ende September 1900. 630 H. Smidt: Nachtrag. Die Arbeiten Paravieini’s (Ricerche anatomiche ed isto- logiche sul Bulbo Faringeo dell’ Helix pomatia, Bolletino dei Mus. di Zool. ed Anat. comp. di Torino Vol. XI No. 243 und Sulla minuta innervazione del canal digerente dell’ Helix po- matia, Pavia 1898) wurden mir erst während der Drucklegung dieser Arbeit durch die Güte des Autors zugänglich. Er sowohl wie Veratti (Ricerche sul sistema nervosa dei Limax, Memorie del R. istituto di seience e lettere Vol. XVIII 1900) haben Ganglienzellen in der Pharynxmusculatur beobachtet, letzterer auch Silber -inerustirte abgebildet (l. e. Fig. 58). Ob sie mit den von mir besprochenen identisch sind, kann ich nicht sagen, da in ersterer Arbeit Abbildungen derselben und genaue Maass- angaben fehlen und auch von Veratti ihre topographischen und Grössenverhältnisse nicht dargelegt werden. Vor allem aber sind die wichtigsten Bestandtheile dieser Zellen, ihre nervöse Netze, in beiden Arbeiten weder beschrieben noch dargestellt. In der äusserst sorgsamen und kritischen Bearbeitung der Bulbusmuseulatur in der ersten Arbeit Paravieinis wird die von mir als Hauptfundort der Ganglienzellen beschriebene Muskel- masse als „Muscolo radulare medio* bezeichnet. Dem zweiten Aufsatze Paravicinis entnehme ich, dass Trambusti in einem Artikel: Sull’ innervazione del ceuore nell’ Helix pomatia (Estratto della Rivista Internazionale di Medieina e Chirurgia, 1885, anno II, num. 12), der mir im Originale nicht zugänglich war, Ganglienzellen im Herzen von Helix mit den Worten erwähnt: „I nervi dei muscoli dell’ Helix pomatia sono ecostituiti da fibre sproviste di mielina e sono rivestiti di una guaina analoga a quella di Henle, muniti di nuclei ellitiei allungati. Lungo il decorso di questi nervi si incontrano talvolta delle cellule ganglionari unipolari e bipolarj.“ Leider sagt uns der Begriff „Ganglienzelle*, selbst mit dem Zusatze „unipolar“ oder „multipolar“, über die Natur der be- treffenden Gebilde wenig. Die gebräuchlichen Goldmethoden, mit Ausnahme der Apäthy’schen, färben (wie auch häufig die Golgimethode) bei Wirbellosen in erster Linie die Nervenscheide mit all den Zellen, die sich an diese anschliessen und zum Theil von ihr umschlossen werden, ohne das „Leitende“ zu differenziren. Alle diese Zellen pflegen unter dem Namen „Ganglienzellen“ sub- sumirt zu werden. Und das sind nicht nur „Ganglienzellen und Ganglienzellen in der Schlundmusculatur von Pulmonaten. 631 Nervenzellen“ in der engeren Fassung Apäthy’s, sondern sicher auch viele Elemente, die der Nervenscheide allein angehören, ohne in engere Verbindungen mit den Primitivfibrillen zu treten. Wo diese nicht deutlich differenzirt sind, ist daher die genauere Diagnose der Zellen nicht zu stellen. Das gilt auch für die eben eitirten Publieationen. Mit dem Fortschreiten der Methoden der Fibrillenfärbung wird die bessere Classification und Nomenclatur der „Ganglien- zellen“ immer dringender. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII. Sämmtliche Figuren sind mit Abbe&’s Zeichenapparat entworfen. Schnittdicke 45 u. Fig. 1-4. Vergr. 543. (Seibert Oc. 0. Wasserimm. VII). Fig. 5, 6. Vergr. 250. (Zeiss Comp. Oc. 4, Apochr. Obj. 4). Fig. 1. Ovoide „unipolare“ Ganglienzelle. Fig. 2. Bipolare Ganglienzelle im Profil gesehen. Fig. 3. = Ganglienzellpaare „in opponirter Stellung“. Fig. 4. sens.— sensible Faser, K=in die Zellwand eingelagerte Kerne, K' = motorische Endplatten. Um möglichst das ganze Netzwerk wieder- zugeben, ohne die Zeichnung zu sehr zu verwirren, wurden die tiefer liegenden Fasern hellgrau gezeichnet. Fig. 5. | Ganglienzellhaufen an den Eintrittstellen der medianen Fig. 6. | DBuecalnerven in die Museulatur. Literatur-Verzeichniss. 1. Dogiel, Anatomie und Physiologie des Herzens der Larve von . Corethra plumicornis. Me&moires de l’Acad&mie imp£riale des sciences de St. Petersbourg III. Serie Tome XXIV No. 10. 2. Derselbe, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XIV. 1877. 3. Foster und Dew-Smith, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Ibid. Bd. XIV. 1877. 4. Berger, Ueber das Vorkommen der Ganglienzellen im Herzen des Flusskrebs. Sitzungsber. der k. Acad. der Wissensch. 1. Abth. Oct. Heft. Jahrg. 1876. Bd. LXXIV. 5. Dogiel, Beitrag zur vergl. Anat. u. Physiol. d. Herzens. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLIII, 1894. 6. Nusbaum, Beiträge zur Kenntniss d. Innervation d. Gefäss- systems nebst einigen Bemerkungen über d. subepidermoidalen Nervengeflechte b. d. Crustaceen. Biol. Centralblatt Bd. XIX 1899. pag. 700. 632 (Aus dem pathologischen Institute der Universität Kiel.) Untersuchungen über die normale und patho- logische Hypofysis cerebri des Menschen. Von Waldemar Thom, Assistenzarzt an der chir. Abtheilung des Krankenhauses der Barm- herzigen Brüder (Prof. Witzel) zu Bonn. Mit 2 Textfiguren. Die Hypofysis cerebri ist bereits mehrfach Gegenstand pathologisch anatomischer Forschung gewesen, allein jedesmal von einem vorschiedenen Gesichtspunkte aus. Wenzel!) unter- suchte die heute vollkommen geleugnete Beziehung zur Epilepsie, Rogowitsch?), Stieda®) und Schoenemann‘) die Be- ziehung zur Struma, Virchow), Boyce, Rubert, Beadles®), v. Reeklinghausen’),, Schoenemann prüften die Befunde bei Kretinismus und Kachexia thyreopriva, G. Wolf®) bei 1) Wenzel, Beobachtungen über den Hirn-Anhang Epileptischer, Mainz 1810. 2) Rogowitsch, Veränderung der Hypophysis nach Entfernung der Schilddrüse. B. v. Ziegler IV. 1889. 3) Stieda, Verhalten der Hypofysis nach Entfernung der Schilddrüse. B. v. Ziegler VI. 4) Schoenemann, Hypofysis und Thyreoidea. Virch. Ar- chiv Bd. 129. 5) Virchow, Untersuchungen über die Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin 1857. 6) Boyce, Rubert and Beadles, Study of the Pathologie of the Hypophysis, ref. Centralbl. f. allg. Path. 1894. 7) Angef. b. Buhecker: Ein Beitrag zur Pathologie u. Physio- logie der Hypofysis cerebri. Strassburg 1893 1.-D. 8) G. Wolf, Zur Histologie der Hypofysis des normalen und paralytischen Gehirns. Würzburg 1897 1.-D. Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri etc. 693 Paralysis progressiva. Neuerdings bringt man den Hirnanhang in Beziehung zu dem von Pierre Marie!) zuerst beschriebenen Bilde der Akromegalie. Eine Vergrösserung, resp. einen Tumor der Hypofysis haben bei dieser Erkrankung gefunden: Marie, Marünesco, Burg?), Brigidi, Henrot, Klebs,' Broea®), Boyce, Beadles, Worcester %), Comini°), Wolf®) Ponfick®) u. a. Eine der über die Akromegalie aufgestellten Theorieen erklärt das Leiden als eine von der glandula pituitaria herrührende Dystrophie, als eine perverse Funktion eines Organes, welches die normale Entwicklung des Körpers reguliren soll; eine Anzahl Kliniker empfehlen bereits zur Therapie Hypofysis- Extrakt. Wenn diese T'heorie zu Recht besteht, dann müssten wir folgerichtig auch bei Struktur-Veränderungen des Hirn- anhangs trophische und nervöse Störungen erwarten. Denn ein Haupt-Lehrsatz der allgemeinen pathologischen Anatomie heisst: Veränderung der Structur führt zur Veränderung der Funktion. Erst wenn bei Fällen von Akromegalie in der Hypotysis mehr- fach eine erhebliche Structur-Veränderung nachgewiesen wird, erst dann ist die letztere als anatomische Basis zu betrachten; andernfalls aber darf die Hypofysis-Vergrösserung nur als den übrigen Hypertrofieen coordinirt aufgefasst werden. Arnold?) und Ponfick®) betonen, dass es Fälle von Akromegalie ohne Veränderung des Hirnanhangs giebt, dass ferner die weit über- wiegende Anzahl der über 50 bisher beschriebenen Hypofysis- tumoren ohne Symptome von Akromegalie mitgetheilt wurden. 1) Pierre Marie, Revue de Medecine. 1886. 2) Angef. b. Wolf, Ein Beitrag zur Pathologie der Hypofyse. B. v. Ziegler XII. 189. 3) Angeführt bei Erb, Deutsch. Archiv f. klin. Mediein Bd. 42. 4) Worcester, Case of acromegalie with autopsy. Tumor of pituitary body. Boston, medical and surgic. Journal 1896. 5) Comini, Contributo allo studio clinico ed anatomo-patologico dell’ acromegalie. Archivii per le science mediche. Vol. XX, No. 21. 6) 71. Versammlung deutsch. Naturforscher und Aerzte. Mün- chen 1899. 7) Arnold, Weitere Beiträge zur Akromegalie-Frage. Virch. Arch. Bd. 135. 8) 71. Versammlung deutsch. Naturforscher und Aerzte. Mün- chen 1899. 634 Waldemar Thom: Unter solehen Umständen sind häufige methodische Unter- suchungen dieses Organes bei den verschiedensten Krankheits- zuständen wohl indizirt. Die folgende Arbeit soll den Anfang dieser Forschungen machen. Zu dem Ende wurde durch einen quer -ellipsenförmigen Schnitt das opereulum und damit die sella tureica von oben er- öffnet. Nachdem dieselbe durch Abbrechen der processus elinoidei posteriores mittelst einer Knochenzange auch von hinten zugänglich geworden war, liess sich der Hirnanhang stumpf aus der fossa hypofyseos entbinden. Ein Theil wurde frisch auf dem Gefrier-Mikrotom geschnitten, meist aber das ganze Stück in 4°/, Formalin fixirt, in Alkohol von steigender Konzen- tration gehärtet, inCelloidin eingebettet und mit einem Schanze’schen Schlitten-Mikrotom meist in Querschnitte von 10—15 u möglichst durch die Mitte des Organs zerlegt. Zur Färbung wurde benutzt gewöhnlich Hämatoxylin-Delafield-Eosin, seltener Borax-Indigo- Karmin (Merkel) oder Pikrinsäure-Säurefuchsin (van Gieson). Ein Organ (s. später No. VIII) wurde nach Fixirung in Flem- ming'scher Lösung mit Anilinwasser-Safranin tingirt. 50 Hypo- fysen entnahm ich selbst dem Körper, 12 andere aus ziemlich frischen Leichen verdanke ich Herrn Geheimrath Heller. Ich beginne mit einigen makroskopischen Angaben, zu- nächst hinsichtlich der Lage. Bei einem 27jährigen Tuberkulösen war der sehr niedrige rechte process. elinoid. poster. mit dem process. elinoid. anter. durch eine bis auf den Boden der Fossa reichende knöcherne Platte verbunden. Der linke process. elinoid. poster. war durch eine bindegewebige derbe Membran mit dem linken vorderen Fortsatze vereinigt, gleichzeitig erhob sich vom oberen Theile des elivus Blumenbachi eine !/; em hohe Exostose. Was die Form des Vorderlappens anlangt, so fand ich die obere Fläche desselben meist völlig eben oder leicht konkav, allein 7 mal im Umkreise der Infundibular-Mündung zu einer bis 6 mm breiten, tiefen Delle eingesunken. Letztere ist in 5 Fällen von Bindegewebsentwickelung durch Schrumpfung, in 2 Fällen von Meningitis purulenta durch Schwellung der Umgebung ent- standen zu denken. Wie sich an Sagittalsehnitten zeigt, nimmt nämlich die Stelle der Infundibular-Mündung an einer Schwellung des Organes nicht theil, weil die starken Bindegewebssepten, Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri ete. 635 welche hier als processus infundibuli vom Trichter in den oberen Theil der Hypotfysis einstrahlen, eine stärkere Ausdehnung ver- hindern. Der Vorderlappen gleicht einer Niere; in einen deutlichen Hilus erscheint der process. infundibuli eingepasst. 5 mal zeigte der Vorderlappen auf dem Querschnitte eine Trapezform mit der längeren Seite nach vorn, 4mal eine Hantelform, 2 mal eine Asymmetrie infolge seitlicher Abplattung durch sehr starre ver- kalkte Gefässe des sinus cavernosus. Die Form des Hinterlappens ist die eines Kugelsegments, welches einer Halbkugel sich nähert oder bereits eine solehe dar- stellt. Bei Kindern bis zu 10 Jahren fand sich eine nur sehr geringe Prominenz des Hinterlappens und dadurch eine ellipsoide Abrundung des ganzen Organes. Das mikroskopische Bild zeigt nämlich eine nur geringe Ausbildung des process. infundibuli. Das Gebiet, welches der letztere beim Erwachsenen im oberen Hilus einnimmt, kommt beim Kinde bereits dem Hinterlappen zu Gute, wodurch dieser theilweise vom Vorderlappen eingeschlossen erscheint. Die Farbe des frisch herausgenommenen Vorderlappens ist meist hellgrauröthlich, die des Hinterlappens grauweiss. Sehr stark dunkelblauroth waren 9 Hypofysen (Mening. purul., Empyema proc. mast., Hämorrhagia cerebri, Nefritis chron., Myoecarditis, Ikterus, Gastro-Enteritis, Bronchopneumonie, Fthisis pulmon.), sehr blass 7 (3 Fälle von Gastro-Enteritis, 2 Fälle von Sepsis, Je ein Fall von Fthisis pulmon. und Marasm. sen.). Die Maasse nahm ich an dem Vorderlappen als dem spezifischen Parenchymtheil des Hirnanhangs vor, zumal der Hinterlappen wegen seiner Weichheit und der stark adhärenten Hirnhaut häufig nicht intakt erhalten wurde. Da die Manipu- lation der Messung aus Gründen der Schonung erst am gehär- teten, geschrumpften Organe vorgenommen wurde, so ist die Ge- nauigkeit meiner Werthe nur eine relative, Die Maasse, die ich in der Litteratur fand, beziehen sich auf den Erwachsenen (s. Tab. A). Meine Messungen umfassen Organe aus allen Lebens- altern, deren Mittel, für Dezennien berechnet, ich in Tab. B an- führe. Die Grösse der einzelnen, z. B. der transversalen, Durchmesser fand ich, selbst in gleicher Altersstufe, bisweilen 636 Waldemar Thom: erheblich verschieden. Maassgebend aber für die Beurtheilung eines Diameters ist der Vergleich mit den beiden andern, Klein- heit des einen geht häufig mit relativer Grösse des andern ein- her, und nur die Gesammtbetrachtung aller 3 Durchmesser lässt einen Schluss auf das Volumen zu. Relativ gross sind dieselben bei einem Falle von Meningit. tub. mit starkem Gallertkropfe (s. No. ID), bei 2 Fällen von Tuberk. pulmon. mit Gallertkropf, resp. mit grossen blassen Geschwülsten der T'hyreoidea, weiter bei je 2 Fällen von Sepsis und Carein. ventric., resp. pleur., bei einem Falle von Nefrit. chron. mit Hydrocefalus und Anasarka, bei Myocarditis mit Adipositas, ferner bei einem Falle von Eklampsia partur. (s. No. IV). Hier war eine Vorwölbung des opereulum sellae zu einein stark gespannten, 3 mm hohen Kugel- segmente sichtbar, — nach Zander!) ein charakteristisches Zeichen einer beginnenden Hypofysis-Hyperplasie, weil im ver- tikalen Durchmesser der geringste Widerstand gegeben ist. Auf den histologischen Befund komme ieh später zurück. Eine erhebliche Kleinheit zweier Durchmesser fiel mir bei Gastro-Enteritis eines 2 monatl. und 1jähr. stark abgemagerten Kindes auf. Die hier vorliegende Anämie wirkt scheinbar auf ein Organ von geradezu kavernösem Bau wie die Hypofysis im Sinne einer Verringerung des Turgors und Volumens. Relativ kleine Durchmesser zeigt der Hirnanhang eines 33jähr. Verbrannten, wahrscheinlich infolge einer zugleich konstatirten sehr starken chron. Meningitis und dicker schwartiger Umschliessung der Hypo- fysis, ferner der Hirnanhang einer 46 jähr. Frau, bei der sich ausser einem glatten Zungengrund ein Empyema process. mast. und eine Induration des Hirns, der Niere und der Leber fanden (Lues? s. No. V). Stark im sagittalen Durchmesser (5 mm) ver- kleinert, daher wurstförmig ist der Vorderlappen eines 48 jähr. Epileptikers. Auffallend sind die kleinen Maasse des sagittalen und vertikalen Durchmessers an dem Organ einer 90 Jährigen mit Marasm. sen. und Bronch. chron. (s. No. IX), während der trans- versale relativ gross erscheint. Mikroskopisch ergiebt sich enorme Bindegewebsinduration. Nun wird der Grundstock des normalen Bindegewebes nach früheren Autoren und meinen Befunden von 1) Ver. Beilage der Deutsch. med. Wochenschrift 1887, pag. 13. i ete. 637 sis cerebri V ‚pof) y Untersuch. üb. d. normale u. patholog. H "GEL Pg Alyday 'y9ary eOpIoaaäyL pun sıskjodAy ‘uuwwau9oydg (F 'e] '3d 68T IAIYydsuspoMqM 'pa9ur "yasInac] A9p 9seflag "aA (€ oıpedopAduy-way SanqyuaIny ( "uo]fpqwL pun usgec] 'yIsÄyd pun -[oısäyd-Jeuy YpaoaaıA (I | ‘ ‘ | | 3 | R 2 ’ ee BES IRG a ee re strJao A ge RE £8'9 <19 a BE Fe a ae nes Hl EI a EI ZORci 121 901 Gr tl Eor = Er "SIHASUBLL | | | | | | | IE | fe | ff | ls | Ze f | p | p | p | uom | EN A9SSYUL 06° | 0808 | 02-09 0908 |0° 207 7072.08 708702 7 08707 Ol Fa -yoandı wu ur susdde]IspIoA SOp Asseewslıuydsypand] "a 9TI2qeL 60 = | 9—G | 81-G'zI (‚uuwewou9oydg > ggg 8 | 611 (.19puuz BE: | =S | Sad | el (‚sınquony co | ze) | ) | FI (gIPIOAOLA "y1919A | LOBS | "sa9Asurıl IU9IMOL) = m m ——— 10om\ 19ss9uy9And “m UT ADUOSUARMAH 9SAJodAH Jap Assee NE SEN 638 Waldemar Thom: zwei Hautbindegewebsbalken gebildet, welche vom process. infun- dibuli aus divergirend, die Richtung nach vorn seitlich unten einschlagen. Pathologische Bindegewebsschrumpfung wird daher wesentlich zn einer Verkleinerung des vertikalen und sagittalen Durchmessers führen. Meinen Messungen nach scheint die Hypofyse am schnellsten bis zum 30. Jahre zu wachsen, indem sich zwischen den ersten 3 Dezennien eine Durchmesserdifferenz von 1 mm und darüber ergiebt (s. Tab. B). Dieselbe wird in späteren Jahren nicht mehr erreicht. Eine geringe, besonders sagittal auftretende Ab- nalıme der Maasse im VI. Dezennium wird anscheinend im VII. Dezennium durch mikroskopisch nachgewiesene (s. später) Binde- gewebswucherung ausgeglichen. Im hohen Alter scheint durch sekundäre Bindegewebs- Induration wiederum eine Abnahme, wenigstens des sagittalen und vertikalen Durchmessers zu erfolgen. Vor Mittheilung meiner mikroskopischen Befunde er- wähne ich in extenso den augenbliceklichen Stand der Hypofysis- Histologie. Der Hirnanhang besteht aus einem Vorder- und Hinter- lappen. Letzterer enthält wesentlich lockeres Bindegewebe, ersterer ein Netzwerk von schmalen, kernarmen, Gefässe tragen- den Bindegewebsfibrillen, deren weite Maschen durch längliche, meist solide Conglomerate von theils kubischen (Stöhr!), theils polymorphen (Lothringer?) Zellen ausgefüllt sind. Em auf dem Querschnitte leicht hell und dunkel geschecktes Bild führt Luscehka°) auf ungleichmässige Vertheilung des Blutes, Dostojewsky'!) auf eine mehr oder weniger ausgesprochene Pigmentirung verschiedener Parenchymelemente zurück. Dieselbe ist zuerst von Langen?) gesehen, von Flesch®), Dosto- 1) Stöhr, Lehrbuch der Histologie. 2) Lothringer, Untersuchungen an der Hypofysis einiger Säugethiere u. des Menscheu. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 28. 3) Luschka, Der Hirnanhang und die Steissdrüse. Berlin 1860. 4) Dostojewsky, Ueber den Bau des Vorderlappens des Hirn- anhangs. Arch. f. mikrosk. Anat. 1886. H. 4. 5) Langen, De Hypofysi cerebri disquititiones microscopicae 1.-D. Bonnae 1864. 6) Tageblatt der 57. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Magdeburg No. 4. Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri etc. 639 jewsky und Lothringer wesentlich an Säugethier-Hypofysen durch mikrochemische Reaktion bewiesen worden. Darnach werden die helleren Zellen, welehe 3—4 u gross, sich durch Merkels Borax-Indigo-Karınin nur schwach blau färben, als Haupt- zellen, die dunklereu 5—18 u grossen Zellen als chromofile be- zeichnet, weil sie sich durch Hämatoxylin-Eosin roth, durch Borax- Indigo-Karmin dunkelblau, durch Ueber-Osmium-Säure dunkelgrau, durch Weigert'sche Markscheiden-Tinktion braun bis schwarz färben. Eine nach Härtung in absolutem Alkohol durch Lugol’sche Lösung entstehende Bräunung führt Lothringer!) auf Glykogen zurück. Durch das gleiche Tinktionsvermögen, sowie durch eine Beobachtung Virchow ’s?) und Langen’s?), wonach kleine Kolloidkörper an Stelle chromofiler Zellen zu treten scheinen, wird eine direkte Beziehung der letzteren zum Kolloid offenbar. Die Hauptmasse desselben liegt auf der Grenze zwischen Vorder- und Hinterlappen in einer grösseren spaltförmigen Hypo- fysenhöhle oder in multiplen kleineren Cysten. Lothringer!) findet die chromofilen Zellen wesentlich in den oberflächlichsten Schichten, Rogowitseh*) schliesst beim Kaninchen einen „dreieckigen Raum mit hinterer Spitze“ von ihnen aus, welcher ein „unfertiges embryonales Gewebe“, d. h. eine gleichmässige, nieht differenzirte Grundsubstanz mit sogenannten „Körnerhaufen“ enthält. Die bei Schilddrüsen-Exstirpation vikariirend auftretende starke Vermehrung dieser Maasse sowie der vermeintliche Befund einer kolloid reagirenden Substanz in den Blutgefässen veranlasst den genannten Autor zur Unterscheidung 1) eines Abschnittes, der „freies Kolloid liefert, welches entweder unmittelbar dem Blut- strome übergeben wird (nämlich im dreieckigen Raume) oder sich in Cysten sammelt“, 2) eines Abschnittes, „in dem das Kolloid gewissermassen gebunden nur in dem Protoplasma der 1) Lothringer, Untersuchungen an der Hypofysis einiger Säugethiere und des Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 28. 2) Virchow, Untersuchungen über die Entwickelung des Schädel- grundes. Berlin 1857. 3) Jhangen, De Hypofysi cerebri disquisitiones mieroscopicae I.-D. Bonnae 1864. 4) Rogowitsch, Veränderung der Hypofysis nach Entfernung der Schilddrüse. B. v. Ziegler IV. 1889, 640 Waldemar Thom: chromofilen Zellen angetroffen wird“. In den Vakuolen der letz- teren sah Wolf!) bei Weigert scher Markscheidenfärbung schwarze Gebilde, welche er für Blutkörperchen hält, deren hier stattfindende Zerstörung und Aufsaugung neben der Kolloidbildung eine weitere Funktion der Hypofyse wäre. Schoenemann?) endlich betont bei der Hämatoxylin-Eosin- Färbung die von Lothringer nur vorübergehend erwähnte Ein- theilung der chromofilen Elemente in blaue — eyanofile — und rothe — eosinofile — Zellen. Beide Arten sind nach ihm ganz unregel- mässig vertheilt, vielerorts nur mit starker Vergrösserung auffindbar und machen „gar keinen oder wenigstens nur einen geringen Bestand- theil der normalen menschlichen Hypofysis aus.“ „Kolloidbläschen längs der Grenze zwischen Vorder- und Hinterlappen in mässiger Anzahl und Grösse“ hält er für normal, findet dagegen im drüsigen Theile das Kolloid so spärlich, dass viele Gesichtsfelder bei schwacher Vergrösserung vergebens durchsucht werden. Ich lasse nunmehr meine eigenen mikroskopischen Befunde und zwar zunächst die Hauptzüge von 9 verschiedenen Hypofysen- Querschnitten folgen, welche betreffs normaler wie pathologi- scher Strukturverhältnisse wichtig erschienen. Wo keine beson- dere Bemerkung, ist der quergeschnittene Vorderlappen mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. No. I. m. 6 Mon. Gastro-Enteritis, Broncho-Pneum. 21 Stunden post mortem sez. S. No. 390. 1899. Maasse: 8:3 (mit Hinterlap. 4) :3. Der hantelförmige Vorderlappen enthält eosinofile und eyano- file Zellstränge. In der Breite der ersteren sind 3—4, der letzteren 6—8 Kerne sichtbar. Es überwiegen ungefärbte Zellen, deren Kerne stellenweise um den eigenen Durchmesser von einander entfernt sind. Der Hinterlappen ist vorn und seitlich vom Vorderlappen umschlossen, daher ist der Querschnitt des ganzen Organs ein Ellipsoid. Die Hypo- fysenspalte erweitert sich beiderseits zu einer dreieckigen Höhle. Letztere ist, besonders deutlich auf der Pia, welche eine Seite des Dreiecks bildet, von kubischem Epithel ausgekleidet und enthält einen feinen hellblau granulirten Inhalt, stellenweise mit dunkelblauen runden Kolloidmassen. Links setzt sich die Höhle scheinbar in eine ?/, der 1) G. Wolf, Zur Histologie der Hypofysis des normalen und paralytischen Gehirns. Würzburg 1897. 1.-D. 2) Schoenemann, Hypofysis und Thyreoidea. Virch. Ar- chiv Bd. 129. Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri ete. 641 hinteren Seite des Hinterlappens umgebende subarachnoidale Spalte fort. Stellenweise erscheint auch das Gewebe des Hinterlappens von der gleichen hellblauen Masse infiltrirt und eine breite Communication mit dem Höhleninhalt zu bestehen. Interfollikuläre hellblaue Massen des Vorderlappens gehen scheinbar ebenfalls in den Höhleninhalt sowie in eine im mittleren Drittel der Vorderseite zwischen Vorderlappen und Hirnhaut sichtbare Anhäufung einer gleichgefärbten Substanz über. Hauptbefund: Sehr viel Höhlen- und interfollikuläres Kolloid. No. II. w.12J. Mening. tuberc. m. stark. Gallertkropf. 21/, Stunden Pem.sez. S. No. 1.1900. Maasse.: 127:6,5 (m. H.E.9)2D. Querschnitt innerhalb des oberen Viertels des verticalen Durch- messers. Auf der Grenze zwischen Vorder- und Hinterlappen etwa 35 ziemlich grosse Cysten mit kubischem oder abgeplattetem Epithel und hellblau bis blauroth gefärbtem, völlig homogenem, bisweilen leicht concentrisch gestreiftem Inhalte. Zwei breit vom processus infundibuli unter einem Winkel von 75° divergirende Bindegewebsbalken lösen sich im Vorderlappen in ein Bindegewebsnetz auf, welches deutlich über die Zellstränge dominirt, ihrer halben oder ganzen Breite gleich- kommend. Zwischen beiden Balken ist ein dreieckiger Raum abzu- grenzen. ?/, seiner Zellen sind schwach, !/, stark cyanofil, je !/, un- gefärbt und schwach eosinofl. Der Breitendurchmesser der stark blauen Stränge zeigt 3—12, der schwach blauen 3—8, der schwach rothen 2—5 Kerne. Ungefärbte Zellen sind zwischen den andern ver- theilt. Zahlreiche vermeintliche Vakuolen erweisen sich durch den Besitz eines Kernes als ungefärbte Zellen. Seitlich von den Bindegewebsbalken sieht man fast nur stark eosi- nofile Zellen. Die spärlichen eyanofilen Elemente erscheinen durch den Druck grosser ungefärbter Zellen stellenweise zu dreieckigen Gebilden deformirt, deren Basis nach der membrana propria, deren Spitze nach dem Follikelinneren gerichtet ist. An der Peripherie des Vorder- lappens werden die ungefärbten Zellen zahlreicher. Ein Lumen findet man selten, so dass die Bezeichnung Zellstrang glücklicher als Zell- schlauch ist. Wohl aber sind Interfollikularräume mit ungefärbtem oder nur leicht hellblau tingirtem Inhalte sichtbar. Die eosinofilen Zellen (s. in der Figur e und die übrigen schwach und mittelstark schattirten Zellen) zeigen auch untereinander feine Variationen des Farbentons; eine Abgrenzung durch eine Zellmembran ist nicht immer deutlich. Das Protoplasma enthält spärliche Vakuolen (v), welche jedoch kleiner als die der eyanofilen Zellen sind; es erscheint ferner sehr fein granulirt, ganz besonders an derjenigen Seite, die der Membrana propria entspricht (g). Hierher ist häufig der Kern gerückt, und hier scheinen die Granula die Zellgrenzen zu überschreiten. Im Lumen des abgebildeten eosinofilen Zellstranges liegt eine runde, zwischen den Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 42 643 Waldemar Thom: Zellen des Tubulus eine dreieckige, durch Hämatoxylin lila gefärbte, im Bilde ganz dunkel gezeichnete Kolloidmasse (ko). Die ungefärbten — „echromofoben®“— Zellen sind häufig in der Mitte ambosartig einge- Leitz, Ocul. I, Oel-Immers. Y/ıs. engt (ch), der Kern ist relativ gross, meist ellipsoid, sein Chromatin in wei- ten Distanzen zer- streut, bisweilen auch in einem Pole besonders gesam- melt. Neben der dreieckigen Kol- loidmasse (s. Figur) findet sich eine kleine, ziemlich stark gefärbte Zelle (d) mit deutlich ge- schrumpftem Kerne und kleinen Vakuolen — augen- scheinlich im Sta- dium der Degene- ration. Hier zeigt die Membrana pro- pria (m) eine Unter- brechung. In die ungefärbten oder im Bereiche des Aus dem Querschnitt durch den seitlichen Theil des Membran -Defektes Vorderlappens der menschlichen Hypofyse. schwach tingirten e=eosinofile Zellen, »— Vakuolen, y—= Granula, Interfollikularräu- ko = Kolloid, ca=chromofobe Zellen, d=degenerirte Me (?) scheinen Zelle, m=membrana propria, i=Interfollikularraum. Granula überzu- gehen. Hauptbefund: Sehr grosse Hypofyse. Bindegewebsentwickelung. Viel Cystenkolloid. No. III. m. 18 J. Acute Leukämie. 5 St. p. m. sez. S. No. 37. 1900. Maasse: 11:5:4. Mehrere kleine Oysten zwischen beiden Lappen mit theils blauem, theils blaurothem, theils ziegelrothem, homogenem Inhalte. Im lockeren (Gewebe des Hinlerlappens ein Blutkörperchen-Extravasat. Die Zell- stränge des Vorderlappens sind durch hellblaue, fein granulirte Massen von gleicher Breite ziemlich stark auseinandergedrängt. Mit Leitz Object. 5 sind oft 3—4 lila gefärbte Kolloidlumina in einem Gesichts- Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri ete. 643 felde sichtbar. Nur spärlich vorhandene cyanofile Elemente scheinen stellenweise in eine Kolloidmasse überzugehen. Hauptbefund: Cysten- und viel inter- und intrafollikuläres Kolloid. Blutung im Hinterlappen. No. IV. w.37J. Eklampsia intra partum. 18 St. p. m. sez. S. No. 181 1899. Maasse: 12:8:7. a) Frischer Gefriermikrotom-Sagittalschnitt. In der oberen Hälfte des Vorderlappens sind sehr weite Inter- follikular-Spalten sichtbar, gefüllt mit stark lichtbrechenden, weder auf Aether noch auf’ Essigsäure schwindenden, meist kreisrunden Tropfen. b) Hämatoxylin-Eosin-Färbung nach Härtung in Formalin. Sagittalschnitt. Auf der Grenze 15, meist kleine, sich bis auf die untere Fläche des Vorderlappens erstreckende Cysten. Meningen stellenweise hämorrhagisch infiltrirt. Während im oberen Vorderlappenabschnitt die Zellstränge infolge weiter Interfollikular-Spalten gut isolirbar sind, besteht die untere Hälfte aus so dicht erscheinenden stark eosinofilen Elementen, dass die Breitenbestimmung eines Einzelstranges unmöglich ist. Erst an der Peripherie kann man in der Breite eines Stranges bis zu 15 Kerne zählen. Ausserordentlich gering ist in dem unteren Vorderlappentheile auch die Anzahl der sichtbaren Gefässe. c) Die van Gieson’sche Methode ergiebt eine Orangefärbung des durch b) hellblauroth tingirten Cysteninhaltes. Andere Oysten, die bei b) fast farblos blieben, sind gelb. Das intrafollikuläre Kolloid ist orange, bisweilen aber wie auch die bei b) stark eyanofilen Zellen dunkelbraun, die bei b) stark eosinofilen Zellen sind nur gelb. Die spärlichen durch b) ungefärbten Zellen werden auch von der Pikrinsäure nicht tingirt. Hauptbefund: Sehr grosses Organ. Blutung in die Meningen, Hyperplasie der Follikel im unteren, starke interfollikuläre Kolloidan- häufung im oberen Vorderlappentheile. No. V. w. 46 J. Empyema proc. mast. Lues? Todesstunde unbe- kannt, Blutkörperchen sehr gut erhalten. S. No. 187. 189. Maasse: 10:5:5. Ausser einseitiger Hypofysenhöhle 15 ziemlich grosse Cysten. Eine derselben zeigt in der peripheren Schicht ihres Epithelsaumes eylinder- oder birnförmige, schwach eyanofile, nach dem Lumen zu kleinere stark eosinofile Zellen. Letztere überschreiten stellenweise die innere Contour der Cystenwand und gehen in den braunroth ge- färbten homogenen Cysteninhalt über. Grössere ungefärbte Zellen mit deutlichem Kerne helfen theils die Cyste mit auskleiden, theils liegen 644 Waldemar Thom: sie, noch voluminöser und mit degenerirtem Kerne, im Lumen und machen schliesslich als kreisrunde, ganz fein granulirte oder völlig blasse Gebilde vollkommen den Eindruck von Vakuolen des Cysten- inhalts. Hauptbefund: Kleines Organ. Viel Cysten-Kolloid, ausserdem Blutung und kleinzelliges Infiltrat im Hinterlappen. No. VI. m. 58 J. Myokarditis. 10 St. p. m. sez. S. No. 424. 1899, Maasse: 12:7:4. Im Seitentheil des Vorderlappens umgeben schwach eyano- und eosinofile Zellen einen kreisrunden, das ganze Gesichtsfeld des Leitz- schen Öbjectivs 3 einnehmenden, schwächer gefärbten Herd. Die Zellstränge darin sind stark rareficirt, weisen nur 2 Kerne in der Breite auf. Die stark dominirende Zwischenmasse ist ganz fein hell- graublau gekörnt mit unregelmässigen blassen, anscheinend degene- rirten Zell- und Kerntrümmern. Hauptbefund: Ausgedehnte umschriebene kolloide Degeneration, ausserdem starke Hyperämie und Bindegewebsentwickelung. No. VII. w. 70 J. Karein. uteri, 5l/, Std. p. m. sec. S. No. 39. 1900. Maasse: 13:7:5. Makroskopisch erscheint der untere Theil des Infundibulum zu einer etwa 3 mm über die Oberfläche prominirenden Cyste erweitert. Sagittalschnitt. Auf der Grenze eine grosse Höhle nebst 3 grossen Cysten mit rothem Inhalte. Im Hinterlappen und auf der Pia der oberen Hypo- fisis- und hinteren Infundibularfläche sind stark dunkelblaue Massen (Kolloid?) sichtbar, theils als eine feinfaserig unregelmässige, theils als concentrisch geschichtete Substanz. Der Vorderlappen zeigt im mittleren Theile stark roth und stark blaugefärbte Zellstränge, da- zwischen eine feinkörnige, stellenweise vakuolisirte Masse, an der Peri- pherie wesentlich stark eyanofile Elemente und Haufen von Kernen, welche, ein kleinzelliges Infiltrat vortäuschend, um die Hälfte ihres Durchmessers von einander entfernt sind. Die Blutgefässe sind enorm weit, ihr Inhalt durchaus homogen roth (Stase?). Der untere Abschnitt des Trichters enthält eine das ganze Ge- sichtsfeld von Leitz Objectiv 3 einnehmende Cyste. Dieselbe ist vorn und oben von vorderlappenähnlichem Gewebe, hinten von lockerem Bindegewebe umgeben, in dem zahlreiche Blutkörperchen, Lympho- cyten und homogene, hellrothe, vakuolisirte Massen liegen. Die Wand der Cyste wird von einer mehrfachen Lage stark eyanofiler, kubischer Zellen gebildet; der Inhalt ist eine theils feinkörnige resp. feinfaserige hellblaue, theils den intrafollikulären Kolloidtropfen ähnliche, dunkel- blaue Masse. Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri etc. 645 Hauptbefund: Kolloid im Hinterlappen und unter der Arachnoidea, starke Hyperämie und Stase, grosse Kolloideyste im unteren Trichtertheil. No. VIII. w. 75 J. Karein. recti. 11/, Std. p. m. see. S. No. 389. Maasse: 11,5:9 (m. H.-L.. 12): 7. Flemming-Safranin-Präparat. Zablreiche dunkelbraun gefärbte Kolloidlumina. Auf der Grenze nur spärliche kleine Cysten. Eine Wandschrumpfung des Kolloids fehlt, wohl aber sind in ihm Vakuolen sichtbar, in denen man mit Leitz Oel-Immers. !/; bisweilen ausserordentlich feine Granula findet. Die Cystenwand besteht theils aus hellgraubraunen, theils aus unge- färbten Zellen. Die Kerne der ersteren sind stellenweise etwas eckig, an Stellen, die zwischen zwei Cysten liegen, scheinbar völlig degenerirt. Die cyanofilen Elemente sind bei dieser Färbung braunroth, chromo- fobe Zellen und ungefärbte Interfollikular-Massen mit Granulis sind gut sichtbar, weitere Differeneirungen der Farbe fehlen jedoch. Alle Zellen erscheinen voll von Osmiumniederschlägen. Hauptbefund: Viel intrafollikuläres Kolloid, starke fettige De- generation, ausserdem starke Hyperämie und Bindegewebsentwicklung. No. IX. w.90J. Marasm. sen., Bronch. 9/, Std. p.m. sec. S. No. 636. 1899. Maasse: 141/, :51/4:4. Der Hinterlappen enthält auf einer Seite zahlreiche, stark eyano- file Zellen, welche, mit dem Vorderlappen-Epithel zusammenhängend und ihm gleichend, ein Sarkom vortäuschen. Zwischen den spärlichen, nur schwach blau und roth gefärbten Zellen des Vorderlappens ist besonders in sagittaler Richtung eine starke Bindegewebsentwickelung sichtbar. Links vorn fehlt sogar jede Spur von Epithelgewebe. Vakuolen, chromofobe Elemente, Kolloidlumina sowie Gefässe findet man nur in mässiger Anzahl. Hauptbefund: Sehr kleiner verticaler Durchmesser, sehr starke Bindegewebsinduration nebst Atrophie des Parenchyms, Anämie des Vorderlappens, ausserdem Blutung im Hinterlappen. Meine Ergebnisse, zunächst hinsichtlich der normalen Hypofysis sind folgende Ich kann den von Schoene- mann!) hervorgehobenen Unterschied zwischen eyanofilen und eosinofilen Zellen nur bestätigen, halte dieselben aber entgegen diesem Autor für durchaus normale Bestandtheile. Die Anordnung derselben scheint mir derart zu sein, dass gewöhnlich mindestens !/, sämmtlicher Vorderlappenepithelien eosinofil ist, > während die Menge der cyanofilen Elemente einen bedeutend 1) Schoenemann, Hypofysis und Thyroidea. Virch. Ar- chiv Bd. 129. 646 Waldemar Thom: kleineren Theil ausmacht. Einen dreieckigen Raum (Rogo- witsceh!) finde ich beim Mensehen ebenfalls (s. No. ID). Zwischen den nach seitlich vorm unten divergirenden Hauptbindegewebs- balken gelegen, enthält er jedoch entgegen den Angaben des genannten Autors stets eyanofile Zellen, während die seitlichen Gebiete — die „Seitenräume* — wesentlich aus eosinofilen Ele- menten bestehen. Die früher als . Hauptzellen bezeichneten Ge- bilde theile ich in schwach eyanotile, schwach eosinofile und unge- färbte Zellen; für letztere schlage ich den schon vorhin gebrauchten Namen „cehromofobe Zellen“ vor. Ihr Protoplasma färbt sich offenbar infolge einer wenig ausgesprochenen Filarmasse bei keiner der von mir angewandten Methoden. Unregelmässig zwischen den chromofilen Zellen vertheilt, unterscheiden sie sich von ihnen durch die genannte Achromasie, ferner durch die Mögliehkeit der Volumensschwankung, die sich bald in einer Aufblähung, bald im einer ambosartigen Einschnürung (s. die Figur) äussert. Die gleiche Unfähigkeit der Färbung zeigen stellenweise die Interfollikulär-Räume. Dass letztere kein Produkt der Schrumpfung sind, dafür spricht einmal ihr häufiger feinkörniger Inhalt, ferner der gleiche Befund im Flemming'schen Prä- parat. Chromofobe Zellen und Interfollikular-Räume erscheinen mithin chemisch verwandt, allein nicht völlig homolog; denn ausser einer chromofoben Substanz enthalten die Interfollikular- käume noch zahlreiche sehr feine Granula, welche intensiv ge- färbt und daher als chromofil zu bezeichnen sind. Wenn nun die starke Tinktion der chromofilen Elemente eine reiche An- häufung chemisch konzentrirter Substanzen bedeutet, so erscheint die Annahme einer Verdünnung ihrer Sekretstoffe durch ein chromofobes Sekret nicht allzu gezwungen. Letzteres ist von van der Stricht?) und Rothstein?) für das Nieren-, von Andersson‘) für das Schilddrüsen- Epithel nachgewiesen I) Rogowitsch, Veränderung der Hypofysis nach Entfernung der Schilddrüse. B. v. Ziegler IV. 1889. 2) Van der Strieht, Contribution A l’ötude du me&canisme de la seer&tion urinaire. Comptes rendus. 3) Th. Rothstein, Zur Kenntniss des Nierenepithels. Biologisca Föreningens Förhandlingar 1891 Bd. II. 4) OÖ. Andersson, Zur Kenntniss der Morphologie der Schild- drüse. Archiv f. Anat. 1894. Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypotysis cerebri ete. 647 worden. Die Theorie einer Sekretion auch in die interfollikulären Lymphräume, wie ich sie für den Hirnanhang aufstelle, muss offenbar schon an und für sich mehr befriedigen als die augen- blickliche Lehre einer nur in das Lumen erfolgenden Absonde- rung. Denn der letzteren erwächst folgende Inkongruenz: Auf der einen Seite ein dem Bilde nach sehr aktives Protoplasma —, auf der anderen äusserst spärliche Lumina. Betonen doch auch alle früheren Untersucher, dass «die Zellstränge meist solid und Kolloidlumina selten sind. Ich komme daher durch meine Bilder zu folgender Hypothese. Die stark chromofilen Zellen der Hypofysis er- zeugen ein chromofiles Sekret in Form sehr feiner Granula. Die Zellerenzen werden undeutlich, der Kern rückt zur Peripherie, hier treten die Granula aus und mischen sich mit einem von den ehromofoben Ele- menten gelieferten unfärbbaren Sekretstoffe Ent- weder diffundirt dieses Gemisch durch die membrana propria, wie es für die perifollikuläre Lymphe eben- falls gilt, oder aber eskommt zu einer Degeneration, einer Schmelzung einer Randzelle im Verein mit um- schriebenem Schwunde der membrana propria (s. die Figur u. No. II u. VIII. Damit ist die freie Kommuni- kation mit dem interfollikulären Lymphraume gegeben. Eine solche ist bereits durch Biondi!) und Langendorff?) für die Schilddrüse beschrieben worden. Es wäre also zu unterscheiden: 1) ein intrafolliknläres, meist konzentrirtes Kolloid. 2) em peri- oder interfolli- kuläres sehr dünnes Kolloid. 5) en Oystenkolloid in der Höhle und den Cysten, von wechselnder Konzentration. Bezüglich des letzteren nehme ich nach meinen Bildern neben der reinen Absonderung noch einen anderen Sekretions- modus an, nämlich den einer Ausstossung von Zellen in das Lumen. Man vergleiche die Beschreibung des Präparats No. V. Hier tritt stellenweise als erstes Zeichen der Sekretmischung eine ganz leichte chromofile Granulirung der chromofoben Massen 1) Biondi, Beitrag zur Struktur und Function der Schilddrüse, Ref. in d. Berl. klin. Wochenschr. 1888 No. 41. 2) O0. Langendorff, Beiträge zur Kenntniss der Schilddrüse, Arch. f. Anat. 1889. 648 Waldemar Thom: auf. Vordem aber imponiren letztere als Vakuolen. Ich halte die Vakuolen daher nieht für Schrumpfungserscheinungen, son- dern fasse sie als infolge spezifischer Sekretionsthätigkeit dort- hin gelangte degenerirte chromofobe Zellen auf, umsomehr als auch Osmiumfixirung dasselbe Bild ergiebt. Die gleiche Ansicht spricht Andersson!) für die Vakuolen des Schilddrüsen- kolloids aus. Der Process der intrafollikulären und Cysten-Kolloidbildung ist offenbar nicht sehr lebhaft, denn konzentrische Streifung und central auftretende dunklere Farbentöne machen eine gewisse Eindiekung wahrschemlich. Der von Lothringer?) be- obachtete zweimalige Wechsel von ungefärbter und gefärbter Schieht schliesst die Annahme einer beschränkten Einwirkung der als Beize wirkenden Härtungsfähigkeit aus. Das Kolloid färbt sich ganz verschieden, das intrafollikuläre meist dunkelblau bis lila, das interfollikuläre überhaupt nicht oder hellblau. Die Chemie hat noch nicht das letzte Wort dar- über gesprochen, worauf dieser Unterschied beruht. Die eosino- filen Zellen, welehe einen rothen Kolloidstoff enthalten, scheinen am aktivsten zu sein, theils wegen der starken Granulirung, (s. d. Figur), theils wegen ihrer Lage in den „Seitenräumen“, wo ein zarter als im dreieckigen Raume ausgesprochenes Binde- gewebsgerüst die reichlichste Lymphzufuhr und grösste Funktions- möglichkeit gewährleistet. Die eyanofilen Elemente scheinen, nach der meist im Cen- trum von Cysteninhalt sichtbaren, gleich starken Färbung zu urtheilen, einen konzentrirten Kolloidstoff zu besitzen. Dazu stimmt die Thatsache, dass sie im dreieckigen Raume innerhalb stärkerer Bindegewebssepten liegen, wodurch wegen der minder starken Saftdurehströmung bessere Möglichkeit der Konzentrirung gegeben ist; dazu stimmt ferner meine Beobachtung, dass ihre offenbar einer Sekretverdünnung dienenden Vakuolen grösser als in den eosinofilen Elementen sind, und dass sich in ihrer Um- gebung oder sogar in der Mitte ihrer Stränge besonders zahlreich die ehromofoben Zellen finden, die sich im Stadium der Ruhe 1) OÖ. Andersson, Zur Kenntniss der Morphologie der Schild- drüse. Archiv f. Anat. 189. 2) Lothringer, Untersuchungen an der Hypophysis einiger Säugethiere und des Menschen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 28, Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypofysis cerebri ete. 649 als „Kernhaufen“ präsentiren (s. No. VII. Diese schon von Rogowitsch!) beschriebenen, von Stieda?) geleugneten Gebilde sah ich ebenfalls und fasse sie in genanntem Sinne auf. Sie begleiten die stark eyanofilen Zellen sowohl inner- halb des dreieckigen Raumes als an der Peripherie und zeigen meist 10 um die Hälfte ihres Durchmessers von einander ent- fernte Kerne. Blutkörperchen oder Reste von solchen habe ich bei sorg- fältiger Durchmusterung meiner Präparate mit Leitz Oel-Im- mersion !/,; niemals in Vakuolen gefunden, obgleich die Erythro- cyten durch die Formalinfixirung in einer Weise zu Tage treten, die gewiss nicht der Weigert'schen Markscheidenfärbung nachsteht. Die Hypofysenhöhle finde ich nur beim Kinde in ganzer Grösse ausgeprägt. Sie erscheint entweder als leere Spalte, ev. mit gefalteten kubischen Epithelwänden oder als ein prall ge- füllter Raum. Zu Ende des III. und Anfang des IV. Dezen- niums treten neben der Höhle kleine Cysten auf. Ihre Entstehung ist nach den Bildern so zu denken, dass Vorderlappenepithelien gegen den Hinterlappen vordringen und eine partielle Oblittera- tion des Spaltes sowie Zertheilung desselben in Einzellumina be- wirken. Dieser Prozess der Einwanderung scheint aber noch bis ins spätere Alter zu erfolgen und ziemlich grosse Theile des vor- deren Hinterlappengebietes durch Vorderlappenelemente zu er- setzen, wodurch der beim Kinde schmale gleichmässig breite „Epithelsaum“ Lothringer’s?) eine unregelmässige, scheinbar krebsartige Ausbreitung gewinnt. Was den Verbleib des Kolloids anbelangt, so nimmt man eine allmähliche Resorption an. Meine Präparate ergeben aber stellenweise einen Zusammenhang sowohl mit den Interfollikular- als Subarachnoidal-Räumen (s. No. I u. VII). In letzteren habe ich mehrere Male kolloidähnliche Massen gesehen. Nach hier 1) Rogowitsch, Veränderung der Hypofysis nach Entfernung der Schilddrüse. B. v. Ziegler IV. 1889. 2) Stieda, Verhalten der Hypofysis nach Entfernung der Schild- drüse. , B- v. Ziegler WII. 3) Lothringer, Untersuchungen an der Hypofysis einiger Säugethiere und des Menschen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 28, 650 Waldemar Thom: wäre ein Abfluss, von dort ein Zufluss denkbar. Ob auch die Spalträume des lockeren Hinterlappengewebes ein kolloidhaltiges Serum führen (s. No. ID), wage ich nieht bestimmt zu beantworten. Howell!) übrigens hat mit Hinterlappen-Extrakt des Schafes typische Kolloidwirkung — Steigerung des Blutdruckes und Ver- langsamung des Herzschlages — zu erzeugen vermocht. Ueber die Elemente des Hinterlappens, deren Natur noch zweifelhaft ist, bemerke ich, dass bisweilen eine grosse Aehn- lichkeit mit kolloidalem Secrete resp. den fein granulirten Va- kuolen des Höhleninhalts (s. No. V) auffiel. Vielleicht rühren die häufigen pigmentirten Zellen von Blutextravasaten, die ich oft zu Gesicht bekam, her und sind somit ein Analogon der Herzfehlerzellen in der Lunge. Bei einem einjährigen Kinde zeigten sich im Hinterlappen zwei Tubuli, deren einschichtiges Cylinderepithel deutliche Lumina begrenzte. Es sind dies Ueberreste der ehemaligen Infundilarliöhle. Meine pathologischen Befunde sind in kurzer Zusammen- fassung folgende: Eine starke Weite, bisweilen sogar Vermehrung der Gefässe fiel unter meinen 62 Hypofysen 22 mal auf, näm- lich je 2mal bei intra partum gestorbenen Neugeborenen, bei Bronchopneumonie, Gastroenteritis, Mening. pur., je 3 mal bei Lungentuberkulose und Myokarditis, je 4mal bei Kareinom und Sepsis. Von Blutung in die Meningen wurden 9, in den Vorder- lappen 4, in den Hinterlappen 6 Fälle bemerkt; kleinere extra- vaskulär gelegene Massen rother Blutkörperchen wurden im Hinterlappen häufiger gesehen. Eine Bindegewebsentwicklung, also eine Hypofysitis inter- stitialis, zeigte sich 15 mal, nämlich 4 mal bei Lungentuberkulose, >mal bei Kareinom, je 2 mal bei Myokarditis und Mening. tubere., je Imal bei Nefr. chron., Periton. suppur. Pneumonie und Marasmus senilis eum bronchite chron. (No. IX). Den Prozess einer vermehrten Kolloidbildung theile ich nach oben erwähnten Gesichtspunkten in eine inter-, intra- und Cysten- Hyperkolloidose. Bisweilen allerdings sind diese drei Typen zur universellen Hyperkolloidose eombinirt. Bilder, die mit Leitz 1) W. H. Howell, The physiological effects of extracts of the hypophysis cerebri and infundibular body. Journal of experimental Medieine 1898, p. 245. Untersuch. üb. d. normale u. patholog. Hypotysis cerebri ete. 601 Objectiv 5 vier und mehr intrafollikuläre Kolloidlumina zeigen, halte ich für den Ausdruck einer gesteigerten Secretions- thätigkeit. Eine rein eystale Hyperkolloidose findet sich 4 mal, näm- lieh bei Lungentuberkulose, Mening. tub. mit starkem Gallert- kropf (No. ID), Karein. hepat. mit Ikterus, Empyema proe. mast. (No. V). Eine rein interfollikuläre Hyperkvlloidose zeigen 5 Präparate (Pneumonie, 2 Fälle von Karein., je 1 Fall von Epilepsie und Nefrit. chron.), eine rein intrafollikuläre 2 Präparate (Karein., Men. tub.). Eine eombinirte Form bietet sich Smal dar, nämlich 3mal bei Lungentuberkulose, 2 mal bei Sepsis, je Imal bei Pylor. Karein., Pneumonie und Leukämie (No. II). Weiter fortschreitende kolloide Processe haben zur Ent- stehung eines grösseren umschriebenen Degenerationsherdes (No.VI), 2 mal zu Kolloideystenbildung (s. No. VII) geführt. Letztbezeichnete Cyste gehört dem Trichter, die andere von mir gesehene dem Vorder- lappen an. Die Nachbarschaft von Vorderlappenepithel darf im Bilde No. VII nicht befremden, denn schon Luschka!) zeigte, dass auf die vordere Trichterfläche echtes Vorderlappengewebe übergeht. Diese infundibularen Kolloideysten dürfen nieht mit den eystischen Bildungen verwechselt werden, die durch mangelhafte Obliteration der Infundibularhöhle entstanden und von Mala- earne!), Engel?) und Langer?) beschrieben sind. Weiterhin fand ich bei Eklampsie (No. IV) eine Hyper- plasie der follikulären Elemente, bei Mening. cerebro-spin. eine Hypofysitis purulenta und bei Karein. reeti (No. VIID eine fettige Degeneration. Der Befund einer starken Hyperkolloidose bei Karein. hep. mit Ikterus erinnert an die von Hürthle*) gemachte Beobach- tung, dass Gallenfarbstoff, durch Unterbindung des Duet. chole- 1) Angef. b. Meckel, Handbuch der patholog. Anat. 1812 Bd. 1, pag. 273. 2) Angef. b. Virchow, Geschwülste. 1862 Bd. III, pag. 88. 3) Langer, Ueber ceystische Tumoren im Bereiche des infundi- bulum cerebri. Zeitschrift f. Heilkunde Bd. 13. 1892, pag. 56. 4) Hürthle, Zur Kenntniss der Secretionsvorgänge der Schild- drüse. Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 56. 1894. 652 Waldemar Thom: Untersuchungen etc. dochus oder dureh Toluilendiamin-Vergiftung im Körper kreisend, die Schilddrüsen-Epithelien des Hundes zur Hypersecretion reizt. Auffällig ist ferner ein vielfaches Zusammentreffen von Hypofysis- Anomalien mit Krebs und chronischen Krankheiten des Respi- rationstractus. Nehmen wir eine Beziehung der letzteren zu Hirn- anhangsveränderungen, also etwa nach Art der Gallenbestandtheile die Einwirkung toxischer Stoffwechselprodukte an, so nähern wir uns dem Gebiete der Akromegalie und Osteoarthropathie hyper- trophiante pneumique. Wird doch von Pierre Marie!) jene trophische Wachsthumsstörung der Körperenden als Folge einer Intoxikation durch abnorme, einstweilen hypothetische Stoffe ge- deutet. 1) Pierre Marie, De l’osteo-arthropathie hypertrophiante pneu- mique. Revue de Med. X, 1890. 653 (Aus dem anatomischen Institat der Universität Freiburg i. B.) Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. Von Moritz Bauer, appr. Arzt. Hierzu Tafel XXXIII u. XXXIV und 2 Textfiguren. In Folgendem soll der Versuch gemacht werden, die Ent- wieklung unserer Kenntnisse vom Muskelmagen der Vögel im Umriss kurz darzustellen und über die Resultate eigener Unter- suchungen zu berichten, die ich in diesem Gebiete anstellte, vor allem aber diejenigen histologischen Methoden anzudeuten, von denen sich neue Resultate erwarten lassen. In seiner vergleicheuden Anatomie der Verdauungswerkzeuge 1806“, einem auch heute noch ausserordentlich anregenden Buche, unterschied der dänische Gelehrte Jens W. Neergaard im Vogelmagen die äussere Haut, die Muskelhaut, die Zellhaut und die vierte oder Gefässhaut. Er fand „bei dem Falco lago- pus, bei dem Sperber (Faleo nisus) und der Nacht- eule die Schleimlage besonders auffallend diek, fest und von einer braungelben Farbe. .... Sie war so fest, dass man sie beinahe als eine wahre Haut ansehen sollte, und liess sich, ohne ihre Form zu verlieren, von dem Magen leicht absondern. Dieser Schleim wird wahrscheinlich von vielen kleinen runden Schleim- drüsen, die zwischen der Zellhaut und Gefässhaut gelagert sind, abgesondert. Nimmt man ihn weg, so erblickt man auf der innern Fläche des Magens eine Menge kleiner Erhabenheiten, die indessen nicht mit den Darmzotten verglichen werden können, ob sie gleich vermuthlich aus den Endigungen der aushauchenden und einsaugenden Gefässe und der Schleimdrüsen gebildet werden. Durch diese Gefässe wird vorzüglich eine genaue Verbindung zwischen der Zell- und Gefässhaut hervorgebracht“ (8. 130 ff.). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 43 654 Moritz Baueit: Die harte Haut beschrieb Neergaard als „wahre, verdickte Epidermis“ (S. 198). Neergaard hat also nicht allein die Drüsen im Muskelmagen zuerst beschrieben, sondern auch ihr Verhältniss zur Oberfläche richtig aufgefasst. Er übertrifft an Schärfe der Beobachtung viele spätere Autoren und muss als direkter Vorläufer der Arbeiten von Molin, Berlin wd Leydig angesehen werden. In der Meckel’schen Ueber- setzung von Cuvier's „Vorlesungen über vergleichende Anato- mie“ ist kurz von der vierten Haut die Rede, welcher Cuvier eine selbständige Bedeutung abspricht, und die er nur als eine „Art von Oberhaut“ betrachtet, an der er „keine Spur eines organischen Baues bemerkt“. Sie scheint ihm „nur aus einer Art hornähnlich erhärteter, von der inneren Haut ausgeschwitzter Gallert zu bestehen“. Nur beim Strauss hat er bereits in der Oberhaut „kleine eylindrische, dieht aneinander gedrängte und perpendieulär auf den Wänden des Magens stehende Nadeln“ beobachtet (Bd. III S. 416 f.). Tiedemann bemerkte 1810 in seiner Zoologie: „Die innere Haut ist durchaus nieht absondernd, und es lassen sich in sie kleine Gefässe verfolgen. Sie gleicht ihrer Structur und Bildung nach einer sehr verhärteten Epidermis“ (Bd. II S. 428f.). (Tiedemann gibt eine sehr vollständige Uebersicht über die Litteratur von Aristoteles bis auf seine Zeit, was hier bei- läufig erwähnt werden mag.) Die Arbeiten von Home aus den Jahren 1812 und 1814 haben hauptsächlich biologisches und makroskopisches Interesse, und ausser einer kurzen Bemerkung über die Streifung der „euti- eular eovering“* habe ich keine Besprechung der feineren Struetur bei ihm gefunden. Die Werke von Mecekel(1829) und Wagner (1843) waren mir leider nicht zur Hand; über Owen’s Artikel „Aves“ in Todd’s „Eneyclopaedia* und die zweite Auflage des Cuvier’schen Werkes gehen wir hinweg, und kommen zu der Arbeit, die Bisehoff 1838 in J. Müller’s Archiv veröffent- lichte. Er fand „in dem Muskelmagen keine Art von drüsigtem Baue“, wiewohl er „Zotten“ abbildete, „durch welche das Epi- thelium des Muskelmagens des Hahns mit seiner Matrix in Ver- bindung steht“. Auf S. 519 heisst es: „Das Epithelium des Muskelmagens ist bekanntlich sehr stark und hornartig. Die absondernde Ma- Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 655 terie desselben ist sehr fest mit den Muskeln vereinigt. Zieht man das Epithelium von ihr ab, so trennen sich beide mit lauter kleinen, pyramidalen Zacken voneinander, so dass die Trennungs- flächen sammtartig haarig aussehen. Die Zacken zeigen bei starker Vergrösserung einen körnigen Bau und jedes Körnchen in der Mitte einen dunkleren Kern“). In der zweiten Auflage des R. Wagner’schen Lehrbuches (1843), wie auch in dem Stannius-Siebold’schen Handbuche wird der feinere Bau nur kurz berührt; ungleich wichtiger ist die vielbesprochene Arbeit von Molin (1852). Man kann sie als Grundlage der neueren Untersuchungen bezeichnen, und zwar deswegen, weil er zuerst sich der histologischen Technik bedient hat. „Non le limitai soltanto ai preparati freschi, ma le estesi ben anco a preparati, i quali secondo il metodo del Prof. Pur- kinje erano cotto nell’ aceto, quindi asciutti, e nel momento dell’ osservazione umettati coll’ aecqua ovvero coll’ acido acetico.“ Hatte Neergaard die Drüsen nur bei Rapaces er- wähnt, so fand Molin, „che nello stomaco muscolare dei gra- nivori la generativa & composta di follieoli (Drüsen), i quali sono sempliei nell’ oca, nella gallina, nella colomba, nella folaga, nell’ usignuolo e nell passero, ma composti nell papagallo“. Er er- kannte ferner „ehe da ognuno di questi follicoli sorte un cilindro ovvero un lascetto di fili*, „che questi eilindri e questi fili for- mano lo strato epidermidale“, und gab an, „che nell’ oca i sin- goli fascetti dei cilindri formanti i dischi trituranti sono uniti me- diante une sostanza di cellule.“ Im selben Jahre veröffentlichte Berlin seine Arbeit, in welcher er das Verhältniss von Drüsen zur Cuticula richtig er- kannte, die Cylinder aber irrthümlich für Drüsen-Ausführungs- gänge hielt, die ein sauer reagirendes Verdauungssecret zur Ober- fläche beförderten. Leydig (1854 und 1857) kam zu derselben Anschauung wie Molin, und betonte ausdrücklich, dass die von den Drüsen secernirte Schicht „durchaus nicht ein Epidermisgebilde, sondern eine homogene, geschichtete Substanz sei“ ...., wenn auch ein- zelne Zellen mit in das Seeret gerathen sein können“. Ebenfalls 1) Das Vorkommen von Drüsen im Muskelmagen wird schon von Mandl erwähnt (1835—1847.). (Citirt bei Oppel, Lehrbuch TI.) 656 Moritz Bauer: 1854 erschien eine Dissertation von Kahlbaum, in welcher der Verfasser erklärte: „Nescio quid Bisehoff materiam secre- toriam nominavit. Epithelium, ut supra demonstravi, ex cellulis polyedrieis eompositum est et multo erassius, quam quod a glan- dulis sub epithelio in tunica mucosa sitis secerni possit.“ Weiter unten heisst es: „De glandulis, quas in stomacho musculari in- veni, nee apud Bischoff nee apud Stannium quidquam legi.“ Dem Verfasser waren also die Arbeiten von Molin und Berlin nicht bekannt. „Epithelium ex altissimo epithelio ta- bulato eomponitur, cuius cellulae propria mutatione induruerunt et inter se fixae sunt. Per totum hoc epithelium eanaliculi graeiles eurrunt, qui maximam similitudinem praebent cum contortis cana- libus glandularum sudoriferarum, quae epidermidem hominum pervagantur. Hi canalieuli ad glandularum orifieia dueunt.“ Die Grundzüge der vergl. Anatomie von Gegenbaur 1859 er- wähnen nur ganz kurz den „inneren Ueberzug, der als eine von dem darunterliegenden Drüsenepithel dargestellte Cutieularbildung sich ergeben hat.“ Die Arbeit von Flower (1860) bestätigte die Befunde Molin’s und befasste sich eingehend mit der Anordnung der „eolonettes“ in der Cutieula. Das Jahr 1866 brachte die beiden Arbeiten von Cursch- mann und Hasse. Cursehmann studirte ebenfalls, wie Flower, eingehend die Anordnung der Fäden, sowie diejenige der Drüsen, und, was wir hier zum ersten Male finden, unter- suchte die Cutieula chemisch in systematischer Weise. Die Fäden wurden nieht durch Kalilauge, nicht durch verdünnte Mineralsäuren, hingegen durch eoncentrirte Säuren gelöst, und Curschmann hielt daher die Substanz der Cutieula für Chitin, oder doch für dem Chitin nahe verwandt. In Hasse’s Arbeit wurde nachdrücklich auf den Unter- schied von einfachen schlauchförmigen und zusammengesetzten Drüsen hingewiesen, sowie festgestellt, wie sich in ihnen nie- driges und hohes Epithel vertheilen. Die einfachsten Drüsen theilte er in solehe, „die mit einfachem Pflasterepithel bekleidet sind, und solche, deren Epithel mehr dem ceylindrischen sieh nähert.“ Bei den zusammengesetzten Drüsen trägt „der gemein- same Ausführungsgang, sowie die Oberfläche des secernirenden Theils gegen die Magenhöhle Cylinderepithel;* die Drüsen- Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 657 schläuche selbst sind „mit dem Epithel aus kleinen, grosskernigen, runden, stark granulirten Zellen bekleidet.“ Bei den Fleisch- fressern „nähern sich die Epithelzellen mehr der Cylinderform“, Es wird schon aus diesen Citaten klar, dass hier zum ersten Male eine eingehende morphologische Betrachtung der Drüsen durehgeführt wurde. Auch das Secret wurde ausführlich unter- sucht, festgestellt, dass es in Essigsäure und Kalilauge stark aufquillt, und seine Streifung „in Form von schwächeren oder stärkeren horizontalen Linien“ als „Spuren der schiehtweisen Ab- lagerung erklärt. Sehr interessant sind die Ausführungen (l. e. S. 26) über den Einfluss der verschiedenen Epithelarten „auf die grössere oder geringere Zähigkeit der Masse“. Er unterschied helles Cylinderepithel, Uebergangsepithel und Pflasterepithel. „Glaube ich sonach das helle Cylinderepithel, wo es sich findet, von der Betheiligung an den eigenthümlichen Absonderungsvorgängen aus- sehliessen zu dürfen, so bleiben doch noch immer die möglichen Beziehungen der beiden noch vorkommenden Epithelarten zur Seeretion zu erörtern.“ Endlich finden wir bei Hasse eine Erörterung darüber, ob denn nun von Secretion oder von Outieular- bildung zu sprechen sei. Er hält sich dabei eine Definition von Kölliker, nach der unter „Seeretion* diejenigen Zellausschei- dungen fallen, bei denen das Ausgeschiedene nicht in direktem Zusammenhange mit den Zellen steht, bei denen ferner das Aus- geschiedene sich im flüssigen Zustande befindet und keine be- sondere Struetur besitzt. Hasse glaubt, dass hier Secretion und Cutieularbildung zusammenwirken, und meint, dass die Zellen im Drüsenfundus jedenfalls ein flüssigeres Secret „secernirten“, dass hingegen die Abscheidung der Verbindungsstücke eine reine Outicularbildung sei. Diese Arbeit brachte seit derjenigen Molin’s die grössten Fortschritte, und noch 1888 konnte Cazin von Hasse’s Arbeit sagen: Dans un memoire tres instructif sur la structure micros- eopique de l’estomae des Oiseaux, M. Hasse a limite ses re- cherches A un tres petit nombre d’especes, et, pour quelques- unes, il s’est m&me contente d’etudier la muqueuse du gesier; mais le savant anatomiste n’en a pas moins deerit des faits par- faitement bien observes, et je dois eonstater que, sil y avait beaucoup A ajouter & ses resultats, il n’y avait guere d’inex-. actitudes a y relever.“ 658 Moritz Bauer: Es ist hiernach einer Arbeit von Wilezewski (1870) Erwähnung zu thun, die mir die Seeret-Eigenschaft der „Horn*- Schicht Leydig gegenüber zu bestreiten scheint; er gibt an, dass die Hornschicht „kleine Einsenkungen in die Drüsenschläuche bildet“ (S. 25). Ferner lesen wir bei ihm, dass, wenn er zu frischen Schnitten Essigsäure setzte, es den Eindruck mache, „als wenn in der Hornschicht senkrechte Gebilde vorbanden sind, die bei Essigsäurezusatz schrumpfen und dadurch die dazwischen- liegende Substanz in Falten legen. Die Lage dieser Gebilde entspricht der Fortsetzung der Drüsenlumina.“ Dass Wilezewski sich, ebenso wie Berlin, und im Gegensatz zu Molin, Leydig und Hasse, vorstellte, die Cutieularschiecht werde von den Aus- führungsgängen der Drüsen durchsetzt, scheint mir aus folgender Stelle hervorzugehen: „Lässt man die Hornschicht lange Zeit (2—8 Tage) in Wasser liegen und untersucht dann feine Schnitte, so sieht man ganz deutlich schmale Gänge mit einem körnigen Inhalt in ziemlich gerader Richtung von den einzelnen Drüsen aus zur Magenoberfläche ziehen. Mitunter vereinigen sich auch zwei soleher Gänge, trennen sich dann wieder oder münden ge- meinschaftlieh. Die Substanz zwischen den Gängen macht bei dieser Behandlungsweise häufig den Eindruck, als bestände sie aus grossen polygonalen Zellen. Diese Gänge beobachtet man auch deutlich bei Zusatz von Jod und bei feinen getrockneten und dann in Canadabalsam eingekitteten Präparaten.“ In dem Strieker'schen „Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere“ (Abschnitt „Darmecanal“ von Klein und Verson) wird nach einer kurzen Besprechung der „Erbabenheiten* der Homschieht Leydig's Anschauung über die Entstehung derselben reproducirt, und betont, dass sich die Drüsenschläuche „direet in Form eines wandungslosen Kanals dureh die Hornschiechte hindurch fortsetzen. Es ist dies ganz deutlich auch daran zu erkennen, dass man an gehärteten und dann in Carmin gefärbten Präparaten immer ein homogenes Band aus den Schläuchen durch die Hornschicht als directe Fortsetzung des Drüsenlumens bis an die freie Oberfläche verfolgen kann. Das unter dieser Schiehte folgende eylindrische Epithel der Schleimhaut setzt sich ohne Unterbreehung in die Drüsenschläuche fort. Die einzelnen Drüsen zeigen ganz denselben Bau wie im Schaltstücke. Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 659 Ich kann wenigstens für Ammer und Huhn den Angaben von Hasse nicht beipflichten, nach welchem im eigentlichen Magen zwei Drüsenarten vorkommen sollen, einfache schlauch- förmige und zusammengesetzte. Die ersteren sollen theils wie die Einzelschläuche der Drüsen- säcke des Vormagens mit pflasterförmigen, stark granulirten Zellen ausgekleidet sein, theils einen eylindrischen Epithelialbelag haben.“ — Ein Blick über die bisher besprochene Literatur zeigt uns, ‘“ dass vor den beiden nun zu besprechenden Arbeiten Wieders- heim’s (1872) das Verhältniss der Zellen zu den Secretzapfen keine nähere Beleuchtung erfahren hatte. Wenn wir von den kurzen Bemerkungen Hasse’s (l. e. p. 11, p. 13, 18) absehen, — deren wichtigste (p. 18), „als ob von den Zellen Einzelströmchen sich ergössen* uns noch weiter beschäftigen soll, — so ist Wiedersheim „le premier observateur qui ait deerit les rapports existant entre l’epithelium des glandes utriceulaires du gesier et la seeretion contenue A l’interieur de ces glandes“. (Cazinl.c.p. 42.) Wiedersheim machte „senkrecht zur freien Magenober- fläche feine Schnitte und trennte dann mit Nadeln die wie ein weisser Saum an die Cutieula anstossende Drüsenschichte von der ersteren los“. Ferner machte er Isolationspräparate in der Weise, dass er Präparaten, die 12 Tage in Müller ’scher Flüssigkeit gelegen hatten, die Cutieula abzog und so, durch Ab- schaben der letzteren und Schütteln auf dem Objeetträger viele isolirte Drüsenschläuche erhielt. Es ergaben sich je nach hoher oder tiefer Einstellung zwei verschiedene Bilder; bei ersterer beobachtete Wiedersheim ein polygonales Maschenwerk, wobei in jede Zelle eine Masche zu liegen kommt. Bei tiefer Einstellung hingegen trat „ein, in der Längsachse von vielen parallelen Linien durchzogener“ Drüseninhalt zu Tage. (Fig. 1 u. 2 auf Taf. XIX, vgl. damit die Figur 7 auf Tafel XXXIUI dieser Arbeit, wo der Zeichner beide Einstellungen in eine Ebene projieirt hat.) Ausser Müller- scher Flüssigkeit wandte Wiedersheim zur Isolation noch dünne Chromsäurelösung und Jodserum an, und unterschied drei verschiedene Isolationsgrade (Taf. XIX, Fig. 4—6), bei deren letztem, vollkommensten, das Secret „einen getreuen Ausguss des 660 Moritz Bauer: ganzen Drüsenschlauchs bis in die Intercellularräume hinein re- präsentirt“. An den Rändern der Drüse zeigten sich „stachel- artige Gebilde“, die sich bei tiefer Einstellung als Maschen in Profilansicht herausstellten. Aus den verschiedenen Isolations- graden folgerte Wiedersheim, „dass das Secret, kaum aus der Zelle getreten, schon eine relativ bedeutende Consistenz be- sitzen muss und als eine reine Cuticularbildung aufzufassen ist. Dass dieser Erstarrungsgrad keine postmortale Erscheinung ist, lässt sich am besten beweisen aus jenen Präparaten, welche, nachdem ich sie dem noch lebenswarmen Magen entnommen hatte, ' dennoch jene korkzieherartig gewundenen Secretströmchen im Fundus der Drüse erkennen liessen, ohne dass ich Reagentien angewendet hätte.“ Fermer sah nun Wiedersheim, dass jeder Secretfaden an seinem Ende eine kolbenartige Verdiekung zeigte, die sich an den dem Drüsenlumen zugekehrten Abschnitt der Zelle anlegte, und dadurch eine Secretschale erzeugte, welche der Zelle aufsass. „Der Grund jeder Masche ist identisch mit dem Boden der Seeretschale.“ An dem basalen Ende jeder Zelle war ein kurzer, hakenförmiger Fortsatz von durchschnittlich 2—5 u Länge zu bemerken, den Wiedersheim in Folge seines Verhaltens gegen Reagentien als nicht zum Drüsenprotoplasma gehörig, sondern als „paraplastische“ Bildung!) auffasste. Da diese hakenförmigen Fortsätze sich dachziegelartig decekten, so hielt Wiedersheim sie zunächst für identisch mit der Basalmembran, gestützt namentlich auch auf eine Aeusse- rung Schwalbe's in dessen Arbeit über die Brunner’schen Drüsen, kam aber von dieser Identität zurück (Diss. S. 20 u. 24). Auch auf Querschnitten konnte er die Secretströmehen be- obachten, und zwar als Punkte, die, „je mehr man sich der Peripherie nähert, desto deutlicher und regelmässiger geordnet hervortreten; denn je weiter vom Centrum, desto jünger resp. kürzer das Strömchen, welches jedesmal einem Punkt entspricht“. Wo keine Schrumpfung stattgefunden hatte, standen „Zellenkranz und Seeretmasse in unmittelbarem Zusammenhang“ ; wo Schrum- pfung eingetreten war, „hatte sich das Secret über jeder Zelle unter Bildung einer Reihe von Arcaden zurückgezogen, ohne je- doch seine Continuität mit den Zellen vollständig aufzugeben“ „Letztere wird vielmehr vermittelt durch feine Einzelströmehen, 1) Der Ausdruck Paraplasma im Sinne v. Kupffer’s, nicht in der engeren Fassung Gegenbaur'’s (S. 47). Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 661 welche zwischen je zwei Zellen eindringen und sieh dort genau bis an die Basis des abgehenden Hakenfortsatzes hin erstrecken.“ Die zweite Arbeit Wiedersheim’s (1872) ist eine er- weiterte Umarbeitung der ersten und bringt in ihrer Einleitung Vergleiche der Seeretfäden und -Schalen mit den Befunden Leydig’s und Eimer’s an den Eischalen der Reptilien, und macht auf die Befunde an Brunner’schen Drüsen in der Ar- beit Schwalbe's aufmerksam. Als von besonderer Bedeutung möchte ich hervorheben, dass, während in der ersten Arbeit dem Hakenfortsatz nur eine „paraplastische* Bedeutung vindieirt war, Wiedersheim hier seine Ansicht direet dahin modifi- eirt, jener Fortsatz und der Seeretfaden seien auch physiologisch gleichzustellen. Es heisst auf Seite 447: „Ich halte mich für berechtigt, diesen Fortsatz als Cutieularbildung aufzufassen, oder mit andern Worten: die Seceretion geht auf zwei einander dia- metral entgegengesetzten Theilen der Zelle vor sich, einmal segen das Lumen der Drüse unter der Form der Seeretschale resp. des Secretfadens, und zweitens in der Richtung gegen die Propria zu in Gestalt des hakenförmigen Fortsatzes“. Der Ar- beit von Garrod und Schäfer über Plotus anhinga (1876) will ich nur kurz Erwähnung thun; in derselben wird irrthümlicherweise ein Vergleich der Filamente der Pylorusregion mit wirklichen Haaren angestellt. Garel (1579) scheint nach Cazin specielle histologische Angaben nicht zu machen, denn „quant A la structure du revetement coriace du gesier, M. Garel ne la pas etudiee et il ne donne aucun renseignement sur ce sujet“. Auch Remouchamps (1880) und Gadow (1879) haben für unsere Darstellung keine weitere Bedeutung, wie aus dem historischen Theil der Cazin’schen Hauptarbeit zu er- sehen ist. Wir wenden uns nun zu der Literatur der achtziger Jahre, und da sind es vor allem zwei Autoren, die umfassende Ar- beiten geliefert haben: Cazin und Cattaneo. Cattaneo hat ausser den beiden kürzeren Mittheilungen über Melopsittacus undulatus (1885) und über das „strato eutieulare* (1885) [— letzteres ist nur eine kurze Polemik gegen Bergonzini betr. die „prismi* und ihr Verhältniss zur „sostanza interposta“ —| eine grosse Arbeit veröffentlicht (Istologie a 662 Moritz Bauer: sviluppo dell’ apparato gastrico degli uccelli 1884/51). Die von ihm angewandte Technik war: Einlegen in ein Gemisch von Alkohol und „d’un melange d’eau, de glieerine, de gomme arabique en solution sirupeuse, de sirop de glycose et d’acide pherique“. Dann liess er die Präparate an der Luft trocknen. Gefärbt wurde mit ammoniakalischer Carminlösung und Pikro- carmin zu etwa gleichen Theilen. Dann Wasser, Alkohol, Gly- cerin bezw. Nelkenöl. Cattaneo’s Untersuchungen betreffen im Wesentlichen die Zusammensetzung der Hornschieht. Er sagt (S. 145): „Quanto alla struttura della cuticola stessa, non posso confermare quella data dal Wiedersheim e dal Leydig. „Il primo, nelle sue figure, la rappresenta come una sostanza anista, che richiama la gel&e dureie del Cuvier; il secondo come una sostanza a strie disposte parallelamente alla mucosa, con corpuscoli ehiari interposti. Jo invece, tingendo delle sottili sezioni della cuticola, in metilvioletto o in carmino, trovai che essa risulta da una associazione di lunghi prismi disposti parallela- mente. Essi sono invisibili senza aleuna preparazione, essendo composti d’ una sostanza trasparentissima e fra di loro aderenti, ma si distinguono ehiaramente quando tra l' uno e 1’ altro sia penetrato uno straterello di una tintura qualsiasi. Da ciascun prismetto pende una fibra conica; e la loro unione forma una frangia al di sotto della euticola, che da alla pagina esterna di essa un aspetto vellutato.“ Auf das Verhältniss der Zellen zu den Secretfäden geht er, soweit ich sehe, nicht ein, auch gaben seine dem Texte ange- fügten Abbildungen mir darüber keine Aufklärung. Bergonzini (1885) weist darauf hin, dass es bald die Drüsen allein sind, welehe die Cuticula bilden, bald das „epithelium interglandu- laire“, welches an der Bildung Theil nimmt: „la eutieule est alors composde de deux substances assez differentes, dont l’une ne se colore pas tout & fait par le carmin, tandis que l’autre, dit-il, se colore plus ou moins: enfin, dans le renflement pylorique de l’Estomae du Martin-P&öcheur, la euticule est eompletement seeretee par lV’epithelium interglandulaire* ?).. Pilliet (1886) 1) Da mir die Originalarbeit nur während eines kurzen Aufent- haltes in der Basler Un.-Bibl. zur Hand war, eitire ich im Wesent- lichen nach Cazin. 2) eit. bei Cazin. Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 663 hat die erstaunliche Entdeckung gemacht, dass „die Drüsen- zellen Dunkelfärbung durch Osmiumsäure zeigen; sie färben sich mit Pikrocarmin dunkelroth, mit Haematoxylin dunkelblau; mit Eosin-Methylgrün färben sich die Zellen grün, mit Quinoleine grau. Die Blaufärbung der Zellen im Drüsengrund ist eine dunklere. Mit Methylenblau färben sich die Zellen blau“. „Bei allen diesen Färbungen zeigt der Inhalt der Drüsen im Lumen ein anderes Verhalten als die Zellen.“ Eine Dissertation von Postma (1887) behandelt den ganzen Tractus intestinalis der Vögel, giebt ausführliche Uebersicht über die Literatur und schliesst eigene Untersuchungen an. Seine Technik war: Fixation in Pikrinschwefelsäure, dann steigender Alkohol von 64—90°/,. Dann Alauncarmin, Alkohol absolutus, Terpentinöl, Paraffin. Die Methode Giesbrecht 's ist mir nicht bekannt. Frische Schnitte färbte Postma mit Boraxcarmin. Um auf dem Wege der Maceration Drüsen zu isoliren, legte er die Stücke in Müller’sche Flüssigkeit, Barytwasser, Salpetersäure, Salzsäure. Da ihm beim Muskelmagen die Mikrotomtechnik wegen der Härte der Cutieula unanwendbar schien, machte er Rasiermesserschnitte und färbte mit Boraxecarmin. Auch ergab Behandlung solcher Sehnitte mit KOH, HCl und HNO, gute Resultate. Die Arbeit ist in Bezug auf die Drüsen- und Cutieularschicht des Muskel- magens eine sorgfältige Nachprüfung Bischoff’scher, Leydig- scher, Hasse’scher und Wiedersheim scher Befunde. Her- vorheben möchte ich seine Angabe über Nucifraga caryo- catactes (p. 107): „Nog zij opgemerkt dat de haakoormige massa’s, die zich an dat gedeelte der epitheliumcellen bevinden, hetwelk het verst verwijderd is van het lumen der klier, bizonder duidelijk zijn waar te nemen; het gevolg hiervan is dat, terwijl wij ze bij de andere vogels evenals Wiedersheim bij isolatie gezien hebben, hare eigenschappen hier in situ onderzocht kunnen worden.“ Wir wenden uns nun zu den Arbeiten Cazin’s (1885, 1886, 1886), deren Resultate wir zusammengefasst finden in der grossen Arbeit von 1888. Die grosse Anzahl der untersuchten Vögel, die umfassende historische Uebersicht, die vorzüglichen Abbildungen, endlich die Berücksichtigung der Entwicklung des Magens sichern dieser Arbeit für alle Zeit eine grosse Bedeutung- 664 Moritz Bauer: Wir finden im ersten Haupttheil eine Darstellung der makro- skopischen Verhältnisse mit genauer historischer Uebersicht; dem schliessen sich eigene Untersuchungen an. Dieselbe Disposition hat der zweite Haupttheil, welcher den mikroskopischen Ver- hältnissen gewidmet ist. Bei der grossen Anzahl der unter- suchten Species der verschiedensten Ordnungen will ich das herausgreifen, was Cazin über das Huhn angiebt, und zwar deswegen, weil dieses am ausführlichsten besprochen ist (Seite 58 ff.). Er bespricht die gruppenweise Anordnung der Drüsen beim Huhn und sagt, dass die Schläuche einer Gruppe in einen gemeinsamen Ausführungsgang münden. Ueberall weist Cazin auf die Einheit des Bauplans sowohl der verschiedenen Ab- schnitte des Magens (ventrieule succenturie, zone intermediaire, sesier, poche pylorique) als andererseits der verschiedenen Ord- nungen hin. Darauf bezieht sich auch folgende, für Cazin’s Forschung sehr charakteristische Bemerkung: „On peut dire que, dans le gesier, la muqueuse forme des plis soudes les uns aux autres dans la plus grande partie de leur hauteur et con- stituant ainsi de longs euls-de-sac tubulaires, au lieu de former, eomme dans la premiere partie de l’estomaec et dans la zone inter- mediaire, des lamelles et des prolongements prismatiques qui ne sont reunis qu’a leur base, pour limiter de petits culs-de-sae.* (S. 63.) Ueber die Zellen sagt Cazin: „L’£pithelium des tubes en eul-de-sae du gesier est compose d’une couche de cellules, im- plantees obliguement par rapport A l’axe des tubes, recourbees en erochet & leur extremite basilaire, et fortement renflees du cöte de la lumiere des tubes. l,orsqu’on examine cet Epithe- lium en remontant du fond des culs-de-sac vers leur orifice, on voit que les cellules deviennent plus claires au voisinage de l’orifice et que leur noyau se trouve, en m&me temps, refoule davantage vers leur base; enfin, sur les bords de l’orifice commun aux tubes en eul-de-sae d’un m&me groupe, l’Epithelium est con- stitu& par des cellules qui, tout en etant moins hautes, sont com- parables ä celles qui tapissent les plis lamellaires de la partie glandulaire de l’estomae et les prolongements prismatiques de la zone intermediaire.“ Cazin bespricht dann die hornartige Haut, weist darauf hin, dass sie weder eine homogene Substanz, noch aus Epithel- zellen zusammengesetzt sei und giebt an, dass nach Färbung mit Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 665 ammoniakalischer Pikrocarminlösung die Detritusmasse deutlich hervortrete, die wir schon früher als „sostanza interposta“ mehr- fach erwähnt haben. Das Verhältniss zwischen Seeret und Drüsen- zellen hat Cazin an Schnitten studirt, die mit 1°/,iger Os- miumsäure fixirt waren, und dabei dieselben Resultate erhalten, wie Wiedersheim an der Taube. Er beschreibt das Maschen- netz, die stachelförmigen Fortsätze. Auch die Hakenfortsätze Wiederheim’s hat Cazin gesehen, möchte ihnen aber keine seeretorische Bedeutung beilegen. Die feine Strichelung des Seeretzapfens ist ihm „apres fixation par l’acide osmique“ deutlich erschienen, und auch die Zugehörigkeit der Fäden zu den Zellen hat er im Anschluss an Wiedersheim nachuntersucht und fest- gestellt. — Was das „revetement eoriace“ angeht, so hat Cazın mit Safranin andere Bilder bekommen als mit Pikrocarmin. „Au lieu d’&tre color A peu pres uniform&ment dans toute sa masse, il represente une sorte de palissade constituce par des colonnes disposees perpendieulairement a la surface de la muqueuse, colordes en rouge intense ainsi que le contenu des tubes en eul-de-sae, et relices de distance en distance par de petits arceaux qui sont eolores de la m&me facon, et qui sont separes les uns des autres par des intervalles elairs renfermant quelques debris cellulaires.“ Grenacher’s Alauncarmin hat die Kerne schwach, die Hornschicht nicht gefärbt. Auf Querschnitten, die mit Pikro- carmin gefärbt und mit „eau thymiquee“ !) aufgehellt wurden, sah Cazin „dans chaque maille un certain nombre de figures polygonales - . . ces figures correspondent aux sections des co- lonnettes provenant ‘des tubes en cul-de-sac, et les trav&es repre- sentent les intervalles qui separent les groupes de colonettes.“ Ich habe hier nur das Wesentlichste hervorgehoben; auf die Untersuchungen der anderen Species, sowie auf den Absehnitt über die Entwieklung des rev&tement coriace kann ich hier nicht näher eingehen. Ausdrücklich sei hier nochmals auf die vor- züglichen Tafeln hingewiesen. — In H. G. Bronn’s Werke, 6. Bd., IV. Abth. von Gadow und Selenka findet sich ein genaues Referat über die Forschungen von Flower, Molin, Wiedersheim, Cursehmann, Postma und Cazin. Ich habe nun einer Arbeit von J. Hedenius (1892) Er- 1) Thymol ? 666 Moritz Bauei: * wähnung zu thun, die, an Cursehmann’s chemische Unter- suchungen wieder anknüpfend, eine genaue quantitative Analyse machte, bei der die Hornschieht folgende Zusammensetzung ergab: C — HAN H —7n6,69;; N = 15,80: S = 40,9 Asche=' 1,39. Hedenius folgert hieraus: „Man sieht also, dass die ver- hornte Schicht des Muskelmagens der Vögel nicht, wie seit den Untersuchungen Cursehmann’s wohl oft angenommen wurde, aus einer chitinähnlichen Substanz besteht. Abgesehen davon, dass das Chitin keinen Schwefel enthält, weicht die elementare Zusammensetzung desselben höchst wesentlich von derjenigen der hornähnlichen Substanz des Muskelmagens ab. Ein anderer wesentlicher Unterschied liegt ferner darin, dass die letztgenannte Substanz beim Sieden mit verdünnten Säuren keine redueirende Substanz giebt. Curschmann glaubt, dass die hornartige Haut des Vogelmagens auch derjenigen Substanz verwandt sei, welche die Schalen der Reptilieneier darstellt. Nach den von Engel bestätigten Angaben Hilger ’s sollen indessen die Repti- lieneier ein typisches Elastin enthalten, und von diesem Elastin unterscheidet sich unsere Substanz wesentlich dadurch, dass sie schwefelhaltig ist. Besser stimmt die fragliehe Substanz bezüg- lieh ihrer elementaren Zusammensetzung mit den Eiweisskörpern im eigentlichen Sinne und besonders den eoagulirten, unlöslichen, oder sehwerlöslichen Eiweissstoffen überein. Von diesen unterscheidet sie sich dagegen durch ihre grosse Widerstandsfähigkeit gegen Verdauungsflüssigkeiten, durch welche, wie auch durch ihre qualitativen Reactionen überhaupt, sie den Hornsubstanzen nahe zu stehen scheint. Der Schwefelgehalt ist allerdings etwas niedrig und etwa derselbe wie in den Eiweissstoffen; aber es giebt auch bekanntlich Keratin von verhältnissmässig niedrigem Schwefel- gehalt, wie das Neurokeratin Kühne's mit 1,63—2,29°/, SD. Der niedrige S-Gehalt widerspricht also nieht der Ansicht, dass es hier um eine dem Keratin verwandte Substanz sich handle. Von grösserer Bedeutung ist vielleicht der Umstand, dass die Häute reichliche Mengen Leuein, aber nur sehr wenig Tyrosin liefern, während die Keratine verhältnissmässig viel Tyrosin Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 667 liefern. Die lederartige Haut des Muskelmagens der Hühner be- steht also aus einer Substanz, welche weder typisches Keratin noch coagulirtes Eiweiss ist, sondern gewissermaassen eine Zwischenstufe zwischen beiden darstellt, und welche dement- sprechend, da sie dem Keratin am meisten verwandt ist, als eine keratinoide Substanz zu verzeichnen ist.“ Hiermit schliesse ich die Uebersicht über die wichtigsten Arbeiten ab, nicht jedoch, ohne des Lehrbuchs von Oppel (1896) zu gedenken, das zum ersten Male in der Literatur eine umfassende vergleichende Dar- stellung der mikroskopischen Anatomie des Magens bringt und an vielen Stellen eigene Untersuchungen und Theorien enthält. Besonders hinweisen möchte ich, als meine Arbeit berührend. auf das, was der Verfasser (S. 213) über die Drüsen im Muskelmagen des Falken sagt. Ferner sind die Abschnitte „Magen“ in Oppel’s Referaten „Verdauungsapparat“ (1897 u. 1898), sowie desselben Autors Arbeit „Die Magendrüsen der Wirbelthiere“ hier anzuführen. Leider war mir die meines Wissens neueste Arbeit über Magendrüsen der Vögel von Rina Monti bis jetzt nicht zugänglich. — Meine Untersuchungen verfolgten den Zweck, das Ver- halten der Seeretfäden zu den Drüsenzellen ge- nauer festzustellen. Als Material benutzte ich anfänglich Gans, Ente, Huhn und Taube, blieb dann aber ausschliess- lich bei der Ente; daneben wurden Präparate von Sperling, Reisfink und Mäusebussard herangezogen. Wenn im Folgenden nichts Besonderes angemerkt ist, so ist von Anas domestica die Rede. Während es mir nicht gelang, mit der Altmann’schen Methode Granula in den Zellen darzustellen, erhielt ich bei Präparaten, die im einer 1°/,igen Osmiumsäure fixirt und mit Saffranin gefärbt wurden, Bilder, wie sie auf Fig. 1,2 und 3 dargestellt sind. Fig. 1 zeigt uns einen Schrägschnitt, auf dem uns zunächst das von Wiedersheim und den ihm folgenden Autoren beschriebene Maschennetz auffällt. Jede Masche entspricht dem Durehsehnitt durch eine Zelle, und die Zellgrenzen sind die intercellulären Secretgänge. An einigen Stellen er- scheinen diese homogen, an anderen hingegen aus Körnchen zu- sammengesetzt, welche als direete Fortsetzung der in den Zellen liegenden Körnchen aufzufassen sind. Aus den intereellulären 668 Moritz Bauer: Secretgängen setzen sich die Secretzapfen zusammen, wie das aus Fig. 1,2 und 3 zu ersehen ist. Gleichzeitig zeigt uns Fig. 2, wie es wesentlich der dem Lumen zugewandte Theil der Zellen ist, der die Granula enthält, weswegen ich die Bezeichnung Seeretgranula anwende. Die Granula verschmelzen also theils schon intercellulär, theils erst später zum Secretfaden, ja oft sind noch dort, wo die Fäden sich schon zum Zapfen vereinigen, isolirte Granula sichtbar. Es ist mit unsern optischen Hülfs- mitteln unmöglich, zu entscheiden: ist hier ein Faden aus Granulis zusammengesetzt, oder von Granulis überlagert? Diese Einschränkung mache ich überall da, wo es sich um diese beiden Secretionsformen handelt. Um die Granula darzustellen, deren Verhalten mir für die Secretion dieser Drüsen ausser- ordentlich wiehtig scheint, schlage ich die einfache Osmiumfixa- tion mit nachfolgendem Auswaschen in Wasser oder Kalium- biehromat (vgl. Lehrbuch von Mayer und Lee) vor; noch besser ist das Räuchern der Objeete mit Osmiumdämpfen. Stei- gender Alkohol, dann vom 96°/,igen in Chloroform, Chloroform- Paraffin, Paraffin. Kurzer Aufenthalt in 96°/, Alkohol (1 Stunde), gänzliche Vermeidung des absoluten, schnelle Ueberführung in Paraffin erwiesen sich als das einzige Mittel, um die Härte der Hornschicht, die sonst allen Mikrotommessern Trotz bietet, zu vermeiden. Die Sehnitte sollen nieht über 5 u diek sein. Ich versuchte auch Fixation mit Flemming’scher, Hermann- scher, Altmann’scher und Unna’scher (Salpetersäure — Gerb- säure — Osmiumsäure) Mischung; Granula habe ich indessen nur mit einfacher Ösmiumsäure erhalten. Ein ganz anderes Granulaverfahren, die Benda’sche Fixa- tion mit Formalin und ansteigender Chromsäure (0,25 — 0,33 — 0,5°/,) und nachfolgender Färbung mit Methylenblau, bezw. dem Gemisch von Michaelis, ergab Bilder, wie sie Fig. 4 zeigt. Doch färbten sich hier wesentlich die Zellen les Drüsenhalses. Diese Me- thode, von Benda in einem Vortrage über Anatomie der Hypophyse zur Granuladarstellnng empfohlen, wird überall da am Platze sein, wo zonenweise angeordnete Granula dargestellt werden sollen. Wenn auch die Zusammensetzung des Secretzapfens aus Fäden bei verschiedenen Fixationen zu Tage tritt, so halte ich doch für besonders geeignet solche Präparate, die m Müller- sche. Flüssigkeit fixirt und nach van Gieson (Hämalaun !/, St., Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 669 Pikrinsäure-Fuchin S wenige Minuten) gefärbt sind (Fig. 8). Es war mir dies um so interessanter, als Wiedersheim ja zur Maceration die Müller’sche Flüssigkeit verwandte. Vergleichen wir nun Fig. 5, 6 u. 7, die nach Wiedersheim’s Angabe isolirten Drüsen entsprechen, einerseits mit Fig. 1—3 seiner Ar- beit (Taf. XIX des Archivs), andererseits mit meiner Fig. 9 (Taube), so finden wir genau dieselben Verhältnisse. Bei der van Gieson’schen Methode haben sich die Fäden hellgelb, die Zellkerne graublau, das interglanduläre Bindegewebe leuch- tend roth gefärbt. Grade in diesem Präparate (Ente) habe ich auch die hakenförmigen Fortsätze gesehen. Physiologisch halte ich diese Fortsätze nicht für secretorischer Natur, wobei jedoch der Umstand, dass sie sich gegen Essigsäure resistent verhalten, die paraplastische Natur derselben wahrscheinlich machen kann. Ich möchte mich lieber der ursprünglichen Anschauung Wieders- heim’s zuwenden, „dass gerade diese wie zu einer fortlaufenden Membran sich aneinanderreihenden, hakenartigen Fortsätze eine Art von Basalmembran repräsentiren würden“ (Arch. Arb. S. 450). Das Maschenwerk, von dem schon mehrfach die Rede war, tritt uns hier sehr deutlich entgegen (Fig. 7). In dem Fig. 9 ent- sprechenden Präparate war der Zusammenhang der Seeretfäden mit den Zellen deutlich erkennbar. Zellgranula konnte man auch hier, wie ebenfalls im frischen (ungefärbten) Macerationspräparate sehen; von eigentlichen, in der Innenzone angehäuften Secret- granulis war hier nichts zu erkennen, wie das ja auch bei der, Zellen nicht gut conservirenden, Müller’schen Flüssigkeit selbst- verständlich ist. Die Möglichkeit, mit Osmiumsäure intercellulare Seeretwege in soleher Deutlichkeit zu erhalten, veranlasste mich dann, auch andere Methoden heranzuziehen, und es gelang mir, mit der M. Heidenhain’schen Eisenalaun- Hämatoxylin- Rubin - Methode die intercellulären Gänge zu färben (Fig. 10). Indem ich hier be- sonders auf die Arbeiten vonK. W.Zimmermann und Erik Müller hinweise, glaube ich bestimmt, dass diese Methode auch in den Zellen noch Neues erschliessen wird; leider stört die homogene Schwärzung des Zapfens das Uebersichtsbild etwas und lässt auch in den feinen Secretgängen infolge der gleich- mässig-lineären Schwarzfärbung Körnchen nicht zu Gesicht kommen. Die Golgi’sche Methode (nach Kallius, sowie nach Zimmer- Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57 44 670 Moritz Bauer: mann) hat mich bis jetzt im Stiche gelassen oder doch wenig- stens nieht durchaus genügende Bilder geliefert. Diese Methode wurde u. a. 1894 von Langendorff und Laserstein in einer sehr sorgfältigen Arbeit auf verschiedene Drüsen ange- wandt, und neuerdings beschreibt Rina Monti (Referat in den Arch. ital. de biol. Bd. XXX 1898) bei Vögeln auf Grund der Golgi-Methode ein pericelluläres Canälchennetz, das sich also mit Wiedersheim’'s und meinen Befunden deckt. (Vgl. darüber auch Oppel, Ergebnisse 1898, S. 50 und Lehrbuch I, S. 104 f, 238, 389, 423, 445.) — lch versuchte nun bei Präpa- raten, die mit Müller scher Flüssigkeit fixirt waren (Thermostat bei ea. 50—55°, 4—6 Tage lang), Färbung mit concentrirter, wässeriger Methylenblaulösung und erhielt Bilder, wie sie in Fig. 11 bis 13 abgebildet sind. Wieder sind es, ähnlich wie bei der oben besprochenen Benda’schen Granula-Methode (Fig. 4), wesentlich die Drüsenhalszellen und die Epithelzellen der Ueber- gangsstücke, die am intensivsten gefärbt sind; auch haben sich die Secretzapfen und die hornartige Schicht stark, schwächer da- gegen die Grundzellen gefärbt. Man gewinnt nach diesen Me- thylenblaubildern überhaupt den Eindruck, als sei der Drüsen- grund viel weniger an der Secretion betheiligt; ich erkläre mir diesen scheinbaren Unterschied aus einer verschiedenen Affinität der Zellen zum Methylenblau; vielleicht handelt es sich hier um ähnliche Verhältnisse, wie sie Oppel bei Sublimat-Hämatoxylin- Präparaten von Proteus anguineus auf S. 96 seines Lehr- buchs I beschrieben hat. Dass diese „verschiedene Affinität“ sich möglicherweise rein chemisch erklärt, wird sich durch vor- siehtiges Zusetzen von Säure bezw. Alkali zu der Methylenblau- lösung vielleicht eruiren lassen. Ich wende mich nun zu der Beschreibung der Methylenblaupräparate (Fig. 11—13). Von den Secretzapfen sieht man zu den Zellen ein feines Faserwerk hin- laufen, welches auch hier zu dem pericellulären Maschenwerk sich zusammensetzt. Ausserdem aber sah ich innerhalb der grossen Maschen oft noch ein zweites, feinstes Netzwerk, welches aus- schliesslich auf den dem Lumen zugewandten Theil der Zelle beschränkt zu sein scheint. Dieses Netzwerk aber ist nicht durchgängig anzutreffen; häufig vielmehr zeigen sich die peri- cellulären Maschen von Granulis erfüllt, so dass man folgendes 3ild @ erhält, während an den erst erwähnten Stellen folgendes Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 671 Bild D sich zeigte. Ausnahmsweise konnte man die Ausbildung des Netzfaserwerkes bis tiefer zum Drüsengrunde hinab verfolgen, wie das (etwas übertrieben) in Fig. 13 dargestellt ist. Es ist zwar möglich, Secretfädehen und Körn- chen auch im Drüsengrunde zu sehen, doch kann von einer typischen Färbung des dem Drüsenlumen zugekehrten Zell- endes im Gegensatz zur Aussenzone hier keine Rede sein. Möglicherweise ergeben hier oben angedeutete Me- thylenblau - Modificationen neue Auf- schlüsse. Jedenfalls ist die Methylen- blaufärbung hier dringend anzurathen, um so mehr, als sie gerade die hornartige Schicht und die Zapfen mit ausser- ordentlicher Schärfe hervortreten lässt. Ausser in der kleinen Notiz von Pilliet (s. o.), dass Methylenblau blau ist, habe ich diesen Farbstoff in der Histologie des Vogelmagens nicht erwähnt gefunden. Fig. 14 zeigt als Ergänzungsbild ein Methylenblau- präparat, das mit dem Altmann’'schen Gemisch fixirt ist. Auch hier ist in den Maschen ein feines Netzwerk zu erkennen. — Ich erwähnte eben die scharfen Bilder, die das Methylenblau auch von der hornartigen Schicht liefert, ünd möchte im Anschluss daran noch kurz einiger anderer Farbstoffe gedenken. Dass die Saffraninfärbung sich zum Studium der Hornschieht besonders eignet, kann ich Cazin bestätigen. Auch sah ich vom Thionin, einem dem Methylenblau übrigens ganz nahe verwandten Körper (ef. Bernthsen 1893, S. 509), vorzügliche Resultate, besonders auch wegen seiner metachromatischen Eigenschaften (vgl. darüber Mayer und Lee, S. 379). Doppelfärbung von Thionin und Saffranin ist sehr zu rathen und besonders zum Auffinden von Mitosen sehr geeignet. Zusammenfassung. Fassen wir nun das Gesagte kurz zusammen, so ergiebt sich Folgendes: Während die hormartige Schieht selbst schon genau studirt worden ist (Hasse, Cattaneo, Cazin), ist das Studium ihrer Entstehung aus den Seeretzapfen der Drüsenschläuche noch keineswegs abgeschlossen. Worauf schon Hasse hinge- wiesen hat (l. e. S. 27), dass hier Drüsenseeretion und Cuticular- 672 Moritz Bauer: bildung ineinandergreifen, das beschäftigt auch heute noch die Histologen. Ich weiss nicht, ob man bei der Zelldesquamation der bogenförmigen Verbindungsstücke, bei der Umwandlung dieser desquamirten Zellen in morphologischer und chemischer (ef. He- denius |]. e.) Hinsicht den Begriff der Secretion so ängstlich meiden muss; bezeichnet man aber mit den Autoren diese Bil- dung der „sostanza interposta“ als Cutieularbildung, so wird man sich doch bewusst sein müssen, dass eine scharfe Trennung der beiden Begriffe hier schon aus rein physiologischen Gründen nicht möglich ist. Der Nachweis von Secretgranulis in den Drüsenzellen mit der Osmiumsäure-Saffranin-Methode, das Verhalten dieser Granula zu den Secretfäden wird vielleicht Anregung geben, hier einmal Versuche mit Injeetionen von Atropin und Pilocarpin (vgl. Alt- mann, Elementarorganismen S. 125f.) zu machen und die da- durch hervorgerufenen Veränderungen zu untersuchen. Die Be- funde an den Methylenblau-Präparaten werden fortzusetzen sein, und vielleicht uns darüber unterrichten können, worin die bio- logische Verschiedenheit der Zellen des Drüsenhalses und Drüsen- srundes besteht. Endlich werden auch die Untersuchungen an Embryonen, wie sie Cattaneo und Öazin angestellt haben, nach den genannten Methoden zu erweitern sein. Wenn ich mir noch einen Vorschlag erlauben darf, so ist es der, die ver- schiedenen, zum Theil irreführenden Termini wie „Hornschicht“, „hornartige Schieht‘‘, „Cutieularschieht“, „Cutieula‘‘, — der vielen Namen in der älteren Literatur garnicht zu gedenken — zu Gunsten einer präeisen Bezeichnung aufzugeben, und hier im An- schluss an Hedenius von einer „keratinoiden“ Schicht zu reden. Zum Schlusse sei es mir gestattet, auch an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Wiedersheim für die Anregung zu dieser Ar- beit, ihm sowie Herrn Prof. Dr. Keibel für die gütige Unter- stützung meinen herzlicbsten Dank auszusprechen. Auch danke ich den Herren Prof. Dr. Gaupp und Prof. Dr. Häcker für ihre literarische Unterstützung herzlich. Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 673 Literatur -Verzeichniss. Jens W. Neergaard, Vergleichende Anatomie der Verdaungswerk- zeuge. Berlin 1806. Cuvier, Vorlesungen über vergleichende Anatomie, herausgegeben von Duvernoy, übers. v. Meckel. Leipzig 1810. Bd. 3, S. 416 f. Tiedemann, Zoologie Bd. 2: Anatomie u. Naturgeschichte d. Vögel. Heidelberg 1810. Home, E., On the different Structures and Situations of the Solvent Glands in the digestive Organs of Birds according to the nature of their Food and particular Modes of Life. Philosoph. Transactions of the Royal Society of London 1812. Derselbe, Lectures on comparative Anatomy, London 1814. Meckel, System der vergl. Anatomie IV. Halle 1829. Wagner, Lehrb. der vergl. Anatomie. Leipzig 1834. Owen, Art. „Aves“ in Todd’s Eneyclopädia. 1835 —36. Cuvier, Legons d’anatomie compar6e 2. Aufl. Paris 1835. Bischoff, Ueber den Bau der Magenschleimhaut. Müller’s Archiv. Berlin 1838. Stannius, in Siebold und Stannius’ Lehrb. d. vergl. Anatomie 2. Theil. Berlin 1846. Molin, Sugli Stomachi degli uccelli. 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Diesem Werke ist eine umfassende Literatur- übersicht angefügt, die ich vielfach benutzt habe. Derselbe, Die Magendrüsen der Wirbelthiere. Anatom. Anzeiger Bd. 11. 1896. Monti, Su la morfologia comparata dei condotti escretori delle ghiandole gastriche nei Vertebrati Boll. Sc. Anno 20. No. 2. 1898. Weiter benutzte ich folgende Arbeiten: van Gehuchten, Le mecanisme de la secretion. Anat. Anzeiger VI. Jahrg. 1891. Heidenhain, R., Physiologie der Absonderungsvorgänge in Her- mann’'s Handbuch Bd. V, Abth. 1. 1883. Beitrag zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. 675 Korschelt, Beitrag zur Morphologie und Physiolog. des Zellkerns. Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. Bd. IV. Hebold, Ein Beitrag zur Lehre von d. Seeretion u. Regeneration der Schleimzellen. Inaug.-Diss. Bonn 1879. Rawitz, Die Fussdrüse der Opisthobranchier. Abh. d. k. Akad. d. Wiss. Berlin 1887. Sacerdotti, Ueber d. Regeneration des Schleimepithels des Magen- darmeanals bei den Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 45 H.2. Kolossow, Eine Untersuchungsmethode d. Epithelgewebes etc. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 52. Müller, Ueber Secreteapillaren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 49. Langendorff und Laserstein, Die feineren Absonderungswege der Magendrüsen. Arch. f. die ges. Physiol. Bd. 55, H. 11/12. Zimmermann, K. W., Beiträge zur Kenntniss einiger Drüsen und Epithelien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 52, H. 3. 1898. Müller, Erik, Drüsenstudien. II. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 64. Oppel, Ergebnisse d. Anat. u. Entw. Verdauungsapparat. 1897. Derselbe, Ergebnisse 1898. Altmann, Elementarorganismen 1894. Mayer P. u. Lee, Grundzüge der mikrosk. Technik. 1898. 3enda, Verhandlungen der Berliner physiologischen Gesellschaft im Arch. f. Anat. u. Phys., phys. Abtheil. 1900: Ueber den normalen Bau ete. Böhm u. Oppel, Taschenbuch d. mikr. Technik 4. Aufl. 1900. Fischer A., Fixirung, Färbung u. Bau des Protoplasmas. 189. Flemming, „Zelle“ in den Ergebnissen 1897. Stöhr, Lehrbuch d. Histologie 7’ Aufl. 1896. Erklärung der Abbildungen!) auf Tafel XXXIH u. XXXIV. 1. Ente. 1%,ige Osmiumsäure. Safranin. Fire. 2. Ente. 1%,ige Osmiumsäure. Safranin. Fig. 3. Ente. 1°/yige Osmiumsäure. Safranin. Fig. 4. Ente. 40,iges Formalin und darnach ansteigende Chromsäure (25 —-0,33—0,5) nach Benda. Methylenblau. Fig. 5. Taube. Macerationspräparat aus Müller’scher Flüssigkeit (8-12 Tage.) Fig. 6. Dasselbe in einem weiteren Isolationsstadium. 1) Wo nichts anderes angegeben ist, handelt es sich um Schnitte von 5 u Dicke; ferner überall un Zeiss Ocul. Il, Oel-Immersion !/j2- 676 Moritz Bauer: Beitrag z. Histolog. d. Muskelmagens d. Vögel. Fig. 7. Dasselbe. Man sieht Secretfäden, leere und noch von Zellen erfüllte Maschen. Fig. 8 Ente. Müller’sche Flüssigkeit, Van Gieson Obj. B. Fig. 9. Ente. Müller’sche Flüssigkeit. Van Gieson. Fig. 10. Ente. Sublimat. Rubin-Eisenalaun-Hämatoxylin nach Heiden- hain. Fig. 11. Ente. Müller’sche Flüssigkeit. Methylenblau. Fig. 12. Dasselbe. Fig. 13. Ente. Müller’sche Flüssigkeit. Methylenblau. Fig. 14. Ente. Altmann'sches Gemisch. Methylenblau. Fig. 15. Mäusebussard. Müller'sche Flüssigkeit. Methylenblau. Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel XXXV—XXXVIL I. Die Papillen der Conjunctiva selerae junger Hühnerembryonen. Gegen das Ende des sechsten Brütetages treten in der Um- gebung der Cornea des um diese Zeit noch nackt zu Tage lie- genden Auges beim Hühnerembryo Verdiekungen des Epithels auf, deren weitere Veränderungen zu schildern die Aufgabe dieser Abhandlung sein wird. An einem 6 Tage und 15!/, Stunden bei 40°C. bebrüteten Embryo liess sich von Epithelwucherungen auf der freiliegenden Augendecke noch nichts erkennen. Um. diese Zeit sind oberes und unteres Augenlid als ein feiner Ringwulst vorhanden, das dritte Lid dagegen schon als halbmondförmige Falte deutlich abgesetzt. Die Chorioidalspalte ist nur am Pupillarrande ge- schlossen, eine Strecke weiter offen und in dem ferneren Ver- lauf gegen den Sehnerven von der Anlage des Pecten einge- nommen. Am vierten Tage liefen vom medialen!) und lateralen?) I) frontalen, 2) oceipitalen, wenn man für den Hühnerembryo topographisch richtig bezeichnet und nicht die für den Menschen zu- treffenden Ausdrücke gebraucht. M. Nussbaum: Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 67T Rande des Auges gegen die Iris hin je ein starkes, in der vor- deren Gegend der Augenblase sich gabelndes Gefäss; davon ist um diese Zeit nur das laterale noch zurückgeblieben, das mediale dagegen untergegangen. Dieser Befund muss umso interessanter erscheinen, als die Entwicklung des Corpus ciliare auf der lateralen Seite beginnt und auch beim reifen Hühnerembryo und vielen erwachsenen Vögeln die laterale Seite des Corpus ciliare breiter ausgebildet ist als die mediale‘). Man kann diese Verhält- nisse am lebenden Embryo und an den gehärteten Augen ohne Weiteres erkennen und die Details an Serienschnitten genauer studiren. An einem 6 Tage 20 Stunden bebrüteten Hühnchen war im Grossen und Ganzen der geschilderte Zustand derselbe geblieben. Nur zeigten sich, wie Fig. 1 erläutert, auf der lateralen Seite im epithelialen Belag der Sclera drei und auf der medialen Seite zwei Wucherungspunkte, die nach der Behand- lung mit Sublimatessigsäure als feine weisse Höckerchen hervor- traten; oben und unten fand sich Nichts derartiges. Die Oberfläche eines in Flemming 'scher Flüssigkeit er- härteten Auges vom 7 Tage 22'/, Stunden bebrüteten Hühnchen ist in Fig. 2 dargestellt. Während Fig. 1 bei Sublimatbehand- lung auch die tieferen Theile, das laterale Gefäss, das Corpus eiliare und den Augenspalt durch das durchsichtige Epithel er- kennen lässt, hat die Flemming’sche Lösung das zur Ge- winnung der Fig. 2 benutzte Präparat so undurchsichtig gemacht, dass nur die Oberfläche dargestellt werden konnte. Der Ring- wulst der Lidanlage ist höher geworden und am medialen Augen- winkel schon sichtlich spitz ausgezogen, sodass die Trennung der Anlage des oberen und unteren Lides hier sich zuerst vollzieht. Das dritte Lid ist gewachsen und tritt namentlich im Bereich des oberen Abschnittes aus der Fläche der Augendecke deutlicher hervor als 24 Stunden früher. Am meisten haben sich die Epithelwucherungen auf der Sclera verändert. Man zählt deren vierzehn, die in ziemlich regelmässigen Abständen kreisförmig um die Cornea herum angeordnet sind. Die einzelne Wucherung erscheint am Präparat bei auffallendem Licht wie eine Papille mit lichter kegelförmiger Basis und tief schwarzer Mitte. Im Laufe des neunten Brütetages wachsen die Lider so- 1) Vergl. hierzu dieses Archiv Bd. 57, pag. 346. 678 M. Nussbaum: weit vor, dass man die Epithelwucherungen in der Lidspalte nicht mehr zu Tage treten sieht. Fig, 3 stellt die Verhältnisse bei vierfacher Lupenvergrösserung dar. Die Lidspalte hat die Gestalt eines nasalwärts zugespitzten Ovals, das in seiner oberen Begrenzung gewölbter, unten dagegen flacher verläuft; der spätere Canthus oculi lateralis ist noch ganz rund. Die Absetzung der Lider gegeneinander erfolgt somit nasal früher als temporal. Das dritte Lid tritt in der Lidspalte breit hervor und ist lateral oben zipfelartig ausgezogen. Entfernt man die soweit ent- wickelten Lider, so wird man der in der Conjunetiva selerae gelegenen Epithelwucherungen ansichtig. Ein in Flemming- . scher Lösung erhärtetes Präparat zeigt sie, in regelmässigen Ab- ständen an der Peripherie eines Kreises angeordnet, als flache längliche Gruben mit glänzendem Wall und dunklem Centrum. Um diese Zeit ist die Anlage der Federn auch an den Augen- lidern schon weit entwickelt; die jüngsten Anlagen liegen dem freien Rande der wachsenden Lider am nächsten. Sie treten an den lateralen und medialen Augenwinkel näher heran als an die freien Lidränder und am oberen näher als am unteren. Bei dem zum Auskriechen reifen Hühnchen ist das obere Lid bis direct an den Rand behaart; das untere dieht am Rande zwar auch, aber dann folgt eine halbmondförmige nackte Stelle, wo- durch die Verschiedenheit der Federanlagen am unteren und oberen Lide des hier abgebildeten Auges verständlicher wird. Diese nackte Stelle des unteren Lides, das bei Reptilien und Vögeln — soweit ich es untersucht — grösser ist als das obere, kommt beim erwachsenen Huhn gleichfalls vor; bei der ein- heimischen Eidechse sind die Hormplatten hier dünner als die ganze Umgebung und zugleich durchsichtig, was offenbar mit der Beweglichkeit des unteren Augenlides zusammenfällt. Nach der hier gegebenen Schilderung eines Auges vom neunten Brütetage wird man nicht erwarten, den Verlauf der weiteren Entwicklung der Papillen auf der Sclera conjunetivae ohne Präparation verfolgen zu können. Welche Richtung die Entwicklung nehmen werde, lässt sich jedoch mit einiger Ge- wissheit vermuthen. Denn die Erscheinung, dass bei den in Flemming'’scher Lösung gehärteten Embryonen vom 8. Tage, (die noch von den Lidern nicht verdeckten Papillen im Centrum stärker gebräunt sind, als am Rande, lässt den Verdacht auf- Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 679 kommen, es möge sich von da an um kückbildungsprocesse handeln. Das ist nun in der That der Fall, denn die Papillen verschwinden nach kurzem Bestehen wieder. Beim 11 Tage alten Embryo sind nur schmale, zapfenförmige Epitheleinsenkungen vorhanden; beim 13 Tage bebrüteten Embryo ist nur mikro- skopisch und auch nur an wenigen Stellen eine Spur der zuvor mächtigen Epithelwucherung nachzuweisen, wie auch beim reifen, zum Auskriechen fertigen Hühnchen der Conjunetivalsack ganz glatt und frei von Papillen ist. Soviel liess sich makroskopisch feststellen. Es fragte sich nunmehr, ob diese beim Huhn vergängliche Bildung bei niederen Thieren zeitlebens vorkäme. Meine allerdings nicht zahlreichen Präparationen haben in der Conjunetiva bulbi eines mir durch die Güte des Herm Dr. Redeke zur Verfügung gestellten, vor- züglıch in Sublimatessigsäure conservirten Auges von Mustelus vulgaris Nichts ergeben. Dagegen gelang es mir, an der be- treffenden Stelle bei emem schon früher von .mir benutzten und von Herrn Prof. Schiefferdeeker mir freundlichst überlassenen Gavialis Schlegelii, sowie an Chelone viridis Papillen nachzu- weisen. Die Conservirung ist aber für histologische Zwecke nicht genügend gewesen, sodass ich auf die Beigabe einer Zeich- nung und die histologische Schilderung vorläufig verzichten muss. Bei Lacerta agilis liess sich in der Conjunetiva bulbi nichts Aehn- liches auffinden. Da nun die Conjunetiva nur ein Stück modifieirter Haut darstellt und — nach Leuckart!) — Trapp bei Raja fullo- nica sogar Hautknochen auf der Conjunctiva corneae entdeckte, so musste die mikroskopische Untersuchung der geeigneten Ent- wicklungsstadien beim Hühnerembryo Aufschluss darüber geben, ob die vergänglichen Papillen in der Conjunetiva bulbi dieses Thieres etwa auf Anlagen von Federn oder Sinnesorganen zurück- zuführen seien. Die nachfolgende Beschreibung wird zur Ent- scheidung dieser Frage führen, wenn ihr, wie dies beabsichtigt ist, eine eingehende Beschreibung der ersten Phasen der Feder- entwicklung folgt. 1) Graefe, Saemisch, Handbuch der Augenheilkunde II. Bd. Cap. VII, pag. 274. 680 M. Nussbaum: 11. Der Bau der Papillen auf der Conjunctiva selerae von Hühnerembryonen. An dem jüngsten Embryo, der zur makroskopischen Unter- suchung diente, und der zur Auffindung der Papillen führte, habe ich nur die histologische Untersuchung der Gegend ge- macht, wo Papillen als feine Höckerchen deutlich sichtbar waren, sodass die allerersten Stadien der Entwicklung mir hier nicht zu Gesicht gekommen sind. Da man diese Stadien der Papillen- entwicklung aber auch noch an Embryonen des 7. Tages findet, so soll, wie es der Gang meiner Untersuchungen mit sich brachte, die Beschreibung der allerersten Anlage der Papillen an jener Stelle nachgeholt werden. Sie besteht nur in einer einfachen Vergrösserung bestimmter Epithelzellengruppen. Wie die Fig. 1 erläutert, sind die medial zur Cornea ge- legenen beiden Papillen kleiner, als die drei lateral befindlichen, und diese unter sich wieder ungleich gross. Aber nicht allein bei diesem 6 Tage 20 Stunden alten, sondern bei allen darauf untersuchten Embryonen in der dem jeweiligen Entwicklungs- zustand des Embryos entsprechenden Weise sind die Papillen immer ungleich entwickelt. Sie entstehen und vergehen nicht in gleichem Tempo; immerhin bleiben die Papillen von einem bestimmten Brütetage nicht soweit in der Vor- und Rückbildung zu- rück, dass weit auseinander gelegene Phasen gleichzeitig vorkämen. Zum Zweck der histologischen Untersuchung war das in Fig. 1 abgebildete und in Sublimatessigsäure gehärtete Auge so behandelt worden, dass die medial und lateral zur Cornea ge- legenen Papillen tragenden Stellen als schmale Streifen heraus- geschnitten und in Serien von 5 u dicken Schnitten zerlegt wurden. Im medialen Theil kamen auf eine Papille 32 Schnitte; die Papille ist also 0,16 mm breit. Der in Fig. 4 abgebildete Schnitt stammt aus der Mitte der Papille. Es zeigt sich, dass im Bereich der Papille, von der Peripherie nach der Mitte zu anschwellend, die Zahl der Epithelzellen zugenommen hat. Da die Sublimatessig- säure im Gegensatz zur Flemming’schen Lösung die Grenzen der Zellen nieht deutlich erhält, so sind in Fig. 4 nur die Kerne mit Hülfe eines Projectionsapparates genau eingezeichnet worden. Auffallend ist die Abwesenheit von Zelltheilungsbildern mitten in Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 681 der Papille; am Rande derselben, wie sich aus Fig. 7 ergiebt, kommen jedoch Mitosen vor. Das Bindegewebe unter der Pa- pille ist nicht verdichtet und in einer Wellenlinie gegen das Epithel abgesetzt. An den papillenfreien Stellen der Conjunetiva bulbi ist das Epithel zweischichtig und bedeutend niedriger; Zelltheilungen kommen, wie Fig. 6 und Fig. 3 erkennen lassen, in beiden Epithelschiehten vor, sodass um diese Zeit von einer eigentlichen Deckschicht der Epidermis nicht geredet werden kann. Die Figuren 6 und 8 enthalten auch im Bindegewebe, das sich deut- lich gegen das Epithel durch eine scharfe Grenzlinie absetzt, je ein Mitose, von denen nur die in einem optischen Querschnitt ge- legenen Theile abgebildet sind. An demselben in Fig. 1 abgebildeten Auge, von dem der in Fig. 4 wiedergegebene Schnitt herrührt, waren wie gesagt, die lateralen Papillen schon in weiterer Ausbildung als die medialen; die grösste lateral gelegene erstreckte sich durch 48 Du dieke Schnitte, hatte also einen Durchmesser von 0,24 mm. Die Papille überragte mit ihrem centralen Theile die Oberfläche und drang dort auch in mehrere Lappen getheilt in das unter- liegende Bindegewebe, das an diesen Stellen verdichtet war. Die Verdiehtung im Bindegewebe unter den mittleren Theilen der Papille machte mehr den Eindruck eines mechanischen Zu- sammenrückens der einzelnen Zellen, als den einer lebhaften Zell- vermehrung. Die mittleren Schnitte der Papille gaben ungefähr das Bild der Fig. 9, wo ebenfalls Epithelzapfen gegen das unterliegende (in der Figur aber nicht dargestellte) Bindegewebe hineinragen. Aber auch schon die Figur 4 deutet an, dass die Entwicklung diesen Gang nehmen werde; da der Contour gegen das Binde- sewebe nicht gradlinig, sondern mit convexen Ausbuchtungen gegen das bindegewebige Substrat verläuft. Ein Zwischenstadium der Entwicklung ist in Fig. 5 abge- bildet. Der 10 u dieke Schnitt gehört zu einer Serie durch den ganzen vorderen Bulbusabschnitt eines 7 Tage alten Hühner- embryos. Die Schnittfolge geht von unten nach oben. In Fig. 5 ist nur die eine Hälfte der hier in der mittleren Partie getroffenen Papille dargestellt, die sich mit ihren nur wenig verdiekten peripheren Partien über 38 Schnitte erstreckt, also 683 M. Nussbaum: 0,38 mm breit ist und demgemäss die beiden vorher geschilderten an Breite übertrifft. Sie geht, wie ein Vergleich mit Fig. 4 er- giebt, weiter in die Tiefe, hat viele deutliche Ausbuchtungen gegen das unterliegende Bindegewebe, während die zweite, nicht abgebildete Papille des 6 Tage 20 Stunden alten Auges bei geringerer Breite eine grössere Ausdehnung in die Tiefe mit gleichzeitiger Abnahme der Zahl der Ausbuchtungen erreicht hat. Der Entwieklung vach gehört diese Papille zwischen die beiden vom 6 Tage 20 Stunden alten Embryo. Die Alters- bestimmung der Papillen ist aber nicht allein aus der Gestalt, sondern vorzüglich aus dem Zustande ihrer Zellen zu machen, worauf dann später genauer eingegangen werden soll. Die Bindegewebszellen unter der Papille sind nach Fig. 5 nicht vermehrt; die Zellgrenzen, die bei der Conservirung des Präparats in Flemming'’scher Lösung gut hervortreten, sind der Einfachheit wegen nicht eingetragen worden; ebensowenig gewisse Veränderungen an einigen Zellen; da das gegebene Bild nur die Umwandlungen der Form der ganzen Papille versinnlichen soll. Die Papille ist demnach in die Breite und in die Tiefe ge- wachsen und überragt auch das Niveau der Epidermis mehr als in dem in Fig. 4 abgebildeten jüngeren Stadium. Auch am Auge eines 7 Tage 16 Stunden alten, gleichzeitig mit dem vorigen erbrüteten Hühnerembryo war die Entwieklung der Papillen nieht weiter vorgeschritten. Um diese Zeit ist das Epithel der Cornea mächtiger entwickelt (14 u), als das der Conjunetiva selerae (7 u); in dem Epithel der Conjunetiva kommen aber im Umkreise der Cornea ungefähr 1,75 mm vom Scheitel derselben entfernt und oberhalb des vorderen Theiles der eigent- lichen Retina, also nicht mehr im Gebiet der Pars ciliaris ge- legene Inseln von 0,18 mm Durchmesser vor, wo das Epithel noch etwas höher ist (16 u), als das der Cornea; diese Ver- diekungen liegen ausschliesslich an den Stellen, wo später die Papillen gefunden werden; sind also die ersten Entwicklungs- stufen derselben. Neben diesen Anfängen der Papillenentwick- lung kamen im Umkreise der Cornea noch 6 Papillen von 0,43 mm Breite vor, vier lateral und zwei medial. In der Mitte dieser Papillen war das Epithel nach der Tiefe dreimal so mächtig entwickelt als bei den ersten Anlagen; die Zahl der übereinander- geschichteten Epithelien war bedeutend vermehrt. Die Anlage Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 683 der Papillen erfolgt somit nicht gleichzeitig, wie aus den Befunden an jedem dieser drei verschieden alten Augen sich ergiebt, und wie es die Fig. 1 der Tafel XXXV illustrirt. Am interessantesten ist die Untersuchung des Embryo vom 8. Tage; da um diese Zeit die Papillen ihre höchste Entwick- lung erreicht haben. Dabei ist jedoch die einschränkende Be- merkung zu machen, dass trotz der Weiterentwicklung des Ganzen einzelne Zellen und Zellgruppen, wie auch schon am Tage vor- her, sich wieder zurückbilden und in Zerfall begriffen sind. Das unserer Schilderung zu Grunde gelegte Auge stammt von einem 7 Tage 22!/, Stunden alten in Flemming’scher Lösung gehärteten Hühnerembryo. Der vordere Bulbusabschnitt wurde in 10 u dieke Schnitte, die sich von unten nach oben folgten, zerlegt. Bis zum unteren Linsenrand sitzen auf der Conjunetiva sclerae 5 Papillen, von da bis zum oberen Linsenrande 4 und aufwärts davon 5 Papillen, also im Ganzen wie in Fig. 2 vier- zehn Papillen, die demgemäss erst nach und nach, nicht gleich- zeitig, sich entwickelt haben. Die Durchmesser der Papillen, gemessen aus der Zahl der sie enthaltenden Schnitte, beträgt 0,15 bis 0,24 mm. Die Papillen überragen alle die Oberfläche der Epidermis und senken sich alle als Epithelzapfen in die Tiefe, wie es etwa Fig. 11 vom ungefähr 9 Tage alten Embryo darstellt. Die Breitendimension der Papillen hat somit im Vergleich zu ihrer Ausdehnung am vorhergehenden Tage abgenommen, nachdem sie sich bis dahin vergrössert hatte. Ihr Eindringen in das unterliegende Bindegewebe hat dagegen Fortschritte gemacht, sodass an den tiefsten Stellen des gegen die bindegewebige Stelle vorgeschobenen epithelialen Zapfens, die Papillen mehr als halb mal so diek sind, als die am weitesten entwickelten des vorigen Tages; manche der Papillen vom 8. Tage übertreffen im Durch- messer von aussen nach innen die grössten vom 7. Tage sogar um das doppelte und ragen gleich weit in die Selera hinein und über die Oberfläche hinaus. Unter diesen Umständen wird man zu dem Schlusse kommen, dass die Papillen weit weniger durch fortgesetzte Zellvermehrung als durch ein Zusammenschieben oder durch ein Vordringen der bis zu einer gewissen Zeit ge- bildeten und mehr in der Fläche angeordneten Zellen die vom 684 M. Nussbaum: 8. Tage beschriebene pilzförmige Gestalt annehmeu. Mitosen sind um diese Zeit nicht im Epithel der Papillen aufzufinden, während sie in der nächsten Nachbarschaft, in der Keimschicht der Retina, in grosser Menge vorkommen. Das Epithel der Papillen auf und in der Conjunetiva selerae ist somit jetzt in die eigentliche Selera hineingedrungen, bleibt aber durch einen deutlichen Contour gegen das darunter gelegene und am 8. Tage leicht verdichtete Bindegewebe abgesetzt. 3ei dem nächstälteren Embryo von 8 Tagen 15!/, Stunden waren die Papillen der Form nach ungemein gegen die früheren Stadien verändert. Die Fig. 9 stellt einen Durchschnitt durch eine Papille dar, die mit ihren gegen das Bindegewebe gerich- ' teten mehrfachen Zapfen an frühere Stadien erinnert; nur ist, wie später genauer ausgeführt werden soll, der Zerfall der peri- pheren Zellen hier schon weiter vorgeschritten. Eine der im Laufe des 8. Tages vorhandenen Papillen glich der in Fig. 11 abgebildeten, wo ein einziger mächtiger Zapfen weit in das Bindegewebe hinabreichte und mit dem peripheren Theil zugleich das normale Niveau der Epidermis überragte. Die anderen Pa- pillen hatten alle eine abweichende Gestalt. Sie ragten wie Pilze mit breitem Hut oder einfachem etwas zur Seite gebogenen Schaft über die Epidermis hinaus; das unter ihnen gelegene Bindegewebe war verdichtet und die Zellen desselben so stark vermehrt, dass die hier gelegene Masse aus dieht nach Art der Epithelien aneinander gepressten Zellen bestand und in der Mitte der Papille selbst zapfenartig über das Niveau der Epidermis in den epithelialen Theil der Papille hineinragte, wie das in Fig. 10 dargestellt wurde. Mitosen im Bindegewebe solcher Papillen sind nicht selten; in Fig. 10 ist eine Mitose im Schnitt ge- troffen. Von anderen Papillen war nur ein von wenig verdiektem Epithel überzogener Krater zurückgeblieben; die Hauptmasse des Epithels der Papille war schon abgestossen worden; unter der vertieften Stelle der Epidermis waren auch in diesem Falle die Zellen des Bindegewebes stark vermehrt und lagen dicht ge- drängt mit gegenseitiger Abplattung da. In einer Papille, die wie eine junge Federanlage die Ober- fläche der Haut überragte, waren vereinzelte pigmentirte Zellen im Epithel nachzuweisen. Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 685 Die einzelnen in ihrer Form so verschiedenen Papillen hatten einen Querdurchmesser von 0,16 bis 0,21 mm. Am Anfang des neunten Tages waren die Papillen wie sie Fig. 9 von früheren Stadien darstellt, nicht mehr vorhanden. Daneben kam noch eine von der Gestalt der Fig. 11 vor, wo sich der Epithelzapfen keilförmig in das Bindegewebe einseukte und mit breitem Dach wie der Hut eines Pilzes die Epidermis überragte. Die übrigen Papillen waren von zweierlei Gestalt; die einen bildeten einen seichteren oder bei einigen auch tieferen slattwandigen Krater, der in das Bindegewebe hineinragte und im Innern zu Grunde gehende Zellen enthielt, während die dem Bindegewebe direet aufliegenden Epithelzellen verlängert waren. Der Krater schnitt aussen im Niveau der Epidermis ab. (Vgl. hierzu Fig. 15.) Andere Papillen glichen wieder, wie einige des vorhergehenden Tages, durchaus jungen Federanlagen. Die Epi- dermis ragte als schmaler Zapfen über die Hautoberfläche; in das Innere dieses Zapfen reichten die auch jetzt noch in Mitose befindlichen Bindegewebszellen hinein; doch war die Basis so- wohl als die Höhe dieses Bindegewebskegels gegen die Maasse heim nächst jüngeren Embryo wiederum verkleinert. Die Untersuchung eines Auges vom elf Tage alten Hühner- embryo zeigte die Papillen in weiterer Rückbildung. Vorhanden waren solche, die durch weitere Einschmelzung und Ausstossung der eentralen Zellen, wie sie noch in Fig. 15 übrig waren, zu kurzen Schläuchen sich umgewandelt hatten und die, dazu noch schräg getroffen, nur durch fünf 0,01 mm dieke Schnitte sich erstreckten. Im ersten Schnitt lag die Oeffnung des zusammen- geschrumpften Kraters und in dem folgenden ein weiterer Ab- schnitt, bis im fünften Schnitte das blinde Endstück der an- fänglichen Anlage vorlag. Günstiger getroffen ist ein solcher schlauchähnlicher Rest einer Papille vom elften Brütetage in Fig. 12. Daneben kamen nun noch auch flache gereinigte Krater vor und solche, wo an der Oberfläche noch zurückgebildete Zellen sich fanden wie in Fig. 16. Alle diese Rudimente sind von den inzwischen weiter vorgewachsenen Lidern jetzt bedeckt; während am zehnten Tage gelegentlich noch ein Papillenrest dieht am freien Rande des unteren Lides gesehen werden konnte. Im Allgemeinen sind schon am neunten Brütetage die Papillen ganz von den Lidern bedeckt. Das letzte an Schnittserien untersuchte Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 45 686 M. Nussbaum: Auge ist das eines Embryo vom dreizehnten Brütetage. Alle Papillen sind bis auf winzige Reste geschwunden; die Krater haben sich völlig gereinigt; alle degenerirten Zellen sind ausge- stossen und es sind nur Formen, wie sie in Fig. 13 u. 14 ab- gebildet sind, zurückgeblieben. Dabei erstrecken sich diese letzten Reste der in den mittleren Stadien so mächtigen Papillen nur durch drei bis vier Schnitte von 10 u Dicke. Zu den Fi- guren 13 u. 14 sei noch bemerkt, dass die dem Bindegewebe aufliegende Fläche (der Papillenreste nach rechts gewandt ist, wie alle übrigen Figuren dieser Tafel mit Ausnahme der Fig. 10, die der Raumersparniss halber so gedreht werden musste, dass das unter dem Epithel gelegene Bindegewebe in der Tafel nach links sieht und der Fig. 12 mit der Aussenfläche nach unten. Stellt man die Ergebnisse der bis hierher geförderten Unter- suchung zusammen, so findet sich, dass beim Huhn vom Ende des sechsten Brütetages bis etwa zum dreizehnten im Umkreise der Cornea auf und später auch in der Conjunetiva scelerae Pa- pillen entstehen und vergehen. Die erste Anlage entwickelt sich aus localen Epithelverdiekungen an Stellen der Conjunetiva, die auf dem vorderen Theile der eigentlichen Retina, also rückwärts von deren Pars eiliaris gelegen sind. Die breiteren, aber flachen Anfangstadien werden in verschiedener Weise umgewandelt, je nachdem das Bindegewebe in Mitleidenschaft gezogen wird oder nicht. Bei der Mehrzahl der Papillen betheiligt sich nämlich das Bindegewebe nicht am Aufbau derselben. Diese Art von epithelialen Wucherungen erhebt sich über die Epidermis und geht zugleich mit mehreren zapfenartigen Sprossen in das unter- liegende Bindegewebe hinein. Dann fliessen die unteren Zapfen zu einem Conus zusammen, die Papille wird höher und schmäler; zugleich aber entwickelt sich in ihren Zellen ein Degenerations- process, durch den die Zellen wieder zu Grunde gehen, so dass tiefe Krater entstehen, deren unterste epitheliale Zellenlage er- halten bleibt, während alle übrigen Zellen zu Detritus umge- wandelt und ausgestossen werden. Inzwischen wird der Rest der Papille zusammengepresst, so dass an manchen Stellen flache Gruben, an anderen kurze Schläuche zurückbleiben, die aber alle nach dem dreizehnten Tage verschwinden, so dass nach diesem Zeitpunkt eine ganz glatte Conjunetiva sclerae vorliegt. Bei einer geringeren Zahl von Papillen tritt das Bindegewebe Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 687 mit dem Epithel in Wettbewerb beim Aufbau. Es entstehen kurze Cylinder, die wie Federanlagen über die Haut hervorragen; aussen von Epithelien, innen von gewucherten und gegen einander abgeplatteten Bindegewebszellen gebildet werden. Auch diese Papillen werden allmählich schmäler und gehen wieder zu Grunde. Da die Degenerationsvorgänge in den Epithelzellen schon bald nach der ersten Anlage der Papillen auftreten und durch alle Stadien späterhin zu finden sind, so ist bei der Beschreibung der Form der Papillen auf diesen Vorgang in den Zellen selbst nicht näher eingegangen worden. Wenn hier nochmals betont wird, dass selbst in den wachsenden Papillen nur wenig oder zuweilen gar keine Mitosen gefunden werden, während die äussere Keimschicht der Retina sehr reich daran ist, so bleibt hier noch eine eingehendere Würdigung der Art zur Darstellung übrig, wie die Zellen zu Grunde gehen. IM. Die Degeneration der Zellen in den vergänglichen Papillen der Conjunctiva selerae des Hühnerembryo. Bei dem reich gegliederten Aufbau der Zelle lässt sich erwarten, dass auch ihre regressive Metamorphose unter ver- schiedenen Formen ablaufen könne. So sieht man beim Ver- schwinden transitorischer Organe, wie den Saugscheiben der Amphibien, alle Zellenbestandtheile gleichmässig eingehen, ohne dass man sagen könnte, einer derselben sei besonders an dein Alters- process oder allein ursächlich betheiligt, und die anderen würden erst secundär in Mitleidenschaft gezogen. In den zur Abstossung bestimmten Schüppehen der Epidermis schwinden Kern und Proto- plasma in gleich hohem Maasse; ebenso habe ich für die altern- den Zellen der Drüsen einen Protoplasma, Kern und Nebenkern sleichmässig betreffenden Schwund nachweisen können (s. d. Arch. Bd. XXI pag. 349 und Fig. 42). In anderen Zellen ist es da- gegen nur einer der Zellenbestandtheile, der durch die an ihm zuerst auftretenden Veränderungen die übrigen Theile secundär in Mitleidenschaft zieht, sie verdrängt und so schliesslich den Tod der Zelle herbeiführt. Bei der Untersuchung des Eierstocks vom Kaninchen stiess Flemming auf Follikel, die eine eigenartige, bis dahin nicht gekannte Umbildung erlitten; statt zu reifen, verfielen sie dem 688 M. Nussbaum: Untergang. „Offenbar“, sagt Flemming, „handelt es sich um eine Veränderung der Zellkerne in der Art, dass ihr Chromatin sich zu ecompacten Massen ballt, und dass der Kern darauf als abgegrenzter Theil überhaupt untergeht.* (His und Braune, Arch. f. Anatomie u. Entwiekelungsgeschichte 1885 pag. 222. Diese Erscheinung wurde von ihrem Entdecker mit dem Namen der Chromatolyse belegt; sie ist nachher öfter beschrieben worden und stellt einen Fall von Zellentod dar, wo der Zerfall durch Veränderungen des Kernes eingeleitet wird. Da es mir beim Studium der Rückbildungserscheinungen in den Papillen der Conjunctiva sclerae des Hühnerembryo darum zu thun war, ein möglichst grosses Material zur Vergleichung kennen zu lernen, so habe ich das Kaninchenovarium ebenfalls zur Untersuchung herangezogen und dabei die von Flemming beschriebenen und abgebildeten Veränderungen sämmtlich wieder- gefunden. Die Flemming’sche Fig. 16 gibt aber die Gewiss- heit, dass der Vorgang, der schliesslich zum Zerfall der Zellen führt, wenn man sich der Flemming schen Auffassung an- schliesst, kein einheitlicher, kein bei allen Zellen gleichartiger sein kann. Diese Fig. 16 enthält mehrere Follikelzellen, die am Rande eines Eies der Zona pellueida anhaften; aufwärts davon liegen stark veränderte Reste von Zellen. Die erste Zelle links in der oberen Reihe lässt um den chromatolytisch veränderten Kern einen Zelleneontour erkennen; der Raum zwischen Kern und Zellengrenze ist ganz hell, genau so wie in meiner Fig. 45 bei a. Es gibt aber auch ganz gleiche Zellen, wie in der Flemming schen Fig. 4 beia und in meiner Fig. 4), wo der Zellinhalt eine dem Protoplasma der normalen Zellen gleiche Färbung besitzt. Die m Flemming'’s Fig. 16 weiter nach rechts auf die oben beschriebene Zelle folgende Masse ist im Innern hell ge- halten und hat am Rande das Uhromatin in ähnlicher Weise gruppirt, wie der Kerm der ersten, links gelegenen Zelle. Alle übrigen Zellenreste sind in ihrem Innern dunkel und entsprechen nach Flemming in abnehmender Grösse den aufeinanderfol- senden Stadien der Chromatolyse, sind also Zellen, deren Kern- contour fehlt, während das Chromatin der Kerne, zu compacten Massen vereinigt sich im Protoplasma findet. Die Präparate aus Osmiumsäure verhielten sich dabei von Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 689 den in Flemming’scher Lösung gefärbten verschieden, da bei den mit Osmium behandelten Övarien noch feine schwarze Tröpfehen hervortraten, die bei der anderen Härtungsmethode entweder nachträglich ausgezogen oder nicht intensiv ganz geschwärzt worden waren. Doch gibt es, wie Flemming selbst hervor- hebt, auch noch grössere Zellen in den Osmiumpräparaten von Follikeln, die schon stark geschrumpft sind. Diese Zellen ent- halten einen kleinen Kern, geschwärzte Körnchen und dieselben Brocken wie die kernlos gewordenen Zellen. Schliesst man die inFlemming'scher Lösung gehärteten Präparate nicht in Lack, sondern in verdünntem Glycerin en, so kann man auch an ihnen die feinen schwarzen Körnchen erkennen, wie sie von Flemming an ÖOsmiumsäurepräparaten beschrieben werden. Die chemische Natur dieser feinen Körnchen wird noch festzu- stellen sein. Wie Flemming schon hervorgehoben hat, werden die Zellen aber nicht in der Weise verändert, dass sie bis zum Unter- gang an Ort und Stelle verbleiben und, was die Beurtheilung der Befunde erschwert, es kommen die verschiedensten Stadien der Rückbildung dicht neben lebenskräftigen in mitotischer Thei- lung befindlichen Zellen in allen Phasen des Follikelschwundes vor. Dabei werden die Zellen in ihrem Verband gelockert und man findet im Liquor follieuli unveränderte Zellen, Kugeln ver- schiedener Grösse mit oder ohne Chromatinbrocken, sowie freie Kerne. Demnach muss es möglich sein, dass das Protoplasma in manchen Fällen noch früher zerfällt als der Kern. Die Kugeln im Liquor follieuli sind feinkörnig und etwas dunkler als das Protoplasma der noch nicht degenerirten Zellen. Das Chromatin in den Kugeln ist sehr verschiedenartig angeordnet: oft in einem dicken Kom, oft in zwei, drei, vier und mehr kleinen Massen. In manchen Chromatinbrocken ist eine helle eentrale Zone vor- handen; in anderen schmiegt sich das Chromatin in Hufeisenform um diese helle Partie. Die Kerne der noch nicht veränderten Zellen enthalten ausser dem Chromatin noch ein feines Gerüst und befinden sich in allen Stadien der Ruhe und der mitotischen Theilung. Manche Kerne sind gelappt wie bei Fig. 45c; in diesen Kernen fehlt ein Gerüst, und das Chromatin ist in dicken Massen zusammengedrängt. Zu allen diesen Bildungen treten aber noch solche hinzu, 690 M. Nussbaum: welche ich von anderen Objeeten her kannte, und die weiter unten bei diesen ausführlicher beschrieben werden sollen. Das sind verdichtete Protoplasmamassen neben dem Kerm wie in Fig. 41 und in 45 bei 5b, d und e. In den Zellen 5 u. d schmiegt sich der Kern der Form dieses Körpers, des Nebenkernes, an. Daneben gibt es andere Zellen, in denen die verdiehtete Proto- plasmakugel ein gefärbtes Korn enthält, wie in Fig. 42 und in 45 f. In Fig. 43 ist eine Zelle dargestellt, die neben dem Kern noch eine vacuolisirte Protoplasmakugel enthält. Bei einem solchen Befund ist es das Wahrscheinlichste, dass der Untergang dieser Zellen kein einheitlicher sein kann. In manchen Zellen gehen die ersten Veränderungen vom Kern aus, wie es Flemming unter dem Bilde der Chromatolyse beschrieben hat. In anderen wird vor dem Kern das Protoplasma zerstört, und in einer dritten Art von Degenerationserscheinungen gibt ein Körper neben dem Kern im Protoplasma den ersten An- stoss zum baldigen Tod der Zellen. Bei dieser letzten Form gehen Protoplasma und Kern allmählich zu Grunde; ein spätes Stadium einer soleh veränderten Zelle ist in Fig. 45 bei 2 abge- bildet. Diese Form ist auch von Flemming gefunden und abgebildet worden, wenn er auch über ihr Wesen keine endgültige Meinung sich bilden konnte (l. e. pag. 230 und Fig. 155). Neben dem geschrumpften und stark verkleinerten Kerne liegen in der Zelle eine grosse Zahl von dunkeln Kugeln; in einigen dieser Kugeln ist ein gefärbtes Korn oder auch mehrere vorhanden. Diese kleinen Kugeln sind durch Theilung oder besser gesagt Zerfall der anfänglich zu einer grösseren Kugel herangewachsenen neben dem Kern gelegenen Masse entstanden, wie das mit Sicher- heit aus der Analogie bei anderen Organen geschlossen werden kann. In allen Fällen macht das Chromatin, sei es das der Kerne oder der Nebenkerne, eine Reihe von mechanischen oder chemischen Veränderungen durch, die Flemming treffend mit dem Namen der Chromatolyse bezeichnet hat. Nur ist das Kaninchenovarium kein geeignetes Objeet, die Reihenfolge der Erscheinungen mit absoluter Sicherheit zu erkennen, denn nicht allein kommen die regressiven Veränderungen in verschieden grossen Follikeln alle nebeneinander und mit normal mitotisch sich theilenden Zellen gemischt vor; es sind auch viele sicher nicht zusammengehörige Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 691 Processe nebeneinander vorhanden, die alle den Tod der Zellen ein- leiten und herbeiführen, so dass mir die oben gegebene Deutung bis jetzt die wahrscheinlichste zu sein scheint. Nur so viel steht fest, was ja schon Flemming gefunden und betont hatte, dass die geschilderten Veränderungen zum Untergang von Zellen führen. Befriedigender in den Ergebnissen sind die Beobachtungen, die man bei der Linsenentwiekelung mancher Wirbelthiere anzu- stellen im Stande ist. Geht man die einzelnen Stadien der Linsenentwickelung beim Lachsembryo durch, so kann man am 18. Tage die Ver- diekung der Grundschicht des Eetoderm, die vor der Augenblase erfolgt ist, als erste Linsenanlage deutlich erkennen. Alle Zellen sind frei von Einlagerungen. Dasselbe gilt vom folgenden, dem 19. Tage, wenn die Linse sich als kugelförmiger Zapfen, der noch mit der Grundschicht der Haut zusammenhängt, in die Augenblase eingestülpt hat. Am 20. Tage fand sich in dem Pfropf untergehender Zellen, die später für einige Zeit im halbmondförmigen Spalt zwischen vorderem und hinterem Linsen- epithel liegen, eine einzige Zelle, die ausser dem Kern noch eine kleine Kugel mit feinem centralen in Hämatoxylin gefärbtem Korn enthielt. Vom 21. Tage an wiesen mehrere Zellen, die aber alle in dem centralen Pfropf lagen und in dem sogenannten Linsen- stiel, das ist der Verbindungsstrang zwischen der noch nicht ab- geschnürten Linse und dem Eetoderm, solche Veränderungen auf. Die Kugeln waren grösser geworden und die gefärbten Körner nicht mehr solitär, sondern zu zweien, dreien oder vieren und bedeutend grösser als am Tage vorher. Auch jetzt lagen diese Kugeln in Kern- nischen; oft deckte der Kern sie wie ein übergreifendes Dach. Der Process machte am 22. und 23. Tage Fortschritte; am 24. lagen in dem Spalt zwischen vorderem Linsenepithel und Linsenkern losgelöste Zellen mit den beschriebenen Kugeln neben dem Kern, freie Kerne und freie Kugeln. Dieselben Bildungen kommen auch vereinzelt in der Abschnürungsnaht des vorderen Linsenepithels und des Eetoderm vor. Die Linse ist um diese Zeit völlig abgeschnürt und das Mesoderm wuchert zwischen Linse und Ecetoderm von der Seite her vor, um die Linse gänzlich von ihrem Mutterboden zu trennen. Bei 27 Tage alten Embryonen ist die Zahl der in der Linsenhöhle gelegenen Zellenreste geringer geworden; sie sind 692 M. Nussbaum: am 28. Tage noch vorhanden; sie fehlen am 30. Tage und kommen auch am 32. Tage und später nicht mehr vor. Die Figuren 35 bis 39 der Taf. XXXVII geben ein Bild der fortschrei- tenden Veränderungen in den Zellen der Linse, die schliesslich zu Grunde gehen. Dabei ist zu bemerken, dass die Anfangsstadien der Veränderungen nicht allein bei den jüngsten, sondern auch bei den älteren Embryonen gefunden werden; die Endstadien kommen dagegen ausschliesslich bei den älteren Embryonen vor, so dass wohl alle von der Veränderung befallenen Zellen absterben, aber nicht alle zu gleicher Zeit in demselben Stadium der Degene- ration gefunden werden. Der Vorzug dieses Objectes besteht in der Grösse seiner Zellen, der genau zu controllirenden Aufeinanderfolge der Phasen und besonders in dem Umstande, dass die Zellengrenzen sehr lange deutlich erhalten bleiben; während dies beim Follikelepi- thelsehwund im Kaninchenovarium nicht der Fall ist. Um sich von der Natur der beschriebenen chromatin- oder nicht chromatin- haltigen Kugeln zu überzeugen, sind feine Schnitte durch die ver- schiedenen Entwickelungsstadien der Linse, die in Sublimatessig- säure gehärtet und mit Hämatoxylin gefärbt in Lack eingeschlossen, genügend. Am elegantesten und durchaus leicht anzufertigen sind Präparate, die man am 23. Tage, wenn die Linse sich abschnürt, von der vor dem Auge gelegenen Epidermis und dem Linsenstiel erhält. Man umschneidet oberflächlich die Haut des Auges bei einem gehärteten und gefärbten Embryo und hebt mit einer feinen Nadel das Präparat ab, von dem noch die mit- gerissene Linse entfernt wird; der Rest wird in verdünntem Gly- cerin eingeschlossen. Dann zeigen sich in dem, mikroskopisch betrachtet, grossen Präparat Degenerationserscheinungen nur in der Linsengegend, und alle Stadien der Veränderungen können mit der grössten Einfachheit als in den Zellen ablaufend erkannt werden. Die Zellengrenzen des Eetoderm und des Linsenstieles sind an den Sublimatessigsäurepräparaten ganz scharf, und nirgend- wo entsteht ein Zweifel, ob die veränderte Zelle noch den Werth einer Zelle habe, wie das beim Kaninchenovarium gar zu oft der Fall ist. Bei der Entwickelung der Lachslinse gehen somit ge- wisse Zellen auf folgende Art zu Grunde. Es entsteht neben dem Kern eine kleine und im Vergleich zum Protoplasma dichtere Kugel, worin bei fortschreitendem Wachsthum ein oder auch Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 693 mehrere gefärbte Körner auftreten. Der Farbenton dieser Körner ist gesättigter, als der des Chromatins der meisten Kerne und wird nur erreicht von den Chromatinschleifen während der Mitose. Durch Vermehrung der Kugeln wird der Kern verdrängt, einge- drückt; die Zelle wird gedehnt, bis sie durch Druck zu Grunde geht. Das Chromatin der Kugeln, die neben dem Kern auftreten, wird später vacuolisirt und nimmt dabei oft Hufeisenform an, wie in Fig. 39 und 46, oder es zersplittert in der Kugel (siehe Fig. 46). Die Zelle platzt schliesslich und geht zu Grunde; als Endstadien findet man geschrumpfte Kerne, kleine Kugeln mit und ohne Chromatin. Beim Epithelschwund im Eifollikel des Kaninchen kommen aber, wie wir zeigen konnten, neben den von Flemming be- schriebenen Veränderungen auch solche, wie in den schwindenden Epithelzellen der entstehenden Lachslinse vor. Man braucht nur die Figuren 41 und 455, d, g und weiter 42 und 45 f, hundi mit den vom Lachs gegebenen Stadien der Reihe nach zu ver- gleichen. Von der Vacuolisirung der Chromatinkugeln in beiden Objeeten genügen vom Lachs Fig. 539 und vom Kaninchenovarium Fig. 44 zur Vergleichung. Ueber einen Theil dieser Erscheinungen ist auch bei der Beschreibung der Linsenentwickelung von Rabl!) und mir?) be- richtet worden. Rabl legt den Einlagerungen in den Zellen nur eine untergeordnete Bedeutung bei und spricht sich über den Vorgang beim Kaninchen folgendermaassen aus: ‚Schon zur Zeit, wenn die Einstülpungsöffnung noch sehr weit ist, bemerkt man in den Zellen, welche die Oeffnung begrenzen, einzelne, stark liehtbreehende homogene Körner; dieselben verhalten sich gegen Färbemittel ganz so wie die chromatische Substanz der Kerne, sind aber von dieser leicht zu unterscheiden, da sie ganz ausser- halb der Kerne liegen. Ich glaube nicht, dass sie auf den Zer- fall von Kernen zu beziehen sind, sondern halte sie für Zellein- lagerungen oder Zellproducte mehr secundärer Art.“ Rabl hat den Vorgang als einen solchen aufgefasst, der zwar zum Untergang von Zellen führt, aber mit der von Flem- ming geschilderten Chromatolyse nicht in Zusammenhaug ge- 1) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie Bd. 65, pag. 307 und Bd. 67, pag. 5. 2) Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges. 694 M. Nussbaum: bracht werden kann. Meine Untersuchungen hatten mich gleichfalls (lavon überzeugt, dass hier ein wirklicher Degenerationsvorgang vorliege. Da aber die mir damals gestellte Aufgabe keine weitere Veranlassung bot, den beiläufigen Fund zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung zu machen, so deutete ich die mir be- kannt gewordenen Erscheinungen im Sinne Flemming's. Weder Rabl noch mir ist aber zu jener Zeit die ganze Folge der Veränderungen bekannt geworden. Die ersten Veränderungen gehen nicht vom Kern aus, sondern von einem Körper, der neben dem Kern gelegen ist. Da mir dies erste Stadium, vgl. Fig. 35, früher entgangen ist, so war mir nicht aufgefallen, dass um diese Zeit und auch später noch, vgl. Fig. 36 und 37, der Kern mit Bezug auf seinen Chromatingehalt noch nicht verarmt oder deut- lich verändert ist; ich schloss aus Bildern wie Fig. 38 und 39, wenn der Chromatinschwund des Kernes schon deutlich geworden war, entsprechend den durch Flemming begründeten An- schauungen jener Zeit, dass das Chromatin nicht nur aus dem Kern geschwunden, sondern in die Nebenkerne übergetreten sei. Diese Auffassung kann aber nicht festgehalten werden. Wenn ich auch nieht nachweisen kann, wie die färbbare Substanz in den verdichteten protoplasmatischen Kugeln sich entwickelt, ver- mehrt und theilt, so entsteht sie doch unabhängig vom Kern. Die Schrumpfung des Kernes und die Abnahme seines Chroma- tins tritt erst später auf. Bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse vom Aufbau der Zelle könnte man daran denken, dass das ÜCentrosom hierbei in Frage käme. Dies zu entscheiden ist mir an meinen Objecten nieht gelungen; da die Centrosomen nur als feinste gefärbte Punkte in solchen Zellen erschienen, wo an der achro- matischen Spindel die Pole noch nieht abgeplattet waren, und die Chromatinschleifen im Aequator der Spindel Jagen. In den ruhen- den Kernen waren COentrosomen nicht zu erkennen. Vielleicht ist aber entweder mit verbesserten Methoden an diesem Object, oder auch an geeigneterem Material eine Aufklärung möglich; wie man ja auch den Nebenkern der Hoden und Drüsenzellen mit der Zeit in Beziehung zum Centroson und seiner Sphäre gebracht hat. Dann würde in unserem Falle die Degeneration der Zelle von einer Hypertrophie mit nachfolgendem Zerfall des Neben- kernes eingeleitet werden. Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 695 Mit Bezug auf die Schilderung des Zellenzerfalles in den vergänglichen Papillen der Conjunctiva selerae des Hühnerembryo würde man vor Allem die Thatsache hervorzuheben haben, dass es sich ohne jeden Zweifel um Degenerationsvorgänge in diesem Falle handelt; da man das Entstehen und Vergehen der Papillen genau verfolgen kann. Als weiterer besonderer Vorzug dieses Objeetes, den es mit der Fischlinse gemein hat, muss der Um- stand betont werden, dass die Zellen als solehe, auch wenn die Erscheinungen des Zerfalles beginnen, noch lange erhalten bleiben, so dass man über die Natur des Vorganges nicht ge- täuscht werden kann. Auch hier beginnt die regressive Meta- morphose mit dem Auftreten einer verdichteten Protoplasmakugel neben dem Kern (Fig. 28 u. 29), der selbst nicht verändert ist. Die Protoplasmakugel wächst, und in ihr treten (Fig. 31) ein oder zwei färbbare Körner auf. (Als Farbstoffe wurden wie auch bei den anderen vorher geschilderten Objecten, Hämatoxylin, Safranin und M. Heidenhain‘s Gemisch benutzt). Die Zahl der Kugeln nimmt unter Verdrängung des Kernes und Vergrösse- rung der Zelle zu; es ist wahrscheinlich, dass sie durch Theilung aus der ursprünglichen Kugel entstehen, da sie kleiner sind und nur ein färbbares Korn enthalten; ausserdem treten feine durch Osmiumsäure geschwärzte Körnchen in dem Zellprotoplasma auf, die mit den durch Osmiumsäure stark gebräunten festen Kerm- bestandtheilen und den färbbaren Körnern der Kugeln, vom Ss. Tage an, den Papillen den tiefdunklen Farbenton im Gegen- satz zur Umgebung verleihen (vergl. Fig. 2.) Schliesslich platzen die Zellen und entleeren ihren Inhalt an die Oberfläche der Papillen als Detritus, worauf dann der gänzliche Schwund des nur kurze Zeit bestehenden Gebildes erfolgt. Ganz vor Kurzem sind mehrere Beobachtungen über Rück- bildung von Zellen erfolgt, die wahrscheinlicherweise zu dem hier geschilderten Process in näherer Beziehung stehen. Da die Veröffentlichung der betreffenden Abhandlungen aber erst nach dem Absehluss meiner Untersuchungen erfolgte, und mir somit keine Gelegenheit zur Nachuntersuchung geboten war, so werde ich an anderer Stelle später darauf zurückkommen. Es erübrigt hier noch eine Besprechung anzuschliessen, über die etwaige Bedeutung der vergänglichen Papillen, die sich für wenige Tage in der Conjunctiva sclerae des Hühnerembryo vorfinden. 696 M. Nussbaum: Wie die voraufgehende Beschreibung dieser Bildungen er- giebt, betheiligt sich an ihrem Aufbau vorzugsweise das Eeto- derm; in ganz wenigen Fällen geräth auch das Mesoderm unter- halb der Papillen in Wucherung und dringt auf kurze Strecken in das massige Ectoderm ein. Der Gedanke an rudimentäre Schuppen- oder Federbildung lag somit recht nahe. Da es aber auf der Sclera des Hühnerembryo zu keiner wirklichen Feder- bildung kommt, so werden auch nur die ersten Stadien der Federentwicklung zum Vergleich herangezogen werden können. IY: Die erste Anlage der Vogelfeden. Ueber die ersten Anlagen der Vogelfeder liegt zur Zeit, soviel mir bekannt geworden, als neueste Untersuchung die Ar- beit Maurer’s aus dem Jahre 1892 vor. Maurer bildet einen senkrechten Schnitt durch die Nacken- haut eines Hühnerembryo vom 8. Brütetage zur Demonstration der ersten Federanlage ab. Für ein späteres Stadium wählt er einen gleichen Schnitt vom 10. Brütetage. Verfolgt man die Federentwieklung makroskopisch vom ersten Anfange an am unversehrten Embryo, so erkennt man, dass sie vom Rücken aus nach dem Nacken zu vorschreitet. Genauere topographische Angaben gehören nicht hierher. Es ist aber wichtig hervorzu- heben, dass man an Längsschnitten die Stadien der Entwicklung hintereinander gelegen findet; kopfwärts die jüngsten. Dies ist, wie es scheint, bisher übersehen worden; wenigstens kann es Maurer nicht aufgefallen sein. Sodann ist es nicht gleich- gültig, welche Flüssigkeit zur Erhärtung der Haut verwandt wurde. Beim Einbetten verzieht sich leicht das Hautstück, so- dass senkrechte Schnitte schwerer als bei glatt liegenden Prä- paraten gewonnen werden können. Da Maurer über die Art der Conservirung der von ihm benutzten Embryonen keine Angaben macht, so kann ich nur über meine eigenen Erfahrungen in Betreff dieses Punktes be- richten. So werthvoll beim Studium der Lachsembryonen gerade die Sublimatessigsäure ist, so unbrauchbar ist sie geradezu beim Hühnehen. Die Haut wird gerunzelt und in dem Eetoderm jede Zellgrenze undeutlich. Dagegen leistet die Vorbereitung in Flemming’scher Lösung Vorzügliches. Die Haut bleibt glatt, Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 697 die Zellgrenzen sind überall deutlich; die Kernstrueturen sind mit Hülfe von Safraninfärbung gut darstellbar. Der Nach- theil der Sublimatpräparate, wegen der Runzelung der Haut nicht überall senkrechte Schnitte erhalten zu können, fällt bei den Präparaten aus Flemming’scher Lösung weg; ebenso die Verzerrung von Hautstücken aus Sublimatessigsäure während der Vorbereitung zum Einbetten in Paraffın. Maurer beschreibt nun als erste Anlage der Vogelfeder eine Coriumpapille, über die das Eetoderm (die Epidermis Maurer) zumeist glatt und unverändert fortziehe. Die darauf folgende Verdickung des Eetoderm beruhe auf einer Vermehrung der intermediären Zellenlage, die naturgemäss von der tiefsten Epithellage aus stattfinde (pag. 747). Die Zellen dieser tiefsten Lage nähmen aber niemals eine hohe Pallisadenform an, sondern glichen stets völlig den Zellen der tiefsten Lage der angrenzenden Epidermis (ebenda). In einem etwas späteren Stadium wird nach Maurer die Lederhautpapille höher. Das Bindegewebe wuchert; es ist unge- mein zellenreich und enthält ausser dem weiten und mächtig entfalteten Bluteapillarnetz auch deutlich Nervenfasern. Die Papille steht nicht mehr senkrecht, sondern ist schräg geworden; das Epithel an der oberen Fläche ist dieker geworden, als das an der unteren Fläche der umgebogenen Papille. — Nachdem sich mir gezeigt hatte, dass an verschiedenen Körperstellen die ein- zelnen Stadien der Federentwicklung eine bestimmte, an die Oert- lichkeit gebundene, regelmässige Aufeinanderfolge bieten, legte ich mehr Werth auf die Vergleichung der Anlagen einer zuvor mit der Lupe genau durchmusterten Gegend der Haut ein und desseiben Embryo, als auf die Durchmusterung verschiedener Hautstücke ungleich alter Embryonen und gebe in Fig. 25 einen Längsschnitt durch die Nacken- und Rückenhaut eines 8 Tage alten in Flemming'’scher Lösung conservirten Hühnerembryo. Die Nackenregion liegt in der Figur nach oben. Bei den schwachen Vergrösserungen treten die Zellen nur als feine Punkte hervor. Das Eetoderm ist gleichförmig schwarz in der Figur gehalten; im Corium der Haut sind die im Präparat als feine gefärbte Pünktchen sichtbaren Kerne der Zellen mit dem Zeichen- prisma möglichst genau in ihrer Zahl und Lage eingetragen worden; ebenso die Umrisse der sichtbaren Blutgefässe des Corium, 698 M. Nussbaum: An diesem Schnitt fällt es auf, wie das Eetoderm und Meso- derm, je mehr man der Zone der ausgebildeten Federpapillen sich nähert, beide in ihren Zellen einen lebhaften Vermehrungsprocess aufweisen. Die obere Nackenregion hat eine dünne Eetoderm- decke, die sich nach abwärts zu in eigenartiger Weise unter Arcadenbildung verdickt, bis sie in der Gegend der unteren deut- liehen Federpapille über der Mitte der Papille höher erscheint und auch etwas in die Coriumpapille eingesenkt, während sie zwischen den Papillen b und e zwar nicht so niedrig als in der Nackengegend, aber doch merklich niedriger als auf der Höhe der Papillen ist. Untersucht man das Eetoderm auf Flächenbildern von ver- schieden alten Embryonen, so zeigt sich, dass schon gegen den siebenten Tag eine zweischichtige Lage von Zellen vor- handen ist, und dass in beiden Lagen noch Mitosen gefunden werden. Dabei vermehren sich nicht allein die Zellen vom siebenten bis gegen den zehnten Tag, sie nehmen auch an Grösse zu, wie ein Vergleich der beiden bei gleicher Vergrösserung ent- worfenen Flächenbilder vom sechsten (6'/,) Tage in No. 17 und neunten (9'/,) Tage in Fig. 18 ohne Weiteres ergiebt. Die Zeich- nungen sind mit Hülfe der Camera durch Projeetion der höheren Lagen auf die zuerst copirte tiefere Lage von Zellen angefertigt. Durch verschieden dunkle Tönung ist die Lage der Kerne an- gedeutet; die tiefste Lage ist am dunkelsten gehalten. Nur die Grenzen der äussersten Lage sind angegeben. In Figur 17, von der in Flemming’scher Lösung eonservirten Rückenhaut eines 6 Tage 15 Stunden alten Hühnerembryo, ist eine Stelle seitlich zu den nahe der Mittellinie schon vorhandenen Federanlagen dargestellt, aber auf der linken Seite oben und unten nicht alle Kerne der tieferen Lage eingezeichnet. Es sind nur zwei Zellen- lagen vorhanden; in zwei Zellen der oberen Lage sind die Kerne in Mitose begriffen. Fig. 15 ist in gleicher Weise nach einem Präparat eines in Flemming scher Lösung eonservirten 9 Tage 15 Stunden alten Hühnerembryo entworfen und stellt das Epithel dar, wie es auf einer jungen Federpapille vorkommt. Auch hier sind nicht alle Zellen der tieferen Lagen gezeichnet, sodass blos das Mittelfeld eine genaue Vorstellung über die Anordnung der Zellen zu geben im Stande ist. Es sind hier drei Lagen von Zellen vorhanden; auf eine Zelle der Oberfläche kommen zwei Fur Rückbildung embryonaler Anlagen. 699 der mittleren Lage; in das Areal der oberen Zelle ragen dann noch zwei Zellen, die zum Haupttheil unter benachbarten Zellen der Oberfläche gelegen sind, hinein; von Zellen der dritten, tiefsten Lage, im Bild am dunkelsten gehalten, weil sie höher sind, als die übrigen, kommen hier auf die eime mittlere Zelle der ober- flächlichen Lage fünf, und noch vier ragen zum Theil in ihren Bezirk hinein. An weiter abwärts gelegenen Theilen der Rücken- haut desselben Embryo lassen sich derartige Flächenbilder nicht mehr gewinnen, weil beim Abheben der Haut die dieken Feder- papillen undurchsichtig bleiben. Aus den Flächen-Bildern und den an Quer- oder Längsschnitten der Haut sich ergebenden lässt sich mit Sicherheit folgern, dass zur Zeit der ersten Stadien der Federentwieklung zwei Zellschichten des Eetoderm vorhanden sind, von denen jede vermehrungsfähig ist. So liegt in Fig. 19, 21, 23 und 26 je eine Mitose in der oberflächlichen Schicht, in Fig. 20 und 22 finden sich Mitosen in der tieferen Sehicht, die namentlich auf der Höhe der Federpapillen bedeutend länger ist, als an den anderen papillenfreien Stellen der Haut. Die intermediäre Schieht entsteht somit zu einer Zeit, wo noch beide schon vorhandenen Zellenlagen des Eetoderm sich mitotisch ver- mehren. Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass sie zum Theil von der oberflächlichen Schicht gebildet wird, und dass sogar durch Verschiebung ihre Zellen in die untere Epithelschicht einge- reiht werden. Sie ist nicht an allen Stellen ziemlich weit ent- wickelter Papillen nachzuweisen, und wo sie fehlt, wie in Fig. 19, kommen in der äusseren Epithelschieht Stellungen getheilter Zellen vor, die ebenso gut eine Verschiebung in der Fläche, als nach der Tiefe zu einleiten könnten. In Fig. 20 ist die inter- mediäre Schicht ebenfalls nicht eontinuirlich; man kann aber aus diesem Bilde nicht ohne Weiteres eine Betheiligung der äusseren Epithelschicht an ihrer Bildung nachweisen. Mir scheint die intermediäre Schicht ein Zwischenstadium unfertiger Lage- rung schnell durch Vermehrung entstandener Zellen zu sein, ohne dass ihr eine besondere Bedeutung als einer selbständigen Schicht zukäme, sonst müssten ihre Zellen regelmässiger gelagert und zahlreicher sein, als sie sind. Wenn später die Papillen wachsen, wird ihr Epithel wie die ganze Epidermis mehrschichtig; es tritt ein neuer Wucherungsprocess ein, der nach aussen verhornte Epithelien und gegen den bindegewebigen Kern der frei aus der TOO M. Nussbaum: Haut hervorragenden Federanlage wulstige, in Rosettenform an- geordnete Verdiekungen liefert. Diese Erscheinungen zu be- sprechen, geht aber über die hier zu ziehende Grenze der Unter- suchung hinaus. Es gilt zwischen der ersten Anlage der Pa- pillen der Selera und der ächten Federn Vergleichungspunkte aufzufinden, die naturgemäss auf die ersten Stadien beschränkt sein müssen, da die Selerapapillen wieder vergehen, ehe sie eine definitive Ausbildung erlangt haben. Die ersten Veränderungen des Eetoderm, die zur Anlage von Federn führen, bestehen somit in einer Verlängerung der unteren Zellschieht, Vermehrung sowohl in ihr als der äusseren Zellenlage und im Auftreten einer diseontinuirlichen intermediären Schieht. Die stark verlängerten Zellen der tiefsten Sehieht nehmen mit dem Fortschreiten der Entwicklung an Länge wieder ab. Die anfängliche Verlängerung der Zellen auf den Papillen ergiebt sich aus einem Vergleich des Eetoderm der Lider vom neuntägigen Hühnerembryo an einer papillenfreien (Fig. 6) und einer papillentragenden Stelle (Fig. 19). Studirt man die mit den Veränderungen des Epithels gleich- zeitig erfolgenden Umwandlungen und Neubildungen im Binde- gewebe, so ergiebt sich an der Hand der beigegebenen Abbil- dungen das Folgende. An der Rückenhaut des achttägigen Hühnerembryo (Fig. 25) ist in der Nackenregion unter dem Eetoderm eine von spärlichen Zellen gebildete mesodermale Unterlage, in der Corium und sub- eutanes Bindegewebe noch nicht unterschieden sind. Das Meso- derm wird von Blutgefässen und an Flächenpräparaten in Flem- ming scher Lösung conservirter Embryonen auffallend deutlich sichtbaren Nervenplexus und -Fasern durchzogen. Die weiter gegen den Rücken zu gelegenen Abschnitte des Präparates zeichnen sich vor Allem dadurch aus, dass die unter dem Eetoderm ge- legenen Partien zellenreicher werden, entsprechend den Arcaden des Eetoderm in verschieden weiten Abständen sich vorbauchen (Fig. 22 u. 26) und so in Gegensatz zu den tieferen Lagen des Mesoderm gerathen, die wie in der Nackenregion zellenarım bleiben. Es entsteht somit, wenn im Nacken noch keine Diffe- renzirung eingetreten ist, am Rücken schon Corium und subeu- tanes Bindegewebe. Während die Zellen des Mesoderm sich vermehren, haben sie schon Fibrillen gebildet gehabt, wie siclı Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 701 aus den einzelnen Zellen der Fig. 47 ergiebt. Es tritt aber später eine eigene Umwandlung dieser Zellen auf, wenn im Corium dieht unter dem Eetoderm die Vermehrung so schnell vorschreitet, dass an einzelnen Stellen diehte Haufen von Binde- gewebszellen auftreten. Die Zellen platten sich dann nach Art von Epithelien gegen einander ab und liefern Bilder, wie sie in Fig. 23 und 24 sich finden. In Fig. 23 ist die ganze Dicke der Papille mit der oberen Schicht des Unterhautbindegewebes in einem kleinen Ausschnitt wiedergegeben, um den Unterschied der Zellen, wenn sie zur Bildung der Papillen sich anhäufen, gegen ihre frühere Gestalt, die sie auch dann noch im Unter- hautbindegewebe beibehalten, zu zeigen. Die Zunahme der Binde- gewebszellen von der Halsgegend (Fig. 21) gegen den Rücken abwärts (Fig. 22) ist so auffallend, dass sie keiner weiteren Be- schreibung bedarf; ich betone besonders den Umstand, dass die Zellen durch Mitose sich vermehren, wenn sie schon histogenetisch sich bethätigt haben, wie ich dies zuerst für die Drüsenzellen des Pankreas nachgewiesen habe '.. Wird die Vermehrung, wie es in der That geschieht, geradezu überstürzt, so hört für eine Zeit lang die Gewebebildung ganz auf, und es entstehen in den schwellenden Papillen Zellenlagen, die ganz den Eindruck von Epithelien machen. Die Entstehung der Papillen erfolgt also bei der ersten Anlage der Federn durch eine gleichzeitige Reaction im Epithel und Bindegewebe; das folgende Stadium, die Hervorwölbung der Papille über die Haut, geht vom Bindegewebe aus, während die definitive Ausgestaltung der Feder nicht allein vorzugsweise dem Epithel zufällt, sondern auch von theilweisem Schwund des Bindegewebes begleitet ist. Nach dem Gesagten bleibt zwischen der Entstehung der Papillen der Conjunetiva selerae der Hühnerembryonen und den ersten Anlagen der Federn ungemein wenig Aehnlichkeit übrig. Vor Allem betheiligt sich das Bindegewebe nicht in der Weise bei den Selerapapillen wie bei der Bildung der Federn; da nur in vereinzelten Fällen der massive epitheliale Propf der Selera- 1) Dieses Archiv Bd. 21, pag. 335 und Taf. 18, Fig. 44. In der- selben Abhandlung habe ich auch nachgewiesen, dass das Pancreas des Salamanders aus Schläuchen bestehe; auch sind dort intraepi- theliale Drüsen beschrieben und abgebildet. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 46 702 M. Nussbaum: papillen einen Bindegewebskern enthält. Es muss somit vor- läufig unentschieden bleiben, ob in den vergänglichen Papillen der Conjunetiva scelerae des Hühnerembryo Bildungen vorliegen, wie sie dem fertigen Individuum zukommen, oder ob es nur An- deutungen von Organen seien, welche in der Phylogenie weit zurückliegen und bei der untersuchten Klasse gar nicht zur Aus- bildung gelangen. Es wäre aber auch möglich, dass die schon bald nach dem Erscheinen der Anlagen auftretende Zellen- degeneration auf der Conjunetiva sclerae des Hühnerembryo Formen schafft, wie sie in ausgewachsenen Thieren niemals exi- stirt haben. Erklärung der Abbild. auf den Tafeln XXXV-XNXVI. Tafel XXXV. Fig. 1. Vordere Augenhälfte eines in Sublimatessigsäure gehärteten 6 Tage 20 Stunden alten, bei 40° C. erbrüteten Hühnerembryo. Ansicht von aussen; die inneren Theile schimmern dureh. a= Anlage des Augenlidwulstes; d—= drittes Lid; ce = Chorioidal- spalt; d=eine Sclerapapille, deren drei auf der temporalen und zwei auf der nasalen Seite des Präparates sich finden; e=der laterale oder oceipitale Theil des hier weiter als auf der frontalen Seite entwickelten Corpus ceiliare; @©= die durch- schimmernde Linse; o = das erhaltene laterale Gefäss im Be- reich des vorderen Bulbusabschnittes. (Bei vierfacher Lupen- vergrösserung in Tischhöhe mit der Camera entworfen.) Fig. 2. Vordere Augenhälfte eines in Flemming’scher Lösung ge- härteten 7 Tage 22!/, Stunden alten, bei 40% C. erbrüteten Hühnerembryo. Nur die Linsengegend © schimmert durch. a—= Lidwulst; b= Anlage des dritten Lides. Es sind vierzehn Papillen auf der Scelera vorhander. (Vergr. wie bei Fig. 1.) Fig. 3. Dasselbe Präparat bei gleicher Vergrösserung wie die vorigen von einem 10 Tage 14 Stunden alten, bei 40° C. erbrüteten Hühnerembryo. 5=drittes Lid, e= noch unbedeckter Theil der Cornea und Sclera; h = Federanlagen am medialen Theile des unteren Lides, Flemming’sche Lösung. Vergr. wie bei den beiden vorigen Präparaten. 4. Schnitt durch eine Papille der Conjunctiva sclerae eines 6 Tage 20 Stunden alten, bei 40° ©. erbrüteten Hühnerembryo. Sublimat- essigsäurepräparat. Vergr. Leitz 7, Oc. 2. Fig. 104.17: or Ne) 10: Bao: . 14. 15. e. 16. 218. Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 7103 Schnitt durch eine Papille der Conjunctiva sclerae eines 7 Tage alten, bei nicht ganz constanter Temperatur (zwischen 38° und 40° ©. schwankend) erbrüteten Hühnerembryo. Härtung in Flemming'’scher Lösung. Vergr. Leitz 7, Oe. 2. Nicht verdickte Lidhaut vom 9 Tage alten, bei einer zwischen 38,50 und 40° C. schwankenden Temperatur erbrüteten Hühner- embryo. Flemming’sche Lösung. Vergr. Leitz homog. Immers. Y/;e, Oe. 2. Aus der Peripherie der in Fig. 4 abgebildeten Sclerapapille. Vergr. Leitz homog. Immers. 1/, Oe. 2. Die Conjunctiva sclerae desselben Präparates in einiger Ent- fernung von der Papille. Vergr. Leitz homog. Immers. 1, Ocul. 2. Schnitt durch die Conjunctiva sclerae eines 8 Tage 15!/, Stun- den alten, in Flemming’scher Lösung conservirten Hühner- embryo. Vergr. Leitz 7, Oe.2. Aussenfläche sieht nach links. Von einer anderen Stelle der Conjunctiva desselben Embryo. Dieselbe Vergrösserung wie in Fig. 9. Bindegewebe links. . Schnitt der Conjunetiva sclerae eines 9 Tage 1 Std. alten, in Flemming’scher Lösung conservirten Hühnerembryo. Vergr. Leitz 7. Oc. 2. Aussenfläche links in der Figur. Schnitt der Conjunctiva sclerae eines 11 Tage alten, in Flem- ming'scher Lösung conservirten Hühnerembryo. Vergr. Leitz 7, Oc. 2. Aussenfläche nach unten. Schnitt der Conjunctiva sclerae eines 13 Tage alten, in Flem- ming'scher Lösung conservirten Hühnerembryo. Vergr. Leitz 7, Oe. 2. Aussenfläche links wie auch in Ebendaher; gleiche Vergrösserung wie beim vorigen Präparat. Tafel XXXVI. Schnitt durch die Mitte einer Papille der Conjunctiva sclerae vom 9 Tage alten Hühnerembryo. Flemming’sche Lösung. Vergr. Leitz 7, Oe. 2. Schnitt durch die Mitte einer Papille der Conjunctiva selerae vom 11 Tage alten Hühnerembryo. Flemming'’sche Lösung. Vergr. Leitz 7, Oc. 2. Aussenfläche nach rechts gewandt. Flächenbild des Epithels der Rückenhaut vom 6l/, Tage alten in Flemming’scher Flüssigkeit gehärteten Hühnerembryo. Zellen der oberen Lage violett, Kerne hell, Zellgrenzen aus- gezogen; von der tieferen Lage der Epithelien sind nur die Kerne in dunkelgrauem Ton eingetragen. Vergröss. Leitz homog. Immers. 1/,,, Oe. 2, Tubuslänge 160 mm. Flächenbild des Epithels der Rückenhaut in der Gegend einer Federanlage von ca. 91/, Tage alten, in Flemmin g’scher Flüssigkeit gehärteten Hühnerembryo. Zellen der oberen Lage violett, Kerne hell, Zellgrenzen ausgezogen. Die direct unter 704 Fig. Fig. Fig. Fig. 19: 2. 24. M. Nussbaum: dieser oberflächlichen Lage befindlichen Zellkerne sind hell- grau, die tiefsten dunkelgrau in richtiger Projection zu ein- ander und zu den oberen hellen Kerne eingetragen, die Zell- grenzen der beiden unteren Lagen nicht eingezeichnet. Vergr. Leitz 1/,, homog. Immers., Oc. 2, Tubuslänge 160 mm. Epithel und Bindegewebe einer jungen Federanlage vom Lide eines 9 Tage alten Hühnerembryo. Flemming’sche Lösung, Safraninfärbung. Vergr. Leitz, homog. Immers. 1/, Oe. 2. . Aus dem Epithel und Bindegewebe einer weiter entwickelten Federanlage vom ca. 8 Tage alten Hühnerembryo. Flemming- sche Lösung, Safraninfärbung. Vergr. Leitz homog. Immers. ge, Oc. 2. Bindegewebiger Theil der Anlage unvollständig. . In Flemming’scher Flüssigkeit gehärtete Rückenhaut vom ungefähr 8 Tage alten Hühnerembryo. Längsschnitt aus der Halsgegend. Querschnitt der Rückenhaut aus der analwärts gelegenen Zone zwischen zwei Federanlagen vom 81/;, Tage alten Hühner- embryo. Vergr. wie bei Fig. 21, Leitz 7, Oc. 2. . Längsschnitt durch eine Federanlage in der Rückenhaut vom 8 Tage alten Hühnerembryo. Flemming’sche Lösung. Vergr. Leitz 7, Oe. 2. Der oberflächliche Theil einer Federanlage vom 8 Tage alten Hühnerembryo bei stärkerer Vergrösserung. Leitz homog. Immers. 1/,,, Oe. 2. Tubuslänge 160 ınm. Längsschnitt durch die Nacken- und Rückenhaut eines 3 Tage alten Hühnerembryo, Halsregion nach oben im Bild. Vergr. Leitz 2. Oe.0. Schnitt durch eine Federanlage in der Rückenhaut der, Beckengegend eines in Sublimatessigsäure gehärteten Hühner- embryo, 6 Tage 20 Stunden alt. Vergr. Leitz homog. Immers. l/, Oc. 2. Tubuslänge 160. . Schnitt durch die Rückenhaut desselben Embryo, seitlich von der in voriger Figur abgebildeten Federanlage, bei derselben Vergrösserung. Tafel XXXVII. 28—34. Degenerirende Zellen aus den Papillen der Conjunctiva von 7—9 Tage alten Hühnerembryonen. Präparate zu Fig. 33 und 34 in Sublimat gehärtet, die übrigen in Flemming’scher Lösung; alle mit Safranin gefärbt und bei einer Vergrösserung von Leitz homog. Immers. !/;, Oc.4 gezeichnet. Tubuslänge 160 mm. 35—39. Degenerirende Zellen aus der Linsenanlage von Salmo salar vom 23. Brütetage. Die Präparate sind in Sublimatessig- säure gehärtet und mit Hämatoxylin gefärbt. Vergr. Leitz homog. Immers. !/j, Oe. 4, Tubuslänge 160 mm. Zur Rückbildung embryonaler Anlagen. 105 Fig. 40—45. Degenerirende Zellen aus dem Follikelepithel eines säugen- den Kaninchen. Flemming'sche Flüssigkeit, Safranin. Vergr. Leitz homog. Immers. !/;,, Oc.2. Tubuslänge 160 mm. Fig. 45c und e bei Leitz homog. Immers. 1/;, Oe. 4, Tubuslänge 160 mm gezeichnet. Fig. 46. Aus dem Epithel der vorderen Wand des Linsensäckchens von Salmo salar am 24. Brütetage. Sublimatessigsäure, Hämatoxylin. Vergr. Leitz homog. Immersion 1/,, Oe. 4, Tubuslänge 160 mm. Fig. 47. Bindegewebszellen aus der in Flemming'scher Flüssigkeit gehärteten Kückenhaut eines Hühnerembryo von der Mitte des 9. Brütetages. Vergr. Leitz homog. Immers. !/;., Oec. 2 Tubuslänge 160 mm. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. IH. Die Schlundspalten in ihrer Anlage, Ausbildung und Bedeutung. Von Dr. Karl Peter, Privatdocent und Prosector. Hierzu Tafel XXXVIIL, XXXIX u. XL und 2 Textfiguren. Einleitung und Begrenzung der Aufgabe. Die Frage nach der Entstehung und Umbildung der Sehlund- spaltenderivate der Wirbelthiere hat zahlreiche Forscher be- schäftigt und eine bereits ziemlich beträchtliche Literatur hervor- gerufen. Gerade unser Object, die Eidechse, ist in dieser Hinsicht mit Vorliebe behandelt worden, und erst kürzlich hat Maurer (899) eine Arbeit erscheinen lassen, welche „Die Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse* zum Thema hat. Ueber dem Interesse, welches man der eigenthümlichen Genese dieser bleibenden drüsigen Organe entgegenbrachte, trat 706 Karl Peter: aber die Beobachtung der Anlage und Ausbildung der Kiemen- taschen selbst sehr in den Hintergrund. Nur der Punkt, ob sich dieselben nach aussen öffnen oder geschlossen bleiben, war öfters Gegenstand der Discussion, sonst werden diesen vergänglichen Gebilden nur beiläufige Bemerkungen gewidmet. Diese Lücke für ein Wirbelthier wenigstens auszufüllen, sollen die vorliegenden Zeilen versuchen; dass dabei die Angaben über die Entwicklung der oben genannten Drüsen controlirt werden mussten, wird wohl nicht als Fehler der Arbeit empfunden werden. Hauptsächlich verfolgte ich den Zweck, mir Klarheit über die erste Entstehung der Schlundtaschen des Darmes und Schlundfurchen der äusseren Haut zu verschaffen, um die Betheiligung der beiden Keimblätter, des Ektoderms und Ento- derms an diesen Bildungen festzustellen. Es würde sich dabei erkennen lassen, welches Gewebe den ersten Anstoss zur Bildung der Kiementaschen giebt; dadurch wäre die Möglichkeit geboten, den Begriff der Schlundtasche scharf zu umgrenzen und eine derartige Einstülpung von anderen Divertikeln zu trennen. Weiterhin lässt sich dabei über die Zahl der Kiementaschen von Lacerta, welche immer noch nicht fest ermittelt ist, — gerade Maurer’s oben eitirte Arbeit macht darüber abweichende Angaben —, Kenntniss erlangen. Untersuchungen, welche speciell die Antheilnahme der beiden Keimblätter an der Bildung der Schlundspalten zum Gegenstand haben, stehen noch aus; daher werden dem Ektoderm und Ento- derm von den Autoren verschiedene Rollen zuertheilt. Entweder überträgt man dem Darmdrüsenblatt allein ihre Entstehung oder man spricht diesem dieselbe Bedeutung zu wie dem Hautblatt. Eine entodermale Tasche wird von allen Forschern angenommen: schon Remak (855) sah beim Hühnchen sich eine Ausbuchtung des Darmes bilden und an das Ektoderm an- legen, eine Angabe, die von Kölliker (879) übernommen wurde und seitdem in den Lehrbüchern Platz gefunden hat. Nicht so übereinstimmend wird die Entstehung der äusseren Schlundfurchen beurtheilt; Minot (894) führt ihre Genese auf ein Festgehaltenwerden der mit dem Entodern verschmolzenen Ektodermpartien bei der Ausbildung der Kiemenbogen zurück. His (887) dagegen lässt diese Rinnen selbständig in die Tiefe gelangen, ohne Vermittlung des Darmes: „Die anfangs breit Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 707 angelegten Falten [des Darms] verschmälern sich und ihnen be- gsegnen bald von aussen her kommende Ektodermfalten.* Auch Kaschtschenko (887) glaubte Rinnen am Kopf des Hühn- ehens, die er am 2. und 3. Tage vor den Kiemenfurehen und parallel mit denselben laufend beobachtete, als rudimentäre Schlund- furchen bezeichnen zu können. Für die Eidechse giebt Hoff- mann (886) an, dass den ersten beiden Kiementaschen blinddarm- förmige Einbuchtungen des Epiblasts entgegenwüchsen. Es geht aus diesen wenigen Literaturangaben deutlich her- vor, dass man sich über die Bedeutung des äusseren Keimblatts bei der Bildung der Schlundtaschen noch nicht im Klaren ist, und doch ist es wichtig, von der Antheilnahme der beiden Epi- thelien genaue Kenntniss zu besitzen: His (881) hat darauf schon mit folgenden Worten hingewiesen: „Für die Umbildungs- producte wird es in der Folge nicht mehr genügen zu sagen, dass sie aus dem Epithel dieser oder jener Kiemenspalte hervor- gehen, vielmehr wird nachzuweisen sein, ob sie der ektodermalen oder der entodermalen Anlage entstammen.“ Dies zur Rechtfertigung der nachfolgenden Untersuchungen. Dringender als beim Studium anderer Organe fühlte ich hier die Nothwendigkeit, mir durch eine Anzahl von Platten- modellen die verwickelten plastischen Verhältnisse der Sehlund- spalten vor Augen zu führen. Schon Kaschtschenko hatte dasselbe Bedürfniss empfunden und seine Methode der graphischen Isolirung mit Erfolg z. B. bei seinen Untersuchungen über die Branchialbogen des Hühnchens angewandt. So schöne Resultate nun diese Methode in der Hand ihres Erfinders erzielte, so ver- langt sie doch immer einen nicht geringen Grad von Zeichen- talent, das aus den Liniensystemen ein plastisches Bild auszu- arbeiten verstehen muss; auch ist es nöthig, dass das Object, um eine gute Ansicht der isolirten Organe zu geben, in ganz bestimmter Richtung geschnitten sei. Beides ist nieht erforder- lich bei der Anwendung der Born’schen Plattenmodellirmethode; diese bietet noch den nicht genug zu schätzenden Vortheil, dass man ein körperliches Modell vor sich hat, welches von allen Seiten betrachtet werden kann und ungleich belehrender ist, als die beste Zeichnung, die nur eine Ansicht wiedergiebt. Allerdings erwachsen bei der Beschreibung eines Modells, — eine ermüdende Häufung und Wiederholung von Lagebezeich- 708 Karl Peter: nungen, wie oben, vorn, seitlich ete., ist oft unvermeidlich, — und bei der Auswahl der zu reprodueirenden Ansichten einige Schwie- rigkeiten; doch was wollen solche kleine Unbequemlichkeiten sagen gegen die geniale Methode unseres der Wissenschaft so früh entrissenen Born! Um nun die in der Einleitung berührten Fragen zu ent- scheiden, lege ich vorerst eine Beschreibung verschiedener Em- bryonal-Stadien von Lacerta zu Grunde, welche auf den Ent- wicklungsgrad und die Gestalt ihrer Schlundorgane untersucht werden. Als Zusammenfassung der Befunde wird dann dem Schicksal der Kiemenspalten und ihrer Derivate ein besonderer kurzer Abschnitt gewidmet. Dieses specielle Kapitel giebt also Auskunft über Anlage und Umformung der Halsorgane und bietet zugleich das Material, auf dem fussend der zweite allgemeine Theil die Antheilnahme der einzelnen Gewebe bei der Bildung der Schlundspalten, der letzteren Umbildung und Zahl erläutert. Zum Schluss werden noch einige Bemerkungen folgen, welche die physiologische Aufgabe der Kiemenspalten zu erklären ver- suchen. I. Specieller Theil. 1. Beschreibung der Stadien. Stadium Il. Ein jüngstes Stadium mit vier abgegrenzten Urwirbeln — eine über den Entwicklungsgrad der zu besprechenden Embryonen orientirende Beschreibung wird am Schlusse auch dieser Mit- theilung folgen — zeigt den 120 u langen mit Dotterelementen angefüllten Vorderdarm an seiner ganzen ventralen Fläche mit dem Ektoderm in Berührung. Nur kurz vor der vorderen Darm- pforte drängen sich einige Mesodermzellen seitlich zwischen die beiden Epithelien ein und beginnen daselbst das Entoderm vom Hornblatt abzuheben. Dieser Zusammenhang des Darmepithels mit dem Ektoderm ist also primär, das Verdauungsrohr liegt mit seinem vorderen Ende von Anfang an der äusseren Bedeckung auf, ohne von ihr durch Bindegewebe getrennt zu sein. Schon Orr (887) hatte dies für wahrscheinlich gehalten. Die Angabe Hoffmann’s (890), dass „dem blinden Ende der Kopfdarmhöhle eine Einstülpung Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 709 der Epidermis entgegenwächst, und dadurch Epidermis und Hypoblast hier unmittelbar zusammenstossen,“ ist demnach als nicht richtig zu bezeichnen; die spätere Einziehung dieser Verklebungsstelle zur Mundbucht beruht ebenso wie die Ent- stehung der Kiemenfurchen nach Minot (s. 0.) auf geringem Wachsthum des betreffenden Darmabschnitts, wodurch das mit demselben verschmolzene Ektoderm tief eingebuchtet wird. Der Querschnitt des Darmlumens ist rechteckig; die schmalen Seitenflächen sind durch Mesodermlagen von 3—4 Zellsehiehten Dicke vom Hornblatt getrennt. Bis ans vorderste Ende bleibt diese quere Form bestehen. Die dorsal gerichteten Eeken be- herbergen etwas reichlichere Kerntheilungsfiguren. Stadium 2. Nur wenig weiter ist ein Embryo von 5—6 Urwirbeln ent- wickelt. Der 230 u lange Vorderdarm weist mehr einen klee- blattähnlichen Querschnitt auf, wie auf Fig. 1 zu sehen ist. Die ventrale Erweiterung legt sich der Epidermis an, während die beiden anderen Ausbuchtungen (I. ST.) nach dorsal und lateral schauen. Diese seitlichen Flügel sind bis ans eraniale Ende des Darmrohrs zu verfolgen; daselbst treten sie sogar etwas spitzer hervor und rücken dem äusseren Epithel ein wenig näher, als im eaudalen Abschnitt, von dem sie übrigens nicht scharf abge- setzt erscheinen. Zweifellos haben wir es hier mit einem locali- sirtten Wachsthum der vorderen seitlichen Theile des Entoderm- rohres zu thun; die vorderen Ecken desselben, wie sie bei dem ersten Stadium beschrieben wurden, haben sich zu langen Diver- tikeln ausgezogen, und auch hier deuten zahlreiche Mitosen ein besonders intensives Wachsthum an, welches die Ausbuchtungen dem Hornblatt näher zu bringen bemüht ist. Das letztere zieht ohne Veränderungen aufzuweisen über jene Stellen hinweg. Stadıum 3. Ein Embryo von 9 Urwirbeln lässt auf dem Querschnitt durch das Vorderende des Darms wieder den ventralen Zusammen- hang der beiden Epithelien erkennen; die breiten seitlichen Flügel sind zu schmalen, dorsal und lateral weit ausladenden Ausbuchtungen angewachsen, die sich der Epidermis bedeutend genähert haben. Die Verschmelzung mit derselben ist aber noch nicht erfolgt; ein genaueres Zusehen lehrt, dass noch Bindegewebszellen in ganz 710 Karl Peter: dünner Schicht, aber in eontinuirlicher Folge die beiden Keim- blätter von einander scheiden. Uebrigens lässt sich auch hier an den Stellen des späteren Zusanımenhangs keine besondere Thätig- keit der Epidermis beobachten, weder in Gestalt von Furchen, noch von reichlicher Kernvermehrung. Stadium 4. Bei einem Exemplar von Lacerta agilis mit zehn Urwirbeln ist die Anlagerung des Darmdivertikels, der ersten Schlundtasche, an das Hornblatt erfolgt. Die beiden Keimblätter berühren sich (Fig. 2, I. ST.). Eine Einziehung der Epidermis in diesem Bereiche, eine äussere Schlundfurche, ist aber nieht wahrzu- nehmen, eher eine Vorbauchuug derselben durch die stark vor- drängende Entodermtasche. Hoffmann’s (886) Angahe von einer primären äusseren Furche kann ich also nieht bestätigen. Während die früheren Stadien nur eine einzige Ausbuch- tung des Darmes aufwiesen, findet sich hier hinter der ersten Kiementasche bereits eine Andeutung einer zweiten: ein dorsal und seitlich gerichtetes Darmdivertikel, das zahlreiche Karyo- kinesen beherbergt und dem äusseren Epithel zustrebt, ohne es jedoch zu erreichen (II. St.). Stadium. Das folgende Stadium von 16 Urwirbeln ist reconstruirt worden. Das Modell, in Fig. 3 von der rechten Seite und in Fig. 4 in der Rückenansicht dargestellt, lässt die Verhältnisse des Vorderdarmes sehr gut erkennen. Die schiefe Lage der Schlund- taschen ist nieht auf Ungenauigkeiten in der Reconstruction, sondern auf Neigung des Embryo auf die Seite zurückzuführen. Modellirt wurde allein das ektodermale und entodermale Epithel, während das Bindegewebe ausgespart wurde. Um den Darm von der Dorsalseite sichtbar zu machen (Fig. 4), ist die Rückenwand mitsammt dem Centralnervensystem entfernt, sodass das Eingeweiderohr mit der Chorda dorsalis frei vorliest. Das Vorderende des Darms, das von Anfang an mit dem Hormblatt in Verbindung steht, ist schmal ausgezogen. Auf diese kegelförmige Spitze folgen bald seitliche Ausbachtungen, welehe das äussere Epithel berühren. Die Ausdehnung dieser Verschmelzung des Darmdrüsen- und Hautblatts, — der ersten Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 711 5) Kiementasche —, ist in der Seitenansicht Fig. 3 roth punk- tirt angegeben: es ist eine von dorsal cranial nach ventral caudal ziehende Linie; dieselbe ist eontinuirlich, der Zusammenhang der beiden Keimblätter ist auf dieser Strecke nirgends unterbrochen. In der durch diese Verschmelzung entstandenen Verschlussmembran findet sıch keine Oeffnung, dagegen ist als neue Erwerbung eine seichte Furche zu beachten, in welcher der Verschmelzungsbezirk der Schlundtasche mit dem Hornblatt liegt: die erste Andeutung einer äusseren Schlundfurche, von weleher noch im Beginn der Anlagerung nichts zu erkennen war (I. SF.). Auf dieses erste Divertikel des Darmrohrs folgt eine schwache Einziehung; diese reicht bis zu einer zweiten Ausweitung, welche ebenfalls mit der Epidermis verschmilzt. Die 2. Schlund- tasche hat das Ektoderm erreicht. Die Anlagerung beschränkt sich auf der rechten Seite (cf. Fig. 3) auf eine kleine Strecke, welche dem am meisten dorsal gelegenen Abschnitt des Ento- dermrohrs entspricht (dies erkennt man wieder gut in Fig. 4), während sie sich links weiter nach dem Herzen zu erstreckt in einer mit der ersten Kiementasche ventral convergirenden, eben- falls ununterbrochenen Linie. Auf der ersteren Seite finden wir also ein früheres Stadium: die Verschmelzung beginnt erst und lässt erkennen, dass hier der nach dem Rücken zu gelegene Theil der Kiementasche sich zuerst mit der Epidermis in Verbindung setzt, und dass die Verwachsung der beiden Epithelien von da continuirlich ventralwärts fortschreitet. Eine äussere zweite Schlund- furche kann man rechterseits nicht wahrnehmen, links dagegen lässt sich eine solche seichte Rinne entdecken. Indess ist dies nur scheinbar eine Einbuchtung: das Ektoderm ist vielmehr dorsal durch die verdickte Anlage der Ohrblase und ventral durch die bereits kenntliche Herzwölbung vorgetrieben, sodass die da- zwischen gelegene, nicht mit vorgewölbte Strecke einer Einsenkung gleicht. Sobald sieh das Gehörorgan und das Herz von der zweiten Schlundtasche entfernen, schwindet auch diese ver- meintliche Kiemenfurche. N Die Schlundtaschen stellen, wie die Rückenansieht deutlich zeigt, in diesem ersten Stadium der Anlagerung »ur unbedentende seitliche Ausbuchtungen des Darmrohrs vor, welches zwischen und hinter diesen Divertikeln durch wenige Lagen von Binde- gewebszellen von dem Hornblatt abgetrennt ist: es bedarf also 7112 Karl Peter: keines besonders mächtigen Wachsthums, um die Entodermwand der Epidermis zu nähern. Stadium da. Ein Embryo, der demselben Uterus entnommen wurde, wie der vorige, und ebenfalls 16 Urwirbel erkennen lässt, zeigt die erste Schlundfurche vertieft, und die Verschlussmembran der ersten Kiementasche in ihrem dorsalen Theil eingerissen. Stadium 6. Weiterhin treten an der ersten Schlundtasche keine Ver- änderungen von Belang auf; bei einem Exemplar mit 21 Urseg- menten lässt sich die Verschmelzung der beiden Epithelien über eine grössere Strecke verfolgen, doch weist die Schlussmembran nur im dorsalen Theil geringe Lücken auf. Dagegen findet sich Kiementasche II in breiter Anlagerung an die Epidermis, ohne dass irgend eine Einbuch- tung der letzteren zu bemerken wäre; die Schlussmembran er- scheint im Gegentheil nach aussen vorgebuchtet. Nur mit dem am weitesten ventral gelegenen Punkt erreicht diese Schlundtasche die jetzt tiefer gewordene Längsrinne, welche die Herzanlage vom Hals des Embryo absetzt. Diese Furcke, deren schon früher Erwähnung gethan ward, wird uns noch öfter beschäftigen, da sie in Beziehung zur Entstehung der hinteren Schlundspalten zu stehen scheint; wie im allgemeinen Theil jedoch ausgeführt wird, ist sie für die Genese des Kiemenapparates von keiner Be- deutung. Diese Rinne kommt weiter nach hinten zu, da das Einge- weiderohr daselbst mehr ventral gelagert ist, den Seitenflächen des Darmes gegenüber zu stehen; eine kleine Erweiterung des Darmrohrs, die sich da bemerkbar macht, kann man als Anlage einer dritten Schlundtasche auffassen. Stadium 7. Ein Eidechsenembryo von 25 Urwirbeln zeigte nun hinter der 2. Kiementasche eine dritte Verschmelzung des Darnıs mit der Epidermis: die eben erwähnte seitliche Ausbuchtung hat sich etwas vertieft und sehr bald das hier ganz nahe liegende äussere Epithel erreicht. Auch für diese dritte Schlundtasche Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 713 besteht dasselbe Verhältniss, wie für die beiden ersten, dass die Anlagerung des Darmdrüsenblatts an das Hautblatt keine grosse Divertikelbildung voraussetzt. Der Berührungspunkt liegt, hier nur einen kleinen Raum einnehmend, in der Mitte der Seitenwand des Darms und nicht wie bei der zweiten Tasche (Stad. 5) nach dem Rücken zu. Die zweite Kiementasche beginnt dorsal einzureissen; die erste ist in ganzer Ausdehnung eröffnet; ihre Gestalt lässt sich aber am besten an der Hand eines zweiten Modells, das aller- dings nach einem etwas älteren Stadium von 32—33 Urwirbelu gebildet ist, verstehen. Stadium ®. Dieses zweite Plattenmodell, das Fig. 5 in der Seiten- ansicht, Fig. 6 von ventral und Fig. { von dorsal gesehen darstellt, zeigt schon in der Seitenansicht bedeutende Fortschritte gegen das erste. Der Kopf des Embryo hat sich nach vorn gebogen und liegt bereits ganz der nicht mit reconstruirten Herzwölbung auf (Fig. 5). Er legt sich über die Unterkieferfortsätze herüber, sodass die mit dem Darm in Communikation stehende Mund- bucht eine tief einschneidende Furche darstellt; Oberkiefer- fortsätze sind noch nicht gebildet. Eine zweite Einsenkung hinter diesem Unterkiefer- bogen bildet die erste Kiementasche (I. SS.). Sie ist in ihrem dorsalen Abschnitt in einem ziemlich langen Spalt ge- öffnet, welcher fast in der Längsrichtung des Halses gelagert ist und sich mit seinem hinteren Ende nur wenig caudalwärts neigt. Das Lumen ist weit, die vordere Lippe biegt stärker um, als die flach auslaufende caudale, dem zweiten Schlundbogen an- gehörige. Die Spalte läuft ventral in eine geschlossene Rinne aus, die in stumpfem Winkel nach der Herzwölbung zu abbiegend allmählich seichter wird und bis zu der tief einschneidenden Herzlängsfurche bemerkbar bleibt. Auch die zweite Schlundtasche, die bedeutend steiler aufgerichtet ist als ihre Vorgängerin, ist durchgebrochen (11. SS.). Der ventrale Zipfel der Spalte erreicht aber ebenfalls die Herzfurche nieht, sondern ist von dieser durch eine Strecke, 714 Karl Peter: die keinerlei Einsenkung erkennen lässt und etwa halb so lang ist als der offene Theil, getrennt. Weiter eaudalwärts sind keine äusseren Furchen mehr zu bemerken, obwohl die erwähnte Längsrinne noch deutlich in dieser Richtung fortlaufend zu verfolgen ist und ziemlich scharf eingesenkt endet. Vor und zwischen den Kiemenspalten sind die ersten beiden Kiemenbogen vorgebuchtet. Besonders der erste ist gut aus- gebildet und ragt mit rundlichem Vorsprung in die Mundbucht herein. Beide Bögen sind dem Verlauf der ersten Schlundspalte resp. Rinne entsprechend nach vorn convex gebogen. Beschränkt man sich nun nicht auf das äusserlich hervor- tretende Relief, sondern zieht auch die Berührungsstellen der entodermalen Taschen mit der Epidermis in Betracht — sie sind wie früher auch in Fig. 5 durch rothe punktirte Linien umgrenzt —, so kommt man zu der Erkenntniss, dass die Aus- bildung des Kiemenapparates beträchtlich weiter vorgeschritten ist, als es die Aussenfläche ahnen liess. Die erste Schlundtasche lagert sich nämlich noch eine be- deutende Strecke weiter ventralwärts an das Hornblatt an, als die offene Spalte reicht, ohne allerdings die Herzfurche zu er- reichen. Das Epithel der zweiten Tasche ist dagegen bis an diese Längsrinne hin mit der Epidermis verwachsen. Weiterhin bemerkt man, dass eine dritte Kiementasche (III. ST.) bereits in ausgedehntem Masse mit dem Ektoderm verschmolzen ist. Die Berührungsfläche findet sich etwa in demselben Abstande von der zweiten Schlundspalte, wie die letztere von der ersten Spalte und steht nahezu senkrecht auf der Herzfurche, die sie mit ihrem ventralen Ende erreicht. Doch steht sie an Länge der zweiten Tasche nach, wird also dorsal von derselben über- ragt. Endlich erweist sich die am weitesten nach hinten ge- legene, scharf eingebuchtete Stelle der Herzrinne als Verschmel- zungspunkt einer vierten Schlundtasche (IV.ST.) mit dem Ektoderm. Ein anschauliches Bild vom Bau dieses Kiemenapparates sewähren die Dorsal- und Ventralansichten des Darmes. m Unser Modell ist in Fig. 7 von der Rückenseite gesehen dargestellt. Das Darmrohr mit seinen Ausstülpungen ist wieder Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 2115 durch Wegnahme dor dorsalen Theile (Rückenmark, Gehörorgan, Chorda) dem Auge zugänglich gemacht worden. Bedenkt man die bereits beträchtliche Kopfbiegung des Embryo, wie sie in Fig. 5 ersichtlich war, so fällt in dieser An- sieht sofort auf, dass das Eingeweiderohr in seiner Längsrichtung genau geradlinig verläuft: in die caudale Oeffnung hineimsehend kann man am entgegengesetzten Ende die kraniale Ausbuchtung, die Seessel’sche Tasche (Se. T.) gewahren. Der Darm hat sich also an der Krümmung des Halses nicht mit betheiligt, dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass er mit seinem Vorder- ende mehr dorsal gelegen ist, während der hintere Abschnitt sich im Niveau der ventralen Herzfurche befindet: der vordere Theil des Halses hat sich sozusagen um den gerade gebliebenen Schlunddarm nach ventral vorgebogen. Die Seessel’sche Tasche sitzt als schmale kegelförmige Ausstülpung dem breiten Eingeweiderohr auf, und schnürt sich besonders scharf ab, da letzteres sich sofort seitlich zur Bildung der ersten Schlundtaschen (I. ST.) stark ausweitet. Diese Taschen sind kranialwärts ein wenig ausgezogen. Ihre Ver- schmelzungsstelle mit der Epidermis nimmt entsprechend der Längsrichtung der Kiemenspalte in dieser Ansicht einen beträcht- lichen Raum ein. In ihrem vorderen Abschnitt lenkt sie etwas dorsal ab, nach hinten zu richtet sie sich etwas mehr dem Herzen zu. Gegen die gleiche Ansicht des ersten Modells, Figur 4, fällt also besonders die Längsausdehnung der ersten Sehlundtasche auf, es hat den Anschein, als ob sie sieh von jenem Stadium ab auch noch weiter dorsalwärts dem Hornblatt angelegt hätte. Durch den Hyoidbogen getrennt findet man die zweite Kiementasche (II.ST.). Die Einziehung des Darmrohrs vor ihr zeigt, dass sich sein Querschnitt gegen das Stadium 5 nur wenig erweitert hat. Die zweite Schlundtasche ist beträcht- lich schmaler als die erste, quer gestellt, nach der Seite zu stark nach hinten vorspringend gegen die eingesunkene Mitte des Darms, und mit einer kappenförmigen Ausbuchtung ver- sehen, die nach dorsal eranial schaut und ein Divertikel des Lumens_ birgt. Schon bedeutend weniger markant springt die dritte 716 Karl Peter: seitliche Erweiterung (l1l.ST.) aus, sowohl lateral wie nach dem Rücken zu. Endlich ist linkerseits nach einer unscharfen Einschnürung des Eingeweiderohrs eine letzte, vierte Verschmelzungs- stelle (IV. ST.) des Darmdrüsenblatts mit der Epidermis zu bemerken. Da der Darm hier breiter geworden, der Querschnitt des Halses sich aber von vorn nach hinten verringert hat, so stehen sich die Epithelien des Ento- und Ektoderms sehr nahe; eine kaum merkbare Ausweitung des Schlundes genügt so, um ihn mit dem einspringenden Theil der Herzfurche in Berührung zu bringen. Das kleine Darmdivertikel befindet sieh — wie bei Entstehung der dritten Tasche — in der Mitte der Seitenwand, ist nicht dorsal gerichtet. Auf der rechten Seite buchtet sich das Entodermrohr dem Ende der Herzrinne gegenüber nur wenig aus, — zahlreiche Mitosen finden sich in dieser Tasche —, aber eine Verschmelzung ist noch nieht erfolgt. Die Ventralansicht des Modells, in Fig. 6 dargestellt, vervollständigt das Bild des Schlundapparates. Man bemerkt beiderseits die nach vorn zu scharf vor- springenden Herzfurchen (HF.), von der Innenseite gesehen. Während sie an ihrem hinteren Ende etwa in der Flucht der Seitenflächen des Darms liegen, weichen sie vorn ventral vom Eingeweiderohr ab: das Resultat des oben berührten Wachs- thumsprocesses. Trotzdem nun die erste Schlundtasche in ihrer Anlagerung an die Epidermis den Querschnitt des Darms noch bauchwärts überragt, erreicht sie die Längsrinne doch nicht mehr: auf der rechten Seite musste daher ein Stück des Unterkiefer- bogens und der Seitenwand entfernt werden, um das ventrale Ende der Verschmelzungsstelle zur Anschauung zu bringen (1. ST.). Noch im Bereiche dieser Tasche, nach hinten zu verlaufend, springt als kugelförmige Anschwellung, mit dünnerem Stiel von der Mitte des Darmes abgesetzt, die Anlage der Thyreoidea hervor (Thr.). Die zweite und dritte Schlundtasche erreichen ventral die Herzrinne und springen ebenfalls in ihrer Anlagerung an das Hornblatt nach ventral über das Niveau des Darms heraus, während die Verschmelzungsstelle des vierten Diver- tikels mit dem Ektoderm auf die Mitte der Seitenwand des Ver- dauungsrohrs beschränkt ist. TI _. I Mittheilungen zur lintwicklungsgeschichte der Eidechse. Die ausgebildeten Kiementaschen überragen also mit ihren seitlichen Theilen das Darmrohr sowohl dorsal wie ventral und haben gegen das erste Modell nach beiden Richtungen hin be- trächtlich an Ausdehnung gewonnen. Die vierte Tasche ist in demselben Stadium ihrer Bildung, wie es der vorige Embryo von der dritten zeigte. In welcher Weise die weitere Anlagerung an die Epidermis von statten geht, das wird kaum zu entscheiden sein. Ob bei der Wanderung des Darmes nach dem Rücken zu die erste Verschmelzungsstelle ganz ventral zu liegen kommt und nur dorsal neue Verklebungen zwischen den beiden Epithelien eintreten, oder ob mit einem nach-oben-Rücken der ersten An- lagerung die Kiementasche sich auch nach dem Herzen zu aus- dehnt, — das ist wohl von keiner principiellen Bedeutung. Ein Vergleich der beiden Modelle I und II lässt interessante Wachsthumsprocesse in der Halsregion erkennen, deren z. Th. schon Erwähnung gethan werden musste: im vorderen Abschnitt nimmt weder der Querschnitt des Darmrohrs, noch die Ent- fernung der Kiemenspalten von einander sichtlich zu; allein die Kiemenbogen buchten sich weiter vor und nehmen ihre säulen- förmige Gestalt an; das Wachsthum beschränkt sich auf eine Verlängerung der Schlundtaschen selbst, und dann hauptsächlich auf eine Weiterbildung der caudalen Region, in welcher sich neue Divertikel anlegen und die auch einen auffalienden Reich- thum von Kerntheilungsfiguren beherbergt. Für die weiteren Umbildungen, die sich an den ersten Schlundtaschen vollziehen, verweise ich auf die Abbildungen und Erläuterungen zu dem dritten Modell. Indess gehen im hinteren Abschnitt des Halses doch noch so wichtige Veränderungen vor sich, dass wir zu deren Kenntniss einige Zwischenstadien Revue passiren lassen müssen. Stadium 9. Zu erwähnen ist für diesen Embryo, dass die 3. Schlund- tasche durchgebrochen ist und die vierte sich in ziemlicher Aus- dehnung mit der Epidermis vereinigt hat, und zwar in einer Linie, die sich von vorn ventral nach hinten dorsal auszieht. Das ventrale Ende dieser Verschmelzung liegt bereits oberhalb der Herzfurche und nach vorn von deren hinterem Endpunkt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 47 718 Karl Peter: Die Tasche ist also, wie früher die dritte, nach dem Rücken zu und nach vorn gewandert. Ein Querschnitt, der den dorsalen Theil dieser Ausstülpung noch trifft, lässt jetzt ein weiteres Divertikel des Darmes er- kennen, das stark ventral geneigt der Herzfurehe zuzuwachsen strebt und reichliche Mitosen aufweist; es ist dies die Anlage einer fünften Sehlundtasche, deren Richtung also noch mehr ventral ist, als es die vierte im Entstehen zeigte. Die Fig. 8 (V.ST.) giebt ein Bild von diesen Verhältnissen. Ein Durchsehen der Serie lehrt, dass man es mit einer Rinne zu thun hat, die an der Seitenwand des Darmes schräg nach oben und hinten verläuft. Von der Epidermis ist diese noch durch Zwischengewebe getrennt. Dies ist die letzte Erweiterung, welche das Verdauungs- rohr in diesem Stadium aufweist; in den darauffolgenden Schnitten besitzt es den regelmässigen querovalen Durchmesser. Stadium 10a. Dasselbe Bild wiederholt sieh auf einem Quersehnitt eines wei- ter entwickelten Embryos, der in Fig. 9 abgebildet ist, nur dass hier die fünfte Schlundtasche bereits mit der Epidermis verschmolzen ist und die Stelle der vierten in der vorigen Skizze eingenommen hat. Sie bleibt also nieht, wie Hoffmann (886) sagt, vom Horn- blatt durch Mesoderm getrennt. Genau dieselbe Stelle nun, die dort die Anlage der fünften Tasche zeigte, lässt hier ein sechstes dureh hohes Epithel ausgezeichnetes Divertikel erkennen (V1.ST.), das ebenfalls ventral gerichtet ist und sich dem scharfen hinteren Ende der Herzfurche zu nähern sucht. Es kann kein Zweifel obwalten nach dem Vergleich der beiden Bilder, dass man es hier mit der Anlage einer sechsten Schlundtasche zu thun hat. Die beiden Skizzen sind so frappant ähnlich, dass, wenn nicht das folgende Modell die Existenz einer sechsten Aus- buehtung einwandfrei bewiese, an ein Verzählen beim Aufzeichnen der Kiementaschen zu denken wäre. Stadium 10. Wiederum einen bedeutenden Fortschritt im der Entwicklung des Halses bezeichnet das dritte Modell, von dem vier An- sichten wiedergegeben sind; Fig. 10 zeigt es von aussen, Fig. 11 Mittheilungen zur Entwieklungsgeschichte der Fidechse. 719 von innen ventral, Fig. 12 von innen dorsal und endlich Fig. 13 von der caudalen Seite. Die Aussenseite von Kopf und Hals (Fig. 10) besitzt ein ziemlich complieirtes Relief. Die flache Einsenkung, welche am weitesten nach vorn zu liegt, wird durch das vorquellende Auge erzeugt und convergirt dorsal mit einer etwas schärfer ausge- prägten Furche, die den ersten Anfang der Thränennasenrinne (ThrN.) bildet. Hinter dieser wölbt sich der gut entwickelte Oberkieferfortsatz (OKF.) vor; von dem ebenfalls stark vorspringen- den Mandibularfortsatz (UKF.) trennt ihn die tief einsechneidende Mundbucht (MB.). Die Unterkieferfortsätze sind in der Mitte ver- einigt und begrenzen die Mundbucht von unten. Weiter nach hinten zu folgt ein System von im Allgemeinen parallel gestellten Spalten und Furchen, die Schlundspalten resp. -Furchen. Alle diese Vertiefungen laufen ventral in die Herzrinne (HF.) aus, gegen die sowohl die Enden der Kiemen- bogen wie die Herzwölbung selbst steil unter spitzem Winkel abfallen. Vorn in der Gegend der zwei ersten Bogen ist diese Längsrinne am tiefsten, wird darauf ein wenig seichter, bildet aber doch mit ihrem hinteren Ende eine tiefe Bucht, dem Sinus cervicalis resp. praecervicalis (SC.) der Säugethiere vergleichbar. Die erste Kiemenspalte (I. KS.) ist nicht mehr in so ausgedehntem Maasse eröffnet, wie es das vorige Modell zeigte: nur noch eine kleine ovale, beiderseits scharf begrenzte Oeffnung führt in den nach vorn und ventral gerichteten Gang. Nach dem Herzen zu folgt eine seichte Furche, die sich in weiterem Ver- laufe aber bald vertieft und scharf in den vorderen Abschnitt der Längsrinne ausläuft. Die Spalte hat sich etwas aufgerichtet, divergirt aber dorsal noch mit ihrer Nachfolgerin. Diese zweite Schlundtasche (II. SS.) zeigt die be- deutendste Oeffnung, wenn sich das Lumen auch nicht bis an die Herzfurche verfolgen lässt. Sie springt zugleich, da sie rein quer steht, am weitesten nach dem Rücken zu vor und beschreibt einen nach vorn convexen Bogen. Die dritte Kiementasche (III. SS.) ist ebenfalls in beträchtlicher Ausdehnung durehgebrochen, ist aber viel kürzer als die zweite, und noch unscheinbarer sind zwei weitere Furchen, die als vierte und fünfte Schlund- furche (IV., V.SF.) anzusprechen sind und nirgends eine Oeffnung aufweisen. 720 Rarl Peter: Von den Kiemenbogen springt der zweite, der Hyoid- bogen, am weitesten hervor; gut ausgebildet, wenn auch nicht ebenso kräftig entwickelt, ist der dritte; der vierte wird bereits viel kürzer; der fünfte erreicht knapp die halbe Länge des vor- hergehenden. Eine sechste convexe Erhabenheit, die man als sechsten Schlundbogen deuten könnte, lässt das Modell nicht wahrnehmen. Um die Innenseite des Kiemenapparates zur Anschauung zu bringen, müssen mehrere Abbildungen zu Hülfe genommen werden. Die erste Figur (Fig. 11) zeigt das Modell etwas von der Ventralseite. Wie aus derselben hervorgeht, ist der Darm jetzt in seiner Längsriehtung gekrümmt und ist der Biegung des Halses gefolgt. In seinem vorderen Theil hat er sich dadurch von der Herzfurche bedeutend dorsalwärts abgehoben. Sein Durchmesser ist in seitlicher Richtung breiter geworden, hat dagegen dorso-ventral in seinem vorderen Abschnitt abgenommen; weiter caudal weitet er sich wieder aus. Vorn springt die Seessel’sche Tasche (SeT.) vor, zwischen den ersten beiden Kiementaschen hängt an dünnem, lang ausgezogenem Stiel die birnförmige Schilddrüsenanlage (Thr.), nach hinten ge- richtet. Die Grenze zwischen dem ersten und zweiten Schlundbogen markirt sich als scharfe Leiste, ohne dass hier eine Verbindung mit dem Darmdrüsenblatt stattfände: in Weiterbildung des beim 2. Modell beschriebenen Befundes hat sich die Verschmelzung der ersten Schlundtasche mit der Epidermis von ventral beginnend gelöst, sodass die beiden Epithelien allein noch im Bereich der äusseren Oeffnung mit einander verwachsen sind. Dagegen stehen die folgenden Kiementaschen noch bis an die Herzfurche heran in Berührung mit dem Homblatt. Da sich, wie erwähnt, der Darm von der letzteren abgehoben hat, so bilden die Schlundtaschen hier ventral beträchtlich über das Niveau des Verdauungsrohres vorspringende mauerartige Vor- sprünge. Am schärfsten sind sie ausgeprägt an der schmalen zweiten und dritten Tasche, während die beiden letzten mehr in den Bereich des hier herzwärts verlagerten Darms fallen und kaum eine ventrale Erweiterung zeigen. Die letzten Taschen sind in der Caudalansicht des Mittheilungen zur Entwieklungsgeschichte der Eidechse. 721 Modells, Fig. 13, am besten zu übersehen. Da bemerkt man auch, dass hinter der fünften sich noch eine gut ausgebildete Anlage einer sechsten Kiementasche zeigt: ein Knopfförmiger Vorsprung, welcher nach der Seite und nach hinten schaut (V1.ST.) und dem scharf einspringenden Epithel des Sinus cervicalis gegen- über liest. Mit dem Ektoderm ist diese entodermale Ausbuch- tung in keine Verbindung getreten. Es folgt weiter eaudal, hinter dieser sechsten Tasche, noch eine nicht so scharf umschriebene seitliche Erweiterung des Darm- rohrs, deren Epitbel sich aber von dem des übrigen Verdauungs- traktes nicht im Geringsten unterscheidet, während das der Kiemen- taschen sich stets durch Höhe auszeichnet. Es ist dies nur der Ausdruck der Veränderung des Querschnitts des Darmes, welcher aus dem querovalen ziemlich plötzlich in eine runde Form über- geht. Diese Ausbuchtung ist also nur nach hinten zu abgegrenzt und täuscht nur eine Schlundtasche vor. Die Oeffnungen der Kiementaschen II—IV in das Lumen des Darms — die erste wird unten besonders besprochen werden — stellen sich als schmale, zu der jeweiligen Längsrichtung des Eingeweiderohrs quer gestellte Spalten dar. Die innere fünfte Schlundtasche ist breit und seicht, eine sechste nicht zu ent- deeken: diese Wucherung ist also bei diesem Exemplar solid. Seitlich nehmen die Spalten an Höhe zu, da ihr Hohlraum sich auch in die ventralen Fortsätze erstreckt. Die Aussenöffnungen oder Berührungsstellen mit dem Ektoderm sind länger als die Einmündungen in’s Darmrohr. Die Kiementaschen überragen übrigens auch dorsal das Niveau des Darmes, wie in der Fig. 12, die das Modell etwas mehr vom Rücken gesehen darstellt, zu erkennen ist. Man findet hier knopfförmige Auswüchse, die selbst über die Schlundfurchen hinausreichen und eine Fortsetzung des Lumens bergen. Eine Andeutung dieser Ausstülpungen zeigte das 2. Modell schon für die 2. Tasche (Fig. 7); hier vermag man solche Knoten an der 2. und 3. Schlundtasche in ziemlicher Grösse zu entdecken; auch der vierten sitzt ein etwas kleinerer auf, während die fünfte dorsal nur ganz wenig vorspringt. Es sind dies die Divertikel, an welchen sich die Thymus anlegt, gleich gebildete dorsale Protuberanzen der zweiten, dritten und vierten Kiementasche. —] nD DD Karl Peter: Eigenartig ist die erste Schlundspalte umgebildet. Während an den übrigen die ektodermale und entodermale Oeft- nung in einer Ebene liegen, ‚die Taschen also rein quer zur Längsaxe des Halses verlaufen, liess schon das zweite Modell erkennen, dass die beiden Mündungen der ersten Tasche zu einander geneigt liegen: die innere völlig in der Längsachse des Darmes, die äussere etwas schräg nach vorn dorsal gerichtet. Dies Verhältniss hat sich noch weiter. verschärft. Indem das Darmrohr und zugleich mit ihm die innere Oeffnung der ersten Kiemenspalte der Krümmung des Halses folgte, die äussere Mündung dagegen entgegengesetzt dieser Biegung sich nach der anderen Seite zu mehr querem Verlaufe aufrichtete, gewann die Tasche das Aussehen einer um die Fläche gebogenen Platte. Die Biegung wurde dadurch erleichtert, dass sich ihr ventraler Theil vom Ektoderm löste und sie selbst stark in die Länge wuchs, sodass sie einer derartigen Krümmung leicht nachgeben konnte. Jetzt stellt sie eine von lateral, kranial und dorsal schräg nach innen ventral, eaudal laufende, aus zwei Lamellen bestehende Platte dar, die mit freiem Rande, der bei den anderen Taschen medial schaut, in scharfem Bogen kopfwärts vorspringt. Die Abbildung (Fig. 11) illustrirt dies deutlicher, als eine lange Be- schreibung. Gerade eine solche Gestalt ist beim Studium der Serie ohne plastische Reconstruetion unmöglich zu verstehen. Betrachtet man das Modell noch einmal mit Bezug auf das Wachsthum des Halses, so ist zu bemerken, dass der Schlund- apparat jetzt auf der Höhe seiner Ausbildung steht. Die Taschen sind mit der Diekenzunahme des Embryos beträchtlich in die Länge gezogen worden; dennoch hält das Wachsthum der Kiemenregion nicht Schritt mit der allgemeinen Vergrösserung des Halses, andere Organe bilden sich stärker aus; so hat das schnelle Waehsthum des Centralnervensystems den Rückenantheil stark ausgeweitet und die Gegend der Schlundtaschen, die noch im Modell II einen grossen Raum einnahmen, auf ein verhältniss- mässig kleines ventrales Revier beschränkt. Auch der Abstand der einzelnen Schlundtaschen von einander hat sich nicht ver- grössert; wie schon bei der Besprechung des zweiten Modells hervorgehoben wurde, findet ein Längenwachsthum dieser Gegend allein im eaudalen Abschnitt statt; sobald die Taschen sich an die Epidermis angelegt haben, wächst das zwischen ihnen liegende Mittheilungen zur Entwieklungsgeschichte der Eidechse. 123 Epithel, wenn überhaupt, nur soweit, als die Kiemenbogen ausge- bildet werden sollen. Es wird nämlich bei dieser Abrundung der Bogen der ganze Bezirk etwas zusammengedrängt, sodass die Taschen einander näher rücken. Ein paar Zahlen mögen dies illustriren. Es beträgt, an der Aussenseite gemessen, der Abstand zwischen Kiementasche 1—2 2—3 3—4 in Modell I 2,5 (ventral) — 4 cm (dorsal) a 1 5) a — 55, A 4 em 3 em ” III 2,9 N 0 5,5 n ” 2—3 r) 2 bD) Stadium 11. Wie weit übrigens die Ausbildung der sechsten Kie- mentasche fortschreiten und sie der fünften ähnlich machen kann, das lässt ein drei Tage nach der Ablage dem Ei ent- nommener Embryo erkennen. Fig. 14 giebt ein Bild davon. Eine weit ausladende Wucherung der Darmwand (VI. ST.) reicht bis an das tief einspringende hintere Ende der Herzfurche (HF.) heran. Selbst bei Anwendung der Immer- sion war es schwer zu entscheiden, ob nicht eine Schicht der dichtgedrängten Mesodermzellen die beiden Epithelien trennte; ich glaube dies in Abrede stellen zu können, wenn auch eine Verschmelzung der beiden Keimblätter nicht genau festzustellen war. Es ist dies ein einmaliger Befund, den ich aber immerhin registriren zu müssen glaubte zum Beweis des Vorkommens einer ausgebildeten sechsten Schlundtasche. Auch die fünfte Tasche berührte das Hornblatt. Auf der linken Seite, auf welcher allein die sechste Tasche persistirt, hatte dieselbe merkwürdiger Weise nicht denselben Grad der Ausbildung erlangt, die fünfte hatte sich hier bereits von der Epidermis losgelöst. Das Verhalten der Aortenbogen in diesem Falle wird weiter unten zur Sprache kommen. Stadrum 12. Ein weiteres Stadium, das ebenfalls reconstruirt wurde (s. Fig. 15) weist schon beträchtliche Rückbildungserschei- nungen in seiner Kiemenspaltenregion auf. Die Aussenansicht lässt von der ersten Schlundtasche 724 Karl Peter: (1. ST.) nur noch eine kleine blind endigende Grube erkennen, die dem dorsalsten Theil der früheren Oeffnung entspricht. Ventral von ihr zieht sich eine anfangs sehr seichte Furche aus, die erst in weiterem Verlaufe den Unterkieferbogen vom Hyoidbogen scharf abgrenzt. Der letztere springt stark vor und deckt fast den noch gut ausgebildeten dritten Kiemenbogen. Die 2. und 3. Spalte sind in beträchtlicher Ausdehnung offen. Im hinteren Abschnitt des Kiemenbogenapparates sind regressive Umbildung bereits mächtig in Aktion. Die sanze Gegend ist verkürzt: die Entfernung des dorsalen Endes der ersten Kiemenspalte vom Sinus cervicalis beträgt bei Modell III 10,5 em, hier 9; die von der 2. Schlundspalte bis ebendahin aber 5,5 zu 3,375 em bei 150 facher Vergrösserung! Die Herzfurche hat sieh schärfer ausgeprägt; sie bildet an ihrem hinteren Ende einen tief eingesunkenen Sinus cerviecalis (S. e.) und ver- lagert dadurch die hinteren Schlundtaschen und -bögen völlig in das Innere, sodass sie nur theilweise noch von aussen sichtbar sind. Man erkennt in dieser Grube die offenen 3. und 4. Spalten; der vierte Kiemenbogen bildet einen ganz schmalen Pfeiler, während in der Tiefe von einem fünften Bogen oder Furche nichts mehr vorliegt. Indess sind diese Gebilde doch noch nicht geschwunden, wie ein Einblick in die Innenseite des Modells zeigt. Ich glaubte von einer erläuternden Figur hier absehen zu können, da keine wiehtigen oder schwer verständlichen Umbildungen gegen das vorige reconstruirte Stadium Platz gegriffen haben. Das Darmrohr hat sich, auch in den hinteren Partien, in dorsoventraler Riehtung bedeutend abgeflacht. Die Anlagerung der ersten Schlundtasche beschränkt sich auf die wenig umfang- reiche, von aussen als Grube sichtbare Stelle; nach dem Rücken zu besitzt sie eine kleine Ausstülpung, die man mit Maurer (899a) als bald sehwindendes Rudiment einer ersten Thymus auffassen kann. Die entsprechenden dorsalen Wucherungen der zweiten und dritten Tasche sind erheblich gewachsen, die der vierten jedoch nnr schwer mehr wahrzunehmen. Das Epithel des Sinus cerviealis springt weit vor und nimmt die vierte und die noch vollständig vorhandene fünfte Kiementasche auf. Das kleine sechste Divertikel tritt bei diesem Exemplar wenig hervor. Es wird uns hier also klar, dass eine Weiterentwick- Mittheilungen zur Entwieklungsgeschichte der Eidechse. 725 lung der Sehlundtaschen nicht mehr stattfindet; nur ihre Derivate erhalten noch weitere Ausbildung. Da diese aber von anderen Seiten eingehende Beachtung gefunden hat, so bleibt nur noch übrig, mit kurzen Worten auf das fernere Schicksal der Kiementaschen selbst hinzuweisen. Stadıum la. Ein Embryo, der gleichzeitig mit dem vorigen Exemplar demselben Gelege entnommen wurde, besitzt zwar noch eine auf eine kurze Strecke offene erste Schlundspalte, weist dagegen ım caudalen Theil des Halses bereits Zeichen einer weiter fortge- schrittenen Rückbildung auf. Die hinteren Schlundbögen haben sich derartig zusammenge- schoben, dass der Sinus eerviealis die direete Fortsetzung der dritten Kiemenspalte darzustellen scheint und die beiden folgenden Taschen wie Anhängsel derselben aussehen. Die vierte berührt nur das Epithel der dritten, ist also bereits geschlossen. Nach dem Darm zu öffnet sie sich breit. Die Einbeziehung der fünften Tasche in die vierte ist noch deutlicher zu erkennen, sodass die erstere, nach Aufgabe der Verbindung mit der Epidermis, nur als Divertikel der vorhergehenden erscheint; zwischen beide schiebt sich noch ein Rest des fünften Kiemenbogens mit dem in Rückbildung befindlichen fünften Aortenbogen ein. Fig. 16 giebt diese Verhältnisse wieder; der Verlauf des Sin. cerviealis ist nach einem vorhergehenden Sehnitte durch punktirte Linien angegeben. Die rechte Seite zeigt insofern einen weiteren Rückschritt, als vom fünften Aortenbogen keine Spur mehr vorhanden ist und die fünfte Schlundtasche nur mehr einen hohlen Schlauch dar- stellt, der sich vom Horn- und Darmdrüsenblatt völlig abge- schnürt hat, also frei im Bindegewebe lagert. Stadium 153. Die uns besonders interessirende Ausbildung der sechsten Tasche ist in einer fast gleiehalten Serie gut zu studiren. Kiementasche IV ist bereits geschlossen, V stellt, noeh in Verbindung mit Darm und Epidermis, einen langen, Iumenlosen Zellstrang dar. Die seehste Schlunrtasche ist, wie die Fig. 17 lehrt (VI. ST.), rechterseits nur durch ein kleines Divertikel der fünften repräsentirt; links dagegen bildet sie eine ausgedehnte, 726 Karl Peter: mit hohem Epithel ausgekleidete Ausstülpung, deren Lumen in den folgenden Schnitten noch in weiter Communication mit dem Ein- geweiderohr steht. Die Asymmetrie ist sehr in die Augen springend und lässt schon ahnen, dass das Organ auf der linken Seite einer weiteren Ausbildung entgegensieht, rechts dagegen dem Untergang verfallen ist. Stadium 14!). Nun gehen die Rückbildungsprocesse in raschem Tempo weiter. Die zweite Kiementasche hat sich in diesem Stadium geschlossen und bereits vom Ektoderm losgelöst; die Ausbildung ihrer Thymuswucherung, die noch mit dem Mutterboden in Ver- bindung steht, hat beträchtlich zugenommen. Schlundtasche III ist ebenfalls nicht mehr offen und beginnt auf einer Seite sich vom äusseren Epithel zu trennen. Interessant ist der hintere Theil der Halsgegend. Von der vierten Tasche ist nur ein kleiner Zellknoten. übrig ge- blieben; der ganze lange Gang, welcher die Verbindung mit dem Hornblatt herstellt, ist geschwunden. Auch der solide Zell- klumpen hat sich bereits auf der linken Seite, auf welcher er übrigens stärker entwickelt ist, vom Darm abgeschnürt und bildet das von Maurer als Epithelkörperchen bezeich- nete Organ. Eine fünfte Schlundtasche ist nieht mehr nachzuweisen, ebensowenig ein fünfter Aortenbogen; das im vorigen Stadium schon ganz redueirte Gefäss und der zuletzt frei im Mesodermgewebe liegende Zellschlauch sind restlos atro- pbirt. Auf der rechten Seite ist damit auch die sechste Tasche zu Grunde gegangen; links dagegen hat diese sich weiter entwickelt. Die Fig. 18 zeigt sie als ein gut ausge- bildetes, an der linken Seite der abgeschnürten Trachea liegendes Bläschen im Flachschnitt, das im Begriff steht, sich von der Darm- wand abzulösen, mit der es noch durch einen dünnen Stiel zusammen- hängt. Durch seine Lage — dicht hinter dem Zellhaufen, der als Derivat der vierten Tasche erkannt wurde und noch in dem- selben Schnitte — doeumentirt es sich als Weiterbildung des Divertikels vom vorigen Stadium. Das Bild zeigt, dass wir es hier mit dem Gebilde zu thun haben, das van Bemmelen: Suprapericardialkörper 1) Dieses Exemplar verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Keibel. Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse, 127 undMaurer: Postbranchialer Körper benannten. Schritt für Schritt konnten wir verfolgen, wie dieses Zellbläschen aus einer der fünften Schlundspalte absolut gleichwertigen sechsten Ausstülpung des Darms entstand. Stadium 15. Die weiteren Entwicklungen führen zu einem Obliteriren und Schwinden auch der zweiten und dritten Schlundtasche und zu einem Abschnüren ihrer Producte. Die erste Kiementasche, vom Ektoderm entfernt, zeigt an ihrer dorsalen Spitze noch die kleine Wucherung der Thymus I. Die stark entwickelte 2. Anlage dieser Drüse ist fast von ihrem Mutterboden abgeschnürt; ihre Tasche bildet ein noch hohles Darmdivertikel. Kiementasche III ist ebenfalls völlig von der Epidermis abgeschnürt. Zwischen dem vierten und sechsten Aortenbogen lagert ein fester Zellklumpen, durch einen eben atrophirenden Strang, den Rest der vierten Schlundtasche, mit dem Darm in Zusammen- hang: das schon erwähnte Epithelkörperchen. Endlich findet sich auf der linken Seite des Embryo neben der Trachea ddas bläschenförmige Suprapericardialkörperchen mit dem Darm nicht mehr in Verbindung. Rechterseits beginnt auch die dritte Tasche zu atrophiren und lässt nur noch einen soliden Zellstrang erkennen, der ihre Derivate mit dem Schlundrohr verbindet. Auch dieser Rest schwindet, und imdem sich die Thymus- anlagen völlig abschnüren, ist die Rolle der Schlundtaschen aus- gespielt; mit Ausnahme der ersten, die zum Gehörorgan in Be- ziehung tritt, erhalten sich nur Epithelderivate. 2. Entwicklung der einzelnen Schlundspalten und ihrer Derivate. Die langathmige Beschreibung der Stadien konnte nicht erspart werden, da sie ein Bild von dem Entwicklungsgrade der Schlundtaschen zu verschiedenen Zeiten des Embryonallebens geben musste. Ich halte es nun doch nieht für überflüssig, kurz die Anlage und Umgestaltung der einzelnen Kiemen- spalten noch einmal im Zusammenhang zu besprechen, und dabei -1 ID 2 Karl Peter: mit wenigen Worten auf die Entstehung ihrer Derivate einzugehen. Wenn damit auch nur eine Wiederholung bereits beschriebener Verhältnisse gegeben wird, so sollen doch die zer- streuten Angaben in neuer Anordnung nochmals zusammengefasst werden. a) Entwicklung der Schlundtaschen. Erste Sehlundtasche. Die erste Tasche legt sich am frühesten an gemäss der altbekannten Regel, dass die Entstehung der Kiementaschen von cranial nach caudal fortschreitet. Schon Embryonen mit 5—6 Urwirbeln lassen am vorderen Ende des Darmes seitlich und dorsal gerichtete Ausbuchtungen erkennen, welche durch grossen Reichtlium an Mitosen ihr intensives Wachsthum bezeugen (Fig. 1, I. ST.). Diese Divertikel schieben das Mesoderm, welches sie von der Epidermis trennt, bei Seite, nähern sich immer mehr dem Hornblatt, mit dem sie in ausgedehntem Maasse und in ununter- brochener Linie verschmelzen (Fig. 2, 3). Das äussere Epithel, das vor der Anlagerung der Tasche unverändert über diese Stellen hinwegzog, wird allmählich hier zu einer seichten äusseren Scehlundfurehe eingebuchtet. Während die Verwachsungsstelle sich immer mehr ver- längert, beginnt die aus den verschmolzenen Epithelien bestehende Schlussmembran von dorsal her einzureissen, bis die Kiemen- spalte fast in der ganzen Ausdehnung der inneren Tasche er- öffnet ist (Fig. 5). Die so entstandene Spalte ist anfangs beinahe in der Längsrichtung des Halses gelagert und wird ventral von einer mehr quer verlaufenden Rinne fortgesetzt; diese reicht bis zu der tief einschneidenden längsgerichteten Furche, welche die Herzwölbung von der Halsgegend des Embryo trennt. Das Darmrohr, welches ursprünglich der äusseren Bedeckung sehr nahe lag, hat sich bei der Zunahme des Umfangs des Embryo von der Epidermis entfernt, sodass aus den in der An- lage unbedeutenden flügelförmigen Divertikeln (Fig. 4) weit aus- gezogene, mit engem Lumen versehene Ausstülpungen entstanden sind, die zufolge der verschiedenen Krümmung des Eingeweiderohrs und der äusseren Haut des Halses eine eigenartige um die Fläche gebogene Stellung einnehmen. Die äussere Oeffnung stellt sich mehr quer, während die innere längsgerichtet ins Darmrohr Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 129 ausmündet, ein Verhalten, das aus Fig. 12 am besten zu ver- stehen ist. Während diese Biegung sich einleitet, beginnt die lang- gestreckte Mündung auf der Aussenseite von ventral her sich zu schliessen, bis auch die dorsale Ecke keinen Durchgang mehr aufweist (Fig. 15). In demselben Maasse löst sich auch die ento- dermale Tasche von der Epidermis los. Die weitere Ausgestal- tung der sich nach dem Ohr zu ausweitenden Tasche zur Pauken- höhle und Tuba Eustachii zu beschreiben, lag nicht im Plane dieser Arbeit. Zweite Schlundtasche. Da das Darmrohr, wie erwähnt, in frühen Stadien dem Ektoblast sehr nahe liegt, so genügt auch weiter caudal von der ersten Schlundtasche ein kleines seitliches Divertikel, um eine zweite Verbindung zwischen den beiderseitigen Epithelien herzustellen. Die Verschmelzung findet zuerst in der dorsalen Ecke statt (Fig. 4) und schreitet nach dem Herzen zu fort. Eine äussere Kiemenfurche ist nicht zu bemerken. Die Richtung der entodermalen Tasche ist von Anfang an eine quere, sie con- vergirt also ventral mit der ersteren und trifft dort ebenfalls die Herzrinne. Von dorsal her reisst die Verschlussmembran ein. Der dorsoventrale Durchmesser des Darms nimmt allmählich im vorderen Abschnitt ab und so kommt es, dass die langge- streckte Sehlundtasche beiderseits bald über das Niveau desselben hervorragt (Fig. 6, 7). Eine dorsale Ausstülpung (Fig. 12) lässt durch Wucherung eine Anlage der Thymus entstehen. Die Kiementasche schliesst sich ziemlich spät; sie geht bis auf die abgeschnürte Thymus völlig zu Grunde. Dritte Schlundtasche. Zur Zeit der Eröffnung der zweiten Tasche legt sich dem hinteren Ende der Herzfurche gegenüber eine seichte Ausstülpung ddes Darmes an, die bald mit der Epidermis in Verbindung tritt, erst in einem kleinen Bezirk, dann in einer der zweiten Schlund- tasche parallelen, nach vorn etwas concaven Linie (Fig. 5). Die Eröffnung, Form der Tasche und erste Bildung der Thymus- anlage sind ganz ähnlich denen der vorhergehenden Tasche; wie diese atrophirt auch sie bis auf die epithelialen Reste, 730 Karl Peter: Vierte Sehlundtasche. In genau gleicher Weise entsteht auch die vierte Schlund- tasche, in Anlagerung, Wachsthum und Ausbildung eines dor- salen Divertikels das verkleinerte Abbild der dritten. Doch öffnet sie sich erst sehr spät und schliesst sich auch bald wieder. Mit dem schärferen Einspringen eines Sinus cervicalis rückt sie in die Tiefe; der ganze epitheliale Strang, der sie noch in Verbindung mit der Epidermis setzt, verschwindet. Es er- hält sich nur ein compakter Zelleomplex als Epithelkörperchen. Fünfte Sehloundtwsche: Diese Tasche wird als Ausstülpung angelegt, die sich von der Seitenwand des Darmes ventral neigt und mit dem nach hinten fortwachsenden Ende der Herzrinne in Verbindung tritt (Fig. 8). Die Verschmelzung schreitet dann weiter fort, ohne die Dimensionen wie bei der vierten Tasche anzunehmen. Auch brieht die Schlussmembran nie durch; nur eine seichte äussere Furche zeigt die Gegend der Verwachsung der beiden Epithelblätter an (Fig. 10). Mit der Verkürzung der Kiemenregion und Ausbildung des Sinus eerviealis gelangt diese fünfte Ausbuchtung in die Tiefe, stellt sich bald nur wie ein Anhängsel der vierten dar (Fig. 16), löst sich von Darm und Epidermis los und geht zu Grunde ohne Reste zu hinterlassen. Sechste Schlundtasche. Zum Verwechseln ähnlich der Anlage der fünften Tasche ist die einer sechsten (Fig. 9), die aber noch weniger zur Aus- bildung gelangt: sie verschmilzt wohl nur ausnahmsweise mit dem Hornblatt (Fig. 14) und bleibt gewöhnlich nur als knotenförmige Ausstülpung des caudalen Schlunddarmes bestehen (Fig. 13). Allmählich stellt sieh dann ein Missverhältniss in der Grösse der beiderseitigen Organe ein, indem das rechte mit dem Schwinden der fünften Kiementasche zu Grunde geht (Fig. 17, 18), während das links gelegene sich zu einem mit hohem Epithel ausgekleideten Sack entwickelt, der nach Zugrundegehen der fünften Tasche sich von seinem Mutterboden ablöst und als rundes Bläschen an der linken Seite der Trachea liegen bleibt. Um die zeitlichen Verhältnisse von Anlage, Aus- Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 731 bildung und Rückbildung der einzelnen Schlund- taschen, soweit sie früher zur Sprache kamen, noch einmal zu beleuchten, füge ich eine kleine Tabelle bei, welche diese Argaben registrirt. Anspruch auf absolute allgemeine Gültigkeit kann diese Zusammenstellung bei dem kleinen Material und den variablen Verhältnissen nicht erheben; immerhin gestattet sie einen Einblick in die zeitliche Folge der Veränderungen im Schlundspaltengebiet. Tabelle I. Die zeitliche Entwicklung der Schlundtaschen. Die arabischen Ziffern geben die Zahl der Urwirbel des betr. Embryos an, die römischen die Bezeichnung des Stadiums. Erste Zweite Dritte Vierte Fünfte | Sechste Tasche | Tasche | Tasche | Tasche | Tasche , Tasche Anlage der |5—6. II. 10. IV. 21. VI 138933. ? 1 Me ar Aue Kiemen- | ISVIIE: IX. tasche | KG. erreicht | 10. IV. 16. v O5-Nm 3233. | AuUxX [XT.] Epidermis | ISSS VII: Schlussmem-] 16. Va. | 25. VII. 46 47.IX.51.XVIIL.| _ — bran reisst | ein | Schluss der |63. XI. XIV. XIV. Spalte Tasch.trennt| XIV. | XIV. xXIV.| XIV. XITa. — sich von d. Epidermis Kein Rest d. _ | - = | XIV. XIV. — Scehlund- | | tasche mehr vorhanden b) Die Entwicklung der Schlundtaschenderivate. Ueber die Derivate der Schlundtaschen, deren weitere Schick- sale ich nieht verfolgt habe, kann ich nur wenig hinzufügen. Ein Epithelderivat der ersten Tasche hat Maurer (889) angenommen. Ich habe ebenfalls die schwache Wuche- -=1 Sr NG Karl Peter: rung bemerkt, möchte aber, wenn man sie als Thymusanlage be- zeichnet, auf die dorsale Ausstülpung der vierten Tasche hinweisen, welche den sich weiter zu Thymus II und III aus- bildenden Divertikeln der zweiten und dritten Kiemenspalte völlig zu homologisiren ist, wie Abbildung 12 lehrt. Allerdings findet hier keine Abtrennung eines Zellkomplexes statt, das Divertikel geht mit seiner vierten Schlundtasche zu Grunde. Dagegen erhält sich von letzterer ein compakter Zellhaufen. Maurer lässt dies „Epithelkörperehen“ als Bläschen entstehen; ich habe stets nur eine solide Wucherung wahrnehmen können. Eine Asymmetrie in der Bildung, wie sie Maurer in seiner Fig. 5 und 6 abbildet, ist mir nicht aufgestossen. Die fünfte Tasche schwindet, wie erwähnt, ohne Derivate zu bilden. Als Umbildung der sechsten wurde das Suprapericar- dialkörperehen van Bemmelen’s erkannt, das sich stets doppelseitig anlegt, meist allerdings auf der rechten Seite atro- phirt und als hohles Bläschen links von der Trachea zu finden ist. Ich habe der Frage grosse Aufmerksamkeit gewidmet, ob dieses Gebilde wirklich aus der sechsten Schlundtasche entsteht oder ob diese sich rückbildet und später an ihrer Stelle das fragliche Bläschen angelegt wird. An der Hand der voll- ständigen Entwicklungsreihe, die im Vorhergehenden ihre Be- schreibung gefunden hat, wurde die erste Art der Bildung nachgewiesen. Da das Körperchen demnach aus der letzten Kiementasche und nicht hinter derselben entsteht, so kann dem Namen Maurer’s „Postbranchialer Körper“ keine Be- rechtigung zugesprochen werden. Um nun nicht noch eine neue 3ezeichnung in das schwierige Gebiet hineinzutragen, behalte ich van Bemmelen’s eingebürgerte Benennung „Supraperi- cardialkörper“ bei, wenn auch die damit ausgesprochene topo- graphische Beziehung für höhere Wirbelthiere nieht mehr besteht. II. Allgemeiner Theil. 1. Betheiligung der Gewebe an der Anlage und Aus- bildung der Schlundtaschen. Soweit die Beschreibung der speciellen Entwicklung der einzelnen Sehlundtaschen. Im Folgenden soll nun die Be- antwortung von Fragen allgemeiner Natur versucht werden; es Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 133 handelt sich darum, welehe Gewebe den Anstoss zur Bil- dung der Taschen geben und welche sieh am weiteren Ausbau derselben betheiligen: ob etwa die segmental ange- legten Aortenbögen einen Einfluss auf deren Anlage ausüben, — oder ob das Darmblatt oder Hornblatt die betreffenden Organe entstehen lassen. Dies wird weiterhin zu der Erkenntniss führen, welche Bildungen überhaupt als Kiementaschen aufzufassen sind, so dass ihre Anzahl bei der Eidechse bestimmt werden kann. Darauf werden noch einige weitere Umbildungen der Sehlund- spalten, ihr Oeffnen und Schliessen zur Sprache kommen. a) Betheiligung der Gewebe an der Entstehung der Schlundtaschen. 0) Dire-R eo llezdier 2 rortenho en: Für die Frage nach der Entstehung der Kiementaschen ist es nicht unwichtig, die Bildung der Aortenbögen in's Auge zu fassen, insbesondere ihrem zeitlichen Auftreten in Rücksicht auf die Anlage der Schlundtaschen Aufmerksamkeit zu schenken. Es ergeben sich dabei die Fragen: entstehen die Arterien früher oder später als die Ausstülpungen des Schlundes? Be- dingen demnach die Aortenbögen deren Anlage, oder entwickeln sich dieselben unabhängig von den Gefässen ? Baer (825) scheint das erstere angenommen zu hapen, denn in seinem grossen Werke über die Entwicklung des Hühn- chens findet sich der Passus: „Zwischen den Gefässbogen ver- dünnt sich die Körpermasse in den bis zum ersten Bogen reichenden Bauchplatten, und so entstehen allmählich 3 Paar Spalten, und zwar die beiden vorderen zuerst, dann die dritte.“ Es ist nun allerdings keine leichte Aufgabe, in Schnitt- serien die Bildung der Aortenbögen und den Verlauf der eben angelegten Gefässe zu verfolgen. Der Durchmesser derselben ist anfangs ausserordentlich gering, kleiner als der eines Blut- körperchens, sodass die feine Lücke zwischen den Mesoderm- zellen in den 10 u dieken Schnitten oft verschwindet. Ich habe aber stets mit grösster Genauigkeit, sogar mit Hülfe von Im- mersionssystemen, die fraglichen Verhältnisse aufzudecken gesucht und gebe im Folgenden eine Tabelle, in welcher der Ent- wieklungsgrad einiger Embryonen in Bezug auf Kiementaschen und Aortensystem verzeichnet ist. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 48 1734 Karl Peter: Tabelle Il. Vergleichung des Entwicklungsgrades der Kiementaschen und Aortenbögen. ENTE Sn _ En .. DET> Schlundtaschen | Aortenbögen s = z | f = 2 | ST. I angelegt, nicht mit Ekto- | Keine Gefässanlage. derm in Berührung ST. I mit Ekt. in Verbindung, | AOB. I gebildet, von II keine Spross. ST. I-IO mit Ekt. in Verbin- | AOB. I, II vollständig, III dor- dung saler Spross. ST. I—III mit Ekt. in Verbin- | AOB. I, II vollständig, III ganz dung schwach, bis auf Ventralseite zu verfolgen. ST. I-III, IV einseitig, mit) AOB. I—III vollständig, IV in Ekt. in V erbindung Bildung begriffen. ST. I-II, IV rechts, mit Ekt.| AOB. I—III vollständig, in Verbindung | IV rechts eben vollständig zu verfolgen, links dorsale und ventrale Anlage. ST. I-IV mit Ekt. in Ver-| AOB. I—IIl vollständig, bindung IV nicht vollständig. 17a ST. I-IV mit Ekt. in Verbin- | AOB. I—IV vollständ., V eben dung, V angelegt | . vollständig zu verfolgen, VI dorsaler kurzer Spross. ST. I-IV mit Ekt. in Verbin- | AOB. I—V vollständig, 1 VI in Bildung | VI dorsaler Spross. ST. I-V mit Ekt. in Verbin- | AOB. I—VI vollständig. dung, VI gut entwickelt = lI angelegt | "Spuı 5 T. I u. I an Ekt. angelegt | AOB. I vollständig, II dorsaler Aus dieser Zusammenstellung geht hervor: I. Einmal für die Bildung der Blutgefässe selbst, dass die Aortenbögen ihren Ursprung von der dorsalen Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 135 Aorta nehmen; darauf entsteht ein ebensolcher Spross auch ventral; die Communication zwischen den beiden Anlagen stellt sich am spätesten her. Die Gefässe liegen übrigens im Kiemen- bogen immer an der caudalen Seite, nahe an der folgenden Schlundtasche, und es scheint öfters, als ob die ersten Lücken zur Öireulation der Blutflüssigkeit sich zwischen dem Epithel und dem Bindegewebe fänden. Sodann giebt die Tabelle Aufschluss über die Anzahl der Aortenbögen. Bei Eidechsenembryonen haben van Bemmelen (886) und Hoffmann (870) deren 6 beobachtet; der letzte Autor erwähnt sogar ausdrücklich, dass er niemals eine Spur von einem siebenten gefunden hat. Bei Embryonen, die eben abgelegten Eiern entnommen waren (Stad. 15), vermochte ieh ein klemes Gefäss zu verfolgen, das ich anfangs für einen siebenten Arterienbogen zu halten geneigt war. Vom dorsalen Theil des sechsten Bogen sprosste eine kleine Capillare aus, die nach hinten und ventral zog, jedoch bald im Bindegewebe verschwand. Nun sind im hinteren, rudimentären Theil des Aortensystemes Variationen nicht selten, und auch am fünften Bogen bemerkte ich, dass er sich in zwei Ströme spalten kann, die sich nach einer Inselbildung miteinander vereinigen. sodass ich obigem Befund keine weittragende Bedeutung beizulegen wagte. Was direet dagegen sprach, das fragliche Gefäss als 7. Bogen aufzufassen, das waren die Verhältnisse am Stadium 11, dem Embryo, bei welchem die sechste Schlundtasche einseitig das Ektoderm berührte: hier lief der starke, spätere Pulmonalis- bogen hinter dieser sechsten Anlagerung, und in dem kleinen sechsten Kiemenbogen, fehlte jede Spur eines Gefässes. Wollte man diesen einzelnen Fall verwerthen, so müsste man den Pul- monalisbogen als siebenten bezeichnen und zwischen ihm und dem fünften nach einem Rest des sechsten forschen. Vielleicht finden sich im Verlaufe der fortgesetzten Untersuchungen weitere An- haltspunkte für diese Vermuthung. I. Weiterhin lässt sich aus obiger Zusammenstellung das zeitliche Verhältniss des Auftretens der Aortenbögen zur Bildung der Schlundtaschen erkennen. Aortenbogen I wurde zuerst bei Stadien beobachtet, welche die erste Kiementasche bereits mit der Epidermis verschmolzen und die zweite in der Anlage zeigten; 736 Karl Peter: Aortenbogen II und III konnte ich erst in den vollständig gebildeten Kiemenbogen, also nach Bildung der hinter ihnen ge- lagerten Schlundtasche, nachweisen. Weiter nach hinten zu ver- wischen sich die Verhältnisse. Aortenbogen IV liess sich als dorsaler Spross schon auf- finden, bevor die vierte Entodermtasche dem Hornblatt nahe ge- rückt vor, erreichte seine Ausbildung aber erst mit Vervollstän- digung des zugehörigen Kiemenbogens; Aortenbogen V schien gar die ventrale Verbindung zu er- reichen, bevor die fünfte Tasche mit dem Ektoderm verschmolzen war, und in demselben Stadium wurde schon ein kurzer Spross des sechsten Bogens angelegt. Aus diesen Befunden geht hervor, dass die Aortenbogen sich nicht früher als die zwischen ihnen befindlichen Kiemen- taschen entwickeln, sondern fast immer erst in den ausgebildeten Sehlundbogen. Oder umgekehrt: die Schlundtaschen legen sich lange Zeit vor den Arterienbogen an, entwickeln sich ganz unab- hängig von ihnen, und der Befund eines Kiemengefässes ist nicht Bedingung, um eine seitliche Darmausstül- pung als Kiementasche zu bezeiehnen. Selbst wenn also ein siebenter Aortenbogen nicht aufgefunden werden sollte, so steht doch nichts im Wege, das oft erwähnte bilaterale Diver- tikel hinter der fünften Schlundtasche alseine sechste anzusehen. Anhangsweise möchte ich hier noch das Modell eines Aorten- systemes beschreiben, wie es Stad. 10 aufwies und in neben- stehender Zeichnung abgebildet ist, da es eine interessante Variation enthält. Der zweite Aortenbogen hat nämlich hier seine ventrale Verbindung mit dem Truneus arteriosus verloren, behält dagegen die mit der dorsalen Carotis interna und lässt erst auf diesem Umwege durch den ersten Kiemenbogen die Carotis ex- terna aus sich hervorgehen, — während nach Rathke’s Schema das letztgenannte Gefäss sich aus der ventralen Fortsetzung des Truneus arteriosus bilden sollte. Es zeigte sich das abgebildete eigenthümliche Verhalten beiderseitig bei 3 von 4 demselben Uterus entnommenen Embryonen, und so glaubte ich ihm eine weitere Bedeutung zuerkennen zu müssen, um so mehr, als Hoch- stetter (892) in seinem Referat über die Entwicklungsgeschichte des Gefässsystems sagt, dass sich die ventrale Carotis beim Mittheilungen zur Entwieklungsgeschichte der Eidechse. 137 Hühnchen „fast vollstän- dig, vielleicht auch gänz- lich“ zurückbildet. Wei- tere Untersuchung einer IH grösseren Reihe vonälteren Lacertaembryonen — gra- phische Isolirung nach sel Kaschtschenko leistet tr. a. — 5 ur : VE mir dabei gute Dienste 5 — liessen allerdings er- ” kennen, dass die Arteria lingualis, die schwache Carotis externa der Ei- dechse, für gewöhnlich ein Textfigur 1. ventrales aus dem Truneus Modell der linksseitigen Aortenbögen des Stad. 10 von ventral und lateral gesehen. tr. a.— Truncus arteriosus; AOB. U— VI= ? 2. bis 6. Aortenbogen. Aortenbogen II der abgebildete Befund nat seine ventrale Verbindung mit dem eine interessante Abwei- Truneus arteriosus verloren. chung dar, die vielleicht zu den Verhältnissen bei den Vögeln hinführt. Das alte Rathke’sche Schema der Aortenbögen der Eidechse besteht also in der von Hochstetter modifieirten Form zu Recht. arteriosus entstehendes Ge- fäss ıst. Es stellt somit ß) Die Rolledes Entoderms. Nachdem oben gezeigt worden ist, dass die Arterienbogen keinen Einfluss auf die Bildung der Schlundorgane besitzen, untersuchen wir jetzt die Antheilnahme der beiden epithe- lialen Keimblätter an der Bildung der Kiementaschen. Es wurde im ersten Theile öfters erwähnt, dass das Darm- rohr zur Anlage einer Schlundtasche ein seitliches Divertikel bildet, welches sich der Epidermis nähert. An diesen Stellen fanden sich die Mitosen auffallend reichlich, ein Befund. der auf eine intensive Vermehrung des Darmepithels schliessen und die Schlundtaschen demnach als durch actives Wachsthum des Entoderms entstanden erkennen lässt. Wie ich hier einfügen muss, hat His (887) auch die Bil- dung der Kiementaschen durch eine Faltung erklären wollen. Schon in der ersten Mittheilung sah ich mich genöthigt, die 7138 Karl Peter: Faltentheorie His’ für die Entstehung des Riechgrübchens von der Hand zu weisen, hier lassen sich dieselben Gründe gegen eine derartige Annahme der Entstehung in's Feld führen; haupt- sächlich spricht ja der oben erwähnte Reichthum an Kernthei- lungsfiguren in den entstehenden Schlundtaschen für ein actives Wachsthum. His glaubte diese Darmfalten durch die Biegung des Kopfes gegen den Rumpf hervorgebracht und verlangte daher von ihnen einen ungefähr radiären Verlauf. Nun wurde einmal schon er- wähnt, dass an dieser Krümmung nicht alle Theile des Embryos in gleichem Maasse theilnehmen: das Darmrohr verläuft in Modell II (Fig. 7) noch vollständig gerade, während der Kopf bereits dem Herzen aufliegt; eine einfache Krümmung des Verdauungs- rohrs hat die weit entwickelten Schlundtaschen also nicht entstehen lassen. Sodann kann eine radiäre Lage den ersten Spalten nicht zugesprochen werden. Späterhin, nach ihrer wei- teren Ausbildung, stellen die Spalten sich allerdings mehr in die verlangte Richtung ein: doch liesse eine solche einfache Krüm- mung niemals die eigenartige Biegung der ersten Tasche in Stad. 10 verstehen. Endlich fordert His bei seiner Faltung so- wohl ektodermale wie entodermale Einbuchtungen; wie ich vor- sreifend bemerken will, ist aber von primären äusseren Schlund- furchen bei der Eidechse nichts zu finden. Das Darmepithel wächst also activ gegen das Hornblatt vor und legt sich an dasselbe an. Und zwar entstehen die einzelnen Schlundtaschen unabhängig von einander. Clarke’s (891) Angaben, dass sich beim Alligator aus ventraler Ausbuchtung der ersten die 2. und dann die folgenden bildeten, beruhen auf missverstandenen Oberflächenbildern, indem er den dem Ektoderm sehr naheliegenden, durehscheinenden Darm zwi- schen den Spalten als Theil derselben auffasste. Die Entstehung der Kiementaschen geht sehr schnell vor sich, so dass nicht allzu häufig Stadien angetroffen werden, bei welehen man den Process der Bildung verfolgen kann. Der Grund dafür liegt darin, dass der Darm an den Stellen, au welehen sich die Ausbuchtungen vorwölben, nur durch wenige Mesodermzellen vom Ektoderm getrennt ist; es genügt dann eine geringe Vermehrung der Entodermelemente, um sich mit denen der Epidermis zu vereinigen. Dies wurde schon bei Besprechung des ersten Modells erwähnt und kehrt bei Bildung jeder Schlund- Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 139 tasche wieder. Anfangs nimmt das Darmrohr überhaupt einen so grossen Theil des Querschnittes ein, dass es im Ganzen der äusseren Bedeekung nahe liegt (Fig. 4); bei der Bildung der hinteren Kiemenspalten hat es sich im kranialen Theil des Halses vom Ektoderm zurückgezogen, dafür kommt hier die Furche zu Hülfe, in welcher die stärker hervortretende Herzwölbung vom Hals abgeknickt ist. An dieser Stelle ist die Epidermis etwas nach innen vorgeschoben, und hier legen sich der Reihe nach die dritte, dann nach dem Vorrücken derselben die vierte, fünfte und sechste Schlundtasche an. Diese Herzrinne wird uns noch weiter unten beschäftigen. Es muss Werth darauf gelegt werden, dass derselbe Bil- dungsmodus sich bei allen Schlundtaschen, von der ersten bis zur sechsten, zeigt. Nach Kupffer (894) sind nämlich bei Petromyzon noch drei Kiementasehen primär mit dem Ekto- derm in Zusammenhang, ein Verhalten, das nach Miss Platt (894) auch die erste Spalte von Neceturus aufweist. Die Worte der letzteren sind: „Bei der Entstehung der Hyomandibularspalte wird das Mesoderm nicht, wie bei Entstehung der folgenden Kiemenspalten, durchbrochen, sondern das Mandibularmesoderm wächst nach unten und bedingt auf diese Weise die Begrenzung der Hyomandibularspalte, an welcher von Anfang an Ektoderm und Entoderm sich berühren.“ Bei Lacerta geht aus der primären Verschmelzungsstelle der beiden epithelialen Keimblätter nur die Rachenmenmpbran hervor; die erste Anlage der vordersten Schlundspalte liegt weiter dorsal von dieser Stelle, durch Bindegewebsmassen von mehrerer Zelllagen Dicke von ihr getrennt; es liess sich verfolgen, dass auch diese Tasche activ das Mesoderm bei Seite drängen muss, um den Kontakt mit der Epidermis zu gewinnen. Während also die primäre Vereinigung der Epithelien bei Petromyzon für drei Kiemenspalten existirt, bei Necturus noch für die vorderste, lässt sich dies bei der Eidechse nicht mehr nachweisen: alle Kiemen- taschen sind anfangs durch Zwischengewebe von der Epidermis geschieden und ınüssen erst gegen dieselbe vorwachsen. Die erste Stelle dieser Vereinigung befindet sich für die zweite Schlundtasche am dorsalen Ende, wie das erste Modell nachwies. Für die dritte bis fünfte Tasche lässt sich dagegen nicht feststellen, welcher Punkt zuerst mit dem Hornblatt in Ver- bindung tritt. Der erste Ort der Verschmelzung liegt der Mitte 740 Karl Peter: der Seitenwand des Darms gegenüber. Ob weiterhin nur ventral gelegene Theile des Eingeweiderohrs oder auch dorsale mit dem Ektoderm in Berührung treten, ist nicht zu entscheiden. Minot’s Angabe, dass die erste Stelle der Vereinigung stets dorsal liege, lässt sich für die Kiementaschen der Eidechse also nicht allge- mein nachweisen. Jedenfalls schreitet die Verschmelzung von dieser ersten Berührungsstelle gleiehmässig fort, ohne Unterbrechungen zu erleiden; ich habe niemals gefunden, dass das Darmepithel das Ektoderm an einem dorsalen und einem ventralen Punkt trifft, während es in der Zwischenstrecke noch durch Binde- gewebe von ihm getrennt wurde, wie es Kaschtschenko für das Hühnchen beschreibt. y) Die Rolle des Ektoderms. Während im Darmepithel sich ein localisirter Wachsthums- process einleitet, der die seitlichen Ausbuchtungen dem Hormnblatt näher bringt, zeigt dieses vor der Verschmelzung nicht die ge- ringste Veränderung, wie im ersten Theil bei der Entstehung sämmtlicher Kiementaschen hervorgehoben wurde. Weder eine lebhaft vor sich gehende Karyokinese oder auffallende Zellverdiekung, noch eine Einbuchtung giebt in der Epidermis die Stelle an, welche später mit der Darm- wand in Berührung treten wird. Und so bleibt das Ekto- derm völlig unbetheiligt bis zur Anlagerung des Darmepithels. Es giebt demnach keine primären äusseren Kie- menfurchen bei Eidechsenembryonen; das Hornblatt buchtet sich nirgends selbständig zur Bildung äusserer Rinnen ein, die ganze Aufgabe der Schlundtaschenbildung, vorläufig bis zur Ver- schmelzung der beiden Epithelien, fällt einzig und allein dem Darmdrüsenblatt zu. Diese Passivität des äusseren Keimblatts liess sich am klarsten bei der Entstehung der ersten beiden Kiementaschen beobachten, zu einer Zeit, in welcher die Herzwölbung noch nicht bedeutend und die sie absetzende Längsrinne noch nicht ausgebildet ist. Für die hinteren Taschen liegen die Verhält- nisse hier etwas schwieriger. Oefters wurde der Rinne Erwäh- nung zethan, welche durch den sich ventral einschnürenden Hals und die darauf stark vorgebauchte Herzwölbung entsteht. Diese Herzfurche ist durch ein ziemlich hohes Epithel in ihrer ganzen Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 741 Länge ausgezeichnet, und da ihr gegenüber sich die entodermalen Divertikel der Schlundtasche III bis VI finden, so könnte es den Anschein erwecken, als ob es sich hier um ein Entgegenwachsen des Hautblatts nach dem Darme zu handelte. Dass diese Rinne jedoch nicht als äussere Kiemenfurche aufzufassen ist, wie man nach Sehnitten leicht annehmen könnte, tritt bei weiterer Ausbildung des Sehlundapparates deutlich hervor. Während nämlich diese Furche sich schärfer ausprägt, emaneipiren sich die Verschmelzungsstellen der beiden Epithelien grösstentheils von ihr und rücken dorsal; nur das ventrale Ende der Taschen berührt die Hautfurche. Ausserdem bildet diese ja eine längs verlaufende Rinne, die sich ebenso den Sehlundtaschen gegenüber, wie zwischen ihnen zeigt. Kurz, sie kann zu der Bildung der Kiementaschen nicht in Be- ziehung stehen. Auch nach der Verschmelzung des Darmdrüsenblattes mit dem Hornblatt bewahrt das letztere vollständig seine Passivität, wenn auch sein Verhalten bei den einzelnen Taschen nicht das gleiche ist. Bei der ersten Kiementasche zeigt sich nämlich nach ihrer Anlagerung an's Ektoderm, bevor die Schlussmembran zum Durch- bruch gelangt, eine ziemlich tiefe Einsenkung des Hormnblatts: es tritt hier eine wahre äussere Kiemenfurche auf. Dass diese auf ein actives Wachsthum der Epidermis zurückzuführen sei, möchte ich bezweifeln. Nie zeigt die nach innen einge- buchtete Stelle eine starke Zellvermehrung oder unterscheidet sich sonst im Aussehen von ihrer Umgebung: überall die gleichen, eubischen Elemente. Ich glaube vielmehr mit Minot, dass diese Einziehung auf einem Zurückbleiben der inneren Schlund- taschen im Wachsthum, das mit der allgemeinen Grössenzunahme des Embryo nicht Sehritt hält, beruht; dadurch müssen noth- wendigerweise die seitlich mit dem Darm verschmolzenen äusseren Epithelflächen eingezogen werden. Auch hier ist das Darm- epithel das active Element, welches das passive Ektoderm in's Innere hereinbuchtet. Genau derselbe Process spielt sich bei Bildung der äusseren Kiemenfurchen ab, welche der vierten und fünften Schlundtasche gegenüberliegen, nachdem diese mit der Epi- dermis verschmolzen sind. Diese seichten Einziehungen lässt das dritte Modell Fig. 10 gut erkennen. Aber auch hier ist im Ektoderm kein irgendwie in Betracht kommender Wachs- 142 Karl Peter: thumsprocess nachzuweisen, auch diese Furchen sind durch das Entoderm entstanden. Bei der zweiten und dritten Schlundtasche, welche zeitig durchbrechen, entwickeln sich dagegen keine äusseren Furehen. Zwar scheint ein Embryo, bei welchem die zweite und dritte Schlussmembran noch nicht eingerissen sind, bei Be- trachtung unter der Lupe solche Rinnen zu besitzen, allein ein Schnitt durch diese Gegend beweist auf’s klarste, dass das Ektoderm uneingebuchtet über die Verschmelzungsstellen hinwegläuft, ja streekenweise ist die Kiemenmembran sogar nach aussen vorgedrängt, wie in Fig. 19 (SM, Il, III) zu sehen ist. Hier hält das Wachsthum der Taschen also Schritt mit dem der Halsgegend. Die Erscheinung, dass ein solcher Embryo in der Aufsicht Kiemenfurchen zu besitzen scheint, ist darauf zurückzuführen, dass das Darmlumen durch die dünne Schluss- membran durchscheint und dieser Stelle einen dunkleren Ton verleiht, als die dieken unter dem Epithel liegenden Mesoderm- massen, welche die Kiemenbogen undurchsichtig weiss erscheinen lassen; ein Relief wird so nur vorgetäuscht. Denkt man sich die dünne Haut völlig undurchsichtig, so schwindet auch diese Erscheinung: so zeigt das zweite Modell niehts von einer dritten Kiemenfurehe, die der zugehörige Embryo scheinbar erkennen liess. Es ergiebt sich aus dem Vorstehenden, dass zwar sekundäre Kiemenfurehen bei Eideehsenembryonen auftreten, dass diese aber nicht durch actives Wachsthum der Epidermis ent- stehen, sondern dass das Entodermrohr einzig und allein die Bildungsstätte der Schlundtaschen ist. Dieser Befund ist nicht olme Tragweite, da er mit den An- gaben verschiedener Autoren im Widerspruch steht. So haben His, Hoffmann und Kaschtschenko, wie eingangs erwähnt, geglaubt, dass beim Hühnchen und der Ei- dechse äussere Schlundfurchen durch selbständiges Wachsthum des Hornblatts entstünden, welche sich den entodermalen Aus- stilpungen nähern sollten. Ich glaube, dass beim Hühnchen dieselben Täuschungen bei Betrachtung des Oberflächenbildes vorliegen, wie ich sie für Lacerta erklärt habe, und dass das äussere Keimblatt auch bei diesen Thieren seine Passivität bei Entstehung der Sehlundspalten bewahrt; die Bilder, die His (868) in seiner Entwieklungsgeschiehte des Hühnchens giebt, os Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 14: sprechen auch nicht für seine Annahme. Auf Tafel XI, Figg. I und II, sieht man mehrmals das Darmrohr der Epidermis seit- lich genähert oder sogar angelagert, ohne dass sich irgendwelche Einziehung in diesem bemerkbar machte: es ist keine äussere Kiemenfurche sichtbar ! Ist doch Remak (855) für das Hühnchen zu demselben Resultat gelangt, wie ich für Lacerta; er schreibt: „Das Drüsen- blatt macht eine rinnenförmige Ausstülpung, welche die Sehlund- platten und das Hornblatt durehbohrt, alsdann sich öffnet, sodass die beiden Hälften der von dem Drüsenblatt gebildeten Rinne die beiden Ränder der Spalte saumartig umkleiden.“ Letztere Angabe trifft für unser Objeet nur bei der zweiten und dritten Spalte zu, die vor dem Durchbrechen gar keine äussere Ein- ziehung besitzen. Jedenfalls erscheint es sehr gewagt, wie Kaschtschenko es will, seichte ektodermale Furehen vor der ersten Schlundspalte, die zum Darmrohr in keiner Beziehung stehen, als abortive Kie- mentaschen anzusprechen, und derselbe Vorwurf trifft Miss Platt, die intersegmentale äussere Einschnürungen, welche am Körper des Neeturus gegenüber eben solehen Erhebungen des Darmrohrs liegen, in gleicher Weise deutet. Andererseits ist diese Passivität des Ektoderms nicht unbemerkt geblieben: Liessner (888) hat die geringe Betheiligung desselben bei Bildung der Kiementaschen der Eidechse wohl be- achtet; er constatirt, dass bei der Entwicklung der fünften Tasche eine äussere Furche nicht sichtbar wurde und hebt hervor, dass die dünnen Verschlussmembranen der vierten kaum angedeutet eingezogen seien. Derartige Bemerkungen finden sich öfters in seiner Arbeit, ohne dass er ihnen irgendwelche Bedeutung bei- legt. Auch Piersol (888), der die Kiemengegend des Kaninchens untersuchte, giebt als erstes Resultat seiner Arbeit an: „Die inneren Schlundtaschen sind früher angelegt und entwickelt, als die entsprechenden äusseren Kiemenfurchen und Kiemenbögen,“ wenn er dieser Thatsache auch in der Abhandlung selbst keine Erwähnung thut. Indessen, wenn diesen Forschern auch die Unthätigkeit des Hornblatts auffiel, so zögerten sie doch, ihre Befunde für eine völlige Bedeutungslosigkeit des äusseren Keimblatts zu verwerthen, und gaben sie gewissermaassen mit aller Reserve. Jedenfalls 744 Karl Peter: fordert unser Ergebniss bei der Eidechse auf, auch für andere Tbierklassen die Antheilnahme der Keimblätter bei Bildung der Schlundtaschen von Neuem zu untersuchen !). Somit ist auf Grund unserer Erwägungen der Schluss zu ziehen, dass die Anlage einer Schlundtascheallein vom Entoderm ausgeht, dass dazu weder ein Aortenbogen’noch eimer-äussere,Furche north: wendig istJund dass'wir jede eireumskrıipie seitliche Ausbuchtung des Darmes bis zum Ende der Herzrinne — oder des Sinus eerviealis —, welche durch Zellvermehrung entsteht, ads Anlage einer Schlundtasche bezeichnen dürfen. Es ergiebt sich somit die Thatsache, dass der Eidechse sechs Kiementaschen zukommen, von denen fünf stets mit der Epidermis in Berührung treten. b) Die Zahl der Schlundtaschen, Die Zahl der Schlundtaschen der Lacerta ist bisher ein strittiger Punkt gewesen. Maurer (899a) hat in einer seiner letzten Veröffentlichun- sen deren Anzahl auf 4 angegeben und dies später n Semons Reisewerk bei Besprechung der Kiemenspalten von Echidna (899 b) wiederholt. Er sagt einmal in der ersten Abhandlung von einem Dtägigen Embryo: „Hinter dieser vierten Spalte finde ich in diesem Stadium am vorliegenden Exemplar keine fünfte Kiemen- spalte mehr,“ und polemisirt weiter gegen van Bemmelen, welcher deren fünf beobachtet hat. Er glaubt, dass der hollän- dische Forscher vielleicht Ausbuchtungen der vierten Schlund- spalte für eine fünfte gehalten hat; „davan Bemmelen keine Abbildungen darüber gegeben hat, kann ich das nicht entscheiden.“ Der letzte Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Van Bemmelen hat in einer Schrift in Donders-Feestbundel (888), und dann im Anatom. Anzeiger (889) — zwei Arbeiten, deren Maurer keine 1) Van Bemmelen (888) ist wohl zu demselben Resultate gelangt, wie ich; und wenn er eine ektodermale Einstülpung hinter der fünften Kiementasche deswegen nicht als eine sechste Tasche deuten will, „daar de werkelijke kieuwspleten niet als instulpingen van het ento- derm worden aangelegt“, so haben wir es wohl nur mit einem Druck- fehler zu thun, der an Stelle von ektoderm entoderm setzte. Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 145 Erwähnung thut — graphische Reconstructionen von der Hals- gegend eines Eidechsenembryos gegeben, welche deutlich be- weisen, dass er fünf durch Arterienbogen getrennte Kiemen- taschen gefunden hat; allerdings braucht dieser Autor den Aus- druck „Sehlundspalten“ auch für Taschen, die nicht nach aussen durehbrechen. Nun hat Maurer nur einen jungen Embryo mit zwei Sehlundtasehen und dann als nächstes Stadium gleich einen, der 5 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen war, untersucht, hat also die Anlage einer fünften Tasche ebenso wenig beob- achten können, wie die gleichgestaltete der sechsten, seines post- branchialen Körpers. Aber noch lange Zeit besteht jene fünfte Tasche; in den Stadien, in welchen die vierte Spalte offen steht (Stad. 12) und noch nach Schluss der ersten und vierten, habe ich sie nie vermisst, sodass wolıl anzunehmen ist, dass Maurer sie übersehen hat, wenn sein Embryo nicht gerade abnorme Ver- schiebungen in der Entwicklung der Kiemenregion aufwies. Uebrigens befindet sich Maurer, — und mit ihm de Meuron (886), der ebenfalls nur 4 Schlundtaschen gelten lässt, — nicht bloss in Widerspruch mit van Bemmelen, wie er angiebt, sondern schon Rathke (848), dann Born (885), Liessner (888), Hoffmann (886, 890) Orr (887) haben bei Reptilien (Eidechsen und Schildkröten) 5 Einbuchtungen des Schlundes oder der äusseren Epidermis gefunden. Rudimente einer sechsten Schlundtasche sind eben- falls bereits mehrfach erwähnt worden, und auch nKollmann’'s Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte ist diese Angabe gedrungen. Hoffmann (890) bemerkt „in einem ganz bestimmten Entwiekiungsstadium“ hinter dem sechsten Aortenbogen noch eine kleine Ausstülpung, die bald wieder verschwindet, und ver- muthet in ihr ein Rudiment der sechsten Kiementasche. Es ist nicht unmöglich, dass er dasselbe Divertikel gesehen hat, das Modell III zeigt, — das aber nicht zu Grunde geht, — und welches Liessner sicher beobachtet und in gleicher Weise gedeutet hat: „Es lässt sich weiter eine mit der distalen Wand der fünften inneren Kiemenfurche in Zusammenhang stehende ceireum- seripte Zone des Epithels der Schlundhöhle nachweisen, welche leicht ausgebuchtet ist und im Bereiche dieser Ausbuchtung eine Verdiekung des Epithels erkennen lässt, ein Verhalten, durch 746 Karl Peter: welehes man veranlasst werden kann, hier den ersten Beginn der Anlage zu einer sechsten inneren Kiemenfurche anzunehmen.“ Dagegen scheint diese Ausstülpung van Bemmelen ent- sangen zu sein. Dieser Forscher beschreibt zwar hinter der fünften Kiementasche eine blinde Ausstülpung, welche durch eine Einragung der Darmwand von derselben abgegrenzt wird, warnt aber mit Recht vor Vergleichung mit einer Schlundtasche, da die Form und Art ihres Epithels von dem der wahren Taschen völlig verschieden sei. Die Reconstruction lässt erkennen, dass diese Ausstülpung der seitlichen Verbreiterung entspricht, die das Darmrohr vor Annahme des rundlichen Querschnitts besitzt, und die bei Gelegenheit der Besprechung des dritten Modells erwähnt wurde. Die erste Anlage der sechsten Tasche scheint van Bemmelen aber nicht beobachtet zu haben, da er das Supra- pericardialkörperehen nur linksseitig entstehen lässt, während es doch ziemlich lange Zeit auf beiden Seiten gleichmässig ausge- bildet ist. c) Oeffnung und Schluss der Schlundspalten. Nun noch einige Bemerkungen über das Durchbrechen und den Verschluss der Kiementaschen. Vor dem Durcehreissen werden die Zellen der Ver- schlussmembran niedriger und stechen besonders gegen die hohen Epithelien der Taschen ab; ihre Grenzen werden undeutlich. Wie der Durchbruch selbst stattfindet, wurde mir nicht völlig klar. Dass die Sprengung der Membran auf Zug der beiden stark wachsenden und sich voneinander entfernenden Kiemen- bogen zurückzuführen sei, ist bei dem Vorbuchten der Epithel- haut nach aussen oft noch kurz vor dem Einreissen, also bei ihrer Schlaffheit, nicht anzunehmen. Anderseits traf ich selbst einmal eine Mitose in einer sprungreifen Verschlussmembran, die gegen eine Atrophie ihre Elemente spricht. Die Rissstelle liegt, wie man an Frontalschnitten leicht beobachten kann, meist caudal, sodass die Membran von dem nach hinten gelegenen Kiemenbogen abreisst und anfangs an dem vorher befindlichen flottirend hängt. Auch noeh nach Abreissen des Membranrestes lässt sich eine Zeit lang die Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm leicht feststellen. An dieser Stelle findet sich Mittheilungen zur Entwicklungeschichte der Eidechse. 747 nämlich eine scharfe Kante am Kiemenbogen, und das hohe Cylinderepithel des Darmes geht unmittelbar in das kubische der Epidermis über. In Fig. 19 ist dies linkerseits an der zweiten Schlundspalte bemerkbar. Nach und nach verschwindet aber die Leiste, und ganz allmählich gleichen sieh die Höhen- unterschiede zwischen den beiden Epithelien aus: Die Grenze zwischen den beiden Keimblättern ist dann nieht mehr zu erkennen. Die Kiemenbogen wachsen und runden sieh allmählich ab; dadurch erscheinen jetzt auch an der zweiten und dritten Kiemenspalte äussere Schlundfurchen, an denen aber das Ektodern: nicht allein Antheil hat; Fig. 19 zeigt an der zweiten Spalte, wie beim Einreissen der Membranen die innere. entodermale Tasche auch von aussen her sichtbar wird, und wie bei Abrundung der Bögen — gleichmässiges Wachsthum aller Theile vorausgesetzt — die Grenze zwischen den beiden Keimblättern nach aussen verlagert wird; diese äusseren Furchen bestehen also in ihren tieferen Theilen aus entodermalem Epithel, in ähnlicher Weise, wie es Remak (855) für die Spalten des Hühnchens beschreibt. In der Zahl der bei Lacerta sich öffnenden Spalten stimme ich nach dem Vorhergehenden mit Liessner ziemlich überein: es brechen jederseits drei Schlundtaschen in grosser Ausdehnung durch, die vierte wohl auch stets, doch erst spät und nicht im ganzen Bereich der inneren Aus- buchtung. Wegen des Zeitpunktes verweise ich auf die Tabelle pag. 731. Gleiche Angaben macht Orr von Anolis. Insbesondere möchte ich gegen Hoffmann, welcher bei Reptilien einen Durchbruch der ersten Spalte in Abrede stellt, noch hervorheben, dass diese Schlundtasche stets und zwar ziem- lich lange Zeit offen gefunden wird, wie auch Maurer und van Bemmelen angeben. Allerdings ist sie die erste, die sich wieder schliesst. Die Ebene des Verschlusses der Schlundspalten ist nieht leicht zu bestimmen, da die Ansatzstelle der Schluss- membran, die Grenze zwischen Ektoblast und Entoblast, sich all- mählich verwischt. Kascehtsehenko hat beim Hühnchen gefunden, dass dieser Verschluss ‘weiter nach aussen hin stattfindet, als die Durehbruchstelle lag, sodass ein Theil des Ektoderms mit in die 748 Karl Peter: Reste der Schlundtaschen einbezogen würde. Er lässt auch die Thymus nicht nur aus entodermalen, sondern auch aus dem Ektoderm entstammenden Elementen hervorgehen. His (889) neigt für den menschlichen Embryo derselben Ansicht zu, betrachtet die Frage aber noch als eine offene. Ich möchte eine Betheiligung des Ektoderms an der Bildung der Thymus für die Ei- deehse entschieden in Abrede stellen. Schon die geringe Aktivität des äusseren Keimblatts bei der Bildung der Schlundtaschen weist darauf hin, dass der Ento- blast als die eigentliche Bildungsstätte der Schlundtaschenderi- vate anzusehen sei. Nun finden sich aber in dem Winkel der Kiemenbogen, in welchen die beiden Keimblätter sich berühren, die Anlagen der Ganglien. Die dorsalen Ausstülpungen der Kiementaschen, aus deren Epithel die Thymus hervorgeht, liegen von Anfang an medial von diesen Zellknoten, eine Lage, an der auch die fernere Entwicklung nichts ändert, — also völlig im Bereiche des Entoderms! ah N a Mit dem sich schliessenden Thr Sinus cervicalis gelangen nun Ja | sicher ektodermale Zellstränge in’s Innern des Halses, und die abge- schnürten und zu Grunde gehenden Schlundspaltenreste mögen epider- moideale Elemente beherbergen, das IV. kann ich nieht in Abrede stellen; es ist dies aber auch kein Punkt von Bedeutung, da keine wichtigen Organe aus ihnen entstehen. Für die bleibenden Abkömm- lingei ist weine” Betheilae sung des äusseren Keim- Thm IL Eu In]. e2 SPK Textfigur 1. Schema d. Schlundspaltengegend des Eidechsenembryos. I-VI— blattes sicher auszu- erste bis sechste Schlundspalte; schliessen, und die Angaben Thm I-IH — Thymusanlagen, Kaschtschenko’serscheinen da- ®1, e&5— Epithelkörperchen, SPK _. e ER an mit der Prüfung werth. — Suprapericardialkörper, Thr = s Thyreoidea. Man erkennt beider- Wollen wir noch zum Schluss seits 6 Schlundtaschen, von denen unserer Befunde in ein Schema nur die fünfte und rechte sechste einkleiden, wie sie seit de Meu- völlig schwinden. ron Maurer und Verdun (898) Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 149 verwandt haben, so müsste dasselbe für die Eidechse die neben- stehende modifieirte Gestalt annehmen. Wenn nun, wie Maurer annimmt, die suprapericardialen Körper der Amphibien dem der Eidechse homolog sind, so haben wir in ihnen ebenfalls eine sechste Schlundtasche zu erblicken, und die Schemata reihen sich dann gut an das der Teleostier an, denen 6 Paar Kiementaschen zukommen, aber ein supraperi- eardialer Körper fehl. Somit kämen bei Teleostiern, Anuren wie Urodelen und Lacertilieren in gleicher Weise 6 Paar Kiementaschen zur Anlage. Ueberträgt man die Homologie der suprapericardialen Körperchen auch auf das entsprechende Organ der Selachier, Vögel und Säuger (laterale Schilddrüsenanlage, Born, 383a), über welehe Formen mir allerdings keine eigenen Erfahrungen zu Gebote stehen, so mus man Acanthias 7, den Vögeln und Säugern 5 Paar Schlund- taschen zuschreiben. 2. Die physiologische Bedeutung der Schlundtaschen der Eidechse. Die Schlundtaschen der amnioten Wirbelthiere betrachtet man als den Typus eines embryonalen Organes. Mit diesem Namen pflegt man Organe zu belegen, die bei den muthmaasslichen Vorfahren der betreffenden Form eine ausge- dehnte Thätigkeit ausgeübt haben, dieselbe aber mit veränderter Lebensweise ihrer Träger einbüssten, so dass sie beim ausgebil- deten Thier allmählich schwanden, — die aber doch durch die Kraft der Vererbung immer noch als Rudimente während der ontogenetischen Entwicklung des Individuums auftauchen, Reste, denen man gewöhnlich jede Funktion abspricht. Sehen wir ein- mal von Verwandtschaft und Thätigkeit ab, so können wir em- bryonale Organe als solche definiren, die während der Onto- genese in Erscheinung treten, sich bis zu einem ge- wissen Grade ausbilden, dann aber wieder verschwinden. ohne beim erwachsenen Thier eine Rolle zu spielen. Welche Bedeutung kommt ihnen aber für den Embryo zu? Roux (885) hat die individuelle Entwicklung der Thiere in zwei Perioden eingetheilt, in die der organbildenden und die der funetionellen Entwicklung. In dem ersten Zeit- raum sollen die Organe nur „angelegt und bis zur Befähigung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 49 750 Karl Peter: zum Beginn einer speeifischen Funetion ausgebildet werden“, während sie im zweiten diese speeifischen Functionen ausüben. Sieht man nun die embryonalen Organe als funetionslos an, so verzichtet man mit obiger Eintheilung der Ontogenie auf eine causale Erklärung derselben; sie haben ja weder ein Organ zu bilden, das dem erwachsenen Thier zukommt, noch üben sie selbst eine Thätigkeit aus. Wozu treten sie dann mit solcher Regelmässigkeit auf? „Weil die Vorfahren sie in ausgebildetem, funetionirendem Zustande besassen“, ist doch nur eine Erklärung für ihre Herkunft, nicht für ihre physiologische Bedeutung, ist kein Grund dafür, dass sie stets, bei jeder Art bis zu einem be- stimmten Grade sich entwiekeln und dann ebenso regelmässig allmählich schwinden. Wenn sie einmal überflüssig sind, warum erhalten sie sich bei verschiedenen Thierklassen in diesen ver- schiedenen, fest normirten Entwicklungsgraden ? Wie oben gesagt, passt diese Frage typisch auf unsere Schlundspalten. Die kiemenathmenden Organismen bedurften ihrer als Athemwerkzeuge; als aber mit dem Uebergang zum Landleben die Lungen sich ausbildeten und den Gasaustausch übernahmen, da schwand auch die Bedeutung der Kiemenspalten, und seitdem zeigen sie sich nur noch während der ÖOntogenese. Da nun im ersten Abschnitt Entstehung und Ausbildung dieser rudimentären Gebilde beim Eidechsenembryo eine so genaue Würdigung erfahren haben, so versuchte ich auch einen Ein- blick in ihre Function zu gewinnen, um zu erkennen, ob ihnen eine Thätigkeit zuzusprechen ist, oder nicht. Eine ganze Reihe von embryonalen Organen giebt es, welche beim ausgebildeten Individuum vollständig rückgebildet sind, deren Thätigkeit aber sich uns offen aufdrängt und wohl noch von Niemand geleugnet wurde. Hierher sind die Seiten- organe der Thiere mit Metamorphose zu rechnen. Die Haftorgane, die Hornkiefer der Froschlarven, oder — da diese Theile durch Anpassung neu erworben sind — die altererbten äusseren Kiemen der Salamandriden sind Lebensbedingungen für diese Larven, und doch bilden sie sich völlig wieder zurück. Diese sichtlich wohl funetionirenden Larvenorgane, deren Zahl sich beliebig vermehren liesse, geben doch zu denken, ob nicht auch die als zwecklos angesehenen Theile des Embryos ein physiologisches Erforderniss für seine Ausbildung darstellen. Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 751 Freilich wird in unserem Fall die Untersuchung dadurch erschwert werden, dass die Lacertaembryonen nieht als freie Lebewesen vor unseren Augen im Kampf um’s Dasein für ihren Lebensunterhalt zu sorgen brauchen, wobei wir die Thätigkeit der Nahrungsaufnahme, der Bewegung ete. leicht controlliren könnten; den im Ei oder im Mutterleib sich entwickelnden Thieren wird durch die Mitgabe des Dotters oder auf anderem Wege leicht erreichbares Nährmaterial geboten, sie erhalten durch, die Eihüllen oder in utero Schutz vor äusseren schädlichen Ein- wirkungen. Indess ist dies doch nur ein gradueller Unterschied; der Embryo entwickelt sich nieht unter uns leicht erkennbaren Bedingungen, sondern unter solchen, die wir nur schwierig er- schliessen können, und in die uns nur das Experiment Einblick gewähren lässt. Versuchen wir es trotzdem einmal, die Auf- gabe der Schlundspalten für den Aufbau des embryo- nalen Eidechsenkörpers zu ergründen! Mit der Frage nach der Oenogenese und der Berechtigung des biogenetischen Grundgesetzes, die von Keibel (im 7. Band der Ergebnisse der Anat. u. Entwicklgesch.) kürzlich eine lichtvolle kritische Darstellung erfahren hat, steht unser specielles Thema in keinem nothwendigen Zusammenhang; dort handelte es sich darum, ob sieh Vorfahrenstadien in der Ontogenese der Nach- kommen nachweisen lassen, ob also die embryonalen Organe als Erbstücke zu betrachten sind; hier wollen wir das in der Entwicklung der Eidechse auftretende Organ physiologisch zu erklären suchen, ohne Rücksicht auf seine morphologische Be- deutung, seine phylogenetische Verwandtschaft. Treten wir jetzt unserer Aufgabe näher, nnd sehen wir ein- nal nach, ob die Kiemenspalten kiemenathmender Thiere wirklich allein im Dienste der Athmung stehen, oder ob ihnen noch eine andere Bedeutung zukommt. Da haben uns Maurer’s (886) Untersuchungen über die Thymus der Teleostier belehrt, dass die Schlundtaschen der Knochenfische — wenigstens die zweite bis sechste — auch den Mutterboden für die Thymusan- lagen abgeben, dass ihnen demnach auch bei diesen specifischen Kiemenathmern eine doppelte Thätigkeit zufällt: Die Bildung eines Theils des Athmungsapparates und die Anlage der Thymusdrüsen. Fällt nun bei weiterer Umgestaltung eine der beiden Funktionen dieser Ausstülpungen weg, so ist damit noch 752 Karl Peter: nicht ihr völliger Untergang geboten. Sie haben noch eine zweite nicht weniger wichtige Aufgabe zu verrichten, und es würde eher Wunder nehmen, wenn die Divertikel z. B. mit Auf- hören der Kiemenathmung völlig wegfielen und die erwähnten Drüsen sich eine andere Bildungsstätte suchten. Freilich fällt hier störend in's Gewicht, dass wir diese Darmausstülpungen nach ihrer uns am leichtesten sichtbaren Funktion als „Kiemen- taschen und Kiemenspalten“ bezeichnen und nach Aufgabe der einen Thätigkeit noch von „Resten der Kiementaschen, die nicht mehr der Athmung dienen“, reden, während diese Organe als 3ildner der Thymus doch auch noch dann ein berechtigtes Dasein führen. Nach diesen Betrachtungen wird uns die Bedeutung der Schlundtaschen der Eidechse schon um Vieles näher gerückt: auch sie geben ja bleibenden Gebilden den Ursprung, theils ebenfalls epithelialen Drüsen, theils anderen Organen. Lassen wir die sechs Taschen daraufhin noch einmal Revue passiren. Schlundtasche I betheiligt sich nur in geringem Grade an der Thymusbildung, tritt aber später in den Dienst des Gehörorgans, um Paukenhöhle und Tuba auditiva zu bilden. Schlundtasche II und III lassen den Haupttheil der Thymus- drüse aus sich hervorgehen. Tasche IV giebt ebenfalls einem Epithelkörper seine Ent- stehung, der allerdings später atrophirt. Endlich bildet sieh Schlundtasche VI linkerseits vollständig in das Supraperi- cardialkörperchen van Bemmelens um. Somit beschränkt sich unsere Aufgabe bereits beträchtlich; wir haben eine Erklärung der Ausbuchtung der ersten bis vierten und der sechsten Schlundtasche gefunden. Die Thymusanlagen mussten eben aus diesen seitlichen Divertikeln entstehen, um ihre laterale Lagerung einnehmen zu können. Dagegen fehlt uns noch eine Erklärung für das Auftreten der fünften und der rechtsseitigen sechsten Tasche, welehe ohne Reste zu hinter- lassen schwinden. Weiterhin aber scheint allein die linke sechste Tasche in der Erzeugung des genannten Bläschens ihre alleinige Bedeutung zu besitzen; sie geht so vollständig in dieser Aufgabe auf, —1 [bi 4) Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. dass man vor Kenntniss der in ganz gleicher Weise erfolgenden Anlage der fünften Schlundtasche sich scheute, in ihr über- haupt den Rest eines solehen Divertikels zu sehen. Die ersten vier Taschen erlangen aber noch eine weitere Ausbildung, als sie der obige Zweck verlangt hätte: sie wachsen noch über die Gegend der T’hymusanlage seitlich hinaus, erreichen das Ektoderm und brechen nach aussen durch, bilden so Zelleom- plexe, die später der völligen Auflösung verfallen sind; wie man sieht, immer noch genug des Erklärungsbedürftigen. Es sei mir gestattet, hier einige Vorschläge zur Deutung dieser Verhältnisse zu machen. In dem Winkel, in welchem die entodermale Schlundtasche an die Epidermis stösst, entwiekeln sich die Zellmassen der Ganglien des Facialis, Glossopharyngeus und- Vagus; wäre es nun nicht möglich, diesem Zusammenstoss der beiden Keimblätter eine Bedeutung für die Bildung der Gan- glien zuzuschreiben? Damit wäre ein Einblick in die Noth- wendigkeit der Anlagerung der fünf ersten Taschen ans Haut- blatt gewonnen. So vage diese Behauptung auch klingen mag, so lassen sich doch analoge Fälle einer solchen Beeinflussung der Gewebe finden. Ein solches Beispiel ist die „Epithelscheide* des Schmelzergans. Das innere Epithel des kappenförmig der bindegewebigen Zahnpapille aufliegenden ektodermalen Schmelz- organs formt sich bekanntlich zu den säulenförmigen Adamanto- blasten um, Elemente, denen die Aufgabe zufällt, den Schmelz der Zahnkrone zu bilden. Doch zieht sich das Epithel noch weiter an der Papille herab, als der Bereich der späteren Krone ist, es überzieht auch noch die sich bildende Wurzel, ohne dabei Schmelz zu produeiren. Diese „Epithelscheide“ wächst, während ihre oberen, der Krone naheliegenden Zellen zu Grunde gehen, immer weiter in die Tiefe, bis die Bildung der Wurzel vollendet ist; dann wird auch der letzte Theil resorbirt. Dieses Gewebe lässt also in gleicher Weise wie die embryonalen Organe kein bleibendes Gebilde aus sich hervorgehen; es bildet keinen Schmelz mehr. Aber die Thatsache, dass sich nur unter ihm Zahnbein entwickelt, dass nach Atrophie des Epithels auch die Dentin- bildung aufgehört hat, zeigt doch deutlich genug seine physio- logische Nothwendigkeit; es kommt noch hinzu, dass die Epi- 1754 Karl Peter: thelscheide bei Zähnen mit unbegrenztem Wachsthum auch ein bleibendes Organ ist. Röse (898) hat dies kürzlich dahin definirt, dass „eine Hauptaufgabe des epithelialen Mantels darin besteht, die Form für die künftige Gestalt des Zahnes vorzubilden‘“, also eines Organes, das in seiner ganzen Wurzel keine ektodermalen Elemente beherbergt. Welcher Art diese Beeinflussung der Dentinbildung ist, ent- zieht sich vorläufig unserer Kenntniss; auch soll nicht verschwiegen werden, dass sich an anderen Orten, z. B. in Knochen der Fische, Zahnbein vorfindet, das sich ohne epitheliale Bedeckung ausbildet; allerdings unterscheidet sich dieses „Trabekulardentin‘“ in seinem Wachsthum von dem echten „Orthodentin“. Eine derartige Beeinflussung einesanderen Ge- webes als Aufgabe eines Organs hindert natürlich nieht seine von diesen Theilen unabhängige Entstehung. Ebenso wie wir in der ersten Mittheilung sahen, dass das Geruchsorgan sich ganz un- abhängig vom Gehirn entwickelt, ohne welches es doch später seine Thätigkeit nicht ausüben kann, in gleicher Weise konnten wir hier beobachten, dass die Schlundtaschen durch lokalisirtes Wachsthum der seitlichen Darmwand angelegt werden und un- abhängig von anderen Geweben das Ektoderm erreichen. Auch das Durchbrechen der Kiemenspalten möchte ich nicht, wie van Bemmelen (889), für bedeutungslos halten; ich meine, dass es doch auch für Embryonen von Thieren, die nicht mehr durch Kiemen athmen, nicht gleichgültig sein kann, ob das Darmrohr in weite Communication mit der um- sebenden Flüssigkeit tritt. Und warum findet dieser Durchbruch regelmässig bei Reptilien, Vögeln und bei Echidna statt, während er bei Placentaliern nicht diese Ausdehnung erreicht und von His (889) z. B. in Abrede gestellt wird ? Bedenkt man, dass die eben genannten Amniotenklassen meroblastische Eier besitzen, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass dieser Dotterreichthum von Bedeu- tung für das Oeffnen der Schlundtaschen sei. Schon in der vorigen Mittheilung wurde darauf hingewiesen, dass nicht das Blut allein als Träger der Nährstoffe in jungen Stadien anzusehen ist, sondern auch die den Embryo umgebenden Säfte. Durch die offenen Schlundspalten würde sich der Austausch dieser Flüssigkeiten zwischen Darmrohr und Aussenseite leicht vollziehen Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 155 können und die Epithelien mit reichlichen Nährstoffen versorgen. Für dotterarme Eier würde dieser Vortheil weniger ins Gewicht fallen, da bei ihnen die Blutgefässe als Vermittler der Ernährung schon früh eine höhere Bedeutung erlangen; daher vielleicht das Geschlossenbleiben der Schlundtaschen bei höheren Säugethieren. Somit wäre allein noch das Auftreten der rechten sechsten Tasche bei der Eidechse unverständlich. Um des Hypothetischen nicht noch mehr zu häufen, will ich keinen Versuch einer Er- klärung bringen. Man erkennt jedoch, wie sehr sich bei näherem Nachforschen die Bedeutung der „funktionslosen“ Schlundtaschen erhellt, wie klein das Gebiet wird, auf das die noch unerklärten Erschei- nungen zusammenschwinden. Dass eine Reihe von Thatsachen uns noch unverständlich bleiben, und dass wir mit unvollkommenen Erklärungsversuchen vorlieb nehmen müssen, das wird Niemand Wunder nehmen, der daran denkt, wie langsam mit den „funk- tionslosen“ rudimentären Organen des erwachsenen Menschen aufgeräumt wird. Es ist noch gar nicht lange her, dass die Schilddrüse in ihrer wichtigen Bedeutung erkannt wurde, und auch der Wurmfortsatz, das Iymphoide Organ des Diekdarns, wurde und wird noch als unnützes Anhängsel des Coecum ange- sehen. Schritt für Schritt kommen wir mit den erweiterten physiologischen Kenntnissen zu der Einsicht, dass jeder Theil des Körpers — ideal jede Zelle — seine Bedeutung und Aufgabe hat, dass der erwachsene Körper kein überflüssiges Gebilde auf- weist. Das gleiche Schicksal werden, davon bin ich über- zeugt, mit dem tieferen Eindringen in das dunkle Kapitel der Physiologie des Embryos die zahlreichen räthselhaften em- bryonalen Organe erleiden, sie werden ihre Unerklärlichkeit ein- büssen und sich als von den Vorfahren ererbte, aber doch nicht funktionslose Theile des embryonalen Körpers kundgeben. Ein Organ schwindet nicht, weiles funktionslos ist, sondern in dem Maasse, als seine Thätigkeit ab- nimmt. Man hat also zu unterscheiden, was ein Organ zu leisten hat, die Aufgabe, die ihm im ausgebildeten Zustand zufällt, und die Thätigkeit, die es während seiner Entwieklung ausübt, be- stehend in starkem Wachsthum, Beeinflussung anderer Theile ete.; insofern kann man die Roux 'sche Eintheilung der Onto- 756 Karl Peter: genese wohl annehmen. Man hat aber einmal im Auge zu be- halten, dass diese endgültige Thätigkeit nicht nur dauernd sein kann, sondern auch nur kurze Zeit während, sodass das be- treffende Organ nach Erfüllung seiner Aufgabe dem Untergange verfällt; ferner ist daran zu denken, dass dieser Endzweck auch in’s embryonale Leben fallen kann, sodass wichtige Zelleomplexe bereits vor Ablauf der Entwicklung völlig schwinden können. Die Frage nach der phylogenetischen Herkunft soleher embryonaler Organe erleidet natürlich auch bei dieser Auf- fassung keinen Stoss; noch viele interessante Thatsachen wird uns das Forschen nach der Verwandtschaft aufdeeken. Aber man soll sich nicht zufrieden geben, damit zugleich die Existenz- berechtigung des Organs gefunden zu haben; und wenn auch seine biologische Bedeutung noch unaufgeklärt ist, so ist es doch mehr im Sinne der naturwissenschaftlichen Forschung, ein- zugestehen, dass unsere Kenntnisse noch unvollkommen sind, als sich mit Gründen zufrieden zu geben, die jedes weitere Nach- forschen ausschliessen. Breslau, den 5. October 1900. Charakterisirung der beschriebenen Embryonen. Stad. 1. (Lac. ag. 9. VI. 98. y. B.). Grösste Länge 1,8 mm. Vordere Amnionfalte überzieht den Kopf und reicht bis ans Gebiet der Urwirbel. Schwanzknoten deutlich. Rückenrinne caudal erweitert. 4 abgegrenzte Ursegmente. Vorderer Neuroporus klafft weit, Medullarfalten dahinter 560 u lang aneinandergelegt, strecken- weise beginnende Verschmelzung. Vorderdarm 120 u lang, ventral vollständig ans Ektoderm angelagert. Stad.2. (Lac. ag. 9. V1.98. y. A.) Grösste Länge 2,0 mm. Amnionfalte bedeckt 4 Urwirbel. 5 Urwirbel, ein 6. caudal nicht scharf begrenzt. Vorderer Neuroporus nicht weit klaffend: Rückenmark auf 1010 u ge- schlossen, Vorderdarm 230 u lang, Anlage der ersten Kiemen- tasche. Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 757 Stad. 3. Stad. 4. Stad. 5. Stad. Da. Stad. 6. Stad. 7. (Lac. ag. E. 1895. 3.) Grösste Länge 2,1mm. Geringe Kopf- biegung:;: Amnion überzieht noch nicht den hinteren Theil des Körpers. 9 Urwirbel. Vorderer Neuroporus offen, hinterer geschlossen. Primäre Augenblasen in erster Anlage, kein Riechfeld. Vorder- darm 310 u lang, Rachenmembran nicht gerissen, Schlund- tasche I erreicht fast das Ektoderm, II nicht angelegt. Keine Gefässanlagen. (Lac. ag. 16. VI. 98. ß. B.) Grösste Länge 2,0 mm. Wenig ge- bogen, Herzwölbung eben angedeutet; Amnion bis auf eine Strecke von 150 u am Hinterende geschlossen. 10 abgegrenzte Urwirbel. Neuralrohr dorsal geschlossen bis auf den weit offenen vorderen Neuroporus. Verdicktes Hörepithel mit eben beginnender Einsenkung. Riechfeld kaum angedeutet. Primäre Augenblasen. Vorderdarm 440 u lang, Rachenmembran nicht gerissen. Schlundtasche I erreicht das Ektoderm, II erste Anlage. Aortenbogen I gebildet. Kopf- höhlen beginnen sich zu differeneiren, Beginn des Lumens. (Lae. ag. 17. VI. 99. 4.) Grösste Länge 2,6 mm, wenig gekrümmt. Herzwölbung angedeutet. Erste Kiemenfurche bemerkbar. Amnion geschlossen. 16 Ursegmente. Vorderer Neuroporus als Spalte, Canalis neurentericus offen. Primäre Augenblase; offene Gehörgrube, unscharf begrenztes Riechfeld. Vorderdarm 480 u lang, Rachen- membran nicht gerissen. Kiementasche I und II erreichen das Ektoderm. Thyreoidea noch nicht angelegt. Herz ge- bogener Schlauch. Aortenbogen I vollständig, II dorsal an- gelegt. Kopfhöhlen: einschichtige Blasen, nicht miteinander verbunden. (Lae. ag. 17. VI. 99. 5.) Demselben Uterus entnommen wie 5. 16 Urwirbel. Erste Andeutung der Linsenverdiekung. Vorderdarın 660 u lang. Schlundtasche I reisst ein. (Lac. ag. 19. VI. 99. C. 1.) Grösste Länge 2,75 mm. Kopf liegt der stärker vortretenden Herzwölbung an. Ohrgrübchen noch offen. Kiementasche I offen, II durchschimmernd. Allantois tritt aus dem Körper hervor. 21 Urwirbel. Neuralrohr geschlossen, Canalis neurentericus mit verengtem Lumen. Sekundäre Augenblase, tiefes Linsen- srübchen. Tiefe offene Ohrblase. Verdicktes Riechfeld. Vorder- darm 900 u. Rachenmembran nicht gerissen. Schlundtasche I offen, II breit an Ektoderm angelagert, III angedeutet. Thyreoideaeinstülpung. Verdicktes Leberepithel an vorderer Darmpforte, ohne Gänge. Aortenbogen I und (ganz dünn) II vollständig. Kopfhöhlen ohne Verbindung, Wolff’sche Gänge ohne Lumen, erreichen die Kloake nicht. (Lac. ag. 22. VI. 99. A. 1.) Grösste Länge 3,0 mm. Kopf stark Stad. 16. Stad. 8. Stad. 17. Karl Peter: gekrümmt, dem Herzen aufliegend. Allantois tritt blasenför- mig hervor. 25 Urwirbel. Nervenrohr geschlossen. Sekundäre Augen- blase, Linse nicht völlig abgeschnürt. Gehörblase noch offen, ganz seichtes Riechgrübehen. Rachenmembran gerissen, erste Anlage der Rathke’schen Tasche. Vorderdarm 1060 u. Schlund- tasche I offen, II im Einreissen, III berührt das Hornblatt. Thyroidea stark gewachsen, Leber ohne Gänge. Aortenbögen I, TI, III. Kopfhöhlen durch theilweise hohlen Strang ver- bunden. Wolff’sche Gänge erreichen die Kloake nicht. (Lae. ag. 16. VI. 98. II. Grösste Länge 2,7 mm. Allantois grosse Blase. 27 Ursegmente. Neuralrohr völlig geschlossen, Neuromeren. Canal. neurentericus offen. Dach des IV. Ventrikels ver- dünnt. Linse völlig abgeschnürt, dem Ektoderm und der Retina dicht anliegend. Gehörblasen geschlossen, mit Hornblatt in Verbindung. Seichte Riechgrübehen. Vorderdarm 970 u lang, hachenmembran nicht gerissen. Kiementasche I gerissen, II und III geschlossen. Leber: dichtes, lückenloses Gewebe an der vorderen Darmpforte. Aortenbögen I, II vollständig, III dorsaler Spross. Kopthöhlen weit, durch soliden Strang verbunden. Woltf’sche Gänge erreichen eben das Epithel der Kloake; streckenweise hohl. (Lac. ag. 22. VII. 99. A. Il) Grösste Länge 3,4 mm. Erste Andeutung von Extremitätenanlagen. Allantois reicht schon über die Herzwölbung heraus. 2 Schlundspalten sichtbar, dritte durchscheinend. 32—33 Urwirbel. Canal. neurenterieus offen. Linse abge- schnürt, durch wenige Mesodermzellen von Epidermis und Retina getrennt. In letzterer kein Pigment. Augenstiel hohl. OÖhrblase geschlossen, noch mit Ektoderm in Verbindung; Anlage des Duct. endolymphaticus. Offene Riechgrube ohne Jacobson’sches Organ. Rachenmembran gerissen, Schlund- tasche I, II offen, III und einseitig IV erreichen das Ektoderm. Thyreoidea birnförmige Ausstülpung des Darnıs. Herz S-för- mig gebogen; Aortenbogen I—III vollständig, IV in Bildung. Kopfhöhlen weit, ohne Verbindung. Wolff’sche Gänge mün- den in die Kloake. (Lac. ag. 24. VI. 99. 2.) Grösste Länge 3,5 mm. Stark gekrümmt, Allantois einen Theil der Kopfspitze deckend. Extremitäten- stümpfe. 2 Kiemenspalten. 35 Urwirbel. Canal. neurentericus offen. Neuromeren deut- lich. Linse abgeschnürt, hintere Wand doppelt so dick wie vordere. Wenige Mesodermzellen zwischen Linse und Retina; in letzterer kein Pigment. Ohrblase abgeschnürt, durch Binde- sewebe vom Ektoderm getrennt. Riechgrube vertieft, ohne Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 159 Jacobson’sches Organ. Rachenmembran gerissen. Schlund- tasche I, II offen; III und links IV an Epidermis angelagert. Thyreoidea durch engen Canal mit Darm in Verbindung. Leber: Beginn der Trabekel. Hypophyse ohne seitliche Lappen. Aortenbogen I—Ill, rechts auch IV vollständig. Kopf- höhlen ohne Verbindung, theilweise verdickte Wandung. Wolff’sche Gänge brechen eben in Kloake durch. Stad. 17a. (Lae. ag. 24. VI. 99. 1.) Demselben Uterus entnommen. Stad. 9. 33-34 Urwirbel. Schlundtasche IV an Ektoderm ange- gelagert. Aortenbogen IV nicht vollständig. (Lac. ag. 19. VI.99. B.) Grösste Länge 3,4 mın, stark gekrümmt. 3 offene Schlundspalten, IV durchscheinend. 46-47 Urwirbel. Canal. neurenter. geschlossen. Ductus endolymphatieus gut abgesetzt. Kein Jacobson’sches Organ. Kiementasche I—II offen, IV an Ektoderm angelagert, V in Bildung. Thyreoidea von Darm fast abgeschnürt. Leber init Trabekeln. Hypophyse ohne seitliche Lappen. Wolff’sche Gänge münden in die Kloake; Glomeruli der Urniere ge- bildet. Stad. 10. (Lac. ag. 18. VI. 98. A.) Grösste Länge 4,0 mm, Extremitäten nit Epithelleiste. 3 Kiemenspalten, 2 weitere Furchen. 47 Ursegmente. Canal. neurenter. geschlossen, deutliche Neuromeren. Hintere Wand der Linse 4 mal so dick wie die vordere. Retina ohne Pigment, Augenstiel im Schliessen. Ohrblase mit gut ausgebildetem Duct. endolymph. Riechgrube mit erster Anlage des Jacobson’schen Organs. Darmpforte 170u lang. 3 Schlundtaschen durchgebrochen, IV und V mit Ektoderm in Berührung, VI angelegt, an II—IV dorsale Aus- stülpungen. Thyreoidea noch durch dünnen Stiel mit Darm in Verbindung, Trachea abgeschnürt. Aortenbogen I-IV ge- bildet. Kopfhöhlen weite Säcke mit theilweise verdickten Wänden. Glomeruli entwickelt, Keimepithel deutlich. Stad. 10a. (Lac. ag. 18. VI. 99. A.1.) Demselben Uterus entnommen. Stad. 18. Schlundtasche VI in erster Bildung. Aortenbogen VI erst dorsaler Spross. (24. VI. 99. B. 2.) Eben abgelegtem Ei entnommen. Grösste Länge 3,4 mm. Sehr stark gekrümmt, Extremitäten ange- gliedert, 5 Kiemenfurchen. 51 Urwirbel. Retina mit Pigment; Opticus fast ohne Lumen; Linsenhöhlung ausgefüllt. Ohrblase mit faltenartigen Anlagen der Bogengänge. Nasengrube mit tiefem Jacobson’schem Organ. Ganz enge Darmpforte. Kiementasche I—-II, links auch IV eben offen, V und VI deutlich, Thyreoidea abgeschnürt, Lumeu spaltförmig. Aortenbogen I- VI gebildet, der letzte dorsal getheilt. Keimepithel mit Ureiern. Kopfhöhlen noch offen. 160 Staa. 11. Stad. 12. Karl Peter: (Lae. ag. 4. [7.] VI1.99. A. 1.) 3 Tage nach der Eiablage. Grösste Länge 4,0 mm, sehr starke Krümmung. Kopflänge 1,3 mm. Extremitäten ungegliedert, mit scharfer Leiste. Optieus nicht völlig geschlossen. Bogengänge des Ohrs als Taschen angelegt. Jacobson’sches Organ tief einge- buchtet. Kiementasche l1—III offen, IV im Schliessen; VI be- rührt rechts das Hornblatt. Thyreoidea abgeschnürt. Hypo- physe in weiter Communication mit Darm. Aortenbogen VI kräftig, II eben noch zu verfolgen, I geschwunden. Kopf- höhlen in Rückbildung begriffen. Urniere mit gut ausge- bildeten Glomerulis, Keimepithel mit Ureiern. Kaum sicht- bare Andeutung der Skelettanlagen. (Lac. ag. 4.[12.] VII. 89. B. 1) 8 Tage nach Eiablage. Grösste Läuge 4,0 mm, sehr stark gekrümmt. Extremitäten gegliedert, mit Epithelfalte. Sin. cerviecal. noch offen. 63 Ursegmente. Parietalauge mit Linsenbildung, von Epiphyse fast abgeschnürt. Opticus mit Lumen. Bogengänge als tiefe Taschen. Primitive Nasenrinne. Oesophagus offen. Schlund- tasche I einseitig geschlossen, II—IV offen. Dorsale Taschen an I—IV. Hypophyse mit Darm in Verbindung. Aortenbogen III. IV, VI kräftig, V in Rückbildung, III und IV dorsal noch verbunden. Chorda nicht eingeschnürt, Skelettanlagen als dichtes Gewebe. Stad. 12a. (Lac. ag. 4. [12.) VIl. 99. B.2.) Demselben Gelege entnommen. Stad. 13. Stad. 14. Kiementasche I noch offen, IV geschlossen; V einseitig von Darm und Epidermis losgelöst. Aortenbogen V schwindet. (Lac. ag.? Sbl.1.) Grösste Länge 5,2 mm, Kopf 1,75 mm. Ex- tremitäten gegliedert. Hemisphären angelegt. Opticus solid. Bogengänge als Taschen. Tiefeinschneidendes Jacobson’sches Organ. Oeso- phagus noch mit Lumen. Schlundtasche I offen, IV ge- schlossen; V noch mit Epidermis und Haut in Verbindung, VI links stark ausgeweitet. Hypophyse mit Darm in Ver- bindung. Aortenbogen III, IV, VI. Kopfhöhlen rückgebildet. Chorda nicht eingeschnürt, zellreiches Gewebe als Anlage der Wirbelbogen. (Lac. ag. Kbl. 1900. 1.) Grösste Länge 4,8 mm, stark gekrümmt. Extremitäten mit pattenförmigen Enden. Sinus cervicalis ge- schlossen. Parietalauge der Epiphyse dicht anliegend. Plexus chorioid. gebildet. Retina mit Nervenfaserschicht, Chiasma opt. Bogen- gänge abgeschnürt. Jacobson’sches Organ mündet in Choane, vordere Nasenöffnung verklebt. Oesophagus ob- literirt. Schlundtasche I—IV, (III nur einseitig) abgelöst von Ektoderm, V geschwunden, VI ebenso rechts, links als Supra- perieardialkörper noch mit Darm in Verbindung. Thymus II Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 761 und III kräftig entwickelt, Epithelkörper der IV. Spalte. Hypo- physe mit Darm in Verbindung. Vorknorpelige Skelettan- lagen. Stad. 15. (Lae. ag. 21. VOL [1. VIlL] 99.1.) 12 Tage nach Ablage. Grösste Länge 6,3 mm, wenig gekrümmt. Kopf 1,7 mm. Extremitäten mit pattenförmigen Enden. Sin. cervical. geschlossen. Parietalauge mit Linse, von Epiphyse nicht völlig abge- schnürt. Plex. ehorioid. Bogengänge abgeschnürt. Bildung der Nasenmuschel. Jacobson’sches Organ mündet in Nasenhöhle; äussere Nasenöffnung fast verklebt. Oesophagus solid. Schlund- tasche I—IV vom Ektoderm abgeschnürt, mit Thymus I, II, Ill. Epithelkörperchen und linksseitiger Suprapericardialkörper vom Darm gelöst. Tasche IV und rechts III sind solide, atrophirende Zellstränge; V geschwunden. Thyreoidea noch mit Lumen- resten. Hypophyse mit Darm in Verbindung. Skelettanlagen knorpelig, kein Knochen. Aortenbogen III, IV, VI; Ill und IV noch dorsal verbunden. Verzeichniss der eitirten Literatur. Baer, K.E. v.. Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiere. Königs- berg 1828. Born, G., Eine frei hervorragende Anlage der vorderen Extremität bei Embryonen von Anguis fragilis. Zool. Anz. 1883. Derselbe, Ueber die Derivate der embryonalen Schlundbogen und Schlundspalten. 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Verdun, P., Contribution A l’etude des derives branchiaux chez les Vertebres superieurs. Toulouse 1898, Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 763 Erklärung der Abbild. auf Tafel XXXVIIL, XXXIX u. XL. Allgemein AOB = Aortenbogen, Ar = Arterie, aur = (sehörblase, ch ==chorda dorsalis, Ep ==Epithelkörperchen der 4. Schlundtasche, Ggl = Ganglion, H — Herz, Hf = Herzfurche, Hyp = Hypophyse, hyp.m = Anlage der Hypoglossus- Muskulatur, m — Muskelanlage, MB = Mundbucht, N —Neryv, Ngr = Nasengrube, NR = Neuralrohr, Oe = Augenblase, OKf = Öberkieterfortsatz, I-V.SB = Erster bis Schlundbogen, fünfter giltige Bezeichnungen. S.c—=Sinus cervicalis, Se. T= Seessel’sche Tasche, I—Vl SF = Erste bis sechste Schlundfurche, II, III SM = Schlussmembran der 2. und 3. Tasche, SPC = Supraperikardialkörperch., I—IV. 88. — Erste bis vierte Schlundspalte, I-VI. ST = Erste Schlundtasche, II—IV, Thm = Zweite bis Thymusanlage, Thr = Thyreoidea, Thr N = Thränennasenrinne, bis sechste vierte Tr = Trachea, UKF = Unterkieferfortsatz, UW = Urwirbel, VO = Vorderdarm, Ven = Vene. Sämmtliche Schnittbilder sind bei 80maliger Vergrösserung ge- zeichnet. (EX) Die Modelle zeigen nur die Epithelien der Epidermis und des Darmrohres: das Bindegewebe ist ausgespart, um die Verhältnisse der Schlundtaschen erkennen zu lassen. Fig. 1. Querschnitt durch den Vorderdarm des Stad. 2. Zeigt den ventralen Zusammenhang des Ento.Jderms mit dem Ektoderm und dorsal und lateral schauende Ausbuchtungen des Vorderdarms: erste Andeutungen der ersten Schlundtasche, noch dureh Mesodermgewebe von der Epidermis getrennt. Fig. 2. Ebensolcher Querschnitt durch Stad. 4. Die ersten Schlund- taschen erreichen das Ektoderm, ohne dass äussere Schlund- furchen bemerkbar sind. Fig. 3u.4 stellen das ModellI der Halsgegend von Stad. 5 bei 5facher Vergrösserung dar. Von der rechten Seite gesehen. Man erkennt eine ganz seichte erste Schlundfurche und die durch roth punktirte Linien an- gegebenen Berührungsstellen der Schlundtaschen mit dem Ektoderm; die erste Tasche liegt der Epidermis in ziemlicher Ausdehnung, die zweite nur dorsal an. Fig. Fig. Fig. ig. 15. Fig. Fig. Fig. e. 4. Karl Peter: Dasselbe vom Rücken gesehen nach Hinwegnahme der dor- salen Wand und des Rückenmarkes. Ansicht der inneren Schlundtaschen. Fig. 5—7: Modell II des Stad. 8. Vergrösserung 7dfach. D. um jer} A [0 .) ” Ansicht von der linken Seite. Erste und zweite Spalte durch- gebrochen, weitere Anlagerung dieser und der dritten und vierten Tasche durch rothe Punkte angedeutet, letztere ventral in die tiefe Herzfurche auslaufend. Dasselbe Modell von vorn gesehen. Da das Herz nicht mo- dellirt wurde, so sieht man auf die Ventralseite des Darmrohrs mit den 5—4 Schlundtaschen. Das vordere Ende der ersten Tasche wurde dadurch zu Gesicht gebracht, dass ein Stück des Unterkieferbogens entfernt wurde. Dorsalansicht des Modells nach Wegnahme der Rückenwand, des Nervenrohrs und der Chorda. Die erste Tasche ist fast längsgelagert, die zweite zeigt bereits eine dorsale Ausstül- pung, die vierte ist nur links ans Ektoderm angelagert. Querschnitt durch den hinteren Theil des Schlunddarmes des Stad. 9. Anlage der fünften Schlundtasche. Querschnitt durch dieselbe Gegend des Stad. 10a. Ganz ähn- lich aussehende Anlage der sechsten Schlundtasche. Fig. 10—13 Modell III, Stad. 10; etwa 60mal vergrössert. g. 10. g. 11. St: 19. 16. 17. Von der Aussenseite. Ansicht der fünf Schlundfurchen resp. -spalten; Anlage des Sinus cervicalis. _ Von innen und etwas ventral. Ein Stück des Oberkieferbogens ist entfernt. Zeigt die ventralen Ausbuchtungen der inneren Sehlundtaschen. Der rothe Pfeil liegt im Unterkieferbogen. Von innen und dorsal. Lässt die eigenartige Biegung der ersten Tasche erkennen, sowie an der ersten bis vierten die dorsalen Ausstülpungen. Von hinten; der dorsale und vordere Theil des Modells ist abgeschnitten. Hinter der fünften Tasche sieht man die sechste. Querschnitt durch die hintere Schlundgegend des Stad. 11. Die sechste Schlundtasche erreicht ausnahmsweise das Ekto- derm. Der Verlauf der fünften ist nach anderen Schnitten punktirt angegeben. Modell der Schlundspaltengegend des Stad. 12 von aussen; Vergrösserung 50fach. Verkürzung der Schlundttaschenregion, Bildung des Sinus cervicalis, in dem die hinteren Bogen verschwinden. Querschnitt durch die hintere Schlundgegend des Stad. 12a. Schlundtasche V hat sich bereits vom Ektoderm losgelöst und bildet nur noch ein Anhängsel der vierten. Querschnitt durch dieselbe Region des Stad. 13. Asymmetrie der sechsten Schlundtasche: links (im Bild rechts) stark aus- gebildet, anderseits im Schwinden begriffen. Verlauf der fünften Tasche nach vorhergehenden Schnitten punktirt angegeben, Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. 765 Fig. 18. Aehnlicher Querschnitt vom Stad. 14. Suprapericardialkörper links (im Bild rechts) noch in Verbindung mit dem Darmrohr, rechts geschwunden, wie auch beiderseits die fünfte Schlund- tasche. Fig. 19. Frontalschnitt durch die Halsgegend des Stad. 17. Auf der rechten Seite erkennt man die Schlussmembran der zweiten und dritten Tasche nicht eingezogen — keine äusseren Furchen gebildet; auf der linken Seite die II. Spalte offen mit deut- licher Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm. Inhaltsübersicht. Sr Seite Einleitung und Begrenzung der Aufgabe . . . 2 2 2.2.2... 8 14Spe eieller)j Theile wre Rz: 208 1. Beschreibung der Stadien. . . - 10 2. Entwicklung der einzelnen Senlantenalten Aus ihrer Derivate 27.0 ze a SE a) Entwicklung der Schlundtaschen . . . . . .. 728 b) Entwieklung der Schlundtaschenderivate. . . 731 11.: Allgemeiner Theillsn.,28. 132 1. Betheiligung des Gewebes an der Asa und Ane bildung der Schlundtaschen . . . 132 a) Betheiligung der Gewebe an der Kuiseehaue der Schlundtaschen . . . bet Kor. a) Die Rolle der Mertenbögen. a EN Re ß) Die Rolle des Entoderms . . . ..... 137 yY) Die Rolle des Ektoderms . . . . .....740 b) Die Zahl der Schlundtaschen . . . .. ......744 c) Betheiligung der Gewebe bei Oeffinung und Schluss der Schlundtaschen . . . . 746 . Die physiologische Bedeutung der Scham dlaschen der Eidechse . . . u HE SEO) Charakterisirung der beschmebenen Eiabryonen BR EN rs LONO) Merzeichniss. der eitirten, Biteratun na tt Brlarına der Abbildungen mr ware 2 an eier l0a Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 57 50 766 (Aus dem anatomischen Institut in Berlin.) Ueber den Verhornungsprocess. Von Dr. Hugo Apolant. Hierzu Tafel XLI und XULIl. Die Förderung, welche unsere Kenntniss des Verhornungs- processes in den letzten Decennien, seitdem dieser Gegenstand intensiver bearbeitet wird, erfahren ‚hat, liegt fast ausschlieslich auf histologischem Gebiete. Diese an sich auffallende Erschei- nung erklärt sich daraus, dass die strukturellen Veränderungen bei der Verhornung in ihren färberisch ungemein dankbaren Er- seheinungsformen bessere Angriffspunkte für die Analyse des Processes bieten als die chemischen Differenzen, da die Con- stitution der Keratinstoffe trotz ihres nach Alter und Fundort nicht unerheblichen Schwankens der der Albuminstoffe ausser- ordentlich nahe steht und im Wesentlichen dureh den höheren Schwefelgehalt ausgezeichnet ist. So betragen nach Hoppe- Seyler die Werthe für Albuminstoffe Keratin C 50 —55 C 50,5—52,5 H 6,9— 7,3 H 6,4— 7,0 N 15,0—18,0 N 16,2—17,7 0 20,0—23,5 O 20,7—25,0 S 0,3— 2,0 S 0,7— 5,0%9. Nach Munk schwanken die Werthe für Keratin in folgen- den Grenzen: C 50,9—54,9 H 6,4— 6,94 N 16,8—17,5 0 19,6—21,9 S 2,59— 5,34 9/.. 3ot somit die histologische Forschung von vornherein mehr Aus- sicht auf eime befriedigende Lösung des Verhornungsproblems, Ueber den Verhornungsprocess. 767 so zeigt doch andererseits ein Blick auf die Literatur, dass das tiefere Eindringen in die Structurverhältnisse vielfach zu Trug- schlüssen geführt hat, die erst mit dem Aufkommen der histo- chemischen Richtung als solche erkannt wurden. Indem jeder neuentdeckte Körper, wie Keratohyalin, Eleidin, Onychin hinsicht- lich seiner Natur, Entstehung und seines Schicksals sowie seiner Beziehung zum Verhornungsprocess mannigfache Probleme auf- warf, ist dieser Gegenstand allmählich um so complieirter ge- worden, als kaum eine einzige hierher gehörige Frage im Laufe der Zeit nicht in diametral entgegengesetztem Sinne beantwortet worden ist. Obwohl im Einzelnen noch viele Meinungsdifferen- zen bestehen, so haben doch unverkennbar in neuer Zeit eine Anzahl primeipieller Fragen eine erfreuliche Klärung erfahren, die eine schärfere Trennung des Wesentlichen vom Unwesent- lichen und damit ein tieferes Verständniss des interessanten Vor- ganges erhoffen lässt. Es ist ein entschiedener Fehler zahlreicher unseren Gegen- stand behandelnder Arbeiten, dass sie auf die Unterschiede bei der Entstehung differenter Horngebilde ein grösseres Gewicht legten, als auf die gemeinsamen Punkte, da doch die Erkenntniss der letzteren unter allen Umständen die Vorbedingung für ein Verständniss des ganzen Vorganges ist. Mag die chemische Constitution der auch makroskopisch so ausserordentlich differenten Gebilde wie Epidermis, Haare, Nägel, Hörner, Federn, Hufe ete. noch so verschieden sein, die Riehtung der Eiweissumsetzung ist doch allemal die gleiche, und somit ist es eine logische Forde- rung, dass diese Gleichheit auch in der histologischen Erscheinungs- form des Verhomungsprocesses zu Tage tritt. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, wählte ich, als mich Professor Waldeyer vor anderthalb Jahren zu den vorliegenden Untersuchungen veranlasste, als Object die embryonale Schweins- klaue. Maassgebend für die Wahl gerade dieses Objeetes waren drei Momente, 1. die Thatsache, dass zwei Haupttypen der Ver- hornung, nämlich die der Epidermis und des Nagels hier gleich- zeitig studirt werden konnten, 2. die Annahme, dass bei der em- bryonalen Entwicklung so gewaltiger Hornmassen die einzelnen Stadien bequemer zu verfolgen wären, da die in Frage kommenden Substanzen in einer die Analyse wesentlich erleiehternden Menge gebildet würden, sowie 3. der mehr äusserliche Umstand, dass 768 Hugo Apolant: ich auf dem hiesigen Schlachthofe alle erwünschten Stadien in frischem Zustande erhalten konnte. Wenn sich mir daher manche bisher noch strittigen Punkte in besonderer Klarheit zeigten, so liegt dies weniger an einer Verbesserung der Untersuchungsme- thodik als vielmehr an der Wahl dieses besonders günstigen Objectes. Vereinzelte Angaben über den Verhornungsprocess an Klaue und Huf finden sich mehrfach in der Literatur verzeichnet, zu- erst bei Waldeyer (59) in seiner grundlegenden Arbeit über die Histogenese der Homgebilde, ferner bei Henle (19), Zablu- dowsky (63), Rabl (42), Renaut (49) u.a.; an einer syste- matischen Untersuchung der hier obwaltenden Verhältnisse fehlt es jedoch noch gänzlich, zumal die einschlägigen embryologischen Arbeiten, wie die von Thoms (54) weniger die histologischen Details des Verhornungsvorganges als vielmehr die Entwicklung der allgemeinen Formverhältnisse berücksichtigen. Die letzteren werde ich daher nur soweit besprechen, als es zum Verständniss der uns interessirenden Fragen nothwendig ist, während ich be-' züglich der Details auf die unter Leuckart angefertigte Disser- tation von Thoms verweise. Die Verhornung an der Schweinsklaue wird bei Embryonen von ca. 9 cm Rumpflänge durch eine Differenzirung der Sohlen- und Wandschicht eingeleitet. In das zunächst erheblich stärker ausgesprochene Wachsthum der Sohle wird auch der unterste Theil der Wand mit hineingezogen, sodass die Grenze zwischen beiden ganz auf der dorsalen Seite liegt und an Sagittalschnitten in einer ziemlich scharfen, schräg von oben innen nach unten aussen laufenden Linie zu Tage tritt (Fig. 1a). Die Sohlenzellen (Fig. 15) sind zahlreicher und kleiner, ihre Kerne färben sich dunkler, ihr Protoplasma erscheint dagegen heller als das der Wandzellen (Fig. 1c). Deutlich treten in dem Protoplasma Fasern hervor, die schon bei einfacher Hämatoxylinfärbung erkennbar und im Allgemeinen spärlich vorhanden sind. Eine irgendwie definirbare Schiehtung ist an der Sohle noch nicht ausgesprochen, die Zellen werden nur nach der Oberfläche zu grösser und neh- men allmählich den Charakter grosser Epitrichialzellen an, die sich nur in der äussersten Begrenzungsschicht stark abplatten. Die Intereellularbrücken sind in diesen äusseren Lagen besonders schön ausgeprägt. Ueber den Verhornungsprocess. 769 Im Gegensatz hierzu treten an der Wandpartie die ersten Zeichen der Verhornung ein, die sich vor allem in einer mehr oder weniger deutlichen Schichtung doenmentiren. An Präpa- raten, die mit Hämatoxylin vorgefärbt und mit Pikrinsäure diffe- renzirt sind, sieht man, dass die den Leisten direet aufliegenden Zelllagen einen mattgelben Ton angenommen haben (Fig. 2a). Die Kerne der Zellen sind deutlich erhalten, zeigen jedoch zu- weilen eine etwas schwächere Tinetion. Zwischen dem Gros der hellgelben Zellen und zwar in deren peripherer, gegen die nächsthöhere Schicht grenzenden Zelllage findet man vereinzelt solche mit einer gesättigt gelben Färbung, die sofort durch ihren starken Glanz auffallen und vollkommen homogen er- scheinen (Fig. 25). Mit Säurefuchsin nehmen dieselben eine intensiv rothe Färbung an. Das etwas verwaschene, je nach Anwendung von Pinkrinsäure oder Fuchsin gelbliche oder mehr röthliche Aussehen der tieferen Zelllagen der Wandschicht rührt, wie man sich bei Anwendung starker Systeme überzeugen kann, von einer ungemein feinen und dicht stehenden Faserung her, die bei Mehrfachfärbung nach van Gieson niemals den Hämatoxylinton annimmt. Nicht immer erscheint das Protoplasma dieser Zellen fibrillär, sondern zuweilen feinkörnig oder eigen- thümlich gefiedert. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Bilder nichts anderes als der Ausdruck in verschiedener Richtung getroffener Fibrillen sind. Der grosse Gegensatz, der hinsichtlich des Reichthums an Fibrillen zwischen den tiefen Sohlen- und Wandzellen besteht, und auf dessen prineipielle Bedeutung wir später noch zurück- kommen werden, tritt am schönsten an Präparaten zu Tage, die nach der Kromayer’schen Methode gefärbt sind. Fig. 3a stellt eine Zelle von der Sohlenpartie dar; die Fasern haben einen im Allgemeinen gestreekten Verlauf, liegen ziemlich isolirt und sind leicht zu verfolgen. Sie bilden nur einen relativ geringen Theil des Protoplasmas, dessen Hauptmasse aus der Interfibrillarsubstanz besteht. Man findet wohl zuweilen Zellen mit einem dichteren Fasergefüge, das jedoch nie die Mächtigkeit erreicht, wie es die in Fig. 3b wiedergegebene Wandzelle des- selben Schnittes aufweist. Es ist unmöglich, aus diesem Faser- gewirr eine bestimmte Verlaufsrichtung der Fibrillen zu eruiren. Die Zelle erscheint bei schwacher Vergrösserung diffus gefärbt, 770 Hugo Apolant: weil die Fibrillarsubstanz so enorm überwiegt. Irgendwelche sonstigen, mit Hämatoxylin färbbaren Körner habe ich niemals in diesen Zellen nachweisen können. Das Protoplasma der er- wähnten mehr peripher liegenden, sich stärker färbenden, glän- zenden Zellen, in denen stets nur ein rudimentärer Kern zu sehen ist, zeigt keinerlei feinere Structur mehr, jeder Ausdruck eines fibrillären Baues ist hier verschwunden. Unmittelbar nach aussen von diesen noch keine zusammenhängende Schicht bildenden, glänzenden, und, wie wir später sehen werden, bereits in der Verhornung begriffenen Zellen trifft man hier und da vereinzelte Zellen mit einer deutlichen Körnelung (Fig. 2c). Bemerkenswerth ist, dass in der Zone, in der diese Körner auftreten, die Fibrillar- substanz der Zellen bereits erheblich geringer ist, als in den tieferen Schichten, und sich mehr den Verhältnissen an der Sohle nähert. Die Körner erweisen sich wegen ihrer starken Färbbar- keit in Hämatoxylin und wegen ihrer sonstigen Eigenschaften als Keratohyalin und treten zuerst staubartig und ziemlich gleich- mässig über die Zelle vertheilt in ausserordentlicher Feinheit auf. Sind die Körner grösser, so ist ihre Anzahl entsprechend ge- ringer. Im übrigen zeigen die noch nieht mit Keratohyalin er- füllten Zellen wie die entsprechenden der Sohle den Charakter grosser nur in der äussersten Schicht abgeplatteter Epitrichial- zellen (Fig. 3d). Wir können also, wenn wir die bisherigen Ergebnisse kurz zusammenfassen, folgende Unterschiede zwischen Sohle und Wand aufstellen: Die Zellen der Sohle sind viel stärker ge- wuchert, sie zeigen eine deutliche, aber verhältniss- mässig nicht sehr reiche Fibrillarsubstanz und gehen ohne ausgesprochene Schichtung allmählich in die grossen Epitrichialzellen über. Die Wandzellen sind weniger stark gewuchert, in den tieferen, den Leisten zunächst liegenden Schichten ist die Fibrillarsubstanz viel stärker ausgebildet, weiter nach aussen treten die ersten Zeichen der Verhornung, ohne Betheiligung irgendwelcher Körner, in Form von stark glänzenden, homogen erscheinenden, mit Fuchsin und Pikrinsäure intensiv färbbaren Zellen auf, denen sieh nach aussen die ersten ebenfalls noch keine zusammenhängende Lage bildenden Keratohyalinzellen anschliessen, Ueber den Verhornungsprocess. 1 Die nächsten untersuchten Stadien von 12 und 15 cm kumpflänge werde ich zusammen besprechen, da die Differenzen zwischen beiden nur quantitativer Natur sind. Mit der weiter fortschreitenden Entwicklung wird die Grenze zwischen Sohle und Wand immer ausgesprochener, da die Diffe- renz in der (Grösse der Zellen stetig zunimmt. Die Randleiste, die sich allmählich in Folge des stärkeren Sohlenwachsthums schnabelschuhartig von der plantaren auf die dorsale Seite um- biegt, ist bereits deutlich vorhanden. An der Sohle besteht die einzige structurelle Veränderung in dem ersten Auftreten von Keratohyalin, das in ausserordentlich feinen Körnchen und zu- nächst noch recht spärlich in den mittleren Zellsehichten gebildet ist. Irgendwelche sonstigen auf Verhornung hindeutenden Zeichen sind hier nicht zu constatiren. Complieirter haben sich die Verhältnisse an der Wand ge- staltet. Am besten gehen wir bei der Beschreibung von einfachen Pikrokarmin-Präparaten aus. An Längsschnitten erscheinen die Zellen der tiefen, den Leisten aufliegenden Schichten hellgelb. Die Zelleonturen sind ebenso wie die Kerne etwas verschwommen, so dass man bereits den Eindruck einer zusammenhängenden Platte erhält. Zuweilen, aber durchaus nicht regelmässig, treteu in dieser Schicht stark lichtbreehende Körnchen auf, die Thoms bereits gesehen und für Onychin gehalten hat. Ich hielt sie zu- erst ebenfalls dafür, obgleich sie eine Anzahl Eigenschaften be- sitzen, die mit dem Onychin der Autoren nicht recht in Einklang zu bringen sind. Auf Grund der Erfahrungen jedoch, die ich an späteren Stadien machen konnte, bin ich zu einer total anderen Auffassung dieser vermeintlichen Körner gelangt. Zunächst sind sie durchaus keine constante Erscheinung. Bei verschiedenen Embryonen desselben Alters habe ich sie theils gefunden, theils vermisst, aber auch an demselben Embryo wechselt ilır Vorkommen, bald sind sie reichlicher vorhanden, bald ausserordentlich spär- lich und nie in soleher Menge, wie es von den Autoren für das Onychin der Nagelmatrix angegeben wird. Auch Thoms betont ihr spärliches Auftreten. Nicht minder varürt ihre Form; ent- weder sind sie kugelrund und sehen wie glänzende Kokkenhaufen aus, oder sie haben eine mehr längliche Gestalt und gleichen dann eher Bacillen, oder sie besitzen endlich eine ganz unregel- mässige Form und erhalten dadurch ein eigenthünlich krisliges 772 Hugo Apolant: Aussehen. Immer aber zeichnen sie sich durch starken Glanz aus und sind auf keine Art zu färben. Die wahre Natur dieser Körnehen erschloss sich mir erst, als ich zufällig in einigen Prä- paraten von etwas späteren Stadien dieselben Bildungen an Stellen fand, wo von Onychin nicht gut die Rede sein konnte, so vor Allem in den Spalten zwischen den Intercellularbrücken der Epi- trichialzellen. Nachdem ich sie ferner in gleicher Weise in der bereits verhornten Kralle eines Kaninchen-Embryos nachweisen und mich davon überzeugen konnte, dass alle diese Bilder in keiner Weise von den Körnelungen differiren, die man an fertiger Nagelsubstanz schon lange kennt, war es mir klar, dass es sich lediglich um fein vertheilte Lufteinschlüsse handelte. Zur Unter- stützung dieser Ansicht löste ich an einem die Körner nur spär- lich zeigenden Präparate den Balsam mit Xylol auf, liess den Schnitt an der Luft trocknen und montirte ihn dann schnell in etwas dicken Balsam. Die Form, in der sich jetzt die Luft ge- fangen hatte, stimmte mit den Körnchen so vollständig überein, dass ich kein Bedenken trage, die ganze, in den tiefen verhornten Wandschiehten auftretende und nicht färbbare Körnelung für Luft zu erklären, die bekanntlich bei dieser feinen Vertheilung ausserordentlich schwer aus dem Schnitt heraus zu treiben ist. Auf die eben besprochene gelbe Zellschicht folgt nach aussen eine in den verschiedenen Nüancen des Roth gefärbte Zone, in welcher die Zellen eine eigenthümliche Formveränderung erfahren haben. Letztere kommt dadurch zustande, dass infolge der all- mählichen Ausbildung der Krone einerseits und des Mächtiger- werdens der Randleiste andrerseits die ganze Wandpartie seitlich comprimirt wird. Relativ wenig leiden zunächst noch unter dieser seitlichen Compresssion die jetzt hier zahlreich vorhandenen Keratohyalinzellen, die nur etwas in die Länge gezogen erscheinen und dieht mit roth gefärbten Körnern erfüllt sind. Dazwischen jedoch bemerkt man völlig abgeplattete, diffus rothe Gebilde, die keine Spur einer Körnelung mehr aufweisen und nur durch den atrophischen Kern ihren Zellcharakter verrathen. Die nach aussen gelegenen Epitrichialzellen zeigen keinerlei Veränderung. Sehr viel prägnanter treten alle diese Verhältnisse an Eisenhämatoxylinpräparaten hervor (Fig. 4). Das Eisenhäma- toxylin hat nämlich, wie es Ernst von der Gram’schen Me- thode angegeben hat, die Eigenschaft, junges Horn auf das In- Ueber den Verhornungsprocess. 713 tensivste zu färben. Wir sehen daher über den Leisten eine continuirliche, tiefschwarze Hornwand, deren Zusammensetzung aus Zellen nur an wenigen Stellen noch bemerkbar ist. Nach der Cutis zu setzt sich bereits in diesem Stadium, wie Quer- schnitte lehren, die junge Hornwand mit kurzen, den Epithel- leisten entsprechenden Zacken fort (Fig. 5a). Auch nach aussen hat diese Zellwand insofern eine Fortsetzung, als der Rand der hier gelegenen, in die Länge gezogenen Zellen in verschiedener Breite ebenfalls intensiv schwarz gefärbt ist. Da zugleich auch das Keratohyalin diese Farbe annimmt, so resultiren höchst complieirte Bilder (Fig. 6 und 7), deren Deutung uns zunächst beschäftigen muss. Was dieser Schicht ihren speciellen Charakter verleiht, ist das Auftreten zahlreicher sternförmiger Bildungen, die sich den Conturen der meist mit Keratohyalin erfüllten Zellen genau adaptiren. In ihrem Aussehen erinnern diese Bildungen an die Langerhans’schen Zellen der Haut, mit denen sie natürlich nichts zu thun haben. Ihre Deutung ergiebt sich aus zahlreichen Uebergangsformen, die gerade an Eisenhämatoxylin- präparaten besonders scharf hervortreten.. Im Beginn des Pro- cesses färbt sich nur die Zellperipherie in dünner Schicht, doch ist schon hier zu erkennen, wie die angrenzenden Partieen be- nachbarter Zellen in den Vorgang hineinbezogen werden, sodass verästelte geweihartige Figuren zustandekommen (Fig. Ta). All- mählich wird mit dem Fortschreiten nach dem Zellinnern die gefärbte Zone breiter, bis schliesslich die ganze Zelle schwarz erscheint; doch ist auch jetzt noch der allerdings atrophische Kern gut zu erkennen (Fig. 9). Je weiter der Process fort- schreitet, umsomehr platten sich die Zellen ab und nehmen jene charakteristische Sternform an, die wir oben erwähnten. Trotz- dem die Abplattung sehr stark werden kann, lässt sich doch an Serien ein Schnitt finden, in dem der die Zelle als solche eha- rakterisirende, atrophische Kern sichtbar wird (Fig. Sa). Dass es sich hier in der That um einen Verhornungsprocess handelt, geht aus dem Resultat der künstlichen Verdauungsversuche her- vor. Figur 11 stellt ein Präparat dar, das 24 Stunden in der von Behn angegebenen Verdauungsflüssigkeit gelegen hat. Die sternförmig conturirten, zum Theil ganz platten Zellen heben sich durch ihren starken Glanz von dem matten Untergrund scharf ab. In nach Unna verdauten und mit polychromem 174 Hugo Apolant: Methylenblau gefärbten Schnitten werden sie intensiv schwarz- blau tingirt (Fig. 10). Es könnte auf den ersten Blick auffallen, dass mit der fortschreitenden Verhornung eine so grosse Gestaltveränderung der Zellen verbunden ist. Dies erklärt sich daraus, dass in denselben Zellen neben der Verhornung noch ein anderer Process Platz greift, den wir besser an Schnitten verfolgen können, die nach van Gieson gefärbt sind. Ich wende diese Methode stets so an, dass ich die einzelnen Färbungsphasen vollständig von einander trenne. Die Präparate werden 24 Stunden in mittel- starkem Delafield’schen Hämatoxylin überfärbt, gewaschen, auf einige Minuten in concentrirte Säurefuchsinlösung gelegt, wieder gewaschen und erst in wässeriger, dann in alkoholischer eoncentrirter Pikrinsäurelösung differenzirt. Nach der relativen Einwirkungsdauer der einzelnen Farbstoffe variiren nun allerdings die Farbtöne etwas, und zwar in unserem Stadium umsomehr, als sich die Affinitäten der Pikrinsäure und des Fuchsins zu jungem Horm ziemlich die Waage halten, wenigstens noch nicht die ausgesprochene Election zeigen, die wir in späteren Stadien kennen lernen werden. Immerhin haben die tiefen, den Leisten aufliegenden Schiehten mehr die Neigung, sich gelb zu färben, während an der Grenze gegen die Keratohyalinschicht intensiv roth gefärbte Zellen auftreten (Fig. 12c), die theilweise schon deutlich abgeplattet sind. Daneben sieht man nun zahlreiche Keratohyalinzellen mit blaugefärbten Körnern (Fig. 12a). Die Zellen zeigen sehr verschiedene Formen und gehen eine allmäh- liche Umwandlung ein, indem zuerst der Kern homogen wird und sich mit Fuchsin intensiv färbt, während gleichzeitig die Kernhöhle deutlich zu Tage tritt (Fig. 12d und 13a). Allmählich werden die Zellen platter, und, während die Körner schwinden, nimmt das sich diffus bläulich färbende Protoplasma eine homogene Beschaffenheit an. Aber selbst bei starker Abplattung ist der rothe Kernrest noch schön zu sehen (Fig. 125b und Fig. 135 cd). Die Veränderung bleibt jedoch hierbei nicht stehen, sondern schreitet in der Richtung fort, dass die Zellen zunächst eine sehmutzig-grüne und später entweder eine gelbe oder rothe Fär- bung annehmen, während von dem Kern schliesslich nur Reste einer Höhle zu erkennen sind. Kein Zweifel, dass die vorhin Ueber den Verhornungsprocess. 775 besprochenen Eisenhämatoxylinbilder zum grössten Theil auf der- artige maximal geschrumpfte Zellen zu beziehen sind. Esergiebtsichalso dieinteressante That- sache, dass die ursprünglich mit Keratohyalin reichlich versehenen Zellen unter Schwinden der Körner einer enormen Abplattung unter- liegen undzu dünnen, verhornenden Gebilden werden, die durch Anpassung an ihre Umge- bung eine meist sternförmige Gestalt annehmen, während dietiefen, ohne Auftreten von Kera- tohyalin verhornenden Zellen ihre Zellferm im Wesentlichen bewahren. Diese Thatsache, zu: sammengehalten mit der schon vorhin eruirten, dass nämlich die Fibrillarsubstanz in den Zellen, in denen sich Keratohyalin bildet, bei weitem nicht so reichlich vorhanden ist, wie in den tiefen, schon früh verhornenden Zellen, lässt uns bereits den innigen Zusammenhang ahnen, der zwischen der Fibrillarsub- stanz und dem Verhornungsprocess besteht. Wir resümiren also die aus der Untersuchung des zweiten Stadiums sich ergebenden Resultate dahin, dass in den mitt- leren)Schichten deriSohle;die ersten.sSpuren von Keratohyalin auftreten, während an der Wand der’ Verhornungsproeess weitereukhond. schrittegemachthat. Dietiefen Lagenyhabren sich zu einer zusammenhängenden Hornwand uamere;swandeht,' die bemeits'.diie) erst sr Am age der in die Epithelleisten hineinwachsenden Hornblättehenrerkennen lässt. Nach aussen seht der Verhornungsprocess unregelmässiger or sich, \indem+zahlmenchie" Keratohyallinzelken sebildet werden, die sich zum Theil stark ab- platten und in diesem Zustande verhornen. Das nächste von mir untersuchte Stadium entspricht einem Embryo von eirca 17 em Rumpflänge. An Sagittal- schnitten (Fig. 14) fällt zunächst die starke Keratohyalinbil- dung an der Sohlenpartie auf. Während die ersten Körner schon in Zellen auftreten, die der Cylinderschicht ziemlich nahe liegen, trifft man erst weiter aussen eine colossale Anhäufung von Keratohyalin, das sich am Sagittalschnitt wie ein dickes 176 Hugo Apolant: Band durchzieht (Fig. 14a); dabei liegen die Körner nicht nur dichter, sondern sie haben sich auch zu starken, unregelmässig gestalteten Schollen umgewandelt, die an etwas dickeren Schnitten die Zellen, in denen sie liegen, nicht erkennen lassen. Die nach aussen gelegene Epitrichialschicht (Fig. 145) ist frei von Körnern und zeigt bereits zahlreiche stärker abgeplattete Zellen. Je mehr man sich der jetzt schon gefalteten Randleiste nähert, um so stärker tritt in dem Stratum granulosum selbst eine Schichtung auf. Die Körner nehmen zuerst an Zahl und Grösse zu, dann folgt eine Schicht mit sehr stark abgeplatteten Zellen, die ein eigenthümlich gekräuseltes Aussehen haben und Keratohyalin nur spurenweise enthalten (Fig. 16). Weiter nach aussen liegt end- lich eine Schicht, in der die Schollen am grössten sind und am diehtesten liegen. In der Randleiste selbst ist die Dreischich- tung ebenfalls ausgesprochen, und hier sind die gekräuselten Zellen der mittleren Schicht derart abgeplattet, dass man bei schwächerer Vergrösserung keine Zell- sondern eine Faserstruetur vor sich zu haben glaubt und selbst mit starken Systemen eine Auflösung im Zellen stellenweise unmöglich ist (Fig. 15). Auch die Epitrichialzellen, die sich nur sehr schwach hellgelb färben. sind in dieser Partie stark abgeplattet und zeigen keine Spur mehr von Intereellularbrücken, lassen jedoch noch ihre Kerne erkennen. Die Wandpartie bietet jetzt folgende Verhältnisse dar: An dem Horn selbst kann man verschiedene Schichten unterscheiden, die bei der van Gieson-Färbung sehr deutlich hervortreten. Die tieferen Hornschichten, besonders die nach dem Falz zu ge- legene Partie hat eine intensiv gelbe Färbung angenommen (Fig. 14c) untermischt mit einzelnen rothen Flecken, die jedoch nach aussen und nach der Randleiste zu stärker entwickelt sind. Noch weiter nach aussen und gleichsam einen Ueberzug über die Hornwand bildend, liegt eine Schicht stark in die Länge ge- zogener, abgeplatteter, blauschwarz gefärbter Zellen, die stellen- weise, besonders gegen den Falz hin, eine continuirliche Masse zu bilden scheinen, nach der Randleiste zu jedoch ihren gross- scholligen Keratohyalininhalt erkennen lassen (Fig. 14d). Diese Schicht setzt sich nach der Krone zu in Form von feinkörnigen Keratohyalinzellen ein Stück über den Falz hinaus fort, doch so, dass sie immer eine mehr nach aussen gelegene Zone ein- pin Ueber den Verhornungsprocess. 77 nimmt als das eigentliche Horn (Fig. 14e). Auch in die Rand- leiste hinein findet eine Fortsetzung in Form gewöhnlicher Körnchenzellen statt. Da dasselbe Verhältniss, auch an den Seitenrändern des Klauenhorns constatirt werden kann, so haben wir es hier mit einer das neugebildete Horn in seiner ganzen Aus- bildung direct bekleidenden und an den Grenzen in Form eines gewöhnlichen Stratum granulosum überragenden Zelllage zu thun, die den tiefsten Theil des Epitrichiums darstellt. Sie ist aus der Umwandlung der Keratohyalinschicht hervorgegangen und muss, wie wir später noch genauer sehen werden, als Eponychium angesprochen werden. Noch eines Befundes muss ich hier Erwähnung thun, der die Beziehungen des Keratohyalins zum Verhornungsprocess meiner Ansicht nach in ein besonders klares Licht stellt. An dem unteren Ende des Wandhorns nämlich, da, wo dasselbe an Mäch- tigkeit und Consistenz plötzlich abnimmt, um sich in der Rand- leiste zu verlieren (Fig. 149g), findet man plötzlich auch zwischen Horn und Leisten vereinzelte Körnchenzellen als Fortsetzung und letzte Ausläufer des mächtigen Keratohyalinlagers der Randleiste. Das Auftreten der Körmnerzellen ist gerade an dieser Stelle so interessant, weil der eigentliche Verhornungsprocess hier lebhaft im Gange ist, und so das gegenseitige Verhältniss deutlich in die Augen springt. Scharf heben sich an van Gieson-Präpa- raten die dunkelblauen Zellen von dem hier leuchtend roth ge- färbten Horn ab (Fig. 17). Da sich jedoch der Verhornungs- process von der Anwesenheit der Zellen garnicht weiter stören lässt, so werden die letzteren von den neugebildeten Keratin- massen umklammert und kommen ähnlich zu liegen wie die Osteoklasten in den Howship schen Lacunen; schliesslich werden sie vollständig umschlossen und befinden sich gleichsam als Fremdkörper mitten in dem jungen Horn. Während dieses nun nach den Leisten zu unbekümmert weiter wächst, geht die As- similirung der Zellen unter Auflösung ihrer Körnchen erst ganz allmählich vor sich. Als.das; Wesenihliehste dieses;dritben)sta- danms möchterichiinsdier ‚Wandxegion, die/Ver- diehtung des mächtig entwickelten Stratum granulosum zudem das ganze Klauenhorn über- ziehenden Eponyehium betrachten. Das Wand- 778 Hugo Apolant: horn selbst hatsich consolidirt und lässt den scharf zugeschnittenen Falz"jetzt deutlich erkennen. Im Bereich der Sohle und der Rand- leistekommt dem sceholligen Keratohyalinin den äusseren Lagen sowie der starken Abplat- tung der von Keratohyalin freien Zellen die hauptsächlichste Bedeutung zu. Das folgende, einer Rumpflänge von etwa 22cm entsprechende Stadium ist das letzte, das ich zu untersuchen Gelegenheit hatte. Die Randleiste, mit der wir bei der Beschreibung beginnen wollen, ist noch weiter ausgebildet und vielfach gefaltet (Fig. 18a). Auffallend ist hier vor Allem der colossale Schwund von Kera- tohyalin, das nur noch in unbedeutender Menge vorhanden ist. An den Stellen der früher grössten Anhäufung ‚dieser Substanz bemerkt man verwaschene, wie zerflossen aussehende Streifen, die unzweifelhaft einer Auflösung und diffusen Vertheilung von Keratohyalin ihre Entstehung verdanken. Im übrigen hat jetzt das gesammte Gewebe der Randleiste jenen in Folge der maxi- malen Zellabplattung faserigen Charakter angenommen, der im vorhergehenden Stadium nur die mittleren Schichten kennzeichnete. Von einer irgendwie nennenswerthen Verhornung kann hier keine Rede sein, da sich die Randleiste gegen künstliche Verdauung als sehr wenig widerstandsfähig erweist. Uebrigens ist die Ver- daulichkeit des Epitrichiums schon von Rosenstadt (50) nach- gewiesen worden. Aehnlich liegen die Verhältnisse an der Sohle, nur tritt hier das aus den am stärksten mit Keratohyalin er- füllten Zellen hervorgegangene, mit Fuchsin lebhaft roth gefärbte und mit den Ausläufern des Wandhorns in Verbindung stehende Band deutlicher hervor (Fig. 185). Dasselbe dürfte nach seiner Entstehung und seinem Aussehen dem Eponychium parallel zu stellen sein, bedeckt aber vorläufig noch keine Hornsubstanz, da sich das Sohlenhorn bekanntlich erst nach der Geburt bildet. Die Veränderungen an der Wand betreffen zunächst das Eponychium (Fig. 18c), in dessen Bereich die Menge des Kera- tohyalins beträchtlich verringert ist; nur an beiden Seiten, also am Uebergang zur Sohle und am oberen, den Falz jetzt weit überragenden Ende sind die Körnerzellen stärker entwickelt (Fig. 18d). Das Eponychium färbt sich jetzt nicht mehr mit Hämatoxylin, sondern mit Fuehsin als Zeichen dafür, dass die es Ueber den Verhornungsprocess. 779 zusammensetzenden Zellreste ebenfalls verhormt sind. An dem Wandhorn selbst treten nun die Affinitäten zu den verschiedenen Farbstoffen mit grosser Schärfe und Constanz hervor. Die ältesten, in dem Verhornungsprocess am weitesten vorgeschrittenen Par- tien färben sich intensiv gelb, nur die Zellgrenzen und Kernrudi- mente nehmen den Fuchsinton an (Fig. 195). Dieses Verhältniss, von dem bei anderen, namentlich bei Pikrocarminfärbungen nicht das Geringste zu sehen ist, habe ich selbst postembryonal an der Klaue einjähriger Schweine constatiren können. Das noch unfertige Horm zeigt eine viel grössere Affinität zum Fuchsin und nimmt sogar bei der allerersten Bildung häufig einen eigen- thümlich violetten Ton an. Sehr schön sind diese Verhältnisse an Schnitten zu sehen. welche die Leisten flach treffen, sodass die Region der jüngsten Verhornung in grösserer Ausdehnung zu Tage tritt (Fig. 19). Auch hier ist die leicht gelb gefärbte Matrix der verhornenden Zellen (Fig. 19a), wie man sich bei starker Vergrösserung überzeugen kann, auf das feinste fibrillirt, ohne dass sonst auch nur eine Spur einer mit Hämatoxylin dar- stellbaren Körnelung auftritt. Nach der Randleiste zu geht das solide, gelbe Wandhorn in eine intensiv roth gefärbte weichere Modification über, die auch in der Form der abgeplatteten Zeilen den Charakter der Unfertigkeit an sich trägt, mithin sich seinem Wesen nach dem Eponychium nähert, von dem es schliess- lich nicht zu trennen ist (Fig. 18e). Zu allen diesen mehr graduellen Unterschieden gesellt sich nun als wichtigstes und prineipiell neues Moment die Ausbildung der Kronenmatrix hinzu, die wohl in ihren allerersten Anfängen schon im vorhergehenden Stadium wahrnehmbar war (Fig. 14 f), aber jetzt erst diejenige Mächtigkeit erlangt hat, die ihre Be- stimmung, als Hauptbildungsstätte des Wandhorns das ganze Leben hindurch zu functioniren, verstehen lässt (Fig. 18 f). Sie ist also die eigentliche Matrix des Klauenhorns, das direete Ana- logon der menschliehen Nagelmatrix. Da diese Schicht uns weiter unten wegen ihrer grossen Bedeutung in structureller Hinsicht noch eingehender beschäftigen wird, so seien hier nur ihre allgemeinen Verhältnisse kurz erwähnt. Sie schiebt sich als ein auf Sagittalschnitten annähernd rhombisches Polster zwischen den Falztheil des Klauenhorns, den obersten Theil der Epithel- leisten und das Eponychium em und geht nach oben allmählich 780 Hugo Apolant: in das rete Malpighii der Krone über. An van Gieson-Prä- paraten tritt sie durch ihre leuchtend violette Farbe, die sich scharf von dem Fuchsinton abhebt, den sonst junges Horn anzu- nehmen pflegt, ungeheuer deutlich hervor. Bei stärkeren Ver- grösserungen erscheint die ganze Matrix theils streifig, theils punktirt, und nimmt erst beim Uebergang in das fertige Horn unter ziemlich schnellem Umschlagen der Färbung in roth und gelb eine homogene Beschaffenheit an. Doch hiervon später mehr. Wir eonstatiren also in diesem Stadium als die drei wich- tigsten Punkte: 1) einen eolossalen Schwund von Kerato- hyalin, ohne dass verhornte Massen an seine Stelle treten; 2) eine starke Consolidirung des Wandhorns unter schärkerer färberischer Differenzen deraltenvonden jungen Partien und 3) die Ausbildung der eigentlichen Kronen- matrix. Nach dieser systematischen Schilderung der bei der Ver- hornung der Klaue auftretenden Verhältnisse wenden wir uns nunmehr zu einer Besprechung der bei dem Verhornungsprocess hauptsächlich zu berücksichtigenden Fragen und beginnen mit der Entstehung des Keratohyalins. Bezüglich der Literatur dieses vielbehandelten Gegenstandes verweise ich auf die ausführlichen Angaben von Ernst (12), Grosse (16), Rabl (42) und Weidenreich (60). Nachdem die älteste, der Beobachtung sich zunächst auf- drängende Theorie, die das Keratohyalin vom Kernchromatin ableitete, sowie die Kromayer’sche Theorie, nach der die Körner ein Zerfallproduet der Fasern darstellen, durch die Arbeiten von Rosenstadt, Rabl und Weidenreich als völlig widerlegt betrachtet werden dürfen, kommen meiner An- sicht nach nur noch zwei Theorien in Betracht, als deren Haupt- vertreter die beiden letztgenannten Autoren anzusehen sind. Rab] hält das Keratohyalin für das Umwandlungsproduet eines unfärbbaren, noch nicht näher bekannten Kernbestandtheils, das entweder in dieser Modifieation in den Zellkörper übertritt, um sich dort erst zu consolidiren oder bereits in definitiver Form Ueber den Verhornungsprocess. ‘si den Kern verlässt. Weidenreich fasst dagegen das Kerato- hyalin als Protoplasmaproduct auf und zwar als ein Zerfallspro- duet der Interfibrillarsubstanz. Ich bemerke vorweg, dass ich mich in dieser Frage ganz auf die Seite des letzteren Autors stellen muss. Ich hatte gerade diese Seite meiner Untersuchungen schon zu Ende geführt und Herın Professor Waldeyer die diesbezüglichen Präparate vorgelegt, als ich von den Weiden- reich'schen Untersuchungen Kenntniss erhielt. Meine Resultate sind daher gänzlich unabhängig von ihm gewonnen, was gewiss nur zu Gunsten seiner Theorie spricht, zumal ich meine Beobach- tungen an einem ganz anderen Material anstellte; ein Punkt, der für die vorliegende Frage nicht olıne Bedeutung ist. Eins der wesentlichsten Beweismittel für die Kerntheorie und, soweit ich sehe, auch das Hauptargument Rabl’s ist die Thatsache, dass man meistens die ersten Körmchen in unmittel- barer Nähe des Kerns auftreten sieht, sodass man zuweilen im Zweifel ist, ob sie innerhalb oder ausserhalb der Kernhöhle liegen. Weidenreich führt dagegen bereits an, dass dies durchaus nicht immer der Fall ist, sondern dass gelegentlich die ersten Körnchen an den Polen der Zelle auftreten, während ihre spätere, mehr centrale Lage sich aus der peripheren Lagerung der Fibrillarsubstanz erklärt. In diesem Punkt zeigt die embryonale Klaue höchst in- structive Bilder. Auf Grund meiner Präparate muss ich es ge- radezu als Seltenheit bezeichnen, dass die ersten Körnchen in der Umgebung des Kerns auftreten. Zellen mit 3, 4, 5 Körnehen sind besonders am Sohlenhborn bei 12 cm langen Embryonen keine Seltenheit (Fig. 20a). Stets fand ich dieselben regellos in der Zelle vertheilt; auch mit der weiteren Vermehrung der Körneh.n bleibt dieses Verhältniss bestehen, doch ist schon jetzt zuweilen eine Bevorzugung der Zellperipherie unverkennbar (Fig. 205). Diese am Rand gelegenen Körnchen nehmen gewöhnlich auch zuerst grössere Dimensionen an, sodass sie in perlschnur- artiger Anordnung bei schwacher Vergrösserung die Zelleontur zu bilden oder doch wenigsten zu verstärken scheinen (Fig. 20 ec). Auch bei fortschreitender Keratohyalinbildung ändert sich wenig an diesem Lageverhältniss. Diese ganz evidenten Thatsachen, deren übrigens schon Thoms kurz Erwähnung thut, ohne weıter auf sie einzugehen, stehen in einem so offenkundigen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 51 1782 Hugo Apolant: Widerspruch mit den Erfahrungen, die man von jeher am stratum granulosum der Oberhaut gemacht hat, dass man nothwendig nach einem Grund für diese merkwürdige Differenz suchen muss. Ich sehe denselben zum Theil darin. dass die Fibrillarsubstanz in den Epitrichialzellen gleichmässiger vertheilt ist als im stratum granulosum der Haut, wo sich die Fasern bekanntlich vorzugs- weise peripher anordnen. Die mehr gleichmässige Vertheilung der Fibrillarsubstanz involvirt aber auch eine ebensolche der Interfibrillarsubstanz, wodurch also auch die Bedingungen für die Bildung von Keratohyalin innerhalb der Zelle überall die gleichen sind und eine Bevorzugung der Kernregion durch nichts gegeben ist. Dazu kommt vielleicht noch ein anderes Moment, das ich jedoch nur hypothetisch aussprechen möchte. Die meisten Beobachtungen von in der Nähe des Kerns auftretenden Kerato- hyalinkörnern sind an Zellen gemacht, die, wie das stratum granulosum der Haut, mehr oder weniger abgeflacht sind, und deren Form einer in der Mitte stärker gewölbten biconvexen Linse entspricht. Es ist selbstverständlich, dass die auf eine so gestaltete Zelle von aussen her und im Innern wirkenden Druck- und Spannkräfte sich nicht so gleichmässig über die Zelle vertheilen können wie an den zur Zeit der ersten Kerato- hyalinbildung nach allen Richtungen gleichmässig ausgedehnten, aunähernd kubisch-kugelig gestalteten Epitrichialzellen. Dass aber derartige Kräfte für das Zustandekommen von Keratohyalin von Bedeutung sind, wie es bereits Waldeyer unter Hinweis auf die analogen Vorgänge hei der Hyalinbildung ausgesprochen hat, ist auch dann anzunehmen, wenn man das primum movens in einer durch die Entfernung von der ernährenden Matrix be- dingten Nutritionsstörung sieht. Rabl stützt seine Theorie weiter durch Färbungsresultate, die er an Körnerzellen verschiedener Provenienz erhalten hat. So konnte er zeigen, dass in Schleimhäuten, wo das Keratohyalin eine grössere Affinität zum Eosin als zum Hämatoxylin hat, schon innerhalb der Kernhöhle homogene, dieselbe Farbenreaction eingehende Körner gebildet werden, die sich von den Kerato- hyalingranulis in nichts unterscheiden lassen. Am Präputium dagegen will er einen Uebertritt stark blaugefärbter Massen aus dem Kern in das Protoplasma gesehen haben, ohne dass der Kern hierdurch in seiner Grösse und Färbbarkeit wesentlich Ueber den Verhornungsprocess. 783 alterirt wurde. Endlich spräche zu Gunsten seiner Theorie ein Befund, den er an der Haut eines Hühnerembryos gemacht hat. An einer reichlich mit rotem Keratohyalin gefärbten Zelle sah er innerhalb des blauen Kerns ein rothgefärbtes Körnchen liegen. Diesen Befunden ist Folgendes entgegenzuhalten. Zunächst hat Rabl mit derselben Schwierigkeit zu kämpfen, die für alle Theorien gilt, welche das Keratohyalin aus dem Kern ent- stehen lassen, nämlich zu erklären, woher der Kern, der, wie Rabl beim Präputium angiebt, fast gänzlich unverändert bleibt, den Verlust des zum Aufbau der Körnehen verwandten Materials ersetzt. Denn ob es sich um einen gefärbten oder ungefärbten Bestandtheil handelt, und ob er bereits im Kern oder ausserhalb desselben die specielle Modifiecation eingeht, bleibt sich für diese Frage ganz gleich. Der Ersatz kann nur aus dem Protoplasma hergenommen werden, sodass dem Kern bei der Keratohyalin- bildung eine Art fermentativer Wirkung zukäme. Mir scheint diese Erklärung genau ebenso verwickelt wie die von Ernst für die Chromatinnatur des Keratohyalins gegebene, welche Rabl selbst mit Recht als zu complieirt zurückweist. Aber auch die Färbungsresultate sind der Rabl’schen Theorie nieht günstig. Zunächst muss hervorgehoben werden, dass überall da, wo inner- halb einer Zelle Kern und Keratohyalin dieselben Farbstoffaffini- täten besitzen, wo sich also entweder Beide mit Hämatoxylin blau oder Beide mit Eosin roth färben, die Auswanderungstheorie nur durch den unzweideutigen Nachweis übertretender Körner gestützt werden kann. Vollends an solchen Zellen, in denen das Keratohyalin eine grössere Affinität zu sauren Farbstoffen hat, beweist die gleichzeitige Umwandlung des Kerns garnichts, weil mit derselben stets auch die Affinität zum Eosin resp. Säurefuchsin wächst. Bestünde die Rabl’sche Theorie zu Recht, so müsste sie auch an den Zellen Geltung haben, in denen das Keratohyalin bei der Färbung nach van Gieson eine grosse Verwandtsehaftzum Häma- toxylin zeigt, während der Kern mit beginnen- der Degeneration sich intensiv roth färbt. Es wäre ein absolutes Postulat, dass von dem Augenblick ab, in dem der Kern diese Veränderungen eingeht, die sich, abge- sehen von der allerdings nie von mir beobachteten Abschnürung mit der Rabl’schen Beschreibung und Abbildung vollständig 784 Hugo Apolant: decken, das Keratohyalin in der rothen Modification erscheint. Wir müssten also von dem Augenblick ab blaue und rothe Körner gemischt im Protoplasma sehen. Das ist jedoch keineswegs der Fall, denn, obwohl die Vermehrung des Kerato- hyalins weiter anhält, und jene mächtigen Schollen gebildet werden, die wir schon so oft erwähnt haben, bleibt ihre Affinität zum Hämatoxylin bestehen und weicht erst kurz vor ihrer Auf- lösung der zu den sauren Farbstoffen. Nun könnte man ja allerdings im Rabl’schen Sinne einwenden, dass hier eben ein Fall vorliegt, in dem die ungefärbte Modification aus dem Kern ausgeschieden wird und erst später ihre speeifische Umwandlung erleidet. Diesem Einwand ist mit positiven Thatsachen nicht zu begegnen, weil man ja bei dieser Theorie gar kein anatomisch nachweisbares Substrat hat, an das man sich halten könnte, es kann daher nur auf die grosse Unwahrscheinlichkeit hingewiesen werden, die darin besteht, dass der morphologisch und färberisch sich stark verändernde Kern immer in gleicher Weise an dem Aufbau ein und derselben Substanz betheiligt sein soll, die ihrerseits keine wesentlichen färberisch nachweisbaren Verände- rungen zeigt. Ist es unter diesen Umständen nicht viel natürlicher, dem Kern jede active Betheiligung an der Keratohyalinbildung abzusprechen, diese vielmehr ausschliesslich, wie es Weiden- reich gethan hat, in die Interfibriliarsubstanz des Protoplasmas zu verlegen? Nur so verstehen wir auch die von allen Autoren anerkannte und auch an unserm Objeet wahrnehmbare Unregel- mässigkeit, die hinsichtlich der zeitlichen Coineidenz und gra- duellen Congruenz zwischen der Keratohyalinbildung und Kerm- degeneration besteht. Beziehungen des Keratohyalins zum Ver- hornungsprocess. Wesentlich mehr als über die Entstehung des Keratohyalins haben sich die Ansichten über seine Beziehungen zum Verhornungsprocess mit der Zeit geklärt. Dass diese 3eziehungen schon frühzeitig als keineswegs so einfache ange sehen wurden, geht daraus hervor, dass einer der Ersten, die diese Frage überhaupt behandelt haben, nämlich Waldeyer, sich in diesem Punkte sehr vorsichtig ausdrückt, indem er nur sagt, dass der chemische Vorgang der Hornsubstanzbildung in Ueber den Verhornungsprocess. 185 dem Auftreten des Eleidins auch einen mikroskopisch sichtbaren Ausdruck findet. Seiner Anschauung zufolge muss sich das Keratohyalin erst wieder mit dem Protoplasma verbinden, aus welcher Verbindung die Hornsubstanz hervorgeht. Bestimmter sprach sich später Blaschko (4) aus, der das Keratohyalin und Eleidin unter dem Namen „Prokeration* als directe Vor- stufen des Keratins bezeichnete, eine Anschauung, die er später wieder zurücknahm. Noch weiter ging Zander, der auf Grund ganz ungenügender Reactionen ohne weiteres Keratohyalin mit Keratin identifieirte. Mit der allgemeinen Anerkennung der durch Unna für die Charakterisirung der Hornsubstanzen ein- geführten Verdauungsmethode sank jedoch der Antheil, den man dem Keratohyalin bei dem Verhornungsprocess zuerkannte, immer mehr, sodass schliesslich das Auftreten der Körner nur als Be- gleiterscheinung des Processes aufgefasst wurde. Glaubte doch sogar Behn (3) ebenso wie Unna (57) und Kromayer (27) die beginnende Verhornung des Zellmantels noch vor dem Auf- treten der ersten Keratohyalinkörner mit der Verdauungsmethode nachweisen zu können. In diesem Sinne spricht sich in jüngster Zeit auch Weidenreich aus, der die Verhornung an der Epidermis lediglich in dem aus verdichteten Fasern zusammen- gesetzten Exoplasma vor sich gehen lässt, während das zu Kera- tohyalin umgewandelte Endoplasma sich zu Eleidin verflüssigt, und mit dem Verhornungsprocess selbst direet nichts zu thnn hat. Bei dieser Sachlage könnte es überflüssig erscheinen, noch weitere Beweise zu Gunsten der gänzlichen Unbetheiligung des Kerato- hyalins am Verhornungsprocess beizubringen. Was mich in- dessen veranlasst, die Angelegenheit doch mit einigen Worten zu berühren, ist erstens die Thatsache, dass ich kein zweites Object kenne, an dem die Verhältnisse so demonstrabel sind, wie gerade an der Schweinsklaue und vor allem, weil der An- theil, den das Keratohyalin an der embryonalen Nagelverhor- nung nimmt, noch keineswegs in wünschenswerther Weise ge- klärt ist. Was zunächst den ersten Punkt betrifft, so sahen wir das Keratohyalin zeitlich getrennt an drei verschiedenen Stellen auf- treten, zuerst an der Wandpartie, wo es zur Bildung des Epo- nychiums führt, später an der Sohle und schliesslich an der Randleiste. Bezüglich der Massenhaftigkeit und Grösse der Kera- 786 Hugo Apolant: tohyalinschollen steht die Randleiste obenan. Es ist mir über- haupt kein Ort bekannt, an dem die Keratohyalinbildung in so excessiver Weise vor sich geht wie hier. Schon die Sohle tritt dagegen zurück und noch mehr die Wandpartie, an der sich die Verhältnisse schon mehr denen der Oberhaut nähern. Fragen wir nun aber nach dem Resultat dieser starken Körnerbildung, so zeigt sich, dass zunächst die Keratohyalinschollen, wie das ja schon des Oefteren beschrieben, und erst kürzlich von Ran- vier (46) experimentell nachgewiesen worden ist, zu Tropfen und Lachen zerfliessen, die unzweifelhaft mit dem Ranvier- schen Eleidin zu identificiren sind. Das weitere Schicksal des Eleidins entzieht sich vorläufig noch unserer Kenntniss. Nach Weidenreich geht es in den oberen Lagen des stratum cor- neum in eine festere Modification über, die er Pareleidin nennt. An dem von mir untersuchten Objeet scheinen die Verhältnisse jedoch anders zu liegen, denn hier spricht Alles dafür, dass das Eleidin die Zellen irgendwie verlässt, da es nicht nur später innerhalb der Zellen nieht mehr nachweisbar ist, sondern da dann von einem Zellinhalt überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann; denn die Abplattung der Zellen wird, nachdem letztere zunächst ein durch die geschlängelten Zellconturen cha- rakterisirtes, eigenthümlich welkes Aussehen angenommen haben, schliesslich so excessiv, dass man, wie ich schon erwähnte, kein Epithel- sondern ein Fasergewebe vor sich zu haben glaubt. An der Randleiste nun, an der dieser regressive Process am stärksten und klarsten zum Ausdruck kommt, konnte ich färberisch sowie durch Verdauungsversuche ebensowenig etwas von einer Verhor- nung nachweisen, wie Rosenstadt beim Epitriehium über- haupt. Etwas mehr, wenn auch noch sehr geringe Ansätze zur Verhornung bemerkt man an der Sohle, wo sich doch wenigstens (las erwähnte, dem Eponyehium analog zu setzende, mit Fuchsin stark gefärbte Zellband allmählich ausbildet. Relativ am stärksten verhornt dagegen das Eponychium des Wandhorns, wo sich auch in dieser Beziehung die Verhältnisse denen der Oberhaut nähern. Es ergiebtsichalso, dass die Verhornung und Keratohyalinbildung graduell in einem reeiproken Verhältniss zu einanderstehen, ein Satz, der in dem weitesten Umfange Geltung hat, da wir schon bei dem ersten Auftreten der total verhornenden Wandzellen Ueber den Verhornungsprocess. 787 sowie im weiteren Verlauf der Wandhornbildung jede Betheiligung von Keratohyalin ausschliessen konnten. Excessive Kera- tohyalinbildung gehtalso ohne gleichzeitige Verhornungserscheinungen einher, excessive Keratinbildung ohne nachweisbare Keratohya- linkörner. Zwischen diesen beiden Extremen, die an der Schweinsklaue durch die Randleiste und das Wandhorn reprä- sentirt werden, finden sich alle möglichen Uebergänge, in denen beide Processe sich eombiniren, doch so, dass ihre graduelle Re- eiproeität auf das Deutlichste zu Tage tritt. Die Keratohyalin- bildung ist somit weder Ursache noch Folge der Verhornung, sie ist auch nicht eigentlich eine Nebenerscheinung derselben, da bei ihrer stärksten Ausbildung eine Verhormung gar nicht nachweisbar ist. Die einzige Beziehung, die zwischen beiden Processen besteht, ist vielmehr die, dass sie auf dieselben Be- dingungen, nämlich auf eine in Folge allmählicher Entfernung von der ernährenden Matrix eintretende Nutritionsstörung zurück- zuführen sind, welehe letztere bei der Fibrillarsub- stanz der Zelle zur Verhornung, bei der Inter- fibrillarsubstanz zur Keratohyalinbildung führt. Das stärkere Hervortreten des einen oder anderen Processes ist daher in erster Linie abhängig von dem Mengenverhältniss der Protoplasmabestandtheile. Zellen mit viel Interfibril- larsubstanz produciren viel Keratohyalin, solehe mit viel Fibrillarsubstanz viel Keratin. Freilich scheint dieses Verhältniss nur im Grossen und Ganzen so ein- fach zu lieggn, da wir einerseits wissen, dass im Innern der Zellen des stratum corneum Fasern sich erhalten, die verdaut werden können, also nicht verhornt sind, und andererseits ent- halten die Zellen der Randleiste sicher auch Fibrillen. Trotz- dem behält im Wesentlichen der obige Satz seine Geltung. Nicht in Uebereinstimmung hiermit steht die ganz allge- mein verbreitete Meinung, der auch noch in den neuesten Lehr- büchern Ausdruck verliehen wird, dass, wie zuerst Brooke (5) und nach ihm namentlich Zander (64) betont haben, die erste Entwickelung des embryonalen Nagels unter Auftreten zahlreicher grosser Keratohyalinkörner vor sich geht, die erst bei der weiteren Ausbildung des Nagels allmählich schwinden. Nach den Untersuchungen Zander’s sollen bekanntlich die 788 Hugo Apolant: Nägel etwa im dritten Monat von der Begrenzungsschicht aus allmählich nach hinten in den Falz hineinwachsen, eine An- sehauung, die er im Wesentlichen damit begründete, dass man eine in der Epidermis liegende, mit sauren Farbstoffen tingir- bare Hornschicht, die aus Keratohyalinhaltigen Zellen hervor- geht, sich allmählich nach hinten ausbreiten sieht. Es ist nieht zu leugnen, dass durch die allgemeine Anerkennung dieser Zander’schen Ansicht die Rolle und Bedeutung des Kerato- hyalins völlig unklar wurde. Bei der Verhornung der Ober- haut sollte das Keratohyalin keine Rolle spielen, am fertigen Nagel ist es überhaupt nicht nachzuweisen, bei seiner embryo- nalen Entwicklung aber tritt es plötzlich wieder als essentieller Bestandtheil auf und zwar in so grossen Körnern, wie man es unter normalen Verhältnissen an der Epidermis niemals findet. Hier lag ein offenkundiger Widerspruch vor, der erst in aller- neuester Zeit aufgeklärt wurde. Es ist ein entschiedenes Ver- dienst Okamura’s, der unter Rosenstadt arbeitete, nachge- wiesen zu haben, dass das, was die Autoren mit Zander stets als erste Nagelanlage aufgefasst haben, mit dem Nagel als solchem überhaupt gar nichts zu thun hat, da der letztere ganz unabhängig davon erst zu Beginn des fünften Monats mit isolirt im Falz liegenden Zellen ohne jede Spur von Keratohyalin ent- steht und also schon embryonal genau so von hinten nach vorn wächst wie im postembryonalen Leben. Die unter reichlicher Körnchenbildung schon früher aufgetretene Hornschicht, die übrigens schon früher von Unna und Pollitzer (34) als tiefste Schicht des Eponychiums, also nicht als erste Nagglanlage ange- sprochen wurde, kommt dadurch, dass der Nagel sich unter sie wegschiebt, anf demselben zu liegen, und bildet so das eigent- liche Eponyehium, das seinerseits wieder vom Epitrichium be- deckt ist. Diese Darstellung Okamura’s steht somit in Ueberein- stimmung mit meinen Befunden an der Schweinsklaue, insofern als wir auch hier an der Wandpartie, die dem primären Nagel- felde der Autoren homolog ist, aus der grosskörnigen Kerato- hyalinschicht eine relativ dünne, verhomende Platte hervorgehen sahen, die dem eigentlichen Wandhorn aufsitzt und sich daher in überaus klarer Weise als Eponyehium charakterisirt. Ein Unterschied zwischen Okamura’s und meinen Befunden besteht Ueber den Verhornungsprocess. 189 nur darin, dass er die Eponychial- und Nagelbildung zeitlich und örtlich vollständig trennt, da das Eponychium schon im dritten Monat an der Begrenzungsschicht entsteht, während der eigent- liche Nagel sich erst im fünften Monat im Falz bildet. Dagegen konnte ich an der Schweinsklaue nachweisen, dass in demselben embryonalen Stadium von 9 em Rumpflänge die ersten, zum späteren Eponychium sich umwandelnden Keratohyalinzellen mehr oberflächlich und gleichzeitig die ersten Hornzellen des späteren Wandhorns dicht darunter auftreten. Eine zeitliche Trennung ist hier also gar nicht vorhanden und eine örtliche nur insofern, als beide Bildungen in verschiedenen Schichten auftreten, doch so, dass sie stets in direetem Contact miteinander bleiben. Die Eponychialschicht ist also an der Schweinskaule von vorn- keoneın als’solche charakterisirt, ssielisti nichts weeiiter: alsweine den'jungenlNagelibedeekende, aus den tretstieen ZellenidessEpitri ech um scher: vorgegangene, unvollkommen verhornte Schicht. Diese Thatsache spricht ganz entschieden gegen die Auf- fassung Okamura’s, der das Eponychium als eine phylogene- tische Vorstufe des Nagels, als einen primären Nagel auffasst. Ich gebe zu, dass die Verhältnisse, wie sie Okamura beim Menschen beschreibt, seine Deutung verstehen lassen, sie verliert jedoch dadurch ihre Berechtigung, dass durch die engen und erheblich anschaulicheren Lagebeziehungen bei der Bildung in einem phylogenetisch weit zurückliegenden Stadium, wie es die Schweinsklaue im Verhältniss zum menschlichen Nagel darstellt, der prineipielle Gegensatz zwischen Eponychium und eigentlichem Horn viel schärfer hervortritt. Es dürfte sich vielleicht auf Grund der an der Klaue eruirten T’hatsachen empfehlen, das Nagelbett menschlicher Embryonen in sehr frühem Stadium da- rauthin zu untersuchen, ob nicht gleichzeitig mit der Kerato- hyalinbildung in einer tieferen Schicht die Anfänge echter Ver- hornung sich nachweisen lassen, eine Möglichkeit, die mir aus verschiedenen Gründen gegeben zu sein scheint, und deren Be- weis der Bedeutung der Okamura’schen Arbeit in keiner Weise Abbruch thäte. 790 Hugo Apolant: Das Onycehin. Die für die Auffassung des Verhornungsprocesses vielleicht wichtigste und bisher noch am wenigsten aufgeklärte Frage ist die nach dem Wesen des Onyehins. Stehen sich doch die Ansichten über die reelle Existenz dieser Substanz noch diametral gegenüber. Zu einer Zeit, in der dem Keratohyalin eine wie auch immer geartete Rolle beim Verhornungsprocess zugeschrieben wurde, war es ein logisches Postulat, am Nagel, als der typischsten Hornformation im menschlichen Organismus eine analoge Substanz zu supponiren. Diese Annahme war um so zwingender, als die sich mehrenden, entwieklungsgeschichtlichen Untersuchungen dar- zuthun schienen, dass bei der embryonalen Nagelentwicklung Keratohyalin in reicher Menge und ungewöhnlich grosser scholliger Form gebildet würde. In der That zeigte Ranvier (45), dass in den weichen Stellen, die die obere Lage der Nagelmatrix bilden, eine diehtstehende Körnelung nachweisbar ist, die bei Anwendung von Pikrokarmin braun erscheint. Mit der Bezeich- nung „onyehogene Substanz“ wies er ihr eine wichtige genetische Bedeutung für den Nagel zu. Waldeyer betonte, obwohl er sich Ranvier anschloss, die Schwierigkeit, die Kör- ner als solche zu erkennen und erklärte dieselbe aus der starken Abplattung der Zellen. Zur leichteren Darstellbarkeit der Körner empfahl er Aufhellung des frischen Präparates in Essigsäure. Henle trat entschieden für die Existenz des Onychins ein und setzte es in direete Parallele zum Eleidin, wie aus folgenden Worten hervorgeht: „Denn dass die onychinhaltigen Zellen ein Stadium in der Entwieklung des Nagels repräsentiren, dafür zeugt nieht nur ihre Analogie mit der Eleidinschicht der Epi- dermis, sondern auch die Erfahrung, dass, soweit das Onychin reicht, die scharfe Grenze zwischen der Schleim- und Hornsehicht des Nagels, die auf dem eigentlichen Nagelbett besteht, verwischt ist.“ Inzwischen hatte Unna (56) die reelle Existenz des Ony- chins geleugnet und die Interferenzerscheinung nieht auf dicht- stehende Körner, sondern auf die ausserordentlich feinen aber deutlich zu Tage tretenden Stacheln des Stratum mucosum der Matrix bezogen, eine Anschauung, der unter Anderen auch Kölliker (25) beipfliehtete. In neuerer Zeit hatte diese Unna- Kölliker’sche Ansicht eine den modernen Anschauungen vom Bau der Epidermis entsprechende Modification durch v. Brunn (6) Ueber den Verhornungsprocess. 791 erfahren, der die Körner als querdurchschnittene Fibrillen auffasst. Der Wichtigkeit halber führe ich den betreffenden Passus hier wörtlich an: „Eigene Untersuchungen haben mir die Ueberzeu- gung verschafft, dass sie — gemeint ist die undurehsichtige Be- schaffenheit der Onychinschieht — von einer Fibrillenbildung im Protoplasma herrührt. Ich finde solche Fibrillen auf Längs- schnitten des Falzes sehr deutlich und sehe an Querschnitten derselben Gegend ihre Querschnitte als feinste Pünktehen im Innern der Zellen.“ Die beigefügten Abbildungen lassen dieses Verhältniss deutlich erkennen. Uebrigens finde ich schon bei Renaut die Fasern in der Matrix der Kuhklaue ausgezeichnet beschrieben und ebenso bei Blaschko, der das Bestehenbleiben der fibrillären Structur bei der Verhormung zuerst klar ausge- sprochen hat, die starke Lichtbreehung der zahlreichen intra- cellulären Fibrillen bei der Nagelverhornung betont. Trotzdem glaubte der neueste Bearbeiter dieser Frage Okamura, in seiner sonst sehr schätzenswerthen Arbeit für das Onychin wieder eine Lanze brechen zu müssen und zwar nicht nur, weil er in der betreffenden Schicht Körnchen nachweisen konnte, die in Verdauungsflüssigkeiten unlösbar sind, sondern weil es ihm auch aus theoretischen Gründen ungereimt erscheint, dass beim Ver- hornungsprocess, der doch sonst zu einer Verwischung der fibril- lären Zellstrucetur führt, gerade am Nagel ein stärkeres Hervor- treten dieser Fibrillen bemerkbar sein soll. Bei dieser Sachlage war eine Nachprüfung unerlässlich und um so dankbarer, als auch hierin die embryonale Schweinsklaue besonders klare Bilder giebt. Die Unsicherheit, welche über der ganzen Onychinfrage liegt, erhellt schon daraus, dass offenbar sehr verschiedene Dinge als Onychin aufgefasst worden sind. Das was Ranvier ursprüng- lich dafür erklärt hat, und was später auch Waldeyer und Henle als solches angesprochen haben, ist eine in den obersten Lagen der Nagelmatrix auftretende, ungeheuer feine und dicht- stehende Körnelung, die jedoch stets nur immer an der Grenze gegen den Nagel, niemals in diesem selbst sichtbar ist. Zwei Eigenschaften sind also mit dem Onycehin untrennbar verbunden, eine ausserordentlich diehte Lagerung, die die einzelnen Körner kaum als solche erkennen lässt, und das Auftreten in der den Uebergang von der eigentlichen Matrix zum fertigen Nagel bil- denden Schicht. Diese Definition ist deswegen nothwendig, weil 192 Hugo Apolant: bei der grossen Neigung vieler Autoren, die erste Ablagerung von Horn in Körnchenform stattfinden zu lassen, Vieles als Onycehin resp. Keratinkörner bezeichnet wurde, was absolut nicht hierher gehört. Zum Theil handelt es sich um eine Verwechsluug mit Keratohyalin, was beispielsweise sicher der Fall ist bei den körnchenhaltigen Zellen des embryonalen Hühnchenschnabels, die Zabludowsky (63) beschrieben hat. Theilweise aber sind die fraglichen Körnehen nichts weiter als Lufteinschlüsse, wie ich dies bei der Wandhornbildung ausführlicher dargestellt habe. Das eigentliche Onychin Ranvier’s ist jedoch ganz anders zu erklären und auf Vorgänge zurückzuführen, die den Verhornungs- process in besonders klarem Licht erscheinen lassen. Der Nagel- matrix entspricht an der Schweinsklaue das schon erwähnte, an der Krone sich allmäblich ausbildende, mächtige Polster, das die Eigenthümlichkeit hat, sich mit Fuchsin violett zu färben. Im Einzelnen zeigt diese Klauenmatrix folgende Verhältnisse. Im Bereich der Kronenpapillen ist das rete Malpighii stark gewuchert. Die dichtgedrängt stehenden Zellen zeigen einen schön ausge- bildeten Kern. An van Gieson-Präparaten bleibt das Proto- plasma der tiefen Zelllagen ungefärbt, während der Kern mattblau tingirt wird (Fig. 21). Ueberhaupt ist an diesen unteren Schichten eine besondere Protoplasmastructur nicht sichtbar. Je weiter man jedoch nach der Oberfläche vorrückt, um so deutlicher sieht man in den Zellen Fasern auftreten, die zunächst noch ungefärbt bleiben und erst weiter oben den violetten Ton annehmen, worauf die differente Färbung dieser Schicht beruht. Auch mit der Kromayer’schen Methode können die Fibrillen dargestellt werden. Da sie ferner gegen Verdauungsflüssigkeiten ungemein resistent sind, so trage ich kein Bedenken, sie als Fibrillen an- zusehen, die sich im Verhornungsprocess befinden. Die Fasern erfüllen zwar den ganzen Zellleib viel diehter als dies sonst bei Epithelzellen der Fall ist, indessen lässt sich namentlich an den mittleren Partien der Matrix erkennen, dass die Fasern in der Zellperipherie besonders dicht stehen, sodass also hier die Fär- bung eine besonders intensive ist, ein Umstand, der wesentlich dazu beiträgt, die Zellen als solche überhaupt abgrenzen zu können (Fig. 22 b), da die Fihrillen derartig überwiegen, dass man nicht mehr ein Epithel-, sondern ein Fasergewebe mit ein- gestreuten Kernen vor sich zu haben glaubt. Die Bilder erinnern Ueber den Verhornunesprocess. 193 > ausserordentlich an die Verhornung der Haarrinde, wie sie von Waldeyer zuerst beschrieben und später auch von Reinke (48) abgebildet ist. Nach der Oberfläche zu platten sich die Zellen allmählich etwas ab, sodass die Fibrillen jetzt noch diehter stehen. Die Richtung, in der die Fasern den Zellleib durchziehen, ist keine einheitliehe, es findet vielmehr eine Durchflechtung statt, doch so, dass die Anordnung in der Längsachse der Zellen im Allgemeinen gewahrt bleibt. Hieraus ergiebt sich nun, dass das mikroskopische Bild nach der Schnittrichtung ausserordentlich wechselt. Trifft man die Zellen genau in der Längsachse, so nimmt man eine fast ausschliessliche Längsstreifung wahr, bei geringen Abweichungen macht sich jedoch schon der verschiedene Fibrillenverlauf durch eine deutliche Fiederung bemerkbar. Reine Querschnitte lassen Fasern überhaupt nicht mehr erkennen, die ganze Zelle besteht vielmehr aus ungemein dichtstehenden, fein- sten, aber tief violett gefärbten Pünktchen, als optischem Ausdruck der quer durchschnittenen Fasern (Fig. 22a). Wenn man Schnitte der Klauenmatrix ungefärbt oder nach Pikrokarmintinetion in Glycerin untersucht, so tritt die Körnelung der braun erscheinen- den Uebergangsschicht ausserordentlich deutlich hervor. Bei auffallendem Licht erscheint sie mattweiss, kein Zweifel also, dass sie der Onychinschieht der Autoren entspricht. Zum Be- weise, dass das Onychin wirklich nur der optische Ausdruck quer oder schiefdurchscehnittener Fibrillen ist, behandelte ich Schnitte der menschlichen Nagelmatrix, die ungefärbt die Körne- lung deutlich erkennen liessen, nach van Gieson und erhielt völlig gleiche Resultate wie bei der Schweinsklaue; auch hier theils Fasern, die sich leuchtend violett färben, theils dasselbe wechselnde Bild von Längsfaserung, Fiederung und Punktirung der Zellen. Somit kann kein Zweifel mehr bestehen, dass das Onychin keine reell vorhandene Substanz ist, sondern lediglich der optische Ausdruck einer deutlicher hervortretenden Zellfibrillirung. Mit dieser Auffassung steht keine einzige der für das Onychin ange- gebenen Reactionen im Widerspruch. Wenn Ranvier die Braun- färbung an Pikrocarmin-Präparaten als charakteristisch ansah, so ist dem entgegenzuhalten, dass, wie bereits Henle nach- wies, der braune Ton schon am frischen Präparat sichtbar ist und keine Färbung, sondern eine Interferenzerscheinung darstellt, 794 Hugo Apolant.: die natürlich ebensogut durch gedrängtstehende, stark licht: liehtbreehende Fasern, wie durch diehtgelagerte Körnchen be- dingt sein kann. Das deutlichere Hervortreten nach Essigsäure bringt ferner ebensowenig einen Entscheid, wie die Verdauungs- methode, da sich verhornende Fasern und in Körnchenform ge- bildetes Horn diesen Medien gegenüber ganz gleich verhalten müssen. Mit der Veränderung des Zellprotoplasmas geht die des Kerns Hand in Hand. Derselbe wird allmählich in die Länge gezogen und nimmt schliesslich ebenfalls die Fuchsinfärbung an. Die weitere Umwandlung der Zelle documentirt sich färbe- risch darin, dass der intensiv violette Ton plötzlich in einen tief- rothen und schliesslich in den gelben Pikrinton umschlägt. Nur die Zellgrenzen und der Kern bleiben roth gefärbt. Die letztere Umwandlung scheint ziemlich schnell vor sich zu gehen, da man ausserordentlich häufig inmitten des schon fertigen, gelb gefärbten Horns Inseln dunkelvioletter Zellen erkennt (Fig. 21). Mit dem Umschlagen der Färbung in roth wird die Faserung plötzlich undeutlich, sodass nunmehr das Protoplasma eine völlig homogene Masse darstellt. Der Endeffeet ist bei der Matrixver- hornung also derselbe wie bei der früher besprochenen Wand- hornbildung, nur mit dem Unterschiede, dass die Fibrillarsubstanz bei dem letzteren Modus nicht so scharf m den Vorder- grund tritt. Das Unbefriedigende der meisten, bis in die neueste Zeit hinein vertretenen Verhornungstheorien liegt vor Allem in den schwer verständlichen Differenzen, die bei zwei Haupttypen der Verhornung, wie sie die der Oberhaut und des Nagels darstellen, statuirt werden mussten. Diejenigen, welche sowohl die Kera- tohyalin- als die Onychinbildung als Zwischenstadien der Ver- hornung ansahen, mussten es unerklärt lassen, warum das gross- körnige Keratohyalin nur so geringe, das feinkörnige Onychin so starke Hornmassen liefert. Diejenigen wiederum, die dem Kera- tohyalin eine direete Bedeutung für die Verhornung absprachen, für das Onychin aber eine solche anerkannten, statuirten erst recht einen prineipiellen Gegensatz zwischen zwei Processen, die nicht sowohl qualitativ als vielmehr quantitativ differiren. Merk- würdigerweise hat es auch nicht an solehen gefehlt, die, wie von Brunn, das Onychin zwar leugnen, dem Keratohyalin aber doch eine genetische Rolle bei der Verhornung zuweisen. Ueber den Verhornungsprocess. 7195 Am meisten befriedigte bisher die Unna’sche Theorie, indem sie dadurch, dass sie das Onychin sowie die genetische Rolle des Keratohyalins für die Verhornung leugnete, den Process in die eigentliche Fibrillarsubstanz verlegte. Besonders klar sprach dies schon Renaut aus, der die totale Zellverhornung als Evo- lution cornee vraie der evolution epidermique gegenüberstellt, bei welcher letzteren wegen des Auftretens von Eleidin nur eine theilweise Zellverhornung zustande kommt. Mit dem Nachweis der fibrillären Structur der Nagelmatrixzellen sowie der That- sache, dass die die Hauptmasse des Protoplasmas bildende Fi- brillarsubstanz sich färberisch und chemisch als eigentlicher Sitz des Verhornungsprocesses erweist, gewinnt der ganze Vorgang an Einheitlichkeit und Verständniss. Bei der Definition des Verhornungsprocesses müssen zwei Punkte morphologisch obenan gestellt werden: 1) die Verhor- Dameaist ausschliessltkehuan. die Zelltasersee bunden, und 2) sie stellt’sieh in dieser Faser stets alsein diffuser Process dar, der niemals ansorm von Körncbengaurtreten k ann.r47Diese Definition steht in bestem Einklang mit dem Chemismus der Verhornung. Wir betonten bereits in der Einleitung die geringen Differenzen, welche zwischen der chemischen Constitution des Eiweisses und des Horns bestehen, und es ist uns wohl ver- ständlich, wenn diese chemische Differenz ihren morphologischen Ausdruck darin erhält, dass die betreffenden Elemente lediglich derber, starrer werden und sich tinetoriell anders verhalten. Verständlich ist es uns ferner jetzt, warum die Verhormung beim Nagel eine so viel intensivere ist als bei der Oberhaut. Der Ver- hornungsprocess an sich ist bei beiden genau derselbe. Hier wie dort ist es lediglich die Zellfibrille, die die Umwandlung eingeht, der Unterschied liegt ausschliesslich darin, dass die Fibrillen m den Zellen der Nagelmatrix unge- heuer viel dichter liegen und in sehr viel grösserer Anzahl vor- handen sind. Diese Auffassung des Verhornungsprocesses ist die einzige, welche alle Erscheinungen befriedigend erklärt, die Einheitlich- keit des Vorganges wahrt und mit dem Chemismus des Pro- cesses in vollen Einklang gebracht werden kann. Weiteren Untersuchungen bleibt es vorbehalten, darzuthun, dass diese 796 Hugo Apolant: Auffassung auch für den dritten Haupttypus der Hornsubstanzen, die Haare, volle Geltung hat, was nach den bereits vorliegenden Untersuchungen im hohen Grade wahrscheinlich ist. wo. DD D DD oO w m Sn CB) em LET, SEEN Literatur -Verzeichniss. Arloing, Poils et ongles. Paris 1880. Behn, Studien über die menschliche Oberhaut. Inaug.-Dissert. Kiel 1887. Derselbe, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 39. 189. 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Eisenhämatoxylin. Vergr. 150. . Desgleichen. Vergr. 500. . Desgleichen. Hämatoxylin. Vergr. 500. . Desgleichen. Eisenhämatoxylin. Vergr. 700. . Längsschnitt der Wand eines 12 cm langen Foetus, verdaut und nach Unna mit Methylenblau gefärbt. Vergr. 40. . Schnitt durch die Zone der beginnenden Verhornung. Verdaut. Vergr. 150. . Längsschnitt durch die Wand desselben Foetus. van Gieson. a= Keratohyalin, db = homogene blaue Zellen, ce = Verhornte Zellen, d = Kerndegeneration in den Keratohyalinzellen. Vergr. 150. Zellen von der Wandpartie desselben Foetus. van Gieson. a= Zelle mit wenig Keratohyalin und degenerirtem Kern. b,c,d—= diffus blaue Zellen mit degenerirtem Kern. Vergr 200. Längsschnitt eines 17 cm langen Foetus. van Gieson. a= Keratohyalinschicht der Sohle, 5b = Epitrichialschicht der Sohle, e= Wandhorn, d=Eponychium des Wandhorns, e= Fort- setzung des Eponychiums, f= Klauenmatrix, g = Uebergang der Randleiste in das Wandhorn. Vergr. 25. Randleiste desselben Foetus. Hämatoxylin. Vergr. 250. Gefaltete Zellen der Keratohyalinschicht. Vergr. 600. Keratohyalinzellen und Wandhorn am Uebergang des letzteren in die Randleiste. Vergr. 600. Längsschnitt durch die Klaue eines 23 cm langen Foetus. van Gieson. a=Randleiste, b=Beginnende Verhornung an der Sohle, e=Eponychium des Wandhorns, d=Obere Grenze des Eponychiums, e=ÜUebergang des Wandhorns in die Randleiste, f=Matrix der Klaue. Vergr. 25. Flachschnitt durch die Wandpartie desselben Foetus. van Gieson. a=Matrix der Hornblättchen, b=Fertige Horn- zellen. Vergr. 150. Beginn der Keratohyalinbildung. Vergr. 1000. Flachschnitt durch die Klauenmatrix. van Gieson. Vergr. W. Matrixzellen. van Gieson. Vergr. 1000. 199 Ueber Knochenregeneration. Experimentelle Studie von Dr. H. Wendelstadt, Privatdocent und Assistent am pharmakologischen Institut in Bonn. Hierzu Tafel XLIOI, XLIV und XLV. Die folgende Arbeit über Regenerationsvorgänge bei Axo- lotIn und Tritonen soll zur Klärung der Frage dienen, ob ein Gewebe sich aus andersartigen Geweben regeneriren kann. Hierzu musste ein Versuchsplan erdacht werden, der eine Gewebsgruppe auszuschalten erlaubte, ohne dass die übrigen mit entfernt wurden. Zu dieser Art von Versuchen muss die Linsenregeneration nach Entfernung der ganzen Linse gerechnet werden. Auf eine Kritik dieses Versuches einzugehen, ist hier niekt der Ort. Es fragte sich nur, ob nicht auch andere Körperstellen zur Anstellung von Versuchen auf gleichem Grundplan geeignet seien, und ob sich bei diesen gleiche Erfolge erzielen lassen würden. Die ganze Lehre von der Regeneration verloren gegangener Theile aus den zugehörigen specifischen Zellen!) würde durch den Stand, den die Frage der Linsenregeneration augenblicklich einnimmt, einen bedrohlichen Stoss erleiden. Die Differenzirung von Zellen, die anfänglich gleichwerthig waren, scheint nach den Versuchen über die Linsenregeneration wieder rückgängig ge- macht werden zu können. In der folgenden Arbeit handelt es sich nun darum, zu entscheiden, ob diese Erscheinung bei den- selben Thieren auf einem durchgreifenden Gesetze beruht. Zur Beantwortung dieser Frage wurde bei regenerations- fähigen Thieren an einem Unterarm?) Ulna und Radius entfernt, 1) Vergl. hierzu M. Nussbaum: Die mit der Entwicklung fort- schreitende Differenzirung der Zellen. Niederrh. Ges. 5. Nov. 1894. 2) Ich habe in dieser ganzen Arbeit die Vorderextremitäten der operirten Thiere Arme genannt und die einzelnen Theile entsprechend bezeichnet. Die Skeletttheile habe ich der Kürze halber meist einfach als Knochen bezeichnet, auch wenn sie aus Knochen und Knorpel bestehen. Diese Bezeichnungen sind nicht misszuverstehen und er- schienen mir kürzer, 800 H. Wendelstadt: und bei dieser Operation auf das Sorgfältigste die übrigen an- liegenden Gewebe geschont, und die ganze Hand erhalten. Bei dieser Entfernung der Knochen aus der Continuität der Extremität konnte, wenn die Knochen regenerirt wurden, nur dann ein beweisendes Resultat für die Neubildung aus den anders gearteten Geweben erwartet werden, wenn die Regeneration von dem Ober- armknochen oder von den Handwurzelknochen aus ausgeschlossen wurde. Dies war durch eine vorsichtige Vermeidung jeder Ver- letzung der zurückbleibenden Knochen bei der Extirpation der Unterarmknochen zu erreichen. Bei einer Exartieulation in den Gelenken ohne Verletzung des zurückbleibenden Gelenkendes tritt eine Regeneration bekanntlich nicht ein. Der Knochen re- generirt nur, wenn er verletzt worden ist, wie dies bei einer einfachen Amputation geschieht. Wurde also eine Verletzung der Gelenkenden vermieden, so konnte eine Neubildung, wenn eine solche überhaupt auftrat, nur von den Zellen der umliegenden Gewebe ausgehen und zwar in der Art, dass von ihnen neue Zellen produeirt wurden, welche sich dann zu Knorpelgewebe und Knochen differenzirten. Ehe ich näher auf die Versuche eingehe, will ich kurz die Erfahrungen, welche ich bei der Behandlung der operirten Thiere sammelte, erwähnen. Als Versuchsobjecte dienten Triton taeniatus, Salamandra maeculata und Siredon piseiformis (Axo- lot). Es ist nicht ganz leicht, die Thiere über die ersten Tage nach der Operation hinweg zu bringen. Die Axolotl, welche bei ihrer enormen Regenerationsfähigkeit und ihren verhältniss- mässig grossen Extremitäten besonders geeignet zu den Versuchen erschienen, wurden vor der Operation einige Tage in öfter er- neutes Wasser gebracht, um möglichst die Infectionskeime von der Haut zu entfernen. Nach der Operation wurden sie einzeln in geräumige Glasschalen gesetzt, und das Wasser wurde täglich erneuert, bis die Wunde sich geschlossen hatte. Die Thiere fühlten sich anscheinend am wohlsten bei einer Wassertemperatur von ca. 20° C. Zum Wechseln wurde gekochtes und wieder auf 20° C. abgekühltes Wasser benutzt. Die Temperatur des Zimmers blieb in den ersten Tagen möglichst gleichmässig. War die Wunde geschlossen, so gestaltete sich die Wartung sehr viel einfacher. Die Thiere sind im Ganzen nicht sehr empfindlich gegen Temperaturwechsel, wenn dieser nicht zu plötzlich eintritt. Ueber Knochenregeneration. 801 Es brauchte daher in der späteren Zeit nicht mehr so genau auf eine gleichmässige Zimmertemperatur geachtet zu werden, und nur beim Wasserwechsel wurde für eine gleiche Temperatur des neuen Wassers mit dem alten gesorgt. Nach Einsetzen von Fontinalis antipyretica in die Behälter hielt sich das Wasser sehr lange klar und nahm keinen üblen Geruch an. Es konnte so bis zu drei Wochen ohne Wechsel stehen bleiben. Die Axolotl wurden mit lebenden kleinen Fischen oder mit lebenden Regenwürmern gefüttert. Sie entwickelten eine er- staunliche Fresslust. Mit einiger Geduld kann man die Thiere auch daran gewöhnen, kleine Stücke rohen Fleisches von einer Pineette zu nehmen, wenn man es vor ihnen hin und her bewegt. Für die Wintermonate ist diese letztere Art des Fütterns geeig- neter, weil das andere Futter dann schwerer zu beschaffen ist. Man muss nur darauf achten, dass keine Stücke Fleisch im Wasser liegen bleiben, da sich sonst trotz der Anwesenheit von Fontinalis antipyretica Fäulniss entwickelt. Ebenso ist es gut, Regenwürmer einige Stunden nachdem man sie in das Gefäss zu den Thieren geworfen hat, wieder zu entfernen, wenn sie nicht gefressen worden sind. Die Thiere beissen die Würmer oft todt, ohne sie zu verzehren. Jedes Thier muss in einen besonderen Behälter gesetzt werden, da sie sich gerne untereinander die Extremitäten abbeissen. Es ist erforderlich, die Gefässe mit einem Drahtnetz zuzudecken, weil die Axolotl sonst leicht aus dem Wasser heraus springen. Die von mir benutzten Behälter waren ganz von Glas, 30 em lang, 15 em hoch und 15 em breit. Unter Pilzinfeetionen, welche so häufig in hohem Masse störend bei derartigen Thierexperimenten auftreten, hatte ich kaum zu leiden. Der Grund lag wohl darin, dass es keine In- stitutsversuche waren, sondern dass die Thiere in meiner Woh- nung in einem besonderen ziemlich staubfreien Zimmer gehalten wurden. Die Vorsicht, in den ersten Tagen nur gekochtes Wasser zum Auffüllen der Aquarien zu verwenden, erscheint mir nach meinen Erfahrungen sehr rathsam. Die ganze Behandlung der operirten Thiere ist im Anfang nicht leicht, und, bis man ihre Lebensgewohnheiten kennen gelernt hat, wird man immer Ver- luste haben. 302 H. Wendelstadt: Die Operation wurde in der Weise ausgeführt, dass mit einem kleinen Scalpell auf der ulnaren Seite in der Längsrichtung des Vorderarmes Haut und Gewebe bis auf den Knochen getrennt wurden. Die Knochen wurden dann mit einem stumpfen Instru- mente so von der Umgebung losgelöst, dass diese möglichst wenig verletzt wurde, und mit grosser Vorsicht zunächst die Gelenk- kapsel am Ellenbogen, dann die an den Handwurzelknochen ohne Verletzung der zurückbleibenden Knochenenden durchtrennt. Ulna und Radius liessen sich dann leicht entfernen. Die Wunde wurde mit einigen Nähten geschlossen. Die Nachblutung hielt meist während einiger Stunden an; der Blutverlust war aber im Ganzen nicht erheblich. War die Operation nicht ganz tadellos gelungen, so traten nach einigen Tagen die ersten Anzeichen einer beginnenden Gangrän in der stehengebliebenen Hand ein. Es gingen auf diese Weise einige Versuchsobjeete verloren. Die Gangrän entwickelte sich sehr leicht bei Salamandern, welche deshalb nach einer Reihe von Versuchen als nicht geeignet angeseben werden mussten. Bei ihnen war auch der Blutverlust stärker als bei den Axolotln, und einige Thiere starben bald nach der Operation. Es zeigte sich hier auch wieder, dass Thiere, welche im Wasser gehalten wer- den können, leichter operative Eingriffe überstehen, als Landthiere. Die Thiere brauchten nach der Operation die operirten Ex- tremitäten nur in sehr beschränktem Maasse. Sie ruderten mit dem Oberarm beim Schwimmen, brauchten den Arm aber nicht beim Kriechen. Eine Bewegung der Hand gegen den Oberarm fand nicht statt. Ob nach der Operation noch Gefühl in der Hand geblieben war, konnte bei den scheuen Thieren nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Fast alle Axolotl überstanden die Operation der Entfernung der beiden Unterarmknochen. Bei ihnen verkürzte sich das ope- rirte Glied in der ersten Zeit nach der Operation ganz bedeutend. Die Haut zwischen Oberarm und Hand legte sich in tiefe Falten; die Hand rückte dicht an den Oberarm heran und stellte sich bei einigen Thieren in einen Winkel zur Axe des Oberarms. Das Aussehen und die Stellung der operirten Extremitäten sind auf Tafel XLIII, Fig. 1—5 abgebildet. Auf den Zeichnungen sind die dieken Wülste, die sich gebildet haben, deutlich erkennbar. Von den operirten Axolotln haben vier gar keine Re- Ueber Knochenregeneration. 803 generation gezeigt. Bei ihnen war die Operation ganz nach Wunsch gelungen, und Ulna und Radius vollständig ohne zurück- bleibende Knochensplitter entfernt worden. Ebenso war bei ihnen eine Verletzung des Oberarms glücklich vermieden worden. Bei andern war die Operation nicht tadellos ausgeführt, und es hatten sich Unterarmknochen wieder neugebildet. Auf diese letztern gehe ich an anderer Stelle ein. Die Extremitäten der vier Thiere, welche die Vorderarm- knochen nicht regenerirt haben, wurden 10—15 Monate nach der Operation abgeschnitten, in Seriensebnitte zerlegt und unter- sucht. Wie schon angegeben war keine Spur einer Regeneration von Knochen zu finden. Um die Regenerationsfähigkeit der operirten Axolotl, welche eirca 12 cm lang waren, festzustellen, wurden bei sechs gleich- langen, also wohl auch gleich alten Thieren die Extremitäten mit Durehtrennung der Vorderarmknochen abgeschnitten. Die Re- generation der Hand erfolgte in der bekaunten Weise in der Zeit von 4—6 Wochen. Ebenso regenerirte ein sehr viel älteres Con- trollthier, das doppelt so lang und dick war, wie die zu den Hauptversuchen benutzten, in 8 Wochen die abgeschnittene Hand. Bis die Hand ihre normale Grösse erreicht hatte, vergingen so- wohl bei den kleineren, wie bei dem grösseren Controllthier, noch weitere 6—8 Wochen. Es kann also kein Zweifel sein, dass die Operirten alle die Fähigkeit zur Regeneration besassen. Auch wird die Regenerationsfähigkeit dadurch vollständig erwiesen, dass die überlebenden Thiere, nachdem ihnen der früher operirte Arm, dessen Knochen nicht neugebildet waren, hoch am Oberarm zur Untersuchung amputirt worden war, wieder neue Extremitäten bildeten. Das Bild ist bei den vier mit Erfolg operirten Axolotln ein so ähnliches und in allen wichtigen Punkten übereinstimmendes, dass es mir genügend erscheint, wenn ich nur einen derselben genauer beschreibe. Ich wähle hierzu das Thier, welches nach Ablauf von 10 Monaten starb, weil bei ihm die eingetretenen Veränderungen an der Haut am charakteristischsten zu sehen waren. Deshalb wurden auch aus der von ihm angefertigten Sehnittserie die Präparate zu den Zeichnungen gewählt. Bei dem Axolotl Nr. 1, operirt am 3. März 1899, wurden beide Unterarmknochen exartieulirt mit Erhaltung der umliegen- s04 , H. Wendelstadt: den Gewebe. Das Thier konnte die Hand nach der Operation nicht mehr gebrauchen; dieselbe hing vollständig schlaff herunter. Die Wunde wurde mit einigen Nähten geschlossen. Das Thier blutete wenig nach. Nach einigen Tagen wurden die Nähte ent- fernt. Die Wunde war nach vier Tagen geschlossen. Die Hand stellte sich nun in kurzer Zeit in einen rechten Winkel zum Oberarm, und zwar war dieser Winkel nach hinten offen. Im Laufe der nächsten Zeit legte sich die Haut in tiefe Falten, und an der Stelle, wo die Unterarmknochen gesessen hatten, bildete sich ein dieker Wulst,. Der ganze Arm war um ein beträcht- liches Stück verkürzt. Diese Stellung behielt der Arm im wei- teren Verlaufe bei und veränderte sich in keiner Weise. Das Thier starb am 10. Januar 1900. Bis dahin war die Hand wohl bei Schwimmbewegungen benutzt worden, blieb dabei aber ganz steif; dagegen konnte das Thier die Hand nicht zum Weiter- kriechen benutzen; es sass auf dem Grunde des Glases auf den drei gesunden Extremitäten. Die Finger konnten gespreizt wer- den; sie zeigten gar keine Erscheinungen von Atrophie, wie über- haupt die ganze Hand ihr Aussehen, abgesehen von der Stellung, nicht veränderte und jedenfalls in gutem Ernährungszustande ge- blieben war. Das Präparat wurde sofort nach dem Tode in Flemming’sche Lösung eingelegt und blieb darin 12 Stunden. Darauf wurde es 2mal 24 Stunden gewässert und kam dann für 5mal 24 Stunden zur Entkalkung in 3°/, Salpetersäure. Die Salpetersäure wurde durch dreitägiges Entwässern entfernt, and dann das Präparat weiter in steigendem Alkohol gehärtet. Es wurde in Paraffin eingebettet und in der Längsriehtung an der radialen Seite des Armes beginnend in Serienschnitte zerlegt. Gefärbt wurden die Schnitte mit Hämalaun. In gleicher Weise sind alle übrigen Präparate behandelt worden. Einige Male färbten sich die Präparate schlecht, was wohl an einer mangel- haften Entwässerung nach der Salpetersäurebehandlung lag; die meisten aber machten keine derartigen Schwierigkeiten, nament- lich nachdem die Wässerung nach der Entkalkung gründlicher vorgenommen wurde. Die Schnitte ergaben, dass emne Regeneration der Unter- armknochen nieht stattgefunden hatte, und dass sich zwi- schen Oberarm und Handgelenk auch kein neues Gelenk gebildet hatte, sondern dass sich zwischen beide andere Gewebe eingeschoben Ueber Knochenregeneration. 305 hatten. Die Verhältnisse bei den Axolotln sind so gross, dass schon makroskopisch ein knochenfreies Spatium zwischen dem unteren Ende des Oberarmknochens und dem Handwurzelknochen an den gefärbten Sehnitten wahrgenommen werden konnte. Zu- nächst fällt bei mikroskopischer Untersuchung des Präparates auf, dass die Haut ihre äussere Form verändert hat. Sie bildet, wie man schon makroskopisch wahrnehmen konnte, am Unter- arm eine Reihe von diehtgedrängten Wülsten. Die Wülste der Haut ragen sowohl nach aussen wie nach innen vor. Die Haut- falten senken sich stellenweise tief in das darunterliegende Ge- webe ein. Diese Hautwülste sind dadurch entstanden, dass bei der Verkürzung des Armes die Haut gleich einem Harmonika- balge sich in Falten gelegt hat. Hierbei sind die Hautpartien, die sich nach innen eingestülpt haben, so dicht aufeinanderge- drängt, dass zwischen ihnen stellenweise nur noch ein ganz ge- ringer Zwischenraum vorhanden ist, ja, dass man bei manchen Einstülpungen den Eindruck gewinnt, als ob eine vollständige Verwachsung der beiden Hautblätter miteinander stattgefunden hätte. Die Drüsen- und Epithelzellen sind in diesen Aus- und Einstülpungen kleiner und dichter aufeinandergedrängt, als in den normalen Hautpartien. Zwischen die Gelenkflächen des Oberarms ünd der Handwurzelknochen haben sich Muskeln, Bindegewebsstränge, Nerven und Gefässe gelegt, die den Zwischen- raum, der durch den Ausfall der Knochen entstanden ist, aus- füllen. Die Gelenkflächen des Humerus und der Handwurzel- knochen sehen gequollen aus. Die Knorpelsubstanz ist bei den Knorpeln, die vorhanden sind, unverändert. Die drei übrigen operirten Axolotl, bei welchen keine Re- generation stattfand, boten, wie schon oben gesagt, das gleiche Bild; nur trat nicht die Winkelstellung der Hand gegenüber dem Arme auf. Sie waren am 3. März 1899 operirt worden. Im Laufe des Juni 1900 wurde ihnen der operirte Arm hoch am Oberarm amputirt und in Serienschnitte zerlegt. Von dem Ampu- tationsstumpfe aus regenerirte sich eine neue Extremität. Die Zeich- nungen der 4 Thiere finden sich auf der Tafel XLIIL, Bild 1—4. Dort ist die Ansicht von oben und von der Seite gezeichnet. 3ei einem anderen Axolotl, bei welchem auch die Unter- armknochen total entfernt werden sollten, blieb durch eine un- vollständige Operation ein Stück Ulna zurück, während der 806 H. Wendelstadt: Radius total entfernt war. Das Thier wurde am 3. März 1899 operirt und starb am 16. Juni 1900. Bei diesem Thiere hat sich ein Knochen regenerirt, und zwar die Ulna. In dem äusseren Aussehen der operirten Extremität hatte sich in vivo kein Unter- schied gegenüber den ersten vier bemerklich gemacht (Taf. XLIII, Fig. 7). Die Hand zeigte eine deutliche Winkelstellung wie bei Nr. 1. Der Befund war daher ein überraschender. Dass sich die äussere Form trotz der Regeneration nicht verändert hatte, erklärte sich dadurch, dass die neue Ulna sehr viel kürzer als eine normale geblieben war, und dass desshalb keine Streckung der verkümmerten Extremität stattfindeu konnte. Bei der Durehmusterung der Serienschnitte lässt sich deut- lich erkennen, dass von dem unteren Ende der Ulna vom Hand- gelenk aus bis zur Mitte hin ein schmaler Streifen alten Knochens stehen geblieben ist. Der alte Knochen ist mit dem neu ge- bildeten fest vereinigt und in keiner Weise anders als durch die Form der Zellen abgegrenzt. In dem alten Splitter sind Knochen- zellen, während bei allen neugebildeten Theilen sich nur Knor- pelzellen finden. Hierdurch sind die alten von den neugebildeten Theilen leicht zu unterscheiden. Das obere Ende der Ulna von der Mitte bis zum Humerus besteht nur aus neugebildetem Knorpel und ebenso der grösste Theil des unteren Endes mit Ausnahme der schmalen Spange alten Knochens. Der feine, stehenge- bliebene Knochensplitter geht bis zur Articulation der Ulna mit den Handwurzelknochen. Bei der Operation ist also von der Ulna ein schmales Stück abgesplittert, das mit den Handwurzel- knochen noch in Gelenkverbindung stand. Von diesem stehen gebliebenen Knochensplitter ist die Neubildung der Ulna ausge- sangen. Es ist eine Ausbesserung des an der Ulna gesetzten Defeetes in centripetaler Richtung eingetreten. Diese eigenartige Erscheinung bei der Neubildung verloren gegangener Theile verlangt eine besondere Erläuterung, da sie von den geläufigen Erfolgen nach den operativen Eingriffen bei Ampbhibien-Verwundung, Amputation oder Exartieulation sich wesentlich unterscheidet. Bei den Regenerationsvorgängen können wir von einem Ersatz und von einer Ausbesserung reden. Unter Er- satz ist die Neubildung von Theilen zu verstehen, die nicht selbst verletzt, sondern mit verletzten distalen Theilen eines Extremitäten- Ueber Knochenregeneration. 307 abschnittes entfernt worden sind; unter Ausbesserung ist das Flicken und Ergänzen eines zum Theil entfernten Knochens zu verstehen. So ist bei einer Amputation, welche in der Mitte des Vorderarmes vorgenommen wird, die Regeneration der Ulna und des Radius, deren oberes Ende stehen geblieben ist, eine Ausbesserung, die Neubildung der weggefallenen Hand ein Ersatz. Der Radius war vollkommen entfernt worden und regene- rirte sich nicht. Der Humerus war auch unverletzt geblieben, da sonst die beiden Unterarmknochen sich erneuert haben würden. Es ist jedenfalls lehrreich, dass der Rest der Ulna nur eine Ulna und nicht beide Knochen regenerirte. Die Störung der Function war eine so grosse, dass die Regeneration beider Knochen durch sie hätte veranlasst werden können. Es genügt nicht, dass ein beliebiges Knochenstück, das noch regenerationsfähig ist, zurückbleibt, um beide Knochen zu erneuern, sondern es wird nur der Knochen erneuert, dem das Stück angehörte. Diese Regeneration kann offenbar centrifugal und centripetal stattfinden. Dagegen bildet sich von dort aus nicht der nebenliegende Knochen. Bei einer centrifugalen Re- generation eines verletzten Knochens sind die Zellen im Stande, auch weitere fehlende Knochen zu ersetzen, wie die Regeneration bei Amputationen deutlich zeigt. Bei centripetaler Regeneration wird der Knochen wenigstens wieder so gut als möglich ausge- bessert. Das Ausbleiben der Regeneration des nebenliegenden Knochens lässt die Vermuthung aufkommen, dass eben nur das Streben nach centrifugalem Ersatze und centripetaler Ausbesse- rung eines Defeetes in den Zellen liest. Dies würde auch am meisten dem Bedürfnisse der Natur entsprechen und wohl meist genügen, um Verletzungen auszuheilen. Der Humerus bildet Unterarm-, Hand- und Fingerknochen, der Unterarm- knochen Hand und Fingerknochen, die Ulna aber nicht den Radius, derneben und nicht inihrer Wachs- thumsrichtung liegt. Esfindet nurein Ersatz vorwärtsund eine Ausbesserung rückwärtsin embryonaler Wachsthumsrichtung der Kno- hie n .s-tabit: Die Frage nach der Regeneration in centripetaler Rich- tung war von vornherein bei der Versuchsanordnung gestellt s08 H. Wendelstadt: worden, und deshalb zwei Axolotl am 9. März 1899 in fol- sender Weise operirt worden. Ulna und Radius wurden in ihrem oberen Ende freigelegt, und dann in der Mitte zwischen Ellenbogengelenk und Handwurzel beide mit scharfer Scheere durehschnitten. Hierauf wurden die beiden oberen Enden bis zum Humerus hin vorsichtig beraus präparirt und ohne Ver- letzung der Gelenkfläche des Oberarmknochens entfernt. Bei beiden Thieren fanden sich nach 15 Monaten die Knochen wieder neugebildet und, zwar ging die Regeneration von den stehen gebliebenen distalen Enden der Knochen aus. Es ist also eine Regeneration in centripetaler Rich- tung eingetreten, d. h. der Defeet wurde in dieser Richtung aus- sebessert. Von der Gelenkfläche des Humerus geht die Neu- bildung nicht aus. Von hieraus hätte sich, wäre der Oberarm- knochen verletzt gewesen, eine neue Extremität gebildet, wie wir es bei einem später zu besprechenden Triton fanden, während hier nur eine Ausbesserung des entfernten Knochenstückes ein- trat. Von einer einfachen Verheilung des gesetzten Defeetes und der Bildung einer Pseudo-Gelenkfläche ist nicht die Rede, da sich vollständig neue den normalen entsprechende obere Knochenenden gebildet haben. Bei dem einen Thiere ist das neugebildete Knochenstück nicht gerade gewachsen, sondern es hat sich bei Ulna und Radius der Form angepasst, welche der Vorderarm nach der Operation annahm. Dieser hatte sich ver- kürzt, und die Hand war stark palmarwärts gebeugt. Der Unterarm, dem nach der Entfernung der halben Knochen der Halt fehlte, war dieser Beugung gefolgt, sodass von dem Ober- arm aus eine Krümmung eingetreten war. Die Neubildung hat sich nun dieser Krümmung angepasst. Ich habe überhaupt den Eindruck gewonnen, dass das eentripetale Wachsthum nieht mit der gleichen Energie vor sich geht, wie das centrifugale. Einen strieten Beweis kann ich aber hierfür nicht erbringen. Bei dem anderen Axolotl sind beide ganz gerade gewachsen, da die Krüm- mung vorher nicht eingetreten war. Den beiden zuletzt beschriebenen Axolotln, bei welchen ab- sichtlich das untere Ende der Unterarmknochen zurückgelassen wurde, reiht sich ein weiterer an, wo bei der zur totalen Exstir- pation unternommenen Operation dasselbe unabsichtlich geschah. Auch hier trat Regeneration beider Unterarmknochen ein. Das Ueber Knochenregeneräation. 809 Thier wurde am 31. Januar 1899 operirt und der Arm am 25. Juli 1900 amputirt, also 15 Monate nach der Operation. Es handelt sich bei ihm um Ausbesserung und nicht um Ersatz einer neuen Extremität. Auf die Amputation erfolgte dann nach ebensoviel Wochen, als vorher Monate verlaufen waren, die Bildung einer neuen Extremität vom Amputationsstumpfe aus. Das Thier bot in den ersten Wochen dasselbe Bild, wie die zuerst beschriebenen Axolotl, bei welchen die totale Exstir- pation gelungen war. Der Arm hatte sich auch verkürzt und die Haut hatte sich in Falten gelegt. Da nur ein kleines Stück beider Unterarmknochen stehen geblieben war, so war die Re- traction eine ganz bedeutende. Nach einigen Wochen trat aber ein deutliches Längenwachsthum des Armes auf, die Hautfalten glichen sich mehr und mehr aus, und nach 4 Monaten hatte der Arm seine normale Länge erreicht (Tafel XLIII, Fig. 5 und 6). Die Serienschnitte ergaben eine vollständige Ausbesserung der beiden Unterarmknochen. In den nach der Handwurzel zuge- kehrten Partien waren am unteren Ende alte Knochentheile bei beiden Knochen erkennbar. Das Thier bot ausser dieser Erscheinung noch das Eigenthüm- ‚liche, dass es eine Zehe regenerirte. Einige Tage nach der Ope- ration wurden die beiden mittleren Zehen der linken Hand gangränös und fielen ab. Die hierdurch entstandene Wunde schloss sich bald, und die Extremität bot das Bild einer zweizinkigen Gabel. 26 Tage nach der Operation zeigte sich an der ulnaren Seite des Handgelenkes ein kleiner warzenförmiger Auswuchs, der in der nächsten Zeit die Form eines Fingers annahm (Tafel LXIII, Fig. 5). Dieser neugebildete Finger, der richt an der Stelle der sangränös gewordenen zwischen den beiden stehen gebliebenen, son- dern neben denselben sich bildete, rückte immer mehr nach vorn und schob dabei den ihm zunächst stehenden Finger nach dem dritten hin. Die Hand veränderte ihr Aussehen vollständig. Nach 4 Monaten sah sie so aus, als ob der letzte Finger auf der ulnaren Seite fehle, während die anderen Zehen ganz normal vorhanden seien (Taf. XLIIL, Fig. 6). Die Neubildung war wahr- scheinlich durch eine Verletzung eines Handwurzelknochens her- vorgerufen worden, die bei der Anlegung des Hautschnittes er- folgt war. Ganz eigenartig ist es, dass der neugebildete Finger die beschriebene Wanderung vornahm und nach seiner Ausbildung 810 H. Wendelstadt: die Stellung einnahm, die am besten zum Ausgleicbe der durch die Gangrän hervorgebrachten Funetionsstörung dienen konnte. Ohne die Verletzung des Handwurzelknochens hätte kein Finger neugebildet werden können, wenigstens wurde keiner in dem grossen durch Gangrän erzeugten Defeet regenerirt, da dort keine Verletzung der Knochen vorlag. Von vornherein erschien es weiter von Interesse, festzu- stellen, was eintrat, wenn man nur einen Unterarmknochen exstirpirte, ohne die zurückbleibenden Knochen zu ver- letzen. Bei einem Axolotl wurde diese Operation am 3. März 1899 gemacht, und dabei die Ulna entfernt. Dieselbe war nach 11 Monaten nicht regenerirt. Das umliegende Gewebe re- generirte die Ulna nicht, auch nicht der unverletzte, in der ganzen Länge anliegende Radius. Wenn hier auch keine so grosse Func- tionsstörung vorlag, wie bei der Entfernung beider Knochen, so war sie doch wohl genügend, um eine Neubildung anzuregen. Denn der Ausfall eines ganzen Unterarmknochens musste sich doch bemerkbar machen, wenn auch die Extremität zum Kriechen und Schwimmen nach wenigen Tagen wieder gebraucht werden konnte. Es unterliegt auch wohl kaum einem Zweifel, dass ein so regenerationsfreudiges Thier, wie ein Axolotl, regenerirt hätte, wenn die Möglichkeit von den vorhandenen Geweben aus vor- gelegen hätte. Um zu sehen, ob eine einfache Verletzung des Ober- armknochens eine Neubildung hervorrufen könnte, wurde bei einem Axolotl der Oberarm ungefähr in der Mitte mit einem scharfen Instrument scharf angekratzt, nachdem durch einen kleinen Schnitt die Weichtheile bis zum Knochen durchtrennt waren. Es erfolgte keine Neubildung irgend welcher Art, und nach einem Jahre liess sich “an dem Oberarm, der in Serienschnitte zerlegt wurde, nichts abnormes mehr wahrnehmen. Der gesetzte Defect war ausgebessert worden, aber darüber hinaus keine Reaction erfolgt. Dies war ja schon von vornherein an- zunehmen; denn bei den häufigen Verletzungen, denen die Thiere ausgesetzt sind, müssten doppelte Unterarme und Hände häufig am Oberarm gefunden werden, wenn eine solche Verletzung zu derartiger Neubildung Veranlassung gäbe. Nur in ihrer ursprüng- lichen Wachsthumsrichtung können die Knorpelzellen auf eine Verletzung mit Regeneration reagiren; die Regeneration geht Ueber Knochenregeneration. sil nicht seitlich davon ab. Ein einfacher Defeet im Knochen wird ausgebessert in dieser Richtung und führt nicht zu einem seit- lichen Auswachsen einer Neubildung. Mit welcher Energie die Regenerationsvorgänge sich ab- spielen können, dafür liefert ein Triton, der schon oben erwähnt wurde, ein schönes Beispiel, bei welchem nach der Exstirpation beider Unterarmknochen mit Erhaltung der anliegenden Gewebe sich von dem bei der Operation verletzten Oberarmknochen aus neue Unterarmknochen und eine zweite neue Hand bildeten. Dieser Triton wurde am linken Arm in der Weise, wie sie bei den AxolotIn beschrieben worden ist, am 18. Juni 1898 zur Entfernung beider Vorderarmknochen operirt und am8. August 1898, also eirca 7 Wochen nach der Operation, getödtet. Es war mit grosser Mühe verbunden, das Thbier nach der Operation am Leben zu erhalten. Nur der eifrigen Pflege, welche meine Frau dem operirten Thier angedeihen liess, und mit der sie sich auch der anderen annahm, habe ich eszu verdanken, dass die Untersuchung zu einem befriedigenden Abschlusse gediehen ist. Zunächst wurde der Triton in ein Glassgefäss gesetzt, auf dessen Boden ein feuchtes Stück Filtrirpapier ausgebreitet war. Das Thier ver- weigerte acht Tage lang jede Nahrungsaufnahme und magerte ganz bedeutend ab. Das operirte Bein hing schlaff herab, und der Triton vermied es, beim Gehen den Boden damit zu berühren. Er bewegte sich dadurch nur sehr schwer und regte sich über- haupt kaum. Versuchsweise wurde nun Wasser in das Gefäss gegossen; mit gutem Erfolge. Das Thier schwamm nach kurzer Zeit lebhaft umher, wobei es seine drei gesunden Beine bewegte Hierauf wurde der Behälter zu einem kleinen Aqua-Terrarium umgewandelt, in welchem sich der Triton bald wohl zu fühlen schien. Als Nahrung nahm er nach den ersten acht Fasttagen lebende Regenwürmer, wenn ihm dieselben vorgehalten wurden, später fing er sich dieselben selbst. Er frass nicht jeden Tag, sondern nahm zwei grosse Würmer hintereinander und machte dann eine Pause von 1—2 Tagen. Wie ich mich überzeugt habe, kann man Tritonen das ganze Jahr im Wasser halten, ohne ihnen Gelegenheit zum Herauskriechen zu geben. Das Verlassen des Wassers, wie es in der Natur von diesen Thieren geschieht, ist keine Nothwendigkeit zur Erhaltung des Lebens. Das operirte Bein legte sich nach einigen Tagen fest an 812 H. Wendelstadt: den Leib an und wurde gar nicht gebraucht. Es verkürzte sich, und drei Zehen verkümmerten, während eine ihre Länge behielt. Es waren in der Hand also zunächst Ernährungsstörungen auf- getreten, die sich aber bald wieder ausglichen. Nach drei Wochen benutzte der Triton das operirte Bein wieder beim Schwimmen und Gehen. Es wurde aber nur im Schultergelenk bewegt, sonst ganz steif gehalten. Die Operation war am 18. Juni 1898 gemacht worden; 5 Wochen nachher zeigte sich auf der ulnaren Seite in der Ge- gend der lange vernarbten Hautwunde ein kleiner Auswuchs, der sich bis zu den ersten Tagen des August zu einer deutlich zu erkennenden neuen Hand auswuchs (s. Abbildung Tafel XLIII, Fig. 8). Das Thier wurde am 8. August getödtet und in Flem- ming’scher Lösung gehärtet, darauf in Alkohol aufbewahrt. Wenn man die Serienschnitte, welche wagerecht zum Ver- laufe des Oberarmes von oben nach unten durch die ganze Ex- tremität angelegt sind, verfolgt, so findet man am Ende des Hu- merus, der vollständig unverändert erscheint, ein gut ausgebildetes Ellenbogengelenk. Von hier aus gehen Ulna und Radius, beide noch ganz aus Knorpelzellen bestehend, im Winkel ulnarwärts ab. Ulna und Radius sind noch kürzer, als sie es in ausge- wachsenem Zustande sein müssten. Am Ende beider Knochen haben sich Knorpelzellen zu Handwurzel-, Handmittel- und Finger- knochen gruppirt, wie man dies bei Regenerationen des Unter- armes und der Hand nach Amputationen in diesem Stadium stets beobachtet. Vom Humerus aus hat sich also ein neuer Unterarm und eine neue Hand gebildet. Nun ist aber noch die alte Hand vorhanden, und ein kurzes Stück von der Ulna am Handgelenk, das stehen geblieben war. Die alte Hand ist unverändert, nur fehlen diejenigen Finger, welche gleich nach der Operation gangränös geworden waren. Das Stück der Ulna, das am Handgelenk stehen geblieben war, wird an seiner Spitze von der neu gebildeten Ulna ge- troffen und ist an dieser Stelle mit ihr verwachsen. Das neu gebildete Skelettstück bildet hier mit dem alten eine zu- sammenhängende Masse, sodass wir anscheinend eine Ulna vor uns haben mit zwei distalen Enden. Dies Bild kommt zu Stande, weil die neue Ulna mit dem Reste der alten einen Winkel an der Berührungsstelle bildet. Die Berührung beider Knochen ist eine rein zufällige und hat mit der Entwicklung der neuen Ex- Ueber Knochenregeneration. 813 tremität Nichts zu thun. Das Bild erscheint nur in dieser Form, weil von dem Knochenreste aus auch schon eine centripetale Ausbesserung beginnt. Ich möchte es scharf betonen, dass dieser Knochenrest Nichts mit der Entwiekelung des neuen Unter- armes und der Hand zu thun hat. Die neuen Knochen treten auf ihrem Wege dicht an die alten Handwurzelknochen, welche durch die Retraction der Ge- webe in die Höhe gezogen sind, heran, berühren sie aber nicht und bilden mit ihnen keine Artieulation (s. Taf. XLV). Vom Humerus aus hat sich also ein neuer Unter- arm und eine neue Hand gebildet ohne Rücksieht darauf, dass noch eıne alte Hand vorhanden war. Die Bildung ist auch nicht in der Richtung der früheren Unterarm- knochen erfolgt, sondern sie geht im Winkel von dem Humerus ab und schiebt die Hindernisse auf Seite oder drückt sie, wie die Haut, vor sich her. Von einer Narbe in der Haut, dem Schnitte bei der Operation entsprechend, ist Nichts zu finden. Von den Muskeln aus schieben sich neu gebildete Stränge nach der Hand hin; ebenso sind Blutgefässe reichlich vorhanden. Die Nerven haben eine eigenthümliche Veränderung erfahren. Kurz unter- halb des Ellenbogengelenkes sind dieselben noch ganz normal; aber an der Stelle, wo die überzählige Extremität anfängt her- vorzuragen, macht der Nervus ulnaris eine Schleife in der Rieh- tung nach der neugebildeten Hand bin. Er sendet von dieser Schleife aus eine Reihe von zarten Nervenfasern nach der Peri- pherie der Hand hin, geht dann aber wieder zurück zu dem ursprünglichen Verlauf und lässt sich im die alte Hand hinein verfolgen. Diese schleifenförmige Abzweigung des Nerven ist offenbar neugebildet und nicht etwa der alte Nerv, der durch eine Zerrung in diese Lage versetzt worden wäre. Das ist auf den Schnitten durch die Färbung des neuen Nerven, der noch des Markes entbehrt, deutlich zu erkennen (s. Taf. XLIV Fig. 1). Die Vorgänge bei diesem Triton beweisen in unzweifelhafter Form, dass vom verletzten Humerus aus ohne Rücksicht auf die noch vorhandenen Handknochen ein neuer Unterarm und eine neue Hand gebildet werden. Diese Thatsache ist von Wichtig- keit für die von mir angenommene centripetale Ausbesserung von distalen Knochenresten aus, da ich gestützt auf dieselbe in den oben beschriebenen Fällen eine Regeneration vom Humerus aus Archiv f. mikr. Anat. Bd, 57. 53 814 H. Wendelstadt: ausgeschlossen habe. Auch in diesem Falle war die Stelle, an welcher der Humerus verletzt worden war, und von der aus die Neubildung ausgegangen sein muss, nicht mehr zu entdecken. Zusammenfassung der Ergebnisse. Um eine bessere Uebersicht über die im Vorhergehenden beschriebenen Versuche zu geben, stelle ich dieselben in der folgenden Tabelle zusammen mit einer kurzen Angabe der er- zielten Erfolge. Operationen an Axolotln. Datum der Art; Dal der Erfolg e i FE nter- 3 z8 Operation der Operation bare der Operation 3. 3. 1899 |) Exstirpation beider | 12, 12.1899 2.5, 1809 Unterarmknochen mit 10. 1° 1500: . 9. 1599 || Erhaltung der umlie- ‚4. iR I SE 3. 3. 1899 |(genden Geweherähne oe laop.! Keine Regeneration || Verletzung der anlie-| , | 3. 3. 1899 genden Knochen 16. 6. 1900 for) 3. 3. 1899 | Exstirpation beider | 12. 6. 1900 | Ulna allein regene- | Unterarmknochen. rirt Ein Rest der Ulna ist stehen geblieben 9. 3. 1899 |, Exstirpation des obe-| 15. 6. 1900 £ - Eh Oral 1saalronndes von Dina 107.100. en 31. 1. 1899 |) und Radius 25.7. 1900, | alenzEntE 3. 3. 1899 Exstirpation des 10. 2. 1900 | Keine Regeneration Radius allein mit Er- haltung der Ulna 31. 1. 1899 | Verletzung des Hu-! 10. 5. 1900 | Ausbesserung ohne merus weitere Neubildung Operation an einem Triton. 18. 6. 1898 | Exstirpation beider 8. 8. 1898 | Neubildung eines Unterarmknochen. neuen Unterarmes Ein Rest der Ulna | und einer zweiten ist stehen geblieben Hand. und der Humerus ist verletzt worden Ueber Knochenregeneration. 815 Dass das Ausbleiben der Regeneration bei den ersten vier Axolotln nur in der Unfähigkeit des zurückgebliebenen Gewebes zur Erzeugung von Knochen oder Knorpel seine Erklärung findet und nieht in anderen Ursachen, glaube ich beweisen zu können. Zunächst könnte es in Frage kommen, ob nicht bei Vor- handensein aller nöthigen Factoren zur Regeneration dieselbe nur aus dem Grunde ausbleibt, weil keine Nothwendigkeit zum Ersatze vorliegt, d. h. weil die Function des Armes bei Erhal- tung der Hand nur in sehr geringem Maasse gestört war. Dem Ausfalle der Function wird ja eine gewisse Reizwirkung zur Neubildung von vielen Seiten zuerkannt. Wenn sie erhalten bleibt bei der Operation, so wird damit auch die Beweiskraft der Versuche stark erschüttert. Dies ist aber nicht der Fall. Der Arm wird von dem Ellenbogen ab nach Entfernung der stützenden Knochen für das Thier ganz unbrauchbar, und die Hand wird auch zwecklos und ist eher bei der Bewegung hinderlich. Dieser Ausfall der Function kommt dem bei einer Ampu- tation gleich und würde doch sicher genügen, um einen Regene- rationsvorgang, wie die Neubildung der Knorpel und Knochen herbeizuführen, der doch sehr viel einfacher erscheint, als die äusserst complieirte Neubildung einer ganzen Extremität von einer Amputationswunde aus. Wenn wir die Annahme einer Einwirkung irgend welcher Art durch den Ausfall einer Func- tion auf Neubildung anerkennen, so muss diese Einwirkung hier stattfinden, und die übriggebliebenen Gewebe müssten die Knochen regeneriren, wenn sie dazu überhaupt im Stande wären. Ich möchte hier nochmals betonen, dass die Verhältnisse bei diesen Versuchen vollständig verschieden sind von denen, bei welchen eine totale Exartieulation vorgenommen worden ist. Dort sind die Bedingungen derart, dass der proximal von der Wunde gelegene Knochen zwar selbst nicht verletzt ist, mit dem ent- fernten distalen Knochen aber auch alle ihn umgebenden Gewebe in Fortfall kommen, während bei meinen Versuchen die um- gebenden und die distal gelegenen Gewebe erhalten bleiben. Die Annahme, dass durch die Operation die Ernährung dder Gewebe so sehr gestört werde, dass desshalb die sonst vor- handene Fähigkeit der Regeneration aufgehoben sei, liegt nahe; sie entspricht aber nicht den Verhältnissen. Wenn eine der- artige Störung auch vielleicht gleich nach dem blutigen Eingriffe s16 H. Wendelstadt: bestand, so spricht doch das Aussehen der ganzen Extremität in der späteren Zeit dagegen, dass dauernde Ernährungsstörungen vorlagen, und das Aussehen der Gewebe bei den mikroskopischen Schnitten widerspricht dem auch. Die Cireulation in der Ex- tremität war sicherlich eine genügende, um die Regeneration zu ermöglichen, wie die Neubildungen bei den anderen Axolotln ja auch zeigen. Bei einem Axolotl, der Ulna und Radius nicht regenerirt hat, hatte sich doch ein fünfter, überzähliger Finger gebildet, wahrscheinlich durch eine Verletzung eines Handwurzel- knoches hervorgerufen. Die Ernährung der Gewebe war also sicherlich ausreichend. Wenn bei der Operation tiefere Schä- digungen der Ernährung gesetzt wurden, welche sich nicht in kurzer Zeit wieder ausglichen, so trat ausgedehnte Gangrän der Finger und der Hand in den ersten Tagen auf, wodurch die Thiere zu weiteren Beobachtungen unbrauchbar wurden. Hindernd für eine Neubildung konnte auch der Umstand werden, dass die stehengebliebenen Gewebe durch die Narbenbil- dung so fest zusammengezogen wurden, dass durch den dadurch ausgeübten Druck die Neubildung verhindert wurde. Dieser Ein- wand wird durch die Regeneration in den Fällen unvollständiger Exstirpation der Knochen sofort widerlegt, da hier doch auch derselbe Druck vorhanden war und doch überwunden wurde. Die Regenerationsfähigkeit war bei den operirten Thieren in vollem Maasse, wie ich oben bewiesen habe, vorhanden. Die durch die Operation geschaffenen Bedingungen waren einer Neubildung günstig. Durch den Ausfall der Function war ein Reiz geschaffen, die Ernährung der Gewebe war eine genügende, der von den zurückgebliebenen Geweben ausgeübte Druck bot kein Hinderniss und die Regenerationsfähig- keit der Thiere war in vollem Maasse erhalten. Da unter diesen Umständen beiriehtig' ausgeführten Ezstirpationsderipeiden Unterarmknochen ohne Verletzung der’ zurückblieibenden’ Knochen und mit Erhaltung des umliegenden’ Gewebes keine Neubildung der Knochen eintrat, so ist dadurch erwiesen, dass die übrig gebliebenen Gewebe keinen Knorpel oder Knochen bilden konnten. Die Regeneration der exstirpirten oberen Hälfte von Ulna Ueber Knochenregeneration. 817 und Radius bei drei AxolotIn habe ich durch ein centripetales Wachsthum von den stehengebliebenen Knochenresten aus er- klärt. Allerdings kann ich die Möglichkeit, dass es sich doch um eine Regeneration von dem Oberarmknochen aus handelt, nicht absolut von der Hand weisen, da vorläufig noch die Zwischen- stadien fehlen, worüber demnächst berichtet werden soll. Es scheint mir aber doch berechtigt zu sein, wenigstens nach meinen Versuchen, anzunehmen, dass wenn der Humerus an der Regene- ration betheiligt wäre, sich ein ganz neuer Unterarm und eine Hand gebildet haben würden, wie dies bei dem Triton, bei welchem eine Verletzung des Oberarms vorlag, geschehen ist. Es ist auch schwer anzunehmen, dass bei einer Regeneration vom Oberarm aus diese Neubildung die vorhandenen distalen Stücke der Unter- armknochen so genau getroffen hätte, dass diese Stücke und Splitter in der Richtung des neuen Knochens liegen, wie es thatsächlich der Fall ist. Nur durch das veränderte Aussehen der Zellen, nicht durch eine Richtungsänderung im Verlaufe sind die alten von den neuen Knochen und Knorpelbildungen zu unterscheiden. Bei den vielen Hindernissen, welche auf diesem Wege vom Humerus zu den Resten der Unterarmknochen sich der Neubildung entgegensetzten, ist eine Abweichung von der Riehtung, die zur Erlangung des vorliegenden Resultates ja eine mathematisch genaue sein musste, mehr als wahrscheinlich und trat auch bei dem Triton ein. Nehmen wir dagegen nur eine Ausbesserung von den Knochenresten in centripetaler Rich- tung an, so fällt diese Schwierigkeit fort. Die Knochenreste regeneriren in ihrer Sphäre und treffen dabei schliesslich nach oben hin von irgend einer Richtung aus auf das Gelenk- ende des Humerus. Hier bilden sie ein bewegliches Gelenk, dem man die Richtung, aus welcher die Knochen angelangt sind, nicht mehr ansehen kann. ‚Jedenfalls brauchen sie nicht in einer so genau passenden Weise anzukommen, wie in dem anderen Falle. Bei der Operation ist auch eine Exartieulation der Knochen im Ellenbogengelenk, wenigstens bei den grossen Axolotln, ohne Verletzung der anstossenden Gelenkflächen mit einiger Sicher- heit auszuführen, jedenfalls sehr viel leichter, als die Exartieu- lation am Handgelenk. Es ist also eine grosse Wahrscheinlich- s18 H. Wendelstadt: keit vorhanden, dass der Humerus nicht bei der Operation ver- letzt worden ist. Der Befund bei dem Triton, bei welehem sieh neue Unter- armknochen und eine neue Hand gebildet haben, — eine Neubildung, die zweifellos vom Oberarmknochen ausgegangen ist — zeigt, dass bei einer Regeneration vom Oberarm aus nach der Exartieu- lation der Vorderarmknochen nicht das Bestreben vorhanden ist, den alten Knochenrest zu treffen und so nur auszubessern, sondern dass von dort aus sich eine ganz neue Extremität er- setzt, ohne Rücksicht auf noch distal gelegene Gewebe. Die Neubildung bei dem Triton ist sogar noch beweiskräftiger für meine Annahme, weil ein Stück Ulna am Handgelenk stehen ge- blieben ist. Die nach oben gewandte Spitze dieses Stückes wird von der neugebildeten Ulna getroffen, aber die neue Ulna ändert ihre Richtung desshalb nicht. Sie. bildet mit dem Reste der alten Ulna einen spitzen Winkel und geht zur neuen Hand weiter. Von dem alten Stück Ulna geht auch eine centripetale Neubil- dung aus, wenigstens kann man an ihm junge Knorpelzellen er- kennen. In den Fällen, bei denen ieh eine centripetale Aus- besserung und keinen centrifugalen Ersatz annehme, glaube ich daher zu dieser Annalıme berechtigt zu sein. Die Regeneration der Ulna allein bei dem einen Axolotl, bei welchem der Radius ganz entfernt, und nur ein Stück der Ulna am Handgelenk stehen geblieben war, ist nur so zu er- klären, dass diese Ausbesserung zwar eintreten, dass aber der fehlende Radius von dem Reste der Ulna aus nicht ersetzt wer- den konnte. Ebenso hat die Ulna bei dem Thiere, bei welchem der Radius allein entfernt worden war, diesen nicht ersetzt, ob- gleich sie doch wahrscheinlich bei der Exstirpation auch verletzt worden war. Aus dem ersten Versuche geht hervor, dass die Ulna gar nieht im Stande war, den mit ihr gleichlaufenden, neben ihr liegenden Knochen zu ersetzen, der weder centrifugal noch centripetal in ihrer Wachsthumsrichtung lag. Die Ergebnisse der Arbeit kann ich in folgenden Sätzen zusammenfassen : 1) Knochen und Knorpel regeneriren sich bei den Urodelen nur von Knochen und Knor- pelzellenundniehtvon irgendeinemanderen Gewebe aus. Ueber Knochenregeneration. 819 2) Die Regeneration geschieht nurim Ent- wicklungsgebiete desbetreffenden Knochens Sowohl in centrifugaler wie in centripetaler Riehtung. 3) Einin ausreiehendem Maasse verletzter Knochen bildetin centrifugaler Richtung die in seiner Wachsthumsrichtung liegenden Kno- chen neu, auch wenn die Gebilde noch vorhan- den sind, aber durch einen Substanzverlust 30:01h megeitinienndt hie sen. 4) Ein verletzter Knochen bildet niemals einen neben ihm liegenden, nach abgelaufener Entwicklung vonihm getrennten Knochen. Die Ulna regenerirt nicht den Radius und umge- kehrt. 5) Ob in ecentripetaler Richtung auch eine so ausgiebige Regeneration stattfinden kann, wie in centrifugaler, ist aus meinen Versuchen Brecht zu Lolsern. Tech habe in ’dieserkichtung nur Ausbesserung aber keinen Ersatz gesehen. Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit verdanke ich Herrn Professor Nussbaum, der mir auch die Ausarbeitung durch seine gütige Unterstützung mit Rath und That ermög- lichte. Ich spreche ihm mit besonderer Freude hier meinen ver- bindlichsten Dank aus. Angefangen wurde die Arbeit in dem anatomischen Institut, in welehem mir Herr Geheimrath Professor Freiherr von la Valette St. George in freundlichster Weise einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellte, wofür ich ihm hier meinen besten Dank sage, vollendet im pharmakologischen Institut des Herrn Geheimrath Professor Binz, nachdem ich dort die Assistentenstelle angetreten hatte. Erklärung zu den Abbildungen auf Tafel XLIII—XLV. Tafel XLII. Fig. 1—4 sind Zeichnungen der vier Axolotl, bei welchen die beiden Unterarmknochen exstirpirt worden sind, ohne dass Regeneration eintrat. Die Zeichnungen wurden im Juni 1899, also drei Monate nach der Operation von Herrn Zeichner Rose nach dem Leben angefertigt. In den Hauptfiguren sind die operirten Extremitäten von oben und 220 H. Wendelstadt: auf den kleineren Nebenfiguren von der Seite gezeichnet. Bei allen sieht man, wie sich der operirte Arm verkürzt hat, indem die Hand näher an den Oberarm herangerückt ist, und wie die Haut zwischen beiden einen Wulst mit tiefen Falten bildet. Bei den 4 Thieren ist in der Seitenansicht die Narbe, welche von der Operation herstammt, durch die Einziehung kenntlich. Fig. 1. Stellt den am 10. 1. 1900 gestorbenen Axolotl dar. Bei ihm, wie bei den anderen Thieren, hatte sich das äussere Aussehen der Extremitäten seit dem Tage der Zeichnung nicht mehr merklich verändert. Die linke Hand bildet bei ihm mit dem Oberarme einen Winkel. Von diesem Arme stammen auch die in Fig. und 2 der Tafel XLIV abgebildeten mikroskopi- schen Schnitte. Fig. 2. Das Thier starb 9 Monate nach der Operation. Im Gegensatze zu dem ersten Bilde ist hier ebenso wie bei Bild 3 und 4 kein Winkel zwischen Hand und Oberarm zu sehen. Der Hautwulst ist aber sehr deutlich ausgeprägt. An dem einen Finger der operirten Extremität zeigt sich eine Doppelbildung. Dieselbe war schon vor der Operation vorhanden und bietet bei den Axolotln, die sich so oft unter einander die Finger und die ganzen Extremitäten abbeissen, nichts besonderes. Bei diesem Thiere war ebeuso wie bei Bild 3 und 4 der rechte Arm ope- rirt worden. Fig. 3. Der Axolotl starb am 12. 6. 1900, also 15 Monate nach der Operation. Der äussere Anblick ist dem Bilde 3 sehr ähnlich. Fig. 4 Das Thier starb am 16. 6. 1900, 15 Monate nach der Operation. Bei ihm hatte sich nach der Operation ein überzähliger fünfter Finger gebildet, der senkrecht auf der Ebene der Hand heraus- gewachsen war. Zweifellos ist derselbe durch eine Verletzung eines Handwurzelknochens entstanden. .5 und 6 sind von dem Axolotl angefertigt worden, welcher beide Unterarmknochen von stehengehliebenen distalen Knochen- resten aus regeenerirte. Der Arm hatte nach 3 Monaten seine normale Länge wieder erreicht. Das Thier ist am linken Arın operirt und verlor durch Gangrän in den ersten Tagen die zwei mittleren Finger. Nach einigen Wochen zeigte sich ein in Bildung begriffener neuer Finger auf der ulnaren Seite der Handwurzel, der sich bis zum 3. Monat zu einem voll- ständig entwickelten dritten Finger ausbildete, wie es Figur 6 zeigt. Die auf Fig. 5 noch weit auseinanderstehenden Finger sind auf Fig. 6 dicht zusammengerückt, und der neue Finger, der auf Fig. 5 eben sichtbar ist, hat sich als äusserer Finger auf der ulnaren Seite dazu gestellt. An der nicht operirten Hand ist eine Doppelbildung an einem Finger. Fig. 7. Der Axolotl hatte von einem kleinen distalen Reste aus die Ulna regenerirt. Die Ulna war aber kleiner als eine normale zeblieben und hatte sich auch bei der Regeneration der Winkel- stellung, welche die operirte linke Hand zum Oberarme ein- be) Fig. 8. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Ueber Knochenregeneration. 821 genommen hatte, angepasst. Deshalb bot der Arm äusserlich das gleiche Bild, wie die Thiere von Fig. 1—4. Der Triton, bei welchem am 18. 6. 1899 links die beiden Unter- armknochen entfernt worden waren, uud der bis zum 8. 8. 1898 neue Unterarmknochen und eine neue Hand gebildet hatte. Die Finger der linken Hand sind bis auf einen durch Gan- grän nach der Operation verkümmert. Die alte Hand hat da- durch ein hakenförmiges Aussehen bekommen. Oberhalb der alten Hand ist ein Auswuchs sichtbar, der an seinem äusseren Ende vier kleinere Zacken trägt. Dies ist die zweite, neue Hand. Die linke Extremität ist gegenüber der rechten etwas verkürzt. Das kleine Nebenbild zeigt die Ansicht des Armes von oben. Das Bild ist nach einer Photographie gezeichnet, welche von dem Triton, nachdem er in Alkohl eingelegt war, gemacht wurde. Tafel XLIV. Theil eines Schnittes durch den Arm des operirten Triton. (Vergrösserung Zeiss Apochromat-Objectiv von 8 mm Brenn- weite, Ocular 8, Tubuslänge 160 mm.) Es ist eine Stelle zwi- schen den neugebildeten Knorpeln der Ulna und des Radius sewählt, an der neben einander ein alter Nervenstrang (a. Nerv) und der neue von dem Ulnaris schleifenförmig abgehende (n. Nerv) sichtbar sind. Der Schnitt liegt dicht oberhalb der Stelle, wo die neue Hand aus dem alten Arme heraus tritt. Die Knorpel der Ulna und des Radius sind noch mit in das Bild genommen worden (rn. An). Altes und neues Gewebe liegt neben einander in dem Bilde. (Vergrösserung Zeiss Apochromat. Objectiv von 15 mm Brenn- weite, Sucher Ocular 1, Tubuslänge 160 mm. (Axolotl.Nr. 1.) Zeichnung eines Durchschnittes in der Längsrichtung durch das operirte Bein eines Axolotl, welcher nach der Exstirpation die Unterarmknochen nicht regenerirt hat. Handwurzelknochen (Hand. Kn) und das Gelenkende des Oberarmes (Oberarm Kn) sind sich nahe gerückt. Es liegen aber noch immer Gewebs- stränge zwischen ihnen. Dies ist der Schnitt in der Serie, wo beide Knochen sich am nächsten liegen. Der Oberarm ist schräg von dem Schnitte «etroffen und ist deshalb nicht in seinem Verlaufe nach oben hin weiter zu verfolgen. Die un- cefärbte Stelle im Knochen ist eine Höhle in demselben, die nichts Anormales bietet. Die Hautfalten sind auf der Innen- seite des Winkels sehr deutlich zu sehen. Gleiche Vergrösserung wie bei Fig.2. Der Schnitt ist auch aus derselben Serie. Vom Oberarm ist nur ein kurzes Stück vor- handen, da der Schnitt schräg verläuft. Die Gewebe, welche sich zwischen Humerus und Handwurzel gelegt haben, sind hier in weiterer Ausdehnung sichtbar. Die Lücken im Prä- parate sind Kunstprodukte, beim Schneiden entstanden. 822 H. Wendelstadt: Ueber Knochenregeneration. Tafel XLV. Triton. (Vergrösserung Zeiss Apochromat. Objectiv 16 mm Brennweite, Sucher-Oeular 2. Tubuslänge 160 mm.) Bei der Präparation war die Hand von dem neuen Arme abgebrochen. Die Zeich- nung deutet dies durch die gestrichelten Verbindungslinien an. Bei der Zusammensetzung sind möglichst passende Schnitte aus beiden Serien gewählt. Der Schnitt ist so geführt, dass die neugebildeten Knochen getroffen wurden. Der neue Radius (n. Radius) erscheint sehr breit, weil mit ihm noch dicht ein Handwurzelknochen zusammenliegt. Die neue Ulna (nr. Ulna) ist ebenfalls nicht in ihrem ganzen Verlaufe getroffen, was ja auch nach dem Verlaufe der Knochen unmöglich war. Das Stück alte Ulna (a. Ulna) ist deutlich zu erkennen. Es ver- läuft senkrecht zur Schnittrichtung weiter nach unten. Ein alter Handwurzelknochen ist getroffen an seinem oberen Rande (a. Handıv. Kn). In der Haut sind grosse (g. Hautdr), dann mehr zur neuen Hand hin kleinere Hautdrüsen (kln. Hautdr). Ueber den neu gebildeten Fingerknorpeln (rn. An) eine mehr- schichtige Epitheldecke ohne Hautdrüsen. Wenn man sich in der Zeichnung die beiden Punkte, an welchen die grossen normalen Hautdrüsen aufhören, durch eine Bogenlinie ver- bunden denkt, so liegt zwischen dieser Linie und dem durch die Haut mit den grossen Drüsen gebildeten Bogen das alte Gewebe des Armes, ausserhalb der Linie die neuen Gewebe. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Berliner Universität.) Zur Entwickelung der bleibenden Niere. Von Dr. Ulrich Gerhardt. Seit den ersten Decennien des 19. Jahrhunderts hat die Entwieklungsgeschichte des Urogenitalapparates viele Autoren beschäftigt. J. Müller, Wolff, Rathke haben sorgfältige Be- obachtungen hierüber angestellt. Auch speciell die Entwicklung der bleibenden Niere hat viele Bearbeiter gefunden, ohne dass bis heute in allen Punkten eine vollständige Uebereinstimmung erzielt worden wäre. Wir wissen seit Kupffer’s Untersuchungen, dass die Niere nicht, wie Remak meinte, unabhängig vom Urnierengang im Blastem entsteht und den Ureter zur Oloake hin Ulrich Gerhardt: Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 823 aussprossen lässt. Es ist vielmehr heutzutage nicht mehr zu be- zweifeln, dass vom Urnierengang ein hohler Spross nach oben und kopfwärts auswächst, sich am Ende theilt und hier von einer dichten Bindegewebsmasse, dem „Nierenblastem“ umgeben ist. Ebenso steht es fest, dass das blinde Ende sich zunächst in zwei Fortsätze theilt, die Anlagen des Nierenbeckens, dass ferner von hier aus weitere Canäle, die Anlagen der Sammelröhren, aus- sprossen. Nun aber tritt die Frage auf, ob die Niere von dieser Grundlage aus nach dem Typus des gewöhnlichen Drüsenwachs- thums sich entwickelt, oder ob nach Analogie der Urnieren, peripher angelegte Canälchen secundär mit den primär gebildeten Sammel- röhren in Verbindung treten. Nach der letzteren Anschauung würden die tubuli contorti selbständig im „Blastem“ der Niere als isolirte Zellinseln angelegt werden und erst dann durch Canali- sation und Zusammenwachsen eine Continuität des Lumens der Canäle eintreten. Gerade diese Frage ist von den verschiedenen Autoren bald in dem, bald in jenem Sinne beantwortet worden und deshalb dürfte hier eine Uebersicht über die bisher in der Literatur festgelegten Resultate berechtigt sein. Rathke (1,2) lässt die Nieren selbständig im Blastem entstehen und den Ureter zur Cloake hin aussprossen. Er be- schreibt genau den Entstehungsprocess der Sammelröhren, lässt jedoch gerade die uns hier beschäftigende Frage unentschieden. Johannes Müller (3) theilt Rathke’s Meinung bezüg- lich des Entstehungsortes der Nieren. M. lässt die ursprünglichen Sprossungen im Blastem sich immer feiner verzweigen und durch Sehlängelung schliesslich die Trennung von Mark und Rinde herbeiführen. Remak (4) besteht gleichfalls auf der Meinung, dass die Niere selbständig entsteht und den Ureter aussprossen lässt. Er vertheidigt sogar diese Ansicht lebhaft gegen v. Wittich. Ueber die Verzweigungen und Schlängelungen der Nierencanälchen erfahren wir nichts Neues, es entspricht ungefähr der Anschau- ung Joh. Müller’s. R. hat bei Kanineben, Hunden und Katzen die Glomerulusbildung verfolgt, er sagt, es scheine, dass die Glomeruli unabhängig von den Epithelröhren gebildet würden. Sieher umwachsen die Letzteren die Glomeruli am blinden Ende. R. beobachtete zuweilen die Umwachsung des Glomerulus durch eine Seitenwand, wobei das Epithel sich abplattete. Das 324 Ulrich Gerhardt: Lumen des Canals wird dabei durch Einwachsen verengt; indess kommt es offenbar nicht zu einem vollständigen Schwinden. Die den Glomerulus umwachsende Membran ist eine direkte Fort- setzung der Membrana propria des Röhrchens. Valentin (5) lässt die Nieren wahrscheinlich vom serösen Blatt ausgehen. Der Ureter entsteht secundär. Zwischen den Anlagen des Nierenbeckens und der Canälchen besteht zunächst kein Zusammenhang. Die Epithelien des Nierenbeckens umfassen die vorher angelegten Canälchen wie placenta foetalis und materna sich umfassen. Wie die Malpighischen Körper sich bilden, wird nicht angegeben. Kupffer (5) nimmt entschieden Stellung gegen Rathke und Remak, indem er an der Hand von Zeichnungen nach eigenen Präparaten nachweist, dass vom Urnierengange aus die Anlage des Ureters als blinder Fortsatz auswächst, dass dann an diesem blinden Ende die Anlage des Nierenbeckens durch Ver- zweigung entsteht. Die Harncanälchen entstehen zuerst als solide Haufen. Sie rühren nicht von Epithelzapfen her. Indessen wird die Möglichkeit zugegeben, dass ein zweites Canalsystem vom: Ureter her seinen Ursprung nimmt. In einer Schilderung der Nierenentwicklung beim Huhn (die vorige Beschreibung bezieht sich auf das Schaf) lässt K. es unentschieden, ob Remak’s An- sicht falsch sei, dass alle Harneanälchen vom Nierenbecken aus ihren Ausgang nehmen. Gegenbaur (6) gibt an, dass die bei Vögeln vom Ur- nierengang ausgehende Ureteranlage bei Säugern vom Urachus ausgehe. In das verdickte, begleitende Mesodermgewebe sprossen vom blinden Ende des Ureter die Harncanälchen hinein. Hier- durch ist die Niere angelegt, der Nierengang wird zum Harn- leiter. Dabei tritt die sich vergrössernde Niere hinter die Ur- niere, gleichzeitig verlängert sich der Harnleiter. Der Ureter tritt vor den Urnierengang, in das untere Ende des Urachus, der Urnierengang mündet in den Sinus urogenitalis. Das blinde Ende des Ureter theilt sich in zwei kolbige Auswüchse, das Nieren- beeken. Von ihm gehen weitere Blindsäcke, die Nierenkelche, aus. Die Canälchen wachsen weiter aus, sie treten mit den» Canälehen der Rindenschicht zusammen, die aus dem Mesoderm- gewebe entstehen. is ist also ein epithelialer, centraler und ein mesoder- Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 825 maler, peripherer T'heil zu unterscheiden. Am Ende der tubuli eontorti findet sich eine Erweiternng, die den Glomerulus auf- nimmt. Daun differeneiren sich die Epithelien im Verlauf der Canäle. Wiedersheim(7) bringt in ganz besonders ausgesproche- ner Weise den Standpunkt zur Geltung, dass es sich um zweierlei Anlagen in der Niere handelt. Er kommt bei dem Studium der Entwicklung bleibender Nieren von Schildkröten und Krokodilen zu dem Resuitat, dass ein Spross, die Ureteranlage, kopfwärts wächst. Dann fährt er fort: „Erst nachdem jenes auswachsende Hohlgebilde, welches nichts anderes ist, als der Ureter, d. h. der Harnleiter der bleibenden Niere, eine ziemlich beträchtliche Länge gewonnen hat, kommt es im Bereich des hinteren Urnierenendes zur Sprossenbildung. Die anfangs soliden, später aber sich höhlenden Zellstränge treffen auf Seitencanäle, die späteren Sammelröhren, welche dem Ureter entgegenzuwachsen scheinen, und nachdem sich beide Gebilde erreicht haben, kommt es zum seeundären Durchbruch in den Ureter. Daraus erhellt, dass die erste Anlage der drüsigen, secernirenden Elemente in der Niere durch einen Anstoss von der Urniere, nicht aber vom Meta- nephrosgang, vom Ureter aus, erfolgt. Urniere und bleibende Niere sind also — im Grunde genommen — ein und dasselbe, und dies gilt auch für die Malpighischen Körper beider Systeme. Hier wie dort handelt es sich um Coelomderivate.“ Es soll weiter unten Gelegenheit genommen werden, auf diese Anschauung näher einzugehen. Colberg (8) sah Rindencanälchen mit Glomerulis in Ver- bindung. Als deren Vorläufer beschreibt er die „Pseudoglomeruli* — ein Name, der für die Zukunft wichtig ist —- die aus zu- sammengerollten Enden der Rindencanälchen bestehen und die Grösse ausgewachsener Malpighischer Körperchen haben. Auf späteren Stadien sah er in ihnen wirkliche Gefässknäuel. Schweigger-Seidel (9) findet unter der Nierenkapsel kugelförmige Körper, Colberg’'s „Pseudoglomeruli“. Sie stellen sich als gewundene Canalstrecken heraus. Die beiden Schenkel der Umbiegungsstelle sind durch gemeinsames Bindegewebe um- hüllt und machen dadurch den Eindruck einer Kapsel. Es be- steht keine endständige Erweiterung, der eine Schenkel setzt sich zur Bowman’schen Kapsel fort. Die gewundenen Canäle und die 326 Ulrich Gerhardt: Henle’scehen Schleifen sind ursprünglich als Zellstränge angelegt. Die Schleifen wachsen activ centralwärts, es liegt nicht bloss eine mechanische Streekung vor. Die Marksubstanz entsteht nicht durch Neubildung, sondern durch Streekung der Schleifen und geraden Kanälchen. Zwischen Rinde und Mark entsteht eine gewisser- maassen neutrale Zone, der Bildungsort der ersten Glomeruli. Thayssen (10) beantwortet die Frage nach der Ent- stehung der Harneanälchen und Malpighischen Körperchen in folgenden Sätzen: 1) Die Sammelröhren und Schaltstücke entstehen durch hohlsprossige Ausstülpung vom Ureter her. 2) Jedes Malpighische Körperchen entsteht aus dem zuge- hörigen tubulus eontortus und Henle’scher Schleife selbständig in der Niere aus einem soliden Zellhaufen. 3) Wenn sich aus dem Zellhaufen die primäre, solide An- lage des Malpighischen Körperehens entwickelt hat, so geht der Glomerulus mit der Ampulle aus ihr hervor, die Ampulle hebt sich dureh Spaltbildung ab. Wie die beiden Anlagen des Canalsystems untereinander in Verbindung treten, lässt 'Th. unent- schieden. Riedel (11) fasst seine Resultate folgendermaassen zu- sammen: 1) Der Uebergang vom embryonalen zum postembryonalen Entwicklungsmodus der Niere fällt nicht mit dem Termine der Geburt zusammen. 2) Die erste Generation von Sammelröhren verdankt ihre Entstehung einem Ausstülpungsprocess vom Uretersystem aus. Ihre wiederholte Theilung zwecks Production neuer Generationen von Sammelröhren wird stets eingeleitet durch Anlagerung eines rundlichen Zellballens an ihr peripheres Ende, welcher die Anlage des gesammten Harncanalsystems, der Bowman’schen Kapsel, aller Wahrscheinliehkeit nach auch die des Glomerulus in sich birgt. 3) Der rundliche Zellballen geht aus der Aneinanderlagerung embryonaler, an der Peripherie der Niere sich stets reprodu- eirender Zellen hervor. Die Production der Zellballen und ihre Apposition an das periphere, ampullenförmige Ende des Sammel- rohres dauert solange, als das Thier überhaupt nach embryonalem Typus wächst. 4) Die in frühester Zeit des Embryonallebens aus den Zell- Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 827 ballen hervorgehenden Malpighischen Körperehen und tubuli er- reichen eine excessive Grösse; sie verkleinern sich beim Rinde noch im Verlauf des embryonalen Lebens wieder; die später ge- bildeten Malpighischen Körperchen und tubuli erreichen im Lauf des embryonalen Lebens nur eine solche Grösse, wie sie beim neugeborenen Thier gefunden wird. 5) Mit der Streckung der Sammelröhren in das Nierenbecken hinein zwecks Bildung der Marksubstanz, resp. der Papillen ist eine Umformung der zuerst gebildeten Sammelröhren des Nieren- beckens verbunden. 6) Die Grenze des Marks entsteht bei blindgeborenen Thieren erst post partum. 7) Das postembryonale Wachsthum beruht sowohl auf einer Vergrösserung als auch auf Verlängerung der vorgebildeten Elemente. Bornhaupt (12) lässt gesonderte, rundliche Zellballen zu Bläschen werden, deren Wand sich auf einer Seite allmählich so stark verdickt, dass die Wände sich fast berühren. Aus der Verdiekung entsteht später der Glomerulus. Die peripheren Zellen werden zu einem Häutchen, die centralen zu Blutkörperchen. Aus dem Häutchen entstehen durch Scheidewände Capillaren. Dabei verbindet sich der Glomerulus mit dem Aortensystem, die Kapsel mit dem Wolff’schen Gange. Dursy (15) vertritt die Auffassung einheitlichen Drüsen- wachsthums der ganzen Niere, ebenso Waldeyer (14), auch Toldt (15) schliesst sich dieser Meinung an und begründet sie ausführlich. Er geht von Colberg’s „Pseudoglomeruli* aus. Die zur Peripherie gedrungenen Canäle enden mit einer Verdick- ung und Erweiterung des Lumens. Von dem verbreiterten End- stück geht ein kurzes Canälchen aus und drängt sich in den „Pseudoglomerulus“ hinein. Es ist dies ein Zwischenstück zwichen ihm und der Sammelröhre. Kleinere und grössere „Pseudoglo- meruli“ verhalten sich hierbei verschieden. Bei den kleineren macht das Verbindungsstück eine scharfe Kniekung gegen das Sammelrohr, liegt halbmondförmig nach der anderen Seite und endigt nach !/, kreisförmiger Biegung blind zugeschärft. An der Convexität werden die Epithelzellen dünne, kernhaltige Platten. Meist ist das Canälchen hier zweiblätterig haubenförmig. Im 828 Ulrich Gerhardt: Innern findet sich gewöhnliches Bindegewebe. Die beiden Blätter der Kugelschale bilden später die Blätter der Bowman’schen Kapsel; im Innern bildet sich der Glomerulus. An den grösseren Glomerulis ist das Zwischenstück vorher in mehrere Schlingen gelegt; Capillarschlingen aus dem umgebenden Bindegewebe treten in den Hohlraum der Kugelschale ein. Die Windungen des Canälchens liegen hierbei stets peripher. Das in die Kugel- schale mündende Canalstück rückt weiter an die Convexität, die Schale schliesst sich um den Gefässknäuel, die Windungen des Canälehens vermehren sich. So entsteht ein Malpighisches Kör- perchen. Es besteht also vollkommen einheitliche Abstammung aller Nierenbestandtheile. Später plattet sich das innere Blatt der Bowman’'schen Kapsel ab, nach dem Centrum der Niere hin wird das Epithel bedeutend niedriger. Eine Membrana pro- pria ist vorhanden. Lieberkühn (16) verweist in der uns interessirenden Frage auf Riedel’s Arbeit (s. o.). Loewe (17) meint, es müssten sämmtliche Abschnitte der Harmncanälchen mit Einschluss des „etwaigen“ Epithels der Bow- man’schen Kapsel Abkömmlinge der primären Ureterverzwei- gungen sein. Die Membrana propria jedes Glomerulus ist ein Derivat der Braun’schen Zellstränge. Die Endothelien der Ca- pillaren entstammen ebenfalls den Braun’schen Strängen. Da- her stammt nach Loewe das Endothel der Capillaren vom Endothel des Peritoneums ab (sie). Bei der Theilung von Mark und Rinde entsteht die Rinde aus Kolben und Zellhaufen. Das Mark zerfällt in einen inneren, eigentlich secernirenden, und einen äusseren Theil. Daher entspricht das embryonale Mark nicht dem des Erwachsenen. Riede (18) findet bei 1O mm langen Schafembryonen das Blastem, dessen abgrenzende Hülle und die verzweigte Nieren- beekenanlage. Die Hülle besteht aus faserartigen Zellen, das Blastem aus runden und das Nierenbecken aus 2—3 Reihen von geschiehteten Oylinderepithelzellen, In den blinden Enden findet sich keine Basalmembran, die sonst überall vorhanden. — Da Braun’s Ansicht sicher falsch ist, so entsteht nach R. die ganze Niere, exclusive Kapsel und Gefässe, aus dem Urnierengang. 3ei 15 mm Länge entstehen getrennt von den T-förmigen An- lagen der Sammelröhren die der Bowman schen Kapseln, rund- Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 829 liche abgegrenzte Zellhaufen. Das Centrum wird hell, eine Wand verdickt sich und wird concav. So entsteht eine Sichelform. Ausserhalb der Concavität legt sich der Glomerulus an. Bei 20 mm entspringt von der peripheren Seite der Bowman'schen Kapsel ein Hohlspross und wächst in das blinde Ende der T- förmigen Partie ein. Die Theile eröffnen sich gegenseitig. Nagel (19) vertritt energisch die einheitliche Entwicklung. Er sagt: Auf keiner Stufe des Wachsthums habe ich das Auf- treten von epithelialen Schläuchen gefunden, welche dann nach- träglich mit einander in Verbindung treten. Die Harncanälchen entwickeln sich also aus sich selbst heraus, d. h. durch Verlängerung und Sprossenbildung der schon vorhandenen. Was die Entstehung der Glomeruli betrifft, so erklärt N. zunächst Colberg’s „Pseudo- glomeruli“ als Knickungen der Harncanälchen. Ein Harncanälchen, an seinem Ende etwas erweitert, trifft auf eimen knopfartigen Vorsprung der umgebenden Bindesubstanz. In dieser Hervor- ragung finden sich einzelne Gefässe, die sich später zum Glome- rulus entwickeln. Die Basis der Wucherung, die erst breit ist, schnürt sich später ab. Dadurch entsteht die spätere Form des Glomerulus. N. hält es für unwesentlich, ob das Malpighische Körperehen durch Umwachsung des Glomerulus durch das Harn- canälchen, oder durch Einstülpung des Knäuels in das Canälchen entsteht. Den Hauptwerth legt er auf die Thatsache der Ein- stülpung selbst. Hamburger (20) lässt die embryonale Niere aus Epithel- sprossen, runden Zellgruppen und hakenförmigen Körpern be- stehen. Letztere sind Zwischenstufen zu den runden Zellgruppen. Die Literaturangabe bietet im Wesentlichen nichts Neues. Nach H.’s Untersuchungen enden alle Sammelröhren mit einer Ampulle. Deren Basis wird durch einen 2—3 schiehtigen Zellmantel gegen die Oberfläche der Niere abgegrenzt. Der Zellmantel ist von der Ampulle scharf getrennt. Im peripheren Theil der Zellschicht entstehen dichtere Gruppen, die Anlagen der tubuli contorti. Die Zellgruppe grenzt sich schärfer ab unter radiärer Anordnung der Zellen (2—3 eoncentrische Reihen). Die Zellgruppen sind häufig in die Ampullenwand eingedrückt, aber immer scharf von ihr getrennt. Zwischen beiden besteht keine Continuität. In der Anlage der tubuli eontorti entsteht später ein kleiner Hohlraum, es findet Verwachsung mit der Ampulle statt. Die Verbindung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 57 54 830 Ulrich Gerhardt: besteht aus einem soliden Zellstrang, der sich durch Aneinander- rücken der verwachsenen Körper bildet. (cf. Emery, vesicules renales.) An dem dem Sammelrohr abgekehrten Ende der An- lage findet Spaltbildung statt; in der Spalte sieht man rothe Blutkörperehen. Diese Spalte nennt H. Glomerulusspalte. Aus einem flügelförmigen Fortsatz der Anlage entsteht die Bowman- sche Kapsel. Diese besteht von Anfang an aus zwei Blättern. In einer späteren Zeit besteht die Anlage aus: 1) einer gegen die Nierenoberfläche ceoneaven Schale; 2) einem kurzen dieken Canälehen, das S-föürmig Ampulle und Anlage verbindet. Die Bowman’sche Kapsel besteht aus zwei Blättern mit einem Spalt dazwischen. Eine Biegung des S-förmigen Stückes liegt in der Concavität der Schale. Später wird die Glomerulusanlage dicker und das S-förmige Stück tritt stärker aus der Schale hervor. Das parietale Blatt der Bow man ’schen Kapsel zeigt stark abge- plattetes Epithel, das viscerale kubisches. Das viscerale Blatt taltet sich in die Spalten der Glomerulusanlage hinein. Die Schale schliesst sich mehr und mehr und bildet die Bowman- sche Kapsel, das S-fürmige Stück wächst sehr stark und bildet die übrigen Canalabschnitte. Zuerst differenzirt sich die Henle- sche Schleife. Sie besteht aus drei Abschnitten: 1) einem geraden Stück des tubulus eontortus; 2) dem dünneren Henle’schen Rohr; 3) dem dieken Rohr, eigentlich wieder aus zwei Theilen be- stehend: a) einem proximalen Abschnitt mit hellen, platten Zellen; b) einem distalen T'heil mit höheren, körnigen Zellen, die bereits Streifung an der Basis zeigen. Auch die Schaltstücke bilden sich schon früh. Auf dem proximalen Ende der Schleife ent- steht eine Biegung, sie wächst, ist zunächst dünner, zuletzt weiter als die Röhren der Nachbarschaft. Das Epithel besteht aus hellen, ungestreiften kubischen Zellen. — Bei der Streckung der Schleife verlängert sich das Henle’sche Rohr. — Das Verbindungsstück zwischen Schaltstück und Ampulle hat helle, kubische Zellen. Der tubulus contortus geht aus dem dritten distalen Schenkel des S-förmigen Stücks hervor. Er hat anfangs helle, deutlich abgegrenzte Cylinderzellen, die sich später trüben, bis schliesslich Streifung auftritt. Die Malpighischen Körperchen gehen aus der oben beschrie- benen Schale hervor. Diese schliesst sich und die Basis des Glomerulus wird dünner. Gleichzeitig entfernt sich der tubulus Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 331 contortus vom Schalenrande und rückt weiter auf die Convexität. Bei Mäuseembryonen setzt sich oft das Epithel des tubulus con- tortus auf das parietale Blatt der Kapsel fort. Das Epithel des visceralen Blattes wird niedriger und ist infolge von Faltungen schwerer zu erkennen. Die Sammelröhren entstehen zweifellos eontinuirlich vom Ureter her. Nach der Peripherie hin theilen sie sich fortwährend. Was die Entsehung der Verbindungen zwischen Sammel- röhren und tubuli ceontorti betrifft, so muss man zwei Perioden unterscheiden: 1) die Periode der Theilung der Sammelröhren; 2) die der Bildung der terminalen Ver- zweigungen. l. Periode: Hier besteht ein Unterschied zwischen einfachen und zusammengesetzten Nieren. Einfach sind sie bei Maus, Ratte, Katze, Kaninchen. Je zwei tubuli contorti nehmen ihren Ur- sprung je an einer Ampulle. Ihr ausschliesslicher Ent- stehungsort ist in der Nachbarschaft einer Ampulle. Bei zu- sammengesetzten Nieren (Mensch, Rind, Schwein) verläuft der Process wie bei den einfachen, indess treten auch tubuli con- torti auf zwischen zwei Theilungsstellen von Sammelröhren. Nach H. handelt es sich hier gewissermaassen um eine Ueber- production an tubuli eontorti. Von ihnen muss bei der definitiven Ausbildung der Niere ein Theil wieder zu Grunde gehen. In der That trifft man auch zuweilen Malpighische Körperehen und tubuli contorti, die deutlich bereits in Resorption begriffen sind. Auf die Frage nach den genaueren Vorgängen in der zweiten Periode vermag H. nach seinen Unternehmungen bei Schwein und Ratte keine definitive Erklärung zu geben. Sedgwick Minot (21) ist unter den neuesten Autoren wohl derjenige, der am schärfsten den Standpunkt einheitlicher Entwicklung vertheidigt. Daher sind seine Ausführungen von besonderem Interesse für unsere Frage und ich gebe sie z. Th. wörtlich. Die Nierenanlage setzt sich aus drei Bestandtheilen zu- sammen: 1) der epithelialen Ausstülpung des Urnierenganges; 2) dem verdichteten Mesenchym und 3) den Braun ’schen Zell- strängen. Ueber 1) sagt M. nichts Neues und schliesst sich den Kupffer’schen Beobachtungen an. Zu 2) bemerkt er: „Das Mesenchym, das die Nierenanlage umgiebt, verdichtet sich sehr 832 Ulrieh Gerhardt: bald, und zwar erfolgt die Verdichtung, wenigstens bei Kroko- dilen, vorzugsweise an der medialen Seite des Nierenrohres. Das verdichtete Mesenchym lässt sich eine Strecke weit längs des Ureter verfolgen. Es wird aber allmählich lockerer und seine eoncentrische Anordnung schwindet.“ Die fibröse Kapsel entsteht sehr früh, bei menschlichen Embryonen von 20—25nmm Länge ist sie bereits endgültig vorhanden, auch beim 15 tägigen Kaninchenembryo. Betreffs des Verhaltens der Nierencanälchen vertritt M. mit Entschiedenheit den Standpunkt, dass sich alle Nierencanälchen aus dem Ureter entwickeln. „Die Nierencanälchen bilden sich aus Aesten der blinden Enden der Nierenausstülpung und die blinden Enden dieser Aeste bilden wiederum die Malpighischen Körperchen“. — „In einer früheren Entwicklungsperiode — beim Kaninchen am 14. Tage — erreichen die Aeste die Kapsel, welche sieh unterdessen aus dem umgebenden Mesenchym diffe- renzirt hat. Die Kapsel scheint eine weitere Verlängerung des Astes in der bisherigen Wachsthumsriehtung zu verhindern und das Ende desselben zu zwingen, sich aufzurollen. So giebt die Kapsel durch eine einfache mechanische Bedingung den Anlass zur Bildung des Malpighischen Körperchens. Diese Rolle der Kapsel hat bisher, soviel ich weiss, noch keine Beachtung ge- funden. Ich wurde darauf aufmerksam durch die Entdeckung, dass bei älteren Nieren (menschliche Foeten von 3—D Monaten) die Bildung der Malpighischen Körperchen immer hart an der Kapsel erfolgt. — Je jünger das Körperehen, desto näher liegt es an der Kapsel. Um diese Unterschiede in der Lage zu er- klären, müssen wir annehmen, dass die Körperchen annähernd an der Stelle liegen bleiben, wo sie entstanden sind, während die Kapsel wächst und so Raum gewährt für Bildung neuer Malpighischer Körperchen, nach aussen von den älteren.“ Die Entstehung der Canälchen, speciell der tubuli contorti und der Malpighischen Körperchen, wird hauptsächlich im An- schluss an G olgi (22) eingehend geschildert. Das S-förmige blinde Ende des Nierencanälchens liefert hiernach den gesammten tubulus contortus von der Henle’schen Schleife bis zu den Malpighischen Körperchen. Der Glomerulus entsteht durch Einwachsen einer Gefässschlinge. M.’s Angaben über die Braun’schen Zellstränge führe ich Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 333 wieder wörtlich an: „Max Braun (23) hat Zellstränge beschrieben, die bei Eidechsenembryonen in sehr frühen Entwieklungsstadien die Nierenanlage durchziehen. Diese Stränge sind vom Rest des Mesenchyms nur wenig verschieden, abgesehen davon, dass ihre Zellen dichter gedrängt sind und dass sie nachweislich direet mit dem Mesothel in Verbindung stehen. Diese Entdeckung hat Sedgwiek für das Hühnchen und Wiedersheim für Krokodil- und Schildkrötenembryonen bestätigt. Ich muss die Stränge nach Braun’s eigener Beschreibung lediglich für den Beginn einer Verdiehtung des Mesenchyms der Nierenanlage erklären. Die drei Autoren, welche die Stränge beobachtet haben, halten sie für Anlagen der tubuli eontorti, ohne dafür einen direeten Beweis liefern zu können: Da es aber positiv erwiesen ist, dass die tubuli contorti aus den Sammelröhren hervorgehen, so muss jene Auffassung aufgegeben werden. Die Autoren nach Braun lassen sich stark durch theore- tische Rücksichten beeinflussen, besonders durch das Bestreben, zu zeigen, dass die echte Niere sich ähnlich entwickle, wie der Wolff’sche Körper, mit anderen Worten, dass die harnausschei- denden Canälchen einen anderen Ursprung besitzen, als die Aus- führungsgänge. Meine eigenen Beobachtungen setzen mich in den Stand, mit Zuversicht zu bestätigen, dass die Canälchen durch Ausstülpung des Ureter entstehen und dass beim Menschen die tubuli contorti und Malpighischen Körperchen aus Aesten von Sammelröhren hervorgehen. Die Thatsachen sind so klar, dass es heutzutage unverständlich ist, wie man an der Anschauung fest- halten konnte, dass die tubuli eontorti aus dem Blastem hervor- gehen und nicht durch Verzweigungen der Sammelröhren ent- stehen.“ Es ist schliesslich noch zu erwähnen, dass in der neuesten Auflage von Kölliker’s Entwicklungsgeschichte (24) heraus- gegeben von O. Schultze, der Standpunkt der einheitlichen Ent- wicklung aller Theile der Niere auf das Energischste betont wird. Aus alledem geht hervor, dass die alte Kupffer’sche An- sicht von der getrennten Entstehung der Mark- und Rinden- canälchen zwar lange Zeit hindurch die meisten Anhänger ge- funden hat, dass aber gerade in der neuesten Zeit wieder die Auffassung von der Entstehung nach dem gewöhnlichen Typus des Drüsenwachsthums mehr Boden gewinnt. Es soll nun gezeigt 334 Ulrich Gerhardt: werden, wie sich meine eigenen Untersuchungen zu dieser Frage stellen. Als Untersuchungsobjeet wurden Embryonen hauptsächlich der weissen Maus benutzt, ausserdem vom Huhn, Schwein und Hund. Die Schweineembryonen wurden in möglichst frischem Zustande vom hiesigen Schlachthofe bezogen. Die Nieren von Hundeembryonen kamen zufällig bei einer Section in meinen Be- sitz. Für die Gewinnung des Mäusematerials wurden männliche und weibliche Thiere getrennt gehalten und nur zum Zweck der Begattung zusammengelassen. War diese erfolgt, so wurde das Weibelhen gekennzeichnet und nach einer bestimmten Zeit ge- tötet. Die Embryonen wurden sofort nach dem Tod der Mutter herausgenommen und in Carnoy’ sche Flüssigkeit gebracht, von da in mehrfaclı gewechselten, absoluten Alkohol, dann in Chloroform und in Paraffin vom Schmelzpunkt 58° eingebettet. Die Schnitte hatten eine Dieke von 10 u. Als Färbung wurde fast ausschliesslich Boraxcarmin und Pikrinsäure angewandt. Es ergab sich, dass am 10. Tag die bleibenden Nieren bereits deutlich erkennbar angelegt sind. Von da ab wurden nun alle Stadien bis zum 16. Tag untersucht. Am 10. Tage sind die bleibenden Nieren als T-förmige, bläschenförmige Ausstülpung des Nieren- ganges, umgeben von einem Blastem, vorhanden. Sie liegen weit caudal, ganz in der Schwanzkrümmung, während die Urniere viel weiter kopfwärts liegt. Um die epitheliale Anlage des Nierenbeckens herunı liegt ein stark verdiektes embryonales Gewebe, das bereits die bohnenförmige Gestalt der Niere erkennen lässt. In der Peripherie dieser Zellansammlung lässt sich bereits eine abgeplattete ein- fache Lage von Zellen unterscheiden, die spätere Nierenkapsel. Von Anlagen der Nierencanälchen ist noch nichts zu sehen. In- folge von Entwicklungsverschiedenheiten traf ich auch auf einem Stadium von 13 Tagen einen fast ganz gleichen Befund. Nur war der Nierengang etwas weiter kopfwärts gewachsen, und das ganze Organ hatte einen grösseren Umfang. Bei anderen Em- bryonen, ebenfalls von 13 Tagen, waren die Nieren schon be- deutend weiter entwiekelt, hatten aber im Ganzen noch eine ähnliche caudale Lage. Hier waren bereits vom Nierenbecken aus zahlreiche Canälchen ausgesprosst, die ein auffallend weites Lumen und einen fast gestreckten Verlauf besassen. Deutlich erkennbar war, dass von jedem Hauptast des Nierenbeckens, der Zur Eutwickelung der bleibenden Niere. 835 sich durch Weite auszeichnet, einige Canälchen ausgingen. Irgendwelche Anlagen von Canälchen in der Peripherie der Nieren- anlage waren nicht zu bemerken. Schon aus diesem Präparat lassen sich m. E. einige Schlüsse ziehen, die gegen die Wiedersheim’sche Ansicht sprechen. Wir finden hier die bleibende Niere mit bereits zahl- reich angelegten Canälchen schon entwickelt, bevor das blinde Ende des Ureter auch nur in die Nähe des caudalen Urnieren- endes vorgedrungen ist. Hieraus geht hervor, dass sich die Canälchen der bleibenden Niere — wenigstens bei Säugethieren — in dieser selbst entwickeln und nicht von der Urniere aus hineinsprossen. Dadurch ist von vorn herein der Schluss berech- tigt, dass auch die Glomeruli der bleibenden Niere nichts mit denen der Urniere zu thun haben. Dass es sich bei dem Malpighischen Körper der bleibenden Niere überhaupt um Coelomderivate handle, ist von vorn herein ganz unwahrschein- lich. Denn dass der Spaltraum der Bowman’schen Kapsel nicht vom Coelomepithel, sondern vom Nierencanälchen herstamme, ist nach dem Befund bei der erwachsenen Niere wahrscheinlich. Dass sich die bleibende Niere bei Krokodilen und Chelonieren in der Nähe der caudalen Partie der Urmiere anlegt, würde es erklärlich scheinen lassen, dass die gleichen Blutgefässe in der Ur- und bleibenden Niere sich verzweigen. Dies könnte natürlich die Identität beider Glomeruli vortäuschen. Wo aber, wie bei der Maus, die Niere räumlich anderswo entsteht, als die Urniere, da ist es wohl nicht möglich, eine Homologie der Gefässbildungen anzunehmen. Während es beim Schwein, das sich durch ausser- ordentlich grosse Urnieren auszeichnet, mit Leichtigkeit gelingt, Nieren und Urmieren auf einem Querschnitt gleichzeitig zu treffen, findet man dies nicht bei der Maus. Es scheint also die blosse Thatsache, dass schon die cau- dalwärts von der Urniere gelegene Nierenanlage sich differenzirt, dafür zu sprechen, dass wir in der bleibenden Niere ein selbstän- diges, von der Urniere unabhängiges Organ zu erblicken haben. Es tritt uun hierdurch die neue Frage auf, ob wir über- haupt theoretisch ein Recht haben, bei der bleibenden Niere eine Homologie der Entwicklung mit der Urniere vorauszusetzen. Hierbei kommt es darauf an, von welchem Gesichtspunkte man ausgeht, wenn man annimmt, dass die Vor-, Ur- und blei- 836 Ulrieh Gerhardt: bende Niere nur drei „Generationen“ ein und desselben Organes sind, wie dies viele Autoren thun, so wird man dann allerdings auch gleiche Entwieklungsvorgänge erwarten. Betrachtet man dagegen Vor- und Urniere einerseits, die bleibende Niere andrer- seits als ganz verschiedene Organbildungen, so kann gleiche Ent- wieklung unmöglich theoretisch gefordert werden, obwohl ihre Möglichkeit selbstverständlich nicht in Abrede gestellt werden kann. Nun geht eine grosse Reihe von Forschern von der ersten Auffassung aus, ist also bemüht, in der Niere eine ge- trennte Entwicklung der ableitenden und Rindencanälchen zu finden. So giebt z.B. Hertwig selbst an, er halte der Theorie zuliebe eine Entwicklung der Canälchen entsprechend denen in der Urniere für wahrscheinlicher. Natürlich hat diese Annahme viel Bestechendes und es wäre theoretisch auch leicht verständ- lich, dass die 3 Formen der Niere gleichen Entstehungsmodus besässen. Indessen scheint mir doch die entgegengesetzte Auf- fassung mehr Berechtigung zu haben. Denn wir haben in dem Vorhandensein oder Fehlen der bleibenden Niere einen ebenso durchgreifenden Unterschied zwischen Amnioten und Anamniern, wie es das Vorhandensein oder Fehlen des Amnions bietet. Da- gegen sind Vor- und Urniere sämmtlichen Vertebraten (der Am- phioxus gehört natürlich nicht hierher) gemeinsam. Dass diese beiden älteren Organe zu einem ganz neu auftretenden in mehr- facher Beziehung in einem Gegensatz stehen können, ist ein- leuchtend. Der wichtigste Punkt ist hier der: Während Vor- und Urniere ursprünglich metamere Organe mit Nephrostomen sind, zeigt die bleibende Niere nichts von solchen, und es ist durch nichts zu beweisen, dass sie jemals solche besessen habe. Wir werden also das Fehlen der Nephrostomen in der bleibenden Niere als einen prinzipiellen Unterschied von den beiden vorher- gehenden Generationen ansehen dürfen. Nun tritt die wohl be- rechtigte Frage auf, ob ein Organ, das neu auftritt und in der Struktur von den älteren Organen abweicht, aus irgend einem zwingenden Grunde die nämliche Entwicklung haben muss. Diese Frage ist jedenfalls nieht von vorn herein unbedingt zu bejahen. Es ist daher meines Erachtens nieht zu verwundern, wenn die bleibende Niere durch einfaches Drüsenwachsthum vom Ureter aus entsteht. Wenn dies aber für Säugethiere erwiesen werden könnte, so ginge die Schlussfolgerung wohl nieht zu weit, dass Zur Entwiekelung der bleibenden Niere. 837 wir dann bei den Ammnioten überhaupt diese Entwicklungsweise anzunehmen hätten, da die Niere aller Amnioten wohl allgemein als ein und dasselbe Organ betrachtet wird. Nun habe ich mein Augenmerk besonders auf folgende Punkte gerichtet. Erstens: Lässt sich auf irgend einem Stadium nachweisen, dass in der Peripherie der Niere sich Kanäle ge- trennt von den aus dem Ureter herstammenden Sammelröhren anlegen ? Zweitens: Lässt sich auf späteren Stadien zeigen, dass im Verlauf der Nierencanäle irgend eine Verwachsung peripherer und ausführender Canäle stattgefunden hat? Drittens: Finden sich im Epithel der Canäle an Rinden- und Markcanälchen Unterschiede, die auf eine doppelte Ent- stehungsweise hindeuten ? Was den ersten Punkt betrifft, so ist es mir auf Stadien von 12—16 Tagen nicht gelungen, getrennte periphere Anlagen nachzuweisen. Nach meinen Beobachtungen sprossen zunächst aus der T- oder Y-förmigen Erweiterung des Ureters, die das Nierenbecken darstellt, relativ weite und kurze Canäle aus, die wenig geschlängelt die Kapsel erreichen. Ich glaube bestätigen zu können, dass die Kapsel ein mechanisches Hinderniss für das Weiterwachsen bietet und dass dadurch der erste Anstoss zur Aufknäuelung gegeben wird. Indessen tritt eine nennenswerthe Schlingenbildung erst relativ spät, etwa am 14. Tage, auf, wenn die Niere in toto bereits eine gute Strecke weiter kopfwärts ge- wandert ist. Nun kann ich in diesem Stadium der beginnenden Z/Zusammenrollung der Canäle bereits die Bildung der Glomeruli feststellen. Gerade dieser Punkt, wohl der schwierigste in der ganzen Nierenentwicklung, gab am meisten Gelegenheit zur Er- örterung der uns hier beschäftigenden Streitfrage und führte zu widersprechenden Resultaten. Die Schwierigkeit besteht darin, dass keine Möglichkeit einer Injection beim Embryo besteht. Daher kann der Verlauf der Gefässe nicht mit solcher Sicher- heit festgestellt werden, wie beim Erwachsenen und es ist schwerer zu entscheiden, ob der Zellklumpen,, der den Glomerulus bildet, bereits vascularisirt ist, oder nicht. Fermer ist das Lumen der Canäle an der Umbiegungsstelle, kurz vor dem Glome- rulus ausserordentlich eng, so dass leicht die Meinung entstehen kann, es handle sich um Zellstränge, die erst später ein Lumen 338 Ulrieh Gerhardt: erhalten. Viele der früher vorhandenen Schwierigkeiten sind durch die Fortschritte der heutigen Mikrotomtechnik, die das Durchmustern lückenloser Serien gestattet, beseitigt. Was die Bildung des Glomerulus selbst betrifft, so kann ich Toldt’s Angaben vollauf bestätigen. Es findet also, entgegen der Angabe Wiedersheim’'s, eine Einstülpung des blinden Endes durch den Gefässknäuel und nicht die Abkammerung eines Theils des Coeloms in einen Theil der Kapsel des Glomerulus der Urniere statt. Nach meinen Untersuchungen sind vielmehr die Gefässknäuel selbst- ständige Gefässwucherungen. Es ist schwer festzustellen, ob hierbei das blinde Ende des Nierencanälchens eine active oder eine passive Rolle spiel. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass Beides der Fall ist, dass gleichzeitig mit dem Einwachsen des Gefässknäuels das Canälchen sich activ an der Bildung der Bowman’schen Kapsel betheiligt. Für die prineipielle Auf- fassung erscheint diese Frage aber von geringerer Bedeutung, da bier vor Allem die ausschliessliche Bildung des Malpighi- schen Körperchens aus dem Glomerulus und der Wand des Canälchens betont werden soll. (ef. Nagel.) Hier sei noch einmal eine theoretische Erörterung erlaubt. Der Umstand, dass die bleibende Niere sowohl, als auch die Vor- und Urniere Glome- ruli besitzen, d. h. arterielle Wundernetze, in denen die zur Secretion bestimmten wässerigen Blutbestandtheile in das Lumen der Nierencanäle hineinfiltrirt werden, könnte wieder zu dem Schlusse führen, dass es sich hier um eine wahre Homologie handelt. Indessen ist wohl hier einzuwenden, dass bei einem Exeretionsorgan exeretorische Vorrichtungen eben eine conditio sine qua non sind, und dass wir in der Wirbelthier-Reihe als solche nur die Ableitung durch Gefässknäuel kennen. Wenn man diese Auffassung als richtig anerkennt, so wird man sieh auch hüten, zu schematisiren und von der Urniere hergenommene Anschauungen auf die bleibende Niere zu übertragen. Es liegt ausserhalb des Rahmens dieser Betrachtung, ob die Glomeruli der Urniere thatsächlich in abgekapselten Coelomkammern liegen. Ich kann beim Schwein die Lage der Glomeruli in nebeneinander- liegenden Kammern an der medialen, ventralen Seite der Urniere, wie sie Wiedersheim (8. 537) abbildet, bestätigen. Bei der bleibenden Niere habe ich niemals eine dieser entsprechende Anordnung gefunden. Ich fand die Glomeruli immer zuerst ganz Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 639 peripher gelagert, später an der Grenze von Mark und Rinde, aber im Uebrigen über die ganze Nierenoberfläche regellos ver- theilt. Dass hierin Unterschiede bestehen werden zwischen der eine bedeutendere Länge erreichenden Reptilienniere und der compacten, bohnenförmigen der Säuger, ist wohl möglich. Ich muss mich hierüber des Urtheils enthalten, da ich die Reptilienniere nicht untersucht habe. Nach meinen Erfahrungen entstehen also keine soliden, erst später canalisirten Stränge peripher von den Sammelröhren, und dieser Punkt der Untersuchung wäre somit zu Gunsten der 'Sedgwiek Minot’schen Ansicht entschieden. Was die zweite Frage betrifft, ob eine Verlöthungsstelle im Lumen eines Canals zu finden ist, so ist es mir ebenfalls nicht gelungen, eine solehe nachzuweisen. Vielmehr fand ich regel- mässig, dass das Lumen der Canäle ununterbrochen vom Nieren- becken bis zur Peripherie zu verfolgen ist. Am besten gelang dies bei Stadien von 15 Tagen, wo die Glomeruli bereits vor- handen waren. Auf späteren Stadien liegen die tubuli contorti gedrängter und die Canäle sind relativ enger. Daher bereitet hier die Untersuchung grössere Schwierigkeiten. Dagegen sind auf dem oben erwähnten Stadium die Canäle seltener, weiter, kürzer und gerader in ihrem Verlauf. Auf diesem Stadium nun finden wir von den beiden weiten Aesten des Nierenbeckens ausgehend, ziemlich gerade Canäle, ohne irgend welche Ver- änderung ihres Lumens. Hier lässt sich besonders schön zeigen, dass auch unmittelbar vor dem Glomerulus der Canal offen hin- zieht, eine Thatsache, die gleichfalls auf späteren Stadien schwerer festzustellen ist. Selbstverständlich liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass bei der späteren Wiederholung des Pro- cesses ein anderer Vorgang platzgreifen sollte. Diese Erwartung fand ich denn auch bei der Durchsicht aller in Betracht kommenden Stadien bestätigt. Ich muss also annehmen, dass eine derartige Verwachsungsstelle in der That nieht existirt. Die dritte Frage ist die nach Unterschieden im Verhalten des Epithels. Hierzu ist noch eine Vorbemerkung nöthig. Es handelt sich um die Thatsache, dass in dem schon weiter ent- wiekelten, differenzirten Nierencanälchen das Epithel an ver- schiedenen Partien hochgradige Verschiedenheiten aufweist. Es ist daher nieht zu verwundern, dass wir hier verschiedene Färb- 840 Ulrieh Gerhardt: barkeit antreffen. Ganz regelmässig färben sich die peripheren Theile der Canäle mit Boraxcarmin intensiver roth, als die cen- tralen. Doch ist hier zu bemerken, dass auf früheren Stadien, so auf dem bereits erwähnten von 15 Tagen, diese Differenzen in der Färbbarkeit noch nicht nachzuweisen sind. Diese That- sache lässt wohl mit Recht den Schluss zu, dass es sich hier in der That nur um Differenzirungen handelt, die mit der späteren Function des Organes in Zusammenhang stehen. Im Uebrigen erscheint mir die Thatsache, dass auf den früberen Stadien das Epithel im Verlauf des ganzen Canälchens einen durchaus gleich- artigen Charakter besitzt, genügend zur Stütze für die Anschau- ung, dass die Nierencanälchen als einheitliche Bildungen aufzu- fassen sind. Die Beobachtungen, die ich an relativ frühen Stadien der Niere machen konnte, lassen sich wohl ohne Weiteres auf spätere übertragen. Denn, wie auch Nagel in seiner Arbeit hervorhebt, es ist doch nicht denkbar, dass später in demselben Organe ein anderer Entwicklungsmodus eingeschlagen wird, als im Anfang. Der gleiche Vorgang wird sich immer in gleicher Weise wiederbolen. Es wäre ja, wenn die Wieders- heim ’sche Ansicht von der Urnierennatur der bleibenden Niere richtig wäre, ganz schwer erklärlich, woher sich die Glomeruli anlegten, die sich noch später neu bilden, wenn die Urniere be- reits zu Grunde gegangen ist. Es müssten hier nothwendig zwei Bildungsweisen Platz greifen. Fassen wir nun die Resultate unserer Beobachtungen zu- sammen, so ergiebt sich, dass in den in Frage kommenden Punkten durchweg die Anschauung von der einheitlichen Ab- stammung sämmtlicher Canäle der bleibenden Niere gestützt wird, während sich für die gegentheilige Meinung keine Anhaltspunkte gewinnen lassen. Ich fasse meine Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammen: 1. Die bleibende Niere ist ein bei den Amnioten neu auf- tretendes Organ, das zwar vom Urnierengange, nicht aber von den Urnierencanälchen seinen Ursprung nimmt. 2. Die Malpighischen Körperchen der Niere sind von denen der Urniere räumlich und bezüglich ihrer Entstehungsweise ver- schieden. Sie entstehen durch Einstülpung des peripheren blinden Endes eines Niereneanälchens durch einen Gefässknäuel. 3. Die peripberen Theile der Nierencanälchen entstehen Zur Entwickelung der bleibenden Niere. 841 durch eontinuirliches Wachsthum der Sammelröhren. Es lässt sich nicht nachweisen, dass in der Rinde gebildete Canäle mit denen des Marks secundär in Zusammenhang träten. 4, Niere und Urniere sind Organe, die sich nicht in gleich- artiger Weise entwickeln. Am Schlusse meiner Arbeit danke ich Herrn Geheimrath Hertwig ergebenst für die Anregung dazu und das stets dafür bewiesene Interesse. Auch Herrn Privatdocenten Dr. R. Krause sage ich für freundliche Unterstützung in technischer Beziehung meinen besten Dank. Literatur-Verzeichniss. 1. Rathke, Abhandl. z. Entwicklungsgeschichte d. Menschen u. der Thiere. 1830. Rathke in Burdach, Physiologie als Erfahrungswissenschaft 1828. Bd. 1. 3. Joh. Müller, De glandularum secernentium structura. Meckel’s Archiv f. Anat. u. Physiol. 1829. 4. Remak, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin, 1851. Kupffer, Untersuch. über die Entwicklung der Harn- und Ge- schlechtsorgane. Archiv f. mikr. Anat. Bd. I u. II. 1865/66. 0. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 1892, 1. Wiedersheim, Handb. d. vergl. Anatomie d. Wirbelthiere. 1893. 8. Colberg, Zur Anat. d. Niere. Centralbl. f. d.med. Wissensch. 1863. 9. Schweigger-Seidel, Die Niere des Menschen und der Säuge- thiere. Halle 1869. 10. Thayssen, Die Entwicklung der Niere. Centralbl. für d. med. Wissenschaften. 1875. 11. kiedel, Entwicklung der Säugethierniere. Untersuchungen a. d. anat. 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