Archiv für Mikroskopische Anatomie Entwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und /. W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Neunundfünfzigster Band. Mit 32 Tafeln und 112 Textfiguren. u «1-4 Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1902. Ir EAN ER RN Inha®tt: Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen, den Muskel- spindeln und dem Centrum tendineum des Diaphragmas beim Menschen und bei Säugethieren. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität in St. Petersburg. Hierzu Tafel I und II Ä Der Haarbüschel der Hnithelzellen im vo en: dit Manselere Zugleich ein Beitrag zur Centralkörperfrage in den Epithelien, Von Dr. Alexander Gurwitsch, Assistent am anatomischen Institut in Bern. (Aus dem anatomischen Institut in ae Hierzu Tafel III und 1 Textfigur . ; MI Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei Ir er Von Dr. Völker, Assistent. (Anatomisches Institut der böhmischen Universität in Prag.) Hierzu 21 Textfiguren . FM Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz. ya Dr. Konrad Helly, Prosector. (Aus dem I. anatomischen Institut in Wien.) Hierzu Tafel IV Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachs etanueen (Taxis- und Tropismenformen) der Spermatiden,“ihrer Centralkörper, Idio- zomen und Kerne. Von Dr. Ivar Broman, Docent an der Universität Lund. (Aus den anatomischen Instituten in Kiel und Lund.) Hierzu Tafel V und 59 Textfiguren Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervns are Von Dr. med. Jehita Kishi, Ohrenarzt aus Japan. (Aus dem anatomischen Institut zu Halle a. 8) Hierzu Tafel VI. Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge der Aeolidier. Von Ernst Krembzow. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock.) Hierzu Tafel VII und VIII. Eine neue Methode zur Färbung des Centralnervensystems nebst Be merkungen über die Struktur der Gross- und Kleinbirnrinde. Von Dr. T. Kodis. Hierzu Tafel IX i Ueber die Ossification des Kehlkopfs. Von Dr. Max Scheide Berlin, Hierzu Tafel X und XI. ar Ueber die Veränderungen der insefnsse in en Alter. Von M.Mühlmann. (Aus der Prosectur des Städtischen Spitals in Odessa und dem Pathologischen Institut in Berlin) Hierzu Tafel XII . ; ER E Zur Anatomie des ee Brikemeernen Yon Dr. Adolf Bickel, Assistent an der medizinischen Universitätsklinik in Golkinpen: (Aus dem anatomisch - biologischen Institut der Uni- versität Berlin.) Hierzu Tafel XIII und 3 Textfiguren . Seite 93 106 144 270 IV Ueber die mikroskopischen Veränderungen des Pankreas nach Unter- bindung einzelner Theile und über einige mikrochemische Besonder- heiten der Langerhans’schen Inseln. Von Dr. A. Mankowski. (Aus dem pathologischen Institut von Prof. W. Podwysotzki in Odessa.) Hierzu Tafel XIV 5 a. © Zur Entwicklung des Mittelhirns der Roche nRkche. Von D. Peda- scehenko. (Aus dem Histologischen Laboratorium der Universität München.) Hierzu Tafel XV—XVII und 4 Textfiguren Malariastudien. Von Professor P. Argutinsky. (Aus der nee klinik der Universität Kasan.) Hierzu Tafel XVIII—-XXI. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. Von Dr. med. Röthig, Assistent am anatomisch - biologischen Institut, und cand. med. Theodor Brugsch. (Aus dem anatomisch -biologischen Institut zu Berlin.) Hierzu 16 Abbildungen und 1 schematische Figur Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. Von Dr. med. Max Moszkowski. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Hierzu 4 Textfiguren . Ueber Silberimprägnation der Nervenzellen und der Markicheiden Von Dr. Max Mosse, Assistenten der medizinischen Poliklinik. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut in Berlin) . Beiträge zur Histologie der Speicheldrüsen. Ueber die Aussche des indig-schwefelsauren Natrons durch die Glandula submaxillaris. Von Dr. Rudolf Krause, Privatdocent an der Universität Berlin. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XXII . Tr Das Rückenmark des Orang-Utan. Von Dr. J. A. Figueiredo- Rodrigues, Assistent der Histologie an der medizinischen Fakultät in Rio de Janeiro. (Aus dem anatomisch - biologischen Institut in Berlin.) Hierzu Tafel XXIII und XXIV Gestell für Objektträger bei Reihenschnitten. Von Karl molsapfet (Aus der Frauenklinik der Universität Kiel.) Hierzu 2 Textfiguren Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen bei einem viermonatlichen menschlichen Embryo. Von Professor A. E. v. Smirnow im Tomsk. Hierzu Tafel XXV Studien über die Entwicklung des Vorderdarms und einiger angr EhseneR Organe. I. Abtheilung: Allgemeine Morphologie der Schlundspalten beim Menschen. Entwicklung des Mittelohrraumes und des äusseren Gehörganges. Von Professor J. Aug. Hammar, Upsala, Hierzu Tafel XXVI—XXIX Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle tat in Hm Disphimbie der Säugethiere. Von Privatdozent Dr. A. Timofejew. (Aus dem histologischen Laboratorium der Universität Kasan.) Hierzu Tafel XXX Ueber Kern- und Zelltheilung. Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel XXXI und XXXII und ein Schema im Text . Seite 286 304 388 401 407 417 457 459 471 629 647 Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen, den Muskelspindeln und dem Centrum tendineum des Diaphragmas beim Menschen und bei Säugethieren. Von A.S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität in St. Petersburg. Hierzu Tafel I und II. Die Nervenendigungen in den verschiedenartigen, binde- gewebigen Gebilden (Sehnen, Fascien, Synovialhäuten u. A.) sind bereits lange, insbesondere jedoch in der letzten Zeit, der Gegen- stand zahlreicher Untersuchungen (Golgi (5), Cattaneo (6), Pansini (8), Ciaccio (9), Kölliker (1), lwanoff (10), Ruffini (11), C. Carl Huber (13) u. A.) gewesen, welche zu gewissen positiven Befunden geführt haben. Gleichzeitig ist jedoch die Frage über die Art der Nervenendigung in den serösen Häuten fast vollkommen offen geblieben; behufs Lösung derselben sind, soweit mir bekannt, die neueren Untersuchungsmethoden bisher noch nicht angewandt worden. Da ich mich seit vielen Jahren bereits mit dem Studium der peripherischen Nerven- endigungen in den verschiedensten Organen beschäftige und mich zu dem Zweck vorwiegend der von mir modificirten Methode Ehrlich’s bediene, so versuchte ich auch letztere für die Untersuchung der Nerven in den serösen Häuten anzuwenden. Als Object meiner Untersuchungen diente mir das Bauchfell frischer Kinderleichen (2—3 Stunden nach dem Tode) und Affen, sowie dasjenige von Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen. In der Regel wurde der die hintere Fläche der vorderen Bauch- wand auskleidende Teil des Bauchfells der Untersuchung unter- worfen. Die Resultate meiner Beobachtungen über die Nerven- endigungen im Bauchfell wurden bereits im Jahre 1898 in der St. Petersburger Naturforscher - Gesellschaft mit- Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 59. 1 2 A. 8. Dogiel: getheilt!), da dieselben jedoch nicht im Druck erschienen sind, so theile ich sie in vorliegender Abhandlung mit. Zur Färbung der Bauchfellnerven mit Methylenblau bediente ich mich gewöhnlich zweier Verfahren, welche mir fast stets die besten Resultate gaben. 1.: Das Thier (am besten ein Kaninchen) wurde blutleer gemacht, worauf die Haut des Bauches und der Brust abpräparirt, der Brustkorb eröffnet und in die Aorta descendens eine Canüle eingeführt, während um die v. cava inferior ober- halb des Diaphragmas eine Ligatur angelegt wurde. Alsdann injieirte ich von der Aorta aus die Blutgefässe mit einer 1/4 %o igen Lösung von Methylenblau in physiolögischer Kochsalzlösung. Sobald die Gefässe der vorderen Bauch- wand genügend injieirt erschienen, wurde die v. cava unterhalb.der Ligatur durehschnitten und in die Aorta noch 85 cbem der Farblösung eingeführt. Letzteres hatte den Zweck, das Blut aus den PBlutgefässen zu entfernen, dessen Anwesenheit eine genügende Färbung der Nerven hinderte, Nach Verlauf von 15—20—30 Minuten wird die vordere Bauchwand ausgeschnitten und in querer Richtung in zwei Hälften getheilt, welehe alsdann mit der hinteren Fläche nach oben gerichtet in je eine Petri’sche Schale gebracht werden; die zugedeckte Schale wird im Thermostaten bei emer Temperatur von 35—37° C. aufgestellt. Nach je 3-5 Minuten wurden die Präparate unter dem Mikroskop bei schwacher Vergrösserung durchmustert und, sobald die Nerven in genügendem Maasse gefärbt erschienen, in eine mit 200—400 ebem molybdänsaurer Ammoniaklösung von 5 oder 8° gefüllte Glaswanne über- geführt, oder aber in eine gesättigte wässrige Lösung von pierinsaurem Ammonium. In der Lösung von molybdänsaurem Ammonium verbleibt das Präparat 16—18 Stunden, alsdann wird es zwei Stunden in destillirtem Wasser ausgewaschen; darauf werden von der äusseren (vorderen) Fläche eines jeden Präparats vorsichtig alle Muskeln entfernt, wobei nur eine dünne Schicht der muse reeti abdominis, die unmittelbar mit dem stratrnım subserosum des Bauehfells zusammenhängt, sowie der Randtheil der muse. transversi abdom., von deren vorderen Fläche desgleichen eine mehr oder weniger dünne Schicht abgeschnitten worden war, belassen wird. Alsdann wurde jedes Präparat.längs der linea alba in zwei Hälften durchschnitten und jede Hälfte in querer Richtung wiederum in 2-3 Theile getheilt, je nach der Grösse des Präparats. Die auf diese Weise erhaltenen beträchtlich grossen (6—12 gem) Präparate werden mit den unterliegenden Theilen auf dünnen Cartonstückchen ausgestreckt, mit Stecknadeln befestigt und zwecks Ent- wässerung für 40—60 Minuten in absoluten Alcohol gebracht. Alsdann wurden die Präparate vom Carton entfernt, zunächst in Bergamottöl, als- dann in Xylol aufgehellt und zum Schluss in dickes Damar-Xylol einge- schlossen. Was die in einer Lösung von pierinsaurem Ammonium fixirten Schnitte anbetrifft, so wurden ‚dieselben nach einem 18stündigen Verweilen in der Lösung yon der überflüssigen Schicht der mit ihnen verbundenen Muskeln befreit, in mehrere Theile zertheilt und in Glycerin eingeschlossen, welches 4 1) Sitzungsprotocolle der St. Petersburger Kaiserlichen Naturforscher- Gesellschaft. Abtheilung für Zoologie und Physiologie. 21. Februar 1898. N j a. RR TR a Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Schnen ete. d mit dem gleichen Volum einer gesättigten wässrigen Lösung von pierin- saurem Ammonium verdünnt worden war. — 2. Das zweite Verfahren der Nervenfärbung mit Methylenblau bestand darin, dass am blutleer gemachten Thier oder an der Kinderleiche die Bauchhaut abpräparirt wurde und darauf in den PBauchraum eine Y/s—!/s u ige, auf 37°C. erwärmte Lösung von Methylenblau’) injieirt wurde. Nach Verlauf von 20--30 Minuten wurde die ganze vordere Bauchwand aus- geschnitten und auf dieselbe Weise weiter bearbeitet, wie beim ersteren Verfahren. Das zweite soeben beschriebene Verfahren ziehe ich in den Fällen vor, wenn ich die Nervenendieungen im Bauchfeld und im Diaphragma zu färben beabsichtige; ist es jedoch erforderlich, die Nervenendigungen auch der unterliegenden Theile (im. m. reetus u transversus abdominis und in ihren Sehnen) darzustellen, so ist es bequemer, sich des ersteren Verfahrens zu bedienen. In Anbetracht dessen, dass bei Anwendung der oben erwähnten Färbungsverfahren ich die Möglichkeit hatte, nicht nur die Nervenendigungen in dem Bauchfell, sondern auch in der Sehne des m. transversus abdom., sowie in den insceriptiones tendineae m. recti abdom. und sogar im Dia- phragma zu färben, so beabsichtige ich in dieser Abhandlung gleichzeitig die Frage über die Nervenendigungen in den genannten Gebilden zu berühren. 1. Endigungen sensibler Nerven im parietalen Bauchfellblatte. Die Durehmusterung der nach einem der oben genannten Verfahren angefertigten Präparate lässt erkennen, dass das Bauch- fell reichlich mit Nerven versehen ist, welche sowohl in der serosa selber als auch in der subserosa angeordnet sind. In das stratum subserosum treten in der Regel aus den unterliegenden Theilen Nervenstämmchen von verschiedener Dicke ein; dieselben bilden in den tiefen Schichten des str. serosum ein weitmaschiges Geflecht. Die Maschen dieses Geflechtes sind vieleckig und er- scheinen ausgezogen und zwar in der Nähe der linea alba senk- recht zu ihr, in den übrigen Theilen parallel derselben. Die Nervenstämmcehen werden von marklosen und einer verhältniss- mässig nicht grossen Anzahl dicker und dünner markhaltiger Fasern gebildet; diese unterliegen in den Nervenstämmchen an den Stellen der Ranvier’schen Schnürringe einer mehrfachen Theilung in zwei, drei und hänfig in eine grössere Anzahl mark- ') Der Farbstoff wird in verschiedener Menge eingeführt, je nach der Grösse des Thieres. Grossen Kaninchen führte ich z. B. 30-40 cbem der Methylenblaulösung ein. 4 A. 8. Dogiel: haltiger Aestchen, welche von einem Stämmehen zu anderen hin- überziehen, um sich dort von neuem zu theilen; in Folge dessen finden wir in fast allen Maschen des Geflechtes markhaltige Nervenfasern. Vicke markhaltige Nervenfasern, sind, soviel ich bemerken konnte, in den Stämmehen des genannten Geflechtes in weitaus geringerer Zahl vorhanden als die dünnen Fasern. Sämmtliche marklose Fasern trennen sich früher oder später von den Aesten des Geflechtes und begeben sich zu den Blutgefässen — Arterien, Venen und Capillaren sowohl des str. subserosum als auch der serosa, wo sie in der Weise endigen, wie es bereits mehrfach von mir, sowie von anderen Beobachtern beschrieben worden ist. Es ist bemerkenswerth, dass bisweilen im Verlauf der Aestchen des Geflechtes selber kleine Gruppen sympathischer Nervenzellen, sowie einzelne Nerven- zellen eingelagert sind. Was die markhaltigen Fasern an- betrifft, so gehören sie den sensiblen Fasern an und endigen im str. subserosum und in der serosa in besonderen Endapparaten, unter denen zwei Grundformen unterschieden werden können: a) ein- gecapselte Endkörperchen und b) nichteingecapselte Endver- zweigungen. a) Die eingecapselten Endkörperchen (Fig. 1, 2, 3, 4, 5 und 6) sind dem Typus kleiner Vater- Paccini’schen Körperchen zuzurechnen und unterscheiden sich in ihrem Bau nicht wesentlich von den eingecapselten Endapparaten, wie sie von verschiedenen Beobachtern (Ruffini (11), Timofeew (12), und And.) an den Uebergangsstellen der Muskeln in Sehnen, in dem Bindegewebe der Haut u. s. w. beschrieben worden sind, In der Regel haben sie die Form langer Cylinder mit abge- rundeten Enden, oder aber sie erscheinen in Form abgerundeter, kolbenförmiger oder eiförmiger Gebilde, (Fig. 1, 2, 3, 4, 6), wo- bei sie sowohl im str. subserosum als auch in der serosa gelagert sind. Im Bauchfell selber (in der tunica serosa) liegen die er- wähnten Körperchen sehr oberflächlich, nicht selten fast unmittelbar unter dem Epithel, wobei ihr langer Durchmesser parallel der Oberfläche des Bauchfells oder um einiges schräg zu derselben gestellt ist. Im str. subserosum sind sie in verschiedener Ent- fernung von dem Bauchfellüberzug angeordnet, einige von ihnen dringen sogar in das intermusculäre Bindegewebe, in welches das stratum subserosum unmittelbar übergeht, ein; der lange Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete, 5 Durchmesser der Körperchen ist bald parallel der Oberfläche des Bauchfells gerichtet, bald fast senkrecht zu ihr. Bisweilen ist das eine oder andere Körperchen von den Bindegewebsfibrillenbündeln, zwischen denen es gelagert ist, comprimirt und erscheint in Folge dessen stark in die Länge gezogen. Die Zahl der Endkörperchen in dem, die hintere Bauchwandfläche auskleidenden Bauchfellabschnitt ist verhältniss- mässig nicht gross; auf einer Fläche von 37”—45 qem bei einem Kinde zählte ich 53 bis 45 Endkörperchen !); sie sind ungleich- mässig im Bauchfell zerstreut und in der Mehrzahl der Fälle gruppenweise, zu 2—5—4 Körperchen in jeder Gruppe, an- geordnet. Was die feinere Structur der genannten Körperchen an- betrifft, so gleicht sie in vielem derjenigen der Vater - Paccini- schen Körperchen; sie unterscheiden sich von den letzteren durch die geringere Grösse und darin, dass die den Hohlraum des inneren Kolbens begrenzende Hülle dünner ist. Ihre Länge beträgt beim Kinde von 0,025 bis 0,195 mm, der quere Durch- messer schwankt zwischen 0,012 bis 0,043 mm. Die Hülle setzt sich aus mehreren bindegewebigen Uapsellamellen zusammen, die concentrisch in geringen Abständen von einander angeordnet sind; zwischen den Lamellen sind flache mit Fortsätzen versehene Bindegewebszellen eingelagert, welche an den Kernen zu .erkennen sind ; dieselben sind wie die Capsellamellen desgleichen concentrisch angeordnet. Die Dicke der Capseln und folglich auch die Zahl der Capsellamellen steht zum Theil in einer gewissen Abhängigkeit von der Grösse eines jeden Körperchens. In den langen schmalen Körperchen sowie in den kleinen ist die Hülle dünner, als in den grossen ovalen oder birnförmigen Körperchen. Beim Menschen erscheint die Hülle der Endkörperchen, soviel ich constatiren konnte, sehr dick und besteht aus vielen Lamellen, zwischen denen beträchtliche Abstände vorhanden sind; in Folge dessen ähneln die Körperchen selber durchaus den Vater-Pacini’schen und unterscheiden sich von ihnen nur durch die geringere Grösse. Es ist bemerkenswerth, dass jedes Körperchen, wie es auf der Fig. 6 dargestellt ist, von einem beträchtlich dichten Gapillarnetz umsponnen ist, wobei dasselbe !) Die Bestimmung ist selbstverständlich nur eine ungefähre, da sich gewöhnlich nicht alle Endkörperchen färben, 6 A,S, Dogiel: dicht der Oberfläche der äussersten Capsel anliegt; in Folge dessen gelingt es oft in den Fällen wenn die Nerven in den Körperchen nicht gefärbt sind, die dasselbe umspinnenden Capillaren dagegen mit Blut angefüllt sind, die Körperchen an dem, Capillarnetz aufzufinden. Die markhaltigen Nervenfasern, welche in den Endkörper- chen endigen, fallen vor allem durch ihre Dicke auf, sowie durch den Umstand, dass die Ranvier’schen Schnürringe an ihnen in verhältnissmässig grossen Abständen von einander angeordnet sind. Die genannten Fasern zerfällen nach wiederholten Thei- lungen in eine Anzahl dicker markhaltiger Aeste, welche von dem Maschenwerk des oben erwähnten Geflechtes abtreten, wo- bei ein Theil von ihnen sich in’s stratum subserosum begiebt, während ein anderer zur serosa zieht. Sowohl im stratum sub- serosum als auch im Bauchfell selber theilen sich die genannten Fasern wiederum in eine Anzahl markhaltiger Aeste, welche ihrerseits nach längerem oder kürzerem Verlaufe in 2—-3—4—8 Aestchen zerfallen (Fig. 1B). Ein jedes dieser letzteren begiebt sich, in der Mehrzahl der Fälle ohne die Markhülle zu verlieren, zu einem Pol eines Körperchens; dicht an diesem verliert es die Markscheide und tritt in Gestalt eines nackten Axencylinders in den beträchtlich breiten Innenkolben. In demselben verläuft der Axencylinder unter schlangenförmigen Windungen im Axen- theil des Hohlraums, wobei er nach allen Seiten hin eine grosse Anzahl verschieden dicker Seitenäste abgiebt (Fig. 2, 3 und 4); in der Nähe des Endes des Innenkolbens bildet der Axeneylinder eine kleine Anschwellung und zerfällt in seine Endäste. Alle Aeste theilen sich ihrerseits unter verschiedenen Winkeln in eine grosse Zahl feiner, stellenweise verdickter Fäden, welche mit einander anastomosiren und den ganzen Hohlraum des Innen- kolbens ausfüllen (Fig. 2, III, V und Fig. 5). Die Verzweigungen des Axencylinders im Innenkolben und die Anastomosen zwischen den Nervenästchen sind besonders gut in den Körperchen des Bauchfells vom Menschen zu erkennen (Fig. 3). Häufig er- scheinen die von den dickeren Verzweigungen des Axencylinders abgehenden Seitenästchen vollkommen ungefärbt oder sind nur auf einem geringen Theil ihres Verlaufs gefärbt; in derartigen Fällen sind die letzteren entweder vollkommen glatt oder aber sie sind mit einer grossen Zahl dornenförmiger Fortsätze besetzt, Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete, 7 die entweder zugespitzt oder stumpf endigen. Nicht selten schrumpfen diese Fortsätze in den Präparaten, welehe nach dem von mir modifieirten Verfahren von Bethe fixirt wurden und nehmen das Aussehen feiner Nadeln (Fäden) an (Fig. 3 und 4 A). Zuweilen theilt sich die eine oder die andere Nervenfaser, nach- dem sie ihre Markhülle verloren, in 2—5 Aestchen, von denen ein jedes sofort in den inneren Kolben eines Körperchens-ein- tritt; in demselben giebt es nach kurzem Verlauf wiederum einige secundäre Aestchen unter spitzen oder stumpfen Winkeln ab, die ihrerseits in gesonderten Hohlräumen eingelagert sind. Die Folge einer derartigen Theilung der Nervenfasern ist die Bildung zusammengesetzter Endkörperchen (Fig. 2, IV). Von dem Aestchen, welches in je einer Abtheilung eines der- artigen zusammengesetzten Körperchens gelagert ist, entspringen, wie bei den einfachen Körperchen, eine grosse Zahl sich all- mählich theilender Seitenfäden, die im Innenkolben anastomosiren und ein Netzwerk bilden. In den grossen cylindrischen Körper- chen theilt sich die Nervenfaser sofort, nachdem sie die Mark- scheide verloren und in den weiten Innenkolben eingetreten ist, in 2—3 dicke Aeste, welche sich windend und verflechtend neben- einander verlaufen und dabei in verschieden dicke und lange Aestchen theilen; letztere theilen sich ihrerseits, so dass in Folge dessen im Hohlraum des Körperchens eine verschieden grosse Zahl gewundener Nervenästchen sich vorfindet (Fig. 2, II, IV und Fig. 3). Die letzteren entsenden nun nach allen Seiten feine Fäden, welche sich theilen und sowohl untereinander als auch mit den dickeren Aestehen anastomosiren, so dass ein vollkommenes Netzwerk entsteht (Fig. 3). Sue Nicht selten theilt sich eine Nervenfaser auf ihrem Verlauf zu einem Körperchen, an dem letzten oder vorletzten Schnür- ringe Ranvier’s in zwei gleich- oder ungleichdicke Aeste; nach Verlust der Markscheide dringen diese alsdann: in die Höhle des Körperchens und verzweigen sich in der oben erwähnten Weise (Fig. 2, II, III); zuweilen ist der eine von diesen Aesten auf seinem ganzen Verlauf marklos (Fig. 2, V). Zwei Nervenfasern treten in der Mehrzahl der Fälle in die Höhle grosser Körper- chen ein; in Folge dessen sind im Hohlraum der letzteren eine weitaus grössere Anzahl von Verzweigungen, welche die End- knäuel bilden, vorhanden, als in dem Hohlraum ..der kleineren 8 A. S. Dogiel: Körperchen, in welchem sich der Axencylinder blos einer Nervenfaser verästelt. Beim Verfolgen des Verlaufs einer dicken markhaltigen Nervenfaser ist es fernerhin nicht schwer zu beobachten, dass dieselbe lange noch vor dem Zerfall in Endäste kurze Seitenäste abgiebt, welche in der Regel der Markscheide entbehren und alsbald in den Hohlraum kleiner cylindrischer Endkörperchen eintreten, woselbst sie in derselben Weise endigen, wie in anderen ähnlichen Körperchen. Jede dicke markhaltige Nervenfaser zerfällt allmählich auf ihrem Verlaufe in eine grosse Anzahl Fasern und endigt somit in vielen Endkörperchen, welche an ihr wie Beeren an einem Stiel hängen (Fig. 1 A u. B). In Anbetracht dessen, dass die beschriebenen Körperchen ihrem Bau nach den Vater-Paceini’schen nahe stehen, war es natürlich vorauszusetzen, dass in denselben nicht nur dicke mark- haltige Fasern endigen, sondern auch Fasern anderer Art, wie sie von mir in den Herbst’schen Körperchen und darauf von Sala und Sokoloff in den Paccini’schen Körperchen beschrieben worden sind. In Folge dessen beschloss ich, diese Frage auch hinsichtlich der Endkörperchen des Bauchfells zu lösen, wobei es mir nach sorgfältiger Untersuchung gelang, in denselben die Anwesenheit der erwähnten Fasern zu constatiren. Die End- verzweigungen dieser Fasern färben sich sehr schwer mit Methylen- blau, in Folge dessen dieselben nur an besonders günstigen Präparaten und auch dann nur an einzelnen Körperchen sicht- bar sind. An derartigen Präparaten lässt sich constatiren, dass die dicken markhaltigen Fasern nach ihrem Abgang von den Aesten des Nervengeflechtes zu den Endkörperchen nicht allein verlaufen, sondern stets von dünnen marklosen (sympathischen) und dünnen markhal- tigen Fasern begleitet werden. Inder Regel sind in den genannten markhaltigen Fasern die Ranvier’schen Schnürringe in geringeren Abständen von einander angeordnet, wodurch diese Fasern sich unter Anderem von den in dem Hohlraum der Körperchen endigenden, dicken, markhaltigen Fasern unter- scheiden. Die marklosen Fasern treten in der Zahl von einer bis zwei Fasern an ein Körperchen heran und zerfallen sofort Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen etc. 9 in eine grosse Zahl dünner varicöser Fäden, welche sich ver- zweigen und ein recht dichtes Geflecht bilden; letzteres um- flicht augenscheinlich das Endkörperchen. Bei sorgfältigerer Untersuchung jedoch erweist es sich, dass die das genannte (reflecht bildenden Fäden längs den Capillaren, welche, wie oben erwähnt, ein jedes Körperchen umgeben, verlaufen und das Capillarnetz umflechten, ohne irgend welche directe Beziehung zum Körperchen selber zu haben (Fig 4 B und Fig. 6). Die Verästelungen der sympathischen Fasern um die Capillaren tritt besonders deutlich in den Fällen hervor, wenn in den Capillaren rothe Blutzellen enthalten sind, wobei äusserst deutlich das das Körperchen umspinnende Oapillarnetz wahrnehmbar ist. Die dünnen markhaltigen Nervenfasern verlieren gewöhnlich bereits in beträchtlicher Entfernung vom Endkörper- chen die Markscheide und treten in Gestalt mehr oder weniger feiner Fasern zusammen mit den Aesten der dicken markhaltigen Fasern in den Hohlraum des Körperchens ein und zerfallen als- dann allmählich in eine grosse Zahl äusserst feiner varicöser Fäden, welche sich häufig an der Peripherie des Innenkolbens spiralförmig winden und, indem sie sich unter einander ver- einigen, an der ganzen Peripherie des Hohlraums des Körper- chens ein recht dichtes Netz bilden (Fig. 4 und 5) Dieses Netz ist nicht mit dem, die Capillaren umflechtenden Netzwerk zu verwechseln; letzteres ist an der Peripherie des Körperchens angeordnet; dasselbe kann jedoch leicht Veranlassung zu einem Beobachtungsfehler geben, wenn die Capillaren kein Blut enthalten. In den erwähnten Endkörperchen endigen somit zweierlei Arten von Fasern: die eine Art stellt dieke markhaltige Fasern dar, welche im Hohlraum eines jeden Körperchens in eine grosse Zahl von Aesten zerfallen; letztere anastomosiren mit ein- ander und bilden ein vollkommenes Netz; die andere Artsind dünne markhaltige Fasern, welche sich an der ganzen Peripherie des Hohlraums im Körperchen verzweigen und daselbst ein dichtes Netzwerk bilden, das von dünnen varicösen Fäden gebildet wird Diese Befunde weisen darauf hin, dass die im Bauchfell eingelagerten Körperchen, sowie die Vater-Paccini’schen Körper- chen und theilweise auch die Herbst’schen Körperchen, was die 10 A. S. Dogiel: Art der Nervenendigungen in ihnen anbetrifft, fast vollkommen gleiche Gebilde darstellen. Zum Schluss bleibt es noch übrig mit einigen Worten des Baues derjenigen Aeste zu berühren, welche im Innenkolben gelagert sind Die genannten Nervenästchen bestehen, wie auch in den Herbst’schen und Paceini’schen Körperchen aus einer Axenfaser oder einem Axenfaden, welcher aus feinsten, durch unbedeutende Mengen interfibrillärer Substanz verbundenen, Fibrillen zusammengesetzt ist und aus einer mehr oder weniger dünnen peripheren Schicht (Mantel), welche jedes Aestchen um- hüllt. Die genannte Schicht ist nun nichts anderes als eine Anhäufung derselben interfibrillären Substanz des Axencylinders und der aus ihm hervorgehenden Aestchen. In der Regel färben sich die Fibrillen mit Methylenblau intensiver als die inter- fibrilläre Substanz, welche sich schwächer färbt oder häufig voll- kommen ungefärbt bleibt; in Folge dessen erscheinen die Axen- cylinder und seine Verästelungen in Gestalt von feinen oder dicken Fasern und Fäden, je nachdem. ob die Fibrillen allein gefärbt sind, oder sich auch die interfibrilläre Substanz mit- gefärbt hat. In den Fällen, wenn die interfibrilläre Substanz sich sehr intensiv gefärbt hat, was nach langdauernder Ein- wirkung des Farbstofts beobachtet wird, verschwindet der scharfe Unterschied zwischen der interfibrillären Substanz und der Axen- faser, und der Axencylinder, mit seinen Verästelungen erscheint gleichmässig gefärbt. b) Uneingecapselte nervöse Endapparate (Fig. 7, 8, 9 und 10) sind wie die eingecapselten sowohl in der serosa als auch im strat. subserosum in bedeutender Zahl vorhanden ; an denselben kann man zwei Haupttypen unterscheiden, von denen der eine vorwiegend in den tieferen Schichten des Bauchfells, der andere in den oberflächlichsten Schichten fast unmittelbar unter dem Epithel angeordnet ist. An den, nach einem der oben genannten Verfahren gefärbten und fixirten Präparaten, insbesondere an den in pierinsaurem Ammoniak fixirten, kann man in der Regel wahrnehmen, dass viele dünne markhaltige Nervenfasern noch während ihres Ver- laufs in den Maschen des Geflechtes sich allmählich gabelförmig theilen; die Theilungsäste nehmen verschiedene Richtungen an, indem sie sich von den Stämmcehen des Geflechtes absondern, Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete. 11 und dringen in die serosa und in das str. subserosum ein. Auf ihrem Verlauf theilen sich diese Nervenfasern mehrfach, in Folge dessen aus einer Faser 10—15—17 und sogar mehr markhaltige Nervenfasern hervorgehen (Fig. 9 A). Nach Verlauf einer gewissen Strecke verliert eine jede Nervenfaser plötzlich ihre Markscheide und das Neurilemm, während der Axencylinder sofort in mehrere (2-3) Aestchen zerfällt. Die letzteren theilen sich ihrerseits alsbald in eine grosse Zahl kurzer, desgleichen sich vielfach theilender Aestchen und Fäden, welche stellenweise vieleckige, blattförmige, mehr oder weniger platte Verbreiterungen bilden; von den Ecken dieser blattförmigen Plättchen sondern sich äusserst feine Fäden ab, welche sich mit den benachbarten Verbreiterungen verbinden. Auf diese Weise resultirt ein recht dichtes Endnetz (Fig. 7, 8 und 9), welches in der Regel eine verhältnissmässig kleine Fläche einnimmt. Nicht selten sind die ein derartiges Netz bildenden Nervenfäden und -ästchen nicht mit platten- förmigen Verbreiterungen, sondern mit spindelförmigen und un- regelmässig gestalteten Anschwellungen besetzt, in anderen Fällen wiederum erreichen viele plattenförmige Verbreiterungen eine beträchtliche Grösse, oder aber der Axencylinder plattet sich zunächst zu einem dünnen Plättchen ab (Fig. 7 II und Fig. 5); von den Rändern desselben und sogar von der Oberfläche gehen als- dann zahlreiche sich verästelnde und mit einander anastomosirende Fäden ab. Bisweilen sondert sich im Verlauf einer Nervenfaser, kurz vor ihrem Uebergang in den Endapparat, von zwei benach- barten Einschnürungen je ein kurzer und feiner Seitenast ab; jeder derselben theilt sich seinerseits in eine gewisse Anzahl unter einander anastomosirender Aestchen und Fäden, welche einen Endapparat bilden. (Fig. 7 II). Von vielen Endapparaten sondern sich ausserdem bald ein bald mehrere feine Fäden ab, welche in verschiedener Entfernung von ersterem eine ent- sprechende Anzahl neuer Endverzweigungen bilden, oder aber sich allmählich verjüngen und alsdann fein zugespitzt endigen. In einigen Fällen habe ich wahrnehmen können, dass eines der beschriebenen Aestchen nach längerem Verlauf, ohne dabei in Endäste zu zerfallen, sich schliesslich zu den Fäden eines End- apparates hinzugesellte. Derartige Fäden (Fig 7 II) dienen der Vereinigung verschiedener Nervenapparate, und sind den Fäden analog, welche z. B. in den sensiblen Apparaten des Pericard’s 12 AS. Dogiel: beobachtet werden. In den mit einer Lösung von pierinsaurem Ammoniak fixirten Präparaten des Bauchfells kann man schliesslich in vielen Endverzweigungen die Anwesenheit eines oder mehrerer runder von Nervenfäden umsponnenen Kerne constatiren (Fig. 7 ]). Ob diese Kerne besonderen sternförmigen, das Gerüst des End- apparats bildenden Zellen — wie solches z. B. in den sensiblen Endapparaten des Pericards und Endocards wahrnehmbar ist — angehören, kann ich vorläufig nicht endgültig entscheiden. — Die einen Endapparat zusammensetzenden Verzweigungen sind entweder in beinahe einer Ebene parallel der Oberfläche des Bauchfells angeordnet, oder aber sie sind in verschiedenen Ebenen gelagert und umflechten ein oder mehrere Bindegewebs- fibrillenbündel (je nach der Grösse der Verzweigung) (Fig. 8). In Folge der erwähnten Beziehung der Nervenendapparate zu den Bindegewebsfibrillenbündeln, werden die Verdickungen, mit denen die Aestchen und Fäden dieser Apparate besetzt sind, von den Bündeln comprimirt und nehmen das Aussehen verschieden gestalteter Plättchen an. In der Regel zerfällt, wie bereits oben - erwähnt wurde, eine jede markhaltige Nervenfaser in eine grosse Zahl (10—15—17) Aeste, von denen ein jeder einen Endapparat bildet; alle diese Endapparate sind in der Mehrzahl der Fälle in geringer Entfernung von einander, jedoch in verschiedener Höhe von der freien Bauchfelloberfläche gelagert. Ausser den soeben beschriebenen Endverzweigungen von Nervenfasern sind im Bauchfell noch Nervenapparate vorhanden, die sich nur in geringem Grade von den ersteren unterscheiden. Sie werden desgleichen von dünnen markhaltigen Nervenfasern gebildet, welche sich noch während ihres Verlaufs in dem Nerven- geflecht vielfach theilen und sich allmählich von den Aesten des (Geflechtes ablösen. Ein jedes Aestchen der erwähnten Nerven- faser verliert auf seinem Verlauf früher oder später die Mark- scheide, erreicht die oberflächlichste Schicht des Bauchfells und zerfällt daselbst in eine grosse Zahl dünner varicöser Fäden; letztere geben eine bedeutende Zahl verschieden langer varicöser Fädchen ab, welche sich mehrfach teilen, mit einander anastomo- siren und ein mehr oder weniger dichtes Endnetz bilden (Fig. 10); dasselbe ist sehr oberflächlich, fast unmittelbar unter dem Epithel des Bauchfells gelagert. In den Fällen, wenn das Epithel stellenweise erhalten ist und sich die genannten Nerven- Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete. 15 verzweigungen gefärbt haben, sind dieselben durch das Epithel hindurch bei derselben Tubuseinstellung des Mikroskops wie das Epithel selber, wenngleich auch nicht vollkommen deutlich, wahr- zunehmen. Die Endnetze nehmen nicht selten eine beträchtliche Fläche ein und erscheinen entweder in die Länge ausgezogen oder aber von unregelmässiger Gestalt, wobei sie an die, von mir beschriebenen, unter dem Epithel des Pericard’s und Endocard’s gelegenen Endapparate erinnern. Von ersteren sondern sich gleichfalls dünne varicöse Fädchen ab, welche entweder ähnliche Endnetze bilden, oder einen Endapparat mit einem anderen ver- binden (Fig. 10). In den beschriebenen Endapparaten habe ich desgleichen ovale oder runde Kerne angetroffen (Fig. 10), wie sie vielfach in den Endverzweigungen des ersten Typus gefunden werden. Den Hauptunterschied zwischen den beiderlei Arten von Nervenapparaten besteht somit darin, dass die Apparate der zweiten Art sehr oberflächlich gelagert sind, dass sie aus einem Netz äusserst feiner varieösen Fädchen bestehen und eine weit grössere Fläche einnehmen, als die Apparate der ersten Art; die an der Zusammensetzung dieser Apparate theilnehmenden Nerven- füden sind in der Regel nicht mit derartigen platten Ver- breiterungen besetzt, wie sie stets an den Endapparaten des ersten Typus angetroffen werden. Die Abwesenheit dieser blatt- förmigen Verbreiterungen erklärt sich, meiner Meinung nach, dadurch, dass die Apparate vom zweiten Typus viel oberfläch- licher liegen und infolge dessen nicht in dem Maasse von den Bindegewebsfibrillenbündeln comprimirt werden, wie die tiefer eingelagerten Endapparate vom ersten Typus. Als eine character- istische Eigenthümlichkeit der Endapparate des ersten Typus bleibt noch zu erwähnen, dass die in demselben endigenden markhaltigen Nervenfasern lange noch vor dem Uebergang in die Endnetze ihre Markscheide verlieren. Ein Vergleich der uneingecapselten Endigungen sensibler Nerven im Bauchfell mit ähnlichen Endigungen im Pericard, Endocard und dem intermusculären Bindegewebe des Herzens zeigt nun, dass dieselben vieles gemeinsame in ihrem Aufbau haben. v ll. Nervenendigungen in den Sehnen. (Fig. 11, 12 und 13.) Die Frage über die Nervenendigungen in den Sehnen wurde bereits von Sachs (3) (im Jahre 1875) und Rollet (4) (im 14 A. 8. Dogiel: Jahre 1876) aufgeworfen; in der letzten Zeit ist dieselbe, dank den Untersuchungen von Golgi (5), Cataneo (6), Ciaccio (9), wuffini (11), Huber (13)u. A. sehr sorgfältig durchgearbeitet worden. In Anbetracht dessen werde ich mich darauf beschränken auf einige Eigenthümlichkeiten, die von mir beim Studium der Endigungen sensibler Nerven in der Sehne des m. transversus sowie in den inscriptiones tendineae m. recti abdominis des Menschen und der oben erwähnten Thiere constatirt worden sind, hinzuweisen. Bei den Untersuchungen der Nervenendigungen im Bauchfell habe ich in Anbetracht seiner Dünne, dasselbe nicht von den darunterliegenden Theilen abgelöst, sondern präparirte nur die schrägen Bauchmuskeln ab und schnitt von der vorderen Fläche der geraden und queren Bauchmuskeln nur eine dünne Schicht der Muskeln ab; bei jungen oder kleinen Thieren liess ich die Muskeln in toto. Auf diese Weise hatte ich die Möglichkeit in meinen Präparaten gleichzeitig die Nerven des Bauchfells und die Nervenendigungen in den Sehnen der genannten Muskeln zu untersuchen. Die sensiblen Nervenfasern, welche in den Sehnenaus- breitungen des m. transversus und in den insceriptiones tendineae m. recti abdominis endigen, sondern sich in der Mehrzahl der Fälle von denjenigen Nervenstämmchen ab, die theils selbstständig, theils als Begleiter von Blutgefässen sich zum Bauchfell begeben und daselbst das oben beschriebene Geflecht bilden: die ersteren dringen in die Sehnen entweder durch die Zwischenräume zwischen den Muskelfasern, in der Nähe des Uebergangs der Muskeln in die Sehnen, oder aber durch das Sehnengewebe selber ein (Fig. 11). ‚Die genannten Fasern gehören der Kategorie dicker markhaltiger Nervenfasern an; dieselben theilen sich, nicht selten noch während des Verlaufes in den Nervenstämmchen, gabelföürmig in 2—3 Aeste; alsdann sondern sie sich von den Stämmcehen ab und dringen in die Bindegewebssepta zwischen den Muskelbündeln ein (Fig. 11). Soviel ich auf meinen zahlreichen Präparaten habe constatiren können, sind nur äusserst wenige der genannten Fasern in den Sehnen selber oder an den Uebergangsstellen derselben in die Muskeln gelagert. Nach einem kürzeren oder längeren Verlauf in dieser oder jener Richtung giebt eine jede dieser Nervenfasern (an den nahe beieinandergelagerten Ranvier’schen Einschnürungen) zunächst einige (5—6—8 und mehr) kurze Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete. 15 markhaltige und marklose Aeste ab, und verliert alsdann selber seine Markscheide, worauf der Axencylinder sich endgültig in eine gewisse Anzahl kurzer Aestchen theilt. Ein jeder der auf diese Weise gebildeten Aeste giebt allmählich eine grosse Zahl dicker, sich mehrfach theilender Aestchen ab, wobei die mit einer Markscheide versehenen Aestchen dieselbe in der Regel dicht an der Abgangsstelle von der Nervenfaser verlieren. Von sämmtlichen secundären Aestchen und ihren Verzweigungen gehen schliesslich eine Menge kurzer Seitenfortsätze ab, in Gestalt viel- eckiger, blattförmiger Plättchen (Fig. 11, 12 und 13). Von den Ecken dieser entspringen verschieden lange feine Fäden, ver- mittelst derer einmal die benachbarten, einem Aestchen zuge- hörigen Plättchen sich untereinander verbinden und ein eigen- thümlich gestaltetes Netz bilden, zweitens eine Verbindung mit anderen Aestchen des gegebenen sensiblen Apparates hergestellt wird. Die mit den blattförmigen Seitensprossen besetzten End- verzweigungen sind gewöhnlich zwischen den Bindegewebsfibrillen- bündeln eingelagert, dringen beträchtlich weit in das inter- museuläre Bindegewebe ein und sind unmittelbar den Bündeln angelagert, wobei sie dieselben nicht selten in beträchtlicher Ausdehnung umflechten. Fast in jedem Endapparat, in welchem eine Nervenfaser endigt, erscheinen die platten blattförmigen Seitensprossen in Bezug auf den Beobachter bald von der Kante bald von der Flächenansicht, wobei sie im ersteren Fall das Aus- sehen mehr oder weniger schmaler Streifen haben. Je grösser die Zahl der von den Endverzweigungen der Nervenfaser ab- gehenden, secundären, tertiären u. s. w. Aestchen ist, um so complieirter erscheint natürlich der Endapparat selber und um- gekehrt. Am häufigsten bildet eine markhaltige, sich vom Nerven- stamm gesonderte Nervenfaser nur einen Endapparat; bisweilen jedoch giebt sie in der Entfernung von einem oder zwei Schnür- ringen von der Endverzweigung einen kurzen, häufig markhaltigen Seitenast ab, welcher entweder die Richtung der Hauptfaser ein- hält oder aber eine andere Richtung einschlägt, um schliesslich eine Endverzweigung zu bilden. Neben den beschriebenen, verhältnissmässig einfachen, Formen von Nervenendigungen werden nicht selten complieirtere Formen angetroffen. Diese zusammen- gesetzten Endapparate sind dadurch characterisirt, dass an der Bildung eines derartigen Apparates zwei einzelne Nerven- 16 A. 8. Dogiel: fasern theilnehmen (Fig. 12 B). Soviel ich habe wahrnehmen können begiebt sich eine jede dieser Fasern, nach ihrer Ab- sonderung von ein oder zwei verschiedenen Stämmchen, zu einem intermusculären Bindegewebsseptum. Nachdem die Nerven- fasern eine gewisse Strecke im Septum durchlaufen haben, nähern sich dieselben einander und theilen sich an einer Einschnürung in je zwei Fasern, welche in entgegengesetzten Richtungen verlaufen. Auf ihrem Verlauf theilen sich diese Fasern mehrfach, wobei ihre Endverzweigungen mit einander anastomosiren und einen zusammengesetzten Endapparat bilden, welcher seinerseits, wie es aus der Fig. 12 B ersichtlich, eigentlich blos zwei, eng mit einander verbundene, einfache Apparate darstellt. Derartige Nervenendigungen in dem intermuseulären Bindegewebe werden fast in jedem Präparat angetroffen. Alle Nervenendigungen in den Sehnen, sowohl die einfachen als auch die soeben beschriebenen zusammengesetzten Formen sind, soviel ich habe wahrnehmen können, von keiner Hülle umgeben; sie sind folglich den nicht- eingecapselten Nervenendapparaten zuzurechnen. In der Mehrzahl der Fälle sind in den von mir unter- suchten Sehnen die sensiblen Nervenendapparate nicht an der Uebergangsstelle der Muskeln in die Sehnen selber, sondern in einer gewissen, bisweilen beträchtlich weiten Entfernung von derselben — in den Bindegewebssepta, welche die Muskelbündel trennen (Fig. 11), gelagert. In seltenen Fällen ist ein Theil der beschriebenen Endapparate in der Sehne, der andere im Binde- gewebsseptum, gelagert; noch seltener ist der gesammte sensible Apparat in der Sehne selber, an der Uebergangsstelle derselben in die Muskeln gelegen. Da ich die Möglichkeit hatte, dank der beträchtlichen Ausdehnung meiner Präparate, auf grosser Strecke hin den Uebergang des m. transversus in seine Sehne zu durchmustern, so konnte ich wahrnehmen, dass in der Vertheilung der be- schriebenen Apparate eine gewisse hegelmässigkeit vorhanden ist. Dieselben sind stets in bestimmten Abständen von einander und fast in einer Linie angeordnet (Fig. 11). Da aber in dem von mir untersuchten Muskel die einen Fasern früher die anderen später endigen, so erscheint selbstverständlich auch der Rand des Muskels an der Uebergangs- stelle in die Sehne in Gestalt einer mehr oder weniger gebrochenen Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete. 17 Linie. Entsprechend diesem Umstande sind auch die sensiblen Nervenendapparate längs dem ganzen Rande des Muskels nicht in einer geraden Linie angeordnet, sondern erscheinen bald auf die eine Seite bald auf die andere abgerückt, d. h. sie sind längs dem gesammten Rande des Muskels in einer gebrochenen Linie gelagert. R In den inscriptiones tendineae des m. rectus abdominis sind ebensolche Endigungen sensibler Nerven vorhanden wie in den Sehnenausbreitungen des m. transversus abd.; sie sind des- gleichen in den Bindegewebssepta zwischen den Muskelbündeln eingelagert (Fig. 13), oder dringen bisweilen zum Theil in die inscriptiones selber ein. Die Aestchen der Endverzweigungen genannter Fasern ziehen gewöhnlich parallel dem Verlauf der Bindegewebsfibrillenbündel. Ill. Die Nervenendigungen in den Muskelspindeln (Fig. 14). Gleichzeitig mit der Färbung der Nervenendigungen in den Sehnen der oben erwähnten Muskeln wurde auch eine sehr voll- kommene Färbung der Nerven in den Muskelspindeln erhalten. Die Frage nach dem Verhalten der Nerven zu diesen eigen- thümlichen Gebilden ist der Gegenstand vielfacher Untersuchungen gewesen; unter diesen verdienen besondere Beachtung die Be- obachtungen, welche in der letzten Zeit von Ruffini (11) und Huber (13) gemacht worden sind. In diesen Arbeiten ist die Litteratur der betreffenden Frage sehr sorgfältig zusammen- gestellt. Die genannten Autoren haben fast Alles erreicht, was mit den vorhandenen Untersuchungsmethoden der Nerven zu machen ist, in Folge dessen meine Bemerkung nur eine Be- stätigung und blos zum Theil eine Vervollständigung dessen, was diese Autoren bereits gesehen und beschrieben haben, sein wird. Die unter dem Namen „Muskelspindeln“ bekannten Gebilde sind von einer Reihe von Forschern Kölliker (1), Kühne (), Cattaneo (6), Kerschner (7) u. A. ausführlich studirt worden: sie bestehen aus 1—2 oder 3-4 oder gar aus einer bedeutend grösseren Zahl (10—15) quergestreifter Muskelfasern, welche von einer beträchtlich dieken Bindegewebshülle -— perimysium — umgeben sind. In Anbetracht des Gesagten könnte man eigentlich einfache und zusammengesetzte Formen von Muskel- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, 92 18 A. 8. Dogiel: spindeln unterscheiden. Die einfachen Muskelspindeln haben in der Regel keine ausgesprochene Spindelform ; die zusammen- gesetzten Spindeln erscheinen in der That in Folge des allmählichen Uebergangs der sie zusammensetzenden Fasern in die Sehnen, in ihrem mittleren Theil mehr oder weniger verdickt d. h. sie nehmen Spindelform an. Die die Muskelspindeln zusammen- setzenden Muskelfasern haben einen verschiedenen Durchmesser: einige von ihnen sind sehr dünn, andere umgekehrt sehr dick, wobei sie jedoch sämmtlich quergestreift erscheinen. Die Muskelspindeln sind, soviel ich bemerken konnte, gleich häufig im ım. transversus und rectus abdominis sowohl junger als auch vollkommen erwachsener Thiere anzutreffen. Am häufigsten sind die Muskelspindeln an der Uebergangsstelle der Muskeln in die Sehnen oder in der Nähe derselben, ungefähr in derselben Höhe, wie die oben beschriebenen sensiblen Apparate angeordnet sind, vorhanden. Nicht selten dringen sie weit in die Sehnen ein, so dass sie bisweilen nur mit einem Pole den Rand des Muskels berühren. Ausserdem jedoch sind die Spindeln ziemlich häufig im Innern der Muskeln zwischen den gewöhnlichen Muskelfasern und in weiter Entfernung von der Uebergangs- stelle des Muskels in die Sehne gelagert. Die Spindeln sind mit einer dermassen grossen Zahl Nerven versehen, dass sie in dieser Hinsicht vollkommen be- rechtigt zu den nervenreichsten Gebilden gerechnet werden. Zu den einfachen Spindeln treten gewöhnlich 1—2 dicke mark- haltige Nervenfasern heran, zu den zusammengesetzten 5—4, wobei sie sich von den in die Muskeln eindringenden Nerven- stämmchen absondern. Diese Nervenfasern, insbesondere die zu den zusammengesetzten herantretenden, theilen sich nach ihrer Abzweigung von den Stämmchen oder aber noch während ihres Verlaufs in denselben in je 2—3 Aeste; letztere theilen sich nicht selten an der Spindel selber nochmals, in Folge dessen ihre Zahl in der Gegend der Spindel beträchtlich zunimmt (Fig. 14 I—V). Mit diesen Fasern treten fast zu jeder einfachen und zusammengesetzten Spindel noch 1—2 verhältnissmässig dünne markhaltige Fasern und einige dünne marklose (sympathische) Fasern heran. Die aus der Theilung der dicken markhaltigen Nervenfasern hervorgehenden Aeste treten an die Spindel entweder von einer Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen etc. 19 oder von mehreren Seiten; nicht selten beschreiben sie vorher einige Touren um die Spindel, verlieren alsdann die Herle’sche Hülle und das Neurilemm, einige von ihnen auch die Markscheide und dringen in Gestalt von markhaltigen Aesten verschiedener Grösse und von nackten Axencylindern in die Hülle der Spindel ein. Zu den einfachen Spindeln (Fig. 141, II und-IV) tritt am häufigsten bloss eine mehr oder weniger dicke mark- haltige Nervenfaser; dieselbe dringt an irgend einer Stelle in die Hülle der Spindel ein und verläuft, ohne die Markscheide zu verlieren, eine gewisse Strecke in der Richtung zur Mitte oder zu einem Pole der Spindel. An der Stelle einer Einschnürung giebt sie alsdann ein oder zwei marklose Aestchen ab, welche sofort eine Muskelfaser in mehrfachen (3—4—5) Touren um- winden und alsdann in recht grossen, birnförmigen, ovalen oder unregelmässig gestalteten Verdickungen endigen. Gleichzeitig verläuft die Hauptfaser noch eine kleine Strecke, verliert auf diesem Verlauf die Markscheide und theilt sich in zwei Aestchen; ein jedes dieser Aestchen bildet, wie die oben genannten Seitenästchen, eine Spirale um eine Muskelfaser und endigt auf deren Oberfläche mit einer oder mehreren Verdickungen. In der Regel schliesst sich das Ende einer Spirale an den Anfang der von einem Seitenästchen gebildeten Spirale an, in Folge dessen sämmtliche Endapparate neben einander angeordnet sind und einen mehr oder weniger bedeutenden Theil der Muskelfaser umfassen. Die die Spiralen bildenden Aestchen erscheinen abgeplattet und haben das Aussehen eines Bandes, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man die Spiraltouren im optischen Quer- schnitt betrachtet. In den Fällen, wo die Spindeln von mehreren Muskel- fasern gebildet werden (Fig. 14 II), theilt sich die markhaltige Nervenfaser, welche zu einer Spindel herantritt, zunächst in markhaltige und marklose Aeste, welche alsdann in die Hülle der Spindel eindringen; die letzteren umwinden sofort eine Muskelfaser in Spiraltouren, während die markhaltigen Aeste sich zunächst dichotomisch theilen und längs den Muskelfasern ver- laufen; einige von den Aesten verlieren alsdann die Markscheide, theilen sich wiederum in 2—3 Aestchen, diese letzteren erst umkreisen in mehreren Touren 2—3 Muskelfasern; andere 20 A. 8. Dogiel: Aestchen geben zunächst an den Einschnürungen 2—3 marklose Seitenästchen ab, worauf sie selber die Markscheide verlieren und allmählich von Neuem in 3—4 Aestchen zerfallen. Ein jedes dieser Aestchen beschreibt um einzelne Muskelfasern, bald bloss eine, zwei, bald 4—6 und endlich 10—12 und gar 20 Touren und endigt mit einer Verdickung (Fig. 14 II). Häufig verjüngt sich zunächst das Ende der Spirale und bildet erst darauf die Verdickung, oder aber es sondern sich von den letzten Touren der Spirale verschieden lange und dicke Seitenäste ab, welche mit verschieden grossen Verdickungen endigen. In vielen Spindeln habe ich ferner wahrnehmen können, dass ein Aestchen nach 2—3 Touren um die Muskelfaser in 2—3 oder gar in viele, sich mehrfach theilende Aestchen zerfiel, welche die Muskelfaser nicht umspannen, sondern bloss an deren Oberfläche angelagert waren und schliesslich in verschieden gestaltete und verschieden grosse Endverdickungen übergingen (Fig. 14 II). Bisweilen endigten die von den Spiraltouren abgehenden Seitenäste nicht auf derselben Muskelfaser, welche sie umwanden, sondern begaben sich zu benachbarten Muskelfasern und umkreisten dieselben in Spiraltouren. Vermittelst derartiger Seitenäste vereinigten sich ausserdem, soviel ich habe wahrnehmen können, Fndapparate, welche von den Verzweigungen einer einzigen, oder aber mehrerer Nervenfasern gebildet werden. Alle beschriebenen Endapparate, stellen sie nun Verzweigungen einer einzigen oder verschiedener Nervenfasern dar, sind in der Mehrzahl der Fälle in jeder Muskel- faser dicht bei einander gelagert; auf diese Weise nehmen sie nur einen bestimmten Bezirk der Muskelspindel ein und zwar deren mittleren verdickten Theil oder aber den, einem der Pole benach- barten Bezirk, wobei auf jede Muskelfaser 2- 6 und mehr End- apparate kommen. In den Fällen endlich, wenn eine einfache Muskelspindel von mehreren Nervenfasern versorgt wird, treten dieselben in der Mehrzahl der Fälle von verschiedenen Seiten an die Spindel heran und theilen sich zunächst in mehrere markhaltige und marklose Aestchen, die alsdann in die Hülle der Spindel eintreten; die ersteren von ihnen verlieren hier ihre Markscheide, worauf sie dann zusammen mit den mark- losen Aestchen sich zwischen den Muskelfasern winden und in mehreren (3—5-6) spiralförmigen Apparaten endigen. Nicht selten nehmen an der Bildung eines Nervenapparates mehrere, Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete, 21 aus der Theilung verschiedener Fasern hervorgegangene Aestchen theil, wobei sich diese Apparate entweder in Form der oben be- schriebenen Spiralen präsentiren, oder aber in Gestalt von aus vielen dicken und sich mehrfach theilenden, mit grossen varicösen Verdickungen besetzten Aestchen. Viele von diesen Aestchen erscheinen bogenförmig und umfassen bloss einen Theil der Muskelfaser, ohne volle Touren um dieselbe zu beschreiben. Bisweilen gibt das eine oder andere Aestchen auf seinem Verlauf an der Oberfläche einer Muskelfaser eine grosse Zahl Aestchen ab, welche in Gestalt von Halbringen die Muskel- faser umgeben und ausserdem noch kurze Seitenfäden abgeben (Fig. 14 II). Nach Verlauf einer gewissen Strecke erhält ein derartiges Aestchen eine Markscheide, um sie alsbald von Neuem zu verlieren und alsdann an der Bildung eines Endapparates, in welchem eine andere Faser endigt, theilzunehmen. Alle beschriebenen, recht verschiedenartigen Formen der Endapparate und zwar — a) dielangen, mehr oder weniger ausgezogenen Spiralen, die bisüber 20 Touren um eine Muskelfaser beschreiben, b) die zusammen- gesetzten Formen, in denen ein Aestchen nach 2-3 Touren sich baumförmig verästelt und endlich e)die Apparate inGestalt von sich baumförmig verästeln- den bald leicht gebogener, bald bogenförmig zu- laufender Aestehen — finden sich gewöhnlich häufig an einer und derselben Muskelfaser und werden von den Verzweigungeneiner und derselben Nerven- faser gebildet. Was das Verhalten der Nerven an den zusammen- gesetzten Spindeln anbetriftt, so ist es, wie aus der Fig. 14, V ersichtlich, dasselbe wie an den einfachen Spindeln, welche von mehreren Muskelfasern gebildet werden. In der Mehrzahl der Fälle sondern sich von einem der zusammen- gesetzten Spindel am nächsten verlaufenden Nervenstämmcehen viele markhaltige Nervenfasern ab, die entweder zu der Mitte des verdickten Abschnittes der Spindel oder in einiger Ent- fernung desselben, dabei jedoch entweder von einem Pol oder von beiden Polen herantreten. Diese Fasern theilen sich auf ihrem Verlauf, wie es oben erwähnt worden war, mehrfach, treten alsdann unter die Hülle der Spindel in Gestalt von 22 A. S. Dogiel: markhaltigen und marklosen Aestchen und bilden eine grosse Zahl verschieden gestalteter Endapparate, wie sie oben be- schrieben wurden. Die Endapparate sind bloss in dem verdickten Theil der Spindel angeordnet, während die Pole, soviel ich habe wahrnehmen können, frei von ihnen sind. Es ist selbst- verständlich, dass die Anwesenheit einer grossen Zahl dieser Endapparate in den zusammengesetzten Spindeln das Studium ihres Verhaltens zu den Muskelfasern bedeutend mehr erschwert als es in den einfachen Spindeln der Fall ist. Da nicht selten eine Nervenfaser oder gar ein Aestchen einer solchen in ver- schieden gestalteten Endverzweigungen endigt, so halte ich es für vollkommen überflüssig, die letzteren in verschiedene Typen zu sondern, wie es einige Autoren z. B. Ruffini (11) thun. Zusammen mit den dicken markhaltigen Fasern treten zu den Muskelspindeln auch noch eine oder 2—3 dünne markhaltige Fasern heran (Fig. 14, 1, IV und V), die auch in den Spindeln endigen, jedoch in durchaus anderen Nervenapparaten, als es die soeben beschriebenen sind. Gewöhnlich tritt an eine einfache Spindel eine dünne Faser heran, während an die zusammengesetzten sich ihrer 2—3 begeben; diese Fasern sind gewöhnlich in den Nervenstämmchen zusammen mit den dieken Fasern gelagert; auf diesem Verlauf theilen sie sich nicht selten. Nachdem sie sich von den Stämmchen ab- gesondert haben, verlieren sie entweder sofort ihre Markscheide, oder aber behalten sie und treten unter die Hülle der Spindel. Zwecks besseren Verfolgens des weiteren Verlaufs dieser Fasern und Klarlegung ihres Verhaltens zu den Muskelspindeln ist es erforderlich, einfache Spindeln auszuwählen. An diesen ist es nicht schwer festzustellen, dass die Faser nach ihrem Durchtritt durch die Hülle entweder direct zu einem Pol der Spindel hin- zieht, oder aber sich in mehrere Aeste theilt, welche ihrerseits zu beiden Polen der Spindel verlaufen (Fig. 14, I, IV und V). Der erstere Fall findet in denjenigen Spindeln statt, in welchen die oben beschriebenen Apparate nicht den mittleren verdickten Theil, sondern einen Pol der Spindel einnehmen; der zweite Fall trifft ein, wenn die erwähnten Endapparate im mittleren Theil der Spindel angeordnet sind. Im ersteren Fall verliert die Nervenfaser die Markscheide (wenn sie noch vorhanden ist), verläuft eine kurze Strecke längs eimer oder mehrerer Muskel- Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete. 23 fasern und theilt sich in 2—3 Aestchen. Ein jedes von diesen Aestchen verläuft eine gewisse Strecke, sich dabei mehr oder weniger windend, und zerfällt alsdann in eine grosse Zahl sich vielfach theilender, äusserst feiner und mit Varicositäten besetzter Fäden. Diese letzteren erscheinen mehr oder weniger gebogen; sie anastomosiren mit einander und bilden ein dichtes Netz (Fig. 14, I, IV und V). Gewöhnlich nimmt eine jede End- verzweigung, indem sie sich auf der Oberfläche einer Muskel- faser anordnet, nur einen beschränkten Bezirk ein, bisweilen jedoch (besonders in den relativ ausgedehnten Verzweigungen) sondern sich von der Endverzweigung dünne Fädchen ab, welche von einer Seite der Muskelfaser auf die andere übergehen, sich auf diesem Verlaufe theilen und alsdann wieder zu derselben Endverzweigung zurückkehren. Die genannten nervösen End- apparate sind gewöhnlich von geringer Grösse; fast von jedem derselben lösen sich bald ein, bald zwei bis drei feine Fädchen ab, welche längs der Oberfläche einer Muskelfaser verlaufend sich häufig winden, darauf aber in ebensolchen Verzweigungen endigen; von letzteren lösen sich in einigen Fällen mehr oder weniger dicke Fäden ab, welche ihrerseits wiederum einen neuen Endapparat bilden. Ausserdem kann man nicht selten wahrnehmen, dass ein derartiger, sich von einer Endverzweigung absondernder Faden, zu einer anderen Endverzweigung hinzieht, um daselbst in feine sich theilende Fädchen zu zerfallen, welche sich jedoch bloss zu den diesen Apparat bildenden Fäden hinzu- gesellen. Vermittelst derartiger soeben erwähnter Fäden werden somit mehrere nervöse Apparate eng mit einander verbunden. Nach den Beobachtungen von Ruffini (11) theilen sich die in den beschriebenen Apparaten endigenden Nervenfasern weder vor noch nach ihrem Eintritt in die Muskelspindel in secundäre Aestchen -— eine jede Faser bildet somit einen besonderen nervösen Apparat. („Per quanto attentamento io abbia osservati i mei preparati, non mi & mai riuscito vedere che queste fibre, a prima o dopo essere entrate nel fuso, si dividano in rami secondari. Ogni terminazione ha per se una fibra nervosa individua, che come tale si segne fine al trochieino nervoso dal quale essa fibra promana (Fig. I Afp. pag. 26).“ Meine Untersuchungen haben im Gegentheil gezeigt, dass die genannten Fasern, wie oben beschrieben und in den 24 A, S. Dogiel: entsprechenden Figuren dargestellt ist, sich sowohl ausserhalb als auch innerhalb der Muskelspindeln theilen, in Folge dessen eine Nervenfaser in vielen Endverzweigungen endigt. In dem Falle, wenn die Endverzweigungen der dicken markhaltigen Fasern den mittleren Theil der Muskelspindel ein- nehmen, begeben sich die erwähnten dünnen markhaltigen Fasern, wie es oben angegeben wurde, zu beiden Polen der Spindel (Fig. 14, IV und V) und bilden hier, nachdem sie in eine grössere oder geringere Anzahl von Aesten zerfallen sind, die Endapparate. Die Zahl dieser ist sehr verschieden: in den zusammengesetzten Spindeln sind sie in grosser Zahl vorhanden, in den einfachen Spindeln, welche aus 1—3 Muskelfasern bestehen, werden sie in weit geringerer Zahl angetroffen. Die Schwankungen in der Zahl der genannten Apparate steht in voller Abhängigkeit von der Zahl der die Spindel bildenden Muskelfasern. Auf eine Muskelfaser kommen gewöhnlich, wie es an den einfachen Spindeln leicht wahrnehmbar ist, 3—5 Endverzweigungen, welche in gewisser Entfernung von einander angeordnet sind. In den zusammengesetzten Spindeln sind diese Apparate längs der gesammten Spindeln zerstreut, angefangen von dem Bezirk, der von den Endigungen der dicken markhaltigen Fasern freigelassen wird, bis fast dicht an die Enden (Pole) der Spindel. Nach der soeben dargelegten Beschreibung der Arten von Nervenendigungen in den einfachen und zusammengesetzten Spindeln ist es somit unzweifelhaft, dass in diesen Gebilden zweierlei Arten von Nerven von verschiedener Herkunft endigen — dicke und dünne markhaltige Fasern. Was die ersteren anbetrifit so sind dieselben, laut gleichlautender Meinung der Mehrzahl der Forscher der neueren Zeit, den sensiblen Nervenfasern zuzurechnen. Auf Grund meiner Beobachtung schliesse ich mich vollkommen dieser Meinung an, zu welcher ich eigentlich bereits nach meiner ersten Untersuchung der Nervenendigung in den Muskelspindeln des Frosches!) gelangt war. In Betreff der Fasern der zweiten Art setzte bereits im Jahre 1888 Kerschner (7) voraus, dass dieselben zu den motorischen hinzugerechnet werden müssten. In der letzteren Zeit sprach sich Ruffini, auf Grund seiner Befunde gegen die 1) Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. XXXV, 1870. Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen etc. 25 Voraussetzung Kerschner’s aus, und hielt die Endigungen der genannten Fasern für eine besondere Form von sensiblen Apparaten. Obgleich Huber (14)! und L. de Witt die Endverzweigungen der Nervenfasern von der zweiten Art nicht genügend verfolgen und klarlegen konnten, so schliessen sie sich dennoch der Meinung Kerschner’s an und halten diese Fasern für motorische. ; Nach dem nach Möglichkeit genauen Studium der Endigungs- weise der dünnen markhaltigen Fasern halte ich meinerseits dieselben für motorische Fasern und bin der Meinung. dass ihre Endverzweigungen bloss eine modificirte Form derjenigen motorischen Apparate sind, in welchen die zweifellos motorischen Fasern in den quergestreiften Muskeln endigen. Zu Gunsten dieser Ansicht spricht unter Anderem auch der Umstand, dass nach längerer Einwirkung des Methylenblaus viele dieser Apparate, bei der Betrachtung mit schwachen Vergrösserungen, als compacte blaue Klümpchen oder in Gestalt von verschieden grossen Plättchen erscheinen, in welchen man bei der Betrachtung mit starken Vergrösserungen nicht nur das Vorhandensein von Nerven- fäden sondern auch das Vorhandensein einer besonderen körnigen Masse constatiren kann. Die letztere färbt sich in gewissen Fällen mit Methylenblau mehr oder weniger intensiv und gewährt dem gesammten Apparat, je nach seiner Grösse, das Aussehen eines blauen Klumpens oder Plättchens (Fig. 14, IV B), wie solches nicht selten auch bei intensiver Färbung der motorischen Platten beobachtet wird. Ausser diesen, soeben erwähnten Fasern, treten zu den Muskelspindeln, wie oben erwähnt, noch dünne marklose Fasern und Fäden, welche sich um die Muskelspindeln verästeln und soviel ich constatiren konnte, die Blutgefässe der Spindeln umflechten ; diese Fasern gehören den sympathischen Nervenfasern an, worauf auch Huber und De Witt?) in ihrer Arbeit hinweisen. IV. Die Nervenendigungen im centrum tendineum des | Diaphragma’s. Bereits bei der Untersuchung des Verhaltens von sensiblen Fasern zu den Wandungen der Blutgefässe im centrum tendineum ı) L. c. pag. 218. 2) L. c. pag. 218—219. 26 A.S Dogiel: des Diaphragma’s erhielt ich gleichzeitig die Endigung genannter Fasern im Gewebe des centrum tendineum selber. Die Färbung der Nerven des centrum tendineum mit Metyhlen- lau gelingt überhaupt recht schwer, nichts desto weniger wird sie nicht selten erhalten bei der Einwirkung von schwachen Lösungen ('/a/o—!/s°/o) des Farbstoffs auf das vorher herausgeschnittene Diaphragma, oder bei Anwendung derjenigen Verfahren, welcher ich mich behufs Färbung der Bauchfellnerven bediente. Im centrum tendineum des Diaphragma’s vom Menschen und sämmtlicher von mir untersuchten Thiere (Affen, Hunde, Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen) begleiten die Nerven in Gestalt verschieden dicker Stämmcehen die grösseren Gefässe Arterien und Venen, und theilen sich in demselben Maasse wie diese in stets feinere Stämmchen. An der Zusammensetzung dieser Stämmehen nehmen verhältnissmässig viele, vorwiegend dicke, markhaltige Fasern und eine geringe Zahl markloser (sympathischer) Fasern theil. Die markhaltigen Nervenfasern theilen sich, während ihres Verlaufs in den Stämmchen, mehrfach in markhaltige und mark- lose Aestchen, welche bei der Theilung der Stämmchen, von einem derselben zu anderen übergehen und allmählich sich von den Stämmchen absondern. Nach der Absonderung von den Stämmehen verlaufen ‘die Verzweigungen der markhaltigen Fasern zwischen den Bindegewebsfibrillenbündeln, wobei sie sich unter verschiedenen Winkeln krümmen und sich von Neuem in markhaltige und mark- lose Aesten theilen ; die markhaltigen Aestchen verlieren gewöhnlich nach einer gewissen Strecke die Markscheide. Die erwähnten Aestchen sind ungleich lang; die längeren unter ihnen ändern mehr- fach die Richtung ihres Verlaufs. Sie winden sich häufig bei- nahe unter rechten Winkeln, ziehen bald hinauf, bald hinunter und geben auf ihrem Verlauf eine grosse Zahl verschieden dicker Seitenäste ab. Nach einem mehr oder weniger langen Verlauf zerfallen die Hauptästchen sowie die Seitenästchen in mehrere kurze, häufig sich theilende Fäden, welche mit vieleckigen Plättehen (Erweiterungen) besetzt sind. Von den Ecken der letzteren gehen äusserst feine Fäden ab, vermittelst derer die benachbarten Plättchen sich untereinander verbinden. Auf diese Weise entstehen besondere Endapparate, welche sich durchaus nicht von den Endigungen sensibler Fasern im Bauchfell unter- Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen etc. 27 scheiden. Die Endverzweigungen sind zwischen den Bindegewebs- fibrillenbündeln angeordnet und umfassen stellenweise sogar die Bündel selber. Soviel ich habe wahrnehmen können sind die be- schriebenen sensiblen Endapparate niemals in einer dermassen complieirten Form anzutreffen, wie sie in den bindegewebigen Hüllen des Herzens und der grossen Gefässe, sowie in dem inter- musculären Bindegewebe in der Nähe des Uebergangs der Muskeln in die Sehnen gefunden werden. Ausser den Aestchen, die auf der Oberfläche der das Sehnencentrum des Diaphragmas bildenden Fibrillenbündel endigen, sind noch solche vorhanden, die nach ihrer Ablösung von den Nervenstämmchen die Arterien und Venen be- gleiten und in deren adventitia, mit den von mir bereits be- schriebenen sensiblen Apparaten endigen. Da das centrum tendineum des Diaphragma’s eine Anheftungs- stelle von Muskeln darstellt, so war es natürlich, daselbst nach ebensolchen sensiblen nervösen Apparaten zu suchen, wie solche überhaupt von verschiedenen Forschern an den Uebergangsstellen von Muskeln in Sehnen beschrieben worden sind. Ungeachtet einer vollkommenen Nervenfärbung ist es mir dennoch nicht gelungen im centrum tendineum des Diaphragmas die erwähnten Apparate zu finden. Beim Durchmustern der Muskeln in einiger Entfernung vom Rande des Sehnencentrums habe ich jedoch in den Zwischen- räumen zwischen den Muskelbündeln eine bedeutende Zahl von Endverzweigungen wahrnehmen können, die vollkommen mit denjenigen Verzweigungen übereinstimmten, welche von mir in dem m. transversus und reetus abdominis beschrieben worden sind. Diese Endapparate waren nicht nur ausserhalb des centrum ten- dineum, sondern gleichzeitig in gewisser, ungefähr gleicher Ent- fernung von einander angeordnet: sie bildeten gleichsam einen Kranz um das ganze centrum tendineum des Diaphragmas. In der Anordnung der sensiblen nervösen Muskel-Sehnen-Endapparate lässt sich somit, soviel es mir scheint — eine gewisse Gesetz- mässigkeit constatiren: in den von mir untersuchten Muskeln sind dieselben nicht in den Sehnen selber, sondern in gewisser Ent- fernung von denselben in dem intermuseulären Bindegewebe gelagert. Ausser den beschriebenen, uneingecapselten Nervenendigungen ist es mir noch gelungen im centrum tendineum des Diaphragmas, und zwar auf der dem Bauchraum zugekehrten Fläche, Endapparate zu finden, welche ihrem Bau nach vollkommen den Endkolben 28 A. S. Dogiel: des Bauchfells entsprechen; besonder deutlich sind sie beim Menschen und Affen. Sie sind hauptsächlich auf der Bahn der dickeren Nervenstämmchen angeordnet und hängen an denselben, wie die Beeren an den Stielen ; viele von ihnen erscheinen ausserdem zerstreut in verschiedenen Theilen des centrum tendineum. Gewöhn- lich zerfällt eine dicke markhaltige Nervenfaser in viele Aestchen, von denen jedes in einem eingecapselten Körperchen auf dieselbe Weise endigt (Fig. 4 B),wie in den Körperchen des Bauchfells. Zu den Körperchen treten gleichfalls dünne markhaltige Fasern heran, welche an der Peripherie der Innenkolben in einem dichten Nerven- netz endigen. Beim Menschen und Affen erreichen die Endkolben nicht selten eine bedeutende Länge, erscheinen mehr oder weniger aus- gebogen und sind in die Zwischenräume zwischen den Binde- gewebsfibrillenbündeln eingeschoben. Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass in den Muskeln des Diaphragmas bei sämmtlichen oben genannten Thieren viele Muskelspindeln vorhanden sind, welche, wie auch in anderen Muskeln, sich vorwiegend an der Uebergangsstelle derselben in die Sehnen anordnen. Aus dem Mitgetheilten ist ersichtlich, dass sämmtliche mark- haltige Nervenfasern, welche in den Nervenstämmchen des centrum tendineum des Diaphragmas verlaufen, sensible Fasern sind und theils im dichten Bindegewebe des centrum tendineum in Gestalt von uneingecapselten und eingecapselten Nervenapparaten, theils in den Wandungen der Blutgefässe endigen. Im Muskelantheil des Diaphragmas endigen die sensiblen Fasern, wie in allen Muskeln, in besonderen in dem intermuseulären Bindegewebe eingelagerten Endverzweigungen und ausserdem in den Muskelspindeln. Was die marklosen sympathischen, in den Nervenstämmchen zusammen mit den markhaltigen Fasern verlaufenden Nervenfasern anbetrifft, so bilden sie Geflechte um die Arterien und Venen und endigen in glatten Muskelfasern ; alsdann gehen sie auf die Capillaren über und umflechten dieselben. Dergleichen pericapillare Nerven- netze habe ich im centrum tendineum des Diaphragmas mit einer Deutlichkeit gesehen, wie sie nie in anderen Organen erreicht wurde. 10. ih Die Nervenendigtingen im Bauchfell, in den Sehnen ete, 29 Litteratur. Kölliker: Zeitschrift f. w. Zoologie. Vol. XII, 1862. Derselbe: Golgische Sehnenspindeln vom Kaninchen. Verhandl. d. Anat. Gesellsch., 1889. . Kühne: Die Muskelspindeln. Ein Beitrag zur Lehre von der Ent- wickelung der Muskel- und Nervenfasern. Virchow’s Archiv, Vol, XXVIII, 1863. ß Sachs: Die Nerven der Sehnen. Archiv f. Anatomie, Physiologie und wissensch, Mediein, 1875. Rollet: Ueber einen Nervenplexus und Nervenendigungen in einer Sehne. Sitzungsberichte der kais. Acad. d. Wissensch. in Wien, 1876. Golgi: Sui nervi nei tendini dell’ uomo e di altri vertebrati e di un nuovo organo nervoso terminale musculo-tendineo. Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino. T. XXXII, 1880, Derselbe: Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und peripher. Nervensystems. Uebersetzt von Teuscher, Jena, 1894. . Cattaneo: ÖOrganes nerveux terminaux musculo-tendineux, leurs conditions normales et leur maniere de se comporter apres la section des racines nerveuses et des nerfs spinaux. Archives Ital. de Biologie. T. X, 1888. Kerschner: Beitrag zur Kenntniss der sensiblen Endorgane. Anat. Anzeiger. Vol. III, 1888. Pansini: Intorno alle terminazioni dei nervi sui tendini dei vertebrati. La Riforma Medica. Ann, IV, 1888. Derselbe: Des terminaisons des nerfs sur les tendons des vertebres. Arch. Ital. de Biologie. Vol. XI, 1839. Ciaccio: Sur les plaques nerveuses finales dans les tendons des vertebres. Journ. de Micrographie. Vol. IV, 1890. Arch. Ital, de Biologie. Vol. XIV, 1891. Iwanoff: Ueber die Nervenendigungen in Bindegewebsmembranen bei Säugethieren. Diss. Kasan, 1893. Ruffini: Sur un reticule nerveux special et sur quelques corpuscules de Paecini qui se trouvent en connexion avec les organes ınusculo- tendineux du chat. Arch. Ital. de Biologie. Vol. XVIII, 1893. Derselbe: Recherches ulterieures sur les organes nerveux terminaux dans le connectif sons-ceutand de la pulpe des doigts de l’homme, Periodico del Laboratorio di Anat. normale della R. Universitä di Roma. Vol. V, 1896. Derselbe: Sopra due speciali modi d’innervazione degli organi di Golgi con riguardo speciali alla struttura del tendinetto dell’ Organo musculo-tendineo ed alla maniera di comportarsi delle fibre nervose vasomotori nel perimisio del gatto. Considerazioni fisiologiche sul senso specifico muscolare. Ricerche fatte nel Laboratorio di Anatomia normale della R.Universitä di Romo ed in altri Labor. biologiei. Vol. VI, fasc, 4, 1898. Derselbe: Sulla fine Anatomia dei fusi neuro-muscolari del gatto e sul loro significato fisiologieo. Dal Laboratorio d’Istologia ed Embriologia dell’ Öspedale di Lucignano (Arezzo), 1898. Journal of Physiology. Vol. XXIIH, N. 3, 1898. 30 12. 13. Fig. Fig. Fig. Fig. A. 8. Dogiel: D. Timofeew: Ueber die Endigungen der Nerven in den männlichen Geschlechtsorganen der Säugethiere und des Menschen. Diss. Kasan, 1896. ©. HuberundL. de Witt: A contribution on the Motor-Nerve- endings and on the Nerve-endings in the Musele-spindles. Journal of Comparative Neurology. Vol. VII, 1898. Derselbe: Observations on Sensory Nerve-fibers in visceral Nerves, and on their Modes of Terminating. Sensory Nerve-Terminations in the Tendons of the Extrinsie Eye-Muscles of the Cat. A Contribution on the Nerve Terminations in Neurotendinous End-organs. Journal of Comparative Neurology, Vol. X, 1900. Figurenerklärung auf Tafel 1 und I. 1. A und B. Endkörperchen aus dem Bauchfell des Kaninchens (A) und des Menschen (B); a) markhaltige Nervenfasern; b) Hülle; Obj. 4 Reichert. 2. I, II, III, IV, V. Verschiedene Formen von Endkörperchen aus dem Bauchfell des Kaninchens; a) markhaltige Nervenfasern; b) Hülle; Fig. 2 V ist mit Obj. 6 Reichert gezeichnet, alle übrigen Figuren mit Obj. 8a Reichert. 3, Endkörperchen aus dem Bauchfell des Menschen; a) markhaltige Nervenfaser; b) Capseln der Hülle der Körperchen. Obj. E. Zeiss. 4. A, B. Endkörperchen aus dem Bauchfell des Kaninchens (A) und dem centrum tendineum des Diaphragmas vom Hunde (B); a) dicke, markhaltige im Innern des Kolbens endigende Fasern; b) dünne, markhaltige, an der Peripherie des Kolbens ein Netz bildende Fasern; c) Nervenfäden, welche den die Körperchen umflechtenden Capillaren angehören; d) Hülle. Fig. A ist mit Obj. 6 Reichert, Fig. B mit Obj. E. Zeiss gezeichnet. 5. Theil eines Endkörperchens aus dem Bauchfell eines Kaninchens; a) Axencylinder einer dicken markhaltigen Faser; b) Netz an der Peripherie des Innenkolbens, gebildet von den Verzweigungen einer dünnen markhaltigen Faser. Hom. Jmm. -— Zeiss. 6. Endkörperchen aus dem Bauchfell eines Kaninchens; a) markhaltige Nervenfasern; b) Hülle; ce) die das Körperchen umflechtenden Capillaren; d) die die Capillaren umflechtenden Nervenfäden. Obj. 6 Reichert. 7. I, (Taf. I) II (Taf. II). Endverzweigungen markhaltiger Nervenfasern im Gewebe des Bauchfells vom Kaninchen; a) markhaltige Nerven; b) Kerne von in einerEndverzweigung eingelagerten Zellen; ce) (Fig. 7II) Nervenfäden, welche benachbarte Endverzweigungen verbinden. Obj. 8a Reichert. 8. Zwei, den Bindegewebsfibrillenbündeln angelagerte Endverzweig- ungen; a) markhaltige Nervenfasern; b) Bindegewebsfibrillenbündel; Bauchfell vom Kaninchen. Obj. 8a Reichert. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen ete, 31 .A und B. Endverzweigungen im Bauchfell vom Kaninchen A. a) Nervenstämmehen; b) markhaltige Nervenfaser, welche in 17 End- verzweigungen endigt. Obj. 3 Reichert. B. Eine von den End- verzweigungen (c), in welche eine Nervenfaser (b) zerfällt, bei stärkerer 'Vergrösserung Obj. 8a Reichert. . Nervenendverzweigung, welche in der oberflächlichen Schicht des Bauchfells (in der Nähe des Epithels) eines Kaninchens eingelagert war; &) markhaltige Nervenfaser; b) verbindender Nervenfaden. Obj. 8a Reichert. . Ein Theil des muse. transversus abdom. an der Uebergangsstelle in die Sehne ; a) Nervenstämmchen, von denen sich markhaltige Nerven- fasern absondern, um in Endverzweigungen zu endigen. Letztere sind in dem intermusculären Bindegewebe in der Nähe der Ueber- gangsstelle des Muskels in die Sehne angeordnet; b) Muskelfasern ; ec) Sehne. Obj. A. Zeiss (auf die Hälfte verkleinert). A und B. A. Eine Nervenendverzweigung, welche in einem Binde- gsewebsseptum zwischen den Muskelfaserbündeln des muse. transversus abdom. eines Kaninchens in der Nähe des Ueberganges des Muskels in die Sehne eingelagert ist; a) markhaltige Nervenfaser, Obj. 8a Reichert. B. Eine ähnliche Verzweigung wie bei A.,an deren Bildung jedoch 2 markhaltige Nervenfasern (a) theilnehmen. Obj. 5 Reichert. Nervenendverzweigung aus dem intermusculären Bindegewebe des muse. rectus abdom. vom Kaninchen in der Nähe einer inseriptio tendinea. a) markhaltige Nervenfaser; b) Nervenstämmchen; ce) Muskelfasern; d) inscriptio tendinea. Obj. C. Zeiss, IA und B, II, III, IVAundB; 4, VAundB. Muskelspindeln aus dem musc. transversus abdom. des Kaninchens mit den in denselben endigenden Nervenfasern. IA. Eine markhaltige Nervenfaser a) welche in einer einfachen Muskelspindel in einem spiralartigen Endapparat endigt; b, dünne markhaltige Faser, welche in motorischen End- apparaten endigt; c) Muskelfaser. Obj. C. Zeiss. IB. Einer der motorischen Endapparate von I A besonders abgezeichnet bei Obj. E. Zeiss, II. markhaltige Nervenfasern; a), die in einer einfachen Spindel in Form von Spiralen und baumförmigen Verzweigung endigt; b) Muskelfasern. Obj. 6 Reichert. III. Eine in einer einfachen Spindel in zwei spiralartigen Endapparaten endigende, markhaltige Nervenfaser (a). Obj. 8a Reichert. IVA und B. A.a) Nerven- stamm; b) eine dicke in einer einfachen Spindel in spiralartigen Endapparaten endigende markhaltige Nervenfaser; c) dünne mark- haltige Nervenfaser, die in motorischen Apparaten endigt. B. End- abschnitt derselben Muskelspindel mit motorischen Endapparaten, Vbr., GC Zeiss. V Aund B. Zusammengesetzte Muskelspindel, A. a) Nervenstämmchen; b) Nervenfasern, welche in spiralartigen und baumförmigen Endverzweigungen endigen; c) dünne, markhaltige in motorischen Apparaten endigende Nervenfasern. B. Fort- setzung der Muskelspindel mit motorischen Nervenendapparaten. Obj. C. Zeiss. 32 Aus dem anatomischen Institut in Strassburg. Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. Zugleich ein Beitrag zur Centralkörperfrage in den Epithelien. Von Dr. Alexander Gurwitsch, Assistent am anatomischen Institut in Bern. Hierzu Tafel III und 1 Textfigur. Die naheliegende und wichtigste Eintheilung der ver- schiedenen cilien- und stäbchenartigen Besätze vieler Zellen ist wohl die in flimmernde und starre; damit ist ein physiologischer Unterschied von ganz grundlegender Bedeutung gegeben, welcher wohl auch mit wichtigen, tiefgehenden, ana- tomischen Differenzen einhergehen muss; letztere bleiben uns jedoch in vielen Fällen vorläufig oder für immer verborgen: es schien fast, als ob man im Stande wäre, auch anatomisch ein specifisches Merkmal bei den Flimmerzellen zu finden, welches den übrigen Zellen mit einem Haarsaum fehlen sollte. Das sind die sogenannten Fussstücke Engelmann’s — oder neuerdings „Basalkörper“ (Apäthy) genannte Bildungen, die in ihrer Grösse und Form stark wechselnd an der Einpflanzungsstelle der Flimmerhaare in den Zellleib sitzen. Es scheint ja nach den übereinstimmenden Ergebnissen der älteren Untersucher (Engelmann (3), Frenzel (4) u. A.) mit den neueren v. Lenhössek (11) u. A. keinem Zweifel mehr zu unterliegen, dass die Basalkörper keiner uns bis jetzt bekannt gewordenen Flimmerzellenart fehlen.') ') Eine Ausnahme von dieser Regel schienen bis jetzt die „Flimmer- zellen“ im Körper und Schwanz des Nebenhodens der®Säugethiere zu bilden (also das vas epididymis). Sowohl die älteren Untersucher als auch die neueren (Hammar (7), Zimmermann (20), Henry (10) bilden die fraglichen Zellen mit der Bezeichnung als „Flimmerzellen“ ab; an sämmtlichen dies- bezüglichen Abbildungen ist auch nicht die Spur von Basalkörpern zu sehen, obwohl bei den angewandten Färbemethoden, welche sogar die Diplosomen der Zellen zur Darstellung brachte, die so leicht sichtbaren, übrigens auch Alexander Gurwitsch: Der Haarbüschel der Epithelzellen ete. 33 Ganz ähnliche Bildungen wurden aber vielfach auch an Zellen beschrieben, die unter den verschiedenen Bezeichnungen von „Stäbchenzellen, Bürstenzellen“ etc. bekannt sind und bei denen die flimmernde Function mit aller Sicherheit auszuschliessen ist; ich will als Beispiele nur einige von Frenzel genau beschriebene Repräsentanten von Darmzellen der Arthropoden anführen, so z. B. die riesigen Zellen aus dem Mitteldarme einer Tentredolarve (4) Fig. 15), wo an der Basis jedes Härchens ein deutliches Knötchen sitzt und andere mehr. Aehnliche Verhältnisse werden von Nicolas und Prinant beschrieben (16, 15). Prinant betont aber gleichzeitig auch die bedeutenden Unterschiede, welche zwischen den Basalkörpern der Flimmerzellen und den analogen Gebilden an der Basis der starren Härchen bestehen. Die Un- regelmässigkeit und Unbeständigkeit der letzteren im Vergleich zu ersteren sollen besonders in die Augen springend sein. Ich möchte meinerseits hervorheben, dass an einigen Abbildungen z. B. von Sauer (18) und Meves (13) die Knötchen an der Basis des Bürstensaumes in ihrer Zahl den Saumstäbchen durchaus nicht zu entsprechen scheinen. Die Eintheilung der Zellen mit einem Haarbesatz in solche mit Basalknötchen und solche ohne dieselben, wobei in die erstere lasse sämmtliche Flimmerzellen und ausserdem viele Bürstenzellen fielen, wäre in Anbetracht ihrer sehr verschiedenen physiologischen Werthigkeit — fast widersinnig, wenn nicht ein Umstand uns zur näheren Berücksichtigung derselben bewegen müsste: es ist nämlich zu beachten. dass der Entstehungs- und Wachsthumsmodus, der haarförmigen Anhänge der Zellen ein an frischen Präparaten deutlich sichtbaren Basalkörper unmöglich der Auf- merksamkeit der Untersucher entgehen könnten. Nun stellt es sich aber nach einer neuen Untersuchung von Aigner (1) heraus, dass die Zellen des duetus epididymis gar keine Flimmerzellen sind, dass bei 95 unter- suchten Säugethieren auch nicht ein einziges Mal sich eine Spur von Flimmerbewegung nachweisen liess! Es wurde, wie Aigner mit Recht be- tont, nicht genügend auf die Unterschiede zwischen den „Coni vasculosi“ (also die Ductuli efferentes im Kopfe des Nebenhodens) und dem Ductus epididymis (Körper und Schwanz des Nebenhodens) geachtet; erstere sind durch echte Flimmerzellen ausgekleidet, die man an frischen Präparaten mit Leichtigkeit in Thätigkeit beobachten kann und die auch einen schönen Besatz von Basalkörpern tragen, das vas epididymis besteht dagegen aus ganz eigenthümlichen Zellen, die unter keinen Umständen flimmernd an- getroffen werden (s. Näheres bei Aigner (1). Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 59. 3 34 Alexander Gurwitsch: sehr verschiedener sein kann, je nachdem an der Basis der Haare ein Basalknötchen sitzt oder nicht. Für einige Repräsentanten echter Flimmerzellen konnte ich den Nachweis erbringen, dass die Bildung der Basalkörper derjenigen der Flimmerhaare vorangeht und dass die letzteren nothwendigerweise aus den ersteren hervorsprossen; ganz ähnliche Befunde wurden auch bei der Spermatogenese gemacht. Das zieht aber einen ganz bestimmten Wachsthumsmodus der Flimmer- haare nach sich, welcher himmelweit von der Entstehungsweise eines cilienartigen Pseudopodiums absticht (beide Vorgänge wurden nämlich von einigen älteren Untersuchern gerne in eine Parallele mit einander gestellt); in der That handelt es sich um die Entstehung eines Pseudopodiums, so gehen demselben Ver- änderungen in der Oberflächenbeschaffenheit und Form des Plasma’s voraus, ein Theil des in einem weichfesten Zustande sich befindlichen Ectoplasma’s buchtet sich vor, die Vorstülpung spitzt sich zu und wird allmählich zum Faden ausgezogen, welcher somit mit gutem Rechte als ein Theil eines physikalisch (d.h. in ihrem Aggregatzustande) homogenen Plasma’s angesehen werden darf. Das Zurückziehen eines fadenförmigen Pseudo- podiums und sein spurloses Aufgehen und Einschmelzen in der Ectoplasmaschicht bildet eine weitere Stütze für die Auffassung eines ähnlichen Pseudopodiums als einer einfachen Gestaltänderung des Plasmaklumpens, wahrscheinlich als Folge veränderter Ober- flächenspannung. Diese Vorgänge sind ja zur Genüge aus den zahlreichen Beschreibungen z.B. beiVerworn und Rhumbler bekannt. Man kann somit in diesen Fällen von fadenartigen Fortsätzen der Zellen sprechen, welche ihre Indi- vidualität im Zellleibe nicht bewahren. Ganz anders steht es dagegen in den Fällen, wo ein Haar- fortsatz aus einem Basalkörper oder einem Üentralkörper (in der Spermatogenese) hervorwächst. Aus verschiedenen Gründen, welche näher in meiner Arbeit über Histogenese der Flimmer- zellen auseinander gesetzt wurden (6), müssen wir das Hervor- wachsen der Flimmerhaare aus den Basalkörpern als eine Form- veränderung und Längenwachsthum, einen Nachschub von der Substanz des Basalkörpers auffassen, ähnlich etwa, wie ein Haar- schaft durch Nachschub ‚aus der Haarzwiebel wächst. Ein anderer Vergleich wäre der, dass das Flimmerhaar sich zum Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 35 Basalkörper ähnlich wie ein Pseudopodium zu einer ganzen Zelle verhält. Sowohl die Flimmerhaare, als die Axenfäden der Sperma- tiden lassen sich mit Sicherheit, letztere zuweilen sehr weit in das Zellinnere verfolgen, wo sie sowohl durch ihre Färbbarkeit, als durch ihr Lichtbrechungsvermögen vom Zellplasma scharf ab- stechen und stets direct von dem betreffenden Endgebilde (Basalkörper der Flimmerzellen, Centralkörper der Spermatiden) entspringen. Es handelt sich also in den letzten Fällen um Fäden, welche in gleicher Weise wie die verschiedenen Mitom- fäden physikalisch oder auch chemisch von dem umgebenden Plasma abweichen und eine gewisse Formbeständigkeit und festen Zusammenhang ihrer Theile besitzen müssen. Es ist nun hinlänglich bekannt, dass die verschiedensten Bürsten- und Stäbchenbesätze vergänglicher Natur sind, dass sie je nach dem physiologischen Zustande der betrefienden Epithelien bald deutlich auftauchen, bald anscheinend spurlos verschwinden (vergl. Tornier') (19). Es ist nun von grossem Interesse für die allgemeine Auf- fassung der Stabilität und Beständigkeit der Plasmaarchitectur in den Epithelzellen, wie sich das weitere Schicksal der haarförmigen Fortsätze ohne Basalknötchen nach ihrem Ver- schwinden von der Zelloberfläche gestaltet, ob die Individualität der Stäbchen oder Härchen auch innerhalb des Zellleibes bewahrt bleibt, oder ob Epithelzellen der höheren Thiere thatsächlich im Stande sind echte Pseudopodien auszusenden. Diese Frage wurde von verschiedener Seite, wenn auch mehr flüchtig berührt, bis jetzt aber meines Wissens nicht beantwortet. Es ist von vornherein ziemlich aussichtslos alle Arten der in Betracht kommenden Epithelien in ihrer endlosen Mannigfaltigkeit, bei den verschiedenen Thiergattungen zu untersuchen und somit !) Die Angaben von Tornier wurden für das betreffende Object (Amphibienniere) von Sauer (18) bestritten, wenn auch meines Erachtens nicht endgiltig widerlegt. Dass trotzdem in vielen Epithelien die Stäbchen- besätze periodisch auftreten und schwinden (in den Zellleib eingezogen werden) scheint mir unzweifelhaft zu sein: man vergleiche die Angaben R. Heidenhain’s für den Stäbchenbesatz des Darmepithels (9) und auch die Beobachtung, welche ich am Darmepithel des Lumbricus machen konnte, (6) die übrigens schon vor mir, wenn auch etwas abweichend von Grönross erwähnt wurde (s. [6]). 3*+ 36 Alexander Gurwitsch: eine allgemein giltige Beantwortung der Frage zu erstreben. Es ist aber trotzdem nicht ohne Interesse, den Verhältnissen wenigstens bei einigen Repräsentanten der nichtflimmernden Haarepithelien nachzugehen. Ich habe diese Untersuchung an dem Epithel des vas epididymis des Menschen durchgeführt und dabei einige Aufschlüsse über die Beziehungen des Haarbüschels zum Cytoplasma erhalten, welche nicht ohne allgemeineres Interesse sein ‚dürften. Specieller Theil. Als Untersuchungsobject diente mir der Nebenhoden eines gesunden, 25 jährigen Mannes. Der Nebenhoden wurde wenige Minuten nach der Hinrichtung in Zenker’scher Flüssigkeit fixirt, wo er ca. $ Stunden verblieb und dann nach den gewöhnlichen Methoden weiter behandelt wurde. Man kann am Nebenhoden- gang des Menschen zwei Zonen deutlich auseinanderhalten, wie es vonHammar (7) für den Hund geschehen ist: die, im Körper des Nebenhodens gelegene Zone besteht aus einem Canal mit einem sehr regelmässig gestalteten eylindrischen Lumen von mässiger Weite; die epitheliale Auskleidung ist ganz faltenlos, die Epithelzellen von annähernd constanter Höhe: im Lumen sehr reichliches Sperma und zahlreiche körnige Secretbläschen (Fig. 1). In einem sehr deutlichen Gegensatze zu diesem Bilde, steht nun die zweite Strecke des Nebenhodencanals, welche den Rest des Nebenhodenkörpers und den Schwanz ausfüllt — (vielleicht auch in das vas deferens sich fortsetzt). Sowohl die äussere Wandung, wie die Configusation des Lumens sind von einer denkbar unregelmässigen und wechselnden Form (Fig. 2); bald findet man eine Gruppe von sehr schlanken, seitlich zu- sammengepressten und in das Lumen zapfenartig hineinragenden Zellen, bald sind es mehr breite und niedigere Formen, welche in tiefen Einbuchtungen des Lumens sitzen; dazwischen kommen einzelne Zellen von einem ganz riesigen Volumen, welche die Anordnung und Configuration ihrer Nachbarschaft mächtig beein- flussen; aus der Abbildung ist sofort zu ersehen, dass die Un- regelmässigkeiten des Lumens in gar keinem Zusammenhange mit den Conturen der äusseren Wand des Canals stehen; es ist Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 37 daher völlig auszuschliessen, dass dieselben etwa durch Quetschungen oder Zerrungen zu Stande kommen könnten. Die Canäle der letztbeschriebenen Zone enthalten so gut, wie kein Sperma, dagegen in ziemlich reichlicher Menge helle, bläschenartige und auch körnige Secretbüschchen. Als ein allgemeines unterscheidendes Characteristicum der Epithelauskleidung beider Zonen kann vorläufig nur die relativ breite und niedrige Gestalt der Epithelzellen der ersten Zone und die schlanke, schmale, derjenigen der zweiten, angegeben werden. Im Uebrigen sind die Bilder, welche an den sehr nahe gelegenen, ja benachbarten Zellen innerhalb jeder Zone geliefert werden so ausserordentlich wechselnd, dass eine ganz detaillirte Beschreibung derselben nöthig wird; andererseits findet man in beiden Zonen ganz identische Zellen in so grossen Mengen wieder, dass es ausser jedem Zweifel ist, dass das Epithel beider Zonen ein morphologisches Continuum darstellt und die wechselnden Bilder verschiedenen physiologischen Zuständen, im Uebrigen identischer Zellen entsprechen. Allgemein bekannt ist das Bild der Nebenhodenzellen, in welchen auf der freien Zelloberfläche ein Büschel von miteinander verklebten, oft nicht deutlich unterscheidbaren Haaren sitzt, welche anscheinend ohne scharfe Grenze in den Zellleib übergehen. Aus den neueren Darstellungen dieser Zellen möchte ich hier die Fig. 108 der Arbeit von Zimmermann (20) anführen; an der Basis der Haarbüschel ist ein ziemlich verschwommener Streifen dargestellt, dessen keine Erwähnung im Text gemacht wurde; hervorzuheben ist auch das Vorhandensein der Diplosomen dicht an der Zelloberfläche. Wenn ich nach ähnlichen Bildern in meinem Objecte suche, erweisen sich dieselben in der Minderzahl der Zellen und jedenfalls nie auf grösseren Strecken durch); die einzelnen Haare sind in diesen Fällen sehr ungleichmässig sowohl in ihrer Länge wie auch in der Dicke und Färbbarkeit: bald sind sie sehr intensiv mit Eisenhämatoxylin tingirt und jedes sehr deutlich einzeln zu !) Eine Ausnahme macht der Schwanz des Nebenhodens, worüber Näheres später. 38 Alexander Gurwitsch: verfolgen; in anderen Fällen wieder sind sie ausserordentlich zart und fast völlig entfärbt; in vielen Fällen, namentlich in der letzteren Categorie kann man mit Sicherheit feststellen, dass die Härchen an ihrer Basis zu einem oder mehreren Büscheln convergiren und dass die Spitze des Büschels durch eine stark färbbare, in ihren Conturen zuweilen wenig präcise Substanz- anhäufung, gewöhnlich aber durch ein horizontales Doppelkörnchen oder ein deutliches verticales Diplosom (Fig. 3a — g) markirt ist. Tangentialschnitte solcher Zellen vervollständigen das Bild, die Querschnitte der einzelnen Haare kommen sehr deutlich zum Vorschein, sind auch meistens zu zählen, beim Gebrauch der Micrometerschraube kann man sich häufig von der oben beschriebenen Convergenz derselben überzeugen. Aus Gründen, welche im Weiteren ihre Erklärung finden werden, muss ich diesen Zustand des Haarbesatzes für ein Endstadium eines Processes halten, welcher sich in den Epididymiszellen abspielt und unzweifelhaft periodisch ist. Bei meinen Untersuchungen über Histogenese der Flimmerzellen, hatte ich Gelegenheit die verschiedenen physiologischen Zustände im Darmepithel des Lumbricus zu schildern (6) in welchen es sich um retractile Cilien handelte; ich habe an jener Stelle betont und möchte es hier wiederholen, dass in den Fällen, wo wir verschiedene Bilder von physiologischen (d. h. nothwendig periodischen) Zu- ständen einer Zellenart in nur eine continuirliche, ziemlich lückenlose Reihe einordnen können, wir auch das Recht haben, den betreffenden physiologischen Vorgang für umkehrbar zu halten, d. h. anzunehmen, dass die Zwischenglieder der Reihe sowohl einen regressiven, wie einen progressiven Process ver- anschaulichen können. Wäre dem anders, d. h. wäre z. B. der Vorgang der Ausbildung einer Cilie an andere Etappen, wie derjenigen der Rückbildung derselben gebunden, so müssten wir ja Im Stande sein, aus unseren mikroskopischen Bildern zwei eontinuirliche Reihen zu construiren. Aehnlich, wie ich es mit den Flimmerzellen im Darme des Lumbricus gethan habe, will ich auch in den Nebenhodenzellen des Menschen die verschiedenen, sich uns bietenden Bilder in eine möglichst lückenlose Serie einreihen und die benachbarten Zustände als von einander abstammend betrachten. Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen, 39 Von dem in Fig. 3 dargestellten Endgliedern der Serie machen wir zunächst einen Sprung und wenden uns an die Zellen, welche ebenfalls einem extremen Functionszustande der Zelle entsprechen (Fig. 4 und 5). Aus der Tiefe der Zelle, etwa dem Centrum des Zellleibes, ragt in das Lumen des Canals ein langer, spiessartiger Fortsatz: sein inneres Ende läuft gewöhnlich spitz aus und endigt mit einer kleinen, punktförmigen, in E.-Hämatoxylin "sich schwärzenden Anschwellung. Die Anschwellung ist zuweilen doppelt, manchmal scheint sie auch zu fehlen, oder fällt nicht in die Schnittebene. Von dieser Anschwellung lässt sich in vielen Fällen ein feiner Faden noch tiefer in das Zellinnere verfolgen, wo er ganz allmählich zu verschwinden scheint. Der spiessartige Fortsatz besteht aus einzelnen ziemlich dicken und anscheinend steifen Fasern welche unter einem sehr spitzen Winkel divergirend die Zelloberfläche weit überragen; in vielen Fällen sind die Spitzen der Fasern durch eine Masse zu- sammengeklebt, in anderen wieder ragt jedes Haar deutlich einzeln vor. In den meisten Fällen sind die Haare von einem auffallend geradlinigen Verlauf, so dass der ganze Büschel einem steifen Besen gleicht. In vielen Fällen ist der Büschel mehr oder weniger geknickt, aber nicht geschlängelt oder gekräuselt. Meistens steckt in der freien Oeffnung des Spiesses oder — im nächsten Stadium — eines „Besens“ (Fig. 6 und 7) ein homogen aussehender Secretklumpen; es scheint, dass auch das Innere des Besens nur wenige Fasern enthält und ebenfalls durch eine homogene Masse ausgefüllt wird. Dass dieser Besen thatsächlich aus relativ steifen, stemmenden Fasern besteht und dass diese Consistenz denselben auch intravital zukommt, wird aus dem Verhalten der freien Zelloberfläche ersichtlich, auf welches wir weiter noch näher zu sprechen kommen werden. Ein unmittelbar an das eben beschriebene sich anschliessende Bild bieten die Zellen der Fig. 6 und 7. Es ist nun eine Sonderung des Faserbüschels eingetreten, welche einen Vergleich desselben mit einem Besen noch treffender macht: wir können nun einen sehr dünnen, zum Faden ausgezogenen Besenstiel 40 Alexander Gurwitsch: vom mächtigen ausgebildeten, aus einem dicken Büschel be- stehenden Besenkörper auseinander halten ; die deutliche Divergenz der einzelnen Fasern ist jetzt noch auffallender, als in den vor- hergehenden Stadien (Fig. 6b). Das innere Ende des Büschels, der „Besenstiel“, besteht aus einem dünnen Strang, an welchem sich keine faserige Structur mehr nachweisen lässt. Das Endknöpfchen ist in sehr vielen Fällen doppelt; seine Verdoppelung zieht auch meistens einen entsprechenden Vorgang in dem „Besenstiel“ nach sich (Fig. 6 b und 7 ce). Wir kommen nun zu einem dritten Typus, welcher sich sehr eng dem Stadium der Fig. 6 anschliesst; der Haarbüschel nimmt an Dicke und Umfang deutlich zu, der lange, dünne Stiel wird vollständig eingezogen, das Endknöpfchen sitzt nun dicht an der Basis eines ziemlich breiten Kegels (Fig. 7). Dieses Bild kehrt nun sehr häufig wieder, der entsprechende Zustand der Zellen muss somit längere Zeit anhaltend, mehr stationär sein. In den meisten Fällen lässt sich auch hier innerhalb des Büschels das Vorhandensein einer homogenen Masse nachweisen, welche aus weiter zu erörternden Gründen als Secret angesehen werden darf. Am auffallendsten sind nun die mannigfachen Veränderungen, welche das Endknöptchen nun eingeht. Ich habe schon vorhin erwähnt gehabt, dass, solange ein lang ausgezogener Stiel dem Besen zukommt, das Endknöpfchen stets in der Form eines einfachen oder doppelten punktförmigen Gebiles auftritt. Von dem Stadium der Fig. 7c angefangen, treten aber eigenthümliche Veränderungen an demselben auf, welche trotz ihrer Verschiedenheit doch einen gemeinsamen Zug wahrnehmen lassen; wir haben hier nun mit zwei Haupttypen zu thun: in den Fällen des ersten Typus (Fig. 8) ist die Spitze des Büschels ab- gestumpft um das Endknöpfchen, oder objectiver ausgedrückt, eineeigenthümliche, in Eisen-Hämatoxylin sich schwärzende Substanz- anhäufung gestaltet sich etwa dellenförmig, wobei von der ganzen concaven Fläche der Delle ziemlich gleichmässig die einzelnen Haare des Büschels entspringen. In einer etwas anderen Weise gestaltet sich das Bild im zweiten Typus (Fig. 9, 12). Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 41 Die Spitze des Büschels ist in diesen Fällen leicht zu erkennen und wird sowohl durch die Gestalt der einzelnen Haare, als auch durch dieeigenthümliche Form des dellenförmigen Endknopfes markirt: der Endknopf zeigt eine deutliche symmetrisch gelegene, gegen das Zellinnere zu gerichtete Zuspitzung; die freien Ränder der Delle sind dagegen stark nach oben, der freien Zellobertläche zu umgebogen und laufen in der Richtung des freien Zellrandes (welcher auf senkrechten Schnitten durch die punktförmigen Durch- schnitte der Schlussleiste markirt ist) aus. Die Verhältnisse dieses Stadiums sind besonders deutlich durch die Fig. 9 und 12 veranschaulicht; in Fig. 9 kommt noch ausserdem ein kleines, von dem grossen anscheinend ganz unabhängiges Büschelchen zum Vorschein. Das Characteristische an den Büscheln des eben erwähnten Typus wäre somit der Umstand, dass die Haare des Büschels nur von der central gelegenen Zuspitzung der Delle entspringen, die Seitenränder der letzteren dagegen frei bleiben — im Gegensatze zum Verhältniss der Fig. 8. Ein Uebergang zwischen den beiden Typen (Fig. 8 einerseits und Fig. 9—12) bieten uns die Zustände, wie sie durch die Fig. 13 veranschaulicht werden: eine sehr schön conturirte, etwa einem Quadranten einer Kugelschale entsprechende Delle — ein richtiger Napf, giebt in seiner mittleren Fläche einem Stumpen Haarbüschel den Ursprung, eine Seitenränder bleiben aber völlig frei und richten sich nach der Schlussleiste der Zelle. Ein ähnliches Bild giebt uns die Zelle Fig. 11, welche uns noch im Folgenden beschäftigen wird. Es gehört zu einer geringen Minderzahl der Fälle, dass der Haarbüschel auf diesen Stadien noch compact und der durch die einzelnen Fasern gebildete Kegel spitz bleibt: ein solches Bild wird uns durch die Fig. 11 vorgeführt: der Büschel entspringt mit einer deutlichen Spitze von der centralen Anschwellung des Napfes, die einzelnen Haare sind zusammengebacken und ragen spiessartig aus der Zelle hervor. Desto deutlicher lässt sich in letzteren Fällen das Verhalten des basalen Napfes studiren, da seine optische Projeetion von den Büschel- fasern durch helles Plasma deutlich geschieden ist; es lässt sich mit aller gewünschten Schärfe festellen, dass der schwarze Streifen a ein optischer Schnitt einer kegelförmigen Fläche 42 Alexander Gurwitsch: ist, welche somit eine Continuität zwischen der Knopförmigen Endanschwellung und den Schlussleisten der Zelle herstellt. Eine ganze Reihe von continuirlichen Uebergängen führt uns von dem Zustande, wie er in Fig. 9 dargestellt ist, zum zuletzt beschriebenen. Der Haarbüschel macht nun in der Regel einige Metamor- phosen durch, welche zu einem ungemein typischen immer wieder- kehrenden Bilde führen: der Büschel wird nämlich in seiner mittleren Portion, also etwa im Niveau der Zelloberfläche auf- getrieben, schwellt mächtig an; da seine Basis mit der centralen Anschwellung des Napfes zusammenhängt, seine freie Spitze meistens durch Secret zusammengeklebt ist, Kommt es zur Bildung eines doppelten Kegels (Fig. 10, 14). Die gemeinsame Basis der Kegel, d. h. der breiteste Durch- messer des Büschels, legt sich gewöhnlich der äusseren Peripherie der Zelloberfläche, den Schlussleisten dicht an; es ist klar, dass in diesen Fällen, der optische Schnitt des Büschels — die ihn nach aussen zu begrenzenden Fasern mit der verbindenen Linie des Basalknopfes und der Schlussleisten zusammenfallen und eine Sonderung beider, wie sie m Fig. 11 noch deutlich gewesen, wird nunmehr unmöglich. Wenn wir vom Zellinnern absehen und nur den in das Lumen des Nebenhodencanals hineinragenden Büschel berück- sichtigen, bekommen wir Bilder, wie sie gewöhnlich von den Autoren gegeben werden (z. B. Zimmermann (20), Fig. 108) die Reihe der Veränderungen des eigenthümlichen Besens nähert sich nun ihrem Ende und wir kommen zu den Zuständen, die wir Eingangs kurz berührt und als Endglied der Reihe aufgefasst hatten. | Durch das weitere Auftreiben des Haarbüschels, wird die innere Spitze desselben immer mehr der Oberfläche genähert, der Winkel des unteren Kegels wird immer breiter, die intracellulären Theile des Büschels verschwommen: der Vorgang lässt sich zu- weilen ganz stufenweise an einigen benachbarten Zellen verfolgen, wie es z. B. in den Fig. 15, 16, 3g geschehen ist. Als Abschluss des ganzen Umwandlungsvorganges kommen wir nun zu unserem Anfangsstudiam — Fig. 3 — zurück: es sind Zellen mit einem niedrigen, die ganze freie Zelloberfläche einnehmenden Haarbesatz; die einzelnen Haare sind sehr zahl- reich, ungemein zart (in der Mehrzahl der Fälle, s. o. S.) und Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 43 schwach färbbar; wie schon oben erwähnt, convergiren sie in vielen Fällen an ihrer Basis (Fig. 3 F.), in anderen sehr zahlreichen Fällen taucht dagegen jedes Härchen einzeln, ohne scharfe Grenze in eine homogene helle Substanz hinein: an der Basis des Büschels, gewöhnlich im Centrum der homogenen Substanz sind die Diplo- somen gelegen. Mit dieser kurzen Uebersicht wäre ein allgemeiner Ueber- blick über die eigenthümlichen Verhältnisse der Nebenhoden- zellen gewonnen. Im Folgenden will ich versuchen, auf einige Punkte etwas näher einzugehen und ihre Bedeutung möglichst objectiv zu be- leuchten. Die Fasern des Haarbüschels. Die einzelnen Fasern des Büschels verhalten sich sehr ver- schieden, je nach dem Stadium des letzteren. In dem Anfangs- (resp. End-) gliede unserer Reihe — spiessartiger Büschel (Fig. 4 und 5) treten die Fasern als dicke, an der Basis und am freien Ende etwas zugespitzte Substanzstreifen; ihre Färbbarkeit in E.- Hämatoxylin ist ausserordentlich stark. Durch ihren ausserordentlich geradlinigen Verlauf, wobei die extra- und die intracelluläre Strecke ohne Umbiegung ineinander über- gehen, lässt sich auf ihre relativ steife Natur schliessen; besonders typisch sind in dieser Hinsicht die zahlreichen Fälle, in welchen die Axe des Büschels mit der Längsaxe der Zelle nicht zusammen- fällt, so dass der Büschel ganz schief in die Zelle eingeptlanzt ist und in derselben schiefen Richtung auch in das Lumen des Canals hineinragt (Fig. 5, 6). Es muss somit dabei die Ursache der schiefen Orientirung des Büschels, welche entweder auf den extra- oder den intracellulären Theil desselben einwirkte, auch für die Richtung des anderen Theiles bestimmend gewesen sein; es folgt daraus, dass die Widerstände, auf welche eine seitliche Verschiebung des Büschels im Zellplasma seitens des letzteren stösst, geringer sind, als die, welche eine eventuelle Einbiegung oder Einknickung des Büschels an der Austrittstelle desselben aus dem Zellleibe verursachen würde; wir sind daher berechtigt, von einer relativen Steifheit des Büschels in Bezug auf das nachgiebigere Zellplasma zu sprechen. 44 Alexander Gurwitsch: Auf Tangentialschnitten durch die Zellen lassen sich die einzelnen Elemente deutlich im Querschnitte unterscheiden und auch zählen; es sind meistens nur wenige, etwa S—10 Fasern. Ihr Querschnitt erscheint gewöhnlich nicht kreisförmig, sondern meistens länglich oder eckig — in vielen Fällen ist jedoch die nähere Beurtheilung des Querschnittes dadurch erschwert, dass die meisten Fasern nicht senkrecht, sondern etwas schief zu einem reinen Querschnitt verlaufen. Ueber die Beschaffenheit der Haare auf dem nächsten Stadium, in welchem der Büschel mit einem gestielten Besen verglichen wurde, lässt sich nur Weniges zu dem Öbengesagten hinzufügen; die Haare nehmen bedeutend an Zahl zu, werden aber auch viel feiner, als die ursprünglichen dicken Stränge Ich glaube daher, dass wir zur Annahme berechtigt sind, dass die einzelnen Elemente des „Spiesses“ (Fig. 4a und 5a) ent- weder verklebte, oder noch nicht gesonderte Complexe von feineren Haaren sind. Es ist zu beachten, dass dies freie Ende des Besens meistens aus divergenten, bald mehr gekrümmten, bald ganz geraden Haaren besteht und dass dieselben durch umgebendes Sectret nur wenig verklebt werden (Fig. 6a, b). — Hand in Hand mit der Umgestaltung des Basalknopfes zu einer Delle scheint auch die Beschaffenheit der Haare eine gewisse Veränderung zu erleiden. Das Verhalten wird am besten durch die Fig. 10, 12, 13 und 14 veranschaulicht. Die Haare werden viel zarter, nehmen einen mehr geschlängelten oder geschwungenen Verlauf an, färben sich nur sehr blass; ich habe schon vorhin erwähnt gehabt (S. 42), dass der Büschel in seiner Mitte durch Secretanhäufung aufgetrieben wird; es ist nun characteristisch für die relative Zartheit der Haare in diesen Stadien, dass die Spitzen desselben durch das umgebende Secret oder Theile des Plasmas völlig mit einander verkleben und nicht mehr einzeln zu unterscheiden sind, was einen starken Gegensatz zu den Zu- ständen der Fig. 6 u. s. w. bietet. Trotz der Zartheit der Haare besitzt der Büschel, als Ganzes betrachtet, ein bedeutendes Stemmvermögen; beim Herausdrängen aus dem Zellinnern stülpt er in vielen Fällen die Zelloberfläche vor und erhält dadurch einen kegelförmigen Mantelüberzug aus dem Cytoplasma (Fig. 10 und 11). Es ist eigenthümlich, dass dieser Plasmaüberzug den starren Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 4% „Besen“ (Fig. 7, 8, 9) in der Regel fehlt, obwohl man auch in diesen Fällen abgehobene Plasmatheile zu sehen bekommt (Fig. 6a, Ta). Ob es mit der grösseren Stemmkraft und leichterem Einreissen des Plasma in den letzterwähnten Fällen zusammenhängt, kann wohl vermuthet, nicht bewiesen werden. Je breiter der Büschel wird und je mehr sich seine Basis der Zelloberfläche nähert, desto zarter und unscheinbarer werden die einzelnen Haare desselben; auch in diesen Fällen hilft uns übrigens eine Reihe von Uebergangsstufen (Fig. 7c, 13, 16, 3g, 17) zur Identifieirung oder richtiger Ableitung dieser Ge- bilde von den oben beschriebenen Spiess- und Besenfasern. Es ist ja naheliegend, dass man beim Anblick von zwei extremen Stufen, wie etwa der Fig. 3 und 4, sehr im Zweifel darüber sein kann, ob wir es thatsächlich mit zwei verschiedenen Funetions- stadien desselben Gebildes zu thun haben. Das Endstadium, der Uebergang des Büschels zu einem feinen, dichten, der Zelloberfläche aufsitzenden Haarbesatz ge- staltet sich sehr verschieden: in den breiten Zellen lässt sich die Convergenz der Haare zu einem Centrum mit mehr oder weniger Deutlichkeit verfolgen, in den schmalen Zellen lassen sich in der Regel gar keine Differenzirungen an der Basis des Haarbesatzes wahrnehmen. Die Haare tauchen in eine ganz homogene, von dem körnigen Cytoplasma deutlich abstechende Substanzanhäufung ein, in welcher gewöhnlich ein Diplosom gelegen ist. Der Endknopf des Büschels. Die zahlreichen Veränderungen, welche der punktförmige Endknopf an der Basis des „Spiesses“ und des „Besens“ durch- laufen muss, um an die Zelloberfläche zu gelangen, wurden schon oben kurz berührt: der wesentliche Punkt derselben be- steht in einer Abflachung und Aushöhlung der eigenthümlichen Substanz zu einer Delle oder einem Napf; im Centrum des Napfes bleibt gewöhnlich ein scharfes Endknöpfehen markirt, welches jedoch in vielen Fällen zu fehlen scheint, oder sich jeden- falls der Beobachtung entzieht: ein ganz eigenthümlicher Vorgang ist das Zusammenfliessen der Ränder des Napfes mit den Schluss- leisten der Zelloberfläche; man gewinnt dabei den Eindruck, 46 Alexander Gurwitsch: als ob dadurch eine Stütze für die Basis des Büschels geschaffen wäre — ein Bild, welches uns leider gar keinen Einblick in das Wesen des Vorganges giebt, wie auch überhaupt die Entstehung, Beschaffenheit und physiologische Bedeutung dieses Gebildes für mich völlig räthselhaft bleibt. In den Fällen, in welchen der Napf in Form einer Kugelschale persistirt und nicht bis an die Schlussleisten der Zellen heranreicht, zerfällt die Anfangs homogen erscheinende Substanz des Napfes in einzelne kleine Körnchen, von welchen die einzelnen Haare zu entspringen scheinen — der Befund ist aber zu selten, um eine allgemeinere Bedeutung zu beanspruchen (Fig. Sd). In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle persistirt die Napfsubstanz an der Basis des ober- tlächlichen (wurzellosen) Haarbesatzes in der Gestalt zweier runder Körnchen, deren Verbindungsaxe der Zelloberfläche parallel liegt; die beiden Körnchen sind gewöhnlich durch einen hellen Streifen miteinander verbunden, welcher ganz eigenthümlich an die Anfänge einer Centralspindel erinnert (Fig. 3e). Häufig genug, obwohl in der Minderzahl der Fälle, werden die beiden discereten Körnchen durch ein deutliches Diplosom er- setzt, dessen Längsaxe mit derjenigen der Zelle zusammen- fällt (Fig. 3 b, c). Ich glaube, dass gar kein Zweifel darüber bestehen kann, dass die unter so wechselnder Gestalt auftretenden Endgebilde an der Spitze der Büschel als Formveränderungen einer und derselben Substanz angesehen werden dürfen. Ob die besondere Färbbarkeit dieser Substanzanhäufung auf einer chemischen Specifieität derselben, oder auf einem, vom umgebenden Cyto- plasma abweichenden Aggregatzustande ‚beruht, muss natürlich dahingestellt bleiben.) Es ist für die uns hier vorliegende !) Es könnte allerdings in vielen Fällen zweifelhaft bleiben, ob die so verschiedenen Gestalten des Endknopfes nicht theilweise auf Zufälle der Färbung, ungenügende Extraction durch die Beize zurückzuführen wären, und ob nicht innerhalb dieses schwarz gefärbten Klumpens das Körnchen- paar — „das Diplosom“ — unverändert vom Stadium Fig. 4 bis zum letzten der Fig. 3 persistirt. In sehr vielen Fällen, wo die Extraction sehr energisch war und der Endknopf die Form eines regelmässigen, sehr dünnen Napfes beibehält, lässt sich eine Ueberfärbung ausschliessen. Denkt man dagegen an eine den Centralkörpern fremde Substanz, welche dieselben einhüllen und dasselbe färberische Verhalten zeigen soll, so fällt ja das einzige Critorium dieser „Centralkörper*. Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen, 47 Frage nur von Wichtigkeit, dass an den beiden Enden der Reihe der Gestaltänderungen dieses „Endknopfes“ letzterer die Form eines deutlichen Doppelkörnchens eines Diplosomas an- nimmt, welches nach der Ansicht der meisten Autoren als ein Centralkörper "angesehen werden muss — es wird ja kaum Jemand im Zweifel sein, dass das Doppelkörnchen der Fig. 3b und c das, was man Üentralkörper der ruhenden Epithelzellen nennt, auch wirklich ist. Die stufenweise Entstehung des letzteren aus dem Endknopfe des Büschels der vorhergehenden Stadien scheint mir aber durch die beschriebenen Bilder genügend gesichert zu sein, um dieselbe zum Ausgangspunkt von Be- trachtungen über die bis jetzt noch problematische Natur des „Diplosoms“ heranzuziehen. Es ergeben sich nämlich bei dieser Annahme ganz eigenthümliche Consequenzen für die Beurtheilung der Natur dieser Gebilde. Die „Diplosomen“ (der Name rührt von Zimmermann (20), Micerocentren (M. Heidenhain) oder Centralkörper wurden nahe der Oberfläche vieler Epithelien im ruhenden Zustande von Zimmer- mann, Heidenhain u. A. aufgefunden, wobei ihre ganz oberfläch- liche Lage mehrere Male, u. A. auch von Ballowitz, hervor- gehoben und theilweise (Lenhossek) zu recht weitgehenden Speculationen verwerthet wurde. Soviel ich aus allen diesbezüglichen Schriften entnehmen kann, wurde ihre Identität mit den Centralkörnchen der Üentro- somen (Centriolen Boveri’s) keinen Augenblick angezweifelt, obwohl ein directer Beweis dafür, ein nachgewiesener genetischer Zu- sammenhang mit mitotischen Vorgängen nie beobachtet wurde! Ich habe mich auch vergebens bemüht, in den zahlreichen mir zur Beobachtung gekommenen verschiedenen Mitosestadien indenCylinderepithelien einen Zusammenhang des Diplosoms mit den Vorgängen im Zellleib aufzufinden. Eine Entstehung einer Uentralspindel aus denselben, eim allmähliches Aus- einanderweichen der beiden Körnchen wurde bis jetzt meines Wissens von Niemandem beschrieben. Es mag wohl die Aehnlichkeit des Diplosoms mit den echten, leicht als solche zu erkennenden Centralkörpern für die etwas gewagte Beurtheilung der Natur der fraglichen Gebilde maassgebend gewesen sein. 48 Alexander Gurwitsch: Wenn wir aber zum Vergleiche die „echten“!) Centralkörper, etwa aus ruhenden Leucocyten, Salpenepithel (Ballowitz) oder noch besser, aus dem Idiozom der Samenzellen oder der Ovocyten heranziehen, so redueirt sich ja die Aehnlichkeit nur auf eine (remeinschaft der negativen Merkmale! Es sind in der That in beiden Fällen Gebilde, welche zu dem Einfachsten gehören, was wir in der mikroskopischen Welt zu sehn bekommen: ein paar winzige kleine Körnchen mit oder ohne verbindenden Streifen; um consequent zu sein, mussten wir je auch einen beliebigen Diploeoceus für identisch mit dem Diplosom halten — auf die gleiche Färbbarkeit ist je wirklich kein besonders grosser Werth zu legen. Nun kommt aber aus der Betrachtung der oben beschriebenen 5efunde ein neues Moment hinzu, welches mich zum Eingehen auf die viel discutirte Frage veranlasst: ein Diplosom, ein Uentral- körper ist laut seiner Definition dadurch thätig, dass er während der Mitose zur Entstehung der achromatischen Figur beiträgt und an den Polen der Spindel sich befindet. Eine zweite, den Üentralkörpern zugeschriebene vorläufig noch etwas problematische Function als „kinetisches Organ“ der ruhenden Zelle, als ein Centrum, von welchem aus die verschiedenen motorischen Impulse dem Zellleibe und den Zellorganen gegeben werden sollen (Zimmermann, Lenhossek (12) ist für unsere Beobachtung — vorläufig katalytischer Natur d. h. das „Micro- centrum“ scheint, soweit wir sehen können, unverändert, durch seine blosse Anwesenheit in der betreffenden Zelle oder Zellregion zu wirken; die intimeren Vorgänge bleiben für uns verborgen. Eine einzige, allerdings sehr complieirte Gestaltänderung, abgesehen von den mitotischen Vorgängen, erfährt der Centralkörper nur in der Spermatogenese, wo es sich um Anpassung an ganz eigenthümliche Formverhältnisse handelt. Nun haben wir aber in den eigenthümlichen Gestaltänderungen des Endknopfes unseres Büschels, welche der Ausbildung eines typischen Diplosoms vorangehen, Vorgänge, die vorläufig so ver- einzelt stehen, deren Bedeutung uns so unverständlich ist, dass eine Inanspruchnahme eines wirklichen „Centralkörpers“ für dieselben eine Erweiterung seiner Functionen nach sich ziehen müsste, welche jeder präcisen Definition seines morphologischen und physiologischen Characters spotten würde! !) d. h. solche, deren bekannte Function bei mitotischen Vorgängen. thatsächlich nachweisbar ist. Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 49 Wir sehen aber in unserem Falle ein, dem Aussehen nach mit einem Diplosom (also einem vermeintlichen Mierocentrum) völlig identisches Gebilde am Ursprunge eines eigenartigen, tief in der Zelle steckenden Büschels sitzen, Hand in Hand mit verschiedenen Veränderungen des letzteren, die merkwürdigsten Gestaltänderungen eingehen, einen Kegelmantel bilden, dessen freie Ränder sichtbar zu den Schlussleisten der Zelle streben und” mit denselben anscheinend confluiren und schliesslich sich wieder zu seiner ursprünglichen Gestalt, die eines „Diplosoms“ an einer für die sonstigen Cylinderzellen typischen Stelle umzuwandeln. Suchen wir nach einer Erklärung, welche uns auch in diesen Vorgängen die postulirte kinetische Natur des problematischen (ebildes einigermassen wahrscheinlich machen könnte, so wäre es vielleicht die Annahme, dass dieser Endknopf des Büschels durch seine active Wanderung an die Zelloberfläche den passiven Büschel dorthin befördert, was vielleicht einen gewissen, uns verborgenen Sinn haben könnte. Es ist aber leicht einzusehen, dass diese „kinetische“ Function der präsumptiven Thätigkeit der Central- körper, als einem „Centrum“ von räthselhaften, centralen Kräften, etwa einem Magnetpol oder ähnlichem vergleichbar, nicht nur nicht ähnlich, sondern eher diametral entgegengesetzt wäre. Soviel glaube ich daher auf Grund des Auseinandergesetzten behaupten zu können, dass, wenn wir an die centrosomale Natur des. Endknopfes, des Napfes und des daraus entstehenden Diplosoms fest halten, wir daraus eine neue, uns unverständliche und mit der sicher festgestellten schlecht vertragbare Function des Centro- somas oder des Mierocentrums ableiten müssen. Ich halte es daher für das Wahrscheinlichere und Wohlberechtigte, auf Grund unserer jetzigen Kennt- nisse der „Diplosomen“ in den Epithelien ihnen die centrosomale Natur abzusprechen und sich nach etwas Anderem für sie umzusehen. Es mag wohl eigenthümlich vor- kommen, dass ich speciell von Diplosomen in den FEpithelien spreche und dadurch eine Scheidung zwischen ihnen und den von Allen anerkannten Centralkörpern in zahlreichen anderen Zellen- arten durchführen will. Ich muss daher auf ein vielbesprochenes Thema zurück- kommen, welches in ausführlicher Weise in einer im Arch. f. m A. (S. 211 ff.) erschienenen Arbeit von mir besprochen wurde (6); ich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 4 50 Alexander Gurwitsch: meine die Flimmerepithelien und ihre Basalkörper: ich glaube dort den Beweis geliefert zu haben, dass die Basalkörper nicht aus einem Üentralkörper entstehen und zugleich eine Flimmer- zellenart näher beschrieben (Tela choroidea des Salamanders) wo der einzelne Basalkörper einem Diplosom wirklich täuschend ähnlich aussah: ich kam daher in der angeführten Arbeit zu dem Schluss, dass wir in Epithelien auf Bildungen stossen, die in keiner uns zu- gänglichen Weise von einem Diplosom unterscheidbar sind und doch nachgewiesenermassen nicht centrosomaler Herkunft und Natur sind; folglich sind wir nicht berechtigt den Diplosomen der Epithelien, deren Zusammenhang mit mitotischen Vorgängen nie beobachtet wurde, blos aufihre Gestalt hin mit echten Uentralkörpern zu identifieiren. Wir sehen nun, dass die vorliegende Untersuchung auf einem ganz anderen Wege eine willkommene Bestätigung dieser in der vorhergehenden Arbeit ausgesprochenen Ansicht bringt. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die hier dargebrachten Beweise keinesfalls genügen, um die Frage endgiltig zu lösen, d.h. ein für alle Mal die Diplosomen der Epithelien und einiger anderen Zellarten von den Centrosomen oder Uentralkörpern zu trennen. Es genügt mir aber vorläufig, gezeigt zu haben, dass die Gestalt und die Färbbarkeit in diesen Fällen nicht als maass- gebend angesehen werden darf, und dass der einzige wirkliche Beweis der centrosomalen Natur der Diplosomen aus der directen Beobachtung ihres Verhaltens in den mitotischen Vorgängen zu erbringen sein wird; es scheint jedoch, dass die Untersuchung dieser Verhältnisse auf Schwierigkeiten stösst, da weder Zimmer- mann, noch Heidenhain und Lenhossek, welchen wir ja hauptsächlich die: Kenntniss dieser Verhältnisse verdanken, uns einen Aufschluss über dieselben geben konnten. Die Ursache der Umwandlungen der Büschel. Ueber die Bedeutung und Ursachen der geschilderten Vor- gänge sind wir auf mehr oder weniger begründete Vermuthungen angewiesen; etwas sicheres lässt sich natürlich über dieselben nicht aussagen. Ich glaube aber, das unmittelbar erzeugende Moment der Wanderung des Büschels an die Zelloberfläche in den sich dabei Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 51 abspielenden secretorischen Erscheinungen suchen zu müssen. In der Beschaffenheit und der Entleerung des Secrets in meinem Falle können wir zwei Typen unterscheiden; es wird zunächst in ziemlich reichliehen Mengen ein Secret entleert, welches im Lumen des Nebenhodencanals in Form von scharf conturirten Bläschen erscheint ; viele Bläschen nehmen keine Farbe an, sind trotz ihrer bedeutenden Grösse ganz durchsichtig, ziemlich schwach lichtbrechend und müssen daher als Residuen kleiner, nicht geronnener Flüssigkeitstropfen angesehen werden ; in recht häufigen Fällen treten jedoch innerhalb derselben zahlreiche grössere und kleinere Körnchen auf, welche zuweilen die Bläschen fast voll- ständig ausfüllen (vergl. Fig. 17); diese Körnchen werden von der Zelle in grösseren Mengen herausgepresst und bleiben ge- wöhnlich längere Zeit mit der Zelloberfläche durch eine Substanz- brücke in Verbindung'!); es entsteht dabei das so häufige Bild der Fig. 17. Aehnliche Bilder wurden auch von Meyers-Ward (14) gegeben, es scheint ihm jedoch entgangen zu sein, dass die „ballonförmigen“ Fortsätze lediglich aus grossen, groben Körnern und einer homogenen Flüssigkeit bestehen und somit ein ganz anderes Aussehen und wohl auch eine vom Cytoplasma ab- weichende Beschaffenheit haben werden, die Bilder können uns daher nicht veranlassen von einer Abschnürung eines Theiles des Plasmas zu sprechen, wie man es leicht bei Betrachtung einer linienförmig conturirten Zeichnung annehmen könnte. Ich kann nun constatiren, dass das Verhältniss der Secretblasen zum Haarbesatz der Zellen ein sehr festes ist und völlig ausreicht um die ver- schiedenen Metamorphosen des Haarbüschels zu erklären; die Secretanhäufungen befinden sich stets innerhalb des Haarbüschels, treiben den letzteren beim Anschwellen auf und brechen durch die freie Oberfläche des Büschels in das Lumen des Nebenhodencanals durch (vergl. Fig. 14, 18, 19). Ich muss daher den Befund von Meyers-Ward dahin ver- vollständigen. dass an der Basis der eigenthümlichen, zapfen- oder ballenförmigen Zellenauswüchse ein zuweilen recht dichter ’) Auf die speciellen Fragen der Secretbereitung kann ich an dieser Stelle nicht eingehen. 4* 52 Alexander Gurwitsch: Haarbüschel der Zelloberfläche aufsitzt; die einzeinen Haare werden durch den Secretionsvorgang stark auseinandergedrängt. Der neuste Untersucher dieser Verhältnisse, A. Aigner (1) hat die zapfen- und ballenförmigen Fortsätze nur bei einigen Sängethieren, nicht beim Menschen gesehen ; er konnte ebenfalls keine Haare an der Basis des Zapfens entdecken. Es lässt sich nicht sagen, ob die Verschiedenheiten in unseren Befunden auf andere Functionsstadien oder Auf die an- gewandte Technik zurückzuführen sind: mir stand leider nur ein menschlicher Nebenhoden zur Verfügung. Ich konnte aber feine Haare auch an der Basis der Zapfen im Nebenhoden des. Meerschweinchens nachweisen. Ausser dem grobkörnigen mit einer nicht gerinnbaren Flüssigkeit untermischtem Secret, welches ich in Fig. 17 dar- gestellt habe, wird von den meisten übrigen Zellen in grösseren Mengen eine flüssige, bei der Fixirung gerinnende Masse aus- geschieden, welche zuweilen auf Strecken einen grossen Theil des Lumens des Nebenhodencanals ausfüllt. Ich will es nicht unterlassen zu erwähnen, dass man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dieses flüssige Secret auch innerhalb der Zelle erkennen kann, obwohl natürlich in diesen Fällen eine gewisse Vorsicht am Platze ist: färbt man nämlich die Schnitte mit E.-Hämatoxylin, so werden in vielen Zellen mehr oder weniger deutliche Anhäufungen einer ganz homogenen, farblos bleibenden Substanz wahrnehmbar, welche stets in der Nähe des Büschels gelegen ist und sehr deutlich von dem grobkörnigen Cytoplasma absticht. Besonders deutlich lässt sich der Unter- schied bei Anwendung einer saueren Farbe, z. B. das Rubins hervor- heben (Fig. 3a); im Gegensatz zum ganzen Zellleib, welcher nur einen ganz leichten rosa Anflug erhält, färbt sich die homogene Masse sehr intensiv roth und stimmt darin völlig mit der im Canallumen liegenden, aus den Zellen herausquellenden Flüssigkeit überein. Am regelmässigsten tritt diese Substanzanhäufung im Zellleibe im Schlussstadium der Umwandlungen des Haarbüschels auf (Fig. 3) wo sie eine ganz deutliche Zone an der Basis des iBüschels bildet; in der nächsten Nähe oder Centrum derselben st auch das Diplosom oder das horizontale Körnchenpaar gelegen. Es ist nun sehr wesentlich für die für uns in Betracht kommenden Fragen, dass die Oeffnung des Büschels die Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 53 einzige Pforte auch für das flüssige (oder vielleicht halbflüssig?) homogene Secret darstellt (vergl. besonders Fig. 3, 13,7, 8). Auf allen Stadien des Büschels, von denen der „Spiesse“ und „Besen“ angefangen, sehen wir deutlich einen Secret- pfropf aus der Oefinung des Büschels herausragen und mit den benachbarten verschmelzen; ich möchte dabei, im Gegensatz zu anders lautenden Beschreibungen ausdrücklich betonen, dass die Verschmelzung der benachbarten Pfröpfe sich nur auf die Secretmassen beschränkt, nicht auf die Haarbüschel; die Contur der freien Oeffnung der Büschel schneidet sehr scharf von der homogenen Secretmasse ab. Wir sehen somit, dass der Haarbüschel der Epididymiszellen stets an der Secretentleerung betheiligt ist und dass die Umwandlungen, welche der spiessartige, tief in das Zellinnere hinein- ragende Büschel durchmacht, durch die Anhäufung und endliches Aufbrechen des Zellsecretes erklärt werden können. Es fragt sich nun, ob wir in der eigenthümlichen Be- schaffenheit der Büschel nicht eine besondere Vorrichtung haben, welche durch die eigenthümliche Secretionsweise in den Neben- hodenzellen nöthig wird; in allen Drüsenzellen, in welchen das Secret eine flüssige Beschaffenheit hat, kommt es erst zum Durchbruch, nachdem die Secretmasse durch ihren starken Druck das Plasma und den Zellkern ganz abgeflacht und endlich den Widerstand der Zelloberfläche überwunden hat. Bei der Secretion der Nebenhodenzellen handelt es sich dagegen um kleine, die Druckverhältnisse in der ganzen Zelle nur wenig beeinflussende Secretmengen. Es lässt sich schwer vorstellen, wie diese Flüssigkeitstropfen den Widerstand der freien Zelloberfläche d. h. der Oberflächenspannung ohne Hilfe des relativ steifen Haarbüschels überwinden könnten; etwas Anderes wäre es ja freilich, wenn es sich um Abschnürungen von Plasmatheilen gehandelt hätte, wie es Meyers- Ward und Aigner angeben. Die Abschnürung, ähnlich der Pseudopodien- bildung hat ja als physikalische Voraussetzung. eine Abnahme der ÖOberflächenspannung der Plasmafläche, hängt somit von den inneren Druckverhältnissen der Zelle gar nicht ab. 54 Alexander Gurwitsch: Ich habe aber vorhin (Fig. 18, 19) nachgewiesen, dass die sich abschnürenden Bläschen aus Flüssigkeit bestehen und Aehnliches gilt in noch grösserem Maasse für den zweiten, von mir be- schriebenen Secretionsmodus. Eine andere Frage ist es freilich, ob diese Büschel auch bei der Secretbereitung betheiligt sind. Es liegt wohl nahe, dieselben mit den sog. Basalfilamenten oder demErgastoplasma von Garnier (5), M. u. P. Bouin (2) u.A. in Zusammenhang zu bringen; ein ähnlicher Versuch wurde auch ja mit den von Hammar in den Nebenhodenzellen des Hundes be- schriebenen „eytochromatischen Fasern“ gemacht (Garnier 58.80). Aehnlich, wie die von verschiedenen Autoren, namentlich zuletzt von M. Heidenhain (8) beschriebenen „Basalfilamente“ zeichnen sich die Büschelfasern durch ihre scharfe Sonderung von Cytoplasma, ihre Dicke, starkes Färbungsvermögen und endlich ihre Beziehungen zur Secretion aus. Ich vermag aber trotz des besten Willens in den letzt- erwähnten Beziehungen nichts von den etwas unbestimmt und räthselhaft aufgefassten Functionen der Basalfilamente zu ersehen, welche den letzteren den Namen „Ergastoplasma“ und die Zu- zählung zum „Protoplasma superieur“ eintragen. Die „Basalfilamente“ sollen nach der übereinstimmenden Auffassung von M. und P. Bouin, Garnier, Prenant (17), ein Zellorgan darstellen, welchem die Fähigkeit zukommt die Seeretkörnchen (oder das Secret im Allgemeinen?) zu bereiten (elaborer en transformant — ooyarwuav — Ergastoplasma). So weit mir diese Definition verständlich ist, sind die Filamente somit nicht mit Vorstufen des Secretes zu identifieiren, in welche. sie einfach allmählich aufgehen, sondern dem letzteren gegenüber eine mehr active Rolle, die eines Organs zum Örganproducte spielen. Wenn ich mich über die Art der Beziehungen zwischen den Büschelfasern der Nebenhodenzellen und dem zwischen ihnen eingeschlossenen Secret aussprechen soll, so Kann ich in objectiver Weise nur Folgendes eonstatiren: je mehr die Secretmenge innerhalb des Büschels zunimmt (was sich aus der Auftreibung des Büschels erschliessen lässt) desto dünner und zarter werden die einzelnen Härchen; diese Veränderung liesse sich aber auf Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 55 eine Spaltung der einzelnen Filamente in mehrere dünne Fasern zurückführen (s. v. S. 44). Eine andere Erscheinung ist die Verkürzung des Büschels, in den Schlussstadien der Umwandlung, welche beim Vergleich der unzähligen Fälle, welche den Fig. 3, 4, 5 u. 6 entsprechen, deutlich genug zu Tage tritt. Es lässt sich daher sehr wohl denken, dass entweder die Spitzen der Haare, oder was das Wahrscheinlichre ist, die Basis derselben in die Secretmasse ein- gehen, theilweise einschmelzen. Ich habe ja schon vorhin (s. Fig. 3) betont, dass die Haare des wurzellosen Büschels in eine homogene, anscheinend mit dem Secret identische Masse eintauchen. Es könnte somit in unserem Falle eine partielle Umwand- lung von Fasern in eine Secretmasse vorliegen, die uns durchaus nicht berechtigt, von einer „ergastischen* Function der ersteren zu sprechen. Ich habe diese kurze Auseinandersetzung für nöthig erachtet, um meinen Standpunkt bei einer eventuellen Inanspruchnahme der Büschelfasern für das „Ergstoplasma“ zu präeisiren. Es dürfte vielleicht sehr merkwürdig erscheinen, dass sämmt- liche von mir in dieser Arbeit geschilderten Befunde so stark von Allem abweichen, was uns bis jetzt über die Structurver- hältnisse im Epithel des menschlichen Nebenhodens bekannt wurde. Da ich mich auf ein Exemplar des Organes stütze, könnte es den Verdacht erwecken, dass wir es mit pathologischen Vorgängen, wenn nicht gar unerklärlichen Kunstprodueten zu thun haben. Ich konnte mich dieses unheimlichen Gefühles ebenfalls nicht er- währen, und wollte daher die Veröffentlichung der Befunde so lange aufschieben, bis sich Gelegenheit fände auch andere mensch- liche Nebenhoden zu untersuchen. Eine dazwischen erschienene Arbeit von Aigner (1) bringt aber u. A. auch eine Abbildung des Epithels eines menschlichen Hodens, welche so genau einige von mir beschriebene Zwischen- stufen wiedergiebt, dass ich wohl annehmen darf, dass bei einer genaueren Untersuchung der Verhältnisse, Aigner wohl die ganze oder wenigstens den grössten Theil meiner Reihe aus seinen Präparaten reconstruiren könnte. Es fehlt jede Andeutung von Enknöpfchen, aber auch von Diplosomen, welche ja schon von Zimmermann abgebildet wurden. Es scheint somit dass diese 56 Alexander Gurwitsch: Verhältnisse für Aigner's Zwecke nur wenig in Betracht kamen und deswegen auch nicht vorher berücksichtigt wurden. Im Texte beschränkt er sich auf den folgenden Passus: „In Fig. 6 habe ich ein auf die erwähnte Art. (mit E.-Hämatoxylin) gefärbtes Präparat aus dem Nebenhodengange des Menschen ab- gebildet. Man sieht hier, dass die Haarbüschel, wo sie in ihrer ganzen Länge getroffen sind, in das Zellprotoplasma gleichsam wie ein Pfropf eingesetzt sind.“ (S. 9, von mir gesperrt.) Die Abbildung von Zimmermann zeigt keine Spur von intracellulärer Fortsetzung des Büschels; die Region, welcher der Schnitt entnommen ist, ist nicht angegeben. Aehnliche Bilder, wo ich fast ausschliesslich wurzellose Büschel im Schnitte sah, stammen in meinen Präparaten aus den Theilen der Cauda, welche nahe der Umbiegung des Vas epididymis in den Vas deferens liegen; entweder hat sich Zimmermann auf diese Region beschränkt, oder einen Nebenhoden in einem anderen physiologischen Zustande gehabt. Ich habe schon in der Ein- leitung erwähnt, dass mein Material einem jungen kräftigen, an- scheinend gesunden Guillotinirten entnommen wurde, und dass in dem Lumen des Nebenhodencanälchens reichliches Sperma vorhanden war. Die Verschiedenartigkeit der Bilder in den benachbarten Zellen und ihr Wiederkehren in verschiedenen Abschnitten des Körpers und Schwanzes des Organs scheint die Möglichkeit eines Artefactes ebensogut wie die eines pathologischen Vorganges aus- zuschliessen. Ich will nun an die letzte der Betrachtung der Befunde sich anknüpfende Frage herantreten: es frägt sich, ob wir es bei den Umwandlungen des Büschels mit einem eyklischen, d. h. in sich wiederkehrenden Processe zu thun haben, oder ob die Endstadien der Büschel (Fig. 3, 4) dem Untergange geweihte Bildungen sind, welche dann durch neue, in ähnlicher Weise entstandene ersetzt werden dürften; gegen die letzte Möglichkeit scheint der Umstand zu sprechen, dass ich bei Durchmusterung meiner sehr zahlreichen Präparate keine Zellen ohne irgend ein Stadium eines Haarbesatzes fand, was ja nothwendig der Fall sein müsste, wenn der Vorgang des Zugrundegehens sich that- Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 57 sächlich in den Zellen abgespielt hätte. Noch schwerwiegender ist der Umstand, dass auch nie Büschel in der Tiefe der Zelle, ohne Hervorbrechen durch die Zelloberfläche gesehen wurden, was ja bei einer Neuentstehung, etwa aus dem Diplosom, noth- wendig wäre. Es ist aber andererseits zu berücksichtigen, dass dieser Process in einem anderen, von unserem Falle’ abweichenden Funetionsstadium des Nebenhodens sich leicht abspielen könnte, so bildet z. B. Henry (10) in Fig. 1, Taf. XII,: Zellen” aus der Cauda des Nebenhodens vom Menschen, in welchen keine Spur eines Haarbesatzes zu finden ist, welche sich eben im „Secretionsstadium“ befinden, wobei ein grobkörniges in meinen Zellen nicht sichtbares Secret entleert wird. Ich kann mir daher über diese Frage kein endgiltiges Urtheil bilden, ebensowenig wie über die Umstände, unter welchen eine eventuelle Neuentstehung des Büschels vor sich gehen müsste und ob dabei dem Diplosom eine Bedeutung zu- falle. Eine Untersuchung an der Hand eines grösseren Materials wird wohl mehr Licht in diese Verhältnisse hineinbringen. Schluss. Mir scheint das Hauptergebniss der vorliegenden Arbeit indem Nachweis zu liegen, dass Plasmafäden, welche anscheinend ohne scharfe Grenze aus der freien Zelloberfläche herausragen und welche man auch auf Grund ihrer notorischen Veränderlichkeit leicht für echte Pseudopodien einer Epithelzelle halten könnte, in der Wirklichkeit ihre Individualität bis in die Tiefen des Zellleibes beibehalten und ein vom übrigen Cytoplasma völlig differentes Gebilde darstellen. Eine Verallgemeinerung und Uebertragung dieser Befunde auf alle übrigen Fpithelien mit ähnlichen Besätzen liegt mir fern, ich glaube jedoch, dass eine Nachuntersuchung der verschiedenen Haarbesätze von diesem Standpunkt aus dringend nöthig wäre; es frägt sich z. B. ob ähnliche Bildungen nicht auch in den von Zimmermann beschriebenen und von Stöhr!) adoptirten (übrigens schon von R. Heidenhain (9) angenommenen) Pseudopodien des Ileums des Menschen vorliegen. !) Lehrbuch, 9. Auflage. 58 Alexander Gurwitsch: j Eine Erweiterung der Frage wäre die, ob Epithelien über- haupt noch befähigt sind Pseudopodien auszusenden, ob nicht vielmehr ihre mehr feste, bestimmte Architecetur (wie sie z. B. von M. Heidenhain neuerdings beschrieben wurde (8) nur ein Hinausschieben und Hineinziehen von mehr oder weniger ge- formten Elementen gestattet? Abseits davon müsste man die Epithelien stellen, welche an ihrer freien Oberfläche einen hyalinen, für alle unsere färberischen und optischen Hilfsmittel homogenen Saum besitzen (vergl. Heidenhain S, Fig. 15, Gurwitsch 6, Fig. 10—13), welcher dann sehr wohl als eine nicht architecetonisch gebaute Masse zum Aussenden echter Pseudopodien befähigt wäre. Ich habe mich in der That von ähnlichen Verhältnissen an den Darmzellen des Lumbricus überzeugen können (vergl. S. 35). Die geschilderten Bilder der Nebenhodenzellen führen uns ausserdem eine Mannigfaltigkeit der Veränderungen der Diplo- somen vor, welche berechtigte Zweifel über die centrosomale Natur derselben erweckt. Könnte man noch eine Stütze für die Anwendung der Theorie der „dynamischen“ Centren auf die fraglichen Gebilde in der Rolle der Centralkörper bei der Mitose erblicken, so ist gar nicht zu ersehen, wie die von mir ge- schilderten Functionen der Diplosomen in den Nebenhodenzellen in Zusammenhang mit ihrer Natur der „dynamischen“ Centren zu bringen sind. Zum Nachweis ihrer Identität mit echten Central- körpern wird zunächst eine directe Betheiligung derselben bei der Mitose nachzuweisen sein. Sollte derselbe wirklich gelingen, dann müssen wir in die Definition des Gentralkörpers eine wesentliche Correctur einfügen,, welche die- selbe sehr wenig einheitlich macht. Wir müssten ihnen in der That, ausser ihrer „dynamischen Funetion _bei _ der Mitose, eine mit #Gestalt- änderungen einhergehende Bethätigung an Secre- torischen Vorgängen zuschreiben. Diese nothwendig werdende Heterogeneität der Function ist aber eben ein schwerwiegendes Moment gegen die bis jetzt geltende Wahrscheinlichkeitsannahme (denn als solche kann sie ja nur aufgefasst werden), dass die „Diplosomen“ in den Cylinderepithelien und sonstigen zahlreichen Geweben that- sächlich Centralkörper sind. Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 59 Nachtrag. Zürich, April 1901. Nach Abschluss des Manuscriptes fand ich in den Ver- handlungen der Berliner physiologischen Gesellschaft (veröffent- licht inEngelmann’s Archiv am 7. März 1901) einen Vortrag von Benda, welcher ganz ähnliche Bilder im menschlichen Nebenhoden gesehen hat. Es freut mich, dass dadurch das normale Vorkommen der geschilderten Befunde völlig gesichert ist. Benda spricht ganz kurz von „Härchen, welche sich eine kleine Strecke ganz scharf isolirt in die Längsaxe der Zelle ver- folgen lassen und dann in einen längsgefaserten Strang über- gehen, der bis in die Nähe des Kernes herabreicht. Hier liegt eine grössere Menge scharf begrenzter, wie Basalkörper gefärbter Körnchen, die deutlich zu zweien zusammenliegen, sonst aber ziemlich weit von einander entfernt und unregelmässig verstreut das unterste Ende jenes Axenstranges einnehmen“ (S. 152). Es scheint der intimere Zusammenhang dieser Körnchen mit dem Büschel Benda entgangen zu sein, ebenso auch das extreme Stadium der Reihe — unsere Fig. 3 (a-g). Warum Benda die Körnchen als mit den Basalkörpern und nicht mit den Gentralkörpern identisch gefärbt be- schreibt, ist mir unbegreiflich. Es fehlt auch die Angabe, wo ‚die echten Centralkörper in diesen Zellen zu finden sind. Da ich in der vorliegenden Arbeit auch auf die von mir untersuchte Histogenese der Flimmerzellen zu sprechen kam, möchte ich auch mit einigen Worten auf Benda’s Aeusserungen über meine Angaben eingehen. Benda ist zur Zeit seines Vor- trages nur meine vorläufige Mittheilung (Anat. Anz., Bd. 17, 1900) -—- die Beschreibung der Histogenese des Rachenepithels des Salamanders vorgelegen. Er glaubt meinen Einwand gegen die Lenhossek - Henneguy’sche Centralkörperhypothese der Basalkörper „durch eine kleine morphologische Thatsache zu erledigen“. Die Thatsache besteht darin, dass er in dem aus- gebildeten Haarbesatz der betreffenden Zellen, welchen noch die Basalkörper fehlen, einfach den Deckel (der älteren Autoren) oder, nach seiner Ansicht, einen Bürstensaum erblickt, in welchen die späteren Basalkörper zu liegen kämen! Von den Flimmer- haaren soll somit auch keine Spur vorhanden sein. 60 Alexander Gurwitsch: Schematisch dargestellt wäre somit Benda’s Behauptung wie folgt (s. Schema, welches von mir herrührt): ua a. Zelleib. | e bh. Der Flimmerbesatz ohne Basalkörper (nach 5 meiner Deutung). Nach Benda die Zone, in welcher die Basalkörper auftreten sollen (d'‘. c. Der später erst auftretende, an meinen Bildern. noch angeblich nicht vorhandene Flimmerbesatz nach Benda. Es genügt ein Mal, eine fertige Flimmerzelle im Rachen der Salamander gesehen zu haben, um das Gezwungene, ja fast Unmögliche der Deutung Benda’s einzusehen! Wie ich in meiner Mittheilung betonte, stimmt der Haarbesatz b in seiner Höhe, annähernder Anzahl der einzelnen Härchen (die besonders deutlich an den Tangentialschnitten zu sehen sind) ganz genau mit dem fertigen Flimmerbesatz der entsprechenden Zellen. — Dass dagegen die Basalkörper speciell dieser Zellen sehr klein und niedrig sind, in der Höhe etwa !/2o des Haares betragen, dürfte jedem Untersucher dieses so gewöhnlichen Objectes bekannt sein. Die Basalkörper können daher unmöglich die ganze Höhe des Saumes b (etwa wie d) einnehmen und denselben gewisser- massen verdecken. Da aber ausser den kleinen Basalkörpern und dem Flimmerbesatz an den fertigen Rachenflimmerzellen des Salamanders keine Spur einer Bildung wie b wahrzunehmen ist, kommen wir zu einer folgenden Alternative: entweder wird Schicht b zum echten Flimmerbesatz, oder sie muss spurlos ver- schwinden — für das letztere ist auch nicht die Spur eines An- haltes oder auch einer Wahrscheinlichkeit da. Ich gebe zu, dass der definitive Uebergang des Stäbchen- saumes in den Flimmersaum der Beobachtung bis jetzt entging, habe aber in meiner ausführlichen Publication (b) bereits erwähnt, dass sämmtliche Larven meiner Zucht mir eingingen, bevor das Flimmerepithel ganz fertig wurde. Dieser mehr äusserliche Um- stand ist aber durchaus nicht dazu angethan, ein derartig wohl ausgebildetes, durch einen ziemlich complicirten Umwandlungs- vorgang entstehendes Zellenorgan, wie es der Stäbchenbesatz (b im Schema) ist, als eine dem Untergange geweihte Bildung zu betrachten. > ww IM Nie HHrrepHb Se mn m oO 0 Der Haarbüschel der Epithelzellen im Vas epididymis des Menschen. 61 Literaturverzeichniss. Aigner, Sitzungsberichte der Akademie d. Wissenschaften in Wien, 1900. Bouin, M. und P., Bibliographie anatomique, 1898 u. 1899. Engelmann, Pflüger's Archiv für die gesammte Physiologie, Bd. XXIII, 1880. . Frenzel, Archiv f. mikr. Anat., Bd. 28. Garnier, Journal d’Anatomie, 1900. Gurwitsch, A., Archiv f. mikr. Anat., Bd. 57, 1900. Hammar, Arch. f. Anatomie, 1597, Supplement. Heidenhain, M., Arch. f. mikr. Anat., Bd. 56, 1900. Heidenhain, R., Pflüger’s Archiv, 1886. Henry, Archives d’Anatomie microscopique, Bd. 3, 1900. Lenhossek, v. M., Verhandlungen d. anat. Gesellschaft in Kiel, 1898. Derselbe, Anat. Anz., 1900. Meves, F., Festschrift für K. v. Kupffer, 1900. Meyers-Word, Journal of Anatomy 1893. . Nicolas, A., Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physio- logie, 1891. Prenant, A., Bibliographie anatomique, 1899. Derselbe, Journal d’Anatomie, 1898. Sauer, Archiv f. mikr. Anat., 189. Tornier, Archiv f. mikr. Anat., 1886. Zimmermann, Archiv f. mikr. Anat., Bd. 52. 1898. Erklärung der Tafel III. Sämmtliche Figuren aus dem Corpus und Cauda Epidydimis eines 25 jährigen Guillotinirten. Fixirung in Zenker’s Flüssigkeit. Färbung in Eisenhämatoxylin mit und ohne Nachfärbung mit Rubin. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1 u. 2. Zeiss Apochromat, 16 mm, CO. 4. 10. Seibert Apochromat 2 mm Immersion C. Oc. 8, die übrigen Fig. “ Apochr. 2 mm, Co. Oec. 12. 1. Querschnitt durch den Canalis Epidydimis aus der mittleren Partie des Corpus. 2. Querschnitt durch den Canalis Epidydimis in der Nähe der Canda. 3, a-g. Zellen aus den Endstadien der Reihe. Die homogene Substanz: an der Basis des Büschels in den Zellen a-f sichtbar. Zelle 3g — der Büschel ragt noch ein wenig in das Zellinnere hinein — Uebergangsstadium. .4, au. b. Stadium des ‚Spiesses“. 62 Alexander Gurwitsch: Der Haarbüschel der Epithelzellen etc. Fig. 5, a u. b. Uebergänge zum Stadium des „Besens“ Secretklumpen aus der Spitze des Büschels in verschiedener Gestalt. Fig. 6 b, und 7 a und ce — ein sehr häufiger Befund — eine helle Zone an der Basis des Büschels zwischen den beiden Körnchen des End- knöpfchens. Fig. 6 a,b, c u. Fig. 7 a, b, c. Stadium des „Besens“. .Fig. 8, a, b, c, d. Verschiedene Stadien der Ausbildung des „Napfes“. In Fig. 8 d — der Napf in einzelne Körnchen zerfallen. Fig. 9. Form des „Napfes“ mit einer deutlichen Centralanschwellung und freien Rändern. Ein kleines accessorisches Büschelchen. Fig. 10. Auftreibung der Haarbüschel durch Secret. Kleiner napfförmiger Endknopf des Büschels. Fig. 11. Verschmelzung der Napfränder mit den Schlussleisten. Fig. 12. Aehnlich Fig. 9. Fig. 13. Grosser flacher „Napf“ mit freien Rändern — der Büschel ist ab- gestumpft. Fig. 14. Büschel aus sehr zarten Haaren, welche durch Secretanhäufung bis an die Schlussleisten auseinandergedrängt werden. Fig. 15 u. 16. Uebergangsstadien aus der „Napfform“ zum Endstadium, Fig. 3. Fig. 17. Erster Typus der Secretion. — Abschnürung einer grossen gestielten Blase mit einer Nebenblase. Körniger Inhalt der ersteren. Fig. 13. Aufbrechen eines Büschels durch eine ganz helle, schwach conturirte grosse Secretblase. Fig. 19. Aehnliches Verhalten. — Ausserordentlich mächtiger, diekhaariger Büschel. An der Basis 3 Körnchen. Anatom. Iustitut der böhmischen Universität in Prag, Prof. Janosik. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten.'‘) Von Dr. Völker, Assistent. Mit 21 Textfiguren. Obwohl in den letzten Jahren viele Arbeiten über die Pankreasentwickelung erschienen sind, so ist doch diese Frage noch nicht genug aufgeklärt worden, indem noch verschiedene Controversen bestehen. So unternahm ich das Studium derselben und führe hier kurz die Ergebnisse an. u) Vergleiche auch: Rozpravy tesk& akad. v Praze, 1901 (Bulletin international de l’academie etc. Prague 1901). Völker: Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 63 Die Literatur von neuem anzuführen, habe ich unterlassen, da dieselbe leicht, z. B. in dem Sammelreferat von Brachet!) und anderen zu finden ist. Nach dem Referate von Brachet sind noch die Arbeiten von Choronschitzky?) und Helly?°) über denselben Gegenstand erschienen. In seinem oben citirten Referate, wie auch in einer speciellen Arbeit behandelt Brachet‘) die Pankreasentwickelung bei den _ Eidechsen, und zwar bei Lacerta muralis, in welcher Arbeit er angiebt, dass man bei den Lacertiden ausser dem Dorsalpankreas noch ein ventrales finde, das als zwei von beiden Seiten des Ductus choledochus kommende symmetrische Gänge angelegt ist. Der rechtsseitige Gang lässt ein Pankreasgewebe hervorsprossen und vereinigt sich mit dem dorsalen Pankreasgange, der erst secundär in den hier rudimentären gemeinsamen Lebergang ein- mündet. Das linksseitige Pankreas soll bald aus mechanischen Ursachen zu Grunde gehen. Gegen Janosik°), welcher bei den Untersuchungen von Lacerta agilis nur ein dorsales Pankreas gefunden hat, wendet Brachet ein, dass er gerade diejenigen Stadien der Pankreasentwickelung nicht gesehen habe, bei welchen eben das aus dem Ductus choledochus entstehende ventrale Pan- kreas sich bildet, sondern dass er nur die Stadien beobachtet hätte, bei welchen das ventrale Pankreas noch nicht entwickelt ist, oder die schon viel älter waren. Nur berücksichtigt Brachet nicht, dass er und JanosSik zwei verschiedene Lacertidenspecies untersucht haben, und dass also schon dadurch die Verschiedenheit der Befunde sich erklären lassen könnte. Ausser dieser Erklärung der differenten Befunde Brachet’s gegen die Befunde Janosik’s kann ich noch eine !) Brachet, Die Entwickelung und Histogenese der Leber und des Pankreas (Ergebnisse der Anat. und Entwickelungsgeschichte). Wiesbaden, Bd. VI, 1896. ?) Choronschitzky,B., Die Entwickelung der Milz, Leber, Gallen- blase, Bauchspeicheldrüse etc. bei den verschiedenen Abtheilungen der Wirbelthiere (Anat. Hefte, I. Ahth. XIII, 1900). ®) Helly, Zur Entwickelung der Pankreasanlagen etc. des Menschen Arch. f. mikr. Anat. und Entw., Bd. 56, H. 1). *) Brachet, Recherches sur le d&velopement du pancreas et du foie (Journal de l’Anatomie et de la Physiologie, 1895). ®) Janosik, Le pancreas et la rate (Bibliogr. anatom., 1896). ®''Derselbe, Slezina a pankreas (Roz prany c&ske akad. v. Proze, IV. c. 5, 1895). 64 Völker: andere Erklärung geben, welche ich erst später bei der Be- schreibung der Präparate anführen will. Die folgende Untersuchung unternahm ich zum Theil an den Präparaten aus der Sammlung des anatomischen Institutes, die bereits vom Prof. Janosik untersucht wurden, der sicheren Controle halber fertigte ich noch mehrere frische Schnittserien an. Das jüngste Stadium der Pankreasentwickelung finde ich beim Embryo (1), dessen Linse eben vom Epiblast abgeschnürt, aber doch noch mit der Oberfläche des Embryo durch eine kleine Oeffnung verbunden ist. Das Pankreas erscheint hier auf sieben hintereinander folgenden Schnitten als eine mächtige Ausstülpung der dor- salen Darmwand. Die Mündung der Aus- stülpung in den Darm kann man an drei Schnitten verfolgen; ihr Lumen ist gleich gross wie das Darmlumen an.der Stelle, an welcher beide mit einander verbunden sind. Auf den zwei proximal folgenden Figur 1. Schnitten endet das Pankreas als eine schnitt durch die Gegend des dorsalen Pankreas von Lacerta Zellengruppe, welche mit der Darmwand agilis. Das jüngste Stadium (1). i R . . ce = Coelom; p —= Pankreas- nicht mehr zusammenhängt. Distal ist Anlage; i— Darm; h — Leber- B = . Anl = die Pankreasausstülpung durch eine ap Zellengruppe gebildet, die nur auf einem Schnitte sichtbar ist. Die ganze Pankreasanlage ist beiderseits vom Därm durch seit- liche Rinnen abgegrenzt. Die pankreasbildenden Zellen sind den Darmepithelien ähnlich. Obzwar ich mich in der vorliegenden Arbeit mit der Leber- entwickelung nicht zu beschäftigen beabsichtige, so muss ich doch die Leber resp. ihre Ausführungsgänge kurz beschreiben, da Brachet als Ursprung des ventralen Pankreas bei dem Lacertiden die Seitenwände des Ductus choledochus angiebt. Bei dem angeführten Embryo beginnt die Leber als eine Zell- anhäufung in der vorderen Darmwand, welche etwas mehr proxi- mal als die Pankreasanlage hinaufreicht und welche sich von der distalen Wand des Sinus venosus bis zur breiten Nabel- öffnung erstreckt. Das: Darmlumen ist in der ganzen Länge zwischen dem Ductus omphaloentericus und dem Sinus venosus- ventral bereits aäusgestülpt, so die gouttiere hepatique Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten : 65 bildend. Diese Leberrinne geht in den Ductus: omphaloentoriceus allmählich über, so dass der distale Theil der Leber aus der proximalen Wand des Ductus omphaloentorieus entsteht. Beim Embryo (2), dessen Linse bereits ein vom Epiblast total abgeschnürtes, überall gleich diekwandiges Bläschen bildet, welches also etwas älter ist als der vorher beschriebene Embryo, sehe ich, dass das dorsale Pankreas sich. durch elf. Schnitte erstreckt. In der Dicke von vier Schnitten kann man wahr- nehmen, wie das Pankreas in Form einer Rinne dorsalwärts in den Darm einmündet, und dass diese dorsale Pankreasmündung sich mehr distal vorfindet als die ventrale Lebergangmündung. Von dieser Mündung angefangen zieht das Pankreas zum grössten Theile (vier Schnitte) proximal und erscheint in den zwei ersten Schnitten als ein Kanälchen mit centraler Höhle, in den weiteren Schnitten aber nur noch als eine Zellanhäufung zu sehen ist, welche hier den blind endigenden Kanal ausmachen. Es kann aber auch durch drei Schnitte distal verfolgt werden; an zwei Schnitten sieht man wieder ein Figur 2. quergeschnittenes Kanälchen, im dritten Apbila. eines durch: die Wachs- plattenmethode gewonnenen Mo- nur noch die Kuppe desselben als einen delles des Pankreas vom Embryo (4) einer Lacerta agilis. Zellhaufen. pd = dorsales Pankreas;.d o e = s 2 — Ducetus omphaloentoricus; Die Leber bei diesem Embryo ii — Darm; h — Leber, bildet an der ventralen Seite des Darmes, wie bereits früher erwähnt wurde, einen mächtigen Zellhaufen ; die dieselben bildenden Zellen breiten sich im Septum transversum beiderseits symmetrisch aus. Das nächste Stadium, Embryo (3), hat die Linse derart ausgebildet, dass ihre hintere Wand von hohen cylindrischen, ihre vordere dagegen von niedrigen Zellen gebildet wird, und das früher runde Lumen jetzt nur noch als ein halbmondförmiger Spalt sich darstellt. Das Pankreas hat sich nur insofern ver- ändert, dass seine Darmmündung viel kleiner geworden ist und von der dorsalen Wand an die Kante zwischen der dorsalen und rechten Darmwand gerückt ist. Durch das Wachsthum wird nämlich eine Lage verursacht, als ob sich die Darmröhre um ihre Längsachse gedreht hätte, und zwar so, dass ihre frühere Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 5 66 Völker: ventrale Wand nach rechts zu liegen kommt. Das Pankreas zieht von seiner Darmmündung zuerst dorsal rechts, und wendet sich nachher proximal; sein centrales Lumen ist ziemlich breit. An der distalen Pankreaswand ist eine kleine Ausstülpung zu sehen,. welche in zwei Schnitten getroffen ist. Die Leber liegt ventral etwas mehr proximal als das Pankreas und wird von Zellbalken gebildet, die mit der Darmwand zusammenhängen und in welche sich das Darmlumen zu verlängern beginnt. Ein ventrales Pankreas ist bei diesem Entwickelungsstadium nicht wahrzunehmen. Nach der angeführten Beschreibung kann man sich die Entstehungsweise der ersten Anfänge des Pankreas sehr leicht vorstellen: es entwickelt sich nämlich zu Beginn als eine Aus- stülpung der dorsalen Darmwand, und zwar distal von der sich entwickelnden Leber, welche sich an der ventralen Seite befindet. Dann schnürt sich das Pankreas von beiden Seiten, proximodistal und distoproximal, vom Darme ab. Im proximodistalen Sinne schreitet die Abschnürtng weiter als die distoproximale, so dass nach Beendigung dieses Processes das Pankreas einen Gang vor- stellt, welcher in den Darm mündet, und dessen Mündung von der dorsalen Darmwand schon etwas zur rechten Darmwand ver- schoben ist. Zur Vollständigkeit füge ich noch eine Beschreibung von einigen anderen Embryonen hinzu, die dem eben angeführten und dem folgenden sehr ähnlich sind. Der Pankreasgang mündet bei diesen Embryonen in die rechte Darmwand, zu welcher Seite auch die von der ventralen Darmwand abtretenden Lebergänge vorgerückt sind. Die Form des Pankreas ist dieselbe wie die bei dem früher erwähnten Embryo, nur dass der distale Theil des Pankreas nicht mehr sichtbar ist; wahrscheinlich wurde er in die distale Pankreasanlage eingenommen. Sein Lumen ist, wie an der Mündungsstelle also auch noch in den zwei folgenden Schnitten, breit und central gelegen; in fünf weiter proximal folgenden Schnitten ist es eingeengt und excentrisch von einer Zellgruppe, welche die Breite seiner ganzen Dorsalwand einnimmt, verdrängt. Die Zellen dieser Gruppe sind polyedrisch, heller gefärbt als die der übrigen Pankreasanlage, welche den Darm- epithelien gleichkommen, und besitzen einen runden, in einem reichen Protoplasma liegenden Kern. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten. 67 Die Leber bei diesen Embryonen hat vier Ausführungsgänge, von denen je zwei beiderseits symmetrisch in die Leberrinne ein- münden. Die proximal gelegenen stehen nur mit der Leber in Verbindung; dann werden sie Ductus hepatoenterici dexter und sinister genannt, vereinigen sich noch innerhalb der Leber zum Ductus hepatoentericus, der sich nach kurzem Verlaufe in das gemeinsame Leberdarmlumen öffnet. Die beiden distalen Leber- gänge gelangen zuerst zur Gallenblaseausstülpung, mit der sie sich verbinden und erst nachher mittelst eines kurzen Ductus cysticus in die Leberdarmhöhle. Diese zwei Lebergänge werden Ductus hepatocystiei dexter und sinister genannt. Zwischen den beiden Mündungen des Ductus eysticus und Duetus hepatoentericus ist an der rechten Seite der Leberrinne eine leichte Ausstülpung, welche sich gerade an die Vena omphalomesenterica anschmiegt. Beim älteren Embryo (4) ist das Pankreas zwar grösser geworden, hat aber keine wichtigere Veränderung erlitten, ausser der, dass seine Mündung noch weiter auf die rechte Seite der Darmwand vorgerückt ist, so, dass die Mündungsstelle beinahe in der halben Breite der betreffenden Darmwand liegt. Die Lebergangmündungen rücken nicht so rasch nach der rechten Seite. ‘Die Leberrinne wird durch Abschnürung allmählich vom Darme abgesondert, so dass sie einen rudimentären Ductus choledochus bildet, der proximal den Duetus hepatoentericus, distal den Ductus eysticus empfängt. Der Ductus hepatoentericus theilt sich nach kurzem Verlaufe in zwei Lebergänge (den Ductus hepatoentericus dexter und sinister); beide verlaufen am hinteren Rande der Leber und gehen in die Leberzellbalken über. Der Ductus eysticus endet in der Gallenblase, von welcher dann weiter in die Leber zwei Gänge — Ductus hepatocystici dexter und sinister — ver- laufen. An dem- selben Schnitte, wo sich der Ductus eysticus mit dem Ductus chole- dochus verbindet, stülpt sich die rechte Chole- dochuswand als \ f; ER A, Wa N ER . % AR RE N R % < BO dchhs eh Figur 3. | Figur 4. 68 Völker: ein kurzes, blind endigendes Kanälchen aus. Dieses Kanälchen hat einen kurzen horizontalen Ver- lauf und drückt dabei die mediale Wand der Vena Figur 5. Figur 6. omphalomesen- Vier in proximodistaler Richtung aufeinander folgende Schnitte . rim ’ aus der Pankreasgegend eines Embryo (4) von Lacerta agilis. terica dextra en. dhe Duetus hepatoentericus; d ch hs — Duetus chole- 1 1 nn. dochohepaticus sinister; dch hd = Ductus choledochohepa- Seine Einmün ticus dexter; v f — Vesica fellea; i — Darm; p d — dorsales dungsstellein den a a: Ductus chole- dochus ist also dieselbe, wie sie Brachetbei seinem rechtsseitigen Ventralpankreas beschreibt. Man sieht, dass die linke Wand des gemeinsamen Gallenganges gegenüber den beschriebenen Kanälchen etwas ausbiegt, um einige Schnitte höher einen Gang aufzu- nehmen, der bei dem letztbeschriebenen jüngeren Stadium noch nicht vorhanden war, und welchen ich vor die linke Vena omphalomesentorica sinistra zu verfolgen im Stande bin. Das Kanälchen biegt dann proximal um und endigt bald blind gerade unter dem Ductus hepatoentericus sinister. Diese beiden Kanälchen sind, ihrem Choledochusursprunge nach, identisch mit dem ventralen Pankreas, wie es Brachet beschreibt. Ein noch älteres Eidechsenembryo (5) bietet beinahe die- selben Verhältnisse dar. Ein Unterschied liegt darin, dass das linksseitige Kanälchen, das aus dem Ductus choledochus entspringt, sich mit dem Duetus hepatoentericus sinister ver- bunden hat, und so einen Lebergang mehr bildet. Ich will für weiterhin diesen Gang „Duetus choledochohepaticus“ nennen. Der rechtsseitige, mit dem vorigen symmetrische Gang, ist etwas gewachsen und drückt die mediale Wand der Vena omphalo- mesenterica dextra noch mehr ein, als es bei dem letzten Stadium der Fall war. Der Ductus pancreaticus ist noch grösser geworden und dabei noch weiter nach rechts vorgerückt, und zwar so, dass seine rechte Wand beinahe in die rechte Wand des Ductus chole- dochus übergeht. Anders hat sich das Pankreas nicht verändert. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 69 Ich hoffe, dass aus den angeführten Beschreibungen sicher hervorgeht, dass das Kanälchen, welches Brachet als den links- seitigen ventralen Pankreas bezeichnet hat, auch bei Lacerta agilis angelegt ist, aber dass es nicht zu Grunde geht, wie es Brachet bei Lacerta muralis anzunehmen glaubt, sondern dass es sich mit den Lebergängen verbindet und demnach einen wahren Gallen- gang darstellt. Der Embryo (6) reiht sich durch den Grad der Leber- und Pankreasentwickelung am nächsten an das letzte Stadium. Der rudimentäre Duetus choledochus mündet bei diesem Embryo nach kurzem Verlaufe in die rechte Darmwand. Er ist ziemlich breit und nimmt fünf Ausführungsgänge auf. Zurrechten Wand kommt der breite Ductus eysticus, in diesen münden wieder zwei Ductus hepa- tocystici; in die hintere Wand mündet der Pankreasgang. In die beiden Lateralwände, und zwar in die Uebergangsstelle derselben in die obere Choledochuswand, münden symmetrisch zwei breite Gänge; der linke Gang ist der Ductus chole- dochohepaticus. Diesen Gang kann man auf drei Schnitten proximal verfolgen, in dem vierten Schnitte verbindet sich derselbe mit den Leberbalken. Der rechtsseitige (Gang hat dieselbe Breite wie der linksseitige; er steigt neben derVenaomphalomesenterica empor BE, he ZEIEN @ ”_ Figur 9. To Völker: Figur 10. Figur 11. Fünf in proximodistaler Richtung aufeinanderfolgende Schnitte aus der Pankreasgegend eines Embryes (6) von Lacerta agilis. pd — dorsales Pankreas; d he — Ductus hepatoentericus: i = Darm; h — Leber; d ch h d = Ductus choledochohepatieus dexter: d ch h s — Ductus choledochohepaticus sinister;, v f = Vesica fellea; d ch = Ductus choledochus; d ce = Ductus eystieus. und drückt dabei die mediale Wand derselben ein; wir wollen denselben „Ductus choledochohepaticus dexter“ benennen, wie wir es schon bei dem früheren mit ihm correspondirenden Gang gethan haben. Der Ductus hepatoentericus verbindet sich mit der oberen Choledochuswand in Form eines schwachen Kanälchens, welches ein viel kleineres Lumen besitzt als die eben angeführten Gänge; er zieht durch fünf Schnitte zwischen beiden Ductus choledochohepatici proximalwärts und theilt sich nachher. Es ist nicht möglich, anzugeben, in wie viele Aeste sich derselbe getheilt hat, da die einzelnen Aeste theilweise zu fein sind, anderseits aber verliert sich alles in dem Lebergewebe. Ich betrachte also die Ausstülpung, welche nach Brachet bei Lacerta muralis den Ursprung für die Bildung eines ventralen Pankreas bilden soll, nur für den Anfang des späteren Ductus choledochohepaticus dexter. Der fünfte Ausführungsgang, der bei diesem Embryo mit dem Ductus choledochus sich verbindet, ist der Ductus pankrea- ticus. Dieser mündet in die hintere Wand des Ductus choledochus ein, in der Nähe des Ductus choledochohepatieus dexter. Der breite Pankreasgang zieht sich entlang der medialen Wand der Vena portae, wendet sich an ihre hintere Wand, wo er nachher mit einem erweiterten Ende proximalwärts umbiegt. Seine proxi- male und dorsale Endigung ist, wie schon beim früheren Stadium beschrieben wurde, von einer Gruppe polyedrischer Zellen um- Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 1 geben. Die sonstige Pankreasentwickelung in diesem Stadium ist insoweit vorgeschritten, dass vom Ductus pankreaticus, und zwar an seinem proximalen Ende, ein dünnes, zwischen die oben angeführte Zellgruppe ziehendes Kanälchen entspringt. Der Ver- laut dieses Kanälchens ist proximal-parallel mit dem Hauptgange; der ganze übrige Pankreasgang ist nirgends mit einer Aus- stülpung versehen. > Der Unterschied zwischen den unseren und Brachets Befunden liegt nach dem oben Angeführten darin, dass Brachet bei Lacerta muralis finden will, dass von den Kanälchen, welche beiderseits vom Ductus choledochus, zwischen der Mündungs- stelle des Ductus hepatoentericus und des Ductus cysticus ent- springen, der linksseitige durch unbekannte Ursache zu Grunde geht, und aus dem rechtsseitigen sich das ventrale Pankreas ent- wickelt, nach unseren Befunden aber beide Kanälchen die wahren Lebergänge bilden. Diese Anfangs accessorischen Lebergänge verbinden sich mit den aus dem Ductus hepatici und hepatoenterici entstandenen Lebergängen, und führen dann wahr- scheinlich selbst alles Lebersecret ab, so dass sie die letzteren an Grösse überholen, und die ursprünglichen Leberausführungs- gänge kleiner werden. Unsere verschiedene Anschauung, bei der Entwickelung des Pankreas der Lacertiden, können wir auf zweierlei Art erklären und zwar: entweder ist die Pankreasentwickelung bei Lacerta muralis verschieden von der bei Lacerta agilis (diese Erklärung scheint mir nicht eben zutreffend), oder Brachet war durch die Vorausetzung eingenommen, dass es bei den Lacertiden ausser dem dorsalen — auch ein ventrales Pankreas, da es fast bei allen anderen Vertebraten gefunden war, geben müsse, und hat er die Bilder, die er bei seinen Embryonen gesehen hat, falsch beurtheilt. Im Folgenden werde ich suchen, diese meine Anschauung zu beweisen. Nach der Beschreibung und auch den Abbildungen nach, hat Brachet zuerst einen Embryo untersucht, bei welchen sich, aus dem Ductus choledochus, zwischen der Mündung des Ductus cysticus und dem Ductus hepatoentericus beiderseits kleine, gleich grosse Kanälchen zu entwickeln beginnen. Gerade denselben Entwickelungsgrad, wo die fraglichen Kanälchen gleich gross waren, besitze ich selbst nicht, aber bei dem Embryo (4) habe ich 12 Völker: beschrieben, wie aus beiden Seiten des Ductus choledochus zwischen der Mündungsstelle des Ductus ceysticus und Ductus hepatoentericus je ein Kanälchen entspringt. Das Darmrohr hat sich bei diesem Embryo so gedreht, dass seine vordere Fläche rechts und ventral gelegen ist. Das rechtsseitige Kanälchen gelangt bald zur Medial- wand der Vena omphalomesenterica dextra (der späteren Vena portae), die es im weiteren Wachsthum hindert und die von ihm etwas eingestülpt ist. So kommt es dazu, dass das rechtsseitige Kanälchen von dem mit ihm bisher symmetrischen linksseitigen überholt wird. Das linksseitige Kanälchen kommt durch die Drehung des Darmes ventral von der Vena omphalomesenterica senistra zu. liegen. Es wird aber von ihr im Wachsthum nicht, wie das rechtsseitige, gehindert, und so gelagert, da es proximal umbiegt, bis unter die Leberbalken wo es blind endet. Diesen Entwickelungsgrad hat Brachet nicht beobachtet, er hat erst einen weiter vorgeschrittenen Embryo zu seiner Untersuchung gehabt; wie aus seinem Bild F und der Beschreibung seines Lacertaembryo F ersichtlich ist. Bei diesem Embryo ist das links- seitige Kanälchen oder der Ductus choledochohepaticus sininstris bereits mit den Leberbalken verbunden, aber das mit ihm corre- spondirende rechtsseitige, von Brachet als ventrales Pankreas genannte, endigt noch blind. Brachet verwechselt also den Ductus choledochohepaticus sinister mit dem Dactus hepatoentericus sinister und dem Ductus hepatoentericus proprius mit dem Ductus hepatoenterieus dexter, welche nicht mehr vereinigt, sondern jeder für sich in den Ductus choledochus münden. Diese selbst- ständige Mündung haben diese beiden Gänge nach Brachet so erlangt, dass sich entweder der Ductus hepatoentericeus proprius der Länge nach getheilt hat, oder dass er in die Wand des Ductus choledochus bis zur Vereinigungsstelle seiner beiden Aeste eingenommen worden war. Die erstere Hypothese scheint ihm selber nicht so wahrscheinlich zu sein, wie die andere. Brachet's Embryo F entspricht dem unserigen (5) wo der Ductus chole- dochohepaticu ssinister sich mit dem Lebergewebe vereinigt hat, und wo an der linken Seite der Ductus hepatoentericus proprius in den gemeinsamen Gallengang mündet. Der Ductus hepatoentericus dexter theilt sich in zwei Aeste, die Ductus hepatoentericus dexter und sinister. Duetus choledochohepaticus dexter endet blind. Nach dem Gesagten ist es ganz klar, dass Brachet, indem er bei seinem Embryo F, nach einem mit seiner rechtsseitigen Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 73 Ventralpankreasanlage symmetrischen Gange gesucht hat und kein gleich grosses Kanälchen gefunden hat, die linksseitige Pankreasanlage für atrophiert hielt. (In Wahrheit ist sie aber grösser geworden als die andersseitige und hat sich mit der Leber verbunden.) ‚Dadurch hat er einen, in den Ductus choledochus einmündenden Kanal mehr gehabt, welches Plus er damit zu er- klären sucht, dass er zu den beiden, schon oben angeführten Hypothesen griff. Die erste, wie schon erwähnt, schien ihm an und für sich nicht so glaubwürdig, wie die zweite, deren Glaubwürdigkeit indessen dadurch sehr stark beeinträchtigt wird, dass der Dnctus choledochus im besprochenen Stadium kürzer ist, als der Ductus hepatoentericus proprius in jenem Stadium welches ihm zunächst vorangeht; wie könnte er also den Ductus hepatoentericus durch Wachsthum in seine Wände einnehmen ? Aus diesen Gründen sind diese beiden Hypothesen nicht stichhaltig. Gerade so, wie Brachet wahrscheinlich das Stadium, wo sich der Ductus choledochus sinister mit der Leber vereinigt, ferner, wo sich der Ductus choledochohepaticus dexter ebenfalls mit der Leber verbindet, nicht gesehen hat, ebenso hat er nicht das Stadium zur Beobachtung bekommen können, wo sein ventrales Pankreas an den Pankreasgang gerückt sein könnte, sondern erst ein Stadium, wo bereits der Ductus pankreaticus schon dem proximalen Pankreas den Ursprung gegeben hat, und wo der Ductus hepatoentericus schon ganz atrophiert war. Zu der Meinung, dass Brachet gerade keine lückenlose Reihe von Stadien hatte, hat mich der Umstand geführt, dass, obwohl er die ersten Entwicklungsgrade des Pankreas ausführ- lich beschreibt, dennoch eben diejenigen weggelassen hat, welche für die Entscheidung der Frage über die Existenz der ventralen Pankreasanlage wichtig wären, das sind die Stadien wo aus seinem angeblichen ventralen Pankreas echtes Pankreasgewebe entstehe, und wo es auf den Pankreasgang vom Ductus choledochus hin- überrücke, und erst einen viel älteren Embryo anführt, bei dem bereits ein grosses Proximalpankreas entwickelt ist. Eben aus diesem einzigen Stadium hat er geschlossen, dass das Kanälchen welches er zuletzt als einen blind geschlossenen ‚Gang in den Ductus choledochus einmünden gesehen hat, sich mit dem Ductus pankreaticus verbunden und ein echtes Pankreasgewebe hervor- gebracht hätte. 74 Völker: Auf Grund des oben Angeführten betrachte ich als zur Genüge bewiesen, dass Brachet, da er keine Gelegenheit hatte, eine zusammenhängende Reihe von Eidechsenembryonen unter- suchen zu können, in einen leicht erklärbaren Irrthum gerathen ist und für eine ventrale Pankreasanlage die Kanälchen erklärt hat, welche später echte Leberausführungsgänge bilden. Ich will aber doch nicht die Möglichkeit ausschliessen, dass sich bei Lacerta muralis, das ventrale Pankreas wirklich entwickelt, da ich keine Lacerta muralis, sondern nur die Lacerta agilis untersucht habe. Bei der folgenden Beschreibung will ich die Lebergänge nicht mehr näher angeben, höchstens nur da, wo sie in nähere Beziehungen mit dem Pankreas treten sollten. Beim Embryo (7) ist das Pankreas nur so von den vorher- gehenden verschieden, dass sich an der proximalen Wand seines Ausführungsganges zwei Zellgruppen finden, in welche das Lumen des Hauptganges als ein schmales Kanälchen übergeht. Diese Grup- pen liegen in der näch- sten Nähe der Vereini- gungsstelle des Pan- kreas mit dem Ductus choledochus, man kann dieselben nur in einem Schnitte finden. Diese kleinen Ausläufer sind darum so wichtig, dass sie und andere ähnliche Kanälchen aus dem vor- deren Theile des Pan- kreasganges der Partie des Pankreas Ursprung geben, welche von Brachet als ventrale Pankreas beschrieben ist. Ich will diesen Pankreastheil nach J an os k als prox1- Vier in proximodistaler Richtung aufeinanderfolgende Ir zraac Schnitte aus der Pankreasgegend eines Embryos (7) males Pankreas deuten. een nah zy N pp =: das proximale Pankreas; Pd — dorsales Pankreas; Das dorsale Pankı eas i= Darm; h= Leber: dch — Ductus choledochus. Figur 12. Figur 15. Figur 14. Figur 15. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Ampnioten. 16) bietet dasselbe Bild wie bei dem vorigen Embryo. Bei älteren Eidechsenembryonen reihen sich jene hellen polyedrischen Zellen des dorsalen Pankreas zu kleinen Gruppen zusammen, welche von ein- ander durch feine Bindegewebssepta geschieden sind. In diesen Zell- gruppen nimmt man verschiedenstarke Ausführungsgänge wahr. Das proximale Pankreas ist beim Embryo (8) so gewachsen, dass es als ein etwas grösseres Kanälchen, welches durch’ drei Schnitte proximalwärts aufsteigt und als etliche kleinere Aus- stülpungen der Wand des Pankreasganges zu Tage tritt. Das Pankreas vergrössert sich dann wie in seiner dorsalen, also auch in seiner proximalen Partie, bis endlich beim Embryo (9) das dorsale Pankreas mit seinem proximalen Ende das distale Endstück des proximalen Pankreas berührt. An einem nach Born angefertigten Modell sieht man, dass diese zwei Pankreas- partien fast einen einzigen Körper bilden, indem sie nur durch eine seichte Rinne gesondert sind. Das proximale Pankreas hat sich weiter so ausgebildet, dass es fast den vom Embryo ($) einer Lacerta agilis i i (Plattenmodell). ganzen Pankreasgang bis zu seiner ,;_ pam; p p — Pankreas posterius; Einmündungsstelle in den Ductus I x m ricnee m po ehion fellen choledochus umhüllt. Das proxi- male Pankreas ist aber noch viel kleiner als das dorsale Pankreas. Sehr auffallend bei diesem Embryo ist ferner die Erweiterung des Darmlumens, welche nur diejenige Partie des Darmes betrifft, die beim gemeinsamen Ausführungsgange der Leber und des Pankreas liegt. An dieser Stelle ist das runde Darmlumen einigemal grösser als das Darmlumen mehrere Schnitte proximal oder distal davon, wo es in Folge von Faltenbildung der Darmwand stern- förmig erscheint. Die Erweiterung verbreitet sich auch auf die Pankreasgänge, welche bis zu den kleinsten ein beträchtliches Lumen ausweisen. Diese Erscheinung haben wir bereits bei kleineren Embryonen, aber in geringerem Grade, beobachtet. Bei älteren Embryonen verschwindet sie allmählich. Je älter der Embryo, desto länger und dünner ist der Pankreasgang; das Dorsalpankreas bleibt im Wachsthum hinter 76 Völker: dem proximalen zurück. Das proximale entwickelt sich zuerst proximalwärts entlang der Lebergänge, welche wir bei diesen Embryonen drei rechnen können. Nahe beim gemein- samen Leber- und Pankreas- gang verbinden sich zuerst zwei dieser Lebergänge, so dass nunmehr nur noch zwei (Gänge in dem Pankreas weiter verlaufen, die sich Figur 17, gerade vor der Einmündung Vom Embryo (10) einer Lacerta (Plattenmodell). — Darm; pp= Pankreas posterino; pd — Pankreas in den Ductus choledochus Bor dp= Ductus pankreas; deh—= Ductus chole- wieder zu einem vereinigen. dochus; de — Ductus cysticus ; vf — Ves. fellea. Distal vom Pankreasgang wächst das proximale Pankreas in das ventrale Mesenterium so ein, dass es immer beinahe die tiefste Stelle der ersten Darmschlinge erreicht. Später wächst das proximale Pankreas entlang dem Pankreasgange, bis sich diese seine Ausläufer mit ähnlichen des dorsalen Pankreas vereinigen, das inzwischen aus seiner bisherigen Passivität herausgetreten ist. So wird das proximale Pankreas mit dem dorsalen durch Drüsen- gewebe verbunden. Um das Gesagte besser illustriren zu können, fügen wir noch einige Pankreasbeschreibungen bei Eidechsenembryonen hinzu: Embryo (10). Das dorsale Pankreas hat sich vom proximalen bereits recht weit distal entfernt und bildet am Modell ein drüsiges kompaktes Gebilde, das mit dem proximalen Pankreas durch einen langen, dünnen Ausführungsgang zusammenhängt. In diesen Pankreasgang münden alle Ausführungsgänge des proximalen Pankreas bis auf einen, dessen Mündung in dem Ductus choledochus fast angeschlossen an die Mündungsstelle des Duetus pankreatieus sich befindet. Aus diesem Gange entsteht ein Theil der dritten Partie des Proximalpankreas. Dieses Kanälchen hat eine eigene Mündung in den Duetus choledochus so erreicht, dass es von der linken distalen Wand des Ductus pankreaticus aus auf den Ductus choledochus hinübergerückt ist. Auf dieser Stelle sehen wir nämlich bei einem Embryo, welchen ich nicht näher Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 77 zu beschreiben beabsichtige, ein grösseres Kanälchen, welches bereits gerade bei der Einmündung des Ductus pankreaticus in den Ductus choledochus auf der distalen Wand der ersteren liegt. Das Pankreas bei einem der ältesten Embryonen, die ich untersuchte, ist folgendermassen gebaut: Dasselbe hat die Form eines T, dessen obere horizontale Linie in lig. gastroduodenohe- paticum gelegen ist, und breitet sich zwischen der Porta hepatis und der Magendarmschlinge aus; etwa aus seiner Mitte geht ein Zug Pankreasgewebe hervor, welcher Theil der verticalen Linie des T entspricht. Dieses Drüsengewebe zieht entlang der rechten Magenwand in das Mesogastrium hinein, wo man es bis in die nächste Nähe der Milz verfolgen kann. Man sieht, dass durch die proximale Hälfte des proximalen Pankreas zuerst drei, später nur noch zwei Lebergänge hindurchziehen, um sich an der Darm- mündungsstelle zu einem Gange zu verbinden. Sie vereinigen sich in der Darmschleimhaut mit den Pankreasausführungsgängen (diese Verhältnisse sind recht schwierig zu verfolgen) und bilden einen gemeinschaftlichen Ausführungsgang — den rudimentären Ductus choledochus — der sich sogleich beträchtlich erweitert und so die Darmschleimhaut als eine ziemlich grosse Papille in’s Darmlumen hineinstülpt. Dieser weite Gang ist mit demselben Epithel ausgekleidet, wie es der Darm besitzt. Brachet bemerkt zum Schluss seiner Beschreibung der Pankreasentwicklung: „J’ajouterai enfin qu’il m’a paru y avoir une difference de texture entre les deux pankreas.“ Dem stimme ich bei, aber mit der Einschränkung, dass der Pankreastheil, den Brachet für das ventrale Pankreas hält, nach den Angaben von Janosik und mir bei Lacerta agilis das proximale Pankreas ist. Der Unterschied, von dem Brachet spricht, zeigt sich wie folgt: Das proximale Pankreas besteht beim Embryo (11) aus Läppehen, welche durch stärkere Bindegewebsscheidewände von einander getrennt sind, als diejenigen des dorsalen Pankreas, welches immer kompakter erscheint. Die Läppchen des proximalen Pankreas sind von Kanälchen gebildet, die mit kubischen fein granulirten Epithelien ausgekleidet sind und sich nach allen Seiten hin erstrecken. Die Kerne der Epithelzellen färben sich intensiv mit Gochenille (nach Czokor) und liegen basalwärts. Das dorsale Pankreas besitzt am Durchschnitte eine rundliche Form, ist vom 78 Völker: dichten Bindegewebe umgrenzt und besteht einerseits aus lumen- haltigen Kanälchen, anderseits aber aus Zellgruppen, die zwar radiär geordnet sind, aber kein Lumen aufweisen. Diese Kanälchen und Zellgruppen sind durch sehr zartes Bindegewebe von einander getrennt. Die Epithelzellen dieser Kanälchen sind kubisch, färben sich nicht so intensiv wie diejenigen des proximalen Pankreas, erscheinen aber noch immer dunkler als die angeführten Zellgruppen, welche eher eylindrische Epithelien besitzen; der Kern findet sich in der Mitte der Zelle. Der Unterschied der beiden Pankreastheile, welchen wir als ver- schiedenen Entwickelungsgrad betrachten, gleicht sich in der weiteren Entwickelung aus, so dass die Zellen, welche die Gänge der beiden Pankreastheile auskleiden, gleich geworden sind. Bei oberflächlicher Betrachtung der senkrecht geführten Schnitte auf die Längsachse des Embryo (11) erblickt man den Unterschied des proximalen und dorsalen Pankreas schon darin, dass die Ausführungsgänge des proximalen Pankreas senkrecht durch- geschnitten sind, also als rundliche Querschnitte erscheinen, dagegen diejenigen des dorsalen Pankreas als Längsschnitte (Schläuche) zu Tage treten. Aus der oben angeführten Beschreibung geht hervor, dass weder JanoSik noch ich ein ventrales Pankreas, welches aus dem Ductus choledochus Ursprung nehmen möchte, gefunden haben, wie es Brachet bei Lacerta muralis nachgewiesen haben will. Nachdem ich so viele einander nahestehende Stadien unter- sucht habe, glaube ich, dass das Fehlen eines ventralen Pankreas bei Lacerta agilis keine individuelle Abweichung ist, sondern, dass es eine Regel darstellt. \ Man muss sich noch dagegen wenden, dass diejenigen Befunde, welche eventuell an einzelnen Gattungen gewonnen sind, auf ganze Classen verallgemeinert werden, wie es Brachet für die Reptilien theils in der oben erwähnten speciellen Arbeit, theils in seinem Sammelreferat thut. Da er gefunden hat, dass bei Lacerta muralis das ventrale Pankreas, aus der rechten Seite des Ductus choledochus seinen Ursprung nimmt, dagegen der links- seitige atrophiert, so ist er noch nicht berechtigt, zu schliessen, dass die Pankreasentwickelung bei allen Reptilien denselben Weg einschlägt, und dass die Angaben Janosik’s bei Lacerta agilis und Saint Remy’s bei der Ringelnatter unzutreffend seien. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten. 19 Nach meinen eigenen Beobachtungen kann ich die Befunde Janosik’s bei Lacerta agilis voll bestätigen: 1) dass das Pankreas als eine einheitliche Aus- stülpung der dorsalen Darmwand weiter distal als die Leberanlage erscheint; 2) dass es sich sekundär mit dem rudimentären Duetus choledochus verbindet; > 3) dass aus diesem Pankreasgange das proximale Pankreas Ursprung genommen hat, und dass es immer mit ihm in Verbindung verbleibt; 4) die Ausstülpungen, welche nach Brachet auch beiLacertamuralis aus beiden Seiten des Duetus choledochus zwischen der Mündungsstelle des Ductus hepatoentericus und des Ductus eystieus erscheinen und die er als Pankreasanlage be- trachtet, verbinden sich bei der Lacerta agilis mit dem Lebergewebe und bilden so wahre Duetus choledochohepatieci dexter und sinister; 5) diese Kanälchen (Duectus choledochohepatici) treten an die Stelle des Duectus hepatoentericus proprius, der später atrophiert. Zu den an Lacertaembryonen gemachten Beobachtungen füge ich noch die Befunde über Pankreasentwickelung bei Spermophilus eitillus (Ziesel) und Sus domestica hinzu. So weit mir bekannt, wurden die Anfänge des Pankreas bei Säugern und beim Menschen von Kölliker, His, Janosik, Jankelowitz, Zimmermann, Hamburger, Swaen, Felix u. A, beim Schafe von Stoss, Janosik und Choron- schitzky, bei Spermophilus von Janosik, beim Kaninchen von Brachet und Jaubin, beim Schweine von Wlassow, bei der Katze von Felix, beim Hunde von Janosik beschrieben; fast bei allen untersuchten Objeeten wurden zwei Ausgangspunkte für die Bildung des Pankreas nachgewiesen. Die eine Stelle findet sich dorsalwärts auf der dorsalen Darmwand, die andere ventral an dem Ductus choledochus, knapp bei seiner Mündung in den Darm; diese Partie sollte man als Hepatopankreas bezeichnen. ; Nur bei Spermophilus wurde ein einziges Pankreas und zwar das dorsale von Janosik beschrieben. 80 Völker: Brachet behauptet in seinem oben cit. Referate, dass sich bei allen Wirbelthieren etwas später, Cyclostomen und Selachier ausgenommen, nachdem das dorsale Pankreas ausgebildet ist, noch ein ventrales ausbildet; dieses Ventralpankreas entstehe aus zwei Divertikeln der Wand des Ductus choledochus, und zwar sehr nahe derjenigen Stelle, wo derselbe in den Darm mündet. Choronschitzky wiederholt diese Behauptung und fügt noch bei, dass auch Janosik mit der Meinung von Lagnesse übereinstimmt. Choronschitzky sagt: „Mais ce sont lä des details, l’important c’est la constatation du double mamelon initial, sur lequel nous sommes tons d’accord, et qui permet d’appliquer aux Telcostiens la loi quisemble gencralisable aujourd’hori & presque tons les vertöbres.“ Janosik’s Befunde bei Lacerta agilis und beim Ziesel sprechen aber ganz und gar gegen diese Verallgemeinerung. Ich unternahm diese Unter- suchung der Pankreasentwickelung beim Ziesel an einer von H. Rejsek gesammelten vollständigen Reihe von Serienschnitten, ausserdem fertigte ich mir noch viele Controlserien an und bringe in Kurzem meine eigenen Beobachtungen vor. Embryo (I). Den Anfang des Pankreas finden wir auf der dorsalen Darmwand, etwas weiter distal gelegen, als die primi- tiven Leberausführungsgänge auf der ventralen Seite. Besonders möchte ich hervorheben, dass sich die Leber als zwei hohle Aus- stülpungen der ventralen Darmwand entwickelt, von diesen sprossen solide Leberzellbalken auf allen Seiten hervor. Eine jede von diesen beidenAusstülpungen mündet selbständig inden Darm ein. — Nur nebenbei will ich die Bemerkung bringen, dass dieser Vorgang der Leberentwickelung mit den Angaben, wie sie sonst für andere Säugethiere gegeben werden, nicht übereinstimmt. — An der dorsalen Darmwand bemerkt man etwa in. der Aus- dehnung von acht aufeinander folgenden Schnitten eine kreisförmige Zellgruppe. In diese Gruppe ragt in vier Schnitten das Darmlumen ein, und zwar so, dass es die Neigunghat sich zur linken Seite zu wenden, in Folge dessen bleibt die rechte Seite des sich entwickelnden Pankreas etwas dicker als die linke. In den distal liegenden Figur 18, Schnitten ist diese Gruppe von Zellen solid, die vom Embryo (1) eines - ® = = £ Ziesel (Platt lell). Zellen selbst sind in. der Mitte polyedrisch mit ? Darm: ı Leber: p = Pankreas. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten. 81. einem central gelegenen Kern; ihr Protoplasma ist hell. Die an der Peripherie gelegenen Zellen sind hochkubisch, der Kern. liegt peripherwärts, in Folge dieser Anordnung erscheinen. die centralen Zellen von einem hellen Protoplasmasaume umgesäumt. Diese peripheren Zellen werden immer höher .und gehen direkt in die cylindrischen Darmepithelien über. Ein ähnliches Bild sieht man auch beiden beiden Anfängen des Pankreas beim Schweine, und zwar wie an dem dorsalen also auch an dem ventralen. Embryo 2,3 und 4, welche fast auf derselben Entwickelungs- stufe sich befinden, zeigen die Bildungsstufe der Leber insoweit different von dem früher angegebenen Stadium, als sich die beiden primitiven Lebergänge zuerst zu einem gemeinschaftlichen Divertikel, welches von der ventralen Darmwand ausgeht, verbinden. Zehn Schnitte tiefer findet man das dorsale Pankreas als eine Zellgruppe, welche von der dorsalen Darmwand Ursprung nimmt; diese Zellgruppe steht mit der Darmwand‘ nur durch zwei Schnitte in Verbindung; im weiteren Verlaufe wird sie frei und schreitet durch drei Schnitte weiter in distaler Richtung. Das Darmlumen erweitert sich dorsal bei diesen Stadien in den proximalen Schnitten ebenfalls in die Zellgruppe, wobei es: links einlenkt. Das Pankreas ist ebenfalls von der Darmwand durch eine seichte Rinne getrennt; die Anordnung der Zellen ist gleich dem früheren Stadium. Ein Embryo von 6 mm grösster Länge ist etwas weiter entwickelt als die früheren. Der Darm hat bei diesem Embryo sich so gedreht, dass seine frühere vordere Fläche nach rechts zu liegen kam und seine frühere dorsale Fläche jetzt nach links gewendet ist. Fünf Schnitte weiter distal als die Mündung des Ductus choledochus (welche sich jetzt auf der rechten Darmwand befindet), öffnet sich ein Lumen eines kurzen Pankreaskanälchens in die linke (frühere dorsale) Darmwand. Dieses Kanälchen ist mit cylindrischen Epithelien aus- - gekleidet, welche einerseits in die polyedrischen Zellen der. soliden Pankreasanlage, anderseits allmählich in die Darmepithelien übergehen. Dieses Kanälchen, welches den Hauptausführungs- gang des definitiven Pankreas bildet und welches seinen Ursprung von der Ausstülpung : des Darmlumens in die linke Seite des Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 6 82 Völker: proximalen Theiles des dorsalen Pankreas genommen hat, ver- läuft eine kurze Strecke im Mesenterium dorsal und distal. Dieser Gang ist allseits von Pankreaszellen umgeben und geht über die obere Wand der Vena omphalomesenterica hinweg. Hinter dieser Vena endigt das Pankreas in Form einer kugeligen Zellmasse, in welche stellenweise das Bindegewebe hineinwächst und welche dadurch eine leichte Rinne bekommt. Nirgends findet man Kanälchen in diesem Pankreasgewebe, ausser dem früher angegebenen Ausführungsgange. Embryo 8 mm: Die Leber ist bereits weit vorgeschritten, mündet mit einem ziemlich langen Gange selbständig in die rechte Darmwand. Auf der linken Seite, weiter distal als die Mündung des Ductus choledochüs sich findet, hängt das Pankreas mit dem Darmrohr durch ein breites Kanälchen zusammen, in welches sich das Darmlumen verlängert. Dieser Ductus pankrea- ticus wächst in die Pankreaszellmasse, theilt sich in mehrere Aeste, von welchen der eine Ast etwas auffälliger ist und zwar derjenige, welcher distal entlang der vorderen Wand der Vena omphalomesenterica sich hinzieht und da blind endigt. Die Gruppe der Pankreaszellen hat bedeutend zugenommen, nimmt zuerst eine dorsodistale Richtung an, um über die angeführte Vene hinüber zu gelangen. Ventral von dieser Vena omphalomesen- terica liegt der oben angeführte hohle Gang; dorsal von der Vene verläuft die Zellgruppe wieder in mehr distaler Richtung, um nach einer kurzen Strecke die ursprüngliche dorsodistale Richtung wieder zu gewinnen. Der Pankreasgang besitzt von der Mündungsstelle an, ein cylindrisches Epithel, welches im weiteren Verlaufe zu einem kubischen wird. Von dem Darme an bis an die letzte Umbiegung liegen auf den Pankreasgängen massenhafte polyedrische Zellen, welche noch ungeordnet sind; hinter der Umbieguhgsstelle wird die ganze Pankreasmasse von Kanälchen gebildet. Bei den weiteren Stadien entwickelt sich das Pankreas derart, dass man keine besondere characteristische Abweichungen be- obachten kann, wir sehen daher von der weiteren Beschreibung dieser Stadien ab und beschränken uns auf ein Stadium von 16 mm Länge. Der Ductus choledochus mündet hier in der Nähe des Magens in den Dünndarm ein. Das Pankreas verbindet sich viel weiter, etwa in der Mitte des Dünndarmes, mit demselben; der Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 83 Dünndarm ist unterdes weit entwickelt und bildet bereits viele Schlingen. Das Pankreas verläuft proximal und dorsal auf der linken Seite bis zur Vena mesenterica, neigt sich über ihre proximale Fläche hinüber, und nimmt die dorso distale Richtung in das Mesenterium des Magens ein. Das Pankreasgewebe, welches ans dem erwähnten distalen Kanälchen entstanden ist, ist ver- bunden mit dem übrigen Pankreasgewebe. Die Pankreas Kanäl- chen sind ziemlich lang, verästelt, und mit Kubischen Epithel- zellen, welche einen centralgelegenen Kern tragen, ausgekieidet. Der Gang der Pankreasentwickelung beim Spermophilus eitillus (Ziesel) ist demnach der folgende: Bald nach dem Erscheinen der ersten Leber- kanälchen, entwickelt sich entlang einer längeren Strecke der dorsalen Darmwand, eine solide An- häufung von Zellen. Die Trennung dieser Zellen von der Darmwand beginnt bei dem distalen Ende und schreitet proximal weiter; es bleibt eine Ver- bindung mit dem Darmrohr, auf dem proximalen Ende durch einen vom Anfang an angedeuteten Ausführungsgang erhalten. Das Pankreas wächst über die proximale Wand der Vena omphalomesen- terica, zu ihrer 'ventralen und dorsalen Wand, bildet aber keinen geschlossenen Ring um die er- wähnte Vene herum, wie beim Kaninchen und Schwein, bei denen das vom Ductus choledochus entstandene Pankreas den Ring von der rechten, distalen Seite her schliessen hilft. Eben dieser Umstand weist auch darauf hin, dass beim Ziesel das Ventralpankreas weder ausgebildet,nochvon einem anderwärts gebildeten Pankreasgewebe, substituirt ist: Im weiteren Entwickelungsgang wird das Pankreas vom ersten Pankreasgang aus kanalisirt. Ein Ventralpankreas, der vom Ductus choledochus oder von der ventralen Darmwand Ursprung nehmen “möchte, existirt beim Ziesel nicht. Die Entwickelung des Pankreas bei Schweineembryonen, hat, so weit ich finden konnte, nur Wlassow bearbeitet. Nach seiner Angabe hatte er nur zwei ziemlich weit fortgeschrittene Stadien gehabt. In der embryologischen Sammlung des hiesigen I 84 Völker: Institutes haben wir eine vollständige Reihe von Entwickelungs- stadien von Schweineembryonen, bei denen ich im Stande war die Pankreasentwicklung an einer zusammenhängenden Serie zu studiren. Die ersten Anlagen, und zwar der beiden wie des dorsalen als auch des ventralen Pankreas sehen wir fast gleich- zeitig bei Embryonen I und II. Das dorsale Pankreas ist um etwas grösser als das ventrale, so dass man annehmen könnte, dass jenes etwas früher sich entwickle als dieses, obwohl ich aber an den etwas jüngeren Stadien nichts, weder von einem, noch vom anderen Pankreas nachweisen konnte. Die beiden er- wähnten Embryonen ‚sind fast von derselben Stufe der Ent- wickelung, die primären Augenblasen hängen durch einen breiten Stiel, mit der lateralen Gehirnwand zusammen. Der Epiblast, an der Stelle der künftigen Linse, ist noch gar nicht gegen den übrigen differenzirt, sondern ist überall ganz gleich. — Der Ductus hepaticus mündet sehr breit in das Darm- lumen und zieht sich durch eine weite Strecke proximo-ventral vom Darme hin. Seine Wände sind ziemlich dick, mit ge- schichteten Öylindrepithelien ausgekleidet; in der proximalen Parthie treten von ihm viele Leberzellbalken ab. Seine hintere Wand geht auf die Darmwand über ohne irgend eine weitere Differenzirung zu zeigen, die vordere Wand dagegen, etwa in der Mitte, weist eine Vorwölbung auf, das Lumen ist an dieser Stelle etwas weiter als sonst, und es sind hier auch keine Leberzellbalken nach- zuweisen. Diese Stelle ist der Anfang der Vesica fellea. Drei Schnitte tiefer, also da wodie Vesica fellea aufhört, bemerkt man ventral auf dem Ductus choledochus eine kleine Zellanhäufung. Diese Zellgruppe ist Anfangs ziemlich klein, auf den mehr distal liegenden Schnitten nimmt sie an Grösse so zu, dass sie ausser der ganzen vorderen, auch etwas von den Fig. 19. Seitenwänden des Ductus choledochus in „Vom Embryo (II) eines Schweines (Plattenmodell). sich einschliesst. Diese ganze Pankreas- i — Darm; plm — Pulmo; D . .. all» . pd — Pankreas dorsale; parthie ist gegenüber dem übrigen Theile pv — Pankreas ventrale; f — Vesica fellea; h — des Duetus choledochus und des Darmes Eher etwas nach rechts gedreht. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten, 85 Man kann diesen Zellhaufen etwa durch sieben Schnitte verfolgen, er bildet eine Knospe, welche von der vorderen Fläche des Duetus choledochus ausgeht und sich sogleich zur rechten Seite wendet. Den Ductus choledochus selbst kann man noch auf zwei Schnitte verfolgen; dann verbindet er sich mit dem Darmlumen. Die Pankreas bildenden Zellen sind polyedrisch, klein, mit einem kleinen runden Kern, der in der Mitte des Protoplasmas liegt, versehen. Die an der Peripherie gelegenen Zellen sind so angeordnet, dass sie das beginnende Pankreas umgrenzen, sich von dem Mesenchyn scharf abheben und in die hohen Cylinderepithelien des Duetus choledochus übengehen. Das dorsale Pankreas beginnt etwas mehr distal als da, wo die Lebergänge in den Darm eintreten. Das Darmlumen bildet an dieser Stelle ein weites Divertikel, von welchem so wie rechter- also auch linkerseits ein Zellhaufen hervortritt; diese Zellen sind ihrer Anordnung und ihres Aussehens nach ganz identisch mit denjenigen der ventralen Pankreasanlage, Der Anfang des dorsalen Pankreas besteht demzufolge deutlich aus zwei Lappen, von denen der linke Lappen ziemlich breit ist, reicht aber dorsal und etwas nach links nicht so weit wie der rechtsseitige nach rechts. Der dorsale Ausläufer liegt fast in der Medianlinie. An derselben Stelle, wo wir bei den Embryonen I und II den Beginn des dorsalen Pankreas beschrieben haben, habe ich auch bei jüngerem Stadium eine kleine Ausbuchtung der dorsalen Darmwand beobachten können; da sich aber die Zellen dieser Ausstülpung von den übrigen nicht unter- scheiden lassen und die Ausbuchtung selbst gar so klein ist, wage ich nicht, diese als den Pankreasanfang zu beschreiben. Die nächstfolgenden Stadien (III— VIII) unterscheiden sich sehr wenig von den früher beschriebenen, sind nur etwas grösser. Ich | theile nur die Befunde am Embryo III mit. Figur 0; Der Ductus choledochus besitzt eine yon Embryo (III) eines breite Verbindung mit dem Darmlumen; die Sehweiner (Plattenmod.) i—Darm; pd = Pankreas Vesica fellea ist so gross geworden, dass man . dorsale ED akie e sie auf sieben Schnitten sieht. Ein Theil der 86 Völker: ‚ventralen Wand des Ductus choledochus, von welcher das ventrale Pankreas seinen Ursprung nimmt, beginnt sich vom Darm abzuspalten und zwar in der disto - proximalen Richtung. ‚Damit. ist ein Theil des Ductus choledochus in das sich entwickelnde ventrale Pankreas eingeschlossen; das Lumen des Ductus ist von eylindrischen Epithelien, gegenüber den ‚kleinen Zellen des Pankreas abgegrenzt. Von diesem, durch die Abtrennung vom Ductus choledochus entstandenen Theile wächst das ventrale Pankreas auf die rechte Seite, als eine durch drei Schnitte ziehende Zellgruppe, weiter. Dieser solide Theil ist durch eine seichte Längsrinne auf seiner ventralen Seite in zwei Läppchen getrennt. Ich war in der Lage, diese Zweitheilung der distalen Partie des ventralen Pankreas, welche auch Wlassow beschrieben hat, nur noch beim Embryo IV und V zu konstatiren, bei den übrigen Embryonen konnte ich die Zweilappigkeit nicht nachweisen. Die dorsale Hälfte des Darmlumens ist auf zweiundzwanzig Schnitten von dem Zellhaufen des zweilappigen dorsalen Pankreas umschlossen, dieses geschieht etwas mehr distal als die Aus- führungsgänge der Leber einmünden. Der rechte Lappen zieht nach rechts und ist etwas schmäler als der linke, der fast senk- recht dorsalwärts hinragt. Diese dorsale Partie des Darmes ist gegen die ventrale, aus welcher sich später der definitive Darm entwickelt, so geneigt, dass sie zusammen einen nach rechts offenen stumpfeu Winkel bilden. Bei den weiter angeführten Em- bryonen wachsen die Pankreasanlagen weiter aus und zwar so, dass die ventrale sehr weit distal und nach rechts bis zur Vena omphalomesen- terica dextra, welche zwischen dem distalen Ende des ventralen und dem rechten Lappen des dorsalen Paukreas liegt ; dieser ist ebenfalls bis zu der dorsalen Wand der Vena omphalo- mesenterica dextra ausgewachsen. Figur 21. Die Verhältnisse beim Empryo VIII vom Embryo (IX) eines Schweines . - Ä Bes (Plattenmodell). 2 weichen insoferne von den übrigen i— Darm; h= Leber; vf= Vesica L fellea,; pd — Pankreas dorsale; ab, als sich das dorsale Pankreas, pv — Pankreas ventrale; pacc — Pankreas accessorium. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten. 87 und zwar auf seinem distalen Ende, von dem Darme abzu- schnüren beginnt. Diese Abschnürung ist weiter vorgeschritten beim Embryo IX. Diese abgeschnürte Partie zieht durch acht Schnitte, während der proximale, mit dem Darme zusammenhängende Theil, neun Schnitte umfasst. Bei diesem Embryo habe ich noch einen sehr interessanten Befund gemacht, nämlich den, dass etwa auf dem dritten Schnitte, von der Trennungsstelle des Pankreas vom Darme, fast in der Medianlinie, ein neues accessorisches Pankreas vom Darmlumen den Ursprung nimmt, welches man etwa auf vier Schnitten distal verfolgen kann. Es besteht aus polyedrischen Zellen von genau demselben Character wie in dem übrigen Pankreas, besitzt aber kein Lumen. Trotz der genauesten Unter- suchung konnte ich bei keinem anderen Embryo eine ähnliche Bildung nachweisen; dieselbe ist wahrscheinlich als eine indi- viduelle Abweichung zu deuten. Bei den Embryonen (X, XI, XII) ist die Trennung des dorsalen Pankreas vom Darm noch weiter gegangen, dabei sind beide wie das dorsale, also auch das ventrale Pankreas so aus- gewachsen, dass sich beide oberhalb des Verlaufes der Vena omphalomesenterica fast berühren. Der rechte Lappen des dorsalen Pankreas verläuft entlang dieser Vene noch weiter distal. Beim Embryo XIII bildet der Darm bereits eine deutliche Duodenalschlinge. Das dorsale Pankreas hängt mit der dorsalen Darmwand nur durch einen an zwei Schnitten sichtbaren Aus- führungsgang, dessen Zellen radiär angeordnet sind, wo man aber kein Lumen nachweisen kann. Die Richtung des Pankreas ist eine dorsodistale, bis es über die proximale Kante der Vena omphalomesenterica hinübergeschritten ist, biegt es plötzlich um und zieht etliche Schnitte weiter distal, entlang der genannten Vene. Bevor es über die Kante der Vene umbiegt, giebt es noch einen Ast ab, welcher kurz entlang der ventralen Fläche der Vene verläuft. Diese Pankreasabzweigung ist dadurch von Wichtigkeit, dass sich dadurch das ventrale mit dem dorsalen Pankreas auf der ventralen Fläche der Vena omphalomesenterica verbindet, ebenso wie sich der andere Pankreasfortsatz entlang der dorsalen Fläche dieser Vene mit dem ventralen Pankreas distal von der Vena omphalomesenterica verbindet. Dadurch kommt es zur Bildung eines Ringes von Pankreasgewebe, welcher 88 Völker: die genannte Vene umschliesst. Das ventrale Pankreas kann man verfolgen von einem trichterförmigen Ausführungsgange der unteren. Fläche des Ductus choledochus rechts distal, wie es weiter um die laterale Wand der Vena omphalomesenterica um- biegt. Beide Pankreas bestehen noch immer aus demselben Gewebe wie bei den vorhergehenden Stadien. Bei den Embryonen (XIV— XVII) fliessen beide Pankreas wie auf der dorsalen so auch auf der ventralen Seite der Vena omphalo-mesenterica (welche in dieser Partie von nun an Vena portae genannt werden muss) zusammen. Bei manchen Embryonen verbinden sich die beiden Pankreas früher auf der ventralen, bei anderen aber wieder auf der dorsalen Seite zusammen. Nachdem sich beide Pankreas verbunden haben, atrophiert die erwähnte trichterförmige Verbindung mit dem Ductus choledochus, und so bleibt nur eine einzige Mündung an der Stelle des Darmes, wo die ursprüngliche Ausführung des Pankreas vom Darm entstanden war. Diese zweite Verbindung des ventralen Pankreas, nämlich des vom Ductus choledochus entspringenden, weicht sehr stark ab von dem Verhalten wie ich es bei Lacerta geschildert habe; hier tritt die Verbindung der beiden sehr spät auf, das proximale Pankreas bei Lacerta behält aber die Oberhand über das dorsale. Aus dem Grunde wie aus der ersten Entwickelung zu schliessen kann man diese proximale Pankreas nicht identificieren mit dem sog. ventralen Pankreas bei den Säugethieren, auch ungeachtet dessen, dass das ventrale Pankreas selbst bei den Säugethieren fehlen kann, wie wir bei den Zieselembryonen gesehen haben. Man sieht weiter, dass das Mesenchym zwischen die Masse derPankreaszellen in Form von zusammenhängenden Strängen hineinwächst, dadurch bilden sich untereinander anastomosierende Zellbalken. Die Pankreaszellen ändern sich ebenfalls, manche von ihnen werden grösser, besitzen ein helleres Protoplasma, der Kern liegt in der Mitte; zwischen diesen Zellen trifft man andere an, welche wie comprimiert erscheinen und welche eine Spindel- oder Sternform angenommen haben. Stellenweise sieht man noch ganz unveränderte Zellen. Allmählich unterliegen alle Zellen dieser Umbildung, so dass wir beim Embryo (XX) nur Zellbalken an- ‚treffen, in denen man nur die blassen und zwischen diesen auch die spindeligen Zellen sieht. Diese Zellbalken sind solid, weisen kein Lumen auf. Erst beim Embryo XXIII besteht das Pankreas Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten. * 89 aus ziemlich schmalen Zellsträngen, mit deutlichem Lumen welches von niedrigen dunkel gefärbten Zellen begrenzt ist. Nach dem Angeführten entsteht das Pankreas beim Schweine, einerseits von der dorsalen Darmwand als einemächtige, solide Zellgruppe, welche bereits bei den allerjüngsten Stadien die Zweilappigkeit zeigt, anderseits aus der distalen Wand des Ductus choledochus in der Nähe seiner Mündung in den Darm, als eine einzige Zellgruppe ohne Lumen, welche sich sofort nach rechts begiebt. Beide An- fänge wachsen nach rechts distal, verbinden sich mit einander und umfassen ringförmig die Vena omphalomesenterica. Das ventrale Pankreas trennt sich vom Duetus choledochus ab, und so bleibt nur noch die ursprüngliche Mündung des dorsalen Pankreas in die dorsale Darmwand übrig, welche Mündungsstelle weit mehrdistalentfernt vom Ductus choledochus liegt. Aus meinen Befunden kann ich folgende Schlüsse ziehen: I. Bei Lacerta agilis wird das ganze Pankreas nur von der dorsalen Pankreasanlage ausgebildet. Der Pankreasgang ver- bindet sich erst sekundär mit dem Ductus choledochus. II. Bei den Säugethieren finde ich es als ein konstantes Gebilde, ebenso wie bei Lacerta agilis, das dorsale Pankreas. 1. Bei Schweineembryonen kommt noch zu dem dorsalen Pankreas ein anderer Theil, welcher vom Duetus choledochus den Ursprung nimmt. Diese Partie aber weist bei ihrem Ursprung keine Zweilappigkeit auf, indem sie von der Medianlinie gleich nach rechts ausbiegt. Die beiden Pankreas- theile vereinigen sich beim Schwein so, dass die vom Ductus choledochus entstandene Partie mit dem dorsalen Pankreas verschwindet und ihr Ausführungsgang atrophiert, so dass das ganze Pankreas mit Hilfe des ursprünglichen Ausführungs- ganges des dorsalen Pankreas in den Darm einmündet. - Ich kann aber beim Schwein auch die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass das Pankreas dureh nicht atrophierte Verbindung mit dem Ductus choledochus in den Darm selbst- ständig ausmündet. 2. Bei Zieselembryonen wird nur das dorsale Pankreas gebildet, direct aus der dorsalen Darmwand. 90 Völker: Inzwischen als ich bereits meine Untersuchungen ab- geschlossen habe ist mir die Arbeit von Helly') über die Pankreasentwickelung bei Säugethiersn zugekommen. Da in der- selben einige Schlüsse angeführt sind, welche in Betracht der jetzigen Kenntnisse doch etwas zu stark. generalisiren und da Helly die Befunde, welche mit verallgemeinernden Dogmeten nicht zusammenstimmen, nicht gelten lassen will, erlaube ich mir nur die Schlüsse zu kritisiren, welche er in seinem Resume als allgemeingeltend anführt. 1. Gegen den ersten Satz Helly’s (seine oben angeführte Arbeit pag. 329): „Die endgiltige Lage des Ductus santorini gegenüber dem Lebergange ist sofort zu Beginn des Auftretens der dorsalen Pankreasanlage angedeutet; eine nachträgliche Wanderung eines Ganges gegen den anderen findet nicht statt, wohl aber häufig ein Auseinanderrücken der Beiden infolge des Längenwachsthumes des Duodenums“ muss ich, die Meinung von allen Anatomen anführen, die ich in der Kürze der Zeit zu Licht bekommen konnte d. i. die Meinung von Luschka, Henle, Rauber, Sappey, Cruweiller, Quain, Hyrtl, Janosik etc. nach welchen Allen beinahe immer der Ductus santorinus sich proximalwärts vom Ductus wirsungianus mit dem Darm ver- bindet. Darnach wäre nach dem ersten ‘oben eitirten Satz Helly’s zu erwarten, dass bei menschlichen Embryonen sehr selten der Ductus santorini mehr in den Darm mündet als der Ductus wirsungianus. Das ist aber nicht der Fall. Nach der Zusammenstellung von Helly selbst (pag. 274) hat His gefunden, dass von acht menschlichen Embryonen bei dreien der Ductus santorinus mehr proximal sich mit dem Darm verbindet, als der Ductus wirsungianus, bei vieren ist das Verhältniss umgekehrt und dass bei dem letzten der Ductus santorini gerade dem Ductus wirsungianus gegenüber sich in den Darm eröffnet. Es ist also die Mündungsstelle des Duetus santorini mindestens bei der Hälfte der menschlichen Embryonen von der Mündungsstelle des Duetus wirsungianus caudalwärts gelegen. Diese Befunde stimmen also mit dem Schluss den ich mit Hilfe des ersten Satzes von Helly und der anatomischen Ver- hältnisse beim erwachsenen Menschen aufgestellt habe, dass bei ı) Helly, Konrad Zur Pankreasentwickelung der Säugethiere. Archiv f. mikrosk. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 57 Heft 2. Bonn 1901. Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten. 91 ‚menschlichen Embryonen sehr selt“n der Duetus santorini caudal- wärts vom Ductus wirsungianus münden müsse, nicht überein, Mehr als dieser logische Beweis der Unrichtigkeit des ersten Satzes von Helly sprechen gegen ihn die von Janosik!)?) gefundenen Thatsachen bei menschlichen Embryonen von I cm und 2,9 cm Länge, dass bei dem Jüngeren ‚der Ductus’ santorini mehr distal in den Darm mündet als der Ductus wirsungianus, während bei dem Aelteren die fraglichen Ausführungsgänge sich gerade umgekehrt verhalten. Zu diesen beiden kann ich noch eine kurze Beschreibung von zwei anderen menschlichen Embryonen fügen, die ich durch Güte des Herrn Prof. Janosik als Serie geschnitten zur Benützung bekommen habe. Der erste (Länge 3 mm) zeigt das Pankreas noch in seiner ersten Entwickelung. Dasselbe wird durch eine Rinne gebildet, die die Dorsalwand des Mitteldarmes dorsalwärts ausstülpt. Diese Pankreasrinne kann ich durch sieben Schnitte, die 30 « dick sind, verfolgen und sie ist durch leichte seitliche Furchen deutlich vom übrigen Darmlumen abgegrenzt. Von der Ventralseite kommt die Leberanlage als ein hohler Gang, der sich proximal- wärts in der Mittellinie in das Septum transversum hinzieht, zur ventralen Darmwand her und verbindet sich mit derselben im Niveau der proximalen drei Schnitte, die die Pankreasanlage enthalten. Es ist also der grössere Theil des Pankreas mehr distal angelegt als die Leber. Bei dem noch nicht beschriebenen zweiten menschlichen Embryo (13 mm Länge) sehen wir, dass der Ductus santorini in die dorsale Darmwand fast in demselben Niveau mündet, wo zu derselben etwas von der rechten Seite der Duetus wirsungianus hinzukommt. Man könnte eher um ein Weniges, etwa um einen Schnitt, die Mündung proximal gelagert ansehen. Wir können also mit Hilfe der beiden von Janosik be- schriebenen Embryonen eine vollständige Reihe, die die relative Pankreasbewegung veranschaulicht, zusammenstellen. Beim jüngsten Embryo (3 mm) liegt die Pankreasanlage zum grössten Theil mehr distal als die Leberanlage. Dieses Verhältniss hat sich beim nächsten Embryo (10 mm Länge) so verändert, dass ı) Janosik: Slezina a pankreas (Rozpravy desk& akademie v Praze IV e. 5. 1895. ?2) Janosik: Le pankreas et la rate (Bibliogr, anatom. 1896.) 92 Völker: das Pankreas sich weiter ausgebildet hat und der Ductus santo- rinus zwei Schnitten mehr distal mündet als der Ductus wirsun- gianus. Es hat sich also wahrscheinlich, wie es bei Lacerta geschieht, die ganze Pankreasrinne bis auf die mittlere Partie vom Darme abgeschnürt, die dann den Ductus santorini bildet. Derselbe muss demnach natürlich mehr distal gelegen sein als der Ductus wirsungianus. Beim dritten Embryo (13 mm Länge) ist die gegenseitige Bewegung des Pankreas und der Leber so vorgeschritten, dass die beiden Gänge fast in gleicher Höhe liegen, und beim letzten Embryo mündet der Duetus santorinus um zwei Schnitte mehr proximal in den Darm als der Ductus wirsungianus,. Nach dem jetzt Angeführten ist es einleuchtend, dass bei menschlichen Embryonen die gegenseitige Bewegung der Mündungs- stellen der Leber und des Pankreas wirklich stattfindet, und dass also der erste Satz Helly’s nicht richtig ist. Als 3. führt Helly den nachfolgenden Satz an: „Die Abschnürung der dorsalen Pankreasanlage von dem Darme beginnt in craniocaudaler Richtung.“ Dieser Satz kann zutreffend sein für die Embryonen, die Helly untersucht hat, aber es ist nicht zulässig, ihn so genera- lisirend für alle Säugethiere auszusprechen, wie es Helly thut. Bei den Säugethierembryonen, die ich untersucht habe, nämlich bei den Schweineembryonen und den Zieselembryoren, beginnt die Absehnürung in caudocranialer oder distoproximaler Richtung. Choronschitzky’'), der Kaninchenembryonen durchgesehen hat,. beschreibt, dass der fragliche Process in eben derselben Richtung verläuft, wie ich ihn beschrieben habe, nämlich in der caudocranialen. Als 4. führt Helly an: „Die ventralen Anlagen nehmen ihren Ursprung aus den seitlichen Wänden des Leberganges, und nur dieses, unmittelbar bevor er in den Darm mündet.“ 5. „Die beiden ventralen Pankreasanlagen treten deutlich von einander gesondert auf; eine Verwachsung zwischen ihnen konnte ich in keinem Falle beobachten.“ ı) Choronschitzky, Die Entwickelung der Milz, Leber, Gallen- blase, Bauchspeicheldrüse etc. (Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs- geschichte. Wiesbaden, Bd. VI, 1896). Beiträge zur Entwickelung des Pankreas bei den Amnioten,. 93 6. „Die linke ventrale Anlage fällt der Rückbildung anheim, während sich die rechte in der Regel weiter ausbildet, ausnahms- weise aber ebenfalls wieder zurückbilden kann.“ Alle diese drei Sätze sind für Säugethiere als allgemein- geltend nicht zuzulassen, da wir bei Schweineembryonen nur eine Anlage des Ventralpankreas gesehen haben, die gerade in der Mittellinie der Ventralwand des Ductus choledochus ihren Ursprung nimmt. Mit unseren Befunden stimmt die Ventralpankreasanlage beim Hund und Kaninchen überein, die von Hammar') als einheitlich von der Distalwand des Ductus choledochus ent- springend beschrieben worden ist. Aehnlich hat auch Brachet’) beim Kaninchen nur eine einzige Anlage des ventralen Pankreas gesehen, aber doch hat dieser Forscher, um die supponirte Duplicität des Ventralpankreas bei den Säugethieren zu retten, zu der Hypothese gegriffen, dass die beiden supponirten Ventral- pankreasanlagen gleich von Beginn an, und vielleicht schon früher, als sie sich zu entwickeln begonnen haben, zusammen verschmolzen seien. ) Hammar, Einiges über die Duplieität der ventralen Pankreas- anlage (Anatomischer Anzeiger, 1897). ®) Brachet, Recherches sur le d&velopement du pancreas et du foie (Journal de l’Anatomie et de la Physiologie, 1895). Aus :dem I. anatomischen Institut zu Wien. Zum Nachweise des geschlossenen Gefäss- systems der Milz. Von Dr. Konrad Helly, Prosector. Hierzu Tafel IV. Im Verlaufe der letzten Jahre begann in der Ansicht über die Blutbahnen der Milz eine Aenderung gegenüber der früher massgebend gewesenen Anschauung Platz zu greifen, dahin gehend, dass eine intermediäre Blutbahn, wie sie von vielen an-: genommen und scheinbar auch bewiesen wurde, nicht vorhanden) 94 Konrad Helly: sei. Namentlich v. Ebner (5) vertritt am schärfsten den Standpunkt, dass ebenso wie in allen anderen Organen auch in der Milz das Blut aus den Arterien auf dem Wege von allerdings eigen- thümlich gebauten Capillaren direkt in die Venen gelange. Er beruft sich hierbei auch auf die Arbeiten von Kölliker (1), Wedl (2) und Thoma (7), welche durch Injeetionen zu gleichen Ergebnissen gekommen sind. Gleichwohl steht diesen Forschern noch immer eine Reihe anderer gegenüber, ich erwähne nur Bannwarth (3), Hoyer (4), Kultschitzky (5) und Laguesse (6), deren Arbeiten ebenfalls aus neuerer Zeit stammen, wenn sie auch älteren Datums sind, als die von Thoma und v. Ebner, und die der gegentheiligen Ansicht beipflichten. Vergleicht man nun die Ergebnisse, welche die Genannten zu Tage gefördert haben, so wird man finden, dass die beiden letzteren zwar die richtigere Auffassung vertreten, dass aber zwei Einwände der Anderen nicht hinreichend von ihnen wider- legt werden. Der eine dieser Einwände gipfelt darin, dass man, das geschlossene Gefässsystem vorausgesetzt, bei dem Mangel von Lymphgefässen in der Pulpa annehmen müsse, dass die Leukozyten in die Blutgefässe durch deren Wandungen hinein- wandern; anders liesse sich ihre grosse Zahl im Venenblute der Milz sonst nicht erklären. Den zweiten Einwand bildet das angeblich mehr oder minder zahlreiche Vorkommen von frei in der Pulpa liegenden rothen Blutkörperchen. v. Ebner, der beide Einwände berücksichtigt, bemerkt zum ersteren mit Recht, dass die Diapedese weisser und rother Blut- zellen in anderen Organen ja eine erwiesene Thatsache sei; es könne deshalb keinen triftigen Grund geben, einen ähnlichen Vorgang in der Milz auszuschliessen. Es ist aber aus seiner Darstellung nicht ersichtlich, ob er ein derartiges Einwandern von Leukozyten in die Blutbahnen durch die geschlossenen und unversehrten Capillarwände hindurch in der Milz auch wirklich beobachtet habe. Andererseits will Kultschitzky das Durch- treten von solchen Zellen zugleich mit rothen Blutkörperchen durch eine Lücke der Capillarwand thatsächlich beobachtet haben und bildet dasselbe auch ab. Dem zweiten Einwande gegenüber giebt v. Ebner die Thatsache zu, dass rothe Blutzellen frei in der Pulpa liegend zu beobachten wären. Er wendet aber gegen die Verwerthung dieses Umstandes im Sinne offener Blutbahnen Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz, 95 ein, dass die Zahl dieser freien Blutzellen unter normalen Ver- hältnissen viel zu gering sei, als dass man daraus ein regel- mässiges Durchströmtsein der Pulpa von rothem Blut folgern könne. Auf die Angaben der übrigen Forscher gehe ich hier nicht weiter ein, da sie, soweit sie nicht noch später Berücksichtigung finden werden, sich theils mit den bereits erwähnten decken, theils für die von mir im Folgenden eingehaltene Beweisführung zu Gunsten des geschlossenen Capillarsystems belanglos sind. Werfen wir noch einen Blick auf die von den bisherigen Forschern angewandten Untersuchungsmethoden, so ergiebt sich, dass diese nach drei Gesichtspunkten eingetheilt werden können, und zwar wurden, je nachdem es sich um die Wandungen, den Inhalt oder die Wege der Capillaren handelte, Färbungen des elastischen Gewebes oder des Blutes oder Injectionen zu Hilfe gezogen. Zu letzteren wurden entweder künstlich bereitete Massen, oder durch absichtlich hervorgerufene Stauungen die rothen Blutkörperchen selbst verwendet. Allen diesen Methoden haften jedoch Mängel an, die es mit sich brachten, dass die Ergebnisse der Arbeiten verschieden lauteten. Die Färbungen des elastischen Gewebes vermögen wohl die Wandungen der Capillaren mit genügender Deutlichkeit hervor- treten zu lassen; allein der Inhalt derselben, in erster Linie die Masse der rothen Blutkörperchen, tritt so wenig scharf hervor, dass man nicht imstande ist, genau anzugeben, ob und in welcher Menge sie auch frei in der Pulpa liegend vorkommen. Färbt man hingegen die Blutkörperchen, ohne gleichzeitig die Endothelien deutlich darzustellen, dann ist es wieder nicht möglich, in jedem Falle mit Bestimmtheit anzugeben, ob ein betreffendes rothes Blutkörperchen innerhalb oder ausserhalb einer Capillare gelegen sei. Die Injectionen vermöchten ihrerseits wohl erkennen zu lassen, ob zwischen Arterien und Venen direkte Verbindungen bestehen oder nicht. Doch ist diese Methode gerade an dem hier in Frage kommenden Organ mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Thatsächlich geben beispielsweise Wedl und Thoma an, dass es ihnen durchaus nicht immer gelungen sei, extravasat- freie Injectionen zu erzielen. Während daher ersterer an seinen Präparaten nur die gelungenen Stellen untersuchte, bediente sich letzterer eines Kunstgriffes, indem er feinkörnige Massen 96 =. Konrad Helly: injieierte. Gegen Beide lassen sich vom Standpunkte der- Anhänger der intermediären Blutbahnen Einwände erheben; gegen ersteren, dass an den von ihm für beweisend gehaltenen Stellen die Injeetion nicht vollständig gelungen sei; gegen letzteren, dass körperliche Elemente selbst noch so feinkörniger Massen sich den Gefässwänden gegenüber immerhin anders verhalten, als die Blut- körperchen, die ja sogar durch sicher geschlossene Endothel- auskleidungen hindurchzutreten vermögen. Dass die Blutstauung allein nicht genügende Aufschlüsse zu geben vermag, liegt wohl in der Natur der Sache selbst und braucht nicht erst weiter auseinandergesetzt zu werden. Eine gewissermassen negative Injectionsmethode kann in der künstlich hervorgerufenen Blutleere des Organes erblickt werden. In welchem Umfange diese Methode verwerthbar ist, werde ich zu erörtern noch im Folgenden Gelegenheit haben. Es ist nach dem Gesagten also ersichtlich, dass es für mich zunächst eigentlich nur einen richtigen Weg geben konnte, die Frage nach der Natur des Gefässsystemes der Milz möglichst einwandsfrei zu lösen, und das war die gleichzeitige Darstellung der rothen Blutkörperchen und der Capillarwände an ein und demselben Präparate. Diesen Zweck zu erreichen, versuchte ich verschiedene Methoden, auf die ich im Folgenden näher eingehen will. Was die Fixirung betrifft, erzielte ich mit Formol, dessen käufliche Lösung mit drei Theilen Wasser verdünnt ‚wurde, hinlänglich befriedigende Resultate, so dass ich mich nicht ver- anlasst sah, auch noch andere Fixirungsmittel in Anwendung zu bringen. Die Einbettung erfolgte durch Toluol in Paraffın, worauf die Schnitte mit Wasser auf dem Objectträger aufgeklebt wurden. Als Färbungsmittel für die Capillarwände ergab sich mir nach verschiedenen Versuchen als brauchbarstes das Weigert’sche Resorein-Fuchsin und nächst diesem Orcein insaurer Lösung. Die beidenFarbstoffe mussten, entsprechendder Angabe v.Schumachers(9), lange Zeit und intensiv einwirken, um, namentlich mit Rücksicht auf die folgende Nachbehandlung der Schnitte, befriedigende Resultate zu erzielen. Ich:bemerke hierbei, dass ich mich eines jeden Urtheils über die wahre Natur der Kreisfasern enthalten will, da ich diese Frage, als nicht in den Rahmen dieser Arbeit gehörend, unberührt liess. Die Mitfärbung der übrigen Gewebe Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz. 97 war nicht von Nachtheil, da sie unter dem Einflusse der weiteren Proceduren theils verschwand, theils als Doppelfärbung wirksam wurde. Immer aber musste die Färbung mit den beiden genannten Farbstoffen vor den anderen angewendet werden, da sie sonst durch ihren Säuregehalt diese verdrängt hätten. Die rothen Blutkörperchen stellte ich in den so vor- behandelten Schnitten auf verschiedene Weise dar. Entweder wandte ich Heidenhain’s Eisenhämatoxylin an, wobei ich darauf achtete, dass die Differenzirung mindestens soweit vorschreite, bis die rothen Blutkörperchen zum Unterschiede von allen Kernen als tief schwarze Scheiben erscheinen; doch kann die Entfärbung der Präparate ohne Schaden für ihre Deutlichkeit noch solange fortgesetzt werden, bis nur mehr die Blutkörperchen sichtbar, die Kerne hingegen fast völlig verblasst sind. Eine zweite von mir angewandte Methode lehnt sich an das von Lavdowsky (10) zur Auffrischung alter Schnitte angegebene Verfahren an. Dasselbe beruht darauf, dass diese auf dem Objeetträger einer nachträglichen Chromirung unterzogen werden, worauf die von Weigert für Markscheiden benützte Färbung mit der Abänderung erfolgt, dass die Kupferlösung unverdünnt zur Anwendung gelangt. Auch hier entfärbe ich in der Borax- Blutlaugensalzlösung solange, bis die rothen Blutkörperchen sich mit vollster Schärfe als schwarze Scheiben von dem übrigen Gewebe abheben. Ausser diesen beiden Methoden leistete mir noch eine dritte, in gleichem Sinne angewandte, vorzügliche Dienste. Sie besteht darin, dass ich die nach Weigert für elastisches Gewebe intensiv vorgefärbten Schnitte mit einer schwachen wässerigen Lösung von Orange nachfärbe, welche ich mir durch Verdünnung einer '/2 °/o-Lösung auf das Doppelte bis Dreifache ihres Volumens bereite und die ich etwa eine Minute lang einwirken lasse. Da- durch werden die rothen Blutkörperchen leuchtend gelb. Sollte die Färbung zu stark geworden sein, was daran zu erkennen ist, dass auch das übrige Gewebe sowie die Kerne gelb erscheinen, so differenzirt man, am besten unter Controle des Mikroskopes, zunächst mit 1 °/o salzsaurem Alkohol und dann mit Carbolxylol, welches ebenfalls das Orange auszuziehen vermag, solange, bis die Kerne wieder einen deutlich lilafarbigen Ton erhalten. Der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 58. 7 8 Konrad Helly: Einschluss der Präparate erfolgte in allen Fällen nach Aufhellung durch Carbolxylol in Dammarlack. Meine Untersuchungen erstreckten sich auf den Menschen und, des Vergleiches halber, auch auf einige Thiere. Die mit Hilfe der beschriebenen drei Färbungen, nament- lich aber der letzten, hergestellten Präparate waren von aus- gezeichneter Deutlichkeit. Als Beweis diene Fig. 1, welche eine Stelle aus einem 5 « dicken Schnitte durch die Milz eines Neu- geborenen darstellt. Man sieht, dass überall, wo die rothen Blutkörperchen sich in Gefässen befinden, die Wandungen der letzteren um jene herum, beziehungsweise auch die für die Capillaren der Milz charakteristischen Endothelien und die, von v. Ebner zuerst beschriebenen zarten elastischen Häutchen wahrnehmbar sind. Daneben giebt es in jedem Schnitt zahlreiche Stellen, wo auf den ersten Blick rothe Blutkörperchen frei in der Pulpa zu liegen scheinen. Untersucht man mit Hilfe der Mikro- meterschraube genau, in welcher Ebene des Schnittes diese Blut- körperchen liegen, dann stellt sich oft heraus, dass sie sich auf der Öber- oder Unterseite desselben befinden und daher von den Zellen der Pulpa nur überdeckt werden. Es war mir an solchen Stellen auch immer möglich, unter richtiger Anwendung der Mikrometerschraube die Capillarwandung zu erkennen. In Fig. 1 ist bei a der Versuch gemacht, ein solches von Pulpazellen überdecktes Blutkörperchen darzustellen. Eine innerhalb weiter Grenzen schwankende Zahl rother Blutzellen liegt aber zweifel- los ausserhalb der Gefässe frei in den Strängen der Pulpa. Aus dem Gesagten ist ersichtlich, dass die eingehaltene Schnittdicke nicht belanglos ist. Ich fand sie am besten zwischen 5 und 10 «; doch sind dünnere Schnitte kein Nachtheil, wohl aber dickere, da bei diesen die Bilder sich zu stark verwirren und das Ueber- und Untereinander der Zellen oft nicht mehr gestattet, die Verhältnisse zu studieren. Mit Rücksicht auf die von v. Ebner bezüglich der Capillar- venenwandung gegebene genaue Beschreibung glaube ich, mich einer solchen entschlagen zu können, umsomehr, da ich derselben nichts hinzuzufügen hätte. Doch will ich hier eines Versuches Erwähnung thun, den ich in der Absicht unternahm, die Capillaren mit grösserer Deutlichkeit hervortreten zu lassen, als dies an einem blutgefüllten und daher zellenreichen Organe der Fall ist. Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz, 99 Ich ging dabei von der Ansicht aus, dass es nicht schwer sein müsse, das Blut aus sämmtlichen Gefässen, wenn sie wirklich allseitig geschlossen wären, auszuspülen. Ich liess also, um mich hiervon zu überzeugen, durch die Milzen von erwachsenen Katzen physiologische Kochsalzlösung durchfliessen und erzielte bei dem gleichmässigen Drucke einer Flüssigkeitssäule von etwa 140 cm Höhe, was aber einem Quecksilberdrucke von etwa 100 mm ent- spricht, im Verlaufe einer Stunde eine derart vollständige Aus- spülung des Organes, dass dasselbe fast gänzlich weiss wurde. An den zahlreichen Schnitten, die hierauf angefertigt wurden, waren denn auch nirgends rothe Blutkörperchen zu sehen, wohl aber zahlreiche rundliche Lücken (Fig. 2), die, wie sich aus den Ergebnissen der Färbungen zeigte, theils ausgespülten Capillaren, theils leeren Maschen des Reticulum entsprachen. Der Versuch lehrt also, dass die Beobachtung Thoma’s richtig ist, wonach Lösungen, leicht durch die Wandungen der Milzgefässe diffundieren, und ist daher für sich allein genommen kaum in dem einen oder anderen Sinne zu verwerthen. Wohl aber kann man an mikroskopischen Präparaten so behandelter Milzen, wie ja zu erhoffen war, sehr bequem die einzelnen Gefässe verfolgen. Namentlich gelingt es unschwer, Einmündungen arterieller Capillaren, der sogenannten Zwischengefässe, in venöse aufzufinden, wie aus Fig. 2 ersichtlich ist. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich ebenfalls den Nach- weis solcher Einmündungen für eine kräftige Unterstützung jener Lehre halte, welche für das geschlossene Milzgefässsystem eintritt. An dieser Stelle muss ich zum Theile der Beweisführung ge- denken, die Bannwarth angewendet hat, um das offene Gefäss- system zu vertheidigen. Zunächst ist es eine Willkürlichkeit, wenn man seinen Auseinandersetzungen gemäss die Bezeichnung geschlossene, beziehungsweise offene Blutbahn nicht von dem Vorhandensein oder Fehlen einer Endothelauskleidung ab- hängig machen wollte, sondern von dem nebensächlichen Umstande, ob die Lymphe ebenfalls in diese Bahn, und zwar ohne Ver- mittelung gesonderter Lymphgefässe, eindringt. Weiters hat er ebenfalls Ausspülungen mit Kochsalzlösung vorgenommen, hiebei aber gefunden, dass neben den rothen Blutkörperchen auch die Leukozyten aus dem Gewebe hinaus geschwemmt werden. Er vergleicht deshalb die so erhaltenen Bilder mit denen ausge- + 100 Konrad Helly: pinselter Schnitte. Nun muss allerdings zugegeben werden, dass auch Leukozyten von dem Flüssigkeitsstrome mitgenommen werden; das ist jedoch, selbst vorausgesetzt, dass die Ausspülung sehr schonend vorgenommen wurde, keineswegs als ein stichhältiger jeweis für oder gegen das geschlossene Milzgefässsystem zu ver- werthen, da es doch an jedem Anhaltspunkte für den Weg mangelt, den der Flüssigkeitsstrom genommen haben könnte. Wenn jedoch in diesem Punkte, wie ich zugeben will, immerhin noch Meinungsverschiedenheiten möglich sind, bleibt es mir anderseits aber ganz unverständlich, wie man den Umstand, dass ein Organ nach seiner Ausblutung fast gar keine rothen Blutkörperchen enthält, im Sinne einer offenen Blutbahn ver- werthen kann. Bannwarth sagt wörtlich: „Dagegen ist dasselbe (das retikuläre Gewebe der Pulpa) ganz oder fast ganz leer von Blutscheiben, sobald man die Milz ausbluten lässt.“ Mir will es vielmehr scheinen, dass dieser Umstand mehr, wie mancher andere zu Gunsten der geschlossenen Blutbahn aufgefasst werden muss. Was den einen Einwand betrifft, den die Anhänger des intermediären Gefässsystemes gegen ein geschlossenes erheben, dass man nämlich ein Einwandern der Leukozyten in die Blut- gefässe durch deren Wandungen hindurch annehmen müsse, so bin ich in der Lage, demselben durch den Nachweis dieses ver- langten Hineinwanderns begegnen zu können. An Schnitten der Milz eines Kaninchens, welche einer Doppelfärbung mit Hämatoxylin und Eosin unterzogen worden waren, lassen sich an vielen Stellen Bilder wahrnehmen, wie ich deren eines in Fig. 3 zur Ansicht bringe. In einer Capillare, deren Wandung deutlich als feine glashelle Linie zu sehen ist, liegen neben rothen weisse Blutkörperchen und eosinophile Körnerzellen. Durch die Wand der Capillare tritt soeben ein Leukozyt hindurch (l), während ein zweiter (l) an seiner Form, namentlich an der gegen die Capillare gerichteten Spitze, ein anderes Stadium des gleichen Vorganges erkennen lässt. Bei der geringen Schnittdicke von .d 4 ist eine Täuschung wohl auszuschliessen. Nun will ich durchaus nicht behaupten, dass es diesen Leukozyten etwa angeschrieben stehe, dass sie sich auf der Wanderung aus der Pulpa in Capillare hinein befänden, und sich im vorliegenden Falle nicht in umgekehrter Richtung bewegt Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz. 101 haben könnten. Hat doch Kultschitzky seiner Arbeit eine Ab- bildung beigegeben, die zwar dem Beschauer gar nichts verräth, von der er aber behauptet, dass man auf ihr sehen könne, wie ein Leukozyt in Begleitung zweier rother Blutkörperchen aus einem Gefässe durch eine Lücke in dessen Wandung in die Pulpa hinaustrete. Nun, abgesehen davon, dass ich an allen Präparaten immer imstande war, nachzuweisen, dass die Capillar- wand an Stellen, wo Leukocyten im Durchtreten begriffen waren, völlig zusammenhängend und unversehrt war, glaube ich, dass man über die Richtung, in welcher dieses Durchtreten im ge- gebenen Falle vor sich ging aus dem Bilde des geschnittenen und gefärbten Objectes allein überhaupt kein bestimmtes Urtheil abgeben kann. Wohl aber finde ich folgende mathematische Erwägung für zulässig. Vergleichen wir die zuführenden Gefässe, also die Arterien, mit den abführenden, also den Venen, so ergiebt sich die schon seit langem bekannte Thatsache, dass das Blut der letzteren viel reicher an weissen Blutkörperchen ist, als das der ersteren. Wenn also ein Durchwandern dieser Zellen durch die Gefässwände hindurch stattfindet, wie es ja wirklich beobachtet wurde, so muss man unbedingt annehmen, dass dasselbe in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle in die Gefässe hinein erfolgt. Man müsste sonst denn zur Annahme greifen, dass im Innern der Milzeapillaren Bildungsstätten für die weissen Blutkörperchen gelegen seien, welche Annahme ebenso widersinnig, als unbegründet wäre. Es soll aber nicht in Abrede gestellt werden, dass die Wanderung, wie auch in anderen Organen, aus den Capillaren in das umgebende Gewebe hinein stattfinden könne. Nach dem Gesagten halte ich mich also für berechtigt, zu be- haupten, dass auch in dem vorliegenden Falle der Kaninchenmilz die grössere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die ab- gebildeten Leukocyten auf der Wanderung von der Pulpa in die Capillare hinein begriffen sind. Jedenfalls steht aber das von mir ausser in diesem Falle auch sonst noch beobachtete Durch- treten von Lymphzellen durch die geschlossenen Wände der Milzgefässe, einerlei, in welcher Richtung es erfolgte, durchaus nicht im Einklange mit der Annahme offener Blutbahnen. Doch, wird man wieder einwenden können, Leukozyten sind selbstthätig sich bewegende Zellen, die, wie man weiss, im 102 Konrad Helly: Körper noch viel grössere Hindernisse zu überwinden vermögen, als die zarten Wandungen, welche ihnen die Milzgefässe ent- gegenstellen. Es folge also aus dem beobachteten Durchtritte einer solchen Zelle nur, dass an dieser betreffenden Stelle eine wirkliche Ein-, bezw. Auswanderung eines Leukozyten vor sich gegangen sei. Nicht erwiesen sei aber das Fehlen von Lücken in den Gefässwandungen, deren Bestimmung es wäre, die rothen Blutkörperchen durchzulassen. Dem gegenüber verweise ich auf die beigegebene Fig. 4. Sie stellt einen Theil eines mit Hämatoxylin-Eosin gefärbten 4 « dünnen Schnittes aus demselben Präparate dar, wie Fig. 1. Bei b erkennt man ein rothes Blut- körperchen, das sich zwischen zwei Endothelzellen der Capillar- wand durchzwängt, ohne dass man von einer vorgebildeten Lücke derselben sprechen kann. Gleich dieser sah ich noch viele andere Stellen, die verschieden weit vorgeschrittene Grade einer echten Diapedese rother Blutkörperchen erkennen liessen. Dieser Umstand zeugt wohl sehr deutlich gegen die offenen Blutbahnen und erklärt in ungezwungenster Weise das Vorkommen freier rother Blutkörperchen in der Pulpa. Ausser den schon beschriebenen Metnoden habe ich noch zwei andere versucht, deren eine in der Injection von verschiedenen zweckdienlichen Massen bestand, während die andere durch Ab- bindung der Vena lienalis am lebenden Thiere eine vermehrte Blutfüllung der Capillaren bezwecken sollte. Zur Methode der künstlichen Injection möchte ich bemerken, dass dieselbe ungleich besser gelingt, wenn man von einem entfernten Punkte der Aorta aus die Masse eintreibt, ohne zuviel Aeste zu unterbinden, als wenn man die Canäle in die Arteria lienalis selbst einbindet. Den Grund für diese Erscheinung suche ich hauptsächlich darin, dass man auf diese Weise unter höherem Drucke arbeiten kann, ohne fürchten zu müssen, dass zuviel Masse auf einmal in die Arteria lienalis gelange und dadurch Extravasate hervorgerufen werden. An den so hergestellten Präparaten konnte ich wohl ähnliche Bilder finden, wie sie Thoma seiner Arbeit beigegeben hat; es gelang mir aber bei Weitem nicht, alle rothen Blut- körperchen aus den Milzgefässen durch die Injeetionsmasse zu verdrängen. Um dies zu erreichen, hätte ich eine Durchspülung ähnlich der mit physiologischer Kochsalzlösung vorgenommenen Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz. 103 ins Werk setzen müssen, wozu unverhältnissmässig grosse Mengen von Injectionsmasse nöthig gewesen wären, ohne dass die Präparate in Folge der mit Bestimmtheit zu gewärtigenden Extravasate an Beweiskraft gewonnen hätten. Es war daher einfacher, an diesen Injeetionspräparaten durch die oben angegebene Färbung mit Weigerts Resorein-Fuchsin und Orange den Nachweis zu liefern, dass, ob nun die im Gewebe zurückgebliebenen rothen Blut- körperchen innerhalb oder ausserhalb der Capillaren lagen, diese selbst überall gegen die Pulpa vollständig abgeschlossen waren, Die künstlich hervorgerufene Blutstauung liess mich er- kennen, dass die Beobachtung von Thoma und Anderen auf Richtigkeit beruht, wonach ein ziemlich bedeutender Druck des in der Milz angesammelten Blutes nöthig sei, um das Auftreten von Extravasaten herbeizuführen. Ausserdem verwendete ich diese Präparate noch dazu, um an dicken Schnitten von ihnen nur die rothen Blutkörperchen in der oben angegebenen Weise nach Weigert schwarz zu färben. Dasselbe that ich auch an unter gewöhnlichen Cireulationsverhältnissen gestandenen Milzen. ‘ Es zeigte sich nun, im ersteren Falle besser als im letzteren, dass die Capillaren ebenso wie die grossen Blutgefässe vielfach sehr deutlich in Form von reihenweise aneinander gegliederten rothen Blutkörperchen zu Tage traten. Allein auch an diesen Präparaten war es ohne Zuhilfenahme von anders gefärbten Controlpräparaten nicht möglich zu entscheiden, ob sich der gesammte Blutstrom durch geschlossene Gefässe bewege, da es, noch bevor alle Capillaren vollständig gefüllt waren, bereits zu Fxtravasaten kam. Daher erschienen die Reihen der Blut- körperchen vielfach unterbrochen und abgerissen. Im Vorstehenden glaube ich nun einige Methoden ange- geben zu haben, die es auch ohne grossen Aufwand an Technik ermöglichen, ‘sich mit Leichtigkeit davon zu überzeugen, dass das Gefässsystem der Milz ein allseitig geschlossenes ist. Auf diese Weise klärt sich dann auch der merkwürdige Widerspruch in den Befunden Hoyers auf, wonach im Gegensatze zu den übrigen Thieren bei gewissen Vögeln und Reptilien dies Gefäss- system geschlossen sei, indem sich zeigt, dass dieser Gegensatz eben nicht besteht. Ich will hiebei erwähnen, dass ich mich von der Richtigkeit der letzteren Beobachtung durch eigene Nachunter- suchung, beispielsweise beim Tropidonotus, selbst überzeugt habe. 104 Konrad Helly: Die Ergebnisse meiner Untersuchung schliesslich zusammen- fassend kann ich also sagen, dass es mir gelungen ist, die beiden Hauptbeweise der Anhänger der „intermediären Blutbahnen in der Milz“ zu widerlegen. Denn ich habe einerseits gezeigt, dass man unter Anwendung geeigneter Methoden sich davon überzeugen kann, dass der kreisende Blutstrom überall seinen Weg durch Capillargefässe nimmt, deren Wand keine Oeffnungen in Gestalt beständiger Lücken für den Durchtritt rother Blutkörperchen zeigt, welcher dort, wo er der unmittelbaren Beobachtung zugänglich ist, als wahre Diapedese aufgefasst werden muss; andererseits habe ich den Durchtritt von Leukozyten durch die geschlossenen und unversehrten Gefäss- wände hindurch als thatsächlich vorhandene Er- scheinung nachgewiesen. Wien, Mai 1901. Als ich die vorliegende Arbeit bereits dem Druck über- geben hatte, erschien von Weidenreich „Das Gefässsystem der menschlichen Milz“. (Dies. Arch., Bd. 58, 1901.) Derselbe stellt sich auf die Seite jener Wenigen, die ein gleichzeitiges Neben- einanderbestehen von offener und geschlossener Blutbahn an- nehmen; er verweist hiebei die offenen Gefässendigungen und -anfänge hauptsächlich in die „Knötchenrandzonen“ und „Lymphscheiden“, die den „Hauptsitz“ von FExtravasaten bei Injeetionen bilden, eine Erscheinung, die, gleich vielen Anderen, auch mir nicht entgangen ist. Meine eigenen Untersuchungen über deren Gründe sind noch nicht abgeschlossen; ich Kann daher auch kein abschliessendes Urtheil hierüber fällen. Ich will jedoch vorläufig bemerken, dass ich mich auf Grund meiner eigenen Präparate Weidenreich’s Deutung der. von ihm als offene Gefässendigungen bezw. -anfänge bezeichneten Bildungen nicht anschliessen kann. Literatur. 1. Kölliker, Gewebelehre. 5. Aufl., 1867. 2. Wedel, Histol. Mittheilungen, 1. Z. Anatomie der Milz. Sitzungsber. d. k. Akad. d. W., math. naturw. Cl., Bd. 64, 1871. 10. Fig. e Fig. Fig. Fig. Zum Nachweise des geschlossenen Gefässsystems der Milz, 105 Bannwarth, Untersuchungen über die Milz. Arch. f. mikr. Anat,., Bd. 38, 1892. Hoyer, H., Ueber den Bau der Milz. Morph. Arb., III. Bd., 1894. Kultschitzky, Zur Frage über den Bau der Milz. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 46, 189. Laguesse, Schema de la rate. Bibliogr. anat., Bd. 5, 1897. Thoma, Ueber die Blutgefässe der Milz. Arch. f. Anat. und Physiol., anat. Abth., 1899. v. Ebner, Kölliker’s Handbuch der Gewebelehre. III. Bd.: Milz, 1899. v. Schumacher, Das elastische Gewebe der Milz. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 55, 1899. Lavdowsky, Ueber eine Chromsublimatverbindung etc. Zeitschr. f. wissensch. Mikr., Bd. 17, 1900. Erklärungen der Abbildungen auf Tafel IV. 1. Schnitt durch die Milz eines Neugeborenen. Fast alle rothen Blut- körperchen liegen in von Endothel ausgekleideten Gefässen, ebenso das bei a gelegene, von den darüberliegenden Zellen überdeckte, während einige, wie das bei a‘, frei in den Pulpasträngen liegen. Weigert’sches Resorein-Fuchsin-Orange G. Vergr.: 1000:1. 2. Schnitt durch eine mit Kochsalzlösung durchgespülte Katzenmilz. Die Leukozyten sind noch grösstentheils im Gewebe vorhanden, dagegen sind nirgends rothe Blutkörperchen sichtbar. Bei M ein Malpighi’sches Körperchen. In die mit c bezeichnete venöse Gapillare mündet eine arterielle ein. Färbung wie bei Fig. 1. Verg.: 280:1. 3. Schnitt durch die Milz eines Kaninchens. Bei I und I‘ Leukozyten in verschiedenen Stadien des Durchtrittes durch die geschlossene Wand einer Capillare. Hämatoxilin-Eosin. Vergr.: 1000:1. 4. Schnitt durch dieselbe Milz, wie bei Fig. 1. Bei b tritt ein rothes Blutkörperchen durch die Capillarwand. Färbung und Vergrösserung wie bei Fig. 3. 106 Ivar Broman: Aus den anatomischen Instituten in Kiel und Lund. Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen (Taxis- und Tropismenformen) der Spermatiden, ihrer Centralkörper, Idiozomen und Kerne. Von Dr. Ivar Broman, Docent an der Universität Lund. Hierzu Tafel V und 59 Textfiguren. 1. Literaturübersicht.*) Wenn wir gesetzmässige, aktive Bewegungen freibeweglicher Organismen oder gesetzmässige Wachsthumskrümmungen fest- sitzender Organismen beobachten, so schliessen wir, 1. dass die betreffenden Organismen reizban sind, und 2. dass sie in ihrer Bewegungs- oder Wachsthumsrichtung von inneren oder äusseren Reizen beeinflusst werden. Eine Bewegungs- oder Wachsthumserscheinung, welche auf innere Veranlassungen hin (die uns noch ganz unbekannt sind) erfolgt, nennen wir eine spontane bezw. autonome Bewegung. EineBewegungserscheinung, welche von einem äusseren Reize dirigiert wird, benennen wir — der Nomenclatur der meisten Pflanzenphysiologen folgend — eine Taxis; die ent- sprechende Wachsthumserscheinung nennt man Tropismus. Taxis und: Tropismus werden unter den Namen para- tonische Bewegungen oder Reizbewegungen im engeren *) Die nachfolgende Literaturübersicht macht keine Ansprüche darauf, eine vollständige Besprechung aller Arbeiten über Richtungsreize zu sein. Sie hat nur den Zweck, demjenigen Leser, welcher die diesbezügliche Literatur selbst nicht kennt, die für ein Verständniss des zweiten Theils meiner Arbeit nöthigen Vorkenntnisse zu geben. Die botanische Literatur wird hier sehr wenig, die zoologische etwas eingehender berücksichtigt. ee Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc, 107 Sinne zusammengefasst. Eigentlich sind es nur diese Bewegungen, welche im allgemeinen als gesetzmässige Bewegungen auf- gefasst worden sind. Je nach dem wirksamen Richtungsreiz unterscheiden wir folgende Hauptarten von Taxis und Tropismus: 1. Heliotaxis und Heliotropismus. (Lichtwirkung be- stimmt die Bewegungs- oder Wachsthumsrichtung.) 2. Barotaxis und Barotropismus. (Einwirkung von Druckreizen bestimmt die Richtung.) Unterarten: a) Geotaxis und Geotropismus. (Wirkung der Schwer- kraft.) b) Thigmotaxis und Thigmotropismus. (Einfluss des Kontaktes.) c) Rheotaxis und Rheotropismus. (Einfluss von Flüssigkeitsströmungen.) d) Anemotaxis und Anemotropismus. (Einfluss von Luftströmungen.) 3. Thermotaxis und Thermotropismus. (Einfluss der Wärme bestimmt die Richtung.) 4. Galvanotaxis und Galvanotropismus. (Einfluss konstanter Ströme bestimmt die Richtung.) . Chemotaxis und Chemotropismus. (Einfluss der Stoffreize bestimmt die Richtung.) Unterarten: (2. a) Aerotaxis und Aerotropismus. (Einfluss der atmosphärischen Luft.) b)Hydrotaxis und Hydrotropismus. (Einfluss des Wassers.) ec) Oxygenotaxis und Oxygenotropismus. Einfluss von Sauerstoff.) d) Trophotaxis und Trophotropismus. (Einfluss von Nahrungsstörungen.) Wie bekannt spricht man von positiver Taxis (oder positivem Tropismus), wenn die Bewegung (oder das Wachsthum) nach der Reizquelle hin, von negativer Taxis (resp. Tropismus), wenn die Bewegung von der Reizquelle weg gerichtet ist. 108 Ivar Broman: Zuerst wurden die Tropismus- und Taxisformen im Pflanzen- reich, wo sie im Allgemeinen leichter zu studiren sind, als solche erkannt. Dass aber auch im T'hierreich Richtungsreize eine grosse Rolle spielen, haben die Untersuchungen der letzten 15 Jahre gezeigt. So wissen wir durch Loeb (38—40, 43), Groom (22), Driesch (14) und Elizabeth Towle (75), dass sowohl freibewegliche wie festsitzende Thiere heliotaktisch resp. heliotropisch beeinflusst werden können- Dass gewisse Thiere, gleich wie die meisten Pflanzen, gezwungen sind, ihren Körper in bestimmter Weise gegen die Richtung der Schwerkraft zu orientiren, ist von Loeb (41) und Driesch (15) beobachtet worden. Von Loeb (42) ist auf dem zoologischen Gebiete sowohl Thigmo- tropismus wie Thigmotaxis (=Stereotaxis) nachgewiesen worden. Nach Pütter (64) ist die Thigmotaxis in ihren beiden Formen, der posi- tiven (durch schwache Berührung hervorgerufen) und negativen (durch starke Berührungsreize verursacht) „eine in allen Klassen der Pro- tisten ungemein weit verbreitete, wahrscheinlich ganz allgemeine Erscheinung“, Den ersten Nachweis, dass gewisse freibewegliche Zellen „von Flächen angezogen werden“, ist von Dewitz (13) gemacht worden, und zwar an den Spermien von Periplaneta (Blatta) orientalis. Da diese Abhandlung, des Objektes wegen, für uns ein spezielleres Interesse hat, will ich sie etwas ausführlicher referiren. — Wenn man spermahaltige Kochsalzlösung unter ein Deckglas bringt, sieht man zuerst, dass die Spermien, wie es scheint, regellos umherschwimmen. Sie verändern dabei fortwährend die mit dem Mikroskop eingestellte Ebene, um zum Objektträger, Deckglas oder zu festen Gegenständen, welche in der Flüssigkeit liegen, zu schwimmen. Erst nach- dem sie an einer Fläche angelangt sind, nehmen sie „eine ruhige, regel- mässige Kreisbewegung“ an. Sie bewegen sich dabei „stets umgekehrt wie die Zeiger der Uhr“ und können die Fläche nicht mehr verlassen. — Als besonders wichtig hebe ich die von Dewitz beschriebene Thatsache hervor, dass dieses Haften an Flächen nur lebenden Spermien zuzu- kommen scheint. — Da die Eier von Periplaneta mehrere (nach Kadyi: 80—100) Mikropylen besitzen, die wie Fangschirme gebaut sind, leuchtet ces ein, welche grosse Bedeutung die Thigmotaxis dieser Spermien bei der Be- fruchtung haben muss. Aehnliche Beobachtungen hat Massart (46) an Froschspermien gemacht, Diese Spermien führen zwar keine regelmässige, kreisförmige Bewegungen aus, werden aber gleich wie die Spermien von Periplaneta von Flächen (also thigmotactisch) gereizt. Dies gilt nur für gesunde Spermien; diejenigen, die krankhaft verändert oder abgestorbensind, zeigenkeine Thigmotaxis. — Wenn Froschspermien in Gallertmassen hineinkommen, die überall dieselbe Festigkeit besitzen, schwimmen sie regellos umher. Wenn die Gallertmassen dagegen an verschiedenen Seiten ungleiche Dicht- heit besitzen, schwimmen die Spermien gegen die Seite der grösseren Dicht- heit. Da nun die Gallerthüllen der neugelegten Froscheier im Wasser natürlich zuerst peripher quellen, stossen die Spermien, wenn sie gerade auf Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete, 109 das Ei steuern, auf immer dichtere Gallertschichten, die eben den Reiz für das gerade Vordringen zum Ei auslösen. — Eine Chemotaxis scheint hier nicht wirksam zu sein, denn mit zerdrückten Eiern gefüllte Kapillarröhrehen übten auf die Spermien keine Attraction aus (47). Nach Verworn (76) ist es anzunehmen, obgleich dies noch nicht durch Experimente festgestellt ist, dass die Spermien der höheren Thiere, z B. die menschlichen Spermien (die ja einen bedeutend längeren und schwereren Weg zum Ei zurückzulegen haben) von Flüssigkeitsströmtangen gereizt werden und vermöge ihrer Rheotaxis den Weg zur Eizelle finden. Denn wenn die Spermien in die Uterushöhle hineingelangt sind, so treffen sie hier auf einen ihnen entgegenkommenden Strom, der von dem nach aussen wimpernden Flimmerepithel erzeugt wird. „Dass es ein Chemotaxis der Spermien nach dem Ei wäre, welche ihnen in diesem Falle den Weg wiese, wird sehr unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass die Spermien auch dann im Uterus in die Höhe wandern, wenn das Ei den Eierstock-Follikel noch gar nicht verlassen hat“ (Verworn, 76). Erst wenn die Spermien in die unmittelbare Nähe des Eies gelangt sind, wird ihre Bewegungsrichtung wahrscheinlich von chemischen Reizen beeinflusst. — Als Ausdruck einer Rheotaxis hat man auch die Thatsache deuten wollen, dass manche Fische (Lachse) zum Laichen aus dem Meere in die Flüsse hinaufschwimmen (positive Rheotaxis) und nach vollendetem Laichgeschäft das Entgegengesetzte thun (negative Rheotaxis) (Herbst, 26). Nur wenn wir annehmen können, dass solche Bewegungen ganz unbewusst sind, bin ich dafür, sie als Taxis zu be- zeichnen. Zwar finde ich es sehr annehmbar, dass die gesetz- mässigen, instinktiven Bewegungen vieler niederen Thiere, obwohl diese mit Sinnesorganen ausgerüstet sind, als Ausdrücke wahrer Taxisformen (im oben ausgesprochenen Sinne) zu betrachten sind. Dagegen ist es von diesem Standpunkt aus wohl unberechtigt, z. B. einen Hund positiv thermotaktisch zu nennen, weil er sich gern in die Nähe des warmen Ofens begiebt (Haake, 23). Das kluge Thier weiss ja wahrscheinlich sehr gut, warum es diese Stelle aufsucht. Indessen ist natürlich die Grenze unmöglich zu ziehen zwischen solchen Thieren, welche selbstbewusster Be- wegungen fähig sind, und solchen, bei welchen taktische, zweck- mässige Bewegungen die selbstbewussten ersetzen. Thermotaxis (sowohl positive wie negative) ist an Protozoen von Stahl (73), Verworn (80) und Anderen beobachtet worden. Galvanotaktische Erscheinungen wurden von Hermann (28) an Froschlarven und Fischembryonen entdeckt. Diese Thiere stellen sich immer so ein, dass sie mit dem Kopfe nach der Anode gerichtet sind, jedoch ohne sich von der Stelle zu bewegen. Nach Verworn (78) ist die Mehrzahl der Wimperinfusorien kathodisch-galvanotaktisch, d. h. sie schwimmen (nachdem sie sich in die Richtung der Stromkurven eingestellt 110 ivar Broman: haben) auf die Kathode hin. Viele Geisselinfusorien dagegen sind anodisch- galvanotaktisch. Transversal-galvanotaktisch ist ein Wimper- infusorium, Spirostomum ambiguum (Verworn, 79). Diese Thiere drehen sich so, dass sie mit ihrer Längsachse senkrecht zur Richtung des Stromes eingestellt sind. — In der letzten Zeit ist die Galvanotaxis (oder Elektrotaxis) an mehreren Objekten und von verschiedenen Autoren (Ludloff, 45, Loeb und Boudgett, 44, Birukoff, 6, Blasius und Schweizer, 7 und Anderen) studirt worden. In vielen Fällen ist wohl die als Galvanotaxis gedeutete Erscheinung keine echte Galvanotaxis (Loeb und Bondgett), sondern dadurch hervorgerufen, dass in Folge einer Elek- trolyse der Flüssigkeit (z.B. physiologischer Kochsalzlösung) negativ chemo- - taktisch wirkende Natronlauge an der Anodenseite gebildet wird. Die Ex- perimente haben aber bewiesen, dass auch eine echte Galvanotaxis existirt. Für uns von allergrösstem Interesse sind die Untersuchungen über Chemotaxis und Chemotropismus. Zuerst wurde die Unterart Oxygenotaxis bei gewissen Bacterien von Engelmann (17) entdeckt: Diese Taxisforın spielt wahrscheinlich in der Natur eine grosse Rolle. — Schon früher von His (30) vermuthet, ist sie später von anderen Autoren Aderhold(1),Massart(48) und Andere bei verschiedenen Objeeten konsta- tirt worden. — Die Unterart Hydrotaxis wurde von Stahl (73) an den Plasmodien von Aethalium septicum gefunden. Anfangs positiv hydrotak- tisch, werden sie in späteren Entwickelungsstadien negativ hydrotaktisch. Am eingehendsten sind die Erscheinungen der Chemotaxis zuerst von Pfeffer (62, 63) studirt worden. Er zeigte u, A., dass die Samenfäden der Farne durch schwache Apfelsäurelösung angelockt werden. Da nun das die Eizelle bergende Archegonium dieser Pflanzen Apfelsäure enthält, ge- winnt die Vermuthung, es sei die Apfelsäure, welche die Einwandung der Spermien durch den langen Hals des Archegoniums dirigirt, eine an Ge- wissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Auch bei der Befruchtung höherer Pflanzen spielen Richtungsreize eine grosse Rolle. Durch die Untersuchungen von Molisch (59) Miyoshi (58) und Lidforss (37) ist es sicher- gestellt worden, dass die (die Spermakerne einschliessenden) Pollenschläuche chemotropisch (einschliesslich hydrotropisch und aörotropisch) beeinflusst werden.. Hiermit ist auch wahrscheinlich gemacht, dass es (im Allgemeinen von der Eizelle ausgehende) chemische Reize sind, welche bei der Befruchtung die Wachsthumsrichtung der Pollenschläuche bestimmen. Die männlichen und die weiblichen Geschlechtszellen-der Algen sind, wie bekannt, beide bewegungsfähig; und die Anziehung scheint hier eine gegenseitige zu sein (siehe z. B. Noll (6!). Dass die Leukocyten der Wirbelthiere chemotaktisch reizbar sind, ist durch viele Experimente von Leber (35,36), Massart et Bordet (49), Metschnikoff (56) und Andere festgestellt worden, Allgemein bekannt ist jetzt die Thatsache, dass die Stoffwechselproducte (Toxine) vieler Bacterien auf die Leukocyten stark positiv chemotachisch wirken. Ebenso wirken die bei der Degeneration auftretenden Zerfallstoffe auf diese Zellen anlockend (Kowalewsky 32, Metschnikoff). Auch bei der Befruchtung der thierischen Eizelle ist wahrscheinlich die Chemotaxis eine unentbehrliche Bedingung. „Das Spermatozoon sucht Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete. 111 die Eizelle auf und wird auf den richtigen Weg geführt fast überall in der lebendigen Welt durch die chemotaktische Wirkung, welche die Stoffwechsel- producte der Eizelle auf die freibewegliche Spermatozöenzelle ausüben. Dass nnter den unzähligen Schaaren von Spermatozöen der verschiedensten Thiere, welche an manchen Stellen das Meer bevölkern, jede Art die richtige, zu ihr gehörige Eizelle findet, eine Erscheinung, die sonst überaus wunderbar erscheinen müsste, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine un- mittelbare Folge des Ühemotropismus und erklärt sich sehr einfach dadurch, dass jede Spermatozöenart chemotropisch (= chemotaktisch ‚nach unserer Nomenclatur) ist nach den specifischen Stoffen, welche die Eizelle der betreffenden Art charakterisiren“ (Vorworn, 70), Dass wirklich thierische Geschlechtszellen sich gegenseitig attrahieren können, geht sowohl aus der wichtigen Beobachtung von Fol (18) und Anderen bei der Befruchtung der Eier der Seesterne hervor, dass der Dotter den ersten tief in die Eihülle eingedrungenen Spermien je einen Fortsatz, den Empfängniss- hügel (cone d’attraction) entgegenstreckt, der nach der Befruchtung wieder zurückgezogen wird; wie aus der Beobachtung von v. Kupffer und Benecke (33), dass die Köpfe der Neunaugen-Spermien im perivitellinen Raum deutlich in die Länge gegen den Vitellus ausgezogen werden. Betreffs der Einrichtungen zur Verhütung einer Polyspermie scheint die allgemeine Meinung jetzt die zu sein, dass überall die Bildung einer für die Spermien undurchdringlichen Dotterhaut (die „Befruchtungsmembran‘) das Eindringen der ferneren Spermien verhindere. Da indessen eine solche Befruchtungsmembran, meines Wissens, nur bei den Echinodermen-Eiern gefunden ist und da die Undurchdringlichkeit dieser Membran wohl kaum logisch bewiesen ist, so kann ich nicht umhin, die von Minot (57) und Whitman (81) ausgesprochene Vermuthung, dass die Anziehungskraft des Eies auf die Spermien durch die Bildung des männlichen Vorkerns ver- mindert oder aufgehoben wird, als eine viel mehr befriedigende Erklärung der Polyspermie-Verhütung zu betrachten. Nach dem, was wir von anderen Taxisformen kennen, ist es, meiner Meinung nach, sogar berechtigt anzunehmen, dass das Ei nach dem Ein- dringen der ersten Spermie so umgestimmt wird, dass es abstossend auf die anderen Spermien wirken kann. Vielleicht gelangt die Natur auch hier bei verschiedenen Thieren auf verschiedenen Wegen zum Ziel. So ist es auch annehmbar, dass die Spermien verschiedener Thiere durch ver- schiedene Richtungsreize (z. B. Kontact, Flüssigkeitsströmung, chemische Stoffe) beeinflusst werden. Die grösste Rolle spielt indessen wohl hierbei die Chemotaxis. Ehe wir indessen Ex- perimente haben, welche die chemische Natur dieser Richtungs- reize ausser allen Zweifel stellen, wollen wir diese Erscheinungen vorsichtiger Weise im Allgemeinen nur mit dem Namen Cytotaxis!) bezeichnen. ’) Roux (68), der sich der Nomenclatur der Botaniker nicht ange- schlossen hat, nennt die betreffende Erscheinung Cytotropismus. 112 {var Broman: Experimentelle Beweise einer Cytotaxis bei Furchungszellen sind von Roux (68, 71) und Anderen gegeben worden. Von den wichtigen Ergebnissen Roux’s (68) will ich besonders Folgendes erwähnen: Künstliche isolirte Furchungszellen der Morula oder Blastula des braunen Frosches können, wenn sie sich in einem Abstande vom halben bis höchstens ganzen Zelldurchmesser von einander befinden, sich gegenseitig aktiv (bis zur Berührung) nähern. Diese Näherung erfolgt meist schritt- weise, bisweilen unter Zuspitzung der Zellen gegen einander und ist häufig zuletzt mit einer Beschleunigung verbunden. Das cytotaktische Verhalten ist zwischen verschiedenen Zellen sehr verschieden und wechselt auch zeitlich sehr zwischen denselben Zellen. Zwischen manchen Zellen fehlt die Cytotaxis ganz; auch wurden Andeutungen von negativer Cytotaxis auf- gefunden. Eine Zelle, welche von zwei Zellen zugleich cytotaktisch be- einflusst wird, bewegt sich in einer aus beiden Wirkungen resultirenden Richtung. — Als Ausdruck einer Cytotaxis fasst Roux auch die Kon- jugation einiger Protisten auf, welche mit gleichzeitiger, typischer Orientirung der Thiere zu einander erfolgt (polare Cytotaxis im Gegensatz zur apolaren Cytotaxis, wobei die Zellen ohne Veränderung der zufälligen Lage konjugiren); ebensowie die von Ballowitz (3 und 4) und später von Auerbach (2) gefundene, merkwürdige Konjugation der Spermien von Dytieiden. ’) In diesem Zusammenhange ist auch die von Hartog (44) schon 1888 auf Grund von Beobachtungen an den freien Zoosporen von Saprolegnien ausgesprochene Vermutung zu erwähnen, dass die von ihm sogenannte Adelphotaxis („the tendencey of spontaneously motile cells to assume definite positions with regard to their fellows“) „a ready explanation of many cases of cellular aggregation in the animal embryo, and the formation of the spermatophores of many animales, notably Limicolous Worms“ abgebe. Unter dem Namen Cytotaxis fasst Roux (70, 71) alle die Er- scheinungen zusammen, welche zu einer bestimmten Selbstordnung frei- beweglicher Zellen (Untersuchungsobjekt: Furchungszellen des Froscheies) führen können. Hierher rechnet er nicht nur die schon erwähnte aktive Näherung resp. Entfernung der Zellen, sondern auch 1. dasZellgleiten (die „Oytolisthesis“) sich berührender Zellen, welches entweder a) eine gleitende Zellwanderung, b) „eine gleitende Drehung der Zelle um ihren Schwerpunkt ohne Verlagerung derselben“, oder c) eine Kombination beider sein kann; 2. die Selbstzusammenfügung der Zellen (die „Cytarme‘), welche sich selbst bis zum Schwunde einer sichtbaren inneren Grenzschicht steigern kann; und 3. die Zelltrennung (der „Üytochorismus“), die theilweise oder vollkommene Lösung der vorher eingegangenen Zusammenfügung. !) Ob die von Selenka (72) im Sperma eines Beutelthieres (Didelphys virginiana) gefundenen Doppelspermien hiermit homologe Bildungen sind, oder ob sie von Anfang an paarig (von je einer Spermatide) angelegt werden, wissen wir noch nicht. Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 113 Eine solche unter gleichartigen Gebilden stattfindende Taxis wollen wir (in Analogie mit dem von Roux (69) vor- geschlagenen Namen „Homotropismus“) mit dem Namen Homotaxis bezeichnen; im Gegensatz hierzu steht die Allotaxis!), eine Taxis unter verschiedenartigen Ge- bilden. Experimentelle Beweise einer Allocytotaxis sind von Driesch (16) bei Eehinus micerotuberculatus gefunden worden. „Blastulae mit schon gebildeten aber noch nicht geordneten Mesenchymzellen wurden etwa !/, Minute lang mittelstark in einem kleinen Glase geschüttelt; dann wurden solche Objekte ausgelesen, deren Mesenchymzellen durch das Schütteln starke Lageveränderungen erfahren hatten — und in ihrem weiteren Schicksal beobachtet.“ Es zeigte sich dabei, dass die so dislocirten Mesenchymzellen alle (oder fast alle?) „an die für ein entsprechend späteres Stadium der Ontogenese normalen Orte hin“ wanderten, „so dass daselbst die normale Figur des Mesenchymringes mit zwei Dreiecken“ entstand „und auch die fernere Entwiekelung und die Skelettbildung ohne jede Abnormität vor sich ging.‘“ Diese Mesenchymzellen sind also taktisch reizbar, und „vom Ektoderm ausgehende, typisch lokalisirte, taktisch reizende Kräfte bestimmen den definitiven Ort des Mesenchyms.‘“ Dass Richtungsreize wahrscheinlich überall in der Onto- genese als ein sehr wichtiges, gestaltendes Princip aufzufassen seien, ist zuerst von Roux (70) und Herbst (25) hervor- gehoben worden. Die diesbezügliche Literatur bis zu 1894 ist von Herbst in einer eingehenden Abhandlung (26) zusammen- gestellt worden. Indem ich auf diese Arbeit verweise, will ich daraus hier nur folgende Beispiele erwähnen. Als eine positive Aörotaxis (oder Oxygenotaxis) wird die Erscheinung gedeutet, dass die Furchungszellen von Arthropodeneiern auf einem gewissen Stadium alle an die Peripherie kriechen um das Blastoderm zu bilden, Dass bei einigen Insekten (Blatta und Neophylax) die Furchungs- zellen zuerst alle an die Oberfläche wandern, einige aber sekundär in das Innere des Dotters zurückkehren um sogenannte Vitellophagen zu werden, fasst Herbst so auf, dass die Zellen zuerst alle positiv a@rotactisch sind, dass aber durch Aenderung der Reizstimmung: bei einigen Zellen eine positive Trophotaxis über de Aörotaxis Herr wird. Eine ähnliche Tropho- taxis wird auch für die Bildung des Polyeladendarmes verantwortlich gemacht. Als Ursache der Entstehung von Schwann’schen Scheiden und Neurilemmata ebensowie von bindegewebigen und muskulösen Hüllen um die Gefässe denkt man sich Richtungsreize (wahrscheinlich chemischer Natur), welche von den Nervenfasern resp. Gefässen oder deren Inhalt ausgehen. ı) „Allotropismus* nach Roux (69). 2) An kälteren Tagen ging der Lageausgleich nicht immer so rasch und vollständig von statten, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 8 114 Ivar Broman: Noch plausibler ist vielleicht die Vermuthung, dass „das Auswachsen der Nervenfasern nach den richtigen Endorganen auf einen Richtungsreiz zurückzuführen ist, welcher von letzteren auf erstere ausgeübt wird.“ — Die sensiblen Nerven werden sowohl vom Bindegewebe wie vom Epithelial- gewebe angelockt (Desmotropismus resp. Epitheliotropismus Roux (69), die motorischen Nerven von den Muskelanlagen bezw. Muskeln (Myotropismus, Roux 69). — Dass der centrale Theil einer ab- geschnittenen Nervenfaser bei der Regeneration von (im Zerfall begrifienen) Nervensubstanz angelockt wird (Neurotropismus) ist durch experi- mentelle Untersuchungen von Forssman (19, 20) bewiesen. Aber nicht nur zwischen Zellen und Zellcomplexen, sondern auch zwischen Zelltheilen können Richtungsreize wirksam sein. Sowohl der männliche wie der weibliche Vorkern eines befruchteten Eies, welche be- kanntlich beide amöboider Bewegung fähig sind (siehe z. B. Rein 67), attrahieren sich gegenseitig (Karyotaxis); sie wandern gegen einander und verschmelzen. Indessen ist es — wie Roux (68) hervorgehoben hat — möglich, dass hier auch dem cytoplasmatischen Medium ein aktiver Antheil an der Zusammenführung zukommen kann. — Nach Roux (68) repräsentirt die fadenförmige Aufreihung der Chromatinkörnchen beim Beginne der indirekten Kerntheilung vielleicht auch eine Taxisform (Chromatino- taxis). Ehe ich zu der Schilderung meiner eigenen Befunde über- gehe, will ich zuletzt aus den früheren Untersuchungen einige Ergebnisse, welche für unsere Auffassung der taktischen und tropischen Erscheinungen im Allgemeinen von grösster Bedeutung sind, nochmals hervorheben. A. Verschiedene (sowohl qualitativ wie quantitativ) Reize wirken im Allgemeinen auf denselben Organismus verschieden. B. Derselbe -Reiz wirkt oft auf verschiedene Organismen sehr verschieden. C. Derselbe Reiz kann auch auf denselben Organismus sehr verschieden einwirken; und zwar kann diese Ver- schiedenheit sowohl davon abhängen, dass 1. die Reizstimmung des beweglichen Organismus von äusseren Umständen (z. B. Veränderung der Temperatur, Concentration etc. von dem Medium, worin der bewegliche Organismus sich befindet) ver- ändert wird; wie davon, dass eine Reizstimmung des beweglichen Organismus durch innere Veränderungen (die z. B. auf späteren Ent- wickelungsstadien auftreten) hervorgerufen wird. DD Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 115 D. Wenn zwei (oder mehrere) Reize auf denselben Organismus gleichzeitig wirken, resultirt die sichtbare Wirkung aus beiden (oder allen) Reizwirkungen. Mi Eigene Untersuchungen. Wer die Fig. 2 und 3 (auf Tafel V), welche 2 „Spermatocysten“ von Seyllium eanieula darstellen, betrachtet, wird sogleich einsehen, dass die meisten Spermatiden des Stadiums der Fig. 2, um die Bündelanordnung auf dem Stadium Fig. 3 erreicht zu haben, eine beträchtliche Ortsveränderung erlitten haben müssen. Es wäre nun denkbar, dass diese Ortsveränderung nur eine passive Verschiebung wäre, vielleicht dadurch hervorgerufen, dass die Spermatiden von Anfang an an Ausläufern der Sertoli’schen Zellen befestigt wären, welche sich später, die Spermatiden mit- schleppend, zusammengezogen hätten; oder vielleicht dadurch, dass die ganze „Spermatocyste“ sich kontrahirt und somit die sich verlängernden Spermatiden gezwungen hätte, sich in ein Bündel (das den wenigst möglichen Raum einnimmt) zu sammeln. Da indessen solche Ausläufer, welche sich bei der Ortsveränderung der Spermatiden zusammenziehen, nicht zu sehen sind, da weiter die „Spermatocysten“ der späteren Stadien (Fig. 3, Taf.V) etwa dieselbe Grösse wie die der früheren Stadien (Fig. 1 u. 2) besitzen, also keine Kontraktion beobachtet werden kann, wir aber wissen, dass die Spermatiden schon auf frühen Entwickelungs- stadien sich aktiv bewegen können, so liegt es viel näher an- zunehmen, dass die Spermatiden diese Lageveränderung aktiv ausgeführt haben. Dann ist wiederum anzunehmen, dass die Spermatiden durch irgend einen, von der Sertoli’schen Zelle (S. Z.) ausgehenden Richtungsreiz veranlasst worden sind, sich eben nach dieser Zelle zu bewegen. Eine solche Annahme ist schon von Grobben (21) gemacht worden. „Das Nahrungsbedürfniss“, sagt er, „ist es, welches die sich entwickelnden Samenkörper in eine Verbindung mit den Nährzellen drängt, deren lebhafter Stoffwechsel hinwiederum die Samenkörper anzieht.“ Die Frage, warum die Köpfe der Samen- fäden im Allgemeinen mit jenem Theil der Nährzelle in so nahe Verbindung treten, wo der Kern liegt, lässt sich noch Grobben 8*+ 116 Ivar Broman: dahin beantworten, „dass in der Nähe des Kernes die lebhafteste Zellthätigkeit besteht, die Samenkörper daher gegen diese Stelle der Nährzelle hindrängen.“ — „Was die dichte parallele An- einanderordnung der Samenkörper betrifft, so ist dieselbe vielleicht aus einem gleichen Gesichtspunkt zu erklären. Die Kerne der Samenkörper üben unter einander einen ähnlichen Reiz aus, wie er zwischen denselben und dem Kern der Nährzelle besteht.“ Indessen will Grobben nicht alle diese Erscheinungen „aus- schliesslich auf den Reiz in Folge des Nahrungsbedürfnisses zurückführen“, sondern meint, dass auch andere, so mechanische Momente (z. B. aktive Betheiligung der Nährzellen durch Bewegungen) mitspielen. Obgleich ich es auch am Wahrscheinlichsten finde, dass die zwischen den Spermatiden und den Sertoli’schen Zellen existirende Taxisform eine Trophotaxis ist, kann ich nicht umhin zu bemerken, dass Grobben dies etwas zu bestimmt behauptet. Die wichtigste Prämisse einer solchen Schlussfolgerung war ja nur eme Vermuthung, dass die Sertoli’schen Zellen Nahrung bereiteten, welche in die Spermatiden überginge. Niemand hatte aber diesen Uebergang von Nahrungsbestandtheilen bewiesen. So sagt noch neulich, wie bereits 1898, Benda (5), der bekanntlich auf diesem Gebiete viel gearbeitet hat: „Ich bestreite, dass irgendwo ein Uebergang von Formbestandtheilen aus den Fuss- zellen in die Spermatiden oder Spermien mikroskopisch nachweisbar ist.“ Indessen ist ihm trotzdem eine ernährende Function der Sertoli’schen Zellen (= Fusszellen) das Wahrscheinlichste. Bei den von mir untersuchten Selachiern und Amphibien habe ich wohl in den Sertolischen Zellen Körner, die wahrschein- lich Seeretionsproducte sind, gesehen (Fig. 3 Sek.), habe aber bisher keine für Spermatiden und Sertolische Zellen gemein- samen Formbestandtheilen finden können. Dagegen haben neu- lich Regaud (65) und ich (8), unabhängig von einander, bei Säugethieren Bildungen gefunden, die vielleicht eine etwas festere Stütze für die Annahme geben können, dass die Sertolischen Zellen wirklich „Nährzellen“ für die Spermatiden sind. Ich selbst habe die betreffende Beobachtung an mensch- lichem Material (von 2 Hingerichteten) gemacht. An solchen Stellen der Schnitte, wo Fixirung und Färbung besonders gut gelungen war, sah ich überall in den Spermatiden kleine Bläschen Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete. 117 verschiedener Grösse, deren Peripherie schwarzgefärbt, deren Inhalt aber beinahe ungefärbt war (Fig. 16—20 Taf. V). Auch an ungefärbten Präparaten sind diese Bläschen, welche durch ÖOsmiumsäure schwach grünlich gefärbt sind, zu sehen (Fig. 14). Im optischen Querschnitte (siehe die Figuren) sehen sie wie kleine im Allgemeinen mit körnigen Verdickungen versehenen Ringe aus. Wenn man die Bläschen näher untersucht, findet man, dass ihre Wandungen wie von einem Flechtwerk verstärkt sind. Die körnigen Verdickungen sind die optischen Querschnitte dieses Flechtwerkes. Vielleicht ist dieses Flechtwerk nur dadurch her- vorgerufen, dass die Bläschenwandsubstanz an den Berührungs- stellen mit den Mitomfäden des Cytoplasmas sich stärker an- gesammelt hat. Denn die umherliegenden Mitomfäden gehen immer von den Knotenpunkten der Bläschenwandung aus. In selteneren Fällen habe ich die Bläschenwand dicker als gewöhn- lich und dann ohne körnige Verdickungen gefunden (Fig. 18). Bisweilen sah ich auch anstatt Bläschen kleine durch und durch schwarzgefärbte Körner. Die erwähnten Korbbläschen, wie ich sie vorläufig (da wir noch nicht mit vollkommener Sicherheit wissen können, ob sie Seeretvacuolen sind oder nicht) benennen will, haben eine frappante Aehnlichkeit mit den von Meves (50) neulich beschriebenen Mitochondrienbläschen der kleinen Spermatiden von Paludina vivipara. Ganz sicher sind indessen unsere Korb- bläschen mit diesen Mitochondrienbläschen nicht homolog. Die letztgenannten stammen aus kleinen Körnern, „Mitochondrien“, (Benda), deren Entwickelung Meves von den Spermatogonien durch beide Spermatocyten - Generationen verfolgt hat; von den Korbbläschenistdagegen sowohlin Spermatogonien wie in Spermatocyten nichts zu sehen. Die Mitochon- drienbläschen schliessen sich um den „Centralkörperstab“ (der sich zur Achse des Mittelstückes der reifen Spermie verlängert) eng zusammen und bilden um diesen herum eine lange, cylindrische Umhüllung; dagegen sind die Korbbläschen im All- gemeinen schon verschwunden, ehe die Bildung der dieser Umhüllung entsprechenden Spiralhülle an- fängt. Ganz ähnliche Korbbläschen habe ich auch in den Serto- lischen Zellen desselben Materials gefunden. Diese Zellen sind 118 Ivar Broman: im Allgemeinen mit einer grossen Menge Körner verschiedener Grösse und Färbbarkeit beladen (Fig. 13 u. 15 Taf. V). Zwischen diesen Körnern, die bekanntlich zum Theil aus Fett bestehen, und den Korbbläschen giebt es mehrere Uebergangsformen. Am zahlreichsten sind die Korbbläschen im freien Ende der Sertoli'schen Zelle zu sehen, wo die Spermatiden eintauchen (Fig. 14). Betreffs des Ursprunges der Korbbläschen haben wir folgende Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: 1. Es wäre möglich, dass die Korbbläschen sowohl in den Sper- matiden wie in den Sertolischen Zellen gebildet werden; oder 2. die Korbbläschen werden in der einen Zellart gebildet und treten in die andere Zellart über; hierbei bestehen wieder zwei Möglichkeiten: a) die Wanderung geht in der Richtung aus den Spermatiden in die Sertoli’schen Zellen; oder b) die Bläschenwanderung geht von den Sertolischen Zellen in die Spermatiden. Im Falle 1 müssten wir annehmen, dass die Korbbläschen Producte einer beiden Zellarten zukommenden Drüsenthätigkeit seien. A prori ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass die Spermatiden, welche weit von den Blutcapillaren entfernt liegen, eine Secretion leisten können. — 2. Die Existenz der in den Sertolischen Zellen befindlichen Uebergangsformen zwischen den Korbbläschen und den homogenen Körnern kann sowohl bei einer Bläschenwanderung aus den Sertolischen Zellen in die Spermatiden wie umgekehrt erklärt werden. Indessen ist, wie schon erwähnt, eine Drüsenthätigkeit der Spermatiden sehr unwahrscheinlich. Auch die naheliegende Annahme, es seien die Korbbläschen viel- leicht Degenerationsproducte, wird sehr wenig glaubhaft, wenn wir bedenken, dass sie eben in den späteren Entwickelungs- stadien, wenn das Cytoplasma der Spermatiden deutlich zu degeneriren beginnt, nicht mehr in diesen Zellen zu sehen sind. Als wahrscheinlich bleibtalso,sovielichvon meinen bisherigen Befunden verstehen kann, nur die An- nahme übrig, dass die Korbbläschen durch Drüsen- thätigkeit der Sertolischen Zellen gebildet werden und nachher (ob direkt oder in aufgelöster Form muss ich dahingestellt sein lassen) in die Spermatiden über- Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete. 119 gehen. Kommende Untersuchungen haben zu zeigen, ob diese Hypothese richtig ist oder nicht. Bei mehreren Säugethieren (Ratte, Hund, Katze und Schwein) hat, wie erwähnt, Regaud (loc. eit.) ganz ähnliche Bildungen gefunden. Er ist der bestimmten Meinung, dass sie Secretions- producte der Sertolischen Zellen sind und als Nahrungsmaterial für die Spermatiden fungiren (66). — Seiner kurzen Mittheilung (65) entnehme ich Folgendes: „Elles (les vesicules de sdcretion) se rencontrent: 1° dans le protoplasma du syneytium fondamental (cellules de Sertoli) — — 2° dans le protoplasma des spermies, pendant leur metamorphose. On n’en trouve jamais dans les spermatocytes et dans les spermatogonies, — — La coloration n’intöresse pas tout le contenu de vacuoles, mais seulement une couche peripherique mince en contact avec le protoplasma ambiant, ou peut-£tre en continuite de substance avec lui. — — Dans le protoplasma des spermies, les vacuoles posse- dent göneralement une capsule color6ee continue. Dans la couche generatrice du syneytium, au contraire, les grosses vacuoles ont souvent une capsule colorce discontinue, ayant l’aspect d’un grillage. Les vacuoles ont generalement une forme spherique irreguliere.* Obgleich Regaud noch keine Abbildungen seiner „‚vesicules de seeretion“ gegeben hat, können wir durch seine oben eitirte Beschreibung ganz sicher sein, dass sie die von mir sogenannten Korbbläschen vollkommen entsprechen. Durch diese von Regaud und mir gemachten Be- obachtungen ist die Annahme, dass die Sertoli’schen Zellen Nährzellen sind’ (Benson, Brown, Benda, Gilson, v. Ebner, v. Lenhossek, Peter und Andere) etwas wahr- scheinlicher als früher gemacht; und somit auch die Annahme, dass es eine Trophotaxis ist, ‚welche die Spermatiden treibt, in das Cytoplasma der Sertolischen Zellen hineinzutauchen (arobben, Roul). Dass die Spermatiden schon in frühen Entwickelungsstadien sich gegenseitig attrahiren können, wird mir durch eine von Meves (51) bei Salamandra gemachte Beobachtung glaubhaft. Die Spermatiden dieses Thieres greifen mit langen Cytoplasma- fortsätzen vielfach tief ineinander ein. Meves ist der Meinung, dass diese Fortsätze ganz mechanisch dazu helfen können, den heran- wachsenden Samenzellen die parallele Lagerung zu ertheilen. 120 Ivar Broman: Indessen scheinen diese Cytoplasmafortsätze nicht unver- meidlich nöthig zu sein, um die betreffende parallele Lagerung zu bewirken, denn die Samenfäden nehmen auch bei Thieren, deren Spermatiden keine solche Ausläufer besitzen (z. B. bei den Selachiern), eine dichte parallele Aneinanderlagerung an (siehe Fig. 3, Taf. V). Dass diese den Ausdruck einer Homocyto- taxıs ist, ist mir sehr wahrscheinlich. Nicht nur die Spermatide als Ganzes, sondern auch ihre wichtigeren Organe, der Kern, das Idiozom und die Central- körper werden aller Wahrscheinlichkeit nach von Richtungsreizen beeinflusst. Dass die Centralkörper mehrerer Zellarten nach Ab- lauf der eigentlichen Mitose Bewegungen (sogen. Telokinesen oder Figur 3. Figur 4. Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 121 Figur 7. Figur 8. Junge Spermatiden von Salamandra maculata (nach Meves 5l\). Hermann’sche Lösung. Eisenhämatoxylin. Zeiss Apochromat 2 mm (Apert. 1,40) und | Ocular 12. Schlussbewegungen, Heidenhain) ausführen, ist in den letzten Jahren von vielen Autoren konstatirt worden. Was speziell die Spermatiden betrifft, so wissen wir durch Meves (51), dass die Centralkörper der Salamanderspermatiden dicht unter der Zell- oberfläche entlang von der ursprünglichen Polstelle gegen die neugebildete Zellwand (= die frühere Theilungsebene) zu ver- lagert werden (vergl. Textfig. 1 u. 2). Eine solche äquatoriale Verschiebung ist später auch von v. Korff (31) bei Helix- spermatiden und von mir (10) bei Bombinatorspermatiden be- schrieben worden. Die Grösse der Centralkörperdrehung um den Kern pflegt bei Salamandra zwischen 45 und 135° (Meves), bei Bombinator zwischen 20 und 135° zu schwanken. Wie nunmehr wohl allgemein bekannt, wächst in einem nächsten Stadium von dem distalen Centralkörper ein beweg- licher Schwanzfaden aus (Textfig. 3); die Centralkörper setzen 122 Ivar Broman; sich alsdann mit dem Kern in Verbindung. In den meisten bis- her bekannten Fällen kommt diese Verbindung dadurch zu Stande, . dass (wie Meves zuerst bei Salamandra beschrieben hat) die Centralkörper auf den Kern zu wandern (siehe Textfig. 3—8). — Ein anderer Verbindungsmodus hat Meves (52) bei der Ratte gefunden. Hier geht die Vereinigung zwischen Centralkörpern und Kern in der Weise vor sich, „dass der Kern einen Fortsatz aussendet, welcher sich. mit seiner Spitze an den ihm zunächst Selegenen Uentralkörper anheftet; dieser Fortsatz wird dann wieder eingezogen, wobei er die Centralkörper mit sich nimmt“ (siehe Fig. 36—42,S. 128). — Ein dritter Vereinigungs-Modus ist von Suzuki (74) bei Selachiern und von v. Korff (31) bei Helix pomatia beschrieben worden. Hier wächst der proximale Central- körper stark in die Länge in der Richtung auf den Kern zu und verbindet sich so mit diesem (Fig. 4—8, Taf. V). Die Autoren haben sich, soviel ich weiss, alle damit begnügt, diese Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen als Thatsachen zu beschreiben, ohne die Frage aufzustellen, ob nicht hierbei Richtungsreize bestimmend sein könnten. bei dem Studium der Weiterentwickelung von Riesen- spermatiden verschiedener Thiere (Mensch, Salamander und Selachier) bin ich nun zu der Auftassung gekommen, dass nicht nur bei dieser, sondern auch bei der Weiterentwickelung der normalen Spermatiden Richtungsreize eine bedeutende Rolle spielen. Die betreffenden Riesenspermatiden entstehen dadurch, dass nach der letzten Reifungstheilung die Zellleibstheilung ausbleibt. Je nachdem die Mitose zwei- oder mehrpolig war, bekommen die betreffenden Riesenspermatiden zwei oder mehrere Üentral- körperpaare. Während der Telophasen wandern nun diese Gentralkörperpaare konstant (dieht unter der Zellwand) einander entgegen und sammeln sich zu- letzt an einer Stelle der Zellperipherie (Textfig. 9, 10, 11, 16, 23 und 48). Da ich dieses Verhalten konstant bei drei so verschiedenen Thierspecies wie Mensch, Salamander und Haifisch gefunden habe, ist wohl anzunehmen, dass es allgemeine Gültigkeit hat!). !) In schroffem Gegensatz hierzu stehen indessen meine Befunde an den „Riesenspermatiden“ bei Bombinator igneus (9). Die Centralkörperpaare Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete, 123 In Textfig. 10 bilde ich eine menschliche Riesenspermatide ab, die wahrscheinlich durch Vermittelung einer 4 poligen Mitose Behildet worden ist. Die vier Centralkörperpaare sind eben im Begriff sich an einer Stelle zu sammeln ; von zwei Centralkörper- paaren sind noch keine Schwanzfäden ausgewachsen. In Fig. 9 Figur 9. Figur 10, Menschliche Riesenspermatiden. Zenker’sche Flüssigkeit. Eisenhämatoxylin. Zeiss’ Apochr. 2 mm (Apertur 1,30) und Oeular 18. sehen wir eine menschliche Riesenspermatide mit drei Uentral- körperpaaren, die alle eng aneinander liegen. Dass dies ein etwas späteres Entwickelungsstadium darstellt, wird dadurch wahrscheinlich gemacht, dass hier von allen Centralkörperpaaren Schwanzfäden ausgewachsen sind. Ganz unerklärlich erscheint mir nun diese gesetzmässige Centralkörperwanderung, wenn wir nicht annehmen wollen, dass sie der Ausdruck einer Taxis ist. Am nächsten liegt es dann wohl anzunehmen, dass die Centralkörperpaare sich gegenseitig anlocken. Wenn wir aber die Telokinesen der Centralkörper der normalen Spermatiden (die nur je ein Centralkörperpaar“ sammeln sich nämlich hier von Anfang an in die Zellmitte. Nach meinen jetzigen Erfahrungen auf anderen ÖObjecten will ich es indessen bis auf Weiteres dahingestellt sein lassen, ob diese Verschiedenheit dadurch bedingt wird, dass die Riesenspermatiden bei Bombinator von denen anderer Thiere- in diesem Punkt differiren (die Bombinatorspermien weichen ja dem Baue nach von denen aller anderen Thiere ab) oder dadurch, dass die betreffenden. Zellen — trotz der Aehnlichkeit ihrer Kerne mit denen der normalen Spermatiden — die Fähigkeit haben sich noch einmal zu theilen und also- eigentlich Spermatocyten zweiter Ordnung entsprechen. Die Anfangs- form der wahren Riesenspermatiden bei Bombinator würde ich solchen-- falls nie gesehen haben (11). 124 Ivar Broman: haben) und die eben erwähnte Ansammlung von zwei oder mehreren Centralkörperpaaren auf einen einzigen Richtungsreiz zurückführen wollen, wird natürlich diese Annahme unhaltbar. Uebrig bleibt dann nur anzunehmen, dass der betreffende Richtungsreiz von dem Cytoplasma oder dem Kerne der Zelle ausgeht, die solchenfalls bipolar verschieden sein muss. Betrefts ihrer Lokalisation viel klarer sind meiner Meinung nach die Richtungsreize, welche die Verbindung zwischen Kern und Centralkörpern dirigiren. Auch in dieser Hinsicht giebt das Studium der Riesen- spermatiden werth- volle Aufklärungen. Als Beispiel nehme ich zuerst kleine, einkernige Riesen- spermatiden, welche aller Wahrscheinlich- keit nach dadurch entstanden sind, dass Figur 12. Figur 13. Figur 14. Menschliche Riesenspermatiden. (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 9 u. 10.) bei der letzten Reifungstheilung die Chromosomen nicht nach den beiden Spindelpolen in Tochtersterne vertheilt werden, sondern zusammen bleiben und von einer einzigen Kernmembran umschlossen werden (vgl. Textfiguren 15 u. 16). Nachdem die Telokinese beendet ist, wandern (wahrscheinlich mit Hülfe der jetzt aus- gewachsenen Schwanzfäden) die Centralkörperpaare beide auf einmal auf den Kern zu und verbinden sich mit ihm (siehe Textfig. 11—14 u. 16—18). Solche Riesenspermatiden (die relativ gewöhnlich sind) entwickeln sich zu zwar spärlich aber physiologisch vorkommenden, zweischwänzigen Riesenspermien weiter. Die auf einem späteren Stadium Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 125 stattfindende Ringwanderung habe ich beim Menschen immer gleichzeitig für beide Schwänze gefunden (Fig. 14). Dagegen ist Figur 10. Ei Fieur 19, Figur 17, Figur 18. Riesenspermatiden von Salamandra maculata. In den Figuren 19—21 sind nur die mittleren Partien- der langen Zellen gezeichnet. Hermann’sche Lösung, Eisenhämatoxylin; Zeiss Apochr. 2 mm (Apert. 1,30) und Ocular 12. Figur 20. 126 Ivar Broman: die entsprechende Wanderung der beiden Halbringe bei Salamandra oft etwas ungleich (Fig. 19—21). Für uns noch interessanter sind indessen die mehrkernigen Riesensper- matiden, welche dadurch entstanden sind, dass zwar die Chromosomen sich in (oft ungleich grosse) Tochtersterne vertheilt haben, eine nachfolgende Cyto- plasmatheilung aber ausgeblieben ist (Textfig. 22). Auch hier wandern die Centralkörperpaare immer beide (oder alle) zusammen in derselben Richtung. Figur 23. Figur 24. Kerne aber sehr klein sind, dann gehen die Centralkörper an ihnen vorbei und befestigen sich an einem grösseren (Textfigur 26). Nur wenn zwei Kerne Figur 26. Riesenspermatiden von Salamandra maculata. (Behandluug und Vergrösserung wie für Figuren 15—21.) Figur 25, Menschliche Riesenspermatiden. (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 9u. 10.) Am öftesten befestigen sie sich beide (oder alle) an einem nahe- liegenden Kern (Textfig. 24). Wenn die am nächsten lregenden Figur 27, Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 127 sehr nahe aneinander liegen, habe ich sie von je einem Üentral- körperpaar besetzt gefunden (Textfig. 25 u. 56). Wenn ich diese Befunde mit Beobachtungen verbinde, die Meves bei der Ratte (52) und beim Meerschweinchen (54) und ich bei Rana fusca an den normalen Spermatiden gemacht haben, kann es mir nicht mehr zweifelhaft sein, dass diese Central- körperwanderung der Ausdruck einer Taxis!) ist. Im Allgemeinen geht wohl der betreffende Richtungsreiz von dem Kern aus und ist also als eine Karyotaxis zu bezeichnen. Der Kern bleibt während der Oentralkörperwanderung bei einigen Objekten (Mensch, Figur 31. Figur 32. Figur 33. Figur 34. Figur 35. 8 frühe Entwickelungsstadien der Spermatiden von Rana fusca (tempo raria) Als besonders interessant hebe ich hier vorläufig hervor, dass der von dem distalen Central- körper gebildete Ring auf dem Stadium Figur 35 in loco verschwindet (also ohne eine Wanderung ausgeführt zu haben). Die zwei Körnchen in Figur 35, von denen das hintere in den Stadien Figuren 33 u. 34 in der Ringmitte verborgen liegt, persistiren und sind auch bei den reifen Spermien zu finden (12). (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 15—21.) !) Die einzige Literaturangabe, dass die Centralkörper einer Taxis unterliegen können, habe ich bei Roux (68) gefunden. Roux scheint indessen diese Annahme nur auf der von Fol beschriebenen „Centrosom- quadrille“ basirt zu haben, welche sich bekanntlich nachher alsirrig gezeigt hat. 128 Ivar Broman: Salamander) ohne jede Formveränderung (Textfig. 6); bei anderen dagegen schiebt der Kern den Centralkörpern ein kleines Zäpfchen entgegen, das, nachdem die Verbindung zwischen Kern und Central- körpern stattgefunden hat, wieder vollständig eingezogen wird. Dieses zuerst von Meves (52) bei der Ratte beobachtete Zäpfchen, das ich Empfängnisszäpfehen nennen will und mit dem Empfängnisshügel der Eier gleichstelle, habe ich sehr deutlich ausgeprägt bei Rana fusca gefunden (vergl. Textfig. 29—32). Etwas weniger deutlich ist es (nach Meves 54) beim Meer- schweinchen zu finden. Dieses Empfängnisszäpfehen beweist, so viel ich verstehe, dass bei den betreffenden Objekten auch die Centralkörper einen Reiz auf den Kern ausüben (Mikrocentro- taxis). Dei der Ratte scheint dieser von den Centralkörpern Figur 36. Figur 37. Figur 38. Figur 39. Fieur 40. Figur 41. Figur 42. Junge Spermatiden von der Ratte. (Hermann’sche Lösung, Eisenhämatoxylin; Zeiss’ Apochr. 2 mm (Apert. 1,30) und Ocular 18.) ausgehende Reiz sogar die Hauptrolle bei der Verbindung der Centralkörper mit dem Kern zu spielen. Das Empfängnisszäpfchen holt hier die Centralkörper an der Zellperipherie ab (wel. Textfig. 36—42). Aller Wahrscheinlichkeit nach muss der Kern eine gewisse Grösse haben, um die Centralkörper Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 129 anlocken zu können. Auch wenn wir solche Bilder wie Fig. 25 u. 26 als vollständig beweisend nicht annehmen wollen, da die kleinen Kerne vielleicht hier secundär nach der Befestigung verschoben sind, spricht dafür der Umstand, dass ich niemals einen sehr kleinen Kern in Verbindung mit Centralkörpern gesehen habe. Wenn der Kern abgestorben ist, scheint er nicht mehr eine Karyotaxis ausüben zu können. So sehen wir in Fig. 44, dass die Centralkörper alle an den degenerirenden Kernen vorbei gewandert sind. In der Zelle Fig. 45 haben nach dem Absterben der Kerne die Central- körper sich augen- scheinlich ein grosses Stück weiter entwickelt, ohne sich an den Kernen Figur 43. Figur 44. Riesenspermatiden von Salamandra, (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 15—21l. zu befestigen. (Meiner Meinung nach ist dieses interessante Bild so zu deuten, und nicht so, dass die Centralkörper sich in Verbindung mit den Kernen weiter entwickelt haben und secundär wieder frei geworden sind. Denn wenn der proximale Central- körper die Kernmembran perforirt hat, wird er bei einer folgenden Degeneration nicht frei. Siehe Fig. 46 u. 47.) — Fig. 43 ist vielleicht so zu deuten, dass durch eine krankhafte Veränderung (zwar nicht mikroskopisch nachweisbar) des Kernes die gewöhnlich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. ®. 130 Ivar Broman: Figur 45. Figur 46. Figur 47. Degenerirte Spermatiden von Salamandra. (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 15—21.) positive Karyotaxis in eine negative Karyotaxis verwandelt worden ist. Dass die Centralkörper während der Telophasen möglichst weit entfernt vom Kern sich bewegen und nachher zum Kern hinwandern, hindert uns nicht, für beide Fälle eine Karyotaxis anzunehmen. Denn eine „Reizumstimmung“ der Centralkörper ist nach dem, was wir von anderen Taxisformen wissen, durch Ver- änderungen möglich, die während der Entwickelung sowohl in den Centralkörpern selbst wie im Kern oder Cytoplasma auf- treten können. Mit Absicht habe ich das der Centralkörpereinwanderung entsprechende Verhältnis bei den Selachiern bisher nicht besprochen. In einigen Fällen scheint wohl auch hier eine geringe Hineinwanderung der Centralkörper in den Zellleib statt- zufinden (siehe Fig. S u. 10 auf Tafel V); aber im Allgemeinen bleibt das distale Ende des Centralkörperstabes an der Zell- peripherie fixirt, und das proximale Ende wächst gegen den Figur 48. Figur 49. Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete. 131 Figur 50. Figur 51. Figur 53. Figur 54. Figur 55. Rieseuspermatiden von Musteluslavis. (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 36—42,) hinteren Kernpol in die Länge aus. Wir haben es hier mit einem Karyotropismus zu thun. Dass bei diesem Objekt wirklich ein von dem hinteren Kernpol ausgehender Reiz die Wachsthums- richtung des proximalen Centralkörpers bestimmt, geht besonders deutlich aus meinen Befunden an den Riesenspermatiden hervor. — Wenn es in einer solchen Spermatide zwei Centralkörperpaare, aber nur einen einzigen Riesenkern giebt, wachsen die beiden Centralkörperstäbe konstant nach einem bestimmten Punkt des Kernhinterpols hin (Fig. 50 u. 51). Wenn es zwei oder drei Kerne ungleicher Grösse giebt, sieht man fast immer, dass die Centralkörperstäbe sich beide (oder alle) mit dem grösseren Kerne in Verbindung gesetzt haben (Fig. 55). Wenn die betreffende 132 Ivar Broman: Zelle zwei Kerne derselben Grösse hat, können die Centralkörper- stäbe je nach dem Ausgangspunkt sich sowohl mit beiden (Fig. 53) wie nur mit dem einen Kerne (Fig. 54) verbinden. Der Ver- bindungspunkt liegt in diesen Fällen nicht wie bei den einkernigen Zellen gerade am hinteren Pole jeden Kerns, sondern ist mehr oder weniger nach dem naheliegenden Kerne zu verschoben. Es scheint also wahrscheinlich, dass alle die Kerne von ihren Hinter- polen aus je einen Reiz auf die heranwachsenden Centralkörper- stäbe ausüben, und dass die betreffende Wachsthumsrichtung eine Resultante der wirkenden Richtungsreize ist. Dass aber auch bei der Entwickelung der normalen Samen- fäden ein ähnlicher Karyotropismus wirksam sein muss, sehen wir auf Fig. 2, Tafel V. Die Centralkörperstäbe haben hier alle den Kernhinterpol erreicht, obgleich für viele der Weg zur einen Kernseite viel kürzer gewesen wäre. Dass diese Bilder von Zellen, deren Centralkörperstäbe in rechten oder bisweilen sogar schwach spitzen Winkeln zu den Kernachsen stehen (Fig. 9 u. 10, Taf. V), nicht dadurch entstanden sind, dass das Uytoplasma (und mit ihn der Centralkörperstab nach der Befestigung am Kern) um den Kern herum in der betreffenden Richtung verschoben ist, beweist ein Vergleich zwischen den Fig. 1 u. 2 (Taf. V). Wie’wir auf Fig. 1 sehen, liegt nämlich der fixe Punkt des Uentralkörperstabes auf einem früheren Stadium konstant noch weiter vom hinteren Kernpole entfernt. Anfangs, wenn der Centralkörperstab hineinzuwachsen anfängt, sieht man keine Aeusserung eines Karyotropismus. Erst auf dem Stadium Fig. 7 (Taf. V) tritt eine solche zu Tage. Man sieht dann oft, dass der Centralkörperstab eine leichte Biegung gegen den Kernhinterpol hin zeigt. Diese Biegung des Centralkörperstabes ebenso wie das konstante Zusammen- treffen mit dem hinteren Kernpol kann meiner Meinung nach nur durch die Existenz eines Karyotropismus erklärt werden. Auch die Idiozomen der Spermatiden führen bekanntlich gesetzmässige Bewegungen aus. Im Allgemeinen rekonstruirt sich das Idiozom nach der letzten Reifungstheilung in der Nähe der Centralkörper, aber von diesen geschieden (Textfig. 2). Nur in den Spermatiden von Bominator ignens werden die Central- körper von den sich rekonstruirenden Idiozomen ganz umhüllt (10). Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 133 Das Idiozom bewegt sich dann nach dem Kerne hin und befestigt sich entweder ganz oder theilweise an diesem um den Spiess resp. die Kopfkappe der Spermie zu bilden. Mit der Be- festigung des Idiozoms wird also das Vorderende der werdenden Spermie bestimmt. Die Idiozombefestigung kann entweder vor (so z. B. bei den Selachiern), gleichzeitig mit (so bei Bombinator) oder nach (so bei Salamandra) der Central- körperbefestigung am Kerne stattfinden. Im letzten Falle wandert das Idiozom um den Kern herum (vergl. Textfig. 5, 7 und 5) und wird normaliter erst, nachdem es den der Centralkörper- befestigung entgegengesetzten Kernpol erreicht hat, an diesem fixirt (Meves 51). Diese Thatsache erscheint mir ganz unerklärlich, wenn ich nicht annehmen darf, dass auch hier eine Art Karyotaxis, und zwar eine polare, wirksam ist. Dann ist es wohl auch anzunehmen, dass der Befestigungspunkt des Idiozomes am Kern auch bei den anderen Objekten von einer Karyotaxis bestimmt wird. Vielleicht sind auch die Telokinesen ebenso wie die Wanderung der Uentralkörper zum Kern als Ausdruck polarer (negativer resp. positiver) Karyotaxisformen zu deuten. Dann müsste man aber annehmen, dass eine tactische Bipolarität schon unmittelbar nach der Zelltheilung existire. Die von Meves (51) beobachtete schiefe Hineinwanderung der Uentral- körper, welche bei einzelnen Zellindividuen stattfindet (siehe Textfig. 5), wäre solchenfalls leicht als eine Kompensation einer zu wenig weit gegangenen Telokinese zu erklären. An dieser Stelle möchte ich einen vorläufigen Bericht über einige Befunde geben, die ich an den Idiozomen der Riesen- Figur 56. Figur 57. 154 Ivar Broman: Figur 58. Figur 59. Riesenspermatiden von Salamandra maculata. (Behandlung und Vergrösserung wie für Figuren 15—21.) spermatiden von Salamandra maculata gemacht habe. Wenn es in einer solchen Zelle zwei gleichgrosse Kerne, aber wie ge- wöhnlich nur ein einziges Idiozom giebt (auch bei den Riesen- spermatiden von Mensch und Haifisch existirt in der Regel nur ein einziges lIdiozom), dann kann sich das Idiozom mit beiden Kernen in Verbindung setzen; und die Kerne ver- längern sich dann auch beide zu Spermienköpfen (Fig. 56). Wenn dagegen das Idiozom sich nur mit dem einen Kerne in Verbindung setzt, verlängert sich nur dieser zum Spermienkopf, auch wenn der andere Kern von beiden Uentralkörperpaaren ge- troffen wird (Fig. 57). Wenn es zwei Idiozomen giebt, die sich an je einem Kerne befestigen, verlängern sich diese beide zu Spermienköpfen, ganz unabhängig davon, ob sie von den Uentral- körpern getroffen werden oder nicht (Fig. 58). Wenn der eine Kern sehr klein ist, scheint er weder auf die Centralkörper noch auf die Idiozomen eine Attraction ausüben zu können. In solchen zweikernigen Zellen befestigen sich die zwei Idiozomen beide an dem grossen Kerne und zwar oft an verschiedenen Seiten des- selben (Fig.-59). — Diese. Beispiele genügen, um die, wie ich-meine, interessante Thatsache zu beweisen, dass die Idiozomen der Salamanderspermatiden nicht nur ‘die bisher bekannte Bedeutung haben, den Spermienspiess zu bilden, sondern dass sie auch die nicht weniger wichtige Bedeutung haben, die Ver- längerung des Spermatiden-Kernes zum Spermien- kopfe zu beeinflussen. Sowohl bei Salamandra wie bei Menschen und Selachiern spielt die Menge der Centralkörper für die Anzahl der in der- Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete, 155 selben Spermatide sich bildenden Idiozomen gar keine Rolle; was ich besonders hervorhebe, da meine entsprechenden Befunde bei Bombinator (11) vermuthen liessen, dass bei diesem Objekt die Zahl der Spiesse von der Zahl der Centralkörperpaare ab- hängig wäre. Ganz übereinstimmend mit meinen Befunden bei Salamandra ist dagegen meine an den Bombinatorspermatiden gemachte Beobachtung, „dass nicht nur eine gewisse Kerngrösse, sondern auch das Zusammentreten von Kern und Idiozom er- forderlich ist, um die Spermienkopfbildung (wenigstens bei diesem Object) einzuleiten“ (11). Bei den Selachiern befestigt sich, wie erwähnt, das Idiozom an der am nächsten liegenden Stelle der Kernmembran, bevor das Hineinwachsen des proximalen Centralkörpers noch begonnen hat (Fig. 4, Tafel V). Wenn der Kern nun in dieser Lage ver- harrte, würde die Folge sein, dass der hineinwachsende Central- körperstab den hinteren Kernpol nie hätte treffen können. Dieser Konflikt wird indessen dadurch gelöst, dass der Kern um seinen Schwerpunkt etwa 180° rotirt (siehe Fig. 4—8 auf Tafel V). Die Rotation!), welche gleichzeitig mit dem Hineinwachsen des Uentralkörperstabes vor sich geht, kann, ehe dieser lang genug geworden ist, um den Kern zu erreichen, beendet sein (Fig. 8, Taf. V). Oefter ist sie aber, wenn die Vereinigung des Centralkörperstabes mit dem Kernhinterpol stattfindet, nur zum Theil durchgeführt (Fig. 9, Taf. V). Die dadurch entstehende winkelige ‚„‚Kniekung‘“ zwischen dem Centralkörperstabe und der \) Die sichtbaren Ausdrücke dieser Kernrotation sind schon von Moore (60) zum Theil gesehen (siehe Tafel 16, Fig. 82, 84, 85, 87 u. 86) aber als solche nicht erkannt worden. ‚The base of the intra-cellular part of the flagellum (= Centralkörperstab), with the centrosomes, now lies between the archoplasmic vesiele (= Idiozombläschen) and the chromatie flange, but the point of attachment of the flagellum moves round the surface of the nucleus, the archoplasmie substance penetrating the nuclear membrane. — — The translocation of the point of attachment of the flagellum continues until it finally comes to rest at the side of the nucleus opposite to the neck and the archoplasmie vesicle where it started.“ Wie wir sehen, glaubt Moore, dass es der Centralkörperstab (von ihm als intra- cellularer Geisseltheil aufgefasst) ist, der eine Rotation ausführt. Ein Vergleich zwischen meinen Fig. 1 und 2 (Taf. V) zeigt indessen sogleich, dass so nicht der Fall sein kann. 136 Ivar Broman: Kernachse wird dann erst in späteren Entwickelungsstadien (Fig. 11 und 12, Taf. V) vollkommen ausgeglichen. Dass wir es hier mit einer wirklichen Kernrotation und nicht mit einem Idiozomgleiten um den Kern herum zu thun haben, wird mehr als wahrscheinlich, wenn wir die grosse Veränderung in Betracht ziehen, welche der Kern schon früh in der nächsten Nähe des Idiozombläschens erleidet. Schon im Stadium der Fig. 5 (Taf. V) hat sich nämlich der Kern gegen das Idiozombläschen zugespitzt und die Kernmembran hat sich um das Idiozombläschen herum (wie es scheint, durch Heraus- treten von Kernsaft) von dem Chromatin abgehoben. Im optischen Längsschnitt sieht der Kern jetzt wie eine zierliche Urne aus, in deren Oetinung zum grossen Theil das Idiozombläschen steckt. Die „Griffe“ der Urne werden in den späteren Stadien (Fig. 6—10) noch grösser (das heisst: die Ablösung der Kernmembran am Vorderpole!) geht noch weiter) und das Idiozombläschen sinkt in die Mündung der Urne noch tiefer hinein. Dass unter solchen Umständen ein Idiozomgleiten um den Kern herum möglich wäre, ohne dass einmal die Symmetrie der „Urnengriffe“ gestört würde, ist mir ganz unwahrscheinlich. Es bleibt also nur übrig anzunehmen, dass der Kern wirk- lich eine Rotation ausführt. Dann ist es, meiner Meinung nach, auch anzunehmen, dass diese gesetzmässige Kern- rotation durch irgend einen Richtungsreiz geleitet wird. Am nächsten liegt es vielleicht zu glauben, dass dieser Richtungsreiz von den Centralkörpern selbst abgehe, die entweder positiv taktisch auf den Kernhinterpol oder negativ taktisch auf den Kernvorderpol (oder beides) einwirken. Solchenfalls würden wir hier gleich wie bei der Bildung des Empfängniss- zäpfchens von einer Mikrocentrotaxis sprechen können. Allein es wäre auch möglich, dass der betreffende Richtungsreiz von einem Nahrungsstrom ausginge; denn wir sehen immer, dass die Kerne so rotiren, dass die Vorderpole gegen die Peripherie der „Spermatocyste“ sehen (vergl. Fig. 1 u. 2, Taf. V). Solchen- falls würden wir es hier mit einer Trophotaxis zu thun haben. :) Nur an Schnitten von Zellen, die allem Anschein nach schlecht fixirt waren, habe ich eine totale Kernmembranablösung, so wie Moore (60) und Herrmann (27) sie abbilden, gesehen. .. ® r . [2) Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen etc. 137 Eine analoge Erscheinung sehe ich in der bekannten Rotation, welche der Spermienkopf sammt dem Mittelstück nach der Be- fruchtung im Ei ausführt und wodurch die männlichen Central- körper an der gegen ‘das Eicentrum zugekehrten Seite des männlichen Vorkerns zu liegen kommen (29). — Auch von Moore (60) und Lauterborn (34) sind ähnliche aktive Kern- rotationen, welche die Verlagerungen der Centralkörper während der Telophasen ausführen, beschrieben worden. Dagegen sind die passiven Kerndrehungen, welche an verschiedenen Objekten von Meves (55) und mir (10) beschrieben worden sind, mit der hier erwähnten Rotation nicht gleichzustellen. Zusammenfassung. Aus meiner Untersuchung hat sich also ergeben: 1. dass nicht nur die Spermatiden, sondern auch ihre wichtigeren Zellorgane, Kern, Centralkörper und Idiozom, gesetz- mässige Bewegungen ausführen, die aller Wahrscheinlichkeit nach von Richtungsreizen geleitet werden ; 2. dass es in den menschlichen Spermatiden und Sertoli- schen Zellen eigenartige „Korbbläschen“ giebt, die vielleicht nur in den Sertoli’schen Zellen gebildet werden und möglicher- weise als Secretvacuolen zu deuten sind; 3. dass wir hierdurch, wenn wirdie eben erwähnten Hypothesen für wahrscheinlich halten, eine bessere Stütze als früher für die Annahme haben, dass beim Menschen die Sertoli’schen Zellen wirklich „Nährzellen“ für die Spermatiden sind; 4. dass wir dadurch auch bessere Gründe als früher für die Annahme haben, dass die Verbindung der menschlichen Spermatiden mit den Sertoli’schen Zellen auf eine Trophotaxis zurückzuführen ist; 5. dass beim Menschen, Salamander und Haifisch Riesen- spermatiden, welche von atypischen Mitosen herrühren, physio- logisch vorkommen; 6. dass während der Telophasen die Centralkörperpaare dieser Riesenspermatiden sich immer nach. einer einzigen Stelle der Zellperipherie begeben ; 7. dass diese Centralkörperwanderung ebenso wie die ent- sprechende, früher bekannte Telokinese der Centralkörper der 138 Ivar Broman: normalen Spermatiden wahrscheinlich von irgend einem Richtungs- reiz geleitet wird; 8. dass die bekannte Hineinwanderung der Centralkörper zum Kerne als eine positive (vielleicht polare) Karyotaxis aufzufassen ist; 9. dass auch die Centralkörper eine Attraction auf den Kern ausüben können (positive Mikrocentrotaxis); was bei einigen Objekten durch die Bildung eines Empfängniss- zäpfchens am Kerne bewiesen wird; 10. dass abgestorbene (oder allzu kleine) Kerne, nach allem bisher Gesehenen zu urtheilen, keinen Richtungsreiz ausüben können: 11. dass bei den Selachierspermatiden die Wachsthums- richtung des Centralkörperstabes durch einen vom Kernhinterpole ausgehenden Richtungsreiz bestimmt wird (positiver Karyo- tropismus); 12. dass bei den 2-kernigen Riesenspermatiden der Selachier die Centralkörperstäbe Wachsthumsrichtungen einschlagen, welche als Resultante der von beiden Kernhinterpolen ausgehenden Richtungsreize aufzufassen sind; 13. dass die Wanderung des Idiozomes nach dem Kern- vorderpol auch als eine polare Karyotaxis zu bezeichnen ist; 14. dass auch der Spermatidenkern von Richtungsreizen beeinflusst werden kann. Dies beweist nicht nur das oben er- wähnte, bei einigen Objekten existirende Empfängnisszäpfchen, sondern auch die aktive Rotation der Spermatidenkerne bei den Selachiern, wodurch die Kernhinterpole gegen die Gentralkörper- stäbe gedreht werden. Als wichtige Nebenresultate nenne ich zuletzt: 15. dass die Idiozomen der hier untersuchten Riesensperma- tiden, auch wenn diese mehrkernig sind, im Allgemeinen einfach sind; und 16. dass das Idiozom der Salamanderspermatiden nicht nur die bisher bekannte Bedeutung hat, den Spermienspiess zu bilden, sondern auch die nicht weniger wichtige Bedeutung, die Ver- längerung des Spermatiden-Kernes zum Spermienkopf zu ver-- anlassen. Ueber gesetzmässige Bewegungs- und Wachsthumserscheinungen ete. 13% Herrn Geheimrath, Professor W. Flemming bitte ich zum Schlusse meinen ehrfurchtsvollen Dank dafür ausdrücken zu dürfen, dass er mir wieder in liebenswürdigster Weise sein Institut ge- öffnet hat. — Die Textfiguren 9—27, 36—47 und 56—59 sind alle nach Präparaten gezeichnet, welche Herr Prosektor, Dr. Fr. Meves früher für seine Untersuchungen über die normale Sper- matogenese gemacht hatte. Ich spreche ihm hier meinen herz- lichsten Dank dafür aus, dass er mir gestattet hat, diese schönen Präparate durchzusuchen und für meine Zwecke zu benutzen. Lund, den 15. April 1901. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Die Figuren sind mit Zeiss’ Apochromat 2 mm (Apertur 1,50) und Oeular 8 (Fig. 1—3) oder Ocular 18 (Fig. 4—20) sämmtlich unter Benutzung des Abbe’schen Zeichenapparates (Projektion auf Objekttischhöhe) entworfen. Sie stammen alle von Präparaten, die mit dem Hermann’schen Gemisch fixirt und entweder ungefärbt (Fig. 13 und 14) oder mit Eisenhämatoxylin sich M. Heidenhain gefärbt sind. Fig. 1—3. Drei „Spermatocysten* von Seyllium canicula. Fig.1 u. 2 stellen zwei frühe Entwickelungsstadien dar; Fig. 3 ein bedeutend späteres Stadium. BK,. Kern des die Ampulle umhüllenden Bindegewebes (B.). S. Z. Sertoli’sche Zelle. SK. Kern der Sertolischen Zelle. Sck. Sekret- körnchen. Fig. 4—12. Neun frühe Entwickelungsstadien der Spermatiden von Scyllium canicula. I. Idiozom,. Ibl. Idiozombläschen (Spiessbläschen‘, Ir. Idiozomrest, der zum Spiessbläschen nicht verwendet wird, Cr. Zentralkörperring, Cst, Zentralkörperstab, Kr. Krystalle (zu- fällig). Fig. 13. Sertoli’sche Zelle vom Menschen. Fig. 14. Das freie Ende einer menschlichen Sertoli’schen Zelle mit einer anheftenden Spermatide (Sptd.). Sk. Kern der Sertoli’schen Zelle. Die Korbbläschen (Kbl.) sind durch Osmiumsäure grünlich gefärbt. Fig. 15, Eine mensch’liche Sertoli’sche Zelle mit drei in dem freien Ende steckenden Spermatiden (Sptd.). Sk. Kern der Sertoli’schen Zelle, Kbl. Korbbläschen. Fig. 16—20. Menschliche Spermatiden mit Korbbläschen in verschiedener Grösse. Die Zentralkörperderivate sind schwarz gefärbt. In Fig. 20 ist der Zentralkörperring in Wanderung begriffen. Nur ein einziges Korbbläschen giebt es in dieser Zelle. In Spermatiden. auf späteren Entwickelungsstadien habe ich bisher keine Korb- bläschen angetroffen. M. Schwanzmanchette. 140 Ivar Broman: Literaturverzeichniss. . Aderhold, Beitrag zur Kenntniss richtender Kräfte bei der Be- wegung niederer Organismen. Jen. Zeitschr. XXII, N. F, XV. Zit. nach Herbst (25). Auerbach, Ueber merkwürdige Vorgänge am Sperma von Dytiscus marginalis,. Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. zu Berlin; phys.-math. Kl, März 1893, XVI. Ref. von Kionka im Biol. Zentralbl., Bd. 14, 1894, S. 408. Ballowitz, Zur Lehre von der Struktur der Spermatozoen. Anat, Anz., Jahrg. I., 1886. Derselbe, Die Doppelspermatozoen der Dyticiden. Zeitschr. f, wiss. Zool., Bd. 60, 1895, S. 458. 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Derselbe, Ueber Struktur und Histogenese der Samenfäden von Salamandra maculata. Arch. f. mikr, Anat. Bd. 50, 1897, S. 122. 52. Derselbe, Ucber das Verhalten der Centralkörper bei der Histogenese der Samenfäden von Mensch und Ratte. Verh. d. anatom. Gesellsch. in Kiel 1898. 53. Derselbe, Zelltheilung. Ergebnisse d. Anat. u. Entwicklungsgesch. herausgegeben v. Merkel u. Bonnet. 1897, S. 350. 54. Derselbe, Ueber Struktur u. Histogonese der Samenfäden des Meer- schweinchens. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 54, 1899, S. 329. 55. Derselbe, Ueber die Entwickelung d. männl. Geschlechtszellen von Salamandra maculata. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 48, 1896. 56. Metschnikoff, Lecons sur la pathologie compar&e de l’inflammation, 1892. Cit. nach Ver worn. 57. Minot, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte 1894, S. 117. 58. Miyoshi, Ueber Reizbewegungen der Pollenschläuche. Flora. Bd. 78, 1894. Cit. nach Lidforss. 59. Molisch, Ueber die Ursachen der Wachstbumsrichtungen bei Pollen- schläuchen. 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Cit. nach Ballowitz. 73. Stahl, Zur Biologie der Myxomyceten. Bot. Zeitung. 1880. 74. Suzuki, Notiz über die Entstehung des Mittelstückes der Samenfäden von Selachiern. Anat. Anz., Bd. 15, 1898, S. 125. 75. Towle, Elizabeth, A study in the Heliotropism of Cypridopsis. The amer. Journ. of Phys. Vol. 3. 1900, S. 345. 76. Verworn, Allgemeine Physiologie. Jena 1895, S. 419. 77. Derselbe, Die polare Erregung der Protisten durch den galvanischen Strom. Pflüger’s Arch., Bd. 45 u. 46, 1889. 78. Derselbe, Die polare Erregung der lebendigen Substanz durch den constanten Strom. III. u. IV. Mittheilung. Pflüger’s Arch., Bd. 62 u. 65 1895, 1896. 79, Derselbe, Ber. d. zweiten internat. Physiologen-Kongresses in Lüttich 1892. 80. Derselbe, Psycho-physiologische Protistenstudien. Jena 1889. 81. Whitman, Oökinesis. Journ. of Morph. Vol. I. 1887, S. 227, 144 Jchita Kishi: Aus dem anatomischen Institut zu Halle a. S. Ueber den Verlauf und die periphere Endigung des Nervus cochleae. Von Dr. med. Jchita Kishi, Öhrenarzt aus Japan. Hierzu Tafel VI. Die Kenntniss des feineren Baues der Sinnesorgane gehört im Allgemeinen zu den am besten durchgearbeiteten Capiteln der mikroskopischen Anatomie, denn sowohl zahlreiche Anatomen vom F'ache wie auch Speeialuntersucher aus practischen Berufen haben sich bestrebt unsere Einsicht in dieses schwierige Gebiet zu fördern. Eine besondere Stellung nimmt dabei das Gehörorgan ein. Auge und Nase bieten zunächst in so fern einfachere Ver- hältnisse dar, als sie relativ oberflächlich liegen und mit Leichtig- keit aus ihrer Umgebung ausgelöst werden können. Beim Gehör- organe bereitet jedoch gerade dieser erste Schritt zur Unter- suchung schon bedeutende Hindernisse, denn dasselbe ist bekannt- lich bei erwachsenen Thieren höherer Ordnung, insbesondere bei den uns speciell interessirenden Säugethieren, fest in eine knöcherne Capsel eingemauert. Schon allein das Herausmeisseln des Gehör- organs bietet technische Schwierigkeiten und erlaubt die Unter- suchung nur besonders Erfahrenen. Wohl mit aus diesem Grunde ist das Gehörorgan erst relativ spät gerade in seinen Feinheiten erforscht worden und haben seiten der Neurologen nur relativ Wenige Lust gezeigt sich eingehend mit diesem schwierigen Ge- biete zu befassen. Erst um die Mitte dieses Jahrhunderts klärte Corti den Bau des Gehörorganes in seinen wesentlichen Zügen, und verewigte seinen Namen durch die Entdeckung des nach ihm benannten Organs. Nach Corti ist manche interessante Thatsache von Uebet den peripheren Verlauf und die Endieune des Nervus cochleae 145 p I >) o© Seiten der Anatomen an den Tag gefördert worden. Auch haben Physiologen, Pathologen und Otologen sich in gleicher Riehtung bemüht; denn an die Kenntniss der Structur knüpft sich naturgemäss auch die Frage nach der Function dieses com- plieirten Organes. Nichtsdestoweniger bestehen auch noch jetzt Lücken in unserem Wissen, welche insbesondere in der Otologie, meinem Specialgebiete, störend empfunden werden. Als ich nach Europa kam, um im Laufe einiger Jahre unter (reheimrath Schwartze’s Leitung eine weitere Ausbildung in meinem Fache zu erlangen, benutzte ich die Gelegenheit, gleich- zeitig an dem Königlichen anatomischen Institute zu Halle auf breiter Basis mikroskopisch - anatomische Untersuchungen am (rehörorgane anzustellen. Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle dem Director des anatomischen Instituts, Herrn Prof. W. Roux, sowie Herrn Prosector Prof. E. Mehnert meinen Dank auszusprechen. Zunächst wollte ich die feinere Strueturirung des Gehör- organes, speciell der Schnecke bei den verschiedenen Säugethieren aus eigener Erfahrung kennen lernen. Ich untersuchte dieses Organ bei Kaninchen, Hunden, Katzen, Meerschweinchen, Ratten, Schafen, Kälbern, Schweinen, Ochsen und, so weit es möglich war frisches Material zu bekommen, auch bei dem Menschen. In zweiter Linie war es meine Absicht mich in der Technik zu vervollkommnen. Ich wandte daher nach einander alle bisher vorgeschlagenen Fixations-, Färbungs-, Einbettungs- und Nachbe- handlungsmethoden an und verglich die Methoden auf ihren Werth untereinander. Meine Untersuchungen sind zur Zeit noch lange nicht abgeschlossen; ich beabsichtige über die Ergebnisse zusammenfassend in einer grösseren Arbeit zu berichten. In vorliegender Abhandlung will ich nur einige von mir gewonnene Resultate mittheilen, welche sich auf den Verlauf des N. cochleae von seinem Durchtritte durch die Habenula perforata an bis zu seiner Endigung in oder an bestimmten Zellen beziehen; und zwar werde ich mich hauptsächlich auf die an Kaninchen und Hunden gewonnenen Resultate beschränken und die ähnlichen Befunde an anderen Säugethieren und an Menschen nur zum Ver- gleiche heranziehen. Auf die bei meinen Untersuchungen angewandte Methode will ich hier nicht näher eingehen, weil ich sie später (s.S.30 u.f.) darübe mir Aıchiv f. mikrosk. Anat, Bd. 59, 10 146 Jehita Kishi: Zusammenhang ausführlich mitzutheilen gedenke. Ich bemerke hier nur, dass ich für die Untersuchung der Endigungsweise der Nervenfasern in der Haarzelle eine Hämatäinfärbung in neuer, von Apathy abweichender Weise angewendet habe. I. Arten der Zellen, welche den innern Abhang der Papilla spiralis bilden. Bevor ich meine Ergebnisse über die Verlaufsweise der peripheren Endfasern des Nervus cochleae zur Darstellung bringe, halte ich es für nothwendig, mich zunächst über die Beziehungen zu äussern, in welchen die durch die Löcher der Habenula perforata kommenden feinen, nackten Axencylinderfasern, die vor dem Durchtritte ihr Mark und die Schwann’sche Scheide verloren haben, zu jener Zellengruppe stehen, die sie zunächst passiren. Diese ist von den Autoren mit verschiedenen Namen: Körner- schieht (Waldeyer, Gottstein), unter- innere Deckzellen (Henle), subepitheliale Schicht (Schwalb) belegt worden. Ihnen liegen nach innen noch epitheliale Zellen an, welche Retzius als innere Stützzellen, Krause als innere Deckzellen bezeichnet. Diese bilden mit den Zellen der vorigen Gruppe und mit den inneren Haarzellen einen Wulst, den Schwalbe auf dem Quer- schnittsbilde „Fpithelialdreieck an der inneren Abdachung des Corti’schen Organs“ benennt. Wir haben uns also zunächst über diese Zellen zu orientiren. Ueber diese Zelleugruppe schrieb zuerst Deiters') im Jahre 1560 in seinen „Untersuchungen über die Lamina spiralis mem- branacea“, dass er an der Innenseite des Bogens, ausser einer Reihe eylindrischer, eilientragender Zellen, noch ein System von kleinen, theils rundlichen, theils spindelförmigen Zellen, welche durch ihre anastomosirenden Ausläufer ein Faserzellen - Netz bildeten, gefunden habe. Aber über ihre Beziehungen zu den Nervenfasern machte er keine nähere Angabe. Nach ihm veröffentliehte Böttcher,?) der Entdecker der inneren Haarzellen, neue Beobachtungen über unsere Zellen. Er fand unterhalb der inneren Haarzellen zwei kleine Zellen mit ı) B.Deiters, Untersuchungen über die Lamina spiralis membranacea. Bonn. 1860. 2) Böttcher, Ueber Entwicklung und Bau des Gehörlabyrinthes nach Untersuchungen an Säugethieren. Dresden 1869. Veber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus eochleae, 14° kleinerem Kern, die mit ihren oberen, durch einen Spalt von einander geschiedenen Theilen, dfrect mit den Haarzellen in Ver- bindung stehen, während sie mit®einem unteren Fortsatze auf der Membrana basilaris befestigt sind, mit einem anderen unteren Fortsatze sich gegen die Habenula perforata wenden und mit den Nervenfasern sich verbinden. Diese Thatsache erörterte er dann von Neuem in seinen „Kritischen Bemerkungen“!) und stellte vom Standpunkte der Entwickelungsgeschichte aus fest, dass die Zellen mit den Nervenfasern zusammenhängen. Als die Autoren aber, die diesen Zellen ganz besondere Aufmerksamkeit widmeten, sind Waldeyer?) und Gottstein?) zu nennen. Diese beiden betrachteten diese Zellen absolut als Nervenapparat, und nannten sie „innere Körnerschicht“. Wenn nun auch beide über die Beziehungsweise. der Nerven etwas ver- schiedene Ausdrücke gebrauchten, waren sie doch in der Annahme einig, dass die Zellen oder ihre Ausläufer mit den Nervenfibrillen gewissermassen in Verbindung ständen. Eine ganz abweichende Ansicht vertraten zwei andere Autoren; nämlich Lavdowsky*) und Nuel?°), die die Körner- schicht als nicht mit den Nervenfasern in Verbindung stehend betrachteten. Jener behauptete, der Bau der Körnerschicht sei ziemlich complicirt; sie bestehen aus mindestens drei Theilen, zwei faserigen und einem zelligen; die Zellen seien grosse runde Körperchen oder besser entwickelte Kerne mit relativ sparsamer körniger, feiner Masse; Fortsätze an ihnen würden nicht be- obachtet, dagegen zweierlei Arten von Fasern, von denen die einen Nerven, die anderen aber scharf wellige, den Basilarfasern parallele, nicht anastomosierende, nicht nervöse Fasern zweifel- hafter Bedeutung seien, und die Radialnerven gingen durch diese Körnerschicht, aber wie es scheine, ohne sich mit deren Elementen ı) Böttcher, Kritische Bemerkungen und neue Beiträge zur Literatur der Gehörschnecke, Dorpat 1872. :) Waldeyer, Hörnerv und Schnecke, Handbuch von v. Stricker. Leipzig 1872. >) Gottstein, Ueber den feineren Bau und die Entwickelung der Gehörschnecke bei Menschen und Säugethieren. Bonn. 1871. #) Lavdowsky, Untersuchungen über den akustischen Endapparat der Säugethiere. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 13. 1876. 5) Nuel, Recherehes miroscopiques sur Panatomie du limacon des mammiferes, 1878. 10* 148 Jehita Kishi: zu vereinigen. Nuel schrieb einfach, die durch die Habenula perforata tretenden Fasern gingen zwar zwischen den Zellen der Körnerschicht hindurch, 08 sie in näherem Verhältniss ständen, sei zweifelhaft. Nun gab Retzius!), indem er die bis zu seiner Zeit ver- öffentlichten Forschungen über das Gehörorgan einer sehr genauen Beurtheilung unterwarf, auch über diese Zellen der Körnerschicht seine Ansicht ab. „Körner“, so schrieb er, „will ich dieselben nicht nennen, da dieser Name vielleicht angiebt, dass sie zum nervösen Apparat zu rechnen seien, und ich sie zum indifferenten Epithel zähle.“ Er sah die Zellen also nicht als zum Nerven- apparat gehörig an, sondern rechnete sie zu den Fadenzellen und nannte sie innere Stützzellen. Diesem Urtheil des berühmten Forschers, der sich um den Fortschritt der Anatomie des Gehörorganes die grössten Verdienste erworben hat, muss ich indess gleich Schwalbe?) entgegentreten, der in seinem Lehrbuch der Anatomie des Ohres sich folgender- massen äussert: „Meiner Ansicht nach muss man diese Lage (Körnerschicht) wohl von den vorhin erwähnten inneren Stütz- zellen trennen Sie ist durch die erste Ausbreitung der durch die Foramina nervina in das Corti’sche Organ eintretenden Nervenfasern characterisirt, und mir will es scheinen, als werde sie hauptsächlich durch diese Nervenfasern gebildet und gehören die Kerne zu den Nerven, vielleicht als Kerne von Gliazellen, ähnlich denen, welche in so grosser Zahl in der marklosen Nervenfaserschicht der Retina sich finden.“ Auch sonst noch haben viele Autoren, wie Tafani, Katz, Steinbrügge, Siebenmann u. A. Schriften über die End- fasern des Nervus cochleae veröffentlicht; doch haben sie auf- fallender Weise diesen Gegenstand sehr wenig berücksichtigt. Um nun dem Wesen dieser Zellen näher zu kommen, scheint es zweckmässig, der Entwickelungsgeschichte derselben etwas Aufmerksamkeit zu schenken, was allerdings schon Baginsky°) gethan. Dieser nämlich sagte: „Hier glaubt man ı) Retzius, Das Gehörorgan der Wirbelthiere. Bd. IL Stock- holm 1884. 2) G. Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie des Ohres. S, 379. Erlangen 1887. ®) Baginsky, Zur Entwiekelung der Gehörschnecke. Archiv für mikrosk. Anatomie. 1886. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 149 bei oberflächlicher Betrachtung in der That Bilder zu haben, wie sie Boettcher beschrieben hat. Bei genauerer Untersuchung indes überzeugt man sich, dass diese Zellen mit den inneren Haarzellen gar keinen Zusammenhang haben, dass vielmehr die innere ihren Fortsatz medial, die äussere lateral von den inneren Haarzellen nach oben gegen die obere Begrenzung des grossen bezw. kleinen Epithelialwulstes sendet. Und ganz besonders auf- fallend ist das Verhalten dieser lateral von der inneren Haar- zelle gelegenen Zelle; sie zeigt nämlich in allen weiteren Ent- wickelungsstadien das nämliche Verhalten, wie wir es an den Deiters’schen Zellen sehen, sodass wir sie als eine denselben homologe Bildung betrachten können und sie aus den von Retzius und Schwalbe angegebenen inneren Stützzellen noch besonders hervorheben müssen.“ Ueber das Verhältniss dieser Zellen zu den Nerven erwähnte er jedoch nichts. Nach meinen an verschiedenen Thieren gemachten Be- obachtungen nun habe ich in dem Embryonalstadium, wo ich in dem noch kleinen Epithelialwulst schon verschiedene Zellen habe unterscheiden können, wie auch später in dem grossen Epithelial- wulst unterhalb der inneren Haarzellen unter den einfachen embryonalen Epithelzellen, die ich kurz als „Embryonalzellen“* bezeichnen will, zwei verschiedene Arten von anderen Zellen gesehen; die eine (siehe Fig. 1 e, g) ist blass und in den meisten Fällen nur in der Einzahl vorhanden und .hat einen grossen runden, die andere durch zwei Zellen, deren eine nach innen, die andere nach aussen der vorigen liegt, hat einen lang- ovalen Kern. Und diese zwei Arten von Zellen bleiben während der Fortdauer der Entwickelung des Embryo immer in derselben Gegend, zwischen den unteren Enden der inneren Haarzellen und der Lamina membranacea, erhalten, während die anderen Embryonalzellen durch Atrophie allmählich zum grössten Theil verschwinden. Hierbei erscheinen in der Umgebung der Zell- körper viele Nervenfibrillen, die aus den Foramina nervina her- vorkommen. Diesen Zustand kann man An vor zwei Tagen ge- borenen Kaninchen ganz deutlich bemerken, wie Figur 2 zeigt. Während der grosse Epithelialwulst schon etwas verschwunden und der Suleus spiralis internus zum Theil von einschichtigem Epithel bekleidet ist, finden sich doch noch viele atrophirte Embryonalzellen, deren Zellkörper sehr faserartig verändert sind; 150 Jchita Kishi: und besonders steigen dicht neben den inneren Haarzellen merk- würdig viele Fasern empor, und ausserhalb dieser Zellen sind ganz deutlich die zwei. Arten Zellen (eg und is) zu bemerken. Bei den eine Woche alten Kaninchen verschwinden die Embryonal- zellen schon etwas mehr; nach 2—3 Wochen wird ihre Zahl noch geringer und bei Erwachsenen finden sich nur einige Zellen, welche den Epithelzellen des Sulcus spiralis internus gleichartig sind. So scheint es mir, dass der faserreiche Zustand dieser Zellen- schicht einReductionsstadium derembryonalenEpithelzellen darstellt. Was nun die zwei Arten von Zellen betrifft, die wir oben von den sich rückbildenden Embryonalzellen unterschieden haben, so entsendet diejenige, welche einen ovalen Kern hat, bei eine Woche alten Kaninchen vom Zellkörper aus nach oben entweder einen einfachen glatten oder einen mit faserigen Protoplasma- resten behafteten Fortsatz zu dem Cuticularsaum der inneren Haarzellen hin, und nach unten zu einen Fortsatz, der in schräger Richtung nach der Umgebung der Foramina nervina der Lamina membranacea hinüber läuft. Die andere Zelle, die mit dem runden Kern, steht schon in früher embryonaler Zeit in intimerem Verhältnisse zu den Nervenfasern. Doch kann man zu der Zeit, wo der Epithelial- wulst ein wenig reducirt worden ist, die näheren Verhältnisse dieser Zellen zu den Nervenfasern noch nicht genau bemerken. Bei dem 3 cm langen Kaninchenembryo, bei welchem die Veränderung des grossen Epithelialwulstes noch nicht lange an- gefangen hat, kann man nur die Verbindung dieser Zellen mit den Nervenfasern, die durch die Foramina nervina durchgetreten sind, beobachten. Bei einem vor zwei Tagen geborenen Kaninchen, bei dem der grosse Epithelialwulst etwas geschwunden ist, tritt aber die Verbindungsweise mit den Nervenfasern schon deutlich zu Tage. Obgleich in diesem Stadium die Zellkörper der „Embryonal- zellen“ durch Reductionsprocesse sehr faserreich geworden und den mit den Nerven in Verbindung stehenden Zellen sehr ähnlich sind, kann man doch beide Arten dadurch sehr leicht unter- scheiden, dass die „Embryonalzellen“ durch ihren unteren Fort- satz innerhalb der Foramina nervina mit der Lamina membranacea zusammenhängen, aber niemals mit den durch die Foramina nervina durchtretenden Nervenfasern verbunden sind. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 151 Von den Zellen, die mit den durch die Foramina nervina durehtretenden Nervenfasern verbunden’sind, finden sich in einem radialen Schnitte gewöhnlich eine oder zwei; in letzterem Falle steht die eine immer dicht an den inneren Pfeilerzellen und ungefähr im Mittelpunkte des Raumes zwischen dem Ende der inneren Haarzellen und der Lamina membranacea, die andere gewöhnlich etwas oben und nach innen von jenen Haarzellen; beide sind nach unten, wie deutlich zu erkennen ist, mit den Nervenfasern verbunden. Darum scheint es mir, dass die durch die Löcher der Lamina membranacea herankommenden Fasern nur mit diesen Zellen in Verbindung stehen. Von diesen Zellen gehen dann nach oben zu den inneren Haarzellen die varicösen Fasern und nach aussen ebensolche Fasern durch die Zwischenräume der inneren Pfeilerzellen. Auch durch seitliche Fortsätze scheinen sie miteinander verbunden zu sein. Bei den erwachsenen Thieren, bei denen die „Embryonal- zellen“ ganz verschwunden sind, unterscheide ich hier drei Arten Zellen: 1. die Zellen, die mit den Nervenfasern verbunden sind; sie haben einen runden oder schwach ovalen Kern und keinen glatten Fortsatz; sie allein stehen durch die Nervenfasern, die durch die Foramina nervina hindurchkommen, mit der Lamina spiralis membranacea in Verbindung; 2. die Zellen, die nach Retzius u. A. reducirte Zellen der Embryonalzellen sein sollen und „innere Stützzellen“ genannt worden sind; sie haben einen sehr schmalovalen Kern und senden davon nach oben und unten einen glatten, runden Fortsatz; 3. die Zellen, die ganz gleich- artig den Zellen des Epithels des Suleus spiralis internus sind. Ich fasse meine Ansicht dahin zusammen, dass die letzteren Zellen allein den Rest der reducirten „Embryonalzellen“ dar- stellen, und dass die beiden anderen Zellenarten nicht von solchen reducirten „Embryonalzellen“ stammen, sondern ebenso wie die Haar- zellen im Embryo eine besondere Anlage besitzen. In früherer Zeit des Embryo sind sie aber von den später reducirten Embryonalzellen noch nicht besonders zu unterscheiden, sie treten erst mit dem Verschwinden dieser Zellen immer deutlicher in ihrer Besonderheit hervor. Diejenigen Zellen, welche mit Nerven- fasern verbunden sind, sehe auch ich ihrem Wesen nach als eigenthümliche Ganglienzellen an nnd möchte sie wie Waldeyer und Gottstein mit den subepithelialen Ganglien- 152 Jehita Kishi: zellen der inneren Körnerschicht der Retina vergleichen, während Schwalbe einen Vergleich mit Gliazellen für zutreffender hält; die anderen Zellen, die mehr schmalovalen Kern haben, sind wohl mit Recht innere Stützzellen zu nennen, wie Retzius und Schwalbe bereits gethan haben. ll. Verlauf der peripheren Endfasern. des Nervus cochleae. Obgleich bereits viele Forscher vor Deiters die Ver- laufungsweise der Endnervenfasern untersucht haben, ist doch der wahre Thatbestand erst von ihm bemerkt worden. Deiters') unterschied nämlich unter den Endnervenfasern zwei Systeme, ein longitudinal und ein transversal verlaufendes; die longitudi- nalen Fasern zertheilen sich wieder nach zwei verschiedenen Richtungen, von denen die einen zu den aufsteigenden Gorti’schen Fasern hinaufgehen, die anderen unter den Corti’schen Bogen treten und zwar hier entweder der Basilarmembran anliegend weiter verlaufen oder an der unteren Fläche der Corti’schen Faserzellen aufsteigen. Die transversalen Fasern gliedern sich auch in mehrere Bündel. Das erste liegt ungefähr unter und in der Mittelhöhe der aufsteigenden Corti’schen Fasern; ein zweites liegt unter der Berührungsstelle der beiden Faserreihen. Ein drittes, weniger constantes, findet sich bisweilen an der Innen- fläche der Fasern zweiter Reihe oberhalb der Glocken. Ein viertes Bündel verläuft an der inneren Seite der Verbindungs- stiele. Wenn nun Deiters auch die Aufmerksamkeit auf die transversalen Züge lenkte, vermochte er doch nicht zu sagen, was aus diesen queren Fasern werde, er war der Meinung, dass die Fasern des queren Systems aus dem longitudinalen System ihren Ursprung nehmen. Nach Deiters veröffentlichte Kölliker?) in der fünften Auflage seiner Gewebelehre eigene Untersuchungen, wobei er sich im Ganzen vor Allem Deiters anschloss; Kölliker unter- schied nämlich auch Querzüge und Längszüge. Jene, die er Fibrae transversales nannte (F. longitudinales Deiters) sind die ‘') Deiters, Untersuchungen über die Lamina spiralis membranacea. Bonn. 1860. 2) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Fünfte Auf- lage. Leipzig 1867. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 153 unmittelbaren Fortsetzungen der aus den Löchern der Habenula perforata kommenden Fasern, und zerfallen in zwei Abtheilungen. Die Längszüge nannte Kölliker Fibrae longitudinales (F. trans- versales Deiters), und wies sie bei den Menschen und Ochsen an drei verschiedenen Stellen nach: 1. unterhalb der Mitte der inneren Corti’schen Fasern, 2. unterhalb der Verbindung der beiderlei Corti’schen Fasern, 3. unterhalb der äusseren Corti’schen Fasern. Bei der Katze sah er solche Fasern sicher nur: 1. zwischen der Mitte der äusseren Corti’schen Fasern und der ersten Reihe der Corti’schen Zellen, 2. zwischen der ersten und zweiten Reihe der Corti’schen Zellen, 3. zwischen der zweiten und dritten Reihe der Corti’schen Zellen. Nächst diesen zwei Autoren verdient Loewenberg!) ge- nannt zu werden, der zuerst darauf aufmerksam machte, dass die Nervenfasern des Corti’schen Organs theils radiär, theils spiralig verlaufen. Loewenberg fand unter den radialen Fasern vier verschiedene Arten: 1. die Fasern, welche in den Tunnel eintreten, um sich mit einem, in der Mitte zwischen den inneren und den äusseren Basilarzellen liegenden Körperchen zu vereinigen; 2. die Fasern, welche in dem Tunnel zu einem an der oberen Vereinigung der Corti’schen Pfeiler liegenden Körperchen gehen; 3. die Fasern, welche aus dem erstgenannten Körperchen heraustreten und nach aussen hinlaufen, um an der Lamina reticularis oder an den Zellen derselben zu endigen; 4. die umliegenden Fasern, welche sich nach innen hin zu dem Suleus spiralis internus umbiegen. Loewenberg wies auch schon nach, dass die spiraligen Nervenfasern beim Menschen zahlreicher und leichter zu finden sind als bei den Thieren. Beim Menschen sind in der Hauptsache im Innern des Corti’schen Tunnels zwei Arten von Bündeln vorhanden: 1. an der Mitte der inneren Pfeiler; 2. an den äusseren Pfeilern, über ihrem basilaren Ende. Auch wollte Loewenberg sonst noch ausser- halb des Corti’schen Tunnels ein Bündel Fasern derselben Art zwischen der Mitte der äusseren Pfeiler und der ersten Reihe der Corti’schen Zellen sowie noch ein weiteres Bündel an der Mitte der äusseren Pfeiler gefunden haben. ') Loewenberg, La lame spirale du limacon de l’oveille de ’homme et des mammiferes. Journal de l’anatomie et la Physiol. 1868. 154 Jehita Kishi: Unter den weiteren Autoren sind noch zu nennen: Gott- stein‘), Waldeyer?) und Nuel. Die beiden ersten unter- schieden ebenfalls radiale und spirale Faserzüge. Die radialen Faserzüge, die im Zwischenraume der zwei inneren Pfeiler etwa durch die Mitte der Corti’schen Bogen bis zu den äusseren Haar- zellen verlaufen, bezeichnen diese Untersucher als „äussere radiale Fasern“, und die Fasern, die von den Löchern der Habenula perforata direct bis zu den inneren Haarzellen herantreten, nennen sie „innere radiale Fasern“. Unter den spiralen Faser- zügen unterscheiden sie auch „einen inneren und einen äusseren Zug“; der innere und zugleich schwächere Zug entspricht der Reihe der inneren Haarzellen, der starke, äussere, in drei parallele Abtheilungen gegliederte Zug den drei Reihen der äusseren Haarzellen. Nuel?°), der ungefähr dieselbe Ansicht wie Waldeyer vertritt, sagte von den Nervenfasern: Im Tunnel verlaufen manche spiral wohl unter 60 äusseren Bogen hin; andere verlaufen mehr schräg; einige nähern sich der radiären Richtung, ohne wirklich radiär zu werden. Ausserdem sah Nuel ebenso wie Waldeyer ein System paralleler spiraler Fasern an den Stielen der inneren und äusseren Haarzellen, welche viel dünner und feiner als die Nervenfasern unter den Corti’schen Bogen sind, wollte dieselben aber nicht als Nervenfasern ansehen; auch zwischen den äusseren Stützzellen sah Nuel ein System solcher spiraler Fasern. Obgleich die Ansichten der Forscher, die ich bisher erwähnt habe, in verschiedenen Punkten von einander abweichen, sind sie doch in der Hauptsache einig. Wir können danach als gesichert annehmen, dass es unter den Endnervenfasern des Nervus cochleae zwei verschiedene Fasersysteme giebt, die als die transversalen und die longitudinalen oder als die radialen und die spiralen Nervenzüge bezeichnet worden sind. Es fanden sich aber ander- seits auch damals bekannte Autoren, welche das Vorhandensein der Spiralzüge in Abrede stellten, nämlich Middendorf und Boettcher. 1) Gottstein,l. c, Waldeyer, l..c. 3) Nuel, Beitrag zur Kenntniss der Säugethierschnecke. Archiv für mikroskop. Anatomie. 1872. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 155 Boettcher!) schrieb: „Die longitudinalen Fasern werden nicht eher anerkannt werden, als sie auf dem Durchtritt de- monstrirt sein werden. Das hat aber noch Niemand gethan, ja, es hat an einem solchen sogar noch Niemand die Stelle angeben können, wo sie liegen.“ Das Vorhandensein dieser beiden End- nervenfasern wurde durch die genaueren Untersuchungen von anderen Forschern immer weiter gesichert. Insbesondere sind auch hier unter den Autoren Retzius, Hensen, Lavdowsky und Nuel zu nennen. Hensen?) erklärte zuerst in seiner 1875 veröffentlichten Besprechung, dass ihm das Vorhandensein der longitudinalen Stränge der Nerven nun nicht mehr zweifelhaft sei. Er sagte, dass diese Nerven eigentlich als Nervenplexus bezeichnet werden müssten, von dem ein innerster longitudinaler Nervenzug nach innen von dem inneren Pfeiler, ziemlich dicht neben diesem, in dem Epithelrest des grossen Wulstes liegt; die zweiten longi- tudinalen Nervenzüge liegen diesem gegenüber ein wenig tiefer. Die beiden Faserzüge werden verbunden durch kurze Querstränge, welche zwischen je zwei inneren Pfeilern hindurchgehen. Von dem äusseren der beiden Züge gehen dann Fasern quer durch den Tunnel, in einer den äusseren Pfeilern entsprechenden Zahl, zwischen diesen oberhalb ihrer Füsse hindurch, um einem dritten longitudinalen Nervenzweige anzuliegen. Lavdowsky°) unterscheidet unter den Endnervenfasern die Radial- und Spiralnerven, und theilt jene wieder in die inneren und äusseren Radialnerven. Die inneren Radialnerven gehen zu den inneren Endzellen, und die äusseren Radialnerven dringen durch die acustische Körnerschicht, ohne sich mit deren Elementen zu vereinigen, zwischen je zwei Pfeilern hindurch und theilen sich in zwei Schichten. Die eine von diesen verläuft geradeaus und sehr wenig oder nicht verzweigt, ungefähr nach der mittleren Höhe der äusseren Bogen, um alsdann in die Reihen der äusseren Endzellen einzudringen; während die andere Schicht mit ver- ästelten und getheilten Fasern fast parallel mit dem Tunnelboden läuft, frei über der Membran gelagert, und in einzelnen Regionen !) Boettcher, Kritische Bemerkung und neue Beiträge zur Literatur des Gehörlabyrinthes. Dorpat. 1872. 2) Hensen, Besprechung. Archiv für Ohrenheilkunde. 1873. °) Lavdowskyl. ce. 156 Jehita Kishi: sich seitwärts wendet. Diese letzteren hat Lavdowsky als S-artig gebogene Radialnerven bezeichnet. Ueber die Spiral- nerven sagte er, dass sie, besonders diejenigen unter ihnen, welche zu den inneren Endzellen gehören, bedeutend dünner als die Radialnerven seien, und dass die anderen drei Züge der äusseren Spiralnerven stets einander parallel durch alle drei Windungen hinzögen, nämlich der erste Zug zwischen den ersten und zweiten Corti’schen Zellen, der zweite zwischen den zweiten und dritten Corti’schen Zellen, der dritte zwischen den dritten Corti’schen Zellen und den Hensen’schen Stützzellen. Nuel') stellte auch Untersuchungen an über die Schnecke des Hundes und der Katze und bestätigte das Vorhandensein der spiralen Nervenfasern im Tunnelraum. Ausserdem fand er beim Hunde noch eine besondere Art von Nervenfasern, am oberen Ende des Schneckencanales, in grosser Menge. Diese behalten ihre Markscheide noch im Tunnelraum, ja sogar bis zu den äusseren Pfeilern; sie zeigen im Tunnel eine spirale Richtung, in dem sie schief nach aussen gehen und geben plötzlich ihre Markscheide ab und setzen dann ihren spiralen Verlauf weiter fort, bis sie zwischen den äusseren Pfeilern heraustreten. Mehr als die Hälfte der Fasern verliert jedoch ihre Markscheide schon vor dem Eintritt in den Tunnel. Nuel erklärte ferner, er habe gegen die Basis der Schnecke des Hundes und der Katze keine Spiralfasern mehr gesehen, weshalb er auch annimmt, dass alle Fäserchen hier m radialer Richtung den Tunnel durchziehen. seim Kaninchen, Meerschweinchen und Schaf fand Nuel, dass alle Nervenfäserchen als blasse Fasern in radialer Richtung den Tunnel durchgingen. Ausserhalb des Tunnels fand Nuel zwei verschiedene spirale Nervenfasersysteme. Das eine findet man in der Gegend der Cylinder der Deiters’schen Zellen; es ist dies ein System spiraler, ziemlich kräftiger, varicöser Fasern, welche, unter einander parallel, zuerst allmählich, dann schneller gegen die Corti’schen Zellen emporsteigen. Wenn man dann den Tubus etwas senkt, erblassen die Fadenfortsätze der Corti’schen Zellen sowie die varicösen Fasern, und man sieht die Cylinder der Deiters’schen Zellen mit ihren unebenen Contouren. Zu gleicher Zeit tritt ein System äusserst feiner, nie varicöser Fasern ’) Nuel, Recherches mieroscopiques sur l’anatomie du limacon des mammiferes. 1878. Ueber den peripheren Verlauf uud die Endigung des Nervus eochleae. 157 entgegen, welche ganz spiral, nie nach oben zu den Corti’schen Zellen und nie nach unten in der Nähe der Membrana basilaris verlaufen. Diese Fasern bilden das zweite System. Retzius!) hat in seiner grossen Arbeit die Verlaufungs- weise der Endnervenfasern der Schnecke der Kaninchen, Katze und des Menschen sehr genau vergleichend beschrieben. Nach seinen Angaben lösen sich die Nervenfasern, nachdem sie nackt aus den Löchern der Canälchen der Habenula perforata ausge- treten sind, in schmale Fibrillenbündel auf, welche zwischen den unteren Enden der inneren Stützzellen emporsteigen und zum allergrössten Theil in den von Hensen beschriebenen innersten spiralen (longitudinalen) Strang eintreten: Beim Kaninchen sah Retzius nach oben zum Bereich der inneren Haarzellen empor- steigende feine varicöse Nerven, welche das untere Ende dieser Zellen umschweiften. Dieser innerste spirale Strang erscheint im Querschnitt als ein ovaler Körper, welcher sich durch den Glanz von den nahe liegenden Kernen der Epithelzellen. unterscheidet; oft aber erscheint er dünn und nicht besonders scharf abgrenz- bar, weil seine Fibrillen nicht eng an einander gedrängt, sondern mehr aufgelöst und isolirt verlaufen. Von demselben gehen durch die schmalen unteren Spalten zwischen den inneren Pfeilerzellen kurze Nervenbündel ab, welche zu dem an der äusseren Fläche der inneren Pfeilerzellen, nahe an ihren Füssen und dieht über ihren Kernen, hinstreichenden, längst bekannten spiralen Nerven- strang verlaufen und schliesslich sich in ihn einsenken. Dieser Strang, der nach seiner Meinung mit Recht der Tunnelstrang heissen könnte, war etwas dicker als der innerste Strang, im Querschnitte gewöhnlich oval oder rundlich-oval. Von ihm gehen in ganz kurzen Zwischenräumen die längst bekannten, radialen Fasern ab, welche sich etwas erheben und ziemlich gerade nach aussen zwischen die äusseren Pfeiler verlaufen; sie könnten die radialen Tunnelfasern genannt werden. Nachdem sie die äusseren Pfeilerzellen passirt, tauchen sie in jene complieirte Partie der Papilla basilaris ein, die unter den äusseren Haarzellen liegt. Retzius sah auch schon um die Deiters’schen Zellen, 12—16 Reihen glänzender Punkte, welche oben vom unteren Ende der Haarzelleu herab bis in die Nähe der Basilarmembran vertheilt sind. Diese Punkte halten drei Züge ein; der erste Zug liegt 1) Retzius, Le. 158 Jchita Kishi: zwischen den äusseren Pfeilerzellen und den ersten Deiters’schen Zellen, der zweite zwischen den ersten und zweiten Deiters- schen Zellen, der dritte zwischen den zweiten und dritten Deiters’schen Zellen. Retzius konnte diese Punktzüge bei manchen Isolationspräparaten sehr deutlich nachweisen und über- zeugte sich hierbei sowohl von ihrer Zusammensetzung aus Fäserchen als von ihrer Aehnlichkeit- mit wahren Nervenfäserchen. Retzius beobachtete ferner, dass die den Tunnel durchziehenden und zwischen die äusseren Pfeilerzellen verlaufenden Radialfäserchen sich zu den oben beschriebenen spiralen Fäserchen umbiegen. Diese Thatsache konnte er in mehreren Präparaten ganz unzwei- deutig und sicher constatieren; selten aber gelang es ihm, den Verlauf der Radialfasern zu den beiden äusseren Zügen zu sehen. 3ei der Katze fand Retzius, dass die durch die Habenula perforata durchkommenden nackten Fasern sich schnell in körnige Fibpillen auflösen; ein Theil dieser Fibrillen biegt sich nach der Seite hin um und verläuft in spiraler Richtung weiter, den ersten oder inneren Zug der Spiralfasern bildend. Theils von diesen Spiralfasern, theils direet von den aus der Habenula perforata austretenden Fasern steigen varicöse Fasern zu den unteren Enden der inneren Haarzellen empor. Von diesem inneren Spiralfaser- zug treten zwischen den inneren Pfeilerzellen radialverlaufende Fasern in den Tunnel hinein, in dem sie wie beim Kaninchen, einen Spiralfaserzug an der Aussenseite der inneren Pfeilerzellen, den sogenannten zweiten spiralen oder Tunnelfaserzug bilden. Von diesem spiralen Zuge gehen dann die bekannten radialen Tunnelfasern nach aussen hin, indem sie sich gewöhnlich etwas erheben, und durch den Tunnelraum zwischen je zwei äusseren Pfeilerzellen, radial die innere Abtheilung des Nuel’schen Raumes durchziehen und mehr oder weniger hoch zu den Deiter’schen Zellen herantreten. Aber, sagte Retzius, „nicht selten nehmen sie jedoch einen anderen, weniger geraden Verlauf durch den Tunnelraum, indem sie sich zum Tunnelboden senken, sich ungefähr an der Grenze der Fussplatten der inneren und äusseren Pfeilerzellen anheften, hier zuweilen entweder den ganzen oder einen accessorisch spiralen Zug bilden und sich dann wieder erheben, um zwischen den äusseren Pfeilerzellen radial zu den Deiter’schen Zellen zu treten. An der inneren Seite der Deiters’schen Zellen augelangt, biegen sich alle diese Radial- fasern wirklich um und verlaufen dann spiral.“ Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus eochleae, 159 Die allgemeine Verlaufungsweise der Endnervenfasern beim Menschen entspricht nach seinen Beobachtungen nicht der bei Kaninchen und Katze. Dagegen fand Retzius, dass der Tunnel- faserzug, welcher in spiraler Richtung umbiegt, auf dem Quer- schnitte als scharf begrenzter, rundlicher oder ovaler Strang den ganzen Tunnel entlang zieht. Ferner findet sich ungefähr in der Mitte der inneren Seite der Reihen der Deiters’schen Zellen je ein äusserer spiraler Zug (also drei bis vier Züge), welcher aus einer dicht gedrängten Masse von parallel neben einander ver- laufenden, feinen varicösen Fäserchen besteht; diese Fäserchen liegen beim Menschen in der Regel viel dichter beisammen und bilden auf dem (Querschnitt ein länglich ovales Bündel, welches sich der Innenseite der Körper der Deiters’schen Zellen anschmiegt und nach oben hin bis zum unteren Ende der äusseren Haar- zellen reicht. Das erste dieser Bündel liegt an der inneren Seite der ersten Reihe der Deiters’schen Zellen; das zweite, dritte und vierte liegt zwischen den betreffenden Deiters’schen Zellen zweiter, dritter und vierter Reihe. Zuweilen und zwar besonders in der Basilarwindung, liegen jedoch die Fasern nicht so dicht beisammen, sondern etwas von einander getrennt, in dünner Reihe neben den Deiters’schen Zellen, in gleicher Weise wie bei Kaninchen und Katze, und man trifft dann ihre körnchen- ähnlichen Durchschnitte noch tiefer, bis in die Nähe der Basilar- membrane. Tafani'), der hauptsächlich an Affen seine Untersuchungen angestellt hat, sagte, dass die Nerven, so wie sie die Habenula perforata verlassen hätten, die Markscheide verlören, dann längs der inneren Fläche der inneren Pfeiler nach deren Fuss zögen, und sich darauf zu einem einzigen Längsbündel vereinigten. Sie geben allmähliche seitliche Fäden ab, welche sich fast immer in den untersten Theil der Längsfasern zwischen den inneren Pfeilern eindrängen. An der äusseren Fläche der inneren Pfeiler bilden die Fasern wieder ein kleines Bündel, von dem in bestimmten Intervallen radiale Fäden abgehen. Im Corti’schen Tunnel steigen die Fasern also von der Basilarmembrane aus nach aussen auf- wärts. Die Nerven treten an die Corti’schen Zellen gerade dort, wo sie von den Deiters’schen Zellen umfasst werden. Noch ”) Tafani, D’organe de Corti chez les sings. Archiv. ital. de biologie 1885. 160 Jehita Kishi: etwas tiefer gelegen als diese Fasern, zieht eine andere Serie von der inneren Fläche der äusseren Haarzellen der ersten Reihe zu den entsprechenden Flächen der zweiten und darauf der dritten Reihe; worauf sie noch höher aufsteigen zu einigen Zellen in der Spitze der Schnecke. L. Katz!), dessen Untersuchungen sich auf die Schnecke des Kaninchens, der Katze und Maus erstrecken, bestätigt im Wesentlichen die Beschreibung von Retzius. Nur in folgenden Punkten hatte er über die von diesem Forscher beschriebenen und genau localisirten spiralen Faserzüge eine etwas abweichende Meinung; nämlich Katz behauptete, dass der innerhalb der inneren Pfeilerzellen gelegene innerste Spiralzug, mit einem hier befindlichen Netz von Nervenfasern im Zusammenhang steht. Aus diesem Netzwerk sollen feine Fäserchen hervorgehen, welche zu dem unteren Ende der inneren Stäbchenzellen verlaufen, diese umgreifen und sich in 2—3 Fortsätze der inneren Stäbchenzellen einsenken. Dieser Autor fand ferner, dass die von dem bekannten spiralen Tunnelstrange nach aussen verlaufenden Fäserchen, in verschiedenen Höhen den Tunnel durchziehen. Die am höchsten gelegenen ziehen zwischen den äusseren Pfeilern hindurch direct zu dem innerenseits des von ihm als „zangenbeckenförmige Ge- bilde“ bezeichneten Theiles der Stützfasern der Deiters’schen Zellen, welches die äusseren Pfeilerzellen aufnimmt. Die tiefer verlaufenden radiären Fäserchen gelangen auf demselben Wege zur inneren Seite der Stützfasern selbst, und hier sieht man von ihrer Basis bis zu den zangenbeckenförmigen Gebilden hinter einander kleine Knöpfchen, welche wiederum Querschnitten solcher spiralen Nervenfaserzüge entsprechen, die aus der Umbiegung herantretender radiärer Fasern hervorgingen. Von der am zangenbeckenförmigen Gebilde gelegenen obersten spiralen Faser glaubte Katz sehr kurze Nervenfäserchen an das untere Ende der Corti’schen Zellen herantreten zu sehen. Wie die Literatur über die Verlaufungsweise der Endfasern des Nervens cochleae, die wir oben kurz angeführt haben, zeigt, kann kein Zweifel darüber bestehen, dass jene Endfasern, welche die Autoren als die longitudinalen und transversalen oder als radiale und spirale Züge bezeichneten, dieselben Nervenfasern !) IL. Katz, Ueber die Endigung des Nervus cochleae imCorti’schen Organ. Archiv f. Ohrenheilk. Bd. XXIX. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 161 sind, welche nur wegen des bald radialen bald spiralen Verlaufs der Faser bald als radiale bald als spirale Züge unterschieden worden sind. Ferner steht die Thatsache fest, dass die Ver- laufsweise der Endfasern des Nervens cochleae bei den ver- schiedenen Thieren ebenso verschieden ist und nach Ansicht der Autoren nicht einmal bei einem und demselben Thiere immer gleich ist. . Ich werde nunmehr, was ich über diese Beziehungen bei meinen Untersuchungen gefunden habe, im Folgenden darlegen. Nach meinen Beobachtungen werden die durch die Löcher der Habenula perforata herauskommenden Endnervenfasern in ihrem weiteren Verlauf, wie Boettcher, Waldeyer und Gottstein u. A. auch schon bemerkt haben, jedesmal von den Zellen auf- genommen. Sobald die Nervenfasern die Löcher verlassen haben, verbinden sie sich mit jenen Zellen, die ich schon oben als eigenthümliche Ganglienzellen angesehen und mit den sub- epithelialen Ganglienzellen der Retina verglichen habe. Von diesen Ganglienzellen gehen die Nervenfasern, die ich gewissermassen als Fortsätze dieser Zellen ansehe, theils nach den Zwischen- räumen der inneren Pfeilerzellen, und anastomosirten in ihrem Verlaufe ebenfalls durch seitliche Fortsätze unter einander. Die Fasern, die nach Waldeyers Beschreibung von den Löchern der Habenula perforata aus direct durch die Körnerschicht hin- durch nach den inneren Haarzellen ziehen sollen, habe ich bisher nicht finden können. Ebenso ist mir auch das Vorhandensein des innersten spiralen Zuges, den zuerst Hensen genau be- schrieben und Retzius und Katz constatirt haben, ganz zweifelhaft. Wenn auch Retzius bei dem Kaninchen manchmal den scharf begrenzten Querschnitt dieses Zuges gesehen haben will, und dies der Angabe Boettchers gegenüber, „dass dies Niemand gelungen sei“ besonders hervorhebt, so kann ich mich damit doch nicht einverstanden erklären, weil ich trotz der ver- schiedenen Methoden, besonders auch der gerade von Retzius angewendeten, nach der ich nicht weniger als 30 Kaninchen-Köpfe untersucht habe, doch niemals den Querschnitt, den Retzius gezeichnet hat, sehen können. Ich finde weder auf dem Radialschnitte durch die Schnecke der verschiedenen von mir untersuchten Thiere jenen abgegrenzten Querschnitt dieses Zuges — während alle die anderen Spiralenzüge deutlich zu erkennen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, öl 162 Jchita Kishi: sind —, noch sind auf dem Horizontalschnitte der Schnecke bei Kaninchen, Katze, Hund, Meerschweinchen und Ratten irgend welche Spuren solcher spiralen Fäserchen zu sehen, die wie die anderen spiralen Züge continuirlich verlaufen. Es scheint aller- dings auf dem Horizontalschnitte manchmal bei schwacher Ver- grösserung, als ob der Spiralzug, der dicht ausserhalb der inneren Pfeilerzellen liegt, auch innenseits von denselben vorhanden wäre; aber durch genauere Untersuchung habe ich mich bei starker Vergrösserung jedesmal leicht von dem Irrthum über- zeugen können. Der spirale Zug, den Retzius den Tunnelstrang nennt, liest auf dem Radialschnitte bei allen Säugethieren, dicht an der Aussenseite der inneren Pfeilerzellen in ein Drittel der Höhe des Tunnelraumes. Sein Querschnitt ist gewöhnlich rund oder rund- oval. Form und Grösse dieses Zuges ist aber nicht nur bei den verschiedenen Thieren etwas von einander verschieden, sondern auch in der Gegend der Schneekenwindung eines und desselben Thieres oft ungleich. Gewöhnlich ist dieser Spiralzug, wie schon viele Autoren richtig angegeben haben, ein ganz scharf begrenzter Strang; doch habe ich beim Hunde, manchmal auch beim Kanin- chen, noch einige kleine Züge, die unterhalb des grossen Haupt- zuges lagen, gesehen. Von diesem Tunnelstrange gehen die sogenannten radialen Tunnelfasern nach aussen ab. Diese Fasern laufen bei Kaninchen und Meerschweinchen gewöhnlich, ein Kleines Bündelchen bildend, durch den Tunnelraum gerade nach aussen oder, indem sie sich etwas erheben, zu dem Spalte zwischen den äusseren Pfeilerzellen. Nicht häufig laufen sie, wie bei anderen Thieren, besonders wie z. B. bei Hund und Katze, absteigend nach dem Tunnelboden oder nach der Fussplatte der äusseren Pfeilerzellen. Ferner findet sich bei Hund und Katze am Boden des Tunnels, wie Figur 3 u. 5 tbs. zeigt, ein spiraler Zug, den Retzius schon bei der Katze zuerst beschrieben hat. Dieser Zug ist gewöhnlich kleiner wie der Tunnelstrang und bildet einen accessorischen spiralen Zug. Von diesen Spiralzügen laufen die radialen Fäserchen theils nach oben aussen durch die Zwischenspalten der äusseren Pfeiler- zellen in Nuels Raum, theils gerade nach aussen durch den unteren Raum des Zwischenraumes der äusseren Pfeilerzellen in die Umgebung der Deiters’schen Zellen. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae, 163 Woher stammen nun diese spiralen Züge, die ich Tunnel- bodenspiralzüge nennen will? Die radialen Fasern des Tunnel- stranges, die wie ich kurz oben beschrieben habe, zu dem Boden des Tunnels absteigen, bilden ohne Zweifel zum Theil diese spiralen Züge. Aber doch giebt es noch viele Fäserchen, die innen- seits von den inneren Pfeilerzellen, ohne Beziehung zu dem Tunnelstrange sich zu diesem Zuge vereinigen. Welcher von diesen beiden Faserzügen den Hauptbestandtheil der Tunnelboden- spiralzüge liefert, vermag ich hier nicht zu entscheiden. Was nun die Verhältnisse zwischen den radialen und spiralen Nerven- faserzügen im Tunnelraum betrifft, so sind die Fasern, welche von der Innenseite der inneren Pfeilerzellen zwischen diese hin- durch in den Tunnelraum treten, nicht alle in dem Tunnelstrange vereinigt, sondern einige sind, wie ich oben bei Hund und Katze erwähnte, direet von der Innenseite der inneren Pfeiler- zellen aus, ohne Beziehung zu dem Tunnelstrange zu gewinnen, zu den Tunnelbodenspiralzügen verbunden. Aber es giebt kein radiales Fäserchen, das ohne einen dieser beiden Stränge zu be- rühren, direet zu den äusseren Pfeilerzellen hinliefe, Die sogenannten Radialfasern des Tunnelraumes, die von dem Tunnelstrange in verschiedener Höhe durch den Tunnelraum nach den Zwischenspalten der äusseren Pfeilerzellen laufen, sind. Fortsetzungsfasern der Nervenfasern des Tunnelraumstranges. Auf dem Horizontalschnitte durch die Schnecke liegt die Abgangs- stelle der Radialfasern von dem Spiralzuge bald mehr dem Zwischenraume der inneren Pfeilerzellen, bald mehr der Aussen- fläche derselben Zellen genähert. Im ersten Falle scheint es, als ob die Radialfasern von den Zwischenräumen der inneren Pfeiler- zellen aus direet nach aussen zugingen; doch halte ich dieses für wenig belangreich und meine, dass die durch die Zwischenräume der inneren Pfeilerzellen in den Tunnelraum heraustretenden Fasern, ohne spiralen Verlauf, nicht weiter radial laufen, und dass desshalb die Fasern, die ohne Beziehung mit dem Tunnelstrange zu dem Tunnelboden sich hinziehen, auch den Tunnelbodenspiral- zug bilden. Ferner finde ich auf Horizontalschnitten durch die Schnecke von Hund und Katze im Tunnelraume die von Nuel zuerst be- obachteten Fasern, die von den Zwischenräumen der inneren Pfeilerzellen oder von dem Tunnelstrange aus nieht radial. sondern oO b) 11* 164 Jchita Kishi: etwas in Spiralrichtung und absteigend zum Tunnelboden ver- laufen. Diese Fasern laufen manchmal eine ziemlich weite Strecke im Tunnelraume, aber immer mehr nach aussen, zu der Fuss- platte der äusseren Pfeilerzellen. Obwohl sie also von dem Tunnel- bodenstrange verschieden zu sein scheinen, meine ich doch, dass alle als ihm zugehörig anzusehen sind. Solche Nervenfasern, die wie Nuel schrieb, im Tunnelraume noch ihre Markscheide haben sollen, habe ich niemals angetroffen und muss desshalb an deren Existenz zweifeln. Die in verschiedener Höhe durch die Zwischenräume der äusseren Pfeilerzellen nach aussen ziehenden Fasern verbinden sich mit den lange bekannten äusseren Spiralzügen, die sich auf der Innenseite zwischen den unteren Enden der äusseren Haar- zellen und den Deiters’schen Zellen finden. Diese Züge bilden bei der Schnecke der Säugethiere gewöhnlich drei Reihen und beim Menschen, wie schon Retzius zuerst festgestellt hat, theilweise vier Reihen. Der Querschnitt dieser Züge ist fein- körnig und nicht scharf gegen die Umgebung abgegrenzt; bei gewöhnlichen Radialschnitten ist es schwer, diesen Zug von dem Zellkörper der Haarzelle und der Deiters’schen Zelle zu unter- scheiden. Ferner finden sich auf dem Radialschnitte durch die Schnecke an der Innenseite der Deiters’schen Zellen Querschnitte der Fasern und erscheinen hier als scharf ab- gegrenzte einreihig geordnete runde Punkte. Diese Punktreihen beginnen bei den Säugethieren oben am unteren Ende der äusseren Haarzellen und ziehen sich an der Innenseite der Deiters’schen Zellen in ziemlich regelmässigen Abständen nach der Basilarmembran zu. Die erste Reihe endigt auf der Membran, die zweite, deren Punktzahl geringer ist, in einiger Entfernung von dieser, die dritte mit noch weniger Punkten in entsprechend grösserer Entfernung. Diese Spiralzüge habe ich besonders bei Kaninchen und Hunden genau beobachtet. Bei dem Hunde sind, wie Figur 3 zeigt, die einreihigen Punkte in der ersten Reihe von oben nach unten bis zur Basilarmembrane in ganz regelmässigen Abständen geordnet; die zweite Punktreihe ist nur halb so lang als die erste Reihe und in der dritten finden sich nur 4—5 Punkte in einreihiger Anordnung. Unter den unteren Enden der äusseren Haarzellen bilden die Punkte einen Haufen, der in der Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae, 165 ersten Reihe deutlich sich mit den Radialfasern, welche durch den Tunnelraum herantreten, verbinden. An dieser Stelle be- steht kein Unterschied zwischen den Querschnitten der äusseren Spiralstränge und der einreihigen Fasern, da beide @Querschnitte nicht nur in ihrem Character ganz gleich sind, sondern auch manchmal einige Querschnittpunkte, die in der ersten Reihe unter dem äusseren Spiralzuge liegen, direct mit den Radial- nervenfasern verbunden sind. Bei den Präparaten, die ich durch Formolfixation von frischen Schnecken erwachsener Thiere und nach Doppelfärbung mit Hämatoxylin und Eosin gewonnen habe, ist das Bild, wie Figur 5 zeigt, ganz anders. Auf Radialschnitten sind die äusseren Spiralstränge nicht scharf abgegrenzt und die Punkte darin nicht ganz deutlich zu sehen. Auch sind die einreihigen Punkte an der Innenseite der Deiters’schen Zellen nicht eontinuirlich und doch hat jede Reihe ungefähr die gleiche Zahl von Punkten. Diese Punkte finden sich besonders fein glänzend in den Theilen, wo die Zellkörper der Deiters’schen Zellen nicht körnig sind. Jede Reihe dieser Punkte hat einige grosse Punkte, die im oberen Drittel der Reihe liegen und manchmal mit den Radialnervenfasern verbunden sind. Wenn man diese grossen Punkte bei stärkerer Vergrösserung genau beobachtet, bemerkt man leicht, dass sie aus vielen kleinen Punkten be- stehen. Ferner finden sich zwischen den Hensen’schen Stütz- zellen bald einzelne, bald mehrere aneinander gereihte Punkte, die ganz gleichartig wie die sogenannten einreihigen Punkte erscheinen. Beim erwachsenen Kaninchen ist das Bild meistens gleich dem beim erwachsenen Hunde; nur unter den einreihigen Punkten kommen bisweilen die dicken Querschnitte der vereinigten Fasern vor. Die drei Punktreihen sind ebenso regelmässig geordnet und haben ungefähr die gleiche Anzahl von Punkten, nur sind diese etwas grösser als beim Hunde. Die erste Punktreihe reicht immer bis an die Basilarmembran, und die zweite und dritte bleiben nur etwas davon entfernt. Ferner finde ich beim Kaninchen zwischen den Hensen- schen Stützzellen viele deutliche Punkte, die manchmal durch feine Fasern mit den einreihigen Punkten verbunden sind. Diese Fasern laufen in regelmässigen Abständen von einander, aber in 166 Jchita Kishi: den meisten Fällen nur über eine Zelle. Dieselben Fasern ver- binden zuweilen auch die Punkte zweier verschiedenen Reihen und ebenso zwei Punkte zwischen den Hensen’schen Zellen. Was nun die einreihigen Punkte anbetrifft, so sind sie die Querschnitte der Fasern, die beim Horizontalschnitte an der Innenseite der Deiters’schen Zellen regelmässig, wie Telegraphen- drähte liegend, in spiraler Richtung verlaufen. In demselben Schnitte finden sich unterhalb der äusseren Haarzellen massen- hafte Spiralfaserzüge, die den äusseren Spiralsträngen entsprechen. Diese Spiralfaserzüge verbinden sich mit den durch den Tunnel- raum herantretenden Radialfasern und es ist daher zweifellos, dass sie von den Radialnervenfasern abstammen. Woher stammen aber die einreihigen Spiralfaserzüge? Bei solchen Thieren, in deren Tunnelraume sogenannte Tunnelboden- spiralzüge vorhanden sind, müssen Fasern, die auf dem Tunnel- boden nach aussen verlaufen, entsprechend den Drehungen der Spiralzüge auch Spiralzüge bilden. In der That habe ich beim Hunde gesehen, dass die Fasern von den Tunnelbodenzügen aus den Tunnelboden entlang zwischen den äusseren Pfeilerzellen hindurch in spiraler Richtung verlaufen. Bei den Thieren aber, bei denen keine Tunnelbodenspiralzüge vorhanden sind, wie zum Beispiel bei Kaninchen, ist es schwer den Ursprung dieser Züge zu erklären. Deshalb giebt es Autoren, die diese Züge nicht als Endnervenfasern gelten lassen. Ich halte aber mit Retzius und anderen Forschern daran fest, dass sie als Nervenfasern anzusehen sind. Denn ich habe in den Präparaten von der Schnecke des Kaninchens, die ich mit Flemming ’scher Flüssig- keit fixirte und mit Hämatein gefärbt hatte, gesehen, dass die einreihigen Spiralzüge allmählich nach oben verlaufen und schliesslich sich mit den sogenannten äusseren Spiralzügen ver- einigen, oder unter diesen Zügen direct mit den durch den Tunnelraum herantretenden Radialfasern sich verbinden. Den weiteren Verlauf dieser Spiralzüge beschreibe ich in dem nächsten Abschnitte. Ill. Besondere Endigungsweise der Nervenfasern. Im Jahre 1854 schrieb Kölliker') über die Endigungs- weise des Nervus cochleae, dass die Ausbreitung des Schnecken- | 2) Kölliker, Ueber die letzten Endigungen des Nervus cochleae und Function der Schnecke. Festschrift zum 50 jährigen Doctorjubiläum von F. Tiedemann. 1854. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae, 167 nervus nicht in der Scala tympani endige, sondern dass seine Fasern viel weiter durch die Löcher in der Lamina spiralis membranacea in die Scala vestibuli träten und hier in den Corti’schen Zähnen der zweiten Reihe, die er Corti’sche Fasern benannte, endeten. Diese Annahme von Kölliker fand bei anderen Autoren keine Zustimmung. Vielmehr behaupteten Boettcher!), Leydig?), M. Schultze?°), dass die End- nervenfasern nicht in den Corti’schen Fasern endigen und dass die Corti’schen Fasern überhaupt gar nicht nervöser Natur seien. Kölliker*) selbst wurde in Folge weiterer Unter- suchungen in seiner früheren Ansicht, nach welcher eine Ver- bindung der Nervenfasern mit den Gorti’schen Fasern bestehen sollte, zweifelhaft, nachdem er im Vestibulum des Ochsen mit Sicherheit das Eindringen der Nervenenden in das Epithel der Nervenwarzen gesehen hatte. Von dieser Zeit ab werden die Angaben der Autoren über die Endigungsweise der Endnervenfasern einheitlicher und über- einstimmender. Boettcher’) entdeckte nämlich zuerst, dass die blassen cylindrischen Fäden von den Löchern der Habenula perforata schräg nach oben und aussen hin in eine Reihe läng- licher Ganglienzellen übergingen. Diese Beobachtung bestätigte im nächsten Jahre Deiters‘®), indem er zeigte, dass an der Innenseite des Bogens, der Pars membranosa zunächst, eine weihe cylindrischer ceilientragender Zellen liegt, deren untere Spitze gewöhnlich mehr oder weniger lang ausgezogen ist. Ob- gleich Deiters eine gründliche Untersuchung über die Ver- laufungsweise der Endnervenfasern angestellt hatte, konnte er doch über die Endigungsweise derselben damals noch nichts Genaueres mittheilen. Aber bald darauf wurde die Verbindung !) Boettcher, Observatio microscopiae de ratione qua nervus cochleae mammalium terminatur. Dorpati 1856. ?) F.Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M. 1857. >) M. Schultze, Ueber die Endigungsweise des Hörnerven im Labyrinth. Müller’s Archiv. 1858. *) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen, Dritte Auflage. Leipzig 1859, 5) Boettcher, Weitere Beiträge zur Anatomie der Schnecke. Virchow’s Archiv. 1859. 6%) Deiters, Untersuchung über die Lamina spiralis membranacea Bonn 1860. 168 Jcehita Kishi: der inneren Haarzellen mit den Nervenfasern von Kölliker!) und Middendorf?) beobachtet. Den directen Uebergang der Endnervenfasern in die äusseren Haarzellen hat zuerst Emil Rosenberg?) gesehen. Er wies nach, dass die die Zwischenräume der äusseren Faserreihe passirenden Endnervenfasern in den Bereich der „äusseren Deck- zellen“ gelangen und geraden Weges zu den Corti’schen Zellen verlaufen, an deren unterem abgestumpften Ende sie endigten, indem je ein Fädchen an je einer Zelle mit dem Protoplasma des Zellkörpers verschmilzt.* Die Beobachtung, dass die End- nervenfasern direct mit den inneren und äusseren Haarzellen verbunden sind, wurde später von Boettcher*) und Wini- warter?°) bestätigt. Ersterer glaubte damals allerdings, dass die ab- und aufsteigenden äusseren Haarzellen mit Endfäden des Nervus cochleae in Verbindung ständen. Während in der Nachzeit die meisten Forscher sieh mit dem blosen Nachweise von Verbindungen der Haarzellen mit den Endnervenfasern begnügten, gelang es Hensen), in den äusseren Haarzellen eine bis dahin wunbeachtete eigenthümliche! Bildung zu entdecken, nämlich ovale Kapseln, welche eine glänzende, in Spiraltouren verlaufende Streifung zeigten. Hensen glaubte, dass diese Kapseln Nervenendapparate sein, welche dazu dienten, die Druckwahrnehmung zu vermitteln. Nachdem aber eine Reihe angesehener Forscher, unter ihnen Gottstein‘), Waldeyer°), Nuel’) und Boettcher°®), 2 ») Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Fünfte Auflage. Leipzig 1867. 2) Middendorf, Monatschrift für Ohrenheilkunde. 1868. >) E. Rosenberg, Untersuchungen über Entwickelung des Canalis cochleoris der Säugethiere; Doctorats-Dissertation. Dorpat 1868, *) Boettcher, Ueber Entwiekelung und Bau des Gehörlabyrinthes nach Untersuchungen an Säugethieren. Dresden 1869. 5) Winiwarter, Untersuchung über die Gehörschnecke der Säuge- thiere. 1870. 6), Hensen, Ueber Boettchers Entwickelung und Bau des Gehör- labyrinthes nach eigenen Untersuchungen. Archiv f. Ohrenheilkunde. 1871. o,GottEterln, TC. SWaldeyer,l. ce. ») Nuel, Beitrag zur Kenntniss der Säugethiereschnecke. Archiv f. mikroskop. Anatomie. 1872. w) Boettcher, Kritische Bemerkung und neue Beiträge zur Literatur der Gehörschnecke. Dorpat. 1872, Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae, 169 gerade die Haarzellen als die Endnervenzellen proklamirt und die Verschmelzung der Endnervenfasern mit den Zellkörpern betont hatten, gab Hensen!) zu, dass er zwar nach seinen Be- funden nicht unbedingt der Beschreibung Boettchers und Gottsteins zustimmen könne, es jedoch subjectiv für höchst wahrscheimlich halte, dass der Endverlauf so sei, wie sie an- gegeben hätten. i Obgleich also über die Verknüpfung von Haarzellen und Nervenendfasern, unter den Forschern fast allgemeine Ueber- einstimmung herrschte, weigerte sich doch Retzius?), sich dieser Ansicht anzuschliessen, weil er überhaupt damals über diesen Punkt noch nicht genügende Untersuchungen angestellt hatte. Er schrieb nämlich über die inneren Haarzellen, „theils gehen einzelne Fäserchen an den Haarzellen empor und um- stricken ihre unteren Theile sowie die sie umgebenden Epithel- zellen“. Er fragte ferner: „Wie endigen nun diese Fasern? Hier bleibt eben die grösste Lücke in unserer Kenntniss vom feineren Bau des Gehörorgans. Ich habe mich vielfach bemüht, diese Lücke auszufüllen, bisher aber fast vergebens. So viel ist jedoch sicher, dass die unteren Enden der äusseren Haarzellen die oberen Fasern der Spiralzüge berühren und ihnen sogar an- haften; einen direeten Uebergang der Nervenfasern in die Haar- zellen sah ich aber nie; nie sah ich die von Nuel beschriebenen, naeh oben zu den Haarzellenenden hin emporsteigenden Nerven- fasern. Diese Hauptfrage der Histologie des Gehörorganes der Säugethiere muss meiner Ansicht nach noch als unbeantwortet betrachtet werden“. Nach Retzius veröffentlichte Tafani?) und Katz!) ganz ähnliche Beobachtungen, dass nämlich von den obersten Spiral- fasern sehr kurze Nervenfäserchen an das untere Ende der Corti’schen Zelle heraustreten und auch in den Körper der Deiters’schen Zelle sehr kurze und feine Nervenfasern aus den Spiralfasern hineinstrahlen. ») Hensen, Besprechung. Archiv f. Ohrenheilkunde. 1873. a) Betzius,! c. °) Tafani, loorgane de Corti chez les sings. Archiv ital. de biologie. 1885. *) Katz, Ueber die Endigung des Nervus cochleae im Corti’schen Organ. Archiv f. Ohrenheilkunde. Bd. XXIX, 170 Jcehita Kishi: Wie schon oben erwähnt, zeigten die Resultate der ver- schiedenen Forscher, dass es nicht möglich sei, weitere Kenntnisse über die Endigungsweise des Nervus cochleae zu gewinnen, SsO- lange keine vollkommeren Untersuchungsmethoden vorhanden waren. Ein Fortschritt in der Forschung trat erst ein, nachdem die von Golgi entdeckte Versilberungsmethode der Nerven- fasern, die auch in der Kenntniss der allgemeinen Neurologie einen vollständigen Umschwung hervorgerufen hatte, auch zur Untersuchung der Endigungsweise des Nervus acusticus ange- wendet wurde. Kaiser!), welcher zuerst nach der Golgi’schen Methode das Epithel der Crista und Mucula acustieca untersuchte, wies nach, dass die Achseneylinder sich nach ihrem Eintritte in das Epithel nicht in einzelne Fibrillen auflösen, sondern, dass ein jeder von ihnen ungetheilt zum Grunde einer Haarzelle vor- dringt und dieselbe mit einem kelchähnlichen Ende umfasst; dieser nervöse Kelch besteht aus derselben hyalinen Grundsubstanz wie der Achseneylinder und die darin eingebetteten kräftigen, stark lichtbrechenden Körnchen. Durch Anwendung derselben Methode gelangte Retzius?), der sich in der aller letzten Zeit sehr um die Klarstellung der peripherischen Endigungsweise des Gchörnervens bemüht hatte, auf Grund seiner Untersuchungen bei der Maus und dem Hühnchen zu vollständig neuen Angaben, die er auch bei Kaninchen- embryonen bestätigen konnte. Retzius wies zuerst darauf hin, dass in den verschiedenen Sinnesorganen auch die Endigungs- weise der Nerven sich etwas verschieden verhalte. Er hatte auch im Gehörorgan der Vögel und Säugethiere und zwar so- wohl in den Maculae und Cristae acusticae erkannt, dass die Haarzellen des Epithels nicht, — wie etwa im Riechorgane die Riechzellen mit dem Nervus olfactoruis, — direct mit den Nerven- fasern des Acusticus zusammenhängen, resp. nicht die Ursprungs- zellen dieser Nervenfasern sind, sondern nur von denselben intim umsponnen werden. Dagegen stellte er die bipolaren Ganglien- zellen als den Riechzellen des Riechorgans gleichwertig dar. 1) Kaiser, Das Epithel der Crista und Maculae acusticae. Archiv f. Ohrenheilkunde. 1891. ?) Retzius, Die peripherische Endigungsweise der Gehörnerven. Verh, der anat. Ges. Wien. 1892, Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 171 Retzius behauptete also, dass die Haarzellen des Gehörorgans keine wahren Nervenzellen seien, wie die Riechzellen des Riech- organs, und dass sie daher auch nicht den letzteren gleichwerthig sein könnten, sondern viel mehr als eine Art „indirecter Sinnes- zellen“ aufgefasst werden müssten. Diese neue Auffassung von Retzius, welche er den alten, schon vor langer Zeit von vielen Forschern constatirten Befunden entgegenstellte, wurde im nächsten Jahre von Lenhossek!') bestätigt. Dieser untersuchte nach derselben Methode und zwar dieselben Thiere wie Retzius, hauptsächlich an der Macula acustica sacculi, und erklärte, dass jede der Fasern, die zur Zone der Haarzellen emporsteige, sich hier zuerst zu einem kleinen Knötchen verdicke, dann sich der Basis einer Haarzelle anlege und sich in 3—4 Aeste theile. Diese ziehen rechtwinkelig zu dem Verlauf der zutretenden Faserstränge horizontal, d. h. mit der Oberfläche des Epithels parallel unter einer Anzahl von Haarzellen hin, in enger Berührung mit deren Basis, um schliessllch mit emporgebogenen Spitzen frei zu endigen. Unterwegs geben sie einige aufsteigende Aestchen ab, die an der Seiten- fläche der Haarzellen senkrecht emporziehen, ohne aber jemals die Oberfläche des Epithels zu erreichen. Während diese drei Forscher auf Grund der Golgi’schen Methode zu neuen, wenn auch unter einander abweichenden Resultaten gelangt waren, ging Ayers?) andererseits bei An- wendung derselben Methodik zu alten Anschauungen zurück. Er kam bei seinen Untersuchungen zu folgenden Schlusssätzen ; a) dass die Haarzellen und ihre anhängenden Ganglienzellen eine einzige morphologische Einheit bilden — ein akustısches Element — welche zwischen oberflächlichen und centralen Punkten vermittelt; b) dass keine fundamentale Verschiedenheit zwischen acustischen und olfaktorischen Elementen existirt; c) dass die sogenannten „Spiralfasern“ nur kurze Strecken von Radialfasern sind, welche ihr Ziel nach umlaufendem Wege erreichen ; d) dass alle Fasern des Nervus acusticus, soweit es sicher dargestellt ist, ihren Ursprung in den Haarzellen nehmen. ’) Lenhossek, Nervenendigung im Gehörorgane. Vor. der anat. Ges. 1893. :) Ayers, Ueber peripherisches Verhalten der Gehörnerven und den Werth der Haarzellen des Gehörorgans. Anat. Anz, VIII. Jahrg. 172 Jehita Kishi: Selbst mit der Golgi’schen Methode schien es demnach schwer zu sein, die Endigungsweise der Gehörnerven zu er- mitteln. Desshalbnahm Niemack?)seine Zuflucht zu Ehrlichs Methylenblaumethode, und veröffentlichte auf Grund derselben Befunde, die er mit dieser Methode bei Kaninchen gewonnen hatte. Vier Jahre später theilte dann Krause?) in der anatomischen Gesellschaft in Berlin mit, dass die Zahl der ein- strahlenden Nervenfasern mit der Vergrösserung der Nerven- endstelle wachse. Zunächst gewahre man, dass das freie Ende der Faser sich etwas verdicke, in die Breite wachse, und sich flach, becher- oder kelchförmig aushöhle. Aus diesem ver- breiterten Ende schössen dann zahlreiche Fabrillen hervor, welche den Körper der Epithelzelle eng umspönnen; in anderen Fällen sei die Verdickung des Faserendes von vornherein sehr wenig ausgesprochen; hier sehe man an ihrer Stelle 3—5 kurze, stark gekrümmte, relativ kräftige Zweige aus der Faser hervorsprossen, welche das untere Ende der Epithelzelle klauenförmig eng um- klammern. Häufig erschienen dann nach den Angaben von Krause, bald schwächer, bald stärker blau gefärbte Epithel- zellen, und man könne ganz allgemein sagen, dass sich um so mehr Zellen fänden, je ausgiebiger und präciser die Färbung der Nervenfasern gelungen sei. Dieser Umstand ermögliche es nun auch zu erkennen, wie ausserordentlich eng und innig die Umspinnung oder Umklammerung der Epithelzellen durch die aus der hinzutretenden Faser hervorsprossenden Fibrillen sei. Krause erklärte zuletzt; obwohl seine Resultate in dieser Be- ziehung noch recht fragmentarische seien, so halte er es doch für angezeigt dieselben vorzuführen, da sie von den neueren Resultaten von Retzius und vor allem von denen von Lenhossek wesentlich abweichen und sich mehr den von Niemack und Kaiser ermittelten Beobachtungen näherten. Die beiden genannten Methoden, welche in letzter Zeit von den Forschern zu der Untersuchung der Endigungsweise der End- nervenfasern des Nervus Acustieus angewendet worden sind, haben in der That die Kenntniss der Anatomie des Gehörorgans wesent- 2) Niemack, Maculae und Cristae acusticae mit Ehrlich’s Methylenblaumethode. Anat. Hefte. Abt. 1, Bd. 2. 1892. °») Krause, Die Endigungsweise des Nervus acusticus im Gehör- organe. Verhandl. d. anat. Gesellsch. in Berlin. 1896. Veber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus eochleae. 173 lich gefördert, ohne jedoch sie zum letzten Ziele gebracht zu haben. Es scheint mir sicher, dass die nach verschiedenen Methoden gewonnenen Befunde grade desshalb abweichen, und dass hin- gegen die nach ein und derselben Methode gewonnenen Resultate aus demselben Grunde mit einander übereinstimmen. Desshalb liegt die Folgerung nahe, dass vielleicht die eine von beiden Methoden oder beide fehlerhaft seien. Es war darum “auch unbedingt nöthig, eine neue Methode in Anwendung zu bringen, um die bisher mit jenen beiden Methoden gewonnenen Resultate auf ihre Richtigkeit hin prüfen zu können. Nach vielfachen Bemühungen ist es mir geglückt, eine wie ich glaube, sichere und zweckentsprechende Methode zu finden. Es ist dies eine Färbungsmethode mit Haematein, welches vor mir bereits von Apathy auf das Nervensystem angewandt worden ist, indess in einer Weise, welche die unten beschriebenen neuen Gebilde nicht hervortreten lässt. Mit Hülfe meiner Methode gelang es mir, die durch die letzten beiden Methoden schon erzielten Befunde genauer zu untersuchen. Als besonderen Vorzug dieser Methode den anderen gegenüber hebe ich ausdrücklich hervor, dass man sie nicht nur zur Stückfärfung, sondern auch für einzelne Schnitte verwenden kann, während man mit den beiden anderen Methoden, nur um den Nervus zu untersuchen, entweder das ganze lebende Thier oder das ganze Labyrinth in Be- handlung nehmen muss. Ausserdem bieten diese beiden Methoden besondere technische Schwierigkeiten, die sich bei unserer Färbungs- methode mit Haematein nicht finden. Nur muss man vorher das Material zur Untersuchung ganz vollständig fixiren. Hierzu habe ich Formol oder Formolosmium als besonders tauglich erkannt. Für den ersten Fall empfehle ich, das Material mit Formolwasser- lösung allmählich zu fixiren, und bei Thieren von der Grösse des Kaninchens und der Katze vor dem Fixiren zuerst den Steigbügel aus der Fenestra ovalis ganz vorsichtig herauszunehmen und dann auch die Fenestra rotunda zu öffnen, ohne jedoch die Wand des Duetus cochleae zu verletzen. Nach dieser Vorbereitung legt man das Präparat zuerst in 1proc. Formolwasserlösung, und macht dann nach je 24 Stunden die Lösung immer um 1 Proc. stärker, bis sie am vierten Tage 4 proe. ist, und lässt das Objeet in dieser 4 proe. Lösung einige Tage liegen. Das fixirte Präparat bringt man ohne vorheriges Auswaschen direct in 70proc. Alcohol, lässt es darin 174 Sehita Kishi: 3 Tage liegen, bei ein- resp. mehrmaliger Erneuerung des Alcohols, und legt es dann noch 2 Tage in 96proec. Alcohol. Dann folgt die Entkalkung; zu dieser gebraucht man am zweckmässigsten nach der Vorschrift von Thoma 10—20proc. Salpetersäure- Alcohol (96 Proe.), welcher einen Tag um den andern gewechselt werden muss. Nachdem die Säure mit Caleium earbonieum gräcipirt gesättigten 96proc. Alcohol ungefähr S Tage lang neutralisirt ist, wird das Präparat noch einmal mit 96proc. Aleohol ausgewaschen, weiter nach bekannter Regel in Celloidin oder Paraffın eingebettet und in 15—8 «u dicke Serienschnitte zerlegt. Diese Schnitte kann man theils zur Untersuchung der allgemeinen Structur des ganzen Labyrinthes, theils zur speciellen Untersuchung der Verlaufs- weise und Endigungsweise der Endnervenfasern verwenden. Unsere Methode gewährt also den besonderen Vortheil, dass man an einem und demselben Materiale die ganze Structur des Organs beobachten kann. Sie ist deshalb auch für pathologische Unter- suchungen im hohen Grade zweckmässig. Die Färbstofflösung von Haematein habe ich aus käuflichem Haematein in folgender Zusammensetzung bereitet. Haematein. . 1.0 70proe. Alcohol 100,0. In dieser Lösung liess ich den Schnitt wenigstens 24 Stunden, aber nicht länger als 40 Stunden liegen. Nachdem er einmal mit destillirtem Wasser gewaschen war, blieb er noch weiter nach Erneuerung 4—5 Stunden darin liegen. Da in dem Wasser der Farb- stoff ein wenig redueirt wird, so gewinnt der Schnitt eine hellbraune oder etwas grünbraune Färbung. Dann habe ich den Schnitt 20—24 Stunden in gewöhnliches Wasser hinein gethan, und zwar so, dass er von einer ziemlichen Menge Wassers bedeckt war und tief unten in dem Wasser lag. Nun wurde die Schnittfarbe mehr dunkelbraun oder schwarzbraun. Aus dem gewöhnlichen Wasser brachte ich ihn direet in 96proe. oder absoluten Alcohol und weiter in Carbol-Xylollösung und schloss ihn mit Canadabalsam ein. Nach dieser Methode habe ich die Endigungsweise der End- nervenfaser hauptsächlich bei dem Kaninchen untersucht, und in dem Schnitte Einzelheiten gefunden, welche durch die gewöhn- lichen Färbungsmethoden nicht zu entdecken waren. In solchen Schnittpräparaten zeigt das untere Ende der äusseren Haarzelle, wo es sich mit dem Zellkörper der Deiters’schen Zelle und Veber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 175 mit dem äusseren Spiralnervenzuge berührt, niemals eine scharfe Grenze. Früher glaubten deswegen einige Autoren, dass die Corti’sche Zelle und Deiters’sche Zelle Zwillingszellen seien. Nach meiner Färbungsmethode erscheint in dieser Gegend dicht unter dem Kern der Haarzellen ein neues Gebilde, welches etwa kelchförmig gestaltet, sich besonders stark färbt und von der Um- gebung ganz scharf abgrenzbar ist. Bei stärkerer Vergrösserung zeigt es keine homogene Structur, sondern ist mehr körnig. Dieses kelchförmige Gebilde umfasst mit seiner Oeffnung das untere Ende der Haarzellen. Die Frage, ob hier die Haarzellen durch das kelchförmige Gebilde umsponnen oder umklammert sind, oder ob es mit dem Zellkörper verschmolzen ist, muss nach meiner Untersuchung dahin entschieden werden, dass es mit dem Zellkörper vereinigt ist, resp. einen Endtheil der Haarzellen bildet. Denn, obwohl zwischen dem Kern der Haarzellen und dem Boden des kelchförmigen Gebildes ein sichelförmiger Raum, wie Fig. 6 kb. zeigt, sich befindet, so ist doch dieser Raum nicht leer, sondern mit dem Zellprotoplasma ganz erfüllt, und der Rand des kelchförmigen Gebildes geht ohne scharfe Grenze in die Oberfläche der Haarzellen über. Von der am unteren Ende befindlichen Spitze des kelchförmigen Gebildes setzt sich ein kurzes Fädchen fort, welches manchmal deutlich mit dem äusseren Spiralnervenzuge verbunden ist. Desshalb stellt nach meiner Ansicht das kelchförmige Gebilde eine eigenthümliche Structur des unteren Endes der Haarzellen dar. Ich finde keinen wesent- lichen Unterschied zwischen diesen Zellen und den Riechzellen des Riechorgans. Auch bei den Riechzellen findet sich an der Stelle, wo die einzelnen Fasern des Nervus olfactorius entspringen, ein ähnliches Gebilde. Es ist mir darum zweifellos, dass die Endnervenfasern in den Haarzellen endigen, resp. dass der Nervus cochleae von den Haarzellen stammt, gerade wie der Nervus alfactorius von den Riechzellen. Die Zweigfasern, die Krause durch die Methylenblaumethode von der Gegend des kelchförmigen Gebildes ab auf der Oberfläche der Zellkörper der Haarzellen emporsteigen sah, habe ich niemals bemerken können; vielleicht sind sie ein Kunstproduct seiner Vorbehandlungsmethode. Ebenso habe ich die Aestchen von Nerven, die nach Lenhosseks Beschreibung an der Seiten- fläche der Haarzellen senkrecht emporziehen sollen, ohne aber 176 Jchita Kishi: jemals die Oberfläche des Epithels zu erreichen, beim Corti- schen Organ niemals getroffen. Ferner habe ich mit dieser Methode die sogenannten ein- reihigen Spiralnervenzüge genau beobachtet, und es ist mir im hohem Grade zweifelhaft geworden, ob diese Fasern, wie die Nervenfasern der äusseren Spiralnervenzüge, auch in den Haar- zellen endigen, weil ich ganz dieselben Fasern ausserhalb der äussersten Reihe der Deiters’schen Zellen unter den Hensen- schen Stützzellen bemerkt habe. Hier verlaufen die Fasern nicht ganz in Spiralrichtung, sondern nur in regelmässigen Abständen von einander in verschiedener Richtung, und verbinden sich recht oft mit den einreihigen Spiralnervenzügen. Wie sie nun aber in den Hensen’schen Stützzellen endigen und was für eine specielle Bedeutung sie haben, vermag ich zur Zeit nicht zu sagen, weil meine Untersuchungen hierüber noch nicht voll- ständig zum Abschluss gebracht sind. Als ich diese Arbeit vollendet hatte, veröffentlichte G. Retzius seine neue Untersuchung, „Zur Kenntniss der Gehör- schnecke“. (Biologische Untersuchungen. Neue Folge Bd. IX). Darin schrieb er, dass er mit Hilfe der Heidenhain’schen Eisen-Hämatoxylinmethode dieht unter dem Ende der äusseren Haarzelle in dem Deiter’schen Zellkörper einen Körnchen- körper gefunden habe. Vielleicht ist dieser nichts anders, als das Gebilde, das ich durch meine Hämateinfärbung gefunden habe, das aber, wie ich schon oben genau geschrieben habe, nach meiner Beobachtung, nicht zu der Deiters’schen Zelle sondern zur äusseren Haarzelle gehört. Ich will hierbei noch besonders darauf aufmerksam machen, dass die Spitze dieses becherförmigen (Gebildes immer nach dem äusseren Spiralnervenzuge gerichtet ist und manchmal damit verbunden erscheint. Auch möchte ich ebenfalls hier noch hervorheben, dass ich weder an der Umgebung dieses Gebildes noch am unteren Ende der äusseren Haarzellen eine Spur von Nervenfasern bemerkt habe, die nach Retzius u. A. den Zellkörper der Haarzellen umspinnend vorhanden sein müssten, während dagegen meine Färbungsmethode sehr feine Fädchen der anderen bekannten Spiralfasern ganz deutlich zu sehen sind. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. Lt Die Schlusssätze. A. Im sogenannten „Epitheldreiecke“ der Schnecke von Säugethieren finde ich ausser den inneren Haarzellen noch drei verschiedene Zellen: 1. Epithelzellen, die den Epithelzellen des Suleus spiralis internus entsprechen. 2. Die sogenannten inneren Stützzellen, die einen länglich ovalen Kern haben. 3. Eigenthüm- liche Ganglienzellen, die mit den Fasern des Nervus cochleae verbunden sind. B. Auf der Innenseite der inneren Pfeilerzellen resp. im sogenannten Epitheldreiecke finde ich bei Kaninchen, Meer- schweinchen und Hunden keine Spiralfasern, im Unterschied zu den Angaben von Hensen, Retzius und Katz u. A. C. Die Endnervenfasern, die durch die Zwischenräume der inneren Pfeilerzellen hindurch treten, laufen nach meiner Ansicht alle eine Strecke weit in spiraler Richtung. Dadurch allein ent- steht der Tunnel- und Tunnelboden-Spiralzug. D. Bei Hund und Katze und auch beim Menschen finden sich sogenannte Tunnelbodenspiralzüge, die Retzius zuerst be- schrieben hat. Aber sie fehlen nach meiner Beobachtung nicht nur bei Kaninchen und Meerschweinchen sondern auch bei Ratte, Maus und Schaf. E. Die Hämateinfärbungsmethode bietet bei der Unter- suchung der peripheren Endfasern des Nervus cochleae manche Vortheile vor der Golgi’schen Methode und Ehrlich’s Methylen- blaumethode dar. F. Die Endfasern des Nervus cochleae, welche zu den Haar- zellen treten, gehen je eine in ein bisher noch von Niemand be- schriebenes, an dem unteren Ende der Haarzellen befindliches Gebilde von kelchförmiger Gestalt über, welche sich als einen Theil der Haarzellen betrachte. (4. Nach meiner Beobachtung sind die äusseren Spiralnerven- fasern nur mit den Spitzen jener kelehförmigen Gebilde ver- bunden und steigt kein Fädchen von diesen Nerven zur Um- gebung des oberen Theiles der‘ Haarzellen empor. H. Hinsichtlich des feineren Baues verhalten sich die Haar- zellen des Gehörorgans wie die Riechzellen des Riechorgans, wie schon frühere Autoren angenommen haben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 12 178 JcehitaKishi: I. Die sogenannten einreihigen Spiralnervenzüge endigen nicht alle in den Haarzellen, sondern sie Jaufen zum Theil unter den Hensen’schen Stützzellen weiter, Figurenerklärung der Tafel VI. Allgemeine gültige Bezeichnungen: ip = innere Pfeilerzelle ap = äussere Pfeilerzelle ih = innere Haarzelle ah = äussere Haarzelle dz — Deiters’sche Zellen hs = Hensen’sche Zellen is = innere Stützzellen ez == Embryonalepithelzellen epz = Epithelzellen des Sulcus spiralis internus eg = eigenthümliche Ganglienzellen ts — Tunnelstrang tbs — Tunnelbodenstrang as — äussere Spiralnervenzüge ne = Nervus cochleae esz — einreihige Spiralnervenzüge up = einreihige Nervenfasern unter den Hensen- schen Zellen kb = kelchförmige Gebilde. Fig. 1. Radialschnitt der zweiten Windung eines 3 cm langen Kaninchen- embryo. Hämatoxylin und Carmin Doppelfärbung. Zeiss Apochr. Obj. E. Ok. 2. | Fig. 2. Radialschnitt der zweiten Windung eines zwei Tage alten Kaninchens,. Mit Formol fixirt. Hämatoxylin und Eosin doppelt gefärbt. Zeiss Apochr. Obj. E. Ok. 2. Fig. 3. Radialschnitt der zweiten Windung eines zehn Tage alten Hundes. Mit Osmiumsäure fixirt. Hämatoxylin Färbung. Zeiss Apochr. Obj. E. Ok. 2. Fig. 4. Radialschnitt der ersten Windung eines erwachsenen Kaninchens. Mit Formol allmählich fixirt. Hämatoxylin Eosin doppelt gefärbt. Zeiss Apochr. Obj. E. Ok. 2. Fig. 5. Radialschnitt der zweiten Windung eines erwachsenen Hundes, Mit Formol fixirt. Hämatoxylin Carmin doppelt gefärbt. Zeiss Apochr. Obj. E. Ok. 2. Fig 6. Radialschnitt der zweiten Windung eines erwachsenen Kaninchens, Mit Formol allmählich fixirt; mit Hämatöin gefärbt. Zeiss Apoch. E. Ok. 4. Ueber den peripheren Verlauf und die Endigung des Nervus cochleae. 179 Lebenslauf. Ich Jchita (Kazuta) Kishi wurde geboren am 28. August 1874 zu ÖOkayamaken (Japan). Ich besuchte das Gymnasium zu Okayama, woselbst ich im September 18953 das Zeugniss der Reife erhielt. Dann studirte ich an der kaiserl. medieinischen Hochschule No. 3 und bestand am 25. November 1897 daselbst mein Staatsexamen. Vom 1. April 1898 an war ich als Assistenzarzt an einer Anstalt für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten zu Tokyo thätie. Am 13. Januar 1900 verliess ich meine Heimath, um in Europa weitere Studien in der Otologie zu machen. Seit meiner An- kunft in Europa studirte ich bis jetzt drei Semester auf der Uni- versität Halle a. d. S. und bestand daselbst meine Fakultätsprüfung am 14. Juni 1901. Während meiner Studienzeit besuchte ich die Vorlesungen folgender Herren: In Japan: DB AdachıgS. Arakt; T., Arakı, H2Date, 8, Furu- hawa, Z. Jnoue, M Jnoue, F. Katsurada, S. Kuma- gai, K. Sakata, K. Takahashi, S. Tsuge, S. Yoshi- mura. In Halle: C. Fränkel, C. Grunert, E. Mehnert, W. Roux, H. Schwartze. Er, Je Ps MARS Pr A a0 Pi A f N R n #4 - ren , Tin I : KUREN Ri h hi ET art FAy| ah BR il. re a NBERE f/ [9 RR a ee Bi | PT TEE 2 ae zullar 1 | in ı elle MR u Y Be. 7 ill! st a NEE li = 5. En | Ber Rot Tr SAT ir ra in IR {EICHE ni | R- 13 Dee bit Rd Be ee el Nas a ne nih 2 TE!“ N E =} Er Mi? a2 a BAG Er, SEE . Buchdruckerei Aug. N P i R \ & ) Ia7ıf h A I} ae ee A | Pi .. } rt er ee 7, un euer ch 57 IM. BE Pr ! “ ir, we Er} ‚ % 2 FH u f r « BN\ > PR N NIT I ch “ Bu i le Ye ef *- wir k = ri » ’ Kr Fr 5 & / : £ ae az L) I A \ { “u in f 2 ur n Ki u) A DT, Zei: | 2 14 h 18 z \ a a ur. re Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock. Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge der Aeolidier. Von Ernst Krembzow. Hierzu Tafel VII und VIII. Die mannigfachen Controversen, die auch heute noch, trotz der grossen vorhandenen Litteratur über den feineren Bau der Aeolidier herrschen, veranlassten mich dazu, eine im Strom von Warnemünde vorkommende Spezies dieser Gruppe — Aeolis exigna Alder et Hancock — näher zu untersuchen. Ich hatte zunächst die Absicht, eine monographische Be- schreibung dieser Nacktschnecke zu geben, bald aber entschloss ich mich aus Gründen, die ich weiter unten des Näheren aus- einandersetzen werde, auf den Rath meines hochverehrten Lehrers Herrn Prof. Dr. Seeliger mich mit den diesen Thieren eigen- thümlichen Rückenanhängen oder Üerata allein zu beschäftigen. Deshalb beschränkte ich mich auch nicht auf die angegebene Spezies, sondern untersuchte auch noch genauer die Rücken- anhänge von Aeolidrella glauca Alder et Hancock, die Herr Prof. Seeliger im April 1900 im Triest gesammelt hatte, und die er so liebenswürdig war mir zu überlassen. Fast am Schlusse meiner Arbeit erhielt ich noch einige Aeolidier von der zoologischen Station in Neapel, über welche ich an geeigneter Stelle mit berichten werde. Es waren folgende Spezies: Spurilla neapolitana Bergh, Fiona nobilis Alder et Hancock, Coryphella lineata Loven, Janus cristatus Delle Chiaie. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 13 182 Ernst Krembzow: Da ich beim Sammeln von Aeolis exigna reichlich Ge- legenheit hatte die Lebensbedingungen und die Lebensdauer dieser Thiere näher kennen zu lernen, so will ich angeregt durch Hecht’s!) Beobachtungen ganz kurz darauf eingehen. Allgemein bekannt ist, dass Aeolis exigna in Warnemünde auf Cordylophora lacustris, einem Hydroidpolypen, der im dortigen sogenannten Strom auf Mytylus edulis und Fucus versiculosus in grosser Menge vorkommt, gefunden wird. Die Zeit ihres Erscheinens scheint in den einzelnen Jahren verschieden zu sein. Herr Prof. Will sagte mir, dass er in früheren Jahren Aeolis exigna meistens schon im Juni gesehen habe. Ich fand diese Schnecke, trotzdem ich von Anfang Mai an fast wöchentlich die Cordylophora-Stöckchen absuchte, erst Ende Juli. Zu dieser Zeit trat sie aber so massenhaft auf, dass in kurzer Zeit, die sehr üppig wachsenden Polypen bis auf die durch das chitinöse Periderm geschützten Stiele fast voll- ständig abgeweidet waren. Dieselbe Beobachtung hat R. Pauly?) Anfang August des vorhergehenden Jahres gemacht, als er im Brackwasser von Warnemünde Cordylophora lacustris sammelte, hat jedoch, was ich hier gleich bemerken möchte, keine Aeolis exigna mehr gesehen. Was die Lebensdauer dieser Thiere anbelangt, so sagt Hecht?), dass die Nudibranchier zu denen gehörten, den man kein bestimmtes Alter zumessen könnte und deren Lebensdauer ganz unbestimmt sei. Er stellt dann die Frage auf, ob diese Thiere nach dem Ablegen der Eier stürben oder etwa nur tiefere Meeresschichten aufsuchten und nach einem oder mehreren Jahren wiederkämen, um das Geschäft des Eierlegens von Neuem zu beginnen. Ich möchte nach meinen Beobachtungen die Frage dahin beantworten, dass Aeolis exigna nur eine verhältniss- mässig kurze Lebensdauer zukommt, selbst wenn mir für kurze Zeit ihr Erscheinen entgangen wäre. Denn bis zum 15. Juli ungefähr habe ich fast allwöchentlich die Cordylophora-Stöckchen ') Hecht, E. Contribution & l’ötude des Nudibranches. ®) R. Pauly, Untersuchungen über den Bau und die Lebensweise von Cordylophora lacustris Allmann. Vorl. Mittheilung des zoolog. Anzg, XXIII. Bd. Nr. 627. 3) Hecht, E., Contribution & l’&tude des Nudibranches, Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhähge ete, 183 selbst mit der Lupe ohne Erfolg abgesucht, am 25. Juli habe ich die ersten Exemplare gefunden und am 10. August waren keine Schnecken mehr zu sehen. Weiterhin glaube ich, dass dieselben nach dem Ablegen ihrer Eier zu Grunde gehen; denn einerseits habe ich schon tote Thiere besonders auf den Stöcken gefunden, die dicht mit Eiern behangen waren, andererseits sind mir sämmtliche Aeolidier, "die ich unter sehr günstigen Verhältnissen in ein eignes Aquarium gesetzt hatte, in kurzer Zeit gestorben, nachdem sie ihre Eier ebenfalls abgelegt hatten. Auf die weitere Hypothese Hecht’s möchte ich nicht ein- gehen, weil ich keine Beobachtungen darüber anstellen konnte, will aber eines Punktes nicht zu erwähnen vergessen, der sich auf die sog. Schutzfarben der Aeolidier bezieht. Hecht), Herdmann?’), überhaupt fast alle, die sich mit den Nudi- branchiern beschäftigt haben, führen die oft sehr verschiedenen Farben innerhalb derselben Spezies auf den Umstand zurück, dass die Thiere sich zu ihrem eignen Schutze ihrer Umgebung an- passen könnten. Was den Farbenunterschied betrifft, so sagt Bergh?) von Aeolis exigna: „In den Farbenverhältnissen scheint diese kleine Art sehr zu varüren. Nach Alder und Hancock sind sie gelblich weiss mit einem Stich ins Grünliche, nach Meyer und Moebius durchscheinend gelbgrau, nach Loven weisslich, nach Friele und Arch. Hansen unregelmässig braun gefleckt.“ Nun fielen mir in Warnemünde besonders zweierlei gefärbte Thiere auf, die einen waren hellgelb, fast durchsichtig, die anderen sahen dunkelgefleckt aus. Die ersteren sassen auf den schönen grossen, fast weissen Cordylophora-Stöckchen, die sich auf den Mytili angesiedelt hatten, während die letzteren sich auf solchen Stöcken fanden, die ganz dicht am Ufer zwischen den Balken an der Molenwand in dem mehr stagnirenden Wasser auf Fucus vesiculosus lebten und viel kümmerlicher und dunkler aussahen. ?) Hecht, E., Contribution ä l’ötude des Nudibranches. :2) Herdmann, W.A., On the Structure and Functions of the Cerata, or dorsal Papillae, in some Nudibranchiate Mollusca. Quart. Journ. Mier. Sci XXXIL 3) Bergh, R. Dr., Beiträge zur Kenntniss der Aeolidiaden. Bd. 27, 184 Ernst Krembzow: Dass diese auffallenden Farbenunterschiede kein Spiel des Zufalls, sondern festgelegte Varietäten der Färbung sind, möchte ich in Uebereinstimmung mit den früheren Beobachtern nicht bezweifeln. Zum Abtöten der Thiere benutzte ich Sublimat-Essigsäure (Subl. 8°/o, Essigs. 2°/0), Sublimat-Osmiumsäure und schwache Flemming’sche Lösung. Ich muss jedoch bemerken, dass die histologischen Details am besten bei der ersten Methode erhalten blieben; bei den mit Flemming’scher Lösung behandelten Thieren fand ich das sehr zarte Körperepithel fast immer vollständig zerstört. Zum Färben verwandte ich Alaunkarmin und bei Doppelfärbungen Ehrlich’sches Hämatoxylin und Orange G. Bevor ich nun zu dem eigentlichen Thema meiner Arbeit übergehe, möchte ich es nicht unterlassen zuvor auf die vor- handene Literatur, soweit sie den Gegenstand meiner speziellen Untersuchung, die Rückenanhänge mit ihren Nesselapparaten, be- trifft, etwas näher einzugehen. Nach Bronn!) haben Linne und ©. Fr. Müller die Nesselsäcke an der Spitze der Rückenpapillen bereits gekannt; Cuvier und Oken haben sie für Saugnäpfe und von Nord- mann für Schleimdrüsen gehalten. Bergh?) sagt, Forskal — 1775 — habe angenommen die Thiere bewegten sich auf den auf dem Rücken befindlichen Papillen fort und gab deshalb einer solchen Schnecke den Namen Limax tergipes. Cuvier, der 1812 das Geschlecht Tergipes für eine Gruppe von kleinen Nudibranchiern aufstellte, deren Typus die Limax tergipes von Forskal war, glaubte, dass das von diesem erwähnte Kriechen auf den Papillen eigentlich durch die von ihm für Saugnäpfe ge- haltenen Nesselsäcke stattfinde. Auch die Verbindung des Unidophorensackes, wo ein solcher vorhanden ist, sowohl mit der Aussenwelt, als auch besonders mit der Leber hat man lange Zeit in Abrede gestellt. Man glaubte zunächst, es bestünde eine bandförmige Verbindung zwischen CUnidophor und Leber. Erst durch die Arbeiten von 3ergh, Trinchese, Pelsener, Herdmann und Davenport ist diese Verbindung ausser Frage gestellt worden. ı) Bronn, H.G.Dr., Klassen und Ordnungen der Weichthiere. Dritter Bd., zweite Abth. 1861--1865. 2) Bergh, R. Dr., Beiträge zur Kenntniss der Aeolidiaden. Bd. 23 Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete, 185 Bei dem Stande der Kenntniss von diesen Thieren war es wohl kaum zu verwundern, dass die Ansicht Herdmanns, der sich meines Wissens zuerst mit der Entstehung der Unidophoren- säcke beschäftigt hat, allgemein als richtig anerkannt wurde. Er sagte nämlich, dass die Nesselsäcke ectodermaler Natur seien, d. h. durch Invagination des Ectoderms entständen. In seiner Arbeit!) über die Struktur der Cerata heisst es wörtlich: „This cnidophoroussac is evidently an invagination of the ectoderm, the enidocysts being modified eetoderm cells.“ Noch 1892 sagt er von letzteren in einer Arbeit?) über die Innervation der Cerata: = . enidocysts, wisch are epithelial cells turned in from the ectoderm on the apex of the ceras.“ (regen diese Ansicht Herdmanns wandte sich zum ersten Male Davenport?). Er behauptete gerade das Gegentheil und wies nach, dass das Cnidophor entodermaler Natur sei und die Cnidoblasten aus umgewandelten Leberzellen hervorgegangen seien. Hecht?) hat sich im Jahre 18596 wohl zum letzten Male mit dieser Frage beschäftigt. Auch er kommt, ohne jedoch näher darauf einzugehen, zu demselben Resultat wie Davenport. Hieraus erhellt wohl zur Genüge, dass sich eigentlich nur zwei Autoren gegenüberstehen, die eine ganz entgegengesetzte Anschauung vertreten, und es schien mir deshalb dieser Punkt interessant genug, um mich von Neuem mit demselben zu be- schäftigen. Wie Davenport in seiner oben eitirten Arbeit angiebt, veranlasste ihn besonders die Regelmässigkeit der Anordnung der Jüngsten zu den älteren Cerata dazu, die Entstehung derselben zu untersuchen. Auch bei den Thieren, die ich gesammelt habe, war in der Stellung der Papillen stets eine gewisse Symmetrie vorhanden, sowohl was die einzelnen Querreihen selbst betrifft, als auch die Anordnung der Anhänge in den letzteren. Der ') Herdmann, W.A., On the structure and functions of the Cerata, or Dorsal Papillae in some Nudibranch Mollusca. °)Herdmann, W.A. and Clubb, J.A., On the Innervation of the Cerata of some Nudibranchiata. Quart. Jour. Micr. Sci XXXIII, 1892. >) Davenport, C.B., On the Developement of the Cerata in Aeolis, Bulletin of the Museum of Comparative Zoologie at Harward College, vol. XXII, N.6. Cambridge, 1893. *) Hecht, E., Contribution & l’&tude des Nudibranches, 186 Ernst Krembzow: älteste Rückenfortsatz liegt immer am weitesten dorsal, d. h. der Medianebene am nächsten, die jüngeren stehen seitlich davon. Bei ausgewachsenen Thieren von ca. 3 mm Länge konnte ich in der Regel 6 Querreihen nachweisen, von denen jede sich aus einer rechten und linken Hälfte zusammensetzte. In den drei vordersten Querreihen stehen jederseits drei Cerata in der angegebenen An- ordnung, in den drei hinteren dagegen immer nur zwei. Wie die schönen Figuren von Alder und Hancock und Trinchese zeigen, ist für alle Aeolidier die Anordnung der Rückenanhänge in Querreihen, in denen die ältesten Cerata medial stehen, charakteristisch. Obwohl ich also hoffen konnte, auch bei der Untersuchung der jüngsten Anhänge alterer Thiere die Entstehung der Cnido- phorensäcke feststellen zu können, so zog ich es doch vor, die allerjüngsten meiner Aeolidier zu benutzen, da ich erwarten durfte, hier die ursprünglichsten Verhältnisse zu finden. Diese jüngsten Thiere, die mir zu Gebote standen, waren etwa 0,5—1,0 mm lang. Mit blossem Auge konnte man ge- wöhnlich nur zwei grössere Anhänge erkennen; sie standen dicht hinter den Rhinophoren. Erst mit der Lupenvergrösserung sah man in den Winkeln, die die Papillen mit der Körperwand bilden, und auch an anderen Stellen noch winzige Erhebungen als erste Andeutung neuer Rückenanhänge. Zu einer vergleichenden Untersuchung benutzte ich, wie oben angegeben, eine verhältnissmässig grosse Mittelmeerform — Aeolidiella glauca — und lasse deshalb gleich hier eine kurze Beschreibung derselben folgen. Obwohl mir nur aus- gewachsene Thiere von ca. 25 mm Länge zur Verfügung standen, so zeigten sie sich doch darum besonders für meine Zwecke ge- eignet, weil bei ihnen in weit grösserem Massstabe als bei Aeolis exigna immer wieder neue Anhänge gebildet werden. Hauptsächlich ist dies im vordersten Körpertheil gleich hinter den Rhinophoren der Fall; dort werden ventralwärts von einigen ausgebildeten Papillen zahlreiche junge, in Form von kaum steck- nadelkopfgrossen Erhebungen sichtbar. Auf Schnitten durch diese Körpergegend konnte ich alle Entwickelungsstadien von der jüngsten winzigen Ectodermausbuchtung bis zum ausgebildeten Rückenanhang verfolgen. Ich gehe nun zunächst dazu über, die Bildung eines neuen Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge etc. 187 Rückenanhanges zu betrachten. Man muss hierbei wohl unter- scheiden zwischen dem ersten Anhang einer neuen Querreihe überhaupt und zwischen den in dieser später gebildeten. Wie ich vorweg bemerken will, erhält die erste Anlage eines Rücken- anhanges in einer neuen Reihe jederseits stets eine selbstständige Ausstülpung des Entoderms, während die weiteren Anhänge der- selben Querreihe ihr Entoderm von dem zuerst gebildeten »er- halten. Es geht also von dem Hauptstamm der Leber jederseits nur ein Nebenstamm ab, der sich in alle Anhänge derselben Reihe verzweigt. Im Uebrigen ist nie ein Unterschied in der Bildung des ersten und der nachfolgenden Rückenanhänge derselben Querreihe zu bemerken; die Entwickelung geht immer in derselben Weise vor sich. Davenport nimmt nun an, dass der erste Anstoss zur 3ildung eines jungen Rückenanhanges von einer Vermehrung („thiekening“) des Mesenchyms am Grunde eines älteren aus- geht. Hierdurch sollte das Eetoderm allmählich in die Höhe gedrängt werden, und dann erst das Entoderm in die so ent- standene Lücke hineinzuwachsen beginnen. Diese Erklärung Davenports schien mir auf den ersten Blick etwas gewagt. Ich konnte es mir nicht vorstellen, weshalb ganz indifferente Mesenchymzellen sich plötzlich vermehren und dadurch die angegebene Veränderung hervorbringen sollten. Es ist doch jedenfalls ein gewisses Sauerstoffbedürfniss, welches das Thier, das ohne eigentliche Athmungsorgane ganz allein auf die Hautathmung angewiesen ist, zwingt, immer wieder von Neuem durch Bildung von Rückenanhängen seine respiratorische Fläche zu vergrössern. Es können demnach nicht einige lose in der Leibeshöhle verstreut liegende Mesodermzellen sein, die die OÖberflächenvergrösserung bedingen, sondern Bluträume führende Faltungen der ectodermalen Leibeswand sind als die ursprüng- lichsten Gebilde zu betrachten. Die Betheiligung des Entoderms kann aus respiratorischen Bedürfnissen kaum erklärt werden, und lässt sich wohl nur so verstehen, dass auch die Nothwendigkeit einer Vergrösserung der resorbirenden Darmwandungen ein- treten muss. Die Entstehung der Cnidophorensäcke aus dem Entoderm der Rückenanhänge schien allerdings a priori nicht sehr wahr- 138 Ernst Krembzow: scheinlich, denn wo sonst im Thierreich Nesselkapseln oder ähn- liche Gebilde entstehen, erfolgt dies ausschliesslich oder doch wenigstens vornehmlich im äusseren Blatt. Bilden sich aber bei den Aeolidiern die Nesselelemente im Entoderm, so müssen in diesem noch wenig spezialisirte, indifferente Zellen vorhanden sein, die gewissermassen auf einer embryonalen Stufe stehen und sich zu so eigenartigen Gebilden, wie es die Nesselzellen sind, umzuformen vermögen. Wie Fig. 3 zeigt, sind in der That überall an der dorsalen Seite der Leber solche Zonen indifferenter Zellen vorhanden, die ich als embryonale bezeichnen möchte. Der Schnitt geht un- gefähr durch die Mitte des Körpers eines ca. 1!/s mm langen Thieres; er zeigt deutlich, wie überall zwischen das Drüsen- epithel der Leber indifferente Zellen und Zellengruppen ein- gestreut sind. Die einzelnen Zellen sind scharf von einander abgegrenzt und besitzen einen Kern, in dem ein Nucleolus und chromatische Elemente wohl zu erkennen sind. In Folge ihres reichlichen Protoplasmagehaltes haben sie sich stärker gefärbt als die übrigen Zellen. Diese embryonalen Zellen werden mit dem sie umgebenden Drüsengewebe der Leber direkt ausgestülpt und stellen, wie ich später zeigen werde, die erste Anlage des zukünftigen Unidophors dar. Die Bildung eines Rückenanhanges dürfte nach meinen obigen Ausführungen etwa folgendermassen zu denken sein. Zuerst tritt eine Faltung des Eetoderms auf, und zwar entweder am Grunde eines älteren Anhanges — Fig. 1 —, wenn es sich um die Entstehung eines Zapfens in einer schon vorhandenen Querreihe handelt, oder hinter einer solchen ungefähr in der Medianebene des Körpers, wenn eine neue Querreihe angelegt werden soll. Hierauf erhebt sich der der Eetodermfalte zunächst liegende Theil des Entoderms mit einigen embryonalen Zellen und beginnt in den vorhergebildeten Hohlraum hineinzuwachsen. Gleichzeitig mit diesem Vorgang, der Faltung des Ectoderms und der Ausstülpung des Entoderms, wuchern die stets zwischen diesen beiden Blättern liegenden Mesenchymzellen in den Zapfen- fortsatz hinein. In derselben Weise geht die Bildung eines Rückenanhanges bei Aeolidiella glauca vor sich. Zunächst sieht man auch hier nur eine ganz schwache Erhebung des Ectoderms, in die Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete. 189 sich ein Entodermzapfen hineinerstreckt; die Mesenchymzellen sind nur in ganz geringer Anzahl vorhanden. Erst auf einem wenig späteren Stadium — Fig. 2 —, auf dem die Entoderm- ausstülpung sich weiter entwickelt hat, ist eine ganz bedeutende Mesenchymansammlung aufgetreten; jedoch deuten zahlreiche Kerntheilungsfiguren darauf hin, dass diese ausserordentliche Vermehrung an Ort und Stelle stattgefunden hat und im viel geringerem Masse dürch weitere nachträgliche Einwanderungen von Mesenchymzellen bedingt ist. Die Mesodermzellen nehmen den gesammten Raum zwischen Ento- und Ektoderm ein, liegen aber nicht, wie man bei genauer Betrachtung von Fig. 1 und Fig. 2 wahrnehmen kann, ganz regellos vertheilt, sondern haben sich in einer dünnen Schicht theils dem ersteren, theils dem letzteren angelegt und liegen lose zwischen diesen beiden. Auch Davenport giebt in seiner Arbeit dieselbe Anordnung an. Alle diese Zellen erweisen sich noch wenig eigenartig differenzirt. Man sieht nur eine grosse Menge bald länglicher, bald spindelförmiger, bald verästelter Zellen. Aus diesen geht dann später sowohl die Bindesubstanz als auch die Muskulatur hervor. Diese meine Annahme finde ich durch Brock!) be- stätigt; er sagt von den Mesodermzellen: „Es wird, obwohl kaum auf Grund positiver Beobachtung, auch ausdrücklich angegeben, dass aus diesen Zellen unter Anderem die Bindesubstanzen her- vorgingen, und gegen diese Behauptungen dürfte sich auch kaum etwas einwenden lassen — ist doch die Aehnlichkeit dieser Mesodermzellen mit manchen fibrillären Zellen geradezu über- raschend.“ Es bedarf aber nur geringer Veränderungen, um die inditferenten Mesodermzellen, die ja besonders reich bei Aeoli- diela glauca vorkommen, in die im ausgebildeten Thiere be- sonders zahlreichen Bindegewebszellen überzuführen. Wird zu- nächst eine homogene Interzellularsubstanz ausgeschieden und treten ferner die spindelförmigen und verästelten Zellen ver- mittels ihrer Fortsätze in Verbindung, während zugleich die un- verästelt gebliebenen Zellen die Muskelfibrillen abscheiden, so erhalten wir das fertige Gewebe, wie es uns auf Fig. 24 ent- gegentritt. Ei) Brock, J. Dr. Untersuchungen über die interstitiellen Binde- substanzen der Mollusken. 190 Ernst Krembzow: Nachdem ich in Vorstehendem das erste Auftreten eines Rückenanhanges im Allgemeinen geschildert habe, gehe ich dazu über, die Weiterbildungen an der FEntodermausstülpung im Speziellen zu betrachten. Es haben sich, wie Fig. 1 erkennen lässt, nicht nur die indifferenten Zellen, sondern zugleich auch ein beträchtlicher Theil der Drüsenzellen der Leber erhoben. An ersteren fällt sogleich die Aehnlichkeit mit den beschriebenen indifferenten Zellen in der Leber auf. Es sind dieselben scharf abge- grenzten, plasmareichen, dunkelgefärbten Zellen mit dem grossen Kern und seinem Kernkörperchen. Diese stellen zugleich die früheste Anlage des späteren Cnidophorensackes dar. In Fig. 2, die ein ungefähr gleich junges Stadium von Aeolidiella glauca darstellt, ist der indifferente Zellzapfen viel umfangreicher. Es entspricht die grössere Anzahl von embryo- nalen Zellen der beträchtlichen Menge der späteren Cnidoblasten im Nesselsack. Da auf den frühen Entwickelungstadien zwischen beiden Aeolidiern ziemliche Uebereinstimmung herrscht, so beschränke ich mich im Folgenden darauf die Bildung der Cnidophors nur an Aeolis exigua zu betrachten und setze mit der Beschreibung von Aeolidiella glauca erst dort wieder ein, wo sich ein durchgreifender Unterschied zeigen wird; es ist dies erst bei der Bildung der Nesselelemente der Fall. Auf einem wenig älteren Stadium, als das zuletzt beschriebene war, ist die Erhebung des Ektoderms — Fig. 5 — etwas höher geworden, sonst trifft man, soweit es die Epithel- und Mesen- chymzellen anbelangt, dieselben Verhältnisse. Im Entoderm haben sich die embryonalen Zellen vermehrt und über eine grössere Fläche ausgebreitet, an der Spitze des Riückenfortsatzes um- grenzen sie das Lumen des Entodermschlauches. Von nun an wird die Anlage des zukünftigen Cnidophors und dessen Gegensatz zum drüsigen Abschnitt des entodermalen Rückenanhanges immer deutlicher. Man sieht — Fig. 6 — zum ersten Male am Entoderm eine seichte Furche an der Stelle auftreten, an der sich die indifferenten Zellen schon auf den vorhergehenden Stadien scharf von dem übrigen Lebergewebe abhoben. An den Zellen selbst ist noch keine Veränderung vor- gegangen. Es sind immer noch die tiefdunkelgefärbten plasma- reichen Elemente mit ihrem grossen Kern mit Nucleolus und Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete. 191 chromatischen Körnern. Im auffallenden Gegensatze zu den epithelartig angeordneten Zellen an der Spitze der Entoderm- ausstülpung steht auch hier noch die Leber selbst. Eigentliche Zellgrenzen lassen sich nur sehr schwer feststellen, nur an ver- einzelten Stellen sieht man einige keulenförmige Zellen deutlich von einander abgegrenzt. Das Protoplasma ist besonders am Grunde der Zellen, wo auch der grosse Kern liegt, sehr reich- lich vorhanden und färbt sich, wie es für jugendliche Epithel- zellen charakteristisch ist, in Carmin und Hämatoxylin ziemlich intensiv. Der oberste, gegen das Lumen gerichtete Theil der Zellen aber wird von zahlreichen Vakuolen erfüllt, in denen viele schleimige Sekrettropfen angehäuft sind. Die inneren Zellenden, die besonders weit ins Lumen hervorspringen, werden wahr- scheinlich später abgestossen, wie denn auch auf dem folgenden Stadium — Fig. 7 — zwei fast abgeschnürte Zellkomplexe zu sehen sind. Auch bei Frenzel!) habe ich eine Bemerkung ge- funden, die darauf schliessen lässt, es heisst dort: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zellen, nachdem sie ihre Reife erlangt haben, bei der Sekretion ihres Inhaltes völlig zu Grunde gehen.“ Ist diese Annahme aber richtig, so kann man daraus schliessen, dass die Zellvermehrung eine überaus rege und lebhafte sein muss. In Fig. 4 kann man schon einen im Knäulstadium be- griffenen Kern sehen und auch in Fig. 6 finden sich drei Kerne auf demselben Stadium. Da der Schnitt nicht vollkommen durch die Medianebene geht, sondern etwas tangential geführt ist, so scheinen zwei Kerne in dem vakuolisirten Theil zu liegen, der abgestossen werden soll; wie man jedoch an der reichlichen Plasmaansammlung in der Nähe der Kerne erkennen kann, ist dem nicht so. Mit diesem Befunde stehe ich aber im direkten (regensatz zu den Beobachtungen Frenzels?), er sagt bei Be- sprechung der Entstehung der Keulen- und Körnerzellen: „Eine andere Kernstruktur als die eben angebene ist niemals aufzu- finden, so namentlich keine, welche als karyokinetische Figur zu deuten wäre.“ Infolgedessen lässt Frenzel auch die Frage der Bildung der Epithelzellen der Leber ganz offen. Mollusken 1. Theil. ®) Frenzel, J. Dr. Mikrographie der Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken 1. Theil. 192 Ernst Krembzow: Ich denke mir die Entstehung des Drüsenepithels bei Aeolis folgendermassen. Es ist in den indifferenten Entodermzellen ein Keimepithel gegeben, in dem durch Theilung immer neue Zellen entstehen. Diese Annahme hat hier in dem speziellen Falle schon deshalb wohl viel für sich, weil es ja bewiesen ist, dass auch noch bei den ältesten Thieren immer neue Rückenanhänge mit Nesselsäcken gebildet werden. Ein weiteres Moment ist die Regeneration der Entodermzellen; die protoplasmatischen, kern- haltigen Basaltheile werden sicher im Stande sein, wie es auch sonst bei Drüsenzellen der Fall ist, die abgestossenen Stücke zu erneuern. Der Annahme aber, dass sich aus den indifferenten Zellen auch Leberzellen entwickeln können, steht wohl nichts im Wege. Die Mesenchymzellen in der Nähe der Cnidophoranlage sind noch unverändert. Etwas weiter unterhalb jedoch liegen zahl- reiche spindelförmige Zellen lose verstreut in der Leibeshöhle, einige derselben haben sich durch Vereinigung ihrer Fortsätze zu einer Art Endothel zusammen gefügt, das dem Ektoderm an- liegt, andere wiederum haben sich in Bindegewebszellen umgebildet. Dass auch unter den Bindegewebszellen noch lebhafte Theilungs- vorgänge stattfinden, beweist die Kerntheilungsfigur. Auf dem nun folgenden Stadium — Fig. 7 — hat die vor- her nur ganz oberflächliche ringförmige Einschnürung weitere Fortschritte gemacht. Zu einer vollständigen Abschnürung kommt es ja nie, da die Verbindung der Leber mit dem Unidophor während des ganzen Lebens persistirt. Der Verbindungskanal ist noch relativ weit und seiner Entstehung gemäss vom Ento- derm ausgekleidet. Die an der Basis des Nesselsacks befindlichen Zellen haben noch ihren indifferenten Charakter bewahrt; im oberen Theil aber sieht man zum ersten Mal zwei Zellen, die ihre zukünftige Funktion, die Bildung von Nesselkapseln andeuten. Die Zellen haben beträchtlich an Grösse zugenommen; ihr Plasma erscheint nicht mehr homogen gekörnt, sondern mehr oder minder reich vakuolisirt, in zwei von den gebildeten Vakuolen befinden sich bereits Nesselkapseln. Auch sonst noch sind an dem Unidophor weitere Ver- änderungen zu bemerken; am Uebergang der Leber in den Nessel- sack sieht man die Querschnitte einiger Ringfibrillen, es sind die ersten Anfänge des später sehr kräftigen Sphincters, und um Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete. 193 das entodermale Epithel des Cnidophors haben sich die zu Muskel- faserzellen umgebildeten Mesenchymzellen zu einer fast continuir- lichen Schicht angeordnet. Die mesenchymatösen Muskelzellen scheiden an den dem Entoderm zugekehrten Seiten die contrak- tile Substanz aus, während die Kerne in dem sackoplastischen Theil auswärts liegen. Im Lebertheil des Rückenanhanges fallen zwei sehr grosse Zellkomplexe auf, die fast das ganze Lumen derselben einnehmen. Beide sind mit vielen grösseren und kleineren Vakuolen erfüllt, zwischen denen sich das Wabenwerk des Zellplasmas erkennen lässt; auch peripher besteht eine dicke plasmatische Schicht. Diese Vakuolen umschliessen theils ein schleimiges Sekret, theils Nesselkapseln. Diese Zellhaufen dürften, worauf ich schon vor- her hingewiesen habe, bald ganz abgestossen werden, zerfallen und so die Nesselkapseln frei werden. Mit diesem Stadium ist die Bildung des Cnidophors so gut wie beendet, alle seine Theile sind angelegt; die Umbildung zu Unidoblasten hat begonnen, die Muskulatur mit Einschluss des Sphineters ist gebildet. Es fehlt nur noch der Durchbruch nach Aussen; dieser vollzieht sich jedoch erst viel später. Ich habe bis zu diesem Stadium bei keinem der vielen Thiere, die ich geschnitten habe, (sie waren wie gesagt etwa 0,5—1,0 mm lang) eine Oeffnung des Nesselsacks gesehen, obwohl es wenigstens auf Längsschnitten, trotz der gegentheiligen Bemerkungen von Davenport, garnicht schwer sein müsste, dieselbe zu finden, wenn sie überhaupt vorhanden wäre. Wenn ich schon hier das Gesagte kurz zusammenfassen darf, so glaube ich einwandsfrei dargethan zu haben, dass das Unidophor lediglich entodermaler Herkunft ist, und die Cnido- blastenzellen umgebildete Entodermzellen und keine Ektoderm- zellen sind. Es erübrigt an dieser Stelle noch ein kurzer Ueber- blick über die histologische Ausbildung des Ektoderms und die Annäherung des Entoderms an die Leibeswand. Entsprechend der geringen Höhe des gesammten Körper- epithels sind auch die Zellen — Fig. 1 — an der eben gebildeten Falte des Ektoderms, die, wie ich gezeigt habe, den ersten An- stoss zur Bildung eines neuen Rückenanhanges giebt, noch sehr niedrig. Jedoch deutet die tief dunkle Färbung des Plasmas am Grunde der Zellen in der Umgebung der Kerne und einige 194 Ernst Krembzow: karyokinetische Figuren darauf hin, dass eine lebhafte Zellver- mehrung stattfindet. Eigentliche Grenzen lassen sich zwischen den Zellen der jungen Erhebung nicht feststellen, dies ist erst dort wieder der Fall, wo das Ektoderm auf der einen Seite in die Bekleidung eines älteren Rückenanhanges, auf der anderen in die des Körpers übergeht. Auf dem folgenden Stadium — Fig. 4 — ist die Ektoderm- ausstülpung viel beträchtlicher und im Zusammenhange damit haben auch die einzelnen Zellen bedeutend an Höhe zugenommen und sich deutlich gegen einander abgegrenzt. Ihr oberer Theil wird, was auf späteren Stadien noch besser zu sehen ist, von einem ganz regelmässig gebauten Wabenwerk eingenommen. Mit dem Wachsthum des Rückenzapfens -— Fig. 5 u. 6 — erfolgt gleichzeitig immer noch ein solches der Zellen selbst; es macht sich aber im ganzen Bereiche der Erhebung noch kein Unterschied in der Höhe der einzelnen Zellen bemerkbar, die- selben sind am Grunde des Rückenanhanges ebenso hoch, wie an der Spitze desselben. Erst auf dem nächsten Stadium — Fig. 7 —, auf dem die Cnidophoranlage fast beendigt ist, sieht man die Ektodermzellen, je weiter von der Spitze entfernt, desto niedriger werden. Bei ausgebildeten Thieren ist das Epithel an der Spitze des Rückenanhanges etwa 2—2!/2 mal so hoch als das des Körpers, wie man sich durch Vergleich der Fig. 4—9 mit Fig. 3 über- zeugen kann. Die bei ausgebildeten Thieren so zahlreich vorhandenen Schleimzellen konnte ich in den Rückenanhängen der jungen Thiere nie nachweisen, dieselben finden sich immer erst bei älteren Individuen — Fig. 8 u. 9 —. Die Ausstülpung des Entoderms, die ja erst erfolgt, wenn die Ektodermfalte sich bereits gebildet hat, reicht zunächst noch nicht an die Spitze derselben heran — Fig. 1 u. 2 —. Bald aber beginnt das Entoderm rasch zu wachsen, sodass es schon auf dem folgenden Stadium — Fig. 4 —, fast den ganzen Hohl- raum ausfüllt, der durch die Erhebung des Ektoderms gebildet worden ist. Nur durch eine einzige Lage von Mesenchymzellen ist das äussere von dem inneren Blatt getrennt. Dieselben Verhältnisse trifft man auch noch auf den folgenden Stadien — Fig. 5—7 —. Erst wenn sich eine vollständige Muskelscheide um das Unidophor gebildet hat, kommt es kurz Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete. 195 vor dem Durchbruch desselben nach Aussen zu einer innigen Verbindung zwischen der Muskulatur des Nesselsacks und dem Ektoderm. Im Folgenden gehe ich nun zur Beschreibung des aus- gebildeten hückenanhanges und seines Nesselsacks über. Der letztere hat etwa birnenförmige Gestalt — Fig. Ss u. 9 —. Seine Länge beträgt ca. !/;—'/ı mm, die einer ganzen Papille 1'/a-1!/s mm. Im Durchschnitt mag die Angabe Bergh’s!) stimmen, dass das Cnidophor etwa '/s der Länge des Rückenanhanges beträgt. Die entodermale Wand des Sackes wird von einer Muskel- scheide umgeben. Wie man sich aus meinen beiden Figuren überzeugen kann, tritt uns die Muskulatur bei den verschiedenen Individuen in sehr verschiedener Stärke entgegen. Es ist dies jedenfalls darauf zurückzuführen, dass dieselbe mit dem Alter zunimmt, sodass ältere Thiere in alten Rückenanhängen kräftigere Muskelscheiden entwickeln. Jedoch fehlen bestimmte Anhalts- punkte für das Alter der Zapfen, wenn sich erst einmal die Oefinung des Cnidophors nach Aussen gebildet hat. Stets kommt es zur Entwickelung eines starken Sphinkters am Uebergange der Leber in das Cnidophor. Den Fibrillen sieht man von Zeit zu Zeit grosse runde Kerne anliegen, die von einem blassen Sarkoplasma umgeben sind. Von dem muskulösen Wandbelage des Cnidophors ziehen Muskeln und Bindegewebsstränge nach dem Ektoderm hinüber. Ich glaube, sie haben nur den Zweck, den Nesselsack, der doch nur ziemlich lose in der Spitze der Papille liegt, in seiner Lage zu erhalten. Der Verbindungskanal mit dem Leberschlauch ist bei Aeolis exigua immer sehr eng und kurz; die Leber geht fast unmittelbar in die Auskleidung des Cnidophorensackes über. Während des Lebens ist dieser Kanal jedenfalls zumeist ge- schlossen und öffnet sich nur, wenn irgend welche Produkte z. B. Nesselkapseln aus der Leber heraus befördert werden sollen. Diese meine Annahme stimmt auch mit Herdmanns?) Ansicht überein. Er sagt bei Besprechung des Cnidophors und des Sphinkters: „This condition suggerts that possibly in all cases !) Bergh, R, Dr. Beiträge zur Kenntniss der Aeoli diaden Band 32. :) Herdmann, W.A. On the Structure and Functione of the cerata, ordosal Papillae, in some Nudibranchiate Mollusea. Quart. Jour. Miser, Sci XXXI. 196 Ernst Krembzow: the communication between the hepatie caecum and the exterior trough the enidophorous sac may not be permanenthy open, but be kept closed when required by the contraction of the muscle.“ Im Gegensatz zu dem immer sehr schmalen und engen Kanal zwischen Leber und Cnidophorensack, ist die Oeffnung des letzteren nach Aussen sehr weit; es hängt dies jedenfalls mit der am oberen Ende des Nesselsacks viel schwächer entwickelten Muskulatur zusammen. Auf das Zustandekommen der Oeffnung möchte ich im Folgenden etwas näher eingehen. Davenport!) sagt, die Verbindung mit der Aussenwelt an der Spitze der Cerata entstehe durch innige Vereinigung des Cnidophors mit dem Eetoderm und schliesslichen Zerfall des letzteren. Auch bei Aeolis exigua findet zunächst eine feste Verbindung und Ver- wachsung des Nesselsacks mit dem Epithel des Anhanges an der Spitze statt. Jedoch sieht man hier nie, so wie ich es bei Aeolidiella glauca — Fig. 16 — zeigen werde, Spuren einer allmählichen Degeneration des Eetoderms, sondern der Durch- bruch scheint hier so, wie man sich jetzt allgemein die Bildung solcher Oeffnungen denkt dadurch zu Stande zu kommen, dass an der Stelle, wo Eetoderm und Entoderm mit einander verlötet sind, zunächst ein äusserst feiner, allmählich durch Auseinander- weichen der Zellen sich erweiternder Kanal entsteht. In diesem Sinne dürfte vielleicht das Bild — Fig. 10 — zu deuten sein. Wenn dann wie in Fig. S und 9 der Inhalt des Cnidophors ent- leert wird, schiebt sich das obere Ende des Nesselsacks ein wenig empor und tritt in die Lücke im Ektoderm hinein, sodass dann stets im Ausmündungskanal einige Fibrillen liegen. Die Zahl der im Cnidophor gebildeten Unidoblasten ist verhältnissmässig gering, dagegen sind die einzelnen Zellen sehr gross. Hecht?) giebt für Aeolis exigua dasselbe an, doch habe ich die Zellen nie polygonal gefunden. Wie Fig. S und 9 erkennen lassen, sind sie zumeist recht unregelmässig gestaltet und infolge des gegenseitigen Druckes vielfach zusammengepresst ; oft erscheinen sie hochprismatisch, oft sind sie auch stärker ab- gerundet. Man kann die Nesselzellen im Leben durch einen !) Davenport, ©. B. On the Developement of the Cerata in Aeolis, Bulletin of the Museum of comparative Zoologie. At Harward College Vol. XXIV N. 6. Cambridge 1893. ’) Hecht, E. Contribution a l’&tude des Nudibranches. Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete, 197 leichten Druck aus dem Nesselsack herauspressen, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Membran zerspringt. Diese ist ziemlich resistent und es muss ein kräftiger Schlag auf das Deckglas aus- geübt werden, ehe die Kapseln frei werden. Die freigewordenen Zellen nehmen fast immer eine nahezu kugelähnliche Gestalt an, wie man aus Fig. 11 erkennen kann. Die Kerne liegen, wie ich im Gegensatz zu Hecht’ ge- funden habe, gewöhnlich nicht in der Mitte der Zellen, sondern an der Peripherie, und bei den jungen Cnidoblasten am Grunde des Cnidophors habe ich denselben stets an der Basis angetroffen. In jeder einzelnen Nesselzelle werden eine grosse Menge von Kapseln gebildet, ich habe zwischen 20 und 30 Stück gezählt. Eigenthümlich ist ihre periphere Anordnung, besonders in den reifen Zellen. Bei Coryphella lineata findet man im Cnidophor un- gefähr dieselben Verhältnisse. Es kommen auch nur wenige, aber blasige Cnidoblasten vor. In diesen werden jedoch zweierlei Nesselelemente gebildet, zunächst eine grosse eifürmige Nessel- kapsel von ca. 22 « Länge und um diese herum viele kleinere, die etwa nur den zehnten Theil so gross sind, ca. 2—2,5 «. Der Inhalt einer Kapsel, den ich nur bei Aeolis exigua zu untersuchen Gelegenheit hatte, besteht aus einem einfachen, langen, dünnen Faden, der am Grunde von einem Kranz von Stacheln umgeben ist — Fig. 12. Wie überall in der Klasse der Mollusken, so bekleidet auch die Rückenanhänge der Aeolidier ein einschichtiges Epithel. Das- selbe ist an der Spitze der Papille etwa doppelt so hoch wie am übrigen Theil derselben, und ist vielfach bewimpert. Es ist sehr reich an Drüsen, die im Epithel selbst liegen, bei Fiona nobilis, einer Aeolide, die keine Unidophorensäcke besitzt, kommen auch unter der Haut gelegene grosse einzellige Drüsen vor, die mit ihrem Ausführungsgang zwischen den Epithelzellen nach aussen münden. Es scheint hier, als ob als Aequivalent für das schützende Cnidophor der Körper mit einem grösseren Reiehthum an Drüsen ausgestattet wäre. Diese liegen bei Aeolis exigua ohne irgend welche Regel- mässigkeit zwischen den übrigen Epithelzellen. Es sind grosse Zellen mit einem meist basal gelegenen Kern. Je nach ihrem Secretionszustand findet man sie leer oder gefüllt mit ‘einem Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. jlel 198 Ernst Krembzow: schleimigen Secret. Dieses nimmt leicht die Farbe der Tinktions- flüssigkeit, hier die des Hämatoxylins, an. Wie man vielfach noch auf Schnitten wahrnehmen kann, überzieht das Drüsensecret, da es von den Flimmern vertheilt wird, gleichmässig die ganze Körperoberfläche. Da ich fast in allen bewimperten Zellen grössere und kleinere Granula gefunden habe, so möchte ich auch diese Elemente als Drüsenzellen ansprechen. Oefters lagen schon ausgestossene Körperchen zwischen den Wimpern. An diesem Punkte angelangt, möchte ich einer Zellform gedenken, die unmittelbar unter dem Eetoderm zwischen diesem und dem Entoderm liegt und früher und wohl auch jetzt noch häufig als Schleimdrüsen gedeutet werden. Dieselbe scheint ziemlich verbreitet zu sein. Ich habe sie bei Aeolis exigua und Fiona nobilis gefunden. Diese eigenthümlichen Zellen sind bei Aeolis exigua im ganzen Rückenanhange in grosser Zahl vorhanden. Sie messen etwa 10—15 u im Durchmesser. Ihre Form ist mehr oder weniger rechteckig, doch nehmen sie in Folge des gegenseitigen Druckes auch alle möglichen Gestalten an. Sie liegen gewöhnlich nur in einer Lage, dicht an einander gedrängt, zwischen Ento- und Eetoderm — Fig. 9 — doch findet man oft auch mehrere Zellen über einander, die sich dann so gruppirt haben, dass sie scheinbar, wie eine zusammengedrückte Zellblase, ein Lumen umschliessen. Das Protoplasma der Zellen färbt sich immer sehr intensiv und zwar, was ich gleich hier bemerken möchte, immer ebenso wie die jungen Leberzellen. Der Kern, der etwa die Hälfte der Zelle ausfüllt, enthält ein grosses Kernkörperchen, um das ziemlich regelmässig die chromatischen Elemente ge- lagert sind. Die eben beschriebenen Zellen hat Hecht!) bei Aeolis exigua, Aeolis despeceta, Aeolis cingulata, Aeolis Farrani, Calma glaucoides und allen zur Gattung Doto gehörigen Thieren gesehen. Trinchese?) beschreibt ähnliche Zellen bei Doto Gor- 1) Hecht, E., Contribution & l’ötude des Nudibranches. ®) Trinchese, Aeolididae e famiglie affini del porto di Genova, Parte seconda, Testo et Atlante, Atti della Reale Accademia dei Lincei (3), X, 1882. Ueber den Bau und die Entwiekelung der Rückenanhänge ete. 199 nalliae Tr., bezeichnet sie aber nicht als „glandes aA mucus unicellulaires“, wie Hecht irrthümlicher Weise angiebt, denn unter diesem Namen versteht Trinchese die im Epithel selbst gelegenen Drüsen (vergl. Trinchese Torv. LXI, Fig. la), sondern er schildert sie nur als grosse schleimerfüllte Zellen (grosse cellule ruichiuse nella cavita della eminenze papillarj, piene diuna sostanza vischiosa che veduta alla luce riflessa € biauchissima). Auch Herdmann!) hat bei Dendronotus arborescens, besonders in den kleinen Aestchen „mueus- secreting glands“ gefunden, welche den bei Aeolidiern vor- kommenden gleichen sollen. Ferner bilden Herdmann und Clubb?) bei Tergipes despeetus unter dem Eetoderm ge- legene Drüsen ab, die wohl auch hierher zu rechnen sind. Ueber die Funktion aller dieser Zellen ist nichts Sicheres bekannt. Denn sie kurzweg als Schleimdrüsen zu bezeichnen, kann mich nicht befriedigen. Jedenfalls kann ich Hecht nur beipflichten, wenn er ihnen jeden drüsigen Charakter abspricht ; denn sie besitzen nie einen Ausführungsgang, und nehmen auch nie die charakteristische Färbung der im Eetoderm so häufigen Schleimdrüsen an. Da ich glaubte, aus der Entstehungsweise dieser Zellen einen Schluss auf ihre Funktion ziehen zu dürfen, so habe ich diese festzustellen versucht. Zu einem abschliessenden Urtheil bin ich jedoch hierbei nicht gekommen, es scheint allerdings so, als ob die Zellen bei den vielen Faltungen der Leber von dieser abgeschnürt würden. Denn es ist überraschend, wie ähnlich diese Zellen sowohl in der Farbe als auch in ihrer äusseren Form den Zellen der Leber sind. Wenn diese Genese richtig ist, so dürften diese Zellen den Zweck haben, gewisse Stoffwechselprodukte der Leber in sich aufzuspeichern. Sind diese eigenthümlichen Zellen nicht entodermalen Ur- sprungs, so können sie nur eigenartig umgebildete Mesoderm- zellen sein. Es würdo sich diese Annahme auch mit Brocks’) ı) Herdmann, W.A., On the Structure and Funetions of the Cerata or dorsal Papillae in some Nudibranchiate Mollusca. Quart. Jour. of Mic. Sei. XXXI, 1890. ®) Herdmann, W.A., and Clubb, On the innervation of the Cerata of some Nudibranchiata. Quart. Jour. Sci. XXXIIL, 1892. 3) Brock, J. Dr., Untersuchungen über die interstitiellen Binde- substanzen der Mollusken. ' 14* 200 Ernst Krembzow: Ansicht von der Weiterbildung der Mesenchymzellen bei Öpisto- branchiern decken, er sagt: „Noch andere Zellen schliesslich treten nie durch Ausläufer mit einander in Verbindung, sie be- schränken sich auf blosses Wachsthum und chemische Ver- änderung des Protoplasmas, das sich mit Kalk oder Konkretionen unbestimmter Art anfüllt.“ Am Schlusse meiner Betrachtungen über Aeolis exigua muss ich noch einer Thatsache Erwähnung thun, die den ento- dermalen Ursprung des Unidophors verständlich macht. Ich habe nämlich im gesammten Entoderm Nesselkapseln gefunden. Auch Davenport sagt, er habe besonders auf späteren Stadien Nematoeysten getroffen in demjenigen Theile der Leber, der dem Unidophorensack zunächst liege. Als Beweis dafür, dass die Nesselelemente sich auch wirklich in der Leber entwickelt haben und nicht etwa aus dem Cnidophor durch den Verbindungskanal hineingekommen sind, führt er an, er habe Nematocysten auf ganz verschiedenen Bildungsstadien gesehen. Ganz abgesehen hiervon wird es wohl Niemand, der die Nesselkapseln in den Zellen der Leberwandung selbst und nicht nur im Lumen sieht, bestreiten, dass sie sich auch wirklich dort gebildet haben. Ausserdem habe ich mitten im Körper Nesselkapseln in der Leber eines Thieres gefunden, dessen Cnidophorensäcke sich noch garnicht nach aussen geöffnet hatten — Fig. 3. Und zwar habe ich im Gegensatz zu Davenport gerade bei den jüngsten Thieren eine sehr reichliche Bildung von Nesselkapseln in der Leber beobachtet, bei alten Thieren habe ich sie fast nie mehr gesehen. Da die Entwickelung der Papillen bei Aeolidiella glauca ganz der bei Aeolis exigua analog ist, so gehe ich gleich zur Beschreibung eines ausgebildeten Rückenanhanges über. Wie das Totalbild — Fig. 13 — zeigt, besitzt das CUnido- phor eine längsovale Gestalt, seine Länge beträgt etwa 1,2 mm, die einer Papille ca. 5 mm. Die Muskulatur des Cnidophors ist mächtig entwickelt. Sie besteht wohl ausschliesslich aus Ring- fibrillen, doch scheinen die letzteren an der Spitze mit einigen Längsfibrillen untermischt zu sein. Am Grunde kommt es zur Ausbildung eines kräftigen Sphineters. Hecht!) beschreibt bei 1) Hecht, E., Contribution & l’&tude des Nudibranches. Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete. 201 Aeolis papillosa noch eine Lage längs verlaufender Fibrillen über den querverlaufenden, doch konnte ich solche bei Aeolidiella glauca trotz der sonst ganz ähnlichen Ver- hältnisse nicht nachweisen. Die ganze Muskulatur ist mit einem feinen mesodermalen Epithel, das auch die Leber überzieht, bekleidet. Zwischen der Muskulatur des Cnidophors und der unter dem Ectoderm verlaufenden finden vielfache Verbindungen statt, be- sonders gehen beide in der Nähe der Spitze der Papille häufig ineinander über — Fig. 17 u. 18. Doch glaube ich, dass auch diese Fibrillen, wie ich schon bei Aeolis exigua bemerkte nur zur Befestigung des Unidophors da sind. Hecht nimmt nämlich an, dass diese Muskeln, von ihm muscels moteurs (protractems) genannt, beim Herausdrücken der Nesselstäbchen insofern mit eine Rolle spielen sollten, dass sie den sich con- trahirenden Sack nach vorne ziehen. Ich möchte eher die An- sicht vertreten, dass sie als Antagonisten wirken, indem sie bei einer allzukräftigen Contraktion eine Umstülpung des Cnidophors nach aussen verhindern. — Die oben erwähnte Muskulatur unter dem Eetoderm besteht aus einer zusammenhängenden Schicht von Ring- und Längs- fibrillen. Erstere liegt überall dem Eetoderm mehr oder weniger dicht an und verläuft ununterbrochen von der Spitze bis zum Grunde der Papille. Die Längsmuskulatur besteht aus vielen miteinder verfilzten Fibrillen, die auf ihrem ganzen Verlauf fest und innig mit der Ringmuskulatur verbunden sind. Am Grunde des Rückenanhanges gehen beide Schichten in die allgemeine Körpermuskulatur über. Der Verbindungskanal — Fig. 14 — zwischen Leber und Cnidophor ist auch bei Aeolidiella glauca meistens sehr eng und kurz; doch kommen bedeutende individuelle Schwankungen vor. In Fig. 15 habe ich einen Kanal abgebildet, der fast die Hälfte der" Gesammtlänge des Unidophors einnimmt; gewöhnlich ist das Verhältniss zwischen beiden 1:22. Man sieht hier sehr schön, wie sich die Zellen des Entoderms ohne Unterbrechung auf die Wand des Nesselsacks fortsetzen. Ueber die physiologische Funktion dieses Kanals scheint Hecht!) meiner Meinung nach im Irrthum zu sein. Er bildet !) Hecht, E., Contribution & l’etude des Nudibranches, 22 7 Ernst Krembzow: in seiner Fig. 20 einige Nesselstäbchen am Eingange in das Unidophor ab und bemerkt hierzu, es genüge nur eine ganz schwache Contraktion des Sphincters, um die Nematocysten in die Leber zurückfliessen zu lassen. Nach ihm sollte derselbe gleichsam als Sicherheitsventil wirken, um etwaige Ueberfüllungs- zustände im Cnidophor auszugleichen. Die Möglichkeit eines Rückflusses wird man wohl zugeben müssen, ich glaube aber nicht, dass der Sphineter in der von Hecht angegebenen Weise funktionirt. Denn es werden auch in der Leber selbst Nesselkapseln gebildet, sodass zu ihrer Erklärung an der von Hecht be- zeichneten Stelle kein Rückfluss angenommen zu werden braucht. Ich nehme im Gegentheil an, dass sich der Sphineter, der wohl meistens geschlossen ist, bei peristaltischen Bewegungen der Leberschläuche etwas öffnet, und so ein Uebertritt des Inhalts derselben in das Unidophor stattfindet. Denn es werden, wie gesagt, nicht nur bei kleineren Aeolidiern wie Aeolis exigua, sondern auch, wie ich später zeigen werde bei der grossen Aeolidiella glauca Nesselstäbchen in der Leber gebildet, die unzweifelhaft ins Cnidophor gelangen müssen. Wahrscheinlich werden auch bei Aeolis papillosa Nesselstäbehen in der Leber gebildet und Hecht hat diese, da er ihre Entstehung nicht kannte, für solche gehalten, die aus dem Cnidophor stammten. Ausserdem habe ich zu einer Zeit, zu der sich die meisten Cnidoblasten umgebildet hatten, auch immer den Durch- bruch nach aussen gefunden. Diese Oeffnung ist stets sehr weit. Bei der Bildung der- selben scheinen bei dieser Spezies zwei Modifikationen vorzu- kommen. Einmal — Fig. 17 — scheint sich derselbe Vorgang abzuspielen, wie ich ihn schon bei Aeolis exigua geschildert habe, das andere Mal, und dieses dürfte die Regel sein, unter- liegen die ectodermalen Zellen an der Spitze der Papille einer schleimigen Degeneration. Die hierdurch gebildete Haube wird dann wahrscheinlich infolge des nachdringenden Cnidophoren- inhalts vollends abgestossen. Noch ehe ich die Entwickelung des Nesselsacks kannte, waren es die Schnitte — Fig. 16 u. 17 —, bei deren Betrachtung man die Möglichkeit zugeben konnte, dass Herdmann mit seiner Ansicht, die Cnidoblasten seien un- gebildete Ectodermzellen, Recht hätte. Denn es ist eigenthümlich, dass gerade an dem oberen Theile des Cnidophors, an dem doch Ueber den Bau und die Entwiekelung der Rückenanhänge ete. 203 zuerst die Bildung von Nesselstäbehen erfolgt, eine Lage von unversehrten Zellen bestehen bleibt, die den Ausführungskanal auskleiden. Auf einem Querschnitt durch diese Gegend — Fig. 15 — kann man sich hiervon leicht überzeugen; den ganzen Hohlraum umeiebt ein vollständig geschlossener Ring von um- verletzten Zellen. So konnte Herdmann, der wohl immer nur die ausgebildeten Rückenanhänge geschnitten hat, sehr gut auf den Gedanken kommen, dass er in diesen Zellen Eetoderm- gebilde vor sich habe. Jedoch geht das Epithel der Papille nie so, wie es Herdmann!) auf seinen Fig. 32 und 36 gezeichnet hat, in diesen Zellbelag über. Die Unidoblasten zeigen in Bezug auf ihre Zahl, Form und Anordnung ganz andere Verhältnisse, als wir sie bei Aeolis exigua kennen gelernt haben. Jede dieser zahlreichen Zellen ist schmal und lang, beinahe keulenförmig — Fig. 19 —. Ihr Protoplasma ist fein granulirt und enthält an der Basis, die auf_ dem muskulösen Wandbelage ruht einen grossen Kern mit Kern- körperchen. Diese Zellform scheint für viele Aeolidier charakte- ristisch zu sein. Nach Hecht?) kommen ähnliche Zellen vor bei Aeolis papillosa und Aeolis coronata. Trinchese’) hat bei Aeolidiella glauca dieselben Zellen wie ich ab- gebildet, nur vermisse ich in seiner Zeichnung überall den Kern. Ausserdem habe ich noch bei Spurilla neapolitana so- geformte Nesselzellen gesehen. Auch der Zeitpunkt, zu dem die Nesselelemente gebildet werden, scheint bei meinen beiden Arten verschieden zu sein. Schon frühzeitig, wenn am Grunde des Unidophors noch ganz indifferente Zellen lagen und die Muskulatur sich eben zu bilden im Begriff war, sahen wir bei Aeolis exigu a einige Nesselkapseln auftreten. Bei Aeolidiella slauca haben sich schon alle Zellen zu eigenartig differen- zirten Elementen umgewandelt und es ist eine sehr kräftige üuingmuskulatur bereits vorhanden, ohne dass in einer Zelle die Bildung von Nesselkapseln bemerkbar wäre. Erst allmählich ı) Herdmann, W.A.,On the Structure and Functions of the Cerata or Dorsal Papillae in some Nudibranchiate Mollusca: 2) Hecht, E,, Contribution & l’&tude des Nudibranches. ®) Trinchese, Aeolididae & famiglie affini del porto di Genova, Parte seconda, Testo et Atlante. Atti della Reale Accademia dei Linci, (3) X, 1882. 204 Ernst Krembzow: macht sich auf der der Einmündungsstelle der Leber gegenüber- liegenden Seite die Bildung von Kapseln bemerkbar. Diese selbst kann man sowohl auf Längsschnitten — Fig. 21 — wie Quer- schnitten — Fig. 20 — genau verfolgen. Man sieht in Vacuolen liegende Gebilde, die sich mit Hämatoxylin und Orange G. zum Theil dunkel, zum Theil gelb tingirt haben; es sind dies die Durchschnitte der Nesselkapseln, in deren Mitte sich der Nesselfaden abhebt. Die Eigenschaft der ersteren in verschiedener Weise auf den Farbstoff zu reagiren, führe ich auf ihr ver- schiedenes Alter zurück. Denn auf ausgebildeten Stadien färben sich die Kapseln bei Doppelfärbung immer intensiv gelb und nur auf frühen Entwickelungsstufen kommen verschieden gefärbte Kapseln vor. Wahrscheinlich ist mit einer bestimmten Verdichtung des Protoplasmas ein änderes chemisches Verhalten desselben ver- bunden, sodass hierauf die verschiedene Färbung zurückzuführen ist. Wie Fig. 21 deutlich erkennen lässt erfolgt die Stäbchen- bildung nicht an jeder beliebigen Stelle der Cnidoblastenzelle sondern nur im Bereiche der zwei inneren Dritttheile des Zell- körpers. Dieser Befund stimmt auch mit der Angabe Hecht’s überein, dass nämlich zwei Drittel der Zelle von den sehr langen Nematocysten eingenommen werden. ‚Jedoch habe ich nie wie dieser Forscher mehrere Stäbchen in einer gemeinsamen Vacuole gefunden, sondern wie Fig. 20 u. 21 erkennen lassen, liegt jedes derselben in seiner eigenen. Der Kern bleibt auf allen diesen Stadien erhalten, erst viel später, wenn die Cnidoblastenzellen sich aufzulösen beginnen, gehen auch die Kerne zu Grunde. Bei Aeolis exigua lässt sich die Membran der grossen Cnido- blastenzellen noch nachweisen, nachdem die Elemente bereits aus dem Cnidophor ausgeschleudert und an die Oberfläche der Rücken- anhänge gelangt sind.’ Hecht lässt wie ich glaube den Kern eine ganz unbe- rechtigte Rolle bei der Bildung der Nesselelemente spielen. Er stellt zwei Hypothesen auf. Entweder, und dies hält Hecht für das Wahrscheinlichere, soll der Kern ein Stück seiner Substanz zur Bildung des Nesselelements abgeben oder es soll sich die Kapsel als eine selbstständige Verdichtung des Plasmas derart bilden, dass der Kern ohne an seiner Substanz zu verlieren die Differenzirung im Zellplasma hervorruft. Er sagt selbst folgender- massen: „Mais, pour ma part, jincline ä croire que le noy- Ueber den Bau und die Entwickelung der Rückenanhänge ete. 205 au du cenidoblaste joue un röle; peut-&tre simplement comme corps etranger en provoquant sur un point de sa peripherie la condensation' des premiers elements du futur n&matoeyste; plus probablement encore en lui cedant une partie de sa substance.“ Als Beweis hierfür führt er an, dass man den Kern: meistentheils in einem Protoplasmanetz schwebend nicht an der Basis sondern in der Mitte der Zelle finde, umgeben von Vacuolen mit Nema- tocysten. An und für sich beweist dies noch garnichts und ausserdem kann ich Hecht an seinem eignen Beispiel — Aeolis exigua — widerlegen. Ich habe dort den Kern, wie ich schon bemerkt habe, in jugendlichen Cnidoblasten immer, und in älteren mindestens ebenso oft am Grunde als in der Mitte der Zelle ge- funden. Weiter soll auf Stadien, auf denen sich die Vacuolen noch nicht gebildet haben, der erste Anfang (l’ebauche) der Nematocysten in der Nähe des Kernes liegen und dort gewisser- massen einen Theil desselben in sich aufnehmen. Hierauf möchte ich Hecht erwidern, dass er selbst sagt, bei Aeolis papillosa ‚bildeten sich, wie es ja auch bei meiner Aeolidiella der Fall ist — die Nesselstäbehen nur in den beiden obersten Dritteln der Zelle. Der Kern derselben liegt aber am Grunde ziemlich weit von diesen entfernt. Ich habe nie irgend welche Betheiligung des Kernes nachweisen können; denn selbst wenn mir der erste Anfang zur Bildung einer Kapsel entgangen sein sollte, so hätte ich doch in den ca. 110 « langen Zellen einmal ein in der Wanderung begriffenes Stäbchen finden müssen; diese hätte ja nothwendiger Weise stattfinden müssen, wenn die Stäbchen aus der Nähe des Kernes, der in dem äusseren Zellende liegt, in den inneren Theil der Zellen gelangen sollen. Ausserdem giebt es wohl niemals ein Stadium, auf dem sich keine Vacuolen finden, denn mit der ersten kaum wahrnehmbaren Condensation des Protoplasmas fällt auch die Vacuolenbildung zusammen. Die wie gesagt am distalen Ende des Onidophors beginnende Stäbehenbildung schreitet allmählich weiter fort. Dann lösen sich — Fig. 16 — die Cnidoblastenzellen fast ganz auf, sodass man Zellgrenzen nur noch sehr schwer feststellen kann. Schliess- lich gehen dieselben ganz zu Grunde und es kommt zu einer allgemeinen Vermischung des Cnidophoreninhalts. Hierbei gehen auch die um die Stäbchen gebildeten Vacuolen mit verloren, so- dass jene nun ganz frei im Nesselsack zu finden sind. 206 Ernst Krembzow: Diesem Umstande schreibe ich es auch zu, dass es mir an altem conservirten Material gelang durch Maceration eines Rückenanhanges in Glycerin und 70 °fo Alkohol die Nesselstäbchen zum Ausschleudern ihres Fadens zu bringen. Derselbe — Fig. 22 — ist rings herum mit starren Borsten besetzt, seine Länge beträgt ca. 50 «. Wahrscheinlich ist der Faden in der Ruhe etwas contrahirt; denn die grösste gemessene Länge eines Stäbchens im Cnidophor betrug nur 44 u. Auch bei Aeolidiella glauca habe ich im Entoderm der Leber Nesselelemente gefunden, doch weichen sie etwas von den im Cnidophor gebildeten ab. Zunächst möchte ich vorausschicken, dass bei dieser Spezies individuelle Verschiedenheiten vorzukommen scheinen; denn nur bei einem von 5 Thieren, die Herr Prof. Seeliger aus Triest mitgebracht hatte, war es mir möglich die Nesselelemente nach- zuweisen. Dem Einwurf, es habe sich vielleicht um eine andere Art gehandelt, will ich durch folgende Ausführungen zuvorzu- kommen versuchen. Erstens unterschieden sich die Thiere in ihrer äusseren Körperform nicht im Geringsten. Ihre Augen und Lippententakeln, eines der wichtigsten systematischen Merk- male waren vollkommen gleich. Ebenso war in histologischer Beziehung nicht der mindeste Unterschied wahrzunehmen. Ausser- dem möchte ich noch hinzufügen, dass ich dieselben Gebilde auch bei einer Aeolidiella glauca fand, die Herr Prof. Will im Hafen von Mahorn auf Menorka im Jahre 1590 gesammelt hatte. Diese Nesselstäbehen in der Leber sind ca. 30—40 u lang und unterscheiden sich in Bezug auf ihre Genese von der ım Cnidophor gebildeten. Diese entstehen bis zu 10 Stück in einer Zelle, von je einer Vacuole umgeben. Jene’ liegen immer einzeln je eine in einer Zelle in einer besonderen Kapsel; dieselbe hebt sich scharf und deutlich von dem gelb gefärbten Stäbchen ab. Wahrscheinlich ist es eine Kapsel mit spiralig verdiekten Wänden, in der sogar vielleicht muskulöse Elemente nicht fehlen. Denn sobald dieselbe ins freie Lumen der Leber kommt, schleudert sie das in ihr befindliche Stäbchen vor, das nun denen im Nesselsack ganz gleich ist. Man findet überall die leeren Hüllen auch im Lumen des Cnidophors; doch habe ich in der Wandung des Nesselsacks nie eine andere als die oben beschriebene Bildung Ueber den Bau und die Entwiekelung der Rückenanhänge ete. 207 von Stäbchen beobachtet und glaube daher, dass die in der Cnidophorhöhle liegenden Hüllen aus der Leber stammen. Dieselben Nesselgebilde habe ich auch in der Leber des Körpers gefunden. Sie hatten sich in reichlicher Menge vor dem Verbindungskanal, der zwischen der eigentlichen Leber und der des Rückenanhanges gebildet wird, angesammelt. Dieser Kanal — Fig. 24 — ist mit einem sehr kräftigen Schliessmuskel versehen. Dieses Verhalten finde ich nur einmal in der Literatur erwähnt und zwar bei Bronn!), es heisst dort wörtlich: „Quatrefages versichert, dass alle diese Leber- schläuche sehrkontr aktil, und dass nicht nur die Hauptstämme der- selben, sondern auch die in die Kiemenanhänge eintretenden Coeca am Grunde mit einem Schliessmuskel versehen sind.“ Der Raum zwischen Leber und Leibeswand wird von der sehr reich entwickelten interstitiellen Bindesubstanz eingenommen; in die einzelnen Fibrillen derselben sind zahlreiche spindel- fürmige Kerne eingebettet. An der Stelle besonders, an der jene von vielen cirkulär verlaufenden Muskelfibrillen durchsetzt sind, erlangen sie eine ziemlich bedeutende Mächtigkeit. .t te bu * Vorliegende Arbeit habe ich auf Anregung von Herrn Prof. Dr. Seeliger im zoologischen Institut der Universität Rostock unternommen. Es ist mir eine angenehme Pflicht meinem hochverehrten Lehrer an dieser Stelle meinen ergebensten Dank auszusprechen, sowohl für diese Anregung als auch für das Material, das er mir gütigst überliess und für die Liebenswürdigkeit, mit der er mich durch seinen Rat nach jeder Richtung hin unterstützte. — Auch Herrn Prof. Dr. Will danke ich sehr für das freundliche Interesse, das er meiner Arbeit stets entgegengebracht hat. Rostock, im Februar 1901. ı) Bronn, H.G. Dr. Klassen und Ordnungen der Weichthiere. Dritter Bd. Zweite Abth. 1862—66. 208 Ernst Krembzow: Erklärungen der Abbildungen auf Tafel VII und VIM. Di e Abbildungen wurden bis auf die Fig. 11 und 12 durchweg mit Oberhäuser’schem Zeichenapparat ausgeführt. Buchstabenbezeichnung. com. can. = Communications-Kanal zwischen Leber und Cnidolphor; co1 n can.'—= Communications-Kanal zwischen Leber des Körpers und Leber des Rückenanhanges; enid. = Cnidophor-Nesselsack ; enidbl. = Cnidoblastenzelle = Nesselkapselbildungszelle; ect. — Eetoderm; ent — Entoderm, Leber; embry. Z. = embryonale Zelle; gl. — einzellige Schleimdrüsen; in.B. == interstitielle Bindesubstanz; m. C. — ceireulärverlaufende Muskelfibrillen ; m. 1 — längsverlaufende Muskelfibrillen; mes. — Mesenchymzellen ; m2. — Muskelzellen; N. — Nesselstäbchen in der Leber; IN. — jugendliches Nesselstäbchen; T.N. — reifes, fertiges Nesselstäbchen ; O. — ÖOeffnung des Unidophors nach aussen ; ‚peric — Pericardium ; sph. — Sphincter; w. 2. — Wimperzelle; %. — cellules speciales de Hecht. Fig. 1. Längsschnitt durch den vordersten Rückenanhang einer ca. 1,0 mm Fig. 3. langen Aeolis exigua. Zeigt die Entstehung einer Papille in dem Winkel, den eine ältere mit der Leibeswand bildet. Au der Spitze der Entodermausstülpung embryonale Zellen, die erste Anlage des Cnidophors. Zwischen Ento- und Eetoderm reichliche An- sammlung von Mesenchymzellen. Vergr. 510. Dicke des Schnittes5 «. Längsschnitt durch einen jungen Anhang einer Aeolidiella glauca. Zeigt in der Mitte die Entodermausstülpung mit den embryonalen Zellen, die erste Anlage des Ünidophors. Zwischen Ento- und Eetoderm spindelförmige und verästelte Mesenchymzellen. Vergr. 510. Dicke des Schnittes 10 «. Längsschnitt durch eine Aeolis exigua: Zeigt einen Theil der Leber mit Zonen embryonaler Zellen zwischen den Drüsenzellen. In diesem und auch im Lumen der Leber Nesselkapseln. Vergr. 510. Dicke des Schnittes 5 u. Längsschnitt durch einen jungen Rückenanhang von Aeolis exigua, etwas älteres Stadium als Fig. 1. Vergr. 680. Dicke des Schnittes 5 ». Längsschnitt durch eine etwas ältere Papille von Aeolis exigua, Vergr. 680. Dicke des Schnittes 5 «. Veber den Bau und die Entwiekelung der Rückenanhänge. ete. 209 Fig. 6. Längsschnitt durch eine Papille von Aeolis exigua. Zeigt zum Fig. 7, Fig. 8. Fig. 9. te: ie. 2. ie. 13. . 14. ersten Male eine ringförmige Einschnürung an der Grenze der embryonalen und der Leberzellen. In diesen rege Kerntheilung durch drei im Knäulstadium begriffene Kerne angedeutet (vgl. Fig. 4). Uebergang einer Mesenchymzelle in eine Bindegewebsfaserzelle. Vergr. 680. Dicke des Schnittes 5 u. Längsschnitt durch einen Rückenanhang von Aeolis exigua. Die auf Fig. 6 angedeutete Einschnürung hat weitere Fortschritte gemacht. Die Cnidophorenlage ist fast beendet Zeigt ferner die von Mesenchymzellen ausgeschiedenen Muskelfibrillen und am Ueber- gang der Leber in das Unidophor einige Querschnitte durch die ringförmig verlaufene Sphineter - Muskulatur. Im Lumen der Leber zwei fast abgeschnürte Zellkomplexe. Bei x grosse, wahrscheinlich aus der Leber stammende Zellen. Vergr. 680. Dicke des Schnittes 5 Ur Längsschnitt durch den obersten Theil eines ausgebildeten Rücken- anhanges von Aeolis exigua. Zeigt die Oeffnung des Cnidophors nach aussen. Im Innern des Nesselsacks Cnidoblasten mit Nessel- kapseln, die pheriphere Anordnung derselben besonders in den obersten Zellen gut erkennbar. Zeigt ferner die Befestigung des Cnidophors durch Fibrillen, die von dem muskulösen Wandbelage desselben nach dem Eetodorm ziehen. In diesem Schleimdrüsen und Wimperzellen. Vergr. 510. 5 u. Längsschnitt durch den obersten Theil eines Rückenanhanges einer Aeolis exigua. Zeigt den engen Kanal zwischen Leber und Unidophor und die weite Oeffnung des letzteren nach Aussen. Im Innern des Nesselsackes Cnidoblasten mit Nesselkapseln und am Grunde desselben noch embryonale Zellen. Zeigt ausserdem die kräftige Entwickelung des Sphineters und die Verbindung der Onidophorenmuskulatur mit den unter dem Eetoderm verlaufenden Fibrillen. Im Eetoderm Schleimdrüseu und bewimperte Zellen. In den letzteren, nahe ihrer Spitze, Seeretkügelchen. Vergr. 510. Dicke des Schnittes 5 u. Längsschnitt durch den obersten Theil eines Rückenanhanges von Aeolis exigua, zeigt ähnliche Verhältnisse wie Fig, 9. Lebende Nesselzellen von Aeolis exigua mit Nesselkapseln. Nesselkapsel von Aeolis exigua mit ausgeschleudertem Faden. Am Grunde desselben Kranz von kleinen Borsten. Längsschnitt durch den obersten Theil eines Rükenanhanges einer Aeolidiella gdauca. Zeigt den Verbindungskanal der Leber mit dem Cnidophor und im Innern desselben die zahlreichen Durch- schnitte von Cnidoblasten. Zeigt ferner den Zusammenhang der Muskulatur des Cnidophors. Im Ectoderm zahlreiche einzellige Schleimdrüsen. Unter dem Eetoderm je eine Lage cirkulär und längs verlaufender Fibrillen. Vergr. 57. 5 u. Der untere Theil von Fig. 13 in stärkerer Vergrösserung. Zeigt den Uebergang der Leber in das Cnidophor und die Bekleidung 210 Ernst Krembzow: Ueber den Bau und die Entwickelung ete. Fig. „15. 16. LAT; 18: 49: . 20. beider mit einem mesodermalen Epithel. Im Innern der Leber Nesselstäbehen. Vergr. 195. Dicke des Schnittes 5 . Längsschnitt durch das Cnidophor einer Aeolidiella glauca. Zeigt einen Verbindungskanal, der fast die Hälfte so lang ist, wie das Cnidophor selbst und den ununterbrochenen Uebergang der Entodermzellen durch den Kanal auf die Wand des Nesselsackes, Im Innern desselben Cnidoblastenzellen. Vergr. 142. Dicke des Schnitts 5 us Längsschnitt durch den obersten Theil einer Papille von Aeoli- diella glauca. Die bereits vorhandene Oeffnung des Cnidophors. ist durch einen infolge schleimigen Zerfalls der Ectodermzellen ge- bildeten Pfropf verschlossen. Zeigt ferner, dass der Zellbelag im obersten Theil der Oeffnung nicht in das Eetoderm übergeht, sondern von diesem getrennt ist durch die Muskulatur des Cnidophors und die unter dem Eetoderm verlaufenden Fibrillen, die sich an der Spitze vereinigen. Vergr. 260. Dicke des Schnittes 5 a. Längsschnitt durch den obersten Theil einer Papille von Aeoli- diella glauca. Zeigt die Oeffnung des Cnidophors nach aussen und ebenso die scharfe Grenze zwischen Ento- und Eetoderm; ferner im Cnidophor die schon zum grössten Theil aufgelösten Cnidoblasten- zellen mit ihren Nesselstäbehen. Vergr. 195. 5 u. Querschnitt durch die Spitze einer Papille von Aeolidiella glauca. Zeigt den die Oeffnung des Cnidophors auskleidenden Zellbelag; die Muskulatur des Cnidophors, die unter dem Eetoderm verlaufenden Fibrillen und die vielfache Verbindung beider Vergr. 260. 5 u. Querschnitt durch ein jugendliches Cnidophor von Aeolidiella glauca. Zeigt die Anordnung der Cnidoblastenzellen im Nessel- sack. Vergr. 510. Dicke des Schnitts 5 x. Querschnitt durch eine Onidoblastenzelle mit sieben in Bildung be- griffenen und zwei fertigen Nesselstäbchen. Vergr. 1150 Dicke des Schnittes 5 u, . Längsschnitt durch eine jugendliche Cnidoblastenzelle mit zwei fertigen, reifen’ und einem in Bildung begriffenen Nesselstäbchen. Vergr. 1150. Dicke des Schnittes 5 «. Nesselfaden von Aeolidiella glauca, ringsherum von starren Borsten besetzt. Vergr. 1150. . Längsschnitt durch die Leber von Aeolidiella glauca. Zeigt einzelne Leberzellen mit je einem Stäbchen, jedes derselben von einer besonderen Kapsel umgeben. Vergr. 610. 5 «. . Längsschnitt durch die Basis einer Papille von Aeolidiella glauca. Zeigt den Uebergang der Leber in den Rückenanhang und den an dieser Stelle zur Ausbildung gelangenden Sphineter Zeigt ferner die reiche Ausbildung der interstitiellen Bindesubstanz und an einer Stelle zahlreiche Durchschnitte von eirkulär ver- laufenden Fibrillen. Vergr. 142. Dicke des Schnittes 10 «. M, Kodis: Eine neue Methode zur Färbung des Nervensystems etc. 211 Eine neue Methode zur Färbung des Central- nervensystems nebst Bemerkungen über die Structur der Gross- und Kleinhirnrinde. Von Dr. T. Kodis. Hierzu Tafel IX. Die Golgi’sche Methode beruht auf einer chemischen Affinität von Silber- und Quecksilbersalsen zu den nervösen Ele- menten, so zwar, dass diese Salze nach einer längeren Einwirkung sich in der Zelle und ihren Fortsätzen als chemische Verbindung zwischen Eiweisskörpern und Metallsalzen niederschlagen. Es fragt sich nun, ob diese Verwandtschaft nicht auch nach einer kürzeren Einwirkung sich äussern würde. Sollte ein solches speeifisches Einwirken auf die Nervenzelle wirklich vorhanden sein, so wäre es vielleicht möglich, die Nervenzelle adjectiv zu färben, indem wir diese Salze als Beize für das Nervengewebe anwenden. Diesem Gedanken folgend, habe ich systematisch die meisten Quecksilber- und einige Silbersalze in ihrer Einwirkung auf die Nervenzelle geprüft. Es stellte sich bald heraus, dass diese Salze keine specifische Einwirkung auf vorher — etwa durch Alkohol, Formol ete. — fixirtes Material haben. Weiter zeigte sich, dass einzelne von diesen Salzen auf die Peripherie anders als auf die Mitte des Präparates einwirken. Das kommt wahr- scheinlich in Folge der Dissociation der Salze in Wasser und rascherer Diffusion eines der dissociirten Bestandtheile. So ist z. B. Sublimat stark in Hg und Cl-Jonen dissocirt. Die letzteren Jonen dringen in das Gewebe viel rascher vor, als die ersteren, und binden sich dort chemisch mit dem Eiweiss. Die Hg-Jonen dagegen folgen langsamer nach und wirken auf chemisch verändertes (fixirtes) Protoplasma ein. Aus diesem Grunde wählte ich zur Untersuchung nur solche Salze, die sehr wenig dissociirt sind, oder deren beide Jonen gleichmässig rasch in die Gewebe eindringen. Ich habe folgende Salze untersucht- und zwar in schwacher und eoncentrirter Lösung, rein oder mit Zusatz verschiedener Säuren, wie Salpeter-, 313 T. Kodis: Ameisen-, Essigsäure u. 8. w., in wässeriger, alkoholischer und Aceton-Lösungen: Hg0, Hg (N0°), Hg? (N 0°), Hg? (C? H® 0°), Hg (C? H® NO?) Hg (CNS)’ und Hg OHg (CN), Ich werde an anderer Stelle über manche interessante Erfahrungen mit diesen Salzen berichten. Heute möchte ich nur von einem mir wichtig scheinenden Ergebniss sprechen. Die Untersuchung mit diesen Lösungen hat nämlich die Mög- lichkeit erwiesen, die Nervenzelle mit ihren Fortsätzen positiv zu färben. Von Versuchen mit Hg (N0°)? ausgehend, glaube ich nach längerem Probiren und Beobachten nun endlich m dem Quecksilbereyanid- Hg (CN)? — das erwünschte Fixir- und vielleicht auch Reizmittel für das Nervengewebe gefunden zu haben. Die nächste Frage war, einen geeigneten Farbstoff zu finden. die gebräuchlichsten Farbstoffe, wie Delafield’s, Ehrlich’s, Böhmer’s, Meyer’s und Apathy’s Hämatoxylin, S. Fuchsin, Carbolfuchsin, Gentiana-, Anilinölgentiana-, Methylviolett-, Me- thylen- und Anilinblaulösungen u. s. w. gaben mir keine brauch- bare Färbung. Dagegen lieferte mir polychromes Methylenblau manchmal ziemlich gute Präparate. | Indessen scheint mir das molybdänsaure Hämatoxylin die zweckmässigste Verbindung für meine Zwecke zu sein. Durch die Anwendung von Hg (UN)? und molybdänsauren Hämatoxylin lässt sich die Ganglienzelle mit ihren Ausläufern ebenso gut wie mit der Golgi’schen Methode darstellen, dabei ist die Färbung ganz sicher einfach und ergiebt ein positiv gefärbtes Bild. Die Methode ist nicht uniform anzuwenden, sondern muss für die einzelnen Nervenelemente in bestimmter Weise modi- fieirt werden. Für die allgemeine Orientirung in der grauen Substanz des Gehirns zur Darstellung der Ganglienzellen mit ihren Dendriten empfiehlt sich folgender Weg: I. Frisches Gewebe (bis etwa 24 Stunden nach dem Tode) !e—1 cm dick in gesättigter wässeriger Lösung von (uecksilbereyanid auf 1—2 Tage, manchmal länger; II. Ohne Auswaschen direkt in 10°/o Formollösung, 1 bis 3 Tage; Eine neue Methode zur Färbung des Nervensystems etc. 213 III. Schneiden mit dem Gefriermikrotom: IV, Färben der Schnitte 1—2 Minuten in molybdänsaurem Hämatoxylin in vierfacher Verdünnung. Molybdänsaures Hämatoxylin wird folgendermassen hergestellt:') Hämatoxylin - Krystall 1,0 Reines Molybdänsaures Anhydrit (Merk) 1,5 Aq. dest. 100,0 H? 02 0,5 (oder ein Krystall xon He). b Die Lösung ist in einem Tage fertig zum Gebrauche. V, Auswaschen in Wasser 1—2 Minuten; VI. Eventuell Kontrastfärbung mit alkoholischer Lösung von Lichtgrün; VII. Absol. Alkohol, Xylol, Canadabalsam., Das Protoplasma der Ganglienzellen ist Gentiana - violett gefärbt, die Dendriten uno der Anfang des Axencylinders ebenso, die kleinsten Zweige Blau - violett. Der Nucleus ist meistens nicht gefärbt oder nur etwas dunkler, als das Protoplasma. Bei der Gegenfärbung mit Lichtgrün ist der Nucleus meistens grün, die kleinen Dendriten grünlich. Die Neurogliafasern der weissen Substanz sind röthlich, die Kerne der Neurogliazellen sind dunkelroth, das Proto- plasma ist nicht gefärbt (oder lichtgrün). Die Neurogliafasern der grauen Substanz sind nicht gefärbt, nur die Gliakerne werden roth. Soweit ich bis jetzt pathologische Objekte unter- sucht habe, färben sich im Gehirn von Paralytikern die Neuro- gliafasern auch in der grauen Substanz und sind besonders deutlich im Stratum zonale, wo sie auch im normalen Gehirne etwas zu sehen sind. Die Axone sind violett nur bis zur Myelinscheide. Die Myelinscheide selbst ist nicht gefärbt. Nimmt man jedoch möglichst frische menschliche oder thierische Gehirne, so sind auch die Axone in der weissen Substanz gefärbt. Will man die Gewebe in Paraffın oder Üelloidin ein- betten, so thut man besser, das Präparat zuerst im Stück zu !:) Diese Farblösung ist im Wesentlichen bereits von Auerbach zur Färbung der Axeneylinder angegehen, von mir aber zu anderen Zwecken modifieirt worden. 214. T, Kodis: färben, da der Alkohol die Färbbarkeit des Gewebes verändert und zuweilen auch die kleinsten Fortsätze der Dendriten schädigt. Man benutzt für die Stückfärbung möglichst dünne Stückchen (2—3 mm dick und legt sie auf 2—3 Tage in sehr verdünntes (1:20) molybdänsaures Hämatoxylin: oder noch besser in Mallory’s phosphormolybdäusaures Hämatoxylin, letzteres ebenfalls in zwanzigfacher Verdünnung.. Nachher kommen die Stücke direkt in Alkohol und nach erfolgter Härtung in gewöhnlicher Weise in Paraffın oder : CGelloidin. Der Farbstoff dringt nicht sehr tief, ein, aber man kann jeden- falls viele. Schnitte gut gefärbt erhalten. Dabei giebt das phosphormolybdänsaure Hämatoxylin sehr schöne: polychrome Färbung. Die Kerne sind meistens blau, Protoplasma leuchtend roth, die kleinsten Fortsätze violett, Nissen’sche Körper sind nicht gefärbt. Das Pigment in: ‚den ‚Ganglienzellen nimmt eine orangerothe Farbe an. Das Chromatinnetz im: Nucleus ist deutlich erkennbar. Der Nucleolus und. sehr oft auch der Nucleolulus sind. schön blau. In. dem mit Hg (CN)? fixirten Rückenmarke, das mit Mallory’scher Lösung im Stück "gefärbt wurde, sind. die Ganglienzellen mit ihren Dentriten burgunder- roth, die Axone etwas heller roth, die Myelinscheide ist. hell- blau, die Neurogliafasern dunkelroth. Im Allgemeinen kann man sagen, dass in der Peripherie des Präparates die rothe, im Centrum, wohin der Farbstoff schwerer gelangt, die blaue Färbung vorherrscht. Isolirte Markscheidenfärbung kann man sehr gut und einfach erhalten, wenn man das Gewebe nach meiner Methode fixirt, auf dem Gefriermikrotom schneidet und mit Heidenhain- schem Eisenhämatoxylin färbt. Man verfährt in folgender Weise: I. Die Schnitte kommen 2—5 Stunden lang in 2/oiger Eisenalaunlösung ; II. Abspülen mit Wasser; III. '/s°/oige wässrige Hämatoxylinlösung 10—12 Stunden; IV. Difterenzirung in 2°/oiger Eisenalaunlösung 1—3 Stunden unter mikroskopischer Kontrole, bis das Gewebe ent- färbt ist und nur noch die Markscheiden dunkelblau gefärbt bleiben; V. Gründliches Auswaschen mehrere Stunden lang; VI. Alkohol Xylol. Canadabalsam. Eine neue Methode zur Färbung des Nervensystems etc, 215 Man kann auch ’die Methoden zur Färbung der Ganglien- zellen und Markscheiden kombiniren, "indem man ‘zuerst nach Heidenhain 'und dann nach sehr" gründlichem ' Auswaschen mit molybdänsaurem Hämatoxylin färbt. Marklose Fasern färben sich schwerer: und bis jetzt habe ich noch ‘nicht eine isolirte Färbung dieser Nerven erreicht. Man kann sie wohl färben, aber manche andere GewebseleMente sind mitgefärbt und stören etwas das Bild. Man nimmt die Färbung in der Weise vor, dass man ‘die Stücke "mit dem Gefriermikrotom schneidet und die Stücke für 1—2 Minuten’ in unverdünntes und leicht erwärmtes molybdänsaures Hämatoxylin bringt. Die Schnitte sind fast ganz dunkel oder schwarzroth. 'Zur Differenzirung lege ich sie in 2—4°/oiges Eisenalaun' für 2bis 3 Stunden, bis die Farbe der Schnitte hellroth ‘geworden ist. Dann folgt gründliches Auswaschen ' und weitere Behandlung’ in gewöhnlicher Weise. Man sieht‘ dabei die kleinsten ' Nerven- fasern sehr‘ deutlich z.' B. in der 'Submucosa zur Mucosa ziehend. Die Golgi’sche Methode und ihre Modifikationen. haben die grösste Bedeutung für die Erforschung der normalen mikroskopischen Struktur des Gehirnes ‚gewonnen und dürften sie wohl noch lange behalten. : Dagegen leisteten sie verhältniss- mässig wenig für die Pathologie. Denn da sie electiv färben, gewähren sie uns niemals ein Gesammtbild des Gewebes; wir können wohl in einer grösseren Anzahl von Präparaten aus- gezeichnet alle Einzelheiten erkennen, ohne aber die letzteren je in einem Bild vereinigt zu finden. Wir sind in Folge dessen genöthigt, aus der Summe der Einzelbilder das Gesammtbild uns selbst zu konstruiren, aber wir wissen niemals mit Sicher- heit, wie zahlreich ‚die einzelnen Gehirnelemente in pathologischen Zuständen vorhanden sind, noch in welchem genauen Verhält- nisse sie zu einander stehen. Dass es ausserdem in einer grossen Anzahl von Fällen fast unmöglich ist, Kunstprodukte als solche zu erkennen, ist allgemein bekannt. Diesen Mängeln wird, hoffe ich, meine Methode abhelfen, und sie wird die Er- forschung der pathologischen Veränderungen der Gehirnstruktur erleichtern, da sie ein positives Bild giebt und nicht electiv ist. Ich gehe nunmehr zur Beschreibung einiger Befunde in meinen Präparaten über, 216 T. Kodis: Fig. A stellt die Molecularschicht der menschlichen Klein- hirnrinde dar. Man sieht die Purkinje’schen Zellen (a) mit allen ihren Ausläufern, sowie Korbzellen (b) mit ihren Dendriten und Axonen (ec). Die Körbe um die Purkinje’schen Zellen sind an manchen Stellen deutlich zu sehen (in dieser Zeichnung nicht). Die kleinen sternförmigen Zellen (d) haben sehr wenig Protoplasma, sind oval oder spindelförmig und senden einen langen Fortsatz (d) zur Oberfläche der Molecularschicht. Dieser Fortsatz ist übrigens viel deutlicher im Kleinhirn des Hundes zu sehen. Dort ist er stärker, verdickt sich in der Nähe der Oberfläche und theilt sich endlich in eine Anzahl dicht an ein- ander liegender, kleiner Fibrillen, welche der Oberfläche aufliegen. Solche Endfibrillen finden sich zahlreich auch im normalen mensch- lichen Gehirne (e), aber es ist mir nicht gelungen, ihre Zu- gehörigkeit zur Zelle nachzuweisen, da das Verbindungsstück (f) ungemein dünn und nicht im ganzem Verlaufe sichtbar ist. Im Kleinhirn der Paralytiker dagegen sieht man diese Fortsätze er- heblich verdickt. Vielleicht stellen sie Neurogliafasern dar. Im Bild sieht man ferner die Axone der Purkinje’schen (g) und manchmal der sternförmigen Zellen, dagegen erscheinen die centripetalen Fasern hier so wenig wie in der Grosshirnrinde. Die Körnerschicht (i) ist so ausserordentlich reich an Zellen, dass dieselben die Dendriten fast vollständig verdecken. Die Zellen selbst werden fast ganz vom Kerne ausgefüllt, der sich dem Farbstoffe gegenüber ganz ungleichmässig verhält. Ihre Axone nehmen die Färbung nicht an in auffallendem Gegensatze zu denen der Korbzellen. Die Grundsubstanz der Molecularschicht (k) sieht anscheinend homogen aus; bei stärkerer Vergrösserung dagegen sieht man, dass sie aus sehr feinen Gebilden besteht, welche moosartig auf den dünnsten Zweigen der Purkinje’schen Zellen aufsitzen. Diese Gebilde sieht man zuweilen an Golgi’schen Präparaten als dornenartige Auswüchse der Dendriten, und sie wurden bisher meist als Kunstprodukte gedeutet!). Dagegen hat schon Ramon y Cajal sie als integrirende Bestandtheile der Dendriten be- schrieben. Fig. B zeigt uns nun, dass diese Gebilde aus einem dünnen Stiel mit einer peripheren kugeligen oder pilzartigen ») Z. B. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre, 2, Bd. 1. Cl. Hälfte p. 54. Eine neue Methode zur Färbung des Nervensystems et6, 217 Anschwellung bestehen. Ich habe diese Gebilde stets auch an frischen, nicht gefärbten Präparaten gesehen, nachdem ich mich einmal daran gewöhnt hatte, auf diese mittelst einer positiven Methode dargestellten Gebilde zu achten. Sie bilden den grössten Theil der Molecularschicht des Kleinhirns und der Grosshirn- rinde (Fig. A). Weiterhin findet man sie im Centralgrau des Gehirns. Dagegen finden sie sich nicht im Rückenmark,” im Nucleus dentatus, im Olivenkern und in den Kernen der Brücke und Medulla oblongata. In der Molecularschicht des Kleinhirns fehlen sie bei den sternförmigen und Korbzellen, in der Körner- schicht finden sie sich nur an den Ausläufern der grossen Golgi- schen Zellen. In der Grosshirnrinde treten sie zuerst an den feinen Ver- zweigungen der spärlichen Ganglienzellen an der Grenze der weissen und grauen Substanz auf und vermehren sich entsprechend der Zunahme der Ganglienzellen, so dass wir sie in der grauen Substanz in gleichmässig dichter Masse bis an die äusserste Lage des Stratum zonale, d. h. bis zu der äussersten Schicht der Neu- roglia vorfinden. Die Träger dieser Gebilde sind überall nur die feinen und allerfeinsten Verzweigungen. Die gröberen Zweige der Dendriten und die Axone sind dagegen vollkommen glatt. Unter diesen Gebilden bestehen deutliche Unterschiede je nach der Lokalisation. So sind sie im Kleinhirn gedrungen und deutlich erkennbar, während sie in der Grosshirnrinde länger und dünner sind, so dass das Verbindungsstück äusserst schwer zu sehen ist. Auch bezüglich der Provenienz bestehen markante Ditferenzen. So weit ich bisher thierische Gehirne untersucht habe, sind die beschriebenen Gebilde im Gehirn von Hunden und Katzen derber als im menschlichen Gehirn, und von den letzteren leicht zu unterscheiden. Die feinsten Ausläufer der Dendriten, auf denen die Gebilde sitzen, sind übrigens beim Menschen länger als beim Thiere. Als Zusammenfassende Bezeichnung möchte ich für diese Gebilde den Namen „Phylloden“ vorschlagen (pvAAwdyg — blätter- ähnlich) in Analogie mit den „Dendriten* und mit Rücksicht auf ihre charakteristische Anordnung auf den Zweigen der Gehirn- zellen. Die Phylloden nun zeigen in ihrem Verhalten zu Farb- stoffen und Chemikalien gewisse Eigenschaften, welche sie deutlich 218 T. Kodis: von den 'Dendriten unterscheiden lassen. Sie färben sich im Allgemeinen viel leichter wie die Dendriten, und zwar kann man sie sowohl mit sauren als mit alkalischen Anilinfarbstoffen färben. Mit Eisenalaunhämatoxylin behandelt, behalten ‘sie bei ‘der Differenzirung den Farbstoff länger als die übrigen Elemente der Rinde mit alleiniger Ausnahme der Markscheiden. Bei langsamer Färbung mit phosphormolybdän. Hämatoxylin erscheinen die Den- driten röoth, die Phylloden dagegen dunkelviolett. Unter Ein- wirkung von Alkohol und Aceton schrumpfen sie stark, während die Dendriten scheinbar unverändert bleiben. Die Phylloden sind sehr wenig widerstandsfähige Gebilde. Schon beim Abtupfen mit Fliesspapier verlieren sie ihre Conturen und fliessen zusammen, wodurch die Dendriten und andere Fasern etwas deutlicher hervor- treten. Bei ungenügender Fixirung und Härtung legen sich ‘die Phylloden leicht auf die eigenen und benachbarten Dendriten und bilden * so ein unregelmässiges Netzwerk. Frisch “ untersucht scheinen sie etwas mehr lichtbrechend zu sein als die Dendriten. Wir haben gesehen, dass die Phylloden nur auf den feinen und allerfeinsten Verzweigungen der Dendriten 'aufsitzen. Diese Zweige weisen ihrerseits ganz charakteristische und immer wieder- kehrende Merkmale auf. “Während sie im basalen "Theil der Molecularschicht des Kleinhirns einen gewundenen Verlauf haben und so das Gesammtbild eines Knäuels erzeugen, zeigen sie etwa von der Mitte der Molecularschicht ab allmählich die Tendenz, senkrecht zur Peripherie zu verlaufen. Im Grosshirn sind diese Verzweigungen der Dendriten, welche die Träger der Phylloden sind, so zart, dass es mir bis jetzt nicht gelungen ist, ein klares Bild ihres Verlaufes zu gewinnen, jedoch habe ich den Eindruck, dass sie in der äusseren Schicht — dem Stratum zonale — nicht parallel zur Oberfläche verlaufen. Fig. B zeigt uns ferner, dass — wenigstens im Kleinhirn — die Phyllodenträger überall in gleichen Abständen parallel zu einander verlaufen. Nirgends sind echte Anastomosen zu sehen. Diese Beobachtung habe ich an allen meinen Präparaten machen können, ‘die in Celloidin ‘oder Paraffın eingebettet waren. Die Dendriten scheinen ‘hier in ihrer natürlichen Lage durch das Einbettungsmedium fixirt worden zu sein. In Schnitten, die mit dem Gefriermikrotom "hergestellt waren, fehlt dagegen diese (resetzmässigkeit. Eine nete Methode zur Färbung des- Nervensystems etc. 219: Der Abstand zwischen den Zweigen wird von den aufihnen sitzenden Phylloden nicht ganz ausgefüllt. Es bleibt ein Zwischen- raum übrig, der im Leben wahrscheinlich von einer Flüssigkeit eingenommen ist, in welcher die Phylloden flottiren. Wenn wir uns der Anordnung der Purkinje’schen Zellen erinnern, so sehen wir, dass dieselben am Boden der Molecular- schieht in der Weise angeordnet sind, dass sich ihre Ausläufer fächerförmig ungefähr in. einer Ebene zur: Oberfläche verästeln. Durch diese einem .Kreissektor ähnliche Anordnung ist die Möglich- keit gegeben, die denkbar grösste Anzahl feinster Verzweigungen zu entwickeln. Da diese kleinsten Verzweigungen nun aber die Träger der Phylloden sind, so wird durch diese Vertheilung in einem solchen Sektor und demgemäss auch der Summe der Sektoren, nämlich der ganzen Kleinhirnwindung, die grösst- möglichste Anzahl von Phylloden untergebracht. Demnach scheint der Schluss nicht ungerechtfertigt, dass die Phylloden sowohl die Anordnung der Purkinje’schen Zellen am Boden der Molecular- schicht, als auch die Art der Verästelung der Dendriten be- dingen. Diese Verhältnisse finden wir auf der Höhe und an den Abhängen der Kleinhirnwindungen. Aber auch das abweichende Bild der Purkinje’schen Zellen in den Thälern lässt uns wieder dasselbe Prinzip erkennen. Die Hauptausläufer der Purkinje’schen Zelle müssen sich hier, um genügenden Raum für eine möglichst reichhaltige Entwickelung ihrer Phylloden zu gewinnen, nothwendiger Weise schräg nach oben nach den Ab- hängen zu verästeln. Die Form der Ganglienzelle im Grosshirn hängt 'mutatis mutandis von den gleichen ‚Verhältnissen ab. Auch hier'senden die. Zellen ihre Hauptfortsätze senkrecht zur Peripherie, um: in dieser Weise möglichst viel Raum für die‘ maximale Entfaltung von Phylloden zu gewinnen. In den Thälern dagegen verhalten sich: die Pyramidenzellen analog den Purkinje’schen, d. h. ihre Hauptausläufer schlagen die Richtung schräg’ nach oben zu den Abhängen ein. Das gleichmässige Verhalten der Gross- und Kleinhirnrinde lässt uns erkennen, dass ‚es die Raumverhältnisse- sind, welche die charakteristische Form der Ganglienzellen bedingen, und nicht etwa der funktionelle Zusammenhang mit den anderen Zellen oder ihren Fasern. 220 T Kodis: Eine neue Methode zur Färbung des Nervensystems etc, Aus dem Vorstehenden geht (zusammenfassend) hervor, dass es mit meiner neuen Methode der Nervenfärbung gelingt, ein positives Bild der grauen Substanz im Gehirne darzustellen. In demselben erkennt man als Grundsubstanz gewisse bisher nicht gebührend gewürdigte Grewebselemente, für die ich die Bezeichnung „Phylloden“ vorschlage. Dieselben sitzen auf den feinsten Ver- zweigungen der Dendriten, sind aber von den letzteren morpho- logisch wohl zu unterscheiden. Ihre Vertheilung und Anzahl lässt darauf schliessen, dass sie eine wichtige Rolle in der Funktion des Gehirns spielen, und weitere Forschungen werden hoffentlich die Richtigkeit dieser Annahme erhärten. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. Von Dr. Max Scheier, Berlin’), Hierzu Tafel X und XI. IE Schon in meinem Vortrage, den ich auf dem Aerztecongress in Frankfurt a. M. über die Verwerthung der Röntgenstrahlen in der Rhino- und Laryngologie hielt?), hatte ich betont, dass die Röntgenbilder, die von Kehlkopfpräparaten aufgenommen waren, auch aus dem Grunde grosses Interesse erregen, weil man die Verknöcherungszonen an den verschiedenen Stellen der Kehl- kopfknorpel durch die X-Strahlen genau so schön zur Dar- stellung bringen kann, wie es nur bei einer länger dauernden mikroskopischen Untersuchung möglich ist. Grade auf dem Gebiete der Embryologie muss man die Röntgenstrahlen unbe- streitbar für ein ausgezeichnetes Forschungsmittel halten, und es ist nur wunderbar, dass in den ersten Jahren der Entdeckung Röntgens so wenig Gebrauch von seiner Methode auf diesem (Gebiete gemacht wurde. Was man bisher nur durch einen langen mühseligen Process des Präparirens, Zertheilens, Härtens und Einbettens und durch das schwierige Serienschnittverfahren erreichen konnte, das ist jetzt oft auf einem einzigen höntgen- bilde zu sehen. Bei einer Zerlegung des Präparats zum Zweck der ı!) Nach Vorträgen, gehalten in der Berliner laryngologischen Gesell- schaft und auf dem internationalen Aerztecongress in Paris. ?) Scheier, Archiv f. Laryngologie. Bd. VI. Max Scheier: Die Össification des Kehlkopfs. 291 mikroskopischen Untersuchung geht wiederum die Uebersichtlich- keit über das ganze Präparat verloren. Die bisherige embryo- logische Untersuchung und Mikrotomarbeit vernichtet das Objekt gewöhnlich so vollständig, dass die äussere Form später nur noch auf dem zeitraubenden Wege der Rekonstruktion wiedergewonnen werden kann. Handelt es sich darum, eine Abbildung eines Präparats zu gewinnen, so kann man die Aufnahme wohl micht objektiver und schöner darstellen als mittelst der X-Strahlen. In ganz kurzer Zeit haben wir durch diese Methode ein vollkommenes Bild von dem Grade und der Ausdehnung der Verknöcherung. Wir sehen auf dem Skiagramm mit absoluter Sicherheit, wo ein Knochenkern schon vorhanden ist, und wie gross derselbe ist, und können die Entwickelung des Knochens studiren, ohne erst das Präparat zu zerstören zu brauchen. Das Röntgenbild ist nun ein vortreftliches Uebersichtsbild und erleichtert ungemein die nach- folgende genauere Präparation des Objektes. Es kann uns zur Örientirung bei den weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen dienen. An der Hand der Skiagramme können wir die weitere Zerlegung des Kehlkopfs ausführen und die feineren Structur- verhältnisse und den Zusammenhang. des Knochens mit seiner Umgebung mikroskopisch studiren, und uns auf diese Weise viel leichter über die einzelnen Punkte zurecht finden. Die Röntgen- bilder zeigen deutlich Abweichungen von dem normalen Ossi- ficationsprocess, die man ohne Aufnahme leicht bei dem Zer- theilen und Präpariren übersehen würde, und geben auch ein deutlicheres und schöneres Bild von der bälkchenartigen An- ordnung des Knochengewebes und dessen innerer Architectur, als es selbst die feinsten so mühsam herzustellenden Knochenschliffe zu thun vermögen. Seitdem ich meine ersten Mittheilungen über die Verknöcherung der Kehlkopfknorpel in den Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. I niederlegte, habe ich weiterhin mich mit der Frage der Umwandlung der Knorpel des Kehlkopfs in Knochengewebe, sowohl bei den Menschen wie bei Thieren beschäftigt, und möchte nun meine bisherigen Re- sultate mittheilen. Das Material für die Untersuchungen an Menschen wurde mir in liebenswürdigster Weise von Herrn Geheimrath Prof. Dr. Virchow zur Verfügung gestellt, wofür ich auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank ausspreche. Da die nicht unbeträchtlichen Ausgaben für die Untersuchungen mittelst der X-Strahlen durch 922 Max Scheier: ein von der hiesigen medieinischen Facultät aus der Gräfin Bose- Stiftung verliehenes Stipendium mir ermöglicht wurden, so benutze ich hier die Gelegenheit, dafür meinen ehrerbietigsten Dank zu sagen. Die Aufnahmen wurden derartig vorgenommen, dass der exstirpirte Kehlkopf unaufgeschnitten mit seinen Weichtheilen seitlich auf die photographische Platte gelegt wurde. In anderen Fällen wurde der Kehlkopf in der Mitte vorn im angulus der Schildknorpelplatten und hinten in der Ringknorpelplatte halbirt, und jede Seite einzeln photographirt. Oder es wurden der Schild-, Ring- und Aryknorpel isolirt und jeder Theil für sich durch- leuchtet. Es standen mir 120 Kehlköpfe zur Verfügung, 65 von männlichen und 55 von weiblichen Individuen. Man erklärte die Verknöcherung der Kehlkopfknorpel früher meist als eine Rigiditas perpetua comes senectutis, und hielt sie für eine Krankheit, die dem vorgerückten Lebensalter angehöre. So beginnt nach Bichat die Verknöcherung des Kehlkopfes um das 36.—40. Jahr, nach Henle beginnt sie in der Regel beim Manne zwischen dem 40.—50. Jahre, beim Weibe viel später. Nach Sappey ist der Anfang beim Manne das 40.—50. Lebensjahr, zuweilen etwas früher, bei der Frau dagegen zeigt sich der Beginn der Össification im Allgemeinen zwischen dem 70.—80. Jahre. Ja bei mehreren Kehlköpfen von Frauen, welche dieses Alter erreicht hatten, existirte nach Sappey noch keine Spur eines Knochenkernes. In den meisten grösseren Handbüchern der Jetztzeit finden wir den Anfang des Verknöcherungsprozesses in das mittlere oder vorgerückte Lebensalter hineinverlegt. So giebt Moritz Schmidt in der neuesten Auflage seines berühmten Lehrbuches an, dass die Kehlkopfknorpel erst nach dem 40. Jahre zu ossi- fieiren anfangen. Betrachten wir zunächst ein Skiagramm, das bei seitlicher Durchstrahlung der Röntgenstrahlen vom Kehlkopf aufgenommen ist, so sehen wir, dass oberhalb des Larynx das Zungenbein stark als dunkelschwarzer Schatten hervortritt, namentlich der Körper desselben, dass der noch knorpelige Theil des Kehlkopfs einen nur ganz schwachen Schatten giebt und fast ganz durchsichtig ist, dass dagegen die Stellen, an denen schon eine Verkalkung resp. Verknöcherung eingetreten ist, schwarz auf dem Bilde er- scheinen in verschiedener Intensität je nach dem Grade der vor- eeschrittenen Össification. Wir erkennen nun aus zahlreichen Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 223 Aufnahmen, dass die Verknöcherung bedeutend früher beginnt, als man meist bisher annahm. Schon im 19. Lebens- jahre sehen wir im hinteren Theil des Schildknorpels die ersten Spuren des Knochengewebes, während wir z. B. auf dem Skiagramm von einem Kinde von 9 Jahren noch keine Spur eines Knochenkernes erblicken können. Da wir zuweilen bei Individuen von 18—20 Jahren die Verknöcherung schon weit vor- geschritten fanden, so ist es immerhin möglich, dass in einzelnen Fällen die Umwandlung des Knorpels in Knochen schon vor dem 18.—19. Lebensjahre beginnt. Nur selten hatte ich Gelegenheit, Präparate von Individuen unter diesem Alter zu bekommen, da nur höchst selten, namentlich aus der Altersstufe zwischen dem 14.—18. Lebensjahre, Kehlköpfe zu erhalten sind. Wir müssen demnach die Verknöcherung des Kehlkopfes für einen ganz nor- malen Prozess, für einen physiologischen Vorgang halten, welcher ungefähr um die Zeit, wo die übrigen Skelettheile ihr Wachstum abschliessen, seinen Anfang nimmt. Wenn wir auf die Verknöcherung der einzelnen Knorpel des Kehlkopfs näher eingehen, so finden wir eine gewisse Regelmässigkeit in dem Beginne und der weiteren Ausbreitung der Össification. Es kommen zwar hier und da kleine Ab- weichungen von der Norm vor, im Allgemeinen . gewinnen wir aber aus der grossen Anzahl von Skiagrammen'), die wir her- gestellt haben, bestimmte Formen von Bildern, unter welche die etwas differirenden sehr gut wieder eingereiht werden können. Wir sehen, dass die Verknöcherung des Schildknorpels sowohl beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht im hinteren Theil der Platte beginnt. Die ersten Verknöcherungspunkte zeigen sich meist am unteren Horn, von wo aus die Verknöcherung nach oben aufsteigt. Auf einzelnen Bildern sehen wir auch zu gleicher Zeit isolirte Knochenkerne im cornu sup. und infer. Allmählich verschmelzen die Knochenkerne, sodass schliesslich die hintere Parthie des Schildknorpels mehr oder weniger ossifieirt ist. Nun zeigt sich aber bei dem weiteren Vorschreiten der Ossification ein wesentlicher Unterschied in der Ausbreitung zwischen beiden Geschlechtern. Beim Manne breitet sich die Verknöcherung vom cornu inf. an dem unteren Rande entlang nach vorn aus, indem ı) Es war natürlich nur möglich eine beschränkte Anzahl aus der Samm- lung zu reproduciren. Leider lassen sich bei der Vervielfältigung im Druck alle Feinheiten des Negativs nicht wiedergeben, 224 Max Scheier: ein neuer Knochenkern am unteren Ende des Schildknorpelwinkels entsteht, an der Stelle, wo die Stimmbänder inseriren. Alsbald vereinigt sich dieser Verknöcherungspunkt mit dem von hinten herankommenden Knochengewebe, welches Stadium sehr schön an dem Kehlkopf eines an Delirium tremens gestorbenen 30 Jahre alten Mannes zu sehen ist (Fig. 1). Der Kehlkopf ist seitlich durehleuchtet. Der obere Theil des hinteren Randes sowie das cornu sup. sind noch knorpelig. Das ossifieirte cornu inf. der einen Seite ist scharf auf dem Bilde sichtbar, gleich darunter auch der obere Theil der Ringknorpelplatte, während das cornu inf. der anderen Seite unscharf und mehr nach vorn gelegen auf dem Skiagramm sichtbar ist, indem eben der Kehlkopf nicht bei ganz scharfer seitlicher Lage aufgenommen wurde. Sehr deutlich sichtbar ist auch die Epiglottis zwischen dem stark dunklen Zungenbein nach oben gehend. Alsdann geht bei den männlichen Individuen ungefähr vom tuberculum thyreoid. inf. eine schmale Verknöcherungszone nach oben und vorn und theilt hierdurch die knorpelige Platte in zwei Hälften, in eine vordere kleinere und eine hintere etwas grössere. Wir finden dieses Stadium in einer grossen Anzahl von Skia- ' grammen. In einem Falle ist dieser Knochenzapfen schon sehr frühzeitig aufgetreten, im Alter von 25 Jahren. Auf dem Bilde (Fig. 2), das von einem 34jährigen Manne stammt, ist das untere Horn schon stark verknöchert, ebenso die untere Hälfte des hinteren Randes, während das cornu sup. sowie die Gegend des tubereulum thyr. sup. noch keine Verknöcherungspunkte zeigt. Der untere Rand der Platte ist nach vorn bis zum angulus ver- knöchert, und an dem kolbenförmigen oberen Ende der Knochen- zunge sieht man feine, spitze in das Knorpelgebiet sich er- streckende Ausläufer, genau so schön, als ob man es unter dem Mikroskop sehen würde. Indem weiterhin vom cornu sup. aus die Verknöcherung am oberen Rande des Schildknorpels nach vorn sich ausbreitet, und vom vorderen Theil des unteren Randes längs des medialen Randes nach oben, bekommen wir schliesslich zwei ganz runde oder auch ovale Knorpelinseln, die überall von spongiösem Knochengewebe umgeben sind. Wir sehen diese Stadien auf den Skiagrammen Fig. 3 — 64jähriger Mann 7 Pleuritis, Fig. 4 — 36jähriger Mann 7 progressiver Paralyse, Fig. 5 — 65jähriger Ueber die Ossification de Kehlkopfs. 225 Mann + Phthisis pulmon Fig. 6 — 52jähriger Mann 7 Phthisis pulmon. Durch weiteres Fortschreiten der Ossification werden die beiden Knorpelinseln immer kleiner, bis schliesslich die ganze Platte des Schildknorpels ossifieirt ist. Wir haben alsdann einen Schildknochen. Eine derartige fast oder ganz vollkommene Verknöcherung sehen wir auf dem Skiagramm No. 7 — 50 Jahre alter Mann r Phthisis. Aber selbst wenn die beiden Platten des Schildknorpels vollkommen verknöchert sind, so finden wir an einzelnen Präparaten an dem hinteren Theil der Platte gleich neben dem cornu sup. eine fast kreisrunde Stelle, die nicht verknöchert. An Trockenpräparaten zeigt sich an dieser Stelle ein rundliches Loch, welches bald eine sehr geringe Weite, bald die Grösse eines Federkiels hat. Dieses sogenannte foramen thyreoideum dient nach Luschka für den anormalen Verlauf der Arteria laryngea sup., öfter auch der Vene, welche ja sonst über den oberen Rand des Schildknorpels in den Kehlkopf eindringen, während der N. laryngeus sup. niemals in seiner Gesammtheit diese Lücke passirtt. In der Sitzung der laryngologischen Gesellschaft zu Berlin am 11. März 1898 hatte ich aus der anatomisch-patho- logischen Sammlung der Königlichen Charite mit gütiger Er- laubniss des Herrn Geh. R. Prof. Dr. Virchow eine grosse Reihe von verknöcherten Kehlköpfen demonstrirt, an denen man diese Verhältnisse näher studiren konnte. Wir haben dieses foramen thyreoideum ziemlich häufig gefunden, fast in !/s der Fälle, meist an beiden Seitenplatten, zuweilen auch nur in der einen Platte. Einen ganz anderen Weg schlägt dagegen beim weiblichen Geschlecht die Verknöcherung während ihrer Ausbreitung ein. Den Beginn der Össification sehen wir hier wohl in demselben Alter wie beim männlichen Geschlecht. Auch hier sehen wir einen oder mehrere Knochenkerne im hinteren Rande des Schildknorpels ent- stehen, die untereinander sich vereinigen, wodurch schliesslich der nach hinten liegende Theil dieses Knorpels in Knochengewebe umge- wandelt wird. Nun geht aber nicht vom cornu inf. die Verknöcherung am unteren Rande des Schildknorpels nach vorn, auch entwickelt sich vom tubereul. thyr. inf. kein zungenförmiger Knochenzapfen, sondern allmählich rückt die Verknöcherungszone von hinten in der ganzen Höhe der Platte nach vorn, jedoch ohne ganz den vorderen medialen Theil der Platte zu befallen. Der vordere 226 Max Scheier: Theil bleibt fast immer ganz knorpelig, selbst bei älteren In- dividuen. Wir können den Verlauf der Ossification sehr gut ver- folgen auf den Skiagrammen Fig. 8 — 23 Jahre alte Frau } Pyosalpinx, Fig. 9 — 25 Jahre alte Frau zeigt noch keine Spur einer Verknöcherung, Fig. 11 — 56jährige an Carcinoma uteri gestorbene Frau. Bei der 39 Jahre alten an Phthisis pulmonum gestorbenen Frau (Fig. 10) ist das cornu inf. sowie der untere Theil des hinteren Randes des Schildknorpels verknöchert, während das cornu sup. noch knorpelig ist. Nur eine ganz geringe Strecke ist die Össification längs des unteren Randes nach vorn gegangen. Auf dem Skiagramm einer 66jährigen Frau bildet die vordere Be- grenzungslinie der Verknöcherung eine nach vorn concave Linie, während dieselbe bei der 56jährigen (Fig. 11) und 75 Jahre alten Frau eine von oben nach unten grade Linie bildet. Im vorderen Theil findet sich nicht eine Spur von Verknöcherung. Nur aus- nahmsweise fand ich im vorderen Theil der Schildknorpelplatte ganz kleine Knochenpunkte, aber ohne Verbindung mit der hinteren Knochenmasse, so bei der 4ljährigen Frau (Fig. 13), wo der hintere Theil des Schildknorpels ganz ossifieirt ist, und im oberen medianen Winkel eine minimale Knochenspur sich zeigt. Ein ganz isolirter Knochenpunkt findet sich auch bei einer 29 Jahre alten Frau. Den Knochenzapfen, der bei den männlichen Individuen von der Mitte des unteren verknöcherten Randes nach oben zieht, habe ich an keinem der weiblichen Kehlköpfe gefunden, sodass für den Fall, dass sich diese Resultate an einer noch grösseren Versuchsreihe bestätigen sollten, von einer Röntgenaufnahme des Kehlkopfs, auf der man einen derartigen Knochenzapfen sieht, man wohl mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, es stamme der betreffende Kehlkopf von einem männlichen Individuum. Es kann dieser Umstand ja in forensischer Beziehung bisweilen von grösster. Wichtigkeit sein. In keinem meiner Fälle habe ich gefunden, dass diese Knochenzone vom oberen Rande der Schildknorpel- platte nach dem unteren verlief. Eine besondere lamina intermediana konnten wir niemals auf den Bildern unterscheiden. Wir fanden nicht, dass diese Stelle gerade besonders verknöchert, wie es Luschka be- hauptet. Nach Luschka besteht das intermediäre Stück aus hyaliner Knorpelmasse, welche nur durch eine mehr grauliche Farbe vom milchweissen Colorit der Nachbarschaft unterschieden Ueber die Össifieation des Kehlkopfs, 227 ist. Während in der äusseren Zone der lamina mehrzeilig ge- stellte diehtgedrängte Knorpelzellen sich finden, kommen in dem grösseren Theil der lamina Zellen vor, die kleiner sind als die Knorpelzellen in den Seitenplatten der cart. thyr. Die Bündel des Faserwulstes, von welchem die Stimmbänder ausgehen, strahlen hier in die Grundsubstanz ein. Auf keinem Skiagramm sieht man besondere Abgrenzungen der lamina intermed. Auch wenn wir die Knorpel isolirten und macerirten, konnten wir die intermediäre Platte nicht isoliren. Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man auch, dass das Knochengewebe bei seiner Entwicklung diesen Theil des Schildknorpels nicht be- sonders berücksichtigt. Nur wenn die Össification schon weiter vorgeschritten ist, so sieht man und zwar nur bei dem männ- lichen Geschlecht, dass auch diese Stelle mitverknöchert ist, aber nur im direkten festen Zusammenhang mit dem unteren ossifieirten Rande beider Seiten. Betrachtet man die Sciagramme noch genauer, so sieht man an den meisten Bildern auf den Schildknorpelplatten, von vorn nach hinten verlaufend, einen helleren Schatten in ovaler oder vielmehr in elliptischer Form, z. B. auf Fig. 2, 8. Er entspricht der Gegend des Ventrieulus Morgagni. Auch am Lebenden dokumentirt sich diese Stelle ganz genau, sodass man feste Geschwülste von derber Consistenz und genügender Grösse, die ihren Sitz an dieser Stelle haben, an der entstehenden Schattenbildung auf dem Bilde resp. Schirm wird erkennen können. Voraussetzung ist natürlich hierbei, dass diese Stellen des Schild- knorpels noch nicht verknöchert sein dürfen. Sonst deckt der Schatten des Knochengewebes den Schatten, den die @eschwulst giebt. Bei den weiblichen Kehlköpfen haben wir fast immer diese helle Stelle sich abgrenzen gesehen, je sogar bei ganz alten Frauen, wie bei einer Frau von 75 Jahren, weil eben die Össification diesen vorderen Theil der Platte der cartilago thyr. nicht befällt, Je dichter und fester die Geschwulst ist, um so dunkler ist auch der Schatten. Da jedoch gutartige Geschwülste ebenso feste Consistenz haben können wie bösartige, so ist demnach auf diesen Befund für die Diagnose, gutartige und bösartige Geschwülste des Kehlkopfes mittelst der Röntgen- strahlen differenziren zu können, nicht viel zu geben. Die Stimmbänder selbst lassen sich im Röntgenbilde nicht er- 328 Max Scheier: kennen, und ist dies ja schon aus theoretischen Gründen un- möglich, da die normalen Stimmbänder im Ganzen weniger dichte Körper darstellen als die sie umgebenden Knorpel. Es müssen sich eben günstige Dichtigkeitsdifferenzen gegen- überstehen. Vergleichen wir nun in Bezug auf die Art und den Weg der Verknöcherung die beiden Hälften des Schildknorpels, so sehen wir, dass die OÖssification rechts und links ganz symmetrisch vorschreitet. Dieselbe Symmetrie sehen wir auch an der cartilago erieoidea und arytaenoidea. Am Ringknorpel kann man eine Differenz in dem Wege, welchen die Össification verfolgt, zwischen beiden Geschlechtern nicht feststellen. Die ersten Knochenkerne treffen wir an der hinteren Platte des Ringknorpels und zwar nicht in der Mitte, sondern mehr im äusseren Theil derselben, da wo das obere Verstärkungsband des ligamentum crico-thyr. lateral an- setzt und dort, wo das untere Horn des Schildknorpels mit dem Ringknorpel artieulirt. Die Aufnahmen werden nicht bei seitlicher Lage, wie es beim Schildknorpel der Fall ist, vor- genommen, sondern die Ringknorpelplatte wird von hinten nach vorn resp. von vorn nach hinten mittelst der X-Strahlen durch- leuchtet, sodass der Kehlkopf mit der Ringplatte auf die photo- graphische Platte zu liegen kommt. Ein weiterer Knochenkern findet sich in der Nähe der Gelenkfläche für den Giessbecken- knorpel. Die Kerne verschmelzen mit einander, und schliesslich ist die Platte des Ringknorpels bis auf den unteren Theil ver- knöchert. Sehr schön sehen wir die Architeetur der Knochen- bälkchen auf den verschiedensten Bildern, so bei 3, 4, 5, 6, 7. Weiterhin entstehen Knochenkerne im annulus des Ring- knorpels, der alsdann auch verknöchert und in Zusammenhang mit der Platte tritt. Die vollkommene Verknöcherung des Ringes, die im Allgemeinen nicht häufig vorkommt, findet man vie] öfter bei dem männlichen, nur selten beim weiblichen Ge- schlecht. Isolirte Knochenkerne im vorderen Theil des Ringes sehen wir bei einem Manne von 65 Jahren. Eine vollkommene Ver- knöcherung des Ringknorpels auch des unteren Theils der Platte sehen wir auf dem Bild No. 7 bei einem 50jährigen Mann. Die cartilago arytaenoidea zeigt die initialen Verknöcherungs- punkte an der Basis. Nur in einem Falle bei einer Frau von u An Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 229 37 Jahren begann die Verknöcherung an der oberen Spitze. der Pyramide. In höherem Alter sieht man den Aryknorpel oft vollkommen ossificirt, so bei dem Manne von 52 Jahren (No. 6). Eine Ossification der Santorinischen Knorpel haben wir niemals beobachtet, ebensowenig am Kehldeckel eine Spur von Knochengewebe finden können. Der Verlauf der Verknöcherung in der trachea ist ein sehr unregelmässiger. Wo die Össification im Kehlkopf schon be- gonnen hat, finden wir auch dieselbe fast immer schon in der Luftröhre. Die ersten Knochenkerne treten meist im vorderen Theil des Ringes auf. In einigen Fällen ist der ganze Tracheal- ring verknöchert, sodass wir vollkommene Knochenspangen vor uns sehen. Die Verknöcherung geht nun im Kehlkopf meist derartig vor sich, dass je älter die Person ist, um so mehr auch die Ossi- fication vorgeschritten ist. Trotzdem kann man aber aus dem Grade der Verknöcherung nicht in jedem Falle einen Schluss auf die Höhe des Alters des betreffenden Individuums ziehen. Wir finden z. B. in einem Falle bei einem Manne von 58 Jahren den Prozess nicht weiter vorgeschritten als bei einem Manne von 25 Jahren. In beiden Fällen sehen wir einen ganz schmalen Knochenzapfen vom unteren schon verknöcherten Rande nach oben steigen, während der grösste Theil noch knorpelig ist. Ebenso ist der Schild- knorpel bei einer Frau von 75 Jahren in demselben Stadium der Verknöcherung wie bei einer Frau von 21 Jahren. Hier sind aber die Trachealknorpel bei der älteren Frau ganz ossificirt, während bei der jüngeren die Luftröhre noch keine Spur davon zeigt. Vollkommene Verknöcherung des Kehlkopfs haben wir bei männlichen Individuen sehr oft über dem 50. Lebensjahre gefunden. Bei den Frauen dagegen ist die Ossification viel weniger intensiv. So finden wir bei einer Frau von 58 Jahren (No. 12) nur hinten am Schildknorpel eine Spur von Knochengewebe, während der sonstige Theil der Platte noch ganz knorpelig ist. Was nun das zeitliche Auftreten der Knochenbildung in den einzelnen Knorpeln des Kehlkopfs anbetrifft, so findet sich zuerst die Verknöcherung im Schildknorpel. So ist z. B. bei einer Frau von 19 Jahren der hintere Theil der cartil. thyr. schon ossifieirt, während sich noch keine Spur von Knochen- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 15 230 Max Scheier: gewebe im Ring- und Giessbeckenknorpel vorfindet. Erst etwas später zeigen sich die ersten Knochenpunkte im Ringknorpel. Alsdann kommt der Giessbeckenknorpel und die Luftröhre. Während nach Patenko die Verknöcherung der trachea nie vor dem 60. Jahre beobachtet wurde, und es sich auch hier nicht um eine wahre Verknöcherung, sondern um eine einfache Kalk- ablagerung handelt, haben wir den Beginn der Össification in der trachea meist schon im 40.—45. Lebensjahre gefunden, ja in einem Falle schon im Alter von 36 Jahren (No. 4) eine ziemlich intensive Verknöcherung angetroften. Wie auch hinsichtlich des Alters individuelle Verschiedenheiten vorkommen, so ist auch der srad, bis zu welchem bei dem betreffenden Individuum der Ver- knöcherungsprozess in den einzelnen Knorpeln vorgeschritten ist, individuell ganz verschieden. So finden wir bei einer 75 jährigen Frau, wo der Schildknorpel nur im hinteren Theil, der Ring- knorpel im hintern oberen Theil der Platte verknöchert ist und der Aryknorpel nur einen kleinen Kalkfleck zeigt, die Tracheal- knorpel schon zu vollkommenen Knochenspangen umgewandelt. Auch in einer früheren Arbeit über Kehlkopffraeturen!), in welcher ich über die Brüchigkeit des Kehlkopfs genaue Unter- suchungen angestellt hatte, setzte ich auseinander, dass die Brüchigkeit des Kehlkopfs zwar von dem Zustand der Knorpel- substanz abhängt, dass aber das Lebensalter für die Brüchigkeit der Kehlkopfknorpel durchaus nicht bestimmend ist, und dass ein Zusammenhang ihres Entwicklungsgrades mit /einem bestimmten Lebensalter nicht vorhanden ist. Von verschiedenen Autoren wird angeführt, dass gewisse pathologische Zustände Einfluss auf die Verknöcherung des Kehl- kopfs haben. So sagt Orth’), dass die Ossification sich nament- lich bei chronischen Katharrhen finde. Nach Schmau'ss°) tritt dieselbe als senile Erscheinung auf oder in Folge von chronischen entzündlichen Prozessen namentlich bei Phthisikern. Wir achteten bei unserem uns zu Gebote stehenden Material genau hierauf und konnten nicht bemerken, dass gewisse Krankheitsvorgänge, wie Syphilis, Tubereulose besonders merklich die Verknöcherung be- einflussten, und überhaupt keine Verbindung zwischen der Krank- 1) Scheier, Deutsche med. Wochenschrift 1893, No. 33. ®) Orth, anatomisch-pathologische Diagnostik 1894. ®) Schmauss, Grundriss der pathologischen Anatomie, Bd. II, p. 41. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 231 heit des Individuums und dem Grade der Ossification feststellen. Selbst in einem Falle von vollkommener Fixirung der Wirbel- säule, der mir von Herrn Kollegen Joachimsthal zur Unter- suchung des Kehlkopfs überlassen war, und in welchem die knorpeligen Zwischenwirbelscheiben verknöchert waren, konnten wir keine höheren Grade der Össification des larynx finden, als bei anderen Individuen in gleichem Alter. Die direkte Durch- leuchtung mittelst der X-Strahlen ergab in diesem Falle, dass der Kehlkopf nur im hinteren Theil und der untere Rand bis vorn verknöchert war. Der übrige Theil des Schildknorpels war vollkommen hell. Auch’am Lebenden kann man natürlich die Verknöcherung des Kehlkopfs mittelst der Röntgenstrahlen genau erkennen und den weiteren Verlauf und das Vorrücken derselben verfolgen. Es genügt hierzu schon die einfache Durchleuchtung. Wenn man auch bei der Hand einer lebenden Person auf dem Röntgenbilde die feinere Architeetur der Knochenbälkchen genau zur Darstellung bringt, so kann man beim Kehlkopf des Lebenden das Maschen- werk der Spongiosa doch nicht so zur Anschauung bringen, wie es an Präparaten immer gelingt und an den publicirten Skia- grammen zu erkennen ist. Schon kurze Zeit nach der Ent- deckung Röntgens konnten wir auf dem Kongress in Frankfurt a.M. Aufnahmen von Lebenden demonstriren, auf welchen man, wenn auch nicht so schön wie am Leichenmaterial, die ossifieirten Parthieen des Kehlkopfs erkennen konnte. Ich möchte hierbei bemerken, dass leicht die Gefahr vorhanden ist, die normalen Verknöcherungspunkte im Kehlkopf auf dem Röntgenbilde für Fremdkörper zu diagnostieiren. . Dass thatsächlich die Aufnahmen, die von Lebenden mittelst X-Strahlen gemacht wurden, mit dem Befund bei der Section übereinstimmen, zeigt ein Fall von Behn'). Er nahm von einer 29. Jahre alten Frau, bei der im hinteren Kehlkopfeingang ein Tumor festgestellt wurde, eine Röntgenaufnahme auf, 5 Secunden Exposition, wobei der Athem angehalten wurde. Auf der Platte fanden sich nun scharf umschriebene hellere Parthien, die er „anfangs mit dem Tumor in Verbindung zu bringen geneigt war, bald jedoch als er die Scheier’schen Bilder von Kehl- !) Behn, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. IV, Heft 1, p. 48. 15* 232 Max Scheier: kopfpräparaten damit verglich, für Verknöcherungen hielt.“ Nach dem Tode nahm er vom exstirpirten Kehlkopf noch einmal eine Aufnahme vor, und es zeigte sich die vollkommene Ueberein- stimmung mit der ersten Aufnahme. | Als ich meine ersten Untersuchungen über die Ossification des Kehlkopfs anstellte, konnte ich in der Literatur über die verschiedene Art des Verknöcherungsvorganges bei beiden Ge- schlechtern nichts eruiren. Weder fand ich eine Angabe darüber in dem grossen Werk von Rambaud et Renault'), noch in der Arbeit von Patenko?), die vor einigen Jahren er- schienen war. Letzterer sagt ausdrücklich, dass die Verbreitung der Verknöcherung nichts Typisches habe. Ich hatte sogar schon zum Theil meine Arbeiten beendigt und über die vorläufigen Er- gebnisse meiner Untersuchungen auf dem Braunschweiger Aerzte- congress?) berichtet, als ich erst durch eine Arbeit von Bergeat*) aufmerksam gemacht wurde auf eine diesbezügliche Arbeit von Chievitz’), die im Jahre 1832 publicirt worden ist. Zu seinen Untersuchungen hatte Chievitz die einzelnen Knorpel des Kehl- kopfs rein präparirt und isolirt. Einen Theil liess er trocknen. Hierbei treten die knöchernen Theile des Kehlkopfs gegen die noch knorpeligen Parthien deutlich hervor. Von einem anderen Theil, der behufs mikroskopischer Untersuchung in Alcohol ge- legt wurde, hatte er vorher die Anwesenheit von Knochen durch Einstechen mit einem spitzen Messer festgestellt. Dadurch be- stimmte er die Form und den Umfang der verknöcherten Parthieen und nahm von jedem Knorpel eine Skizze auf. Vergleicht man nun die Art der bisherigen Untersuchungsmethoden mit der mittelst der Röntgenstrahlen, so ist natürlich die letztere ob- jectiver, übersichtlicher, leichter und schneller auszuführen. Die Verknöcherungen und namentlich die initialen Punkte wird man mittelst Einstich mit dem Messer nicht so gut feststellen können wie mittelst der X-Strahlen. Während des Trocknens kann aber auch Luft in den Knorpel eindringen, in Folge dessen ) Rambaud et Renault, Origine et Developpement des os. 1864. Paris. ?) Patenko, Vierteljahrsschrift für gerichtl. Mediein. Bd. 41. 5) Scheier, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd.1 #) Bergeat, Archiv für Laryngologie, Bd. Vl, Heft 2. 5) Chievitz, Archiv f. Anatomie und Physiologie. 1882. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 233 der Knorpel ein weissliches etwas schimmerndes Aussehen an- nimmt und dadurch sehr leicht einen Knochenkern vortäuschen kann. Auch die mühsame Präparation des Kehlkopfs, Entfernung der Weichtheile, die Isolation, Austrocknung etc. ist durchaus nicht nöthig. Man braucht den Macerationsprozess nicht abzu- warten, sondern kann sofort die Röntgen-Aufnahme vornehmen. Von der Entnahme des Kehlkopfs bis zur Fertigstellung “des Negativs vergehen kaum 15 Minuten. Ausserdem sind die Rönt- genstrahlen ein vortrefilliches Mittel auch am Lebenden den Umfang und das Vorschreiten der Össification genau zu beobachten und zu verfolgen und die bis zum Bekannt- werden dieser Forschungsmethode nur an rein anatomischem Material gemachten Feststellungen nachzuprüfen und in werth- vollster Weise zu erweitern. Jedoch wird man nicht jedes Mal mit voller Bestimmtheit sagen können, ob der dunkle Schatten im Röntgenbilde von Kalk oder Knochen herrührt. Ein kleiner Kalkkern wird von einem Knochenfleck nicht immer zu unter- scheiden sein, aber wie auch Chievitz sagt, braucht man hier- auf keine Rücksicht zu nehmen, weil Verkalkung und Ver- knöcherung unmittelbar auf einander folgen oder gleichzeitig neben einander einhergehen. Selbstverständlich haben wir in zweifelhaften Fällen uns durch eine spätere mikroskopische Unter- suchung zu vergewissern gesucht, ob die betreffende dunkle Stelle von einer Kalkablagerung oder von Kuochengewebe herrührt. Wenn wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen denen von Chievitz gegenüberstellen, so finden wir keine wesentlichen Differenzen. Die von ihm gezeichneten Skizzen stimmen wohl im Allgemeinen mit den durch die Röntgenstrahlen erhaltenen ob- jectiven Bildern überein. Wie Chievitz so fanden auch wir, dass die Verknöcherung des Schildknorpels bei beiden Geschlechtern verschieden verläuft. Doch haben wir niemals feststellen können, dass der mediane Knochenkern, der nur höchst selten beim Weibe sich findet, in Verbindung mit dem hinteren verknöcherten Theile tritt. Ich möchte auf die Literatur und die verschiedenen Meinungen über die Verknöcherung hier nicht weiter eingehen, sondern nur erwähnen, dass Sappey noch in der neuesten Auflage seines Handbuchs der descriptiven Anatomie angiebt, dass ‘die Ver- knöcherung der cartilago thyr. durch die Bildung eines Knochenkerns im medianen Theil bei den meisten Individuen 234 Max Scheier: eingeleitet wird und alsdann längs des unteren Randes nach links und rechts nach dem hinteren Theil geht. Nach ihm nimmt die Ossification also grade den entgegengesetzten Weg, wie ihn Chievitz angiebt. Was nun die feineren histologischen Verhältnisse bei der Össification des Kehlkopfs anbetrifft, so habe ich mich längere Zeit hiermit im hiesigen physiologischen Institut beschäftigt, und konnte ich die diesbezüglichen Untersuchungen von Schottelius!) und Chievitz nur bestätigen. Von grösstem Vortheil waren mir beim mikroskopischen Arbeiten zur schnelleren Orientirung stets die Skiagramme. Die Verknöcherung vollzieht sich wesent- lich nach endochondralem Typus, indem der verkalkte Knorpel resorbirt und an seiner Stelle neugebildeter Knochen von Östeoblasten abgelagert wird. Fragen wir nun, wie kommt der Unterschied in der Art der Verknöcherung der Kehlkopfknorpel zwischen beiden Geschlechtern zu Stande, welche Umstände sind überhaupt die Ursache des Verknöcherungsprocesses am Kehlkopf. Bekannt ist ja, dass bis zurZeit der Pubertätsentwickelung sowohl für die Grösse des ganzen Kehlkopfs wie auch die Grösse der Stimmritze das (Geschlecht bei gleichem Lebensalter keine wesentlichen Differenzen begründet. Erst jenseits dieser Periode kommen die specifischen sexuellen Unterschiede sowohl des Umfangs wie auch der be- sonderen Gestaltung des Kehlkopfs zur Ausbildung. Während beim männlichen Geschlecht die Begrenzungsstücke der incisura thyr. schnabelartig verlängert sind und die prominentia laryngea bilden, ist dies beim weiblichen nicht der Fall. Der männliche Kehlkopf wird in allen Dimensionen grösser als der weibliche. Vor allem ist der sagittale Durchmesser vergrössert, während der weibliche mehr im verticalen Durchmesser wächst. Beim Manne ist der Schildknorpel grösser, der Ringknorpel und Kehl- deckel dagegen kleiner als beim Weibe. Der Winkel, in welchem die beiden Platten des Schildknorpels zusammenstossen, beträgt beim Manne meist weniger wie einen rechten Winkel, während bei der Frau der Winkel gewöhnlich grösser wie ein rechter ist. Ein wesentlicher Unterschied liegt auch in der anatomischen Beschaffenheit des Schildknorpelwinkels.. Während diese Stelle, wo die Stimmbänder ansetzen, beim weiblichen Geschlecht knorpelig ”) Schottelius, Der Kehlkopfknorpel. ” Ueber die Ossifieation des Kehlkopfs. 235 bleibt, also elastisch und biegsam ist, wird sie beim männlichen bald nach dem 20. Lebensjahre ganz fest und ossificirt. Bergeat!) fand auch, dass das Durchschnittsgewicht ‚des ganzen Knorpel- gerüstes beim Manne 12,859 g beträgt und beim Weibe nur 7,821. Nach ihm finden sich die initialen Verknöcherungspunkte an Regionen, welche jeweils der Anheftestelle einer Band- masse oder eines Muskels entsprechen. Ein besonderer Grund die Verknöcherungen auf die Einwirkung ziehender Kräfte zurück- zuführen, sei der, dass die Regionen, die frei von Muskel- und Bandinsertionen seien, auch von der Verknöcherung frei blieben. Auch soll die zungenförmige Verknöcherung verhältnissmässig spät auftreten, weil die indirekte Einwirkung des Muskelzuges auf das Perichondrium nur eine verhältnissmässig schwache ist. Diese schmale Region, die da verknöchert, bezeichne nämlich eine Stelle, wo im Innern des Kehlkopfs nächst dem Knorpel eine Kreuzung und Treftstelle zahlreicher Binnenmuskeln sich befindet, die grösstentheils zum Kehldeckel emporziehen, und deren Spiel die an das Perichondrium anschliessenden Bindegewebszüge in häufige Spannung bringen muss. Die Verschiedenheit der Verknöcherungsfiguren sieht Bergeat als den Effekt eines ver- schieden gearteten Muskelspiels bei den einzelnen Menschen an. Nun geht aber aus unseren Untersuchungen hervor, dass die zungen- föormige Verknöcherung garnicht so spät auftritt, indem wir dieselbe zuweilen schon vor dem dreissigsten Lebensjahre auf den Skia- gsrammen sehen. Ferner müsste dieser Muskelzug doch nur beim männlichen Geschlecht wirken, beim weiblichen aber nicht, da wir ja bei letzterem niemals diese Stelle verknöchert sehen. Segond?) ist der Meinung, dass die Verknöcherungspunkte hauptsächlich den Ansätzen der Muskeln entsprechen, und will die Erfahrung gemacht haben, dass nächst dem Einfluss des Alters wesentlich auch das Mass der Anstrengung, welcher diese Theile unterworfen werden, die Ossification begünstige. Hiermit in Uebereinstimmung behauptet er bei Sängern den Kehlkopf früher und in grösserer Ausdehnung in diesem Zustande gefunden zu haben als bei Leuten, durch deren Beschäftigung das Stimmorgan weniger in Anspruch genommen wird. So fand er auch eine vollständige Verknöcherung bei einem 71jjäährigen Manne, der !) Bergeat Arch, f, Laryngologie Bd. VI. 2) Segond. Archiv generale de medicine Ser. 4 Tom. 15. 1847. 236 Max Scheier: sehr viel gesungen hatte. Grade im Gegensatz zu dieser Ansicht sagt Merkel’), dass bei Sängern, die ihren Kehlkopf fleissig üben, in der Regel die Verknöcherung zum grossen Theil unter- bleibe. Da es immerhin möglich ist, dass das Singen die Ver- knöcherung der Kehlkopfknorpel hinauszuschieben vermag, so habe ich, um diese Frage zu entscheiden, bei ca. 30 Sängern und Sängerinnen aus dem verschiedensten Lebensalter den Kehlkopf mit den Röntgenstrahlen durchleuchtet, konnte aber über die Intensität der Össification keinen Unterschied zwischen Sängern und Nichtsängern feststellen. Noch vor Kurzem hatte Zuckerkandl?) Gelegenheit den Kehlkopf eines bekannten Sängers (Bassisten) anatomisch zu untersuchen. Er fand, dass der Schildknorpel vollkommen ver- knöchert war, dass derselbe symmetrisch geformt, lang, aber niedrig ist. Die oberen Hörner sind lang (20 mm) und ein wenig medialwärts abgebogen. Die unteren 6 mm langen Hörner sind breit und mit gerandeten Gelenktheilen versehen. Die an der Aussenfläche der Knorpel angebrachten Höcker springen stark hervor, desgleichen eine die Höcker verbindende Leiste. Auch der Ring- knorpel ist vollständig ossifieirt. Unverknöchert sind nur der Santorinische Knorpel und der proc. vocalis. Das Alter des Patienten ist leider nicht angegeben. Rheiner giebt an, dass diejenigen Stellen, an welchen die Verknöcherung ihren Anfang nimmt, in der Nähe des Ein- und Aus- tritts der vasa laryngea liegen, und damit auch der Gefässreich- thum des Perichondriums hier grösser ist als in den vorderen Parthien, die erst später ossifieiren. Chievitz gesteht, dass er für diesen Punkt keine hinreichenden Data aufgeben kann. In vielen Fällen wären die Ausgangsstellen der Verknöcherung zwar solche, welche mechanischen Einwirkungen wie Zug- und Seiten- druck von den Muskeln, Züge von ligamenta accessoria, Druck seitens der grossen Arterien und der glandul. thyr. unterliegen können. Jedoch träfe dies nicht für alle Knochenkerne zu. Da die Verknöcherung gewiss zu den Gefässen des Perichondriums in nächster Beziehung steht, so würde jedenfalls das Verhältniss dieser Gefässe vor und nach dem Eintritt der Verknöcherung zu untersuchen sein. = RN Merkel, Der Kehlkopf, Leipzig 1873 p. 115. 2?) Zuckerkandl, Monatschrift f. Ohrenheilkunde Januar 1900. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 237 Vor der Pubertät enthalten ja die Knorpel des Kehlkopfs keine blutführenden Gefässe, und erst nach der Pubertätsperiode wird jeder der grösseren Kehlkopfknorpel ausgiebig vascu- larisirt und bluthaltig. Es wäre nun möglich, dass der Verlauf der Gefässe vielleicht verschieden bei beiden Geschlechtern sei. Um diese Verhältnisse zu eruiren, habe ich die Hauptgefässe des Kehlkopfs mit einer für die Röntgenstrahlen undurchlässigen Flüssigkeit (Zinnober, Mennige, graue Salbe) injieirt. Den Ver- lauf und die Verzweigung der Arterien kann man sich dadurch bis in die feinsten Details sehr schön ohne weitere Präparation zur Anschauung bringen. Auf Skiagramm N. 14 sieht man die Gefässvertheilung in Kehlkopf und Zunge bei einem Manne von 50 Jahren. Stereoscopische Aufnahmen geben hiervon über- raschend schöne Bilder. In plastischer Form sieht man den Gefässbaum mit seinem feinen Anastomosennetz vollständig her- vortreten. Man bekommt hierdurch über den Verlauf der Gefässe interessante Aufschlüsse, welche man durch das die topographischen Verhältnisse verändernde mühsame Präpariren wohl nicht er- zielen kann. Unsere Versuche hierüber sind noch nicht abgeschlossen. Durch die verschiedene Art der Verknöcherung bei beiden Geschlechtern kann auch die äussere Form des Kehlkopfs mit- bedingt werden. Indem beim Manne die Verknöcherung längs des unteren Randes des Schildknorpels nach vorn zieht, wird der Kehl- kopf von hinten nach vorn im sagittalen Durchmesser verlängert, der Winkel wird spitzer wie vorher, die beiden Platten convergiren mehr. Bei Frauen, bei denen der vordere Theil des Schildknorpels fast immer knorpelig bleibt und seine Elastieität behält, wird daher auch der Winkel, in dem die beiden Platten zusammen- stossen, mehr abgerundet bleiben, er übersteigt gewöhnlich 90°. In dem einen Falle, wo wir in der Medianlinie des Winkels einen isolirten Knochenkern fanden, betrug der Winkel, in dem die beiden Platten zusammenstossen, auch nur 89°. Auf Veranlassung von Herrn Geheimrath Prof. Waldeyer habe ich nun diese Untersuchungen über die Verknöcherung der Kehl- kopfknorpel auch bei Thieren vorgenommen, um zu erforschen, ob überhaupt Ossificationen des Kehlkopfs auch bei Thieren vor- kommen, ob in diesem Falle der Verknöcherungsprozess unregel- mässig vor sich geht, oder entsprechend dem Vorgange beim Menschen einen regelmässig typischen Verlauf nimmt, und schliess- 238 Max Scheier: lich ob derartige Unterschiede, wie sie sich beim Menschen in der Ausbreitung der Ossification zwischen beiden Geschlechtern zeigen, auch bei Thieren vorkommen. Zunächst habe ich dies- bezügliche Untersuchungen bei Pferden und Rindern angestellt. Die Kehlköpfe wurden mir von Herrn Prof. Schütz, Direktor des hiesigen pathologischen Instituts für Thierarzneikunde, freund- lichst überlassen. Man findet über die Verknöcherung des Kehlkopfes bei Thieren in den mir zugänglichen Lehrbüchern der Thierarznei- kunde nur sehr wenig oder garnichts. In dem Buch von Hoff- mann!) findet sich eine Notiz, dass bei Pferden in hohem Alter nicht selten Verknöcherung des Kehlkopfes eintritt. Rüff be- hauptet, dass bei alten Pferden durch zu heftigen Druck mit der Hand, um die Thiere zum Husten zu bringen, zuweilen der Kehl- kopf in Folge der vorhandenen Verknöcherung zerdrückt worden sei, und dass dadurch Pferde schon zu Grunde gegangen seien. Hoffmann selbst giebt an, dass er weder etwas Aehnliches gehört noch selbst erfahren habe. Untersuchen wir nun den Kehlkopf von Pferden mittelst der X-Strahlen, so finden wir frühzeitig, schon nach dem ersten Lebensjahre, eine Ver- knöcherung an der Stelle, wo die beiden Schildknorpelplatten vorn zusammenstossen. Zum näheren Verständniss möchten wir hier nur einschalten, dass eine Ineisura thyreoidea sup. nicht besteht, dass die Platten des Schildknorpels median nur im oberen Theile mit einander verschmolzen sind, nach unten aber also caudal weit auseinandergehen, zur incisura thyr. inf. Die Verknöcherung ist an der Verbindungsstelle der Schildplatten meist eine so feste und derbe, dass sie sich nur schwer mit der Sektionsscheere durch- schneiden lässt. An dieser Stelle inseriren innen die vorderen Enden der Stimmbänder, es zeigt sich also die Verknöcherung zuerst an dem Punkte, wo ein Zug ausgeübt wird. Weitere Össificationspunkte finden sich am unteren Rande der Platte un- gefähr in der Mitte und am cornu inf. So sehen wir bei dem S Jahre alten Wallach (Fig. 15) eine starke breite Verknöcherungszone in der medianen Vereinigung und sich rechts und links ganz symme- trisch auf die Platte längs des oberen Randes etwas erstreckend, eine schmale 1 etm. lange verknöcherte Linie in der Mitte des !) Hoffmann. Thierärztliche Chirurgie Lief. II p. 314. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 239 unteren Randes mit einigen Ausläufern nach oben, sowie ein ver- knöchertes cornu inf., während der sonstige Theil des Schild- knorpels noch vollkommen knorpelig ist. Weiter vorgeschritten ist die Ossification bei dem 14 Jahre alten Wallach (Skiagramm 16), wo eine fast vollständige Ossification eingetreten ist. Voll- kommen verknöchert ist auch der Schildknorpel bei einer 8 Jahre alten und einer 10jährigen Stute. Während bei den castrirten 10- und selbst 14 jährigen Pferden (N. 16) im Ringknorpel noch keine Spur einer Verknöcherung sich zeigt, finden wir bei der ungefähr gleichalterigen Stute an der hinteren Platte des Ring- knorpels ungefähr an der Stelle, wo der Schildknorpel mit dem Ringknorpel artieulirt, eine schmale Knochenzone, die bis nach dem unteren Theil der Platte medianwärts herabzieht. In dem einen Falle war bei einer 8 jährigen Stute die Össification am Ringknorpel schon bedeutend mehr vorgeschritten wie bei einer 10 jährigen, indem eben so wie beim Menschen, die Verknöcherung, wenn sie auch bei zunehmendem Alter immer höhere Grade annimmt, doch nicht immer in demselben Verhältniss zu einem bestimmten Alter steht, sondern individuell eben verschieden ist. Wir finden hier, dass die ganze hintere Platte des Ringknorpels in der Mitte verknöchert ist. Während beim Menschen der untere Theil der Platte selten ver- knöchert, sondern mehr der obere Theil, ist hier umgekehrt auch der untere Theil der Platte sowie der: untere seitliche Theil des Ringes schon verknöchert. Eine Össification der cartil. aryt. haben wir bei Pferden niemals beobachtet, nur einmal bei einem ca. 10 jährigen Wallach an der Basis. Wir sehen aus unseren Untersuchungen, dass die Verknöcherung in den Kehlkopfknorpeln schon bedeutend früher beginnt als beim Menschen, da eben auch das Lebensalter des Pferdes anders gerechnet werden muss als das des Menschen. Während beim Menschen erst am Ende des zweiten Decenniums resp. am Anfang des dritten das Knochen- skelett im Abschluss seines Wachsthumes begriffen ist, ist das Knochenwachsthum des Rindes, soviel ich gehört habe, in der Regel mit ca. 1!/a Jahren schon beendet. Wir finden den Beginn der Verknöcherung im Kehlkopf schon nach dem ersten Lebensjahre; eine vollkommene Verknöcherung schon im 8.—10. Jahre. Die Ossification schreitet wie beim Menschen nicht unregelmässig vor- wärts, sondern in ganz bestimmter Reihenfolge, und an bestimmten Stellen zeigen sich die primären Knochenpunkte. Aber die Intensität 240 Max Scheier: ist wie beim Menschen auch hier individuell sehr verschieden. Einen Unterschied in der Ausbreitung des Prozesses zwischen beiden Ge- schlechtern konnten wir bisher bei dem untersuchten Material nicht feststellen, auch sahen wir keinen Einfluss der Castration auf die Verknöcherung. Ich muss aber hinzufügen, dass um letztere Frage zu entscheiden, mir zu wenig Hengste zur Ver- fügung standen, denn diese findet man nur höchst selten unter den im pathologischen Institut zur Section kommenden Pferden. Meist sind sie castrirt. Genau wie beim Pferde, so findet sich auch beim Rinde das erste Verknöcherungscentrum vorn im Schildknorpelwinkel im unteren Theil an der Stelle, wo die Stimmbänder inseriren. Der Schildknorpel des Rindes hat schon mehr Aehnlichkeit mit dem des Menschen. Schon bei einem einjährigen Bullen sehen wir den unteren vorderen Theil des Schildknorpels verknöchert. Ver- gleichen wir den Grad der Össification des Schildknorpels bei einem 4 jährigen Bullen mit dem bei einem Ochsen und einer Kuh aus demselben Alter, so sehen wir am stärksten die Ossi- fication bei dem Bullen, weniger stark bei dem castrirten und am schwächsten bei der Kuh. Man findet bei dem Bullen zu- nächst eine Zehnpfennigstück grosse verknöcherte Stelle am Schildknorpelwinkel unten und von da die Verknöcherung längs des unteren Randes nach hinten gehend, ohne aber das cornu inf. zu erreichen, ausserdem den oberen Rand verknöchert, während bei dem Ochsen der obere Theil nicht verknöchert ist, und beider Kuh auch der untere Rand von der Verknöcherung frei ist. Auch in anderen Fällen haben wir immer einen Unterschied zwischen beiden Geschlechtern feststellen können. So ist bei einer Kuh von 3 Jahren auch nur der untere Theil des Schildknorpelwinkels verknöchert, während bei dem gleichalterigen Ochsen diese Stelle einen stärkeren Grad der Verknöcherung zeigt. Von hier aus ist der untere Rand sowie der mediale und obere Rand ver- knöchert, sodass nur der mittlere Theil der Platte vollkommen knorpelig ist. Auch am Ringknorpel zeigt sich bei der betreffenden Kuh keine Spur von Verknöcherung, während bei dem Ochsen an der hinteren Platte in der Nähe des Arygelenks schon deutlich die Össification zu erkennen ist. Der übrige Theil des Ringknorpels ist noch vollkommen knorpelig. An derselben Stelle finden sich auch bei einem 4 jährigen Bullen die ersten Knochenkerne. An der cartilago arytaenoidea fanden wir niemals Össification. Ueber die Össification des Kehlkopfs. 241 Während beim Menschen die ersten Verknöcherungspunkte sich im hinteren Theil der Schildknorpelplatte einstellen, sehen wir demnach, dass bei den Pferden sowohl. wie bei den Rindern gerade im vorderen Theil an der Stelle des Schildknorpelwinkels, von welcher die Stimmbänder ausgehen, die primären Knochen- kerne sich zeigen. Auch zeigt ‘sich hierin kein Unterschied zwischen beiden Geschlechtern, während ja grade beim Menschen der mediane Theil der Platte bei den weiblichen Individuen meistens von der ÖOssification frei bleibt. Beim weiteren Fort- schreiten des Verknöcherungsprozesses glauben wir einen Unter- schied zwischen beiden Geschlechtern auch beim Rindvieh fest- stellen zu können, indem bei der Kuh die Össification nur auf den medialen Thyreoidwinkel beschränkt bleibt, während beim Bullen resp. Ochsen dieselbe längs des unteren Randes nach hinten und längs des medialen Randes nach oben weiter fortschreitet. Um darüber ein sicheres Urtheil abgeben zu können, müsste natürlich an einer noch grösseren Versuchsreihe diese Frage gelöst werden. Einen wesentlichen Einfluss der Castration auf die Ossification des Kehl- kopfes haben wir nicht feststellen können. Es hängt dies natür- lich auch davon ab, in welchem Alter die Castration vorgenommen wird. Meist geschieht es ja am Ende des ersten resp. am Anfang des zweiten Jahres. Es ist jedoch sicher, dass ein Einfluss der Castration bei Thieren auf das Knochenwachsthum im Allgemeinen ausgeübt wird. So berichtet Bouley, dass an Wallachen eine Beeinflussung des Knochensystems gefunden wurde. Ich möchte noch anführen, dass wir auch bei Hunden im Alter von 7—8 Jahren schon eine starke Verknöcherung des Kehlkopfes gefunden haben. Dass die Herausnahme der Genitalien beim männlichen (Geschlecht des Menschen in frühzeitigem Alter einen wesentlichen Einfluss auf das Wachsthum und die Gestalt des Kehlkopfs und auf die Stimme selbst hat, ist ja eine altbekannte Thatsache. Es wäre nun interessant zu erforschen, ob die frühzeitige Castra- tion auch einen Einfluss auf die Art der Verknöcherung in den Knorpeln des Kehlkopfs hat. Es könnte wohl möglich sein, dass bei diesen Individuen, wenn sie in ganz jugendlichem Alter castrirt worden sind, lange bevor die Verknöcherung im Kehlkopf ihren Anfang genommen hat, dieselbe nun genau nach der Art ver- läuft, wie es bei den weiblichen Personen der Fall ist. Ueber- haupt sind ja die Einzelheiten der bei der Castratenstimme in 242 Max Scheier: Betracht kommenden Vorgänge nichts weniger als aufgeklärt. Das Knochensystem der Castrirten wurde nur selten einer Beachtung gewürdigt. Mojon führt an, dass die Knochen von Castrirten lange Zeit ihre Weichheit behalten, und theilt weiterhin mit, dass die clavicula stärker gebogen und das sternum kürzer sei als beim unverstümmelten Manne. Becker!) beschrieb vor Kurzem das Knochensystem eines Castraten und fand, dass die Verknöcherung des Skeletts weit zurückgeblieben war. An zahlreichen Skeletttheilen wie Schädel, Wirbel und Extremitäten waren die Diaphysenlinien bezw. Nähte so deut- lich erhalten wie an Skeletten sehr junger Individuen. Der Kehlkopf wird nicht beschrieben, da er jedenfalls am Skelett nicht mehr vorhanden war. Einen höchst wichtigen Beitrag zu dieser Frage und einen genauen Befund über den Kehlkopf eines Castrirten finden wir in der Literatur bei Gruber”). Es be- trifft den Kehlkopf eines 65 jährigen Castraten, der schon in früher Jugend entmannt worden war. Bei der Untersuchung des Kehlkopfs zeigte sich, dass die Knorpel desselben noch durchaus knorpelig waren. Nirgends fand sich eine Spur von Knochen- oder Kalkablagerung. Auch das Zungenbein dieses Individuums, befindet sich in einem Össificationszustande, wie man ihn nur bei ganz jugendlichen Personen anzutreffen gewohnt ist. Es ist 2,019 g schwer, der Körper klein und schmal. Die beiden Seitentheile der Basis sowie der denselben entsprechende untere Rand sind noch knorpelig und durch eine grössere Gelenkkapsel jederseits freier beweglich mit den grossen Hörnern des Zungen- beines verbunden. Letztere sind noch ganz knorpelig, ebenso die kleinen. Der Kehlkopf des Eunuchen ist äusserlich dem weiblichen sehr ähnlich und übertrifft ihn nur etwas an Grösse und Weite. Nach Gruber ist der Kehlkopf des Mannes im Durchschnitt um 1/ı grösser als der des Castrirten. Die Grösse des Kehl- kopfs des Eunuchen übertrifft jene des Weibes bloss um !/r im Umfange, die Gestalt des Kehlkopfs entspricht mehr dem eines Knaben als eines Weibes. Es bleibt demnach der Kehl- 1) Becker, Archiv für Anatomie und Physiologie. 1899. Heft I, pag. 83. ®) Gruber, Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Mediein ven Jobannes Müller. 1847, pag. 463. Ueber die Ossification des Kehlkopfs, 243 kopf auf einer niederen Stufe der Entwicklung stehen. Der Eunuch hat einen wenig vorspringenden Adamsapfel, und die beiden Schildknorpelplatten vereinigen sich in einem mehr stumpfen Winkel, wie es beim weiblichen Geschlecht der Fall ist. Nach Luschka übertrifft der Kehlkopf des Castrirten den des Weibes im Allgemeinen an Grösse und hat auch eine längere Stimm- ritze aufzuweisen. Sehr wichtig ist bei der Gesangsbefährgung dieser Individuen der Umstand, dass, während der Kehlkopf der- selben klein bleibt, die Brust den Umfang des Mannes bekommt, der Castrat demnach über einen weit längeren Athem zu ver- fügen hat, als die Frau, was ihn eben zu den ausserordentlichen (Gesangsleistungen befähigt, die unsere Vorfahren an den männ- lichen Sopranisten zu bewundern Gelegenheit hatten. Da man nun auch an Lebenden das Vorhandensein und den weiteren Verlauf der Ossification der Kehlkopf- knorpel mittelst der X-Strahlen beobachten und verfolgen kann, so habe ich mich seiner Zeit in einer Arbeit, die vor zwei Jahren im Archiv international de Laryngologie erschienen war, an Collegen, die im Orient wohnen, in Ländern, wo sich Eunuchen in grösserer Menge aufhalten, mit der Bitte gewandt, derartige Untersuchungen mittelst des Röntgen - Apparates vorzunehmen. Herr Stabsarzt Velde aus Peking war so liebenswürdig, mir mitzutheilen, dass es doch nicht so einfach wäre, solche Unter- suchungen dort anzustellen, zumal es mit den grössten Schwierig- keiten verknüpft wäre, überhaupt an die Eunuchen heran- zukommen und ausserdem ein Röntgenapparat dort noch nicht vorhanden wäre. Dagegen war ein mir befreundeter College in Constantinopel in die glückliche Lage gekommen, einen älteren Eunuchen zu behandeln und eine Röntgenaufnahme von dessen Kehlkopf machen zu können. Es handelte sich also zunächst darum, festzustellen, ob der Befund, der von Gruber an einem Eunuchen aufgenommen war, immer zutreffend ist, das. heisst, dass die ganzen Kehlkopfknorpel selbst im hohen Alter im knorpeligen Zustande bleiben. Ferner war zu eruiren, ob in dem Falle, dass die Ossification eintritt, dieselbe nach dem männ- lichen oder weiblichen Typus verläuft. Auf meine Veranlassung untersuchte nun Herr Dr. Taptas in Bezug auf diese Fragen bei einem Eunuchen von 43 Jahren den Kehlkopf mittelst der Röntgenstrahlen. Schon die direkte Durchleuchtung ergab, dass 244 Max Scheier: bei seitlicher Durchstrahlung der vordere Theil des Kehlkopfes sowohl des Schild- wie Ringknorpels vollkommen durch- sichtig war, und dass nur der hintere Theil einen dunklen Schatten gab. Noch deutlicher zeigte sich dies auf dem Skiagramm, das Dr. Taptas so freundlich. war, mir einzuschicken. Der Unterkiefer ergiebt den normalen dunklen Schatten ganz wie bei anderen Individuen. Dagegen ist der Schatten, den das Zungenbein auf dem Bilde giebt, nicht so dunkel, wie ich ihn sonst bei meinen Untersuchungen an gleichalterigen Personen gefunden habe, sodass anzunehmen ist, dass das Zungenbein nicht in einem solchen Verknöcherungs- zustande sich befindet, wie es gewöhnlich bei Leuten in diesem Alter der Fall ist. Am Kehlkopf sieht man genau, dass der Schildknorpel und zwar der hintere Theil bis ungefähr zur Mitte verknöchert ist. Die Verknöcherung des Ringknorpels geht nicht soweit nach vorn. Auch das cornu sup. der cart thyr. zeigt keine Spur von Össification, ebenso wenig wie ein medianer Knochenkern im angulus vorhanden ist. Die äussere Grösse und Gestalt des Kehlkopfs war knabenhaft. Es geht demnach aus dieser einen Beobachtung hervor, dass die Knorpel des Kehlkopfess beim Eunuchen im höheren Alter durchaus nicht knorpelig bleiben, sondern auch in den Zustand der Ossification übertreten, dass aber die Verknöcherung dem Typus entspricht, wie wir ihn nur beim weiblichen Geschlecht zu beobachten Gelegenheit hatten. Ich möchte noch an dieser Stelle erwähnen, dass ich auch in einem Falle von Hermaphrodismus masculinus durch die liebenswürdige Aufforderung von Herrn Prof. Berthold in Königsberg Gelegenheit hatte, den Kehlkopf dieses Individuums mittelst der X-Strahlen zu untersuchen. Es betraf eine 22jährige Person!) mit weiblichem Namen; schon bei der laryngoscopischen Untersuchung fielen die Stimmbänder durch ihre Breite und Länge auf. Die Röntgendurchleuchtung ergab, dass der hintere Theil sowie der untere Rand der Platte des Schildknorpels bis vorn zum angulus schon ossifieirt, dem- nach die Össification so beschaffen war, wie man sie nur bei Männern in diesem Alter beobachtet. Daher kam zur laryn- goscopischen Untersuchung neben dem Befund an den Genitalien !) Berthold-Fränkel’s Archiv fär Laryngologie .Bd. IX. p. 70, Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 245 das Ergebniss mittelst der X- Strahlen noch hinzu, um das bis dahin als Weib geltende Individuum als ein männliches erklären zu müssen. I. Nachdem ich im ersten Theil der Arbeit über die Ver- knöcherung der Kehlkopfknorpeln im Allgemeinen sowohl bei Menschen wie bei Thieren gesprochen und den gesetzmässigen Verlauf der Össification, die Unterschiede zwischen beiden Ge- schlechtern nachzuweisen gesucht habe, stellte ich mir nun die Aufgabe zu erforschen, ob auch in. dem feineren Bau der Spongiosa, in der inneren Architectur des ossificirten Kehlkopfs eine gewisse Regelmässigkeit und Gesetzmässigkeit sich erkennen lässt. Sie wissen, m. H., dass die Architeetur der Spongiosa von Hermann v. Meyer im Jahre 1567 entdeckt wurde. Es war ihm geglückt, die allgemeine Gesetzmässigkeit m dem Verlauf der feineren Stäbchen, Plättchen und Bälkchen des Knochens, den typischen Bau der Spongiosa zu erkennen. Schon kurze Zeit vorher hatte der Mathematiker Culmann in einer Arbeit über die graphische Statik der Pressungs- und Spannungstrajectorien die Druck- und Zugeurven beschrieben, welche ein graphisches Bild der Kräfte darstellen, die sich in einem Körper bei be- stimmten Belastungen geltend machen. Bei dem Vergleich der Knochenpräparate von Hermann v. Meyer mit den Culmann’schen Druck- und Zugcurven zeigte sich nun mit vollkommener Sicherheit die Uebereinstimmung des Richtungs- verlaufs der Spongiosabälkchen mit den Richtungen der Spannungs- trajeetorien der graphischen Statik. Meyer erkannte, dass die normale schwammige Substanz der Knochen, die Spongiosa, eine ganz bestimmte Architeetur besitzt, welche an jeder Stelle genau die Linien stärksten Druckes oder Zuges, denen das Organ ausgesetzt ist, darstellt. Indem so die Knochenbälkchen überall bloss in den Richtungen stärksten Druckes und Zuges verlaufen, wird mit dem geringsten Materialaufwand die grösstmögliche Festigkeit erreicht, genau in der Weise, wie dies die moderne constructive Technik zu verwirklichen sucht. Erweitert wurden unsere diesbezüglichen Kenntnisse namentlich von Julius Wolff, K. Bardeleben und Wilhelm Roux. Wolff hat im Jahre 1871 die fundamentale Entdeckung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 7 246 Max Scheier: gemacht, dass die Knochen sich in ihrer Structur neuen stati- schen Bedingungen, das heisst neuen Druck- und Zug- einwirkungen derart anzupassen vermögen, dass in genügend langer Zeit der Knochen die dieser neuen Functionsweise voll- kommen entsprechende, zweckmässigste Structur und Gestalt erlangt. Aus den Druck- und Zugeurven kann man nun die Grösse und Richtung, überhaupt die ganze Art und Weise der Inanspruchnahme eines jeden Flementes eines irgendwie be- belasteten Körpers herauslesen. Indem nun den durch äussere Kraft veranlassten Spannungen und Pressungen innere Wider- stände so lange das Gleichgewicht halten, als die Festigkeit des Materials nicht durch äussere Kräfte überwunden wird, so ersieht man zugleich, wie Julius Wolff!) sagt, aus diesen Liniensystemen, in welchen Richtungen dem in dem Körper durch die Belastung bewirkten Druck und Zuge der grösste Wider- stand entgegengesetzt wird. Auch kann man aus diesen Curven entnehmen, wo sich das Maximum und wo das Minimum von Zug und Druck befindet, das heisst, wo Druck und Zug am stärksten und wo sie garnicht wirken. Ausserdem kommen in den Richtungen dieser Linien keine solchen Kräfte vor, die die einzelnen Teilchen der Bälkchen seitwärts an einander vorbei- zuschieben und so den inneren Halt, den festen Zusammenhang des Gebildes zu lockern, zu zerstören suchen. Es fehlen eben hier die scheerenden und schiebenden Kräfte. Am besten nach- gewiesen wurde die vollständige Uebereinstimmung des inneren Aufbaues der Knochenspongiosa mit den Zug- und Druckcurven am Fersenbein, Oberschenkel und Wirbelsäule. Nun ist ja der Kehlkopf ein Organ, das in den ersten beiden Lebensdecennien vollkommen knorpelig ist, in welchem erst viele Jahre nach der Geburt die Verknöcherung beginnt und erst in höherem Alter der ganze Kehlkopf ossifieirt. Es musste daher schon von vornherein der Nachweis der Gesetzmässigkeit in dem inneren Aufbau der Spongiosa des ossifieirten Kehlkopfs von grösstem Interesse sein. Zu meinen Studien über die Architektur der Spongiosa ver- wandte ich vollkommen oder theilweise ossificirte Kehlköpfe. Ich !) Julius Wolff, Virch. Archiv, Bd. 50. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 247 präparirte den Kehlkopf so, dass, ohne ihn hinten aufzuschneiden, der Ringknorpel mit dem Aryknorpel vorsichtig aus dem Schildknorpel herausgeschält wurde, die beiden Platten der cartil. thyr. im 'Zusammenhang blieben, und nicht im angulus brachen. Alsdann liess ich nach möglichster Entfernung der Weichtheile und Isolirung der cart. aryt. von dem Ringknorpel die einzelnen Knochen ordentlich maceriren. Alsdann muss der Knochen 'voll- kommen austrocknen, da sonst beim Durchsägen die einzelnen Bälkchen der Spongiosa zu leicht beschädigt werden. Ist nun der Knochen vollkommen trocken und weiss, so kann man mit der Zerlegung in einzelne Fournirschnitte beginnen. Wenn man auch schon bei direkter Aufnahme des Kehlkopfes ohne weitere Zerlegung die gröbere Architektur des Knochens auf dem Skia- sramme erkennt, so ist es, wenn man in die feineren Details der Struktur eindringen will, durchaus erforderlich, den Schild- knorpel in einzelne Knochenblätter zu zersägen. Mit der Hand- säge gelang es mir nicht, genügend dünne Schnitte zu bekommen, indem dieselben meist dabei entzwei brachen und auch die von vorn- herein schon dünnen, wenigresistenten und so stark gebogenen Platten des Schildknorpels garnicht gut zu fassen waren. Bequemer ging es schon mit einer Kreissäge, wie sie in Elfenbeinsägereien benutzt wird. Auch dies erforderte Anfangs viel Zeit und Mühe, da die Schnitte zu leicht zerbrachen. Um dies zu vermeiden, schnitzte ich mir ein Holz passend und fügte es in den Schild- knorpelknochen mit Gyps ein. Aber auch diese Manipulation war zu unbequem. Schliesslich gelang es bei genügender Vor- sicht und Aufmerksamkeit ohne alle Vorrichtungen mittelst ein- fachen Heranhaltens des Schildknorpels an die stark rotirende Kreissäge gute und möglichst feine Schnitte zu erhalten. Viel Schwierigkeit verursachtesnun, das Knochenmark aus der Spongiosa herauszubekommen. Ein kräftiger Wasserstrahl, der durch ein Glasrohr gelassen wird, das in eine feine Oeffnung ausgezogen und mittelst Gummischlauchs an den Hahn der Wasserleitung befestigt wird, entfernt ja den grössten Theil des Markzellen- inhalts sowie die kleinen beim Sägen zertrümmerten Spongiosa- bälkchen. Ein anderer Theil sitzt aber so fest in dem feinen und dünnen Maschenwerk, dass derselbe sich auf diese Weise nicht entfernen lässt. Ausserdem werden bei einem zu starken Wasserstrahl die zarten Trabeceln der Spongiosa, die ja bedeutend 17* 248 Max Scheier: feiner sind wie an den Extremitäten, zu leicht beschädigt, zer- brechen und fallen heraus. Ich liess daher die einzelnen Fournir- blätter nochmals im Brütschrank bei 20° ere. maceriren, und nach ungefähr zwei Monaten war es soweit, dass das Mark sich leicht entfernen lies. Durch Behandlung mit Aether wird noch das Fett beseitigt. Das Kochen der Knochenblätter in Sodalösung ist nicht möglich, weil sonst das Präparat wegen der noch knorpeligen Beschaffenheit eines wenn auch in einzelnen Fällen: kleinen Theils der Schildplatte vollkommen zerstört wird. Man kann nun den Knochenschliff bei auffallendem Licht studiren,, zuweilen ist es besser bei durchfallendem. Bringt man den Schliff auf eine dunkle Unterlage, z. B. schwarzen Sammet, so- wird man den Verlauf der Trabeceln noch genauer erkennen. Wenn man nun die Knochenscheiben des Kehlkopfes einfach photo- graphirt, so kann man auf dem Bilde die Architektur der Spon-- gjiosa nicht so gut erkennen wie bei einfacher Betrachtung des. eigentlichen Objektes. Auch gute Vergrösserungen hiervon herzu-- stellen gelang mir nicht. Daher wandte ich zum weiteren Studium wieder die Röntgenstrahlen an. Bei Anwendung dieser Methode ist es nun durchaus nicht erforderlich, das Mark vollkommen aus der‘ Spongiosa herauszubringen, da dasselbe auf dem Skiagramm keinen Schatten giebt, und ist man nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, beim. Versuch den Markzelleninhalt zu entfernen, die feinen Bälkchen mit herauszuspülen. Zunächst wurde der Schildknorpel mittelst der Kreissäge in horizontaler Richtung in S—10 Knochenscheiben so zerlegt, dass beide Platten des Schildknorpels möglichst im Zusammen- hang blieben und auch der Theil, der noch knorpelig war, nicht herausfiel. Die ganzen Serienschnitte werden der Reihe nach, wie sie- in natura aufeinander folgen, mit der Sägefläche auf die in schwarzes Papier gehüllte photographische Platte gelegt und nunmehr den Röntgenstrahlen ausgesetzt. Den Abstand zwischen Röhre und Platte haben wir immer recht weit genommen, meist 80 cm, um möglichst unverzerrte Bilder zu bekommen. Da das Objekt ja sehr dünn ist, so haben wir die Röntgenbirne nicht zu intensiv leuchten lassen und dafür länger exponirt. Denn zu leicht tritt eine Ueberexposition in Folge zu starken Stromes ein, und man muss zuweilen viele Aufnahmen machen, ehe man ein gut differenzirtes Bild erlangt. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 249 Man sieht nun an den Skiagrammen der Fournirblätter viel mehr als an den Knochenscheiben selbst. Es zeigt sich die X-Strahlen-Photographie weit überlegen über die einfache photo- graphische Aufnahme, und man erhält viel bessere und genauere Aufschlüsse über den Bau der Knochenspongiosa, als sie bis jetzt auf irgend eine andere Art zu erlangen gewesen wären. Bei direkter Betrachtung der Knochenscheiben zeigen sich die feineren und dünneren Nebenbälkchen und Nebenplättchen der Spongiosa in demselben Weiss wie die stärkeren Hauptzüge der Bälkchen. Dagegen treten auf dem Skiagramm der Knochenblättchen die stärkeren Hauptzüge der Knochenbälkchen viel deutlicher hervor, indem die zarteren und schwächeren Nebenbälkchen gleichzeitig gänzlich oder fast ganz verschwinden. Man bekommt mittelst der Röntgenstrahlen ein Bild von der inneren Architektur, das an Feinheit und Genauigkeit der Bälkchenzeichnung, des Ueber- gangs der Spongiosa in die kompakte Substanz nichts zu wünschen übrig lässt. Es lösen sich, wie Julius Wolff!) sagt, viele kompaktere Knochenregionen, in denen die die betreffenden Parthien konstituirenden Bälkchen so eng aneinander gedrängt sind, dass man die Architekturverhältnisse am Fournirblatt selbst nicht deutlich zu erkennen und zu entziffern vermag, im Skia- gramm der Fournirblätter in deutlich zarte Einzelbälkchen auf. Auch die Corticalis, welche ja nichts anderes bedeutet als eine Zusammendrängung der Spongiosabälkchen, löst sich meistens im Röntgenbild in noch etwas grösserem Umfange, als man es hier und da schon an den Fournirblättern selbst wahrnimmt, in die einzelnen sie zusammensetzenden Bälkchen auf. Wolff war stets bemüht, auf möglichst dünn gesägten Fournirblättern ge- wissermassen nur eine einzige Lage der Druck- und Zugbälkchen zur Erscheinung zu bringen, um auf solche Weise um so besser die Uebereinstimmung des Richtungsverlaufs der Spongiosa- bälkchen mit den Spannungstrajectorien der Mathematiker er- kennen zu lassen. Ein derartiges linienförmiges Bild, geeignet zum Vergleich mit den mathematischen Kurven, kommt nun in Folge der Klärung allzudichter Spongiosaparthien, der Ver- schärfung der Hauptbälkchen und Abschwächung der Neben- bälkchen noch viel deutlicher und überzeugender auf dem Skia- ') Julius Wolff, Ueber die Wechselbeziehungen zwischen der Form und der Funktion der einzelnen Gebilde des Organismus. Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Aachen. I. Theil, 1901. 250 Max Scheier gramm der Knochenscheiben zur Beobachtung als auf der Knochen- scheibe selbst. Die Röntgenbilder bringen gewissermassen nur eine einzige linienförmig erscheinende Lage der Knochenstruktur zur Anschauung. Die Röntgenstrahlen zeichnen auch ganz objektiv, ohne jene Täuschungen und Fehler, welchen ein Zeichner und namentlich der schon voreingenommene Zeichner solcher Präparate beständig unterworfen ist. Einen kleinen Mangel aber haben darin die Skiagramme, dass sie keinen genügenden Aufschluss über die räumliche Anordnung der in verschiedenen Ebenen sich kreuzenden Bälkchen und Plättchen der Spongiosa geben. Es erscheinen ja eben die verschiedenen Schatten, die die einzelnen Bälkchen aus verschiedenen Ebenen geben, in eine einzige Ebene auf dem Schattenbild projieirt. Macht man aber stereoskopische Auf- nahmen in der üblichen Methode mittelst der Röntgenstrahlen, so bekommt man auch eine körperliche Anschauung der Spongiosa- bälkchen. Zum genaueren Studium der Skiagramme kann man die- selben bei Lupenvergrösserung betrachten. Von einzelnen Röntgenbildern habe ich mir noch Vergrösserungen angefertigt, auf denen noch deutlicher der Verlauf der Trabekeln zu studiren ist. Zahlreiche Details, die einem bei Besichtigung mit blossem Auge entgehen, werden dadurch noch zum Bewusstsein gebracht. Betrachten wir ein Fournirblatt, in horizontaler Richtung herausgesägt aus dem unteren Theil des Schildknorpels, ungefähr ''» cm über dem unteren Rande der Platte, so sehen wir, dass die Bälkchen der Spongiosa durchaus nicht unregelmässig ver- laufen und kein regelloses Gewirre darstellen, sondern wir er- kennen sofort, dass in der inneren Architektur eine bestimmte Regelmässigkeit und streng gesetzmässige Verhältnisse obwalten. Wir sehen zunächst zwei Bälkchensysteme, die rechtwinklig zu einander stehen, von denen die einen Bälkchen so verlaufen, dass sie von hinten aussen nach vorn innen gehen, während die anderen von hinten innen nach aussen vorn gehen. Die einen Bälkchen entspringen normal senkrecht von der äusseren Ober- fläche und gehen tangential in die innere Oberfläche herum. Die entgegengesetzten Linien stehen auf den so erhaltenen überall senkrecht. Diese entspringen auch senkrecht an der inneren Oberfläche und gehen tangential der äusseren Oberfläche zu. Bei Ueber die Ossification des Kehlkopfs, 251 genauerer Betrachtung sieht man, dass diese Knochenbälkchen sich stets im rechten Winkel kreuzen und die neutrale Axe unter einem Winkel von 45° schneiden. Der Winkel, unter dem die Kreuzung der Bälkchensysteme stattfindet, ist an einzelnen Stellen etwasabgerundet. Durch das Zusammendrängen dieser Linien in der Mitte der Innen- und Aussenseite, also im angulus der Schildknorpel- platten, kommt die Corticalishäufung zuStande. Wir sehen hier an der inneren Seite des vorderen Winkels die kompakte Substanzam stärksten. Diese wird auf beiden Seiten nach hinten zu immer dünner. Das Dünnerwerden der inneren kompakten Rinde erfolgt gerade in demselben Maasse, in welchem sich auf beiden Seiten immer ein Bälkchen nach dem andern abzweigt, um in die spongiöse Substanz überzugehen. Die Corticalis ist demnach durch eine Zusammendrängung der feinen Bälkchen der Spongiosa entstanden (Julius Wolff). Auf dem einen Skiagramm, das von einem fast vollkommen ossificirten Schildknorpel eines 45 jährigen Mannes stammt, sieht man an dem zweiten und dritten Schnitt von unten an den Stellen, wo einzelne Bälkchen ganz isolirt sind, ausgezeichnet die kreuz- weise Anordnung der Trajectorien. Ziemlich starke Bälkchen mit derselben Richtung der Architektur sehen wir an dem zweiten Fournirblatt unten an dem Schildknorpel eines 64 jährigen Mannes (Fig. 17), wo der untere Theil der Schildknorpelplatte sowie der hintere Theil stark ossifieirt ist und ein Knochenzapfen nach oben zieht, während der übrige Theil noch knorpelig ist. Hier sieht man auch deutlich, wie die Enden der Bälkchen senkrecht zur Oberfläche der Schildplatte stehen. Schon im dritten resp. vierten Schnitt haben wir nur wenig Knochengewebe, der grösste Theil ist knorpelig, An diesen kleinen Knochenstellen ist natürlich von einer Struktur noch nichts zu erkennen. Sehr deutlich sieht man auch diese Struktur bei dem Schild- knorpel eines 47 jährigen Mannes (Fig. 18), dessen Schildknorpel- platte bis auf einen kleinen oberen Theil stark ossifieirt ist. Ich erlaube mir nun, einige Diapositive, die ich von einigen schönen Sciagrammen hergestellt habe, Ihnen mittelst eines Projectionsapparates zu demonstriren, und werden Sie, wenn auch Anfangs die Erkennung der Struktur natürlich mit grossen Schwierig- keiten verknüpft ist, bei dieser starken Vergrösserung sofort diese 252 Max Scheier: Knochenbälkchensysteme und deren Verlauf in prägnanter Weise erkennen. Im Ganzen habe ich acht Kehlköpfe auf diese Weise in Serienschnitte zerlegt, und immer habe ich die erwähnte An- ordnung der Trabekeln im Schildknorpel gefunden. Die voll- kommene Uebereinstimmung, die sich bei allen in dem Wesen der Struktur gezeigt hat, giebt daher auch dem Befunde eine ge- nügende Sicherheit. Betrachten wir nun noch genauer den angulus des Schild- knorpels. Bei einer reinen Anpassung an die Biegungsbean- spruchung müsste die Zeichnung so sein wie Fig. 5 aus Roux, (Gesammelte Abhandlungen über Entwickelungsmechanik der Organismen, Bd. 1, p. 684). Wir sehen dies auch bei dem Kehl- kopf des 47jährigen Mannes im dritten Blatt von unten, und noch besser bei der Vergrösserung. Dagegen sehen wir, dass zuweilen die Bälkchen an dieser Stelle im angulus bei horizontalem Schnitt direkt von aussen nach innen sagittal verlaufen. So an dem Schildknorpel, der von einem 52 jährigen an Phthisis pulmonum verstorbenen Manne stammt (Fig. 19). Der ganze Schildknorpel ist stark verknöchert mit Ausnahme einer kleineren Stelle im oberen Theil. Das Skiagramm von dem unzerlegten Kehlkopf ist N. 6. Beim Sägen brach der Knochen entzwei, aber nicht ganz in der Mitte, sodass an einzelnen Blättern der ganze Winkelnoch guterhalten ist. Während in dem Haupttheil die kreuzweise Anordnung der Bälkchen genau auch an diesem Präparat zu erkennen ist, sehen wir in der Mitte, namentlich in den höheren Schnitten, die vom oberen Theil des Winkels stammen, ganz gerade Säulen, die parallel zu ein- ander verlaufen. Der Uebergang der verschiedenen Architekturen erfolgt allmählich. (Genau wie ein Brückeningenieur statt derartiger Balken, die sich fast parallel in einem ganz spitzen Winkel kreuzen, be- quemer für denselben Zweck zwei einfache gerade Säulen nimmt, so thut es auch hier die Natur. Ebenso wie der Ingenieur bei Erreichung der zweckmässigsten Form der Brücke (ich erinnere nur an den Pauly’schen Brückenträger), welche alle Er- schütterungen und Oscillationen in der Brücke möglichst vermeidet, gleichzeitig den Materialaufwand und die Kosten der Brücken- träger auf ein Minimum reduzirt (Culmann), so ist es auch hier am Kehlkopf. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 259 Die Bälkchenarchitektur, wie wir sie am Schildknorpel ge- funden haben, ist ein Zeichen vollkommener Anpassung an die Biegungsbeanspruchung. Es ist selbstverständlich, dass diese Druck- und Zug- trajeetorien selbst weder ziehen noch drücken. Der Sinn ihrer Anwendung bei organischen Substanzen wie in der Technik ist der, dass ein Körper, welcher Druck- oder Zugkräften Wider- stand leisten soll, also auf Compression und Dehnung in Anspruch genommen werden soll, bei Einhaltung einer gewissen äusseren Gestalt und Umfang in haushälterischer Weise mit einem Minimum von Material gebaut werde. Diese Konstruktion kann also nur dort angewandt werden, wo man mit einer geringeren Trag- fähigkeit auskommt, als sie eine kompakte Masse von gleichem Umfange gewährt. Wir verfahren ja bei den einfachsten Ge- brauchsgegenständen ebenso. Einen Stuhl, einen Tisch stellen wir natürlich auf nur vier senkrechte Beine, indem diese den' Anforderungen ebenso vollkommen genügen als wie ein massiver Block, der eine Verschwendung von Tragfähigkeit darstellen würde. Es kommt der Natur wie den menschlichen Konstruk- tionen stets darauf an, die nöthige Widerstandskraft mit dem Minimum an Material oder mit dem verwandten Material das Maximum an Leistung hervorzubringen. Es handelt sich nach W. Roux um ein Minimum-Maximum-Prinzip der Konstruktion. In den Knochen ist diese trajectorielle Struktur nun so aus- geführt, dass die Richtung der Maschen der Spongiosa diesen beiden Richtungen des stärksten Zuges und Druckes entspricht, und diese Struktur entwickelt sich nach Roux in der Weise, dass der von aussen wirkende Zug und Druck, sei es das Körper- gewicht oder auch der Muskeldruck, einen funktionellen Reiz auf die lebende Knochensubstanz ausüben. die dort, wo dieser Reiz am stärksten einwirkt, sich erhält, während sie dort, wo dieser Reiz nicht wirkt, schwindet. Hierzu kommt, dass, wenn die den Trajectorien entsprechenden Richtungen genügend fest durch Knochensubstanz ausgebildet sind, sie den anderen Richtungen den Druck entziehen, sodass nach der Resorption an diesen Stellen kein Knochen wieder gebildet werden kann (Bd. I, p. 356). Am Kehlkopf ist es nun nicht das Körpergewicht, sondern einzig und allein der Muskelzug, der einen funktionellen Reiz ausübt. Es sind weniger die feineren Muskeln, die wir beim 254 Max Scheier: Sprechen benutzen, wie der m. thyr. aryt. int. etc., sondern die Pharynxmuskulatur, der m. constrietor pharyng inf., der pharyngo- laryngeus, der am hinteren Rande des Schildknorpels und der äusseren Fläche der Platte sich ansetzt, und bei seiner Con- traction, die bei jedem Schluckakt eintritt, naturgemäss die beiden Platten des Schildknorpels zu biegen sucht, genau wie wenn man einen gebogenen Stab noch weiter biegen würde. Wir sehen auch nicht sofort bei jüngeren Individuen die Anordnung der Knochenbälkchensysteme in der beschriebenen Richtung, sondern erst bei älteren, wenn die Ossification schon stark ausgebildet ist. Auch lassen sich die Kehlköpfe von jüngeren Individuen, d. h. zwischen dem 20. bis 30. Lebensjahre, schwer für unsere Zwecke bearbeiten, da ja der grösste Theil noch knorpelig, und der schon verknöcherte Theil so zarte Bälkchen besitzt, dass beim Zersägen dieselben nach meinen bis- herigen Versuchen zu leicht beschädigt werden. Ich lasse es aber dahingestellt, die Frage zu erwägen, wieviel durch vererbte Wachsthumsvorgänge erklärt werden kann, und wieviel mit Noth- wendigkeit auf Rechnung der funktionellen Anpassung, also auf die gestaltende Wirkung der Ausübung der Funktion seitens des Individuums, entsprechend der von Roux angewandten Zerlegung, geschoben werden muss. In seiner neuesten vor Kurzem erschienenen Arbeit sagt Walter Gebhardt): „Soweit ich bis jetzt eine vergleichende Uebersicht über den feineren und gröberen Bau des Knochens erlangen konnte, kam ich zu einer von der Wolff’schen noth- gedrungen in mancher Beziehung abweichenden, mehr an die Auffassung Roux’s sich anschliessenden Ueberzeugung. Dieselbe gipfelt darin, dass die Funktion im Leben des Individuums zwar durchweg einen sehr wesentlichen, aber in der Thierreihe und bei den einzelnen Knochen sehr verschieden grossen Einfluss auf die Hervorbringung der jeweilig zur Beobachtung gelangenden Knochenbauwerke gehabt habe, dass sie aber doch auf der anderen Seite im Individuum manches und oft selbst vieles Gegebene vorfindet, wenn auch ein mehr oder weniger grosser Theil dieses (Gegebenen für diejenigen, welche geneigt sind, eine Vererbung erworbener Eigenschaften überhaupt zuzugestehen, schliesslich !) Gebhardt, Archiv für Entwickelungsmechanik von Roux. NL KINBIS Heft. Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 255 funktionell erworben erscheinen mag, während es die anderen als rein selectiv entstanden, als am leistungsfähigsten heraus- gezüchtet auffassen können. Bei einer vergleichenden Unter- suchung der Knochen lässt sich vielfach konstatiren, dass die thatsächliche Architektur nicht die „einzig mögliche Lösung, der jeweils vorliegenden mechanischen Aufgabe darstellt, sondern nur, dass sie eine solche, vielleicht auf der Basis von unabhängig von der Beanspruchung der betreffenden Stelle gegebenen Ver- hältnissen unter dem Einfluss dieser Beanspruchung besonders leicht herzustellende war“. In der Art der vollkommenen Anpassung an die Biegungs- beanspruchung liegt nun auch eine gewisse Zweckmässigkeit. Würde der Schildknorpel ein kompakter dünner Knochen sein, so würde er beim Zufassen leicht brechen. Indem gerade die Bälkchen so kreuzweise verlaufen und die Architektur eine Biegungskonstruktion zeigt, kann eine Fraktur des Kehlkopfs nicht so leicht entstehen, sonst müssten viel öfter Kehlkopf- frakturen zur Beobachtung kommen, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Die Erfahrung zeigt ja, dass selbst grössere Gewalteinwirkungen und energisches Zusammendrücken des Halses beim Würgen nicht immer eine Fraktur der Kehlkopf- knorpel zur Folge haben. Konnte ich doch in einer Arbeit über Kehlkopffrakturen?) aus der ganzen Literatur nur 95 Fälle zu- sammenstellen. Betrachten wir auf dem Skiagramm (Fig. 19) von dem 52jährigen Manne die oberen Fournirblätter, wo der hintere Theil des Schildknorpels von dem vorderen durch eine knorpelige Schicht getheilt ist, so haben wir hier im hinteren Theil eine andere Anordnung der Trabekeln als in dem anderen Theil. Dasselbe siehtt man auch an dem Schildknorpel von dem 64jährigen Manne (Fig. 17) sehr schön an der obersten Scheibe rechts und an der zweiten links. Während vorher der Struktur- typus durch die beiden sich kreuzenden Bälkchensysteme re- präsentirt wird, die bis an den hinteren Rand des Schildknorpels herangehen, haben wir hier in der vom Haupttheil des ossifieirten Schildknorpels isolirten Knochenmasse eine rechteckig ganz fein- maschige Netzspongiosa (Spongiosa rectangulata nach Roux). ®) Scheier, Deutsche med. Wochenschrift. 1893, N, 33. 256 Max Scheier: Doch variiren an anderen Stellen die Maschen, wo wir theils runde theils ovale Maschen finden. Um nun eventuell noch andere Inanspruchnahmen des Kehl- kopfes herauszufinden und durch sie bedingte Strukturen fest- stellen zu können, habe ich den Schildknorpel nicht in wage- rechte Schnitte zerlegt, sondern in einer anderen Richtung. Einmal haben wir einen vollkommen stark verknöcherten Schild- knorpel schräg zersägt, und zwar in einer Richtung von hinten oben nach vorn unten nach der Medianlinie zu. In einem anderen Falle haben wir den Schildknorpelknochen in vertikale Fournir- blätter, senkrecht von oben nach unten zerlegt, konnten aber bisher andere Strukturtypen nicht eruiren. Was nun die innere Architektur am Ringknorpel anbetrifft, so haben wir nur stark ossifieirte für unsere Zwecke genommen. Sowohl die hintere Platte wie die seitlichen Theile waren gut verknöchert, nur der vordere Ring war in einzelnen Fällen noch knorpelig. Der Ringknorpel wird mittelst der Kreissäge in 5—6 Fournirblätter in horizontaler Richtung zerlegt. Sowohl bei direkter Betrachtung der Schnitte wie beim Studium der Skiagramme sehen wir sofort, dass auch hier in der inneren Architektur der spongiösen Region eine gewisse Regelmässigkeit obwaltet. Es ist aber hier bedeutend schwieriger und kom- plizirter, die Richtungen der einzelnen Trajectorien zu differen- ziren. Wir haben hier ein sehr feines Netzwerk der Spongiosa mit ganz kleinen Maschen, theils rund theils rechteckig. Die Plättchen und Bälkchen sind am Ringknorpel viel feiner und zarter als am Schildknorpel. An einzelnen Blättern sieht man die Bälkchen bogenförmig von einer Seite zur anderen, wie es auf dem Schema von Roux bei einer Biegungsbeanspruchung gezeichnet ist, so auf dem zweiten und dritten Blatt von dem Ringknorpel des 47 jährigen Mannes. Die Untersuchungen über die Architektur der Spongiosa bei den Kehlköpfen von Thieren sind noch nicht beendigt. Wenn auch nicht hierhergehörig, so möchten wir nur an- führen, dass wir auch am Zungenbein die Knochenstruktur studirt haben, und zwar an vier Präparaten von über 40 Jahre alten Männern. Der Körper des Zungenbeins wurde in zwei Fällen in ca. sechs Serienschnitte in horizontaler Richtung zerlegt, und in den beiden anderen in vertikaler Richtung direkt von oben Ueber die Ossification des Kehlkopfs. 257 nach unten zersägt. An den distalen Enden der Körper haben wir eine feine rundmaschige Spongiosa, wie auf dem Skiagramm N. 19. Sehr schön kann man den Verlauf der Bälkchen in der Mitte des corpus auf dem Skiagramm (Fig. 18) von dem 47 jährigen Manne studiren. Die Bälkchen verlaufen hier fast gerade von. aussen nach innen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X und XI. Fig. 1. Skiagramm des Kehlkopfs von einem Manne, 30 Jahre alt. Tod’ an Delirium tremens, Seitliche Durchleuchtung des ganzen Kehl- kopfs und Zungenbeins. Eine Nadel steckt im Zungengrunde. Fig. 2. Mann, 34 Jahre alt, gestorben an Phthisis pulmonum. Fig. 3. Mann, 64 Jahre alt, gestorben an Pleuritis fibrinosa chr. Der Larynx ist in der Mitte halbirt und die einzelnen Knorpel isolirt. Nur auf dem Ringknorpel links (auf dem Bilde) sitzt noch die cartil. aryt., während die cartil. aryt. der anderen Seite sich rechts oben in der Ecke befindet. Mit der Aussenfläche sind die Knorpel. auf die photographische Platte gelegt. Fig. 4. Mann, 36 Jahre alt, gestorben an progressiver Paralyse. Links ist der Schildknorpel mit dem Ringknorpel noch in Verbindung, während rechts anf dem Bilde die einzelnen Knorpel isolirt skiagraphirt sind. Die cartil. aryt, dieser Seite ist mit der halben Epiglottis unten im Bild. Fig. 5. Mann, 65 Jahre alt, gestorben an Phthisis ulceros, pulmon. Links oben im Bilde ist die cartil. aryt. Fig. 6. Mann, 52 Jahre alt, gestorben an Phthisis pulmonum. Fig. 7, Mann, 50 Jahre alt, gestorben an Phthisis pulmonum. Fig. 8 Frau, 23 Jahre alt, gestorben an Pyosalpinx. Seitliche Durch- leuchtung des ganzen Kehlkopfs. Fig. 9. Frau, 25 Jahre alt, gestorben an Eclampsie, Fig. 10. Frau, 39 Jahre alt, gestorben an Phthisis pulmonum. Der Kehl- kopf ist in der Mitte halbirt und auf der einen Seite sind die Knorpel isolirt. Fig. 11. Frau, 56 Jahre alt, gestorben an Carcinoma uter. Fig. 12. Frau, 53 Jahre alt, gestorben an Pleuritis exsudat. Fig. 13. Frau, 41 Jahre alt, gestorben an Phthisis pulmonum. Fig. 14. Injection der Gefässe des Kehlkopfes und der Zunge mit Mennige Der Kehlkopf des 50 Jahre alten Mannes ist in der Mitte halbirt und mit der Aussenfläche auf die photographische Platte gelegt. Fig. 15. Skiagramm des Kehlkopfs eines Wallachs von ca. 8 Jahren. Nur die eine Seite ist reproducirt, da die andere eine gleichmässige Verknöcherung zeigt. Am Schildknorpel ist noch ein Theil der anderen Schildknorpelplatte, um den ossifieirten angulus nicht zw beschädigen, 258 Max Scheier: Ueber die Ossification des Kehlkopfs. Fig. 16. Wallach, ca. 14 Jahre alt. Fig. 17. Schildknorpel von einem 64jährigen Manne, durch horizontale Sägeschnitte in Knochenfournirblätter zerlegt. Das hierzugehörige Skiagramm des Kehlkopfs in toto ist Fig. 3. Fig. 18. Kehlkopf von einem 47 jährigen Manne. Schildknorpel, Ringknorpel und Zungenbein in Fournirblätter zerlegt. Fig. 19. Kehlkopf von einem 52 Jahre alten Manne. Rechts unten im Bilde das Zungenbein, oberhalb befinden sich die einzelnen Blätter des Ringknorpels. Das Sciagramm dieses Kehlkopfs in toto ist Fig. 6. Aus der Prosectur des Städtischen Spitals in Odessa und dem Pathologisehen Institut in Berlin. Ueber die Veränderungen der Hirngefässe in verschiedenem Alter. Von M. Mühlmann. Hierzu Tafel XII, I: Untersuchungen am Menschen. Vorliegende Mittheilung stellt gewissermassen eine Er- gänzung und Korrektur meiner im Jahre 1591 in Virchow’s Archiv Bd. 126 veröffentlichten Untersuchung „Zur Pigment- metamorphose der rothen Blutkörperchen“, sowie meiner Disser- tation „Ueber Hirnpigmente“* (Berlin 1892) dar. An einem ausgedehnten Material aus dem Sektionstisch des Berliner Pathologischen Instituts konnte ich damals feststellen, dass in den Wänden der Hirngefässe regelmässig eine Erscheinung auftritt, die von mir als gelbes Pigment nach der üblichen Auffassung bezeichnet wurde. Auf die Regelmässigkeit ihres Vorkommens werde ich sofort zurückkommen ; vorläufig über die Natur und den Sitz derselben. Es handelt sich um kleine, rundliche, gelbliche stark licht- brechende Körnchen, die sich ihrem Aussehen nach von Fett- tröpfehen nur dadurch unterscheiden, dass sie gelblich gefärbt sind. Die Färbung ist nicht überall gleich. Bei jungen In- dividuen ist sie hellgelb, bei älteren dunklergelb, goldglänzend, bei ganz alten Personen schimmern sie in’s bräunliche. Die Form nähert sich der sphärischen mehr oder weniger. Die Körner M. Mühlmann: Ueber die Veränderungen der Hirngefässe ete. 259 liegen meist in kleinen Häufchen zusammen; da wo sie in grössere Haufen angesammelt sind, weicht die Form einzelner von ihnen stärker von der runden Form ab. Die Körnchen sind gewöhnlich in den spindelförmigen Endothelzellen der Hirncapillaren, also derjenigen Gefässe ein- geschlossen, welche nur eine Zellschicht in ihrer Wand besitzen; selten trifft man sie in dickeren mehrschichtigen Gefässwanden. In dem letzteren Fall, wo mehrere und verschiedenartige Zell- lagen in der Gefässwand vorliegen, kann man die Körnchen- gruppen nicht allein in der inneren Endothelwand antreften, sondern auch in den spindelförmigen Zellen der mittleren oder äusseren Zellschicht, häufiger in der letzteren, welche zur Ad- ventitia gewöhnlich gezählt wird. Auch von den sog. ein- schichtigen Capillaren ist nicht immer mit Sicherheit zu sagen, ob gerade allein ihr Endothel die Körnchen beherbergt. Wie Fig. 2 zeigt, hebt sich ein spindelförmiges Gebilde (a), mit den Körnchen gefüllt, welche im Präparate in künstlicher Bearbeitung schwarz gefärbt sind, häufig nach auswärts von der Capillarwand ab, in der Richtung des perivasculären Raumes hin. An den ent- sprechenden anderen Stellen der Capillarwand sieht man, wie spindelförmige Zellen mit deutlichem Kern den Endothelien von aussen ansitzen (b). Auch in den spindelförmigen körnchen- haltigen Gebilden tritt manchmal ein Kern auf. Dies sind alles Gründe, welche Herrn Dr. Chenzinski, der sich ” meine Präparate ansah, bewegt, sie als besondere, vom Endothel ver- schiedene, Zellen und zwar als Perithel zu betrachten. Merk- würdig ist, dass da, wo man in den mehrschichtigen Gefäss- wänden der grösseren Gefässe die Körnchen in der Adventitia vorfindet, sie in der Intima spärlich vorhanden sind oder gar fehlen. Um den Sitz der Körnchenanhäufungen nochmals kurz zu präcisiren, wäre als der häufigste das Endothel der Capillaren zu bezeichnen, in zweiter Reihe käme ein Perithel derselben in Betracht, welches gewissermassen als ein Uebergangsglied zur Adventitia der grösseren Gefässe angesehen werden könnte!), und schliesslich die Adventitia der mehrschichtigen mittelgrossen sog. Perithel nicht das in einem besonderen Schnitt getroffene Endothel darstellt. 260 M. Mühlmann: Arterien, welche eine muskulöse Media besitzen; hie und da kann man auch in einzelnen Muskelspindeln der Media die Körnchen beobachten (vgl. Fig. 3). Wir gehen zur allerwichtigsten Frage über, was sind das für Körnchen. In der erst eitirten Arbeit weise ich vielfach darauf hin, dass die grosse Aehnlichkeit derselben mit Fett- körnchen die Ursache gewesen war, wesshalb man denselben wenig Aufmerksamkeit schenkte. Manche Autoren nehmen sie direkt für Fett an, so z. B. Perls'!) und Orth. Der letztere beschreibt in seinem Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie (S. 254) das Vorkommen von Fettkörnchen als normale Erscheinung in der Wand der Hirn- und Rückenmarkcapillaren, in der Wachsthumsperiode, in mit dem Alter abnehmenden Menge. Die meisten Anatomen schrieben keine grössere Be- deutung der gelblichen Färbung der Körnchen zu, hielten sie direkt für Fett und die ganze Erscheinung für Fettmetamorphose. Ja, man kann sogar in Lehrbüchern Zeichnungen zur Demon- stration der Fettmetamorphose (selbstverständlich als patho- logische Erscheinung) an der Gefässintima finden, wo die uns interessirende Erscheinung an den Hirncapillaren eben wieder- gegeben ist. Da die Beobachtung meist an menschlichen Leichen geschieht, die von kranken Leuten stammen, so ist selten schwer die gefundene Fettmetamorpkose in einen Zusammenhang mit dem krankhaften Prozess zu bringen. Die kolossale Aehnlichkeit der Körnchen mit Fett liess mich damals die Frage aufwerfen, inwiefern dieser Vergleich be- rechtigt ist. Meine Untersuchung wurde meist an frischen Objekten ausgeführt und das ist die Ursache, wesshalb die Er- gebnisse meiner jetzigen Untersuchung, welche an fixirten Präparaten ausgeführt wurde, von den ersten abweicht. !) Ausführliche Literatur über diese Frage findet man in meiner zuerst eitirten Arbeit Virchow’s Arch. Bd. 126, S. 161 ff. Es ist mir damals eine Arbeit von Obersteiner (Beiträge zur pathologischen Anatomie der Ge- hirngefässe. Wiener med. Jahrb. 1877, Heft II) unbekannt gewesen. O0, ver- fügte über ein reichliches Material; er fand die Fettansammlung als eine normale Erscheinung an den Zellen der Adventitia. Meine Untersuchungen zeigen, dass nur an den grösseren Gefässen die Adventitia betroffen wird, an den Capillaren dagegen die Endothelzellen. Die Deckung der Fettansamm- lung als Ueberbleibsel aus der embryonalen und der früheren kindlichen Periode scheint mir weder klar noch bewiesen zu sein. Ueber die Veränderungen der Hirngefässe in vetschiedenem Alter. 261 Wie dort angegeben ist, wirken Chloroform, Benzol, Alkohol und Aether auf die körnchenhaltigen Präparate derartig ein, dass ein Theil der Körnchen sich löst, ein anderer ungelöst bleibt. Dass ein Theil der Körnchen ungelöst bleibt, war für mich da- mals der Grund, wesshalb ich die Körnchen für Fett nicht gut halten konnte. Es ist jedoch leicht einzusehen, dass bei derjenigen Prüfung, wie sie in solchen Fällen ausgeführt wird, nämlich in der Weise, dass man die Piastückchen in das Reagensglas mit der Reactivflüssigkeit bringt, eine chemische Einwirkung in vollem Sinne des Wortes schwer zu erwarten ist, denn langes Kochen in den genannten Flüssigkeiten, welches im Stande wäre das Fett ganz aufzulösen, die Präparate zerstört, so dass überhaupt nichts mehr unterschieden werden kann, und kurzes Kochen ist zur Auflösung aller Körnchen, falls sie aus Fett bestehen, un- genügend. Beurtheilen wir die Versuche so, wie sie dort be- schrieben sind, so muss man doch mit den Thatsachen rechnen, dass ein Theil der Körnchen, und zwar, wie ich jetzt sagen kann, ein bedeutender Theil derselben, sich in den genannten fettlösenden Mitteln auflöst. Dass ein Theil sich nicht auflöst, kann entweder in der eben erwähnten Weise erklärt werden, oder aber es muss die Möglichkeit zugegeben werden, dass nicht alle Körnchen chemisch gleiche Substanzen darstellen, von ein- ander sich unterscheiden, indem ein Theil für fettlösende Mittel schwerer durchdringbar ist. Immerhin steht fest, dass ein grosser Theil der Körnchen sich in Alkoholäther, heissem Chloroform und Benzol auflöst. Sie lösen sich alle ohne Ausnahme in heissem Xylol. Bei der Anfertigung von Paraffinpräparaten sind sie deshalb nicht zu erhalten. Mineralsäuren: Salzsäure, Schwefelsäure und Salpetersäure, ebenso wie Essigsäure greifen die Körner nicht ein. Die Wirkung der Ueberosmiumsäureanhydridlösung prüfte ich damals an frischen Präparaten; sie greift wirklich in solche langsam ein. Dagegen zeigen die jetzt von mir angefertigten Dauerpräparate, welche 1—2 Tage in Flemming’scher Lösung fixirt wurden, eine ganz ausgesprochene Schwärzung der Körner, wie es in den Zeichnungen sichtbar ist. Somit muss ich mich sehr kritisch gegenüber meiner Studentenstudien verhalten und im Gegensatz zu den damaligen Schlussfolgerungen die übliche Anschauung bestätigen, dass Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, 18 262 M. Mühlmann: die goldgelben Körnchen der Capillaren der Hirnhaut und des Gehirns Fettkörnchen dar- stellen. Dass an denselben gleichfalls Blutfarbstoffreaktionen erzielt werden können, deutet darauf hin, dass die gelbe Tinktion derselben vom Blutfarbstoff herrührt. Dies interessirt uns jetzt weniger. Den Haupteigenschaften nach handelt es sich hier um Fetttropfen. Dass die gelbe Färbung nicht zu den Grundeigen- schaften der Körner gehören, sondern dass sie etwas im Laufe der Entwickelung hinzugekommenes darstellt, folgt daraus, dass bei ganz jungen Kindern, wo die gelben Körnchen an den Ge- fässwänden fehlen, gerade deutliche Fettmetamorphose der Hirn- capillaren ausgesprochen ist. In meiner Dissertation ist eine kurze Statistik angegeben (S. 26), welche lautet, dass beinahe bei allen von mir untersuchten Kindern noch vor dem 6. Jahre regelmässig Fettmetamorphose der Capillarendothels der Hirn- gefässe konstatirt werden konnte. Es sind dort keine nähere Angaben über den sonstigen pathologisch-anatomischen Befund dieser Kinder mitgetheilt. Nach meinen jetzt wiederholten Untersuchungen kann ich mit Sicherheit behaupten, dass die Fettmetamorphose der Hirncapillaren in völlig normalem Gehirn der Kinder beobachtet werden kann. Ich finde jetzt die Fettmeta- morphose bei Kindern, die an allerverschiedensten Krankheiten starben, an Scharlach, Masern, Diphtherie, Enteritis, Inanition, Asphyxie etc., wobei das Gehirn keine nennenswerthe Ver- änderungen, ausser Hyperämie in manchen Fällen, zeigt. Es ist schwer anzunehmen, dass verschiedene Noxen stets dieselbe Wirkung an einem Organ hervorrufen können. Es muss eine Ursache geben, die immer dieselbe Wirkung hervorbringt. Die an den Kindern beobachtete Erscheinung hat in sich nichts mehr wunderbares, nachdem wir festgestellt haben, dass die in Form von sog. gelben Pigmentirung bei Erwachsenen auftretende Erscheinung gleichfalls eine Fettmetamorphose der Endothelzellen darstellt. Der Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen ist kein qualitativer, sondern blos quantitativ. Erstens tritt die Fettmetamorphose der Hirncapillarwände bei Kindern spärlicher, als bei Erwachsenen auf. Während man zum Auf- suchen der Fettkörnchen im Hirn- oder Rückenmarkpräparate des Kindes etwas längere Zeit braucht und sehr viel Capillaren ganz unversehrte Endothelien aufweisen, findet man sie beim Ueber die Veränderungen der Hirngefässe in verschiedenem Alter. 263 Erwachsenen sehr leicht. Die Hochgradigkeit der Fett- metamorphose der Hirncapillarwände steigt mit dem Alter ebenso wie die partielle Fettmetamorphose der Nervenzellen‘). Bei alten Leuten kann man kaum ein Üapillargefäss finden, welches frei von der Fettdegeneration seiner Endothelien wäre; hier ver- fällt der rückschreitenden Metamorphose nicht allein das Intima- endothel, sondern man findet vielfach stärkere Fettmetamorphose der Adventitaspindelzellen der mittelgrossen Gefässe, welche Erscheinung bei Kinder seltener auftritt. Abgesehen von der stärkeren Ausdehnung der Fettmetamorphose bei alten Leuten in Bezug auf die Zahl der ergriffenen Gefässe und der (Gefäss- schichten, unterscheidet sich das mikroskopische Bild der Hirn- capillare eines Kindes von dem eines Greisen sehr oft nur durch die Färbung der Fettkörnchen in den Endothelien, sodass wenn man ein osmirtes Präparat vor Augen hat, wo die Körnchen schwarz gefärbt sind, man an einer einzelnen Capillare sehr schwer erkennen kann, ob sie einem jungen oder alten Individuum gehört. Man kann z.B. eine solche Capillare, wie sie von einem 4-jährigen Knaben in Fig. 1 abgebildet ist, ebensogut bei einem Greis, wie die Capillare eines Greises in Fig. 2 bei einem Kinde finden. Dass degenerative Veränderungen an den Gefässen älterer Leute eine regelmässige Erscheinung darstellen, braucht hier nicht weiter näher besprochen zu werden, weil dies ja längst be- kannt ist und in Form von sog. Arteriosclerose zur Norm ge- rechnet wird. Das Neue und bisher nicht genügend betonte, was hier vorgebracht wird, ist die Feststellung der Thatsache, dass die degenerativen Veränderungen, welche wir als zur Norm gehörig bei älteren Leuten betrachten, sehr frühe namentlich bei Kindern, auftreten, dann, wann sie also functionell von sich gar nicht kundgeben. Wir haben gewissermassen die allmähliche Ent- wickelung derArteriosclerose an denHirngefässen studirtund glauben gefunden zu haben, dass sie zuerst an den Capillaren auftritt und zwar schon im ersten Lebensjahre, indem sie sich mit dem Wachsthum des Kindes immer mehr ausdehnt, eine immer grössere Zahl von Gefässen affıcirt, bis sie schliesslich bei erwachsenen und alten Leuten alle Gefässe besetzt und sich nicht auf die Endothelien !)M. Mühlmann, Weitere Untersuchungen über die Veränderungen der Nervenzellen in verschiedenem Alter. Dieses Archiv Bd. LVIII, S. 231. Idem, Ueber die Veränderungen der Nervenzellen in verschiedenem Alter beim Meerschweinchen, Anat. Anzeiger Bd. XIX. No. 15. 18# 264 M. Mühlmann: der Capillaren beschränkt, sondern auch die übrigen Wand- schichten und namentlich ganz besonders die Adventitia angreift. Selbstverständlich lässt sich die Entwickelung der Fett- metamorphose der Hirncapillarwände in verschiedenen Alters- stufen an einem und demselben Individuum nicht studiren. Ich ziehe die obigen Schlüsse, wie es in entwickelungsgeschichtlichen Studien überhaupt zu geschehen pflegt, aus der Ansicht der Bilder in verschiedenen Stadien der Entwickelung bei Individuen verschiedenen Alters. Abgesehen von dem jetzt hinzugekommenen Material, welches ich nicht mehr nöthig zu zählen hatte, ver- fügte ich über 106 Gehirnen aus meinen ersten Arbeiten (s. 0.). Unter diesen 106 Individuen!) ist bei 9 das „gelbe Pigment“ nicht gefunden worden’). Davon sind blos 3 erwachsene, die übrigen 6 — Kinder. Aus dem Mitgetheilten wissen wir bereits, dass bei Kindern die Fettmetamorphose spärlicher, als beim Er- wachsenen auftritt und bei frischer Untersuchung der Präparate auch vermisst werden kann. Es bleiben dann drei erwachsene Individuen übrig, bei welchen ich vor zehn Jahren „das gelbe Pigment“ nicht fand. Hier muss ich in noch grösserem Maasse meine damalige Untersuchung blos frischer Präparate an das negative Ergebniss schuldig machen. Die Untersuchung geschah damals in der Weise, dass ich, wie OÖ. Isra&@l räth, viereckige Piastückchen auf dem Objectträger ausbreitete und mit dem Pinsel ausglättete, sodass aus dem Rand Gefässstämmchen heraus- gestrichen werden, welche isolirt hauptsächlich zum Object der Beobachtung dienten. Durch die Streichung des Präparates mit dem Pinsel können die Fettkörnchen leicht aus ihrem Sitz ent- fernt werden und man sieht sie vielfach im umgebenden Koch- salzwasser schwimmen. Dass unter mehr als 100 Präparaten bei 3 die Fettkörnchen auf diese Weise künstlich ausgepinselt werden konnten, ist wohl leicht möglich. Nach den Ergebnissen meiner Jetzt wiederholten Untersuchung, welche ich an Osmiumpräparaten ausführte, wo die Körnchen dank der durch die Wirkung des Osmiums angenommenen schwarzen Farbe ganz scharf und deut- lich hervortreten und bei Anwesenheit der Fettkörnchen niemals vermisst werden können, bezweifle ich entschieden, ob in jenen > Fällen die Fettkörnchen fehlten. Ich bin sicher, dass bei An- ') Mühlmann, Ueber Hirnpigmente 1892, S. 7 ff. und 8, 26. 2), Epidiem 'S} 17, Ueber die Veränderungen der Hirngefässe in verschiedenem Alter. 265 wendung der Ösmiumfixirung sie auch dort leicht nachgewiesen worden wären. Indem ich den Satz aufstelle, dass die Fettmetamorphose der Hirncapillarwände mit dem Alter an Hochgradigkeit immer steigt, gestatte ich mir den allgemeinen Eindruck mitzutheilen, welchen das grosse untersuchte Material machen kann. Der Begriff „alt“ ist, worauf ich bereits bezüglich der Studien der Veränderungen der Nervenzellen des Meerschweinchens in verschiedenem Alter hinweisen musste, und was auch bezüglich der Veränderungen der menschlichen Nervenzellen hier nachgeholt werden soll!), sehr widerspenstig: ein Individuum kann in einer Lebensperiode alt sein, in welcher ein anderes jung ist. Ganz klar und unstreitig steht die Beobachtung, dass bei Kindern die Fettmetamorphose der Hirncapillaren schwächer ausgesprochen ist, als beim Er- wachsenen und bei diesen schwächer, als bei greisalten Leuten, wo die Affeetion der Gefässe den höchsten Grad erreicht. Inner- halb aber der einzelnen Alters-Jahre herrscht, was die Unter- suchung an verschiedenen Individuen betrifft, eine Mannigfaltig- keit, die scheinbar keine Gesetzmässigkeit in der Erscheinung zu- lässt. Diese Mannigfaltigkeit giebt aber, bei Individualisirung jedes einzelnen Falls und bei Berücksichtigung des ganzen reichhaltigen Materials, Anlass zu glauben, dass im Wachsthum jedes einzelnen Individuums die degenerative Veränderung der Hirngefässe eine mit den Altersjahren ganz allmähliche Entwickelung durchmacht. Es wurde oben (8.262) notirt, dass der Unterschied zwischen der Affeetion der Hirngefässe beim Kinde und beim Erwachsenen blos ein quantitativer ist. Dies wurde erstens dadurch begründet, indem es gezeigt wurde, dass die Fettkörnchen an den Gefässen der Kinder viel spärlicher auftreten, als an den der Erwachsenen. Der zweite Unterschied betrifft die Färbung der Körnchen. Beim Kinde in den ersten Lebensjahren sind sie meist farblos. Bei älteren Kindern und Erwachsenen sind sie gefärbt. Eine be- stimmte Jahresgrenze, wann sie bei jedem Individuum gefärbt werden, lässt sich ebensowenig aufstellen, wie eine Jahresskala für die Hochgradigkeit der Fettmetamorphose überhaupt. So individuell diese Erscheinung für jedes Individuum ist, so indivi- duell ist der Auftritt der Färbung. Obwohl wir, z. B., bei Neu- geborenen, Frühgeborenen und Kindern im ersten Lebensjahre ı) lc, 8. 263. 266 M. Mühlmann: meistens reine Fettdegeneration mit farblosen Fettkörnchen be- obachten, können wir einzelne Fälle verzeichnen, wo die Körnchen auch im ersten Lebensjahre einen gelblichen Schimmer aufweisen. Farblose Fettkörnchen sind noch im 6. Lebensjahre verzeichnet!), obwohl ich schon bei 4 jährigen Kindern ziemlich ausgesprochene Pigmentirung der Fettkörnchen konstatiren konnte. Ueberhaupt scheinen die ersten drei Lebensjahre noch zur Periode zu gehören, wo die Fettkörnchen hauptsächlich farblos sind, bis zum 6. Lebensjahre beginnt die goldgelbliche Färbung aufzu- treten, aber noch nicht so sicher, wie nach diesem Alter, wo sie bereits konstant aufzutreten beginnt. Bezüglich der Intensität der gelblichen Pigmentiruug der Fettkörnchen da, wo sie auftritt, ist dasselbe zu sagen, wie be- züglich der Hochgradigkeit der Fettmetamorphose überhaupt. Sie steigt mit dem Alter, indem sie bei greisalten Leuten von goldgelb ins bräunliche übergeht Wenn wir für jedes einzelne Individuum uns hier auch eine ganz allmähliche Steigerung der Intensität der Pigmentirung vorstellen müssen, ist nach der vor- liegenden Untersuchung an verschiedenen Individuen eine genaue hierbezügliche Jahresskala aufzustellen selbstverständlich auch kaum möglich. I Untersuchung an Thieren. Die Erscheinung der fettigen Metamorphose der Hirngefässe ist von mir nicht allein am Menschen studirt worden. Im Jahre 1896 habe ich die bezügliche Untersuchung auf Kaninchen und weisse Mäuse ausgedehnt. Ich wandte dazu theilweise gesunde Kaninchen an, die durch Decapitation getödtet wurden, theilweise benutzte ich Kaninchen, die ein Arzt?) im Berl. Pathologischen Institut bei seinen Hämarthrosexperimenten anwandte, und die in derselben Weise getödtet wurden. Von 14 untersuchten Kaninchen ist bei 10 an den Wänden der Hirncapillaren (resp. der Gefässe der weichen Hirnhaut) das Vorhandensein von aus- gesprochener Fettmetamorphose in meinem Notizbuch verzeichnet. Unter den 4 Kaninchen, bei welchen keine Fettmetamorphose "gefunden wurde, ist bei zwei angegeben, dass sie zwei Tage alt !) Ueber Hirnpigmente, S. 26. 2) Ich glaube, es war Herr Dr. Jaffe, dem ich jetzt meinen ver- späteten Dank für das Material sende. Ueber die Veränderungen der Hirngefässe in verschiedenem Alter. 267 waren, bei den übrigen zwei finde ich keine Angaben bezüglich ihres Alters. Von den zehn Kaninchen, bei welchen Fettmetamor- phose der Capillaren der weichen Hirnhaut konstatirt wurde, war eins drei Tage alt, eins sechs Tage, die übrigen waren Er- wachsene im Alter von mehreren Monaten. Die Fettmetamor- phose betrifft nicht allein die spindelförmigen Endothelien, sondern auch Rundzellen, welche überall in der Arachnoides und in- den Capillarwänden gefunden werden; der Prozess wandelt sie in kugelige Fettkörnchenzellen um. Unter den untersuchten sieben weissen Mäusen ist bei einer Fettmetamorphose der Capillarendothelien verzeichnet. Ihr Alter ist (wahrscheinlich wegen der Schwierigkeit der Bestimmung) nicht angegeben'). Die Untersuchung an Kaninchen, sowie an der weissen Maus zeigt denjenigen, welche an die fettige Natur der Körnchen wegen ihrer gelben Farbe beim Menschen noch irgend welchen Zweifel hegten, am evidentesten, dass wir es wirklich mit einer Fett- metamorphose zu thun haben, denn hier ist auch bei erwachsenen Thieren sehr wenig von Farbe zu sehen. Es tritt bei den Kaninchen, ebenso wie beim Menschen, die Thatsache deutlich hervor, dass der Prozess der Fettmetamorphose der Hirncapillaren mit dem Alter eng verbunden ist, denn die Fettmetamorphose fehlte bei den neugeborenen, zwei Tage alten Thieren und war nur bei älteren zugegen. Ausserdem ist die Feststellung der Fettmetamorphose der Hirncapillarenwände bei gesunden Thieren insofern von Wichtig- keit, weil sie zeigt, dass wir es hierbei mit einer Erscheinung von biologischem Werth zu thun haben, dass die Fettmetamor- phose nicht durch eine Krankheit hervorgerufen wird, sondern eine normale Erscheinung darstellt. III. Wir kommen jetzt zur wichtigen Frage, was die Erscheinung bedeutet, wodurch die Fettmetamorphose der Hirn- und Rücken- !) Einigen gesunden Kaninchen und Mäusen habe ich zum Zwecke eines besonderen Experimentes vor der Dekapitation einen Schlag auf den Kopf gethan. Derselbe erwies sich aber von keinem besonderen Einfluss auf die Erscheinung der Fettmetamorphose, denn bei jungen Thieren fehlte die Fettmetamorphose auch nach dem Schlag. 268 M. Mühlmann: markscapillaren bedingt wird. Die neugefundenen Thatsachen lassen nicht mehr an der ursprünglichen Erklärung der Bildung des gelben Pigmentes festhalten, welche sich auf einen engeren Kreis von Thatsachen stützte. Entsprechend den neuen That- sachen muss sie erweitert werden. Die ursprüngliche Deutung einge von der Annahme aus, es handle sich hierbei um hämato- genes Pigment und nichts weiter. Jetzt wissen wir, dass die Pigmentirung hier nicht die Hauptrolle spielt, dass wir es hier mit einer Fettmetamorphose zu thun haben. Hier handelt es sich nicht mehr um eine partielle Fettmetamorphose der Endothelien, wie sie an den Nervenzellen konstatirt ist!), sondern um eine totale Metamorphose, wie wir ihr inder Pathologie häufig begegnen. Die spindelförmigen Zellen wandeln sich hier oft vollständig in Fettkörnchenklumpen um, der Prozess ergreift nicht allein den Zellleib, sondern auch den Kern, welcher zerstört wird, die Zellen verlieren ihre Gestalt und an ihrer Stelle treten oft besonders bei Kaninchen runde Fettkörnchenzellen auf. Wir haben eine gewöhnliche Fettmetamorphose der Zellen und müssen von einem pathologischen Prozess sprechen, der physiologisch vorkommt und zu der dritten Form der Atrophie, der necrotisirenden?) zählt. Er wird, wie alle physiologisch-regressiven Prozesse durch das Wachsthum bedingt. Die necrotisirende Atrophie tritt an den Hirncapillaren am frühesten auf, weil die Gefässe am weitesten von der Körperoberfläche entferntsind?) Die oberflächlichen Körper- theile, Haut, Lunge, Darm, Herz und die grösseren (Gefässe wachsen am längsten, weil sie besser ernährt werden, kürzer ist die Lebensdauer der mehr nach innen hin liegenden Theile — der Museulatur, noch schlimmer wird das Skelet ernährt und am schlimmsten das am innerlichsten, innerhalb des Skeletts, liegende Gehirn- und Rückenmark ernährt, welche deshalb am ehesten im Wachsthum einbüssen und bereits im 15. Lebensjahr absolut und im ersten Lebensjahre relativ zu wachsen aufhören Die mangelhafte Ernährung äussert sich zuerst eben an entfernsten Theilen, an den Capillaren, anfangs in geringem Maasse bei Kindern und mit dem Alter steigend, so dass bei alten Leuten 1) 1. ec. 8. 268. 2) Mühlmann, Atrophie und Entwickelung. Deutsche med. Woch. 1900. No. 41. ») Mühlmann, Wachsthum und Alter. Biolog. Centr. 1901. Ueber die Veränderungen der Hirngefässe in verschiedenem Alter, 269 nicht nur alle Capillargefässe der Fettmetamorphose verfallen, sondern auch die grösseren Gefässe und die verschiedenen Schichten der Gefässwände. In welcher Weise die schlechte Ernährung Atrophie der Nervenzellen bewirkt, haben wir schon kennen gelernt!). Die Deutung der Thatsachen, wie sie jetzt hier von selbst sich anschickt, weicht eigentlich wenig von der ursprünglichen ab. Solange wir die Fettmetamorphose nicht beweisen konnten, sondern blos von einer Pigmentmetamorphose der rothen Blut- körperchen zu sprechen Recht zu haben glaubten, haben wir im Anschluss daran aus dem ganzen pathologisch - anatomischen Befund der Erscheinung den gereizten Zustand der Gefässwand und den diesen hervorrufenden äusserlichen oder innerlichen Druck, an der Pigmentbildung schuldig machen wollen. Dies war eine pure Vermuthung, die aus den damals vorgelegenen ziemlich kümmmerlichen Thatsachen deducirt wurde. Jetzt, wo die Sache viel klarer uns entgegentritt, wissen wir, um welchen Druck es sich handelt. Das Wachsthum der Theile bewirkt eben diesen physiologischen Druck aus, indem die sich vermehrenden Zellen einen Druck auf einander ausüben, wobei die innerlich liegenden Theile in ungünstigeren Ernährungszustand im Vergleich mit den oberflächlicher liegenden gerathen. Dieser Kampf um die Er- nährung bewirkt eben die physiologische Atrophie der leiden- den Theile. Erklärungen der Figuren auf Tafel X11. Alle Figuren sind von Präparaten gezeichnet, die in Flemming’scher Lösung fixirt, in Alkohol gehärtet, in Paraffin eingebettet und mit Saphranin gefärbt wurden. Die Fettkörnchen sind durch Osmium schwarz gefärbt. Die Zeichnungen sind bei Oelimmersion !/» Oe. 3 Leitz ausgeführt. Fig. 1. Ein Capillargefäss aus dem Gehirn (Grosshirnrinde, Centralwindung) eines 4 jährigen Knaben im Längsschnitt; & = Gehirnmasse, p = perivasculärer Raum. Fig. 2, 3, 4 stellen Gefässe aus dem Gehirn (Centralwindung) eines alten Mannes dar; Fig.2, eine Capillare im Längsschnitt, a — fettig degenerirte, b — normale Perithelzelle; Fig. 3, eine kleine Arterie im Längssehnitt. Die Fettmetamorphose (schwarze Körnchen) be- trifft sowohl die innere als die äussere Zellschicht der Gefässwand ; Fig. 4, eine Arterie im Querschnitt. Fettmetamorphose der äusseren Zellschicht. !) 1. e.. 8, 263, Bemerkung, 270 Adolf Bickel: Aus dem anatomisch -biologischen Institut der Universität Berlin. Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes. Von Dr. Adolf Bickel, Assistent an der medizinischen Universitätsklinik in Göttingen. Hierzu Tafel XIII und 3 Textfiguren. Die motorische Wurzel des Trigeminus besitzt nach der üblichen Darstellung der Autoren zwei Ursprungskerne: den „Hauptkern“* („noyau masticateur“) und den „accessorischen“ oder „verlängerten Kern“, der mit den zum Theil in der Eigen- richtung des Kernes verlaufenden starken Nervenfasern „ab- steigende“, „kleine“, „cerebrale“, „obere“ oder auch „Mittelhirn- Wurzel“ genannt wird. Der Hauptkern liegt im cranialen Theile des Bodens der Rautengrube; auf Querschnitten durch die Brückengegend sieht man ihn in der Tiefe unter dem seitlichen Winkel des Ventrikels und zugleich dorso-medial von der Substantia gelatinosa, der primären Endstätte der sensiblen Trigeminuswurzel. Der accessorische Kern reicht cerebralwärts höher hinauf als der Hauptkern; er erstreckt sich bis weit in’s Mittelbirn unter den vorderen Vierhügel. Der accessorische Kern liegt hier an der Seite der den Aquaeductus sylviae und weiter caudal den vorderen Theil des IV. Ventrikels umgebenden grauen Substanz, und zwar dorso-lateral von der Substantia ferruginea, deren Zellen nach Meynert (1), Cramer (2, 16), Ober- steiner (3) und Terterjanz (4) der absteigenden Trigeminus- wurzel einen Zuwachs an Fasern liefern sollen. Die Form des accessorischen Kernes ist nicht unähnlich einer Mondsichel, die sich um den seitlichen Winkel des Aquae- ductus, resp. des IV. Ventrikels herumlegt und diesem ihre Concavität zukehrt. Die dem accessorischen Kerne entspringende Fasermasse zieht in ihrem cranialen Theile in der Richtung des Kernes, biegt dann aber weiter caudal in einem Bogen in ventro-lateraler Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes, erl Richtung ab und vereinigt sich mit der Faserung des motorischen Hauptkernes. Gleichzeitig entsenden die Axencylinderfortsätze der Zellen des accessorischen Kernes feine Collateralen in den Hauptkern selbst hinein und umspinnen die Zellen dieses Kernes mit einem dichten Fadennetze. Auf diese eigenthümliche Ver- knüpfung der Zellen des accessorischen Kernes mit denjenigen des Hauptkernes hat zuerst Ramon y Cajal hingewiesen. Während von allen Autoren übereinstimmend angegeben wird, dass die Zellen des Hauptkernes multipolaren Charakter haben, ist über die Zellen des accessorischen Kernes insofern ein Streit entstanden, als einige Autoren deren Unipolarität glaubten nachweisen zu können, während andere für den bi- oder multipolaren Charakter dieser Zellen eintraten. Die Frage, ob diese Zellen uni- oder bi- resp. multipolar sind, hat nicht nur ein rein anatomisches Interesse; die Physio- logie ist in gleicher Weise dabei engagirt. Das rechtfertigt zur (renüge, das Studium der Morphologie des accessorischen Trige- minuskernes von Neuem aufzunehmen. Bekanntlich neigt die Physiologie heute mehr denn je dazu, für alle Ganglienzellen des Centralnervensystems der höheren Wirbelthiere die Multipolarität zu postuliren und die Möglichkeit der Fortpflanzung des Nervenprinzips nur von Zellfortsatz zu Zellfortsatz zuzulassen. Bei unipolaren Zellen innerhalb des Centralnervensystems müsste daher eine unmittelbare Ueber- leitung des Nervenprinzips von dem Fortsatz einer Zelle in den Körper einer anderen angenommen werden. Ferner aber wäre physiologisch noch weiterhin bemerkens- werth, wenn thatsächlich im Centralorgan ein solcher Kern aus unipolaren Zellen existirte, der seine Axencylinderfortsätze und die von ihnen abgehenden Collateralen nicht zum Theil auch im Eigenbezirk des Kernes endigen liesse, dass dann die Kernzellen selbst in keiner direkten Verbindung unter einander stehen könnten, und dass ein funktionelles, einheitliches Zusammen- wirken sämmtlicher Zellen dieses Kernes nicht so leicht zu er- klären wäre, wie bei Kernen mit multipolaren Ganglienzellen. Ueber die phylo- und ontogenetische Entwickelung der Zellen des accessorischen Trigeminuskernes ist eine Reihe von Thatsachen bekannt geworden, deren hier zunächst gedacht werden muss. 212 Adolf Bickel: An jungen, einen Tag alten Forellen fand van Gehuchten (6), dass die Zellen des accessorischen Trigeminuskernes unipolar oder bipolar sind. Bei Kaninchenembryonen beobachtete Lugaro (8), dass die Mehrzahl der in Frage kommenden Nervenzellen unipolar sei, dass jedoch einige auch rudimentäre Protoplasmafortsätze besässen. Der Axencylinderfortsatz aller dieser Zellen giebt nach Lugaro in seinem Verlauf Collateralen ab, von denen einige in den motorischen Hauptkern münden. Ramon y Cajal (7) sah beim neugeborenen oder wenige Tage alten Kaninchen wie bei vier Tage alten Ratten und Mäusen den Rand der betreffenden Ganglienzellen mit kurzen und dicht aneinander stehenden Dornen besetzt. Diese Zellen bilden hier eine Säule, welche, von den Vierhügeln herabsteigend, den Peduneulus cerebelli superior schräg durchkrenzt und umsomehr an Umfang abnimmt, je näher sie dem Hauptkerne kommt. Ferner giebt Ramon y CGajal an, dass die Zahl der Protoplasmafortsätze je nach dem Grade der Entwickelung der Zellen varirt. Bei dem Kaninchenfoetus besass die Mehrzahl der Zellen einen oder zwei kleine Protoplasmafortsätze, die weniger oder gar nicht verzweigt waren; bei einem acht Tage alten Kaninchen waren jedoch sämmtliche Zellen frei von Proto- plasmafortsätzen. Ein ganz entsprechendes Verhalten zeigen diese Zellen nach Ramon y Cajal bei Mäusen in verschiedenen Entwickelungs- stadien. Bei Mäuseembryonen sprossen an der Peripherie des Zellkörpers constant ramificirte Protoplasmafortsätze von geringer Länge hervor. Sie endigen im Bereich des Kernes selbst. Bei 3—4 Tage alten Mäusen trifft man nur noch ganz vereinzelt diese Protoplasmafortsätze an; bei Mäusen im Alter von S—15 Tagen endlich fehlen sie vollständig. Stets aber lassen die Zellen — gleichviel ob sie noch Protoplasmafortsätze tragen oder nicht — den Dornensaum an ihrer Peripherie erkennen. Im Gegensatz hierzu schreibt Terterjanz (4): „Somit dürfen wir wohl behaupten, dass fast die sämmtlichen Ursprungs- zellen der Radix descendeus protoplasmatische Ausläufer besitzen, wenigstens bei reifen Individuen. Anders ist es bei den jüngeren Thieren und solchen im embryonalen Zustande; es dürfte hier Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes, 275 eine Abweichung bestehen, wie die Untersuchungen von Ramon y Cajal und Lugaro lehren; auch meine Silberpräparate von drei viertägigen Hunden weisen den Unterschied auf. — Ueber die Art der Gestaltung der protoplasmatischen Anhänge kann man noch Folgendes hinzufügen. Während die Fortsätze der Zellen bei den jüngeren Objekten im Wesentlichen kurz, und grob erscheinen, treten dieselben beim erwachsenen Thiere voll- ständig entwickelt hervor.“ Es ist unverständlich, wie sich Terterjanz hier auf Ramon y Cajal und Lugaro berufen kann, um seine An- schauungen zu stützen, da diese Autoren, wie aus der oben ge- gebenen Literaturübersicht hervorgeht, Terterjanz direkt widersprechen. Aus den Beobachtungen Lugaros und Ramon y Cajals über die Entwickelung der Zellen des accessorischen Trigeminus- kernes darf der Schluss gezogen werden, dass diese Zellen während der ersten Lebenstage einer regressiven Gestaltsveränderung an- heimfallen. Die Protoplasmafortsätze, welche sie während des embryonalen Lebens besitzen, verschwinden allmählich, nur der Axencylinderfortsatz und der Dornensaum bleiben zeitlebens be- stehen; das glaubt Ramon y Cajal aus seinen Beobachtungen am wenige Tage alten Kaninchen und an 1—2 Wochen alten Mäusen schliessen zu dürfen. Diese Umwandlung des multipolaren Charakters der Zellen in den unipolaren beim Neugeborenen ist eine eben so merk- würdige, wie in ihren Ursachen nicht leicht zu enträthselnde Erscheinung. | Den Gedanken, dass dieses Phänomen eine Erinnerung an die Phylogenie bedeute — van sehuchten hatte ja bei jungen Forellen Protoplasmafortsätze an den Zellen demonstriren können! — weist Ramon y Cajal wohl mit Recht von der Hand, da gerade im Gegentheil bei den niederen Vertebraten und in noch erhöhtem Masse bei den Wirbellosen der monopolare Typus unter den Ganglienzellen der vorherrschende ist. Ramon y Cajal deutet die anfängliche Entstehung der Protoplasmafortsätze als ein „Phänomen blinden Wachsthums‘“ ; nach allen Richtungen werden Protoplasmafortsätze beim heran- reifenden Individuum von der Zelle ausgesandt und diese Proto- plasmaprojektionen zögern nicht, sei es durch ein weiteres Wachs- 274 AdolfBickel: thum oder sei es durch eine Reduktion oder vollkommene Ein- schmelzung, sich in dem Augenblick zu reguliren, wo in der Um- gebung der Zelle Nervenästchen, die anderen Zellen entstammen, auftreten und in dem einen oder anderen Sinne auf jene Proto- plasmaprojektionen vielleicht „mit Hülfe chemischer Substanzen“ ihren Einfluss geltend machen. Wenn diese hier vorgetragenen Anschauungen über die Entwickelung der Zellen des accessorischen Trigeminuskernes zutreffend sind, dann kann natürlich folgerecht bei dem er- wachsenen Thiere von einer Bi- oder Multipolarität dieser Zellen zum Mindesten in ihrer grossen Mehrzahl nicht gut die Rede sein. Aber gerade über diesen Punkt ist bis heute unter den Anatomen noch keine Uebereinstimmung erzielt worden, wie das aus einer Uebersicht der einschlägigen Literatur hervorgeht. Was zunächst die Form des Zellleibes dieser Zellen des accessorischen Trigeminuskernes angeht, so stimmen in deren Beschreibung alle Autoren, die diese Zellen gesehen haben, über- ein und nennen sie „vesiculös“, blasig aufgetrieben“ oder „birnen- föormig“; van Gehuchten spricht von „cellules globuleuses“. In der That besitzen diese Zellen, wie das auch aus den dieser Arbeit beigegebenen Abbildungen erhellt, eine sehr eigen- thümliche Gestalt, wie sie sonst kaum bei Zellen in den Kernen des Centralnervensystems angetroffen wird, und die die Ab- grenzung dieser Zellen von den Ganglienzellen der Umgebung im Allgemeinen ziemlich leicht werden lässt. Auch ihre enorme Grösse im Vergleich zu der Mehrzahl der in ihrer Nachbarschaft liegenden Zellen fördert die Unterscheidung ungemein. Einer der ersten, der diese Zellen genauer studirte, war Meynert (9); er erkannte ihren blasigen Charakter und ver- glich sie mit sympathischen Nervenzellen und den Zellen der Spinalganglien. Wegen ihrer eigenthümlichen und den Zellen der Spinalganglien ähnlichen Form glaubte Meynert, sie als sensible Elemente ansprechen zu müssen. Er hält sie jedoch nicht für vollständig unipolare, sondern nur für fortsatzarme Zellen. Im Uebrigen findet man in der Literatur drei Anschauungen über den Charakter dieser Zellen vertreten. Stieda (11) hält sie, wie man aus den beigegebenen Zeich- nungen schliessen muss, für unipolar; er betrachtet sie ferner Zur Anatomie des acecssorischen Trigeminuskernes. 275 in Uebereinstimmung mit Stilling (17) und Henle (18) als Ursprungsgebiet des Trochlearis. Golgi (9) wie Ramon y Cajal (7) treten ebenfalls für die Unipolarität dieser Zellen ein. Deiters (l. c. pag. 92) rechnet diese Zellen ebenfalls zum Trochleariskern und hält sie, ähnlich wie van Gehuchten (6), theils für mono- und theils für bipolare Zellen. Allerdings giebt er zu, einen zweiten Fortsatz nur in wenigen Fällen gesehen zu haben, hält es aber andererseits auch nicht für absolut aus- geschlossen, dass diese Zellen in Wirklichkeit noch mehrere Fortsätze haben, die nur nicht zur Anschauung kommen. Merkel (12) und Krause (13) nennen die Zellen bipolar. Nach Merkel besitzen diese Zellen speziell zwei Axencylinderfortsätze, einen feinen an dem einen und einen starken an dem entgegengesetzten Pol. Merkel bezeichnet diese Wurzel ausserdem als „trophische Trigeminuswurzel“. Lugaro (8) nennt diese Zellen theils mono- theils multi- polar, während von Kölliker (14) endlich und Terterjanz (4) sie als multipolar erachten. Die Arbeit von Terterjanz ist die letzte Publikation, die über diesen Gegenstand handelt. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, dass es bei einer Durchmusterung des vorliegenden Beobachtungsmaterials noth- wendig ist zu unterscheiden, ob die Beobachtungen an Embryonen und ganz jugendlichem Material angestellt, oder ob sie an er- wachsenen Individuen gewonnen wurden. Da die vorliegende Untersuchung sich lediglich mit der Morphologie der Zellen des accessorischen Trigeminuskernes beim Erwachsenen befasst, so kommt unter den neueren Arbeiten in erster Linie diejenige von Terterjanz (4) in Betracht, in der nach der Golgimethode an Präparaten von einem erwachsenen, einjährigen Meerschweinchen, wie an Nissl-Präparaten von einer erwachsenen Katze der poly- polare Charakter der in Frage kommenden Zellen dargethan werden sollte. Terterjanz hat zwar neben der Chrom-Silberbehandlung nach Golgi und der Methylenblaufärbemethode nach Nissl auch noch mit der Weigert-Pal’schen Hämatoxylinfärbung, der üblichen Carminfärbung, wie der Chrom-Osmiumbehandlung nach Marchi gearbeitet, aber er stützt sich bei seinen Schluss- folgerungen, wie das aus den beigegebenen Abbildungen von 276 AdolfBickel: Golgi- und Nisslpräparaten hervorgeht, in erster Linie auf seine Versuche mit diesen beiden Methoden. Die Zellen, welche sich im Bereich des accessorischen Kernes in den beiden Abbildungen der Schnitte aus der vorderen und hinteren Vierhügelgegend von dem erwachsenen Meer- schweinchen finden (Golgi-Methode), sind sämmtlich polypolarer Natur; daran kann nicht gezweifelt werden. Aber es fragt sich erstens, ob diese Zellen thatsächlich auch Kernzellen sind, d. h. ob ihre Axencylinderfortsätze sich wirklich der absteigenden Wurzel zugesellen, und wenn dies der Fall wäre, dann ist zu entscheiden, ob sämmtliche Zellen des accessorischen Kernes polypolarer Natur sind, oder ob — wie das nach den ent- wickelungsgeschichtlichen Beobachtungen Ramon y Cajals ja immerhin denkbar wäre — in dem accessorischen Kerne nicht beide oder die drei Zellformen: monopolare, bipolare und multi- polare Zellen, gemischt vorkommen, und endlich würde, wenn dies zutreffen sollte, noch weiterhin zu erörtern sein, ob nicht doch die eine oder die andere Zellform an Häufigkeit ihres Auf- tretens in dem Kerne die andere übertrifft. Die Hauptfrage aber, auf die es bei dem ganzen Gegen- stande ankommt, nämlich ob die von den Autoren als „blasig“, „vesiculös“, „birnförmig“ etc. beschriebenen Ganglienzellen uni- polar oder multipolar sind, wird durch die Abbildungen von Terterjanz noch keineswegs entschieden. Das soll zunächst bewiesen werden. Meynert (9) charakterisirt diese Zellen folgendermassen : Die Zellen, von denen die Rede ist, unterscheiden sich sehr von der Gestalt der Zellen, der man in den Vorderkörnern des Rückenmarks und z. B. im Hypoglossuskerne (man könnte hinzu- fügen, auch im motorischen Hauptkerne des Trigeminus) begegnet. ei den Vorderhornzellen ist der Körper der Zellen verhältniss- mässig klein und seine Oberfläche geht in eine sich nicht plötz- lich verjüngende Basis der Fortsätze über. Anders verhält es sich bei den Spinalganglien, wo die Fort- sätze in so unvermitteltem Uebergange an die Zellkörper stossen, wie der Strohhalm an die Seifenblase. Mit diesem Verhältnisse der Theile stimmen nun die grossen Zellen überein, von denen aus der seitlichen Ecke des grauen Bodens (Quintusfasern entstehen. Der Vergleich dieser Zellen mit der an dem Strohhalm sitzenden Seifenblase ist, wofern er das Verhältniss des Zell- Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes, 277 körpers zum Axencylinderfortsatz allgemein charakterisiren soll, zutreffend; aber es muss dabei bemerkt werden, dass bei ge- nauerem Zusehen dieser Vergleich doch nicht ganz passt. Wie die der vorliegenden Untersuchung beigegebenen Zeichnungen und Photographien darthun, ist der Uebergang des Axencylinder- fortsatzes in den Zellkörper doch nicht ganz so unvermittelt, wie es Meynert mit seinem Vergleichsbilde darstellt. Der Axen- eylinderfortsatz verbreitet sich an seinem Zellkörperende viel- mehr und scheint hier eine Pfanne zu bilden, die, vom Zellleib zwar abgegrenzt, diesen aufnimmt und trägt. Das zeigen be- sonders schön einzelne Zellen der Zeichnungen auf der bei- gegebenen Tafel und die grossen Zellen der Fig. 5 und 6 (Photo- graphien). Der Zellkörper aber an sich hat auf allen Abbildungen, welche dieser Arbeit beigegeben sind, entweder die Form einer Birne oder er ist ballonartig, blasig aufgetrieben — kurz, sein Bild stimmt vollständig mit demjenigen überein, wie es von den meisten Autoren früher beschrieben wurde. Mit dieser Beschreibung der Form des Körpers stimmen aber keineswegs diejenigen Bilder überein, welche Terterjanz in seinen Fig. 1, 2 und 4 giebt. Terterjanz, dessen Färbemethoden oben schon erwähnt wurden, unterscheidet zwei Formen der fraglichen Zellen, von denen die erste einen grossen Zellkörper, die zweite einen kleinen Zellkörper besitzt. Nach der Fig. 2 von. Terterjanz hat der Körper der ersten Zellart zwar die verlangte Grösse, aber er hat nicht die Form einer Seifenblase, eines Ballons ete.; er ist nicht birnen- förmig nicht vesiculös, nicht rund, sondern zeigt im Gegentheil stark gelappte Conturen. Die zweite Form besitzt einen ver- hältnissmässig kleinen Zellkörper, an dem Terterjanz zwar Protoplasmafortsätze, aber keinen Axencylinderfortsatz nachweisen konnte. Auch dieser Punkt ist weit davon entfernt, mit dem Bilde übereinzustimmen, das von der Mehrzahl der Autoren von den fraglichen Zellen gegeben wurde. Denn es soll der Zell- körper nicht klein, sondern auffallend gross und der Axencylinder- fortsatz dabei sehr prägnant ausgesprochen sein. Diese Vergleiche der Zellbilder, welche Terterjanz pu- blieirte, mit den Beschreibungen, die gewöhnlich von den in Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 18 278 AdolfBickel: Frage stehenden Zellen gegeben wurden, liessen die Vermuthung aufkommen, dass Terterjanz in seinen Präparaten vom er- wachsenen Meerschweinchen die Zellen, auf die es ankaın, ent- weder gar nicht wiedergefunden hat, resp. dass er Zellen für diese vesiculösen Zellen ansprach, die es in Wahrheit nicht waren. Dieser Verdacht verstärkt sich bei der Betrachtung eines Präparates, das Terterjanz in der Fig 3 abbildet. Das Präparat ist einem Querschnitt aus der vorderen Vierkugelgegend einer erwachsenen Katze entnommen. (Behandlung des Präparates nach Nissl) Auf dieser Abbildung erkennt man bei genauerem Zusehen unter den in der Zeichnung ausgeführten Zellen zwei Formen; der Zellleib der einen Form hat vollauf den Charakter von grossen multipolaren Ganglienzellen, wie sie gewöhnlich vor- kommen. Ihre Fortsätze gehen, wie bei allen multipolaren Gang- lienzellen, ganz allmählich in den Zellkörper über. Alle diese Zellen sind in dem Präparate von Terterjanz auch zweifellos multipolarer Natur. Die andern Gruppen von Zellen aber hat auf der Abbildung entweder einen kreisrunden oder ovalen oder birnenförmigen Zell- leib; er entspricht dem Bilde, wie es gewöhnlich von den be- sonderen Zellen des accessorischen Kernes gezeichnet wird. Bei den Zellen dieser zweiten Gruppe äber lässt sich auf der Abbildung (Fig 3) von Terterjanz, da wo überhaupt ein Fortsatz gezeichnet ist, lediglich nur ein einziger erkennen. Und dieser Fortsatz setzt sich ziemlich unvermittelt an die Peri- pherie des Zellleibes an, etwa wie der Strohhalm an die Seifen- blase nach dem Vergleiche Meynerts. Uebrigens giebt Terterjanz selbst zu, dass verschiedene Zellformen auf dieser Abbildung sichtbar sind, dass nur einzelne die blasenförmige Gestalt erkennen lassen. „Es ist ja auch klar“, schreibt er hierüber wörtlich, „dass die Zellen, wenn sie im Schnitte so gefasst werden, dass gerade kein Fortsatz mit getroffen ist, rundlich erscheinen müssen.“ | Gegen diese Bemerkung lässt sich an und für sich nichts einwenden. Aber die Sache gewinnt ein wesentlich anderes Aus- sehen, wenn man nachweisen kann, dass man die blasenförmigen Zellen nicht vereinzelt unter anderen Zellen antrifft, sondern dass sich durch ganze Serien hindurch diese blasenförmigen Zellen im Bereich des accessorischen Kernes nachweisen lassen und dass Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes, 279 sie hier keineswegs einsam, wie die Oase in der Wüste, liegen, sondern im Gegentheil das ganze Kernbild vollständig beherrschen und als die hier numerisch bei Weitem dominirende Zellform in die Erscheinung treten. Unter solchen Umständen könnte von einem Zufall, der durch die Schnittführung bedingt wäre, nicht gut mehr die Rede sein. Der Beweis, dass die Verhältnisse so liegen, und nicht wie sie Terterjanz dargestellt hat, soll im Folgenden erbracht werden. Versuchstechnik. Sämmtliche Präparate wurden unter Anwendung der vitalen Methylenblaufärbemethode angefertigt. Diese Methode ist zur mikroskopischen Untersuchung des Centralnervensystems abgesehen von den Arbeiten von Semi Meyer, Krause und Philippson (15) nur ganz vereinzelt be- nutzt worden. R. Krause hat die Methodik der vitalen Methylenblau- färbung derart ausgebildet, dass die Misserfolge, denen man bisher bekanntlich bei der Anwendung dieser Methode für die Untersuchung des nervösen Centralorgans häufig begegnete, nun- mehr immerhin zu den Seltenheiten gehören. Die Farbstofflösung wird nach den Vorschriften R. Krauses mittelst einer 0,5—1°/o Lösung von Natrium bicarbonicum dar- gestellt. 100 ccm dieser Lösung werden mit 1 g chemisch reinem, aber chlorzinkhaltigen Methylenblau eryst., das die Höchster Farb- werke liefern, versetzt. Sodann kocht man die Flüssigkeit auf und filtrirt ab. Das Filtrat wird zur Injection benutzt. Als Versuchsthiere dienten ausschliesslich erwachsene Kanin- chen. Man thut gut, möglichst grosse Thiere zu verwenden. Dem auf ein Brett in Rückenlage aufgespannten Thier wird unter Anwendung der Aethernarcose die Vena femoralis frei präparirt. In die Vene bindet man eine feine Glascanüle ein, die durch einen Gummischlauch mit der die Farbstofflösung ent- haltenden Bürette in Verbindung steht. Die Bürette besitzt einen Glashahn. Während der ganzen Versuchszeit wird die Unterlage des Thieres warm gehalten ; ausserdem ist es vortheilhaft, das Thier noch obendrein mit heissen Tüchern zu bedecken. Die Methylenblaulösung muss ungefähr Körpertemperatur besitzen. 18* 280 Adolf Bickel: Es kommt nun vor Allem darauf an, das Methylenblau möglichst langsam in die Vene einfliessen zu lassen. Während der ersten Stunde des Versuchs wurden gewöhnlich alle fünf Minuten 1 ccm injieirt; während der zweiten Stunde lässt man alle fünf Minuten 2 cem einfliessen und kann dann in der Folge- zeit in ungefähr entsprechender Weise die zuzuführenden Mengen der Farbstofflösung steigern. Um gute Resultate zu erzielen, scheint es nicht einmal so sehr erforderlich zu sein, dass man möglichst viel Farbe injieirt, sondern es kommt offenbar auch darauf an, das die Farbstoff- lösung möglichst lange im lebenden Thiere kreist. Gerade die Medulla oblongata und die Basis des Mittelhirns, also die Abschnitte, auf die es bei der vorliegenden Unter- suchung vor Allem ankam, färben sich vital mit Methylenblau sehr gut. Sofort nach dem Tode der Thiere, der unter den jüngst von Krause beschriebenen Symptomen der Methylenblauver- giftung eintritt, wird das Centralnervensystem herausgenommen, in Querscheiben mässiger Dicke zerlegt und in eine kalte 10 °/o molybdänsaure Ammonlösung für 6—12 Stunden eingelegt. So- dann kommen die Stücke in eiskalten absoluten Alkohol, der im Zimmer in wohlverschlossener Flasche allmählich die Temperatur der Umgebung annimmt. Nach 24 resp 48 Stunden wird der Alkohol gewechselt. Nach weiteren 24 Stunden kommen die Stücke in Xylol, verbleiben hier einen Tag und werden sodann in Paraffin (!/s weiches und ?/s hartes Paraffin) eingebettet Nach dem Schneiden (100-150 u) klebt man sie mit Nelkenöl-Collo- dium auf den Objectträger auf, entparaftinirt sie durch Xylol und schliesst sie in Canadabalsam ein. Kritik der Methode. Es ist a priori anzunehmen, dass die vitale Färbung die Organe und deren Zellen naturgetreuer darstellt, als jede Färbung die post mortem vorgenommen wird. Aber andererseits ist es auch möglich, dass sich gewisse Zellelemente bei der vitalen Färbung und speziell der vitalen Methylenblaufärbung nicht dar- stellen lassen, die nach anderen Methoden sehr gut imprägnirt werden. Wenn also auch vieles dafür spricht, dass die vitale Methylen- blauinjeection am wahrheitsgetreusten die Zellbilder wiedergiebt, Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes,. 281 so kann man doch andererseits auch nicht mit apodictischer Sicherheit behaupten, dass durch diese Methode der vitalen Färbung in einer absolut verlässlichen Weise die Wahrheit zu ermitteln sei. Das lässt sich natürlich überhaupt von ‚keiner Färbemethode sagen. Es ist ferner natürlich auch nicht statthaft, ohne Weiteres die nach der vitalen Methylenblaumethode gewonnenen Bilder mit denjenigen Bildern, welche man unter Anwendung anderer Methoden erhielt, in der Absicht zu vergleichen, um die Resultate, welche die Untersuchung nach der einen Methode ergab, gegen diejenigen Resultate auszuspielen, welche mittels der anderen Methode gewonnen wurden. Das gilt auch für den vorliegenden Fall, Terterjanz arbeitete mit den Methoden von Golgi, Nissl ete.; bei. dieser Untersuchung wurde hingegen die Metlıode der vitalen Methylen- blaufärbung angewandt. Und es würde daher auch nicht erlaubt gewesen sein, auf Grund der nach dieser Methode gewonnenen Resultate, die von den Resultaten, zu denen Terterjanz kam abweichen, die Schlussfolgerungen dieses Autors anzugreifen, wenn nicht die Betrachtung der von Terterjanz selbst ver- öffentlichten Bilder an der Richtigkeit der aus ihnen gezogenen Schlüsse begründeten Zweifel hätte erwecken müssen, Versuchsergebnisse, Bei einer Serie von 110 dorso-ventralen Schnitten, die sich vom vorderen Vierhügel bis in den cranjalen Theil der Rauten- Figur 4, 282 Adolf Bickel: grube erstreckten, waren auf sämmtlichen Schnitten die Zellen des accessorischen Kernes in der oben schon näher beschriebenen Form nachzuweisen. Auf sehr vielen Schnitten, lagen sie intensiv gefärbt in dichten Haufen an der Seitenwand des IV. Ventrikels und des Aquäducts zusammen, auf anderen waren sie bei gleicher Inten- sität der Färbung spärlicher und auf wieder anderen nur ver- einzelt anzutreffen. Bei genauerem Zusehen fand man, dass ge- wöhnlich unter den gut gefärbten Zellen andere lagen, die blasser waren oder die nur eben die Andeutung einer Färbung besassen. Die Gestalt dieser schlecht oder überhaupt kaum gefärbten Zellen stimmte mit derjenigen der gut gefärbten Zellen vollständig über- ein. Das liess sich mit Sicherheit bei starker Vergrösserung (Oelimmersion) erkennen. Auf einer Serie von horizontalen Längsschnitten, die das Gebiet vom hinteren Vierhügel und der cranialen Hälfte der Rautengrube umfasste, lagen die Zellen bald stärker, bald schwächer gefärbt in dichten Haufen, wie zwei Bänder rechts und links vom Aquäduct, beziehungsweise der Rautengrube. Die Form dieser Zellen auf den Löngsschnitten war die nämliche, wie die der ent- sprechenden Zellen auf den Querschnitten. Ausser diesen beiden lückenlosen Serien wurde das viele hundert Schnitte umfassende Material, das das anatomisch-biolo- gische Institut an Methylenblaupräparaten aus der in Frage kommenden Gegend des Centralorgans des Kaninchens besitzt, Figur 5. Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes, 283 durchmustert. Immer liessen sich die fraglichen Zellen in der beschriebenen Gestalt und an dem angegebenen Orte demonstriren. Bei den gut gefärbten Zellen waren die Umrisse des Zellleibs wie diejenigen des Axencylinderfortsatzes sehr scharf Fig.2u.3(Tafel) Figur 6. und es war stets unmöglich selbst unter Anwendung der stärksten Vergrösserung und bei der Untersuchung der einzelnen Zellen in verschiedenen Ebenen ausser dem Axencylinderfortsatz andere Fortsätze oder auch nur Ansätze von solchen zu demonstriren. Der Axencylinderfortsatz liess sich häufig weithin verfolgen und man konnte die Abgabe von Collateralen an ihm beobachten, die aber immer erst in einiger Entfernung vom Kern auftraten. In Betreff der Färbung ist noch zu bemerken, dass die oben beschriebene pfannenartige Erweiterung des Axencylinder- fortsatzes meist etwas schwächer tingirt war, als dieser selbst und auch schwächer als der eigentliche Zellleib. Die Kerne der Zellen traten meist sehr deutlich infolge einer tieferen Blaufärbung hervor. In der unmittelbaren Nachbarschaft der grossen blasen- förmigen Zellen des accessorischen Kernes trifft man häufig multi- polare Ganglienzellen verschiedener Grösse an; einzelne reichen gelegentlich, wie das besonders aus den Fig. 2 und 3 (Tafel) hervorgeht in Bezug auf die Dimensionen ihres Zellleibes an die Grösse der blasenförmigen Zellen heran. Diese multipolaren Ganglienzellen können mit den blasenförmigen Zellen verwechselt werden, wenn man nicht die eigenthümliche Form dieser scharf 284 Adolf Bickel: im Auge behält. Ein wesentlicher Unterschied aber liess sich zwischen diesen multipolaren Ganglienzellen und den blasen- förmigen, unipolaren Zellen in soforn feststellen, als an den Methylenblaupräparaten keine Beziehung dieser multipolaren Zellen zur absteigenden Trigeminuswurzel dargethan werden konnte; auf der anderen Seite jedoch vermochte man mit Sicherheit zu zeigen, dass, wie das besonders aus der Fig. 3 (Zeichnung) und den Fig. 4 und 6 (Photographien) hervorgeht, die Axencylinder- fortsätze der blasenförmigen Zellen sich sämmtlich der absteigenden Trigeminuswurzel zugesellen. Es ist mir eine angenehme Pflicht Herrn Geh. Rath Professor Dr. Hertwig, wie ganz besonders Herrn Privat-Docenten Dr. R. Krause, auf dessen Anregung ich die vorliegende Untersuchung ausführte, für die liebenswürdige Förderung meiner Arbeit herz- lichst zu danken. Erklärung der Textfiguren und der Abbildungen auf Tafel XII. Fig. 1. Zellen des accessorischen Trigeminuskernes, Querschnitt vom hinteren Drittel des Aquaeduetus Sylvii. Kaninchen. Zeiss C, Oe. 2. Fig. 2. Eine ähnliche Stelle bei stärkerer Vergrösserung. Zeiss D. Oe. 2. Fig. 3. Längsschnitt sodurch den Aquaeductus Sylvii. Die absteigende Trigeminuswurzel ist längs getroffen. Man sieht, wie die Neuriten der Zellen unter rechtem oder stumpfem Winkel in die Wurzel umbiegen. Zeiss D. Oe. 2. Fig. 4, Photographie des accessorischen Kernes aus einem Querschnitt des eranialen Endes der Rautengrube. Vergrösserung Leitz. Ocular 4. Objektiv 3. Tubenlänge 17. Fig. 5. Eine Zelle der Fig. 4 unter Anwendung von Zeiss Ocul. 2, Object. Homog. Immers. !/ı2; vergrössert photographirt. Fıe. 6. Zellen des accessorischen Trigeminuskernes aus einem Querschnitt etwas weiter caudal als der Schnitt der Fig. 4; photographirt wie bei Fig. 5 angegeben. Bei der einen Zelle wurde die Abgangsstelle des Axeneylinderfortsatzes scharf eingestellt. Bei scharfer Ein- stellung der übrigen Theile der Zellkörperperipherie liessen sich weder Fortsätze noch auch Andeutungen von solchen erkennen. 17 18. Zur Anatomie des accessorischen Trigeminuskernes. 285 Literaturverzeichniss. Th. Meynert, Vom Gehirn der Säugethiere Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere. Bd. II. Leipzig, 1872. Citat nach Merkel-Bonnet, Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs- geschichte. Bd. IV, 1894, p. 254. H. Obersteiner, Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Centralorgane. Leipzig und Wien, 1892. ’ Terterjanz, Die obere Trigeminuswurzel. Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwickelungsgeschichte. Bd. 53, Heft 4, 1899. Golgi, Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und peripherischen Nervensystems. Jena, 1894, p. 261. Ferner: Intorno all’origine del quarto nervo cerebrale Atti della reale Acead. dei Lincei. Ser. V. Vol. I, 1893. (Citirt nach Ramon y Cajal l. ce.) van Gehuchten, De l’origine du pathetique et de la racine supe- rieure du trijumeau. Bulletin de l’Acad. royale de Belgique. No. 3, März, 189. Ramon y Cajal, Beitrag zum Studium der Medulla oblongata ete, Uebersetzung von Bressler, Leipzig, 1896. Lugaro, Sull’origine di aleuni nervi eucefalici. Archivio di ottal- mologia. Vol. II, fasc, 6, 1894. (Citirt nach Ramon y Cajal, 1. c., pag. 12.) Meynert, Psychiatrie. Bd. I, pag. 98. Ferner: Vom Gehirn der Säuge- thiere, Strieker’s Handbuch, 1. c., pag. 748 und 798. Deiters, Untersuchung über das Gehirn und Rückenmark der Säuge- thiere. Braunschweig, 1865. . Stieda, Ueber den Ursprung der spinalartigen Hirnnerven. Dorpat, 1873. (Citirt nach Terterjanz, l.c.) Ferner: Studien über das Central- nervensystem der Wirbelthiere. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, 1870. . Merkel. Die trophische Wurzel des Trigeminus. Untersuchung aus dem anatomischen Institut in Rostock, 1874. . Krause, Anatomie des Menschen, 1876. v. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen 1892 pag. 290; 1896, pag. 286. Krause und Philippson, Untersuchungen über das Centralnerven- system des Kaninchens. 1901. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. 57. Cramer,A., Beiträge zur feineren Anatomie der Medulla oblongata und der Brücke mit besonderer Berücksichtigung des dritten bis zwölften Hirnnerven. Jena, 1894. Stilling, Untersuchungen über den Bau des Hirnknotens. Jena, 1846. Henle, Handbuch der systematischen Anatomie. III. Bd., 1873. 286 A. Mankowski: Aus dem pathologischen Institut von Prof. W.,Podwysotzki in Odessa. Ueber die mikroskopischen Veränderungen des Pankreas nach Unterbindung einzelner Theile und über einige mikrochemische Be- sonderheiten der Langerhans’schen Inseln. Von Dr. A. Mankowski. Hierzu Tafel XIV. Da die mikroskopische Struktur des Pankreas noch nicht in allen Einzelheiten erforscht ist und besonders die Frage über die anatomische Natur der sogenannten Langerhans’schen Inseln streitig ist, so unternahm ich in den Jahren 1899 und 1900 im Laboratorium der allgemeinen Pathologie von Prof. Podwyssotzki in Kiew eine Reihe vergleichend anatomischer, physiologischer, experimentell-pathologischer und pathologisch- anatomischer Untersuchungen mit Hilfe der verschiedensten Methoden der modernen mikroskopischen Technik. Der einzige und Haupt-Zweck aller dieser Untersuchungen war — das ana- tomische Wesen und die physiologische Bedeutung der Langer- hans’schen Inseln festzustellen. Die Ergebnisse dieser Unter- suckungen habe ich im Jahre 1900 mit einer Arbeit in den „Nachrichten der Kaiserlichen Universität in Kiew“”) in extenso veröffentlicht, weshalb ich hier nur die Haupt-Ergebnisse anführe: 1. Die Langerhans’schen Inseln sind zeitweilig ver- änderte Läppchen der Pankreasdrüse. Sie stehen in der engsten Verbindung mit den übrigen Läppchen der Drüse, haben mit ihnen gemeinsame Blutgefässe und münden in die Ausführgänge. Eine besondere für sie charakteristische Bindegewebskapsel fehlt. Zwischen den Zellen der Inseln und denjenigen der Drüsen- läppchen besteht eine ganze Reihe von Uebergangsformen. ) A. Mankowski, Zur Mikro-Physiologie der Pankreasdrüse. Die Bedeutung der Langerhans’schen Inseln. 2, Kiew, Nachrichten der kaiserl, Universität 1900. Ueber die mikroskopischen Veränderungen des Pankreas et, 287 3. Das Zell-Protoplasma der Inseln hat eine sehr zarte Struktur und wird leicht durch die Einwirkung der verschiedenen fixirenden und erhärtenden Mittel beschädigt. An Schnitten von allen lege artis in Flemming’scher Lösung fixirten Stücken der Drüse zeigt das Protoplasma der Inselzellen ein sehr charakteristisches Verhältniss zu Safranin. 3. Wahrscheinlich ist dieses Verhältniss des fixirten und erhärteten Protoplasmas zum Safranin durch besondere chemische Eigenschaften bedingt, welche das lebende Protoplasma der Inselzellen besitzt. 4. Das lebende Zellprotoplasma der Langerhans’schen Inseln wirkt energisch reduzirend auf eine durch den Ausführ- gang der Drüse injieirte Lapislösung. 5. Die Zahl der Langerhans’schen Inseln kann sich, wie Experimente an Thieren derselben Species und sogar an ein und demselben Thiere zeigen, bald vermehren bald vermindern während der verschiedenen Perioden der Verdauungsthätigkeit des Pankreas. 6. Die Zahl der Inseln vermehrt sich während der Thätig- keit und vermindert sich während der Ruhe. 7. Es unterlieet keinem Zweifel, dass die Langerhans- schen Inseln in physiologischer Beziehung eins der morphologischen Stadien der Thätigkeit der Pankreasdrüse darstellen, welches ich „Stadium der Langerhan s’schen-Inseln“ zu nennen vorschlage. Jedes Läppchen der Drüse muss am Ende seiner Sekretionsthätig- keit ins „Stadium der Langerhans’schen-Inseln“ kommen, welche die morphologische Erscheinung der höchsten Erschöpfung oder der energischsten Thätigkeit des Läppchens darstellt. 8. Der Uebergang aus einem morphologischen Zustande in den andern geht nicht in allen Drüsenläppchen vor sich, sondern in bestimmter Reihenfolge, wobei man an ein und demselben Schnitte Läppchen in verschiedenen Stadien der Thätigkeit be- obachtet. Eine solche Reihenfolge beobachtet man nicht nur unter einzelnen Läppchen des Pankreas, sondern sogar unter einzelnen Zellen desselben Läppchens. Zur Illustration der 1., 2. und 4. These diene Figur 1, 2,3 und 4. Tafel I. Gleichzeitig mit meiner Arbeit erschien die Dissertation von Dr. S. Tschassownikow aus dem histologischen Institut der 288 A. Mankowski: Universität in Warschau!). Der Verfasser beschäftigt sich ein- gehend mit den uns interessirenden Gebilden und kommt auf Grund seiner genauen Untersuchungen zu dem Schluss, dass die Inselzellen nichts anderes sind, als Zellen abgearbeiteter Pankreas- läppchen und „dass sich die Langerhans’schen Inseln bei energischer Sekretion in grosser Anzahl aus gewöhnlichen Drüsen- tubulis bilden, jedoch unfähig sind sich wieder in dieselben um- zuwandeln“ (p. 82). Somit sind die Schlüsse des Dr. Tschassow- nikow nur theilweise nicht übereinstimmend mit den meinigen, da ich die Rückverwandlung der Inseln in Läppchen nicht nur für möglich, sondern sogar für nothwendig erachte. Ganz anderer Ansicht über die Natur der Inseln sind Dr. W. Schulze und Dr. L. Ssobolew?). Ersterer kommt auf Grund seiner Versuche mit Unterbindung einzelner Theile des Pankreas und nachfolgender mikroskopischer Untersuchung des unterbundenen Theiles zum Schluss, „dass wir es bei den Langerhans’schen Inseln mit selbständigen Gebilden zu thun haben, die nicht zum Gangsystem des Pankreas gehören.“ Diese Gebilde ertragen die schädlichen Folgen der Unterbindung eines einzelnen Prankreastheiles sehr gut und überleben so zu sagen alle übrigen Elemente dieses Organs. Der Verfasser formulirt seine Schlüsse über die anatomische und physiologische Bedeutung der Langerhans’schen Inseln wie folgt: „Anatomisch betrachtet sind also die Langerhans’schen Inseln Blutgefässdrüsen vom Typus der Hypophyse, und in ihrer Funktion sind sie wahr- scheinlich an der Regulirung des Zuckergehaltes des Blutes betheiligt. Dieselbe Ansicht über das anatomische Wesen und die physiologische Bedeutung der Inseln vertritt auch Dr. Ssobolew zuerst in seiner vorläufigen Mittheilung und dann auch in seiner im Frühling dieses Jahres erschienenen Dissertation?). ) W. Schulze, Die Bedeutung der Langerhans’schen Inseln im Pankreas. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 56, No. 3. 1900. °) L. W. Ssobolew, Zur Morphologie des Pankreas nach Unterbindung seines Ausführganges, bei Diabetes und einigen anderen Bedingungen Petersburg Dissert. 1901. °) 8. Tschassownikow, Ueber die Struktur und die funktionellen Veränderungen der Pankreaszellen. Warschau 1900. Ueber die mikroskopischen Veränderungen des Pankreas et. 289 Da die Schlüsse beider Autoren identisch!) sind werde ich nur die Arbeit des einen von ihnen, nämlich Dr. Schulze einer näheren Betrachtung unterziehen. Obwohl meine Versuche mit der Unterbindung des Ausführ- ganges des Pankreas beim Kaninchen und einzelner Theile der- selben Drüse beim Hunde mich schon früher?) zu ganz entgegen- gesetzten Schlüssen über die Bedeutung der Langerhans’schen Inseln geführt hat, als diejenigen, zu welchen W. Schulze ge- kommen ist, so erachtete ich es in Anbetracht dessen, dass die Differenz in unseren Schlüssen vielleicht dem Umstande zuzu- schreiben ist, dass wir an verschiedenen Thierarten experimentirt haben, für rathsam die Versuche von Schulze zu wiederholen. Dabei gebrauchte ich eine etwas veränderte Methode der Unterbindung, welche es mir ermöglichte mich in der Schätzung der Resultate der Unterbindung streng zu orientiren. So legte ich.an ein und derselben Stelle immer zwei Seide- ligaturen an, nämlich am kompakten Ende des Pankreas, welches zur Milz gewandt ist. Nachdem ich zwei Ligaturen in der Ent- fernung von 1 cm angelegt und die Bauchhöhle zugenäht hatte, liess ich das Meerschweinchen leben. — Von allen in dieser Weise von mir operirten Thieren ertrugen die Operation gut und ohne jegliche Komplikationen nur sechs Meerschweinchen, welche ich nach 3, 5, 8, 15, 25 und 40 Tagen tötete. — Bei der Sektion schnitt ich nicht nur den Theil „zwischen den beiden Ligaturen“ aus, sondern auch die angrenzenden Theile, nämlich das Milzende des Pankreas d. h. den Theil „hinter den Ligaturen“ und einen kleinen Theil „vor den Ligaturen.“ Die Schnitte von dem in Alkohol fixirten und in Paraffın eingelegten Stück wurden (mit dem Mikrotom „Minot“) so gemacht, dass man an einer Fläche des Präparates gleichzeitig die Theile „vor den Ligaturen“, „zwischen den Ligaturen“ und „hinter den Ligaturen“ studiren konnte. !) Anmerkung. Zu diesen identischen Schlüssen sind die beiden Autoren nicht auf gleichen Wegen gekommen. Während die Annahme von Schulze über die physiologische Rolle der Inseln eine logische Folge seiner Studien über die Veränderungen in dem unterbundenen Theile des Pankreas ist, hat Ssobolew im Gegentheil diese Voraussetzung nur auf Grund einiger Betrachtungen gemacht und bemüht sich sodann in seiner ganzen Arbeit diese voreingenommene Meinung zu beweisen. ?) S. meine Dissertation, 390 A Mankowski: Trotzdem die Ligaturen sehr vorsichtig und ohne Be- schädigung der Gefässe angelegt wurden und trotz der mehrfach von mir und anderen Forschern betonten zahlreichen Anastomosen in dem Blutgefässsystem des Pankreas, bestanden die ersten und für alle drei Theile gleichen Veränderungen im Laufe derersten drei Tage in Cirkulationsstörungen in Form von arterieller und venöser Hyperämie, Stauung und Oedem mit Ueberfüllung der Lymph- gefässe und Spalten. Die stärksten Cirkulationsstörungen er- scheinen in dem Theile „zwischen den Ligaturen“, schwächer — in dem Theile „hinter den Ligaturen“ und im Theile „vor den Ligaturen“ sind sie nur in unmittelbarer Nähe der ersten Ligatur bemerkbar. — Die hieraus im Drüsenparenchym entstehenden trophischen Störungen werden noch verstärkt durch den hinzu- tretenden schädlichen Einfluss, welchen das sich in den Theilen „zwischen den Ligaturen“ und „hinter den Ligaturen“ an- sammelnde Sekret auf die Drüsenzellen ausübt. — Am fünften Tage ist schon ein grösserer Unterschied an drei Versuchstheilen bemerkbar. So erscheint in dem Theile „zwischen den Ligaturen“ fast gänzlicher Schwund der epithelialen Elemente. Nur hie und da sind erhaltene Zellen in dem er- weiterten Ausführgange bemerkbar. Weder Läppchen noch Inseln sind sichtbar. Das Zwischenbindegewebe ist hyperplasirt und mit Leukozyten infiltrirt, in ihm sind überall leere Stellen bemerkbar, entsprechend den hier vorhanden gewesenen Drüsen- läppchen. In dem Theile „hinter den Ligaturen“ ist die Struktur der Drüse noch erhalten und das mikroskopische Bild gleicht dem von Schulze auf Fig. 3 gezeichneten mit dem Unterschiede blos, dass an meinen Präparaten die Ausführgänge und Drüsen- läppchen sehr erweitert erscheinen und die in der Bildfläche sichtbaren Inseln kleiner sind. Das Zwischenbindegewebe ist hier ebenfalls hyperämisch und scheidet in ziemlich dicken Strängen kleine Drüsentheile von einander, welehe aus einigen Läppchen bestehen, wedurch dieselben wie von einer Kapsel um- geben erscheinen und bald runde, bald ovale Form annehmen. — Im Theile „vor den Ligaturen“ erscheint die Mehrzahl der Läpp- chen in unmittelbarer Nähe der ersten Ligatur atrophiert und das Zwischenbindegewebe mässig hyperplasirt. — Am achten Tage ist in dem Theile „zwischen den Liga- turen“ keine Spur von Pankreasstruktur mehr zu erkennen. Das Ueber die mikroskopischen Veränderungen des Pankreas ete. 291 Bindegewebe fängt an sich in festes faseriges Gewebe umzu- wandeln. Der Theil „hinter den Ligaturen“ besteht hauptsäch- lich aus Bindegwebe, worin man Querschnitte stark erweiterter Ausführgänge antrifft, welche mit ceylindrischen oder kubischen Epithel bedeckt sind. Gruppen von Läppchen oder einzelne Läppchen trifft man noch hie und da an; aber die Drüsenzellen sind derartig verändert in Form und Gruppierung, dass man nur mit Mühe in ihnen das Pankreasepithel erkennen kann. * Im Theile „vor den Ligaturen“ hat das Drüsengewebe eine fast normale Struktur in einiger Entfernung von der Ligatur, während man in der Nähe der Ligatur eine bedeutende Ent- wickelung von Bindegewebe antrifit, in welchem runde oder ovale Läppchengruppen vorkommen, wobei man nicht selten Bilder sieht, welche an die von Schulze in Fig 4 aufgezeichneten erinnern. Die Inseln, welche in einigen Schnitten vorkommen, sind ziemlich STOSS. — Am 15., 25. und 40. Tage erscheint in dem Theile „zwischen den Ligaturen“ immer mehr und mehr atrophisches Bindegewebe, so dass dieser Theil am 40. Tage nur einen dünnen und kurzen Bindegewebsstrang darstellt. — Im Theile „hinter den Ligaturen“ werden die Drüsenelemente auch progressiv durch Bindegewebe ersetzt, welches sich mit der Zeit in einen faserigen Strang um- wandelt, der fast keine epithelialen Elemente enthält, Im Theile „vor den Ligaturen“ sieht man in einiger Ent- fernung Bindegewebswucherung, wobei ganze Läppchengruppen vom übrigen Parenchym abgeschnürt und von einem Bindegewebs- ringe umgeben werden, so dass sie an einigen Stellen ein Bild darstellen wie es von W. Schulze in Fig 5 und 6 aufgezeichnet ist. Ueberhaupt entwickeln sich in diesem Theile auf einer mehr oder weniger ausgedehnten Fläche ähnliche Erscheinungen wie bei der Annular-Cirrhose (eirrhosis annularis) der Leber. — In allen meinen Fällen war folglich „hinter den Ligaturen“ und „zwischen den Ligaturen“ ein allmählicher Schwund der Drüsenelemente und Ersatz derselben durch Bindegewebe bemerk- bar, wobei die als Langerhans’sche Inseln bekannten Zellen- gruppen in gleichem Maasse mit den übrigen Drüsenläppchen zu Grunde gingen. Zu demselben Schlusse brachten mich meine früheren Versuche an Kaninchen und Hunden. — Was nun die Theile „vor den Ligaturen* anbelangt, so gehen auch hier auf mehr oder weniger ausgedehnter Fläche die 299 A. Mankowski: Pankreaselemente zu Grunde und es entwickelt sich eine Art Cirrhose, welche einige äusserliche Aehnlichkeit mit der Annular- Cirrhose der Leber hat. — Wenn man solche eirrhotisch ver- änderte Theile betrachtet, erhält man wirklich beim ersten Blick den Eindruck als ob die Anzahl der Langerhans’schen Inseln grösser ist, als die Anzahl der unveränderten Läppchen Wenn man nun aber aus der Betrachtung derartiger Bilder auch den Schluss ziehen kann auf die scheinbar grössere Wiederstands- fähigkeit der Langerhans’schen Inseln, so kann man doch Keines- falls denselben Schluss ziehen aus der Betrachtung der Drüsen- theile „zwischen den Ligaturen“ und „hinter den Ligaturen“, wo das Drüsengewebesostarke Veränderungen erfährt, dass es unmöglich ist die Langerhans’schen Inseln vonden übrigen Drüsenläppchen zu unterscheiden. — Indem ich die Richtigkeit der von W. Schulze konstatirten Thatsachen vollauf anerkenne, bin ich trotzdem auf Grund des oben Angeführten nicht einverstauden mit den Schlüssen, welche er am Ende seiner Arbeit zieht. Im Gegentheil, nach reiflicher Prüfung aller meiner Präparate komme ich zu dem Schlusse, dass die Versuche mit der Unterbindung des Ausführ- ganges des Pankreas allein die komplizierte Frage über die Natur und die physiologische Rolle der Langerhans’schen Inselnnicht entscheiden können. Viel geeigneter zu diesem Zweck erscheint nach meiner Meinung das Stadium der Struktur einer normalen Langerhans- schen Insel und deren mikroskopischer Besonderheiten. In dieser Beziehung erachte ich es für nützlich hier kurz einige dieser Eigenthümlichkeiten anzuführen, welche ich Gelegenheit hatte zu beobachten. — Von allen Autoren, welche die Langerhans’schen Inseln studirten, wird das ungleiche Verhältniss des Protoplasmas der Inselzellen und der Drüsenzellen zu denselben Farbstoffen her- vorgehoben. Am deutlichsten ist diese Erscheinung an Pankreas- präparaten zu sehen, welche aus Stücken gemacht sind, die in Flemming’scher Flüssigkeit fixirt und mit Safranin oder Pikro Indigo-Karmin gefärbt sind. — Hierbei erscheinen, wie aus meiner Fig. No. I u. 2, Taf. I zu ersehen ist, die Inselzellen Ueber die mikroskopischen Veränderungen des Pankreas et. 293 überfüllt mit feinsten Körnchen, der mit Safranin gefärbten Sub- stanz, („safranophile“ wie ich sie nenne). Dadurch erhalten die Inselzellen und die ganzen Inseln eine intensiv rothe Färbung und treten bei schwacher Vergrösserung scharf hervor als rothe Flecke auf dem grünlich-gelben Grunde der Drüsensubstanz. Wahrscheinlich unterscheiden sich also die chemischen Eigen- schaften des Protoplasmas der Inselzellen auch im toten Zustande von denjenigen der übrigen Pankreasläppchen. Dieser Unterschied tritt noch schärfer hervor bei der Be- arbeitung des Pankreas mit Argentum nitricum. Wenn man in den Ausführgang des Pankreas eines soeben getöteten Kaninchens eine 1°/o Lapislösung injieirt, so kann man sofort im Momente der Injection das Erscheinen von zahlreichen weissen Punkten am Pankreas beobachten. An ungefärbten Präparaten von der in Methylalkohol erhärteten und in Paraffin gelegten Drüse be- obachtet man bei der mikroskopischen Untersuchung ein sehr interessantes Bild: An dem ungefärbten Schnitte von hellgrauer Farbe mit gelblichem Schimmer sieht man schwarze oder dunkel- graue Flecke, welche den Langerhans’schen Inseln entsprechen (S. Fig. 3, Taf. ID). Wenn man nun diese Flecke bei starker Vergrösserung betrachtet, kann man sich überzeugen, dass die schwarze Färbung der Inseln von einer Menge feinster Partikel- chen herrührt, welche aus metallischem Silber oder dessen Oxyd bestehen und ausschliesslich im Protoplasma der Inselzellen ab- gelagert sind. Die übrigen Drüsenläppchen enthalten diesen Niederschlag von Silber nicht (S. Fig. 4, Taf. I). Diese That- sache weist darauf hin, dass die Pankreaszellen, indem sie in das „Stadium der Langerhans’schen Inseln“ übergehen (siehe oben meine Schlüsse), nicht nur eine morphologische Ver- änderung erfahren, sondern auch besondere chemische Eigen- schaften erhalten, welche in der Reduzirung des Silbernitrats ihren Ausdruck finden. Etwas Aehnliches hatte ich Gelegenheit zu beobachten, wenn ich die Blutgefässe des Pankreas eines soeben getöteten Kanin- chens mit einer Formalin-Karmin-Gelatine-Masse injieirte'). An !) Art der Zubereitung dieser Masse siehe: Lominski „Karmin und Karmin-Injektionsmasse“, „Russky Archiv Pathologi@“. B. III. L. 3‘, S. 309. In dem von mir beschriebenen Falle war das Formalin-Karmin mit schwacher Ammoniaklösung neutralisirt. Arclıiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 20 2 294 A. Mankowski: Ueber die mikroskopischen Veränderungen etc. Schnitten von solchen Drüsen sah man auf dem ungefärbten Grund der Drüsensubstanz ein dichtes Netz verschlungener und anastomosirender Gefässe, welche mit Injectionsmasse angefüllt waren. An den den Inseln entsprechenden Stellen waren die Gefässe sehr erweitert, geschlängelt und dichter. Dabei hatten die Zellenkerne der Langerhans’schen Inseln einen Theil des Farbstoffes aus den Gefässen in sich aufgenommen und waren ziemlich intensiv gefärbt mit Karmin, während die Zellenkerne in den übrigen Läppchen der Drüse gar nicht bemerkbar waren, Fig. 5, Taf. I stellt das beschriebene Bild dar. Ich hoffe, dass die von mir mitgetheilten Thatsachen als Anregung zur Untersuchung der bio-chemischen Eigenschaften der Pankreaszellen und der Langerhans’schen Inseln dienen werden und vielleicht wird die Mikrochemie behilflich sein zur Lösung der schwierigen Frage über die physiologische Rolle der „Langerhans’schen Inseln“. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. Fig. 1. Pankreas eines mit Atrophin getöteten Meerschweinchens. Im Zentrum ist ein Läppchen auf dem Wege der Umwandlung in eine Langer- hans’sche Insel. An der Peripherie sieht man 3 Läppchen, die Zymogen enthalten, Vergrösserung Leitz Oel. Imm. !/ı2z Oc. III. Von einem in Flemming’scher Flüssigkeit fixirten und mit Safranin und Pikro-Indigo-Karmin gefärbten Präparate, Fig. 2. Ansicht einer Langerhans’schen Insel im Pankreas eines normalen Meerschweinchens bei schwacher Vergrösserung {Leitz Obj. 3. Oc. IV). In der Insel sind zweierlei Zellen sichtbar. Färbung wie im vor- hergehenden Präparate. Fig. 3. Pankreas eines Kaninchens nach Injektion des Ausführganges mit Lapislösung. Die Inseln treten hervor als schwarze Flecke auf dem hellen Grunde der übrigen Drüsensubstanz. Schwache Vergrösserung (Leitz, Obj. 7. Oc. IL). Fig. 4. Theil derselben Drüse und Insel bei stärkerer Vergrösserung (Leitz Obj.- 3..0e. IV); Fig. 5 Pankreas eines Kaninchens mit Formalin-Karmin-Gelatine-Masse injieirt. Entsprechend den Inseln sind die Gefässe sehr erweitert und die Kerne der Inselzellen sind mit Karmın gefärbt, während das umgebende Gewebe ungefärbt ist (Leitz, Obj. 3, Oc. IV). 295 Aus dem Histologischen Laboratorium der Universität München. Zur Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische. Von D. Pedaschenko. Hierzu Tafel XV—XVII und 4 Textfiguren, Gelegentlich embryologischer Untersuchungen am Gehirne der Knochenfische bin ich auf eine merkwürdige Erscheinung gestossen, die in erster Linie in einer eigenartigen Segmentirung des Mittelhirnes besteht. Bei der Aalmutter (Zoarces rivip arus) habe ich diese Verhältnisse näher studirt, konnte sie aber auch 'bei anderen Teleostiern in ähnlicher Weise wieder finden, näm- lich bei Gasterosteus, Exocoetus und Salmo d. h. bei Repräsen- tanten dreier verschiedener Ordnungen (Anacanthini, Acantho- pterygii, Physostomi). Es erscheint mir deshalb die Annahme berechtigt, dass wir es hier mit einer allgemeinen Erscheinung in der Entwicklung des Gehirns der Knochenfische zu thün ‚haben. Doch allein bei Zoarces fällt diese Segmentirung auf, bei den übrigen erwähnten Formen kommt sie bei Weitem nicht so deut- lich zum Vorschein. Bei einer Anzahl anderer konnte ich sie überhaupt nicht zu Gesicht bekommen, theilweise wohl wegen Unvollständigkeit des Materials oder Kleinheit und Ungunst des Objektes. Die weiter folgende Darstellung bezieht sich daher aus- schliesslich auf Zoarces. An demselben Objekte hatte schon Rathke!) vor 70 Jahren Aehnliches beobachtet. Seine Angaben sind kurz und nicht ganz zutreffend. Er sagt: „Eine andere und nicht weniger merk- würdige Verwandlung geht in der zweiten Hirnmasse vor sich. Diese Verwandlung aber besteht darin, dass sich ähnlicherweise, wie in den Vögeln, aus der innern Fläche der Decke dieser Masse und zwar in jeder Seitenhälfte derselben, einige von innen !) Abhandlungen zur Bildungs- und Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Thiere. II. Theil Leipzig 1833, p. 19. 20* 296 Pedaschenko: nach aussen gehende Querleisten entwickeln, einige Zeit stehen bleiben, dann auch von aussen sehr deutlich zu sehen sind und endlich doch erst in der zweiten Entwicklungsperiode wieder scheinbar verschwinden. Die Zahl der Furchen, die sich zwischen: diesen Leisten befinden, beträgt in jeder Seitenhälfte gewöhnlich sechs, und die hinterste von ihnen biegt neben der Mittellinie- des in Rede stehenden Gehirntheiles nach vorne ganz um, ver- läuft neben dieser Linie, indess sie sich immer mehr ihr nähert zugleich aber auch immer schmäler und flacher wird, nach vorne: hin und verschwindet nach vorne ganz unmerklich (Fig. 51).“ Ich lasse die Frage vorläufig offen inwiefern diese Segmen- tation des Mittelhirns sich als Neuromerie deuten lässt und wie sie mit den in der Literatur über diesen Gegenstand vorhandenen Angaben in Einklang gebracht werden könnte. Ich schildere nur kurz die Vorgänge, wie ich sie selbst gesehen habe. So viel) will ich nur sagen, dass es keinen Grund giebt im praechordalen: Hirne die Anwesenheit einer grösseren Anzahl von Neuromeren in Abrede zu stellen, und dass in dem Kopfe der Vertebraten, eine wahrscheinlich viel grössere Anzahl ursprünglicher Segmente anzunehmen wäre als bis jetzt nachgewiesen werden konnte. Die Segmentirung des Mittelhirnes vollzieht sich nur an seinem Dache und zwar an dessen inneren Oberfläche; die äussere bleibt ganz glatt und betheiligt sich an diesem Vorgange gar nicht. Bei Embryonen von etwas über 5 mm Länge kann man schon den: Beginn der Segmentirung erkennen, den Höhepunkt ihrer Ent- wicklung erreicht sie bei Embryonen von 9—14 mm Länge. Nachher verstreicht sie allmählich und wird bei ihrem Verschwinden: von einer Reihe anderer nicht minder bemerkenswerther Vor- gänge begleitet. Ich greife ein mittleres Stadium heraus, um die Sache in: ihren Hauptzügen klar zu legen. Bei 9 mm langen Embryonen hat das Mittelhirn von oben: gesehen eine herzförmige Gestalt mit abgestumpfter nach vorne gerichteter Spitze. Der hintere Einschnitt setzt sich aufdas Dach fest als eine mediane Furche, welche Anfangs ziemlich tief ist, aber nach vorne zu allmählich verstreicht und die beiden Lobi optici von einander scheidet. Das Dach lässt sich auf diesem Stadium mit Nadeln ohne besondere Schwierigkeiten an fixirten und gehärteten Embryonen abpräpariren. Es lässt sich längs seines. Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische. 297 hinteren und lateralen Randes leicht vom Boden ablösen und nur in seinem vorderen, verjüngten Theile leistet es einigen Wiederstand.- Hier ist die antero-laterale Wand des Mittelhirnes bedeutend verdünnt und bildet jederseits ein Polster das in die Hirnhöhle von vorne vorspringt. Die vordere Wand des Mittel- hirnes ist noch viel dünner, als die seitlichen und die hintere und zerreisst sehr leicht. Hebt man auf diese Weise das Mittel- hirndach ab und untersucht seine innere Seite bei auffallendem Lichte, so bekommt man ein Bild zu Gesicht, wie es auf Fig. 17 dargestellt ist. Besonders deutlich ist es an Objekten die mit einem nicht zu grellen Färbemittel (wie Carmalaun) tingirt sind, wenn sie in einem hängenden Tropfen unter das Mikroskop ge- bracht werden. Man sieht jederseits eine Reihe paralleler Quer- furchen, die eine etwas gebogene und schräge Richtung von innen und vorne nach aussen und hinten haben und in derselben Richtung verlaufende Querwülste von einander scheiden. Die Wülste und Furchen erreichen die Mittellinie nicht. Sie verstreichen bei auffallendem Lichte betrachtet allmählich gegen einen ziemlich breiten medianen Streifen der dadurch zum Vorscheine kommt, dass das Hirndach hier viel dünner ist, als in seinen mehr seit- lich gelegenen Theilen Laterelwärts erreichen die Wülste auch nicht den äusseren Rand des Mittelhirndaches. Sie endigen in ‘'bedeutendem Abstande von demselben mit einem meist ziemlich regelmässig abgerundeten Ende und lassen einen breiten Saum frei, der von dicht neben einander stehenden säulenförmigen Vorsprüngen des Hirndaches besetzt ist. Die Furchen welche diese Gebilde von einander scheiden und in den verschiedensten Richtungen verlaufen, sind noch viel tiefer, als die Querfurchen. Deshalb treten auch die Vorsprünge viel deutlicher hervor, als die Querwülste. Da sie dicht zusammengedrängt sind erscheinen sie als mehreckige Prismen sehr mannigfacher Form. Sie sind nicht nur auf das Mittelhirndach beschränkt, sondern greifen etwas ‚auf dessen Seitenwände über. Letztere sind sehr dünn und ver- ‘binden das Dach mit dem Boden. Es giebt aber auch keine scharfe Grenze zwischen dem eigentlichen Hirndach und seinen Seitenwänden. Diese Vorsprünge oder Säulen, wie ichsie weiter nennen will sind von annähernd gleicher Breite, und wo man einen doppelt so breiten, wie die benachbarten, trifft, kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass man zwei unvoll- ‘kommen von einander geschiedene Glieder vor Augen hat (z. B. 298 Pedaschenko: Fig. 17). Wie theilweise aus der Fig. 17 deutlicher aber aus- den Fig. 1—6, die einer Reihe von Canadabalsam-Präparaten ent- nommen sind zu ersehen ist, kann man, obwohl. keine streng regelrechte Anordnung der Säulen vorliegt, doch im Allgemeinen in den sie scheidenden Furchen die direkte Fortsetzung der Querfurchen meistens leicht erkennen. Diese polygohalen Er- hebungen schliessen sich nicht in regelmässigen Reihen an die quer gelagerten Wülste an wie deutlich auf Fig. 4, auch in Fig. 3 und 17 zu ersehen ist. Dabei ist nicht immer zwischen je zwei Furchen eine einfache Querreihe von Säulen gelegen ob- wohl .das meistens der Fall ist. Die Unregelmässigkeit in der Anordnung der Säulen beruht hauptsächlich auf späteren Lage- verschiebungen, die bald nach ihrer Bildung auftreten. Man kann somit im Allgemeinen sagen, dass das Dach jedes Lobus opticus in seiner ganzen Breite von innen her durch Querfurchen in eine Anzahl von Segmenten gegliedert ist, von denen jedes aus einem mehr medianwärts gelegenen continuirlichen Quer- wulste besteht, der sich lateralwärts in eine Querreihe von säulen- förmigen Vorsprüngen fortsetzt. Von den bei auffallendem Lichte erhaltenen Bildern unter- scheiden sich die an aufgehellten Präparaten gewonnenen haupt- sächlich in einer Hinsicht. Es tritt bier deutlich das mediane Ende der Wülste hervor. Die breite mediane Furche, welche an der Aussen- seite von innen die beiden Lobi trennt, wird nach vorne zu immer tiefer in Folge der zunehmenden Dünne beider Seitentheile des Hirndaches; gleichzeitig erweitert sich die mediane Furche auch etwas in ihrem vordersten Abschnitte, so dass das mediale Ende der vordersten Wülste frei in die Hirnhöhle hervorragt. Es setzt sich von dem helleren Grundtone des dünnen medianen Streifens- der ganze mediale Rand der Lobi scharf ab und zwar nach vorne zu immer deutlicher. Auf den Fig. 5 und 6 von denen die letztere einem etwas späteren Stadium entnommen ist, sieht man. dass zwischen die Wülste medianwärts tiefe Kerben einschneiden. Die Querfurchen sind im Bereiche der Wülste an auf- gehellten Präparaten weniger zahlreich als bei auffallendem Lichte zu sehen, weil die breiten und seichten Furchen bei durchfallendem Lichte überhaupt nicht wahrgenommen werden können. Vergleicht man die Fig. 3, 4, 5, die alle dem Stadium der Fig 17. entsprechen, so fällt es auf, wie mannigfach doch die: Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische. 299 Formverhältnisse der Wülste und Säulen in Einzelheiten variiren können. Die Furchen erscheinen oft in der Mitte unterbrochen (Fig. 17); oder sind sogar nur streckenweise entwickelt, und man bekommt dann ein breiteres, gegabeltes Gebilde zu Gesicht. Es kann auch die Furche nur der Mitte zweier Wülste entsprechend ausgeprägt sein, wie es auf Fig. 3 rechts zu sehen ist. Solche Wechsel zeigen die Abbildungen. Wie mannigfach aber auch diese Einzelheiten sein mögen, so bleiben doch die Grundzüge dieser Bildungen dieselben. Sehr wahrscheinlich ist es, dass wir es hier mehr mit zeitlichen Variationen in der Aufeinanderfolge einzelner Entwickelungsvorgänge als mit wirklichen Variationen der Form zu thun haben. Denn untersucht man eine grössere Anzahl von Präparaten, so bleibt im Grunde der Gesammt- charakter der Gleiche. Die Furchen ziehen in annähernd gleicher Entfernung von einander, so dass die Abschnitte, wenigstens die ausgebildeten, ziemlich gleich breit sind. Die Furchen schneiden nicht ganz senkrecht in das Hirndach ein, sondern etwas schräg nach ‚vorn zu, was besonders lateral sich zeigt, wo sie tiefer und enger sind. Daher überdecken die vorderen Säulen etwas die hinteren, was im geringen Masse besonders lateralwärts auch für die Wülste gilt. Man muss das alles im Auge behalten, um die Zahl der Wülste und Säulen und somit auch der Mittelhirn- abschnitte zu bestimmen. Auf dem beschriebenen Stadium kann man in der Flächen- ansicht vier oder fünf Abschnitte zählen; ganz sicher lässt sich an sagittalen Längsschnitten die Zahl derselben auf fünf Ab- schnitte bestimmen, wie Textfigur 1 zeigt. Figur 1. Wı, W2, W3, W4, W, = 5 Mittelhirnabschnitte in sagittalem Längsschnitt; W;, — der hinterste in Bildung begriffene Abschnitt. 300 Pedaschenko: Das hinterste s. Abschnitt ist erst in Bildung begriffen und nach hinten nicht abgegrenzt. An Canadabalsampräparaten sieht man denselben überhaupt gar nicht oder es sind nur die ihm dazugehörenden Säulen angedeutet (Fig. 3, 4, 5). Bei auftallendem Lichte tritt dieser Abschnitt an manchen Präparaten als vollständiger Querwulst hervor, aber auch weniger scharf als die Uebrigen (Fig. 17). Dagegen ist an diesem Objekte die Grenze zwischen den beiden vorderen Wülsten fast gar nicht angegeben, und wenn man nach den Furchen zählt, erhält man nur vier Abschnitte, aber der vorderste ist doppelt so breit wie die übrigen, und schon hiernach darf man da zwei Abschnitte annehmen. An Canadabalsanı- präparaten kommt aber auch deutlich medianwärts (Figur 5) oder lateralwärts die Grenze zwischen beiden zum Vorscheine, jedoch ist sie nicht so scharf wie in früheren Stadien und schon im Schwunde begriffen. Es ist an dem Längsschnitte (Textfigur 1) zu bemerken, dass diese Grenze medianwärts nur noch als Einkerbung am Rande des Lobus opticus und nicht als Querfurche erhalten geblieben ist. Daher kann sie nur an nahe zur Medianebene geführten Schnitten angetroffen sein und damit erklärt sich ihre dorsale Lage auf der Textfigur 1. Die Zahl der Säulen beträgt auf diesem Stadium 15—16, sie kann aber auch darüber steigen, je nachdem man die nur angedeuteten Säulen mitrechnet oder nicht. Diese Zahl bezieht sich auf die deutlich und ziemlich gleichmässig ausgebildeten. Wenn man die gegenseitigen Lagebeziehungen berücksichtigt, wird es begreiflich, wie man auf 45° zur Medianebene geführten Längschnitten das Bild der Hälfte der gesammten Anzahl der Säulen bekommen kann. Hier können übrigens auch die lateralen Enden der Wülste angetroffen werden, die genau das Bild einer Säule wiedergeben. Ich wende mich nun zur Beschreibung der Entstehung der Wülste und Säulen und ihrer Beziehungen zu einander. Bei etwas über 5 mm langen Embryonen hat das Mittelhirn eine mehr ausgesprochene herzförmige Gestalt als in späteren Stadien: das Mittelhirn besteht an seinem unteren breiteren Ab- schnitte und einem vorderen verjüngten. Die schon erwähnten verdickten Polster an den lateralen Wänden des vorderen Ab- schnittes sind verhältnissmässig mächtiger entwickelt als später; Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische. 301 ‚da an der Grenze des vorderen gegen den hinteren Abschnitt die Hirnwandungen plötzlich dünner werden, so ragen diePolster von vorne und aussen nach hinten und innen in die Hirnhöhle besonders tief hinein. An ihrem hinteren Rande kann man die erste Andeutung der Wulst- und Säulenbildung wahrnehmen in Form von zwei bis drei nach hinten gerichteten Vorsprüngen, von denen der medianwärts gelegene als continuirliche Fort- setzung des medialen Randes des Polsters erscheint. Dieser Vorsprung ist die Anlage des hinteren (später des lateralen) Endes des ersten Wulstes, der sich noch nicht in seiner ganzen Länge vom Mutterboden gesondert hat. Die übrigen zwei Vor- sprünge stellen die ersten Säulen dar. An Horizontalschnitten eines etwas späteren Stadiums (6!/.mm Länge Textfig.2) sieht man in der That, wie der erste Wulst sich von der verdickten Mittelhirnwand durch eine Furche abgrenzt. Letztere verläuft den äusseren Umrissen des Mittelhirns nicht ganz parallel, ist medialwärts convex. Da- "her zieht der Wulst in seinem vorderen Abschnitte fast gerade von vorne nach hinten, in der Mitte seiner Länge ist er stark lateralwärts geknickt, und von hier aus zieht er in schräger Richtung nach hinten und seitwärts. Betrachten wir die Abbildung eines noch späteren Stadiums (Fig. i), so sehen wir ‚links zwei #Wulstewiund: 7—8 Säulen: kaiechnlit durch von denen je drei einem jeden Wulste ee p = Eolster an der genau entsprechen, und eine oder zwei en sich offenbar unmittelbar vom Polster ab- w N: gesondert haben. Rechts sieht man am hinteren Ende des Polsters ebensolche zwei ihm angehörende Säulen. Unter dem Polster blickt der erste Wulst hervor und zwei ihm entsprechende Säulen. Weiter nach unten sieht man mehr seitwärts drei Säulen im Beginn ihrer Entwickelung und ganz am Rande des Mittelhirndaches noch eine schwach an- gedeutete vierte, die ihrer Lage nach derselben Querreihe zu- gehört. Aus dieser Beschreibung ergiebt sich 1., dass die Ent- wickelung der Wülste und Säulen auf beiden Seiten nicht Figur 2. 302 Pedaschenko: ganz gleichmässig vor sich schreitet, denn auf der rechten Seite haben wir ein jüngeres Stadium vor uns als auf der linken; 2., vergleicht man dieses Stadium mit dem vorhergehenden (Textfigur 1), so entspricht dem jederseits einzigen Wulste jenes der vordere links und der einzige rechts; 3. das zweite Segment bildet sich also in loco hinter dem ersten durch Ver- dickung des Hirndaches; 4., wie bei der Entwickelung des ersten Segmentes, differenziren sich auch hier zuerst die Säulen, und zwar wie es scheint, die lateralen; vom äusseren Rande des Hirndaches schreitet ihre Entwickelung nach innen medianwärts fort, und schliesslich kommt auch der entsprechende Wulst zum Vorschein, wobei seine Entwickelung in derselben Richtung sich vollzieht. Die auf diese Weise fast gleichzeitig entstandenen Segmente werden zum dritten und vierten des älteren einleitend be- sprochenen Stadiums (von 9mm Länge). Bei Embryonen von ungefähr Smm Länge bildet sich, wie es scheint, vom Polster aus ein breites Segment, welches jetzt von ihm noch nicht ab- gegrenzt ist (Fig. 2). Man sieht hier jederseits drei deutliche Wülste und die Anlage eines vierten. Die im Vergleich zum vorhergehenden Stadium unbe- deutende Zahl der Säulen scheint zu Gunsten der Annahme zu sprechen, dass der vorderste Wulst sich vom Polster aus zu differenziren beginnt und die ihm zugehörenden Säulen noch nicht abgesondert sind. Dieser breite Wulst entspricht dem ersten und zweiten bei der 9mm langen Embryonen zusammen. Somit wäre die zeitliche Aufeinanderfolge des Auftretens der Segmente 3, 4, 2, 1, und zwar entsteht Wulst 3 vom Polster aus, 4 loco, 2 und 1 ebenfalls vom Polster; aber es giebt hier sehr grosse Schwankungen, so kann das 4. Segment in seinem Auftreten sich verspäten und nur als Anlage der ihm ent- sprechenden Säulen angedeutet sein, wenn alle vorderen schon abgegrenzt sind. Ebenfalls büssen die Bilder der beiden Seiten auch an Symmetrie immer mehr ein bis zu den späteren Stadien, in welchen unsere Felderung schon fast verstrichen erscheint. Das nächstfolgende Stadium ist das zuerst beschriebene bei Embryonen von 9mm Länge. Hier haben die vier vorderen Abschnitte den Höhepunkt ihrer Entwickelung erreicht und es wird hinter ihnen in loco noch ein fünftes angelegt. Im Ver- gleich zu früheren Stadien sind selbstverständlich die ent- Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische, 303 sprechenden Segmente nach hinten verschoben. Die ursprüng- liche bogenförmig gekrümmte Form der Wülste wird eine ge- strecktere und ihre dementsprechend schräge Richtung eine mehr quere. Der Höhepunkt der Gliederung wird mit der Abgrenzung des fünften Wulstes nach hinten erreicht (Fig. 6), und von nun an fangen die Furchen zwischen den Wülsten an zu verstreichen, welcher Vorgang vorn beginnt. Deshalb scheint mir die von Rathke gegebene Abbildung (Fig. 51, Tafel V seiner Abhandlung) und seine Beschreibung (vergl. Seite 2) nicht zu- treffend. Sechs Furchen und Wülste sieht man niemals gleich- zeitig, und deren höchste Zahl, die man in einem Präparate scharf sehen kann, beschränkt sich auf fünf. Was Rathke als „sechste Leiste“ deutet, ist nichts anderes als der optische Durchschnitt der hinteren Mittelhirnwand; die Fortsetzung dieser Leiste nach vorne ist das Bild der Wandungen jener medianen Furche, welche an der äusseren Oberfläche des Mittelhirndaches verläuft, als mediane Firste in die Hirnhöhle vorsprinet und die beiden Lobi oplieci von einander scheidet. In der That gehen ihre Wandungen jederseits in die hintere Wand des entsprechenden Lobus über. Was die Säulen anbelangt, so sind ihre Beziehungen zu den Wülsten nur bei ihrem ersten Auftreten wahrzunehmen. Bis auf das besprochene Stadium entsprechen, nach deren gesammter Zahl zu urtheilen, einem jeden Wulste je 3—4 Säulen. Da sie aber bald nach ihrem Erscheinen lateralwärts verdrängt und gegenseitig verschoben werden, wird es für die meisten nicht mehr möglich, ihre Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Segmente bestimmt zu ermitteln. Betrachten wir das Mittelhirndach eines 91/»—10 mm langen Embryos (Fig. 7), so sehen wir, dass der fünfte Wulst jetzt von hinten viel schärfer begrenzt ist. Der dahinterliegende Theil des Hirndaches ist bedeutend dünner. Es sind an ihm unregel- mässige noch schwach angedeutete Verdickungen in geringer Anzahl (2—3) zu bemerken, von denen jederseits die grösste und mehr medianwärts gelegene vielleicht als Anlage eines sechsten Wulstes zu deuten wäre, die übrigen als die ihm ent- sprechenden Säulen, oder es müssten alle -diese Verdickungen als Säulenanlagen aufgefasst werden. In der Richtung von hinten nach vorne werden die Grenzen zwischen den Wülsten immer undeutlicher. Die drei hinteren (3—5) sind medianwärts durch 304 Pedaschenko: tiefe Einkerbungen von einander geschieden. Die Grenzfurchen sind aber eigentlich nur noch zwischen dem vierten und fünften Wulste scharf ausgeprägt. Wie Schnitte zeigen, sind sie zwischen den vorderen Wülsten fast gänzlich ausgeglichen und nur ‘noch lateralwärts theilweise erhalten. Für das dritte und vierte Segment sind deren vordere Grenzen medianwärts durch deutliche Einkerbungen angegeben. Weiter nach vorne ist der mediale Rand der dicken Platten unregelmässig und auf beiden Seiten asymmetrisch gewellt, so dass die Erhebungen der einen Seite zum Theil in die Einkerbungen der anderen passen. Bei Embryonen von 11—12 mm (Fig. 8 und 9) kann man überhaupt keine Spuren weder von den Wülsten noch von den Furchen mehr wahrnehmen. Nur am hinteren Rande der durch Verschmelzung der Wülste jederseits entstandenen ziemlich gleichmässigen Verdickung des Hirndaches sieht man noch ein kleines unvollkommen abgegrenztes Serment. Ich möchte es als sechstes auffassen. Es entspricht auch genau seiner Lage und Grösse nach der als Anlage eines solchen in Anspruch genommenen Verdickung des Hirndaches im vorhergehenden Stadium (Fig. 7). Es giebt auch andere Gründe, die schliessliche Gesammtzahl der Segmente auf sechs zu bestimmen, denn dieser Zahl entspricht auch die Anzahl der Faserbündel, die entsprechend angeordnet auftreten, wovon weiter die Rede sein wird. Alsdann hätten wir von den sechs Segmenten drei, welche sich vom vorderen Polster aus in der Reihenfolge von hinten nach vorne differenzirt haben, und ebenso viel in loco, aber in entgegengesetzter Reihenfolge entstandener. Die inneren Ränder der beiden dieken Platten (Fig. 8) des Mittelhirndaches verlaufen in den vorderen °/s seiner Länge ein- ander sehr genähert und der Mediane parallel, wenn man von den jetzt schwach angedeuteten Ueberresten der wellenartigen Faltungen der früheren ‘Stadien absieht, die man in Fig. 8 noch erblickt. Im hinteren !/s des Mittelhirnes weichen die medialen Ränder der Verdickungen ausemander; hier sind die wellen- förmigen Einkerbungen und Erhebungen deutlicher erhalten. Auf der einen Seite ist die vordere Grenze des sechsten Wulstes noch ziemlich scharf ausgeprägt, auf der anderen ist sie bereits voll- kommen verstrichen. Auf einem etwas späteren Stadium (Fig. 9) gleichen sich die Unregelmässigkeiten der Ränder der dicken Platten am Hirndache vollkommen aus und nähern sich einander Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische. 305 mehr und mehr. Der hintere Rand der Verdickungen (d. h. der des sechsten Segmentes) erreicht jetzt fast die hintere Mittel- hirnwand und ist ihr entsprechend abgerundet. Die Zahl der Säulen, soviel man sie an Totalpräparaten feststellen kann, beträgt jetzt bei Embryonen von 11—12 mm Länge ungefähr 20. Es sind aber deren wohl etwas mehr vor- handen. Einzelne von ihnen werden beim Abpräpariren des Mittelhirndaches beschädigt oder ganz abgerissen (Fig. 7 und 9). Ferner sind sie dieht zusammengedrängt und überdecken theil- weise einander, weshalb die Grenzen mancher undeutlich werden. Sie nehmen einen Randsaum ein, welcher auf Totalansichten schmäler erscheint als er in Wirklichkeit ist, da die ziemlich starke Wölbung des Mittelhirndaches auf Flächenansichten nicht hervortritt. Schätzt man also die Zahl der Säulen auf 20—24, so kommen jedem Segmente deren 3—4 zu. Wenn man an Schnitten die Art und Weise der Säulen- entwickelung verfolgt, so erkennt man, dass diese Gliederung auf lokalisirte Zellvermehrung zurückzuführen ist. — Auf die Vorgänge der Zellvermehrung und der histologischen Differen- zirung im Mittelhirne will ich hier vorläufig nicht näher eingehen. Untersucht man viel spätere Stadien als die oben be- schriebenen (z. B. Embryonen von 15 mm Länge), so bekommt man eine viel grössere Anzahl Säulen zu Gesicht. Obwohl das Mittelhirn jetzt viel umfangreicher ist, sind die Säulen auf einer Oberfläche vertheilt, die nicht viel grösser sein kann als in den früheren Stadien. Ihre Gesammtzahl ist aber annähernd 50—60 jederseits, also wenigstens das doppelte der Zahl der zuletzt beschriebenen Stadien. Sie unterscheiden sich aber jetzt da- durch, dass sie viel schmäler sind und !/s bis !/s des früheren Durchmessers aufweisen. Es fällt auch der Umstand auf, dass die Furchen zwischen den Säulen zum Theil weniger tief sind und mit tieferen abwechseln. Hie und da erscheint eine breite von tiefen Furchen umgrenzte Säule in 2—3 sekundäre Säulchen unvollkommen zertheilt. Das erklärt auch den ganzen Vorgang. Indem die freie Oberfläche einer primären Säule sich einfaltet, wird ihr Ende in sekundäre Säulchen Anfangs sehr unvollkommen zertheilt. Die Furchen, welche die letzteren von einander scheiden, werden nun allmählich tiefer, und in gleichem Masse werden die Furchen, die die primären Säulen begrenzen, seichter. Schliesslich wird 306 Pedaschenko: eine primäre Säule durch zwei oder mehr sekundäre ersetzt. Auf diese Weise wächst die Zahl der Säulen rasch an. Sie werden dabei immer schmäler und unvollkommener von einander gesondert. Ich glaube, dass es dieser Vorgang ist, der zum schliesslichen Verschwinden der Säulen (auf viel spätere Stadien) führt, indem die sekundären Furchen und Säulen beim Wachsen des Gehirns und der Flächenzunahme leicht, wie früher die Quer- furchen, sich ausgleichen lassen. Den Beginn der Zertheilung der primären Säulen muss man vielleicht in viel frühere Stadien verlegen. Da beim ersten Auftreten der Wülste einem jeden ‚drei oder vier Säulen entsprechen und sich im Ganzen sechs Wülste entwickeln, so kann man die Gesammtzahl der Säulen zunächst höchstens auf 24 jederseits schätzen. Diese Zahl wird aber vielleicht schon bei Embryonen von 11—12 mm Länge über- troffen. Zwar kann man nicht die Möglichkeit der Bildung neuer primärer Säulen unabhängig von den schon bestehenden ganz in Abrede stellen, jedoch erscheint auch dann die Zahl der Säulen auffallend hoch. Die Totalpräparate zeigen, dass die Säulen jetzt lateralwärts und nach hinten verschoben sind. An Schnitten aber ist deutlich zu sehen, dass die vorderen Säulen zu ver- schwinden beginnen. An Totalpräparaten sind sie nicht mehr sichtbar und konnten daher nicht mitgezählt werden. Die Ge- sammtzahl der jetzt vorhandenen Säulen schliesst nicht mehr alle ursprünglichen primären mit ein, sondern nur einen wenn auch nicht geringen Theil derselben. Eine Anzahl derselben ist ganz oder fast ganz verschwunden, ein anderer Theil hat sich in sekundäre zerlegt und ein dritter Theil hat sich unverändert erhalten. Das Verschwinden der Säulen und insbesondere das der Wülste wird von einer Erscheinung begleitet, die wohl einiger- massen Licht auf ihre Bedeutung werfen kann, da sie mit dem vorhergehenden Auftreten dieser beiderlei Gebilde in innigem Zusammenhange zu stehen scheint. Bei Embryonen von 15 mm Länge, bei denen die Wülste längst verschwunden sind und die Säulen nur noch in der hinteren Hälfte des Mittelhirndaches sich erhalten haben, sieht man an Schnitten, dass das Dach und der Boden des Mittelhirnes durch zahlreiche Faserbündel, welche die Hirnhöhle durchsetzen, ver- bunden sind. Die Entwickelung der Bündel vollzieht sich in ‚derselben Aufeinanderfolge von vorne nach hinten, wie es auch Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische, 307 bei allen geschilderten Prozessen der Fall gewesen ist. Die ersten Bündel werden bei 8mm langen Embryonen im vordersten Abschnitte des Mittelhirnes angelegt. Bei 9 mm langen giebt es hier schon wohlentwickelte Faserzüge. Auf der Textfigur 3 sieht Figur 3. Querschnitt durch das Mittelhirn eines 9 mm langen Embryos. d — Mittelhirndach; b — Mittelhirnbodenplatte; s = Säule; str = Nervenbündel. man links einen solchen, der ununterbrochen vom Dache zum Boden zieht; rechts ist ein anderer angeschnitten, aber man sieht nur drei einzelne Bruchstücke desselben im Schnitt. Auf späteren Stadien wird die Zahl dieser Bündel viel grösser. Um einen allgemeinen Ueberblick ihrer Zahl und Lageverhältnisse zu gewinnen, ist die Fig. 11 gegeben. Sie stellt einen Quer- schnitt aus der ungefähr mittleren Region des Mittelhirnes eines 15 mm langen Embryos bei schwacher Vergrösserung dar. Rechts sind sieben wohlentwickelte Bündel durchschnitten, links fünf. Nach hinten zu zeigen die Querschnitte derselben Embryos immer jüngere und jüngere Stadien der Bündelbildung; nach vorne zu werden wieder neue Vorgänge eingeleitet, von denen später die Rede sein wird. Die Dicke der Bündel ist sehr verschieden, wie man es an ein und demselben Querschnitte sehen kann (vergl. Fig. 10, 11, 12). Es fällt aber immer auf, dass die in der Median- ‚ebene gelegenen wenigstens 3—4 Mal so dick sind wie die übrigen (Fig. 10, rechts). Man könnte sie als Hauptbündel zum Unter- schiede von den dünneren und mehr lateralwärts gelegenen Nebenbündeln unterscheiden. Die Hauptbündel erscheinen ver- 3085 Pedaschenko: hältnissmässig früher als die Nebenbündel, oder da wir in ver- schiedenen Querebenen verschiedene Entwickelungsstadien haben, so wenigstens früher als die übrigen Bündel derselben Querebene. Jederseits bilden die Hauptbündel eine Längsreihe, die von vorne und aussen nach hinten und innen gerichtet ist. Die Zahl der Bündel genau zu bestimmen, ist ziemlich schwer, denn sie ver- laufen ausserhalb der üblichen Schnittrichtungen; sie sind nämlich von oben, innen und vorne nach unten, aussen und hinten ge- richtet. Bei ihrer grossen Anzahl liegen sie einander sehr nahe. Die Wölbung des Mittelhirndaches macht die Lageverhältnisse noch verwickelter, da die mehr lateralwärts gelegenen eine fast quere anstatt der dorso-ven- tralen Richtung erhalten. Es sind auch nicht an jedem einzelnen Schnitte die Haupt- bündel zu erkennen, wenn sie nicht ihrer ganzen Breite nach durchschnitten sind, die sie dann allein auszeichnet. Auf Fig. 12 z. B. gehören die beiden linken Faserzüge von denen der eine im Schnitt unterbrochen ist dem Haupt- bündel an. Jedoch gelang es mir die Zahl der Haupt- bündel, wie ich glaube richtig‘ zu erkennen. Textfigur 4 stellt einen unter 45° zur Medianebene geführten Längsschnitt des Mittelhirnes dar. Man erkennt in der grauen Substanz seines Daches querdurchschnittene Faserzüge, im Ganzen 9, wovon die 8 vorderen paarweise ange- ordnet sind. An den folgenden Schnitten konnte ich mich über- zeugen, dass jedes Paar wie auch der 9. einzelne Faserzug einem Hauptbündel entspricht. Hier sind also deren fünf durch- schnitten. Auf derselben Serie sieht man einen sechsten, den vordersten in derselben Weise durchschnitten. Somit entspricht Figur 4, str. — Nervenbündel; v. = Ventrikel. Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische, 309 die Zahl der Hauptbündel der Zahl der Segmente. Diese Faser- züge, wenigstens die Hauptbündel, sind auch an Totalpräparaten besonders späterer Stadien (11—12 mm) sichtbar. Da sie un- gefärbt bleiben so treten sie als hellere Streifen auf tingirtem Grunde der grauen Substanz hervor (Fig. 8 und 9, auch 5 und 7). Es ist ja selbstverständlich, dass beim Abheben des Mittelhirn- daches man jenen Theil der Verbindungsbündel, welcher die Hirn- höhle durchsetzt zerreissen muss. Die Rissenden sind an der inneren Oberfläche des Hirndaches, als glänzende runde Gebilde zu sehen. Von diesen ziehen die erwähnten hellen Streifen schräg nach vorne und medianwärts ungefähr der Richtung der ehe- maligen Querwülste und Furchen entsprechend. Die Schnitte (Fig. 10—12) zeigen, dass die Bündel die ganze Dicke der grauen Substanz durchsetzen und in die äussere Faserschicht des Tectums sich begeben. Die am Gehirne zuerst auftretende Faserung ist die Commissura posterior. Von hier aus entwickelt sich die Faserschicht des Teetum opticum. Ich glaube dass die Ver- bindungsbündel, wenigstens manche von ihnen, Fasern aus dieser Commissur erhalten bezw. dahin entsenden. Auf früheren Stadien (Fig. 5) haben sie das Aussehen gerader schmaler Streifen. Auf späteren werden sie immer dicker, treten deutlicher hervor und verzweigen sich baumartig medianwärts (Fig. 8 und 9). Jetzt ist es aber nicht mehr möglich ihre Be- ziehungen zu der Segmentirung des Mittelhirnes zu bestimmen, da die Wülste vollkommen ausgeglichen sind. Dagegen sind die Bündel noch meistens zu schwach entwickelt und undeutlich, wenn die Querwülste noch bestehen. In günstigen Fällen sieht man zwar deren 2—3, ohne aber ihre Lageverhältnisse zu den Segmenten beurtheilen zu können — (z. B. auf Fig. 5 links). Nur einmal ist es mir gelungen ein Bild zu Gesicht zu bekommen, wie das der Fig 5 rechts. Man sieht hier so deutlich wie man es nur wünschen könnte, dass von den vier vorhandenen Seg- menten einem jeden je ein Bündel (Hauptbündel) der Lage nach zukommt, und zwar liegen diese anscheinend den Wülsten entsprechend. Indessen ist dieses Bild nicht zuver- lässig. Die Furchen schneiden überhaupt nicht senkrecht gegen die Oberfläche des Hirndaches ein. Deshalb kann etwas im Grunde einer Furche gelegenes an einem Totalpräparate als auf der Oberfläche eines Wulstes oder einer Säule befindlich er- scheinen. Für die Querfurchen gilt es in beschränkterem Masse, Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 59, 2 310 Pedaschenko: als für jene, die in der Längsrichtung verlaufen. Denn im Be- reiche der Segmente sind die ersteren überhaupt nicht tief und im Bereiche der Säulen sind sie weniger geneigt. Die Längs- furchen dagegen bilden bei der starken lateralen Wölbung des Mittelbirndaches einen immer grösseren Winkel mit der Sagittal- ebene und die lateralwärts gelegenen werden horizontal, mögen sie auch selbst senkrecht zur Hirnoberfläche gerichtet sein (vergl. Fig. 11). Deshalb ist an Totalpräparaten die genaue Entscheidung über die Lage der Bündel schwierig. Die Enden der durchrissenen Bündel auf der Fig. 5 rechts erscheinen alle als an der Ober- fläche der Wülste gelegen, ausgenommen das dritte Bündel, das an einer dem entsprechenden Wulste anliegenden Säule hervor- tritt. Erst Querschnitte geben befriedigenden Aufschluss. Diese lehren, dass die Bündel das Hirndach immer im Grunde der Furchen (Längsfurchen) verlassen, sei es zwischen zwei Säulen für die Nebenbündel oder zwischen Wulst und Säule (für die Hauptbündel). Somit besteht die Gliederung des Mittelhirndaches in Beziehung zur Entwicklung der Verbindungsbündel. Die Quer- wülste und die Hauptbündel entsprechen einander genau an Zahl und Lage. Beziehungen der gleichen Art zwischen Nebenbündeln und Säulen konnte ich noch nicht nachweisen. Auf vorgerückten Stadien (z. B. bei Embryonen von 15 mın Länge) ist die Zahl der Nebenbündel bedeutend und konnte ungefähr der Zahl der primären Säulen entsprechen, noch später aber scheint ihre Zahl die der Säulen zu übertreffen. Ob man entsprechend der Bildung sekundärer Säulen auch sekundäre Nebenbündel zu unterscheiden hat vermag ich nicht zu sagen. Die Histogenese der Bündel ist ausserordentlich interessant und könnte sicherlich Licht auf manche weittragende Frage der Nervenentwickelung werfen. Leider kann ich auf diesen Gegen- stand jetzt noch nicht tiefer eingehen. Ich will nur die That- sache hervorheben, dass die Bündel als Zellenstränge durch die Proliferation vom Hirndache oder vom Hirnboden angelegt werden. Die Zellenstränge wandeln sich später in Fasernbündel um. Diese Thatsache ist in vollem Einklange mit den bekannten Ansichten v. Kupffer’s über den Ursprung der peripheren Nerven und in gewissen Gegensatze zu der herrschenden Ansicht über die Bildungsweise centraler Fasern. Auf dieselbe Weise könnte man vielleicht auch die Entstehung der Commissura mollis erklären. Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische, öll Es lag die Vermuthung nahe, dass die Faserbündel schon dann angelegt werden, wenn die Mittelhirnhöhle noch keine grosse seitliche Ausdehnung erlangt hat, etwa innerhalb der noch massiven Wände des Gehirnes als sehr feine Verbindungen sich bilden und bei der nachfolgenden Ausdehnung der Hirnhöhle in diese vorher massive Wand hinein bestehen blieben, also dann frei durch die Lichtung ziehend erschienen. Im vorderen Abschnitte des Gehirns wäre es für die zuerst auftretenden Bündel (darunter auch die Hauptbündel) diese Auffassung zulässig, denn zu jener Zeit sind die Seitenwände des Gehirns in dieser Region auf- fallend dick, die Hirnhöhle hat sich hier beträchtlich seitlich aus- zudehnen und thatsächlich ziehen die Bündel bei ihrem ersten Auftreten sehr nahe den Seitenwänden hin. Daher wäre es denk- bar, dass gewisse Bündel erst nachträglich frei im Hohlraum zu liegen kommen. Jedoch für die meisten Bündel, die erst dann erscheinen, wenn die Hirnhöhle eine grössere seitliche Ausdehnung gewonnen hat, und von Anfang an in weiter Entfernung von den Seitenwänden angelegt werden, ist diese Bildungsweise voll- kommen ausgeschlossen. Uebrigens wäre der Unterschied zwischen beiden Bildungsarten auch nicht so gross, wie es beim ersten Blicke scheint. In beiden Fällen haben wir als erste An- lage des Faserbündels eine Verbindung zwischen Dach und Boden vermittelst Zellenstränge anzunehmen. In dem einen aber würden diese Zellenverbindungen schon in der soliden Seitenwand des Gehirns gebildet sein und erst bei der seitlichen Ausdehnung der Hirnhöhle in dieselbe gelangen und ausgezogen. In dem anderen Falle müssten Zellen des Hirndaches oder des Hirnbodens Aus- läufer entsenden, die so zu sagen in den freien Raum wachsen, indem sie die Hirnhöhle durchsetzen und auf diese Weise eine Verbindung zwischen Dach und Boden erzeugen. Ich habe nie- mals dicke aus mehreren abgerundeten Zellen bestehende Ketten als erste Anlage der Bündel beobachtet. Immer sind es einzelne spindelförmige Zellen, die von der einen oder der anderen Seite einen langen Ausläufer zur entgegengesetzten fadenförmig hin- wachsen (Fig. 13). Nachdem auf solche Weise die Ueber- brückung eingeleitet ist, kommen längs desselben massenhaft Zellen vom Dache oder vom Boden hinzu. In welchem Masse sich das eine und der andere an diesem Prozesse betheiligt, kann ich jetzt nicht bestimmt sagen. Es scheint jedoch, dass bei den einen Bündeln hauptsächlich vom Dache das Zellen- 312 Pedaschenko: material bezogen wird, bei den anderen dagegen vom Boden. Bald nach dem Erscheinen der Zellen treten in diesen Strängen die Faserzüge auf und zwar zuerst an der proximalen Seite der vorrückenden Zellen (Fig. 13). Während an dem einen Ende die Brücke schon das Aussehen eines Faserbündels hat ist sie an ihrem entgegengesetzten Ende lediglich durch feine Zellausläufer gebildet. Nachher bekommen die Brücken das Aussehen regel- mässiger Faserzüge mit sowohl anliegenden, als auch eingelagerten Kernen. Noch später sammeln sich sämmtliche Kerne an der Peripherie des Faserbündels an. Indem die Verbindungsbündel in der Reihenfolge von vorne nach hinten und von der Median- ebene lateralwärts sich ausbilden und immer zahlreicher werden, nähern sich das Dach und der Boden des Mittelhirnes in dessen Seitentheilen einander. Die Hirnhöhle wird hier allmählich zu einem engen Spalt reducirt und schwindet schliesslich voll- kommen. Dabei wird die zellige graue Substanz, welche sowohl die innere Oberfläche des Daches wie auch die des Bodens be- kleidete und die Hirnhöhle begrenzte, zu einer zusammen- hängenden Masse. Dieser Prozess vollzieht sich wie alle bisher geschilderten, in der Richtung von vorne nach hinten. Wenn in der vorderen Hälfte des Mittelhirnes die Hirnhöhle nur noch median als Sylvische Wasserleitung bestehen bleibt, während ihre Seiten- theile fast gänzlich obliterirt sind (Fig. 14) behält sie noch lange in der hinteren Hälfte des Mittelhirnes ihre ursprüngliche seit- liche Ausdehnung, wenn auch nur als Spalt. Das Verwachsen von Dach und Boden beginnt in jeder Querebene in der Nähe der Hauptbüngel und schreitet von hier aus lateralwärts fort. Deshalb erscheint die Hirnhöhle zuerst durch zwei breite Zell- brücken in einen medialen und zwei laterale Abschnitte zertheilt. Sowohl die Zellbrücken, wie auch die lateralen Abschnitte der Hirnhöhle sind durch zahlreiche faserige Verbindungsbündel durch- setzt. Indem die Zellenstränge sich weiter lateralwärts aus- breiten, werden die lateralen Abschnitte der Hirnhöhle fort- während verengt. Schliesslich verschwinden sie auch, aber werden noch sehr lange am äussersten lateralen Rande des Mittelhirnes erhalten (vergl. Fig. 14 links). Bei Zoarces wird im hintersten Abschnitte des Mittelhirnes, wenigstens bis zum Ausschlüpfen, die Hirnhöhle in Form eines engen Spaltes in ihrer ganzen seit- lichen Ausdehnung erhalten, Wie aber Gehirne anderer er- Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische. 313 wachsener Knochenfische an Schnitten zeigen (Trigla), wird später die Hirnhöhle in der ganzen Länge des Mittelhirnes bis auf die verhältnissmässig enge Sylvische Wasserleitung obliterirt Der Vorgang des Verwachsens des Hirndaches mit dem Hirnboden beruht in diesem Stadium aber nicht auf einem ein- fachen Verkleben und Zusammenwachsen derselben, sondern es spielen dabei gewisse helle Zellen eine Rolle. Wie man auf Fig. 14 bei geringer und auf Fig. 16 bei stärkerer Vergrösserung dargestellt sieht, ist der Ventrikel des Mittelhirnes mit einer Schicht solcher Zellen ausgefüllt. Ich glaube, dass diese Zellen von verschiedenen Quellen abstammen und will hier nicht die Genese dieser Zellen und deren Schicksale näher behandeln, ich willnur auf ein Moment aufmerksam machen, welches wenigstens eine Herkunftsstätte dieser Zellen für sehr wahrscheinlich macht. Die Wand des Ventrikels des Mittelhirnes, im Allgemeinen von einem einschichtigen Ependymepithel auskleidet, das aber an bestimmten Stellen vielzeilig ist. Eine solche ausgezeichnete Region ist die der dorsalen Rinne. Die Wandung dieser Rinne besteht aus einem vielzelligen Ependym und bildet dieses allein an dieser Stelle die Decke des Mittelhirnes. Mir ist nun aufgefallen, dass das Epithel dieser Rinne zur Zeit des Auftretens der erwähnten grossen und hellen Zellen sich intensiv mitotisch theile. (Im Schnitt für meine Figur 15 sind zufällig nur wenige getroffen). Weiter nach unten wird das Lager der Ependym-Zellen dünner und noch weiter gehen sie in eine Schicht über, welche Ausfüllungszellen enthält und welche zu- nächst noch mit dem Hirndache zusammenhängt. Von hier aus werden somit die Ausfüllungszellen geliefert- Es sind also die Beziehungen der Ausfüllungszellen zu den Ependymepithelien nicht zu verkennen. — Erst nachdem dieser Vorgang ziemlich weit fortgeschritten ist erhalten diese Zellen ein lockeres Gefüge und kommen in die spaltförmige Hirnhöhle, . wie es auf Fig. 16 dargestellt ist, zu liegen. Damit will ich vorläufig die Beschreibung der gewonnenen Thatsachen abschliessen und behalte mir für später vor sie aus- führlicher zu behandeln und theoretisch zu besprechen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet meinen aufrichtigen Dank für Gast- freundschaft und Rath, die ich im Münchener histologischen Laboratorium gefunden habe, Herrn Geheimrath Professor Dr. 314 Pedaschenko: Die Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische, C. v. Kupffer, Herrn Prosektor Dr. A. A. Böhm und Herrn Assistenten Dr. L. Neumayer auszusprechen. Erklärung der Figuren auf Tafel XV, XVI u. XV. (Vergl. auch die Textfiguren.) Fig. 1—6. Totalpräparate des Mittelhirndaches von Zoarces in Canada- balsam von der inneren Oberfläche gesehen !/ı. Fig. 1. Embryo von ungefähr 7 mm Länge. Fig. 2. n „ le He Fig. 3—6. „ - " 945 > Fig. 7-9, Ebensolche Präparate des Mittelhirndaches älterer Embryonen !°|ı. Fig. 7. Embryo von 9!/,—10 mm Länge. Fig. 8-9. Embryo von 11—12 mm Länge. Fig. 10—12 sind einem und demselben Querschnitte des Mittelhirnes eines 15 mm langen Embryos entnommen. Auf Fig. 11 sieht man das ganze Mittelhirn bei schwacher Vergrösserung (Zeiss B/2). Auf Fig. 10 einen Theil der linken Hälfte desselben Schnittes bei starker Vergrösserung (Hom. Im. Hartnack !/ıo mm Oc. 2) und aufFig. 12 einen Theil seiner rechten Hälfte (Zeiss F. Oec. 2). Fig. 13. Theil eines Querschnittes durch die mittlere Region des Mittel- hirnes eines 9 mm langen Embryos (Zeiss, F. Oe. 2). Fig. 14. Querschnitt durch die vordere Region des Mittelhirnes eines 16!/; mm langen Embryos (Zeiss B/2). Fig. 15. Theil eines Querschnittes durch das Mittelhirn eines 14 mm. langen Embryos (Hom. Imm. Hartnack !/ı» Oc. 2). Die Medianrinne am Mittelhirndache. Fig. 16. Theil eines Querschnittes durch das Mittelhirn eines 18 mm langen Eubryos (Hom. Imm. Hartnack /ıo, Oc. 2). Es sind die blassen grossen Zellen zu sehen, welche die Hirnhöhle ausfüllen. Fig. 17. Die Hälfte des Mittelhirndaches eines 9mm langen Embryos bei auffallendem Lichte von der inneren Oberfläche gesehen. Ver- grösserung ungefähr 5°/ı. Aus der Kinderklinik der Universität Kasan. Malariastudien. Von Professor P, Argutinsky. Hierzu Tafel XVIII—-XXI. A. Untersuchungsmethode. Historisches. Es ist ohne Frage das Verdienst von Ziemann (1), die für die Malariaforschung so wichtig gewordene Färbungsmethode von Romanowsky (2) zu einer zuverlässigen und fast immer er- folgreichen gemacht zu haben. Er hat die Farbstoffmarken er- mittelt, die die specifische Färbung ermöglichen; er hat das vortheilhafteste Verhältniss von Methylenblau und Eosin fest- gestellt, er hat auf Momente aufmerksam gemacht, die das Gelingen der Färbung beeinflussen und schliesslich hat er gelehrt, dass man bei dieser Färbung durchaus nicht bis zum anderen Tage zu warten braucht, sondern schon in einigen Minuten zum Ziele kommen kann, was gerade bei klinischen Untersuchungen von grösstem Vortheil ist. Aber trotz der Sicherstellung des Erfolges dieser Methode durch Ziemann blieben dennoch die eigentlichen, der Färbung zu Grunde liegenden Faktoren vollständig dunkel. Zwar hatten schon im Juli 1898 Robert Koch, und nach ihm, im August desselben Jahres, auch Zettnow (3a) gefunden, dass ein Zusatz von Alkali (kohlensaures Kali resp. Soda) zur Methylenblaulösung günstig bei der Romanowsky’schen Färbung wirke. Die erste Veröffentlichung aber, welche über die der Romanowsky’schen Methode zu Grunde liegenden Verhältnisse Aufklärung gab und die Chromatinfärbung bei dieser Methode Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, 22 316 P. Argutinsky: vom Vorhandensein eines Derivats des Methylenblaus ableitete, war die von Nocht (4a). Auf Unna’s frühere Untersuchung (5) bezugnehmend, fand Nocht, dass gerade der Alkalizusatz zur Methylenblaulösung der sicherste Weg zur Gewinnung dieses Derivats und deshalb auch zum Gelingen der Romanowsky’schen Färbung sei. Schon im Jahre 1892 hatte Unna in einer trefflichen Untersuchung (5) über die Reifung der Farbstoffe, die Frage zu beantworten gesucht, warum bei Anwendung von alten alkalischen Methylenblaulösungen die Plasmazellen eine rein rothe Farbe annehmen, während sie bei frischen neutralen Methylen- blaulösungen sich violett färben. Unna konnte nachweisen, dass in alten alkalischen Methylenblaulösungen sich ein rother Farbstoff aus dem Methylen- blau bildet; er konnte sogar diesen rothen Farbstoff aus den alkalischen Methylenblaulösungen mit Aether extrahiren und isoliren und nachweisen, dass die erwähnte Rothfärbung der Plasmazellen durch dieses rothe Derivat des Methylenblaus bewirkt wird. Auch über die Frage nach der Entstehungs- ursache dieses rothen Farbstoffes in alten alkalischen Methylenblaulösungen, gab die Untersuchung von Unna Aufschluss. Er glaubte, sowohl die bakteriellen Einflüsse, als die Oxydation und ebenso die Einwirkung der Kohlensäure der Luft ganz ausschliessen zu müssen, und kam zu dem Schlusse, dass die Ursache in der Einwirkung des Alkali zu suchen sei. Er fand schliesslich, dass die kohlensauren Alkalien besser wirken, als die kaustischen. Und so empfiehlt Unna die alten (gereiften) alkalischen Methylenblaulösungen „das polychrome Methylenblau* zu gewissen differen- ziellen Protoplasmafärbungen (Granulationsfärbungen). Eine Chromatin- färbung jedoch durch dieses Derivat wird von Unna nicht konstatirt. An diese vor Jahren gemachten Ermittelungen von Unna knüpfen nun die interessanten Untersuchungen von Nocht über die Chromatin- färbung der Malariaparasiten an. Nach vielen vergeblichen Versuchen die Romanowsky’s spezifische Färbung der Malariaparasiten mit einem Gemisch von Methylenblau und Eosin durch verschiedene Zusätze zu verbessern, kam Nocht zu dem Ergebniss, dass es sich bei dieser Färbung nicht um die Entstehung eines neuen Farbstoffes durch Mischen von Methylenblau- und Eosinlösung handle, sondern, dass die Chromatinfärbung hierbei wahrscheinlich durch Spuren anderer Farben zustande komme, die dem käuflichen Methylenblau als Verunreinigungen anhaften. Bei der Erwägung von Romanowsky’s Beobachtung dass zur Färbung gerade die ganz alten Methylenblaulösungen zu em- pfehlen seien, erinnertesich Nocht der Ausführungen von Unna über das Reifen des Methylenblaus und versuchte Unna’s polychromes Methylenblau, welches die gerade am häufigsten vorkommenden Verunreinigungen — das sogenannte Methylenroth und Methylenviolett — angereichert enthält. Er fand, dass schon ein geringer Zusatz von Unna’s polychromem Methylenblau zu der Romanowsky’schen Mischung, die Chromatinfärbung wesentlich erleichtert. Besonders schöne Präparate erhielt er nach Zusatz von poly- chromem Methylenblau, das durch verdünnte Essigsäure neutralisirt war. Malariastudien. 317 Somit kam Nocht zu dem überaus interessanten und wichtigen Ergebniss, dass die Romanowsky’sche Chromatinfärbung der Malariaparasiten nichts Anderes sei, als eine Färbung mit Unna’s polychromem Methylenblau und Eosin. Diese, durch Nocht erbrachte Aufklärung bietet aber nicht allein :rein theoretisches Interesse, sondern sie stellt einen grossen Fortschritt auch in praktischer Hinsicht dar. Nachdem man, dank dieser Untersuchung, erfahren hat, dass die Hauptrolle bei der Romanowsky’schen Färbung, den leicht zu gewinnenden Derivaten des Methylenblau zukommt, ist nicht allein das Gelingen der spezifischen Färbung von bestimmten Farbstoffmarken ganz unabhängig gemacht worden, sondern, was noch wichtiger ist, wir sind im Stande unter ganz bedeutend günstigeren Bedingungen spezifisch zu färben, als esnach den Angaben von Romanowsky möglich war; so sind z. B. die schönen Färbungen mit stark verdünnten Lösungen von Soda- methylenblau-Eosin, als auch die Anwendung von verschiedenen regres- siven Färbungsverfahren auf die Romanowsky’sche Methode hierdurch möglich geworden. Auf diese interessanten Ermittelungen von Nocht folgte bald eine Reihe von Untersuchungen verschiedener Autoren, welche manche Ver- besserungen der Romanowsky’schen Methode brachten und dieser Methode zugleich ein weites Feld eröffneten. Ich kann diese Arbeiten hier nur ganz kurz besprechen, und mich dabei ausschliesslich auf die Anwendung derselben auf Malariaparasiten ‘beschränken. i Zettnow (3a) zieht zum Färben der Malariaparasiten Methylenblau- sorten mit grünem Reflex und in wohl ausgebildeten Krystallen vor, soz.B. das Höchster Methylenblau medicinale. Er setzt zu 1°/oiger Metbylenblau- lösung 5°%%o ige wässerige Sodalösung, und zwar entweder unmittelbar vor der Färbung je 1 Tropfen zu 1 ccm, oder, was noch besser ist, er bereitet sich eine Vorratslösung, indem er zu 50 ccm der Methylenblaulösung 3—4 ccm Sodalösung zusetzt und verbraucht dieselbe in 1—1!/2, oder wie er später (3b) angiebt, in 2>—3 Wochen. Er verwendet das Höchster Eosin- BA. extra in 1°/oiger Lösung und empfiehlt als bestes Verhältniss von Soda- methylenblau zu Eosin 2 zu 1. Die Färbung dauert 2—5 Minuten (bei hoher Sommertemperatur weniger). Da hierbei das Präparat überfärbt wird, :so wird eine Differenzirung nothwendig und hierzu empfiehlt Zettnow ‚eine Lösung von 2 Gramm Methylenblau in 400ccm Wasser, versetzt mit 1 cem Eisessig. Diese Differenzirungsflüssigkeit treibt in 2—4 Secunden energisch das Blau aus dem Hämoglobin aus, ohne dass die zarten Färbungen ‚des Plasma leiden. Bei zweimaliger Benutzung während 3—5 Secunden, hellt sich das Präparat sehr gleichmässig auf. In einer zweiten Arbeit (4b) über die Färbung des Malariaparasiten theilt Nocht mit, dass man aus alkalischen Methylenblaugemischen (also UAna’s polychromem Methylenblau) durch Chloroform einen rothen Farbstoff extrahiren und durch Abdunstenlassen des Chloroforms auch isoliren kann. Da Nocht diesen Farbstoff weder mit Metbylenroth, noch mit Methylen- wiolett für identisch hält, so schlägt er für ihn den nichts präjudizirenden 22* 318 P. Argutinsky: Namen „Roth aus Methylenblau* vor. Dieser Farbstoff ist es, der mit. Methylenblau und Eosin zusammen die Romanowsky’sche Färbung bedingt. Er findet sich in allen alten alkalischen Methylenblaulösungen in grösserer Menge vor. Am schnellsten geht seine Bildung bei erhöhter Temperatur vor sich, weshalb Nocht vorschlägt die alkalische Methylenblaulösung im Wärmeschrank bei 50—60° für einige Tage zu halten. Zur Färbung nimmt er eine im Wärmeschrank 1—2 Tage gehaltene 1°/ige (mit '/2°/o Soda- zusatz) Methylenblaulösung, setzt dieselbe zu der etwa !/ıo/oigen Eosin- lösung zu, bis die Eosinfarbe ganz verschwunden ist und färbt darin 5—10- Minuten lang. Ruge (6a) färbt mit stark verdünnten Lösungen von Eosin und: Sodamethylenblau. Die letztere bereitet er sich durch eine 48 stündige Er- hitzung von mit Soda versetzter (am ersten Tage mit 0,1°/, am zweiten mit noch 0,2°/o) 1°/oiger Methylenblaulösung oder durch wiederholtes Er- hitzen derselben, jedesmal bis zum Aufsteigen von Dämpfen. Dann bestimmt er, wie viel von 1°/oigem Eosin dieser Sodamethylenblaulösung zugesetzt werden kann, bis ein Niederschlag sich bildet und nimmt zur spezifischen- Färbung der Malariaparasiten die Hälfte (in gewissen speziellen Fällen mehr, bis zu ?/s) dieser ermittelten Menge von Eosin. Vor dem Zusatz des- 1°/oigen Eosins verdünnt er die Sodamethylenblaulösung bis auf 1/so °/o. Er färbt beim intermittirenden Erwärmen dieser Eosinsodamethylenblau- mischung bis zum Beginn einer Dampfbildung, im Ganzen während 6 Minuten. Für die Darstellung der Tüpfelung in alten Präparaten hält er die An- wendung von weniger verdünnten Lösungen für nothwendig, etwa von !/ıo °/o und sogar !/°/o, ausserdem einen bedeutenderen Zusatz von Eosin zur Soda- methylenblaulösung und eine längere Dauer des Färbens bis etwa !/s Stunde, wonach in diesem Falle das Präparat in Alkohol ausgewaschen wird. Maurer (7) bereitet sich eine alkalische Sodamethylenblaulösung mit 1°/o Methylenblau und !/2°/o Soda, und entweder erwärmt er dieselbe nach Nocht 2 Tage lang im Wärmeschrank, oder lässt sie nach Zettnow bei Zimmertemperatur stehen und gebraucht sie erst von der zweiten Woche an, oder endlich stellt er dieselbe auf 2—3 Tage in die Senne, worauf sie gleich gebrauchsfähig ist. Als Eosin wendet er Grübler’s wasserlösliches gelbliches Eosin an, welches er in !/ıo°/oiger Lösung vorräthig hält. Er färbt nur in verdünnten Lösungen, und zwar verdünnt er beim Färben sowohl die Soedamethylenblaulösung als auch die Eosinlösung mit der 25 fachen. Menge Wasser und mischt die beiden Lösungen in gleichen Mengenver- hältnissen, färbt also mit einem Gemisch von !/so "iger Lösung von Soda- methylenblau (und Eosin. Die Färbung dauert von !/s bis zu 1 Stunde. Nach der Färbung wird einfach im Wasser abgewaschen, oder, wenn das. nicht zum Ziele führt, so differenzirt er nach Zettnow. Vor der letzten Prozedur glaubt er aber im Allgemeinen warnen zu müssen. Berestneff (8) giebt in einer im November 1900 in russischer Sprache erschienenen Publikation, in dem die Arbeit begleitenden französischen Autoreferat, Folgendes an: „Voici le mode de pr&öparation que nous employons:. on chauffe pendant 3 heures au bain marie une solution aqueuse ä& 1°/o de bleu de meth (med. puriss. Höchst) contenant 0,3 °/o de carbonate de Sodium, on la filtree On melange 1° ccm de cette solution avec 1,5 cem d’une- Malariastudien. 319 solution aqueuse de bleu de meth. ä& 1°/oeton y ajoute 5 ccm d’une solution aqueuse d’eosine (extra BA Höchst) 0,1°/.. Les preparations vieilles des formes semilunaires et des Halteridium Danislewskii doivent ötre colordes dans ce melange pendant 15—20 heures & la temperature du laboratorium. Pour les formes jeunes il suffit de colorer 15 min. sans chauffage et encore ensuite 15—20 min. en chauffant 2—3 fois jus qu’ä l’apparition de la vapeur. Pour decolorer les hematies qui se presentent bleu d’apre&s cette coloration on transporte ensuite les preparations pour 2—5 secondes dans le, mölange suivant: 10 ccm de bleu de meth. ä& 1°, 200 cem d’eau destille&e et 0,25 cc d’acide acetique. On lave les preparations & l’eau on les söche au papier buvard et on les trempe pendant 5—20 secondes dans l’alcohol absolut pour dissoudre les residues et on les lave ä l’eau. Les preparations fraiches de sang contenant les plasmodies fixdes ä l’alcohol absolu sont colorees par le melange en question dilu& de 2—4 volumes d’eau pendant 5 minutes sans ‚chauffage et ensuite durant 5—10 minutes en les chauffant 1—2 fois.* Eigene Untersuchung. A. Fixirung des Ausstrichpräparats. Das Material zu dieser Untersuchung lieferten kranke Kinder der Kasaner Universitätskinderklinik und zwar gegen 20 Fälle von Tertiana und einige wenige Fälle von Quartana. Die betreffenden Kinder standen im Alter von 2 bis 12 Jahren. Das Blut wurde aus der Fingerkuppe mittelst eines Stiches mit einer feinen Lanzette unter bekannten Vorsichtsmassregeln genommen und zwar von jedem Kinde wiederholt zu verschiedenen Zeiten des Krankheitsverlaufes. Es wurden ausschliesslich Ausstrichpräparate gemacht, die Blutausstriche immer auf dem Objektträger und zwar nach dem für unsere Zwecke vortrefflichen Verfahren von Janczo und Rosenberger (9), welches sehr gleichmässig dünne und zugleich grosse Ausstrichflächen liefert und bei Malariablut- untersuchungen den gewöhnlichen Deckglaspräparaten weit über- legen ist. Es ist aber vor der Anwendung dieses Verfahrens bei den Blutuntersuchungen, die das numerische Verhältniss der weissen Blutzellen (oder der Blutplättchen) berücksichtigen wollen, auf das Nachdrücklichste zu warnen, ebenso überhaupt bei den gewöhnlichen hämatologischen Untersuchungen (so z. B. bei Anaemien). Es vertheilen sich hierbei die weissen Blutzellen (und die Blutplättchen) ganz ungleichmässig, es bleiben deren 320 P. Argutinsky: unverhältnissmässig viele sowohl auf dem zum Ausstreichen des anderen benützten Objectträger, als auch an den End- und besonders Ausgangsstellen des Ausstrichs kleben, so dass in der dünnen Blutausstrichfläche die weissen Blutzellen viel spärlicher angetroffen werden, als derem wirklichen Gehalte im Blut entspricht; zugleich sind sie auch in der Ausstrichfläche selbst sehr ungleichmässig vertheilt und es ist, wie selbstverständlich, auch das gegenseitige Verhältniss verschiedener Arten der weissen Biutzellen durchaus nicht richtig wiedergegeben. Die so in einer sehr gleichmässigen und sehr dünnen Schicht ausgestrichenen Blutpräparate trocknen bei Zimmer- temperatur schon in dem Bruchtheile einer Minute, worauf dieselben in verschiedenen Flüssigkeiten fixirt werden!). Ein geringer Theil der Präparate wurde in Alkohol- Aether aa fixirt, worin dieselben etwa 15—20 Minuten liegen blieben. Die Fixirung in Alkohol-Aether, welche soviel bei klinischen Untersuchungen verwendet wird, ist für diagnostische Zwecke zwar vollkommen genügend, überaus bequem und einfach,. aber sie ist trotzdem zum Studium der Kernverhältnisse in den Malariaparasiten gewiss wenig geeignet. Bekanntlich ist der Alkohol ein schlechtes Fixirungsmittel für Chromatin, deshalb muss eine Untersuchung, die die Kernstruktur, resp. Kern- veränderungen berücksichtigen will, sich zweckmässigerer Fixirungs- mittel bedienen. Nachdem ich den Eindruck gewonnen hatte, dass Osmium- säure und Osmiumsäuregemische wenig geeignet zum Studium der Malariaparasiten sind, habe ich einige sublimathaltige Flüssigkeiten versucht, so die reine concentrirte wässerige Sublimatlösung, Sublimateisessig, Sublimat- alkohol etc. Mit allen diesen Lösungen habe ich ganz brauch- bare Resultate erhalten; aber die besten und allen Anforderungen der Fixirung genügenden Präparate habe ich mit Sublimatalkohol bekommen. In 100ccm heisser 1°/oiger wässeriger Kochsalzlösung habe ich 7 Gramm reines Sublimat aufgelöst und nachdem die Lösung sich genügend abgekühlt hatte (es scheiden sich hierbei keine Sublimatkrystalle aus) setzte ich die gleiche Menge (100 ccm) absoluten Alkohols hinzu. ) Hier sei noch besonders erwähnt, dass ein Durchziehen durch die: Flamme nie angewendet wurde. Malariastudien, 321 Die Fixirung wurde gewöhnlich so vorgenommen, dass ein eben angefertigtes Blutausstrichpräparat sogleich, nachdem die Blutschicht trocken geworden war (oder auch ein älteres Blut- ausstrichpräparat), auf 5 Minuten (auch 6 bis 8 Minuten) in den erwähnten Sublimatalkohol gelegt, dann in starkem Alkohol abgespült oder darin wenige Minuten belassen und hierauf in Jodalkohol gelegt wurde. Der letztere wurde so bereitet, dass zu je 100 ccm absolutem Alkohol 2 ccm einer 1°/oigen alkoho- lischen Jodtinetur (einer Auflösung von 1 g Jodum purum in 100 cem absolutem Alkohol) zugesetzt wurden. In Jodalkohol blieb das Präparat 10 Minuten, darauf wurde es in Alkohol absolutus 10 Minuten übertragen und dann zwischen Filtrirpapier abgetrocknet und entweder sofort oder auch an einem der nächsten Tage gefärbt.!) Alle Manipulationen der Fixirung können sehr bequem — damit die Lösungen nicht verdunsten und länger brauchbar bleiben — in, mit Glasstöpsel versehenen, Pulvergläsern vorgenommen werden (gegen 5—7 cm im Durchmesser). Hierbei werden die Objekt- gläser so in die Pulvergläser (immer je eins in einem Glase) hineingestellt, dass sie auf einer schmalen Seite stehend und mit der anderen gegen die Glaswand gelehnt, mit der Blut- schicht nach unten sehen. Wenn nach einer Anzahl darin vorgenommener Fixir- ungen der Sublimatalkohol opalescirend resp. trübe wurde, so wurde er durch Filtration geklärt und weiter gebraucht. Der durch den Verbrauch von Jod blass gewordene Jodalkohol wurde nach Bedarf durch einen weiteren Zusatz von obenerwähnter 1 °/oiger alkoholischer Jodtinetur wieder zur Anfangsfarbe zu- rückgebracht. Von Zeit zu Zeit wurden selbstverständlich alle diese Lösungen durch frisch bereitete neue ersetzt.!) 1) Wenn auch in gelungenen, so fixirten, trockenen Blutausstrich- präparaten sowohl die rothen Blutkörperchen sehr gut erhalten bleiben und keine Andeutung einer Maulbeerform zeigen, als auch die weissen Blutzellen und ihre Kerne sehr schön zur Darstellung gebracht werden, so haben doch besonders die Blutplättchen, und zum Theil auch die Malariaparasiten, namentlich deren Kerne, gelitten; die letzteren sind in einer Anzahl der Malariaparasiten zwar gut erhalten, in anderen dagegen zeigen sie bereits Zerfallserscheinungen. Ein tadellos fixirtes Blutausstrichpräparat mit ı) Es wäre vielleicht besser gewesen, die Präparate aus Sublimat- alkohol nicht gleich in absoluten sondern in steigenden Alkohol zu übertragen. 322 P. Argutinsky: möglichster Erhaltung der Struktur und der Form, sowohl im Protoplasma, als besonders im Kern kann gewiss nur aus einem ganz feucht unter Ver- meidung jeder Verdunstung fixirtem Blutausstrichpräparat gewonnen werden, Leider erst ganz zum Schluss meiner Untersuchung habe ich mich durch einige Versuche überzeugt, dass dieses durch ein sehr einfaches Verfahren überaus leicht erreicht werden kann. Für die vorliegende Untersuchung habe ich dieses Verfahren zu meinem Bedauern nicht mehr verwerthen können. B. Färbung. Zur Färbung des Blutausstriches und speziell der Malaria- parasiten habe ich ausschliesslich Sodamethylenblau und Eosin be- nützt und zwar nur Methylenblau medicinale Höchst und Eosin BA extra Höchst, welche beide jetzt überall erhältliche Marken darstellen. Andere Marken habe ich gar nicht versucht. Ich habe sowohl mit stark verdünnten Lösungen ohne nachherige Differenzirung als auch (u. z. vor- zugsweise) mit unverdünnten 1°/igen Lösungen von Sodamethylenblau und Eosin mit nachfolgender Differenzirung gefärbt. Während für klinische Unter- suchungen das erste Verfahren vollständig genügt — es ist sehr einfach und giebt schöne und übersichtliche Bilder — so ist das zweite Verfahren für Zellstudien, für das Studium der Kernver- hältnisse der Malariaparasiten wohl bei Weitem vortheilhafter. a. Färbung mit stark verdünnten Lösungen von Soda- methylenblau und Eosin, ohne nachherige Differenzirung. Hierzu dienten als Stammlösnngen: 1) !/ıo procentiige Eosinlösung, 2) 1 procentige Methylenblaulösung, zu der (nach Zettnow) auf je 100 cem 6 cem einer 5P/.igen Sodalösung zugesetzt und gleich hierauf (nach Nocht) auf 48 Stunden in einen Wärmeschrank (Paraffinofen) von 55—60 ° C gestellt war. Sowohl direkt nach der Herausnahme aus dem Wärmeschrank, als auch während einer ganzen Reihe von Tagen war die so bereitete Soda- methylenblaulösung mit Eosin gemischt (siehe gleich unten) zu den Färbungen mit verdünnten Farblösungen vorzüglich geeignet. Wie bereits oben erwähnt, hatten schon Ruge undnach ihmMaurer eingehend ihre Verfahren beschrieben, mit stark verdünnten Lösungen von Eosinsodamethylenblau die Malariaparasiten zu färben. Ruge benutzt beim Färben nicht nur allein das etwas umständliche intermittirende Erwärmen, sondern er hält auch für nothwendig, die Färbe- dauer sowie den Grad der Verdünnung und das gegenseitige Mengen- verhältniss von Eosin und Sodamethylenblau je nach den Objekten und Um- ständen verschieden zu gestalten, und erklärt für gewisse Zwecke, z. B. zur Darstellung der Tüpfelung in alten Präparaten die Färbung mit verdünnten Lösungen überhaupt als unzureichend. Malariastudien. 323 Maurer dagegen, der nur sehr alte Methylenblaulösungen (meist über 1 Monat alt) nimmt und ein anderes Eosin braucht (Eosin gelblich, wasserlöslich von Grübler) als die anderen Autoren, hält zur Erhaltung guter Präparate eine 50 fache Verdünnung und circa eine einstündige Farbedauer für nothwendig. Die von ihm gebrauchte Färbemethode scheint aber gewöhnlich zur Entstehung von Kunstproducten Veranlassung gegeben zu haben, denn das, was Maurer als „Kernreste“ in den rothen Blutkörperchen bei seinen Färbungen erhält und abbildet, ist wohl kaum so zu deuten. Nach vielfachem Experimentiren 'und vielfachem Färben mit ver- dünnten Lösungen unter den wechselndsten Verhältnissen und Bedingungen habe ich mich davon überzeugt, dass a) ein Erwärmen der Lösung beim Färben überflüssig ist, keine Vor- theile bietet und leicht zur Entstehung von allerhand Niederschlägen führt; b) weder ein Variiren der Mengenverhältnisse von Eosin und Soda- methylenblau, noch ein verschieden starkes Verdünnen der Lösung noth- wendig ist; noch die verdünnte Lösung für gewisse Färbungen (Tüpfelung in allen Präparaten) unzulänglich ist. So konnte ich, ohne das Mischungsverhältniss zwischen Eosin- und Sodamethylenblau und zugleich, ohne die Verdünnung zu ändern, bei allen, selbst bei schwer färbbaren Stadien der menschlichen Malariaparasiten vor- treffliche Färbungen erzielen; auch die Tüpfelung der durch Tertian- parasiten affizirten Erythrocyten darstellen und die Präparate rein, frei von Niederschlägen erhalten, Während für die Färbung mit unverdünnten 1 °/oigen Lösungen von Eosin und Sodamethylenblau, die bei der Zimmertemperatur gereiften Soda- methylenblaulösungen den grössten Vorzug verdienen, sind für Färbungen mit verdünnten Farblösungen die im Wärmeschrank bei 55—60 °C gereiften, bei weitem günstiger und zwar, weil in diesen das Verhältniss zwischen rothem und violetten Derivat des Methylenblaus zur Färbung ohne Differenzirung ausserordentlich günstig ist. Es bildet sich, wie man sich leicht durch vergleichendes Ausschütteln a) mit Aether, b) mit Chloroform überzeugen kann, beim Reifen in der Zimmertemperatur verhältnissmässig viel mehr violettes Derivat als beim Reifen im Wärmeschrank (55—60°C). Dieses bei Zimmertemperatur so reichlich gebildete violette Derivat überfärbt dann so intensiv das ganze Präparat, dass von etwaiger blauer oder rother Färbung ohne Differenzirung absolut nichts zu sehen ist. Nur durch eine geeignete Differenzirung, die das violette Derivat aus dem Präparate grösstentheils entfernt, kann man die blaue (Protoplasma) und die rothviolette (Chromatin) und auch die Eosin-Färbung (Hämoglobin) des Präparats zur Anschauung bringen. Um ohne besondere Differenzirung zu färben und die spezifischen Affinitäten des Protoplasmas zum Methylenblau resp. des Chromatins zum rothen Derivat deutlicher zur Anschauung zu bringen, ist es am sichersten, mit solchen verdünnten Lösungen zu färben, die viel weniger violettes und viel mehr rothes Derivat enthalten, und das sind vor Allem die im Wärmeschrank bei 55—60° C gereiften!), ») Ob das violette Derivat das Methylenviolett und ob das rothe die Base des Methylenazurs ist, darüber habe ich selbstverständlich kein Urtheij 324 P. Argutinsky: Gerade beim Färben mit verdünnten Lösungen ohne nachträgliche Differenzirung muss ein Umstand ganz sorgfältig vermieden werden, nämlich die Bildung von Niederschlägen. Dieses wird um so besser vermieden 1. je verdünntere Mischungen man zum Färben anwendet und 2. je weniger man zur Sodamethylenblaulösung von der Eosinlösung zusetzt. Dass hierbei ein Ueberschuss von Sodamethylenblau im Verhältniss zum Eosin in der Mischung schädlich für die Färbung sein sollte, wie es manche Autoren angeben, habe ich durchaus nicht wahrnehmen können. Nach vielfachen Versuchen habe ich mich überzeugt, dass eine Mischung, die !/a5s°o Methylenblau enthält die menschlichen Malaria- parasiten in allen Stadien vortrefflich färbt und entgegen der Meinung Ruge’s auch die Tüpfelung ausgezeichnet zur Darstellung bringt. Diese Lösung braucht weder beim Färben erwärmt zu werden, noch bilden sich in ihr, sogar nach stundenlangem Stehen, Niederschläge, während sie bereits in weniger als !/e Stunde färbt. Nur auf der Oberfläche der Mischung bildet sich bald ein sehr dünnes metallisches Häutchen, das ich stets vor dem Herausnehmen des Präparats aus der Farblösung, nach dem Vorgange von Ziemann (1) mit Filtrirpapier sorgfältig entfernte. Die Färbung der Objektträgerausstrichpräparate in verdünnten Lösungen geschieht am praktischsten in kleinen ' Cylindergläsern, die gerade den Dimensionen der Objektträger entsprechen (etwa 85—90 ccm Flüssigkeit aufnehmend). Um die Bildung von Niederschlägen mit Sicherheit zu vermeiden, verdünne ich jede der beiden Stammlösungen, bevor ich dieselben zusammen- mische, sowohl die Sodamethylenblau als auch die Eosinlösung. Zur Vornahme der Färbung verfahre ich folgendermassen: ich messe 3 com von der 1°/oigen Sodamethylenblaulösung in einem kleinen Mass- cylinder ab, und giesse sie in das Färbeglas ein ; ich messe dann 42 ccm destillirtes Wasser ab, giesse dies Quantum in dasselbe Färbeglas und mische nun sorg- Ebenso wenig weiss ich, ob die Rothfärbung des Chromatins durch die Base des Methylenazurs oder durch das Methylenazur selbst, wie es Michaelis angiebt, bewirkt wird. Jedenfalls aber erhält man bei der Chromatin- färbung der Malariaparasiten mit unverdünntem bei Zimmertemperatur ge- reiften 1°/oigem Sodamethylenblau und 1°/o igem Eosin, und mit nachtolgender Differenzirung meist keine reine Rothfärbung, sondern eine rothviolette bis violette, also spielt bei dieser Chromatinfärbung der Malariaparasiten auch das violette Derivat eine bedeutende Rolle. Hier sei noch erwähnt, dass der bereits von Unna angewendete Aether viel geeigneter zum Ausschütteln des rothen Derivats ist, als das Chloroform. Das letztere nimmt zugleich auch vom violetten Derivat auf und färbt sich rothviolett, während der Aether in viel geringerem Grade die violette Nuance zeigt. Es ist erstaunlich, wie schnell die Lösung des rothen Derivats. im Aether bei unmittelbarer Einwirkung der Sonnenstrahlen verblasst und schliesslich strohgelb wird; das findet schon in wenigen Minuten statt. Diese strohgelbe Farbe bleibt dann beim Stehen im Zimmer anscheinend wochenlang unverändert. Malariastudien. 325 fältig. Hiermit habe ich 45 cem einer *ı5°/oigen Sodamethylenblaulösung mit im Ganzen 0,03 Methylenblau. In einem anderen Masscylinder messe ich wiederum 5 cem von der !/j°/oigen Stammeosinlösung ab und setze 25 ccm destillirtes Wasser hinzu, erhalte somit 30 ccm einer !/s promille Eosinlösung mit im Ganzen 0,005 Eosin, also gleich einem Sechstel der genommenen Methylenblaumenge. Diese verdünnte Eosinlösung giesse ich ganz langsam in das erwähnte Färbeglas mit verdünntem Sodamethylenblau unter stetem Umrühren mit einem Glasstabe, und lege sofort den zu färbenden Objektträger hinein, dass er, mit der schmalen Kante auf dem Glasboden ruhend, vollständig von der Flüssigkeit bedeckt wird. Die Färbung dauert gegen 15—20 Minuten. Nach Entfernung des metallischen Häutchens von der Oberfläche der Mischung im Färbeglase, wird der Objektträger herausgenommen, in einer Reihe von Gläsern mit destillirtem Wasser hintereinander gewaschen (im Ganzen 1—2 Minuten), dann zwischen Filtrirpapier getrocknet und in Canada- balsam eingeschlossen. In 75 ccm fertiger Farbmischung waren somit, wie oben angegeben, 3 cem von 1°/oiger Sodamethylenblaulösung enthalten, also hat die verdünnte Lösung einen Gehalt an Methylenblau gleich !/2s°/o. Die zum Färben gebrauchte Lösung weist auch nach vielen Stunden keinen Bodensatz auf und giebt auch dann beim Ausschütteln mit Aether diesem eine prachtvolle intensive Rothfärbung;; es bleibt also das rothe Derivat des Methylenblaus noch eine geraume Zeit in ziemlicher Menge unzersetzt. Wiederholte Färbungen mit derselben, bereits einmal gebrauchten Mischung habe ich nicht versucht. b) Färbung mit unverdünnten Lösungen von 1° Eosin und 1% Sodamethylenblau mit nachfolgender Differenzirung. Zu dieser Färbung dienten als Stammlösungen: 1. eine 1 procentige Eosinlösung, 2. eine lprocentige Methylenblaulösung, zu der (nach Zettnow) auf je 100 cem 6 cem einer 5°/oigen wässerigen Sodalösung zugesetzt waren und die hierauf (ebenfalls nach Zettnow) während mehrerer Tage bei Zimmertemperatur gereift hatte. Vom 5. Tage an war sie während mehrerer Wochen vorzüglich zur Färbung geeignet.!) Wir hatten oben gesehen, dass, um ohne nachfolgende Differenzirung färben zu können, man vor Allem keine Niederschläge weder in der Farb- !) Sollte sich auf dieser Sodamethylenblaustammlösung ein Häutchen auf der Oberfläche bilden, so filtrirtt man vor dem Gebrauche das nöthige Quantum der Lösung ab, wodurch ihre Färbekraft absolut keine Einbusse erleidet. Sollten Sprosspilzvegetationen in der Lösung sich bilden (Bacterien gedeihen in ihr nicht), so kann man nach dem Abfiltriren der gesammten Lösung ein Stückchen Thymol in dasselbe werfen. Ich habe übrigens in den allermeisten Fällen keine Vegetationen gehabt, da ich sowohl das Methylen- blau — als die Sodalösung mit ganz heissem destillirtem Wasser herstelle und gewöhnlich nur !—1 Liter und nie allzugrosse Mengen der Stamm- lösung auf einmal bereite. 326 P. Argutinsky: mischung noch im Präparat bekommen und auch zu keinen Ueberfärbungen Veranlassung geben soll. Um Beides zu ermöglichen, musste man nicht allein mit verdünnten Lösungen färben, sondern auch sowohl wenig violettes Derivat in der gereiften Sodamethylenblaulösung haben, als auch nur sehr wenig Eosin zum Sodamethylenblau beim Färben zusetzen. Bei der Färbung mit einer solchen Mischung ist es erklärlich, dass die Erythrocyten keine Eosinfarbe zeigen konnten, sondern blos graugrünlich aussahen, ferner dass das Protoplasma der Plasmodien keine gesättigte Farbe hatte, sondern nur hellblau gefärbt war, während die Plasmodienkerne rothe Färbung zeigten. Ganz anders liegen die Verhältnisse, wenn man die rothen Blut- körperchen "’ausgesprochen eosinfarben erhalten und dabei noch sowohl das Protoplasma der Plasmodien, als die Plasmodienkerne sehr scharf differenzirt haben will. Das Alles ist zu erreichen nur bei einem bedeutenden Zusatz von Eosin und bei Anwendung von starken, unverdünnten Farkb- lösungen von Sodamethylenblau und Eosin. Unter diesen beiden Bedingungen ist das Auftreten von Niederschlägen in der Farbmischung und in dem noch undifferenzirten Präparat unvermeidlich. Deshalb ist dabei die Differenzirung nicht zu umgehen. Färbt man aber mit starken Farblösungen und mit nachträglicher Differenzirung, so ist eine intensive Chromatinfärbung der Plasmodien in fertigem Präparat erst dann sicher zu erhalten, wenn das Soda- methylenblau reichlich das violette Derivat neben dem rothen enthält. Das ist der Fall eben, wenn das Sodamethylenblau nicht im Wärmeschrank, sondern bei Zimmertemperatur während längerer Zeit gereift ist. Die gereifte Lösung ist vom fünften Tag an mehrere Wochen brauchbar. Zwar hat das Chromatin hierbei keine rein rothe Farbe, sondern ist rothviolett, aber an Schärfe der Färbung lässt es kaum etwas zu wünschen übrig. Um hierbei einerseits nicht allzuviel Niederschläge in der Lösung und möglichst wenig Niederschläge im undifferenzirten Präparate zu bekommen, so dass bei der Differenzirung das Präparat leicht davon befreit werden kann; andererseits jedoch um eine kräftige Eosinfärbung der Erythrocyten zu ermöglichen, habe ich die Mischung von Methylenblau und Eosin in dem Verhältniss genommen, dass auf fünf Theile von 1% Soda- methylenblaulösung nur zwei Theile von 1°/o Eosinlösung kamen. Bei der Vornahme der Färbungen in einem passenden Schälchen genügen für einen Objektträger 20 ccm der Farbmischung; daher nehme ich beim Färben jedesmal nur 15 cem 1’ioiges Sodamethylenblau und 6 ccm Eosin, die ich mir in zwei kleinen Masscylinderchen genau abmesse und nehme die Vermischung dieser Farblösungen in irgend einem kleinen Glase vor, indem ich zur Sodamethylenblaulösung unter stetigem Umrühren in kleinem Strahle die Eosinlösung zugiesse. Dann wird die fertige Mischung schnell in eine kleine flache Porzellanschale mit dem darin liegenden Objekt- träger gegossen, deren Grösse so gewählt ist, dass der horizontal in dasselbe gelegte Objektträger' (mit der Blutschicht nach unten sehend) etwa in einer Entfernung von */s—"s cm vom Schalenboden entfernt zu liegen kommt, indem er mit seinen schmalen Seiten auf die Seitenwände der Schale sich stützend, von diesen getragen wird. Malariastudien. 327 Bei dieser Anordnung reichen die 21 ccm der Eosinsodamethylenblau- mischung vollständig aus, um den Boden des Porzellanschälchens sammt der ganzen Unterfläche des Objektträgers zu bedecken, während die obere un- beschickte Fläche desselben frei bleibt. Die Färbung dauert drei bis fünf Minuten. Nach dem Entfernen (mit Filtrirpapier) des sich hierbei regel- mässig zwischen den Längskanten des Objektträgers und der Seitenwand der Porzellanschale bildenden Metallhäutchens wird der Objektträger vor- sichtig herausgenommen und in einem Glas destillirtem Wasser von der an- hängenden Farblösung befreit. Jetzt sieht das Präparat tief violett aus, zeigt sich unter dem Mikroskop diffus violett überfärbt und ist ohne Differenzirung gar nicht zu gebrauchen. Zur Differenzirung finde ich die von Zettnow empfohlene Mischung weniger vortheilhaft. Auch in diesem speziellen Falle erweist es sich, dass bei der Chromatin- färbung nach der regressiven Färbemethode zum Ausziehen der überschüssigen Farbe nicht die sauren wässerigen Lösungen, sondern die sauren alkoholischen Lösungen resp. schwach mit Säure versetzter Alkohol, die besten Resultate ergeben und da es bei dieser Entfärbung unserer Präparate nur von Vor- theil sein kann, wenn die Eosinfärbung der Erythrocyten recht scharf sich darstellt, so setze ich dem schwach sauren Alkohol noch ein wenig Eosin zu. Ich bereite mir die Differenzirungsflüssigkeit, indem ich zu je 120 ccm gewöhnlichen käuflichen 95 ’/oigen Alkohol 4—5 Tropfen Eisessig und 2 cem wässeriger 1°/oiger Eosinlösung zusetze. Die Differenzirung wird in einem Cylinderglase vorgenommen, von 7—8 cm Breite und 10—12 cm Höhe. Der aus der Farbmischung heraus- genommene und von der überschüssigen ihm anhaftenden Farbe durch kurzes Abspülen im Wasser befreite Objektträger wird mit einer Pincette an der schmalen Seite gefasst und in die Differenzirungsflüssigkeit getaucht und ohne ihn von der Pincette loszulassen, darin hin und her bewegt. Die über- schüssige Farbe geht hierbei vom Präparat, als blaue Wolke, ab und wenn die violette Farbe des Präparats bedeutend schwächer wird und an ihrer Stelle die Eosinfärbung nach und nach mehr zu Tage tritt (noch mit einem Stich ins Violette), so wird der Objektträger im Durchschnitt etwa nach 10 Secunden (5 bis 15 Secunden) aus dem sauren Alkohol herausgenommen, erst schnell durch das Abschwenken in einem Glase Wasser von den violetten Farbwolken befreit und dann in mehreren Gläsern mit Wasser nach einander abgespült (etwa 1—2 Minuten) bis sich das Wasser innerhalb kurzer Zeit gar nicht mehr färbt. Dann wird das Präparat zwischen Filtrirpapier abgetrocknet und darauf, wenn es nach ein paar Minuten an der Luft voll- ständig trocken geworden ist, direkt in Canadabalsam eingeschlossen. Die Differenzirungistes, vonder am meistendas Gelingen der Färbung abhängt und eserfordert einige Uebung, um im richtigen Moment damit aufzuhören. Dem zu frühen Aufhören kann immer noch abgeholfen werden, indem man nachträglich das Präparat nochmals auf kurze Zeit in Differenzirungs- flüssigkeit taucht und dann nochmals in mehreren Wässern auswäscht. 328 P. Argutinsky: Dagegen greift eine zu lange Differenzirung auch die Chromatinfärbung an und lässt dieselbe zum Nachtheil des Präparats bedeutend abblassen. Will man die Tüpfelung zur Darstellung bringen, so ist unbedingt nothwendig, nicht zu lange (ja, kürzere Zeit, als sonst) zu differenziren, so dass das Präparat hierbei in höherem, ausgesprochenerem Grade den violetten Ton beibehält, als sonst, und dass die Erythrocyten nicht rein eosinfarben, sondern mehr violettroth aussehen. B. Zur Morphologie und Biologie der Malariaparasiten. Wenn man die geringen Errungenschaften der klinischen Malariablutuntersuchungen des letzten Decenniums mit den so reichen Ergebnissen der zoologischen Forschung über die verwandten Zellschmarotzer aus der Klasse der Sporozoen vergleicht, oder mit den so bedeutsamen Resultaten der Experimente und Beobachtungen, die an den mit Malariaparasiten künstlich infizirten Moskitos angestellt wurden, so erkennt man deutlich, wie viel fruchtbarer das Feld der zoologischen resp. experimentellen Forschung ist. Der Kliniker, der die Schmarotzer nur im Blute seiner Kranken beobachtet und dieses noch dazu gewöhnlich mit sehr unvollkommenen Methoden thut, kann meist nur die zeitliche Folge seiner oft verzerrten Bilder angeben, dagegen bleiben ihm die Genese und der Zusammenhang der verschiedenartigen Gebilde, die er im Malariablute antrifft, meist dunkel. Nach den grundlegenden Untersuchungen von Golgi, die in die S0er Jahre fallen, hat die klinische Malariablutuntersuchung eigentlich nicht viel zur Erkenntniss des Entwicklungsganges der Parasiten beigetragen. Und wenn wir jetzt von Malaria- parasiten mit unzweifelhafter Sicherheit Dinge wissen, die vor einigen Jahren nur Wenige geahnt haben, so verdanken wir dieses vor Allem den planvollen Experimenten an Moskitos, sowie der zoologischen Forschung auf diesem und auf verwandten Gebieten. Gerade die Aufklärung, die die experimentelle und zoologische Forschung über den Entwicklungsceyklus der Malariaparasiten gebracht haben, eröffnet der klinischen Blutuntersuchung nun ein weites Feld für viele Detailstudien, vor Allem zur Fest- stellung der verschiedenen feinen Wachsthums- und Vermehrungs- vorgänge, deren Studium bei verwandten Gattungen und Klassen eine solche Fülle von interessantesten Thatsachen ergeben hat. Aber freilich wird die klinische Blutuntersuchung bei Malaria- Malariastudien. 329 kranken nur in dem Masse auf Erfolg rechnen können, in welchem sie sich hierbei der neueren Technik der mikroskopischen Untersuchungen für das Studium der feineren Vorgänge in den Parasiten-Zellen bedient, wodurch sie zugleich die möglichste Erhaltung der natürlichen Verhältnisse im Kern und Protoplasma erzielt. Demnach ist zum Verständniss und zur richtigen Würdigung — soweit dieses überhaupt gegenwärtig möglich — der Malariaparasitenbilder im Blutpräparate eine nähere Bekannt- schaft mit dem Stande der allgemeinen zoologischen Forschung auf dem Gebiete der Sporozoen (und sogar der Protozoen über- haupt) unumgänglich nothwendig, namentlich in Bezug auf verschiedene Arten der Vermehrungsvorgänge, der Zelltheilung, der Befruchtung ete. Die Untersuchungen der letzten Jahre haben hierin nicht allein speziell auf Sporozoen, sondern, wie bekannt, überhaupt auf Protozoen ganz überraschende Aufklärungen gebracht. In Folge der grossen Fortschritte unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete sind auch die in den medicinischen Werken gebräuchlichen Benennungen für verschiedene Entwicklungs- stadien und für verschiedene Formen der erwachsenen Malaria- parasiten im menschlichen Blute schon obsolet resp. unzureichend geworden, da dieselben einen einfacheren Entwicklungsvorgang voraussetzen, als sich nach neueren Forschungen herausgestellt hat. Daher müssen dieselben einer rationellen, von Zoologen bereits inaugurirten Terminologie resp. Nomenklatur Platz geben. Wir wissen jetzt, dass im Entwicklungscyklus der Malaria- parasiten des Menschen. sowohl ungeschlechtliche als geschlecht- liche Vermehrung Platz hat — ein Generationswechsel statt- findet. Die ungeschlechtliche Vermehrung — und zwar sie allein — findet statt nur innerhalb der Circulationsorgane des mit Malaria infizirten resp. malariakranken Menschen. Durch sie entstehen sowohl ungeschlechtliche Parasiten, die immer weiter sich vermehren, als auch geschlechtliche Parasitenzellen, die sich im Menschen nicht vermehren. Die geschlechtliche Vermehrung der Malariaparasiten dagegen — und ebenfalls nur diese allein — findet, soweit bis jetzt bekannt, nur bei ‚gewissen Moskitos-, Stechmückenarten (Genus Anopheles) statt, die sich durch Blutsaugen am Malariakranken infiziren. 330 P. Argutinsky: Hierbei nehmen die Stechmücken in ihren Magen mit dem Blute sowohl die ungeschlechtlichen Parasiten, welche bald zu Grunde gehen, auf, als auch die geschlechtlichen Parasiten, die geschlechtliche Generation. Bald nach der Blutaufnahme findet. nun im Magen der Stechmücke der Befruchtungsvorgang dieser geschlechtlichen Parasiten statt. Die befruchteten weiblichen Geschlechtszellen der Malariaparasiten bilden sich zu sogenannten Würmchen (Ookineten) aus, wandern in Magenepithelzellen ein und machen hier eine Reihe von Entwickelungsvorgängen durch. Sie bilden erst Gymnosporen erster Generation und dann schliesslich die Gymnosporen der zweiten Generation oder die sogenannten „Fadensporen“. Die Fadensporen werden hierauf durch Zugrundegehen der infieirten Magenepithelzellen frei, sie gelangen erst in die Leibeshöhle der Stechmücke, dann in ihre Gift- resp. Speicheldrüsen. Sie sind aber innerhalb der Stech- mücke zur weiteren Entwickelung anscheinend gar nicht fähig. Erst wenn sie gelegentlich durch Stich ihres Trägers (Wirthes) zugleich mit dem Sekrete der genannten Speicheldrüsen in das Blutgefässsystem eines nicht malariaimmunen Menschen gelangen; entwickeln sie sich zu den bekannten Malariaparasiten des Menschen, welche durch ihre en masse sich cyklisch wieder- holende ungeschlechtliche Vermehrung die Malaria - Anfälle hervorrufen. In den nachfolgenden Zeilen werde ich mich der von Schaudinn eingeführten Terminologie bedienen. Es bezeichnet nach ihr: Schizogonie (Monogonie) die ungeschlechtliche Vermehrung, was man gewöhnlich Sporuliren, Sporulation genannt hat; Schizont (Monont) oder einfacher Schizont den durch die Schizogonie entstandenen (reifen) geschlechtlosen Parasit; Gametogene Schizonte oder Gametoschizonte (Gameto- mononte) die durch die Schizogonie entstandene Geschlechts- generation der Malariaparasiten ; Mikrogametocyt — Mutterzelle der männlichen Geschlechts- zellen, der Mikrogameten; Makrogamet — weibliche Geschlechtszelle; Mikrogamet — männliche Geschlechtszelle. Sie kommt inner- halb des Blutgefässsystems der malariakranken Menschen nie vor; Malariastudien., 3a Merozoite (Sporen der Mononte) — die jüngsten, durch die Schizogonie entstandenen Malariaparasiten, die man ge- wöhnlich „Sporen“ genannt hat. Sporogonie (Amphigonie) — die nur im Stechmückenkörper stattfindende geschlechtliche Vermehrung der AMalaria- parasiten ; Sporozoite oder „Fadensporen“ — die durch die Sperogonie d. h. durch geschlechtliche Vermehrung im Stechmücken- körper entstandene junge Generation der Malariaparasiten. Die vorliegende Arbeit stellt keine systematische Unter- suchung über die Malariaparasiten dar. Sie behandelt nur einige wenige Fragen aus der Morphologie und Biologie der Malaria- parasiten, und zwar einige von denjenigen, die man durch Blut- untersuchungen an Malariakranken beantworten kann. Sie handelt vor Allem von den Tertianparasiten, ergänzungs- weise auch von Quartanparasiten, dagegen der Parasit der tro- pischen Malaria (Laverania malariae G. u. F.) findet hierbei, wegen Mangel an entsprechendem Material, keine Berücksichtigung. Sie handelt erst von verschiedenen Formen der reifen Para- siten, dann von einigen Kerntheilungsvorgängen bei der unge- schlechtlichen Vermehrung und endlich wird die wichtige, und nach der unwidersprochenen allgemeinen Meinung, als durch- aus erledigt geltende Frage — ob der Malariaparasit in dem oder auf dem rothen Blutkörperchen lebt — auf Grund eines sorgfältigen Studiums der Präparate wieder aufgenommen und entgegen der unumschränkt herrschenden Ansicht beantwortet. I. Verschiedene Arten der reifen einkernigen Tertianparasiten. Betrachtet man ein, viele reife Formen der Tertianparasiten enthaltendes Blutausstrichpräparat, so überzeugt man sich bald, dass man es mit verschiedenen Arten von reifen Parasiten zu thun hat. Bei einer aufmerksamen Durchmusterung eines sorg- fältig bereiteten, und durchaus gelungenen Präparates, mit vor- wiegend reifen Parasiten, fallen vor Allem drei Arten von reifen einkernigen Zellen auf, ganz abgesehen von mehr- kernigen Parasiten. Die drei Arten der einkernigen Parasiten sind folgende; Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59 23 332 P, Argutinsky: 1) einkernige Parasiten, die auffallend viel Öhromatin besitzen, das eine centrale Lage in der Zelle einnimmt, und die durch ein eigenthümliches, in die Augen fallendes Aussehen des Protoplasmas sich sehr scharf kennzeichnen. Das Chromatin bildet in diesen Zellen eine Knäuelform. 2) einkernige Parasiten, grösser, als die eben genannten, mit sehr spärlichem Chromatin, das nicht central gelegen, sondern peripherisch, an irgend einer Stelle der Zellperipherie sich befindet. 3) einkernige scharf charakterisirte Zellen mit bläschen- förmigem Kern, dessen peripherischer Theil von einem feinen Kern- gerüst gebildet wird, während der centrale aus einer sehr dichten, kompakten, intensiv sich färbenden Chromatinmasse besteht und den sogenannten Binnenkörper des Kernes, oder das Karyosom darstellt. Ausser diesen scharf charakterisirten drei Arten von ein- kernigen Zellen findet man aber in dem Malariablutausstrich- präparat noch viele ähnliche, weniger scharf differenzirte ein- kernige Zellen, über deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe der drei genannten Arten man meist im unklaren bleibt; dieses betrifft vor Allem Zellen, bei denen man im Zweifel bleibt, ob man sie der zweiten oder der dritten Gruppe der einkernigen Zellen zuzählen soll. Wir wollen jede der aufgezählten Arten von reifen Parasiten- zellen ins Auge fassen und nach Möglichkeit genau zu charakterisiren suchen. 1. Zellen mit auffallend viel (knäuelförmigem) Chro- matin und mit einem eigenthümlich aussehenden Protoplasma. (Fig. 3849.) Unter allen einkernigen Zellen fallen diese am meisten in die Augen und sind am meisten eigenartig. Sie sind kleiner, als die Zellen der zweiten und der dritten Art; sie sind in der Mehr- zahl der Fälle noch von einem Saum des eosinfarbenen Leibes der vergrösserten und abgeblassten Erythrocyten umgeben und werden sofort bemerklich durch die grosse Menge des central gelegenen Chromatins und durch eigenartige Färbung und Aussehen des im mikroskopischen Bilde meistens ringförmig sich präsentirenden Protoplasmas. Vergleicht man die Farbe des Protoplasmas dieser Malariastudien. 333 Zellen mit der der Zellen der zweiten oder dritten Kategorie oder mit der der anderen Parasitenzellen im Blutpräparate, so erkennt man sogleich, dass dieselbe in ihrem Gesammteindrucke eine mehr grünliche Nuance darbietet, während die anderen reifen Zellen blau oder bläulich gefärbt sich zeigen. Bei näherer Betrachtung überzeugt man sich aber, dass der Eindruck der grünlichen Farbe des Protoplasmas dieser Zellen durch zwei Umstände be- dingt wird: erstens ist das Protoplasma selbst auffallend heller gefärbt, als bei anderen reifen Zellen, (wenn auch ihre eigentliche Farbe eine hellblaue ist und durchaus keine grünliche), und zweitens ist in diesem heller gefärbten Protoplasma viel mehr und ausgesprochen gröberes Pigment enthalten, als in anderen Zellen, welches Pigment in diesen, wie in anderen Zellen, dunkel- grün gefärbt erscheint. Das Protoplasma dieser Zellen zeigt kreisförmige oder abgerundete Begrenzung, hat im mikroskopischen Bilde meist die Form eines überall annähernd gleich breiten Ringes, oder aber dieser Ring zeigt eine ungleiche Dicke seiner Wand, oder kann ausnahmsweise an einer Stelle ganz unter- brochen sein und in diesem Falle Hufeisenform annehmen. Die Dicke der Ringwand gleicht ungefähr einem Viertel bis einem Drittel des gesammten Durchmessers, sodass das Protoplasma etwa gegen !/a bis ?/s des Durchmessers der Zelle einnimmt. Zwischen dem Protoplasma und der mächtigen Chromatin- masse sieht man an allen unseren Zellen dieser Kategorie eine (wohl durch die Behandlung entstandene) Lücke. Das massige Chromatinlager ist in unseren Präparaten stets rothviolett gefärbt, nimmt in manchen Zellen beinahe die Hälfte des Zellendurch- messers ein. In vielen Zellen zeigt es sich von runder oder an- nähernd runder Gestalt; in anderen wiederum hat es einen oder mehrere lappige Buckel oder seltener spitze, kürzere oder längere Fortsätze. Hie und da sieht man an ihm auch einen ganz langen, spiessartigen, bis zur Zellenperipherie reichenden Fortsatz und in diesem Falle ist auch die Lage des Chromatins keine centrale, sondern es zeigt sich in einer der Richtung des Fort- satzes entgegengesetzten Seite in der Zelle verschoben. Ganz charakteristisch ist die Beschaffen heit,der Bau dieses Chromatins. Nie habe ich an charakteristischen reifen Zellen dieser Art eine Kernmembran gesehen, sondern das Chromatin lag immer anscheinend nackt und frei im Protoplasma. Aber 23* 854 P. Argutinsky: am Auffallendsten war die Strukturanordnung des Chromatin- körpers selbst. Fast an jeder solchen Zelle in wohl fixirten und gut gefärbten Präparaten konnte man sich unzweifelhaft davon überzeugen, dass das Chromatin, wie ein verflochtener Faden, wie ein Knäuel aussah, und gerade die Knäuelform des- Chromatins war in unseren Präparaten eines der prägnantesten Merkmale dieser Zellen. Dieser Knäuel war in einem Falle dichter, in einem anderen etwas lockerer, aber die einheitliche verfilzte fädige Structur des gesammten so reichlich vorhandenen Chromatins war bei allen Zellen dieser Art mit Sicherheit. nachzuweisen. Nie habe ich an solchen Zellen Theilungen des Chromatins in abgesonderte Theilstücke (in einzelne Chromosomen) beobachten können, nie Geisseln weder sich bilden sehen, noch an ihnen beobachtet, so dass an keiner einzigen der Zellen dieser Art das Chromatin aus der Zellperipherie sich herausstreckte, wohl weil die dünnen Blutausstriche sehr schnell trockneten. Manchmal traf ich Zellen, die wesentlich kleiner waren, als andere gleicher Art, und doch alle Oharaktere der eben be- schriebenen Formen trugen, aber viele der Art habe ich nicht ge- sehen. Im Gegentheil, ich habe mich mit Sicherheit davon über- zeugen können, dass sich die Zellen dieser Art aus Vorstadien entwickeln, deren Kerne andere Merkmale besitzen, weniger charakteristisch sind, als die der reifen Zellen dieser Kategorie. Was sind diese Zellen? Darüber kann absolut kein Zweifel bestehen: es sind die Mutterzellen der männlichen Geschlechts- zellen der Malariaparasiten, es sind die Mikrogametocyten, d. h. Zellen, aus denen ausserhalb der menschlichen Circulations- organe, so bei Abkühlung, Verdunstung oder normaliter, wenn sie in den Magen einer Stechmückenart (Anopheles) gelangen, die kleinen geisselförmigen männlichen Geschlechtszellen — die Mikrogameten — entstehen, wie es bereits von Vielen beobachtet worden ist. Ich habe die Mikrogametocyten bei absolut allen malaria- kranken Kindern gefunden, aber in einer sehr verschiedenen Anzahl; gefehlt haben sie bei Keinem. Während sie bei einem Kranken in solcher Menge vorhanden waren, dass ich Dutzende davon in einem Ausstrichpräparat (trotzdem die Parasitenzahl überhaupt nur eine mässige war) finden konnte, habe ich die- selben bei einigen anderen Kranken in viel geringerer Menge Malariastudien. 335 angetroffen. Ihre Zahl war keine gleichmässig bleibende im ganzen Verlaufe der Krankheit; aber dass dieselben etwa während oder vor dem Fieberanfall zahlreich zu beobachten sein sollten und während der Apyrexie verschwinden, oder in weit geringerer Anzahl vorhanden wären, habe ich nicht wahrnehmen können. Die meisten Mikrogametocyten habe ich bei einem Kinde gefunden, das schwer an einer lange dauernden Malaria gelitten hatte und recht ausgesprochen anämisch geworden war. Nach Chinintherapie verschwanden diese Zellen ebenso, wie die anderen Formen der 'Tertian- (resp. Quartan-)parasiten vollkommen. 2. Zellen mit sehr spärlichem peripherisch gelegenen Chromatin (Fig. 33—37). Diese Zellen fallen bei Weitem weniger in die Augen, als ‚die Zellen der ersten Gruppe, aber wo sie in typischer Form vorhanden sind, da zeigen sie sich ebenfalls recht scharf charakterisirt. Sie sind oft bedeutend grösser, als die Zellen der ersten Kategorie, und gar nicht selten ganz ohne Erythrocytensaum anzutreffen. Ihre Form ist im mikroskopischen Bilde meist kreis- förmig oder unregelmässig kreisförmig; man sieht an der oder jener Stelle ihrer Peripherie eine Abflachung oder einen welligen Verlauf der Grenzkontur oder eine geringe Hervor- wölbung resp. Einsenkung. Der weitaus grösste Theil des mikroskopischen Bildes dieser Zellen wird von ihrem mächtigen Protoplasma eingenommen, welches eine rein blaue und mehr ‚gesättigte Farbe zeigt, als die Zellen der ersten Kategorie. Sie enthalten weniger Pigment, als die Mikrogametocyten, zugleich zeigt sich in ihnen das Pigment gewöhnlich bedeutend feiner. Während das Protoplasma fast das gesammte Flächenbild dieser Zellen einnimmt, nimmt man an einer Stelle ihrer Peripherie einen recht geringen Haufen von körnigem oder kurzfädigem Chromatin wahr. Das Längenmaass des Kernes bildet kaum !/ıs bis '/ıo des Zellendurchmessers. Der Kern zeigt im mikro- skopischen Bilde eine unregelmässige Gestalt, hat oft eine gezackte Begrenzung, zeigt nichts von einer Kernmembran und grenzt meist unmittelbar an das Protoplasma und nur selten sieht man eine kleine Lücke zwischen ihm und dem Protoplasma, wie wir ‚solche bei Mikrogametocyten grösser und viel häufiger vorfanden. 336 P. Argutinsky: Während die Zellen der ersten Kategorie Mikrogametocyten sind, sind die eben geschilderten Zellen mit sehr spärlichem und peripherisch gelegenem Chromatin und mit reichlichem Protoplasma,. Zellen, an denen man nie irgend welche Kern- oder Zelltheilungs-- erscheinungen in den Blutpräparaten sieht, weibliche Ge- schlechtszellen, Makrogameten. Gerade diese Zellen sind es, die naturgemäss in dem Magen von Moskitos von Mikrogameten befruchtet werden, darauf in die Magenepithel- zellen dieses Zwischenwirthes eindringen und hier zur Vermehrung sich anschicken, als deren Endresultat wir bereits die „Faden-- sporen“ (Sporozoite) erwähnt haben. Das Vorkommen und die Menge dieser Zellen — der Makrogameten — im Blute der Malariakranken bietet dieselben Verhältnisse, wie das der Mikrogametocyten. In Präparaten, in denen man viele Mikrogametocyten findet, findet man auch, meistens viele Makrogameten, ob aber in derselben Häufigkeit oder in einem ganz bestimmten Zahlenverhältnisse weiss ich nicht anzugeben. Was die Vorstufen der Makrogameten betrifft, so finde ich, dass auch sie, ebenso wie die Vorstufen der Mikrogametocyten, ein Karyosomine in einem bläschenförmigen Kerne enthalten. Freilich sind dann diese Zellen (die Vorstufen der Makrogameten) durch- aus nicht mehr sehr charakteristisch und von den Zellen der‘ 3. Kategorie schwer zu unterscheiden. Somit habe ich in allen Malariafällen beide Arten von (reschlechtszellen gefunden, freilich bei verschiedenen Kranken in ganz verschiedener Anzahl. Ob diese Zellen auch in frischesten Fällen von Malariaerkrankung sich vorfinden werden, muss die Erfahrung oder noch besser das Experiment lehren. Dass ihr Auftreten, ihre Zahl in keinem augenfälligen Verhältniss zum Fieberanfall oder zur apyretischen Periode steht, lehrt die Blut- untersuchung. Auch habe ich keine Schwankungen der Zahl der-- selben innerhalb weniger Tage und sogar weniger Wochen im Verlaufe meiner Fälle von Malaria beobachten können. 3. Zellen mit bläschenförmigem Kern und mit Karyosom. (Taf. XX vor Allem Fig. 57a, dann Fig. 59a,. 60a, 6la u. A.) Diese Zellen trifft man viel seltener, als die anderen. Malariastudien, aal Es sind grosse Zellen, ebenso gross wie die Makrogameten; sie sind meist von einem rothen Saum des vergrösserten und abgeblassten Erythrocyten umgeben. Ihre Form ist gewöhnlich kugelig, seltener ellipsoid. Das Protoplasma zeigt eine reine ziemlich intensiv blaue Färbung und ist in seinem Aussehen, in meinen Blutausstrichpräparaten, kaum vom Protoplasma der Makrogameten zu unterscheiden. Das Pigment ist in ihm ent- weder gleichmässig, ebenso oft aber auch ungleichmässig ver- theilt, in einzelnen Zellabschnitten reichlicher, in den anderen spärlicher vorhanden, ohne irgendwo dichte Anhäufungen zu bilden. Die absolute Menge des Pigments ist unzweifelhaft ge- ringer als in Mikrogametocyten, auch ist das Pigment zweifellos feiner, als in diesen letzeren, dagegen gleicht diese dritte Art der einkernigen Zellen an Menge und Beschaffenheit des Pig- ments den Makrogameten. In der Mitte, oder auch nicht ganz central — viel seltener, nahe der Peripherie der Zelle — liegt der grosse bläschen- förmige Kern, der das charakteristische an dieser dritten Zell- art darstellt. Er nimmt ungefähr ein Drittel des Durch- messers der Zelle ein, ist, wie wir bereits mehrfach erwähnt haben, kugelig oder annähernd kugelig und gegen das Proto- plasma der Zelle sehr scharf abgegrenzt. Von einer Kernmem- bran konnte ich an keiner Zelle dieser Art etwas sehen. Die scharfe feine lineare Begrenzung des kugeligen, bläschenförmigen Kernes gegen das Protoplasma zeigt nirgends doppelte Konturen. Schon bei dem ersten Anblick des Kerns überzeugt man sich, dass er aus zwei sehr scharf und prägnant sich von ein- ander unterscheidenden Theilen besteht: aus einem peripherischen und einem centralen. Den centralen Theil des Kernes nimmt ein mächtiger, sehr dichter und intensiv rothviolett gefärbter, von unregelmässigen eckigen Konturen begrenzter Chromatinkörper ein, der wie eine grosse Insel im Kern erscheint und etwa !/s bis ?/3 vom Durchmesser des Kernes einnimmt. Er hat nie abgerundete Konturen und bietet in verschiedenen Zellen verschiedene Formen dar. Einmal ist er viereckig, in einem anderen Falle gedrungen dreieckig oder er hat eine annähernd polygonale Gestalt. Der peripherische Theil des Kernes, der den gesammten Kernraum, vom centralen Chromatinkörper (dem Karyosomen) 338 P. Argutinsky: an, bis zur Kerngrenze gegen das Protoplasma hin einnimmt, bietet ein durchaus differentes Bild. Während der centrale Chromatinkörper (das Karyosom) intensiv rothviolett gefärbt ist, ist der peripherische Theil des Kernes viel blasser: er hat entweder eine kräftige Rosafarbe oder ist mattrosa oder blassviolettrosa gefärbt und scheint aus sehr feinen netzartigen körperlichen Elementen oder feinen gerinnselartigen Gebilden zu bestehen. Solch’ eine Struktur des Kernes ist bereits bei verwandten Arten der Sporozoen mehrfach beobachtet, dieselbe ist von Schaudinn auch bei Proteosoma genau beschrieben worden. Der centrale, intensiv sich färbende Bestandtheil des Kernes ist nicht etwa ein Kernkörperchen, sondern ein aus Verdichtung des Chromatins bestehender Körper, der in den Zellen dieser dritten Art eine hervorragende Rolle bei der Kerntheilung spielt. Nach Labb£, Siedlecki, Schaudinn und Anderen werden wir ihn ebenfalls „Karyosom“ oder Binnenkörper des Kerns nennen. Den peripherischen Theil des Kerns werden wir als „feines peripherisches Chromatinnetz“ bezeichnen. Was stellen aber diese Zellen der dritten Art dar? Wir wissen, dass die ungeschlechtliche Vermehrung (die ja allein in Bezug auf die Malariaparasiten des menschlichen Blutes in Betracht kommt) nur drei Arten von reifen Zellen liefert: 1) die ungeschlechtlichen Zellen d. h. die gewöhnlichen Schizonten, 2) die Mikrogametocyten und 3) die Makrogameten. Andere Arten von reifen Parasitenzellen giebt es im frischen menschlichen Blute nicht. Da diese dritte Art von Zellen weder der reifen Mikrogametocyten, noch den reifen Makrogameten, deren beide charakteristische Merkmale wir bereits kennen gelernt haben, entsprechen, so können dieselben nur entweder ungeschlecht- liche Zellen, d. h. gewöhnliche Schizonten, die noch keine Erscheinungen der Zellvermehrung zeigen, oder Vorstufen der Mikrogametocyten oder Makrogameten sein. Dieselben für Vorstadien der Mikrogametocyten zu halten, ist gar nicht angängig; denn erstens sind sie grösser, als die Mikrogametocyten, zweitens sind die Vorstadien der Mikro- gametocyten, wenn sie kaum ?/a und noch weniger der definitiven Malariastudien. 339 Grösse erreicht haben, bereits sehr scharf zu erkennen, sehr charakteristisch, was oben schon besprochen wurde. Bedenkt man, dass die Makrogameten auch während des Fieberanfalls in derselben gleich bleibenden Menge gefunden werden, wie auch lange vor und nach dem Anfall; überlegt man weiter, dass auf der Höhe des Fieberanfalls die Zellen der dritten Art im Gegentheil nur ganz vereinzelt angetroffen, dagegen mehrkernige Zellen oder bereits in Theilung begriffene in grösserer Menge beobachtet werden, erwägt man ferner, dass an manchen Zellen der dritten Art, wenn sie auch noch einkernig geblieben sind, doch bereits die Zweitheilung des Karyosoms innerhalb des Kernes unzweifelhaft nachzuweisen ist und dass dieses sichere Zeichen der beginnenden Kerntheilung unmöglich bei einer Vor- stufe der Makrogameten vorkommen kann, so muss man diese dritte Art der Zellen in ihrer grössten Mehrzahl als ungeschlecht- liche Zellen, als gewöhnliche Schizonten betrachten; manche von ihnen könnten allerdings vielleicht Vorstufen von Makro- gameten sein. Gerade aber bei den zuletzt erwähnten Zellen, mit in zwei Hälften getheiltem Karyosom, steht es wohl über allem Zweifel, dass sie Schizonten sind. II. Kernvermehrungserscheinungen bei den reifen einfachen (ungeschlechtlichen) Schizonten. Das mir zur Verfügung stehende reiche Material von Hunderten von Ausstrichpräparaten genügte doch nicht, um einen vollständigen Ueberblick über die Kernvermehrungsvorgänge bei der Schizogonie d. h. der ungeschlechtlichen Vermehrung der Malariaparasiten zu gewinnen. Und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens weil in meinen Präparaten, wenn sie auch an einer Reihe von Malariakranken gewonnen sind und von zahlreichen Krankheitsstadien und Perioden stammen, doch lange nicht alle Uebergangsformen und Stadien der Kernvermehrung vor- handen sind; zweitens aber, und in nicht geringem Grade auch deshalb, weil in den getrockneten Blutausstrichen — wie die meinigen sind — wenn sie auch noch so sorgfältig nachträg- lich fixirt waren, doch in einer grossen Anzahl derselben die Fein- heiten der Kernstruktur alterirt resp. zerstört und überhaupt verloren gegangen sind. 340 P. Argutinsky: Da aus diesen Gründen in meinen Präparaten die Bildung vieler Kerne aus dem ursprünglichen einen Kern der ungeschlecht- lichen Schizonten nicht von Stufe zu Stufe verfolgt werden kann, so ziehe ich es vor, statt Mutmassungen darüber aufzustellen, lieber die in Ausstrichpräparaten klar und deutlich sich darbieten- den Einzelstadien, so weit sie vorhanden sind, möglichst objektiv kurz zu beschreiben und erst danach die aus diesen Daten sich ergebenden Folgerungen in wenigen Worten zu besprechen. Die vorhandenen Einzelstadien sind: A. Der Beginn der Kerntheilung und die erste Zweitheilung des Kerns in den einkernigen un- geschlechtlichen Schizonten (Fig. 67, 68, auch 57, 58). Die allerersten Erscheinungen einer Kerntheilung in den ebenerwähnten Zellen sind zwar in meinen Präparaten nur an wenigen Kernen zu beobachten, dafür aber mit einer Klarheit und Unzweideutigkeit, wie man es nicht besser wünschen kann. Das erste, was man von einer beginnenden Kerntheilung in dem einkernigen ungeschlechtlichen Schizonten sieht, ist eine Zweitheilung des Karyosoms, meist in gleich grosse Hälften. Diese entfernen sich innerhalb des Kerns von einander und dann zerschnürt sich der ganze Kern zwischen ihnen in zwei gleich grosse Theile, von denen jeder eine Karyosomhälfte und die Hälfte der peripherischen Schicht d. h. des feinen Chromatinnetzes des ursprünglichen Kernes enthält. So entstehen in der Zelle aus dem ursprünglichen einen Kern zwei ganz ebenso beschaffene bläschenförmige Kerne, bestehend aus centralem Karyosom und peripherischem feinen Chromatinnetz. B. Die nach der ersten Zweitheilung des Kerns stattfindende Umformung beider neuentstandenen Kerne (Fig. 69). Bei der weiteren Entwicklung des nun zwei bläschen- förmige Kerne enthaltenden reifen ungeschlechtlichen Schizonten findet eine Umformung beider Kerne statt. Zwar habe ich diesen Vorgang selbstverständlich nicht direkt beobachten können, aber in einigen Zellen habe ich mit unzweifelhafter Sicherheit nachweisen können, dass aus diesen zwei bläschenförmigen Kernen unter Spaltung und Auflockerung des Karyosoms und Umformung des gesammten Kernchromatins zwei Kerne ent- stehen, von denen ein jeder nur aus einer Anzahl von nicht Malariastudien. 341 allzu kurzen Chromatinfäden besteht, die, kreuz und quer neben einander liegend, eine Art von Knäuel bilden. Die Zahl dieser Chromatinfäden (Chromosomen) im Kern schien keine allzu grosse zu sein. Dieselben zu zählen gelang mir nicht. Somit bekommen die zwei Tochterkerne, die durch eine eigenartige direkte amitotische Kerntheilung entstanden sind, einen exquisiten mitotischen Bau ihres Chromatins. C. Ein viel weiter vorgeschrittenes Stadium, Zellen mit mehreren (aber noch nicht sehr vielen) Kernen, welche aus wenig kompaktem CGhromatin bestehen und von unregelmässiger eckiger stacheliger Gestalt sind. ae: 70,717) In den Zellen, die bereits mehrere Kerne besitzen, in denen aber die Kernvermehrung noch nicht zu Ende gekommen und die Endzahl der Kerne noch lange nicht erreicht ist, bieten die im Zellprotoplasma zerstreuten Kerne ein sehr eigenthümliches Bild. Jeder Kern besteht aus einer Chromatinmasse, die viel weniger kompakt ist, als in späteren Stadien. Diese Chromatinmasse zeigt ganz unregelmässige eckige oder stachelige Formen mit mehreren kurzen oder langen, spitzen Fortsätzen. An manchen dieser Kerne kann man an einzelnen Stellen recht deutlich erkennen, dass sie aus vereinigten Chromatinfäden gebildet werden. Dieser Eindruck wird in manchen Zellen noch erhöht durch die im Protoplasma frei zerstreuten, ausserordentlich scharf zu be- obachtenden, intensiv rothviolett gefärbten, welligen Chromatin- fäden, die oft auch in der Nähe des einen oder anderen dieser Kerne angetroffen werden. Diese Chromatinfäden erinnern durch- aus an die, welche wir oben bei B. beschrieben haben. Wenn wir auch in diesem vorgeschrittenen Stadium somit unzweifelhafte Hinweise auf eine mitotische Structur der Kerne finden, so muss ich doch erwähnen, dass ich an keiner Zelle, an keinem Kerne Bilder gesehen habe, die als regelrechte mitotische Kerntheilungsfiguren zu deuten wären. Da aber zwischen dem Stadium Fig. 69 und denen der Fig. 70, 71 d. h. beim Entstehen mehrerer Kerne aus zwei Kernen die mitotische Kernstruktur erhalten bleibt und kein Kompaktwerden des Chromatins stattfindet, so muss trotz des Fehlens der bekannten Kerntheilungsfiguren irgend eine uns. 342 P. Argutinsky: noch nicht bekannte einfache, primitive, mitotische Kerntheilung mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. D. Zellen mit sehr vielen Kernen, d.h. mit Kernen die ihre Endzahl erreicht oder fast erreicht haben (Fig. 50, 51). Ein ganz anderes Bild, als in Zellen mit wenigen oder verhältnissmässig wenigen Kernen bieten die Zellen, in denen die Kerne ihre definitive Zahl erreicht oder beinahe erreicht haben, „Zellen mit sehr vielen Kernen“, wie wir sie kurzweg nennen wollen. Das erste was hier auffällt, ist die bedeutende Verdichtung der Chromatinhäufchen, von denen jedes einen Kern (resp. einen sich theilenden Kern) darstellt. Dieselben sind kompakter, dichter geworden, färben sich viel intensiver und haben zugleich auch ihre Form verändert. Statt der vorhin eckigen, stacheligen mit spitzen Fortsätzen versehenen Formen, sieht man jetzt nur ab- gerundete sphärische ellipsoide Formen und daneben auch solche, die entschieden auf eine direkte einfache Zweitheilung der Kerne dieses Stadiums hinweisen. Man sieht längliche Kerne mit einer leicht angedeuteten oder bereits ausgesprochenen queren Ein- schnürung; man sieht hantelförmige Figuren von in zwei Hälften sich theilenden Kernen oder endlich zwei, noch durch eine kurze, feine Verbindungsbrücke zusammenhängenden Kerne, oder auch diese Verbindung ist bereits gelöst. Diese Bilder kann man wohl nicht anders, als im Sinne einer direkten amitotischen Zweitheilung der Kerne deuten. E. Zellen, in denen auch das Protoplasma in eine (der Zahl der Kerne entsprechende) Anzahl Theilstücke sich getheilt hat oder sich zu theilen anschickt. (Fig. 52—59 auch 60-64). In diesen Zellen, die sich bereits in Tochterzellen getheilt haben, sieht man das ganze Zellprotoplasma (bis auf einen geringen, das gesammte zusammengebackene Pigment ent- haltenden Restkörper) in einzelne „Portiönchen“ getheilt, von denen ein jedes einen Kern umgiebt. Diese Portiönchen sind mehr oder weniger alle gleich gross und von kugeliger oder sphärischer Gestalt. Die in denselben enthaltenen Kerne zeigen jetzt anscheinend den höchsten Grad der Verdichtung des Malariastudien. 343 Chromatins. Die Kerne sind intensiv rothviolett oder violett gefärbt und von kugeliger oder ellipsoider oder auch halbmond- förmiger Gestalt. Das letztere am häufigsten bei der Quartana. Die Zahl der Kerne ist bei der Quartana etwa S—12; bei der Tertiana gegen 16—20, kann aber bei letzterer bis auf 25 steigen. Aus diesen in unseren Präparaten vorhandenen Einzel- stadien lässt sich in Bezug auf die Kern- (und Zell-) theilungs- vorgänge bei der ungeschlechtlichen Vermehrung der Schizogonie Folgendes schliessen : 1. In der einkernigen, reifen, ungeschlechtlichen Zelle, in dem einfachen Schizonten, theilt sich erst das Karyosom in zwei Hälften und dann spaltet sich der ganze Kern in zwei Tochter- kerne, von denen jeder ebenso gebaut ist wie der ursprüngliche Kern, d. h. er hat bläschenförmige Gestalt, besitzt central ein Karyosom und enthält peripherisch das feine Chromatinnetz. 2. In diesen so entstandenen zwei Tochterkernen findet, eingeleitet durch Spaltung und Auflockerung des Karyosoms, die Umformung des gesammten Chromatins in feine Chromatinfäden statt, so dass die ersten zwei Tochterkerne in der Folge eine durchaus scharf ausgeprägte mitotische Struktur bekommen. Hiermit verschwindet das Karyosom vollständig und kommt in der ganzen Reihe der nun folgenden weiteren Stufen der Kernvermehrung nie mehr zum Vorschein und wird erst wieder gebildet, wenn aus der durch Schizogonie entstandenen neuen Generation, also aus den Merozoiten (gewöhnlich „Sporen“ genannt) wieder neue reife einkernige ungeschlechtliche Zellen herangewachsen sind. 3. In den Zellen mit mehreren (aber noch nicht sehr vielen) Kernen haben die Kerne unregelmässige, eckige, stachelige Form, besitzen nach verschiedenen Seiten gerichtete spitze Fortsätze, bestehen aus viel weniger dichtem, weniger kompaktem Chromatin, als die Kerne der späteren Stadien, und lassen unzweifelhaft eine mitotische Struktur erkennen ; auch findet man frei im Protoplasma der Zellen dieses Stadiums ein- zelne Chromatinfäden (Chromosomen) namentlich in der Nähe der Kerne. Aber trotzdem konnte ich an denselben nie die bekannten mitotischen Kerntheilungsfiguren beobachten. Wie 344 P. Argutinsky: diese Kerne entstanden sein mögen, habe ich oben vermuthungs- weise ausgesprochen. 4. In den Zellen, deren Kernzahl der Endzahl entspricht oder nahe kommt, findet ich eine Verdichtung des Chromatins, Abrundung der Konturen der Chromatinmasse und jetzt be- obachtet man an diesen kompakten Chromatinmassen (die die Kerne darstellen) Theilungserscheinungen, die unzweideutig für eine direkte amitotische Zweitheilung der Kerne durch Zer- schnürung sprechen. 5. Erst wenn die Endzahl der Kerne bereits erreicht ist, findet endlich auch eine Theilung des Zellprotoplasmas in Theil- stücke (der Kernzahl entsprechend) statt, unter Zurücklassung eines Restkörperchens, welches das gesammte Pigment der Zelle enthält. Es ist als eine überaus wichtige Thatsache zu verzeichnen, dass man auch an jungen (kleinen) noch ganz unreifen Parasiten (ungeschlechtlichen Schizonten) eine Kernvermehrung beobachtet, dass man viele, sogar sehr viele junge Parasiten sieht, die bereits mehrkernig sind. Ja, es wird, wenn auch viel seltener als die Kernvermehrung allein, sogar die Zelltheilung bereits bei solchen jungen Tertianparasiten beobachtet, die kaum die Grösse eines normalen Erythrocyten erreicht haben, oder noch darunter sind. Bei der Kernvermehrung der unreifen Parasiten findet man ganz andere Verhältnisse, als wir sie bei den reifen be- obachtet haben: a) Die Kernvermehrung wird nicht durch eine Karyosom- theilung in der einkernigen Zelle eingeleitet, da man in jungen Schizonten nie einen bläschenförmigen Kern mit centralem Karyosom und peripherischem feinem Chromatinnetz beobachtet, sondern der Kern wird lediglich von einer kompakten meist ab- serundeten Chromatinmasse gebildet. b) Nie zeigt sich eine Umformung des Chromatins der ersten beiden Tochterkerne unter Auftreten der Chromatinfäden. c) Ebenso wenig beobachtet man das Auftreten von solchen stacheligen Kernen bei den mehrkernigen Zellen, wie wir sub B auf Seite 340 bei der Kernvermehrung der reifen Schizonten beschrieben haben. Malariastudien. 345 d) Von Anfang bis zu Ende der Kernvermehrung wird jeder einzelne Kern durch eine kompakte Chromatinmasse dar- gestellt; von Anfang an beobachtet man eine successive einfache direkte Zweitheilung dieser kompakten, dichten Chromatinmasse, bis sich die Endzahl der Kerne gebildet hat. e) Das Protoplasma der unreifen Schizonten sowie das der reifen theilt sich, erst dann in Tochterzellen, wenn die Kerne ihre Endzahl erreicht haben. f) Geradezu erstaunlich ist es, in wie jungen Entwicklungs- stadien der Schizonten schon die erste Kerntheilung beobachtet werden kann. An manchen Merozoiten (gewöhnlich „Sporen“ genannt), die erst doppelt so gross geworden sind, als sie an- fänglich waren, kann bereits schon die erste Kerntheilung statt- gefunden haben. III. Lagerungsverhältniss des Malariaparasiten zu dem ihn tragenden rothen Blutkörperchen. Studirt man aufmerksam das Lagerungsverhältniss des Malariaparasiten zu dem von ihm befallenen Erythrocyten, ohne sich hierbei von der allgemein gültigen Annahme, dass „die ganze Entwicklung des Malariaparasiten (soweit sie im mensch- lichen Blute stattfindet) innerhalb des rothen Blutkörperchens vor sich geht“, in der objektiven Beobachtung und ohne sich in der vorsichtigen Beurtheilung des mikroskopischen Bildes beein- flussen zu lassen, so wird man sich überzeugen müssen, dass der objektive Befund an den sorgfältig bereiteten und ganz gelungenen Ausstrichpräparaten mit dieser Annahme durchaus nicht ohne Weiteres übereinstimmt; ja, dass er dieser allgemeinen Annahme sehr oft widerspricht, da der mikroskopische Befund für eine grosse Anzahl von Malariaparasiten verschiedensten Alters im Gegentheil den Beweis liefert, dass dieselben nicht innerhalb sondern auf dem Erythrocyten liegen und zeigt, dass nur die eine Hälfte der Oberfläche des Parasiten dem rothen Blut- körperchen fest sich anschmiegt, während die andere Hälfte ganz frei liegt. Die Frage, ob der Malariaparasit wirklich innerhalb des rothen Blutkörperchens sich entwickelt, wie es von allen Autoren gegenwärtig angenommen wird, oder aber, entgegen der allge- meinen Ansicht, auf demselben, kann gewiss nur durch feinste 346 P. Argutinsky: Durchschnitte durch das gehärtete und in Paraffin eingebettete: Malariablut sicher und endgültig gelöst werden. Nur an solchen feinsten Durchschnittspräparaten wird man im Stande sein, über jeden Parasiten mit Sicherheit sagen zu können, ob er auf oder in dem rothen Blutkörperchen liegt; es ist aber doch nicht von der Hand zu weisen, dass auch Blutausstrichpräparate in vielen werthvollen Einzelfällen uns ebenfalls mit einiger Klarheit zeigen können, wie der eine oder der andere Parasit sich in seiner Lagerung zu dem rothen Blutkörperchen verhält. Wäre das Blutausstrichpräparat absolut ohne Werth für die Klarlegung dieser Verhältnisse, so hätte doch die gegen- wärtig allgemein angenommene Lehre von der Entwicklung des Malariaparasiten innerhalb des Erythrocyten gar nicht auf- gestellt werden können, da die Durchschnitte durch das gehärtete in Paraffin eingebettete Malariablut, soviel mir bekannt, noch gar nicht gemacht worden sind und die herrschende Lehre ist eben vor Allem auf Grund der Betrachtung der Blutausstrich- präparate aufgestellt worden. Bevor wir unseren Befund in Bezug auf die uns interessi- rende Frage beschreiben, müssen wir über die Beobachtungs- bedingungen bei der Untersuchung der fixirten und gefärbten Blutausstrichpräparate einige Worte sagen. Wir müssen vor Allem berücksichtigen, dass in einem dünnen Ausstrichpräparat alle rothen Blutkörperchen flach dem Glase angetrocknet sind und alle wie”Scheiben darauf liegen und dem Beobachter eine ihrer konkaven Flächen dar- bieten. Man sieht die Erythrocyten in einem solchen Präparat niemals eine Kantenstellung einnehmen. Auch müssen wir uns vergegenwärtigen, dass die Substanz der rothen Blutkörperchen in einer dünnen Schicht ziemlich transparent ıst. Angenommen, ein Malariaparasit läge nicht innerhalb des rothen Blutkörperchens, sondern auf der dem Beobachter zugewendeten Fläche desselben und sein mikroskopisches Bild file ganz innerhalb des Umkreises des Erythrocyten, so würde man an nichts erkennen, ob er auf demselben läge oder inner- halb desselben, von einer dünnen Schicht der Erythrocytensubstanz bedeckt, sich befinde. Ganz anders würde sich das Bild gestalten, wenn der Malariastudien, 347 Malariaparasit nicht der konkaven Fläche, sondern der schmalen Seite (der Peripherie) des Erythrocyten anläge. In diesem Falle würde gar kein Zweifel möglich sein, ob der Parasit in der That dem Erythrocyten anliegt oder nicht. Denn wenn er sich innerhalb des Erythrocyten befände, so müsste der Parasit an der Peripherie seines bucklig aus dem Erythrocyten hervor- ragenden Theiles unbedingt von einem Saume der Erythroeyten- substanz bedeckt sein. Dieser Saum müsste sich durch seine so charakteristische Eosinfärbung sehr scharf von dem intensiv blauen Protoplasma des Parasiten abheben, selbst auch dann, wenn er recht dünn wäre. Befindet sich dagegen dagegen bei einer solchen peripherischen Lage der Parasit frei auf der Oberfläche des rothen Blutkörperchens, so wird derjenige Theil der Peripherie des rothen Blutkörperchens, der vom Parasiten eingenommen ist, lediglich die charakteristische blaue Färbung des Parasitenprotoplasmas (resp. auch des Parasiten- kernes) zeigen. Auf Grund dieser Erwägungen habe ich in Ausstrich- präparaten ganz besonders sorgfältig die Parasiten beobachtet, die an irgend einer Stelle der Peripherie der Blutscheibe ihre Lage einnehmen. Ich habe mich an einer grossen Reihe der so gelagerten Parasiten — deren Zahl ist nicht so gering wie man erwarten sollte: sie zählen nach Dutzenden in jedem Aus- strichpräparat — aufs unzweideutigste jedesmal überzeugen können, dass die Parasiten den rothen Blutkörperchen in der That nur anliegen, dass der der Erythrocytenperipherie ab- gewandte Theil der Oberfläche des Parasiten immer frei liegt und durch keine noch so dünne Schicht von Erythrocyten- substanz überdeckt wird. Solch’ eine Schicht ist auch bei der engsten Blende nicht nachzuweisen. Betrachten wir nun eine Anzahl von Bilderreihen, die wohl geeignet sind uns über die Lagerungsverhältnisse des Malaria- parasiten zu dem rothen Blutkörperchen eine Aufklärung zu geben. Wir beginnen zunächst mit den Figuren 1—6 (Taf. XVII). Hier sieht man junge einkernige Parasiten der Peripherie (der schmalen Seite) der Erythrocyten sattelförmig aufsitzen und auf die dem Beobachter zugekehrte Fläche derselben übergreifen; wie weit hierbei die Parasiten auch auf die abgewandte Fläche des Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 24 348 P. Argutinsky: Erythrocyten sich erstrecken, lässt sich selbstverständlich in unseren Präparaten nicht ersehen. Bei den meisten Parasiten der Figg. 1—6 liegt der Kern der schmalen Seite des Erythrocyten an und in Fig. 4 und 6 ragt er sogar ein wenig buckelartig hervor. Das Zellprotoplasma der jungen Parasiten hat hier in allen Fällen glatt abgerundete Konturen; nirgends sieht man feine Ausläufer von demselben abgehen. Es scheint sich in einer verhältnissmässig dünnen Lage auf dem FErythrocyten auszubreiten, aber diese Lage ist doch von solcher Dicke, dass die darunter liegende Erythrocyten- substanz nirgends durchschimmert. Ueberall wo diese Parasiten einen Theil der Peripherie des Erythrocyten bilden, sieht man, dass dieselbe an dieser Stelle durch reine blaue Farbe gebildet und durch keine noch so dünne Erythrocytensubstanz überdeckt wird. An einigen befallenen Erythrocyten sieht man eine schwache Tüpfelung. Alle befallenen Erythrocyten sind vergrössert und abgeblasst, auch scheinen sie sehr leicht eine unregelmässige Form zu bekommen, während die benachbarten nicht befallenen Erythrocyten gar keine oder nur ganz geringe Abweichung von einer regelmässigen Kreisform zeigen (vergleiche Figg. 2, 5 und 6). Ein anderes Bild zeigen die Figuren 7—13. In diesen haben wir mit ungefähr ebenso jungen Parasiten zu thun, als in jenen der ersten Reihe, aber, was diese Parasiten besonders kennzeichnet, ist, dass ihr Protoplasma sich auf der Oberfläche des Erythrocyten mehr oder weniger weit ausbreitet. Hier sendet das Protoplasma der Parasitenzelle feine Aus- läufer oder bandartige Fortsätze oder breite Streifen aus, die sich weit auf der freien Oberfläche der Blutscheiben erstrecken können. Auch hier beobachtet man, dass der Kern der allermeisten Parasiten der schmalen Seite des Erythrocyten anliegt und zugleich über die Peripherie des Erythrocyten deutlich hervor- ragt (Figg. 8, 10 und 12). Das Protoplasma dieser jungen Parasiten liegt, entsprechend seiner weiten Ausbreitung, auf einigen Stellen in einer sehr dünnen Schicht auf der Blutscheibe und erscheint hier deshalb viel heller und durchscheinend. Malariastudien. 349 Auch in dieser Reihe zeigen sich die von jungen Parasiten befallenen Erythrocyten nicht allein vergrössert und abgeblasst, sondern sie haben in hohem Grade ihre Form verändert. Die infizirten, gequollenen rothen Blutkörperchen sind an- scheinend in der Erhaltung ihrer Form weniger wider- standsfähig als die nicht befallenen. Während diese ihre runde Form beibehalten, sieht man da, wo beide aneinander stossen, den befallenen allein sich in seiner Formgestaltung nach der ihm zugekehrten Fläche seines Nachbars richten. Ganz besonders interessant ist die Reihe der 'Figg. 14—20. Erstens sieht man, dass die der schmalen Kante der Erythrocyten anliegenden mehr oder weniger ansehnlichen Kerne der Parasitenzellen scharf und buckelartig über die Peripherie (des Erythrocyten hervorragen, dann sieht man, dass das blaue Protoplasma der Parasiten, wo es einen Theil des peripherischen Saumes des Erythrocyten bildet, vollständig frei liegt und durch keine noch so dünne Schicht der Erythrocytensubstanz überdeckt wird (siehe besonders Figg. 15, 16, 17). Dort, wo das Parasitenprotoplasma in ziemlich dicker Schicht der schmalen Kante des Erythrocyten anliegt, bekommt man hie und da den unzweideutigsten Eindruck, als ob an dieser Stelle die Erythrocytensubstanz zum Schwinden gebracht (vom Parasiten konsumirt, angefressen) und der Parasit selbst in die Oberfläche des Erythrocyten eingesunken wäre (er hat sich in denselben gleichsam hineingefressen). In den Figuren 21 und 22 sieht man ausserordentlich ‘schön die Parasiten kappenartig, glockenartig einen an- sehnlichen Theil des Erythrocyten überdecken. Auch die Figurenreihe 23 bis 32 bietet recht lehrreiche Bilder. Auf Fig. 23 und 24 sieht man Parasiten mit wenigstens 7 resp. 11 Kernen sich von einer Seite her über einen sehr grossen Theil der freien Erythrocytenoberfläche ausbreiten. In noch grösserer Ausdehnung thut dieses der Parasit in Fig. 25, der trotz seiner sehr ansehnlichen Grösse gar keine Kern- theilung zeigt. Der Parasit in Fig. 26 ragt sehr bedeutend über den Erythrocyten hervor. 24 * 350 P. Argutinsky: Auch in- dieser Figurenreihe, soweit der Umkreis eines Erythrocyten vom Parasiten eingenommen wird, sieht man nirgends irgend welche Spuren von eosinfarbenem Saum über dem Parasiten. In dem Parasiten in Fig. 27 sieht man, wie sehr er die Kontur des Erythrocyten bei b überragt. Er hält die eine Hälfte des Erythrocyten ringförmig umklammert und hat an- scheinend schon einen Theil der Erythrocytensubstanz (bei a) zum Schwinden gebracht, in Folge dessen macht es den Ein- druck, als ob er an dieser Stelle in die Oberfläche des Erythro- cyten eingesunken wäre. Lassen wir diese eben betrachteten Bilder an uns noch einmal vorübergehen, so kommen wir über die Lageverhältnisse und andere Beziehungen, welche zwischen dem Parasiten und dem von ihm befallenen rothen Blutkörperchen bestehen, zu folgenden Schlüssen : Der junge Parasit legt sich an einen Erythrocyten an und beginnt auf demselben zu wachsen. Sein Protoplasma breitet sich flächenhaft über den benachbarten Theil der Oberfläche des Erythrocyten meist in einer dünnen Lage aus, während der kompaktere dichtere Kern mehr über die Oberfläche des Erythro- cyten hervorragt. Der Parasit behält entweder seine abgerundeten Konturen bei oder entsendet auf der Oberfläche des Erythrocyten feine oder bandförmige oder auch breite Ausläufer. Wo dieselben sich in der Richtung der schmalen Kante der Blutscheibe aus- breiten, sieht man aufs Schärfste, dass sie nicht in die Tiefe des Erythrocyten dringen, sondern stets auf der Oberfläche bleiben. Der an einer Stelle seiner Oberfläche befallene Erythrocyt erleidet im Ganzen eine Veränderung seiner Substanz. Die Veränderung der Substanz des rothen Blutkörperchens ist am Ausgesprochensten an der Grenze zwischen dem Erythrocyten und dem Parasiten, gerade auf dem Berührungsgebiete des Erythrocyten mit dem Parasiten. Hier zeigt sich die Erythrocytensubstanz am meisten verändert (im hohen Grade verblasst). Malariastudien. 351 Wo eine nicht allzu dünne Schicht des Protoplasmas des Parasiten dem Erythrocyten anliegt, da scheint der Parasit die Substanz des Erythrocyten allmählich aufzubrauchen und in Folge dessen wird hier ein Theil des Erythrocyten ein- geschmolzen und zugleich sinkt der Parasit tiefer in die Sbustanz des Erythrocyten ein. Die Kernvermehrung des Parasiten findet auf der Ober- fläche des Erythrocyten statt und der Parasit sporulirt nicht nnerhalb des rothen Blutkörperchens, sondern auf dem rothen Blutkörperchen, welches er bereits zum grösseren oder geringeren Theile angefressen hat, und dementsprechend in dasselbe mehr oder weniger eingesunken scheint. IV. Gefleckte und polychromatische Megaloblasten im Blute der Malariakranken. An dieser Stelle möchte ich mit einigen Worten einen abnormen Befund, den ich im Blute aller meiner malariakranken Kinder beobachten konnte, erwähnen, worauf ich an einer anderen Stelle ausführlicher zurückzukommen gedenke: nämlich das Auf treten von Megaloblasten. In einigen Fällen spärlicher, in anderen zahlreicher — wenn auch nie in sehr grosser Anzahl — habe ich ausnahmslos in allen Blutentnahmen die Megaloblasten gefunden. Dieselben hatten einen sehr scharf und sehr intensiv tingirbaren runden grossen Kern, das Protoplasma zeigte meist eine unregelmässige, von einem Kreise abweichende Form. Was aber an den Megaloblasten vor Allem meine Auf- merksamkeit erregte, das waren die Farbeigenthümlichkeiten des Protoplasmas. Fast gleich häufig war am Protoplasma der Megaloblasten entweder die Polychromasie oder das Auf- treten zahlreicher, feiner, unregelmässiger, basophiler Flecken zu beobachten: das eine wie das andere fand sich aber an den kernlosen rothen Blutkörperchen nur ganz ausnahms- weise und auch absolut viel seltener als an Megaloblasten. Dieser merkwürdige Befund, sowohl das Auftreten von Megaloblasten überhaupt, als besonders die Polychromasie und basophile Körnung derselben bieten grosses theoretisches Interesse. Es ist aber bei der Beurtheilung dieser Befunde gewiss zu berücksichtigen, dass sie das Blut malariakranker Kinder 552 P. Argutinsky: (von 2—12, meist 4—10 Jahren) betreffen. Aber unter diesen Kindern waren, was ich besonders hervorheben will, weder: rachitische noch luetische, auch gehörte keins von ihnen, wie schon bemerkt, dem frühesten Kindesalter an. Unter Ausschluss dieser Momente gewinnt das eben ge- schilderte Auftreten von Megaloblasten ohne Frage eine besondere- Bedeutung; ob aber dieselben Befunde sich auch bei Erwachsenen wiederfinden werden, vermag ich nicht zu sagen. Die im Texte eitirte Literatur. Ich erwähne hier nur die im Texte citirten methodologischen Arbeiten. Ausführliche Hinweise auf die enorme neuere Malarialitteratur findet man in den bekannten Zusammenstellungen von G. Nutall, Lühe und bei Labbe&, sowie in der neuesten Monographie von G rassi. Ueber die hierhergehörige zoologische Literatur findet man alle wünschenswerthen Angaben bei Arnold Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. Zweite umgearbeitete Auflage. Protozoa Jena 1901. 1. Ziemann, H., Ueber Malaria- und andere Blutparasiten. Jena. 1898. 2. Romanowsky, D., Zur Frage der Parasitologie und Therapie der Malaria. St. Petersburg. 1891. 3. Zettnow, a) Romanowsky’s Färbung bei Bacterien, Zeitschr. f. Hygiene, Bd.30, Heft 1, 1899; b) Romanowsky’s Färbung bei Bacterien, Deutsche med. Wochenschr. 1900, No. 23. 4. Nocht, a) Zur Färbung der Malariaparasiten, Centralbl. f. Bact. Bd. 24. No. 22. 1898; b) Zur Färbung der Malariaparasiten, Centralbl. f. Bact. Bd. 25, No. 21/22, 1899. . Unna, P, Ueber die Reifung der Farbstoffe. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd 8, 1892. 6. Ruge, R., a) Ein Beitrag zur Chromatinfärbung der Malariaparasiten, Zeitschrift f. Hygiene, Bd. 33, Heft 2, 1900; b) Einführung in das Studium der Malariakrankheiten. Jena. 1901. ‘. Maurer, G, Die Tüpfelung der Wirthszelle des Tertianparasiten. Centralbl. f. Bact. Bd. 28, No. 4/5, 1900. 8. Berestneff, Die Färbung der Malariaplasmodien und anderer Pro- tozoen nach der Methode von Romanowsky und ihren Modificationen (russisch). Russisches Archiv für Pathologie ete. 1900. 9. Janezo u.Rosenberger, Blutuntersuchungen der im Jahre 1894 vorgekommenen Malariafälle etc. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 57, 1896. a Malariastudien. 353 Tafelerklärung (XVIU—XXI]). Tafel 18 orientirt über das Lagerungsverhältniss des Malaria- parasiten (Tertiana) zu dem von ihm befallenen rothen Blutkörperchen. Reihe I, Fig. 1—$, Reihe II, Fig. 7—13, Reihe III, Fig. 14—20, Reihe IV, Fig. 21 u.22, Reihe V, Fig. 23—32. Erklärung im Texte auf Seite Alle Figuren sind mit Abb@’schem Zeichenapparat gezeichnet. Zeiss Apochr. Object. 2 mm Comp. Ocul. 12. Vergrösserung ca. 1500:1. Fixirung der Blutausstriche in Sublimat-Alkohol. Färbung mit unver- dünnten 1°',igen Lösungen von Sodamethylenblau und Eosin mit nachfolgender Differenzirung. Tafel 19. Fig. 33—37 Makrogameten (Tertiana), Fig. 33—49 Mikrogametocyten (Tertiana), Fig. 50u.51 Kernvermehrung bei einfachen Schizonten. Zellen mit sehr vielen Kernen (Tertianparasit). Fig. 52—59 Schizogonie des Tertianparasiten, Fig. 60—64 Schizogonie des Quartanparasiten, Abb@’s Zeichenapparat. Zeiss Apochr. Object. 2 mm Comp. Ocul. 12. Vergrösserung ca. 1500:1. Fixirung des Ausstrichpräparats in Sublimat - Alkohol. Färbung bei Fig.42, 43 u. 49 mit stark verdünnten Lösungen von Sodamethylenblau und Eosin ohne Differenzirung, bei den übrigen wie bei Präparaten auf Taf. 18. Tafel 2@. Fig. 57a. Reifer ungeschlechtlicher Schizont mit Karyosom und peripherischem feinen Chromatinnetz, Ebenso die Figuren 59a, 60a, 61a und Fig. 58a. In dieser letzteren sieht man in der Zelle eine eigen thümliche grosse Vakuole mit einem grünlich-grau aussehenden Inhalt.!) Fig. 62a, 63a, 64a, 65 und 66. Auflockerung des Karyosoms. Fig. 67 und 68. Theilung des Karyosoms in zwei Hälften und die erst Theilung des Kernes eines reifen ungeschlechtlichen Schizonten in zwei Tochterkerne. Fig. 69. Die Umformung der ersten zwei Tochterkerne des reifen ungeschlecht- lichen Schizonten. Fig. 70 u. 71. Schizonten mit mehreren, aus wenig kompaktem Chromatin bestehenden Kernen. Fig. 72—83. Tertianparasiten von verschiedenen Grössen; Tüpfelung der befallenen Erythrocyten. Fig. 84—88. Parasiten tragende Erythrocyten nach Färbung mit stark ver- dünnten Lösungen von Sodamethylenblau und Eosin ohne Differen- zirung. 354 P. Argutinsky: Malariastudien. Alle auf dieser Tafel dargestellten Parasiten gehören der Tertiana an. Färbung, die Figuren 84—88 ausgenommen, wie auf Tafel 18. Abbe’s Zeichenapparat. Zeiss. Bei Fig. 69, 70 u. 71. Apochr. Objekt. 2 mm Comp. Ocul. 18. Vergrösserung ca. 2250:1; bei allen übrigen Figuren Apochr. Object. 2 mm Comp. Oeul. 12 Vergrösserung ca. 1500:1. Tafel 21. Aus Blutausstrichpräparaten von verschiedenen Fällen von Tertiana. Fig. 89—97. Heranwachsende Merozoite resp. junge Schizonten; in Fig. 94 bereits mit zwei Kernen. Fig. 98. Schizogonie. Fig. 99—103. Megaloblasten mit basophilen Flecken. Fig. 104—107. Polychromatische Megaloblasten. Färbung mit unverdünnten 1°/oigen Lösungen von Soda KALAEAUIE und Eosin mit nachfolgender Differenzirung. Abbe@’s Zeichenapparat. Zeiss. Apochr. Objekt 2 mm. Comp. Ocul. 12, Vergrösserung ca. 1500: 1. !) Solch einer Vakuole bin ich bereits mehrfach im Tertianparasiten begegnet. Was sie darstellt, ist mir unbekannt. Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. Die Entwicklung desLabyrinthes beim Huhn. Von Dr. med. P. Röthig, Assistent am anatomisch-biologischen Institut und cand. med, Theodor Brugsch., Mit 16 Abbildungen und einer schematischen Figur. Im Laufe des vergangenen Wintersemesters hatten wir Ge- legenheit uns eingehend mit der Entwicklung des Gehörorgans vom Huhn in morphologischer Beziehung zu beschäftigen. Unsere Untersuchungen erstreekten sich lediglich auf die Entwicklung des Labyrinthes, indem wir die Entstehung desselben von der Entwicklung des Hörbläschens an in fortlaufender Reihe verfolgt haben. Dem Verhalten des Recessus Labyrinthi bei der Entstehung des Bläschens haben wir dabei grössere Aufmerksamkeit geschenkt, da über diesen Punkt von den Forschern noch keine Einigung erzielt worden war. Röthig u. Brugsch: Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 355 Das Material bestand in Eiern vom Haushuhn (gallus domesticus), die bei einer Temperatur von 37° C. im Brutofen entwickelt waren. Das Alter der Embryonen, die für die Ent- wicklungsreihe des Labyrinthes in Betracht kommen, liegt zwischen 60 Stunden und 11 Tagen 17 Stunden. Eine Angabe des Alters bei den einzelnen Stadien unterlassen wir im Text, weil sich die Entwicklung des Labyrinthes nicht immer ‚in Ein- klang mit der Altersstufe des Embryo gezeigt hat. Die Fixation der Embryonen geschah theils in einer Lösung von Pikrinsäure-Sublimat-Eisessig, theils im Altmann schen oder Hermann’schen Gemisch. Daneben leistete auch die Fixation in Alkohol-Chloroform - Eisessig nach Carnoy gute Dienste. Wo eine Durchfärbung der Objekte uns angebracht erschien, geschah sie in Boraxkarmin mit nachfolgender Behand- lung in Salzsäure-Alkohol. Die Embryonen wurden sämmtlich in hartes Paraffın (Schmelzpunkt 56°) eingebettet und meist in 15 « dicke Serien- schnitte zerlegt; kleinere Objekte wurden 10 und 5 « dick ge- schnitten. Um eine möglichst getreue Wiedergabe der Form zu erhalten und dadurch dem Verständnisse entgegenzukommen, wurden die lückenlosen Serien nach der Born’schen Platten- modellirmethode rekonstruirt. Die Vergrösserung der Modelle ist hundertfach. Die früheste Anlage des Labyrinthes als eine grübchen- förmige Einsenkung des Ektoderms zur Seite des Nachhirns ist oft beschrieben worden ; wir ver- weisen daher auf die 1897 er- schienene Arbeit von Poli über die Entwicklung des Hörbläschens bei den Wirbelthieren. Als’erstes Stadium für unsere Entwicklungs- reihe führen wir einen Hühner- embryo von 66 Stunden an. Zur Seite des Nachhirns bemerkt man die grübchenförmige Einsenkung des Ektoderms, deren Lumen schräg nach innen und abwärts gerichtet ist (ef. Abb.1). Das Plattenepithel des Ektoderms (E) geht am dor- 356 P. Röthig u. Theodor Brugsch: salen und ventralen Rande der Einsenkung in ein vielschichtiges eylindrisches Epithel des Grübchens (G) über, das am Fundus desselben am dichtesten ist. Das Grübchen selbst befindet sich unmittelbar über (dorsalwärts) der ersten Kiemenspalte. Aus diesem Grübchen entwickelt sich ein Bläschen, indem sich seine ektodermale Oeffnung allmählich verengert. Die,Ver- engerung kommt hauptsächlich dadurch zu Stande, dass sich der dorsale Rand der Einsenkung dem ventralen nähert (Der Schnitt in Fig. 1 verglichen mit den Modellen in Fig. 2 und Fig. 3 er- läutert auf das Deutlichste dieses Verhalten). So kommt ein Fig. 2. Fig. 3. Theil, des Bläschens höher zu liegen als seine ektodermale Oeffnung. Es mag dieses Verhalten des Bläschens zu seiner Oeffnung der Grund zu der Auffassung Poli’s gewesen sein, die er in seiner oben eitirten Schrift mit folgenden Worten ausspricht: „Es sei gleich hier daran erinnert, dass, was den Entwicklungsprozess betrifft, der inneren Wand der späteren Gehörblase der Recessus labyrinthi entspricht, eine Sack- bildung, die sich von jener Wand ablöst und sich nach oben und vorn hinzieht. Dass daher der Rückenrand noch vor erfolgtem Schlusse der Gehörinvagination sich einsenkt beweist, dass bei Hühnerembryonen der Recessus labyrinthi nicht dem Punkte entspricht, wo das Gehörbläschen zum letzten Male mit dem Ektoderm in Kontakt bleibt.“ Dass Poli’s Auffassung eine durchaus irrige ist, erhellt aus dem von uns weiter unten dargestellten Entwicklungsgange des Recessus labyrinthi. Es sei übrigens gleich hier über diesen Punkt auf die Arbeiten von J. Keibel, Ueber die erste Bildung des Labyrinthanhanges und R. Krause, Die Entwick- lung des Aquaeductus vestibuli s. Ductus endolymphaticus hin- gewiesen. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 357 Im weiteren Verlauf der Entwicklung verschwindet die ektodermale Oeffnung ganz und gar, indem sich sowohl das ». Epithel des Ektoderms (E), wie das Epithel des Bläschens (R]) zusammenschliesst. Zwischen beiden bleibt nur eine dünne Zellbrücke (E b) bestehen als ein Zeugniss des früheren Zusammenhangs (cfr. Fig. 4). a Die Epithelbrücke ist nach er- Pt er folgtem Schlusse des Bläschens Sem oanz solide, ohne jeden Hohlraum ; sie ist auch nicht der Theil aus dem sich später der Recessus endolymphaticus entwickelt etwa dadurch, dass die Zellbrücke hohl bleibt und auswächst. Sie geht vielmehr vollständig zu Grunde, sobald erst das Bläschen vom Ektoderm abgedrängt wird. Diejenige Stelle aber, wo das Bläschen zum letzten Male mit dem Ektoderm in Berührung war, also die Ansatzstelle der Epithelbrücke an das Bläschen ist die Matrix für den Ductus endolymphaticus. Das in Fig. 5 abgebildete Modell No. 3 zeigt das Bläschen voll- ständig vom Ektoderm abgeschlossen ; die Epithelbrücke verbindet Ektoderm (E) und Bläschen (G). Letzteres hat die 1 z Form eines mit Wasser gefüllten Sackes d. h. die stärkste Entwicklung des Bläschens liegt am Fundus desselben, sie ist also nach abwärts (ventralwärts) gerichtet. Derjenige Theil des Bläschens, der in früheren Stadien oberhalb der ektodermalen Grübchenöffnung stand, ist mit nach abwärts gezogen und zum grössten Theil schon in die mediale Wand des Bläschens aufgenommen. Von einer Anlage 6 a des Ductus endolymphaticus ist an diesem Stadium Fig 5. noch nichts zu sehen. Ein Stadium, wie es R. Krause jüngst im Anatomischen Anzeiger an einem Modell beschrieben hat, wo der Recessus labyrinthi als ziemlich bedeutende Ausbuchtung durch einen „hohlen Epithelzapfen“ mit dem Ektoderm in offener Verbindung steht, haben wir nicht finden können. Im Gegentheil haben wir & 358 P. Röthig u. Theodor Brugseh: an allen unseren Serien dieses Stadiums gefunden, dass die Epithelbrücke ganz solide ist, dass sich der Recessus erst dann bildet, wenn das Bläschen sich ganz und gar vom Ektoderm ab- geschnürt hat und nicht mehr nach aussen kommunizirt. Aber abgesehen von dieser Eigenthümlichkeit des Krause- schen Modells reiht sich das Stadium sonst sehr gut hier in unsere Entwicklungsreihe ein. Man erkennt, dass der ganze die (Grübchenöffnung überragende Theil des Bläschens bereits in die mediale Wand desselben aufgegangen ist und am obersten Theile des Bläschens sieht man als röhrenförmige Ausbuchtung den Recessus labyrinthi dessen Ende von dem Ektoderm festgehalten wird. Es lässt sich dieses Verhalten ohne Schwierigkeit erklären, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Bläschen hauptsächlich nach abwärts wächst und dass dadurch der Theil des Bläschens, der durch die Brücke festgehalten wird, als kleines Säckchen nach oben ausgezogen werden muss. Dass der Recessus bald an die mediale Wand des Bläschens gelangt, erklärt eine Bildung, die sich zum ersten Male hier an diesem Stadium geltend macht und die auch den Grund für die spätere Ablösung des Recessus von der Epithelbrücke abgiebt. - Es hat sich nämlich hier am oberen Ende des Grehör- bläschens lateral vom Recessus und dicht neben seiner Ein- mündungsstelle in das Bläschen, also zwischen Ektoderm und Recessus eine taschenförmige Ausbuchtung der Blasenwand ge- bildet, die die Anlage der oberen verticalen Bogentasche dar- stellt und aus der sich später der sagittale Bogengang entwickelt. Mit zunehmendem Wachsthum dieser Anlage kommt die Ein- mündungsstelle des Recessus immer mehr in die Mitte der medialen Bläschenwand zu liegen. Dieses Verhalten bei der Entwicklung des Ductus endolymphaticus giebt u. E. hinreichenden Aufschluss über die auf dem ersten Blick erstaunliche Thatsache, dass die ektodermale Oeffnung des Bläschens Anfangs fast in. der Mitte der lateralen Blasenwand sich befindet, während der Recessus, der dieser Stelle des Bläschens seine Entstehung verdankt, später ungefähr in der Mitte der medialen Blasenwand einmündet. Es hat sich also gewissermassen das Bläschen 150° um seine Längs- axe gedreht. Modell IV in Abb. 6 schliesst sich unmittelbar an das Modell von R. Krause an. Durch weitere dorsalwärts gerichtete Die Entwicklung des Labyrintlies beim Huhn. 359 Entwicklung der oberen vertikalen taschenförmigen Ausbuchtung (s T) ist der Recessus labyrinthi (Rl) vom Ektoderm (E) nach der medialen Seite abgedrängt worden. Die Epithelbrücke ist gesprengt und nur noch am Ende des Recessus zeigt sich eine nach dem hei Ektoderm hin gerichtete Zacke als Ueberrest ©) „7 der Epithelbrücke. , Eine zweite taschenförmige Ausbuchtung (hT) findet sich in der Mitte der lateralen Wand der Gehörblasen horizontal verlaufend; aus ihr bildet sich die horizontale Bogentasche als Vorläufer des äusseren Bogenganges. Auch der Fundus des Bläschens hat hier an diesem Stadium bestimmtere Form angenommen, sodass wir zum ersten Male von der Anlage des Schneckenganges und Lagena (D ce) sprechen können. Unser nächstes Modell V (in Abb. 7) zeigt als Fortschritt gegen das vorherige Modell ein grösseresWachsthum in dorsoventraler Richtung, bedingt durch eine weitere Entwicklung der oberen vertikalen Bogentasche und der Schneckengangsanlage. Die grösste Ausdehnung des Bläschens liegt jetzt in eben dieser Richtung. Die Form der horizontalen Taschenausbuchtung hat sich deutlicher ausgeprägt, dazu gesellt sich als neue Bildung am hinteren Ende derselben eine kleine vertikal gestellte Bucht als Anlage der unteren vertikalen Bogentasche, der Vorbildung des frontalen Bogenganges. Horizontale Taschenanlage, Einmündungs- stelle des Recessus labyrinthi und die Anlage der unteren ver- tikalen Bogentasche liegen an diesem Stadium auf gleicher Höhe. An der lateralen Seite der oberen vertikalen Bogentasche findet sich eine centrale Delle, die uns schon jetzt auf die Art und Weise hinweist, wie sich später der Bogengang aus der Tasche entwickelt. Es legen sich nämlich die centralen Parthieen der Taschen aneinander — aber so, dass sich nur ein Blatt dem anderen nähert — und verkleben so vollständig, um schliesslich durchbrochen zu werden und zu Grunde zu gehen, während die halbkreisförmige Taschenperipherie ihr Lumen behält, sich weiter entwickelt und so den halbkreisförmigen Kanal aus sich hervor- gehen lässt. Rathke hat in seiner Monographie über die Ent- wicklungsgeschichte der Natter und prägnanter in seiner Ent- wicklungsgeschichte der Wirbelthiere diesen entwicklungs- 360 P. Rötbig u. Theodor Brugsch: geschichtlichen Vorgang zum ersten Male als Prinzip angegeben, R. Krause hat ihn für Säugethierembryonen bewiesen. In der Abb. 7 ist unser Modell V in halber Grösse ab- gebildet.‘) Die Ansicht ist von der medialen Seite genommen. Es stellt ein linkes Gehörorgan dar. Man erkennt leicht den steil De m aufwärts gerichteten Recessus labyrinthi s. Ductus endolymphatieus (De) dahinter die | 7 obere vertikale Bogentasche (s T) und unten stiefelförmig die Anlage für den Ductus cochlearis (De) mit der Lagena. Die auf der lateralen Seite der Blase liegende horizon- tale Bogentasche ist nicht sichtbar in der Figur, dagegen sieht man links in der Höhe der Ein- mündungsstelle des Ductus endolymphaticus eine kleine Vorbuchtung, die die Anlage der IT € AR x , \ Be unteren vertikalen Bogentasche vorstellt (fT). Für die Beschreibung der folgenden Modelle möchten wir gleich hier bemerken, dass wir uns bei der Angabe der Richtung nicht an die wirkliche Lage des Labyrinthes im Kopfe des Embryo resp. des ausgebildeten Huhnes halten, wo das Labyrinth so liegt, dass der Ductus cochlearis schräg nach unten innen und vorn liegt, sodass sein vorderster Punkt durch die laterale Blasen- wand der Lagena gebildet wird und wo die Ebene des hori- zontalen Bogenganges annähernd horizontal liegt, während die des sagittalen (oberen) Bogenganges vertikal steht und schräg von vorn aussen nach hinten innen gerichtet ist, ungefähr einem Winkel von 45 Grd. mit der Medianebene bildend. Wir denken uns, um die Beschreibung zu vereinfachen und das Ver- ständniss zu erleichtern, die Ebene des sagittalen Bogenganges wirklich sagittal und die des horizontalen horizontal, wodurch die Richtung der frontalen Bogengangsebene sich von selbst be- stimmt. Der Ductuscochlearis zeigt unsan was an den Modellen vorn und unten ist, während der Fundus des Recessus labyrinthi die Richtung hinten und oben giebt. Da der Recessus ferner auf der Innenseite liegt, der horizontale Bogengang aussen, so ist die Orientierung leicht. Aus unserem Modell V (Abb.7) verglichen mit Modell 4 (Abb. 6) war zu ersehen, dass sich die Anlage für die hintere Bogen- ı) Bei der Reproduction um !/s verkleinert. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn, 361 tasche am spätesten entwickelt, nachdem sich bereits früher die obere vertikale und die horizontale Bogentasche gesondert ent- wickelt hatten. Wegen dieser erheblichen zeitlichen Verschieden- heit der Anlage der oberen und hinteren Bogentasche können wir nicht vor einem gemeinsamen Hervorgehen beider aus einer einzigen grossen Bogentasche reden. Und zu einer Zeit, wo die obere vertikale Bogentasche sich bereits recht bedeutend entwickelt hat, ist von einer Anlage der unteren vertikalen 3ogentasche kaum die Rede. Schliesslich lässt sich aber auch auf einem noch späteren Stadium, wie es das Modell VI (Abb. 8) darbietet, mit aller Bestimmtheit eine Trennung der oberen und unteren vertikalen Tasche erkennen, wenngleich auch nicht zu leugnen ist, dass beide Taschen, etwa in der Gegend des hinteren Endes der horizontalen Bogentasche, an ihrer Einmündungsstelle in die Hörblasen sich innig berühren, was aber lediglich durch die Beschränkung des Raumes an dieser Stelle seine Erklärung findet. Wir möchten also noch einmal betonend hervorheben, dass sich erst die obere vertikale Bogentasche, dann die horizontale und ganz zuletzt erst die untere vertikale Tasche — jede ge- sondert für sich — entwickeln, welch’ Verhalten wir als typisch bezeichnen möchten, da jwir es "an allen unseren Serien ge- funden haben. Während sich Modell V (Abb. 7) in dorsoventraler Richtung entwickelt hat, tritt an dem Modell VI (Abb. 8) eine Aenderung ein, indem sich die Hörblase hier in zwei verschiedenen Rich- tungen entsprechend ihrem oberen und unteren Theile entfaltet hat. Der obere Theil hat seine grösste Ausdehnung hauptsächlich in der Richtung von vorn nach hinten, bedingt durch das Wachs- thum der sagittalen und horizontalen Bogentasche in gleicher Richtung. Dazu kommt die Bildung der frontalen Bogentasche und ferner der Umstand, dass sich der Recessus labyrinthi aus seiner vertikalen Lage in eine schräge, fast horizontale begeben hat, wodurch sein Fundus, der hier mehr wie eine Spitze aussieht, ganz nach hinten verlegt wird. Der untere Theil der Hörblase zeigt die grösste Entfaltung noch in der alten dorsoventralen Richtung, indem sich die Anlage für den Duetus cochlearis erheblich weiter ausgebildet hat. Diese stellt jetzt einen länglichen Sack mit fast viereckigen Querschnitt vor von der Form eines etwas nach 362 P. Röthig u. Theodor Brugsch: hinten gekrümmten Handschuhfingers, dessen tiefster Punkt als der Fundus des Sackes die Anlage für die Lagena vorstellt. Die Einmündungsstelle des Ductus endolymphaticus liegt auf gleicher Höhe mit der horizontalen Bogentasche, dagegen liegt die frontale Bogentasche schon mit der grössten Ausdehnung unterhalb der Ebene der horizontalen Bogentasche. Die Ebenen der drei Bogentaschen stehen an diesem Modell nicht gegenseitig auf einander senkrecht. Statt sagittal gerichtet zu sein, wie es der Bogengang ist, neigt sich die Ebene der oberen vertikalen Tasche medianwärts, sodass der laterale Winkel zwischen dieser Ebene und der horizontal gedachten Ebene der äusseren Bogentasche bedeutend 90° übersteigt.. Ebenfalls liegt die Ebene der unteren vertikalen Tasche in Beziehung zu der horizontal gedachten Ebene des äusseren Bogenganges nicht frontal, sondern sie steht vertikal mit der Richtung nach hinten aussen. An den einzelnen Taschen deuten gewisse Konturen auf spätere Bildungen derselben hin; so erkennt man an dem vordersten Theil der oberen vertikalen Bogentasche bereits die Anlage für die Ampulle des sagittalen Bogenganges. Das Lumen hat sich nämlich hier an der Taschenperipherie erheblich er- weitertt und dazu findet man an dieser Stelle eine kleine Vorbuchtung, die sich auch an der dortigen Ampulle an ent- sprechender Stelle wieder findet. An der horizontalen Bogentasche lässt gleichfalls eine am vorderen Ende sich befindende Erweiterung des peripherischen Taschenlumens mit entsprechender Vorbuchtung eines Theiles der Wand dieselbe Deutung für die horizontale Ampulle zu. Nur die untere vertikale Tasche, die sich am spätestens entwickelt hat, lässt noch keine weiteren Konturen erkennen als eine centrale Delle auf der äusseren Seite, als Mittel zur Bildung des frontalen Bogenganges. Unmittelbar unter dem unteren Ende der frontalen Bogen- tasche findet sich eine kleine Ineisur, die diese von dem Schneckengang trennt, indem sie als Falte in das Lumen des Alveus communis vorspringt; sie wird später noch eine grosse Bedeutung bei der Bildung des Canalis reuniens erlangen und soll an betreffender Stelle eingehend gewürdigt werden. Es mag noch an diesem Stadium hervorgehoben werden, dass der Ductus Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 363 endolymphatieus zusammen mit dem Duetus cochlearis einen nach innen konkaven Bogen bilden, der sich von jetzt an bei allen Stadien selbst am ausgebildeten Labyrinth erhält. Abb. 8 giebt das Modell in halber Grösse wieder.') Es stellt ein rechtes Gehörorgan dar, das dem Beschauer die laterale Seite zuwendet. Rechts vom Beschauer ist in der Zeichnung vorn, links hinten. Nach oben zu sieht man die gut entwickelte sagit- tale Bogentasche (s T), deren Peri- pherie links und unten zur fron- talen Bogentasche (f T) führt. Beide Taschen umfassen von oben und links (hinten) die horizontale Tasche (h BR) die Neigung der Ebenen der horizon- talen wie sagittalen Taschen ist auf der Zeichnung hübsch ausgeprägt. Die am hinteren Ende der oberen verti- kalen Tasche vorguckende stumpfe Spitze ist der Recessus labyrinthi (R.]), dessen Lumen in der Mitte der nicht sichtbaren medialen Wand in den Alveus communis übergeht. Die kleine Ineisur (J) zwischen frontaler Bogentasche und Schneckengang ist in der Zeichnung deutlich ausgeprägt. Dieses letzte Stadium bedeutet in der Entwicklungsreihe des Labyrinthes aus dem Gehörbläschen einen Abschnitt. Wir haben es zum letzten Male mit einem Gehörbläschen zu thun gehabt; der Rohbau zum Labyrinth ist nun beendigt. Von jetzt an sondert sich der bisher gemeinschaftliche Hohlraum des Bläs- chens in die zwei Hauptabschnitte des Labyrinthes, in den Utrieulus und den Saceulus. Jener ist der Träger der sich jetzt bildenden Bogengänge, dieser dient als Aufnahme für den Ductus endolymphaticus und Duetus cochlearis, Der Gang der Entwick- lung ist für die Bogengänge mit dem Ampullen fest vorgeschrieben, sie sind ja in den Taschen fest angelegt und haben nur nöthig, sich weiter heraus zu sondern. Der Ductus cochlearis kann sich auch nur in ganz bestimmter Weite mit seiner Lagena entwickeln. Aber ganz neu wird für uns die Entstehung des Sacculus und die Bildung des Utriculus mit seinen Sinus sein, und das können Pie. S. ‘) Bei der Reproduktion um !/s verkleinert. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 25 364 P. Röthig u. Theodor Brugsch: wir wohl als die hauptsächlichste Aufgabe des dritten Abschnittes der Entwicklung des Labyrinthes ansehen und wir wollen desshalb auf diese Dinge hin bei der Beschreibung unser Hauptaugenmerk richten. Modell VII (Abb. 9 und 10) gleicht schon einem Labyrinth, da bereits zwei Bogengänge sich entwickelt haben, was dem vorigen Stadium gegenüber ein erheblicher Fortschritt ist. Es ist dieses Modell besonders lehrreich in Bezug auf Entstehung und Entwicklung der Bogengänge, da alle drei sich in Uebergangs- stadien aus der Tasche in den Bogengang befinden. Zwar trägt Deo, Qqa.5.4 Fig. 9. Fie. 10. der horizontale Bogengang äusserlich immer noch das Aussehen der Tasche, doch bemerkt man auf dem Durchschnitt, dass die centralen Parthieen der Tasche bereits vollständig verklebt sind und dass nur noch die Peripherie ein Lumen hat, nämlich das des Bogenganges. Bei Betrachtung von aussen erkennt man auch an dem unteren Blatt der horizontalen Tasche eine recht erheb- liche Delle und man kann hieraus wiederum ersehen, dass die Annäherung immer nur von einem Blatte der Tasche aus erfolgt. An dem vordersten Theile der horizontalen Taschenperipherie, also an der Gegend der vorderen Einmündungsstelle des Bogen- ganges hat sich das Lumen in erheblicher Weise vergrössert, wie auch schon an dem vorherigen Modelle konstatirt worden war und die Konturen der späteren Ampulle haben sich, wenn auch in nicht allzudeutlicher Weise aus der Tasche herausdifferen- zirt. Dass die verklebten centralen Partien der Taschenwände durchrissen werden, war bereits oben schon erwähnt worden, Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 365 An den beiden anderen Bogengängen, dem sagittalen und frontalen, sehen wir das Factum dieses Vorganges deutlich, denn beiden haften noch Reste der durchrissenen Parthieen an, sodass der Zwischenraum zwischen Bogengang und Utriculus noch kein halbkreisförmiger ist, wie er es später sein soll, sondern einer- seits erheblich kleiner als den Bogengängen entsprechend und zweitens von recht willkürlicher Form ist. Da dem sagittalen Bogengange die Taschenreste namentlich in seinem hinteren Abschnitte anhafte:, so wird seine Gestalt plump und unge- ‚schickt, wenngleich man doch auf den ersten Blick mit voller Sicherheit Bogengang, Ampulle so gut wie seine Einmün:lungs- stellen bestimmen kann. Bei dieser Gelegenheit möchten wir auch noch erwähnen, dass in dem Wachsthum des sagittalen Bogenganges eine Eigen- thümlichkeit den beiden anderen gegenüber besteht. Es verdankt nämlich der sagittale Bogengang seine Grösse hauptsächlich der Grösse der oberen vertikalen Tasche, hingegen entwickeln sich die beiden anderen Bogengänge aus ihren Taschen zu einer Zeit, wo diese noch relativ klein der oberen vertikalen Tasche gegen- über sind. Ihnen selbst bleibt also der Hauptantheil des weiteren Wachsthums überlassen, während dem sagittalen Bogengang diese Arbeit zum grössten Theil durch seine Tasche abgenommen worden ist. So ist auch hier der frontale Bogengang mit dem sagittalen verglichen sehr klein, und doch stehen beide auf der- selben Entwicklungsstufe. An seinem unteren hinteren Ende, hebt sich der frontale Bogengang von der Ampulle ab, welch’ letztere allerdings nicht sehr deutliche Konturen trägt, aber sich doch scharf vom Utriculus abgrenzen lässt. Der vordere Schenkel des frontalen Bogenganges mündet allem Anscheine nach in den hinteren Schenkel des sagittalen Bogenganges; doch nur scheinbar, da die Bogengänge hier stark durch die an- haftenden Taschenreste verbreitert und weniger deutlich sich in eine kleine Aussackung des Utriculus ergiessen, die die Anlage des Sinus medianus vorstellt. Vergleicht man übrigens die Ampullen dieses Stadiums mit denen des vorherigen, so findet sich der Fortschritt darin, “dass die Ampullen hier aus ihren Taschen sich herausdifferenzirt haben, wenn sie auch hier — es mag an dem weniger gut fixirten Objekt liegen — nicht in aller Klarheit schon die Formen zeigen, 25* 366 P. Rötbig u Theodor Brugsceh: wie wir sie an den nächsten Stadien zu sehen bekommen werden. Die Richtungen, die die Ebenen der beiden Bogengänge zu der Horizontalebene der Tasche haben, sind unverändert dieselben geblieben wie im vorhergehenden Stadium (s. Modell VI. Abb. S), ja es fällt sogar die genaue Uebereinstimmung der Richtungen an beiden Modellen auf. Der wesentlichste Fortschritt jedoch, den dieses Stadium gegen das vorige aufzuweisen hat, liegt darin, dass sich die An- lage des Sacculus aus der medialen Wand des Alveus com- munis herausdifferenzirt hat. Sie stellt eine kleine ziemlich prominente Hervorwölbung der Wand des Alveus dar, die sich hier durch drei deutliche Furchen gegen die beiden vorderen Ampullen des sagittalen und horizontalen Bogenganges und gegen die pars basilaris des Ductus cochlearis abhebt. Der Ductus endolymphaticus liegt mit seiner einmündenden Stelle ziemlich genau in der Mitte der medialen Wand des Alveus communis; sein Mündungsgebiet gehört, wie spätere Stadien es uns lehren, dem Sacculus an. Wir können ihn deshalb hier nicht als dem Utrieulus zugehörig betrachten, um so weniger als auch schon hier eine Höhenfalte des Sacculus sich fast bis an die Einmündungs- stelle des Ductus endolymphaticus heranzieht. Was als Utriculus von dem Alveus communis zu betrachten ist, ergiebt sich auf sehr einfache Weise dadurch, dass wir von letzterem die Anlage des Sacculus und die Einmündungsstellen des Ductus endolym- phatieus und Ductus cochlearis abziehen. Der Rest ist der Utri- culus mit seinen Adnexen. Wie sich Utriculus und Sacculus gegenseitig noch abfinden werden, vor Allem wie der Utriculus die Mündungsgebiete der beiden Ductus dem Sacculus abtreten muss, das demonstriren die folgenden Modelle. Eine schon am vorigen Modell beschriebene Incisur findet sich hier vertieft zwischen frontaler (hinterer) Ampulle und Ein- mündungsstelle des Ductus cochlearis an der hinteren Kante des- selben. Eine zweite bereits an diesem Modell hervorgehobene Furche findet sich an der vorderen Kante des Ductus cochlearis zwischen diesem und der Sacculusanlage, welche sich aber auch ° auf die laterale Seite des Ductus cochlearis erstreckt und hier bis fast an die hintere Kante desselben reicht. Diesen Furchen Die Entwieklung des Labyrinthes beim Huhn, 367 fällt die Aufgabe zu, den Ductus cochlearis von dem Utrieulus abzuschnüren und ihn auf die Communication mit den Saceulus zu beschränken. Sie bilden später insgesammt einen Ring, der die Gegend des canalis reuniens ausmacht. Die Fortschritte des Ductus cochlearis selbst sind dem vorigen Stadium gegenüber nur gering; seine Krümmung ist etwas stärker nach vorn konvex geworden und die im vorigen Modell untere Ecke seines Fundus hat sich mehr in die Länge gezogen und damit die Anlage der Lagena mehr ausgebildet. Auch dieses Modell — es stellt ein linkes Labyrinth dar — ist in halber Grösse von zwei Seiten aus wiedergegeben.!) Fig. 9 ist die mediale Ansicht des Modells. Der unterste Theil in der Zeichnung stellt den Fundus des Ductus cochlearis vor, die Lagena (la), der oberste den sagittalen Bogengang (c. s.a.). Durch den senkrecht von der Mitte der medialen Alveus-Wand in der Zeichnung emporsteigenden und vorliegenden Ductus endolym- phatieus (D.e.) wird das Gebiet des sagittalen Bogenganges zur Rechten des Beschauers von dem des frontalen Bogenganges (ec. s. p.) zur Linken geschieden. Ungefähr in gleicher Höhe mit der Mündungsstelle des Ductus endolymphaticus liegt vorn (d. h. rechts) die noch wenig konturirte Ampulle des vorderen (sagittalen) Bogenganges (a. s. a.), links die hintere Ampulle des frontalen Bogengangs (a. f. p.). Die Zwischenräume zwischen den Kanälen und Utriculus zeigen die eigenthümliche Gestalt, als Zeichen dafür, dass den Bogengängen noch Taschenreste anhaften. Die Sacculusanlage (Sa.) ist als sehr scharf prominenter Theil in der Zeichnung rechts und schräg nach unten von der Ein- mündungsstelle des Ductus endolymphaticus zu erkennen. Die Höhenfalte der Sacculusanlage die zur letzterwähnten Stelle führt, sowie die beiden Furchen (o.F. und u. F.), die den Sacculus von der vorderen Ampulle und den Ductus cochlearis trennen, sind scharf ausgedrückt. Zwischen hinterer Ampulle und Ductus cochlearis ist gleichfalls deutlich die Jneisur (J) zu sehen. Die merk- würdige Gestalt des Ductus cochlearis ist gut wiedergeben. Die laterale Ansicht in Fig. 10 zeigt oben links den sagittalen, rechts den frontalen Bogengang. Das plump aussehende Stück des Utriculus zwischen den beiden Bogengängen ist die Anlage des Sinus medianus. Die hintere Ampulle des frontalen Bogen- !) Bei der Reproduktion um !/s verkleinert. 368 P. Röthig u. Theodor Brugsch: ganges liegt jetzt am weitesten rechts, die vordere Ampulle des sagittalen Kanales am weitesten links. Schräg von rechts oben, von der Mitte des frontalen Bogenganges beginnend zieht nach links unten die horizontale Bogentasche (h. T.). Leider ist die untere Wand, in der sich die Delle befindet, nicht zu sehen, da nur die obere Wand abgebildet ist. Unter der vorderen Ampulle (links) sieht man eine kleine rundliche Spitze hervorragen, die der Sacculusanlage angehört. Nach unten finden wir wieder den Ductus cochlearis. Ein Blick auf unser nächstes Modell (VIII in Fig. 11 und Fig. 12) belehrt uns, dass sich jetzt das Labyrinth gegen früher sehr vergrössert und was seine einzelnen Formen anbe- trifft, auch stärker differenzirt hat. Allerdings müssen wir auch Tl: Fig. 11. Fig. 12. einen erheblichen Rückschritt verzeichnen, indem sich nämlich hier noch die frontale Bogentasche erhalten hat, während sagittaler und horizontaler Bogengang der Form nach sich vollständig aus- gebildet haben. Sollen wir also an der Hand unserer Modelle ein Urtheil über die zeitliche Reihenfolge abgeben, nach der sich die Bogengänge aus ihren Taschen entwickeln, so können wir nicht umhin zuzugeben, dass darin eine grosse Willkür herrscht, wenngleich man wohl mit grösster Wahrscheinlichkeit behaupten Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 369 kann, dass sich am allerehesten der sagittale Bogengang aus seiner Tasche entwickelt; wenigstens haben wir dieses Verhalten nicht nur an allen unseren Modellen sondern auch an den nicht rekonstruirten Serien gefunden. Betrachtet man sich das Modell auf seine einzelnen Bildungen hin, so fällt wie gesagt, vor allem die völlige Ausbildung des sagittalen und horizontalen Bogenganges auf. Die Kanäle sind gerundet und die Ampullen zeigen ihre charakteristische Gestalt deutlich ausgeprägt, sie stellen hier eine Erweiterung eines ein- mündenden Bogengangschenkels dar, der bei sagittalem und hori- zontalem Bogengang der vordere Schenkel ist. Die Richtung und Form dieser Ampullenbildung hat sich aber gegenüber der gleichmässigen Rundung des halbkreisförmigen Kanales geändert, indem sich an der Stelle, wo das Bogengangsrohr in die Ampulle übergeht, eine Einknickung befindet, deren Konkavität nach dem Centrum des Bogenkreises sieht, während eine zweite stärker gerundete Einbuchtung sich etwas oberhalb der Einmündungsstelle der Ampulle in den Utriculus befindet, deren Konvexität nach dem Centrum sieht. Die Ebenen des sagittalen und horizontalen Bogenganges stehen annähernd auf einander senkrecht, hingegen hat die frontale Bogentasche die Richtung ihrer Ebene zur horizontalen in gleicher Weise wie an den vorherigen Modellen beibehalten. Und erst sehr spät, wenn sie schon lange den frontalen Bogengang aus sich hat herausgehen lassen, stellt sie sich in die richtige Ebene ein, was ein Umstand nothwendig macht, der das spätere gegen- seitige Lageverhältniss dieses Bogenganges zum horizontalen betrifft. Es wird dieser Punkt später noch seine Berück- sichtigung finden. Das Lumen der unteren vertikalen Tasche kommunizirt noch in breiter Ausdehnung mit dem Utrieulus, doch zeigt sich schon eine wenn auch kleine Delle an der hinteren Wand, die aber hier mehr nach medial sieht. An der Taschenperipherie sind die Konturen der hinteren Ampulle an ihrem untersten Theile, wie auch schon an einem früheren Modelle konstatirt worden war, deutlich sichtbar; ferner will es uns auch scheinen, als ob die . oberste Parthie der frontalen Tasche ihre Richtung so ändere, dass sie zur Ebene des sagittalen Bogenganges annähernd frontal steht. 370 P. Röthig u. Theodor Brugsch: War an dem vorherigen Stadium der Utrieulus gleichsam nur per exclusionem zu bestimmen, so können wir ihn an diesem Modell leicht und sicher abgrenzen. Das jetzt röhrenförmige Ge- bilde hat sich in die Länge gestreckt und sein Lumen bedeutend erweitert vor allem auch dadurch, dass zuvor seine Sinus sich in ihren Anlagen theilweise erheblich entwickelt haben. So finden wir den Sinus anterior und medianus deutlich angelegt. Von der Anlage des Sinus posterior lässt sich nicht reden, da die zuge- gehörige hintere Ampulle sich ja noch nicht aus der Tasche entwickelt hat. Der Sinus anterior hat sich recht bedeutend entwickelt, er liegt am vordersten Theil des Utriculus und umfasst die Gegend zwischen den beiden vorderen Ampullen einerseits und dem Sacculus andererseits; er stellt eine deutlich nach vorn spitz zulaufende Vorbuchtung des Utriculus dar. Als Sinus medianus ist der Theil des Utriculus anzusehen der etwas konisch zulaufend am hinteren oberen Ende des Utri- culus liegt. Er verläuft in der Sagittalebene und nimmt an seinem obersten Ende den hinteren Schenkel des sagittalen Bogengangs auf, gewissermassen dessen Richtung fortsetzend.. Von der lateralen Seite mündet frontal in ihn das oberste Stück der frontalen Tasche, dessen abweichender Richtung wir oben schon gedacht hatten. Den wesentlichsten Fortschritt bietet jedoch dieses Modell dadurch, dass sich die Sacculusanlage des vorigen Stadiums hier zu einem Sacculus ausgebildet hat, der sich scharf am unteren Theil der medialen Wand des Utriculus zwischen Duetus endolym- phaticus und Ducetus cochlearis abhebt. Um dem Leser das Verständniss der etwas komplizirten Verhältnisse der Saceulusentwicklung zu erleichtern wollen wir Schritt für Schritt an der Hand unserer Abbildungen die einzelnen Beziehungen des Sacceulus zur Umgebung desselben an diesem Stadium erläutern. Die mediale Abbildung (9) des vorigen Modells lässt, wie wir schon wissen, die mediale der beiden Furchen zwischen Saceulusanlage und den vorderen Ampullen (o.F.) und die Furche zwischen ihr und dem Anfangstheile des Ductus cochlearis (u.F.) klar erkennen. Die ersteren beiden Furchen haben sich an diesem Modell (Fig. 12) zu einer einzigen tiefeinschneidenden Furche Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. Sl vereinigt, die zwischen Sacculus und der medialen Wand des Sinus anterior liegt und an unserer Figur 12 am rechten oberen Rande des Sacculus leicht zu erkennen ist (zwischen Sa. und si. a.). Sie reicht nach oben bis au die Mündung des Ductus endolymphaticus, nach unten führt sie an der lateralen Seite der Einmündungsstelle des Ductus cochlearis vorbei ziehend bis an die hier sehr tiefe Ineisur (J) zwischen unterem Ende der frontalen Tasche und Duetus cochlearis. Diese. Furche, die ständig sich vertieft, nimmt die Richtung des Fortschreitens von vorn nach hinten an, und es bildet sich entsprechend dieser Furche im Innern eine vorspringende Falte, die das Lumen von Sacculus und Utrieulus durch eine doppelte Wand trennt. Hier an diesem Modell (Fig. 12) ist die Falte im Innern noch nicht allzu gross, sodass die Communication des Utrieulus und Sacculus noch eine relativ sehr weite ist. Die dritte der oben erwähnten Furchen des vorigen Modells (Fig. 9 u. F.) ist auch hier wieder vorhanden; sie zieht jetzt nicht nur um die laterale Seite der Einmündungs- stelle des Ductus cochlearis sondern auch um die mediale bis zur Ineisur (J.) und bildet jetzt einen thatsächlichen Ring, wir wollen sie deshalb auch die Ringfurche nennen. In der Zeichnung ist sie sowohl in Fig. 11 wie in Fig. 12 von lateraler wie medialer Seite aus zu sehen und liegt zwischen Sacculus, an dessen unteren Rande, und den oberen Enden des Ductus cochlearis. Später soll der Ductus eochlearis ganz von dem Lumen des Utrieulus abgedrängt werden und da die Communication beider Gebilde in der Gegend der hintersten und obersten Stelle des Ductus coch- learis liegt (an der Fig. 12 ist die Stelle durch ein links daneben stehendes Kreuz vermerkt) so ist es klar, dass die Ringfalte später von der Ineisur (J.) aus sehr tief einschneiden muss, um die Trennung des Utriculus vom Ductus cochlearis zu bewirken. An unserm Stadium ist absolut noch keine Trennung da, es mündet der Ductus cochlearis sowohl in den Sacculus wie in den Utriculus, ja sogar zum grösseren Theil noch in letzteren. Wir haben bisher noch keines Wortes der Art und Weise der Mündung des Ductus endolymphaticus gedacht. Aus unserer Fig. 12 erhellt, dass seine Axe mit der medialen Wand des Utriceulus einen sehr kleinen Winkel bildet. Infolge dessen wird . auch die Mündungsöffnung des drehrunden Ductusrohres in den Utriculus nicht eine kreisrunde sein, wie wenn er senkrecht in den Utriculus einmündete, sondern die Communicationsöffnung hat 372 P. Röthig u. Theodor Brugseh: eine längsovale Gestalt, dessen grösste Axe ungefähr in der Axe des Ducetus endolymphaticus liegt So ist denn hier also die Communicationsöffnung des Ductus eine sehr weite, die sich an seiner verdeckten Seite und an seinem unteren Ende befindet. Nun ist aber die Gegend des Utriculus die sein unterstes Ende aufnimmt Sacculus geworden, sodass also jetzt der Ductus ein- mal seitlich in die mediale Wand des Utrieulus einmündet, anderer- seits aber unten vorn sein Lumen in das des Sacculus ergiesst. So finden wir die Verhältnisse an diesem Modell (Fig. 12); später tritt eine Verschiebung dieser Verhältnisse ein, indem der Ductus endolymphaticus sein Lumen gegen das des Utriculus abschliesst und nur noch mit dem Sacculus communicirt, so dass schliesslich letzterer allein noch mit dem Utriculus in direkter Verbindung umsteht, während man, um von dem Ductus endolymphaticus oder Ductus cochlearis in den Utriculus zu gelangen, den Sacculus passiren muss. Was aiso das Lumen des Sacculus anbetrifft, so möchten wir der Deutlichkeit halber noch einmal ausdrücklich erwähnen, dass an diesem Modell (Fig. 12) der Sacculus mit dem Utriculus, dem Ductus cochlearis und Duectus endolymphaticus communicirt, dass aber jedes der beiden letzten Gebilde ausserdem noch mit dem Utriculus in Verbindung steht. Gegenüber dem vorigen Modell (Fig. 9 u. 10) hat sich die Länge des Ductus endolymphaticus nicht wesentlich geändert. Dagegen hat sich das Volumen der oberen Hälfte vermehrt und so den Anlauf genommen zu der als bulla resp. Saccus endolymphaticus bekannten kugelförmigen Erweiterung seines Endtheiles. Zwar ist die Erweiterung keine gleichmässige, da an den Schnitten das Epithel merkwürdig gefaltet war, doch kann man an der ganzen Form -— der gesammte Ductus sieht von vorn wie eine Gänse- feder aus — schon die bedeutende Vermehrnng der Wandung im oberen Theil erkennen. Recht bedeutend hat sich an diesem Modell (Fig. 12) der Ductus cochlearis mit seiner Lagena vervollkommnet. Durch die oben erwähnte Ringfurche setzt er sich scharf gegen den unteren Theil des Sacculus ab und während er mit der dünnen pars basi- laris beginnt, wird er allmählich grösser, um schliesslich in einen Sack zu endigen, der die Lagena vorstellt. Die Länge des Ductus cochlearis ist gewachsen, dagegen haben sich seine Richtungen Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 373 und Krümmungen dem vorigen Modell gegenüber wenig ver- ändert. Auch hier mögen einige Worte dem Leser das Modell in Zusammenhang erläutern, und so die Plastik des Modells an den Zeichnungen durch das Wort ersetzen.') Fig 11 (laterale Ansicht) giebt oben den sagittalen Bogen- gang (c. s. a.) wieder mit seiner linksstehenden Ampulle (a. s. a.), die Biegung des Bogenganges ist sogut wie halbkreisförmig; die Ampullen zeigen seitlich gesehen die beiden Knicke und die Er- weiterung. Rechts oben sieht in den Halbkreisausschnitt die Spitze des Ductus endolymphaticus (D. e.) hinein. In der Zeichnung horizontal verlaufend sehen wir den äusseren Bogengang (c. S. ].), dessen vordere Ampulle (a. h. a) en face gesehen vorn (d. h. links) liegt. Nach rechts unten von den hinteren Schenkeln der beiden eben erwähnten Bogengänge liegt die frontale Tasche, die oberste Parthie hat — auf der Zeichnung vielleicht nicht so deut- lich sichtbar — die Richtung geändert; in dieser Gegend haben wir auch am Utrieulus den Sinus medianus (si. m.) zu suchen. Was Utrieulus ist, scheint hier deutlich zu sein, es ist das röhren- förmige Gebilde (U), das durch die Einmündung der Tasche und der vorderen Ampullen an der charakteristischen Gestalt einbüsst. Nach unten verläuft der Ductus cochlearis (D. c.), der sicb durch die laterale Ringfurche gegen den kleinen unter dem Utriculus hervorragenden Sacculus (sa.) deutlich absetzt. Die mediale Ansicht (Fig.12), zeigt ungefähr in der Richtung einer Vertikalen verlaufend den Ductus endolymphaticus oben (D. e.), den Sacculus (sa.) in der Mitte und nach unten den Ductus cochlearis (D. c.) mit der Lagena (la... Die obere Hälfte des Ductus endolymphaticus ist die Anlage des Saccus endolym- phaticus (sa. e.); rechts von ihm liegt wieder der sagittale Bogen- gang (c. s. a.) mit der Ampulle unten (a. s. a.) links unten von ihm die frontale Bogentasche (f. T.).. Die Ampulle der letzteren ist schon in den Conturen am unteren Ende der Tasche zu er- kennen (a. f. p.). Rechts vom Sacculus (sa.) also vorn im Modell liegt der spitz zulaufende Sinus anterior (si. a.), unter ihm die vordere Ampulle des horizontalen Bogenganges (a. h. a.). Unser vorletztes Modell IX (Abb. 13 u. 14) gleicht äusser- lich in seiner Form fast dem fertigen Labyrinth. Aber abgesehen ') Fig. 11 u. 12 ist bei der Reproduktion um !/s verkleinert. 3714 P. Röthig u. Theodor Brugsch: davon, dass seine Grössenentwicklung gegenüber dem vorigen Stadium gleich Null ist, (ja es ist dieses Modell fast kleiner als das vorige, was natürlich nicht als Zeichen eines geringeren Alters c.s.d. Fig. 13. anzusehen ist, sondern in der Verschiedenheit der Eiart begründet liegt), wir finden auch hier nock zum grossen Theil Uebergangs- Fig. 14. Die Entwicklung des L,abyrinthes beim Huhn. 375: formen, die aber nur einen Schritt von der vollendeten Ent- wickelungsstufe entfernt sind. Zum ersten Male sehen wir hier alle drei Bogengänge fertig gebildet, die Ampullen charakteristischer ausgeprägt und die Kanäle zierlich rund, ohne jeden Rest von noch anhaftenden Taschenresten. Die Einstellung der Bogengangsebenen ist fast vollendet, wenigstens steben sagittaler und horizontaler Bogengang auf ein- ander senkrecht, während der frontale Bogengang noch nicht ganz frontal mit seiner Ebene steht, sondern immer noch ein wenig schräg vertikal nach hinten sieht. Dieser Bogengang hat also mit seiner Ebene aus der ursprünglichen Lage eine Drehung um eine Axe gemacht, die man sich durch die Einmündungs- stellen seines Kanales in den Utriculus gelegt denken muss. Bei dieser kreisenden Bewegung würde der horizontale Bogen- gang, da er mit seinem hinteren Schenkel zwischen dem oberen Schenkel und der Ampulle des frontalen Bogenganges in den Utrieulus mündet, sicherlich mit dem frontalen kollidiren, wenn er sich nicht in den halbkreisförmigen Ausschnitt des frontalen Bogenganges hineinschöbe. Auf diese Weise geht schliesslich der frontale Bogengang rechtwinklig über den horizontalen hinweg, indem beide Bogengänge sich kreuzend gleichsam einander halbieren. Eine Phase dieses Manövers zeigt uns unser Modell IX (Fig. 14). Man sieht wie der frontale Bogengang (c. s. p.) schon über den hintersten Theil des horizontalen Bogenganges (c. 8. 1.) hinweggeht und wie sich der letztere an der dem frontalen Bogengang zunächst liegenden Stelle einbuchtet, um die gegen- seitige Berührung zu vermeiden. Aprioristisch könnte man meinen, dass sich der frontale Bogengang früher, d. h. schneller und grösser entwickeln müsse, als der horizontale, da er, um das Manöver der Ueberwanderung gut ausführen zu können, eine grössere Peripherie als der hori- zontale haben muss. Aber bei allen unseren Modellen und Serien haben wir merkwürdiger Weise gerade das Gegentheil gefunden; stets war der horizontale Bogengang erheblich grösser ent- wickelt; es muss dann natürlich der letztere sich an seiner hinteren Bogenperipherie stark einknicken, um das rein mechanische Hinderniss bei der Ueberbrückung zu beseitigen. Der Utrieulus mit seinen Ausbuchtungen hebt sich an diesem 376 P. Röthig u. Theodor Brugsceh: Stadium deutlicher hervor; trotzdem ist es sehr schwierig, in den Figuren 15 und 14 sein Gebiet deutlich abzugrenzen. Er stellt hier eine kurze, ziemlich enge Röhre vor, an deren vorderem Umfange sich der Sinus anterior (si.a.)ausdehnt. Letzterer hat immer noch die nach vorn ausgebuchtete Gestalt und nimmt in seiner oberen Wand die sagittale vordere Ampulle (A. s. a.), in seiner äusseren Wand die horizontale vordere Ampulle (A. h. a.) auf. Die mediale Wand lehnt sich an die entsprechend laterale Wand des Saceulus (Figur 14), und zwar sind diese beiden Wände weiter garnichts anderes als die Wände der durch die tiefe zwischen Sacculus- und Utrieuluswand einschneidende Furche hervorgebrachten Falte. Wo dahinter die Communicationsöffnung zwischen Sacculus und Utrieulus beginnt, da hören diese Wände auf, es erstreckt sich also auch die mediale Wand des Sinus anterior nicht hinter die genannte Communicationsöffnung. Und von dieser Oeffnung an zieht sich eine ringförmige Furche an der hinteren Grenze der vorderen sagittalen Ampulle entlang bis wieder zur Oeffnung zurück, es ist die Abgrenzung des Sinus anterior von dem hinter ihm liegenden Utriculus. Erheblich weiter hatssich hier auch der Sinus medianus (si. m.) gebildet; er stellt jetzt eine konische Ausbuchtung des Utrieulus an dessen oberen hinterem Ende dar. Diese wendet sich gleich- falls nach hinten oben, und in der Sagittalebene mit ihrer Axe liegend nimmt sie an ihrem oberen Ende von hinten her den hinteren Schenkel des sagittalen Bogenganges auf. Unterhalb und etwas nach vorn von der Einmündungsstelle des letzteren ergiesst sich in den Sinus von aussen her in frontaler Richtung der obere Schenkel des frontalen Bogenganges (c. s. p.). Dass sich im Vergleich mit seiner Anlage im vorigen Modell der Sinus medianus so schnell entwickelt hat, liegt einzig und allein in der Ausbildung des frontalen Bogenganges. Durch das Zusammenkleben der Blätter der Tasche an jener Stelle des Utriculus wird das Lumen desselben so erheblich verengt, dass daraus die Entstehung jener röhrenförmigen Bucht resultirt, welche man mit dem Namen des Sinus medianus belegt. Am hinteren unteren Ende des Utriculus liegt die noch wenig entwickelte Anlage des Sinus posterior (s.i.p.), die eine Fortsetzung zur hinteren (fron- talen) Ampulle (A. f. p.) bildet; die Ursache seiner Entwickelung im unteren Theil wird später noch besprochen werden. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 377 Zwischen Sinus medianus und Sinus posterior in der Mitte mündet der hintere Schenkel des horizontalen Bogenganges in die hintere Wand des Utriculus. Was den Sacculus und seine Beziehungen zum Utriculus, Duetus endolymphatieus und Ductus cochlearis betrifft, so haben sich diese Verhältnisse gegenüber dem vorigen Stadium in der bereits oben angedeuteten Weise weiter vervollkommnet.” Vor Allem hat sich die tiefe Furche zwischen Sacculus und der medialen Wand des Sinus anterior sehr viel weiter vertieft. In Fig. 14 ist diese Furche zwischen Sacculus (sa.) an dessen linken und oberen Rand und dem Sinus anterior (si. a.) deutlich sichtbar, ihre Richtung ist an dieser Stelle durch einen Pfeil markirt. Um das Lumen des Ductus endolymphaticus, das, wie schon gesagt, sowohl in den Sacculus wie in den Utriculus mündet, von letzterem ganz und gar abzuschliessen, macht sich zum ersten Male an diesem Stadium eine Bildung geltend, die aber hier noch nicht das ganze Lumen des Ductus von dem des Utriculus ab- zutrennen vermag. Es bildet sich nämlich zwischen medialer Wand und Ductus endolymphaticus eine Furche, die im Innern als Falte vorspringt und auf diese Weise eine doppelte Wand zwischen Ductuslumen und Utriculuslumen bildet. Die Furche ist an Fig. 13 durch einen Pfeil zwischen Sinus medianus (si. m.) und Ductus endolymphaticus kenntlich gemacht. Die Richtung dieser Furche läuft entgegengesetzt der der ersterwähnten zwischen Sacculus und Sinus anterior; sie geht also von hinten nach vorn. Durch diese beiden im Innern als Faltenbildungen sich dokumentirenden Furchen wird schliesslich die Communicationsöffnung des Sacculus mit dem Utriculus von zwei Seiten, von vorn und hinten, eingegrenzt. Eine recht erhebliche Arbeit hat an diesem Modelle auch die Incisur (J) zwischen hinterer frontaler Ampulle und pars basi- laris des Ductus cochlearis geleistet. Sie ist weiter in die Tiefe gedrungen und hat unter Verengerung des Utriculus die hintere Ampulle von unten freigelegt. Die ringförmige Furche hat an dem hinteren Theile (also von der Incisur aus) schon erheblicher eingeschnitten, sodass die Communication zwischen Ductus cochlearis und Utriculus keine allzu- grosse mehrist. An dem vorderen Theil hat die Furche sich etwas ver- breitert und — in der Zeichnung zwischen Sacculus (sa.) und Ductus cochlearis (D. c.) (Fig. 13) deutlich sichtbar — auch ein wenig vertieft. 318 P. Röthig u. Theodor Brugseh: Eine neue wenig tiefe Furche hat sich, um die Einmündungs- stelle des Ductus endolymphaticus von dem Gebiet des Sacculus abzugrenzen, zwischen beiden an der medialen Seite gebildet; sie ist an Fig. 13 zwischen Sacculus (sa.) und Ductus endo- Iymphatieus (D. e.) recht gut zu erkennen. Es sei der Deutlichkeit und Klarheit wegen noch einmal hier hervorgehoben, dass an diesem Modell der Sacculus sowohl mit dem Utriculus wie mit dem Duetus endolymphaticus und Ductus cochlearis communieirt, dass aber auch noch die beiden letzteren mit je einer kleinen Oefinung mit dem Utriculuslumen in offener Verbindung stehen. Die Gestalt. des Sacculus — abgesehen davon, dass er aus der Umgebung durch die Furchen etwas mehr herausgebracht worden ist — hat sich an diesem Modell absolut nicht geändert; vielleicht ist sein Lumen etwas grösser geworden. Der Ductus endolymphaticus ist nicht weiter in die Länge gewachsen. Der obere Theil desselben, der schon am vorigen Stadium die Anlage des Saccus endolymphaticus durch eine un- gleichmässige Erweiterung seines Lumens vorstellte, hat dieselbe Form. Dagegen hat der einmündende Schenkel des Ductus endo- Iymphaticus sich ampullenartig erweitert, und das ist auch der Grund dafür, dass sich zwischen Sacculus (sa.) und Ductus endo- Iymphatieus (d. e.) die schon beschriebene Furche findet. Der Ductus cochlearis hat sich wenig gegen das vorherige Stadium geändert; er hat zwar schon eine annähernd dreikantige prismatische Gestalt, deren Flächen der Lamina vestibularis, Lamina tympanica und der äusseren Wand des epithelialen (häutigen) Schneckenganges entsprechen, aber dass sich die Kanten beim Modelliren der Modelle etwas verwischen, ist leicht verständlich, und so sehen wir auch nur die vordere Kante (Fig. 15) einigermassen deutlich. Richtungen und Krümmungen wie Form der Lagena sind unverändert dieselben geblieben wie am vorigen Modell. Die Erläuterung der Abbildungen des Modells ist zum grössten Theil schon in der Beschreibung gegeben, doch möchten wir noch einiges hervorheben, was oben den Zusammenhang gestört hätte.') Fig. 14 (die laterale Ansicht des Modells) zeigt, wie die Ebenen der drei Bogengänge zu einander stehen; der frontale ') Fig. 13 u. 14 ist bei der Reproduktion um !/s verkleinert. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 379 (e. s. p.) überwandert schon den horizontalen (c. s. 1.) an seinem hinteren Ende; man erkennt deutlich die kleine Einbuchtung. In der Abbildung liegt rechts der Sinus anterior (si. a.) mit seinen beiden vorderen Ampullen, der höher liegenden sagittalen (A.s.a.) und der tiefer und rechts liegenden horizontalen Ampulle (A.h.a.). Unterhalb der Mitte des horizontalen Bogenganges in der Figur liegt eine kleine Ausbuchtung, welche der unteren Wand des Sinus anterior angehört; links davon zieht nach oben am linken Rande der sagittalen Ampulle (A.s. a.) die Furche, die Sinus anterior vom Utriculus trennt. Der Sinus medianus (si. m.) ist daran leicht kenntlich, dass in ihn die beiden hinteren Schenkel des sagittalen und frontalen Bogenganges münden. Der Sacculus (sa.) ist an der Figur als das Verbindungsstück zwischen Utriculus und Ductus cochlearis sichtbar. Fig. 13 ist die mediale Ansicht des Modells. Hier tritt die spitz nach vorn zu laufende Gestalt des Sinus anterior deutlich zu Tage, an seiner unteren Wand zeigt sich wieder die kleine Ausbuchtung. Die konische Gestalt des Sinus medianus (si. m.) ist hier deutlich zu erkennen. Ueber das Verhältniss zwischen Sacculus, Duetus cochlearis und Ductus endolymphaticus an dieser Zeichnung vergleiche man weiter oben. Der Pfeil rechts oben — zwischen Ductus endolymphaticus und Sinus medianus — be- deutet die Richtung der Utriculo-Ductus endolymphaticus-Furche; der zwischen Sinus anterior und Sacculus stehende Pfeil giebt die Richtung dieser Furche. Zur Erläuterung des Verhältnisses des Utrieulus zu seinen sagilale Ampulle a SS /Ym / SD A fer & S U / \ [horizontaler Bogengang > ‚ a af ir - N rior mil. Duct: endol. ‘ Ä lions: ebiet des Grenze des \ Ws mitSacrulus UOP7UOX1.10Y OP JO1g0 sinus anlerior vomulriculus puny Wj».070] .10p un oyyndınyy mit.Ductus cochlearis Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 59. 26 380 P. Röthig u. Theodor Brugsceh: Sinus und die Oefinung desselben gegen Sacculus, Ductus endo- Iymphaticus und Ductus cochlearis soll umstehende schematische Figur!) dienen, die nach dem Modell (Fig. 13 u. 14) genommen ist. Unser letztes Modell (X, Fig.15 u. 16) zeigt das epitheliale Labyrinth in seiner Vollendung; es gleicht durchaus dem von G. Retzius beschriebenen membranösen Labyrinth von Gallus domesticus. Um das Modell vollständig zu beschreiben, wollen wir auch die Richtungen der einzelnen Theile angeben und müssen zu diesem Zwecke wiederholen, was wir schon an einem der früheren Stadien besprochen und für alle folgenden verallgemeinert hatten. Fig. 15. Der Ductus endolymphaticus bildet nämlich mit dem Ductus cochlearis — jetzt hat sich natürlich auch der Sacculus ein- geschaltet — einen ziemlich stark gekrümmten Bogen mit nach innen gerichteter Konkavität. Stellen wir uns die Bogengänge in ihre ideellen Ebenen ein, so hat der Ductus cochlearis die Richtung nach innen unten und etwas nach vorn, aber so, dass sein vorderster Punkt nicht !) Es sind die Umrisse des Modells IX nach den Figg. 13 und 14 ge- nommen und die Art der Mündung des Sacculus, Ductus endolymphaticus und Duetus cochlearis projizirt eingezeichnet worden. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. B) an der Lagena liegt, sondern etwa die Mitte der nach oben vorn gerichteten Convexität des Schneckenganges ist. Der Ductus endolymphaticus ist nach hinten oben gerichtet; sein höchst e Punkt liegt nicht in dem Fundus des Saccus endolymphaticus, sondern ungefähr in der Mitte der vorderen (oberen) Wand des- selben. Die Richtung des Utriculus ist fast parallel laufend mit der des Ductus endolymphaticus; also von unten vorn nach oben hinten. Sein tiefster Punkt liegt vorn am Sinus anterior, sein höchster am Sinus medianus (cfr. hierzu die Fig. 16). Ueber die Lage der anderen Theile möge man mit Hülfe der Figuren die Ergebnisse aus der folgenden Beschreibung ziehen.') Um mit dem Utriculus zu beginnen, so können wir ihn als ziemlich enge kurze Röhre beschreiben, dessen Umfang aber noch vergrössert wird durch drei Sinus (s. Fig. 15, U.). Der Sinus anterior (si. a.) liegt am vorderen Ende des Utriculus, eine gewaltige Ausbuchtung des Utriculus vorstellend, die mit stumpfer Spitze nach vorn ausläuft. An seiner lateralen Wand nimmt er die Mündung der horizontalen Ampulle auf (A. h. a.) und an seiner oberen Wand, aber etwas mehr nach aussen, die Mündung der sagittalen Ampulle (A. s.a.). Die mediale Seite des Sinus legt sich eng an die laterale Seite des Sacceulus, sodass beide Wände an diesem Modell fest verklebt erscheinen. Wie wir an dem vorigen Modell schon erwähnt hatten, sind diese beiden Wände weiter nichts als die durch die Saceulo-Utriculus-Furche im Innern gebildete Falte, die sich hier stark ausgebildet hat, indem sie gleichzeitig zusammen mit der Utriculo-Ductus endolymphaticus-Furche die Communicati ons- öffnung des Sacculus und Utriculus auf ein kleines Loch be- schränkt. Fig. 16 zeigt durch einen Pfeil zwischen Sacculu s (sa.) und Sinus anterior (si. a.) die Gegend an, wo die Wände ver- klebt sind, wo also die Furche sich befindet. Die untere Wand des Sinus anterior ist glatt; letzterer setzt sich nun durch eine Einschnürung gegen den schmalere n Utriculus ab, die von der Utriculo-Saceulus-Oeffnung beginne nd, auf der oberen Fläche des Utriculus an der hinteren Grenze der vorderen sagittalen Ampulle entlang zieht und u nten in der tiefen Furche zwischen Saceulus und Utriculus endigt. In Fig. 16 ist sie sehr deutlich zu erkennen, wenn man sich den hinteren Theil der sagittalen Ampulle (a.s.a.) a ı ıch ") Fig. 14 u, 15 wurde bei der Reprodukion um !/s verkleinert. 2g* 382 P. Röthig u. Theodor Brugsch: und die dunkelschattirte Linie bis zu der Gegend verfolgt, wo die Furche zwischen Saceulus und Endolymphaticus liegt. Auch Fig. 15 lässt die Furche zum Theil erkennen; sie steht hier in Fig 16. der Zeichnung etwa senkrecht über der Mitte des horizontalen Bogenganges und zieht schwach markirt zum hinteren Ende der sagittalen Ampulle (a. s.a.). Dass der Utriculus an der unteren Seite verschmälert ist, kann hauptsächlich der Arbeit der Ineisur (J.) zwischen Ductus cochlearis und hinterer Ampulle (A. f.p.) zugeschrieben werden; sie hat an diesem Stadium sowohl den Ductus endolymphaticus von unten als auch noch von seiner lateralen (hierin der Zeichnung 16) verdeckten Seite freigelegt und zugleich den Sinus posterior aus dem Utriculus weiter entwickelt. Die mediale Wand des Utriculus trägt unten vorn an der Grenze des Sinus anterior, in der Zeichnung 16 vom Sacculus verdeckt, die kleine Communicationsöffnung des Utrieulus mit dem Sacculus, welcher jetzt nur noch ganz allein mit dem Utriculus communieirt, da Ductus cochlearis und Ductus endo- Iymphaticus beide von dem Lumen des Utriculus an diesem Stadium abgeschnitten worden sind. Dadurch, dass die Falte zwischen dem Utrieulus und Ductus endolymphaticus aussen als Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn, 383 Furche sichtbar, hier eine Scheidewand zwischen den Lumina der beiden bildet, mündet der Ductus endolymphaticus nur noch in den Sacculus an dessen oberer hinterer Wand (s. Fig. 16). Da die letzterwähnte Falte auch die Communicationsöffnung des Sacculus und Utriculus von hinten her beschränkt hat,- so ist leicht verständlich, dass letztere Oeffnung nur durch eine doppelte verklebte Wand geschieden unmittelbar neben der Mündung des Duetus endolymphaticus in dem Sacculus liegen muss. Es befindet sich also die Saceulo-Utrieulus-Oeffnung hinten oben an der lateralen verdeckten Wand des Sacceulus. Auf welche Weise der Ductus cochlearis seine Verbindung mit demUtriculus einbüsst, findet ihreBesprechung — obgleich beim vori- gen Modell bereitsangedeutet — weiter unten beim Canalisreuniens. Die zweite grosse Ausbuchtung des Utrieulus ist nach Retzius der Sinus superior, der nach jenem Autor eine nach hinten oben gerichtete Aussackung an jenem hinteren oberen Theil vorstellen soll, in den alle hinteren Schenkel der drei Bogengänge einmünden sollen. Wir halten es aber nach unseren entwickelungsgeschichtlichen Erfahrungen für richtiger, diesen Sinus superior in einen Sinus medianus aufzulösen und den hinteren Schenkel des horizontalen Bogenganges getrennt zwischen Sinus medianus und Sinus posterior (s. Fig. 15) in die hintere Wand des Utrieulus einmünden zu lassen. ') | Die Lage des Sinus medianus (si.m ) ist am hinteren oberen Ende des Utriculus; seine Axe liegt in der Sagittalebene und ist gleichfalls nach hinten oben gerichtet. Seine Form ist röhren- förmig. Die hinterste Stelle nimmt den hinteren Schenkel des sagittalen Bogenganges auf, während etwas nach vorn und aussen von dieser Stelle annähernd unter dem rechten Winkel der obere Schenkel des frontalen Bogenganges einmündet (vergl. Fig. 15 und 16, si. m.). Am unbedeutendsten ist der dritte Sinus. Wegen seiner Lage am hinteren unteren Ende des Utriculus genannt der Sinus posterior. Er stellt eine nicht sehr grosse röhrenförmige Aus- buchtung des Utrieulus dar mit der Richtung nach unten und etwas medial, in den rechtwinklig von aussen in der Frontalebene die Ampulle des frontalen Bogenganges einmündet. (Fig. 15, ‘) Nach unserer Auffassung ist in Fig. 16 der Sinus medianus das- jenige Gebiet, das zwischen der punktirten Linie und den Schenkeln des sagittalen und frontalen Bogenganges liegt. 384 P. Röthig u Theodor Brugsch: si. p., hier ist der Sinus posterior zu beiden Seiten des frontalen Bogenganges in dessen mittlerem Stück sichtbar.) Was die Bogengänge anbetrifft, so stehen sie hier alle auf- einander mit ihren Ebenen senkrecht. Der frontale Bogengang kreuzt ferner den horizontalen von aussen. Letzterer hat sich an der Kreuzungsstelle, um einer Berührung auszuweichen, ein- geknickt (s. Fig. 15, c.s.l. und c. s. p.). Die Rundung des Bogenganges ist ziemlich gleichmässig an allen drei Kanälen bis auf die Eigenthümlichkeit des hori- zontalen Bogenganges. Die Ampullen haben sich mehr aus- gebaucht, aber sonst ihre beiden charakteristischen Knicke be- wahrt (s. die drei Ampullen in Fig. 15). An der medialen Wand des Sinus anterior und Reimann noch des Utriculus liegt als rundes Säckchen der Sacculus (Sa., Fig. 16), der durch eine Furche sich absetzend nach hinten in den Duectus endolymphaticus ( (D. e.) übergeht. Dieser hat an seinem hinteren Ende den grossen Sack (Saccus endolymphaticus) entfaltet, während sein Lumen an der Einmündungsgegend in den Sacculus ampullenartig erweitert ist. An der unteren Wand des Sacculus liegt die pars basilaris des Ductus cochlearis (D. c.), beide getrennt durch die in der ° Zeichnung (Fig. 16) deutliche und von der medialen Seite aus gesehene Ringfurche. Diese hat als Fortschritt dem vorigen Modell (IX) gegenüber an der vorderen Kante des Ductus coch- learis tief zwischen diesem und dem Sacculus eingeschnitten, sodass also die Communicationsöffnung beider auf die hinterste Stelle der unteren Wand des Sacculus und an entsprechender Stelle des Ductus cochlearis verlegt ist. Von hinten her hat die Ringfurche den Ductus cochlearis von dem Utriculus vollständig abgeschnürt, sodass, wie bereits gesagt, der Ductus cochlearis nur noch in den Sacculus mündet; diese Stelle wird jetzt durch die sehr verbreiterte Ringfurche, die kreisrund ist, gebildet, und stellt hier den fertigen Uanalis reuniens dar. Der Ductus cochlearis ist mächtig gewachsen; seine Gestalt ist dreikantig prismatisch, unter Zunahme seines Volumens geht er schliesslich in die mächtige Lagena über, die einen rundlichen Sack an seinem blinden Ende bildet. In Fig. 15 ist der ganze Ductus cochlearis (D.;c.) mehr in der Richtung seiner Längsaxe gesehen, es kommt aber in der Zeichnung bei dieser Projektion seine Grösse nicht voll zur Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn, 385 Geltung Die Seitenansicht des Duetus in Fig. 16 haben wir wegen seiner Grösse nicht gezeichnet, da er mindestens einen Raum von der Länge der ganzen Zeichnung eingenommen hätte. Wir sind am Ende unserer Entwickelungsreihe angelangt und haben nun einen Ueberblick über die ganze Entwickelung. Wenn sich auch ein Modell nicht in allen seinen Theilen so an das andere schliesst, dass wir immer nur Fortschritte in der Entwickelung vor uns haben, so dürfen wir auch nicht vergessen, dass diese Modelle nicht Stadien desselben Eies, sondern ver- schiedener Eier sind, deren erstdurchlaufene Entwickelung wir nicht gesehen haben. ‘ Zum Schlusse unserer Arbeit möchten wir noch Gelegenheit nehmen, Herrn Geheimrath Prof. Dr. OÖ. Hertwig unseren Dank auszusprechen für das Interesse, das er der Arbeit entgegengebracht hat und für die Bereitwilligkeit, mit der er uns die Mittel des Instituts zur Verfügung gestellt hat. Literatur -Verzeichniss. A. Ueber die Entwickelung des Gehörgrübchens. 1. Huschke, Ueber die erste Bildungsgeschichte des Auges und Öhres beim bebrüteten Hühnchen, Isis von Oken, 1831, S. 950. Ferner: Ueber die erste Entwickelung des Auges. Merkel’s Archiv, 1832. 2. Poli, C., Sviluppo della vesicula auditiva studio morfologico. Genova, 1896. 3. Derselbe, Zur Entwickelung der Gehörblase bei den Wirbelthieren. Archiv f. mikrosk. Anat,, Bd. XXXXVIIL, 1897, B. Ueber Bildung des Gehörbläschens und des Recessus labyrinthi. 4. Keibel, Ueber die erste Bildung des Labyrinthanhanges. Anat. An- zeiger, Bd. XVI, 1899. 5. Krause, R., Die Entwickelung des Aquaeductus vestibuli, s. Ductus endolymphaticus. Anat. Anzeiger, Bd. XIX, No.3 und 4, ©. Bildung der Bogengänge. 6. Derselbe, Die Entwickelungsgeschichte des häutigen Bogenganges. Archiv f. mikrosk. Anat., Bd. XXXV, 1890. 7. Rathke, H,, Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere, 1838. 8. Rüdinger, Zur Entwickelung des häutigen Bogenganges des inneren Ohres. Sitzungsberichte, Akademie München, 1888. D. Allgemeine Entwickelung des Labyrinthes. 9. Hasse, C., Beiträge zur Entwickelung der Gewebe der häutigen Vogel- schnecke. Zeitschr, f. wissensch. Zoologie, Bd. XXVII, 1867, E. Morphologie des fertigen Labyrinthes. 10. Brechet, Recherches anatomiques et physiologiques sur l’organe de l’audition chez les oiseaux. Avec Atlas. Paris, 1836. 11. Deiters, Untersuchungen über die Schnecke der Vögel. Archiv f. Anat. u. Phys., 1860. 386 P. Röthig u. Theodor Brugseh: 12. Hasse, C., De cochlea avium. Dissert. Kiliae, 1866. 13. Derselbe, Der Bogenapparat der Vögel. Zeitschrift für wissensch. Zoologie, Bd. XXVII, 1867. 14. Derselbe, Die Morphologie des Labyrinthes der Vögel. Anatomische Studien (Hasse), 1873. 15.!) Reissner, De auris internae formatione. Diss. Dorp., 1857. 16. Retzius, Das Gehörorgan der Wirbelthiere. Stockholm, 1881/84. II. Theil: Reptilien, Vögel, Säuger. Erklärungen der Figuren. Modell 1, 2, 3 ist in natürlicher Grösse wiedergegeben, stellt eine hundertfache Vergrösserung des Gehörbläschens dar, Modell 4—10 dagegen ist nur in halber Grösse wiedergegeben, würde also einer 50 fachen Ver- grösserung des Labyrinthes entsprechen.?) Fig. 1 stellt einen 5 « dicken Schnitt durch ein Gehörgrübchen eines 66 stündigen Hühnerembryos vor. Vergrösserung 650 fach. — Gehörgrübchen; = Nachhirn; . — Ektoderm. Fig. 2 (Modell I) ist die Abbildung eines rechten Gehörorgans eines Hühner- embryos mit der Ansicht von aussen. Alter unbestimmt. g. — Gehörbläschen ; e. — Ektoderm mit der ektodermalen Gehörgrübchenöffnung. Fig. 3 (Modell II) eines rechten Gehörorgans eines Aühnerembryos mit der Ansicht von aussen; Alter unbestimmt. 9. = Gehörgrübchen ; e. = Eetoderm mit der ectodermalen Gehörgrübchenöffnung. Fig. 4. 5 « dicker Schnitt durch die Epithelbrücke und Anlage des Recessus labyrinthi eines Gehörbläschens; 72stündiger Hühner- embryo. Vergrösserung 800 fach. ar8 e. = Ektoderm; r.l. — Matrix des Recessus labyrinthi; e.b. — Epithelbrücke. Fig. 5 (Modell III). Gehörorgan der rechten Seite; Alter des Hühner- embryos unbestimmt. Ansicht von vorn. g. = Gehörbläschen ; e. — Ektoderm; e.b. = Epithelbrücke. Fig. 6 (Modell IV). Gehörorgan der rechten Seite; Alter des Hühnerembryos unbestimmt. Ansicht von hinten. r.l. = Recessus labyrinthi mit Epithelzacke; s.t. = obere vertikale (sagittale) Taschenanlage; h.t. — horizontale Taschenanlage ; d.c. = Anlage des Ductus cochlearis mit der Lagena. !) Diese Arbeit war uns leider nicht zugängig. 2) Die Zeichnungen der Modelle 4—10 sind bei der Reproduktion um !/s verkleinert. Die Entwicklung des Labyrinthes beim Huhn. 387 Fig. 7 (Modell V). Gehörorgan der linken Seite eines vier Tage alten Hühnerembryos. Ansicht von innen. d.e. — Duetus endolymphaticus; s.t. = obere vertikale (sagittale) Tasche ; f. t. = hintere vertikale (frontale) Tasche; d.c. = Anlage des Ductus cochlearis mit der Lagena. & 8 (Modell VI). Gehörorgan der rechten Seite eines Hühnerembryos von 6 Tagen 17 Stunden, Ansicht von aussen, Fi 5) s.t. = obere vertikale (sagittale) Tasche; a.s.a. — Anlage der vorderen Ampulle des sagittalen Bogenganges; r.l. = Recessus labyrinthi s. Ducetus endolymphaticus; f.t = untere vertikale (frontale) Tasche ; i. = Ineisur zwischen frontaler Tasche und pars basilaris des Duetus endolymphaticus; d.c. = Ductus cochlearis; la. = Anlage der Lagena. Fig. 9 | (Modell VII). Gehörorgan der linken Seite eines Hühnerembryos von | 7 Tagen 17 Stunden, Fig. 9 giebt die mediale Ansicht des Modelles wieder; Fig. 10 die laterale. e.s. a. — Canalis semicireularis sagittalis s. anterior; c.s.p. = Canalis semieireularis frontalis s. posterior ; a.s,a. = Ampulla sagittalis anterior; a.f.p. = Ampulla frontalis posterior, o.f. — obere Furche (zwischen Sacculus und vorderer Ampulle); u. f. = untere Furche (zwischen Sacculus und Ductus cochlearis); J. = Juelsur; h. T. = horizontale Tasche; d.c. = Ductus cochlearis; Sa. — Sacceulusanlage; la. = Anlage der Lagena;; Fig. 11 | (Modell VIII). Gehörorgan der linken Seite eines Hühnerembryo von fünf Tagen. Fig. 11 Ansicht von aussen; Fig. 12 Ansicht von innen, e. 5. a. — Canalis semieircularis sagittalis s. anterior; e s.l. = Canalis semieireularis horizontalis s. lateralis; a. 8.d. — Ampulla sagittalis anterior; a. h.a. = Ampulla horizontalis anterior ; f. T. = untere vertikale (frontale) Tasche; U. = Utrieulus; J. —= Ineisur zwischen frontaler Tasche und Ductus cochlearis; D. ce. — Duetus cochlearis; la. = Lagena; d.e. = Ductus endolymphatieus; Sa. — Saceulus; si, a. — Sinus anterior; si.m. — Sinus medianus; sa. e. — Saccus endolymphatieus, 388 Röthig u. Brugsch: Die Entwicklung des Labyrinths beim Huhn. Fig. 13 \ (Modell IX). Gehörorgan der rechten Seite eines Hühnerembryos Fig. 14 j von 8 Tagen 17 Stunden. Fig. 13 Ansicht von innen; Fig. 14 Ansicht von aussen. Die Bezeichnungen sind dieselben wie in Fig. 11 und 12 bis auf c. 8.9. — ÜCanalis semicircularis frontalis s. posterior; a.f.p. = Ampulla frontalis posterior. Fig.15 | (Modell X). Gehörorgan der rechten Seite eines Hühnerembryos Fig. 16 h von 11 Tagen 17 Stunden. Fig. 15 Ansicht von aussen; Fig. 16 Ansicht von innen. Die Bezeichnungen sind dieselben geblieben wie in Fig. 11,12, 13 und 14. Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. Von Dr. med. Max Moszkowski. Hierzu 4 Textfiguren. Th. Boveri') hat darauf hingewiesen, dass der gemeine Pferdespulwurm (Ascaris megalocephala) in zwei Varietäten vor- kommt. Nach dem Vorschlage O. Hertwig’s?) wurde dann die eine derselben, weil ihr reifer Eikern, ebenso wie ihr Sperma- kern, je zwei Chromosomen enthält, Asc. megaloc. bivalens ge- nannt, die andere Asc. megaloc. univalens, weil hier nur je ein Chromosom sich in Ei- und Spermakern vorfindet. Die erste Varietät ist näher zuerst von Carnoy°) die zweite von van Ben&den‘) beschrieben worden. Boveri betont ausdrücklich dass es sich um zwei streng geschiedene Varietäten handelt, der- gestalt, dass ein und dasselbe Individuum immer nur ı) Sitz-Ber. der Gesellschaft für Morph. u. Phys. zu München Bd. III Heft 2. 1887. — Th. Boveri, Zellstudien Heft 2, Jena, Verlag von J. Fischer 1887. ») O0. Hertwig, Ei- und Samenbildung bei Nematoden Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36, 1890. ») J. B. Carnoy, La cytodierese de l’oeuf. La vesic. germinative et les globules polaires de !’Ars. mögalocephale. La Cellule T. II, fasc. 1. “) E. van Ben6den, Recherches sur la maturation de l’oeuf, la f6condation et la disvision cellulaire. Arch. debiol. Vol. IV. Paris 1883. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. 389 Eier derselben Typus enthalten kann. Von dieser Regel ist ihm nur eine Ausnahme vorgekommen: „Als ich zu Anfang meiner Untersuchungen “, sagt er, „stets Eier derselben Art (univalens, d. Verf.) zu Gesicht bekam, fiel mir einmal ein noch unbefruch- tetes Ei auf, welches sich von allen andern Eiern desselben In- dividuums durch einen ungewöhnlichen Reichthum an Chromatin auszeichnete“!). Boveri hielt dieses Ei erst für eine Abnormität, konstatirte aber später, dass es an Chromatingehalt den Eiern der Varietät bivalens vollkommen glich. Abweichungen, die in ihrer Art diesem Falle ganz ähnlich sind, hat derselbe Autor auch bei einer anderen Thierspecies gemacht. Er fand nämlich bei Echinus microtuberculatus, einem Echinodermen statt neun Chromosomen, welche der reife Eikern des unbefruchteten Echinusei gewöhnlich enthält, zweimal 18, einmal 27 und einmal 23 Chromosomen?). Es geht aus der Schilderung (l. c.) hervor, dass der Autor annimmt, es handle sich um Eier verschiedener Individuen. Ich habe nun zufällig bei Eiern mehrerer Exem- plare von Ascaris megaloc. bivalens, die aber wahrscheinlich dem- selben Pferd entstammen, Beobachtungen gemacht, die, ebenso wie die eben citirten Befunde Boveri’s Ausnahmen von oben eitirtem Gesetz vorstellen oder wenigstens zu sein scheinen. Um möglichst zahlreiche Entwicklungsstudien neben ein- ander zu haben, hatte ich nach dem Rathe Boveri’s?) die Ei- röhren in toto in 70° Alcohol gelegt. Die Schalen der Ascariseier setzen bekanntlich allen bisher auf sie angewandten Reagentien — mit Ausnahme des Eisessigs — einen sehr energischen Widerstand entgegen. Ausserdem aber verhalten sich merkwürdigerweise die Eier desselben Mutterthieres individuell ganz verschieden gegen dasselbe Reagens.. So hat Boveri’) gefunden, dass von in 70°/o Alcohol aufbewahrten Eiern die einen früher, die andern später stürben, so dass man manch- mal in fortlaufender Stufenfolge die gesammte Entwicklung des Wurmes in einer Eiröhre erhält. Es ist noch ganz unklar, wie diese eigenthümliche Reaction der einzelnen Eier zu erklären ist. ı) Th. Boveri, Zellstudien Heft 1, pag. 7. vgl. auch Boveri Fest- schrift für Kupfer pag. 46, 2) Th. Boveri, Zellstudien Heft III, pag. 35 u. 36, 3) Th. Boveri, Die Entwicklung von Asc. megaloc. mit besonderer Be- rücksichtigung der Kernverhältnisse (Abdruck aus der Festschrift zu Karl von Kupffer’s 70. Geburtstag, Jena 1899). 390 Max Moszkowski: Schon van Beneden!) hat auf dieselbe aufmerksam gemacht. Er meinte, dass die Eier eine Zeit lang von ihrer Schale ge- schützt würden, jedoch momentan abstürben, wenn das Reagens mit dem Protoplasma in Berührung käme. DBoveri dagegen theilt diese Ansicht nicht. Er sagt ausdrücklich (pag. 4 d. ob. eit. Schrift): „Die Conservirungsflüssigkeiten wirken durch die Schale hindurch nicht so wie bei direkter Berührung mit einer nackten Zelle“, und einige Zeilen weiter: „Neben Conservirung, die zum besten gehören, was ich von Zellpräparaten gesehen habe, erhält man bei Anwendung des gleichen Reagens unter Um- ständen völlig unbrauchbare Präparate.“ Wenn diese Ungleich- mässigkeit der Wirkung nun auch höchst auffällig und vorläufig gar nicht zu erklären ist, so ist es doch andrerseits merkwürdig dass wir so gut conservirte Kerntheilungsfiguren, trotz des schwachen Reagens (70prozentiger Alcohol) finden. In der Regel werden die Kerntheilungsfiguren nur dann so gut erhalten, wenn das Reagens die Zelle unmittelbar abtötet, während bei langsam absterbender Zelle sich dieselben zurückbilden. Dieser gute Conservirungszustand scheint für die van Beneden’sche An- sicht zu sprechen. In letzter Zeit hat ein französischer Forscher, Bataillon?), die Widerstandsfähigkeit der Ascariseier durch plasmolytische Vorgänge zu erklären versucht. Er fand, dass verschiedene Salzlösungen die bei normaler Temperatur gar nicht oder nur sehr langsam wirkten, die Eier innerhalb 5 Minuten töteten, wenn die Temperatur auf 50° Celsius erhöht wurde. Ausserdem will er gesehen haben, dass bei einer Temperatur von 38° Celsius der einwirkenden Reagentien das Protoplasma sich von der „chitinigen* Hülle zurückgezogen hätte, umgeben von einer „feinen Membran“: „A une temperature de 35° an constate que de la coque chitineuse le contenu s’est detache en un point ou il reste limit par une fine membrane. Les oeufs sont vivants. Apres trois jours le menisque de Deshydratation s’est etendu & plus de la moitie du volume total. Les embryons sont morts.*“ Er hält diese Membran für eine semipermeable und erklärt das Nichteindringen der Reagentien durch das Vor- !) Ed. van Beneden, et Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride megal. Bulle. Acad Roy Belg. Serie IV T. XIV. 1887. ®) Bataillon, La pression osmotique et les grands probl&mes de la biologie. Archiv für Entwicklungsmechanik Bd. XI, Heft 1. 1901. Zur Jiichtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. 391 handensein eines ungeheuren Druckes innerhalb der Ascariseier, den er auf Grund seiner Experimente (l. c) auf über 100 Atmo- sphären schätzt, also einem vielfachen der Dampfspannung in unseren stärksten Locomotiven. Bataillon glaubt also, dass die von ihm angewandten Salzlösungen, durch einen Vorgang, ähnlich dem, der bei den Pflanzen als Plasmolyse beschrieben wird, das Eiplasma zerstören, folglich also nach dem von Overton auf- gestellten Gesetz: Substanzen die plasmolysiren, dringen nicht ein, solche die eindringen plasmolysiren nicht, — überhaupt nicht in das Ei haben eindringen noch chemisch auf dasselbe haben einwirken können. Diese plasmolysirende Wirkung soll noch bedeutend verstärkt werden, wenn durch Erwärmung die Dampfspannung in den Reagentien steigt. Also die kräftigere Wirkung erwärmter Flüssigkeiten liegt nicht etwa in ihrer höheren Temperatur, sondern einzig in ihrer höheren Dampfspannung. „Ainsi par l’elevation de la tension de vapeur dans le contenu fluide, ’&mmission d’eau devient sensible.“ Ich will zu zeigen versuchen, dass auch diese Erklärung in keiner Weise genügen kann. Erstens baut Bataillon seine Theorie auf das Vor- handensein einer durchaus hypothetischen semipermeablen Membran. Gegeben ist doch nur die Thatsche, dass die Eier bei höherer Temperatur in demselben Medium eher absterben, als bei niedriger und dass bei Erwärmung das Protoplasma sich von der Hülle zurückzieht. Gesehen und dargestellt hat er diese Membran nicht, er baut einfach eine Hypothese auf eine andere eigens zu diesem Zweck konstruirte. Denn die Thatsachen berechtigen ihn doch in keiner Weise zu seinem Schlusse. Das Zurückweichen des Protoplasmas wird ein Unbefangener zweifellos als Schrumpfungs- prozess auffassen, der allen, die Ascariseier mit wasserentziehen- den Reagentien behandelt haben, wohl bekannt ist. Es handelt sich also um einen Prozess, der im Gegensatz zur Plasmolyse, die einen nekrobiotischen Vorgang darstellt und nur lebender Substanz zukommt, auch bei abgestorbenen Objekten häufig be- obachtet wird. Ebenso wird es Jedermann einleuchten, dass Er- wärmung durch Verdunstung wasserentziehend wirkt. Dass Eier, die in Salzlösung auf 50° erwärmt werden, innerhalb 5 Minuten absterben, wird vollends niemand wundern, und es ist ganz irrelevant, dass Bataillon behauptet, die Eier hätten sich in ebenso warmem Wasser noch eine Viertelstunde lang lebend er- halten. Im ersten Falle hat sich eben die chemische Einwirkung 392 Max Moszkowski: zu der thermischen addiert. Zweitens, erklärt Bataillon, vielleicht mit seiner Theorie die ungleichmässige Einwirkung desselben Reagens auf die verschiedenen Eier ein und derselben Eiröhre, falls er nicht etwa behaupten will, die einzelnen Eier ständen unter verschiedenem innerosmotischen Drucke? Drittens hat Bataillon ganz übersehen, dass er mit der Temperatur- erhöhung des einwirkenden Reagens auch die Temperatur der Ascariseier erhöht und die Druckspannung innerhalb der beiden Medien, also in gleicher Weise wachsen. Folglich könnte das Reagens bei erhöhter Temperatur doch nicht stärker wirken wie bei niederer, da ja die Druck- differenz nothwendig ungefähr die gleiche bleiben muss. Die Frage bleibt also noch wie vor ungelöst und es wäre eine dankenswerthe Aufgabe, diesem Problem in systema- tischer Weise zu Leibe zu gehen. Ich bin auf diesen Punkt absichtlich sehr ausführlich ein- gegangen, weil die Frage nach der Art und Weise, wie die Reagentien auf die Eier einwirken, nicht ohne Zusammenhang steht mit der Deutung, die ich meinen gleich mitzutheilenden Befunden geben möchte. Wie bereits gesagt, hatte ich die Ei- röhren in toto in 70°/o Alkohol gelegt. Nachdem ich die- selben einige Wochen darin gelassen hatte, wurden sie in toto z. Th. mit Boraxcarmin z. Th. mit Delafield’schem Hämatoxylin (20 Tropfen auf ca. 25 ccm Wasser) gefärbt und die ganzen Eier in Glycerin untersucht. Die den oberen Partieen der Eiröhren entnommenen Eier zeigten bei oberflächlicher Be- trachtung Bildung des ersten Richtungskörpers in der für die Varietät bivalens charakteristischen Form, Als ich jedoch an tiefer gelegenen Stellen der Eiröhre kam, fand ich zu meiner Ueberraschung bei ungefähr der Hälfte der Eier statt, wie normal, zwei Zweiergruppen, zwei Vierergruppen in der zweiten Richtungsspindel.e. Nach Boveri!), dessen Ansicht ich auf Grund meiner eigenen Erfahrungen durchaus beitreten muss, haben wir folgenden Prozess als typisch für die Richtungskörper- bildung von Ascaris bivalens anzusehen. Das Keimbläschen dieser Varietät enthält bekanntlich zwei Vierergruppen. Boveri spricht nun jede dieser Gruppen als ein chromatisches Element an (pag. 14, Fig. 7 ff.). Die Theilung in 4 Stücke, die übrigens durch achromatische Brücken verbunden sind, er- 9% Boveri, Zellstudien, Heft 1. Jena 1888. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. 395 ‚klärt er damit, dass „in jedem Element nicht nur die Theilung in zwei Tochterelemente, sondern auch die Theilung dieser Tochterelemente, die erst bei der zweitfolgenden Kerntheilung in Vollzug kommen soll, vorbereitet ist, in jedem Element des Keimbläschens sind die Elemente der vier Enkelzellen bereits vorhanden“ (pag. 70). Es ist diese Vorbereitung nothwendig, da die beiden Theilungen so rasch auf einander folgen, dass eine Kernrekonstruktion zwischen ihnen nicht möglich ist. Die beiden Elemente des Keimbläschens stellen sich jetzt so in die erste Richtungsspindel, dass von jedem genau die Hälfte in das erste Richtungskörperchen, die Hälfte in die Ovocyte zweiter Ordnung übergeht, sodass also in jedem zwei Zweiergruppen vorhanden sind (l.c. pag. 28). Diese beiden Zweiergruppen stellen sich nun wieder so, dass die Hälfte von jeder in das zweite Richtungs- körperchen übergeht, die Hälfte in den Eikern (pag. 33). Demnach „enthält der Eikern noch ebensoviele (Chromatin-) Elemente, wie das Keimbläschen, nur ist jedes auf ein Viertel seines Volumens reduzirt“ (pag. 77). Im Gegensatz dazu nimmt Weissmann'), nach Hertwig’s?) Darstellung an, dass es sich bei der Richtungs- körperbildung um einen qualitativen Reduktionsvorgang handle. Er vindieirt jedem der vier Theile eines chromatischen Elements den Werth eines selbständigen Chromosomen. Danach würde in der Ovocyte I. Oc. die Zahl der Chromosomen zuerst verdoppelt werden — angeblich „in dem Bestreben, eine möglichst vielgestaltige Mischung der vom Vater und von der Mutter her- stammenden Vererbungseinheiten herbeizuführen“ (pag. 43) —; dann würde bei der Bildung des ersten Richtungskörpers die Zahl der Chromosomen auf die normale Zahl, bei der Bildung des zweiten auf die Hälfte reduzirt werden. Nach Weiss- mann hätte also die Richtungskörperbildung den Zweck, die Zahl der Chromosomen — oder was dasselbe ist, der „Idanten“ — auf die Hälfte zu bringen. Durch diese Re- duktionstheilung soll die Zahl der „Ahnenplasmen“, die sonst bei jeder weiteren Generation sich verdoppeln müssten ?), halbirt 1A. Weissmann, Amphimexis. Jena 1891. pag. 20 ff. ®)O.Hertwig, Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Arch. f mikr- Anat. Bd. 36. 1890. ®)Weissmann, Amphimexis. pag. 18,19: „Wenn das Keimplasma der lebenden Wesen vor Einführung der geschlechtlichen Fortpflanzung nur die 394 Ma’x Moszkowski: werden. Boveri!) hat nun diese Reduktion des Chromatins nicht bei der Richtungskörperbildung gefunden, sondern ver- legt dieselbe in den ruhenden Kern der Ovocyte erster Ordnung. Dieselbe besitzt nämlich nach ihrer Entstehung im Ovogonium') noch vier Chromosomen, wie alle Zellen von” Asc, megaloc. bivalens.. Wenn sie aber die Wachsthumszone?) passirt hat, und sich zur Theilung in ersten Richtungskörper und 1. Richlungskörper- 2.Richtungsspindel 2 = = +- - a ee, Vergr. ca.500-600 Figur 1. Entwieklungstendenzen des einen Individuums enthalten konnte, so musste sich dies durch die geschlechtliche Fortpflanzung dergestalt ändern, dass nun bei jeder Befruchtung zwei individuell verschiedene Keimplasmen sich im Kern des Eies zusammenordneten, die Zahl dieser individuell verschiedenen Keimplasma-Arten musste aber nothwendig mit jeder weiteren Generation sich verdoppeln und zwar so lange, bis die sich bei der Befruchtung vereinigen- den Keimplasmen nicht mehr halbirbar waren, ohne ihre Fähigkeit den ganzen Organismus aus sich hervorgehen zu lassen, aufzugeben d. h. also bis sie die Minimalgrenze ihrer Masse erreicht haben. Von diesem Augen- blicke konnte geschlechtliche Fortpflanzung nur dadurch ermöglicht werden, dass entweder die Kernsubstanz an Masse fort und fort um das Doppelte anwuchs oder — da das nicht möglich war — dadurch, dass vor jeder Be- fruchtung das Keimplasma jeder Zelle halbirt wurde, nicht blos der Masse nach, sondern vor Allem der darin enthaltenen Individualitätseinheiten nach, eben jenen Ahnenkeimplasmen, oder wie ich sie kurz nannte, Ahnenplasmen. ) Th. Boveri, Befruchtung. Ergebnisse der Anat. und Entwick- lungsgesch. Bd. I. 1892, ’)O. Hertwig, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36 unterscheidet bei der Ei- und Samenbildung von Ascaris megaloc. 3 Zonen, die Keimzone, die Wachsthumszone, in welcher keinerlei Zellvermehrung stattfindet, und die Reifungszone. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. 395 ist unserer Kenntniss noch verschlossen. Ich glaube nun, dass meine Befunde die Ansicht Boveri’s in jeder Beziehung zu stützen geeignet sind. Wie Fig. 1 zeigt, klebt das erste Richtungs- körperchen in typischer Weise an der Dotterhaut. In der zweiten Riehtungsspindel, die übrigens auch deutliche Uentrosomen (8. w. u.) zeigt, sehen wir zwei Vierergruppen nebeneinander. Die Figur ist mit dem Abbe@’schen Zeichenapparat bei Apochromat Apert. 1,30, Brenn- weite 2 mm (Zeiss) und Compensationsocular 6 gezeichnet. Stellt man sich nun auf den Boden der Weiss- mann’schen Ansicht, somussman in diesem Befunde consequenterweise eine Verdoppelung der chroma- tischen Elemente erblicken, da ja Weissmann, wie bereits gesagt, in jedem Theilstück der Vierergruppe ein selbstständiges Chromosom sieht. Von diesem Gesichtspunkte aus revidirte ich sorgfältig die anderen drei, mir zur Verfügung stehenden Eiröhren in allen Theilen in der Hoffnung, auch in den anderen Stadien ent- sprechende Bilder zu finden. Ich fand nun durchgehends die- delben Verhältnisse für den zweiten Richtungskörper. Für den ersten Richtungskörper konnte ich jedoch nur zweimal, bei viel- leicht 1000 Eiern dieses Stadiums, die ich untersuchte, eine Ver- doppelung der Chromosomen konstatiren, indem vier statt zwei Vierergruppen vorhanden waren. Fig. 2 zeigt eines von diesen Eiern. Spermakern - Vergr. ca.500-600 en < Figur 2. Dasselbe entstammt ebenso wie das zweite einer anderen Firöhre, als das Ei der Figur 1, war mit Boraxcarmin vorgefärbt und bei derselben Vergrösserung gezeichnet, wie Figur 1. Wir Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, 27 396 Mäx Moszkowski: sehen das Keimbläschen, das seine Kernmembran bereits ver- loren, eine Spindel aber noch nicht gebildet hat. Es enthält vier Vierergruppen, von denen die oberste da sie in einer anderen optischen Ebene liegt, nicht vollständig auf die Zeichnung ge- kommen ist; bei Verstellung der Mikrometerschraube wurde auch diese Vierergruppe vollkommen sichtbar. Ich will von vorn- herein betonen, dass ich nicht glaube, dass die Befunde von Fig. 1 in ursächlichem Zusammenhang zu denen von Fig. 2 stehen können. Einmal spricht die grosse Seltenheit der in dieser dar- gestellten Verhältnisse dagegen — zwei auf über tausend unter- suchte Eier, während die Fälle von Fig. 1 über die Hälfte der untersuchten Eier darstellen. — Sodann aber ist es nach dem, was wir über den Mechanismus der Rich’ungskörperbildung wissen'), ganz unmöglich, dass aus vier Vierergruppen zwei Vierergruppen entstehen, es könnten doch höchstens vier Zweiergruppen gebildet werden. Ein Schema soll dies ver- anschaulich machen. Figur 3. Da von jeder Vierergruppe immer genau die Hälfte in das erste Richtungskörperchen übergeht, die andere Hälfte in die Ovocyte II. O., so müsste die erste Richtungs- spindel der Fig. 2 aussehen wie Fig. 3a. Nach Ausstossung des °) Boveri, Zellstudien, Heft 1. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala, 397 ersten Richtungskörpers müsste dann ein Zustand eintreten wie Fig. 3b und die zweite Richtungsspindel müsste aussehen, wie Fig 3e. Fig. 5d würde dann den Verhältnissen entsprechen, wie sie sich nach Ausstossung des zweiten Richtungskörperchens einstellen würden. Die Kreise, Halbkreise und Quadranten sollen klar machen, welche Theilstücke zusammen gehören und in welcher Weise die Trennung erfolgt ist. Der Unterschied zwischen Fig. 1 und der hypothetischen Fig. 5c liegt auf der Hand. Hier vier Gruppen von zwei, dort zwei Gruppen von vier Elementen. Habe ich also bei der Bildung des ersten Richtungskörpers nichts den Befunden beim zweiten Aequivalentes gesehen, so ist mir das ebensowenig bei der ersten Furchungsspindel oder den folgenden Stadien gelungen. Steht man auf dem Boden der Weissmann’schen Auffassung, so müsste man hier unbedingt, statt vier, mindestens sechs Chromosomen erwarten, vier, die der weibliche Vorkern aus der zweiten Richtungsspindel erhalten muss und zwei vom männlichen Vorkern!). Ich habe aber nie- mals mehr wie vier, also die für die Varietät bivalens typische Zahl finden können. Trotzdem habe ich auch hier verschiedene zweite Richtungskörper gesehen, die deutlich vier chromatische Elemente hatten. Ich habe zu wiederholten Malen derartige zweite Richtungskörper gefunden, die Eiern anklebten, die Furchungsspindeln mit vier Chromatinschleifen aufwiesen. Es geht also schon aus diesen Befunden ganz klar her- vor, dass eine Vermehrung der chromatischen Elemente nicht stattgefunden haben kann. Man könnte nun einwenden, dass es sich bei meinen Be- funden um Rieseneier handle, die sich — Abnormitäten erliegen schädigenden Einflüssen naturgemäss leichter und schneller —- nicht weiter entwickelt hätten. Auch diesen Einwand glaube ich leicht widerlegen zu können. Rieseneier sind zuerst von Luigi Sala?) und nach ihm !) Es ist mir nicht unbekannt, was von vom Rath über doppel- werthige Chromosomen, die durch Verklebung zweier einzelnen entstehen, berichtet wird (vergl. Biolog. Zentralbl. Bd. 14 No. 13. 1894, v. Rath über Constanz der Chromosomenzahl bei Thieren), doch habe ich nichts gefunden, was als charakteristisch für derartige doppelwerthigen Chromosomen gilt, wie Anschwellung in der Mitte und heterotype Theilung, ich glaube sie also mit Sicherheit ausschliessen zu können. :2) Luigi Sala, Experimentelle Untersuchungen an Asc. megaloc. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 44. pag. 434, 435, 455. — Vorläufige Mittheilung im Sitz.-Ber. der Kgl. Preuss. Acad, d. Wissensch. Berlin Bd, 36. 1893. 27# 398 Max Moszkowski: von Rafaello Zoja!) in einer kurzen Bemerkung und von O. L. zur Strassen?) in einer längeren Abhandlung beschrieben wurden. Sie entstehen dadurch, dass zwei Eier — beschalt oder unbeschalt — mit einander verschmelzen. Diese Eier haben natürlich die doppelte Anzahl von Chromosomen und können sich, wenn vor der Befruchtung verschmolzen, einem eindringenden Spermatozoön gegenüber wie ein einziges Ei verhalten. Aus folgenden Gründen kannn es sich um Rieseneier nicht handeln: 1. Rieseneier müssen doch vor allen Dingen nun auch wirk- lich Riesen sein. d. h. grösser als ihre normal gebauten Kollegen. Dem war aber nicht so. Die durch ihren Chromatingehalt von der Norm abweichenden Eier waren genau so gross wie die andern, mit denen sie bunt durch- einander lagen. 2. Nach OÖ. L.zur Strassen’s (]. c.) überaus klaren Aus- führungen könnten die von mir beschriebenen Eier, wenn sie wirklich Riesen sein sollten, erst nach Bildung des ersten Richtungskörpers entstanden sein, da vor der zweiten Richtungsspindel nichts abnormes zu bemerken ist. Derartige Eier sind aber bereits mit dicker Schale versehen und ausserdem längst befruchtet. Eier, die nach der Schalenbildung verschmelzen, müssen aber Sanduhr- form haben, auch finden wir dann häufig Klumpen von drei oder mehreren Eiern, die verschmolzen sind, da die Rieseneier die andern gewissermassen zur Verschmelzung anzureizen scheinen. Von all’ dem konnte ich in meinen Präparaten nichts bemerken. Alle Eier waren ausnahms- los rund und zeigten keinerlei Verklebung. Auch konnte ich niemals zwei Spermatozoön oder zwei erste Richtungs- körper in einem Ei wahrnehmen, wie man es bei der- artigen Rieseneiern selbstverständlich erwarten müsste. In letzter Linie könnte man einwenden, es handle sich um Fälle, wie sie ähnlich Boveri in Zellstudien Heft 1 p. 57 ff an- gegeben hat. Er hat in mehr wie 50 Fällen beobachtet, dass der zweite Richtungskörper doppelt so viel Chromosomen hat, als normal „weil, infolge tangentialer Stellung der ersten ', Rafaello Zoja. Untersuchung über die Entwicklung des Asc. megaloc. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 47, p. 254. ?) OÖ. L. zur Strassen. Ueber die Riesenbildung bei Ascariseiern Arch. f. Entwicklungsmechnik Bd. 7. 1898. — Biolog. Centr. Bl.. Bd. 16, pag. 246. 1896. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala. 399 Richtungsspindel ein erster Richtungskörper nicht gebildet wurde, vielmehr, das oder die für ihn bestimmten Doppelstäbchen mit in die zweite Richtungsspindel aufgenommen werden.“!) Da der erste Richtungskörper in meinen Fällen stets in typischer Weise an der Dotterhaut klebte, kann es sich auch um etwas Derartiges nicht handeln. Die Weissmann’sche Ansicht lässt sich also in keiner. Weise mit unseren Befunden vereinen. Nehmen wir dagegen mit Boveri an, dass jede Vierergruppe einem chromatischen Element entspricht, so handelt es sich nur um eine Volımenvermehrung der beiden Chromosomen. Dann wird es auch verständlich, warum wir in den Furchungsspindel nie mehr wie vier Chromosomen gefunden haben; es hatte eben gar keine Vermehrung derselben stattgefunden. Wodurch nun diese Volumenvermehrung zu Stande gekommen ist, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Man kann vielleicht glauben, dass die Richtungskörperbildung, die normal so schnell verläuft, dass eine Kernrekonstruktion nicht möglich ist, hier verlangsamt wurde, so dass der Kern Zeit hatte, sein Chromatin zu regeneriren und man kann diese Verlangsamung vielleicht der Einwirkung des zur Üonservirung gebrauchten Reagens (70 °/o Alcohol) zuschreiben. Doch möchte ich mich eines be- stimmten Urtheil enthalten, solange nieht genaue Beobachtungen vorliegen, in welcher Weise die Gonservirungsflüssigkeiten durch die Hüllen der Ascariseier hindurch wirken. Die Fälle von Fig. 2, die, wie ich schon oben ausgeführt habe, mit denen von Fig. 1 in ursächlichen Zusammenhang nicht gebracht werden können, sind Analoga zu dem Eingangs eitirten Fall von Boveri (Zellstudien Heft 1 pag. 7). Schliesst man sich Boveri’s Auffassung über den Reduktionsvorgang (s. oben) an, so muss man annehmen, dass hier der Reduktionsvorgang innerhalb des ruhenden Kernes der Ovocyte I. Ordn. aus irgend einem Grunde unterblieben ist. Anhangsweise möchte ich noch bemerken, dass ich im Gegensatze zu Boveri?) bei den von mir beobachteten Eiern sowohl in der ersten wie in der zweiten Richtungsspindel fast !) Cit. nach Boveri. Festschrift f. Kupffer pag. 43. ?) Boveri, Zellstudien Heft 1. 1887 und Heft 3 1890, auch in Zell- studien Heft 4 1901 bestreitet er, dass das Ei von der Asc. megaloc, nach der Befruchtung noch ein Ovocentrum besitzt, 400 Max Moszkowski: immer Centrosomen gesehen habe, und zwar nicht die von Fürst!) beschriebenen „winzigen Körnchen in den beiden dichteren Polansammlungen“?) sondern richtige Centrosomen mit Centriolen in allen Theilungsphasen und Spindeln, die nach dem Typus der Furchungsspindeln gebaut waren, wie das E. Fürst bei seinen zahlreichen Beobachtungen nur zweimal gesehen hat.?) Schon in Fig. 1 sind die Centrosomen deutlich sichtbar. Fig. 4 zeigt das eine Centrosoma der ersten Richtungsspindel in Theilung in die beiden Centrosomen der zweiten Richtungsspindel. Figur 4. Man sieht die beiden Zweiergruppen eines ÖOvocytes II.Ordnung, darüber zwei Centrosomen, die durch eine Centralspindel verbunden sind. Um jedes der beiden Centrosomen, in deren Innern die Centriolen deutlich hervortreten, befindet sich eine Strahlung. Ausserdem ist das ganze Gebilde von einem eliptischen Strahlenkranz umgeben. Die Zeichnung gleicht aufs Haar der Fig. 25 Tafel II aus Boveri Zellstudien Heft 4, von einer Ovocyte I. Ordn. von Diaulula sandiegensis. Ich erwähne ausdrücklich noch einmal, dass ich in meinen Präparaten, also in Tausenden von Ovocytenspindeln I. und II. Ordnung fast ausnahmslos Centro- somen, die nichts mit den von Häcker°), Sala) u. A. gemachten !) E. Fürst, Ueber Centrosomenbildung bei Asc. megaloc Arch, f. mikr. Anat. Bd. 52 1898. ?) Cit. nach Boveri. Zellstudien Heft 4 pag. 178. 3) Häcker, Ueber den heutigen Stand der Üentrosomenfrage. Vortr. d. Deutsch. zool. Ges. 1894. *) Sala, Experimentische Untersuchungen über Reifung und Be- fruchtung des Eies bei Asc. megaloc, Arch, f, mikr. Anat. Bd. 44, 1894. Zur Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephala, 401 Befunden gemein haben, gesehen habe. Mit der Conservirungs- methode kann diese Differenz mit den Boveri’schen Befunden nicht zusammenhängen, da Boveri bei gleicher Gonservirungs- flüssigkeit (70 °/o Alcohol) keine Centrosomen gefunden hat. Jedenfalls scheint mir hierdurch der Beweis geliefert zu sein, dass die Degeneration des Ovocentrums von Ascaris durchaus nicht immer so früh erfolgen muss, wie es Boveri annimmt!). Meine Befunde beweisen, dass in vielen Fällen, auch bei Ascaris, „das Ovocentrum erst nach Ausstossung des zweiten Richtungs- körpers degeneriren kann“!) (pag. 162). Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Hofrath Professor Dr. Wiedersheim für die Ueberlassung des Arbeitsplatzes im hiesigen anatomischen Institut, sowie meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Keibel, für die Anregung und das stete, wohlwollende Interesse an meiner Arbeit auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Ans dem anatomisch-biologischen Institut in Berlin. Direktor: Geheimrath Prof. Hertwig. Ueber Silberimprägnation der Nervenzellen und der Markscheiden. Von Dr. Max Mosse. Assistenten der medicinichen Poliklinik, Die bisher angewandten Methoden zur Darstellung desfeineren Baues der Nervenzellen beruhen auf ihrer Färbbarkeit mit Häma- toxylin oder mit den Anilinfarbstoffen. Die Zahl der für diesen Zweck angewandten Anilinfarbstoffe ist gross und vermehrt sich von Jahr zu Jahr; man könnte sagen, fast jeder Autor, der auf diesem Gebiete arbeitet, hat seine bevorzugte Anilinfarbe. Im Gegensatz zu diesen Färbungen steht die Imprägnation der Nervenzelle nach der Golgi’schen Methode; bei dieser kommt aber bekanntlich die Zelle als Ganzes mit ihren Fortsätzen zur Darstellung. FE Sun. Boveri, Ueber den Antheil des Spermatozoen an der Theilung des Eies. Sitz.-Ber. d. Gesellschaft f. Morph. und Phys. z. München, Bd, III Heft 3. 402 Max Mosse: Es ist mir nun gelungen, ebenfalls mittels einer Impräg- nationsmethode ein Bild der Einzelheiten des Baues der Nerven- zellen zu gewinnen und zwar durch Anwendung eines Principes, das schon lange Gemeingut der Histologen ist und das ich mit Benutzung und Kenntniss der Vorarbeiten für meine Zwecke ver- wendet habe. Dieses Princip beruht auf der bekannten That- sache, dass aus Silbersalzlösungen entweder durch das Sonnen- licht oder durch Anwendung chemischer Lösungen metallisches Silber niedergeschlagen wird. In historischer Beziehung sei daran erinnert, dass zuerst C. Krause (1844) eine Versilberung der Zellgrenzen der Epi- dermis durch Reduction von Silbernitrat durch Sonnenlicht erzielt hat, an die Bedeutung, die die Recklinghausen’sche Silber- methode für die Histologie bekommen hat, an die Einführung der Entwickler in die histologische Technik durch Kallius (1892 Reduction von Golgi-Bildern) und durch van Ermengem (1894 Darstellung der Geisselfäden durch reducirtes Silber). Neuerdings haben Salge und Stöltzner ebenfalls mittels Ent- wickler rhachitische Knochen versilbert (Vortrag in der Charite- gesellschaft 1899) und Fajersztajn (Neurol. Gentralblatt 1901, No. 3) giebt an, dass er die Axencylinder nach einem etwas com- plieirten Verfahren, das er übrigens selbst als launenhaft be- zeichnet, durch Reduction ammoniakalischer Silberlösung dar- stellen könne. Bei meinen eignen Versuchen, über die ich bereits kurz berichtet habe (Deutsche med. Woch. 1900, No. 23), ergab sich naturgemäss, dass die Silbereiweissverbindungen, die wegen ihrer schweren Zersetzlichkeit in der praktischen Medicin Verwendung finden, für meine Zwecke nicht anwendbar waren. Am brauch- barsten erwies sich eine 1—2 °/, Lösung der in den Handel als Argentamin kommenden Flüssigkeit, brauchbarer als der gewöhn- lich angewandte Höllenstein, bei dem die Darstellung der Nerven- zellen allein schon durch einen störenden feinkörnigen Nieder- schlag weniger gut gelingt, andrerseits das Farbenbild als solches ebenfalls nicht so prägnant erscheint, wie bei der Anwendung des Argentamin. Als Reductionsmittel kam der Einfachheit wegen eine 10°/o Pyrogallollösung zur Benutzung; die Objekte wurden nach Carnoy-Gehuchten auf Grund der im Institute gemachten Ueber Silberimprägnation der Nervenzellen und der Markscheiden. 403 guten Erfahrungen fixirt und in Paraffın eingebettet. Demnach gestaltet sich das Verfahren folgendermassen. 1. Fixirung in der Carnoy-Gehuchten’schen Flüssigkeit (Alkohol absol. 6 Theile, Chloroform 3 Theile, Eisessig 1 Theil); 2. Paraffineinbettung; 3. die aufgeklebten Schnitte kommen für ca. 2 Minuten in eine 1—2 °/o Argentaminlösung; 4. Abspülen in destillirtem Wasser; 5 Ueberführen für kurze Zeit (ca. 1 Minute, bis die graue Substanz einen bräunlichen Farbenton annimmt) in eine 10 °/o Pyrogallollösung ; 6. Wasser, Alkohol ete. Die Präparate, die nach diesem, wie man sieht, einfachen Verfahren dargestellt werden, ergeben nun folgendes Bild: während die Grundsubstanz und die Axencylinder bräunlich erscheinen, haben die Nissl’schen Körperchen, sowie der Zellkern und die Kernkörperchen eine schöne schwarz-violette Tincetion angenommen und bilden durch diese Farbe einen scharfen Contrast gegenüber der bräunlich gefärbten Grundsubstanz. Ein Unterschied im Farbton zwischen den Nissl’schen Körperchen einer-, dem Kern und der Kernkörperchen andrerseits ist nicht wahrnehmbar. Dieses Ergebniss hat — von der rein praktischen Seite abgesehen — nach zwei Richtungen hin Interesse. Einmal ist es wohl zum ersten Male gelungen, eine Metallimprägnation der chromatischen Substanz der Nervenzelle zu erzielen und zwar mit einem Resultat, das sich in Bezug auf die Darstellung des feineren Baues der Nervenzelle nicht von den auf andere Weise erzielten Resultaten unterscheidet. Hiermit sind wir einen Schritt weiter in der Frage nach der Herkunft der Nissl’schen Körperchen — allerdings gewissermassen nach der negativen Seite hin. Wenn nach so verschiedenen Methoden, sowohl durch Färbung mit Hämatoxylin, wie mit den verschiedenen Anilinfarbstoffen wie endlich auf dem Wege der Metallimprägnation eine Darstellung der Nissl’schen Körperchen gelingt, so kann jedenfalls das mit Sicherheit gesagt werden, dass der Vorgang der Vereinigung der die Farbe oder das Metall aufnehmenden Substanz mit der Farbe oder dem Metall nicht die Ursache der Bildung dieser Körperchen sein kann. 404 Max Mosse: Zweitens erscheint es interessant, die Resultate, die mittels der Silbermethode erzielt werden, mit denen anderer Methoden in Bezug auf die Frage der chemischen Differenzirung zu ver- gleichen. Zunächst kann es als wahrscheinlich bezeichnet werden, dass der Vorzug des Argentamins vor den andern Silber- präparaten auf seiner alkalischen Reaction beruht, von der man sich bei der farblosen Flüssigkeit leicht überzeugen kann; wissen wir doch durch die Untersuchungen von Nissl, Kotla- rewsky und Rosin, dass die Nissl’schen Körperchen baso- phil sind, d.h. dass sie, um mit Ziehen zu reden, basische Farbstoffe bevorzugen. (Literatur s. b. Ziehen: Üentralnerven- system S. 144). Weiterhin spricht die Thatsache, dass bei der Silberimprägnation der Nervenzelle die Nissl’schen Körperchen, der Zellkern und die Kernkörperchen denselben Farbton an- nehmen, gegen die Anschauung derjenigen, die Kern und Kern- körperchen einen anderen chemischen Charakter zuschreiben, wie den Nissl’schen Schollen. Hiermit gewinnt die Vermuthung von Ziehen, die anderweitigen Resultate von Levi beruhten zum Theil auf der Vorbehandlung, weitere Anhaltspunkte. Im Gegensatz zu den positiven Resultaten, die bei An- wendung des Silbersalzes erzielt wurden, gelang es nicht, mit andern Metallsalzen zu demselben Ergebniss zu kommen. Ich verwandte Gold-, Quecksilber-, Palladium- und Platinsalzlösungen; aber mit keiner von diesen wurde ein Bild erhalten, das annähernd an Vollkommenheit mit dem bei Ver- wendung des Argentamin erhaltenen zu vergleichen gewesen wäre. Dagegen sind nach einer anderen Richtung hin die Ver- suche, wichtige Bestandtheile des Nervensystems durch Impräg- nation mit Metallsalzen darzustellen, erfolgreich gewesen. Bei entsprechender Vorbehandlung gelingt die Darstellung der Mark- scheiden durch Imprägnation mit Silbersalzen und zwar ebenfalls nach meinen Erfahrungen am besten mit Argentamin. Es beruht diese Markscheidendarstellung auf Einführung des Silbers in die Chromverbindung der Markscheiden, ohne dass, wie beim W eigert- schen Verfahren, das Einlegen der Stücke in eine Kupfersalz- lösung nöthig wäre. Für die Differenzirung ziehe ich die Pal- sche Lösung vor. Im einzelnen wird bei dieser Methode der Markscheidendarstellung nun folgendermassen vorgegangen: 1. Härtung in Müller’scher Flüssigkeit oder anderen Chromsalzlösungen. Ueber Silberimprägnation der Nervenzellen und der Markscheiden, 405 2. Nachhärtung in Alkohol ohne Anwendung von Wasser. . Celloidineinbettung. 4. Einlegen der Schnitte auf 24 Stunden in Müller’sche Flüssigkeit. 5. Uebertragung der Schnitte auf 10 Minuten in eine 1—2°o Lösung der in den Handel als Argentamin kommenden Flüssigkeit. 6. Abspülen in Wasser. 7. Reduction in etwa 10 °'o Pyrogallollösung, bis die Schnitte ganz schwarz werden; es geschieht dies in einer bis zwei Minuten. 8. Abspülen in Wasser. 9. Differenzirung nach Pal etc. in der üblichen Weise. Man erhält auf diese Weise Bilder, die denjenigen Präparaten, die nach Weigert oder einer der üblichen Modificationen der Weigert’schen Methode erhalten werden, nicht - nachstehen. Sie unterscheiden sich von ihr eigentlich nur durch die Farbe. Die Markscheiden erscheinen braunschwarz, sie heben sich von der Umgebung scharf ab und lassen sich bis in ihre feinsten Vertheilungen verfolgen ; die Nervenzellen werden citronen- gelb, mindestens ebenso deutlich wie bei der Weigert'schen Methode. Es mag noch nebenbei bemerkt werden, dass die eben geschilderte Methode der Markscheidendarstellung nicht als eine Modification der Weigert’schen Methode gelten kann. Denn während es sich bei Weigert und den andern im An- schluss an Weigert angewandten Methoden stets um eine Hämatoxylinfärbung handelt, ist hier der Versuch gemacht worden, eine Imprägnation der Markscheiden mit einem Silbersatz anzuwenden. Da die erhaltenen Resultate denen gleichen, die nach An- wendung des Weigert’schen Verfahrens erhalten werden, ebenso sicher sind wie diese, das Verfahren ferner noch etwas kürzer ist, als das Weigert’sche, so dürfte es sich empfehlen, neben dem älteren, allseitig anerkannten und gerühmten Verfahren die Silber- imprägnation der Markscheiden ebenfalls anzuwenden. Uebrigens sind die Präparate,die ich nun bald 1'/> Jahre habe, durchaus haltbar. Es gilt dies auch von den anderen Präparaten, in denen es sich um Darstellung der Nervenzellen handelt; nur haben in einigen Präparaten im Laufe der Zeit die Axencylinder eine mehr röth- © 406 Max Mosse: Ueber Silberimprägnation der Nervenzellen ete, lich-gelbliche Färbung angenommen, ein Umstand, der den Ge- sammteindruck des Bildes natürlich in keiner Weise stört und die Nervenzellen speciell nicht angeht. Auch bei der Imprägnation der Markscheide mit Metall- salzen habe ich versucht, an Stelle der Silber- andere Salzlösungen einzuführen. Es gelang, in einigen Fällen mit Goldsalzlösungen einigermassen befriedigende Resultate zu erzielen; hierbei nahmen die Markscheiden dunkelblaue Färbung an. Da indessen das Resultat kein konstantes war, ausserdem häufig nur die gröberen Markscheiden zur Darstellung kamen, während die feineren aus- fielen, so habe ich die Versuche nach dieser Richtung hin auf- gegeben und kann auch eine Goldimprägnation der Markscheiden nicht empfehlen. Dasselbe gilt sowohl in Bezug auf die Resultate wie auf ihre Verwendbarkeit von der Imprägnation der ge- chromten Schnitte mit Osmiumsäure und ihre nachherigen Differen- zirung mit dem hochconcentrirten Hydrogenium peroxy- datum (Merck), das übrigens als gutes Differenzirungsmittel zu empfehlen ist; nur muss es häufig verdünnt werden, wirkt aber auch dann schneller und intensiver als die bisher in den Handel gekommenen Wasserstoffsuperoxyde. — Um Missverständnissen zu begegnen, sei bemerkt, dass die Werthschätzung meiner eigenen wenig erfolgreichen Versuche mit .Osmiumsäure, die nur als Fortsetzung analoger, positiv aus gefallener Versuche mit Argentamin dienten, natürlich nicht die älteren Robertson’schen und Heller’schen Versuche mit Ösmiumsäure betreffen. Endlich möge noch die Anwendung der von mir angewandten Verfahren auch für pathologische Zwecke empfohlen werden. Es gaben beide Verfahren auch bei der Prüfung pathologischer Objekte gute Resultate, sowohl bei der Untersuchung der Medulla spinalis von Tabikern, wie bei experimentellen Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Tautz über die Wirkung des Berberins u. A. auch in Bezug auf das Centralnervensystem angestellt habe. (conf. Zeitschrift für klin. Med. 43. Bd.) — Zum Schluss dieser Arbeit ergebenen Dank Herrn Ge- heimrath Hertwig für die Erlaubniss, in seinem Institute zu arbeiten, und ihm wie Herrn Privatdocent Dr. Krause für das liebenswürdige Interesse, das sie der Arbeit entgegengebracht haben. 407 Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin. Beiträge zur Histologie der Speicheldrüsen. Ueber die Ausscheidung des indig.-schwefel- sauren Natrons durch die Glandula submaxillaris. Von Dr. Rudolf Krause, Privatdocent a. d. Universität Berlin, Hierzu Tafel XXIL Die ersten Versuche das von Chrzonzezewski in die Injektionstechnik eingeführte Indigkarmin für die Physiologie der Speichelsekretion zu verwerthen rühren von Rudolf Heiden- hain her. Er hatte gelegentlich seiner zahlreichen Versuche über die Ausscheidung des aus jenem dargestellten indig-schwefel- sauren Natrons aus den Nieren aber niemals eine Spur von blauen Speichel gefunden und glaubte deshalb, dass dieser Farb- Stoff auch nach Reizung der secretorischen Nerven in den speichel nicht übertrete. Mit grösserem Erfolge sind diese Versuche dann späterhin ungefähr gleichzeitig von Eckhard und Zerner wieder auf- genommen worden. Der erstere experimentirte an Schafen und Hunden und zwar bei ersteren an der ungereizten Parotis, bei letzteren an der von der Chorda aus gereizten Gl. submaxillaris. In den Versuchen ersterer Art fand er niemals blauen Speichel, bei Hunden dagegen erhielt er blauen Speichel. Er beobachtete dabei, dass die ersten Tropfen farblos waren, dann folgte stark- blau gefärbter Speichel und schliesslich wieder ganz farbloser. Da sich dieses Spiel bei jeder neuen Reizung wiederholte, so schloss er, dass der Eintritt des Farbstoffs und des Wassers in das Drüsenparenchym unabhängig von einander erfolgen müssen und dass der erstere auch zur Zeit der Ruhe in die Tubuli gelangt. Aus dem Umstand, dass immer zuerst eine ungefärbte kleine, ungefähr dem Canüleninhalt entsprechende Menge Speichel abfloss und dann intensiv blauer Speichel folgte liess sich folgern, dass der Ort der Absonderung des Farbstoffs hauptsächlich in den 408 Rudolf Krause: Ausführungsgängen zu suchen sei und die mikroskopische Unter- suchung bestätigte diese Annahme vollständig, denn es fand sich der Farbstoff stellenweise in der Wand der Ausführungsgänge. Niemals aber konnte ein Uebergehen des Farbstoffs in die eigent- lichen Drüsenzellen beobachtet werden. Zerner ist ähnlich vorgegangen. wie Eckhard, aber zu vollständigeren Resultaten gekommen. Auch er arbeitete am Hund, auch er fand Ausscheidung durch die Epithelien der Aus- führungsgänge, die Hauptmasse aber wurde von den Schleimzellen secernirt. Nur in einem Fall präsentirten sich auch blau ge- färbte Halbmonde, nämlich in einem Versuche, in welchem der Sympathicus der betreffenden Seite gereizt worden war. Von anderen Autoren, welche sich der Injection von indig- schwefelsaurem Natron zum Studium der Speichelsekretion bedient haben wären nur noch Mislawsky und Smirnow zu erwähnen, doch arbeiteten sie mit negativem Erfolge. Meine ersten eignen Versuche, die noch unter der Leitung Rudolf Heidenhain’s selbst angestellt wurden, hatten eben- falls negativen Erfolg, später erhielt ich dann bei passender Ver- suchsanordnung gleich Eckhard Ausscheidung in den Zellen der Ausführungsgänge und schliesslich ist es mir gelungen den Farb- stoff auch in den Parenchymzellen so reichlich zur Sekretion zu bringen, dass die Präparate, ähnlich wie die unter gleichem Be- dingen hergestellten Leberpräparate direkte Injectionspräparate der Speichelcapillaren genannt werden können. Ich habe bereits im Jahre 1597 am Schlusse einer aus- führlichen Arbeit über die Funktion der Grannuzzi’schen Halbmonde kurz diese Resultate angedeutet. Obwohl durch andere wissenschaftliche Arbeiten abgelenkt habe ich dieses Thema nie aus dem Auge verloren und konnte in den verflossenen vier Jahren noch eine ganze Reihe anderer gelungener Versuche den früheren anreihen. Zunächst will ich kurz über meine Versuchstechnik berichten. Was den Farbstoff anbetrifft, so benutze ich ausschliesslich noch die ursprüngliche Heidenhain’sche (uelle!) und kenne auch keine andere Bezugsquelle, welche den Farbstoff in annähernd derselben Reinheit liefert. Weder Zerner, noch Eckhard haben die Bezugsquelle ihres Farbstoffs angegeben, der letztere ') Neumarkt-Apotheke in Breslau. Ueber bie Ausscheidung des indig-schwefelsauren Natrons et. 409 hat entschieden mit einem unreinen Produkt gearbeitet, wenn er seinen Farbstoff auch als rein bezeichnet, denn reines indig- schwefelsaures Natron ist in absolutem Alkohol gänzlich unlöslich. Die zu injieirende Flüssigkeit ist eine bei Körpertemperatur gesättigte Lösung des Salzes in destillirtem Wasser. Selbst- verständlich muss sorgfältig filtrirt werden, eine etwas zeit- raubende Procedur. Als Ort der Injeetion benutze ich ausschliesslich die an femoralis und glaube, dass das vor der gewöhnlichen Methode, Injection in die Vena jugularis nicht zu unterschätzende Vor- theile hat, indem die Farblösung dann, bevor sie in das Herz gelangt erst tüchtig mit Blut gemengt wird. Es ist mir dabei niemals ein Thier gestorben, auch nicht bei Injection sehr grosser Farbstoffmengen. Die Menge des injieirten Farbstoffs habe ich früher nicht allzu hoch genommen, auf einen kleinen Hund von 3-4 kg 50-100 cem der oben erwähnten Lösung, später bin ich höher gegangen, bis auf 200 und 300 cem. Die besten Resultate erhielt ich dann wenn ich den T'hieren zweimal oder dreimal in Pausen von ungefähr 15 Minuten 50 cem des Farbstofles in- jieirte und unmittelbar nach der letzten Injection das Thier tötete. In zahlreichen Versuchen wurde die Speichelsekretion künstlich angeregt entweder durch Nervenreizung (Chorda oder Sympathicus) oder durch subeutane Injection von Pilocarpin. In einer anderen Reihe von Versuchen wurde von einer solchen Reizung abgesehen, da die Thiere, während des Versuchs ohne- hin schon sehr stark speicheln. Was die Fixation anlangt, so wurden entweder direkt post mortem kleine Stückchen der Drüse in reichliche Mengen absoluten Alkohols aufgehängt oder die Drüse wurde von der Uarotis aus rasch mit absolutem Alkohol durchspült. Schon am nächsten Tage können die Stückchen in Chloroform übertragen und in Paraffin eingebettet werden. Für die Weiterbehandlung der Schnitte ist natürlich ein Uebertragen in dünneren Alkohol oder gar in Wasser absolut ausgeschlossen. Aus diesem Grunde wird aber eine distinete Färbung von Zellen und Kernen nahezu unmöglich. Schliesslich ist sie auch für die hier in Frage kommende Punkte nicht allzu- sehr von Nöthen. Will man färben so kann man concentrirte 410 Rudolf Krause: Lösungen eines beliebigen rothen oder gelben Farbstoffs (Erythrosin, Rubin, Orange ete.) in absolutem Alkohol benutzen: Für die Schilderung unserer Ergebnisse wollen wir den Farbstoff auf seinem natürlichen Weg durch die Drüse verfolgen. Was zunächst die Blutgefässe betrifft, so enthalten dieselben meistens den Farbstoff nicht mehr. Es muss derselbe ausser- ordentlich rasch aus ihnen verschwinden. Die rothen Blut- körperchen sind völlig ungefärbt, die weissen dagegen haben sich stark mit dem Farbstoff beladen und erscheinen tief blau gefärbt. Auch die Wandungen der Blutgefässe sind fast immer völlig farblos. In grosser Menge aber findet sich der Farbstoff in den die Blutgefässe umgebenden Lymphräumen, sodass dieselben wie mit starken blauen Ringen umgeben erscheinen. So kann man den Farbstoff bis in die die kleinsten Arterien umgebenden Lymph- spalten verfolgen. Auch in ihnen erscheinen wieder zahlreiche stark mit Farbstoff beladene Leukocyten. Je stärker die Reizung war, je länger sie dauerte, um so grösser die Anzahl derselben. Sie drängen sich im letzteren Fall zwischen die Drüsentubuli hinein und wandern in grossen Mengen, mit Farbstoff beladen durch das Epithel der Speichelröhren. In den Fällen, wo die Drüsen weder durch den elektrischen Strom noch durch Pilocarpin gereizt worden waren wurde diese Leukocytenwanderung immer vermisst. Die Lymphräume umgeben einmal die Speichelröhren, dann aber auch die Drüsentubuli, beide sind dann mehr oder weniger von blauen Scheiden umschlossen; man kann so besonders in denjenigen Fällen, in welchen der Farbstoff gar nieht oder nur in minimalen Mengen in den Speichel selbst übergegangen ist eine fast vollständige Injeetion der Lymphräume der Drüse er- halten, ähnlich wie das seiner Zeit von Kabrhel für die Niere des Frosches angegeben werden ist. Ist die Ausscheidung des Farbstoffs dagegen in bedeutenderer Menge erfolgt, so findet man die die Tubuli umgebenden Lymphräume nur stellenweise und unvollständig mit Farbstoff gefüllt. Wir wollen uns nun zum wichtigsten Theil unserer Unter- suchung wenden und beschreiben, auf welche Weise der Farb- stoff durch die Epithelien der Drüse hindurch geht. Was zu- nächst die Zellen der groben Speichelgänge anbetrifft, welche noch keine Stäbchenstructur besitzen, so findet man in ihrem Ueber die Ausscheidung des indig-schwefelsauren Natrons ete. All Innern niemals den Farbstof. Nur bei den gereizten Drüsen wandern auch durch die Wand dieser groben Speichelgänge mit Farbstoff beladene Leukocyten durch. Anders liegt dagegen die Sache bei den mit Stäbchenepithel ausgekleideten Speichelröhren mittleren und feineren Calibers, in ihnen findet sich immer, wie auch schon Zerner und Eckhard angegeben haben zahlreiche stark blaugefärbte Partieen. Das Lumen dieser Gänge ist, ebenso wie das der groben Speichel- röhren in den gelungenen Versuchen mehr oder weniger voll- ständig mit stark blaugefärbtem Speichel gefüllt. Der Farbstoff erscheint niemals in Körnchen ausgefüllt, während er im entleerten Kanülenspeichel selbst feinste Körnchen bildet. Das Ausfallen des Farbstofts in dem entleerten Speichel mag wohl mit dem Gehalt des Drüsenspeichels an auspumpbarer Kohlensäure zu- sammenhängen, die ja nach Pflüger’s Untersuchungen beim Hund 19—22 Prozent beträgt. Durchmustert mustert man die Zellen der Stäbchenepithelien mit Immersionssystemen, so erkennt man bald, dass der Farbstoff in ihnen nicht etwa regellos liegt, sondern an ganz bestimmte Bahnen gebunden ist. Fig 1 und 2 der Tafel XXII stellen zwei solcher Bilder aus Speichelröhren mittleren Kalibers dar. In Fig. 1 wird der periphere Theil des Zellenkörpers von feinen blauen Fäden durchzogen, die sich theilweise zu radiär gestellten Maschen mit einander vereinigen. Nach dem Lumen des Speichel- rohrs werden die Fäden immer dichter und vereinigen sich schliesslich zu starken blauen dem Lumen dicht angelagerten Massen. In Fig. 2 ist das Bild etwas anders. Hier handelt es sich nicht um feine Fäden, sondern mehr um stärkere radiär gestellte Bälkchen oder Stäbchen, welche in ihrem Verhalten an die von Heidenhain gezeichneten Bilder von den Stäbchenepithelien erinnern. Aber auch hier verdichtet sich das Bild nach dem Lumen zu. In dem letzteren selbst liegt eine compacte blau gefärbte Speichelmasse. Niemals findet man die Wand eines Speichelrohrs gleich- mässig blau gefärbt. sondern es wechseln blau gefärbte mit un- gefärbten Stellen ab. Manchmal erscheint auf einem Querschnitt eines Speichelgangs nur ein ganz schmaler Keil blau gefärbt und alles übrige ist farblos. Andererseits sieht man wieder häufig, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 28 412 Rudolf Krause: wie von der Peripherie des Querschnitts blau gefärbte Stellen in die Zellen hineindringen, aber nicht das Lumen erreichen. Die Kerne der Epithelzellen wurden in keinem Falle blau gefunden. Wie lassen sich nun diese Befunde deuten? Wie aus den Untersuchungen von Mislawsky und Smirnow und meinen eigenen in früheren Arbeiten mitgetheilten Beobachtungen hervor- geht, lassen sich an den Zellen der Speichelröhren während leb- hafter Secretion ganz typische Veränderungen erkennen, welche uns dazu drängen, diesen Zellen auch secretorische Funktionen zuzuschreiben. Zerner und Eckhard, welche ebenfalls den Farbstoff in den Zellen der Speichelröhren beobachten, nehmen einen etwas verschiedenen Standpunkt ein; während der erstere ganz entschieden für die secretorische Funktion der Gangzellen eintritt, drückt sich Eckhard sehr vorsichtig aus. „Ob dabei die das Gangsystem auskleidenden Zellen eine besondere An- ziehung zum Farbstoff haben, oder dieser ohne eine besondere Thätigkeit jener durch Imbibition aus dem benachbarten Binde- gewebe eintritt, dafür enthalten die Versuche kein ausschlag- gebendes Moment.* Eine Imbibition der Zellen könnte nun in unserem Falle natürlich sehr leicht von aussen, d. h. von den Lymphräumen her erfolgen. In diesem Falle würden sich aber entweder die Zellen gleichmässig blau färben oder aber es müssten sich die peripheren Theile doch stärker und leichter färben als die centralen. Keins von beiden ist jedoch der Fall, wir beobachten die stärkste Blaufärbung immer in der Nähe des Lumens; an der Peripherie tritt der Farbstoff immer in einzelnen Strahlen oder Zügen ein, die sich erst in der Nähe des Lumens zu grösseren blauen Massen vereinigen. Eine totale Imbibition der G@angwand aber kann man nie beobachten. Doch in unserem speziellen Falle könnte noch einem anderen Einwand eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Es könnte nämlich in unserem Falle nicht allein an eine Imbibi- tion von aussen, sondern auch an eine solche von innen gedacht werden, und die beschriebenen Bilder würden sich dann durch eine Kombination beider erklären lassen. Es wird ja, wie später auseinandergesetzt werden soll, in den gelungenen Versuchen der Farbstoff schon viel weiter peripher, nämlich in den Halb- monden secernirt, und es füllen sich also die Speichelröhren schon von hier aus mit blauem Speichel. Gegen eine solche Imbibition Ueber die Ausscheidung des indie-schwefelsauren Natrons ete. 413 vom Lumen her sprechen jedoch ganz evident jene Versuche, wie die Eckhard’schen und zahlreiche von mir beobachteten, in denen der Farbstoff ausschliesslich sich in den Zellen der Speichelröhren fand. Hält man diese Erwägungen mit den früher erwähnten Thatsachen von den secretorischen Veränderungen der Gangzellen zusammen, so wird man zu dem Schlusse kommen, dass der Farb- stoff ausschliesslich durch die Thätigkeit des Zellprotoplasmas in die Zellen hinein und wiederum aus diesen herausbefördert worden ist. Vergleicht man die Figg. 1 und 2 mit den Bildern, die ich in früheren Arbeiten gegeben habe, so wird man er- kennen, dass der Farbstoff den Protoplasmafäden folgt, welche den Leib der Gangzelle durchziehen und auf diesem Wege auch in das Lumen befördert wird. Ueber die treibenden Kräfte, die hier in Frage kommen, geben unsere Präparate keinen näheren Aufschluss und es wäre müssig, mich hier in weitgehende Spekulationen einzulassen. Eins jedoch will mir jetzt schon sehr unwahrscheinlich scheinen, nämlich die Behauptung, dass es sich um wirkliche Contractionen des Zellprotoplasmas handelt. Wenn wir nun das secernirende System in der Speichel- drüse weiter peripher verfolgen, so kommen wir, da von den Schaltstücken nichts zu vermerken ist, zu den Schleimzellen, und ich will gleich vorwegnehmen, dass nur in sehr wenigen Fällen an ihnen eine deutliche Ausscheidung des Farbstofits zu bemerken war. Sie erscheinen meistens ungefärbt, umgeben von dem blau injieirten Lymphraum. In Fig. 3 sind einige solcher Zellen dar- gestellt. Man sieht hier, wie die Zellen umrandet sind von stark blau gefärbten Linien. Wahrscheinlich handelt es sich hier um die Kittleisten, welche den Farbstoff aufgenommen haben. In den secretgefüllten Zellen ist nirgends etwas von Farb- stoff zu sehen, dagegen begegnet man hier und da einer secret- leeren Zelle, welche sich mit dem Farbstoff beladen hat. Einen solchen Fall stellt Fig. 4 dar. Hier sind einmal die Protoplasma- fäden blau gefärbt, dann aber ist auch der ganze Zellleib gleich- mässig mit dem Farbstoff durchtränkt. Auffallend ist, dass in solchen Zellen dann sich immer auch der Kern intensiv blau gefärbt erweist. Das Lumen des Drüsentubulus ist fast überall mit Farb- massen dicht gefüllt und man ist deshalb zunächst erstaunt, dass 28* 414 Rudolf Krause: die Schleimzellen selbst so wenig Farbstoff enthalten. Verfolgt man aber die farbstoffgefüllten Röhren, so sieht man, dass sie alle in die Halbmonde hineinführen und man erkennt, dass die Hauptquelle der Farbstoffausscheidung in diesen Halbmonden gelegen ist. Beim Studium der Halbmondzellen können wir drei Arten derselben unterscheiden. Erstens solche Zellen, die keinen Farb- stoff enthalten und die Mehrzahl der vorhandenen Halbmond- zellen bilden. Die ungefärbten mit Alkohol fixirten Zellen lassen weitere Details kaum erkennen. Aber fast in jeder solchen leeren Zelle erscheinen, wie mit der Spritze injieirt, die Secretions- kanälchen, die sich von dem ungefärbten Grunde in prachtvoller Klarheit abheben. Eine andere Reihe von Halbmondzellen dagegen ist voll- gepfropft mit dicken, mehr oder weniger stark blau gefärbten Granulis. An den letzteren lässt sich meist ein schwächer ge- färbter Inhalt und eine stärker gefärbte Membran erkennen. Die Granula liegen ausserordentlich dicht, so dass sie die Secret- capillaren vollständig verdecken. Eine dritte Reihe von Zellen schliesslich zeigte sich nur zum Theil mit solchen Granulis gefüllt. Hier konnte man sehr schwer die Secretcapillare in den Halbmond verfolgen, und an ihrem Ende hingen dann die Körner etwa wie die Beeren am Stiel. Die Figg. 5, 6 und 7 geben solche Fälle im Bilde wieder. Sehr häufig war die Secretcapillare in ihrem ganzen Ver- laufe dicht mit blauen Secretkörnchen besetzt. Bei Unter- suchung mit stärksten Vergrösserungen aber zeigte es sich, dass auch der ganze Inhalt der Secretcapillaren ausschliesslich aus solchen Körnern gebildet wurde. Verfolgte man dann das Rohr weiter bis dahin, wo es in den Schleimtubulus mündete, so erschien das Lumen wieder mit einer homogenen blauen Masse gefüllt. Es waren hier augenscheinlich die blauen Körner zu dieser homogenen Masse zusammengeflossen. Wenn wir die hier mitgetheilten Beobachtungen über- schauen, so drängt sich uns zunächst die Frage auf: Welcher Natur sind diese blau gefärbten Körner in den Halbmonden? Granulaartige Bildungen in den Halbmonden sind vor Allen von E. Müller, später auch von mir beschrieben worden, und wenn ich diese Befunde mit den jetzt erhaltenen vergleiche, so komme ich zu dem Schlusse, dass es sich in beiden Fällen um dieselben Ueber die Ausscheidung des indig-schwefelsauren Natrons et. 415 Dinge handelt. Grösse und Aussehen ist in beiden Fällen das- selbe. Auch früher schon hatte ich beschrieben, dass diese Körner sehr bald, nachdem sie in das Secretkanälchen ein- getreten sind, sich auflösen, vielleicht quellen, jedenfalls unsicht- bar werden. Der Farbstoff ist aus den Lymphräumen in die Halbmond- zellen eingetreten und hat die hier vorhandenen Secretkörner imbibirt; er ist jetzt an dieselben gebunden. Wir können dann durch diesen günstigen Umstand die sämmtlichen Phasen des Austretens der blau gefärbten Körner in die Secretcapillaren ver- folgen. Zuerst ist die ganze Zelle mit Farbstoff granulis beladen, dann beginnt die Ausstossung, was sich dadurch markirt, dass die Körner in der Peripherie verschwinden. Es drängen dieselben also gleichsam immer von aussen nach innen vor, entsprechend dem Abfluss der Körner durch die Secret- capillare.. Dadurch entsteht jenes Bild, welches uns die Secret- capillare als Stiel zeigt, an dem dicht gedrängt die Granula als die Beeren der Traube hängen. Geht die Secretion noch weiter, so verschwinden schliesslich die blauen Körner gänzlich und die Secretcapillare präsentirt sich nun als gebogenes Rohr in der ungefärbten Zelle. !) Als ich in einer früheren Arbeit die Frage nach der Funktion der Halbmondzellen ventilirte, suchte ich ihrem Wesen als secernirende Elemente auf vier verschiedenen Wegen näher zu treten. Auf dreien derselben kam ich zu einem befriedigenden Resultat, und nur einer derselben führte nicht zum Ziele. Ich hatte mir nämlich an zweiter Stelle die Frage vorgelegt: „Gelingt es, in die Blutbahn des lebenden Thieres eingeführte Farbstoffe oder Reagentien in den Halbmonden oder deren Secretions- kanälchen nachzuweisen?“ und war zu folgendem Schluss ge- kommen: „Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dass wir unsere zweite Frage bis jetzt noch nicht mit Bestimmtheit bejahen können, denn die Zerner’schen Resultate bedürfen erst noch der Bestätigung.“ Ich glaube nun durch die mitgetheilten Ver- !) In Bezug auf die Lage der Secretcapillaren stehe ich auch heute noch auf meinem früheren Standpunkt, trotz der inzwischen erschienenen eingehenden Arbeit von Zimmermann (Arch. f. mikrosk, Anatomie, Bd. 52, 1898). Vielleicht werde ich demnächst einmal auf diesen Gegenstand zurückkommen, 416 Rudolf Krause: suchsergebnisse diese Zerner’schen Resultate nicht nur in ihren wichtigsten Punkten bestätigt, sondern auch nicht unwesentlich erweitert zu haben. Die Antwort auf die früher vorgelegte Frage wird also heute unbedingt bejaht werden müssen. Das in die Blutbahn des lebenden Thieres eingeführte indig-schwefelsaure Natron wird unter geeigneten Bedingungen in den Speicheldrüsen ausgeschieden und zwar einmal durch die Zellen der Speichelröhren mittleren und geringeren Kalibers, dann in geringem Masse durch die. Schleimzellen und schliesslich in ganz erheblicher Menge durch die Halbmondzellen, für deren Funktion als secernirende Zellen damit ein weiterer Beweis geliefert. An der letzteren scheint heutzutage überhaupt kaum noch ernstlich gezweifelt zu werden, nachdem selbst die enragirtesten Gegner eingelenkt haben. Wenn es Jemanden befremden sollte, dass die Ausscheidung durch die Speicheldrüsen erst bei Einführung relativ grosser Mengen des Farbstoffs einen bedeutenderen Grad erreicht, so muss man immer bedenken, dass die Hauptausscheidungsorte für den Farbstoff die Nieren und die Leber darstellen, und dass die Speicheldrüsen diese Funktion erst dann übernehmen, wenn dort eine gewisse Ermüdung eingetreten ist. Citirte Literatur. 1. Chrzonzezewski, Zur Anatomie und Physiologie der Leber. Virchows Archiv, Bd. 35, 1866. 2. Eekhard, C., Ueber den Eintritt des in das Blut injieirten indig- schwefelsauren Natrons in den Speichel. Beiträge zur Physiologie. Carl Ludwig zu seinem 70. Geburtstag gewidmet von seinen Schülern. Leipzig, 1887. 3. Heidenhain, R., Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physio- logie der Nieren. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. X, 1874. 4. Derselbe, Physiologie der Absonderungsvorgänge in Hermann’s Hand- buch der Physiologie. Bd. V, Leipzig, 1883. 5. Kabrhel, G, Ueber eine Methode der natürlichen Injeetion von Lymphbahnen der Niere, Medieinische Jahrbücher, Jahrg. 1866, N, F.I, Wien, 1886. 6. Krause, R., Beiträge zur Histologie der Speicheldrüsen. Die Be- deutung der Giannuzzi’schen Halbmonde. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 49, 1897. %. Müller, E, Drüsenstudien. Archiv für Anatomie und Physiologie, Anatom. Abth., 1896, Ueber die Ausscheidung des indig-schwefelsauren Natrons ete. 417 8. Pflüger, E. Jahresbericht der gesammten Mediecin, 1868, I, eitirt nach R. Maly. Chemie der Verdauungssäfte und der Verdauung in Hermann’s Handbuch der Physiologie, Bd. V., 9. Zerner, Th., Ein Beitrag zur Theorie der Drüsensecretion, Medicinische Jahrbücher, 1886, N. F. I., Wien, 1886. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXII. Fig. 1 und 2. Stäbchenepithel der Speichelröhren. Zeiss, Oc. 2. Obj. Yı, Fig. 3. Schleimzellen mit Farbstoff in den Lymphräumen. Zeiss, Oe. 2. Obj. !ıe. Fig. 4 Eine Schleimzelle mit Farbstoff beladen, Zeiss, Oc. 4. Obj. !/ır Fig. 5. Halbmonde mit Secretcapillaren. Zeiss, Oc 4. Obj. !/ı2. Fig. 6. _ Zwei Halbmondzellen, theilweise und vollständig mit blauen Secret- körnern gefüllt. Zeiss, Oc. 4. Obj. !/ı2. Fig. °. Halbmondzellen mit Secretcapillaren, die letzteren noch mit blauen Secretkörnern gefüllt. Zeiss, Oc. 4. Obj. !/ıe. Sämmtliche Figuren stammen von der Glandula, submaxillaris des Hundes. Aus dem anatomisch-biologischen Institut in Berlin, Das Rückenmark des Orang-Utan. Von Dr. J. A. Figueiredo-Rodrigues, Assistent der Histologie an der medieinischen Fakultät in Rio de Janeiro. Hierzu Tafel XXIII und XXIV. Die hochbedeutende Arbeit von Waldeyer über das Rückenmark des Gorilla, die Arbeiten von Krause über die Vertheilung der Neuroglia in dem Rückenmarke des Menschen und der Affen, und das Interesse, welches das Studium des Nervensystems der Anthropoiden stets für das Studium des Nervensystems des Menschen erweckt hat, ist für uns die An- regung gewesen, eine systematische, vergleichende Untersuchung der topographischen Anatomie des Rückenmarkes des Orang- Utan anzustellen. Bevor ich jedoch das Ergebniss unserer Untersuchungen darlege, ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Hertwig für die liebenswürdige Aufnahme in dem anatomisch-biologischen 418 J. A. Figueiredo Rodrigues: Institute der Universität Berlin, woselbst die vorliegende Arbeit ausgeführt wurde, und ebenso seinem allzeit hilfsbereiten Pro- sektor Herrn Dr. Rudolf Krause für die ausgezeichneten Rathschläge, mit denen er mir auf Grund langjähriger Erfahrung und seiner umfassenden technischen Kenntnisse beigestanden, hiermit meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Das Rückenmark des Orang-Utan (Satyrus niger), das mir im anatomischen Institute zur Untersuchung übergeben wurde, war leider nicht in Segmente getheilt, in denen die Lage der entsprechenden Rückenwurzelfasern genau bestimmt gewesen wäre; das Halsmark war in 8, das Dorsalmark in 12, das Lendenmark in 6 und das Sacralmark in 3 Segmente getheilt. Dieser Umstand jedoch war für mich bei der Methode, die ich bei der Arbeit anwenden wollte, von keinem grossen Belang, denn mein Hauptzweck war der: aus der Untersuchung aller Segmente in jeder Gegend unter steter Vergleichung mit dem Rückenmarke des Gorilla, des Menschen, des Chimpanse und anderer bereits untersuchten Thiere allgemeine Schlüsse zu ziehen. Ueber 80!) Schnitte wurden von allen vorhandenen Segmenten des Markes angefertigt und entweder nach der Pal’schen oder Weigert’schen Methode oder mit carminsaurem Natron oder Hämatoxylin gefärbt. Ferner wurde mir das Mark eines Chimpansen zur Unter- “suchung gegeben, an dem ich eine grosse Anzahl Schnitte, die mir dann als Vergleichungspunkte dienten, angefertigt habe. Halsmark. (Segment 1.) Das erste Segment (Fig. 1) stellt sich in der Gesammtform seines Querschnittes als vollkommen rund dar. Der antero- posteriore Durchmesser und der @Querdurchmesser sind gleich. Der Schnitt ist ein vollkommener Kreis. Vordere Wurzelfasern. Die vorderen Wurzelfasern treten aus dem Kopfe des vorderen Hornes in Bündeln hervor, deren Anzahl mindestens drei und höchstens fünf beträgt. Die mediale Ecke bildet den Ausgangspunkt der innersten Wurzel. Waldeyer bemerkt, dass bei dem Marke des Gorilla in Höhe des zweiten und dritten Halsnerven die mediale Ecke stets wurzelfrei ist. Bei dem ÖOrang-Utan, ebenso wie bei dem Gorilla und dem Menschen sind in der Lateralecke und dem Das Rückenmark des Orang-Utan. 419 übrigen Umkreise des vorderen Hornes Wurzeln nicht zu finden. Rudolf Krause hat beobachtet, dass bei dem Marke des Menschen, des Kaninchens, der Katze und anderer Thiere jedes Wurzelbündel aus Fasern gebildet wird, die aus verschiedenen Zellengruppen herrühren. Das nämliche habe ich ganz klar an dem Marke des Orang-Utan beobachtet. Der Verlauf der Wurzelbündel durch den vorderen Strang ist niemals geradlinig, aber die Richtung ihrer Biegung ist nicht konstant, und man sieht auch, dass sich dieser Verlauf nicht immer auf derselben horizontalen Fläche vollzieht. Die Anzahl der Fasern, aus denen jedes Bündel gebildet wird, wechselt sehr. Hintere Wurzeln. In Höhe dieses ersten Segments des Markes des Orang-Utan treten die hinteren Wurzeln in einem einzigen Bündel in die äusserste Gegend des Burdach- schen Bündels (vergl. Fig. 6). Gleich nach ihrem Eintritt in der Nähe des Apex nehmen sie grössten Theils sofort einen Verlauf in der Längsrichtung, trennen sich alsdann und vertheilen sich auf folgende Weise: 1. Faserzüge, die parallel zum inneren Rande des hinteren Hornes laufen und dann in den Hornkern dringen; 2. Faserzüge, die sofort einen Verlauf in der Längsrichtung annehmen und auf diese Weise auf einer längeren oder kürzeren Strecke sich dem Burdach’schen Bündel zugesellen; 3. Faserzüge, die bis zum Stilling’schen Kerne gehen; 4. Faserzüge, die nach ihrem Eintritt in die graue Substanz des hinteren Hornes quer durch die graue Commissur gehen und entweder bei dem Stilling’schen Kerne oder bei dem Horn- kern auf der anderen Seite endigen !); 5. sehr feine Fasern, die horizontal durch den Apex des hinteren Hornes und dann direkt durch die Markbrücke und die Waldeyer’sche Zonalschicht gehen, um in der Roland ’schen gelatinösen Substanz zu verlaufen; ') van Gehuchten spricht in seinem Aufsatze Contribution ä l’&tude de la mo£le &piniere des vertöbres (Cellule, 1897) Bd. 12, S. 129) von dem Vorhandensein dieser Fasern in dem Marke von Tropinodotus. — Waldeyer in seiner Untersuchung über das Mark des Gorilla beschreibt diese Züge, bestimmt aber nicht genau ihre Entstehungspunkte. Auf vielen Abbildungen seines Buches finden sich in dem hinteren Theile der grauen Commissur Bogenfasern, die jenen Fasern, die wir beim Orang-Utan antreffen, ent- sprechen müssen. — Kölliker (Menschl. Gewebelehre, 5. Aufl., Bd. 2., 8. 86) 420 J.A. Figueiredo Rodrigues: 6. Fasern, die denselben Weg wie die vorhergehenden nehmen, durch die Flechsig’sche Grenzschicht gehen und entweder an den Mittelzellen oder in der hinteren Seitengruppe des vorderen Hornes endigen'); 7. Fasern, deren äusserst feine Querschnitte sich auf der ganzen Fläche des Apex des hinteren Hornes zerstreut finden, welcher hier die wirkliche Rolle einer Lissauer’schen Rand- zone spielt. In diesem ersten Segmente des Halsmarkes des Orang- Utan ist eine der wichtigsten Endstellen der hinteren Wurzeln in der grauen Substanz der Hornkern. In diesem Kerne, der so zuerst von Waldeyer benannt worden ist, endigen ganz deutlich die Faserbündel, und zwar sowohl die, welche direkt von der hinteren Wurzel, als auch die, welche von verschiedenen Gegenden des Burdach’schen Bündels herkommen. Einige Fasern schlagen, sowie sie zu diesem Kerne gelangen, sofort eine Längsrichtung ein und bilden auf diese Weise die Kölliker’schen Longi- tudinalbündel; andere Fasern dagegen strahlen nach verschiedenen Richtungen aus. So also gehen von dem Kerne des hinteren Hornes, wie später geschildert werden soll, Fasern aus, die, durch die graue Kommissur hindurch mit einigen Fasern des Stilling’schen Kernes und mit Fasern der aus dem Burdach- schen Bündel kommenden hinteren Wurzeln vereinigt, entweder zum Stilling’schen Kerne oder zum Hornkerne auf der anderen Seite laufen und dadurch eine echte hintere weisse Commissur bilden. Es ist mir nicht gelungen, in diesem Segmente die Bündel zu sehen, die direkt weiter laufen, um schliesslich in die vorderen Wurzeln überzugehen, wie dies von Waldeyer beim Gorilla spricht von dem Vorhandensein einer dorsalen Kommissur in dem Marke neugeborener Katzen. — Ramön y Cajal hat bei neugeborenen Küchlein und Michael v. Lenhossek bei dem Meerschweinchen eine ähnliche Commissur beschrieben. — Bei dem Menschen ist sie seit langer Zeit bekannt und ausgebildet; Kölliker, 1. c., S. 61, Fig. 376. — van Gehuchten be- schreibt diese Züge mit Abbildungen in einer früheren Untersuchung über das Rückenmark (Cellule, Bd. VII, S. 96, Fig. 16, 18 und 19). ?) Diese Fasern müssen den Kölliker’schen Reflexcollateralen oder den Cajal’schen „colaterales sensitivas motoras“ entsprechen, — Bei dem menschlichen Marke beschreibt Bechterew diese Fasern und giebt ihnen eine reflexe Funktion. Vergl. Arch. f. Anat. u. Physiol, Anatom. Abth,, 8.131 und 134. Das Rückenmark des Orang-Utan, 421 und von Kölliker und Bechterew!) beim Menschen be- obachtet worden ist. Die Theilung der hinteren Wurzeln in zwei Bündel: ein inneres oder mittleres und ein äusseres oder laterales, vermag ich direkt nicht zu beobachten. Diese Theilung — nicht in dem Sinne von Schwalbe und der früheren Forscher, sondern in dem Sinne, wie ihn Bechterew aufstellt — erscheint uns un- zweifelhaft, trotzdem sie von einer Autorität wie Waldeyer bekämpft wird. Sämmtliche Fasern, die ich durch den Apex hindurch in die Roland’sche gelatinöse Substanz eindringen sah, sowie die- jenigen Fasern, welche durch die Grenzschicht hindurchgehen, desgleichen jene Fasern, deren Querschnitt in der ganzen Länge des Apex beobachtet wird, haben im Allgemeinen einen äusserst schmalen Durchmesser im Verhältniss zu den anderen Fasern, die durch das Burdach’sche Bündel hindurch ihren verschiedenen Zielen zustreben. Die nach der Golgi’schen Methode aus- geführten und von Kölliker, Cajal und van Gehuchten angestellten Untersuchungen lassen über die Richtigkeit dieser Theilung, die sich ausserdem auf bereits von Bechterew auf- gestellte embryologische Gründe stützt, keinen Zweifel. Anterolateraler Strang. Wie man weiss, ist es bei dem anterolateralen Strange nicht möglich, bei der Untersuchung eines normalen Markes die grosse Zahl Bündel, wie sie uns durch die Experimentalphysiologie und die pathologische Anatomie ent- hüllt werden, zu unterscheiden. Es sind keine Neurogliesepten, noch auch hinreichend deut- liche Unterschiede in dem Kaliber seiner Fasern vorhanden, die uns zu einer genauen Untereintheilung führen könnten. Die bereits von Kölliker beschriebene und von Waldeyer bestätigte Thatsache, dass die Öylinderachsen der Peripherie dichter sind als die des Centrums, lässt sich hier ganz klar beobachten. Ebenfalls in Uebereinstimmung mit der von R. Krause und Aguerre°) hinsichtlich des menschlichen Markes gemachten Beobachtung sind an den Stellen, wo die Nervenfasern schmaler !) Arch. f. Anat. u. Physiol., Anatom. Abth., 1887. ®) R. Krause und J. Aguerre, Untersuchungen über den Bau des menschlichen Rückenmarkes mit besonderer Berücksichtigung der Neuroglie. Anatomischer Anzeiger, Bd, XVIII, 1900. 422 J, A. Figueiredo Rodrigues: sind, die Neurogliefasern dicker — somit ist die Neurogliemasse kompakter. Die Stellen des anterolateralen Stranges, an denen die Nervenfäsern ein kleineres Kaliber zeigen, sind 1. in der Flechsig’schen Grenzschicht, 2. in der Nähe des vorderen mittleren Neurogliaseptums und 3. in der an den vorderen Rand der grauen Commissur grenzenden Gegend. In der Höhe der lateralen Ecke des vorderen Hornes (vergl. Fig. 1) treffen wir in der Peripherie des anterolateralen Stranges einen etwas tiefen Suleus, durch den die Pia dringt, und von dem die Gefässe ausgehen, die zur Ernährung der Portion grauer Substanz dienen, in der sich die Zellen der lateralen Gruppe befinden. Diese Anordnung ist in der Hals- und Dorsalgegend konstant. Bei dem Halsmarke ist es uns nicht möglich gewesen, ver- möge des Kalibers der Fasern das Kleinhirnbündel, so wie es Waldeyer beim Gorilla beobachtet hat, zu unterscheiden. In dem seitlichen Umkreise des vord:ren Hornes ist in dem Halsmarke des Orang-Utan keine Spur von Processus reticularis vorhanden: dieser findet sich in dem seitlichen Um- kreise des hinteren Hornes, aber nur sehr wenig entwickelt im Verhältniss zum Processus reticularis des Markes des Menschen und des Gorilla. Stets in Höhe dieses Processus retieularis gehen die Fasern des Accessorius aus. Diese vollkommen zu Bündeln geformten Fasern entspringen auf dem Rande des anterolateralen Stranges oberhalb der Stelle, wo die hinteren Wurzeln eindringen. Die ausstrahlenden Züge weisser Fasern in dem ganzen Umkreise des vorderen Hornes und in dem seitlichen Umkreise des hinteren Hornes erfordern eine besondere Be- schreibung. Ich kann sagen, dass sich im Allgemeinen die aus- strahlenden Züge in zwei Gruppen theilen lassen: 1. grobe Fasern, die einzeln aus der grauen Substanz zur weissen Substanz laufen und auf der ganzen Länge ihres Laufes das nämliche Kaliber beibehalten; 2. feine Fasern, die in die graue Substanz dringen und dort unentwirrbare Plexus in der Nähe der Nervenzellen bilden. Um von dem weissen Strange zur grauen Substanz zu gelangen, laufen diese Fasern auf den ausstrahlenden Neurogliesepten. !) ') Die ersteren Fasern stellen für Kölliker die Hauptausläufer der Das Rückenmark des Orang-Utan. 423 Hinterer Strang. Derselbe ist, wie bekannt, in dem oberen Theile des Halsmarkes entwickelter als in irgend welcher anderen Gegend, und man unterscheidet ganz deutlich das Burdach’sche und das Goll’sche Bündel (vergl. Fig. 1). Der kleinere Durchmesser der Nervenfasern und eine grössere Ver- dichtung der Neuroglie bewirken, dass sich das Goll’sche Bündel von dem Burdach’schen abhebt und zwar sogar bei Schnitten, in denen ein paramedianes Septum nicht recht erkennbar ist. Es ist sehr schwierig, zu sagen, ob sich in dem hinteren Strange ausstrahlende Fasern befinden, denn mit den bei der Untersuchung des Markes erwachsener Thiere zur Anwendung kommenden Färbungsmethoden lassen sie sich, falls vorhanden, nicht von den Fasern der hinteren Wurzeln unterscheiden. Jedoch habe ich stets beobachtet, dass in der zwischen den beiden Stilling’schen Kernen liegenden Strecke des hinteren Randes der grauen Substanz keine ausstrahlende Faser erkenn- bar ist. Fasern des Accessorius. Diese Fasern in Höhe des von uns zu untersuchenden Segmentes laufen in horizontaler Richtung in einem einzigen oder doppelten Bündel vom Pro- cessus reticularis bis zur Peripherie des Markes, und zwar etwas oberhalb der Eintrittsstelle der hinteren Wurzeln. Der Querschnitt dieser in Folge ihres grösseren Kalibers erkennbaren Fasern findet sich im Processus reticularis und bildet wie beim Gorilla zwei oder drei Bündel, die sich scharf von den schmalen Fasern der Flechsig’schen Grenzschicht abheben. Centralkanal und centrale gelatinöse Substanz. Der Centralkanal hat in dieser Gegend die Form einer Raute, deren sämmtliche Winkel sozusagen in Spalten mit verschiedener Tiefe auslaufen. Indessen kann man in dem nämlichen Segmente Modificationen von Schnitt zu Schnitt beobachten. Der Kanal liegt in dem mittleren Theile der grauen Kom- missur, und zwar dem hinteren Strange näher als dem vorderen. Die cylindrischen Fpithelialzellen, aus denen er gebildet wird, sind vollkommen normal und gut erhalten. Das Lumen des Kanals ist stets geöffnet. Zellen der Stränge dar. Kölliker, Handbuch der Gewebe des Menschen, S. 105, 1896. Ramön y Cajal ist es gelungen, darzuthun, dass die letzteren Fasern Collaterale der Fasern der Stränge darstellen (Anatom. Anz., 1900), 424 J. A Figueiredo Rodrigues: Die centrale gelatinöse Substanz charakterisirt sich bei den Pal’schen Präparaten durch ihre blassere Farbe und durch die geringe Zahl ihrer Nervenzellen. Von dem hinteren Rande der grauen Substanz sieht man stets das hintere mittlere Neuroglieseptum sich erheben, das den hinteren mittleren Sulcus bis zur Peripherie einnimmt. Dieses in seinem ganzen Verlaufe schmale Septum nimmt an der Stelle, wo es in die graue Substanz einwächst, eine drei- eckige Form an. Von dem vorderen Rande der grauen Substanz hebt sich ein zweites Neurogliaseptum ab, das nicht bis zur Peripherie, sondern bis zum Boden der vorderen Fissur geht (vergl. Fig. 4). Dieses Septum, dessen Basis fast den ganzen vorderen Rand der grauen Kommissur einnimmt, wird nach und nach spitzer und bekommt eine deutlich dreieckige Form. Es ist bei allen Segmenten des Rückenmarkes des Orang-Utan konstant. Bei dem Chimpansen findet sich ein vorderes mittleres Neuroglia- septum mit dem nämlichen charakteristischen Aussehen. Dieses vordere mittlere Septum wird bisweilen von den Fasern der vorderen weissen Kommissur, die es durchziehen und sich auf ihm kreuzen, etwas verdeckt. Diese Kommissur ist hier viel weniger entwickelt, als bei dem menschlichen Rückenmarke. Zwischen dieser Kommissur und dem Centralkanale in Höhe dieses ersten Segmentes des Rückenmarkes des Orang-Utan bemerkt man keine Fasern, die in der Längsrichtung verliefen. Hintere weisse Kommissur. Zwischen dem Uentral- kanale und dem hinteren Strange bemerkt man ein schmales Bündel, gekreuzter Fasern das eine wirkliche hintere weisse Kommissur darstellt. Waldeyer bezeichnet sie auf allen Ab- bildungen des Rückenmarkes des Gorilla mit dem allgemeinen Namen „Bogenfasern“, ohne jedoch, wie schon gesagt, ihren Ursprung genau zu bestimmen. Bei unseren Präparaten vom Rückenmarke des Orang-Utan scheint uns diese Kommissur aus drei Arten Fasern gebildet zu sein: Fasern, die ihren Ur- sprung in der Höhe des Stilling’schen Kernes haben; Fasern, die aus den hinteren Wurzeln und Fasern, die aus dem Kerne des hinteren Hornes kommen. Sie stellen somit eine breite sensible Kommissur dar, welche die Zellen der homologen Ganglien, die Kerne der hinteren Hörner und die entsprechenden Stilling’schen Kerne untereinander verbindet. Das Rückenmark des Orang-Utan, 425 Vordere Hörner. Sie haben eine fast viereckige Form und gehen nach und nach immer mehr auseinander, sodass die Entfernung zwischen ihnen in Höhe ihrer Enden das Doppelte der Entfernung an der Basis beträgt. Viel entwickelter als die hinteren Hörner sind die vorderen: Die Dimensionen ihrer Basis weichen verhältnissmässig nur wenig von denen der Enden ab. Diese leicht gerundeten Enden weisen zwei Ecken auf: eine mediale und eine seitliche. Wie schon gesagt, ist die mediale Ecke stets die Ursprungsstelle einer der Wurzeln, die seitliche Ecke ist stets frei. Die Wurzelzellen vertheilen sich in Höhe dieses Segmentes in der gleichen Weise, wie es Waldeyer hin- sichtlich des Gorilla beschrieben hat. So konnten wir denn dieselben Gruppen unterscheiden (Fig. 1), nämlich: eine vordere mediale Gruppe ; eine hintere mediale Gruppe; eine vordere laterale Gruppe; eine hintere laterale Gruppe ; eine Gruppe mittlerer Zellen ; zerstreute Zellen. Die vordere mediale Gruppe, deren Zellen so ziemlich die gleiche Grösse haben, nimmt die mediale Ecke ein. Die hintere mediale Gruppe besteht aus Zellen von ver- schiedener Grösse, doch überwiegen kleinere Durchmesser, als in der vorhergehenden Gruppe. Die vordere laterale Gruppe lässt sich wieder in zwei Unter- gruppen — eine innere und eine äussere — theilen. Die hintere laterale Gruppe ist die grösste und enthält Zellen mit grösstem Durchmesser. Eine Untertheilung in Unter- gruppen wird nicht wahrgenommen. Die Zellen sind in einem Kreise gruppirt und scheinen eine fortlaufende Säule zu bilden, die in diesem Segmente eine konstante Lage hat. Die Waldeyer’schen mittleren Zellen sind sehr eharakte- ristisch. Die von Waldeyer als konstant beim Menschen und beim Gorilla aufgestellten Zellen des lateralen Hornes finden sich hier ebenfalls vor. bei dem Orang-Utan sitzt der Processus reticularis im oberen Theile des Halsmarkes nicht an derselben Stelle, wie bei den anderen Thieren. Er liegt an dem Halse des hinteren 426 J. A. Figueiredo Rodrigues: Hornes und ist nur sehr wenig entwickelt. An der Stelle jedoch, wo sich das laterale Horn finden müsste, trifft man zwei, manch- mal drei Zellen, die den von Waldeyer beschriebenen ent- sprechen müssen. Auch zerstreute Zellen trifft man. In diese müssen wir die Zellen der grauen Kommissur einbeziehen. Hintere Hörner. Dieselben sind in diesem Segmente schmal und lang. Zum Zweck ihrer systematischen Beschreibung müssen wir sie in folgende Regionen theilen: Basis, Hals, Kopf, Rolando’sche gelatinöse Substanz, Waldeyer’sche Zonal- schicht, Markbrücke und Apex. In der Basis des hinteren Hornes nahe an seinem inneren Rande findet sich der Stilling’sche Kern. Ebenso wie bei anderen Thieren sind diese Zellen in dieser Gegend nicht sehr zahlreich, fehlen aber, wie Stilling, Kölliker und besonders Waldeyer festgestellt haben, in keiner Gegend des Markes. Ihre Zahl ist in jedem Schnitte sehr gering: 2, 3, sehr selten 4, ganz nahe zusammenhängend. Ihr Typus ist im Allgemeinen multipolar. An der Stelle, wo sie sich finden, beobachtet man immer das Eindringen von Fasern der hinteren Wurzeln und den Ursprung von Fasern der hinteren weissen Kommissur. Eine Be- ziehung zwischen dem in Rede stehenden Kerne und den Fasern des Kleinhirnstranges konnte mit den von uns angewandten Färbungsmethoden nicht beobachtet werden. Die Stilling’schen Zellen fehlen jedoch in einigen Schnitten, trotzdem sie sich bei einer grossen Anzahl Schnitte desselben Segmentes hinter ein- ander in Reihen vorfinden. Dies beweist ihren segmentalen Charakter, wie ihn Waldeyer ganz klar beim Gorilla auf- gestellt hat. Es finden sich an der Basis auch zerstreute Zellen, sowie eine grosse Zahl Nervenfasern, deren Verworrenheit in den Weigert’schen und Pall’schen Präparaten eine genaue Be- schreibung nicht gestattet. Einige jedoch, die aus den hinteren Wurzeln kommen, lassen sich leicht bis zur Waldeyer’schen mittleren Zellgruppe und bis zur hinteren lateralen Gruppe verfolgen. Fasergruppen im Querschnitt und Fasern mit schräger Richtung trifft man beständig in dieser Gegend nach innen von Stilling’schen Kerne. Ihren Ursprung und ihr Ende zu be- Das Rückenmark des Orang-Utan. 497 stimmen ist nicht möglich. Bei einigen Präparaten jedoch be- merkt man, dass von den hinteren Wurzeln aus sich ihnen Bündeln nähern, deren Fortsetzung in der Längsrichtung in der grauen Substanz sie zu sein scheinen. Der Hals des hinteren Hornes ist bei unserem Segmente nur sehr wenig deutlich. In ihm entspringen die Fasern des Accesorius und finden sich die nur wenig entwickelten Proeessus reticulares. Der Kopf des hinteren Hornes liegt zwischen dem Halse und dem Apex. Hier erweitert sich das Horn etwas, doch ist diese Erweiterung viel weniger deutlich, als bei dem unteren Halsmarke. Der Kopf des hinteren Hornes hat in seinem mittleren Theile eine dunklere Färbung nicht nur infolge der grösseren Anzahl von Nervenzellen, sondern auch infolge der grossen An- zahl von Fasern aus den dort eindringenden Wurzeln und infolge des Querschildes der Kölliker’schen Longotidudinalbündel. Es ist der Waldeyer’sche Hornkern. Die gelatinöse Substanz umgiebt den Hornkern in Form eines Halbmondes. Eine grosse Zahl zum Bündel der äusseren Fasern gehörender schmaler Fasern der hinteren Wurzel zieht sich deutlich bis zu ihr hin. Die Waldeyer’sche Zonalschicht, die der Lissauer- schen schwammigen Substanz entspricht, zeigt bei unsern Prä- paraten eine dunklere Färbung, als die galatinöse Substanz. Sie enthält bisweilen multipolare Nervenzellen und eine grosse Zahl Neurogliazellen und -kerne. Ihr folgt die Markbrücke. Hierunter verstehen wir den (Querschnitt markhaltiger Fasern, die in der grauen Substanz einen Zusammenhang zwischen dem hinteren und dem seitlichen Strange herstellen. Dieser Zusammenhang ist zwar nicht voll- kommen im strengen Sinne des Wortes; er zeigt sich aber mehr oder weniger vollständig bei allen Schnitten des Hals- und Dorsalmarkes des Orang- Utan. Wenn dieselben auf unsern Ab- bildungen nicht wiedergegeben sind, so kommt dies daher, dass die die Markbrücke bildenden markhaltigen Fasern einen kleinen Durchmesser haben und mit Hülfe der für die Totalzeichnungen er- forderlichen schwachen Vergrösserung nicht wahrnehmbar sind. Ich Kann nicht sagen, wie weit diese Markbrücke der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 29 428 J. A. Figueiredo Rodrigues: Waldeyer’schen Markbrücke entspricht. „Immer muss man auch hier sagen, dass der Markmantel des Rückenmarkes dieser Region nirgends völlig unterbrochen ist, auch da nicht, wo hintere Wurzelfasern eintreten“.!) Diese Fasern liegen jedoch in der grauen Substanz bald mehr zusammen, bald mehr zer- streut, aber konstant und stets an derselben Stelle und bei allen Schnitten des Hals- und Dorsalmarkes des Orang-Utan erkennbar. Zwischen diesen Querschnittfasern sieht man sehr feine Fasern in horizontaler Richtung laufen. Dieselben wenden sich von den hinteren Wurzeln entweder zur gelatinösen Substanz oder zum Kerne des hinteren Hornes oder durch die Flechsig’sche Grenzschicht hindurch zu einem ferner liegenden Ziele. Nach diesen markhaltigen Fasern, die ich wohl oder übel mit der Waldeyer’schen Markbrücke identifizire, verlängert sich das hintere Horn in einem zugespitzten Apex bis zur Peripherie. Bei den mittelst Pal’schen und Weigert’schen Methode gefärbten Präparaten ist keinerlei Unterbrechung der grauen Substanz und dieser ihrer peripherischen Verlängerung vorhanden, wie man aus Fig. 1, 2, 3 u.s.w. ersieht. Dieser Apex ist gebildet aus dichten, gewellten neurogliösen Fäserchen, die ohne Unterbrechung bis zu dem Punkte der Peripherie laufen, wo die entsprechende hintere Wurzel eintritt. Das Studium der Präparate, auf die sich die Arbeit Rudolph Krause’s über die Neuroglie in dem Rückenmarke des Affen?) stützt, hat uns in dieser Beziehung jeden Zweifel genommen. So können wir dann im Gegensatze zu dem, was Waldeyer beim Gorilla gefunden hat, behaupten, dass sich der Apex des hinteren Hornes bis zur Peripherie verlängert. In dem Apex bemerkt man zwischen den Neuroglia — Fäserchen im Querschnitt eine grosse Anzahl sehr schmaler, zerstreuter markhaltiger Fasern, deren Ursprung in der hinteren Wurzel leicht zu erkennen ist. Ausser ihnen laufen in horizon- taler Richtung noch andere feine markhaltige Fasern, von denen wir bereits früher gesprochen haben. 'ı) Waldeyer, Das Gorilla-Rückenmark $.21 (Aus den Abhandl. der Königl. Preuss. Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1888). °?) R. Krause, Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen, 1899. Das Rückenmark des Örang-Utan, 429 Zwischen dem Apex und dem lateralen Strange dringt ein konstantes Septum der Pia hindurch, das zur Ernährung jener Region des hinteren Hornes dient. Dieses Septum beweist ausser- dem die vollkommene Unabhängigkeit zwischen dem Apex, den hinteren Wurzeln und dem Lateralstrange, — also ganz ver- schieden von dem was Bechterew hinsichtlich des menschlichen Rückenmarkes gesagt hat. Keine Faser der hinteren Wurzeln in der Halsregion geht zum Lateralstrange um dann in die graue Substanz des hinteren Hornes einzudringen, Nach dem oben Gesagten möchten wir glauben, dass die Lissauer’sche Randzone den Apex des hinteren Hornes bei dem KRückenmarke des Orang-Utan bildet. Diese Annahme scheint uns nicht unbegründet, wenn man berücksichtigt, was Lissauer selbst in seiner Untersuchung über das menschliche Rückenmark sagt:!) „Im oberen Theile des Rückenmarkes findet man allerdings unter der Bezeichnung eines Apex cornus posterioris ein Areal beschrieben, welches eine Verlängerung des Hinter- hornes über die gelatinöse Substanz hinaus bis zur Peripherie darstellt und sonach topographisch mit der oben beschriebenen Randzone im Wesentlichen identisch zu sein scheint. Dieser Apex wird zum Theil für Bindegewebe angesehen (vgl. Krause, Handb. d. Anatomie, Bd. 1), während anderen das Vorkommen von Nervenfasern an dieser Stelle wohl bekannt ist. Die Angaben von Henle (Nervenlehre) und Fromman (Untersuch. über normale und pathologische Anatomie des Rückenmarkes) scheinen meinen obigen Darstellungen am nächsten zu kommen. Henle unterscheidet ausschliesslich im oberen Dorsal- und Cervicalmark einen schmalen Gewebsstreifen als äusserste Fortsetzung des Hinterhornes, welcher bald auch zahlreiche Nervenfasern ent- halten soll und sich im letzteren F-Il ähnlich der benachbarten weissen Substanz ausnimmt. Auch dass an solchen Stellen die Nervenfasern das Apex besonders fein sind, hebt Henle hervor. Nach Fromman kommt der Apex überall im Rückenmark vor und besteht aus eigenartigem retikulärem Gewebe mit zahlreichen feinen Maschen, in denen theils Retieulumfasern, theils auch wirklich feine Nervenröhren liegen; letztere bald unregelmässig, bald regelmässig geordnet, bald sehr reichlich und bald sehr !) Lissauer, Beitrag zum Faserverlauf im Hinterhorn. Arch. f, Psychiatrie u. Nervenkrankh. 1886, S. 386, 29* 430 J. A. Figueiredo Rodrigues: sparsam vorhanden, sodass das Aussehen des Apex von dem der retikulären Rindenschicht bis zu der der weissen Substanz wechselt und der Apex in der That, je nach seinem Nervengehalt, theils zur grauen, theils zur weissen Substanz zu rechnen ist.“ Somit dürfen wir auf Grund unserer Beobachtungen be- haupten, dass bei dem Marke des Orang-Utan die Lissauer’sche Zone dem Neuroglia-Apex des Hinterhornes entspricht und dass die schmalen Fasern, die jene Zone bilden, die äusseren Wurzelfasern sind, die durch jenen Apex anfänglich in Längs- richtung laufen, um dann horizontal entweder in die Waldeyer’sche Zonalschicht oder in die Rolando’sche gelatinöse Substanz oder in den Hornkern oder durch die Flechsig’sche Grenzschicht zu dringen zu einem ferner liegenden Ziele. Schliesslich bemerken wir noch, dass trotzdem Kölliker, Testut, van Gehuchten und sogar Waldeyer die von letzterem beschriebene Markbrücke mit der Lissauer’schen Randzone identifiziren, gleichwohl Grund zur Aufstellung eines gewissen Unterschiedes zwischen ihnen vorhanden ist. Halsmark. (Segment 2) Bei diesem Segmente ist die Gesammt-Figur des (Quer- schnittes merklich verändert. Der (Querdurchmesser ist grösser, als der anteroposteriore. Die Vorder- und Hinterhörner sind stärker entwickelt und die Zahl der Ganglienzellen von aus- strahlenden Fasern ist bedeutend erhöht. Vorderwurzeln. Das Vorderhorn weist drei Ecken — eine mediale, eine intermediare und eine laterale auf, und die Wurzeln haben ihren Ursprung in dem vou den beiden ersteren Ecken umschlossenen Raume. Die mediale, sowie die laterale Ecke sind wurzelfrei, dagegen reich an Bündeln ausstrahlender Fasern. Die Art der Wurzelvertheilung ist die nämliche. Doch haben wir bemerkt, dass bei vielen Schnitten zahlreiche Fasern der Hinterwurzeln aus dem mittleren Zellen herkommen. Hinterwurzeln. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Art des Eindringens der Hinterwurzeln bei diesem Segmente die nämliche ist. Die Wurzeln dringen theils in den Apex, theils etwas in das Burdach’sche Bündel. Dort nehmen sie gleich nach ihrem Das Rückenmark des Orang-Utan. 431 Eintritt im Allgemeinen einen longitudinalen Verlauf und theilen sich, obwohl man es nicht direkt sehen kann, in zwei Gruppen — Wurzeln mit innerem oder medialem und solche mit äusserem oder lateralem Verlaufe. Wurzeln mit äusserem Verlaufe sind die, welche den Neuroglia-Apex — die Randzone — einnehmen. Sie zeichnen sich durch die ungemeine Feinheit ihrer Fasern und durch ihren sofort longitudinalen Verlauf durch eben jenen Apex hindurch aus. Wie wir aber schon bei dem vorhergehenden Segmente gesehen haben, laufen auch viele derselben horizontal und gehen entweder bis zur gelatinösen Substanz oder zum Kerne des Hinterhornes oder durch die Flechsig’sche Grenzschicht hin- durch bis zur grauen Substanz des Vorderhornes. Die inneren Wurzeln sind stets gröber. Sofort bei ihrem Eintritt in das Burdach’sche Bündel nehmen sie einen longitudinalen Verlauf, worauf dann ihre Fasern verschiedene Richtungen einschlagen. — Wir müssen hier bemerken, dass man nur sehr selten Bündel wahrnimmt, die sofort nach ihrem Beginne horizontal die Richtung nach der grauen Substanz einschlagen. Fast alle Bündel haben vor ihrem Querverlaufe einen longi- tudinalen. Die Wurzeln mit innerem Verlaufe theilen sich somit: 1. in Fasern, die auf einer langen Strecke einen Theil des hinteren Stranges ausmachen; .in Fasern, die, zu 4 oder 5 verschiedenen Bündeln vereinigt, in den Hornkern eindringen und dort ver- schiedenen Zielen zustreben; 3. in Fasern, die im Stilling’schen Kern verlaufen; 4. in Fasern, die zusammen mit den vorhergenden Fasern eintreten und dann einen Theil der hinteren weissen Kommissur ausmachen. Hinsichtlich des anterolateralen Stranges und der aus- strahlenden Züge gilt die vorhergehende Beschreibung. Hinterer Strang. Die Scheidung zwischen dem Goll- schen und dem Burdach’schen Strange ist ganz deutlich nicht nur durch die Verschiedenheit des Kalibers ihrer Fasern, sondern auch durch das Vorhandensein eines Septum neuroglium para- medianum, [80] 432 J. A. Figueiredo Rodrigues: Bei dem Burdach’schen Strange ist beachtenswerth die Anordung der Wurzelfasern, die von ihm ausgehen und in horizontaler Richtung zum Hinterhorne laufen. Diese Wurzelfasern entspringen in 6 oder 8 Bündeln, die an verschiedenen Stellen des Stranges sitzen. So bemerken wir, dass es Bündel giebt, die fast direkt von der hinteren Wurzel ausstrahlen, andere wieder strahlen von der Grenze zwischen dem Burdach’schen und dem Goll’schen Strange aus, und zwischen diesen beiden äussersten Stellen liegt eine Reihe intermediärer Punkte. Siehe Fig. 2. Die Fasern des Accessorius sind bei diesem Segmente noch wahrnehmbar , da sie dieselbe Ursprungsstelle einnehmen, wenn gleich sie nicht bis zur Peripherie gelangen, sondern sich in dem hinteren Theile des Lateralstranges verlieren. Centralkanal und seine Umgebung. Derselbe ver- ändert bei diesem Segmente gänzlich seine Form. Er ist ım seinem hinteren Theile rautenförmig und läuft in seinem vorderen Theile in einem Spalte aus. Er liegt dem hinteren Rande der grauen Kommissur näher, als deren vorderem Rande. Die ihn bildenden Zellen sind erhalten und das Lumen des Kanales ist vollständig frei. Was die ihn umgebende gelatinöse Substanz betrifft, so beobachtet man dieselbe Armuth an Nervenzellen und eine grosse Fülle Neuroglia-Fasern und Zellen. Das hintere Neuroglia-Septum stellt sich in gleicher Weise dar. Es wird durch seine Einförmigkeit in der ganzen Cervical- und Dorsalregion charakterisirt. Das vordere Neuroglia-Septum mit breiter dreieckiger Basis hat gleichfalls dieselben charakteristischen Merkmale, wie die vorher beschriebenen. Auf ihm kreuzen sich die Fasern der vorderen weissen Kommissur. Hinter dieser Kommissur bemerkt man Querschnitte von zahlreichen markhaltigen Fasern die sich jedoch nicht zu Bündeln vereinigen, wie weiterhin. Die hintere weisse Kommissur zeigt dieselben vorher be- schriebenen charakteristischen Merkmale. Vorderhörner. Sie zeigen grosse Veränderungen in ihrer Form, Richtung, Dimensionen und der Anzahl ihrer Zellen. Vgl. Fig. 5. Das Rückenmark des Orang-Utan. 433 Was die Form angeht, so sieht man, wenn man eine Linie durch die Basis zieht, dass sie ein gleichseitiges Fünfeck bildet. Was die Richtung und die Dimensionen betrifft, so ist die blosse Betrachtung der Figur instruktiver, als eine lange Be- schreibung. Die Biegung der Flechsig’schen Grenzzone ist deutlicher. Was nun die Vertheilung der Zellen angeht, so können wir uns der systematischen Eintheilung Waldeyer’s nicht an- schliessen. In jeder Ecke des Vorderhornes bemerkt man eine Zell- gruppe, die im Allgemeinen von einer mehr mittleren Unter- gruppe begleitet ist. So findet man an der Spitze der medialen Ecke eine kleine Zellgruppe. Diese Gruppe ist aus 3 oder 4 Zellen des multipo- laren Typus gebildet. Tiefer unten trifft man eine Untergruppe, die aus 2 oder 3 Ganglienzellen gebildet ist. An der Spitze der intermediären Ecke beobachten wir eine Gruppe von 4 oder 5 multipolaren Zellen, die mehr nach innen zu von einer zweiten aus 3 oder 4 grossen Zellen gebildeten Untergruppe begleitet ist. Die laterale Ecke wird im Scheitel von einer durchschnitt- lich aus 11 bis 12 grossen Zellen bestehenden Gruppe ein genommen, die mehr nach innen zu von einer aus 5 oder 6 Zellen bestehenden Untergruppe begleitet ist. In dem zwischen der lateralen und der intermediären Ecke eingeschlossenen Raume trifft man eine weitere Zellgruppe, die im Durchschnitt, aus S bis 10 multipolaren Zellen gebildet und mehr nach innen zu von einer andern aus 5 bis 6 Zellen bestehenden Untergruppe begleitet ist. Die Trennung dieser Gruppen wird bewirkt durch die vorderen Wurzelbündel oder durch die ausstrahlenden Bündel, die, wie man deutlich sieht, tief bis zur Gruppe der Waldeyer- schen mittleren Zellen dringen. Diese Gruppe ist vollkommen gut charakterisirt und nimmt dieselbe Stelle, wie beim vorhergehenden Segmente ein. Ein laterales Horn oder ein es ersetzender Processus reticularis ist noch nicht beobachtet. Doch findet man an der Stelle, wo sie vorhanden sein müssten, die Zellen des Lateral- 434 J. A. Figueiredo Rodrigues: hornes, wie dies Waldeyer für den Gorilla und für den Menschen angegeben hat. Zerstreute Zellen sind überall zu beobachten. Endlich bemerken wir zum Schlusse die Veränderlichkeit der Richtung der grossen Achsen der Ganglienzellen. Eine be- stimmte Anordnung unter diesem Gesichtspunkte zu beobachten ist nicht möglich. Hinterhörner. Sie zeigen sich bei diesem Segmente entwickelter. Im Hornkern beträgt die Länge des Durchmessers fast das Doppelte, sodass man bei diesem Segmente einen Hals beobachtet, der bei dem vorhergehenden Segmente nicht sehr deutlich war. An der Basis zeigt der Stilling’schen Kern keine Ver- änderungen. Der Kern des Hinterhornes stellt sich ebenso dar, wie bei dem vorigen Segmente, doch bemerkt man, dass die Zahl der zu ihm laufenden Bündel beträchtlicher ist, wie auch die Zahl seiner Nervenzellen beträchtlicher ist und zwar infolge der Nähe der cervicalen Anschwellung. Bemerkenswerth ist auch die Entwickelung der gelatinösen Substanz. Viele Züge grober Wurzelfasern durchziehen sie, um dann die Richtung zum Hornkern einzuschlagen. Diese Fasern bilden einen vollkommenen Kontrast zu den schmalen Fasern, die dann in derselben Substanz endigen. Was die Waldeyer’sche Zonalschicht, die Markbrücke und den Apex des Hinterhornes angeht, so haben wir dem vor- hin Gesagten nichts hinzuzufügen. Wie bei dem vorhergehenden Segmente dringt auch hier die Pia zwischen Apex und Hinterhorn ein und zwar durch eine Spalte, die bis zur Markbrücke geht. Auf diese Weise erkennt man die Trennung, die zwischen dem Lateralstrange und den hinteren Wurzeln nebst Apex vor- handen ist. Halsmark. (Segment 7.) Bei diesem Segmente weist das Halsmark die grösste und vollständigste Veränderung seiner Form auf. Sein anteroposteriorer Durchmesser ist kleiner, als sein Querdurchmesser. Vgl. Fig. 3. Das Rückenmark des Orang-Utan. 435 Bei den zwischen dem 2. und 7. Segmente liegenden Seg- menten haben wir die stufenweisen Veränderungen verfolgt, die sich in der Form urd der Anordnung der grauen Substanz voll- ziehen, ehe sie ihr Maximum erreicht. Was wir aber beobachten müssen, ist, dass diese Form und die Anordnung der Ganglien- zellen stets Unterschiede aufweist, die manchmal von Segment zu Segment gross sind. Damit aber die vorliegende Arbeit nicht übermässig lang werde, haben wir alle diese kleine Einzelheiten fortgelassen, um seine grösste Veränderung in dem 7. Segmente zu beschreiben. Die graue Substanz ebensowohl in dem Vorder- und Hinter- horn, wie in der Kommissur hat ihre grössten Proportionen in dem Halsmarke erhalten. Vorderwurzeln. Die sie bildenden Züge sind 5 oder 6 an der Zahl und stärker entwickelt, als bei den anderen Segmenten der nämlichen Region. Die einen jeden Zug bildenden Fasern nehmen in verschiedenen Zellgruppen ihren Anfang. Man be- obachtet z. B., dass viele derselben von der Gruppe der mittleren Zelle ausgehen. Da nun zu dieser Gruppe stets viele der Hinter- wurzelfasern hinlaufen, so will es uns dünken, dass diese Zellen beim Orang-Utan ein Reflexzentrum darstellen. Es ist uns nie- mals gelungen zu beobachten, dass eine Hinterwurzel ohne Unter- brechung bis zum Uebergange in eine Vorderwurzel verläuft. Wie wir schon bei der Beschreibung des 1. Segmentes be- merkt haben, ist die Biegung der Züge der Vorderwurzeln ver- änderlich, ebenso wie auch die Anzahl der Fasern jeder Wurzel für jeden Schnitt veränderlich ist. Da die Gestalt des Vorderhornes hier in seinem medialen Umfange gerundet ist, so kann man von dem Vorhandensein einer medialen Ecke nicht sprechen. Doch trifft man an der Stelle, wo diese Ecke sein müsste, entweder eine Wurzel oder einen Zug ausstrahlender Fasern. Trotzdem sich in der lateralen Ecke eine sehr entwickelte Zellgruppe vorfindet, ist sie doch stets wurzelfrei. Hinterwurzeln. Sie stellen sich stark entwickelt dar. Ihr Eintrittspunkt findet sich unmittelbar im Apex und in dem Nachbargebiete des Burdach’schen Bündels; ein Bindegewebe- septum trennt sie und den Apex des Lateralstranges. 436 J. A. Figueiredo Rodrigues: Gleich nach ihrem Eintritt scheiden sie sich in zwei Faser- gruppen mit verschiedenem Verlaufe, die bei diesem Segmente vollkommen deutlich sind: 1. eine Gruppe feiner Fasern, die durch den Apex gehen; 2. eine Gruppe grober Fasern, die durch das Burdach’sche Bündel gehen. Hier bemerkt man ebenso, wie bei dem oben beschriebenen Segment 2 einen Zug, der sofort direkt bei seinem Ursprunge in der Wurzel in horizontaler Richtung läuft, den Apex begleitet und durch die Zonalschicht und die gelatinöse Substanz geht und endlich am Hinterhornkern verläuft. Ferner laufen fast sämmtliche Züge anfänglich longitudinal und vermischen sich mit den Fasern des Burdach’schen Bündels, um dann von verschiedenen Stellen dieses Bündels aus ihrem weiteren Ziele zuzulaufen. Infolge der bemerkenswerthen Entwickelung der gelatinösen Substanz gehen fast sämmtliche Züge, die zum Hornkerne laufen, durch diese Substanz. Und gerade nach diesem Kerne läuft der grösste Theil der hinteren Wurzeln. Der zum Stilling’schen Kerne laufende Zug erfährt hier eine grosse Entwickelung, ebenso auch jener Zug, der zur Gruppe der mittleren Zellen geht. Anterolateraler Strang. Im Verhältniss zur grauen Substanz stellt er sich in seinen Dimensionen kleiner dar. Irgend- welche nennenswerthe Besonderheit ist nicht vorhanden. Die durch die seitliche Grenzlinie des Vorder- und Hinterhornes ge- bildete Biegung ist fast verschwunden. Die Flechsig’sche Grenzschicht ist weniger scharf. Der Processus reticularis befindet sich, wie bei dem vorigen Segmente, im Halse des Hinterhornes. Das Lateral- horn ist wieder nicht gut charakterisirt. Doch finden sich in der lateralen Grenze des Vorderhornes zwei sehr deutliche Vor- sprünge der grauen Substanz, die von sehr entwickelten Zell- gruppen eingenommen sind. Der untere Vorsprung nimmt die Stelle ein, wo sich das Lateralhorn befinden müsste. Hinterstrang. Er istin seinen Dimensionen verkleinert. Die Scheidung zwischen dem Goll’schen und dem Burdach- Das Rückenmark des Orang-Utan. 437 schen Bündel ist vollkommen scharf. Die Existenz eines Septum paramedianum ist bei diesem Segmente konstant. Das Vor- handensein von ausstrahlenden Zügen, die aus den Zellen der grauen Substanz kommen und ihre Richtung nach der Substanz des Stranges nehmen, ist nicht erwiesen. Der Centralkanal hat die Gestalt einer regelmässigen Raute, deren Ecken gleichsam in Spalten auslaufen. Die längste Spalte ist die, welche die Richtung nach dem vorderen medialen Neuroglia-Septum nimmt. Der Kanal liegt ganz nahe an dem hinteren Rande der grauen Kommissur. Zwischen dem Kanal und diesem Rande läuft die hintere weisse Kommissur, die die nämlichen oben beschriebenen charakteristischen Merkmale aufweist. Die dem Centralkanal benachbarte Substanz stellt sich viel reicher an Nervenzellen dar. Die vordere weisse Kommissur zeigt sich ent- wickelter. Die sie bildenden Fasern gehen wie beim vorher- gehenden Segmente durch das vordere Neuroglia- Septum, das hier die nämlichen charakteristischen Merkmale zeigt. Zwischen dieser Kommissur und dem Centralkanal be- merkt man zwei kompakte Bündel markhaltiger Fasern, die ohne Zweifel dem Vorderstrange angehören. Vorderhörner. Das Vorderhorn, dessen Gestalt mehr gerundet, als viereckig ist, zeigt sich an der Basis breiter, als am Ende. Seine Zellen lassen sich ebenso wenig wie beim vorigen Segmente in der von Waldeyer für den orilla und den Menschen aufgestellten Weise eingruppiren. So bemerke ich: Eine vordere mediale Gruppe, die die Stelle einnimmt, wo die mediale Ecke sein sollte. Diese Gruppe ist gebildet aus kleinen, in geringer Anzahl vorhandenen Zellen. Eine hintere mediale Gruppe, die sich bei vielen Schnitten nicht als eine besondere Gruppe darstellt und bei anderen nur als aus einer kleinen Anzahl kleiner Zellen bestehend. Eine vordere Lateralgruppe, die stark entwickelt ist. Sie ist im Durchschnitt aus 20 bis 30 multipolaren Zellen mit grossem Durchmesser gebildet. Bei einigen Schnitten ist diese Gruppe wieder in zwei Untergruppen getheilt. 488 J. A. Figueiredo Rodrigues: Eine intermediäre Gruppe, die zwischen jener Gruppe und der medialen liegt. Diese Gruppe ist aus grösseren Zellen des multipolaren Typus, deren Zahl durchschnittlich 15 bis 20 beträgt, gebildet. Eine hintere Lateralgruppe, die wieder in zwei Untergruppen zerfällt und die beiden oben beschriebenen Vorsprünge im lateralen Umkreise des Vorderhornes einnimmt. Diese beiden Untergruppen sind bei diesem ganzen Segmente konstant. Sie bestehen aus grossen Zellen des multipolaren Typus. Die hintere Gruppe ist immer grösser, als die vordere. Eine Gruppe mittlerer Zellen. Dieselbe setzt sich zusammen aus grossen und kleinen Zellen, deren Zahl grösser ist, als bei den vorigen Segmenten. Beträchtlich ist auch die Zahl der zerstreuten Zeitdn: die sich in keine bestimmte Gruppe bringen lassen. Hinterhörner. Das Hinterhorn erhält bei diesem Seg- mente seine grössten Dimensionen in der Halsregion. Infolge der Verbreiterung der Basis und infolge der grossen Dimensionen des Kopfes wird der Hals wenig scharf. In letzterem findet sich am medialen Rande der Stilling’sche Kern, gebildet aus zahl- reichen Zellen, die auch näher aneinander liegen. Bei dem Horn- kerne ist auch die Zahl der Nervenzellen im Verhältniss ge- wachsen. Man kann nicht sagen, dass unter diesen Zellen der spindelförmige Typus vorherrsche, gleichwohl bemerkt man, dass ihre lange Achse immer in der Richtung der langen Achse des Hornes läuft. Die gelatinöse Substanz zeigt hier ebenfalls ihre grösste Entwickelung. Sie umschliesst in Form eines Halbmondes den Hornkern. Sie wird von einer grossen Zahl Bündel von groben Wurzelfasern, sowie von feinen, aus dem Apex kommenden Fasern gebildet. Ihre Zellen haben einen sehr kleinen Durchmesser und vielfältige Ausläufer. Die Waldeyer’sche Zonalschicht weist die nämlichen, bereits oben beschriebenen charakteristischen Merkmale auf. Dort wie hier beobachtet man einige Nervenzellen, die grössere Durchmesser haben, als die Zellen der gelatinösen Substanz. Nicht selten finden sich grosse Zellen vondem Typus der Stilling- schen Kernzellen. Das Rückenmark des Orang-Utan. 439 Nach der Zonalschicht treffen wir die Reihe markhaltiger Fasern, die eine gewisse Verbindung zwischen dem Lateral- und dem Hinterstrange herstellen und die wir mit der Waldeyer- schen Markbrücke identifiziren. Der Apex stellt sich etwas kürzer und mit den nämlichen, vorhin beschriebenen charakteristischen Merkmalen dar. Nur die Anzahl der sich dort vorfindenden Nervenfäserchen ist beträcht- licher, als bei den vorhergehenden Segmenten. Dorsalmark. (Fig. 7 und 8). Was das Mark des Orang-Utan in der Dorsalregion charak- terisirt, ist, dass es bei allen Segmenten fast eintörmig ist, der- gestalt, dass, wenn man von geringfügigen theilweisen Ver- änderungen absieht, eine allgemeine Beschreibung desselben mög- lich ist. Somit beschränken wir uns, um die vorliegende Arbeit nicht zu sehr auszudehnen, auf die Beschreibung eines Schnittes des mittleren Theiles der Dorsalregion, in dem sich die charak- teristischen Merkmale aller anderen vereinigt finden werden. Im Verlaufe dieser Darlegung werden wir auf die beobachteten Abweichungen der einzelnen Regionen Bezug nehmen. Der Gesammtschnitt ist ein vollkommener Kreis, dessen anteroposteriorer Durchmesser dem Querdurchmesser gleich ist. Die Vorderhörner in Form von verlängerten Rechtecken!) sind schmal und gehen an den Enden mehr auseinander, als an den Basen. Diese Enden sind oft gerundet. Die Kommissur ist breiter, als lang und läuft am vorderen Rande in einem so scharfen und Konstanten Vorsprunge, wie wenn es ein mediales Horn wäre, aus. Vgl. Fig. 8. Dieser Vorsprung ist ausschliess- lich aus Neurogliagewebe gebildet. Es ist das vordere mediale Neurogliaseptum, auf das wir schon oben Bezug genommen haben und von dem weiterhin die Rede sein soll. Die Lateralhörner sind länglich?) und fein. Die Hinter- !) Beim Schimpansen sind die Vorderhörner kurz und quadratisch. *) Beim Schimpansen sind die Lateralhörner kurz und viereckig und weisen an ihrer Oberfläche eine beträchtliche Anzahl Zellen auf. An den Enden der Hörner oder an der Stellen, wo sie fehlen, ist ein schöner Processus reticularis vorhanden, dessen Maschen sämmtlich mit spindelförmigen und multipolaren Nervenzellen besetzt sind und dadurch ein interessantes Charak- teristikum des Markes dieses Anthropoiden bilden. 440 J.A. Figueiredo Rodrigues: hörner sind ebenfalls fein und schlank, und zwar feiner und schlanker, als beim Gorilla und beim Menschen. Der Centralkanal gleicht immer einer verlängerten Spalte in anteroposteriorer Richtung, wie beim Schimpanse. Die Stilling’schen Kerne sind bei sämmtlichen Dorsalseg- menten sehr scharf, nehmen aber von der Proximal- zur Distal- region nach und nach an Dimensionen zu und erreichen im Lenden- marke ihre grösste Ausdehnung. Das Goll’sche Bündel unterscheidet sich im Allgemeinen nicht mehr von dem Burdach’schen Bündel. Dasam Rande des anterolateralen Stranges von der Pia gebildete Septum, von dem wir schon bei der Beschreibung der Halsregion gesprochen haben, ist hier noch tiefer. Vorderwurzeln. Sie beginnen im vorderen und im seit- lichen Rande des Vorderhornes. In der medialen Ecke und dem medialen Rande entspringen keinerlei Wurzeln. Sie sind aus vier, selten fünf Faserbündeln mit innerer Konvexität gebildet. Jedes Bündel besteht aus einer kleinen Anzahl Fasern, die in der grauen Substanz von verschiedenen Zellgruppen ausgehen. — Viele dieser Wurzeln aber laufen vereint bis in die Nähe der Basis. Irgendwelche Verbindung zwischen diesen Wurzeln und den Zellen des Lateralhornes haben wir nicht beobachten können. Hinterwurzeln. Sie dringen in den Apex. Nach einem mehr oder weniger langen horizontalen Verlaufe in demselben theilen sie sich in zwei Faserordnungen und zwar; innere Fasern, die zum Burdach’schen Bündel laufen, und äussere, die durch den Apex gehen. Die ersteren nehmen gleich bei ihrem Eintritt in das Burdach’sche Bündel eine Longitudinalrichtung an und zerstreuen sich in schmalen Zügen in diesem Bündel, um sich dann über die Rolando’sche gelatinöse Substanz, den Hornkern und den Stilling’schen Kern zu vertheilen. Die, welche nach den beiden ersten Regionen laufen, sind wenig zahlreich. Der Zug jedoch, der sich zum Stilling’schen Kerne wendet, wächst nach und nach infolge der Vereinigung mit Fasern, die von ver- schiedenen Punkten des Burdach’schen Bündels herkommen, der- sestalt, dass er bei seinem Eintrittspunkte in die graue Substanz aus einer grossen Anzahl Fasern gebildet ist. Sobald sich diese Fasern dem Stilling’schen Kerne nähern, verhalten sie sich ver- Das Rückenmark des Orang-Utan, 441 schieden; einige in Form von dichten Zügen scheinen dort zu endigen oder eine longitudinale Richtung einzuschlagen, wobei sie dann einen sehr scharfen Querschnitt zeigen; andere um- grenzen oder umschliessen die Zellen in einem wirklichen Ringe, ringeln sich gleichsam um sie herum. Die äusseren Fasern, d. h. die, welche durch den Apex gehen, nehmen in ihm entweder einen vertikalen oder horizontalen Verlauf. Diese letzteren dringen nach ihrem Durchgange durch die Markbrücke entweder in die Rolando’sche Substanz ein oder gehen durch die Flechsig’sche Grenzschicht und wenden sich die einen zur mittleren Zellgruppe, andere zur Zellgruppe des Lateralhornes. Anterolateraler und hinterer Strang. Sie weisen nur wenige Veränderungen auf. Die Flechsig’sche Grenzschicht ist hier kompakter und breiter, als in der Halsregion. Keine Spur eines Processus retieularis wird beobachtet. An dem Rande des anterolateralen Stranges und zwar in dem von dem Vorderhorne und dem Lateralhorne umschlossenen Raume befindet sich das vorher beschriebene Piaseptum. Das direkte Kleinhirnbündel unterscheidet sich hier von den anderen Bündeln durch das grössere Kaliber seiner Fasern. Die peripherischen Cylinderachsen sind wie bei der Hals- region dicker, als die mittleren Cylinderachsen. Von dem Stilling’schen Kerne gehen Fasern aus, die in der Richtung des direkten Kleinhirnbündels laufen. Das Goll’sche Bündel ist vondem Burdach’schen nicht ge- trennt. Die ausstrahlenden Fasern haben hier nichts besonders Charakteristisches. Vorderhörner. Sie haben stets die Form von schräg der grauen Kommissur aufgesetzten verlängerten Rechtecken. Eine nennenswerthe Abweichung in der Form ist in den ver- schiedenen Regionen des Dorsalmarkes nicht vorhanden. Was aber zwischen einem und dem folgenden Schnitte verschieden ist, das ist die Anordnung der Zellgruppen. Sie lassen sich durch- aus nicht in der für die Halsregion aufgestellten Weise ein- ordnen. Bei den Schnitten, in denen die vordere mediale und die hintere mediale Gruppe dargestellt sind, fehlen die lateralen Gruppen fast sammt und sonders. Wo eine vordere mediale 442 J. A, Figueiredo Rodrigues: Gruppe vorhanden ist, fehlt die entsprechende vordere laterale und so immer weiter. Nahe bei der Basis findet sich jedoch die Waldeyer’sche mittlere Gruppe konstant. Eine grosse Zahl zerstreuter Zellen wird beobachtet. Lateralhörner. Sie sind in der ganzen Dorsalregion vorhanden. Ihre Dimensionen wachsen nach und nach bis zur Distalregion, um dann in der Lendenregion stufenweise abzu- nehmen. Die Lateralhörner sind dreieckig und schmal; ihre Basis ist schmal und ihr Scheitel zugespitzt. In letzterem verzweigen sie sich in feinen Neurogliaarborisationen. Sie sind schräg ge- neigt derart, dass die mit dem Vorderhorn gebildete Ecke kleiner ist, als die mit dem Hinterhorne. Sie weisen eine grosse Zahl Zellen mit verschiedenem Typus auf. Die grösste Anzahl besteht jedoch in spindelförmigen Zellen. Die Zellen nehmen bisweilen drei kompakte Gruppen ein und zwar an der Basis, an dem mitt- leren Theile und am Ende; bisweilen finden sie sich als Reihe längs des Hornes angeordnet. Die Zellen der Enden nehmen oft die Neurogliearborisationen ein, eine Erscheinung, die beim Marke des Schimpansen gewöhnlich ist. Weisse Fasern durchziehen. das Lateralhorn und verzweigen sich auf seiner Basis. Einige folgen der Flechsig’schen Grenz- schicht und scheinen einen Theil der Hinterwurzeln zu bilden, andere wenden sich der Basis des Vorderhornes zu. Kommissuren. Die graue Kommissur ist breit und kurz. Die Breite beträgt das doppelte der Länge. Der Centralkanal nimmt das Centrum ein, das ebenso weit vom vorderen, wie vom hinteren Rande entfernt ist. Er hat die Form einer Spalte. Die ihn bildenden Zellen sind gut erhalten. Das Lumen des Kanales ist stets offen. Die ihn umgebende gelatinöse Substanz ist dichter und reicher an Nervenzellen, als in der Halsregion. Auf den Seiten des Centralkanales an dem intermediären Punkte an der Basis der vorderen und hinteren Hörner finden sich die Stilling’schen Kerne in analoger Lage wie beim Schimpansen und Gorilla. Diese Kerne sind aus fünf, sechs oder mehr Zellen des multipolaren Typus gebildet, vollkommen unter einander symme- trisch und bisweilen von einem Wurzelfaserringe umgrenzt. Im Umkreis jener Kerne sieht man im Querschnitt eine grosse An- Das Rückenmark des Orang-Utan, 4453 zahl markhaltiger Fasern. Zwischen dem Centralkanale und dem hinteren Rande der Kommissur bemerkt man ebenfalls eine grosse Anzahl markhaltiger Fasern im Querschnitt. Diese Fasern finden sich in dem von den beiden Stilling’schen Kernen ein- geschlossenen Raume und stellen ohne Zweifel Fasern dar, die denen der weissen Kommissur analog sind. Diese Kommissur ist in fast allen Schnitten gut sichtbar; auch sind die charakteristischen Merkmale dieselben, wie die schon bei der Halsregion beschriebenen. Beim Schimpansen findet sich eine analoge Kommissur. Oben am Stilling’schen Kern und an der Basis des Vorder- hornes bemerkt man die Waldeyer’schen mittleren Zellen. Das vordere mediale Neurogliaseptum zeigt die nämlichen, bereits beschriebenen charakteristischen Merkmale, gleichwohl kann man selbst bei den Pal’schen Präparaten die das Septum bildenden Neurogliafasern bis in die Nähe des Centralkanales leicht ver- folgen. Das vordere mediale Neurogliaseptum ist noch schärfer, als bei der Halsregion. Vgl. Fig. 8. Auf ihm kreuzen sich die Fasern der weissen Kommissur. Von ihm strahlen Neurogliasepten aus, die an den Vorderhörnern verlaufen. In ihm finden sich Querschnittfasern, die ohne Zweifel Fasern des Stranges sind. Hinterhörner. Sie sind schmaler und schlanker, als in der Halsregion und sehen aus wie der Schnitt eines regelmässigen Kegels. Zwischen Basis und Kopf ist ein Hals nicht vorhanden. Der Scheitel spitzt sich bis zur Peripherie in einem Apex zu, in den die Fasern der Hinterwurzeln eindringen. Von der Basis bis zum mittleren Theile findet sich der Hornkern. Derselbe weist eine grosse Anzahl markhaltiger Fasern im Querschnitt und eine grosse Anzahl Zellen auf. Die Fasern der Wurzeln, die an diesem Kern verlaufen, sind nicht so zahlreich, wie in der Halsregion. Von ihm strahlen Fasern aus, die zum Stilling’schen Kern und zu den mittleren Zellen laufen. Die Rolando’sche gelatinöse Substanzund die Waldeyer’sche Zonalschicht weisen die nämlichen charakteristischen Merkmale auf. Die sie durchziehenden markhaltigen Fasern sind äusserst schmal. Archiy f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 30 444 J. A. Figueiredo Rodrigues: Beim Mark des Chimpansen in der Dorsalregion verhalten sich der Apex und die Hinterwurzeln in ähnlicher Weise wie beim Orang-Utan. Wir müssen hier bemerken, dass sich nach der Waldeyer- schen Zonalschicht wmarkhaltige Querschnittfasern finden, die zwischen dem Lateral- und dem Hinterstrange eine grössere Kontinuität, als in der Halsregion herstellen. Bei dem Lenden- marke lässt sich diese Markbrücke nicht mehr beobachten. Erstes Lendensegment. Das erste Lendensegment weist gegenüber dem, was bezüg- lich der Dorsalregion gesagt worden ist, kleine Veränderungen auf. Die Lateralhörner stellen sich in ihren Dimensionen ver- ‘kleinert dar, die Vorderhörner sind an der Grundfläche breiter und die Hinterhörner breiter und kürzer. Was jedoch bei diesem Segmente bemerkenswerth ist, ist die grössere Entwickelung des Stilling’schen Kernes. Der Centralkanal nimmt die Form einer unregelmässigen Raute an. Die graue Kommissur ist breiter. Das vordere mediale Neuroglieseptum ist schön scharf. Für den Rest gilt die vorhin gegebene Beschreibung. Vgl. Fig. 9. Zweites Lendensegment. Dieses Segment wird durch die Veränderungen in der Kommissur charakterisirt. Letztere ist in der Länge viel ent- wickelter, als in der Dorsalregion. Ihre Breite ist kleiner. Der Centralkanal findet sich näher an dem vorderen, als an dem hinteren Rande. Die Lateralhörner stellen sich sehr ver- kleinert dar. Die Hinterhörner gehen an den Enden beträcht- lich auseinander, so dass der Hinterstrang in der Querrichtung breiter ist, als in der anteroposterioren. Die Vorderhörner nehmen wieder die Form von Recht- ecken an. Die Ganglienzellen sind in ihnen in viel grösserer An- zahl vorhanden, als in der Dorsalregion ; gleichwohl erscheint uns eine systematische Eintheilung in verschiedene Gruppen unmög- lich. Die Waldeyer’schen mittleren Zellen und die Zellen des Lateralhornes sind vorhanden. Diejenigen Zellgruppen, die hier eine bedeutende Entwickelung erfahren, sind die Stilling’schen Kerne. Sie liegen auf den Seiten und hinter dem Oentralkanale und sind durch eine schmale Brücke Das Rückenmark des Örang-Utah. 445 aus grauer Substanz von einander geschieden. Sie enthalten grosse Zellen des multipolaren Typus und zwar 20 bis 30 für jeden Kern. Die Kerne haben sich bei den Pal’schen Präparaten von der sie einschliessenden übrigen grauen Substanz durch die in ihnen enthaltene grosse Anzahl markhaltiger Fasern scharf ab. Hinter und zwischen ihnen und dem hinteren Rande bemerkt man zahlreiche markhaltige Fasern im Querschnitt, die eine wirk- liche Brücke aus weisser Substanz bilden, durch die sie ver- bunden werden, und die unsrer Ansicht nach durch Fasern des- selben Ursprunges, wie die vorhin beschriebene hintere weisse Kommissur, gebildet ist. Vgl. Fig. 10. Drittes Lendensegment. Bei diesem Segmente sind die Veränderungen, die nicht nur in der Form der grauen Substanz, sondern auch in ihrem Bau vorgehen, noch vollständiger, als bei dem vorigen Segmente, so dass es angezeigt erscheint, dieselben näher zu beschreiben. Vorderwurzeln. Da das Vorderhorn eine dreieckige Form hat, so gehen die Wurzeln von der medialen Ecke und der Seitenfläche dieses Hornes aus. Eine laterale Ecke ist nicht vor- handen. Die mediale Ecke lässt stets eine der Wurzeln ent- springen. Diese kommen in vier oder fünf Bündeln hervor, die in mehr oder weniger gerader Linie den anterolateralen Strang durchziehen, um in der Peripherie aufzutauchen. Hinsichtlich der Art und Weise, wie sich die Fasern zu den Ganglienzellen verhalten, lässt sich nichts Besonderes sagen. Hinterwurzeln. Dieselben dringen in den mittleren Theil des Apex ein. Ein Theil der Fasern durchzieht horizontal den Apex und wendet sich zum Burdach’schen Bündel, wo sie grösstentheils einen longitudinalen Verlauf nehmen; ein Theil geht entweder horizontal oder vertikal durch das Burdach’sche Bündel. Das Faserbündel, das durch die Flechsig’sche Grenz- schicht geht, ist hier sehr scharf. Man kann es bis zur Basis des Vorderhornes verfolgen. Einige Wurzelbündel wenden sich, nachdem sie vorher schon einen longitudinalen Verlauf in dem Burdach’schen Bündel genommen haben, von verschiedenen Punkten dieses Bündels aus horizontal, einige laufen mit dem inneren Rande des Hinterhornes parallel und dringen in den Kopfkern; 30* 446 J. A. Figueiredo Rodrigües: andere und zwar die grösste Zahl, gehen gesondert zum Stilling’schen Kern, wobei sich die einen nach rechts, die anderen nach links wenden (so dass sie ihn fast einschliessen); noch andere wieder laufen zu seinem mittleren Theile. Viele von den Fasern gehen durch die hintere weisse Kommissur und nehmen die Richtung zum Stilling’schen Kerne der anderen Seite. Anterolateraler Strangund ausstrahlende Bündel. Sie bieten keine besondere Eigenthühmlichkeit dar, nur muss man bemerken, dass die Flechsig’sche Grenzschicht nicht so ent- wickelt ist, wie in der Dorsalregion und dass das Piaseptum, das zwischen dem Lateralstrange und dem Apex eindringt, es hier nicht so tief thut, wie in der Hals- und Dorsalregion. Hinterstrang. Eine Scheidung zwischen dem Burdach- schen und dem Goll’schen Bündel ist nicht möglich; ja nicht ein- mal hinsichtlich des Kalibers der Fasern ist ein bemerkenswerther Unterschied vorhanden. Der Hinterstrang hat wie beim vorigen Segmente einen grösseren (Querdurchmesser, als anterolateralen und zwar infolge der grösseren Länge der grauen Kommissur und der grösseren Schrägheit der Hinterhörner, die eine grössere Entfernung zwischen ihren Enden aufweisen. Vorderhörner. Sie zeigen eine dreieckige Form, und zwar ein rechtwinkeliges Dreieck mit breiter Basis, dessen Kathete von dem medialen Rande und dessen Hypothenuse von dem late- ralen Rande dargestellt würde. Die Anzahl der Ganglienzellen ist beträchtlich. Der Scheitel ist stets von einer kleinen Gruppe Ganglienzellen eingenommen. Die medialen Zellen sowohl, wie die lateralen zeigen keine ganz scharfe Gruppenbildung. An der Basis oberhalb der Stillin g’schen Kerne findet sich die Waldeyer’sche mittlere Gruppe. Von dem Lateralrande jenes Hornes und nahe an seiner Basis ragt ein kleiner Vorsprung — das laterale Horn — her- vor. In dem Scheitel dieses Vorsprunges findet man bei einigen Präparaten eine Nervenzelle. Die Basis jedoch ist stets der Sitz einer charakteristischen Zellgruppe. CGentralkanal und graue Kommissur. Der Central- kanal hat die Form einer Raute. Er liegt dem Vorderrande näher als dem Hinterrande. Die ihn einschliessende gelatinöse Substanz ist wenig entwickelt. Die Ependymzellen stellen sich als vollkommen gut erhalten dar und fassen die mittlere Höhle Das Rückenmark des Orang-Utan, 447 ein. Die graue Kommissur zeigt hier eine grosse Entwickelung nicht nur in ihrer Breite, sondern auch in ihrer Länge. Ihr mittlerer Theil ist von zwei Stilling’schen Kernen besetzt, die hinter dem Centralkanal und sehr nahe beieinander liegen. Sie sind getrennt durch eine Brücke aus Neurogliafasern, die eine Fortsetzung der Neurogliafasern des hinteren medialen Septums zu bilden scheinen. Wie bei dem vorigen Segmente beträgt die Durchschnittszahl ihrer Zellen 20 bis 30. Es sind Zellen mit grossem Durchmesser. In der von jedem Kerne eingenommenen Fläche stellt man eine beträchtliche Menge Nervenfasern im Querschnitt und Längsschnitt fest. Dieselben haben ebenfalls mannigfaltige Richtungen und bilden einen unentwirrbaren Plexus. Von dem Vorderrande der grauen Kommissur geht ein vorderes Neurogliaseptum aus, das die nämlichen schon be- schriebenen charakteristischen Merkmale zeigt. Auf diesem Neurogliaseptum läuft die vordere weisse Kom- missur. Die hintere weisse Kommissur ist hier sehr scharf, liegt hinter den Stilling’schen Kernen und ist aus Fasern gebildet, die entweder aus diesem Kerne oder direkt aus den Hinter- wurzeln kommen. Zwischen dem Stilling’schen Kern und der Waldeyer- schen mittleren Zellgruppe bemerkt man eine Gruppe zahlreicher Zellen, die noch in keinem der anderen Segmente angetroffen wurde. Hinterhörner. Sie präsentiren sich kürzer und sind schräg auf die graue Kommissur gesetzt. Sie zeigen den näm- lichen Kegelschnitt wie beim vorigen Segmente. Kopf und Basis gehen direkt ineinander über, ohne dass ein Hals eingeschoben ist. Zum Hornkern läuft eine kleinere Anzahl von Wurzelfasern. Die ihn einschliessende gelatinöse Substanz zeigt sich aber entwickelter. Irgend welche Besonderheit hinsichtlich der sie bildenden Zellen wird nicht beobachtet. Sie wird von äusserst feinen Nervenfäserchen durchzogen, die entweder dort endigen oder sich zum Hornkerne wenden. Die Waldeyer’sche Zonal- schicht weist keinerlei Veränderungen auf. Eine solche konstante Markbrücke, wie wir sie bei den vorhergehenden Segmenten der Hals- und Dorsalregion beschrieben haben, wird nicht mehr be- obachtet, doch ist die Continuität zwischen dem Hinter- und dem Lateralstrange meist unvollkommen. 448 J. A. Figueiredo Rodrigues: Der Apex verlängert sich bis zur Peripherie, wo er sich etwas vergrössert. Die Scheidung zwischen dem Apex und dem Lateralstrange ist schon nicht mehr so scharf. Viele von den Wurzelfasern scheinen aus dem Apex zu kommen, in den Lateral- strang zu dringen und zur grauen Substanz zurückzukehren. Bechterew hat dies sehr schön bei dem Rückenmarke des Menschen beschrieben. Die Hinterwurzeln dringen in den mittleren Theil des Apex ein. Da letzterer nun die Rolle einer wirklichen Randzone, so wie sie Lissauer beschrieben hat, spielt, so haben wir dort ganz scharf eine innere und eine äussere Randzone festgestellt (vergl. Fig. 11). Viertes Lendensegment. Bei diesem Segmente verliert das Lendenmark des Orang- Utan alle jene Merkmale, die es dem Dorsalmarke ähnlich machten. Die Vorderhörner, von viereckiger Form, weisen Dimen- sionen auf, die fast doppelt so gross sind wie die der vorigen Segmente. Die reich mit Zellen ausgestatteten Zellgruppen ver- theilen sich in folgender Weise: Eine vordere mediale Gruppe, die die mediale Ecke einnimmt; eine hintere mediale Gruppe, die im Verhältniss zu der ersteren tiefer, aber nahe am medialen Rande liegt; eine vordere laterale Gruppe, die den dicken rund- lichen Vorsprung der lateralen Ecke einnimmt, und eine hintere laterale Gruppe, die hinter derselben liest. Aus dem lateralen Rande des Vorderhornes ragt ein kleiner Vorsprung hervor, der an der Basis von einer Gruppe Ganglienzellen eingenommen wird und der dort wieder das laterale Horn darstellt. Das Vorderhorn ist sehr reich an zerstreuten Zellen und weist an seiner Basis neben dem Stilling’schen Kerne die Waldeyer’sche mittlere Gruppe auf. Von der medialen Ecke und dem vorderen Rande bis nahe an die laterale Ecke gehen die Vorderwurzeln aus, die dicker und faserreicher werden. Die Art, wie sie in der grauen Substanz entspringen, ist die früher beschriebene, nur bemerkt man dort eine ausserordentliche Durchkreuzung von Fasern in allen Richtungen. Die ausstrahlenden Bündel werden umfangreicher und zahlreicher als bei den vorhin beschriebenen Regionen. Das Rückenmark des Örang-Utan, 449. Die graue Kommissur ist schmaler, ihr Vorderrand ist gleich dem Hinterrande, eine Frscheinung, die bei den drei vorigen Lendensegmenten in Folge des grossen Abstandes der Hinterhörner nicht beobachtet wurde. Der Centralkanal mit Rautenform nimmt genau das Centrum der von den beiden Rändern gleich weit entfernten Kommissur ein. Das vordere und hintere Neurogliaseptum weist die nämlichen charakteristischen Zeichen auf, ebenso die vordere weisse Kommissur. Die hintere weisse Commissur erfährt hier eine grosse Ent- wickelung. Sie wird aus einem breiten Bündel horizontaler Fasern gebildet, die direkt von den Hinterwurzeln, den hinteren Horn- kernen und den Stilling’schen Kernen herkommen. Letztere sind hier wieder sehr umfangreich und im Durchschnitt aus 15 bis 20 Zellen zusammengesetzt, die zur Seite des Centralkanales und nahe dem Hinterrande liegen. Ihre Verbindung unter ein- ander wird durch die weisse Kommissur hergestellt. Die Hinterhörner zeigen sich umfangreicher. Ihre breite Basis bildet eine Fortsetzung des Kopfes ohne irgend welche inter- mediäre Einschnürung. Diese Basis passt sich auf der Kommissur der Fläche der Stilling’schen Kerne an. Der Hornkern ist entwickelter als bei den vorigen Seg- menten. In ihm verlaufen eine grössere Anzahl Wurzelfasern. Die Rolando’sche gelatinöse Substanz erreicht hier wieder grössere Dimensionen. Die sie bildenden Zellen — kleine Giercke- sche und Virchow ’sche Zellen — zeigen nichts Besonderes. Die gelatinöse Substanz wird von Bündeln grober Wurzelfasern, die im Hornkerne verlaufen, durchzogen; es findet sich aber eine grosse Zahl feiner Fasern im Querschnitt und mit horizontalem Verlaufe. Die Waldeyer’sche Zonalschicht wird hier durch das nicht spärliche Vorhandensein von Zellen, die den Typus der Zellen des Stilling’schen Kernes haben, charakterisirt. Dorsalwärts von ihr fehlt auch hier wieder die früher erwähnte Markbrücke. Der Apex verlängert sich bis zur Peripherie und erweitert sich bei der Eintrittsstelle der Wurzeln. Der von der Waldeyer- schen Zonalschicht und der Peripherie eingeschlossene Raum ist viel kleiner, als bei den vorigen Lendensegmenten, 450 JA, Figueiredo Rodrigues: Das Wurzelbündel dringt in den mittleren Theil des Apex, den es in eine innere und eine äussere Randzone theilt, gerade so wie vorher. Die weissen Substanzstränge weisen keine bemerkenswerthen Veränderungen auf. Der Hinterstrang hat einen grösseren Quer- durchmesser, als der anteroposteriore und weist eine verkleinerte Fläche auf in Folge der grösseren Entwickelung der Köpfe der Hinterhörner (vergl. Fig. 12). Fünftes Lendensegment. Was das fünfte Segment charakterisirt, ist die grössere Entwickelung der grauen Substanz. Die Vorderhörner und be- sonders die Hinterhörner vergrössern ihre Dimensionen im Ver- hältniss zu dem vorhergehenden Segmente. Das Hinterhorn zeigt sich in der Richtung des medialen Septums vergrössert unter beträchtlicher Vermehrung der gelatinösen Substanz und des Hornkernes. Die in der Zahl ihrer Zellen verringerten Stilling’schen. Kerne gehen nach der Basis des Hinterhornes zu auseinander. Der Hornkern bildet hier die Hauptendigung der Hinter- wurzelfasern. Der Hals des Hinterhornes tritt scharf hervor in Folge der stärkeren Entwickelung des Kopfes. Die graue Kommissur ist schmaler. Der Centralkanal liegt dem Hinterrande näher als dem Vorderrande und zeigt sich in Form einer quer gerichteten Spalte. Die vordere und hintere weisse Kommissur zeigen dieselben charakteristischen Merkmale. Die Vorderwurzeln dringen auf dieselbe Art wie vorher beschrieben ein. Nur der Apex und folglich die Randzone ist kürzer und breiter. Letztere zerfällt gleichfalls in eine innere und eine äussere Randzone (vergl. Fig. 13). Sechstes Lendensegment. Bei diesem Segmente weist das Hinterhorn fast die nämlichen Dimensionen auf wie das Vorderhorn. Der Centralkanal ist sehr weit, Vorder- und Hinterwurzeln sind stark entwickelt. Vorderhörner und Vorderwurzeln. Das Vorderhorn zeigt drei Ecken: eine mediale, eine intermediäre und eine laterale. Die Wurzeln gehen von dem zwischen den beiden ersteren liegenden Raume aus. Die laterale und die intermediäre Das Rückenmark des Orang-Utan. 451 Ecke sind stets wurzelfrei. Diese Wurzeln sind stark entwickelt. Ihre Anzahl wechselt zwischen drei und sechs. Sie dringen in dichten Bündeln bis nahe an den mittleren Theil des Vorder- hornes dergestalt, dass in dem medialen Rande des Hornes die Nervenzellen keine deutlich geschiedenen Gruppen bilden: sie sind spärlich und zerstreut. Die laterale Ecke und der von ihr und der intermediären Ecke eingeschlossene Raum ist die Eintrittsstelle für aus- strahlende Bündel, die ebenfalls bis zu den mittleren Regionen der grauen Substanz laufen, derart, dass sie mit den Wurzeln einen intermediären Raum umgrenzen, in dem man die zahl- reichsten und umfangreichsten Zellgruppen antriftt. Die medialen Zellen sind also nur wenig zahlreich und zerstreut. Die lateralen Zellen bilden eine konstante Gruppe, die die laterale Ecke einnimmt. Eine Untereintheilung in eine vordere und eine hintere Gruppe wird fast garnicht beobachtet. Die intermediäre Gruppe ist die umfangreichste. Zuweilen zeigt sie sich aus 30 oder mehr Zellen in einer einzigen Gruppe gebildet. Zuweilen ist diese Gruppe wieder in eine vordere und eine hintere Gruppe eingetheilt. An der Stelle. wo ein laterales Horn sein müsste, findet man eine Gruppe kleiner Zellen in einer Anzahl von vier bis fünf. Die Waldeyer’sche mittlere Gruppe ist hier sehr ent- wickelt, und scheint in einem sehr nahen Verhältniss zu den Vorderwurzeln zu stehen. Zerstreute Zellen werden in grosser Anzahl beobachtet. Hinterhörner und Hinterwurzeln. Die Form des Vorderhornes ist „trapue“ (klein und dick). Der von der Basis und der Zonalschicht eingeschlossene Theil hat eine viereckige Form und verlängert sich dann in einem Apex zur Peripherie hin. Der Hals’ ist schön abgesetzt. In demselben und nahe dem medialen Rande trifft man den Stilling’schen Kern, der durch zwei bis drei Zellen gebildet wird. Der Hornkern ist breit und erstreckt sich von dem lateralen bis zum medialen Rande. Zu ihm läuft die Mehrzahl der Hinter- wurzeln, die dann verschiedene Richtungen einschlagen. Ein konstantes Bündel nimmt die Richtung auf den Stilling’schen Kern. 452 J. A. Figueiredo Rodrigues: Die gelatinöse Substanz umschliesst den Hornkern nicht in einem Halbmonde wie, bei den vorigen Segmenten: sie ist viel- mehr als breite, zum Hornkern parallel laufende Querbinde an- geordnet und nimmt hier ihre grössten Dimensionen an. Nach der Waldeyer’schen Zonalschicht wird das Hinter- horn etwas schmaler, um sich in der Peripherie zu erweitern. Der Apex ist hier schmal. Man sieht ihn in seiner ganzen Länge eingenommen von schmalen, markhaltigen Querschnittfasern, und darunter einige mit horizontalem Verlaufe. Die Wurzel dringt in den mittleren Theil des Apex, den sie in eine innere und eine äussere Randzone theilt. Graue Kommissur und Centralkanal. Die graue Kommissur ist schmal und in ihrem mittleren Theile von einem sehr grossen Centralkanale eingenommen. Derselbe hat die Form einer regelmässigen Raute und liegt dem Vorderrande ebenso nahe wie dem Hinterrande. Von dem Vorderrande der Kommissur geht ein vorderes mediales Neurogliaseptum aus, dessen charakteristische Merkmale die schon beschriebenen sind, in ihm kreuzen sich die Fasern der vorderen weissen Kommissur. Die hintere weisse Kommissur zeigt sich hier nur schwach entwickelt. Die weissen Substanzstränge weisen in Bezug zu den vorigen Segmenten keine Veränderungen von Bedeutung auf (vergl. Fig. 14). Erstes Sakralsegment. Die graue Substanz zeigt sich bei dem ersten Sakral- segmente als eine Masse, bei der die Scheidung der Vorder- und Hinterhörner nicht genügend scharf ist. Der Hinterrand der grauen Kommissur findet seine Fortsetzung in den medialen Rändern der beiden Hinterhörner, die in derselben Ebene liegen (vergl. Fig. 15). Der Centralkanal liegt dem Vorderrande sehr nahe, aber von dem Hinterrande sehr weit ab. Die weissen Substanzstränge stellen sich als bedeutent ver- kleinert dar. Vorderwurzeln. Dieselben gehen in zwei oder drei groben Bündeln zu dem Vorsprunge in der medialen Ecke. Ebenso wie Das Rückenmark des Orang-Utan. 453 beim Gorilla nach Walde yers Beobachtung sind auch beim Rücken- marke des Orang-Utan diese Wurzeln die am stärksten entwickelten. Ihr Verlauf durch den vorderen weissen Strang bis zur Peripherie ist sehr kurz. Bei vielen Schnitten ist die äussere Wurzel die kürzeste, denn die graue Substanz verlängert sich in einem zugespitzten Scheitel fast bis zur Peripherie. Das Vorderhorn ist kurz und umfangreich. In der medialen Ecke zeigt es einen langen und schmalen, in der Seitenecke einen dicken und gerundeten Vorsprung. In dem Vorsprunge der medialen Ecke ist stets eine kleine Zellgruppe vorhanden und in dem Vorsprunge der Seitenecke eine umfangreiche Zellgruppe, die niemals eine Untereintheilung aufweist. In der durch den Seitenrand der Vorder- und Hinterhörner gebildeten Biegung bemerkt man eine Zellgruppe, die den Zellen des Seitenhornes entsprechen muss. Die Waldeyer’schen mittleren Zellen liegen oberhalb des Stilling’schen Kernes in einer ganz deutlichen Gruppe. Hinterhörner. Eine scharfe Scheidung zwischen den beiden Hinterhörnern lässt sich nicht herstellen. Sie bilden mit der Kommissur eine gemeinsame Masse mit zwei kurzen seitlichen Verlängerungen bis zur Peripherie. Gleichwohl lässt sich auf jeder Seite der Hornkern und die gelatinöse Substanz mit den bekannten charakteristischen Merkmalen erkennen. Von der Waldeyer’schen Zonalschicht gehen Bogenfasern aus, die den Hornkern umkreisen und ohne Zweifel aus den Hinterwurzeln herkommen. Diese Wurzeln dringen in den Apex ein und nehmen ihre Richtung zum Burdach’schen Strange. Finige nehmen durch den Apex hindurch den bekannten Verlauf. Die des Burdach’schen Stranges laufen anfänglich in Längsrichtung in diesem Strange, um dann durch den hinteren Rand der Hinterhörner zum Theil und zwar in zerstreuten Bündeln die Richtung auf den Hornkern, zum Theil und zwar in kompakten Bündeln die Richtung auf den Stilling’schen Kern zu nehmen. Die Stilling’schen Kerne zeigen sich wiederum stark ent- wickelt. Sie nehmen in dem mittleren Theile der grauen Masse hinter dem Centralkanale eine symmetrische Lage ein. Die sie 454 J A. Figueiredo Rodrigues: bildenden Zellen sind zahlreich und sehr nahe bei einander gruppirt. Querfasern gehen von einem Stilling’schen Kern zum andern und bilden eine hintere weisse Kommissur. Der Centralkanal zeigt die Form eines in anteroposteriorer Richtung verlängerten Spaltes. Das vordere mediale Neurogliaseptum ist vollkommen scharf. Mit Bezug auf die weissen Substanzstränge ist abgesehen von ihren verkleinerten Grössenverhältnissen nichts Besonderes zu berichten. Vel. Fig. 15. Zweites Sakralsegment bis zum ventriculus terminalis. Was bei diesem Segmente das Rückenmark des Orang-Utan charakterisirt, ist das Vorherrschen der grauen Substanz über die weisse. Die erstere nimmt fast die ganze Schnittfläche ein. Die beiden Hinterhörner, die grösser sind, als die Vorderhörner, berühren die Peripherie auf einer grossen Fläche. Der Central- kanal, der dem Vorderrande näher liegt, als dem Hinterrande, zeigt sich hinten sehr erweitert und läuft vorn in einem Spalte aus. Etwas Aehnliches wurde von Waldeyer beim Gorilla be- obachtet. Vgl. Fig. 16. Bereits His hatte die Aufmerksamkeit auf diesen embryo- nalen Charakter des Uentralkanales in den unteren Regionen des Rückenmarkes gelenkt. Die Wurzeln fehlen in dieser Region. Die weissen Stränge sind äusserst verkleinert. Der Hinterstrang ist auf zwei kleine Bündel, die durch das Septum und den hinteren Suleus von einander getrennt sind, zu- sammengeschrumpft. Von diesem Hinterstrange gehen Fasern ab, die durch die graue Substanz in zwei schmalen Bündeln hin- durchgehen und ihre Richtung auf zwei Gruppen homologer symmetrischer Zellen nehmen, die hinter dem Centralkanale liegen. Diese Zellen vertreten die Stilling’schen Kerne. Es finden sich auf jeder Seite zwei oder drei. Bei vielen Schnitten findet sich nur eine, oder sie fehlen auch gänzlich. An dem Vorderhorne finden sich spärliche, zerstreute Zellen, die keine Gruppen aufweisen, selbst nicht bei den bestgefärbten Präparaten. Das Rückenmark des ÖOrang-Utan, 455 Es überwiegt somit bei der ganzen grauen Substanz ein Neurogliagewebe. In das Vorderhorn sieht man spärliche, ausstrahlende Fasern eindringen, von denen viele die Richtung nach der soeben be- schriebenen hinteren Zellgruppe nehmen. Die vordere mediale Fissur ist durch eine Rinne darge- stellt, zu der die graue Substanz hinläuft und so das mediale Neurogliaseptum darstellt, das wir als konstant in sämmtlichen Regionen des Rückenmarkes des Orang - Utan beschrieben haben. Das hintere mediale Septum ist unvollkommen und durch eine Neurogliabinde dargestellt, die die beiden Hälften des Hinter- stranges scheidet. Dieselbe läuft bis zu einer der vorderen Fissur analogen Fissur, die von der Pia durchzogen wird. Bogenfasern, die das Hinterhorn in der Weise umgrenzen, wie wir dies bei dem vorigen Segmente beobachtet haben, werden nicht mehr be- obachtet. Um die Veränderungsn, die die mittlere graue Masse nach und nach bei diesem Segmente erleidet, besser verfolgen zu können, haben wir das ganze Segment in Schnitte getheilt. Bei den Endschnitten nimmt diese graue Masse eine un- regelmässige, gewundene Form an, die sich nach den Windungen des Centralkanales formt. Letzterer nimmt nach und nach in seinen Grössenverhältnissen zu, um den Ventriculus terminalis zu bilden. Weisse Fasern, die den Vorderseitenstrang darstellen, sind noch vorhanden, ebenso auch Fasern, die den Hinterstrang darstellen. Sehr spärliche Nervenzellen finden sich in diesen Endschnitten ; die graue Masse ist durch Neurogliazellen und -kerne gebildet. Der Centralkanal nimmt nach und nach in seinen Grössen- verhältnissen zu, biserden W. Krause’schen Ventrieulus terminalis bildet. Dieser Ventrieulus bildet einen langen Spalt, der von Ependymzellen begrenzt ist. Rings um diese Zellen legt sich eine schmale Schicht grauer Substanz, in deren Mitte man schmale und zerstreute markhaltige Fasern die die Reste der weissen Substanzstränge darstellen, beobachtet. Die Pia hüllt den Conus terminalis mit einer entwickelten Gefässscheide ein. Vgl. Fig. 17 und 18. 456 I. A. Figueiredo Rodrigues: Das Rückenmark des Örang-Utan. Erklärung der Figuren auf Tafel XXIII und XXIV. Fig. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen 1. 2. TE . 18 I. Halssegment. Ve: Leitz 1. II. Halssegment Leitz 1. Oe. 1. VII. Halssegment. Leitz 1. II. Halssegment. Ver Centralkanal mit Umgebung. Vorderes medianes Neurogliaseptum. Zeiss A. Oc. 1I. Halssegment. Zeiss A. Oc. II. Halssegment. Zeiss A. Oe. 4. Vertheilung der Zellen im Vorderhorn. 2. Apex des Hinterhorns mit der Markbrücke. 2 9 MI. Dorsalmark. Leitz 1. Oe. 1. Dorsalmark. Centralkanal mit Umgebung. Vorderes medianes Neurogliaseptum. Zeiss A. Oec. 4. I. Lendensegment. Teitz'112.0e} 1. . Lendensegment. Leitz. 1. Oc. 1. . Lendensegment. Leitz 1. Oe. 1. . Lendensegment. Leitz 1. Oe. 1. . Lendensegment. Leitz 1. Oe. 1. . Lendensegment. Leitz 1. Oe. 1. I. Sacralsegment. Leitz 1.!0e: 1 Sacralsegment. Leitz 1. Oe. 1. Sacralsegment. Leitz 1. Oe. 1. Conus terminalis. III. Sämmtliche Figuren stellen Schnitte durch das Rückenmark eines ca. 10 jährigen Orang-Utans (Näheres über das betr. Thier siehe bei Krause. Anhang zu den Abhandlungen der Königl. Preuss. Akad. der Wiss. Berlin 1899) dar. Färbung nach Weigert-Pal. 457 Aus der Frauenklinik der Universität Kiel. Gestell für Objektträger bei Reihen- schnitten. Von KarlHolzapfel. Hierzu 2 Textfieuren. o Um die Behandlung von Reihenschnitten zu erleichtern, ist schon eine ganze Reihe von mehr oder weniger zweck- mässigen Apparaten angegeben. Für Schnitte (bei Paraffin- einbettung z. B.), die alsbald nach ihrer Anfertigung auf die Träger aufgeklebt werden, kommen, soweit meine Erfahrung reicht, zwei Arten in Betracht. Das eine sind Tröge mit Rillen oder Leisten, in die mehrere Träger einzeln eingestellt werden; das andere Gestelle, mittels deren die Träger zusammen aus einer Flüssigkeit in die andere gehoben werden können. Diese Gestelle verdienen zweifellos den Vorzug vor den Trögen, die bei der Behandlung der Schnitte weniger Zeit ersparen, da die Träger immer wieder einzeln oder höchstens zu zweien aus einem Trog in den andern übertragen werden müssen. Die bisher bekannten Gestelle haben aber immer noch einige Nach- theile, besonders den, dass sie nur verhältnissmässig wenig Prä- parate, 6—8—10, fassten. Es wäre zwar ein leichtes, aus Draht ein Gestell zu verfertigen, das erheblich mehr Träger aufnehmen kann. Indessen ist die Verwendung von Metall für solche Zwecke ungeeignet, da das Metall auch von verdünnten Säuren angegriffen wird. Die zweckmässigste Masse ist einstweilen noch Glas, das von allen hier in Frage kommenden Flüssigkeiten nicht geschädigt wird. Ich habe nun vor zwei Jahren ein solches Glas- gestell anfertigen lassen, das nach meinen Erfahrungen allen An- forderungen wesentlich besser entspricht, als die bisher in den Handel gebrachten. Aus der neben- stehenden Abbildung ist die Gestalt und Verwendung des Gestells leicht ersichtlich. Die wagerecht neben ein- ander liegenden beiden Rahmen, ge- tragen durch rechtwinklig gebogene, fest angeschmolzene Glasstäbe dienen 458 Karl Holzapfel: zur Aufnahme der Öbjektträger, die aufrecht eingestellt werden und durch die kleinen Zähne seitlich und unten von einander getrennt bleiben. An den beiden Henkeln lassen sich die ‚Gestelle mit den Trägern sehr leicht n passende Tröge ein- und ausheben. Die bisher verwandten Gestelle fassten 30 Träger (26 mmX7176 mm). Um Flüssigkeit zu sparen, be- nutzte ich Tröge, die die Gestelle grade bequem aufnehmen, mit Innenmassen von: Scm X 12 cm Bodenfläche, 10 cm Höhe. Am be- quemsten und sparsamsten wird die Behandlung, wenn man mit 7 bis 10 Trögen zugleich arbeitet, etwa mit zweien voll Toluol (Xylol), dreien mit Alkohol abs., einem mit 96°/o Alkohol, einem oder zweien mit Wasser und endlich Trögen mit Farbstoff je nach Bedarf. Wir haben die Gestelle gewöhnlich der Reihe nach gebracht in einen Trog mit Toluol I (enthält bald etwas Paraffin), Alkohol abs. I (enthält bald etwas Toluol), Alkohol abs. II, Wasser, Farbstoff, Wasser, 96°/o Alkohol, Alkohol abs. III, DH, I, Toluol II. Von dort aus werden die Träger einzeln oder zu mehreren herausgenommen und die Schnitte in Kanadabalsam eingeschlossen. Anfangs verwandte ich nur einen Trog mit Toluol und nicht so viele mit Alkohol, man muss aber dann die Flüssigkeiten öfter wechseln, da der Alkohol schneller verwässert und Toluol bald mit Paraffın ver- unreinigt wird. Ich glaube nach mehrjährigem Gebrauche annehmen zu dürfen, dass dieses Glasgestell vor anderen drei wesentliche Vor- züge hat, Zeitersparniss, geringen Flüssigkeitsverbrauch und Handlichkeit; das letztere namentlich dürfte dem von Dewitz (dieses Archiv Band 33 S. 416, 1889) beschriebenen Gestell ab- gehen, bei dem sich die Schnitte an den (Querstangen leichter reiben können. Die Zerbrechlichkeit der Gestelle sieht wohl grösser aus, als sie ist; wenigstens ist mir bei fast täglichem Gebrauch im Verlauf von zwei Jahren keins zerbrochen, auch meinen Mit- arbeitern nicht. Seit einiger Zeit sind die Anschaffungskosten verhältnissmässig gering. Die ersten Gestelle und Tröge (mit eingefalztem Deckel) lieferten mir nach eingesandtem Modell F. Hellige u. Cie. in Freiburg i. Br. in vortrefflicher Aus- Gestell für Objektträger bei Reihenschnitten. 459 führung. Leider vermochte die Firma den ziemlich hohen Preis!) nicht soweit herabzusetzen, als es für einen ausgedehnteren Gebrauch der Gestelle thunlich erschien. Es sind aber jetzt Gestelle und Kästen für einen verhältnissmässig geringen Preis bei Herrn Glastechniker Heinrich Müller?) in Kiel zu haben. Die Ge- stelle unterscheiden sich von den andern dadurch, dass bei den wagerechten Rahmen die Mittelstange einfach ist, und die Glas- stäbe nicht aneinander angeschmolzen, sondern übers Kreuz in- einander geschmolzen sind, was die Haltbarkeit erhöht; ferner ist an den Trogdeckeln die Einfalzung durch einfache Mattirung ersetzt, was den Gebrauch handlicher gestaltet und verbilligt. Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen bei einem viermonat- lichen menschlichen Embryo. Von Prof. A. E. v. Smirnow in Tomsk. Hierzu Tafel XXV, Ich beabsichtige hier einige, wenn auch nur fragmentarische, doch, wie ich glaube, nicht uninteressante Facta mitzutheilen, welche ich bei der Untersuchung der Spinalganglien bei einem viermonatlichen menschlichen Embryo zu beobachten Gelegenheit hatte. Dieser Embryo wurde mir vor zwei Jahren ganz frisch, sogleich nach der vorzeitigen Geburt, von Herrn Dr. Preis- mann aus der Klinik des Prof. J. N. Grammaticati über- geben und sage ich Herrn Prof. J. N. Grammaticati sowie Herrn Dr. A. Preismann für die liebenswürdige Zustellung eines so schätzbaren Materials meinen herzlichsten Dank. Die Spinalganglien des Embryo werden theils einzeln, theils in Ver- bindung mit den entsprechenden Segmenten des Rückenmarks der Be- arbeitung mit verschiedenen Reagentien unterzogen: mit 1°/ wässriger Lösung von Osmiumsäure, mit starker W.Flemming’scher Mischung, mit 1) M. 4.— das Gestell, M. 3.— der Trog. °) Kiel, Hospitalstr. 42 II. Die Gestelle kosten M. 1.50 bis 2.— (je nach der Anzahl der bestellten Stücke), die Tröge M. 2. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59 31 460 A. E. v. Smirnow: C. Rabl’scher Flüssigkeit, mit 3°. wässriger Formalinlösung, mit 70°/o Aethylalkohol, mit einer Mischung aus 1°) wässriger Lösung von Osmiumsäure und 5°/o wässriger Lösung von doppelt-chromsaurem Kali. Aus letzterer Mischung wurden die Präparate mit 1°. wässriger Lösung von stickstoffsaurem Silber imprägnirt, bei den übrigen Flüssigkeiten aber wurden die Objekte nach erfolgter Bearbeitung und Einschliessung in Paraffin auf dem Mikrotom zerschnitten und die Schnitte mit verschiedenen, hauptsächlich Anilin-Farben gefärbt. Die Nervenzellen der genannten Ganglien unterscheiden sich bei dem Embryo durch eine grosse Mannigfaltigkeit der Grösse und der Formen in Vergleichung mit den entsprechenden Nerven- zellen bei Neugeborenen und besonders bei einem erwachsenen menschlichen Organismus. Der Grösse nach kann man sie in groben Zügen in drei Gruppen eintheilen: in grosse, mittlere und kleine. Die grossen und mittleren Nervenzellen findet man am häufigsten an der Peripherie des Ganglienknotens; den centralen Theil desselben nehmen vorzugsweise die kleinen und mittleren Nervenzellen ein, zu welchen sich indessen auch Zellen der ersten Kategorie gesellen. Die grossen und mittleren Zellen haben im allgemeinen eine rundliche, ovale oder birnartige Form, während man die kleinen Zellen ausser in den eben angegebenen Formen oft auch in Form von Spindeln, Helmen, Polygonen mit mehr oder weniger zugerundeten Rippen antrifft (Fig. 1). Am häufigsten begegnet man in der Tiefe des Ganglienknotens unter den kleinen und mittleren Nervenzellen zuweilen Nervenzellen-Kolonien, be- stehend aus 2—3—5 Zellen, deren Körper in ein gemeinsames vielzelliges Gebilde, ein Syneytium, verschmolzen sind. Die Glieder einer solchen Kolonie sind mit einander durch das ge- meinsame mütterliche Protoplasma verbunden und jedes Glied enthält einen Kern, so dass das ganze Gebilde, obgleich es sich . vom anatomischen Standpunkte als als eine multipolare Zelle dar- stellt, die in mehr oder weniger deutlich ausgedrückte knospen- förmige Abschnitte eingetheilt ist, vom physiologischen Stand- punkte aus als ein zusammengesetzter vielzelliger Körper erscheint (Fig. 2). Aehnlichen Syneytien begegnete ich bei demselben Embryo in den Nervenzellen-Gruppen der vorderen Hörner des Rückenmarks (Fig. 3), und bereits vor längerer Zeit (im Jahre 1889) in den Auerbach ’schen Nervenknoten des Darmkanal- geflechts erwachsener Amphibien und zwar der Frösche und Tritonen (Fig. 4). Rinige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen etc. 461 Die Spinalganglienzellen bei dem zu beschreibenden Embryo besitzen bereits eine mehr oder weniger deutlich ausgedrückte Bindegewebs-Kapsel, welche polygone und sternförmige Zellen mit chromatinreichen Kernen enthält. Häufig kann man in den Kernen dieser Zellen karyokinetische Figuren beobachten. Bei den Zellen, welche mit einander in ein Synceytium verbunden sind, fügt sich das umgebende Bindegewebe gleich einer gemeinsamen Decke zusammen, die sich in Art von Falten in “diejenigen tieferen Abschnitte der Kolonie hineinbegiebt, wo die einzelnen kernhaltigen Knospen durch feinere Protoplasmazüge verbunden sind. An Präparaten, die durch Chromsilberimprägnation her- gestellt wurden, kann man sowohl die Imprägnirung der Zell- körper und eines oder mehrerer Fortsätze der gegebenen Nerven- -zelle, wie auch die Imprägnirung des netzartigen Geflechts, der Nervenfasern, welche diese oder jene Spinalganglienzelle innerviren, beobachten (Fig, 5). Von den Nervenzellen gehen bald zwei Fortsätze aus, welche ihren Anfang vom Zellkörper in von ein- ander verschiedenen Richtungen nehmen, bald nur ein Fortsatz, der Anfangs dick ist, dann sich aber bald verdünnt und in zwei T-förmige (L. Ranvier, G. Retzius) Aeste theilt, welche den Nervenknoten nach zwei entgegengesetzten Richtungen durch- setzen, d.h. zum Zentrum (dem Rückenmark) und zur Peripherie. Wenn der einzelne Fortsatz noch dick erscheint, gleichsam als mittelbarer Protoplasmaauswuchs des Körpers, gehen von ihm bisweilen ein oder sogar zwei und drei Zweige aus, welche sich wiederholt theilen und sich schliesslich in buschartige Endgebilde verästeln, die in der Nähe entweder derselben Nervenzelle, oder benachbarter solcher Zellen verbleiben. Zweige ähnlicher Art habe ich schon früher (vor vier Jahren) an den Spinalganglien- zellen sowohl bei Embryonen wie auch bei Neugeborenen und jungen Thieren (Kätzchen und jungen Hunden) beobachtet. Ich glaube, dass man diese Zweige als Protoplasmafortsätze der gegebenen Zelle ansehen kann. Die Nervenfasern, welche die Spinalganglienzellen innerviren, theilen sich auf ihrem Gange durch den Spinalnervenknoten wiederholt {und die abgetheilten Zweige zerfallen, indem sie zu dieser oder jener Nervenzelle herantreten, in ein, dem Anschein nach, netzartiges Endgeflecht, das die gegebene Nervenzelle der Spinalganglien umgiebt und sich 31* 462 A.E. v Smirnow: auf der Kapsel der Zelle ausbreitet. (Perikapsulares Geflecht Dogiel’s und Kamkow’s, Fig. 5). Das Protoplasma der beschriebenen Nervenzellen erscheint von fadigem, körnigen Bau und besteht aus Spongioplasma und Hyaloplasma. Das spongioplasmatische Gerüst erscheint in Art eines feinen Netzwerkes mit rundlichen polygonalen Maschen; in einigen Fällen ist der allgemeine Charakter dieses Netzwerkes ein solcher, dass er stark an den schwamm-schwabenartigen Bau im Sinne Bütschli’s erinnert (Fig. 6 und 7). Das spongio- plasmatische Netz erscheint nicht nur in verschiedenen Zellen, sondern oft auch in ein und derselben Nervenzelle von ver- schiedener Dichte; zuweilen ist es stellenweise so gelichtet, dass man in der Zelle weite Strecken von unregelmässiger Form er- blickt, die erscheinend nur vom Hyaloplasma eingenommen sind (z.B. in Fig. 9). Im Hyaloplasma und in den Fäden des Spongio- plasmas sind Körnchen (granula) von verschiedener Grösse und in verschiedener Vertheilung belegen, welche sich durch Anilin- farben theils färben lassen, theils ungefärbt bleiben, in letzterem Falle treten diese Körnchen besonders im Hyaloplasma hervor, indem ein kleiner Unterschied in ihrem Brechungsvermögen im Vergleiche zu demjenigen der hyaloplasmatischen Grundsubstanz vorhanden ist. In einigen Zellen sammeln sich die gefärbten Körnchen in Häufchen von verschiedener Form und Grösse an, welche bald (am häufigsten) in dem peripherischen Absehnitte des Protoplasmas, bald in der Tiefe desselben belegen sind. Diese Häufchen gefärbter Körnchen begleiten oft die unten- beschriebenen intracellulären Kanälchen. Die Anhäufungen solcher - Körnchen kann man, glaube ich, für Flemming-Nissl’sche Körper ansehen, welche sich demnach, bereits in den Ganglien- zellen eines viermonatlichen menschlichen Embryos vorfinden. Bei verschiedenen Nervenzellen eines und desselben Ganglions, bis- weilen sogar bei einer und derselben Zelle, erscheint das durch Anilinfarben gefärbte Protoplasma bei gleichmässiger Dicke des Schnittes von verschiedener Durchsichtigkeit und verschiedener Intensität der Färbung, was ohne Beschreibung aus Fig. 1 mit genügender Deutlichkeit erkennbar ist, Durch das Protoplasma der Nervenzellen geht das Kanälchen- netz C. Golgi’s (Apparato reticulare) und E. Holmgren’s hindurch, wie man dieses in den Fig. 6, 7, 8, 9 und 10 sehen Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen ete. 465 kann. Die Kanälchen erscheinen von verschiedenem Kaliber und zuweilen (Fig. 8) setzen sie sich vom Protoplasma aus in den Kern fort, wo sie unmittelbar in die hellen, kanälchenartigen, netzbildenden Strecken übergehen. Ob die intracellulären Saft- kanälchen eine eigene Wandung haben, oder ob das kompaktere Protoplasma der Nervenzelle ihnen als Wandung dient, diese Frage lassen meine Untersuchungen unentschieden. Das intra- celluläre Kanälchennetz setzt sich ausserhalb der Zelle fort, in- dem es aller Wahrscheinlichkeit nach in die Lymphräume über- geht, welche in dem interstitiellen Bindegewebe des Nerven- knotens vorhanden sind (Fig. 10). ‘ Dieses intracelluläre Kanälchennetz betrachte ich mit E. Holmgren als ein Netz Iymphatischer Saftkanälchen oder Spalten. In einem Falle be- obachtete ich im Protoplasma einer Spinalganglienzelle in der Nähe ihres Kerns, der sich in ruhendem Zustande befand, ein fadiges spindelförmiges Gebilde, mit zwei Körnern an den Polen (in einem Pol ein grosses rundes Korn und an dem anderen mindestens zwei kleinere Körner) und mit einer Reihe von Körnchen, welche die Ausbuchtung der Spindel an deren Aequator umgürteten. Die polaren Körner und die Aequatorial-Körnchen färbten sich mittelst Eisenalaun-Hämatoxylin schwarz. Dieses spindelförmige Gebilde ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine achromatische Spindel, welche 1. aus Bündeln von achromatischen Fäden, 2. aus Centrosomen, die an den Polen der Spindel be- legen sind, und 3. aus dem eigenthümlichen Körnchengürtel be- steht, welcher den mittleren angeschwollenen Theil der Spindel umgiebt (Fig. 9). Sehr bemerkenswerth erscheint das Vor- handensein einer solchen vollständig ausgebildeten Spindel in einer Nervenzelle, deren Kern dem Anschein nach die bis jetzt bekannten morphologischen Erscheinungen nicht darbietet, welche den Theilungsprozess charakterisiren. Ein Gebilde ähnlicher Art beobachtete ich in den Jahren 1890 und 91 in Zellen mit ruhendem Kern vom Epithel des Bauchfell-Parietalblatts bei Larven und erwachsenen Tritonen, wobei ich auch dort eine Reihe von äquato- rialen Körnchen wahrnahm ; auch dort färbten sich diese Körnchen, jedoch anders als die Centrosomen der Spindelpole, ihre Färbung ähnelte sehr derjenigen der Chromatinkörner und Klümpchen im Kerne. Damals habe ich dies leider nicht publizirt und be- schäftigte mich nicht mit der speziellen Bearbeitung dieser inter- 464 A.E.v. Smirnow: essanten morphologischen Erscheinungen, indem ich die kühne Vermuthung, dass vielleicht jede somatische Zelle ein herma- phroditisches Individuum darstellt, im Sinne hatte. Die Färbung wurde damals von mir mittelst salzsaurem Rosanilin und Toluidin- blau bewirkt; das erstere färbte leicht die achromatischen Fäden und das Linin des Kerns und stark die Uentrosomen, während das letztere dem Chromatin des Kerns eine blaue oder grünlich- blaue Färbung gab. Ich gehe jetzt zur Beschreibung des Baus des Kerns in den be- treffenden Zellen über. DerKern besteht aus einer Hülle, einem mit der Hülle unmittelbar verbundenen Lininnetze, dem Kernsaft und aus Körnchen und Kernkörperchen (Nucleoli), die einen kom- plizirten Bau haben und theilweise bereits von V. Ruzicka und E. Holmgren und bei einigen anderen Zellen in den be- achtenswerthen Arbeiten von P. Poljakoff beschrieben und dargestellt worden sind. Die Kernhülle erscheint, dem Anscheine nach als ein kompakteres Netz des Liningerüsts des Kerns und enthält gleich dem letzteren Körnchen (granula). Das Linin des Kerns bildet ein Netz von verschiedener Dichtheit; dieses Netz zeigt stellenweise Knotenpunkte von grösserer Stärke und macht zuweilen gleich dem spongioplasmatischen Gerüst den Eindruck eines schwammartigen Bau’s. In der Substanz dieses Netzes, besonders in den grösseren Knotenpunkten beobachtet man Körnchen und Anhäufungen derselben, wobei die Körnchen- häufchen bei der Färbung eine intensivere Farbe annehmen und vorzugsweise wie Chromatin des Kerns erscheinen. Der Kernsaft (Paralinin) erscheint fast homogen, sogar in dem Falle, wenn derselbe, wie z. B. in Fig. 9, vorzugsweise den grössten Raum unter den anderen morphologischen Bestandtheilen des. Kerns einnimmt. In dem Kernsafte kann man unter günstigen Umständen immerhin die gleichsam homogene Grundsubstanz und die durch ihre Lichtbrechung von der Grundsubstanz verschiedenen Körnchen unterscheiden, obgleich letztere gewöhnlich ungefärbt bleiben. Die Kernkörperchen sind aus morphologisch und der Färbung nach verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetzt, wie dieses aus dem helleren und dunkleren Ton in den Fig. 6, 8, 9, besonders aber in Fig. 11a—g ersichtlich ist. Ausserdem kann man bei Durchmusterung der letzteren (Fig. 11) wahrnehmen, dass dieselben eine Reihe von Veränderungen aufweisen, welche sich in einer Versetzung Ihrer Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen ete 465 morphologischen Theile ausdrücken, die nicht nur in der Kern- körpersubstanz selbst, sondern auch in der Substanz des Kernes stattfindet, obgleich der Kern in ruhendem Zustande ist. In den Nucleolen der Spinalganglienzellen unseres Embryos beobachtet man bei der Färbung mit Safranin, der wässrigen Lösung von Bleu CLB. und bei der Färbung mit Eisenalaun-Hämatoxylin nach M. Heidenhain (Fig. 6—9) in der blässer gefärbten Nucleolensubstanz intensiv gefärbte Körnchen von verschiedener (Grösse in verschiedener Anzahl und Vertheilung. Bisweilen be- merkt man unter diesen Umständen (Siehe die soeben bezeich- neten Figuren), Fäden, welche diese Körnchen verbinden (Fig. 8)» wobei, wie dieses in Fig. 6 zu erblicken ist, der verbindende Faden bei dem aus dem Kern in die Kernsubstanz hervortreten- den Körnchen in Art eines Zuges oder mehrerer Züge erhalten bleibt. Mit besonderer Deutlichkeit tritt der zusammengesetzte Bau der Nucleolen der zu untersuchenden Nervenzellen bei Präpa- raten hervor, die mit einer starken Flemming’schen Mischung bearbeitet und mit dem von mir schon seit einigen Jahren mit gutem Erfolg benutzten Zweifarbengemisch von wässrigem Fuchsin (Cerise) DIV und Neuvietoria gefärbt wurden; an Stelle des Neuvictoria kann man sich auch einer wässrigen Lösung des Methylen- oder Toluidinblaus bedienen. Bei solcher Behandlung kann man im Nucleolus mindestens drei durch verschiedene Färbung sich auszeichnende Theile unterscheiden: a) die Grund- substanz, b) die durch Fuchsin sich intensiv färbenden Körnchen, und c) die grösseren Körner, welche durch Methylen, Toluidin- blau oder durch Neuvietoria sich färben lassen. Wie man bei der Durchmusterung einer ganzen Reihe von Präparaten sich davon überzeugen kann, bekundet auch hier, dem Anscheine nach, der Nucleolus seine Veränderung der Form, gleich wie dasselbe bei den Nucleolen einiger anderer Zellen beobachtet wurde, z.B. von Nagel bei dem menschlichen Eie. Diese Veränderungen betreffen nicht nur die äussere Umrisse des Kernkörpers, sondern auch die von mir zu beschreibenden Theile desselben (Fig. 11a-g); diese letzteren Veränderungen können von einer Theilung des Kerns begleitet sein, sie können aber vielleicht auch die Theilung des Kerns einleiten (Fig. 11g). Die Grundsubstanz des Nucleolus erscheint bald als eine homogene, bald differenzirt sie sich — unter unbekannten Umständen — in Bündel von Fäden und einer 466 A. E. v. Smirnow: zwischen diesen Fäden befindlichen Substanz (Fig. 11c u. g). Die grösseren Körner des Kernkörpers, welche sich blau oder blau- grünlich färben, erscheinen in der Kernchensubstanz bald als ein grosses Korn, bald in der Anzahl mehrerer kleinerer Körner (Fig. 11a, b, c, d), welche oft paarweise in der Grundsubstanz des Nucleolus eingelagert sind. Diese Körner besitzen, dem Anscheine nach, die Eigenschaft der Ortsveränderung nicht nur innerhalb der Grundsubstanz des Kernkörpers, sondern auch ausserhalb derselben, d. h. das Vermögen aus demselben in den Kern überzutreten (Fig. 11a b, d, e, f). Bisweilen vereinigen sich diese Körner bei dem Fintreten in die Kernsubstanz zu Bündeln von Fäden, welche ebenso wie sie selbst gefärbt er- scheinen (Fig. Ile). Wenn wir einerseits den Umstand in Be- tracht ziehen, dass es in der Natur des Methylen-, des Toluidin-, sowie des Neuvictoria-Blaus liegt, bei der genannten Bearbeitung das Chromatin in den Kernen verschiedenartiger Zellen zu färben und andererseits die fast vollständige Abwesenheit des Chromatins in den Kernen der zu untersuchenden Nervenzellen bemerken, so glaube ich nicht ohne triftigen Grund annehmen zu dürfen, dass wir hier Gebilde vor uns haben, welche vom morphologischen Gesichtspunkte aus nicht nur analog, sondern identisch sind mit dem Chromatin des Kerns und so finden wir in dem Kernkörper, wenigstens zu einer gewissen Zeit seiner Entwickelung und seiner Existenz, die Quelle, welche das Chromatin in sich bewahrt (Fig. 11b, c und g) und dasselbe dem Kern mittheilt. Eine zweite Art Körnchen von im allgemeinen kleinerem Umfange als die vorhergehenden Körnchen, die sich mit dem genannten Fuchsin färben, erscheinen ebenfalls in der Kern- körpersubstanz, aber sie sind nicht immer sichtbar. In dem besonderen Falle, wenn sie scharf differenzirt erscheinen, liegen die mit Fuchsin gefärbten Körner am häufigsten an der Peripherie des Kernkörpers und sind anscheinend wenig beweglich, wenn sie aber auch aus dem Nueleolus in den Kern eintreten, so ge- schieht es immer in Begleitung der blauen oder blassgrünlichen Körnchen (Fig. 11.d), mit welchen sie in diesem Falle mit einer allgemein sie umgebenden Substanz verbunden erscheinen. Diesen fuchsinophilen Körnern begegnete ich stets in den Kernkörpern der Nervenzellen erwachsener Wirbelthiere und ich glaube, dass man sie mit jenen körnchenartigen Gebilden in den Kernkörpern Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen ete. 467 der Nervenzellen identificiren kann, welche von Mautner, Schrön, W. Flemming, Obersteiner, Lenhossek, Ruzicka und anderen Autoren beschrieben wurden. Die blauen oder blaugrünlichen Körner treten zuweilen, wie oben gesagt, aus der Kernkörper-Substanz in die Substanz des Kerns hervor, wie dieses aus Fig. 11f ersichtlich ist, und zeigen vermittelst Zügen eine Verbindung mit der Grundsubstanz des Kernkörpers; diese Verbindungszüge sind, wie es scheint, aus der Grundsubstanz des Nucleolus gebildet. — Da ich nur ein sehr beschränktes Material benutzen konnte, war ich leider nicht imstande alle in Wirklichkeit möglichen Veränderungen des Kernkörpers und seiner Bestandtheile in den von mir zu beschreibenden Nerven- zellen zu verfolgen, Veränderungen, welche von einer Kerntheilung begleitet sind oder vielleicht eine solche herbeiführen, wie es in Fig. 11g zu sehen ist, wo der Kern im Zellkörper fast voll- kommen zusammengeschnürt ist und die Kernkörperchen sich in zwei Theile abgetheilt haben, die mit einander nur durch Fäden der Grundsubstanz der sich bildenden Tochter-Kernkörper- chen verbunden sind. In jedem Tochter-Kernkörper bemerkt man die Grundsubstanz, die durch Fuchsin gefärbten Körnchen und grössere blaue Körner; in jeder Hälfte des zusammenge- schnürten Kerns beobachtet man ein blaues Körnchen, das zur Seite der Tochter-Körnchen liegt und dabei befindet sich jedes dieser Körnchen auf der entgegengesetzten Seite des Kernkörpers der entsprechenden Hälfte des Kerns. Die Beschreibung, welche ich hinsichtlich der Kernkörper der Spinalganglienzellen eines viermonatlichen menschlichen Em- bryos gegeben habe, ist bei weitem nicht vollständig, aber den- noch verdient sie, glaube ich Beachtung Derer, welchen vielleicht ein reichhaltigeres Material zur Verfügung steht. Einmal beobachtete ich im Innern des Kerns der Spinal- ganglienzelle des benannten Embryos ein krystallinisches Gebilde (Fig. 9), welches seinem Umrisse nach an einen Häminkrystall erinnert. In den sympathischen Nervenzellen und im Gehirn haben einige Forscher (z. B. Prenant, Lenhossek, Mann, E. Holmgren) krystalloidische Gebilde beobachtet. Ob das von mir in den beschriebenen Nervenzellen wahrgenommene krystallinische Gebilde zu den Krystalloiden Nägeli’s gehört, kann ich nicht sagen. Dieses Gebilde zeichnete sich durch die 468 A. E. v. Smirnow: Regelmässigkeit seines äusseren Umrisses, besonders durch seine richtige prismatische Form vor jenen Krystalloiden aus, welche im Kerne der sympathischen Nervenzellen beschrieben wurden. Ob auch hier die Folgerungen Biedermann’s in Bezug auf die physiologische Bedeutung dieser Gebilde zutreffen, kann ich nicht sagen, aber ich weise darauf hin. Zur Ergänzung und Erklärung alles Vorausgesagten ver- weise ich noch auf die folgende ausführliche Beschreibung der Zeichnungen, in welchen die Verschiedenheit der Färbung durch helleren und dunkleren grauen Ton wiedergegeben ist. In Fig. 1 ist ein Theil eines Lenden-Spinalganglienknotens des vier- monatlichen menschlichen Embryos dargestellt. Die Zeichnung wurde mit Mikroskop C. Zeiss, Oc. 4. Obj. E bei einer Tubuslänge von 160 mm ge- nommen. Das Präparat war mit starkem Chromosmiumessigsäure - Gemisch Flemming’s behandelt und mit Fuchsin (Cerise) D IV + Neuvietoria gefärbt. Dle Nervenzellen von verschiedener Grösse und Form zeigen die verschiedene Intensivität der Färbung ihres Protoplasmas, welches bei vielen Zellen bei der angegebenen Vergrösserung bereits einen netzartig faserigen Bau aufweist und im Innern Saftkanälchen in verschiedener Anzahl, Ver- theilung und Verzweigung enthält. Bei der Zelle „a“ ist längs dem Gange der Saftkanälchen eine Verdickung des Protoplasmas wahrzunehmen. Das Protoplasma, eingehüllt in eine Kapsel, welche Zellen enthält, deren Kerne blaugrünlich gefärbt erscheinen, umschliesst gewöhnlich einen, selten zwei Kerne. Der Kern der Nervenzellen besteht aus einer mit Fuchsin sich grell färbenden Hülle, dem Liningerüst, dessen Schlingen mit Kernsaft angefüllt sind, und aus einem oder mehreren Kernkörperchen, welche grünbläulich ge- färbt erscheinen. Was das Chromatin des Kerns selbst anbetrifft, so ist das- selbe augenscheinlich entweder in der Substanz des Kernkörpers verborgen, oder es erscheint in Form von kleinen Körnchen, welche ebenso gefärbt sind, wie das Kernkörperchen. In der Zelle „a“ hat der Kern an einer Stelle ‘seine Hülle anscheinend verloren; hier sind kleine grünlich gefärbte Körnchen zu bemerken, welche im Protoplasma in der Nähe des Kerns liegen, in dessen Innerem ein grösseres intensiv gefärbtes Kernkörperchen und drei verschieden grosse, aber im allgemeinen kleinere, schwach grünlich gefärbte Körnchen wahrzunehmen sind. In den Zellen „b“, „b1“ und „b2“ beobachtet man im Gebiete des Kerns zwei Körnchenpaare, welche bald kleiner sind und dicht bei einander liegen, bald grösser und verschieden weit von einander entfernt liegen; diese Körnchen erscheinen ebenso wie die Kernkörperchen grünbläu- lich gefärbt. Ob dieselben Centrosomen der Nervenzelle sind, kann ich nicht sagen. Die Fig. 2 stellt den mittleren Theil des Schnitts eines Lenden- spinalganglienknotens desselben Embryos dar; dieselbe Behandlung des Präpa- rates und dieselbeVergrösserung. In dieser Figur beobachtet man zwei Gruppen von Nervenzellen, von denen jede ein Syneytium von vier kernhaltigen Körpern. umschliesst. (Nur bei einem dieser Körper ‚a‘ ist in der gegebenen Zeichnung Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalganglienzellen ete, 469 der Kern nieht sichtbar, aber bei dem nächsten Schnitte ist der Kern auch in dieser Nervenzelle zu erblicken). Die intraprotoplasmatischen Saftkanäl- chen sind an verschiedenen Stellen erhalten und gehen aus einer Knospe in die andere über. In Fig. 3 sind drei Nervenzellen aus der Lateralgruppe des vorderen Horns des Brustabschnitts des Rückenmarks desselben Embryos darge- stellt. Die Zeichnung ist bei ©. Zeiss, Oc. 4, Obj. E, Tubus 160 mm ge- nommen. Die Bearbeitung und Färbung dieselbe wie vorhin mitgetheilt, Drei multipolare Nervenzellen sind mit einander durch ein gemeinsames Proto- plasma verbunden, in dessen Innerem man hier und da Saftkanälchen und Anhäufungen von Körnchen erblickt, welche wohl die Bedeutung der Flemming-Nissl’schen Körper haben. Die Nervenzellenknospen aus dem Auerbach’schen Nervengeflecht des Rectums einer Rana esculenta sind in Fig. 4 „a“ und „b“ dargestellt- Die Zeichnung ist bei Hartnack, Obj.7, mit der Camera lucida von einem Präparate abgenommen, das mit Methylenblau nach der Methode P. Ehrlich’s gefärbt und mit Pikrocarmin von Hoyer fixirt war. Von jeder Gruppe der knospenartigen kernhaltigen Körper, welche mit einander durch ein gemein- sames Protoplasma verbunden sind, geht eine Nervenfaser „n“ aus. Bei der Bearbeitung der Spinalganglienknoten des genannten Embryo nach der von mir modifizirten Chromversilberungs-Methode C. Golgi’s 5°/o wässerige Lösung von Kalibichrom und 1°/o wässeriger Lösung von Osmium zu gleichen Theilen) erhält man Bilder, welche denjenigen gleichen, die in Fig. 5 (Hartnack Oecul. 5 u. ausgezogener Tubus) dargestellt sind. Die Körper von fünf Nervenzellen mit ihren Fortsätzen erscheinen durch das Chromsilbersalz imprägnirt. Von dem Protoplasmaauswuchs der Zelle „a“ gehen nach einer Seite kleine Aeste aus, welche sich bald in zwei Zweige theilen, von denen ein Zweig durchschnitten ist, während der andere sich zum Zellkörper begiebt und in dessen Nähe sich in ein buschartiges Gebilde verzweigt. Nach der anderen Seite giebt der Protoplasmaauswuchs einen feinen Fortsatz ab, der seine Richtung zur Tiefe des Nervenknotens nimmt und sich T-förmig in zwei Zweige theilt, welche in entgegengesetzten Richtungen auseinandergehen. Auf dem Körper von zwei Nervenzellen sind netzartige Verzweigungen des Axencylinders der in den gegebenen Spinal- ganglienknoten eintretetenden und sich auf ihrem Gange durch denselben wiederholt theilenden Nervenfaser zu erblicken. Ferner sind Gruppen von varikösen Nerverfäserchen wahrzunehmen, von denen ein Theil in der be- sprochenen Figur dargestellt ist, Die Figuren 6, 7, 8 und 9 stellen Nervenzellen aus den Spinal- ganglienknoten des 4 monatlichen menschlichen Embryos dar; alle Figuren sind mit Mikroskop C. Zeiss, Apochromat 2,0 mm, homogene Immersion, Apertur 1,40, Compensationsocular 12, Tubuslänge 160 mm abgebildet. Die Präparate wurdenmit einer starken W. Flemming’schen Mischung fixirt. Der Schnitt, von welchem die Fig. 6 abgebildet ist, wurde mit Safranin gefärbt; die Figg.7 und 9 sind nach Schnitten, welche mit E.A.H. nach M. Heiden- hain gefärbt waren, entworfen; die Fig.8 ist nach einem 4 „ dicken Schnitt gezeichnet, der durch eine 1 proc. wässrige Lösung von Bleu CLB gefärbt war. In 410 A. E. v. Smirnow: Einige Beobachtungen über den Bau ete. allen Figuren sind die Saftkanälchen in den Nervenzellen sichtbar; in der Fig. 83 bemerkt man den direkten Uebergang der Saftkanälchen des Proto- plasmas in die Saftgänge, welche sich im Innern des Zellkernes ausbreiten; dort, wo dieser Uebergang vor sich geht, ist die Kernhülle nicht wahr- zunehmen, und zwischen der Kernsubstanz und der Substanz des Proto- plasmas findet dem Anscheine nach eine unmittelbare Berührung oder sogar ein Zusammenfluss statt, Das Protoplasma zeigt einen fadigen, netzartigen Bau. In den Figg. 6, 7 und 9 erinnert die Struktur des Protoplasmas stark an ein Wabenwerk. Im Innern der Nervenzellenkerne der Fig. 6, besonders aber der Figg. 8 und 9 bemerkt man grell gefärbte Körnchen. Im Innern des Kernes der in Fig. 9 dargestellten Nervenzelle ist ein vielleicht krystalloider Körper belegen und im Protoplasma ein spindelförmiges fadiges Gebilde; diese beiden Gebilde sind bereits oben beschrieben worden. Figur 10, Chromsilberpräparat von demselben Embryo. Mikroskop C. Zeiss, Apochromat 2,0 mm, homogene Immersion, Apertur J,40, Compen- sationsocular 12, Tubuslänge 160 mm. Im Innern des Protoplasmas der Zelle sind die kanälchenartigen Gänge, welche stellenweise netzartig mit einander verbunden erscheinen, mit chromsaurem Silber imprägnirt; an einem Punkte ist der Ausgang eines solchen Ganges aus dem Zellkörper in das Zwischen- gewebe des Ganglienknotens bemerkbar. In Figur 11 a—g sind die Kerne der Spinalganglienzellen des be- schriebenen Embryos abgebildet. Präparat aus W. Flemming ’schem Chromosmiumgemisch, Färbung mit einer Mischung von wässeriger Fuchsin- lösung (Cerise) DIV und Neuvictoria. In Fig. I11g sind ausser dem Kerne, welcher sich in der Periode des Hinüberziehens befindet, noch die Umrisse eines Zellkörpers und eines Nervenfortsatzes dargestellt Die genauere Be- schreibung dieser Figur ist von mir oben gegeben. Studien über die Entwicklung des Vorder- darms und einiger angrenzenden Organe. I. Abtheilung: Allgemeine Morphologie der Schlund- spalten beim Menschen. Entwicklung des Mittelohrraumes und des äusseren Gehörganges. Von Prof, Dr. J. Aug. Hammar, Upsala. Hierzu Tafel XXVI— XXIX. Einleitende Bemerkungen. Material. Anlässlich einiger Untersuchungen über die Histogenese der Thymus habe ich das Bedürfniss empfunden, mich über die all- gemeine Morphologie der Thymusanlage durch eigene Anschauung zu orientiren. Die zu solchem Zwecke angefertigte Modellserie erwies sich in pädagogischer Hinsicht so brauchbar, dass sie weit über das ursprünglich gesteckte Ziel hinausgeführt wurde. Um Klarheit über die Bedeutung gewisser Theile der Modelle zu gewinnen, wurden für einige Organe Spezialmodelle nach älteren Stadien angefertigt. Die auf solchem Wege gewonnenen Resultate scheinen mir in einigen Hinsichten der Veröffentlichung werth zu sein. Es hat indessen die während der Arbeit geschehene successive Er- weiterung des Planes derselben zur Folge, dass sich eine Un- gleichmässigkeit in der Darstellung der verschiedenen, hier zu erörternden Kapitel nicht vermeiden lässt. Der später erscheinenden Fortsetzung dieser Studien dürften die Ergebnisse der schon vor mehr als zwei Jahren geschehenen Thymusuntersuchungen einverleibt werden. Die Untersuchungen sind mit Hülfe der Born ’schen Wachs- plattenmethode ausgeführt; ich glaube, dass dieselbe in der vom Urheber gegebenen definitiven Gestalt, später vorgeschlagenen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 32 472 J. Aug. Hammar: Modificationen gegenüber, für die meisten Zwecke wichtige Vor- theile darbietet. Neuerdings ist von Justesen (1900) ein Versuch gemacht worden, die Born’sche Methode, welche nach ihm für feinere Details nicht genau ist, durch eine andere zu substituiren, als deren Prinzip angegeben wird, „alle Schnitte einer Serie in Form vergrösserter Zeichnungen in der richtigen gegenseitigen Lage so zu fixiren, dass man schnell und leicht die einzelnen Zeich- nungen vergleichen, die Form und Lageveränderung eines jeden Hohlkörpers verfolgen und kleine Aenderungen in diesen Hin- sichten genau messen kann.“ Wie man sieht, ist diese Methode prinzipiell nichts Anderes als eine Modification der ganz sicher ältesten aller Rekonstruk- tionsmethoden — der geistigen. Und für diese gilt in voller Ausdehnung, was Born (1900) in seiner letzten Publikation über die Rekonstruktionsmethoden geäussert hat, wo er nicht genug davor warnen kann, „sich auf die vielfach beliebte Rekonstruktion im Kopfe (aus den Schnittbildern) bei irgend welchen schwierigen Objekten zu verlassen.“ Dass die Justesen’sche Modification von den allgemeinen Fehlerquellen dieser Art von Rekonstruktion nicht frei ist, davon geben, wie ich hoffe später im Kapitel über die Entwickelung der Lungen zeigen zu können, auch seine damit erreichten Ergebnisse Zeugniss. In einer Hinsicht freilich ist nicht zu verneinen, dass der Born- schen Methode eine gewisse Ungenauigkeit anhaftet. Es betrifft dieses das Aufeinanderlegen der ausgeschnittenen Platten, wovon eben Justesen behauptet, es sei ein nur wenig schädliches Moment. Da es sich bei aller Sorgfalt nicht vermeiden lässt, dass ein wenngleich minimaler Zwischenraum zwischen den Platten entsteht, wird das Modell im Ganzen etwas (und je zahlreicher die dazu verwendeten Platten sind, um so mehr) in der gegen die Schnittebene senkrechten Richtung relativ zu gross!). Dies ist unter Anderem bei der Vergleichung verschiedener Ent- wickelungsstadien zu berücksichtigen. Es führt mich dies zu der Frage von meinen an einigen Punkten ausgeführten Messungen. Ihre Ergebnisse können aus dem schon angeführten sowie aus anderen Gründen (ein solcher !) Ich habe einmal einen fötalen Augenbulbus rekonstruiren sehen, welcher sich trotz aller Genauigkeit nicht als eine Sphäre, sondern als ein Ovoid darstellte! Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 473 ist die Schwierigkeit, ganz scharf definirte Messpunkte heraus- zufinden) niemals mehr als einen relativen Werth beanspruchen. Wenn man aber in Betracht zieht, dass kleineren Differenzen keine Bedeutung zuzumessen ist, erweisen sich diese Messungen als sehr nützlich, um die Vergleichung der verschiedenen Modelle zu erleichtern. Ich führe ihre Ergebnisse in den Zusammenstellungen so an. dass die durch die Messungen an den Modellen direkt ge- wonnenen Masse in Millimetern angeführt werden, und zwar als Zähler eines Bruches, dessen Nenner die Vergrösserung des be- treffenden Modelles angiebt; durch Umrechnung bekommt man die nebenstehende Zahl, welche die natürlichen Dimensionen in Millimetern approximativ angiebt. Während die Formverhältnisse mit der hier gegebenen Be- schränkung eine gewisse Objektivität beanspruchen können, schliesst die Bemalung, welcher ich die Modelle der leichteren Verständlichkeit wegen unterworfen habe, eine Deutung in sich, und ist somit etwas mehr Subjektives, dessen Berechtigung, was die Farbengrenzen und die Farbenähnlichkeiten anbelangt, aus dem unten im Texte Angeführten hervorgeht. Im Allgemeinen habe ich das Epithel des Darmrohres und seiner Derivate, des Hornblattes u. s. w. gezeichnet und modellirt, so dass die Modelle das Epithelrohr nebst gewissen anliegenden Theilen darstellen. Nur in einigen Fällen (Modeli X, XI und XVI) ist durch Schrumpfung, Ab- stossen oder dergleichen die Erhaltung des Epithels eine derartige gewesen, dass an seiner Stelle die innere Bindegewebskontur als Grundlage der Zeichnung und der Rekonstruktion gewählt wurde. Die Modelle sind in diesen Fällen solid, nicht hohl. Als solider, vergrösserter Ausguss ist die Paukenhöhle in den älteren Stadien (Modell XVIIIT—XXVI) wiedergegeben, d.h. nur das Lumen ist hier modellirt, was indessen bei der gewählten geringen Vergrösserung fast keinen Unterschied verursacht. In den Modellen XXV und XXV] ist dasselbe Prinzip auch für die Wiedergabe des äusseren Gehörganges in Anwendung gebracht. Von sämmtlichen modellirten Gefässen sind endlich auch nur die Lumina rekonstruktiv wiedergegeben, was indessen nur für die allergrössten, insbesondere für den Truncus arte- riosus eine eigentliche Bedeutung hat. In Betreff der Bezeichnungen der Richtungen im embryonalen Körper habe ich die Bezeichnungen oral und aboral, ventral und dorsal, lateral und medial angewendet. Diese Bezeichnungen, welche ja die eigene Achse des Darmkanales als Norm haben, sind für die jüngeren Embryonalstadien, wo die Körperkrümmung stark ist, unentbehrlich, lassen sich aber für die älteren Stadien nicht durchführen, ohne Verwirrung hervorzurufen und die ‘Verständlichkeit wesentlich zu erschweren, Hier sind ja theilweise dieselben 32* 474 J. Aug. Hammar: Benennungen, aber mit der Körperachse als Norm, im Brauche, und je nach: der gewählten Norm kann die Bezeichnung eben in diesen Körpergegenden,. um welche es sich hier handelt, eine andere werden. Nur die Bezeichnungen: lateral und medial behalten unter beiden Umständen ihre Bedeutung. Ein Beispiel soll dieses beleuchten: Nach der ersten (von der Darm-- achse ausgehenden) Terminologie liegt der Mund natürlicherweise oral- wärts, während er ja nach der gewöhnlichen, von der Körperachse aus- gehenden Terminologie an der ventralen Körperfläche liegt! Mit anderen Worten, was vom Gesichtspunkte der Darmachse e. g. ventral ist, ist es- natürlicherweise nicht immer in dem gewöhnlichen Sinne, dass es der Bauch-- fläche des Körpers zugewendet ist, und diese Verschiedenheit macht sich eben da geltend, wo wie im Gebiete des Schlundes die Darmachse nicht- mit der Körperachse parallel geht. Ich glaube aus diesen Gründen entschieden, dass es in dem Interesse- der Leichtverständlichkeit ist, wenn ich für die ganze spätere Fötalzeit die: Bezeichnungen oben, unten, vorn und hinten in dem in der menschlichen Anatomie gebräuchlichen Sinne in Anwendung bringe. Ohne eine störende Inkonsequenz bei dem Uebergange von der‘ einen zu der anderen Terminologie lässt sich dieses aber nicht thun.. Ein paar Beispiele mögen dieses beleuchten. Der Theil der Darmwand,, von wo die Hypophysis cerebri sich entwickelt, ist nach der ersten: Terminologie der dorsalen Darmwand angehörig. Nach der zweiten Terminologie muss er aber als der oberen und nicht der hinteren Wand angehörig bezeichnet werden. Die Zunge gehört nach der ersten Terminologie der ventralen, nach der zweiten der unteren Mund- höhlenwand an u. s. w. Damit diese Umwerfung in der Terminologie möglichst geringe Ver- wirrung anstifte, habe ich dieselbe bei der Darstellung der Mittelohr-- entwickelung an die Grenze zwischen zwei Kapitel verlegt. Noch ein Wort möchte ich in der Frage von der Terminologie hinzu- fügen. Vielleicht könnte man mir Mangel an Pietät gegen ältere, theil- weise schon eingebürgerte Namen vorwerfen. Der Vorwurf dürfte am meisten Grund dort haben, wo mich meine Untersuchungen mit der gröberen. Anatomie des Mittelohres in Berührung gebracht haben. Man muss sich aber in Bezug hierauf daran erinnern, dass hier in Anbetracht unserer bis-- herigen Unkenntniss der meisten Einzelheiten der Entstehung der Falten und dergleichen in der Paukenhöhle eine nur einigermassen rationelle Terminologie nicht existiren kann. Obgleich ich bestrebt war, Alles, was von dem Gesichtspunkte der Entwickelung aus nur einigermassen brauchbar erschien, beizubehalten, habe ich mir andererseits nicht verhehlen können, dass die Auffassung und Vergegenwärtigung der Bedeutung insbesondere der Schleimhautfalten der Paukenhöhle wesentlich erleichtert werden würden, wenn die Benennungen, wenn möglich die Entstehungsweise derselben, oder was in vielen Fällen dasselbe wäre, die durch sie eingeschlossenen Gebilde andeuteten. Uebrigens habe ich natürlicherweise auch die alten Namen als- Synonyme mit angeführt. Ich füge hier eine Zusammenstellung des für die vorliegende Ab- theilung angewendeten menschlichen Materials bei: Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. aTd No. des TFötusund «d. Modells xVI XVII XVII XIX xx XXa XXI XXIII XXIU XXIV XXV XXVI a. u 0b: Länge d. Alter, Bi an geschätzt Konservirt in m en bettung St.-Sch auf 3 mm 4. Woche ea Paraffin 3 mm 4. Woche Alkohol e (beinahe) 5 mm 4. Woche Formalin “ 8 mm 5. Woche Spiritus 5 83 mm | 5. Woche — e 11,7mm | 5. Woche — = 13,2 mm 6. Woche Spiritus ä 17 mm |7._8.Woche |} Pikrinsäure u. $ Formalin n 18,5 mm | 7.—8.Woche Spiritus n 20,5 mm | 7.—8.Woche |/ Pikrinsäure u. } \ Formalin % 21 mm | 7.—8.Woche Sublimat ‚ c [ Pikrinsäure u. 24 mm 3. Monat | Aonlın n 24,4mm 3. Monat Spiritus E Sam 3 Monat | Pikrinsäure u. \ Formalin R 50 'mm 3. Monat Formalin = Ann 3, Monat | Pikrinsäure u. ; UL Formalin 2 70 mm 4. Monat 2 R [ Formalin, Ent- Et 110 mm 5. Monat | kalken in HNO; Celloidin 150 mm 6. Monat = a 190 mm 7. Monat R 5 225 mm 7. Monat „ 2 260 mm 8. Monat P = 255 mm 9. Monat a 5 f Spiritus 330 mm | 10. Monat | HNO; = | Chromsäure u. 360 mm | 10. Monat Form. u. Essigs. 5 | HNO: 3 Reif f Müll. Flüss. l HNO; Schnitt- richtung 7 n fast sagittal quer frontal fast frontal frontal 76 J. Aug. Hammar: Ver- | grösserung des Modells Geschenkt resp. geliehen von Sonstige Bemerkungen 127 mal 100 mal 85 mal 85 85 85 85 mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal mal 15 10 mal mal 10 mal 10 mal Prof. C. A. Walter Dem Anat. Inst. zu Lund Dr. A. Vestberg Prof. G. A. Nordland Dem Anat, Inst. zu Stockholm » Prof. J. V. Hultkrantz Prof, C. A. Walter Prof. G. A. Nordland Prof. ©. A. Walter Prof. K. G. Lennander Dr. A. Vestberg Prof. J. V. Hultkrantz Dr. L. Lindquist n ” Prof. ©. A. Walter vonBroman1889als Embryo. Lf. beschrieben. "In der Scheitelgegend etwas- beschädigt. Die Länge wegen Zerstückelung nicht anzugeben. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 477 Von einigen der oben angeführten Embryonen habe ich dazu sowohl Rekonstruktionen des ganzen Embryos wie Modelle gewisser spezieller Theile des Mittelohres angefertigt; diese Modelle finden aber unten nur Erwähnung, wenn es die Darstellung erfordert. Ferner habe ich zur Vergleichung eine Reihe von Modellen über den embryonalen Schlunddarm des Kaninchens, und zwar nach Embryonen von resp. 3, 5, 7, 9 und 11 mm Länge angefertigt. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, habe ich das Glück gehabt, mein eigenes Material in’feinigen wichtigen Punkten durch Anleihen komplettiren zu können. Ich verdanke also die Modelle II, V und VI der Gefälligkeit meiner geehrten Freunde und Kollegen, Herrn Prof. ©.M. Fürst in Lund und Herrn Prof. E. Müller in Stockholm. Ihnen wie sämmtlichen der Herren Kollegen, 'welche durch Geschenke an die Materialiensammlung des Anatomischen Instituts zu Upsala meine Arbeit ermöglicht haben, sage ich hier meinen aufrichtigen Dank! Die Zeichnungen stammen von der geschiekten Hand des Präparators unseres Instituts, Herrn Fridolf Lundberg, ber. Kapitel I: Die Schlundtaschen des Menschen bis zum Anfange ihrer Rückbildung. Eine auf Untersuchungen menschlicher Embryonen fussende Darstellung der Entwickelung der Schlundspalten habe ich in der Literatur nicht finden können. Es scheint Thiermaterial, haupt- sächlich aus Kaninchen, Schweinen und Hühnchen bestehend, zu sein, welches den herrschenden Anschauungen über die Schlund- spalten der Säugethiere zu Grunde liegt. Leider ist es mir wegen Mangel an nöthigem Material nicht möglich gewesen, diese Lücke auszufüllen. Zwar habe ich ım letzten Jahre einen Menschenembryo zur Untersuchung bekommen, dessen Schlundspalten offenbar noch nicht ausgebildet sind; seine Verhältnisse sind aber derartige, dass es mehr als wahrscheinlich ist, dass hier eine Abnormität vorliegt. Da er indessen auch von diesem Gesichtspunkte aus nicht des Interesses entbehrt, lasse ich hier zunächst eine kurze Beschreibung der betreffenden Verhältnisse folgen. Menschenembryo, 3 mm, Modelll. Es handelt sich um einen Embryo von 3 mm Nackenlänge mit starken Kopf- und Nackenkrümmungen, welchen das hiesige anatomische Institut der Güte des Herrn Prof. C. A. Walter in Gotenburg verdankt. Ich habe von diesem Embryo wie von den folgenden unter Anderem die Mundhöhle und den Vorderdarm 478 J. Aug. Hammar: nach Born rekonstruirt und lege nun das also gewonnene Modell meiner Beschreibung zu Grunde (Fig. 1 und 2). Der dorsoventral abgeplattete, trichterförmige Schlunddarm zeigt eine ziemlich relieflose dorsale Fläche (Fig. 1). An ihren Seitenrändern entlang besteht bis in die Nähe des Sinus pyriformis ein Zusammenhang zwischen dem Hypoblaste des Darmes und dem Hornblatte. Dieser Zusammenhang erleidet nur kaudalwärts vom Mundwinkel, der Wurzel des schon ausgebildeten ersten Schlundbogens ent- sprechend, eine Unterbrechung (Schl. b. I). Die ventrale Schlundwand (Fig. 2) zeigt in ihrer Mitte die schief ventro-aboralwärts entspringende mediane Schilddrüsen- anlage (Thyr. m.) in der Form eines gestielten Knopfes. Von der Ansatzstelle des Stieles geht eine seichte mediane Furche oral- wärts, die beiden Mandibularbogen von einander abgrenzend. Ein Tuberceulum impar ist nicht vorhanden. An den lateralen Theilen derselben Wand tritt (von der Aussenseite der Wand betrachtet) jederseits eine Reihe von Grübchen hervor, links deren drei, rechts deren zwei; ihre Grösse nimmt aboralwärts ab. Diese Grübchen (Schl. b. II—IV) ent- sprechen an der Innenfläche der Wand vorspringenden Höckern. Das vorderste und grösste der Grübchen wird durch einen transversalen Kamm oder ein First, welche sowohl auf die laterale Schlundwand wie auf die tiefe Fläche des Hornblattes übergreift, vom ersten Schlundbogen getrennt. Ebensolche Firste trennen auch die einzelnen Grübchen von einander. Diese Firste sind im Bereiche der Darmwand hohl und räumen in sich Verlängerungen des Darmlumens ein — sie sind also, vom Lumen aus gesehen, als Rinnen zu bezeichnen. Der Boden der Grübechen ist einblätterig und besteht nur aus dem Hornblatte. Den Firsten entsprechend sieht man an der äusseren Oberfläche des Embryos links drei seichte Furchen, rechts deren zwei (Fig. 1, Schl. f. I und II), welche Furchen alle offenbar den Charakter von Schlundfurchen besitzen. Die in den Firsten selbst enthaltenen, rinnenförmigen Ver- längerungen des Darmlumens entsprechen offenbar Schlundtaschen. Die Grübchen (Höcker), welche sich ja im Präparate mit Binde- gewebe erfüllt zeigen, entsprechen Schlundbogen, die nicht aus- gebildet sind; links sind solchergestalt alle drei aboralen Bogen Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 479 deutlich vorhanden, rechts sind der dritte und der vierte nur andeutungsweise von einander abgesetzt, indem das aborale (Grübchen Anzeichen einer unvollständigen Trennung in zwei dar- bietet. Nur der erste Bogen ist jederseits in ausgebildetem Zu- stande vorhanden. Während beim Kaninchen (und auch beim Hühnchen), wie ich mich durch Kontrolluntersuchungen überzeugt habe, eine völlige Trennung zwischen Epiblast und Hypoblast durch zwischen- liegendes Mesenchym da besteht, wo die Schlundspaltenbildung noch nicht vollzogen ist; findet man also bei diesem Menschen- embryo eine solche Trennung nur dort, wo der schon fertig ge- bildete erste Bogen vorhanden ist; sonst hängen die beiden Keim- blätter im Schlundspaltengebiete mit einander kontinuirlich zu- sammen. Man bekommt den Eindruck, dass dieser Zusammen- hang das Primäre sei und dass derselbe dort gelöst wird, wo die Schlundbogen durch das von der ventralen Schlundwand an- drängende, zwischenwuchernde Mesenchym gebildet werden. Ein prinzipiell ähnlicher Bildungsmodus ist von v. Kupffer (1894) für die drei ersten Kiemenspalten bei Petromyzon, und von Platt (1894) für die Hyomandibularspalte bei Necturus geschildert worden. Es tritt nun die Frage hervor, ob etwa auch beim Menschen die Schlundspaltenbildung einen ähnlichen Weg gehe. Ohne diese Frage definitiv beantworten zu können, hebe ich hervor, dass der fragliche Embryo bei einem Aborte gewonnen wurde und in einigen Hinsichten auffallende Ab- weichungen von der Norm darbietet. Als solche hebe ich hier die ungewöhnlich starke Zusammenkrümmung des Embryos und eine wulstige Hervortreibung der Schlundregion in ihrer Ganzheit besonders hervor. Die gröberen Strukturen sind gut abgrenzbar, bei näherer Besichtigung tragen die Gewebe aber Anzeichen einer beginnenden Rundzelleninfiltration. Es erscheint mir aus diesen Gründen vorläufig als am wahrscheinlichsten, dass hier eine sekundäre Verlöthung des inneren Fruchtblattes mit dem äusseren, also eine reine Ab- normität, vorliegt. Nichts destoweniger habe ich hier die Schilderung dieser Verhältnisse geben wollen, da dieser Fall, von dem teratologischen Interesse, welches er darbietet, ab- ‚gesehen, eine Aufforderung zu Nachuntersuchungen über die ‘Schlundspaltenentwickelung beim Menschen an tadellosem Mate- 480 J. Aug. Hammar: riale in sich trägt. Zwar dürfte man mit einer solchen Unter- suchung ohne Plattenmodellirung kaum auskommen; auch die Besonderheiten des von mir soeben beschriebenen Embryos treten an den Schnitten recht wenig in die Augen, und es lassen sich unter ihnen auch unschwer solche herausfinden, welche die ge- wöhnliche Ansicht über die Schlundspaltenbildung zu stützen scheinen ! Auch eine mehr eingehende Beschreibung des menschlichen Schlundtaschengebietes im ausgebildeten Zustande habe ich in der Literatur nicht finden können. Die Darstellung von His (15850— 1885) berührt das Verhalten der Schlundspalten mehr indirekt und ist, trotz ihrer Vertiefung an vielen Punkten, kaum geeignet, ein Totalbild des Gebietes zu geben. Die genauesten Schilderungen über den embryonalen Säugethier - Schlunddarm überhaupt, welche wir besitzen, gründen sich auf Untersuchungen von Schweinsembryonen (Born 1883, und Kastschenko 1387) und Kaninchenembryonen (Piersol 1888). Von diesen sind die des letztgenannten Forschers die eingehendsten. Indessen haben auch die Ergebnisse Piersol’s in der Lite- ratur, insbesondere in den Lehrbüchern, recht wenig Würdigung gefunden; die Angaben derselben sind im Allgemeinen recht dürftig, nicht selten sogar unrichtig. Und doch muss eine genaue Kenntniss dieser Verhältnisse als eine unerlässliche Vorbedingung für eine richtige Auffassung der späteren Umwandlungen be- zeichnet werden. In meiner Modellsammlung geben drei Stück, nach Em- bryonen von resp. (beinahe) 3 mm, 5 und S mm NI. angefertigt, über diese Verhältnisse gute Auskunft. Der Menschenembryo von beinahe 3 mm Nl., Modell Il, ist, wie gesagt, eine Rekonstruktion des Vorderdarmes des schon von Broman (1889) beschriebenen Embryos Lf. Leider hat sich dieser Embryo in der Entwickelung als allzu vorgeschritten er- wiesen, um meine am Anleihen gehegte Hoffnung, ein geeignetes Kontrollmaterial für den soeben beschriebenen 3 mm-Embryo zu bekommen, erfüllen zu können. Sowohl die Schlundfurchen wie die Schlundtaschen sind nämlich hier sämmtlich schon angelegt. Von den Furchen ist Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 481 die vierte jedoch ganz kurz und seicht, nur andeutungsweise vorhanden. Der Schlunddarm hat dieselbe allgemeine Gestalt wie beim vorigen Modell (Fig. 3 und 4). Von seinen schmalen Seiten- wänden bilden die Schlundtaschen laterale Ausbuchtungen (Schl. t. I—IIl), welche, der verschiedenen Dicke der Schlundbogen gemäss, eine aboralwärts ziemlich regelmässig abnehmende Höhe zeigen. Von den lateralen Schlundwänden greifen sämmtliche Schlundtaschen auf die ventrale Wand über. Die ventrale Ver- längerung der ersten Tasche (ventr. I) ist am meisten ausgeprägt. Sie bildet jederseits eine beträchtliche, quergehende platte Aus- sackung, welche medianwärts in zwei Schenkel ausläuft, einen seichteren oralen und einen tieferen aboralen; den entsprechenden Schenkeln der anderen Seite begegnend, fassen diese Schenkel das Tub. impar. (tub. imp.) zwischen sich. Die aboralen Schenkel laufen in die noch kurze, divertikelartige mediane Schilddrüsen- anlage (thyr. m.) aus. Die ventralen Verlängerungen der übrigen Schlundtaschen (ventr. II—IV) erstrecken sich nicht so weit nach der Mittel- linie hin, sondern nehmen nur die laterale Hälfte der ventralen Schlundwand ein. Sie sind medialwärts von einander durch eine breite, wulstförmige mediane Einbuchtung (Fureula His), (furc.), getrennt, welche im Bereiche des zweiten Schlundbogens ein- heitlich ist, im Bereiche des dritten und des vierten Bogens aber durch eine die Wand tief ausbuchtende mediane Rinne, welche in die schmale, sagittale Spalte des Introitus laryngis ausläuft, halbirt wird. Das Bild entspricht recht gut dem von His (1885, pag. 60) nach dem Embryo Lg. angefertigten Rekonstruktionsbilde. Unter diesen ventralen Schlundtaschenverlängerungen sind die des dritten Taschenpaares jederseits nur als eine ganz schwache grubenförmige Ausbuchtung angedeutet. Diejenigen der zweiten und der vierten Tasche haben schon den Charakter kurzer Schläuche, die der zweiten ungefähr frontal gestellt und im Frontalplane abgeplattet, die der vierten mehr rundlich und latero-aboralwärts divergirend. Während sich also alle Schlundtaschen von der lateralen auf die ventrale Schlundwand fortsetzen, zeigt nur die erste Tasche in diesem Stadium eine deutliche Verlängerung auf die dorsale Wand (dors. I). Diese dorsale Verlängerung der ersten 482 J. Aug. Hammar: Tasche ist lateralwärts am tiefsten und überragt das Schlund- dach nicht unerheblich. Quer medianwärts ziehend, flacht sie sich rasch ab und nimmt nur die laterale Hälfte des Schlund- daches ein. An ihrer Basis vorbei gehen die primitiven Aorten, von einander durch die schon von Broman (1896) hervor- gehobene stark einspringende Chordaleiste getrennt. Die übrigen Taschen hören im Niveau des Schädeldaches auf, ohne auf das- selbe überzugreifen. Was endlich das Verhalten der also gestalteten Schlund- taschen den Schlundfurchen gegenüber anbetrifft, so ist erstens in Erinnerung zu bringen, dass die Furchen von der lateralen Körperfläche auf die ventrale umbiegen, wo die Furchen des ersten Paares einander erreichen, die übrigen aber durch die ganze Breite des durch das Herz bedingten Wulstes von einander getrennt bleiben. Die ventralen Abschnitte der Furchen hingegen sind durch eine beträchtliche Bindegewebsschicht von den gegenüberliegenden ventralen Verlängerungen der entsprechenden Taschen geschieden. Eine unmittelbare Berührung zwischen Hypoblast und Epiblast kommt hier in diesem Stadium ebensowenig wie in den folgenden vor. Es ist nur durch die Abschnitte der Furchen, welche der lateralen Körperfläche angehören, dass eine solche Be- rührung vermittelt wird, und auch hier nur auf einer kürzeren intermediären Strecke ihres Verlaufs. Denn im vorliegenden Stadium werden die Taschen nicht nur ventralwärts, sondern auch in einer kürzeren dorsalen Strecke von den ihnen ent- sprechenden Furchen überragt. Dabei verhalten sich die einzelnen Taschenpaare in den Einzelheiten etwas verschieden. Die erste Tasche lehnt sich mit ihrer dorsalen Verlängerung lateralwärts der äusseren Furche an, trennt sich aber am Uebergange in die ventrale Verlängerung von ihr ab. Von der Spitze der dorsalen Verlängerung bis zu dieser Uebergangsstelle reicht also hier die epitheliale Verschluss- membran; die ventrale Verlängerung der Tasche hat eine laterale Fläche, welche dem Epiblast nicht anliegt, sondern durch eine Bindegewebsschicht von ihm getrennt ist (bei !) in d. Fig.). Denselben allseitig freien Charakter besitzen die schmäleren ventralen Verlängerungen der dritten und vierten Tasche, während die der zweiten gleichwie die dorsalen der ersten der ent- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 483 sprechenden Furche lateralwärts anliegen und (was übrigens ein vorübergehendes Verhältniss zu sein scheint) nur ganz ventral die Andeutung eines freien Endstückes besitzen. Die Taschen liegen hier überall mit ihrem Boden dem ent- sprechenden Boden ihrer Furche gerade an. Eine schiefe An- lagerung, wie sie in späteren Stadien vorkommt, ist hier kaum angedeutet. Am Boden der zweiten Furche ist die epitheliale Verschlussmembran beiderseits in der Ausdehnung einiger Schnitte durchbrochen. Broman (1896, pag. 172) deutet diese Unter- brechungen als arteficiell, durch äussere Gewalt beim Schneiden hervorgerufen. Da ich gegenwärtig die Schnittserie nicht mehr zur Verfügung habe, kann ich hierüber keine eigene Ansicht aussprechen. Der nächste ältere Embryo, 5 mm NI., Modell III, zeigt die Reliefverhältnisse in einigen Hinsichten verändert, in anderen nur besser ausgeprägt (Fig. 5). Die Schlundfurchen sind nun alle gut ausgebildet. Die zweite ist beiderseits an ihrem Boden durchbrochen. Die Oeffnungen liegen jedoch nicht symmetrisch; links, wo die Oeffnung eine Ausdehnung von ca. 84 « (7 St., 12 « Schnitte) besitzt, entspricht sie dem dorsalen Abschnitte, rechts mit einer Ausdehnung von etwa 48 « (4 St., 12 « Schnitte) ungefähr der Mitte der Ver- schlussmembran. Da in den betreffenden Schnitten des fraglichen, ursprünglich in seinen unversehrten Häuten aufgehobenen und sehr schön erhaltenen Embryos jegliche Spur einer künstlichen Zerreissung fehlt und die Epithelränder an den kritischen Stellen glatt und eben aussehen, stehe ich nicht an, die beschriebenen Oeffnungen als präformirt zu betrachten. Die übrigen Verschluss- membranen sind gut erhalten, ohne Kontinuitätstrennung. Die Totalform des Schlundes zeigt dadurch, dass sein oraler Theil im Transversaldurchmesser relativ am meisten zugenommen hat, eine noch ausgeprägtere Trichterform, ist aber in der dorso- ventralen Richtung stärker abgeplattet als früher. Die Lichtung des Schlundes ist dadurch fast spaltenförmig geworden, die Seiten- wände sind dort, wo sie zwischen den Schlundtaschen den Schlund- bogen anliegen, zu schmalen Streifen reduzirt. Die allgemeine Richtung der Schlundtaschen ist hier, wie immer, lateral. Unter ihren ventralen Verlängerungen ist die fast quergehende rinnenförmige der ersten Tasche medialwärts. 484 J. Aug. Hammar: neben dem Tuberculum impar. am tiefsten, wird lateralwärts seichter und endet in der Nähe der ersten Furche, ohne sich derselben anzuschliessen. Von den übrigen mehr abgeplattet schlauchförmigen Verlängerungen, welche die übrigen Taschen nach der Ventralseite senden, stehen diejenigen der zweiten und dritten Tasche auch ziemlich quer, und die der vierten Tasche konvergiren oralwärts, je etwa einen 45 gradigen Winkel mit der Medianebene bildend. Diese ventralen Verlängerungen der vierten Tasche beginnen je mit einem hohlen stufenförmigen Vorsprung, welcher von der Basis des Schlauches oralwärts aus- geht; der übrige Theil dieser schlauchförmigen Verlängerungen stellt die laterale Schilddrüsenanlage dar. Nur die ventralen Verlängerungen der zweiten Tasche liegen mit ihrer ganzen lateralen Wand der entsprechenden Furche an, die übrigen zwei Paare ragen mit allseitig freien Enden ventral- wärts in das Mesenchym hinein. Die mediale Schilddrüsenanlage ist gestielt und knopfförmig mit der Andeutung einer Bilobirung. Oralwärts davon liegt das etwas vergrösserte Tub. impar.; aboralwärts nimmt ein einheit- lieher medialer Furcula-Wulst etwas mehr als das mittlere Drittel der ventralen Wand, von der Ansatzstelle des Schlund- drüsenstieles an bis zum schlitzförmigen Introitus laryngis, ein. Er hat jetzt seinen früheren Furcula-Charakter verloren, indem die früher vorhandene Medianfurche fast verschwunden ist. Eine Quergliederung des Wulstes ist nicht zu sehen. Ueber die dorsale Wandfläche erhebt sich die erste Tasche mit einer dorsalen Verlängerung (Fig. 5, Dors. I), welche im Grossen und Ganzen derjenigen des vorigen Stadiums ähnelt, in der Sagittalrichtung aber etwas breiter ist. Sie hängt lateral- wärts immer noch mit der ersten Furche zusammen und wird dorsalwärts von ihr etwas überragt. Auch die zweite Schlundtasche bildet nun eine, wenngleich nur schwache, Ausbuchtung über das allgemeine Niveau des Schlunddaches (dors. II). Dieselbe hängt jedoch nicht, wie die der ersten Tasche, mit der entsprechenden Furche zusammen. Die dritte und vierte Schlundtasche zeigen keine Aus- buchtungen oder Verlängerungen dorsalwärts. Eine Chordaleiste ist nicht vorhanden. Dagegen zeigt das Schlunddach nach innen von der Basis des zweiten Bogens jederseits eine flache, noch Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 485 unscharf begrenzte Einbuchtung. Derselben gegenüber befindet sich dorsalwärts die Gehörblase, und zwar der cochleare Theil derselben, weshalb ich diese Einbuchtung als Schnecken- eindruck, Impressio cochlearis (Fig. 5, Imp. cochl.), be- zeichne. Zwischen dem Schneckeneindruck und der Schnecke liegt in diesem Stadium eine Bindegewebsschicht von etwa 0,24 mm Dicke. Das nach dem Smm-Embryo angefertigte Modell IV endlich zeigt die Schlundtaschen in ihrer höchsten Ausbildung (Fig. 6 und 7). Mehrere der eingetretenen Veränderungen stehen mit den Zuwachsverhältnissen der Schlundbogen in nahem Zu- sammenhange. Ich gebe deswegen auf Tabelle I (Seite 486) eine tabellarische Uebersicht über einige Masse des Schlundes und der Schlundbogen, sowie sie aus den Modellen hervorgehen. Bezüglich der Tabelle verweise ich auf das in der Einleitung (pag. 472—473) Angeführte. In Betreff der Totalform des Schlundes geht hervor, dass in der Zwischenzeit zwischen dem Modell II und dem Modell IV (3—85 mm, also etwa im Laufe der vierten Woche) eine fast gleichmässige Vergrösserung sowohl des @Querdurchmessers, wie des oral-aboralen Durchmessers eingetreten ist, und zwar ist die Grösse beider Durchmesser etwas mehr als verdoppelt worden. Dass die Totalvergrösserung im Ganzen ziemlich gleichmässig ist, zeigt ein Blick auf die Figg. 5 und 6. Diese Figuren legen dar, dass die fast gleichseitig trianguläre Form, die das Schlund- dach des Modelles III zeigt, noch im Grossen und Ganzen beim Modell IV vorhanden ist, wenngleich sich bei diesem Modelle der orale Rand durch das erfolgte Hervorwachsen der Seessel- schen Tasche (Fig. 6, S.T.) etwas stumpfwinklig gebrochen zeigt. Während sich also die genannten Dimensionen des Schlundes verdoppelt haben, ist die Dicke der ersten beiden Schlundbogen unverändert geblieben, die der beiden aboralen Bogen hingegen bedeutend (3—7 Mal) vermehrt worden. Im oral-aboralen Durchmesser hingegen sind alle Bogen vergrössert, der erste am meisten (6 Mal), die übrigen weniger (ca. 3 Mal), aber doch mehr als was der allgemeinen Vergrösserung des Schlundes entspricht. Es ist offenbar dieser übergrosse Zu- wachs der Schlundbogen in der Breite, welcher Veränderungen in ihrer Lage und in der Richtung der sie trennenden Furchen hervorgerufen hat. J. Aug. Hammar 486 Tab. 1. Dicke (transversaler Durchmesser) der Schlundbogen der Mod. II—V in Millimetern. 4. Bogen "Totalbreite des 1. Bogen | 2. Bogen | 3. Bogen | 4. Bogen | 1. Bogen | 2. Bogen Mod. E 8 8 5 5 2 os | 5 a Schlundes an der I it No. links rechts ne 1I 17 100— 0,17 17/100 0,17 /ıoo—=0,11 | 53/100 = 0,05 |" J100= 0,16 77/100 0,17 "/100—0,10 3/100 = 0,03 66 100 = 0,66 II "l=0 20 |2/5=0,15 | 650,16 "0,13 | B/s—=0,15 2/5 0,15] /s5—= 0,21 | "/s=0,13 112/—1,32 IV 350,21 | Wjs—0,14 20/35 = 0,35 WE —0,22| %/—= 0,21 | "/5— 0,22 | 2/5 = 0,35 | "0,22 10/9, — 1,40 AN kein kein 3 mal 4,4 mal kein kein 3,5 mal 7 mal 2,12 mal V 7) 238/55; — 0,32 | 27/55 —=0,30 | *?/s; = 0,50 BU 0,55 |® |s5s = 0, 4 27/95 — 0,30 22/95 — 0,50 30/55 0 F U len — 1,30 Zuwachs | 147mal | 2,14 mal 143 mal | 1,50 mal | 1,95mal | 1,36mal | 1,43 mal | 1,59 mal kein IV—V Breite (oral-aboraler Durchmesser) der Schlundbogen der Mod. II—V in Millimetern. Mod. 1. Bogen | 2. Bogen 3. Bogen | 4. Bogen | 1. Bogen | 2. Bogen | 3. Bogen | 4. Bogen en enlinden No. 3 ke’sch. Tasche bis zum links rechts Ende d. Sinus pyrif. In! De —0! 06 13 1000,13 Pe Osbl: "ho= 0,10 | "100 = 0,07 eo 0,14 \1?/100= 0,12 | ?/io0o = 0,07 000,9 III 1/5, — 0,19 | /85= 0,23 | 5/s5s—0,18 | "/s5= 0,08, "0/55 0,12 | "350,25 = UL DIE 0103] 105), — 1,24 IV 33/5 — 0,38 | 39/85 —=0,46 | 39/55 — 0,42 | "9/55 = 0,22) 2/5 —= 0,42 | */s5= 0,48 = 850,42 | %/s5—0,22 75/8 —2,06 En: 6 mal 35mal | 3,75mal | 2,2 mal 6 mal 3,5 mal | 3,5 mal 3 mal 2,16 mal V 4/35 — 0,52 | 6/5 = 0,54 | 29/8; — 0,42 2/2 — 0128 = 0,52 5 = ) ‚D4 | 86/55; — 0,42 | *%/s5 —=0,30 220 5, — 2,53 pe 1,37 mal | 1,17 mal kein 1,27 mal | 1,24mal | 1,12 mal kein 1,31 mal 1,22 mal Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 487 Die Bogen haben sich von der oralen Seite über einander geschoben, und die Richtung der drei ersten Furchen ist dadurch von einer fast quer einschneidenden in eine schief medio-oralwärts eindringende umgewandelt worden. Diese Schiefstellung ist schon bei der ersten Furche deutlich erkennbar, wird aber bei den zwei folgenden noch augenfälliger. Dadurch, dass sich der dritte Bogen lateral von dem vierten verschoben hat, wie es längst von His (1850—1885) geschildert worden ist, und ihn fast voll- ständig überdeckt, ist der Sinus cervicalis entstanden, in welchen die zwei letzten Schlundfurchen ausmünden. Indem der dritte Bogen an dem vierten vorbei geschoben wurde, ist letzterer dem aboralwärts wirkenden Druck, durch welchen die übrigen Bogen beeinflusst worden sind, entgangen. Die vierte Schlundfurche ist also in ihrer bisherigen transversalen, sogar etwas latero-oralen Richtung geblieben. Mit dieser Verschiebung im Zusammenhange dürfte das Verhältniss stehen, dass sich die entsprechenden Schlundfurchen und -taschen nicht länger mit ihrem tiefsten Theil, ihrem Boden, begegnen. Sie haben sich (besonders deutlich in Betreff des zweiten Paares) derart gegeneinander verschoben, dass die Tasche jetzt mit dem tiefsten Abschnitte ihrer aboralen Wand einem entsprechenden Streifen der oralen Wand der Furche anliegt, und die Verschlussmembran somit statt einer sagittalen eine diagonale oral-laterale Stellung einnimmt. Die dritte und vierte Tasche zeigen, wenn auch weniger ausgeprägt, dasselbe Ver- hältniss, während in Betreff des ersten Paares die Lagerung gerade die umgekehrte ist, so dass die Tasche aboralwärts von der Furche liegt und die Verschlussmembran oral-medialwärts gestellt ist. Eine Schiefstellung der Verschlussmembranen ist schon früher beobachtet worden, so von Kastschenko (1887, 2) beim Hühnchen, wo sie aber eine für alle Membranen gleichartige sein soll und zwar so, dass die „innere Tasche immer vorwärts, die äussere immer rückwärts gelagert ist“ (pag. 262). Sämmtliche Taschen sind nach aussen geschlossen. Die Verschlussmembran der zweiten ist aber auffallend dünn. Die Zellen sind insbesondere in ihrem ventralen Abschnitte stark abgeflacht, klein, färbbarer als in der Umgebung, und machen einen atrophischen Eindruck; sie sind nur in einfacher Lage vor- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 33 488 J. Aug. Hammar: handen. In den übrigen Schlundspalten sind die Verschluss- membranen gut erhalten. Es stimmen somit meine Erfahrungen über das Verhalten der Verschlussmembranen mit der in der Literatur schon früher ausgesprochenen Anschauung überein, dass es vorzugsweise die zweite Spalte ist, welche, wenngleich nicht konstant, eröffnet wird !). Das Relief der ventralen Schlundwand ist kräftiger als früher; die transversalen rinnenförmigen Verlängerungen der ersten Tasche (Fig. 7, ventr. D), besonders auf der mittleren Strecke ihres Verlaufs, sind vertieft, das Tuberculum impar. (Tub. imp.) ist vergrössert und die mediane Schilddrüsenanlage (Thyr. m.) etwas voluminöser, dazu deutlich bilobirt und lang- gestielt. Die platten schlauchförmigen ventralen Verlängerungen der drei folgenden Schlundtaschen sind, unter Bewahrung ihres früheren charakteristischen Verhaltens ihren resp. Furchen gegen- über, weiter ventralwärts gewachsen. Die Verlängerung der zweiten Tasche ist also an ihrem lateralen Rande entlang bis an dem Boden mit ihrer Furche zusammengewachsen und die der dritten und vierten ist immer noch frei. Durch die Zunahme an Breite und die dadurch bedingte Verschiebung des zweiten und dritten Schlundbogens aboralwärts sind auch die ventralen Verlängerungen der zweiten und dritten Tasche beeinflusst worden. Ihre lateralen Enden sind mit den Bogen aboralwärts gedrängt worden, und jene haben dadurch fast dieselbe diagonale, medio- oralwärts konvergente Stellung erhalten, welche die ventralen Verlängerungen der vierten Tasche schon auf der vorigen Ent- wickelungsstufe besassen und noch besitzen. Von dieser diagonalen Ausgangsstellung ziehen die ventralen Verlängerungen der zweiten und vierten (Thyr. 1.) Tasche ziem- lich gerade ventralwärts; diejenigen der dritten Tasche (Thym.) ziehen die Winkel zwischen dem dritten und dem vierten Aorta- bogen grösstentheils ausfüllend, in der Richtung dieser Gefässe zwar ventral, aber zugleich medio-oralwärts gegen die mediale Schilddrüsenanlage konvergirend. Sowohl über die Verlängerungen der dritten Tasche, die Thymusanlagen, wie über die der vierten ı) Betreffs der Literatur über diese spezielle Frage, auf welche bier einzugehen ich nicht als nothwendig erachte, erlaube ich mir auf die in Tettenhamer’s (1892) Arbeit gegebene Zusammenstellung hinzuweisen. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 489 Tasche, die lateralen Schilddrüsenanlagen, wird in einem anderen Kapitel eingehender berichtet werden. Immer noch sind die ventralen Verlängerungen der drei aboralen Schlundtaschen durch den medialen Furculawulst ge- trennt. Derselbe wird vorn durch eine bogenförmige Querfurche in einen kürzeren vorderen Abschnitt, die durch eine Median- furche halbirte Zungenwurzel, und einen längeren unpaaren hinteren, den Kehldeckel, zerlegt. Die Querfurche, welche die Zungenwurzel und den Kehldeckel von einander trennt, ist eine ganz selbstständige, ohne Zusammenhang mit den Schlundtaschen ‚entstandene Bildung und liegt nur wenig aboralwärts von der zweiten Tasche. Der in seinem grösseren oralen Abschnitte ein- heitliche Kehldeckelwulst verlängert sich aboralwärts in zwei kleinere, den Introitus laryngis lateral umfassende Wülste, welche nach innen vom vierten Bogen liegen und den Plica aryepiglotlica entsprechen !). Die im Grossen und Ganzen gewölbte dorsale Schlundwand zeigt in ihrer Mitte im Bereiche des zweiten und dritten Bogens eine gut ausgeprägte Chordaleiste und jederseits davon eine ganz niedrige Aortaleiste, welche lateralwärts in den nach innen von der Wurzel des ersten Bogens liegenden Schneckeneindruck (Fig. 6, Imp. cochl.) ohne Grenze übergeht. Dieser Eindruck, mit ovalem oder rundlich dreiseitigem Umrisse, ist bedeutend vertieft worden. Er ist nunmehr nur durch eine 0,144 mm dicke undifferenzirte Bindegewebsschicht vom tiefsten Theil der Gehör- blase getrennt. Indem der Schneckeneindruck auf die Basis der dorsalen Verlängerung der ersten Schlundtasche übergreift, hat diese Ver- längerung, welche überdies in die Höhe gewachsen ist, eine ab- geplattete, dorsalwärts etwas zipfelig auslaufende Gestalt be- kommen. Sie bildet eine schief medio-oral gestellte platte Tasche mit zwei Rändern, einem längeren (medio-)oralen und einem kürzeren (latero-Jaboralen, und zwei Flächen, einer (ventro-) lateralen und einer (dorso-)medialen. Der orale Rand (tt. R.), welcher zugleich medialwärts zieht und dabei ventralwärts ab- ı) Ich komme in einem späteren Kapitel auf diese von der His’schen abweichenden Schilderung, wonach die Zungenwurzelanlage durch Abgliederung von der Furcula und nicht durch Einwachsen des zweiten und dritten Bogens „entsteht, etwas ausführlicher zurück. 33* 490 J. Aug. Hammar: fällt, hört halbwegs gegen die Mittellinie, unmittelbar nach aussen’ von der Aorta auf und geht hier in eine die Sattelbeuge ver- mittelnde und medio-oralwärts in die Seessel’sche Tasche aus-- laufende seichte Rinne über. Dieser orale Rand bildet den Boden einer Rinne, welche den oralen Abschnitt der dorsalen Verlängerung der ersten Tasche ausmacht. Ihrer späteren Be- stimmung gemäss nenne ich mit Moldenhauer (1877) diese Rinne die tubo-tymponale Rinne, Sulcus tubo-tym- panicus. Der aborale Rand (TR.) ist, wie gesagt, kürzer und fällt mehr steil ventralwärts ab. Ich bezeichne die ihm entsprechende Rinne als Tensorrinne, Sulcus tensoris tympani, ein Name, dessen Berechtigung sich ebenfalls aus dem Folgenden ergeben wird. Die tubo-tympanale Rinne und die Tensorrinne begegnen sich dorso-lateralwärts unter spitzem Winkel (rec. ant.). Dieser höchste Theil der dorsalen Verlängerung der ersten Schlundtasche ist schon jetzt als vordere Paukenfelltasche, Recessus. membrana tympani anterior, zu identifiziren. Die Tensorrinne geht unter einem abgerundeten Winkel in noch, eine gut markirte ‚Rinne über (ht. R.), welche an dem Seitenrande des Schlunddaches entlang nach innen vom zweiten Bogen zieht und aboralwärts in die dorsale Verlängerung der‘ zweiten Tasche mündet. Diese Rinne nenne ich die hintere tympanale Rinne (hintere Paukenrinne), Suleus tym- panicus posterior. Der Schneckeneindruck wird also latero-oralwärts durch die: tubo-tympanale Rinne, latero-aboralwärts durch die Tensorrinne und die hintere tympanale Rinne umfasst. Medialwärts begrenzt ihn das Gewölbe des Schädeldaches. Von den beiden Wänden der dorsalen Verlängerung der ersten Tasche ist die latero-orale Wand schwach ausgebuchtet; ihr weitaus grösserer oraler Abschnitt sieht gegen den Ober- kieferfortsatz. Aboralwärts davon legt sie sich mit einem schmalen Streifen der aboralen Wand der ersten Furche an. Ihr am meisten aboral gelegener Theil, der gleichfalls ganz schmal ist, liegt der Wurzel des zweiten Bogens an. Die andere, medio-- aborale Wand buchtet sich gegen das Lumen hin ein und liegt dem periotischen Mesenchym an. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 491 Wenn man von dem in der dorsalen Verlängerung der ‚ersten Spalte gelegenen grübchenförmigen ersten Schlundspalten- organ (Org. I) absieht, erreicht nun der Zipfel der dorsalen Ver- längerung — die erste Paukenfelltasche — den höchsten Punkt .der äusseren Schlundfurche. Die dorsale Verlängerung der zweiten Schlundtasche (Dors. II), im vorigen Stadium schon angelegt, bildet nun eine deutliche, wenn auch nur flache Erhebung, die von der Schlundfurche getrennt bleibt. Von den beiden letzten Taschen ragt die dritte nur ganz wenig (Dors. III), die vierte gar nicht über die dorsale Schlund- wand empor. Die lateralen Wände des Schlundes haben im Bereiche der drei ersten Bogen ihre frühere schmale Streifengestalt bewahrt; nur dem vierten Bogen liegt das Entodermrohr mit breiterer Fläche an; die Verbreiterung ist durch das Vertiefen der Rinnen hervorgerufen, welche die” Arywülste lateralwärts ab- grenzen. Ein Einwachsen des zweiten und dritten Bogens und damit auch der ventralen Verlängerungen der gleichbenannten Taschen bis zur Mittellinie, wie es His (1880—1885, III, pag. 65) beschreibt, kommt weder in dem hier beschriebenen, noch, wie aus einem späteren Kapitel hervorgehen wird, in -den folgenden Stadien vor. Es greifen diese Taschen niemals auf den mittleren Abschnitt des Schlundbodens über. Man kann indessen unschwer verstehen, dass es die am Furculawulste entstehende Querfurche ist, die, theilweise wenigstens, die His’sche Darstellung veranlasst hat, indem sie von ihm als eine der dritten Schlundtasche angehörige Bildung aufgefasst worden ist. Bei Minot (1894) heisst es (pag. 313): „Sobald die Ausstülpungen des Pharynx das Ectoderm erreichen, verbinden sie sich mit demselben zuerst an der dorsalen Seite, dann auch an der ventralen, bis die Verbindung an ‚der ganzen Berührungsfläche hergestellt ist.“ Wenn ich diese Aesserung richtig verstehe, ist sie nicht nur in Betreff der Art, auf welche die Ver- bindung entsteht, sondern auch betreffs der Ausdehnung derselben irreleitend, Die Anlagerung geschieht in der Ausdehnung, in der ich sie verfolgen konnte, nicht sprungweise, sondern kontinuirlich, und sie umfasst nur einen Theil der Schlundtasche resp. der Schlundfurche. Vergleicht man meine Befunde mit den Darstellungen, welche frühere Forscher von Säugethiermaterial gegeben haben, so findet man eine weit grössere Uebereinstimmung. Born (1883) beschreibt die Schlundtaschen eines Schweinsembryos ‘von 7 mm N]. folgendermassen (pag. 281—282). „Die erste Kiementasche 492 J. Aug. Hammar: öffnet sich nur in der Seitenwand der Mundhöhle, und zwar mit einer langen: Spalte über der keilförmigen Wurzel des Oberkieferfortsatzes, der über dem‘ seitlichen Ende des Unterkiefers nach innen vorspringt. Nach hinten reicht die Oeffnung bis an den zweiten Kiemenbogen. Von dieser Oeffnung aus- verläuft die Kiementasche im Durchmesser von vorn nach hinten sich all- mählich verengend und etwas winklig abgeknickt, nach aussen und dorsal- wärts. Sie erreicht mit ihrem erweiterten Ende nur das oberste Ende der ersten äusseren Kiemenfurche; nur an dieser‘ Stelle verschmelzen die beiderseitigen Epithellagen.“ Die Verschiedenheit in den Einzelheiten übergehend, hebe ich nur hervor, dass diese Schilderung nichts von einer Verlängerung der ersten Tasche auf die ventrale Schlundwand sagt und auchYvon dem beim Menschen. stattfindenden Uebergreifen derselben auf das Schlunddach keine ent- sprechende Vorstellung giebt. Born fährt fort: „Im Gegensatze zur ersten greifen die beiden nächsten inneren Schlundspaltenöffnungen weit auf den Boden der Mundrachenhöhle über. Die zweite stellt einen weiten, nach vorn leicht convexen Spalt dar, der dicht neben dem medialen Längskamme, zwischen dem zweiten und dritten Kiemenbogen am Mundhöhlenboden beginnt und von der queren. Richtung ein wenig nach hinten abweichend bis in die niedrige Seitenwand: der Mundrachenhöhle einschneidet. Diese Oeffnung führt nun in die eigent- liche Schlundtasche, einen eigenthümlich gestalteten Raum. Derselbe erscheint als eine im queren Durchmesser abgeplattete Tasche, die mit einem verticalen Schenkel in der Hinterhälfte des zweiten Kiemenbogens gelegen ist, mit den Flächen (der medialen und der lateralen) der Aussenfläche dieses Bogens parallel gekrümmt ist und mit einem anderen Schenkel in die hori-- zontale, dem Schlundbogen parallele Richtung umbiegt und sich zwischen den Mundhöhlenerhebungen des zweiten und dritten Kiemenbogens nach innen erstreckt. Die oben erwähnte Oeffnung dieser Tasche in die Mund- rachenhöhle nimmt weder die ganze Länge, noch die ganze Höhe ihrer Innenfläche ein, sondern beschränkt sich auf den vorderen grösseren Theil des ventralen Schenkels und dem der Seitenwand des Schlundes entsprechenden Theil des verticalen; über den oberen Rand des letzteren ist die Tasche noch blind ausgebaucht. Die Berührung mit dem Epithel der zweiten inneren Kiemenfurche findet längs dem Hinterrande des verticalen Schenkels- der Tasche in einer Linie statt, deren Länge ziemlich dem äusserlich sicht- baren Theile dieser Furche entspricht.“ In der angeführten Schilderung ist kaum etwas zu ändern, damit sie auf die Verhältnisse im Modell IV direkte Beziehung haben könnte. Eine ähnliche Configuration beschreibt Born von dem Hohlraum der‘ dritten Tasche, welcher auch einen verticalen und einen horizontalen Schenkel nebst einer kleinen blinden dorsalen Ausstülpung zeigt. „Die Oeffnung in: die äussere Kiemenfurche findet an der Uebergangsstelle der beiden Schenkel statt.* Von dem medialen Ende des horizontalen Schenkels zieht die- Thymusanlage als eine kurze blinde Tasche ventralwärts und zugleich nach innen und etwas nach vorn. — Die Verhältnisse stimmen, wie man sieht,. mit den von mir beim Menschen gefundenen gut überein. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 493 Von einer vierten Kiementasche war bei dem fraglichen Embryo nur ein inneres Rudiment in der Form einer auf jeder Seite der schlitzförmigen Kehlkopfspalte vorkommenden, ventralwärts und etwas nach aussen und hinten gerichteten Einsenkung vorhanden, Auf die Beschreibung, welche Born in Betreff älterer Embryonen giebt, wo die Involution der Schlundtaschen schon begonnen ist, komme ich später zurück. Die Befunde Kastschenko’s (1887, 1) setzen erst dann ein, wenn die Involution schon etwas vorgeschritten ist; sein jüngster untersuchter (Schweins-) Embryo hatte 11 mn Nil. Auch diese Befunde sollen später berücksichtigt werden, Endlich hat Piersol (1888) eine kontinuirliche Reihe von Kaninchen- embryonen in Betreff der Entwickelung des Schlundgebietes untersucht. Mit seinen durch die Born’sche Plattenmethode gewonnenen Resultaten stimmen meine Befunde beim Menschen in allen wesentlichen Theilen überein. Ins- besondere wird dies augenfällig bei einer Vergleichung zwischen seinem geschilderten Embryo von 11 Tagen (6 mm Länge), wo „der Kiemenbogen- apparat seine höchste Entwickelung erreicht hat“, und dem hier beschriebenen Menschenembryo von Smm, von welchem sich dasselbe sagen lässt. Diese wesentliche Uebereinstimmung der Verhältnısse beim Menschen mit den beim Kaninchen obwaltenden habe ich an einer Reihe von selbst angefertigten Rekonstruktionen des Kaninchenschlunddarmes feststellen können. Einen kleinen Unterschied zwischen den Verhältnissen beim Kaninchen, wie sie von ihm selbst, und beim Schweine, wie sie von Born gefunden wurden, hebt Piersol hervor: Der von Born beschriebene freie dorsale Blindsack der zweiten Tasche soll sich beim Kaninchen im direkten Anschluss an der zweitenSchlundfurche befinden. Meine Kaninchenmodelle lassen indessen auch für diese sonst wenig wichtige Einzelheit eine Abweichung des Kaninchens von den beim Menschen und beim Schwein obwaltenden Ver- hältnissen nicht hervortreten. Die dorsale Verlängerung der zweiten Tasche erscheint auch beim Kaninchen von einem direkten Zusammenhange mit der zweiten Furche frei. Ein bemerkenswerthes Verhältniss beim Kaninchen ist die kurze Zeit, während welcher ein Zusammenhang zwischen der vierten Tasche und der vierten Furche besteht. Ein solcher Zusammenhang ist ja beim menschlichen 3 mm-Embryo schon vorhanden, und beim 8 mm-Embryo noch bestehend. Bei meinen Kaninchenmodellen hingegen tritt in der That ein solcher Zusammen- hang nirgends hervor. Eine nähere Untersuchung giebt an die Hand, dass höchst wahrscheinlich die Verbindung in den zwei jüngsten Stadien (Em- bryonen von 3mm resp. 5mm Länge) noch nicht eingetreten, in dem dritt- jüngsten (7? mm) aber wiederum gelöst worden ist. Auch hierauf komme ich in einem späteren Kapitel zurück. Hier will ich nur hervorheben, dass schon beim 3 mm-, aber noch deutlicher beim 5 mm-Kaninchenembryo eine kurze ‚aber deutliche vierte Schlundfurche vorhanden ist, welche zwar im Verlaufe der Herzfurche liegt, aber eine eircumscripte Ver- tiefung derselben bedingt. 494 J. Aug. Hammar: Dieses ist deshalb von Interesse, weil es dazu beitragen kann, die Frage zu beleuchten, wie die äussere Schlundfurche zu Stande kommt, ob durch aktives Einwachsen oder durch passives FEinziehen des Eetoderms. Bekanntlich gehen die Meinungen hier seit langem auseinander. Neuerdings ist der alten, durch Remak begründeten Lehre von der Passivität des äusseren Keimblattes eine neue Stütze durch Untersuchungen bereitet worden, welche, wie es scheint, mit vieler Umsicht von Peter (1901) an Eidechsenembryonen angestellt worden sind. (Gegen eine Verallgemeinerung der Peter’schen Befunde zur Gültigkeit auch für Säugethiere sind die soeben geschilderten Verhältnisse beim Kaninchen eine Warnung. Aber auch die oben hervorgehobene Beziehung, welche beim Menscken zwischen Schlundtaschen und Schlundfurchen existirt, spricht hiergegen. Es finden sich ja längere Strecken der Schlundfurchen, wo ein Zusammenhang zwischen der Schlundfurche und der Schlund- tasche weder existirt noch existirt hat, so z. B. die ganze ventrale Strecke der ersten Schlundfurche. Hier ist jedoch ä& priori ein Entstehungsmodus durch passive Einziehung des Hornblattes aus- geschlossen ! Die Frage scheint mir mit kurzen Worten eine derartige zu sein, dass man auf sie für verschiedene Thiere eine ver- schiedene Antwort gewissermassen erwarten und sicherlich auch acceptiren kann. Zusammenfassung!). 1) Der Schlunddarm besitzt: die Totalform eines dorso- ventral stark abgeplatteten, durch die Sattel- und Nackenbeugen ventralwärts gekrümmten Trichters. 2) An den schmalen Seitenwänden des Schlunddarmes bilden die Schlundtaschen lateralwärts gehende Ausbuchtungen, welche aber alle auf die ventrale, und die drei ersten derselben auch auf die dorsale Schlundwand übergreifen. 3) Die ventralen Verlängerungen entstehen früh, wahr- scheinlich gleichzeitig mit den Schlundtaschen selbst. Von ihnen reicht die der ersten Tasche am weitesten medianwärts und läuft !) Gewisse zur Mittelohrentwickelung in naher Beziehung stehende Einzelheiten werden für die Zusammenfassung der beiden nächsten Kapitel gespart. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 495 in die das Tuberculum impar. umsäumende Ringfurche hinaus. Die übrigen ventralen Verlängerungen gehören nur dem lateralen Gebiete des Schlundbodens an. Die ventralen Verlängerungen der dritten und vierten Tasche bilden die Anlagen der Thymus und die paarigen Thyreoideaanlagen. 4) Ueber das Niveau des Schlunddaches erhebt sich schon früh eine dorsale Verlängerung der ersten Tasche. Allmählich höher werdend, greift diese platte, zipfelige Verlängerung auf die ganze laterale Hälfte des Schlunddaches über. Etwas später als jene bildet sich eine dorsale Verlängerung der zweiten Tasche. Dieselbe bleibt aber weniger umfangreich, flacher und niedriger als die der ersten Tasche. Von der dritten Schlundtasche ent- wickelt sich, und zwar noch später als von der zweiten, eine kaum mehr als andeutungsweise vorhandene dorsale Verlängerung. Die vierte Tasche ermangelt einer solchen Verlängerung gänzlich. 5) In dem berücksichtigten Zeitraum (etwa in der vierten Woche) liegen sämmtliche Schlundtaschen mit ihren lateralwärts ausgehenden Abschnitten den entsprechenden Furchen an. Von den ventralen Verlängerungeu ist es nur diejenige der zweiten Schlund- tasche, welche einen solchen direkten Anschluss, und zwar in der ganzen Länge ihres lateralen Randes, zeigt. Dasselbe Ver- hältniss tritt in Betreff der dorsalen Verlängerung der ersten Tasche bis zu ihrem höchsten Zipfel hervor. Sonst sind sämmt- liche Schlundtaschenverlängerungen überall durch zwischenliegendes Mesenchym von den entsprechenden Furchen getrennt. 6) Sämmtliche Schlundfurchen überragen Anfangs die Taschen etwas dorsalwärts. Die Strecke, wo ein unmittelbarer Anschluss und somit eine rein epitheliale Verschlussmembran vorhanden ist, beginnt dann unfern des dorsalen Endes der Furchen und reicht an der Seitenwand des Körpers entlang ver- schieden weit ventralwärts, ohne jemals auf die ventrale Körper- wand überzugreifen. Später umfasst der Zusammenhang auch die dorsalen Enden der Furchen. 7) Die Verschlussmembran besitzt an der zweiten Furche die grösste Länge. Hier kommen atrophische Prozesse in den Zellen vor, und die dadurch hervorgerufene Verdünnung der Membran scheint bis zu ihrem partiellen Verschwinden führen zu können. 496 J. Aug. Hammar: Kapitel II: Die Entwickelung der ersten Schlundtasche im zweiten Monate. Anlegung der primären Pauken- höhle; ihre Abtrennung als tubo-tympanales Rohr. Das letztbeschriebene Stadium (8 mm) entspricht in vielen Hinsichten dem Höhepunkte in der Entwickelung der Schlund- taschen. Einerseits ist die Involution noch nicht begonnen, andererseits sind die in der Folge sich ausbildenden verschiedenen Schlundtaschenderivate mehrfach schon jetzt angelegt. Indem der Entwickelungsvorgang von jetzt ab an verschiedenen Punkten des Schlundes einen ganz verschiedenen Verlauf nimmt, empfiehlt es sich, für diese späteren Entwickelungsperioden das Schicksal jedes Schlundtaschenpaares in der Darstellung gesondert zu ver- folgen. Das Schicksal der ersten Schlundtasche wird nun bekannt- lich von vielen Forschern mit der Entwickelung des Mittelohres und der Ohrtrompete in einen mehr oder weniger nahen Zu- sammenhang gebracht. Ueber die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen in der Ontogenie und Phylogenie des schallleitenden Apparates der Wirbelthiere hat Gaupp (1898) neuerdings in den Merkel-Bonnet’schen „Ergebnissen“ berichtet. line erneute historische Uebersicht von diesem Literaturgebiete hier zu geben, scheint mir um so weniger von Nöthen zu sein, als meines Wissens nach dieser Veröffentlichung keine neuen Untersuchungen dieser Art das Tageslicht gesehen haben. Dagegen will ich nach der Darlegung eigener Befunde auf der so gewonnenen Basis eine Sichtung der hauptsächlichsten Literatur über den Gegenstand vornehmen. Aus einer solchen kritischen Darstellung ist, wie ich glaube, nicht nur eine klarere Einsicht in die vorhandenen Meinungs- differenzen, sondern auch eine Ausgleichung einiger solchen, die mehr schein- bar oder formeller Natur sind, zu erreichen, Hier beschränke ich mich nur darauf, zu erinnern, dass die schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstandene Meinungs- differenz in Betreff der Bedeutung der ersten Schlundtasche für die Ent- stehung der Tubar- und Mittelohrräume noch nicht ausgeglichen ist. Der ursprünglich von Huschke begründeten Lehre, dass diese Gebilde auf die erste Kiemenspalte zurückzuführen seien, haben sich später mehrere Forscher‘ in der Hauptsache angeschlossen (so Rathke, Reichert und Andere von den älteren, Kölliker, Hoffmann, Mall und Siebenmann von den neueren). Andererseits hat diese Ansicht schon 1827 von K. E. v. Baer Widerspruch erfahren, und die fraglichen Gebilde sind von ihm als Neu- bildungen des Kiemendarms bezeichnet worden. Hierin sind ihm später Hunt, Urbantschitsch, Tuttle, Gradenigo, Moldenhauer, Kastschenko in Darstellungen beigepflichtet, welche zwar unter sich,. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 497 und nicht nur in Einzelheiten, bedeutend zu differiren scheinen. Eine ver- mittelnde Stellung nimmt Piersol insofern ein, als er sowohl die erste Schlundtasche, wie gewisse Theile des eigentlichen Rachens für die Bildung der bezüelichen Kavitäten in Anspruch nimmt, ja sogar einen Theil der zweiten Tasche in sie aufgehen lässt. Dieser auf Kaninchenmaterial fussenden Ansicht ist Siebenmann „ der, wie gesagt, einer der ursprünglichen Huschke’schen nahestehenden Anschauung huldigt, in Betreff der Menschen entgegengetreten. Sowohl er, wie Gaupp (1898, pag, 1116) ist übrigens geneigt, „eine Verschiedenheit. der Bildung je nach den einzelnen Species für sehr wahrscheinlich zu halten“. Eigene Untersuchungen. An die Verhältnisse anknüpfend, welche ich im vorigen Kapitel angeführt habe, erinnere ich daran, dass die Schlund- tasche im letztbeschriebenen Stadium (Embryo von S mm) aus einer die erste Furche erreichenden lateralen Aussackung besteht, welche sowohl auf den Schlundboden, wie auf das Schlunddach übergreift. Die ventrale Verlängerung bildet eine quere Rinne, welche nirgends mit der ersten Schlundfurche in Verbindung tritt. Die dorsale Verlängerung hingegen, gleichwie der laterale Abschnitt der Tasche, lehnt sich latero-aboralwärts der Schlund- furche unmittelbar an. Diese Verlängerung hat einen oralen, . als tubo-tympanale Rinne, und einen aboralen, als Tensorrinne bezeichneten Abschnitt; diese Abschnitte begegnen sich am Taschenzipfel, der als vordere Paukenfelltasche bezeichnet wird. Aboralwärts hängt sie durch die an dem Seitenrande des Schlund- daches entlang verlaufende hintere tympanale Rinne mit der Ver- längerung der zweiten Tasche zusammen. Medianwärts von den durch die erste dorsale Taschenverlängerung und die hintere tympanale Rinne bedingten Ausbuchtungen ist das Schlunddach durch den ihm anliegenden Schneckentheil der Gehörblase als eine Impressio cochlearis eingebuchtet. Beim nächst älteren Embryo, 8,3 mm, Modell V\, ist durch den erfolgten, nicht unbedeutenden Zuwachs der umgebenden Schlundbogen (cfr. Tab. I, pag. 456) die erste Tasche weiter lateralwärts abstehend als vorher. Der Zusammenhang zwischen dem Hypoblast und dem Epiblast umfasst eine wenigstens rechts beschränktere Strecke als vorher, welche Strecke auch verhält- nissmässig mehr dorsalwärts liegt. An der dorsalen Ecke der Schlundtaschenzipfel anfangend, hört diese Strecke, in welcher 498 J. Aug. Hammar: eine epitheliale Verschlussmembran vorhanden ist, schon nicht unbeträchtlich dorsalwärts vom Schlunddache wieder auf. Es ist offenbar, dass eine Lösung zwischen der Schlundtasche und der Schlundfurche, und zwar eine in ventrodorsaler Richtung fort- schreitende, eingeleitet ist. Dieselbe wird durch zwischen- wachsendes Mesenchym bewirkt. Die dorsale Schlundtaschenverlängerung (Fig. 8, dors. I) hat sich inzwischen auch deutlich vergrössert. Sie läuft latero-dorsal- wärts in einen leicht aboralwärts umgebogenen Zipfel — die vordere Trommelfelltasche (Rec. ant.) — aus, welche verlängert ist, gleichsam als wäre sie beim Einwachsen des Bindegewebes durch den hier bestehenden Zusammenhang mit dem äusseren Fruchtblatte fixirt und deshalb in die Länge gezogen worden. Durch Anlagerung der Gehörblase ist die Gestalt der dorsalen Schlundtaschenverlängerung eine noch mehr platt- gedrückte geworden. Die mediale Wand — welche auch eine dorsale und etwas aborale ist — hat eine dreiseitige Form und ist der Wölbung des gegenüberliegenden Theils der Gehörblase gemäss eingebuchtet. Die andere, laterale, Wand ist durch die eingeleitete Abtrennung der Schlundtasche von ihrer Furche in grösserer Ausdehnung frei geworden. Sie hat eine unregel- mässig viereckige Gestalt und ist schief medio-ventralwärts ab- fällig, gehört aber mit ihrem ventralen Abschnitt nicht der dorsalen, sondern der ventralen Taschenverlängerung an, deren laterale Wand sie auch bildet. Ihre dorsale Ecke entspricht also der Paukenfelltasche, ihre ventrale dem tiefsten Theil der ventralen Schlundtaschenverlängerung. Zwischen beiden verläuft eine ganz schwache rinnenförmige Aussackung, deren oberer Abschnitt dem Verlauf der (früher vorhandenen, resp. noch bestehenden) Verschlussmembran entspricht und welche die Wand in eine orale und eine aborale Facette theilt. Die orale und die aborale Ecke der betreffenden lateralen Wand verlängern sich in die dem ersten bezw. dem zweiten Bogen anliegenden schmalen Abschnitte der Seitenwand des Schlundes. Von den beiden freien Rändern der dorsalen Verlängerung fällt der orale (Fig. 8, tt. R.), welcher der vertieften tubo-tympa- nalen Rinne entspricht, indem er fast diagonal medio-oralwärts läuft, ziemlich langsam gegen das Schlunddach ab. Mit dem Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete., 499 Sagittalplan bildet er einen aboral-dorsalwärts offenen Winkel von etwa 40°. Der aborale Rand — Sulcus tensoris tympani (T.R.) — zeigt auch hier einen kürzeren und steileren, fast dorso ventralen Verlauf und geht unter rundlichem, etwas stumpfem Winkel in die nicht besonders tiefe hintere tympanale Rinne (ht. R.) über. Aboralwärts und etwas medialwärts ziehend, vermittelt diese den Zusammenhang zwischen der dorsalen "Ver- längerung der ersten und der recht schwach ausgebildeten dorsalen Verlängerung der zweiten Tasche (Dors. II). Die rundlich dreiseitige Impressio cochlearis (Fig. 8, impr. cochl.) ist umfangreicher, aber relativ seichter geworden. Ihre mediale Begrenzung ist dadurch, dass das mediane Gewölbe des Schlunddaches niedriger als im vorigen Stadium ist, auch weniger scharf als früher. An derselben entlang verlaufen mit schwacher lateraler Convexität die A. carotis interna (car. int.). Die ventrale Verlängerung der ersten Tasche hat ihren transversalen Verlauf bewahrt. Ihr laterales Ende ist jetzt tiefer als das innere. Das Tuberculum impar. ist unbedeutend ge- wachsen, ist aber flacher und mehr unscharf begrenzt als früher. Als die wichtigsten Veränderungen, welche sich in diesem Stadium im Bereiche der ersten Schlund- tasche abgespielt haben, sind die eingeleitete Trennung der Tasche von der Furche und die dorsal- wärts erfolgte Vergrösserung der dorsalen Taschen- verlängerung zu nennen. Der Embryo von 11,7 mm Nl, ModellVI, zeigt die Abtrennung der ersten Schlundtasche von ihrer Schlundfurche durch zwischengelagertes zellenreiches Mesenchym vollführt. Nur am weitesten dorsal liegen die beiden Fruchtblätter, das äussere und das innere, auf 1—2 (20 «) Schnitten unmittelbar gegen- einander, ohne jedoch, sofern der hier etwas beschädigte Zustand des Hornblattes die Beurtheilung gestattet, wirklich zusammen- zuhängen. Die dorsale Verlängerung der ersten Tasche (Fig. 9 und 10) hat mit dem Schlunde im Ganzen ziemlich gleichmässig an Um- fang gewonnen und steht von ihm flügelähnlich ab. Wenn man sich ihren oralen Rand — die tubo-tympanale Rinne — von beiden Seiten ventralwärts verlängert denkt, bildet sie mit dem Mittelplane je einen dorsalwärts offenen Winkel von ca. 55° ‚500 J. Aug. Hammar: (links ist der Winkel etwas grösser als rechts). Ihre allgemeine Form ist noch etwas mehr zipfelig geworden als im vorigen Stadium. Die Tensorrinne (T.R.) steigt nun von der Spitze der Paukenfelltasche schief ventral-, aboral- und etwas medialwärts herab, und geht unter einer deutlichen Knickung in die mehr aboral-medialwärts verlaufende hintere Paukenrinne (ht. R.) über. Auch der orale Rand der dorsalen Verlängerung der ersten Tasche zeigt eine winklige Verlaufsänderung (bei *), welche schon in den beiden nächst vorhergehenden Stadien angedeutet war. Während sein grösserer Theil von der Paukenfelltasche mit ventro-oraler Neigung medianwärts zieht, nimmt sein meist oral gelegener eine fast rein ventrale Richtung an. Hiermit ist die Sonderung der tubo-tympanalen Rinne in einem grösseren tym- panalen Theil und einem ganz kurzen tubaren eingeleitet. Man kann von nun ab von den genannten Abtheilungen als der vorderen tympanalen Rinne (vordere Paukenrinne) (Fig. 10, vt. R.) und der tubaren Rinne (Fig. 10, tub. R,) sprechen. Die immer noch dreiseitige mediale (medio-dorsale) Wand ist auch jetzt leicht eingedrückt und geht, gegen das Schlund- dach hin, ohne scharfe Grenze in die wenig ausgeprägte Impressio cochlearis über. Auch die laterale (latero-ventrale) Wand ist dreiseitig ge- worden; die ventrale Verlängerung der ersten Tasche ist nämlich fast völlig verschwunden. Nur eine ganz seichte quergehende Ausbuchtung des Schlundbodens deutet jederseits ihren früheren Platz an. Mit ihrem Verschwinden ist auch der durch sie be- dingte ventrale Winkel der früher viereckigen Wandfläche fort- gefallen und die Wand somit dreiseitig geworden. Sie ist auch deutlicher als vorher in zwei Abtheilungen, eine etwas grössere orale und eine etwas kleinere aborale (Fig. 10, abor. Hf.), ge- theilt. Diese beiden Abtheilungen begegnen sich unter einem stumpfen Winkel als zwei Facetten — ich nenne sie Haupt- facetten. Die niedrige ventro-medialwärts verlaufende Firste, welche hierdurch an der Aussenseite der Wand entsteht, erreicht die Tensorrinne unweit ihrer Umbiegung in die hintere Pauken- rinne also nach hinten von der vorderen Paukenfelltasche. Eine fernere Theilung der oralen Hauptfacette in zwei, eine dorsale (Fig. 10, or. F.), welche sich zugleich weiter oralwärts Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 501 erstreckt, und eine ventrale (Fig. 10, ventr. F.), ist auch an- deutungsweise vorhanden, was durch Vergleichung mit den folgen- den Stadien eine gewisse Bedeutung gewinnt. Die seichte Rinne, welche an der Aussenfläche der Wand als eine niedrige Firste hervortritt und die letztgenannten beiden Facetten trennt, zieht als eine Verlängerung des Sulcus bucealis (S. bucc.) aboral- wärts und etwas dorsalwärts in einer gegen die Grenze zwischen den Hauptfacetten fast rechtwinkligen Richtung. Es sind somit in diesem Stadium an der lateralen Wand drei Facetten vorhanden, die aborale Hauptfacette und die beiden Abschnitte der oralen Hauptfacette, welche ich die orale nnd die ventrale Facette nenne. Bei dem Ausgleichen und Verschwinden der ventralen Verlängerung der ersten Schlundtasche ist im lateralen Schlundgebiete ein komplizirt ge- stalteter Raum bestehen geblieben, welcher die Paukenhöhle (im weit geringeren Masse auch die Ohrtrompete) präformirt, und den ich deswegen mit Kastschenko (1887, 1) primäre Paukenhöhle benenne (pr. P.). Die Grenze derselben ziehe ich indessen nicht ganz so wie der genannte Autor, worüber unten mehr. Ich zähle dahin (Fig. 9) 1. die dorsale Verlängerung der ersten Tasche mit ihren drei Abschnitten, der tubo-tympanalen Rinne (tt. R.), der vorderen Paukenfelltasche (Rec. ant.) und der Tensorrinne (T.R.), 2. die hintere tympanale Rinne (ht. R.) und 3. den von den genannten Rinnen begrenzten lateralen Theil des Schneckeneindrucks (Impr. cochl.). Die ursprünglich vorhandene laterale Abtheilung der ersten Schlundtasche sollte natürlich auch hierher zu zählen sein. Sie ist aber nur durch die seichte, ventro-mediane, rinnenförmige Ausbuchtung („Firste“) zwischen den beiden Hauptfacetten der lateralen Wand repräsentirt, und spielt also faktisch in der Zusammensetzung der primären Pauken- höhle keine nennenswerthe Rolle. Neben dem die Abgrenzung der primären Pauken- höhle bedingenden Verschwinden der ventralen Ver- längerung der ersten Schlundtasche sind als Haupt- momente, die in diesem Stadium hinzukommen, die vollständige Trennung der Schlundtasche von der Schlundfurche, das Auftreten einer mehr lateralen 502 J. Aug. Hammar: Richtung der Schlundtasche und schliesslich die Sonderung der tubo-tympanalen Rinne in eine ganz kurze tubare und eine weit längere vordere tympa- nale, hervorzuheben. Der nächstältere Embryo, 13,2 mm NL, Modell VI, der zur Untersuchung kam, war im Kopftheile beschädigt. Das Schlunddach und die zugehörige Partie der primären Pauken- höhle waren aus diesem Grunde zur Untersuchung nicht an- wendbar. Den Schlundboden mit dem ventralen Theil der primären Paukenhöhle und das Darmrohr im Uebrigen habe ich rekonstruirt, und komme ich in den betreffenden Kapiteln später darauf zurück. Die Theile der primären Paukenhöhle, die sich im Modelle wiederfinden lassen, zeigen mit den entsprechenden Abschnitten des folgenden Modells so viel Aehnlichkeit, dass ich sie am besten mit den in ihrer Ganzheit zu überblickenden Ver- hältnissen dieses Embryos behandle. Embryo von 17 mm NI, Modell VIIL Die primäre Paukenhöhle hat hier recht eingreifende Umgestaltungen er- fahren. Am Modelle (Fig. 11) erscheint sie als eine gerade lateralwärts ausgehende, fast dreiseitige Platte, deren medialer Rand der längste ist und mit dem Schlunde zusammenhängt, während die übrigen beiden Ränder, der latero-orale und der latero-aborale, dorsalwärts umgebogen sind. Dort, wo sie zu- sammenstossen, also an der lateralen Ecke des Dreiecks, ist der freie Rand dieser umgebogenen Partie durch einen rundlichen Ausschnitt wie eingekerbt. Die aborale Ecke des Dreiecks ist gleichsam quer abgeschnitten, und es findet sich hier eine schwache Ausbuchtung, der Rest der dorsalen Verlängerung der zweiten Schlundtasche. Alle die hier kurz skizzirten Theile nun sind hohl, und es hat also die Höhlung der primären Paukenhöhle eine ent- sprechende Konfiguration. Sie besteht demnach aus einer gerade lateralwärts gehenden schmalen Spalte und zwei von den peri- pheren Theilen derselben dorsalwärts aufsteigenden Rinnen. Die längs dem latero-oralen Rand aufsteigende Rinne ist der Sulcus tubo-tympanicus und die an dem latero-aboralen Rande entlang sich erhebende der Suleus tymp. post. Die seichtere Partie zwischen diesen beiden Rinnen entspricht dem Sulcus tensoris Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 503 tympani, welcher somit hier eine Einbuchtung — eine Incisura tensoris tympani, Tensoreinschnitt (Fig. 11, T. E.) bildet. Nach dieser allgemeinen Orientirung gehe ich zu der mehr detaillirten Beschreibung über. Die vordere tympanale Rinne (vt. R.), um mit dieser zu beginnen, fängt an der lateralen Ecke der primären Paukenhöhle, wo sie durch den oben erwähnten rundlichen Tensoreinschnitt (T. E.) von der hinteren tympanalen Rinne (ht. R.) theilweise abgesetzt ist, mit einem rundlich zungen- förmigen Zipfel an. Dieser Zipfel, welcher offenbar dem spitz aus- gezogenen Zipfel der ersten Schlundtasche der Modelle V und VI, d. h. der vorderen Paukenfelltasche (Rec. ant.) entspricht, ist, wie der ganze dorsale Theil der Rinne, lateralwärts leicht um- gebogen. Bei nur geringer Abnahme in der Tiefe konvergiren die beiderseitigen vorderen tympanalen Rinnen in der Richtung gegen die Ansatzstelle des Hypophysisstiels. Etwa in der Mitte zwischen diesem Punkte und der lateralen Ecke der primären Paukenhöhle angelangt (bei *), geht die Rinne unter fast recht- winkliger, knieförmiger Biegung ventralwärts in die kurze tubare Rinne (tub. R.) über, welche somit fortwährend die orale Be- grenzung der primären Paukenhöhle bildet. Die hintere tympanale Rinne (ht. R.), deren Wände eben- falls etwas lateralwärts umgebogen sind, läuft von der Incisura tensoris unter geringer Abnahme der Tiefe medio-aboralwärts, um am gleichsam abgeschnittenen aboralen Ende in die schwach ausbuchtende dorsale Verlängerung der zweiten Schlundtasche (Dors. II) überzugehen. Durch eine von aussen wahrnehmbare seichte Furche, der an der inneren Wandfläche eine schwache Erhabenheit entspricht, wird die Grenze zwischen den beiden Gebilden angedeutet. Medialwärts von den am Tensoreinschnitte kontinuirlich in einander übergehenden Rinnen tritt an der dorsalen Wand des Schlundes der Schneckeneindruck (Fig. 11 und 49, Impr. cochl.) als ein trianguläres flaches Feld hervor, welches von dem gegen- seitigen durch die ziemlich hochgewölbte, etwas unsymmetrische Mittelpartie des Schlunddaches getrennt ist. Die laterale Wand der primären Paukenhöhle lässt wie im Modell VI eine Theilung in zwei Facetten hervortreten. Von diesen ist die eine (Fig. 13) latero-oral und die andere (Fig. 12) latero-aboral. Dieselben begegnen sich unter einem stumpfen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 34 504 J. Aug. Hammar: Winkel (Fig. 49, schl. t., I). Die hierdurch entstandene, gut ausgeprägte dorsoventrale „Firste“ der Aussenfläche läuft dorsal- wärts etwa in der Mitte der Ineisura tensoris aus. Sie giebt die Stelle an, wo früher die erste Verschlussmembran vor- handen war. Ein näherer Vergleich des Modells VI mit dem vorliegenden giebt an die Hand, dass die in diesem befindliche latero-ventrale Facette (Fig. 13 und 49, or. F.) der oralen in jenem entspricht. Die früher als ventral bezeichnete Facette hingegen hat eine Richtungsänderung erfahren, und bildet nun die ventrale Wand der primären Paukenhöhle (Fig. 12, ventr. F.). Diese fast recht- winklige Umknickung, welche an der Grenze der beiden Facetten eingetreten ist, scheint eine natürliche Folge des in der Zwischen- zeit zwischen den beiden Stadien erfolgten Herabschiebens (d. h. Verschiebens in ventraler Richtung) der ganzen primären Pauken- höhle zu sein, von dem später mehr die Rede sein wird. Die also entstandene ventrale Paukenhöhlenwand ist drei- seitig. Sie ist rechts wie links in latero-aboralwärts divergente Falten gelegt, von denen zwei in die Kavität einspringen und zwei eine nach der äusseren Wandoberfläche sehende Konvexität besitzen. Dieselbe Faltung, obwohl etwas weniger ausgeprägt, ist auch im Modell VII vorhanden; im Modell IX lässt sie sich aber nicht wiederfinden, daher sie nur von kurzer Dauer zu sein scheint. Sie findet in, dem eben angedeuteten Herabschieben der primären Paukenhöhle eine ungesuchte Erklärung. Medialwärts wird diese ventrale Paukenhöhlenwand durch eine rein oral- aborale Furche an der Innenseite der Wand begrenzt. Diese Furche (Fig. 12, S. al.), welche die seitliche Abgrenzung der Zunge vermittelt, ist schon im Modell VI andeutungsweise vor- handen und kreuzt dort die im Verstreichen begriffene ventrale Verlängerung der ersten Schlundtasche. Im Modell VII ist sie schon gut ausgeprägt, und in den folgenden Stadien ist sie immer vorhanden. Sie wird in einem folgenden Kapitel als Alveolo- lingualrinne etwas näher beschrieben werden (vergl. auch Hammar, 1901). Die orale Wandfacette (Fig. 13 und 49, or. F.) ist deutlich eingebuchtet, so dass sie von der Aussenseite konkav aussieht. Sie ist nicht nur gegen die aborale Facette, sondern auch gegen Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 505: die ventrale Wand (die frühere ventrale Facette) durch einen scharfen Winkel abgesetzt. Die aborale Hauptfacette hat einen vorderen Abschnitt, welcher ebenfalls eingedrückt ist. Hier hat das dichtzellige Blastem des sich entwickelnden Hammergriffes seinen Platz, und dieser Abschnitt der Wand giebt also die erste Andeutung des später viel ausgeprägteren Hammereindrucks, der Impressio manubrii (Fig. 49, Impr. man.), der hintere (aborale) Theil (Fig. 12 und 49, abor. F.) der aboralen. Hauptfacette ist an der Aussenfläche gewölbt und geht ohne scharfe Grenze in die ven- trale Paukenhöhlenwand über. Eine Theilung dieser aboralen Hauptfacette in zwei, die Impressio manubrii und eine aborale Facette, ist somit vorbereitet. ‘ Es zeigt also nunmehr die laterale Paukenhöhlenwand eine orale und eine aborale Facette und zwischen diesen die Impressio manubrii, von welchen Wandtheilen der erstgenannte der oralen Hauptfacette, die beiden letztgenannten der aboralen Hauptfacette entstammen. Es stellt sich nun die Frage dar, durch welches Moment die auffallende Lage- und Gestaltveränderung der primären Paukenhöhle, welche in der Zwischenzeit zwischen dem Embryo von 11,7 mm und dem Embryo von 17 mm zu Stande gekommen ist, bewirkt wird. Schon ein flüchtiger Blick auf die Modelle lässt den im Modell VI bedeutend grösseren Umfang der Pauken- felltasche als in diesem Stadium in die Augen fallen und ladet zu der Annahme einer stattgefundenen bedeutenden Reduktion derselben ein. Eine solche Auffassung haben auch gewisse frühere Untersucher (Gradenigo 1857, Kastschenko 1887, 1) aus- gesprochen. Eine eingehendere Untersuchung lehrt aber, dass eine solche Reduktion wahrscheinlich gar nicht vorkommt und dass sie jedenfalls nicht das eigentliche formbestimmende Moment ist. Dies ist hingegen zunächst in der Lageveränderung zu suchen, der die primäre Paukenhöhle gleichzeitig unterworfen worden ist. Durch die Verschiebung der Paukenhöhle aus einer schief dorso- lateral aufsteigenden in eine gerade lateralwärts gehende Richtung (letztere ist übrigens schon im Modell VII vorhanden) haben ihre Wände eine Einknickung erfahren, wodurch die tympanalen Rinnen schärfer abgesetzt wurden. Von dieser Knickung bildet eine im : 34* 506 J. Aug. Hammar: Modell VI (bei ** in Fig. 9) vorhandene Furche die erste An- deutung. Durch diese Einknickung ist die Tiefe der vorderen Paukenfelltasche verringert worden; gleichzeitig hat indessen auch sowohl die vordere, wie die hintere tympanale Rinne durch selbstständigen Zuwachs eine Vertiefung erfahren, welche ihrer- seits zur relativen Verringerung der Tiefe des freien Theils der vorderen Paukenfelltasche beiträgt. Ein Zwischenstadium bildet in dieser Beziehung das Modell VII, wo die hintere Rinne rechts der Beschädigung entgangen ist und als eine noch recht seichte Bildung hervortritt, während die primäre Paukenhöhle, wie gesagt, schon die laterale Richtung angenommen hat. Der Suleus tensoris hingegen ist (wahrscheinlich unter dem Einfluss des hier befindlichen dichtzelligen Gewebes, aus welchem sich später die Tensorsehne herausdifferenzirt) weniger vertieft worden, und stellt deswegen eine Einbuchtung oder Ineisura tensoris dar. Wie schon hervorgehoben ist, übt diese Lageveränderung der primären Paukenhöhle auch auf die Form der ursprünglichen latero-ventralen Wand einen Einfluss aus, indem ihre orale Haupt- facette derart abgebogen wird, dass aus ihr eine (latero-)orale Facette und eine reine ventrale Wand hervorgehen und die letzt- genannte sich dabei vorübergehend in Falten legt. Als ferneren Grund dieser Lageveränderung sehe ich aber den Zuwachs des umliegenden, vor Allem des die Basis eranii präformirenden Mesenchyms an. Dieselbe tritt somit als ein Glied in die Kette von Umgestaltungen der primären Pauken- höhle ein, welche vorher beschrieben wurden und welche wesentlich auf dasselbe Moment zurückzuführen sind. So lange die dorsale Verlängerung der ersten Tasche durch ihr dorsales Ende mit der ersten Furche verbunden und gleich- sam fixirt ist, muss eine Verdickung der Mesenchymschicht, welche das Schlunddach von der Gehirnbasis trennt, ein Auf- richten dieses dorsalen Taschentheiles dorsalwärts und ein zipfeliges Ausziehen desselben in die Länge bewirken, ganz wie es beim 8,3 mm-Embryo zum Vorschein hommt. Da mit dem Eintreten einer vollständigen Trennung zwischen der ersten Schlundtasche und der ersten Schlundfurche die Schlundtasche wieder „mobil“ gemacht worden ist, nimmt unter der Einwirkung der immer fortgehenden Wucherung der fraglichen Mesenchym- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 507 schicht die primäre Paukenhöhle allmählich wieder eine mehr rein laterale Richtung an; und diese Richtung scheint sogar, nach dem nächsten Modell zu urtheilen, in eine schwach latero- ventralwärts abfallende übergehen zu können. Die Umbiegung in dorsaler Richtung, welche die Rand- partieen der Wände, die tubo-tympanale Rinne und die Tensor- rinne, bei dieser „Senkung“ erfahren, kann vielleicht in eine gewisse Beziehung zu der Beschaffenheit des lateralwärts davon gelegenen Mesenchyms gebracht werden (Fig. 49). Dieses Mesenchym, welches dem zellenreichen Stützgewebe des ersten und des zweiten Schlundbogens entstammt, ist nicht nur sehr zellenreich und relativ fest, sondern offenbar in raschem Zuwachs begriffen, wodurch auf die Paukenhöhlenwände ein kräftiger sowohl passiver wie aktiver Gegendruck ausgeübt wird. Aus diesem Gewebe hebt sich (Fig. 49), in der Vorknorpel- bildung begriffen, der Meckel’sche Knorpel (Fig. 49, Ham.) hervor, welcher, unmittelbar oralwärts vom Tensoreinschnitt, der vorderen tympanalen Rinne von aussen anliegt und mit einer aboralen, den Hammergriff (Fig. 49, Hgr.) präformirenden Ver- längerung die Impressio manubrii (Fig, 49, Impr. man.) hervor- ruft. Der Reichert’sche, ebenfalls im Vorknorpelstadium be- findliche Knorpel (Fig. 49, R.) kreuzt dicht an der aboralen Facette vorbei. Wenn man die Formenverhältnisse der primären Pauken- höhle hier im Modell VIII mit denen im Modell IV vergleicht, zeigen sie sich als einander auffallend ähnlich; die Ueberein- stimmung ist grösser als diejenige, welche zwischen den Formen- verhältnissen in den Modellen V und VI einerseits und dem Modell VIII andererseits besteht. Wenn nicht die gehörigen Zwischenstufen zur Untersuchung kommen, kann es also leicht geschehen, dass die hier geschilderte Aufrichtung und Ver- längerung der primären Paukenhöhle mit der darauf folgenden Senkung derselben und der relativen Verkürzung der vorderen Paukenfelltasche übersehen werden. Diese Senkung der primären Paukenhöhle bis zu einer rein lateralen Stellung, die Vertiefung der tubo-tympanalen und der hinteren tympanalen Rinne, die hiervon abhängige Ausbildung einer Impressio tensoris und die relative Verkürzung der 508 J. Aug. Hammar: vorderen Paukenfelltasche sind die für dieses Stadium am meisten charakteristischen Züge. Der Embryo von 18,5 mm, Modell IX (Fig. 14), zeigt in Betreff der uns hier interessirenden Verhältnisse mit dem soeben beschriebenen Modell VIII eine so grosse Aehnlichkeit, dass ich mich darauf beschränken kann, die Verschiedenheiten kurz anzuführen. Die allgemeine Richtung der Paukenhöhlenspalte ist etwas schief, latero-ventralwärts abfallend. Ihre mediale Abgrenzung ist durch die weniger starke Wölbung der Mittelpartie des Schlunddaches weniger scharf. Die vordere (Fig. 14, vt. R.) wie die hintere (ht. R.) tympa- nale Rinne ist vertieft worden. Mit der vermehrten Tiefe der erstgenannten Rinne hat die tubare (tub. R.) entsprechenderweise auch an Länge gewonnen. Die vordere Paukenfelltasche (Rec. ant.) ist etwas spitzer als beim vorigen Modell und die Incisura tensoris (T. E.) zeigt sich recht tief eingeschnitten. Aboralwärts von ihr fängt die hintere tympanale Rinne mit einem ähnlichen, wenn auch noch etwas mehr rundlichen Zipfel an, so dass die Incisur von nun ab von zwei zipfeligen Recessen begrenzt ist. Der so entstandene Recess, welcher schon im vorigen Modell angedeutet war, ist’ die hintere Paukenfelltasche, Recessus membran tymp. post. (Rec. post.) Die dorsale Verlängerung der zweiten Schlundtasche (Dors. II), in welche die hintere tympanale Rinne wie gewöhnlich aboralwärts übergeht, ist bemerkenswerth gross, wie blasig aufgetrieben. Durch die eingetretene Vertiefung der beiden tympanalen Rinnen sind die Facetten der lateralen Paukenhöhlenwand ent- sprechenderweise vergrössert worden. Die dreiseitige ventrale Wand hingegen ist ganz klein und ermangelt der in den vorigen beiden Modellen vorhandenen Faltungen. Von den hier angeführten Momenten ist das Auftreten der hinteren Paukenfelltasche besonders hervorzuheben. Embryo von 20,5 mm Nl., Modell X (Fig. 15). Der orale Abschnitt der primären Paukenhöhle hat den früheren Charakter in der Hauptsache behalten. Die vordere tympanale Rinne (vt. R.) beginnt also auch hier mit einer der ersten Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 509 Schlundtasche entsprechenden zipfeligen Ausbuchtung (Ree. ant.) — dem Recessus membr. tymp. ant. — und geht oralwärts unter einer knieförmigen Umbiegung (bei *) in die kurze tubare Rinne (tub. R.) über. Die hintere tympanale Rinne (ht. R.), welche mit dem Recessus posterior (Rec. post.) unmittelbar aboralwärts von der Ineisura tensoris beginnt, ist recht kurz und wird in aboraler Richtung immer seichter. Wo sie aboralwärts aufhört, ist aber eine wichtige Ver- änderung eingetreten. Sie geht nicht mehr unmittelbar in den Ueberrest der zweiten Schlundtasche (Dors. II) über, sondern zwischen beiden ist ein neuer Begrenzungsrand der primären Paukenhöhle entstanden (bei **), welcher eine transversale, sogar etwas medio-orale Richtung hat. Das Lumen der primären Paukenhöhle hat hier die Form einer ganz schmalen, dorso- ventral zusammengedrückten Spalte, welche medianwärts dicht an der lateralen Schlundwand mit dem als eine ganz leichte Ausbuchtung hervortretenden zweiten Schlundtaschenrest kom- munieirt. Die orale Facette der lateralen Wand hat dieselbe ein- gebuchtete Gestalt wie früher. Die dieselbe aboralwärts ab- grenzende Furche läuft jetzt in den Recessus anterior aus. Un- mittelbar jenseits dieser Furche liegt die recht tief einwärts buchtende Fläche der Impressio manubri, welche Fläche in der Breite dem Tensoreinschnitt entspricht. Die aborale Facette ist mehr eben; im Breitendurchmesser entspricht sie der Längen- ausdehnung der hinteren tympanalen Rinne. Ihre Stellung ist eine ventro-lateralwärts abfällige geworden, so dass sie konti- nuirlich ohne scharfe Grenze in die schwach ausgebuchtete, un- regelmässig viereckige ventrale Wand übergeht. Im umgebenden Mesenchym sind die Differenzirungen weiter vorgeschritten, so dass vorknorpelige, theilweise sogar jung- knorpelige Theile distinkt hervortreten. Oralwärts von der primären Paukenhöhle, unweit vom Rec. ant., zieht solchergestalt der Meckel’sche Knorpel vorbei. Eine schmale Halspartie geht unfern von seinem dorsalen Ende, wo Hammer und Ambosskörper nur als Anschwellungen hervortreten, ohne sich abzugliedern, aus der Hammer -Anschwellung aboralwärts ab, schiebt sich als Hammergriff, wieder etwas stärker werdend, medialwärts und endet unter stumpfkonischer Verjüngung in der Impressio manu- 510 J. Aug. Hammar: brii (vergl. Fig. 49); letztere wird fast gänzlich vom Ende des Hammergriffs eingenommen. Durch diese Lage wird es bedingt, dass der Hammer mit dem Collum und dem Manubrium den Recessus auterior (d. h. das dorsale Ende der ersten Schlundtasche) von drei Seiten — . oral, latero-dorsal und aboral — umfasst. Der Hammer- griff entsteht somit im Gewebe des zweiten Bogens, was wegen ungenauer Präzisirung der Lage der ersten Tasche früher nicht gehörige Berücksichtigung gefunden zu haben scheint (Fig. 49). Die Annahme Gaupp’s (1598, pag. 1115), „dass das den Hammerhandgriff einschliessende Stück (des Trommelfells) doch wohl dem ersten Visceralbogen angehören dürfte“, ist somit nicht stichhaltig. Da das Verknorpelungscentrum des Hammers indessen im ersten Schlundbogen liegt und der Prozess von dort aus auf das frühere Gebiet des zweiten Bogens kontinuirlich übergreift, lässt sich wohl dessen ungeachtet die bisherige Lehre vom Hammer als eine Bildung des ersten Bogens in der Haupt- sache aufrecht erhalten. Aboralwärts von der Incisura tensoris kreuzt, wie früher, der Reichert’sche Knorpel dicht an der hinteren tympanalen Rinne und der aboralen Wandfacette vorbei. Medio-dorsalwärts von der primären Paukenhöhle, dem dreiseitigen Schnecken- eindruck gegenüber, liegt, wie in den vorigen Stadien, die jetzt in der Verknorpelung begriffene Schnecke. Die A. carotis interna, welche bisher ihre Lage aboralwärts von der zweiten Schlundtasche hatte (Fig. 49, Car. int.), liegt jetzt lateralwärts von ihr und biegt sich um den neuentstandenen aboralen Rand der primären Paukenhöhle herum, um dicht an der medialen Grenze derselben ihren Weg an dem Schlunddache entlang fortzusetzen. Die hier stattgefundene Umgestaltung des aboralen Ab- schnitts der primären Paukenhöhle lässt sich am besten nach der Beschreibung der nächsten Modelle besprechen. Im nächsten zur Untersuchung gekommenen Entwickelungs- Stadium, Embryo von 21 mmNl., ModellXI (Fig. 16, 17, 50), ist eine eingreifende Veränderung in der Gestaltung des bisher "als primäre Paukenhöhle bezeichneten Raumes eingetreten. Der- selbe tritt nun das erste Mal in Schlauchform hervor. Die primäre Paukenhöhle ist damit faktisch in die Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc, 511 definitive Paukenhöhle und die vorläufig nur an- deutungsweise vorhandene Tube umgewandelt worden. Dieses tubo-tympanale Rohr erstreckt sich, von den Seitentheilen des Schlunddaches ausgehend, nach einem ganz kurzen mehr lateralgerichteten Anfangsstück — der Tube — in latero-aboraler Richtung mit nur ganz schwacher Abweichung dorsalwärts. Es bildet einen sich von der Mündung ab. all- mählich erweiternden Kanal, welcher im Grossen und Ganzen eine dreiseitig prismatische Gestalt hat. Es hat also eine medio- dorsale Wand, welche im lateralen Abschnitt des Rohres mehr rein dorsal wird; hier liegt ihr das Crus longum ineudis an. Diese Wand entspricht offenbar der gleichgerichteten Wand der primären Paukenhöhle. Der oralen Facette der letztgenannten entsprechend hat das tubo-tympanale Rohr eine latero - orale Wand. Eine dritte Wand ist ventral und entspricht der ventralen Wand der primären Paukenhöhle. Hierzu kommen zwei end- ständige laterale Wandflächen, die den beiden Abschnitten der aboralen Hauptfacette entsprechen. Die orale dieser Flächen ist also die Impressio manubrii (Fig. 17 und 50, Impr. man.), die aborale die gegen den Reichert’schen Knorpel liegende aborale Facette (Fig. 50, abor. F.). Die Impressio manubrii ist stark, die latero-orale Wand schwächer eingebuchtet; die übrigen Wände zeigen sich im Allgemeinen ein wenig ausgebuchtet. Von den Rändern des Rohres entspricht der eine, der dorsal und recht gut ausgeprägt ist, der tubo-tympanalen Rinne (Fig. 16, tub. R., vt. R.); von den beiden anderen, welche auch in der Längsrichtung des Rohres gehen, ist der eine latero-oral, der andere medio-aboral, und beide sind verhältnissmässig unscharf. An der Grenze zwischen der dorso-medialen (hier fast rein dorsalen) Wand und den lateralen Wandflächen läuft die tief ausgeschweifte Ineisura tensoris (Fig. 16 und 17, T. E.), welche oral- und aboralwärts durch die Paukenfelltaschen begrenzt wird. Von diesen ist die hintere (Fig. 16, 17 u. 50, Rec. post.) besonders gut ausgeprägt. Ihre aborale Begrenzung ist ein dem Suleus tymp. post. (Fig. 16, ht. R.) entsprechender kurzer Rand, welcher, medio-aboralwärts verlaufend, die Grenze zwischen der dorso- medialen und der latero-aboralen (aus der aboralen Facette ge- bildeten) Wand bildet. Wenn man hier die Verhältnisse im Modell XI mit denen 512 J. Aug. Hammar: in den zwei vorigen Modellen vergleicht, stellen sich die Um- gestaltungen des aboralen Abschnittes der primären Paukenhöhle, welche das Modell X zeigt und durch welche in ihm der aborale Paukenhöhlenrand eine transversale Richtung erhalten hat, als die Einleitung der Umwandlung der betreffenden Höhlung in Röhrenform dar, die im vorliegenden Stadium stattgefunden hat. Dass diese Umwandlung nicht durch ein Auswachsen oder eine Ausstülpung bedingt ist, davon zeugt schon der Umstand, dass die Totallänge der primären Paukenhöhle die des tubo- tympanalen Rohres, vom ventralen Ende der tubaren Rinne bis an die Spitze des Recessus anterior gemessen, nicht übertrifft, während die Ausdehnung, in welcher sich die fraglichen Kavitäten in den Schlund öffnen, in dem früheren Stadium bemerkenswerth grösser ist als in dem späteren. Der Uebersichtlichkeit halber habe ich auf Tabelle II (Seite 513) einige Masse der Modelle X— XIII tabellarisch zusammengestellt. Es geht hieraus hervor, dass, wie auch ein Blick auf die Fig. 11, 15 und 16 lehrt, die Umgestaltung der primären Paukenhöhle in das tubo-tympanale Rohr durch einen in aboral-oraler Richtung fortschreitenden Ein- schnürungsprozess geschieht, wodurch die Mündung in den Schlund in derselben Richtung eingeengt wird. Es ist offenbar, dass diese Einengung zwischen der hinteren tympanalen Rinne und dem Ueberrest der zweiten Schlundtasche einsetzt; dies geht schon daraus hervor, dass man die genannte Rinne und die derselben entsprechende aborale Facette als Be- standtheile des erweiterten Endstückes des tubo-tympanalen Rohrs antrifft, während die zweite Tasche sich an der lateralen Schlundwand unmittelbar aboralwärts von der Einmündung des Rohres wiederfinden lässt (Fig. 16, dors. II). Nichtsdestoweniger ist die Lage der zweiten Tasche von dieser Einengung der primären Paukenhöhle nicht unbeeinflusst geblieben. Die Tasche ist mit dem nächstliegenden Theil der Schlundwand, wie eine Vergleichung der Fig. 11, 15 und 16 an die Hand giebt, oral- wärts verschoben worden. Durch diese Einengung hat die Paukenhöhle einen neuen freien Rand bekommen (bei ** in Fig. 16), welcher in der medio-oralen. Richtung des Rohres läuft und die ventrale Wand von der medialen trennt. Zwischen diesem medio-aboralen Rande 515 Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. Ä]]L]]—eeee.e.,.e ee ee ee —————— ayaseL 'Z 19P I9ZU9IN) UITEIO 19p uoA ouury "durky 'yuıy a9p sopug uapeIoge sap SunuloyJug saryoy 'duuky -oqn} sap 'MzZaq oyoyuayneg "wrıd 19p Sunpunwurg a9p aduer] syu HIM UOSSIWAF ‘saayoy 'durkg -oqn} sap 'MZIq olyoyuayneg "wrıd 9p adurjpeloL ———— ne nn nn aydseL 'z 19p 9Zu9I) usfeIo A9p U0A auuy "duky yuıy 19p sOpu useroge sap FununayJug puny>s usap ur soayoy "dukJ-oqny sop "Mzag Sfyoyuaynedg "wid 19p Sunpunut -uUIg dop dur] T »y sOp | azyıdg orp ur sıq 9uury uaıeany 19p opu uopeayuoA woA soayoy "dwiy -oqn} sap 'Mzog oyoyuayneg "wurd a9p 9duejfelo], 0 T= Mo | BHO Mor eg rm 29T = Wloor 0,0 = "er 29T = "loor IIIX 'POM ULUL | ww ww wu ww wu yuejsuoy aoyeds | yuegsuoy aayeds speAnz um 98T:T tr0:1 speAnZ ER ‘ec'T:T ugeyqroA |:cc'0:T ugeyaaA | ; uauomyeLte A ssıugjeydo A WI ssıugjeydoA UM ury :u9uolyerte A UXTX PON wı oueunz wı ouyeugy 919ura] 9umeunz ad1Na4g | owyeugy 9314098 9I9U]Y SE color 90 = ae BrT = Ho E60 = "oe 290 > "ler get "lıe Ne 0 = “*lıa 20 = “leo TET = “la ao “rs 9,0 = leo TET= an Bess 20 lo BET loc srIT = Ho 00 = Fız ge IT #lr a ; X 'poMN ww wu www wu ww ww syy»9a1l syuIf "II '4®L 514 J. Aug. Hammar: und der lateralen Schlundwand ist ein aboralwärts offener Winkel entstanden. Das den tiefsten Theil dieses Winkels ausfüllende Mesenchymgewebe liegt oralwärts von der zweiten Schlundtasche und ist insofern als ursprünglich dem zweiten Bogen angehörig zu betrachten. Dass indessen der Zuwachs Verschiebungen be- dingt, durch welche die Bestandtheile der verschiedenen Bogen unter einander gemischt werden können, davon zeugt das Vor- handensein in eben dieser Mesenchymmasse von der einmal dem dritten Bogen angehörigen A. carotis interna, welche noch mehr als im vorigen Stadium oralwärts verlagert worden ist. An dem medio-aboralen Rand etwas medialwärts von seiner Mitte vorbei- ziehend, setzt sie sich an dem Schlunddache entlang oralwärts fort, um das tubo-tympanale Rohr dicht am tubaren Theil zu kreuzen. Der ursprünglich gegen den zweiten Bogen sehende Theil der lateralen Schlundwand ist dem Gesagten gemäss an zwei Stellen winklig abgeknickt worden. Der vorderste der drei da- durch bedingten Abschnitte ist die Impressio manubrii, der zweite die aborale Facette, der dritte der medio-aborale Rand des tubo- tympanalen Rohres. Das erste Mal während der Entwickelung tritt der M. tensor tympani hervor, was mit der Erfahrung von Broman (1899), welcher ihn zuerst bei einem 20,6 mm langen Embryo fand, gut übereinstimmt. Seine Sehne befestigt sich an dem Hammergrift, unmittelbar dorsalwärts von dem nach dem Muskel benannten Einschnitt. Es leitet das vorletzte Stadium eine neue Periode in der Entwickelung der Mittelohrräume ein: Die Anlegung der primären Paukenhöhle ist vollzogen und ihre partielle Abtrennung als tubo-tympanales Rohr eingeleitet. Ich stelle diese Periode deshalb der ersten oder Anlegungsperiode als Abtrennungs- periode gegenüber. Der Embryo von 24 mm NI.,, Modell XH, zeigt Ver- hältnisse, welche sich den soeben beschriebenen nahe anschliessen (Fig. 18 und 19). Die Sonderung des tubo-tympanalen Rohres in einen tubaren und einen tympanalen Theil ist aber deutlicher geworden. Der tubare Theil ist ganz kurz, geht. fast lateralwärts mit ganz Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 515 geringer dorsaler Steigung vom lateralen Abschnitte des Schlund- daches aus, um mit einer eigentlich nur am latero-oralen Rande hervortretenden knieförmigen Biegung (bei *) in den weit längeren und etwas breiteren, latero-aboralwärts gerichteten tympanalen Theil überzugehen. Der freie Theil des tubo-tympanalen Rohres ist, wie die Tabelle II an die Hand giebt, links länger als im vorigen Modelle und die Schlundmündung des Rohres auf derselben Seite ent- sprechend kürzer. Rechts stimmen die Masse mit denjenigen des vorigen Modells recht genau überein. Der Abschnürungs- prozess, welcher das Rohr vom Schlunde abtrennt, scheint dem- nach bei dem untersuchten Embryo von 21 mm N]. links seinen Abschluss noch nicht erfahren zu haben, rechts dagegen schon beendet zu sein. Die Gestalt des Rohres ist eine mehr flache geworden. Dies ist dadurch bewirkt worden, dass sich erstens die medio- dorsale Wand (welche auch hier im lateralen Theil rein dorsal ist) nicht so stark ausbuchtet, wie im vorigen Modell. Zweitens. ist die Grenze zwischen der Impressio manubrii und der aboralen Facette einerseits und der latero-oralen Wand andererseits fort- gefallen, so dass dieselben eine zusammenhängende Fläche bilden (Fig. 19). Schliesslich ist die ventrale Wand ganz schmal ge- worden. Durch dieses Alles ist die im nächsten Stadium auf- tretende platte, etwas spiralgedrehte Form des tubo-tympanalen Rohres vorbereitet. Rückblick auf die Literatur. Mit dem zuletzt geschilderten Stadium sind die zwei ersten Perioden der Mittelohrentwickelung: die Anlegung der primären Paukenhöhle und ihre Umwandlung durch Abschnürung in das tubo-tympanale Rohr, beendet. Es sind diese Perioden, welche fast ausschliesslich den Gegenstand der bisherigen Untersuchungen gebildet haben, während die folgende Epoche, welche sich durch Umbildung des tubo-tympanalen Rohres in seine definitive Form auszeichnet, nur oberflächlich studirt worden ist. Unter solchen Verhältnissen scheint es angezeigt zu sein, hier meine Befunde mit denjenigen früherer Forscher zu vergleichen. Die Um- bildungsepoche des tubo-tympanalen Rohres soll dann den Gegen- stand des nächsten Kapitels bilden. 516 J. Aug. Hammar: Ich beabsichtige indessen nicht, hier eine geschichtliche Darstellung der Frage zu geben, sondern verweise in dieser Hinsicht nochmals auf die schon eitirte Zusammenstellung Gaupp’s. Ich berücksichtige hier vielmehr vorzugsweise solche neueren Darstellungen, welche durch eine etwas grössere Aus- führlichkeit die Möglichkeit gewähren, Kenntniss davon zu er- halten, was von dem betreffenden Forscher wirklich beobachtet, was von ihm übersehen oder fehlgedeutet worden ist. Ich beginne dabei mit Moldenhauer (1877). Dieser Forscher be- schreibt bei Hühnerembryonen einen von der Innenfläche des Öberkiefer- fortsatzes ausgehenden, länglichen Hügel, Colliculus palatinus, welcher senkrecht gegen die erste Kiemenspalte herabsteigt und beim Herabsteigen an Höhe gewinnt, um schliesslich in den unteren Rand des ersten Bogens auszulaufen. Dieser Hügel wird dorsalwärts von einer in die erste Spalte einmündenden Furche begrenzt. Diese Furche, Suleus tubo-tympanicus, ist die erste Anlage der Tube und der Paukenhöhle. Letztere wird sekundär durch eine Erweiterung des Endstückes der tubo-tympanalen Furche gebildet. Der Suleus tubo-tympanicus Moldenhauer’s entspricht genau dem Abschnitte der dorsalen Verlängerung der ersten Schlundtasche, für welche ich denselben Namen gebraucht habe. In solchem Sinne hat Tuttle (1883—1884) auch eine Umdeutung der Befunde Moldenhauer’s gemacht. Die übrigen Theile der primären Paukenhöhle der Säugethiere, vor Allem die hintere tympanale Rinne, haben in seiner Beschreibung kein Gegenstück. Von einem Abschnürungsprozess wird auch nichts in dieser Darstellung erwähnt. Urbantschitsch (1877, 1) sagt in seiner in demselben Jahre ver- öffentlichten Arbeit, welche sich auf Untersuchungen an Kaninchenembryonen gründet (pag. 11): „Während nun die Kiemenbögen durch Verschmelzung mit dem mittleren Keimblatte vereinigt werden, zeigt die Mundbucht auf Durchschnitten eine Reihe von Veränderungen, aus welchen ersichtlich gemacht wird, dass jener Abschnitt der Mundhöhle, welcher die beiden Seitentheile derselben ausmacht, in einer Weise sich metamorphosirt, dass er nur durch einen schmalen Verbindungsspalt mit der Mundhöhle in Com- munication bleibt und auffällig erweitert wird. Die Erweiterung stellt uns jenen Abschnitt dar, welchen wir als mittleres Ohr bezeichnen; die ver- engerte Spalte bildet die Verbindung der Paukenhöhle mit der Mund-, Nasen - Rachenhöhle, und ist somit als angelegte Eustachische Trompete zu betrachten. Die Auskleidung sämmtlicher dieser Höhlen ist vom äusseren Keimblatte gebildet. Es ist somit die Anlage des Mittelohres keineswegs von der ersten Kiemenspalte abzuleiten, sondern ausschliesslich in den beiden Seitenbuchten der gemeinschaftlichen Mund-Nasen-Rachenhöhle zu suchen...“ Diese Darstellung enthält zwei Irrthümer: einmal, dass das Mittelohr von der Mundbucht ausgeht, was längst von Rauber und Moldenhauer (1879) überzeugend wiederlegt worden ist. Zweitens hat Urbantschitsch die Betheiligung der ersten Tasche an der Bildung der Seitenbucht über- sehen, welche den Mittelohrraum präformirt. Sonst giebt seine Schilderung Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 517 die allgemeinen Züge des Prozesses richtig wieder, wenngleich mit weniger Bezugnahme auf die Einzelheiten. Auch die faktisch vorhandene anfäng- liche Kürze der Tube scheint in ihrer Bezeichnung als eine Verbindungs- spalte angedeutet zu sein. | Kölliker’s (1879) zwei Jahre später erschienene Darstellung (von Hoffmann (1884), und Mall (1888, 1 und 2), bestätigt) schliesst sich den faktischen Verhältnissen weit weniger treu an, Er lässt nämlich einen nach aussen, oben und hinten auswachsenden Fortsatz aus dem medialen Theile des hinteren Abschnittes der ersten (inneren) Kiemenfurche den Canalis tubo-tympanicus bilden und sich wesentlich zur Paukenhöhle gestalten. Hier ist der Bildungsbezirk der Paukenhöhle entschieden zu eng angegeben, sowie auch die Auffassung, nach welcher die Ausbildung des tubo-tympanalen Rohres als ein Hervorwachsen bezeichnet wird, in den von mir oben ge- schilderten Verhältnissen ihre Widerlegung erfährt (vergl. pag. 512). Gradenigo (1887) beschreibt als Ausgangspunkt des Mittelohrs und der Tube bei Katzenembryonen einen dreiseitigen tubo-tympanalen Raum, welcher zwischen dem ersten und zweiten Kiemenbogen und der lateralen Fläche der Schädelbasis unmittelbar hinter der dorsalen Wand des Darm- kanales zurückbleibt und in dessen lateraler Ecke sich die erste Schlund- tasche befindet. Der nach innen vom ersten Bogen liegende Theil dieses Raumes wird als Mandibularspalte, der einwärts vom zweiten Bogen liegende als Hyoidalspalte bezeichnet. In der folgenden Entwickelung werden zwei Phasen unterschieden. In der ersten Phase wird durch Involutionsvorgänge eine relative Ver- kleinerung des tubo-tympanalen Raumes hervorgerufen, und zwar theils in der Querrichtung durch Hervortreibung der medialen Wand durch das Wachsthum des jcochlearen Theils des periotischen Kapsels, wodurch der tubo-tympanale Raum fast ausschliesslich von den beiden Spalten, der hyoidalen und der mandibularen, welche sich an der ersten Kiemenspalte begegnen, gebildet wird, theils in der Richtung von hinten nach vorn, da- durch dass das hintere Ende der Hyoidalspalte durch die Wendung des proximalen Endes des Hyoidbogens nach vorn und innen verschlossen wird. Hierdurch entsteht eine vertikale Einbuchtung der Wand, der Colliculus hyoideus, Später komprimirt der Hammergriff (p. 141 oder nach pag. 197 der Hammergriff und der lange Ambossschenkel) die mittlere Partie der Mandi- bularspalte, so dass ihre gegenüberliegenden Wände an dieser Stelle mit- einander in Berührung gelangen und ein „eigentlicher Schluss* des be- treffenden Theiles der Spalte zu Stande kommt. „Beim Menschen setzt sich diese Verschliessung nach unten gegen den oberen Theil der Hyoidalspalte fort, wo sie bedingt wird durch den Druck des Promontoriums auf den mittleren Abschnitt des Hyoidalbogens.*“ Der Rest der ersten Tasche (Kiemenspalte) wird verschlossen, während der Rückgangsprozess, den das proximale Ende des zweiten Kiemenbogens erfährt, neuerdings die Verlängerung des untersten Abschnittes der Hyoidalspalte gestattet. „In diesem Stadium ist also der tubo-tympanale Raum durch die Hyoidalspalte und das unterste Segment der Mandibularspalte vertreten. Das oberste Segment dieser letzteren und die erste Kiemenspalte sind verschlossen.“ 518 J. Aug. Hammar: „In einer zweiten Entwickelungsphase, sobald einmal die definitive Form der Skelettheile annäherungsweise vorgebildet ist, beginnt der tubo- tympanale Raum sich auszubreiten. Um den Hammergriff und um die reflexe Partie des Musculus tensor dehnt sich zuerst die Trommelhöble aus, verlängert sich dann gegen hinten und aussen längs des künftigen Trommelfelles und reicht bis zum hinteren Rand des Annulus tym- panicus und dem aufsteigenden Abschnitt des Reichert’schen Knorpels.“ Die mandibulare Spalte Gradenigo’s entspricht offenbar dem, was ich als einen Theil der dersalen Verlängerung der ersten Tasche bezeichnet und tubo-tympanale Rinne genannt habe. Seine hyoidale Spalte entspricht der hinteren tympanalen Rinne in meiner Darstellung. Es erhellt hieraus, dass die Ausgangsverhältnisse im Ganzen von Gradenigo richtig geschildert worden sind. .Nur scheint es ihm entgangen zu sein, dass die von ihm be- schriebene laterale Fläche der Schädelbasis durch eine von der Gehörblase bewirkte und also schon in diesem Stadium vorhandene Einengung des Schädeldaches (von mir als Impressio cochlearis bezeichnet) hervorgerufen wird. Dass die periotische Kapsel einerseits und das hervorwachsende Bindegewebe des (früheren) zweiten Bogens andererseits eine Einengung dieses Raumes hervorruft, wird auch durch meine Modelle bestätigt. Indem also Gradenigo’s Darstellung in den Hauptzügen durch meine Ergebnisse eine Bestätigung erfahren hat, muss ich gegen verschiedene Einzelheiten derselben Einspruch erheben. Ein Stadium, wo „das oberste Segment der Mandibularspalte und die erste Kiemenspalte verschlossen sind“, existirt erfahrungsgemäss nicht. Die tubo-tympanale Rinne persistirt ohne jede regressive Metamorphose während der ganzen Entwickelung und eine eine solehe Metamorphose kann auch nicht durch den Hammergriff hervor- gerufen werden. Die durch ihn bewirkte Einengung fällt nämlich nicht auf die „mandibulare Spalte“ Gradenigo’s, sondern auf die „hyoidale“. Da die Spitze der ersten Tasche, wie Kastschenko schon bemerkt hat, im Winkel zwischen dem Hammergriff und dem Hammerkörper zu suchen ist, geht schon daraus hervor, dass die Impressio manubrii im Bereiche desSule.tymp. post. liegt Andererseits ist die Einengung des Cavum tymp. meiner Erfahrung gemäss fast niemals so tief, dass sich die Epithelflächen der gegenüberliegenden Wände begegnen, und eine Verödung der betreffenden Wandflächen kommt niemals vor. Für die Annahme einer Involution der ersten Tasche liegen auch keine stichhaltigen Gründe vor. Wie ich schon oben (pag. 505) erwähnt habe, ist die Verminderung nur eine scheinbare oder relative, mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht eine absolute. Kastschenko (1887, .1), dessen Untersuchungen an Schweine- embryonen ausgeführt sind, liefert in demselben Jahre eine der vorigen nahestehende Beschreibung. Er bezeichnet als „primäre Paukenhöhle“* eine Ausbuchtung der Schlundhöhle nach aussen, dadurch entstanden, „dass der innere Rand des zweiten Schlundbogens mehr nach aussen gelagert ist, als der des ersten und dritten.“ Sie ist „von vorn durch die hintere Fläche des ersten Schlundbogens, von hinten durch die vordere Fläche des dritten und von aussen durch die innere Fläche des zweiten Schlundbogens begrenzt. Von innen hat sie keine scharfe Begrenzung gegen die gemeinsame Schlund- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc, 519 höhle In ihren äusseren (vorderen und hinteren) Ecken befinden sich die erste und die zweite Schlundspalte.* Indem die hintere Hälfte des zweiten Schlundbogens nach und nach an Dicke zunimmt, gegen die Schlundhöhle hereinwächst und mit dem dritten Schlundbogen verschmilzt, wird der Raum der primären Pauken- höhle relativ bedeutend vermindert. „Jetzt wird dieselbe von vorn durch den hinteren Rand des ersten und von hinten durch den jetzt nach vorn gekehrten früheren inneren Rand des zweiten Schlundbogens begrenzt. Zu gleicher Zeit bildet sich das knorpelige Labyrinth, schiebt sich von oben und von hinten gegen die primäre Paukenhöhle und verengt besonders den inneren Abschnitt derselben. Somit zerfällt die primäre Paukenhöhle in zwei Abtheilungen: äussere (sekundäre oder definitive Paukenhöhle) und innere (Tuba Eustachii). Die letzte ist Anfangs ganz kurz und wird erst mit der Zeit verlängert. In der oberen vorderen Ecke der sekundären Paukenhöhle findet man noch eine Zeit lang den unveränderten Rest der ersten epithelialen Tasche. Mit dem fortwährenden Wachsthum wird die- selbe relativ ausserordentlich klein und kann nicht mehr unterschieden werden. Ihre Lage entspricht der Ecke zwischen dem Corpus des Hammers und dem Hammergriff.* Die zweite Schlundtasche wird von der ent- sprechenden epidermoidalen Tasche getrennt und nach innen und nach vorn versetzt. Sie wird übergehend in eine lumenlose Epithelleiste umgewandelt, welche später spurlos verschwindet. | Dass die primäre Paukenhöhle Kastsehenko’s im Grossen und Ganzen dem tubo-tympanalen Raum Gradenigo’s entspricht, liegt auf der Hand. Dieselbe erstreckt sich aber weiter aboralwärts als dieser Raum, indem K, statt des zweiten Schlundbogens den dritten Bogen als ihre hintere Be- grenzung angiebt. Ein solcher Raum lässt sich in mehreren meiner Modelle unschwer nachweisen, umfasst aber entschieden einen grösseren Bezirk als später für die Mittelohrräume verwendet wird. Auch K. lässt ja die zweite Schlundtasche an der definitiven Bildung der primären Paukenhöhle nicht theilnehmen. Unter solchen Umständen kann eine derartige Begrenzung derselben, wie sie Kastschenko angiebt, nur irre leiten; sie ist auch deshalb nicht nötig, weil sich der Ort der zweiten Tasche, wo der Bezirk der werdenden Paukenhöhle aufhört, in allen fraglichen Entwicklungsstadien deut- lich markirt. Seine Rekonstruktionsmethode hat Kastschenko offenbar nicht gestattet, die Reliefverhältnisse der dorsalen Schlundwand gehörig zu er- kennen. Es ist ihm soichergestalt entgangen, dass die durch die Cochlea bewirkte Verengung des lateralen Schlundgebietes lange vor dem Beginn der Verknorpelung der Schnecke vorhanden ist. Damit ist sowohl die tubo- tympanale, wie die hintere tympanale Rinne seiner Beobachtung entrückt worden. Man kann also kurz sagen, dass seine Schilderung der primären Paukenhöhle, was ihre medio-laterale Ausdehnung betrifft, im Ganzen richtig ist, dass aber ihre Ausdehnung in ventro-dorsaler Richtung nicht die gehörige Berücksichtigung erfahren hat. Auch die Umwandlung der primären Paukenhöhle in die sekundäre geschieht, wie es Kastsc henko geschildert hat, in der Hauptsache durch Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 35 » 520 J. Aug. Hammar: ein Einwachsen des 2. Schlundbogens,. Nur muss man es sich klar machen, dass dieser Prozess, obschon er durch ein Gewebsmaterial vermittelt wird, das in der Lage offenbar dem Gewebe des 2. Bogens entspricht, sich beim Menschen auf einer Entwicklungsstufe abspielt, wo die scharfe Begrenzung des Schlundbogens schon verschwunden ist, Piersol(1888), dessen Ergebnisse sich theilweise auf Plattenrekonstruk- tionen des Schlunddarmes von Kaninchenembryonen gründen, findet, dass im laterodorsalen Pharynxgebiete verschiedene Ausbuchtungen zusammentreten um eine pharyngo-tympanale Spalte zu bilden, welche sich zur Paukenhöhle und Tube umgestaltet. ‚Jene Ausbuchtungen sind erstens die über die dor- sale Schlundwand sich erhebende, lateralwärts abstehende dorsale Spitze der ersten Schlundtasche, ferner eine am Dache des Mundrachenraumes gelegene in diese Spitze auslaufende Rinne, die Rachenrinne, von welcher in späteren Stadien ein dorsalwärts gerichteter vertikaler Schenkel auswächst, und schliesslich eine laterale Erweiterung des Schlundes, welche zwischen dem 1., 2. und 3. Kiemenbogen liegt und später den Rest der 2. Spalte in sich aufnimmt. Unter diesen verschiedenen Bildungen lässt sich die Rachenrinne unschwer als die tubo-tympanale Rinne identificiren, was Piersol auch selbst bei der Vergleichung seiner Befunde mit denjenigen Moldenhauer’s thut. Der dorsale Schenkel dieser Rinne ist offenbar das, was ich als hintere tym- panale Rinne bezeichnet habe. Was Piersol hingegen mit der Schlund- erweiterung meint, ist mir weniger klar. Der Autor scheint (p. 174) selbst nicht ungeneigt zu sein, diese Erweiterung mit der primären Paukenhöhle Kastschenko’s zu identifieiren. In Anbetıacht einiger Verschiedenheiten der Schilderungen der beiden Forscher scheint mir diese Annahme nicht ganz unbedenklich. Verhält es sich aber so, so stehen die bisher referirten Ergebnisse Piersol’s mit den meinigen im Allgemeinen im Einklang. Nur ist einer- seits zu bemerken, dass sich nach Piersol’s Darstellung beim Kaninchen ein weit späteres Auftreten der hinteren tympanalen Rinne als beim Menschen erwarten lässt, was indessen nach meinen beim Kaninchen ausgeführten Nachuntersuchungen nicht zutrifft. Andererseits könnte die Schilderung die Vorstellung erwecken, als nähme die in die Schlunderweiterung ein- gehende 2. Tasche an der Paukenhöhlenbildung Theil; davon gilt, was soeben betreffs der Angaben Kastschenko’s angeführt worden ist. Anders verhält es sich mit den Angaben über die weiteren Um- gestaltungen dieser Ausgangsverhältnisse. Für die späteren Stadien scheinen von Piersol keine Rekonstruktionen ausgeführt worden zu sein. Das älteste Stadium, wo eine Rekonstruktion ausgeführt worden ist, ist ein 15 Tage alter, 14,5 mm langer Kaninchenembryo, der Verhältnisse zeigt, welche ihn in nahen Anschluss zu meinem 20,5 mm grossen Menschenembryo, Modell X, bringen, und somit nur den ersten Beginn der Umformung der primären Paukenhöhle in das tubo-tympanale Rohr andeuten. Und demgemäss ist der Autor in der Deutung der verschiedenen Theile seiner pharyngo-tympanalen Spalte und in der Darlegung ihrer Umformung weniger glücklich gewesen, als seine beiden nächsten Vorgänger Gradenigo und Kastschenko, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 521 Er sagt (p. 172) „Der vertikale Schenkel wächst fortdauernd nach der Dorsalseite und gleichzeitig erweitert er sich; seine äussere, der Spitze der Schlundtasche entsprechende Ecke dagegen verschmälert sich durch den Einfluss des Hereinwachsens des Hammers und mit der Zeit geht diese Abtheilung des pharyngo-tympanalen Raumes in die Paukenhöhle über. Die ‘obere und ventrale Kante des breiten Tubaraumes, die Rachenrinne, wird durch die umgebenden Theile allmählich mehr und mehr verändert, bis endlich die früher tiefe Rinne vollständig vergeht; während dies geschieht, drückt das sich entwickelnde knorpelige Labyrinth den übrigen Tubaraum ein, bis dessen spaltenförmige Mündung um Vieles verkleinert und die Höhle zu einem ensen Rohre geworden ist, welches später die bleibende Gestalt der Tuba annimmt.“ Diese Darstellung enthält Irrungen mehrfacher Art, Sie übersieht die von Gradenigound Kastschenko schon richtig gewürdigte Ein- engung der primären Paukenhöhle durch das Gewebe des 2. Bogens in aboral-oraler Richtung und lässt sie statt dessen theils an der vorderen Abtheilung der primären Paukenhöhle, der Rachen- oder tubo-tympanalen Rinne, theils am Schlunddache, wo die Schnecke anliegt, geschehen. Die Be- deutung des richtig beschriebenen Knies der Rachenrinne als Grenze zwischen ihrem tubaren und tympanalen Theil ist dadurch verkannt worden. Der vertikale Schenkel der Rachenrinne oder, nach meiner Terminologie, die hintere tympanale Rinne soll mit dem angrenzenden Theil der Taschen- spitze die Paukenhöhle, der ganze übrige Theil „des tubo-tympanalen Raumes“ (d. h. der primären Paukenhöhle) das Eustachische Rohr bilden. Nach Siebenmann’s (1894, 1898) an Menschenembryonen angestellten Untersuchungen geschieht die erste Anlage der Mittelohrräume durch die erste innnere Schlundtasche, welche im ersten Embryonalmonat eine nach dem Rachen zu noch weit offene grubenförmige Tasche darstellt und etwa dem mittleren Drittel der Paukenhöhle entspricht. Mitte der 6. Embryonalwoche bildet sie eine in der Frontalebene verlaufende schmale Spalte mit nach dem Schlunde zu steil abfallendem Boden. Die Spitze der Tasche ist nicht genau Jateralwärts gerichtet, sondern etwas dorsalwärts abgebogen, und die beiden fötalen Paukenhöhlen erscheinen in diesem Stadium als flügelförmige seit- liche Anhängsel des Rachens. Eine Tube existirt nocht nicht, sondern ent- steht erst dadurch, dass die Längenzunahme des tubo-tympanalen Raumes mit der rasch vorwärts schreitenden Zunahme der Weichtheilschicht an Dicke gleichen Schritt halten muss. „Demnach entsteht die Tube nicht durch nachträgliche Verengung eines vorgebildeten Raumes, sondern, wie ich zuerst nachgewiesen habe, durchidirektes Längenwachsthum der Wände der primär vorhandenen Paukenhöhle oder, mit anderen Worten: durch Hinweg” rücken der Paukenhöhle vom Pharynx.“ Es geht aus der Beschreibung hervor, dass die primäre Anlage der Paukenhöhle, welche Siebenmann schildert, der dorsalen Verlängerung der 1. Schlundtasche entspricht. Der Autor identifieirt diese Anlage auch selbst mit der von Piersol beschriebenen dorsalen Spitze der 1. Schlund- tasche. Die hintere tympanale Rinne ist von ihm übersehen worden, und ebenso die aboral-orale Abschnürung, welche dieselbe später erfährt und 35* 522 J. Aug. Hammar: durch welche in der That die erste Anlage der Tube hergestellt wird. Die von Siebenmann betonte anfängliche Kürze der Tube hat ihre Richtigkeit, ist aber schon vorher von Urbantschitsch.und Kastschenko an- gegeben worden. Aus der obigen Musterung der wichtigsten der neueren Arbeiten über die Entwicklung der Mittelohrräume geht hervor, dass die Verschiedenheit der Ansichten nicht in wesentlichem Grade auf Verschiedenheiten in der betreffenden Entwicklung der verschiedenen untersuchten Thiere beruht, was Gaupp(189)für sehr wahrscheinlich gehalten hat, insbesondere aber, dass der Mensch nicht, wievon Siebenmann (1894 p. 364) angenommen wurde, eine Sonderstellung einnimmt. Einerseits stimmen meine an Menschen- und Kaninchenföten gewonnenen Ergebnisse grundsätztlich mit einander überein, andererseits lassen sich die in der Literatur befindlichen Angaben über die Verhältnisse bei anderen Säugethieren recht wohl mit meinen Be- funden vereinbaren. Die Verschiedenheiten haben offenbar wesentlich in der Unvollständig- keit der gemachten Beobachtungen ihren Grund : was von dem einen Forscher wahrgenommen und als grundlegendes Factum benutzt worden ist, ist von dem Anderen übersehen worden. Uebrigens sind, was aus dem Obigen er- hellen dürfte, die Meinungsverschiedenheiten gar nicht so gross wie die wechselnde Nomenklatur der verschiedenen Autoren glauben lassen könnte. Die Darstellungen von Urbantschitsch, Gradenigo,Kastschenko und in Betreff der früberen Stadien Piersol bestätigen einander in der Hauptsache. Die abweichenden Ansichten Kölliker’s, Tuttle’s, Mall's, Hoffmann’s, Siebenmann’s u. A. stimmen insofern überein als diese Forscher den Unterschied zwischen der primären Paukenhöhle und dem _ tubo-tympanalen Rohr übersehen haben und deshalb von einer Einengung der ursprünglichen Kavität nichts wissen wollen. Ein solches Uebersehen. beim Studium von Schnitten ist leicht erklärlich. Es können nämlich, ins- besondere bei den gewöhnlichsten Schnittrichtungen, der frontalen und der transversalen, die primäre Paukenhöhle und das tubo-tympanale Rohr bei der konservativen Beschaffenheit ihrer oralen Theile ähnliche, fast identische Bilder geben, und es ist dann eine sehr eingehende rekonstruktive Bearbeitung der ganzen Serie erforderlich, um den Unterschied zu entdecken. Hierzu kommt, dass in einigen Fällen wie z. B. vonSiebenmann (1894) die Untersuchung überhaupt garnicht bis zu der Periode, wo die Eın- engung stattfindet, ausgedehnt wurde. Kapitel III: Die Entwicklung des tubo-tympanalen Rohrs von der ersten Hälfte des dritten Embryonal- monats bis zur Geburt: Umformungsperiode. Unsere bisherige Kenntniss von den in dieser Periode sich abspielenden Vorgängen ist recht dürftig. Fast alle Spezial- untersuchungen beschränken sich auf die früheren Entwicklungs- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 523 perioden, und die Frage nach der ersten Herkunft des tubo- tympanalen Raumes und die Anlage und Bedeutung der Gehör- knöchelchen scheinen fast ausschliesslich das Interesse der Forscher absorbirt zu haben. Eine mehr eingehende Unter- suchung über diese spätere Entwickelungsperiode kenne ich überhaupt nicht, und die sehr allgemein gehaltenen Angaben der Lehrbücher gehen nur in einzelnen Punkten etwas mehr auf Einzelheiten ein. I Und doch kann man wohl ohne Uebertreibung behaupten, dass die Entwicklungsgeschichte für die richtige Auffassung der beim Erwachsenen obwaltenden Verhältnisse der Paukenhöhle ebenso unumgänglich ist, wie die entsprechende Kenntniss in Betreff des Peritonäums für die Orientirung in der Bauchhöhle. Es zeugen auch die einerseits sehr knappen, andererseits manch- mal unklaren Angaben über die Topographie der Paukenhöhle hinreichend davon, dass der ordnende Einfluss der Embryologie sich hier noch nicht geltend gemacht hat. Es ist freilich wahr, dass die Variationen in den Ver- hältnissen der Paukenhöhle weit grösser sind, als beispielsweise in der Bauchhöhle normal der Fall ist. Aber eben deshalb wird die Bedeutung der Embryologie um so viel grösser! In ihr liegt eben der Schlüssel zu einer systematischen Zusammen- stellung und einer richtigen Würdigung dieser Wechselungen. Ein mehrfach hervorgehobener Punkt in der Embryologie der Pauken- höhle ist die Enge derselben. Diesbezüglich heisst es bei Kölliker (1819) pag. 749: „Der Canalis pharyngo-tympanicus oder die spätere Tuba und Cavitas tympani ist in diesem Stadium (Schafembryo von 27 mm) schon sehr eng und zwar am engsten in dem Abschnitte, der später zur Pauken- höhle wird, es vergrössert sich jedoch nach und nach sein tympanaler Theil in der sagittalen Richtung und gestaltet sich zu einem seitlich platt gc- drückten Hohlraum, während die spätere Tuba mehr kanalartig bleibt. Dagegen verengern sich die Höhlungen dieser Räume in der Richtung von aussen nach innen je länger je mehr und nähern sich deren Wandungen bald so, dass dieselben sich berühren und das Lumen ganz oder nahezu ganz schwindet.* Diese Darstellung ist auch von O0. Schultze (1897) übernommen worden. Hertwig (1898) und A. haben ähnlich lautende Angaben. Nach Minot (1894 p. 765--66) soll sogar eine Verwachsung der gegenüberliegenden Wandungen eintreten und das Lumen der Paukenhöhle und der Tube „eine Zeit lang“ nur potentiell vorhanden sein. Diese Spaltenform der Paukenhöhle und der Tube wird im all- gemeinen mit der Entwicklung des peritympanalen Gallertgewebes in 524 J. Aug. Hammar: Zusammenhang gebracht. Dieses Gewebe soll zuerst von v. Tröltsch (1860) beobachtet worden sein. Nach ihm „findet sich in der Paukenhöhle des Fötus und des Neu- gebornen kein freier Schleim, sondern dieselbe ist ausgefüllt von einer: Wucherung des Schleimhautüberzuges, und zwar der Labyrinthwand, welche ähnlich einem dicken Polster bis zur glatten Oberfläche des Trommelfells- sich erstreckt und mit ihrer Oberfläche demselben dicht anliegt. Dieses- beim Durchschnitte schleimig gallertige Polster besitzt eine gefässtragende, mit schönem kernhaltigem Plattenepithel bedeckte Oberfläche und besteht aus embryonalem Bindegewebe (Virchow’schem Schleimgewebe), aus einem prächtigen Zellennetz in schleimiger Grundsubstanz.“ Es wurde dieses Gewebe in der Folge Gegenstand vieler Unter- suchungen und zwar hauptsächlich auf Grund der forensischen Bedeutung, welche der sich auf sein Verhalten gründenden Ohrprobe für die Beur-- theilung der stattgefundenen Athmung des Neugebornen von gewissen. Autoren (Wreden, 1868, Wendt 1873) zugemessen wurde. Die Ohr- probe wurde sogar als geeignet erklärt, „innerhalb gewisser Schranken die Lungenprobe zu ersetzen“ (Wendt, 1873, p. 124). Auch in den anatomischen Schilderungen spielt dieses Gewebe eine grosse Rolle, obgleich offenbar sowohl in Betreff des Zeitpunktes seines Ent- stehens wie desjenigen seines Verschwindens, wie auch über seine Aus- breitung recht grosse Unsicherheit herrscht. In ersterer Beziehung habe ich keine genauen Angaben finden können; es ist aber deutlich, dass gewisse Forscher seine Entstehung als sehr früh annehmen. So lässt z. B. Moldenhauer (1876) seine Umwand- lung in faseriges Bindegewebe schon im 6. Monate beginnen und am Ende des 7. beendet sein, Für eine mehr oder weniger vollständige Rückbildung dieses Ge- webes schon im Fötalleben treten ausser Moldenhauer, Zaufal (1870), Kutscharianz (1875), Schmaltz (1877) und Siebenmann (1898) ein, während ausser v. Tröltsch, dessen Aeusserung oben angeführt wurde, auch Wreden (1868), Wendt (1873), die Lehrbücher von Kölliker (1879), Minot (1894),0. Schultze (1897), Kollmann (1898), Hertwig (1898) u. A. sich für die Ansicht aussprechen, dass das Verschwinden des Gallertgewebes in die erste Zeit des Postfötallebens fällt. Meistens wird dieses Verschwinden mit dem Eintreten der Athmung in ursächliche Be- ziehung gebracht. Was die Lokalisation dieses Gewebes anlangt, trifft man sonder- barerweise fast durchgehends den Ausdruck an, dass es in der Pauken- höhle liegt, die Paukenhöhle ausfüllt u. s. f. Obgleich es sich für die meisten Autoren nur um einen falsch gewählten Ausdruck handeln dürfte und sie sich offenbar bewusst sind, dass das Gewebe extra-tympanal liegt, fehlt es bei einigen nicht an Anzeichen, dass sich bei ihnen wirklich falsche Vorstellungen in Betreff der Lage des Gewebes an die gebrauchten Worte geknüpft haben. Als entschieden irreleitend ist dieser Ausdruck unbedingt zu vermeiden, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 525 Wie schon angeführt ist, verlegt v. Tröltsch (1860) das fragliche Gewebe nur an die Labyrinthwand der Paukenhöhle. Im Gegensatz zu ihm lässt es Wendt (1873) alle Wände der Paukenhöhle ausser dem Pauken- fell umfassen, und nach Wreden (1868) kommt es sogar in der letzt- genannten (worin Hertwig (1898) ihm beizupflichten scheint) und in der Umgebung der Tube vor. Die Angaben verschiedener anderer Autoren lauten mehr unbestimmt. So verlegen es Minot (18%) und Kollmann (1898) lediglich in die Umgebung der Gehörknöchelchen. Eigene Untersuchungen. Embryo von 24,4 mm. N], Mod. XIH. (Fig. 2022). Die Abschnürung des tubo-tympanalen Rohrs vom Schlunde scheint jetzt beendet und seine Verlängerung durch selbst- ständigen Zuwachs, von welchem Prozess die folgenden Stadien noch deutlichere Anzeichen darbieten, schon begonnen zu sein. Die Sonderung des Rohres in einen kürzeren und schmäleren, lateral gerichteten Anfangstheil und ein längeres und breiteres, noch beinahe rein nach aussen und hinten!) ge- richtetes tympanales Endstück ist weiter durchgeführt. Das Rohr besitzt von jetzt ab in seiner ganzen Länge eine platt gedrückte Gestalt mit nur zwei Wänden, die sich in drei freien, abgerundeten Rändern begegnen. Dabei ist es etwas spiralig gedreht, so dass die eine Wand, welche im Tubartheil nach hinten und oben liegt, am Uebergang in den tympanalen Theil allmählich eine fast rein obere wird und die andere gleichfalls aus einer vorderen unteren in eine rein untere Stellung um- biegt. Von den Rändern wird der im Anfange vordere obere im tympanalen Theil nach vorn und lateralwärts gerichtet, der hintere untere nach hinten und medialwärts.. Der end- ständige dritte Rand sieht lateralwärts und nach hinten. Trotz der stattgefundenen Umgestaltungen lassen sich diese einzelnen Theile unschwer auf die verschiedenen Ab- schnitte der primären Paukenhöhle zurückführen. Der Anfangs (bei * Fig. 20) schwach knieförmig gebogene, dann im Ganzen ziemlich gerade vordere laterale Rand hat den Character der tubo-tympanalen Rinne recht gut behalten. Diese läuft immer ı) Betreffs der Lagebezeichnungen beachte man das in der Einleitung über dieselben Angeführte.e Die Bezeichnungen oben, unten, vorn und hinten beziehen sich auf die Körperachse und haben die in der menschlichen Anatomie gewöhnliche Bedeutung. 526 J. Aug. Hammar: noch in den auch hier spitz auslaufenden Recessus anterior (Rec. ant. Fig. 20) hinaus. Medialwärts von der Basis desselben kreuzt der Meckel’sche Knorpel (Meck. Fig. 20—22) schief ab- wärts einwärts vorwärts vorbei. Unmittelbar rückwärts vom Recessus anterior, eben an der Stelle, wo der vordere laterale Rand unter rechtem Winkel in den hinteren lateralen übergeht, schneidet die rundliche Incisura tensoris (T. E. Fig. 20) tief ein. Ihre hintere Be- grenzung bildet der ebenfalls spitze Recessus posterior (Rec. post. Fig. 20) welcher das scharf hervorspringende vordere Ende des hinteren lateralen Randes ausmacht. Letzterer Rand, in welchem man die hintere tympanale Rinne erkennt, läuft auch an seinem hinteren Ende, wo er spitzwinklig in den hinteren medialen Rand übergeht, in einen zipfelförmigen dritten Recess, den Recessus tympani tertius,!) (Rec. III, Fig. 20, 21) aus. Dieser, wovon zwar schon in den beiden vorigen Modellen Andeutungen vorhanden waren, ist eine Neu- bildung. Wie die folgenden Stadien lehren, hat er nur eine ziemlich übergehende Bedeutung. Während die beiden die In- cisura tensoris umgreifenden Recesse etwas nach unten umge- bogen sind, hat dieser Recessus tertius eine gegentheilige Richtung nach oben, wodurch der hintere laterale Rand im Ganzen einen schwach S-förmigen Verlauf erhält. Der mediale hintere Rand ist der durch die in der vorigen Periode vollzogene Abschnürung der primären Pauken- höhle neu entstandene. In seiner lateralen Hälfte (bei ** Fig. 20) ist er recht stark nach hinten konvex ausgebuchtet, wodurch wesentlich die auffallende Breite des tympanalen Theils des Rohrs bedingt wird. Die mediale Hälfte des Randes wiederum ist, der geringeren Breite des tubaren Rohrstücks ent- sprechend, in derselben Richtung konkav. Von den beiden Wänden ist die obere (von ihrer Aussen- fläche gesehen) in ihrem lateralen Theil, der Wölbung der gegenüberliegenden Cochleafläche (Cochl. Fig. 20—22) konform, grösstentheils löffelförmig ausgehöhlt. Die entsprechende Ein- buchtung an der (gegen das Lumen sehenden) Innenfläche der Wand ist der Rest des Schneckeneindrucks, das (primäre) Pro- montorium. Dicht hinter der Incisura tensoris liegt das den ’) Im Modelle links etwas besser ausgeprägt als rechts. Studien über die Entwicklung :des Vorderdarms ete. 527 Steigbügel (Stap. Fig. 20—22) tragende Crus long. ineud. (Cr. 1. Fig. 21) der fraglichen Wand nahe an. Diese Wand ist offenbar aus der dorsalen Wand der primären Paukenhöhle (also aus den dorsalen Wänden der tubo-tympanalen und der hinteren tympanalen Rinne nebst angrenzenden Theilen der Im- pressio cochlearis) hervorgegangen. Die untere Wand ist in ihrer grössten Ausdehnung aus- gebuchtet. Nur an der unmittelbaren Verlängerung der In- eisura tensoris zeigt sie (an der Aussenseite) einen rinnen- förmigen Eindruck, die Impressio manubrii, welche den Hammer- griff in sich aufnimmt. Die Beziehung zwischen dem letzteren und der Paukenhöhlenwand ist etwas verändert. Die Höhle hat sich über die obere Fläche des Hammergriffs ausgedehnt, wo- durch sich dieselbe jetzt einerseits durch die Ineisura tensoris in die Impressio manubrii hineinschiebt, andererseits nicht länger mit seinem Ende, sondern beinahe mit seiner ganzen oberen Fläche der unteren Paukenhöhlenwand anliegt. Diese untere Paukenhöhlenwand ist dadurch entstanden, dass sowohl die Im- pressio manubrii, als die aborale Wandfacette mit der latero- oralen Wand zu ihrer Bildung zusammengetreten sind, wozu sich Vorbereitungen schon im Mod. XII zeigten. Die dort vor- handene ventrale Wand ist noch mehr verschmälert worden und in den lateralen hinteren Rand aufgegangen. Die untere Fläche des Hammergrifts und die die Impressio manubrii umgebende Partie der Paukenhöhlenwand liegen einer vom äusseren Gehörgange ausgehenden’ dünnen soliden Epithel- lamelle — die Gehörgangplatte (Gepl. Fig. 21, 22) — dicht an; die zwischenliegende Bindegewebsschicht ist ganz dünn und bildet die Lamina propria des definitiven Paukenfells. Bei der Summirung lassen sich die Abplattung des tubo-tympanalen Rohrs und seine mit der Aus- bildung des Recessus tertius beginnende grössere Zunahme an Breite im Paukenhöhlentheil als die wichtigsten neuen Momente anführen. Menschenfötus ‘von 31’ mm NL, ’ Mod. XIV (Fig. 26, 27). Die veränderte Richtung der tubo-tympanalen Rohre fällt hier gleich auf. Statt, wie in den vorigen Stadien, fast in einer und derselben Ebene zu liegen, haben sie sich hier derart aufgerichtet, dass jedes Rohr mit dem Mittelplan einen 528 J. Aug. Hammar: etwa 45 gradigen und beide miteinander somit einen rechten, aufwärts rückwärts offenen Winkel bilden. Ich sehe in dieser Lageveränderung eine Wirkung der fortschreitenden Verdickung der jetzt knorpeligen Schädelbasis, insbesondere der auffallenden Verlängerung der knorpeligen Schnecke, wodurch der Schlund immer noch abwärts gedrängt wird und die tubo-tympanalen Rohre gleichsam gezwungen werden, sich an der Wand der knorpeligen Schnecke entlang aufzurichten. Indem sie sich dabei derselben näher anschliessen, sind sie aus ihren früheren fast horizontalen in eine fast fron- tale Stellung übergetreten, und zwar so, dass die obere Fläche eine obere „innere, die untere eine untere äussere ge- worden ist.!) Diese Auffassung giebt auch eine hinreichende Erklärung der Abbiegung, welche die Gehörgangplatte (Fig. 27, Ggpl.) hier erfahren hat und wovon mehr im folgenden Kapitel die Rede sein wird. Die spiralige Drehung des Rohrs ist mit der Lagever- änderung schwächer geworden, sonst sind die Verhältnisse den- jenigen im vorigen Modelle recht ähnlich, in gewissen Hin- sichten aber besser ausgeprägt. Die immer noch platte Tube ist somit im Längenzuwachs fortgeschritten. Sie bildet mit der Paukenhöhle am Uebergange in dieselbe einen schwachen, immer noch deutlichen, nach unten offenen stumpfen Winkel. Am oberen Rand der Paukenhöhle (der früheren vorderen tympanalen Rinne) tritt unmittelbar vor der Basis der vorderen Recesse eine durch den hier anliegenden in ı) Die Stellung der Paukenhöhle ist hiermit keine fixe geworden. Ins- besondere tritt sie in der Folge nochmals in eine fast horizontale Lage über. Diese Wechslungen sich auch in den Bezeichnungen abspiegeln zu lassen, wodurch z. B. die äussere Wand in gewissen Stadien als die untere, der untere Rand als der innere zu bezeichnen wäre, würde meines Er- achtens die Schwierigkeiten für das Verständniss der folgenden Darstellung nicht unwesentlich erhöhen. Ich habe deshalb den Ausweg ge- wählt, von jetzt ab eine fixe Terminologie der Wände und der Ränder derPaukenhöhle zu benutzen, und zwar dieselbe, welche konventionell in den Beschreibungen der Pauken- höhle des Erwachsenen vielfach gebraucht wird. Ich nenne also die Labyrinthwand der Paukenhöhle die mediale oder innere, auch wenn sie mehr nach oben liegt; die Paukenfellwand ist die laterale oder äussere, die Tubenmündung liegt vorn, das Ende des tubo-tympanalen Rohrs nach hinten u. Ss. w. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 529 Proc. Folii bedingte Einbuchtung hervor. Dahinter sind die kräftig ausgeprägten Paukenfelltaschen (Rec. ant. und Rec. post.) immer noch mit deutlicher Richtung nach aussen zu sehen. Die vordere Tasche hat ihre frühere Lage in dem Winkel zwischen dem Hammerkopf und dem Meckel’schen Knorpel behalten. Der Recessus tertius (Rec. III) ist nun auch stark zipfelig ausgezogen und um den vorderen Rand. des Schneckenfensters auffallend einwärts gebogen. Die Aussackung des unteren Randes ist auch bedeutend ver- grössert, so dass sie als eine Art „grosse Kurvatur“ den Pauken- höhlen-Abschnitt dieses Randes umfasst. (Fig. 26 bei **). Die beiden Wände des tubo-tympanalen Rohrs sind im tubaren Gebiete plan. Im Bereiche der Paukenhöhle ist die innere Wand auch hier promontoriumartig eingebuchtet. Nur wird durch die tiefe. auch diese Wand beeinflussende Impressio: manubrii dicht am oberen Rande eine nicht unbedeutende Aus- buchtung hervorgerufen. Die laterale Paukenhöhlenwand ist, wenn man von der tief einbuchtenden Impressio manubri und den sie umfassenden, lateralwärts abstehenden Paukenfelltaschen absieht, im Grossen und Ganzen ziemlich flach. Das Lumen der Paukenhöhle ist schmal, fast spaltenförmig, aber überall deutlich vorhanden. Der Uebergang des tubo-tympanalen Rohrs aus einer fast horizontalenStellung in eine beinahe frontale, die fortschreitende Zunahme der Tube an Länge und die Zunahme der Paukenhöhle an Breite (welche letztere Zunahme sich u. A. in der bedeu- tenden Verlängerung desRecessus tertius äussert) characterisiren das vorliegende Stadium. Fötus von 50mm. Steiss-Scheitellänge, Mod. XV (Fig. 28,51). Die hier in Betreff der Mittelohrräume herrschenden Verhältnisse schliessen sich dem soeben beschriebenen recht nahe an. Die Tube hat dieselbe platte Gestalt und fast dieselbe Länge wie im vorigen Modell. Auch hier geht sie unter stumpfem Winkel in die Paukenhöhle über. Die Wände der Paukenhöhle stehen in ihrem vorderen Theil fast vertikal, gehen aber rückwärts in eine allmählich 530 J. Aug. Hammar: immer geneigtere Stellung über. Indem somit die mediale Wand allmählich eine obere, die laterale eine untere wird, ist auch hier die schon von der ersten Entstehung des tubo-tym- panalen Rohrs an sichtbare spiralige Drehung desselben deut- lich hervortretend.. Am oberen Rande der Paukenhöhle tritt die durch den Processus Folii bedingte Einbuchtung noch deut- licher hervor. Hierdurch entsteht nach vorn von ihr eine zipfelförmige Verlängerung der Höhle nach oben und etwas nach aussen, welche Verlängerung sich als ein vierter Recess (Rec. IV, Fig. 28) darstellt, ihrer Vergänglichkeit wegen aber einen besonderen Namen kaum beansprucht. Der Recessus tertius (Rec. III, Fig. 285) wiederum ist in der Breite fast verdoppelt, während seine Höhe nicht grösser, sondern etwas geringer ist. Er hat dadurch seinen früheren zipfeligen Character eingebüsst und ist auch weniger scharf abgesetzt. Nach vorn vom Recessus tertius ist der untere Rand der Paukenhöhle nach innen und oben umgebogen (Fig. 28 und 50), so dass er dem unteren Ende der Schnecke gegenüber eine nach oben offene Rinne bildet, ein Verhältniss, wovon schon im Modell XIV Andeutungen vorhanden waren. Das Bemerkenwertheste in diesem Stadium ist das Ver- halten des Lumens. (Fig. 50). Im Bereiche der Paukenhöhle liegen nämlich die epithelialen Flächen der Wände sich grössten- theils so dicht an, dass ein Lumen nicht zu entdecken ist!). Insbesondere ist dies im Bereiche der Impressio manubrii der Fall. Die Abflachung der Epithelzellen ist hier eine derartige, dass sie sich kaum zwischen den ebenfalls platten Bindegewebs- zellen der Umgebung wiederfinden lassen. (Hgr. gegenüber Fig. 50). Im Bereiche der Paukenfelltaschen (Rec. ant. Fig. 50) ist der Anschluss ein weniger inniger, und hier ist noch ein freies Lumen bewahrt. Das partielleAufheben des freien Paukenhöhlen- lumens, das Auftreten eines Recessus quartus und die Zunahme an Breite und das Undeutlichwerden !) In wiefern hierbei ein wirkliches Verschmelzen der Epithelschichten oder nur eine dichte Anlagerung derselben aneinander vorhanden ist, ge- stattet der Konservirungszustand des Materials nicht zu entscheiden. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc, . 531 desRecessus tertius sind unterden neuen Momenten dieses Stadiums besonders hervorzuheben. Der etwa 51 mm lange Menschenfötus, Mod. XVI, zeigt Verhältnisse, die nicht unbedeutend weiter vorgeschritten sind als die zuletzt geschilderten. Der Konservirungszustand des Epithels ist aber ein. schlechter, so dass die Bindegewebs- grenze für die Rekonstruktion als Grund gewählt werden musste. Es ist deshalb auch nicht möglich, über das Verhalten des Lumens Bestimmtes anzugeben. Nach der geringen Breite des Raumes zwischen den gegenüberliegenden Bindegewebs- flächen zu urtheilen, dürfte auch hier eine Lichtung kaum vor- handen sein. In seinen Formenverhältnissen, wenn auch nicht in den Dimensionen (Tab. IH) stimmt das Modell mit dem des 70 mm langen Fötus so nahe überein, dass ich direkt zu der Schilderung des letzteren, welches sich auf ein tadellos er- haltenes Material basirt, übergehen kann. Menschenfötus von 70 mm St. Sch. L., Mod. XVL, (Fig. 30, 31, 52, 53). Von jetzt ab habe ich nur das eine tubo- tympanale Rohr nebst dem äusseren Gehörgange und gewissen anderen angrenzenden Theilen rekonstruirt. Die Richtung des. Rohrs lässt sich auch unter solchen Verhältnissen bei der Ver- gleichung der Schnitte recht gut angeben. Sie ist fortwährend eine von vorn und innen nach aussen und hinten unter nur schwacher Ablenkung nach oben gehende. Die Spiraldrehung ist unverändert. Die Theilung des Rohrs in Ohrtrompete und Paukenhöhle ist mehr augenfällig als bisher, indem sich die Ohrtrompete als. ein Rohr mit rundlichem Querschnitte (im Mod. XVI ist sie noch platt) von der weit breiteren Paukenhöhle deutlich abhebt; der Uebergang geschieht aber nicht plötzlich, sondern unter trichterförmiger Verengung der Paukenhöhle. Wie aus der beigefügten Tab. III ersichtlich ist, hat die Tube weit rascher an Länge zugenommen als die Paukenhöhle. Jene hat sich nämlich in der Zeit zwischen dem Embryo von 3l mm und dem vorliegenden mehr als viermal verlängert, während in derselben Zeit die Dimensionen der Paukenhöhle im Allgemeinen nur 2—2,5 mal vergrössert worden sind. Dabei J. Aug. Hammar: 532 Tab. III. Länge der Paukenhöhle Breite der Paukenhöhle Mod. Länge Brotte am oberen am unteren et | onen von der Spitze Rande bis an , Rande bis an Bas des entze das Ende des Rec. post. No. der Tube der Tube | die Basis des | die Spitze des 2 der Impressio, bis an die : Rec. ant. Rec. ant. F - Rec. post. Rec. tert. re ner über | quer über Spitze des entlang entlang d d | Rec. tert. mm mm mm mm mm mm mm mm XIV 24/55 =0,40 | 5/55 —=0,66 | 0/5 —1,64 1,23 = 079 097 > — 0A 0 (rechts) XV 20 | 076 "ls = 1,88 9/42 — 2,33 Ta era RL er Kr Be ea a re on 5) (links) XVI DE al, ea 0,82 86/49 == 2,04 Bl — 2469 BB Hl la = OL BT (rechts) XVII Sl ee —0, | Mlln=,d7 Ne = 3,25 720 | 2321,10, 9%, 2,45 (rechts) XVIH — "ha =) 15 1718,08 NEE er 80m — 4,0: | Bl HB 388 bl (rechts) 533 Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. | (syy2aA) ET = or = = or OLT = er ar OT !!loa IIIAX (sIy931) eo Her LET Hl 290 = sr Kor 60T el 680 ler 20 Hr IIAX | (sIy29A) Fo Hlar 80 = "Floe 90 = Fl so | or Fo Fler Ho IAX | (syur) 270 = "az 080 = lie 98.0 = "rn oro=Hn | 20h er = laı v0 ler AX (SPAN) ro > “elge 60 “lee er0 > “los 8E0 > lee gE0 = "le BE = "le BE = le AIX ww ww wUL wuu www wu wuıI sıseg T9p uw sısegq Top uw sıseg Pp ur ansıuf op 9dur] 9dur] 9SuR] ‘oN yaıgT aıg, euhenter OPLL | 'pom | aa) oT 3sod »ay yue Day ‚(Sunz}os}10]) III '4®L 534 J. Ang. Hammar: ist der Querdurchmesser der Tube nicht gewachsen, nach den Modellen zu urtheilen sogar etwas geringer geworden, was in der erfolgten Eröffnung des Lumens von der Spaltenform zur rundlichen Gestalt seine ungesuchte Erklärung findet. An ihren beiden Enden ist die Tube schwach trichterförmig erweitert. Die Paukenhöhle besitzt nunmehr wiederum überall ein deutliches und weites Lumen. (Fig. 52, 53.) Sie hat eine ab- geplattete Eiform. Ihr oberer Rand ist ganz schmal und bildet, mit Ausnahme einer auch hier vorhandenen, aber kaum mehr als angedeuteten Biegung nach abwärts (Fig. 31 *), am Ueber- gang in die Tube eine ziemlich gerade Fortsetzung der oberen Tubenwand. Die durch den Processus Folii bedingte Einkerbung sowie der Recessus quartus sind wieder fast völlig rückgebildet. Am hinteren Ende dieses Randes befindet sich die Incisura . tensoris, (T. E. Fig. 31) welche, dadurch, dass sich die um- gebenden beiden Recesse um die äussere Fläche des Hammer- griffs herum fast bis zum Begegnen entgegengewachsen sind, einen fast geschlossenen Ring darstellt (Fig. 30). Der hintere Paukenhöhlenrand lässt sich von der Spitze des Recessus posterior rechnen. Er geht von dort in rückwärts konvexem Bogen nach unten, um sich ohne scharfe Grenze in den unteren Rand fortzusetzen. An der Umbiegungsstelle deutet eine wenig markirte, breit zungenförmige Ausbuchtung den Platz des dritten Recesses an. (Rec. III, Fig. 31). Diese Ausbuchtung ist auch hier etwas medialwärts umgebogen und schmiegt sich der knorpeligen Wand der Cochlea und dem das Schneckenfenster ausfüllenden Bindegewebe recht nahe an (Fig. 52). Sie stellt den Ort der grössten Breiten-Aus- dehnung der Paukenhöhle dar. Von hier ausgehend, nähert sich der untere Rand, in abwärts konvexem sanften Bogen nach vorn verlaufend, allmählich wieder dem oberen. Von den beiden Wänden ist die mediale in ihrer grössten Ausdehnung von der knorpeligen Schnecke gegen das Lumen hin eingebuchtet, d. h. das Promontorium (Prom. Fig. 31, 52) umfasst noch fast die ganze Wandfläche. Nur in der Nähe des Tensoreinschnitts giebt es eine kleine, nach oben und innen sehende Wandfacette, welche grösstentheils den Paukenfell- taschen angehört. Es sind die ursprünglich nach oben sehenden Flächen der letztgenannten Facette, welche sich, da die Taschen Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 535 ihre Spitzen nunmehr weniger nach aussen, als nach oben kehren, mit der medialen Wand einverleibt zeigen. Die also gebildete kleine Facette ist mehr eben und liegt im Bereiche der hinteren Paukenfelltasche dem Crus longum ineudis und zwar der lateralen Fläche desselben dicht an (Cr. 1. Fig. 30 und 53). An der vorderen Hälfte der Facette entlang zieht der M. tensor tympani, um sich am Grunde der nach ihm benannten Ineisur. an den Hammer zu befestigen. Die äussere Paukenhöhlenwand wird in ihrer grössten Aus- dehnung an drei Seiten von dem C-förmigen, nach oben offenen Annulus tympanicus (Ann. t. Fig. 30, 52, 53) umsäumt. Die Wand ist im Ganzen schwach sattelförmig, mit der äusseren Wandfläche von oben nach unten, der Krümmung der knor- peligen Cochlea gemäss, konvex, von vorn nach hinten schwach ausge- höhlt. Dies hängt mit dem Persistiren einer schwachen spiraligen Drehung zusammen, durch welche bewirkt wird, dass sich die laterale Wand in ihrem hinteren oberen Abschnitt immer mehr nach aussen neigt. Der durch den Annulus tym- panicus umschriebenen Fläche der lateralen Wand gegenüber liegt die jetzt rundliche Gehörgangplatte. (Ggpl. Fig. 32, 52, 53). Die beiden epithelialen Gebilde sind nur durch eine ganz dünne Schicht festen Bindegewebes — Lamina propria des Pauken- fells — von einander getrennt. An dem unteren Paukenhöhlenrande entlang verläuft die A. carotis interna (Car. int. Fig. 52) in langsam aufsteigender Richtung, um am Uebergang von der Paukenhöhle zur Tube, einwärts von der Tube ihre Biegung nach oben zu machen und sie zu kreuzen. Längs dem hinteren Theil des unteren Randes liegt der Reichert’sche Knorpel (R. Fig. 30, 52, 53), während der obere Rand vom Meckel’schen Knorpel (Meck. Fig. 30, 52, 53) spitzwinklig gekreuzt wird. Durch eine stattgefundene Ver- längerung des Hammergriffs ist es bewirkt worden, dass die vordere Paukenfelltasche den Winkel zwischen dem Hammergriff und dem Meckel’schen Knorpel nicht so genau ausfüllt als früher (Fig. 30). Die noch knorpeligen Gehörknöchelchen liegen dem knor- peligen Labyrinth nahe an. Das vom Crus longum incudis unter spitzem Winkel ausgehende Crus breve (Cr. br. Fig. 30) liegt Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, 36 536 J. Aug. Hammar: sogar in einer Rinne des Knorpels eingesenkt. In der Gegend des Hammer-Amboss-Gelenkes geht eine recht dünne Knorpel- platte (Tegm. Fig. 30) von der Labyrinthwand fast sagittal nach vorn. An ihre laterale Fläche lehnen sich die genannten beiden Knöchelchen mit ihren Körpern dicht an. Diese noch vertikale Platte ist die Anlage des Tegmen tympani (ossis petrosi). Die für dieses Stadium neuen Formenverhältnisse der Paukenhöhle, durch welche die früher mehr zipfelige Gestalt derselben von einer mehr rundlichen abgelöst worden ist, lassen sich hauptsächlich darauf zurückführen, dass, wie aus der Tab. III hervorgeht, der Recessus tertins ungleichförmig an Grösse zugenommen hat. Bei einer Vergleichung des Mod. XIV mit dem Mod. XVII wird also ersichtlich, dass, während die Paukenfelltaschen im Längen- und Breitendurchmesser ziem- lich gleichmässig zugenommen haben und zwar dem allgemeinen Zuwachs der Paukenhöhle ziemlich proportional (etwa im Ver- hältniss 1:2,5) ist der Recessus tertius in der Länge weniger (etwa im Verhältniss 1:1,5), in der Breite bedeutend mehr (1:4) vergrössert worden. Der letztgenannte Recess ist also bedeutend breiter, aber relativ niedriger geworden. Hierdurch ist einerseits die im Mod. XIV vorhandene Einbiegung zwischen ihm und dem Recessus posterior, andererseits die Einbiegung zwischen ihm und der unteren Aussackung ausgeglichen worden. Hierzu kommt, dass der orale Paukenhöhlenrand, wie aus der Tabelle auch ersichtlich ist, an Länge nicht zugenommen hat. Indem also die Vergrösserung der Paukenhöhle vorzugsweise ihren hinteren unteren Abschnitt betroffen hat, ist die Ineisura tensoris aus ihrer ursprünglichen endständigen Lage gleichsam mehr nach dem oberen Rand geschoben worden. Von diesem Momente hängt es ab, dass das Ende des langen Amboss- schenkels der Paukenhöhlenwand in grösserem Umfange als früher anliegt. Eine Vergleichung zwischen den Fig. 18, 26 und 31 dürfte den stattgefundenen ungleichmässigen Zuwachs leicht klarstellen. Dieser Zuwachs der Paukenhöhle überwiegend im unteren hinteren Theil, die dadurch bedingte Abrundung dieses Abschnitts auf Kosten des Re- cessus tertius und die Verlegung der Incisura tensoris nach dem oberen Rande sind nebst der er- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. Dal folgten Aufrichtung der Paukenfelltaschen die für dieses Stadium am meisten kennzeichnenden Ver- änderungen. Menschenfötus von 110 mm. St.Sch.L., Mod. XVII (Fig. 33, 54—46). In Betreff der Richtung des Rohres und der fast vertikalen Stellung der Paukenhöhlenwände weichen die Verhältnisse von denen des vorigen Stadiums fast gar nicht ab. Die Paukenhöhle hat sich unter Ausbildung einer etwas mehr rundlichen Form etwa 2,5 mal vergrössert. Die im Quer- durchmesser immer noch ovale Ohrtrompete hat weniger (etwa 1,75 mal) an Grösse zugenommen, wodurch der Unterschied zwischen beiden noch mehr hervortretend geworden ist. !) Die Paukenhöhle ist sowohl in ihrem hinteren wie in ihrem oberen Theile wieder ganz eng, fast spaltenförmig geworden, ist aber überall mit einem deutlichen Lumen versehen (Fig. 54—56). Nur an zwei verschiedenen Stellen (Fig. 56) sind die Wände fast bis zum völligen Aufheben der Lichtung gegen einander gepresst. Die eine dieser Stellen ist dort, wo die innere Wand dicht an dem runden Fenster dem in Verknöcherung begriffenen Labyrinth anliegt. Die andere liegt an der Basis des hinteren Recesses und entspricht dem Processus lentieularis ineudis. Nach unten und nach vorn wird die Höhle immer geräu- miger, so dass sie gewissermassen eine Keilform mit oberer hinterer Schneide besitzt, und eine nach vorn am breitesten, rückwärts immer schmäler werdende untere Wand entstanden ist. Diese untere Wand ist, so viel sich sehen lässt, für die folgende Ent- wicklung von keiner grösseren Bedeutung; sie geht unter abge- rundetem rechtem Winkel in die äussere und unter spitzem Winkel in die innere Wand über. Nach vorn biegt sie in die ebenfalls breite vordere Wand um, und hier, am oberen inneren Theil der letzteren, mündet die Tube trichterförmig ein. Es ist also hier der vordere und der untere Rand derart verbreitert worden, dass sie besondere Wände darstellen, während der obere und hintere Rand ihren schmalen Charakter behalten haben. !) Hier und in den meisten der folgenden Modelle ist die Tube nicht in ihrer ganzen Länge rekonstruirt worden. Ihrem Längenzuwachs habe ich also nicht weiter nachgeforscht. 36* 538 J. Aug. Hammar: Von den übrigen beiden Wänden ist die äussere fast plan (Fig. 33), nur ganz schwach eingebuchtet. Sie wird in ihrer grössten Ausdehnung auch hier an drei Seiten durch den Annulus tympanicus (Ann. t. Fig. 33, 54—56), von dem sie einen leisen Eindruck erleidet, eingefasst. Der Tensoreinschnitt schneidet in radiärer Richtung tief (bis zur Hälfte des Radius) ein, ist aber mehr offenstehend, als im vorigen Stadium. Er nimmt nun fast die Mitte des oberen Randes ein (Fig. 33). In seiner Ver- längerung zieht die Impressio manubri in derselben Richtung fast bis zu dem Centrum der Wand. Die innere Wand der Paukenhöhle zeigt, fast noch mehr markirt als früher, die grosse, sich einwärts gegen die Lichtung wölbende Promontoriumfacette. An dem oberen Rande entlang zieht aber, mit dieser Facette einen stumpfen Winkel bildend eine immer noch schmale Facette, die jedoch im Vergleiche mit derjenigen des vorigen Stadiums eine deutliche Zunahme an Breite erkennen lässt. Ihr inden Bereich der hinteren Paukenfelltasche fallender Theil wird vom langen Ambossschenkel eingebuchtet, während ihr der vorderen Tasche angehöriger Theil, an welchem entlang der M. tensor tympani (Fig. 54, 55 T.I.) verläuft, mehr flach ist. Die Vergrösserung der Paukenhöhle, welche offenbar rascher als die der Umgebung erfolgt ist, hat bewirkt, dass ihre Wände eine innigere Anlagerung an die umgebenden Organe, theilweise auch eine andere Beziehung zu ihnen zeigen. Der hintere Ab- schnitt der Paukenhöhle hat offenbar am meisten an Umfang ge- wonnen. Dadurch ist die relative Verschiebung des Hammer- griffts nach vorn zu erklären ; derselbe nimmt jetzt ungefähr seine definitive Lage in der Mitte des oberen Randes ein. Ferner hat sich die mediale Wand in grösserer Ausdehnung als früher dem langen Ambossschenkel angelagert. Der hintere und untere Paukenhöhlenrand mit dem ihr anliegenden Theil des Annulus. tympanicus hat sich an dem Reiche rt’schen Knorpel (Fig. 33, 54—56 R.) vorbei eine Strecke nach hinten geschoben, so dass der Annulus von diesem Knorpel zweimal gekreuzt wird. Das immer noch knorpelige Tegmen tympani (Tgm. Fig. 53, 54 55) hat sich bedeutend vergrössert, bewahrt aber noch seine fast vertikale Stellung. Es legt sich dem Hammerkopf (Cap. Fig. 33) von innen her dicht an, während der Amboss jetzt der eigentlichen Labyrinthwand anliegt. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 539 Die vordere Paukenfelltasche ist wieder in den Winkel zwischen Hammergriff und Meckel’schem Knorpel hineinge- wachsen und hat sich demnach der Chorda tympani und der Anlage des Proc. Folii dichter angelagert. An dem oberen Rande der Tasche entlang verläuft der Meckel’sche Knorpel. Einwärts vom hinteren Theil der Paukenhöhle und in der Umgebung des Steigbügels') treten die ersten etwas deutlicheren Anzeichen des peritympanalen Gallertgewebes auf (Andeutungen desselben sind jedoch schon beim 50 mm Fötus zu sehen. Die fortschreitende Vergrösserung vorzugs- weise deshinteren Abschnitts der Paukenhöhle, das dadurch hervorgerufene Uebertreten des Hammergriffs inseine definitive radiäre Stellung unddiebeginnende Entwicklungdesperitympanalen Gallertgewebes sind für dieses Stadium besonders bemerkenswerthe Momente. Menschenfötus von 150 mm St. Sch. L. Mod. XIX (Fig. 40,57—59). Die veränderte Lage der Paukenhöhle springt hier gleich in die Augen. Aus der früheren ziemlich aufrechten Stell- ung (Neigung des Paukenfells gegen die Horizontalebene 50° bis 60°) ist diese Höhle wieder in eine beinahe horizontale (Neigung 10°’—20') übergetreten. Die mediale Wand sieht jetzt mit ihrer Aussenfläche vorzugsweise nach oben, die laterale vorzugsweise nach unten. Auch die umgebenden Theile haben eine ent- sprechende Verlagerung erfahren. Dieses steht mit den Umgestal- tungen, welche in der Fossa eranii media und der Fossa cranii post. eingetreten sind, im nahen Zusammenhange. Der Tempo- rallobus des Gehirns, welcher im vorigen Stadium nur als das stumpf konische untere Ende der im Ganzen nierenförmigen Hämisphärenblase hervortrat, hat jetzt eine deutliche Richtung vor- wärts und eine ausgeprägte Zungenform gewonnen. Dieser Ver- grösserung ihres Inhalts entsprechend, hat die Fossa cranii media ') Betreffs des Steigbügels soll eine in diesem Modelle befindliche Ano- malie nicht userwähnt bleiben. Der im Vorhofsfenster sitzende Theil des Stapesringes ist ganz schmal und erleidet unfern seiner Mitte, wo sich ein von dem oberen Fensterrand ausgehender Knorpelstreifen, obne mit dem Stapes in Verbindung zu treten, einschiebt, auf einer kurzen Strecke einen Abbruch. So bekommt man besonders an den Mediandurchschnitten des Knöchelchens Bilder, die der Ansicht von einem labyrinthären Ursprung der Stapesplatte anscheinend eine Stütze gewären. 540 J. Aug. Hammar: eine allseitige Vergrösserung erfahren. Sie ist dabei, wie aus den Abbildungen (Figg. 57—59) hervorgeht, sowohl tiefer, als breiter geworden. In ähnlicher Weise hat die hintere Schädelgrube mit der eben jetzt erfolgten Herauswachsung der Kleinhirnhämisphären eine Vergrösserung erfahren. Bei diesen Umgestaltungen ist die grösstentheils noch knor- pelige Pars petrosa gleichsam um ihre Längsachse nach vorn und aussen gedreht worden. Die Schnecke, welche im vorigen Stadium mit ihrer Achse fast in der Horizontalebene lag, hat sich hierdurch mit ihrer Kuppel gesenkt. (Vergl. die Fig. 58 mit Fig. 54). Das Tegmen tympani, jetzt in beginnender Ver- knöcherung begriffen, hat sich aus demselben Grunde mit seinem oberen Ende gesenkt, und da gleichzeitig der Winkel, unter welchem es von der Wand des Labyrinths ausging, ein wenig vergrössert worden ist, hat eseine fast horizontale Stellung erhalten. Die Gehörknöchelchen sind auch diesem Lagewechsel gefolgt, so dass der Hammergriff und der lange Ambossschenkel statt nach unten und etwas medialwärts nach innen und nur wenig abwärts gerichtet sind. Die frühere intime Lagebeziehung zwischen dem Hammerkopf und dem Tegmen tympani ist hierbei erhalten ge- blieben. Die periostalen Bindegewebsschichten der beiden Bil- dungen sind miteinander ganz verschmolzen (Fig. 58). Auch die Gehörgangplatte hat die Verschiebung des oberen Theils der Paukenhöhle nach unten mitgemacht, und dies unter Bewahrung ihrer Beziehung zur äusseren Paukenhöhlenwand. Eine Knickung mit nach oben offenem stumpfem Winkel ist dabei im äusseren Theil des Gehörganges eingetreten, wie im nächsten Kap. näher beschrieben werden wird. Bei der hier beschriebenen Umlegung der Paukenhöhle nach unten ist ihre Lichtung wieder verengert worden. Sie tritt jetzt fast durchgehends als eine Spalte hervor. Eine besondere untere und eine vordere Wand fehlen gänzlich. Während die Paukenhöhle ihre rundliche Totalform bewahrt hat und nur unbedeutend gewachsen ist, hat sich die bisher ganz kurze Ohrtrompete bedeutend verlängert (Tub. Fig. 34). Ihr Querdurchmesser ist nur unbedeutend geringer als im vorigen Stadium, ihr Querschnitt aber durch Anlagerung des Tubenknorpels an der medialen Seite sichelförmig eingedrückt. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 541 An der Uebergangsstelle der Tube in die Paukenhöhle ist noch eine leichte Spiraldrehung zu bemerken. In Betreff der Einzelheiten der Paukenhöhle ist noch einiges anzuführen. Der Tensoreinschnitt hat etwa dieselbe Tiefe wie im Mod. XVIII, liegt aber entschieden nach vorn von der Mitte des oberen Trommelfellrandes, so dass die hintere Trommelfelltasche die vordere an Grösse nicht unbedeutend übertrifft. Das Ende” des Hammergriffs hat eine entsprechende excentrische Lage nach vorn. Es hat also der überwiegende Zuwachs des hinteren Abschnittes der Paukenhöhle die Grenze überschritten, welche durch die Symmetrie des Paukenfells gesetzt ist. Diese und ähnliche, im Mod. XXII vorkommende Verhält- nisse stimmen ja mit den öfter bei Erwachsenen herrschenden gut überein. Die mediale Wand zeigt unmittelbar am Grunde des Tensor- einschnittes eine unscheinbare Ausbuchtung (sacc. m. Fig. 34), welche sich zwischen die Tensorsehene (Tt.)und den langen Amboss- schenkel (Cr. 1.) schiebt. Wie die folgenden Stadien lehren, ist sie die erste Andeutung der hier später sich ausbildenden mäch- tigen Aussackung (Saccus medius s. u.), welcher u. A. der grösste Theil des Aditus und das Antrum ihren Ursprung verdanken. Von den beiden Facetten dieser Paukenhöhlenwand hat die obere, welcher u. A. der Musculus tensor tympani und der Mus- culus stapedius anliegen, nicht unbedeutend an Breite gewonnen, so dass die hier nur schwach einbuchtende Promontoriumfacette (prom. Fig. 34) auf die untere Hälfte der betreffenden Wand beschränkt worden ist. An der medialen Wand der Paukenhöhle entlang ist nun ein Gallertgewebe in Entwicklung begriften, welches den Zwischen- raum zwischen dem Labyrinth und der Paukenhöhle ausfüllt und in seinem hinteren oberen Theil den Steigbügel nebst dem langen Ambossschenkel und die Stapediussehne einhüllt. Da dieses (Gewebe im Bereiche des eigentlichen Cavum tympani liegt, nenne ich es das tympanale Gallertgewebe (t. G. Fig. 57—59). Nach oben setzt sich dieses Gewebe um den Körper des Hammers und des Ambosses bis nach der vorläufig nur ganz dünnen Schläfenbeinschuppe fort. Diesen dem epitympanalen Raum zu- nächst präformirenden Abschnitt des Gallertgewebes nenne ich das epitympanale Gallertgewebe (ep. G.). 542 J. Aug. Hammar: Den Uebergang der Paukenhöhle in eine mehr horizontale Lage, ihre spaltenförmige Verengung und das Herausbilden eines mehrtypischen (tympa- nalen unnd epitympanalen) Gallertgewebes hebe ich hier rekapitulationsweise hervor. Menschenfötusvon 190mm St Sch. L.ModellIXX (Fig. 35, 60—62). Hier ist die im vorigen Stadium ein- getretene Umlegung der Paukenhöhle nach unten {wieder ein wenig rückgängig geworden, so dass die Neigung des Trommelfells gegen die Horizontalebene etwa 30° beträgt. Auch die Gehörknöchelchen haben sich dementsprechend aufgerichtet. Im vorigen Stadium erschienen sie durch das dem Hammerkopf dicht anliegende Tegmen tympani wie herabgedrückt. Hier wölbt sich nun das Tegmen nach oben, wodurch der von epitym- panalen Gallertgewebe ausgefüllte Raum, der den grössten Theil des Hammers und des Ambosses beherbergt, weit geräumiger geworden ist und der Hammer trotz seiner mehr aufrechten Stellung durch einen vom Gallertgewebe erfüllten Zwischenraum in grösserer Ausdehnung vom Tegmen getrennt bleibt (Fig. 60, 61). Ich habe das Gebiet des Gallertgewebes im Mod. XXa rekonstruktiv wiedergegeben, komme aber später noch einmal darauf zurück (Fig. 36, 37). Dass die Wiederkehr des Tegmens in eine mehr diagonale Stellung nicht einfach durch erneute Aufrichtung desselben, sondern durch eine von unten erfolgte Resorption seines Knochen- gewebes hervorgerufen worden ist, dieses anzunehmen liegt nahe an der Hand. Resorptionszeichen sind indessen an der unteren Tegmenfläche nicht nachweisbar; der ursprünglich angelegte enchondrale Knochen ist zwar grösstentheils nicht mehr vorhanden, sondern das Tegmen besteht hauptsächlich aus periostalen Knochen- trabekeln ; diese liegen aber nach unten vom Enchondral- knochen. Die Annahme einer Vergrösserung des epitympanalen Gebiets durch Resorption des knöchernen Tegmens findet also durch die Verhältnisse des fraglichen Objektes keine Stütze. Dass aber in der Folge wirklich ein solcher das Tegmen ummodelli- render Resorptionsprozess stattfindet, lässt sich unschwer nach- weisen. Die allgemeine rundliche Form der Paukenhöhle ist unver- ändert, auch die Dimensionen sind nahezu dieselben, wie in Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 543 dem vorigen Stadium. Die flache laterale Wand bietet mit Ausnahme der schon erwähnten centralen Lage der Incisura tensoris (T.E. Fig. 36) und des Hammergrifis (Impr. man.) Fig. 36) nichts vom vorigen Modell abweichendes von Interesse dar. Die Lichtung der Paukenhöhle ist geräumiger geworden, indem sich die mediale Wand gegen das Labyrinth ausgebuchtet hat. Dabei hat sie theilweise das hier vorhandene tympanale Gallertgewebe (t.G Fig. 36, 60—62) verdrängt. Dieses bildet aber immer noch eine nicht unbeträchtliche Schicht, welche in der Umgebung des Steigbügels besonders mächtig ist und sich in das epitympanale Gallertgewebe (ep. G.), das nicht unbedeutend an Umfang gewonnen hat, fortsetzt. Diese Erweiterung der Paukenhöhle hat an zwei Stellen Widerstand gefunden, und zwar das eine Mai durch den Proc, longus incudis (pr.1. Fig. 36), das andere Mal durch die Sehne des M. tensor tympani (Tt Fig. 36), unfern der Ansatzstelle der- selben. Die eben genannten beiden Gebilde bedingen somit an der medialen Paukenhöhlenwand zwei längliche, in die Höhlung einbuchtende Wülste, von denen derjenige der Tensorsehne der schwächere ist. Dadurch entstehen drei noch ziemlich flache Aussackungen der fraglichen Paukenhöhlenwand: 1. Eine vom hinteren unteren Theil der Basis des Recessus posterior ausgehende hintere obere Aussackung, welche nach vorn durch den Amboss- schenkelwulst begrenzt wird (Sac. s. Fig. 36). 2. Eine mittlere Aussackung (sac. m.), welche sich in der Gegend nach unten und hinten von der Ineisura tensoris zwischen den langen Amboss- schenkel und die Tensorsehne hineinschiebt. 3. Eine Aus- sackung (Sac. a.) schliesslich, die von der Basis des Rec. ant. ausgeht. Dieselbe schiebt sich im Winkel zwischen dem „Hammer- griff und dem Proc. Folii einwärts und wird nach hinten von der Sehne, nach unten von dem Bauch des M. tensor tympani um- fasst. Diese drei Aussackungen sind für die folgende Entwicklung von grosser Bedeutung; ich nenne sie in der Folge Saccus superior, medius und anterior. Sie nehmen nur die obere Hälfte der medialen Paukenhöhlenwand ein. Etwa in der ‚Mitte derselben vereinigen sie sich zu einer einheitlichen schwachen Ausbuchtung, welche nur im hinteren unteren Quadranten der fraglichen Wand von dem einbuchtenden Promontorium (prom. 544 J. Aug. Hammar: (Fig. 36) ersetzt wird. Dasselbe ist somit noch mehr reducirt worden und hat jetzt sein Minimum erreicht. Die fortschreitende Verkleinerung der Kontaktfläche zwischen der knorpeligen Gehörkapsel und der inneren Paukenhöhlenwand, welche die Mod. XVII—XX zeigen, ist auffällig. Im Mod. XVII steht die Wand des Labyrinths in der ganzen Ausdehnung zwischen der Cupula cochlea und dem Vorhofsfenster mit der ge- nannten Paukenhöhlenwand in breiter Berührung. Die Breite der Kontaktfläche hat besonders im Mod. XIX im Zusammenhange mit der hier stattgefundenen Senkung des oberen Theils der Paukenhöhle und der damit verknüpften Vergrösserung der durch das Tegmen tympani repräsentirten Entfernung zwischen dem Schuppen- und dem Felsentheil des Schläfenbeins eine Reduktion erfahren. Bei dieser Senkung ist das Labyrinth allmählich längs der medialen Paukenhöhlenwand gleichsam „herabgerutscht“. In solcher Weise ist es endlich in dem vom Mod. XX repräsentirten Stadium dahin gekommen, dass vorzugsweise nur der hintere breitere Vorhofstheil des Labyrinthes in der Gegend des Vorhofs- fensters der Paukenhöhlenwand anliegt, der schmälere vordere Schneckentheil aber in weit geringerer Ausdehnung an dem unteren Rande der Paukenhöhle entlang liegen bleibt. Beginnende Wiederaufrichtung der Pauken- höhle; beginnende Ausbuchtung ihrer medialen Wand, und zwar in der Form dreier Aussackungen, einer vorderen, einer mittleren und einer oberen; Reduktion des Promontoriums bis auf einMinimum, so lassen sich hier die Hauptzüge angeben. Menschenfötus von 225 mm St.-Sch.-L., ModellXXI (Fig. 38, 39, 63—65). Indem sich der Inklinationswinkel des Paukenfells gegen die Horizontalebene noch etwas vergrössert hat, so dass er jetzt ungefähr 38° beträgt, hat er das Maass erreicht, welches sich noch bei Neugeborenen erhält (Vergl. Fig. 39, 63—65). Die Dimensionen des Paukenfells haben zugenommen; statt 6,64X6,18 mm im vorigen Stadium, betragen sie in diesem 7,30%X7,80 mm. Um eine Uebersicht über den Zuwachs des Paukenfells, seitdem es etwa seine definitive rundliche Form erreicht hat, zu erleichtern, stelle ich hier die aus den Modellen entnommenen Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. Maasse tabellarisch zusammen. 545 Die Pars flaceida ist auch in den späteren Stadien, wo sie vorhanden ist, in den Messungen nicht einbegriffen. Tab. IV. Modell Grösste Breite des Grösste Höhe des No. Trommelfells Trommelfells (v. vorn nach hinten) (v. oben nach unten) mm an 0 XVII 10617 —6,23 37 — 5:61 XIX 105/17 —6,18 | 2007 5:88 EX mm—6 | 105,7 —6,18 XXI el) el) XXI 130,5, —8,67 un 210% XXIH 8 151.86 in —treB, XXIV 8010 — 8,00 Euer 8,50 XXV 8110 = 8,30 | 2/10 8,50 XXVlIa 85 10 — 8,50 Ha 850 XXVIb 2508.00 Io =900 Die querovale Form der Paukenfellfläche, wie sie meistens aus den Messungen und den Figuren zu entnehmen ist, dürfte durch die gewählte frontale Schnittrichtung zu erklären sein, durch welche die Breitendimension in den Modellen verlängert hervor- tritt (siehe die Einleitung). Wie ich mich durch direkte Präpa- ration überzeugt habe, überwiegt bei älteren Föten wie auch beim Erwachsenen die Höhendimension in der That ein wenig. Die von mir angeführten Zahlen sind im Allgemeinen etwas niedriger als die von v. Tröltsch (eit. n.Siebenmann, 1898) gefundenen. Aus meinen Messungen wäre zu schliessen, dass das Paukenfell im 5. und 6. Monate ganz langsam wächst, um im 7. Monate in eine Periode rascheren Wachsthums einzutreten, durch welches schon im 8. Monate die bei Neugeborenen noch vorhandenen Dimensionen annähernd erreicht werden. Die etwas unsymmetrische (nach vorn verschobene) Lage des Hammergriffs im Paukenfell ist schon oben etwas berührt worden. Gleich nach oben von seiner Mitte greifen die Paukenfelltaschen in einer kürzeren Strecke besonders innig um den Hammergriff herum, so dass hier ein kurzes Mesenterium — Hammergrifffalte 546 J. Aug. Hammar: Plica manubrii — gebildet wird, das den Zusammenhang mit dem Paukenfell vermittelt (Fig. 64 gleich rechts vom Ende d. Linie Rec. post). Nach oben und nach unten hiervon ist der Zusammenhang ein breiter, durch die ganze Aussenfläche des Hammergrifts vermittelter. Dieses Verhältniss, das schon in den früheren Stadien — insbesondere im Mod. XVII — vorbereitetes und im Mod. XIX ausgebildet worden ist, kehrt in allen späteren Stadien Fig. 67, 42, 44, 47), wenngleich mehr oder weniger ausgeprägt, zurück, wie es ja auch beim Erwachsenen wieder- zufinden ist. Während der Paukenfelltheil der lateralen Wand sonst im Ganzen seinen früheren Charakter zeigt, sind an der gegenüber- liegenden medialen Wand Umbildungen zu Stande gekommen, welche insofern die Verhältnisse der lateralen Wand berühren, als diese dadurch sowohl nach oben, wie nach hinten dazu kommt, den Paukenring zu überragen. Die Entstehung dieser dem Pauken- fellgebiete nicht angehörigen Theile der lateralen Wand lässt sich am besten im Zusammenhange mit den Veränderungen im Gebiete der gegenüberliegenden Wand darlegen. Die im vorigen Stadium angelegten Aussackungen haben sich alle vergrössert, aber in verschiedenem Maasse. Da sie alle dem oberen Abschnitt der Paukenhöhle angehörig sind, erhält die Höhle durch die fragliche Vergrösserung eine deutliche obere Wand. Von einer unteren Wand (Paukenhöhlenboden) kann dahingegen nur am vordersten Theil der Paukenhöhle die Rede sein (Fig. 63). Sonst begegnen sich die mediale und die laterale Wand spitzwinklig (Fig. 64, 65). Der frontale Durchschnitt der Höhle besitzt also hier eine deutliche Keilform mit nach unten gerichteter Schneide. Der Saccus anterior (Fig. 38 Sac. a.) ist am wenigsten ge- wachsen. Sein Gebiet fält recht genau mit demjenigen des Rec. ant. zusammen, so dass er eigentlich nur eine Ausbuchtung dieses Recesses nach innen darstellt. Eine Grenze zwischen beiden wird aber durch eine von oben schwach einbuchtende Firste an- gedeutet. Diese Firste ist durch den Proe. Folii, die Chorda tympani und das diese Gebilde umgebende feste Bindegewebe (Lig. ant. mall.) bedingt. Sie ist also die erste Anlage der vorderen Tröltsch’schen Falte; da diese die vordere Aus- sackung von dem vorderen Recesse abgrenzende Bildung, u. A. die Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 547 sehnigen Fasern des obengenannten Ligaments einschliesst und durch sie vorzugsweise bedingt wird, ist sie entwicklungsgeschichtlich als ene vordere Hammerbandfalte, Plica lig. mall. ant., zu bezeichnen. Nach hinten wird der Saccus anterior durch eine breite, die Tensorsehne einschliessende Falte, die Tensor- falte, Plica tensoris tympani (Plica transversa Autor.), vom Saceus medius getrennt (T.F. Fig. 38). Diese Tensorfalte ist eigentlich nur eine Verlängerung des Tensor- einschnitts einwärts, welcher in sie aufgegangen ist. Weit mehr hat die mittlere Aussackung (sacc. m. Fig. 38) an Umfang gewonnen. Sie geht vom Rec. post. mit einer relativ engen Oeffnung aus, welche den beschränkten Raum zwischen der Tensorsehne und dem langen Ambossschenkel einnimmt. Nach unten zu wird ihr Zusammenhang mit der übrigen Paukenhöhle ausgedehnter und sie geht hier ohne scharfe Grenze in sie über. Vom engeren oberen Abschnitt der Eingangsöffnung erweitert sich der Saccus medius sackartig, und zwar vorzugsweise nach zwei Richtungen hin, nach hinten und nach oben, die dort liegenden (Gebilde theilweise überlagernd. Nach hinten legt er sich in dieser Weise über die ganze vordere und den nächstliegenden Theil der inneren Fläche des langen Ambossschenkels. Vom Proccessus lenticularis setzt er sich ferner auf die Vorderfläche des vorderen Steigbügelschenkels fort, dem er fast bis zur Fussplatte anliegt. Diesen dem Steigbügel anliegenden unteren Abschnitt des Saccus medius nenne ich vorderes Steigbügelsäckchen, Saceulus stapedis anterior (vss. Fig. 38, 39). Nach oben legt sich die mittlere Aussackung über die Basis des Crus longum ineudis (er. 1. Fig. 35) und vor dieser über einen kleinen Theil des Hammers, mit dem Saccus ant. zusammen die Tensorfalte bildend; im Zwischenraume zwischen dem Hammer- griff und dem langen Ambossschenkel überdeckt sie das hier vorhandene Bindegewebe und die in ihm verlaufende Chorda tympani. Der Sacceus superior (sac. s. Fig. 38, 39, 65) geht hinter dem Crus longum incudis mit einer ebenfalls verengten Mündung aus, um sich, sackförmig anschwellend, fast allseitig auszubreiten. Nach vorn legt er sich um die hintere Hälfte des langen Amboss- schenkels herum. Indem er hier vorn dem Saccus medius be- gegnet, wird das Crus longum incudis von der Paukenhöhlen- 548 J. Aug. Hammar: schleimhaut allseitig umhüllt. Die durch die genannten beiden Aussackungen gebildete Schleimhautfalte, durch welche es wie durch ein Mesenterium aufgehängt wird, bezeichne ich als Ambossschenkelfalte, Plica eruris (longi) incudis (Pliea incudis) (pl. er. Fig. 38). Wo diese Falte sich auf den Steig- bügel — vorläufig das Capitulum stapedis — verlängert, nenne ich sie obere Steigbügelfalte, Plica stapedis sup. (pl. ss. Fig. 39). Nach unten drängt der Saccus superior zwischen den M. stapedius (m. st. Fig. 38, 39) und den N. facialis (N. VII) hinein, dabei das Amboss-Steigbügelgelenk und den Steigbügelmuskel als hinteres Steigbügelsäckchen, Sacculus stapedis post. überlagernd (h. ss. Fig. 38, 39, 65). Er begegnet hier dem oberen Theil des später zu besprechenden Saccus post., womit er eine recht tiefe und dünne Stapediusfalte, Plica musc. stapedii, (st. f. Fig. 65) bildet, welche in ihrem freien Rande das Ansatzstück des M. stapedius einschliesst. Nach oben legt sich der Saccus sup. um die Chorda tympani (ch. t. Fig. 39, 65) herum, wodurch er mit dem Rec. post. zu- sammen eine scharfe Chordafalte, Plica chordae tympani (ch. f. Fig. 39, 65) bildet, welche mit der hinteren Tröltsch’schen Falte oder, richtiger, mit deren hinteren Abschnitte identisch ist. Weiter schiebt sich der Saccus super. in den Winkel zwischen den Ambossschenkeln hinein, ohne jedoch das Crus breve (er. br. Fig. 38, 39) zu erreichen. Dieser Theil des Saccus sup. bildet gegenwärtig den höchsten Punkt der Paukenhöhle Er ragt über den Annulus tympanicus empor, wodurch die äussere Paukenhöhlenwand einen kleinen oberen Theil erhält, welcher dem Paukenfelle nicht angehörig ist. Sowohl der Saccus sup., wie der Saccus medius wird durch einen von oben innen einbuchtenden Facialiswulst (Fig. 38, 39) etwa in der Mitte verengt. Er markirt die Grenze zwischen der eigentlichen Paukenhöhle und dem Aditus. Die ihn überragenden oberen Theile der genannten Aussackungen sind also in das Gebiet des epitympanalen Gallertgewebes ein- gedrungen und gehören daher dem Aditus als seine erst ange- legten Abschnitte an. Das Promontorium (Prom. Fig. 38, 39, 64, 65), welches den unteren Theil der medialen Paukenhöhlenwand einnimmt, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 549 ist im Verhältniss zum vorigen Stadium vergrössert und vertieft worden. Dies steht offenbar mit der erfolgten Erweiterung der Paukenhöhle in Zusammenhang; hierbei ist das Gallert- gewebe, welches sie früher von dem Labyrinth trennte, fast gänzlich verdrängt worden, und die Schleimhaut hat sich der gewölbten Wand des Labyrinths näher angelegt. Durch die stark buchtige Beschaffenheit des Promontoriums ist der tiefste Theil der Paukenhöhle in fast der ganzen Ausdehnung der Paukenhöhlenbodens, trotz der sonst erfolgten Erweiterung, spaltenförmig geblieben. In der Gegend nach unten vom Vorhofsfenster und nach hinten vom Promontorium hat sich eine Aussackung entwickelt, welche den grössten Theil der Labyrinthkerbe ausmacht. Ich nenne sie Saccus posterior. (Sac. p. Fig. 39). Diese hintere Aussackung überragt den Paukenring nach hinten, so dass hierdurch ein hinterer Theil der lateralen Pauken- höhlenwand entsteht, welcher, gleich wie der durch den Saccus sup. gebildete obere, nicht dem Paukenfelle angehört. Durch zwei durch Vorsprünge des knöchernen Labyrinths bedingte Wülste wird der Saccus post. in drei Abtheilungen zerlegt. Der obere Wulst wird von M. stapedius durchbrochen und bildet die Eminentia pyramidalis, der untere geht von der oberen hinteren Ecke des Promontoriums aus und wird als Subieculum promontorii bezeichnet. Die obere Abtheilung des Saceus posterior ist hier ganz seicht und schiebt sich, mit ihrem hinteren Ende zipfelig aus- gezogen, zwischen den Steigbügel und die Steigbügelmuskel ein; sie trägt dazu bei, die Stapediusfalte zu bilden. Ich nenne sie unteres Steigbügelsäckchen, Sacculus sta- pedis inf. Die mittlere Abtheilung ist etwas grösser; sie wendet sich nach hinten und nach innen oben und bildet den Sinus tym- pani (8. t. Fig. 38, 39). Die untere Abtheilung ist die grösste. Sie legt sich um den vorderen Rand des Schneckenfensters medialwärts und nach vorn, gegen das Membr. tympani secundaria herum, und bildet somit die Nische des runden Fensters, die Fossula fenestrae rotundae (Fig. 38, 39 f. F. r.). 850 J. Aug. Hammar: Von dem tympanalen Gallertgewebe sind sowohl in der Fossula fen. rotundae, wie in der Umgebung des medialen Steig- bügelendes, wo später die Fossula fenestrae ovalis zu Stande kommt (F. f. ov. Fig. 65), Ueberreste vorhanden. Sonst ist es fast gänzlich verschwunden. Der epitympanale Theil des Ge- webes hingegen hat mit der erfolgten Zunahme des Tegmen tympani an Breite und Umfang gewonnen. Nebst der erfolgtenVergrösserung des Pauken- fells ist dieses Stadium durch die fortschreitende Ausbuchtung der medialen Paukenhöhlenwand aus- gezeichnet. Hierbei sind nicht nur die drei früher vorhandenen Aussackungen erweitert worden, son- dern es ist auch eine neue, der Saccus posterior, hinzugekommen. Durch die Begegnung dieser Aussackungen werden Schleimhautduplicaturen gebildet, welche meistens gewisse Gebilde einschliessen. Solche Duplicaturen sind die Tensorfalte zwischen dem Saceus medius und dem Saccus anterior; dieAmboss- schenkelfalte, sich auf den Steigbügel als obere Steigbügelfalte fortsetzend, zwischen dem Saccus medius und dem Saccus sup.; die Stapediusfalte zwischen dem Saccus sup. und dem Saccus post. Hierzu kommen die vordere Hammerbandfalte, welche zwischen dem Saccus anterior und dem Re- cessus anterior liegt, und die Chordafalte, welche zwischen dem Saccus sup. und dem Recessus post. einschneidet. Dadurch, dass sich die Schleimhaut bei der Re- duction des tympanalen Gallertgewebes der inneren Knochenwand angeschlossen hat, sind theils durch Knochenvorsprünge bedingte Erhebungen, theils Ausbuchtungen der Paukenhöhle entstanden. Der ersten Kategorie gehören der Facialiswulst, die Stapediusprominenz und der Promontoriumpfeiler an; zu der letztgenannten sind der Sinus tympani und die Fossula fen. rot, beide dem Saccus post. angehörig, zu rechnen. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 551 Menschenfötus von 260 mm, Mod. XXH (Fig. 41). Die allgemeine Configuration des Cavum tympani schliesst sich so nahe derjenigen des vorigen Stadiums an, dass ich mich darauf beschränken kann, die Verschiedenheiten dieser Stadien in den Einzelheiten kurz anzugeben. Das Paukenfell zeigt einen gut markirten Nabel. Ein solcher findet sich auch in allen folgenden Modellen. In Betreff der Aussackungen der medialen Paukenhöhlen- wand hat der Saccus ant. (Sac. a.) seine früheren Verhältnissen bewahrt. Der durch einen deutlichen Facialiswulst eingebuchtete Saccus medius hat sich etwas verbreitert. Nach oben legt er sich dem Crus longum ineudis (er. 1.) fast bis zum Amboss- körper an, nach unten erreicht er mit dem vorderen Steigbügel- säckchen (v. ss.) fast die Basis stapedis. Der Saccus superior (Sac. sup.) zeigt in seinen Verhält- nissen eine Variation. Er verbreitert sich hauptsächlich nach oben, wo er sich auch hier in den Winkel zwischen den Amboss- schenkeln schiebt, ebenfalls ohne das Crus breve zu erreichen. Nach unten hingegen schiebt er sich nicht zwischen den Nervus facialis (n. VII.) und den M. stapedius (m. st.) hinein und er- reicht somit auch nicht den Steigbügel. Durch diese Aus- breitungsweise scheint der Saccus superior hier im Modelle gänzlich dem Aditus angehörig zu sein. Bei der Bildung des hinteren Steigbügelsäckchens wird er durch den Saccus posterior vertreten. Dieser schlägt sich um den hinteren Steigbügelschenkel, in der ganzen Länge desselben, herum nach oben und vorn, wo er, dem Saccus medius be- gegnend, die obere Steigbügelfalte (pl. s. s.) bilden hilft. Diese Falte wird hier somit vorn durch den Saccus medius und hinten durch den Saccus posterior gebildet, während ihre Verlängerung, die Ambossschenkelfalte (pl. er.), ganz wie im vorigen Modell, durch den Saccus medius und den Saccus superior hervor- gerufen wird. Indem sich das untere und das hintere Steigbügelsäckchen höher oben als im vorigen Modell begegnen, erhält hier die also gebildete Stapediusfalte (st. f.) eine mehr vertikale Stellung als dort. Der Steigbügel wird somit von drei Seiten, von vorn, oben und hinten, mit Schleimhaut bedeckt und liegt nur noch Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 37 592 J. Aug. Hammar: nach unten bloss, indem hier das untere Steigbügelsäckchen (u. ss.) wie früher ganz niedrig ist und kaum mehr als den Steigbügelkopf umfasst. Der Saccus posterior ist insbesondere durch Auswachsen nach hinten vergrössert worden. Die Fossula fenestrae rotundae (f. F. r.) hat ihren früheren Character behalten und ist durch das Subiculum promontorii vom Sinus tympani (8. t.) gut ab- gegrenzt. Dieser ermangelt dagegen einer deutlichen oberen Grenze, indem eine der Eminentia pyramidalis entsprechende Einbuchtung nur andeutungsweise vorhanden ist. Einige Ein- kerbungen am hinteren Ende nebst einem schleimhautbekleideten Bindegewebsstrang, der den Sinus tympani frei durchkreuzt, deuten darauf hin, dass er durch Verschmelzung wenigstens zweier ursprünglich selbständigen Ausbuchtungen entstanden ist. An der Mündung der Öhrtrompete gleich hinter dem hinteren Rande ihres Knorpels (Tub. kn.) geht von der oberen Wand eine schwache konische Ausbuchtung aus, möglicherweise die erste Anlage einer Tubenzelle. Das Mod. XXIH zeigt wenige Fortschritte in der Entwicklung; es wird hauptsächlich durch Variationen v. A. im Gebiete des hinteren Steig- bügelsäckchens von dem vorigen characterisirt. Menschenfötus von285 mm St.-Sch.-L., Mod. XXIII. Der Saccus anterior ist nicht unbedeutend vergrössert worden und schiebt sich an der medialen Seite des Hammergriffs ent- lang bis zum Hammerhals hinauf. Er legt sich hierbei um den vorderen Rand der Sehne des M. tens. tymp. nach hinten herum und begegnet hier dem ebenfalls vergrösserten Saccus medius, mit welchem er die von jetzt ab tief einschneidende Tensorfalte bildet. Der Saceus anterior wird auch von anderen Seiten an seinem oberen Theil eingeengt: von oben dringt die hier stark entwickelte Crista mallei nebst den in der vorderen Hammer- bandfalte eingeschlossenen Bildungen gegen ihn hinab, und von innen buchtet der Proc. cochleariformis in ihn hinein. Es bekommt hierdurch dieser neugebildete Theil des Saccus ant. die Form einer grossen pneumatischen Zelle. Dass eine solche, wenngleich nicht ganz konstant, unmittelbar ‘unter der Plica transversa vorkommt, ist schon früher von den Forschern beobachtet worden. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete, 553 Der Saccus medius wird auch durch die Tensorsehne, und zwar von vorn eingeengt. In derselben, etwa in der Verlaufs- richtung der Tube gehenden Ebene, schiebt sich der Facialis- wulst von innen, der unterste Rand des epitympanalen Wulstes von hinten und die Chorda mit ihrer Falte von aussen in den Paukenhöhlenraum hinein. Es entsteht also hier eine verengte Stelle, eine wahre Paukenhöhlenenge oder ein Isthmus tympani („Aditus“ nach Kretschmann). Durch diese Enge werden der Saccus med. und der Saccus sup. eingeschnürt, und zwar trifft diese Einschnürung im vorliegenden Falie die letztgenannte Aussackung gerade an ihrer Basis, so dass hier die ganze obere Aussackung nach oben vom Isthmus liegt und damit ganz und gar dem Aditus angehört. Was die mittlere Aussackung anbelangt, so wird sie von dieser Einengung in ihrer Mitte getroffen, so dass sie mit einem das Crus long. incud. be- deckenden oberen Abschnitt dem Aditus und mit einem unteren, welcher hauptsächlich das vordere Steigbügelsäckchen bildet, der eigentlichen Paukenhöhle angehörig ist. Die beiden Komponenten des Aditus, der Saccus medius und der Saccus superior, werden von einander, wie vorher, durch die Ambossschenkelfalte getrennt. Das untere Steigbügelsäckchen hat sich hier in der ganzen Breite des Steigbügels erhoben und schiebt sich nun, zwischen die Stapesschenkel eindringend und den Intereruralraum grössten- theils ausfüllend, fast bis an die Fussplatte hinein. Es bildet also das untere Blatt der Plica obturatoria, deren oberes Blatt durch die hier in der Entwicklung etwas zurückgebliebenen übrigen beiden Steigbügelsäckchen, das vordere und das hintere, gebildet werden soll. Ausser der von den letztgenannten Säckchen gebildeten oberen Steigbügelfalte ist nun auch eine hintere, zwischen dem hinteren und dem unteren Säckchen liegende Steigbügelfalte hinzugekommen. Das untere und das vordere Säckchen gehen dagegen in diesem Falle direkt in einander über, so dass hier eine vordere Steigbügel- falte, welche in anderen Fällen ausser den genannten vor- handen ist, fehlt. An den meisten übrigen Punkten ist die Aehnlichkeit dieses Modells mit den beiden vorigen augenfällig.. Nur in einigen Hinsichten sind Variationen in der Entwicklung vor- handen. 30t 554 J. Aug. Hammar: Während das hintere Steigbügelsäckchen auch hier durch den Sacceus post. gebildet wird, ist es also der hier in der Länge stark gewachsene Saccus medius (Sacculus stap. ant.), welcher den recht unscheinbaren Saccus sup. vom Steigbügel abdrängt. Die Lage der Ambossschenkelfalte ist hierdurch eine stark nach hinten verschobene und fast horizontale geworden. Der Saccus sup. nimmt nur ganz unbedeutend an der Umhüllung des langen Ambossschenkels Theil, welche fast ausschliesslich von der hinteren Paukenfelltasche und der mitt- leren Aussackung bewirkt wird. Der Sinus tympanı und die Fossula fen. rot. grenzen sich von einander gut ab. Jener ist aber auch hier durch eine schwache Entwicklung der Eminentia pyramidalis nur andeutungs- weise von dem hinteren Steigbügelsäckchen abgesetzt. 3ei allen den zuletzt beschriebenen Föten sind im Gallert- gewebe eingebettete, relativ feste, fibröse Bindegewebszüge vor- handen, welche in der Lage und Ausdehnung die Ligamente der Gehörknöchelchen präformiren. Es ist somit nicht nur das Lig. ant. mall., von dem schon die Rede war, sondern auch das Lig. ext. und sup.!) mallei und das Lig. incudis u. A. (siehe unten) vorhanden. In der folgenden Entwicklung der Mittelohrräume spielen diese Faserzüge eine wichtige, formbestimmende Rolle, indem sie für die Erweiterung der Höhlung an gewissen Stellen Hinder- nisse bilden, die ihr hemmend oder ablenkend entgegentreten. Ich komme hierauf später näher zurück. Die Ausbildung der pneumatischen Zelle des Saccus ant. und die Vertiefung des unteren Steig- bügelsäckchens sind für dieses Stadium u.a. Ver- änderungen bemerkenswerth. Im Zusammenhange mit diesen Momenten steht einerseits die bessere Ausprägung der Plica tensoris und andererseits die Bildung der hinteren Steigbügelfalte. ) Das Verhandensein wirklicher Bandfasern, im Lig. sup. mall., das Siebenmann (1898, pag. 282) auf Grund eigener Präparate bezweifelt, ist meiner Erfahrung nach in den meisten Fällen unbestreitbar (Lig. sup. Fig.63). Esscheint aber auch vorzukommen, dass diese Fasern in gewissen Fällen ganz schwach sind oder gar fehlen (vergl. pag. 189). Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 555 Menschenfötus von 330 mm St.-Sch.-L., Mod. XXIV {Fig.42,43). Die eigentliche Paukenhöhle biszum Isthmus(i. t. Fig. 43) zeigt im Grossen und Ganzen dasselbe Aussehen wie in den nächst vorhergehenden Stadien. Der Saccus ant. (Sacc. a. Fig. 43) ist ganz so geformt, wie er von dem Mod. XXIII geschildert wurde. Seine pneu- matische Zelle (pn. Z.) tritt auch hier als eine relativ grosse, an der Mündung etwas eingeschnürte Bildung hervor. Der Saccus medius trägt mit seinem unteren Abschnitt, dem vorderen Steigbügelsäckchen (v. ss.) in demselben über- wiegenden Grade zur Bekleidung der oberen Seite der Steig- bügelschenkel wie im vorigen Modell bei. Das hintere Steig- bügelsäckchen (h. ss. Fig. 43), aus dem Saccus post. stammend, ist ganz klein und trägt nur zur Bekleidung der hinteren Fläche des hinteren Schenkels bei. Alle drei Säckchen erreichen jetzt das Niveau der Fussplatte, und das Gallertgewebe ist ganz verschwunden. Von den Steigbügelfalten sind hier die obere (pl. S. s.) und die hintere (pl. S. p.) am Crus post., die vordere (pl. S.a.) am Crus. ant. befestigt. Die Plica obturatoria, (pl. o.) welche hier etwa in der horizontalen Symmetrieebene des Stapes liegt, wird ausschliesslich von dem vorderen und- dem unteren Säckchen gebildet. Aus dem Saccus post. ist nach oben von einer durch die Erweiterung des oberen Paukenhöhlenabschnitts hervorgerufenen, schon im vorigen Stadium vorhandenen Fläche der hinteren Wand, welche Fläche sich durch eine dreieckige Form und ziem- lich ebene Beschaffenheit auszeichnet, eine nicht unbedeutende, fast kugelige Ausbuchtung entstanden. Die dreieckige Fläche dürfte der EBminentia styloidea, die Ausbuchtung dem Sinus posterior (8. p. Fig. 42) entsprechen. Der Sinus tymp. (s. t. Fig. 42) hat den Character einer einheitlichen grossen Ausbuchtung, die Fossula fen. rot. (f. FE. r. Fig. 43) wiederum ist durch einschneidende Knochentrabekeln in drei bis vier kleinere Räume getheilt. Im Bereiche beider fehlt es gänzlich an Gallertgewebe. Abwärts vom Promontorium (prom. Fig. 43) verlängert sich die Paukenhöhle in eine in der grösseren hinteren Strecke mehr einheitliche, nach vorn in der Nähe der Tubenmündung in einige eckige Zellen getheilte längliche Ausbuchtung, welche 556 I: AugıHammar: lateralwärts dem Paukenringe in seinem unteren Abschnitte an- liegt und ihn sogar nach unten überragt. Dieser abwärts vom oberen Paukenfellrande liegende Theil der Paukenhöhle ist der hypotympaänale Recessus (Rec. hyp. Fig. 42). Auch von der medialen Wand sind unfern der Tuben- mündung einzelne mehr oder weniger circumskripte Zellen unter Ausbildung. Endlich ist an der lateralen Wand eine wenig augenfällige aber wichtige Veränderung eingetreten. Aus dem spitz ausge- zogenen Fundus der hinteren Paukenfelltasche (Rec. post. Fig. 42) ist eine kleine, von der eigentlichen Tasche nur durch eine schwache Einschnürung abgesetzte etwa sphärische Ausbuchtung entstanden — die obere Paukenfelltasche oder der Prussak’sche Raum (Pr. R.). Dieselbe legt sich dem vorderen Theil der Grenzrinne des äusseren Gehörganges (Gr. r. Fig. 46) entgegen und hilft so, das nach oben vom kurzen Hammer- fortsatz liegende, gefässreiche Bindegewebe als Membrana flaccida abgrenzen. Die weitaus grössten Veränderungen im vorliegenden Stadium liegen, wie gesagt, nach oben von der Paukenhöhlen- enge und haben den Saccus medius betroffen. Unmittelbar nach oben vom Isthmus erweitert dieser sich fast allseitig, indem er sich gleichzeitig, nach innen-oben von Hammer und Amboss wachsend, in der Richtung nach oben verlängert. Er hat sich also nach oben, an der Innenfläche des Hammerkopfes entlang, bis an die Schläfenbeinschuppe ausge- dehnt. Im vorderen Theil dieser Strecke ist er aber der Faser- masse des Lig. mallei sup. begegnet und dadurch in eine recht tiefe und breite Falte, die obere Hammerbandfalte, Plica lig. mallei sup. (pl. 1. s. Fig. 43) eingebuchtet worden. In der Richtung nach hinten-unten in die Höhlung ein- springend, theilt diese Falte den betreffenden Abschnitt des Aditus in zwei Räume. Der innere dieser Räume, der Felsen- raum (F. R.) wird abwärts einwärts durch die Crista transversa und die davon ausgehende Plica tensoris (T. F.), abwärts aus- wärts durch. die Plica. lig. sup. mall. begrenzt. Nach oben liegt dieser Raum mit seiner Schleimhaut dem Tegmen tympani (F. R. Fig. 66 und 67), nach unten dem Hammerkopf nebst dem Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 557 angrenzenden Theil des. Halses breit an. Nach vorn bildet die Plica lig. mallei antiei seine Begrenzung. Der äussere der beiden Räume, der obere Schuppen- raum (oberer Hammer-Amboss-Schuppenraum, 0. S. R.) ist ein im Querdurchschnitt dreiseitig prismatischer Raum, welcher, den Hammerkopf von der Aussenseite umgreifend, nach oben durch den Schuppentheil des Tegmen, nach aussen durch die Schläfen- beinschuppe begrenzt wird und sich somit in den Winkel zwischen beiden einschiebtt. Abwärts bildet der Hammerkopf seine Begrenzung (Fig. 66 und 67). Das Lig. mall. sup. (pl. lig. s.) befestigt sich an der Grenze der beiden Knochenkomponenten des Tegmen. Das hier in der Sutur befindliche, relativ reichliche Bindegewebe nebst dem anliegenden Knochen bedingt nun eine an verschiedenen Punkten etwas verschieden tief in die unterliegende Höhlung einschneidende, immer noch deutliche Firste — die Schuppen- Felsenfirste, Jugum petro-squamorum!) —, welche sich am Dache des Aditus und dahinter an dem Dache des Antrum entlang verfolgen lässt (J. ps. Fig. 43, 66, 67). Hierdurch wird auch am hinteren Abschnitte des Aditus und am Antrum eine unvollständige Sonderung in einen dem Schuppentheil angehörigen oberen Schuppenraum (o. 8. R.) und einen dem Felsenbein angehörigen Felsenraum (F. R.) bewirkt. Aus dem Gesagten geht hervor, dass es von diesen beiden Räumen nur der Felsenraum ist, welcher mit dem eigent- lichen Cavum tympani durch den Isthmus kommunicirt (Fig. 43). Nach oben von dieser Enge weitet sich der Felsenraum auch nach hinten aus und legt sich dabei um die obere Wand des Saccus superior (Sacc. s. Fig. 43) diese Aussackung überdeckend, herum. Letztere ist hier ganz klein und gehört dem Aditus gänz- lich an. Nach hinten und oben vom Saccus superior legt sich der Felsenraum dem epitympanalen Wulst dicht an und biegt sich im Bogen um diesen nach hinten und oben herum. Ohne !) Dieselbe habe ich auch an zwei darauf untersuchten Schläfenbeinen Erwachsener wiedergefunden, und zwar in der Form eines an der Sutur- stelle zwischen den Tegmenzellen schief abwärts einwärts hineinragenden Knochenblattes. 558 J. Aug! Hammar: scharfe Grenze geht der Aditus in das Antrum über. Letzteres endet rückwärts mit je zwei dem Felsen- und dem oberen Schuppenraume entsprechenden zellenähnlichen Blindsäckchen (Fig. 43 rechts oben). Aus dem Abschnitte des Saccus medius, welcher den Saccus superior theilweise umwachsen hat, ist noch ein Raum, der untere Schuppenraum (u. S. R. Fig. 42) (untere Hammer- Amboss - Schuppenraum) entstanden. Derselbe hat die Gestalt einer ganz dünnen Tasche, welche in die bisher durch Gallert- gewebe erfüllte Spalte zwischen der Schläfenbeinschuppe einer- seits und dem Hammer-Ambosskörper und dem kurzen Amboss- schenkel andererseits, hauptsächlich in der Richtung von hinten nach vorn, eingewachsen ist (u. S. R. Fig. 66). Der schmale untere Rand dieser Tasche schiebt sich an der hinteren Pauken- felltasche und ihrer Verlängerung, dem Prussak’schen Raum, entlang. Es bilden die hintere Tasche und der untere Schuppen- raum, wo ihre Wände sich berühren, eine Schleimhautduplicatur, welche eine Verlängerung der schon früher vorhandenen Chordafalte (Chf. Fig. 42) nach vorn darstellt und mit der- selben zusammen als vordere Tröltsch’sche Falte bekannt ist. Weiter nach vorn fassen der Prussak’sche Raum und der untere Schuppenraum die Fasern des äusseren Hammerbands zwischen sich und bilden in dieser Weise die äussere Hammerbandtalte, die Plica lig. mall. ext. (pl. lig. ext. Fig. 42). Der gleichfalls schmale obere Rand des unteren Schuppen- raums legt sich dem nach unten umgebogenen Rand des oberen Schuppenraumes entgegen und bildet mit ihm eine schmale Schleimhautduplieatur, welche den Hammer und den Amboss in der ganzen Ausdehnung vom Hammerkopfe bis zum Ende des kurzen Ambossschenkels mit der Schläfenbeinschuppe verbindet; dieses ist die laterale Hammer-Ambossfalte (H. Af. Fig. 42, 66, 67). Diese Falte ist in ihrem vorderen, dem Hammer an- gehörigen Abschnitte ganz dünn und hat den Character einer reinen Schleimhautduplicatur. Nach hinten wird sie immer dicker, indem ihre Blätter hier sehnige Fasern zwischen sich fassen, welche vom Ambosskörper und dem kurzen Schenkel aus zu dem gegenüberliegenden Theil der inneren Schuppenfläche Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 539 gehen. Ihr sonst ziemlich geradliniger Ursprung am Amboss greift von der lateralen Fläche desselben auf den hinteren Pol des kurzen Schenkels über. Dieses Ligament, das als oberes Ambossband oder schlechthin als Ambossband bezeichnet wird, ist nach vorn dünn, wird aber nach hinten immer dicker. Der hintere (mehr beständige, siehe unten!) Ab- schnitt der lateralen Hammer-Ambossfalte liesse sich also mit gutem Fug als Ambossbandfalte bezeichnen. Mit seinem vorderen Rand legt sich der untere Schuppen- raum zwischen den oberen Schuppenraum und den Felsenraum (u. S. R. Fig. 43). Hier schneidet in ihn eine kurze Falte, die vordere Nebenfalte, Plica accessoria anterior (v. Nt. Fig. 65) eine kurze Strecke ein. Dieselbe führt dem Hammerkopf Gefässe zu. Nach hinten unten geht der untere Schuppenraum von dem Saceus medius aus; in dem oberen Theil seines hinteren Ab- schnittes besitzt er aber auf einer kurzen Strecke auch einen freien Rand. Die breite äussere Wand des unteren Schuppenraumes bildet, wie angedeutet wurde, eine Bekleidung der Innenseite der Schuppe; die innere Wand legt sich der äusseren Fläche des Hammers und des Ambosses im Bereiche des unteren Ab- schnittes des Hammerkopfs und des Ambosskörpers an. Nach unten verlängert sie sich auch bis auf den Hals des Hammers und die Basis des langen Ambossschenkels. Im Interstitium zwischen beiden bildet sie mit dem Saccus medius eine dünne, die Chorda einschliessende Duplicatur — die Plica inter- ossieularis. Es sind also drei vom Saccus medius ausgehende Räume, welche mit dem viel kleineren Saccus superior zusammentreten, um den Aditus zu bilden, nämlich der Felsenraum und der obere und der untere Schuppenraum. Hierzu kommt, wenn man die Membrana flaccida zum Aditus zählt, als fünfter Komponent der (in diesem Falle und gewöhnlicherweise) von der hinteren Pauken- felltasche ausgehende Prussak’sche Raum. Sowohl der Felsenraum, wie die beiden Schuppenräume schliessen sich um den Hammerkopf, lassen aber immer noch einen nicht un- beträchtlichen, etwa dreiseitigen Theil seiner Endfläche unbekleidet. Der Amboss wird auch gewissermassen von allen drei genannten 560 J. Aug. Hammar: Räumen umfasst, nur ist hier keine Grenze zwischen dem Felsen- und dem oberen Schuppenraum vorhanden. Eine relativ kleine, endständige, durch das Ambossligament mit der Schläfenbein- schuppe verbundene Fläche rundlicher Form bleibt auch hier von der Schleimhaut frei (lig. inc. post. Fig. 42). Der Felsenraum und der obere Schuppenraum bilden als eine gemeinsame hintere Verlängerung das Antrum. Die Wände des Aditus sind im Allgemeinen ziemlich eben. Nur vom Saccus superior gehen einige kleine zellenartige Aus- buchtungen aus. Die Wände des Antrum sind im Bereiche des oberen Schuppenraums sehr buchtig; insbesondere gehen zahl- reiche, theilweise schon schwach verästelte Zellen von seiner äusseren Fläche aus. Die Wände des Felsenraums zeigen im Antrum meistens etwas schwächer ausgebildete Zellen; da wo er dem epitympanalen Wulst anliegt, fehlen solche gänzlich und die Wand ist hier ganz eben. Als dieHauptergebnisse diesesStadiums notire ich hier kurz die Entstehung des Prussak?’schen Raums, des Aditus und des Antrums, wodurch der noch für den Neugebornen characteristische Zu- stand in der Hauptsache erreicht worden ist. Eine mehr detaillirte Uebersicht gebe ich nach der Beschreibung der folgenden Stadien. Menschenfötus von 360 mm St.-Sch.-L., Mod. XXV (Fig. 44, 45, 66, 67). Sowohl in der Totalform der Pauken- höhlenräume, wie in den meisten Einzelheiten schliesst sich dieses Modell dem vorigen nahe an. Nur einige wichtigere Ver- schiedenheiten sind hier zu verzeichnen. Die Fossula fen. ovalis wird auch hier von den drei Steigbügel- säckchen gebildet. Das vom Saccus post. ausgehende hintere Säckchen (h. ss.) ist aber grösser als im vorigen Modell, so dass es dem vorigen Säckchen etwa mitten an der Plica obturatoria (pl. o.) zur Bildung der Plica stap. sup. (pl. s. s.) begegnet. Beide hier genannte Säckchen tragen also zur Bildung des oberen Blattes der Plica obturatoria bei. Die Ambossschenkelfalte (pl. er. Fig. 45, 67) ist nur in ihrem unteren Theil bestehen geblieben, sonst ist sie atrophirt. Hierdurch sind der Saccus med. und der Saccus sup. sekundär mit einander in eine weite Verbindung getreten, so dass es Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 561 nicht mehr möglich ist, bestimmt zu sagen, von welchem der untere Schuppenraum gebildet worden ist!). Der letztgenannte Raum (u. S. R. Fig. 44) wird an seinen beiden Enden, sowohl an dem vorderen, wie an dem hinteren, durch kurze dünne gefässführende -Falten, die vorderen (v. Nf. Fig. 44, 66) und die hinteren Nebenfalten (h. Nf. Fig. 44, 67) in ein Paar dünne, platte, blind endigende Zipfel getheilt. Sowohl der untere, wie der obere Schuppenraum ist, aber kürzer als im vorigen Modell. Ihre vorderen Enden reichen nämlich nicht bis zum vorderen Pole des Hammerkopfes, denn sie werden hier durch eine abwärts gerichtete Verlängerung des Felsenraumes (F. R. Fig. 44 rechts) ersetzt, welche sich um das obere Hammerband legt, die dasselbe einschliessende Falte bildend, und den Hammerkopf auch von aussen umfasst. Von den drei im vorigen Modell vom unbedeckten Pole des Hammerkopfs ausgehenden Falten, der oberen und der vorderen Hammerbandfalte und der lateralen Hammer-Amboss- falte, erreichen hier somit nur die zwei erstgenannten den Hammerkopf. Die laterale Hammer-Ambossfalte (H. Af. Fig. 44) hingegen grenzt sich nach vorn gegen eine ihr etwa recht- winklig begegnende Falte ab, welche einerseits durch die Ver- längerung des Felsenraumes, andererseits durch die hinteren Ränder der beiden Schuppenräume gebildet wird und den Hammerkopf mit der Schläfenbeinschuppe verbindet. Dieselbe kann als untere Hammer-Schuppenfalte (u. HSf. Fig. 44) bezeichnet werden. Der Prussak’sche Raum (Pr. R. Fig. 44, 66) ist etwas grösser als im vorigen Modell. Er geht aber hier von der vorderen Paukenfelltasche aus, und zwar mit deutlich ver- engter Mündung. Der Aditus und das Antrum sind sonst von demselben Character wie im vorigen Modell. Eine deutliche Schuppen- Felsenfirste (j. ps. Fig. 45) ist in ihrer ganzen Länge vor- handen. Die zellige Beschaffenheit des Antrums im Bereiche des oberen Schuppenraumes, die fast zellenfreie im Felsenraum. wiederholt sich auch hier. !) Die Farbenbezeichnungen sind deshalb in dieser Hinsicht sowohl in diesem, wie in den folgenden Modellen nur als auf die vorigen Modelle be- gründete Vermuthungen zu bezeichnen. 562 J. Aug. Hammar: Nach dem reifen Fötus habe ich zwei Modelle ange- fertigt. Das eine, welches der Paukenhöhle der rechten Seite entspricht, bezeichne ich als Mod. XXVIa (Fig. 47), das andere, der linken Paukenhöhle entsprechend, als Mod. XXVIb. Während sich diese Modelle in ihrer allgemeinen Konfiguration sehr ähneln, zeigen sie mancherorts verschiedene Variationon in den Einzelheiten, was von Interesse ist. Wo nichts Anderes an- gegeben ist, gilt die Beschreibung für beide Seiten. Die Zelle des Saccus anterior ermangelt der in den nächst vorigen Stadien vorhandenen basalen Einschnürung und damit der scharfen Begrenzung. Die Pliea eruris ineudis ist gänzlich verschwunden, wodurch der Saccus sup. und der Saccus medius ohne jede Grenze mit einander verschmolzen sind. Auch im Bereiche der Nische des ovalen Fensters sind atrophische Prozesse derart eingetreten, dass nicht nur sämmtliche drei Steigbügelfalten, sondern auch die Plica obturatoria ver- schwunden ist. Es ist also hier durch Verschmelzen der drei Steigbügelsäckchen, vondenen das vordere dem Saccus medius, das untere dem Saccus post. und das hintereentweder dem Saccus sup. oderdem Saccus post. entstammt, zum ersten Mal eine ein- heitliche Fossulakavität entstanden. Sowohl der Sinus tympani, wie der Sinus post. ist auffallend schwach entwickelt und fehlt beinahe ganz. Dagegen ist eine mächtige Zelle jederseits unterhalb der Fossula fen. rot., welche selbst schwach entwickelt ist, zu sehen. Etwas oberhalb der gewöhnlichen Stelle des Sinus post. ist auch eine bemerkenswerth kräftige, aus dem Aditus in der Gegend des Saccus sup. ent- sprungene Zelle (S.p.) nebst mehreren kleineren zu sehen. Der Prussak’sche Raum (P.R.) ist an beiden Seiten aus dem Rec. post. entstanden. Er ist ganz klein, an der Mündung nur schwach eingeschnürt. Die Schuppenräume verhalten sich an den beiden Seiten etwas verschieden. Rechts (Mod. XXVla) ist der untere Schuppen- raum (u. SR.) recht kurz, so dass er, wie im Mod. XXV fast gar nicht an der Schleimhautbekleidung des Hammerkopfes theil- nimmt. Sein vorderer Theil wird durch eine Verlängerung ab- wärts vom oberen Schuppenraum (0.8. R.) (nicht vom Felsenraum, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 563 wie im Mod. XXV) vertreten. Es ist somit die Plica lig. mall. ext. (pl. lig. ext.) und die Plica lig. mall. sup., welche sich an den Hammerkopf ansetzen. Zwischen der Verlängerung des oberen Schuppenraumes und dem unteren Schuppenraum ist ausserdem eine kurze untere Hammerschuppenfalte (u. HSf.) vorhanden. Kurze, vorn und hinten in den unteren Schuppenraum ein- schneidende Nebenfalten finden sich auch. Links wiederum (Mod. XXVIb) reichen wie im Mod. XXIV beide Schuppenräume fast bis an den vorderen Pol des Hammer- kopfes; hier schlägt sich aber der untere Raum um die obere Kopffläche nach oben herum, wodurch er hier den Platz des vorderen Endes des oberen Schuppenraums einnimmt. Es entsteht hier somit eine von der oberen Kopffläche ausgehende Hammer- Schuppenfalte, die als obere Hammer-Schuppenfalte der vorher geschilderten unteren gegenüberzustellen ist. Das Antrum hat sowohl rechts, wie links an Länge zu- genommen. Sein hinterer Abschnitt ist hierbei auch auffallender- weise verbreitert worden, so dass er im Bereiche des oberen Schuppenraums eine mächtige Aussackung lateralwärts aussendet. Das Jugum petrosquamosum ist beiderseits stark ausgeprägt. In Anbetracht der Schwierigkeit der hier geschilderten Verhältnisse scheint es mir angezeigt, einen Rückblick auf die Art und Weise, in welcher die wichtigsten „intratympanalen“ Gebilde in die Paukenhöhle aufgenommen werden und auf den Bildungs- modus der hierbei entstehenden Falten zu werfen. An diese Zusammenfassung sollen hie und da Vergleichungen mit den beim Erwachsenen gefundenen Verhältnissen geknüpft werden. Der Hammer liegt mit seinem Griff bis an die Ansatz- stelle der Tensorsehne der Paukenhöhlenschleimhaut an drei Seiten — vorn, innen und hinten — fast von Anbeginn (d.h. vom ersten Hervorwachsen des Griffes) an. Er bedingt hierdurch den als Impressio manubrii bezeichneten Vorsprung; diese wird auf eine kurze Strecke bis zur Bildung eines wirklichen, aber ganz kurzen Mesenteriums die Hammergrifffalte, Plica manubri, vertieft. An der Ansatzstelle des Tensormuskels beginnt die Ineisura tensoris, und hier wird er nur vorn und hinten von der vorderen, resp. der hinteren Paukentelltasche umfasst. Dieses 564 J. Aug. Hammar: Verhältniss herrscht bis zum Proc. brevis. Nach oben von diesem Fortsatz, welcher ja gleich wie ein Streifen an der Aussenfläche des Hammergriffs, der Schleimhautbekleidung dauernd ermangelt, legt sich eine Verlängerung der einen, meistens der hinteren, Trommaelfelltasche als der Prussak sche Raum der Aussenfläche des Hammerhalses an. Die Innenfläche des Hammergriffes wird nach oben von der Incisur dadurch umhüllt, dass sich der in der Gegend unter und hinter der Incisur entstandene Saccus medius (Felsenraum) von hinten, der an der vorderen Paukenfelltasche entstandene Saccus ant. von vorn über sie schiebt. Es wird also die Ineisura tensoris zu einer Falte, der Plica tensoris oder der Plica transversa, gleichsam vertieft, in deren freiem Rande die Tensorsehne liegt. Der obere Abschnitt des Hammerhalses und der Hammer- kopf werden in vielen Fällen ausschliesslich von dem Saccus medius, und zwar von seinen drei den Aditus zusammensetzenden Abtheilungen, dem Felsenraum und den beiden Schuppenräumen, umwachsen. In anderen, wahrscheinlich auch vorkommenden Fällen, wo der untere Schuppenraum aus dem Saccus superior hervorgeht, !) nimmt dieser natürlich in einem jenem Raume entsprechenden Grade an der Bekleidung Theil. Ausnahmsweise können diese Räume einer den anderen beim Umwachsen des Hammers derart ersetzen, dass dieser andere gar nicht daran betheiligt ist. Es entstehen also folgende, sich an den Hammer ansetzende Schleimhautfalten: 1. Die Hammergrifffalte, welche das Manubrium mallei mit dem Paukenfell verbindet. Durch Vertiefung der Impressio manubrii entstanden, ist diese Falte ganz niedrig und als freie Duplikatur nur an einer kürzeren intermediären Strecke des Hammergrifts vorhanden. 2. Die Tensorfalte (Querfalte), welche die Tensor- sehne mit umgebenden festen Bindegewebszügen (Lig. mallei int. siehe unten) einschliesst und zwischen dem Saccus anterior und dem Felsenraum liegt. !) Als solche habe ich bei der Bemalung die Mod. XXVIa und b gedeutet, zwar ohne zwingende Beweise, da hier die Grenze zwischen der mittleren und oberen Aussackung schon gänzlich verschwunden ist. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 565 Wenn Siebenmann (1898,p. 278) u. A. angeben, dass zwischen der Crista transversa und der Tensorsehne meistens ein Loch „bleibt“, so ist dies offenbar eine sekundäre Veränderung, die durch eine Reduktion der Schleimhautfalte bedingt wird. Erst hierdurch treten der Saccus ant. und der Felsenraum mit einander in direkte, vom Isthmus tympani unabhängige Ver- bindung. 3. Die vordere Hammerbandfalte (vordere Tröltsch’sche Falte, Plica malleolaris ant.), welche mit dem Lig. mall. ant. u. A. auch den Proc. long. Fol. und die Chorda tympani einschliesst und sich mit freiem unterem Rande zwischen die vordere Paukenfelltasche und den Saccus anterior schiebt. 4. Die äussere Hammerbandfalte (scheint meistens zu der lateralen Hammer-Ambossfalte gezählt zu werden), welche, die Fasern des Lig. mall. ext. einschliessend, einerseits von dem Prussak’schen Raume, andererseits vom unteren Schuppenraume begrenzt wird (Mod. XXIV und XXVIb). Statt des letzt- genannten kann der Felsenraum (Mod. XXV) oder der obere Schuppenraum (Mod. XXVla) an der Bildung dieser Falte theil- nehmen. Da das Lig. mall. ext. nur eine unvollständige Abgrenzung des den Prussak’schen Raum präformirenden Gallertgewebes von demjenigen, welches den unteren Schuppenraum präformirt, abgiebt (siehe unten) und da ja ferner der untere Schuppenraum in diesem vorderen Abschnitte sowohl durch den Felsenraum, wie in anderen Fällen durch den oberen Schuppenraum ersetzt sein kann, so findet sich a priori die Möglichkeit, dass sich einer oder zwei der genannten Räume an der Begrenzung der Membrana flaceida betheiligen. Eine solcheVarietät, wo beide Schuppenräume betheiligt sind, ist von Siebenmann (1898 pag. 252 ff.) als sehr gewöhnlich beschrieben worden. Vielleicht können auch ein oder zwei dieser oberen Räume den Prussak’schen Raum gänzlich ersetzen. So wären vielleicht die Angaben von Helmholtz (1868 pag. 20) zu deuten, „dass der angebliche Eingang in diese (Prussak sche) Tasche vorn oben am Kopf des Hammers in den Raum über dem Lig. mallei ext., also nicht mehr zum Trommelfell, führe“. Eine solche Entstehung des Prussak’schen Raumes wäre offenbar als ein Ausnahmefall zu bezeichnen. Eine andere Möglichkeit wäre 566 J. Aug. Hammar: freilich die, dass es sich hier um eine sekundäre Oeffnung in der Plica lig. mall. ext. gehandelt hat. Dieses ist offenbar der Fall in den zwei Präparaten gewesen, wo Politzer (1870) eine an der vorderen Peripherie des Lig. mall. ext. liegende zweite Oeffnung des Prussak’schen Raumes fand; die erste Oefinung führte in die vordere Tromelfelltasche. 5. Die Chordafalte (hintere Tröltsch’sche Falte, Plica malleolaris post.) wird nach aussen von der hinteren Pauken- felltasche, nach innen von dem Saccus superior (oder in anderen Fällen dem Saccus medius) nebst dem unteren Schuppenraum (welcher ja wahrscheinlich je nach den Umständen eine Ver- längerung der einen oder der anderen dieser Aussackungen) begrenzt. Da die Chordafalte in ihrem hinteren Theil, so weit sie einen freien Rand besitzt, bei ihrer Entstehung eben durch die Chorda bedingt ist, müssen offenbar solche Fälle, wo die Chorda „ganz isolirt unterhalb des freien Randes der Falte von Margo tympanicus zum Hammergriffoder an den langen Ambossschenkel hin verläuft“ (Siebenmann, 1898, p. 251), als durch partielle Atrophie der Falte sekundär verändert bezeichnet werden. 6. Die Plieainterossicularis, welche von der Ansatz- stelle der Tensorsehne bis zum Hammer-Ambossgelenk geht und den Zwischenraum zwischen dem Hammer und dem langen Amboss- schenkel in der genannten Ausdehnung überbrückt. Die Chorda tympani verläuft eine kurze Strecke zwischen ihren Blättern, von denen das innere dem Saccus medius, das äussere dem unteren Schuppenraum angehörig ist. Diese Falte sollsich in der Regel beim Erwachsenen zurück- bilden und nur ausnahmsweise bestehen bleiben. v. Tröltsch, (1861, p. 46) äussert diesbezüglich: „Beim Fötus und beim Neu- gebornen findet. sich eine meist gefässhaltige Schleimhautfalte der ganzen Länge nach zwischen Ambossschenkel und Hammer- griff ausgespannt, welche Verbindung dieser beiden Theile, wenn beim Erwachsenen vorkommend, wohl immer als pathologisch aufgefasst werden muss, wobei es indessen möglich wäre, dass dieser fötale Zustand sich zuweilen mangelhaft oder gar nicht zurückbildet.“ Eine solche Falte, „der ganzen Länge nach zwischen Ambossschenkel und Hammergriff ausgespannt“, muss, wenn sie wirklich existirt, als pathologisch aufgefasst werden, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 567 denn auf dem Wege der normalen Entwicklung kann sie nicht entstehen. Es sind ja von ihrer ersten Entstehung an die ge- nannten beiden Gebilde etwa in ihrer unteren Hälfte durch die Lichtung und die beiden Wände der Paukenhöhle von einander getrennt! 7. Die lateraleHammer-Ambossfalte, welche den oberen und den unteren Schuppenraum trennt und sich zwischen dem Hammerkopf, dem Ambosskörper und dem kurzen Amboss- schenkel einerseits und der Schläfenbeinschuppe andererseits aus- spannt. Wenn der untere Schuppenraum nicht bis an den Hammerkopf reicht, sondern hier vom oberen Schuppen- oder Felsenraum ersetzt ist (vergl. Mom. 3), kann diese Falte im Bereiche des Hammers durch die im Mom. 8 namhaft gemachte ersetzt werden. 8. Die obere Hammerbandfalte, welche die mit dem Bindegewebe der Sutura petro-squamosa im Zusammenhange stehenden Fasern des Lig. mall. sup einschliesst. Sie schneidet zwischen dem oberen Schuppenraum und dem Felsenraum ein und wird von beiden begrenzt. Hierzu kommen die auch beim Fötus inkonstant auftretenden Falten: 9. Untere Hammer-Schuppenfalte, welche mit längerer oder kürzerer Ausdehnung der lateralen Hammer- Ambossfalte rechtwinklig anstösst und vorhanden ist, wenn der untere Schuppenraum vorn durch eine Verlängerung des Felsen- raumes (Mod. XXV) oder des oberen Schuppenraumes (Mod. XXVlIa) vertreten wird. Sie trennt dann diese Verlängerung von dem unteren Schuppenraume ab. 10. Obere Hammer-Schuppenfalte, welche in einem Falle (Mod. XXVIb) vorhanden ist, wo der untere Schuppenraum den oberen bei der Bekleidung des vorderen Theils des Hammer- kopfes ersetzt. Sie trennt dann die Verlängerung des unteren Schuppenraums vom oberen Schuppenraum und erstreckt sich, gewissermassen eine Fortsetzung der lateralen Hammer-Amboss- falte bildend, von der Öberfläche des Hammerkopfs bis an den Schuppentheil des Tegmen, wo sie der oberen Hammerbandfalte begegnet. 11. Vordere Nebenfalten: Kurze, unbeständige Falten, welche durch gefässführende Bindegewebsbündel bedingt zu sein Archiv f. nıikrosk. Anat. Bd. 59. 38 568 J. Aug. Hammar: scheinen und in den unteren Schuppenraum von vorn, gewöhnlich nur auf einer kürzeren Strecke einschneiden. In ihrer Befestigung und Richtung ähneln sie der lateralen Ambossfalte. Es scheinen die durch diese Nebenfalten bedingten Abtheil- ungen des unteren Schuppenraumes zu sein, welche Politzer (1870) als ein System „aus einer sehr variablen Anzahl kleinerer und grösserer membranöser Höhlen von rundlicher oder ovaler Begrenzung“ oberhalb des Prussak’schen Raumes beschreibt. Amboss. Der lange Schenkel des Ambosses liegt von seinem ersten Entstehen an der medialen („dorsomedialen“) Wand der Paukenhöhle im Gebiete der hinteren Paukenfelltasche an. Während also die äussere Fläche in etwas mehr als der unteren Hälfte des Schenkels primär eine Schleimhautbekleidung besitzt, schieben sich die beiden anliegenden Aussackungen, der Saccus medius von vorn und der Saccus sup. von hinten, über den Schenkel und fassen ihn somit in die Ambossschenkelfalte ein. An der inneren Fläche des übrigen Theils des Knöchelchens entlang wächst der Saccus medius (und zwar vorzugsweise der obere Schuppenraum) nach oben. Derselbe schlägt sich um das Crus breve herum und trägt somit hier auch zu der Bekleidung der Aussenfläche des Knöchelchens bei. Dem oberen Schuppenraum begegnet hier von unten her der untere Schuppenraum, der dem grössten Theil derAussenfläche seine Schleimhautbekleidung verleiht. Es setzen sich somit an den Amboss folgende Falten an: 1. Die Ambossschenkelfalte (Ambossfalte), die je nach dem verschiedenen Antheil, der dem Saccus med. und dem Saccus sup. bei der Bekleidung des langen Ambossschenkels zufällt, eine verschiedene Richtung zeigt. In sämmtlichen meiner älteren Stadien ist diese Falte entweder im Verschwinden begriffen, oder schon verschwunden. Sie dürfte indessen nicht selten auch beim Erwachsenen persistiren, da sie in den Be- schreibungen manchmal erwähnt wird. So von Henle (1873), (pag. 784), welcher sie sogar als konstant vorhanden anzusehen scheint. 2. Die Plica interossicularis (siehe oben). 3. Die Chordafalte (siehe gleichfalls oben). 4. Die laterale Hammer-Ambossfalte, hier haupt- sächlich von den beiden Schuppenräumen gebildet; nur an der Zusammensetzung des hintersten Theiles der Falte $nimmt der Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 569 Felsenraum, welcher hier nicht deutlich vom oberen Schuppenraum getrennt ist, in beschränktem Maasse Theil. Da der dem Amboss angehörige Abschnitt der Falte die sehnigen Fasern des Lig. incud. zwischen seine Blätter fasst, liesse er sich als Plieae lig. inceudis, Ambossbandfalte, bezeichnen. 5. Schliesslich inkonstante hintere Nebenfalten (Plicäe access. post.), die einen ähnlichen Verlauf wie die vorderen haben. Steigbügel. Der Stapes wird von oben durch das vordere und das hintere Steigbügelsäckchen überlagert. Von diesen Säckchen entstammt jenes dem Saccus med., dieses entweder dem Saccus sup. oder dem Saccus post. Von unten bedeckt den Stapes das durch den Saccus post. gebildete untere Steigbügel- säckchen. Es werden also folgende Steigbügelfalten gebildet: 1. Die Plica obturatoria stapedis, deren unteres Blatt durch das untere Säckchen, deren oberes entweder gänzlich durch das vordere oder sowohl durch dieses, wie durch das hintere Säckchen gebildet wird. Es lässt sich vermuthen, dass bei starker Entfaltung des hinteren Säckchens eine dritte Modi- fikation, wo das obere Blatt gänzlich von diesem Säckchen ge- bildet wird, anzutreffen wäre. Das Verschwinden dieser Falte sollnach Bryant (eit. nach Siebenmann, 1898) nur bei 2°/o vorkommen. Ohne mir eine eigene Ansicht in der Frage zu gestatten, möchte ich nur noch einmal das Fehlen derselben in den Mod. XXVIa und b hervor- heben. Die Falte scheint eine reine Schleimhautduplicatur zu sein, und bei der sonstigen Vergänglichkeit solcher Bildungen in der Paukenhöhle ist ihre angebliche grosse Konstanz auffällig. 2. Die vordere Steigbügelfalte, welche zwischen dem vorderen und dem unteren Säckchen liegt und sich an das Crus ant. anheftet. Kann unter Umständen nicht zur Ausbildung kommen (Mod. XXI). 3. Die hintere Steigbügelfalte, welche das hintere und das untere Säckchen trennt und ihre Anheftungsstelle am Crus post. hat. | 4. Die obere Steigbügelfalte, welche eine Ver- längerung der Plica erur. incud. bildet und eine wechselnde 38* 570 J. Aug. Hammar: Anheftung am Steigbügel besitzt, je nachdem von den beiden sie bildenden Säckchen, dem vorderen und dem hinteren, das eine oder das andere in der Grösse überwiegt. In den Mod. XXII und XXV liegt ihre Anheftung also etwa in der Mitte der Plica obturatoria, in den Mod. XXIII und XXIV liegt sie am Crus post. Die vordern, hintern und unteren Steigbügelfalten dürften wohl in der Regel schon relativ früh der Atrophie anheimfallen. Musculus stapedius. Die Sehne dieses Muskels wird in einer kurzen Endstrecke in den freien Rand einer Plica stapedii eingefasst, welche eine sehr wechselnde Zusammen- setzung haben kann, indem ihr unteres Blatt im Mod. XXI bis XX’V dem Saccus post. (hinterem Steigbügelsäckchen), im Mod. XXI ebenfalls dem Saccus post, aber dem unteren Säckchen angehörig ist. Das obere Blatt hingegen stammt in den Mod. XXI, XXI und XXV von dem Saccus sup., in den Mod. XXIII und XXIV von dem Saccus med. (vorderem Steigbügelsäckchen) her. ; Diese Falte soll meistens (nach Henle 1873 sogar konstant) beim Erwachsenen vorhanden sein, fehlt aber bei meinem Mod. XXVla und b. Musculus tensor tympani. Die Sehne dieses Muskels liegt anfangs in der Incisura tensoris, welche sogar früher vor- handen ist, als sich die Begrenzung der Sehne gegen die Um- gebung erkennen lässt. Indem vorn und hinten von der Incisur sich der Saccus anterior und der Saccus medius erheben, fassen sie die Tensorsehne in dem freien Rand der also gebildeten Tensorfalte, der Plicae tensoris (siehe oben), welche eine Fortsetzung der ursprünglichen Ineisur darstellt, zwischen sich. Die Chorda tympani liegt im hinteren Theil ihres Verlaufs in der Plica chordae tympani (der vorderen Tröltsch’schen Falte), im mittleren Theil zwischen den Blättern der Plica interossicularis und im vorderen Theil in der Plicaligam. mall. ant. (der vorderen Tröltsch’schen Falte) Die Herstammung dieser Falten ist schon oben besprochen worden. Das peritympanale Gallertgewebe. Um einen tieferen Einblick in die Entstehungsbedingungen der Variationen im Bau der Paukenhöhle zu gewinnen, sei es, dass diese Variationen primär entstanden oder durch sekundär eingetretene Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 571 Reduktionen bewirkt worden sind, ist eine genaue Kenntniss des peritympanalen Gallertgewebes von nicht unbedeutendem Werth. Vorstufen dieses Gewebes sind schon im Anfange des 4. Monats (Fötus von 70 mm) ja sogar schon im 3. Monate (der 50 mm lange Fötus) zu sehen. Etwas mehr ausgebildet findet man es erst im 6. Monate (Fötus von 150 mm), vom 7. Monate an (Fötus von 190 mm) nimmt es wohl circumskripte und relativ mächtige Bezirke der Präparate ein. Bei der Beschreibung der Topographie dieses Gewebes gehe ich von einem Modell, XXa (Fig. 36, 37) aus, das ich nach dem letztgenannten Fötus angefertigt habe und welches sowohl die Paukenhöhle, wie das peritympanale Gallertgewebe darstellt. Es zeigt dieses Modell, mit den Schnitten verglichen, Folgendes: Wie anderorts schon angegeben wurde, bildet das Gallert- gewebe theils einen zwischen der Paukenhöhle und dem Labyrinth liegenden tympanalen Theil (t.G. Fig. 37), theils einen die oberen Abschnitte des Hammers und des Ambosses einhüllenden epitympanalen Theil (ep. G. Fig. 37). Der tympanale Theil des Gallertgewebes bildet eine in der Mitte dickere, an den Rändern sich im allgemeinen verdünnende Belegschicht auf der inneren Paukenhöhlenwand. Es wird durch das festere Bindegewebe des Periosts von dem Labyrinth und den übrigen verknöchernden Theilen der Umgebung getrennt. Ebenso trennt es eine nicht unbeträchtliche festere Bindegewebs- schicht vom Paukenhöhlenepithel. Es ist also nicht als sub- epitheliales Gewebe (Wendt, 1873, u. A.), sondern eher als submuköses Gewebe zu bezeichnen. (Fig. 60—62). Vorn reicht es ungefähr so weit wie das Paukenfell; es geht also nicht auf die Tube über. Im grössten Bereiche des Promontoriums (prom. Fig. 37) fehlt es gänzlich und auch nach vorn davon erreicht es den unteren Paukenhöhlenrand nicht. Nach unten und hinten vom Promontorium hingegen bildet es einige mächtige Ver- dickungen, welche die als Fossula fenestrae rot. (f. Fr.), Sinus tympani (s.t.) und Sinus posterior (s. p.) bekannten Vertiefungen der Labyrinthwand ausfüllen. Eine dünne Schicht umhüllt auch den hinteren Paukenhöhlenrand. Im Paukenfell kommt kein Gallertgewebe vor. In diesem tympanalen Gallertgewebe nun ist der Steigbügel 572 J. Aug. Hammar: (natürlich mit Ausnahme der Innenfläche seiner Fussplatte) all- seitig eingebettet. Der untere Theil des langen Ambossschenkels liegt nach aussen der Schleimhaut direkt an und wird also nur an den übrigen Seiten vom Gallertgewebe umschlossen. Der Hammergriff wird erst im Tensoreinschnitt, (T.E) und da haupt- sächlich an der Innenseite umhüllt (Fig. 36). Die Abgrenzung zwischen dem tympanalen und epitympa- nalen Gallertgewebe wird durch eine deutliche Einschnürung bewirkt, welche von hinten und innen durch die Prominentia epitympanica (ein Facialiswulst ist noch nicht vorhanden), von vorn durch einen tiefen, der späteren Plica tensoris (T. F. Fig. 37) entsprechenden Einschnitt hervorgerufen ist. Die Tensorsehne (T.t. Fig. 60) liegt hier zwischen zwei sie trichterförmig um- fassenden Blättern festen Bindegewebes, (lig. int. Fig. 60) von welchen das obere seinen Ursprung vom oberen Theil des Tegmen ossis petrosi, das untere von der Aussenwand der Cochlea nimmt. Diese Bindegewebszüge befestigen sich mit der Sehne auf dem Hammer und füllen den ganzen Einschnitt aus. Es wäre, wie es. mir dünkt, nicht unberechtigt, diese Bindegewebszüge unter den Befestigungsbändern des Hammers anzuführen; sie wären dann als ein Ligamentum mallei internum zu bezeichnen. Das epitympanale Gallertgewebe bildet eine platte, nach unten dickeren, nach oben keilförmig verdünnte Schicht, welche den Winkel zwischen dem Tegmen und der Schläfenbeinschuppe ausfüllt (Fig. 60—62). Es entspricht hier fast ausschliesslich dem Aditus; nur sein am meisten nach hinten und oben gelegener Abschnitt (rechts oben Fig. 37), welche einen ganz kleinen Zipfel bildet, lässt sich zum Antrum zählen. In dieser Gewebsschicht nun liegen die oberen Abschnitte des Hammers und des Ambosses fast allseitig eingeschlossen. Es zeigt indessen das Modell in dieser epitympanalen Gallerthülle einige Lücken. Nach vorn-oben tritt eine solche von rundlich dreiseitiger Form hervor (lig. sup.). Hier liegt das Caput mallei mit seiner oberen-inneren Fläche dem Tegmen (squamosum). tympani dicht an (lig. sup. Fig. 60). Ein Faserübertritt, dem Lig. mallei sup. entsprechend, lässt sich indessen hier nicht fest- stellen (wohl aber in späteren Stadien, vergl. pag. 554). Nach vorn besteht eine andere rundliche Lücke (lig. ant. Fig. 36), deren unterer Abschnitt die Spina tympanica post., den Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 573 in Atrophie begriffenen Meckel’schen Knorpel, den Proc. Folii und die Chorda tympani beherbergt; deren oberer Abschnitt durch ein festes, die Spina tympanica post. mit dem Collum mallei verbindendes Bindegewebe, offenbar das Lig. mallei ant., ausgefüllt wird. Nach aussen von den Gehörknöchelchen erstreckt sich das epitympanale Gallertgewehe zwischen den ihm dicht anschliessenden Spitzen der Paukenfelltaschen nach oben vom kurzen Fortsatze des Hammers; die hintere Tasche liegt hierbei dem fraglichen (rewebe viel breiter an, als die vordere, wo die Berührung an einer ganz beschränkten Stelle stattfindet. Etwas oberhalb der Taschenspitzen tritt durch eine rundliche Lücke festes Bindegewebe, welches von der Crista mallei aus- geht und sich an der oberen Wand des intermediären Gehörgang- abschnitts entlang in das Periost des Gehörgangtheils der Schuppe fortsetzt, um hier zu enden. Es ist dies das Lig. mallei ext. (lig. ext. Fig. 36). Gleich nach hinten hiervon ist eine andere etwas grössere Lücke. (Fig. 36) zu sehen, welche eine ganz schwache Ver- dichtung des zwischen der Schläfenbeinschuppe und dem Amboss liegenden Bindegewebes andeutet. Ich habe dieses dichtere (Gewebe in dem Modelle angegeben, da es wahrscheinlich dem Zuwachse des unteren Schuppenraums nach vorn ein gewisses Hinderniss entgegensetzt, das das Entstehen solcher Variationen, wie die in den Mod. XXV. und XXVIa vorkommenden, be- günstigt (vergl. Fig. 36 mit Fig. 47). Höher oben endlich befindet sich eine längliche Lücke, welche eine feste Verbindung zwischen dem inneren Schuppen- periost einerseits und dem Körper und dem kurzen Schenkel des Ambosses andererseits beherbergt (lig. inc. lat. Fig. 36, 62). Sie umfasst auch das hintere Ende des betreffenden Ambossschenkels (lig. inc. post. Fig. 36). Diese, die einzige ligamentöse Ver- bindung des Ambosses (die Gelenkverbindungen nicht mitge- rechnet), die ich gefunden, habe ich schlechthin als Lig. incudis bezeichnet, ohne aus den etwas schwebenden Beschreibungen der Autoren mit Sicherheit entnehmen zu können, in wie fern dies Ligament dem früher so benannten gänzlich entspricht. Es lassen sich an demselben zwei Portionen entscheiden, eine laterale, deren Fasern von der Aussenfläche des kurzen Ambossschenkels 574 J. Aug. Hammar: und des Ambosskörpers ausgehen, und eine hintere, deren Fasern von der hinteren, endständigen Schenkelfläche auslaufen. Beide Portionen gehen kontinuirlich in einander über. Betreffs der hier beschriebenen Verhältnisse ist erstlich zu bemerken, dass die absolute Masse des tympanalen und des epitympanalen Gallertgewebes gar nicht dem Grade der später erfolgten Erweiterungen der Paukenhöhle gleichkommen. Es muss also in der Folge ein Zuwachs des Bezirks, der von diesem Gewebe eingenommen wird, stattfinden, wobei nicht nur ein Zuwachs an den Suturen, sondern auch eine innere Knochen- resorption in Betracht kommt; durch letzteres Moment wird also bewirkt, dass Gallertgewebe dort auftritt, wo in früheren Stadien Knochentrabekel vorhanden waren. Auf die Frage, wie dieses neue Gallertgewebe zu Stande kommt, gehe ich nicht näher ein. Ferner ist hervorzuheben, dass das Gallertgewebe nicht überall dieselbe Struktur besitzt. Es kommen nämlich Bezirke vor, wo relativ grosse Höhlungen mit zwischenliegenden, gröberen stärker gefärbten Faserzügen vorkommen und das Gewebe deshalb auffallend gelockert erscheint. Diese Bezirke grenzen sich recht scharf gegen die nicht gelockerten, wo das Gewebe mehr gleich- mässig ist, ab. Es ist nun zu bemerken, dass diese Bezirke theils in der ovalen Fensternische, theils abwärts vorwärts von derselben liegen, theils sich im unteren Theile des Aditus befinden, d. h. sie entsprechen recht genau eben der Ausdehnung, welche die Paukenhöhle in den drei folgenden Stadien (Mod. XXI— XXIII) gewinnt. Es scheint mir dieses Verhältniss einigermassen Licht über die sonst räthselhafte, gleichsam sprungweise Vergrösserung der Paukenhöhle zu werfen, welche aus meinen Stadien zu entnehmen ist und welche schon die Aufmerksamkeit Siebenmann’s (1898) auf sich gelenkt hat. Nachdem eine solche Auflockerung eine Zeit lang stattgefunden hat, scheint das Eindringen der Schleim- haut auf die so vorbereiteten Gebiete, vielleicht im Zusammen- hange mit der Resorption der in den Gewebslücken angesammelten Flüssigkeit, relativ rasch vor sich gehen zu können. Bei dieser Vergrösserung der Paukenhöhle nun bilden die oben namhaft gemachten festeren Faserzüge Barrieren, die nicht Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 579 durchbrochen, sondern von der Schleimhaut umhüllt werden '!). ‘Man findet sie also in späteren Stadien sämmtlich in Dupli- caturen der Schleimhaut eingeschlossen; eben diese Duplicaturen sind es auch, welche in ihrem Verhalten eine relativ geringe Variabilität zeigen. Wo aber Schleimhautduplicaturen ohne solche Hindernisse durch das „freie“ Begegnen verschiedener Schleimhautaussackungen entstehen, hängt es offenbar mehr vom Zufall ab, wo das Zu- sammentreffen stattfindet. Das eine Mal ist die eine Aussackung weiter in der Vergrösserung fortgeschritten, das andere Mal die andere. Hier sind offenbar die möglichen Kombinationen zahl- reicher, die Variationen in der Zusammensetzung und in der Lage der Duplicaturen grösser. Dieses ist auch mit den Steig- bügelfalten, der Ambossschenkelfalte und dem hinteren Abschnitte der lateralen Hammer-Ambossfalte der Fall. Bei dem Hervorwachsen des Prussak’schen Raumes verhält es sich offenbar so, dass die hintere Paukenfelltasche dem oberhalb des Processus brevis mallei liegenden Gallertgewebe breiter anliegt als die hintere (Fig. 36); die Bildung des Prussak schen Raumes aus jener ist dadurch begünstigt und erfolgt aus derselben auch öfter, als aus dieser, obgleich auch hier für die Bildung des betreffenden Raumes kein Hinderniss vorliegt. Letztere Bildungsweise kommt deshalb auch bisweilen vor, was schon vorher u. A. von Politzer (1870) angegeben worden ist, von Prussak und Siebenmann aber verneint wird. Hierzu kommt aber ein anderes Verhältniss, welches die Variabilität der letztberührten Categorie von Schleimhautfalten noch erhöht Dieselben sind nämlich offenbar weit vergänglicherer Art als diejenigen, welche derbere Bindegewebszüge enthalten. So atrophiiren und schwinden schon im Fötalleben die Steig- bügelfalten; und demselben Schicksal können auch die Plica obturatoria und die Plica crur. incud. zu derselben Zeit anheim fallen. Andere wahrscheinlich im Allgemeinen später zu Stande kommende Atrophien sind oben gleichfalls berührt worden. Ich stelle mir vor, dass bei solchen atrophischen Prozessen gefässhaltige Stränge oder sonstige etwas festere Bindegewebs- !) Dasselbe gilt natürlich auch für andere im Gallertgewebe ver- laufende festere Gebilde, wie die Chorda tympani, die Muskelsehnen u. s. w. 576 J. Aug. Hammar: züge bestehen bleiben können (beim 265 mm grossen Embryo war ein solcher im Sinus tymp. vorhanden) und erkläre mir in: solcher Weise die Befunde Urbantschitsch’s u. A. von Strängen wechselnder Art, die die Paukenhöhle beim Erwachsenen durchziehen. „Ueberreste des fötalen Gallertgewebes“ im ge- wöhnlichen Sinne sind sie jedenfalls nicht. Schon aus dem oben Gesagten geht hervor, dass ich, gleich wie Siebenmann (1898) u. A. neuere Forscher, den Rück- bildungsprozess des Gallertgewebes als einen im Laufe der Fötalentwicklung sich geltend machenden Faktor betrachte. Und eine andere Deutung scheint mir die deutliche und gesetzmässige Progressivität des Prozesses kaum zu gestatten. Welche Rolle eine stattgefundene Athmung dabei spielt, kann ich zwar nicht mit voller Sicherheit entscheiden, da diesbezügliche Angaben für mein Material fehlen. Eher könnte man doch meines Erachtens, wenn man eine mechanische Ursache der Veränderungen verlangt, an die Schluckbewegungen denken. Wegen Mangel an der nöthigen faktischen Unterlage gehe ich aber auf diese Frage hier nicht näher ein. Zusammenfassende Webersicht über die Entwicklung des Mittelohrraumes und der Tube. ]. In der Entwicklung des Mittelohrraumes lassen sich drei gut charakterisirte Perioden unterscheiden: die Anlegungs- periode, die Abtrennungsperiode und die Umformungsperiode. Die Anlegungsperiode beginnt im 1. Monate (Embryo von 3 mm NI.) und erstreckt sich bis in die 7. Woche (Embryo von 18,5 mm). Die Abtrennungsperiode ist relativ kurz und endet im Anfange des 3. Monats (Embryo von 24 mm). Die Umformungsperiode dauert das ganze folgende Fötal- leben hindurch und setzt sich in der That auch im postfötalen Leben fort. 2. In der Anlegungsperiode entsteht schon früh am Schlunddache eine dorsale Verlängerung der ersten Schlundtasche. Zuerst unscheinbar, bildet dieselbe sich zu einer spitz ausgezogenen, schief medio-oralwärts gestellten, platten Tasche um, deren Spitze und Aussenwand anfänglich mit der ersten Schlundfurche zusammenhängt, in der 5. Woche aber von ihr durch zwischen- u Ze eh Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 977 wucherndes Mesenchym in ventrodorsaler Richtung ‚ losgetrennt wird. So lange dieser Zusammenhang dauert, hat die dorsale Verlängerung eine dorso-lateralwärts aufsteigende Richtung. Die Spitze ist ihr höchster Punkt, sie bildet die Anlage der vor- deren Paukenfelltasche Die an ihrem oralen Rande entlang verlaufende Rinne wird als tubotympanale Rinne, die längs dem aboralen Rande verlaufende als Tensorrinne bezeichnet. Letztere geht in eine medial von der Wurzel des 2. Schlundbogens laufende Rinne, die hintere tympanale Rinne, über, welche ihrerseits aboralwärts in die dorsale Ver- längerung der 2. Schlundtasche ausläuft. Nach innen von diesen am lateralen Rande des Schlunddaches gelegenen Gebilden ist das Dach durch die Gehörblase als eine Impressio cochlearis eingebuchtet. Die dorsale Verlängerung der 1. Schlundtasche (mit ihren verschiedenen Theilen, der tubotympanalen Rinne, der Tensorrinne und der vorderen Paukenfelltasche), die hintere tympanale Rinne und der zunächst einwärts von diesen Gebilden gelegene Abschnitt des Schneckeneindrucks bilden die primäre Paukenhöhle; diese hängt Anfangs mit der ventralen Ver- längerung der 1. Tasche zusammen, welche aber recht bald gänzlich atrophürt. 3. So lange der Zusammenhang zwischen der 1. Schlund- tasche und der 1. Schlundfurche besteht, nimmt die primäre Paukenhöhle eine aufgerichtete flügelähnliche Stellung ein; wenn dieser Zusammenhang gelöst ist, wird sie durch die sich ver- dickende Basis cranii in eine horizontale Lage gedrängt. Gleich- zeitig gewinnen die tubotympanale und die hintere tympanale Rinne an Höhe. Erstere wird durch eine knieförmige Biegung in eine ganz kurze tubare und eine weit längere vordere tympanale Rinne getheilt. Letztere erhebt sich nunmehr auch in einen von ihrem oralen Ende ausgehenden Zipfel — die hintere Paukenfelltasche. Diese und die durch Abknickung scheinbar reduzirte vordere Paukenfelltasche fassen die Tensor- rinne zwischen sich. Unter dem Einfluss des ihr anliegenden Blastems der Tensorsehne hat letztere weniger an der Höhe zugenommen ; sie ruft also gleichsam einen Einschnitt — Tensor- einschnitt, Incisura tensoris tympani — zwischen den beiden Paukenfelltaschen hervor. Abwärts vom Tensorein- schnitt wird die laterale Wand der Paukenhöhle durch den Hammer- griff eingebuchtet — Hammergriffeindruck, Impressio 578 J. Aug. Hammar: manubrii: Dieser Eindruck liegt aboralwärts von der früheren Berührungsstelle zwischen der 1. Schlundfurche und der 1. Schlund- tasche: der Hammergriff steckt somit im Gewebe des früheren 2. Bogens. Hiermit hat die primäre Paukenhöhle ihre höchste Ent- wicklung erreicht. 4. In der Abtrennungsperiode wird unter Bewahrung der übrigen Theile in ihrem vorigen Zustande die bisher länglich spaltförmige Schlundmündung der primären Paukenhöhle durch eine aboral-oralwärts fortschreitende Einschnürung immer mehr verkürzt. Die Einschnürung setzt an der Grenze zwischen dem aboralen Ende der hinteren tympanalen Rinne und der dorsalen Verlängerung der 2. Schlundtasche ein und wird durch Wucher- ung des Gewebes des früheren 2. Schlundbogens hervorgerufen. Durch sie wird die primäre Paukenhöhle in ein dreiseitig pris- matisches, von der Schlundmündung lateral-dorsal-aboralwärts gerichtetes Rohr — das tubotympanale Rohr — um- gewandelt. Dasselbe erweitert sich schwach nach seinem hinteren blinden Ende hin. Sein tubarer vorderer Abschnitt ist vorläufig ganz kurz; er ist unter Vermittelung der tubaren Rinne entstanden. 5. In der Umformungsperiode erhält das tobotympanale Rohr zuerst eine platte, leicht spiralige Form. Es steht Anfangs mit den Wänden fast horizontal, wird aber an der Aussenfläche der an der Länge wachsenden knorpeligen Gehörkapsel entlang aufgerichtet, so dass es vom 3.—5. Monate eine: fast vertikale Stellung einnimmt. Im 6. Monate legt sich das Os petrosum um seine Längsachse derart nach aussen um, dass die Kuppel der Cochlea gesenkt wird. Hierdurch wird auch eine übergehende Senkung der Paukenhöhle bewirkt, so dass die Wände wieder eine nahe horizontale Stellung einnehmen. Aus dieser kehrt die Höhle im 7. Monate allmählich in die halb aufgerichtete Stellung zurück, welche sie noch bei der Geburt einnimmt. 6. Die Tube nimmt rasch an Länge zu, wenig aber an Breite, wodurch sie ein verhältnissmässig schmales Rohr mit rundlichem Querschnitt bildet. Mit der Ausbildung des Tuben- knorpels wird das Lumen mehr spaltförmig. 7. Die Paukenhöhle wächst rascher in der Breite, als in der Länge. Sowohl das Breiten- wie das Längenwachsthum Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 579 betrifft vorzugsweise das hintere Ende der Höhle. Hierdurch wird einerseits der ursprünglich endständige Tensoreinschnitt bis etwa an die Mitte des oberen Paukenhöhlenrands verlagert; in seiner Verlängerung verläuft die Impressio mannbrii an der lateralen Wand bis zum Centrum; beide werden vom Hammer- griff eingenommen. Andererseits wird der Umfang der Pauken- höhle ein rundlicher. Vor dem Uebergange in diese rundliche Form entsteht am hinteren Ende der hinteren tympanalen Rinne eine zipfelige Verlängerung, welche sich um den vorderen Rand des runden Fensters herum legt. Dieser Recessus tertius sowie ein aus der vorderen tympanalen Rinne entstandener Recessus quartus sind aber Bildungen vergänglicher Art, welche durch den späteren Zuwachs schon im 4. Monate wieder ausgeglichen werden. 8. Das bisher deutliche Lumen der Paukenhöhle wird im 3. Monate (Fötus von 50 mm) durch die Begegnung der epi- thelialen Flächen grösstentheils aufgehoben. Nur in den Pauken- felltaschen ist es immer noch offen. Dieses Verhältniss ist aber rasch vorübergehend. Schon im Anfange des 4. Monats (Fötus von 70 mm) ist das Lumen durchgehend offen und bleibt es fortwährend, wenn es auch im Zusammenhange mit der im 6. Monate stattfindenden Senkung der Paukenhöhle eine kurze Zeit stark verengt wird. 9. Die laterale Wand (Paukenfellwand) der eigentlichen Paukenhöhle behält in der Folge hauptsächlich ihren rundlichen Charakter. Es bildet sich nur ein Nabel aus und weiter vertieft sich die Impressio manubrii auf eine kurze Strecke zur Bildung einer Hammergrifffalte. Endlich sendet gegen das Ende des Fötallebeus die hintere (weniger oft die vordere) Pauken- felltasche eine Verlängerung — den Prussak’schen Raum nach oben vom kurzen Hammerfortsatz aus. 10. Die mediale Wand der Paukenhöhle liegt bis in den 4. Monat dem knorpeligen Labyrinth fast in ihrer ganzen Aus- dehnung dicht an. Diese aus dem Schneckeneindruck hervor- gehende Promontoriumfläche wird in der Folge durch die durch das Wachsthum bedingten Verschiebungen allmählich ver- kleinert, bis sie im 7. Monat nur den untersten hintersten Ab- schnitt der medialen Wand umfasst. Das Promontorium wird von dieser Zeit an wieder etwas vergrössert und zwar dadurch, 580 J. Aug. Hammar: dass sich die mediale Wand nach innen ausdehnt und sich dabei dem Labyrinth inniger anschliesst. Die Ausdehnung der medialen Wand umfasst insbesondere ihren oberen Abschnitt und beginnt von dem 7. Monate an sich bemerkbar zu machen. Da diese Ausdehnung an zwei Stellen Widerstand erfährt, nämlich wo die Tensorsehne und wo der lange Ambossschenkel der Wand anliegt, entsteht keine einheit- liche, sondern drei getrennte Aussackungen: die vordere, die mittlere und die obere, der Saccus anterior, medius und superior. Zwischen der vorderen und der mittleren liegt die Tensorsehne, welche durch die ge- nannten Aussackungen in eine Tensorfalte (Querfalte) ein- gehüllt wird. Diese Falte stellt eine Verlängerung des Tensor- einschnitts dar. Zwischen der mittleren und der oberen Aus- sackung liegt das Crus longum incudis, welches gleichfalls in eine Ambossschenkelfalte eingeschlossen wird. Unten und rückwärts vom Promontorium entsteht eine vierte Aussackung, der Saccus posterior, welche, da sie sich der hier unebenen Oberfläche des Labyrinths anlegt, als eine Serie von Ausbuchtungen hervortritt: also werden die Fossula fenestrae rotundae, der Sinus tympani und der Sinus posterior gebildet. Später bildet sich an dem Uebergang, zwischen der medialen und der unteren Wand, ab- und vorwärts vom Promontorium ein mehr oder weniger in Zellen zerklüfteter Raum, der Recessus hypo-tympanicus. 11. Die Umhüllung des Steigbügels wird von drei ver- schiedenen Aussackungen bewirkt: dem vorderen, dem hinterenund dem unteren Steigbügelsäckchen. Das vordere Säckchen enstammt dem Saccus medius, das untere dem Saccus posterior, das hintere entweder dem Saccus superior oder dem Saccus posterior. Ausser der Plica obturatoria bilden diese Säckchen mit einander drei Steigbügelfalten, die vordere, die hintere und die obere; die letztere ist eine Verlängerung der Ambossschenkelfalte. Die Steigbügelfalten sind Bildungen vergänglicher Art; durch ihr Verschwinden ver- schmelzen die drei Steigbügelsäckchen zu einer einheitlichen Fossula fenestrae ovalis. Auch die Plica obturatoria kann im Fötalleben schwinden. Der Saccus superior (in anderen Fällen der Saccus posterior) und der Saccus medius hüllen die Sehne des Musc. stapedius in Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 58l eine besondere Stapediusfalte ein, die ebenfalls schon intra- uterin schwinden kann. 12. Beim Erweitern der medialen Wand der vorderen Paukenfelltasche verursachen die Fasern des Lig. mallei ant. eine Einbuchtung, die vordere Hammerbandfalte (vordere Tröltsch’sche Falte). Eine ähnliche, aber tiefere Falte, die Chordafalte (hintere Tröltsch’sche Falte), wird im Bereiche der hinteren Tasche durch die Chorda tympani hervorgerufen. 13. Diese letztgenannten beiden Falten schneiden von aussen und oben, die Tensorfalte von vorn, der Facialiswulst und der epitympanale Wulst von innen und hinten in die Paukenhöhle ein, wodurch eine verengte Stelle, die Paukenhöhlenenge oder der Isthmus tympani („Aditus“ nach Kretschmann) entsteht, welche die eigentliche Paukenhöhle von dem nach oben davon gelegenen Aditus absetzt. E Von dieser Einengung werden der Saccus superior und der Saccus medius betroffen. Ersterer wächst wenig an Umfang und schmilzt in Folge der Resorption der Ambossschenkelfalte bald mit dem Saccus medius zusammen. Der Saccus medius wiederum dehnt sich rasch nach oben aus und bildet den grössten Theil des Aditus und das ganze Antrum. Durch die vom Lig. mallei sup. hervorgerufene obere Hammerbandfalte und ihre von der Tegmensutur ausgehende Verlängerung, die vom Dache einschneidende Felsen-Schuppenfirste, wird dieser obere Abschnitt aes Saccus medius unvollständig in zwei Räume getheilt. Je nach ihrer Lage werden diese Räume Felsenraum und oberer Schuppenraum (oberer Hammer- Amboss-Schuppenraum) genannt. Die Räume erstrecken sich nach oben und nach innen (der obere Schuppenraum auch etwas nach aussen) von den oberen Abschnitten des Hammers und des Ambosses und verleihen den genannten Abschnitten der Knöchelchen an diesen Seiten ihre Schleimhautbekleidung Nach aussen von ihnen dringt eine dünne taschenförmige Verlängerung des Saccus medius (in anderen Fällen wahrscheinlich des Saccus superior) nach oben von der Chordafalte, welcher sie eine vordere Verlängerung bildet, nach vorn zwischen die genannten Gehörknöchelchen und die Schläfen- beinschuppe. Dieser Raum ist der untere Schuppenraum (untere Hammer-Amboss-Schuppenraum). Derselbe wird nach 582 J. Aug. Hammar: unten durch die verlängerte Chordafalte. von der hinteren Pauken- felltasche und durch die äussere Hammerbandfalte von dem Prussak’schen Raum getrennt. Nach oben wird er durch die laterale Hammer-Ambossfalte von dem oberen Schuppenraum getrennt. Der hintere Abschnitt letzterer Falte ist konstant und schliesst in sich das Lig. incudis ein; der vordere Abschnitt zeigt Wechslungen, wobei er durch eine obere oder untere Hammerschuppenfalte ersetzt werden kann. Mit dem unteren Theil des Saccus medius zusammen bildet der untere Schuppenraum eine den Zwischenraum zwischen dem Hammerhals und der Basis des langen Ambossschenkels aus- füllende Falte, die Plica interossicularis. In die vorderen und hinteren Enden des unteren Schuppenraumes können in- konstante vordere und hintere Nebenfalten einschneiden, die durch Bindegewebsstränge, welche Gefässe zum Hammer- kopfe, resp. dem kurzen Schenkel des Ambosses leiten, hervor- gerufen sind. 14. Am Ende des Fötallebens sind kurze pneumatische Zellen besonders von dem oberen Schuppenraum, in be- schränkterem Grade von dem Felsenraum und dem hinteren und unteren Abschnitte der eigentlichen Paukenhöhle unter Aus- bildung. 15. Die hier beschriebene Vergrösserung und Umgestaltung der Paukenhöhle wird durch die Entwicklung eines submukös liegenden peritympanalen Gallertgewebes vorbereitet. Die erste Anlage desselben fällt in den 3.—4, Monat; voll ausgebildet findet man es erst im 6.—7. Monate. Es bildet theils an der Innenwand (später auch am hinteren und unteren Rand) der Paukenhöhle ein nur an der höchsten Wölbung des Promontoriums nicht vorhandenes Polster (tympanales Gallertgewebe), theils eine nach oben von der Paukenhöhle liegende Gewebs- masse (epitympanales Gallertgewebe). Diese letztere (sewebsmasse präformirt noch im 7. Monate nur den Aditus. Der Bezirk des peritympanalen Gewebes entspricht in den Di- mensionen überhaupt nicht der späteren Ausdehnung der Pauken- höhle, so dass ein parallel mit dieser Ausdehnung gehender Zuwachs des Gallertgewebes stattfindet. Die Erweiterung der Paukenhöhle geschieht in den späteren Fötalmonaten nicht allmählich und kontinuirlich sondern gewissermassen sprungweise, was darin seine Erklärung findet Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 583 dass eine Erweichung des Gallertgewebes unter Bildung mit Flüssigkeit erfüllter Höhlen streckenweise erfolgt. Durch Resorp- tion der Flüssigkeit scheint die Ausdehnung der Paukenhöhle rasch auf das also vorbereitete Gebiet stattzufinden. 16. In diesem Gallertgewebe eingebettet liegen ausser den Gehörknöchelchen andere festere Gebilde, die Chorda tympani, Muskelsehnen und ligamentöses Bindegewebe, welche Gebilde das Entstehen der nach ihnen genannten Schleimhautfalten hervor- rufen. Solche Falten zeichnen sich durch die Konstanz ihres Auftretens und ihre Persistenz aus. Andere, die reine Schleimhaut- duplicaturen sind, zeigen in ihrer Lage grosse Wechslungen und sind oftmals recht vergänglicher Art. Kapitel IV: Die Entwicklung des äusseren Gehör- ganges und des Paukenfells nebst Bemerkungen zur Entwicklung des äusseren Ohres. Litteratur. „Eine vollständige Darstellung der Umbildungsverhältnisse des äusseren Gehörganges in den einzelnen Zeiten der Entwick- lung besitzen wir noch nicht“ schreibt neuerdings Schwalbe in der Bardeleben’schen Anatomie. Ohne eine vollständigere Ausfüllung dieser Lücke geben zu wollen, finde ich, dass meine Präparate und Modelle für die Beurtheilung des betreffenden Entwicklungsvorganges so viele Anhaltspunkte gewähren, dass es sich lohnt, der Frage hier ein besonderes Kapitel zu widmen. Auch in Betreff der Litteratur über die Entwicklung des äusseren Gehörganges kann ich vielfach auf die oben citirte Gaupp’sche Zu- sammenstellung verweisen. Hier will ich nur einige Punkte berühren, welche ganz besonders der Gegenstand der Aufmerksamkeit derjenigen Forscher gewesen sind, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. In erster Reihe unter den strittigen Punkten der Embryologie des äusseren Gehörganges steht dann die Entscheidung darüber, ob der Gehör- gang ein Derivat der ersten Kiemenfurche ist, oder unabhängig davon an- gelegt wird. Diese Frage steht mit derjenigen von der Herkunft des Mittelohrraumes in allzu nahem Zusammenhange, um nicht zu ähnlichen Meinungsverschiedenheiten wie sie Anlass zu geben. Die zuerst von Huschke ausgesprochene Auffassung, dass u. A- der äussere Gehörgang von der ersten Kiemenspalte herstamme, wurde bald von Rathke, Reichert, Günther bestätigt; in der Folge ist sie durch Untersuchungen von Kölliker, His, Tuttle, Kastschenko Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 39 584 J. Aug. Hammar: und Mall bekräftigt worden. Zwar betont Kastschenko (1887) dabei ausdrücklich, dass die zwei Bildungen, die erste Schlundfurche und der äussere Gehörgang, nicht zu identificiren sind, weil der äussere Gehörgang eine von der Schlundfurche ausgehende sekundäre Bildung sei. Indessen sind auch in letzter Zeit Stimmen laut geworden, welche sich einer früher u. A. von v. Baer geäusserten gegentheiligen An- schauung anschliessen und die Annahme aussprechen, dass die Schlund- furche nicht an der Gehörgangbildung betheiligt sei. Hierher gehört Hunt (1877); weiter ist hierMoldenhauer (1877) zu nennen, welcher das Paukenfell aus einem an die Kiemenspalte grenzenden, oberflächlich gelegenen Abschnitte des ersten Kiemenbogens entstehen lässt; dadurch dass die Oberfläche hier durch Verdiekung und Erhebung der Umgebung in die Tiefe gesenkt wird, entstehe der äussere Gehörgang. Urbantschitsch (1877:1) schliesst sich derselben Ansicht an und auch Dreyfuss (1893) huldigt einer ähnlichen Anschauung. Letzterer Forscher findet (pag. 615 und 652), dass das Trommelfell ursprünglich in der Ebene der Gesichtswand, an der Stelle der ersten Kiemenfurche liegt und der äussere Gehörgang durch Erhebung der umliegenden Partien ge- bildet wird. Während also die zuletzt angeführte Gruppe von Forschern annimmt, dass das Paukenfell an der Körperoberfläche angelegt und entweder durch wirkliche Einstülpung (Hu nt, 1879) oder durch Erhebung der Umgebung in die Tiefe gesenkt wird (Moldenhauer, Urbantschitsch und Dreyfuss), ist für die erste Gruppe von Forschern die Frage entstanden, wie es sich im Anschluss an die erste Schlundspalte entwickelt. Von den älteren Autoren, welche von der Vorstellung des Offenseins der Spalte auch bei den höheren Vertebraten ausgingen, wurde allgemein angenommen, dass sich die Membrana tympani aus einer sekundär entstandenen Verschluss- masse entwickele, durch welche die Spalte in einen äusseren und einen inneren Abschnitt getheilt wird. Eine ähnliche Ansicht wurde noch von Tuttle (1883) vertreten. Nachdem durch die Untersuchungen von His u. A. die Aufmerksam- keit auf das primäre Vorhandensein einer epithelialen Verschlussmembran gelenkt worden ist, sind betreffs der Bedeutung derselben für die Pauken- fellentwicklung verschiedene Ansichten laut geworden. Einige Forscher wie z. B. Mall (1881:1), Schäfer (1890), Minot (1894), ©. Schultze (1897) lassen das Paukenfell ganz aus der Ver- schlussmembran hervorgehen. Bei Minot heisst es solchergestalt (pag. 765): „Wie oben erwähnt liegt das innere Ende des äusseren Gehör- ganges der Paukenhöhle unmittelbar an; getrennt sind beide Gänge nur durch eine aus zwei Rpithelschichten bestehenden Platte; diese Platte ist die Verschlussmembran der ersten Kiemenspalte und die Anlage des Trommel- fells; beim Erwachsenen findet sich zwischen den beiden Epithelschichten Mesenchym, wie dasselbe aber hineingelangt weiss ich nicht.“ !) !) Er demonstrirt das ursprüngliche Verhältniss in einer Abbildung (Fig. 430), welche einem Embryo von drei Monaten entstammt und meiner Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 585 Eine zweite Ansicht vertritt Hertwig (1898 pag. 498): Das Trommelfell „leitet sich nieht nur aus der schmalen Verschlussstelle der ersten Schlundspalte her, vielmehr betheiligen sich auch noch angrenzende Theile des ersten und des zweiten häutigen Schlundbogens. Das embryonale Trommelfell ist daher Anfangs eine dicke, bindegewebige Platte und ‚schliesst an seinen Rändern die Gehörknöchelchen, den Tensor tympani und (die Chorda tympani in sich ein“ Aehnlich lauten die Angaben von Kollmann (1898). Eine dritte Ansicht endlich lässt den äusseren Gehörgang an einer ‚Stelle der ersten Furche entstehen, wo eine epitheliale Verschlussmembran überhaupt nicht vorhanden gewesen ist, da dort eine Berührung zwischen dem Epithel der Schlundfurche und der Schlundtasche zu keiner Zeit stattfindet, Hier ist in erster Linie Kastschenko (1837:1) zu nennen, dessen Untersuchung die eingehendste aller bisherigen ausgeführten ist und deswegen vielfach eitirt wird. Nach ihm zeigt die erste Schlundfurche in ihrem Verlaufe drei erweiterte und vertiefte Stellen, welche er als oberes, mittleres und unteres Ohrgrübchen bezeichnet. Das untere Öhrgrübchen ist von dem mittleren durch die Tubercula zwei und vier von His getrennt und das obere dersalwärts vom Tuberulum drei gelegen. Ventralwärts vom unteren Öhrgrübehen verlängert sich die Schlundfurche als eine schmale und scharfe Rinne bis an den ventralen Rand des Schlundbogens. Nur am oberen Ohrgrübchen schmilzt das Epithel der Schlundtasche mit dem der Schlundfurche zusammen, sonst sind diese beiden Epithelien durch das indifferente Gewebe des Mesoblasts vollkommen getrennt. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird die Schlundfurche von der Schlundtasche auch im Bereiche des oberen Ohrgrübchens getrennt; (dieses selbst wird abgeflacht und schwindet ohne irgend einen Rest zurück zu lassen. Ebenso spurlos schwindet die veutralwärts von dem unteren Öhr- gräbchen verlaufende Theilstrecke der ersten Furche. Das untere Ohr- grübchen aber und das mittlere bleiben während des ganzen Lebens be- stehen; das mittlere bewahrt seine oberflächliche Lage und geht in die Fossa intercruralis „und deren Verlängerung nach unten“ über. Das untere ‘Ohrgrübchen wird durch den Auswuchs der umliegenden Theile zum äusseren Gehörgang vertieft und sein Anfangs ganz oberflächlich gelegener Boden bildet sich zum Trommelfell um. Eine hiermit in Uebereinstimmung stehende Auffassung spricht Siebenmann (1894 pag. 361) aus, indem er hervorhebt,. dass das em- bryonale Trommelfell nicht der früheren Verschlussspalte, sondern der Vorderwand des Spitzentheils der ersten Schlundtasche entspricht.!) Fig. 52 recht nahe kommt! Dass die dünne Membrana propria des Trommel- fells von dem Autor übersehen worden ist, ist selbstverständlich. !) Schon von Moldenhauer ist übrigens hervorgehoben worden, „dass das Trommelfell mit dem hinteren blinden Ende des Suleus tubo- tympanicus überhaupt in keiner Verbindung steht, indem seine Schleimhaut- fläche einem bestimmten und ansehnlichen Bezirke des ventralen Abschnittes der Vorderdarmwand entspricht.“ 39 * 586 J. Aug. Hammar Mit den hier erörterten Meinungsdifferenzen steht die Frage in nahem Zusammenhange, aus welchem Theil der Schlundfurche der Gehör- gang seinen Ursprung nimmt. Auch wo man in der Auffassung des Gehör- ganges als eines Schlundfurchenderivats einig ist, lauten die Angaben über den betheiligten Abschnitt sehr verschieden. Wie aus dem oben Angeführten erhellt, leitet Kastschenko den Gehörgang aus einem ventralwärts liegenden Furchenabschnitt her; in ähnlicher Weise äussert sich u. A. Tuttle. Gegentheilige Angaben, nach welchen er aus dem dorsalen Abschnitte stammt, sind sowohl in der älteren, wie in der neueren Literatur zu finden (Günther 1842, Mall 1888:1, Rabl 1886). Auch in einer anderen Hinsicht ist betreffs der Bildungsweise des Gehörganges aus der Schlundfurche Einigkeit noch nicht erreicht. Einige Forscher haben nämlich die Moldenhauer’sche Auffassung der Ent- stehung des Ganges durch Zuwachs der Umgebung an Dicke auch dem Zu- wachs des (ihrer Meinung gemäss) in der Schlundfurche angelegten Ganges zu Grunde gelegt. So sagt Tuttle (1883/84): „the external meatus is formed by the outward growth of the tissue constituting the walls of the first visceral cleft;“ und in derselben Richtung spricht sich Mall (1888:1 und 2) aus, Diesen Forschern gegenüber hebt Kölliker (1879, hervor, dass: der Meatus externus „nicht allein durch Wucherungen seiner äusseren Um- gebungen sich vertieft.“ Schliesslich ist noch ein in der Literatur relativ sehr beachteter Punkt. der Entwicklungsgeschichte des äusseren Gehörganges, nämlich das Aus- stopfen seiner Lichtung durch Epithel bezw. die Verklebung oder Ver- wachsung seiner Wände zu berühren. Dass ein solches Aufheben seines freien Lumens vorkommt, darüber sind die Autoren ziemlich einig; in Betreff der Zeit, wo wieder ein freies Lumen auftritt, sind die Angaben hingegen recht wechselnd. Im Allgemeinen heisst es, dass die Verstopfung oder Verklebung das ganze spätere Embryonalleben umfasst; bei Minot sogar, dass sie bis nach der Geburt bestehen bleibt. Nach Urbantschitsch (1877:2), welcher diesem Verhältniss eine besondere Untersuchung widmet, ist beim neugebornen Menschen keine Spur einer Epithelverklebung nachweisbar, wohl aber findet eine voll- ständige Aneinanderlagerung der Wandungen des Gehörganges statt. Die weitere Bildung eines lufthaltigen Lumens scheint zuerst am Eingange in den Ohrkanal und am inneren Ende desselben stattzufinden. Symington’s (1885) Angaben lauten wie folgt (pag. 282): „In the foetus the meatus is closed, its lower wall being in contact internally with the membrana tympani and external to it with£the superior wall. Towards the end of foetal life these become separated by an accumulation of epi- thelium or vernix caseosa in the meatus. This is first found at the inner end of the meatus between the floor and the membrana tympani. At birth the walls of the meatus are either in contact or the cavity is filled with vernix caseosa, so that a child is born with its ears practicalley closed.‘ Diesbezüglich sagt wiederum Schwalbe (1898 pag. 172): „Das Lumen des äusseren Gehörganges bei Neugebornen wird gewöhnlich beschrieben als Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 587 durch Aneinanderlagerung der oberen und unteren Wand vollständig ge- schlossen. Es lässt sich aber nachweisen, dass schon bei 7 monatlichen Föten der äussere Theil des Gehörganges ein nach aussen trichterförmig er- weitertes Lumen besitzt, das allerdings durch Vernix caseosa verstopft wird. Erst vom medialen Ende des Knorpels an treten die obere und untere Wand derart in Kontakt, dass sie eine kapillare quere Spalte be- grenzen, welche sich in dem medialsten, oben vom Trommelfell, unten von der Lamina tympanica fibrosa begrenzten Abschnitte des Gehörganges un- bedeutend erweitert zeigt. Zur Zeit der Geburt nimmt diese Erweiterung infolge der allmählichen Veränderung der Stellung der Trommelfellebene allmählich zu, so dass schon kurze Zeit nach der Geburt dieser tympano- fibröse Abschnitt des Gehörganges eine umgekehrt trichterförmige Er- weiterung erkennen lässt wie der laterale Abschnitt.‘ Eigene Untersuchungen. Embryo von 8 mm, Mod. IV. Als Ausgangspunkt für meine Darlegung der Entwicklung des äusseren Gehörganges mag wieder der 8 mm-Embryo dienen. Wie schon im ersten Kapitel beschrieben wurde, lehnt sich hier die erste Schlund- tasche mit ihren lateral und dorsal ausbuchtenden Abtheilungen der entsprechenden Furche in einer Ausdehnung an, welche dem dorsalen Furchenabschnitt entspricht. Auf dieser Strecke kommt es also zur Ausbildung einer rein epithelialen Verschluss- membran. Die ventrale Verlängerung der ersten Schlundtasche (ventr. I. Fig. 7) ist nicht nur auf dieser Entwicklungsstufe, sondern auch sowohl vorher, wie nachher von jeder directen Berührung mit der ersten Schlundfurche (Schlf. I.) frei, indem eine nicht unbedeutende Bindegewebsschicht dazwischen liegt. Die erste Schlundfurche ist in ihrem am meisten dorsal gelegenen Theil, entsprechend der Ausdehnung der Verschluss- membran, etwas vertieft (das obere Ohrgrübchen Kast- schenko’s); ventralwärts davon läuft sie längs der Seitenwand ‚des Körpers als eine recht seichte Rinne herab. Erst in der Nähe der Stelle, wo sie auf die ventrale Wand umbiegt, um nach einem kurzen Verlauf medianwärts gegen die Herz- prominenz zu enden, vertieft sie sich rasch, so dass ihr Boden bier — allerdings in der durch die Dicke der zwischenliegenden Bindegewebsschicht bedingten Entfernung — den medioventral- wärts gehenden Bodenrand der ventralen Verlängerung der ersten Schlundtasche begleitet. Von aussen gesehen bildet 588 J. Aug. Hammar: also die Bodenkontur der Furche hier gleichsam eine abgerundet stufenähnliche Hineinragung (Schlf. I. Fig. 7). Diese nahe am DUebergange zwischen der lateralen und der ventralen Schlundwand liegende vertiefte Abtheilung der ersten Furche ist der Ort, wo sich später der äussere Gehörgang anlegt. Die Breite der Furche ist in ihrem ganzen Verlaufe ziem- lich gleichmässig spaltenähnlich. Besondere erweiterte Stellen treten nicht hervor, wie auch die drei Paare Auricularhöcker nicht besonders stark ausgeprägt sind. Von den drei Ohr- grübchen Kastschenko’s tritt nur das obere durch seine etwas grössere Tiefe deutlich hervor. Wie die folgende Ent- wicklung zeigt, entspricht die zuletzt geschilderte mehr ventral- . wärts liegende und tiefere Abtheilung der Schlundfurche sowohl dem mittleren, wie dem unteren Grübchen. Bei den etwas älteren Embryonen von 8,5 mm und 11,7 mm, Mod. V und VI, wo durch zwischenwucherndes Bindegewebe eine vollständige Trennung der ersten Schlund- furche von der entsprechenden Tasche bewirkt wird, zeigt diese Furche ein nur wenig abweichendes Verhalten. Im oberen Theil, der früheren Ausdehnung der Ver- schlussmembran entsprechend, ist sie aber schon beim 8,3 mm Embryo etwas abgeflacht, beim 11,7 mm Embryo fast ganz ver- wischt, während sie etwa in der ventralen Hälfte ihres der lateralen Körperwand angehörigen Verlaufes in derselben Tiefe und Form besteht. Der an der ventralen Körperwand ver- laufende Theil der Schlundfurche ist beim 11,7 mm Embryo verschwunden und ihr lateraler Abschnitt hat damit einen Ab- schluss ventralwärts erhalten. Dies kann nicht, wie es oftmals beschrieben wird, durch eine Verwachsung des ersten und zweiten Schlundbogens be- wirkt worden sein, denn diese Bogen sind hier in der Tiefe niemals von einander getrennt gewesen, sondern rührt, wie es scheint, nur davon her, dass das unterliegende Bindegewebe ge- wuchert und durch seine Vermehrung das Oberflächenrelief derart verändert hat, dass die erste Schlundfurche in der betreffenden Strecke ausgeglichen worden ist. Der noch offenstehende Theil der ersten Schlundfurche, welchen ich seinem späteren Schicksal gemäss, Ohrmuschel- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 589 grube, Fossa conchae, (Fossa angularis His!) nennen will, bildet nun in seiner mittleren Ausdehnung eine dünne Tasche mit abgerundetem Boden, welche sowohl ventralwärts, wie dorsal- wärts in eine kurze, seichte Rinne ausläuft. Beim 13,2 mm Embryo, Mod. VII, lassen sich dieselben drei Abtheilungen der Öhrmuschelgrube unterscheiden: eine dorsale und eine ventrale rinnenförmige und eine mittlere taschenförmige. Alle sind breit und offenstehend; insbesondere gilt dies von der dorsalen Abtheilung, soweit der etwas beschädigte Zustand des Materials die Beurtheilung zulässt. Mehr als die Bedeutung individueller Variation glaube ich in Anbetracht der übrigen Stadien, wo die Grube schmäler ist, dass dieser ungewöhnlichen Breite nicht zugemessen werden kann. Die ventrale Abtheilung der Grube wird dadurch etwas verengt, dass sich hier, sowohl von ihrem aboralen, wie ins- besondere von ihrem oralen Rande Wülste gegen sie hinein- schieben. Der aborale Wulst (Helix hyoidalis Gradenigo) zieht in der ganzen Länge der Grube und ist durch eine seichte Furche, die Retroauricularfurche, auch aboralwärts deut- lich begrenzt. Sein ventrales Ende ist ganz wenig angeschwollen und wölbt sich als ein besonderer Höcker, das Tuberculum anti- tragicum, in die Grube hervor. Der orale Wulst (Helix mandibularis Gradenigo) ist im grössten Theil seines Ver- laufs weit weniger markirt; ventralwärts verdickt er sich zum Tuberculum tragicum, das ebenfalls in die Grube hineinragt. Mitten am Boden der Ohrmuschelgrube ist noch ein Höcker rundlicher Form entstanden. An der Grenze zwischen der. dorsalen rinnenförmigen und der mittleren taschenförmigen Ab- theilung der Grube liegend, buchtet er die angrenzenden Gebiete beider Abtheilungen lateralwärts und etwas ventralwärts hinaus. Gleich sämmtlichen hier beschriebenen Erhabenheiten an der Oberfläche besteht er aus Bindegewebe, welches in diesem Stadium noch keine besonders zellenreiche Beschaffenheit aufweist. Dieses (Gebilde ist offenbar derselbe schräg gestellte Wulst, der von His 1885 als Tuberculum centrale bezeichnet worden ı) Da die winklige Beschaffenheit der Grube meiner Erfahrung nach wenigstens nicht konstant ist, scheint mir ein Name besser zu sein, welcher das Schicksal der Schlundfurchenreste angiebt. 590 J. Aug. Hammar: ist und von dem angegeben wird, dass nach unten von ihm der Gehörgang zur Entwicklung kommt. Ueber das Schicksal: des Centralwulstes heisst es ganz kurz bei His: „Diese Schräg- stellung nimmt in der Folge noch zu und sie führt zu einer grösseren Vertiefung des Gehörganges. Der Centralwulst bildet dabei die Decke des Gehörganges und ein Theil seiner Ober- fläche geht in das Trommelfell über.“ Die letzteren Angaben kann ich, mit einer Veränderung dahin, dass „der Centralwulst das Trommelfell bildete und ein Theil seiner Oberfläche in die Decke des Grehörganges übergeht“ in dem Folgenden bestätigen. Da dieser Höcker aber einerseits seine ventrale Lage in der Ohrmuschelgrube bald aufgiebt, andererseits für die Pauken- fellentwicklung eine wichtige Rolle spielt, muss ich den von His gewählten Namen als nicht ganz zutreffend finden und ich schlage deshalb vor, ihn gegen die Benennung Paukenfell- höcker, Tuberculum membranae tympani, zu ver- tauschen. Beim 17 mm Fötus, Mod. VII (Fig. 11—13, 23) sind sämmtliche Abtheilungen der Fossa conchae vertieft. Insbesondere gilt dies von der mittleren, welche sich nun als ein kurzes, trichterförmiges Rohr — der primäre Gehörgang (pr. Ge. Fig. 11—13) — medianwärts erstreckt. Die Form des Rohres ist eine dreiseitig prismatische, indem der inzwischen vergrösserte und nunmehr von dichtzelligen Bindegewebe ausgefüllte Pauken- fellhöcker von der mediodorsalen Seite in dasselbe hineinbuchtet und dadurch ausser der oralen und der aboralen noch eine dorsale Wand hervorruft. Die äussere Mündung der Ohrmuschelgrube (Fig. 23) ist recht schmal, namentlich im mittleren Abschnitte, wo sie durch das von der aboralen Seite hervorbuchtende Tub. antitragicum (T. attr.) verengt wird. Durch diesen Höcker erhält die sonst noch ziemlich gradlinige Mündung eine schwach S-förmige Krümmung mit einer ventralen, aboralwärts sehenden und einer undeutlichen, aboralwärts gerichteten Konkavität. Die Retro- aurikularfurche (r. Af.) ist ein wenig schwächer als im vorigen Stadium markirt. Hier ist der Ort, etwas über die gegenseitige Lage der primären Paukenhöhle und der Ohrmuschelgrube in der bisher Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 591 besprochenen Periode nachzuholen. Ich fasse dabei zwei Momente in die Augen, welche insbesondere von Belang sind: einmal die gegenseitige Lage der am meisten dorsalen Punkte der beiden Gebilde; zweitens die Lage der mittleren Ab- theilung der Fossa conchae, aus welcher der äussere Gehörgang hervorgeht, in Beziehung zur lateralen Wand der primären Paukenhöhle. Betreffs des ersten Momentes erinnere ich daran, dass der dorsale Theil der ersten Schlundfurche, welcher mit der ent- sprechenden Tasche in unmittelbarer Berührung stand, bei der Lösung dieser Verbindung (11,7 mm Embryo) auffallend ver- wischt worden ist. Beim 13,2 mm Embryo lassen sich die be- treffenden Verhältnisse auf Grund der Beschädigung des dorsalen Schlundspaltengebiets nicht mit Sicherheit beurtheilen. Bei dem 17 mm Embryo wiederum überragt die Ohrmuschelgrube mit ihrem dorsalen Ende die primäre Paukenhöhle nicht unbeträcht- lieh (Eig. 12, 15). Wie ist nun dies zu Stande gekommen? Ist der schon fast verschwundene Abschnitt der Schlundfurche wieder vertieft worden? Die Ohrmuschelgrube ist in einer im Ganzen dem Längenzuwachs des Embryos entsprechenden Weise verlängert worden (also vom 8 mm Embryo bis zum Embryo von 17 mm etwa um das Doppelte). Die unveränderte Relation in der Länge der verschiedenen Abschnitte der Muschelgrube beim Embryo von 11,7 und dem Embryo von 17 mm spricht aber gegen diese Annahme. Eine relative Verlängerung der dorsalen rinnen- förmigen Abtheilungen den übrigen gegenüber, wie sie sich, wenn die angedeutete Erklärung richtig wäre, erwarten liesse, ist nicht zu konstatieren. Ich glaube deshalb zu der Annahme berechtigt zu sein, dass die Ohrmuschelgrube wirklich nur aus der ventralen Hälfte des an der lateralen Körperwand ver- laufenden Theils der Furche hervorgeht und dass die dorsale Hälfte verschwindet. In der That sind an der primären Paukenhöhle Ver- änderungen eingetreten, welche genügen, um ihre veränderte Lage der Ohrmuschelgrube gegenüber zu erklären. Gleichzeitig damit, dass diese sich durch eigenen Zuwachs verlängert hat, und zwar in ihren verschiedenen Abtheilungen etwa gleichmässig, ist nämlich, wie auf der Seite 506 näher erörtert wurde, eine 592 J. Aug. Hammar: Verschiebung der primären Paukenhöhle ventralwörts eingetreten. Diese Senkung ist die Ursache, dass die primäre Pauken- höhle nunmehr von der Ohrmuschelgrube dorsalwärts über- ragt wird. Trotz dieser erfolgten Senkung steht die laterale Wand der Paukenhöhle immer noch der oberen rinnenförmigen Ab- theilung der ÖOhrmuschelgrube gegenüber (Fig. 12, 13, 49). Der in der Entstehung begriffene primäre äussere Gehörgang schiebt sich somit beim 17 mm Embryo immer noch deutlich von der ’aukenhöhle ventralwärts nach innen, ja seine absolute Ent- fernung von ihr ist sogar vergrössert worden. Dies hängt grösstentheils davon ab, dass die laterale Paukenhöhlenwand bei der Senkung niedriger wird, indem sie sich, wie im Kapitel II erörtert wurde, derart abbiegt, dass sich ihr ventraler Theil, ihre ventrale Facette, in eine ventrale Wand umwandelt. Hierbei kommen noch zwei Umstände in Betracht: erstens dass die ventrale Verlängerung der ersten Schlundtasche, welche Ver- längerung der mittleren Abtheilung der Ohrmuschelgrube am nächsten lag, inzwischen rückgebildet worden ist; zweitens, dass das zwischen dem Schlundboden und der Gehörganganlage liegende Bindegewebe sich wie sonst in der Umgebung ver- mehrt hat. Der durch die hervorgehobenen Momente bisher bewahrte Niveau-Unterschied zwischen der lateralen Paukenhöhlenwand und dem primären Gehörgange, wird indessen in der nächsten Zeit rasch ausgeglichen. Schon beim 21 mm Fötus, Mod. XI, ist in dieser gegen- seitigen Lage eine auffallende Veränderung eingetreten (Fig. 17 und 50). Das in der Zwischenzeit gebildete tubo - tympanale Rohr liest nämlich mit seiner ventralen Wand fast in derselben Flucht wie die entsprechende Wand des primären äusseren Ge- hörganges. Da jenes indessen namentlich in der Nähe seines blinden Endes bedeutend stärker als dieser ist, überragt es ihn dorsalwärts nicht unbedeutend. Der primäre Gehörgang (pr. Gg. Fig. 17 und 50) hat sich verlängert. Er bildet nun ein kurzes, fast cylindrisches, offen- stehendes Rohr, welches mit einem kurzen, trichterförmigen Anfangsstück an der Ohrmuschelgrube beginnt und sich fast gerade einwärts ausdehnt. Seine mediale (endständige) Wand Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete., 593. wölbt sich nach aussen gegen das Lumen. Dies wird durch das Tuberculum membranae tympani (Pfh. Fig. 17) bewirkt, das unter Beibehaltung seiner lateroventral sehenden Stellung bei der Verlängerung des Ganges mit ihm nach innen geschoben worden ist. Es schliesst immer noch ein zellenreiches Binde- gewebe ein, worin der Hammergrifft (Hgr. Fig. 50) im Heraus- differenzieren begriffen ist, und unmittelbar dorsalwärts von ihm hat der zu dieser Zeit relativ sehr grosse Processus brevis malleoli seinen Platz. Da der Paukenfellhöcker nun lateralwärts durch den primären Gehörgang und medialwärts durch die laterale Wand des tubo-tympanalen Rohrs umfasst wird, bildet er in diesem Stadium eine die beiden Gebilde von einander trennende, dicke, grösstentheils zellenreiche Bindegewebsschicht; diese setzt sich dorsalwärts in das den Hammergriff und den kurzen Hammer- fortsatz umschliessende Bindegewebe fort und lässt sich als primäres Paukenfell bezeichnen. Das primäre Paukenfell ist auch ventralwärts grösstentheils scharf abgegrenzt. Die ventrale Wand des Gehörganges verlängert sich nämlich median- wärts weiter als die übrigen Wände. Sie läuft in der That in eine kurze, horizontal gestellte, solide Epithelplatte (Gepl. Fig. 17) aus, welche mit ihrem etwas verdickten medialen Rande fast die gegenüberliegende laterale Paukenhöhlenwand erreicht. Diese noch ganz unscheinbare Platte, deren Hervorwachsen offenbar mit der schiefen Stellung des Paukenfellhöckers in nahem Zusammenhang steht, ist die erste Anlage der epi- thelialen Gehöörgangplatte, der Lamina epithelialis meatus, welche in der Folge eine wichtige Rolle in der Gehör- gangentwicklung spielt. Auch die aborale Gehörgangwand (Fig. 17 und 50) ver- längert sich in ähnlicher Weise in eine kürzere Platte, so dass für kürzere Zeit (in diesem und dem folgenden Stadium) zu der horizontal gestellten eigentlichen Gehörgangplatte eine mit ihr zusammenhängende, frontal gestellte aborale kommt. Dorsal- und ventralwärts vom Gehörgange hat die Ohr- muschelgrube ihren früheren Character im Ganzen behalten. Ihre ventrale Abtheilung ist dadurch, dass sich das Tuberculum antitragicum von der aboralen, das Tuberculum tragicum von 594 J. Aug. Hammar: der oralen Seite entgegengewachsen sind, grösstentheils stark verengt worden. Nur am ventralen Ende ist sie wieder etwas mehr offenstehend. Der nächst ältere Fötus, 24 mm, Mod. XII (Fig. 18, 19), zeigt prinzipiell übereinstimmende Verhältnisse: eine noch ziem- lich gerade Ohrmuschelgrube (F. conch.), von deren mittleren Drittel ein hohler, primärer Gehörgang (pr. Gg.) medialwärts zieht. Seine ventrale (und in geringerem Grade auch seine aborale) Wand verlängert sich in eine solide, an dem Proc. brevis (pr. br. Fig. 19) und dem Griffe des Hammers (Hgr.) entlang gehende Gehörgangplatte (Ggpl.). Alle drei Bildungen, die Ohr- muschelgrube, der primäre Gehörgang und die Gehörgangplatte sindindessen vertieft bezw. verlängert worden. Insbesondere gilt dies von den beiden letztgenannten Gebilden. Ueber ihren Zu- wachs in diesen und den nächstfolgenden Stadien giebt unten- stehende Tabelle Auskunft. Tab. V. Grösste Länge Grantie ‚Ränge 2 des primären Ge- der Gehörgang- | Grösste Breite No. des |Längedes |. platte von der Modell Föt hurpane ua Ansatzstelle des 2 tus i Aa 2 oberen Wand ent- prim. Gehör- Gehörgangplatte lang gemessen | ganges gemessen mm mm mm mm XI 21 2 — 033, .| 28/94 — 0,33 2/9 — 0,34 a 24 2,0607 | "je 0,42 "16j22 — 0,38 XII 24,4 80/90 — 0,50 All) 40/50 = 0,67 XIV nl 77/34 = 0,92 3/4 — 1,11 3/4 — 0,51 XV | 50 22/4 —= 1,00 78/145 — 1,86 23/40 — 1,02 XVI 51 210 —0N3 38/45 — 6 9R, Bl X VIE il 70 48/38 — 1,64 62/98 — 2,21 50/99 — 1,78 R } Etwa 5maliger | Etwa 7maliger | Etwa 5 maliger Pr E o er Zuwachs Zuwachs Zuwachs Durch den Längenzuwachs des tubo-tympanalen Rohrs einer- seits und diese Verlängerung des primären Gehörganges und der Gehörgangplatte andererseits hat die letztgenannte sich mit ihrem medialen Ende ein wenig ventralwärts vom Endstück des tubo- tympanalen Rohres geschoben. Die dünne zwischen der Gehör- gangplatte und dem tubo-tympanalen Rohre liegende, dichtzellige Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 595 Bindegewebsschicht, welche eine Verlängerung des primären Paukenfells medianwärts darstellt, bildet die erste Anlage des definitiven Paukenfells. Beim folgenden Fötus 24,4 mm, Mod. XIII (Fig, 20—22, 25) ist dieser doppelseitige Zuwachsprozess weiter fortgeschritten; die Gehörgangplatte (Ggpl. Fig. 21, 22) hat sich also noch weiter medianwärts unter das tubo-tympanale Rohr ge- schoben und letzteres sich in grösserer Ausdehnung über die Platte gelagert. Die gegenseitige Anlagerung der unteren äusseren Wand der nunmehr platten Paukenhöhle und der Ge- hörgangplatte hat somit bedeutend an Umfang gewonnen und damit ist das definitive Paukenfell auf Kosten des primären im gleichen Masse vergrössert worden (Fig. 21). Immer noch ist der laterale Theil der Gehörgangplatte dicht an ihrer Verbindung mit dem primären Gehörgange in nicht unbeträchtlicher Ausdehnung nicht durch die Pauken- höhle überlagert. Hier behält der Paukenfellhöcker sein früheres Aussehen und zeigt sich in der Tiefe von niedrigen, rand- ständigen Epithelleisten umsäumt (Fig. 21). In diese Leisten ist auch der aborale Theil der Platte aufgegangen. Diesem freien Theil der Gehörgangplatte gegenüber liegt immer noch der kurze Fortsatz des Hammers, während der Hammergriff bis zur halben Höhe des definitiven Paukenfells in seinem Binde- gewebe steckt. Dieses Bindegewebe — die Membrana propria des Pauken- fells — ist offenbar ein Umwandlungsprodukt des Paukenfell- höckers, dessen grösserer medialer Theil durch die sich über- einander schiebenden Gebilde, das tubo-tympanale Rohr und die (Gehörgangplatte, gleichsam platt gedrückt worden ist. Die Ohrmuschelgrube (Fig. 25) ist durch das Einwachsen des Crus helicis (Cr. h.) umgestaltet worden. Statt ihrer bisherigen fast geraden oder nur schwach S-förmigen Gestalt zeigt sie jetzt eine ausgeprägte S-föürmige.. Sie besteht aus einer oberen und unteren vertikalen und einer mittleren fast horizontalen Abtheilung. Von diesen liegt die erstgenannte dorsalwärts vom Orus helieis und bildet eine mässig tiefe Furche, die Cymba conchae (Cymb.); in die mittlere und tiefste, die Cavitas conchae (Cav.), öffnet sich der Gehörgang; die untere ist eine ganz schwache Furche, welche den Antitragus von dem 596 J. Aug. Hammar: nur wenig entwickelten Tragus trennt; sie bildet die Anlage der Incisura intertraigica (I. inttr.). An der Grenze zwischen der unteren und der mittleren Abtheilung geht in der Ver- längerung der letztgenannten eine schwache Furche nach vorn, das Crus helieis (Cr. h.) von dem Tragus (Trag.) trennend; sie ist die erste Andeutung des Sulcus auris auterior (8.aa). Auch der Sulcus auris posterior (S.ap.) tritt nun als eine die Öymba conchae abwärts verlängernde schwache Furche hervor. Er ist aber schon beim 17 mm Embryo (Mod. VIII) an- deutungsweise vorhanden. — Die Retroaurikularfurche (r. Af.) ist stark vertieft. 31 mm Fötus, Mod. XIV (Fig. 24, 26, 27). Hier hat, wie im vorigen Kapitel hervorgehoben wurde, das tubo-tympanale Rohr eine mehr schief lateralwärts aufsteigende Richtung an- genommen, was wahrscheinlich darin seinen Grund hat, dass mit der fortschreitenden Verdickung der Schädelbasis die Schlundhöhle nach unten gedrängt worden ist. Mit dieser Annahme im Einklange steht nun, dass hier das mediale Ende der Gehörgangplatte (Ggpl. Fig. 27) stumpf- winklig nach unten umgebogen ist, so dass diese Platte in zwei ungefähr gleich grosse Facetten, eine obere und eine untere, ge- brochen erscheint. Der umgebogene Abschnitt der Gehörgang- platte — ihre untere Facette — liegt der äusseren unteren Paukenhöhlenwand nach unten von der Impressio manubrii nahe an und begrenzt solchergestalt die untere Hälfte des Paukenfells. Der nicht umgebogene Abschnitt, die obere Facette, liegt fast horizontal dem Griff und dem kurzen Fortsatze des Hammers nebst den beiden sie umfassenden Paukenhöhlenrecessen an, überragt sie aber lateralwärts (Ggpl. nt. Fig. 26). Diese obere Facette bildet mit ihrer auf drei Seiten (vorn, aussen und hinten) von niedrigen epithelialen Leisten umsäumten oberen Fläche die Bekleidung des rückständigen Theils des nunmehr ganz flachen Tuberculum membr. tymp. Der stumpfe Winkel zwischen den beiden Facetten schiebt sich in den gleichen Winkel zwischen der vorderen und der hinteren Paukenfelltasche einerseits und der äusseren unteren Paukenhöhlenwand anderer- seits ein. Der primäre Gehörgang (pr. Gg.) ist jetzt in der Länge fast verdoppelt worden. Sein Epithel hat sich durch die Zu- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 597 nahme der epitrichialen Schicht verdickt, wodurch das Lumen, namentlich am medialen Ende verengt, aber noch immer deut- lich zu erkennen ist. Die Ohrmuschelgrube (Fig. 24) ist nicht so stark S-förmig wie im vorigen Stadium gebogen; durch die Vergrösserung des Tragus (Trag.) ist sie auch umgestaltet worden. Die Cavitas . conchae (Cav.), sowie der Suleus auris auterior (S. aa.) und die Ineisura intertragica (I. inttr.) haben hierdurch offenbar an Tiefe gewonnen. Indem sich die genannten drei Vertiefungen an der Mündung des Gehörganges begegnen, erhält diese einen ausge- prägt dreistrahligen Character. Auch der Sulcus auris posterior (S. ap.) markirt sich hier als eine dem Crus helicis (Or. h.) gegenüber beginnende, schief nach hinten und unten gehende Furche besonders kräftig. Fötus von 50 mm, Mod. XV (Fig. 28, 29, 51). Der primäre Gehörgang (Gg. Fig. 29. 51) ist unter Bewahrung seiner transversalen Hauptrichtung mit seinem inneren Ende etwas nach hinten abgelenkt worden. Seine vordere Wand ist durch eine schiefe Falte tief eingebuchtet. Hierdurch entsteht eine Art spiralige Drehung des Ganges, welche aber zufälliger Art zu sein scheint und mit der definitiven Torsion des äusseren Gehörganges um so weniger in Verbindung gebracht werden kann, als ihre Richtung eine dieser entgegengesetzte ist. Die Gehörgangplatte (Ggpl. Fig. 29, 51) bewahrt immer noch ihre stumpfwinklige Abbiegung in zwei Facetten. Da die Verlängerung des Gehörganges und des tubo-tympanalen Rohrs weiter fortgeschritten ist, ist aber an der Grenze zwischen der Gehörgangplatte uud dem primären Gehörgange eine neue Biegung, und zwar eine rechtwinklige, hinzugetreten. Indem die Platte mehr als doppelt so breit als der primäre Gehörgang ist, so macht letzterer nunmehr den Eindruck eines vom oberen Rande der Platte ausgehenden Stiels, ein Eindruck, welcher in den folgenden Stadien, wo der Breitenunterschied zwischen der Platte und dem Gange noch grösser geworden ist, immer deut- licher wird. Da im vorliegenden Stadium die Platte eine fast vertikale, der Gang eine ungefähr horizontale Stellung einnimmt, ist der Stiel gegen die Platte etwa in der Weise umgebogen, wie an einer Mauerkelle. Die untere Facette der Gehörgangplatte ist nunmehr die 598 J. Aug. Hammar: grösste und zeigt eine zungenähnliche Form. Die obere Facette ist nach oben leicht konkav. Ihre nach oben etwas umge- bogenen Ränder sind die einzigen Ueberreste der im vorigen Stadium noch vorhandenen, sie umsäumenden Epithelleisten, in welche auch der ursprünglich vorhandene aborale Theil der Gehör- gangplatte aufgegangen ist. In ibrem vorderen Abschnitte zeigt sich diese Facette durch den immer noch anliegenden kurzen Hammer- fortsatz besonders deutlich ausgehöhlt. Lateralwärts überragt sie, aber nur recht wenig, die Spitzen der ihr anliegenden Paukenhöhlenrecesse (Fig. 28). Mit den hier zu Stande gekommenen Veränderungen ist also der Paukenfellhöcker in seiner ursprünglichen Form ver- schwunden Indem er fast gänzlich von der äusseren unteren Wand der Paukenhöhle überwachsen ist, zeigt er sich in eine bindegewebige Platte — die Membrana propria des Paukenfells — umgewandelt. Das recht dicke primäre Paukenfell, welches eben aus dem Gewebe dieses Paukenfellhöckers bestand, ist durch dieses Ueberwachsen, das mit der Verlängerung der Gehörgang- platte in Verbindung steht, in das relativ dünne, definitive Paukenfell umgewandelt worden'). Dass hierbei das Material für die Membrana propria theil- weise auch aus dem umgebenden Bindegewebe stammt, kann bei der unscharfen Begrenzung des Paukenfellhöckers nicht ausge- schlossen werden. Dass aber der Paukenfellhöcker das haupt- sächlichste Material abgiebt, dürfte schon aus einer Vergleichung der Fig. 17 mit Fig. 27 klar hervortreten. Bei der Vollendung der Anlage des definitiven Paukenfells ist in diesem Stadium an drei Seiten, vorn, unten und hinten, in einiger Entfernung von dem Rande der Gehörgangplatte ein Streifen zellenreiches Blasten entstanden, in welchem die zur Bildung des Annulus tympanicus führende Verknöcherung schon begonnen hat ?). ') In diesem und den nächst folgenden Stadien findet sich in den Randpartien des Paukenfells zwischen der eigentlichen zellenreicheren und festeren Membrana propria und dem Paukenhöhlenepithel ein lockeres Bindegewebe, welches, wenngleich es niemals den Character des peritym- panalen Gallertgewebes erreicht, die bei gewissen Autoren (vergl. pag. 525) zu findende Angabe zu erklären vermag, dass dieses Gallertgewebe auch in die Zusammensetzung des Paukenfells eingeht. 2) Sowohl hier wie beim Fötus XVI, welcher sich in dieser Beziehung etwa auf derselben Entwicklungsstufe befindet, habe ich im Blastemringe Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 099 Gänzlich wird die Gehörgangplatte von der Paukenhöhlen- wand auch in der Folge nicht überlagert. Es bleibt nämlich immer dicht am primären Gehörgange ein Theil der Platte be- stehen, welcher an der Paukenfellbildung nicht Theil nimmt und also dem weit grösseren tympanalen Theil der Gehörgang- platte als ein nicht tympanaler Theil entgegentritt. Diese Sonderung, welche betrefis der Gehörgangplatte in der Folge eine nicht geringe Bedeutung gewinnt, liesse sich auch für den Paukenfellhöcker aufstellen, indem sich auch sein lateraler Ab- schnitt in der Ausdehnung, in der er dem nicht tympanalen Theil der Gehörgangplatte entspricht. nicht an der Paukenfell- bildung betheiligt, sondern in die obere Wand des Gehörganges aufgeht. Eine besondere Bedeutung besitzt die Aufrechter- haltung eines solchen Gesichtspunktes für den Paukenfell- höcker nicht. Fötus von 5l mm, Mod. XVI schliesst sich auch in Be- treff der Gehörgangentwicklung recht nahe dem folgenden an. Es sind vor Allem die etwas geringeren Dimensionen, welche mehr als einen Verknöcherungspunkt gefunden und zwar sind in beiden Föten im unteren hinteren Abschnitte auf der einen Seite drei getrennte Knochenstücke, auf der anderen ein einziges längeres Knochenstück vor- handen. Dazu kommt konstant eine dem vorderen Ende des Ringes ent- sprechende unabhängige Verknöcherung in der Gegend unter dem Meckel’schen Knorpel, Dieser Befund steht mit der neuerdings von Broman (1899) ge- gebenen Darstellung der Entstehung des Annulus tympanicus nicht ganz im Einklange. Nach ihm soll derselbe nicht, wie bisher angenommen worden ist, durch Verschmelzung von drei Knochenpunkten gebildet, sondern im Anfange des dritten Monats als eine medial zugespitzte Deckknochenplatte unter dem Meckel’schen Knorpel angelegt werden und von der medialen Spitze dieser Platte ringförmig auswachsen. Ich glaube indessen, dass diesen Verschiedenheiten kein grösserer Werth zugemessen werden kann, da der Blastemring offenbar einheitlich vorhanden ist und in ihm der Verknöcherungsprozess in seinem ersten Auf- treten höchst wahrscheinlich individuelle Wechslungen zeigen kann. Dass es auch von dem zufällig vorliegenden Stadium abhängt, ob der Prozess als mehr oder weniger einheitlich hervortritt, davon zeugen meines Erachtens auch die am schon angelegten Knochenstück vorhandenen Einschnürungen, welche es recht wahrscheinlich machen, dass, wenn ein nur unbedeutend jüngeres Stadium vorgelegen hätte, die Zahl der selbst- sändigen Knochenpunkte noch grösser gewesen wäre. Mit anderen Worten das Auftreten multipler, aber bald zusammenfliessender Verknöcherungen: im einheitlichen Blastemringe scheint mir am Wahrscheinlichsten zu sein, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 59, 40 600 J. Aug. Hammar: einen Unterschied begründen und über dieselben giebt die Tabelle V. Auskunft. Ich gehe deshalb gleich zur Schilderung des Mod. XVII über, daes den Vorzug darbietet, sich auf einem weit besser erhaltenen Materiale, als das Mod. XVI zu gründen. 70 mm Fötus, Mod. XVIH (Fig. 32, 52, 535). "Dowatl der primäre Gehörgang (pr. Gg.), wie die Gehörgangplatte (Gepl.) ist im Längenzuwachs vwreiter fortgeschritten, jener aber etwas weniger als diese, so dass sich im dritten Monat (Fötus von 21 mm — Fötus von 70 mm), wie sich aus der Tabelle ersehen lässt, der Gang etwa fünf Mal, die Platte etwa sieben Mal ver- längert zeigt. Die Zunahme der Gehörgangplatte in der Breite ist in der letzten Periode relativ noch grösser (1:1,49) als ihr Zuwachs in der Länge (1:1,12). Die Platte bildet nun eine am Unter- kreise etwas dickere, in der Mitte ganz dünne, rundliche Scheibe, welche an drei Seiten, vorn, unten und hinten, vom Paukenring umsäumt ist, während sie mit ihrem oberen Rande mit dem primären Gehörgange zusammenhängt. Sie liegt der unteren äusseren Paukenhöhlenwand dicht an und ist von ihr nur durch eine dünne, an Spindelzellen reiche Bindegewebs- schicht getrennt. Nach oben wird diese Membrana propria etwas dicker; hier liegt der Gehörgangplatte der Proc. brevis mallei gegenüber und ruft an ihr einen Eindruck hervor, dessen oberer Rand die sonst durch nichts markirte Grenze zwischen dem grossen tympanalen (Ggpl. ty.) und dem kleinen nicht tympanalen Theil (Gepl. nt.) der Gehörgangplatte andeutet. Letzterer überragt die laterale Paukenhöhlenwand nach oben und ist vorläufig, da sich die Schläfenbeinschuppe (Sqm. Fig. 52, 53) nur in ihrer ersten Anlage befindet, lediglich durch Bindegewebe von den oberen Abschnitten des Hammers und des Ambosses getrennt. Da die lateralen Wände der Paukenfelltaschen nunmehr fast in derselben Flucht wie die übrige laterale Paukenhöhlen- wand liegen, ist auch die früher an der entsprechenden Stelle der Platte vorhandene Biegung fast verschwunden, so dass die beiden Facetten nicht mehr mit Deutlichkeit zu unter- scheiden sind. Auch der Winkel, mit dem die Gehörgangplatte in den primären Gehörgang übergeht, ist nicht mehr so scharf wie Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 601 früher. Sein Uebergang aus einem rechten in einen stumpfen Winkel ist grösstentheils dadurch bedingt, dass die Richtung des primären Gehörganges selbst nicht mehr eine rein horizontale, sondern eine medialwärts nach unten und hinten abweichende ist. Hierdurch bildet der Gehörgang auch mit dem Boden der Cavitas conchae einen Winkel und zwar einen nach unten und hinten offenen. Dies ist insofern von Interesse als der frag- liche Winkel die Anlage der äusseren der beiden Knickungen bildet, welche der erwachsene Gehörgang in der Horizontal- ebene zeigt. Die schiefe Richtung nach rückwärts, mit welcher der Gang sich der Gehörgangplatte anfügt, ruft ferner an der An- satzstelle einen anderen, nach vorn offenen Winkel hervor, welcher die zweite oder innere horizontale Gehörgangknickung präformirt. Die Gestalt des Gehörganges, welche bisher im Grossen und Ganzen eine mehr rundliche war, ist nun, der transversalen Form der Cavitas conchae und ihrer Verlängerung nach vorn, dem Suleus auris anterior, entsprechend von oben nach unten abgeplattet. Nur in der Nähe der Mündung tritt eine durch die Incisura intertragica hervorgerufene Ausbuchtung der unteren Wand hinzu. Durch starke Wucherung seines Epithels ist der Gang in seiner medialen Hälfte solid geworden. Die äussere Hälfte be- hält ihr Lumen (Fig. 52). Der 110 mm Fötus, Mod. XVIII (Fig. 34, 54—-56) lässt die hier geschilderte Gliederung der Gehörganganlage noch deut- licher hervortreten. Da der immer noch platte primäre Gehör- gang (pr. Gg. Fig. 34) nur wenig (im Verhältniss 1: 1,26) und die Gehörgangplatte (Ggpl.) mehr als 2,5 Mal (im Verhältniss 1:2,63) in der Breite zugenommen hat, tritt der Gang weit mehr als früher als ein Stiel der Platte hervor. Derselbe ist aber jetzt nicht mehr von der Platte winklig abgebogen, sondern liegt mit ihr, da er eine weit mehr abwärts geneigte Richtung als früher angenommen hat, fast in derselben Ebene. Auch die Neigung des Ganges nach hinten ist offenbar stärker, so dass er nunmehr nicht in einem und demselben Frontalschnitte in seiner ganzen Länge zu übersehen ist. Durch diese ausgeprägt rückwärts gehende Richtung des primären 4l* 602 J. Aug. Hammart: (ehörganges treten seine beiden Knickungen, sowohl die äussere (ä. K. Fig. 34) am Boden der Cavitas conchae, wie die innere (1. K. Fig. 34), am vorderen Rande der Gehörgangplatte noch deutlicher hervor. Vom vorderen oberen Abschnitt der Gehörgang- platte, dient oberhalb dem Eindruck des kurzen Hammer- fortsatzes und somit an der Grenze zwischen dem tym- panalen und dem nicht-tympanalen Theil der Platte, steigt an dem Halse des Hammers entlang, eine kleine epitheliale Leiste (Gr. l. Fig. 34, 54) eine ganz kurze Strecke in die Höhe. Hier- durch bekommt man auf einigen Schnitten den Eindruck, als schliesse sich der primäre Gehörgang der lateralen Fläche und nicht dem oberen Rande der Gehörgangplatte an, was indessen nicht der Fall ist (vergl. Fig. 54 mit Fig. 34). Diese auch in den nächstfolgenden Stadien wiederzufindende Leiste, welche die Abgrenzung des tympanalen Theiles der Platte von dem nicht tympanalen erleichtert, nenne ichGrenz- leiste. Sie ist von Bedeutung, da aus ihr die Epidermisbe- kleidung der Membrana flaccida hervorgeht. Im primären Gehörgange (pr. Gg. Fig. 54, 55) sind die centralen Zellen des inneren, nocb soliden Abschnittes in Ver- hornung begriffen. Da sie gleichzeitig in ihrem Zusammen- hange gelockert worden sind, ist hier das Wiederauftreten eines Lumens vorbereitet, wodurch der ganze primäre Gehörgang wieder den Character eines Hohlgebildes bekommen wird. Gleichzeitig hiermit ist auch die Haarbildung eingeleitet worden und zwar sind Haarkeime fast in der ganzen Länge des Ganges (in der unteren Wand schon jetzt etwa bis dahin, wo der Knorpel aufhört) zu sehen. Nur das innerste Ende des Ganges ist noch von Haarkeimen frei. Von der Gehörgangplatte aus findet keine Haarbildung statt. . Das äussere Ohr hat nun auch eine obere Abgrenzung er- halten. Die Retroauricularfurche, welche dasselbe bisher nur an seinem hinteren und unteren Umfange umgab, ist nun auch an dem oberen Rande entlang hervorgedrungen, wodurch die Ohr- basis ihre definitive Abgrenzung erhalten hat. Die Fossa triangularis ist noch nicht zu sehen und die Fossa scaphoidea ist nur ganz schwach angedeutet; die letztere scheint ganz selbst- ständig, ohne Zusammenhang mit den aus der Obrmuschelgrube Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete, 603 hervorgehenden primären Furchen — der Incisura intertragica, der Cavitas und der Cymba conchae — zu entstehen. Sowohl diese wie der sekundäre aber im Zusammenhange mit den vorigen entstandene Suleus auris anterior und Suleus posterior sind durch die bedeutende Verbreiterung der umgebenden Theile, des Tragus, des Antitragus und des Crus helieis, stark verengt worden. Ueber dieses Stadium hinaus habe ich die Entwicklung des äusseren Ohres nicht verfolgt. Beim 150 mm Fötus, Mod. XIX (Fig. 40, 57—59) be- hält der äussere Theil des Gehörganges seine absteigende Richtung bis an die erste Knickung (ä. K. Fig. 40) bei. Durch eine Aussackung der schmalen Vorderwand unmittelbar nach innen vom Tragus ist diese erste Gehörgangknickung mehr als früher markirt; die Richtung dieses ersten Theils des Ganges ist hiermit auch eine etwas nach vorn geneigte geworden. Der innere Theil des primären Gehörganges mit der Ge- hörgangplatte ist mit der Paukenhöhle in eine fast horizontale Stellung übergetreten. Der somit zwischen dem äusseren und dem inneren Theil des primären Gehörganges entstandene Winkel ist indessen nur von vorübergehender Bedeutung; bei erfolgter Aufrichtung der Paukenhöhle im nächsten Stadium ist er schon wieder ausgeglichen. Der innere Abschnitt des primären Gehörganges wird nunmehr durch eine eingewachsene Ver- längerung der Schläfenbeinschuppe, ihren Gehörgangtheil, von den Gehörknöchelchen getrennt (Fig. 57—59). Diese Ver- längerung grenzt sich indessen gegen die Gehörgangplatte ab, so dass dieselbe nur von Bindegewebe überlagert ist. Der primäre Gehörgang (pr. Gg. Fig. 57, 58) besitzt nun in seiner ganzen Länge ein Lumen, und der Verhornungs- und Autflockerungsprozess hat sogar auf den lateralen Theil der Gehörgangplatte übergegriffen. Ganz unabhängig hiervon ist im tympanalen Theil der immer noch dünnen Platte und zwar in der Partie des ver- dickten Randes, welche am meisten nach unten innen hin liegt, ein spaltenföürmiges Lumen im Entstehen. Hier sind die centralen Zellen der Platte derart auseinandergewichen, dass ein beschränkter Theil derselben in zwei Blätter gespalten ist. Der übrige und grösste Theil der Gehörgangplatte ist immer noch solid. 604 J,. Aug. Hammar: Die Grenze zwischen der Gehörgangplatte und der Mem- brana propria des Paukenfells ist eben. Sonst ist die Platte an ihren gegen das Bindegewebe sehenden Flächen (hauptsächlich in mediolateraler Richtung) gerippt; zwischen die Epidermis- leistehen schieben sich Bindegewebsleistchen ein. Da nun der primäre Gehörgang in seiner ganzen Länge reich mit Haar- und Drüsenkeimen besetzt ist, während die haar- und drüsenlose Gehörplatte, wo sie sich nicht an der Bildung des Paukenfells be- theiligt, eine gerippte Oberfläche besitzt, treten diese beiden Gebiete zu einander in einen das ganze Leben hindurch dauernden struk- turellen Gegensatz. In der Nähe des vorderen Randes der Gehörgangplatte tritt die Grenzleiste deutlich hervor. Nach oben aussen von dem durch den Processus brevis bewirkten Eindruck anfangend, zieht sie an der Grenze zwischen dem tympanalen und dem nicht tympanalen Theil der Platte entlang, medialwärts und nach vorn, um in den verdickten vorderen Rand überzugehen, mit welchem sich die Platte zwischen die vordere Paukenfelltasche und den Paukenring hineinschiebt. In ihren hinteren zwei Dritteln ist die Grenze zwischen dem tympanalen und dem nicht tym- panalen Theil der Platte weniger hervortretend und nur durch eine ganz schwache, nach oben konvexe Biegung an- gedeutet. Der 190 mm Fötus, Mod. XX (Fig. 35, 60—62) zeichnet sich vor Allem dadurch aus, dass die Gehörgangplatte ein Lumen bekommen hat, welches mit demjenigen des primären Gehör- ganges kommunicirt (Fig. 60—62). Die schon im vorigen Stadium eingeleitete Spaltung der Gehörgangplatte in zwei Blätter ist also jetzt vollzogen. Im tympanalen Theil (Gg. rec.) bildet das obere innere Blatt die Epidermisschicht des Paukenfells, und das untere äussere Blatt, welches sich gegen das den Reichert schen Knorpel und die Parotisdrüse einschliessende Bindegewebe stützt, bekleidet den medialen Abschnitt des Gehörgangbodens Da die Blätter konkave Flächen gegen einander kehren, bekommt der zwischenliegende Raum, der Recessus meatus auditorii ext., eine linsen- föormige Gestalt, welche insofern unregelmässig ist, als der weiteste Theil etwas nach aussen von der Mitte des Paukenfells liegt. Gegen die Uebergangsstelle zwischen dem tympanalen Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete, 605 und dem nicht tympanalen Theil der Gehörgangplatte hin, nähern sich die Wände wiederum, und zwar trägt hierzu bei, dass die obere Wand durch den Processus brevis (pr. br. Fig. 60) ein- gedrückt wird. Die nach vorn und aussen davon liegende Grenz- leiste ist durch Spaltung von dem Lumen aus in eine Rinne — die Grenzrinne — umgewandelt worden. Die im nicht tympanalen Theil der Gehörgangplatte_ ent- standene Lichtung (Ge. int ) ist weit schmäler und mehr spalten- förmig. Die untere Wand bildet ohne scharfe Grenze eine Fort- setzung des aus dem tympanalen Theil hervorgegangenen Boden- theils; die obere Wand bildet mit der äusseren Paukenfellfläche einen nach unten offenen, stumpfen Winkel. An der unteren Wand des primären Gehörganges ist eine schon im vorigen Stadium in Bildung begriffen gewesene Aus- sackung entstanden (s. obl. Fig. 60, 61). Dieselbe hat den Character einer Rinne, welche am Anfange der inneren Krickung des Ganges vom schmalen vorderen Rand desselben ausgeht und gewissermassen eine Verlängerung dieses Randes darstellend, schief nach hinten und innen zieht, um, ehe sie den hinteren Rand erreicht, zu verschwinden. In ihrem Verlauf folgt sie der kleinen Santorini’schen Incisur, in welche sie sich zwischen der Mittelspange und dem Basalstück des Gehörgangknorpels einschiebt. Diese Rinne, welche für das Zustandekommen der Torsion des Gehörganges Bedeutung hat, nenne ich die schiefe Gehörgangfurche, Sulcus obliquus meatus. Das aus dem nicht tympanalen Theil der Gehörgangplatte hervorgegangene Mittelstück des definitiven Gehörganges, sein intermediärer Theil, (Gg. im.) wie ich dieses Stück in’ der Folge nennen will, ist sein engster Theil. Von hier ab weichen die obere und die untere Wand des Gehörganges nach aussen Immer mehr aus einander, wie ja auch der Rec. meatus nach innen zu an Weite gewinnt. Es ist somit die kapillare quere Spalte, die nach Urbantschitsch und Schwalbe (vergl. oben p. 586 u. 587) einen trichterförmigen äusseren Theil mit einem umgekehrt trichterförmigen inneren Theil des Ge- hörganges verbindet, schon auf dieser Entwicklungsstufe vorhanden Nur ist die Trichterform eigentlich nur an den Frontalschnitten zu sehen; in der That liegen, wie schon beschrieben worden, andere Formenverhältnisse vor: für den inneren Abschnitt die Linsenform, für den äusseren die Keilform, 606 J. Aug. Hammar: Es hat sich somit in diesem Stadium das erste Mal inder Entwicklung die Lichtung des Gehör- ganges bis zum Paukenfell erstreckt, indem das selbständigentstandene Lumen der Gehörgangplatte mit dem schon primär vorhandenen des primären Gehörgangesin Verbindung getretenist. Hierdurch ist der definitive Gehörgang gebildet worden; er giebt aber während der ganzen folgenden Fötalzeit durch seine Configuration von seiner Entstehungsweise Zeugniss. Entwicklungsgeschichtlich besteht er aus drei Abschnitten: l. einem äusseren, welcher dem primären Gehörgange ent- stammt und durch das Vorhandensein von Haaren und Drüsen in der ganzen Wand nebst Knorpeln im Boden characterisirt ist, sowie an der Decke den Gehörgangtheil der Schläfenbeinschuppe einschliesst ; 2. einem inneren, welcher dem tympanalen Theil der (Grehörgangplatte entstammt, vom Paukenfelle und dem ent- sprechenden Theil des membranösen Bodens begrenzt wird und also als Recessus meatus zu bezeichnen ist; 3. einem kleinen intermediären, der aus dem nicht tympanalen Theil der Gehörgangplatte hervorgeht und als ein nach aussen vom Paukenfell gelegenes, haar- und drüsenfreies und zu dieser Zeit noch rein membranös-wandiges Gangstück zu erkennen ist. Es entbehrt nicht des Interesses hier, einen Vergleich zwischen der soeben gegebenen Darstellung, wie sie im Längs- durchschnitte, Fig. 60, ihre Beleuchtung findet, und der Schilderung anzustellen, die Schwalbe, (1898) mit seiner Figur 30 (eben- falls nach einem 7 monatlichen Fötus) illustrirt‘). In beiden Abbildungen zeigt der Gehörgangboden eine knorpelige und eine häutige Abtheilung, wie es ja auch Schwalbe schildert. Jene entspricht dem primären Gehörgange, diese, welche ich nach Symington und Schwalbe Lamina tympanica fibrosa nenne, in ihrer Ausdehnung sowohl dem tympanalen, wie dem !) Dabei ist zu beachten, dass in meiner Fig. der Tragus (Trag) vom Messer tangirt worden ist, so dass die „Trichterform“ des knorpeligen Gehör- ganges erst dann hervortritt, wenn man sich dieses Tragusstück entfernt denkt, Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 607 nicht tympanalen Theil der epithelialen Gehörgangplatte. Die beiden Abtheilungen begegnen sich in den beiden Abbildungen unter einem nach unten offenen stumpfen Winkel. Dieses sowohl wie die damit im Zusammenhang stehende grosse Enge des intermediären Abschnittes des Gehörganges ist indessen nur ein übergehendes Verhältniss, das bei völliger Entfaltung des Lumens verschwindet. Die obere Wand hingegen zeigt im vorliegenden Stadium nicht, wie Schwalbe angiebt, zwei, sondern drei Abtheilungen, was gewissermaassen auch aus Schwalbe’s Fig. zu entnehmen ist. Zwischen der Superficies meatus squamae, die in diesem Stadium auf den Bereich des äusseren Gehörgangabschnittes beschränkt ist, und dem Paukenfell, welches das innere obere Blatt des tympanalen Theiles der Gehörgangplatte in sich aufgenommen hat, liegt nämlich ein intermediäres, dem nicht tympanalen Theil recht genau entsprechendes Gebiet, wo die Haut des Ganges dem Gallertgewebe direct anliegt, das die Gehörknöchelchen umhüllt und den Prussak’schen und den unteren Schuppenraum prä- formirt). Der hierin zwischen dem 7monatlichen und dem reifen Fötus bestehende Unterschied (siehe mehr darüber unten) scheint Schwalbe entgangen zu sein. Beim -225 mm Fötus, Mod. XXI, (Fig. 38, 38a, 39, 63—65) hat sich die Lichtung des Gehörganges bedeutend er- weitert. Der äussere knorpelige Theil (Gg. ä. Fig. 35a.) hat einen rundlichen Querschnitt erhalten. Hierbei ist aus dem vorderen Rande des bisher platten Ganges eine vordere Wand geworden. Die Verlängerung dieses Randes auf die untere Wand, der Sulcus obliquus, hat sich gleichfalls erweitert und tritt nun als der tiefste Theil des Gehörgangbodens hervor. Die vordere Wand wird auf solche Weise medialwärts zu einer unteren Wand und diese auf Grundlage des Sulcus obliquus meatus entstandene Drehung des Ganges bleibt in der Folge bestehen. Der intermediäre Theil des Gehörganges (Gg. im. Fig. 38a) ist namentlich in der mediolateralen Richtung, vergrössert worden und geht allmählicher als früher in den äusseren knorpeligen Theil über. Sein Lumen ist immer noch eine quere Spalte, die aber bedeutend mehr offenstehend ist, als sie es früher war. Die !) Schwalbe’s Figur erweckt die Vorstellung, dass der epitympanale Raum schon vorhanden gewesen ist, was wohl nicht gern der Fall sein kann. bO8 J, Aug. Hammar: obere Wand hat den Charakter einer unregelmässig vierseitigen Platte mit einem, wo sie unter nach unten offenem stumpfem Winkel vom Paukenfell abgeht, medianen und einem lateralen Rande, der den Uebergang in die äussere Abtheilung vermittelt. Diese beiden Ränder konvergiren nach vorn; die andern beiden, der vordere und der hintere, sind frei und konvergiren nach aussen. Ueber den lateralen Rand dieser Wandfläche hat sich nun der innerste Theil der verbreiterten Superficies meatus gelagert (Fig. 63—65); von den beiden inneren Ecken wird die vordere vom vorderen Ende des ebenfalls in der Breite gewachsenen Paukenrings, und zwar von der Spina post. (Sp. p. Fig. 38a) überdeckt; die hintere Ecke wird vom hinteren Ende des Pauken- rings überdeckt, der übrige Theil der Wand des intermediären Gangabschnittes ist rein membranös. Die äussere Paukenfellläche ist noch ziemlich flach; ein Umbo ist nur andeutungsweise vorhanden. Die durch den Proc. brevis bedingte Einbuchtung (pr. br. Fig. 38a) und die Grenz- rinne (Gr. r.} sind deutlich sichtbar. f Die untere Wand des Gehörganges liegt in sämmtlichen seinen Abschnitten fast in einer und derselben, lateralwärts etwas ansteigenden Ebene, welche nach oben schwach konvex ist. Nur an der Uebergangsstelle zwischen dem intermediären und dem äusseren Abschnitte macht sie eine etwas mehr markirte, nach oben konvexe Biegung. Die folgenden drei Föten von resp. 260,280und 330 mm, Mod. XXITI—XXIV, bieten, was den äusseren Gehörgang anbe- trifft, nur das mehr Bemerkenswerthe dar, dass bei ihnen allen ein deutlicher Umbo ausgebildet ist. (Ueber die Längenverhältnisse des Ganges im Mod. XXIV siehe unten.) Ferner ist die Pars squamosa mit ihrem Gehörgangtheil immer mehr medianwärts gedrungen, wodurch sie den inter- mediären Theil des Gehörganges, dessen obere Wand in dem- selben Maasse ihren früheren membranösen Character einbüsst, in einer immer grösseren Ausdehnung überlagert. Sonst sind die Verhältnisse mit den zuletzt beschriebenen prinzipiell überein- stimmend. Beim 5360 mm Fötus, Modell XXV, ist das Einwachsen des Gehörgangtheils der Schläfenbeinschuppe insofern abge- schlossen, als dieser Theil nun an der Umrandung des Pauken” Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 609 fells theilnimmt (Fig. 66, 67). Er liegt dem Hammer und dem Amboss dicht an; der intermediäre Theil des Gehörganges ist von oben ganz durch Knochen bedeckt. Wie schon im vorigen Kapitel dargelegt worden, ist ferner der Prussak’sche Raum (P.R. Fig. 66) als eine (in diesem Falle) vom Rec. tymp. anterior ausgehende Aussackung angelegt. Indem sich diese Aussackung mit ihrer lateralen Fläche ‚gegen die inzwischen etwas abgeflachte Grenzrinne (Gr. r. Fig. 66) legt, nur durch ein recht lockeres, reichlich vaskularisirtes Binde- gewebe von ihr getrennt, entsteht nach vorn und oben von kurzem Hammerfortsatz ein neuer, kleiner, mit freien Flächen versehener Paukenfellbezirk — die Pars flaccida (m. fe. Fig. 66), welche also den zuletzt gebildeten Theil des Paukenfells bildet Ihre Anlegung gehört der letzten Periode des Fötallebens an, was ich gegenüber den Angaben einiger Lehrbücher (Kölliker OÖ. Sehultze, Kollmann), dass sie „erst mit der letzten Entwicklung der Paukenhöhle nach der Geburt ganz deutlich wird“, hervorheben möchte. Das Modell (Fig. 46) stellt einen vergrösserten Ausguss des Gehörganges dar. Es ist von Interesse, diesen Ausguss mit dem eines erwachsenen Gehörganges (Fig. 485) zu vergleichen, da sich hierdurch werthvolle Aufschlüsse über die folgende Ent- wicklung gewinnen lassen. An beiden sind die Paukenfellfläche und die nach aussen davon vorkommenden Knickungen (1. K. und ä.K.) unschwer festzustellen. Aber nicht nur in den Dimensionen, sondern noch mehr in den Proportionen zwischen den ver- schiedenen Abtheilungen des Ganges bieten die zwei Ausgüsse augenfällige Verschiedenheiten dar. Beim Erwachsenen zeigt der Gang im allgemeinen eine ziemlich gleichförmige, trichterähnliche Verschmälerung einwärts. Beim Fötus hingegen ist eben der Recessus meatus (Gg. rec.) der breiteste Theil des Ganges. An den Rand des scheiben- förmigen Ausgusses setzt sich der übrige Theil des Ganges wie eine Art kurzen, rundlichen, S-förmig gekrümmten Stieles an, ganz wie bei mehreren der nächst jüngeren Stadien geschildert worden ist. Die Membrana tympani und mit ihr der Boden des Recessus meatus haben schon etwa ihre definitiven Maasse erreicht — nur die Höhendimension des Recessus ist durch die mehr horizontale 610 J. Aug. Hammar: Stellung des Paukenfells niedriger als beim Erwachsenen. Der ganze folgende Zuwachs des Ganges betrifft somit eigentlich nur seine äusseren zwei (embryonalen) Abschnitte. An dem Aus- gusse des fütalen Ganges beträgt die gesammte Länge dieser Abschnitte, vom oberen Rande des Paukenfells am Dache entlang gemessen. etwa °’/ıo = 8 mm, beim Erwachsenen etwa 24 mm. Die Breite des ersteren Modells etwa an der Mitte gemessen ist ungefähr °°/ıo = 3,5 mm, die des letzteren ungefähr 8,5 mm, d. h. durch diesen späteren Zuwachs werden die betreffenden Gangabschnitte in der Länge 3 Mal, in der Breite fast 2,5 Mal vergrössert. Die Grenze zwischen dem intermediären und dem äusseren Abschnitte des Gehörganges lässt sich als die innere Grenze der Haar-Drüsenregion feststellen. Zwar kommen in den späteren Fmbryonalstadien vereinzelte Haar- und Drüsenkeime ausmahms- weise auch am äussersten Theil des intermediären Abschnittes vor; eine nennenswerthe Trübung oder Verschiebung der Strukturgrenze der Gehörganghaut rufen sie aber nicht hervor. Diese Strukturgrenze fällt am Boden des fötalen wie des erwachsenden Gehörganges recht genau mit der inneren Grenze des knorpeligen Ganges zusammen, wo sie jaauch vom Anfange an lag. An der Gehörgangdecke wiederum wird diese Strukturgrenze am fötalen Modelle durch eine schwache Firste, welche etwas schief nach vorn innen zieht, angedeutet, und die nach innen davon gelegene unregelmässig viereckige Fläche (Gg. im. Fig. 46) ist dieselbe von der in Betreff des Mod. XXI die Rede war. Diese Fläche — das Dach des intermediären Gehörgangabschnittes — wird etwa von der inneren Hälfte des Superficies meatus be- deckt, welche solchergestalt mit ihrer äusseren Hälfte der oberen Wand des äusseren Abschnittes des Gehörganges anliegt. Beim Erwachsenen stellt es sich mit diesem oberen Theil der Strukturgrenze insofern etwas schwieriger als die Angaben der Autoren darüber recht verschieden lauten Während einige wie Alzheimer (1888) und Kölliker (1889) diese Grenze auch hier mit der Trennungslinie zwischen dem knorpeligen und dem knöchernen Gehörgange zusammenfallen lassen, geben andere an, dass sich das Gebiet der Haare und Drüsen hier mehr oder weniger konstant bis an den oberen Rand des Paukenfells er- Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 611 streckt. So Kessel (1872), Schwalbe (1898), Stöhr (1901), Szymonowicz (1901). Schwalbe und Szymonowicz prä- eisiren das Gebiet des Daches des knöchernen Gehörganges, wo die Haut die gewöhnliche Beschaffenheit der äusseren Haut besitzt, dahin, dass es der Superficies meatus des Schuppentheils entspricht. Es ist nun leicht, durch einfache mikroskopische Inspektion festzustellen, dass Haare nicht bis an den oberen Rand des Paukenfells vorkommen und die Untersuchung mikroskopischer Schnitte hat es mir bestätigt, dass sich immer ein haar- und drüsenfreier Bezirk!) auch am Dache zunächst dem Paukenfelle findet. Dieser Bezirk erstreckt sich auch beim Erwachsenen über etwa die innere Hälfte des knöchernen Daches. Dadurch aber, dass dies meistens weiter lateralwärts reicht als der knöcherne Boden, tritt die Strukturgrenze der Haut bisweilen als eine fast in einem und demselben Sagittalplane gelegene ringförmige Linie hervor. Andere Male ist diese Ringlinie mit ihrem oberen Ende etwas nach innen geneigt (Fig. 48), d. h. die Strukturgrenze liegt am Dache weiter einwärts als am Boden. Also nicht nur, dass sich der aus der Gehörgangplatte hervorgegangene Bezirk noch beim Erwachsenen sowohl am Dache wie an den Seitenwänden und am Boden des Gehörganges durch ähnliche Strukturverschiedenheiten wie beim Fötus kund- giebt, so hat die Strukturgrenze auch am Dache so ziemlich ihre ursprüngliche Lage zu der Umgebung bewahrt, indem sie die Superficies meatus ungefähr in ihrer Mitte kreuzt. Mit anderen Worten, die zwei Strukturgebiete der Haut scheinen bei dem postfötalen Zuwachs mit den ihnen anliegenden äusseren Wänden des Gehörganges ungefähr Schritt zu halten. Der Zuwachs in der Länge, welcher dem Gesagten zufolge ein wichtiges Moment in der Umwandlung der fötalen in die bestehen bleibende Gehörgangsform ist, scheint schon am Schlusse !) Die Cutisleistehen kommen in diesem Bezirke auch beim Erwachsenen vor und zwar mit in der Hauptsache längsgehender Richtung, nur sind sie spärlicher und unregelmässiger als beim Fötus. Sie dürfen nicht, wie es bisweilen geschehen zu sein scheint, mit eirculären Faltungen der Ober- haut, welche ich konstant gefunden habe und die wahrscheinlich mit dem eigenthümlichen Regenerationsmodus des Gehörgangepidermis zusammenhängt, verwechselt werden. 612 J. Aug. Hammar: des Fötallebens eintreten zu können. Es zeigt wenigstens das älteste meiner Stadien, der reife Fötus, Mod. XXVIb — in geringerem Masse auch Mod. XXIV — einen Gehörgang, welcher den hier zuletzt geschilderten nicht unbeträchtlich an Länge übertrifft (S mm beim Mod. XXV, 11,5 mm beim Mod. XXIV und 14 mm beim Mod. XXVIb). Es scheint hier fast ausschliesslich die äussere Abtheilung des Ganges in der Länge gewachsen zu sein, während sich die intermediäre nnd die innere ungefähr gleichartig verhalten. Auch in der Breite ist die äussere Abtheilung gewachsen, und namentlich hat dieses ihre innere Hälfte gethan, so dass ihr Uebergang in die intermediäre Abtheilung nicht so unvermittelt als sonst, sondern unter all- mählicher Erweiterung des sagittalen Durchmessers erfolgt. Inwiefern diese Verhältnisse in die sich postfötal ab- spielenden Veränderungen in der Gestaltung des äusseren Gehör- ganges hinüberführen, ist mir wegen Mangel an nöthigem Ver- gleichsmaterjale nicht möglich zu entscheiden '). Es hat nicht im Plane meiner vorliegenden Studien gelegen, die Entwicklung des äusseren Ohrs zu verfolgen. Bei dem Zusammenhange, der sich zwichen derselben und derjenigen des äusseren Gehörganges findet, habe ich es aber nicht vermeiden können, auch die Entwicklungsgeschichte der ÖOhrmuschel zu streifen, und da meine Ergebnisse in einigen Punkten geeignet erscheinen, vorhandene Meinungsdifferenzen zu beleuchten, muss ich zum Schlusse auch diesem Gegenstande ein paar Worte widmen. Ich hebe also erstens hervor, dass meine Untersuchungen keinen Zweifel darüber gestatten, dass die Fossa conchae („angu- laris“) direct aus der ersten Schlundfurche stammt. Es zeugt dafür u. A., dass sich die typische Configuration der Schlund- furche auch an der Muschelgrube, dort, wo der Gehörgang zur Entwicklung kommt, wiederfinden lässt. !) Bei den ältesten der untersuchten Föten kommen im äusseren Gehürgange regelmässig abgestossene Epidermisschüppchen vor; niemals füllen sie aber das Lumen völlig aus. Da es sich hier um mit Alkohol- Aether behufs der Celloidineinbettung behandeltes Material handelt, lässt sich indessen die ursprünglich vorhandene Menge von Vernix caseosa nicht mit Sicherheit bestimmen, weshalb ich auf diesen Punkt hier nicht näher eingehe. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete, 613 Meine: Ergebnisse bestätigen somit in diesem Punkt His’ (1885) gleichlautende Angaben Gradenigo (1888) gegenüber, welcher die erste epidermoidale Kiementasche sich schliessen lässt, ausgenommen am unteren Ende, wo sie zum Meatus auditorius externus wird. Die Fossa conchae ist nach ihm eine im Gebiete der ersten Furche sekundär entstandene Bildung. Da sich diese Angabe Gradenigo’s nicht bestätigt, hat dies zur Folge, dass das Schicksal der Auricularhöcker auch nicht das von ihm angegebene sein kann. Sie gehen also nicht in die Bildung des Bodens, sondern in die der vorderen und hinteren Begrenzung der ÖOhrmuschelgrube ein. Auch hierin besteht also die His’sche Darstellung zu vollem Rechte. Obgleich ich also den von den Auricularhöckern unab- hängigen Ursprung, welchen Gradenig o den länglichen Wülsten, der „Helix mandibularis“ und der „Helix hyoidalis“, zuschreibt, nicht anerkennen kann, glaube ich doch, dass sich seine Dar- stellung von zwei solchen Wülsten als Ursprungsstellen des OÖhres näher an die natürlichen Verhältnisse anschliesst als die gewöhnlichen, von den Auricularhöckern ausgehenden Schil- derungen. So weit meine Erfahrung reicht, sind die Auricularhöcker nicht so scharfe und prominente Gebilde, wie sie die gewöhnlichen Abbildungen darstellen. Beim 17 mm Embryo ist die Ohrmuschel- grube von zwei länglichen Erhebungen, einer oralen und einer etwas schwächer hervortretenden aboralen begrenzt, aus welchen Erhebungen einzelne Aurieularhöcker nur sehr undeutlich her- vortreten. Es will mir somit scheinen, als wären einerseits die Auricularhöcker in diese Wülste aufgegangen und als ginge die Ohrbildung wenigstens bis zu einem gewissen Grade aus einer Neugliederung dieser Gebilde hervor). Da hier indessen ein für die Beleuchtung dieser Frage allzu spärliches Material vorliegt, und es wohl möglich ist, dass es sich in meinen Fällen nur um besonders ungünstige indi- viduelle Variationen handelt, will ich den hier aufgeworfenen 3) Vielleicht liegt in einem solchen Verhältniss die Erklärung der augenfälligen Meinungsdifferenzen der drei Forscher (His, Gradenigo, Schwalbe), welche das Schicksal der verschiedenen Höcker näher ver- folgt haben. (Vergl. die von Schwalbe (1898 p. 129) gegebene ta- bellarische Zusammenstellung ) 614 J. Aug. Hammar: Gesichtspunkt keineswegs urgiren. Ich möchte nur noch be- merken, dass die gewöhnliche, von den Auricularhöckern aus- gehende Darstellung in welcher diese Höcker als Bildungen von grosser Selbstständigkeit, die sich über einander schieben, mit einander verwachsen u. s. w. behandelt werden, etwas Gekünsteltes an sich hat. Sind sie doch nichts Anderes als schwache Ver- dickungen einer einheitlichen subepidermoidalen Bindegewebs- schicht! Bei meiner Untersuchung habe ich — gewissermassen im Gegensatz zu den oben genannten Forschern auf dem Gebiete der Ohrmuschelentwicklung meine Aufmerksamkeit weniger auf die Auricularhöcker, als die mit der Entwicklung des äusseren Gehörganges in nächstem Zusammenhange stehenden Ver- tiefungen der lateralen Oberfläche des Ohrs gerichtet. In Bezug hierauf hebe ich nochmals hervor, dass die Incisura intertragica, die Cavitas und die ÖÜymba conchae die nächsten Derivate der ersten Schlundfurche bilden und somit als primäre Gebilde den übrigen, als sekundär entstanden zu bezeichnenden Furchen der Ohrmuschel gegenüberzustellen sind. Ich befinde mich darin, soweit ich ersehen kann, in recht guter Uebereinstimmung mit His’ Darstellung. Nur lässt dieser Forscher gewisse der von mir als sekundär entstanden be- zeichnete Furchen schon von Anbeginn in den Winkeln der Fossa angularis gewissermassen präformirt sein. Zusammenfassung nebst nachträglichen Bemerkungen. 1.Von dem ander lateralen Körperwand ver- laufenden Theil der I. Schlundfurche ist der ven- trale Abschnitt tiefer als der dorsale. Dieser wird in der Folge noch seichter und verstreicht wahr- scheinlich ganz, jenererhält durch das Verstreichen des an der ventralen Körperwand verlaufenden Theils der Furche auch ventralwärts einen Ab- schluss, er vertieft sich und bildet die Ohrmuschel- grube, die Fossa cochae (Fossa angularis, His). 2. Die Ohrmuschelgrube hat nach oben und unten den Charakter einer Furche von individuell wechselnder Breite; ihr mittleres Drittel ist aber taschenförmig vertieft, und hier wächst der äussere Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 615 Gehörgang einwärts; dieser mittlere Abschnitt wird zur Cavitas conchae. Der untere, seichtere Abschnitt wird zwischen den Tragus und den Anti- tragus gefasst und durch sie eingeengt; er bildet also die Ineisura intertragica. Der obere Abschnitt wird durch das Crus helicis vom mittleren abge- trennt und bildet die ÖÜymba conchae Als sekun- däre Verlängerungen von der Cavitas conchae entstehen der Sulceus auris ant. und der Sulcus auris post. Zuletzt und ebenfalls als sekundäre Bildungen treten die Fossa scaphoidea und die Fossa triangularis auf. Wie aus dieser Darstellung erhellt, geht der Rest der ersten Schlundfurche, die Ohrmuschelgrube, ausschliesslich in die drei primären Öhrvertiefungen über; der äussere Gehörgang ist ein sekundäres Gebilde. Da derselbe unter trichterförmiger Verjüngung aus der Ohrmuschelgrube entspringt, kann es wohl als eine heikle Sache erscheinen, zu entscheiden wo er eigentlich anfängt und wo die Öhrmuschelgrube aufhört. Es bewahrt indessen die ÖOhrmuschelgrube auch nach dem Anlegen des Gehörganges ihre ursprüngliche rundliche Profilgestalt so 'gut, dass sich die Auffassung des Gehörganges als eine in ihrer Ganzheit aus ihr entwickelte Neubildung gut begründen lässt. Es muss aber hervorgehoben werden, dass ich hierbei von der älteren Abgrenzungsweise der Cavitas conchae gegen den Meatus, d. bh. von einer durch das Limen conchae gelegten Sagittalebene ausgehe. Wenn man mit Bezold und Schwalbe den Gehörgang bis zum freien Rande des Tragus rechnet, ist freilich die Fossa conchae theilweise auch an der Bildung des Gehörganges interessirt. Vom Gesichtspunkte der Entwickelung ist aber eben deshalb die ältere Eintheilung offenbar die natürlichere. 3. Aus demtiefsten, später zur Öavitas conchae sich entfaltenden Abschnitt der Ohrmuschelgrube wächstin der späteren Hälfte des 2. Monats ein schwach trichterförmiges, hohles Rohr, der primäre Gehörgang, eiuwärts. Den Darstellungen Moldenhauer’s, Urbantschitsch’s u. A. gegenüber hebe ich hier ausdrücklich hervor, dass der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59 4l 616 J. Aug. Hammar: Gehörgang ein selbständig wachsendes Gebilde ist und nicht lediglich durch Verdiekung der Umgebung angelegt und ver- längert wird. Aus dem, was ich schon über das Schicksal der Fossa conchae gesagt habe, geht hervor, dass die Verdickung der Umgebung nur zur Vertiefung der aus ihr hervorgehenden Furchen der Ohrmuschei führen kann. Ein selbständiger Zu- wachs des Gehörganges ist übrigens, wie schon oben bemerkt wurde, von Kölliker und Hunt urgirt worden. Ferner ist zu betonen, dass, im Gegensatz zu den land- läufigen Beschreibungen, der Abschnitt des Gehörganges, welchen ich als primären Gehörgang bezeichnet habe, als Hohlgebilde angelegt wird und sein Lumen niemals völlig einbüsst. Nur im 4.—5. Monate wird sein innerer Theil durch Verdickung der epitrichialen Schicht undurchgängig, aber diese Obliteration löst sich bei eintretender Verhornung wieder, und die Licht- ung des Ganges wird damit beständig, wenngleich am Ende des Fötallebens durch die Vernix caseosa mehr oder weniger verengt. 4. Aus dem primären Gehörgange wächst, haupt- sächlich in der Verlängerung seiner unteren Wand, im Anfange des 3. Monats eine epitheliale Platte, die Gehörgangplatte, Lamina epithelialis meatus, nach innen. Dieselbe erreicht bald das äussere Ende des tubotympanalen Rohrs und schiebt sich an der unteren Wand der Paukenhöhle entlang weiter ein- wärts abwärts. Sie wächst in dem 4 und 5. Monate zu einer rundlichen, dünnen soliden Scheibe aus, welche an ihrem oberen Rande mit dem weit schmäleren pri- mären Gehörgange wie mit einem Stiel zusammen- hängt. Der der {unteren äusseren Paukenhöhlen- wand anliegende vielgrössere Theil der Gehörgang- platte wird als ihr tympanaler, der kleinere, dem primären Gehörgange zunächst liegendealsder nicht tympanale Theil bezeichnet. Im 7. Monate findet eine Spaltung der Gehörgangplatte in zwei Blätter statt: indem die so entstandene Höhlung mitdem Lumen des äusseren Gehörganges sekundärin Ver- bindung tritt, entsteht der sekundäre oder definitive Gehörganug. Es bildet sich dabei im tympanalen Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete, 617 Theil der Platte der zwischen dem Trommefell und dem Gehörgangboden liegende Recessus meatus. Der primäre Gehörgang entspricht hauptsächlich dem knorpeligen Theil des definitiven Gehörganges, er- streckt sich aber am Dache des Ganges auch etwa über die äussere Hälfte des knöchernen Theils. Ein intermediärer kleinerer Gehörgangabschnitt geht aus dem nicht tympanalen Theil der Platte hervor. Mit dem Recessus meatus zusammen bildet dieser intermediäre Abschnitt den übrigen grösseren Theil des knöchernen Ganges. Es scheint mir kaum einem Zweifel zu unterliegen, dass es die Gehörgangplatte ist, welche, in ihrer Form und ihrem Character vielfach verkannt, im Allgemeinen den Beschreibungen einer Verklebung des fötalen Gehörganges zu Grunde liegt. Es dürfte deshalb nicht überflüssig sein, hier zu betonen, dass die Platte vom Anfange an eine solide Bildung darstellt und dass ihre Lichtung erst sekundär und spät entsteht. Analogien zu diesem Bildungsvorgang findet man ja auch mancherorts, so in der Entstehung der Alveolobuccalfurche, in der Entwicklung der Urogenitalplatte u. s. w. 5. Beim Erwachsenen ist die Haut des äusseren Gehörgangesiminneren, dem Paukenfell zunächst liegenden Theil dünn mit gerippter unterer Epidermisoberfläche, ermangelt aber der Haare und. Drüsen. ‚Die Haut des äusseren: Theils ist dicker und mit Haaren und Drüsen versehen. Die Grenzezwischendiesen beidenStrukturbezirken fällt am Boden und an den Seitenwänden mit der- jenigen zwischen dem knöchernen und knorpeligen Gehörgange zusammen; am Dache geht sie etwa zwischen der äusseren und inneren Hälfte des knöchernen Ganges. Dieser Strukturunterschiedist in der Entwicklung begründet, indem sich die Haar- undDrüsenentwicklungaufdenprimärenGehörgang beschränkt und die Gehörgangplatte (wo sie nicht dem Paukenfellangehört) eine gerippte Oberfläche ohne Haar- und Drüsenanlagen besitzt. Die Struk- turgrenze der Gehörganghaut grenzt auch beim 41* 618 J. Aug. Hammar: Erwachsenen den Bereich des primären Gehör- ganges von dem der Gehörgangplatte ab. 6. Am postfötalen Wachsthum des Gehörganges ist der Recessus meatus offenbar wenig betheiligt, da er seine definitiven Dimensionen schon bei der Geburt fast erreicht hat. Es ist hauptsächlich nur der intermediäre und der äussere Abschnitt des tanges, welche durchZunahme sowohlin der Länge wie in der Breite das postfötale Wachsthum des. äusseren Gehörganges bedingen. 7. Der tiefste Theil der ersten Schlundfurche, aus welchem der Gehörgang später einwächst, liegt nicht unbeträchtlich ventralwärts nicht nur von der primären Paukenhöhle, sondern auch vom Schlunddarm überhaupt. Auch später, wo die Ohr- muschelgrube sich abgegrenzt hat und der primäre Gehörgang im Einwachsen begriffen ist, liegt letzterer deutlich ventralwärts vom Schlundboden. Erst sekundär gelangen der Gehörgang und die Paukenhöhle dahin, dass sie einander gegenüber liegen, und zwar geschieht dieses dadurch dass die Paukenhöhle mit dem ganzen Schlunde ventral- wärts verschoben wird. Schon von der ersten Entstehung des primären Gehörganges an wird das innere Ende desselben durch einen rundlichen Höcker, den Paukenfell- höcker, Tuberculum membranae tympani, in der Richtung nach unten aussen ausgestülpt. Unter Bewahrung seiner endständigen Lage wird dieser Paukenfell- höcker mit dem Gehörgange nach innen geschoben, so dass er, wenn die laterale Paukenhöhlenwand dem primären Gehörgange zum ersten Male gegen- überliegt, alsdas primäre Paukenfell zwischen beiden eingeschlossen wird. Da dieses Paukentell, in dem nun der Griff und der kurze Fortsatz des Hammers stecken, einerseits durch die Gehörgangplatte, andererseits durch die untere äussere Wand der sich vergrössernden Paukenhöhle überdeckt wird, plattet es sich in eine umfangreichere, aber ganz Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 619 dünneBindegewebslamelleab, welche dieMembrana propria des definitiven Paukenfells darstellt. Eine freie lateraleFläche erhält das definitive Paukenfellerst mit der Spaltung der Gehörgang- platte. Ihr oberes inneres Blatt bildet danniin der ganzen Ausdehnung des tympanalen Plattentheils den epidermoidalen Paukenfellüberzug. Aus obiger Darstellung der Paukenfellentwicklung erhellt, dass die Erörterung der Frage, welchen Antheil die Verschluss- membran der ersten Schlundspalte an der Bildung des Pauken- fells nimmt, überhaupt gar keinen Sinn hat. Es lässt sich natürlich gar nicht von einem Paukenfell sprechen, so lange die beiden Gebilde, welche es begrenzen sollen, in ganz getrennten Niveaus liegen. Erst wenn hierin eine Aenderung eingetreten ist — und dann lässt sich von der Verschlussmembran wie von distinkten Schlundbogen nichts sehen — ist die erste Bedingung dafür, dass man von einem Paukenfell sprechen kann, erfüllt. Da man diese Veränderung in der Lage bisher übersehen hat, ist es leicht verständlich, dass die Antwort auf die Frage von der Ursprungsstelle des äusseren Gehörganges und des Trommelfells je nachdem man die primäre Paukenhöhle, welche ja ursprünglich in der Höhe der Verschlussmembran liegt oder den primären Gehörgang, welcher von Anbeginn eine weit mehr ventrale Stellung einnimmt, vorzugsweise ins Auge fasste, ganz verschieden ausfallen musste. S. Was bisher vom Paukenfell gesagt wurde, gilt nur seiner Pars tensa. Die Pars flaceida wird erst in der letzten Fötalzeit gebildet. Amvorderen Theil der Grenze zwischen dem tympanalen und dem nicht tympanalen Theil der Gehöfgangplatte entsteht schon im fünften Monate nach oben und vorn vom kurzen Hammerfortsatz einekurze Leiste, die Grenzleiste. Gleichzeitigdamit, dassim siebenten Monate die Gehörgangplatte ihr Lumen bekommt, wird die Leiste zu einer nach dem Gehörgange zu offenen Rinne, die Grenzrinne, ausgehöhlt. Im zehnten Monate legt sich der aus der Paukenhöhle entstehende Prussak’sche Raum der Grenzrinne gegenüber, wodurch die Pars flaccida auf beiden Seiten begrenzt wird. 620 J. Aug. Hammar: Literatur. Alzheimer, A.: 1889, Ueber die Öhrenschmalzdrüsen. Verh. d. phys. med. Ges. zu Würzburg. N. F. Bd. XXII. Born, G.: 1883, Ueber die Derivate der embryonalen Schlundbögen und Schlundspalten bei Säugethieren. Dies. Archiv Bd. 22, Derselbe: 1900, Rekonstruktionsmethoden. Böhm und Oppels Taschen- buch der mikroskopischen Technik. 4. Aufl. München. Broman, I.: 1896, Beschreibung eines menschlichen Embryos von beinahe 3 mm Länge mit spezieller Bemerkung über die bei demselben be- findlichen Hirnfalten. Schwalbe’s Morph. Arbeiten. Bd. 5. Derselbe: 1899, Die Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen beim Menschen Anat. Heft. Bd. 11. Dreyfuss, R.: 1893, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Mittel- ohres und des Trommelfelles des Menschen und der Säugethieren. Morph. Arb. herausg. v. Schwalbe. 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Kessel, J.: 1872, Das äussere und mittlere Ohr in Stricker’s Hand- buch. Leipzig, Kölliker, A.: 1879, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig. Derselbe: 1889, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl. Bd. I. Leipzig. Kollmann. J.: 18985, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. ‚Jena. Kupffer, C. v.: 1894, Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. Heft 2 (eitirt nach Platt 1894 und Beterukh) Kutscharianz: 1875, Die Entzündung des Mittelohrs bei Neugeborenen und Säuglingen. Archiv f. Ohrenheilkunde Bd. 10 (eit. nach Moldenhauer 1876 und Schmaltz 1877). Mall, F.: 1888, 1. Development of the Eustachian tube, middle Ear, Tym- panic Membrane and Meatus of the Chick. Studies from the biological laboratory of Johns Hopkins University, Baltimore Vol. 4. No, 4. Derselbe: 1888, 2. The branchial clefts of the dog with special Re- ference to the Origin of the Thymus Gland. Ibidem. Derselbe: 1887, Entwickelung der Branchialbogen und -Spalten des Hühnchen Arch. f. Anat. und Phys. Anat. Abth. Minot, Ch. S.: 1894, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Deutsche Ausgabe. Leipzig. Moldenhauer, W.: 1876, Das Verhalten der Paukenhöhle beim Fötus und Neugebornen und die Verwendbarkeit der Ohrenprobe für die gerichtliche Mediein. Archiv der Heilkunde. Bd. 17. Derselbe: 1877, Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. Morphol. Jahrb. Bd. 3. Derselbe: 1879, siehe Rauber 1879. Peter,K.: 1901, Mittheilungen zur Eutwicklungsgeschichte der Eidechse II. Die Schlundspalten in ihrer Anlage, Ausbildung und Bedeutung. Dies Archiv. Bd. 57. Piersol,G. A.: 1888, Ueber die Entwicklung der embryonalen Schlund- spalten und ihre Derivate bei Säugethieren. Zeitschr. f. wiss, Zoologie. Bd. 47. Platt, J. B.: 1894, Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. Dies Archiv, Bd. 43. Politzer, A.: 1870, Ueber ein Höhlensystem zwischen Trommelfell und Hammerhals.. Wiener Med. Wochenschrift. Bd. 20, No. 15 u. 16. Rabl, ©.: 1886-87, Zur Bildungsgeschichte des Halses. Prager Med. Wochenschr. Jg. 11 u. 12. Rauber, A. und Moldenhauer, W.: 1879, Ist die Tuben- und Paukenhöhle Produkt des Vorderdarmes oder der Mundbucht? Arch. f. Ohrenheilkunde. Bd, 14. 622 J. Aug. Hammar: Schäfer, E. A.: 1890, Embryology. Quain’s Elements of Anatomy. 10th Ed. London. Schmaltz, H.: 1877, Das sogenannte Schleimpolster in der Paukenhöhle des Neugeborenen und seine forensische Bedeutung. Archiv der Heilkunde. Bd. 18. Schultze, O.: 1897, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Säugethiere, Leipzig. Siebenmann, F.: 1894, Die ersten Anlagen von Mittelohrraum und Ge- hörknöchelchen des menschlichen Embryos in der 4.—6. Woche. Arch. f. Anat. und Phys. Anat. Abth. Derselbe: 1898, Mittelohr und Labyrinth in Bardeleben’s Handbuch d. Anatomie. Bd. V, Abth. 2. Jena. Stöhr, Ph.: 1901, Lehrbuch der Histologie. Jena. Szymonowicez, L.: 1901, Lehrbuch der Histologie. Würzburg. Tettenhamer, E.: 1892, Ueber das Vorkommen offener Schlundspalten bei einem menschlichen Embryo. Münchener medie. Abhandlungen 7. Reihe, H2. v. Tröltsch, A. Fr.: 1860, Lehrbuch d. Ohrenheilk. 4. Aufl. (eitirt n. Wendt 1873). Derselbe: 1861, Die Anatomie des Ohres in ihrer Anwendung auf die Praxis ete. Würzburg. Tuttle, A. H.: 1883/1884, The relation of the external meatus, tympanum and the Eustach. Tube to the first visceral cleft. Proceed. Amer. Academy Arts and Sciences. Vol. 19 N. S. II. Urbantschitsch, V.: 1877, 1. Ueber die erste Anlage des Mittelohres und des Trommelfelles. Mitth. aus d.) embr. Institute der Univ. Wien. Bd. I, H. 1. Derselbe: 1877, 2, Das Lumen des äusseren Gehörganges bei Embryonen und Neugebornen. Ibidem Heft 2. Wendt, H.: 1873, Ueber das Verhalten der Paukenhöhle beim Fötus und beim Neugeborenen. Arch. der Heilkunde. Bd. 14. Wreden: 1868. Die Otitis media neonatorum. Berlin (eitirt nach Moldenhauer 1876 und Schmaltz 1877). Zaufal: 1870, Sectionen des @Gehörganges von Neugeborenen und Säuglingen. Oesterreich. Jahrb. f. Pädiatrik. Bd. 1 (eitirt nach Wendt 1873). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI—XXIX. Die Farbenbezeichnung. Die rothen Farbennuancen bezeichnen im Allgemeinen die Bildungen des inneren, die gelben die des äusseren Fruchtblattes. Die Grenze zwischen den beiden Fruchtblättern am Schlund- dache und an den Mandibularbogen ist nach dem Hypophysisstiel und den Ergeb- nissen der Rauber-Moldenhauer’schen Untersuchungen (vom Verfasser kontrollirt) gezogen. Es kann dieselbe natürlich nur sehr approximativ sein. Die Arterien sind mit der konventionellen Zinnoberfarbe, die Nerven, Ganglien ete. mit Citronengelb belegt. Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. 623 Blaue Farbentöne sind für de Gehärknöchelchen und die Cochlea und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieselben im vorliegenden Stadium aus Vorknorpel, Knorpel oder Knochen besteht, angewendet worden; eine ähnliche Farbe ist auch dem Meckel’schen und dem Reichert’schen sowie dem Tubenknorpel gegeben worcen. Mit gelblichgrau ist der Belegknochen des Annulus tympa- nicus und des Proc. Folii belegt. abor, F. abor. Hf. 1% Amb. Ann.t. Autr. 4Ao. d. A. pulm. 4. stap. A. subel. Aug. b. stap. Car. int. Car. ext. Cap. Cav. Ch. Ch. f. ONE: ©. Iaer. Cochl. Cr. br. Or. 1. Cymb. D. nl. Dors.L,ILete. ep. @. F. conch. TEra0R: Bahn: ER, R._r. Ffure. GgL V. @gl., VII: Ggl. IX. | aborale Facette. aborale Hauptfacette. äussere Gehörgangknickung. Amboss. Annulus tympanieus. Tuberceulum antitragicum. Aorta descendens. Arteria pulmonalis. Arteria stapedia. Arteria subelavıa. primäre Augenblase. Basis stapedis. Arteria Carntis interna. Arteria Carotis externa. Caput. mallei. Cavitas conchae., Chorda dorsalis. Chordafalte. Chorda tympani. - Canaliculus lacrymalis. Cochlea. Crus breve incudis. Collum mallei. Crus helieis, Crus longeum ineudis. Cymba conchae. Ductus nasolacrymalis. dorsale Verläugerung der 1., 2, etc. epitympanales Gallertgewebe. Fossa conchae. Fessula fenestrae ovalis. Fossula fenestrae rotundae. Felsenraum. Fenestra rotunda. Fureula. Trigeminusganglion. Faciolisganglion. Glossopharyngeusganglion. Schlundtasche, 624 Ggl. X. @g. Gg. ä. @g. im. G@g. rec. Gopl. Ggpl. nt. GFgpl. ty. Gral. Gr.r. HAf. Ham. h. IN. Hogr. Hogr’. hss. uns 2% hyp. ce. T, intr. iR. Impr. cochl. Imp. man. at. Jak. J. ps. lig. ant. lig. ext. lig. ine. lat. lig. ine. post. lig. int. lig. sup. Lung. M. Meck. M. fle. M. st. N, NV. o. HSf ne 2 org. I. II ete. OS Par. Pf: Pfh. Jah. pl. a. Mllıgn. J. Aue. Hammar: Vagusganglion. definitiver Gehörgang. äusserer Abschnitt desselben. intermediärer „ Gehörgangrecesse. Gehörgangplatte. nicht tympanaler Theil der Gehörgangplatte. tympanaler Theil der Gehörgangplatte. Grenzleiste. Grenzrinne. laterale Hammer-Ambossfalte. Hammer. hintere Nebenfalte. Hammergriff. Hammergriffeindruck. hinteres Steigbügelsäckchen. hintere tympanale Rinne, Hypophysis cerebri. Incisura intertragica. innere Gehörgangknickung. Impressio cochlearis. Impressio manubrii. Isthmus tympani. Jakobson’sches Organ. Jugum petro-squamosum. Ligamentum mallei anticum. Ligamentum mallei externum. Ligamentum ineudis: laterale Portion. Ligamentum incudis: hintere Portion. Ligamentum mallei internum, Ligamentum mallei superius, Lunge. Mund. Meckel’scher Knorpel. Membrana flaceida. Museulus stapedius. Nasenhöhle. Nervus facialis. obere Hammer-Schuppenfalte. orale Facette. 1., 2. ete. Schlund-Spaltenorgan. oberer Schuppenraum. Glandula Parotis. Paukenfell. Paukenfellhöcker. Paukenhöhle Plica eruris longi incudis. Pliea ligamenti antiei. mallei n Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc, pl. ig. ect. —= Plica ligamenti externi mallei. pl. lig. s. — Pliea ligamenti superius mallei. ‚pl. vos. — Pliea interossieularis. pl. sa. — Pliea stapedis anterior. pl. sp. — Pliea stapedis posterior. pl. ss. — Plica stapedis superior, pm. Z. — pneumatische Zelle des Saccus anterior. PR. — Prussak’scher Raum. pr. br. — Processus brevis mallei, pr: br’. — Eindruck des Processus brevis mallei. pr. ep. — Prominentia epitympanica. LE — Processus longus Folii. pr. @g. — primärer Gehörgang. Prom. — Promontorium, pr. P. primäre Paukenhöhle, pr. ZU. primäre Zahnleiste, BR. Reichert’scher Knorpel. r. Af. Retroaurikularfurche. rec. ant. Recessus membranae tympani anterior. rec. hyp. Recessus hypotympanieus. rec. post. Recessus membranae tympani posterior. rec. III. — Recessus tympani tertius. vec. IV. Recessus tympani quartus. Ss. a. ü. Suleus auris anterior. Sac. a. Saccus anterior. Sac. m. Saccus medius. Saec. ». Saceus posterior. Sac. S. Saccus superior. S. al. Sulcus alveolo lingualis. S. ap. Suleus auris posterior. S. ba. —= Suleus bucco alveolaris. S. buce. = Suleus bucealis. Schl.b.I,IIete.— 1., 2. ete. Schlundbogen. Schl.f. I,IIete.— 1., 2. ete. Schlundfurche. Schl.t. I. IIete.— 1., 2. etc. Schlundtasche. Sin. cerv. — Sinus cervicalis. S. oDl. — Suleus obliquus meatus. Sp. — Sinus posterior. Sqın. = Os squamosum. Ss. t. — Seessel’s Tasche. SE — Sinus tympavi. stap. = Stapes. Sb. fr — Stapediusfalte. submax. — Glandula submaxillaris. SZ. — sekundäre Zahnleiste. RSBER — Tensoreinschnitt. IN 2 —= Tensorfalte. Tgm. — Tegmen tympani. 6 > 626 J. Aug. Hammar: T.4G: — tympanales Gallertgewebe. thym. — Thymus. thyr. 1. — laterale Schilddrüsenanlage. thyr m. — mediane Schilddrüsenanläge. 1 2 — Tensorrinne. Trag. —= Tragus. Tr. art. .—= Truneus arteriosus. T.t: — Museulus tensor tympani. iR, — tubotympanale Rinne. Tub. — Tuba Eustackii. Tüb. imp. Tuberceulum impar. I Tub kn. — Knorpel der Tuba Eustachii. tub. R. = tubare Rinne, u., H.Sf. — untere Hammer-Schuppenfalte. umb. —= Umbo membranae tympani, u. SR. — unterer Schuppenraum, U. 88: — unteres Steigbügelsäckchen. ventr. F'. —= ventrale Facette. ventr.I, IIete.— ventrale Verlängerung der 1.,2. ete. Schlundtasche. Vh. — Vorderhirn. v. Nf. — vordere Nebenfalte. 1. ‚88. — vorderes Steigbügelsäckchen. OL ER: — vordere tympanale Rinne. Figurenerklärung. Bei jeder Figur der Tafel XXVI—XXVIII ist die Nummer des be- treffenden Modells angegeben Der nebenstehende Bruch giebt den ver- kleinerten Maassstab an, in welchem das Modell in der Abbildung wieder- gegeben ist. Die beigefügte Zahlenrelation (z. B. bei Fig. 1 63,5:1) drückt das Grössenverhältniss zwischen der Abbildung uud dem abgebildeten embryonalen Organe aus. Betreffs der Schnittbilder der Tafel XXIX sind die Abbildungen des Modelles, auf welche sich die Bilder beziehen, in Parenthesen angegeben. Die Zahlenrelation drückt auch hier das Verhältniss zwischen der Abbildung und der Wirklichkeit aus. Fig. 1. Schlunddarm, Vorderhirn u. A. eines Menschenembryos von 3 mm Nl. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. I. *'/. 63,5:1. Fig. 2. do., Ansicht von der Ventralseite. Fig. 3. Schlunddarm eines Menschenembryos von beinahe 3 mm NI. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. II. */.. 50:1. Fig. 4. do., Ansicht von der Ventralseite. Schlunddarm eines Menschenembryos von 5 mm N]. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. III. !/.. 42,5. Fig. 6. Schlunddarm eines Menschenembryos von 8 mm Nl. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. IV. !/s. 28:1. Fig. 7. do., Ansicht von der Ventralseite. Fig. 8. Schlunddarm eines Menschenembryos von 8,3 mm Ni. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. V. !/s. 28:1. E Q [$, | Studien über die Entwicklung des Vorderdarms ete. 627 Schlunddarm eines Menschenembryos von 11,7 mm NI. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. VI. !/. 21:1. . do., Ansicht vom oralen Ende des Darms. . Schlunddarm und äusserer Gehörgang eines Menschenembryos von 17 mm N]. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. VIII. !/ı. 21:1. 2. do., Ansicht von einem mehr aboralwärts gelegenen Punkt. . do., orale Ansicht. . Schlunddarm u. A. eines Menschenembryos von 18,5 mm N]. Ansicht von der Dorsaiseite, Mod. IX, !/ı 21:1. . Schlunddarm eines Menschenembryos von 20,5 mm N]. Ansicht von der Dorsalseite. Mod. X. !/». 21:1. . Schlunddarm eines Menschenembryos von 21 mm Nl. Linke Hälfte. Ansicht von der Dorsalseite.. Mod. XI. ’Aı. 21:1. 7. Tubo-tympanales Rohr und primärer Gehörgang eines Menschen- embryos von 21 mm N]. Ansicht von der oralen Seite. . Schlunddarm und äusserer Gehörgang eines Menschenembryos von 24 mm NI. Ansicht von der Dorsalseitee Mod. XII. !/a. 21:1. . do., mit Cochlea und Gehörknöchelchen. Orale Ansicht. . Schlunddarm mit u. A. den tubo-tymp. Rohren, einem Theil der Schnecke, den Gehörknöchelehen und dem äusseren Gehörgange eines Menschenfötus von 24,4 mm Steissscheitellänge. Ansicht von oben. Mod. XIII. !/s. 20:1. . Rechtes tubo-tympanales Rohr, rechter Gehörgang mit einem Theil der Cochlea und den Gehörkuöchelchen eines Menschenfötus von 24,4 mm Steissscheitellänge. Ansicht von hinten. . do., Ansieht von vorn. . Fossa conchae dextra eines Menschenembryos von 17 mm N]. Ansicht von der lateralen Seite. Mod. VIII. !/.ı. 21:1. . Fossa eonchae dextra eines Menschenfötus von 31 mm St.-Schl. An- sicht von der lateralen Seite. Mod. XIV. !.. 21:1, . Fossa conchae dextra eines Menschenfötus von 24,4 St.-Schl. von der lateralen Seite. Mod. XIII. "/s. 20:1. . Schlunddarm mit den tubo-tympanalen Rohren, dem äusseren Ge- hörgange u. Ss. w. eines Menschenfötus von 31 mm St.-Schl, Ansicht von oben und etwas von hinten. Mod. XIV. Yı.. 21:1. . Rechtes tubo-tympanales Rohr und rechter äusserer Gehörgang desselben Fötus wie in Fig. 26. Ansicht von vorn. . Schlunddach mit Ohrtrompeten, rechter Paukenhöhle und rechtem Gehörgange eines Menschenfötus von 50 mm St.-Schl. Ansicht von hinten oben. Mod. XV. !/. 11,5:1. . Gehörgang desselben Fötus wie in Fig. 28. Ansicht von vorn und etwas von innen. . Tubo-tympanales Rohr mit dem Labyrinth und den Gehörknöchelchen eines Menschenfötus von 70 mm St-Schl. Ansicht von aussen. Mod. XVII. 1a. 7:1. . Dasselbe tubo-tympanale Rohr; Ansicht von innen. . 32 g. 32. . Paukenhöhle mit amgebenden Theilen eines 110 mm langen (St.-Schl.) Der äussere Gehörgang desselben Fötus; Ansicht von innen. Menschenfötus. Ansıcht von aussen. Mod. XVIII. *ı. 4,25:1. 628 J. Aug. Hammar: Studien über die Entwicklung des Vorderdarms etc. "je. 38a. ig. 80: . Paukenhöhle mit umgebenden Theilen eines Menschenfötus von ie. 51. . Der äussere Gehörgang desselben Fötus. Ansicht von innen. . Paukenhöhle mit umgebenden Theilen eines 190 mm langen Menschen- fötus. Ansicht von oben innen. Mod. XX. !ı. 425:1. ;. Paukenhöhle und das peritympanale Gallertgewebe desselben Fötus Ansicht von unten aussen. Mod. XXa. °s 4:1. . do., Ansicht von oben innen. . Paukenhöhle mit umgebenden Theilen eines 225 mm langen Menschen- fötus. Ansicht von oben innen. Mod. XXI. 'i.. 3,75:1. Der äussere Gehörgang desselben Fötus; Ansicht von oben innen. Wie Fig. 38; Ansicht von hinten. 190 mm St.-Schl. Ansicht von oben innen. Mod. XIX. !ı. 4,25:1. . Paukenhöhle mit umgebenden Theilen eines Menschenfötus von 260 mm St.-Schl.; Ansicht von oben innen. Mod. XXII. !ı. 3,75:1. 2. Paukenhöhle eines Menschenfötus von 330 mm St.-Schl. Ansicht von unten aussen. Mod. XXIV. !ı. 25:1. . do., Ansicht von oben innen 4. Paukenhöhle eines Menschenfötus von 360 mm St.-Schl. Ansicht von unten aussen. Mod. XXV, Y.. 25:1. do., Ansicht von oben innen. . Aeusserer Gehörgang desselben Fötus; Ansicht von oben innen. . Paukenhöhle eines reifen Menschenfötus. Ansicht von unten aussen Mod. XXVlIa. !aı 2,5:1. . Ausguss (mit Lipowitsch’schem Metalle angefertigt) des äusseren Gehörganges eines erwachsenen Menschen. Ansicht von oben. Natürl. Grösse. J. Transversaldurchschnitt des Schlundes und der primären Pauken- höhlen eines Menschenembryos von 17mm NI. 18:1. (Vgl. Fig 11—12.) . Transversaldurchschnitt durch den äusseren Gehörgang und das tubo- tympanale Rohr eines Menschenembryos von 21 mm Nl. Rechte Körperseite. 18.1. (Vergi. Fig. 16 u. I7.) Frontaldurchschnitt dureh die rechte Paukenhöhle eines Menschen- fötus von 50 mm St-Schl. 18:1. (Vgl. Fig. 28 u, 29.) . 52 Frontaldurchschnitt durch den vorderen Theil des primären Gehör- ganges eines Menschenfötus von 70 mm St.-Schl. 7,5:1. (Vergl Fig. 30—32.) Ein anderer Schnitt derselben Frontalschnittserie, mitten durch den Steigbügelring geführt. 7,5:1. (Vergl. Fig. 30—32.) g. 54-56. Drei Frontalschnitte durch die Paukenhöhle eines Menschen- fötus von 110 mm St.-Schl. 3,7:1. (Vergl. Fig 33 u. 34.) . 57-59. Drei Frontalschnitte durch die Paukenhöhle von 150 mm St.-Schl. 3,7:1. (Vergl. 34.) &. £0—62. Drei Frontalschnitte durch die Paukenhöhle eines Menschen- fötus von 190 mm St.-Schl. 3,7: 1. (Vergl. 35—37.) . 63-65. Drei Frontalschnitte durch die Paukenhöhle eines Menschen- fötus von 225 mm St.-Schl. 3:1 (Vergl. Fig, 33—39.) . 66—67. Zwei annähernd frontale Schnitte durch die Pankenhöhle eines Menschenfötus von 360 mm St.-Schl. 3:1. (Vergl. Fig. 44—46.) 629 Aus dem histologischen Laboratorium der Universität Kasan. Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle und in dem Diaphragma der Säugethiere. Von Privatdozent Dr. D. A. Timofejew.') Hierzu Tafel XXX. Die Frage über die Nervenendigungen im Peritonaeum der Säugethiere ist, soweit uns die litterarischen Daten hierüber Auf- schluss geben, bis jetzt noch fast gar nicht erforscht worden. Ab- gesehen von den Pacini’schen Körperchen, welche bereits seit langem (zuerst von Lacauchie, 1543) ?) in der, das Mesenterium bildenden Peritonaealfalte bei den Katzenarten entdeckt worden sind, sowie von zwei Endkolben welche ebenfalls bereits in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (Kassel, 1846)°) in dem Meso- colon des Kaninchens gefunden wurden (diese Beobachtung stand selbst bis auf die letzte Zeit vereinzelt da), existieren in der Litteratur keine Beschreibungen, welche auf die Frage von den sensiblen Nervenendigungen im Peritonaeum der Säugethiere Bezug hätten. Und doch lässt schon die hochgradige Empfindlichkeit des Peritonaeum, wie sie bei Entzündungen desselben in heftigen Schmerzen zu Tage tritt, darauf schliessen, dass das genannte Organ mit sensiblen Nerven reichlich ausgestattet sein müsse. Angesichts des Dargelegten machte ich es mir zur Aufgabe, diese Lücke in unseren Kenntnissen auszufüllen und nahm hierbei zunächst das parietale Blatt des Bauchfells in Angriff, weil dieses mir gleich bei Beginn meiner Experimente ein positives Resultat ergeben hatte. Bei der Untersuchung des Parietalblattes, welches die untere Fläche des Zwerchfelles auskleidet, erhielt ich ebenfalls inter- essante Resultate bezüglich der Anordnung und der Endigungsweise der Nerven im Zwerchfelle selbst. !) Das Manuskript wurde vor dem Erscheinen der Arbeit Dogiels (s. d. Arch. Bd. 59. Heft I} eingeliefert. ?) W. Krause. Allgem. u mikroskop. Anatomie. 1876. S. 298. >) Ibidem. 630 D. A. Timofejew: Ungeachtet der hohen physiologischen Bedeutung, welche diesem Muskel beim Athmungsprocesse zukommt, ermangeln uns doch jegliche Hinweise auf etwaige sensible Nervenendigungen in demselben. Daher gestatte ich mir im Folgenden, auch die am Diaphragma von mir erhaltenen Resultate zu veröffentlichen. Es hat sich nämlich erwiesen, dass das Zwerchfell hinsichtlich seiner Innervation mit dem Peritonaealblatte welches seine untere Fläche überzieht, innig zusammenhängt. Meine Untersuchungen wurden hauptsächlich an Meer- schweinchen und Kaninchen ausgeführt; behufs der Nervenfärbung kam mir vor Allem die Ehrlich'sche Methylenblaumethode zu statten. Unter Chloroformnarkose wurde dem Versuchsthiere eine bis zu Blut- temperatur erwärmte, !/ıoprocentige Lösung von Meihylenblau in physio- logischer Kochsalzlösung in die Aorta injieirt, wobei die Kanüle durch den eröffneten linken Ventrikel eingeführt wurde. Die Menge der jedesmal ein- verleibten Farblösung war eine recht beträchtliche, da ich mittels der letzteren die Blutgefässe solange ausspülte, bis schliesslich aus dem eröffneten rechten Vorhofe die Injectionsmasse ganz rein, ohne Beimischung von Blut herausfloss. Bei der Injection grosser Quantitäten einer schwachen Methylenblau- lösung sind Ueberfüllungen des Gefässsystems und Gefässzerreissungen nicht so zu befürchten, wie bei der Benutzung concentrirter (1°/0o—3 vo) Lösungen Ein Heraustreten der Farblösung in das Gewebe in Folge von Gefässzer- reissung mit darauffolgender diffuser Dunkelblaufärbung sämmtlicher Gewebs- theile und eine Ausscheidung von Methylenblaukrystallen in den Geweben kamen mir bei dem in besagter Weise angewandten Injeetionsverfahren nicht vor. Dabei lieferte die Injection von reichlichen Quantitäten einer derartigen, schwachen Lösung vo.ı Methylenblau ein günstiges Resultat, insofern als sich hierbei eine vollständige Durchtränkung des betreffenden Gewebes mit der Farbstofflösung leichter erzielen liess. Die Endigungsweise der Nerven in dem Peritonaeum der Bauchwand. Da es gewöhnlich nicht gelingt, das Peritonaealblatt für sich von den demselben anliegenden Schichten behufs der Unter- suchung frei zu präpariren, so entfernte ich, nach vollführter Injection, die äussere Haut der Bauchwand und darauf die beiden schrägen Bauchmuskeln; sodann wurden grössere Stücke des parietalen Bauchfelles in Zusammenhang mit dem queren Bauch- muskel ausgeschnitten. Ein derartiges Präparat wurde, mit der Bauchfelllläche nach oben, auf einen breiten Objectträger gebracht und bei schwachen Vergrösserungen mikroskopisch untersucht. Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 631 Ein solches Flächenpräparat ist dünn genug, um ohne Weiteres eine Verfolgung der in demselben allmählich eintretenden Nerven- färbung zu gestatten. Bei Eintritt der maximalen Färbung der Nerven und Nervenendigungen wurde das Präparat behufs Fixirung des Farbstoffes in eine gesättigte wässerige Ammonium- pikratlösung gebracht, woselbst es etwa 24 Stunden lang liegen blieb ; mitunter wurde behufs Kernfärbung eine geringe Quantität von Hoyer’scher Pikrokarminlösung (1:5—10) der Fixirungs- tlüssigkeit zugesetzt. Am folgenden Tage kam das Präparat behufs seiner Aufhellung in eine Mischung der Ammoniumpikrat- lösung mit Glycerin; nach 24 Stunden oder mehr breitete ich das in demselben Gemische eingeschlossene Präparat auf einem passenden Objeetträger aus, bedeckte es mit einem zweiten Objectträger und belastete es mit einem, auf den Objectträger gestellten, mässigen Gewichte. Nach einigen Tagen ist das Präparat gewöhnlich hinreichend durchsichtig geworden, um eine Untersuchung bei schwachen Vergrösserungen zu gestatten; es kann jetzt in kleinere Stücke zerschnitten und diese in der Ammoniumpikrat-Glycerinmischung unter Deckgläschen einge- schlossen werden. Seine maximale Durchsichtigkeit jedoch er- langt das Präparat etwa binnen 1—2 Wochen, und lässt jetzt eine Untersuchung aller Details selbst in den tief liegenden Schichten unter starker Vergrösserung zu. An solchen Präparaten ist folgendes zu constatiren ! Zwischen den Schichten der Bauchmuskeln treten Nerven- stämme von verschiedener Stärke hindurch, welche hauptsächlich aus markhaltigen Nervenfasern bestehen, denen sich eine nur geringe Zahl markloser Fasern beigesellt. Aus diesen Nerven- stämmen treten markhaltige Fasern aus, welche zu den Muskeln sich begeben, um an denselben entweder in motorischen End- apparaten, in Gestalt typischer Endplatten oder aber als sensible Endigungen — die sogen. Muskelspindeln — auszulaufen. Von den, die Bauchmuskeln und deren Sehnen innervirenden Nervenstämmen zweigen sich feinere Aeste ab, welche in die Subserosa des Bauchfelles eindringen. Hierselbst verzweigen sich diese, hauptsächlich ebenfalls aus markhaltigen Nervenfasern zusammengesetzten Aeste und anastomosiren unter einander. Derart bildet sich in der Subserosa ein weitmaschiges Geflecht welches wir als „„Grundplexus‘‘ bezeichnen können. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 42 632 D. A. Timofejew: Diesem Geflechte entstammen, wie aus Fig. 1. ersichtlich, marklose sowie markhaltige Nervenfasern von verschiedener Länge; diese Fasern nehmen an den Ranvier’schen Einschnürungen markhaltiger Nervenfasern des Grundplexus ihren Ursprung. Die derart aus dem genannten Plexus hervorgehenden feinen marklosen Fasern unterliegen meist gleich nach ihrem Austritte aus dem betreffenden Nervenstamme wiederholten Theilungen und die hierbei entstehenden dünnen varicösen Fäden bilden mehr oder weniger complieirte Endbüsche (vgl. Fig. 1, a). An unseren Flächen- präparaten lässt sich sehr wohl constatiren, dass diese Endbüsche innerhalb der Subserosa, zwischen den in verschiedenen Richtungen sich durchflechtenden Faserbündeln des lockeren Bindegewebes ihre Lage haben. Was die markhaltigen Zweigfasern betrifft, welche gleichfalls an den Ranvier’schen Schnürringen der Fasern des Grundplexus entspringen (Fig. 1, b), so sieht man dieselben nach ihrem Austritt aus dem Geflechte mitunter eine beträchtliche Strecke weit isoliert in der Subserosa dahinziehen; in anderen Fällen aber verlieren sie bald nach ihrem Ursprunge ihre Mark- scheide und endigen im ersteren wie auch im letzteren Falle in Gestalt von Endbüschen welche den oben beschriebenen ähneln und gleich ihnen aus varicösen Nervenfäden zusammengesetzt sind. Inter- essant ist es, dass solche isolirt verlaufende Markfasern, bevor sie in einem derartigen Endbusche ihr Ende finden, noch während ihres mehr oder weniger langen Verlaufes in der Subserosa wiederholt Seitenästchen in Gestalt von marklosen Fasern abgeben, von denen eine jede mit einem typischen Endapparate derselben Art endet. Mitunter erscheint eine solche markhaltige Faser von einer Reihe von Endbüschen begleitet, indem fast an einem jeden ihrer Schnür- ringe ein derartiger Endbusch hervorgeht. Nicht selten lässt es sich constatiren, dass einzelne unter den varicösen Fäden (Fig. 1, c) der oben beschriebenen End- büsche in die oberflächlichere Schicht des Peritonaeums emporsteigen und in die Serosa propria eintreten ; hier verlaufen sie mitunter eine beträchtliche Strecke weit in geradliniger Richtung zwischen den Bindegewebsbündeln der Serosa, deren regelmässigere Anordnung natürlich auch den gestreckteren Verlauf dieser Nervenfäden mit beeinflusst. Ausserdem aber treffen wir einzelne, an den Schnürringen der markhaltigen Fasern des Grundplexus entspringende mark- Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 633 lose Fasern (Fig. 1, d)., welche nicht unmittelbar an ihrem Ursprunge in Endapparate zerfallen, sondern im Gegentheil weiter ziehen, um die Serosa zu erreichen und in derselben in geradlinigem Verlaufe zwischen den Bindegewebsbündeln derselben grössere Strecken zu durchsetzen; in diesem Verlaufe entsenden sie nach beiden Seiten hin kurze Aestchen welche sich als varicöse Endfäden präsentiren und ihrerseits wiederholten Verästelungen unterliegen können. Die marklosen Fasern selbst lassen sich mitunter recht weit verfolgen, und dabei erweist es sich, dass auch sie in ähnliche varieöse und sich ebenfalls theilende Fäden übergehen. Dagegen treten einige von diesen, dem Grundplexus entstammenden marklosen Fasern, ohne sich zu verzweigen, oder aber bereits nach ihrem Zerfalle in varicöse Fäden, mit anderen gleichfalls aus dem Grundplexus hervorgegangenen marklosen Fasern in Verbindung und derart entsteht in der Serosa propria des Bauchfelles ein Geflecht aus marklosen Nervenfäden, deren Endschicksai im Einzelnen wegen des verwickelten Verlaufes der Fäden in dem Geflechte sich nicht entwirren lässt. Was die in dem Grundplexus selbst liegenden markhaltigen Nervenfasern betrifft, so lässt sich mitunter constatiren, dass einige von diesen Fasern zum Theil noch vor ihrem Austritte aus dem Geflechte ihr Mark verlieren und dann als marklose Fäden das Geflecht verlassen, oder aber noch in® Gestalt markhaltiger Fasern aus dem letzteren austreten, um sowohl in dem ersteren als auch im letzteren Falle in ähnlicher Weise, in Endbüschen zu enden, wie wir es bereits oben von den an den Schnür- ringen dieser Fasern hervorgegangenen Nervenzweigen beschrieben haben. Die oben beschriebenen, in Gestalt von Endbüschen auf- tretenden freien Endigungen finden sich allerorts in dem Peri- tonaeum parietale, welches die ventrale sowie die laterale Seite der Bauchwand überzieht. Aber, abgesehen davon, gelang es mir mehrmals. noch eine andere und wie es scheint, seltener vorkommende Form freier Endigungen in der Subserosa des Bauchfelles anzutreffen. Ein derartiger Endapparat ist in Fig. 2 abgebildet. Eine aus dem allgemeinen Grundplexus des Peri- tonaeum austretende, stärkere markhaltige Faser verläuft eine Strecke weit gesondert von den anderen Nervenfasern und ent- sendet ihrerseits, bevor sie in einen Endapparat ausläuft, an 42% 654 D. A. Timofejew: Stelle eines Ranvier’schen Schnürringes eine kurze markhaltige Faser: sowohl diese Zweigfaser als auch die Stammfaser selbst verlieren ihre Myelinscheide und enden in Gestalt schmaler, gezackter Plättchen, welche wiederholte Theilungen auf- weisen. Derartige Endapparate habe ich nur bei dem Kaninchen beobachtet. Im Gegensatz zu den, in Gestalt von Endbüschen sich präsentirenden freien Nervenendigungen im Peritonaeum, welche an der gesammten Oberfläche des Bauchfelles gleichmässig vertheilt erscheinen, werden gleichfalls in der Subserosa peritonaei liegende incapsulirte Endapparate nicht selten angetroffen. Diese letzteren erscheinen in Gestalt eylindrischer Endkolben, welche an verschiedenen Stellen der ventralen und lateralen Bauchwand auftreten und gewöhnlich gruppenweise angeordnet sind; besonders häufig waren sie in der Nähe der Mittellinie der Bauchwand anzutreffen. Grösstentheils sieht man hierbei aus. dem oben beschriebenen, weitmaschigen peritonaealen Grundplexus eine oder zwei markhaltige Nervenfasern austreten und von den übrigen, an dem Plexus theilnehmenden Fasern gesondert auf einer grösseren oder geringeren Strecke dahinziehen. Eine jede von diesen markhaltigen Nervenfasern geht entweder ohne sich zu theilen in einen ihcapsulirten Endapparat über oder aber sie theilt sich kurz vor ihrem Ende, an einem Ranvier’schen Schnürringe, in zwei Aeste, von denen ein jeder in einem gesonderten Endkolben sein Ende findec. Mitunter können auch diese Nerven- faseräste noch secundären Theilungen unterliegen, so dass also: in letzterem Falle eine einzelne, dem Grundplexus entstammende Nervenfaser 3—4 Endapparate an ihren Verzweigungen trägt. Ein derartiges Verhalten der Endkolben sehen wir in der, bei schwacher Vergrösserung aufgenommenen Fig. 3. — Hier finden wir zwei, aus dem allgemeinen Nervenplexus hervorgehende markhaltige Nervenfasern in oben beschriebener Weise sich theilen und in mehrere Zweige zerfallen; von letzteren enden sechs Nervenfasern mit eylindrischen Endkolben, von denen vier in unserer Zeichnung abgebildet worden sind, während die beiden übrigen Nervenfasern mit dem zugehörigen Endkolben aus Raumersparung nicht aufgenommen wurden. Die in Rede stehenden eingekapselten Nervenendapparate gehören gewöhnlich Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 635 den tiefen Schichten des lockeren Gewebes der Subserosa peritonaei an und werden nicht selten (wie dies auch unsere Zeichnung darstellt) von Fettzellengruppen umgeben. Die Form und Grösse dieser Endkolben variirt etwas, je nach der untersuchten Thierart. Im Allgemeinen aber gehören sie zu den cylindrischen Endkolben von Krause, wie sie auch andererorts im Organismus angetroffen werden. Bei den Meerschweinchen sind die betreffenden Endkolben merklich grösser und besitzen eine stärker entwickelte, dicke und geschichtete Kapsel, und nähern sich ihrem Baue nach den kleinen Pacini’schen Körperchen. Ihre Läuge variirt zwischen 240 und 260 «, ihre Breite zwischen 60—100 u. Die Form dieser Endkolben ist die eines bedeutend in die Länge gezogenen Ovals. Mitunter erscheint ein solcher Endkolben in der Mitte seiner Länge umgebogen, in anderen Fällen ist er S- förmig gekrümmt. Die äussere Kapsel besteht aue 5—6 und mehr Lamellen, an deren Oberfläche die in Profilstellung sichtbaren Kerne der die Lamellen bekleidenden flachen Zellen scharf hervortreten. Diese Strukturverhältnisse treten besonders an Chlorgoldpräparaten gut zu Tage. In den sehr schmalen fein- körnigen strukturlosen Innenkolben tritt der Axencylinder einer markhaltigen Nervenfaser ein und endet hierselbst in Gestalt eines Plättchens. An seinem Ende trägt dieses Plättchen in der Regel eine knopfförmige Verbreiterung. Mitunter ist die End- platte des Innenkolbens mit einem oder mehreren kurzen Seiten- zweigen versehen und in solchen Fällen hat der Innenkolben selbst eine grössere Breite. Bei Kaninchen (Fig. 4) sind diese Endapparate von beträchtlich geringerer Grösse. Die äussere Kapsel besteht ebenfalls aus geschichteten Lamellen, deren Zahl aber nur 2—3 zu betragen pflegt. Was die Endkolben dieser Thiere vor Allem charakterisirt, ist ihre stark in die Länge gezogene Gestalt, (zwischen 300—500 4 bei 25—30 u Breite. — Mithin besitzen die soeben be- schriebenen Endapparate genau dieselbe Gestalt, wie die bereits früher von mir!) bei denselben Thieren in dem parietalen Blatte der Tunica vaginalis testis gefundenen Endkolben. Dieser Be- :)D. A. Timofejew, „Ueber die Nervenendigungen in den männlichen Geschlechtsorganen der Säugethiere und des Menschen“. 1896, Dissert., Kasan -(Russisch). 636 D. A. Timofejew: fund findet seine natürliche Erklärung in der Thatsache, dass die Tunica vaginalis testis eine directe Fortsetzung des Bauchfelles ist. Die Endigungen der Nerven in dem Diaphragma und in dem dasselbe bekleidenden Bauchfelle. Behufs der Untersuchung der Nervenendigungen in dem, die untere Fläche des Diaphragma auskleidenden Peritonaealblatte, sowie auch in dem Zwerchfelle selbst, wurde in oben beschriebener Weise eine !ıo procentige Methylenblaulösung in das Gefässsystem des Thieres eingeführt. Nach etwa 10—15 Minuten schnitt ich das Zwerchfell in toto heraus und legte in den Fällen wo es sich um ein kleineres Thier, (Ratte, Meerschweinchen) handelte, ent- weder die ganze Membran in toto auf ein entsprechend grosses Glas, oder ich schnitt den äusseren, peripheren Theil der Zwerchfellmuskulatur ringsum ab und breitete das so umschnittene Präparat auf einer Glasplatte aus, wobei die untere Fläche des Diaphragma nach oben zu liegen kam. Bei den oben genannten Thieren und auch bei Kaninchen ist das Diaphragma hinreichend dünn und durchsichtig, so dass eine Verfolgung der Nervenfärbung selbst an dem frischen Präparate bei schwachen Vergrösserungen wohl gelingt. Nach der Fixirung in Ammoniumpikrat schwillt es an und verliert sehr an seiner früheren Durchsichtigkeit. Hat es aber mehrere Tage unter dem Drucke eines Gewichtes, zwischen zwei Glasplatten in der Ammoniumpikrat-Glycerin- mischung gelegen, so wird es aufs Neue beträchtlich aufgehellt und lässt jetzt eine detaillirte Untersuchung zu. Besonders geeignet für eine derartige Untersuchung erweist sich das Zwerchfell des Meerschweinchens, als eine dünne und mit einem breiten Centrum tendineum versehene Membran. Mit Hülfe der Ehrlich’schen Methode,. theils aber auch durch Behandlung mit Osmium- säuredämpfen und mit Chlorgold nach Ranvier’s Methode gelang es mir bei den genannten Thieren, die Anordnung und Vertheilung der Nerven in dem Zwerchfelle und in dem dasselbe bekleidenden Peritonaeum genauer zu verfolgen. Wir lassen auf das frisch abgeschnittene Diaphragma eines Meerschweinchens Osmiumsäuredämpfe etwa eine halbe Stunde lang oder mehr einwirken und erhärten sodann das genannte Organ in toto, indem es in ausgedehntem Zustande an eine Wachsplatte angeheftet und in Alkohol eingelegt wird. Wird darauf das Präparat in Xylol aufgehellt, so lässt sich constatiren, dass die beiden Nn. phreniei in das Centrum tendineum diaphragmatis eindringen: der rechte Zwerchfellsnerv hat seine Eintrittsstelle neben dem Foramen pro V. cava, der linke an einer dem ersteren symmetrisch gegenüberliegenden Stelle, in der Mitte der linken Hälfte des Centrum tendineum. Die beiden, vorwiegend aus markhaltigen, unter geringer Beimischung markloser Nervenfenfasern bestehenden Nn. phrenici durchsetzen die Dicke des Centr. tendineum, dringen bis an dessen untere Fläche und theilen sich hier, in der Tunica subserosa, ein jeder gewöhnlich in drei Hauptäste: einen vorderen (ventralen), einen äusseren (lateralen) und einen hinteren (dor- Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 637 salen) Ast. Der vordere Ast wendet sich in seinem Verlaufe an der unteren Fläche des Centrum tendineum dem vorderen Abschnitte der Pars costalis des Zwerchfelles zu, der äussere Ast begiebt sich in deren lateralen und hinteren (dorsalen) Theil, während endlich der hintere Ast des N. phrenicus in die Pars lumbalis des Zwerchfelles übergeht. Diese drei Hauptäste eines jeden der beiden Nn. phreniei entsenden, während ihres. Ver- laufes in dem Centrum tendineum, nach verschiedenen Richtungen abgehende, dünnere Seitenäste, welche sich z. Th. in dem Ge- biete des Centrum tendineum weiter verzweigen, z. Th. aber, ähnlich wie die Hauptäste, in den muskulösen Theil des Zwerch- felles eindringen. — Ausserdem sehen wir an der unteren Fläche der Pars lumbalis des Zwerchfelles, zu beiden Seiten des Foramen oesophageum, Nervenstämmmchen von verschiedener Dicke in dorso-ventraler Richtung dahinziehen, welche aus dem Grebiete des Plexus solaris ihren Ursprung nehmen. Diese, hauptsächlich aus marklosen, mit Beimischung feiner markhaltiger Fasern be- stehenden Nervenstämme halten sich in ihrem Verlaufe entweder an die Blutgefässe des Zwerchfelles oder sie haben z. Th. einen selbständigen, von den Gefässen unabhängigen Verlauf. Die ge- nannten Nervenstämme theilen und verflechten sich unter ein- ander, sowie auch mit den Zweigen, welche aus den Nn. phreniei hervorgehen. Derart erstrecken sich ihre, in der Subserosa des Peritonaeum liegenden Verästelungen über die ganze untere Fläche des Diaphragma. Ausserdem sehen wir noch andere Nervenstämmchen in das allgemeine, an der Unterfläche des Diaphragma gelegene Nerven- geflecht eintreten; diese, aus marklosen Fasern bestehenden Nervenstämmchen treten durch die Leberbänder zum Zwerchfelle heran. Schliesslich wird noch die äussere Zone der costalen Muskelportion des Zwerchfells mit Stämmchen markhaltiger Nervenfasern versehen, welche aus den Nn. intercostales hervorgehen und als motorische Nervenfasern einen enger begrenzten Ver- breitungsbezirk innerhalb der äusseren Abschnitte der Pars costalis haben. So bildet sich an der unteren Fläche des Zwerch- felles, innerhalb der Subserosa, ein allgemeiner Grundplexns von Nerven, welche von verschiedenen Seiten her an das Diaphragma treten und aus stärkeren sowie aus feineren, markhaltigen und marklosen Nervenfasern zusammengesetzt erscheinen. 638 D. A. Timofejew: An den Kreuzungsstellen der Maschen dieses Grundplexus gelingt es bei Behandlung mit Methylenblau nicht selten, kleine sympathische Ganglien aufzudecken, welche aus einer wechselnden Zahl — 5—10 und mehr — multipolarer Nervenzellen bestehen. Am Häufigsten werden diese Ganglien im Gebiete des Centrum tendineum, ventral vom mittleren Theile der Pars lumbalis des Zwerchfelles angetroffen. Mitunter bleiben die Zellen selbst un- gefärbt, während dagegen in ihrer Umgebung marklose Nerven- fasern gefärbt erscheinen, welche an die Ganglienzellen heran- treten und hier in feine varicöse Zweige zerfallen; letztere um- flechten die Zellkörper der Ganglienzellen in Gestalt der sogen. pericellulären Endapparate (Endkörbchen). Diese, an ihrem peripheren Ende in die erwähnten Endkörbehen übergehenden marklosen Nervenfasern sieht man wohl in eines der, in den verschiedensten Richtungen das Gewebe durchkreuzenden Nerven- stämmchen eindringen; ihren weiteren Verlauf innerhalb der letzteren aber und ihre ferneren Schicksale gelang es mir nicht klar zu legen; ebensowenig vermochte ich auch den weiteren Verlauf der Fortsätze der Nervenzellen selbst zu ermitteln, da die ersteren sowie auch die letzteren in ihrem Verlaufe zwischen den übrigen Fasern des betreffenden Nervenstämmchens sich bald dem Blicke entziehen. Die an der Bildung des Grundplexus sich betheiligenden marklosen Nervenfasern, welche z. Th. von der Pars lumbalis des Zwerchfelles herkommen, z. Th. aber in den anderen, bereits oben erwähnten Quellen ihren Ursprung haben, sind ersichtlicher- weise als Vasomotoren anzusprechen; denn vielfach lässt sich constatiren, dass dieselben in Gestalt von Stämmchen ver- schiedener Stärke die Blutgefässe begleiten. Die aus den be- sagten Stämmchen heraustretenden feinen Nervenfasern um- flechten allseits die Gefässe und folgen denselben bis auf die feinsten Verästelungen, indem sie auch die Capillargefässe versorgen. Die den Nn. phrenici entstammenden markhaltigen Fasern sind theils motorischer, theils sensibler Natur. Die an die mus- kulösen Partien der costalen und lumbalen Portion des Zwerch- fells herantretenden Nervenstämmchen dringen zwischen die Muskelbündel ein und zerfallen in zahlreiche Aeste. Untersucht man diese Verästelungen bei genügender Färbung in Methylen- Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 639 blau, so gelingt es sich zu überzeugen, dass der grösste Theil derselben aus markhaltigen Fasern besteht, welche schliesslich an den einzelnen Muskelfasern in Gestalt typischer motorischer Endplatten ihr Ende finden, während dagegen ein geringer Theil dieser markhaltigen Nervenfasern auf's Neue in die Subserosa des Peritonaeum eindringt und sich hier weiter verästelt, um entweder mit den aus anderen (uellen herkommenden Nerven- fasern plexusartig sich zu vereinigen, oder aber unmittelbar in die weiter unten beschriebenen, sensiblen Endapparate aus- zulaufen. Was die, im Gebiete des Centrum tendineum des Zwerch- fells den oben beschriebenen drei Hauptästen eines jeden der beiden Nn. phrenici entstammenden Nervenstämmchen betrifft, so bestehen letztere, wie bereits erwähnt, hauptsächlich aus markhaltigen Nervenfasern. Diese Nervenstämmchen verästeln sich z. Th. in der Subserosa peritonaei, woselbst sie an dem Grundgetlechte theilnehmen, z. Th. aber ziehen sie, unter Bei- gesellung von marklosen Fasern, zwischen den Sehnenbündeln des Centrum tendineum dahin und verästeln sich hierselbst oder sie begeben sich endlich zur oberen Fläche des Centrum tendi- neum und nehmen an der Bildung eines Nervengeflechtes theil, welches in der Subserosa des die obere Zwerchfellfläche bekleidenden Pleuralblattes gelegen ist. Die markhaltigen Fasern dieser Categorie gehören zu den sensiblen Nervenfasern. Sie enden sowohl in dem Peritonaeum als auch in dem Centrum tendi- neum selbst, theils in Gestalt freier Nervenendapparate theils in Gestalt eingekapselter Endkörperchen. In der Subserosa peritonaei gelingt es nicht selten, den Aesten der Nn. phreniei entsprossende, starke markhaltige Nerven- fasern anzutreffen, welche in die Maschen des Grundgeflechtes übergehen und nachdem sie in demselben eine Strecke weit ver- laufen sind, schliesslich mit eylindrischen Kolben enden. Bald trägt eine solche Nervenfaser nur einen Endkolben, bald sendet sie an Stelle der Ranvier’schen Schnürringe Seitenzweige in Gestalt ebenfalls markhaltiger Fasern, von denen eine jede mit einem ähnlichen Endapparate versehen erscheint. Derartige cylindrische Endkolben gelang es mir, bei Kaninchen, Meerschweinchen und Katzen zu beobachten. Die Structur dieser Endkolben ist, wie man aus Figg. 5 und 6 640 D. A. Timofejew: ersieht, annähernd die gleiche, wie sie oben bereits für die eylindrischen Kolben des, die ventrale und laterale Bauchwand bekleidenden Peritonaeum beschrieben worden ist. Nur sind bei Kaninchen diese Kolben etwas grösser und erscheinen hier mit einer stärker entwickelten lamellösen äusseren Kapsel versehen. Indessen erhält sich auch hier die, für diese Thiere characte- ristische, beträchtliche Länge der Endkolben. Bei den Katzen und Meerschweinchen haben diese incapsulirten Endapparate, ihrer Grösse und Structur nach, sowohl mit einander als auch mit denjenigen Endkolben, welche in der Bauchwand der letzt- genannten Thierart von mir gefunden wurden, die grösste Aehn- lichkeit. Die Zahl der beschriebenen Endkolben ist im Gebiet des Centrum tendineum eine recht beträchtliche. Bei Meer- schweinchen konnte ich, an Methylenblaupräparaten, etwa 10—15 Endkolben in der genannten Region zählen. Möglich, dass ihre Zahl eine noch grössere ist, denn es lässt sich durchaus nicht aus- schliessen, dass ein Theil derselben ungefärbt blieb oder aber von mir übersehen wurde. In grosser Menge trifft man dieselben zu beiden Seiten längs des lateralen Astes des N. phrenicus, indess vermisst man sie auch anderorts keineswegs. Die Mehr- zahl der Endkolben liegt in der Subserosa des Bauchfells, derart dass dieselben der unteren Fläche der Sehnenbündel unmittelbar anliegen. Wenn man, nach Eintritt der Färbung mit Methylen- blau, das Peritonaeum an derjenigen Stelle abpräparirt, wo sich die beschriebenen Endkolben befinden, so erweist es sich, dass ein Theil derselben in dem abgelösten Peritonaeum oder genauer, in dessen Subserosa anzutreffen ist, während die übrigen der Ober- Häche des Centrum tendineum, selbst anhaften. In einigen Fällen gelang es mir zu constatiren, dass ein Theil dieser Endkolben nicht an der unteren Fläche des Centrum tendineum seinen Sitz hat, sondern, von lockerem Bindegewebe umhüllt, zwischen die, ein wenig auseinander weichenden Sehnenbündel vordringt. Ein solcher, dem Diaphragma eines Kaninchens entnommener End- kolben ist in der Fig 5 abgebildet. Man sieht hier einen lang ausgezogenen Endkolben welcher in einer Lücke zwischen den Sehnenbündeln liegend, schlingenförmig umgebogen und beider- seits von den Sehnenbündeln zusammengedrückt erscheint. Mit- unter bot sich mir die Gelegenheit, solche Endkolben auch in der Dicke des Zwerchfellgewebes, zwischen den Schichten seiner Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 641 Sehnenbündel, anzutreffen; mitunter fand ich sie auch an der oberen, der Brusthöhle zugewandten Fläche. Abgesehen von den sensiblen Endapparaten in Gestalt der eylindrischen Endkolben, finden sich meinen Beobachtungen zu- folge, in dem, den sehnigen sowie auch den muskulösen Abschnitt des Diaphragma bedeckenden Peritonaealblatte, auch noch freie Nervenendigungen, welche sich in Gestalt verzweigter, varicöser Nervenfäden präsentiren und den analogen Endapparaten ähneln, wie sie von mir im Peritonaeum der Bauchwand constatirt worden sind. In den, dem Grundgeflechte des Zwerchfelles angehörenden, gemischten Nervenstämmchen finden sich unter Anderem ver- hältnissmässig feine, markhaltige Nervenfasern; sie verlieren Ihre Markscheide entweder schon während ihres Verlaufes innerhalb der Maschen des genannten Geflechtes, oder aber sie treten noch als markhaltige Fasern aus demselben aus und verlieren dann bald darauf ihre Markscheide und verlaufen sonach isoliert in Gestalt feiner markloser Fäserchen; letztere theilen sich wiederholt und diese zarten, entweder glatten oder aber varicösen Theilungs- ästchen enden schliesslich in Gestalt von Endbüschen, welche in der Subserosa gelagert sind. Ausserdem sehen wir, dass die oben erwähnten markhaltigen Fasern, bevor sie noch ihre Mark- scheide verloren haben, Seitenzweige entsenden, welche an den Stellen der Ranvier’schen Schnürringe in Gestalt feiner mark- loser Fäden sich absondern und ihrerseits in ähnlichen, busch- förmig verzweigten, freien Endapparaten ihren Abschluss finden. Einige von den Verzweigungen dieser Endapparate gehen in Gestalt feiner, glatter oder varicöser Fäden in die oberflächlichen Schichten des Peritonaeum (Serosa propria) über und ziehen hier bisweilen über eine grössere Strecke in gerader Richtung dahin, indem sie während dieses Verlaufes Seitenzweige von gleichem Aussehen abgeben. Eine derartige Form freier Endigungen ist in den Figg. 7 und S abgebildet; sie sind beide dem peritonaealen Blatte des Diaphragma entnommen, jedoch lag der in der erstgenannten Figur abgebildete Endapparat im Gebiete des Centrum tendi- neum, der in Fig. 8 abgebildete, dagegen in dem Gebiete des muskulösen Theils des Zwerchfelles. Die in Fig. 8 bei schwacher Vergrösserung gezeichnete markhaltige Nervenfaser, welche mit 642 D. A. Timofejew: derartigen Endapparaten ausgestattet ist, geht, wie bereits früher erwähnt, direct aus einem stärkeren Nervenstämmchen hervor, welches einem, die Muskelbündel der Pars costalis des Diaphragma durchsetzenden Zweige des N. phrenicus angehört ; dieser Nerven- zweig zerfällt nachträglich in feinere Aeste, welche letzteren in motorische Endapparate übergehen. Mitunter lässt sich constatiren, dass die in dem Grund- geflechte des Diaphragma verlaufenden markhaltigen Nerven- fasern, welche in die soeben beschriebenen sensiblen freien End- apparate übergehen, noch innerhalb der Nervenstämmchen des besagten Geflechtes ihre Markscheide verlieren und dann als marklose Fasern in den Stämmchen des Geflechtes weiterziehen ; ausserdem sehen wir, wie aus diesen markhaltigen Fasern, bevor sie noch ihr Mark verloren haben, mithin noch in grosser Ent- fernung oberhalb ihrer Endigungen, an den Stellen der Ran- vier’schen Schnürringe, Seitenzweige in Gestalt markloser Fasern hervorgehen; diese beiden Categorien markloser Fasern, d. h. sowohl die direeten Fortsetzungen der oben erwähnten Mark- fasern, als auch deren marklose Seitenäste treten nicht sogleich aus den betreffenden Nervenstämmchen des Grundplexus aus, sondern ziehen innerhalb der Nervenstämmehen mitunter noch auf weite Strecken dahin, wobei sie an den Kreuzungsstellen der Maschen nicht selten Theilungen aufweisen ; darauf sondern sich diese marklosen Fasern von den Nervenstämmchen des Grund- plexus ab und zerfallen in feinste varicöse Fäden welche sich zu Endbüschen gestalten. Eine andere Form sensibler freier Nervenendigungen, wie sie in dem untersuchten Gebiete von mir gefunden worden ist, gehört dem Centrum tendineum des Zwerchielles an. Aus dem Grundplexus hervorgehende, an Stärke variirende, markhaltige sowie auch marklose Fasern dringen in die Tiefe des Zwerchfelles ein, indem sie zwischen den Schichten der Sehnenbündel sich hindurchschlängeln ; hier verzweigen sich diese Nervenfasern, indem die mit Mark versehenen Fasern an der Stelle der Ranvier’schen Einschnürungen Seitenzweige liefern, welche letzteren gleichfalls mit Markscheiden versehen sind. Eine jede dieser Zweig- fasern geht, wie dies die Fig. 9 wiedergiebt, nachdem sie ihre Markscheide verloren hat, in eigenthümliche, platten- förmige Endapparate über, welche zwischen den (in der Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete. 643 Zeichnung nicht mit abgebildeten) Sehnenbündeln des Centrum tendineum gelegen sind. Da die aneinander grenzenden Schichten der Sehnenbündel sich unter schiefem oder aber unter rechtem Winkel kreuzen, so breiten sich dem entsprechend auch die er- wähnten Endapparate in verschiedenen Richtungen aus. Diese Endapparate erscheinen, wie die Zeichnung (Fig. 9) dies verdeutlicht, in Gestalt von der Länge nach ausgezogenen Platten oder aber in Gestalt einer Reihe von kurzen Plättchen welche mittels feiner, band- oder fadenförmiger Brücken unter- einander verbunden werden.- Mitunter sieht man an einer solchen Endplatte, zu beiden Seiten derselben, ähnliche kürzere platten- föormige Gebilde entlang ziehen, welche nur durch dünne -Fäden mit der axialen Endplatte sich vereinigen. Ein anderer, ähnlicher Endapparat ist in Fig. 10 abgebildet ; wir sehen, dass seine Endzweige z. Th. zwischen die Sehnen- bündel sich erstrecken, z. Th. aber nur deren Oberfläche an- liegen. Die Plättchen dieses Endapparates sind weit kleiner als im vorhergehenden, in Fig. 9 wiedergegebenen Falle, und bei schwacher Vergrösserung glaubt man einen Endbusch vor sich zu haben, dessen Terminalfäden mit starken Varicositäten besetzt erscheinen. Die Hauptresultate unserer Untersuchungen lassen sich folgendermassen zusammenfassen. 1. Das Peritonaeum der Säugethiere ist mit sensiblen Nerven- endapparaten im Allgemeinen reichlich versehen. 2. In dem, die vordere und laterale Bauchwand bekleidenden Peritonaeum parietale finden sich: a) zahlreiche freie Nervenendigungen in der Subserosa, in Gestalt von Endbüschen; b) ausserdem werden ebendaselbst, wenngleich in geringerer Anzahl, noch andere, eigenthümliche freie Endigungen angetroffen, die wir als „gezähnelte Endplättchen“ bezeichnen können ; c) schliesslich sind, hauptsächlich der tieferen Schicht der Subserosa angehörende, incapsulirte Apparate — cylin- drische Endkolben — zu vermerken; d) in der serösen Schicht des Bauchfells liegt ein, aus den gemischten Geflechten der tieferen Peritonaealschichten 644 D. A. Timofejew: hervorgehender Plexus markloser Nervenfasern, welcher hierselbst frei auslaufende, verzweigte feine marklose Fäden entsendet. 3. Was das Diaphragma der Säugethiere betrifft, so weist dessen Peritonaealblatt die oben sub a), c) und d) ange- führten Endapparate ebenfalls auf. In dem Centrum tendineum finden sich zwischen den Sehnenbündeln sowohl freie Endigungen in Gestalt eigentbümlicher platten- resp. blattförmiger nervöser Endapparate, als auch incapsulirte Apparate in der Gestalt eylindrischer Endkolben. Was den muskulösen Abschnitt des Zwerchfells anlangt, so finden sich die Muskelfasern desselben mit typischen Endapparaten versehen, deren nähere Beschreibung überflüssig erscheint, da dieselben von den bereits vielfach ausführlich behandelten motorischen Endplatten, wie sie sich in der willkürlichen Mus- kulatur der Säugethiere finden, sich nicht wesentlich unter- scheiden. 4. Die verschiedenen Formen der oben genannten sensiblen Endigungen gehören, soweit meine Beobachtungen reichen, sämmtlich den markhaltigen Nervenfasern an. DBetreffs einiger von diesen Endapparaten, z. B. der ceylindrischen Endkolben des Diaphragma, gelang es mir zu konstatiren, dass die in dieselben auslaufenden markhaltigen Nerven- fasern unzweifelhaft in die Stämmchen des N. phrenieus ein- treten; folglich erscheint der N. phrenicus nicht nur als ein motorischer, sondern auch als ein sensibler Nerv des Zwerchfells. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX. Sämmtliche Figuren sind Präparaten entnommen, welche nach der Ehrlich’schen Methode mit Methylenblau behandelt worden waren. Fig. 1. Kaninchen. In der Subserosa peritonaei der lateralen Bauchwand liegendes Nervengeflecht. a) freie Endigungen (Endbüsche) markloser Nervenfasern; letztere zweigen sich an den Stellen der Ranvier’schen Ein- schnürungen von markhaltigen Fasern ab, welche dem Grund- plexus entstammen. Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle etc. 645 b) Markhaltige Nervenfasern, welche ebenfalls aus dem Grund- plexus entspringen und in ähnliche Endbüsche auslaufen ; ec) aus Endbüschen hervorgehende, varicöse Nervenfäden, welche in die Serosa propria peritonaei vordringen und hierselbst in Ge- stalt varicöser Fäden sich verästeln. Zeiss, Apochr. 8, Oc. 6, Fig. 2. Kaninchen. Endapparat in Gestalt verzweigter, gezähnelter Plättchen aus der Subserosa peritonaei der lateralen Bauchwand. Zeiss, Apochr. 8, Oe. 6. Fig. 3. Endkolben aus der Subserosa peritonaei der vorderen Bauchwand des Meerschweinchens. a) Nervenstämmchen, aus markhaltigen Fasern bestehend, b) Endkolben, c) Blutgefässe, d) Fettzellen. BReichert,:8.4, Oe. 3. Fig. 4 Kaninchen. Endkolben aus der Subserosa peritonaei der vorderen Bauchwand. Zeiss, Apochr. 3, Oe. 4. Fig. 5. Centrum tendineum von Meerschweinchen. Gekrümmter Endkolben in lockerem Bindegewebe, in einer Lücke zwischen den etwas aus- einandergedrängten Sehnenbündeln des Centrum tendineum liegend Der Axencylinder und dessen, in dem Kolben befindliche Endplatte sind in blauer Farbe gezeichnet. a) Endkolben, b) lockeres Bindegewebe, ec) Sehnenbündel des Zwerchfells. Zeiss, Apochr. 8, Oc. 4. 6. Meerschweinchen. Endkolben‘ aus der Subserosa peritonaei, an der unteren Fläche des Centrum tendineum. a) Markhaltige Nervenfaser, welche im Endkolben mit einer Nerven- platte endet. b) lamellöse äussere Kapsel, c) strukturlose Innenkapsel. Zeiss, Apochr. 8, Oe. 4. Fig. 7. Meerschweinchen; a) markhaltige Nervenfasern in der Subserosa peritonaei, welches die untere Fläche des Centrum tendineum bekleidet. Die Markfaser endet mit nervösen Endapparaten in Gestalt von Endbüschen, welche aus varicösen Fäden bestehen; b) aus der Markfaser hervorgehende und wiederholt sich theilende marklose Fäden, welche in c) Endbüsche übergehen ; d) in die Serosa propria peritonaei eindringende Nervenfäden, welche hierselbst auf weiten Strecken dahinziehen. Zeiss, Apochr. 3, Oe. 4. 646 D. A. Timofejew: Ueber die Nervenendigungen im Bauchfelle ete.. Fig. 8. Fig. 10. Junge Katze; a) sensible markhaltige Nervenfaser, die aus einem Nerven- stämmchen hervorgeht und in Endapparate ausläuft; letztere erscheinen in Gestalt von Endbüschen aus varicösen, sich ver- ästelnden Fäden; diese Endbüsche liegen in der Subserosa peritonaei, im muskulösen Theil des Diaphragma; b) von einem der Aeste des N. phrenicus sich abspaltendes,,. stärkeres Nervenstämmchen, welches zwischen den Muskel- bündeln der Pars costalis diaphragmatis liegt und vorwiegend aus motorischen Fasern besteht; letztere enden in motorischen Endplatten, Zeiss, Apochr. 8, Oc. 4, Meerschweinchen. Sensibler Endapparat, welcher zwischen den Schichten der Sehnenbündel des Centrum tendineum diaphrag- matis liegt. a) Markhaltige Nervenfaser, welche in die gleichfalls mark- haltigen Zweige b und ce zerfällt. Eine jede dieser beiden Zweigfasern verliert ihre Markscheide und geht in platten- förmige Endapparate über; die Plättehen dieser Endapparate dringen zwischen die (in der Zeichnung nicht. abgebildeten) Sehnenbündel ein. Zeiss, Apochr. 8, Oec. 6. Terminales Plättehen zwischen den Sehnenbündeln des Centrum tendineum diaphragmatis vom Meerschweinchen. Zeiss, Apochr. 3, Oc. 6. 647 Ueber Kern- und Zelltheilung. Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel XXXI u. XXXII und ein Schema im Text. Vor ungefähr einem Menschenalter begannen die Ent- deckungen der mitotischen Vorgänge, d. h. der Umformung der Kernbestandtheile, welche die normale Zelltheilung einleiten. Das alte Remak’sche Schema der jetzt „direkt“ genannten Kerntheilung wurde bald gänzlich verworfen. Als man sich aber mit der Zeit davon überzeugte, dass auch ohne mitotische Processe Kernver- mehrung vorkomme, bestritt man zwar nicht weiter das Vor- handensein der alten Theilungsform, sprach ihr, der Amitose, je- doch jede Bedeutung für die Zellvermehrung ab und behauptete mit allem Nachdruck, dass der Zerklüftung oder Fragmentirung des Kernes alsbald der Tod der Zelle folge. Inzwischen sind ganz andere Processe bekannt geworden, die das Absterben der Zellen aus der Veränderung der Kerne erkennen lassen; so die von Flemming entdeckte Chromatolyse und das eigenartige Erscheinen von Nebenkörpern in der Zelle, wie sie von Rabl und mir beschrieben worden sind. Die Fragmentirung der Kerne kommt wohl als Enderscheinung der Kerntheilung ohne darauf folgende Zelltheilung im Thier- und Pflanzenreich weit verbreitet vor; man kann aber an ge- eigneten Objekten mit Sicherheit nachweisen, dass derartige Zellen noch recht lange lebensfähig sind !). Man würde vielleicht beiden Kerntheilungsformen, der Mitose und der Amitose, schon früher die richtige Stellung haben an- weisen können, wenn zu der Zeit, wo der Streit um Mitose und Amitose am heftigsten tobte, es bekannt gewesen oder auch vielleicht nur eingehender gewürdigt worden wäre, dass der Kern aus seinen Theilen regenerationsfähig ist, dass also dasselbe Experiment, welches von Gruber und mir an einzelligen Thiefen gemacht wurde, in der Natur unter der Form der direkten Theilung öfters vorkomme. Wenn man nach dem Vorgange Roux’s die mitotische Kerntheilung als ein Mittel zur gleichen Massentheilung auftasst, !) Sitz.-Ber. d. niederrh. Ges., med. Sect., 1885, 18. Mai. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59, 43 648 M. Nussbaum: so zeigen meine und Gruber’s Experimente, dass in jedem Kern die verschiedenartigen Massentheilchen in der Mehrzahl vorhanden sein müssen’). Bei der direkten Theilung kann nicht jedes einzelne Theil- chen im Kerne gleichmässig zerlegt werden. Es muss also, wie es die Experimente an einzelligen Thieren und Pflanzen zeigen, eine vollkommene Regeneration auch aus den willkürlich und des- halb ungleich zerlegten Theilen möglich sein. Ebenso wie ein Theilstück eines Infusorium sich zum ganzen Thier wieder er- gänzt, sobald nur ein Theil der Kernsubstanz in ihm erhalten geblieben ist, ebenso ergänzt auch der Kernrest alle seine durch die künstliche Zerstückelung verloren gegangenen Theile. Es würden somit Mitose und Amitose recht gut neben ein- ander verlaufen können. Die durch irgendwelchen wie bei der künstlichen Theilung wirkenden Eingriff oder aus unbekannter Ursache erfolgende Amitose würde entweder nach geschehener Regeneration der Kernbestandtheile zur Mitose wieder überleiten, oder bei unmöglicher Wiederherstellung die Fähigkeit zur weiteren Theilung dem Kerne nehmen. Wir würden somit die Mitose als den normalen und die Amitose als den von gewissen Fährlich- keiten begleiteten, abweichenden Vorgang der Kerntheilung be- trachten. Dass auf die Amitose ächte Zelltheilung folge, ist durch die schönen Experimente von Gerassimow‘), Nathansohn?’) und Haecker*) an pflanzlichen und thierischen Zellen nachge- wiesen worden. Unter dem Einfluss eines den normalen Ablauf verzögernden Mittels, der Kälte oder narcotischer Stoffe, hörte die Mitose auf und wurde durch Amitose ersetzt. Fiel die schädigende Wirkung fort, so ging auch in den direkt getheilten Zellen der normale mitotische Kerntheilungsprocess weiter. Eine ganz eigenartige Wandlung ihrer Beurtheilung hat diejenige Kernform durchmachen müssen, welche von la Valette St. Georgeim Jahre 1876 in den Spermatogonien der Amphibien entdeckt und mit dem Namen der maulbeerförmigen Kerne be- ı) Vergl. d. Arch. Bd. 26, pag. 518. 2) Bull, de la Soc. Imp. d. Natural. Moscou. 1892. No. 1. ®) Jahrbücher f. wissensch. Botanik. Bd. 35. 1900. *) Anatom. Auzeiger, Bd. 17. 1900. Ueber Kern- und Zelltheilung. 649 legt hat. Es sind das dieselben Kerne, die später auch wohl polymorphe Kerne genannt wurden. Bei meinen Untersuchungen über die - Entwicklung der (reschlechtsdrüsen fand ich diese Kernform ziemlich weit verbreitet vor und beobachtete sie auch später im Ueberzug der Sala- manderleber. Von Anfang an waren der Entdecker der Maulbeerform des Kernes und ich selbst der Meinung, dass dieselbe die Zelltheilung einleite ; fortgesetzte Untersuchungen haben sowohl mich als von la Valette St. George davon überzeugt, dass die Maulbeer- form der Kerne in die Reihe der mitotischen Processe hin- eingehöre. So bildete ich!) im Jahre 13854 Spermatogonien in ihrer Follikelhaut ab, deren Kerne entweder maulbeerförmig oder in ‚den verschiedensten Stadien der indirekten Theilung waren. Dasselbe theilte ich ebenda ausser von Rana fusca auch von Tritonen mit, vom Leberüberzug der Salamandra maculosa von ‚der Regeneration des Hornhautepithels. Dazu sagte ich: „Dass ‚die Maulbeerform der Kerne in irgend einer Weise bei der Kern- theilung mitwirkt, scheint mir gewiss: ‚weil sie stets zu Anfang in solchen Geweben auftritt, in denen später deutlich indirekte Kerntheilung sich nachweisen lässt. Nur muss es vorläufig un- ‚entschieden bleiben, ob die Maulbeerform der Kerne eine besondere, „direkte“, Kerntheilung einleite, oder nur in gewissen Fällen ein Anfangsstadium der indirekten Kerntheilung darstelle.“ (l. ce. pag. 194). Im Jahre 1890?) theilte ich sodann in den anatomischen Studien an californischen Cirripedien eine Figur mit, aus der ich den Schluss zog, dass „die Maulbeerform des Kernes gelegentlich in die Reihe von Umwandlungen gehört, die auf dem Wege der Mitose zur Kern- und Zelltheilung führen.“ Es handelt sich da- bei um ein conservirtes Ei von Pollicipes polymerus, das im Begriff ist nach der ersten Furchung sich weiter zu theilen. In der Zelle am Richtungspol liegt eine Kernspindel, in der Zelle am Befruchtungspol ein maulbeerförmiger Kern. Die dotterfreie Zelle am Richtungspol theilt sich, wie die Beobachtungen an lebendem Material ergeben, früher als die andere Zelle, sodass er maulbeerförmige Kern als ein Zwischenstadium von ruhendem 4) D. Arch. Bd. 23, Tafel XI, Fig. 51 und 32. 5) Californische Cirripedien, pag. 92. Erklärung zu Fig. 16. 43 * 650 M. Nussbaum: und mitotisch verändertem Kerne aufgefasst werden konnte. Es wäre zwar nicht erlaubt gewesen, diese Auffassung in der bestimmt gehaltenen Form auszusprechen, wenn ich nicht schon im Jahre 1585 am lebenden Ei von Rhabditis nigrovenosa die Wahrnehmung gemacht hätte, dass die Kerne bei der Vorbereitung zur Mitose ein maulbeerförmiges Stadium durchlaufen. Ich zögerte mit der Veröffentlichung dieses Fundes, da es mir zu jener Zeit nicht gelingen wollte, überzeugende conservirte Präparate dieses Objektes zu erlangen. Im Laufe des vergangenen Sommers wurden dann die Beobachtungen am Ei des Rhabditis nigrovenosa fortgesetzt und soweit an gehärtetem Material bestätigt, dass jetzt die Mittheilung der Ergebnisse möglich ist. Man kann stundenlang die lebenden Eier mikroskopisch untersuchen, wenn man die geeigneten Stadien in einen Tropfen Humor aquaeus des Froschwirthes bringt und mit einem Deck- glas zudeckt, das je nach der an die Ränder desselben gestrichenen Wachsmenge das Objekt in der natürlichen Form erhält oder mehr oder weniger presst. In neuerer Zeit habe ich das Deck- glas nicht mehr wie früher mit einem Vaselinrand umgeben. Dadurch wurde zwar die Eindickung des Zusatzmittels herbei- geführt; es ist aber bei einiger Uebung doch möglich, das ver- dunstete Quantum von Zeit zu Zeit durch Wasser vom Rande her zu ersetzen und zugleich dem Präparate immer wieder neuen Sauerstoff zuzuführen. Vielleicht wirken hierbei die im Präparat stets befindlichen rothen Froschblutkörperchen günstig mit. Will man die Beobachtungen unterbrechen, so legt man das Präparat in eine geräumige feuchte Kammer. Vor Jahren hatte ich zu diesem Zwecke eine feuchte Kammer konstruirt, die das Pressen der Eier erlaubte, wie es zuerst Auerbach zur Untersuchung der Kernverhältnisse im Ei be- nutzt hatte. Ziegler hat dann später einen geeigneten der- artigen Apparat beschrieben. Man kommt aber auch ohne der- gleichen zum Ziel. Um die Eier in gehärtetem Zustande untersuchen zu können, liess ich die weiblichen Genitalschläuche aus einer dicht vor dem hinteren Leibesende gemachten queren Wunde austreten. Wenn dies durch die Contraction des sonst unversehrten Hautmuskelschlauches auf einem. ‘sauberen trocknen Objekt- träger bewerkstelligt war, wurden die ganzen Thiere mit-- Ueber Kern- und Zelltheilung. 651 sammt dem Objektträger in die Härtungsflüssigkeiten eingelegt. Das Hervorschiessen von Uterus und Eileiter nebst Eiröhre geht bei dieser Methode so schnell, dass keine Verdunstung erfolgt, und dabei liegt das Präparat so glatt und gestreckt, dass es später bequem eingebettet werden kann und zugleich eine gute Orientirung erlaubt. Ausserdem hat diese Präparation den Vor- theil, dass die Conservirungsflüssigkeiten fast momentan _tötend auf die Eier einwirken können. Eine Verletzung der inneren Geschlechtswerkzeuge ist bei einiger Uebung ausgeschlossen. Bedingung für das Gelingen der Präparation ist die tadellose Zusammenziehung des Hautmuskels; das Thier darf weder mit einer Pincette gequetscht noch an irgend einer anderen Stelle als an dem angelegten Querschnitte des hinteren Leibesendes ver- letzt sein. Die Stadien der Befruchtung und ersten Theilungen liegen in dem Bogen, den der Eileiter beim Uebergang in den Uterus am hinteren Leibesende macht. Zur Conservirung wurden 70 °/o Alkohol, Sublimatessigsäure und Flemming’sche Lösung verwandt. Anwendung heisser Flüssigkeiten hat keinen Vortheil. Besondere Vorsicht ist beim Ueberführen der Präparate aus absolutem Alkohol in Xylol nöthig. Der Wechsel der Flüssigkeiten darf nur allmählich erfolgen, weil sonst die bis dahin vermiedenen Schrumpfungen und Verzerrungen der Eier eintreten. Die Einbettung in Paraftın erfolgt bei höchstens 50°C. Man findet in dem Folgenden eine Wiedergabe von Auf- zeichnungen, welche ich während der Beobachtung von lebenden Eiern der Rhabditis nigrovenosa im Laufe des vergangenen Sommers gemacht habe, und im Anschluss daran die Beschreibung conservirter Eier derselben Species. Beobachtungen vom 5. Juni 1901. Temperatur 23° C. T. 11 Uhr: Die Kerne des Eies sind bis zur Berührung genähert: ihre Scheidewand steht in der Queraxe des Eies. 11 Uhr 4 Min.: Die Scheidewand zwischen. dem weiblichen und dem männlichen Kern ist in die Längsaxe des Eies eingerückt. An einem Pole ist eine deutliche Strahlung vorhanden. 30 Sekunden später ist die Scheidewand der Kerne nicht mehr sichtbar und der Kernraum 652 M. Nussbaum: wird eingeengt. Die Drehung der Kerne dauert also. 4 Minuten. 11 Uhr 7 Min.: Der Kern-Contour wird undeutlich ; die Kern- spindel wird sichtbar und streckt sich; die Strahlung an beiden Polen wird breiter. 11 Uhr 11 Min.: Die Spindel ist sehr lang geworden und über die Fläche gebogen. 11 Uhr 14 Min.: Während die Spindel noch erhalten ist, er- scheint eine Furche an einer Schmalseite des Eies und schneidet von da ein. 11 Uhr 16 Min.: Die Furche wird tiefer ; man sieht ein Richtungs- körperchen darin gelegen. 11 Uhr 17 Min. : Die Furche tritt auch auf der entgegengesetzten (Querseite auf. 11 Uhr 20 Min.: In beiden Hälften ist ein Kern sichtbar ge- worden; an den beiden Polen der ehemaligen Spindel liegen den neugebildeten Tochterkernen breite Sonnen an, die allmählich verschwinden. 11 Uhr 25 Min.: Die erste Furchung ist beendet; es ist also: seit der Verschmelzung des Ei- und Spermakernes bis. zur völligen ersten Durchfurchung des Eies eine Zeit von 21 Minuten verlaufen, seit dem Auftreten der Furchungsspindel 18 Minuten. Der Vorgang der mito- tischen Theilung nimmt somit eine relativ lange Zeit in Anspruch. | Die folgende Theilung verläuft in den beiden ersten Furchungs- kugeln nicht gleichzeitig, und man kann an der Configuration der‘ Kerne erkennen, welche Zelle sich zuerst theilen wird. Ihr Kern wird buchtig, unterliegt beständigen Aenderungen des Umrisses, während der Kern der anderen Zelle vorläufig rund und ruhig‘ bleibt und deutlich einen grossen Nucleolus erkennen lässt. 11 Uhr 45 Min.: Der Kern der vorderen Zelle am spitzen Ei- pole ist maulbeerförmig. 11 Uhr 46 Min.: Der Umriss dieses Kernes wird verwaschen. 11 Uhr 53 Min.: In der vorderen Zelle ist eine grosse Spindel mit Polstrahlung vorhanden, während in der hinteren Zelle die Strahlung an dem noch sichtbaren Kern er- scheint. Ueber Kern- und Zelltheilung. 653 11 Uhr 55 Min.: In beiden Zellen sind Spindeln vorhanden; in der vorderen quer zur Längsaxe, in der hinteren in der Längsaxe des Eies selbst. 12 Uhr 3 Min.: In der vorderen Zelle schneidet am vorderen Eipol, dem Richtungspol, eine Furche ein. 12 Uhr 5 Min.: Die Theilung ist in dieser Zelle beendet; in der anderen Zelle ist die Spindel noch erhalten und die erste Andeutung einer Furche tritt auf. 12 Uhr 15 Min.: Im Ei liegen vier getrennte Zellen. Die Beobachtung wird abgebrochen, das Präparat in eine feuchte Kammer gelegt und Nachmittags 5 Uhr 30 Min. noch- mals untersucht; da das Ei sich weiter getheilt hat — es sind acht Zellen vorhanden — so sind die ersten Beobachtungen sicher am lebenden Ei angestellt worden. IT: 11 Uhr: Ein Ei mit der ersten Furchungsspindel wird mit kurzen Unterbrechungen in seiner Weiterentwicklung verfolgt. 11 Uhr 10 Min.: Es sind zwei Kerne im Ei vorhanden, ehe um diese Zeit von einer Schmalseite her die erste Furche einschneidet. Die Furche wird nicht vollständig, so dass die Leiber der beiden ersten Furchungskugeln nur theilweise getrennt sind. 11 Uhr 50 Min. Die zweite Furchung ist beendet; es ist aber nur eine einzige Zelle von den übrigen getrennt, während die drei anderen mehr oder weniger zu- sammenhängen. Da die erste Furche nicht ganz durch- griff, so erfolgte die zweite Theilung nur im Bereich der an einer Schmalseite aufgetretenen Furchungs- spalte und auch hier blieb zwischen einer Zelle und dem ungetheilten Leib der beiden anderen eine Brücke erhalten. Es lag somit in diesem Stadium eine drei- kernige und eine einkernige Zelle vor, während bei normalem Ablauf der Furchung vier getrennte Zellen gebildet worden wären. 12 Uhr: Die Brücke zwischen der theilweise gelösten und den beiden völlig zusammenhängenden Zellen ver- schwindet. Es sind also jetzt drei Zellen im Ei; eine zweikernige und zwei einkernige Zellen. 654 M. Nusshaum: 12 Uhr 30 Min.: Die beiden vorher getrennten Zellen sind ver- schmolzen ; es liegen somit zwei zweikernige Zellen im Ei. (Das Präparat kommt in eine grosse feuchte | Kammer.) 5 Uhr 30 Min. Die Zellen sind von einander getrennt. Andere im Präparate gelegene Eier sind in normaler Weise weiter entwickelt; so ist z. B. ein Ei in dem um 11: Uhr eine erste Furchungsspindel beobachtet wurde um 11 Uhr 50 Minuten in vier Zellen, um 12 Uhr 15 Minuten in sechs Zellen zerlegt. IN. 11 Uhr: Der Eikern und der Samenkern liegen an den entgegen- gesetzten Polen des Eies. 11 Uhr 10 Min.: Die Kerne sind gegen die Eimitte hin und somit gegenseitig einander näher gerückt. 11 Uhr 13 Min.: Die Kerne sind ganz nahe in der Eimitte. 11 Uhr 15 Min.: berühren sie sich, indem ihre abgeflachten Be- rührungszonen in der Querebene des Eies liegen. Es beginnt die Drehung der Kerne. 11 Uhr 20 Min.: Die Scheidewand der Kerne steht in der Längs- axe des Eies. Mit dem Schwund der Scheidewand tritt Strahlung an den Polen des Furchungskernes auf, während der äussere Contour der vereinigten an den Polen zugespitzten Kerne noch erhalten bleibt. 11 Uhr 26 Min.: Furchungsspindel deutlich. 11 Uhr 37 Min.: Erste Furchung abgelaufen. 11 Uhr 55 Min.: Spindel in einer Zelle, während der Kern der anderen Zelle glatt und rund contourirt ist. 12 Uhr 5 Min.: Die beiden Spindeln der ersten Furchungs- kugeln sind gleich gerichtet und stehen in der Quer- richtung des Eies. 12 Uhr 10 Min.: Nachdem die Theilung der einen Zelle vor- aufgegangen, ist sie jetzt auch in der anderen Zelle fertig. 5 Uhr 30 Min. Nachmittags: Ei in mehr als 30 Zellen zerlegt. 1% Untersucht man die Eier kurz nach dem Auftreten der ersten Furche, so geht wie schon Auerbach!) gefunden hatte !) Organologische Studien 1873. Ueber Kern- und Zelltheilung. 655° eine Furchungszelle der anderen im Tempo der Theilung voran. Während der Vorbereitungen zu dieser zweiten Furchung bleibt der Kern der hinteren Zelle, wie sie von Auerbach genannt wurde, glatt rund, man kann in ihm einen groben Nucleolus er- kennen. Der Kern der vorderen Zellen dagegen macht beständige jewegungen und nimmt während dieser Zeit auch gelegentlich Maulbeerform an, bis die Spindel auftritt und mit ihr dann die Erscheinungen der mitotischen Kern- und Zelltheilung weiter verlaufen. V. In einem lebenden Ei von Ascaris nigrovenosa lag um 11 Uhr die erste Furchungsspindel vor; 11 Uhr 50 Min. waren vier Zellen vorhanden; in einer derselben eine Kernspindel. Um 12 Uhr 15 Min. gab es sechs Zellen, und nachdem das Präparat bis 5 Uhr 30 Min. Nachmittags in einer feuchten Kammer auf- bewahrt worden war, ungefähr 60 Zellen. Die Mittheilung dieser Beobachtung geschieht aus dem Grunde, um einen Maasstab für die Beurtheilung der Methode geben 'zu können. Füge ich hinzu, dass die vielbuchtigen Kerne auch später noch im weiteren Ablauf der Furchung des Eies an den einzelnen Zellen gesehen wurden, so ergiebt sich aus diesen und anderen Be- obachtungsreihen : Nach einer Beobachtung bei 21° C. verläuft von der Zeit, wo das erste Richtungskörperchen gebildet und sonst kein Kern im Eidotter sichtbar ist, bis zum Auftreten der beiden Vorkerne im Ei ungefähr 20 Minuten. Während der ganzen Zeit ziehen Contractionswellen über den Dotter; die Contourveränderungen werden besonders lebhaft zur Zeit, wann die Vorkerne sich ver- einigen. Inzwischen ist auch das zweite Richtungskörperchen abgeschieden, und die sekundäre Dotterhülle aufgetreten. Der Dotter zieht sich alsdann stark zurück, so dass man am lebenden Ei sehr gut die äussere primäre Eihülle und die sekundäre Ei- hülle erkennen kann. Dem Eidotter, also innerhalb der sekundären Hülle, liegt das zweite Richtungskörperchen an; zwischen der primären und der sekundären Eihülle findet sich das erste Richtungs- körperchen, wie ich dies Alles früher auch für Ascaris mega- locephala beschrieben habe. Ich betone dies besonders, weil die ildung einer sekundären Dotterhülle und die Topographie der 656 M. Nussbaum: Richtungskörper nicht die gehörige Berücksichtigung gefunden haben. Die Vorkerne erscheinen zuerst als winzige Vakuolen, die sich nach und nach vergrössern und auf einander zurücken und schliesslich ungefähr in der Mitte des Eies einander begegnen. Sie berühren sich dort mit den abgeplatteten einander zugewandten Längsseiten. Die Scheidewand zwischen den beiden Kernen bleibt noch einige Zeit erhalten, die Pole der Kerne selbst werden zu- gespitzt, das Ganze dreht sich aus der Queraxe des Eies in die Längsaxe desselben, so dass die Scheidewand jetzt nicht mehr quer im Ei, sondern senkrecht steht. Bei 23° C. verläuft die Drehung der einander berührenden Kerne innerhalb 4 Minuten; die Scheidewand, die bis dahin deutlich sichtbar gewesen war, verschwindet und der Kernraum wird eingeengt. An den spitzen Polen des Furchungskernes, wie man jetzt die beiden vereinigten Kerne zu nennen hat, werden Strahlungen sichtbar, der Kern- contour wird undeutlich und eine kurze Kernspindel erscheint. (In einem meiner Protokolle ist vermerkt, dass die Strahlung an einem Pole der vereinigten Kerne zuerst erschien). Diese Ver- änderungen nehmen ungefähr drei Minuten bei 23° C in Anspruch. Bei der Umordnung der protoplasmatischen Strukturen zu den Polstrahlungen tritt im Inneren des Dotters eine mosaikartige Zeichnung auf, die alsbald sich der Beobachtung wieder entzieht. Die Kernspindel streckt sich und wird nach und nach um Vieles länger; die Pole werden deutlicher und ihre helle Zone sowie - die Strahlung verbreitert. Im weiteren Verlauf von etwa vier Minuten wird die Spindel über die Fläche gebogen und nach weiteren drei Minuten schneidet eine Furche in der Queraxe des Dotters einseitig ein. \ Im weiteren Verlauf des Furchungsprocesses schwinden die Strahlungen in den beiden ersten Furchungszellen und beide Kerne sind eine Zeit lang rund. Dann beginnt in der am Richtungs- pol gelegenen Zelle eine mehrere Minuten andauernde Gestalt- änderung des Kernes; der Kern wird amoeboid. Seine Gestalt- veränderungen führen zwischen durch auch zur Maulbeerform. In Fig. 1 ist ein Ei aus diesem Stadium, in 70 °/o Alkohol ab- getötet und zum Schneiden in Paraffın weiter vorbereitet, abge- bildet. In der oberen Zelle ist der Kern stark eingebuchtet, hat zwei Nucleolen; während der Kern der anderen Zelle gleich- mässiger begrenzt ist. Damit ist der sichere Nachweis erbracht, Ueber Kern- und Zelltheilung. 657 dass die vielbuchtigen oder maulbeerförmigen Kerne in den Cyclus der mitotischen Vorgänge hineingehören. Denn ich habe an demselben Objekt während des Lebens die Ueberführung des vielbuchtigen Kernes in eine ächte Kernspindel beobachtet und am gehärteten Präparat denselben Zustand fixirt wiedergefunden. Was von der Abtötung durch Alkohol gilt, trifft auch für die übrigen bekannten Fixirungsmittel zu. Ausser dem Aufschluss über die Bedeutung der maulbeer- förmigen Kerne gaben die Beobachtungen auch in Bestätigung ähnlicher Befunde an anderen Objekten die Gewissheit, dass die beiden Vorkerne des befruchteten Eies aufeinander zueilen, dass demgemäss beiden eine aktive Beweglichkeit zukommt, die durch die amoeboiden Bewegungen des Kernes zu erklären ist. Weiter ergiebt sich aus der Beobachtungsreihe II, dass die Theilung der Kerne ohne Zelltheilung erfolgen kann, und dass für diese Erscheinung auch andere Einflüsse als der gewiss. schädigende Sauerstoffmangel!) verantwortlich zu machen sind. Denn im vorliegenden Falle ging in den neben dem beschriebenen gelegenen Eiern die Furchung normal weiter. Inzwischen trennten und vereinigten sich die Theile abwechselnd, bis am Schlusse der Beobachtung vier einzelne Zellen vorhanden waren. Das. Eiprotoplasma war nicht trüb geworden, also sicher nicht völlig abgestorben, aber die Zelltheilung war in der Zeit von 5 Stunden doch nicht weiter gegangen. Eins der schönsten Beispiele für- die gelegentliche Unabhängigkeit der Kerntheilung von der Zell- theilung und zugleich dieser von der voraufgehenden Kerntheilung liefert die Opalina ranarum, wenn sie im Begriff steht, sich zu encystiren. Es folgt Mitose auf Mitose und erst weit später durchschnürt sich der Leib unter ganz eigenartigen Drehbe- wegungen, bis schliesslich das ganze Infusorium in kleine ein- kernige Zellen zerlegt ist. Auf die Stellung der Spindeln bei der zweiten Furchung des Eies in der zweiten Beobachtungsreihe I und III wird weiter unten bei Besprechung des Eies von Ascaris megalocephala Be- zug genommen werden. !) Loeb, J., in Pfluegers Archiv Bd. 58. 653 M. Nussbaum: Die Zusammengehörigkeit der buchtigen und maulbeer- förmigen Kerne mit der Mitose ‚soll an den Spermatogonien der Rana fusca durch die Figuren 2—6 illustrirt werden. Zwischen Fig. 5 und 6 wäre leicht aus dem mir vorliegendem Material die continuirliche Reihe zu ergänzen; da es aber nur darauf an- kommt den exquisiten Zustand der von v.laValetteSt.George und mir beschriebenen maulbeerförmigen Kerne in die bekannten Anfänge der Mitose überzuleiten, so genügt das Gegebene. (Fig. 2 bis 6). Ich bemerke dazu, dass die Frösche frisch ge- fangen waren und dass auch bei denen die im Institut gehalten wurden, sich zwar eine geringe Verzögerung in der Entwickelung zeigte, aber kein Stillstand. Bei allen Exemplaren fanden sich maulbeerförmige und mitotisch umgewandelte Kerne nebenein- ander ;da die Thiere vom Monat Juni an, bis Ende Juli unter- sucht wurden. — Nach meinen Beobachtungen am lebenden Ei von Rhabditis nigrovenosa ist man somit berechtigt anzunehmen, dass auch in der Spermatogenese die Maulbeerform der Kerne in den Process der Mitose hineingehört. Von meinen früheren Angaben hat man in der neueren Literatur nur die allererste benutzt und ohne auf die folgenden zu achten, mir beharrlich zugeschrieben, ich betrachtete die Maulbeerform als Bild einer amitotischen Theilung. Grade ich habe zuerst auf den möglichen Zusammenhang von Maulbeerform und Mitose hingewiesen, da die maulbeerförmigen Kerne als erstes Stadium in solchen Zellen auftreten, an denen später sicher Mitose gefunden wird. Da es aber nicht gelang, den direkten Uebergang zu finden, so blieb die Frage eine offene. Und sie blieb es auch, bis es mir gelang, den Nachweis wenigstens an einem lebenden Objekt zu führen. Ich habe demgemäss die Angaben der Autoren!) dahin zu berichtigen, dass sowohl von la Valette St. George?) als auch ich selbst von Anfang an die Maulbeerform der Kerne als eine zur Zelltheilung führende Erscheinung aufgefasst haben, und dass wir beide späterhin den Zusammenhang mit der Mitose für sehr wahrscheinlich hielten, bis ich ihn am lebenden Objekt .zu beobachten Gelegenheit fand. Aber ebensowenig als ein ruhender Kern stets zur Mitose ’) Meves, D. Arch., Bd.44, 1894 undJanssens,La Cellule, T.29, 1901. ?) D. Archiv. Bd. 25, 1888 u. Bd. 45, 189%. Ueber Kern- und Zelltheilung. 65% gelangt, wird auch ein maulbeerförmiger Kern nicht stets mitotisch sich weiter entwickeln, so dass auf das Stadium des maulbeer- förmigen Kernes sowohl indirekte als direkte Kerntheilung folgen kann. Uebrigens hat schon 1882 Elias Metschnikoff!), wie ich dies auch in einer Abhandlung?) vom Jahre 1882 hervor- gehoben habe, bei seinen Studien am. Geryonidenei im. Ver- lauf der ächten Mitose maulbeerförmige Kerne beschrieben und abgebildet. Zu den ausgebuchteten, polymorphen oder maulbeerförmigen Kernen gehören auch die Formen, welche in bestimmten Zellen des. Eies von Ascaris megalocephala vorkommen und von Boveri, Herla und Lebrun beschrieben und abgebildet worden sind. Bei Ascaris megalocephala bivalens sind die Ausbuchtungen des Kernes im Anfange achtfach, bei Ascaris 'megalocephala univalens. aber nur in der Vierzahl vorhanden. Diese eigenthümliche Kern- form hängt in ausgesprochener Weise mit dem von Boveri ent- deckten Diminutionsvogang in denjenigen Furchungszellen des Asca- riseies zusammen, welche die Zellen des Wurmleibes mit Aus- nahme der Geschlechtszellen liefern. Während die Geschlechts- zellen oder die Zellen, welche als Stammzellen Körper- und Geschlechtszellen liefern, die ausgebuchteten Kerne aufweisen, fehlen die Kernfortsätze nach Abstossung der peripheren Chromosomen- enden bei den somatischen Zellen, da in den Kernfortsätzen, die nur bei den Geschlechtszellen sich erhaltenden, peripheren Chromosomenenden gelegen sind. Zuvor ist zu bemerken, dass ich mich in Folgendem der von Boveri herrührenden Benennung der einzelnen Furchungs- zellen anschliesse und die grössere der beiden ersten Furchungs- zellen, Ursomazelle nenne, die kleinere „Stammzelle“. Wegen der eigenartigen Form der Kerne, die am Ende jeder Theilung eine ganz bestimmte Lage haben, indem sie ihre Fortsätze der Theilungsebene zuwenden, liess sich vermuthen, Aufschlüsse über Verlagerungen der Kerne zu erlangen, falls die Fortsätze, wie man dies wohl angenommen hat, auch während des Ruhestadiums erhalten blieben. Dies hat sich freilich nicht bestätigt; aber die Annahme- wurde doch der Ausgangspunkt dazu, einige Einsicht in die eigen- ı) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. 36, pag. 433 sq. 2) D. Arch. Bd. 21, pag. 342. 660 M. Nussbaum: artigen Verschiebungen ganzer Zellen oder der Kerne in den- selben zu gewinnen. Boveri hatte im Jahre 1888 (Zellstudien Heft 2) die Ver- ‚änderungen studirt, die die beiden ersten Furchungskernevon Asca- ris megalocephala bivalens durchmachen, wenn sie sich wieder zur Theilung anschicken. Nach Fig. 76 sind um die Zeit, wenn das getheilte Centro- som noch ungefähr seine alte polare Lage hat, die beiden Hälften also noch nicht um 90° verlagert sind, vier gesonderte Faden- schleifen im Kern vorhanden. In dieser Phase hat die Kern- vakuole sieben Fortsätze, von denen der eine zwei Schleifenenden, die übrigen sechs aber nur je eine Schleifenende enthalten. Geht die Entwicklung weiter, so nimmt die Zahl der Kernfortsätze ab. In Fig. 81 ist ein Kern mit nur fünf Fortsätzen gezeichnet. Die einzelnen Schleifen dieser Figur sind gleichmässiger in ihrem Verlauf; wenn auch ihr mittlerer Theil verdünnt ist, so ist der Unterschied doch nicht so gross wie in dem siebenzipfligen Kern, wo die mittleren Zonen jeder Schleife stark verdünnt gegen ihre kolbig verdiekten Enden erscheinen. Die Schleifen verlaufen in der Nähe der Kernmembran; sie sollen aber nur in seltenen Fällen ein Rabl’sches Polfeld bilden, dagegen sollen die mittleren Abschnitte der vier Kernschleifen sich dicht um die Axe der vorhergegangenen Theilungsfigur gruppiren, während die Enden von dieser Axe den grössten ‚Abstand innehalten. Da alle diese Verhältnisse bei Ascaris megalocephala uni- valens am einfachsten zu übersehen sind, so habe ich die Ver- änderungen der Kerne nach der ersten Furchung bis zum Ablauf der zweiten an diesem Objekt genauer verfolgt und will an der Hand der für die beigebenen Tafeln ausgewählten Zeich- nungen den Vorgang zu beschreiben versuchen. Ist die Theilung der Zellen eben vollzogen, so liegen, wie man an Figur 32 zwar nicht bei der ersten Theilung, aber an den aus der Stammzelle hervorgegangenen Tochterzellen er- kennt, die Kerne beider Zellen mit je vier Kernfortsätzen der Zellscheidewand, der alten Theilungsebene, zugekehrt. In Fig. 32 liegen je zwei Fortsätze der Kerne höher als die beiden anderen. In diesem Stadium sind allein die freien Enden der alten Sehleifen :noch als dünne färbbare Fäden in den vier Kern- fortsätzen vorhanden; in jedem Kernfortsatz liegt ein Schenkel. Ueber Kern- und Zelltheilung. 661 Die Kernhöhle enthält ausser einem ungefärbten Gerüst zwei bis drei gefärbte Nucleolen. Entsprechend der Lage in der vor der Theilung vorhandenen Kernspindel liegen die Centrosomen der beiden Zellen an den einander abgewandten Seiten der Zelle. Umgeben sind sie von einer kurzstrahligen Sphäre. Ver- bindet man die Centrosomen durch eine Grade, so steht diese auf der Scheidewand beider Zellen senkrecht. Verstreicht eine gewisse Zeit nach der Theilung, :so werden die Zellenkerne so chromatinarm, dass nach Fig. 8 zwar die Contouren der Kerne unregelmässig erscheinen können, aber ausser den Nucleolen nichts von färbbarer Substanz in ihnen ‚aufgefunden werden kann. Um diese Zeit wollte es auch nicht gelingen, eine Sphäre oder ein Centrosom in den beiden ersten Furchungszellen aufzufinden. Wie schon Boveri mitgetheilt hat, wechselt die Form und Grösse der Centrosomen im Laufe der Zelltheilung recht bedeutend. Es liegt nicht in meiner Absicht, über den feineren Bau der Centrosomen und ihrer Sphäre genaueres zu geben und auch nicht die Frage zu erörtern, ob das Centro- som in allen Zellen ein beständiges Element sei. Die Färbung der Kerne war aber so scharf, dass sicher im Kern nur die Nucleolen als gefärbte Massen vorhanden waren. Es giebt also zwischen den Theilungsphasen einen wirklich ruhenden Zustand, wie das auch bei Rhabditis nigrovenosa während des Lebens be- obachtet werden kann. Zu dieser Zeit sind die Nucleolen die einzig färbbaren Massen im Kerne. Als das jüngste vorbereitende Stadium zur folgenden Theilung fasse ich Bilder auf, wie sie Fig. 10 und 11 darstellen. Ebenso gehört Figur 16 hierher. In Fig. 10 sind die Kerne mit den Aussackungen entgegen- gesetzt gerichtet, so dass die der Ursomazelle unter der Papier- fläche und die der anderen darüber liegen würden. In den Kernen liegen je zwei Nucleolen ; der eine ganz schwarz gehaltene, in der Ursomazelle am höchsten, der entsprechende der anderen Zelle am tiefsten von allen Kernbestandtheilen beider Zellen. Die Kerncontouren sind bei der starken Vergrösserung nicht auf einmal und gleichzeitig zu sehen; deshalb ist in der oberen, der Ursomazelle, die den Aussackungen gegenüberliegende glatte Wand hell in dem anderen Kern dunkel gehalten. Im ersten Kerne liegt diese Parthie hoch im Präparat in dem zweiten Kerne dagegen tief. Es befinden sich somit die Ausbuchtungen 662 M. Nussbaum: der Kerne nicht wieder an derselben Stelle wo sie bei der vor- aufgegangenen Theilung gelegen haben; sie sind unter einander gekreuzt und: gegen die alte Lage um 90° nach verschiedenen tichtungen gedreht.- In jedem Kern sind neben den nicht ein- getragenen achromatischen Bestandtheilen vier isolirte, gefärbte und gewundene dünne Fäden vorhanden, in denen man stellen- weise auch die Aneinanderreihung feiner Kügelchen erkennt. Der zweite Richtungskörper liegt unter der aufwärts in der Zeichnung liegenden Zelle. Centrosomen liessen sich nicht auffinden. In Fig. 11 sind die Kerne ebenfalls nicht in der Lage ver- blieben, die sie.am Ende der voraufgehenden Mitose eingenommen hatten. In der Ursomazelle liegen zwei dünne färbbare aus kleinen Kugeln zusammengesetzte Fäden hoch im Kern und zwei andere Fäden etwas tiefer; der Kern enthält zwei, tiefer als die Fäden gelegene Nucleolen. Am oberen Rand des Kernes, aber in verschiedenen Höhen, liegen die beiden Centrosomen mit ihren Sphären. Fast gleichgerichtet ist der Kern der unteren Zelle des Eies. In beiden Kernen sind die Ausbuchtungen, in denen die färbbaren Anfänge der zwei, später schleifenförmigen Chromo- somen liegen, mit Ausnahme einer etwas tiefer gelegenen des oberen Kernes nicht dargestellt. Ebenso fehlt in der Zeichnung das achromatische Gerüst. In der unteren Zelle waren keine Centrosomen aufzufinden. Die Fig. 16 stellt in der Ursomazelle ein schon etwas. weiter vorgeschrittenes Stadium dar. Der zweite Richtungs- körper liegt oben rechts unter dieser Zelle. Die Centrosomen liegen in der @uerrichtung parallel der alten Theilungsebene und haben deutliche Strahlung ihrer Sphären entwickelt. Der Kern ist buchtig und enthält zwei isolirte mehrfach ge- wundene Fadenschleifen. Nucleolen sind in diesem Kerne nicht mehr vorhanden. Der Kern der unteren, also der Stammzelle, ist nicht soweit mitotisch ausgebildet. Die Centrosomen mit ihrer noch kleinen Sphäre liegen auf einer der alten Theilungsebene parallelen Axe wie die der Ursomazelle. Der Kern ist nach rechts hin glatt begrenzt zu denken, wenn auch in der Zeichnung zur Charak- teristik der verschiedenen Horizonte zwei Contouren eingetragen sind. An; diesem Rande des Kernes liegt ungefähr in mittlerer Höhe ein. Centrosom. Nach links hin ist der Kern tief ein- Ueber Kern- und Zelltheilung. 663 geschnitten. Jeder der dadurch gebildeten Lappen, die dem- gemäss übereinander liegen, hat zwei Ausbuchtungen, in denen feine, kurze, färbbare Fäden liegen. Zwischen den beiden Kern- lappen der linken Seite findet man das zweite Centrosom. Nahe dem oberen Rande enthält der Kern zwei Nucleolen. Somit sind in diesen beiden Kernen die Kernfortsätze von der Lage am Ende der voraufgehenden Theilung abgerückt und untereinander verschieden gerichtet. Die Uentrosomenaxen sind ein- ander und der Zellscheidewand parallel; sie sind somit schon in eine Lage eingerückt, die, wenn die Theilung senkrecht zu der zwei zusammengehörige Centrosomen verbindenden Axe erfolgte, in jeder Zelle eine neue auf der alten senkrecht stehenden Theilungsebene schaffen würde. In ähnlicher Weise liegen die Verhältnisse bei dem für die Figur 19 benutzten Präparate; nur dass hier nicht die grössere Ursomazelle, sondern die kleinere Stammzelle des zweizelligen Furchungsstadiums in der Vorbereitung zur nächsten Theilung voraufgeeilt ist. Diese Verschiedenheit in der Vorbereitung für die zweite Theilung, der Art, dass das eine Mal die Ursomazelle, das andere Mal die Stammzelle um mehrere Phasen des mito- tischen Processes der Schwesterzelle voraus ist, wurde schon von zur Strassen und Boveri gebührend hervorgehoben. Die beiden Furehungskugeln decken sich in Figur 19 bei- nahe völlig, die hochgelegene ist im Gesichtsfeld verschwunden, wenn die untere bei der Tiefendurchmusterung des Präparates erscheint. Die Uentrosomen der oberen Zelle liegen ganz au niveau, über ihnen nur der Anfangstheil einer Schleife, unter ihnen die andere Schleife; die Biegungen der beiden Schleifen sind in der Figur einem Üentrosom zugewandt. Es ist also ein Polfeld vorhanden, und die Axe der Centrosomen geht zwischen den beiden Schleifen durch. Die Schleifen selbst smd noch dünn, lang und vielfach gebogen; es sind auch die Kernausbuchtungen vorhanden, in denen die Schleifenenden liegen. Für die tiefere, in der Figur mattgehaltene und mit ihren Schenkeln keine weit offene Kurve beschreibende Schleife findet sich nur ein Kern- fortsatz. Die höher im Kern gelegene Schleife ist weiter gedehnt und hat zwei Kernfortsätze, für jedes freie Schenkelende einen. In der in Figur 19 tiefer gelegenen, grösseren Ursomazelle ist der Kern noch nicht so weit differenzirt als in der eben be- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 59. 44 664 M. Nussbaum: schriebenen, hochgelegenen Stammzelle. Der’ Kern enthält nach einen grossen Nucleolus, der dem Kerne der anderen Zelle schon fehlt. Ausser dem ungefärbten Gerüst des Kernes sind nur vier dünne und kurze, in den Kernaussackungen gelegene gefärbte Fäden vorhanden. Die Centrosomen sind fast genau so wie die der oberen Zelle orientirt. Dagegen sind die Ausbuchtungen der Kerne, in denen die Schleifenenden stecken, gegeneinander gekreuzt. In der oberen Zelle liegen sie nach links übereinander; in der unteren Zelle nach rechts und links nebeneinander; gegen die alte Theilungs- ebene sind beide Kerne um 90° verschoben, wie ja auch die Centrosomen um 90° gegen die Lage, in der sie sich bei der letzten Theilung befanden, gedreht sind. Fig. 19a zeigt die Details der tiefer gelegenen Zelle, während sie in Fig. 19 selbst nicht eingetragen sind. Fig. 19 ist bei einer stärkeren Ver- grösserung als Fig. 19a gezeichnet. In Fig. 19 sind die Theile des höher gelegenen, in Fig. 19a die des tiefer gelegenen Kernes heller und die in jedem der Kerne der Oberfläche näheren Theile schwarz gehalten. Aus einem Vergleich der beiden Figuren werden sich leicht die zu jedem der Kerne gehörigen Uentrosomen erkennen lassen, da jedes Paar von Gentrosomen in einer Ebene liegt. Wie man aus der gegebenen Darstellung wohl entnommen haben wird, sind in den ersten Phasen der Vorbereitung zur Theilung der beiden ersten Furchungskugeln die Verbindungs- linien der Centrosomen einander und der Zellscheidewand parallel und senkrecht zur Richtung der voraufgegangenen Kernspindel. Dieses Verhältniss kann bis zur Ausbildung beider neuen Spindeln erhalten bleiben; so zeigt z. B. Fig. 15 ein weiter vorgerücktes Stadium in der Ursomazelle und ein nicht soweit ausgebildetes der Stammzelle, in denen beide Centrosomaxen einander parallel sind; aber auch solche Eier kommen vor, in denen beide Spindeln einander und der alten Theilungsebene parallel sind. Dies ist aber nicht das alleinige Verhalten. Es kommt vor, dass die beiden Axen der Centrosomenpaare unter ein- ander gekreuzt, aber der voraufgehenden Theilungsebene parallel gelagert sind. Solche Fälle sind in Fig. 13 und 17 abgebildet. Die Zellen des Eies liegen in Fig. 13 nicht in einer Hori- zontalen, und die Schleifen in dem Kern der Ursomazelle er- scheinen später als die der anderen Zelle. In dieser zweiten Ueber Kern- und Zelltheilung. 665 Zelle liegen die beiden Centrosomen in gleicher Höhe, über ihnen die eine, unter ihnen die andere Chromosomenschleife, die dem- gemäss nach abwärts und nach einer Seite der Zelle ihre Schenkel- öffnung wenden. Die Kernpole sind auf einer Queraxe des Eies -orientirt, während sie späterhin bei ausgebildeter Spindel auf einer Längsaxe liegen. In der Ursomazelle öffnen sich die Chromosomenschleifen nach aufwärts und nach zwei Seiten der Zelle. Für jede Schleife ist eine Kernausbuchtung vorhanden, in der die freien Schenkel der Chromosomen gelegen sind. Die Schleifenöffnung ist dem oberen Uentrosom, die Convexität der Schleifen dem Centrosom am entgegengesetzten Pole zugewandt. Das eine hoch in der Zelle gelegene Uentrosom erscheint erst, wenn. die Fadenfigur der Zelle am Befruchtungspol verschwunden ist; das andere Centrosom liegt unter der Fadenfigur der eigenen Zelle. Um diese Topographie «der Theile so gut als möglich zum Ausdruck zu bringen, sind die höher gelegenen Bestandtheile jeder Zelle dunkler gehalten ‚als die tiefer gelegenen. Die ‚Orientirung der Pole ist eine nahezu senkrechte bei der Lage des Präparats; die Richtung der Axe selbst steht senkrecht auf der Axe des Kernes der anderen Zelle. In beiden Zellen ist die mitotische Umwandlung der Kerne und der Sphären mit ihrem Centrosom ungefähr gleich weit ent- wickelt. Die Fig. 17 stellt einen ähnlichen Zustand eines Eies in anderer Ansicht dar: hier wird der Kern der Ursomazelle en face und der der Stammzelle von der Seite her gesehen. In der Ursomazelle liegen beide Centrosomen in gleicher Höhe. Die Kernschleifen sind exquisit polar gerichtet, die eine liegt höher als das eine der Centrosomen, die andere Schleife liegt in einem tieferen optischen Schnitt. Nicht ganz soweit sind die Schleifen der Stammzelle, in der Fig. 17 die untere Zelle, entwickelt. Man sieht senkrecht auf die Axe der Centrosomen; das obere Centro- som ist tiefschwarz eingezeichnet, nach rechts unten ist durch einen helleren Ton die Lage des zweiten, unter dem Kern ge- legenen Centrosom angedeutet. Die Sphäre wird von fein- maschigen Protoplasmanetzen mit strahligen Ausläufern gebildet. Diese radienartigen Fortsätze gehen in das übrige Fibrillennetz ‚des Zellprotoplasmas über, das aber der Einfachheit halber nicht ‚eingezeichnet worden ist. 44 * 666 M. Nussbaum: | Das Präparat unterscheidet sich von dem vorigen, abgesehen von der Verschiedenheit der Lage, in der es sich präsentirt, besonders durch die verschiedenen Zustände der Kernschleifen in den beiden Kernen. Die Chromosomen der Stammzelle sind nicht so weit entwickelt als die der Ursomazelle, und während in dem Kerne der Ursomazelle die Schleifen in je einem Kern- fortsatz gelegen sind, findet man in der Stammzelle für jeden der freien Schenkel der Fadenschleifen einen besonderen Kern- fortsatz. Die Fadenschleifen der unteren Zelle sind noch dünner, länger und gewundener als die der oberen Zelle in Fig. 17. Es. ist aber in beiden Zellen ein deutliches Polfeld ausgeprägt, was. für die obere Zelle aus der Zeichnung ohne Weiteres ersichtlich ist und für die untere durch stärkere Betonung der höher gelegenen Theile angedeutet wird. In der unteren Zelle liegt die Con- vexität jeder Fadenschleife nach dem oberen Centrosom ge- richtet; die freien Schenkel sind dem unteren Centrosom zu- gewandt. Das für die Fig. 14 benutzte dicke Schnittpräparat liegt etwas schräg, so dass die Ursomazelle eher erscheint als die Stammzelle. In der Gegend der Trennungsebene beider Furchungszellen haftet der zweite Richtungskörper. Die Kerne haben eine grosse Tiefenausdehnung; zuerst erscheint ein Centro- som der Ursomazelle und die freien Enden der in der Figur oben eingetragenen Schleife dieser Zelle. Der die Kernschleife umgebende Contour ist die Projektion der Kernausstülpung auf die tieferen Theile. Während die freien Schleifenschenkel in einem ceylindrischen Fortsatz der Kernhöhle stecken, ragt die tiefer gelegene Schleifenkrümmung in die eigentliche Kernhöhle hinein. In einem dritten Horizont liegt der rechte Fortsatz der Kernhöhle mit den freien Schenkeln des zweiten Chromosoms, dessen convexer Theil wieder selbst in der Kernhöhle steckt. In weitem Abstand von den Umbiegungsstellen der Chromosomen- schenkel folgt, durch die Kernkuppe von ihnen getrennt, das andere Centrosom dieser Zelle. Auf gleicher Höhe liegt ein Uentrosom der Stammzelle. Wie die Figur erläutert, bleibt ein grosser Theil der eigentlichen, glatt begrenzten Kernhöhle frei; dann folgen die in die beiden Fortsätze des Kernes hineinragenden beiden Chromo- somen. Die convexe Seite der Chromosomen ist gegen die freie Kern- Ueber Kern- und Zelltheilung. 667 höhle und das bisher genannte Centrosom gerichtet; die freien Schleifenschenkel des rechts gelegenen Chromosoms öffnen sich in dem Kernfortsatz, was für das andere Chromosom nicht so überzeugend nachgewiesen werden konnte. Nur soviel war gewiss, dass es die Convexität der Kernhöhle zuwandte. Ein wenig tiefer als die Chromosomen liegt das zweite Centrosom der Zelle. Während also die Kernaxe, bestimmt durch die Lage der Uentrosomen, in der Ursomazelle des Präparates ungefähr senk- recht verläuft, steht sie in der Stammzelle fast horizontal. Die beiden Centrosomen, denen in der Ursomazelle sowohl als in der Stammzelle die Convexität der Chromosomen zustrebt, liegen in derselben Ebene; die beiden anderen Centrosomen sind weit von ‘einander entfernt, und nach ihnen sind die freien Schenkel der Chromosomen gerichtet. Es kreuzen sich somit die Kernaxen der Zellen, deren Chromosomen nach entgegengesetzten Richtungen orientirt sind. In Fig. 15 wiederholt sich scheinbar der in Fig. 13 schon geschilderte Zustand; aber die Axen der beiden Centrosomenpaare sind doch nicht rein rechtwinklig untereinander gekreuzt, und beide zur Trennungsebene der beiden Zellen parallel. Die Axe der Centrosomen in der grösseren Ursomazelle steht fast senkK- recht zum Beschauer und zur alten Theilungsebene; dem höher gelegenen und deshalb schwarz gehaltenen Centrosom sind die. convexen Krümmungen der beiden Chromosomen dieses Kernes zugewandt. Die Axen der CUentrosomen in der Stammzelle sind au niveau gelagert, aber schräg zur Trennungsebene gestellt, so dass von hier aus eine weitere Drehung in eine zur Trennungsebene senkrechte Lage erfolgen kann. Auch an diesem Kern ist ein deutliches Polfeld ausgebildet, indem die Schleifen ihre Convexität dem rechts gelegenen Centrosom zuwenden. Ein Uebergangsstadium aus einer der Trennungsebene der beiden ersten Furchungskugeln parallelen Lage der Axen beider Centrosomenpaare in diejenige, wo eine Axe senkrecht zur Zell- scheidewand steht, findet sich in Fig. 28. Das Ei liegt so, dass beide Zellen auch bei Untersuchung mit starken Vergrösserungen nebeneinander liegen. In der grösseren Zelle liegen die Centrosomen am Ende einer zur Tafelebene senkrecht gelegenen Axe. Das eine Centro- som erscheint zuerst; dann die beiden Fadenschleifen und in 668 M. Nussbaum: weitem Abstande von diesen, tiefer als alle Kerntheile der‘ anderen Zelle, das zweite Centrosom. An der kleineren Zelle haftet der zweite Richtungskörper. Die Spindel, an deren Enden die Centrosomen sich finden, liegt fast senkrecht zu der Spindel der grösseren Zelle; sie ist aber’ noch geneigt und zwar so, dass sie mit dem gegen die grössere Zelle geneigten Ende tiefer liegt. Die Fadenschlingen liegen nach einer Seite hin übereinander. Die Elemente der Spindel mit den Centrosomen liegen in der kleineren Zelle in dem Abstand zwischen höherem Centrosom der grossen Zelle und ihrer Fadenschleifen eingeschlossen. In der kleinen Zelle folgen sich der Reihe nach: das in der Figur nach . unten gerichtete Centrosom, die obere, die untere Fadenschleife und mit dieser auf gleicher Höhe das andere Centrosom. Dasselbe Stadium ist von einem Ei der Ascaris megalo- cephala bivalens in Fig. 29 dargestellt. In der Ursomazelle, über der noch das zweite Richtungskörperchen mit den beiden Chromo- somen liegt, sind blos die im Aequator gelegenen vier Chromo- somen eingezeichnet. Man sieht somit auf diese Spindel von den Polen aus. Die Spindel der anderen, der Stammzelle, steht aber nicht senkrecht, sondern schräg; indem ihr oberer Pol tiefer gelegen ist als der untere. Die endgültige Lage der Spindeln, wie sie vor der schliesslichen Theilung der Zellen eingenommen wird, ist in Fig. 12 erreicht worden. Das Ei präsentirt sich in fast reiner Seitenansicht, da die Centrosomen der Zelle des Befruchtungspoles in einer horizontalen Fläche und ebenso die der Ursomazelle in einer senkrechten ge- legen sind. Die Abweichungen von den genau sich kreuzenden Ebenen sind auch bei der starken Vergrösserung gering. Zuerst erscheint das obere Centrosom mit seiner Sphäre in der Ursomazelle, dann die dunkel gehaltenen Schenkel der zu- gehörigen Chromosomen, die sich somit etwas geneigt gegen die Fläche der Aequatorialplatte stellen; bevor das untere Centrosom erscheint, werden in der anderen Zelle die dunkel gehaltenen Schenkel beider Chromosomen sichtbar; dann folgen in gleichem Niveau das untere Centrosom der Ursomazelle und beide Centro- somen der Zelle am Befruchtungspol, zuletzt die matt gehaltenen Schenkel der Fadenschleifen derselben Zelle. Die Axen der Spindeln der beiden Zellen sind gekreuzt. Ueber Kern- und Zelltheilung. 669 Das Chromosom des zweiten Richtungskörpers erscheint punkt- förmig, da man von oben auf dasselbe blickt. Studirt man demgemäss die Veränderungen, welche die Zellen von der ersten bis zur zweiten Furchung im Ei der Asearis megalocephala durchmachen, so folgt auf ein Ruhe- stadium, das durch das Vorhandensein von färbbaren Nucleolen neben dem achromatischen Gerüst des Kernes ausgezeichnet ist, die Ausbildung von Kernfortsätzen, in denen die freien Enden der Chromosomen sich entwickeln. Die Zahl der Kernfortsätze ist im Anfang bei Ascaris megalocephala bivalens acht, später vier, bei Ascaris megalocephala univalens anfänglich vier, später zwei. Es findet also, wie das auch durch die Zwischenstadien belegt wird, ein Zusammenschieben der Kernfäden und eine Ver- einigung je zweier Kernfortsätze zu einem einzigen statt, so dass schliesslich ein Chromosom in einem, aus zwei vereinigten, Kern- fortsatz seine beiden freien Schenkel gelegen hat. Auf welche Weise die Verbindungsstücke der freien Schleifen- enden entstehen, lässt sich nicht feststellen. Es ist somit vor- läufig unmöglich, für die Annahme Rabl’s, der sich auch Boveri angeschlossen hat, einen Beweis zu erbringen und die Indivi- dualität der Chromosomen festzustellen. Das Bedürfniss einer solchen Hypothese entstammt dem Versuch, durch sinnfällige Erscheinungen bei jeder Theilung eine gleichmässige Halbirung der väterlichen und mütterlichen Kern- bestandtheile nachzuweisen. Von mir!) war ausdrücklich betont worden, indem ich die Beobachtungen an Rhabditis nigrovenosa hierfür zu Grunde legte, ‘dass durch die Art der Kerneinstellung bei der ersten Furchung dafür gesorgt sei, gleiche Massen des väterlichen und des mütter- lichen Vorkernes in die Tochterzellen zu bringen. Dieser Vor- stellung hat dann van Beneden ’) eine weitere Stütze gegeben, indem er sie an der Hand der Ausbildung der Chromosomen in den beiden Vorkernen des befruchteten Eies entwickelte. Während ich bei meinen Untersuchungen die Vereinigung der Vorkerne vor der völligen Entwickelung beobachtet hatte, untersuchte van Beneden ein Material, dessen befruchtete Eier die beiden Vorkerne stets mit fertigen Chromosomen zur Vereinigung !) Sitzungsbericht der Niederrheinischen Gesellschaft. 1883, pag. 217. ?) Archives de Biologie, T. IV, 670 M. Nussbaum: brachten. Bei Ascaris megalocephala bivalens lieferte also der männliche Kern zwei und auch der weibliche Kern zwei Chromo- somen in die Furchungsspindel. Es ist klar, dass bei der Längs- spaltung der Chromosomen in die beiden Tochterkerne gleichviel chromatische Substanz als väterliches wie als Ike EB er Erbe übernommen wird. Um diese der Herkunft nach gleiche Theilung auch für die folgenden Furchungsstadien theoretisch begreifen zu können, schuf van Beneden die Hypothese der Individualität der Chromosomen. Nachdem aber Boveri den Diminutionsvorgang entdeckt hat, kann man von Individualität der Chromosomen nicht weiter reden, da bei Ascaris megalocephala in den somatischen Zellen, oft schon bei der zweiten Furchung, die Zahl der Chromosomen erheblich vergrössert wird, während ihre Grösse entsprechend abnimmt. Ebenso ist es bis jetzt unmöglich gewesen, bei der Re- konstruktion der Kernschleifen nach der ersten Furchung die Individualität der Chromosomen zu erkennen, so dass zwar die Möglichkeit einer erbgleichen Theilung in den mitotisch getheilten weiteren Furchungsstadien anzunehmen gestattet ist, für ihr wirk- liches Vorkommen aber beweiskräftige Beobachtungen nicht vor- liegen. Wir sind also mit den Thatsachen nicht über die .erb- gleiche Theilung der ersten Furchung hinausgekommen und können somit nur für die Geschlechtszellen dieselbe erbgleiche Theilung folgern, auch ohne die Individualität der Chromosomen. Was beim unten näher zu besprechenden Diminutionsvorgang in den Kernen der somatischen Zellen geschieht, entzieht sich der Beurtheilung. In den Geschlechtszellen bleiben nämlich die ganzen Chromosomen erhalten; in den somatischen Zellen geht den anfänglich ansehnlichen Kernfäden ein Theil verloren. Ob somit in den Geschlechtszellen die einzelnen theilbaren Chromatin- kugeln in derselben Reihenfolge aufgespeichert bleiben wie im ersten Furchungskern, dürfte gleichgültig sein; dagegen wird man freilich bei der Diminution, wenn die Individualität der Chromosomen nicht gewahrt bleibt, nicht sagen können, ob bei der Theilung in jeden Kern mütterliches und väterliches Chromatin zu gleichen Theilen hineingelangt, oder ob nicht etwa in den einen Zellen mehr, in den anderen weniger oder vielleicht gar Ueber Kern- und Zelltheilung. 671 nichts von der Substanz des einen Erzeugers hineingerathe. Da aber die Diminution nur einmal an einer bestimmten Zelle sich vollzieht und an ihren Abkömmlingen bis jetzt nicht wieder be- obachtet wurde, so müsste man für den Grenzfall die Annahme machen, dass bei der Diminution wesentlich das väterliche oder das mütterliche Chromatin aus dem Kerne verschwinde. Da aber die Kinder doch ihren Eltern gleichen, so wird dies wohl nicht der Fall sein, auch wenn man die ganze Erbmasse auf das Chromatin beschränken will, was ich aber nicht für statthaft halte. Auch an dieser Stelle erinnere ich wieder an die Möglich- keit, Zellen künstlich zu theilen, oder Mitose auf Amitose folgen zu sehen, um nochmals darauf hinzuweisen, dass die Massen- theilchen, welche bestimmte histologische Differenzirungen ein- leiten, also zur Entfaltung bestimmter Kräfte dienen, immer in der Mehrzahl in jedem normalen Kern zu allen Zeiten enthalten sein müssen. Man wird eine zutreffende Vorstellung von dem innersten Wesen der Zelltheilung ohne Weiteres aus wenigen der seobachtung zugänglichen Erscheinungen während des normalen Ablaufes der Theilung sich nicht bilden können. Was die Lagerung der Kernschleifen im Vergleich zu ihrer Topographie bei der ersten Furchung anlangt, so bleibt sie keines- wegs dieselbe, und meine Figuren weichen in dieser Beziehung wesentlich von denen ab, die Boveri seinen Untersuchungen aus dem Jahre 1888 beigegeben hat. Mit Bezug auf die Axenverschiebung der Kerne, die sich aus der relativen Lage der beiden jedem Kern zugehörigen Uentrosomen erkennen lässt, habe ich das Folgende ermitteln können. Von den Polen der ersten Furchungsspindel wandern die beiden aus dem polar gelegenen Centrosom hervorgehenden Toehtercentrosomen in eine der alten Theilungsebene parallele Linie. Es könnte somit, wenn auch gleichzeitig durch diese Wanderung schon die definitive Theilungsebene der Zellen fest- gelegt wäre, die Kreuzung der alten mit der neuen Theilungs- ebene Platten von Zellengruppen, und jede weitere Kreuzung von Theilungsebenen Ausdehnung der Theilungsprodukte nach den drei Axen des Raumes erzeugen. Nun sind im Ei von Ascaris megalocephala die Axen der Centrosomen Anfangs einander parallel oder gekreuzt, aber immer 672 M. Nussbaum: parallel der alten Theilungsebene, bis schliesslich die Axe der Kernspindel in der Stammzelle sich wieder in die Richtung der ersten Furchungsspindel dreht und so eine Kreuzung der Theilungs- ebenen der beiden Zellen erzeugt. Diese Kreuzung wird aber, wie Hallez, zur Strassen!) und Boveri?°) schon an lebendem und gehärtetem Material feststellten, durch die Drehung der getheilten Stammzelle um einen lateral an der Ursomazelle ge- legenen Angelpunkt wieder ausgeglichen. An dem konservirten Material konnte ich die einzelnen Stadien der sekundären Drehung der beiden aus der Stammzelle hervorgegangenen Tochterzellen aufinden. Welche Kräfte nun für diese eigenartigen intra- cellulären Bewegungen und die Drehung der ganzen Zellen ver- antwortlich zu machen sind, lässt sich an unserem Objekt nicht feststellen, da an lebenden Eiern nicht einmal die Kerne, ge- schweige denn die Centrosomen zu verfolgen sind, und das kon- servirte Material keinen zuverlässigen Massstab für die Druck- und Zugverhältnisse während des Lebens bietet. Die Chromosomen selbst anlangend, konnte die schon von früheren Beobachtern hervorgehobene anfängliche Zusammen- setzung aus feinen Körnchen bestätigt werden. Ob aber diese Körnchen bei dem allmählichen Breiterwerden und der sich mehr und mehr ausbildenden Verkürzung der Chromosomen sich selbst vergrössern oder an Zahl zunehmen, entzieht sich meiner Be- urtheilung, und doch wäre eine Lösung dieser Frage von grösster Wichtigkeit. Wir verdanken C. Rabl°’) die Entdeckung, dass, „sowie sich ein Kern zur Theilung anschickt oder aus einer Theilung hervortritt“, er eine Pol- und Gegenpolseite erkennen lasse, indem die chromatischen Fadenschlingen mit ihrer offenen Seite dem (regenpol zugewandt und mit der geschlossenen nach dem Pole hin gerichtet sind. Man findet dies in fast allen Theilungsfiguren deutlich aus- geprägt; nur scheint, wie die Figuren dies zu folgern erlauben, kurz vor der Bildung der Aequatorialplatte, d. h. vor dem Ein- rücken der Chromosomen in den Aequator der Spindel gelegent- !) Archiv für Entwickelungsmechanik, III. Bd., pag. 27, sq, 1896; ebenda Hallez eitirt. *) Festschrift für Kupffer, 1899. ®) Morphologisches Jahrbuch, 1885, Bd. X, pag. 322. Ueber Kern- und Zelltheilung, 673 lich schon ein Aufgeben des Polfeldes vorzukommen, wie es ja bei der fertigen Spindel selbstverständlich nicht, mehr existirt. Denn dann sind alle Convexitäten der Kernschleifen dem Mittel- punkt des kreisförmigen Durchschnittes der Spindel am Aequator‘ zugewandt. Die Figur 30 ist eine bei starker Vergrösserung gezeichnete» Spindel einer Ursomazelle von Ascaris megalocephala univalens, und man findet in Uebereinstimmung mit denjenigen vorauf- gehenden Phasen, wo die Kernmembran noch erhalten war, die- chromatischen Kernfäden gleichmässig diek und polar gerichtet, so dass die Convexität der Schleifen einem Centrosom, die freien: Schenkel der Schleifen dagegen dem anderen Centrosom zu- gewandt sind. Es muss somit bei Ascaris megalocephala uni-- valens die Ueberführung der Fäden in die zur Spindel senkrechte äquatoriale Lage erst nach diesem Stadium erfolgen. Untersucht man auf diesen Punkt die Fig. 25, so scheint‘ bei der Drehung der Centrosomenaxe die Lage der Kernschleifen erhalten zu bleiben. Denn in der Stammzelle liegen die beiden Chromosomen noch so gerichtet wie in Fig. 15, während die Centrosomenaxe aus der der alten Theilungsebene parallelen in eine zu ihr senkrechten Lage sich gedreht hat. Es würden demgemäss die Kernschleifen in den Aequator der achromatischen Spindel direkt oder erst sekundär eingelagert werden und bei den grossen Chromosomen der Ascaris megalo- cephala eine Aufrichtung im Aequator erleiden, so dass ihre Convexität nicht mehr einem Pol, sondern dem Centrum des Durchschnittes der Spindel im Aequator zugewandt ist. Die Figg. 20, 21, 22 und 23 zeigen die Lage der Chromo- somen im Aequator der achromatischen Spindel, ihre Längsspaltung‘ und ihre Wanderung nach den Polen. In meinen Präparaten waren gleichwie in den von Boveri beschriebenen die Centro- somen in den verschiedenen Stadien der Theilung verschieden gross; der auffälligste Unterschied derselben ist in dem von oben gesehenen zweizelligen Ei der Ascaris megalocephala bivalens- dargestellt. Da die Kernfiguren bei der Lage der Theile sich beinahe decken, so sind die höher gelegenen Theile schwärzer in der Fig. 34 gehalten als die tieferen. Die beiden Centrosome: der hoch gelegenen Zelle sind dick, die der tieferen Zelle ganz dünn, punktförmig. Verfolgt man die Gestalt der Centrosomen 674 :M. Nussbaum: genauer, so ‚sind sie am Anfang und, Ende der Theilung- ganz fein und fast rein punktförmig; sie wachsen bis zur Bildung der Aequatorialplatte und nehmen wieder ab und sehen bei der Wanderung der Tochterschleifen ‚nach den Polen eine Zeit lang auch scheibenförmig aus, wie dies Fig. 22 ergiebt. Wie die Centrosomen sich am lebenden Objekt verhalten, lässt sich nicht feststellen. Da die Polstrahlungen während des Lebens stets ganz anders aussehen -als am konservirten Material und die Centro-, somen am lebenden Ascaridenei nicht gesehen werden können, so verzichte ich darauf, die wahre Natur der bei verschiedenen Behandlungen verschiedenen Centrosomen an konservirtem Material ausfindig machen zu wollen. Hervorgehoben zu werden verdient aber die Ueberlegenheit der Heidenhain’schen Methode zur Färbung der Centrosomen, die ich auf folgende Weise zu konstatiren Gelegenheit hatte. Ein in Hämatoxylin gefärbter Uterus mit den darin enthaltenen Eiern wurde nach Paraffineinbettung in feine Schnitte zerlegt. Das Chromatin war gut gefärbt, die Centrosomen traten jedoch nicht hervor. Dieselben Präparate wurden sodann nach Heiden- hain umgefärbt, und in-ihnen traten auch neben den Kernfäden die Uentrosomen deutlich hervor. Was die Form der Chromosomen anlangt, so hatte ich in meiner ersten Publikation nur gleich dicke Fäden gesehen und abgebildet. Darauf wurde. aber von Zacharias zuerst ab- gebildet und von Boveri in der wahren Bedeutung erkannt, wie sich von einem gewissen Zeitpunkt an die Mitte der Chromo- somen verdünnt und. ihre beiden freien Schenkel kolbig an- schwellen (Fig. 34). Im Gegensatz zu jenen Zellen, welche sicher somatische Zellen werden, habe ich bis jetzt diese Veränderung der Chromosomen an den ersten Stammzellen nicht gefunden, auch nicht bei der ersten Furchungsspindel. Ebenso ‚wenig sind bei den Chromosomen, solange sie in einer geschlossenen Kern- höhle liegen und selbst noch in dem Stadium der Fig. 30 Breiten- unterschiede im Verlaufe der Chromosomen sichtbar. Das muss: aber vorkommen können, da Boveri dies in seinen Figuren aus «den Jahren 1838!) und 1899?) abbildet. ı) Zellenstudien, Heft 2. ?) Entwickelung von Ascaris megalocephala. Festschrift Kupffer- Ueber Kern- und Zelltheilung. 675 Bei der Rekonstruktion der hufeisenförmigen Chromosomen habe ich gleichwie Boveri zwei resp. vier getrennte Fäden ge- funden, nachdem bei Ascaris megalocephala univalens vier freie. Enden, und bei Ascaris megalocephala bivalens zuerst acht freie Enden erschienen waren. Einen kontinuirlichen Faden habe ich an diesem Objekt nicht gesehen, und doch muss auch dieses. Stadium vorkommen können, da ich es selbst wie auch Lebrun '!) von Ascaris megalocephala abgebildet habe, und ein Irrthum sicher ausgeschlossen ist. Ich bitte nur die Fig. 42 auf Tafel X des XXIII. Bandes des Archivs zu vergleichen. Ich sehe auch nicht ein, weshalb man hierüber streiten will, da man beim Diminutionsvorgang doch deutlich sehen kann, wie ein zuvor einheitlicher Faden durch Quertheilung in eine grosse Zahl von kleinen Chromosomen zerlegt wird. Noch auf einen anderen Punkt möchte ich kurz hinweisen. Der Verlauf eines Chromosoms liegt bei den ersten Furchungs- zellen von Ascaris megalocephala nicht immer in derselben Ebene, und es entstehen in einem optischen Querschnitt oft Lücken, die aber bei der Tiefendurchmusterung des Präparates auf die ver- schiedene Lage der einzelnen Abschnitte eines und desselben Kernfadens zurückgeführt werden können. So erscheinen, wie in Fig. 34 und 35, oft Punktreihen entweder im Aequator oder an den Polen der Spindel, je nach der Lage der Chromosomen. Die Fig. 33 ergänzt das Bild von Fig. 34 und zeigt, dass. die Chromosomen trotz der scheinbaren Unterbrechung einen einzigen Faden bilden. Die Fig. 35a stellt die Polansicht der Spindel dar, die in Fig. 35 in der Längsansicht erscheint. Es ist leicht verständlich, dass in einem optischen Schnitt, der seit- lich gegen die Aequatorialplatte geführt ist, die Fäden dis- kontinuirlich erscheinen müssen. Dasselbe gilt von den Chromo- somen in der Zelle Ps in Fig. 9. Anders verhält es sich in den Fällen, wo die von Boveri entdeckte Diminution im Kerne Platz greift. Am deutlichsten zeigt dies die Spindel der Zelle EMSt im Vergleich zur Spindel in der Zelle Pz in Fig. 9. In der Zelle EMSt sind die peripheren Theile der Chromosomen im Aequator zur Seite geschoben, und nur die vorher verdünnten centralen Theile der Chromosomen 1) La Cellule, T. XIII. «676 M. Nussbaum: sind quergespalten und dann der Länge nach halbirt worden. Nur diese an Zahl vermehrten, aber in Folge dessen auch kaum mehr als punktförmig erscheinenden Chromosomen rücken gegen die Pole vor, wie sich aus Fig. 31 ergiebt. Die peripheren Enden ‚der Chromosomen werden, wie dies Boveri schon Alles be- schrieben hat, zu Klumpen geballt und nicht in die rekonstruirte Kernhöhle nach der Theilung mit aufgenommen. Jeder Kern, ‚dessen Chromatin einmal die Diminution durchgemacht hat, zeigt später nur noch die zahlreichen kleinen kugeligen Chromosomen. Somit kann auch die Zahl der Chromosomen keine kon- ‚stante sein, wie dies ja auch durch das Vorkommen der Reduktion ‚derselben an den Samen- und Eizellen nachgewiesen ist. Wenn wir nun auch bis jetzt einen solchen Diminutionsvorgang nur bei Ascaris megalocephala kennen gelernt haben, so zeigt doch die Art seines Auftretens, dass zwischen den Zellen des gefurchten Eies, welche die Geschlechtszellen liefern und jenen, ‚die den ver- gänglichen Leib des Individuums aufbauen“, tiefgehende Unter- schiede bestehen. Die Diminution verschont nämlich nur die Kerne jener Zellen, aus denen durch fortgesetzte Theilung die Geschlechts- stoffe sich bilden. Man würde demgemäss für Ascaris megalocephala bivalens ım den Geschlechtszellen und ihren Abkömmlingen vier, bei Ascaris megalocephala univalens zwei grosse hufeisenförmige ‘Chromosomen finden, in den somatischen Zellen dagegen eine grosse bisher nicht bestimmte Zahl kleiner kugeliger Chromosomen. Boveri sucht nach einem Grund für das Auftreten des Diminutionsvorganges und bekennt, ihn nicht gefunden zu haben. Mir würde es genügen, eine tiefgreifende Verschiedenheit zwischen ‚den Körper- und Geschlechtszellen nachgewiesen zu sehen, um ‚an einem augenfälligen Beispiel die frühzeitig erfolgende Ab- spaltung der Geschlechtsdrüsenanlage und ihre besondere Stellung im Bauplan des thierischen Eies verstehen zu lernen. Denn bei den meisten Thieren sieht man nur die frühe Sonderung der Geschlechtsdrüsenanlage aus dem Furchungsmaterial, ohne dass weitere sinnfällige Eigenschaften, wie die Diminution bei Ascaris megalocephala, auf einen tiefgreifenden Unterschied zwischen den Zellen der Geschlechtsdrüsenanlage und den nur auf die Dauer des individuellen Lebens berechneten Körperzellen hindeuteten. Ueber Kern- und Zelltheilung. 677 Wir lassen es, wie Boveri, durchaus dahingestellt, ob die Diminution frühzeitig das Protoplasma somatischer Zellen zu geweblichen Leistungen anrege, die in den Geschlechtszellen latent bleiben, oder ob die Geschlechtszellen vermöge der er- haltenen Enden der Chromosomen vielseitigerer Leistungen fähig bleiben 'als die somatischen Zellen, in denen durch den theil- weisen Chromatinschwund auch ein Theil der ursprünglichen Fähigkeiten verloren gehe. OoOG SOG SiS Zur einfacheren Darstellung der verschiedenen Achsenlagen der Kerne oder Kernspindeln habe ich ein nach dem wirklichen Vorkommen entworfenes Schema beigefügt. Dies wird bei Unter- suchung von Schnitten von Nutzen sein, weil keine einzige Figur der andern gleicht, und man aus einem einzigen Bild erkennen kann, wie die wahre Lage des Eies und der Kernachsen sich verhält. Untersucht man ganze Eier, so kann man bei einiger Uebung sich durch Drehung die verschiedensten Ansichten 678 M. Nussbaum: verschaffen, eine Methode, die ich schon in meiner ersten Ver- öffentlichung über Ascaris megalocephala angewandt und empfohlen habe. Ausser den ganzen Eiern wurden auch dickere Schnitte von Celloidinpräparaten und ganz feine nach Paraffineinbettung' gewonnene verwandt. Das Schema enthält in der ersten Vertikalkolumne die An- sicht von vorn, in der zweiten die von der Seite, in der dritten die von oben oder die Polansicht.?) Die Horizontalreihen stellen die verschiedenen Vorkomm- nisse der Kernorientirung dar. In der ersten Reihe findet man das von Boveri be- obachtete Stadium mit horizontaler Axe der Ursoma- und ver- tikaler Axe der Stammzelle, sodass die Projektion der einen bei der Polansicht strich-, die der anderen punktförmig erscheint (3. Vertikalkolumne). In der zweiten Reihe haben beide Zellen horizontale Kern- axen, In der Polansicht decken sich somit die stückförmigen Projektionen der Axen (3. Vertikalkolumne). In der dritten Reihe ist eine Kernaxe horizontal, die andere sagittal, so dass ihre Projektion in derselben Ebene sich Kreuzt (3. Vertikalkolumne). Die Untersuchungen am Objekt ergeben nun, dass die von Boveri beschriebene Stellung der Axen nicht die Ausgangs- stellung ist, sondern dass die in der zweiten und dritten Horizontalreihe des Schemas dargestellten Lagen erst sekundär in die Boveri’sche übergeführt werden. Schliesslich seien noch einige Bemerkungen über die Art der Furchung bei Ascaris megalocephala, die sowohl bei A. m. univalens als bivalens angetroffen wird, hier angefügt. Die Furchung der meisten bekannten Eier verläuft in einer weit regelmässigeren und bestimmbaren Form, als die der ı) Das Schema der Seitenansicht in der dritten, horizontalen Zeile ist absichtlich so gehalten, dass in der unteren Zelle die in Wirklichkeit in dieser Lace zur Zellscheidewand parallele Kernaxe sich mit ihr schneidet. Dadurch soll angedeutet werden, wie dies auch bei der perspectivischen. Darstellung dreier sich rechtwinklig im Raume kreuzender Axen geschieht, dass die Kernaxe bei der Vorderansicht sich mit der Zellscheidewand der beiden Zellen kreuzt. Zwei Raumaxen können ja durch Drehung in der- selben Ebene zur Deckung gebracht ‘werden; während sie im Laufe der ganzen Drehung senkrecht zur Dritten bleiben. h Ueber Kern- und Zelltheilung, 679 Nematoden. Die zweite Furche steht gewöhnlich senkrecht zur ersten und die dritte wieder senkrecht zu diesen beiden, so dass auf zwei meridionale eine äquatoriale Furche folgt. Das Ei der Rhabditis (Ascaris, Septodera) nigrovenosa ist oval und die erste Theilung ist eine äquatoriale. Bei dieser Spezies rücken gewöhnlich von den beiden Polen her der Eikern und der Spermakern gegen die Mitte des Eies vor und lagern sich in querer Richtung abgeplattet, an- einander. Bevor die Kernhöhlen mit einander verschmelzen und ehe deutliche Polstrahlungen aufgetreten sind, drehen sich die an einander haftenden und nach den Polen zu spindelartig ver- dünnten Kerne so, dass ihre Haftfläche jetzt sich in die Längs- axe des Eies einstellt. Der Vorgang ist wegen der Form der Kerne deutlich zu verfolgen und er muss die Ursache sein, dass sich das Ei nicht in meridionaler, sondern in äquatorialer Richtung theilt. Schon Auerbach!) hatte die Drehung der beiden Kerne im Ei vor dem Auftreten der ersten Spindel beobachtet. Ich?) habe diesen Vorgang nicht allein bestätigt gefunden, sondern auch gelegentlich gesehen, dass die Kerne sich nicht drehen, so dass die erste Spindel quer im Ei und nicht in der Längsaxe gelegen ist. Bevor aber in solchen Fällen die Theilung erfolgte, drehte sich die ganze Spindel, so dass die Trennungsfläche der beiden ersten Furchungszellen doch eine quere war. Dasselbe hat H. E. Ziegler?) später von Diplogaster longicauda be- schrieben. Bei der zweiten Furchung stehen zwar zu Anfang die Kernspindelaxen senkrecht zur ersten Kernspindel und zu ein- ander parallel, aber es erfolgen für gewöhnlich sehr bald Drehungen der Zellen, so dass die Spindeln aus der Queraxe des Eies zu der sie parallel gelegen hatten, wieder in die Längsaxe übergehen, oder doch nur wenig von der Längsaxe abweichen, indem ihre parallel gestellten Spindeln nur leicht zur Längsaxe geneigt sind und demgemäss nur wenig von der Querrichtung abweichend, beinahe wieder wie das erste Mal quer getheilt werden. Es liegen am Ende der zweiten Theilung eine Tochter- !) Organologische Studien, III. Abschnitt. 1874, >) Sitz.-Ber. d. niederrhein. Ges. 1883. 3) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 65, 1805. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 60, 45 680 M. Nussbaum! zelle der nach der ersten Furchung am Richtungspol gelegenen Zelle am Richtungspol, die andere links im Ei. Die Theilstücke der bei den ersten Furchung am Befruchtungs- pol gelegenen Furchungskugel haben sich so gedreht und ver- schoben, dass eine Zelle rechts und die andere am Befruchtungs- pol liegt. Es kommen aber, wie Auerbach schon angegeben hat, auch Abweichungen vor, indem die beiden Axen der zweiten Theilung parallel bleiber, oder gar die Axe der einen Zelle senkrecht zu der der anderen Schwesterzelle steht. Im ersten alle resultirt eine Kreuzfigur indem zum zweiten Male getheilten Eie, im zweiten Falle liegen dagegen die Trennungsflächen des einen Paares genau in der Längsaxe und die des anderen Zellen- paares, das n Auerbach’s Figur zugleich am Befruchtungs- pol liegt, in der Queraxe des Eies. Können sich die Zellen aneinander verschieben, so werden die ursprünglichen Axen der Spindeln mit der ganzen Zelle ver- schoben. Geht die Bewegung der Zelle nicht von Statten, so bleibt entweder die Spindel liegen, oder sie versucht sich noch mit Erfolg in der Zelle selbst zu drehen. Nach der Angabe der Autoren Hallez!), zur Strassen’), Boveri°’) erfolgt die erste Theilung des Fies von Ascaris megalocephala der Quere nach, während die folgende in den beiden aus dieser Theilung hervorgehenden Zellen im ganz ver- schiedener Weise sich abspielt. ’ Verfolgen wir zuerst die Ursomazelle, so theilt sie sich senkrecht zur ersten Furchungsebene und ihre Tochterzellen senkrecht zur zweiten Theilungsebene, so dass diese beiden ge- kreuzten Ebenen senkrecht zur ersten Theilungsebene stehen. Die erste Stammzelle dagegen theilt sich nach den vor- liegenden Untersuchungen parallel zur ersten Furchungsebene und weicht dadurch von dem allgemeinen Furchungsschema ab. Auf die Theilung folgt eine Drehung der beiden Tochterzellen um 90 Grad, so dass sie mit ihrer Theilungsaxe parallel zu der der Ursomazellen zu liegen kommen. Die vier Zellen stellen alsdann ein unregelmässiges Viereck dar: die Trennungstlächen !) Citirt nach 2 und 3. 2) Archiv für Entwicklungsmechanik, III. Bd. 1896. ) Festschrift zu Ehren Kupffer’s, Ueber Kern- und Zelltheilung, 681 der Zellen würden, nur wenig schematisirt den Balken eines schräg liegenden Kreuzes ähneln. Während die Ursomazelle sich in der zweiten, d. h. an ihren Tochterzellen ablaufenden Theilung sich durchaus normal verhält, theilen sich die beiden Abkömmlinge der ersten Stammzelle bei der nächsten Furchung so, dass ihre Axen wieder- um senkrecht zu den Axen der gleichalten aus der Ursomazelle hervorgegangenen vier Zellen stehen. Da die Abkömmlinge der Stammzelle auch noch Schwenkungen vornehmen. so stehen schliesslich ihre Theilungsebenen senkrecht zu einander; beide aber kreuzen sich mit den Theilungsebenen der vier aus der Ursomazelle gebildeten Zellen. Beim Ei der Ascaris megalocephala folgt also nur die Ursoma- zelle dem allgemeinen Schema der Furchung, so dass jede folgende Theilungsebene senkrecht auf der vorhergehenden steht. Die Stammzelle bleibt bis zur dritten Furchung um 90 Grad zurück. Würde man die Drehungen der ganzen Zellen, wie sie nach der zweiten Theilung und ebenso nach der dritten Theilung erfolgen, rückgängig machen, so würde die Stammzelle mit ihren Derivaten sich noch zweimal parallel zur ersten Furchungsebene theilen. Es müssen also eigenartige und von den bei der äqualen und inäqualen Furchung gegebenen, abweichende Verhältnisse hier vorliegen. Vielleicht lässt sich an lebendem Material, das ich bis jetzt auf diesen Punkt zu untersuchen noch nicht Gelegenheit fand, er- kennen, was die Zellen veranlasst ihre Kerne aus der normalen in eine abnorme Lage zu drehen und den gemachten Umweg durch eine Drehung der ganzen Zelle wieder rückgängig zu machen. So nehmen die Zellen schliesslich eine Lage ein, die ohne die jedenfalls bestehenden Hindernisse weit einfacher hätte erreicht werden können. Vielleicht spielt das ungleich- mässige Tempo in der Theilung der Zellen hierbei eine Rolle. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI und XXX. Fig. 1. Ei von Rhabditis nigrovenosa mit zwei Furchungskugeln; der Kern der am Richtungspol gelegenen Zelle maulbeerförmig, der Kern der anderen Zelle regelmässiger begrenzt, wenn auch nicht rund. 70°/o Alkohol. Leitz hom. Imm. !/ıs, Oe. 2. 45 * Fig. 2. Fig. 3, Bis. 6 Fig. Fig. 8 Fig. 9 Fig Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19 M. Nussbaum: Eine Spermatogonie mit zwei wandständigen Follikelkernen. Der Kern der Spermatogonie maulbeerförmig mit grossen Kernkörperchen und feinem ungefärbtem Gerüst. Zwischen den Ausbuchtungen des Kernes liegt verdichtetes Protoplasma mit zwei feinen durch Eisen- hämatoxylin gefärbten Körnchen. Die gefärbten Bestandtheile schwarz gehalten. Sublimatessigsäurefixirung des Hodens von Rana fusca Anfang Juli. Vergr. Leitz hom. Imm. !/ıs, Oe. 2. 4 und 5. Spermatogonien von Rana fusca aus dem Monate Juli nach gleicher Behandlung wie die vorige aber mit fortschreitender Entwicklung feiner färbbarer in Strängen geordneter Kügelchen und gleichzeitiger bis zum Schwund gehenden Verkleinerung der Nucleolen. . Eine Spermatogonie in Mitose. Dasselbe Objekt. 7. Kern einer der beiden ersten Furchungszellen mit den Aussackungen, Ascaris megalocephala bivalens, Sublimatessigsäure Leitz homog. Immers, !/ıs Oc. 2. . Ei nach der ersten Theilung. Ruhende Kerne mit ungefärbtem in die Zeichnung nicht eingetragenem Gerüst und je zwei tief ge- färbten Kernkörperchen. Centrosomen und Sphären im Ei nicht nach- weisbar. Ascaris megalocephala univalens. Leitz homog. Immer- sion Y/ıs, Oc. 4. . Ei mit sechs Zellen, von denen jedoch zwei tief gelegene nicht dar- gestellt sind. Nach der Bezeichnung Boveri’s würden in dieser Zeichnung « und ? fehlen. In den Ektodermzellen a und b Diminution, ebenso in der Zelle EMSt. in der Stammzelle P» dagegen normale Mitose. Ascaris megalocephala bivalens.. Leitz homog. Immersion 1/16, Oe 4, . 10-15. Eier von Ascaris megalocephala in verschiedenen das Vier- zellenstadium einleitenden Vorbereitungen zur zweiten Furchung. In den Kernen sind die höher gelegenen Theile dunkler als- die tiefer gelegenen. Fig. 12 u. 15 gezeichnet bei Leitz homog. Immers. !/ıs Oc. 2, Fig. 10, 11 und 14 bei Leitz homog. Imm. */ıs, Oc. 4 und Fig. 13 bei Zeiss Apochromat 2 mm, Oec. 12, Die Ursomazelle ist in der Vorbereitung zur Mitose weiter vor- geschritten als die Stammzelle. Die Axen der Centrosomen liegen in beiden Zellen parallel — Ascaris megalocephala univalens. Leitz homog. Immers. !/ıs Oec. 4. Zweizelliges Stadium des Eies von Ascaris megalocephala univalens. Die Axen der Centrosomen liegen in den beiden Zellen gekreuzt, Es ist eine deutliche polare Anordnung der Chromosomen vorhanden; in der Ursomazelle wenden sich die Schleifenbiegungen dem links gelegenen Centrosom zu; in der Stammzelle dem oben gelegenen Centrosom. Theilweise Kreuzung der ÜCentrosomenaxen in den beiden ersten Furchungszellen mit deutlichem Polfeld der Kerne. . Parallelismus der Centrosomenaxen in den beiden ersten Furchungs- zellen. Die Stammzelle ist in der Vorbereitung zur Mitose der Fig. Fig. g. 19a. ‚20. . 23. . 28. 29. 0. ig. 31. Ueber Kern- und Zelltheilung. 683 Ursomazelle voraus. Die beiden Zellen sind so orientirt, dass die Stammzelle auf der Ursomazelle liegt. Fig. 17, 18 und 19 nach Präparaten von Asc. meg univ. bei Leitz homog. Immers. Oc. IV gezeichnet. Die Kerne der beiden Zellen des Eies aus Fig. 19 mit ihren Öentro- somen, um in dem Kern der Ursomazelle die vier isolirten Schleiten- sckenkel zu zeigen. Leitz homog. Immers. !/ıs, Oe. 2. Die erste Furchungsspindel aus dem Ei von Ascaris megalocephala univalens.. Die Chromosomen sind nach entgegengesetzten Seiten der Spindel im Aequator gelegen. Leitz homog. Immers. }; ıs, Oe. 4. . Längsspaltung der Chromosomen aus einer der beiden ersten Furchungszellen. Leitz homog. Immers. !/ıs, Oc. 4. ‚ Weiteres Vorrücken der gespaltenen Schleifen nach den Polen bei einer der beiden ersten Furchungszellen. Zeiss Apochromat 2 mm, Oe. 12 (Fig. 21 u 22. Ascaris meg. univ.). Ungefährer Parallelismus der Centrosomenaxen in den beiden ersten Furchungskugeln von Ascaris megalocephala univalens. Die Chromo- somen sind nach verschiedenen Richtungen orientirt, so dass das Polfeld in der oberen Ursomazelle nach rechts, in der Stammzelle nach links liegt. Leitz 7, Oc. 2. Lagerung der Chromosomen im Aequator der Spindel einer der ersten Furchungszellen. Ansicht vom Pole aus. ‚ Schema nach einem von Boveri beobachteten Falle. Schema nach einem von mir beobachteten Falle. Kreuzung der Spindeln in den beiden ersten Furchungszellen. Die Axen der Spindeln sind nicht mehr durch Drehung in derselben Ebene parallel zu machen, wie in Fig. 17. Die Polansicht der Spindel in der oberen Ursomazelle giebt ein von den anderen in Fig. 24—26 dargestellten wiederum verschiedenes Bild. Zweizelliges Stadium des Eies von Ascaris megalocephala univalen mit beinahe rechtwinklig gekreuzten Spindelaxen. Die Chromo- somen liegen in der unteren Stammzelle auf einer Seite. Leitz homog. Immers !/ıs, Oc. 4. Zweizelliges Stadium des Eies von Ascaris megalocephala bivalens. Die Spindelaxen sind beinahe recht winklig gekreuzt. Im Präparat steht die Axe der oberen Ursomazelle senkrecht, so dass eine reine Polansicht vorliegt, die der unteren Stammzelle, liegt dagegen schräg. Leitz homog. Immers, !/ıs, Oc. 4. Spindel aus einer der beiden ersten Furchungszellen von Ascaris megalocephala univalens. Die Chromosomen liegen noch wie in dem von einer Membran umschlossenen Kern polar zu einem, hier dem oberen Centrosom, gerichtet. Zeiss Apochr. !/ıe, Oc. 12. Der Diminutionsvorgang in der oberen Zelle, Ausbildung unver- änderter Chromosomen in der unteren Zelle. Ei von Ascaris megalo- cephala univalens. . In den beiden oberen Eetodermzellen glatt begrenzte Kerne, keine Uentrosomen sichtbar; in den unteren Zellen Kerne mit je vier 684 M Nussbaum: Ueber Kern- und Zelltheilung. Fortsätzen; in jeder dieser Zellen Centrosom mit Sphäre. Ase. megal. univ., vierzelliges Ei. Fig. 32a. Die rechtsgelegene Eetodermzelle bei stärkerer Vergrösserung, um die Tiefenausdehnung des Kernes zu zeigen. Die Contoure sind bei verschiedener Einstellung übereinander gezeichnet, der höchstgelegene dunkel, der tiefste matt. Fie. 33. Ascaris megalocephala univalens. Die Längsspaltung der Chromo- somen und ihre Wanderung nach den Polen, In der einen oberen Zelle sind die Centrosomen sichtbar, in der unteren nicht. Die in beiden Zellen an den Polen vorkandenen Sphären sind nicht ein- gezeichnet. Zweizelliges Ei. Zeiss Apochr. 2 mm, Oe. 12. Fig. 34. Projektion der Kernfiguren der beiden von oben gesehenen ersten Furehungszellen von Ascaris megalocephala univalens. Die Centro- somen der oberen Zelle liegen fast senkrecht zur Zeichenebene und erscheinen dick, die der unteren Zelle liegen in der Zeichenebene selbst und sehen punktförmig aus. Zeiss Apochr. 2 mm, Oec. 12. Fig. 35. Dreizelliges Stadium des Eies von Ascaris megalocephala bivalens. In den oberen Eetodermzellen Zeichen der Diminution, in der unteren Zelle eine Spindel, deren Polansicht in Fig. 35a bei stärkerer Ver- grösserung abgebildet ist. ‚ r war} De Pr r y . >= nu Zn) f lg L 6 j i ir > r Yo: BE £ ws | Er Se r i - j - ö . . ru i Aa 5 1-10 dl er 0% Dr IR Bi ° a TREE A ARTE on 1 a 5: ‘ ‚ 5 Dec Ei KERNE EAN] Tr rip Br: R RE ku mar LM i ER ET 9 FM A448 7 7) aD. Eee kur IL SELLY) Du BET " ; Een, Fiebii in Bi Ps “ » . “ j EP SKER J ITS ie} re ealge 4 Kine , }) a ME 4 5 er kaban ee Be - I . then . it f de j.} F yes 5 % N EI ru ie FREE 29... . NL s . ni a Val n « - j o 4 u? 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