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Hierzu Tafel IV. { Die sogenannte Querstreifung der Marskeltanet der klicke ern ihrer spiraligen anisotropen Durchwindung. Von Dr. Karl Münch, I. Assistent. (Aus dem pathologischen Institut zu Genf.) Hierzu Tafel IV, Fig. A. und B. und 20 Textfiguren . : Farasiten, meistens Helminthen, aus Siam. Von Dr. v. ine dr in Göttingen. Hierzu Tafel V. 22 Zur Frage über die Folgen der Unterbindung der Wurttlorkshtgn. Sr L. W.Ssobolew aus St. Petersburg. (Aus dem anatomisch-biolo- gischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel VI Über den Einfluss von Kochsalzlösungen auf die erste ee ne Tritoneies. Von W. Tonkoff, Petersburg. (Aus dem anatomisch- biologischen Institut zu Bere Hierzu Tafel VII. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. Von Dr. eff Poll, Assistent am Institut. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel VIII und 2 Textfiguren Über die Präputialdrüsen des Kaninchens und über Veränderungen der- selben in der Brunstzeit. Von DrıCourant, Frauenarzt in Breslau. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Hierzu Tafel IX und X. EEE FE Zur Frage über den meh Dotherkerne ee Balbiani) bei Wirbeltieren. Von Dr. K. v. Skrobansky, St. Petersburg. (Aus dem anatomischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XI..... Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. Von Dr. W.Rubaschkin. (Aus dem histologischen Laboratorium der K. militär-medizinischen Akademie in St. Petersburg. Prof. Dr. M. D. Lavdovsky }.) Hierzu Tafel XII und XIII 8 -Nevenendigungen in der Pleura des Menschen an a Sr astjere, A.S. Dogiel, ordentl. Professor der Histologie an der Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XIV... Experimenteller Beitrag zur Frage vom zentralen rs de Der cochlearis beim Spermophilus eitillus. Von Dozent Dr. K. Weigner, Assistent am anatomischen Institut der böhmischen Universität Prag. - Direktor Prof. Dr. Janosik. Hierzu 5 Textfiguren.. . TE Die Paraganglien. Von Privatdozent Dr. Alfred Kohn. (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universität in Prag. Vorstand: Prof. Dr. Sigm. Mayer.) Hierzu Tafel XV—XVIII und 9 Textfiguren Seite 41 [Sy (5) 108 122 138 194 207 251 263- N Beiträge zur Theorie der Fixation mit besonderer Berücksichtigung des Zellkerns und seiner Eiweisskörper. Von Dr. Walther Berg. (Aus dem anatomisch- en Institut der Universität Berlin.) Hierzu 3 Textfiguren i Umbildung des Cytoplasma ahbend Me tanzt rail Zee Nach den Untersuchungen am Rhynchelmis-Eie. Von F.Vejdovsky, Professor an der böhmischen Universität im Prag und A. Mräzek, Privatdozent daselbst. (Mit Unterstützung der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag.) Hierzu Tafel XIX bis XXIV und 11 Textfiguren N en. < Über die Blutzirkulation in der Milz. Von Prof. J. Janosik, Vorstand des anatomischen Institutes der k. k. Universität in Prag. Hierzu Tafel XXV. 5 Über die Fibrillengitter in geh Nur von ynade ira Kelnonk und ihre Beziehung zu den sogen. Neuronen. Von ©. W. Prentiss. (Aus dem physiologischen Institut zu Strassburg.) Hierzu TafelXXVI Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. Von Dr. K. v. Skro- bansky, St.Petersburg. (Aus dem anatomischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XXVII und XXVIII und 1 Textfigur K. v. Kupffer. Mit Porträt a una A Zur Kenntnis des Pericardialepithels. Von Dr. Alfred Sommer. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin) Hierzu Tafel XXIX Über die Verlagerung der Mündung er tan Pe ee den Menschen. Von Otomar Völker, Assistent am Institut für normale Anatomie des Prof. J. Jano Sik ‘ Über die Verwendung der Paraffineinbettung bei Marke Von Dr. George L. Streeter. (Aus dem na Institut der Universität Berlin.) . Studien über das Epithel gewisser Teile der Nierenkanae von hans exeulenta. Von Viktor Wigert und Hjalmar Ekberg, Assistenten am biologischen Institut zu Stockholm. Hierzu Tafel XXX Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum und des interstitiellen Ovarialgewebes. Von Dr. Franz Cohn, Volontärassistent der Kgl. Frauenklinik zu München. (Aus der entwicklungs - geschicht- lichen Abteilung des anatomischen Institutes der Universität Breslau.) Hierzu Tafel XXXI und 8 Textfiguren a Beiträge 'zur Kenntnis der Nebenniere der Knochenfische: Über Bau und Entwicklung der Stannius’schen Körperchen der Lophobranchier. Von Dr.D. V. Srdinko, Privatdozent und Assistent des histo- logisch -embryologischen Instituts der böhmischen Universität in Prag. (Aus dem anatomisch - biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XXXII und 2 Textfiguren Seite 367 431 580 592 607 669 18 127 134 740 745 773 Das Centralnervensystem der Oetaceen. I. Das Rückenmark von Phocaena communis Cuv. und das Cervicalmark von Balaenoptera rostrata Fabr. Von + Bernhard Rawitz, Berlin. Hierzu Tafel I—-II und 8 Textfiguren. Während meines Aufenthaltes in Bergen im Sommer 1899 konnte ich, wie dies bereits an anderer Stelle hervorgehoben wurde (9), von sechs erwachsenen Exemplaren von Phocaena com- munis Cuv. die Gehirne und Rückenmarke sammeln. Während meiner Beteiligung an einer Expedition nach der Bäreninsel (8) in dem gleichen Jahre hatte ich ein ganz frisches Gehirn von Balaenoptera rostrata Fabr. und ein Stück des Cervical- markes desselben Tieres (bis zum dritten Halswirbel) mir heraus- präparieren und konservieren können. Ich benutze daher die Gelegenheit, da ich die Resultate meiner Untersuchungen über das Rückenmark der Cetaceen veröffentliche, der königlich preus- sischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, welche mir die Mittel zu jener Reise bewilligte, dem Präsidium des deutschen Seefischerei-Vereins, welches meinen Anschluss an die Bäreninsel- Expedition genehmigt hatte, sowie den Herren Brunchorst, Grieg und Nordgaard in Bergen, durch deren liebenswürdiges Entgegenkommen mein Aufenthalt in Bergen ein erfolgreicher geworden war, meinen verbindlichsten Dank abzustatten. Zu nicht minderem Danke bin ich Herrn Geheimen Regierungs-Rat Prof. H. Munk verpflichtet, der mir die Mittel des physiologischen Institutes der hiesigen tierärztlichen Hochschule zur Ausführung der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungen bereit- willigst zur Verfügung gestellt hatte. Rückenmark und Gehirn der Cetaceen waren von mir seiner Zeit in 10°. Formollösung (4 °/o Formaldehyd) konserviert worden. Zur genaueren mikroskopischen Untersuchung habe ich ein Rücken- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 1 2 Bernhard Rawitz: mark von Phocaena nach Nachhärtung in gesättigter Kali- . bichromicum-Lösung in eine lückenlose Schnittserie von 7 bis 8000 Schnitte zerlegt. Nur auf diese Weise konnte ich einige wichtige, später zu schildernde Struktureigentümlichkeiten auf- finden. Von den übrigen Rückenmarken derselben Spezies wurden Kontrolpräparate mit verschiedenen Färbungen und Golgi- Präparate gemacht. Das Cervicalmark von Bal. rostrata wurde nur zur Anfertigung einer Schnittserie verwendet. Ueber die Hüllen des Rückenmarkes, über seine grob- anatomischen Beziehungen zum Wirbelkanale habe ich keine näheren Untersuchungen angestellt. Hierüber enthält die Cetaceen- literatur ausreichende Mitteilungen. Ueber den feineren Bau des Rückenmarkes besitzen wir nur eine einzige ausführlichere Arbeit von allerdings grundlegender Bedeutung, die von G. A. Guld- berg (2). Aus der Zeit vor Guldberg kommen nur einige Notizen von Rapp (7) und Owen (6) in Betracht. Rapp gibt an, dass nur die Üervicalanschwellung vorhanden sei, während die Lumbalanschwellung fehle. „Mit dem Mangel der hinteren Extremitäten fehlt auch die hintere Verdickung des Rücken- marks.“ (pag. 118). Seine Auslassungen über den Centralkanal sind mir nicht verständlich, zudem scheint es, als ob er hierbei nur fötale Zustände schildert. Owen gibt ebenfalls an, dass bei CGetaceen und auch bei Sirenen das Rückenmark nur die Cervicalanschwellung zeige, die nahe dem Gehirn gelegen sei. Das Rückenmark besitze einen Zentralkanal. Er nimmt 13 Dorsal- nerven an, während Rapp, dem ich mich hierin anschliesse, bei Phocaena nur 12 Brustwirbel und -nerven kennt. Aus der Zeit nach Guldberg ist einzig die Arbeit von Kükenthal und Ziehen (5) zu erwähnen. Leider verfügten diese Forscher nur über Teile des Cervicalmarkes von Hyperoodon rostratus und Beluga leucas, sodass sie nicht über die Angaben des norwegischen Forschers hinausgekommen sind. Der Arbeit Guldbergs hoffe ich bei der Darstellung der eigenen Untersuchungsergebnisse, zu der ich nunmehr verschreite, in vollem Maasse gerecht zu werden. a) Das Rückenmark von Phocaena communis Cuv. Als eine Eigentümlichkeit im Aufbau der grauen Substanz, welche durch die ganze Länge des Rückenmarkes zu beobachten Das Centralnervensystem der Cetaceen. 3 ist, fällt eine merkwürdige Tatsache auf, nämlich eine hochgradige Asymmetrie der beiden Seiten. Meistens ist die rechte Seite die stärkere, seltener die linke; vorwiegend ist die Asymmetrie in den ventralen, weniger intensiv in den dorsalen Säulen ausgeprägt. Erwähnt hat Guldberg diese Tatsache nicht, wohl aber hat er sie in Fig. 2 auf Taf. II seiner Arbeit deutlich gezeichnet. In dem von ihm abgebildeten Schnitte durch das Cervicalmark von Balaenoptera museulus ist die linke Seite stärker als die rechte. Es zeigt sich hierin die objektive Genauigkeit dieses Forschers im schönsten Lichte. Er sah die Asymmetrie und darum zeichnete er sie; er konnte aber mit der Beobachtung nichts anfangen, weil er nicht auch andere Rückenmarkspartien in den Kreis seiner Untersuchungen zu ziehen in der Lage war. Durch die von mir hier urgierte Tatsache der Asymmetrie zwischen der rechten und linken Seite der grauen Substanz werden übrigens die schönen Untersuchungen von Sars (10) über Asymmetrien bei Walen in einer ganz unerwarteten Richtung unterstützt. Die graue Substanz zeigt ferner, ganz allgemein ausgedrückt, eine sehr bedeutende Entwicklung der ventralen und eine starke Reduzierung oder zum mindesten eine nur geringe Ausbildung der dorsalen Säulen (Fig. a—g).*) Auch diese Differenz, welche Guldberg für das Cervicalmark der Mystacoceten, Kükenthal und Ziehen für Hyperoodon rostratus bereits hervorgehoben haben, ist durch die ganze Länge des Rückenmarkes bis an den Conus terminalis deutlich erkennbar. Guldberg sowie Küken- thal und Ziehen erwähnen die Differenz, erklären sie aber nicht. Sie ist offenbar darauf zurückzuführen, dass bei den Cetaceen, besonders wohl infolge der Entwicklung einer ge- waltigen Speckschicht in der Haut, die Sensibilität gegenüber der Motilität ganz minimal entwickelt ist. Des Ferneren kann ich die für Mystacoceten gemachte An- gabe von Guldberg bestätigen, dass im Rückenmark der er- wachsenen Phocaena der Centralkanal in der ganzen Ausdehnung *) Anm. Bereits Henle (3) sagt statt ventrale „Hörner“ ventrale „Säulen“. Edinger (1) hat diese Terminologie auf pag. 66 1. c. näher be- gründet. Ich acceptiere die Bezeichnungen. Dann muss man aber auch statt von Processus lateralis oder Seitenhorn von einer lateralen Säule reden, denn auch hier handelt es sich um eine durch die ganze Länge des Organes ziehende Säule. 1* a 4 Bernhard Rawitz: des Organes fehlt. Dadurch ist es unmöglich, eine ventrale graue von einer dorsalen grauen Kommissur zu unterscheiden. Auch eine mehr technische Angabe Guldbergs habe ich als zu- treffend gefunden. Sehr leicht nämlich brechen die Rückenmarks- schnitte trotz bester Konservierung in der Mitte durch oder reissen hier ein, weil das Organ infolge der zahlreichen Blut- gefässe in der grauen Kommissur etwas brüchig ist. Das Cervicalmark hat bei einer Gesamtlänge des Tieres von 127 em dicht hinter dem Foramen magnum einen transver- salen Durchmesser von 5'/; mm und einen dorsoventralen von 5 mm, während diese Maasse in der Mitte dieses Rückenmarks- abschnittes 6 und 5 mm betragen. Die ventralen Säulen weichen vorn 4!/. mm, in der Mitte des Abschnittes 31/s mm auseinander, sind sich hier also näher gerückt. Die dorsalen Säulen zeigen an beiden Stellen die gleiche Entfernung von einander, 2 mm, während die dorsoventrale Höhe der Kommissur (weisse und graue zusammengemessen) vorn t/2, in der Mitte 1 mm beträgt. Die graue Substanz des Cervicalmarkes, das bis zum siebenten Spinalnerven zu rechnen ist, bietet am Austritte des cd id er Fig. a. Fig. b. ersten Nerven ein anderes Aussehen dar wie an dem des siebenten. Der Uebergang zwischen beiden Bildern findet sich zwischen dem dritten und vierten Nerven. Der Unterschied wird dadurch her- vorgerufen, dass die ventralen Säulen in den hinteren Abschnitten. Das Centralnervensystem der ÜCetaceen. 5 des Cervicalmarkes weniger stark entwickelt erscheinen als in den vorderen Partien (Fig. a und b), wogegen die lateralen Säulen eine beträchtlichere Ausbildung im hinteren Abschnitte zeigen. Die dorsalen Säulen sind wiederum hinten schwächer als vorn. Die Gestalt der ventralen Säulen ist in den vordersten Partien des Cervicalmarkes die zweier von dorsal und innen nach ventral und aussen divergierender Gebilde, die auf dem Durch- schnitte keulenförmig sind und bei Anwendung sehr schwacher Vergrösserung abgerundet erscheinen. Ihr medialer Rand — ihren Anfang rechne ich stets von der medialen Kante der grauen Kommissur — ist glatt mit leicht konvexer medianer Biegung. In scharfem konvexem Bogen geht der Kontur ventralwärts und lateralwärts, sodass dadurch die abgerundete Figur der ventralen Säulen entsteht. Der äussere Kontur ist leicht konkav ein- gebuchtet, um, entsprechend der Mitte der grauen Kommissur, lateral konvex zu werden und so die lateralen Säulen herzu- stellen. In abgerundet rechtem Winkel biegt der Kontur dann medianwärts, indem er so zur dorsalen Grenze der lateralen Säulen wird. Die dorsalen Säulen sind sehr kurz und haben etwa konische Gestalt; ihr medialer Rand ist stärker konvex als ihr lateraler Rand (Fig. 1). Hinter dem dritten Halswirbel beginnt die Veränderung im Aussehen der grauen Substanz. Der dorsale Kontur der lateralen Säulen, die anfänglich nicht sehr mächtig sind, geht in scharfer Richtung medianwärts, während gleichzeitig der äussere Rand der ventralen Säulen sich vor den lateralen sehr stark konkav ein- biegt. Letztere werden daher leichter erkennbar. Hinter dem Austritte des fünften Nerven werden die ventralen Säulen kürzer, sind nicht mehr breit abgerundet, sondern scharf zugespitzt und führen so zu der Figur hin, welche der grauen Substanz des vorderen Dorsalmarkes entspricht. Wenn eben bei der Schilderung der Form der grauen Sub- stanz von ihrem runden Kontur gesprochen wurde, so darf dies nicht missverstanden werden. Der Kontur ist an den ventralen und lateralen Säulen keine glatte Linie. Nur die dorsalen Säulen zeigen auch bei stärkerer Vergrösserung auf dem Durchschnitte eine scharfe, linienartige Begrenzung, wogegen die beiden anderen grauen Säulen ausschliesslich bei Lupenvergrösserung dieses Aus- sehen haben. Bei etwas stärkerer Vergrösserung erkennt man 6 Bernhard Rawitz: dagegen, dass die Glia verschieden starke und an Zahl wechselnde Fortsätze in die weisse Substanz entsendet, die unter sich in mannigfacher Verbindung sind und ein bald deutliches bald weniger deutlich ausgeprägtes Netzwerk herstellen. Am meisten entwickelt ist dieses Netzwerk an den lateralen Säulen (Fig. 1, c. 1.), weniger stark am medialen Rande der ventralen Säulen. An der Wölbung der letzteren kommt es zu keiner Netzbildung und in dem Winkel zwischen lateralen und dorsalen Säulen fehlt überhaupt jede Gliastrahlung (Fig. 1). Ich habe niemals gesehen, dass diese Gliafortsätze mit den von der Pia in die weisse Substanz ge- sandten Fortsätzen sich vereint hätten. Die Kommissur erscheint im allgemeinen als von beiden Seiten komprimiert, denn sie weicht, wie Guldberg bereits zu- treffend hervorgehoben hat, von der Kommissur im Rückenmarke anderer Säugetiergruppen erheblich ab. Sie hat nicht die Form des Bindestriches im lateinischen Buchstaben H, sondern gleicht einem dorsal etwas eingebuchteten, ventral, besonders in ihrem grauen Teile, sehr scharf zugespitzten Keil. Die mächtige Ent- wicklung der lateralen Säulen mit ihren sehr weit medianwärts reichenden Ganglienzellen sowie der Mangel des Centralkanals sind wahrscheinlich die veranlassenden Momente für diese Ge- staltung. Wohl findet man manchmal Lumina in der grauen Kommissur da, wo sonst der Zentralkanal gelegen ist; doch handelt es sich hier stets um Durchschnitte von Venen, wie aus dem Vorkommen von Erythrocyten in diesen Lücken zu er- schliessen ist. Der Mangel des Centralkanals macht es auch, wie schon bemerkt, unmöglich, einen dorsalen Abschnitt von einem ventralen in der grauen Kommissur zu unterscheiden. Die keilförmige Zuspitzung wird durch die weisse Abteilung der Kommissur hervorgerufen. Diese, welche ich stets gut ausgeprägt gefunden habe, empfängt ihre Fasern von der Seite her; sie strömen ihr in ziemlich breiter Lage von den lateralen wie von den ventralen Säulen zu. Die Kreuzung, in der sich auch einzelne longitudinal verlaufende weisse Fasern finden, ist eine vollkommene. Durch die schräge Richtung, welche die weissen Fasern einhalten müssen, um zur Kommissur zu gelangen, ist naturgemäss der dorsale Rand der letzteren eingebuchtet; denn direkt von dorsal her kommen keine Fasern. In diese Einbuchtung, die stellenweise sehr scharf ist, legt sich die graue Kommissur ein (Fig. 1, co. @.). Das Centralnervensystem der ÜOetaceen. 7 Lateral wird die Grenze der grauen Kommissur durch zwei rechts und links von ihr gelegene Nervenbündel dargestellt, die longitudinal im Mark verlaufen und ventral bis fast an die weisse Kommissur reichen. Diese Bündel, welche aus weissen Nerven- fasern bestehen (Fig. 7, b.), zeigen zuweilen eine Zusammen- setzung aus zwei durch graue Substanz von einander getrennten Strängen. Die Bündel, in welchen auch arterielle und venöse Blutgefässe gelegentlich wahrzunehmen sind (Fig. 7, g.), haben ihre grösste Ausdehnung in dorsoventraler Richtung und sind meist schräg von dorsal aussen nach ventral innen gerichtet. Nach dem Austritte des ersten Cervicalnerven werden diese weissen Bündel etwas schmächtiger, um am Austritte des zweiten Nerven wieder umfänglicher zu erscheinen. Dasselbe Spiel wiederholt sich beim dritten Cervicalnerven, nach dessen Austritte sie bald verschwinden. Vom vierten Nerven ab kommen sie nicht mehr vor. Einen Uebergang dieser Bündel zu weissen Kommissurfasern habe ich ebensowenig finden können wie einen Zusammenhang mit den weissen Strängen oder mit den Fasern der dorsalen Wurzeln. Frappant 'gleichen diese Bündel den beim Dorsalmarke zu schildernden Clarke’schen Säulen und nur dadurch, aber in einem sehr wichtigen Punkte, unterscheiden sie sich von ihnen, dass sie keine Ganglienzellen enthalten. Ihr caudales zugespitztes Ende findet sich ziemlich früh ; wie weit sie kapitalwärts reichen, muss eine später vorzunehmende Untersuchung der Medulla ob- longata lehren. Die Ganglienzellen lassen folgende Gruppierung er- kennen: Man kann in den ventralen Säulen .drei, stellenweise scharf umschriebene, Hauptgruppen von Zellen unterscheiden : eine mediale (Fig. 1; 1), eine zentrale (Fig. 1; 2) und eine laterale (Fig. 1; 3), denen sich als vierte Gruppe eine Anzahl disseminierter Zellen anschliesst, welche, dorsal und medial von jenen gelegen, bis in die Nähe der grauen Kommissur zu verfolgen sind (Fig. 1; 4). An den Austrittsstellen der Nervenwurzeln sind diese Gruppen sehr stark entwickelt und die sie bildenden Zellen stehen sehr dicht, während sie in den dazwischen liegenden Partien meist nur durch wenige Zellen angedeutet sind. Die Einteilung in drei Gruppen wird durch die die graue Substanz passierenden stärkeren 3 Bernhard Rawıtz: Bündel der ventralen Wurzel herbeigeführt, während innerhalb der Gruppen nur vereinzelte Wurzelfasern vorkommen. Die Zellen, grosse polyklone Gebilde, reichen bis in die äussersten Spitzen der Gliastrahlung. Die Zellen der vierten Gruppe stehen immer weit auseinander; es sind grosse und kleine polyklone Ganglien- zellen, welche gewissermassen eine celluläre Verbindung zwischen ventralen und lateralen Säulen bewirken. Die von diesen Zellen entspringenden Neuriten ziehen zu den ventralen Wurzelfasern. In der Spitze der lateralen Säulen findet sich eine deutlich ab- gegrenzte Zellgruppe (Fig. 1; 5), deren Umfang in den ver- schiedenen Höhen des Cervicalmarkes ein wechselnder ist. Die Neuriten dieser Zellen gehen nicht selbständig zur Peripherie, d. h. durchsetzen nicht in gerader (transversaler) Richtung das Mark, sondern begeben sich im Bogen zu den Wurzelfasern, welche die vorhin erwähnte laterale Ganglienzellgruppe nach dorsal hin abgrenzen. Die Gruppe in den lateralen Säulen zeigt, wie eben gesagt wurde, einen wechselnden Umfang. Man trifft nämlich in manchen Schnitten sehr viel, in manchen sehr wenig, in manchen gar keine Ganglienzellen. Dabei steht diese Unregelmässigkeit in keiner Relation zur Ausbildung der Ganglienzellgruppen der ventralen Säulen. Denn es können die letzteren sehr zellreich sein, die ersteren nicht, oder umgekehrt; oder aber beide sind gleichzeitig sehr zellreich oder endlich beide gleichzeitig zellarm. Die dorsalen Säulen sind überaus zellarm. Die Zellen zeichnen sich durch ihre sehr geringe Grösse und durch ihre fast spindelige Gestalt aus. Eine Substantia gelatinosa Rolandi kommt, wie ich in Uebereinstimmung mit Guldberg angeben kann, im Cervical- marke nicht vor. Und auch im übrigen Rückenmarke ist keine Andeutung dieser Bildung vorhanden. Eine Lissauer’sche Rand- zone fehlt ebenfalls im ganzen Rückenmark. Was ich über die Nervenwurzeln, die weissen Stränge und an Detail der Ganglienzellen ermitteln konnte, soll für das ganze vückenmark gemeinsam später beschrieben werden. Das Dorsalmark, welches ich in Anlehnung an Rapp bis zum'zwölften Dorsalwirbel rechne, teile ich aus noch zu er- wähnenden Gründen in einen vorderen und einen hinteren Ab- schnitt ein. Der vordere Abschnitt begreift noch den Austritt des dritten Dorsalnerven in sich. Bis hierher — und dies ist der Das Centralnervensystem der Cetaceen. $) erste Grund für meine Einteilung — hat das Dorsalmark noch etwa den Umfang des Cervicalmarkes; von da ab wird es sehr viel schmächtiger (Fig. 2 und 3). Die Nervenwurzeln folgen anfänglich, d. h. bis zum Aus- tritte des dritten Nerven inklusive, ziemlich dicht auf einander, wenn auch nicht so dicht wie bei dem sehr kurzen Cervicalmarke, ‘um von da ab — und dies ist der zweite Grund meiner Ein- teilung — durch weite, nach dem Austritte des fünften Nervens 1—1!/g cm messende Abstände getrennt zu sein. Die Form der grauen Substanz des vorderen Dorsalmarkes ist im all- gemeinen folgendermassen zu schildern, wobei ich an der der tiefsten Stelle des ven- tralen Sulcus entsprechenden Partie der grauen Kommissur anfangen will (Fig. c). Hier nämlich geht von der in der Mittellinie keilförmig ge- stalteten Kommissur unter sehr spitzem Winkel der mediale Rand der ventralen Fig. c. Säulen ab. Dieser, bald leicht konkav (Fig. c), bald leicht konvex gebogen (Fig. 2), geht in ziemlich schräger Richtung nach ventral aussen und biegt mit scharfer Spitze dorsal um, wodurch er zum lateralen Rande wird. Letzterer zieht schräg nach aussen gerichtet dorsalwärts, um in der Höhe des dorsalen Randes der grauen Kommissur entweder spitz oder abgeschrägt medianwärts zu biegen, so die lateralen Säulen herstellend. Die dorsalen Säulen sind konisch gestaltet, an ihrem freien Ende zugespitzt, in der Mitte mehr oder minder beträchtlich spindel- föormig aufgetrieben und an ihrem Uebergange zur Kommissur entweder breit (Fig. 2) oder leicht eingeschnürt (Fig. c). Rechte und linke dorsale Säule konvergieren unter ziemlich spitzem Winkel. So ist eine Figur entstanden, die in keiner Weise mehr an die Figur erinnert, welche die graue Substanz im Rücken- marke anderer Säuger zeigt. Statt eines mehr oder minder deut- lichen lateinischen H hat man das Bild etwa eines verkrüppelten Grad: 10 Bernhard Rawitz: Schmetterlings, das durch die Asymmetrie von rechts und links noch verstärkt wird. Der Unterschied von der Figur der grauen Substanz im Cervicalmarke besteht darin, dass die ventralen Säulen hier nicht so stark entwickelt sind wie dort, die lateralen Säulen dagegen eine sehr viel stärkere Ausprägung zeigen. Der Kontur der grauen Substanz ist selbstverständlich keine gerade Linie, sondern wie im Cervicalmark unregelmässig gezackt. Er zeigt aber in einem Punkte eine so wesentliche Abweichung von dem Verhalten im Cervicalmark, dass darauf eingegangen werden muss. Wenige und nur kurze Fortsätze sendet die Glia am medialen Rande in die weisse Substanz, fast gar keine an der Spitze und dem ersten Drittel des lateralen Randes der ventralen Säulen. Vom zweiten Drittel ab sind die Fortsätze sehr stark ausgebildet und zeigen eine überaus mächtige Ent- wicklung besonders in dem Winkel zwischen lateralen und dor- salen Säulen (Fig. 2). Hier ist ein sehr weites Netzwerk von Gliasträngen vorhanden, sodass man direkt von gliösen Processus reticulares sprechen kann. Dadurch aber unterscheidet sich das vordere Dorsalmark auf das schärfste vom Cervicalmark, in welchem, wie gezeigt wurde, im Winkel zwischen lateralen und dorsalen Säulen jede Gliastrahlung fehlt. Der mediale Rand der dorsalen Säulen ist glatt (Fig. 2; c. d). Des Ferneren ist als ein wesentlicher Unterschied gegen das Cervicalmark hervorzuheben, dass die Ursprungsfasern der ventralen Wurzeln in der grauen Substanz oft zu groben Bündeln gruppiert sind (Fig. 2f) und stellenweise so massig auftreten, daß die graue Substanz dadurch hell, wie rarefiziert erscheinen kann. Die Kommissur zeigt folgendes Verhalten: Ihre Höhe ist beträchtlicher als im Cervicalmark; bei einem dorso-ventralen Durchmesser des vorderen Dorsalmarkes von 5 mm gehören 2 mm der Kommissur. Die weisse Kommissur (Fig. 2, co.a.) ist sehr wenig ausgedehnt, misst kaum den vierten Teil der Gesamt- kommissur. Ihre Gestalt ist die gleiche wie im Cervicalmark: die Fasern kreuzen sich unter sehr spitzem Winkel, wodurch eben dargethan wird, dass die gesamte Kommissur seitlich kom- primiert ist. In der grauen Kommissur oder vielmehr in der grauen Substanz des vorderen Dorsalmarkes fehlen jene eircum- scripten Bündel longitudinal verlaufender weisser Nervenfasern, die wir im Halsmarke kennen gelernt haben. Und es fehlen in ihr Das Centralnervensystem der Cetaceen. 11 auch — und das ist der dritte Grund für meine Einteilung des Dorsalmarkes — die im hinteren Dorsalmark auftretenden Clarke’schen Säulen. Daher ist auch die seitliche Grenze der grauen Kommissur nicht anzugeben. Die Ganglienzellen dieses Rückenmarkteiles sind ziemlich spärlich gesät und eine Gruppeneinteilung wie im Cervicalmark kann für die ventralen Säulen hier nicht vorgenommen werden. Wohl scheint es stellenweise, als ob auch im vorderen Dorsal- mark vier Gruppen vorhanden seien. Indessen findet sieh diese Andeutung einer Einteilung nur dort, wo die ventralen Wurzel- fasern zu massigeren Strängen innerhalb der grauen Substanz zusammengefasst sind (Fig. 2f.). Auch ist sie nur eine sekundäre Erscheinung, denn in den Präparaten, in welchen derartige Fasern nicht vorkommen, fehlen auch die Ganglienzellgruppen, während sie im Cervicalmark allenthalben zu finden sind. Man kann die motorischen Zellen bis zur grauen Kommissur beobachten ; immer aber erscheinen sie disseminiert. In manchen Schnitten sind sie überaus spärlich; man trifft drei, ja manchmal gar nur zwei Zellen in den ventralen Säulen an. Die Zellen der lateralen Säulen, in welch letzteren ebenfalls häufig massigere Wurzelfaser- bündel vorkommen (Fig. 2c.1.), bilden noch am ehesten eine distinkte Gruppe, was sich ohne weiteres aus der Gestalt der Säule von selber ergibt. Aber auch hier sind die Zellen sehr viel spärlicher, als in der gleichen Partie des Cervicalmarkes, ja sie können oft in mehreren aufeinanderfolgenden Schnitten ganz fehlen. In den dorsalen Säulen, welche gelegentlich ebenfalls massigere Wurzelfaserbündel enthalten (Fig. 2c.d.), kommen nur wenige Zellen vor. Man muss sich hierbei hüten, die sehr zahl- reichen Gliakerne für Ganglienzellkerne zu halten. Das hintere Dorsalmark, welches hinter dem Austritte des dritten Dorsalnerven beginnt und bis zum Austritte des zwölften inklusive reicht, zeigt eine wechselnde Gestalt der grauen Substanz. Sie ändert sich häufig mit einem Nervenaustritte und nimmt von vorn nach hinten an Umfang allmählich ab, gleicht aber immer einem verkrüppelten Schmetterlinge. Bis zum fünften Dorsalnerven ist die Gestalt der grauen Substanz, nebensächliche Einzelheiten abgerechnet, der des vorderen Dorsalmarkes sehr ähnlich, nur dass die ventralen Säulen schärfer zugespitzt er- scheinen. Vom sechsten Nerven ab erscheint sie nicht unwesentlich 12 Bernhard Rawitz: verändert. Was zunächst die Grössenverhältnisse anlangt, so ist darüber Folgendes zu sagen: Im Gebiete des vierten und fünften Nerven beträgt der transversale Durchmesser des Rücken- markes 5/», der dorsoventrale 4'/; mm. Die Spitzen der ventralen Säulen stehen 3 mm auseinander, an der Spitze der lateralen Säulen ist die graue Substanz 3» mm breit, weisse und graue Kommissur zusammen haben eine Höhe von 1'/; mm. Im Ge- biete des sechsten Nerven misst das Rückenmark in transversaler wie in dorsoventraler Richtung 4'/s mm, hat also keinen ovalen Querschnitt mehr, sondern einen kreisförmigen. Die Spitzen der ventralen Säulen stehen 2'/; mm auseinander, an den Spitzen der dorsalen Säulen misst die graue Substanz ebenfalls 2; mm, die Kommissur hat eine Höhe von 1 mm. Der Umfang der grauen Substanz ist also im Ganzen geringer geworden. Die ventralen Säulen sind sehr spitz ausgezogen ; ihr medialer Kontur, an dem nur sehr wenige in die weisse Substanz strebende Glia- fortsätze vorhanden sind, ist zum Teil konkav, zum Teil konvex. Der laterale Rand, an dem sehr viel Gliafortsätze vorkommen, ist leicht konvex nach aussen gebogen und geht in die wenig prominenten lateralen Säulen über. Durch die Konvexität ist die graue Substanz ungefähr in der Mitte der Kommissur um eine Spur breiter als an den Spitzen der ventralen und lateralen Säulen. In kurzem, schräg median gerichtetem Bogen geht der Kontur von der Spitze der lateralen Säulen zu den dorsalen Säulen, welche keilförmig erscheinen mit einer geringen An- schwellung in ihrer Mitte. Die dorsalen Säulen, deren innerer Rand ganz glatt ist, konvergieren unter spitzem Winkel. Manch- mal erscheint der laterale Kontur der ventralen Säulen als gerade, nicht als konvexe Linie; zuweilen springen auch die lateralen Säulen schärfer vor. Im Gebiete des siebenten Dorsalneryven — ich rechne ein solches Nervengebiet stets von der Stelle unmittelbar hinter dem Austritte des vorhergehenden bis zum Austritte der letzten Wurzelfaser des betreffenden Nerven — ist wiederum eine wenn auch nur geringe Grössenabnahme der gesamten grauen Substanz zu konstatieren. Die freien Enden der ventralen Säulen sind hier breit abgestumpft, wenigstens auf einer Seite (Fig. d.); der Kontur stellt eine schräg nach aussen abfallende Linie dar. Der mediale Kontur ist, abgesehen von den sehr wenig ausgebildeten Glia- Das Centralnervensystem der Cetaceen. . 13 fortsätzen, eine fast gerade Linie. Der laterale Rand, durch starke Gliaausstrahlungen sehr zackig, geht in die bald spitz, bald abgerundet erscheinenden lateralen Säulen über (Fig. d.), die im Bogen oder in scharfem Winkel in die keulenförmigen dorsalen Säulen sich fortsetzen. e.d. Im Gebiete des achten Nerven ist keine wesentliche Veränderung zu bemerken, in dem des neunten hat da- gegen wiederum eine Ver- kleinerung des Gesamtquer- schnittes der grauen Substanz stattgefunden. Denn die ventralen Säulen stehen nur noch 2 mm auseinander, die Breite der grauen Substanz an der Spitze der lateralen Säulen beträgt 1°/a mm, die Höhe der Kommissur ?/ı mm. Fig. d. Und auch der Umfang des Rückenmarkes ist beträchtlich geringer geworden. Die graue Substanz hat etwas Verschwommenes, da die Konturen sich nicht so scharf ausprägen wie früher. Im Gebiete des zehnten bis zwölften Nerven sind die Ver- hältnisse nahezu unverändert die gleichen wie in dem des neunten. Wenn ich nach dieser groben Skizze nunmehr in die Einzel- heiten eingehe, so will ich mit der Beschreibung derjenigen Ge- bilde beginnen, durch deren Anwesenheit das hintere vom vorderen Dorsalmark sich hauptsächlich unterscheidet, nämlich mit den Clarke’schen Säulen (Fig. 3C., Fig. 8C., Fig. 9C.). In der Nachbarschaft des dorsalen Randes der Kommissur treten in der grauen Substanz zwei Bündel weisser Nervenfasern auf, die in der longitudinalen Axe des Organs verlaufen, also im Querschnitt durch dasselbe quer getroffen sind. Im Gebiete des vierten Nerven sind diese Faserbündel von ungleicher Grösse (Fig. 3C.); das im mikroskopischen Bilde linke ist kleiner als das rechte. Die Bündel, welche die lateralen Grenzen der grauen Kommissur darstellen, erscheinen stellenweise durch stärkere Gliazüge in zwei ungleiche Abschnitte zerlegt. Gegen das Ende dieses 14 Bernhard Rawitz: Nervengebietes hin werden sie dünner, um schliesslich am fünften Nerven bis auf wenige schwer erkennbare weisse Fasern zu schwinden. Die Bündel bestehen aus zahlreichen mittelfeinen und feinsten weissen Fasern (Fig. 8C.) und werden durch kreisförmige Gliastränge, die fast wie eine differenzierte Hülle aussehen, von ihrer Umgebung scharf gesondert. Das Kaliber ihrer Fasern unterscheidet diese Bündel (Fig. 8) sehr scharf von ähnlichen Bündeln im Cervicalmark (Fig. 7 b.), welch’ letztere bekanntlich keine Ganglienzellen enthalten. Innerhalb dieser Bündel von weissen Nervenfasern sind Ganglienzellen gelegen, die in den verschiedenen Höhen in verschiedener Zahl (2 bis 3) zu treffen sind. Auch in der Peripherie der Bündel, und zwar in der Hülle, sind Ganglienzellen gelegen, deren Anzahl zwischen 4 und 5 schwankt (Fig. 8C.). Diese wie die intrafaseiculären Zellen sind kleine, oft spindelförmige multipolare Ganglienzellen. Ich halte diese longitudinal verlaufenden Faserbündel für die Clarke’schen Säulen des Cetaceenrückenmarkes; dafür spricht ihre Lage, dafür sprechen die ihnen eigentümlichen Ganglienzellen. Im Bereiche des fünften Dorsalnerven treten die Säulen nicht als scharf ge- sonderte Gebilde hervor, sondern man findet an ihrer statt nur wenige longitudinal verlaufende weisse Fasern. Dies ist an und für sich nicht sehr auffällig, da die ganze graue Substanz der dorsalen Säulen von sehr zahlreichen, feinsten weissen Fasern durchsetzt ist. Man muss schon eine kurze Strecke in das Gebiet des sechsten Dorsalnerven eingetreten sein, ehe man von neuem auf Clarke’sche Säulen trifft. Anfänglich sind sie nur durch sehr wenige Nervenfasern gekennzeichnet, sodass man einige Mühe auf- wenden muss, um sie zu sehen. Sind sie voll entwickelt, so zeigt sich, dass nicht die ganze Masse der scharf abgegrenzten Säule von Nervenfasern und Ganglienzellen eingenommen wird, sondern dass sich in ziemlich beträchtlicher Menge Gliagewebe zwischen die Fasern eingeschoben hat (Fig. 9C.), und dass ferner eine kleine Vene exzentrisch in der Säule verläuft (Fig. 9, gı). Dass es sich hier wirklich um die Clarke’schen Säulen handelt, wird durch die Anwesenheit von kleinen Ganglienzellen in der Peripherie des Bündels und in ihm selber dargethan. An dieser Stelle zeigt sich auch eine eigenartige Beziehung der Clarke’schen Säule zur dorsalen Wurzel (Fig. 9C. und r.d.). Es scheint nämlich, Das Centralnervensystem der Cetaceen. 15 als ob Faserbündel der dorsalen Wurzel direkt in die Clarke’sche Säule sich begeben und hier in eine andere Richtung, in die longitudinale, einbögen, sodass die Säulenfasern nur eine be- sondere Gruppe von Wurzelfasern wären. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass ein exakter Nachweis dieses Zusammen- hanges nicht zu erbringen ist. Ich sah immer nur in der Weise, wie sie in Fig. 9 abgebildet ist, die Wurzelfasern an die Säule herantreten und erschloss den Zusammenhang beider, weil nach wenigen Schnitten die Wurzelfasern verschwanden. — Sehr be- merkenswert ist die Thatsache, dass die in der ganzen grauen Substanz vorhandene Asymmetrie zwischen rechts und links auch auf die Clarke’schen Säulen sich erstreckt. Manchmal ist die im mikroskopischen Bilde links gelegene Säule schwächer als die rechte (Fig. 3C.), meist ist gerade umgekehrt die rechte Säule die weniger starke (Fig. SC.). Durch das Auftreten dieser Ge- bilde wird, wie schon früher bemerkt wurde, die laterale Grenze der grauen Kommissur angedeutet. Daher ist es von Interesse, zu bemerken, dass manchmal der Verlauf der Clarke ’schen Säulen kein geradliniger ist, sondern dass sie sich gegen die Medianebene hin verbiegen. Namentlich das im mikroskopischen Bilde linke Bündel reicht an manchen Stellen nicht unbeträchtlich über die Mittellinie nach rechts, sodass die graue Kommissur extramedian verschoben ist. Aber auch in der dorso-ventralen Ebene sind sie wellig gebogen. Das eine Mal erscheinen sie dem dorsalen Rande der grauen Substanz genähert, ein anderes Mal sind sie mehr ventral gerückt. Ferner treten die beiden Säulen nicht gleichzeitig im Bilde auf, sondern die linke meist früher als die rechte. Hierbei handelt es sich nicht um Erscheinungen. die auf eine schräge Richtung der Schnitte zurückzuführen sind — meine Präparate treffen genau die Transversalebene des Organs — sondern um den Ausdruck der bereits wiederholt er- wähnten Asymmetrie im Aufbau des ganzen Organes. Innerhalb des Gebietes des sechsten Nerven stellen ferner die Clarke’schen Säulen keine gleichmässig breiten, also dreh- runden Gebilde dar. Sie zeigen vielmehr einen sowohl in der transversalen als auch in der dorsoventralen Axe durchaus schwankenden Durchmesser. Bald sind sie ungemein deutlich ausgeprägt, wie es die Figuren 3, 8 und 9 in C. zeigen, bald sind sie so schmal, dass man nur bei grosser Aufmerksamkeit 16 Bernhard Rawitz: ihre Existenz erkennen kann. Sie sind dann auf wenige Nerven- fasern reduziert, um nach einer mehr oder minder langen Strecke wieder deutlich zu werden und den früheren Umfang zu erreichen. Und auch hierbei zeigt sich die Asymmetrie, als oft genug rechts fast gar nichts von der Säule zu sehen ist, während sie links ihre volle Entwicklung besitzt, und umgekehrt. Kombiniert man die Schnittbilder, um eine körperliche Vorstellung der Clarke- schen Säulen zu gewinnen, so ergibt sich, dass diese keine gleich- mässig konturierten Stränge sein können, sondern infolge ihres bald grösseren, bald geringeren Umfanges eine perlschnurartige (xestalt haben müssen. Ein gewissermaassen pikantes Interesse gewähren die Gang- lienzellen, welche in der Peripherie der Säulen gelegen sind. Meist sind sie, wie dies auch die Figuren 3, 8 und 9 lehren, in dem Gliazuge anzutreffen, welcher mantelförmig jede Säule um- hüllt. Zuweilen aber sind sie etwas weiter davon abgerückt und liegen dann in oder auf der grauen Kommissur. So selten dies auch der Fall ist, immer gewährt es einen ganz eigenartigen Eindruck, in der grauen Kommissur des Rückenmarkes eine oder mehrere Ganglienzellen zu finden. Auch in den Gebieten des siebenten und achten Nerven sind die eben geschilderten wechselvollen Verhältnisse an den Clarke’schen Säulen zu beobachten. Und auch hier lässt sich die Schlussfolgerung nicht umgehen, dass Fasern der dorsalen Wurzeln zu Fasern der Clarke’schen Säulen werden. Aller- dings bleibe es dahingestellt, ob diese Schlussfolgerung richtig ist; einen exakten Nachweis dafür kann ich, wie schon einmal bemerkt wurde, nicht erbringen. Nur der allerdings sehr wich- tige Unterschied besteht gegen die vorige Schilderung, dass der Uebergang von Wurzelfasern in Säulenfasern erst dann deutlich erscheint, wenn die Säule nur schwach entwickelt ist. Bilder, wie Fig. 9, trifitt man in dieser Partie nicht an. Als spezieller Unterschied gegen das im Gebiete des sechsten Nerven Beobachtete sei hervorgehoben, dass die im mikroskopischen Bilde linke Säule stets mehr ventral gelegen ist als die rechte. Häufiger als früher trifft man hier Ganglienzellen, die zu den Clarke’schen Säulen gehören, in der grauen Kommissur an. Stärker als bisher ist die stellenweise Verdünnung der Säule, sodass man geneigt ist, eine Diskontinuität bei ihnen anzunehmen. Das Centralnervensystem der Cetaceen. 17 Vom neunten bis in das Gebiet des zehnten Nerven sind die. Clarke’schen Säulen nicht mehr deutlich als scharf um- schriebene Gebilde zu erkennen. Auch die Zellen, die für sie eigentümlich sind, treten nur in ganz geringer Zahl auf. Trotz- dem sind in der hier wie allenthalben sehr gefässreichen grauen Kommissur in grosser Zahl multipolare Ganglienzellen zu finden, die also nichts mit den Zellen der Clarke’schen Säulen zu thun haben. Sie liegen in der Medianlinie, bilden bald ein deut- liches Nest, bald erscheinen sie mehr disseminiert und sind klein, meist spindelig von Gestalt. Es scheint sich um Zellen zu handeln, die an anderen Stellen in dem Winkel zwischen lateralen und dorsalen Säulen gelegen sind, von denen sie sich allerdings durch ihre geringere Grösse unterscheiden. Diese kommissuralen Zellen werden an einer einzigen, nicht sehr ausgedehnten Stelle im Gebiete des zehnten Nerven durch ein unpaares, longitudinal verlaufendes Nervenfaserbündel abgelöst, das genau in der Mitte des Rückenmarksquerschnittes gelegen ist, zahlreiche Ganglien- zellen einschliesst und typisch einer Clarke’schen Säule gleicht. Von dieser Stelle ab bis zum Ende des zwölften Nerven, also bis zum Ende des Dorsalmarkes, fehlen die Clarke’schen Säulen völlig, wogegen die kommissuralen Zellen nach wie vor anzutreffen sind. Ausser den Clarke’schen Säulen kommen in der grauen Substanz des hinteren Dorsalmarkes Nervenbündel eigener Art vor, die in den ventralen Säulen gelegen sind. Kurz vor dem Austritte der Wurzeln des vierten Nerven erscheinen in den ventralen Säulen, deren Spitzen genähert, fast kreisrund begrenzte Gebilde, welche einige multipolare (motorische) Ganglienzellen und Bündel von weissen Fasern enthalten (Fig. 10b.). Zuerst spitz anfangend, erreichen diese Bündel — je eines in einer ventralen Säule — sehr bald einen beträchtlichen Umfang. Ihre im Rückenmarksquerschnitte kreisrunde Begrenzung wird zum Teil durch eine besondere Anordnung der Gliafasern und zum Teil durch konzentrisch sich anlagernde Wurzelfasern (Fig.10 r. v.) hervorgerufen. Die Zahl der Ganglienzellen in diesen Gebilden schwankt zwischen 2 bis 7 (im Schnitte), die Nervenfasern stellen kein kompaktes Bündel dar, sondern sind durch sehr beträchtliche Gliamengen in kleinere Gruppen zerlegt (Fig. 10h... Man findet in dem Querschnitte eines solchen Gebildes auch SORERSEILOIENE Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 15 Bernhard Rawitz: Fasern (Fig. 10f.), welche deutlich mit ventralen Wurzelfasern in Verbindung stehen. Sehr bald, nach wenigen Schnitten, schwindet dieses Gebilde wieder. Wohl sind noch zahlreiche weisse Fasern in der betreffenden Gegend vorhanden, aber als ceircumscripte Gruppen erscheinen sie nicht. Im Gebiete des fünften Nerven ist nichts dergleichen zu sehen. Im Gebiete des sechsten Nerven tritt gleich im Anfange ein ähnliches Gebilde wie das vorhin beschriebene auf. Es unter- scheidet sich von jenem dadurch, dass es eine weniger scharfe Abgrenzung gegen die Umgebung, einen geringeren Umfang und sehr viel weniger Ganglienzellen hat. Der Zusammenhang der Fasern des Gebildes mit ventralen Wurzelfasern ist nicht zu ver- kennen. Nur eine ganz kurze Strecke weit ist dies Gebilde zu verfolgen, das an Umfang sehr schnell abnimmt und schliesslich völlig verschwindet. Ausschliesslich an den beiden erwähnten Stellen des hinteren Dorsalmarkes findet sich in den ventralen Säulen eine Bildung, die zwanglos als eine sehr eigenartige, sehr kurze centrale, d.h. in der grauen Substanz gelegene Wurzelbahn betrachtet werden kann. Eine Verwechslung mit den Clarke’schen Säulen ist unmöglich, ebensowenig können zum Vergleiche die Nervenbündel herangezogen werden, welche im Cervicalmark zu beobachten waren und in Fig. 7 bei b abgebildet sind. Denn letztere, wie die Clarke’schen Säulen, gehören dem Gebiete der grauen Kommissur an, diese haben zu den ventralen Wurzeln innige Beziehungen. Welche Bedeutung diesen merkwürdigen Bahnen zuzuerkennen ist, darüber kann natürlich die blosse mikros- kopische Analyse des Rückenmarkes keinen Aufschluss geben. Im Gebiete des zehnten Nerven treten von neuem Bildungen auf, die mit den bisher beschriebenen Aehnlichkeit aufweisen, aber von ibacn sich dadurch unterscheiden, dass sie den lateralen Säulen angehören. Die erste derartige Bildung präsentiert sich als ein anfänglich kleiner, dann schnell an Umfang zunehmender Ganglienzellhaufen. Durch eine kreisförmige Anordnung der Gliafasern ist dieser Haufen von der Umgebung scharf abgesetzt. Ausser Ganglienzellen kommen zahlreiche, aber zerstreut stehende weisse Nervenfasern in ihm vor, die direkt zu ventralen Wurzel- fasern zu werden scheinen. Nach einigen Schnitten ist dieses Gebilde, das nur rechts gut ausgeprägt, links dagegen bloss an- Das Centralnervensystem der ÜCetaceen. 19 gedeutet ist, völlig verschwunden. Eine ähnliche Bildung ist kurz vor dem Austritte des elften Nerven zu bemerken, in welcher die Ganglienzellen weniger reichlich, dagegen die Nerven- fasern sehr zahlreich vorhanden sind. Auch hier ist eine Asymmetrie vorhanden, aber dieses Mal zu gunsten der linken Seite. Die Verbindung mit ventralen Wurzelfasern, d. h. mit solchen Nerven, welche direkt ventral, nicht seitlich, zur motori- schen Wurzel ziehen, ist offenkundig. Nach wenigen Schnitten sind diese Bildungen verschwunden. Bis zum Ende des Dorsal- markes sind nur noch zwei gleiche Zell- und Fasernetze in den lateralen Säulen zu treffen, die gleichfalls mit den ventralen Wurzeln in Verbindung stehen. . Dem etwaigen Einwande möchte ich begegnen, dass die zuletzt erwähnten kurzen Bahnen in den lateralen und die vorhin beschriebenen in den ventralen Säulen Artefakte wären. Der Erhaltungszustand des frischen Materiales, das ich Konservieren konnte, war ein ganz vorzüglicher, namentlich der des Rücken- markes, das ich für die grosse Serie verwendet habe. Die Heraus- nahme des Örganes geschah in der schonendsten Weise, die Nachhärtung und weitere Behandlung schloss ebenfalls jede Arte- faktbildung aus. Haben wir also in den beschriebenen zwergen- haften Bahnen präformierte Bildungen des Rückenmarkes zu er- kennen, so bleibt doch deren Bedeutung völlig im Dunklen. Die bisherige Schilderung, welche sich wesentlich mit den Clarke’schen Säulen befasste, hat zugleich alles die graue Kommissur Betreffende erledigt. Daher sei jetzt gleich das Wenige angefügt, was über die weisse Kommissur zu sagen ist. Sie ist ziemlich schmal und erscheint ventral spitz aus- gezogen (Fig. 3, co. a.), während sie dorsal, zur Aufnahme der grauen Kommissur, winkelig eingeknickt ist. Die weissen Fasern, welche sie bilden, kommen teils von lateral her aus den ventralen Säulen, teils von dorsal her aus den lateralen Säulen. Die Kreuzung ist eine vollkommene; zwischen den sich kreuzenden Fasern findet man auch longitudinal verlaufende, also im Rückenmarksquerschnitte quer getroffene Nerven in allerdings geringer Zahl. Ueber die graue Substanz im allgemeinen ist zu be- merken, dass besonders reichlich an der Kante der lateralen Säulen die Gliastrahlungen in die weissen Stränge entwickelt 2* 20 Bernhard Rawitz: sind (Fig. 3, c.1.), die hier ebenso wenig wie an den bisher be- schriebenen Rückenmarkspartien mit pialen Fortsätzen sich ver- einigen. In dem Winkel zwischen lateralen und dorsalen Säulen kommt keine Gliastrahlung vor. Teile der grauen Substanz, und zwar die äussersten Enden der ventralen Säulen, erscheinen häufig wie abgesprengt. Kleinere Faserbündel der ventralen Stränge dringen nämlich so tief in die graue Substanz ein, dass sie dadurch Stücke derselben von dem Zusammenhange mit der Säule lösen. Vom neunten Nerven ab sieht in den gefärbten Schnitten die graue Substanz sehr hell aus. Es rührt dies daher, dass in den ventralen und lateralen Säulen sehr viel mehr weisse Fasern verlaufen als früher. Nicht bloss die in grosser Menge meist in dorsoventraler Richtung durch die graue Substanz ziehenden ventralen Wurzelfasern (Fig. 3f.) sind hiefür verantwortlich zu machen, sondern auch eine Unsumme von Nervenfasern, deren Verlaufsrichtung eine longitudinale ist und die daher im Rücken- marksquerschnitte quer getroffen sind. Sie sind es in erster Linie, welche die hellere Färbung der grauen Substanz bedingen und sie treten, abgesehen von den vorher beschriebenen Bündeln, wenn auch disseminiert, doch so massenhaft auf, dass man fast den Eindruck gewinnt, als ob ein Teil der weissen Stränge durch die graue Substanz zöge. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient die gerade in diesem Abschnitte überaus starke Asymmetrie beider Hälften der grauen Substanz. Sie äussert sich fast allenthalben in der Weise, dass die rechte Hälfte — sie erscheint im mikroskopischen Bilde natürlich links — hinsichtlich der ventralen wie der lateralen Säulen stärker entwickelt ist als die linke (Fig. d.). Nur selten zeigt sich ein entgegengesetztes Verhalten. Die linken ventralen Säulen sind meist schmal und: spitz, seltener schmal und abgeschrägt, die rechten legen sich gewöhnlich breit aus, haben oft eine hervorragende Spitze oder enden breit. Die lateralen Säulen sind links kürzer und weniger scharf ausgeprägt als rechts (in Fig. d. erscheint dies Verhältnis naturgemäss um- gekehrt). Die stärkere Entwicklung geht aber nicht einher mit einem grösseren Reichtum der betreffenden Seite an Ganglien- zellen, sondern wird lediglich durch die Glia bedingt. Das Centralnervensystem der Cetaceen. 21 Auch auf die dorsalen Säulen erstreckt sich diese Asymmetrie. Und zwar ist auf derjenigen Seite die Säule stärker, auf der sich auch die stärkere ventrale und laterale Säule finden. Nur im Gebiete des sechsten Nerven ist ein umgekehrtes Verhalten zu konstatieren ; hier ist rechts die ventrale Säule stärker als links, während die linke dorsale Säule an Umfang die rechte übertrifft. Die stärkere Entwicklung der dorsalen Säule kommt besonders an ihrer Ursprungsstelle, also im Winkel zur lateralen Säule zum Ausdruck. hi Auf dem Rückenmarksquerschnitte haben die dorsalen Säulen dreieckige Gestalt; die Spitze ist gegen die Peripherie des Organs gerichtet, ohne diese zu erreichen. Ihr medialer Kontur ist in allen Höhen glatt, während der laterale öfters eine unregelmässige Beschaffenheit besitzt. Und zwar wird diese da- durch hervorgerufen, dass im Winkel zu den lateralen Säulen sich ein accessorisches Horn entwickelt. Es handelt sich hier wirklich um ein Horn, nicht um eine Säule, denn die frag- liche Bildung findet sich immer nur auf kurze Strecken, ist nicht durch die ganze Länge des hinteren Dorsalmarkes gleichmässig entwickelt. Man trifft daher Partien des Markes, welche das Horn nicht zeigen (Fig. 3). Diese accessorischen Hörner sitzen dem lateralen Rande der Säulen auf, sind dreieckige Gebilde, rechts meistens stärker ausgebildet als links und unregelmässig gezackt an ihrem freien Ende. Auch in dem Zwischenraume zwischen accessorischem Horne und dorsaler Säule finden sich zahlreiche feine Fortsätze der Glia des Hornes, wodurch diese Stelle ein liniiertes Aussehen erhält. Die Ausbildung der acces- sorischen Hörner ist eine sehr wechselnde. Das eine Mal sind sie sehr klein, stellen kurze, nur schwer erkennbare Glia- vorsprünge der dorsalen Säulen dar, das andere Mal sind sie sehr stark entwickelt, fast oder ebenso lang wie die betreffenden Säulen. Manchmal ist die Glia der sonst kurzen Hörner band- artig verlängert und erreicht dann an vielen Stellen die Peripherie des Organes. Dass es sich hier wirklich um Hörner, im Sinne der üblichen Rückenmarks-Terminologie, handelt, geht daraus hervor, dass in diesen Bildungen oft bis in ihre Spitzen hinein Ganglienzellen vorkommen, die auch in den bandartigen Ver- längerungen anzutreffen sind. In dem Gebiete der beiden letzten Dorsalnerven fehlen die accessorischen Hörner völlig, nachdem 22 Bernhard Rawitz: sie bereits vom neunten Nerven ab nur eine minimale Ausbildung erkennen liessen. Die Ganglienzellen der ventralen Säulen lassen im Gebiete des vierten und fünften Dorsalnerven nur zwei Gruppen erkennen: eine in der Spitze der Säule gelegene ventrale (Fig. 3; 1) und eine am Aussenrande sich findende laterale (Fig. 3; 2). Eine mediale Gruppe ist nicht vorhanden, da am inneren Rande der Säulen die Ganglienzellen disseminiert auf- treten. Als eine dritte Gruppe motorischer Zellen sind die Ganglienzellen aufzufassen, welche die Spitze der lateralen Säulen einnehmen (Fig. 3, e.1.). Die laterale Gruppe wird von durch- ziehenden Bündeln der motorischen Wurzeln oft in zwei bis vier Untergruppen zerlegt, die natürlich verschwinden, sowie die Fasern nicht mehr vorhanden sind. Und auch an der ventralen Gruppe ist gelegentlich eine Zwei- oder Dreiteilung infolge durch- ziehender Wurzelfasern zu beobachten. Wie am medialen Rande so sind auch, ich möchte sagen, im Innern der grauen Substanz disseminierte Ganglienzellen bis an die als graue Kommissur zu betrachtende Partie heran zu sehen. Die Zahl der Ganglienzellen in den Gruppen und die Zahl der disseminierten wechseln inner- halb der genannten Nervengebiete nicht unbeträchtlich. Oft sind gar keine disseminierten Zellen vorhanden, oft im ganzen Schnitt nur 4 bis 5. Und hinsichtlich der Gruppen findet man Stellen, an denen nur eine einzige Zelle zu erblicken ist, während die Höchstzahl 6 bis 7 beträgt. Das hintere Dorsalmark ist also ziem- lich zellarm. Die Ganglienzellen, welche in Gruppen liegen, sind im allgemeinen grösser als die disseminierten ; zuweilen aber er- reichen auch die letzteren, namentlich die in der Nähe der Kommissur gelegenen, eine beträchtliche Grösse. Wie in dem Bezirke der beiden vorgenannten Nerven so gestaltet sich im ganzen übrigen Dorsalmark die Verteilung der (ranglienzellen in den ventralen und lateralen Säulen. Die Zellen der dorsalen Säulen sind sehr spärlich (Fig. 3, c. d.), sie sind klein, haben meist spindelige Gestalt und sind am häufigsten an der Basis der Säulen zu finden. Die Zellen der accessorischen Hörner sind beträchtlich grösser, sie haben oft birnförmige Gestalt und gleichen gewöhnlich den Zellen der Clarke’schen Säulen. Das Centralnervensystem der Cetaceen. 23 Das Lumbalmark teile ich ebenso wie das Dorsalmark in zwei Abschnitte: einen vorderen und einen hinteren. Der vordere reicht bis zum achten Lumbalnerven inklusive, der hintere von da ab bis zum Conus terminalis. Die Unterscheidung wird gerechtfertigt durch den Umfang des Rückenmarkes wie durch die Gestaltung der grauen Substanz. Am Anfange des vorderen Abschnittes des Lumbalmarkes betragen der dorsoventrale und der transversale Durchmesser 4 mm, am Anfange des hinteren Abschnittes sind die Masse 5'/2:5'/2 mm. Es ist also thatsächlich, entgegen den Angaben vou Rapp (7) und Owen (6), eine Lumbalanschwellung vorhanden, nur sitzt sie nicht da, wo sie bei den übrigen Säugern zu finden ist, sondern ist weiter nach hinten gerückt. Die Existenz der Lumbalanschwellung bei Phocaena — sie wird wohl mehr oder minder ausgesprochen auch bei anderen Cetaceen vorkommen — ist in Beziehung zu bringen zu der enormen Entwicklung der Schwanzmuskulatur. Dass das Fehlen der hinteren Extremitäten mit einem Fehlen der Lumbal- anschwellung einhergeht, worauf Rapp zuerst hingewiesen hat, ist eine sehr interessante Thatsache. Nicht minderes Interesse muss es aber erregen, dass bei den Cetaceen mit der Umformung des ursprünglichen Säugetierschwanzes zu einem Ruderorgan und mit der Entwicklung einer dieses Organ bewegenden ganz ge- waltigen Muskulatur sekundär sich eine neue, kaudale Lumbal- anschwellung des Rückenmarkes ausgebildet hat. IS) a N 24 Bernhard Rawitz: Wie im Umfange so unterscheiden sich beide Rückenmarks- partien auch in der Gestalt ihrer grauen Substanz. Ein Blick auf die schematischen Figuren e und f, sowie auf die Uebersichts- bilder Fig. 4 und 5 lehrt, wie krass diese Differenz ist. Das vordere Lumbalmark, dessen Nervenwurzeln noch wie die des hinteren Dorsalmarkes weit auseinander stehen, während die Wurzeln im hinteren Lumbalmarke sehr eng an- einander rücken, hat, wie bereits bemerkt wurde, anfänglich einen Durchmesser von 4:4 mm. Die ventralen Säulen stehen im Gebiete des ersten Lumbalnerven mit ihren äussersten Spitzen 9!/ mm auseinander; quer über die lateralen Säulen gemessen beträgt die Breite der grauen Substanz 1?/ mm; die Kommissur ist 1 mm hoch. Im Gebiete des zweiten Lumbalnerven bleiben die eben gegebenen Masse die gleichen, nur die Kommissur wird niedriger, sie misst bloss noch °/ı mm. Bis zum siebenten Lumbalnerven inklusive tritt keine weitere Veränderung ein. Mit dem achten Lumbalnerven wird der Umfang des Rücken- markes wieder beträchtlicher; dorsoventraler und transversaler Durchmesser betragen 5 mm, sodass hierdurch der Uebergang zum hinteren Lumbalmark bewirkt wird. Die interessanteste und zugleich wichtigste Eigentümlich- keit des vorderen Lumbalmarkes ist das Auftreten eines median gelegenen unpaaren dorsalen Hornes (Fig. 4, d.h.; Fig. 11). Hierdurch unterscheidet sich nicht bloss dieser Rückenmarks- abschnitt von allen übrigen bei Phocaena, sondern es zeigt sich auch, da das hier Gefundene wohl allen Cetaceen, zum min- desten allen Odontoceten zukommen dürfte, somit eine grosse Differenz zwischen Cetaceen und übrigen Säugern. Denn niemals findet sich, soviel ich weiss, bei diesen etwas Aehnliches. Etwas nach links von der Medianlinie tritt im Gebiete des ersten Lumbalnerven am dorsalen Bogen der Kommissur das erste unpaare Horn als eine schwache Hervorragung auf. Sie sitzt mit breiter Basis der Kommissur auf und läuft spitz zu. Bald wird sie grösser und umfänglicher und erscheint bei voller Ausbildung als ein spitzer Vorsprung grauer Substanz, der etwa halb so hoch ist, wie die dorsalen Säulen. Er sendet zwei feine Streifen in den dorsalen Strang, die sich durch ihre Färbung deutlich von der weissen Substanz abheben. Nach einer kurzen Strecke — nach wenigen Schnitten — wird dieses zweizipfelige Das ÜOentralnervensystem der Üetaceen. 25 Horn wieder niedriger, um bald spurlos zu schwinden. Kurz darnach tritt ein zweites unpaares Horn auf, das in der gleichen Weise dem dorsalen Bogen oder Winkel der grauen Kommissur aufsitzt, nur dass es nach rechts geneigt ist. Es ist einzipfelig und reicht mit diesem Zipfel sehr weit in den weissen Strang hinein. Noch ein drittes Horn, das ebenso wie die beiden vorigen nur wenig Umfang hat und einzipfelig wie das zweite ist, findet sich im Gebiete des ersten Lumbalnerven. Im Gebiete des zweiten Nerven kommt ein Horn vor, welches sehr voluminös ist und in das Gebiet des dritten Nerven hineinreicht. Wie die vorigen stellt es eine Gliafortsetzung der grauen Kommissur dar, liegt fast genau in der Mittellinie und ist in drei Zipfel ausgezogen (Fig. 11), von denen der rechte (in der Figur links gezeichnet) am längsten, der mittelste am breitesten, der linke (in der Figur rechts) am kürzesten und schmalsten ist. Ein anderes Horn im Gebiete des dritten Nerven, das auf das vorige folgt, ist eine breite, allmählich sehr beträchtlich werdende Er- höhung des Kommissurbogens, die in vier feine Spitzen aus- gezogen ist (Fig. 4, d.h). Dieses Horn ist fast genau so lang wie die dorsalen Säulen. Noch zwei sehr kurze und sehr wenig umfangreiche Hörner finden sich im Gebiete desselben Nerven. Im Gebiete des vierten Lumbalnerven ist nur ein schwach ent- wickeltes unpaares Horn vorhanden; im Gebiete des fünften dagegen sind fünf, in dem des sechsten und vorletzten Nerven je drei Hörner zu beobachten. Im ganzen kommen also im vorderen Lumbalmark 19 unpaare, median gelegene graue Hörner vor. Sie sind ein- bis vierziptelig und stellen bald umfänglichere, bald weniger umfängliche Vorsprünge der grauen Substanz dar. In ihnen allen finden sich Kapillaren und zahlreiche Ganglien- zellen (Fig. 4, d.h.; Fig. 11). Letztere sind, wie Fig. 11 zeigt, mittelgrosse polyklone Gebilde, welche bedeutend grösser sind als die der dorsalen Säulen. Die Ganglienzellen liegen an der Basis, der Peripherie und im Innern der unpaaren Hörner, reichen bis in die Spitzen hinein (Fig. 11), finden sich aber niemals in den zipfelförmigen Verlängerungen. Letztere bestehen nur aus feinen Gliafasern. In den unpaaren Hörnern finden sich ferner zerstreut meist kleinere, selten grössere Bündel feinster weisser Nervenfasern (Fig. 11, n., es sind nur wenige Gebilde gezeichnet), 26 Bernhard Rawitz: welche, wie es scheint, zum dorsalen Strange gehören. Wie sie in die Hörner kommen, war nicht festzustellen, zumal die Neu- riten der Ganglienzellen der unpaaren Hörner in Fasern des dorsalen Stranges überzugehen scheinen. Ueber das Verhalten der übrigen grauen Substanz dieses Rückenmarkteiles ist folgendes auszusagen. Während der mediale Rand sowie die Spitze der ventralen Säulen nur wenige und nur kurze Gliafortsätze in die weissen Stränge senden, zeigen der laterale Rand und die wenig ausgeprägten lateralen Säulen eine sehr beträchtliche Gliastrahlung. Die bald feineren, bald gröberen Gliafortsätze reichen oft tief in die weisse Substanz hinein, treten aber unter einander nur selten in Verbindung, sodass es nicht zur Ausbildung sogenannter Processus reticulares kommt. Die dorsalen Säulen zeigen das gewöhnliche Verhalten, nur ist ihr äusserer, den lateralen Säulen zugekehrter Rand öfters durch Gliastrahlungen gezackt. Die weisse Kommissur zeigt gegen die früheren Partien nichts abweichendes. In der grauen Kommissur tritt im Gebiete der ersten Lumbalnerven, nachdem das zweite unpaare Horn verschwunden ist. ein unpaares, deutlich sich abhebendes strangartiges Gebilde auf, das aus feinsten weissen Fasern und Ganglienzellen besteht, also pedantisch genau den früher be- schriebenen Clarke’schen Säulen gleicht. Es hat eine geringe Länge, denn es ist nur auf wenigen Rückenmarksquerschnitten zu sehen. Noch ein zweites Mal findet sich im Gebiete desselben Nerven, das Rudiment einer unpaaren Clarke’schen Säule. Denn als rudimentär glaube ich diese zwei Säulen betrachten zu dürfen, weil ihre longitudinale Ausdehnung eine ganz minimale ist. Mit den unpaaren grauen Hörnern stehen diese Säulen nicht in Verbindung. In der übrigen Ausdehnung des vorderen Lumbalmarkes kommen keine Säulen mehr vor. Wohl glaubt man gelegentlich Andeutungen von solchen zu sehen, doch handelt es sich stets nur um kleine Bündel weisser Nervenfasern in der grauen Kommissur, welche keine Ganglienzellen enthalten. Die Verteilung der Ganglienzellen und der weissen Faserbündel (Fig. 4, f.) in der grauen Substanz gleicht derjenigen im hinteren Dorsalmark, sodass hier nichts besonderes an- zumerken ist. Das Centralnervensystem der Cetaceen. 27 Am hinteren Lumbalmark ist es mir nicht möglich gewesen, die einzelnen Nervenbezirke gesondert anzuführen. Die Austrittsstellen der einzelnen Nervenwurzeln sind dicht an- einander gerückt. sodass sie bei makroskopischer Betrachtung nur sehr schwer, bei mikroskopischer garnicht auseinander ge- halten werden können. Anfänglich messen der dorsoventrale und der transversale Durchmesser 5!/z mm, die ventralen Säulen stehen mit ihren äussersten Enden 2°/s mm auseinander, die dorsalen 1?/s mm: die Höhe der grauen Kommissur beträgt °« mm. Bei sich gleichbleibendem Umfange des Markes tritt allmählich eine Zu- nahme der grauen Substanz auf, die sich dadurch kenntlich macht, dass die Entfernung des freien Endes der ventralen Säulen von der Peripherie, welche anfänglich 2 mm betrug. nur noch 1?/s mm gross ist. Zugleich rücken die ventralen Säulen, deren freie Enden anfänglich divergieren. näher aneinander, sodass sie mehr parallel stehen (Fig. f.).. Und ebenso geht eine Veränderung in den dorsalen Säulen vor sich. Anfänglich konvergieren sie unter einem ziemlich spitzen Winkel gegen die graue Kommissur. Dieser Winkel wird nach und nach aus- geglichen, fast zur geraden Linie, sodass die Säulen weit aus- einander stehen (Fig. f.).. Je weiter man im hinteren Lumbal- marke kaudalwärts schreitet, um so beträchtlicher wird die Ver- grösserung der grauen Substanz: die ventralen Säulen sind etwa in der Mitte des Markes nur noch 1 mm von der Peripherie des Organs entfernt. Diese Vergrösserung der grauen Substanz ist keine relative; d.h. die Substanz erscheint nicht darum grösser, weil das Rückenmark in toto an Umfang abnimmt, während ihre Durchmesser sich nieht ändern, sondern die Vergrösserung ist eine absolute: der Umfang des Rückenmarkes ändert sich nicht, aber die Masse der grauen Substanz nimmt zu. Die anfänglich spitz ausgezogenen ventralen Säulen runden sich sehr bald ab, sodass ihr Aussehen ein keulenförmiges wird (Fig. f und Fig. 5). Die lateralen Säulen stellen keine distinkten Bildungen mehr dar, sie gehen in die Masse der ventralen Säulen über (Fig. f und Fige.5). Die dorsalen Säulen endlich sind kurze kegelförmige Gebilde, die fast wie Protuberanzen der ventralen Säulen erscheinen. Ungefähr von der hinteren Hälfte des Gebietes des vorletzten Nerven ab wird der Umfang des 28 Bernhard Rawitz: Rückenmarkes schnell geringer, sodass am Conus terminalis beide Durchmesser nur noch 2 mm betragen. Die Gliastrahlung der grauen Substanz ist eine ganz minimale. Kaum einige wenige zackenartige Vorsprünge gegen die weissen Stränge sind zu beobachten, von Processus reticulares oder Andeutungen derselben ist nichts zu sehen. Gegen die Mitte des hinteren Lumbalmarkes verschwindet die anfänglich (Fig. f und Fig. 5) noch deutliche Abgrenzung der ventro-lateralen Säulen gegen die dorsalen Säulen. Die dort vorhandene konkave Einbiegung des Konturs glättet sich all- mählich aus, sodass der laterale Rand der grauen Kommissur dorsal nur eine kleine Spitze zeigt. Von dem Augenblicke ab, wo der Umfang des Lumbalmarkes geringer wird, erscheinen die ventralen Säulen an ihren freien Rändern nicht mehr abgerundet, sondern werden scharf zugespitzt. An dem Verhalten der übrigen Partien der grauen Substanz ändert sich nichts. Im Conus terminalis, dessen kurze cd. Beschreibung hier gleich angeschlossen werden HR mag, sind die ventralen Säulen wieder abge- rundet. Sie haben keulenförmiges Aussehen, konvergieren leicht mit einander und zeigen eine auch im hinteren Lumbalmark sehr deutlich ausgesprochene Asymmetrie. Die Ein- ziehung des lateralen Konturs gegen die dorsalen Säulen ist wiederum deutlich ge- H worden, die letzteren selber haben, da ihre Fig b dorsalen Ränder in der Medianlinie nach ventral eingeknickt sind (Fig. g.), die Gestalt von Stiefeln. Allmählich beginnt eine sehr rasch zunehmende Verflachung des Sulcus ventralis (Fig. 6, v.), der schliesslich ganz schwindet, sodass in den letzten Partien die ventralen Säulen beider Seiten ineinander übergehen. Die dorsalen Säulen gleichen runden Stümpfen. Die Gliastrahlung des lateralen Konturs wird allmählich gegen die Zuspitzung des tückenmarkes hin sehr deutlich, während sie an den übrigen Partien der grauen Substanz garnicht oder fast garnicht aus- gesprochen ist. Anfänglich, d. h. beim Uebergange vom vorderen zum hinteren Lumbalmark, ist noch ein unpaares medianes Horn zu Das Centralnervensystem der Üetaceen. 29 beobachten, das sehr bald schwinlet. Im Ganzen kommen im ersten Drittel dieses Rückenmarkteiles ausser dem genannten noch acht unpaare median gelegene graue Hörner vor, die aber alle einen mehr abortiven Charakter haben. Sie sind sehr niedrig, wenig umfänglich und enthalten auch nur wenige Ganglienzellen. An ihrer Stelle, d. h. mit ihrem Schwinden, sind plötzlich Heterotopien von grauer Substanz in dem dorsalen Strange zu beobachten (Fig. 12, g., gı). Man findet nämlich an zwei dichtaufeinanderfolgenden Stellen jederseits der Medianlinie je ein unregelmässig gestaltetes Stückchen grauer Substanz in dem weissen Strange. Sie liegen gegenüber dem freien Rande der dorsalen Kommissur, bestehen nur aus grauer Substanz ohne Ganglienzellen, also nur aus Glia und können sogar (Fig. 12, gı) Strangfasern einschliessen. Vom zweiten Drittel des hinteren Lumbalmarkes ab kommen weder Heterotopien noch unpaare Hörner mehr vor. Ueber die Kommissur ist folgendes zu notieren: Die weisse Kommissur ist nicht sehr tief und, da die ventralen Säulen sehr nahe bei einander stehen (Fig. f.), auch ziemlich schmal. Die Fasern ziehen schräg aus der benachbarten grauen Substanz ventralwärts und kreuzen sich, indem sie einige longitudinal verlaufende Nerven einschliessen, unter sehr spitzem Winkel (Fig. 5, co..a.). Die graue Kommissur ist ebenfalls schmal, aber sehr tief; sie nimmt im ersten Drittel des hinteren Lumbalmarkes fast 3/ der ganzen Kommissurhöhe für sich in Anspruch. Im mittleren Drittel sind beide Kommissuren gleich hoch; gegen den Conus terminalis wird die weisse wieder niedriger, um allmählich mit der völligen Verflachung des Sulcus ventralis ganz zu schwinden. Die Ganglienzellen der ventralen Säulen lassen sich ohne Zwang in vier Gruppen sondern. Die eine, mediale, liegt in der medialen Ecke der Säulen (Fig. 5; 1), die zweite, laterale, in der lateralen Ecke (Fig. 5; 2), die dritte, zentrale, am medialen Rande der Säulen (Fig.5; 3) und die vierte, kommissurale, stösst an die graue Kommissur an (Fig. 5; 4). Die dritte oder zentrale Gruppe hebt sich an dem in Kali bichromicum - Lösung nach- gehärteten Organ schon für die Betrachtung mit dem blossen Auge deutlich als dunkler Punkt von der übrigen etwas helleren Umgebung ab. Es rührt dies daher, dass die Gruppe da, wo sie 30 Bernhard Rawitz: einheitlich erscheint, durch eine kreisförmige Anordnung der Gliafasern und durch deren dichteres Gefüge, sowie durch konzentrisch zu ihr gelagerte Bündel von Wurzelfasern von der Nachbarschaft scharf gesondert wird. Sehr häufig, wie in Fig. 5 bei 4 wird die Gruppe durch quer, d. h. in transversaler Richtung verlaufende Nervenbündel in zwei Abteilungen zerlegt. Vielleicht ist sogar die vierte Gruppe, die ich wegen ihrer Nachbarschaft zur Kommissur als kommissurale bezeichnet habe, nur ein durch regelmässig eingelagerte Wurzelfasern abgetrennter Teil der dritten Gruppe. Die Ganglienzellen dieser Gruppen sind sehr gross und im Vergleiche zu allen übrigen Rückenmarkspartien stets in sehr grosser Menge vorhanden. Am lateralen Kontur, seitlich von Gruppe 3 und dorsal von 2, liegen bis in die Nähe der dorsalen Säulen disseminierte Ganglienzellen, welche nicht als eine besondere Gruppe zu be- trachten sind (Fig. 5, 5). Denn während die erwähnten Gruppen in der ganzen Ausdehnung des hinteren Lumbalmarkes nur sehr geringen Wechsel an Umfang und Zahl der Zellen zeigen, sind die disseminierten Zellen hier sehr reichlich vorhanden, dort nur durch wenige Exemplare vertreten. Diese Zellen sind fast durch- gängig klein, nur selten findet man in ihnen ein oder zwei grössere Exemplare vor. Von den Hauptgruppen sind sie häufig durch Wurzelfasern getrennt, welche in dorsoventraler Richtung ziehen (vergl. Fig. 5). Endlich treten noch in der Nähe des- jenigen Abschnittes der grauen Kommissur, der als dorsal zu betrachten ist, einige Ganglienzellen auf (Fig. 5; 6), die mit den disseminierten übereinstimmen. Ueber die Ganglienzellen der dorsalen Säulen ist dem früher (resagten nichts hinzuzufügen. Im Conus terminalis, der bis zur völligen Verflachung des Suleus ventralis eine an Ganglienzellen sehr reiche graue Sub- stanz besitzt — von da ab nimmt ihre Zahl allmählich ab bis zum völligen Verschwinden — fällt eine besondere Gruppe von Ganglienzellen auf (Fig. 6; 1). Sie ist durch eine kreisrunde Anordnung der Gliafasern deutlich gemacht und kann als kaudale Fortsetzung der vorhin erwähnten zentralen Gruppe betrachtet werden. Sonst stehen die Ganglienzellen, welche meist klein sind, disseminiert, ohne zu besonderen Gruppen sich zu ordnen. Im spitzen Ende des Conus fehlen sie. Das Centralnervensystem der Cetaceen al Bevor ich dazu übergehe, das Wenige, was über die Wurzeln und Stränge zu eruieren war, mitzuteilen, seien einige der wichtigsten Ergebnisse angeführt, die ich mit Hilfe der Golgi- schen Methode erhalten habe. In Fig. 13 ist eine Zelle der lateralen Säulen aus dem hinteren Dorsalmark abgebildet. Die Zelle liegt dicht am Kontur der grauen Substanz zum Seiten- strange (f.1.). Sie sendet einen Teil der Dendriten ventralwärts in die graue Substanz, einen anderen Teil lateralwärts in den weissen Strang (de.) und den Neuriten (n.) in den Seitenstrang, wo er zu einer Faser des Stranges wird. Durch diese Tatsache, die ich in solcher Deutlichkeit nur einmal gesehen habe, werden Bilder erklärt, die wiederholt in jedem nur einigermassen ge- lungenen Präparate anzutreffen sind. Massenhaft sieht man nämlich Neuriten aus dem Winkel zwischen lateralen und dorsalen Säulen in den Seitenstrang ziehen. Nur da für gewöhnlich der Zusammen- hang dieser Fasern mit Ganglienzellen nicht zu erkennen ist, so kann auch über ihre Ursprungsstätte nichts gefolgert werden. Ein solches Bild aber entscheidet: ein Teil der Seitenstrang- fasern stammt aus Zellen, die den lateralen Säulen angehören. Eine sehr merkwürdige Zelle habe ich in Fig. 14 abgebildet. Sie stammt aus dem hinteren Lumbalmarke und fand sich dicht an der grauen Kommissur. Die Dendriten (de.) sendete sie nach allen Seiten, den mit ungewöhnlich viel Collateralen besetzten Neuriten zur dorsalen (sensiblen) Wurzel. Ob und eventuell wie der Neurit hier endete bezw. begann, war nicht festzustellen, da kurz nach dem Eintritte in die dorsale Wurzel die Silberimpräg- nation aufhörte. Mir erscheint es wahrscheinlich, dass der Neurit mit der Wurzel ins Rückenmark gelangt ist und hier in eine wohl als sensibel zu betrachtende Zelle übergeht. Nicht minder seltsam sind die beiden aus dem vorderen Dorsalmarke stammenden sensiblen Zellen in Fig. 15 und 16. Handelte es sich in der in Fig. 14 abgebildeten Zelle um eine solche, deren Sensibilität zweifelhaft sein kann — denn sie wurde nicht in den dorsalen Säulen sondern in der Nähe der Kommissur gefunden —, so ist die Sensibilität dieser beiden Zellen un- bestreitbar; sie gehören den dorsalen Säulen an. Die eine von ihnen (Fig. 15) sendet den Neuriten (n.) zur dorsalen Wurzel (r.d.), die andere (Fig. 16), welche dem Strange dicht angelagert ist, sendet ihren Neuriten (n.) direkt in den dorsalen Strang (f. d.). SL) IND Bernhard Rawitz: Aehnliche Zellen waren wiederholt im vorderen Dorsalmark zu sehen. Ueber die übrigen Einzelheiten, welche die Golgi-Präparate zeigten, zu berichten ist unnötig, sie bestätigten nur, was auch durch andere, weniger launische Methoden sichtbar geworden war. Ueber die Wurzeln und die weissen Stränge konnte ich Folgendes eruieren: Die ventralen Wurzeln entstehen aus vielen Einzel- bündeln, welche in zahlreichen Zügen die graue Substanz durch- setzen (Fig. 1—5; f.). Aus letzterer treten sie in stärkeren Bündeln aus (Fig. 1—5; r. v.) und verlassen das Rückenmark an der ventralen und an der lateralen Seite. Bis in die Nähe der Spitze der lateralen Säule sind diese Bündel zu beobachten, so- dass auch dieser Teil der grauen Substanz als Ursprungsstätte der motorischen Wurzeln zu betrachten ist. Erst weit ausserhalb des Rückenmarkes innerhalb des Duralraumes legen sich alle diese Bündel zur einheitlichen ventralen Wurzel zusammen. Die dorsalen Wurzeln treten stets als ein zarter ein- heitlicher Strang in das Rückenmark ein (Fig. 1-5; v. d.), nie- mals setzen sie sich aus mehreren Bündeln zusammen. Daher sind, entsprechend dem Grössenverhältnis zwischen ventrolateralen und dorsalen Säulen, auch die sensiblen Wurzeln sehr viel schmächtiger als die motorischen. Sie legen sich nach ihrem Eintritte in das kückenmark an den medialen Rand der dorsalen Säulen an (Fig. 1—5; r. d.), den sie oft bis zur Kommissur begleiten. Auf diesem Wege gehen sie pinselförmig auseinander, um in Einzel- fasern in das Innere der Säule einzudringen. Sie sollen nach der herrschenden Annahme mit Endbäumchen hier aufhören; doch habe ich an meinen Golgi-Präparaten dafür kein einwandfreies Bild erhalten. Dass möglicherweise zwischen den Fasern der sensiblen Wurzeln und den Clarke’schen Säulen direkte Be- ziehungen bestehen, wurde bereits vorher mitgeteilt. Bei Betrachtung mit schwachen Vergrösserungen scheint es, als ob die Spitze der dorsalen Säulen sich bis zur Peripherie des Rückenmarkes erstreckt bezw. als ob die dorsalen Wurzeln in diese Spitze einträten. Es zeigt sich aber bald, bei Anwendung stärkerer Linsen, dass dieser Anschein durch sehr feine Nerven- fasern hervorgerufen wird, die noch zu den lateralen Strängen Das Centralnervensystem der Cetaceen. 33 gehören, aber ein sehr viel geringeres Kaliber haben als die Fasern dieser Stränge. Von den weissen Rückenmarkssträngen ist der dorsale Strang der interessanteste. Schon bei Betrachtung mit blossem Auge erscheint er, wenn das Material in Kali bichromieum-Lösung nachgehärtet war, durch seine hellere Färbung gegen laterale und ventrale Stränge scharf unterschieden. Es rührt dies daher, dass seine Nervenfasern so ausserordentlich markarm sind, dass sie fast wie marklose aussehen; die Axenzylinder sind ebenfalls überaus fein. Um dies Verhältnis anzudeuten, habe ich in den Figuren 1—5 den dorsalen Strang nur durch einige wenige Punkte wieder gegeben. Bisher sprach ich immer vom dorsalen Strange; also in der Einzahl, nicht in der Mehrzahl. Tatsächlich fehlt im ganzen Rückenmark, worauf schon Guldberg bei Beschreibung des Cervicalmarkes von Balaenoptera musculus hingewiesen hatte, eine Fissura longeitudinalis dorsalis (posterior) vollständig, ebenso wie, dies sei gleich hier bemerkt, auch jede Spur von Seitenfurchen vermisst wird. Nur im Conus terminalis (Fig. 6) tritt eine An- deutung dieser Fissur auf. Wohl kann man im dorsalen Strange auch in der Medianlinie Piafortsätze sehen, aber zu einer Fissur- bildung kommt es niemals. Darum ist der dorsale Strang ein einheitliches Gebilde und darum sind auch an ihm weder Keil — noch zarte Stränge zu unterscheiden. Die lateralen Stränge (Fig. 1-5; f.1.) rechne ich von der Spitze der lateralen Säulen bis zum Eintritte der dorsalen Wurzeln. Sie sind gegen die ventralen Stränge nur durch das geringere Kaliber ihrer Nervenfasern abgesetzt, gehen aber un- merklich in diese über, sodass ihre Begrenzung, wie ich sie eben angegeben habe, etwas willkürliches hat. Ein Teil ihrer Fasern, das wurde früher gezeigt, stammt aus den Zellen der lateralen Säulen, von denen manche in dem Winkel zwischen diesen und den dorsalen Säulen gelegen sind. Die ventralen Stränge (Fig. 1-5; f. v.) sind sehr mächtig entwickelt. Ihre grossen Axencylinder stammen zum Teil aus Fasern, die von den ventralen Säulen zu den Strängen ziehen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 3 34 Bernhard Rawitz: b) DasCervicalmark von Balaenopterarostrata Fabr. Der ausgezeichneten Schilderung, welche Guldberg (2) vom Cervicalmark der Balaenoptera musculus gegeben, habe ich nur wenig hinzuzufügen. Das Cervicalmark hatte einen transversalen und dorso- ventralen Durchmesser von je 14 mm. Bei Anwendung schwacher Vergrösserung erscheinen die ventralen Säulen (Fig. h), welche relativ viel kürzer sind als bei Phocaena, als dünne, handschuh- fingerförmige Gebilde, die parallel zu einander stehen. Die lateralen Säulen sind kurze, keilförmige Vorsprünge an den vorigen, die dorsalen Säulen legen sich breit aus. Die Asymmetrie beider Seiten ist nicht sehr deutlich. c.d. =. ! 1 l J ı 4 Fig. h. Anders wird das Bild bei Anwendung stärkerer Vergrösserung (Fig. 17). Die Glia der grauen Substanz sendet mächtige Fortsätze in die weissen Stränge. Diese bilden am medialen Rande ein weites Netz, das mit dem in den ventralen Suleus sich einsenkenden Piafortsatz anastomosiert. Am ventralen und lateralen Rande ist dieses Glianetz noch viel mächtiger, hier aber findet sich: keine Verbindung zwischen Pia mater und Neuroglia. Stellen- Das Centralnervensystem der Cetaceen. 35 weise sind durch die Gliastrahlung sogar Bündel des ventralen Stranges in die graue Substanz verlagert (Fig. 17, bei *). Da, wo man die lateralen Säulen erwarten sollte, handelt es sich nicht mehr um Gliastrahlungen, sondern die ganze graue Substanz bildet ein sehr weites Netzwerk, dessen Stränge eine beträchtliche Breite haben. Man kann in Wahrheit von Processus reticulares sprechen (Fig. 17, p.r.). In den Maschen dieses Netzes liegen Faserbündel der sehr viel stärker als bei Phocaena entwickelten lateralen Stränge (Fig. 17, f,L). In ein ebensolches Netzwerk sind die dorsalen Säulen aufgelöst (Fig. 17; c. d.). Diese erscheinen nur bei schwacher Vergrösserung als ein einheitliches Gebilde, bei Anwendung stärkerer Linsen stellen sie sich als ein Maschenwerk dar von ungleich breiten Balken, welche Bündel der Fasern der lateralen Stränge ein- schliessen. Eine Gruppierung der nicht sehr grossen Ganglienzellen, wie sie Guldberg angegeben hat, konnte ich an meinem Objekte nicht wahrnehmen. Hier erscheinen die Ganglienzellen ungleichmässig verstreut, kommen auch in den vorspringenden Balken der Glia vor. Die weisse Kommissur besteht aus einer Anzahl weit aus- einander stehender Bündel, die sich unter spitzem Winkel kreuzen und longitudinal verlaufende, also wohl den weissen (ventralen) Strängen angehörige Fasern in Menge einschliessen (Fig. 17; co.a.). Die Einteilung der grauen Kommissur (Fig. 17; co. g.) in eine dorsale und eine ventrale, ist wegen des Mangels eines Uentral- kanals nicht möglich. Die Kommissur ist ganz ungewöhnlich reich an Venen (Fig. 17; g.), die als solche durch ihre pralle Blutfüllung zu erkennen sind. Ueber die Wurzeln und Stränge (Fig. 17; r.v.,f. v., f. 1. und f. d.) ist, soweit die kurze Strecke Rückenmark, welche mir zur Verfügung stand, ein Urteil zulässt, dem bei Phocaena Gesagten nichts hinzuzufügen. Im ventralen Strange habe ich ein- mal eine Arterie gesehen (Fig. 17; e@. 1.). Aus der vorstehenden Tatsachenschilderung ergeben sich ohne weiteres die beträchtlichen Unterschiede, welche das Cetaceen- Rückenmark gegenüber dem gleichen Organe anderer Säugetiere 3*+ 36 Bernhard Rawitz: aufweist. Es sollen daher hier nur zwei besonders interessante und wichtige Momente hervorgehoben werden. Guldberg (2) sagt vom Üervicalmark der Balaenoptera musculus, dass die weisse Substanz ein auffallendes Uebergewicht über die graue besässe. Das Gleiche ist der Fall bei Bal. rostrata; auch hier ist die graue Substanz relativ geringer ausgebildet als die weissen Stränge, was sofort klar wird, wenn man das Cerviealmark anderer Tiere zum Vergleiche heranzieht. Anders liegen aber die Verhältnisse bei Phocaena communis, also, wenn ich generalisieren darf, bei den Odontoceten. In der ganzen Ausdehnung des Rückenmarkes erscheint die graue Substanz als praevalierend über die weisse, diese t:itt gegen jene bedeutend an Umfang zurück. Wenn man sich der bekannten Durch- schnittsbilder durch das Rückenmark des Menschen und des Hundes erinnert, wenn man die Figuren, die Waldeyer (11) von den verschiedenen Regionen des Gorilla —, Kopsch (4) von denen des Elephantenrückenmarkes geben, mit denen ver- gleicht, welche dieser Arbeit beigefügt sind, so kann diese Ditferenz nicht verkannt werden. Und auf den ersten Blick wird klar, dass es die motorische Sphäre des Organes ist, welche eine, man kann geradezu sagen, excessive Entwicklung erfahren hat, während die sensible Sphäre eine entschiedene Rückbildung zeigt. Die ventralen weissen Stränge, so ausgedehnt sie auch sind, erscheinen den ventralen und lateralen Säulen gegenüber an Umfang reduziert. Dadurch wird es erklärlich, dass die graue Substanz auf Querschnitten durch das Rückenmark mit querge- schnittenen weissen Fasern wie übersät erscheint. Nicht zu Bündeln, nicht einmal zu zweien sind diese Nervenfasern zusammen- gefasst; einzeln werden sie immer gefunden, aber in solcher Zahl, dass man nur, wie ich schon früher einmal bemerkt habe, an- nehmen kann, dass ein guter Teil der weissen Strangfasern in longitudinaler Richtung die graue Substanz durchsetzt. | Die eben hervorgehobene Entwicklung der motorischen Sphäre des Rückenmarks steht in Parallele zur hochentwickelten Motilität der Odontoceten. Diese Tiere sind wohl die besten und vor allen Dingen schnellsten Schwimmer, welche in den Meeren leben. Um so auffälliger ist der Gegensatz zwischen Odontoceten und Mystacoceten, wenn die Befunde am Cervicalmark von Balaenoptera musculus und rostrata einen Schluss auf das © —1 Das Centralnervensystem der Cetaceen. ganze Rückenmark dieser Tiere zulassen würden. Die Differenz wäre um so unerklärlicher, als auch die Mystacoceten sehr gewandte und schnelle Schwimmer sind, also über eine sehr bedeutende Muskelkraft verfügen müssen. Hier ist eine der vielen Lücken in unserer Kenntnis der Üetaceen-Organisation, die auszufüllen nicht so einfach sein dürfte. Das zweite Moment, auf das ich die Aufmerksamkeit der Forscher besonders hinlenken möchte, bildet der Bau der Ularke- schen Säulen. Wie aus den Werken von Edinger (1), Henle (3) und Waldeyer (11), um nur einige wenige Autoren zu zitieren, hervorgeht, erstrecken sich die Clarke’schen Säulen bei den Säugern zum Teil vom Cervicalmark bis ins Lumbalmark. Bei Phocaena communis aber gehören sie dem hinteren Dorsal- mark an und sind im Lumbalmark nur in abortiver Form zu finden. Aus den Angaben der genannten Autoren ist zu schliessen, dass bei den von ihnen untersuchten Tieren und beim Menschen die Clarke’schen Säulen als drehrunde Gebilde in stets gleicher Stärke das Rückenmark durchziehen. Bei Phocaena communis haben sie Perlschnur-ähnliche Gestalt und erscheinen im Gebiete der fünften Dorsalnerven diskontinuierlich. Würde ich nur Stückproben aus den einzelnen Nervenbezirken untersucht haben, hätte ich zufällig immer nur Stellen getrofien, an welchen die Säulen volle Ausbildung zeigen, so hätte auch ich zu der Annahme kommen müssen, dass hinsichtlich dieser Gebilde kein Unterschied zwischen Phocaena und den übrigen Säugern existiert. Die nicht gerade mühelose Anfertigung einer lückenlosen Serie hat einen solchen Irrtum verhütet, wie ich es auch nur dieser Methode zu danken habe, dass mir z. B. die Existenz der unpaaren, median gelegenen grauen Hörner nicht entgangen ist. Damit soll nicht etwa ein Zweifel an der Richtigkeit der Angaben jener Forscher ausgesprochen sein. Ganz im Gegenteil: ich bin von der Zuver- lässigkeit von deren Mitteilungen fest überzeugt. Ich wollte mit vorstehenden Worten nur die Notwendigkeit betonen, ein bisher noch so gut wie gar nicht untersuchtes Organ von der Bedeutung des Rückenmarkes auf einer lückenlosen «“uerschnittserie zu studieren. Ob der Befund bei Phocaena auch bei anderen ÖOdontoceten zutrifft, müssen spätere Untersuchungen anderer Forscher lehren. 38 Bernhard Rawitz: Die eigenartige Gestalt, welche die graue Substanz im Cervicalmark von Phocaenacommunisund Balaenoptera rostrata besitzt, muss auch in eigenartiger Weise die Morpho- logie der Medulla oblongata beeinflusst haben. Hierüber hoffe ich bei einer anderen Gelegenheit Aufschluss geben zu können, wenn die über die Oblongata jetzt von mir begonnenen Unter- suchungen zum Abschlusse gelangt sein werden. Literaturverzeichnis: 1. Edinger, L.: Vorlesungen über den Bau der nervösen Centralorgane des Menschen und der Tiere. 6. Aufl. Leipzig 1900. 2. Guldberg, G.A.: Ueber das Centralnervensystem der Bartenwale. In: Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christiania. Aar 1885. Christiania 1886. 3. Henle, F.: Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. Bd. III, Abt. 1. Nervenlehre. Braunschweig 1871. 4. Kopsch, Tr.: Das Rückenmark von Elephas indieus. In: Anhang zu den Abhandlungen der Kgl. Preussischen Akademie der Wissen- schaften zu Berlin. Berlin 1897. 5. Kükenthal und Ziehen: Ueber das Üentralnervensystem der Cetaceen nebst Untersuchungen über die vergleichende Anatomie des Gehirnes bei Placentaliern. In: Denkschriften der medizinisch-natur- wissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. III. Bd., 1. Teil. Jena 1889—93. 6. Owen, R.: On the anatomy of vertebrates. Vol. III, Mammals. London 1868. 7. Rapp, W.: Die Cetaceen zoologisch-anatomisch dargestellt. Stuttgart und Tübingen 1837. 8. Rawitz, B.: Ueber Megaptera boops Fahr. ete. In: Archiv für Naturgeschichte. 1900. 9. Rawitz, B.: Die Anatomie des Kehlkopfes und der Nase von Phocaena communis. In: Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physio- logie. Bd. XVII. 1900. 10. Sars, @. O.: Om individuelle Variationer hos Rörhvalerne etc. In: Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christiania. Aar 1868. Chri- stiania 1869. 11. Waldeyer, W.: Das Gorilla-Rückenmark. In: Abhandlungen der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin 1889. Erklärung der Figuren auf Tafel I-II. Gemeinsame Bezeichnungen. d. = rdorsal c0. 9. = ÜUommissura grisea v. = ventral f.e. = Funiculus ventralis c.v. = Columna ventralis al 5 lateralis a A — s lateralis Ind, = B dorsalis Ba = ie dorsalis r.v. = Radis ventralis c0. a. = Commissura alba 7.0: =. ° = orale Das Centralnervensystem der Cetaceen. 39 Fig. a—h. Schematische Darstellungen der Querschnittsbilder. In allen diesen Figuren ist nur der Kontur der grauen Substanz gezeichnet. Vergr. 7/1. Fig. a—g. — Phocaena communis Fig. a. — Vorderes Cervicalmark Fig. b. = Hinteres 5 Fig. c. — Vorderes Dorsalmark Fig. d. — Hinteres = Fig. e. — Vorderes Lumbalmark Fig. £. — Hinteres P h. (Fig. e.) = unpaares medianes Horn Fig. g. — Conus terminalis Fig. h. — Üervicalmark von Balaenoptera rostrata Fig. 1—16 Phocaena communis. Fig. 1. Cervicalmark (Vergr. 19/1). 1—5 Ganglienzellgruppen. Fig. 2. Vorderes Dorsalmark (Vergr. 19/1). f. = Faserbündel in der grauen Substanz. Fig. 3. Hinteres Dorsalmark (Vergr. 19/1). 1, 2 = Ganglienzellgruppen. C. = Clarke’sche Säulen. f. = Faserbündel in der grauen Substanz. Fig. 4. Vorderes Lumbalmark (Vergr. 19/1). . = Faserbündel in der grauen Substanz. d.h. = unpaares dorsales Horn. Fig. 5. Hinteres Lumbalmark (Vergr. 19/1). 1—6 — Ganglienzellgruppen. f. = Fasern der grauen Substanz. Fig. 6. Conus terminalis (Vergr. 19/1). 1 — Ganglienzellgruppe. Fig. 7. Weisse Bündel in der grauen Substanz des Cervicalmarkes. (Vergr. circa 80/1.) r. — rechts; 1. = links; b. = weisse Bündel; g. = Blutgefässe. Fig. 8. Clarke’sche Säulen (Vergr. circa 80/1). 2 rechts ; I. = Imks»6. = Säulen. Fig. 9. Clarke’sche Säule und dorsales Horn (Vergr. 80/1). C. = Säule; g., g.ı = Blutgefässe. Fig. 10. Circumseripte Bahn in der ventralen Säule des hinteren Dorsal- markes (Vergr. 100 1). m. — medial; 1. = lateral; b. — Bahn; f. = Faserbündel. Fig. 11. Unpaares graues dorsales Horn. (Vergr. circa 80/1.) r. = rechts; 1. = links; n. = Nervenbündel. Fig. 12. Heterotopien der grauen Substanz (a == a3) Zelle der lateralen Säule (Verer. 801) Br; E de. = Dendriten; n. = Neurit. u ER ig. 14. Zelle in der Nähe der grauen Kommissur. (Vergr. 80, Pe: lo = — Dentriten; n. — Neurit. \ N K D Fig, 15.. und 16. Sensible Zellen. ‚(Vergr. 80/1.) en de. = Dendriten; n. = Neurit. Fig. 17. Cervicalmark von Balaenoptera rostrata. x. — Teile des ventral:n Stranges; p. EZ g. —= Venen; gı = Arterie. _ % .«* 41 Aus dem pathologischen Institut zu Genf. Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. Von Dr. Kari Münch, I. Assistent. Hierzu Tafel. IV. Mit Untersuchungen über die Muskulatur des Schlingapparates beschäftigt, hatte ich Gelegenheit, an den Kernen der glatten Muskelzellen Strukturverhältnisse zu beobachten, die meinesWissens bisher noch unbekannt sind. Zum Ziel meiner Untersuchung hatte ich mir ursprünglich gesetzt, die Grenzbeziehungen zwischen glatter und quergestreifter Muskulatur genauer, als bisher geschehen, zu erforschen. Ich erkannte nun bald, dass eine scharfe Grenze zwischen „glatt“ und „quergestreift“ hier nicht gezogen werden kann, weil zwischen beiden gewisse Uebergangsformen eingeschaltet sind in Gestalt quergestreifter, einkerniger, spindeliger Faser- zellen. Nun ist die Querstreifung dieser Uebergangsformen sehr verschieden ‚deutlich ausgeprägt; und eben die gradweise Ab- stufung der Deutlichkeit brachte es mit sich, dass schliesslich meine optische Aufmerksamkeit sich ganz auf die Erscheinung der Querstreifung konzentrierte. So stiess ich denn bei meinen häufigen Untersuchungen frischer Zupfpräparate bald auf die überraschende Tatsache, dass die Kerne der glatten Muskelzellen ein mehr oder weniger aus- gesprochenes quer- oder schräggestreiftes Aussehen darbieten, gleich als wären diese Kerne in abwechselnde helle, isotrope und dunkle, anisotrope Segmente abgeteilt. Diese Wahrnehmung machte ich zuerst an den Kernen der glatten Muskelzellen des Schlundes der Katze, traf aber dann denselben Befund auch in den Kernen der Magen-, Darm- und Harnblasenmuskulatur nicht nur des- selben Tieres, sondern auch anderer Säuger, des Kaninchens, Meerschweinchens und der Ratte an. Fig.1 z. B. zeigt in 42 Karl Münch: 1000 facher Vergrösserung vier Kerne aus der Muscularis des Rattendarmes, die nach Abschaben der Schleimhaut mit 2°/o Essig- säure behandelt und als durchsichtig dünne Membran ausgebreitet wurde. Protoplasma und Intercellularsubstanz sind nicht sicht- bar. Die Abbildung ist nur bei einer unveränderten Einstellung aufgenommen. Durch weitere Verfolgung dieser auffallenden Erscheinung konnte ich noch folgendes feststellen: 1. Die Querstreifung erscheint nicht bei jeder Einstellung gleich deutlich. Vielmehr ändert sich die Deutlichkeit zweimal, wenn man durch Drehen der Mikrometerschraube den Kern in seiner ganzen Tiefe Revue passieren lässt. Bei hoher Einstellung ist sie deutlich, scheint dann bei mittlerer zu verschwinden, tritt aber bei tiefer wieder deutlicher hervor. %. Sieht man genau zu, so findet sich, dass die Parallel- streifung, die bei tiefer Einstellung hervortritt, in ihrer Richtung nie übereinstimmt mit der bei hoher Einstellung gesehenen, sondern dass sie immer eine von jener divergierende Schräg- richtung hat. Und zwar findet sich, soviel ich habe sehen können, in der Mehrzahl der Fälle, dass die oberflächlichen, das ist dem Auge zugekehrten Streifen von links unten nach rechts oben verlaufen, also Schreibrichtung haben — der Kern ist hierbei horizontal und transversal liegend gedacht — die an der dem Auge abgewandten Kernseite sichtbaren Streifen aber von links oben nach rechts unten. Vielfach ist die Richtung auf einer Seite annähernd quer, aber dann auf der andern Seite im ent- sprechend divergenten Sinne schräg, d. h. der Schreibrichtung diesseits entsprechend, wenn jenseits Querrichtung besteht, der Schreibrichtung jenseits entgegengesetzt, wenn diesseits Quer- richtung besteht. Fig. 2 zeigt in S00facher Vergrösserung zwei Kerne aus der Magenmuskulatur der Ratte; 2a entspricht der oberflächlichen Einstellung und zeigt annähernd quere Richtungs- linien; 2b zeigt die der Schreibrichtung entgegengesetzten Richtungslinien der tiefen Einstellung. Das umgekehrte Verhältnis, wo also auf dem jenseitigen Umfang des Kerns Schreibrichtung besteht bei diesseitiger Quer- richtung, scheint seltener zu sein, doch habe ich auch dieses Verhalten mit Sicherheit gesehen. Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. 43 3. Als geeignete Flüssigkeit für die frische Untersuchung ist 2°/0 Essigsäure, noch mehr aber 3—5 °/o Citronensäure zu empfehlen, in der kleine Gewebsstückchen glasig aufquellen und leicht zu zerzupfen sind, während die Querstreifung der Kerne gut sichtbar bleibt. Doch habe ich auch an Muskelzellen, die mit der konzentrierten (35 °/o) Kalilauge isoliert waren, eine recht deutliche Querstreifung der Kerne gesehen. Die Kalilauge hat den Vorzug, dass sie die Zellen völlig von einander trennt, so- dass man weniger mit den optischen Schwierigkeiten der Ueber- einanderschichtung zu tun hat als bei andern Untersuchungs- flüssigkeiten. Dies fällt darum sehr in’s Gewicht, weil die natür- liche Trübheit des Kernes die frische Untersuchung ohnehin schon so erschwert, dass man mitunter im Zweifel ist, ob man die ge- schilderte Querstreifung wirklich sieht oder ob man sie nur zu sehen glaubt. Aus der oben geschilderten Divergenz der Richtungslinien zwischen Dies- und Jenseits geht hervor, dass die Streifung nicht ringförmig sein kann, sondern spiraliger Natur sein muss, und zwar scheint die Linkswindung häufiger zu sein als die Rechts- windung. So zwingend auch dieser theoretische Schluss scheint, ist es doch im frischen Präparat fast nie möglich, eine Spiral- figur plastisch zu sehen, offenbar nicht bloss wegen der Zartheit der Streifung, sondern auch wegen der Enge der Windungen. Versuche, die Kerne zu fixieren und an gefärbten und auf- gehellten Dauerpräparaten zu studieren, um in die stereometrische Natur der Streifung einen klaren und mehr unmittelbar sinn- lichen Einblick zu gewinnen, scheiterten zunächst an folgender Tatsache: 4. Die Querstreifung der Kerne der glatten Muskelzellen ist eine äusserst labile Erscheinung, noch labiler als Kernteilungs- figuren, und ist bei Warmblütern eine Viertelstunde nach dem Tode schon vielfach nicht mehr deutlich sichtbar. Sie ist ander- seits um so ausgesprochener und um so allgemeiner anzutrefien, je lebensfrischer das Untersuchungsobjekt ist. 5. Nach Versuchen mit den verschiedenen üblichen Fixierungs- mitteln habe ich nur die konzentrierte (7,5 0/0) Sublimatlösung mit Zusatz von 2—3°/o Eisessig brauchbar gefunden, und auch diese nur bei Einlegung kleinster lebenswarmer Stückchen, die man vorher erst ca. 5 Minuten lang in 3—50/o Citronensäure 44 Karl Münch: aufquellen läßt, worauf sie eine Stunde lang in der Sublimatlösung verweilen. Weiterbehandlung mit Auswässern, Jodalkohol etc. wie üblich. 6) Die anisotropen Streifen sind mit Chromatinfärbemitteln (Haematoxylin, Karmin, Saffranin, Cochenille, Methylgrün, Thionin) färbbar. 7. An gut fixierten, gefärbten und aufgehellten Längs- schnittpräparaten lassen sich bei ca. 1000 facher Vergrösserung Bilder erkennen, die über das Wesen der Querstreifung des Muskelkernes ohne Weiteres Klarheit schaffen. Der Augenschein zeigt unmittelbar, schon bei einer unveränderten Einstellung, dass es sich in der Tat um enggewundene Spiralen handelt. Fig. 3 zeigt in 1000 facher Vergrösserung vier Kerne aus einem Paraffin-Schnittpräparat der Muscularis des Rattendarmes, mit Haematoxylin gefärbt und mit gesättigter Pikrinsäurelösung differenziert. x Ss) Die Zahl der Windungen der Kernspiralen ist so ver- schieden, dass m. E. Zählungen von geringem Werte sind. Als geringste Windungszahl habe ich 3!/. gefunden, an besonders grossen Spiralen konnte ich mit hinreichender Sicherheit bis zu 15 Windungen zählen, doch soll damit nicht gesagt sein, dass ich diese Zahlen für absolute Grenzwerte halte. Die zwei Kerne von Fig. 4 fanden sich in demselben Schnittpräparat wie die Kerne, die der Fig. 3 zu Grunde liegen. Wenn die gefärbten Spiralfiguren der beiden Kerne Fig. 4 nicht in ein vom Zellprotoplasma deutlich gesondertes Kernplasma eingebettet lägen, könnte man annehmen, die Spiralfiguren seien nichts anderes als langgestreckte, ganze Kerne, die sich in spiralige Windungen gelegt hätten. Inwiefern diese Auffassung berechtigt sein kann, soll später ausgeführt werden. Vielleicht hat schon J. Arnold solche Kerne im frischen Zustand gesehen und ihnen die eben genannte Deutung gegeben; er sagt nämlich in Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben 1871 S. 139: „Der Kern der Faserzellen ist meist einfach, sehr selten mehrfach, immer ausgesprochen stabförmig, an den Enden abgerundet oder an dem einen oder beiden Polen spitz zulaufend, zuweilen ein oder mehrmal spiralig gedreht.“ ') '‘) Von mir gesperrt gedruckt. Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. 45 Zwischen Bildern wie Fig. 4 und solchen wie Fig. 3 finden sich alle Uebergangsstufen. Merkwürdig ist, dass den beiden Kernen der Fig. 4 die Anhäufung von granuliertem Kernplasma an einem Pol mangelt, die sowohl an den frischen Kernen der Fig. 1 als auch den fixierten Kernen der Fig. 3 in voller Uebereinstimmung sichtbar ist. Ob unregelmässige Windungen, wie Fig. 5 sie wiedergibt, als normale Bildungen, oder als vorübergehende Bewegungszustände, oder aber als Kunstprodukte anzusehen sind, muss ich dahin- gestellt sein lassen. + An dem gelungensten Dauerpräparat, das ich habe erzielen können, ist der Umstand am meisten bemerkenswert, dass ın ganzen Partien des Schnittes ausschliesslich spiralig gebaute Kerne vorkommen, sodass also Dutzende von benachbarten Kernen die färbbare Spiralfigur aufweisen. Diese einzige That- sache genügt, um gewichtige Zweifel an dem Wert und an der Vertrauenswürdigkeit aller Präparationsmethoden entstehen zu lassen, die andere Strukturbilder des Muskelkernes ergeben. Denn offenbar verdient die Methode am meisten Vertrauen und den Vorzug vor allen andern, deren Resultate sich durch Wieder- holung gewisser, Regel und Gesetz verratender Befunde selbst bestätigen und bekräftigen, zumal wenn diese Befunde auch in den Ergebnissen der frischen Untersuchung eine Stütze haben. Alle andern Fixiermethoden, auch die mit Osmiumsäure, machen sich beim Muskelkern selbst unglaubwürdig dadurch, dass sie Bilder ergeben, in denen nichts konstantes erkennbar ist als die äussere Form, die langgestreckte „Stäbchenform,“ die denn auch in den Lehrbüchern als das hauptsächliche Charak- teristikum des Muskelkernes bezeichnet wird. Dagegen lässt die innere Kernstruktur keine Spur von Gesetzmässigkeit erkennen: Bald erscheint der Inhalt des Kerns als Konglomerat regellos verteilter färbbarer Granula, — und so findet er sich in den meisten Abbildungen der Bücher dargestellt, — bald als Konvolut von Nucleinfäden, in dem allerdings die quere Richtung der einzelnen Fäden meist vorherrscht, bald auch als Gemisch von Fäden und Granula, welch’ letztere die Fäden mehr oder weniger verdecken oder undeutlich machen. Immer aber scheint der Kern umgeben von einer Membran, von der die Nucleinfäden auszugehen und der sie dichter anzulagern scheinen, sodass der 46 Karl Münch: Kern sehr scharf vom Protoplasma abgegrenzt erscheint und einen bläschenartigen Charakter erhielte, wenn er nicht so dünn und langgestreckt wäre. Gerade in diesem letzten, wesentlichen Punkt ergibt nun diejenige Fixiermethode, die nach obiger Auseinandersetzung als die einzig vertrauenswürdige gelten muss, merkwürdigerweise ganz abweichende Befunde: Die Kerne, in denen die Spiralfigur sichtbar ist, weisen keine Membran auf, obwohl sie vom Proto- plasma scharf und deutlich abgesondert sind. Die Begrenzung wird hier nicht vom Kern, sondern vom Protoplasma gebildet. Dieses schliesst nämlich einen für den Kern ausgesparten Hohl- raum ein, der von dem Kernsaft (Kerngrundsubstanz, Karyo- plasma) ausgefüllt ist. Optisch hebt sich der Kernsaft vom Protoplasma durch grössere Helligkeit ab, auch am fixierten und gefärbten Präparat (s. Fig. 3). Wenn nun die innere Struktur dieser Kerne durch die Spiralfigur ein durchaus eigenartiges Gepräge erhält, so muss anderseits betont werden, dass die Abwesenheit einer eigentlichen Kernmembran nach den Ergebnissen der Untersuchungen von Guignard!) und Ed. Strassburger?) nicht mehr als eine be- sondere Eigentümlichkeit des Muskelkerns betrachtet werden kann. Beide Forscher kommen auf Grund von Beobachtungen der Kernteilung zu dem Schluss, dass die angenommene Kernmembran nichts ist als eine dem Protoplasma angehörige Grenzschicht gegen die Kernsubstanz hin. Wichtiger als die Frage nach der Kernmembran scheint hier die Frage nach der morphologischen Bedeutung der Spiral- figur zu sein, die den Muskelkern vor andern auszeichnet. Denn nach der blossen Feststellung ihres thatsächlichen Vorhandenseins bleiben noch eine Reihe von Fragen zu lösen übrig nämlich: 1. Ist die Spiralfigur in allen Muskelkernen vorhanden ? 2. Ist die Spiralfigur das einzige Formgebilde des Kerns, in dem sie sich befindet ? 3. Aus welchem Stoff besteht die Spiralfigur ? 4. Wie entsteht die Spiralfigur entwicklungsgeschichtlich ? ’) Guignard. Recherches sur la structure et la division du noyau cellulaire. Annales des sciences nat. T. XVII. 6 ser. 1884. 2) Ed. Strassburger. Über Kemn- und Zellteilung im Pflanzenreiche nebst einem ‚Anhang über Befruchtung. Jena 1888. Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. 47 Ad 1) Die Frage, ob die Spiralfigur ein allgemeiner, integrierender Bestandteil des Muskelkerns ist, kann verschieden weit gefasst werden, je nachdem man nur die Kerne der glatten Muskelzellen oder auch die der gestreiften Muskelfasern in’s Auge fasst. Was die gestreiften Muskelfasern betrifft, so habe ich bei Säugern, Vögeln und Fischen und auch bei Arthropoden niemals an den Kernen im frischen Zustand etwas wie Querstreifungsehen können, geschweige denn, dass es mir gelungen wäre, an Dauerpräparaten Spiralfiguren sichtbar zu machen. Vielmehr hatte ich den Ein- druck, als sei hier der Kern meist auf ein kleines, nahezu kompaktes Klümpchen von Nuclein reduziert. Dagegen habe ich beim Amphibium, nämlich an den abgemagerten Fasern eines überwinterten Frosches, die Spiralfigur in allen Kernen gesehen, und zwar in so ausserordentlich schöner Entwicklung, dass es gar keiner Zusätze bedurfte, um sie schon bei 400facher Vergrösserung deutlich zu machen. Doch kann ich für diese Wahrnehmung, obwohl ich sie selbständig machte, nicht das Prioritätsrecht in Anspruch nehmen. Van Gehuchten‘) hat sie eingehend studiert und ausführlich beschrieben. Seine Abbildungen bieten zum Teil eine überraschende Ähnlichkeit mit den meinigen dar, die ich vor Kenntnisnahme seiner Arbeit gezeichnet habe. Diese Übereinstimmung ist mir eine erfreuliche Bestätigung meiner Beobachtungen. Zur Sichtbarmachung der Spiralfiguren empfiehlt v. G. besonders Methylgrün, womit die erst mit Citronensaft durchtränkten, dann ausgewaschenen Fasern zu färben sind. Ich kann v. G.’s Angaben aus eigener Anschauung bestätigen, muss aber bemerken, dass mir die Kernspiralen der Froschmuskelfaser am allerdeutlichsten erschienen, wenn sie gar keiner Vorbehandlung noch Färbung unterworfen wurden. Da ich keine nachträgliche Publikation van Gehuchtens habe finden können, die auf denselben Gegenstand Bezug hätte, so nehme ich an, dass er auf der irrigen Ansicht stehen geblieben ist, es läge in den Kernspiralen ein auf die gestreifte Muskelfaser des Frosches beschränktes, für sie spezifisches Merkmal vor. In seinen glatten Muskellzellen hat aber der Frosch ganz dieselben Kernspiralen, die allerdings bei der geringen Menge glatter Muskulatur und bei der schwer zu vermeidenden !) Van Gehuchten: Les noyaux des cellules musculaires striees de la grenouille adulte. Anatom. Anzeiger 1889. IV. Jahrg. S. 52. 48 Karl Münch: Verunreinigung der Zupfpräparate mit massenhaften Epithelzellen nicht so bequem und leicht zu finden sind wie in der gestreiften Muskelfaser. Was nun die glatten Muskelzellen im Allgemeinen betrifft, so kann ich leider nicht sagen, ob die Spiralfigur ein Wesens- bestandteil dieser Gewebsart ist, wenn man den Begriff der Gewebsart so weit fasst, dass er die ganze Tierreihe begreift, in der die Gewebsart vorkommt. Bei Würmern und Schnecken nämlich, die bekanntlich nur „glatte“ Muskelfasern haben, ist es mir nicht möglich gewesen, an ihren äusserst schmalen Muskel- kernen etwas wie eine Struktur zu erkennen, zumal da das ungemein trübe, oft auch pigmentbeladene Protoplasma die Untersuchung erschwert. Doch muss ich gestehen, dass ich meine Unter- suchungen nach dieser Richtung vielleicht nicht mit der nötigen Geduld und Ausdauer verfolgt habe, und hat vielleicht ein Andrer hier doch glücklichere Erfolge. Wenn man nun auch den Begriff der Gewebsart enger fasst, d. h. auf die Spezies beschränkt, so bleibt doch die Frage nach der Allgemeinheit, bezw. Frequenz der Spiralfigur immer noch sehr schwer zu beantworten, und zwar wegen der schon dargelegten, offenbaren Unzuverlässigkeit der Nachweis-Methoden. Infolge dieser Unsicherheit ist es schwer zu sagen, ob die Spiralfigur bei den Tierarten, in deren Muskelkernen sie vor- kommt, sich in allen Muskelkernen findet. Denn wenn sich in demselben Präparat, das die Spiralfigur partienweise an allen Kernen erkennen lässt, andere Partien finden, wo die Kerne grossenteils eine mehr oder weniger abweichende Struktur zeigen, so bleibt immer noch die Möglichkeit zu erwägen, dass in diesen letzteren Partien die konservierende Flüssigkeit weniger gut ein- gewirkt haben kann, sodass die vielleicht doch vorhanden gewesenen Spiralfiguren bei ihrer grossen Labilität zerfallen konnten, ehe sie fixiert wurden. Schon van Grehuchten (l. c.) betont die ausserordentliche Hinfälligkeit der Kernspiraien der Froschmuskel- faser, die alle seine Versuche vereitelte, die beschriebenen Figuren nach den sonst allgemein gebräuchlichen Fixier- und Färbemethoden sichtbar zu machen. | Immerhin glaube ich, wenn auch nur aus logischen Gründen, den Satz aufstellen zu dürfen, dass die Spiralfigur bei den Tierarten, in deren Muskelkernen sie vorkommt, Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. 49 einen Wesensbestandteil aller normalen, funk- tionierenden, ruhendenKernedarstellt, wobei „ruhend‘“ im üblichen Sinne verstanden ist, d. h. nicht in Teilung begriffen. Es ist zum mindesten sehr wahrscheinlich, dass in einem fertig entwickelten Gewebe diejenigen Formelemente funktionell tauglich und tätig sein müssen, welche die Hauptmasse des betreffenden (rewebes ausmachen; wäre es z. B. im Muskelgewebe umgekehrt, so hätte die arbeitende Minorität bei der Kontraktion einen Ballast von untätigen Gewebsmassen zu überwinden, der grösser wäre als sie selbst. Gesetzt also, die wenigen, nicht spiralig durch- wundenen Kerne eines gelungenen Präparats seien in Lebenstreue, in ihrer natürlichen Struktur erhalten, so können sie doch, weil in Minderheit, nicht als die funktionierenden Kerne angesehen werden. Bei dieser Folgerung ist freilich stillschweigend vorausgesetzt, dass der Kern in der Physiologie der Gesamtzelle eine wesentliche Rolle mitspielt, dass Zellfunktion und Kernfunktion Hand in Hand gehen, und dass der Kern auf die Funktion des Protoplasmas einen wichtigen Einfluss ausübt. Jene Kerne aber, die mit ihrer abweichenden Struktur die Minderheit bilden, müssen demnach eine andere Bedeutung haben, und zwar kommen für ihre Beurteilung verschiedene Möglichkeiten in Frage. Es kann sich handeln: a. Um Abnormitäten. b. Um Degenerationserscheinungen. c. Um den „Schlummerzustand,“ d.h. die Kerne hätten die Bedeutung von zur Regeneration bestimmten Reserve- kernen. d. Um Vor- oder Nachstadien des Kernteilungsvorganges. Von diesen 4 Möglichkeiten glaube ich die erste als die unwahrscheinlichste ausschliessen zu können. Bezüglich der drei andern Möglichkeiten besteht indessen kein Grund, warum man sie nicht als nebeneinander bestehend annehmen sollte. Fig. 6 z. B., ein Kern aus der Muscularis des Rattendarmes frisch untersucht, macht den Eindruck als sei seine Spiralfigur in degenerativem Zerfall begriffen, und wenn man von der nur noch schwach angedeuteten Querstreifung absieht, so erinnern die im Innern sichtbaren krümeligen Massen zusammen mit der scheinbaren Kernmembran an die Bilder, die man an solchen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62, 4 50 Karl Münch: Dauerpräparaten gewöhnlich sieht, die mit ungeeigneten Reagentien fixiert wurden. Fig. 7 zeigt einen Kern aus der Blasenmuskulatur des Kaninchens, frisch durch Zupfen isoliert und mit Thionin gefärbt. Die hier verbindungslos quer und schräg verlaufenden dicken Nucleinstränge scheinen durch Zerfall einer gewesenen Spiralfigur entstanden zu sein, wie die an den Polteilen noch sichtbaren Reste einer solchen vermuten lassen. Allerdings könnte auch eine mechanische Zerreissung an der Trennung des Zusammenhangs schuld sein, wobei sich die Teilstücke zurückgezogen hätten. Als schlummernde, zur Regeneration bestimmte Reserve- kerne können wohl Formen angesehen werden, wie Fig. 8 sie wiedergibt. Diese Kerne, derengleichen nicht eben selten in sonst gelungenen Präparaten vorkommen, zeichnen sich schon durch ihre kurze, rundliche Form vor den gewöhnlichen, stäbchen- förmigen Kernen aus und bekunden dadurch, wie auch durch die innere Struktur, einen Zustand verhältnismässiger Indifferenz, d. h. sie nähern sich dem allgemeinen Kerntypus mit seinem anastomosierenden, korbflechtartigen Gerüstwerk. Vor einer Ver- wechselung mit Bindegewebskernen habe ich mich durch Färbung ihres Protoplasmas mit Pikrinsäure gesichert, die für das kon- traktile Protoplasma geradezu spezifisch ist. Was endlich diejenigen von der Regel abweichenden Kern- bilder betrifft, die ich als besondere Entwicklungsstadien deuten möchte, so sollen dieselben später, im Zusammenhang mit der Frage nach der Entwicklung der Spiralfigur, besprochen werden. Ad 2). Die Frage, ob die Spiralfigur das einzige Formgebilde des Kernes ist, in dem sie sich befindet, ist ebenfalls schwierig zu beantworten, nicht nur wegen der Unsicherheit der Präparations- Methoden, sondern auch wegen der Kleinheit der Dimensionen, um die es sich beim Muskelkern handelt; bedenkt man, dass die meisten Muskelkerne nur ca. 3—4 « dick sind, und dass die Entfernung zwischen den einzelnen Windungen der enggewundenen Spiralen meist fast unmessbar klein ist, so wird klar, welche optischen Schwierigkeiten dem Versuch entgegenstehen, zu ent- scheiden, ob im Innern des Kernes etwa noch ein Gerüstwerk, oder ein Nucleolus vorhanden sind oder nicht. Diese Schwierig- keiten werden am gefärbten Präparat nicht geringer, sondern grösser als am frischen. Nachdem einmal als allgemeine Regel Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. 51 gilt, dass ein Gerüstwerk und ein Nucleolus zur Struktur eines Kernes gehören, liegt es natürlich nahe, diese Elemente auch im Muskelkern vorauszusetzen und danach zu suchen. Ich habe danach gesucht und sie nur ausnahmsweise gefunden, d. h. nur in solchen Kernen, die oben als schlummernde, zur Regeneration bestimmte Reservekerne gedeutet worden sind. In keinem einzigen Kern jedoch, der die Spiralfigur zeigte, habe ich etwas gesehen, was zur Annahme eines Gerüstes, sowie eines Nucleolus berechtigen könnte. Demnach ist der normale, ruhende Muskel- kern seinem Wesen nach nichts als eine in unfärb- bare (achromatische) Substanz eingelassene färbbare (chromatische) Spiralfigur. Diese Reduktion kann übrigens nichts sonderlich überraschendes an sich haben, nachdem in der Histologie schon andere Ausnahmen von der allgemeinen Regel der Kernstruktur festgestellt sind; ich meine die Kerne der Samenelemente, die ja auf ein kompaktes Nucleinklümpchen reduziert sind, dem das Paranuclein anlagert. Ad 3). Aus welchem Stoft die Spiralfigur besteht, diese Frage scheint mir ebenfalls nicht leicht zu beantworten, und braucht auch in dieser morphologischen Arbeit vorerst nicht erschöpfend be- handelt zu werden. Die einzigen Anhaltspunkte in dieser Beziehung gewährte das Verhalten gegenüber Farbstoffen, weil man dasselbe an gut aufgehellten Balsampräparaten mit Musse und hinreichender optischer Sicherheit studieren kann. Fast alles, was bis jetzt über den Chemismus der einzelnen morphologischen Bestandteile des Zellkerns ermittelt ist, verdanken wir Untersuchungen am pflanzlichen Zellkern, weil dieser durch seine grösseren Dimensionen günstigere optische Bedingungen zur Beobachtung der Reaktionen bietet, als der tierische Zellkern. Der Muskel- kern mit seinen winzigen Dimensionen ist nun ganz besonders ungünstig für solche Untersuchungen. Mit der Tatsache nun, dass die Spiralfigur sich mit Chromatin- färbemitteln färbt, ist noch nicht erschöpfend dargetan, dass sie aus demselben Substanzengemenge besteht, aus dem die Nuclein- stränge des Kerngerüstes gebildet sind. Indessen lassen die dicken Spiralfiguren der Fig. 4 und 5, die mit Hämatoxylin gefärbt und mit Pikrinsäure differenziert sind, in ihrem färberischen Verhalten eine entschiedene Analogie mit gewöhnlichen Gerüstbalken er- kennen: Sie erscheinen nicht gleichmässig gefärbt, sondern ge- 4* 52 Karl Münch: fieckt, wie aus zwei Substanzen von verschiedener Färbbarkeit zusammengesetzt, von denen die dunkle offenbar dem Chromatin, die helle dem Linin entspricht. Wenn die Ansicht Derjenigen richtig ist, die mit Frank Schwarz!) den Nucleolus aus einem eigenen, einheitlichen Stofi, dem „Pyrenin“ bestehen lassen — eine Ansicht, die E. Strass- bur oe v (l. ec.) nicht teilt —, so würde folgen, dass der normale, ruhende Muskelkern, da er keinen Nucleolus enthält, auch kein „Pyrenin“ enthielte. Es wäre aber doch wohl möglich, dass die im Nucleolus eingeschlossenen Substanzen auch in der Spiral- figur enthalten wären. Ad 4). Wie die Spiralfigur entwicklungsgeschichtlich entsteht, darüber kann ich leider ebenfalls weder sichere noch erschöpfende Angaben machen. Der Gedanke, die verschiedenen Phasen der Karyokinese aufzusuchen bis zu ihrem völligen Ablauf, liegt nahe. Es ist mir indes trotz aller Bemühung nicht gelungen, in der glatten Muskulatur junger Tiere auch nur ein einziges unzweifel- haftes Bild einer echten Karyokinese zu finden, und ich würde auf Grund dieses meines Misserfolgs fast glauben, dass in dieser Gewebsart keine Karyokinese vorkomme, wenn nicht Pfitzner und H. Stilling?’) sie beschrieben hätten, zwei Autoren, deren Vertrauenswürdigkeit ausser Zweifel steht. Merkwürdig ist, dass auch van Gehuchten (l. ec.) in der quergestreiften Frosch- muskelfaser, wo die Nucleinspiralen so prächtig ausgebildet sind, vergeblich nach Karyokinesen gefahndet hat: „Malgre tous nos soins, nous n’avons jamais rencontre dans ces cellules musculaires des stades övidents d’une division einetique.* Dagegen glaubt er, dass die Kernspiralen sich durch Wachstum in die Länge mit nachfolgender Abschnürung vermehren, eine Ansicht, die er auf die Beobachtung von reihenweise angeordneten Spiralen gründet, die oft ununterbrochene oder nur wenig unterbrochene Ketten bildeten. „Ces colonnes de noyaux semblent provenir d’une caryost&nose, ou, division direete active, plutöt que d’une caryo- einese ou division indirecte.“ Auch ich habe, in der glatten Muskulatur junger Säuger (Ratten), ähnliche Kettenbilder gesehen, zwar nicht von so auf- ıF,Schwarz: Die morphologische und chemische Zusammensetzung d. Protoplasma. Breslau 1887. ?) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 28, 8. 396. Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. 53 fallender Länge wie die van Gehuchtens, aber mit derselben charakteristischen Unterbrechung; ich beschränke mich auf die Wiedergabe der gesehenen Bilder. (Fig. 9 und 10.) Eine be- sondere Beachtung scheint mir aber Fig. 11 zu verdienen, die ganz den Eindruck macht, als sei die Spiralfigur im Begriffe, sich in zwei zu teilen: Die Präparate, die den Figuren 9—11 wie auch allen folgenden zu Grunde liegen, waren frisch mit Citronensäure behandelt, ausgewaschen, mit Thionin gefärbt und in Glycerin bei S00 facher Vergrösserung untersucht. 1 Angenommen nun, die direkte Teilung durch Längen- wachstum und Abschnürung sei in der glatten Muskelzelle der gewöhnliche Modus der Kernvermehrung, ja selbst gesetzt, alle Spiralen könnten auf eine einzige zurückgeführt werden, so bliebe doch der Ursprung dieser einzigen Ur-Spirale noch dunkel. Da auch die Vorfahren der Muskelzellen in einer frühen Periode des Embryonallebens morphologisch noch indifferent sind, und sich wie alle andern karyokinetisch teilen und vermehren, so muss doch irgendwo und -wann ein Uebergang von der in- ditferenten Kernstruktur zu der spezifischen des Muskelkernes stattfinden. So wenig Sicheres ich über diesen Uebergang an- geben kann, will ich mir doch die Vermutung auszusprechen erlauben, die sich mir durch vergleichende Betrachtung der Bilder aufgedrängt hat, welche in den Figuren 12, 13, 14 und 15 wieder- gegeben sind. Die Figuren sind der Blasenmuskulatur der neu- geborenen Ratte entnommen. In Fig. 12 ist eine bauchig auf- getriebene Muskelzelle zu sehen, deren Verdickung hauptsächlich auf Rechnung des Kernes zu setzen ist. Dieser zeigt in einem runden hellen Hofe drei intensiv färbbare, walzen- oder wurst- förmige Gebilde von fast homogenem Aussehen. Die ungleiche Grösse der drei Gebilde ist wohl nur scheinbar, indem die kleineren sich wahrscheinlich im optischen Querschnitt bezw. Schrägschnitt präsentieren. Das Ganze kann wohl nur als Endphase eines indirekten Teilungsvorganges verstanden werden. Ob der hier abgelaufene Vorgang eine typische Karyokinese gewesen ist, wage ich weder zu behaupten noch zu bezweifeln, da ich, wie gesagt, keine karyokinetischen Figuren in glatten Muskelzellen gesehen habe, während mir sonderbarerweise gerade das hier wiedergegebene Bild wiederholt vor Augen gekommen ist, ‚aber leider immer im nämlichen Stadium. Es mag hieran viel- 54 KarlMünch: Ueber Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen. leicht persönliches Missgeschick schuld sein. Wie dem auch sei, es besteht sicherlich eine auffallende Aehnlichkeit zwischen den drei Teilungsprodukten der Fig. 12 und dem in eine schwanzartige Verlängerung ausgezogenen Nucleinkörper der Fig. 13. In Fig. 14 ist dieser ausgezogene Faden spiralig aufgerollt, ebenso wie in Fig. 15, wo die Windungen kleiner sind. Das zur Vervollständigung des Kernbildes noch erforderliche Kernplasma schien im Präparat, dem Nucleinkörper in geringer Menge anliegend, schon vorhanden zu sein. In demselben Präparat fand sich auch das eigentümliche Kernbild der Fig. 16, das den Eindruck eines sehr dicken, spiralig gedrehten, walzigen Nucleinkörpers macht, dessen wenige chro- matische Substanz der reichlichen achromatischen in Bandform angelagert ist. or [or Aus dem pathologischen Institut zu Genf. Die sogenannte Querstreifung der Muskel- faser der optische Ausdruck ihrer spiraligen anisotropen Durchwindung. Von Dr. Karl Münch, 1. Assistent. Hierzu Tafel IV, Figur A und B und 20 Textfiguren. Nachdem mir der Nachweis der Nucleinspiralen im Kern der glatten Muskelzellen gelungen war, lag begreiflicherweise die Vermutung nahe, es könne vielleicht eine Verwandtschaft zwischen dem Gefüge dieser Kerne und dem der sogenannten quergestreiften Muskelfaser bestehen; denn, wie am Eingang jener Arbeit erwähnt, machen diese Kerne im frischen Zustand bei unveränderter Einstellung oft einen ausgesprochen quer- gestreiften, bezw. segmentierten Eindruck und erinnern dadurch im kleineren Massstab einigermassen an das Bild der Muskel- faser. Und da ich mich in der Tat durch dieses trügerische Aussehen eine Zeitlang zu der falschen Auffassung hatte irre- führen lassen, die Kerne seien metamer segmentiert, so drängte sich mit - der besseren Einsicht, d. h. der Erkenntnis ihrer spiraligen Durchwindung, der Gedanke auf, es könne sich vielleicht auch bei der ähnlich aussehenden „quergestreiften‘“ Muskelfaser um eine analoge optische Täuschung handeln. Wenn ich es nun im Folgenden unternehme, den Nachweis zu führen, dass die quergestreift genannte Muskelfaser in der Tat ihr charakteristisches Aussehen der spiraligen Anordnung der anisotropen Substanz verdankt, so mag dies als ein kühnes Unterfangen erscheinen; habe ich doch dabei, abgesehen von dem berechtigten Misstrauen, das jeder wissenschaftlichen Neuerung entgegengebracht zu werden pflegt, noch obendrein gegen den odiösen Anschein zu kämpfen, als wollte ich anerkannte und verdienstvolle Forscher anzweifeln, wenn auch nicht quoad bonam 56 Karl Münch: fidem, so doch betrefis der Richtigkeit ihrer Beobachtungen. Demgegenüber muss ich ausdrücklich betonen, dass die histo- logischen Tatsachen, die ich zu diesem Nachweise gesammelt habe und im Folgenden aufführen werde, die bisher erforschten Tatsachen zwar ergänzen, aber keineswegs dementieren. Der Umstand aber, dass meine ergänzenden Befunde von so vielen ausgezeichneten Forschern bisher unbeachtet geblieben sind und bleiben konnten, hat seinen Grund, glaube ich, in der viel erprobten Wahrheit, dass der Mensch nur eben das erblickt, was er anblickt. Für gewöhnlich ist die Sinneswahrnehmung Mutter des Gedankens; oft aber kann auch umgekehrt der Gedanke zum Vater der Sinneswahrnehmung werden. Auch gestehe ich offen, dass ich die Tatsachen, welche die Spiralnatur der Muskelfaser beweisen, unter dem Mikroskop erst wahrgenommen habe, nach- dem ich sie vorher als logische Postulate, d.h. als Argumente des zu führenden Beweises, erkannt hatte. Gestehe ich hiermit auch eine gewisse Tendenz im Gang meiner Untersuchung zu, so bin ich doch weit entfernt, die subjektive Treue meiner Beobachtung und damit die objektive Wahrheit der genannten Tatsachen auch nur im Geringsten preiszugeben. Uebrigens können diese von Jedermann leicht nachgeprüft werden. Bevor ich die in Rede stehenden Tatsachen einzeln dar- lege, erscheint es notwendig, einen allgemein orientierenden Blick auf die stereometrischen Kriterien zu werfen, die erforder- lich sind und zutreffen müssen, um die spiralige Struktur eines Körpers nachzuweisen. Es liegt auf der Hand, dass eine Schraubenspirale durch blosse unmittelbar sinnliche Anschauung umso schwieriger als Spirale erkannt werden kann, je dichter zusammengedrängt ihre Windungen und je grösser ihr Kaliber, d. i. der Durchmesser des betr. Cylinderquerschnitts ist. Schon die Betrachtung einer gewöhnlichen Schraube von einiger Feinheit zeigt, dass es sinnlich unmöglich ist, ihre spiralige Struktur ohne Weiteres von der eines metamer parallel gerippten Cylinders zu unter- scheiden. Um die Unterscheidung zu ermöglichen, gibt es nur zwei indirekte Mittel: das erste, laienhaft populäre, besteht darin, dass man mit dem Fingernagel oder sonst einem zu- geschärften oder gespitzten Gegenstand in eine Furche eingreift und durch umlaufende Verfolgung der Furche zusieht, ob man —I Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. B am Cylinder auf- und abwärts wandert oder nicht. Das zweite, mathematisch elegantere, besteht darin, dass man die Rippen- richtung zunächst auf einem Halbumfang des Cylinders feststellt, dann die Rippenrichtung auf dem jenseitigen Haibumfang mit der ersten vergleicht. Ist die Richtung, von einer und derselben Seite aus gesehen, die nämliche auf beiden Halbumfängen, sei sie quer oder in beliebigem Sinne schräg, so besteht Metamerie. Ist sie dagegen verschieden, so handelt es sich um Spiralwindung. Dabei ist es für den Nachweis der spiraligen Windung‘ nicht erforderlich, dass die diesseitige Rippenrichtung der jenseitigen entgegengesetzt sei in dem Sinne, dass die beiden divergenten Richtungslinien, mit den parallelen Rändern des Oylinders auf eine Ebene projiziert, ein Antiparallelogramm, bezw. ein gleich- schenkeliges Dreieck bilden, wie dies allerdings bei unsern in der Mechanik gebräuchlichen Schrauben und Spiralen selbst- verständlich immer der Fall ist und sein muss. Vielmehr ist jede Divergenz, sofern sie nur ein unten zu erörterndes Mindest- mass erreicht, beweisend für spiralige Windung. Um nicht missverstanden zu werden, erscheint mir eine kurze stereometrische und perspektivische Auseinandersetzung unumgänglich. Eine Spirale, die um einen Cylinder herumläuft — der Einfachheit halber sei hier nur die linienförmige und links- gewundene Spirale in Betracht gezogen — kann dies BDA: in verschiedener Weise thun. Die einfachste und regelmässigste Art der Windung ist die, dass der Steigungswinkel, d.i. der Winkel, den die Windung mit der Querschnittsebene bildet, auf dem diesseitigen und jenseitigen Halbumfang des Cylinders der gleiche ist. Es ergibt sich in diesem Falle als Projektions- bild eine Zickzacklinie, die mit den Seitenrändern als Basis lauter gleichschenkelige Dreiecke bildet. (Regelmässige Spirale von gerader Windung.) Nennen wir den Höhenabschnitt, den die vollendete einmalige Windung zurückgelegt hat, die Windungs- höhe, ferner die beiden Windungshälften den dies- seitigen und jenseitigen Schenkel der Windung, so ist klar, dass in diesem Falle dem diesseitigen Schenkel der gleiche Anteil an der Windungshöhe zukommt als den jenseitigen. Karl Münch: OU [0 0) In einem zweiten Falle aber kann der jenseitige Schenkel in Sp: 2. rein zirkulärer Richtung um den jenseitigen Umfang des Cylinders herumlaufen und hat alsdann an der Auf- wärtsbewegung gar keinen Anteil. Das hier sich ergebende Projektionsbild ist eine Zickzacklinie, die mit den Seitenrändern als Katheten rechtwinkelige Dreiecke bildet. Drittens kann der jenseitige Schenkel, statt an- | SD: zusteigen, sich wieder nach abwärts wenden, und so einen Teil der erreichten Höhe wieder verloren machen. Das entsprechende mit den Seitenrändern des Cylinders spitz- Projektionsbild ist eine Ziekzacklinie, die | winkelige Dreiecke bildet, deren spitze Winkel linkerseits nach oben, rechterseits nach unten konvergieren. (Regelmässige Spirale von ungerader, geknickter Windung.) Bei den bisher betrachteten Beispielen von ungerader Windung (Sp. 2 und 3) war im Inter- esse der Einfachheit angenommen, dass die Umbiegungs- oder Knickungsstelle der Wind- ungen gerade an der Grenze zwischen dies- und jenseitigem Schenkel liege, wodurch das Pro- jektionsbild zu einer einfachen Zickzacklinie wird. Sind jedoch die -— unter sich parallelen — Windungen in ihrem Verlauf mehrfach geknickt oder gebogen, also auch im Bereiche des dies- und jenseitigen Schenkels, so wird das Projektionsbild natürlich entsprechend verwickelter und demgemäss auch die Feststellung der Divergenz beider Schenkel eventuell nur da- durch möglich, dass man den Anfangs- und den Endpunkt einer Einzelwindung feststellt und aus dem Höhenabstand dieser beiden Punkte eine ideale gerade Windung konstruiert, ‘deren Ver- lauf dann den mittleren Steigungswinkel angibt (Sp. 4 — regelmässige Spirale von kompliziert ungerader Windung; die ideale gerade Windung ist mit ABC bezeichnet, (X CBD mittlerer Steigungs- winkel.) Sp. 4. Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 59 Ein vergleichender Blick auf die Spiralen 1, 2 und 3 zeigt, dass die erste am leichtesten, die dritte am schwersten als Spirale erkennbar ist, obwohl alle drei die gleiche Windungs- höhe haben. Dies rührt nicht bloss davon her, °P 5: dass die Divergenz zwischen diesseitigem und jen- seitigem Schenkel, also auch der von ihnen ein- geschlossene Winkel, bei Sp. 1 am grössten, bei Sp. 3 am kleinsten ist. Denn auch die neben- stehende, regelmässige geradegewundene Spirale 5, deren Winkel noch spitzer sind und deren Windungs- höhe nur halb so gross ist als bei Sp. 3, ist immer noch leichter und unmittelbarer als Spirale zu er- kennen, als diese. Es wirkt hier vielmehr offenbar der Umstand mit, dass uns bei Betrachtung einer geradegewundenen Spirale die unserem geometrischen Sinn sehr geläufige Querrichtung — die hier die Halbierungslinie der Ziekzackwinkel bildet — als ideeller Stütz- punkt oder vielmehr Stützlinie dient, die unserem Unter- scheidungsvermögen für divergente Richtungen zu Hilfe kommt und feinere Empfindlichkeit verleiht, während bei ungerader Windung (Sp. 2, 3, 4) die Halbierungslinie der Zickzackwinkel schwieriger vorzustellen ist. Allen bisher betrachteten Spiralformen ist der Parallelismus der Windungen unter einander gemeinsam. (Regelmässige Spiralen.) Setzt sich jedoch eine Spirale aus Windungen zu- sammen, die bald dem Modus Sp. 1, bald 2, 3 oder 4 ent- sprechen, so schwindet der Parallelismus und die Spirale ist unregelmässig. NEN Um nun auf die oben aufgeworfene Frage von dem Mindest- mass von Divergenz der Richtungslinien (Schenkel) zurück- zukommen, das zum Nachweis spiraliger Windung erforderlich ist, so muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass in wirk- lichen aus Stoff gebildeten Spiralen keine Linien, sondern mehr oder weniger breite Zonen des Cylinders die Windungen kon- stituieren. Wenn nun die Windungen in denkbar grösster Enge gelegt sind, d. h. sich gegenseitig berühren, so ist die Windungs- höhe gleich der Breite der Zone, welche die spiralige Drehung ausführt. Der Nachweis einer solchen enggewundenen Spirale lässt sich also dadurch führen, dass man untersucht, ob die 60 Karl Münch: Sp.6. Divergenz der diesseitigen und jenseitigen Richtungs- linien dem Winkel entspricht, dessen gegenüber- liegende Dreieckseite der Breite der in Frage stehen- den Zone gleichkommt. Dieser Winkel bedeutet also das Mindestmass von Divergenz, das zum Nachweis spiraliger Windung erforderlich ist. (Sp. 6, X «). Es gibt einen besonderen Ausnahmefall, in welchem eine echte Spirale bei einer bestimmten Lagerung ein Projektionsbild darbieten kann, welches keinerlei Divergenz ihrer beiden Windungsschenkel erkennen lässt und so ein metamer parallel gestreiftes Gebilde vortäuscht: Wenn nämlich eine regelmässige Spirale in der Weise ungerade gewunden ist, dass an zwei gegenüberliegenden Längslinien des Cylinder-Umfanges eine rein längslaufende Abknickung der Windungen besteht. Denn wenn man in diesem Falle den Cylinder so dreht, dass die gegenüberliegenden Knickungsstellen der Windungen mit den Seitenrändern des Cylinders zusammenfallen, so ver- schwinden die geknickten, längslaufenden Partien der Windungen En aus dem Projektionsbild und es Sp. Tb. präsentieren sich nur die quer- oder schräglaufenden Partien. Die dies- seitigen und jenseitigen Windungs- schenkel erscheinen alsdann ohne Zusammenhang unter einander, und parallel statt divergent, weil Bk der an den Seitenrändern ein- geschaltete, längslaufende Ver- bindungs-Teilschenkel dem Blick des Beobachters entgeht. (Sp. 7a). Dass es sich aber um eine Spirale handelt, wird sofort klar, wenn man den Cylinder etwas um seine Axe drei Die bee längslaufenden Teile der Windung erscheinen jetzt auf dem Projektionsbild und verraten den Zusammenhang der Parallel- streifen unter einander. Das Projektionsbild zeigt nunmehr winkelig geknickte, divergente Linien, deren mittlerer Steig- ungswinkel nach der Windungshöhe bemessen werden kann. (Sp. 7b; X # zeigt die mittlere Divergenz der beiden Windungs- Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 61 schenkel an, X « den mittleren Steigungswinkel = \s X P). Man könnte diese Spiralform „treppenförmig gewunden“ nennen. Es gibt aber auch umgekehrt einen besonderen Ausnahme- fall, in welchem ein durchsichtiger Cylinder, der tatsächlich metamer gestreift oder segmentiert ist, auf dem Projektionsbild fälschlich als spiralig gewunden imponieren kann. Um sich dies klar zu machen, muss man zunächst bedenken, dass auch die metamere Streifung, wie die spiralige, gerade und ungerade sein kann. Gerade kann sie nur dann sein, wenn das Segment, dessen Umfang sie darstellt, in einer queren Ebene liegt, d. h. eine Oyl. 3. Oyl.4 Cyl.1 — .- kreisförmige plane Scheibe ist. Das entsprechende Projektions- bild ist eine quere gerade Linie (Cyl. 1). Liegt das betr. Segment aber schräg, so stellt es eine Ellipse dar, deren Kontur auf dem Umfang des Cylinders eine bilateral symmetrisch gekrümmte Linie beschreibt, und deren Projektionsbild je nach der Seite, von der es entworfen wird, verschieden ist. Von ihrer Breitseite aus projiziert, ergibt sie eine schräge gerade Linie; von der Schmal- seite aus hingegen je nach dem Grad ihrer Schrägrichtung eine querovale Ellipse, (Cyl.2) oder einen Kreis (Cyl. 3) oder eine längsovale Ellipse (Cyl. 4). In all’ diesen drei Projektionskurven — bei denen die perspektivische Verkleinerung der jenseitigen Halbkurven ausser Betracht gelassen ist — gehen von den Punkten aus, wo die Kurven die Seitenränder berühren, die diesseitigen und jenseitigen Halbkurven in divergierender Richtung auseinander; diese Divergenz erweist sich jedoch als bloss scheinbar und 62 Karl Münch: unecht dadurch, dass jede Halbkurve wieder zu dem Niveau zurück- kehrt, von dem sie ausgegangen war. Die Divergenz auf der einen Seite wird also durch die Konvergenz auf der andern Seite wieder aufgehoben, sodass der mittlere Steigungswinkel, nach dem oben angegebenen Verfahren gemessen, gleich Null wird. Solange man demnach imstande ist, die beiden Halbkurven des Projektionsbildes zu einer in sich geschlossenen Kurve zu vereinigen, ist eine Verwechselung mit einer Spirale nicht mög- lich. Dies wird auch immer leicht gelingen, solange das betreffende schrägliegende Segment, wie bisher angenommen, eine plane Scheibe ist. Wenn aber das Segment in so eigentümlicher Weise „windschief“ verdreht oder verbogen ist, dass ein Teilstück seines Umfanges in rein längslaufende Richtung zu liegen kommt, so Sin DE fällt bei entsprechender Drehung des Cr! 5b. Cylinders dieses längslaufende Kontur- |. stück mit dem Seitenrand zusammen und verschwindet aus dem Projektions- bild; das übrige Teilstück der Halb- kurve erscheint nun divergent, weil der Beobachter die thatsächliche Konvergenz des versteckten Teilstückes nicht sehen kann. Beträgt nun die Länge des versteckten, längslaufenden Konturstücks soviel als der Höhen- abstand des Berührungspunktes 1 von Berührungspunkt 2, so ist das schein- bare Bild einer ungerade gewundenen Spirale fertig. (Cyl. 5a). Auch hier ist wieder eine Drehung des Cylinders um seine Axe das Mittel, die wahre Natur der in Frage stehenden Kontur- streifen zu Tage treten zu lassen, indem jetzt die längslaufenden Konturstücke ins Projektionsbild hereinrücken und die Ver- bindung der vorher scheinbar getrennten, zusammengehörigen Halbkurven vermitteln; die Kurven offenbaren sich somit als in sich geschlossen. Das Bild Oyl. 5b, in welchem die Konturen als blosse Linien gezeichnet sind, könnte freilich noch insofern irreführen, als man den Berührungspunkt zweier benachbarten Segmentkonturen für den Kreuzungspunkt zweier fortlaufender Linien halten könnte. Ein solcher Irrtum ist jedoch bei allen wirk- lichen, ausstofflichenScheiben bestehendenSegmenten ausgeschlossen. [2] Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 63 Nach diesen Auseinandersetzungen handelt es sich also für Den, der sich zur Aufgabe macht, die Frage zu entscheiden, ob die sogenannte quergestreifte Muskelfaser ein metamer segmen- tiertes Gebilde ist, wie bisher allgemein stillschweigend an- senommen, oder aber ein spiralig gewundenes Gebilde, um das Eine punctum saliens: zu untersuchen, ob die bekannten Parallel- Streifen oder -Zonen der Muskelfaser auf zwei gegenüberliegenden Halbumfängen dieselbe Richtung haben oder nicht; ferner, wenn sich — von einer Seite aus gesehen — Divergenz herausstellt, zu sehen, ob diese Divergenz das oben erörterte Mindestmass erreicht. Treffen diese beiden Kriterien zu, so ist der Beweis erbracht, dass die Parallelstreifung der Muskelfaser nichts Anderes ist, als der Ausdruck spiraliger Struktur. Nicht ausser Acht zu lassen sind bei dieser Untersuchung die möglichen Fehlerquellen, die in den zwei zuletzt betrachteten besonderen Formen der spiraligen Windung einerseits, der metameren Seg- mentierung anderseits gegeben sind. Da man mit dem Mikroskop keinen Körper plastisch sehen, ja nicht einmal ein Flächenprojektionsbild seiner Körperlichkeit gewinnen kann,') sondern nur, wenn er durchsichtig ist, seine verschiedenen Horizontalebenen schichtweise nacheinander Revue passieren lassen kann, so sind wir zur Erzielung einer Vor- stellung über seine äussere Form und seine innere Struktur genötigt, unsere Vorstellungskraft heranzuziehen, um die Summe der Flächenbilder zu einem körperlichen Gebilde zu vereinigen, oder gelehrter gesprochen, den Körper plastisch zu rekonstituieren. Es wäre nun ein Irrtum, zu glauben, dass diese plastische Rekonstitution bei der Muskelfaser eine einfache und leichte Sache sei. Die Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich dem untersuchenden Blick, auch dem durch Uebung und Aufmerksam- keit geschärften, in den Weg stellen, erscheinen um so grösser, ‘ Es ist hier von dem ‚Stereomikroskop“ abgesehen, das zur Ent- scheidung der hier schwebenden Frage völlig unbrauchbar ist, da die Durch- sichtigkeit der Muskelfaser schon bei dem gewöhnlichen Mikroskop störend im Wege steht, wenn es sich um Feststellung divergenter dies- und jen- seitiger Richtungslinien handelt; wenn nun vollends Diesseits und Jenseits gleichzeitig sichtbar sind, so verschwimmen die Richtungslinien zu einem undeutlichen Wirrwarr, 64 Karl Münch: je gewissenhafter man alle Möglichkeiten von Täuschung in Be- tracht zieht. Als hauptsächliche Hindernisse begegneten mir folgende: 1. Das ungünstige Verhältnis zwischen dem dicken Kaliber der meisten Muskelfasern und der Schmalheit der von den Parallelstreifen gebildeten Zone. 3. Die Seltenheit einer geradlinigen Parallelstreifung; meist sind die Streifen an einer oder mehreren Stellen ihres Verlaufes seknickt oder gebogen, was die Feststellung ihrer mittleren Richtungslinie erschwert. 3. Die querrichtende Brechungskraft, die der Muskelfaser ebensogut innewohnt wie einem jeden beliebigen durchsichtigen Massiv-Zylinder. Unter „querrichtender Brechungskraft“ verstehe ich die Fähigkeit eines durchsichtigen Massiv-Zylinders, schräg zu seiner Axe gerichtete Linien dem durch den Zylinder hindurch- sehenden Auge als quer oder doch der Querrichtung näher- kommend erscheinen zu lassen. So erscheinen zum Beispiel diese beiden Richtungslinien / N, wenn ich sie mit einem zylindrischen Glasstab bedecke, durch denselben in folgende Richtung abgelenkt: " Ritze ich mit dem Diamant oder mit einer scharfkantigen Feile in den einen Halbumfang desselben Glasstabes zwei gerade Linien ein, die ein liegendes rechtwinkeliges Kreuz darstellen, also x; so erscheint diese Figur, durch den Zylinder hindurch von seinem anderen Halbumfang aus gesehen, folgendermassen: N Es ist ohne Weiteres klar, welch’ groben Täuschungen man ohne Berücksichtigung dieses komplizierenden Faktors ausgesetzt wäre. 4. Der fast bei jeder Konservierungsmethode allmählich eintretende, häufig auch schon an frischen Fasern durch Zer- zupfen bewirkte Zerfall der Fasern nach zwei Richtungen: a) Zerfall der Längsrichtung nach «) in Köllikers „Muskelsäulchen“, 2) in noch dünnere Spaltungsstücke, y) in einzelne „Fibrillen‘“. Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 65 b) Zerfall der Quer-, richtiger der Schrägrichtung nach in die Bowman’schen „Discs“. c) Gleichzeitiger Zerfall nach beiden Richtungen «@) in Bruchstücke von Discs, ß) in Bruchstücke von Fibrillenbündeln, y) In die „sarcous elements‘. Von praktischer Wichtigkeit, als Hindernis der exakten Untersuchung, ist nur der Zerfall nach der Längsrichtung; denn es ist klar, dass eine Spirale, der Längsrichtung nach Halbiert gevierteilt, oder in beliebig viele Stücke zerspalten, lauter metamer segmentierte Spaltungsstücke ergibt. Aus diesem Grunde sind Schnittpräparate von vornherein als unbrauchbar von der Untersuchung auszuschliessen, weil man dabei nie sicher ist, ob eine Faser vollständig oder angeschnitten ist. Aber auch bei Untersuchung von durch Zerzupfen isolierten Fasern, die allein massgebend für die Entscheidung der Frage sind, besteht leider oft noch Unsicherheit darüber, ob man eine ganze Faser oder nur ein Längsspaltungsstück vor sich habe. Da, wo man an beiden Seitenrändern das Sarkolemma deutlich sehen kann, ist freilich keine Schwierigkeit, ebensowenig umgekehrt da, wo man Verletzungen in Gestalt seitlich abgelöster oder zerrissener Spaltungsstücke vor sich hat. Fehlen aber diese beiden Hilfs- mittel, was besonders bei Arthropodenmuskeln häufig vorkommt, so hat man nur dann das Recht, eine Faser als vollständig im Umfang anzusehen, wenn man durch Weiterverfolgung ihre Insertion an die Sehne auffinden kann. Da nämlich dort die Kohäsion fester ist, lassen sich Längsspaltungen an dieser Stelle immer erkennen, indem hier die getrennten Spaltungsstücke zu- sammenlaufen und so einen Schluss auf das Kaliber der Gesamt- faser gestatten. Inwiefern nun die verschiedenen Arten des Zerfalls, ins- besondere auch des Zerfalls nach der Querrichtung, als schein- bare theoretische Einwände gegen die Spiralnatur der Muskel- faser geltend gemacht werden können, und wie diese Einwände als haltlos zu widerlegen sind, wird unten des Näheren erörtert werden. Wenden wir uns zunächst der Frage zu, wie die genannten objektiven und praktischen Schwierigkeiten der exakten Untersuchung ausgeschaltet oder umgangen werden können. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. B) 66 Karl Münch: Tatsachen sind stärker als die stärkste Logik. und wo es ge- lingt, Tatsachen festzustellen, da wird sich die Logik der Theorien eben der Logik der Tatsachen fügen müssen. Wenn man bei stärkerer (300—500facher) Vergrösserung irgend eine beliebige, wenn man dann Hunderte, Tausende und Abertausende von „quergestreiften‘‘ Muskelfasern mit dem ge- schärften Blick der erregten Aufmerksamkeit ansieht, so ist man überrascht, zu finden, dass es eigentlich eine wirklich quer ge- streifte Muskelfaser gar nicht gibt. Mag man auch die ganze Tierreihe durchsuchen, soweit sie mit „quergestreiften‘‘ Fasern versehen ist, mag man die Fasern im gedehnten oder im kontra- hierten Zustand untersuchen, stets findet man die Richtung der Paralleistreifen schräg und immer wieder schräg. Wohl kommt es gelegentlich vor, dass da, wo die Streifen nicht geradlinig verlaufen, ein grösserer oder kleinerer Abschnitt, der in seltenen Fällen auch die Hälfte des Umfanges erreichen kann, in querer Richtung zu liegen kommt; zieht man aber in solchen Fällen eine mittlere Richtungslinie, so stellt sich jedesmal Schräg- richtung heraus. Es wäre nun übereilt und unberechtigt, aus dieser Thatsache allein schon Schlüsse zu Gunsten der spiraligen Struktur der Faser ziehen zu wollen. Denn auch bei der An- nahme metamerer Gliederung wäre eine schräge Lagerung, bezw. windschiefe Verbiegung der parallelen Segmente nicht auszu- schliessen, obwohl allerdings bei dieser Zufalls-Theorie die Konstanz der Schieflagerung und das absolute Fehlen einer reinen, durch die ganze Tiefe durchgehenden Querlagerung etwas Wunder- liches, um nicht zu sagen Unbegreifliches an sich hätte. Immer- hin ist auch der beste Wahrscheinlichkeitsbeweis noch kein Beweis. Einem wirklichen Beweis kommt man schon um einen Schritt näher durch die ebenso konstante Tatsache, dass beim Drehen der Mikrometerschraube, wodurch die Tiefe der Faser durchlaufen wird, die Schrägrichtung der Streifung von der bei oberflächlicher Einstellung gesehenen, d. i. der diesseitigen Streifungsrichtung abweicht. Die Abweichung ist bei Fasern gleichen Kalibers um so grösser, je breiter die von den Streifen eingenommenen Zonen sind. Hier liegt nun freilich die Gefahr einer Täuschung sehr nahe aus zwei Gründen: erstens wegen des Umstandes, dass auch bei schrägliegender metamerer Segmentierung, wie oben Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 67 gezeigt, die diesseitigen und jenseitigen Halbkonturen der Scheiben an den Seitenrändern des Projektionsbildes in diver- gierender Richtung auseinandergehen. Diese Divergenz ist zwar eine unechte und scheinbare, da sie durch die Konvergenz am gegenüberliegenden Seitenrand wieder aufgehoben wird, könnte aber leicht als echt imponieren dadurch, dass die Konvergenz unsichtbar oder undeutlich wäre. Aber nur durch den be- stimmten Nachweis, dass die jenseitige Halbkurve nicht wieder zur diesseitigen Halbkurve zurückkehrt, sich nicht zum Ringe schliesst, sondern dass zwischen dem Anfangs- und dem End- punkt der Gesamtkurve ein Abstand in der Längsrichtung des Zylinders besteht, nur durch diesen Nachweis darf die spiralige Natur der fraglichen Streifung als erwiesen angesehen werden. Zu diesem Zweck wäre es notwendig, einen und denselben Streifen durch die ganze Tiefe der Faser hindurch verfolgen zu können. Nun ist aber leider bei den weitaus meisten Fasern das Verhältnis der von Streifen zu Streifen gemessenen Zonenbreite zum Durchmesser des Zylinderquerschnitts höchstens = 1:10, häufig darunter, 1:20 oder 1:30. Dazu kommt die erwähnte Seltenheit geradlinigen Verlaufs der Streifung. Dreht man nun die Mikrometerschraube, so sieht man ein so ver- wirrendes Aneinandervorbeiwandern und Sichkreuzen von Richtungs- linien, dass man auch bei grösster Aufmerksamkeit den Streifen, den man sich bei oberflächlicher Einstellung gemerkt hatte, aus dem Auge verliert. Und selbst wenn es gelänge, an solchen Fasern durch Verfolgung eines Streifens durch die ganze Tiefe Divergenz festzustellen, so wäre sie doch zu geringfügig, um nicht in das Bereich des Fffekts möglicher Fehlerquellen zu fallen. Der zweite Grund, warum die konstante Verschiedenheit der Streifungsrichtung bei hoher und tiefer Einsteilung nicht ohne Weiteres als beweisend für spiralige Windung angesehen werden darf, ist die erwähnte querrichtende Brechungskraft der Muskelfaser. Dieselbe ist zwar nach meinen Ermittelungen be- deutend schwächer als die eines Glaszylinders — was wohl weniger der Verschiedenheit der Substanzen, als der durch den Druck des Deckgläschens bedingten Abplattung der Faser zu- zuschreiben ist — muss aber immerhin in Betracht gezogen werden. 5* 68 Karl Münch: Um dieses Hindernis der exakten Untersuchung auszu- schalten, habe ich ein ebenso einfaches wie sicheres Verfahren ersonnen, das freilich grosse Aufmerksamkeit erfordert: Es be- steht darin. dass man eine und dieselbe Faser von zwei ent- gegengesetzten Seiten aus betrachtet, und zwar jedesmal bei oberflächlicher Einstellung. Zu diesem Zweck benutzt man als Objektträger ein grosses Deckgläschen, weil ein gewöhnlicher Objektträger, wenn er beim Umkehren des Präparates zum Deck- glas würde, die Untersuchung mit starker Vergrösserung un- möglich machen würde. Es gehört Geduld und einige Uebung dazu, sich eine be- stimmte Stelle einer Faser so genau zu merken, dass man sie nach der Umkehrung des Präparates, wodurch das ganze Bild in umgekehrte Ordnung zu liegen kommt, wiederfindet. Zu be- denken ist bei dieser Untersuchung der Umstand, dass eine jede Schrägrichtung, von zwei entgegengesetzten Seiten aus gesehen, sich umgekehrt verhält, z. B. die Schreibrichtung erscheint, von der Rückseite gesehen, als Gegenschreibrichtung (sit venia verbo!). Demnach erscheint bei einer gerade gewundenen Spirale, wenn man von zwei entgegengesetzten Seiten aus die jeweilig dies- seitigen Schenkel betrachtet, ihre Richtung vollkommen identisch, weil sie in Wirklichkeit umgekehrt schräg ist. So haben bei Sp. 1 die jeweilig diesseitigen Schenkel Schreibrichtung von gleicher Neigung. Bei ungerader Windung ist die Richtung verschieden, aber niemals genau entgegengesetzt schräg; so haben bei Vorderansicht von Sp. 3 die diesseitigen Schenkel Schreibrichtung, bei Rückansicht die — von rückwärts diesseitigen — Schenkel Gegenschreibrichtung, doch ist diese der erst festgestellten Schreibrichtung nicht entgegengesetzt, d. h. sie kommt der queren Richtung näher und bildet mit der Schreibrichtung einen Winkel, der durch die Querrichtung nicht halbiert wird. Eine schrägliegende plane Scheibe hingegen würde, von ihren entgegengesetzten Breitseiten aus gesehen, eine genau entgegengesetzte Schrägrichtung ihrer jeweilig diesseitigen Kon- turen aufweisen. Der betreffende Divergenzwinkel würde als- dann von der Querrichtungslinie halbiert. Hierin liegt das charakteristische Unterscheidungsmerkmal. Man macht sich diese Verhältnisse am leichtesten klar an einem zylindrischen Glasstab, auf dessen Umfang man mit einer Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser ete. 69 scharfkantigen Feile die bezüglichen stereometrischen Figuren einritzt. Auch kann man sich auf diese Weise nebenbei von der querrichtenden Brechungskraft durch Anschauung überzeugen, d.h. nur dann, wenn der Glaszylinder massiv ist. Ein Hohl- zylinder hat diese Eigenschaft nicht. — Somit wäre also das Feld gereinigt, Alles zur exakten Untersuchung Nötige vorbereitet und es fehlt nur noch an der Hauptsache — einer geeigneten Muskelfaser. Um sie zur Unter- suchung zu bekommen, gab es für mich nur ein Mittel: Suchen. Es würde einen Band von einer den Leser zurückschreckenden Dicke füllen, wollte ich alle die Muskelarten, die ich untersucht habe, mit Bezug auf ihre dem Erfolg mehr oder weniger un- günstigen histologischen Einzelheiten schildern. Von den Miss- erfolgen also ganz zu schweigen, will ich auch auf die Darlegung der bloss subjektiven Erfolge verzichten, d. h. der Befunde, die mir selbst zwar mit hinreichender Sicherheit die Spiralnatur der Faser zu beweisen schienen, ja die mich völlig davon überzeugten, die aber nicht eklatant und demonstrativ genug erschienen, um auch den Skeptiker zu überzeugen, zumal wenn er nicht die zur Erkennung so subtiler Befunde erforderliche Vorübung besässe. Für Den, der einen Sachverhalt einmal in völliger Klarheit und Unzweideutigkeit gesehen hat, ist es leicht, denselben Sach- verhalt auch da wiederzuerkennen, wo er dem Unkundigen noch als unerkennbar oder nicht hinreichend deutlich erscheint. Ich werde daher im Folgenden von meinen zahlreichen Unter- suchungsobjekten nur die wenigen herausgreifen, deren mikro- skopische Verhältnisse so günstig sind, dass sie die Spiralnatur der Parallelstreifung mit zwingender Deutlichkeit erkennen lassen. Die ersten Erfolge dieser Art, die mich ermutigten, weiter zu suchen, erzielte ich an den Eingeweidemuskelfasern ver- schiedener Insekten. Bekanntlich erstreckt sich bei den meisten Insekten die (uerstreifung nicht bloss auf die Rumpf-, Extremitäten- und Flügelmuskulatur, sondern auch auf die der inneren Organe. Allerdings sind hier die Streifen nicht so prächtig glänzend, noch so scharf und deutlich markiert, noch so regelmässig parallel wie dort. Dafür besteht aber der Vorteil, dass hier Fasern von so dünnem Kaliber vorkommen, wie man es dort niemals findet. 70 Karl Münch: Zwar sind dafür auch die anisotropen Streifen enger zunammen- gedrängt; es gibt aber besonders günstige Ausnahmefälle, wo die Fasern so stark gedehnt sind, dass das Verhältnis von Zonenbreite und Kaliber hinreichend günstig wird, um die spiralige Struktur trotz der querrichtenden Brechungskraft un- mittelbar sinnlich zur Anschauung zu bringen. Solch’ günstige Verhältnisse finden sich in dem netzartigen Muskelgeflecht, das die Honigblase der Bienen und Hummeln umspinnt. Es dürfte wohl kaum andere Muskelfasern geben, die ein solches Unter- schiedsmass zwischen gedehntem und kontrahiertem Zustand, d. h. einen solchen Spielraum von Zusammenziehung und Aus- dehnung hätten, wie diese Fasergeflechte. Aus meiner Knaben- zeit ist mir noch in anschaulicher Erinnerung, bei Beobachtung eines ausgehobenen Hummelnestes durch das Guckfenster des Nistkastens gesehen zu haben, wie die vom Felde heimkehrenden Hummeln den flüssigen Honig in raschem Strahl in die Waben- zellen hineinspritzen; eine Hummel vermag in einem Strahl eine Zelle halb zu füllen, deren Rauminhalt etwa !/s ccm beträgt. Dabei muss notwendigerweise die äusserst ausgedehnte Honig- blase völlig geleert, d. h. aufs Aeuserste zusammengezogen werden. Wenn man nun die Tiere bei gefüllter Honigblase lebendig in eine Fixierungsflüssigkeit, z. B. 70 %/o Alkohol bringt. so werden die Fasergeflechte im gedehnten Zustande fixiert und kann man schon nach einigen Stunden ihre Untersuchung vor- nehmen. Um Bienen und Hummeln mit gefüllter Honigblase zu bekommen, begibt man sich mit Pincette und Spiritusfläschehen aufs Feld, am besten an einen blühenden Rotklee- oder Reps- acker, und liest dort mit der Pincette diejenigen Tiere von den Blüten ab, die durch schwerfälligen Flug ihre Belastung kundgeben. Es ist durchaus notwendig, die Untersuchung schon wenige Stunden nach Einlegung in den Alkohol vorzunehmen, weil ein längerer Aufenthalt in Alkohol vielfache Zerspaltungen nach der Längsrichtung mit sich bringt und dadurch trügerische Bilder von Fasern ergibt, die keine Fasern, sondern nur Spaltungs- produkte sind. Zudem tritt bei längerer Einwirkung des Alkohols vielfach eine Quellung der anisotropen Substanz ein, wodurch die Querstreifung an Deutlichkeit verliert. Man reisst das Abdomen gewaltsam vom Thorax ab. wodurch die Honigblase (Honigmagen) als geschlossener Sack, dem Oesophagus Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser ete. 71 anhängend, zum Vorschein kommt. Dieser Sack wird auf den Objektträger gelegt und mit einer Nadel angestochen. Der Inhalt, der sich dadurch entleert, dient als Untersuchungs- flüssigkeit. Die Blase wird mit zwei Nadeln so gut als möglich zu einer einfachen Membran ausgebreitet und mit dem Deck- gläscken bedeckt. Die Wand der Honigblase zeigt sich gebildet von einer glashellen Haut, die auch bei starker Vergrösserung noch als homogen erscheint, und die umsponnen ist von dem genannten Muskelfasernetz und einem baumförmig verästelten Tracheen- system; ausserdem finden sich noch hie und da feine glatte Fäden von verschiedenem Glanz, die grösstenteils binde- gewebiger, zum Teil wohl auch nervöser Natur sind. Um die Anordnung der anisotropen Substanz in der Form spiraliger Durchwindung unmittelbar zu sehen, muss man sich an die feinen Anastomosen halten, welche die stärkeren Muskel- fasern miteinander verbinden. Vor einer Verwechslung mit feinen Tracheenzweigen schützt man sich durch den Nachweis des unmittelbaren Uebergangs in die dickeren Muskelfasern, sowie durch vergleichende Berücksichtigung der Lichtbrechungseigen- schaften. Tracheen sind auch dann noch, wenn sie durch Resorption ihres luftigen Inhalts ihre schwärzliche Farbe verloren haben, immer durch stärkeren Glanz und stark accentuierte Umrandung von Muskelfasern unterscheidbar. Die Abbildung Tafel IV A., die der Honigblase der Holzbiene, Xylocopa violacea, entnommen ist, wurde nur bei einer unveränderten Einstellung gezeichnet. Die Zickzacklinie, die man an den dünnsten Stellen der Anastomosen sieh’, wäre noch deutlicher sichtbar, wenn ich beim Zeichnen die Ein- stellung gewechselt, also plastisch gezeichnet hätte. Als Beweis, wie deutlich sichtbar sie mitunter bei wechselnder Einstellung wird, diene der Umstand, dass unser intelligenter Institutsdiener, M. Jaccard, mikroskopischer Laie, dem ich als früherem Mechaniker eine solche Anastomose einstellte mit der Frage, wie ihm dieses Ding vorkomme, unter Drehen der Mikrometer- schraube antwortete: „On dirait que c’est un ressort ä boudin“ (Zug- oder Sprungfeder). Dieses Zeugnis eines Laien erwähne ich, weil es oftenbar unbefangener und darum unverdächtiger ist, als mein eigenes oder das eines jeden anderen Fachmannes. 72 Karl Münch: Da die anisotrope Streifungsrichtung sich beim Wechseln der Einstellung nicht plötzlich. sondern allmählich ändert, so muss daraus gefolgert werden, das die anisotrope Substanz nicht in Form einer lineären oder bandartigen äusseren Umwindung, sondern in Form einer scheibenspiraligen Durchwindung die Muskelfaser durchzieht. Ganz ähnliche Bilder, wie das in Fig. A. wiedergegebene, findet man auch in der Honigblase von Apis mellifera und von Bombyx terrestris. Uebrigens gelingt es nicht selten, ähnliche Ziekzackbilder auch an den feinen Anastomosen der Darmmuskelfasern anderer Insekten sichtbar zu machen. wenn man die Präparate frisch mit Nadeln stark auseinanderzieht. Fig. B. z B. zeigt drei stärkere Muskelfasern des Darmes der Schmeissfliege, musca vomitoria, die durch zahlreiche feine Anastomosen miteinander zusammen- hängen. Obwohl auch dieses Bild bei einer unveränderten Ein- stellung gezeichnet ist, lässt sich die spiralige Durchwindung an den dünnsten Stellen doch schon mit ziemlicher Deutlichkeit erkennen. Allerdings könnte hier aus dem gerippten und gefurchten Relief der Fasern-Oberfläche der Einwand erhoben werden, die Quer- streifung sei bei diesen Fasern gar nicht „echt“, d. h. nicht durch anisotrope Substanz bedingt, sondern durch ungleiche Lichtverteilung, entsprechend der Öberflächen-Furchung. Dass gerade umgekehrt die Oberflächen-Furchung Folge der Durch- windung mit festerer — anisotroper — Substanz ist, die bei der Kontraktion die weichere Substanz der Zwischenzonen wulstartig über das Niveau der Faseroberfläche herauspresst, soll im Folgenden dargethan werden. Obwohl überzeugt, dass die Schrägstreifung der Eingeweide- muskelfasern, trotz ihrer genannten Verschiedenheiten, dieselbe Bedeutung haben müsse wie bei den Fasern der Körpermuskulatur, glaubte ich meine Beweisführung doch nicht auf jene Muskelart. beschränken und ihre Struktur einfach durch Analogieschluss auf diese übertragen zu dürfen, da ich einen Analogieschluss nicht einem Beweise gleich achte. Es galt also, den ungleich schwierigeren Beweis an Körpermuskelfasern direkt zu erbringen. Aber so fest mich auch meine zahlreichen und sorgfältigen Messungen an solchen Fasern von ihrer spiraligen Struktur über- zeugten, so waren die Ergebnisse doch wegen der oben dar- Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 13 gelegten ungünstigen Verhältnisse so wenig eklatant, dass ich fast die Hoffnung aufgegeben hätte, meine Ansicht jemals auch Anderen durch überzeugende Demonstration mitteilen zu können. Der muskelberühmte schwarze Wasserkäfer, hydrophilus piceus, lässt zwar bezüglich der Breite seiner iso- und anisotropen Streifung nichts zu wünschen übrig; seine Fasern sind aber für meine Zwecke wegen ihrer gewaltigen Dicke (200 « und selbst darüber) und besonders wegen ihrer mangelhaften en leider unbrauchbar. Nachdem ich die ganze mir erreichbare Erd-, Luft- und Wasserfauna durchsucht hatte, fand ich endlich = gesuchte Ideal in den Extremitätenmuskelfasern verschiedener Rhyncho- phorenarten, am schönsten bei Myniops variolosus. Dieser un- scheinbare graue Käfer, der sich vor anderen Insekten durch die Trägheit seiner Bewegungen nicht minder als durch die erstaunlich zähe Muskelkraft seiner Extremitäten auszeichnet, bietet in seinen Fasern die für die Entscheidung der gestellten Frage denkbar günstigsten Verhältnisse dar.') Man bringt die Käfer am besten lebend in 70 °/o Alkohol, in dem sie rasch sterben. Untersucht man dann die Extremitätenmuskelfasern, die sich sehr leicht isolieren lassen, in Wasser oder sonst einem beliebigen Medium, so findet man Folgendes: Die Fasern variieren an Dicke je nach dem Grad ihrer Kontraktion zwischen ca. 20 und 60 «. Fibrilläre Längsstreifung ist oft unsichtbar oder nur in Spuren angedentet, dagegen ist die schräge Parallelstreifung prachtvoll ausgeprägt. Das Ver- hältnis der Zonenbreite zum Kaliber ist an besonders günstigen Fasern — 1:3. Bezüglich der Schrägstreifung finden sich folgende Arten von Fasern: 1. Fasern mit einfachen, gleichmässig breiten anisotropen Streifen, die getrennt sind durch eine einfache, schmälere, helle Zone. 2. Fasern mit doppelter anisotroper Streifung, bei denen in der hellen Zwischenzone ein dunkler, stark glänzender 3) Meinem Bruder Hermann verdanke ich folgendes Verfahren, Rüssel- käfer en gros zu erbeuten: Man schält eine junge Kiefer, legt die Rinde mit den harzigen Seiten zusammen, bringt sie in eine junge Kiefernkultur und bedeckt das Ganze mit einem Stück Rasen, damit es frisch bleibt. Die Rüsselkäfer, namentlich Hylobius abietis, begierig nach flüssigem Harz, sammeln sich zuweilen in ziemlicher Menge bei diesem Lockfrass. 74 Karl Münch: und brechender Streifen liegt („Zwischenscheibe“ von Amici- Krause, „disque mince“ von Ranvier). 3. Fasern, deren helle Zwischenzonen neben der dunklen Zwischenscheibe noch zwei weitere dunkle Scheiben enthalten (Nebenscheiben). Der Einfachheit halber sollen vorerst nur die einfach gestreiften Fasern geschildert werden. Was schon nach vergleichender Betrachtung einiger weniger Fasern dieser Art auffällt, ist die scheinbar grosse individuelle Verschiedenheit ihrer Schrägstreifungsbilder. Während die einen über ihre ganze Breite prächtig parallel gestreift sind, zeigen andere scheinbar höchst merkwürdige Abweichungen von diesem Verhalten, Abweichungen, die man für Abnormitäten halten müsste, wenn sie sich nicht, wie gleich gezeigt werden soll, auf andere Weise erklären liessen. Diese scheinbar abnorm ge- bauten Fasern zeigen nämlich in ihrer Mittellinie, oder gegen einen Seitenrand zu, eine Unterbrechung der Streifen in Form einer scharfen Ziekzacklinie, die der Faser ein bilateral zu- sammengesetztes Aussehen verleiht. Jede Hälfte stellt eine Art von Pallisade dar, die mit ihren Zacken in die entsprechenden Vertiefungen, zwischen die Zacken der gegenüberliegenden Pallissade eingreift, in der Weise, wie es diese Abbildung wiedergiebt: Die Konturen der Zackenfelder sind an manchen Fasern von einer solchen Schärfe und mathematischen Regelmässigkeit, dass das hier gezeichnete Bild nicht einmal schematisiert genannt werden könnte, wenn ihm nicht die verschiedenen Nüancen des Glanzes fehlten, die übrigens auch durch Photographie nicht wiedergegeben werden könnten. Was bedeuten nun diese rätselhaften Bilder? Die Antwort ergibt sich sofort sonnenklar, wenn man bei Betrachtung dieser Fasern mit Aufmerksamkeit und Ueberlegung von der Mikro- meterschraube Gebrauch macht, d. h. erst den diesseitigen und dann den jenseitigen Halbumfang der Faser einstellt. Hiebei — Qu Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. zeigt sich nämlich, dass das Palissadenbild nur der mittleren Einstellung angehört, während bei oberflächlicher und bei tiefer Einstellung ganz andere Bilder an seine Stelle treten. Bei ober- Zieht man an Stelle dieser winklig geknickten anisotropen Streifen ihre mittlere Richtungslinie, so erhält man diesseits Schreibrichtung, jenseits Gegenschreibrichtung. Hält man damit das Palissadenbild der mittleren Einstellung zusammen, so er- scheint dasselbe als Produkt der gekreuzten Richtungslinien der dies- und jenseitigen Streifung. Durch Beobachtung des Ver- haltens der einzelnen anisotropen Zackenfelder bei wechselnder Einstellung findet man, dass dieselben ruhig, ohne jede Ver- schiebung stehen bleiben, ein Beweis, dass sie durch die ganze Tiefe als plane Halbscheiben quer hindurchgehen Diese Halb- scheiben sind aber nicht isoliert und ohne Zusammenhang, wie es bei mittlerer Einstellung den Anschein hatte, sondern sie reichen sich die Hände zur Bildung einer regelmässigen, ungerade gewundenen Scheibenspirale, indem eine jede einzelne Halbscheibe einerseits mit der vorangehenden, anderseits mit der nach- folgenden, schräg gegenüberliegenden Halbscheibe kommuniziert, und zwar verbindet sich beispielsweise RE EN HR Halbscheibe 1 (Zackenfeld 1) diesseits mit Halbscheibe 1‘, jen- seits aber mit Halbscheibe 2’; indem diese ihrerseits wiederum mit Halbscheibe 2 diesseits in Verbindung steht, ergibt sich 76 Karl Münch: folgende fortlaufende, in diesem Falle rechtsgewundene Scheiben- spirale: 1—1—2'—2—3'—3—4'—4—5'—5 U. 8. W. Von diesem allgemeinen Sachverhalt. der im Prinzip immer wiederkehrt, kommen nun im Verlauf einer solchen Faser stellen- weise sehr interessante Abweichungen vor, z.B. zeigt sich an einer Stelle bei oberflächlicher Einstellung folgendes Bild: SEBEEER Fig. 6. Es liegt also hier im Verlauf der Faser eine Halb- scheibe (a), die diesseits ohne Verbindung scharf begrenzt endigt; dagegen verbindet sie sich jenseits mit beiden schräg gegenüber- liegenden Nachbarinnen; dadurch wird die Halbscheibe a zum Wendepunkt, indem der links von a liegende Spiralabschnitt linksgewunden, der rechts davon liegende Abschnitt aber rechts- gewunden ist, welche beide durch die Halbscheibe a zusammen- gehalten werden. Nicht selten kommen in einer Faser mehrere solcher Wendepunkte vor, ja dieselben können mitunter schon in Abständen von zwei oder drei Windungen wiederkehren, in seltenen Fällen sogar unmittelbar benachbart liegen, wodurch folgende Bilder entstehen: 7 4 G ED a a een BSH ES Seele Es = Fa Fe FD = a > III 67 OA V2TATEIEENE Fig. 7. Oberflächliche Einstellung. 1, ol 12 rs u’ 45 AUT € Fig. 8. Tiefe Einstellung. Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 17 Auch an solchen Stellen erscheint bei mittlerer Einstellung das obige Palissadenbild mit lauter scheinbar getrennten, zu- sammenhangslosen Zackenfeldern. Wie aber ein vergleichender Blick auf die nummerierten Felder lehrt, ist auch hier die Spiralstruktur, d. h. die ununterbrochen fortlaufende Verbindung, im Prinzip gewahrt, nur handelt es sich hier um eine besondere Abart der Spiralwindung, die man bezeichnend „Wechselspirale‘“ nennen könnte. Bei sehr durchsichtigen Fasern hat man, wenn die aniso- tropen Streifen ganz besonders scharflinig konturiert sind, mit- unter Schwierigkeit, die obigen verschiedenen Bilder deutlich zu erkennen, weil bei jeder Einstellung die Konturen der ander- seitigen Bilder als verwaschene undeutliche Linien störend da- zwischentreten, wie bekanntlich Alles verwaschen erscheint, was nicht scharf eingestellt ist. Man braucht sich aber in solchen Fällen nur an die scharf gezogenen Linien zu halten und wird dann obige Bilder auch hier zu erkennen imstande sein. Obwohl es bei diesen Fasern von vornherein überflüssig und gegenstandslos erschien, die querrichtende Brechungskraft als Fehlerquelle in Erwägung zu ziehen, so habe ich mir doch auch hier durch Betrachtung von zwei entgegengesetzten Seiten aus bei jedesmal oberflächlicher Einstellung von der Richtigkeit des Gesehenen Gewissheit verschafft. Nach Feststellung dieser thatsächlichen Befunde tritt die Frage heran, warum man die geschilderten Bilder nicht bei allen Fasern von einfacher Streifung zu sehen bekommt, sondern nur bei einem Teil, während die Mehrzahl scheinbar metamere Gliederung aufweist. Angesichts dieser zunächst ganz unverständlichen Thatsache, deren innerer, unvereinbarer Widerspruch nach Lösung und Aufklärung drängt, könnte zunächst die freilich sehr schwache und hinfällige Deutung versucht werden, die geschilderten Bilder seien vielleicht künstliche Produkte von Axendrehung der be- treffenden Fasern, bewirkt durch die Zerzupfung. Abgesehen davon, dass man die Bilder auch in Fällen sehen kann, wo über- haupt keine Zerzupfung stattgefunden hat, sondern wo ein Muskel- bündel durch blosse Berührung in seine Fasern zerfallen ist, muss der Einwand schon deshalb als unlogisch und unhaltbar fallen gelassen werden, weil nach dieser Theorie die geschilderte mediane Zickzacklinie der mittleren Einstellung (Fig. 1) nicht 78 Karl Münch: parallel der Axe laufen dürfte, sondern eine spiralige Kurve beschreiben müsste, was eben nicht der Fall ist. Die Bilder lassen also nur die eine, oben gegebene Deutung zu. Es ist nun a priori schlechterdings undenkbar, dass bei den Muskelfasern, als Organen von so eng begrenztem Zweck, der Individualismus so weit gehen sollte, dass die eine sich so grundsätzlich von der anderen unterschiede, wie eine Spirale von einem metamer gegliederten Gebilde. Sehen wir also zu, ob sich die scheinbar anders gebauten Fasern bezüglich ihrer Struktur nieht doch mit den geschilderten identifizieren lassen. Durch die einfachste Ueberlegung wird klar, dass man das Palissadenbild und die Zickzacklinie nicht sieht und nicht sehen kann, wenn die Faser so gelagert ist, dass die als plan erkannten Halbscheiben dem untersuchenden Auge die Breitseiten ihres Um- fanges zukehren. Alsdann müssen bei oberflächlicher Einstellung die diesseitigen Halbscheiben als scharf konturierte, annähernd quer- laufende Bänder erscheinen, innerhalb welcher die jenseitigen Halb- scheiben ebenfalls annähernd querlaufend, also parallel, aber mit un- deutlichen, verwaschenen Konturen zwischengelagert scheinen müssen. Diese Querbänder dürfen aber bei wechselnder Einstellung nicht ruhig an ihrer Stelle liegen bleiben, sondern müssen sich in der Längsrichtung der Faser um genau eine Zonenbreite verschieben, wenn der Blick die Tiefe der Faser durchläuft, und zwar muss man den Eindruck haben, als sei die Verschiebung auf den beiden Randhälften der Faser einander entgegengesetzt, sodass, wenn die oberhalb der Mittellinie (Axenlinie) liegenden Hälften der Quer- bänder nach rechts rücken, die unter der Mittellinie liegenden Hälften nach links zu wandern scheinen, aber beide nur um eine halbe Zonenbreite. Die auseinandergerückten Hälften der Querbänder müssen sich dann jenseits mit den begegnenden, gegenüberliegenden Hälften von Neuem zu ganzen Querbändern zusammenschliessen. (Genau dieser logisch postulierte Sachverhalt hat nun auch in Wirklichkeit bei allen annähernd quer gestreiften Fasern statt, die bei mittlerer Einstellung das Palissadenbild nicht erkennen lassen. Damit allein schon wird es zur Gewissheit, dass die in Frage stehenden individuellen Unterschiede unter den einzelnen Fasern nur scheinbar sind und durch verschiedene Lagerung vorgetäuscht werden. Es gibt aber noch einen anderen, direkteren Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 18, Weg, um die allgemeine Identität der Struktur nachzuweisen. An den sehr zahlreichen Fasern nämlich, wo die Zicekzacklinie des Palissadenbildes nicht in der Mittellinie, sondern nach dem Seitenrand hin liegt, kann man leicht feststellen. dass die Zacken um so spitzwinkeliger erscheinen, je näher sie dem Seitenrand liegen; gleichzeitig ist auch die Divergenz der mittleren Richtungs- linien zwischen dies- und jenseits um so geringer, der Parallelismus also um so grösser, je näher die Zackenlinie dem Rande liegt. Demnach steht es ausser Zweifel, dass die Fasern, die kein Palissadenbild aufweisen, so gelagert sind, dass die queren Halbscheiben dem Auge die Breitseite ihres Umfanges zukehren, wodurch dieZackenliniedesPalissaden-Projektionsbildes mit dem Seitenrand zusammenfällt. Es handelt sich also um eine ähnliche optische Täuschung, wie siein derEingangs besprochenen besonderen Spiralform (Sp. 7) gekennzeichnet worden ist. Ueberdies kann man, wenn man: die Geduld dazu hat, sich durch vorsichtige seitliche Verschiebung des Deckgläschens von der Richtigkeit dieser Deduktion überzeugen. Es gelingt nämlich dann nicht selten, durch rollende Umdrehung der Fasern die Zackenlinie auch bei solchen Fasern im Bilde er- scheinen zu lassen, die zuerst als metamer quergestreift impo- niert hatten. Der Umstand, - dass diejenigen Fasern in der Minderheit sind, die das Palissadenbild in all’ seiner oben wiedergegebenen Schönheit und zwingenden Beweiskraft darbieten, ist einfach auf die Querschnittsform der Fasern zurückzuführen. Dieselben sind nämlich nicht ganz drehrund, sondern abgeplattet in dem Sinne, dass die Breitseiten des Umfanges der Halbscheiben zu- gleich auch der Breitseite des Querschnitts entsprechen. Indem sich nun die meisten Fasern natürlich auf ihre breite Fläche legen, erscheinen sie, wie oben erklärt, fälschlich als metamer segmentiert. Die bei den bisher betrachteten Fasern vorliegende Treppenform der Spiralwindung ist nun bei Myniops variolosus zwar der gewöhnliche, aber nicht der ausschliessliche Windungs- modus. Vielmehr finden sich nicht selten auch solche Fasern, die jenseits und diesseits weder die quere geradlinige, noch die 80 Karl Münch: treppenförmig abgeknickte Streifung aufweisen, sondern deren Streifen geradlinig schräg verlaufen. In diesen Fällen findet sich bei mittlerer Einstellung kein Palissadenbild, wohl aber be- steht dann immer zwischen Dies- und Jenseits eine Divergenz der Richtungslinien, die genau das oben erörterte Mindestmass erreicht. Besteht z. B. bei oberflächlicher Einstellung diese Richtung: Dass die Divergenz in diesem Falle nicht auf Rechnung der querrichtenden Brechungskraft zu setzen ist, lässt sich — abgesehen von dem oben angegebenen Kontrolverfahren — auch noch dadurch klar machen und beweisen, dass andere Fasern bei oberflächlicher Einstellung quere, bei tiefer aber schräge Richtungslinien zeigen: En z I El Jenseits Die Wirkung der querrichtenden Brechungskraft spricht sich hier darin aus, dass die Divergenz zwischen Dies- und Jen- seits scheinbar nicht ganz das erforderliche Mindestmass er- reicht. Nach dem obigen Kontrollverfahren lässt sich jedoch dar- thun, dass das Defizit von Divergenz auf Rechnung der quer- richtenden Brechungskraft zu setzen ist. Dieselbe Stelle derselben Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. sl Faser erscheint nämlich nach Umkehrung des Präparats bei oberflächlicher Einstellung folgendermassen: Wenn ich die treppenförmig durchwundenen Fasern an erster Stelle und mit besonderer Ausführlichkeit beschrieben habe, so geschah dies aus dem Grunde, weil sie einerseits durch das Palissadenbild ihre spiralige Struktur am schönsten erkennen lassen, anderseits auch ein aufklärendes Licht auf die trügerischen Scheinbilder werfen, die eine quer gerichtete metamere Segmen- tierung vortäuschen. Es erübrigt nun noch, diejenigen Fasern zu betrachten, die nicht einfach, sondern mehrfach anisotrop gestreift sind. Solche finden sich bei Myniops variolosus in prachtvoller Ausprägung. Diese Fasern haben mir lange Zeit ausserordentlich viel Kopfzerbrechen verursacht und zwar aus folgendem Grunde: Wie die beiden Abbildungen zeigen, liegen die breiten anisotropen Scheiben häufig in annähernd querer Richtung, und diese Richtung ändert sich nicht bei wechselnder Einstellung; nach Umkehrung des Präparats zeigen sie ebenfalls die quere Richtung. Durch Untersuchung des Sehnenansatzes überzeugte ich mich, dass es sich nicht um Längsspaltungsstücke, sondern um ganze Fasern handle. Schon glaubte ich meine mühsam gewonnene Ueberzeugung wieder umändern und zwei verschiedene Muskel- faser-Arten annehmen zu müssen, eine spiralig durchwundene und eine metamer gegliederte, als mir ein freundlicher Zufall Archiv f. mikrosk. Aunat. Bd. 62. 6 82 Karl Münch: folgendesBild in ganz unzweideutigerSchärfe und Klarheit vor Augen führte : re Einstellung. berflächlicl \ =} Fig. 17. Tiefe Einstellung. Aus diesem Bilde geht mit zwingender Deutlichkeit hervor, dass die schmalen dunkeln Zwischenscheiben nicht isoliert zwischen den breiten Scheiben liegen, sondern Spiralscheiben von sehr enger Windung darstellen, die unmittelbar mit den breiten Scheiben zusammenhängen und sich in diese fortsetzen. Die Möglichkeit einer optischen Täuschung ist ganz ausgeschlossen durch die — bildlich leider nicht wiederzugebende — Thatsache, dass im selben Masse, wie der schmale Uebergangsstreifen an Breite abnimmt, sein Glanz und sein grünlicher Farbenton an Intensität allmählich zunehmen. Es war mir leider unmöglich, solche Bilder als Dauer- präparate zu konservieren, weil man genötigt ist, die Unter- suchung in Flüssigkeiten (Wasser, Kochsalz- oder Kaliumacetat- lösung) vorzunehmen. Denn um solche Bilder zu finden, die sich begreiflicherweise nur sehr selten in dieser Deutlichkeit präsen- tieren, kommt alles darauf an, viele Fasern zu sehen, und dies ist nur möglich bei der rasch ausführbaren Untersuchung in flüssigen Medien. Unter hunderten ist dann vielleicht eine Faser so günstig gelagert und von so weiter Windung, dass man die Uebergangsstelle der schmalen in die breiten Scheiben so deutlich sieht, wie in Fig. 16 und 17. Da nun bei der geringsten Ver- schiebung des Präparats das ganze Bild durch Umlagerung der betreffenden Faser verändert werden kann, so ist es technisch unmöglich, das Präparat zu entwässern und in Balsam einzu- schliessen, ohne das betreffende Bild mit grösster Wahrscheinlich- keit zum Verschwinden zu bringen. Das Ein und Alles, was man tun kann, ist, dass man das von der Gunst des Zufalls dargebotene Bild genau anschaut und dann mit aller möglichen Treue abbildet. Nachdem ich mich an der Hand des in Fig. 16 wieder- gegebenen Bildes und anderer ähnlicher Bilder von der Kontinuität Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser ete. 83 der Scheiben überzeugt hatte, bemerkte ich auch, was mir vor- her entgangen war, dass bei denjenigen Fasern, deren dunkle Zwischenscheiben nicht in der Einzahl, sondern in der Dreizahl sind, die Richtungslinien der dünnen Streifen bei wechselnder Einstellung immer deutlich divergieren. Ob die schmalen Zwischenscheiben durch vorübergehende Verdichtung verschmälerte breite Scheiben sind, oder ob sie diese Form entwicklungsgeschichtlich bekommen haben und dauernd behalten, diese Frage enthalte ich mich, in Ermangelung ge- nügender Gründe, zu entscheiden. Da es für Den, der einen Sachverhalt einmal in voller Klarheit gesehen und eingesehen hat, ein Leichtes ist, denselben Sachverhalt auch da wiederzuerkennen, wo er durch allerlei Nebel verschleiert und getrübt ist, so begreift es sich, dass ich mich von der spiraligen Anordnung der anisotropen Substanz ohne Schwierigkeit an jeder beliebigen Muskelfaser überzeugen konnte, nachdem ich sie bei Myniops variolosus in der geschilderten Un- zweideutigkeit gesehen hatte. Zu meiner eigenen Verwunderung fand ich jetzt mitunter sogar das Palissadenbild wieder an Fasern, wo es mir früher, offenbar wegen der spitzeren Winkel, un- beachtet entgangen war, und zwar nicht nur bei Arthropoden, als Insekten, Spinnen und Krustern, sondern mitunter auch bei Wirbeltieren, als Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugern. Sobald man sich einmal von dem Vorurteil der Metamerie-Theorie frei gemacht hat, findet man die Scheiben- spiralen-Struktur ohne grosse Schwierigkeit überall, und erkennt in dieser Struktur ein wesentliches, ja gerade das wesentliche, charakteristische Attribut der Muskelfaser. Ehe man aber die Metamerie-Theorie als grundsätzlich irrig fallen lässt und endgiltig aufgibt, ist es am Orte, den Ursachen nachzuspüren, warum sie überhaupt aufkommen und sich solange hat halten können. Ein Teil dieser Ursachen wurde schon im vorangehenden, beschreibenden Teil dieser Abhandlung an’s Licht gezogen, nämlich die querrichtende Brechungskraft, das un- günstige Verhältnis zwischen Zonenbreite und Kaliber, die Häufig- keit der treppenartigen Windungsform. Eine vierte, mehr theo- retische Quelle des Irrtums, soll nun noch im Folgenden betrachtet und beleuchtet werden, nämlich die Zerklüftung der Muskelfaser in ihren verschiedenen Formen. 6* 54 Karl Münch: Offenbar ist die Thatsache des Zerfalls der Faser in kleinere Bruchteile Schuld an dem unglücklichen Umstand gewesen, dass die Histologen ihr Augenmerk von der Faser als Ganzem haben ablenken lassen, um in ihren Zerfallsstücken die eigent- lichen morphologischen und physiologischen Einheitselemente zu suchen. Auch ist dies nicht wunderbar; sind wir doch gewohnt, ein jedes Ding erst dann als ergründet anzusehen, wenn wir es bis zur Grenze des Möglichen zerteilt haben, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass wir das Wort „Analyse“, das ur- sprünglich „Auflösung“ bedeutet, mit „Ergründung“ ziemlich promiscue gebrauchen. Das römische Sprichwort „divide, et impera“, so richtig es in der Politik sein mag, hat aber meines Erachtens hier, wie in noch manchen andern Fällen, Unrecht. Wer beispielsweise den Wald als eine blosse Vielheit von Bäumen auffassen wollte, wäre weit entfernt, sein Wesen und seine Be- deutung richtig zu würdigen. Und wie ein Haus, das in seine Bausteine und Balken zerfallen ist, zwar als stoffliche Masse noch existiert, aber nicht mehr als Haus-Individuum, d.h. als zweck- mässig gefügtes Gebäude, so ist auch die Muskelfaser ein Indi- viduum, zu Deutsch Unteilbares, dessen morphologische Existenz und funktionelle Tauglichkeit mit seiner Ganzheit steht und fällt. Damit soll nicht gesagt sein, dass die Zerklüftung nach zwei Richtungen ohne Belang für das Verständnis des inneren Gefüges der Faser sei. Schon die an einen Kristall erinnernde Gesetzmässigkeit der Zerfallsrichtungen beweist, dass die Bruch- und Spaltungsstücke keine zufälligen Erscheinungen sind, oder, wie manche Autoren wollen, auf postmortalen Gerinnungsvorgängen beruhen. Warum fällt es Niemand ein, zu behaupten, das Blut enthalte feine Fasern und habe also eine wenn auch sehr weiche Textur, da es nach Einwirkung verschiedener Einflüsse tatsäch- lich ein feines Fasernetzwerk erkennen lässt? Weil eben dieses Fasernetz keine Spur von gesetzmässiger Anordnung zeigt. Hin- gegen muss in der organischen wie unorganischen Welt eine jede Zerklüftung, deren Bruch- oder Spaltungsprodukte stereometrische Gesetzmässigkeit erkennen lassen, als wertvoller und wichtiger Fingerzeig angesehen werden: sie ist der Ausdruck der Kohäsions- und Spannungskräfte, die in dem zerklüfteten Ganzen vorher wirksam gewesen waren und in Anspruch genommen wurden. Mit andern Worten, es muss das zerklüftete Ganze ursprünglich Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 85 eine gewisse dauernde, feste und widerstandsfähige Struktur be- sessen haben, die einer jeden Aenderung der bestehenden inneren Ordnung entgegenstand, mag diese Aenderung drohen durch Zu- sammen- und Durcheinanderfliessen, oder durch Auseinander- bröckeln oder -Reissen der einzelnen Bestandteile. Was nun aber an der Zerklüftung der Muskelfaser das Ver- ständnis erschwert, und schon so viele zum Teil unerquikliche Kontroversen hervorgerufen hat, ist der Umstand, dass hier die Kohäsionskräfte sich je nach der Natur des einwirkenden- Agens bald in der queren bezw. schrägen, bald in der Längsrichtung stärker erweisen. So bewirken Chromsäure, . schwacher Alkohol, Formalin, häufig auch Kochen fibrilläre Zerspaltung, dagegen starker Alkohol, schwache Säuren (Magensaft) und Gefriertempe- ratur Bruch in Scheiben. Indem nun die Einen mehr dem Zer- fall nach der Längsrichtung, die Andern mehr dem nach der (Querrichtung Beachtung geschenkt haben, werden die Streitig- keiten über die Frage, was als Einheitselement zu gelten habe, verständlich. Wenn Dubois-Reymond mit geistreichelndem Spott sagen konnte, es möchten sich auf der Welt wohl kaum zwei Histologen finden, die über den Bau der Sehne miteinander einig seien, und kaum Einen, der über den Bau des Muskels mit sich selber einig sei, so erklärt sich dieses Missgeschick eben aus dem inneren Zwiespalt des logischen Gewissens, in den so- wohl die Verfechter der Fibrillentheorie, als auch die Verteidiger der Scheibentheorie notwendig geraten mussten, sobald sie an- fingen, exklusiv zu werden und nur den Zerfall nach einer Richtung als legitim anzuerkennen. Wenn man freilich von dem Vorurteil ausgeht, entweder nur das eine oder nur das andere Zerklüftungspredukt könne das wahre Einheitselement sein, so wird man logisch dazu gedrängt, das nicht als legitim aner- kannte Zerklüftungsprodukt als sogenanntes Kunstprodukt zu erklären, auch wenn ganz dieselben Gründe zu Gunsten des einen wie des andern in’s Feld geführt werden können. Um die hier bestehende Schwierigkeit zu überwinden, hat schon Bowman einen Ausweg darin gesucht, dass er die „Sarcous elements“, die Zerklüftungsprodukte nach beiden Richtungen, als Form- und Funktionselemente erklärte, welchen Ausweg nach ihm Brücke und zahlreiche andere Autoren einschlugen. Diese Theorie leidet aber offenbar an dem grossen Mangel, dass sie 36 Karl Münch: ganz unerklärt lässt, warum diese Bausteinchen in so auffallender Ordnung nach zwei Richtungen hin gelagert sind, dass sich aus ihnen eben immer einerseits Fibrillen und anderseits Scheiben zusammensetzen lassen, und somit ist diese Theorie geeignet, das über der Muskelfaser schwebende Dunkel noch zu verfinstern. Es ist auch nicht bloss die Verschiedenheit der Zerklüft- ungsrichtungen, die das Verständnis des inneren Gefüges der Muskelfaser erschwert, sondern die offenbare chemische Ver- schiedenheit der Substanzen, aus denen die verschiedenen Zer- klüftungsprodukte bestehen. Eine „Fibrille“ besteht aus der Länge nach abwechselnden Stücken iso- und anisotroper Sub- stanz, deren chemische Verschiedenheit schon aus ihrem Ver- halten gegenüber Farbstoffen ausser Zweifel steht, ein Disc aber aus einem wabenartigen Maschenwerk von Sarkoplasma, in dem die — immer anisotropen — Bruchstücke der „Fibrillen“ stecken, wenn diese etwas harte Ausdrucksweise bei solcher weichen Materie am Platze ist. Wenn nun eine und dieselbe Faser so- wohl in Fibrillen, als auch in anisotrope Scheiben zerfallen kann, so folgt daraus, dass die Kohäsionskraft der zwei die anisotropen Stückchen (die Bowman für die „sarcous elements“ hielt) nach zwei Richtungen trennenden Zwischensubstanzen, des Sarkoplasma einerseits, der isotropen Substanz anderseits, ungefähr gleich stark ist. Teil löst sich von Teil eben da, wo die Kohäsion am schwächsten ist, und dies ist immer dort der Fall, wo räumlich getrennte festere Stücke durch eine minder feste Substanz mit- einander verkittet sind. Das Sarkoplasma muss also die aniso- tropen Stückchen ebenso fest in der Schrägrichtung unter- einander verbinden und zusammenhalten, wie die isotrope Sub- stanz dies in der Längsrichtung tut. Demnach muss der isotropen Fibrillensubstanz mit demselben Recht die Bedeutung einer verkittenden Zwischensubstanz beigemessen werden, wie man sie dem Sarkoplasma — neben andern Funktionen — bei- zumessen pflegt. Denn der schräge Bruch geht immer durch die isotrope, niemals durch die anisotrope Substanz. In der Erkenntnis der theoretischen Bedenken und Ein- wände, die sich aus den verschiedenen Formen der Zerklüftung gegen die definitive Annahme der Spiralnatur der Muskelfaser könnten erheben lassen, habe ich es nicht unterlassen, mein Augenmerk mit besonderer Sorgfalt auf die Zerklüftung in allen Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 57 ihren Formen zu richten, und muss ich auf Grund genauer Prüfung zu den schon allbekannten Thatsachen noch folgende als. Ergänzung hinzufügen: 1. Die Bowman’schen „Dises“ stellen nicht ganz, wie in den Büchern, plane Scheiben dar, sondern erweisen. sich bei wechselnder Einstellung als windschief verbogene Scheiben, ver- gleichbar den Windungen einer Schiffsschraube. Dies gilt wenigstens für die einfach gestreiften Fasern. Bei Fasern, die Zwischenscheiben führen, sind die dicken Scheiben zwar bis- weilen annähernd plan, sind aber immer bedeckt von anhaften- den Bruchstücken der dünnen Zwischenscheiben, deren spiralige Natur oben gezeigt ist. 2. Der Zerfall nach der Schrägrichtung ergibt nicht immer einzelne Dises, auch nicht immer vollständige Dises, sondern ebenso häufig Teilstücke oder Komplexe von solchen, oft auch einzelne oder Komplexe von Discs, denen noch ein Teilstück eines weiteren Discs anhaftet. Figur 18 zeigt in 180facher Vergrösserung den diskoiden Zerfall einer Extremitätenfaser von Hydrophilus piceus. 3. Die „sarcous elements“ sind weder eigentliche Würfel noch Quader, wie in den Büchern, sondern immer Prismen oder Parallelepipede von mehr oder weniger schrägwinkeliger Konstitution. 4. Es gibt keine noch so dünne Fibrille, diesich nicht in noch dünnere Fibrillchen zerspalten könnte und aus solchen zusammensetzte. Dies muss gefolgert werden aus der Thatsache, dass man an fibrillär zerspaltenen Fasern neben den die grosse Mehrzahl bildenden, messbar dicken Fibrillen, mitunter solche Fibrillen findet, die man mit stärkster Immersionsvergrösserung eben noch als unmessbar feine Fädchen erkennen kann, deren Wahrnehmung aber an der Grenze unserer tote) Karl Münch: Sehschärfe liegt. Die Annahme, dass dieses für uns eben noch wahrnehmbare Dickenmass zugleich auch das absolute Mindest- mass von Kaliber bedeute, das in Wirklichkeit bestehe und bestehen könne — diese Annahme hiesse soviel wie die Einbildung» wir könnten mit unseren Immersionslinsen auf Moleküle Jagd machen. Damit will ich keineswegs einer mystischen Philosophie des Unendlich-Kleinen das Wort geredet haben; aber ich bin überzeugt, dass das Mindestmass von Kaliber einer „Fibrille“ erst da gesucht werden darf, wo auch der Stoff, aus dem sie besteht, sein Mindestmass hat, nämlich in den Molekülen. Damit verliert aber die präsumierte Fibrille den Charakter eines histo- logisch einheitlichen und selbständigen Formgebildes, und erscheint eben nur noch als der sichtbare Ausdruck der in der Längs- richtung der Faser wirksam gewesenen inter-anisotropen Kohäsions- kräfte, ganz ebenso wie sich im Dise die in der Schrägrichtung wirkenden Kohäsionskräfte verraten. Mit dieser Auffassung der Fibrille scheint die an Quer- schnitten sichtbare Einteilung der Gesamtfaser in räumlich ge- trennte, annähernd gleich dicke Längsbündel, die Muskelsäulchen Köllikers, die auf dem Querschnitt die bekannten Cohn- heim’schen Felder ergeben, bei oberflächlicher Ueberlegung in Widerspruch zu stehen. Denn es ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum in den zwischen den Feldern liegenden, messbar breiten Zwischenräumen keine Fibrillen liegen, warum also hier keine longitudinalen Kohäsionskräfte wirksam sein sollten. Bei eingehenderer Ueberlegung ist die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs unschwer zu finden. Kohäsion kann nämlich nur bestehen zwischen Stoffen von einer gewissen Festigkeit und Konsistenz. Nun besitzt unter den verschiedenen chemischen Substanzelementen der Faser die anisotrope Substanz den höchsten Grad von Festigkeit, was aus den verschiedenen Arten der Zer- klüftung hervorgeht, während isotrope Substanz und Sarkoplasma sich als gleichmässig unfest und locker erweisen. Es können also „Fibrillen® nur da sein, wo anisotrope Substanzelemente sind. Dass diese aber nicht lückenlos nebeneinanderliegen und den ganzen Querschnitt der Faser ausfüllen, ist aus ernährungs- physiologischen Gründen natürlich und notwendig. Uebrigens nimmt Kölliker selbst, im Gegensatz zu Rollett an, dass noch im Innern der Muskelsäulchen, also inter- Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc, 39 fibrillär, Sarkoplasma vorhanden sei. Damit verlieren die Bedenken, die sich aus dem retikulierten Querschnittsbild gegen obige Auf- fassung der Fibrille erheben lassen, noch mehr an Gewicht: Die Anordnung der anisotropen Elemente (und mithin der Fibrillen) zu geordneten Gruppen erster, zweiter und x-ter Ordnung erscheint nunmehr als wahrscheinliche Folge nicht bloss physiologischer, sondern auch entwicklungsgeschichtlicher, unvermeidlicher Not- wendigkeiten. Denn Nichts besteht aus einem Guss, was werden und was wachsen muss, sondern verrät den Gang seiner Entwieklung durch gruppenartige Anordnung seiner Bestandteile auch noch im fertigen Zustand. Jedenfalls beweist die ununterbrochene und einheitlich glatte Richtungslinie, in der die anisotrope Schrägstreifung durch den ganzen Querschnitt der Faser hindurchgeht, allen hier diskutierten Bedenken zum Trotz, dass zwischen den einzelnen anisotropen Stoffelementen Kohäsionskräfte in der Schrägrichtung wirksam sein können, und das nicht bloss unmittelbar, von Molekül zu Molekül, sondern sogar per Distanz, durch das trennende Sarko- plasma hindurch. Was wirklich ist, über dessen Möglichkeit braucht nicht erst noch verhandelt zu werden. Eben dieser Tatsache der kohäsiven Fernwirkung entnehme ich nun aber die logische Berechtigung, eine ebensolche Fernwirkung auch für die Längsrichtung als vorhanden anzunehmen, und zwar durch die trennende isotrope Substanz hindurch. Damit ergeben sich sowohl diskoide Schrägstreifung als fibrilläre Längsstreifung, aber nicht als eigentliche Formgebilde, sondern als Kraftäusserungen ; beide Arten von Streifung sind zugleich Resultat und Bild der doppelten inter-anisotropen Kohäsionskräfte. 5. Entsprechend dieser Auffassung der Fibrille gibt es auch kein noch so winziges „sarcous element“, das sich nicht aus noch winzigeren „little sarcous elements“ zusammensetzte. Der Grund, warum der schräge Bruch nie durch die anisotrope Substanz geht, warum also die kleinsten sarcous elements, die überhaupt noch beobachtet werden können, stäbehenförmige anisotrope Stückchen darstellen, deren Länge genau der Zonenbreite der anisotropen Streifung entspricht, liegt offenbar in der starken Kohäsion, die zwischen den anisotropen Substanz-Molekülen da besteht, wo diese einander unmittelbar benachbart, d. h. weder durch isotrope Substanz noch durch Sarkoplasma räumlich getrennt sind. 90 Karl Münch: Fasst man alle diese Beobachtungen und Ueberlegungen zusammen, so kommt man unwillkürlich zu der schon oben als Behauptung vorangestellten Schlussfolgerung, dass die Muskelfaser ein Individuum, ein unteilbares Ganzes bedeutet. Das kontraktile Einheitselement ist weder in der Fibrille, noch im Dise, noch im sarcous element zu suchen, sondern in dem Gesamtgebilde, zu dem diese Bruchstücke das Baumaterial darstellen: Das eigent- liche kontraktile Prinzip ist die anisotrope Scheibenspirale, die, durch doppelte inter-anisotrope Kräfte in ihrer Lage festgehalten, die Faser durchwindet. Doch will ich hier noch nicht vorweg- nehmen, was später über den Mechanismus der Kontraktion ausgeführt werden soll. Hier genüge es, darauf hinzuweisen, dass nur durch diese Gesamt-Auffassung die Tatsache verständlich wird, dass die Muskelfaser ein so wohlbegrenztes, einheitlich umschriebenes, meist sogar von einer Membran umhülltes, charak- teristisches Formgebilde darstellt. Wäre die Fibrille oder das sarcous element das kontraktile Prinzip, so müsste diese ge- schlossene Einheitlichkeit der Faser geradezu als unbegreiflicher, grund- und zweckloser Zufall erscheinen. In der Histologie gibt es aber einen Zufall so wenig wie in der Astronomie. Eine Bestätigung von schlagender Beweiskraft erhält diese individuelle Auffassung der Gesamtfaser durch die vergleichenden physiologischen Beobachtungen, die man unter dem Mikroskop an lebenstrischen Insektenmuskelfasern anstellen kann, wenn man sie in einen Tropfen Hühnereiweiss bringt. Man sieht hier bekanntlich oft noch eine halbe Stunde lang lebhafte wechselnde Kontraktionen auftreten, indem eine umschriebene, knotige Ver- diekung, unter gleichzeitigem Zusammenrücken der anisotropen Streifen, wie eine flutende Welle über die Länge der Faser hinläuft. Die Fasern, an denen man dies sieht, sind nun bezeich- nender Weise immer nur solche, die unversehrt erhalten sind, wenn nicht in toto bezüglich der Länge, so doch unversehrt bezüglich des Kalibers, und dies sind immer nur Extremitäten- oder Rumpfmuskelfasern, niemals Flügelfasern, weil diese wegen besonderer, unten zu besprechender Gewebsverhältnisse unmöglich in toto, als Individuen, zu isolieren sind. Ich lege auf diesen Umstand umsomehr Gewicht, als gerade die Flügelmuskelfasern bei oberflächlichem Studium durch ihre besondere histologische Beschaffenheit der hier vertretenen individuellen Auffassung zu Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 91 widersprechen scheinen, indem sie schon durch mechanische Einwirkung ziemlich leicht in metamer gegliederte Pseudo-Fibrillen von ca. 2—6 u Kaliber zerfallen, die täuschend den Eindruck selbständiger Formgebilde machen. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Gebilde sich an Zerreissungsstellen aus noch viel feineren Fibrillchen zusammengesetzt zeigen, und obwohl namhafte Forscher, u. a. Ranvier, diese Pseudo-Fibrillen als Leydig’sche Primitiveylinder gedeutet haben (Trait& techn. 1875. p. 500) — eine Bezeichnung, die dem Kölliker’schen „Muskelsäulchen“ entspricht — haben doch viele Forscher sich verführen lassen, diese Gebilde als eigentliche, selbständige Form- und Funktions- elemente anzusehen, und sich bemüht, an diesem vermeintlichen kontraktilen Prinzip dem Geheimnis der Kontraktion auf die Spur zu kommen. Aber niemand hat jemals etwas gesehen, was auch nur entfernt dem wogenden Wechselspiel ähnlich sähe, das eine ganze Faser, ein Faser-Individuum, darbietet. Selbst elek- trische Schläge stören diese Scheingebilde nicht aus ihrer starren Ruhe auf, sondern sie schrumpfen, wie jedes beliebige Gebilde, das aus elastischer organischer Substanz besteht, mit unmerk- licher Langsamkeit in ihrer Längsrichtung zusammen. Auf Grund eigener Beobachtung kann ich bestätigen, was Merkel (Arch. f mikr. Anat. 1872) angibt; dieser gewissenhafte Forscher, der die bezüglichen Vorgänge mit ausgezeichneter Treue und Schärfe beobachtet und beschrieben hat, sagt 8. 252: . ... „Aller- dings darf ich nicht verschweigen, dass die Fibrillen niemals wieder in den Ruhezustand zurückkehren, sondern in Kontraktion absterben, und man könnte mir den Einwurf machen, dass hier gar kein Lebensakt vorliege, sondern dass die Fibrillen schon vorher abgestorben waren und nur vermöge ihrer Elastizität sich allmählich verkürzen“. Obwohl Merkel diesen selbsterhobenen Einwand zu ent- kräften sucht, muss ich denselben auf Grund obiger Ausführungen von neuem erheben und. mit Nachdruck geltend machen, da Merkel offenbar von der irrigen Voraussetzung ausging, die Flügelmuskelfasern seien grundsätzlich anders gebaut als andere quergestreifte Fasern; er redet nämlich nicht von einer ein- heitlichen Flügelmuskelfaser, sondern von einer „Fibrillenmasse.“ Auch mir ist es anfänglich nicht besser ergangen: vor lauter Fibrillen konnte ich lange Zeit die Faser nicht sehen. Zwar 92 Karl Münch: fiel mir von vornherein auf, dass die „Querstreifung“ mit einer geradezu wunderbaren Geradlinigkeit und Einheitlichkeit durch diese „Fibrillenmasse“ hindurchgeht, und viele andere Autoren haben diese Tatsache mit einer gewissen resignierten Objektivität als solche festgestellt. Zur vollen Gewissheit wurde mir aber die Individualität der Flügelmuskelfaser erst, nachdem ich die den Thoraxraum ausfüllende Flügelmuskelmasse grosser Insekten (Wasserkäfer, Hummel, Hornisse) vorsichtig in toto herausgehoben, in Paraffin eingebettet und in Querschnitte zerlegt hatte. Hier zeigt sich nun zur Evidenz, dass durchaus kein Grund besteht, diese Muskelart als grundsätzlich von andern verschieden auf- zufassen: Die vorher scheinbar regellose Fibrillenmasse zeigt sich in schönster Regelmässigkeit zu Fager-Individuen von 200 — 300 u: Kaliber geordnet, die von einem deutlichen Sarkolemma- schlauch umschlossen werden (dies muss ich mehrfachen ab- weichenden Angaben gegenüber feststellen). Dieses Sarkolemm ist dicht umsponnen von einem ungemein reich verzweigten Tracheengeäst, aber niemals dringt eine Trachee ins Innere des Sarkolemmaschlauches hinein; vielmehr heften sich die Tracheen an seine Aussenfläche fest, ähnlich wie Baumwurzeln einen Felsen umklammern. Dies ist wohl, zusammen mit dem gewaltigen Kaliber der Fasern, der Hauptgrund, warum alle Versuche miss- lingen, diese Fasern durch Zerzupfen als unversehrte Individuen zu isolieren, indem der Sarkolemmaschlauch von dem festhaltenden Tracheengeäst zerrissen wird und so die Pseudo-Fibrillen (Primitiv- bündel, Muskelsäulchen) herausquellen. Wenn es gelänge, eine solche Faser in toto zu isolieren, würde man sicherlich auch an ihr das Kontraktions-Wellenspiel sehen, vielleicht: sogar noch lebhafter als bei andern Fasern. Nach diesen Beobachtungen erscheint es als überflüssig, die Entwicklungsgeschichte heranzuziehen, um zu zeigen, dass jede Faser der Flügelmuskulatur sich als scharf gesondertes Indivi- duum entwickelt, wovon ich mich an Libellenlarven überzeugt habe. — Ein letzter Einwand gegen die morphologische Einheit und Unteilbarkeit der Muskelfaser kann nun noch auf Grund einer besonderen Art von Fasern erhoben werden, nämlich denjenigen, bei denen die Schrägstreifung nicht durch den ganzen Quer- schnitt, sondern nur durch säulenartige Längsbündel der Fasern Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc, 93 als ununterbrochene, einheitliche glatte Linie hindurchgeht, Solche Fasern finden sich namentlich bei Amphibien und unter den „roten“ Fasern der Säuger, und gerade diese Fasern sind es, an denen Teilungsvorgänge mit einer an Sicherheit erenzenden Wahrscheinlichkeit beobachtet sind. Dafür sprechen die Verhältnisse der spindelförmigen Anschwellungen, die Kühne „Muskelspindeln“, Kölliker „Muskelknospen“ nennt. Bei der ausserordentlichen Schmalheit der Streifungszonen erscheint es geradezu als unmöglich, an diesen Fasern die spiralige Anordnung der anisotropen Substanz direkt nachzuweisen. Nimmt man jedoch -——- durch Analogieschluss — ihre spiralige Durchwindung als Postulat aller denkbaren Wahrscheinlichkeit, anderseits ihre Teilung als sichergestellte Thatsache an, so folgt logisch, dass in diesem Falle mehrere Spiralen in einem Sar- kolemmaschlauche nebeneinander liegen müssen. Damit stimmt das Aussehen dieser Fasern, die wie aus mehreren dicken Säulen zusammengesetzt erscheinen, deren jede über ihre ganze Breite einheitlich glatt und ununterbrochen schräggestreift ist. Diese Streifung läuft immer über die ganze Länge der einzelnen Säulen gleichmässig fort. Zwischen den Säulen liegt ein von Sarko- plasma ausgefüllter Spaltraum. Der oben aufgestellte Satz, dass die Muskelfaser ein Indi- viduum darstellt, muss also cum grano salis verstanden werden, d. h. als Regel, von der Ausnahmen vorkommen. Schärfer ge- fasst ist der Satz: Das kontraktile Prinzip ist die Scheibenspirale — Diese Untersuchungen habe ich vorgenommen, ohne die bisherige Literatur der Muskelfaser weiter studiert zu haben, als es die Kenntnis der allgemein wichtigen Tatsachen erfor- derte. Dieses Verfahren, so fehlerhaft es in mancher Beziehung sein mag, ist gerade im Gebiet der Muskeluntersuchung ent- schuldbar, weil die Literatur hier so bergeshoch ist, dass der- jenige, der sie erst durcharbeiten wollte, wohl nicht mehr genug Kräfte übrig behielte, um eigene Untersuchungen zu machen. Beim nachträglichen Studium der Literatur finde ich nun zu meiner Genugtuung, dass ich zwar der erste bin, der die spiralige Durchwindung der Muskelfaser nachgewiesen hat, dass ich aber mit dieser Erkenntnis nicht ganz einsam, d. h. ohne Vorläufer dastehe. Und zwar ist es kein schlechterer Beobachter 94 - Karl Münch: als Henle, den ich in dieser Beziehung nennen kann. In seiner „Allgemeinen Anatomie“ 1841 schrieb er S. 583: „Hält man alle diese Beobachtungen zusammen. so ist nichts wahrscheinlicher, als dass diese Primitivbündel, wenn sie auch etwa im Innern längsfaserig sind, doch aussen von breiten, ring- oder spiralförmigen Bändern umsponnen werden, und zwar so, dass in der Regel die einzelnen Windungen des Bandes sich genau berühren und keinen Zwischenraum lassen Demungeachtet glaube ich, muss man gewärtig sein, dass auch diese Ansicht sich als Resultat eines optischen Betruges erweisen werde, und dass in diesen Bündeln die Primitiv- fasern vielleicht nur aufs Aeusserste gekräuselt sind. Noch fehlt für jenen Schluss der entscheidende Beweis, wenigstens ist es mir noch nicht gelungen, das präsumierte Querband abzustreifen und isoliert darzustellen, wie dies doch bei den Spiralfäden der Bindegewebsbündel, beiden spiraligen Tracheen- fasern der Insekten möglich ist.“ Aus diesem Passus geht hervor, dass Henle, dem leider (1841) die Existenz der iso- und anisotropen Substanz noch un- bekannt war, doch die stereometrische Natur der Streifung wenigstens teilweise erkannt hat, wenn er auch nicht weit genug ging, um die Frage grundsätzlich zu entscheiden, ob die Streifung als ring- oder als spiralförmig anzusehen .sei. Wie wichtig diese Entscheidung ist, wird im folgenden, physiologischen Teil dieser Abhandlung dargethan werden. Ausser Henle habe ich Niemand als Vorläufer meiner Beobachtungen finden können. Denn wenn Rouget, (Journal de la physiologie de l’homme et des animaux t. VI, 1863) auf Grund der Beobachtung, dass der Insertionsstiel der Vorticelle sich bei seiner Verkürzung in spiralige Windungen legt, die Behauptung aufgestellt hat, die Muskel-Fibrillen seien ebenfalls Spiralen, die sich bei der Kontraktion in enge Windungen legen, und dass hiervon die Querstreifung der Gesamtfaser herrühre, so besteht zwischen dieser Behauptung und meinen Beobachtungen offenbar nicht die geringste Verwandtschaft. Uebrigens hat Rouget mit seiner Behauptung nirgends Anklang gefunden, und wurde die- selbe durch Hensens Nachweis der anisotropen Substanz (1869) als irrig dargethan. Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser ete. 95 Die Theorie Rougets wurde indes drei Jahrzehnte später wieder zur Geltung zu bringen versucht von Rinaldo Marche- siniund Francesco Ferrari (Untersuchungen über die glatte und die gestreifte Muskelfaser. Anat. Anz. XI. Bd. 1895 S. 138). Marchesini bezeichnet Rougets Spiraltheorie mit Recht als bis dato unbewiesen. Aber er selbst bleibt den Beweis wenigstens ebenso schuldig wie Rouget. Wie Rouget seine Theorie auf den Insertionsstiel der Vorticelle gestützt hatte, so geht Marchesini von den Charniermuskeln der Plattmuschelschalen aus, deren Fasern sich ebenfalls in toto in spiralige Windungen legen. Indem er aber den durch Macerieren derselben erhaltenen Fibrillen die Bedeutung selbständiger Formgebilde zuschrieb, geriet er auf den Abweg, seiner Spiraltheorie zuliebe auch bei allen „Fibrillen“ spiralige Form nachweisen zu wollen, und da dies nicht anders gelingen wollte, suchte er seine Zuflucht in der hypothetischen Umwandlung der Spiralform in die „Blasebalg- form“. Dabei übersieht M. ganz die nachweisbare chemische Verschiedenheit der iso- und anisotropen Substanz. Wer die Ausdauer hat, die überaus unverständliche Darstellung und Deduktion M.’s im Original zu lesen, wird sich durch einen vergleichenden Blick auf die Schemafiguren Fig. 13 u. 14 und das Photogramm Tafel II. von der Haltlosigkeit der M.’schen Anschauungen sofort überzeugen. Das Photogramm zeigt natur- getreu die wulstigen Vorsprüuge der anisotropen Fibrillen- abschnitte; diese Vorsprünge sind aber nicht, wie in Schema 13 u. 14, einseitig („Blasebalgform“), sondern allseitig, und kann Niemand, der diese Pseudofibrillen unbefangen ansieht, auch bei lebhafter Fantasie annehmen, dass dieselben mit Spiralen etwas gemein hätten. — Als einfachem mikroskopischem Arbeiter könnte es mir genügen, die spiralige Durchwindung der Muskelfaser als morpho- logische Tatsache erforscht und sichergestellt zu haben, und es Berufeneren zu überlassen, die wichtigen und interessanten physio- logischen Konsequenzen zu ziehen, die in dieser Tatsache ein- geschlossen ruhen. Da ich aber im Laufe meiner langwierigen Untersuchungen Zeit und Musse genug hatte, dem Theorien- machen und Spekulieren selbst nachzuhängen, so kann ich mir, ich gestehe es ehrlich, eine Auslassung meiner theoretischen Schlussfolgerungen nicht versagen und erkläre mich gerne bereit, 96 Karl Münch: mich durch stichhaltige Gegengründe eines etwaigen Irrtums überführen zu lassen. Vor allem muss der beliebte, sogar in den Lehrbüchern eingebürgerte Vergleich der Muskelfaser mit einer V olta’schen Säule fallen gelassen werden, so geistreich er auch klingen und scheinen mag. Obwohl er einerseits auf der richtigen Auffassung beruht, dass die Muskelfaser ein morphologisches Individuum darstellt, ist er doch wegen der unrichtigen Voraussetzung metamerer Gliederung unhaltbar. Uebrigens wandte der erste, der meines Wissens auf diesen Vergleich verfiel, Amici (Virch. Arch. Bd. 16, 1859, S. 422), ihn noch nicht auf die Faser an, sondern nur auf die Fibrille, wo- gegen sich nichts einwenden lässt, wenn man die Fibrille als selbständiges Formgebilde ansieht. Erst später delinte Hensen (Arbeiten aus dem Kieler physiol. Institut 1869) den Vergleich auf die Gesamtfaser aus, womit er zugleich zwei Wahrheiten und einen Irrtum in die Welt setzte. Der Irrtum lag in der Annahme der metameren Gliederung; die zwei Wahrheiten einer- seits in der individuellen Auffassung der Gesamtfaser, anderseits in der Erkenntnis der physiologischen Bedeutung, die der alter- nierenden Nachbarschaft der isotropen und anisotropen Substanz zugeschrieben werden muss. Es ist nun überaus bezeichnend, dass dieser morphologisch unrichtige Vergleich sich auch physiologisch als völlig unfrucht- bar erwiesen hat. Obwohl er auf den ersten Blick insofern etwas Bestechendesan sich hatte, alser die Quelle der Muskel-Elektrizität erschlossen zu haben schien, ist doch seine physiologische Sterilität und Unbrauchbarkeit unverkennbar wahrzunehmen in der Tat- sache, dass keine einzige der mannigfaltigen Theorien des Kontraktions-Mechanismus an diesen Vergleich angeknüpft hat. Wie sollte auch eine Volta’sche Säule sich verkürzen? In ihr entstehen durch chemische Zersetzungsvorgänge elektrische Spannungen und Strömungen, und somit figuriert sie als Apparat der Elektro-Physik. Aber von einer gegenseitigen dynamischen Wechselwirkung der Segmente aufeinander ist keine Rede, so- dass eine Umsetzung der elektrischen Kraft in mechanische Bewegung bei ihr ausgeschlossen ist. Da nun aber das Theorienmachen die Erbsünde des Menschen- geschlechts zu sein scheint, und man mit der Volta’schen Säule Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser ete. 97 nichts machen konnte, so suchte man die Ursache der Muskel- verkürzung in aktiven Stoffumlagerungen, über deren Warum man sich weniger Gedanken machte als über das Wie. Man könnte alle bisher aufgestellten Kontraktions-Theorien zusammenfassend als Theorien der Stoff-Strategie bezeichnen. Was mit diesem kategorischen Namen gemeint ist, wird man ver- stehen, wenn man bedenkt, dass alle Autoren von der vor- gefassten Meinung ausgingen, die Muskelfaser ziehe sich zu- sammen. In der Tat, alle Autoren gingen von der Annahme aus, die Formveränderungen, die bei der Kon- traktion an der Faser sichtbar sind, seien die Folge aktiver Stoff-Umlagerungen, und somit seien diese Stoff- Umlagerungen die‘ Ursache der Verkürzung der Muskelfaser. Nur in dem Punkt gehen die einzelnen Theorien auseinander, wie man sich den Modus der Stoffverschiebung vorzustellen habe. Es ist nicht meine Aufgabe, die zum Teil wirklich scharf- sinnigen und geistreichen Theorien einzeln wiederzugeben, zumal ich sie als bekannt voraussetzen darf. Soviel ist sicher, dass keine von ihnen vermocht hat, sich allgemeine Anerkennung und Geltung zu verschaffen, ja nicht einmal ein wesentliches Ueber- gewicht über die anderen Theorien zu gewinnen. Auch ist gerade die Mannigfaltigkeit der Theorien das sicherste Anzeichen dafür, dass es bei dem bisherigen Stand des morphologischen Wissens auch der scharfsinnigsten Logik nicht gelingen konnte, eine leid- lich befriedigende Lösung des grossen Rätsels der Kontraktion zu erdenken. Wenn es nun keiner bisherigen Theorie gelungen ist, einen Kreisüberzeugter Anhänger zu gewinnen, so ist diese Tatsache freilich nicht wunderbar. Denn all’ diesen Theorien haftet ein misslicher Uebelstand an, nämlich der: ehe sich der phantasiebeflügelte Gedanke die betreffenden Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärts- schwenkungen der elementären Schlachtreihen, beziehungsweise die Transsudations- und Imbibitionsvorgänge, Ein Mal vorzustellen vermag, hat sich die Muskelfaser schon Hundert Male zusammen- gezogen, ausgedehnt und wieder zusammengezogen. Mit andern Worten, alle diese Theorien haben angesichts der fast blitzartigen Schnelligkeit, mit der die Kontraktion eintritt und sich wechselnd wiederholt, etwas allzu Umständliches an sich und tragen das Gepräge der Gesuchtheit, um nicht zu sagen Gezwungenheit, auf Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 7 98 Karl Münch: der Stirne, so ingeniös sie auch erfunden und kombiniert sein mögen. Man braucht nicht gleich an die schwirrenden Schwingungen der Schwärmer- oder Libellenflügel zu denken; auch die Extremi- tätenmuskulatur weist mitunter Geschwindigkeitsleistungen auf, die wie ein Spott auf das Trägheitsgesetz der Materie anmuten. Fine Fidechse hält bei warmem Wetter Schritt mit einem in mittlerem Tempo einhergehenden Menschen, legt also in der Sekunde etwa 1 Meter zurück. Ihre Gliedmassen sind im Mittel kaum 2 cm lang, ihre Schrittweite beträgt etwa 2 cm. Also muss das Tier in der Sekunde nicht viel weniger als fünfzig Schritte machen,!) eine Geschwindigkeitsleistung, die bei der Annahme der Stoff-Umordnungs-Theorie ausserhalb aller Fassungskraft liegen müsste. In der Erkenntnis der hier liegenden Schwierigkeit sagt Ranvier p. 495 seines Trait& technique d’histologie 1875, bei Auseinandersetzung seiner Transsudations- und Imbibitions- Theorie: „... Comme on le voit, pour nous, ce n'est pas le secret de la contraction qu'il faut chercher dans la striation transversale, mais le secret du mode de contraction brusque.“ Man kann aus diesen Worten des grossen Forschers etwas wie ein leises Geständnis herauslesen, dass ihm die Plötzlichkeit der Kontraktion wie ein rätselhaftes und nicht recht erklärbares (reheimnis erschien. Gestützt auf die Erkenntnis der spiraligen anisotropen Durchwindung der Muskelfaser glaube ich mich berechtigt, den bisherigen Theorien folgende Anschauung gegenüberzustellen, die den Mechanismus der Kontraktion in einer grundsätzlich ver- schiedenen, neuen Weise auffasst: Nicht die Faser zieht sich zusammen, sondern der inihrer Scheibenspirale kreisende Kraftstrom zieht dieFaser zusammen. Die Verkürzungistkein Problem des primären Stoff-Transports, sondern ein. Problem der Elektro-Dynamik. Die bei der Kontraktion sichtbaren Formveränderungen sind also nicht Ursache, sondern Wirkung der Kon- traktion. ') Bei der Berechnung müssen die hie und da ausgeführten Sprünge des Tieres mit erwogen werden. Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. ag Um elektrische Kraft in mechanische Bewegung und Arbeits- leistung umzusetzen, gibt es nur zwei bis jetzt bekannte Wege: der eine, in der Elektromechanik allgemein praktisch befolete und benutzte Weg ist der Elektro-Magnet. Der zweite Weg ist eine stromleitende Spirale von enger Windung und geringer Starrheit. Vom elektrischen Strome durchkreist, verkürzt sich dieselbe. Dieses elektro-dynamische Phänomen ist zwar bisher vom Menschengeschlecht noch nicht praktisch ausgebeutet, sondern nur als wissenschaftlich interessante experimentelle Tatsache festgestellt worden. Doch besagt das keineswegs, dass auf Grundlage dieser Erscheinung nicht eine maschinelle Konstruktion möglich wäre, durch welche eine Kraft- Umsetzung in ebenso grossem Massstab vermittelt werden könnte, wie sie der Elektro-Magnet vermittelt. Denn der praktischen Ausbeutung der genannten dynamischen Erscheinung steht bis heute der Umstand im Wege, dass wir als gutes Leitungsmaterial nur Metalle zur Verfügung haben, und diese wären bei Her- stellung einer Leitungsspirale von einem für starke Ströme genügend weiten Strombett (Querschnitt des Leiters) wegen ihrer Starrheit für den gedachten Zweck unbrauchbar. Gemäss den von Ampere entdeckten elektro-dynamischen Grundgesetzen, nach welchen gleichgerichtete parallele Ströme sich einander anziehen, wird die Verkürzung der Spirale allgemein so erklärt, dass man annimmt, jede Windung der Spirale stelle einen Stromkreis dar, der die benachbarten Stromkreise (Windungen) anziehe und von ihnen ebenso stark angezogen werde. Nach den Ampere’schen Gesetzen ist die Stärke der gegen- seitigen Einwirkung zweier paralleler Ströme direkt proportional dem Produkt der Stromstärken, umgekehrt proportional dem Quadrat der Entfernung der Ströme. Auf die Spirale angewandt, ergibt dies: der dynamische Kontraktions-Eiffekt ist direkt propor- tional dem Quadrat der Stromstärke (denn es handelt sich hier nur um einen und denselben Strom), umgekehrt proportional dem Quadrat der Entfernung der Windungen von einander. Da nun nach dem Ohm’ schen Gesetz die Stromstärke im umgekehrten Verhältnis zum Leitungswiderstand steht, und der Leitungs- widerstand nicht nur von der chemischen Qualität des Leiters, sondern auch von der Grösse seines Querschnitts abhängt, so ist 7 100 Karl Münch: klar, dass eine Scheibenspirale für den gedachten dynamischen Kontraktions-Fffekt weit wirksamer sein muss, als eine faden- oder drahtförmige Spirale, deren Draht-Durchmesser der Dicke der Scheibe gleich wäre. Eine drahtförmige Spirale hingegen, die aus so diekem Draht gewunden wäre, dass der Drahtquerschnitt dasselbe Flächenmass hätte wie der Windungsquerschnitt einer Scheibenspirale, hätte zwei grosse Mängel: erstens wäre sie um vieles starrer und steifer, zweitens könnte sie nicht so eng ge- wunden werden wie die Scheibenspirale. Und da die gegenseitige Anziehung zweier benachbarter Stromkreise nicht nur im einfachen, sondern im potenzirten, umgekehrten Verhältnis zur Ent- fernung, also im geraden, potenzirten Verhältnis zur Nähe der Windungen steht, so wird klar, wie wichtig es für den dynamischen Zweck sein muss, eine Spirale von möglichst enger Windung bei möglichst weitem Strombett herzustellen; das stereometrische Gebilde nun, das diese beiden Anforderungen zugleich erfüllt, ist und kann nur die enggewundene Scheiben- spirale sein. — Man braucht kein Teleologe im mystischen Sinne des Wortes zu sein, um anzuerkennen, dass die Einrichtungen der Organismen im allgemeinen einen deutlich erkennbaren Zweck haben; und da, wo wir keine Zweckmässigkeit erkennen können, ist noch die Frage often, ob die Unzulänglichkeit auf Seiten der schöpferischen Natur zu suchen ist oder nicht vielmehr auf Seiten unserer vorerst schwachen Kräfte und Hilfsmittel des Erkennens. Die beste Kennerin und grösste Meisterin der Naturwissen- schaften ist die Natur selbst. Mag man sie sich als schaffende Macht auch ganz bewusstlos vorstellen, immer erfordert die Tat- sache ein nüchternes Anerkenntnis, dass im. belebten Naturreich physikalische, chemische und sogar mathematische Probleme praktisch gelöst sind, die selbst Fachtheoretiker in Verlegenheit setzen. Beispielsweise hat die Natur, ohne die Gesetze und Formeln der Statik aus Büchern theoretisch studiert zu haben, es fertig gebracht, diese Formeln beim Aufbau der Knochen- bälkchen praktisch anzuwenden, und das ebenso korrekt wie der beste Architekt. Setzt man also eine praktische Kenntnis der exakten Wissen- schaften und der mechanischen Künste bei der Natur als gegeben voraus, so hat es nichts allzu überraschendes mehr, wenn wir Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 101 in den Muskelspiralen einer Einrichtung begegnen, in welcher sich die Natur als Meisterin der Elektro-Dynamik, oder, um- sichtiger und darum positiver gesprochen, der Kraftstrom-Dynamik offenbart. Wenn ich absichtlich das Wort „Kraftstrom-Dynamik“ gebrauche, so geschieht dies, weil sich der Ausdruck „‚Kraftstrom“ in keiner Weise vom Boden der Tatsachen entfernt, während man sich durch Einführung des Begriffes „Elektrizität“ in physiologische Vorgänge schon auf das Gebiet der Hypothese begibt. Die Tatsache, dass im Organismus Kraftströme in wohlisolirten Leitungsbahnen fliessen, braucht so wenig bewiesen zu werden wie die Wahrheit, dass zweimal zwei vier ist. Denn da das Hirn von Muskeln und Haut räumlich getrennt ist, so wären wir bewegungs- und empfindungsunfähig, wenn keine Kraftstrom- Isolierung möglich wäre. Hieran wird nichts geändert durch den nichtssagenden Umstand, dass die Chemiker noch keine organischen Substanzen haben ausfindig machen können, die von den Physikern als elektrische Stromleiter, bezw. als Isolatoren experimentell erprobt worden wären. Auch steht seit Remaks Entdeckung des Axencylinders der Nervenfaser ausser Zweifel, dass dieser die Bedeutung eines in isolirende Umgebung eingehüllten Stromleiters besitzt. Von welcher Art der physio- logische Kraftstrom ist, wissen wir nicht; denn weder aus dem Galvani’schen Froschschenkelversuch, noch aus der von Dubois- Reymond gefundenen Thatsache, dass lebensfrische Muskeln und Nerven durch Ablenkung der Galvanometernadel, die in den zwischen Längs- und Querschnitt angelegten Stromkreis einge- schaltet ist, elektrische Strömungen anzeigen, kann mit Sicher- heit gefolgert werden, dass der physiologische „adäquate“ Kraft- strom wirklich elektrischer Natur sei. Gegen diese Folgerung spricht besonders der Umstand, dass es auch mit den stärksten elektrischen Strömen nicht gelingt, den lebensfrischen Muskel durch Reizung vom Nerven aus zu annähernd gleichen Kraft- äusserungen, d. h. Arbeitsleistungen zu veranlassen, wie sie der Willensimpuls, d. i. der vom Hirn kommende adäquate Nerven- Kraftstrom hervorzurufen vermag. Wohl aber kann mit Sicher- heit gefolgert werden, dass ein physiologischer Kraftstrom vor- handen, und wenn nicht mit Elektrizität identisch, so doch ver- wandt ist und sich in Elektrizität umsetzen kann. Es ist wahr; dass alle bisher bekannten organischen Substanzen, was elektrische Stromleitungs- oder Isolirungsfähig- 102 Karl Münch: keit betrifft, unter einander so geringfügige Unterschiede auf- weisen, dass es physikalisch ausgeschlossen erscheint, mit ihnen eine brauchbare elektrische, isolirte Stromleitung herzustellen. Demgegenüber haben wir jedoch in der Feinheit des Tastsinnes und anderer Sinnesempfindungen die sichersten Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Stromleitung und Isolirung im Nerven- system von einer solch hohen Vollendung sein müssen, dass unsere transatlantischen Kabel ihr gegenüber als rohe Versuche erscheinen. Nehmen wir nun die anisotrope Spiralsubstanz als Leiter des physiologischen Kraftstroms, die isotrope als Isolator an, — eine Annahme, die nach dem Beispiel des Nerven-Axencylinders und seiner Hüllen durchaus nichts phantastisches an sich hat — so brauchen wir nur den Kraftstrom durch die anisotrope Scheibenspirale zu schicken — und die Muskelfaser wird sich verkürzen mit einer Schnelligkeit, die fast der des Blitzes gleich- käme, wenn nicht zwei Widerstands-Momente den dynamischen Kontraktions-Effekt zügelten und verzögerten: der eine, grössere Widerstand liegt ausserhalb der Faser, nämlich in den Teilen, an die sie sich ansetzt und die in Bewegung gesetzt werden sollen; das zweite, kleinere Hindernis liegt in ihr selbst, d. h. in der dem Trägheitsgesetz unterworfenen Materie, der fest- weichen isotropen Substanz und dem dickflüssigen Sarkoplasma, ferner in dem elastischen Sarkolemmaschlauch, welcher natürlich der mit der Verkürzung notwendig zusammengehenden Ver- dickung der Faser hemmend entgegensteht. Zur Bewältigung des äusseren Hindernisses wirken viele Fasern helfend zusammen und somit wird der Anteil, den die einzelne Faser an der Ar- beitslast hat, um so geringer, je reicher der betreffende Muskel an Faser-Inviduen ist. Der innere Widerstand muss offenbar im selben Masse wachsen, wie die Kontraktion vorschreitet, und es wird nur durch elektrodynamische Ueberlegung begreiflich, dass die Kontraktion überhaupt so weit gehen kann, wie sie thatsächlich geht, näm- lich — bei dem freien Muskel — bis zu einer Verkürzung auf ein Sechstel der ursprünglichen Länge, und zwar in einem schnellen, zuckenden Schlage. Dieses Wunder wäre ein wirkliches Wunder, d. h. etwas übernatürliches, unerklärbares, wenn es nicht in folgender elektrodynamischen Veberlegung eine ungezwungene und natürliche Erklärung fände: Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 103 In demselben Masse, wie der innere Widerstand zunimmt, wächst auch die Kraft, welche die Faser zusammenzieht, weil die Stromkreise (Windungen) jetzt einander näher gerückt sind. Und da die Spiralscheiben nicht aus hartem Stoff, wie Metall, sondern aus weichem modellierbarem Material gemacht sind, so kann die Annäherung der Stromkreise solange fortgesetzt werden » bis die durch den gegenseitigen Druck abgeplatteten, d. i. ver- dünnten und zugleich verbreiterten Spiralscheiben ihre Elastizitäts- grenze erreicht haben und so einer weiteren Annäherung sich widersetzen, wozu noch der elastische Widerstand des Sarko- lemmas sich gesellt. Im schönsten Einklang mit dieser Ueberlegung steht die von Helmholtz durch das .‚Myographion“ festgestellte Zuckungskurve des Muskels. Der aufsteigende Schenkel der Kurve, der das ‚Stadium der steigenden Energie‘ bezeichnet, entspricht der Steigerung der dynamischen Kontraktionskraft, bedingt durch die Annäherung der Stromkreise. Den steilsten Verlauf zeigt dieser Schenkel in seinem mittleren Teil, während sein Anfangs- und Endstück durch sanftere Neigung einen langsameren Verlauf der Kontraktions- Zuckung anzeigen. Diese grössere Langsamkeit der Zusammen- ziehung bei ihrem Beginn und an ihrem Ende hat je eine ent- gegengesetzte Ursache: Die anfängliche Langsamkeit kommt von der vorerst noch schwächeren dynamischen Kontraktionskratft, die schliessliche Verlangsamung tritt trotz gesteigerter Kontraktionskraft ein, weil jetzt die elastischen Widerstands- kräfte die Oberhand gewinnen. Im mittleren Stadium der Zusammenziehung wird also der kontrahierende Kraftstrom ein Optimum für seine Wirkung haben, was sich in der Steilheit des Mittelstückes des aufsteigenden Schenkels der Zuckungskurve ausspricht. In ebenso schönem Einklang mit der dynamischen Kon- traktions-Theorie steht auch der Ton, den der durch Faradi- sierung in Tetanus versetzte Muskel nach Helmholtz ver- nehmen lässt. Er entspricht dem Ton, der erklingt, wenn eine metallene Spiralfeder in Schwingung versetzt wird; nur ist bei letzterer die Schwingung Folge ihrer eigenen Starrheit und Elastizität, während die Muskelspirale vom Wechselstrom bei jeder Schwingung passiv geschüttelt wird. 104 Karl Münch: Die Annäherung der anisotropen Spiralscheiben geschieht sowohl durch ihre eigene Abplattung, als auch durch die Ver- schmälerung der isotropen Zwischenzonen, deren Material noch weicher ist als das der anisotropen Scheiben. Wäre nun die isotrope Substanz so weich, dass sie fluktuirte, wie das Sarko- plasma, so bestünde die Möglichkeit, dass sie ihrer Kompression antwortete durch Ausweichen nach der Seite hin, unter das Sarkolemma. Bekanntlich thut das Sarkoplasma dies tatsäch- lich, wie die in Alkohol fixirten Kontraktionsknoten beweisen, deren Relief wulstig gerippt ist, indem das Sarkolemma von einer hellen transparenten Substanz zonenweise vom Faser-Zylinder wie abgehoben erscheint. Diese Plasma-Wülste sind nicht durch primären Transport oder aktive Transsudation entstanden, son- dern sind der Ausdruck der Kompression, welche die festeren anisotropen Spiralscheiben sowohl auf sich gegenseitig als auf die isotropen Zwischenzonen ausüben, deren flüssige, plasmatische Bestandteile nach der Richtung des geringsten Druckes, d. i. unters Sarkolemma, ausweichen. Gesetzt nun, die isotrope Substanz könnte ebenso nach der Seite des geringeren Druckes ausweichen, so würden die aniso- tropen Windungen als Träger der Stromkreise sich bis zur schliess- lichen Berührung nähern können, und damit wäre jede dyna- mische Wirkung zu Ende. Zudem würde alsdann die anisotrope Scheibenspirale im Sarkolemmaschlauch gleichsam schlotternd schwimmen. Die feste und dauernde kohäsive Verbindung der iso- und anisotropen Substanz-Elemente ist also sachgemäss ge- boten, und die fibrilläre Struktur der Muskelfaser erscheint somit als physiologische Notwendigkeit. Es entsteht nun die Frage, wie der Strom in der Scheiben- spirale fortgeleitet werden kann, wenn die Scheiben doch, wie Querschnitte zeigen, nicht aus einem Guss bestehen, sondern aus vielen polygonalen Stückchen zusammengesetzt sind, zwischen denen ein allerdings fast unmessbar feines Retikulum von Sarko- plasma liegt. Auf Grund !des Umstandes, dass die frische Faser, im Profil gesehen, nicht die geringste Unterbrechung der anisotropen Streifen erkennen lässt, die ganz wie aus einem Guss erscheinen, könnte man zwar mit Amici an- nehmen, die Fibrillen seien in der lebenden Faser auf dem Niveau der anisotropen Zonen in unmittelbarer Berührung mit- Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser etc. 105 einander, und somit sei das Retikulum des Querschnittsbildes nur ein Produkt der mit der Härtung eingetretenen Schrumpfung der anisotropen Bestandteile. Auch spricht die knotige Ver- dickung, welche die isolierten Fibrillen regelmässig in ihren anı- sotropen Abschnitten aufweisen, in der Tat zu Gunsten der An- nahme einer wenigstens punktweisen Berührung. Indessen glaube ich, dass diese Annahme nicht einmal not- wendig ist, um die Stromleitung als durchaus möglich erscheinen zu lassen; denn da alle Flüssigkeiten gute Leiter sind, so steht dem Uebergang des Stromes von einem anisotropen Stück zum seitlichen Nachbarstück jedenfalls kein Hindernis von Seiten des Sarkoplasma im Wege. Da aber die anisotrope Substanz, nach obiger Annahme, ein Leiter par excellence ist, so wird sich der Strom nicht im Sarkoplasma diffus verlieren, sondern von einem anisotropen Stück zu den andern, seitlich dicht benach- barten anisotropen Stücken hinüberströmen. Damit stimmt die konstante Tatsache, dass die Breite der Sarkoplasma - Scheide- wände des Querschnittsbildes niemals der Breite der isotropen Zone des Profilbildes gleichkommt. Der Strom muss also, da er von einem guten Leitungsstück immer zum nächst benachbarten überspringt, notwendig dem Lauf der anisotropen Scheiben- spirale folgen. Ueberdies bestehen gute Anhaltspunkte für die Annahme, dass in den längslaufenden Spalträumen, in denen das Sarko- plasma als fluktuierend angenommen wird, Vorkehrungen zur Strom-Isolierung getroffen sind, und zwar in Gestalt der von Kölliker so benannten interstitiellen Körnchen. Diese liegen ja bekanntlich nicht regellos, sondern in geordneten Reihen, und zwar entspricht ihre Lage, soviel ich bei der ausserordentlichen optischen Schwierigkeit des Gegenstandes beurteilen kann, immer dem Niveau der isotropen Zonen Ihrer chemischen Natur nach scheinen sie nach übereinstimmenden Angaben der Autoren aus Leeithin zu bestehen, also der Substanz, von der wahrscheinlich auch das Myelin, die isolierende Scheide der Nervenfaser, ge- bildet wird. Zwar halten die Autoren diese Körnchen teils für Nährmaterial, teils für Zersetzungsprodukte des Stoffwechsels der Faser. Dagegen spricht aber, abgesehen von der Regelmässigkeit ihrer Anordnung, folgende Beobachtung: Ein Wasserkäfer, den ich neun Wochen lang im Aquarium hielt, wo er aus dem Wasser nie herauskam, wo also seine 106 Karl Münch: Flügelmuskulatur völlig untätig bleiben musste, zeigte nach der Tötung in seinen — bekanntlich stark entwickelten — Flügel- muskelfasern die interstitiellen Körnchen in ganz derselben Menge, Grösse und Anordnung wie ein anderes Exemplar, das ich gleich nach seiner Erbeutung untersuchte, und wie übrigens auch die Flügelmuskelfasern zahlreicher anderer Insekten sie aufweisen. Es scheint kein Zufall zu sein, dass gerade in dieser aufs höchste vervollkommneten und leistungsfähigsten aller Muskelarten die Körnchen sich in so auffallender Menge, Grösse und Anordnung vorfinden. Damit will ich selbstverständlich nicht in Abrede stellen, dass die Muskelfaser ein Sitz lebhafter chemischer Zersetzungs- vorgänge ist und sein muss. Der Kontakt chemisch verschiedener Substanzen, der in ihr besteht, könnte möglicherweise, ähnlich wie bei der Volta’schen Säule, durch Hervorrufung chemischer Zersetzungen eine (Quelle elektrischer Spannungskräfte sein, die dann irgendwo, vielleicht in den motorischen Endplatten, an- gehäuft würden, wie denn diese Apparate von Manchen als al mulatoren aufgefasst werden. Die Ermüdung des Muskels wäre nach der dynamischen Theorie einfach so zu erklären, dass die chemischen Zersetzungs- vorgänge der Faser in der Zeiteinheit eben nur eine "gewisse Menge von elektrischer Spannkraft zu liefern vermögen, nach deren Entladung der Muskel Zeit braucht, um neue Spann- kraft anzusammeln. Häufig wiederholte Entladung muss dann schliesslich, wie bei einer gewöhnlichen Batterie, die Leistungs- fähigkeit herabsetzen. — k Nun bedarf noch die Frage der Erörterung, ob die dynamische Kontraktionstheorie mit der in Fig, 5 und 6 sichtbaren Ver- schiedenheit der Windungsrichtung innerhalb derselben. Faser sich verträgt. Theoretisch lässt diese Einrichtung die Deutung zu, dass durch sie eine allzu starke oder unnötig starke Verkürzung der Faser verhütet wird, was gerade bei Arthropoden mit ihren besonderen Hautskelettverhältnissen vielleicht von Be- deutung ist. Da entgegengesetzt parallele Ströme sich abstossen, so muss an einem Wendepunkt zwischen Rechts- und Links- windung bei Durchfluss des Stromes nicht nur keine Verkürzung, sondern sogar eine lokale Streckung der Faser stattfinden, mindestens muss ein solcher Wendepunkt ein „toter Punkt‘ beim Kontraktionsspiel sein. Die Beobachtung der überlebenden Käfer- Die sogenannte Querstreifung der Muskelfaser ete. 107 muskelfaser hat mir bisher leider keinen Anhaltspunkt gegeben, der für oder gegen die Existenz von toten Punkten gesprochen hätte Auch kann dies bei der Seltenheit von Wendepunkten (die vielleicht eine Besonderheit der Rüsselkäfer sind) nicht Wunder nehmen. Ueberdies ist die Beobachtung des überlebenden Käfer- muskels erschwert durch energische Pendelbewegungen, die kaum gestatten, einen bestimmten Punkt der Faser im Auge zu behalten- Zum Schlusse bleibt noch ein Einwand gegen die dynamische Kontraktions-Theorie zu widerlegen, der sich auf folgendem Raisonnement aufbauen könnte: Es gibt kontraktile organische Gebilde, wie das Protoplasma der Leucocyten und der glatten Muskelzellen, in denen keine spiralige Struktur, noch überhaupt eine Sonderung in zwei hete- rogene Substanzen (Leiter und Isolator) sichtbar ist. Da diese (sebilde sich aber doch ebenfalls kontrahieren können, wenn auch nyr viel langsamer als die „quergestreifte“ Muskelfaser, so muss angenommen werden, dass die Kontraktion kein elektro-mecha- nischer Vorgang sein kann. Demgegenüber kann ich wohl getrost das absolute und bergestiefe Ignoramus geltend machen, das wir leider bezüglich der feinsten Struktur des Protoplasmas, trotz unserer 2000 fachen Vergrösserungen, immer noch eingestehen müssen. Solange dieses Ignoramus besteht, hat jeder dasselbe Recht, das kontraktile Protoplasma als eine elektro-dynamische Werkstatt von unter- mikroskopischer Feinheit anzusehen, wie andere das Recht ‚haben, sich eine beliebige andere Theorie zusammenzufabulieren. Jedenfalls kann aber dieses Ignoramus kein Grund sein, eine elektro-dynamische Einrichtung der Natur da zu verkennen, wo sie einen deutlich erkennbaren, und in ihrer mikroskopischen Kleinheit doch grossartigen Ausdruck gefunden hat, nämlich in der spiralig durchwundenen Muskelfaser. Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor Dr. Zahn, der mir in liebenswürdigster Weise seine Privat- bibliothek zur Verfügung stellte, sage ich hiermit für das der Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen besten Dank; des- gleichen auch Herrn Professor Frey-Gessner, Konservator der entomologischen Abteilung des naturhistorischen Museums zu Genf, für seine freundlichen entomologischen Auskünfte. 108 Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel V. Die Gelegenheit zur Untersuchungen der hier beschriebenen Helminthen, meistens Nematoden, aus Siam verdanke ich der Güte des Herrn Dr. A. E. Shipley in Cambridge, dem ich an dieser Stelle nochmals bestens danke für die Uebersendung des interessanten Materials. Ascaris infundibulicola n. Sp. Fig. 12. Aus dem Darm von Python reticulatus Gray; Tremangaa. Die Nematoden sind gruppenweise, seltner einzeln, mit den Kopf- enden in tiefen, trichterförmigen Einziehungen der Darmwand befestigt. Der Körper ist vorn verdünnt und am breiteren Hinterende abgerundet. Cutieula quergeringelt; Lippen mit Zahnleisten und Zwischen- lippen, die etwa halb so lang sind wie die Hauptlippen; die Dorsallippe ist viereckig mit abgerundeten Vorderecken, 0,15 mm breit und 0,13 mm lang. Das Männchen erreicht eine Länge von 55 mm und eine Breite von 0,83 mm; der Öesophagus nimmt /ıs und der Schwanz "ss der ganzen Länge ein; die 3,75 mm langen Cirren. sind schwarz pigmentiert und am Ende abgerundet; am Schwanz- ende, das fingerförmig verlängert ist; stehen jederseits 15 prä- anale Papillen, die bis 0,88 mm nach vorn ragen, eine grosse Papille sieht man dicht vor und eine dicht hinter der Cloaken- mündung und zwei stehen jederseits postanal in der Mitte des Schwanzes Das Weibchen ist 160 mm lang und vorn 0,75, hinten 1,70 mm breit; der Oesophagus nimmt "ss, das Schwanzende '/sıı der ganzen Länge ein; die Vulva liegt vor der Mitte und Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. 109 teilt den Körper im Verhältnis von 4:7. Die Eier sind 0,078 mm lang und 0,068 mm breit und haben auf der Schalenober- fläche regelmässige, rundliche Eindrücke, die eine zierliche, netz- förmige Zeichnung bewirken. In Python retieulatus sind ausserdem vier Ascaris-Arten ge- funden, deren Eier merkwürdiger Weise alle dieselben kleinen Dellen zeigen. Ascaris attenuata Molin hat Lippen ohne Zahnleisten und Zwischenlippen ; die Eier sind 0,083 mm lang und 0,068 mm breit. Ascaris oculata v. Linstow hat Lippen mit Zahnleisten, ohne Zwischenlippen ; die Eier messen 0,060 und 0,055 mm. Ascaris rubicunda Schneider zeigt Lippen mit Zahn- leisten und kleinen Zwischenlippen; die Lippenpulpa hat viel- strahlige Loben; Eier 0,078 und 0,070 mm gross. Endlich Ascaris filaria Dujardin ist unvollkommen bekannt; die Eier sind 0,066 mm lang. Ascaris solitaria n. Sp. Riese: Aus dem Magen von Dipsadomorphus dendrophilus Boie. Aring. Es ist nur ein unentwickeltes Weibchen vorhanden. Die Cutieula ist quergeringelt; Lippen mit Zahnleisten und nied- rigen, pyramidenförmigen Zwischenlippen; Dorsallippe eiförmig, breiter als lang, Breite 0,14 mm, Länge 0,078 mm; Länge des Tieres 44 mm; Breite 0,81 mm; der Oesophagus macht !/ıs und der Schwanz, welcher kurz und kegelförmig ist, '/s5ss der ganzen Länge aus. Eine weitere Beschreibung zu geben ist nicht möglich. | Ascaris Dipsadomorphi n. Sp. Fig. 4. Ascaris-Larven in 1,02—1,97 mm grossen, unregelmässig rundlichen Cysten aus dem Mesenterium von Dipsadomorphus dendrophilus Boie. Aring. In den Cysten liegt der Nematode in 2'/s Windungen teller- förmig aufgerollt; die Länge beträgt 3,14 mm, die Breite 0,29 mm; der ÖOesophagus nimmt "/s,ı und der kegelföürmige, am Ende abgerundete Schwanz '/ss der Gesamtlänge ein; die Cutieula ist quergeringelt und am Kopfende steht ein kleiner, embryonaler Bohrzahn. 110 v. Linstow: Heterakis rimula n. Sp. Fig. 5. Aus Öentropus sinensis Steph. Die Cutieula ist quergeringelt, das Kopfende ist gerade abgestutzt und trägt weder Lippen noch Papillen; das Schwanz- ende ist kegelförmig zugespitzt; der Oesophagus, der beim Männchen "/, beim Weibchen '/s der ganzen Länge einnimmt, endigt mit einem kugelförmigen Bulbus. Das Männchen wird 8,6 mm lang und 0,34 mm breit; der Schwanz macht 'jer der Länge aus, der Hoden lässt nur das vorderste Fünftel des Körpers frei; die Cirren sind 0,88 mm lang; jederseits stehen 3 prä- und 7 postanale Papillen; zwischen der 1. und 2. der präanalen, die weit auseinandergerückt sind, steht ein von radiär auseinanderstrahlenden Muskeln eingefasstes langgestrecktes, schlitzförmiges, saugnapfartiges Gebilde. Die Länge des Weibchens beträgt 12 mm und die Breite 0,55 mm; die Vulva mündet an der Grenze vom ersten und zweiten Drittel des Körpers; der Schwanz nimmt '/s2o der Körper- länge ein und die fast kugelrunden Eier sind 0,049 mm lang 0,041 mm breit. Heterakis circularis n. Sp. Fig. 6. Aus Üentropus sinensis Steph. Kopfende mit 3 grossen, halbkugelförmigen Lippen, die beiden ventrolateralen mit je einer, die dorsale mit zwei Papillen; Cuticula tief quergeringelt; der Oesophagus nimmt beim Männ- chen '/ır, beim Weibchen '/ıı der Gesamtlänge ein, das Schwanz ende ist konisch zugespitzt. Das Männchen wird 31 mm lang und 0,79 mm breit; das Schwanzende ist '/ss der Tierlänge gross; die Cirren sind 1,74 mm lang; am Schwanzende steht ventral ein grosser, kreisrunder Saugnapf; jederseits finden sich 3 prä- und 5 postanale grosse, prominente Papillen. Das Weibchen ist 52 mm lang und 1,07 mm breit; das Schwanzende nimmt sr der ganzen Länge ein; die Vagina mündet dicht vor der Körpermitte und teilt die Länge im Verhältnis von 126 :129; die Eier sind 0,073 mm lang und 0,042 mm breit. Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. 171 Cheilospirura ophthalmica n. Sp. Fig. 79. Aus dem Auge von Turnix taigor Sykes. Die Cuticula ist fein quergeringelt; am Kopfende bemerkt man einen nach hinten erweiterten, niedrigen Mundbecher, aussen von ihm stehen im Kreise 6 Papillen, 2 lateral und 4 sub- median; der Oesophagus, welcher beim Männchen '/ıs, beim Weibchen "sı der Gesamtlänge einnimmt, ist hinten verdickt und breiter als der Anfang des Darms; der Nervenring umgibt den Oespohagus 0,21—0,22 mm vom Kopfende; die Seitenfelder lassen sich hinten bis über den Anus hinaus verfolgen; sie sind 0,042 mm breit, was etwa dem 24. Teil der Peripherie ent- spricht, und enthalten ein 0,0028 mm breites, geschlängeltes, durch die Cuticula durchschimmerndes Gefäss; auf Querschnitten sieht man, dass sie ungeteilt sind, sie senken sich nach der Ventrallinie, sind etwa dreimal breiter als hoch, überragen nach innen die kräftige Muskulatur etwa um das Doppelte deren Dicke und enthalten in ihrem inneren Drittel ein starkwandiges Gefäss ; der Porus excretorius liegt beim Männchen 0,40, beim Weibchen 0,44 mm weit vom Kopfende, die vordere Körperhälfte ist ohne Geschlechtsorgane. Das Männchen ist 14,4 mm lang und 0,31 mm breit, der kegelförmige, fein zugespitzte Schwanz nimmt "se der ganzen Länge ein; die ungleichen, gebogenen irren messen 0,18 und 0,29 mm; der Hoden nimmt nur etwa das hintere Viertel des Körpers ein; jederseits steht eine präanale Papille, postanal aber dichtgedrängt etwa 26, die sich vorn allmählich kleiner werdend verlieren. Beim 21 mm langen und 0,55 mm breiten Weibchen ist der Schwanz, der !/ss der Länge einnimmt, ebenfalls kegel- förmig zugespitzt:; die Uteri nehmen die hinteren */s des Körpers ein; die Vagina mündet ganz hinten; der durch sie gebildete vordere Körperabschnitt verhält sich zum hinteren wie 102:5; die Vagina verläuft nach vorn und teilt sich nach 0,4 mm Ent- fernung von der Vulva in zwei Uteri; die dickschaligen Eier sind 0,039 mm lang und 0,026 mm breit; die Furchung wird im Uterus durchgemacht. 112 v. Linstow: Cheilospirura siamensis n. Sp. Fig. 10. Aus Centropus sinensis Steph. Das Organ ist nicht genannt, vermutlich im Auge ge- funden. Cuticula kaum erkennbar fein quergeringelt ; am Kopfende ein kleiner Mundbecher;; das Ende des Oesophagus, der beim Männchen !/ıı, beim Weibchen 'ıs der ganzen Länge einnimmt, ist etwas breiter als der Umfang des Darms; der Nervenring liegt am 28., der Porus excretorius am 61. Hundertstel des Oesophagus, der hinterste Darmabschnitt ist von dem vorhergehenden durch eine Einschnürung getrennt; das Schwanzende ist konisch verjüngt; bei beiden Geschlechtern liegen die Geschlechtsorgane in der hinteren Körperhälfte. Länge des Männchens 8,9, Breite 0,26 mm; das Schwanz- ende nimmt "/sı der Gesamtlänge ein; die Eier messen 0,47 und 0.25 mm; am eingerollten Schwanzende stehen präanal etwa 28 dichtgedrängte Papillen, die nach vorn immer undeutlicher werden und verschwinden. Das Weibchen ist 9,8 mm lang und 0,46 mm breit; das Schwanzende macht '/sr der Tierlänge aus: die Vagina mündet ganz hinten dicht vor dem Anus, 0,62 mm vom Schwanzende; sie verläuft 0.26 mm nach vorn und teilt sich dann in zwei Uteri; Eier waren noch nicht entwickelt. Das Genus Cheilospirura Diesing e. p. = Oxyspirura v. Drasche. Am Kopfende steht ein kleiner Mundbecher; der Oesophagus ist kurz, das Schwanzende ist kegelförmig zugespitzt; die Geschlechtsorgane liegen in der hinteren Körperhälfte; die Seitenfelder sind schmal und enthalten ein Gefäss, dass in einen Porus excretorins mündet, die Gattung gehört also zu den Secernentes; die Männchen haben 2 ungleiche Spicula, die Zahl der Papillen ist ohne Regel; beim Weibchen mündet die Vagina dicht vor dem Anus. Die Arten leben im Auge, unter der Netz- haut im Conjunetivalsack oder unter der Conjunctiva bei Vögeln und Säugetieren. Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. 113 Stossich!) führt 7 Arten an, ich?) beschrieb Cheilospirura palpebrarum unter den Augenlidern von CGebus capueinus und hier sind die 9. und 10. Art angeführt. Schwer zu erklären ist es, auf welchem Wege die Parasiten in das Auge des Wohntieres gelangen, und aus welchem Grunde sie gerade hierher wandern. Die Parasiten werden wohl meistens in Larvenform oder als Eier durch den Mund aufgenommen und gelangen durch Speiseröhre und Magen in den Darm, wo ein grosser Teil von ihnen bleibt; andere wandern von hier in die Gallenblase, die Harnblase, den Ductus pancreaticus oder die Bursa Fabrieii, die Trachea und die Lungen; noch andere durchbohren die Darm- wand, um in die Peritonealhöhle, in das subeutane Bindegewebe, bei Fischen in die Schwimmblase, bei Säugetieren in die Niere zu gelangen und hier zu bleiben; die Arten des Genus Cheilospirura werden, wenn man annimmt, dass auch sie zunächst in den Verdauungstract gelangen, die Darmwand ihres Wirts durch- bohren, um von hier in die Peritonealhöhle, dann nach Durch- bohrung der Bauchmuskulatur in das subeutane Bindegewebe zu kommen; von hier müssen sie in das des Halses und Kopfes wandern, in die Gegend des Auges ziehen und hier die Conjunctiva durchbohren, bis sie endlich unter der Membrana nietitans an- gelangt sind; diese höchst komplizierte, selbständige Wanderung, für die einzelne Art immer nur nach einem gewissen Organ des Wohntiers, ist eine höchst merkwürdige Erscheinung. Oxyuris siamensis n. Sp. Hill. Aus dem Magen von Liolepis Bellii Gray. Die erste in einer Schlange gefundene Oxyuris-Art. Der Körper ist spindelförmig, die Cuticula ist tief in weiten Ab- ständen quergeringelt; am Kopfende sieht man 6 breite, niedrige Lippen, von denen jede 3 Papillen trägt. Die mittelste. von ihnen überragt die beiden seitlichen etwas; am Kopfende ist die Cuticula in eine breite Seitenmembran verdickt; der Oesophagus ') M. Stossich. Filarie e Spiroptere. Bollet soc. Adriat. sc. natur. vol. XVIII, Trieste 1897, pag. 123—136. ?) Archiv für mikroskop. Anat., Bd. 58, Bonn 1901, pag. 187, Taf. VIII, Fig. 12—13. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 8 114 v. Linstow: ist schmal und endigt hinten mit einem kugelförmigen Bulbus; beim Weibchen, die allein untersucht werden konnten, da das Männchen fehlt, nimmt er Vs, der Tierlänge ein; das Kopfende ist abgerundet, das Schwanzende kurz und zugespitzt. Das Weibchen ist 7,9 mm lang und 1,18 mm breit, das Schwanzende macht "ss der ganzen Länge aus; die Vulva liegt hinter der Körpermitte und teilt den Körper im Verhältnis von 5:3; die Vagina verläuft nach vorn. Der Porus excretorius ist weit nach hinten gerückt; er liegt erheblich hinter dem Ende des Oesophagus, etwa an der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Viertel des Körpers. Die nierenförmigen Eier sind 0,106 mm lang und 0,047 mm breit; hinter dem Anus ist der Körper verdickt. Oxyuris coronata n. Sp. Figur 12. Aus dem Diekdarm von Galeopithecus volans Lin. Petalung. Auch hier sind nur Weibchen vorhanden. Ihre Länge beträgt 7,19 mm, die Breite 0,24 mm; am Kopfende sieht man, wie bei der vorigen Art, breite Seitenmembranen. Am Kopfende stehen sechs mit der Spitze nach aussen gebogene Lamellen, dahinter zwei laterale Papillen; die Cuticula ist quergeringelt; der Porus excretorius liest 0,43 mm vom Kopfende; der Oeso- phagus endigt in einen kleinen Bulbus; er sowohl wie das lang und fein zugespitzte Schwanzende nehmen !/s der Gesamtlänge ein. Die Vagina mündet etwas hinter der Körpermitte und teilt den Körper im Verhältnis von 31:30. Die dickschaligen Eier sind 0,042 mm lang und 0,021 mm breit. Bei Oxyuris corollata Schneider, die auch in Galeopithecus volans lebt, ist die ganze Cuticula bestachelt. Auffallend ist die grosse Aehnlichkeit der Kopfbildung mit der von Oxyuris hamata v. Linstow') aus Myopotamus coypus in Südamerika; bei dieser Art nimmt der Oesophagus fast '/s der Tierlänge ein. Oxysoma tuberculatum n. Sp. Fig. 13. Aus dem Darm von Megalophrys montana Wagl. Die Cuticula ist quergeringelt, am Kopfende stehen 6 Lippen, von denen jede eine nach vorn gerichtete dornartige Spitze trägt; ‘) Württemberg. naturw. Jahresb. Stuttgart 1879, p. 331, Taf. V, Fig. 16. Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. 115 der Oesophagus ist lang und schmal, beim Männchen nimmt er '/s, beim Weibchen !ı,s der ganzen Länge ein und hinten endigt er mit einem kugelrunden Bulbus; etwas vor der Mitte des Oesophagus liegt der Excretions-Porus, in den von hinten wie von vorn je zwei Gefässe führen, die sich dicht vor dem Porus zu einem vereinigen; die Darmwand zeigt gekernte Zellen. Das Männchen ist 3,5 mm lang und 0,28 mm breit; der Hoden reicht nach vorn bis an den Anfang des Darms; die Cloake ist von einem Stäbchenbesatz umgeben und am“Vorder- wie Hinterende steht eine spitze Papille; vor der Cloake steht eine kissenartige Prominenz, die ebenfalls von Stäbchen ein- gefasst ist; das Schwanzende misst '/s« der Gesamtlänge; das letzte Ende ist plötzlich verdünnt und kurz vor der Verdünnung stehen kleine, glänzende Stäbchen; die beiden gleichen, säbel- förmigen Spicula endigen spitz und sind 0,55 mm lang. Das Weibchen wird 4,5 mm lang und 0,39 mm breit: die vorliegenden Exemplare hatten aber die volle Reife noch nicht erreicht und enthielten noch keine Eier; das kurze, kegelförmige Schwanzende misst !/s» der ganzen Länge und die Vulva liegt genau in der Körpermitte; einige Tiere waren in der Häutung begriffen. Filaria longicirrata n. Sp. Fig. 14—15. Aus dem subeutanen Bindegewebe von Galeopithecus volans L. Das Kopfende ist dicker als das Schwanzende, es ist ab- gerundet und weder durch Papillen noch Lippen ausgezeichnet: der Anus steht fast terminal und auch das Schwanzende ist ge- rundet; der Oesophagus ist kurz. Die Länge des Männchens beträgt 43 mm, die Breite 0,46 mm; die Cloake mündet fast terminal, der eine Cirrus, dessen Länge 3,49 mm beträgt, ist 2,96 mm weit vorgestreckt, der kleinere ist breit und ? 0,49 mm lang; am Schwanzende findet man jederseits 4 prä-, 1 par- und 4 postanale Papillen, ausserdem an der Schwanzspitze, von der die Oloakenmündung nur 0,0039 mm entfernt ist, 1 unpaare. Das Weibchen misst 120 mm in der Länge und vorn 0,87, hinten 0,63 mm in der Breite; die Vulva liegt ganz vorn, 0,99 mm vom Kopfende; der Anus steht fast terminal an der Ventralseite des Hinterleibsendes; die 0,031 mm langen und S* 116 v. Linstow: 0,023 mm breiten Eier haben eine membranöse Hülle, welche der Embryo schon im Uterus verlässt; die Art ist also vivipar; der 0,14 mm lange und 0,0028 mm breite Embryo hat ein spitzes Schwanzende. Filaria Seiuri n. sp. ing. Unter der Haut von Sciurus caniceps Gray gefunden. Aring, Kelautan. Es ist nur ein noch unentwickeltes Weibchen vorhanden von 23 mm Länge und 0,65 mm Breite, die Cuticula ist glatt; das Kopfende ist abgerundet, hinter der Mundöffnung stehen 2 Kreise von je 4 flachen Papillen; das kurze Schwanzende ist konisch mit abgerundeter Spitze, die in einen kleinen, griftel- förmigen Fortsatz verlängert ist; das Schwanzende nimmt "/ıss der ganzen Länge ein; Eier sind noch nicht entwickelt. Da eine genügende Artdiagnose nicht aufgestellt werden kann, kann nur ein provisorischer Name gegeben werden. Filaria corynodes v. Linstow. Unter der Haut von Semnopithecus albocinereus gefunden. Kuola, Aring. Diese Art habe ich‘) früher beschrieben nach Exemplaren, die unter der Haut von Üercocebus fuliginosus, Cercopithecus Uampbelli und Cercopithecus nictitans gefunden waren. Filaria spec. ? aus? Dipsadomorphus dendrophilus Boie. Das unbewafinete Auge glaubt Filarien zu sehen, unter dem Mikroskop aber erkennt man nur Ovarien und Uteri von solchen; es sind bis S5 mm lange Strecken; der Uterus ist 0,55 das Ovarium 0,12 mm breit: die kleinen und dickschaligen Eier sind 0,047 mm lang und 0,031 mm breit und zeigen be- ginnende Dotterfurchung; vermutlich ist die Filaria an dieser Stelle ein Pseudoparasit, der von einem verschlungenen Wirbel- tier herrührt; Hautmuskelschlauch und Verdauungstract sind ver- daut und Ovarium und Uterus vorläufig noch übrig geblieben. ') Mitteilungen aus d. zoolog. Samml. d. Museums für Naturkunde in Berlin, Bd. I, Heft 2, Berlin 1899, pag. 23, Tab. VI, Fig. 66. Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. ET Angiostomum brachylaimus n. Sp. Aus Bufo melanostietus Schneider, vermutlich in der Lunge gefunden. Es sind hermaphroditische Weibchen. deren Länge 8,5 und deren Breite 0,48 mm beträgt. Die Cuticula ist ungeringelt; am Kopfende stehen 3 wenig prominente Lippen; der Oeso- phagus ist kurz und nimmt nur '/ıs der ganzen Länge ein, am Ende erweitert er sich zu einem starken Bulbus; das fein zu- gespitzte Schwanzende misst '/ss der ganzen Länge. Die Geburts- öffnung liegt genau in der Mitte des Körpers; der Gang ver- läuft nach hinten; die verhältnismässig grossen Eier erfüllen bei erwachsenen Tieren fast den ganzen Körper von der Oesophagus- Gegend bis zum Schwanzende; sie sind 0,12 mm lang und 0,065 mm gross und enthalten den fertig entwickelten Embryo; der Darm enthält schwärzlich gefärbte Blutreste. Lissonema rotundatum n. gen.; n. Sp. Fig. 16—20. Aus Gentropus sinensis Steph. Das Organ des Wohntiers ist nicht angegeben; vermutlich ist es nicht der Verdauungstract. Kopf- und Schwanzende sind abgerundet; die Mundöffnung ist klein und dreieckig und von 3 flachen Lippen umgeben, deren Aussenrand eine Kreislinie bildet. Der Oesophagus ist sehr lang: beim Männchen nimmt er Vs, beim Weibchen '/s,; der ganzen Länge ein; er besteht aus einem kurzen, 0,28 mm messenden vorderen, schmalen, und einem sehr langen, binde- gewebigen, breiten hinteren Abschnitt. Der vordere, kurze, muskulöse Abschnitt enthält in der Muskulatur Kerne; das Lumen ist dreischenklich; gestützt wird er von 4 Strängen, die in der Dorsal-, der Ventral- und in den beiden Seitenlinien ver- laufen und nach innen zu einem Ringe verschmelzen; sie ver- drängen die Muskulatur und sind Auswüchse der Subeuticula; die lateralen Stränge sind erheblich breiter als die beiden anderen und alle, besonders die lateralen, enthalten Kerne. Merkwürdig ist der breite, lange, hintere Oesophagus-Abschnitt gebaut; er zeigt dieselbe Struktur, wie ich sie bei Filaria tricuspis und Dispharagus anthuris gefunden und beschrieben habe. Eine starke Tunica propria, die sich färbt, umgibt das Organ; in der Mittel- 118 v. Linstow: achse verläuft ein sehr kleines, dreieckiges Rohr und von hier strahlen nach der Peripherie Septen aus, die sich öfter spalten ; auch sie färben sich schwach ; zwischen ihnen sieht man ein unfärb- bares körniges Gewebe, in dem runde hyalıne Inseln liegen. Das ganze Organ funktioniert offenbar nicht mehr und ist aus der Larvenperiode herübergenommen. Der Darm hat eine breite Aussenhülle und auf Querschnitten quadratische Epithelzellen mit Kern und Kernkörperchen; innen sind sie ausgekleidet von einer Stäbehenschicht; der Darm ist schmäler als der Oesophagus. Die Cutieula ist glatt, das gerundete Schwanzende kurz. Die Muskulatur ist niedrig und wird durch die 4 Längsfelder in 4 Teile geteilt. Das Dorsal- und Ventralfeld ist schmal, die Seitenfelder aber sind breit und nehmen fast '/s der Peripherie ein; sie überragen, wie auch das Dorsal- und Ventralfeld, die Muskulatur nach innen nicht, und enthalten zahlreiche linsen- förmige Kerne mit glänzendem Kernkörperchen; sie messen 0,016 mm; ein Gefäss fehlt den Seitenfeldern, dementsprechend ist kein Porus excretorius verhanden. Der Nervenring umgibt den vorderen, kurzen, muskulösen Oesophagusabschnitt 0,15 mm vom Kopfende; er wird aussen von dem Verschmelzungsring der 4 Stützstränge eingeschlossen. Die Geschlechtsorgane erfüllen den ganzen Körper von vorn bis hinten. Das Männchen ist 19mm lang und 0,59 mm breit; das Schwanzende nimmt '/ıza der ganzen Länge ein; man findet 2 gleiche, breite, gebogene Üirren von 0,21 mm Länge, deren Ende abgerundet ist; vor der Gloake steht eine unpaare Papille. Die Länge des Weibchens beträgt 23 und die Breite 0,75 mm; das Schwanzende nimmt !/ır ein; die Vagina mündet ganz vorn und teilt den Körper im Verhältnis von 1:24. Der Uterus ist dreimal breiter als die Ovarien; er zeigt eine Tunica propria und an deren Innenwand isoliert stehende, oft kolbige, unregelmässig gestaltete Epithelzellen mit Kernen, zwischen denen sich die Eier bilden. Im Ovarium verläuft in der Mittel- achse eine Rhachis, die von gekernten, keilförmigen Zellen um- geben ist. Die kleinen, gestreckten Eier sind 0,041 mm lang und 0,017 mm breit und zeigen den Dotter in Morula-Form. Das Genus Lissonoma. Die Gattungscharaktere sind: Cuticula glatt, Kopf und Schwanzende abgerundet, ersteres mit 3 tlachen Lippen, letzteres Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. 119 sehr kurz; breite, niedrige Seitenfelder ohne Gefässe, kein Porus excretorius, die Geschlechtsorgane erfüllen den ganzen Körper; Männchen mit 2 gleichen, kurzen Cirren, am Schwanzende keine paarige Papillenreihen; beim Weibchen mündet die Vulva ganz vorn. Die Gattung gehört also zu den Resorbentes. Die Nematoden-Familie der Resorbentes lebt in Wirbel- tieren und zwar nicht in deren Verdauungstract, sondern unter der Haut, in der Peritoneal- oder Pleurahöhle, in der Lunge, der Niere, der Leber, im Gehirn, in der Paukenhöhle des Öhres, in der Nasenhöhle, der Stirnhöhle, in Knochenauftreibungen, im Auge, in der Orbita, in den Thränenwegen, im Herzen, in den (zefässen, zwischen den Magenhäuten, zwischen den Muskeln, unter dem Epithel des Oesophagus, im Penisgewebe, in Lymph- drüsen, zwischen Sehne und Sehnenscheide. Die Seitenfelder sind meistens '/s der Peripherie breit und sind niedrig; sie sind offenbar das aufsaugende Organ, durch welches das Tier sich ernährt; eine Nahrungsaufnahme per os findet beim erwachsenen Tiere scheinbar nicht mehr statt. Hierher gehören die Gattungen Filaria, Dispharagus, Fila- roides, Dracunculus, Eustrongylus, Ichthyonema, Pseudalius, Angiostomum, Aprocta und Lissonoma. Cestoden. Monobothrium serpentum n. Sp. Fig. 21. Aus dem Mesenterium einer Schlange. Patalung. Eine Cestoden-Larve, die sich gruppenweise, zahlreiche Individuen eng an einander gedrängt, in durchschnittlich 1,4 mm lang und 1,2 mm breiten, dünnwandigen Cysten findet. Der in denselben enthaltene Cestodenkörper ist meistens 1,3 mm lang und 0,71 mm breit; vorn steht ein dunklerer, 0,24 mm langer und 0,43 mm breiter Scolex; die Cuticula des Hinterkörpers ist quergeringelt und ziemlich diek; am Scheitel des Scolex steht eine tiefe Grube, deren Wandung bald kreisförmig, bald einge- buchtet und gefaltet ist; im Hinterkörper stehen dicht gedrängte sehr zahlreiche, ovale, concentrisch geschichtete Kalkkörperchen. 120 v. Linstow: Das Genus Monobothrium ist noch sehr unvollkommen bekannt und wird von 3 Arten gebildet. Monobothrium tuba Diesing aus Tinca chrysitis, Monobothrium punctulatum Molin aus Conger vulgaris und Monobothrium hexacotyle Linton aus Catostomus spee.? Die beiden ersteren Arten werden öfter zu Caryophyllaeus gestellt. Pentastomen. Porocephalus moniliformis Dies. !) Aus Python reticulatus Gray, im Darm. Tremangaa. Zusammen mit Ascaris infundibulicola. Sarcopsoridien. Balbiana siamensis n. Sp. Fig. 22—23. Von der Zungenbasis von Bos bubalis. Kuala Aring. Spindelförmige Körper, bis 12 mm lang und 4 mm breit, andere sind schlanker bei einer Länge von 9 mm und einer Breite von 0,7 mm. Der Körper wird von einer derben, 0,0078 mm dicken Cuticula umgeben und das Innere besteht aus zahllosen wurstförmigen, etwas gekrümmten Sarcopsoridien- Körperchen, welche 0,011 mm lang und 0,0045 mm breit sind. Eine ähnliche Form, welche nussgross werden kann und in Deutschland und Frankreich im Oesophagus-Gewebe, in den will- kürlichen Muskeln und anderen Organen von Schaaf und Ziege gefunden wird, ist Balbiana gigantea Railliet ?). Vielleicht ist die hier beschriebene Art schon früher von de Jongh gesehen, der eine Balbiana in den Muskeln des Büffels auf Java und Sumatra gefunden hat. ') Siehe A.E. Shipley. Archives de parasitologie, t. I, Paris 1898, pag. °?) A. Railliet, Trait& de zoologie medicale et agricole, Paris 1895, pag. 155—157, Fig. 74—76. Parasiten, meistens Helminthen, aus Siam. 128 Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. ie. 21. ie. 22 23. Ascaris infundibulicola, 1. Dorsallippe. 2. männliches Schwanz- ende von der Seite. Ascaris solitaria, Dorsallippe. Ascaris Dipsadomorphi, Kopfende. Heterakis rimula, männliches Schwanzende. Heterakis eireularis, männliches Schwanzende. Cheilospirura ophthalmica, 7. Kopfende, 8. männliches Schwanz- ende, 9. Querschnitt durch das Seitenfeld (s). + Cheilospirura siamensis, männliches Schwanzende. Oxyuris siamensis, Kopfende. Oxyuris coronata, Kopfende. Oxysoma tubereulatum, männliches Schwanzende von der Seite. Filaria longieirrata, 14. schwach, 15. stärker vergrössert. Lissonema rotundatum, 16. Kopfende von der Scheitelfläche, 17. männliches Schwanzende von der Seite, 13—20 Querschnitte, 18. durch den vorderen, kurzen, Oesophagusabschnitt, 19. durch den hinteren Teil des Oesophagus, 20 durch den hinteren Körper eines Weibcehens ; öI, öIl vorderer und hinterer Oeso- phagus-Abschnitt, n. Nervenring, st. Stützen des Oesophagus, s Seitenfeld, d Darm, u Uterus, o Ovarium. Monobothrium serpentum, Tier aus der Üyste befreit. Balbiana siamensis, 22. in natürlicher Grösse, 23. Sarcopsoridien- Körper. Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. Zur Frage über die Folgen der Unter- bindung des Wurmfortsatzes. Von L. W. Ssobolew aus St. Petersburg. Hierzu Tafel VI. Die physiologische Bedeutung des Blinddarmes und ins- besondere seines Wurmfortsatzes ist bis jetzt eine wenig gekannte. In der neuesten Zeit herrschte besonders unter den Klinikern die Anschauung, dass der Wurmfortsatz ein für den Organismus unnützes, ja schädliches Gebilde vorstelle. Gestützt wurde diese Anschauung durch die Angaben der vergleichenden Anatomie, denen zufolge der ganze Blinddarm, bei den fleischfressenden Tieren wenigstens, — nur ein rudimentäres Organ der phylo- genetischen Entwickelung darstelle. Nach den diesbezüglichen Untersuchungen einiger Pathologen ist auch die Obliteration des Wurmfortsatzes, wie sie bei älteren menschlichen Individuen oft zu beobachten ist, als eine physiologische Ausschliessung des unnützen Organs aufzufassen. Wenn man eine Hypothese über die Rolle des Blinddarmes mit seinem Fortsatze bei den Carni- voren noch aufstellen kann, so ist dies wohl nicht in gleichem Masse möglich für die pflanzenfressenden Tiere. Diese haben einen sehr grossen Blinddarm, der jedenfalls auch eine nützliche Funktion haben muss. Was diese anbetrifft, so glaubt man meistenteils, dass es im Blinddarme infolge des längeren Auf- enthaltes des Speisebreis in ihm zu einer vollständigeren Ver- arbeitung desselben durch Verdauungssäfte und zur besseren Aufsaugung kommt. Es hatte daher das mir von Geheimrat Prof. Dr. OÖ. Hertwig vorgelegte Thema, den Blinddarm oder mindestens seinen Fortsatz bei den neugeborenen Kaninchen abzubinden und die dadurch hervorgerufenen Veränderungen zu untersuchen, viel des Inter- essanten für mich, umsomehr als das Thema eine Erweiterung Zur Frage über die Folgen der Unterbindung des Wurmfortsatzes. 125 © > © meiner angefangenen Arbeit über die Unterbindung verschiedener Drüsengänge vorstellte. Was mich dabei speziell interessierte, war der sonderbare Reichtum des Wurmfortsatzes an Lymph- follikein. Für meine Zwecke bediente ich mich der neugeborenen, 2—8 Stunden alten Kaninchen. In der Mehrheit der Fälle habe ich den ganzen Appendix einschliesslich eines kleinen Teiles des Coecums durch doppelte Ligaturen vom übrigen Coecum vor- sichtig in der Weise abgetrennt, dass die ihm das Blut zuführenden grösseren Gefässe von der Unterbindung ausgeschlossen blieben. Die Abbindung des gesamten Coecums bereitete technische Schwierigkeiten, da sich in demselben oft schon einiger Speisebrei und Luftblasen vorfanden, was wenig Hoffnung zuliess, die Operation aseptisch und ohne Entzündung ausführen zu können. In einigen Fällen hatte ich auch diese vollständige Abtrennung des Coecums durchgeführt und wollte in der Folge den Einfluss, den diese physiologische Ausschliessung des Coecums auf die spätere Entwickelung in Bezug auf Länge und Bau der übrigen Gedärme ausübt, einer näheren Untersuchung unterziehen. Leider aber starb ein sehr grosser Teil der operierten Tiere sowie der Kontrolltiere an einer unbestimmten Infektion, was mich dazu zwang, die Untersuchung auf eine gewisse Zeit zu unter- brechen. Doch sind die wenigen erhaltenen Resultate so interessant, dass ich mich veranlasst fühle, diese in einer kurzen Mitteilung zu veröffentlichen. Kaninchen No. 1, 2, 3. Die Tiere waren am 10. August 1902 operiert, die Operation wurde gut vertragen. Nach 21, 22, 23 Tagen starben sie, wie zwei nicht operierte Tiere von demselben Wurfe, infolge irgend einer Infektion. Sektion: An der Stelle der Operation kleine lockere Adhäsionen, Coecum an der unterbundenen Stelle un- durchgängig, im abgetrennten Teile flüssiger Schleim. Bei den Kontrolltieren war das Coecum im ganzen circa 1 cm länger als bei den operierten. Bei mikroskopischer Untersuchung auf Schnitten erscheint der normale Appendix als ein ziemlich enges Rohr mit kleinem Lumen. Die gegeneinander gelegenen Zotten berühren sich fast. Die Mukosa wird von kleinen Zotten und Drüsen repräsentiert. Die ganze Submukosa besteht aus adenoidem Gewebe; es gibt sogar eine vollständige Reihe von 124 L. W.Ssobolew: Follikeln, die direkt der Muskularis anliegen. Der Durchmesser der Follikel ist ungefähr um die Hälfte kleiner, als beim er- wachsenen Tiere Die Muskularis ist ziemlich dünn. Dagegen ist das Lumen des unterbundenen Appendix etwas erweitert, die Oberfläche der Mukosa abgeplattet mit Schleim bedeckt. Die Zotten sind klein, ihre Enden erreichen alle die- selbe Höhe, ungefähr '/s der normalen. Einige Schleimhaut- krypten sind dilatiert. Die Submukosa ist jetzt als ein aus faserigem Bindegewebe mit rundlichen und länglichen Zellen bestehendes Gewebe unterscheidbar. Das adenoide Gewebe ist vermindert. Es existiert noch stellenweise in der Gestalt der diffusen kleinzelligen Infiltration. Die konservierten Follikel sind klein, ohne scharfen Grenzen und steben ziemlich weit von einander. Man zählt nur bis S Follikel auf einem Querschnitte, während bei dem normalen Wurmfortsatz von demselben Wurfe bis zu 30 zu zählen sind. Die Muskularis und namentlich die Zirkularschicht erscheint zweimal dicker als normal zu sein. Kaninchen No. 4. 2. August 1902 operiert, 1. September getötet (30 Tage). Die Länge des ganzen Coecums 15 cm, des abgebundenen Teils 72, die Grenze zwischen Appendix und Coecum ist nicht mehr zu erkennen. Das zwischen den Ligaturen gelegene Stück, welches während der Operation nur einige Millimeter lang war, hat jetzt die Länge von 1 cm erreicht. Bei dem Kontrolltiere von demselben Wurfe misst das ganze Coecum 22 em, Appendix 5'/s cm. Das normale Üoecum zeigt gut entwickelte Schleim- hautfalten und Lieberkühn’sche Drüsen mit hohem Epithel. Die Submukosa besteht aus lockerem Zellgewebe mit dünnen Binde- gewebsfasern, die Muskuiaris ist gut entwickelt. Infolge der Unterbindung ist die ganze Wand des Coecums dünner geworden. Ihre innere Fläche ist fast glatt, die Schleim- hautfalten fehlen fast ganz. Die Drüsen sind unregelmässig, klein, erweitert. An einigen Strecken ist die Mukosa ganz glatt, ohne Drüsen oder mit ganz kleinen Vertiefungen versehen. Die Epithelzellen sind mehr kubisch: zwischen ihnen finden sich ziemlich viele Becherzellen. Die Submukosa ist etwas verdickt; zellenreich, mit Herden kleinzelliger Infiltration. Die Muskularis stark verdünnt. Zur Frage über die Folgen der Unterbindung des Wurmfortsatzes. 125 Der normale Appendix der nicht operierten Kontroll- tiere zeigt schon fast denselben Bau wie beim erwachsenen Kaninchen. Die Mukosa ıst reich an Zotten und Krypten. Die Follikel sitzen nebeneinander und sind von oben durch Zotten, welche die Form eines Filzhutes haben, zugedeckt; dieselben sind schon gross und erfüllen die ganze Submukosa, die von wenigen Bindegewebsfasern, welche die dünne Muskularis von der Follikelschicht abtrennen, repräsentiert ist. An dem unter- bundenen Appendix macht sich schon mit blossem Auge eine beträchtliche Verdünnung der Wand bemerkbar, die nur halb so dick wie unter normalen Verhältnissen ist. Bei näherer, mikro- skopischer Betrachtung sieht man, dass die Verdünnung haupt- sächlich auf Kosten der Follikelschicht eingetreten ist. Die kleinen Follikel stehen jetzt weit von einander ab. Dazwischen kommen ziemlich weite und unregelmässige Schleimhautgrübchen vor. Die innere Mukosafläche ist im allgemeinen glatt, die Zotten sind verschwunden. Die inneren etwas gespitzten Follikelenden erreichen jetzt diese Fläche. Die Epithelzellen scheinen im ganzen etwas verkleinert zu sein, die Zahl der Becherzellen ist scheinbar vermindert. Die Submukosa sieht man jetzt als zartes Zellgewebe zwischen den Follikeln und Drüsen. Die Muskularis erscheint auch etwas verdünnt. Kaninchen No.5. Am 21. März operiert, am 13. Juni gestorben (83 Tage). bei der Sektion des noch warmen Tieres habe ich eine paren- chymatöse Veränderung der inneren Organe gefunden. Keine Verwachsungen in der Bauchhöhle. Das blinde Ende des Wurm- fortsatzes ist mit einer Ligatur abgebunden, erscheint schmal, klein, 2 em lang, durchsichtig, mit opaleszierendem dickem Schleime gefüllt, zeigt keine Spur von der zweiten Ligatur. Das von der Ligatur nach oben gelegene Stück des Wurmfortsatzes hat ein ganz normales Aussehen. Die Länge des Coecums mit dem Appendix beträgt bei dem operierten 33,5, bei dem Kontroll- Tiere 37,5 cm. Beim ikroskopischer Untersuchung des von der Ligatur nach oben gelegenen Teiles des Appendix sieht man keine Verän- derungen, die Follikel scheinen etwas hypertrophiert zu sein im Vergleiche mit denen des Kontrolltieres, was auch Herr 126 L. W. Ssobolew: Geheimrat ©. Hertwig bemerkte; jedenfalls aber ist diese Hypertrophie nicht stark ausgebildet. Die Wandungen des abgebundenen Abschnittes sind sehr dünn und flach. Die Schleimhautoberfläche ist glatt, ohne Zotten. Die Drüsen zeigen sich erweitert und an Zahl vermindert. Das Epithel ist abgeplattet und nähert sich mehr dem kubischen. Die Submukosa ist reich an Bindegewebsfasern und Zellen. Die Follikel, klein und nicht scharf begrenzt, stehen weit auseinander. Die Muskularis ist verdünnt. Im allgemeinen sind die Ver- änderungen von demselben Charakter, nur etwas weiter fort- geschritten, als in dem Falle No. 4. Kaninchen No. 6. Operiert am 2. August, getötet am 27. Oktober (86 Tage). Sektion: An den Stellen der Ligaturen ist das Coecum ganz durchgetrennt und die Teile sind vermittels dünner Binde- gewebsstränge miteinander verbunden. Das zwischen den Liga- turen gelegene Stück ist 2 cm lang und ganz dünn, ca. /» cm im Durchmesser. Der Inhalt dieses Stücks ist colloidartiger Schleim. Das bei der Operation abgebundene Ende des Coecums mit dem Processus vermiformis ist ziemlich gut entwickelt. Der Wurmfortsatz ist 6 cm lang, während bei dem Kontrolltiere die Länge des Appendix S cm erreicht. Der Inhalt dieses Teiles ist ein dünner Kot. Bei näherer Betrachtung sieht man eine ungefähr '/2 cm im Durchmesser betragende, ganz kurze Kommu- nikation dieses Teiles mit dem nahegelegenen Ileum. Keine Entzündungsreste auf dem Peritoneum. Mikroskopisch machen sich an der Schleimhaut des Wurm- fortsatzes sofort die Folgen der Operation bemerkbar. Die Schleimhautoberfläche ist abgeplattet, die Zotten sind niedriger, kürzer als normal, im übrigen zeigt die Schleimhaut nichts besonderes Die Follikel sind überhaupt recht gut ent- wickelt, .stehen aber nicht so dicht aneinander und scheinen etwas kleiner als normal zu sein. An einigen Stellen ist diese Abflachung der Mukosa stärker ausgeprägt und man sieht dort auch eine Erweiterung der Drüsen. Hier stehen auch die Follikel etwas weiter als sonst von einander entfernt. Die Submukosa, als faseriges Bindegewebe, wie in der Norm fehlt fast. Die Muskularis zeigt nichts besonderes. Zur Frage über die Folgen der Unterbindung des Wurmfortsatzes. 127 Im Coecum haben die Veränderungen denselben Charakter — die Falten sind kürzer, an einigen Stellen sind die Drüsen er- weitert. Das durch die Ligaturen abgebundene Stück ist mit Schleim gefüllt, seine Wandungen sind auf Kosten der beiden Muskularisschichten verdickt. Die Submukosa ist auch ziemlich breit; die Bindegew:bsfasern sind dick, einige homogen. In oberen subepithelialen Teilen ist die Submukosa kleinzellig infiltriert. Die Schleimhaut ist flach, von den grösseren Üoecum- falten ist nur eine einzige zu sehen. Die kleineren sind ganz kurz, die Drüsen seicht. Das Epithel ist niedrig, zylindrisch, mit ganz hellem Protoplasma. Aus allen diesen Versuchen folgt, dass die allgemeine Atrophie sämtlicher Bestandteile des Wurmfortsatzes eine natür- liche Folge seiner Abbindung ist. Und diese Atrophie betrifit vor allem die Follikelschicht. Der Vorgang geht scheinbar in folgender Weise vor sich: Die beim neugeborenen Tiere schon angelegten Follikel setzen ihre Entwicklung bis zu einem gewissen Grade fort, um dann auf der erlangten Höhe ihrer Entwickelung zu verbleiben oder sie werden eventuell auch etwas kleiner. Es ist dabei noch zu erwähnen, dass bei dieser ver- hinderten Entwicklung sich der zentrale Teil der Follikel. wo die Proliferation stattfindet, verhältnismässig besser erhalten und entwickelt hat, als der periphere. Diejenigen Follikel da- gegen, die sich normaler Weise erst später entwickeln und von denen man beim neugeborenen Kaninchen keine Spur vorfindet, haben sich in diesem Falle überhaupt nicht gebildet, oder sind nur in sehr kümmerlichen Anlagen vorhanden. In der Submukosa ist dagegen immer ein Proliferations- prozess zu bemerken, es fand sich daselbst immer eine kleinzellige Infiltratien in kleinen Herden, und die Zahl der Bindegewehs- fasern war vergrössert. Die Muskelschicht war meistenteils verdünnt, atropbiert, die Subserosa und Serosa ohne Veränderungen. Der letzte Fall (No. 6) ist meiner Meinung nach von be- sonderer Bedeutung. Er zeigt ganz deutlich, dass das Coecum und sein Wurmfortsatz für den Organismus sehr wichtig sind. Diese Einstellung der Kommunikation mit dem lleum, nicht mit 125 L. W. Ssobolew: Zur Frage über die Folgen der Unterbindung ete. einer anderen nahegelegenen Darmschliuge, erinnert sehr an die Regeneration der Drüsengänge und nachher auch der Drüsen selbst, bei den Versuchen mit Unterbindung dieser und folgender Atrophie der Drüsen. Und wenn man die Versuche von Dele- zenne!) in Betracht zieht, so erklärt sich leicht diese Rolle des Wurmftortsatzes. Delezenne hat von den Darmteilen, die einen Iymphatischen Apparat haben, ein sehr wirksames Extrakt erhalten, welches den unwirksamen pankreatischen Saft aktivierte und seine Verdauungskraft vergrösserte (Enteroxynase von Pawlow- Schepowalnikow). Der Wurmfortsatz, der einen sehr entwickelten Iymphatischen Apparat besitzt, muss natürlich dieselbe Funktion erfüllen, wie die Peyer’schen Plaques, wenn überhaupt die Ver- suche von Delezenne richtig sind. Von diesem Standpunkte ist der Wurmfortsatz solchen Tieren sehr nützlich, deren Gedärme einen verhältnismässig schwach entwickelten Iymphatischen Apparat besitzen, wie z. B. beim Hunde. Die Sache ist anders beim Menschen gestaltet, der viele Peyer’sche Haufen und solitäre Follikel hat und bei dem die Follikelschieht des Wurmfortsatzes schwächer entwickelt ist. Beim Kaninchen habe ich an vielen Schnitten vom Coecum keine Follikel gefunden, aber diese Frage habe ich systematisch noch nicht studiert, jedenfalls haben die Kaninchengedärme keinen reichlich entwickelten Iymphatischen Apparat. Zum Schlusse sei es mir gestattet, Herr Geheimrat Prof. Dr. OÖ. Hertwig, sowie Herrn Prof. Dr. R. Krause für ihre liebenswürdigste Unterstützung meinen besten Dank auszudrücken. Erklärung der Tafel VI. Fig. 1. Die Wand des Wurmfortsatzes mit atrophierten Zotten und Follikeln. Eigentliche Submuskosa vergrössert. (Zeiss A. A. .0c. 3). Fig. 2. Atrophierte Wurmfortsatzwand mit weitstehenden Follikeln. Kaninchen No. 5 (Zeiss A. A., Oc. 5). Fig. 3. Atrophierte Coecumwand von demselben Tiere (Zeiss A. A., Oe. 3). ') Comptes rendus de la Societ& de Biologie de Paris, 1901 et 1902. 129 Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. Ueber den Einfluss von Kochsalzlösungen auf die erste Entwicklung des Tritoneies. Von W. Tonkoff, Petersburg. Hierzu Tafel VII. Unter den äusseren Faktoren der organischen Entwicklung nehmen die chemischen Reize, ihrer Bedeutung gemäss, eine der wichtigsten Stellen ein. Die Literatur zeigt eine Fülle lehrreicher Illustrationen aus dem Tier- und Pflanzenreich und ich werde hier nur einige bekannte Tatsachen aus dem Gebiete der experimentellen Em- bryologie der Tiere anführen. Wie es sich herausgestellt hat, üben einige chemische Substanzen, selbst in minimalen Dosen, einen bedeutenden Ein- fluss auf die Entwicklung aus und sind imstande sogar typische Missbildungen hervorzurufen. Solche Beobachtungen sind über Wirbellose (Herb st!), sowie Wirbeltiere (Morgan,’ O.Hertwig) gemacht worden. Ich werde hier nur die Ergebnisse der beiden letzten Autoren anführen, da sie die Experimente mit den Amphibieneiern angestellt haben, einem Material, dessen auch ich mich bediente. OÖ. Hertwig’) hat speziell den Einfluss des Kochsalzes auf die Entwicklung von Rana fusca und Rana esculenta unter- sucht, indem er die betreffenden Eier sofort nach der Befruchtung in schwache Kochsalzlösungen brachte. Hierbei stellte es sich heraus, dass 1,0 %0—0,7°/oige Lösungen die Entwicklung hemmen und sogar gänzlich verhindern (ich werde noch später bei der ') Herbst: Experiment. Untersuchungen über den Einfluss der ver- änderten chemischen Zusammensetzung des umgebenden Mediums auf die Entwicklung der Tiere. Mitteil. aus der zoolog. Station zu Neapel. Bd. XI. ?), Morgan: The orientation of the frog’s egg. Quarterly Journal of microscop. science. Vol. 35. N. S. ®) G. Hertwig: Beiträge zur experimentellen Morphologie und Ent- wicklungsgeschichte. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLIV. Archi v f.mikrosk. Anat. Bd. 9. 9 130 WVaTomkdortin: Beschreibung meiner eigenen Beobachtungen auf diesen Gegen- stand zurückkommen), während 0,6°/oige Lösungen eine sonder- bare Eigenschaft besitzen, Embryonen mit teilweiser Anencephalie und Hemicranie hervorzubringen:; ausserdem wirkt das Kochsalz in ganz eigentümlicher Weise auf den Gastrulationsprozess ein. Zu ähnlichen Resultaten gelangte 0. Hertwig!) bei seinen Experimenten mit Embryonen von Siredon pisciformis mit dem Unterschied, dass letztere noch Spalten im Medullarrohr erhalten. Gurwitsch?) hat Untersuchungen über Embryonen von Rana fusca und Bufo vulgar. angestellt und benutzte dabei als chemische Agentien, ausser dem Kochsalz verschiedene chemisch energisch wirkende Halogensalze und noch einige Alkaloide, wie Strychnin, Coffein, Nikotin. Am stärksten wirkend erwiesen sich die Halogensalze, und zwar nur die Na- und Li-Salze, besonders stark NaCl. und LiCl. Indem Gurwitsch die Resultate O.Hert- wigs in bezug auf NaÜl. bestätigt, berichtet er ausführlicher über den Einfluss des LilC. auf die Entwicklung der Amphibien. Die Eier, die in den Konzentrationen von 0,8°/o und 0.7°/o gezüchtet wurden, zeigten ein auffallendes Zurückbleiben der weissen Hemi- sphäre im Furchungsprozess. In vielen Fällen blieb letztere ganz ungefurcht, in anderen Fällen waren nur die ersten zwei Kreuz- furchen wahrnehmbar. Die interessantesten Eigentümlichkeiten bieten die Eier, die der Einwirkung einer 0,50/"igen Lösung aus- gesetzt waren. Die Furchung des Eies war regelmässig, nur etwas verlangsamt Ganz eigentümlich vollzieht sich dabei die Gastrulation: der Spalt beschränkt sich nicht auf einen kleinen Kreisabschnitt, sondern, im schnellen Tempo fortschreitend, umsäumt er in kurzer Zeit den ganzen Aequator der Fikugel (siehe genaueres im Original). Im Laboratorium von Professor O0. Hertwig mit ver- schiedenen Fragen der experimentellen Embryologie beschäftigt, habe ich auf seinen Vorschlag einige Versuche über die Ent- wicklung des Tritoneies in schwachen Kochsalzlösungen unter- ') 0. Hertwig: Experimentelle Erzeugung tierischer Missbildungen. Festschrift für ©. Gegenbaur. >) A. Gurwitsch: Über die formative Wirkung des veränderten chemischen Mediums auf die embryonale Entwicklung. Archiv für Ent- wicklungsmechanik der Organismen. Bd. III. 1896. Ueber den Einfluss von Kochsalzlösungen ete. 151 nommen. Sie wurden noch im Sommer 1900 vollendet, aber verschiedene Umstände haben mich verhindert, dieselben recht- zeitig zu veröffentlichen. Im folgenden werde ich nur über den Einfluss, welchen das Kochsalz auf die allerersten Stadien der Eientwicklung ausübt, berichten und lasse vorläufig den Gastrulationsprozess, sowie die Beschreibung der im Gebiet des Zentralnervensystems bei lang- dauernder Beobachtung auftretenden Veränderungen unberück- sichtigt. x Die Versuche wurden im Mai und Juni an Eiern von Triton taeniatus angestellt. Die Eier waren künstlich befruchtet und dann im zweizelligen Stadium in Schalen mit je 1°/o, 0,9°/o 0,8%, 0,7°/0, 0,6°/o und 0,5°/o igem Kochsalz und mit gewöhn- lichem Wasser (zur Kontrolle) eingelegt; sämtliche Schalen (auch die mitden Kontrolleiern) befanden sich unter ähnlichen Bedingungen in bezug auf Temperatur, Luft und Licht. Im ganzen habe ich sieben einzelne Versuchsreihen ausgeführt und dabei jedesmal auch die Kontrolleier untersucht. Ich werde zunächst kurz über die Resultate dieser Versuche berichten und dann zu den Schlussfolgerungen übergehen. 1,0°/,. Gegen 50°/, der Eier gelangen gar nicht zur Entwicklung und bleiben auf dem zweizelligen Stadium stehen; die übrigen entwickeln sich zwar weiter, aber sie kommen nicht über eines der frühesten Stadien der Furchung hinaus: dabei besteht die animale Hälfte meistens aus 2—5 Zellen, während die vegetative Hälfte gar nicht zur Furchung gelangt, oder sie teilt sich in 2, sehr selten in 4 Zellen. Bei der Betrachtung solcher Eier von der Fläche aus erweist sich der animale Pol abgeflacht mit regel- mässig kugeligen Zellen, zwischen denen man manchmal einen hellen Raum im Innern des Eies beobachten kann. In diesen Zellen ist das Pigment unregelmässig verteilt und in Form von Flecken in der Mitte der freien Oberfläche der Zellen zusammen- gefügt. Auf den Schnitten kann man eine deutlich ausgesprochene Höhle zwischen den animalen und vegetativen Zellen beobachten, es ist die Furchungshöhle. In derselben sieht man manchmal 2—3 sehr kleine (sogar im Vergleich mit denen der animalen Hälfte) Zellen, von denen jede einen Kern besitzt. 0,9°/,. Hier lassen sich grosse individuelle Verschieden- heiten konstatieren: während eine Anzahl der Eier sich nicht 9* 132 W. Tonkoff: weiter als in 1,0 °/,iger Salzlösung entwickelt (der weisse Dotter teilt sich in 2—3 Zellen, der pigmentierte Dotter in 5—8 Zellen), teilt sich die andere in eine grössere Quantität von Zellen (s. Fig. 1, Ansicht vom animalen Pol); dabei erscheinen diese letzteren Eier, vom animalen Pol betrachtet, am 2. Tag nach der Befruchtung deutlich abgeflacht, der vegetative Pol besizt eine regelmässig konvexe Form. Die Grenzen zwischen den wenigen Zellen des vegetativen Dotters sind kaum zu unter- scheiden. Der animale Dotter besteht schon zu dieser Zeit aus vielen Zellen, man kann sie aber leicht zählen und sie sind ziemlich gross im Vergleich mit den Zellen der Kontrolleier (Blastula aus kaum bemerkbaren Zellen). Auf dem Durchschnitt durch ein solches in 0,9°/, NaCl. im Laufe von 24 Stunden entwickeltes Ei (s. Fig. 2) bemerkt man eine Höhle, die sich ungefähr im Zentrum zwischen den in einer Reihe angeordneten Zellen des animalen Dotters und den Zellen des vegetativen Dotters (1, manchmal 2 Reihen) befindet.. „Die Kerne zeigen Degenerationserscheinungen; einige von ihnen aber befinden sieh im Stadium der indirekten Teilung. Das Pigment ist an der äussersten Protoplasmaschicht angeordnet, von da gelangen die Pigmentkörner in die Tiefe und umgeben manchmal auch den Kern. Am dritten Tag nach der Befruchtung bestehen diese Eier schon aus einer grösseren Anzahl von Zellen; die Furchung be- trifft aber ausschliesslich nur den animalen Dotter, die vegetative Hälfte teilt sich dabei nur in wenige (4—6) Zellen; die Zellen der animalen Hälfte sind von sehr verschiedener Grösse (unter ihnen begegnet man sehr kleinen, die 10—20 mal so klein als die übrigen sind). Auf den Durchschnitten ist keine Blastulahöhle zu finden; das Pigment ist zu einem Haufen angesammelt, nicht aber in der oberflächlichen Protoplasmaschicht, sondern im Zentrum der Zellen, rings um den degenerierten Kern herum. Weiter geht die Entwicklung nicht. 0,8°/,. Nach 24 Stunden ist der weisse Dotter in eine sehr kleine Anzahl von Zellen eingeteilt und besizt eine glatte, abgerundete Fläche; die animale Hälfte besteht aus vielen lose zusammengefügten Zellen, so dass einige über das gemeinschaft- liche Niveau hervorragen (s. Fig. 3, Ansicht von der Seite der animalen Hälfte); das Pigment ist gleichmässig in den Zellen Ueber den Einfluss von Kochsalzlösungen etc. 1133 der animalen Hälfte zerstreut. Der Rand des weissen Dotters ragt weiter als die Zellen des Pigmentdotters hervor. Auf dem Durchschnitt (s. Fig. 4) sind beide Hälften des Dotters ebenfalls scharf voneinander abgegrenzt; die Blastulahöhle fehlt entweder ganz, oder sie erscheint sehr klein. Die Zellkerne sind degeneriert, man sieht unregelmässige Mitosen Das Ei ist von der Seite der animalen Hälfte etwas abgeflacht. Am dritten Tage nehmen die Eier eine regelmässige Kugel- form, dessen Drittel ganz glatt abgeschnitten ist, an. Dabei behält die Membrana vitellina ihre rundlichen Umrisse; die Flüssigkeit entleert sich also nicht in’s Innere des Eies, sondern nach aussen, zwischen den Zellen und der Membrana vitellina; infolgedessen kommt es nicht zur Entwicklung einer typischen Blastula. Die konvexe Fläche ist weiss, glatt, die Grenzen zwischen einzelnen Zellen sind kaum angedeutet; die ebene Fläche besteht aus feinen Pigmentzellen. | Bei genauer Betrachtung der Durchschnitte (s. Fig. 5) bemerkt man folgendes: Der weisse Dotter im Vergleich mit den Eiern aus dem zweiten Entwicklungstag hat weitere Furchung erlitten. seine Zellen sind aber noch ziemlich gross und nicht zahlreich. Die animale Hälfte besteht aus kleinen Zellen von ausgeprägter kugeliger Form (unter normalen Entwicklungs- verhältnissen wird es nie beobachtet), infolgedessen sind sie nur lose zusammengefügt. insbesondere diejenigen Zellen, welche die Oberfläche des Eies bilden. Die Kerne sind degeneriert, Mitosen sind nicht mehr zu finden. Das Pigment befindet sich neben den Kernresten. Eine Höhle in der Mitte der Eier wird gänzlich vermisst. Zuweilen geht die Entwicklung nach zwei Tagen noch weiter (s. Figur 6), beide Dotterhälften teilen sich energisch, sodass man in der animalen Hälfte keine einzelne Zellen unter- scheiden kann (vergr. 14 mal) und die vegetative Hälfte viele kleine weisse Zellen aufweist. Infolgedessen differenzieren sich beide Hälften noch mehr voneinander und es kommt zur Bildung einer sonderbaren Eiform (s. Fig. 6, Ansicht von der Seite der animalen Hälfte). Auf diesem Stadium bleibt die Entwicklung des Eies in 0,8 prozentiger Kochsalzlösung stehen; kein einziges Mal habe ich die Bildung einer Gastrula beobachtet. 134 W. Tonkoff: 0,7°/,. Am zweiten Tag befinden sich die Eier im Stadium der Morula,') welche sich von den Kontrolleiern durch folgende Merkmale unterscheidet: Die Zellen sind im allgemeinen grösser, der Unterschied in der Grösse der animalen und vegetativen Zellen ist deutlicher ausgeprägt; abgesehen von der Farbe und der Grösse der Zellen ist der Kontrast zwischen der animalen und vegetativen Hälfte deutlicher noch deshalb, weil der weisse Dotter eine vollständig glatte konvexe Öberfläche darstellt, während die Oberfläche der vegetativen Hälfte ausserordentlich unregelmässig erscheint, — sie bildet Falten und Vertiefungen mannigfaltiger Form; einige Zellen liegen dabei ganz frei, einzeln . oder gruppenweise über das allgemeine Niveau hervorragend. Am dritten Tag erhalten die meisten Zellen eine unregel- mässig kugelige Form, die animale Hälfte ist in grosse Falten zusammengelegt und von dem weissen Dotter durch eine deut- liche Furche, welche ungefähr eine Hälfte des Eies einnimmt, abgeteilt; manchmal scheint das Ei aus zwei fast gleichen Teilen zusammengesetzt; in manchen Eiern ist diese Furche nicht so lang, aber desto tiefer. Seltener ist das Stadium der Gastrula mit einem grossen weissen Pfropf. Am vierten Tag machen sich schon grosse individuelle Unterschiede bemerkbar: ein Teil der Eier bleibt in der Ent- wicklung zurück, die animale und die vegetative Hälfte sind scharf voneinander abgegrenzt; letztere besitzt die Form eines mehr oder weniger grösseren Kugelabschnittes, die animale Hälfte ist sewöhnlich von kleinerem Umfang (zuweilen zweimal so klein), gefaltet und sitzt auf der Oberfläche der vegetativen wie ein Anhängsel (s. Fig.7); bei anderen Eiern ist die Oberfläche des weissen Dotters bedeutend vermindert, der dritte Teil endlich befindet sich im Stadium der Gastrula — der weisse Dotter hat die Form eines mehr oder weniger grossen Pfropfens angenommen. Am fünften Tag entwickeln sich in einigen Eiern die Medullar- wülste, die übrigen bleiben mehr oder weniger in der Entwicklung zurück. 0,6°/o. Am zweiten Tag dieselben Erscheinungen wie in 0,7°oiger Salzlösung, nur weniger deutlich ausgesprochen ; - manchmal ist die Runzeligkeit der animalen Hälfte schwach aus- !) An heissen Tagen geht die Entwicklung schneller und kann das Blastulastadium erreichen. Ueber den Einfluss von Kochsalzlösungen etc. 135 gebildet, und überhaupt unterscheiden sich die Eier sehr wenig von der Normalblastula der Kontrollobjekte. Am dritten Tag sieht man die Gastrulation; dabei besitzen einige Eier eine Furche von der Hälfte des Kreisumlaufs, die beide Dotterhälften voneinander abteilt, während die anderen Eier einen grossen runden, deutlich über die Oberfläche hervor- ragenden Dotterpfropf aufweisen. Einzelne Zellen sind nur in der vegetativen Hälfte unterscheidbar. Am vierten Tag besassen die meisten Eier einen weissen Dotterpfropf, am fünften Tag lässt sich der Anfang der Entwicklung einer Rückenlinie bemerken. 0,5°/o Am zweiten Tag Morula (seltener Blastula), die sich von den Kontrolleiern dadurch unterscheidet, dass ihre Form nicht so regelmässig kugelig ist und im Gebiet der animalen Hälfte eine etwas abgeflachte und unebene Oberfläche besitzt. Am dritten Tage Gastrulation, etwas verspätete im Ver- gleich mit den im Wasser befindlichen Eiern; wenn hier eine tiefe, sichelförmige Spalte vorhanden ist, so sieht man in den Eiern aus der Salzlösung eine lange und wenig vertiefte Furche, die beide Hälften des Dotters voneinander abteilt; wenn hier sich schon ein Pfropf gebildet hat, so ist er in der 0,5°/oigen Kochsalz- lösung viel umfangreicher und springt auf der Oberfläche hervor. Am vierten Tag ist der Pfropf gewöhnlich noch vorhanden, aber es beginnt schon die Entwickelung einer Rückenlinie. Aus dem oben gesagten folgt, dass NaCl. ein sehr energisches Agens auch den Tritoneiern gegenüber darstellt; dabei äussert sich die Wirkung schwacher Lösungen (0,5°/o) hauptsächlich daran, dass die Entwicklung gehemmt wird; in dem Furchungs- prozess wenigstens sind keine besonderen Abweichungen von der Norm zu bemerken. Unter dem Einfluss stärkerer Lösungen (0,6°/o, 0,7°/o) wird die Entwicklung nicht nur gehemmt, — im Stadium der Morula sind die Zellen im Vergleich mit den Kontrolleiern bedeutend grösser, die Gastrulation beginnt be- deutend später — sondern auch in wesentlichen Zügen verändert: In den Stadien der Morula und Gastrula ist der Unterschied in der Grösse der Zellen der animalen und vegetativen Hälfte viel schärfer, als unter normalen Verhältnissen ; die Oberfläche der animalen Hälfte ist sehr uneben, mit Falten und Furchen bedeckt; der Gastrulationsprozess verläuft unregelmässig'). Noch mehr !) Wenn man die Entwicklung der Tritoneier in 0,5%/0—0,7°/piger Koch- salzlösung noch weiter verfolgt, so gelingt es, Embryonen mit Missbildungen 136 W. Tonkoff: weicht die Entwicklung des Tritoneies in 0,8% u. 0,9%/o igen Lösungen von der Norm ab; in diesem Falle kommt es sogar nicht einmal zur Gastrulation; die Furchung geht hauptsächlich in der animalen Hälfte vor sich; was nun die vegetative Hälfte anbelangt, so teilt sie sich in eine kleine Anzahl von Zellen, die infolgedessen grosse Dimensionen annehmen; die Blastulahöhle entwickelt sich fast gar nicht, die Zellkerne zeigen Degenerations- erscheinungen und in den Zellen der animalen Hälfte kann man eine besondere Pigmentverteilung bemerken /(s. oben). In 1°/oiger Salzlösung endlich, bleibt die Entwicklung auf den allerersten Stadien stehen: die vegetative Hälfte erleidet fast gar keine Furchung, und die animale Hälfte teilt sich in eine kleine Anzahl von Zellen. Wenn ich jetzt die von mir gewonnenen Resultate mit den Beobachtungen von O. Hertwig an Rana fusca und Rana esculenta zusammenstelle, so ergibt sich, dass die Eier der Rana in 1”/oiger Salzlösung sich nur in 4 Zellen und dabei nur in der animalen Hälfte (von Zellkernen sind aber 8 vor- handen) teilen. In 0,9°/oiger Kochsalzlösung bleibt die Ent- wicklung der Rana ebenfalls früher als die des Triton stehen. Ich muss hier aber bemerken, dass ich mit Eiern im Zwei- zellenstadium experimentierte, während O. Hertwig die Eier eine halbe Stunde nach der Befruchtung in die Kochsalzlösung eingelegt hatte. In S°/oiger Lösung geht die Entwicklung der Rana esculenta ebenso wie die des Triton vor sich und bei der Rana fusca lässt sich die Gastrulation und sogar die Bildung einer Medullarplatte bemerken. Meine Beobachtungen stimmen mit denen von OÖ. Hertwig und Gurwitsch überein in der Beziehung, dass Na Cl. stärker auf die vegetative als auf die animale Hälfte einwirkt; dabei gelingt es zuweilen eine solche Verlangsamung der Zellteilung in der vegetativen Hälfte zu treffen, dass fast meroblastische Eier ent- stehen; der Einfluss des Na C]. äussert sich also in erster Linie im protoplasmaarmen Teile des Eies. Endlich sei noch erwähnt, dass NaCl. nicht auf alle Eier des Triton in gleicher Weise einwirkt; so gelangt die Hälfte der im Gebiete des Zentralnevensystems, wie die von OÖ. Hertwig bei Rana fusca (Anencephalie, Hemicranie) beschrieben worden sind, zu erhalten. Beim Triton begegnet man aber solchen Missbildungen viel seltener. Ueber den Einfluss von Kochsalzlösungen ete. 137 Eier in 1°/oiger Lösung gar nicht zur Entwicklung, die übrigen teilen sich in wenige Zellen; scharfe individuelle Unterschiede zeigen sich auch bei der Entwicklung der Eier in 0,9%/—0,7°/o NaCl. (s. Z. B. 0,7°/o NaCl., vierter Tag). Da die Eier stets in gleichen Bedingungen in Bezug auf Temperatur, Licht, Luft und Medium sich befanden, so muss die Ursache solcher Erscheinung nicht in äusseren Verhältnissen, sondern im Objekte selbst gesucht werden. In unserem Fall haben wir mit individuellen Differenzen des Eiplasmas zu tun, welche unter gewöhnlichen normalen Entwicklungsbedingungen sich gar nicht entfaltet hätten, (alle Eier haben sich zu gleicher Zeit in 2 Zellen geteilt!) und die Kontrollobjekte haben sich alle ohne Ausnahme auch weiter in gleicher Weise entwickelt) und nur unter dem Einfluss des chemischen Agens hat sich herausgestellt, dass einige Individuen stärker, die anderen schwächer sind. Es wäre hier vielleicht am Platze, die Schlussworte der Arbeit von H. Driesch?) in Er- innerung zu bringen: „Wir dürfen in der grossen Mehrzahl der Fälle den Versuchsbedingungen keinen bestimmenden, specifischen Einfluss auf das Entwicklungsresultat der Ver- suchsobjekte zuerkennen, sondern nur einen vermittelnden allgemeinen, einen um so grösseren dafür aber individuellen Differenzen, welche als zufällige zu bezeichnen sind.“ Zum Schluss möchte ich die angenehme Pflicht erfüllen, Herrn Geheimrat Prof. Dr. OÖ. Hertwig, dessen Laboratorium, wie allgemein bekannt, für jeden Arbeitsuchenden zur Verfügung steht, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. St. Petersburg, den 30. Januar 1903. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Fig.1,3,6u.7. Eier von Triton taeniatus. Ansicht von der Seite der animalen Hälfte. Vergr. 20/1. Fig. 2, 4u.5. Durchschnitte eines Eies v. Triton taeniatus. Vergr. 501. Genauere Erklärung der Abbildungen s. im Text. !) Ich habe absichtlich für meine Experimente Eier im Zweizellenstadium benutzt, um sicher zu sein, dass die Befruchtung schon eingetreten ist und die Entwicklung sich normaler Weise vollzieht. ®, H. Driesch. Ueber den Anteil zufälliger individueller Verschieden- heiten an ontogenetischen Versuchsresultaten. Archiv für Entwicklungs- mechanik der Organismen. 1896. Dritter Band. Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. Von Dr. Heinrich Poll, Assistent am Institut. Hierzu Tafel VIII und 2 Textfiguren. . Einleitung, Material, Methode. . Die erste Phase der Entwicklung der Zwischenniere. Die zweite Phase der Entwicklung der Zwischenniere. . Die früheren Arbeiten über die Entwicklung der Zwischenniere. . Kritik der fremden und eigenen Befunde. . Die Beziehungen der Urniere zur. Zwischenniere. . Zusammenfassung. So Pwm Hr 1. Einleitung, Material, Methode. Die Entwicklung des Interrenalkörpers oder der Zwischen- niere (Rabl) der Haifische, der bei den Amphibien und Amnioten die Rindensubstanz der Nebenniere entspricht, gliedert sich in zwei Abschnitte: der erste gipfelt in der Bildung der ersten Anlage durch Zellenwucherung des Mutterbodens, der zweite in der Lösung der Anlage aus dem Verbande des Ursprungsgewebes unter Wachstums- und Rückbildungserschein- ungen. Hiermit ist die Organogenese beendet; die Histiogenese beginnt. Die vorliegende kurze Mitteilung behandelt die Organogenese der Zwischenniere zweier pentancher Haie, Scyllium stellare und Spinax niger; die Untersuchungen verfolgten wesentlich das Ziel, die Frage des entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhanges des Interrenalorgans und der Urniere zu klären, sowohl an der Hand der Beobachtungen der ersten Entwicklungsphase, deren Grundfrage strittig war, als auch der zweiten, die überhaupt nur dürftige Beachtung ge- funden hat. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 139 Das Material von Spinax niger verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Braus in Heidelberg, der mir einige seiner kostbaren Schnitt serien von Embryonen dieses Haies in liebenswürdigster Weise zur Ver fügung stellte; meinen herzlichsten Dank möchte ich auch an dieser Stelle wiederholen. Die Embryonen von Seyllium erhielt ich aus der zoologischen Station des Berliner Aquariums zu Rovigno. Dem Kuratorium der Gräfin Luise Bose-Stiftung, die mir zum Teil die Beschaffung des Materials auch von erwachsenen Haien ermöglichte, erlaube ich mir, meinen ergebensten Dank auszusprechen. — Aus der Menge der Embryonen sind für die vor- liegende Darstellung nur wenige ausgewählt worden. Sie wurden teils mit Nowack'’scher Flüssigkeit,') teils mit Pikrin-Sublimat-Eisessig fixiert, mit Borax-Karmin durchgefärbt und in Paraffinschnittreihen zerlegt. 2. Die erste Phase der Entwicklung der Zwischenniere. Die Beschreibung der ersten Entwicklungsphase hat neben Zeit und Art der Entstehung wesentlich den Ursprungs- ort festzulegen. 1. Scyllium stellare. Den Entwicklungsstand des jüngsten zu betrachtenden Embryos von 7 mm Länge kennzeichnet die Zahl von etwa fünfzig Rumpfsomiten, die in der Schnittreihe gezählt wurden: die noch auf zwei Schnitten, zu je 10 «, erkennbare Ektoderm- einziehung der Linsenanlage; das weit offene Gehörgrübchen; vier Kiemenfurchen, von denen die zweite und erste durch- gebrochen, die dritte und vierte scharf begrenzt sind. Die linke Vorniere besitzt eine, die rechte zwei Mündungen. Die Urwirbelkommunikationen der beiden Segmente vor der ersten, die einen erkennbaren Spalt besitzt, erscheinen als solide Stränge. Noch stehen Myocoel und Splanchnocoel in offener Ver- bindung (Abb. 1, 2). Die Splanchnopleura stellt als Epithel- bekleidung des Darmrohres eine dünne endothelartige Zelienschicht dar: dort, wo sie sich der Gegenseite zur Bildung des dorsalen Mesenteriums entgegenwölbt, verdickt sie sich, oft in schroffem Uebergange, und erscheint nunmehr zweizeilig; an der Wurzel des Gekröses vollends, wo die viscerale Seitenplatte lateralwärts umbiegt, um sich der ventro-lateralen Aortenwand anzuschmiegen, nimmt die Dicke der Membran aufs neue zu; aus etwa drei Zellenlagen aufgebaut, ragt ein auf dem Schnitte abgestumpft- kegelförmiger Vorsprung in die Stützgewebe-Platte des Mesen- !) Nowack: Neue Untersuchungen über die Bildung der beiden pri- mären Keimblätter und die Entstehung des Primitivstreifens beim Hühner- embryo. Inaug. Diss. Berlin 1902, p. 19. 140 Heinrich Poll: teriums hinein. Abb. 1 und 2 zeigen diesen Fortsatz (ir), die erste von dem beschriebenen, die zweite von einem etwas älteren, 7,5 mm langen Embryo. — Beim Durchmustern der Reihe be- gegnet man nicht eben häufig Schnitten, die in dieser Weise nur auf der einen Seite die Verdickung zeigen; sobald die beiden Splanchnopleuren sich zu gleicher Zeit vorwölben, ändert sich das Bild: denn die beiderseitigen Zellenwülste stossen in oder nahe der Medianebene zusammen und vereinen sich zu einer nicht mehr in ihre Teilstücke zerlegbaren Fpithelmasse. Je nach der Innigkeit der Verschmelzung kann man drei Phasen aneinander- reihen: zuerst vermittelt nur der Leib der am weitesten vor- geschobenen Zelle die Verbindung, dann eine einzelne Zelle (Abb. 3), über deren Zugehörigkeit zum rechten oder linken Vorsprung nicht mehr entschieden werden kann; diese sind in beiden Fällen medianwärts zugeschärft, nicht so gerundet, wie auf Abb. 1 und 2, und die Berührung der Gegenseiten stellt eine punkt- oder linienförmige Verklebung dar, die in der Regel unmittelbar unter der Aortenwand liegt. Die dritte Phase bringt es zu einer grösseren Verschmelzungsfläche, die sich in dorso- ventraler Richtung von der Gefässwand bis in das dorsale Drittel oder höchstens die dorsale Hälfte der Tiefe des Mesen- teriums erstreckt (Abb. 4, ir). Bei körperlicher Darstellung der Gesamtheit dieser einzelnen Anlagen zeigt sich, dass sie nicht zu einem einheitlichen Gebilde im ganzen Embryo zusammentreten. Vor den Vornierenmündungen fehlt von ihnen jede Spur: die Gekröseblätter liegen ein- bis zweizeilig im Bau weit von einander getrennt. Hinter den Östien treten die ersten Anlagen auf; sie reichen von hier bis zur Kloake, aber nicht in kontinuierlichkem Zusammenhange, sondern unvermittelt und in regelloser Verteilung von Lücken unterbrochen, in denen die Epithelplatten, wie im ventralen, so auch im dorsalen Teile, in einem ihrer Dicke gleichkommenden Abstande von einander entfernt liegen. Abgesehen von dieser regellosen Verteilung, die sich nicht an die Grenzen der Segmente hält, bieten auch die einzelnen Anlagen ein wechselvolles Bild. In der vordersten Region, von der Vorniere bis zu der Gegend der Keimzellen, spannen sich meist nur flache, schmale Plasma- brücken hinüber und herüber (Abb. 2); im hinteren Teile dieses Abschnittes treten inmitten der Plasmastränge celluläre Zusammen- Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 141 hänge auf (Abb. 3). Diese beherrschen von hier ab bis zur Kloake das Bild; doch sind sie vorn noch schmal, nur 20—40 « in der Längs- richtung desEmbryos breit. Im Beginne des zweiten Abschnittes, der Keimzellengegend, werden sie breiter, bis zu 80 und 100 «, und in ihrer Mitte beherbergen sie Stellen innigeren Zusammenhanges (Abb. 4), die bis zur Kloake nicht mehr schwinden, indessen in dem dritten Abschnitte, der vom kaudalen Ende der Keimzone bis zur Kloake reicht, spärlicher und von schmaleren cellulären Verbindungen vorne und hinten eingefasst werden. r So regelrecht, wie es nach dieser schematischen Schilderung scheinen möchte, ist jedoch weder die Verteilung noch der Bau der Anlagen. Die Gleichmässigkeit stören die oft unvermittelt in allen Gegenden auftauchenden isolierten Plasmabrücken, iso- lierten innigen Verschmelzungen, isolierten Vorsprünge allein bald am rechten, bald am linken Epithelblatte. Die klaren und am leichtesten deutbaren Befunde, nämlich die der Ver- schmelzungszonen, welche vorn und hinten je zuerst nur von den Zellenkörpern der am weitesten nach innen ragenden Zellen, sodann von einzelnen Zellen im Ganzen begrenzt sind und in ihrem Inneren eine Partie inniger, tief in das Gekröse hinab- reichender Verschmelzung bergen, bilden durchaus nicht den häufigsten oder einen regelrecht, etwa segmental gereihten Anteil der Bilder. Der nächste 7,5 mmlangeScylliumembryo bietet weder in seinem allgemeinen Entwicklungsstande, noch insbesondere in der Ausbildung der fraglichen Anlagen wesentliche Unterschiede. Nur sind erstens in der Gegend kopfwärts von der Keimzone hin und wieder innige, tief in das Gekröse reichende Verbindungen anzutreffen, zweitens sind im Ganzen die Lücken spärlicher, die Brücken breiter und dichter geworden. Ein Seylliumembryo von 10 mm Länge zeigt wichtige Weiterbildungen. Er besitzt etwa 68 Somiten, das Linsen- säckchen, dessen Ablösungsstelle vom Ektoderm nicht mehr er- kennbar ist, enthält im Innern eine von gleich dicken Aussen- und Innenwänden umschlossene Höhle; das Gehörgrübchen ist in ein allseitig geschlossenes Säckchen verwandelt, das durch den winklig geknickten Ductus endolymphaticus mit dem Ektoderm zusammenhängt. Von den sechs Kiemenfurchen sind die ersten vier durchgebrochen, die fünfte und sechste scharf begrenzt, der 142 Heinrich Poll: zweite und dritte Kiemenbogen trägt je ein Knötchen. Die Vorniere hat jederseits drei Mündungen; in der Vornierengegend sind die Urwirbelkommunikationen solide, beginnen am Peritoneum mit einer kanalartigen Lichtung. Im gleichen Segmente wie das kaudalste Vornierenostium liegt das vorderste gut entwickelte Urnierenkanälchen; diese — etwa 30 an der Zahl — haben sich vom Myocoel abgeschnürt, sind mit ihrem ehemals dorsalen Pol nach lateralwärts und hinten aus der nahezu lotrechten Richtung in die wagrechte Ebene hinunter gesunken, hängen noch mit dem Myotom innig zusammen und haben sich mit dem Vornierengange noch nicht verbunden. In einem beliebigen Segmente aus der Mitte etwa zwischen Vorniere und Kloake bietet sich folgendes Bild (Abb. 5). Un- mittelbar unter der ventralen Aortawand liegt ein runder, fest- gefügter Fpithelzellenstab (ir); ans einem ventro-lateralen Umfange setzen sich die beiden Somatopleuren an, ventralwärts hängt von ihm das Gekröse herab, dessen Epithelblätter oft eng aneinander- gepresst liegen. Nur an einer Stelle in jedem Segmente stellt sich dieser Stab im Querschnitte so klar und deutlich dar: an der Stelle zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Urnieren- kanälchen; hier trifft der Schnitt höchstens das lateralste und kaudalste Ende des kopfwärts von diesem Schnitte gelegenen Kanälchens (Abb. 5), das innig mit der ventralen Myotom- kante zusammenhängt. Zu beiden Seiten vom Stützgewebe, dorsalwärts von der Aorta begrenzt, wölbt sich die Anlage in der Medianebene von der Gekrösewurzel über das Niveau des Leibeshöhlendaches empor. Sie vereint im Schnitte wie ein Knauf die vier Epithellamellen, die parietalen und visceralen Seitenplatten. Ohne weiteres erkennt man in diesem Bilde die von Balfour in seinem Elasmobranchier-Werke') zuerst beschriebene und auf Taf. XI, Fig. 9a — allerdings von einem viel älteren Stadium — abgebildete Anlage des Interrenalorgans: „a rod-like aggregate of mesoblast cells, rather more closely packed than ) F. M. Balfour, The development of the elasmobranch fishes. The Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XI 1876, p. 702. A monograph on the development of elasmobranch fishes, London 1878, p. 246. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 143 their neighbours“, die nach Balfour am besten Rabl ge- schildert!) und gezeichnet?) hat. Im ganzen übrigen Teile des Segmentes versteckt sich der Interrenalkörper mehr und weniger vollständig zwischen dem rechten und linken Urnierenkanälchen; diese lagern sich ihm lateralwärts so innig an, dass die Anlage als wohlbegrenzter, isolierter Zellenstab stellenweise ganz und gar schwindet und in eine Zellenmasse aufgeht, die ohne weiteres in ihre Teilstücke nicht zerlegt werden kann; in jedem Segmente ist somit ein freier und ein versteckter Abschnitt der Zwischenniere zu unterscheiden. Das Verhalten in diesem sollen einige Quer- schnittsbilder näher erläutern. Eine kurze Strecke hinter dem freien Teile erheben sich vom Coelomepithel breit entspringende lichtungslose Zellenwülste, die den ventralen lateralen Umfang der Interrenalorgan-Anlage berühren: es sind die schiefen An- schnitte der vorderen Kanälchenwand, und zwar ihres medialen Abschnittes (Abb. 6). Die Grenzen des Interrenalorgans sind eben noch erkennbar an den Kerben, die auf diesem Schnitte links seicht, rechts tief von dorsalwärts her zwischen den drei dGebilden einschneiden. Weiter schwanzwärts im Segmente verflachen diese Marken immer mehr, sobald nämlich der Schnitt das Kanälchen in seiner ganzen Höhe durchtrennt. Dann ist jeder Sonderungsversuch ohne Aussicht: keine Art von Grenzlinie ist in dem gleichmässig dicken, festgefügten Zellenpolster, das seitlich etwa auf den Urnierengängen, in der Mitte auf dem Gekröse ruht, und das auf der Mitte seiner dorsalen Fläche die Aorta trägt, zu ent- decken. Noch weiter kaudalwärts, in der Gegend der Lichtungen der beiden Kanälchen gelingt die Trennung wenigstens annähernd, denn während weiter vorn die scheinbar dorsalen Grenzen der Urnierenkanälchen wegen ihrer schiefen Orientierung in Wirklichkeit noch der vorderen Wand angehören, wird jetzt die wahre dorsale Wand getroffen, und diese ist die unvollständigste von allen; wie besonders Rabl betont, besteht sie nicht aus !), Rabl, Ueber die Entwicklung des Urogenitalsystems der Selachier. (Zweite Fortsetzung der Theorie des Mesoderms.) Morphologisches Jahrbuch. Bd. 24. 1896. p. 759—761. ?) Rabl, Theorie des Mesoderms II. Morphologisches Jahrbuch. Bae19 18937 Taf. IV. Abb 4, 12, 13. 144 Heinrich Poll: einem gleichmässigen Epithel; in der Tat kann an ihrem gleichsam zerfressenen Aussehen das Urnierenkanälchen zum Teil abgegrenzt werden (Abb. 7 und Textfigur 1). Weiter schwanzwärts im Segmente hört diese Möglichkeit wieder auf; ja, noch mehr: der Verbindungsstrang mit dem Myotom, der in dieser Gegend liegt, bildet förmlich eine weiter lateralwärts reichende Verlängerung des Zellenpolsters (Abb. 8). Endlich be- ginnen wieder Einschnitte zwischen Interrenalorgan und Urnieren- kanälchen (Abb. 8 rechts), und die Teilstücke trennen sich, da die späteren Schnitte den medialen Teil des Kanälchens nicht mehr, sondern nur noch, wie im Anfange des Segmentes, die kaudalen-lateralen Teile treffen. In der Schnittreihe wiederholt sich nun Segment für Segment die gleiche Bilderfolge: der freie Abschnitt spannt sich gleichsam wie eine Brücke von einem Urnierenmetamer zum Textireur,t. ir — Zwischenniere; ur — Urnierenkanälchen ; urg = Urnierengang ; my = durchschnittener Zusammenhang d. Urnierenkanälchens u. d.Myotoms ; som — Somatopleura; spl = Splanchnopleura ; mes — Mesenterium. Plattenmodell der Zwischennierenanlage eines 10 mm langen Embryos von Scyllium stellare. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 145 anderen hinüber (ir in der Textfigur). In der Aufsicht betrachtet, bilden die Urnierenkanälchen in ihrer Gesamtheit mit dem Zwischennierenstabe zusammen gleichsam die Figur eines gefie- derten Pfeiles, dessen Schaft das Interrenalorgan, dessen breite, ein wenig schräg von innen und vorn nach aussen und hinten an- gesetzte Fiedern die Mesonephroskanälchen darstellen: ein durch Plattenrekonstruktion zweier Segmente dieses Embryos, die das 18. und 19. Urnierenmetamer enthalten, gewonnenes, in der Textfigur abgebildetes Modell erläutert diese Beziehungen am besten; die Schnittflächen (my) an jedem Kanälchen durchtrennen den Zusammenhang mit dem Myotom. Die Ausdehnung der gesamten Anlage ist kopfwärts schwierig, schwanzwärts leichter zu begrenzen. Etwa in der Mitte der Kloakengegend, d.h. der Strecke, auf der sich Entoderm und Ektoderm innig, wenn auch vorn und hinten nur mit einem schmalen Zellenstreifen, berühren, ist zum letzten Male zwischen zwei aufeinanderfolgenden Urnierenabschnitten ein freier, wenn- gleich etwas lockerer als vorn gebauter Zellenknauf sichtbar, der die Form der Zwischennierenanlage wahrt; dieser Punkt fällt mit dem Ende des Gekröses zusammen; er liegt im Segmente vor dem Schlusse des Leibeshöhlenspaltes, zwei Segmente vor den Enden der Urnierengänge. Trotzdem noch ein Urnieren- abschnitt hinter diesem Zellenhaufen nachweisbar ist, hört hier ziemlich scharf und unvermittelt jede Verdichtung über der (rekrösewurzel auf. Der kraniale Beginn der Anlage als solcher liegt etwa im siebenten Segmente hinter dem Ende der Vorniere. Doch während in der Gegend des Pronephros und in den ersten drei Segmenten hinter ihm die ziemlich langen Gekröseblätter ein- oder höchstens zweizeilig im Bau nahe aneinander liegen, ohne zu verschmelzen, verbinden sie sich etwa vom vierten Segmente ab unter der Aorta zu einer flachen Zellenplatte, die bald unterbrochen wird, bald sich wieder aufs neue zeigt, um nun bereits auf kurze Strecken sich zu dem Bilde des bekannten rundlichen Knaufes emporzuwölben. Auch dieser ist noch nicht kontinuierlich, bis sich im siebenten Segment der oben geschilderte Zellenstab her- stell, um von hier ab, stets von etwa gleichmässigem Kaliber, durch 21 Segmente bis zur Kloake hinzuziehen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 2. 10 146 Heinrich Poll: 2. Spinax niger. Der einzige für Beobachtungen aus der ersten Entwicklungs- phase verwertbare 10 mm lange Embryo, der mir zur Ver- fügung stand, besitzt 55 Urwirbel, sechs Kiemenfurchen, von denen die ersten fünf durchgebrochen, die sechste scharf begrenzt ist; Kiemenknötchen sind noch nicht zu sehen. Die Lichtung des Linsenbläschens ist im allgemeinen noch rund, aber im . Centrum der Innenwand springt doch schon ein Wulst ver- grösserter Zellen vor. Der Abstand vom Hormblatt ist sehr gering, aber gleichmässig breit. Das Hörbläschen ist rund, ohne deutliche Fortsätze. Der Ductus endolymphaticus geht ungeknickt von hinten schräg vorwärts an das Gehörbläschen heran. Die Vorniere hat drei Mündungen. Von den Urnieren- kanälchen haben sich die vordersten zehn bereits vom Myotonı abgelöst, die kaudalen hängen noch mit ihm zusammen. Die Bildung der ersten Anlage der Zwischenniere bedarf nur kurzer Beschreibung; sie erfolgt anscheinend nach den gleichen Grundsätzen, doch etwas später als bei Seyllium. Sie ist noch nicht ganz kontinuierlich, doch nur auf kurzen Strecken unterbrochen; sie entspricht etwa dem FEntwicklungs- stande eines 7,5 mm langen Scylliumembryos. Die Stelle der medialwärts gerichteten Wucherungen, die hier seltener so um- schriebene Formen zeigen, als bei jenem Haie, ist genau die gleiche: die dorsale Kante der visceralen Seitenplatte (Abb. 9, ir); ein Unterschied besteht indessen in der Ausdehnung der innigen Verbände der Epithelblätter, sie reichen oft fast durch die ganze Tiefe der Gekrösewurzel. Die Verteilung der Wucherungszonen bindet sich wiederum nicht an irgend eine Regel. Die ersten zarten Brücken treten hinter der Gegend der Vorniere auf, doch schon im fünften Segmente hinter ihr werden die Zusammenhänge innig und breit, nur durch schmale Lücken unterbrochen. Der Beginn der Keimzone bildet hier keine Grenze, wie bei Scyllium, denn er fällt nahezu mit dem Vornierenende zusammen. Hinter dem kaudalen Ende der Keimzellengegend werden die Lücken zwar breiter, aber die Proliferationsfelder verbinden sich innig, wo überhaupt solche vorkommen. Leider besitze ich keinen Spinaxembryo, der etwa dem Entwicklungsstande des 10 mm langen Scyllium entspräche. Es muss daher de Zusammenfassung des Entwick- Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 147 lungsergebnisses der ersten Phase lediglich auf diesen Hai gegründet werden. Zu einer Zeit, da Myocoel und Splanchnocoel noch in oftener Verbindung stehen, treibt die dorsale Kante der visceralen Seitenplatte durch Zellenwucherung medialwärts gerichtete solide Sprossen, die sich alsbald mit den gleichartigen Gebilden der Gegenseite zu zarten, schmalen, später derberen und breiteren Brücken vereinen. Die Folge der Wucherungen der einzelnen Epithelpunkte bestimmt weder nach Ort noch nach Zeit eine durchgreifende Regel. Die Epithelbrücken, die aus benachbarten Stellen enstanden sind, reihen sich wie die Bohlen eines Steges der Quere nach aneinander; es spannt sich dann flach über die Gekrösewurzel eine zusammenhängende Epitheldecke; und diese wölbt sich durch Wachstum zu einem soliden rundlichen Stabe über das Niveau des Leibeshöhlendaches empor. Dieser Stab zeigt später in jedem Segmente innige Verbindungen mit den zugehörigen Urnierenkanälchen, sodass er nur zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Mesonephrosmetameren als freie deutliche Anlage erscheint, sich aber im übrigen Teile des Segmentes ver- steckt. Zellsprosse und Zellbrücken sind ursprünglich auch in der Vornierengegend nachweisbar, sie reichen durch 25 bis 27 Segmente bis zur Kloake; der Zellenstab beginnt erst hinter dem Ende des Pronephros und erstreckt sich durch 21 Segmente bis zum gleichen Endpunkte; als flache Zellenplatte aber und als unterbrochener Stab reicht er noch etwa drei Segmente weiter kranialwärts. 3. Die zweite Phase der Entwicklung der Zwischenniere. Die zweite Phase des Werdeganges der Zwischenniere gipfelt in ihrer Lösung aus dem Zellenverbande des Ursprungsortes unter Wachstums- und Rückbildungs - erscheinungen. 1. Scyllium stellare, Der jüngste Embryo, von 9,5 mm Länge, muss nach dem allgemeinen und besonderen Entwicklungsgrade der Organe älter als der oben beschriebene von 10 mm Länge geschätzt werden. Er zählt auf der Schnittreihe 74 Somiten; das Linsen- säckchen enthält eine grosse, im Schnittbilde halbmondförmige 10* 148 Heinrich Poll: Höhlung; das Gehörbläschen besitzt noch keinerlei Aussackungen, der Ductus endolymphaticus verläuft rechtwinklig geknickt. Die erste bis vierte Kiemenspalte ist durchgebrochen, die fünfte im Durchbruche begriffen, die sechste scharf begrenzt; der zweite Kiemenbogen trägt drei, der dritte zwei, der vierte ein Knötchen. Die Vorniere öffnet sich jederseits durch einen Schlitz in die Leibeshöhle. In den vier Segmenten vor seinem Anfange sind die Urwirbelkommunikationen solide Stränge, das folgende Segment zeigt Vornierenostium und Urnierenkanälchen nebeneinander; von hier ab bis zur Kloake zählt man ihrer 32; sie hängen alle noch mit dem Myotom zusammen. Die Zwischenniere dieses Embryos reicht, in der Form des bekannten Zellenstabes in der Gekrösewurzel, vom siebenten Segmente hinter dem Ende der Vorniere bis zur Grenze des ersten und zweiten Viertels der Kloake, im ganzen durch zwanzig Segmente; sieben Segmente weiter kopfwärts bis zum Anfange des Vornierenganges hin sind zarte und derbe FEpithelbrücken und -platten nachweisbar, die vorn der Quere nach durch breitere, hinten durch schmalere Lücken getrennt sind, bis sie gegen Ende dieser Gegend kontinuierlich werden und zum Zellenstabe sich runden; die Aorta liegt dementsprechend vorn unmittelbar der Gekrösewurzel auf, hinten hebt die Zwischenniere das Gefäss in die Höhe. In ihrer Form unverändert, verändert in ihren Beziehungen zu den Gebilden der Umgebung zieht die Zwischenniere zur Kloake: sie liegt frei im embryonalen Bindegewebe, frei nicht nur, wie in der ersten Phase, zwischen zwei aufeinander folgenden Mesonephrosmetameren, sondern frei auch in der Höhe der Urnieren- kanälchen selbst. Nicht diese lagern sich mehr ihrem lateralem Umfange innig an, sondern die Venae cardinales posteriores, die sich in das Gewebe lateralwärts von der Zwischenniere, medial- wärts von den Urnierenkanälchen eingeschoben und gleichsam diese von dem Epithelstabe nach seitwärts abgedrängt haben. Die Venen hören kaudalwärts, etwa vier Segmente vor dem Beginne der Kloake, fünf vor dem! Ende der Zwischenniere, als einheitliche Gebilde auf; streckenweise unterbrochen tauchen sie, je weiter schwanzwärts, desto seltener und unscheinbarer, als kleine Gewebelücken wieder auf. Auch an den ganz gefäss- freien Zwischenstrecken lockertsich der Zusammen- Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 149 hang zwischen Urnierenkanälchen und Interrenal- organ; eine deutliche Spalte zieht von aussen oben nach innen unten und trennt die beiden Gebilde voneinander (Abb. 10). Zugleich, oder vielmehr in ihren Anfängen bereits zwei Segmente weiter kopfwärts, tritt eine andere Erscheinung auf: vom Beginne der Zwischenniere bis zu diesem Punkte war der Zusammenhang mit der Gekrösewurzel so innig, wie in der ersten Phase der Entwicklung geblieben; jetzt tritt mitten im Epithel eine kleine mediane Gewebelücke auf, die Stelle der späteren Vena’ interrenalis; sie deutet, noch unscheinbar genug, auf die Ablösung hin, die auch hier im Werden ist. Sie liegt an dem Punkte, zu dem die beiden Urnieren-Zwischennieren-Spalten konvergieren: auf einem Schnitte durch diese Gegend (Abb. 10) erscheint gleichsam der Interrenalkörper wie herausgeschält aus dem festgefügten, oben geschilderten Zellenpolster, durch ein Spaltensystem, das einem dorsalwärts offenen Winkel gleicht, dessen Scheitel die mediane Lücke bildet, dessen dorso-lateral- wärts strebende Schenkel — die Trennungsspalten gegen die Urniere hin — das Interrenalorgan zwischen sich fassen. Die Anlage hört im ersten Kloakensegmente ziemlich un- vermittelt auf. Im Anfange auf einigen Schnitten undeutlich, wird sie wieder gut umschrieben erkennbar, schwindet am Ende des Segmentes ganz. Schwanzwöärts sind noch drei Urnierenkanälchen nachweisbar; der Urnierengang endet im gleichen Segmente, wie die Kanälchen, der Leibeshöhlenspalt hat sich bereits ein Segment vorher geschlossen. Bei einem Scylliumembryo von 16mm Länge — es genüge bei den älteren Stadien diese Angabe zur Kennzeichnung des allgemeinen Entwicklungsstandes — erstreckt sich die Zwischen- niere in ihrer Gesamtheit über das Gebiet von etwa 25 Segmenten; ihre Zahl wurde an den Spinalganglienpaaren bestimmt. Die vordere Grenze liegt etwa in der Höhe des sechsten Urnieren- abschnittes, sieben Segmente hinter dem Vornierenende. In den beiden kranialen Grenzsomiten zeigt das Bindegewebe dorsalwärts von der Gekrösewurzel einige Zellen, die sich dichter aneinander- drängen, als die übrigen (vgl. Abb. 11 von Spinax, ir), an der Grenze des siebenten und achten Urnierenabschnittes ordnen sich diese zuerst zu einer wohl abgegrenzten Leiste, die, etwa rechteckig im Querschnitte, mit ihrer schmaleren ventralen Fläche untrennbar 150 Heinrich Poll: dem Epithel der Radix mesenterii aufsitzt: mannigfach und unregelmässig unterbrochen reicht in beiden Formen die Zwischen- niere bis zum fünfzehnten Mesonephroskanälchen, im ganzen also etwa durch neun Segmente; kopfwärts herrscht die zuerst, schwanzwärts die zuletzt beschriebene Gestalt vor. Mit diesem vordersten Abschnitte endet zugleich die Keimfalte, die inzwischen bei den Embryonen entstanden ist. — In den folgenden sechs Segmenten ist die Interrenalanlage nicht unterbrochen. Statt des runden Stabes in der Gekrösewurzel, strebt eine scharf um- rissene Zellenmauer vom Epithel dorsalwärts zwischen den Kardinalvenen zur ventralen Aortenwand empor (vgl. Abb. 12, ir von Spinax) — Vom Ende dieses mittleren Abschnittes, vom 22. Urnierenmetamer an, ist der hintere, dritte Teil zu rechnen, auf den zehn Segmente entfallen. Er schwindet zwei Segmente hinter dem Ende der Leibeshöhle, eines hinter dem der Kloake. Nur der Urnierengang überragt ihn um eine kleine Strecke, während die Kanälchen bereits drei Segmente vorher sich verlieren Als drehrunder, zuweilen im Schnittbilde eiförmiger Zellenstab liegt hier die Zwischenniere frei im Gewebe zwischen Aorta und Vena interrenalis, die in der Höhe des 21. Urnieren- kanälchens zu Anfang des dritten Abschnittes, sich in die Venae cardinales posteriores teilt (vgl. Abb. 14, ir von Spinax). Bei einem 24 mm langen Embryo erstreckt sich die Zwischenniere nur noch über das Gebiet von fünfzehn Spinalganglien- paaren: ihr kraniales Ende beginnt kurz hinter dem 16. Ur- nierenkanälchen. Hier erscheinen in dem eigenartig grob- maschig geordneten lockeren Stützgewebe des Raumes zwischen Aorta, Kardinalvenen und Gekrösewurzel wiederum dichter ge- lagerte Zellen, vorn nur drei oder vier an der Zahl, hinten in grösseren Gruppen. Ob die Zellenkette unterbrochen ist, lässt sich auf Querschnitten nicht feststellen, da eine oder zwei Zellen nicht als „Aniage“ deutlich erkennbar sind. Zu diesen Zellen- gruppen streben von der Gekrösewurzel dünne einzeilige zarte Zellenpfeiler dorsalwärts hinauf; man gewinnt den — sicher nicht richtigen — Eindruck, als habe die Anlage auf dem Wege von der Radix mesenterii ins Stützgewebe hinauf, ihre Strasse mit ver- lorenen Elementen besäet. Körperlich gedacht bilden diese zarten Zellenketten in ihrer Gesamtheit eine zarte Filigranplatte, deren obere Kante den unterbrochenen Zellenstrang trägt. — Von der Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 151 Grenze des 18. und 19. Urnierensegmentes ab, macht dieses Bild dem wohlbekannten, kontinuierlichen Epithelstabe Platz, der, nicht immer ganz gleichmässig in seiner äusseren Gestalt, bis zur Mitte der Kloake, bis zum Segmente vor dem Ende des Coeloms und der Urniere reicht. Das kaudale Ende der Keim- leiste, das im vorigen Embryo mit dem Beginne der zusammen- hängenden Anlage zusammenfiel, liegt hier etwa ein Segment weiter schwanzwärts. Die Teilung der Vena interrenalis liegt wie im vorigen Stadium ein Segment hinter dem Ende der Keim- leiste in der Höhe des 21. Urnierenkanälchens; kurz vor dieser Stelle verlängert sich der sowohl kranial- als kaudalwärts dreh- runde Stab im Querschnittbilde zu einem birnförmigen Zapfen, der mit seinem schmalen ventralen Teile in den Venenwinkel hineinhängt. Diese Bildung bleibt als letzte Andeutung der ehemals soliden Verbindung der Zwischenniere mit der Gekröse- wurzel noch einige Zeit bestehen. Bei einem 23 mm langen Scyllium erstreckt sich die Zwischenniere, deren Bild inzwischen histiogenetische Vorgänge schon verändert haben, über etwa 12 Spinalganglienpaare, die Keimleiste endet etwa zwei Segmente hinter dem Beginne des Interrenalorgans, der Venenwinkel liegt im darauffolgenden Seg- mente. Die gesamte Zwischenniere bildet einen einheitlichen Stab, der an keiner Stelle mehr Spuren eines Zusammenhanges mit der Gekrösewurzel zeigt und von den Urnierenkanälchen vorn durch die Kardinalvenen getrennt ist. 2. Spinax niger. Spinax stimmt im Ablaufe des zweiten Aktes der Organo- genese grundsätzlich mit Scyllium genau überein: seine Unter- suchung ist wertvoll, weil dieser Hai die Erinnerungen an den Ursprung der Zwischenniere getreuer und länger bewahrt hat. Die Darstellung darf, abgesehen von den hierfür bedeutsamen Befunden, kürzer gefasst werden. Bei einem 23 mm langen Spinaxembryo mit 70—71 Urwirbeln beginnt die Zwischenniere wenige Seg- mente vor dem Ende der Keimleiste, in der bekannten Gestalt lockerer Zellenhaufen in dem grobmaschigen Gewebe dorsal von der Radix mesenterii (Abb. 11), und erstreckt sich im ganzen über die 15 hinteren Urnieren- segmente. Die kaudale Fortsetzung des vordersten Abschnittes 1523 Heinrich Poll: mit seinen unzusammenhängenden Haufen gestaltet sich etwa vom Ende der Keimleiste ab zu der bei Scyllium geschilderten breiten Zellenmauer, die untrennbar auf dem Epithel der Gekröse- wurzel ruht (Abb. 12). Kaudalwärts nimmt in diesem mittleren Teile die Anlage etwa die Gestalt einer Eisenbahnschiene an, mit einem dicken Schienenkopfe, einem langen dünnen Schienenhalse und einer verbreiterten Fussplatte, die im Epithel der Radix mesenterii verankert ist. Die dünne Gewebeplatte des Halsstückes erscheint nur vorn als „Platte“, weiter hinten wird sie von zahlreichen Lücken sieb- oder gitterartig durchbrochen und schwindet am Venenende samt der Fussplatte vollkommen; daher im nunmehr folgenden dritten Abschnitte der Schienenkopf allein — ein nahezu drehrunder Epithelstab — frei im Gewebe schwanzwärts zieht (Abb. 14). Soweit gleicht das Verhalten der Zwischenniere dem bei Sceyllium auf ein Haar. Indessen zwei Segmente hinter dem Beginne des hintersten Abschnittes erhebt sich ein Pfeiler von der Gekrösewurzel, durchbricht die Vena interrenalis, und fügt sich der Zwischenniere an (Abb. 13) ; und diese Pfeilerbildung wieder- holt sich bis zum Ende der Anlage noch zweimal; die hinteren Pfeiler zeigen dabei zuweilen kleine Lücken an irgend einer Stelle. Man kann sagen, dass die Anlage vorne auf einer soliden Mauer, in der Mitte auf einem durchbrochenen Gitter, hinten auf isolierten Pfeilern ruhe. Bei einem 23 mm langen Spinax erstreckt sich die Zwischenniere über etwa 13 Metamere. Ihr Bild hat sich insofern ge- ändert, als auch der vorderste Teil der Mauer nur noch in kleineren Partien solide, meist ebenfalls gitterförmig durchbrochen ist. Hinter dem Venenwinkel stehen noch fünf Pfeiler. Bei einem 30,5 mm langenEmbryo besitzt die Zwischen- niere etwa gleiche Ausdehnung, gleiche Anordnung; nicht weniger als sechs Pfeiler stützen hier das Organ hinter dem Venen- winkel. Im vorderen Teile ist der Zusammenhang mit der (ekrösewurzel verloren gegangen, nur noch ein scharfer ventral- wärts schauender Grat am Epithelstabe bezeichnet die Ansatzstelle der geschwundenen Stützplatte. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 1598 Die Organogenese der Zwischenniere ist beendet; das End- produkt des ersten Aktes, der Zellenstab in der Wurzel des Gekröses, der sich innig mit dessen Epithel, innig mit.der Wand der Urnierenkanälchen verband, der durch etwa 20 Segmente hindurch zur Kloake zog, hat sich befreit von diesen Verbindungen und auf die letzten zwölf Segmente vor der Kloake zurück- gezogen; so beherrschen — neben den Wachstumsvorgängen — zwei Phaenomene, das der Ablösung und das der Verkürzung den zweiten Akt. R Das erste Phaenomen setzt sich aus zwei Erscheinungsreihen zusammen, die z. T. unabhängig nebeneinander ablaufen: Die Ablösung von den Urnierenkanälchen und die Ablösung von der Gekrösewurzel. Die Trennung vom Mesonephros schreitet rasch, regelmässig, in der Richtung vom Kopfe zum’Schwanze fort. In die Urnieren- Z/wischennieren-Spalte schieben sich vorn die Venae cardinales posteriores hinein. Die Trennung von der Radix mesenterii verläuft unregel- mässig. Sie beginnt am Schwanzende der Anlage und pflanzt sich kopfwärts schnell bis zum späteren Venenwinkel, der Teilungsstelle der unpaaren Interrenalvene in die paarigen Kardinalvenen, fort. Bei Seyllium ist die Lösung vollständig, bei Spinax bleiben noch lange Zeit Zellenpfeiler in wechselnder Anzahl erhalten. Kranialwärts geht die Trennung sehr langsam vor sich und zwar in kranio-kaudaler Richtung. Der zur Zellenleiste empor- gewachsene Zellenstab sondert sich in einen verdickten dorsalen Kopfteil der Leiste und in eine verdünnte ventrale Stützplatte: diese wird gitterartig durchbrochen und verschwindet schliesslich gänzlich im embryonalen Bindegewebe. Ihr letzter Rest hängt am Schwanzende dieses Abschnittes als ventraler Zapfen von der Anlage herab in den Venenwinkel hinein. Spinax niger erweist sich, da die Verbindungen viel länger als bei Sceyllium erhalten bleiben, als der primitivere der beiden untersuchten Selachier. Es wäre möglich, dass andere Haie noch deutlichere Erinnerungen zeigten als Spinax, bei anderen dagegen der Verlust dieser Reste viel schneller und vollkommener erfolgte als bei Scyllium. Nur der kaudalste Teil der ursprünglichen Anlage, etwa schwanzwärts vom Ende der Keimleiste oder vom Venenwinkel ab, stellt die bleibende Zwischenniere der 154 Heinrich Poll: Haie dar: die kranialen Teile gehen verloren; denn wie früher die ventrale, verdünnte Stützplatte, verliert etwas später die dorsale verdickte Kopfpartie ihren Epithel- charakter. Dieser Vorgang schreitet von vorn nach hinten fort: während seiner Dauer verliert der jeweils kraniale Teil der Anlage seinen Zusammenhang, sowohl in sich, als mit den weiter kaudalwärts gelegenen Abschnitten, bis die Grenze zur bleibenden Zwischenniere erreicht ist. S22223085 SBESZENSESEFEUERERSSEESDBIEETETT ERBISERTEI SnASmmEBE mE Siunsszuaı SmSSaımEmSSBEEDEESRS SERESEHERI S5222 39221 SSIEBEZASS G2323 11223 38078338053 SE252 5272257 55953 58285 ESEIESSENI ausmmensEr 22351 32259 5285 50555 20838577 _. „. _"" *8201 SEBEE 57 957 BEIBEBESEE S2222 2222: 59223 25733 2°” „„58851 55417022. _ "25 BEBRI URTHBEETEE SO221 27221 89254°=-- „ SEBSE B2251 ZU557 85528 HIER: „ - "RI BEIGBSETEE esm==---__. „ao. SSSSERBERTEREDE EIBEREZERE DENEE BRD. “ 25881 SS225) SSEB2 SEES EE 283 2508228201 DIBII ETEmi Sn. _ "TEE 5555: 5520, 22725 258884 38352 590223 3220225381 5UBE1 B5 291 SEIUS 22 _ = S22B2 77353 07221 Saas. 223797 225257 52833 28254 E08 BE SEI SBTSE SEESR n BZZR222284 EBEDI 85533 5902937 2224124" 2325251 2824 BEEBI EESELETENS "4 SS5222 25202 2n022 2z2m22 2222032 2922324353 5221 SBER2ESZEN BBUEI SESAn I IEGE BESEI EREBISEEIHGREENGE a. 7723855208 529528 BI@G2E 282088 B232322257 09221 58233 3585852221 SU22224Ra- "U523 95753 EUIB358383 885 Sü2.. 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Die gestrichelte Kurve verbindet alle Grenzpunkte, bis zu denen die Ablösung von der Gekröse- wurzel kopfwärts vorgerückt ist; sie umfasst mit der wagerechten Axe den kaudalen, bereits abgelösten Zwischennieren-Abschnitt. Die punktierte Kurve ist der Ort aller Punkte, bis zu denen schwanzwärts die Auflösung der Anlage gediehen ist; sie umgrenzt mit der obersten Kurve die jeweils zu Grunde gehenden kranialen Abschnitte. In dem mittleren, zwischen der gestrichelten und der punktierten Kurve gelegenen Teile, ist die Zwischen- niere mit der Gekrösewurzel noch in innigem Zusammenhange. Durch Verwendung einer grösseren Anzahl von Embryonen zur Konstruktion dieses Diagrammes kann im Einzelnen sich vieles im Kurvenverlaufe ändern, doch wird der Grundplan dieser Erscheinungen dadurch nicht berührt. - Der Stellung des 9,5 mm langen Embryos wegen vergl. S. 147, Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 155 Ehe auf die geschilderten Tatsachen Schlüsse gegründet werden können, bedürfen sie des Vergleiches mit den Ergeb- nissen der früheren Arbeiten'), der kritischen Sichtung und Deutung. 4. Die früheren Arbeiten über die Entwicklung der Zwischenniere. Beobachtungen über die Entwicklung der Zwischenniere bei Haien haben Semper?°), Balfour®), Weldon*), van Wyhe), Rabl®), Aichel‘), €. K. Hoffmann’) an- gestellt. Semper vereinigt noch unter der Bezeichnung .‚Nebenniere“ nach unserer heutigen Ausdrucksweise die paarigen, segmentalen Suprarenalorgane und das unpaare, unsegmentierte Interrenal- organ oder die Zwischenniere miteinander. Seine Arbeiten enthalten nur Angaben über die Entwicklung jener, kein Wort über die des Interrenalkörpers. Balfour, der durch die Trennung dieser beiden Teil- stücke als erster Klarheit in die Nebennierenfrage brachte, er- kannte den Interrenalkörper zuerst auf dem Stadium K als dicht- gefügten Strang von Mesoblastzellen®), dessen kaudaler, am !) Ein ausführliches Schriften-Verzeichnis ist nicht von nöten, da erst Aichel vor kurzem ein solches gegeben hat. (Dieses Archiv, Bd. LVI. 1900. p. 75—80). ?, Semper, Die Stammesverwandtschaft der Wirbeltiere und Wirbel- losen. Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut in Würzburg. Bd. 2. 1875. p. 4. — Das Urogenitalsystem ‘der Plagiostomen und seine Bedeutung für das der übrigen Wirbeltiere. Ebenda. p. 397—398. ®) Balfour, s. S. 142. *) Weldon, On the suprarenal bodies of vertebrata. Quart. Journ. of micr. Science. Bd. XXV. 1885. p. 185. 5) van Wyhe, Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die Entwicklung des Excretionssystems bei Selachiern. Dieses Archiv. Bd. XXXII. 1589. p. 500. 6%) Rabl, s. S. 143. ”) Aichel, Vergleichende Entwicklungsgeschichte und Stammes- geschichte der Nebennieren. Ueber ein neues normales Organ des Menschen und der Säugetiere. Dieses Archiv. Bd. LVI. 1900. p. 18—19. ») C. K. Hoffmann, Zur Entwicklungsgeschichte des Sympathikus I. Die Entwicklungsgeschichte des Sympathikus bei den Selachiern (Acanthias vulgaris). Verhandelingen der koninklijke Akademie van Wetenschapen te Amsterdam. (Tweede Sectie) Deel VII No. 4. 1900. p. 64-69. °) Vergl. S. 142. 156 Heinrich Poll: besten umschriebener, Abschnitt zwischen der Aorta und der Vena caudalis liegt, kopfwärts bis zum vorderen Ende des Diekdarmes, schwanzwärts bis nahe zum hinteren Nierenende reicht. Kranialwärts von der Teilungsstelle der Vena caudalis in die beiden Kardinalvenen ist dies Organ weniger gut vom umgebenden Gewebe abgesetzt, lässt sich aber kopfwärts noch eine beträchtliche Strecke weiter verfolgen. Weldon erkannte, dass die von Balfour beschriebene Form nicht die erste Anlage sein könne; nach seiner Ansicht entsteht der Interrenalkörper aus anfangs hohlen, später soliden, medialwärts gerichteten Divertikeln der medialen Wand der Urnierenkanälchen in der ganzen Länge des Mesonephros auf dem Stadium J; diese Auswüchse liefern durch Verschmelzung der antimeren und metameren Teilstücke den unpaaren Zellen- strang der Gekrösewurzel. Van Wyhe leitet die Zwischenniere bei Pristiurus- embryonen mit 76 Myotomen aus einer segmentalen Proliferation der Splanchnopleuren seiner „Hypomeren‘ her; die beiderseitigen Wucherungen verschmelzen miteinander: ursprünglich reicht sie von der Vorniere bis zur Kloake, der vordere, weniger gut vom „Mesenchym“ abgegrenzte Teil geht verloren, der hintere vom 20. bis 35. Rumpfsegmente, bleibt bestehen. Rabl sieht zuerst bei Embryonen von Pristiurus mit 55 Urwirbeln in der Radix mesenterii unter der Aorta im hinteren Dritteil, höchstens in der hinteren Hälfte des Embryos einige Zellen, die nicht in die Reihe der übrigen Mesodermzellen eingeordnet sind, sich bei Tieren mit 63—64 Urwirbeln ver- mehren und bei solchen mit 70—80 Urwirbeln eine scharf begrenzte Anlage bilden, die mit der Gekrösewurzel untrennbar verbunden ist, so dass Rabl an der genetischen Beziehung zu dieser keinen Zweifel hegt. Das vordere Ende liegt in der Höhe etwa des 20. oder 21. Urnierensegmentes, einige Segmente vorher finden sich jedoch schon Zellenhaufen in der Radix mesenterii. Eine Segmentierung der Anlage, oder ein hohles Divertikel zwischen Urniere und Gekrösewurzel ist nicht sichtbar. Bei Embryonen mit 80-90 Somiten löst sich die Anlage über der Kloake stellenweise ab, bei etwas älteren hat die sich einschiebende Kaudalvene die Ablösung vollendet, die allmählich bis zur Teilung der Interrenalvene in die Kardinal- Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 15% venen fortschreitet. Das Vorderende ist schwer abzugrenzen und verschiebt sich im Laufe der Entwicklung von vorn nach hinten. Aichels Angaben tragen die Form einer vorläufigen Mitteilung ; nach ihnen entsteht der Interrenalkörper aus paarigen, segmentalen Wucherungen der inneren Wand der Urnieren- trichter, zu einer Zeit, da die Kanälchen sich dem Gange noch nicht angeschlossen haben. Einmal schien bei Pristiurus die Anlage durch einen „Zellenkranz“ mit dem Leibeshöhlenepithel in Verbindung zu stehen. Die Verschmelzung der paarigen segmentalen Anlagen beider Seiten sowohl wie der aufeinander- folgenden Metameren liefert das Interrenalorgan. C. K. Hoffmann hat am genauesten von neuem Wel- dons Theorie des mesonephrischen Ursprunges zu begründen versucht: bei 14 bis 15 mm langen Acanthias findet er einen an die Radix mesenterii unmittelbar angrenzenden, doch von ihr deutlich geschiedenen Zellenhaufen, der jederseits mit der Wand des Urnierenkanälchens untrennbar zusammenhängt. Kopfwärts büsst er seine Beziehungen zu den Urnieren- kanälchen allmählich ein, schwanzwärts werden die Bilder un- deutlich ; den Zusammenhang zeigen am besten Horizontalschnitte. Hoffmann lässt die Frage offen, ob die Zwischenniere allein aus dem Urnierenkanälchen durch segmentale Auswüchse ent- steht oder ob sich das Epithel der Radix mesenterii am Aufbaue beteiligt. Das Organ entwickelt sich in kranio-kaudaler Richtung und zwar langsamer als die Urniere: vorn ist es bereits von den Kanälchen gelöst, hinten beginnt es sich erst zu bilden. Auf Querschnitten wechseln Bilder innigen Zusammenhanges von Zwischenniere und Urniere mit solchen ab, die jene von den hinteren Kardinalvenen begrenzt, vom Mesonephros abgelöst zeigen. Bei älteren Embryonen von 24—25 mm geht das Organ vorn in ein eigenartiges Maschenwerk mit steru- und spindel- förmigen Zellen über. Hoffmann neigte zuerst dazu, für die Stadien, die Interrenalkörper und Mesonephroskanälchen hinter der Teilung der Vena caudalis in die Venae cardinales posteriores eng benachbaıt zeigen, nur eine innige Aneinander- lagerung anzunehmen; indessen haben Bilder bei älteren Acanthias von 150 mm diese Ansicht wieder ins Schwanken gebracht, da sie keine histiologische Sonderung zwischen 158 Heinrich Poll: Interrenalorgan und Urniere erlauben; er lässt die Möglichkeit otfen, dass auch bei jüngeren Embryonen aus der Bildungszeit her an bestimmten Stellen in Wirklichkeit innige Verbindungen erhalten bleiben. 5. Kritik der fremden und eigenen Befunde. Der Streit der Meinungen dreht sich, wie diese Auszüge lehren, im Wesentlicen um die Frage: Stammt die Zwischenniere von der Urniere oder entsteht sie selbständig aus dem Coelomepithel? Schien das Problem durch die Arbeiten van Wyhes und Rabls im Sinne des direkten mesodermalen Ursprunges gelöst, so erneuerten die Schriften Aichels und C. K. Hoffmanns die alte Ansicht Weldons vom mesonephrischen Ursprunge; der Klärung dieser Grundfrage sollen die vorliegenden Beobachtungen dienen. Die tatsächlichen Grundlagen für die Ableitung der /wischenniere von der Urniere bilden, von allem spekulativen Beiwerk befreit, drei Beobachtungen: 1) Das Auftreten segmentaler Auswüchse an der medialen Wand des Urnierenkanälchens oder des Urnierentrichters, die medialwärts in die Gekrösewurzel hineinwachsen; 2) Die innige Verbindung der fertigen Zwischennieren- anlage mit der medialen Wand der Urnierenkanälchen: 3) Die mangelnde histiologische Sonderung des fertigen Interrenalorgans und der Urniere. Weldon und Aichel haben den ad 1 genannten Befund erhoben: Aichels Behauptung entzieht sich der Erörterung. denn die Belege sind noch nicht veröffentlicht. — Weldons Darstellung hat bereits Rabl') als irrtümlich erkannt; in der Tat gibt es, ebensowenig wie bei Pristiurus, so auch bei Seyllium kein solches Gebilde, wie es Weldon auf Abb. 9 und 10, Taf. XVIII seiner Arbeit zeichnet. Somit bleiben nur die beiden anderen, besonders von Hoffmann hervorgehobenen Punkte zu Recht bestehen, und insonderheit die erste findet für Seyllium in den vorliegenden Befunden und Abbildungen vollkommene Bestätigung. | ') Rabl, Ueber die Entwicklung des Urogenitalsystems der Selachier (Zweite Fortsetzung der Theorie des Mesoderms) Morph. Jahrb. Bd. XXIV. 1896. p. 761. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 199 Daher geht es heute nicht mehr an mit Balfour, van Wyhe und Rabl diese Zusammenhänge ganz hintan- zusetzen, ‘und einseitig die Beziehungen zum Coelomepithel zu betonen. Balfours Beobachtung scheidet aus der Erörterung ohnedies aus, denn sie berechtigt, nach der heute üblichen Begriffsbildung, nicht mehr zu einem embryologischen Schlusse. In der Tat hat van Wyhe wohl zuerst auf hinreichend früh- zeitige Beobachtungen hin den Gedanken der direkten meso- dermalen Genese ausgesprochen: sonderbarerweise indessen — Rabl hat bereits darauf hingewiesen — bestätigt er voll- kommen die unrichtigen Beobachtungen Weldons und baut auf diese seine tatsächlich richtigen Deutungen; diese abson- liche Verquickung hat nicht wenig zur Verwirrung der Literatur beigetragen, besonders da van Wyhe seine Mitteilungen nur nebenher ohne Belege durch Zeichnungen oder Mitteilungen von Befunden, als Tatsachen hingestellt hat. So blieb es Rabl übrig, die Grundlage für den vorhandenen Gedanken zu schaften: er beobachtete die Proliferationen an der Gekrösewurzel, und vermochte die Zwischennierenanlage auf diese Wucherungen zurückzuführen. Leider gibt auch er kein Bild der „ersten Anlage“, sodass die Frage nicht entschieden werden kann, ob die oben vom 7 mm langen Scylliumembryo beschriebenen Zellenvorsprünge mit den von ihm bei Pristiurus beobachteten Gebilden übereinstimmen. Dass er diese etwas später erscheinen lässt, und dass die Schilderungen nicht ganz auf solche um- schriebenen Epithelverdickungen passen, tut wenig zur Sache, denn nicht bei allen Haien braucht die Anlage identisch zu sein, wie das oben besprochene Beispiel von Spinax zeigt. Sind diese Epithelverdiekungen in der Tat die erste Zwischennierenanlage? Diese Frage allein muss noch erörtert werden, denn die übrigen oben geschilderten Befunde aus dem ersten Entwicklungsabschnitte bestätigen im Ganzen die Bilder der Literatur — bestätigen sie allerdings nur in dem Sinne, dass sie im Laufe der Entwicklung einmal vorkommen — aber nicht als „erste Anlage“. Handelt es sich bei den vorliegenden Bildern überhaupt um eine proliferierende Organanlage? Der erste Gedanke gilt der Einlagerung von Gonocyten, denen die Verdickungen des 160 Heinrich Poll: Epithels zur Last gelegt werden könnte. In der Tat sind sie am häufigsten und dichtesten in der Keimregion gefunden worden (s. S. 141); indessen wurden derartige Stellen niemals mit berücksichtigt, und das Vorkommen auch kopf- und schwanzwärts von der Keimzone entkräftet vollends den Einwand. Der zweite Einwurf könnte sich an die nicht immer zu vermeidende Schiefe der Schnittrichtung halten; schon bei der Abb. 1 liegt die der rechten Seite des Bildes entsprechende Stelle des linken Ur- wirbels nur 20 « kopfwärts, eine Abweichung, die zur Erklärung der Diekenzunahme im Epithel an diesem einen Punkte nicht aus- reicht; auf Abb. 2 vollends ist mit Vorbedacht eine derartige Stelle bei genau gleichmässig getroffenem Somitenpaare abge- bildet worden. — Der allerdings nicht eben häufige Befund von 'Mitosen verscheucht endlich jeden Gedanken an eine Vorspiegelung falscher Tatsachen durch ein Kunstprodukt. An proliferierenden Epithelstellen in der Gekrösewurzel ist nur eine einzige bei Embryonen dieses Alters (Pristiurus mit 52 Somiten) durch Rabl bekannt geworden '): die Ursprungs- stelle der Spiralklappe des Darmes. Eine Verwechslung ist der Einseitigkeit dieser Stelle und ihrer Lage an der ventralen Grenze des Gekröses halber ausgeschlossen. Weiter aber hat Rabl?) gezeigt, dass Prozesse der embryonalen Bindegewebe- bildung an verschiedenen Stellen der Splanchnopleura vor sich gehen. Der Gedanke an eine derartige Deutung liegt doch recht nahe, zumal im Lichte der Beobachtung, dass ein nicht unbe- trächtlicher Teil der beschriebenen Anlagen später als solche spurlos verschwindet. Vergleicht man indessen Rabls Kenn- zeichnung dieses jungen embryonalen Bindegewebes, das sich nach ihm scharf und frühzeitig durch „seine lockere Beschaffen- heit“ auszeichnet, mit den Anlagen der Abb. 1 und 2, so erkennt man sofort, dass es sich mangels dieses lockeren Aufbaues um Bindegewebe nicht handeln kann. Damit gelangt man zu der Frage nach den Beweisen, dass diese Anlagen gerade der Zwischenniere den Ursprung geben. Mit naturwissenschaftlicher Sicherheit ist dieser Beweis nur für den kaudalen und den mittleren Abschnitt der Zwischennieren- ') Rabl, Theorie des Mesoderms II. Morphol. Jahrb. Bd, XIX. 1893. p. 68. °) Ebenda, p. 71. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 161 anlage zu führen: die Kontinuität der Entwicklung bis zum fertigen Interrenalorgan ist in dem hintersten Abschnitte vom Keimleistenende angefangen bis zur Kloake hin an keiner Stelle unterbrochen. Im mittleren Abschnitte liegt allerdings beim ausgebildeten Tiere keine Zwischenniere mehr, aber es gibt ein Stadium beim Seylliumembryo von 10 mm, in dem die Anlage, identisch mit der im kaudalen Teile, sich zusammenhängend in jenen fortsetzt; und weiter lässt sich das allmähliche Fort- schreiten der Lockerung des epithelialen Aufbaues direkt beobachten. Im vordersten Abschnitte hingegen kommt es zu einer morphologisch sicher zu identifizierenden Anlage nicht; für die Deutung der hier in der Gegend des Pronephros und kurz hinter diesem zu beobachtenden Anlagen als solchen der Zwischenniere spricht nur ihre Aehnlichkeit in Aussehen und Lage mit den kaudal gelegenen; dagegen aber ihr Schicksal, denn ohne ein sicher erkennbares Gebilde geliefert zu haben, schwinden sie wieder. Diese Frage hängt aufs innigste mit einem dritten kritisch zu beleuchtenden Punkte zusammen: stellen die beschriebenen Bildungen wirklich die ersten Anlagen dar? Diese Frage, die streng genommen für die Beantwortung des Ausgangsthemas nicht in Betracht kommt, kann nicht als gelöst betrachtet werden. Die Anlagen erstrecken sich bei dem jüngsten diesen Mit- teilungen zu Grunde liegenden Embryo bereits über einen so grossen Raum, dass es von vornherein als unwahrscheinlich be- zeichnet werden muss, dass nicht noch niedrigere Bildungs- stufen gefunden werden könnten; auf diesen wäre vielleicht auch dann doch im Gegensatz zu Rabls und zu den vorliegenden Befunden eine Segmentierung der Anlage, wie sie van Wyhe annimmt, zu finden. Untersucht man solche jüngere Embryonen, so findet man in Gegenden, in denen später von Zwischenniere keine Rede sein kann, z. B. in der Gegend des Oesophagus un- mittelbar hinter dem Kiemendarm, in der Tat ähnliche Bilder von Epithelverdickungen der Gekrösewurzel; überhaupt scheinen solche Vorsprünge bei der Bildung des Gekröses unmittelbar mit diesem zugleich zu entstehen], sich aber bei dem späteren Längenwachstum der Mesenterialplatte wieder auszugleichen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. #2. 11 162 Heinrich Poll: Aber auch diese ganz frühen Stadien fallen nicht mit den Myotomgrenzen zusammen. Diese Frage, sowie eine zweite, ob nämlich die Stelle der späteren Zwischenniere schon bei der Bildung des Gekröses er- kennbar ist, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, zu denen für jetzt das Material fehlt. In jedem Falle stellen die beschriebenen Epithelvorsprünge morphologisch den ersten Zustand der Interrenalanlage dar, vielleicht oder wahrscheinlich nicht die ersten Anlagen im zeitlichen und im topographischen Sinne. 6. Die Beziehungen der Urniere zur Zwischenniere. Diese ersten morphologischen Anlagen zeigen nach Zeit, Ort und Art ihrer Entstehung keinerlei Beziehungen zur Urniere. Nach Weldon, C.K. Hoffmann und Aichel musste naturgemäss, wie dies auch aus Wort und Bild ihrer Schriften erhellt, die Ausbildung der Urniere der Entstehung der Zwischen- niere vorausgehen. Doch auch nach van Wyhe und Rabl ist diese Zeitfolge zutreffend: jener setzt den Beginn des Interrenalkörpers erst so spät an, nämlich bei einem Embryo mit 76 Myotomen, dass sämtliche Urwirbelkommunikationen schon in „Blindsäckchen“, d. h. Urnierenkanälchen, umgewandelt sind; Rabl verlegt die Bildung der ersten Anlage ebenfalls in eine Periode, in der die Bildung der Urniere bereits begonnen hat. In der Tat aber beginnen die Proliferationen zu einem Zeit- punkte, da von einer Urniere überhaupt noch keine Rede sein kann, da Myocoel und Splanchnocoel noch in offener Verbindung stehen, und überall, wo später Urnieren- kanälchen liegen, die Urwirbelkommunikationen erhalten sind. Da dem so ist, liegt die Unhaltbarkeit der Annahme eines mesonephrischen Ursprunges der Zwischenniere klar zu Tage. Es kann indessen gesagt werden, dass diese Darstellung ledig- lich einen Streit um Worte bedeute: denn mit der Ablösung der Mittelplatte vom Myotom werde auch der Bezirk der Wucherung zu einem Teil des Urnierenkanälchens. Gewiss, die ventrale Grenze des Nephrotoms ist keine mathematisch bestimmbare Fläche; doch kniekt, wie die Abb. 1. 2 und 10 lehren, beim Ab- sinken des ehemals dorsalen Pols in kaudo-lateraler Richtung die Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 165 mediale Wand der Urwirbelkommunikation genau dorsalwärts von der Stelle ein, deren Wucherung die Zwischennierenanlage hervorgehen lässt, sodass es den Tatsachen Gewalt antun heisst, wenn hier von einer Proliferation oder einem Auswuchse der medialen Nephrotomwand gesprochen werden sollte. — Wie Zeit und Ort, so stimmt auch die Art der Wucherung wenig zu dem Charakter eines Mesonephrosderivates. Die Urniere — ein so eminent segmentales Organ — sollte der Mutterboden eines, wenn überhaupt, so sicherlich sehr wenig ausgeprägt segmen- tierten Gebildes sein? Dabei braucht man gar nicht daran zu denken, dass der Interrenalkörper älterer Embryonen keine Spuren der Metamerie mehr zeigt; ist doch bei ganz jungen Stadien keine Andeutung mehr nachweisbar. Der Weg von einer segmentalen Anlage zu einem kontinuierlichen Zellenstabe, den die früheren Arbeiten denn auch die Zwischenniere wirklich einschlagen liessen, war der, dass die Auswüchse des vorhergehenden Seg- mentes sich mit denen des nachfolgenden in der Längsrichtung des Embryos verbanden; es wurden dann die innigen segmen- talen Verbindungen der Urnierenkanälchen auf den späteren Stadien mit den Punkten des Proliferationsbeginnes identifiziert. Diese Darstellung entspricht aber in keinem Punkte den Tat- sachen, wie die oben mitgeteilten Befunde lehren; gäbe es eine derartige Verschmelzung getrennter Anlagen, dann müssten (uerschnittsbilder isolierter, nicht mit der Splanchopleura zu- sammenhängender Zellenhaufen in der Gekrösewurzel sich Segment für Segment nachweisen lassen. Nicht getrennte, segmental geordnete Bezirke geraten in Wucherung, sondern die ganze Strecke proliferiert ohne Aussparung intersegmental gelegener Zwischenpunkte, allerdings in regelloser Reihenfolge. Sollte sich aber auf früheren Stadien doch noch eine Regel erkennen lassen, so könnte höchstens als Andeutung der Metamerie die Pro- liferation segmentweise beginnen, sich aber alsbald auch auf die übrigen Teile des Segmentes fortpflanzen. Mag sich also — was nach den oben gegebenen Ausführungen möglich ist — noch eine Segmentierung in diesem Sinne auffinden lassen oder nicht, so könnte in jedem Falle die Vermutung entstehen, dass die Haie sekundär die ursprüngliche Metamerie, wie sie Hypo- geophis nach Brauers') schönen Untersuchungen noch heute !) Brauer, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung und Anatomie 11* 164 Heinrich Poll: zeigt, eingebüsst haben. Gerade dieser Verlust aber wäre leichter begreiflich, wenn auch bei den Squaliden, wie es bei Hypogeophis verwirklicht ist, beide Systeme — das der Zwischen- niere und der Urniere — unabhängig von einander entstehen, als wenn enge genetische Beziehungen beide verknüpften. So weisen alle entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge aus der ersten Phase auf den selbständigen mesodermalen Ursprung der Zwischenniere hin; unabhängig von der Urniere, unabhängig auch von der Vorniere und der Keimregion, deren Gebiete sie weit überschreiten, entsteht sie aus Wucherungen der dorsalen Kante der visceralen Seitenplatte. Und trotzdem, es ist nicht zu leugnen oder zu übersehen, wie van Wyhe und Rabl es taten : innige Verbindungen sind es, die am Ende des ersten Abschnittes die fertige Zwischen- nierenanlage mit der medialen Wand der Urnierenkanälchen ver- binden. Sind diese Zusammenhänge identisch mit den Ausgangs- punkten der Wucherung? Ursprünglich lagen diese, wie die Abb. 1, 2 und 4 zeigen, unmittelbar ventralwärts vom späteren Nephrotom und sie gingen dorsalwärts kontinuierlich in die mediale Nephrotomwand über. Die Nephrotome standen in diesem Stadium noch einigermassen lotrecht, wichen nur wenig nach aussen und hinten ab; mit der Lösung des dorsalen Pols vom Myotom verlassen sie diese Lage und sinken — gewissermassen dem Zuge der ventralen Myotom- kante folgend, der sie durch einen zarten Zellenstrang, der oblitterierten Verbindung, noch einige Zeit verbunden bleiben — nach lateralwärts und hinten herab. Dabei aber dreben sie sich als festen Punkt um die Anheftungsstelle am Seitenplattencoelom. Aus dem kontinuierlichen Zusammenhange des proliferierenden Epithelfeldes mit der medialen Wand der Urwirbelkommunikation, die beide in dorso-ventraler Richtung eng aneinander schlossen, ist jetzt ein ebenso inniger Zusammenhang in trans- versalem Sinne nebeneinander liegender Bezirke geworden; die Zwischennierenanlage hat ihren Platz nicht verlassen, aber die Nephrotomwand ist in ihr Niveau herabgesunken. So muss auf Querschnitten — und ebenso auf den schönen Längsschnitten C. K. Hoffmanns (Abb. 25, 26, 27 Taf. II, Abb. 28, 29 Taf. III) — der Gymnophionen. III. Die Entwicklung der Excretions-Organe. Zool. Jahrb. Abt. für Anat. und Ontog. der Tiere. Bd. XVI, 1902, p. 134—135. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 165 das Bild der innigen Verbindung entstehen, das aber nicht genetisch, sondern topographisch zu deuten ist: nur in der Deutung, nicht im Befunde muss hier von der Darstellung C. K. Hoffmanns abgewichen werden. Dass dem so ist, lehrt mit grosser Klarheit die Unter- suchung der Abtrennungsvorgänge während des zweiten in den früheren Arbeiten so stiefmütterlich behandelten Abschnittes der Zwischennierenentwicklung. I; Die beiden Ablösungsprozesse unterscheiden sich durch die Art ihres Ablaufes wesentlich von einander. Die Sonderung der Urnierenkanälchen von der Zwischen- niere kann beim ersten Blick auf die Entstehung der Venae cardinales posterioresbezogen werden. Doch die Trennung ist auch dort nachweisbar, wo kein Gefäss liegt, nämlich in der Nähe der Kloake (Abb. 10). Sollteder Umstand allein, dass vorn die beiden Or- gane durch die Vene auseinander getrieben sind, genügen, um einen festen, innigen Verband zu lösen? Es hat im Gegenteil vielmehr den Anschein, als ob nahezu gleichmässig, sobald vorn der Keil — d. i. die Vena cardinalis — zwischen Interrenalorgan und Ur- nierenkanälchen hineingetrieben worden ist, sich beide auch hinten von einander trennten, an einer gleichsam durch einen virtuellen Spalt prädestinierten Stelle, an einem locus minoris resistentiae, der bereits eine Disposition zur Trennung barg, an einer Stelle nachbarlich inniger, nicht durch jüngst vergangene genetische Prozesse begründeter Kontinuität. Das Schema dieses Trennungsprozesses gleicht auf ein Haar dem beim Aufklaften anderer virtueller Spalten und Liehtungen aus der Embryologie seit langem bekannten: der Kiemendarm stellt sich als eine dicke einheitliche Zellenplatte dar, ohne Spur einer Spalte, die doch kopf- und schwanzwärts dorsale und ventrale Wand trennt. Schnell und ohne Spur einstiger Verbindung zu hinterlassen, lösen sich zur gegebenen Zeit die’Membranen. Der Urnieren- gang, viele Drüsenröhrchen, die an manchen Stellen schon wegsam sind, erscheinen an anderen als solide Zellstäbe; schnell und restlos trennen sich die Wände von einander, wenn auch keine Methode, keine Linse die Grenzlinien zu ziehen erlaubt. Recht im Gegensatz zu diesem schnellen, restlosen Trennungs- prozesse lehrt die zweite Entwicklungsphase der Zwischenniere bei der Ablösung von der Radix mesenterii auch den Typus der 166 Heinrich Poll: Sonderung organisch-genetisch bedingter Verbindungen kennen. Zu einer Zeit, da die letzte Erinnerung an einen Zusammenhang mit den Urnierenkanälchen längst geschwunden ist, bei 30,5 mm langen Embryonen, bewahrt noch Spinax niger die letzten Spuren der Kontinuität von Gekrösewurzel und Zwischenniere in den Zellpfeilern, die beide vereinen. Der vermutlich in Wirklichkeit durch einen Zufall bedingte Umstand, dass bei den jüngeren oben beschriebenen Spinaxembryonen die Pfeiler weniger zahl- reich sich fanden, als bei den älteren, könnte den Einwand hervorrufen, dass diese Pfeiler nachträglich erst entständen. Dieser Einwurf lässt sich durch die Ueberlegung leicht entkräften, dass dann die Bilder mit diskontinuierlichen Pfeilern das Werden dieser Gebilde veranschaulichen müssten; und dann bliebe es uner- klärlich, welche mystische Verknüpfung gerade an derselben Stelle einen Fortsatz vom Interrenalorgan ventralwärts, an derselben einen gleichen von der Gekrösewurzel dorsalwärts wachsen lassen könnte. Ausser der Zeit ist es vor allem die Art der Lösung, die den organischen Zusammenhang ins klarste Licht setzt. Gleichsam, um sie recht grell der von dem Mesonephroskanälchen entgegen- zusetzen, hört der Ablösungsvorgang im kaudalen Teile, der auf die Rechnung eines Gefässes, der Vena interrenalis, gesetzt werden könnte, für lange Zeit unmittelbar mit dem Ende dieser Vene auf; die Zwischenniere bleibt bei Scyllium gerade am Venenwinkel am längsten mit dem Coelomepithel in Verbindung. Hier kündet der ventrale Grat am Zwischennierenstabe noch spät den ehemaligen ventralen Zusammenhang. Kranialwärts aber wird der ventrale Teil der inzwischen emporgewachsenen Inter- renalleiste erst verdünnt, dann gitterartig durchbrochen, bis er allmählich völlig schwindet. Bei Spinax vollends bleiben die Pfeiler noch lange nach seinem Schwunde bestehen. Auch dieser Typus hat in der Embryologie seines Gleichen, und zwar stets bei der Lösung organisch begründeter Verbindungen. Wie die Stützplatte der Zwischennierenleiste, geht die Zahnleiste, geht die Membran zu Grunde, die die Anlagen der halbzirkelförmigen Kanäle mit dem Utrikulus verbindet, d. h. die verklebten Wände der ehemals ausgestülpten Epitheltasche. Wie der Interrenal- körper von der Gekrösewurzel, löst sich die Hypochorda vom Darmrohre ab. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 167 Die innige Verbindung der Zwischenniere mit dem Coelom- epithelder Radix mesenterii war den früheren Untersuchern allesamt bekannt. Bei van Wyhe und Rabl bedarf dies keiner weiteren Erläuterung; doch wie fanden sich die Verfechter des mesoneph- rischen Ursprungs mit ihm ab? Weldon gibt auf Abb. 14 Taf. XIX eine vorzügliche Zeichnung der Verbindung aus einem späteren Stadium, von einem 10 mm langen Pristiurus: er gesteht seine Unfähigkeit), dieses Bild zu erklären, beharrt aber bei seinem irrigen Schlusse. Aichel?) spricht von einem „Zellkranz, der zwischen der paarigen Anlage des Interrenalkörpers nur dem Leibeshöhlenepithel am Schwanzende der Anlage einmal zur Beobachtung kam“, über die Gründe, die ihn zur Verwerfung eines ursächlichen Zusammenhanges mit der „Bildung der Anlage selbst“ führten, kann erst nach der Veröffentlichung seiner Befunde geurteilt werden. C. K. Hoffmann’) nimmt den richtigsten Standpunkt ein, wenn berücksichtigt wird, dass er ein offenbar zu altes Stadium als erste Anlage missdeutete: er erkennt die Möglichkeit einer Beteiligung des Coelomepithels bei der Bildung der Zwischenniere an. Auffallend ist, dass er auf Abb. 50, Taf III, die Grenze des Interrenalorgans und der Gekrösewurzel so scharf zeichnet, da beide doch noch so eng benachbart liegen und auch als deutlich getrennt beschreibt. Es ist indessen wohl möglich, dass bei Acanthias diese Abgrenzung früher erfolgt als bei Seyllium und Spinax. So erscheint die genetische Bedeutung des Zusammenhanges zwischen Interrenalorgan und Urniere auf Grund fremder wie eigener Beobachtungen folgender Punkte gesichert: l. Die erste Anlage der Zwischenniere bilden Zellenwuche- rungen des Coelomepithels an der Gekrösewurzel. 2. Die fertige Anlage steht in innigem Zusammenhange mit dem Coelomepithel der Gekrösewurzel. 3. Die Lösung der Anlage findet sehr langsam und allmählich nach dem Typus der Lösung genetischer Verbindungen statt. 4. Reste der Verbindung bleiben noch bei sehr alten Embryonen erhalten. ; ı!) Siehe Seite 155, p. 186. :) Siehe Seite 155, p. 19. ®) Siehe Seite 155, p. 65. 168 Freinrich. Poll: Die Annahme der genetischen Verbindung der Zwischen- niere und. Urniere ist durch die Entkräftung der drei oben S. 158 aufgeführten Tatsachen hinfällig geworden. 1. Die von Weldon und Aichel behauptete Entstehungs- weise hat sich nicht bestätigt. 2. Der innige Zusammenhang der fertigen Anlage mit dem Urnierenkanälchen ist a) durch die Art seiner Entstehung b} durch die Art seiner Lösung als nachbarliche Verbindung ohne genetische Bedeutung gekennzeichnet. 9. Die Unmöglichkeit, den fertigen Interrenalkörper histio- logisch von der Urniere zu sondern, kann auf keine innigen organischen Beziehungen deuten, da die Ver- bindung zu einer bestimmten Zeit überall gelöst ist (Seyllium von 16, 24, 28 mm, Spinax mit 70—71 Ur- wirbeln, von 23, 30,5 mm) und somit Zusammenhänge, wie sie ©. K. Hoffmann annimmt, in der Tat nicht vorhanden sind. Da die Erörterung dieser Frage mehr auf histiologischem, als auf embryologischem Gebiete liegt, seien ihr hier an dieser Stelle nur wenige Worte gewidmet, besonders da diese Verbindung aus den genannten Gründen genetische Schlüsse nicht zulässt. Bei den Amphibien liegt die Rindensubstanz der Nebenniere, d. h. die Zwischenniere, ebenso innig dem Urnierengewebe an, obwohl durch Brauer!) und Srdinko?) der Beweis des direkten mesodermalen Ursprungs geführt worden ist. Soweit ich bis Jetzt gesehen habe, gelingt es übrigens auch bei älteren Hai- embryonen, gerade mittelst der Osmiumtetroxyd-Präparate, auf die sich C. K. Hoffmann stützt, an dem Gehalt an reduzierenden Körnchen, die Zwischennierenzellen von den Urnierenzellen zu unterscheiden ') Brauer, Siehe Seite 163. °) Srdinko. Über Bau und Entwicklung der Nebennieren des Prosches, Sitz.-Ber. der böhm. Kaiser Franz Josephs-Akademie in Prag, 2. Klasse Nr. 12 1898. — Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Nebennieren bei den Amphibien. Ebenda Nr. 32, 1900. — Bau und Eutwicklung der Nebennieren bei Amiren. Anat. Anz., Bd. XVIII 1900. p. 500-508. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 169 Den Schlussstein der Betrachtungen über die Beziehungen der Zwischenniere und Urniere bilde der Versuch einer Erklärung der Hartnäckigkeit, mit der die Theorie des mesonephrischen Ursprunges wieder und wieder auftaucht; die Gründe sind teils ontogenetischer, teils vergleichend-embryologischer, teils phylo- genetischer Natur. Die Anlage der Zwischenniere stimmte in ihrer Länge nahezu mit der des Mesonephros überein; so lange die wahre „erste Anlage“ unbekannt war, stand der gesamte Werdegang unter dem Zeichen der Metamerie, und mit der Urniere, dem in ausgeprägtestem Sinne metamer geordneten, segmental ent- stehendem Organe der Bauchhöhle fanden die Beobachter die Anlage und später das fertige Organ in inniger, wie sie meinten, primärer Verbindung. Diese in der Tat bestechenden Gründe mussten erst durch den Nachweis ähnlicher „ersten Anlagen“ auch ausserhalb des Urnierengebietes, durch den Nachweis der sekundären Natur jener Verbindungen, durch den Nachweis des mangelnden örtlichen und zeitlichen Zusammenhanges beider Systeme bei ihrer Entstehung entkräftet werden. Weiterhin aber stimmte die Abteilung der Zwischenniere aus dem Mesonephros so sehr viel besser zu dem Entwicklungs- gange, der durch verschiedene Schriften für die Rindensubstanz der Nebenniere zumal bei den Amnioten, doch auch bei den Amphibien nachgewiesen schien, wenn auch andere Beobachter zu anderen Ergebnissen, zur Anschauung von dem direkten mesodermalem Ursprunge, sei es aus dem Keimepithel, sei es aus einem anderen Gebiete des Öoelomepithels gekommen waren. Der Gedanke schien verlockend genug, die gleiche Herkunft an der Zwischenniere der Haie nachzuweisen, um die Homologie mit der Substantia corticalis der Nebenniere sicher zu begründen. An dieser Gruppe, die sich in der Trennung der Suprarenal- und Interrenalorgane im ausgebildeten Zustande die primitivsten Verhältnisse bewahrt zu haben schien, mussten die embryologischen Ergebnisse um so schwerer ins Gewicht fallen. Der Ausgangs- punkt dieser Gedankenfolge mag richtig sein oder nicht; jeden- falls aber beweist schon der in der Wirbeltierreihe einzig darstehende Verlust der Paarigkeit des Interrenalorgans, das frühzeitige Schwinden der noch dazu hypothetischen Segmen- tierung, dass die Haie, in anderer Beziehung wenigstens, eine stark abgeänderte Zwischenniere besitzen. 170 Heinrich Poll: Die Bedeutung der Streitfrage, ob die Nebennieren ein Teil des Urogenitalsystems oder ein selbständiges Organ darstellen, greift über die rein ontogenetische Bedeutung für die Embryologie oder die vergleichende Entwicklungsgeschichte weit hinaus in das Gebiet der Stammesgeschichte hinein. Der springende Punkt ist der Nachweis einer onto- genetischen Reduktion der Zwischennierenanlage. Zuerst hatte Weldon die Ausdehnung der Anlage über den ganzen Bereich des Mesonephros betont. Van Wyhe und Aichel stimmen seiner Ansicht zu; C. K. Hoffmann äussert sich nicht aus- drücklich über diesen Punkt; wie van Wyhe, so lässt auch er den vorderen Abschnitt der Anlage etwa bis zum Keimleistenende der Auflösung verfallen, den kaudalen allein als bleibende Zwischen- niere persistieren. Im (Gegensatz hierzu begrenzt sie Rabl, der nur in dem hinteren Drittel, oder höchstens der hinteren Hälfte, des Embryos eine Anlage annimmt, auf späteren Stadien vorn mit dem 20—21 Urnierensegmente; auch .er aber kennt die Verkürzung der Anlage, doch betrachtet er sie als eine Ver- schiebung des vorderen Endes nach hinten. In der Tat gibt es, wie die Befunde lehren, nicht eine „Verschiebung“, etwa in dem Sinne, dass das vordere Ende immer das gleiche bleibe, und nur, vielleicht durch Wachstumsdifferenzen, seine Lage ändere, sondern die gesamten vorderen Abschnitte der Interrenalanlage bilden eine Zone abortierender Anlagen, die sich, wie oben gezeigt wurde, nicht nur über die ganze Ausdehnung des Mesonephros, sondern wahrscheinlich weit in die Pronephros- gegend erstreckt; hier aber kommt es nicht, wie es im wittleren Abschnitte der Fall ist, vor dem Zerfall zu der Ausbildung der sicher zu identifizierenden Anlage des Fpithelstabes. In der Keimleistenregion löst sich in der Tat der Epistelstab oder die Epithelleiste in das eigenartige grobmaschige Gewebe auf, das Hoftmann zuerst erwähnt hat, und das noch eine Zeit lang die xeste der Zwischenniere beherbergt. Mit dem Nachweise dieser ontogenetischen Reduktion der Anlage, dem zur stammesgeschichtlichen Vergleichung leider noch das vergleichend anatomische Correlat, etwa bei den primi- tivsten der recenten Haie, fehlt, im Verein mit der vergleichend- anatomischen Erkenntnis, dass den Coeciliern und Urodelen zeit- lebens eine so weit, wie bei den Haien in der Anlage, ausgedehnte Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 171 Zwischenniere eignet, ist die Rolle der „Nebenniere“ als Lücken- büsser im Holonephrosstreite ausgespielt. Die Rindensubstanz der Nebenniere musste den einen als distale Pronephosmetameren, den anderen als proximale Mesonephrosmetameren dienen, je nach dem eine Ergänzung der ersten oder zweiten Generation der Vornierenkanälehen wünschenswert war. Dies ist der stammes- geschichtliche Grund für die hartnäckige Lebenskraft der Ansicht eines genetischen Zusammenhanges der Zwischenniere oder der Rindensubstanz der Nebenniere der höheren Vertebräten mit den Teilen des Excretionssystems. Mit der Erkenntnis des selbständigen mesodermalen Ursprungs der Zwischenniere, als eines ursprünglich fast den ganzen Rumpf des Embryos durchziehenden, paarigen, vielleicht auch segmen- tierten Organes bei Seyllium, erwachsen mannigfache Aufgaben: die planmässige Durchforschung der Verhältnisse bei den übrigen Wirbeltieren, zumal auch anderen Selachiern. mit besonderer Rücksicht auf die Beziehungen zur Urniere und auf die ursprünglich etwa grössere Verbreitung später abortierender Anlagen; der erste Punkt ist bei fast allen Wirbeltieren ebenso strittig, wie bei den Haien, der zweite nur von wenigen beachtet worden, er dürfte für das Verständnis der sogenannten accessorischen Neben- nieren einige Aufschlüsse versprechen. 7. Zusammenfassung. I. Befunde. A. Erster Entwicklungsabschnitt. 1. Die erste Anlage entsteht bei Scyllium zu einer Zeit, da die Urwirbelkommunikationen noch als offene Spalten Myocoel und Splanchnocoel verbinden, mithin vor der Urmniere. Der Ort der Entstehung ist das Epithel der dorsalen Kante der visceralen Seitenplatte an der Gekrösewurzel von der (regend des Pronephros zur Kloake; dieses gerät stellenweise in Wucherung, doch proliferieren nahe benachbarte Bezirke zu verschiedener Zeit; es ist möglich, dass auf einem Stadium, das die vorliegende Untersuchung nicht berücksichtigt hat, die Orte des ersten Beginnes der Wucherung segmental geordnet sein könnten. Die Form der einzelnen ersten Anlagen im morpho- logischen Sinne ist die solider Epithelverdickungen, die medial- wärts in die Wurzel des (rekröses hineinragen. 2 Heinrich Poll: 2. Die fertige Anlage entsteht durch die Verschmelzung der gegenüberliegenden Wucherungen, die zuerst in der Form zarter, schmaler Zellfäden, später als derbe, breite Platten die Gekrösewurzel überbrücken, bis sie schliesslich sämtliche korre- spondierenden Punkte der Splanchnopleuren an der Radix mesenterii verbinden. Durch Zellenvermehrung wächst diese einheitliche Platte zu einem soliden, zusammenhängenden Epithel- stabe aus, der sich dabei über das Niveau des Leibeshöhlen- daches emporwölbt. Wie früher die mediale Wand der Urwirbelkommunikation ventralwärts unmittelbar in die proliferierende Epithelfläche der Gekrösewurzel überging, so geht jetzt die mediale Wand des Urnierenkanälchens unmittelbar in die Zwischennierenanlage über; nur liegen beide jetzt nebeneinander, so wie früher über- einander, denn die Urwirbelkommunikationen sind mit ihrem dorsalen Pole nach lateralwärts und hinten herabgesunken und haben sich dabei gerade um die Grenzfläche zur Zwischenniere gedreht. So finden die segmentalen innigen Verbindungen des Interrenalorgans mit der Vorniere ihre topographische, nicht genetische Begründung. Die Ausdehnung der fertigen Anlagen unterscheidet sich von der ersten Anlage dadurch, dass diese in der Gegend des Pronephros und kurz hinter ihm zu Grunde gehen, im ganzen übrigen Embryo bis zur Kloake hin der Epithelstab gebildet wird. Die morphologische Aehnlichkeit der vordersten Anlagen mit den weiter kaudalwärts liegenden spricht für ihre gleich- artige, ihr Schicksal für ihre verschiedenartige Bedeutung. B. Zweiter Entwicklungsabschnitt. a. Wachstum der Anlage. Aus dem Epithelstabe wird eine hohe Zellenleiste rechteckigen Querschnittes, zumal im vorderen Teile, die auf der Gekrösewurzel ruhend, bis zur ventralen Aortenwand aufragt. Der dorsale Teil der Zellenleiste verdickt sich zu einem gerundeten Leistenkopfe, während der ventrale sich verdünnt. b. Lösung der Anlage aus ihren Verbindungen, l. Die Lösung von den Urnierenkanälchen geht rasch und restlos in kranio-kaudaler Richtung vor sich. Zwischen beide Gebilde schiebt sich die Vena cardinalis posterior ein. Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. 173 2. Die Lösung von der Gekrösewurzel geht sehr langsam vor sich und lange bleiben Reste der Verbindung erhalten, bei Spinax niger länger als bei Scyllium stellare. Sie beginnt zuerst an der Kloake und schreitet kaudo-kranialwärts fort, bis zum späteren Venenwinkel, der Stelle. wo sich die Vena interrenalis in die Venae cardinales posteriores teilt. Unmittelbar vor dieser bleibt der Zusammenhang bei Seyllium am längsten erhalten ; bier trägt als letzter Rest noch später der Interrenalkörper einen ventralen Grat oder Zapfen; bis hierher nämlich geht die weitere Lösung, die kranialwärts beginnt. Der ventrale Teil der Zellenleiste, der nicht wie der Kopf in die Dicke gewachsen war, verdünnt sich mehr und mehr, wird von zahlreichen Löchern gitterartig durchbrochen und endlich gänzlich aufgelöst, so dass der Kopf allein übrig bleibt. Bei Spinax bleiben auch im kaudalen Teile Reste der ehemaligen Verbindung noch bei 30,5 mm langen Embryonen in Form von Zellpfeilern stehen, die von der Gekrösewurzel aufragend, die Vena interrenalis durch- bohren und sich an der Zwischenniere ansetzen. c. Rückbilduung der Anlage. Der vordere Teil des Epithelstabes bis etwa zum hinteren Ende der Keimleiste geht wie die verdünnte ventrale Platte, nur etwas später, zu Grunde, indem die Zellen ihre epitheliale Anordnung verlieren. Nur von jenem Punkte ab bis zur Kloake erhält sich die Anlage als bleibende Zwischenniere. II. Schlüsse. 1. Die Zwischenniere ist ein von der Urniere (Vorniere und Keimleiste) unabhängig enstehendes Organ. 2. Die Zusammenhänge mit der Urniere sind nicht als genetische, sondern topographische zu deuten. 3. Aus dem längeren Persistieren der genetisch bedingten Verbindungen mit der Urniere bei Spinax niger, im Gegensatze zu Scyllium stellare, kann auf ein primitiveres Verhalten der Spinaciden gegenüber den Scylliiden geschlossen ‘werden, wie es ähnlich von Braus') für die embryologischen Zustände im metotischen Kopfgebiet angenommen wird. !) Braus, Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. Morph. Jahrb. Bd. XXVI. 1899, p. 494. 174 Heinrich Poll: Die Anlage der Zwischenniere bei den Haifischen. Abb. 1. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. ph Abh. Abh. Abb. Abb. Abb Abb. Abh. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Sämtliche Abbildungen sind mit dem Zeichenokular (II) von Leitz gezeichnet. ir. — Interrenalorgan oder Zwischenniere. ER ih DD d. 10. 11, 12. 14. Scyllium stellare 7,0 mm. 12. Segment hinter dem Ende der Vor- niere, 13. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 198:1. Seyllium stellare 7,5 mm. 10. Segment hinter dem Ende der Vor- niere, 15. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 194:1. Scyllium stellare 7,0 mm. 6. Segment hinter dem Ende der Vor- niere, 19. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 206:1. Scyllium stellare 7,0 mm. 20. Segment hinter dem Ende der Vor- niere, 5. Segment vor dem Beginne der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 6, Vergr. 200:1. Scyllium stellare 10,0 mm. 17. Segment hinter dem Ende der Vor- niere, 7. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 193:1. Schnitt aus der Gegend zwischen zwei aufeinander folgenden Urnierenmetameren. Scyllium stellare 10,0 mm. Aus dem gleichen Segmente, 13 Schnitte vor dem der Abb.5. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 206:1. Scyllium stellare 10,0 mm. Aus dem gleichen Segmente, 7 Schnitte vor dem der Abb. 5. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 200:1. Scyllium stellare 10,0 mm. Aus dem gleichen Segmente, 4 Schnitte vor dem der Abb. 5. Leitz, Ok.II, Obj. 6. Vergr. 200:1. Spinax niger mit 55 Urwirbeln. 3. Segment hinter dem Ende der Vorniere, 21. vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 225 :1. Scyllium stellare 9,5 mm. Segment vor dem Beginn der Kloake, 25. Segment hinter dem Ende der Vorniere. Leitz, Ok. II, Obj. 6. Vergr. 200:1. Spinax niger mit 70—71 Urwirbeln. 12. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 4. Vergr. 78:1. Spinax niger mit 70—71 Urwirbeln. 9. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 4. Vergr. 92:1. Spinax niger mit: 70—71 Urwirbeln, 5. Segment vor dem Beginn der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 4. Vergr. 78:1. Spinax niger mit 70—71 Urwirbeln. Aus dem Segment vor dem Beginne der Kloake. Leitz, Ok. II, Obj. 4. Vergr. 78:1. Aus dem Physiologischen Institut der Universität Breslau, Über die Präputialdrüsen des Kaninchens und über Veränderungen derselben in der Brunstzeit. Von Dr. Courant, Frauenarzt in Breslau. Hierzu Taf. IX und X, Zu den accessorischen Geschlechtsdrüsen rechnet man die paarigen Glandulae vesiculares, die Glandulae prostaticae und die Glandulae bulbourethrales oder Cowper’sche Drüsen des Mannes, beim Weibe die Glandulae vestibulares majores oder Bartholin’sche Drüsen (Duverney’sche der Kuh), und ihre Varianten bei den verschiedenen Tierklassen — also Drüsen, die dem Ausführungsgang der Hauptgeschlechtsdrüsen anliegen, und ihr Sekret in ihn ergiessen. Für andere in der Umgebung des Geschlechtsapparates liegende Drüsen ist es zweifelhaft, ob sie funktionell zu ihm gehören, und ich habe im Folgenden versucht, in dieser Beziehung über die bei den Nagern stark entwickelten Glandulae praeputiales oder inguinales Aufschluss zu gewinnen. Will man sich ein Urteil über die Beziehungen dieser Drüsen zum Geschlechtsapparat und zur geschlechtlichen Funktion bilden, so hat man folgende Punkte zu berücksichtigen : I. Ihre topographische Lage an den Wegen des Samens und an den äusseren (eschlechtsteilen. II. Das Ergebnis von Tierversuchen. a) Wichtigkeit der Drüsen für das Zeugungs- vermögen. 1. Steinach (1) stellte durch Züchtungsversuche an weissen Ratten fest, denen die Samenbläschen allein Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62, 12 176 Courant: oder die Samenbläschen und Vorsteherdrüsen exstirpiert waren, dass das Begattungsvermögen erhalten blieb, dass dagegen das Zeugungsvermögen sank, resp. voll- ständig erlosch. 3. Geo. Walker (2) untersuchte in frischem Zustande den unverdünnten Samen von Hunden, und Gemische desselben mit physiologischer Kochsalzlösung und Prostata- sekret, und er fand, dass die Samenfäden nur in den Gemischen beweglich waren, und besonders im Prostata- saft lebhafte Beweglichkeit von längerer Dauer zeigten. 3. Iwanoff (3) konnte beim Kaninchen Befruchtung er- zielen, wenn er Spermatozoen, die nach der Kastration des Bockes aus der Epididymis selbst entnommen wurden, mit 0,5prozentiger Lösung von doppeltkohlensaurem Natrium mischte, und die in die Vagina spritzte. b) Funktionelle Veränderungen der. Drüsen. Stilling (4) fand morphologische Veränderungen in den Drüsenzellen der Cowper’schen Drüsen des Kaninchen- bocks nach der Begattung. c) Verhalten der Drüsen nach Wegnahme der Hauptgeschlechtsdrüse. Hierher gehören Versuche von Schaap (5), der nach Entfernung des Hodens die Kastrationsatrophie wohl an den Samenbläschen, den Vor- steherdrüsen und den Cowper’schen Drüsen des männlichen Kaninchens, nicht aber an den Glandulae praeputiales be- obachten konnte, die beim Bock zu beiden Seiten der Peniswurzel zu finden sind. Aus dem Ausbleiben der Atrophie schliesst Schaap, dass diese Drüsen nicht zum Geschlechtsapparat gehören. Die Untersuchungen Steinachs lassen keinen Zweifel darüber, dass die Samenbläschen und Vorsteherdrüsen von Wichtigkeit für die Konzeption sind. Nach Geo. Walker und anderen verdünnen ihre Sekrete den Samen, und verleihen den Samenfäden, die im Hoden und Nebenhodenkopf unbeweglich gefunden werden, die zur Befruchtung nötige Beweglichkeit und Lebensfähigkeit. Iwanoffs Befruchtungsversuche mit Umgehung der männlichen accessorischen Drüsen beweisen nur, dass auch andere Flüssigkeiten (physiologische Kochsalzlösung, Über die Präputialdrüsen des Kaninchens etc. ET Lösung von doppeltkohlensaurem Natrium) geeignet sind, in geringem Masse die Spermatozoen beweglich zu machen '). Stilling sieht in den von ihm gefundenen Veränderungen der Drüsenzellen der Cowper’schen Drüsen einen Beweis für ihre sekretorische Tätigkeit während der Kopulation. Die drei genannten Drüsen atrophieren nach Versuchen von Schaap, wenn die Hauptgeschlechtsdrüse entfernt wird. Offenbar sind sie sämtlich von grösserer oder geringerer Bedeutung für die Beförderung des Samens durch die männlichen Geschlechtsteile, und seine Aktivierung für die Konzeption. Die ausbleibende Kastrationstrophie allein scheint mir jedoch nicht in einwand- freier Weise klarzulegen. dass die Glandulae praeputiales des Kaninchens in keiner Beziehung zur geschlechtlichen Funktion dieses Tieres stehen. Es ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass, wenn diese Drüsen nicht zum Zeugungsapparat gehören, doch Beziehungen zum Begattungsvermögen, zur Kopulation be- stehen können. Im Folgenden habe ich daher den Versuch gemacht, mit Hilfe verschiedener Methoden näheren Aufschluss über die Funktion dieser Drüsen und ihre Beziehungen zur geschlechtlichen Tätigkeit zu erlangen, und zwar habe ich meine Versuche ausschliesslich am weiblichen Kaninchen angestellt. Als Untersuchungsmethoden dienten mir: 1. Die Kastration; 2. Die histologische Untersuchung der Glandulae praeputiales nach elektrischer Reizung; 3. Die histologische Untersuchung derselben in der Brunst- zeit und nach der Kopulation. Bevor ich jedoch meine Versuche mitteile, scheint es mir zweckmässig zu sein, eine topographische Beschreibung des Drüsenapparates zu geben, dessen Lage an und für sich auf einen Zusammenhang mit der geschlechtlichen Funktion hinweist. A. Die topographische Lage der Glandulae praeputiales. Am Genauesten schildert Leydig (6) die topographischen Verhältnisse. Ich führe daher einige Stellen aus seiner Beschreibung wörtlich an: !) Analog der bekannten Tatsache, dass auch die Flimmerbewegung durch alkalische Lösungen begünstigt bezw. verlängert wird. 12% 178 Courant „Beim Hasen und Kaninchen findet sich zur Seite des Penis oder der Clitoris eine von Haaren freie Hautstelle, in welcher ein gelbliches Sekret angehäuft ist“. — „Es finden sich dort zwei ganz verschiedene Drüsen, deren Sekret sich an der haarlosen Stelle vermischt. In der Regel sind es zwei oder mehr weissgelbliche, runde Drüsen, deren jede mit einem einfachen Ausführungsgang mündet. Sie erweisen sich mikroskopisch als ungeheuer entwickelte Talgdrüsen. Nicht selten steckt auch ein Haar oder selbst ein kleiner Haarbüschel in ihr, was auch äusserlich ihre Beziehung als Talgdrüse dartut. Unter dieser liegt eine zolllange Drüsenmasse; auch sie schimmert ohne weitere Präparation durch, und bildet entweder einen einfachen, länglichen, aus eng verbun- denen Läppchen bestehenden, nach vorne spitz zulaufenden Körper, oder es haben sich einzelne Läppchen mehr oder weniger abgelöst. Seine Farbe geht vom Gelblichen bis zum Tiefbraunen. Mit dem Messer ist durchaus kein Ausführungsgang zu finden, vielmehr lässt sich diese Drüsenmasse immer ganz rein aus ihrer Umgebung ausschälen. Erst nachdem ich mit Natrium causticum ganze Stellen der Umgebung der Drüse durchsichtig machte, fand ich Ausführungsgänge, welche zwar von geringem Kaliber, aber in grosser Zahl vorhanden sind. Die ganze Drüse setzt sich aus Läppchen zusammen, welche sich mikroskopisch als lange, verästelte, mit seitlichen Ausbuchtungen versehene Schläuche ausweisen“. Da in dieser Beschreibung Angaben über die Beziehungen der Drüsen zu ihrer Umgebung, über ihre Lagerung zur Vulva und der anliegenden Muskulatur nicht gemacht sind, so gebe ich zur näheren Orientierung drei Abbildungen, die nach dem frischen Präparate gezeichnet sind. Zu diesem Zwecke wurde ein weibliches Kaninchen durch Chloroform getötet, und auf das Tierbrett so aufgebunden, dass der Steiss über den unteren Rand desselben hinausreichte. Die Hinterbeine wurden stark zum Rumpf gebeugt und so fixiert, dass die äusseren Genitalien zur Präparation bequem freilagen. Für die äussere Betrachtung der Drüsen (Fig. 1, Taf. IX) wurde der obere lippenförmige Teil der haarlosen Hautfalte rechts neben der Clitoris aufwärts mit Nadeln an der Symphyse und am Schambein fixiert. Man sieht alsdann die beiden Drüsen durch die den „Präputialsack“ aus- kleidende Haut hindurch schimmern. Die kleinere, ungefähr erbsengrosse, kugelförmige, weisse Drüse erhebt sich etwas über das Niveau der überdeckenden Haut, und zeigt auf ihrer höchsten Erhebung einen mit Sekretpfropf versehenen Ausführungsgang. Unter ihr schimmert eine lange, wurstförmige Drüsenmasse von gelbbrauner Farbe durch die Haut durch, die bei starken Tieren Über die Präputialdrüsen des Kaninchens etc. 179 2—3 cm lang ist. Während ihr laterales, dickeres Ende von der weissen Drüse überdeckt ist, liegt der mediane, sich allmählich verjüngende Anteil frei und verläuft ungefähr in der Längsachse der Scheide. (Dieser schwanzförmige Teil ist auf der Abbildung durch die Ausspannung der oberen Lippe des Präputialsacks nach oben gezerrt). Unterhalb der Drüsen, oberhalb der ge- wulsteten unteren Lippe des Präputialsacks sieht man brocken- förmiges, ockergelb gefärbtes Sekret in grosser Menge angehäuft. Alles weitere zeigt die Abbildung, der eine besondere Erklärung beigefügt ist. Zieht man mit einem Gewichtshaken die Clitoris nach ab- wärts, so wird auch der Genitalschlauch mit der Vulva nach abwärts gezogen, und ebenso der mediane freie Teil der wurst- förmigen, braunen Drüse. Zur Freilegung der rechten Drüsen wird hierauf ein bogenförmiger Hautschnitt längs dem Schambein geführt, und Haut mit subkutanem Fettgewebe und oberfläch- licher Fascie nach unten abpräpariert. Die Vulva verschwindet unter dem Hautlappen, und bei Verlegung des Gewichtshakens nach links werden rechts die Drüsen mit der umgeben- den Muskulatur sichtbar (Fig. 2, Taf. IX). Man unterscheidet die Zwillingsmuskulatur der beiden oberhalb des Corpus cavernosum clitoridis an der Symphyse inserierenden M. erectores clitoridis, den rechten M. ischiocavernosus, der vom Sitzbein her median unter den M. erector zieht. Zwischen beiden tritt ein weisslicher Strang nebst blauem Venenplexus aus der oberen Muskellücke, der sich aus Nervus und Arteria pudend. int. zusammensetzt, und seitlich vom M. erector zur Clitoris läuft. Des weiteren sieht man die grosse Muskelplatte des M. bulbocavernosus, die das Corpus cavernosum vestibuli eirculär umgreift, und im unteren resp. zentralen Teil einen Schlitz bildet, in dem sie die braune Präputialdrüse umklammert. Die weisse Drüse wird mit der Haut abgehoben. Auch hier möchte ich behufs weiterer Orientierung auf die Erklärung der Taf. IX verweisen. Präpariert man alle Fasern des dünnen M. bulbocavernosus weg, so sieht man, dass die braune Drüse der seitlichen Scheiden- wand, resp. dem Corpus cavernosum vestibuli, direkt anliegt. Trennt man auch noch den M. ischiocavernosus ab, so liegt von vorn nach hinten Vagina, Rektum und Schwanzmuskulatur frei. Die braune Drüse lässt sich nun leicht von ihrer Unterlage ab- 150 Courant: heben, ohne dass ein Gewebsstrang dies hindert. So gewinnen wir den Anblick der Fig. 3, Taf. IX, deren Erklärung das Nähere besagt!). B. Mikroskopische Beschreibung der Präputialdrüsen. I. Technik. Zur mikroskopischen Untersuchung wurden beide Drüsen dem lebenden narkotisierten Tier nach einem Schnitt durch die Haut des sie überdeckenden Präputialsacks entnommen, und darauf die braune Drüse in 4—5 (Querscheiben zerlegt, von denen die erste die weisse Drüse mit der den Ausführungsgang der- selben umgebenden Sackhaut trug. Die Fixierung der Stücke erfolgte in konzentrierter angewärmter Sublimat-Kochsalzlösung oder in Flemming’schem Gemisch. Nach 24 Stunden wurden die Stücke gewässert, in Alkohol allmählich gehärtet, in Paraffin eingebettet und — zum Teil in Serien — geschnitten. Färbe- mittel waren vorzugsweise die v. Gieson’sche Färbung, die Eisen- alaun-haematoxylin-Methode Heidenhains und Safranin nach Fixierung in Flemming’schem Gemisch. Auch Thionin und Haem- alaun wurden gelegentlich gebraucht. ‘) Nebenbei möchte ich zu dieser Schilderung der Umgebung der Präputialdrüsen noch Folgendes bemerken. Trotz eifrigen Suchens konnte ich die den Cowper’schen Drüsen des Männchens analogen B artholin’schen Drüsen beim Weibchen nicht auffinden. Nach Krause (7) müsste die Bartholin’sche Drüse zwischen oberem resp. lateralem Ende der braunen Glandula praeputialis und der Glandula analis einerseits, der Clitoris und Vagina andererseits gelegen sein. Um sicher zu gehen, fertigte ich von der Vulva neugeborener weiblicher Kaninchen Serienschnittreihen in frontaler Richtung von 5—7 Mikren Dicke, die sich bis oberhalb des oberen Endes der braunen Präputialdrüsen erstreckten. In dem einen Fall betrug die Anzahl der Schnitte 300, im anderen 450, von welchen letzteren der 248. in Fig.1, Taf.X wiedergegeben ist. Wir sehen die Querschnitte von Scheide (2) und Mastdarm (8). Letzterer wird von den Analdrüsen (9) umgeben, erstere von den Präputialfalten und -drüsen, von denen links nur die braune (3), rechts auch die weisse getroffen ist (4; 5). Sonst ist nirgends eine Drüsenanlage zu entdecken, und in keinem der Schnitte zu finden gewesen. Bei anderen Autoren wie Disselhorst (8) und Oudemans (11) finden wir keine Angabe über die Lage der Bartholin’schen Drüse bei Lepus euniculus. Die in Betracht kommenden Arbeiten beschäftigen sich hauptsächlich oder, wie OQudemans, ausschliesslich mit den accessorischen Geschlechtsdrüsen der männlichen Tiere. Wir müssen annehmen, dass dem Kaninchen- weibchen, die Bartholin’sche Drüse fehlt. Über die Präputialdrüsen des Kaninchens etc. 181 II. a) Die weisse Drüse. Hinsichtlich der weissen Drüse möchte ich mich kurz fassen. Meine Befunde über ihr mikroskopisches Aussehen stimmen über- ein mit den Berichten anderer Autoren wie Leydig und Schaap, die ebenso wie ich diese Drüse als eine konglomerierte Talg- drüse auffassen, welche das aus Taf. IX ersichtliche brockenförmige Sekret an die Oberfläche ergiesst. b) Die braune Drüse. Die braune Drüse von der weissen geweblich vollständig getrennt, zerfällt in viele Läppchen, die durch Bindegewebe, ın dem die Blutgefässe verlaufen, voneinander geschieden sind. Innerhalb der einzelnen Läppchen sieht man immer dasselbe Bild von längs quer und schräg getroffenen Schläuchen, von denen Schaap meint, dass sie zu einem einzigen aufgeknäuelten Tubulus gehören. Dafür scheint allerdings zu sprechen, dass in jedem Lappen nur ein Ausführungsgang zu sehen ist, den ich in einzelnen Serienschnitten durch die Vulva neugeborener Tiere bis an die Oberfläche des Präputialsacks verfolgen kormte (v.Fig.1 No. 7, Taf. X). Dieser Gang, sowie auch die erwachsener Tiere, die ich gelegentlich sah, tragen ein zwei- bis dreischichtiges Zylinderepithel, das dem Drüsenepithel ähnlich ist und unmittelbar in dasselbe übergeht. Dieses letztere erweist sich als ein- schichtiges hohes Zylinderepithel, dessen Kerne an der Basis der Zelle liegen. Bei starker Vergrösserung kann man im Zellleibe Granula unterscheiden, die einerseits in der Umgebung des Kerns andererseits am freien Zellraum dichter zusammen liegen. Am besten färben sie sich mit Pikrinsäure-Rubin rotbraun oder Thionin blau. In ersterer Färbung (Fig. 2, Taf. X) erscheinen auch die Zellgrenzen stark rotbraun, insbesondere der breite freie Zellsaum. Der Kern zeigt eine deutliche Kernmembran und ist von einem starken Chromatinfadennetz durchzogen, in dessen Knotenpunkten mehrere Kernkörperchen liegen. Faden- netze und Kernkörperchen treten am zartesten bei Safranin- färbung hervor. Am freien Zellsaum angelagert und im Lumen verstreut sehen wir eigentümliche glasige ungefärbte Gebilde, die am ungezwungensten als Sekret aufgefasst werden können. Sekretkapillaren liessen sich mit den angewandten Methoden nicht feststellen. An den Stellen, an welchen die beschriebenen 182: Courant: homogenen Gebilde dem Zellsaum anliegen, erscheint der letztere abgebrochen und geht direkt in die Wandung der anliegenden Gebilde über. Intensiver als die Kerne der Drüsenzellen färben sich langgestreckte, spindelige Kerne, die in faserige Grund- substanz eingestreut den Tubulus umgeben. Wie auch Schaap (3) meint, handelt es sich um Kerne glatter Muskelfasern. Mittels Thionin ist weder in der Drüsenzelle noch im Sekret eine metachromatische Schleimrotfärbung nachzuweisen, ebensowenig mittels Osmiumsäure Fett. In der Safraninfärbung treten zu- weilen einzelne Drüsenzellen durch besondere Tinktion hervor. Das Protoplasma nimmt schwarzrote oder graurote Färbung an, während die Zellkerne hell- oder dunkelrot gefärbt sind (Fig. 5, Taf. X). Über die Bedeutung dieser abweichenden Färbung kann ich ein Urteil nicht abgeben. Wenn man frische Gefrier- schnitte der braunen Drüse ungefärbt untersucht, so findet man die Zellschläuche gelblich gefärbt — ein Zeichen dafür, dass die braune Farbe der Drüse an die Zellleiber gebunden ist. — Diese Beobachtungen wurden sowohl an jungen als an alten Tieren, an" nichttragenden und tragenden, und auch an der braunen Drüse von männlichen Tieren gemacht. C. Versuche und Untersuchungen zur Feststellung der Funktion der braunen Drüse. a) Untersuchung der braunen Drüse nach der Kastration. Die am männlichen Kaninchen angestellten Versuche von Schaap (3) hatten zwar ergeben, dass die Präputialdrüsen des Kaninchenbocks nicht in dem gleichen Verhältnis zur Keimdrüse stehen wie die anderen accessorischen Geschlechtsdrüsen. Es ist jedoch nicht überflüssig, diese Versuche fürs Weibchen zu wiederholen, nachdem Disselhorst (8) gezeigt hat, dass selbst bei Männchen und Weibchen derselben Spezies Variationen in Bezug auf die accessorischen Geschlechtsdrüsen vorkommen, und analoge Drüsen bei den verschiedenen Geschlechtern verschiedene Bedeutung haben können. Versuchsprotokolle. I. 16. 12. 1898. Kaninchen, mittelkräftig, trächtig. In Narkose (Morphium- Chloroform) Bauchschnitt, Kastration. Exstirpation der linken Präputial- drüsen als Vergleichsobjekt. Über die Präputialdrüsen des Kaninchens etc. 183 20. 12. 1898. Abortus. 28. 1. 1899. Tötung des Tiers durch Halsschnitt. Untersuchung der Uterushörner ergibt Atrophie derselben, Untersuchung der Drüsen rechts keinerlei Veränderungen gegenüber den linken exstirpierten Drüsen. II. 10. 3. 1899. Kaninchen, weiss, nicht trächtig. War 2 Monate isoliert. In Narkose Bauchschnitt, Kastration. 16. 11. 1899. Tötung durch Halsschnitt. Atrophie der Uterushörner, Fettablagerung subcutan und subperitoneal. In den Drüsen keine Veränderungen nachweisbar. In keinem der beiden Versuche zeigten die Präputialdrüsen 6 Wochen bezw. 8 Monate nach der Kastration irgend welche Zeichen von Atrophie. Beide Versuche bestätigen also die An- gaben Schaaps für das weibliche Kaninchen. b) Untersuchung der braunen Drüse nach elektrischer Reizung des Nervus pudendus internus. Da es nicht ausgeschlossen schien, dass die braune Drüse wie die Schweissdrüsen, mit denen sie morphologische Ähnlich- keit besitzt, unter Nerveneinfluss arbeitet, habe ich, trotzdem es mir unmöglich war, Nervenfasern bis an die Drüse selbst zu verfolgen, versucht, durch Reizung des Nervus pudendus internus, der die umgebende Muskulatur und Haut versorgt, auf sie ein- zuwirken. III. 4. 1. 1900. Kaninchen, mittelgross, grau. In Narkose-Operation: Exstirpation der linken Drüsen, rechts Freilegung des beschriebenen (Fig. 2, Taf. IX) Gefässnervenstranges. Periphere Reizung desselben nach Durchschneidung eine Viertelstunde mit regelmässigen Unter- brechungen. Dabei ist keine makroskopische Veränderung derselben unter der sie bedeckenden Präputialhaut oder eine Ansammlung von Sekret an der Oberfläche bemerkbar. — Tötung des Tieres, Unter- suchung beider Drüsen: In der rechten gegenüber der linken keine Veränderungen nachweisbar. IV. -25. 1. 1900. Kaninchen, mittelgross, weiss, eine Woche nach dem Wurf Operation und elektrische Reizung wie bei Versuch III, nur dass: dieselbe mit allmählicher Verstärkung des Induktionsstroms drei Viertelstunden fortgesetzt wird. Tötung des Tieres. Untersuchung der braunen Drüsen: Die linke ungereizte Drüse zeigt teilweise Veränderungen von der Art, wie sie weiter unten (v. p. 187) im Zusammenhang beschrieben werden. .Auch die rechte ge- reizte Drüse zeigt geringfügige derartige Strukturveränderungen. V. 2. 5. 1900. Kaninchen, weiss, 16 Tage nach dem Wurf. Operation und ganzes Verfahren wie bei III und IV. Reizung eine Stunde lang, 154 Courant: Kontraktion der Vulvarmuskulatur bei starker Reizung und Erektion der Clitoris zu beobachten. Beide Drüsen zeigen keine Verände- rungen. Es fanden sich demnach keine Veränderungen der gereizten Drüse gegenüber der ungereizten. Die in beiden Drüsen in Versuch IV konstatierten Veränderungen der Struktur finden weiter unten (v. p. 187) ihre Erklärung. c) Untersuchung der braunen Drüse in der Brunstzeit und nach der Kopulation. In den Cowper’schen Drüsen von Kaninchenböcken hatte, wie schon oben erwähnt, Stilling sekretorische Veränderungen der Driüsenzellen nach der Kopulation festgestellt, woraus er den Schluss zog, dass die Drüsen zum Geschlechtsapparat gehören. Ich musste mir die Frage stellen, ob nicht in ähnlicher Weise auch an den braunen Präputialdrüsen durch die geschlechtliche Vereinigung Veränderungen hervorgerufen werden dürften. Für das weibliche Kaninchen, dessen Drüsen ich hauptsächlich unter- suchte, musste ausserdem noch die Möglichkeit erwogen werden, dass die Brunstzeit an und für sich Einfluss auf die braune Drüse habe. Die folgenden Untersuchungen sind daher in der beim Kaninchen stärksten Brunstzeit unmittelbar nach dem Wurf aus- geführt, und bei der Mehrzahl der Tiere so, dass in dieser Zeit die Kopulation herbeigeführt wurde. Da ein Teil der Versuche negative, ein Teil positive Resultate ergab, habe ich zur besseren Übersicht beide Versuchsreihen gesondert aufgeführt. 1. Negative Versuche. VI. 6. 3. 1899. Kaninchen, grau. Seit zwei Monate isoliert, kein Wurf, Zulassung des Bocks. Ob die Kopulation wirklich erfolgte, blieb nach der Beobachtung zweifelhaft, Tötung des Tiers. Die Untersuchung der Vagina auf Spermatozoen fiel negativ aus. Keine Veränderungen in den braunen Drüsen nachweisbar. VII. 13. 5. 1899. Kaninchen, kräftig, grau. Hat vor drei Wochen geworfen und ist seitdem isoliert gewesen. Die letzten 24 Stunden Zusammen- sein mit einem Bock. Tötung des Tiers, Drüsenuntersuchung. Keine Veränderungen nachweisbar. VIII. 5. 7. 1899. Kaninchen, mittelgross, weiss. Wurf vor 36 Stunden, Vereinigung mit dem Bock vor 24 Stunden. Tötung des Tiers, Drüsen- untersuchung. Keine Veränderungen nachweisbar. IX. 24. 7. 1899. Kaninchen, gross, schwarz. Vor 48 Stunden Wurf, vor 24 Stunden Vereinigung mit Bock. Tötung, Drüsenuntersuchung. Keine Veränderungen nachweisbar. XII. XIV. XV. XVI. XVH. [si Über die Präputialdrüsen des Kaninchens etc. 18 . 23 11. 1899. Zwei Kaninchen, schwarzer Bock und geflecktes Weibchen. Wurf vor 48 Stunden betrug 8 Embryonen. Beisammensein von 9—10 Uhr vormittags; in dieser Zeit nur dreimalige Kopulation beobachtet. Tötung des Weibchens, Exstirpation der rechten Drüse des Bocks. Keine Veränderungen weder in den Drüsen des Weibchens, noch in der rechten braunen Drüse des Bocks nachweisbar. 22. 5. 1900. Tötung des Bocks, Untersuchung der linken Drüse. Keine Veränderungen nachweisbar. . 30. 3. 1899. Kaninchen, schwarz, kräftig. Wurf von 12 Jungen vor 20 Stunden. Tötung des Tiers, ohne dass ein Kopulationsversuch vorausging. Untersuchung der Drüsen. Keine Veränderungen nach- weisbar. 2. Positive Versuche. . 4. 3. 1899. Kaninchen, mittelkräftig. Vier Tage nach dem Wurf Zulassung des Bocks, Aufsprung zweimal beobachtet. Tötung des Tiers, Spermatozoen in Vagina nachzuweisen. Untersuchung beider Drüsen. Starke Veränderungen, die unten näher be- schrieben werden. 22. 3. 1899. Kaninchen, dunkelgrau. 24 Stunden nach dem Wurf Zulassung des Bocks, oftmaliger Aufsprung beobachtet. Tötung, Spermatozoen in der Scheide. Untersuchung beider Drüsen. Drüsen- veränderungen mässigen Grades. 24. 3. 1899. Kaninchen, dunkelbraun, klein. Wirft im Verlaufe des 23. 3. sieben unausgetragene Früchte. Zulassung des Bocks. Ob Kopulation zustande kam, blieb zweifelhaft. Keine Spermatozoen zu finden. Untersuchung beider Drüsen. An verschiedenen Stellen beider Drüsen ausgesprochene Veränderungen nachzu- weisen. 7. 4. 1899. Kaninchen, gelb, sehr gross und kräftig. Hat vor 20 Stunden den Wurf von sieben grossen Jungen vollendet. Zulassung des Bocks. 8. 4. 1899. Nochmalige Zulassung desselben Bocks für sieben Stunden. Tötung, Spermatozoen in der Scheide und Gebärmutter. Untersuchung der grossen Drüsen. Sehr starke Veränderungen nachzuweisen. 22. 5. 1900. Kaninchen, mittelgross, weiss. Vor vier Tagen Absperrung, vor drei Tagen Wurf. Die letzten 24 Stunden Zusammensperrung mit Bock. Tötung, Untersuchung beider Drüsen. Veränderungen mässigen Grades nur in einem Lappen der einen von beiden Drüsen 22. 8.1900. Kaninchen, stark, weiss. Hat nachts zehn Junge geworfen. Kein Kopulationsversuch. Tötung, Untersuchung beider Drüsen. Sehr starke Veränderungen in beiden Drüsen nachweisbar- Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob die Kopu- lation einen Einfluss auf die Drüse hat. Zu diesem Zwecke wollen wir die Versuche so ordnen, dass die beiden (XI und XVII), 186 Courant: bei denen vor der Drüsenuntersuchung keine Kopulation statt- gefunden hatte, den 10 Versuchen gegenüber gestellt werden, bei denen wir kürzere oder längere Zeit nach dem Wurf einen Pock zugelassen und den Sprung beobachtet hatten. Von diesen 10 Versuchen ergaben nur 5 (XII, XIII. XIV, XV, XVI) die zu beschreibenden Veränderungen in der braunen Drüse, und zwar die bei denen der Sprung am 1. bis 4. Tage nach dem Wurf herbeigeführt war. Bei Versuch VI und VII liegen Wurf und Sprung weit auseinander, bei Versuch VIII, IX und X hingegen waren keine Veränderungen zu ersehen, obgleich nur kurze Zeit zwischen Wurf und Vereinigung mit dem Bock verstrichen war. Wir können demnach obige Frage dahin beantworten, dass die Kopulation keinen Einfluss auf die braune Präputialis hat, da erstens in Fällen, wo die Kopulation in der Brunstzeit herbei- geführt war (VIII, IX, X) keine Veränderungen zu konstatieren waren. Zweitens erweist Versuch XVII, dass unter Ausschluss der Kopulation sehr starke Veränderungen der fraglichen Art beobachtet werden können. Ferner lassen sich die Versuche in solche einteilen, die in der Brunstzeit in den ersten Tagen nach dem Wurf ausgeführt wurden, resp. bei denen die Drüsen in dieser Zeit zur Unter- suchung kamen, und in solche, bei denen die Untersuchungszeit eine spätere war. Bei dieser Rubrizierung darf Versuch IV nicht vergessen werden, wo eine Woche nach dem Wurf Drüsen- veränderungen nachzuweisen waren. Alsdann stehen sich gegen- über 7 Versuche (XII, XIII, XIV, XV, XVI, XVII und IV), bei denen die Untersuchung der braunen Drüse innerhalb der ersten Woche nach dem Wurf Veränderungen ergeben hatte, und 4 Versuche (VIII, IX, X, XD), die dieses Resultat nicht geliefert hatten. Als wichtig muss hierbei vermerkt werden, dass die positiv ausgefallenen Versuche XII, XIII, XIV, XV, XVI im Frühjahr unternommen worden waren, und dass von negativen Versuchen VII und IX im Juli 1399 und X im November dieses Jahres angestellt waren. Leider hat sich demnach auch von diesem Gesichtspunkte kein eindeutiges Ergebnis herausgestellt. Ich muss es unentschieden lassen, ob die sogleich zu be- schreibenden Veränderungen auf die Brunst zu beziehen sind, wenngleich mehrere Punkte, die noch zu erörtern sind (v. p. 189) dafür zu sprechen scheinen. Über die Präputialdrüsen des Kaninchens ete. 187 Die mikroskopischen Veränderungen der Drüsen. In der Talgdrüse bemerken wir keine auffälligen Er- scheinungen, abgesehen davon, dass bei starken Veränderungen in der braunen Drüse die Talgsäckchen der weissen auffallend klein wie komprimiert erscheinen, und der Ausführungsgang von Sekret strotzt. Ebenso erweckt die verhältnismässig grosse An- zahl kleiner quer getroffener Tubuli in der braunen Drüse den Eindruck einer Compression von aussen. Die Veränderungen der braunen Drüse bestehen in folgendem: Schon bei schwacher Vergrösserung ist ein Unter- schied in dem Farbeneindruck bei v. Gieson-Färbung zu bemerken. Die normale Drüse hat ein rötliches Aussehen, das, wie sich bei stärkerer Vergrösserung zeigt, zurückzuführen ist auf die Färbung der Granula des Protoplasmas. Bei der ver- änderten Drüse fehlt diese Rotfärbung. Bei starker Vergrösserung zeigt sich folgendes: (Fig. 3, Taf. X). Die Tubuli zeigen weite Lumina, die Drüsenzellen sind bedeutend niedriger geworden, so dass die Zellhöhe kaum die Xernhöhe überragt, die Zell- grenzen sind nicht mehr deutlich zu erkennen. Die Granula im Zellleib sind verschwunden, und an ihrer Stelle färbt sich nach v. Gieson eine streifige Masse gelblich, die ungleichmässig den Zellleib durchzieht. Hierdurch gewinnen die veränderten Drüsen- partien ein kernreicheres dunkleres Aussehen. Der Kern ist nicht mehr bläschenförmig, sondern eckig und kantig, sein Fadennetz ist verwischt, und nur wenige Kernkörperchen treten gut gefärbt hervor. Im Lumen der Schläuche findet man nirgends die oben beschriebenen Sekrettropfen (Fig. 2, Taf. X). Als neuen Bestand- teil des nur schwach (nach v. Gieson) gelblich gefärbten Zwischengewebes erblicken wir unregelmässig verstreut Lymph- körperchen, die an vielen Stellen, auch an der Basis der Drüsen- zellen, zwischen den Zellkernen und im Lumen der Tubuli zu finden sind. In Fig. 4, Taf. X gebe ich ein Übersichtsbild mit Eisenalaun haematoxylin gefärbt bei schwächerer Vergrösserung wieder, das einen Drüsenlobulus darstellt, der ungefähr zur Hälfte in Veränderung begriffen ist. Der Unterschied des un- veränderten und veränderten Teils tritt scharf hervor: Im ersteren die distinkt gefärbten hohen Drüsenzellen, rings um die Tubuli die stark gefärbten spindelförmigen Kerne; im letzteren eine Überschwemmung mit Lymphkörperchen, stark erweiterte Lumina 188 Courant: mit flacher Zellbegrenzung, die zum Teil mit kleinscholligem Sekret gefüllt sind. Wir finden Lymphkörperchen zwischen den Drüsenzellkernen und im Lumen unter scholligem und fädigem Sekret liegend; an einer Stelle auch deutlich unter ihnen einen Drüsenzellkern. Bei stärkster Erweiterung des Lumens erscheinen die Drüsenzellkerne ganz flach wie die umgebenden spindel- förmigen Kerne. An einzelnen Stellen fehlen die Kerne ganz, und die Begrenzung des Drüsenlumens wird nur von einem schmalen Plasmasaum gebildet. Fig. 5, Taf. X zeigt 2 Tubuli aus mässig veränderter Drüse nach Fixierung im Flemming’schen (Gemisch. Das Lumen des einen ist mit scholligem, in Safranin teilweise stark gefärbtem Sekret erfüllt, während intertubulär einige Lymphkörperchen sichtbar sind. Die ungewöhnliche Färbung einzelner Kerne und Zellleiber in diesem Präparat ist schon oben erwähnt. Die Drüsenausführungsgänge der ver- änderten Lobuli sind mit fädigem und zum Teil auch noch scholligem Sekret stark gefüllt. Die geschilderten Veränderungen der Drüdensträktun sind ungleichmässig über die Drüse verstreut. Im selben Lobulus liegen veränderte Schlauchkomplexe neben unveränderten. Wo beide aneinander grenzen, ist die Ansammlung der Lymph- körperchen am stärksten. An vielen Stellen kann man ihre Schaaren bis ins interlobuläre Bindegewebe hinein verfolgen. Besonders hervorheben möchte ich noch, dass dieselben immer nur da zu finden sind, wo gleichzeitig die Drüsenzellen die geschilderten Veränderungen aufweisen. Um eine Vorstellung über die Grösse der Abnahme der Zellhöhe in der veränderten Drüse zu erhalten, habe ich an verschiedenen Präparaten mittels Zeiss Obj. F und Oecularmikrometer Messungen der unver- änderten und veränderten Zellen und Kerne vorgenommen. Es betrug in einem Präparat an unveränderter Stelle im arithmetischen Mittel von 10 Messungen an langen schmalen Zellen die’Zelliöhe „un ner. 24956: Nikon die 'Zellbasisbreite‘T. :).J.] eu ran 73 h anveränderte ! der längste Kerndurchmesser . . . . 65 . Formen an kurzen breiten Zellen: Mierzellhöhe -.... ur 2. er dherZellbasisbreite:.. .. . 0 men a {1 der längste Kerndurchmesser . ... 770, Über die Präputialdrüsen des Kaninchens ete. 159 Es betrug an veränderter Stelle: | die: Zehen) sas il TC.u8. 119 W145 5,9 »Mikren veränderte Form N die Zellbasisbreite oder der parallel zu | ihr liegende längste Kerndurchmesser 7,4 , Die Differenz der Zellhöhe beträgt demnach ungefähr */s der normalen Höhe, oder die veränderte Drüsenzelle nımmt nur !/; der Höhe der unveränderten Zelle ein. Im grössten Kern- durchmesser, der in der veränderten Zelle meist parallel zur Basis liegt, stimmen alle Formen ziemlich überein. Die Breite der Zellbasis ist in der veränderten Zellform auf die Grösse des längsten Kerndurchmessers reduziert; das Zellvolumen ist also wesentlich verkleinert. D. Diskussion der Ergebnisse. Vergleicht man die unveränderte mit der veränderten Drüse, so gewinnt man den Eindruck, dass in den veränderten Teilen ein Vorgang ganz eigentümlicher Natur stattfindet. Ich möchte es vermeiden, das gewöhnliche und das veränderte Aussehen der Drüse mit dem Ausdruck ruhende und tätige Drüse zu bezeichnen, da auch im ersteren Fall die oben beschriebenen, aus Fig. 2, Taf. X ersichtlichen tropfenartigen Gebilde im Lumen für eine gewisse Tätigkeit der Drüsenzellen sprechen, während die ver- änderten Teile durch Vergrösserung des Lumens, Veränderung der Drüsenzellen und Einwanderung von Leucocyten den Ein- druck einer Funktion ganz anderer Art erwecken. Die Frage, ob die genannten Veränderungen eine Folge der Brunst sind, habe ich schon oben beantwortet. Die 7 positiv ausgefallenen Untersuchungen fallen in die Zeit der Brunst nach dem Wurf, und von ihnen 5 in die Jahreszeit, wo nach J. Munk (9) die Brunst am stärksten auftritt, nämlich ins Frühjahr. Ich bemerke dazu noch Folgendes. Wenn die Veränderungen wirklich durch die Brunst hervorgerufen werden, so muss es auffallen, dass nicht alle Tiere dieselben gleichmässig aufweisen. Vier von den 11 in der Brunstzeit nach dem Wurf ausgeführten Unter- suchungen fielen negativ aus. Man kann jedoch diese Unregel- mässigkeit damit erklären, dass die Stärke der Brunst und ihre zeitliche Ausdehnung bei verschiedenen Kaninchenrassen und unter verschiedenen Ernährungs- und Stallverhältnissen verschieden ist, und dass unter ungünstigen Verhältnissen diese Erscheinung 190 Courant: ganz ausbleiben kann. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass die Veränderungen sehr ungleichmässig über die Drüsen verteilt waren, wie dies auch von funktionellen Veränderungen an anderen Drüsen bekannt ist. Da nun nicht alle Drüsen in lückenlosen Serienschnitten untersucht sind, ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass veränderte Drüsenlobuli der Beobachtung entgangen sind. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges der be- schriebenen Veränderungen mit der Brunst könnte noch dadurch vergrössert werden, wenn dieselben auch in einer anderen Brunst- zeit als der nach dem Wurf festgestellt werden könnten. Denn bekanntlich wiederholt sich die Brunst im Laufe des Sommers noch einige Male, insbesondere zur Spätsommerzeit. Doch ist eine solche Variation der Untersuchungen mit grossen Schwierig- keiten verknüpft. Frstens müssten derartige Untersuchungen an Tieren vorgenommen werden, die lange Zeit isoliert sind, weil sie sonst im Frühjahr bald wieder belegt werden. Die Isolierung macht aber, wenn nicht grössere Räumlichkeiten und Rasen- flächen zur Verfügung stehen, die Tiere krank und zum Versuch ungeeignet. Zweitens sind die Brunstperioden längere Zeit nach dem Wurf schwächer und durch äussere Merkmale schwer erkennbar. Aus diesen Gründen habe ich auf die weitere Aus- gestaltung meiner Untersuchungen verzichten müssen. Wünschens- wert wäre es auch, wenn ähnliche Untersuchungen an den homologen Drüsen anderer Tiergattungen vorgenommen werden würden. Bis jetzt kann demnach nur gesagt werden, dass mit Wahrscheinlichkeit die beschriebenen Veränderungen auf die Brunst zurückzuführen sind, und dass in diesem Sinne die braune Präputialdrüse als zum Geschlechtsapparat gehörig betrachtet werden kann. E. Vergleichend Anatomisches. Haben in der Tat die Präputialdrüsen Beziehungen zum Geschlechtsakt, so frägt es sich, welcher Art dieselben sind. Hierüber können wir nur Vermutungen aufstellen. Der eigen- tümliche Geruch des Sekretes und das bei Tieren in weit höherem Grade als beim Menschen ausgebildete Riechvermögen lassen die Annahme erklärlich erscheinen, dass zwischen ihm und der mächtigen Ausbildung solcher spezifischer Drüsen bei beiden Geschlechtern enge Beziehungen herrschen. Nach Disselhorst (8) Über die Präputialdrüsen des Kaninchens ete. Lo dienen nicht nur die Präputialdrüsen, sondern auch die Anal-, Oceipital-, Stirn- und Klauendrüsen verschiedener Tiere erwiesener- maassen zur Anlockung des andern Geschlechts. Auch Krause (7) rechnet die Glandulae praeputiales des Kaninchens zu den sogenannten Riech- oder Anlockungsdrüsen, wie die Schwanzdrüse des Hirsches und die Riechdrüse des Bibers. G. Klein (10) ist der Meinung, dass die accessorischen Geschlechtsdrüsen beim Weibe eine doppelte Funktion haben, erstens die Aufgabe, das Genitale für den Coitus schlüpfriger zu machen, zweitens ein spezifisch riechendes Sekret abzusondern (Gl. Bartholini), das .den weiblichen Geschlechtsteilen und überhaupt dem Weibe den inm eigentümlichen Geruch verleiht. Die von mir zur Brunst- zeit beobachteten Veränderungen der braunen Präputialdrüse des Kaninchens würden sich daher, falls sie wirklich mit der Brunst zusammenhängen, dahin erklären lassen, dass in dieser Zeit zur Anlockung des Bocks das riechende Sekret in besonders reich- licher Weise produziert wird.') Am Schlusse meiner Arbeit habe ich noch die angenehme Pflicht, Herrn Professor Dr. Hürthle meinen besten Dank aus- zusprechen für-die Überlassung eines Arbeitsplatzes in seinem Institut und für die jederzeit bereitwillig geleistete Unterstützung bei meinen Untersuchungen. !) Die den Glandulae Bartholini homologen Drüsen des Kaninchenbocks, die Glandulae Cowperi liegen ebenso wie beim Menschen und vielen Tieren an der Pars membranacea des Urethra, oberhalb des Bulbus. Beim Weibchen fehlen nach meinen Untersuchungen die Glandulae Bartholini, und es hat den Anschein, als ob die Glandulae praeputiales hier ihre Stellvertretung über- nommen hätten. Ein derartiger Ersatz einer accessorischen Drüse durch eine andere kommt öfters vor. So konnte Disselhorst (8) feststellen, dass beim Igel, der sonst mit accessorischen Drüsen reich ausgestattet ist, dem aber die Anal- und Präputialdrüsen fehlen, die sogenannte zweite Prostata, welche früher ihrer Lage wegen als Cowper’sche Drüse angesprochen wurde. vicariierend für die ersteren eintritt. Auch von diesem Gesichtspunkte aus, dass beim Kaninchenweibchen die Glandulae praeputiales vicariierend für die Glandulae Bartholini eintreten, gewinnt ihre Deutung als Riech- und An- lockungsdrüsen an Wahrscheinlichkeit. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 13 192 1. 18. Fig. Fig. Gouramt: Literatur. Steinach: Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie der männ- lichen Geschlechtsorgane insbesondere der accessorischen Geschlechts- drüsen. Pflügers Archiv für Physiologie Bd. 56, p. 304. Geo. Walker: Beitrag zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie der Prostata nebst Bemerkungen über den Vorgang der Ejaculation. Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrg. 1899. Anat. Abt. Iwanoff: Journal de physiologie et de pathologie generale T 3, 1900, p. 9. Stilling: Über die Cowper’schen Drüsen. Virchows Archiv Bd. 6, PS 170! Schaap: Die Glandulae genitales accessoriae des Kaninchens im normalen Zustande und ihre Veränderungen nach Kastration und Resek- tion der vasa deferentia. Onderzoekingen etc. Uitgegewen door C. A. Pekelharing en H. Zwaardemaker. Vijede Recks I, 1899, p. 110. Franz Leydig: Zur Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane und Analdrüsen der Säugetiere. Siebold-Köllicker: Zeitschrift f wissenschaftliche Zoologie. Bd. 2, p. 32, 1850. Disselhorst: Die accessorischen Geschlechtsdrüsen der Wirbeltiere. Wiesbaden 1897, p. 238, 239. J. Munk: Physiologie des Menschen und der Säugetiere. 1892, p. 569. G. Klein: Zur vergleichenden Anatomie und Physiologie der weiblichen Genitalien, Zeitschrift f. Geburtshilfe und Gynaekologie, Bd. 43, p. 255. Th. OQudemans: Die accessorischen Geschlechtsdrüsen der Säuge- tiere. Naturkundige Verhandelingen van de Holland’sche Maatschappy der Wetenschappen, 3. Verz. Deel V, 2. Stuk. Haarlem 1892. Erklärung der Abbildungen. Taf. IX. 1. Äussere Ansicht der rechten Präputialdrüsen, v vulva, — c Clitoris, — a Anus, — ul untere Lippe des Präputialsacks — ol obere Lippe desselben — bp braune Präputialdrüse durch die Präputialsackhaut durchschimmernd — wp weisse Präputialdrüse mit Sekretpfropf im Ausführungsgang — s. brockenförmiges safran- gelbes Sekret. 2. Ansicht des Muskelstratums der rechten Seite, nach dem durch einen bogenförmigen Schnitt über die Symphyse und Prä- paration ein Hautlappen (h) samt subcutanem Fettgewebe und oberflächlicher Fascie rechts weggenommen ist. Links ist die Fascie erhalten, auf der die Vena pudenda int. sin. (vp), die beim Kaninchen oberflächlich verläuft, zu sehen ist. Ein in die Clitoris (c) eingesetzter Gewichtshaken zieht die Genitalien nach abwärts und links, und ist wie sie von dem heruntergeschlagenen Haut- lappen überdeckt. — gm Glandula mamaria — me musculi erec- toris clitoridiis — mi musculus ischiocavernosus dexter — np Nervgefässstrang (nervus et arteria pud. int. dextr.) aus der Fig. 3. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Über die Präputialdrüsen des Kaninchens etc. 193 Muskellücke zwischen m. erector und ischiocavernosus hervortretend — v Vagina — r Rectum — ad Analdrüse — mb musculus bulbo- cavernosus dexter — bp braune Präputialdrüse — wp weisse Präputialdrüse. Die Musculi ischio — und bulbocavernosi dextri sind beseitigt, ebenso die Analdrüse und die braune Präputialdrüse. Es zeigt sich keine andere Drüsenanlage in der ganzen Gegend. Die weisse Präputialis steckt in der noch etwas weiter nach unten abpräpa- rierten Haut. — c Clitoris — wp weisse Präputialdrüse — me Musculi erectores clitoridis — np Nervus et arteria pud. int. dextr. — v Vagina — r Rectum — sch Schwanzmuskulatur. Taf. X. Querschnitt durch die Vulva eines neugeborenen weiblichen Kaninchens bei schwacher Vergrösserung (248. Schnitt einer fron- talen Serienschnittreihe von 450 Schnitten). Vorn Querschnitt der Clitoris (1) und Vagina (2), hinten des Rectum (8) und der um- gebenden Analdrüsen (9). Links nur die braune Präputialdrüse (3) sichtbar, rechts sind beide Präputialdrüsen (4; 5) getroffen mit ihren Ausführungsgängen (6; 7), die in die rechte Präputialfalte münden. Zeiss Ölimmersion Tubuslänge 165 mm Ap 1,30 Ocular 25 mm. Braune Präputialdrüse, Färbung v. Gieson. Hohe cylindrische Drüsenzellen mit rotbraunen Granula und Sekretionstropfen ; basal gelagerte bläschenförmige Drüsenzellkerne, fibrilläres Zwischen- gewebe mit spindelförmigen Kernen. Vergrösserung wie bei 2. Veränderungen der braunen Präputialdrüse, Färbung v. Gieson, Bedeutende Verkleinerung der Drüsenzellen, Schwund der Zell- granula, gelbliche Färbung des Zellprotoplasmas und des Zwischen- gewebes, Auftreten von Lymphkörperchen. Zeiss Obj. D Oec. 4. Übersichtsbild über einen Drüsenlobulus der braunen Präputialdrüse, der ungefähr zur Hälfte die Veränderungen zeigt, Färbung Eisen- alaunhaematoxylin. Links unveränderte Drüsenschläuche, rechts unten veränderte. Erweiterung der Lumina, Abplattung des Drüsen- zellbesatzes, Abplattung der Kerne; Eindringen von Lymphkörper- chen in die Tubuli; in einem unter den;Lymphkörperchen auch ein Drüsenzellkern. Vergrösserung wie bei 4. Wenig veränderter Drüsenzellbesatz. Färbung Safranin nach Fixierung in Flemming. Eigentümlich gleichmässige Rötung einiger Drüsenzellkerne und Dunkelfärbung der Zellprotoplasmas einiger derart gefärbter Kerne. Scholliges zum Teil mit der Kernfarbe gefärbtes Sekret in dem einen Lumen, 18° 194 Aus dem anatomischen Institut zu Berlin. Zur Frage über den sogen. „Dotterkern“ (corpus Balbiani) bei Wirbeltieren. Von Dr. K. v. Skrobansky, St. Petersburg. Hierzu Tafel XI. Meine Untersuchungen über die Oogenese bei verschiedenen Tieren gaben mir Gelegenheit, in den Oocyten eines Meer- schweinchens von 2 Wochen das Körperchen zu beobachten, welches unter den Namen „Dotterkern“, „Nebenkern‘“, „corpus Balbiani“, ‚‚corps vitellogene‘“, „Sphäre“ u.s. w. beschrieben ist, und welches zur Zeit die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher beschäftigt. Über die Natur dieser Bildung ist noch kein sicherer Entscheid zu geben; es handelt sich vor allem um die Frage, ob dieselbe morphologisch und genetisch einem Sphärenapparat (Waldeyer [16], Idiozom, Centrotheca, mit Centriol Meves) entspricht, oder ein besonderes Gebilde darstellt. Ich will ver- suchen, die Befunde, welche ich erheben konnte, so weit es tunlich erscheint, zur Lösung dieser Frage zu verwerten. Der Eierstock, in welchem ich die erwähnte Bildung gesehen habe, war in Zenker’scher Flüssigkeit fixiert, in 5 4-dicke Serienschnitte zerlegt und mit Eisen-Haematoxylin und Eosin gefärbt. Die mikroskopische Betrachtung zeigt eine ziemlich mächtige Rindenschicht und eine gut entwickelte Markschicht. Die Rinden- schicht besteht aus mehreren Reihen junger sowie älterer Follikel. Jeder der letzteren enthält ein grosses Ei, an welchem die Zona pellueida eben gebildet scheint, und welches von 2—3 Reihen Granulosazellen umgeben ist. Einige der letzteren befinden sich in Teilung. Liquor follieuli ist noch in keinem Follikel nach- weisbar. Die jungen, mehr oberflächlich gelegenen Oocyten bestehen aus einer vesicula germinativa, welche von einem schmalen Ringe zartmaschigen Ooplasmas umgeben ist; demselben liegen die Granulosazellen dicht an. Zur Frage über den sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 195 Ich muss hier bemerken, dass der Kern (vesic. germin.) sogar-der kleinsten Oocyten immer ein grosses helles Bläschen darstellt, welches eine bedeutende Anzahl unregelmässig verteilter Chromatinmassen enthält. Doppelte Chromatinfäden als regel- mässige Bildungen sind mir nicht vorgekommen. Die bisweilen zu bemerkenden Doppelfäden glaube ich auf die Zufälligkeiten in der Anordnung des Chromatins zurückführen zu sollen. Auch besonders bogenartig angeordnetes Chromatin, welches v. Wini- warter (18) bei Kanincheneiern erwähnt, habe ich nicht gesehen. Am Ooplasma, unter welchem Namen ich, dem Vorschlage von Korschelt und Heider (8) gemäss, den ganzen Zellenleib verstehen werde, beobachten wir Folgendes: In dem grössten Teile der jüngsten Oocyten des unter- suchten Eierstocks stellt das Ooplasma einen schmalen, auf einer Seite leicht verdickten Ring, oder richtiger eine „Ringschale“ um das Keimbläschen, dar. Bei starken Vergrösserungen sieht das Ooplasma wie eine fasrige cytoplasmatische Masse aus, deren Fasern ein Maschenwerk von verschiedener Grösse und Form der Maschen bilden. In dem Ooplasma der allerjüngsten Oocyten sind diese Maschen etwas kleiner als in den grösseren Oocyten; doch auch hier ist ihre Grösse sehr verschieden. Das Cyto- plasma enthält noch eine unbedeutende Anzahl kleinster Deuto- plasmakörnchen. In dem Ooplasma einiger jungen Oocyten, und zwar an der Seite der grössten Protoplasmamasse, kann man ein dicht an dem Kern anliegendes, halbmondförmiges Gebilde beobachten, welches sich durch sein körniges Aussehen und eine dichtere Gruppierung seiner Teilchen von dem übrigen Zellenleib scharf abhebt. Wir haben hier unzweifelhaft das vor uns, was schon von mehreren Autoren bei einer ganzen Reihe von Tieren und beim Menschen beobachtet wurde und als „couche palleal‘‘ (van Bambeke [2]), ‚„couche vitellogene“ (van der Stricht [14]) „Mantelschicht‘‘ beschrieben ist. In der neuesten Zeit ist für diese Bildung der Name „Dotterkernlager‘‘ vorgeschlagen (Waldeyer [13]). In dem grössten Teile der Eier jedoch war die eben ge- schilderte Eigentümlichkeit im Bau des Ooplasmas noch kompli- zierter, durch das Vorhandensein eines Körperchens im Zentrum dieser körnigen Masse, welches sich durch seine Struktur von 196 K.v. Skrobansky: dem erwähnten Dotterkernlager (Mantelschicht) scharf abhebt. Dieses Körperchen, welches wir fernerhin, in Übereinstimmung mit den meisten Autoren, mit dem Namen ‚„corpus Balbiani“ oder „Dotterkern“ bezeichnen werden, trägt sehr verschiedenen Charakter sowohl nach seiner Struktur als auch nach seiner Form und Grösse, indem es manchmal die Hälfte der Kerngrösse erreicht. Man kann Eiern begegnen, in welchen, wegen der nicht deutlich sichtbaren Grenzen des Dotterkerns, es schwere» oder fast unmöglich ist, seine Form zu bestimmen. Die Ränder der- artiger Körperchen sind ebenso körnig, wie die umgebende Masse und eine Grenze des Dotterkernlagers gegen das Körper- chen ist garnicht bemerkbar. Aber auch in solchen Fällen ist die Existenz des Körperchens in dem Dotterkernlager als einer besonderer, morphologisch von demselben deutlich unterscheid- baren Bildung unzweifelhaft. Die folgende Form, welche ich beschreiben will, und welche (wie man das aus meinen Präparaten ersehen kann) die weitere Entwicklungsstufe der ersten Form ist, stellt ein scharf abge- grenztes, bald rundes, bald länglichrundes Körperchen dar. Oft erscheint dieses einer abgeplatteten Kugel ähnliche Körperchen noch etwas gebogen, mit seiner Konkavität sich nach dem Kern wendend. (Fig. 5.) Nur einige Körperchen sind von einem deutlich ausge- prägten schmalen durchsichtigen Hofe umgeben. Die anderen, und scheinbar die meisten, zeigen diese Besonderheit nicht. In dem ebenerwähnten Stadium verliert das Ooplasma oft sein ursprüngliches Aussehen: häufig wird ein besonderes „Dotter- kernlager“ vermisst, indem das Ooplasma auch in der nächsten Nachbarschaft des Dotterkerns denselben Charakter wie an den übrigen Stellen bewahrt. Oft kann man nur spärliche Reste des Dotterkernlagers beobachten, wobei das Körperchen entweder von diesen Resten umgeben ist, oder von denselben abgetrennt und frei in dem feinmaschigen Ooplasma liegt. (Fig. 4.) Leider konnte ich das Schicksal des Dotterkernlagers nicht bis zu Ende verfolgen. Scheinbar kann es auch beim Meer- schweinchen, wie das von van der Stricht (11) für die Fleder- mäuse beschrieben ist, in mehrere Stücke zerfallen, welche an Zur Frage über den sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 197 verschiedene Stellen des Ooplasma geraten können und weitere Degeneration erleiden. In einigen Eiern mit gut entwickeltem Dotterkern kann man beobachten, dass das Ooplasma sich nicht um denselben herum verdichtet, sondern im Gegenteil sieht es hier heller aus, indem das Cytoplasma etwas breitere, von Deutoplasma schein- bar freie Maschen bildet. Mit der Vermehrung des Ooplasma ändert sich oft auch die Lage des Dotterkerns. Im Allgemeinen liegt er“in den jungen Oocyten immer an der Seite der grössten Masse des Ooplasma in der unmittelbaren Nachbarschaft des Kernes; aber kann sich auch auf eine bedeutende Distanz von seiner ursprüng- lichen Lage entfernen (s. Fig. 1,4). Ich muss bemerken, dass die Grösse der Oocyten oder, anders ausgedrückt, ihr Reifegrad nicht in Beziehung steht zur Grösse und zum Entwicklungsgrade des Dotterkerns. Denn in den jüngsten Oocyten des von mir untersuchten Tieres, in welchen das Ooplasma noch unbedeutend entwickelt ist, so dass es den Kern nur nach Art eines schmalen Ringes mit einer unbedeutenden Verdickung auf einer Seite umgibt, kann man einen grossen Dotterkern beobachten, welcher die ganze Masse des breiteren Teiles des Ooplasma einnimmt, während wir in den mehr aus- gewachsenen Oocyten oft einen kleinen Dotterkern finden. Ebenso wie die Grösse, die Form und die Lage des Dotter- kerns in der Oocyte ist auch seine Struktur sehr verschieden. Gewöhnlich ist der Dotterkern homogen und man kann in unserem Falle von einer schichtenartigen Beschaffenheit eigentlich nicht sprechen. Dies steht im Widerspruch mit der Ansicht Holmgrens (6), welcher den Dotterkern bei Hunden, Kanin- chen und Katzen beobachtete und sagt, dass er in keinem Falle homogen, sondern schichtenartig ist. Meine Beobachtungen in dieser Hinsicht stimmen zu den Untersuchungen von Gurwitsch (7), welcher an demselben Objekt (Meerschweinchen) in dem Dotterkern keine Spur eines radiären oder schichtenartigen Baues entdecken konnte. Bei der nachträglichen Tinktion mit Eosin färbt sich der Dotterkern in einigen Fällen in zarte Rosafarbe; in den jungen Oocyten ist er infolge seiner grösseren Dichtigkeit oder infolge seiner grösseren Affinität zu Eosin in seiner ganzen Ausdehnung 195 K.v.Skrobansky: intensiver gefärbt. als das umgebende Ooplasma und sogar das Dotterkernlager, vorausgesetzt dass ein solches vorhanden ist. Aber oft ändert sich das geschilderte Bild in hohem Masse. Der Dotterkern beginnt nicht nur die protoplasmafärbenden Farbstoffe anzunehmen, sondern auch die kernfärbenden (in unserem Falle Eisen-Haematoxylin). Wir beobachteten oft, dass die Ränder des Dotterkerns ungleichmässig in dunkelviolett mit Eisen-Haematoxylin gefärbt waren, während das Centrum nur mit Eosin gefärbt blieb. Bisweilen ist ein Teil des Dotterkerns schon intensiv mit Eisen-Haematoxylin gefärbt, während die übrigen Teile entweder gar nicht gefärbt sind, oder nur einen leichten violetten Farbton bekommen haben. An der Peripherie einiger Dotterkerne kann man oft kug- lige Körner von ungleicher Grösse beobachten, welche mit Eisen- Haematoxylin ganz schwarz gefärbt sind. Solche Körner finden sich auch bisweilen in der Mitte des Dotterkerns, während seine Peripherie ganz frei von schwarzgefärbten Teilen bleibt. Endlich begegnet man Dotterkernen, welche in ihrer ganzen Ausdehnung entweder gleichmässig in dunkelviolett, oder an einzelnen Stellen stärker als an anderen gefärbt sind (Fig. 1, 4, 5). Im Zentrum des Dotterkerns konnte ich auf den frühesten Altersstufen desselben niemals das Vorhandensein von jenen ein oder zwei dunklen Körnern bemerken, welche von mehreren Autoren beobachtet sind (Balbiani [1], Gurwitsch [7], v. Winiwarter [18] u. a.) und welche nach v. Winiwarter gewöhnlich rund oder eiwas länglich sind und eine bestimmte Lage in Beziehung zu dem Kerne besitzen. Etwas Aehnliches wie die von den ebenerwähnten Autoren geschilderten Bilder ist vielmehr in weiter entwickelten Stadien vorhanden. Wenn der Dotterkern bereits Eisen-Haematoxylin annimmt, so kann, wie erwähnt, ausser der Peripherie auch das Zentrum gefärbt sein, in welchen man in einzelnen Fällen ein oder zwei und mehrere schwarze Körnchen, oder bald kurze, bald etwas längere Stäbchen sieht. Wenn nun im Zentrum nur zwei solche Körnchen vorhanden sind, und wenn dieselben, wie es oft der Fall ist, mit einem schmalen durchsichtigen Hofe umgeben sind, so erhalten wir genau das von Gurwitsch beschriebene Bild, welches für diesen Autor ein Beweggrund war, jene schwarze Körnchen als Centrosomen zu betrachten (Fig. 5). Zur Frage über den sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 199 Die oben erwähnte Eigentümlichkeiten des Dotterkerns kann ich auf keine Weise der Unvollkommenheit der Färbung zuschreiben — dafür spricht sowohl das allgemeine Aussehen des Präparats, wie auch, hauptsächlich, der Charakter der ge- färbten Körperchen selbst. Hier sind die Angaben v. Lenhossek’s (9) zu erwähnen auf welche Gurwitsch hinweist. An seinen Präparaten, welche lange mit Eisenalaunlösung behandelt oder schwach entfärbt waren, sah v. Lenhossek an den Rändern der Sphäre fnehrere Körnchen oder Kügelchen weiche oft dieselbe nach Art eines ununterbrochenen Ringes umschlossen. Die Präparate, welche zu meiner Verfügung standen, können nicht als schwach entfärbte angesehen werden und ich meine. dass die von mir beschriebenen Eigentümlichkeiten der Färbung verschiedener Teile des Balbiani’schen Körpers nicht nur durch die Unvollkommenheit der Färbung allein erklärt werden können. Im Uebrigen sogar, wenn wir zulassen, dass die Präparate lange mit Eisenalaunlösung behandelt oder schwach entfärbt waren, verliert auch in solchem Falle der Unterschied in der Färbung verschiedener Teile des Dotterkerns schwerlich seine Bedeutung. Auf Grund derselben Präparate gelangt v. Lenhossek selbst zu der Ueberzeugung, dass die Peripherie der Sphäre von grösserer Dichtigkeit sei, als der zentrale Teil. Die meisten Eier enthalten nur einen Dotterkern, nur ganz vereinzelte Eier besitzen zwei solche Bildungen (s. Fig. 7). Nach der Grösse derselben zu urteilen, können sie nicht das Resultat des Zerfalls eines Dotterkerns in zwei Teile vor- stellen, sondern müssen als zwei selbständige Bildungen be- trachtet werden. In den Ooeyten der älteren Follikel, welche mit einer doppelten Reihe von Granulosazellen umgeben sind, ist mir der Dotterkern seltener vorgekommen ; während fast jede Oocyte der Primärfollikel einen Dotterkern besitzt, gelang es mir, in den mehr entwickelten Foliikeln in einer ganzen Serie von Schnitten nur ein Ei zu beobachten, dessen Ooplasma einen echten Dotterkern enthielt. Dem Aussehen des Präparates nach kann man dieses Fehlen des Dotterkerns nicht dem Umstande zuschreiben, dass der an- gesammelte Dotter uns den in denselben eingebetteten Dotter- 200 K. v. Skrobansky: kern nicht hätte bemerken lassen, sondern es erklärt sich, meiner Meinung nach, durch das in der Tat seltene Vorhanden- sein desselben in derartigen Eiern. Das Körperchen, welches ich in dem Ei des ebenerwähnten mehr entwickelten Follikels beobachtete, war ganz deutlich aus- geprägt und stellte ein längliches, leicht gebogenes Stäbchen mit abgerundeten Enden dar. Es lag in dem Ooplasma und zwar nicht an der Seite seiner grössten Anhäufung, sondern im Gegen- teil da, wo dasselbe am schmalsten ist (Fig. 8). Ich will daraus keinen Schluss über die Dauer der Dotter- kernexistenz in den Eiern des Meerschweinchens ziehen, da mir nur wenig Material zur Verfügung stand, vor allem aber, weil eine ganze Reihe von Beobachtungen darauf hinweist, dass bei einigen niederen Tieren, wie z. B. bei den Spinnen, der Dotter- kern sehr lange bleiben kann, nämlich bis das Ei sich in ein junges Spinnchen entwickelt hat. Als Beispiel für das lang an- dauernde Vorhandensein des Dotterkerns in den Eiern der Säuge- tiere kann die Arbeit Reins (11) dienen, welcher bei drei Kaninchen in den Ovarialeiern den Dotterkern beobachtete zwei Mal in reifen Eiern, deren vesiculae germinativae an der Peripherie lagen, und einmal in einem vollständig entwickelten Ei, 8 Stunden nach der Begattung. In zwei Fällen war der Dotterkern fast im Zentrum des Dotters befindlich; seine fein- körnige Substanz enthielt kein gefärbtes Körnchen. Ausser dem von uns geschilderten Dotterkern stösst man bei der Untersuchung sowohl der jungen als auch der mehr ent- wickelten Oocyten oft auf besondere Bildungen, welche gewöhnlich in einem Zusammenhang mit dem Dotterkern und sogar, wie es mir scheint, als ein solcher beschrieben sind (v. Wini- warter [18]). Das sind sich intensiv mit Eisen-Hämatoxylin färbende, nach ihrer Grösse und Form sehr verschiedene Körner, welche in dem ganzen Ooplasma verteilt sind. In den allerjüngsten Oocyten des von mir untersuchten Eierstockes liegen sie gewöhnlich in einer ziemlich bedeutenden Anzahl neben dem Dotterkern, indem sie sich oft dem Dotter- kernlager!) anschliessen. ') Van der Stricht erwähnt in dem Dotterkernlager (couche vitellogene) das Vorhandensein von Körnern, welche nach der Fixierung mit Hermanns Flüssigkeit ganz schwarz gefärbt sind und welche er als Fett- Zur Frage über den sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 201 Meistenteils sind diese Körner kugelförmig. Ihre Grösse: in einer und derselben Oocyte schwankt von einem grossen, schon mit mittleren Vergrösserungen (Zeis. Oc. 2 D.D.) sicht- baren Korn bis zu den kleinsten, sogar mit Hilfe sehr starker Vergrösserungen (Zeiss. Comp. Oc. 12. Im. Apochr. Aper. 1,50 Brennw. 2) kaum erkennbaren Körnchen. Ausser den Körnchen, welche in der nächsten Nähe des Dotterkerns, meistenteils, wie gesagt, in dem körnigen Dotter- kernlager vorhanden sind, kann man derartige Bildungen auch an anderen Stellen des Ooplasmas beobachten und zwar auch in dem schmaleren Teile des Ooplasmas. Diese Körnchen besitzen eine gewisse Neigung zur Gruppierung; infolgedessen begegnen wir oft in den jungen Follikeln Inselchen, welche zwei, drei und mehr schwarzgefärbte Körnchen enthalten (Fig. 5). In den mehr entwickelten Follikeln, wie z. B. Figur 6 einen solchen darstellt, kommen derartige Körnchen eben so oft wie in den jungen vor, indem sie hier einen umfangreichen Haufen von deutlich körnigem Charakter bilden. Wir beobachten hier scheinbar dieselben Bildungen, welche beiläufig Gurwitsch erwähnt. Er hat „körnige Plasma- einlagerungen“ gesehen, welche Kügelchen von verschiedener Grösse darstellen und haufenartig geordnet sein können. Sie färben sich sehr intensiv mit Eisen-Haematoxylin und entsprechen, wie der Autor voraussetzt, den sogenannten „chromatischen Körpern“ Lenhossek’s, der Spermatocyten. Ich möchte bemerken, dass eine Veranlassung, einen Ver- gleich zu ziehen, hier kaum vorliegt; sie würde sich lediglich auf das Vorhandensein der beiden Bildungen in dem Protoplasma gründen. v. Lenhossek, welcher die „‚chroma- toiden Nebenkörper Bendas“ in den Spermatocyten der Ratte beobachtete, hat nur zwei solcher Körper gesehen, welche eine ganz bestimmte Lage haben (gewöhnlich an den gegenüber- kügelchen („boules graisseuses“) betrachtet. Seinen Abbildungen nach, können diese Körner die Veranlassung geben zur Verwechslung derselben mit einigen der von uns abgebildeten Körnchen. Der Vergleich wird aber unmöglich, da meine Objekte in Zenker’scher Flüssigkeit fixiert waren, mit weiterer Nachbehandlung durch Alkohol (mit Jodtinktur) und Xylol, wo- durch jede Möglichkeit des Vorhandenseins von Fetttröpfchen ausgeschlossen ist. 202 K. v. Skrobansky: liegenden Polen des Zellenleibes), Benda selbst aber hat nur einen solchen Körper gefunden. Die von mir beschriebenen Bildungen kommen manchmal in einer sehr grossen Anzahl vor und besitzen keine bestimmte Lage. Dasselbe folgt, wie mir scheint, auch aus der kurzen Be- schreibung Gurwitschs. In der kurzen Mitteilung von v. Winiwarter, welcher auch derartige Bildungen in den Oocyten des Kaninchens beobachtete, aber immer nur je eine in jedem Oocyte, sind diese Bildungen als Dotterkerne betrachtet, während v. Winiwarter den von Gurwitsch und hier von mir geschilderten Dotterkern für ein Idiozoma hält. Von den weiteren Eigentümlichkeiten der beschriebenen, durch Eisen-Haematoxylin stark gefärbten Körperchen ist von .be- sonderem Interesse der Umstand, dass die einzelnen Körnchen und bisweilen aus zwei, drei und mehreren Körnchen bestehende Gruppen, mit einer deutlichen, durchsichtigen Zone umgeben sein können, was diese Bildungen sehr den Centrosomen ähnlich macht. Derartige von einem durchsichtigen Hofe umschlossene Körperchen fehlen entweder vollständig in der Oocyte, oder je zwei und mehr sind in einer und derselben Oocyte vorhanden, bald in der Nähe von einander liegend, bald sich an den gegenüberliegenden Enden des Zellenleibes befindend (Fig. 5, 6, 8). In den jungen Oocyten ist die Anzahl dieser Körnchen scheinbar kleiner als in den grösseren Eiern, aber sie sind hier dichter aneinander geordnet und liegen im allgemeinen in dem Gebiete des Dotterkernlagers oder in seiner nächsten Nachbar- schaft. In den mehr entwickelten Follikeln beobachten wir diese Anhäufung der Körnchen nicht ; im Gegenteil liegen sie hier in der ganzen Ausdehnung des Zellenleibes zerstreut. Nur an einzelnen Stellen bilden sie bisweilen eine umfangreiche Masse (Fig. 6, 8). Ich muss noch bemerken, dass man in dem Ooplasma der Eier der weiter entwickelten Oocyten eine sehr grosse Anzahl winziger Pünktchen nachweisen kann, welche so klein sind, dass sie gewöhnlich übersehen werden und nur bei sorgfältigster Untersuchung mit Hilfe sehr starker Vergrösserungen zu er- kennen sind. Sie sind in dem ganzen Ooplasma verteilt und bilden hier zuweilen kleine Gruppen (Fig. 8.) Zur Frage über den sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 203 Was die Wechselbeziehungen betrifft, welche meinen Prä- paraten nach, zwischen Dotterkern und dem umgebenden Dotter- kernlager und den oben geschilderten, durch Eisen-Haematoxylin stark gefärbten Körperchen bestehen, so bemerke ich Folgendes: Da die oben erwähnten Körperchen während des Vor- handenseins des Dotterkernlagers und zwar in demselben nachweisbar sind und da das Erscheinen dieser Bildungen schein- bar mit dem Verschwinden des Dotterkernlagers verbunden ist, so kann man annehmen, dass das.Dotterkernlager die Substanz ist, welche durch ihre Differenzierung diejenigen Elemente bildet, welche in unserem Falle fähig sind, das Eisen-Haematoxylin anzunehmen. Diejenigen Körnchen aber, welche an verschiedenen Stellen des Ooplasmas, und nicht an der Stelle des früheren Dotter- kernlagers vorkommen, entstehen, aller Wahrscheinlichkeit nach, aus den Trümmern desselben, welche nach den Untersuchungen van der Strichts in die verschiedenen Teile des Ooplasma hineingeraten können. Man kann auch nicht ableugnen, dass derartige Bildungen durch neue Differenzierungen des Ooplasmas. selbst entstehen können, und in solchem Falle die Pseudochromo- somen im Sinne Heidenhains darstellen. Die sehr interessante und wichtige Frage über die Ent- stehung der oben geschilderten Bildungen (Dotterkern und Pseudochromosomen) und über ihre Bedeutung ist noch nicht zu einer definitiven Entscheidung gekommen. Wie bekannt, betrachten die meisten Autoren den Dotter- kern als eine Sphäre (Idiozoma-Meves), indem sie sich auf die grosse Aehnlichkeit dieser beiden Bildungen stützen. Der Zusammenhang des Dotterkerns mit dem Idiozoma be- kam noch mehr Unterstützung durch die Beobachtungen Gur- witschs, welcher in dem Eierstocke eines kaum ausgetragenen Meerschweinchens die meisten Eier in verschiedenen Stadien der -Kernteilung sah, indem es ihm gelang, die Beziehung des Dotter- kerns und der in demselben eingeschlossenen Centralkörperchen zu den Mitosen zu verfolgen. Trotzdem kann ich nicht umhin, die Tatsache zu betonen, dass v. Winiwarter (16) bei seinen speziellen Untersuchungen über Oogenese, in den von Gurwitsch beschriebenen Zellen nicht nur keine Idiozomen mit Centralkörperchen, sondern auch sogar keine Kernteilungsbilder beobachten Konnte. 204 K. v. Skrobansky: Auf Grund meiner eigenen Untersuchungen über Oogenese kann ich mich auch nicht der Ansicht Gurwitschs vollkommen anschliessen. Ich habe bei der Teilung der Oogonien (welche Gurwitsch inexakt mit dem Namen Oocyten bezeichnet) keine Centrosomen gesehen, obwohlich ein reichliches Material benutzte. In den Eiern der Primärfollikel des Schweines, und zwar in der Anfangsperiode der Dotterbildung, habe ich jedoch eine kuglige Bildung beobachtet, welche in der nächsten Nähe der vesicula germinativa gelagert ist und kein zentrales Körperchen zeigt. Sie ist regelmässig rund, blass und scharf konturiert. Dieses Körperchen ist mir nicht oft vorgekommen und, wie ge- sagt, nur in den Oocyten der Primärfollikel, aber niemals in den Oogonien. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies die erste An- lage des Dotterkerns (Fig. 9). Alles oben erwähnte berechtigt mich nicht, die Bildung dieses Körperchens in Zusammenhang mit der Teilung der Oogonien zu bringen und es als zu einer Sphäre gehörig zu betrachten. Was die oben geschilderten, durch Eisen-Haematoxylin stark gefärbten Körperchen betrifft, so ist es noch schwerer, ihre Ent- stehung und Bedeutung zu bestimmen. Neuerdings beschreibt van der Stricht in den Eiern der Fledermäuse das Corpus Balbiani, um welches herum lange, an- fangs feine verwickelte Fäden vorkommen, welche sich mit Safranin tief rot und mit Eisen-Haematoxylin intensiv blau färben. In den mehr entwickelten Eiern verdicken sich diese Fäden, ‚entfernen sich von dem Dotterkern und bilden einen „pseudo- noyau“, welcher intensiver als das Keimbläschen gefärbt ist. Später entfernt sich der „pseudo-noyau“ noch mehr von dem Keimbläschen und zerfällt in schwer färbbare Stücke, welche sich in dem ganzen Ooplasma verteilen. An Eisen-Haematoxylinpräparaten kann man konstatieren, dass diese Stücke — „Vitellogenhaufen* — durch die Ansamm- lung einer grossen Anzahl kleinster Mikrosomen bedingt sind und sich den cytoplasmischen Fäden des Ooplasmas entlang ziehen. Mit dem Wachstum des Eies und mit der Vermehrung des Dotters verkleinert sich die Anzahl und die Grösse der „Vitel- logenballen“, welche, also scheinbar, zur Dotterbildung dienen. Van der Stricht bezeichnet diese Fäden als „Pseudo- chromosomen“ (M. Heidenhain), ohne sie aber mit den Zur Frage über den sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 205 Heidenhain’schen Pseudochromosomen gleichzustellen und meint, dass sie eine grosse Aehnlichkeit mit den „Archoplasma- schleifen“ Hermanns besitzen und mit den Chondromiten v. Winiwarters, welche Letzterer rings um den Dotterkern beim Weibe fand und welche von Czeirmak bei der Forelle be- schrieben sind, sowie auch teilweise mit dem „protoplasma superieur“ Prenants, Garniers und M. und P. Bouins. Ich bemerke hierzu, dass die von mir beschriebenen Bildungen morphologisch den von van der Stricht und d’Hollander geschilderten Pseudochromosomen ähnlich sind. Meine Befunde gestatten mir also, wie man sieht, nicht, den Balbiani’schen Körper, wie ihn Balbiani selbst, van der Strieht, Gurwitsch, v. Winiwarter und ich an ver- schiedenen Oocyten gefunden haben, ohne weiteres mit einem Sphärenapparate zu identifizieren. Es wird vor allem darauf ankommen, die erste Entstehung dieses Körpers nachzuweisen und über seine etwaigen Beziehungen zur Zellteilung ins Klare zu kommen. Die negativen Ergebnisse, zu denen ich mit v. Winiwarter u. A. gekommen bin, lassen es noch nicht zu, sich der Deutung von Gurwitsch ohne weiteres anzuschliessen. Die Frage über die Entstehung dieser Bildungen kann bis jetzt nur mit verschiedenen Vermutungen beantwortet werden; eine endgültige Entscheidung wird sich erst nach Lösung des Problems der gesamten Oogenese geben lassen. Verzeichnis der zitierten Literatur. 1. Balbiani: Centrosome et „Dotterkern“. P. 145, Journal d’Anatomie 1893. 2. v. Bambeke: Contribution ä l’histoire de la constitution de l’oeuf. Achives de Biologie, 1898, p. 511. 3. Carus: Ueber die Entwicklung des Spinneneies. Zeitschr. f. wissensch. Zool. II, 1850. 97—104. 4. Heidenhain, M.: Ueber die Zentralkapseln und Pseudochromosomen in den Samenzellen von Proteus, sowie über ihr Verhältnis zu den Idiozomen, Chondromiten und Archoplasmaschleifen. Anat. Anz Bd. XVIII. 1900. 5. Henneguy: Le corps vitellin de Balbiani dans l’oeuf des Vertebres. Journal d’Anatomie, 1893, p. 1. 6. Holmgren: Von den Oocyten der Katze. Anat. Anz. XVIII. 1900. 7. Gurwitsch, A.: Idiozom und Zentralkörper im Övarialeie der Säuge- tiere. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 56, S. 377. 1900. 3. Korschelt u. Heider: Lehrbuch der vergl. Entwicklungsgesch. der wirbellosen Tiere. Jena 1902. 206 K.v.Skrobansky: Zur Frage üb. d.sogen. Dotterkern bei Wirbeltieren. 9. Lenhossek, M., v.: Untersuchungen über Spermatogenese. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 51. 1898. 10. Meves: Ueber oligopyrene und apyrene Spermien und über ihre Ent- stehung Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 61. 1902. 11. Rein, G: Beiträge zur Kenntnis der Reifungserscheinungen und Be- fruchtungsvorgänge am Säugetiere. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 22. 1883. S. 233. 12. van der Stricht: Les „Pseudochromosomes“ dans l’oocyte de Chauve- Souris (Communication pr@liminaire). Verhandl. der anatomischen Ge- sellschaft auf der sechszehnten Versammlung in Halle. 1902. 13. van der Stricht: Für F. D’Hollander — Idem. 14. van der Stricht: ÜContribution & l’etude du noyau vitellin de Balbi- ani dans l’oocyte de la femme. Verh. d. anat. Ges. Kiel. 1898. 15. van der Stricht: La repartition de la chromatine dans la vesicule germinative de l’oocyte de la femme. Verh. d. anat. Ges. Kiel. 1898. 16. Waldeyer, W.: Handbuch der vergl. und exper. Entwicklungslehre der Wirbeltiere 9. Liefer. Jena. 1901. 17. Winiwarter, v.: Recherches sur l’ovogenese et l’organogenese de l’ovaire de Mammiföres. Arch. de Biol. 1901. XVII. 15. Winiwarter, v.: Nachtrag zu meiner Arbeit über Ovogenese der Säugetiere. Anat. Anz. Bd. XXI. 1902. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X1. Sämtliche Figuren sind mit Zeiss Apochromat 2 mm (Aper 1,30) und Comp. Oc. 12 entworfen. Die Präparate sind in Zenker’scher Flüssigkeit fixiert und mit Eisen-Haematoxylin gefärbt. Fig. 1. Dotterkernlager mit dem Dotterkern. An der Peripherie und im Zentrum des Dotterkerns sieht man durch das Eisen-Haematoxylin stark gefärbte Körnchen. Fig. 2. Dotterkern und Dotterkernlager mit denselben Körnchen. Fig. 3. Dotterkernlager ohne Dotterkern. Fig. 4. Dotterkern liegt frei in dem Ooplasma, abgetrennt von dem Dotter- kernlager. . Zwei Primärfollikel. In dem Dotterkerne der ersten Oocyte sind zwei dunkel gefärbte Pünktchen eingebettet, was diesen Dotter- kern einer Sphäre mit zwei Zentralkörperchen sehr ähnlich macht. In dem Dotterkerne der zweiten Oocyte sieht man stark gefärbte: Kügelchen und längliche Stäbchen. Fig. 6. Ein reifender Follikel. Stark gefärbte Körnchen von verschiedener: Grösse. Einige Körnchen sind mit einem durchsichtigen Hofe- umgeben. Die anderen bilden umfangreiche Haufen. [S%) [bt Fig. Fig. 7. Eine Oocyte mit zwei Dotterkernen. Fig. 8. Ein reifender Follikel mit dem Dotterkern. 8 Fig, 9. Eine Oocyte aus dem Eierstocke eines Schweineembryos von 20,1 em Körperlänge. 207 Aus dem histologischen Laboratorium der K. militär-med. Akademie in St. Petersburg. Prof. Dr. M. D. Lavdowsky fr. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. Von Dr. W. Rubaschkin. Hierzu Tafel XII und XIII. Schon vielfach hat der Bau des Amphibiengehirns die Auf- merksamkeit der Forscher auf sich gelenkt, sowohl in rein morphologischer Beziehung, wie auch durch seinen feinen Bau und den Verlauf der Nervenstränge. Bereits Carus (1), Trevirianus (2) und Tiede- mann (3) haben eine ausführliche Beschreibung des Gehirns der Amphibien gegeben. In neuerer Zeit beschäftigten sich Stud- nıcka (4), Burkhardt (5) und Andere mit einigen anatomi- schen Eigenheiten desselben, um den allgemeinen Plan des Baues des Gehirns der Wirbeltiere zu erklären. Nicht weniger genau und ausführlich wurde die Richtung der verschiedenen Leitungs- bahnen, die aus dem Rückenmark in die mannigfaltigen Ab- teilungen des Gehirns eindringen, so wie auch solcher, die in letzteren entstehen, erforscht. Eine Reihe hervorragender Arbeiten (Osborn (6), Bollonei (7), Koeppen (8), Wlassak (9) Edinger (10) und Andere) ist der Erforschung dieses (rebietes gewidmet worden. Ueber den speziell histologischen Bau des (rehirns ist verhältnismässig wenig gearbeitet und längst noch nicht alles erschöpft, was an den Amphibien zu studieren wäre. Die ersten Erforscher des mikroskopischen Baues des Markes der Amphibien sind: Hannover (13), Reissner (14), besonders aber Stieda (15). In letzter Zeit wurde der Bau der verschiedenen Teile des Gehirn- und Rückenmarks der Amphibien vonOÖyarzum(16),Lavdowsky(17),Koelliker(18), Edinger, und hauptsächlich von Pedro R.y Cajal (19) mit neuen Methoden erforscht. Um in meiner Beschreibung des Baues verschiedener Gebiete des Gehirns der Amphibien Einheitlichkeit zu erzielen, und um den durch terminologische Verschiedenheit der Autoren hervor- gerufenen Missverständnissen vorzubeugen, will ich die Termino- logie von Wiedersheim und Gaupp (22) beibehalten und nebenbei die Benennungen anderer Autoren anführen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 14 208 W. Rubaschkin: Methodik der Untersuchung. Bei meinen Forschungen bediente ich mich der Methode der Impräg- nation mit doppelchromsaurem Silber, nahm aber an ihr einige Modifikationen vor, indem ich ausser dem Chrom und Osmium, Formalin (Schering) der fixierenden Mischung zufügte, und zwar in folgendem Verhältnis: 2% Kalii. bichromiei ': Ar sat a E BEER ORMIEL. 27. ...— 10 Formalini (40°/o u LE (ekhenne) — 50 Diese Mischung wird ex tempore bereitet, weil sie nach 24 Stunden dunkelt und anscheinend ihre fixierenden Eigenschaften verliert. Gewöhnlich ging dem Fixieren, gleich post mortem oder auch intra vitam, eine Injektion mit einer 5°/o Lösung von Kalium bichromieum voran. Noch besser ist der Vorschlag Prof. Lavdowskys, die vorläufige Injektion mit einer gesättigten Lösung von neutralem Chromkalium oder Chrom- rubidium (Frau Tatiana von Lavdowsky [23]) zu machen. Zehn bis fünfzehn Minuten nach der Injektion wurde das Mark herausgenommen, in 1, bis 1 cm grosse Stücke geteilt, die dann 12—18 Stunden in oben- erwähnter Mischung fixiert wurden. Mitunter fügte ich zur Fixierung noch Essigsäure hinzu, bis zu 1°o (acid. acet. glac. — 1 cem auf 100 cem der Fixierflüssigkeit nach Lav- dowsky). Die Wirkung der Essigsäure, gleich wie die der Ameisensäure (nach Lavdowsky), zeigt sich bei diesem Verfahren vor Allem an der Sauberkeit der Präparate, die vollständig frei von Niederschlägen sind. Jedoch muss bemerkt werden, dass hierbei auch nur die Schnitte aus der Oberfläche des Präparats das volle deutliche Bild zeigen, mit anderen Worten: die Wirkung der Fixierung beschränkt sich auf die oberflächlichen Schichten. Deshalb muss auch hier die vorbereitende Injektion stattfinden; dann vollzieht sich die Färbung in allen, selbst in den tiefsten Schichten des Organs. Sowohl argent. nitric. fusum, als auch cristallisatum werden mit gleichem. Erfolg zur Imprägnation benutzt. Die Silberlösung war bis zu 2°/o stark. Solch’ starke Lösung verdient, meiner Meinung nach, den Vorzug gegenüber den schwachen, da bei den letzteren das aus dem Präparate diffundierende Chromsalz fast alles Silber niederschlägt und dieses sich in Form von goldigem Flitter absetzt, der Rest aber augenscheinlich zu einer Verbindung mit dem in die Nervenelemente eingedrungenen Chrom nicht ausreicht. Die Imprägnation dauert 8—12 Stunden; dann werden die Stückchen in Celloidin eingeschlossen und in üblicher Weise zur mikro- skopischen Untersuchung vorbereitet. Zur Aufhellung des Präparates eignet sich ozoniertes Terpentin am besten, wie es schon im Jahre 1885 von Prof. Lavdowsky (24) empfohlen wurde. Um diese Flüssigkeit zu erhalten, konzentriert man Terpentin (Ol. Terebenth rectif) anhaltend in offenen Gefässen, bis es eine syrup- ähnliche Masse wird. Die Anwendung des verdickten Terpentins hat noch den Vorteil, dass das Celloidin dabei nicht schrumpft, was fast immer bei Benutzung von Xylol, Tolnol u. and. stattfindet. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien 209 Als Material meiner Forschungen dienten die Anuren: Rana temp., Rana esculenta, Bufo vulg.; und die Urodelen: Salamandra macul. und Triton punctatus. Die Neuroglia. Das Stützgewebe des Gehirns ist bei den verschiedenen Arten der Amphibien nach demselben Urbild, wie das der niederen Wirbeltiere, gebaut. Die Neuroglia der Amphibien besteht nach einigen Autoren nur aus Ependymzellen und ihren Fortsätzen (Retzius [25], Kölliker, Oyarzum, Neumayer [26] u. and.), nach anderen enthält sie ausser den Ependymzellen noch eine geringe Menge von sternförmigen Zellen (Lavdowsky [17]). Das Vor- handensein der sogenannten Uebergangsformen, die fast bei allen Klassen der niederen Wirbeltiere festgestellt sind, wurde in Bezug auf die Amphibien durch Retzius einem starken Zweifel unterworfen. Die im Folgenden geschilderten Facta sollen beweisen, dass das Gehirn der Amphibien in dieser Hinsicht keine Ausnahme von der für die niederen Wirbeltiere aufgestellten allgemeinen Regel bildet. Den Hauptbestandteil des Stützgewebes des Gehirns und Rückenmarks bilden die Ependymzellen, die die Oberfläche der Ventrikel und des Zentral-Kanales auskleiden (Fig. 1 u. 3). Gewöhnlich senden diese Zellen, die bald eine regelmässige Zylinderform, bald eine leicht gestreckte Ovalform haben, einen ziemlich dicken Fortsatz nach aussen in das Markgewebe; dieser teilt sich früher oder später in sekundäre Fortsätze, die letzteren geben wiederum neue Zweige, die in verschiedenen Richtungen in das Gewebe des Gehirns eindringen, sich mit den entsprechen- den Fortsätzen der Nachbarzellen verbinden und so ein dichtes Stroma — das Stützgewebe bilden, in dem die Nervenelemente eingebettet sind. An der Peripherie des Gehirns in der Nähe der weichen Hirnhaut erreicht die Verzweigung dieser Fortsätze eine besondere Dichtigkeit; ein Teil derselben endigt anscheinend, ohne die Pia zu erreichen, die anderen jedoch reichen bis zu ihr, indem sie die sogenannte Subpial-Schicht der Neuroglia bilden, die in den Fasern der weichen Hirnhaut fest anliegt. Wie schon oft von den Forschern vermerkt worden ist, sind alle Fortsätze der Ependymzellen mit zahlreichen Seiten- 14* 210 W. Rubaschkin: . ästchen oder Fibrillen (appendices) bedeckt, die bald kurz, bald lang, ihnen ein charakteristisches bemoostes Aussehen ver- leihen. Die Eigentümlichkeiten dieser Fortsätze genau zu schildern, ist ziemlich schwer, daher gibt eine Zeichnung in diesen Fällen mehr, als die ausführlichste Beschreibung (Fig. 4). Ueberhaupt kennzeichnen sich die Appendices der Ependymzellen- fortsätze durch ihre ausserordentliche Mannigfaltigkeit in Ver- teilung und Aussehen: bald gehen sie in Form dichter Bündel, die aus einer Menge kurzer und langer Fortsätze bestehen, ab, bald besäen sie den Fortsatz der Ependymzelle als von einander getrennte Härchen, behalten aber immer ihre unregelmässige Form, indem sie, sich stellweise erweiternd, stellweise verengernd, varix-artige Verdickungen bilden; dadurch erinnern sie mehr oder weniger an die Appendices der Nervenzellen-Dendriten. Die Ependymzellen aller Teile des Amphibiengehirns be- sitzen dieselbe morphologische Beschaffenheit, ausgenommen die Veranlagung, ihre Seitenäste früher oder später abzugeben. So besitzen die Ependymzellen des Vorderhirns (Hemisphaeria, bulb. olfaetor.) und der Basis des Mittelhirns eine besonders grosse Anzahl von Aesten, die gleich am Anfangsteil des Fort- satzes entstehen; im lob. opticus dagegen tritt, wie auch Retzius bemerkt, die Teilung des peripheren Fortsatzes ziemlich spät ein, mitunter erst hart an der Oberfläche . des Gehirns. Hier muss noch gesagt werden, dass die Ependymzellen des Gehirns nur mit einem peripheren Fortsatz versehen sind, und solche Fortsätze, die sich nach dem Innern des Ventrikels richten, nicht besitzen — im Gegensatz zum Rückenmarke und dem ihm nächstliegenden Teile des verlängerten Markes, wo von der Ependymzelle zahlreiche dünne, der Appendices entbehrende Fortsätze abgehen, die teils im Gebiete des Zentralkanals endigen, teils ins Innere desselben eindringen. Dadurch ist der ganze Zellkörper mit zahlreichen Zweigen versehen, was, wie es oft beschrieben worden, auch bei dem Embryogehirn der Warm- blüter der Fall ist. Ausser den Zellen, die die Oberfläche der Ventrikel be- kleiden, dienen zur Bildung des Stützgewebes auch die Stern- zellen der Neuroglia — die „Astrocyten“. Die nach der ge- wöhnlichen Methode (mittels Thionin, Toluidinblau,Haemat- oxylin u. s. w.) gefärbten Präparate weisen in der weissen Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 211 Substanz des Gehirns, wie auch des Rückenmarks der Amphibien zahlreiche Zellen auf, die nichts anderes, als die Zellen der Neu- roglia sein können. Mit Hilfe der für die Neuroglia speziell ausgearbeiteten Färbungen wird bewiesen, dass diese Zellen der weissen Substanz wirklich Sternelemente der Glia sind, sog. Astrocyten, Spinnenzellen etc. Da aber merkwürdiger- weise bei der Behandlung nach Golgi gerade diese Zellen, un- geachtet der vollen Imprägnation der übrigen Neurogliaelemente, sowohl im Gehirn, als auch im Rückenmark nur mit grosser Mühe entdeckt werden, und auch das nicht immer, so begründet sich hierauf vielleicht die Meinungsverschiedenheit in Bezug auf ihre Existenz. In den Fällen aber, wo es sie zu entdecken ge- lingt, erhält man ein so klares Bild, dass kein Zweifel an ihrer Existenz möglich ist. Diese Sternzellen haben, wie Figur 4 zeigt, einen kugel- förmigen Körper mit zahlreichen, langen Fortsätzen, die in allen Richtungen aus der Zelle treten. Zum Unterschiede von den Fortsätzen der Ependymzellen entbehren alle diese Fortsätze der Moos-Fibrillen und haben ein gleichartiges glattes Aussehen. Der Menge der Fortsätze und deren Richtung nach, können diese Zellen zu keiner der Kategorien von Gliazellen gerechnet werden, die Lloyd Andiezen und Retzius für Gliazellen erwachsener Warmblüter festgestellt haben. Sie erinnern mehr an die embryonalen, primordialen Sternzellen der Neuroglia, die Retzius als Urbild der Astrocyten des voll entwickelten Gehirns dar- gestellt hat. Zu solchen noch nicht vollständig differenzierten Zellen gehören alle Sternelemente der Neuroglia des Amphibiengehirns. Ausser diesen Zellen, die mehr oder weniger den ächten Astrocyten verwandt sind, und den Ependymzellen, gelang es mir, im Gehirn der Amphibien Uebergangsformen von ersteren zu letzteren zu entdecken. Dieselben befinden sich in den massiveren Teilen, nämlich der Basis des Mittel- (Bas. Mesen- cephali) und im Zwischenhirn (Diencephalon). in den anderen Teilen dagegen — den Hemisphären und lo b. optieus — sind sie nicht vorhanden. Diese Zellen liegen in einiger, mitunter sogar recht grosser Entfernung von der Oberfläche des Ventrikels und gleichen in ihrem Bau bald mehr den Ependymzellen, bald mehr den stern- förmigen (Fig. 2 und 3). al W. Rubaschkin: Im ersten Falle liegen sie meistenteils unweit vom Epithel des Ventrikels, haben einen grossen, unregelmässigen Zellkörper und zahlreiche, mit Härchen bedeckte Fortsätze. Stets treten unter diesen entweder zwei dicke und lange Fortsätze, die nach verschiedenen Seiten auslaufen — der eine zum Ependym des Ventrikels, der andere nach aussen zur Oberfläche des Gehirns — oder nur ein äusserer peripherer besonders hervor. Diese Zellen stellen augenscheinlich das erste Stadium der Umwandlung der Ependymzellen in Sternzellen vor und behalten deshalb, wenn auch weit vom Zentralkanal entfernt, die für die Ependymzellen typische Richtung der dieken Hauptfortsätze bei (Fig. 2). Im zweiten Falle — wenn die Uebergangsformen mehr den sternförmigen Zellen ähneln — fehlen die dicken Hauptfortsätze, und zahlreiche, in morphologischer Hinsicht gleiche Fortsätze laufen nach allen Richtungen vom Zellkörper aus, indem sie den Zellen das Aussehen von Sternzellen verleihen, zugleich aber die bloss den Ependymzellen eigenen Appendices besitzen (Fig. 3). So finden wir in dem Gehirn der Amphibien zugleich fast alle Entwicklungsstadien der Neuroglia: von ihrem Urbild — der Ependymzelle — bis zu der Sternzelle des voll ent- wickelten Gehirns. Demnach bildet das Gehirn der Amphibien in Bezug auf den Bau der Neuroglia keine Ausnahme von dem aller niederen Wirbeltiere, für welche, nach den Forschungen von Retzius, R.yCajal, Kölliker u. and., alle drei Arten der Neurogliazellen festgestellt worden sind. Bulbus olfactorius. Der Bulbus olfactorius des Amphibiengehirns stellt einen leicht gestreckten ovalen Körper vor, der von den Hemisphären durch eine kleine Furche (fovea limbica) getrennt ist. Duıch eine dorsale und ventrale Furche (sulei mediani dorsalis et ventralis) wird der Bulbus an der Oberfläche in zwei Hälften getrennt, bildet jedoch im Innern ein Ganzes, da die medialen Flächen ineinander fliessen. Nach vorn zu werden die Hälften enger und gehen in die Riechnerven über. Auf imprägnierten Präparaten der Bulbi sieht man folgende Schichten: 1. Die Schicht der fila olfactoria. 2. Die subglomerulose Schicht. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 213 . Die Glomeruli. . Das Stratum magnocellulare. . Das Stratum granulosum. 6. Die Schicht der subependymalen Fasern. Die Schicht der Riechnervenfädchen (fila olfactoria). 1. Die Riechnervenfädchen treten von der Membrana olfactoria in Form dünner, mit Varikositäten besetzter Fasern in den Bulbus ein; bald vereinigen sie sich dabei zu sich kreuzenden Bündeln, bald setzen sie sich als einzelne dünne Fädchen fort. Alle Riechnervenfädchen sind von gleicher Dicke und gleichem Aus- sehen. Im Gebiete der Glomeruli zerfallen sie in feine End- fasern, die sich mit den entsprechenden Zellenfortsätzen der höherliegenden Schicht verflechten und so die Glomeruli bilden. or 2. Zwischen dieser und der Glomeruli-Schicht liegen Zellen, die in der mir zugänglichen Literatur nicht beschrieben worden sind. Diese Zellen, die ich unter dem Namen „Zellen des Stratum subglomerulosum“ (Fig.5 sbgl. und Fig. 6) in eine besondere Gruppe fasse, haben eine eckige, und zwar meist drei- eckige, Form, zwei, drei oder noch mehr dicke Fortsätze, die zu den (rlomeruli führen, teils die Entstehung derselben mitbewirken, teilweise aber in die tieferliegenden Schichten des Bulbus ein- dringen. Häufig kann man bemerken, dass kleine Nebenäste von diesen Fortsätzen ausgehen, die dann früher oder später in End- fädchen zerfallen und so zur Bildung der Glomeruli beitragen, während der Fortsatz selbst, allmählich dünner werdend, zwischen den Sternzellen der höherliegenden Schicht verschwindet. Ausser diesen verhältnismässig dicken Fortsätzen haben die Zellen des Stratum subglomerulosum noch einen feinen varikösen Fortsatz, der zu den Riechfäden geht. Oft kann man ihn zwischen den letzteren ziemlich weit — den ganzen Nervus olfactorius entlang bis zur Membrana olfactoria — verfolgen, aber wie er endigt konnte ich nicht feststellen. Höchstwahrscheinlich stammt wenigstens ein Teil der in letzter Zeit von R. y Cajal, Len- hossek (27) (bei den Warmblütern), Jagodowsky (28) und Aichel (29) (bei den Fischen) beschriebenen, frei in der Mem - brana olfactoria endigenden Fasern von diesen Fortsätzen her. Da aber ähnliche Forschungen an der Membrana olfactoria 214 W. Rubaschkin: der Amphibien nicht vorgenommen sind, so kann man ein ähn- liches Schicksal dieser Fortsätze bloss voraussetzen, obgleich anderseits das Vorhandensein der frei endigenden Fasern bei verschiedenen Klassen von Tieren (Fischen, Vögeln, Säugetieren) ein gewisses Recht zu dieser Annahme gibt.) 3. Die dritte Schicht — dasStratum glomerulosum — besteht aus einigen Reihen von Riechknäulchen. An der Bildung derselben beteiligen sich einerseits die letzten Aestchen der hierher gelangenden fila olfactoria und die Fortsätze des Stratum subglomerulosum, anderseits die Fortsätze der Sternzellen des Stratum magnocellulare (Fig. 5 gl... Sowohl die ersteren, wie auch die letzteren zerfallen, zu den Glomeruli gelangend, in Endzweige, wobei die Sternzellenfortsätze meist dicker und gröber erscheinen, als die der Riechnervenfädchen — was auch in Bezug auf die Glomeruli verschiedener anderer Tiere von den Forschern vielfach bemerkt worden ist. Uebrigens bezieht sich dieses bloss aut die ersten Verzweigungen an den Polen der Glomeruli, während der ganze übrige Teil aus völlig gleichen, mit punktartigen Varikositäten besetzten Fibrillen besteht. In den meisten Fällen verbinden sich in den Glomeruli nur zwei Nervenbahnen — ein filum olfactorium und ein Fort- satz der Sternzelle; doch gibt es ausser solchen verhältnismässig einfachen Glomeruli noch eine gewisse Anzahl von komplizierterer Beschaffenheit, wo sich verschiedene Elemente treffen. So nehmen an der Bildung einzelner Knäuel, worauf auch Pedro v Cajal hinweist, zwei Riechnervenfädchen teil. Anderseits breitet auch gleichzeitig mit dem Filum olfactorium und dem Fortsatz der Sternzelle der Fortsatz der subglomerulosen Zelle seine Aestchen im Glomerulus aus. Schliesslich sieht man auch häufig, dass sich im Knäuel die Fortsätze zweier Zellen des Stratum magnocellulare verzweigen. ') Zu erwähnen ist, dass, seit Brunn (30), die Mehrzahl der frei- laufenden Fasern der Membrana olfactoria zu den hier eindringenden Aestchen des Nervus trigeminus gerechnet wird (letztere sind verhältnis- mässig dicker als die Riechnervenfädchen). Allein ein gewisser Teil dieser freilaufenden Fasern unterscheidet sich weder durch seine Dicke noch durch sonst etwas von den fila olfactoria, weshalb auch Aichel den Nervus trigeminus nicht als einzigen Ursprung derselben bezeichnet, vielmehr die Möglichkeit einer anderen Entstehung zulässt. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 215 In derselben Schicht befinden sich zwischen den Glomeruli die von Pedro R. y Cajal beschriebenen kleinen Zellen (Fig. 4a) mit ihren kurzen, sich bald verzweigenden Fortsätzen, die ent- weder frei zwischen den Knäueln endigen oder ihre letzten Aestchen in dieselben senden. Andere Fortsätze, die in die übrigen Schichten des Bulbus dringen könnten, sind nicht be- merkt worden, anscheinlich dienen sie nur lokalen Zwecken der Association der Knäuel. Y 4. Die Zellen der folgenden Schicht (stratum magno- cellulare nach R. y Cajal) sind sternartig geformt und mit 5—7 nach verschiedenen Seiten auslaufenden Fortsätzen versehen. (tewöhnlich gehen 2—3, selten einer dieser Fortsätze zu den Glomeruli und nehmen an der Entstehung derselben teil. Da- durch ist jede Zelle nicht mit einem, sondern mit mehreren Glomeruli olfaetorii verbunden. Zu bemerken ist, dass diese Fortsätze, ins Stratum glomerulosum gelangend, sich in zwei Aeste teilen, die in verschiedener Richtung auseinander- gehen und in zwei verschiedenen Glomeruli endigen. Aehnliches sieht man oft im Bulbus olfactorius der Säugetiere. Ausser diesen, sozusagen Glomerulifortsätzen, gehen von den Zellen noch andere Fortsätze aus, die in morphologischer Hinsicht sich durch nichts von den ersteren unterscheiden, die aber frei zwischen den Zellen dieser Schicht und scheinbar auch zwischen den Glo- meruli endigen. Beide Arten von Fortsätzen geben auf ihrem Verlauf nicht wenig Seitenzweige, die auch ihrerseits frei zwischen den Elementen des Stratum glomerulosum und magnocellulare endigen. An vielen der erwähnten Zellen kann man noch einen dünnen varikösen Fortsatz — den Achsenzylinder (Axon) — konstatieren. Derselbe dringt durch alle Schichten des Bulbus bis in das Stratum der subependymalen Fasern, woselbst er ın der Richtung zum Mantel abbiegt. Er beginnt entweder am Körper der Zelle oder einem ihrer Dendriten und gibt auf seinem Wege die Collateralen, die zwischen den Elementen der ver- schiedenen Bulbusschichten endigen (Fig. 6ax). Bemerkenswert ist, dass man zwischen den Zellen mit mehreren Dendriten und einem Axon auch Zellen trifft, die verschiedene, allmählich in dünne, variköse Fädchen auslaufende Fortsätze besitzen. Ob wir es hier wirklich mit mehreren Axonen oder nur mit feinen, 2316 W. Rubaschkin: ihnen ähnlichen Fortsätzen, die aber in keinerlei Beziehung zu den Nervensträngen stehen, zu thun haben, ist schwer fest- zustellen. Allerdings lassen sich diese Fortsätze oft sehr weit verfolgen, und auch sonst hat man im Gehirn der niederen Wirbeltiere oftmals Zellen bemerkt, die mit mehreren in Nerven- fasern übergehenden Fortsätzen versehen waren. Lavdowsky (17) und R. y Cajal beschreiben solche Zellen bei den Batrachiern, Aichel (31) bei den Fischen, letzterer nennt dieselben Pluri- cordonalzellen. Späterhin werde ich noch einige Fälle an- führen, wo man ein ähnliches Verhältnis der Fortsätze trifft. Ferner gibt es in dieser Schicht Zellen, die die Bulbi untereinander verbinden. Hier unterscheidet man zwei Arten: erstens Zellen, die in unmittelbarer Verbindung mit den Glomeruli der entgegengesetzten Seite stehen, und zweitens solche, die nur der Association der beiden Strata magnocellularia dienen. Die ersteren sind dieselben Zellen des Stratum magnocellulare und haben einen langen Fortsatz, der durch die Mittellinie zu den Glomeruli des anderen Bulbus geht und in ihnen endigt, während die übrigen Fortsätze in demselben Bulbus, zu dem die Zelle selbst gehört, sich verzweigen; auch die Axone gehen, wie gewöhnlich, zur Schicht der subependymalen Fasern. So wird mit Hilfe dieser Zellen der anatomische Weg hergestellt, auf welchem die Geruchempfindung von den Glomeruli der einen Seite zu den Zellen der anderen gelangt. Die zweite Art Zellen steht in keiner Beziehung zu den Glomeruli. Sie haben eine gestreckt-ovale Form und sind mit zwei in horizontaler Richtung verlaufenden Fortsätzen versehen, von denen der eine sich verzweigt und im selben Bulbus endigt, der andere aber, wie man auf Horizontalschnitten beider Bulbi zusammen bemerkt, zwischen den Zellen des Stratum magno- cellulare des gegenüberliegenden Bulbus endigt. Zuweilen reicht er hart bis an die Glomeruli-Schicht, doch nie sieht man ihn an der Entstehung der Knäuel teilnehmen. 5. Die nächste Schicht — das Stratum granulosum (Fig. 5 gr.) — ist ebenso gebaut, wie die entsprechende Schicht im >ulbus der höheren Wirbeltiere. Die Zellen sind oval, mitunter auch dreieckig, geben 2—3 mit kleinen Borstchen bedeckte Fort- sätze, die in die unteren Schichten eindringen. Auf ihrem Wege geben sie Seitenzweige, die am Anfange auch mit den Appen- Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 217 dices versehen sind, nachher aber dünner werden, ihre Borstchen verlieren und in Form dünner Fasern tief in das Stratum magno- cellulare eindringen. Zuweilen erreichen sie die Glomeruli, nehmen aber augenscheinlich am Entstehen derselben keinen Anteil. Von diesen Fortsätzen weist keiner die Eigentümlichkeiten eines Axons auf: alle Fortsätze sind mit den Appendices besetzt, was bei den Achsenzylindern nie der Fall ist; darum werden die betreffenden Zellen sowohl bei den höheren, wie auch bei den niederen Wirbeltieren unter dem Namen „apolare Zellen‘ be- schrieben — augenscheinlich sind sie auch in allen Fällen solche. Vergleicht man den Bau des Bulbus olfactorius der Amphibien und den des ihm entsprechenden Bezirks im Gehirn der Säugetiere, so findet man eine grosse Ähnlichkeit in dem- selben; nur muss bemerkt werden, dass die sternförmigen Zellen nicht, wie es PedroR. y Cajal annimmt, den sog. Mitralzellen des Bulbus der Säugetiere entsprechen, vielmehr in Aussehen, Verteilung und Bestimmung der Fortsätze vollständig mit den sternförmigen Zellen der molekulären Schicht im Bulbus der Warmblüter übereinstimmen. — Mitralzellen besitzen die Amphibien nicht. Hier lasse ich ein Schema des Baus des Bulbus olfactorius der Amphibien und der Säugetiere folgen: Amphibien. | Säugetiere.) 1. fila olfactoria. ' 1. fila olfactoria. 2. Zellen der subglomerulosen | 2. — ? — Schicht. | 3. Glomeruli. 3. Glomeruli. 4. Sternförmige Zellen des 4. Sternförmige Zellen des Stratum magnocellulare. Stratum moleculare. a 5. Mitralzellen. 6. Zellen des Stratum granu- 6. Zellen des Stratum granu- losum. losum. Ausser den Zellenelementen gibt es im Bulbus olfactorius noch eine Menge feiner variköser Fädchen (Fig. 5, tr sbep). Meist entspringen sie als Axone den sternförmigen Zellen des '!) Das Schema des Bulbus olfactorius der Säugetiere ist nach Van Gehuchten (32) und Prof, Bechterew (33) zusammengestellt. 218 W. Rubaschkin: Stratum magnocellulare, dringen durch den ganzen Bulbus und gehen in die, zwischen dem Ventrikelependym des Lobus olfac- torius und den Zellen des Stratum granulosum gelegene Schicht der Nervenfasern. Mit diesen zusammen dringen sie zum Pallium vor, und treten unter seine subependymalen Fasern, worauf sie, bogenförmig ansteigend, in die Fasern des Palliums übergehen Auf ihrem weiteren Verlauf kann man sie oft die ganze Hemi- sphäre entlang verfolgen. Ein Teil dieser Fasern, die aus dem Bulbus olfactorius kommen, endigt vorzugsweise als freie Ver- zweigung in den vorderen, dem Bulbus zunächst liegenden Be- zirken des Palliums, zwischen den Dendriten der Pyramidenzellen. (worauf auch Calleja [34] bei einigen Salamanderarten hinweist), die anderen dagegen steigen nach oben und gehen, scheinbar. in die zirkulären Fasern der Hemisphären über. Demnach gehören die Fasern, die den Bulbus olfaetorius mit dem Pallium verbinden, zu jenem Bündel, das Edinger, Wiedersheim und Gaupp als fasciculus bulbo-corticalis bezeichnen. In demselben Bündel gibt es Fasern die vom Pallium zum Bulbus gehen. Sie entspringen den Zellen des dem Bulbus nächstliegenden Bezirks der Hemisphären als Achsenzylinderfortsätze und gehen im selben Bündel zuerst zum Pallium, und dann zum Lobus olfactorius. Hier dringen sie tief in den Bulbus und zerfallen in viele Zweige, die zwischen den Zellen des Bulbus endigen. Es ist schwer zu bestimmen, welche Bedeutung sie haben, und wie sie sich mit den Nervenelementen des Bulbus verbinden, doch vielfach kann man bemerken, dass ihre letzten Ästchen sich fest mit den Zellenfortsätzen des Stratum granulosum und magno- cellulare verflechten, oft sogar die Zellkörper selbst umfassen. Die Hemisphären. Bei den Amphibien treffen wir zum ersten Mal den völlig differenzierten Mantel, während er bei den Fischen als einzelner Teil des Vorderhirns entweder ganz fehlt (Knorpelfische), oder nur in den Seiten- und Hinterteilen desselben vorhanden ist, während vorne die Epithelplatte des entsprechenden Ventrikels seine Stelle einnimmt. (Cyclostomata, Selachia nach Edinger.) In anatomischer Hinsicht kann man das Vorderhirn der Amphibien nach Wiedersheim und Gaupp in den oberen Teil Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 219 — pars superior (pallium, pars pallialis), (Mantel nach Edinger) und den unteren — pars inferior (sub- pallium, pars subpallialis), (Basalganglion nach Edinger) teilen. Beide Teile sind auf der äusseren und inneren Oberfläche durch ziemlich deutliche Furchen (suleus limitarislateralis und fissura arcuata) von einander getrennt. Deutlich aus- geprägt ist die Teilung nur vorne und in der Mitte der Hemi- sphären, hinter dem Foramen interventriculare (for amen Monroi) dagegen verschmilzt das Subpallium mit dem Zwischen- hirn (pars terminalis Diencephali), während das Pallium, sich etwas hebend, in den sog. Polus oceipitalis — den hintersten Teil der Hemisphären — übergeht. Sowohl im pars pallialis, als auch im Subpallium kann man bequem den medialen, dorsalen und lateralen Teil (formationes medialis, dorsalis et lateralis) unterscheiden ; jeder von ihnen hat seine eigene Be- ziehung zu den im Vorderhirn entspringenden Nervensträngen. Histologisch haben die verschiedenen Teile der Hemisphären viel Gemeinsames, und unterscheiden sich bloss durch das Schicksal der Fortsätze, die in verschiedene Nerven eintreten. Daher werde ich, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, erst die allgemeine Beschreibung des Mantels vornehmen, wie er sowohl auf Längs-, als auch Querschnitten erscheint, und dann die Eigentümlichkeiten jedes einzelnen Teiles beschreiben. Über dem Epithel des Ventrikels liegen die subependymalen Fasern, die in der Richtung von vorn nach hinten laufen, und deren Beziehung zu den Zellen des Palliums schon mit dem Bulbus olfactorius beschrieben worden ist. Dann folgen einige Reihen Nervenzellen, unter welchen man dem anatomischen Bau und der Verteilung im Mantel zufolge, verschiedene, Arten unter- scheiden kann (Fig. 7). Die untersten Reihen liegen unmittelbar über den subependy- malen Fasern und bestehen aus Zellen von hervorragender Grösse, die von Pedro RR. y Cajal, Neumayer und Anderen „Pyramiden- zellen“ genannt worden sind, als analog mit den entsprechenden Zellen der Rinde bei den Säugetieren, obgleich letztere, beiläufig gesagt, nur eine sehr entfernte morphologische Ähnlichkeit mit den Zellen des Palliums der Amphibien besitzen. Diese Zellen sind, wie Fig. 7 und S zeigen, grösstenteils rundlich, oval, zuweilen eckig, haben einige dicke Fortsätze — 220 W. Rubaschkin: die Dendriten und ein Axon. Die Dendriten beginnen entweder sogleich am Zellkörper als mehrere Zweige, oder als ein dicker Fortsatz der Zelle, welcher früher oder später in zahlreiche Zweige zerfällt, und diese verteilen sich dann in den verschiedenen Schichten des Palliums. Sich nach und nach teilend, erreichen sie die obersten Schichten des Gehirns — die Tangentialfasern und endigen zwischen denselben. Alle Dendriten sind von Anfang bis zu Ende mit Appendices bedeckt, die ihnen ein moosartiges Aussehen verleihen. In einzelnen Fällen jedoch kann man eine eigentümliche Veränderung bemerken: nachdem sie bis zu den oberflächlichsten Schichten gelangt sind, verlieren sie plötzlich ihre Appendices und erhalten statt ihrer — Varikositäten. (Solches findet man bei den Dendriten der Pyramidenzellen in der Hirn- rinde der höheren Wirbeltiere!) Schwerlich kann man dieselben als erstes oder schwaches Stadium einer varikösen Veränderung der Fortsätze betrachten, die unter dem Einfluss gewisser Funktionszustände der Zelle hervorgerufen ist (Querton [35], Demoor [36]), oder in ihnen nur das Resultat einer nicht ge- nügend raschen und dauerhaften Fixage sehen (Iwanow [37)). Ganz unabhängig von der Art des Todes (durch Chloroform, Köpfen) und der Fixierung findet man solche variköse Ver- dickungen, — sei die vorhergehende Injektion noch so sorgfältig gemacht, oder sei ein Stückchen des Gehirns einfach in die fixierende Flüssigkeit getaucht. Viel näher der Wahrheit liegt die Annalıme. dass die varikösen Enden der Dendriten normale Strukturerscheinungen der Mantelzellen bei den Amphibien sind. Da ein Betrachten morphologischer Veränderungen der Zellenfortsätze unter verschiedenen Einflüssen nicht in den Plan dieses Artikels passt, so beschränke ich mich auf die hier ge- machten Andeutungen und wiederhole nur noch das, was ich schon bei der Beschreibung des Bulbus olfactorius gesagt habe, — nämlich, dass die Fortsätze der Zellen des Stratum granulosum auf ihren letzten Verästelungen zwischen den Zellen des Stratum magnocellulare, auch ein variköses Aussehen annehmen können. Kehren wir jetzt zur Betrachtung der Pyramidenzellen zurück. Ausser den dicken zur Peripherie gerichteten Fortsätzen, besitzen diese Zellen noch andere Fortsätze (Axone), die ohne allen Zweifel in Nervenfasern übergehen. Der Richtung dieser Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 221 Fortsätze nach, unterscheidet man zwei Arten von Zellen — mit absteigendem und aufsteigendem Axon. Bei den Zellen der ersten Art geht der Achsenzylinder- fortsatz als feines Fädchen vom Zellkörper aus, steigt zu den subependymalen Fasern hinab und kann hier ziemlich weit ver- folgt werden. Viele von diesen Achsenzylinderfortsätzen richten sich nach vorn zum PBulbus olfactorius, und dringen in das Stratum bulbo-corticalis ein; die andern dagegen ziehen kaudalwärts. Noch vor dem Eintritt in die Schicht der sub- ependymalen Fasern, teilen sich die Fortsätze oft in zwei, im rechten Winkel auseinander gehende, Zweige. Auf ihrem Wege zu den subependymalen Fasern, und ebenso zwischen denselben, geben sie aufsteigende Collateralen ab, die zwischen den Zellen des Palliums endigen. Bei der zweiten Art Zellen (Fig. Sa) haben die Axone eine andere Richtung: an dem Zellkörper oder einem der Dendriten beginnend, steigt der Stammfortsatz zuerst hinab, erreicht die subependymalen Fasern und steigt dann bogenförmig nach oben. Wenn man diese Fortsätze auf Frontal- und Sagittalschnitten des Palliums verfolgt, so kann man bemerken, dass viele von ihnen, nachdem sie die Schicht der äusseren Fasern erreicht haben, in die Zirkulärfasern des Palliums übergehen, andere dagegen auf verschiedener Höhe abbiegen und ihren Weg in der Richtung von hinten nach vorn fortsetzen. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt; wahrscheinlich endigen sie teils als freie Ver- ästelungen zwischen den Elementen des Palliums, oder steigen zum Zwischenhirn hinab und verschwinden in den Fasern desselben. Wenn man die eben beschriebenen Zellen als Pyramiden- zellen bezeichnet, so muss man sie zum Unterschied von den höhergelegenen kleineren Zellen, „grosse Pyramidenzellen“ nennen, die andern aber „kleine Pyramidenzellen“. Die letzteren haben dieselbe Form, sind nur kleiner, und bilden die Hauptmasse der Zellenelemente des Mantels. Von diesen Zellen gehen auch einige Fortsätze aus, die teils aur grösserer oder geringerer Entfernung von der Zelle sich ver- zweigen, teils weit von ihr in die Nervenfasern des Mantels ein- dringen. Charakteristisch für diese Zellen ist, dass ihr Stamm- fortsatz nie als solcher beginnt: man kann keinen Fortsatz 222 W. Rubaschkin: entdecken, der von der Zelle selbst, oder einem der Dendriten als dünnes Fädchen abginge. Sie sind in morphologischer Be- ziehung sowohl bei der Entstehung, als auch in einiger Entfernung von der Zelle, alle gleich: alle Fortsätze beginnen als kegel- förmige Vorsprünge des Zellkörpers und gehen in ziemlich dicke, mit kleinen Zacken besetzte Fortsätze über. Darum empfängt man bei der ersten Untersuchung der kleinen Pyramidenzellen den Eindruck, dass sie keine Axone besitzen; in der Tat aber erweist sich, dass es unter ihnen fast immer einen Fortsatz gibt, der zweifellos in eine Nervenfaser übergeht, er entspringt entweder dem Zellkörper oder einem seiner dicken Dendriten, behält zuerst dieselbe Form, wie die übrigen Fortsätze, verliert dann aber ziemlich rasch seine Appendices, wird allmählich dünner und tritt, (oft auf sehr grosser Entfernung von der Zelle) in die Schicht der Tangentialfasern, wo er seinen Weg schon als Nervenfaser fortsetzt (Fig. 7e). Wahrscheinlich senden diese Zellen ihre Fortsätze bloss in die Zirkulärfasern, da ein ähnlicher Übergang der Fortsätze nur auf Frontalschnitten bemerkt werden kann, während auf den Sagittalschnitten alle Fortsätze der Zellen, in grösserer oder kleinerer Entfernung von denselben, endigen, ohne in Nervenfasern übergegangen zu sein. Absteigende Fortsätze, die zu den subependvmalen Fasern gehen könnten, besitzen diese Zellen nicht; wenigstens haben weder Pedro R. y Cajal noch ich dieselben entdecken können. Die letzte Art — bilden Zellen, von denen angenommen wird, dass sie den Cajal’schen Zellen in der Hirnrinde der Säugetiere analog sind (Neumayer, [Fig. Sd]). Sie befinden sich in den obersten Schichten des Palliums zwischen den Ver- zweigungen der Dendriten der Pyramidenzellen, und auch zwischen den Tangentialfasern. Ihr fast ausschliesslich bipolarer, gestreckter Zellkörper sendet zwei, in horizontaler Lage auseinander gehende, Fortsätze aus, die oft noch weit von der Zelle entfernt, bemerkt werden können. Letztere verbinden verschiedene Elemente des Mantels untereinander, und gehen, scheinbar, nicht über die (renzen desselben hinaus. An der Peripherie des Mantels liegen schliesslich die Tangentialfasern, welche denselben zirkulär umgeben. Viele von ihnen entstehen ebenso, wie die Längsfasern des Mantels, nämlich — aus den Fortsätzen der Pyramidenzellen; die anderen dagegen Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 223 werden von den aufsteigenden Achsenzylindern des Basalbündels des Vorderhirns gebildet. Alle Teile des Mantels, von der Fovea limbica angefangen, bis zum Polus oceipitalis, weisen den eben beschriebenen Bau auf; sie unterscheiden sich voneinander nur durch verschiedene Beziehungen zu den Nervenbündeln, die im Vorderhirn entspringen oder endigen. So stehen die Vorderteile der Hemisphären in enger Verbindung mit dem Bulbus olfactorius, indem sie Nerven- fasern zu ihm senden und von ihm erhalten. Ebenso verhalten sie sich zum basalen Bündel des Vorderhirns, das sich im vorderen Teil der Hemisphären bildet. In den mittleren Teilen, wo Sub- pallium und Anfang des Zwischenhirns verschmelzen, ist die Ver- bindung eine unmittelbare. Ausserdem erscheinen hier noch Kommissurenfasern, die beide Hälften des Mantels untereinander verbinden. Die hinteren Teile des Vorderhirns (polus oceipitalis) be- stehen ausschliesslich aus Elementen des Mantels, und weisen, in histologischer Hinsicht, einen mit den übrigen Teilen gleichen Bau auf. Dementsprechend will: ich weiterhin die vorderen und mittleren Teile der Hemisphären beschreiben, ebenso ihre Be- ziehungen zu den übrigen Teilen des Gehirns, d. h. also den Austausch der Nervenfasern zwischen den Hemisphären und dem Bulbus olfaetorius und Zwischenhirn, und schliesslich zwei Leitungs- bahnen: das basale Bündel und die Commissura pallii anterior. Der vordere und mittlere Teil der Hemisphären. Die vordere Grenze zwischen Mantel und Lobus olfactorius ist nur auf der dorsalen Fläche deutlich ausgeprägt, da die Elemente des Mantels im Gebiete der Fovea limbica ziemlich scharf enden; auf der Aussenseite dagegen geht der entsprechende Teil des Mantels (formatio lateralis) ohne eine scharfe Grenze in den Lobus olfactorius über, und seine Pyramidenzellen verbinden sich mit den Zellen des Stratum magnocellulare des Bulbus olfactorius; dasselbe ist auch im ventralen Teil des Mantels der Fall, wo derselbe etwas ansteigt und seine Elemente mit den Zellen derselben Bulbusschicht verschmilzt. Uber den Austausch der Fasern zwischen dem Vorderteil der Hemisphären und dem Bulbus olfactorius ist fast alles bei Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 15 224 W. Rubaschkin: der Beschreibung des Tractus bulbocorticalis gesagt, und braucht hier nur wenig hinzugefügt zu werden. Ausser den äusseren Fasern, die in die Formatio lateralis palli (traetus bulbo-corticalis) eindringen, gehen vom Bulbus olfactorius (stratum magnocellularis) noch Fasern in die medialen Teile des Mantels. Augenscheinlich sind das die Fasern, welche P. R. y Cajal als Traetus bulbo-occipitalis be- zeichnet, und die nach Gaupp in der Formatio medialis unter der Fissura arcuata septi liegen. Nach P.R.y Cajal erreichen sie den Polus oceipitalis und endigen in seinen medialen Teilen. Auf horizontalen und sagittalen Schnitten lassen sich diese Fasern ziemlich weit in der medialen Wand der Hemisphären verfolgen; ob sie aber den Polus oceipitalis wirklich erreichen, ist schwer zu bestimmen. Jedenfalls steht ein Teil derselben in keiner Beziehung zu diesem Abschnitt des Mantels, sondern verändert die Richtung und tritt ins Zwischenhirn, vielleicht auch in den vorderen Teil der Commissura anterior, ein. Übrigens sind hier andere Untersuchungsmethoden wünschenswert, da die Golgi’sche nicht die Möglichkeit gibt, den Gang der Nerven- bündel genau und ausführlich zu studieren. Von den vorderen Teilen der Hemisphären, der Fovea limbica angefangen bis zu den mittleren Teilen einschliesslich, findet ein starker Austausch von Fasern zwischen dem Pallium und Subpallium statt, und weiterhin, zwischen dem Mantel und dem Zwischenhirn. Besonders stark ist dieser Austausch da, wo sich das Zwischenhirn bereits ausgebildet hat — im Gebiete des Foramen interventriculare und der Commissura pallii anterior (Fig. 9). Wie aus der Zeichnung ersichtlich ist, steigen von der Formatio lateralis pallii zahlreiche Fasern hinab, die das /wischenhirn bogenförmig umgeben und, sich verästelnd, ein dichtes Flechtwerk zwischen seinen Elementen bilden. Als Ur- sprung dieser Fasern dienen hauptsächlich die Zellen der Formatio lateralis, obgleich ein gewisser Teil der Formatio dorsalis, wahr- scheinlich auch Fortsätze von sich gibt, die zum Zwischenhirn gehen. Ebenso können sowohl die grossen als die kleinen Pyramidenzellen an dem Entstehen dieser Fasern teilnehmen. Eine bestimmte Gruppe Zellen, die speziell diesem Zwecke dienen könnten, ist nicht wahrzunehmen. Ein Teil dieser Fasern geht, WW [06 So Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. wie es späterhin ausführlicher beschrieben wird, in das basale Bündel über. Ausser den Fasern, die von den Hemisphären zum Zwischen- hirn gehen und in demselben enden, gibt es noch solche, die vom letzteren aufsteigen und in die Tangentialfaserschicht des Mantels übergehen. Sie verlaufen in der Schicht der zirkulären Fasern und enden auf verschiedener Höhe zwischen den Zellen des Mantels als freie Verzweigungen. Augenscheinlich gehen sie nicht höher als bis in die Formatio lateralis pallii, da sie in der Formatio dorsalis eine seltene Ausnahme bilden. Das basale Vorderhirnbündel (Edinger). (Das runde Bündel nach Koeppen.) Die ersten Fasern dieses Traktes zeigen sich in der Pars anterior des Vorderhirns: in den äusseren Teilen des Subpalliums; weiter hinten — in der Pars media — geht das Bündel in das, sich inzwischen aus dem Subpallium gebildete Zwischenhirn und setzt seinen Weg in der Richtung zur Basis des Mittelhirns fort. Die meisten Fasern des basalen Bündels sind absteigende Fasern und beginnen im Vorderhirn, die übrigen haben die ent- gegengesetzte Richtung und endigen zwischen den Zellen des Mantels. Letztere fangen auf verschiedenem Niveau — von der Pars anterior bis zum Zwischenhirn — als freie Achsenzylinder an, verlassen das basale Bündel, steigen an der Aussenseite des Mantels auf und endigen als freie Verzweigungen meist in der Formatio lateralis, mitunter auch in der Formatio dorsalis pallii. In den mittleren Teilen des Vorderhirns vermischen sie sich mit den Fasern, die, wie oben schon erwähnt ist, aus den verschie- denen Bezirken der grauen Substanz des Zwischenhirns aufsteigen. Von letzteren unterscheiden sie sich bloss dem Ursprung nach: die einen sind Fortsätze der verschiedenen Zellen des Dience- phalum, die anderen entspringen dem basalen Bündel, wo man stets ihren Anfang finden kann. Die absteigenden Fasern entspringen teils den Zellen der Formatio dorsalis, zumeist jedoch den der Formatio lateralis und dem sogen. Ganglion basale. (Gaupp.) Die Zellen dieses Gebietes besitzen denselben Bau wie die Pyramidenzellen der übrigen Teile des Mantels. Ihre Stamm- fasern gehen auch anfänglich zu der subependymalen Schicht, 15* 226 W. Rubaschkin: biegen dann im Bogen zur Peripherie des Gehirns ab und treten in das basale Bündel ein. Ausserdem gibt es aber im Ganglion basale noch Zellen, die sonst in keinem Teile des Mantels zu finden sind -— Zellen, mit sich schnell verzweigenden kurzen Dendriten und einem Axon, der direkt zur Peripherie geht und in das basale Bündel eintritt. Auf seinem ganzen Wege erhält das basale Bündel immer mehr neue Fasern. Im Anfang kommen dieselben als einzelne Fädchen vom Mantel herab; allein schon in den mittleren Teilen, wo das basale Bündel auf der Aussenseite des Zwischenhirns liegt, sammeln sich die Fädchen zu einem selbständigen Strang, der die äusseren Fädchen der Hemisphären (formatio dorsalis palli) mit dem basalen Bündel verbindet (Fig. 9 d.). In den hinteren Teilen des Vorderhirns, hinter dem Foramen interventrieulare, gibt es zwischen den beiden Medialflächen des Mantels Kommissurenfasern, die seine beiden Hälften miteinander verbinden (commissura pallii anterior, nach Edinger und Gaupp, corpus callosum, nach Osborn und Pedro R. y Cajal, Fig. 9b). An der Entstehung dieser Fasern nehmen alle Elemente der Formatio medialis pallii — sowohl die grossen und kleinen Pyramidenzellen, als auch die Tangentialzellen — teil. Ihre Stammfortsätze richten sich zur Peripherie, steigen dann zum Zwischenbirn hinab und gehen in Form einer subepithelen Faser- schicht auf die gegenüberliegende Seite des Mantels. Hier endigen sie, wie die Figur zeigt, auf verschiedener Höhe in der Formatio medialis: ein Teil von ihnen erreicht die Formatio dorsalis, wo er als freie Verzweigung endigt. Das Zwischenhirn (Diencephalon). Nach Edinger unterscheidet man im Zwischenhirn drei Bezirke: den ventralen (hypothalamus), den mittleren (thalamus) und den dorsalen (epithalamus). Allein diese Teilung ist bei den Amphibien recht undeutlich ausgeprägt: die graue Substanz bildet überall ein Ganzes und hat in histologischer Hinsicht in allen Bezirken denselben Bau. Bloss der obere Teil des Epithalamus tritt als einzelnes Ganglion habenulae (Eigenganglion des Epithalamus, nach Edinger) hervor und. unterscheidet sich im Bau von den übrigen Teilen LO [0 1 Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. des Zwischenhirns. Deshalb kann man die ganze graue Subtsanz als allgemeines Bild des zentralen Graus (nach Wiedersheim und Gaupp) beschreiben. Letztere Autoren unterscheiden obere, mittlere und untere Teile, doch ist die Beschreibung jedes einzelnen überflüssig. Der histologische Bau weist in den einzelnen Teilen des Zwischenhirns überhaupt keine besondere Eigenschaften auf, doch ist, infolge der zahlreichen Nervenbündel, die hier durchgehen, entspringen und endigen, das gegenseitige Verhältnis Zwischen Zellengruppen und Nervenfasern derartig verwickelt und unklar, dass man unwillkürlich die Worte Edingers wiederholen muss: a. ‚ wir wissen über die physiologische Be- deutung der Teile, welche zwischen dem Mittel- hirne und dem Vorderhirne liegen — der Teile des Diencephalon — also so gut wie garnichts und anatomisch stehen wir hier erstim Beginne ordnender Erkenntnis.“ Deshalb werde ich mich auf die Beschreibung der grauen Substanz und des Ganglion ha- benulae, soweit es den Bau derselben betrifft, beschränken ; die Beziehungen der verschiedenen Kerne zu den Nervenbündeln will ich unberührt lassen, da das eine spezielle Erforschung der Leitungsbahnen erfordern würde. Die Zellenelemente der grauen Substanz des Zwischenhirns sind in mehrere Schichten verteilt, die mit den Schichten der Nervenfasern abwechseln. Diese Verteilung ist in allen Teilen der grauen Schicht, von der ventralen Seite angefangen bis zum Ganglion habenulae, vorhanden. Die Zellen sind meist birnenförmig (Fig. 9) und besitzen zahlreiche zur Peripherie gehende Dendriten:; letztere zerfallen bald in variköse Zweige, die mit ihren letzten Teilungen die obertlächlichsten Schichten des Diencephalon erreichen. Die Zellen der tiefer liegenden Schichten haben längere Dendriten, die Fortsätze der oberflächlich liegenden Zellen sind kürzer. Dem Charakter der Stammfort- sätze.nach unterscheidet man zwei Arten Zellen — Zellen mit ansteigendem und absteigendem Axon. Die Stammfortsätze der ersten Art fangen fast immer als variköse Fädchen von einem der Dendriten an, schlagen sofort die Richtung zur Peripherie ein und erreichen die oberflächlichen Schichten der Nervenfasern. Im Gebiete des Foramen inter- 2238 W. Rubaschkin: ventrieulare geht ein gewisser Teil dieser Fortsätze nach oben zum Mantel, und tritt in die Tangentialfasern desselben. Sowohl Verteilung als auch Ende dieser Fortsätze ist schon bei der Be- schreibung der Mantelfasern angegeben worden. In.den übrigen Teilen des Diencephalon. wo die Hemisphären als Polus occepi- talis über dem Zwischenhirn liegen, ohne mit ihm verbunden zu sein, geht ein Teil der Fortsätze in das basale Bündel über. Doch gibt es ausserdem noch genug Zellen, die wahrscheinlich eine andere Bestimmung haben: sie stehen weder mit dem Mantel, noch dem basalen Bündel in Verbindung. Ihre Fortsätze ver- ändern auf einer gewissen Höhe ihre horizontale Richtung in eine sagittale und biegen zu den Längsfasern des Zwischenhirns ab. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Die Zellen der zweiten Art sind in Aussehen und Ver- teilung der Dendriten den vorherbeschiebenen ähnlich, unter- scheiden sich von den letzteren bloss dadurch, dass ihre Axone keine ansteigende, sondern eine absteigende Richtung einschlagen. Von der Zelle geht ein dünner Fortsatz nach innen, verschwindet aber sehr bald von der Bildfläche und nimmt wahrscheinlich einen ebensolchen Verlauf, wie einige Fortsätze der ebenbe- schriebenen ersten Art Zellen. Ausser diesen beiden Arten von Zellen, deren Fortsätze in horizontaler. Lage, zwischen dem Ependym des Ventrikels und der Oberfläche des Diencephalon, gelegen sind, gibt es im Zwischen- hirn noch Zellen, deren Fortsätze in dorsoventraler Richtung auseinander gehen. Diese Zellen habe ich ausschliesslich in den vorderen Teilen des Zwischenhirns gefunden (im Gebiete der Commissura pallii anterioris, Fig. 9). Sie sind ent- weder auch birnenförmig oder vieleckig und geben einen dicken Fortsatz ab, der von der Zelle in dorsaler Richtung verläuft. Letzterer sendet auf seinem Wege kurze Zweige ab, dringt durch das ganze Gehirn und endigt mit seinen feinen Endzweigen im lateralen Knie der Commissura anterior des Palliums; am gegen- überliegenden Ende der'Zelle beginnt ein feiner variköser Stamm- fortsatz, der nach unten zum Recessus optieus geht und sich im (rebiete desselben verliert. Das Ganglion habenulae. Das Ganglion habenulae (Fig. 10) bildet, als einzelner Lappen auf den dorsalen Enden des Diencephalon liegend, die Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 229 unmittelbare Fortsetzung des zentralen Graus des Zwischen- hirns. Zu der, von Pedro R. y Cajal gegebenen, Beschreibung des Ganglions kann ich nur wenig hinzufügen. Die Zellenelemente, die im Innern des Ganglion liegen, sind multipular und haben viele kleine Dendriten, die sich im (rebiet desselben verzweigen. Der Richtung der Stammfortsätze nach unterscheidet man: 1. Zellen, die ihre Axone zur Commis- sura habenularis senden und 2. Zellen, deren Axonen in die tiefen Schichten des Zwischenhirns eindringen. Im ersten Falle ver- laufen die Stammfortsätze der Zellen erst in der Richtung nach aussen, steigen dann nach oben, biegen zur Commissura habenu- laris ab, und gehen zum Ganglion der entgegengesetzten Seite. Im zweiten Falle geben die Zellen Axone, die sich zu einem sündel vereinigen und als solches zuerst in dorsoventraler Richtung nach unten gehen: im Gebiete des Epithalamus (pars sup. subst. griseae) verändert das Bündel seine Richtung in eine schräg zur Basis des Mittelhirns (pedunculi cerebri) abfallende. Wahrscheinlich sind es die Fasern desselben Bündels, das Edinger unter dem Namen Tractus habenulo-pedunenlaris s. Faseiculus retroflexus beschreibt. Ausserdem verzweigen sich im Ganglion habenulae noch eine Masse feiner Fasern, deren Ursprung nicht zu ermitteln ist. Nach Pedro R. y Cajal endigen hier als freie Verzweigungen die Fortsätze einiger Zellen der oberen Bezirke des zentralen Graus und die Fasern der Commissura habenularis. Das Mittelhirn (Mesencephalon). Das Mittelhirn liegt bei den Amphibien zwischen dem Hinter- und Zwischenhirn, und dient als Bindeglied der Leitungs- bahnen des Rückenmarks und der Hemisphären. Die meisten Nervenbündel der verschiedenen Gehirnbezirke beginnen oder endigen hier. Eine besondere Bedeutung erhält das Mittelhirn noch dadurch, dass in ihm die Fasern der Sehnerven endigen. In anatomischer Hinsicht wird das Mittelhirn der Amphibien in zwei Bezirke geteilt, die sich durch ihren Bau und ihre Be- deutung von einander unterscheiden: Die Basis Mesen- cephali (pedunculus cerebri) und das Tectum Mesencephali (lobi optiei). 230 W. Rubaschkin: Die Pedunculi cerebri bilden die unmittelbare Fort- setzung des Zwischenhirns, indem sie sich mit dem Thalamus diencephali fest verbinden; hinten gehen sie ohne eine scharfe Grenze in die Regio subcerebralis über und werden von derselben bloss durch eine unbedeutende Erhöhung — die Emi- nentiainterpeduncularis — getrennt. Während in den vorderen Teilen des Hirns, infolge der verhältnismässig grossen Armut an Nervenfaserbündeln die graue Substanz von der weissen nicht zu unterscheiden ist, sind in der 3asis mesencephali und auch in den hinteren Teilen des Gehirns beide Substanzen, dank der peripheren Lage der dicken Nervenbündel, scharf von einander getrennt. In den Pedun- euli cerebri unterscheidet man infolgedessen das zentrale Grau mit seinen Kernen und die es umgebende weisse Substanz, die aus den hierher gelangenden Fasern des Sehnerven und den Trakten des Hinterhirns besteht. Etwas über der Mitte des Mesencephalon, auf der Aussen- tläche desselben, gehen die Pedunculi cerebri als eiförmige, hinten und an den Seiten gelegene Körper in das Tectum mesen- cephali über. Durch eine Längsfurche wird das Tecetum in zwei Lobi optici geteilt. Dieser Furche entsprechend sind beide Lobi optici durch de Lamina commissuralis mesen- cephali (nach Edinger) miteinander verbunden. In den mittleren Teilen des Mesencephalon zeichnet sich der Uebergang der Basis in das Tectum durch nichts besonderes aus, während in dem vorderen und hinteren Teil beim Ueber- gang der Peduneuli ins Tectum sich die graue Substanz in der Form besonderer Kerne ansammelt. Die hintere Wand des Tectum im Uebergangsteil hat eine Ausbuchtung nach dem Innern des Diventriculum loborum — eine halbkugelförmige Windung, die (nach Wiedersheim und Gaupp) als Cor- pora quadrigemina posteriora bezeichnet wird.) Im vorderen Teil ist der Uebergang durch eine Ansammlung von Nervenzellen, die den grosszelligen Kern (nucleus magno- cellularis) bilden, bezeichnet. '!) Was man eigentlich bei den Amphibien als Corpora quadrige- mina posteriora bezeichnen kann, ist bis jetzt noch nicht festgestellt. Nicht selten wird, nach dem Vorschlag von Bellonei, das Ganglion isthmi in der Regio subcerebralis so genannt. DD (Sb) war Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. Zwischen den Kernen der grauen Substanz des Pedunculus sind zu erwähnen: der Nucleus nervi oculomotoril, welcher sich im ventralen Teil befindet, und der Kern, dessen Bedeutung noch nicht bestimmt ist — der Nucleus late- ralisprofundus (ganglion laterale mesence- phali etec.). Diesen anatomischen Gegebenen gemäss, soll weiterhin der Bau des Teetum mesencephali, der Corpora quadri- semina posteriora, des Nucleus magnocellulare und der Kerne der grauen Substanz, beschrieben werden. Der Lobus optieus. Die Zellenelemente des Lobus opticus wechseln mit Schichten von Nervenfasern, die teils terminale Verzweigungen des Sehnerven sind, teils aus der Basis des Hirnes hierher gelangen, ab. Solcher Schichten gibt es im Lobus optieus — acht, von denen drei aus Nervenbündeln, die übrigen fünf aber aus Zellen- elementen bestehen. 1. Unmittelbar über der Epithelschicht des Diventri- culum loborum liegen Zellen, die bloss einen zur Peripherie gerichteten Fortsatz besitzen. Als feiner Faden beginnend, erreicht er, ohne Zweige zu geben, die peripheren Schichten des Lobus opticus und zerfällt hier in viele sehr feine varıköse Aestchen, die zwischen den Verzweigungen, der hierher gelangenden Fasern des Sehnerven, endigen. Von der Existenz eines Fort- satzes, der in irgend ein Nervenbündel übergehen könnte, habe ich mich bis jetzt nicht überzeugen können. Die Zellen stellen, auf den verschiedenen Schnitten, immer unipolare — oder, wie man solche, keinen Stammfortsatz besitzende, Zellen bezeichnet — apolare Elemente dar. Natürlich kann man nicht mit Sicherheit behaupten, dass sie unipolar sind, zumal die Zahl der unipolaren Zellen, bekanntlich, dank der Vervollkommnung der Methodik und den vielfachen Untersuchungen, immer geringer wird. 2. Ueber diesen Zellen liegt eine dünne Schicht von Nerven- fasern, sie sind entweder Zellenfortsätze der höher gelegenen Schicht, oder gelangen hierher aus den Kernen der hinteren Vier- hügel und dem grosszelligen Kern. Diese Faserschicht geht durch die ganze Länge des Lobus opticus, und tritt sowohl vorne als auch hinten in die entsprechende Schicht der subependymalen 232 W. Rubaschkin: Fasern ein. (Diese Schicht entsteht aus den späterhin beschrie- benen Kernen der Uebergangsteile des Mittelhirns und der grauen Substanz des Pedunculus cerebri.) Obgleich zwischen den Fasern und dem Epithel des Ventrikels, die in Punkt 1. beschriebenen Zellen der ersten Schicht liegen, so kann man doch, analog zu den übrigen Teilen des Gehirns, auch für sie die Benennung subependymaler Fasern beibehalten, besonders da sie wie gesagt, mit den Fasern der subependymalen Schicht des Pedunculus ver- bunden sind. Was man eigentlich bei den Amphibien als Corpora quadrigemina posteriora bezeichnen kann, ist bis jetzt noch nicht festgestellt. Nicht selten wird, nach dem Vorschlag von Bellonci, das Ganglion isthmi in der Regio sub- cerebralis so genannt. Das Vorhandensein einer ähnlichen Faserschicht im Lobus opticus der Reptilien ist zuerst von Haller (38) beschrieben worden, während sie bei den Amphibien laut den Forschungen von Bellonci, P. R. y Cajal u. And. nicht vorhanden ist. In Wirklichkeit aber sind sie immer, sowohl auf Quer-, als auch Längsschnitten des Tectum, als ausserordentlich dünne mark- lose Fasern zu finden. Da sie marklos sind, konnten die Forscher (Bellonei), die, wahrscheinlich, die Myelinfärbung (vermittels Hämatoxylinlack, Ueberosmiumsäure) bei ihren Untersuchungen anwandten, die Fasern dieser Schicht, die nur nach der Impräg- nation mit Silber deutlich hervortreten, nicht entdecken. 3. Die folgende Schicht bilden Zellen, die grösstenteils ge- streckt oval, seltener eckig sind; sie schicken nach aussen einen Fortsatz (Dendrit), der in den verschiedenen Schichten des Tectum in Endzweige zerfällt. Seine letzten Verästelungen erreichen die Schicht der Opticusfasern. Der Stammfortsatz geht in der Richtung zu den subependymalen Fasern und teilt sich oft, vor dem Ein- tritt in dieselben, auf zwei in entgegengesetzter Richtung aus- einandergehende Zweige. Zuweilen findet man auch Zellen, die mehrere Fortsätze besitzen; letztere gehen zu den subependymalen Fasern, wobei sie alle in morphologischer Hinsicht ganz gleich sind, und das Aussehen dünner variköser Fortsätze besitzen. 4. Das Stratum medullare profundum. (Tiefes Mark, nach Edinger). Ueber den eben beschriebenen bipolaren Zellen liegt ein ziemlich ausgebildetes Bündel von Nervenfasern, das Pedro Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 233 R. y Cajal als Stratum medulare profundum, zum Unterschiede von den oberflächlich gelegenen Fasern des Nervus optieus — des Stratum medullare superficiale, be- zeichnet. Diese Bündel bilden die Hauptmasse der Kommissuren- fasern, die beide Lobi optici der gegenüberliegenden Seiten als Commissura Tecti Mesencephali (letztere geht in die Lamina commissuralis Mesencephali über) verbinden. Auf der Aussenseite des Lobus optiecus tritt ein Teil der Sehnervfasern in dieses Bündel ein, doch schliessen sich auch Fasern des Pedunculus cerebri ihm an und steigen von ihm hinab. Das Stratum medullare profundum wird aus Zellenfort- sätzen verschiedener höhergelegener Schichten gebildet. Viele von den Fasern desselben enden augenscheinlich im Lobus opticus, andere dagegen geben nur zu den Zellen des Lobus opticus aufsteigende Collateralen, während sie selbst im Bündel weiter gehen. 5. In der fünften Schicht trifft man zwei Arten von Zellen: erstens, — ovale, bipolare, die einen aufsteigenden, sich rasch teilenden Dendrit und ein zum Stratum medullare pro- fundum absteigenden Axon besitzen; letzteres teilt sich oft gabelförmig, ehe es in das Nervenbündel eintritt, was auch bei den früher beschriebenen Zellen bemerkt werden kann; zweitens gibt es eckige, multipulare Zellen, die verschiedene aufsteigende Dendriten und verschiedene zum Stratum medullare profundum gehende Fortsätze haben. Ob letztere alle Achsenzylinderfort- sätze sind, d. h. mit anderen Worten, ob alle ihren Weg als Nervenfasern fortsetzen, oder ob sie nur in das Bündel eintreten, es nachher verlassen und als Zellendendriten enden, ist schwer festzustellen. Wahrscheinlicher ist, dass wir es hier mit Zellen zu tun haben, die — was, aus dem Vorhergehenden ersichtlich, nichts seltenes im Gehirn der Amphibien ist — die mehrere als Stammfaserfortsätze, Axone, in die Nervenbündel übergehende Fortsätze besitzen, da man sie oft sehr weit verfolgen kann, ohne, dass sie das Nervenbündel verlassen. In einzelnen Fällen gehen von der Zelle zwei solcher Axone in entgegengesetzter Richtung aus, und jedes von ihnen bleibt dann lange unter den Fasern des Stratum medullaris profundum. 6. Die Zellen der sechsten Schicht zeichnen sich dureh ihre Grösse und eigenartiges Verhalten zu den Nervenbündeln aus; 234 W. Rubaschkin: sie bilden nur eine Reihe, die über den Zellen der vorhergehenden Schicht liegt. Ihrer Grösse und Form nach verdienen sie die Bezeichnung: die grossen sternförmigen Zellen des Lobus opticus (Fig. 12). Auf das Vorhandensein dieser Zellen wurde zuerst von Belloneci hingedeutet, der auf osmierten Präparaten dieser Region Zellen bemerkte, die durch ihre Grösse alle übrigen bei‘ weitem übertrafen: er gab aber keine ausführliche Beschreibung derselben. Auf CUhromsilber-Präparaten erscheinen sie als grosse sternenförmige Körper mit mehreren dicken und langen peripheren — und, gewöhnlich, einen feinen zentralen Fortsatz. Die Zahl der ersteren ist meist 3—4, mitunter auch mehr: sie gehen nach verschiedenen Seiten, steigen nach oben zur Schicht der Optieus- fasern und treten in dieselbe ein. Auf ihrer ganzen Ausdehnung behalten sie den Charakter der dicken, glatten, der Appendices entbehrenden Fortsätze und nehmen, erst nachdem sie in die Optieusschicht eingetreten sind, schnell ein variköses Aussehen an; dann unterscheiden sie sich nicht von den übrigen Nerven- fibrillen. Ein Teil dieser Fortsätze endet, ohne die Fasern des Sehnerven zu erreichen, in kurzen Verzweigungen bald nach ihrer Entstehung. Ausser diesen dicken Fortsätzen gehen von den Zellen meist noch vereinzelte, sehr feine, mit Varikositäten besetzte Fortsätze aus, die ins Stratum medullare pro- fundum eindringen und in ihm ihren Weg fortsetzen. Der morphologische Unterschied zwischen den beiden Arten von Fortsätzen ist so gross, dass man mit vollem Recht die Peripheren als Dendriten der Zellen ansehen könnte, wenn der Uebergang in die Nervenfasern nicht wäre. Allein schon, um Missverständnissen vorzubeugen, kann man Zellenfortsätze, die in Nervenfasern übergehen, nicht Dendriten nennen: der Begriff Dendrit, Protoplasmafortsatz ete. schliesst schon, nach herge- brachtem Brauch, die Möglichkeit eines solchen Ueberganges aus. Deshalb muss man, ungeachtet des äusseren Unterschiedes dieser Zellenfortsätze, sie alle, ihrer anatomischen Bestimmung nach, als gleich betrachten. Weit richtiger wäre es, sie jenem Typus von Nervenzellen im Gehirn der niederen Tiere zuzuzählen, für die Aichel den Namen pluricordinale Zellen vorschlägt. 7. Die folgende Schicht besteht aus Dendritenverzweigungen der Zellen aller tiefer gelegenen Schichten des Lobus optieus. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 235 Von Zellenelementen findet man in diesem Gebiete bloss Zellen, deren kurze Fortsätze sich zwischen den Dendriten verzweigen und, wahrscheinlich, dazu bestimmt sind, die Reizung von einem Fortsatz zum andern zu vermitteln, also nur eine lokale Be- deutung haben. 8. Die letzte Schicht bilden die Fasern des Sehnerven (stratum medullare superficiale) und ihre terminalen Verzweigungen. Diese letzteren haben ein pinselförmiges Aussehen —., worauf schon P. R. y Cajal bei den Amphibien hindeutet, und viele andere Autoren beiden GCorpora geniculata externa der Säugetiere — und dringen auf eine grössere oder geringere Tiefe in den Lobus opticus ein. Wahrscheinlich steht die Mehrzahl der Zellen des Lobus optieus in Verbindung mit dem Nervus optieus, da man in verschiedenen Schichten Verflechtungen der Zellendendriten mit den Fasern des Sehnerven beobachten kann. Doch gibt es ausser den, vom Stratum hinabsteigenden, noch andere Opticusfasern, die durch das tiefe Mark (Stratum medullare profundum) gehen, von dort als Fibrillen auf- steigen und sich in den verschiedenen Schichten des Lobus opticus verzweigen. P. R. y Cajal und Gaupp halten den Radix posterior Traeti optiei für ihren Ursprung. Die Corpora quadrigemina posteriora (Fig. 15). Wie schon oben erwähnt worden ist, bezeichnen Wieders- heim und Gaupp mit diesem Namen die kugelförmige Aus- buchtung in der Hinterwand des Teetum Mesencephali, und zwar, des Uebergangsteiles desselben. Wie man sowohl auf Quer- als auch auf Längsschnitten bemerken kann, ziehen sich die Schichten des Lobus opticeus bis hart an die Seitengrenzen mit den Peduneuli, wo sie allmählich durch neue Zellen der hinteren Vierhügel ersetzt werden. Auch Fasern des Tectum gelangen in dieses Gebiet und behalten die- selbe Lage wie ein Lobus optieus, d. h. sie bilden die Fasern der subependymalen Schicht und das Stratum medullare profundum, weshalb wir hier dieselbe Reihenfolge in den Schichten der Nervenzellen und der Fasern antreffen. In den Corpora quadrigemina unterscheidet man folgende Schichten: 1. die Schicht der subependymalen Fasern; 2. die oberflächliche Schicht Nervenzellen; 3. das Stratum medullare profundum; 4. die tiefen Schichten Nervenzellen. 236 W. Rubaschkin: 1. Die subependymalen Fasern werden teils aus den hierher- gelangenden Fasern der entsprechenden Tectum-Schicht, teils aus den Fortsätzen der Zellen besonders der oberflächlichen Schicht gebildet. Ausserdem gibt es sowohl in dieser, als auch in der folgenden Schicht (Stratum medull. prof.) nicht wenig Fäserchen, die aus den Nervenbündeln des Pedunculus cerebri hierher kommen. 2. Die Zellen der oberflächlichen Schicht liegen in einer Reihe über den subependymalen Fasern : ihre Dendriten haben ein moosartiges Aussehen und dringen in die Tiefe der Corpora quadrigemina, wo sie mit den Zellfortsätzen der tiefen Schichten ein dichtes Flechtwerk bilden. Die Stammfortsätze dieser Zellen treten unter die subependymalen Fasern und steigen hier ent- weder zum Lobus opticus hinauf, oder gehen zur Basis des Mesencephalon (wie die Längsschnitte zeigen) und zwar in seine zahlreichen dorso-ventralen Bündel. 3. Das Stratum medullare profundum besteht aus Fasern derselben Schicht des Teetum und aus den Fortsätzen der Zellen der tiefen Schichten der hinteren Vierhügel. 4. Die Zellen der tiefen Schichten haben denselben Bau wie die oben beschriebenen oberflächlichen Zellen, bilden aber einige übereinanderliegende Reihen. Ihre Dendriten sind auch mit den Appendices besetzt und dringen durch die ganze Dicke dieses (rebietes, ohne aber seine Grenzen zu überschreiten. Die feinen varikösen Stammfortsätze richten sich zu den Schichten der Nervenfasern, und treten in das Stratum medullare profundum und teilweise auch in das Stratum sub- ependymale ein. Die Hauptmasse dieser Fasern geht dann mit diesen Schichten zum Lobus opticus, während die andern die entgegengesetzte mediale Richtung zu den Corpora qua- drigemina der andern Seite einschlagen. Wie in der ober- flächlichen Schicht, so gibt es auch hier Zellen, deren Axone in die Nervenbündel des Pedunculus eindringen. In den Corpora quadrigemina posteriora enden zahlreiche Fasern, die aus den Schichten der weissen Substanz des Pedunculus hierher gelangen. Ihren Hauptursprung bilden die Bündel des Sehnerven (radix posterior tracti optici), doch ist nicht ausgeschlossen, dass auch Fasern aus den Tracti tecto- et bulbo-spinales hier enden. Diese Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 237 letzteren Fasern entspringen auf der Grenze zwischen der Basis und dem Tectum mesencephali als dickes Bündel, das von den Bündeln der weissen Substanz des Pedunculus ab- biegt. In die hinteren Vierhügel eingetreten, zerfällt das Bündel schnell in eine Menge sehr dünner Fibrillen, die ein ausseror- dentlich dichtes. Geflecht zwischen den Fortsätzen und Zellen dieses Gebietes bilden (Fig. 12). Ein Teil dieser Fasern jedoch, dringt, ohne sich zu verzweigen, zum Stratum medullare profundum und zum Stratum subependymale und steigt in diesen Bündeln zum Lobus opticus hinauf, wobei er sich mit den Fasern des Tractus opticus vermengt, die, ohne in die Corpora quadrigemina zu treten, direkt zum Tecetum gehen. Der Nucleus nervioculomotorii (Fig. 14 nc. n. Hl). Der Kern des Nervus oculomotorius befindet sich in den ventralen Teilen des Pedunculus, und nimmt die ganze Länge des Mittelhirns zwischen dem Epithel seines Ventrikels und dem Fasciculus longit. medialis ein. Die Zellen des Nucleus zeichnen sich hauptsächlich durch ihre Grösse aus; sie sind leicht gestreckt, birnenförmig, und senden dicke Dendriten zur Peripherie, die sich sowohl in der grauen Substanz des Pedunculus, als auch in der weissen, ver- zweigen. Ihre Stammfortsätze gehen vom Körper der Zellen, oder einem ihrer Dendriten aus, schlagen die mediale Richtung ein und biegen bald nach unten ab, indem sie ein Faserbündel bilden, das als Nervus oculomotorius die Basis des Ge- hirns verlässt. Etwas höher als der Kern des III Nerven befindet sich ın den hinteren Teilen des Pedunculus eine Ansammlung grosser Zellen, die Gaupp als „Grosse Zellen der Aussen- schicht des Pedunculus“ bezeichnet und die wahrschein- kehimit Bdingers , Ganglion "laterale mesence- phali“ identisch ist (Fig. 14 gl. It... Auf Längsschnitten zeigt sich dieser Kern als kugelförmige Ansammlung von Nervenzellen unmittelbar unter den Corpora quadrigemina poste- riora und unterscheidet sich von diesen durch das Aussehen und die Verteilung seiner Elemente. Nicht weniger scharf tritt er auf den Querschnitten der hinteren Teile des Mittelhirns hervor. Ihrer Grösse nach erinnern die Zellen dieses Kernes an 238 W. Rubaschkin: die Zellen des Nervus oculomotorius; sie senden Dendrite aus. die sich in den peripheren Schichten des entsprechenden Pedun- culusteiles verästeln; ihre Axone gehen nach innen und können bloss eine kurze Strecke weit verfolgt werden — ihr ferneres Schicksal und ihre Bedeutung sind unbekannt. Nach Edinger steht dieser Kern in Verbindung mit dem Fasciculus lon- gsitudinalis lateralis, welcher durch das ganze Gehirn geht und in die Seitenstränge des Rückenmarks eindringt. Cerebellum. Das Kleinhirn (Fig. 17). Das Kleinhirn ist bei den Amphibien bedeutend einfacher gebaut als bei allen übrigen Wirbeltieren und entspricht den ersten Stadien der ontogenetischen Entwicklung. Es besitzt die Form einer dünnen Platte mit etwas breiterer Basis, die fast im rechten Winkel zum Markstamm steht. Die vordere Wand des Kleinhirns (facies frontalis) ist zum Tectum mesen- cephali gerichtet und mit demselben durch das Velum me- dullare anterius verbunden; die hintere Wand (facies caudalıs) geht m den Plexus choroideus — das Dach des vierten Ventrikels — über. Ungeachtet der anatomischen Einfachheit, hat das Kleim- hirn einen ziemlich komplizierten Bau, und erinnert im Allge- meinen an den Bau der einzelnen Windungen des Vermis ‚oder der Halbkugeln des Kleinhirns der höheren Tiere. Wlassak, (39) der das Kleinhirn des Frosches mit Hilfe der Weigert’schen Methode (Färbung mit Nigrosin, Häma- toxylin ete.) untersuchte, stellte für das Cerebellum der Amphibien, von der Facies caudalis zur Facies fron- talis gerechnet, sechs Schichten fest: 1. das Ependym; 2. die subependymale Schicht der kleinen Zellen; 3. die Schicht der Nervenfasern (Markstrahl); 4. die äussere Kernschicht: 5. die Schicht der Purkinje’schen Zellen und 6. die molekulare Schicht. Die innere (ependymale) und äussere Kernschicht von ein- ander zu trennen ist eigentlich nicht notwendig, da sie im Gebiet der Nervenfasern in einander fliessen, und von denselben bloss durchbohrt, aber nicht in zwei besondere Bezirke getrennt werden. Dazu besitzen sie noch dieselben Bestandteile: dieselben stern- fürmigen Zellen mit kurzen, sich rasch verzweigenden, Dendriten, und einem zur Molekular-Schicht aufsteigenden Axon. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 239 Die Beschreibung des Baues beginnt man am besten mit den Purkinje’schen Zellen. Dieselben liegen in einer Reihe, ungefähr in der Mitte zwischen der frontalen und caudalen Wand, und teilen das Kleinhirn in den vorderen und hinteren Bezirk. Der erstere besteht aus den Verzweigungen der Dendriten der Purkinje’schen Zellen und den Zellen der molekulären Schicht, der zweite aus sternförmigen Zellen der Kernschicht und den sie durchdringenden Fasern. ; Vom Körper der Purkinje’schen Zelle gehen gewöhnlich ein, mitunter auch zwei oder drei starke Fortsätze zur Peripherie, in die molekuläre Schicht. Diese Fortsätze lösen sich in zahlreiche mit Appendices bedeckte Aeste auf, wodurch sie den Dendriten der Purkinje’schen Zellen bei den höheren Tieren ähnlich sind. Diese Aeste nehmen, wie Fig. 17 zeigt, die ganze molekulare Schicht ein und reichen fast bis zur freien Oberfläche der Facies frontalis. Die Stammfortsätze gehen in die Schicht der stern- förmigen Zellen, zu den Nervenfasern, und entsenden auf ihrem Wege collaterale Aestchen. Ausser den Dendritenverzweigungen der Purkinje’schen Zellen besitzt die Molekularschicht eigene Zellen, unter denen _ man zwei Arten unterscheidet. Die Zellen der ersten Gattung (Fig. 17b) sind meist rund und haben feine variköse Fortsätze, die in horizontaler Richtung auseinandergehen und sich zwischen den Dendriten der Purkinje’schen Zellen verzweigen. Einen Fortsatz, der zu den letztgenannten Zellen oder in die tieferen Schichten des Kleinhirns dringt, kann man nicht wahrnehmen. Die Zellen der zweiten Gattung (Fig. 17a) befinden sich ebenfalls zwischen den Dendriten der Purkinje’schen Zellen, sind spindelförmig und haben zwei Fortsätze — einen aufsteigenden (frontalen) und einen absteigenden (caudalen). Der erstere ver- zweigt sich schnell in der molekularen Schicht und zerfällt in die feinsten varikösen Fädchen, der zweite geht caudal zu den Nervenfasern. Unbekannt ist, ob er wirklich in ihren Bestand tritt, oder zwischen den Zellen der Kernschicht endet. Was diese letzte Schicht, deren Elemente das ganze Gebiet von den Purkinje’schen Zellen bis zur Facies caudalis einnehmen, anbelangt, so kann ich nur wenig sagen. Die meisten Zellen sind sternförmig, haben kurze Fortsätze, die sich zwischen den übrigen Zellen dieser Schicht verzweigen, und nur bisweilen findet Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 16 240 W. Rubaschkin: man einen in frontaler Richtung zur Molekularschicht ver- laufenden Fortsatz. Die Fasern durchbohren das Kleinhirn von der Basis bis zum oberen Ende als ein Trakt markhaltiger Fasern, der nach Wlassak die Verbindung des Cerebellum mit den verschiedenen (Gebieten des Gehirns und Rückenmarkes (Tracti cerebello- spinales, Tracetus tegmento-cerebellaris, Tracetus cerebello-peduncularis nach Wlassak) herstellt. In histologischer Hinsicht unterscheidet man hier Fasern, die im Kleinhirn entspringen — die cerebellofugalen Fasern — und die in ihm endigen — die cerebellopetalen. Als Ursprung der ersteren dienen, wie schon bemerkt ist, die Stammfortsätze der Purkinje’schen Zellen, und wahrscheinlich auch die spindelförmigen Zellen der Molekularschicht ; die zweiten entspringen als einzelne nackte Achsenzylinder dem Bündel mark- haltiger Fasern, dringen durch die Reihen von Zellen der Kern- schicht und erreichen die Purkinje’schen Zellen. Hier in der Molekularschicht teilen sie sich in mehrere Zweige, die in den verschiedenen Teilen derselben enden. Mitunter teilen sich diese Fasern auch über den Purkinje’schen Zellen in zwei, der Ober- fläche des Kleinhirns parallel auseinandergehende Zweige, von denen der eine zur Basis, der andere zum oberen Ende des Kleinhirns wandert; anf ihrem Wege geben sie Seitenzweige, die sich verästeln. Die aufsteigenden Fasern bilden vermittels ihrer End- verästelungen ein festes und dichtes Geflecht mit den Dendriten der Molekularschicht. Literaturverzeichnis: 1. Carus: Versuch einer Darstellung des Nervensystems und Gehirns. 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Längsschnitt aus dem Bulb. olfactorius Rana tempor.; Sb. gl. — Zellen der suhglomerulosen Schicht (Sir. subglomerulosum) ; gl. — Str. glomerulosum‘; mge. — Zellen des strati magno- cellularis; gr. — Zellen des strati granulosi; tr-Sb. — Fasern der subependymalen Schicht (Str. subependymale). 6. Zelle der subglomerulosen Schicht; «x. — der zu den Fila olfactoria gehende Stammfortsatz; 5 und 5 — Zweige, die an der Entstehung der Knäuel teilnehmen. 7. Sternzelle des Stratum magnacellularis; ax. — Stammfortsatz zu den subependymalen Fasern; 5 und 5 — die knäuelligen Fortsätze. Fig. Fig. Fig. 8. 9. . 10. ee len ..13. . 14. . 15. 716. 0 18. Zur Morphologie des Gehirns der Amphibien. 243 Einzelne Zellen des Mantels, nach ihrer Verteilung in demselben ; a, b — grosse Pyramidenzellen des Mantels, die eine (@) mit auf- steigenden; die andere (db) mit absteigenden Axon; c — kleine Pyramidenzellen mit einem in die Tangentialfasern übergehenden Fortsatze; d — Cajal’sche Zelle. Quer (Frontal)-Schnitt des Vorderhirns im Gebiete der Commissura pallii anterior (nach hinten vom Zoram. interventriculare); a und « — Ventrikel des Mantels; 5b — commissura pallii anterior, c — die zur Formatio later. pallii aufsteigenden und von ihm absteigenden Fasern; d — die zum Stammbündel gehenden Fasern der Format. lateralis. Der untere Teil des Bildes gehört dem Zwischenhirne an; links — sein Zellenbau: rechts — die in diesem Gebiete sich verzweigenden Fasern; fs. ds. — Stammbündel des Vorderhirns. Ganglion habenulae des Zwischenhirns. Quer Frontal)-Schnitt des Lobus opticus Ranae escul. Mit den Ziffern sind die entsprechenden Schichten bezeichnet. Die aus- führliche Beschreibung befindet sich im Text. Grosse Sternzellen des Lobus opticus. sZr. op. — Fasern-Schicht des Sehnerven; sr. pr. — Str. medullare profundum. Das Ende der Fasern des Stratum opticum und des Str. medull prof. lobi optici. Querschnitt durch das Mittelhirn im hinteren Teile desselben. L.o. — ein Teil des Lobus opticus; c.g. p. — corpora quodri- gemina posteriora; gl. ld. — ganglion laterale; »c. n. III — nucl. nervi II. Sagittalschnitt durch das Mittelhirn. c.g.p. — corpora quadri- gemina prost.; gl. Z£. — gangl. later. mesenceph. ; 2. o. — lobi optici. Zelle der Corp. quadrig. post. Sagittalschnitt durch das Kleinhirn Ran. escul. P%. — Purkinje’sche Zellen; a, & — Zellen der molekularen Schicht; ce — Sternzellen der Kernschicht; » — die in der molekularen Schicht des Klein- hirns endenden Nervenfasern; N. — ein Bündel der Nervenfasern. Die Purkinje’sche Zelle des Kleinhirns. 244 Nervenendigungen in der Pleura des Menschen und der Säugetiere. Von A. S. Dogiel, ordentl. Professor der Histologie an der Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XIV. Gleichzeitig mit dem Studium der Nervenendigungen in dem Bauchfell, dessen Resultate bereits bekannt sind, nahm ich auch eine Untersuchung der Nervenendigungen in der Pleura vor, wozu mich teilweise auch der Umstand bewog, dass die Frage nach der Endigungsweise der Nerven in der Pleura bis jetzt fast unberührt geblieben ist. Als Material zu meinen Untersuchungen diente mir die Pleura des Menschen (vorwiegend von Kindern) und einiger Säugetiere wie Hund, Katze. Die Färbung mit Methylen- blau erfolgte entweder vermittels einer Injektion der Blutgefässe mit einer !/—!/s prozentigen Lösung dieses Farbstoffs oder ver- mittels Einführung einer '/s—!/s prozentigen Farbstofflösung in den Pleuralraum. 20—25 Minuten nach Beginn der Färbung wurde das Sternum mit dem knorpligen Anteil der Rippen ent- fernt und darauf 2—3—4!) Rippen mit den musc. intercostalis und der Pleura herausgeschnitten. Die Präparate wurden in ent- sprechenden Glasgefässen in dem Thermostaten (bei einer Temperatur von 36,5°—37°C.) für 25—40 Minuten bis 1—1!/s Stunden aufgestellt. Alsdann übertrug ich sie in eine grosse Menge einer 5—8prozentigen Lösung von molybdänsaurem Ammonium zwecks Fixierung des Methylenblaus; nach Verlauf von 18—24 Stunden wurde darauf von denselben vorsichtig mit Hülfe eines scharfen Scalpells die Pleura zusammen mit einem Teil der m. m. inter- costales interni abgelöst. Die dermassen abpräparierten Pleura- stücke wurden 2—3 Stunden in destilliertem Wasser ausgewaschen, worauf vermittels einer Scheere ein Teil der m. m. intercostales soweit entfernt wurde, dass das Präparat genügend dünn und für eine Untersuchung geeignet war. Die bisweilen mehrere Quadratcentimeter grossen Stücke der Pleura costalis spannte ich alsdann zusammen mit den unter- !) Gewöhnlich wurde der ganze knöcherne Anteil der Rippen bis zu deren Anheftungstelle an die Wirbelsäule ausgeschnitten. Nervenendigungen in der Pleura des Menschen und der Säugetiere. 245 liegenden Teilen und den Resten der m. m. intercostales interni auf entsprechend grosse Kartonstücke vermittels Stecknadeln aus, entwässerte sie, nahm sie darauf vom Karton ab, hellte sie in Xylol auf und schloss sie in dicken Xyloldamarlack ein. Auf den dermassen dargestellten Präparaten war die Mög- lichkeit gegeben, nicht nur die Nervenendigungen in der Pleura sondern auch an den Übergangsstellen der Muskeln in die Sehnen und in den Muskeln selber zu studieren. Dabei muss jedoch bemerkt werden, dass die Nervenendigungen in der Pleura durch- aus nicht so leicht wie im Bauchfell erhalten werden. Dieses ist dadurch zu erklären, das der Verlauf der Färbung nicht ver- folgt werden kann, da das Präparat während der Färbung einen Teil des Brustkorbes darstellt und infolgedessen, natürlicher- weise, nicht unter dem Mikroskop selbst bei schwachen Ver- grösserungen untersucht werden kann. Sämtliche zur Pleura costalis verlaufende Stämmchen sondern sich, soviel ich habe wahrnehmen können, von den m. m. intercostales in Gestalt dünnerer oder dickerer Ästchen ab. Während sie auf der Pleura hinziehen, teilen sie sich, und bilden in der äusseren, lockeren Schicht derselben ein weitmaschiges Geflecht. In den Stämmchen und deren Ästchen verlaufen dünne und dicke markhaltige und marklose Nervenfasern; die ersteren teilen sich gewöhnlich in den Stämmchen mehrfach. Von dem Geflecht sondern sich dünne Fasernbündel und einzelne Fasern ab, welche nach verschiedenen Richtungen hinziehen und sowohl die äussere als auch die innere (oberflächlichere) dichtere Schicht der Pleura versorgen, wo sie in verschiedenartigen Endapparaten endigen. In der Pleura des Menschen habe ich eingekapselte und uneingekapselte Nervenapparate gefunden, während in der Pleura der von mir untersuchten Säugetiere (Hund, Katze) augenscheinlich nur uneingekapselte Apparate vorhanden sind. Zu den eingekapselten Apparaten in der Pleura des Menschen gehören die typischen Vater-Paceini- schen Körperchen und deren Modifikationen — die Golgi-Mazzoni’schen Körperchen. Erstere werden in be- schränkter Zahl angetroffen; sie sind gewöhnlich sehr oberflächlich, nicht selten nahe der freien Oberfläche gelagert, wobei ihre Längsaxe der letzteren parallel gerichtet ist. Diese Körperchen, 246 A.S. Dogiel: wie überhaupt sämtliche typische Vater-Paceini’sche Körperchen zeichnen sich durch ihre beträchtliche Grösse sowie durch das Vorhandensein einer grossen Anzahl äusserer und innerer, die Hülle des Körperchens darstellender, Lamellen aus. (Fig. 1.) Eine dicke markhaltige Nervenfaser, teilt sich nach dem Abgange vom Nervenstämmchen.oder -ästchen des oben angegebenen Geflechts, in mehrere sich wiederholt verzweigende Fasern, welche grösstenteils parallel der Oberfläche der Pleura verlaufen und darauf zu je einem Körperchen hinziehen, in dessen Innenkolben sie alsdann von einem Pol aus eindringen (Fig. 1). Hier endigen sie in derselben Weise wie es von mir!) für die typischen Vater-Paccini’schen Körperchen des Bauchfells beschrieben worden ist. Die beigegebene Fig. 1 stellt ein derartiges Körperchen aus der Pleura eines acht- monatlichen Kindes dar; die Verzweigungen des Axenzylinders haben sich im gegebenen Fall nur teilweise gefärbt, während die Verzweigungen der Nervenfaser der zweiten Art vollkommen un- gefärbt geblieben sind. Die modifizierten Paccini’schen Körperchen (Fig. 2) finden sich beständig in der Pleura des Menschen und zwar in grosser Zahl. Dieselben sind, soviel ich habe feststellen können, sowohl in der oberflächlichen als auch in der äusseren Schicht der Pleura gelagert, wobei in dem Teil derselben, welcher die Zwischenrippenräume bedeckt, die Körperchen unmittelbar unter den Muskeln und an den Übergangsstellen dieser in die Sehnen angeordnet sind. Die Längsaxe der Körperchen ist entweder schräg oder parallel zur Pleurafläche gelagert. Dicke markhaltige Fasern geben gewöhnlich auf ihrem Ver- lauf in den Nervenstämmchen oder nach dem Abgange von diesen, markhaltige, bisweilen auch marklose Ästchen ab, welche nach Verlauf einer beträchtlichen Strecke in der Ein- oder (in selte- nen Fällen) Zweizahl einen Pol eines Körperchens erreichen. In einigen Fällen teilt sich ein markhaltiges Ästchen in einiger Ent- fernung vom Körperchen Y-förmig in zwei Ästchen, welche sich zu einem Körperchen begeben. Am Körperchen verlieren die Ästchen zunächst ihre Markscheide, worauf ihre Axenzylinder in den Binnenraum des Körperchens eindringen, woselbst sie all- ') Die Nervenendigungen im Bauchfell, in den Sehnen, den Muskeln- spindeln etc. Arch. f. micros. Anat. Bd. 59, 1901. Nervenendigungen in der Pleura des Menschen und der Säugetiere. 247 mählich in eine grosse Anzahl verschiedenartig gewundener und durcheinandergewirrter Ästchen zerfallen (Fig. 2). Dieselben sind von verschiedener Dicke und mit verschiedengestalteten An- schwellungen besetzt ; indem sie sich mit einander verbinden, bilden sie einen Nervenknäuel. Die Axencylinder der Nervenfasern endigen somit kurz gesagt im Binnenraum der modifizierten Vater- Pacceini’schen Körperchen in derselben Weise wie in den von mir beschriebenen, ähnlichen Körperchen im Bauchfell. Bisweilen konnte ich wahrnehmen, dass zu den Körperchen, ausser den obenerwähnten Fasern, noch feinere markhaltige Fasern und dünne variköse Fäden herantreten. Die ersteren gehören wahrscheinlich denjenigen Fasern an, welche im Innern des Körperchens in ein Netz feinster variköser, die Endverzweigungen der obenerwähnten dicken markhaltigen Fasern umflechtende Fädchen, zerfallen ; die zweiten verlaufen zu den Blutkapillaren, welche jedes Körperchen in einem dichten Netz umgeben. Die uneingekapselten Nervenapparate (Fig. 3) der Pleura sind vollkommen den von mir im Bauchfell ausführlich beschriebenen gleich. Die Nervenfasern, sowie ganze Faserbündel, welche in den nicht eingekapselten Apparaten endigen, sondern sich von dem oben angegebenen Geflecht oder von denjenigen Bündeln ab, in denen die Fasern zu den eingekapselten Nerven- apparaten verlaufen. Diese Bündel und Fasern ziehen nach ver- schiedenen Richtungen zu der äusseren und inneren — ober- flächlichen — Schicht der Pleura, wobei sie mehr oder weniger parallel der Oberfläche derselben angeordnet sind, auf ihrem Verlauf teilen sie sich; die markhaltigen Teiläste gehen an den Ranvier’schen Schnürringen allmählich in der Mehrzahl der Fälle in kurze Seitenästchen ab, von welchen einige markhaltig, andere marklos sind. Die ersteren verlieren nach Verlauf einer kurzen Strecke ihre Markscheide, worauf sich ihr Achsenzylinder in mehrere sich wiederholt verzweigende kurze Ästchen teilt (Fig. 3). Diese sind mit vieleckigen, blattförmigen Verbreiterungen — Plättehen — besetzt, welche der gesamten Endverzweigung des Achsenzylinders ein eigenes Aussehen gewähren — sie macht den Eindruck eines Bäumchens mit zahlreichen kurzen, mit Blättchen bedeckten Ästchen, wobei die einzelnen Blättchen vermittelst feiner, von ihren Ecken abgehenden, Fädchen miteinander ver- bunden sind (Fig. 3). 248 A.S. Dogiel: Die einzelnen Teile der soeben besc'ıriebenen Endapparate sind. gewöhnlich entweder in einer Ebene gelegen, oder aber, einige von. ihnen höher, andere tiefer, dabei jedoch immer den Bindegewebs- fibrillenbündeln dicht angelagert. Zwischen den Verzweigungen. des Achsenzylinders werden häufig runde oder ovale Kerne an- getroffen, wie ich sie in ähnlichen Präparaten des Bauchfells. wahrgenommen habe. Einige dieser Endverzweigungen nehmen. eine verhältnismässig grosse, andere wiederum eine sehr beschränkte: Fläche ein, wobei sie nicht selten stark in die Länge ausgezogen sind. In gewissen Fällen zerfällt ein kurzer markhaltiger Ast. vorher in 2—3 noch kürzere Ästchen, welche alsbald die Mark- scheide verlieren, worauf sich jedes von ihnen in mehrere (3—4), marklose Ästchen teilt. Letztere verlaufen nach verschiedenen Richtungen und zerfallen nach kurzem Verlauf in eine grosse: Anzahl mit Anschwellungen versehener, kurzer Ästchen und Fäden, d. h. bilden ein ganzes Bündel von Endverzweigungen,. von denen einige tiefer, andere höher gelegen sind. Die beschriebenen Endapparate finden sich sowohl in der äusseren, als auch in der inneren dichteren Schicht der Pleura, wobei nicht selten eine Stammfaser in zehn und mehr derartigen: Apparaten endigt. Eine markhaltige Faser teilt sich häufig, besonders in der oberflächlichen Pleuraschicht nach Verlust der Markscheide in mehrere kürzere oder längere marklose Ästchen, welche in ähn- lichen Apparaten, wie die soeben beschriebenen endigen, nur mit dem Unterschiede, dass ihre blattförmigen Anschwellungen feiner erscheinen und sie selbst fast unmittelbar unter dem Epithel gelagert sind. Enthält die Pleura, besonders bei fettreichen Tieren, viel Fettgewebe, so werden bisweilen in demselben in den Bindegewebs- septa zwischen den Fettläppchen und -zellen Nervenendver-- zweigungen angetroffen (Fig. 3). Ausser sensiblen Nerven sind in der Pleura auch sympathische Fasern vorhanden, welche ge- wöhnlich die arteriellen und venösen Stämmchen, sowie deren: Verzweigungen begleiten. Aus dem Gesagten ist somit ersichtlich, dass die Endigungs-- weise der Nerven in der Pleura sich in nichts wesentlichem von. der Nervenendigungsweise im Bauchfell unterscheidet. Nervenendigungen in der Pleura des Menschen und der Säugetiere. 249 Da ich auf einigen Präparaten zusammen mit der Pleura den Übergang der m. m. intercostales in ihre Sehnen erhielt, so hatte ich die Möglichkeit die Endigung der Nerven in denselben klarzustellen, infolgedessen ich mit einigen Worten auf dieselben eingehen werde. Wie auf vielen meinen Präparaten zu ersehen ist, so sondern sich von den m. m. intercostales verschieden starke Nerven- stämmchen ab, die vorwiegend aus dicken markhaltigen Nerven bestehen. Indem sich dieselben teilen, verlaufen sie zu den Rändern der m. m. intercostales, dringen in die Bindegewebssepta zwischen die Muskelbündel ein und zerfallen schliesslich in einzelne Fasern. Wie aus Fig. 5 ersichtlich ist, endigen eine gewisse Anzahl dieser Fasern alsbald mit Nervenspiralen und baumförmigen Verzweigungen in den sog. „Muskelspindeln“ ; die anderen Fasern verlaufen weiter und endigen, in verhältnismässig weiter Ent- fernung von den soeben angegebenen Apparaten in besonderer Weise (Fig. 4 und 5). Eine sehr dicke markhaltige Nervenfaser teilt sich gewöhnlich in einiger, bisweilen weiter Entfernung vom Muskelrande gabelförmig in zwei starke markhaltige Äste, die entweder in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung, jedoch beide in der Verlaufsrichtung der Muskeln ziehen. Nach einer kurzen Strecke zerfällt jeder Ast in mehrere (5—6), häufig sich wiederholt teilende kurze markhaltige Ästchen, welche ihrerseits der Richtung der Muskelfasern folgen. Jedes Ästchen verliert darauf seine Markscheide und teilt sich alsdann sofort in mehrere Fäden, die alsbald in eine grosse Anzahl sich teilender mit blattförmigen Anschwellungen besetzten, kurzen Fädchen zerfallen (Fig. 4 und 5). Letztere verbinden sich untereinander vermittelst feinster von ihren Ecken abgehender Fädchen. Es sind somit hier Nerven- apparate vorhanden, welche durchaus denjenigen gleichen, die ich soeben in der Pleura beschrieben habe. Eine dicke markhaltige Nervenfaser endigt nicht selten in 10—12 und sogar 20 der- artigen Apparaten, wobei dieselben nicht auf der Oberfläche der Muskelfasern gelagert sind, sondern in die Zwischenräume zwischen den einzelnen Fasern eindringen. Häufig teilt sich die Haupt- nervenfaser nicht in zwei Fasern, sondern zerfällt direkt in mehrere kurze markhaltige Ästchen, die in Endverzweigungen endigen ; zwei verschiedene Nervenfasern nähern sich nicht selten, von entgegengesetzten Richtungen herkommend, einander und zerfallen, 250 A. 8. Dogiel: Nervenendigungen in der Pleura ete. wie aus Fig. 4 ersichtlich, in mehrere markhaltige Ästchen, die in der angeführten Weise in den Zwischenräumen zwischen den Muskelfasern endigen; nicht selten vereinigen sich in derartigen Fällen die Endverzweigungen miteinander. Es ist bemerkenswert, dass die soeben beschriebenen Nerven- apparate sehr häufig, wenn nicht immer, eine Begleiterscheinung der Nervenendigungen in den Muskelspindeln darstellen: in der Nähe der ersteren kann man fast immer auch die letzteren antreffen (Fig. 5). Figurenerklärung auf Tafel XIV. Fig. 1. Typisches Vater-Paccini’sches Körperchen in der Pleura eines Kindes. a) Lamellen der Hülle; b) markhaltige Nervenfaser, welche im Innenkolben endigt, c) Nervenstämmchen. Obj. A. Zeiss. Fig. 2. Modifizierte Vater-Paccini’sche Körperchen in der Pleura eines Kindes. a) Nervenstämmchen; b) Hülle des Körperchens; c) die in den Körperchen endigenden markhaltigen Fasern. Obj. A. Zeiss, ausgezogener Tubus. Fig.3. A, B und C. Baumförmige Endverzweigungen in dem Bindegewebe der Pleura eines Hundes. 1. markhaltige Nervenfasern. Auf Fig. C sind die Nervenapparate zwischen Fettzellen (in der Nähe der freien Pleuraoberfläche) zu sehen. Fig. A und B sind mit Obj. C., Fig. © mit Obj. A. Zeiss gezeichnet worden. Fig. 4. Nervenendverzweigung im Bindegewebe zwischen Muskelzellen, welche von zwei verschiedenen markhaltigen Fasern gebildet wird. a) ein Teil eines m. intercostales vom Hunde. Obj. A. Zeiss, halbausgezogener Tubus. Fig.5. Teil eines m. intercostales vom Hunde mit Endverzweigungen zwischen den Muskelfasern. und Spiralapparaten in einer Muskel- spindel. Obj. C. Zeiss. Sämtliche Figuren sind vermittelst der Zeichenkammer angefertigt worden. 251 Experimenteller Beitrag zur Frage vom zentralen Verlaufe des Nervus cochlearis bei Spermophilus citillus.') Von Dozent Dr. K. Weigner, Assistent am Anatomischen Institut der Böhmischen Universität Prag. — Direktor Prof. Dr. J. Janosik. Mit 5 Textfiguren. Zur histologischen Untersuchung wurde ein absolut frisches Material benutzt, das sofort nach dem Tode in conc. Sublimat- lösung + Pikrinsäure mit Zusatz von 5°/o Eisessig, in Formal- dehydlösung, in conc. Sublimatlösung, in Müller’scher und Auerbach’scher Flüssigkeit fixiert und gehärtet wurde ; Serien- schnitte wurden nach der Gieson’schen, Weigert’schen und Auerbach’schen Methode behandelt. Zur Untersuchung ge- langten junge und ausgewachsene Tiere. Die Operationen wurden nur an den letztgenannten ausgeführt. Ich wählte zu den operativen Encheiresen deshalb den Ziesel, weil bei demselben die Cochlea ganz frei in die Bulba tympanica hineinragt. Die Zerstörung wurde mittels Eintropfen conc. Salpetersäure oder mit einem stumpfen Instrumente aus- geführt (Fig. 1). Bei dem ersten Modus liess sich die Irritation des ganzen Laby- rinthes nicht ausscheiden, wogegen bei „ dem zweiten Modus eine profuse Blutung aus der sehr starken Arteria stapedia sich nur schwer stillen liess. Die genannte Arterie, ein Ast der Arteria carotis externa (Carotis interna fehlt beim Ziesel vollständig), verläuft nämlich über die Basis der Cochlea und war da- durch der Zerreissung sehr ausgesetzt. In mehreren Fällen gelang die Operation ohne eine grössere Blutung; im ganzen wurden 31 Tiere operiert. Nach der Operation lebten die Tiere 11 Tage bis 3 Wochen, dann wurden die Objekte nach Marchi oder Busch behandelt; einige Ziesel liess ich 5 Monate am Leben, um die Atrophie sicherstellen zu können. Fig. 1: Zerstörte Cochlea. !) Resume aus „Rozpravy“ de l’Academie de Boh&me. 1903. 252 K. Weigner: Ueber die normalen Verhältnisse in der Medulla oblongata erachte ich es für notwendig, Folgendes anzuführen: Die gekreuzten Bündel der Pyramiden verlaufen in den dorsalen Strängen dicht neben dem Sulcus longit. post.; in einem Falle verlief ein Bündelchen nicht rein dorsal, sondern zu der medialen Seite des Hinterhornes. Die Kerne des Hypoglossus sind nicht scharf begrenzt und fliessen in der Medialebene fast zusammen. Der Nucleus ambiguus ist eine direkte Fortsetzung der Clark’schen Säulen. Die untere Olive hat distal eine konische Form, die proximalwärts in eine halbmondförmige übergeht; ventral ist sie scharf begrenzt, dorsal verläuft sie in einige Ausläufer; höher ist. dieselbe ventro-dorsal platt gedrückt und wird durch aus der Raphe ausstrahlende Fasern in S-förmige Lamellen geteilt. Der laterale Teil der unteren Olive wird von den Fila radicularia des Hypoglossus durchsetzt. Nucleus olivaris accessorius medialis und lateralis lassen sich nicht von der Hauptmasse trennen. Der Kern des Nervus facialis, welcher durch multipolare Ganglienzellen von 28-30 u Durchmesser gebildet wird, liegt ganz ventral und ist gegen die Peripherie der Medulla oblong. durch die Fasern des Corpus trapezoideum abgegrenzt. Der Kern des Nervus abducens befindet sich nicht in der Konkavität des Genu internum Nervi facialis, sondern lateral und dorsal von demselben; zwischen den beiden Nerven besteht keine Verbindung. In der Höhe der genannten Gebilde, dorsal von den Pyra- miden, liegen Ganglienzellen von 17 « im Durchmesser, deren Achsenzylinder transversal verlaufen und den Fasern des Corpus trapezoideum sich zugesellen. Zu beiden Seiten der Raphe sieht man besonders grosse multipolare Ganglienzellen von 30-45 u; ihre Grösse ist sehr auffallend, denn an denselben Schnitten im Kleinhirn getroffene Purkinje’sche Zellen messen nur 22 und 14 u; die Ausläufer der betreffenden Zellen verzweigen sich in der Substantia reticularis: diese ganze graue Masse kann als Nucleus reticularis tegmenti bezeichnet werden. Zwischen den Fila radicularia ‘des Nervus facialis und des Nervus abducens befinden sich einige Gruppen grauer Substanzen, die nicht besonders scharf begrenzt sind, die man als Oliva superior bezeichnen kann. Wo der Facialiskern verschwindet, E 7 P 9A Beitrag zur Frage vom zentralen Verlaufe des Nervus cochlearis ete. 253 sieht man zwischen den Trapezfasern ein schmales Streifchen grauer Substanz, das mit seiner Längsachse mit den Wurzelfasern ‚des Nervus abducens parallel orientiert ist; an der Bildung dieses Streifehens beteiligen sich spindelförmige, ventro-dorsal stark abgeplattete Ganglienzellen von 38 u Länge; die Achsenzylinder dieser Zellen verlieren sich zwischen den Trapezfasern. Dieses Streifchen gehört zu der Hauptmasse der oberen Olive, welche eine S-förmige Form besitzt, was durch den bogenförmigen Faser- verlauf bedingt erscheint; ihr Hilus ist dorsal und medial ge- wendet; der zweite Hilus befindet sich zwischen dem medialen Pole und dem Streifchen und ist ventral gerichtet. Die Grund- substanz der oberen Olive hat einen körnigen Charakter, in der- selben befinden sich zahlreiche Neurogliazellen und kleine Gang- lienzellen eingestreut in einem dicht geflochtenen Fasernetze; an der Bildung desselben beteiligen sich nebst den Trapezfasern auch Ausläufer der Ganglienzellen des Nucleus corporis trape- zoidei, den man lateral vom Abducens trifft, Makroskopisch kann man den Nervus cochlearis bis in das ‘Tuberculum acusticum verfolgen, welches ausserhalb der eigent- lichen Substanz des verlängerten Markes sich befindet. Diese mit einer unbedeutenden zentralen Depression versehene Hervorragung beginnt an der lateralen Seite der Oblongata und reicht bis auf (deren dorsale Seite und ist unter dem Flocceulus gelagert; distal ist dieselbe durch einen deutlichen Einschnitt abgegrenzt, proxi- mal verliert sie sich ganz unmerklich. In dem ebengenannten Einschnitte verläuft ein ziemlich starkes Gefäss, das dem Tuber- culum Blut zuführt. Im proximodistalen Durchmesser misst das Tuberculum 2,5 mm und ist an der lateralen Seite des Corpus restiforme gelagert. Diese Hervorragung ist aus dem Tuberculum acusticum im eigenen Sinne und aus dem Nucleus ventralis zu- sammengesetzt. Die ganze dorsale und teilweise auch laterale Fläche wird vom Ependym der vierten Kammer bedeckt. Die Tela chorioidea liegt an der Grenze der genannten grauen Massen direkt dorsalwärts und lässt sich, nachdem sie im Recessus lateralis des vierten Ventrikels ein Glomus gebildet hatte, bis an die Kleinhirnoberfläche verfölgen. Wo das Tuberculum acusticum mit dem Nucleus ventralis zusammenstösst, sind kleine, runde ‚Zellen, zirka 5 «@ im Durchmesser, angehäuft, die ein wenig grösser sind, als ihnen sehr ähnliche Zellen in der Körnerschicht im 254 K. Weigner: Kleinhirn ; diese Anhäufung ist keilförmig und zieht sich an der Grenze der grauen Massen soweit, bis proximalwärts das Tuber- eulum acusticum verschwindet; dann decken diese Zellen die Oberfläche des Nucleus ventralis und schliessen sich der Körner- schicht des Kleinhirns direkt an. Was die topographische Lage des vorderen Acusticuskernes und des Tuberculum acusticum anbelangt, erstreckt sich jener weiter proximalwärts, dieses mehr distalwärts. In einer Ent- fernung von 0,5 mm von der hinteren Grenze der ganzen hier schon unter einem rechten Winkel gebogenen Hervorragung tauchen zwischen den Fasern des Nervus cochlearis dicht an der lateralen konvexen Seite des Corpus restiforme Ganglienzellen auf, die weiterhin den Nucleus ventralis bilden. — Der ganze Kern nimmt eine in die Länge ausgezogene Birnform an und senkt sich mit seinem schmalen Ende zwischen das Tuberculum acusticum und das Corpus restiforme. Die Bündel des Hörnerven strahlen nach allen Richtungen in den Kern aus. Nach dem Verschwinden des Tuberculum acusticum wird der vordere Kern halbmondförmig, wendet seine Konkavität lateralwärts und liegt dem Nervus vestibularis an; proximalwärts nimmt dieser Kern an Grösse stark ab und verliert sich endlich unter den Windungen des Kleinhirns. Aus dem eben Angeführten ist ersichtlich, dass der vordere Kern beim Ziesel nicht zwischen den beiden Wurzeln des Nervus acusticus gelegen ist. Ganglienzellenstränge, die dem eben angeführten Kerne angehören, lassen sich im Nervus coch- learis recht weit peripherwärts verfolgen. Die Hauptmasse dieses Kernes bilden multipolare nervöse Elemente von 18—24 u Durch- messer (die bipolaren Ganglienzellen des Ganglion spirale messen in derselben Serie 8—15 «). Das Protoplasma dieser Zellen ist fein granuliert und färbt sich sehr schwach, der Kern ist rund und mit einem deutlichen Kernkörper versehen. Zerstreut finden wir Ganglienzellen des bipolaren oder T-Typus, obzwar es nicht ausgeschlossen ist, dass eventuell ein Ausläufer abgeschnitten wurde. Was die Angabe Meynerts anbelangt, dass die Gang- lienzellen des vorderen Acusticuskernes analog wie die Spinal- sanglienzellen abgekapselt sind, dazu sei bemerkt, dass man solche Verhältnisse beim Ziesel nicht sicherstellen kann. Man sieht bloss, dass einige Ganglienzellen von einem glänzenden Saum umgeben sind, auf dessen inneren Seite sich ein ganz flacher Beitrag zur Frage vom zentralen Verlaufe des Nervus cochlearis ete. 255 Kern befindet; wenn wir diesen Befund mit jenem im Ganglion vestibuli vergleichen, dann erhellt sofort ein Unterschied, welcher darin besteht, dass deutlich bipolare Ganglienzellen dieses Gang- lion Kapseln besitzen, die durch sehr feine Lamellen gebildet sind; noch auffallender ist der Unterschied im Vergleiche mit den Spinalganglienzellen, die, dicht nebeneinander gelagert, deut- lich durch bindegewebige Lamellen abgekapselt sind. Wenn wir den Umstand in Betracht ziehen, dass im Nucleus ventralis multipolare Elemente vorwiegen, weiter, dass dieselben zerstreut gefunden werden und keine dichte Lagerung aufweisen und endlich einer wirklich bindegewebigen Kapsel vollkommen ent- behren, dann kann man den vorderen Acusticuskern mit einem Spinalganglion beim Ziesel nicht vergleichen. Die Zahl der eben beschriebenen Elemente nimmt proximal- wärts rasch ab und es nehmen kleine, 13--15 « messende Gang- lienzellen, die ziemlich dicht gelagert sind, überhand. Im ganzen Tubercuium acusticum ist die Grundmasse fein granuliert, an der Oberfläche befinden sich ependymale Zellen ; in dem oberflächlichen und in dem distalen Pole sind Neuroglia- zellen und Körnerzellen zerstreut. In der mittleren Schicht, welche die mächtigste ist, kommen längliche, spindelförmige oder pyramidale Ganglienzellen vor, deren Länge 16—25 4 beträgt und welche zur Oberfläche des Tuberculum acusticum radiär gestellt sind; diese Elemente bilden keine Reihen, sondern liegen mehr zerstreut. Je mehr wir in die Tiefe, d. h. zur Oberfläche des Corpus restiforme vordringen, nimmt die Zahl dieser Ganglien- zellen ab; die innere Nervenfasernschicht besitzt nur spärliche kleine oder ovale Ganglienzellen von T—13 u Durchmesser. Den primären Endigungsbezirk im Sinne von His sollen für den Nervus cochlearis die eben beschriebenen Massen des Nucleus ventralis und des Tuberculum acusticum bilden. Die Bündel dieses Nerven verlaufen bogenförmig, parallel mit der lateralen Fläche des Corpus restiforme und durchsetzen den vorderen Kern; mit diesen Nervenfasernsträngen kreuzen sich fast rechtwinkelig die Fasern des Corpus trapezoidel. An Prä- paraten, die mittelst modifizierter Auerbach’scher Methode be- handelt wurden, ist ersichtlich, dass einzelne Achsenzylinder des Nervus vestibularis, die sich durch ihre Dicke leicht von den feinen Fasern des Nervus cochlearis unterscheiden lassen, in den Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 17 256 K. Weigner: vorderen Kern sich verlieren; dieser Befund bestätigt die An- gabe Helds bei der Katze. Nach der Weigert’schen Methode sieht man, wie sich die Bündel des Nervus cochlearis in sehr feine Netze auflösen; an Präparaten, wo die Verzweigungen der Achsenzylinder deutlich gefärbt sind, sind diese die einzelnen Ganglienzellen umgebenden Netze viel dichter und feiner und bilden förmliche Körbchen: hie und da sind die Fäserchen varikös verdickt. In der oberflächlichen Schicht verlaufen die Nerven- fasern mit der Oberfläche parallel oder sind schief getroffen. In der distalen Partie des Tuberculum acusticum sind die Nervenbündeln dicht verflochten und länglich angeordnet; wie im vorderen Kerne sind auch hier in der oberflächlichen Schicht nur spärliche Nervenfasern. Die innere Schicht wird von Bündeln gebildet, welche mit der Oberfläche des Corpus restiforme parallel verlaufen. Ueber den weiteren zentralen Verlauf des Hörnerven belehren uns die durch die oben angeführten Experimente erzielten Resul- tate und können wir aus denselben folgendes beim Ziesel be- stimmen: Auf Grund des Waller’schen Gesetzes könnten wir schliessen, dass die Degeneration des N. cochlearis nur bis zu seinem primären Endigungsbezirke reichen wird; es muss aber bemerkt werden, : dass die Degeneration weiter proximalwärts vorrückt und die eigentlichen zentralen Bahnen des Hörnerven trifft; diese Erscheinung könnte eine Erklärung darin finden, dass die über den primären Endigungsbezirk hinüberziehende Degeneration eine Folge von trophischen Störungen ist, denn sonst müsste man annehmen, dass ein Teil der Cochlearisfasern im Nucleus ventralis und Tuberceulum acusticum nicht endigt, sondern ohne eine Interpolation von Ganglienzellen weiter ver- läuft, indem sie jene grauen Massen nur durchsetzen. Der Nervus cochlearis entspringt aus dem Ganglion spirale und tritt in den vorderen Kern und das Tuberculum acusticum, in welchem die meisten seiner Fasern durch Interpolation nervöser Elemente eine Unterbrechung erfahren (Fig. 2); es lässt sich die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass einzelne Fasern direkt zentralwärts verlaufen. Eine Differentiation im Sinne Helds in Striae acusticae, die aus dem Tuberculum acusticum entspringen und in die dorsale, aus dem vorderen Kern Ursprung Beitrag zur Frage vom zentralen Verlaufe des Nervus cochlearis ete. 257 striae ac. nc.Deit. ” £ , me.post.n.ac. ÄNDERE Ki eee Mh: LE / Ki striae acust. corp. restif._______kL.] Bu n. vestib. 5 ne. ventr .-———— ——— SR ui en} Sr, oliva sup. nec.corp.trapez. n.VI. Fig. 2. nehmende Bahn, konnte ich beim Ziesel mit Sicherheit nicht nachweisen. Die Striae acusticae (Fig 3) stammen aus der inneren Schichte beider grauen Massen, ziehen an der dorsalen Seite des Corpus restiforme herum, befinden sich an der medialen Grenze des Tuberculum acusticum dicht unter der Oberfläche des vierten Ventrikels, wo sie noch ein kompaktes Bündelchen bilden ; dann senken sie sich in die Tiefe, durchsetzen mehr zerstreut den hinteren Acusticuskern; an der ventralen Seite des Abducens- RN, ee striae ac. ROrR r h N nuel.n.VI. ara 2 N | ne. ventr.-—— —— Ve N I genu int. n. VII. N III n. vestib._ _—_ —E de, rad. asc. n.V. — — — COTP. IrAM. a 258 K. Weigner: kernes treten sie wieder zusammen und verlaufen, indem sie den genannten Kern teilweise durchsetzen, an der ventralen Seite des Genu internum des Facialis, steigen dann wieder unter die Oberfläche des Ventrieulus quartus und kreuzen sich in der Raphe. Zu der dorsalen Bahn gehören neben den Striae acusticae noch Bündelchen, die auch in der inneren Schichte beginnen, an der medialen Seite des Corpus restiforme ventral umbiegen; an der medialen Seite der aufsteigenden Quintuswurzel verlaufend, streifen sie dorsal die obere Olive, um gegen die Raphe hin in der Substantia reticularis sich zu verlieren. Viel mächtiger gestaltet sich die ventrale Bahn, nämlich das Corpus trapezoideum; seine Bündeln sammeln sich fächer- föormig aus den ganzen Nucleus ventralis und begeben sich za dem ventral zugespitzten Pole‘ des Corpus restiforme, wo sie ein oberflächlich freiliegendes System bilden; dieselben umschliessen die laterale Fläche der aufsteigenden Trigeminuswurzel. An der Stelle, wo der Nervus facialis das verlängerte Mark verlässt, treten die Trapezfasern auseinander und begeben sich von der ventralen und dorsalen Seite zur oberen Olive. Die Beziehungen des Corpus trapezoideum zur oberen Olive sind sehr kompliziert: man sieht, dass seine Fasern in die graue Masse derselben in einen dorsolateralen und medioventralen Hilus eintreten. Das medial gelegene Streifchen grauer Substanz wird von Nervenfasern, die aus dem dorsalen Hilus heraustreten und die Trapezfasern kreuzen, umgeben. Von den Ganglienzellen des Trapezkernes entspringende Fasern verlaufen beinahe parallel mit den Wurzelfasern des Nervus abducens, wenden sich dann der Raphe zu, wo die Trapezfasern eine Kreuzung erfahren. Da aus den grauen Massen der ganzen oberen Olive und des Trapez- kernes stammende Nervenfasern dem Corpus trapezoideum sich zugesellen, nimmt dieses an Grösse stark zu und bildet endlich einen ansehnlichen Nervenfasernkomplex, den die Pyramiden- bündel durchsetzen. In der Höhe des Corpus quadrigeminum ist die ventrale und auch die dorsale Bahn des Nervus cochlearis in den Laqueus inferior übergegangen. Beitrag zur Frage vom zentralen Verlaufe des Nervus cochlearis ete. 259 Resume: I. Im verlängerten Marke und Pons findet man beim Ziesel folgende bemerkenswerte Verhältnisse: IR s : Clark’schen Säulen. . Die untere Olive wird von Lamellen grauer Substanz ge- Der Nucleus ambiguus ist eine direkte Fortsetzung der bildet, die ineinander S-förmig übergehen, dorsal nicht scharf abgegrenzt erscheinen und lateral von der Hypo- glossuswurzel durchgesezt sind . Selbständige Nuclei olivares accessorii existieren nicht. . Der Abducenskern ist an. der latero-dorsalen Seite des inneren Facialisknies gelegen. . Die obere Olive ist von einer S-förmigen Gestalt, zu der- selben gehört ein von spindelförmigen Zellen gebildetes Streifechen an, das parallel mit der Abducenswurzel orientiert ist. Die Vestibularisfasern treten durch den Deiters’schen Kern hindurch ; derselbe ist von grossen multipolaren Ganglienzellen zusammengesetzt und befindet sich an der medialen Seite des ventralen Poles des Corpus restiforme. . Den hinteren Acusticuskern bilden kleine multipolare Ganglienzellen ; derselbe liegt oberflächlich im Recessus lateralis des IV. Ventrikels. Weder der Deiters’sche Kern noch der eben genannte besitzen eine scharfe Ab- grenzung gegen die Umgebung. Obzwar es von vornherein als sehr leicht erschien, die freiliegende Cochlea bei Ziesel so zu zerstören, dass keine Komplikationen eintreten, haben die Experimente erwiesen, das die Operation sich nicht so leicht aus- führen liess und dass z. B. eine teilweise Zerstörung des Vestibularisstammes als das ganze Bild komplizierende Erscheinung sich einstellte. . Der Nervus cochlearis breitet sich im Nucleus ven- tralis und im Tuberculum acusticum aus, die als seine ersten Endigungsbezirke betrachtet werden müssen. . Aus diesen grauen Massen entspringt eine dorsale und eine ventrale Bahn. 60 K. Weigner: 4. Zu der dorsalen Bahn gehören die Striae acusticae, ver- schieden von den Striae medullares des Menschen. 5. Viel mächtiger ist die ventrale Bahn, nämlich das Corpus trapezoideum. 6. Nach der Zerstörung der Cochlea degenerieren beide zentralen Bahnen. 7. Degeneriert erscheinen (Figg. 4 u. 5) von der ventralen bahn: a) Das Mark der gleichseitigen oberen Olive und des medialen Teiles der gekreuzten oberen Olive. b) Nervenfasern des gekreuzten Nucleus Corporis trapezoidei. c) Nervenfasern zwischen dem Trapezkern und dem medialen Streifchen der oberen Olive der gekreuzten Seite. 8. Die Degeneration lässt sich in die gekreuzte untere Schleife verfolgen. Beitrag zur Frage vom zentralen Verlaufe des Nervus cochlearis etc. 261 Literaturverzeichnis. Onufrowitz, Br.: Exper. Beitrag zur Kenntnis des Ursprungs des Nervus acusticus. Archiv für Psych. und Nervenkr. 16. 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Hierzu Tafel XV—XVIII und 9 Textfiguren. + Inhaltsübersicht. L. Einleitung. Plan der Untersuchung. Methodik. 1I.. Ursprung des chromaffınen Gewebes. III. Weiterentwicklung des chromaffinen Gewebes a) beim Menschen, b) beim Kaninchen, c) bei der Katze. IV. Der feinere Aufbau der Paraganglien. V. Die genetische und morphologische Gleichwertigkeit aller Para- ganglien. VI. Die Beziehung des chromaffinen Gewebes zum sympathischen Nervensystem. VII. Die Persistenz der Paraganglien. VIII. Vergleichendes über Bau und Entwicklung der chromaffinen Körper. IX. Kritisches und Polemisches. Systemisierung, Physiologie und Pathologie der Paraganglien. X. Zusammenfassung. XI. Tafelerklärung. Literaturnachweis. Einleitung. _ Als ich vor wenigen Jahren mit dem Vorschlage hervortrat, der chromaffinen Zelle den Rang eines besonderen eigen- artigen Zelltypus einzuräumen, durfte ich kaum hoffen, meinen Wunsch in so kurzer Zeit erfüllt zu sehen. Es scheint aber, dass die Zahl derer, die sich mit der üblichen Darstellung der Nebenniere nicht befreunden konnten, gross gewesen ist. Die Auffassung, die ich vertrat, hatte unleugbar — mag man auch einzelnes ablehnen — manche Vorzüge gegenüber den älteren, unklaren Beschreibungen dieses Organs. Um dies verständlich zu machen, will ich die u meiner Anschauungsweise kurz entwickeln. - Die Stellung der Marksubstanz der Nebenniere war in Dunkel gehüllt. Seit Henle (32) wusste man, dass sich ihre 264 Alfred Kohn: Zellen in Chromatlösungen braun färben. Über ihre Entwicklung gingen die Meinungen auseinander, über ihr eigentliches Wesen war nichts Zuverlässiges zu ermitteln. Es gelang auch mir nicht, die Zellen der Marksubstanz auf eine der bekannten Zellarten zurückzuführen. Da half ich mir in der Weise, dass ich für sie einen neuen Typus begründete — die chromaffine Zelle. Ich habe aber den neuen Namen nicht gewählt, um damit bloss die bekannte Chromreaktion mehr hervorzuheben, sondern hauptsächlich darum, um diese Zelle durch eine besondere Bezeichnung von den anderen Zellformen zu unterscheiden, um sie als eine neue Zellart den bekannten Zelltypen gegenüberzustellen. Ausser der Epithelzelle, der Binde- substanzzelle, der Muskel-, der Nervenzelle u. s. w. haben wir noch besonders zu unterscheiden die chromaffine Zelle. Ihre fundamentalen. Verschiedenheiten von allen bekannten Zellarten und ihre spezifischen Besonderheiten rechtfertigen die Forderung, ihr eine Sonderstellung einzuräumen. Ihre Eigen- art ist ausgeprägt in ihrer besonderen Abkunft. ihrem morpho- logischen Habitus, ihrer Anordnung, ihren Reaktionen und Lage- beziehungen und in dem besonderen Charakter des Gewebes und der Organe, deren Bauelement sie ist. Die chromaffinen Zellen stammen von Elementen des. Nervensystems ab, aus den embryonalen Anlagen der sym- pathischen Ganglien. Sie sind also eigentlich nahe Ver- wandte der sympathischen Ganglienzellen, von denen sie sich aber in ihrem weiteren Entwicklungsgange sehr unterscheiden. Es enthalten demnach jene Zellkomplexe, die man ungenau als die Anlagen der sympathischen Ganglien bezeichnet, neben den Keimen für die sympathischen Ganglien auch noch jene für die chromaffinen Körper, die ich Paraganglien nannte. Diese ursprüngliche Verwandtschaft hinterlässt deutliche Spuren. Die chromaffinen Zellen und Organe bewahren nahe Beziehungen zum sympathischen Nervensystem. Be- kannt ist der auffallende Reichtum der Marksubstanz der Neben- niere an sympathischem Nervengewebe. Aus der Abstammung wird auch die weite Verbreitung der chromaffinen Zellen verständlich. Längs des ganzen Verbreitungsgebietes des Sympathicus, am Grenzstrange und an den Geflechten, von Kopf bis Steiss, findet Die Paraganglien. 265 man chromaffine Zellen und Organe In keinem Abschnitte des Sympathicus werden sie vermisst. So finden die älteren Be- obachtungen über das gelegentliche Vorkommen von „acces- sorischer Marksubstanz der Nebenniere“ ihre befriedigende Aufklärung. Hierher gehören die „chromophilen Körperchen‘. welche Stilling (62) am Bauchsympathicus von Säugetieren fand. Zu den Paraganglien zähle ich ferner die „Marksubstanz der Nebenniere“, die sogen. Karotisdrüse und die entlang der Bauchaorta gelegenen chromaffinen Körper, von welchen Zucker- kandl (74) die an der Teilungsstelle gelegenen als „Nebenorgane des Sympathicus“ beschrieb. Den aufgezählten grösseren gesellt sich eine Schar namenloser kleiner chromaffiner Körper bei, wie sich neben den grossen sympathischen Ganglien, die ihren eigenen Namen tragen, eine grosse Zahl kleiner Ganglien in Anonymität bescheiden muss. . Da die chromaffinen Gewebskomplexe ganglienartige Körper bilden, da ihre Elemente aus Ganglienanlagen entstehen, da sie an das sympathische Nervensystem gebunden erscheinen und doch keine echten Ganglien sind, habe ich sie auch „Paraganglien“ genannt. Man kann also Paraganglia intercarotica, suprarenalia, aortica abdom. etc. unterscheiden. Nur flüchtig erinnern will ich vorläufig daran, dass die ver- gleichende Anatomie und, Entwicklungsgeschichte diese Auffassung vollkommen rechtfertigt. Bei den Vögeln, Rep- tilien, Amphibien und Fischen findet man längs des Sympathicus chromaffine Organe. Auf diesem Wege war ich dahin gelangt, eine neue Zellart — die chromaffine Zelle, eine neue Gewebsform — das chromaffine Gewebe, einen neuen Organtypus — die chromaffinen Organe oder Paraganglien — aufzustellen. Durch die hier entwickelte Auffassung werden viele der früheren Unklarheiten und Schwierigkeiten beseitigt. Sie lässt sich mit den Tatsachen der systematischen und vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte ungezwungen in Einklang bringen. Eine Zellart, die ebensowenig wie die sympathische Nervenzelle auf irgend ein bestimmtes andersartiges Organ beschränkt ist, soll fortan auch nicht mehr als ausschliesslicher Bestandteil eines bestimmten Organes bezeichnet werden. Finden sich auch regel- 266 Alfred Kohn: mässig chromaffine Zellen in der Nebenniere, so sind sie des- halb noch lange nicht spezifische Nebennierenzellen. Sie sind vielmehr von den eigentlichen Nebennierenzellen (Rinden- zellen) nach Abkunft, Bau und Verrichtung durchaus verschieden. Die Besonderheiten ihrer Herkunft, ihres Charakters und ihrer Anordnung rechtfertigen ihre Sonderstellung. Da das chromaffıne (sewebe von seinem ersten Auftreten an in naher Beziehung zum sympathischen Nervensystem steht und.an verschiedenen Punkten desselben zur Ausbildung gelangt, wird es verständlich, dass man es längs des ganzen Sympathicus zu finden vermag. Nun werden manche ältere, verstreute Einzelbeobachtungen, welche — unverbunden und zusammenhangslos — unverständlich bleiben mussten, durch eine einheitliche und einfache Auffassung verbunden Wir verstehen es jetzt, dass die sog Karotisdrüse Zellen enthalten kann, welche durchaus den Markzellen der Neben- niere gleichen, und dass man so regelmässig am Bauchsym- pathieus accessorische Nebennieren findet, die nur aus Mark- substanz bestehen. [Stilling (62)]. Was die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung über die Abstammung des Nebennierenmarkes aus dem Sympa- thicus gelehrt hatte und bisher, immer wieder angefochten, niemals festen Boden gewinnen konnte, erscheint jetzt fester be- gründet denn je. Die Darstellungen der Entwicklung und des fertigen Zustandes befinden sich nun in wünschenswerter Über- einstimmung. Es wird wohl nicht mehr gut möglich sein, dass Angaben wie jene von der Entstehung der Marksubstanz aus der Rindensubstanz der Nebenniere noch Anhänger finden, wenn man sieht, dass auch der fertige Zustand mit Notwendigkeit auf die Abstammung vom Sympathicus hinweist. Wie sollte sich auch die Entwicklung der Marksubstanz aus der Rinde in Einklang bringen lassen mit der Tatsache, dass in allen Abschnitten des Sympathicus Organe gefunden werden, welche der Marksubstanz morphologisch gleichwertig sind! Man müsste denn an der Gleich- wertigkeit: zweifeln. Sie einwandsfrei nachzuweisen, wird. eine meiner wichtigsten Aufgaben sein. Die vergleichend anatomischen Befunde, welche bis- her nicht unter einen einheitlichen Gesichtspunkt gebracht werden konnten, erscheinen nun in einer fast selbstverständlichen Über- einstimmung. Während sie früher miteinander im Widerspruche Die Paraganglien. 267 standen, klären sie jetzt einander auf. Ein Beispiel mag genügen: Als die Nebenniere der Selachier bezeichneten die einen den Interrenalkörper, andere die Suprarenalkörper. Wenn man aber — wie dies meist geschah — den Interrenalkörper der Rinde und die Suprarenalkörper dem Marke gleichsetzte, so stimmte die Sache scheinbar wieder nicht. Die beiden geweblichen Komponenten, die bei den Säugetieren ein einheitliches Organ formieren, erscheinen dann bei den Haifischen räumlich völlig getrennt, die Mark- substanz überdies in der Vielzahl und in unbegreiflicher Gesetz- mässigkeit an den Sympathicus geknüpft. Der Mangel sicherer Kriterien für die Beurteilung der Homologie lässt es begreiflich erscheinen, dass Aichel (1) die Suprarenalkörper der Selachier der Marchand’schen Nebenniere der Säuger gleichstellen wollte. Um diese Verwirrung ganz zu würdigen, erinnere man sich, dass die Suprarenalkörper ausschliesslich aus sog. Marksubstanz be- stehen, welche den Marchand’schen Nebennieren gänzlich fehlt. Auch eine gewisse heuristische Bedeutung kann man der mitgeteilten Auffassung nicht absprechen. Es gelang auf dem von ihr gewiesenen Wege nicht nur bekannte, aber rätselhafte Organe aufzuklären, sondern auch früher unbekannte Organe aufzufinden Man wurde, bewusst oder unbewusst, von der Beschränkung, chromaffines Gewebe nur an der Neben- niere suchen zu müssen, freigemacht; man suchte und fand es nun auch in den verschiedenen Regionen des Körpers. Die Physiologie und Pathologie werden aus dem besseren Verständnisse des Baues Nutzen ziehen. Schon jetzt werden manche Widersprüche der physiologischen Versuche lösbar. Gewohnt, die Nebenniere als ein einheitliches Organ anzusehen, hat man z. B. die blutdrucksteigernde Wirkung der Extrakte als eine Eigenschaft der Nebenniere bezeichnet. Die Ungleich- mässigkeit der Wirkungen, welche diese Extrakte entfalten, ist darauf zurückzuführen, dass es ausschliesslich die chrom- affinen Zellen sind, deren Extrakt das wirksame Agens enthält. Darum ist es einleuchtend, dass auch die anderen chromaffinen Organe der Säugetiere, welche der Nebenniere ganz ferne stehen, ebenso wie die segmentierten chromaffinen Körper der Haifische solche Extrakte zu liefern vermögen, während man sie aus der Nebenniere der Fische (Interrenalkörper) nicht gewinnen kann, da diese nur aus Epithelzellen (Rinde) besteht. 268 Alfred Kohn: Auch die pathologische Anatomie wird — wie es Stangl (61) in einem Falle bereits mit Erfolg tat — für manche retroperitoneale Neubildung die chromaffinen Organe als möglichen Ausgangspunkt in Berücksichtigung ziehen müssen. Plan der Untersuchung. Nun habe ich es stets als einen Übelstand empfunden, dass ich meine Auffassung bisher immer gelegentlich der Beschreibung bestimmter Organe, der Nebenniere und der Karotisdrüse, entwickelt und so mit den alten Vorurteilen zu kämpfen hatte, die über diese Organe im Umlauf waren. Es entsprach dies freilich den einzelnen Etappen, in denen sich meine Ansicht entwickelte. Wenn man aber die feste Überzeugung gewonnen hat, dass die chromaffinen Organe eine Sonderstellung beanspruchen dürfen, dann ist es zweckmässiger, ihnen auch eine besondere Darstellung zu widmen. Es empfiehlt sich, nicht mehr von der Nebenniere auszugehen, sondern die Paraganglien als solche in ihrer Gesamtheit zu beschreiben, zunächst ohne Rücksicht darauf, mit welchen Organen sie allenfalls in nähere Beziehungen treten können. Man geht ja auch bei der Schilderung des sympathischen Nervensystems nicht von jenen Organen aus, in welchen regelmässig sympathische Ganglien vorkommen. Ich glaube, dass die Behandlung der Paraganglien als einer selb- ständigen Organgruppe auch viel überzeugender wirken und ihre allgemeine Anerkennung beschleunigen wird. Aber es handelt sich mir in erster Linie nicht um eine andere Form, um eine neue Gruppierung des Stoffes, ich habe vielmehr in vielen wesentlichen Punkten meine früheren Mit- teilungen zu ergänzen und zu befestigen. Die Annahme, dass die chromaffinen Organe aus dem Sympathicus abstammen, war nur für einen Teil derselben zu- verlässig nachgewiesen. Wenn man aber alle Zweifel beseitigen und die gegenteiligen Meinungen endgiltig aus der Welt schaffen wollte, müsste man den Beweis erbringen, dass das chromaffine Gewebe ausschliesslich aus den Anlagen der sym- pathischen Ganglien hervorgehe, dass alle chromaffinen Zellen in denselben entstehen, dass es eine andere Quelle für sie nicht gibt. Der Erfüllung dieser unabweislichen Forderung wird ein grösserer Teil meiner Arbeit gewidmet sein. Die Paraganglien. 269 Ferner sind Bedenken laut geworden, ob alle jene Gebilde, die ich in der Gruppe der chromaffinen Organe vereinigte, auch wirklich gleichwertig seien. Auch diese Zweifel hoffe ich für immer beseitigen zu können. Es fehlt bis heute eine genauere Beschreibung der ersten Anlage der Paraganglien. Auch über ihre Weiterent- wicklung bis zur definitiven Gestaltung und über ihre Ver- breitung im Körper ist wenig bekannt. Endlich ergab sich die Notwendigkeit, meinen Standpunkt gegenüber einer Reihe von Autoren zu präzisieren, welche mit neuen Mitteilungen über die Embryologie, Anatomie und Physiologie der chromaffinen Organe hervorgetreten waren. So entstand die vorliegende Arbeit. Methodik. Meine Untersuchungen beziehen sich auf die chromaffinen Organe des Menschen, des Kaninchens und der Katze. Es hat sich eine derartige Übereinstimmung ergeben, dass die Resultate in den Hauptpunkten als allgemeingiltig angesehen werden dürfen. Aus meinen früheren Mitteilungen ist bekannt, dass die Kaliumbichromatgemische am geeignetsten sind für die Fixierung des chromaffinen Gewebes. Nach Tunlichkeit habe ich dieser Erfahrung auch bei der Behandlung des embryonalen Materials Rechnung getragen. Es scheint mir überflüssig, alle von mir erprobten Methoden anzuführen; ich nenne nur die- jenigen, die sich für meine Zwecke bewährt haben. Die jüngsten, für die vorliegende Untersuchung brauchbaren Embryonen gelangten in eine Mischung, welche der Zenker’schen verwandt ist. Sie enthielt 3,5 g Kaliumbichromat, 1 g Sublimat. 100 cem Wasser und 5 cem Eisessig und ergab vorzügliche Resultate. Auch die Zenker’sche Lösung selbst und in noch höherem Grade eine Mischung, welche Zenker’sche Flüssigkeit (ohne Glaubersalz) und eine 3,5°oige Kaliumbichromatlösung zu gleichen Teilen enthielt, waren verwendbar. Doch muss ich be- merken, dass die chromaffıinen Zellen von ihrem ersten Auftreten an doch nach der Fixierung in Kaliumbichromat-Formol- gemischen noch deutlicher hervortreten. Bloss der Umstand, dass das Gesamtbild des oft kostbaren menschlichen Materials nach der Behandlung in der ersten oben angegebenen Lösung aus- 270 Alfred Kohn: gezeichnet schön war bei hinreichender Unterscheidbarkeit der chromaffinen Zellen, veranlasste mich, diese den Formolgemischen vorzuziehen. In allen jenen Fällen aber, wo nicht der ganze Embryo, sondern nur die für die chromaffinen Organe wesent- lichen Partien verarbeitet wurden, griff ich wieder zur Kalium- bichromat-Formollösung. Diese enthält 90 cem einer 3,5 ',oigen wässerigen Kaliumbichromatlösung und 10 ccm des käuflichen 40°/oigen Formols. Wo es sich nicht so sehr um gute Fixierung als lediglich um die Auffindung der chromaffinen Zellen handelt, da ist die reine: 3.5%eige Kaliumbichromatlösung am Platze. Ausserdem verwendete ich, auch ohne nennenswertenV orteil, das Kaliumbichromat-Essigsäuregemisch nach Tellyesnicky. Die chromaffinen Zellen erscheinen darnach in einem sehr blassen Gelb, wodurch das Aufsuchen einzelner, verstreuter Elemente recht erschwert wird. Für spezielle Zwecke — Darstellung der Nerven u. s. w. — wurden entsprechende Methoden in Anwendung gebracht, über die ich an geeigneter Stelle berichten werde. Im allgemeinen wurde das Material im Stücke mit Alauncochenille durchgefärbt, in Paraffin eingebettet und in Schnitte von 10 4 Dicke zerlegt. Um über die Verbreitung des chromaffinen Ge- webes in vorgerückten Entwicklungsstadien und nach der Ge- burt leicht und rasch einen Überblick zu gewinnen, bediente ich mich einer einfachen Methode, die wärmstens empfohlen werden kann. Man behandelt die zu untersuchende Region mit 2—4°Joigen Kaliumbichromatlösungen, und schon nach kurzer Zeit, in 1—10—24 Stunden, treten die chromaffinen Körper dunkelbraun aus hell- gelber Umgebung aufs deutlichste hervor. Das Verfahren ist nicht neu. Semper (58) benutzte Chromsäure, um sich über die Anordnung der Suprarenalkörper der Haifische zu orientieren, Stilling (64) legte nach oberflächlicher Präparation den Bauch- sympathicus von Säugetieren samt dem umgebenden Fettgewebe in Müller’sche Flüssigkeit und untersuchte nach gründlichem Auswaschen in verdünntem Glycerin; ich selbst hatte früher das entsprechende Material in 3°/oige Kaliumbichromatlösung gebracht. Jetzt aber habe ich diese ältere Methode in folgender, zweckdienlicher Weise abgeändert. Man legt den Retroperitoneal- raum des eben getöteten und möglichst ausgebluteten Tieres frei durch Entfernung des Darmkanales samt Anhangsorganen. Die. Die Paraganglien. 271 Urogenitalorgane belässt man an Ort und Stelle. Nun bedeckt man den ganzen Retroperitonealraum mit einem Wattebausch, der mit 3,5%iger Kaliumbichromatlösung durch- tränkt ist. Man kann auch schwächere oder stärkere Lösungen verwenden. Schon vor Ablauf einer Stunde tritt die Reaktion ein. Am besten aber wartet man 6—12 Stunden, wobei nur dafür zu sorgen ist, dass der Bausch feucht bleibt. Nach seiner Entfernung übersieht man — namentlich bei fettarmen Tieren — die Anordnung der chromaffinen Körper dank ihrer Braunfärbung in aller Klarheit. Deutlicher wird das Bild, wenn man die Region ordentlich mit Wasser abspült und durch ein paar Tropfen Glycerin aufhellt. Selbstverständlich kann man die Organe auch vorher von der Wirbelsäule abpräparieren und sie dann der gleichen Behandlung unterwerfen. Einfacher ist jedenfalls das erstere Verfahren. Diese Methode ist ebenso gut für den Menschen, wie für die übrigen Säugetiere und die Wirbeltiere überhaupt anwendbar. Sehr gute Resultate erhält man auch noch längere Zeit nach dem Tode. Stilling (62) hatte gemeint, dass die Chromreaktion 12 Stunden post mortem kaum noch, zu erzielen wäre. So ängstlich braucht man nicht zu sein. Bei neugeborenen Kindern — ich habe ältere nicht untersucht — konnten die Paraganglien bis zu den kleinsten punktförmigen Körperchen in der angegebenen Weise auch noch 30 Stunden nach dem Tode dunkelbraun gefärbt werden. Durch einfaches Einlegen der Organe in Chromat- lösungen kann man aber, wenigstens beim Menschen, nicht immer so gute Resultate erzielen, wie durch das Auflegen der getränkten Watte. Noch etwas fiel mir bei den zahlreichen Versuchen in dieser Richtung auf, bei denen ich von Herrn Verocay, Demonstrator am hiesigen pathologisch-anatomischen Institut in dankenswerter Weise unterstützt wurde. Während man bei den untersuchten Tieren den Wattebausch zwar ohne Nutzen, aber auch ohne Schaden mehrere Tage liegen lassen kann, erhält man bei neugeborenen Kindern die besten Resultate nach 10—18stündiger Einwirkung. Dauert sie über 24 Stunden an, so geht die dunkle Färbung der Paraganglien wieder zurück. Man kann die Präparate, welche nach dieser Methode her- gestellt sind, im Ganzen in Glycerin oder Glyceringemischen aufbewahren, in denen sie sich lange unverändert erhalten, oder Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62, 18 372 Alfred Kohn: man kann sie sehr gut zu Detailuntersuchungen gebrauchen, zupfen, schneiden, nachfärben u. s. w. Dieses leichte mühelose Verfahren wäre besonders mit Aussicht auf Erfolg zu benützen, um über das Verhalten der Paraganglien nach der Geburt und im späteren Lebensalter Aufschluss zu gewinnen. Denn sie ergibt unvergleichlich vollkommenere Resultate als die vorsichtigste anatomische Präparation. Vor Verwechslungen mit blutreichen Lymphknoten, die durch Chromatlösungen bekanntlich auch braun gefärbt werden, wird man sich selbstverständlich hüten müssen. Ursprung des chromaffinen Gewebes. Sehr reichlich ist das chromaffine Gewebe beim Menschen entwickelt. Da mir aber kein menschlicher Embryo zur Ver- fügung stand, bei dem ich das erste Auftreten der chromaffinen Zellen hätte überzeugend nachweisen können, will ich die Art ihrer Entstehung bei Katzenembryonen schildern. Die Embryonen waren angeblich vier Wochen alt Sie massen 12 mm S. S.L,, 11,5 N. S. L. und wurden zum Teil in die oben angegebene Kaliumbichromat - Sublimatlösung, zum Teil in das Kaliumbichromat-Formolgemisch gebracht. Erstere lieferte sehr schöne Präparate, dagegen waren die anderen geeigneter für die Untersuchung, weil die Anfangsstadien der chromaffinen Zellen schärfer hervortraten. Man würde nun vielleicht erwarten, dass man die Anlagen der chromaffinen Körper längs des ganzen Sympathicus gleichzeitig findet. Das ist nicht der Fall. An den verschiedenen Abschnitten des Sympathicus entwickeln sie sich zu verschiedenen Zeiten. Die ersten Vorstufen chromaffıner Zellen finde ich im Bauchsympathicus, in dem ventral von der Aorta gelegenen, beiderseits von den Nebennieren und weiterhin von den Urnieren begrenzten zellreichen Geflechte, das die Anlage der grossen, sympathischen Ganglien darstellt. An keiner anderen Stelle des Sympathiecus konnte ich bei demselben Stadium mit gleicher Sicherheit chromaffıne Zellen auffinden. In der Höhe des kranialen Poles der rein epithelialen Nebenniere nimmt die Menge der sympathischen Ganglien zu, die bisher nur auf den Grenzstrang beschränkt waren. Lateral Die Paraganglien. 275 von der Aorta, seitlich durch die Nebennieren begrenzt, treten paarige, grössere Ganglien auf, die vielfach deutlich mit denen des Grenzstranges in Verbindung stehen. Am kaudalen Ende der Nebenniere rücken die Ganglien vor die Aorta, um endlich zu einem mächtigen, unpaarigen, der Ventralfläche der Aorta anliegenden Plexus zu verschmelzen. Dieser hat ein ganz eigen- artiges Aussehen. Während kurz vorher in den Ganglien die Nervenfasern neben den Nervenzellen noch deutlich hervortraten, hat das Geflecht nun einen vorwiegend zelligen Charakter. Balken dichtgedrängter Zellen, von denen sich viele in mitotischer Teilung befinden, bilden ein zusammenhängendes Maschenwerk, welches auch mit den lateral von der Aorta gelegenen sympa- thischen Ganglien in Verbindung steht. Kaudalwärts nimmt dann die Ausdehnung dieses Geflechtes rasch wieder ab. In der Höhe des vorderen Poles der (bleibenden) Niere war es in diesem Stadium bereits wieder geschwunden. Man würde dieses Geflecht für die Anlage der grossen, sympathischen Bauchganglien halten, wenn nicht die spätere Entwicklung lehrte, dass ausser diesen noch andere, grosse Organe aus ihm hervorgehen — die Para- ganglien. Bei aufmerksamer Prüfung kann man schon in diesem Stadium die ersten chromaffinen Zellen nachweisen. An den in Kaliumbichromat-Formol fixierten Präparaten fielen sie mir auf; nach anderer Behandlung waren sie weniger deutlich In dem Netzwerk kann man bei genauer Untersuchung zwei Arten von Zellen unterscheiden. Die einen, welche die Haupt- masse bilden, sind klein, dicht gedrängt, mit intensiv gefärbten Kernen und gleichen denen der sympathischen Ganglien. Aber da, wo das Geflecht seine grösste Mächtigkeit erreicht, sieht man in den Balken kleine Gruppen grösserer Zellen, mit grösseren, scharf umgrenzten, schwächer gefärbten Kernen. Sie bilden mitten in den dichten Zellsträngen kleine, hellere Inseln, die von den dunkel gefärbten Zellen umrahmt werden. (S. Tafel XV. Fig. 1). Man wird lebhaft an jene Zellballen erinnert, welche ich als die Anlage der Karotisdrüse beschrieben habe. Ist man einmal auf diese neue Zellform aufmerksam geworden, dann findet man sie auch innerhalb der sympathischen Ganglien, welche der Bauch- aorta seitlich anliegen. Ob man auch in den Ganglien des Grenz- stranges zu dieser Zeit eine ähnliche Sonderung annehmen darf, konnte ich nicht mit Sicherheit entscheiden. 18* 274 Alfred Kohn: So erscheinen die ersten chromaffinen Zellen inner- halb jener vom Sympathicus ausgehenden Zellstränge. Mitten unter den noch indifferenten Zellen treten sie zuerst auf, einzeln und in kleinen Gruppen. Nur hier, im sympathischen Geflechte, findet man sie in ihren allerersten, unscheinbaren Anfängen und nirgends sonst. Dies beweist unzweideutig, dass sie in den sympathischen Zellkomplexen auch entstehen; denn an keiner anderen Stelle des ganzen Organismus als gerade nur in ihnen gelangen zu dieser Zeit chromaffıne Zellen zur Beobachtung. Weiterentwicklung des chromaffinen Gewebes. a) Mensch. Die allerersten Anfänge, das Auftreten der ersten unter- scheidbaren, chromaffınen Zellen konnte ich beim Menschen nicht konstatieren. Gerade das erforderliche Stadium fehlte mir. Bei einem Embryo von 11,5 mm N.L., den mir Herr Hofrat Professor C. Rab] freundlichst zur Untersuchung überliess, konnte ich noch keine deutliche Differenzierung innerhalb des gut aus- geprägten sympathischen Geflechtes an der Bauchaorta nachweisen, und bei älteren Embryonen, von 19mm G.L. aufwärts, war die Entwicklung schon zu weit vorgeschritten. Immerhin gewinnt man auch an Präparaten dieser Embryonen die Überzeugung, dass die chromaffinen Zellen aus den Sympathicus- anlagen hervorgehen. Man begegnet immer wieder Bildern, welche ungezwungen nur in diesem Sinne gedeutet werden können. Da man aber gleichzeitig auch schon grössere Mengen chromaffinen Gewebes nur in losem oder gar nicht mehr im Zusammenhange mit dem Sympathicus findet, so wäre ein anderer Ursprung für dasselbe nicht mit absoluter Sicherheit auszu- schliessen gewesen. Sehr klar lässt sich aber die Weiter- entwicklung des chromaffınen Gewebes an Präparaten mensch- licher Embryonen verfolgen, und darum sind diese der weiteren Darstellung vornehmlich zugrunde gelegt worden. Die Hauptmasse findet sich schon frühzeitig entlang der Bauchaorta, unterhalb der grossen sympathischen Geflechtganglien. Bei einem Embryo von 19,5 mm G. L. war chromaffines Gewebe bereits in Menge vorhanden. Beginnen wir mit dem Halssympathicus, so muss ich allerdings bekennen, dass ich es Die Paraganglien. 275 weder in diesem, noch in dem .zelligen Brustgrenzstrange auf- zufinden vermochte, wo es doch späterhin reichlich vorhanden ist. Es scheint also, dass die Differenzierung im Bauchsympathicus den Anfang nimmt. Jedenfalls ist hier frühzeitig die Menge des chromaffinen Gewebes so enorm, dass es nicht übersehen werden kann. Das Bauchgeflecht beginnt in mittlerer Höhe der epithelialen Nebennieren. Zuerst treten paarige grössere Ganglien lateral von der Aorta auf; seitlich werden sie von der Nebenniere begrenzt, in welche Nerven mit Ganglienzellen einstrahlen. Gegen den kaudalen Pol der Nebenniere nehmen die paarigen Ganglien an Breite zu und fliessen endlich zu einer grossen, einheitlichen Ganglienmasse ventral von der Aorta zusammen. So schiebt sich zwischen die unteren Enden der Nebennieren ein zusammen- hängender mächtiger Ganglienkörper. Bei genauerem Zusehen wird man aber gewahr, dass der bekannte Charakter der embryonalen sympathischen Ganglien eine allmähliche Veränderung erfuhr und dass die Zellmassen unterhalb der Nebenniere und weiterhin zwischen den beiden Nieren ein andersartiges Aussehen angenommen haben. Nur die medianen Zellhaufen bewahren den Charakter embryonaler sympathischer Ganglienzellen Schon höher oben waren in den paarigen Ganglien seitlich von der Aorta hellere Zellgruppen aufgefallen, die gegen die dichten dunklen sympathischen Zellmassen deutlich abstachen. Sie bekommen nach und nach das Übergewicht, und zwischen den kaudalen Nebennierenpolen, ventral von der Aorta, bilden sie dann jederseits ein Netzwerk von helleren und grösseren Zellen, während in der Medianlinie ein echtes sympathisches Ganglion verbleibt. Die heller gefärbten, grösseren und weniger dicht angeordneten Zellen sind junge chromaffine Zellen. So unmerklich sie sich aus den sympathischen Geflechten hervor- drängen, so auffallend sind sie bei voller Entfaltung. Das charakteristische Aussehen der sympathischen Ganglien wird bedingt durch den Wechsel von Nerven und Zellen. Die Zellen selbst sind klein mit intensiv gefärbten Kernen und dürftigen Leibern, stellenweise zu dichten, dunklen Haufen zusammen- gedrängt, die von feinfaserigen Nervenzügen durchbrochen werden. Dagegen sind die embryonalen chromaffinen Zellen in gleich- mässiger Verteilung in ihren Strängen angeordnet, Zelle an Zelle. 276 Alfred Kohn: Die Zellen sind grösser und heller, die Kerne chromatinarm. Stärkere Nervenbündel, welche den sympathischen Ganglien eigen sind, fehlen, so dass die Netzbalken ein gleichmässig zelliges Aussehen darbieten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Zellmassen, die als embryonale Paraganglien bezeichnet werden dürfen, von den meisten dem Sympathicus zugerechnet wurden. Erst nachdem meine Auffassung vom Wesen und der Verbreitung des chromaffınen Gewebes Wurzel gefasst hatte, lernten die Autoren beide Gewebsarten unterscheiden. Kaudalwärts werden die Paraganglien grösser und vereinigen sich zu einem zwischen den Nieren und ventral von der Aorta gelegenen, breiten unpaarigen Netzwerke, welches fast ausschliesslich von jungen chromaffinen Zellen gebildet wird, gegen deren Menge die geringe Zahl an der Peripherie auftretender sympathischer Ganglienzellen sehr zurücktritt. Dieses mächtige Paraganglion deckt die Ventral- fläche der Bauchaorta bis zur Teilungsstelle. Neben ihm findet man kleinere Häufchen chromaffinen Gewebes nur noch an den Ureteren, medial angelagert, welche deutlich mit sympathischen Zellen untermischt sind. Einzelne chromaffine Zellen kommen auch in den dorsolateral von der Aorta gelegenen kleineren Ganglien vor. Sonst aber ist chromaffines Gewebe an allen jenen Orten, wo es später ansehnliche Lager bildet, noch nicht nach- zuweisen. Die Nebenniere enthält keine Markschicht, ist ein epitheliales Organ vom Typus eines Epithelkörpers und gleicht der Nebenniere der Fische. An der Peripherie der Nebenniere, besonders an ihrer medialen Fläche, treten Nervenstämmchen mit Ganglienzellen ein, so dass die äusserste Zone ein fleckiges, gemischtes Aus- sehen darbietet; kleine Häufchen sympathischer Zellen sind zwischen die Epithelstränge eingestreut. Diese sympathischen Zellen, die mit ihren Nerven eindringen, gleichen ganz den embryonalen Ganglienzellen und nicht etwa den jungen chrom- affınen Zellen. Das ist recht auffallend, da die kleinen Ganglien, die man späterhin in der Nebenniere findet, in gar keinem Ver- hältnisse stehen zu der grossen Menge der frühzeitig eindringenden Sympathicuszellen. Es wäre darum schon von vornherein daran zu denken, dass die Differenzierung derselben zu chromaffinen Die Paraganglien. 277 Zellen innerhalb der Nebenniere erst in einem späteren Zeit- punkte erfolgt. Ich werde auf diesen Punkt zu sprechen kommen, wenn ich über die Entwicklung der „Marksubstanz der Neben- niere“ berichten werde. Über die Entwicklung und den Bau des Paraganglion intercaroticum habe ich in einer früheren Arbeit Mitteilung semacht. Bei diesem Embryo, dessen Hals allerdings nicht ganz unversehrt war, habe ich nur das interkarotische Geflecht, aber nichts von einer „Karotisdrüse“ gesehen. Bei einem Embryo von 19 mm N. L. und 22 mm G. L. aus der Sammlung des Herrn Hofrat Prof. ©. Rabl war ihre Anlage bereits vorhanden. Sie erscheint da als eine Ansammlung schwer definierbarer Zellen an der medialen und ventralen Fläche der Carotis interna knapp über der Teilungsstelle. Die Zellen stimmen in ihrem Aussehen weder mit den kleineren, dunkler gefärbten Ganglienzellen des interkarotischen Geflechtes völlig überein, noch mit chromaffinen und am allerwenigsten mit den Zellen der verdickten Gefässwand der Carotis interna. Ein bestimmter Rückschluss auf ihre Her- kunft wäre aus diesem Entwicklungsstadium nicht möglich; es spricht aber auch nichts dagegen, dass sie ebenso wie ich dies beim Schweine nachgewiesen habe, aus embryonalen sympathischen Zellen hervorgehen. Wenn ich schon jetzt vorwegnehme, worauf ich später noch zurückkommen werde, dass trotzdem die „Karotis- drüse“, das „Nebennierenmark“ und alle die Paraganglien längs der Verbreitung des Sympathicus genetisch und morphologisch gleichwertige Bildungen darstellen, so erhellt aus dem Voran- stehenden, dass die Differenzierung zu chromaffinen Organen nicht überall gleichzeitig und gleichmässig erfolgt und dass ihre Hauptvertreter bei aller definitiven Übereinstimmung in den wesentlichen Artmerkmalen doch auch ihre besonderen, individuellen Züge tragen. Dieser Umstand erscheint mir sehr wichtig für die Beurteilung der chromaffinen Organe, und ich werde ihn später noch zur Sprache bringen. Auch bei einem wenig älteren Embryo von 24 mm G.L. konnte unzweifelhaft chromaffines Gewebe nur am Bauch- sympathicus nachgewiesen werden, nicht mit Sicherheit in der Brust- und Halsregion. Die Nebenniere ist auch jetzt noch ein epitheliales Organ, in welches, besonders an der medialen Fläche, zahlreiche 278 Alfred Kohn: Nerven mit sympathischen Zellen eindringen. Zwischen den Nebennieren und der Aorta breitet sich jederseits eine mächtige Ganglienmasse aus. Innerhalb der Ganglien werden bald Gruppen hellerer Zellen sichtbar, die kaudalwärts immer grösser werden — die chromaffinen Körper. Am unteren Pole der Neben- nieren, wo sich die Ganglien von beiden Seiten her vor der Aorta vereinigen, bilden die chromaffinen Zellen drei grössere Körper, je einen an der medialen Fläche der Nebenniere und einen medianen, der ventralwärts aus dem die Aortenwand direkt umschliessenden Ganglienring vorspringt. Alle diese chromaffinen Körper wurzeln direktindensympathischen Ganglien, sind unlöslich mit denselben verwachsen. Es werden also die kaudalen Nebennierenpole durch ein kontinuierliches Ganglien- Paragangliengeflecht miteinander verbunden. Man darf dies umso eher behaupten, als das Geflecht nicht nur den Raum zwischen den Nebennieren ausfüllt, sondern in diesen durch die ein- strahlenden Nervenbündei fest haftet. Dies mag deshalb besonders hervorgehoben werden, weil der Verwachsung der Nebennieren- enden in älteren Angaben öfters Erwähnung geschieht”). Kaudalwärts von der Nebenniere schwinden die seitlichen Paraganglien, welche also nur eine bescheidene Ausdehnung besassen. Das mediane Paraganglion wird aber immer mächtiger und zieht vor der Aorta bis an die Teilungsstelle hinab, sogar noch ein Stück über diese hinaus. Dabei hat sich das Mengen- verhältnis von chromaffinem und sympathischem Gewebe zu Ungunsten des letzteren verschoben. Waren vorerst die chromaffinen Organe als ventrale Auswüchse des sympathischen Geflechtes erschienen, so lösen sie sich unterhalb der Nebennieren *) Ich will nur die Angaben Koellikers (43) anführen als Beleg dafür, dass die grossen Paraganglien an der Bauchaorta der Embryonen den älteren Beobachtern nicht entgangen sind: „Auffallend war mir, dass bei solchen Embryonen aus dem dritten Monate der ganze Raum zwischen den Nebennieren, Nieren und Geschlechtsdrüsen von einem Nervengeflechte mit zahlreichen grösseren Ganglien eingenommen war, das ziemlich deutlich zwei Hälften erkennen liess, und erinnerte dasselbe lebhaft an die von Remak beschriebenen Geschlechtsnerven des Hühnchens. Ja es ergaben sich selbst einige Tatsachen, die für eine Beziehung dieser Geflechte zu den Nebennieren sprechen. So sah ich bei einem dreimonatlichen Embryo die Nebennieren vor der Aorta durch eine Quermasse verbunden, in welche der Splanchnicus sich verlor und die offenbar zu dem erwähnten Nervengeflechte gehörte, und kann bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, dass schon Valentin und Die Paraganglien. 279 von diesem völlig los und ziehen nun zwischen den beiden Nieren, bezw. Ureteren als ein einheitliches, mächtiges, unpaares Para- ganglion an der Ventralfläche der Aorta bis zur Teilungs- stelle hinab. . Nur unmittelbar an der Gefässwand selbst, zwischen der Aorta und dem Paraganglion, bleibt eine schmale Zone A Textfig. 1. Halbschematische Darstellung der Paraganglien eines 24 mm langen mensch- lichen Embryo, nach einer Querschnittserie rekonstruiert, bei ca. 20facher “ Vergrösserung. N — Nebenniere, A = Aorta. Die punktierten Felder entsprechen den Paraganglien. Meckel die Nebennieren ursprünglich als zusammenhängend beschreiben. Untersuchungen ferner an Kalbsembryonen haben ergeben, dass auf jeden Fall dasselbe Blastem, das den erwähnten Nervenplexus liefert, mit seinem oberen Teile die Nebennieren erzeugt, die keinerlei genetischen Zusammen- hang weder mit den W olff’schen Körpern, noch mit den bleibenden Nieren haben, doch ist es bisher noch nicht gelungen nachzuweisen, ob dieselben wirklich in einem innigeren Verbande mit den sympathischen Plexus vor der Aorta stehen oder nicht.“ (pag. 270). An einer anderen Stelle erwähnt derselbe Autor die Paraganglien ander Arteria mes. inf. (pag. 434, Erklärung der Fig. 296: Harn- und Geschlechtsorgane eines menschlichen Embryo von drei Monaten): „Hinter dem Mastdarme und zwischen den Nieren und Hoden ist eine längliche Masse, durch. welche die Art. mesenterica inferior hervorkommt, die vielleicht zum Sympathicus gehört.“ 280 Alfred Kohn: sympathischen Gewebes erhalten. Dieses drängt sich in der Medianlinie allmählich vor und spaltet so das Paraganglion in zwei Zipfel, mit denen es ein wenig über die Aortenteilung hinausreicht. Weiter abwärts findet man dann noch vereinzelt kleinere Paraganglien in der Medianlinie und innerhalb der sympathischen Geflechte, welche seitlich die Endabschnitte des Rectums und des Urogenitalapparates umfassen. Die Nebenniere besitzt keine Marksubstanz. Von der Peripherie dringen Nerven mit sympathischen Zellen ein. Durch diese werden an der medialen Fläche öfter Partien der Neben- niere abgetrennt, welche zu den bekannten accessorischen Nebennieren des Plexus coeliacus den Grund legen. Im Bereiche der Brust und des Halses konnte ich chromaffines (Gewebe noch immer nicht sicher nachweisen. Das Wesen der embryonalen Anlage der „Karotisdrüse“ wäre auch bei diesem Embryo kaum festzustellen gewesen, wenn es auch wahrscheinlich wird, dass ihre Elemente aus dem Sym- pathicus stammen. Da jedoch bei beiden bisher beschriebenen Embryonen die Halsregion in einem minder günstigen Zustande war, will ich nicht genauer auf dieselbe eingehen. Dagegen wurde mir ein Embryo von 27 mm 6. L. in bestem Zustande überbracht, und er blieb in der oben angegebenen Kalibichromat-Sublimat-Essigsäuremischung so vorzüglich erhalten, dass ich der Darstellung der Verhältnisse in diesem Falle mehr Raum gönnen darf. Dieses Stadium ist vor allem auch deshalb wichtig, weil es noch jung genug ist, um untrügliche Zeichen für die Herkunft des chromaffinen Gewebes zu bewahren und doch auch schon entwickelt genug, um die bleibenden Zu- stände deutlich erkennen zu lassen. Jetzt endlich sind die chromaffinen Elemente in allen Abschnitten des Sympathicus aufzufinden; im ganzen Grenzstrange, in der Hals-, Brust-, Bauch- und Becken- region sind sie aufgetreten. Es ist kaum anzunehmen, dass die auffallenden Bilder, welche durch die Umwandlung eines Teiles der embryonalen sympathischen Ganglien in chromaffines Gewebe zustande kommen, nicht auch schon früher beobachtet worden seien. Dass sie kaum besonders erwähnt wurden, kann nur darauf beruhen, dass man mit diesen Dingen vor der Kenntnis des chromaffinen Gewebes nichts anzufangen wusste. Die Paraganglien. 281 Längs des ganzen sympathischen Grenzstranges nimmt jetzt das chromaffine Gewebe ansehnliche Bezirke innerhalb der Ganglien ein. Von Stelle zu Stelle, in kurzen Intervallen, erscheinen auf Durchschnitten des zelligen Grenzstranges zwei verschiedene Gewebsarten. Die Hauptmasse bilden in der Regel die bekannten, embryonalen Ganglienzellen. Sie liegen in dichten Haufen, sind klein, mit wenig Protoplasma und sehr stark gefärbten Kernen. Von dieser dunklen Masse heben sich nun die dreieckigen oder rundlichen, lichten Felder der grösseren und blassen chromaffinen Zellen sehr deutlich ab. (S. Taf. XV. Fig. 3). Sie sind meist förmlich eingekeilt in das Ganglion und ragen mit einer breiten Fläche dorsalwärts bis an seine Ober- fläche. Manchmal bilden sie einen hellen Zellhaufen auch mitten im Ganglion, oder sie dringen wie ein Pfropf durch die ganze Dicke des Ganglions von der dorsalen bis an die ventrale Circum- ferenz. Auch der mediale Abschnitt des Ganglions ist mitunter in chromaffines Gewebe umgewandelt. Solchen Bildern begegnet man im ganzen Verlaufe des Grenzstranges, er mag noch ungegliedert oder schon in einzelne Ganglien gegliedert sein. Man kann sich also eine Vorstellung davon machen, wie gross die Menge chromaffiner Substanz schon allein im Grenzstrange ist. Da ich von der Histogenese des chromaffinen Gewebes später noch sprechen werde, will ich hier, wo ich nur die all- mähliche Ausbreitung des chromaffinen Gewebes behandle, bloss anführen, dass es sich unschwer vom eigentlich sympathischen Gewebe unterscheiden lässt. Die chromaffinen Felder sind heller, da die Zellen und Zellkerne grösser und weniger färbbar sind. Die Zellen sind regelmässig aneinander gereiht, in gleich- mässiger Verteilung, während die sympathischen Ganglienzellen bald grössere, bald kleinere, dichte Haufen bilden, die durch Nervenbündel getrennt werden. Nerven in feiner Verteilung sind aber deutlich auch im chromaffiınen Gewebe nachweisbar. Somit wären als die wichtigsten Kennzeichen des embryonalen chromaffinen Gewebes zu nennen: die Helligkeit der Felder, der überwiegend zellige Charakter und die gleichmässige Anordnung der grösseren, blassgefärbten Zellen. In mächtiger Weise hat sich das chromaffine Gewebe in den sympathischen Geflechten längs der Bauch- und 282 Alfred Kohn: Beckenaorta entwickelt. Unterhalb des Zwerchfelles beginnt das Aortengeflecht sich zu formieren. Zunächst treten dorsal von der Aorta. grössere Ganglien auf, dann zieht das dicht von Ganglienzellen erfüllte Geflecht jederseits an den Seitenflächen der Aorta, nach aussen von den Nebennieren begrenzt, nach abwärts, um sich ein wenig tiefer ventral von der Aorta zu vereinigen. Alle Ganglien, die dorsalen, lateralen und ven- tralen enthalten chromaffine Einschlüsse von ganz demselben Charakter wie jene des Grenzstranges. Abgesehen von diesen grösseren und kleineren unregel- mässigen chromaffinen Einlagerungen findet man grosse Massen in typischer, gesetzmässiger Anordnung. Konstant ist ein grosses Paraganglion in die Ganglien seitlich der Aorta ein- gebettet, das breit an die Aussenfläche des Ganglions heraustritt und bis an die Nebenniere reicht. In der Höhe des unteren Drittels der Nebenniere liegt also die Hauptmasse des chromaffinen Gewebes lateral. Es reicht von der medialen Fläche der Neben- nieren, an welche es unmittelbar angrenzt, bis an die Aorta heran und greift auch noch ein wenig auf die ventrale Wand über. In der Medianlinie selbst aber schiebt sich das sympathische Geflecht, dem nur kleinere chromaffine Körperchen angeschlossen sind, zwischen die mächtigen, seitlichen Paraganglien. Diese teilen sich dann jederseits in zwei grössere Körper, von denen der eine näher der Nebenniere, der andere an der Aorta liegt. Die typische Vierzahl kann leicht eine Vermehrung erfahren dadurch, dass das eine oder andere Paraganglion in zwei bis drei Teilstücke zerfällt. Unterhalb der Nebenniere schwinden die lateralen, grossen Paraganglien bis auf kleine Reste, welche, dis- kontinuierlich und mit sympathischem Gewebe vermischt, sich längs der Ureteren verfolgen lassen. In enormer Menge, die sympathischen Ganglien bald weit überwiegend, entfaltet sich nun das chromaffine Gewebe an der ventralen Fläche der Aorta. Anfänglich ist es auch hier den Ganglien nur in geringer Menge beigemischt, und dieses mediane Gemenge aus sympathischem und chromaffinem Gewebe vervollständigt im Vereine mit den oben beschriebenen seitlichen Paraganglien wieder die Ganglien-Paraganglienbrücke, welche die kaudalen Nebennierenenden verbindet. Während also die Brücke seitlich vornehmlich von den grossen. Paraganglien Die Paraganglien. 285 gebildet wird, gegen welche das sympathische Gewebe sehr zurück- tritt, überwiegt dieses in dem mittleren, ventral von der Aorta gelegenen Teile. Besonders unmittelbar an der Gefässwand trägt das mediane Geflecht rein sympathischen Charakter. Aber in seinen ventralen. von der Gefässwand abgekehrten Partien hat es schon deutlich gemischten Bau. Innerhalb des Ganglions, mitten unter den typischen Ganglienzellen, erscheinen chromaffine Elemente. Sie nehmen rasch an Menge zu und springen dann als paarige chromaffine Körperchen neben der Medianlinie ventral- wärts vor. Sie ragen auf Querschnitten halbkugelig aus dem sympathischen Geflechte an der ventralen Gefässwand hervor; ihr dorsaler Anteil steckt in den Ganglien, und nur der frei vor- springende Abschnitt hat seine eigene Umgrenzung. (8. Taf. XV. Fig. 2). Die Paraganglien präsentieren sich also in der Höhe des kaudalen Abschnittes der Nebenniere in bedeutender Ent- wicklung. Wir können jederseits grosse laterale und kleinere mediale Paraganglien unterscheiden. Die laterale Gruppe besteht aus zwei grossen Körpern, von denen sich einer an die mediale Fläche der Nebenniere, der andere an die Seitenfläche der Aorta anlehnt. Die medialen liegen ventral von der Aorta; aber sie erreichen keine bedeutende Ausdehnung, nach wenigen Schnitten sind sie wieder verschwunden. Doch schon nach kurzer Unterbrechung treten in derselben Weise jederseits neben der Medianlinie, in den sympathischen Ganglien an der Ventralfläche der Aorta wurzelnd, neuerdings mediale Paraganglien auf. Diese nehmen rasch an Grösse zu, lösen sich vollständig vom sympathischen Muttergeflechte los und bilden dann zwei grosse, langgestreckte, walzen- förmige Körper, die ventral an der Aorta zu beiden Seiten der Medianlinie bis zur Teilungsstelle hinabziehen. Wie oben bereits erwähnt wurde, nehmen dagegen die lateralen Paraganglien, die zwischen Nebenniere und Aorta lagen, unterhalb der Nebenniere rasch ab und bleiben nur in Form eines dünnen, chromaffinen Stranges erbalten, der medial von den Nieren hinabzieht. Auf einem Querschnitte, etwa in der Höhe des Nierenhilus, findet man nun die Paraganglien in folgender charakteristischen Verteilung. Wiederum kann man eine mediale und eine laterale Gruppe unterscheiden. Aber nun sind die medialen Para- 2854 Alfred Kohn: ganglien mächtiger und die lateralen unansehnlich geworden. Erstere lassen bloss in der Mittellinie Platz für die sympathischen Ganglien, im Übrigen überdecken sie die ventrale Fläche der Aorta und ragen auch noch seitlich ein gutes Stück über sie hinaus; letztere sind auf einen dünnen Zellstrang reduziert, der neben den Ureteren verläuft. Anfangs liegt dieser ventral von den Ureteren. Wenn diese weiterhin medianwärts einander näher rücken, kommt er lateral von ihnen. an den Urnierenrest der Keimdrüsen zu liegen. Er ist auch gar kein kontinuierlicher Strang, sondern stellenweise ganz unterbrochen und im Allgemeinen von gemischtem Baue, da er bald chromaffine, bald sympathische Zellen in der Überzahl enthält. Textfig. 2. Halbschematische Darstellung der Paraganglien eines 27 mm langen mensch- lichen Embryo, nach einer Querschnittserie rekonstruiert, bei ca. 20 facher Vergrösserung. N = Nebenniere, A = Aorta, U = Ureter. Sonst sind nur die Paraganglien als punktierte Felder eingetragen. Die mittleren, grossen Paraganglien aber sind fast durchweg aus chromaffinen Elementen aufgebaut. Nur schmale, sichelförmige Randabschnitte, besonders dorsal gelegen, bestehen Die Paraganglien. 285 aus sympathischen Ganglienzellen und Nerven. Gegen die Teilungsstelle hin nimmt das in der Medianlinie gelegene Ganglion an Mächtigkeit zu, die Paraganglien aber werden dünner, und jedes weicht in zwei Zipfel auseinander. Das linke schwindet spurlos gerade an der Bifurcation der Aorta, das rechte reicht mit einem Zipfel, der in die Median- linie rückt, noch ein Stück über die Teilung hinaus. In der Medianlinie lassen sich dann noch weiter Paraganglien tiefins Becken hinein, bis in die Gegend der Einmündung der Ureteren, in die Blase verfolgen. Sie werden von Stelle zu Stelle durch sympathische Ganglien, die in ihrer Kontinuität liegen, substituiert. Weiterhin fanden sich kleine chromaffine Körperchen noch in dem sympathischen Geflechte seitlich vom Reetum und dem Genitalstrange. So bilden die Paraganglien bei menschlichen Embryonen dieses Alters paarige, mächtige Körper, die sich längs der Bauchaorta und tief ins Becken hinab bis ans Ende der Wirbel- säule erstrecken. Man bedenke, dass ausserdem in den Grenz- strangganglien beträchtliche Mengen chromaffinen Gewebes vorkommen; dass von den beschriebenen grossen Paraganglien abgesehen, sich zahllose kleine chromaffine Ansammlungen in und an den verschiedensten sympathischen Ganglien finden, dorsal von der Aorta, an der Nebenniere, an der Dorsalfläche der Niere; dass endlich auch das Paraganglion intercaroticum hierher gehört, und man wird diesen bisher unbeachtet gebliebenen Gebilden die verdiente Beachtung nicht mehr versagen. Von den kleineren, verstreuten Paraganglien möchte ich einige besonders hervorheben, weil ihre Lokalisation von Interesse ist. Regelmässig findet man einige an der medialen Nierenfläche, längs des ganzen Verlaufes der Ureteren. Diesen liegen sie an- fänglich ventromedial an, dann rücken sie lateral von ihnen und gelangen so an die Genitalorgane, wo sie sich meist an der Grenze zwischen eigentlicher Keimdrüse und Urnierenrest festsetzen. Unwillkürlich denkt man an die zahlreichen Mitteilungen über accessorische Nebennieren und rätselhafte Tumoren an dieser Stelle. Man wird in Hinkunft auch mit dem regelmässigen Vor- kommen von Paraganglien in dieser Gegend zu rechnen haben. 286 Alfred Kohn: Es erübrigt mir noch von den zwei längstbekannten Para- ganglien zu sprechen, von der „Marksubstanz der Nebenniere“ und der „Karotisdrüse“. Eine „Marksubstanz“ gibt es in diesem Stadium noch nicht. Die Nebenniere hat durchaus den Charakter eines epithelialen Organes. Die peripheren Zellen sind klein und dicht angeordnet, die der mittleren Partien gross, oft mit auf- fallend grossen Kernen, und zu zusammenhängenden Zellbalken vereinigt, die deutlich eine Hauptrichtung einhalten — gegen die Vena suprarenalis. Zwischen den Zellsträngen sind nur die weiten, von Endothel ausgekleideten Blutgefässe ausgespart. Doch die Anfänge der Marksubstanz sind schon er- kennbar. Hie und da trifft man in dem Netzwerk der Zell- stränge Gruppen kleiner Zellen mit dunkel gefärbten Kernen, die nach dem ganzen Habitus und da sie deutliche Nerven be- sitzen, leicht als sympathische Ganglienzellen zu erkennen sind. Sie finden sich, nicht gerade häufig, in den peripheren und zentralen Partien, ohne dass der epitheliale Charakter des Örganes durch ihre Anwesenheit merklich beeinträchtigt würde. An der Peripherie ist ihr Zusammenhang mit den sympathischen Ganglien ausserhalb der Nebenniere oft noch leicht nachweisbar. Wenn man in diesem Entwicklungsstadium ein Urteil über das Wesen dieser Zellgruppen abgeben sollte, so könnte man sie nur für sympathische Ganglienzellen erklären. Doch wird man an vielen derselben schon jetzt ohne allzu grosse Mühe die Umwandlung eines Teiles der Zellen zu chromaffinen Elementen wahr- nehmen können. Wie die weitere Untersuchung lehrt, unter- liegt es keinem Zweifel, dass diese Zellgruppen, die später an Zahl und Ausdehnung noch sehr zunehmen und sich schliesslich in der Mitte des Organes lokalisieren, die Quelle der chromaffinen Zellen, also die Anlage der Marksubstanz darstellen. Be- sondere Beachtung verdient aber gewiss der Umstand, dass die jugendlichen „Markzellen“ in ihrer Entwicklung gegenüber den chromaffinen Zellen ausserhalb der Nebenniere, in den Ganglien des Grenzstranges und des Bauchgeflechtes, so sehr zurückgeblieben sind. Die embryonalen „Markzellen“ sind von sympathischen Ganglienzellen kaum zu unterscheiden in einem Zeitpunkte, da sich die chromaffinen Zellen in den der Neben- niere anliegenden Ganglien aufs schärfste vom sympathischen Die Paraganglien. 287 Gewebe abheben. Und doch kann die Gleichwertigkeit der „Marksubstanz“ und der übrigen Paraganglien, wie ich noch zeigen werde, einwandsfrei nachgewiesen werden. Eine ähnliche Ueberraschung erfährt man bei der Prüfung der „Karotisdrüse“. Sie ist an der medialen Fläche der Carotis interna, deren Wand erheblich verdickt ist, bereits deutlich als eine dichte Anhäufung kleiner Zellballen zu erkennen. Un- schwer lässt sich ersehen, dass diese aus dem anliegenden sympathischen Ganglion stammen. In dem an die „Karotisdrüse“ angrenzenden Teile des sympathischen Ganglions findet man dieselben Zellballen, von demselben Aussehen und derselben An- ordnung. Spätere Stadien erweisen die Übereinstimmung mit aen Paraganglien. Doch in diesem Stadium sind die Zellen von den chromaffinen recht verschieden. Sie ähneln eher den sym- pathischen Ganglienzellen, sind aber etwas grösser und weniger dicht angeordnet, aber lange nicht so hell und zart, wie die der Paraganglien. Im übrigen berufe ich mich auf meine früheren Mitteilungen über die „Karotisdrüse“. Hier mag nur kurz erwähnt sein, dass durch die Untersuchung menschlicher Embryonen die an Schweineembryonen gefundenen Tatsachen bestätigt werden. Aber konstatieren muss man, dass trotz der genetischen und endgiltigen morphologischen Übereinstimmung all dieser Organe ihre Entwicklung sich nicht in gleichem Tempo vollzieht. Manche Verschiedenheiten, welche sie trotz ihrer Zusammengehörigkeit im fertigen Zustande zeigen, dürfte sich daraus erklären, dass ihre Elemente zwar alle von sympathischen Zellen aber, von sym- pathischen Zellen verschiedener Entwicklungsstufen ab- stammen und sich in ungleichen Zeiträumen zur endgiltigen Gestaltung differenzieren. Mit dem Wachstum des Grenzstranges hat bei einem Embryo von 44 mm G. L. auch die Menge seines chromaffinen Gewebes sehr zugenommen. Am häufigsten ist es keilförmig in die Ganglien eingelagert, die Basis dem Wirbel- körper zukehrend, sodass es in der Vorderansicht ganz vom Ganglion gedeckt wird. Es kann aber auch an der ventralen und medialen Fläche desselben frei hervortreten. Der Unterschied zwischen sympathischen und chromaffıinen Zellen ist noch deut- licher geworden Die kleinen sympathischen Ganglienzellen haben ihr Aussehen und ihre dichte Anordnung bewahrt, die chromaffinen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 19 288 Alfred Kohn: Zellen sind merklich grösser, mit chromatinarmen Kernen, und in gleichmässiger Verteilung zu grösseren zelligen Gebilden ver- einigt. Im Brustraume ist das chromaffine Gewebe ausschliesslich auf den Grenzstrang beschränkt, im Bereiche des Halses bildet es ausserdem das Paraganglion intercaroticum, zu grossartiger Entfaltung gelangt es im Retroperitonealraume. Um die Verhältnisse besser zu übersehen, kann man zwei Hauptzüge von Paraganglien unterscheiden. Der eine geht längs der ganzen Wirbelsäule vom Kopfe bis zum Steisse. Das sind die chromaffinen Anteile der Ganglien des Grenzstranges. Der zweite wird durch die grossen Paraganglien repräsentiert, welche unterhalb des Zwerchfelles beginnend längs der sym- pathischen Geflechte an der Aorta dahinziehen. In diesem zweiten Hauptzuge lassen sich abermals regelmässig zwei Reihen unterscheiden, eine mediale und eine laterale. Die erstere ist die mächtigere. Sie beginnt in der Höhe des kaudalen Poles der Nebenniere, erstreckt sich teils median, teils jederseits neben der Medianlinie bis an die -Teilungsstelle der Aorta und setzt sich dann noch weiter in Form diskontinuierlicher, an der Wirbel- säule gelegener Körperchen bis fast zur Steissspitze fort. Die seitliche Kette wird nicht von so ansehnlichen Gliedern gebildet, wie der Hauptteil der mittleren. An keiner Stelle besteht sie aus einer zusammenhängenden Masse, sondern nur aus einer Reihe grösserer und kleinerer Paraganglien, die durch den fortlaufenden Zug der sympathischen Geflechte ver- bunden sind. Sie beginnen höher oben als die mittleren, an der medialen Fläche der Nebenniere, wo sie ziemlich grosse Körper bilden, ziehen dann an der medialen Nierenseite hinab und weiter als dünner, vielfach unterbrochener chromaffiner Strang längs der Ureteren. So werden einzelne Paraganglien regelmässig auch an der Grenze von Hoden und Nebenhoden, von Ovarium und Parovarium gefunden. Ausser den genannten bedeutenderen Ansammlungen gibt es eine Unzahl kleiner chromaffiner Körperchen allenthalben in den sympathischen Ganglien verstreut. Der mittlere Hauptzug der Paraganglien beginnt in der Höhe des unteren Nebennierenpoles da, wo das bisher seitlich von der Aorta gelegene sympathische Geflecht auch ihre Ventral- Die Paraganglien. 289 fläche umgreift Ursprünglich paarig angelegt, und ohne deutliche Abgrenzung allmählich aus den sympathischen Ganglien hervor- wachsend, vereinigen sie sich bald zu einem einheitlichen medianen Körper, der sich an die Vorderfläche der Aorta wie eine Krawatte anlegt. Er ist in der Medianlinie schmächtiger. in den Seiten- teilen stärker und erinnert darum im Querschnitte an das Bild einer in der Höhe des Isthmus quer durchschnittenen Schild- drüse. (S. Taf XV, Fig. 4.) Unterhalb der Nebenniere drängt ein medianes sympathisches Ganglion die chromaffine Masse nach beiden Seiten von der Mittellinie ab. Sie fliesst aber bald wieder zu einem einheitlichen Körper zusammen, der in mächtiger Ent- faltung nun seitlich fast von einem Ureter bis zum anderen reicht. Etwa in der Höhe des unteren Nierenpoles tritt aber- mals eine Trennung in zwei ventral von der Aorta gelagerte Paraganglien ein. Mediane sympathische Ganglien, denen auch kleine chromaffine Körperchen beigemischt sind, erweitern durch ihre Zunahme die Entfernung der Teilstücke. An der Bifurkation der Aorta hört das linke ganz auf, das rechte reicht noch eine kurze Strecke weit darüber hinaus. Unterdessen ist ein neues kleines Paraganglion in der Medianlinie, im Winkel zwischen den beiden Arteriae iliacae, aufgetreten. Dann schwindet es, tritt wieder auf, zerfällt in zwei, wird wieder unpaar und lässt sich so mit vielfachen Unter- brechungen und Veränderungen bis ans Ende der Wirbel- säule verfolgen. Dieser liegt es im weiteren Verlaufe so direkt an, dass es zwischen die beiderseitigen kleinen Grenzstrang- ganglien eingeschoben erscheint. Die seitlichen Paraganglien sind nur in ihren obersten Gliedern, an der medialen Seite der Nebenniere annähernd von gleicher Mächtigkeit wie die medialen. Im Niveau des kaudalen Endes der Nebenniere sind beide etwa gleich stark entwickelt, so dass man hier drei enorme Paraganglien unterscheiden kann, deren jedes einzeln das Volumen der Aorta übertrifft: das un- paare mediane und die beiden lateralen. Unterhalb der Nebenniere, wo auch das mittlere Paraganglion geteilt ist, liegen dann vier grosse chromaffine Körper auf Querschnitten vor, die zwei mittleren, die Ventralfläche der Aorta überdeckend, und an sie angrenzend, seitlich bis zum Ureter reichend je ein lateraler. (S. Taf. XV, Fig. 5.) Da überdies nicht selten eines der grossen 1 290 Alfred Kohn: Paraganglien in zwei bis drei Teilstücke zerfällt, so kann man — ganz abgesehen von den zahlreichen kleineren chromaffinen Ein- lagerungen in den verschiedenen sympathischen Ganglien — vorübergehend fünf bis acht grössere chromaffıne Körper auf Querschnitten in der Höhe des Nierenhilus antreffen. Nur bis in diese Region kommen die seitlichen Paraganglien den mittleren an Grösse nahe. Von da ab werden sie schmächtig, häufig von sympathischem Gewebe unterbrochen und bilden so jenen aus dünnen Ganglienzellen und chromaffinen Zellen ge- mischten, diskontinuierlichen Strang, der anfangs medial und ventral, dann aber lateral vom Ureter verläuft. Ansehnlicher werden erst wieder die letzten Ausläufer der seitlichen Kette, welche als gut unterscheidbare chromaffine Körperchen in den sympathischen Ganglien eingestreut sind, welche seitlich vom Rectum und Genitalstrang ein zellenreiches Geflecht bilden. (S. Taf. XV, Fig. 7). Schon früher wurde erwähnt, dass man ausser diesen kompakten, zusammenhängenden Paraganglienreihen noch eine erkleckliche Anzahl kleiner, diffus verstreuter, einzelner chromaffiner Körperchen zu beachten hat. Man kann in diesem Stadium mit Sicherheit darauf rechnen, innerhalb eines jeden grösseren, sympathischen Ganglions einzelne chromaffıne Zellen oder Ballen derselben oder gar veritable kleine chromaffine Körperchen anzutreffen. Häufig ist selbst kleinen Ganglien ein Paraganglion unmittelbar angeschlossen, das nicht selten grösser ist als das Ganglion selbst. So findet man Paraganglien am Anfangsteile der Bauch- aorta, an den dorsal von ihr gelegenen Ganglien, ferner an den sympathischen Ganglien an der ventralen und dorsalen Fläche der Nebenniere, an der Grenze von Nebenniere und Leber, von Niere und Nebenniere, auch an der lateralen Nierenumgrenzung, zwischen Hoden und Nebenhoden, Ovarium und Parovarium. Besonders auf letztere möchte ich wieder nachdrücklich hin- weisen, sowie auf diejenigen, welche man an der Niere findet. Ein Befund, den ich an diesem Embryo erhob, scheint mir be- sonderes Interesse zu verdienen. Ein kleines, gesondertes Para- ganglion lag in der Nähe des Nierenhilus. Allmählich‘ zeigte es sich ganz von Nierengewebe umschlossen, sodass es als ein differenter Körper in der peripheren Zone der Nieren- ‘Die Paraganglien. 2 rinde stak, dessen Natur und Herkunft ohne die Kenntnis der Paraganglien und ihrer Verbreitung schwer zu ergründen ge- wesen wäre. Könnte nicht auch an solche heterogene Ein- lagerungen gedacht werden, wenn man die Entstehung der oft merkwürdigen und rätselhaften congenitalen Tumoren der Niere aufzuklären versucht? Nun wäre noch im besonderen die Entwicklung des Para- ganglionintercaroticumundsuprarenale zu besprechen. Bezüglich des ersteren will ich nur wiederholen, dass sein weiterer Entwicklungsgang meine früher mitgeteilte Auffassung bestätigt. Die Nebenniere ist auch jetzt noch als ein epitheliales Organ zu bezeichnen. Reichlicher als früher sind kleine sym- pathische Zellhaufen durch das Organ verstreut. Diese enthalten neben den kleinen dunkelgefärbten Zellen auch Nervenfasern. Einige Zellen dieser Häufchen haben schon grösste Aehnlichkeit mit chromaffinen. Es wird immer klarer, dass die eingelagerten sympathischen Zellhaufen als die Quelle der Marksubstanz an- zusehen sind, welche im Vergleiche mit den übrigen Paraganglien in ihrer Weiterentwicklung noch immer sehr zurückgeblieben sind. Beim Embryo von 50 mm nähert sich die Anordnung und Verbreitung der Paraganglien schon in hohem Masse den definitiven Zuständen. Wir können die frühere Einteilung in die Paraganglien des Grenzstranges und der Geflechte bei- behalten. Die ersteren sind als lichte Felder, von den dunkelgefärbten sympathischen Zellen umrahmt, innerhalb der Ganglien leicht unterscheidbar. Im Verhältnisse zu der bedeutenden Grössen- zunahme der Ganglien sind sie im Wachstume zurückgeblieben. Meist liegen sie dorsal, gegen die Wirbelsäule frei hervortretend, an der Eintrittsstelle von grösseren Blutgefässen, und ein höchst bemerkenswerter Unterschied den sympathischen Ganglien gegen- über besteht nın darin, dass sie reichlich Blutgefässe enthalten. Unterhalb des Zwerchfelles treten die grösseren Para- ganglien im Anschlusse an die grossen sympathischen Bauch- geflechte wieder auf. Wir können zweckmässig wieder einen medialen Hauptzug und laterale Nebenzüge unterscheiden. In den Ganglien zwischen der Aorta und der Nebenniere sind zablreiche kleine chromaffine Lager eingeschlossen, und viele, die frei liegen, sind mit Ganglien in direktem geweblichen Zusammenhange. 292 Alfred Kohn: Von den grossen Paraganglien erscheinen zuerst die seitlichen in der Höhe des unteren Drittels der Nebenniere und reichen, medial von der Nebenniere, Niere und an der Nierenarterie gelagert, bis zum Nierenhilus. Sie sind paarig an- geordnet und teilen sich tiefer überdies jederseits in zwei Hälften. Am Nierenhilus werden sie nur noch durch kleine chromaffine Körperchen vertreten. Die medialen, grossen Paraganglien erscheinen erst da, wo die Hauptmasse der lateralen schon im Verschwinden begriffen ist. Sie beginnen also etwa im Niveau des kaudalen Nebennierenpoles.. Zunächst wird ein unpaares Paraganglion sichtbar, unmittelbar an der ventralen Aortenwand gelegen, aber nicht in der Mittellinie, sondern nach rechts hin verschoben. Querschnitte dieser Region werden demnach drei grosse chromaffine Körper sehen lassen, einen mittleren, unpaaren und je einen seitlichen, paarigen. Alle drei schwinden unterhalb der Nebenniere: an Stelle des medianen treten sympathische Ganglien., Auf Querschnitten im Niveau des Nierenhilus trifft man dem- zufolge keine grösseren Paraganglien. Ein wenig tiefer aber kommen sie wieder zum Vorschein. Die medialen liegen an der ventralen Aortenwand wie früher, aber neben der Medianlinie, mehr zur Seite gerückt, ihrer ganzen Länge nach getrennt, also auch als paarige Organe. Seitlich lagern sich ihnen in unmittelbarer Nähe die kleinen lateralen Paraganglien an. Die medialen werden immer mächtiger, dehnen sich seitlich weiter aus und rücken auch näher gegen die Mittellinie, ohne bis zur Berührung zu gelangen. Dauernd bleiben sie durch eine mediane Ganglienkette getrennt, bis an ihr kaudales Ende an der Teilungsstelle der Aorta, abdominalis. Kontinuierlich erstreckt sich allerdings nur das rechte bis dahin, das linke erfährt mehrmals Unterbrechungen. Viel häufiger und ausgedehnter sind die Diskontinuitäten im lateralen Zuge. Die seitlichen Paraganglien erreichen den Durchmesser der medialen bloss an der unteren Grenze der Nebenniere und dann knapp unterhalb des Nierenhilus, wo man auf Querschnitten jederseits zwei grössere Paraganglien, je ein seitliches und ein mittleres findet. Durch das nicht ungewöhnliche Auftreten eines medianen oder durch Teilung der grösseren Körper kann die normale Vierzahl auch überschritten werden. Die Paraganglien. 293 Die lateralen Paraganglien bilden niemals eine zu- sammenhängende Masse. Sie erscheinen immer in Form einer oft und lange unterbrochenen Reihe von Einzelkörpern, von denen nur wenige eine bedeutendere Grösse erreichen. Unterhalb der Nieren findet man überhaupt nur noch kleine, in ziemlichen Entfernungen auftretend, die längs der Ureteren, medial und ventral, manchmal auch dorsal, späterhin lateral von diesen, ver- folgbar sind. Man sieht sie dann namentlich von Strecke zu le Textfig. 3. Halbschematische Darstellung der Paraganglien eines 5 cm langen menschlichen Embryo. N = Nebenniere, A = Aorta, U = Ureter, R—= Rectum. Im übrigeu sind nur die Paraganglien als punktierte Felder eingezeichnet. Aus einer Quer- schnittserie rekonstruiert, bei ca. 1Ofacher Vergrösserung. 294 Alfred Kohn: Strecke an dem Nervengeflecht lateral vom Ureter, das mit den Vasa spermatica zu den Keimdrüsen hinzieht. Etwas ansehnlichere Grösse erreichen sie erst wieder innerhalb der sympathischen Geflechte, welche das Ende des Rectums und des Urogenital- tractus umfassen. Der mediale Zug findet seine Fortsetzung unterhalb der Teilung der Aorta in kleinen chromaffinen Körpern, welche bald paarig, bald unpaarig, einseitig oder in der Medianlinie, bis etwa in die Höhe der Keimdrüsen reichen. Im Grossen und Ganzen besteht also die frühere Anord- nung der Paraganglien noch fort. Während sie aber in den frühen Stadien einen zusammenhängenden Körper bildeten, der von der Nebenniere bis an die Aortenteilung reichte, ist jetzt die Kontinuität unterbrochen. Die Hauptmasse liegt nun am distalen Abschnitte der Bauchaorta, ein kleinerer kranialer Anteil im Niveau der Nieren — Nebennierengrenze. Wie kommt dies? Sind die Paraganglien vielleicht frühzeitig einer Rjick- bildung unterworfen? Zahlreiche Mitosen, die in jedem Schnitte leicht nachweisbar sind, sprechen entschieden gegen eine solche Vermutung. Sie sind auch absolut weit grösser als in den früheren Stadien. Aber mit dem bedeutenden Längen- wachstum des Embryo und der Aorta insbesondere halten sie nicht Schritt. Sie zerfallen, wie auch Zuckerkandl (74) bei älteren Embryonen fand, in einen kranialen und einen kaudalen Anteil. Dazwischen ist ein Abschnitt der Aorta frei von grösseren Paraganglien. Durchgreifend ist in diesem Stadium auch die Trennung der medialen Gruppe in paarige Körper, die an keiner Stelle ihres Verlaufes mehr, wie dies früher regelmässig der Fall war, zu einem einheitlichen, unpaaren Organ verschmelzen. Durch sympathische Ganglien und Nerven werden sie aus- einander gehalten, und namentlich an der Teilungsstelle der Aorta werden sie durch das dichte sympathische Geflecht an der Arteria mesenterica inf. weit getrennt. Es braucht wohl kaum mehr besonders hervorgehoben zu werden, dass die innigsten Beziehungen zwischen chrom- affinem und sympathischem Gewebe fortbestehen. Bald sind es nur Randabschnitte der Paraganglien, die von Ganglienzellen eingenommen werden; bald geht ein Paraganglion Die Paraganglien. 295 ganz allmählich durch Zunahme des sympathischen Anteils in ein Ganglion über. Besonders an den kleineren, allenthalben in den sympathischen Geflechten verstreuten, chromaffinen Körperchen ist dies oft zu beobachten. Sie stecken mitunter geradezu in den sympathischen Ganglien, oder man begegnet Körperchen von gemischtem Baue, die halb Ganglion, halb Paraganglion sind. Solche kleine chromaffine Körper, mehr minder mit sympathischen Elementen vermischt, sind in der Umgebung der Nebenniere recht zahlreich und liegen an ihrer Oberfläche, besonders medial, aber auch ventral und dorsal, an der Wand der Vena cava inf., an den Begrenzungsflächen von Niere und Nebenniere, von Nebenniere und Leber, an den Ganglien dorsal von der Aorta abdom., ferner am Nierenhilus, am Ureter, an dem Gefässnervenstrang der Keimdrüsen, im Nervengeflecht am Ende des Rectums und des Urogenitalapparates. Die Entwicklung der „Marksubstanz der Neben- niere“ hat nur geringe Fortschritte gemacht. Die Nebenniere ist immer noch ein epitheliales Organ. An verschiedenen Stellen im Inneren, besonders in der peripheren Schicht, ist der gleichmässige epitheliale Charakter durch die uns schon bekannten Einlagerungen kleiner, intensiv gefärbter Zellhaufen durchbrochen. Da diese Gruppen auch Nerven enthalten, kann über ihre sym- pathische Herkunft und Natur kein Zweifel bestehen. Vielfach machen sich Zeichen der Umwandlung zu chromaffinen Zellen bemerkbar, indem einige Zellen — sie sind immer in der Minderheit — grösser und blässer werden. Aber vorwiegend bewahren die Zellhaufen noch den Charakter sympathischer Ganglien. Sie sind merklich grösser und zahlreicher geworden, zeigen aber noch keine Neigung, sich im Zentrum des Organes zu lokalisieren. Würden sie alle zu Ganglienzellen werden, so müsste die jugendliche Nebenniere deren eine Unzahl besitzen. Sie werden gewiss zum grössten Teile zu chromaffinen Zellen, zu den Elementen des Paraganglion suprarenale. Aber immer wieder macht man die Erfahrung, dass ihre Umbildung in den definitiven Zustand sehr verzögert ist, während die oben geschilderten Paraganglien ihren Sondercharakter schon so aus- geprägt haben. Auch das Paraganglion intercaroticum, dessen Zellen nun zu deutlichen Gruppen und Ballen angeordnet sind, 296 Alfred Kohn: trägt nicht so ausgesprochen den allgemeinen Typus der chrom- affınen Organe. Es weicht ja auch in seinem fertigen Baue in mannigfacher Weise vom Gattungscharakter ab. Ich werde später noch Gelegenheit finden, der Vergleichung der einzelnen Paraganglien einige Worte zu widmen. Über die Entstehung, die Entwicklung im allgemeinen und die Anordnung der Paraganglien gibt die voranstehende Be- schreibung wohl hinreichende Aufklärung. Ich will aber doch noch die Schilderung der chromaffiınen Organe eines 16 cm langen menschlichen Fötus (Kopf-Rumpflänge) anfügen, weil bei diesem die definitiven Verhältnisse deutlich erkennbar und dabei leicht zu überblicken sind. Der Fötus war in der oben angegebenen Kaliumbichromat-Formolmischung (9:1) ein- gelegt worden, und die Folge war, dass bei sehr befriedigender Fixierung alles chromaffine Gewebe, ja jede einzelne chromaffine Zelle, in leuchtender Braunfärbung hervortrat. Mit Rücksicht auf die durch frühere Untersuchungen fest- gestellten Tatsachen glaube ich, mich diesmal auf die Beschreibung eines bestimmten Gebietes beschränken zu dürfen. Der Bau der „Karotisdrüse“, das allgemeine Vorkommen chromaffınen Gewebes im Sympathicus, insbesondere in den Ganglien des gesamten Grenzstranges ist ja durch die früheren Mitteilungen von mir und Kose hinlänglich klargelegt worden, darum will ich nur über die Weiterentwicklung der Paraganglien im Retro- peritonealraume berichten. Das Präparat, welches die beiden Nebennieren und die Aorta abdom. bis zur Teilungsstelle enthielt, wurde in einer Querschnittserie untersucht. Die absolute Menge des chrom- affinen Gewebes hat sehr erheblich zugenommen. Einzelne Paraganglien sind von ansehnlicher Grösse. Aber im Verhältnis zu den Nachbarorganen und zur Längenausdehnung der Aorta sind sie doch sehr zurückgeblieben. Die grössten erreichen eine Länge von ungefähr 4 mm. Die Unterscheidung in eine mediale und laterale Gruppe, die für frühere Stadien so gute Dienste leistete, ist nicht mehr deutlich ausgesprochen. Dies rührt hauptsächlich daher, dass auch die mittleren Paraganglien durch die Zunahme der Aorta weiter auseinander und zur Seite gedrängt wurden. Da sie aber wenigstens teilweise noch auf die ventrale Fläche übergreifen, mag die frühere Einteilung beibehalten werden. Die Paraganglien. 297 An der kranialen Hälfte der Aorta abd. sind von grösseren Paraganglien nur die seitlichen, dorsolateral vom Gefässe gelegen, anzutreffen. Sie bewahren auch jetzt noch festen An- schluss an die Gangliengeflechte des Plexus coeliacus, haften zum Teil direkt innerhalb der Ganglien, wachsen sozusagen aus ihnen heraus. Sie liegen in gesetzmässiger Weise an der lateralen Seite des Plexus, zwischen diesem und der Nebenniere. Man findet demnach medial von den Nebennieren eine Reihe grösserer chromaffiner Körper — die lateralen Paraganglien — welche zum Teil innerhalb sympathischer Ganglien liegen oder direkt mit diesen zusammenhängen, im übrigen aber selbständige Körper darstellen. Sie liegen entweder gerade seitlich von der Aorta, von deren Wand sie durch den Ganglienplexus getrennt werden, oder mehr dorsolateral, und man kann dann auf einem Querschnitte nicht gerade selten mehrere treffen. Sie reichen als diskontinuierliche Kette mit ziemlich grossen Zwischenräumen bis gegen das untere Ende der Nebenniere. Hier erreichen sie ihre maximale Grösse und erscheinen als selbständige, vom Sympathicus losgelöste, besondere Gebilde. Ventral von ihnen sind nun auch die mittleren Para- ganglien schon erschienen. Von diesen kann man jetzt wieder zwei Hauptlager unterscheiden, das eine — proximale — am kaudalen Pole der Nebenniere, das andere — distale — an der Teilungsstelle der Aorta abd. Die medialen Paraganglien erreichen weit grössere Dimensionen als die lateralen. Im Grossen und Ganzen darf man ihnen eine paarige Anordnung zu- erkennen, welche allerdings eine strenge Symmetrie vermissen lässt. Während man z. B. auf der einen Seite einen grösseren, einige Millimeter langen Körper findet, ist dieser auf der anderen Seite nur durch zwei bis drei kleinere Knötchen vertreten. Im vorliegenden Falle fanden sich proximal rechts zwei, links ein grösserer Körper, distal dagegen rechts ein grösserer, links ein grösserer und ein kleinerer. Besser als durch Beschreibungen wird das Verhalten durch die der Arbeit beigegebenen schematischen Darstellungen ver- deutlicht werden. Man ersieht aus diesen leicht, dass weitaus die grössten Para- ganglien am distalen Ende der Bauchaorta liegen, während eine zahlreiche Schar grösserer und kleinerer chromaffiner Körper im 298 Alfred Kohn: Gänglienplexus zwischen den beiden Nebennieren verteilt ist. Recht ansehnlich sind die Paraganglien namentlich an der kau- dalen Nebennierengrenze. Hier trifft man jederseits zwei bis drei mediale und laterale, gleichzeitig auf einem Querschnitte, Textfigur 4. Halbschematische Darstellung der Paraganglien eines 16 cm langen mensch- lichen Fötus, nach einer Querschnittserie rekonstruiert, bei ca. 5 facher Vergrösserung. A — Aorta, N —= Nebenniere, von der bloss die laterale Begrenzungslinie eingetragen ist, um auch die zahlreichen chromaffinen Körper und Ein- lagerungen an der ventralen und dorsalen Fläche der Nebenniere einzeichnen zu können. Alle punktierten Felder deuten chromaffines Gewebe an. Die Mehrzahl der kleinen chromaffinen Körper steckt aber ganz oder teilweise in sympathischen Ganglien, die nicht dargestellt sind. deren Durchmesser dem der Aorta nicht nachsteht. Einer liegt ventral von der Aorta, einer lateral und einer dorsolateral. Das ergibt bei symmetrischer Ausbildung, die wohl selten eintrifft, sechs grosse chromaffine Körper auf einem Durchschnitte, ohne die zahlreichen kleinen der Gangliengeflechte in Betracht zu ziehen, welche die Aorta vorn und seitlich umgeben. Die Zahl der kleineren Paraganglien ist sehr gross. Man darf ohne Übertreibung sagen, dass man vom Ab- gange der Arteria coeliaca bis zur Teilungsstelle der Aorta abd. m Die Paraganglien. 299 fortlaufend chromaffines Gewebe aufzufinden vermag. Mindestens kleine Inseln desselben sind in den grösseren Ganglien um die Aorta regelmässig nachzuweisen, und einzelne Gruppen chrom- affiner Zellen wohl in jedem Ganglion. (S. Taf. XVI, Fig. 14 und 15.) Wie aus den früheren Stadien bekannt ist, reichen die Paraganglien weit über die Teilung der Bauchaorta hinaus. In der Medianlinie, im Winkel der beiden Arteriae iliacae fängt diese neue Reihe an, deren Verbreitungsgebiet ich schon oben skizziert habe und hier nicht weiter verfolgen will. Viel Interesse erweckt die Untersuchung des chromaffınen Gewebes der Nebenniere. Früher waren die kleinen Zell- haufen, welche in die epitheliale Nebenniere eindrangen, völlig gleichartig den embryonalen, sympathischen Ganglien ausserhalb der Nebenniere. Nun aber, da unterdessen die Entwicklung der sympathischen und der chromaffinen Zellen solche Fortschritte gemacht hat, dass 'sie ihr charakteristisches Aus- sehen nahezu erreicht haben, nun erscheinen die Elemente der Zellhaufen in der Nebenniere als ein von jenen verschiedener, eigenartiger Formbestandteill. Dies kommt dadurch zustande, dass sie, die doch nachweislich gleich den Ganglienzellen und den chromaffinen Zellen aus den embryonalen Sympathicuszellen hervorgehen, in ihrer Fortentwicklung so zurück- geblieben sind, dass sie jetzt verschieden erscheinen von den übrigen Sympathicusderivaten. Ihre Ausreifung verzögert sich innerhalb der Nebenniere in auffallender Weise; dagegen ist ihre Lokalisation bereits zum Teil erfolgt, man findet sie schon vorwiegend an ihrem definitiven Platze. Sie liegen längs der Vena suprarenalis in Haufen und Strängen, die noch nicht zu einer einheitlichen Marksubstanz vereinigt sind. Aber diese Haufen bestehen immer noch aus jenen kleinen, dunkelgefärbten, dichtgedrängten Zellen, die wir von früher her kennen. Wüsste man die Geschichte ihrer Herkunft nicht, aus ihrem Aussehen wäre sie nicht leicht festzustellen Darum darf man sich nicht wundern, dass sie auch für Lymphkörperchen (Dagonet [12]) oder eigenartige transititorische Bildungen gehalten wurden. (Minot [53]). In den peripheren Schichten findet man die gleichen Zellhaufen jetzt viel seltener. Bei genauerer Prüfung wird man 300 Alfred Kohn: die Beobachtung machen, dass viele Zellen weniger intensiv ge- färbt sind, dass namentlich viele Randzellen infolge der Chrom- fixierung einen gelblichen Farbenton angenommen haben, kurz, sichere Anzeichen für die Differenzierung zu chrom- affinen Zellen. Endlich wird man finden, dass oft schon ganze Zellhaufen im Zentrum der Nebenniere gelblich gefärbt erscheinen und eben dadurch neben den dunkelgefärbten sich leicht der Beobachtung entziehen. Es ist gewiss in diesen Zell- haufen, mögen sie schon Chromreaktion zeigen oder noch nicht, die Hauptquelle der „Marksubstanz der Nebenniere‘“ zu suchen, aber nicht ausschliesslich. Dieser Satz bedarf einer näheren Er- klärung. Unzweifelhaft stammen alle chromaffinen Zellen der Nebenniere in letzter Linie aus der gleichen Anlage, aus embryonalem Sympathicusgewebe. Von diesem dringen aber zu verschiedenen Zeitpunkten Partien in die Nebenniere ein. ‚Jene Zellhaufen, die am frühesten eindringen, gleichen vollständig den zu dieser Zeit noch ein- heitlich gebauten, embryonalen Sympathicusganglien. Während aber an diesen sich die Differenzierung in sympathische und chromaffine Zellen ausserhalb der Nebenniere rasch vollzieht, bewahren die eingedrungenen Zellballen ungemein lange den indifferenten Charakter. Sie entwickeln sich schliesslich zum grössten Teil zu chromaffinen Zellen, aber in so langsamer Weise, dass man noch zur Zeit der Geburt viele in unfertigem Zustande antrifit. Ausserhalb der Nebennieren geht, wie erwähnt. die Differenzierung der chromaffinen Zellen viel rascher vor sich. Nun gelangen aber von der Oberfläche her immer neue Nach- schübe jugendlicher, chromaffiner Zellen, allein oder in Ver- bindung mit Ganglienzellen in die Nebenniere, bei denen, da sie sich bisher ausserhalb der Nebenniere zu entwickeln vermochten, der spezifische Artcharakter schon sehr ausgeprägt ist. Da auf diese Weise scheinbar dauernd immer wieder neue, jugendliche chromaffine Zellen nachrücken, die immer wieder den einge- schlossenen in der Differenzierung weit vorangeeilt sind, so findet man in der fötalen Nebenniere chromaffine Zellen aller Entwicklungsetappen. Ihr jeweiliges Entwicklungs- stadium steht aber im umgekehrten Verhältnisse zur Dauer ihrer Ansiedlung in der Nebenniere.. Da die ältesten Eindringlinge mehr und mehr dem Zentrum zustreben, so findet man gerade Die Paraganglien. 301 die am wenigsten differenzierten Zellballen, die zum Teil noch den ursprünglichen neutralen Charakter bewahren, am weitesten gegen das Innere vorgedrungen, an der Vena suprarenalis und ihren Wurzeln, also im Gebiete der künftigen „Marksubstanz“. Dagegen sind die am meisten entwickelten, intensiv chromgelben oder braunen Zellen zwischen den Rindensträngen, in den peri- pheren Schichten, in der Zona glomerulosa und an der Kapsel des Organes verteilt. So wird jenes bunte Bild der fötalen Nebenniere verständ- lich, welches viele Autoren irreführte, sodass man bis in die neueste Zeit Zweifel an dem sympathischen Ursprung der „Mark- substanz“ hegen durfte. Immer wieder traten neue Verteidiger der Lehre auf, dass sie aus der Rinde hervorgehe, und manche beriefen sich gerade darauf, dass man selbst bei älteren Föten keine chromfarbenen Zellen im Zentrum finde, während sie in den peripheren Schichten der Rinde so deutlich seien. (Soulie [60]. Diesen Einwand glaube ich nunmehr entkräftet zu haben. Zum Schlusse dieses Kapitels will ich noch der Anordnung der Paraganglien beim neugeborenen Kinde einige Zeilen widmen. Trotzdem ich viele mikroskopische Präparate anfertigte, will ich diesmal davon absehen, die Verbreitung der chromaffinen Organe aus den Schnittbildern zu rekonstruieren und nur den makroskopischen, anatomischen Befund verzeichnen. An der Leiche eines 45 Tage alten, abgemagerten Mädchens, welche ich 30 Stunden nach dem Tode erhielt, wurden die chromaffinen Körper nach der früher mitgeteilten Methode dargestellt. Der Retroperitonealraum wurde mit einem in Kaliumbichromatlösung getränkten Wattebausch bedeckt. Nach 10 Stunden wurde mit Wasser abgespült und Glycerin aufgetropft. Sofort traten, ohne dass eine eingehendere Präparation nötig ge- wesen wäre, die Paraganglien in dunkelbrauner Farbe hervor. Die grössten, die von Zuckerkandl (74) beschriebenen ‚Neben- organe“, fast 1 cm lang, liegen über der Teilungsstelle der Bauchaorta zu beiden Seiten der abgehenden Art. mesent. inf. Sie waren in diesem Falle durch eine quere Brücke an ihrem ‚oberen Ende verbunden. Knapp über ihnen, in der Höhe des unteren Nebennierenrandes, lag rechts und links je ein länglicher, chromaffiner Körper, der rechte seitlich von der Aorta, der 302 Alfred Kohn: linke legte sich, schief aufwärts verlaufend, über ihre Ventral- fläche hinüber. Medial von den Nebennieren, Nieren und Ure- teren zog eine Reihe einzelner, grösserer und kleinerer, seit- licher Paraganglien herab. Eine ziemliche Grösse, 2—3 mm, erreichten die kugeligen, chromaffinen Körper des Plexus hypo- gastricus, im Winkel zwischen den beiden Arteriae iliacae comm. Textfigur 5. Paraganglien eines 45 Tage alten Mädchens. A = Aorta, N — Nebenniere, U = Ureter, R= Rectum, L = Ligamentum latum. Die schwarzen Felder bedeuten Paraganglien, von denen die grösseren mit P, die kleineren mit p bezeichnet sind. Die linke Nebenniere wurde abgetragen, um die von ihr bedeckten Paraganglien sichtbar zu machen. Sehr deutlich konnte man insbesondere auch die Para- ganglien in dem Nervengeflechte, welches das Rectum begleitet, zur Anschauung bringen, wenn man dieses von der Wirbelsäule ablöste und nach vorne zog. Dorsolateral an seiner Aussenwand wurden dann jederseits eine ganze Anzahl, etwa sechs,. kugelige, Die Paraganglien. 303 chromaffine Körperchen sichtbar, die sich bis ans Ende des Rec- tums verfolgen liessen. Im Ligamentum latum der rechten Seite fand sich ebenfalls ein kleines Paraganglion. Die chrom- affıne Natur desselben, sowie der übrigen aufgezählten Para- ganglien habe ich durch mikroskopische Untersuchung sicher- gestellt Vergegenwärtigen wir uns nochmals die Entwicklung des chromaffinen Gewebes beim Menschen, so wäre folgendes festzustellen: Die ersten chromaffinen Zellen dürften etwa bei Embryonen von 16-17 mm G.L. auftreten, in den An- lagen der sympathischen Geflechte, ventral von der Bauchaorta, zwischen den beiden Nebennieren. In den Ganglien des Grenz- stranges erscheinen sie etwas später, bei Embryonen von 27 mm G.L. Das chromaffıne Gewebe nimmt rasch an Masse zu. Es wächst aus den grossen Ganglien des Semilunargeflechtes heraus und lagert sich vor die Ventralfläche der Aorta als eine ‚breite, an beiden Enden geteilte, zusammenhängende, chromaffıne Platte, welche von den Nebennieren bis zum Abgang der Arteriae iliacae comm reicht Im Laufe des Wachs- tums teilt sich dieser einheitliche, chromaffine Körper in der Längs- und Querrichtung. So entstehen paarige, proximale und distale Paraganglien an der Bauchaorta. Die ersteren liegen im Niveau des unteren Nebennierenrandes, seitlich von der Aorta, die letzteren, welche alle anderen an Grösse übertreffen, finden sich über der Aortenteilung, zu beiden Seiten der Arteria mesenterica inf. Ferner entwickeln sich selbständig aus ver- schiedenen Geflechtganglien zahlreiche mittelgrosse Paraganglien, von denen ich nur die des Plexus hypogastricus sup. und inf., im Winkel zwischen den beiden Arteriae iliacae comm. und an den Seitenwänden des Rectums, erwähnen will. Kleine chromaffine Körperchen werden längs des Urogenital- systems, besonders medial von den Nieren und Ureteren und im Ligamentumlatum, gefunden. ChromaffineEinlagerungen sind vielfach in sympathischen Ganglien und Nerven anzutreffen. b) Kaninchen. Beim 14 Tage alten Kaninchenembryo ist die epitheliale Nebennierenanlage ventrolateral von der Bauchaorta, medial vom Anfangsteile der Urniere, zu finden als ein kleines Epithelkörperchen, von verzweigten Zellsträngen gebildet. Die Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 20 304 Alfred Kohn: sympathischen Ganglienzellen liegen in kleinen Gruppen bei- sammen, die nicht scharf umgrenzt sind und in spitze Fortsätze auslaufen. Man triftt sie anfangs nur dorsolateral von der Aorta, dann rücken sie an die seitliche Gefässwand vor und gelangen so bis an die Nebenniere, der sie sich erst dorsal, dann medial anschmiegen, ohne dass es zu einer Vermischung beider Gewebs- arten käme. Kaudal von den Nebennieren ziehen die sympathi- schen Ganglien von beiden Seiten her ventral vor die Aorta und dann als paarige Ganglienstränge zwischen den beiden Urnieren hinab. Hie und da glaubte ich in einigen Zellen der Ganglien Vorstufen chromaffiner Zellen zu erkennen. Mit Sicherheit sind sie in diesem Stadium noch nicht nachweisbar. Anders bei 15 Tage alten Embryonen. Es waren deren mehrere in verschiedener Weise behandelt worden. Am brauchbarsten für die Auffindung chromaffiner Zellen waren wiederum jene, die in Kaliumbichromat-Formollösung eingelegt worden waren. Die Nebenniere ist grösser geworden, bildet aber immer noch einen Knäuel von Fpithelsträngen und zeigt noch keine Andeutung ihrer späteren radiären Struktur. Die sympathischen Ganglien dringen von der Wirbelsäule her an die seitliche Aortenwand, gelangen so zwischen Aorta und Nebenniere und endlich an die Ventralfläche der Aorta, an der sie längs der Urnieren herabziehen. Unterhalb der Nebennieren kann man deutlich in den Ganglien hellereFelder wahrnehmen, die aus schwächer gefärbten, grösseren Zellen mit blassen, scharf umrandeten Kernen bestehen. Die Vermutung, dass es sich um chromaffıne Zellen handelt, wird durch die Untersuchung älterer Embryonen zur Gewissheit. Wie bei der Katze erscheinen also auch beim Kaninchen die ersten chromaffinen Zellen innerhalb der abdominalen sympathischen Geflechtganglien. Sie treten als isolierte Gruppen auf, die von dunkel gefärbten Nervenzellen umrahmt werden Sie erscheinen nicht in Form einer begrenzten, streng lokalisierten Anlage, sondern diffus an verschiedenen Stellen der Geflechtganglien in grösseren und kleineren Herden. Bei genauem Zusehen findet man sie ver- einzelt schon in den Ganglien medial von der Nebenniere, in gsrösserer Menge unterhalb der Nebennieren bis ans Ende der Urniere. Die Paraganglien. 305 Bei Kaninchenembryonen von 16 Tagen (21 mm) sind bereits grosse Mengen chromaffinen Gewebes vorhanden, welches auch schon die charakteristische Chromreaktion gibt. Ich untersuchte mehrere Exemplare dieses Alters. Sie waren in Kaliumbichromat-Formol oder in Kaliumbichromat-Essigsäure mit und ohne Sublimatzusatz eingelegt worden In allen Fällen ergab sich folgender Befund: Von den Nebennieren ab zieht ein grosses Paraganglion, welches die Ventralfläche der Aorta abd. überdeckt, bis an das untere Drittel des Gefässes. In seinem kranialen Abschnitte zeigt es ein merkwürdiges Verhalten. Es teilt sich in zwei Fortsätze, von denen je einer in die epitheliale Nebenniere ein- dringt und so deren Marksubstanz bildet. Drastischer kann wohl die Identität von Marksubstanz und Paraganglion nicht illustriert werden. N Textfigur 6. Halbschematische Darstellung der Paraganglien eines 16 Tage alten Kaninchenembryo; nach einer Querschnittserie rekonstruiert, bei ca. 20 facher Vergrösserung. A — Aorta, N = Nebenniere. Die Paraganglien sind als punktierte Felder eingezeichnet; ihre kranialen Ausläufer bilden die sog. „Marksubstanz der Nebenniere“. Die Nebenniere des Kaninchens erhält ihre Marksubstanz in anderer Weise und vor allem viel rascher, als die des Menschen. Die dichten Zellhaufen, welche in dieser als die Anfangsstadien des Markes anzusehen sind, fehlen in jener vollständig. Dagegen besitzt sie schon in diesem frühen Stadium eine kompakte, chrom- farbene Marksubstanz, die aber nicht allseitig von der epithelialen Nebenniere umschlossen wird. Wie eine Scheide legt sich die 20* 306 Alfred Kohn: Rinde um einen chromaffinen Stiel, der in sie eindringt. Man kann nach dem üblichen Brauche auch sagen, dass die Mark- substanz aus der Nebenniere austritt DBeiderseits verlässt sie ihre epitheliale Schale als ein dünner, chromaffiner Strang, der gegen die Medianlinie zieht. Der rechte, der von der höher ge- legenen Nebenniere kommt, kreuzt die Aorta unter schiefem Winkel, ist länger und von gleichmässiger Dicke; der linke von der tieferen Nebenniere wird bald nach dem Austritte ver- schwindend dünn, schwillt aber gleich wieder an und erreicht den anderen nach kurzem queren Verlauf, um sich mit ihm zu dem grossen, medianen Paraganglion zu vereinigen Deutlich offenbart demnach in diesem Falle die Marksubstanz ihren besonderen Charakter. Als ein eigenartiges Organ tritt sie mit der Nebenniere in Verbindung. Rinde und Mark sind durchaus heterogen. In diesem Alter ist die Marksubstanz auf den kaudalen Abschnitt der Nebenniere beschränkt. Die beiden Paraganglien, deren kraniale Fortsätze sie bilden, ziehen dann zunächst als paarige Stränge, durch mediane Ganglien ge- trennt, ventral von der Aorta abwärts. Bald aber vereinigen sie sich in der Medianlinie zu einem breiten, chromaffinen Körper, der aber wieder in zwei Aeste auseinanderweicht, die alsbald wieder zusammenfliessen. Das Endstück ist abermals durch mediane Ganglien getrennt, die gegen die Aortenteilung zunehmen. Es liegen also hier ungemein einfache und leicht zu über- sehende Verhältnisse vor. Ein einheitliches, langgestrecktes Paraganglion liegt an der Ventralfläche der Bauchaorta und teilt sich kranialwärts in zwei Fortsätze, die von den epithelialen Nebennieren umgriffen werden. Der ganzen Ausdehnung nach begleiten sympathische Ganglien die chromaffinen Körper. Die innige Wechsel- beziehung von sympathischem und chromaffinem Gewebe kommt besonders au den kleinen Paraganglien zum Ausdrucke, welche auch hier nicht fehlen, wenn sie auch viel spärlicher vorkommen, als beim Menschen. Lateral von der Aorta finden sich kleine, chromaffine Körperchen, welche mit ebenso kleinen Ganglien direkt zu einheitlichen, von einer gemeinsamen Hülle um- schlossenen Gebilden vereinigt sind. Zahlreiche Zellteilungsfiguren sprechen für ein weiteres energisches Wachstum der Paraganglien, welche bei Die Paraganglien. 307 einem Kaninchenembryo dieses Alters — wie das entsprechende Schema zeigt — relativ grosse Organe bilden, gegen welche die sympathischen Ganglien sehr zurückstehen. Bei einem Kaninchenembryo von 40 mm Länge be- steht die Nebenniere, in ihrem kranialen Abschnitte ein rein epitheliales Organ, im kaudalen Teile aus peripheren Epithel- und zentralen chromaffinen Zellen. Das chromaffine Gewebe dringt, wie früher, vom kaudalen Pole her in die Nebenniere ein und wird im Laufe der weiteren Entwicklung zu richtiger Mark- substanz. Wie bei dem vorigen Stadium ist es auch jetzt nur ein kleiner Fortsatz eines grossen Paraganglions, der vom Epithel der Nebenniere eingeschlossen wird. Aus der rechten und linken Nebenniere ziehen also wieder chromaffine Stränge gegen die Medianlinie; aber sie erreichten in diesem Falle das grosse, vor der Aorta gelagerte Paraganglion nicht. Ein kurzer Zwischen- raum unterbrach die Kontinuität. Ich möchte aber eine solche Unterbrechung nicht als die Regel ansehen, da auch bei älteren Embryonen der Zusammenhang noch besteht. Besonders der rechte, schief ansteigende Fortsatz zweigt meist direkt vom Hauptparaganglion ab, während man für den linken, quer ver- laufenden eine — wenn auch minimale — Trennung als gesetz- mässig gelten lassen kann. Die Hauptmasse des chromaffinen Gewebes liegt als un- paarer Körper an der Ventralfläche der Aorta und über- ragt diese noch nach beiden Seiten hin. Am Ende — etwa an der Grenze vom zweiten und letzten Drittel der Bauchaorta — bewirkt abermals ein medianes Ganglion eine Teilung in zwei Fortsätze, die sich rasch verschmächtigen und sich schliesslich als kleine, unbedeutende, chromaffine Zellgruppen innerhalb der Ganglien verlieren. Längs des ganzen Verlaufes schmiegen sich kleine Ganglien der Oberfläche des Paraganglions innigst an. Nicht selten liegen sie noch innerhalb seiner Umhüllung, ohne sich gegen die chrom- affinen Elemente abzugrenzen — ein deutlicher Hinweis auf die Verwandtschaft der beiden Gewebsarten. Andererseits enthalten auch viele kleine Ganglien chromaffine Elemente. Von den zahlreichen kleinen Paraganglien, die längs des ganzen Plexus aorticus abd. anzutreffen sind, mögen noch jene besonders genannt sein, die lateral von der Aorta und medial von den Ureteren gefunden werden. 308 Alfred Kohn: Der nächste untersuchte Kaninchenembryo hatte eine Länge von 66 mm. Die rechte Nebenniere liegt höher. Zum grösseren Teile ist sie ein epitheliales Organ. Aber in der kaudalen Hälfte macht sich ein schmaler, zentraler Streif von „Marksubstanz‘‘ bemerkbar. Das chromaffine Gewebe, welches ihn bildet, verlässt am unteren Pole die Nebenniere und schiebt sich, von Ganglien begleitet, vor die Aorta, um ventral von dieser als langgestrecktes Paraganglion hinabzuziehen. Es besteht also hier wieder der von früher her bekannte Zusammenhang von Paraganglion und ‚„Marksubstanz‘“. Zutreffender ist es, zu sagen: Das kraniale Ende des Paraganglion abd. steckt in der. epithe- lialen Nebenniere und wird daselbst gewöhnlich „Marksubstanz“ genannt. Die linke Nebenniere liegt tiefer als die rechte. Ihr chromaffiner Stiel tritt nicht kaudal, sondern seitlich an der medialen Fläche hervor und strebt in querem Verlaufe dem grossen Paraganglion an der Aorta zu. Aber er erreicht es nicht mehr. Ein kleines, isoliertes, chromaffines Körperchen ist als Zwischenglied zwischen den Markstiel und den vom Haupt- paraganglion entgegenkommenden Fortsatz eingeschaltet und deutet so noch auf den ursprünglichen Zusammenhang hin. Das grosse, mediane Paraganglion an der Ventral- fläche der Aorta hat beiläufig die Form eines X, mit längeren unteren Schenkeln, welche, ebenso wie die oberen, sympathische Ganglien einfassen. Distalwärts verjüngen sich die Ausläufer immer mehr und senken sich schliesslich in die sympathischen Ganglien ein, sodass mitten unter den Ganglienzellen chromaffine Elemente erscheinen, in denen wir die Endstücke des Para- ganglions erkennen. Aber auch noch tiefer treten in dem unter- dessen paarig gewordenen sympathischen Ganglion abermals kleine, chromaffine Körperchen auf. Auch sonst fehlt es nicht an kleinen Paraganglien in der Umgebung der Nebenniere, ventral und lateral von der Aorta, medial von den Ureteren, die gewöhnlich auch sympathische Ganglien und Nerven einschliessen. Je nachdem die eine oder andere Zellart überwiegt, gleicht dann ein solcherart gemischtes Körperchen mehr einem Ganglion oder einem Paraganglıon. Zahlreiche Mitosen im chromaffinen Gewebe bekunden ein fortschreitendes Wachstum. Die Paraganglien. 309 Auch bei einem Kaninchenembryo von 88 mm ist es noch aufs deutlichste nachzuweisen, dass die sog. Marksubstanz, welche so viele Autoren aus den Rindenelementen ableiten wollen, nichts anderes ist, als das kraniale Ende des Paraganglion aorti- cum abd. Es lässt sich an der Querschnittserie klar ersehen, wie das chromaffine Gewebe, welches innerhalb der Nebenniere her- kömmlich ‚„Marksubstanz“ genannt wird, sein epitheliales Gehäuse verlässt und vor die Aorta hinzieht (S. Taf. XVII, Fig. 21). Dann vereinigen sich beide chromaffine Stränge zu dem bekannten grossen Paraganglion an der Ventralfläche der Aorta, welches zum Teil unpaarig und ungeteilt bleibt, zum Teil in zwei bis vier Aeste auseinander gedrängt wird, die sich abermals ver- einigen. Vorherrschend ist aber das Bild eines einheitlichen, mächtigen, chromaffinen Körpers, welcher ventral von der Aorta bis zu ihrem unteren Drittel hinzieht, seitlich über die Gefäss- grenzen hinaus bis nahe an die Ureteren reicht und sich erst am Ende in mehrere dünne Zipfel auflöst. Ein solches Organ musste gewiss auch schon früher wiederholt beobachtet worden sein; es wurde aber in der Regel falsch gedeutet. Von Stelle zu Stelle lagern kleine Ganglien am Para- ganglion. Im allgemeinen aber tritt mit fortschreitender Ent- wicklung das nervöse Gewebe gegen das chromaffıne sehr in den Hintergrund. Erst unterhalb des Paraganglions treten wieder grössere Ganglien auf. Kleine, chromaffine Körperchen findet man neben dem Hauptorgane, insbesondere auch an der Vena cava. Selbst beim neugeborenen Kaninchen sind die ursprüng- lichen Verhältnisse noch unverwischt erhalten. Die rechte Nebenniere liegt höher. Sie enthält im zentralen Teile Ballen chromaffiner Zellen zwischen den Rindenbälkchen. Gegen den kaudalen Pol nimmt die Menge des chromaffinen Gewebes stetig zu, und am Ende liegt auf den Querschnitten die Marksubstanz ganz frei zutage. Sie setzt sich auch wieder über die Be- - grenzung der Nebenniere hinaus als dünner chromaffiner Strang fort und verbreitert sich an der Ventralfläche der Aorta zu einem breiten scheibenförmigen Paraganglion, dessen Anfangsteil dicht an den grossen Ganglien des Plexus coeliacus liegt. Aus der linken Nebenniere ragt das chromaffine Gewebe medialwärts wie ein Stiel hervor, welcher sich allmählich dem 310 Alfred Kohn: der anderen Seite nähert. Fine Strecke weit ziehen dann beide nebeneinander vor der Aorta hinab, durch die grossen sympathi- schen Ganglien getrennt. Unterhalb derselben vereinigen sie sich zu einem unpaarigen, medianen Körper, der sich wieder gabelt und dann wieder einheitlich wird und zu einem mächtigen, die Aorta ganz überdeckenden Paraganglion anschwillt. In der distalen Hälfte der Aorta wird er durch mediane Granglien Textfigur 7. Halbschematische Darstellung der Paraganglien eines neugeborenen Kaninchens, nach einer Querschnittserie rekonstruiert, bei ca. 1Ofacher Vergrösserung. A — Aorta, N = Nebenniere. Die grossen und kleinen Paraganglien sind als punktierte Felder gezeichnet. Das Paragangl. aortic. abdom. (P) bildet mit seinen kranialen Ausläufern die „Marksubstanz der Nebenniere“. abermals geteilt und verschwindet dann bald spurlos. Aber an der Ganglienkette, die nun an der Aorta hinabzieht, er- scheinen von Stelle zu Stelle kleine chromaffine Körperchen. Bald liegen sie mitten in den Ganglien, bald an der Peripherie derselben, bald grenzen sie nur von aussen an sie an, oder sie bilden auch ganz selbständige, kleine chromaffine Organe (siehe Taf. XVII, Fig. 16 und 17). So reichen, in engem Anschlusse ‘Die Paraganglien >11 an die sympathischen Ganglien, kleinere isolierte Paraganglien bis in die Nähe der Aortenteilung. Auch sonst herrscht kein Mangel an chromaffinen Körperchen. In der Umgegend der Vena cava, am unteren Ende der Neben- nieren, am Plexus coeliacus, lateral von der Aorta wird man nicht vergeblich nach ihnen suchen. Das Wachstum des chromaffinen Gewebes ist auch beim neugeborenen Kaninchen noch nicht abgeschlossen. Dafür sprechen die häufigen Zellteilungen. Es war mir natürlich von Interesse, nachzusehen, wie es sich mit den Paraganglien des Kaninchens nach der Geburt verhält. Zu diesem Behufe untersuchte ich ein 6 Wochen altes Kaninchen. Da ich bloss auf die Anordnung und Ver- breitung achten wollte, wurden die Präparate in reine 3,5 °Joige, wässrige Kaliumbichromatlösung eingelegt, welche die intensivste Chromreaktion hervorruft, aber für genauere Untersuchungen nicht empfohlen werden kann. Ich glaube, dass man bei dieser Fixierung nicht leicht eine einzige chromaffine Zelle übersehen kann, so leuchtend ist ihre Braunfärbung. In der Nebenniere sind die chromaffinen Zellen am dichtesten im Zentrum, längs der Vena suprarenalis gehäuft. Aber sie sind nicht die ausschliesslichen Insassen dieser Region, da vielfach kleine Gruppen epithelialer Rindenzellen dazwischen erscheinen. Andererseits sind auch die chromaffinen Zellen nicht auf das zentrale Gebiet beschränkt, sondern entsenden schmale Züge auch in die Zona fasciculata und bis an die Peripherie. Ein stärkerer Zug tritt längs der Vena suprarenalis an die Oberfläche. Ein zweites Mal öffnet sich die epitheliale Rinde am kaudalen Pole, um das chromaffine Gewebe frei hervor- treten zu lassen. Es reicht aber nicht nur bis an die Ober- fläche, sondern in Form eines dünnen Stranges an die Aorta, längs deren ventraler Wand es dann herabzieht. Es ist also auch jetzt noch die Verbindung von Marksubstanz und Para- ganglion aort. abd. erhalten. Ein ähnliches Verhalten ist an der linken, tiefer gelegenen Nebenniere nachzuweisen. Die chromaffıne Substanz verlässt ihre epitheliale Rinde längs der Vena suprarenalis und zieht an die Aorta. 312 Alfred Kohn: Das grosse mediane Paraganglion an der ventralen Wand der Bauchaorta schickt den beiden aus der Nebenniere ankommenden chromaffınen Strängen zwei Fortsätze entgegen, die sie aber nicht mehr erreichen; ein kleiner Zwischenraum trennt sie. Im übrigen verhält sich das Paraganglion wie früher. Seine kranialen Fortsätze vereinigen sich alsbald zu einem einheitlichen Körper, der stellenweise wieder geteilt sein kann und etwa in der Mitte der Aorta seine grösste Mächtigkeit erlangt. Schliesslich teilt er sich wieder und zerfällt endlich in mehrere Teilstücke an der Grenze zwischen mittlerem und letztem Drittel der Aorta. Aber kleine Häufchen chromaffinen Gewebes lassen sich in und an den sympathischen Ganglien bis zur Aortenbifurkation in grosser Zahl verfolgen. Unzweifelhaft reichen sie auch noch über diese hinaus; ich habe aber die Untersuchung nicht weiter ausgedehnt. Kleinere Paraganglien sind ausserdem regelmässig in der Nähe des Markaustrittes, in der Umgegend der Vena cava und anderer grösserer und kleinerer Gefässe anzutreffen. Wenn man die Menge des chromaffinen Gewebes in den grossen und kleinen Paraganglien, in den Ganglien der Geflechte und des Grenzstranges, in der Karotisdrüse und der Nebenniere in Erwägung zieht, so wird man dieser bisher fast gar nicht beachteten, besonderen Gewebsart, schon um ihrer Quantität willen, Beachtung schenken müssen. Aus beiden Nebennieren eines 3 Monate alten Kaninchens tritt die Marksubstanz an die Oberfläche Diesmal ist es nur die der linken, die sich als schmaler zungenförmiger Fortsatz bis. an die vordere Wand der Aorta hin fortsetzt. Von der rechten führt keine zusammenhängende Brücke dahin; die Verbindung ist durch eine fortlaufende Reihe kleiner chromaffiner Körper- chen nur angedeutet. In diesem Falle müssen zwei nebeneinander gelegene Paraganglien, ein rechtes und ein linkes, unterschieden werden, die an der ventralen Wand der Aorta abd. bis an das. untere Drittel hinabziehen. Das rechte ist ein ununterbrochener dünner Strang. Das linke, welchem der aus der entsprechenden Nebenniere hervortretende Strang nahekommt, ohne es zu er- reichen, erstreckt sich mit zahlreichen Unterbrechungen ungefähr ebenso weit wie das rechte. Beide kommen einander stellen- weise recht nahe, ohne jedoch zu einem einheitlichen Körper zu verschmelzen. Die Paraganglien. 315 Die nahe Beziehung zum Sympathicus, das Vorkommen kleiner Paraganglien und die chromaffinen Einlagerungen in Ganglien und Nerven mögen diesmal nur erwähnt werden. Um auch beim erwachsenen Kaninchen die Paraganglien zur Anschauung zu bringen, bedeckte ich die Retroperitoneal- organe in situ mit einem in Kalibichromatlösung getauchten Wattebausch. Die Untersuchung ergab, dass auch beim voll- ständig ausgewachsenen Tiere die Paraganglien vorhanden sind. Dunkelbraun hoben sie sich nach Aufhellung in Glycerin von der gelblichgrünen Unterlage aufs deutlichste ab und zeigten folgendes Verhalten. Aus der rechten Nebenniere dringt das Paraganglion supra- renale als ein feiner 3 mm langer Faden hervor, der gegen die Aorta hinzieht, ohne sie zu erreichen. In seiner Verlaufsrichtung tritt aber bald ein zweiter, 7 mm langer, dünner, chromaffiner Faden auf, der in schief absteigender Richtung an die Seiten- wand der Aorta gelangt und mit einem haarfeinen Ausläufer eine Strecke weit an dieser herabzieht. Nach kurzer Unter- brechung erscheint wieder ein neuer, nur 3 mm langer Faden. Dann beginnt etwa in der Mitte der Bauchaorta das langgestreckte rechte Hauptparaganglion, welches sich bald dicht an das entsprechende linke anlegt, dann wieder von demselben trennt und in einer Gesamtlänge von 17 mm bis etwa an die Abgangs- stelle der Arteria mesenterica inf. reicht. In ähnlicher Weise verlässt ein chromaffiner Faden auch die linke Nebenniere Ein kurzes Verbindungsglied ist zwischen ihm und dem linken lang- gestreckten Paraganglion aorticum abd. eingeschaltet. Dieses verhält sich im wesentlichen wie das rechte; es beginnt ein wenig höher und endigt früher. Distal von den Hauptparaganglien gegen die Teilungsstelle hin sind chromaffine Körperchen nur noch als feine braune Striche und Punkte wahrnehmbar, wie sie auch seitlich von der Aorta zur Beobachtung gelangen. Hervorzuheben ist vor allem, dass die Paraganglien auch beim erwachsenen Tiere in voller Ausbildung bestehen bleiben und das Paraganglion suprarenale nicht ausschliesslich auf den Innenraum der Nebenniere beschränkt ist. Nach dem Voranstehenden gestaltet sich die Entwicklung der Hauptmasse des chromaffinen Gewebes beim Kaninchen sehr einfach. 314 Alfred Kohn: Die ersten chromaffinen Zellen erscheinen inner- halb der sympathischen Ganglien an der Ventralfläche der Aorta abd. an der unteren Grenze der Nebennieren bei Textfigur 8. Paraganglien eines erwachsenen Kaninchens. N = Nebenniere, A = Aorta. Die schwarzen Linien und Punkte steiles die grossen (P) und kleinen Paraganglien (p) dar. Embryonen von 15 Tagen. In den sympathischen Ganglienanlagen, die bisher einen einheitlichen geweblichen Charakter trugen, treten diskrete Herde der neuartigen, grösseren und helleren Zellen auf. Infolge ihrer raschen Vermehrung bilden sie bereits in den nächsten Tagen ein mächtiges Paraganglion, das mit seinem Körper ventral vor dem mittleren Abschnitt der Die Paraganglien. 315 Bauchaorta lagert und sich an beiden Enden in zwei Fortsätze teilt. Die kranialen Fortsätze werden an ihrer Spitze von der epithelialen Nebenniere umhüllt und bilden so deren „Marksubstanz“, die kaudalen verlieren sich in sympathischen Ganglien an der Ventralfläche der Bauchaorta. Der Hauptsache nach bleiben diese Verhältnisse dauernd erhalten und sind auch bei erwachsenen Kaninchen noch leicht nachweisbar. Auch bei diesen ragt das Paraganglion suprarenale aus der epithelialen Nebenniere gegen die Aorta vor. Meist aber erreichen sie das grosse Paraganglion aorticum abd. nicht mehr. Dieses, früher vorwiegend unpaar, ist jetzt der ganzen Länge nach gespalten. Im mittleren Teil kommen die beiden langgestreckten Körper einander bis zur Berührung nahe, sonst aber weichen sie weit auseinander. Die Paraganglien sind den sympathischen Geflechten ange- schlossen. Kleinere chromaffine Körper — an der Vena cava, seitlich von der Aorta, an ihrer Ventralfläche unterhalb der Hauptparaganglien bis gegen die Teilungsstelle hin — liegen oft mitten innerhalb sympathischer Ganglien. c) Katzen. Von den Säugetieren, die ich untersuchte, würde ich die Katze für das Studium der Anlage, der Entwicklung und des Baues der Paraganglien vor allen anderen empfehlen Zu Beginn meiner Darlegungen habe ich ja auch das erste Auftreten der chromaffinen Zellen in den sympathischen Gefllechten von Katzen- embryonen beschrieben. Die fortschreitende Entwicklung bei diesem Tiere zu untersuchen, hatte ich nicht Gelegenheit Ich halte es nach der ausführlichen Beschreibung der Weiterbildung nach den Befunden an menschlichen Embryonen auch nicht für nötig. diese nochmals Schritt für Schritt zu verfolgen Aber für das Verständnis der späteren Verhältnisse lassen sich aus dem Katzenmaterial so instruktive, fast paradigmatische Präparate gewinnen, dass ich deren Beschreibung nicht unterdrücken kann. Manche Lücke in der vorangegangenen Darstellung wird sich nun ergänzen lassen. Bei einem Katzenfoetus von 12,5 em Länge, in Kaliumbichromat-Formol fixiert, verband sich eine ausgezeichnete 316 Alfred Kohn: Fixierung mit gleichzeitiger, intensiver Bräunung der chromaffinen Elemente. Solche Präparate von der jungen Katze gehören zu den schönsten und lehrreichsten, die man von den Paraganglien haben kann. Das kleinste chromaffine Körperchen, jede einzelne chromaffine Zelle, sticht durch ihren eigenartigen, gelbbraunen Farbenton aus dem sonst mit Alauncochenille rot gefärbten Präparate hervor, und selbst in den grössten Paraganglien sind alle Zellen durchweg gleichmässig gebräunt. (S. Taf XVI, Fig. 8—12,) Das grösste Paraganglion ist wiederum das Paraganglion aorticum abdom. Es liegt an der ventralen Wand der Aorta, als ein unpaarer chromaffiner Körper. Seine Länge ist recht ansehnlich, da es im kaudalen Niveau der Nebenniere aus dem distalen Teile des Plexus solaris hervorgeht und bis gegen die Mitte der Aorta reicht. Nur der mittlere Teil liegt gerade vor der Aorta, der obere und untere überragen rechts ihre seitliche Begrenzung. Seiner ganzen Länge nach wird das Paraganglion beiderseits von Ganglien begleitet, die bald durch eine besondere Hülle umgrenzt sind, bald vollständig mit ihm verschmelzen und selbst sehr häufig in ihrem Innern chromaffıne Zellen enthalten. (S. Taf. XVI Fig. 8 und 9.) Dagegen liegen auch wieder, von den erwähnten grossen Ganglien abgesehen, kleine Gruppen von Ganglienzellen an der Peripherie und innerhalb des Paraganglions. Im allgemeinen bildet das Paraganglion einen einheitlichen, unpaarigen Körper, der nur vorübergehend, mitunter durch binde- gewebige Septa, mit Gefässen und Nerven geteilt wird. In die begleitenden, paarigen langgestreckten Ganglienmassen ist es förmlich wie in Rinnen eingefalzt. Daher erscheint auf Querschnitten oft das Bild eines grossen, rundlichen chromaffinen Organes, das beiderseits von Ganglien halbmondförmig umfasst wird. Kleinere Paraganglien kommen besonders in der Nach- barschaft der Nebenniere vor, an ihrer medialen Begrenzung, fast regelmässig in Gesellschaft kleiner Ganglien. Innerhalb der Nebenniere selbst bildet das chromaffine Gewebe noch keine zusammenhängende Marksubstanz. Es nimmt zwar vorwiegend die mittleren Partien ein, aber nur in Form getrennter Ballen und Stränge, zwischen denen sich Rinden- substanz ausbreitet. In allen Nebennieren — es war in diesem Falle auch noch eine dritte von ansehnlicher Grösse da — reichen Die Paraganglien. Sal, chromaffine Zellen in schmalen Zügen bis an die Oberfläche. Um so deutlicher merkt man, dass sie innerhalb der Nebenniere einigermassen verschieden sind von denen des freien Paragang- lions. Sie sind kleiner, in dichterer Anordnung, ihre Chrom- reaktion derzeit viel weniger intensiv. Das Paraganglion aorticum abd der neuge- borenen Katze finden wir an bekannter Stelle, unterhalb der Nebennieren, ventral von der Aorta, als einen vorwiegend un- paaren Körper in innigster Verbindung mit den Ganglienge- flechten des Sympathicus. Es reicht mit dünnen kranialen Ausläufern bis in den Plexus coeliacus hinein und erstreckt sich, an Volumen immer zunehmend, bis gegen die Mitte der Aorta abd. Wenn man also eine Querschnittsreihe distalwärts verfolgt, so begegnet man zunächst den vorderen Fortsätzen des Para- ganglions. Der Plexus bildet einen kravattenförmigen Ganglienzug um die ventrale Wand der Aorta. Zwischen dieser und den Ganglien liegen die chromaffinen Stränge, in eine muldenförmige Vertiefung des mächtigen Plexus eingebettet Am unteren Ende desselben vereinigen sich die beiden Stränge zu einem grösseren unpaaren chromaffinen Körper, der jederseits von einem Gang- ' lienzuge begleitet wird. Unterhalb der Nebennieren wird das Paraganglion ganz frei, nicht mehr von den Plexusganglien über- deckt und bildet an der Ventralfläche der Aorta eine chromaffine Platte, welche auf Querschnitten wie ein Halbring erscheint, der in der Mitte dünner und an den Seiten kolbig verdickt ist Von Stelle zu Stelle treten sympathische Ganglien dicht an die Rand- partien heran und verschmelzen wohl auch mit diesen zu einem unauflöslichen Ganzen. Ganglienzellen innerhalb des Paragang- lions sind ein häufiger Befund. In seinem weiteren Verlaufe hält das Paraganglion nicht genau die Medianlinie ein, es weicht besonders gern nach rechts ab. Dabei nimmt es in allen Dimensionen sehr zu und überdeckt die ventrale Wand der Aorta vollständig. Sein Ende findet es etwa in der Mitte der Aorta, von kleinen Ganglien durchsetzt und umgeben. Damit ist die Hauptmasse des chrom- affınen Gewebes zu Ende. Weiter abwärts treten nochmals grössere Paraganglien auf, die in die sympathischen Ganglien vor der Aorta geradezu eingekeilt sind, derart, dass sie die Kante der Aorta zuwenden und der Rücken ventralwärts aus dem Ganglion vorragt. 318 Alfred Kohn: Auf Querschnitten erhält man demnach das merkwürdige Bild, dass in jedem der paarigen Ganglien ein dreieckiger Aus- schnitt von chromaffinem Gewebe eingenommen wird. (S. Taf. XVH Fig 18.) Ueberhaupt ist die Wechselbeziehung von chromaffinem und sympathischem Gewebe bei der Katze die denkbar innigste.e Wer an der Verwandtschaft’ der beiden Gewebsarten noch Zweifel hegt, möge sich mit wenig Mühe von diesem Tiere die Präparate herstellen, die ihn gewiss überzeugen werden. Namentlich von den kleinen chromaffiıen Körperchen tritt fast jedesin intimste Verbindung mit sympathischem Nervengewebe, bildet mit Ganglienzellen und Nerven einheitliche, gemeinsam umgrenzte Organe gemischten Baues. Solcher kleinen Paraganglien gibt es bei der Katze eine grosse Zahl. (8. Taf. XVI Fig. 10.) Viele finden sich im Plexus solaris, ganz von nervösem (Gewebe umschlossen oder den Ganglien angelagert, an der medialen Begrenzung der Nebenniere, längs der Aorta abd und lateral und ventral von der Vena cava, wo sie oft eine ziemliche Grösse erreichen. Nicht selten treten neben dem Haupt- paraganglion grössere, isolierte chromaffine Körper auf, so dass deren zwei bis drei grosse nebst mehreren kleineren in einem Querschnitte zum Vorschein kommen. In solchen Fällen wird man schon durch die Massenhaftigkeit dieses eigenartigen Ge- webes gefesselt und veranlasst, die Aufmerksamkeit auf dasselbe zu lenken Dazu kommt überdies noch die grosse Menge chrom- affıner Zellen, die in zahlreichen Ganglien und Nerven ver- streut sind. (S. Taf. XVI Fig. 11 und 12.) Das chromaffine Gewebe der Nebenniere habe ich in seinem Werden und Wachsen bei der Katze nicht verfolgt. Eine Marksubstanz ist bereits vorhanden ; ihre Zellen jedoch sind noch immer wie in dem früher beschriebenen Falle von den freien chromaffinen Zellen verschieden. Sie sind kleiner, dichter und werıen durch Chromatlösungen weniger stark gebräunt. Dies alles spricht dafür, dass Elemente gleicher Abkunft und Art durch die besonderen und verschiedenartigen Verhältnisse, in welche sie im unfertigen Zustande geraten, in ihrer Weiterentwicklung merklich beeinflusst werden können. Nicht nur die Energie der Differenzierung kann abgeschwächt werden, sondern auch der Charakter der Elemente kann in manchen Punkten eine dauernde Abänderung erfahren. Die Paraganglien. 319 Vom Paraganglion intercaroticum der Katze habe ich in einer früheren Mitteilung berichtet. Es ist nicht unbekannt, dass die Paraganglien der Katze dauernde Organe darstellen. Die von Stilling (62, 64) als accessorischeNebennierenausreiner Marksubstanz beschriebenen und „chromophile Körperchen“ genannten Gebilde sind ja nichts anderes als einzelne Paraganglien. Das grösste derselben zieht bei einer sechs Wochen alten Katze wieder an der Aorta als unpaarer Strang herab. Sein Vorderende ragt in den Plexus coeliacus hinein und wird von den grossen Ganglien bedeckt. Wenn dann die Ganglienmasse sich in paarige Hälften teilt, liegt das Paraganglion oder seine Teilstücke — es trennt sich häufig in mehrere Äste — zwischen diesen. Dann zieht es weit nach abwärts unter die Mitte der Aorta abd. Es bildet einen fortlaufenden dünnen Strang, der einfach bleibt oder sich teilt, mitunter nur aus wenigen Zellgruppen besteht und auch wieder bedeutend anschwellen kann. Das Endstück wird von einem oder zwei dünnen, nebeneinander verlaufenden Fäden ge- bildet, die gegen den Plexus mesent. inf. hinziehen. Der ganzen Länge nach wird das Paraganglion von sym- pathischen Nerven und Ganglien begleitet. Kleinere chromaffine Körper findet man an der Peripherie und in der Nachbarschaft der Nebenniere, im Plexus coeliacus, längs des Hauptparaganglions und auch noch kaudal- wärts von diesem an der ventralen, lateralen und dorsalen Wand der Aorta. Die chromaffine Substanz der Nebenniere bildet eine zusammenhängende, zentrale Masse. Sie reicht in der linken Nebenniere an einer Stelle bis an die Oberfläche und hängt durch einen Fortsatz mit dem grossen Paraganglion zusammen. Es schien geboten nachzusehen, ob das chromaffine Gewebe persistiert und in welcher Ausdehnung. Eine erwachsene Katze, die kurz vorher Junge geworfen hatte, wurde zu diesem Zwecke verwendet.. Die Verhältnisse bleiben im allgemeinen dieselben, woraus gefolgert werden muss, dass mit dem Wachstum des Tieres auch die Paraganglien an Ausdehnung zunehmen. Ihre Hauptrepräsentanten stellen langgestreckte, fadenförmige Organe dar, welche an der Aorta abd. bis gegen die Teilung hinabziehen. Ein bemerkenswerter Unterschied gegenüber der Lagerung beim Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 9 320 Alfred Kohn: Menschen liegt darin, dass weder bei der Katze, noch beim Kaninchen die Teilungsstelle der Aorta erreicht wird, während beim Menschen gerade hier die grössten Paraganglien ihren Sitz haben. Das Paraganglion beginnt in der Höhe der Nebennieren als ein zylindrischer Strang, dessen Anfangsteil ganz versteckt zwischen den Ganglien des Plexus coeliacus liegt. Seine Dicke wechselt. Bald ist es ein schmächtiger fadenförmiger Zug, oder eigentlich in der Regel ein Doppelfaden, bald wird es zu einem breiten Strange, bald zerfällt es in mehrere Äste. Längs seines ganzen Verlaufes schliesst es sich den sympathischen Nerven und Ganglien aufs innigste an und wird oft von diesen vollständig umhüllt.. Auch die kleinen chromaffinen Körperchen an der Nebenniere, im Plexus coeliacus, an der Aorta, der Vena cava und längs des grossen Paraganglions sind meist mit kleinen Ganglien zu den uns schon bekannten Mischorganen vereint. Überhaupt ist kaum bei einem andern Säugetiere die Ver- mengungchromaffiner und sympathischer Elemente auch noch im erwachsenen Zustande so ausgesprochen, wie bei der Katze. Die chromaffıne Substanz der Nebenniere ist voll ent- wickelt, reicht aber auch bei diesem ganz ausgewachsenen Tiere mit einem längs der Vena suprarenalis vordringenden Fortsatze bis an die Oberfläche. Von einer anderen alten Katze stellte ich ein anatomisches Übersichtspräparat dar, in der bekannten Weise durch Auflegen eines mit Kalibichromatlösung getränkten Wattebausches. Stilling (64), der die chromaffinen Körper der Katze durch Einlegen in Müller’sche Flüssigkeit darstellte, erwähnt gerade die grössten Paraganglien nicht. Offenbar entgingen sie ihm, weil er die Organe nicht in situ beliess, sondern nur einen aus- geschnittenen Teil des Sympathicus untersuchte. Am Ganglion coeliacum selbst bemerkt man einige punkt- förmige chromaffine Körperchen. Den ausstrahlenden und längs der Aorta hinabziehenden Nervensträngen gesellt sich ein Büschel chromaffine Fäden zu, welche, 8 mm lang, medial an der linken Nebenniere vorbeizogen. An der Abgangs- stelle der Nierenarterie etwa nimmt dann das Paraganglion aorticum abd. seinen Anfang, welches ventral vor der Bauchaorta Die Paraganglien. 321 gelagert, eine Länge von 25 mm bei einer Breite von nur 1 mm erreicht. Es ist unpaar, trotzdem aber nicht ein einfacher, lang- gezogener Körper, sondern in mehrere unregelmässige, dicht an- Em = f / & . | ER \ N N f l we“ Textfigur 9. Paraganglien einer erwachsenen Katze. A—Aorta, V=Vena cava, N= Neben- niere, S = Sympathicus, G := Ganglion coeliac. P und p= langgestreckte und punktförmige Paraganglien, in schwarzer Farbe dargestellt. einander liegende und zusammenhängende, feinere und gröbere Fäden zerschlissen. Diese sind so vollständig in und zwischen die Nervenstränge des Plexus aorticus eingebettet, dass sie mit 21* 322 Alfred Kohn: diesen verzogen und verschoben werden können. Ausserdem sind mehrere kleine chromaffine Körperchen lateral von der Aorta, zwischen ihr und der Vena cava, und eine zierliche chromaffine Gruppe am Ganglion mesent. inf. infolge der inten- siven Braunfärbung leicht auffindbar. Wie beim Kaninchen sind also auch bei der erwachsenen Katze die Paraganglien dauernd erhalten geblieben; bei letzterer ist ausserdem schon für die Betrachtung mit freiem Auge der Zusammenhang mit dem Sympathicus unverkennbar. Der feinere Aufbau der Paraganglien. In voranstehenden habe ich hauptsächlich über die Ent- wicklung der Paraganglien gesprochen und über ihre Anordnung und Verbreitung beim embryonalen, jungen und erwachsenen Säugetiere. Nun willich den feineren Aufbau beschreiben, von den ersten Anfängen bis zum definitiven Zustande. Der morpho- logische Charakter der chromaffinen Zellen sowie der Organe weist bei verschiedenen Säugetieren merkliche Unterschiede auf, so dass es geratener sein dürfte, sich an eine bestimmte Spezies zu halten. Es soll daher zunächst vom chromaffinen Gewebe des Menschen die Rede sein. Bei dem menschlichen Embryo von 19,5 mm ist es gewiss nicht leicht, die einzelnen chromaffinen Zellen in den sympathischen Ganglienanlagen aufzufinden. Ich würde in vielen Fällen ein bestimmtes Urteil nicht wagen. Wo sie in grösserer Menge auf- treten, wird die Unterscheidung leichter, weil sich die Verschieden- heiten summieren und auch die Anordnung der Elemente ihre Besonderheiten hat. In diesem frühen Stadium gibt es keine scharfe Abgrenzung von Ganglien und Paraganglien, da beide kontinuierlich in einander übergehen und die Grenzzone immer gemischten Charakter zeigt. Man kann eben nur fest- stellen, dass in den einen die sympathischen, in den anderen die chromaffinen Elemente überwiegen. Auf einige Punkte aber möchte ich doch als Anzeichen beginnender Differenzierung hin- weisen. Die ersten chromaffinen Zellen sind grösser als die gleichalterigen sympathischen Ganglienzellen. Letztere wurden ja wiederholt beschrieben. Die intensiv gefärbten Kerne machen den Häauptbestandteil der Zelle aus; vom Leibe ist kaum etwas zu sehen. So gleichen sie, besonders da sie in dichten Haufen Die Paraganglien. 323 liegen, einigermassen Lymphkörperchen. Ein Bestandteil aber verleiht ihnen ihr spezifisches Gepräge. Das sind die Nerven. Die Zellen des Ganglions sind nicht gleichmässig verteilt; hier liegen sie in dichten Haufen, dort in kleinen Gruppen oder ganz vereinzelt und zwischendurch ziehen die Nervenbündel. Diesem Wechsel von Fasern und Zellen, dichter und lockerer Anordnung verdanken die sympathischen Ganglien ihr eigenartiges Aussehen. Die jüngsten chromaffinen Zellen dagegen sind grösser, ihre Kerne weniger chromatinreich. Daher erscheinen sie, trotzdem Zelle an Zelle liegt, nicht so gehäuft, nicht so dicht aneinander gedrängt wie die Ganglienzellen. Was sie ganz besonders charakterisiert, das ist die gleichmässige Anordnung der Elemente. In regelmässiger Weise sind die Zellen über ihr Gesamtareal verteilt. Keine stärkeren Nervenbündel stören das gleichmässige Aussehen. Wo das chromaffine Gewebe frühzeitig in grösserer Menge erscheint, wie im Paraganglion aort. abd., ist ihm eine netzartige Anordnung eigen, indem kurze, dicke Zellstränge sich zu einem Geflechte verbinden. Ganz ähnlich verhalten sich auch die Anlagen der grossen Geflechtganglien. Aber ihre dunkel gefärbten, dichteren Zellstränge sind länger, schmäler, zarter, spitz auslaufend; die helleren Balken des Paraganglions kürzer, plumper und abgerundet. Bald — beim Embryo von 24 mm — haben die Balken so an Dicke zugenommen, dass das Zwischengewebe gegen das chromaffine sehr zurücktritt. Die Paraganglien treten dem Beschauer nicht mehr als netzartige, sondern als kompakte Körper entgegen, deren Zellen wohl in Ballen und Strängen angeordnet sind, die aber nur durch spärliches Zwischengewebe getrennt werden. So wird der Unterschied gegen die sympathischen Ganglien, welche trotz bedeutender Grössenzunahme das ursprüng- liche Aussehen lange bewahren, immer auffallender, zumal die chromaffinen Organe sich rasch ihrem definitiven Typus nähern. Beim Embryo von 27 mm sind die chromaffinen Zellen abermals merklich grösser und heller geworden. Jetzt erscheinen sie inmitten der sympathischen Ganglien deutlich als fremdartige Einlagerungen, trotzdem keinerlei Abgrenzung die beiden Zell- arten scheidet. In den grösseren Paraganglien sind es vornehmlich zwei Momente, welche das charakteristische Aussehen bestimmen. 324 Alfred Kohn: Durch die rasche Dickenzunahme der Zellbalken sind sie zu kompakten zelligen Organen geworden. Das Zwischengewebe, welches früher so reichlich war, ist bis auf schmale Septa zurück- gedrängt worden, welche die Zellstränge umgrenzen. Das andere Moment liegt in der reichlichen Blutgefässversorgung. In dem spärlichen Zwischengewebe sind weite Blutgefässe auf- getreten, welche sich eng an die Zellballen anlegen, so dass diese fast nur durch Blutgefässe gegen einander abgegrenzt werden. Die reichliche Vaskularisierung wird nunmehr zu einem der charakteristischesten Merkmale des chromaffinen Gewebes, zumal die sympathischen Ganglien so arm an Gefässen sind. Die zahlreichen Mitosen lassen ein rasches Wachstum verständlich erscheinen. Tatsächlich gehören bei Embryonen von 44 mm die Paraganglien neben Niere und Nebenniere zu den auffallendsten Bildungen des Retroperitonealraumes. (S. Taf. XV. Fig 4 u. 5). Immer noch, und dies ist als bleibender Zustand zu betrachten, ist das chromaffine Gewebe vielfach in unmittelbarem, geweblichem Zusammenhange mit sympathischen Nerven und Ganglien. Die freien Paraganglien sind von dünnen Bindegewebshüllen mit langgestreckten Zellen eingeschlossen. Ihre Zellen sind zu unregelmässigen, dicken Strängen verbunden, die ein dichtes Maschenwerk bilden, in dessen Zwischenräumen weite Blutgefässe verlaufen, deren Wandung direkt an die Zellbalken angrenzt. Die Zellen sind im Vergleiche zu den noch immer unverändert gebliebenen sympathischen Ganglienzellen bedeutend grösser geworden, etwa mittelgrossen Epithelzellen gleichend; ihr Proto- plasma ist sehr zart, im fixierten Zustande fein genetzt, der Kern kugelig, bläschenartig, chromatinarm. Es gibt — auch wenn man von der besonderen Abkunft der chromaffınen Elemente ganz absehen wollte — kein Gewebe im Organismus, das sich im Baue und Aussehen mit dem chromaffinen vergleichen liesse. Nach jeder Richtung hin manifestiert es seine Eigenart, besonders auch dadurch, dass auch an den grössten Paraganglien gewöhnlich Randabschnitte von sympathischen Nerven mit Ganglien besetzt werden, die förmlich wie dunkle Zwickel an der Peripherie der hellgefärbten Paraganglienfelder eingeflickt sind. (S. Taf. XV. Fig. 4—6). Im weiteren Verlaufe der embryonalen Entwicklung voll- zieht sich die Emanzipation der grossen Paraganglien vom Mutter- Die Paraganglien. 325 gewebe. Ihre Lage längs des Sympathicus bleibt unverändert, aber der direkte gewebliche Zusammenhang wird vielfach gelöst, während die kleineren chromaffınen Organe die unmittelbare Ver- bindung dauernd aufrecht erhalten. Beim Fötusvon 16 cm Länge ist der definitive Gewebs- charakter schon erreicht. Die Zellen liegen in unregelmässigen Haufen und Strängen beisammen, welche von platten lang- gestreckten Zellen gegen die dazwischen verlaufenden capillaren Blutgefässe abgegrenzt werden. Das Zwischengewebe ist äusserst spärlich; grössere Arterien und Venen trifft man selten, hie und da ein kleines Nervenstämmchen. Da die Präparate mit dem Kaliumbichromat-Formolgemisch behandelt waren, war Gelegen- heit geboten, die Chromreaktion zu studieren. In den kleinen Paraganglien sind fast alle Zellen intensiv braun gefärbt, ebenso die in Nerven und Ganglien eingelagerten chromaffinen Elemente. (S. Taf. XVI, Fig. 14 u. 15). Aber in den grossen Paraganglien sind häufig nur die peripheren Partien chrombraun. Dies kann vielleicht auf eine ungleichmässige Einwirkung der Chromatlösung zurückgeführt werden. Denn regelmässig ist es die Randzone, welche die stärkste Reaktion zeigt und nach innen zu wird die Färbung allmählich schwächer. Übrigens habe ich bei Katzen auch die grössten Paraganglien in ihrer ganzen Dicke gleich- mässig gebräunt gefunden. Beim Menschen (Kinde) fand ich die Paraganglien besonders dann durch die ganze Dicke hindurch sehr gleichmässig gebräunt, wenn sie durch Auflegen eines mit Kalibichromatlösung getränkten Wattebausches fixiert waren. Dass aber die Intensität der Chromreaktion an den einzelnen Zellen eines chromaffinen Organes in sehr verschiedenem Grade hervortreten kann, ist bekannt und lässt sich jederzeit auch an der „Marksubstanz der Nebenniere“ zeigen. Nur die Zellen, welche chromiert sind, bleiben gut erhalten. Ihr Protoplasma ist gleichmässig feinkörnig, die Gesamtausdehnung des Zellleibes deutlich wahrnehmbar, die Grenzen leicht fest- zustellen Alle jene Zellen aber, welche der Einwirkung der Chromlösung entgingen, erscheinen dagegen blass, leer, wie aus- gelaugt. Wenn man reine Kaliumbichromatlösung ohne jeden Zusatz zur Fixierung verwendet, werden alle Zellen, auch die im Innern gelegenen, stark gebräunt. Allerdings bleiben hierbei die Zellformen nicht gut erhalten, da bedeutende Schrumpfungen und mannigfache Verunstaltungen stattfinden. 326 Alfred Kohn Bei Neugeborenen sind die Paraganglien grösser ge- worden, doch ihr Bau ist derselbe geblieben. An einer hilus- artigen Einziehung, in der Regel jedoch an mehreren Stellen, dringen grössere Blutgefässe durch die Kapsel, welche das Organ umhüllt, um sich im Inneren zu verteilen. Eine andere Gliederung, als die durch die Blutgefässe bedingte, etwa in Läppchen, ist nicht nachzuweisen. Es versorgt immer ein Arterienästchen ein gewisses Zellterritorium, ohne dass die einzelnen Bezirke scharf gesondert wären. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Gefäss- versorgung des Paraganglion intercaroticum, wie sie von Schaper (57) dargestellt wurde, ist unverkennbar. Die Zellen sind dicht aneinander gereiht. Wenn die Chromreaktion undeutlich ist, sind auch die Zellgrenzen verwischt; wenn aber, wie dies häufig der Fall ist, einzelne Zellen stärker braun geworden sind, lassen sich ihre Formen aufs deutlichste umgrenzen. Bindegewebe beteiligt sich nur in geringer Menge an dem Aufbau der Paraganglien. Es liefert eine zarte äussere Umhüllung und begleitet sonst nur noch die grösseren Blutgefässe. Elastische Fasern sind nur an den Gefässen nachweisbar. Zum sympathischen Nervensysteme stehen die Paraganglien in naher Beziehung, über welche ich noch im Zusammenhange berichten werde. Besondere Erwähnung verdient das Vorkommen von Nervenendkolben. Dieselben entsprechen in ihrem Baue den Vater-Pacini’schen Körperchen, sind aber viel schlanker infolge der geringen Zahl der Lamellen, die einen zentralen Achsenzylinder umhüllen. Ich fand sie in einem der an der Aortenteilung gelegenen Paraganglien eines neugeborenen Kindes in grösserer Anzahl, sämtlich aber auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, während sie sonst vermisst wurden. Beim Kaninchen und bei der Katze entwickeln sich, entsprechend dem viel kürzeren Embryonalleben auch die Para- ganglien viel rascher. Schon bei Kaninchenembryonen von 16 mm ist der Zell- und Bautypus gut ausgeprägt, sogar die Chrom- reaktion schon angedeutet. Die chromaffinen Zellen des Kaninchens, des Embryo sowohl als auch des erwachsenen Tieres sind kleiner als die des Menschen und der Katze. Sie sind zu dicht anein- andergrenzenden Ballen vereint, welche durch die Blutgefässe und spärliches Bindegewebe getrennt werden. Sehr schön sind die chromaffinen Organe der Katze ent- wickelt. In sehr gleichmässiger Weise gelingt die Chromreaktion Die Paraganglien. 327 auch an den grössten Paraganglien, und am sichersten kann man bei diesem Tiere auch im Paraganglion intercaroticum zahlreiche gelb gefärbte Zellen finden. Die Zellen sind fein granuliert, die Kerne bläschenförmig. Ich kann mich des Eindruckes einer gewissen Ähnlichkeit mit Ganglienzellen nicht erwehren, wenn auch dem Kerne durch das Fehlen eines grösseren Kernkörperchens eines der auffallendsten Merkmale der Kerne der Nervenzellen abgeht. Die Paraganglien sind deutlich in Ballen gegliedert, zwischen denen sich Bindegewebe mit Nerven und Blutgefässen verbreitet. Nerven und Ganglienzellen sind in und an den Paraganglien regelmässig aufzufinden. (S. Taf. XVI, Fig. 15) Die instruktivsten Bilder über Bau und Anordnung des chromaffinen Gewebes erhält man, wenn man es in seinen natürlichen Lageverhältnissen betrachtet. Dies wird am leichtesten in der Weise erreicht, dass man es zunächst durch einen in Kalibichromatlösung getränkten Wattebausch kenntlich macht und dann die braunen Punkte oder Streifen abträgt und in toto oder nach mässigem Zerzupfen in Glycerin untersucht. Das Verfahren bietet den grossen Vorteil, dass man die chromaffinen Körper auf weite Strecken hin, in ihrer natürlichen, durch keinerlei Prozeduren verunstalteten Anordnung bequem untersuchen, ihre Vaskularisierung und Beziehung zum Nerven- system leicht studieren kann, da man immer auch sympathische Nerven und häufig Ganglien gleichzeitig mit herausnimmt. Mit einem Schlage lernt man nach dieser Methode die zwei Erscheinungsformen des chromaffinen Gewebes kennen, die chromaffinen Einlagerungen in Nerven und Ganglien und die selbständigen, freien chromaffinen Körper. Erstere haben keine scharfe Begrenzung, bilden in den Ganglien mehr rundliche, in den Nerven mehr längliche An- sammlungen oder setzen sich vom Ganglion her in die aus- tretenden Nerven fort {$. Taf. XVII, Fig. 25—27). Die selbständigen Paraganglien erscheinen in zwei Hauptformen, als kugelige und als langgestreckte, oft faden- förmige Gebilde. FErstere sind beim Menschen, letztere bei Säugetieren vorherrschend. Sie haben ihre besondere, binde- gewebige Umhüllung, welche von stärkeren Nerven und Gefässen unterbrochen wird. Innerhalb der Hülle sind die Zellen in unregelmässigen Haufen angeordnet. In den langgestreckten 328 Alfred Kohn: Paraganglien der: Katze und des Kaninchens bilden sie längere, schmälere und breitere Stränge, in den meist kugeligen Para- ganglien des Kindes kompakte Ballen und Haufen. Das Zwischen- gewebe, welches die Ballen und Stränge sondert, ist recht spär- lich beim Menschen, in geringer Menge auch beim Kaninchen, dagegen reichlich bei der Katze entwickelt. Einzelne Ballen von grösserem und kleinerem Volumen, innerhalb des Para- ganglions, können durch Bindegewebe vollständig gegen die Nach- barballen abgegrenzt sein, im allgemeinen aber hängen die chrom- affınen Stränge untereinander zusammen und bilden so ein Continuum des chromaffinen Gewebes im Paraganglion. Beim Kaninchen bilden die schmalen, gleich breiten Bälkchen ein zierliches Netzwerk mit vorwiegend longitudinalen Maschen; bei der Katze kommt es seltener zu so allseitigen Verbindungen. Die Stränge hängen meist bloss in den mittleren Partien des langgestreckten Paraganglions zusammen, gleichsam in einer zentralen Achse, die allerdings nicht gradlinig, sondern vielfach geknickt im Zickzack verläuft; die seitlichen, gewöhnlich verdickten Ausläufer endigen frei. Die Stränge sind nämlich nicht so fein und gleichförmig, wie beim Kaninchen, sondern kürzer, gedrungen und in der Mitte oder an den Enden kolbig aufgetrieben. (S. Tafel XVIII, Fig. 23 und 24.) Die genetische und morphologische Gleichwertig- keit aller Paraganglien. Nun komme ich zur Besprechung eines wichtigen Punktes, dessen Erörterung manche Missverständnisse beseitigen soll, die sich in die Frage nach der Entwicklung der „Marksubstanz der Nebenniere‘ eingenistet haben. Aus meinen bisherigen Darlegungen geht hervor, dass ich alle chromaffinen Organe des Körpers, also auch das Paraganglion intercaroticum und suprarenale aus derselben Quelle ableite, nämlich aus der embryo- nalen Sympathicuszelle; dass ich ferner das gesamte chromaffine Gewebe als ein im wesentlichen gleichwertiges ansehe, in dem Sinne, wie die sympathischen Nervenzellen des Grenz- stranges, der Geflecht- und Organganglien als gleichwertig gelten. Das wäre genauer auszuführen und zu begründen; denn es be- stehen gewisse Verschiedenheiten in der Entwicklung und im Baue der einzelnen Paraganglien, über die man nicht hinweg- sehen darf. Die Paraganglien. 329 Vom Paraganglion intercaroticum habe ich bereits früher nachgewiesen, dass es aus den embryonalen Bildungszellen des Sympathicus entsteht, dass seine Zellen, allerdings in sehr verschiedenem Grade, die Chromreaktion geben, dass es zeit- lebens in naher Beziehung zum Sympathicus steht, in seinem Aufbau den übrigen Paraganglien entspricht Gewebe ganz der- selben Art findet man auch innerhalb der benachbarten sym- pathischen Ganglien. Neuerdings sah ich erst wieder, dass bei einem frühgeborenen Kinde Gewebspartien, welche nach ihren Elementen und ihrer Zusammensetzung von dem Gewebe des Paraganglion intercaroticum nicht zu unterscheiden sind, längs des Sympathicus weit über die Carotisteilung hinauf reichten. Auffallend bleibt, dass man bei mancher Spezies keine deutliche Chromreaktion an den Zellen des Paraganglion intercar. wahrzunehmen vermag, trotzdem die in benachbarten sympathi- schen Ganglien verstreuten chromaffinen Zellen leuchtend gelb erscheinen. Es sind manchmal nur einige Zellen intensiv gelb, andere wenig, andere garnicht. Beim Menschen gelingt es noch seltener, ausgesprochene Chromreaktion hervorzurufen. Ich kann diesen Umstand nicht als schwerwiegend be- zeichnen. Die wichtigsten Familienmerkmale der Paraganglien sehe ich in ihrer Abstammung aus dem embryonalen Sym- pathieus, in ihrem charakteristischen Bautypus und in ihrer dauernden Beziehung zum sympathischen Nerven- system. Es ist ja auch bekannt, dass nicht alle Zellen der „Marksubstanz der Nebenniere‘ oder der übrigen grossen Para- ganglien gleich intensive Reaktion geben. Andererseits fand ich doch auch im Paraganglion intercaroticum der Katze und des Kaninchens zahlreiche, prächtig gelb bis braun gefärbte Zellen, und zum mindesten leichte Gelbfärbung auch in dem neugeborener Kinder. Und in nichts anderem als in der Intensität der Gelb- färbung unterscheiden sich die Zellen voneinander. Darum halte ich mich für berechtigt, sie als gleichwertige Elemente einer und derselben Art anzusehen, ob sie mehr oder weniger braun oder nicht einmal deutlich gelb sind. Seit langer Zeit bemüht man sich, die Entstehung der Marksubstanz der Nebenniere aufzuklären. Die von einigen Autoren vertretene Meinung, dass sie aus dem Sympathi- cus stamme, wird bis in die neueste Zeit hinein von anderen be- 330 Alfred Kohn: kämpft. Mit Unrecht. Aber das Studium der Entwicklung der Marksubstanz ist reich an unerwarteten Schwierigkeiten. Man wird auch meinen Ausführungen entnommen haben, dass der Entwicklungsgang der freien Paraganglien und der „Mark- substanz“ nicht in allen Punkten übereinstimmt. Besonders gilt dies vom Menschen. Die Nebenniere des menschlichen Embryo bewahrt ziemlich lange den Charakter eines rein epithe- lialen Organes, das nach dem Typus eines Epithelkörpers aus verzweigten Zellsträngen aufgebaut wird und in diesem Stadium dem Interrenalkörper der Fische gleichzustellen ist. Nach und nach gelangen in dieses von Haus aus epitheliale Organ anders- artige, sekundäre Bestandteile. Das sind die embryonalen Sym- pathicuszellen. Gruppenweise liegen sie vorerst der Peripherie der epithelialen Nebenniere — besonders an der medialen Be- grenzung — an, und bald findet man sie auch schon im Innern als kleine, dichte Zellhaufen in der peripheren Zone des Organes. Ihre Zugehörigkeit zum Sympathiceus liegt klar zutage. Sie zweigen direkt von den grossen, sympathischen Ganglien an der Aorta ab, und unschwer kann man häufig auch Nerven in den Zellballen nachweisen. Sie gleichen in jeder Beziehung den embryonalen Sympathicuszellen, in ihrer dichten Anordnung, mit ihren dunkelgefärbten Kernen und dem dürftigen Zellleibe. Wir wissen, dass die chromaffınen Zellen der Paraganglien aus solchen Elementen hervorgehen. Es spricht also von vornherein nichts gegen die Annahme, dass in diesen sporadischen Zell- haufen die noch undifferenzierte Anlage der Marksubstanz zu suchen sei, die später wahrscheinlich eine zusammenhängende Masse bilden und ihren Platz im Zentrum des Organs einnehmen werde. Aber ihre weitere Entwicklung könnte uns an der Richtigkeit dieser Vermutung fast irre werden lassen. Die Entwicklung der freien Paraganglien an der Aorta — Paraganglia aortica wollen wir sie im Gegensatze zum Paraganglion suprarenale immer nennen — macht rasche Fort- schritte; aber die Zellhaufen in der Nebenniere ändern sich lange Zeit fast gar nicht und dann nur in sehr zögerndem Tempo. Einige ihrer Zellen werden den chromaffinen ähnlich, aber die Mehrzahl verharrt im ursprünglichen Zustande. Selbst zu einer Zeit, wo die Paraganglia aortica ihren endgiltigen Habitus nahezu erreicht haben, beim Fötus von 16 cm sind die dunklen Zell- Die Paraganglien. 351 haufen in der Nebenniere fast unverändert. Wie Iymphoides Gewebe sehen sie aus und sind wohl auch als solches be- schrieben worden. Ein Fortschritt ist aber doch zu verzeichnen. Sie sind jetzt mit ihrer Hauptmasse an die eigentliche Lage- stätte der Marksubstanz gerückt. Dicht aneinander gelagert folgen die Zellhaufen dem Verlaufe der Vena suprarenalis. Nun aber kommt noch ein Umstand hinzu, der ganz darnach angethan ist, die Schwierigkeiten noch zu steigern. An der Stelle, wo man die Marksubstanz zu suchen hätte, findet man die eben be- schriebenen, dunklen und dichten Zellhaufen ; aber andererseits gibt es in der Nebenniere gleichzeitig auch schon gelb und braun- gefärbte, chromaffine Zellen in Menge. Diese aber liegen wiederum nicht im Zentrum, nicht an der Vena suprarenalis, sondern in der Peripherie, hauptsächlich in der Zona glomerulosa und auch in der Z. fasciculata, zwischen den Zellbalken der Nebenniere. In grosser Zahl besetzen sie die Kapsel der Neben- niere von innen nach aussen, und in letzterem Falle sind sie meist mit sympathischen Ganglien und Nerven in Verbindung. Aus welchen Elementen entsteht nun die Marksubstanz? Aus den dichten Zellhaufen, die zur Zeit den Markzellen garnicht gleichen, aber den ihnen gebührenden Platz einnehmen, oder aus den verstreuten, braunen Zellen, welche schon jetzt ganz wie Markzellen aussehen und reagieren, aber überall eher als im Zentrum, dem Sitze der Marksubstanz, zu finden sind? So wenig glaubwürdig es klingen mag, beide, die zentralen Zell- ‘haufen und die peripheren braunen Zellen, tragen zum Aufbau der Marksubstanz bei. Darin liegt durchaus kein Widerspruch, wie ich gleich zeigen werde. Aber das auffallende Bild, das ich eben zu skizzieren versuchte, hat viel Verwirrung angerichtet. Noch in jüngster Zeit, nachdem kurz vorher Wiesel (72, 73), so überzeugend für die Abstammung der Marksubstanz aus dem Sympathicus eingetreten war, wurden wieder Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme ausgesprochen. Souli& (60) findet bei Schafembryonen von 29 cm Länge noch keine Spur von Marksubstanz, dagegen zahlreiche braune Zellen, besonders in der Zona glomerulosa. Vielleicht, meint er, dürfen die gewöhn- lichen Rindenzellen und die braunen Zellen als Epithelzellen an- gesehen werden, die sich bei gleicher Herkunft in ver- schiedener Weise und zu besonderen Leistungen differenzieren, ähnlich wie seröse und muköse Zellen der Speicheldrüsen, wo- 332 Alfred Kohn: fern sie nicht gar nur verschiedene Funktionsstadien ein und derselben Zellart repräsentieren. Ich will nun mitteilen, welche Vorstellung ich über die Entwicklung der Marksubstanz der Nebenniere gewonnen habe. Im wesentlichen, d. h. in der Ableitung derselben aus dem embryonalen Sympathicus, stimme ich mit vielen Autoren überein (Mitsukuri [54], Inaba [37], Fusari [26]). In eingehender Weise hat Wiesel vor kurzem die Entwicklung beim Schweine und Menschen beschrieben. Aber der Widerspruch, der darin liegt, dass die Marksubstanz älterer Embryonen nicht chromaffin und die chromaffinen Zellen nicht im Zentrum liegen, blieb unaufgeklärt. Die Frage lässt sich aber lösen und, wie ich glaube, definitiv entscheiden, da ich sie auf Grund von Beobachtungen und nicht von Spekulationen ihres Widerspruches entkleiden will. Die Nebenniere entsteht aus einer epithelialen Anlage. Diese wächst zu Epithelsträngen aus, die sich netzartig mit- einander verbinden. Zwischen rechter und linker Nebenniere liegt die Hauptmasse der embryonalen, sympathischen Bauch- geflechte, aus denen auch die grossen Paraganglien entstehen. Frühzeitig gelangen Häufchen embryonaler Sympathicuszellen, denen man es noch nicht ansehen kann, ob sie zu Ganglienzellen oder chromaffinen Zellen werden sollen, in die epitheliale Neben- niere hinein. Dieses Phänomen, dass Sympathicusderivate in die Nebenniere gelangen, dauert lange Zeit, durch das gauze Embryonalleben, nach Wiesel (73) sogar noch während der ersten Lebensjahre, fort. Man kann sich aber bei fort- geschrittener Differenzierung leicht überzeugen, dass es zum ge- ringsten Teile die eigentlichen sympathischen Elemente sind, die in die Nebenniere gelangen, sondern embryonale chromaffine Zellen. Es rücken also in die epitheliale Nebenniere succesive chromaffine Zellen verschiedener. Entwicklungs- stadien ein. Die zuerst eingeschlossen wurden, werden am frühesten das Zentrum erreichen, die späteren Nachschübe werden je nach der Zeit ihres Einrückens verschieden weit vom Zentrum entfernt, bis in der Peripherie des Organes zu finden sein. so wäre die eigentümliche Verteilung der chromaffinen Zellen viel- leicht verständlich. Man könnte begreifen, dass man nicht nur an der Vena centralis, sondern auch in den Randschichten chrom- Die Paraganglien. 333 affıne Zellen antrifft. Unerklärt aber bleibt, dass die zentralen Zellen auch bei älteren Föten noch immer nicht wie richtige Markzellen aussehen. Dies hat eine eigene Ursache, deren Auf- deckung von allgemeinerem Interesse sein dürfte. Die ersten sympathischen Zellhaufen, die in der epithelialen Nebenniere erscheinen, gleichen durchaus den Zellen der embryo- nalen Geflechtganglien. Aber ihr weiterer Entwicklungsgang entspricht nicht ganz ihrer Herkunft. Die sympathischen Gang- lienzellen ausserhalb der Nebenniere bewahren wohl auch lange den kleinzelligen Charakter. Aber selbst zu einer Zeit noch, wo diese schon zu typischen Nervenzellen geworden sind, verharren die Zellhaufen in der Nebenniere noch im Urzustande. Es werden überhaupt keine oder nur wenige Ganglienzellen aus ihnen hervorgehen, der grösste Teil wird schliesslich zu chromaffinen Zellen. Aber während die freien, chromaffinen Zellen ausserhalb der Nebenniere rasch ihren Entwicklungsgang vollenden, ist dieser innerhalb der Nebenniere in auffallender Weise verzögert. Jene chromaffinen Zellen, welche als erste noch im Anfangs- stadium ihrer Entwicklung in undifferenziertem Zustande in die Nebenniere gelangten, bleiben in ihrer Weiterentwicklung so sehr gegen ihre freien Altersgenossinnen zurück, dass sie, fast un- verändert, noch als dieselben dunkelgefärbten Zellhaufen sich im Zentrum festsetzen. So fanden wir sie bei 23 cm langen Föten längs der Vena centralis. Diejenigen chromaffınen Zellen aber, welche erst später das Schicksal erreicht, in der Nebenniere ein- geschlossen zu werden, sind unterdessen schon weiter differenziert. Sie werden von der Verzögerung ihrer Entwicklung erst in einem späteren Stadium getroffen. Da sich der Prozess des Eindringens chromaffiner Elemente aber fortsetzt und noch zu einer Zeit andauert, da die freien chromaffinen Zellen bereits ihre volle Ausbildung erreicht haben, muss man gerade in den peripheren Zonen der Nebenniere solche Zellen finden, die den typischen, braunen Markzellen am meisten entsprechen. Dieser Umstand, dass man typische Markzellen zuerst und in grosser Zahl in der Rinde findet, hat die irrige Annahme gefestigt, dass die Markzellen aus den Rindenzellen hervorgehen. Tatsächlich sind aber alle diese sekundär in der Nebenniere eingeschlossenen Sympathicusderivate vom Zentrum bis zur Peri- pherie gleichwertig. Es sind durchweg chromaffine Zellen, deren 334 AllktarierdsKeohm: Differenzierung mit dem Momente eine Verzögerung erfährt, da sie in die Nebenniere gelangen. Gerade die ältesten, welche am frühesten die definitive Lagestätte erreichen, erwerben den spezi- fischen Artcharakter am spätesten. Endlich sieht man, dass auch sie heller und grösser werden und eine leichte, aber ganz deutliche Chromreaktion geben. Die dunklen Zellhaufen werden zu Markballen Anfänglich sind ihre Zellen kleiner und weniger gebräunt als die der späteren Nachschübe; allmählich scheinen die Unterschiede zu schwinden. Wenn wir die Gesamtheit der chromaffinen Organe über- blicken, so können wir drei, einigermassen verschiedene Indivi- dualitäten herausheben und zwar das Paraganglion inter- caroticum, das Paraganglion suprarenale und endlich die Paraganglien längs des Verlaufes des Sympa- thicus, des Grenzstranges sowohl, als auch der Geflechte. (Vielleicht gehört auch die Steissdrüse hierher, deren Ab- stammung Jakobsson [34] auf den Sympathicus zurückführen wolite.) Jede dieser drei Individualitäten ist durch gewisse Besonderheiten in der Entwicklung und Anordnung ihrer spezi- fischen Elemente charakterisiert. Aber sie gehören alle zu dem- selben Typus. Die geringen individuellen Unterschiede kommen nicht in Betracht gegenüber der Übereinstimmung in allen wesentlichen Punkten, gegenüber der genetischen, morphologischen (und wahrscheinlich auch physiologischen) Identität. Ohne sonder- liche Mühe könnte man auch im Entwicklungsgange und Bau der sympathischen Ganglien des Grenzstranges, der Geflechte und Organganglien Differenzen aufdecken, ohne dass man die Gleichartigkeit bezweifeln könnte. Wenn es überhaupt noch eines Beweises für die Gleich- wertigkeit der Marksubstanz und der Paraganglien bedürfte, so wird derselbe unwiderleglich durch die beim Kaninchen be- stehenden Verhältnisse erbracht. Man erinnere sich nur, dass bei diesem Tiere das Paraganglion aorticum sich direkt in die Nebenniere hinein fortsetzt. Die kranialen Zipfel des Paraganglions werden von der epithelialen Nebenniere umhüllt und stellen so nach dem üblichen Sprach- gebrauche die „Marksubstanz der Nebenniere“ dar. Hier braucht über die Gleichwertigkeit und Gleichartigkeit doch kein Wort verloren: zu werden, denn es ist ein und dasselbe Organ, das Die Paraganglien. 335 nach seinen jeweiligen topischen Beziehungen verschieden benannt wird, einmal Marksubstanz, da wo es in die Nebenniere hineinreicht, dann wieder Paraganglion, wenn es frei und unverhüllt aus der Nebenniere heraustritt und längs der Aorta abd. hinabzieht. Diese Kontinuität besteht beim erwachsenen, sowie beim neugeborenen Kaninchen und reicht bis ins frühe Embryonalleben zurück Gleich nach dem Erscheinen des chromaffinen Gewebes steht die „Marksubstanz“ in breitem Zusammenhange mit dem grossen Paraganglion an der Aorta. Die Entwicklung der Mark- substanz, die von Mitsukuri zutreffend beschrieben wurde, erfolgt also beim Kaninchen in ganz anderer Weise als beim Menschen. Nicht in Form kleiner, diskreter Herde, die stetig aber langsam von der Peripherie her nachrücken und sehr viel Zeit zu ihrer Differenzierung benötigen, treten hier die Anfänge der Marksubstanz auf, sondern diese erscheint frühzeitig als ein kompakter chromaffiner Pfropf, mit dem sich das Paraganglion in die Nebenniere einpflanzt. Auch diese so weitgehenden Verschiedenheiten in der Ent- wicklung der Marksubstanz haben nicht die entsprechende Beachtung gefunden, und darin ist eine weitere Quelle zahl- reicher Irrungen und Missverständnisse zu suchen. Beim er- wachsenen Säugetier nimmt die Hauptmasse der Marksubstanz ganz allgemein die zentralen Partien der Nebenniere ein. Aber dieser Endzustand wird bei verschiedenen Säugetieren in ver- schiedener Weise und in verschiedenem Tempo erreicht. Als zwei besonders markante Typen kann man den Entwicklungsgang der Marksubstanz des Menschen und des Kaninchens einander gegenüberstellen. Bei eingehender Untersuchung mehren sich übrigens die Fälle, in denen die chromaffıne Substanz nicht auf das Zentrum der Nebenniere beschränkt bleibt. Schon vor längerer Zeit sah Dostoiewsky (18), dass die Marksubstanz bei kleineren Säuge- tieren sich durch die ganze Rinde hindurch bis an die Oberfläche erstreckte. Ich erwähnte früher, dass ich dasselbe Verhalten bei einer erwachsenen Katze beobachten konnte. Sehr schön war — infolge der scharfen Abgrenzung von Rinde und Mark — ein solcher „Markaustritt“ bei einer Maus ausgebildet. Wie Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 32 336 Alfred Kohn: aus der Mündung eines Bechers, den die Rinde bildete, quoll die Marksubstanz hervor. Ich habe so eindringlich die Gleichwertigkeit der einzelnen Paraganglien nachzuweisen gesucht, nicht so sehr deshalb, weil sie auch angezweifelt wurde, als vor allem aus dem Grunde, weil nicht zu leugnen ist, dass von den Differenzen der Entwicklung abgesehen, auch in ihrem definitiven Bau merk- liche Unterschiede bestehen. Die Elemente zeigen denselben Typus, die Anordnung ist eine übereinstimmende. Aber schon die Chromreaktion ist recht verschieden. In der Mark- substanz ist sie am intensivsten. Während man an den übrigen Paraganglien deutliche Braunfärbung nur dann erhält, wenn sie frisch oder doch bald post mortem in die Chromatlösung gebracht werden, gibt die Marksubstanz intensive Chromreaktion auch noch geraume Zeit nach dem Tode. Dabei erscheint sie für die Betrachtung mit freiem Auge fast schwarz, während jene nur braun geworden sind. Die Unterschiede in der Intensität der Chromfärbung der einzelnen Elemente, die auch in der Mark- substanz beobachtet werden, sind in viel weiterem Ausmasse in den übrigen Paraganglien vorhanden; in der „Carotisdrüse“ ist es nur die Minderzahl der Zellen, die deutliche Braunfärbung erkennen lassen. Auch in der Art der Gefässverteilung merkt man beträchtliche Verschiedenheiten. Während die Gefässversorgung der freien Paraganglien nicht von der anderer Organe abweicht, ist die Marksubstanz durch weite, dünnwandige Gefässe ausge- zeichnet, die in eine weite Zentralvene einmünden, welche mitten durch das Organ zieht. Da aber die gleichen Gefässverhältnisse auch schon bestehen, bevor sich die chromaffine Substanz im Zentrum lokalisiert, ist diese besondere Art der Vascularisierung vielleicht ein charakteristisches Merkmal der zentralen Partie der Nebenniere überhaupt. Wenn sich dann in dem Gefäss- gebiete, welches in die Zentralvene abfliesst, die Marksubstanz ansiedelt, fällt ihr jene eigenartige Gefässverteilung als etwas bereits Gegebenes zu. Sie bestand eben schon vorher im zentralen Abschnitte der Nebenniere, wird also nicht von der chromaffinen Einlagerung bedingt, ist kein spezifisches Attribut der Marksubstanz. Wie sehr der Bau des Paraganglion intercaroticum durch die Gefässverteilung spezialisiert werden kann, hat Die Paraganglien. DM Schaper (57) gezeigt. Das Organ gehört nach seiner Entwick- lung, nach dem Charakter seiner Elemente, seiner Anordnung und den Beziehungen zum sympathischen Nervensystem, unzweifel- haft zu den Paraganglien. Schaper selbst erklärte sich brieflich mit dieser Auffassung einverstanden, wofern nur diesem Para- ganglion eine gewisse Sonderstellung bezüglich der Anordnung seiner Elemente zuerkannt werde. Tatsächlich trete ich ja stets dafür ein, dass den einzelnen, hierher gehörigen Organen bei vollständiger Übereinstimmung in den wesentlichen Gattungs- merkmalßn- besondere Artmerkmale nicht abzusprechen sind. Die Beziehungen des chromaffinen Gewebes zum sympathischen Nervensystem. Wenn man nun fragt, welches das gemeinsame Merkmal all dieser Organe ist, welches Charakteristikon ausschlaggebend dafür ist, ein Gewebe als chromaffin zu bezeichnen, so nenne ich in erster Linie die Beziehung zum sympathischen Nervensystem. Die spezifischen Zellen gehen aus den embryonalen Anlagen der sympathischen Ganglien hervor und unterscheiden sich bald von den typischen Nervenzellen durch ihren eigenartigen Charakter, sowie durch ihre besondere An- ordnung. Mag die Chromaffinität, eine ihrer auffallendsten Eigenschaften, mehr oder weniger zum Ausdrucke gelangen, mögen die einzelnen Vertreter der Paraganglien auch in manch anderer Beziehung sich unterscheiden — sie alle entstammen den bereits unzweideutig charakterisierten Anlagen der sym- pathischen Ganglien, innerhalb deren in einem schon ziemlich vorgeschrittenen Stadium embryonaler Gesamtentwicklung die ersten chromaffinen Zellen auftreten. Die gleiche Ab- stammung schlingt das gemeinsame Band um die ganze Gruppe: In frühen Entwicklungsstadien ist die Beziehung zum Sympathicus aufs deutlichste ausgesprochen. Das chromaffine Gewebe erscheint anfänglich nur als eine andersartige Einlagerung der sympathischen Ganglienanlagen. Vielfach bleibt der direkte gewebliche Zusammen- hang beider Zellarten auch erhalten. In anderen Fällen lösen sich grössere Partien chromaffinen Gewebes von ihrem Mutter- boden los und werden zu selbständigen Organen, denen man ihre Abkunft nicht mehr deutlich anmerkt. Die einzelnen 22* 338 Alfred Kohn: Kategorien der Paraganglien verhalten sich in diesem Punkte verschieden. Seit langem ist der Reichtum des Paraganglion suprarenale an nervösen Elementen bekannt. Ebenso weiss man, dass das Paraganglion intercaroticum Ganglienzellen und Nerven- fäden enthält. Im Übrigen sind die Differenzen bei verschiedenen Tieren recht erheblich. Dies gilt insbesondere von den freien Paraganglien. Im allgemeinen darf man Folgendes sagen. Die kleinen Paraganglien bekunden ihre gemeinsame Abstammung und Verwandtschaft mit dem Sympathicus aufs deutlichste. Dies gilt für alle von mir untersuchten Spezies der Säugetiere. Beim Menschen, bei der Katze und beim Kaninchen sind chromaffine Zellen häufig in den abdominalen Geflecht- ganglien anzutreffen. Bald erscheinen sie nur vereinzelt, bald bilden sie grössere Gruppen, die ohne Abgrenzung inmitten des typischen, nervösen Gewebes liegen. Nicht selten aber ist das chromaffine Körperchen innerhalb des Ganglions deutlich um- grenzt. Eine dünne Hülle schliesst es dann ringsum oder nur zum Teil gegen die nervöse Umgebung ab. Häufig liegt ein solches abgeschlossenes Paraganglion nicht zentral, sondern an der Peripherie des Ganglions, oder es ragt an einer Stelle sogar frei aus diesem hervor. Der freie Teil kann unter Umständen den eingeschlossenen an Masse übertreffen bis zu dem Grade, dass nur einzelne chromaffine Zellen im Ganglion Platz finden, sonst aber das Paraganglion frei neben dem Ganglion liegt. So kann es kommen, dass ein sympathisches Ganglion in fortlaufender Schnittreihe untersucht, seinen Charakter ändert, indem chrom- affıne Zellen unter den Ganglienzellen auftreten, dann der ganze Durchschnitt von chromaffinem Gewebe eingenommen wird, welches schliesslich wieder den Nervenzellen Platz machen muss Oft genug werden auch innerhalb der sympathischen Nerven chromaffine Zellen gefunden, oder ein kleines Paraganglion schmiegt sich den Nerven ganz nach Art eines Ganglions innig an. An den grösseren Paraganglien sind derartige Verhältnisse, welche auf den gemeinsamen Ursprung hindeuten, nicht mehr bei allen Säugetieren in gleicher Deutlichkeit nach- zuweisen. Beim Menschen erscheinen die grossen Paraganglien als selbständige Gebilde, welche dem Sympathicus nur lose an- gelagert sind, bei der Katze dagegen sind auch die grössten Die Paraganglien. 3939 Paraganglien ununterbrochen von sympathischen Nerven und Ganglien begleitet, in das sympathische Gewebe geradezu ein- gebettet. Überhaupt ist die Wechselbeziehung zwischen chrom- affinem und sympathischem Gewebe bei diesem Tiere die denk- bar innigste. An der Homologie der abdominalen Paraganglien der ver- schiedenen Säugetiere kann doch nicht gezweifelt werden, eben- sowenig wie an der Gleichwertigkeit der verschiedenen Para- ganglien eines und desselben Individuums. Aus der Verschiedenheit ihrer Grösse oder aus ihrer engeren oder loseren Beziehung zum Sympathicus wesentliche Unterscheidungsmerkmale konstruieren zu wollen, scheint mir ganz unberechtigt. Auch die grössten Para- ganglien des Menschen sind in ihrer Verbreitung an den Sympathicus gebunden. Sie liegen ja ausschliesslich längs der sympathischen Geflechte und sind — wenn auch lose — von einem Netze sympathischer Nerven umhüllt. Von Stelle zu Stelle treten Nervenstämmechen in die Paraganglien, und ihrer Kapsel sind kleine Ganglien angelagert. Auch im Innern habe ich — allerdings selten — Ganglienzellen gefunden. Beim Kaninchen treten die sympathischen Elemente noch mehr zurück, bei der Katze dagegen offenbart sich die Beziehung zum Sympathicus sehr klar. Das ganze Paraganglion ist ein Bestandteil des Plexus aorticus Mit seinem Anfangs- und Endteile haftet es in sympathischen Ganglien, und der mittlere fadenförmige, zerschlissene Teil wird von den sympathischen Fäden eingehüllt, welche längs der Aorta herab- ziehen. Man kann es direkt als Regel aufstellen, dass man an keinem Durchschnitte durch das Paraganglion aorticum abd. der Katze Ganglien vermissen wird, die sich unmittelbar an dasselbe anlagern oder mit ihm verschmelzen. So kann man die Beziehung zum sympathischen Nervensystem als ein gemeinsames Merkmal aller chromaffinen Organe bezeichnen. Bekannt ist seit langem, dass die Marksubstanz der Nebenniere reich an Nerven ist, welche nach den Untersuchungen von Fusari (19), Dogiel (17), Koelliker (44) ein dichtes Geflecht um die chromaffinen Zellen bilden. Da die Marksubstanz des Kaninchens nichts anderes als einen Fortsatz des grossen Aortenparaganglions darstellt, so ist von vornherein zu erwarten, dass in diesem ähnliche Verhältnisse bestehen werden. 340 Alfred Kohn: Wie innig die Vermengung von chromaffinen und sympathischen Elementen sein kann, geht be- sonders daraus hervor, dass mitten unter chromaffinen Zellen eine vereinzelte Ganglienzelle gefunden werden kann. Ich habe in einer früheren Arbeit einen solchen Fall aus der Marksubstanz der Nebenniere einer Ratte abgebildet. Es handelt sich — wie ich Zweiflern gegenüber betonen will — um eine unzweifelhafte Ganglienzelle (41). Einen auffallenden Befund, Lamellenkörperchen in einem Paraganglion eines neugeborenen Kindes, habe ich bereits früher erwähnt. Eine Nervenfaser lag im achsialen Raume eines kolbigen (Gehäuses. Dieses war aus einer geringen Zahl konzentrisch geschichteter Lamellen aufgebaut und hatte im Längsschnitt die Form einer langgezogenen Ellipse. Die oft gerühmte Methode, die Paraganglien durch aufge- legte, mit Kalibichromatlösung getränkte Watte hervorzuheben, liefert auch für die Darstellung der Beziehungen zum Nervensystem die lehrreichsten Präparate. Schneidet man z. B. ein Paraganglion des Plexus hypogastricus eines neugeborenen Kindes heraus, zieht das Nerven- geflecht, in welches dasselbe eingebettet ist, mit Nadeln ein wenig auseinander und untersucht in Glycerin bei schwacher Vergrösserung, so wird man regelmässig in Ganglien und in Nerven Gruppen chromaffıner Zellen finden. Wählt man zu gleichem Zwecke eines der streifenförmigen Paraganglien von der Bauchaorta des Kaninchens, so kann man leicht dasselbe konstatieren. Die instruktivsten Präparate erhält man von den chromaffinen Körpern der Katze. Wenn man den Plexus aortic. abdom. samt den eingelagerten Paraganglien mit der Schere abträgt, in einem Tropfen Glycerin auf dem Objektträger entfaltet, so sieht man schon bei schwacher Vergrösserung in zahlreichen Nerven und Ganglien Gruppen chromaffiner Zellen. Ist das Präparat ungefärbt geblieben, so leuchten sie um so intensiver hervor. In langem Zuge reihen sie sich in den feinen Nerven aneinander, oft so dicht, dass der faserige Charakter des Nerven auf weite Strecken hin durch sie verdeckt werden kann. In den stärkeren Nerven bilden sie längliche Gruppen, bald zentral gelegen, bald mehr gegen den Rand gerückt. Sie Die Paraganglien. 341 liegen mitten in den Ganglien und an den Abgangsstellen der Nervenäste, in welche sie sich weiter fortsetzen, in ganglien- führenden Nerven, einmal mitten unter den Nervenzellen und dann wieder als gesonderte, unvermischte, rein chromaffine Ein- lagerung. (S. Taf. XVII, Fig. 25— 27.) Bei genauerer Unter- suchung der Paraganglien der Katze hat man — ohne Über- treibung — geradezu Mühe, sich des Eindruckes zu erwehren, dass alle chromaffinen Zellen in Nervenbahnen liegen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass es genug isolierte, allseitig umgrenzte chromaffine Zellballen gibt, welche durchaus selbständig sind und nicht in Nerven eingeschlossen werden. Die nahe Beziehung des chromaffınen Gewebes zum Nerven- system liess es wünschenswert erscheinen, seine Nerven nach spezifischen Methoden darzustellen. Ich versuchte es mit der Chromsilbermethode Golgis, mit Goldchlorid und mit Methylen- blau. Mit letzterem allein erhielt ich befriedigende Resultate. Ich injizierte !/2°/oige Lösungen desselben in physiologischer Kochsalzlösung in die Brustaorta. Nach Blosslegung des Retro- peritonealraumes bläuten sich die Nerven des Plexus aortic. abdom., und nach der bekannten Lage und der grösseren Dicke findet man die Paraganglien leicht auf. Sie wurden für 2—24 Stunden in wässerige Ammoniumpikratlösung gebracht und dann in Glycerin untersucht. Um die chromaffinen Körperchen bilden feine Nerven- fäserchen ein zierliches, engmaschiges Netzwerk. Feine Nerven- äste dringen ins Innere und umspinnen mit korbartigen Geflechten die einzelnen Zellballen. Zwischen den Zellen selbst konnte ich Nervenfäserchen nicht wahrnehmen. Man kommt zu dem Schlusse, dass das chromaffine Gewebe zwar ein reichliches, feines Nerven- netz enthält, das auch die einzelnen Zellgruppen umspinnt, dass aber andererseits nichts aufzufinden ist, was sich im Sinne eines ganz spezifischen Verhaltens der chromaffınen Zellen zu den Nerven verwerten liesse. Die Persistenz der Paraganglien. Die Mitteilung Zuckerkandls (74), nach welcher die Paraganglien des Menschen frühzeitig degenerieren, hätten es wünschenswert gemacht, dem späteren Schicksale dieser Organe nachzuforschen. Ich kann aber nur über Untersuchungen an Tieren berichten. 342 Alfred Kohn: Bei diesen kann von einem Schwunde der Paraganglien keine Rede sein. Ich habe sie bei erwachsenen Kaninchen und Katzen oft dargestellt und sie stets an typischer Stelle ohne irgendwelche Zeichen von Rückbildung gefunden. Aller- dings bilden sie beim Embryo relativ viel grössere Organe als beim Erwachsenen. Das gilt ja auch von anderen Organen. Wie mächtig erscheint die fötale Nebenniere. Immerhin lassen die Paraganglien in der ganzen Embryonalzeit ein fortschreitendes Wachstum erkennen, das bei den Säugetieren auch noch nach der Geburt andauert. Da bei den untersuchten Tieren keine Rückbildung statt- hat, ist für sie auch nicht die Annahme von Biedl und Wiesel (5) zulässig, dass die frühzeitig ausgebildeten freien Paraganglien beim Fötus und Neugeborenen jene Funktion ausübten, welche späterhin ausschliesslich der Marksubstanz der Nebenniere zufällt. Da das Paraganglion intercaroticum und suprarenale des Menschen dauernde Organe sind, würden es vornehmlich die chromaffinen Organe des Plexus aort. abd. sein, welche von der Rückbildung betroffen werden. Ob auch die des Grenzstranges so frühen Veränderungen unterworfen sind, ist nicht bekannt. Dass auch beim Menschen die retroperitonealen Paraganglien nicht immer vollständig schwinden, scheint aus den — vorläufig noch sehr spärlichen — Erfahrungen der Pathologen hervor- zugehen. Stangl (61) beschrieb eine Geschwulst, die sich im Retroperitonealraume eines erwachsenen Mannes fand, aus chromaffinen Zellen bestand und aus den Aortenparaganglien hervorgegangen sein soll. Da nicht anzunehmen ist, dass dieser Tumor der erste seiner Art war, muss man wohl daran denken, dass die früheren Fälle wegen unzureichender Kenntnis des chromaffinen Gewebes nicht diagnostiziert werden konnten. Ich bin der Überzeugung, dass manche Gebilde, die für accessorische Nebennieren gehalten wurden und viele Geschwülste, welche aus solchen entstanden sein sollen, chromaffiner Natur ‚waren. Damit soll natürlich nicht der mindeste Zweifel an dem häufigen Vorkommen echter accessorischer Nebennieren erhoben werden. Vergleichendes über Bau und Entwicklung der chromaffinen Körper. Die Paraganglien sind Organe, die allen Wirbeltierklassen zukommen. Bei den Vögeln kannte man früher nur das chrom- Die Paraganglien. 345 affıne Gewebe der Nebenniere, auf welches man den durchaus unzutreffenden Namen der „Marksubstanz“ übertrug. Durch H. Rabl (56) erfuhr man, dass dieses auch aus der Nebenniere hervortreten könne. Kose (46) wies in jüngster Zeit nach, dass chromaffines Gewebe auch bei den Vögeln in den sympathi- schen Ganglien des Grenzstranges und der Geflechte reichlich verbreitet ist und vermochte sogar, ein der Karotisdrüse der Säuger gleichzustellendes Organ aufzufinden. Dieses besteht im wesentlichen aus Zellballen, die in sympathischen Nerven ein- geschlossen sind. Ähnliche Zellballen fand er auch in den sympathischen Ganglien. Chromreaktion gibt die „Karotisdrüse“ der Vögel nicht. Was sie den Paraganglien vor allem nahe- bringt, wäre ihre Beziehung zum sympathischen Nervensysteme. Kose glaubte umsoeher berechtigt zu sein, diese Zellballen der Karotisdrüse zu vergleichen, als diese auch bei den Säugetieren keine so allgemeine und intensive Chromfärbung zeigt wie die übrigen Paraganglien. Die chromaffinen Zellen der Reptilien sind lange bekannt und von Braun (8) eingehend beschrieben worden. Die Paraganglien der Amphibien sind seit Leydig (48) wiederholt untersucht worden; sie werden allgemein nach Sigm. Mayer „Zellnester“ genannt (50—52). Die chromaffinen Organe der Selachier sind seit Balfour (3, 4) mit dem unglücklichen Namen „Suprarenalkörper“ behaftet. Sie sind typische Paraganglien. Für sie ist diese Bezeichnung am zutreffendsten. Nur an sympathischen Ganglien, und gar nicht in der Nebenniere, werden sie gefunden. In jüngster Zeit hat Giacomini (24—26), dem wir auch genaue Untersuchungen über das chromaffine Gewebe der Amphibien verdanken, auch bei den Cyklostomen (Petromyzon marinus und Planeri) und Teleostiern chromaffine Organe entdeckt. Somit können die Paraganglien tatsächlich als allgemein verbreitete Organe der Wirbeltiere bezeichnet werden. Kritisches und Polemisches. Wenn ich auch die Absicht verfolgte, nur meine eigenen Erfahrungen mitzuteilen, so kann ich die Literatur über die chromaffinen Organe doch nicht ganz stillschweigend übergehen. 344 Alfred Kohn: Über das Paraganglion intercaroticum der Säuge- tiere liegen keine neueren Untersuchungen vor. Noch nicht erloschen aber ist der alte Streit über die Entwicklung der „Marksubstanz der Nebenniere“. Ich hätte erwartet, dass die erweiterte Kenntnis der Paraganglien die Frage rasch zur Lösung bringen werde. Zu meiner grossen Ver- wunderung aber stehen noch immer neue Vertreter der Ansicht auf, dass die Markzellen nur modifizierte Rindenzellen seien. Hatten schon früher zahlreiche Forscher die gewiss schwierige Frage in dem Sinne beantwortet, dass die Marksubstanz der Nebenniere der Säugetiere aus dem Sympathicus hervorgehe, [Mitsukuri (54), Inaba (37), Fusari (20), Wiesel (72, 73)], so musste jetzt, wo gleichartiges Gewebe im ganzen Verbreitungs- gebiete des Sympathicus nachgewiesen war, diese wohlbegründete Ansicht eine umsofestere Stütze gewinnen. Wie kommt es nun, dass trotzdem von neueren Untersuchern nur Wiesel die Marksubstanz in überzeugender Weise aus sympathischen Bildungszellen ableitet, während Aichel (1) und Souli& (60) zu ganz anderen Resultaten gelangen. Aichel hat — ich stimme da ganz mit Swale Vincent (71) und Wiesel (73) überein — Marksubstanz genannt, was nicht Marksubstanz ist. Für ihn ist sie einfach die zentrale Partie der Nebenniere. Man bezeichnet aber seit jeher als Marksubstanz das chrom- affine Gewebe der Nebenniere. Wie könnte man sonst von einer Marksubstanz der Nebenniere der Vögel sprechen! Aichel hat, wie mancher Autor vor ihm, den mittleren, netzartigen Anteil der Nebenniere, die Zona reticularis, in einem ihm genehmen Entwicklungsstadium „Marksubstanz“ genannt. Er hat sie zu einer Zeit so genannt, wo noch keine zentrale chrom- affine Substanz vorhanden ist; er hat überhaupt die Chrom- reaktion ganz vernachlässigt und doch mit einer Sicherheit von „Marksubstanz“ gesprochen, welche jeder, der die Schwierigkeit der Frage kennt, für unberechtigt halten muss. So erscheint Aichel als Repräsentant jener Gruppe von Autoren, welche dem Irrtum anheimfielen, die zentralen Rinden- partien für Marksubstanz zu halten. In anderer Weise irrt Soulie. Er findet die chromaffinen Zellen selbst bei älteren Föten von Schafen in der Peripherie und nicht im Zentrum des Organes. Da er sich über das Zu- Die Paraganglien. 345 standekommen der Vermengung von chromaffinen und Rinden- zellen offenbar nicht klar wurde, glaubte er erstere aus letzteren ableiten zu müssen. Vermehrt wurden die Schwierigkeiten noch dadurch, dass sich die Marksubstanz — wie ich schon früher ausführte — bei verschiedenen Tieren in verschiedener Weise entwickelte. Beim Kaninchenembryo ging es nicht gut an, den Zusammenhang der Marksubstanz mit dem Aortenparaganglion zu übersehen. In der Tat begegnen wir bei einigen älteren Autoren der An- gabe, dass die Nebennieren am kaudalen Ende zusammengewachsen seien, und Mitsukuri (54) hat schon vor langer Zeit die Ent- wicklung der Marksubstanz bei diesem Tiere zutreffend be- schrieben. Die kleinzelligen Haufen aber, welche beim mensch- lichen Embryo die frühen Keime der späteren Marksubstanz darstellen, sind gewiss oft missdeutet worden. Sie dürften Dagonet (12) zu der Meinung verführt haben, dass in der Nebenniere menschlicher Föten regelmässig Iymphoides Gewebe gefunden werde. Es sind dies wohl auch dieselben Bildungen, von denen Minot (53) sagt, dass sie in Haufen im Zentrum liegen, sich sehr stark färben, aber allmählich verschwinden und am Aufbau des ausgebildeten Organs nicht beteiligt seien. Meine Meinung, dass die chromaffinen Organe überhaupt vom Sympathicus abstammen, wird durch die Untersuchungen Zuckerkandls (74) und Wiesels (73) gestützt. Soweit Beobachtungen über die Entwicklung der chromaffinen Organe anderer Wirbeltierklassen vorliegen, ergeben sie dasselbe Resultat. Über die Genese des chromaffinen Gewebes der Cyklos- tomen und Knochenfische wissen wir vorläufig gar nichts. Giacomini (24, 25), dem wir die Entdeckung desselben ver- danken, ist sogar eher geneigt, den sympathischen Ursprung in Zweifel zu ziehen. Es müssen also Untersuchungen über die Entwicklung abgewartet werden. Doch möchte ich besonders hervorheben, dass das chromaffine Gewebe der Knochenfische unabhängig von der Nebenniere bleibt, sich längs der Wirbel- säule erstreckt und dass es auch vereinzelte Ganglienzellen ent- hält. Im allgemeinen stimmen jetzt wohl die meisten Autoren mit mir darin überein, dass die chromaffinen Organe eines und desselben Individuums unter einander gleichwertig seien und dass man die chromaffinen 346 Alfred Kohn: Organe der einzelnen Wirbeltierklassen homolo- gisieren dürfe. Dagegen meinen Bonnamour und Pinatelle (7), dass die von ihnen untersuchten Paraganglien an der Teilung der Bauchaorta in ihrem Baue weder der Rinden- noch der Marksubstanz der Nebenniere entsprechen. Es ist wohl nicht nötig, alle Gegengründe gegen diese Behauptung ins Feld zu führen. da es vollauf genügen dürfte, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Marksubstanz beim Kaninchen überhaupt nichts anderes ist als ein Fortsatz des Paraganglion aort. abd. Diese Tatsache allein wird wohl auch alle übrigen Zweifler überzeugen. Systemisierung. Sehr schroff stehen die Meinungen betrefts des morpho- logischen Oharakters der Paraganglien einander gegenüber. Ich hatte von allem Anfange an die Meinung vertreten, dass die chromaffinen Körper Organe eigener Art seien, Derivate der embryonalen sympathischen Ganglienanlagen, die aber bei voller Entwicklung sowohl von den Ganglien, als auch von allenanderen Organen durchaus unter- schieden werden müssen. Man dürfe sie auch nicht den epithelialen Organen oder gar den Drüsen zurechnen, wenn ihnen auch ihr zelliger Bau eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit mit Epithelgebilden verleiht. Diese Auffassung wird nur von wenigen Autoren geteilt; fast alle bezeichnen das Gewebe der chromaffinen Organe als ein epitheliales oder drüsiges oder schreiben ihm — ohne weitere Berücksichtigung der besonderen Bauart — auf Grund physiologischer Experimente eine innere Sekretion zu. FürSwaleVincent (70,71), Giacomini (26), Guieyesse (31), Grynfeltt (29), Bonnamour und Pinatelle (7) sind die chromaffinen Zellen Epithelzellen und demgemäss die Paraganglien epitheliale Organe. Wiesel (73) nennt das chromaffine Gewebe gelegentlich auch nervöse Substanz, was ihn — im Vereine mit Biedl — aber nicht hindert, dem- selben eine innere Sekretion zu übertragen. Nach Diamare (16) wären die chromaffinen Körper epitheliale Organe nervöser Abkunft mit sekretorischer Funktion. Als Analogon führt er das Epithel der Plexus chorioidei an, das doch auch von Medullar- epithel abstamme. Die Paraganglien. 347 Trotzdem in dieser Frage fast kein einziger Autor ganz mit mir übereinstimmt, kann ich doch meine frühere Ansicht nicht ändern. Der Streit ist nicht leicht beizulegen, weil uns für die Begriffe „epithelial, drüsig, nervös“ exakte und allgemein anerkannte Kriterien fehlen. Es fallen auch nicht alle ab- weichenden Meinungen gleich schwer ins Gewicht. Manchen Autoren hat diese Frage nicht viel Skrupeln gemacht. Ohne auf die Entwicklung und den feineren Bau entsprechend Rück- sicht zu nehmen, rechnen Bonnamour und Pinatelle und Grynfeltt die chromaffinen Organe zu den epithelialen, weil sie infolge ihres zelligen Baues diesen ähnlich sind. Swale Vincent und Biedl rechnen sie zu den Drüsen, weil die Wirkung ihrer Extrakte auf eine spezifische Tätigkeit der Zellen hinweist. Dieses physiologische Merkmal reicht aber nicht aus, um ein Organ zu einer Drüse zu stempeln, welche doch auch durch bestimmte morphologische Merkmale charakterisiert ist. Aber der Begriff der Drüse ist durch die wie Unkraut emporschiessenden Drüsen mit innerer Sekretion neuerdings so uferlos ge- worden, dass ich mich in eine Besprechung dieses Punktes nicht einlassen will. Wenn auch Dogiel, nachdem er das reiche und eigenartige Nervennetz der Marksubstanz dargestellt hatte, diese als eine Drüse erklärt, so ist auch dies nur darauf zurück- zuführen, dass der Begriff der Drüse nicht scharf begrenzt ist. Hält man aber an der nützlichen Einschränkung fest, dass eine Drüse aus sekretorischen Zellen zusammengesetzt wird, d. h. aus Epithelzellen, welche für die besondere Leistung des spezifischen Stoffumsatzes durch besondere Differenzierungen in höherem Masse befähigt sind, dann kann die Marksubstanz nicht als Drüse angesehen werden. Ihre Elemente sind keine Epithel- und daher auch keine Drüsen- zellen. Aber auch Diamare (16) und Giacomini (26), welche mit der Entwicklung und dem Baue der chromaffinen Organe genau vertraut sind, schreiben ihnen epithelialen Charakter zu. Ihnen gegenüber muss ich meinen Standpunkt schärfer formulieren. In dem Zeitpunkte, da die ersten chromaffınen Zellen auftreten, ist die gewebliche Differenzierung des Embryo schon sehr weit vorgeschritten. Insbesondere ist das Nerven- system in allen seinen Teilen, dem zentralen, spinalen und 348 Alfred Kohn: sympathischen, in ganz charakteristischer Weise ausgebildet. Für diese Stadien sollte doch schon das Prinzip gelten, dass die Gewebe nur gleichartiges Tochtergewebe produzieren können. Nun entstehen unzweifelhaft in den sympathischen Ganglien- anlagen neuartige Elemente, die sich anders entwickeln als die restliche Mehrheit. So entwickelt sich z. B. auch ein Teil der Zellen des Nervensystems zu Gliazellen, die verschieden sind von den eigentlichen Nervenzellen. Es können also noch in späteren Entwicklungsstadien die Abkömmlinge einer und derselben Gewebsart verschiedene Wege bei ihrer Differenzierung einschlagen. Dann aber entsteht ein neuartiges Gewebe, das im Charakter seiner Elemente und in seiner Anordnung vom Haupttypus abweicht, aber erst recht verschieden ist von den übrigen Gewebstypen und insbesondere auch von jenem Primär- gewebe, aus welchem seine eigene Anlage stammt. Ein Rückschlag zum Typus der Uranlage nach hoch- differenzierten Zwischengliedernist mirnichtrecht wahrscheinlich. Darum will es mir auch nicht einleuchten, dass die letzten Derivate der sympathischen Ganglienanlagen. wieder zu Epithel werden sollten, da doch ganze Generationen von Organen zwischen ihnen und dem Medullarepithel stehen. Den Vergleich mit dem Epithel der Plexus chorioidei, den Diamare heranzieht, finde ich auch nicht zutreffend. Das Epithel der Plexus chorioidei ist nicht erst aus hochdifferenzierten Zwischengliedern durch eine Art Umkehr zum Urzustande hervor- gegangen, sondern es ist ein Rest des ursprünglichen Epithels, welcher in die Umbildung zu nervösen Elementen nicht mit einbezogen wurde. Aber auch die Anordnung der Elemente entspricht nicht einem Epithelgewebe. Nur bei oberflächlicher Betrachtung kann man an ein solches denken. Aber die strenge Gesetzmässigkeit, welche das Epithel auszeichnet, in dem Zelle an Zelle in gleicher Stellung neben einander gereiht erscheint, ist hier nicht gewahrt. Neben Zellgruppen findet man immer auch vereinzelte Zellen im Zwischengewebe, was beim Epithel nicht vorkommt. Wie will man es denn mit dem epithelialen Charakter in Einklang bringen, dass chromaffine Zellen mitten in Ganglien, mitten in Nerven vorkommen, einzeln oder in Gruppen! Man müsste sich doch sehr Gewalt antun, um die Vorstellung eines regellos in Nerven Die Paraganglien. 349 und Ganglien verstreuten Epithel- oder Drüsengewebes erträglich zu finden. Wo bleibt denn da die gesetzmässige Anordnung, die strenge Polarität des Epithels, welches sonst doch mindestens eine deutliche Basalfläche erkennen lässt, mit der es seiner Unterlage aufsitzt, wenn die Zellen sich wirr und regellos, einzeln und in Haufen, zwischen den Nervenfasern einlagern ! Überdies sind auch die üblichen Methoden nicht ausreichend, um auf Grund von Schnittpräparaten über die Natur eines Gewebes zu urteilen. Man fixiert z. B. ein Stück Marksubstanz der Nebenniere etwa in Sublimatlösung oder Alkohol, untersucht ein gefärbtes Schnittpräparat und will sofort den epithelialen Bau erkennen. Von der Unzahl feinster Nervenfäserchen aber, welche die chromaffinen Zellballen umspinnen und deren Sichtbar- werden dem Bilde gewiss ein anderes und eigenartiges Aussehen verleihen würde, merkt man an diesen Präparaten nichts. Wo soll also das chromaffine Gewebe eingereiht werden ’? Seiner Herkunft nach steht es dem nervösen Gewebe nahe; sein definitiver Bau ist aber ein vorwiegend zelliger. Es ist kein nervöses Gewebe im gewöhnlichen Sinne, da seine Zellen keine Nervenfortsätze besitzen, und auch nicht einmal aus- schliesslich in echten nervösen Organen vorkommen; es ist auch kein epitheliales Gewebe, weil es nicht von einem Epithel, sondern aus hochdifferenziertem, sympathischem Gewebe abstammt und weder in seiner Anordnung, noch in seinem feineren Bau dem Epithelcharakter entspricht. Es ist ein Gewebe sui generis, das unter keinen der bekannten Gewebs- typen eingereiht werden kann; es repräsentiert selbst einen neuen Gewebstypus. Wie soll man dieses Gewebe nennen, damit es doch endlich einmal unter einem gemeinsamen Namen zusammengefasst werde, welcher sowohl seine Eigenart, als auch seine wesentlichen Merk- male zum Ausdrucke bringt? Um die Beziehung zum Sympathicus, welche mir als die charakteristischeste Eigen- schaft erscheint, besonders hervorzuheben, habe ich die aus diesem Gewebe aufgebauten Organe „Paraganglien“ genannt. Für die Bezeichnung des Gewebes selbst und seiner Elemente habe ich aber eine mehr accidentelle Reaktion — die Chrom- affinität — verwertet, die allerdings sehr auffallend und bei 350 Alfred Kohn: allen Wirbeltierklassen nachweisbar ist. Es wäre gewiss zweck- mässiger, wenn auch hier die Verwandtschaft mit dem Sympathicus im Namen angedeutet wäre. Zuckerkandl (74) nannte die Paraganglien an der Aortenteilung „Nebenorgane des Sympathicus“; Bonnamour und Pinatelle (7) bezeichnen sie als „Organe parasympathique“, Vassale (65) als „Organo parasimpatico“. Das Attribut „parasympathisch“ scheint mir geeignet, auch das wesentliche Merkmal der Zellen und des Gewebes gut zu bezeichnen. Mann könnte statt von chromaffinen Zellen, Geweben, Organen auch von parasympathischen Zellen usw. sprechen. Für die parasympathischen Organe könnte dann immer noch die kürzere Bezeichnung „Paraganglien“ gebraucht werden. Für die Systemisierung dieser Organe wird mangels jeden anderen Anhaltspunktes das Verhältnis zum Sym- pathicus, welches. durch die genetische Verwandtschaft und die innige Lagebeziehung gegeben ist, den Ausschlag geben. Sie werden im Anschlusse an das Nervensystem ihren Platz finden müssen. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass ich sie für nervöse Organe halte. Die chromaffinen Zellen sind nach meiner, wiederholt ausgesprochenen Meinung weder Nerven- zellen noch Epithelzellen, sondern Zellen eigener Art, die in keiner der bekannten Kategorien von Elementen unter- gebracht werden können. Da ich aber kein wesentlicheres Merk- mal entdecken kann, als die Beziehung zum sympathischen Nervensystem, so bin ich der Ansicht, dass diesem eigenartigen Gewebe im Anschlusse an das sympathische Nervensystem seine _ Stelle anzuweisen sei. Physiologie und Pathologie. Über die Physiologie dieser Organe lässt sich derzeit noch nichts Sicheres vorbringen. Was man von der Marksubstanz der Nebenniere zu wissen glaubt, darf man wahrscheinlich auf die Paraganglien im allgemeinen übertragen. Man weiss aber nicht viel. Auch hat man bisher bei der Untersuchung der Physiologie und Pathologie der Nebenniere zu wenig Rücksicht auf die Heterogenität von Rinden- und Marksubstanz genommen. Das wird nun wohl anders werden. Viele Er- scheinungen, welche man auf Rechnung der Nebenniere setzte, werden dann auf die chromaffine Substanz allein bezogen werden müssen. Die Paraganglien. 351 Die bekannte auffallende Wirkung intravenöser Injektionen der Nebennierenextrakte, den arteriellen Blutdruck bedeutend zu erhöhen, ist ausschliesslich durch die chromaffine Sub- stanz verursacht und hat demnach mit der eigentlichen Nebenniere nichts zu schaffen. So ist es verständlich, dass Swale Vincent (67—71) dieselben Erscheinungen mit Extrakten der Paraganglien der Haifische hervorrufen konnte, obwohl die- selben, trotz ihrer üblichen Bezeichnung als Suprarenalkörper, in gar keiner Beziehung zur Nebenniere (Interrenalkörper) stehen. Ebenso konnten Biedl und Wiesel (5) zeigen, dass auch die Extrakte der freien Paraganglien an der Aorta abdom. des Menschen eine ähnliche Wirksamkeit entfalten wie die der Mark- substanz der Nebenniere, Noch eine andere merkwürdige Erscheinung wird durch die chromaffine Substanz und nicht — wie man früher meinte — durch die Nebenniere verursacht. Das ist die von Blum (6) entdeckte Wirkung der subkutanen und intravenösen Injektionen von Extrakten der „Nebenniere“, welche Glycosurie erzeugen. Es hat sich nun herausgestellt, dass diese Wirkung auch durch Adrenalin, welches die wirksamen Stoffe der chromaffinen Substanz enthält, erzielt werden kann. Viele Widersprüche in den Ergebnissen physiologischer Experimente sind sicher darauf zurückzuführen, dass man es verabsäumt, die Begriffe „chromaffine Substanz“ und „Neben- niere“ scharf auseinander zu halten. Wer dann zu Versuchen, welche die Anwesenheit von chromaffiner Substanz erfordern, irregeführt durch die ungenauen Bezeichnungen, zufällig nur Rindensubstanz verwendet, erhält natürlich widersprechende Resultate. Man spricht ja immer nur von den Wirkungen der Extrakte der „Nebenniere*, von Suprarenin, Epinephrin, Adrenalin. In all den Namen steckt die Nebenniere, und doch ist für die bisher bekannten Erscheinungen nur das chromaffine Gewebe verantwortlich zu machen. Ob dieses in der Neben- niere oder fern von dieser liegt, ist für die Wirksamkeit gleichgiltig. Ohne gerade zu viel Gewicht darauf zu legen, muss man doch feststellen, dass die ungenauen und un- zutreffenden Benennungen sehr dazu beitragen, die Ver- wirrung auf diesem Gebiete zu erhalten und zu steigern. Auch Vassale (65) kann sich mit den unzutreffenden Namen, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 23 352 Alfred Kohn: die gewiss ein Hindernis für die Anerkennung des chromaffinen Gewebes und der Paraganglien bedeuten, nicht befreunden. ‘Er macht daher den Vorschlag, die zahlreichen Bezeichnungen, wie Adrenalin, Surrenin, Suprarenin zu Gunsten des „Paraganglins“ aufzugeben. Alle die aufgezählten Ergebnisse experimenteller Forschung, so interessant sie auch sein mögen, gestatten vorläufig keinen Schluss auf die physiologische Rolle, welche den Paraganglien im normalen Organismus zufällt. Sehr wichtig wäre es auch, wenn bei den Exstirpations- versuchen mehr Rücksicht genommen würde auf die fundamentale Verschiedenheit von Rinde und Mark, von’ epithelialer und chromaffiner Substanz. Vassale und. Zanfrognini (66) die dies taten, kommen zu dem beachtenswerten Schlusse, dass schon die Entfernung der Marksubstanz allein jenen tödtlichen Symptomen- komplex zur Folge hat, den man sonst nach der Exstirpation der ganzen Nebenniere beobachtet. Auch H. und A. Cristianı (10, 11) fanden bei ihren Versuchen über. partielle und totale Exstirpation der Nebenniere der Ratte, dass die Tiere die Operation nur dann überleben, wenn eine bestimmte Menge „Marksubstanz“ erhalten blieb. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nochmals eindringlich darauf verweisen, dass man bei der Verwertung der Tierexperimente nicht nur auf die accessorischen epithelialen Nebennieren (aus Rindensubstanz) Rücksicht zu nehmen hat, sondern in gleicher Weise auch auf die chrom- affinen Organe, welche gesetzmässig auch ausserhalb der Nebenniere bei allen Wirbeltieren in ansehnlicher Menge vorkommen. Auch die klinische Pathologie liefert interessante Belege für die Bedeutung der Paraganglien. Erkrankungen der chrom- affınen Substanz der Nebennieren scheint ein häufiges, fast regelmässiges Vorkommnis bei Morbus Addisoni zu sein. Ferner sind Geschwülste beschrieben worden, die von der Karotisdrüse, der Marksubstanz der Nebenniere und von den abdominalen Paraganglien ausgegangen waren. Stangl (61) konnte an einem Tumor des Retroperitonealraumes den Nach- weis erbringen, dass derselbe aus chromaffinen Zellen bestand. Es wäre dringend zu wünschen, dass man bei der Untersuchung rätselhafter Geschwülste des Retroperitonealraumes immer auch Die Paraganglien. 353 von der Chromreaktion Gebrauch machte. Es ist nichts anderes nötig, als ein Stückchen des frischen Gewebes in eine 3,5°/o tige Kaliumbichromatlösung oder in ein Gemisch einzulegen, welches auf 90 Teile dieser Lösung 10 Volumteile des käuflichen 40°/o tigen Formalins enthält. Ein Aufenthalt von 24 Stunden genügt, um an kleineren Stücken die Reaktion hervorzurufen. Vielleicht liefert die Pathologie eher Anhaltspunkte für die Beurteilung der Bedeutung dieser Organe. Darum sollte man auch die Extrakte der Tumoren auf etwaige Wirksamkeit prüfen und beim Verdachte auf das Vorhandensein solcher Geschwülste auch am Lebenden Blutdruckmessungen anstellen. Es wäre denkbar, dass wenigstens die Frage, ob die blutdrucksteigernde Wirkung einer normalen Funktion entspricht, auf diese Weise eher gelöst werden könnte. Wenn die chromaffine Substanz, wie manche Autoren glauben, eine solche Funktion hat, könnte diese durch die erhebliche Massenzunahme, welche der Tumor mit sich bringt, vielleicht gesteigert werden. Unbewiesene Voraussetzung für derartige Betrachtungen ist die, freilich nicht unwahrscheinliche, Annahme, dass auch die Extrakte chromaffiner Geschwülste den Blutdruck zu erhöhen vermögen. Schon früher wurde darauf verwiesen, und es möge in diesem Zusammenhange nochmals wiederholt sein, dass das Vor- kommen retroperitonealer, chromaffiner Tumoren dafür spricht, dass auch beim Erwachsenen chromaffines Gewebe ausserhalb der Nebenniere fortbestehen kann. Besonders aber möchte ich betonen, dass es nach meinen embryologischen Untersuchungen wahrscheinlich wird, dass manche retroperitonealen keschwülste, die früher unklar blieben oder ohne zureichende Begründung auf accessorische epitheliale Nebennieren zurückgeführt wurden, hierher gehören dürften. Sicher ist, dass aus chromaffinem Gewebe Tumoren entstehen können. Vielleicht darf man da das Augenmerk auch auf jene Neubildungen lenken, welche in der unmittelbaren Nachbarschaft des Urogenitalsystems entstehen. Für mich steht es fest, dass Aichels „neues Organ“ im Ligamentum latum, welches von ihm selbst für eine Neben- niere mit Rinden- und Marksubstanz gehalten wird, verschiedenartige Gebilde umfasst. Man sehe nur seine 23* 354 Alfred Kohn: Abbildungen im Archiv f. mikr. Anatomie Bd. 56 auf Tafel III an. In Figur 22 findet man eine richtige Nebenniere — aber wohl ohne Mark — abgebildet. Sie entspricht den echten accessorischen Nebennieren dieser Region, die von Marchand (49), Chiari (9) u. a. beschrieben wurden. In Figur 27 wird niemand eine Nebenniere zu erkennen vermögen. Beide Präparate stammen von neugeborenen Individuen. Man sollte daher auch erwarten, dass die Bilder ähnlich sein müssten. Aber der erste Blick lehrt, dass die Gebilde, welche in beiden Figuren die gleiche Bezeichnung M. N. N. (Marchand’sche Nebenniere), tragen, nicht Varianten eines und desselben Organes, sondern nur durch- aus verschiedene Organe gewesen sein können. Nach meinen Erfahrungen würde ich M. N. N. in Figur 27 für das Bild eines Paraganglions halten. Über die Deutung der übrigen M. N. N. derselben Tafel wage ich kein Urteil. Wie jugendliche Nebennieren sehen sie nicht aus. Wenn man bedenkt, dass Para- ganglien in dieser Region häufig ihren Sitz haben (s. Textfig. 5, pag. 302), dass die Abbildung in Figur 27 einem Paraganglion gut entspricht, dass Aichel die Chromreaktion vernachlässigte, so wird man meine Zweifel für berechtigt und meine Deutung nicht für unwahrscheinlich halten. Zusammenfassung. Wenn ich nun zum Schlusse Rechenschaft geben soll über die Ergebnisse meiner Untersuchungen, so möchte ich folgende Punkte hervorheben. Im Wirbeltierorganismus ist ein neues, besonderes Gewebssystem zu unterscheiden, welches bisher unbe- kannt oder verkannt blieb. Es sind dies die Paraganglien oder chromaffinen Körper, die genetisch und ana- tomisch an das sympathische Nervensystem ge- knüpft sind. Ihre Sonderstellung gründet sich auf ihre besondere Her- kunft. Sie stammen aus den embryonalen, noch undifferenzierten sympathischen Ganglien; auf den besonderen Charakter ihrer Elemente, der sich unter anderem auch in der Chromaffi- nität äussert; auf ihre besondere Anordnung und auf ihre dauernden innigen Beziehungen zum sympathischen Nervensystem. Die Paraganglien. 355 In einem ziemlich vorgerückten Stadium embryonaler Ent- wicklung, in welchem die Anlagen der sympathischen Ganglien im Grenzstrange und in den Hauptgeflechten als eigenartige, wohl- charakterisierte Bildungen bereits deutlich erkennbar sind, vollzieht sich innerhalb derselben die Differenzierung einer neuen Zellart — der chromaffinen Zelle. Während die Mehrzahl der Zellen, welche sich zu sympathischen Nerven- zellen entwickelt, durch lange Zeit das indifferente Aussehen bewahren, welches ursprünglich allen Elementen der einheitlichen Ganglienanlagen eigen war, vergrössern sich die neu entstandenen Zellen rasch und bilden dann innerhalb der dunkelgefärbten kleinzelligen Ganglien hellere, grosszellige Gruppen. Es entwickeln sich demnach die chromaffinen Zellen nicht auseiner begrenzten Anlage, nicht an einer bestimmten umschriebenen Stelle, sondern in Form multipler Herde in den einzelnen Ganglien des Grenzstranges und der Geflechte. Innerhalb derselben bilden sie durch fortschreitendes Wachstum und rasche Vermehrung bald an- sehnliche Felder, chromaffine Einlagerungen. Das neuartige Gewebe wächst aber, besonders im Bereiche der grossen Geflechtganglien an der Bauchaorta, auch weit über die Mutterganglien hinaus und bildet grössere chromaffine Körper, die nur zum Teile noch in festerem, zum grösseren Teile nur in losem, äusserlichen Verbande mit dem Sympathicus verbleiben — die Paraganglien. Die Hauptmasse bildet beim Menschen und bei den Säuge- tieren ein anfangs unpaarer langgestreckter chromaffiner Körper ander Ventralfläche der Bauchaorta. Er spaltet sich später, meist der Länge nach und zerfällt ausserdem in proximale, an der Nebenniere gelegene und grössere, distale, ans End- stück der Bauchaorta reichende Anteile. Frühzeitig ist die neue Zellart dadurch ausgezeichnet, dass ihr Protoplasma in Lösungen chromsaurer Salze intensiv gebräunt wird. Chromaffine Zellen finden sich nicht nur bei den Säuge- tieren, sondern auch bei den übrigen Wirbeltieren. Sie scheinen auch bei diesen, soweit Untersuchungen vorliegen, in gleicher Weise zu entstehen. 356 Alfred Kohn: Auch ihre Verbreitung ist bei allen Wirbeltieren dieselbe; immer sind sie an das Gebiet des sympathischen Nerven- systems gebunden. Bei allen Wirbeltieren, mit Ausnahme der Fische, treten chromaffine Zellen mit der epithelialen Nebenniere in Verbindung. Bei den Säugetieren gelangen die Keime chromaffiner Zellen frühzeitig in die Nebenniere und entwickeln sich bei den einen rasch, bei den anderen langsam zum Para- ganglion suprarenale („Marksubstanz“). Beim Kaninchen z. B. schliesst die embryonale Nebenniere frühzeitig einen zentralen, chromaffinen Körper ein; beim Menschen dagegen ist selbst zur Zeit der Geburt die „Marksubstanz“ noch nicht vollkommen aus- gebildet. Auch die sogen. Karotisdrüse der Säugetiere ist unter die Paraganglien einzureihen — Paraganglion intercaro- ticum. Es scheint, dass auch die Vögel ein gleichwertiges Organ am Halssympathicus besitzen (Kose). Von den übrigen Wirbeltieren ist ein Paraganglion intercaroticum nicht bekannt. Wir finden demnach das chromaffine Gewebe des Menschen und der Säugetiere bei voller Entwicklung in Form chrom- affiner Einlagerungen und selbständiger chromaffiner Körper. Chromaffine Einlagerungen werden regelmässig gefunden in den Ganglien des Grenzstranges und in zahl- reichen Ganglien und Nerven der peripheren, sympathischen Geflechte, besonders des Plexus cocliacus, aorticus abdom., mesentericus inf., hypogastricus sup. et inferior. Zu den selbständigen Paraganglien gehört das Para- ganglion intercaroticum. Die grössten Vertreter derselben liegen beim Menschen über der Teilungsstelle der Bauchaorta. Andere konstante Fundstätten derselben sind beim Menschen die ' mediale untere Begrenzung der Nebennieren, der von den Arteriae iliacae comm. eingeschlossene Winkel, die Seitenränder des Rektums. Kleinere Paraganglien findet man medial von den Nebennieren, den Nieren und Ureteren, ventral und lateral an der Bauchaorta, an der Vena cava und im Ligamentum latum. Bei den Säugetieren ist die Verbreitung eine ähnliche. Bei Kaninchen und Katzen bildet das abdominale Haupt- paraganglion langgestreckte chromaffine Körper Die Paraganglien. 357 an der Ventralfläche der Bauchaorta, die von den Nebennieren bis gegen die Abzweigung der Arteria mesenterica inf. reichen. | Das Paraganglion suprarenale nimmt wegen seiner organischen Verbindung mit der Nebenniere eine Sonderstellung ein. Beim Kaninchen gabelt sich das Paraganglion aorticum abd. in zwei kraniale Fortsätze, deren jeder von der entsprechenden epithelialen Nebenniere wie von einer Schale umschlossen wird. Es ist demzufolge in diesem Falle die „Marksubstanz“ die unmittelbare Fortsetzung des grossen Bauchparaganglions. Daraus geht die unzweifelhafte Identität von „Marksubstanz“ und Para- ganglion hervor. Die Paraganglien des Menschen sollen schon während des Kindesalters einer Rückbildung anheimfallen (Zuckerkandl)» die der Säugetiere sind bleibende Organe. Ueber die physiologische Bedeutung der chrom- affınen Organe weiss man nichts. Zuverlässiges.. Intravenöse Injektionen ihrer Extrakte erhöhen den arteriellen Blutdruck, subkutane Injektionen erzeugen Glykosurie. Der Verlust der chromaffinen Substanz soll für Säugetiere tötlich sein (Vassale und Zanfrognini). Aus chromaffinem Gewebe können Geschwülste hervor- gehen, deren Zellen wieder chromaffin sind. Chromaffinität und blutdrucksteigernde Potenz sollten öfters als diagnostische Kriterien’ retroperitonealer Tumoren herangezogen werden. Unter den Gebilden, welche als accessorische Neben- nieren beschrieben wurden und unter den Geschwülsten, für deren Entstehung jene verantwortlich gemacht wurden, dürften manche chromaffiner Natur gewesen sein. Prag, 12. März 1903. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV—XVII. Oft wiederkehrende Bezeichnungen : ao — Aorta, p = Paraganglion, bg — Blutgefäss, r = Rektum, chr — chromaffines Gewebe, sy — Sympathicus, chrz = chromaffine Zellen, sy g = sympath. Ganglienzellen. g = Ganglion, Ganglienzellen, ur = Üreter, sg — Ganglion des Grenzstranges, v.— Vene: n = Nerv, wb — Wirbelkörper. nb = Nebenniere (Rinde), 358 Alfred Kohn: Ortsbezeichnungen, wie „links“ und „rechts“, beziehen sich im allgemeinen auf die Lage in der Abbildung, nicht im Körper. Fig. 1. Querschnitt durch das sympathische Geflecht an der Ventralfläche der Bauchaorta, kaudal von den Neben- nieren. Katzenembryo,12 mm S.S.L. Man sieht dentlich in den dunkelgefärbten, sympathischen Zellhaufen (sy), besonders an ihren Randpartien, Gruppen hellerer, grösserer Zellen — die ersten chromaffinen Zellen (chrz). Von der Aorta ist nur die ventrale Hälfte gezeichnet worden. Vergrösserung 150. Fig. 2. Querschnitt durch dassympathische Gangliengeflecht an der Ventralfläche der Bauchaorta, unterhalb der Nebenniere.e Menschlicher Embryo, 27” mm G.L. In den sympathischen Ganglien (sy), besonders an dem links (in der Figur) gelegenen, sind Gruppen der helleren, chromaffinen Zellen (chrz) sichtbar. Ventralwärts ragen zwei kugelige, chrom- affine Körper vor (chrk), von denen der linke schon seine eigene Umhüllung hat, der rechte noch mit dem Ganglion zu- sammenhängt. Von der Aorta ist nur die ventrale Wand ein- gezeichnet. Vergrösserung 120. Fig. 3. Durchschnitt durch ein Ganglion des Bauchgrenz- stranges. Menschlicher Embryo, 27mmG L. Auch in diesem sind die helleren, chromaffinen Zellen (chrz), be- sonders rechts, leicht von den dunkelgefärbten, kleinen, sympathi- schen Ganglienzellen (sy g) zu unterscheiden Vergrösserung 120. Fig. 4. Querschnitt durch die Bauchaorta undihre Umgebung, ungefähr in der Höhe des Nierenhilus. Menschlicher Em- bryo. 44 mm G. L. Ein mächtiger, unpaarer. chromaffiner Körper (chrk) umgreift die ventrale Wand der Aorta. Nur an den Randpartien enthält er sympathische Ganglien’ zellen (sy). Medial vom Ureter (ur) liegt links ein kleinerer chromaffiner Körper (chrk). Vergrösserung: 28. Fig. 5. Querschnitt durch die Bauchaorta undihre Umgebung, ein wenig kaudal vom eben beschriebenen. Menschlicher Em- bryo, 44 mm G. L. Der in Figur 4 unpaare, mittlere chrom- affine Körper ist nun paarig geworden. Nach aussen liegt ihm jederseits ein grösserer, chromaffiner Körper an, ein kleinerer liegt rechts medial vom Ureter (ur. Man sieht also gleichzeitig auf einem Querschnitte 5 chromatffine Körper (chrk) und ausserdem chromaffineZellen (chrz) im Grenzstrangganglion rechts. Alle chromaffinen Körper zeigen Ringzonen sym- pathischen Gewebes (sy). Vergrösserung : 28. Fig. 6. Ein Randabschnitt eines chromaffinen Körpers aus der früheren Figur, stärker vergrössert, um den Unterschied zwischen sympathischen (sy) und chromaffinen Zellen (chrz) zeigen zu können. Beide Zellarten liegen ohne scharfe Abgrenzung neben- einander. Menschlicher Embryo, 4 mm G. L. Ver- grösserung: 450. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig Fig. Fig. Fig. 10. br 12, 13. 14. 15. 16. 17. Die Paraganglien. 359 Querschnitt durch dass Rektum (r) und den Genital- strang (gs. Menschlicher Embryo, 44mm G.L. In dem lateralen, sympathischen Gangliengeflecht (sy) sind beider- seits klein, ehromaffine Körper (chr) eingelagert. Ver- grösserung : 30. - Querschnitt durch das Paraganglion aorticum ab- dominale (pa) eines 12,5 cm langen Katzenfötus, in Kaliumbichromat-Formol fixiert. Netzartige Anordnung der chrom- affinen Zellbalken im Paraganglion. Dasselbe wird jederseits von einem sympathischen Ganglion (g) flankiert, welches ebenfalls ein- zelne chromaffine Zellen enthält (chrz). Vergrösserung: 120. . Die linke Randpartie der obigen Figur, stärker vergrössert. Das konstante Vorkommen einzelner chromaffiner Zellen (chrz) im Ganglion (g) und ihre regellose Anordnung schliesst ihre Zu- gehörigkeit zum Epithelgewebe aus. Ihr Aussehen ähnelt einiger- massen dem der Ganglienzellen. Katzenfötus, 12,5 cm lang. Vergrösserung: 210. Durchschnitt durch ein sympathisches Ganglion des Plexus coeliacus. Katzenfötus, 12,5 cm lang. Ein Rand- bezirk des Ganglions wird von einem abgegrenzten chromaffinen Körperchen eingenommen, Vergrösserung : 210. Querschnitt zweier Nerven (n) des Plexus aortic. abdom., von denen dereinechromaffine Zellen (chrz) führt. Katzen- fötus, 12,5 cm lang. Vergrösserung: 210. Durchschnitt eines sympathischen Ganglions aus dem Plexus aort. abdom. Gruppe chromaffiner Zellen (chız), ohne irgendwelche Abgrenzung innerhalb des Ganglions (g). Katzen- fötus 12,5 cm lang. Vergrösserung: 210. Querschnitt durch das Paraganglion aortic. abdom. einer erwachsenen Katze. Strangartige Anordnung der chrom- affinen Zellen (chrz). Eine Ganglienzelle (g) an der Peripherie des Paraganglions. Vergrösserung : 600. Durchschnitt durch ein sympathisches Ganglion des Plexus coeliacus eines 16 cm langen menschlichen Fötus, in Kaliumbichromat-Formol fixiert. Diffuse Verbreitung chrom- affiner Zellen (chrz) innerhalb desGanglions. Ver- grösserung: 210. Kleines Paraganglion (p), einem kleinen sympathischen Ge- flechtganglion (g) an der Bauchaorta unmittelbar angelagert. n = Nerv. Menschlicher Fötus, 16 em lang. Vergr.: 150. Querschnitt durch die Bauchaorta (ao) unterhalb der Neben- nieren und durch die Vena cava (v). Neugeborenes Kaninchen- Zwei sympathische Ganglien (g), von denen jedes ein abgegrenztes kleines Paraganglion (p) einschliesst. Vergrösserung : 120. Querschnitt durch ein Paraganglion (p), das am distalen Abschnitte der Bauchaorta gelegen war. Neugeborenes Kaninchen. Das Paraganglion ist ganz in nervösesGe- 360 Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 2. Alfred Kohn: webe eingebettet, ringsum von Nerven (n) und Ganglien (g): umgeben. Vergrösserung 210. Querschuitt durch ein Paraganglion (p), an Her Ventralfläche des distalen Abschnittes der Bauchaorta gelegen. Neugeborene Katze. Das Paraganglion mit weiten, zahlreichen Blutgefässen (bg), in Ballen und Strängen angeordnet, ist keilförmig in ein Ganglion (g) eingepfropft, von welchem nur der Randteil gezeichnet ist n= Nerv. Vergrösserung: 150, Durchschnitt durch ein chromaffines Körperchen, am mittleren Teile der Bauchaorta gelegen. Neugeborenes Kind Es soll die Uebereinstimmung im Baue mit dem des Paraganglions der Katze in der früheren Figur gezeigt werden. chrz = chrom- affine Zellen, bg —= Blutgefäss. Vergrösserung: 210. Partie eines Durchschnittes durch das Paraganglion inter- caroticum („Karotisdrüse“) eines neugeborenen Kindes. Es soll dargetan werden, dass auch dieses Paraganglion im wesent- lichen den gleichen Bau hat, wie die übrigen Para- ganglien. S. Fig. 18 und 19. Vergrösserung : 210. Querschnitt durch den proximalen Abschnitt der Bauchaorta (ao) eines 88 mm langen Kaninchenembryo. Die linke Nebenniere (nb) ist im Schnitte noch mit getroffen. Ihr Paraganglion suprarenale (p) oder „Marksubstanz‘' liegt oberflächlich frei, direkt an der epithelialen Nebenniere („Rinde“). Das Paraganglion der anderen Seite (in der Figur links) stammt aus der rechten Nebenniere und zieht nun, der epithelialen Rinde entblösst, ventral von der Aorta hinab. Vergrösserung : 25. Querschnitt durch die linke Nebenniere (nb) eines er- wachsenen Kaninchens. Die rechte, höher gelegene Neben- niere fiel nicht mehr in den Schnitt, nur ihr Paraganglion suprarenale („Marksubstanz‘) zieht (in der Figur links) noch isoliert weiter (p). Das Paraganglion suprarenale (p) der anderen Seite steht noch in Verbindung mit der Nebenniere, ragt aber pfropfartig aus ihr hervor. g = Ganglien. . Ver- grösserung 25. Sämtliche Präparate, welche auf folgender Tafel abgebildet wurden, sind in der Weise hergestellt worden, dass die Retroperitonealorgane in situ mit einem in 3,5°/oiger Kaliumbichromatlösung getränkten Wattebausch durch mehrere Stunden bedeckt wurden und dann von den braungefärbten Paraganglien samt umgebendem Nervengeflechte Flächen- und Zupf- präparate angefertigt wurden. Fig. 23. Flächenpräparat vom Paraganglion aortic. abdom. einer erwachsenen Katze. Es soll hauptsächlich die natürliche Anordnung des Gewebes gezeigt werden. Man findet zu- sammenhängende, kurze, gedrungene Stränge und einzelne Ballen, durch Bindegewebe von einander getrennt, Von den chromaffinen Zellen (chr) sieht man nur den gelb gefärbten Zellleib. Ver- grösserung: 110. Die Paraganglien. 361 Fig. 24. Flächenpräparat vom Paraganglion aortic. abdom. eines erwachsenenKaninchens. Die chromaffinen Stränge sind dünner als bei der Katze und zu einem Netzwerke vereinigt. Ver- grösserung: 110. Fig. 25. Isolationspräparat eines sympathischenGanglions aus dem Plexus aortic. abdom. einer erwachsenen Katze. Mitten im Ganglion eine Gruppe chromaffiner Zellen (chr). g = Ganglien- zellen, n — Nerv. Vergrösserung : 25. Fig. 26. Isolationspräparat eines sympathischen Ganglions ausdem Plexus aortie. abdom. einer alten Katze. Mitten im Ganglion eine Ansammlung chromaffiner Zellen (chr), welche sich in schmaler Reihe auch in einen abgehenden Nerven (n) hinein ver- folgen lassen. Vergrösserung: 80. Fig. 27. Isolationspräparat eines sympathischen Nerven aus dem 10. Plexus aortie. abdom. einer alten Katze Chromaffine Zellen (chr) mitten im Nerven (n), eine längliche Gruppe bildend. Vergrösserung : 80. Literatur. . Aichel, O.: Vergl. Entwicklungsgeschichte und Stammesgeschichte der Nebennieren. 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Beobachtungsmethode, Beurteilung der Wasserlöslichkeit und der Fällungs- form, p. 375. E. Übersicht über die untersuchten Zellkernproteide und ihre Fällungs- reaktionen, p. 378. I. Nucleine, p. 378. Nucelein aus Hefe Merck. Nuclein aus Hefe Grübler. Nuclein nach Horbaczewsky. Nuclein aus Mohnsamen. N Zusammenfassung: Abweichende Resultate und auffällige Erscheinungen, p. 385. a) Fällbarkeit, b) Löslichkeit, c) Fällungsform. ll. Nucleinsäuren, p. 390. 5. Nucleinsäure aus Hefe Merck. 6. Nucleinsäure aus Hefe Grübler. 7. Nucleinsäure aus Hefe Elberfeld. 8. Nucleinsäure aus Rindermilz. 9. Nucleinsäure aus Heringsmilch. Zusammenfassung: Abweichende Resultate und auffällige Erscheinungen, p. 400. a) Fällbarkeit. b) Löslichkeit, ce) Fällungsform. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 24 368 Walther Berg: III. Neu untersuchte Körperklassen, p. 406. 1. Clupein als Vertreter der Protamine, p. 406. 2. Hexonbasengemisch aus Conchyolin, p. 408. 3. Protamin - Nucleinsäureverbindungen, p. 409. a) Bemerkungen über Protamine, p. 409. b) Verhalten des Clupeins gegen einige Nucleine und Nueleinsäuren, p. 409. c) Verhalten der Clupein-Heringsmilchnucleinsäure -Ver- bindung, 410. F. Allgemeines und Spezielles über die Fixierungsmittel, p. 414. G. Die Fällungsformen und ihre Entstehungsweise, p. 419. a) Klassifizierung der Nucleine und Nucleinsäuren nach der Fällungsform, p. 419. b) Gerinnsel und gekörnte Häute, p. 420. c) Granula, p. 421. d' Hohlkörper, p. 424. Zusammenfassung, p. 427. A. Einleitung. Der Botaniker A. Fischer hat das Verdienst, die Wirkungs- weise der histologischen Fixierungsmittel zuerst in systematischer Weise dadurch ') dem Verständnis näher gebracht zu haben, dass er ihre Wirkung auf chemisch isolierte und in Lösung gebrachte Stoffe des pflanzlichen und tierischen Körpers studierte. Ferner hat Fischer die Strukturen der Fällungen der Eiweisskörper als Wegweiser zur Erklärung von Zell- und Gewebsstrukturen ver- wendet. Hierin folgt er in der Methode Bütschli und dessen Untersuchungen über mikroskopische Schäume und Strukturen. Er nähert sich dabei demjenigen Verfahren, welches in dieser Arbeit angestrebt worden ist, nämlich, sich möglichst an Stoffe zu halten, welche tatsächlich die Grundlage der Zellstrukturen ?) Diejenigen Arbeiten, welche durch Vergleich des fixierten Bildes mit dem unfixierten Objekt die Fixierungsmittel kritisch studiert haben, (in neuerer Zeit u. a, E. B. Wilson, Tellyesnicky etc.) verfolgen nicht direkt das Ziel, den Fixierungsvorgaug verständlich zu machen, sondern haben es mit der für die morphologische Forschung wichtigen Frage zu tun, ob die fixierten Bilder ein zuverlässiges Abbild des frischen Objektes geben. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 369 bilden. Fischer verwendet ausschliesslich Proteide, während Bütschli (ausser Hühnereiweiss und Gelatine) überwiegend Nichtproteide und unorganische Strukturen als Vergleichs- objekte herangezogen hat. — Zu dem Teil der Fischer’schen Arbeit, welche sich mit den histologischen Färbungen und ihrer Theorie befasst, hat die vorliegende Arbeit nur vereinzelte Be- ziehungen. Die Anzahl von Repräsentanten der Nucleine und Nuclein- säuren, welche Fischer verwenden konnte, war, wie diese Unter- suchung ergeben hat und hier vorweg bemerkt werden mag, zu gering, um die von ihm gegebenen allgemein gültigen An- gaben über diese Körperklassen sicher zu stellen. Ebensowenig ist eine Übertragung der Resultate auf die Gewebe möglich, welche diese Stoffe bilden. Die Fehler, welche diese allgemeine Übertragung von Er- fahrungen an chemisch isolierten Stoffen auf das Gewebe mit sich bringt, lassen sich nicht übersehen; man müsste sich daher auf ein bestimmtes, möglichst einfaches histologisches Material beschränken, aus dem man die wesentlichen kolloidalen Bestandteile getrennt darstellen und einzeln untersuchen kann, und die an den Komponenten und deren synthetisch erzeugten Verbindungen gewonnenen Erfahrungen auf das Ausgangsmaterial und zunächst nur auf dieses übertragen. Es wurde daher davon ausgegangen, dass wir in dem Sperma der Fische ein histologisches Material besitzen, das den oben ausgesprochenen Anforderungen entspricht, dessen wesentliche kolloidale Bestandteile, auf denen ja nach heutiger Anschauung die Struktur beruht, wir kennen. Die Wirkung der Fixierungs- mittel auf die Spermatozoenköpfe muss sich also durch die Wirkung auf das Protamin, die Nucleinsäure und die Verbindung beider erklären lassen. Am Anfange dieses Weges befand sich schon 1874 Mie- scher mit seiner Arbeit: „Über die Spermatozoen einiger Wirbel- tiere“. Er isolierte aus Lachssperma eine Nucleinsäure und eine Base, das Protamin, welche beide eine salzartige Verbindung bilden, aus der nach seinen nachgelassenen Aufzeichnungen die entfetteten Köpfe der Spermatozoen zu 96°/o bestehen. Die beiden Körper und ihre synthetisch hergestellte Verbindung wurden in 24* 370 Walther Berg: ihren Beziehungen untereinander untersucht und einige Eigen-. schaften des letzteren Stoffes mit denjenigen der peripheren Schicht der Samenfädenköpfe in Verbindung gebracht. Ein Vergleich der an Clupein, Heringsmilchnucleinsäure und der Verbindung beider gewonnenen Resultate mit der histo- logischen Struktur der Köpfe der Heringsspermatozoen muss einer späteren Arbeit vorbehalten bleiben. Es muss sich dabei zeigen, wie weit es überhaupt möglich ist, die auf dem einge- schlagenen. Wege gewonnenen Resultate für die Histologie zu verwerten. Sollten diese Grenzen sich auch als sehr eng erweisen, so hoffe ich doch, dass die hier mitgeteilten Untersuchungen einigen Wert behalten werden. Bei den hier mitzuteilenden Untersuchungen wurde anfangs eine systematische Nachprüfung der Angaben Fischers über das Verhalten der von ihm untersuchten Stoffe (Nuclein, Nuclein- säure, Casein, Conglutin, Serumglobulin, Serumalbumin, Haemo- elobin, Rohalbumose, Pepton) gegenüber den histologischen Fixierungsmitteln nicht beabsichtigt. Sie erwies sich jedoch infolge einer Anzahl von Abweichungen als nötig, wurde aber auf Nuclein und Nucleinsäure beschränkt. Besondere Aufmerk- samkeit wurde den eigentümlichen Fällungen geschenkt, welche aus konzentrierten Nucleinsäure-Lösungen, aus Clupeinlösungen sowie beim Entstehen der Verbindung von Clupein und Herings- milchnucleinsäure sich bilden. Die hier zu machenden Angaben sind jedoch vorläufige und werden in kurzem ergänzt werden. B. Übersicht über die untersuchten Stoffe und Beschreibung der verwendeten Präparate. Aufzählung der Präparate. Von anderen Autoren noch nicht bearbeitet sind folgende Stoffe: 1. Clupein in Form des Sulfates als Vertreter der Protamine. 2. Verbindungen von Clupein mit Nuceleinsäuren. (Nuclein- saures Protamin.) Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 371 Ferner wurden untersucht: 3. Nucleinsäure aus Hefe. 4. je „ Rindermilz. 5. " „ Heringsmilch. 6. Nuclein aus Hefe. 7 „ nach Horbaczewsky. 8. „. aus Mohnsamen. Von den genannten Präparaten habe ich das Clupeinsulfat selbst dargestellt nach der Vorschrift von Kossel. Präparate zu 3, 4, 5 und 8 stellten mir die Elberfelder Farbwerke infolge gütiger Vermittlung des Herrn Prof. Zuntz zur Ver- fügung. Präparate zu 3. 6 und 7 überliess die Fabrik von E. Merck freundlichst. Beiden Firmen sei hiermit mein Dank ausgesprochen. Präparate zu 3 und 6 wurden ferner käuflich von Grübler bezogen. Beschreibung der Präparate. 1. Nuclein aus Hefe Grübler. Gelblich-graues Pulver, das sich nur wenig in Wasser von 60—80° löst, dagegen leicht zu 1—2°/o in 0.2—05°/uiger Kalilauge, wenn etwas er- wärmt wird. Beim Stehenlassen bildet sich ein ziemlich starker Bodensatz bestehend aus Gebilden, die mit Hämatoxylin nach Heidenhain gefärbt, mit den von H. Wager gegebenen Abbildungen des Kernapparates der Hefezellen übereinstimmen, also aus stark ver- änderten Hefezellen. Verreibt man das Pulver mit einer gringen Menge 2°/iger Kalilauge, so lässt sich durch Übergiessen mit warmem Wasser eine Lösung von 5°/ in 0.2°/oiger Kalilauge herstellen. Die Menge der Hefezellen ist sehr gross. 2. Nuclein aus Hefe Merck. Ähnlich aussehendes Pulver von etwa der gleichen Löslichkeit. Der Bodensatz von veränderten Hefezellen ist jedoch be- deutend geringer. Die Hefezellen in beiden Präparaten gehen durch Papierfilter durch. 3. Nuclein nach Horbaczewsky. Kaffeebraunes, feines Pulver, das sich schon in warmem Wasser, zu ca. 1°/o in 0.50/0 Kalilauge unter Zurücklassung eines ziemlich beträcht- lichen feinen Schlammes bei 50—60° löst. Der Rest — mikroskopisch kleine Brockel — bleibt auf dem Filter zurück, die Lösung ist klar, braun. In derselben Weise wie beim Nuclein aus Hefe Merck lassen sich 5°/o-Lösungen in 0,2—0,5°/eiger Kalilauge herstellen. 312 Walther Berg: 4. Nuclein aus Mohnsamen. Dies Nuclein weicht, nach W.Klinkenberg (5)'), von den Nucleinen der Hefe, des Eibus und des Hühnereidotters durch seinen im Verhältnis zum Stickstoff geringeren F-Gehalt und erheblich grösseren S-Gehalt ab. Es ist ein gelblich-weisses Pulver, das sich weit besser in reinem Wasser als die Nucleine aus Hefe löst. Eine wenig trübe Lösung von ca. 3/4°/o lässt sich mit warmem Wasser herstellen, in 0,2—0,5°/oiger Kalilauge löst sich das Präparat zu 1°’ schon bei gewöhnlicher Temperatur. Das Pulver quillt beim Zusatz geringer Mengen Kalilauge gelatinös auf. In der beim Nuclein aus Hefe Merck erwähnten Weise lassen sich 5—10°/o Lösungen in 0,2—0,5°/0 Kalilauge herstellen. Die Lösungen filtrieren weit schneller als die der anderen Nucleine. Die Neutralisation der alkalischen Nucleinlösungen stösst auf Schwierigkeiten, die um so grösser sind, je höher die Kon- zentration der Lösung. Fügt man zur Lösung verdünnte Essig- säure, so entsteht schon vor dem Erreichen des Neutralisations- punktes eine Trübung, die sich abfiltrieren resp. absedimentieren lässt; der grösste Teil des Gelösten bleibt freilich in Lösung, auch wenn der Neutralpunkt erreicht ist. Beim Mohnsamen- nuclein ist diese Trübung am geringsten. 5. Nucleinsäure aus Hefe Merck. Weisslich-graues Pulver, löst sich zu 1°. in Wasser von 50—60°. Die Lösung filtriert schnell, und das Filtratist fast vollkommen klar, bis auf einen geringen Gehalt von veränderten Hefezellenvonder schonobenbeim Nucleinerwähnten Beschaffenheit. Durch 0,2% Kalilauge lässt sich eine 2°jo-Lösung er- zielen, in der beim Nuclein aus Hefe Merck beschriebenen Weise eine 10°/uige in 2°/o Kalilauge. Weder beim Neutralisieren der alkalischen, noch beim Alkalisieren der Lösung in reinem Wasser, welche, wie bei den übrigen Nucleinsäuren eine deutlich saure Reaktion zeigt, entstand eine Trübung. 6. Nucleinsäure aus Hefe Grübler. Das Präparat entspricht etwa dem eben beschriebenen, nur ist es etwas grauer und löst sich etwas schwerer. Beim Stehen bildet sieh ein Bodensatz in der nicht ganz klar filtrierten Lösung, welcher Hefezellen, zahlreicher als beı der Nucleinsäure von Merck enthält, eingebettet. in eine gerinnselähnliche Masse. 7. Nucleinsäure aus Hefe Elberfeld. Weissliches Pulver, das sich leicht zu ca. 1°/u in Wasser zu 50—60° löst. Mit 0,2%, Kalilauge erhält man eine 2°), gelbliche nach Filtrieren vollkommen klare Lösung. Hefezellenreste wurden nieht gefunden. Eine 10°/-Lösung erhält man wie oben. !) Siehe Literaturverzeichnis. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 373 8. Nucleinsäure aus Rindermilz. Gelbliches Pulver, das sich zu 1°/o in Wasser von 50—60° leicht löst. Die gelbliche Lösung ist fast klar. Vollkommen klar löst es sich zu 2°/o in 0,2% Kalilauge und zu 10° wie oben. 9. Nucleinsäure aus Heringsmilch. Rötlich-gelbes Pulver, das sich glatt zu 1—2°/o in warmem Wasser zu leicht bräunlicher Flüssigkeit löst, die fast ganz klar ist. Noch leichter geht es mit 0,1°/oiger Kalilauge. Eine 10%/o-Lösung ist wie oben herzustellen. + 10. Protamin-Clupein. Als Sulfat hergestellt nach Kossel (6), Um die letzten Reste von Nucleinsäure zu entfernen, wurde das Sulfat in das Pikrat, dieses durch Behandeln mit Äther und Schwefelsäure in das Sulfat übergeführt. Das so erhaltene Material ist ein ziemlich stark hygroskopisches Pulver von weisser Farbe und gleichmässiger Beschaffen- heit. Es gibt nicht die Adamkiewicz’sche Reaktion mit Eisessig und Schwefelsäure, auch nicht Rotfärbung mit gut wirksamen Millon’schem Reagenz; es zeigt die Biuretreaktion rot mit einem Stich ins Blaue. Bei der Elementaranalyse ergab sich ein etwas zu hoher Wert für H und ein etwas zu niedriger für ©. Diese Abweichungen wurden geringer, als die Analyse unter Anwendung schärferer Vorsichtsmassregeln beim Trocknen des Präparats ausgeführt wurde, blieben aber immer noch so hoch, dass, wenn wir nur auf die Elementaranalyse Rücksicht nehmen wollten, wir das Pıäparat nicht als völlig rein bezeichnen können. Ein anderes Präparat stand aber nicht zur Verfügung. Um zu sehen, wie sich die Hexonbasen, welche das Protamin zusammensetzen, verhalten, wurde ein Gemisch basischer Spaltungsprodukte, welches Herr Dr. Wetzel durch Zersetzen von Conchyolin mit Säuren erhalten hatte, daneben untersucht. Es zeigte, um dies vorweg zu nehmen, in den Fällungsreaktionen keine Übereinstimmung mit dem Protamin. C. Aufzählung der angewendeten Fixierungsmiittel. Die Fällungsmittel — Reagentien und Mischungen, wie sie zu histologischen Zwecken gebraucht werden — waren folgende: 1. Eisessig, 2. stark verdünnte Essigsäure, 3. Alkohol absolutus, 4. verdünnter Alkohol (70 °o, 55 °/o), 5. Jodalkohol (nach Fischer), 0,5 Jod auf 100 ccm 55er Alkohol, 374 Srae s er) Walther Berg: . Aceton, . Formalin, 40 °/o käufliche Lösung, sowie verdünnt, . Natriumbichromat, 5°/o wässrige Lösung, | . Chromsäure, 1°/o zur Nachprüfung bei negativem Resul- tate auch 10°/o wässrige Lösung, . Pikrinsäure. konzentrierte wässrige Lösung, . Sublimat, 7°/o wässrige Lösung, . Sublimat, 33°/o alkoholische Lösung, . Alkohol-Eisessig (van Beneden): Alkohol absolutus 90 Teile, Eisessig 10 Teile, . Alkohol - Chloroform - Eisessig (Carnoy), abgekürzt: A. Chl. E.: Alkohol absolutus 60 Teile, Chloroform 30 Teile, Eisessig 10 Teile, . Säurealkohol: Alkohol 70°/o 100 Teile, Salzsäure 1 Teil, . Laugen-Alkohol: Alkohol 100 Teile, Kalium caust. 1 Teil, . Pikrinsäure-Sublimat-Eis-Essig, abgekürzt P.S.E.: kon- zentrierte wässrige Pikrinsäure 100 Teile, konzentrierte wässrige Sublimatlösung 100 Teile, Wasser 200 Teile, Eisessig 1 Teil, . Müller’sche Flüssigkeit: Kaliumbichromat 2,5 g, Natrium sulfuricum 1,5 gr, Wasser 100,0 g, . Zenker’sche Flüssigkeit: Kaliumbichromat 5,0 gr, Subli- mat 5,0 g, Eisessig 1,0, Wasser 100,0, . Altmann’sche Flüssigkeit: 5°/o Kaliumbichromatlösung. 2°/o Osmiumsäure, . Hermann’sche Flüssigkeit: 2°/o wässrige Osmiumsäure- lösung 4 Teile, 1°/o Platinchloridlösung 14 Teile, Eis- essig 1 Teil, . Flemming’sche Flüssigkeit: 2°/o wässrige Osmiumsäure- lösung 4 Teile, 1°/o Chromsäurelösung 14 Teile, Eisessig 1 Teil, . Platinchlorid, 10°/o, 5°/o und 1°/o wässrige Lösung; einigemale noch stärker verdünnt, . Osmiumsäure wurde in 2°/o wässriger Lösung, sowie stärker verdünnt bei allen untersuchten Stoffen an- sewendet, es entstand aber niemals eine Fällung. Dasselbe giebt Fischer an. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 319 D. Beobachtungsmethoden. Die Eiweisslösungen wurden meist am Tage der Herstellung verwendet; sollten sie länger als einen Tag benutzt werden, so kamen sie in den Eisschrank. Dasselbe geschah mit trüben Lösungen, die längere Zeit sedimentieren mussten. Auf diese Weise ist bei den Nucleinen eine Zersetzung in Nucleinsäure und Albumin, wie sie Fischer S. 49 erwähnt, nie beobachtet worden. + Hergestellt wurde die Fällung durch Zusatz eines oder mehrerer Tropfen des Fixierungsmittels zu einem Tropfen der Eiweisslösung auf dem Objektträger über einer dunkelen Unter- lage. War die Fällung auf diese Weise nicht sicher zu beobachten, so wurde eine grössere Menge Eiweisslösung im Reagenzglase oder der Uhrschale gefällt. Dass die Niederschläge am Glase hafteten, wie es Fischer (1, S. 3) für sein Material beschreibt, kam nur bei solchen vor, welche sich sekundär verändert hatten. Zum Zwecke der Entfernung der Reste des Fixierungsmittels konnte daher die von Fischer (an anderem Material) oft ge- brauchte Art des Auswaschens unter der Leitung nicht an- gewendet werden, es musste diese Prozedur bei Fällungen in grösseren Mengen durch oftmaliges Auffüllen von Wasser und vorsichtiges Abgiessen vorgenommen werden. Zuweilen wurde der Niederschlag auf dem Objektträger aufgetrocknet und in Zylindergläsern unter der Wasserleitung, oder in stehendem Wasser unter oftmaligem Wechseln oder auch in Alkohol aus- gewaschen. Die Beobachtung der Resultate eines Versuches wurde makroskopisch auf dunklem, manchmal auch hellem Untergrunde vorgenommen, sodann mikroskopisch unter einem starken Trocken- system. Der Gebrauch einer Immersionslinse empfiehlt sich bei frischen Präparaten nicht, da das Deckglas festgehalten wird. Alle Versuche wurden mehrfach wiederholt. Die Klassifikation der Niederschläge nach der Fällungsform begegnete bei dem untersuchten Material keinen Schwierigkeiten, wohl aber die Entscheidung der Frage der Wasserlöslichkeit oder -Unlöslichkeit. Stellt man die Fällungen in relativ grossen Mengen her, so ist eine Beurteilung der Wasserlöslichkeit nach der Abnahme 376 ‚Walther Berg: der Menge nicht tunlich, da die Niederschläge sich dichter ab- gesetzt haben können. Nimmt man von dem fraglichen Nieder- schlage eine Probe unter das Mikroskop, so sind zerfliessende Tropfen nicht beweisend, da ja manche Fällungen nicht gleich erstarren und noch eine Reihe von Veränderungen durchmachen können, um schliesslich doch starr und unlöslich zu werden. Der flüssige Zustand einer Fällung ist nicht gleichbedeutend mit Wasserlöslichkeit. — Die Anwendung grosser Substanzmengen verbietet sich durch die Kostbarkeit des Materiales. — Die Einwirkung eines Restes des Fixationsmittels, welcher eine sonst lösliche Substanz unlöslich erscheinen lassen würde, ist in den ersten Stunden schwer auszuschliessen. Auch die mikroskopische Prüfung wird unsicher, wenn man den im Reagenzglase herge- stellten Niederschlag nachträglich betrachtet, in den Fällen, wo die Niederschläge stark im Wasser aufquellen, ohne sich ganz zu lösen. Dasselbe gilt für die auf dem Objektträger beobach- teten Fällungen. In vielen Fällen war daher die Entscheidung nicht möglich, daher musste provisorisch bei der Registrierung der Resultate die Rubrik: zweifelhaft wasserlöslich eingeführt werden. Ich werde später versuchen, schärfere Methoden zur Bestimmung der Löslichkeit zu verwenden. Die Bezeichnung zweifelhaft wasserlöslich darf aber nicht einfach als ein Notbehelf betrachtet werden. Es könnte vermutungsweise sehr wohl so sein, dass die so bezeichneten Fällungen zunächst eine physikalische oder chemische Veränderung erfahren und sich dann erst sekundär als löslich erweisen. Als wasserlöslich werden die Fällungen bezeichnet, die auf Anbauchen oder auf Wasserzusatz sofort verschwinden oder nach Entfernung der Fällungsmittel sich deutlich, wenn auch langsamer, im Wasser auflösten. Bei der Registrierung der Fällungsformen habe ich von den durch Fischer gemeinsam als Gerinnsel bezeichneten Gebilden die granulierten Häute besonders benannt. Über ihr Verhalten zum Gerinnsel siehe p. 420. Ebenso siehe auf p. 424 die Besprechung der Hohlkörper, einer Fällungsform, welche Fischer nicht beobachtet hat. Daher ist sie in seiner Klassifizierung (Granula und Gerinnsel) auch nicht berücksichtigt. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. aut Wo es wünschenswert erschien und es möglich war, wurden Kanadabalsampräparate hergestellt, die vorher meist mit Häma- toxylin nach M. Heidenhain gefärbt wurden. Dass die Nucleinsäuregranula die Reize nicht annehmen und sich daher nicht mit wässriger Hämatoxylin- losung‘ färben lassen, waen BKischer angibt, konnte ich nicht bemerken, allerdings hatte ich bei der Originalmethode damit zu kämpfen, dass die Differenzierung zu schnell verlief. Durch Herrn Prof. Dr. R. Krause wurde ich jedoch auf die Modifikation von Francotte (4) aufmerksam gemacht, die sich infolge der langsam erfolgenden Differenzierung sehr brauchbar erwies. Sie besteht im Beizen mit konzentrierter Lösung von weinsaurem Eisen, Diffe- renzieren mit Eisenalaun; ich differenzierte auch mit der Beize. 378 Walther Berg: E. Übersicht über die erhaltenen Fällungsreaktionen. I. Nucleine. 1. Nuclein aus Hefe Merck. Tab. 1. Fällung | a: | Fällungsform Eisessioin. eeRmteE | st* | n]1 | gek H *) Verdünnte Essigsäure . | mtr | nl | Salpetersäure... .. | m nl | ss ADERON N Ba ae | aLg,nLst zw wl') | 1lohol 1000 7. re : es ., MOSER. NS Ae|| ın Me BU | 0 Jodalkohnluu r. A...) 0 Säurealkohol .... . . | er | wl°) 3 Laugenalkohol .... | g si 5; Alkohol-Eisessig. . . . st nl e ERROR IERANER EB N st nl Formalin . 1 1°/0.20 Kaliumbichromat |). 5%o Lg | Chromsäure ..... | & nit 2) gekH Pikrinsanre. 0... | g | Sublimat U re [23 ep Ball De | st „ Platinehlorid 1.9. . o| m SE. de Melle. ir; m a Mullers Bl =... ..... 0 | ZenkersoRl 0.5. 0... nust n] | gek H Altmann Ge. 2... | 0) | Hermanns '@. . .» ... | | nL | nl | gek H Flemmmes;@, "us. st | | | Anmerkung: * stark, ** mittel, *** gering, aL = alkalische Lösung, n L = neutrale Lösung, ') zweifelhaft wasserlöslich, ?) wasserlöslich, ®) nicht löslich, *) gekörnte Häute. Ferner bedeutet: Ger. — Gerinnsel, G = Granula. Diese Abkürzungen sind in allen folgenden Tabellen in der- selben Weise verwendet worden. Eine Lücke bedeutet stets, dass der be- treffende Versuch nicht gemacht worden ist, eine 0, dass kein Niederschlag sich bildete. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 370 Fällbarkeit: Keine Fällung gaben: 55er Alkohol, Jodalkohol, Müller’sche und Altmann’sche Flüssigkeit. Nur aus 5°o Lösung gaben Fällung: Formalin, Kaliumbichromat. Sehr schwach war die Fällung durch: Aceton, absoluten Alkohol, Säurealkohol, Laugenalkohol. Der letztere gab schwache Fällung bei alkalischer Reaktion. Wurde aber die Alkalescens der Lösung vorher durch Essigsäure abgestumpft, so wurde, wie auch bei Zenker, Hermann und Flemming der Niederschlag ein massiger. Gering war die Fällung durch wässerige Sublimatlösung, Chrom- säure und Pikrinsäure, auch bei neutralisierter Lösung. Die beiden letzteren liessen erst bei grossem Überschuss eine Fällung entstehen. Löslichkeit: Wasserlöslich war der Niederschlag durch Säurealkohol, Laugenalkohol. Von zweifelhafter Löslichkeit derjenige durch absoluten Alkohol. Die Fällung durch Eisessig, Alkohol-Eisessig und Alkohol-Chloroform- Eisessig löste sich in einem Überschuss von Essigsäure. Die Salpetersäure- fällung war im Überschuss unlöslich. BRällungskorm: Das Präparat fiel in Form von gefalteten, gekörnten Häuten aus. Mit absolutem Alkohol liess sich aus ganz verdünnten und aus konzentrierten (5°) Lösungen ein gerinnselartiger Niederschlag herstellen. 380 Walther Berg: 2. Nuclein aus Hefe Grübler. Tab. II.) Fällung , Löslichkeit | Fällungsform \ - Buisessin Hy nisse: a st nl | gek H Verdünnte Essigsäure . | m Salpetersäure . . . . . || m sek H IICERON. Fett hat g wl Ger* Alkohol 100°)o g “ 2; vi 70/0 g = > 59 %/o g ss Jodalkohol g zw wl (er Banrealkohole 2 zer | m ER =: Laugenalkohol . . . . | m wl | GE Alkohol-Eisessig . . . | st. zw wl Ger AHLEN ehe... 5 st. a | gek H Kormaln ae 0 2.00 g wl | Ger Kaliumbichromat . . . 0 | Chromsäure . .... | m nl gek H Pikrinsäure. . .... | m zw wl ee Suhlamat Waolo 7... Se & | REN | Ger Rt BR | st Sn gek H Platinchlond .. ....| st | n] | Ger DS I | m nl ” Müller’sche Fl. . ... | 0 Zenker!sche El... .n- | m nl | > Altmanns.G.'. Belaseanıl 0 | Hermanns.G..o. .%.. | ın nl gek H Blemmnss,G. . .. . m “ | N | | | Anmerkung: !; Wegen der Abkürzung siehe die Bemerkungen zu Tabelle I. Beiträge zur Theorie der Fixation ete. 3sl Fällbarkeit: Keine Fällung gaben: Kaliumbichromat, Müller, Altmann. Sehr schwache Fällung gaben: Aceton, Alkohol, Jodalkohol, Formalin, Sublimat von 7°/o. Massenhaft war die Fällung durch: Eisessig, Alkohol-Eisessig, Alkohol- Chloroform-Eisessig, Sublimat von 33°o, Platinchlorid. Löslichkeit: Wasserlöslich war die Fällung durch: Aceton, Alkohol, Laugenalkohol, Formalin. Von zweifelhafter Wasserlöslichkeit: Jodalkohol, Säurealkohol, Alkohol- Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig, Pikrinsäure, Sublimat von 7°/o und 33°o. Unlöslich: Chromsäure, Platinchlorid, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Zenker, Hermann, Flemming, Eisessig. Die Eisessigfällung löste sich im Überschuss der Essigsäure. Fällungsform: Gerinnsel entstanden durch: Aceton, Alkohol, Jodalkohol, Säurealkohol, Alkohol-Eisessig, Formalin, Sublimat von 7°/o, Platinchlorid, Pikrinsäure- Sublimat-Essigsäure, Zenker. Gekörnte und gefaltete Häute durch: Eisessig, Salpetersäure, Alkohol- Chloroform-Eisessig, Chromsäure, Pikrinsäure, Sublimat von 33°/o, Hermann. Flemming. Granula durch Laugenalkohol. 382 -Walther Berg: 3. Nuclein nach Horbaczewsky. Tab. III.) | | - | | Fällung | Löslichkeit | Fällungsform ER | | BiIsessif. „0. ter sche | nL')st | n] gek H Verdünnte Essigsäure . | m | 35 | R Salpetersäure . . . . | st | 5 5 Aceton | aaa 3 Alkohol 100°%0 . | 5 Ger ZUNG? x DD re | Toaaikohof A ICE 0 | Säurealkohol . . . . | | Laugenalkohol . | | | Alkohol-Eisessig . . . | nLst | nl | gek H IN LEN ng Ds 3 | Eormalmen 0 | | Kaliumbichromat . . . | 0 | | Chromsaurer . Lack. m | zw wl | sek H Bikeinsäure „rain aLg | nl „ Sablimater? Don. 1.202 || g | 5 | ’ Barllomeridtge nLst Blatunchloridime. zur ir st | EIS Müllers Fl. Zenkers Fl. . | Altmanns G. | Hermanns ©. Flemmings G. ıl \ !) Abkürzungen siehe Tab. I. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 383 nn Fällbarkeit: Keine Fällung gaben: 55er Alkohol, Jodalkohol, Formalin, Kalium- bichromat. Sehr schwache Fällung gaben: Aceton, Alkohol, Pikrinsäure, Sublimat von 7P°Jo. Massenhaft war der Niederschlag durch: Salpetersäure, Platinchlorid aus alkalischer Lösung. Wurde die Alkalescens durch verdünnte Essigsäure abgestumpft, so haben ebenfalls massenhaften Niederschlag: Eisessig, Alkohol - Eisessig, Alkokol-Chloroform-Eisessig, Sublimat von 33 °/o. Löslichkeit: Wasserlöslich war keine Fällung. Zweifelhaft wasserlöslich die durch Chromsäure. Wasserunlöslich: Eisessig, Salpetersäure, Aceton, Alkohol absolutus, Alkohol-Chloroform-Eisessig, Alkohol-Eisessig, Pikrinsäure, Sublimat von 7°/o und 33°/o, Platinchlorid. Fällungsform: Gerinnsel: Alkohol. Gekörnte und gefaltete Häute: Die übrigen Fällungsmittel, doch liessen sich aus sehr verdünnten und aus konzentrierten (5°/o) Lösungen durch Platinchlorid von !/s—!/a°/o Gerinnsel ausfällen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 25 (35) Walther Berg: 4. Nuclein aus Mohnsamen. Tabelle IV. Fällung | alkal. | neutr. | Löslichkeit |Fällungsform Lösung | Lösung | Eisessig REN m m wl | G Verdünnte Essigsäure . m m Ei | A Salpetersäure . m m u | Aceton . AR en x | R Alkohol absolutus . a bern! e x 270% . g g je „ „ 55° . 0 g „ Jodalkohol 0 g PR | % Säurealkohol g g S | nn Laugenalkohol N a! nr 7 Alkohol - Eisessig BER Srst 5 PR A. Chl. E. Stan st e: | 5 Formalin . 0 g | 5% Kaliumbichromat 0 0 | Chromsäure g m n1 | G Pikrinsäure . g m 2 | 7 Sublimat 7°o m m zw wl | gek H „33% st st nl | B Platinchlorid m m 5 | 65 DSH. m m " | ” Müllers Fl. . 0 0 | Zenkers FI. m m nl | gekH Altmanns G. 0 0 | Hermanns G. . me m nl | G Flemmings G. m m | Beiträge zur Theorie der Fixation ete. 385 Fällbarkeit: Keine Fällung gaben: Kaliumbichromat, Müller, Altmann. Nur mit neutralisierter Lösung gaben Fällung: 55er Alkohol, Jod- alkohol, Formalin. Schwache Fällung gaben mit neutraler Lösung: 55er Alkohol, Jod- alkohol, Formalin. Schwache Fällung nur mit alkalischer Lösung: Aceton, Alkohol ab- solutus, Chromsäure, Pikrinsäure. Massenhaft war die Fällung durch: Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloro- form-Eisessig, Sublimat von 33 °/o. + Löslichkeit: Wasserlöslich war die Fällung durch: Eisessig, Salpetersäure, Aceton, Alkohol, Jodalkohol, Säurealkohol, Laugenalkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol- Chloroform-Eisessig, Formalin. Von zweifelhafter Wasserlöslichkeit: Sublimat von 7°/o. Wasserunlöslich : Chromsäure, Pikrinsäure, Sublimat von 33°/o, Platin- chlorid, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Zenker, Hermann, Flemming. Die Niederschläge durch Eisessig und die Gemische von van Beneden und Carnoy waren ebenso wie derjenige durch Salpetersäure im Überschusse löslich. Fällungsform: Einzelne Granula lieferten: Alkohol 55°/o, Jodalkohol, Säurealkohol, Laugenalkohol, Alkohol - Eisessig, Alkohol - Chloroform - Eisessig, Formalin, Pikrinsäure, Hermann, Flemming. Einzelne Granula und Granula zu flockenartigen Gruppen vereinigt gaben: Eisessig, Salpetersäure, Alkohol absolutus, Chromsäure. Pikrinsäure- Sublimat-Essigsäure, 2. Gekörnte Häute: Sublimat 7°/o, 33°/o, Zenker. Zusammenfassung der Resultate für die Nucleine. Wenn wir die für die Nucleine gewonnenen Resultate vergleichend zusammenfassen, so entsprechen die mit Nucleine von Grübler erzielten im Ganzen den Angaben Fischers, der ja auch mit diesem Präparate gearbeitet hat, während die andern Nucleine in manchen Punkten erheblich abweichen. Da das Grübler’sche Nuclein wohl kein sehr reines Präparat ist — den ausserordentlich grossen Gehalt an noch erkennbaren Hefezellen haben wir oben erwähnt — war es von Vorteil, noch drei andere zum Vergleiche heranziehen zu können. Das Mohnsamennuclein 25* 386 Walther Berg: nimmt freilich eine Ausnahmestellung ein. Nach den Angaben Klinkenbergs (5) entfernt es sich an charakteristischem P- und S-Gehalt noch mehr als das Hefenuclein von den Nucleinsäuren, die fast keinen S, dafür aber 9°/o P enthalten. Als ein Körper, der zwischen den Nucleinen und Nucleinsäure steht, wie man nach dem Ausfall der Fällungsreaktionen vielleicht glauben könnte, ist es also nicht anzusehen. Über die Fällbarkeit der Nucleine gibt folgende Tabelle eine Übersicht: Tab. Ve nach | aus aus Hei | zewsky | samen (p. 49) Bisessisun Aenlk I ee IT N ee ee Verd. Essigsäure . . | En | + | + . .. Salpetersäure + = ar — Aceton . Nee U ai = Alkohol abs. . | 2 + — =- = 2. or | T ir a n BB) Yllıy. aut an | = —N) +!) —e u= + Jodalkohol 22 7 5 | —N) +1) | ae + En Säurealkohol . | + + + Laugenalkohol | un Au + Alkohol-Eisessig — U + + A.-Chl.-E. . — = = | rip: Formalin | ee — A) 21) | 22) 2) | I Kaliumbichromat | — ker a, Er he Chromsäure + 1 u + ze Pikrinsäure on == 4 = al. Sublimat 7°/o + UN EEE == > aa + - iR) + Platinchlorid . + 1 = 4 | 4 u = a 4 Müllers FI. A. == m | Sa | Zenkers Bias nie | + |. + | + Altmanns G. I Nare = ar: Hermanns G.2 2277 | +). + + —e Flemmings G. | + a = = | !) Links bedeutet das Ergebnis bei alkalischer, rechts bei neutraler Reaktion, 2) Links bezieht sich auf 1P/o-ige, rechts auf 5°%/o-ige Lösung. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 387 Wie man sieht, verhält sich das Grü bler’sche Präparat so, wie es Fischer angibt: Kaliumbichromat, Altmann (und Müller) geben keine Fällung, Formalin eine geringe, Alkohol und Jod- alkohol eine wenig stärkere. Dagegen zeigen die beiden Merck’schen Präparate die Fällbarkeit durch 55er Alkohol und Jodalkohol gar nicht, das Mohnsamennuclein nur dann, wenn neutralisierte Lösungen verwendet werden. Dafür wirkt Formalin und Kaliumbichromat beim Nuclein aus Hefe Merck bei konzen- trierter, beim Mohnsamennuclein bei neutralisierter “ Lösung. Beim Nuclein nach Horbaczewsky war es unwirksam. Die Abweichungen von Fischers Befunden finden ihre Erklärung darin, dass ausser dem Grübler’schen Nuclein andere Präparate verwendet werden konnten. Die allgemeine Gültigkeit seiner Aussagen betrefis des Alkohols von 55°/o, des Jodalkohols, des Formalins und des Kaliumbichromats aber bezüglich ihrer fällenden Kraft den Nucleinen gegenüber ist damit hinfällig. Betrachten wir zur Übersicht über die Löslichkeits- verhältnisse folgende Tabelle: Tab WE Hefe Nucleine rg Mohn: Hefe Hefe | Grüblern. a Merck | Grübler | Fischer (p. 49) ENBESSIEFL ART EALIIN AN, nl zw wl | nl Verd. Essigsäure . . N | | 5 Salpetersäure . . . = | NCERON Un ua hr s wl wl Alkohol abs: : 4-2... = x zw wl 5 nl Säurealkohol . . . . - wl zw wl Laugenalkohol . . . . A wl Alkohol-Eisessig . . wl 4 zw wl ASCHIFER HN. e f n Chromsäure , = ....,.: zw wl nl nl nl nl Pıkrinsäure ., .,... nl 5 „ zw wl 5 Sublimat 7b . . e; zw wl - R = Sublimat 336 . . . = nl a 5 Platinchlorid. . . . A $ N nl nl P.S.E. HdR = P . Zenker’sche Fl.. . . = & e Hermanns G. ’ A x nl Flemmings G. s R 5 s 388 Walther Berg: Das Verhalten gegenüber Platinchlorid, Sublimat, Pikrin- säure und Chromsäure ist im allgemeinen ein übereinstimmendes und widerspricht auch nicht den Resultaten Fischers. Dagegen verhielt die von mir untersuchte Quantität Grübler’schen Nucleins sich etwas anders als es Fischer angibt; abgesehen von der Löslichkeit der Alkoholfällung, die Fischer nur bei frisch gefällten Niederschlägen erhielt, geben auch Aceton und Laugen- alkohol löslichen, Säurealkohol van Benedens@emisch, Carnoys G., Pikrinsäure und Sublimat zweifelhaft wasserlöslichen Nieder- schlag. Die Merck’schen Präparate erwiesen sich in ihren Fällungen weit widerstandsfähiger. Beim Hefennuclein gab Säurealkohol und Laugenalkohol eine lösliche, absoluter Alkohol eine zweifel- haft lösliche Fällung, während beim Nuclein nach Horbaczewsky nur der Chromsäureniederschlag zweifelhaft löslich war. Das Mohnsamennuclein hat ganz andere Eigenschaften: Aceton und Alkohol und seine Gemische fällen es wasserlöslich, Eisessig und 7°/o Sublimatlösung zweifelhaft wasserlöslich. Im allgemeinen scheint man sagen zu können, dass Eisessig meist einen wasserunlöslichen Niederschlag gibt, Alkohol in seinen (remischen, auch mit Essigsäure einen löslichen (abgesehen Nuclein nach Horbaczewsky). Die Chromsäure-, Pikrinsäure-, Sublimat- fällungen waren nicht immer unlöslich. — Besonders ist hervor- zuheben, dass die Essigsäurefällungen im Überschusse der Essig- säure, beim Nuclein auf Hefe Merck und beim Mohnsamennuclein auch die Eisessig- Alkohol- und Eisessig- Chloroform - Alkohol- Fällung im Überschusse löslich waren. Die Fällungsform ist nach Fischer die des Gerinnsels. Wie man aus der umstehenden Tabelle sieht, habe ich bei den beiden Merck’schen Präparaten bei der gewöhnlichen Konzentration gekörnte und gefaltete Häute erhalten, abgesehen vielleicht von der Alkoholfällung des Nucleins nach Horbaczewsky; ich möchte diese Fällungen, welche ich auch beim Nuclein von Grübler und seltener beim Mohnsamennuclein erhielt, wie schon oben gesagt, gesondert benennen, da sie mir der Ausdruck einer äusserst starken Wirkung des Fällungsmittels zu sein scheint, und offenbar das Verschmelzen der allerfeinsten Kügelchen zu membranartigen, manchmal scholligen Gebilden in gewisser Hin- sicht eine Übergangsstufe bildet zu der Entstehung von grösseren rundlichen Körpern, von Granulis, wie sie später bei der Protamin- Heringsmilchnucleinsäure geschildert werden soll. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 389 Tab. VE. = | Nacleine N" zewsky | samen | Merck | Grühler | Fischer Eisesig . . . gek H* | G gek H* Verd. Essigsäure n 3 a Salpetersäure ’ n „ Ger Aceton . 5 2 a n = Alkohol 100°/o Der na „* r ee Säurealkohol . | A | > 2 = Laugenalkohol | E | 5 G ® Alkohol-Eisessig gekH - e Ger = AL.ChLB... u gek H En Chromsäure 2 | £ . = Pikrinsäure 5 R - 5 | 5 Sublimat 7°/o Bi gek H N Gr | e 33°/o ’ 2 & gek H = Platinchlorid . = G : Ger. | = P.S.E. G 5 n I 0 Zenkers Fl. gek H e ER Hermanns G. G - gek H | Flemmings G. A | 5 S | | | * Bei stark verdünnten oder 5°o konzentrierten Lösungen Gerinnsel. Walther Berg: II. Nucleinsäuren. 5. Nucleinsäure aus Hefe Merck. Tab VII. en Fällung Löslichkeit Fällungsform DAB Bl) 7 EEERD BEFEEER EE RERGEENE NER BEE EEE RE Sa Bee ee Eisessig REINE g ng! G Verdünnte Essigsäure . Salpetersäure . . Aceton . s g wl. G Alkohol 100°/o g > Ger 3 70 °lo 0 A 55 °/o 0 Jodalkohol . 0 Säurealkohol . m wl. G Laugenalkohol g ” 2 Alkohol - Eisessig . m = Ger A. Chl. E. m N ix Formalin . 0 Kaliumbichromat 0 Chromsäure m n. 1 G Pikrinsäure . g n 25 Sublimat 7°/o 0 N 33 %/o m wl. Ger Platinchlorid . m nu). G 9. 18 Do g 5 er Müllers Fl. . 0 Zenkers Fl. . 0 Altmanns G. . 0 Hermanns G@. . g zw. wl. G Flemmings G. m EOELE 2 Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 391 Fällbarkeit: + Keine Fällung gaben: Alkohol von 70 °/o, Jodalkohol, Formalin, Kalium- bichromat, Sublimat von 7°, Müller’sche Fl., Zenkers, Altmanns Gemisch. Geringe Fällung gaben: Eisessig, Aceton, Alkohol absolutus, Laugen- alkohol, Pikrinsäure, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Hermanns Gemisch. Massiger Niederschlag wurde nie erzielt. Löslichkeit: Wasserlöslich war die Fällung bei: Aceton, Alkohol absolutus, Laugenalkohol, Säurealkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig, Sublimat von 33°/o. Zweifelhaft wasserlöslich: Hermann, Flemming. Wasserunlöslich: Platinchlorid, Eisessig, Chromsäure, Pikrinsäure, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Der Eisessigniederschlag war im Ueberschuss nicht löslich. Fällungsform. Die Fällungen hatten Granulaform; die Grösse der Granula wechselte. Aus 1—2°0 alkoholischer Lösung fielen !/„—1!/2 „ grosse aus; nach Neutrali- sation erhielt man bei den meisten Fällungsmitteln bis 2!/2 « grosse, nur Alkohol absolutus, Alkohol-Eisessig, Alkobol-Chloroform-Eisessig, sowie Sublimat von 33°/o lieferten ausserordentlich feine Granula, die, in flocken- artige Bildungen zusammengeballt, als gröber punktierte Gerinnsel auf- gefasst werden können. 6. Nucleinsäure aus Hefe Grübler. Walther Berg: Mahpx® Fällung | _ Löslichkeit | Fällungsform KASessig. 121. Iemlankt m zw wl | G Verdünnte Essigsäure . EN | 5 Salpetersäure . s Aceton . I 0 Alkohol absolutus . 0 70% . 0 te ) | Jodalkohol m wl | G Säurealkohol 4 zw wl | R, Laugenalkohol 3 wl | 5 Alkohol - Eisessig N ” | Ger A. Chl. E. st e | » Formalin . m zw Iw G Kaliumbichromat (0) | | Chromsäure st n 1 | G Pikrinsäure . m x Sublimat 7°o m | > „ „ 33 9/0 st | ” gek H Platinchlorid 15 | n3 G SW: 4 5 Ger Müller’sche Fl. 0 Zenkers G.. . m n] G Altmanns G. 0 Hermanns G. . m nl G Flemmings G. . 2 Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 338 Fällbarkeit: Keine Fällung gab: Aceton, Alkohol, Kaliumbichromat, Müller’sche Fl., Altmanns G. Sehr spärliche Fällungen wurden nicht beobachtet; sehr reichlich waren sie bei: Alkohol-Chloroform-Eisessig, Chromsäure, Sublimat von 33 °/o Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Platinchlorid. Löslichkeit: Wasserlöslich waren die Fällungen von: Jodalkohol, Laugenalkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig. Zweifelhaft wasserlöslich: Eisessig, verdünnte Essigsäure, Salpeter- säure, Säurealkohol, Formalin. Wasserunlöslich: Chromsäure, Pikrinsäure, Sublimat von 7°% und von 33°/o, Platinchlorid, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Zenkers G., Her- manns G., Flemmings G. Fällungsform. Durch die Mehrzahl der Fixierungsmittel fielen Granula (von !/»—1!/a u aus 1—2°/o alkalischer Lösung). Feinste Granula, zu Flocken dicht zu- sammengeballt, am besten wie oben als grob punktierte Gerinnsel anzusehen, lieferten: Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig, Pikrinsäure-Subli- mat-Essigsäure. Die Fällung durch Sublimat von 33°/o entsprach den bei den Nucleinen meist erzielten, sie war gerinnselig, teils aber körnig-häutig. 394 7. Nucleinsäure aus Hefe Elberfeld. Walther Berg: Tab. X. Fällung Löslichkeit Fällungsform Eisessig . tt m zw wl g Verdünnte Essigsäure 0 R FE Salpetersäure . | m ” ee Aceton | m wl 3 Alkohol 100°%o . m aa R busen. N) | x 55% . | 0 | Jodalkohol | 0, 10°%o L 8 wl G Säurealkohol | m | fl Ger Laugenalkohol . m & G Alkohol-Eisessig | m N Ger Alk.- Chlorof.- Eisessig | m | ° y Formalin . 3 0, 10°, Lg 5 Kaliumbichromat . 0 | Chromsäure . m | nl G Pikrinsäure . m | zw wl „ Sublimat 7°. 0 | „5 3300. 3 m zw wl gekH Platinchlorid , . . . m nl G Pikrins. Sublimat-Essigs. m zw wl a, Müller’sche Fl. 0 F Zenkers G. , 0 Altmanns G. 0 Hermanns G. m nl G Flemmings G. . = - Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 395 Fällbarkeit. Keine Fällung gaben: Verdünnte Essigsäure, Kaliumbichromat, Sublimat von 7°, Müller, Zenker, Altmann, Alkohol von 70°/u; Jodalkohol und Formalin fällten nur 10°%o Lösung. Ins Auge springende Unterschiede in der Masse der Niederschläge wurden nicht konstatiert. Löslichkeit. Wasserlöslich war die Fällung durch: Aceton, Alkohol absol., Jod- alkohol, Säurealkohol, Laugenalkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform- Eisessig, Formalin. Zweifelhaft wasserlöslich: Eisessig, Salpetersäure, Pikrinsäure, Subli- mat von 33°'o, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure. Wasserunlöslich: Chromsäure, Platinchlorid, Hermann, Flemming. Fällungsform: Die Form der Niederschläge war meist die von Granulis, deren Grösse (aus 1— 2° Lösung) 1—2 u betrug. Eisessig lieferte solche unter 1 «, Flemming aus neutralisierter Lösung welche bis zu 3 „ Grösse. Grob punktierte Gerinnsel gaben: Säurealkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig. Letztere beiden nur bei neutraler Reaktion der Nucleinsäurelösung. Gekörnte Häute gab: Sublimat von 33 /o. 396 Walther Berg: 8. Nucleinsäure aus Rindermiilz. Tab. XI. Daluye Löslich- |Fällungs- alkal. BU Zn keit form Lösung | Lösung | Lösung I Danlir1eo | 0 Verdünnte Essigsäure D OR 0 | Salpetersäure g m en zw wl g Aceton E (0) g m w | en Alkohol 100°'o g m m Aa. H n 70°/o 0 m m N „ 55°%0 0 s m „ | ”„ Jodalkohol 0 0 & BEN Säurealkohol g g g 5 | S Laugenalkohol Bun g g KERN ” Alkohol-Eisessig m m m P er A. Chl. E. m m m = Formalin ; 0 0 0 Kaliumbichromat . 0 0 0 | Chromsäure . g g g zwwW | G Pikrinsäure . 0 g m % | Sublimat 7°/o 0 g m wl 56 PN 33/0 st st st » Ger Platinchlorid m m m a le: B+ B.2S%5; 0 0 g zwwl | 5 Müllers Fl. 0 0 | Zenkers Fl.. 2 0 0 g zw wl G Hermann... 0 0 0 | Flemmings G. . 0 0 0 | Altmanns G. g g g ER ie Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 397 Fällbarkeit. Keine Fällung gaben: Eisessig, verdünnte Essigsäure, Formalin, Kaliumbichromat, Müller, Altmann, Hermann. ; Nicht mit alkalischer, wohl aber mit neutraler und saurer Lösung gaben Fällung: Aceton, Alkohol 70°/o, Pikrinsäure, Sublimat von 7°/o. Nur mit saurer Lösung: Jodalkohol, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Zenker. Sehr geringen Niederschlag gaben aus allen Lösungen; Säurealkohol, Laugenalkohol, Flemming. Ausalkalischer Lösung: Salpetersäure, Alkohol absolutus. Aus neutralisierter Lösung: Aceton, verdünnter Alkohol, Pikrinsäure (aus alkal. Lösung keine Fällung). Aus saurer Lösung: (aus neutraler Lösung keine Fällung) Jod- alkohol, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Zenker. Sehr stark war der Niederschlag bei 33°/o Sublimat. Löslichkeit. Wasserlöslich war die Fällung von: Aceton, Alkohol. Jodalkohol, Säurealkohol, Laugenalkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig, Sublimat von 7°/, und von 33 Jo. Zweifelhaft wasserlöslich: Salpetersäure, Chromsäure, Pikrinsäure, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure, Zenker. Wasserunlöslich: Platinchlorid, Flemming. Fällungsform. Der Niederschlag fiel in Granulis, abgesehen von 33°/o Sublimat, welches Gerinnsel lieferte. Die Korngrösse schwankte bei 1—2°/, Lösung zwischen 1—2 z, beim Säurealkohol betrug sie 2—3 „, beim Laugen- alkohol 3—4 u. Walther Berg: 9. Nucleinsäure aus Heringsmilch. ‚Tab: SAME a | Löslich- |Fällungs- alkal. | neutrale saure Edi 1 om Lösung | Lösung | Lösung BEISESRIge er 0 | 0 | 0 Verdünnte Essigsäure . RR OR 0 Salpetersäure | g | g | g zw wl g Aceton | 0 g | g w | g Alkohol 100% . . g g g | g nn DE 2 EB & g » g a Hnllor. Jodalkohol . 0 0 g 5 g Säurealkohol . st st st g Laugenalkohol . m m m 5 g Alkohol-Eisessig g g g zei): OEER A.Chl.E. . & g g St Eis g Formalin 0 0 0 Kaliumbichromat (0) 0 0 Chromsäure . & BE zw wl .g Pikrinsäure 0 Or | g > g Sublimat 7°/o 0 (Mes ar wl g "38!06 st st st 5 Ger. Platinchlorid . . | st st st nl g BASE. 0 0 m wl g Müllers Fl. 0 0 0 Zenkers FI. 0 0 g zw wl g Altmanns G. . 0 0 0 Hermanns G. 0 0 m m g Flemmings G. . g m m S g Beiträge zur Theorie der Fixation etc. Se) Fällbarkeit. Keine Fällung gaben: Eisessig, Formalin, Kaliumbichromat, Müller, Altmann. + Nicht aus alkalischer, wohl aber mit neutralisierter und saurer Lösung gab Fällung: Aceton. Nur mit saurer Lösung ‘gab Fällung: Jodalkohol, Pikrinsäure, Sublimat 7°, Pikrinsäure, Sublimat-Essigsäure, Zenker, Hermann. Sehr gering war die Fällung bei jeder Reaktion bei: Salpeter- säure, Alkohol, Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform-Eisessig, Chromsäure. Bei alkalischer Reaktion: Flemming. Bei neutraler Reaktion: Aceton. Bei saurer Reaktion (bei alkalischer und neutraler keine Fällung): Pikrınsäure, Sublimat 7°, Zenker. Massenhaft war der Niederschlag durch Säurealkohol, Sublimat von 33°/o, Platinchlorid. Löslichkeit. Die Fällung war wasserlöslich bei: Aceton, Alkohol; bei alkoholhaltigen Mischungen: Sublimat von 7”/o und 33°, Pikrinsäure, Sublimat-Essigsäure. Von zweifelhafter Wasserlöslichkeit: Chromsäure, Pikrinsäure, Zenker, Wasserunlöslich : Platinchlorid, Hermann, Flemming. Fällungsform: Die Niederschläge fielen in der Form von Granulis aus, nur Sublimat von 33°/o lieferte Gerinnsel. Die Korngrösse wechselte zwischen 1 und 2 „, doch fällte Salpeter- säure aus 1° neutraler Lösung bis 5 „ grosse Granula, Säurealkohol aus alkalischer Lösung solche von 2—4 u, aus neutraler meist 4 « grosse, aus saurer 3 „ grosse. Flemming fällte aus saurer Lösung 3 „-Granula, Besonders sollen später noch ausführlich beschrieben werden die Ge- bilde, welche aus 10°/., Nucleinsäurelösung durch Platinchlorid und Hermann gefällt wurden. Sie hatten die Gestalt von 8—-10—15 „ grossen Granulis; erwiesen sich aber bei genauerer Beobachtung als Hohlkörper. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62 26 400 Walther Berg: Zusammenfassung der Resultate für die Nucleinsäuren. Über die Fällbarkeit der untersuchten Präparate gibt folgende Tabelle eine Übersicht : Tab. XII. Nuclein-Säuren aus Herings- milch Hefe Elber- feld Hefe Merck Hefe Grübler Hefe Grübler n. Fischer (p.42—44) Eisessig Verd. Essigsäure . Salpetersäure Aceton Alkohol abs. . 310 210 „99° Jodalkohol Säurealkohol Laugenalkohol . Alkohol-Eisessig A.Chl.E. Formalin . Kaliumbichromat . Chromsäure . Pikrinsäure . Sublimat 7 °/o Bo Platinchlorid )2, 8: ID Müllers Fl. . Zenkers F].. Altmanns G. Hermanns G. Flemmings G. a a ! ww Nein | I+++++ +++ | +++ 1+ | It + IH I FHHHHH | E= !, aus alkalischer Lösung. ?) aus alkalischer und neutraler Lösung. ®) aus 4°/oiger Lösung keine Fällung. +++ I 4++++++ | ++ | +++ | Me ee a a - _- — == ++ | Wie man sieht, stimmen die Hefenucleinsäuren von Merck und aus Elberfeld wesentlich überein; sie unterscheiden sich deutlich von den beiden Präparaten aus Rindermilz und Herings- milch. Die Grübler’sche Nucleinsäure zeigt gegenüber den beiden anderen aus Hefe Unterschiede, ebenso passen die mit ihr er- Beiträge zur Theorie der Fixation etec. 401 zielten Resultate nicht zu den von Fischer gemachten Angaben. Wegen des oben erwähnten, ziemlich starken Gehaltes an noch erkennbaren Hefezellen möchte ich die Resultate mit diesem letzten Präparat weniger hoch bewerten, als die mit dem von Merck, bei welchem diese Verunreinung weniger beträchtlich war, und mit dem Elberfelder Präparat, das gar keine Hefezellen enthielt. Ich bespreche nun zunächst die Hefenucleinsäuren gesondert von den beiden aus animalischem Material gewonnenen und werde nun die an ihnen gemachten Erfahrungen mit denen Fischers vergleichen. Fischer fand die Hefenucleinsäure (Grübler’sches Präparat) schwer fällbar; es waren grosse Mengen der Fixierungs- mittel notwendig, und ihre Wirkung wurde durch alkalische Reaktion der Lösung meist gehemmt, ganz besonders beim Formalin und beim Jodalkohol. Verdünnte Essigsäure wirkte gar nicht, aber 10°/o fällte schon total aus. Diese Beobachtungen wurden durch von mir gemachte Erfahrungen grösstenteils be- stätigt. Auffällig starke Fällungen bekam ich selten und nur beim Grübler’schen Präparate (Chromsäure, Sublimat von 33 °/o, Platinchlorid und Pikrinsäure-Sublimat). Die Essigsäure schien mir noch schwächer zu wirken, als es Fischer gefunden hat, denn ich bekam mit beträchtlichen Mengen von Eisessig immer nur geringe Fällungen. Keine Fällung erhielt Fischer mit stark verdünnter Essigsäure und Salpetersäure, Osmiumsäure, Kaliumbichromat, Altmann, Osmiumessigsäure. Mit meinem Material bekam ich durchgehends negativen Ausfall der Fällungsreaktion bei Osmium- läure, Kaliumbichromat und Altmann, ausserdem aber auch bei Alkohol von 70°/o und drüber. Den beiden Präparaten von Merck und Elberfeld gegenüber versagte ausserdem: Jod- alkohol, Sublimat von 7°/o, Zenker. Dem Grübler’schen und Elberfelder Präparat gegenüber der absolute Alkohol. Formalin fällte Nucleinsäure von Grübler von gewöhn- sicher (1—2°/o) Konzentration, solche von Elberfeld nur aus 10,°/o Lösung, solche von Merck gar nicht. Verdünnte Essigsäure (bei Fischer unwirksam) fällte gerade die Nucleinsäure von Grübler und die von Merck, nicht diejenige aus Elberfeld; Aceton (nach Fischer durch alkalische 26* 402 Walther Berg: Reaktion in seiner Wirkung gehemmt) gab mit Grübler’scher Nucleinsäure ein negatives, mit den beiden anderen ein possitives Resultat. Absoluter Alkohol endlich fällte nur die Merck’sche Nucleinsäure, nicht die beiden anderen. Demnach wären stets von negativer Wirkung gewesen: Ösmiumsäure, Kaliumbichromat, Altmann, Müller, verdünnter (70/0) Alkohol. Bei zwei Präparaten: Jodalkohol, Sublimat von 7°/o. Zenker, absoluter Alkohol. Bei einem Präparate: verdünnte Essigsäure, Aceton, Formalin. Die beiden anderen Nucleinsäuren aus Rindermilz und Heringsmlich zeigen ein von den Hefenucleinsäuren deutlich abweichendes Verhalten bei fast völliger Übereinstimmung unter einander. Ausser mit Kaliumbichromat, Müller, Altmann sind sie auch mit Eisessig, Formalin nicht fällbar, dagegen fällt absoluter Alkohol, verdünnter 70°/o Alkohol verhältnismässig stark; nur bei der Rindermilznucleinsäure versagt der letztere gegenüber alkalischer Reaktion. Dies tut ausserdem bei beiden Präparaten: Aceton. Nur aus saurer Lösung fällt bei beiden Nucleinsäuren: Jodalkohol, Pikrinsäure-Sublimat-Eisessig, Zenker, Pikrinsäure. Sublimat fällte Rindermilznucleinsäure aus neutraler, Herings- milchnucleinsäure erst aus sauer reagierender Lösung. Different verhielten sich die beiden Präparate gegenüber Hermann’scher Flüssigkeit, welche die Nucleinsäure aus Rindermilz überhaupt nicht, diejenige aus Heringsmilch nur bei saurer Reaktion fällte. Beiträge zur Theorie der Fixation ete. 403 Zur Übersicht über die Wasserlöslichkeit der Fällungen der verschiedenen Präparate diene folgende Tabelle: Tab. XIV. aus aus Hefe H efe Nucleinsäure Rinder- |Herings- Elber- 1 0 du. era milz milch feld (p.42—44) Eisessig . a or zw wl nl zw wl | wl Verd. Essigsäure . om. 0 0 0 zwwl , 0 Salpetersäure . zwwl | zwwl zw wl zw wl | Aceton wW | wl wl wl 0 wl Alkohol abs. wl | wl 0 wl 0 wl Alkohol 70°% . wi, ‚wi In 30 0 0 Jodalkohol . wi | wi | wi) 0 wl nl Säurealkohol wl | wl wl wl zw wl Laugenalkohol ml wi wl wl wl Alkohol-Eisessig . wl wl wl wl wl wl A. Chl. E. ws Zw wl wl wl Formalin RE 0 wl*) 0 zw wl nl Chromsäure zwwl zw wl nl nl nl Pikrinsäure zwwl zwwl | zw wl nl nl wl Sublimat 7°) . wi wi RG 0 nl nl io. wl wl zw wl wl nl Platinchlorid le nl nl nl Pikrins.-Sublimat zw wl wl zw wl nl nl Zenker zwwW zwwl| 0 0 nl Hermann 0 nl nl zwwW nl nl Flemming ll nl nl zwwW nl nl *) fällt nur 10°/o Lösung. | Wie man sieht, sind nach Fischer wasserlöslich die Niederschläge von starker Essigsäure, Aceton, Alkohol, Alkohol - Eisessig, Pikrinsäure. Abweichend davon fand ich bei Nucleinsäure von Merck denEssig- niederschlag unlöslich, bei den anderen Hefenucleinsäuren unzweifel- haft löslich, den Pikrinsäureniederschlag bei den Hefenucleinsäuren zweimal unlöslich, einmal (Elberfelder Präparat) zweifelhaft löslich. Unlöslich ist nach Fischer die Fällung von Sublimat, Formalin, Jodalkohol, starke Salpetersäure, Chromsäure, Platin- chlorid, Hermann, Flemming. 404 Walther Berg: Dem gegenüber hebe ich hervor, dass bei den von mir unter- suchten Präparaten der Niederschlag durch Jodalkohol, sobald er auftrat, wasserlöslich, derjenige durch Formalin wasserlöslich oder zweifelhaft wasserlöslich war. Die Salpetersäure-Fällung war, sobald sie auftrat, zweifelhaft wasserlöslich. Hermann und Flemming haben mit Hefenucleinsäure von Merck zweifelhaft wasserlösliche Fällung. Die beiden Nucleinsäuren aus tierischem Material erwiesen sich in ihren Fällungen noch weit wasserlöslicher. Unlöslich war nur die Platinchloridfällung, sowie diejenige durch Hermann und Flemming, doch bedarf diese Angabe einer Einschränkung; weiter unten soll darüber ausführlich gesprochen werden. Die übrigen Fällungen waren wasserlöslich oder zweifelhaft wasserlöslich. Fällungsform. Zur Übersicht über die Form der Niederschläge ist die folgende Tabelle zusammengestellt: Tab. XV. Nucleinsäuren ale mus Elber- ne He: Grübler = | milz | milch | gejq | Merck | Grübler Fischer | | | | | (p.42—44) Eisessier nm. Nr { | 0 0 G G G G Verd. Essigsäure. 0 | 0 G Ger Salpetersäure . . FIR G G Ger AGENOn, EIERN. | 72: 15 T G G 0 Ger Alkohol abs. | G: m lRkG G Han 0 Ger Alkohol yerd.4."..|:,G° .)|11137G; 0 N) Fodalkohalfzs 2. 14 ,G5., 41) 4.G G 0 G Ger Säurealkohol . .| G | 6 Ger Ger G Laugen-Alkohol . | 0 SER, G G G Alkohol-Eisessig . G G |. Ger G;Ger*)| Ger Aschl.Bisessig | .-G. ;) ‚'@,. | ‚Ger |G; GerSjläf@er Hormone: U) G 0 G Ger Chromsäure EEG G G G; Ger Pikrinsäure TEC G G Sublimat 7% . . G ee, 0 G Ger Sl Ger Ger |gek.H. Ger [Ger;g.H Platinchlorid . . | G ma | @G | G;Ger Pikrins.-Sublimat . G G Ger Zenker sy.,1{u33y% Gars :G 0 0 G Hermann ar (0) G G G G G; Ger Flemming . . . Gar G G "eG G G; Ger Wegen der Abkürzungen siehe p. 378. *) aus alkalischer Lösung: Granula, aus neutraler Lösung: Gerinnsel. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 405 Fischer erhielt Gerinnsel bei: Sublimat, Formalin, Jodalkohol, starker Salpetersäure. Wie man sieht, wurden bei meinen Präparaten gerade bei dieser Fixierung kein Gerinnsel, sondern, sofern die Fällung eintrat, Granula erzielt. Dagegen bekam ich Gerinnsel bei den Hefenucleinsäuren durchSäurealkohol (zweimal), Alkohol-Eisessig, Alkohol-Chloroform- Eisessig, Pikrinsäure - Sublimat-Essigsäure (zweimal), Sublimat von 33°/o (gekörnte Häute!). Beim Merck’schen Präparat fällte Alkohol-Eisessig und Alkohol-Chloroform-Eisessig aus alkalischer Lösung Granula; aus neutraler Gerinnsel; das Grübler’sche Präparat gab in alkalischer Lösung mit 33 °/o Sublimat Gerinnsel, in neutraler gekörnte Häute, welche beim Elberfelder Präparat bei jeder Reaktion auftraten. Die Nucleinsäuren aus Rindermilz und Heringsmilch wurden nur vom 33°/o Sublimat in Gerinnselform gefällt, fielen sonst in Granulaform aus. Der von Fischer im Verhalten gegen Chromsäure und Platinchlorid untersuchte Nucleinsäure aus Thymus (von Kossel) scheinen sie unähnlich zu sein, schon wegen ihrer relativ leichten Löslichkeit. Fischer bekam Granula und chromosomenähnliche knorrige _ Gebilde mit Chromsäure, Platinchlorid, Hermann. Diese offenbar durch Auseinanderfliessen eines Granulums oder durch Verkleben und Zueinanderfliessen zweier oder mehrerer Granula entstandenen Gebilde habe ich bei den Nucleinsäuren nicht beobachtet; ich erhielt ähnliches beim Protamin. Dagegen gab Heringsmilchnucleinsäure in 10°. Lösung mit 10°/o Platin- chlorid eine Fällung, welche eigentümliche, später ausführlich zu schildernde Hohlkörper-Formen zeigte, welche zwar chromosomen- ähnlichen, knorrigen Gebilden nicht glichen, zu deren Zustande- kommen aber ein anderer als der feste Aggregatzustand nötig ist. Wenn wir die Resultate für die Nucleinsäuren betrachten wollen, so unterscheiden sich diejenigen aus Hefe von denen aus tierischem Material hergestellten. Von den untersuchten Hefenucleinsäuren glichen sich im wesentlichen die von Merck und die von Elberfeld; die von Grübler zeigte einige Ab- 406 Walther Berg: weichungen. Die mit ihr sowie mit den beiden anderen erzielten Resultate stimmen auch nicht ganz mit Fischers Angaben überein. Diese mangelhafte Kongruenz mit Fischer erklärt sich, was die Nucleinsäure von Merck und Elberfeld betrifft, leicht durch die nicht vollkommene Kongruenz der Präparate; was die Nucleinsäure von Grübler betrifft, möglicherweise durch eine nicht gleichmässige Beschaffenheit dieses Körpers. Jedenfalls aber ist auf diese Differenzen der verschiedenen Präparate von Hefenucleinsäuren untereinander, besonders aber auf die Verschiedenheit derselben von den beiden untersuchten Nucleinsäuren aus tierischem Material hinzuweisen. 1II. Neu untersuchte Körperklassen. 1. Clupeinsulfat. Tab AV Eisessig e 0 | Verd. Essigsäure 0 | Salpetersäure . 0 Aceton . , G wl G Alkohol 100°/o m £ % 2 70% G 5 H R 5500 G 5 h Jodalkohol . G x u Säurealkohol . m 5 Laugenalkohol m n A Alkohol-Eisessig . m 5 a Alkoh. Chl.-Eisessig st 5 - Formalin 0 Kaliumbichromat m wl G Chromsäure . . . a zwwl | n Pikrnsäure . . . 2 nl | s Sublimat 7b. . . 2 wl | 5 5 3 ER . n 1 Platinchlorid . . . N zw wl Se) BASE aan). ; nl e Müller R | a VASE no ae 4 | ’ 2 Altmann Mk WIE, h zw wl R Hermanne mer: : A | S E) Flemming . . . . 5 | F >) *) geben daneben Hohlkörper. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 407 Fällbarkeit. Keine Fällung gaben: Eisessig, verdünnte Essigsäure, Sal- petersäure, Formalin. Sehr gering war der Niederschlag durch: Aceton, Alkohol von 70°/o, Jodalkohol; beim letzteren kam es zum Ausfall von massenhaften Jodnadeln. Massenhaft war der Niederschlag durch Alkohol-Chloro- form-Eisessig. Löslichkeit. h Wasserlöslich war der Niederschlag von: Aceton, Alkohol, Jodalkohol, Säurealkohol, Laugenalkohol Alkohol-Eisessig, Alkohol- Chloroform-Eisessig, Kaliumbichromat, Sublimat von 7°/o und 33°/o, Müller, Zenker. Von zweifelhafter Löslichkeit: Chromsäure, Platinchlorid, Hermann, Altmann, Flemming. Unlöslich: Pikrinsäure, Pikrinsäure-Sublimat-Essigsäure. Alkohol-Eisessig und Alkohol-Chloroform - Eisessig lösten ihren Niederschlag, wenn sie im Überschuss angewendet werden. Die Bestimmung der Löslichkeit war beim Clupein be- sonders schwierig, weil die Niederschläge sich mit der Zeit in ihrem Löslichkeitsverhältnis veränderten, allmählich un- löslicher wurden. Dies ist schon am ersten aus Lachssperma dargestellten Protamin von Miescher (B.IlI, S. 66) beobachtet worden. Nach ein paar ‚Wochen wurde der anfangs harzige Niederschlag körnig, krystallinisch und völlig unlöslich. Fällungsform. Die Niederschläge hatten durchgehende Granulaform; der Platinchloridniederschlag war nach einigen Wochen unlöslich und zeigte neben Granulis knorrige Gebilde. Die Fällung durch Hermann und Flemming bestand aus Hohlkörpern, die denen glichen, die durch Platinchlorid aus Heringsmilchnucleinsäure- lösung hervorgerufen werden konnten. Da die Reinheit des Clupeinsulfates, wenn auch nicht nach den charakteristischen Reaktionen, so doch nach der Elementar- analyse, keine ganz sichere, und die Möglichkeit, dass es in- folge teilweiser Zersetzung mit den Basen, in die es sich spalten lässt, verunreinigt sein könnte, nicht vollkommen abzustreiten war, wurde ein Gemisch von Basen, welche aus Conchyolin durch Säurespaltung erhalten waren, untersucht. Basische Zersetzungs- 408 Walther Berg: produkte aus Protamin selbst standen uns nicht zur Verfügung. Die Verwendung der Conchyolinbasen beruht auf der Voraus- setzung, dass der „Protaminkern“ aller Eiweisskörper in seiner qualitativen Zusammensetzung wesentliche Übereinstimmungen aufweist. 2. Basengemisch aus Conchyolin. Tan X VL. A öslich- | Fällungs- Kallıng r keit Be Eisessig. l 0 Verd. Essigsäure . 0 Salpetersäure . 0 Aceton . m wl G Alkohol 100°o g » G „ 70°/o r 55°/o Jodalkohol , st wl G Säurealkohol . 0 Laugenalkohol . , 0 Alkohol-Eisessig . 0 Alk.-Chl.-Eisessig g wl G Formalin m » | A Kaliumbichromat 0 | | Chromsäure m IS la Pikrinsäure ; m | ) | r Sublimat 7% . . st |" mn | 0ek Me Se Se ar a Platinchlorid . . . 0 | Pikr. Sublim.-Essigs. m zw wl | G Müller’sche FI. 0 | Zenker’sche Fl. . . m ı zw wl | gek. H. Altmanns G. . 0 | Hermanns G. . 0 Flemmings G. 0 | Fällbarkeit: Keine Fällung gaben: Eisessig, verdünnte Essigsäure, Salpetersäure, Säurealkohel, Laugenalkohol, Alkohol-Eisessig, Kaliumbichromat, Platin- chlorid, Müller, Altman, Hermann, Flemming. Mittelstarke Fällung gaben: Aceton, Formalin, Chromsäure, Pikrin- säure, Pikrin-Sublimat-Eisessig, Zenker’sche Flüssigkeit. Sehr gering war der Niederschlag durch: Alkohol absolutus, Alkohol- Chloroform-Eisessig. Mächtig war die Fällung durch: Jodalkohol. Sublimat von 7°/o und 33°/o. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 409 Löslichkeit. Wasserlöslich war die Fällung durch: Aceton, Alkohol, Jodalkohol, Alkohol-Chloroform Eisessig, Formalin. Zweifelhaft wasserlöslich: Chromsäure, Pikrinsäure, Pikrinsäure- Sublimat-Essigsäure, Zenker. Vielleicht war wasserunlöslich: Sublimat. Fällungsform. Der Niederschlag fiel meist in Granulaform, Gerinsel lieferten Pikrin- säure Sublimat-Essigsäure. Gekörnte Häute: Sublimat von 7°. und 33°,o, Zenker. h Wie man sieht, unterscheidet sich das Basengemisch sehr bedeutend, namentlich bezüglich der Fällbarkeit und Fällungs- form vom Clupein, so dass es unwahrscheinlich ist, dass letzteres in zersetztem Zustande vorgelegen hat. 3. Protamin-Nucleinsäure-Verbindungen. a) Die Protamine sind nach Miescher (8) neben Nuclein- säure der Hauptbestandteil der Spermatozoen-Köpfe. Das Protamin tritt erst mit der Reifung der Samenfäden in diesen auf. Die mit Alkohol und Äther entfetteten Köpfe reifer Spermatozoen des Lachses enthalten nach Mieschers endgültigen Befunden: 60,50 °/o Nucleinsäure, 35,56 °/o Protamin. Die Protamine haben basischen Charakter und geben mit Nucleinen, Nucleinsäuren und anderen Eiweisskörpern Verbin- dungen. Die Verbindung des Salmins mit den Salmonucleinsäure zeigt einen wechselnden Protamingehalt, je nach Menge des dargebotenen Protamines. Im Sperma ist eine solche Verbindung auch vorhanden, jedoch nicht vom maximalen Protamingehalt, denn lebendes Sperma nimmt aus einer Protaminlösung Protamin auf (Miescher). Da eine Lachssperma nicht zur Verfügung stand, stellte ich aus Heringsmilch das zuerst von A. Kossel beschriebene und benannte Clupein dar. Die entsprechende Nucleinsäure hatten die Elberfelder Farbwerke in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. b) Gegen einige der von mir untersuchten Nucleine und Nucleinsäuren verhielt sich Clupein folgendermassen: Clupein (1°/o) und Nuclein aus Hefe Merck (2'/2°/o) gab eine ganz leichtflockige, weisse Fällung, bestehend aus 1—2 « 410 Walther Berg: grossen Granulis, die auf Alkalizusatz etwas aufquellen und eigentümliche, knollige, wie Hefezellen aneinander gelagerte Gebilde darstellten. | Clupein (1°) und Mohnsamennuclein (2,5 °/o), massiger, weisser Niederschlag, der auf Zusatz von 0,8°/o Kott keine Abnahme zeigte, bestehend aus 2—3 u grossen Granulis und den eben beschriebenen Gebilden. 3 Clupein und Hefenucleinsäure Merck, Grübler, Elberfeld, gleichmässiger Niederschlag, bestehend aus kleinen, sich nicht verändernden Granulis. Clupein und Rindermilznucleinsäure, reichliche, gleichmässige, gelbliche Fällung, bestehend aus Granulis, die zu Tropfen von ziemlichem Glanze aufquellen, ohne sich im Wasser zu lösen. Die Verbindung des Clupeins mit der Heringsmilchnuclein- säure wurde genauer untersucht. Die Strukturbilder dieses interessanten Körpers und sein Verhalten den Fixierungsmitteln gegenüber mit demjenigen des Kopfes des Heringsspermatozoons, die doch wesentlich aus ihm besteht, zu vergleichen, fehlte bisher die Gelegenheit. c) Clupein-Heringsmilchnucleinsäure-Verbindung. Die entsprechende Verbindung aus dem Lachssperma ist schon von Miescher hergestellt worden. Er beschreibt ihr Verhalten folgendermassen: „Nuclein(-säure) in Ammoniak gelöst. gibt mit der Lösung eines Protaminsalzes einen nicht flockigen, sondern schweren, pulvrigen Niederschlag, in Wasser und Ammon- überschuss unlöslich, in fixen Alkalien löslich. Der mikroskopischen Prüfung zufolge besteht dieser Niederschlag ausschliesslich aus stark lichtbrechenden, soliden Kugeln (Anm. Doppelbrechung war, wenigstens ohne Gypsplättchen, nicht zu konstatieren. In starkem Alkohol zerbröckeln durch Wasserentziehung die Kugeln nach längerer Zeit), und Kugelaggregaten, Dotterkörnern oft zum Verwechseln ähnlich, je nach Konzentration der Lösung und sonstigen Umständen von verschiedener Grösse, von unmessbarer Kleinheit bis 40 « und darüber. In Kochsalzlösung von 10°/o quellen sie auf. Dabei treten oft eigentümliche Verhältnisse zu Tage; die Kugeln erhalten eine doppelte Kontour; von der blasser Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 411 werdenden Inhaltsmasse scheiden sich stärker lichtbrechende Körner, so dass die Ähnlichkeit mit tierischen Formelementen, z. B. Zellkernen, nicht selten frappant wird.“ Die Fällung, die beim Zusammenbringen von Clupein und Heringsmilchnucleinsäure entsteht, ist weiss mit einem Strich ins Fleischfarbene. Sie ist gleichmässig, reichlich und ihre maximale Menge wird bei dem Verhältnisse von etwa 3 Teilen Nucleinsäure auf 1 Teil Protamin erreicht. 2 Für die mikroskopische Beobachtung empfiehlt es sich, die beiden Stoffe sich erst unter dem Mikroskope vereinigen zu lassen, nachdem man vorher mit einem starken Trockensystem eingestellt hat, da die dann auftretenden Vorgänge ziemlich rasch ablaufen. Für die zu beschreibenden Versuche wurden möglichst konzen- trierte Lösungen gewählt. An der Stelle, wo die beiden Lösungen sich zuerst berühren und makroskopisch ein milchiger Streifen auftritt, sieht man zunächst lebhaft tanzende Granula von !/s—2 « Grösse und starkem Glanze.—Diese senken sich allmählich, dabei verschmilzt, ohne daß die Stärke des Glanzes abnimmt, öfters eine Anzahl der Granula bis zu 10 « grossen Kugeln. Diese sinken weiter und zerfliessen auf der Oberfläche des Objektträgers zu flachen, unregelmässig begrenzten Zacken. Häufig kommt es jedoch vor, dass die Kugeln eine doppelte Kontur erhalten und allmählich anschwellen. Der starke Glanz ist dann auf die Stellen zwischen den Konturen beschränkt, die zentral gelegene Substanz ist weit weniger lichtbrechend. Es sind dies also Hohlkörper, deren Wand von der Heringsmilch- nucleinsäure - Protamin -Verbindung gebildet wird, deren Inneres von wässriger Flüssigkeit erfüllt ist. Diese Hohlkörper können im Verein mit Vollkugeln und kleinen Granulis sich zu Gruppen von 2, 10, 20 unter Verschmelzung der Tangierungsstellen anein- anderlegen, sodass eine Schaumbildung entsteht. Eine zweite Art von Schaumbildung kommt auf folgende Weise zustande: In den unregelmässig begrenzten Lachen treten, wenn man unter dem Deckglase Nucleinsäure durchsaugt, winzige, nadel- stichartige Vakuolen auf, welche sich allmählich vergrössern und vermehren und unter teilweiser Verschmelzung schliesslich die Lache in ein dünnwandiges Wabenwerk verwandeln. Diesen 412 Walther Berg: Vorgang hat Fischer (S. 283) an sich allmählich in Wasser lösender Alkoholfällung von 10°/o Albumose beobachtet. Die Erscheinung an unseren Präparaten ist jedoch, wie anderen Ortes ausgeführt werden soll, nicht als Auflösungserscheinung aufzufassen. Eine dritte Art von Schaumbildung entsteht dadurch, dass beim Zusammenlagern der Hohlkörper zu grösseren Aggregaten zwickelartige Räume, erfüllt von der wässrigen Einschlussflüssigkeit, abgeschlossen werden, die sich sofort zu Kugelräumen abrunden. Diese etwas verwickelten Vorgänge treten nebeneinander auf; ihr Zustandekommen ist abhängig von den relativen Mengen von Protamin und Nucleinsäure. Im polarisierten Lichte erweisen sich die Granula, Voll- kugeln und die Wände der Halbkugeln und der Hohlkugel- aggregate als doppelbrechend. Die zerflossenen Lachen zeigen dies nicht. Erklärung zu Fig. 1. Auf !/» verkleinerte Photographie nach Zeichnungen im Massstabe 333 :1. a. homogene Lachen; b. Lachen mit kleinen und grösseren Vakuolen; c. Lache mit 2 grossen Vakuolen; an den Vorsprüngen der inneren Konturen sieht man, wie die Vakuolen sich soeben aus kleineren durch Schwinden der Zwischenwände gebildet haben; d. Hohlkörper zu dreien aneinandergelagert. a—c sind schematische Konturenzeichnungen;; die Vakuolen sind auch nach oben und unten geschlossen. Beiträge zur Theorie der Fixation etec. 413 Bei den so geschilderten Vorgängen geht von der Protamin- Nucleinsäureverbindung nichts in Lösung, denn man erhält auf Zusatz von Fixierungsmitteln, welche auf die gelöste Substanz kräftig wirken, wohl Veränderung der bestehenden Gebilde, aber keine Ausfällung von neuen, wie man sich durch direkte mikro- skopische Beobachtung überzeugen kann. Die Vorgänge sind also nicht, wie bei der Albumosefällung Fischers, Lösungs- erscheinungen, sondern haben ihren Grund in dem Vermögen der Substanz, mit wachsendem Protamingehalt mehr Wasser gelöst aufnehmen zu können, das bei wachsendem Nucleinsäure- gehalt wieder ausgeschieden wird. Der verschiedene Wassergehalt der einzelnen Gebilde lässt sich aber auch durch die Wirkung von wasserentziehenden Mitteln zeigen. Ich verwendete Alkohol, konzentrierte Rohrzuckerlösung und konzentrierte Chlorcaleiumlösung. Am schwächsten und langsamsten wirkte der Alkohol, am schnellsten die Chlor- caleiumlösung. Die endgültige Wirkung der drei Mittel war nur graduell verschieden. Setzt man also am besten Chlorcaleiumlösung unter dem Mikroskope zu, so scheinen die Granula und Vollkugeln sich nicht zu verändern. An den Hohlkugelaggregaten sieht man eine oder die andere platzen und eine Granulierung der Wände auf- treten. An den zerflossenen Lachen oben bilden sich Vakuolen, deren Grösse allmählich wächst, deren Wände ebenfalls granuliert werden. Wir haben also an dieser Clupein-Nucleinsäureverbindung eine Substanz, welche sich in Wasser nicht löst, trotzdem sie nicht von festem Aggregatzustande ist und Wasser aufnehmen kann. Sie zeigt also die gewöhnlich als Quellung bezeichnete Eigenschaft. Zwischen den extremsten Quellungszuständen und der Lösung ist ohne besondere Versuchsanordnungen nicht so leicht eine Grenze festzustellen. Es zeigt dies die Unmöglichkeit. zwischen wasserlöslichen und unlöslichen Fällungen einen strengen Unterschied zu machen und die Notwendigkeit der Einführung der Rubrik „zweifelhaft wasserlöslich“. Die Substanz zeigt aber auch, je nach dem Gehalte an Nucleinsäure eine interessante Polymorphie. Man kann sich die Beobachtungen an der Substanz durch Zusatz eines Tropfens wässrige Neutralrotlösung erleichtern. Der 414 Walther Berg: Farbstoff wird von den Gebilden aufgenommen, die Einschluss- flüssigkeit, falls man nicht zuviel Neutralrot genommen hat, fast farblos und der Ablauf der Erscheinungen nicht gestört. Ich möchte an dieser Stelle bemerken, dass diese Versuche im Februar 1902 zum Abschluss gebracht wurden, und dass ich die Arbeit von Kraft und Funke (Zeitschrift für physiol. Chemie Bd. 37, 1902) über Hohlkörperbildung bei Heptyldiaminseifen erst Januar 1903, bei der Ausarbeitung meiner Publikation in die Hand bekommen habe. Ich habe also die Bildung von Hohl- körpern an der Clupein-Heringsmilchnucleinsäure-Verbindung so- wie an den Fällungen konzentrierter Nucleinsäuren unabhängig von den genannten Autoren beobachtet. Die Clupein-Heringsmilchnucleinsäure-Verbindung ist eben- falls in Lösung in ihrem Verhalten zu den Fällungsmitteln untersucht worden. Die ausführliche tabellarische Mitteilung der Resultate muss ich noch verschieben, da verschiedene Einzel- heiten zuvor noch sicherer festzustellen sind. Jedoch sind die Resultate, soweit sie gesichert sind, schon in den folgenden Abschnitten an den geeigneten Stellen mitgeteilt worden. F. Allgemeines und Spezielles über die Fixierungsmittel. 1. Die Stärke, mit welcher die Fixierungsmittel auf die untersuchten chemischen Körper wirken, mit derjenigen auf das lebende Eiweiss der Zelle identifizieren zu wollen, ist nicht er- laubt. Die Nucleinsäuren kommen im freien Zustande im Gewebe nicht vor und ihr Verhalten gestattet keinen Schluss auf das- Jenige ihrer Verbindungen im Organismus. Auch die Nucleine sind so, wie sie chemisch isoliert werden, kaum präformiert vor- handen. Von diesen Unterschieden chemischer Art abgesehen, sind aber die Stoffe in den Strukturen der Zellen garnicht als gelöste vorhanden. Ihr Zustand dort entspricht vielleicht eher demjenigen, in welchem sich die frischen Ausfällungen befinden. Besonders wird der Zustand der Nucleinsäure-Protaminverbindungen dem physikalischen Zustand in der Zelle nahe kommen. Um also Versuche anzustellen, welche einigermassen sichere Rück- Beiträge zur Theorie der Fixation ete. 415 schlüsse auf die Wirkung der Fixierungsmittel auf die lebenden Strukturen gestatten, müsste man die Einwirkung dieser Mittel auf derartige Fällungsstrukturen untersuchen. Von der Wirkung aus, welche die Fixierungsmittel auf die Lösungen der Proteide haben, können wir nur ungefähre und nie eigentlich bindende Schlüsse auf die Wirkung gegenüber der Zelle machen'). 2. Im einzelnen will ich nur die Fixierungsmittel be- sprechen, bei denen meine Resultate mit denjenigen Fischers nicht übereinstimmen. l. Essigsäure. Nach Fischer ist die Nucleinfällung wasserunlöslich, die Nucleinsäurefällung wasserlöslich, nicht aber löslich im Ueber- schuss des Fällungsmittels. Ich fand dagegen: Wasserlöslich fiel Nuclein aus Mohn- samen. Die drei anderen Nucleine waren nicht löslich. Wohl aber löste sich im Ueberschuss der Essigsäure der Niederschlag von Nuclein aus Hefe Merck, aus Hefe Grübler, aus Mohnsamen Elberfeld. Mit Nucleinsäuren gibt verdünnte Essigsäure nach Fischer keine Fällung. Dies kann ich im allgemeinen bestätigen, nur dass ich beim Grübler’schen Hefenpräparate eine geringe Fällung erhielt. Eisessig gab keine Fällung mit den Nucleinsäuren aus Heringsmilch und aus Rindermilz, jedoch Fällung mit den Hefe- nucleinsäuren. Die Beobachtung Fischers an der Grübler- schen Hefenucleinsäure, welche ich als Einzelbeobachtung be- stätigen kann, darf also nicht verallgemeinert werden, wie Fischer dies thut. — Die geringe Wirksamkeit der Essigsäure als Fällungsmittel der Nucleinsäuren ist auch den physiologischen Chemikern bekannt (2, p. 205). Von den Nucleinsäuren war die Löslichkeit beim Grübler’schen Hefe-Präparate und beim Elberfelder zweifelhaft, was mit der Fischer’schen Angabe (p. 43), dass die Essigsäureniederschläge der Nucleinsäuren sich langsamer lösen, als z. B. die mit Alkohol, vielleicht vereinbar ist. Das Merck’sche Hefepräparat gab jedoch unlösliche Fällung. Diese wurde auch durch Essigsäureüberschuss nicht gelöst. !) Ähnlich äussert sich gelegentlich P. Kronthal (7, p. 7), welcher jedoch keine eigenen Untersuchungen auf diesem Gebiete angestellt hat. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 27 416 ‚ Walther Berg: Die Heringmsilchnucleinsäureverbindung des Protamins gab einen essigsäurelöslichen, wasserunlöslichen Niederschlag, Protamin nnd das Basengemisch keine Fällung. 2. Kaliumbichromat. Nach Fischer werden Nuclein und Nucleinsäure unter keiner Bedingung gefällt. Ich beobachtete eine Abweichung ge- ringen Grades hiervon: Nuclein aus Hefe Merck gab eine schwache Fällung. 3. Sublimat (7°). Nach Fischer werden Nuclein und Nucleinsäure aus saurer und alkalischer Lösung durch 7°/o Sublimat unlöslich ausgefällt. „Sehr langsam erscheinen !die Fällungen in den zunächst nur opaleszierenden Lösungen von ... Nuclein und Nucleinsäure.“ „Die konzentrierte wässerige Sublimatlösung ist gegen schwach alkalische Reaktion nicht merklich empfindlich.“ (8. 23.) Demgegenüber bekam ich keine Fällung bei der Hefe- nucleinsäure von Merck und von Elberfeld. Die Nucleinsäuren aus Rindermilz und Heringsmilch fielen wasserlöslich, die Fällung kam nur bei neutraler bezw. saurer Reaktion. Zweifel- haft wasserlöslich waren die Niederschläge der Nucleine aus Mohnsamen bei Verwendung 7,5 °/oiger wässeriger Lösung, und aus Hefe Grübler, bei Verwendung beider Sublimatlösungen. Unlöslich war jedoch die Mohnsamennucleinfällung mit 33 %/oiger alkoholischer Lösung, ferner mit beiden Sublimatlösungen die- jenigen von Nucleinsäure von Grübler, Nuclein aus Hefe Merck und Nuclein nach Horbaczewsky. 4. Pikrinsäure. Fischer schreibt (S. 20): Nuclein wird aus jeder Lösung schnell gefällt, aus saurer vielleicht nur wenig schneller als aus alkalischer. Die Niederschläge sind in Wasser unlöslich. nur bei sehr langem Stehen unter Wasser (8—10 Tage) wird eine schwache Abnahme bemerkbar. Nucleinsäure gibt eine wasser- lösliche Fällung. Ich fand, dass bei den Nucleinen die Fällung durch alkalische Reaktion sehr deutlich verzögert wurde; es waren, um sie hervorzurufen, unverhältnismässig grosse Mengen Pikrinsäure nötig. Den Niederschlag fand auch ich bei den Nucleinen un- An. i EV ;: „ Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 417 löslich, ausgenommen dem Grübler’schen Präparat, das einen zweifelhaft löslichen Niederschlag gab. Die Fällung der Ver- bindung von Clupein und Heringsmilchnucleinsäure löste sich ın Wasser nicht. Auch bei den Nucleinsäuren zeigte sich diese Fällung durch alkalische Reaktion, besonders bei der aus Rindermilz und Heringsmilch. Es gaben aber die Hefenucleinsäuren von Merck und Grübler einen unlöslichen, die Präparate aus Heringsmilch- nucleinsäure, Rindermilz und das Elberfelder Hefepräparat einen zweifelhaft wasserlöslichen Niederschlag. 5. Chromsäure. Nach Fischer werden aus alkalischen, neutralen und sauren Lösungen Nuclein und Nucleinsäure gefällt. Die Fällungen sind in Wasser unlöslich. Bei meinem Material an Nucleinen wurde die Chromsäure durch alkalische Reaktion in ihrer Wirkung gehemmt und fällte, wie Pikrinsäure, erst, wenn sie in grossem Ueberschusse an- wesend war. Die Nucleinfällungen, ebenso diejenigen der Hefe- nucleinsäuren waren unlöslich ; die Nucleinsäuren aus Rindermilz und Heringsmilch wurden zweifelhaft wasserlöslich gefällt. 6. Formalin. Fischer hält nach seinen Erfahrungen die in der histo- logischen Technik gebräuchliche 4°/o Lösung (zehnfache Ver- dünnung der käuflichen Präparate) für zu schwach und empfiehlt, eine 10°/o Lösung (auf '/ı verdünnte käufliche Präparate) anzu- wenden. Nuclein in alkalischer Lösung wurde durch 10 °/o Lösung nicht gefällt, in saurer:sehr schwach; Nucleinsäure gab unlösliche Gerinnsel bei jeder Reaktion. Ich versuchte das Formalin in der gewöhnlichen 7 °/o, dann in der von Fischer vorgeschlagenen 10°/o, endlich in der un- verdünnten 40°/o Lösung und war über die äusserst geringe Wirkung auch dieser letzteren Konzentration erstaunt. Mit den Nucleinsäuren aus Hefe Merck, aus Rindermilz und aus Herings- milch war keine Fällung zu bekommen, Hefe Elberfeld gab, wenn man sie in 10°/o Lösung mit 40°/o Formalin fällt, einen schwachen Niederschlag, die Grübler’sche Nucleinsäure schon in 2°/o Lösung. Einen Niederschlag von der gleichen Spärlich- keit gab Nuclein Grübler, sowie Nuclein aus Mohnsamen in 27* 418 Walther Berg: neutraler Lösung, Nuclein aus Hefe Merck in 5°/o Lösung; Nuclein nach Horbaczewsky war nicht zu fällen. Die Fällung der Hefenucleinsäure von Elberfeld war löslich, die anderen Fällungen sicher nicht unlöslich. 7. Jodalkohol. Jodalkohol vereinigt nach Fischer die Fällungskraft des Jods und des verdünnten Alkohols und fällt langsam alkalische und saure Lösung von Nucleinsäure und alkalische von Nuclein. Dagegen bekam ich keine Fällung mit Hefenuclein Merck, Nuclein nach Horbaczewsky, Hefenucleinsäuren Merck; mit Mohnsamennuclein nur bei neutraler, mit Hefenucleinsäure Elberfeld nur bei 10°/o Lösung, mit den Nucleinsäuren aus Rindermilz und Heringsmilch nur bei saurer Reaktion — hier fiel Jod massenhaft in Nadelform aus —, mit Hefenuclein und Hefenucleinsäure Grübler endlich bei jeder Reaktion einen Niederschlag, der quantitativ sich nicht von dem durch 55er Alkohol bewirkten unterschied. Er war immer wasserlöslich. Bei der neutralen Lösung der Clupein-Heringsmilchnuclein- säure-Verbindung war der Niederschlag ein kräftiger, weit massenhafter als beim 55er Alkohol. 8. Laugenalkohol. .Laugenalkohol wirkt nach Fischer gemäss der Hemmung die der Alkohol durch das Alkali erfährt. Dies ist, rein theoretisch betrachtet, durchaus einleuchtend. Es stimmt auch dazu, dass der Alkohol absolutus auch in meinen Versuchen auf die neutralen und sauren Lösungen der Stoffe stets energischer wirkte, als auf die alkalischen. Jedoch darf ich nicht verschweigen, dass meine Tabellen in einigen Fällen eine stärkere fällende Wirkung des Laugenalkohols verzeichnen. Be- sonders auffallend ist dies beim Mohnsamennuclein und bei der (rrübler’schen Hefenucleinsäure.. Wie man sieht, stimmen die von mir an vier Nucleinen und fünf Nucleinsäuren ge- wonnenen Resultate in vielen Punkten nicht mit Fischers An- gaben überein. Der Grund liegt wohl darin, dass die ver- schiedenen Nucleine und Nucleinsäuren durchaus nicht identisch und dass die von Fischer benutzten Grübler’schen Präparate nicht vollkommen rein sind. Jedenfalls aber bedürfen Fischers Angaben einer Ergänzung. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 419 G. Die Fällungsformen und ihre Entstehungsweise. a) Klassifizierung der Nucleine und Nucleinsäuren nach der Fällungsform. Fischer schreibt (S. 31): „Die Niederschläge der Ge- rinnselbildner sind bald mehr schollige oder häutig-faltig, bald und am häufigsten fein plasmatisch, gerüstig oder netzig, sie sehen aus wie der als feinpunktiert so oft beschriebene Zustand des Protoplasmas. Hieraus geht hervor, dass auch die Gerinnsel aus winzigen Körnchen (Globuliten) sich zusammensetzen, aber diese granulären Elemente sind zu grösseren Aggregaten vereinigt und alle von gleicher Grösse.“ Zu diesen Gerinnselbildern rechnet er das Nuclein. „Granulabildner dagegen geben isolierte oder paarweise und in kurzen Kettchen oder nach Art der Hefesprossverbände zusammengelagerte, schöne Körner von verschiedener Grösse.‘ Namentlich bei den bedingten Granulabildnern (die mit einigen Fixierungsmitteln auch Gerinnsel liefern) tritt letzteres ein, so- dass sie gewissermassen einen Uebergang zwischen Granula- und Gerinnselbildnern bilden. Doch unterscheiden sich diese Fällungen dadurch von den Gerinnseln, dass die Körnchen viel zu gross sind und scharf umschrieben hervortreten, während die echten Gerinnsel nur verwaschen punktiert erscheinen. Ich erhielt bei den übrigen Nuclein-Präparaten fast aus- schliesslich gekörnte Häute, bei dem Mohnsamennuclein aus Elberfeld aber fast ausschliesslich Granula! Das Mohnsamen- nuclein ist nun zwar nicht mit dem Hefenuclein identisch, viel- mehr ziemlich verschieden von diesem; es wird aber von physio- logisch-chemischer Seite als Nuclein aufgefasst und ist der Ver- treter einer Gruppe, zu denen auch die Nucleinen aus Erdnuss, Raps, Baumwollensamen gehören, muss daher) bei der Be- stimmung der Gruppencharaktere der Nucleine mit berücksichtigt werden. Die Nucleinsäuren stellt Fischer zu den Granulabildnern, zählt sie aber nebenher auch noch bei den Gerinnselbildnern auf, da sie mit einer Anzahl von Stoffen ausschliesslich, und mit anderen unter gewissen Bedingungen Gerinnsel bilden. Ich finde gleichfalls überwiegend Granulabildung, jedoch noch in viel höherem Masse als Fischer. Im besonderen geben 420 Walther Berg: folgende, von Fischer als ausschliesslich Gerinnsel erzeugend bezeichnete Agentien bei mir nur Granula: Formalin, Subli- mat 7°/o, Jodalkohol, Salpetersäure. Nur Sublimat 33 °/o alko- holische Lösung gab stets Gerinnsel. Es erweisen sich also die Nucleinen nicht ausschliesslich als Gerinnselbildner, die Nucleinsäuren dagegen als fast reine Granulabildner. b) Gerinnsel und granulierte Häute (gekörnte Häute). Ich will hier zunächst auseinandersetzen, wie ich mir den Unterschied zwischen gekörnten Häuten und Gerinnsel vorstelle. Die gekörnten Häute bilden sich unter geeigneten Be- dingungen als äusserst feine, flottierende Membranen, von denen sich fetzige Stücke abreissen lassen. Bei sehr starker Ver- grösserung und namentlich bei schiefer Beleuchtung erscheinen diese feinen Membranen leicht gekörnt. Es besteht also ein ziemlich fester Zusammenhang in diesen sehr in die Fläche, äusserst gering in der Tiefe sich ausbreitenden Gebilden, deren sranulierte Beschaffenheit andeutet, dass ihre ursprünglichen Komponenten kleinste Kügelchen waren. Ich sage ursprüngliche Komponenten, denn ich glaube, dass man diese Bildungen nur so erklären kann: Die Eiweisskörper fallen als Globuliten aus, die im Anfang flüssig sind, aber bald erstarren (Fischer sagt dasselbe, pag. 314). Wirkt nun das Fällungsmittel sehr energisch, so werden in einer dünnen Schicht die Globuliten so reichlich ausgefällt, dass sie unter Verschmelzung in einigen Schichten unter einander verkleben, bevor sie erhärten, durch die nun bald folgende Erstarrung wird sowohl das Zusammenfliessen zu grösseren Kugeln verhindert, wie auch der kuglige Charakter der ursprüglichen Globuliten mehr oder weniger erhalten. Dies verursacht das granulierte Aussehen. Ist die Ausfällung eine gerinnselige, so geht die Fällung in so dicker Schicht und so langsam vor sich, dass die Globuliten Zeit haben, bis zu einem gewissen Grade zu erstarren und sich in weiteren Abständen zu einem schwammigen Gebilde aneinander reihen und aneinander lagern können. Ich stütze mich dabei besonders auf die Beobachtung, dass ich in vier Fällen bei den Beiträge zur Theorie der Fixation etec. 421 Nucleinen, wo ich unter gewöhnlichen Bedingungen gekörnte Häute erhielt, durch Verdünnung des Fixierungsmittels und der Nucleinlösung oder durch Anwendung einer konzentrierten 5°/o Nucleinlösung und eines verdünnten Fixierungsmittels d.h. durch Verzögerung der Wirkung des Fällungsmittels, Gerinnsel erzielen konnte. c) Granula. Nach Fischer bestehen die Niederschläge zuerst aus winzigen Globuliten; von der Diffusionsgeschwindigkeit des gelösten Eiweisskörpers hängt ihr weiteres Wachstum ab. „Ist diese sehr gering, wie bei den stark colloidalen Albuminen, Globulinen und Nucleoalbuminen, so wird es nicht zur Anlagerung neuer Schichten kommen, weil die Konzentrationsdifferenz . nicht schnell genug durch hinzudiffundierende Eiweissmolekel ausgeglichen wird. Diese werden zwischen den zuerst ausge- schiedenen Körnchen weiter ausgefällt und so entstehen die aus winzigen zusammengehäuften und aneinander hängenden Globuliten aufgebauten feinpunktierten Schollen, Häutchen und plasmaähn- lichen Aggregate der Gerinnselbildner. Die nicht so stark kolloidalen Stoffe aber, wie Pepton, Albumosen, Hämoglobin, Nucleinsäure ergänzen durch Diffusion mehr oder weniger leicht und vollständig die Konzentrationsdifferenz, und neue Substanz wird auf die ersten Granulationen abgeschieden, wodurch diese zu den grösseren Granulis heranwachsen und zwar um so grösser, je konzentrierter die Lösung ist.“ Die Möglichkeit, dass diese Anschauung richtig sein kann, will ich nicht bezweifeln. Ich glaube aber, eine andere Er- klärung für die Entstehungsweise der Granula wahrscheinlich machen zu können, die ich für das Entstehen von grossen Granulis aus konzentrierten Lösungen direkt in mehreren Fällen be- obachtet habe. Die Bilder, welche Fischer (Seite 43) von Hefenuclein- säurefällungen (durch Chromsäure, Platinchlorid und Flemming- sche Lösung), welche in Wasser unlöslich wird, gibt, sprechen dafür, dass diese Niederschläge anfangs nicht starr gewesen sind, sondern mindestens eine Zeit lang flüssige Eigenschaften gehabt haben müssen, da die Granula sonst nicht zu chromosomen- artigen knorrigen Gebilden hätten zerfliessen können. 422 Walther Berg: Ähnliche Verhältnisse habe ich an fertigen Niederschlägen mehrfach beobachtet. Die Platinfällung der Heringsmilchnuclein- säure zeigte öfters Gruppen von 2 Granulis, von denen das eine kleinere dem anderen etwas deformiert und breitbasig aufsass. Sie waren offenbar erstarrt, bevor sie sich zu einem grossen (Granulum abrunden konnten. Bei der Platinfällung des Clupeins, die erst in Wochen vollkommen starr wird, sah ich „Chromosomen“ und „Knorren“. Endlich erinnere ich an die Eigenschaft, der Granula der ent- stehenden Clupein-Heringsmilchnucleinsäure-Verbindung, sich zu grösseren Kugeln vom gleichen * Lichtbrechungsvermögen zu vereinigen. Die direkte Beobachtung zeigt nun folgendes: Lässt man zu einem Tropfen konzentrierter Lösung von Hefenucleinsäure aus Elberfeld, Rindermilznucleinsäure oder Heringsmilchnuclein- säure einen Tropfen 5°/o oder 10°/o Platinchloridlösung fliessen, so entstehen zuerst äusserst winzige, eben noch mit einer guten Öl-Immersion erkennbare Granula, kaum grösser, als die Elemente der Gerinnsel und wohl nur infolge ihrer Isolierung besser zu erkennen. Diese zeigen lebhafte Bewegung, legen sich zu Gruppen von 4—6 zusammen und verschmelzen teils zu runden Granulis, teils zu unregelmässigeren Gebilden. Dann tritt teilweise Hohl- körperbildung auf, was hier unberücksichtigt bleiben mag. Ein Teil von den so entstandenen Granulis rückt oben auf den Öbjektträger und zerfliesst dort zu netzartigen oder Hirsch- geweih-ähnlichen, öfters auch nur strangförmigen Figuren. Diese Gebilde können sich teils vakuolisieren — eine Entwicklungs- erscheinung wie bei der Clupein-Nucleinsäureverbindung — teils aber kontrabieren sie sich zu runden, dicken Tropfen, die all- mählich erstarren und die späteren Riesengranula abgeben, welche in den Fäliungen aus konzentrischen Lösungen neben mittleren und kleineren Granulis, die wir eben durch Verschmelzung kleinster haben enstehen sehen, beobachtet werden können. Die Granula vergrössern sich also nicht durch appo- sitionelles Wachstum, sondern durch Verschmelzen, zuerst kleinster Granula; ob diese den Elementen der (rerinnsel vollkommen homolog sind, wage ich nicht mit Be- stimmtheit zu behaupten, ich glaube es aber. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 4253 Über den feineren Aufbau der Granula spricht sich Fischer folgendermassen aus (3, Seite 32) : Spiegeldifferenzierung ist sicher weiter nichts als eine zur rechten Zeit abgebrochene Entfärbung der durchweg gleichartig gebauten Granula, deren Micelle im Zentrum ebenso zusammengelagert sind, als in der Peripherie, in den kleinsten Granulis nicht anders als den grossen . Man könnte ja vermuten, dass die Granula konzentrisch geschichtet sind, dass die zuerst ausgefällte Anlage oder der Keim, der durch neue Auflagerung allmählich zu den grossen Granulis” heran- wächst, am dichtesten, substanzreichsten ist, und dass die später sich ansetzenden Schichten, entsprechend der sich in der Mutterlauge einstellenden Verdünnung, auch immer lockerer gebaut sind. Eine verschiedene Beschaffenheit der Granula in den peri- pheren und den zentralen Schichten geht auch aus folgenden beiden Beobachtungen hervor. 1. Die eine ist folgende optische Erscheinung: Die nach der Francotte’schen Modifikation des Heidenhain’schen Hämatoxylinverfahrens tief schwarz- blau gefärbten Granula zeigten bei der Beobachtung mit dem apochromatischen Immersionssystem von 2,0 mm Bild und 1,40 n. t. von Zeiss Farbenringe um ihre Peripherie herum. Eine eingehende, in Jena vorgenommene Prüfung des Systems ergab, dass es fehlerfrei war, und dass andere Exemplare des Systems dieselbe Chromasie zeigten, diese also vom Objekt abhängig sein musste. Die Erscheinung wird befriedigend erklärt, wenn wir der Anregung Fischers folgend annehmen, dass die Granula kon- zentrisch geschichtet sind, ohne ein appositionelles Wachstum zuzugeben — wenigstens in ihren peripheren Teilen. — Das Licht kann dann, in das Granulum eindringend, von den Kugel- flächen der äusseren Schichten in der Weise reflektiert werden, dass den von den verschiedenen Flächen reflektierten Strahlen Gangunterschiede erteilt werden und Farben dünner Blättchen entstehen. Das Zentrum absorbiert fast alles Licht; die Er- scheinung ist nur an gefärbten Granulis sichtbar, wohl deshalb, weil die sehr lichtschwachen Farbenbänder neben hellen Granulis verschwinden. 2. In denselben Kanadabalsampräparaten, welche durch Alkohol und Xylol gegangen waren, wurden mittelgrosse Granula 424 Walther Berg: beobachtet, deren peripherste Schicht von glänzend blau- schwarzer Färbung von den zentralen wie eine Schale abgeblättert war; diese waren heller und stumpfer gefärbt und zeigten bei maximaler Vergrösserung und schiefer Beleuchtung eine äusserst feine Granulierung. Die peripheren Stücke lagen teilweise tangen- tial herum. An einem Monate alten Präparat liess sich, was beim Zeichnen einer bestimmten Stelle beobachtet wurde, durch leichten Druck mit einer Nadel auf das Deckglas ein intaktes Granulum in Schale und zentralen Kern zerlegen. Diese Beobachtung widerspricht nicht der eben mitgeteilten Farbenerscheinung, da schon eine konzentrierte Schichtung der „Schale“ genügt, um jene hervorzubringen. Es besteht also in den beschriebenen Fällen eine feine Differenzierung der Granula in periphere dichtere und zentrale weniger dichte Schichten?). Wodurch diese bedingt ist, wage ich vorerst noch nicht zu ent- scheiden, jedenfalls aber ist appositionelles Wachstum auf Grund der obigen direkten Beobachtungen auszuschliessen. d) Hohlkörper. Hohlkörper wurden beobachtet bei den Fällungen des Clupeins durch Flemming und Hermann, bei dem Entstehen der Clupein-Heringsmilchnucleinsäureverbindung, beim Fällen konzentrierter Nucleinsäurelösungen mit Platinchlorid. Die Hohlkörper des Clupeins gleichen den schon oben be- schriebenen Aggregaten, die durch Zusammentreten einiger Hohl- kugeln der Clupein-Nucleinsäureverbindung entstehen und haben ziemlich beträchtliche Grösse, wogegen die Grösse der bei den Nucleinsäuren beobachteten Hohlkörper nur eine geringe ist und ihre Natur nur durch Betrachtung mit der Öl-Immersion be- quem erkannt werden kann. Wie aber schon angedeutet wurde, kann man, wenn man den Verlauf der Fällung von 10°/o Nucleinsäure durch Platin- chlorid unter dem Mikroskop beobachtet, hohle Gebilde auf zweierlei Weise entstehen sehen. Finmal schwellen sekundäre Granula verschiedener Grösse zu Hohlkörpern auf, andererseits ', Fischer vermutet ebenfalls eine konzentrische Schichtung der Granula, jedoch nur als eine unbestimmte Möglichkeit, denkt sich aber dabei die peripheren Schichten als die lockerer gebauten. Das Gegenteil ist. nach meinen Beobachtungen an Nucleinsäuren der Fall. Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 425 können sich strangartige oder netzförmige, auf dem Objektträger zerflossene Gebilde vakuolisieren, freilich nicht so intensiv wie bei der Olupein-Nucleinsäureverbindung; wenn diese sich dann in runde Tropfen zerschnüren, kommt eine der Vakuolen oder Erklärung zu Fig. 2. 10°/o Hefenucleinsäure aus Elberfeld, gefällt mit 5°/o Platinchlorid, ungefärbtes frisches Präparat, Vergrösserung 2300 (Objektiv: Zeiss, Aprochm. 2 mm, Okul. 18). Grössere Hohlkörper, kleine Hohlkörper zum Teil zusammengeschmolzen, kleine Granula. mehrere in einen der Tropfen der sich allmählich zu einem kugel- förmigen Gebilde kontrahiert, zu liegen. Im einzelnen zeigen die Präparate ein etwas difterentes Verhalten: Bei der Hefe- nucleinsäure kommen neben relativ grossen, sehr kleine Hohl- körper vor; sie haben alle eine ziemlich dicke Wand und sind sehr zahlreich. Bei der Rindermilznucleinsäure sind die Hohl- körper spärlich und von noch bedeutenderer Wanddicke, ihre (srösse ist eine mittlere. Diejenigen der Heringsmilchnucleinsäure sind relativ gross, von geringer Wanddicke und nicht besonders zahlreich im Verhältnis zu den soliden Gebilden. In Fällungen, welche längere Zeit gestanden haben, sieht man ziemlich häufig Hohlkörper mit zwei und mehreren Vakuolen, die offenbar aus vakuolisierten Gebilden in der eben erwähnten Weise ent- standen sind. Beide Sorten von Hohlgebilden sind nicht als Lösungsformen') aufzufassen, denn es bildet sich die eine gleichzeitig mit den mittelgrossen Granulis, die andere gleichzeitig mit den Riesen- granulis; sie verändern sich auch nicht in anderer Weise als !) Gegen diese von Fischer vertretene Auffassung hat sich auch OÖ. Bütschli (1) gewendet. Vgl. ferner diese Arbeit p. 412. 426 Walther Berg: die Vollgebilde, sie werden wie diese allmählich starr, so dass man in Dauerpräparaten, welche in Kanadabalsam eingeschlossen sind, hier und da im Präparate (Fig. 3) zerbrochene Hohlkörper sehen kann, deren Wandstücke teils übereinandergeschoben sind, so dass man die Form des Hohlkörpers noch etwas erkennen kann, teils als isolierte Scherben im Präparate herumliegen. Verursacht ist dies wohl durch mechanische Insulte beim Einschliessen in den Balsam; man kann übrigens wie oben bemerkt diese Bilder an intakten Hohlkörpern durch Druck mit der Nadel auf das Deckglas des Kanadabalsampräparates hervorrufen. Erklärung zu Fig. 3. 10°/o Heringsmilchnucleinsäure, gefällt mit 10°/o Platinchlorid. Kanada- balsampräparat, gefärbt nach Heidenhain-Francotte, gezeichnet im Massstab 2300:1 (Abg. Aprochrom 2 mm, Okul. 18), durch photographieren auf 1000:1 verkleinert. Oben zerbrochene Hohlkörper, dazwischen ein künstlich zerquetschtes Granulum (abgesprengte Schale). Hohlkörper mit mehreren Vakuolen. In der Mitte rechts neben dem grossen zweikammerigen Hohlkörper zwei Granula vor dem Ineinanderfliessen erstarrt. Wir haben also in den Hohlkörpern eine Fällungsform, welche ebensowenig wie die mittleren oder grossen Granula der Nucleinsäurefällungen, oder mit demselben Recht wie diese als sekundäre Bildungen angesehen werden können. Sie entstehen, Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 427 bevor die Elemente der Fällungen erstarren, sind daher als eine selbständige Fällungsform anzusehen. Über die Bedingungen, unter welchen die Hohlkörper ent- stehen, gedenke ich noch genauere Untersuchungen anzustellen, die dann anderen Ortes publiziert werden sollen. Wir haben also gesehen, dass neben. der Fällungsform des Gerinnsels die von gekörnten Häuten unterschieden werden muss, dass die Granula nicht durch appositionelles Wachstum, sondern durch Verschmelzung wachsen und dass, wenn man diese so entstandenen grossen Granula doch als eine Fällungsform bezeichnen will, man auch die Hohlkörper als besondere Fällungsform auffassen muss. Die Untersuchungen wurden im Frühjahr 1901 begonnen und im Februar 1902 abgeschlossen. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn (reheimrat O0. Hertwig für die liebenswürdige Bereitwilligkeit zu danken, mit der er mir die Institutsmittel zur Verfügung stellte, sowie ihm und seinen Herren Assistenten für ihr freund- liches Interesse an meinen Arbeiten, vor allem aber Herrn Dr. G. Wetzel für die Anregung zu diesen Untersuchungen und ständigen Rat und Unterstüzung. Zusammenfassung. 1. Aus der Wirkung, welche die Fixierungsmittel auf die Lösung eines Proteids haben, kann nicht ohne weiteres auf die Wirkung geschlossen werden, welche diese Mittel auf das als Strukturträger im Gewebe oder der Zelle vorhandene Proteid haben, da der Zustand der Proteide daselbst nicht identisch mit dem in Lösungen ist. 2. Nach der Berücksichtigung des obigen Gesichtspunktes folgt noch eine weitere Einschränkung daraus, dass das Verhalten der Vertreter einer Körpergruppe nicht einheitlich ist, sondern je nach der Herkunft der (dann 428 Walther Berg: meist auch chemisch verschiedenenen) Stoffe wechselt (z. B. Nucleinsäure aus Rindermilz und aus Herings- milch gibt keine Fällung mit Eisessig, wohl aber Hefenucleinsäure). (Ferner vergleiche das Verhalten der Nucleinsäuren zum Formalin p. 401 und p. 417.) Die Protamine sind bisher noch nicht von fixierungs- analytischen Gesichtspunkten aus untersucht worden. Ebensowenig ihre künstlich herstellbaren Verbindungen mit Nucleinsäuren. Im vorhergehenden ist das Clupein (als Sulfat) und die Ulupein - Heringsmilchnucleinsäure- Verbindung zum erstenmal in ihrem Verhalten gegen eine grosse Zahl von Fixierungsagentien geprüft worden. Die Einzelheiten siehe p. 406 und p. 409. Der tabellarische Beleg für das Verhalten der Clupein-Heringsmilchnuelein- säure wird in einer weiteren Arbeit mitgeteilt werden. Es sei besonders hervorgehoben, dass die Ergebnisse beim Clupein nicht als gültig für die Protamine über- haupt angesehen werden. Zu diesem Vorbehalt nötigen die Erfahrungen an den verschiedenen Nucleinen und Nucleinsäuren. Selbst für die beiden letzteren müssen wir uns bei Heranziehung weiterer Präparate noch auf neue Variationen gefasst machen. Fischer hat zwei Fällungsformen Granula und Ge- rinnsel, unterschieden. Diesen müssen als dritte Form die Hohlkörper angereiht werden (pag. 424). Diese treten vor allem bei der Fällung der Nucleinsäuren durch Protamine und umgekehrt auf. Ferner sind neben den Gerinnseln als eine besondere Form die granulierten Häute charakterisierbar (p. 420). Von den von Fischer unter die reinen Gerinnselbildner gerechneten Stoffen können die Nucleine nicht ferner durchweg als solche rechnen, da das Mohnsamenuclein typisch granulär gefällt wird (p. 419). Von einzelnen Resultaten, welche so auftallend sind, dass sie zu einer Verwertung für die histologische Praxis und deren Beurteilung auffordern, sei auf folgendes besonders hingewiesen : -1 Beiträge zur Theorie der Fixation etc. 429 a) Mit Osmiumsäure kann weder eines der unter- suchten Nucleine noch Nucleinsäuren gefällt werden. (auch von Fischer konstatiert). SE Besonders auffällig war ferner die fast gänzliche Wirkungslosigkeit des Formalins. Die alkoholische Lösung des Sublimats (33/0) ist an Wirksamkeit der wässrigen (7,5°/0) eminent überlegen. ü d) Die stärkste Wirkung gegen Nucleine und Nuclein- säuren haben Alkohol, Eisessig und vor allem, dem letzteren noch überlegen, Chloroform - Alkohol - Eisessig. oO Eine weitere Erörterung in Bezug auf die histo- logische Praxis und die fixierten histologischen Bilder muss auf später verschoben werden (2370). Die Entstehung der grösseren Granula erfolgt nicht durch appositionelles Wachstum, sondern durch Verschmelzung von kleineren; diejenige von kleinen wahrscheinlich durch Verschmelzung von Globuliten. Bei der Platinfällung von 10° Heringsmilchnuc- leinsäure wurden Granula beobachtet, die einerseits konzentrische Schichtung ihrer peripheren Zone zeigten, andererseits Differenzierung in einen dichteren, schalen- artigen, peripheren und einen weniger dichten zentralen Teil, Verhältnisse, welche ebenfalls zu der von Fischer auf andere Weise an soliden homogenen Granulis hervor- gebrachten Spiegelfärbung führen müssen. (Vgl. Fischer p- 32 und diese Arbeit p. 424 Anmkg.) Die konzentrische Schichtung kann ich nicht als einen zwingenden Beweis für appositionelles Wachstum ansehen. 430 Walther Berg: Beiträge zur Theorie der Fixation etc. Im Texte zitierte Literatur. Dies Verzeichnis beansprucht ebensowenig wie die in der Einleitung angeführte Literatur Vollständigkeit. Das ausführliche Literaturverzeichnis von A. Fischer macht eine nochmalige Zusammenstellung unnötig. 1. OÖ. Bütschli: Meine Ansicht über die Struktur des Protoplasmas etc. A. f. Ewmechanik. Bd. XI. 1901. 2. OÖ. Cohnheim: Chemie der Eiweisskörper. Braunschweig 1900. 3. A. Fisc her: Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas. Jena 1899. — Uber Protoplasmastruktur. Arch. f. Ewmechanik. Bd. XIII. 1902. 4. Francotte: Arch. de Zoologie experimental. T. VI. 1898. 5. W. Klinkenberg: Zeitschr. f. physiolog. Chemie. Bd. VI. 1882. 6. A. Kossel: Zeitschrift f. physlg. Chemie. Bd. 22. p. 178. “. P. Kronthal: Von der Nervenzelle und der Zelle im allgemeinen. Jena 1902. 8. Fr. Miescher: Histochemische und physiologisehe Arbeiten. Leipzig 1897. 431 Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. Nach den Untersuchungen am Rhynchelmis-Eie. Von F. Veidovsky, Professor an der böhmischen Universität in Prag und A. Mräzek, Privatdozent daselbst. (Mit Unterstützung der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften in Prag.) Mit einer Vorbemerkung von F. Vejdovsky. Hierzu Tafel XIX—XXIV und 11 Textfiguren. Inhaltsübersicht. Vorbemerkung. I. Gewinnung des Materiales und Untersuchungsmethoden. II. Spezieller Teil. $S 1. Struktur des Eies während der Reifung und Besamung. Reifung des Eies. Besamung. Schicksal des Besamungskegels und das Centriol. Centroplasmakugel im Zentrum des Eies. Dizentrische Centroplasma-Figur. Erste Furchungsspindel. $ 8. Zweite und nachfolgende Furchungsspindeln. III. Allgemeines. Literaturverzeichnis. Tafelerklärung. nom ww WM URUR UN U UR UM I [ 0) Vorbemerkung. Mehr als 15 Jahre sind seit der Zeit verstrichen, als ich meine Beobachtungen über die Reifung, Befruchtung und Furchung des Eies der Öffentlichkeit vorgelegt und auf die merkwürdigen, bis dahin überhaupt unbekannten Vorgänge aufmerksam gemacht habe, welche sich vor und während der Kernteilung in der Zell- substanz des Rhynchelmis-Eies abspielen. Die grossen plasma- tischen Kugeln, von mir als Periplaste bezeichnet, sind nach meiner damaligen Darstellung von grosser Bedeutung für die Bildung der Tochterzellen, indem sie in sich selbst, also endogen, neue Zellanlagen enthalten, welche sich zuerst teilend, die Kern- und Zellteilung einführen. So rede ich in meiner Schrift von den Mutter-, Tochter- und Enkelperiplasten als wesentlichen Bestandteilen der sogen. achromatischen Teilungsfiguren. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62, 28 432 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Unmittelbar nach der Veröffentlichung meiner Schrift erschienen die Arbeiten von Boveri und Ed. van Beneden, welche sich mit denselben Fragen befassen und ebenfalls auf die von mir beobachteten Elemente das Hauptgewicht legen. In wesentlichen Punkten weichen allerdings die von den genannten Forschern beschriebenen Gebilde ab, so namentlich was die Bildung und Schicksale der neuen achromatischen Kugeln anbelangt. Wenn es einmal als Axiom angenommen wurde, dass eine Teilungs- organelle in der Gestalt des sogen. Centrosoms in der Zelle existiert und dass diese Organelle nur in der von Ed.van Beneden und Boveri bei Ascaris megalocephala be- schriebenen Gestalt durch einfachen Teilungsvorgang auf die nächste Zellgeneration übergeht, so ist ein Vergleich der Teilungs- prozesse im Eie von Rhynchelmis einerseits und bei Ascaris andererseits damals überhaupt unmöglich geworden. Auch die Ergebnisse der darauffolgenden, von vielen Seiten angestellten Beobachtungen schienen nur zu bestätigen, dass die von mir beobachteten Verhältnisse bei Rhynchelmis keinesfalls auf das Schema der Eier der Echinodermen, von Ascaris und der übrigen damals und späterhin beobachteten Tiere zurückzuführen seien und auf Grund der vermeintlichen Teilungsorganelle sind sogar von sehr kompetenten Seiten grundlose Meinungen aus- gesprochen worden, dass die von mir beobachteten Tatsachen irrtümlich gedeutet wurden (Fol, Bütschli). Und so ist bis zum Erscheinen der Schrift von Boveri „Über die Natur der Centrosomen“ nicht einmal versucht worden, das in den Rhyn- chelmis- Eiern Dargelegte mit den von anderen Autoren be- schriebenen Tatsachen in Einklang zu bringen, ja meine Schrift ist bis auf einige wenige Ausnahmen — zum grossen Nachteile der Fortschritte der Lehre über die Zellteilung — ignoriert worden. Es ist nämlich wenigstens soviel sicher, dass Heiden- hain niemals seine Theorie „der zentrierten Fadensysteme“ aufgestellt hätte und Alfred Fischer nie zu seinen befremdenden Schlüssen über die Beschaffenheit der achromati- schen Zellfiguren angelangt wäre, hätten sie mit gehöriger Sorgfalt die schon damals bekannt gewordenen Tatsachen im befruchteten Rhynchelmis-Eie und dessen Blastomeren, berück- sichtigt und erwägt. Die Veröffentlichung des Fischer’schen Buches, :welches nach meiner Erfahrung bei den älteren sach- Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 433 kundigen Forschern ein Erstaunen, bei den jüngeren eine Ent- rüstung erwecken musste, hätte einen Sinn, wenn die Schrift wenigstens zur teilweisen Klärung der auch in der allerletzten Zeit als geheimnisvoll erscheinenden Vorgänge in der Zellteilung beitragen würde; so aber führte sie nur neue Verwirrung in die Wissenschaft ein. Trotz aller abweichenden Beurteilung oder selbst Ignorierung meiner Angaben war ich von der Richtigkeit derselben fest überzeugt, nur erschien es mir gewissermassen bedenklich, ob vielleicht die von mir angewandten Fixierungs- und Färbungs- methoden nicht ausreichend waren und ob vielleicht durch Anwendung anderer Methoden, namentlich derjenigen, welche neuerdings gebraucht werden und sich in jeder Beziehung als ausgezeichnet erwiesen haben, zu anderen Resultaten zu gelangen möglich wäre. So erwünscht erschien es mir daher, von neuem und mit allerverlässlichsten Methoden die Untersuchung über das befruchtete Rhynchelmis-Ei vorzunehmen, um die sich hier abspielenden Vorgänge mit den bei anderen Tieren bekannt gewordenen in Einklang zu bringen, so bedauerlich für mich war der Umstand, dass meine Absicht unmittelbar nach dem Erscheinen der Arbeiten von Boveri und Ed. van Beneden sich nicht durchführen liess und dies aus dem einfachen Grunde, weil es mir nicht gelang, das notwendige Untersuchungsmaterial zusammenzubringen. In den Altwässern der Elbe bei Elbe- Kostelec, wo vor Jahren Rhynchelmis in enormer Anzahl gelebt hatte, wurde der Wurm, wie die übrige Fauna und Flora, in dem letzten Dezennium durch Elodea canadensis ausgerottet und dasselbe wiederholte sich in der Moldau bei Prag durch die Regulationsarbeiten des Flussbettes und bei Troja wurde das Moldauwasser durch die Schmutzwässer einer Ölfabrik total vergiftet, sodass man derzeit kein einziges Exemplar der früher im hiesigen Flussgrunde zu tausenden wühlenden Rhynchelmis wiederfindet. Die übrigen Fundorte in der nächsten Umgebung von Prag sind leider unzugänglich. Erst 1598 gelang es durch glücklichen Zufall einen neuen Fundort in der Elbe bei Öelakovice zu 'entdecken. Derselbe ist so ausgiebig, dass er durch volle fünf Jahre genügte, das notwendige Material nicht nur für die vorliegenden Untersuchungen, sondern auch für anderweitige Studien zu liefern. 28* 434 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Der Entdecker dieses ausgiebigen Fundortes war mein Assistent und Mitarbeiter Mräzek, welcher sowohl mit anerkennens- wertem Fleisse, namentlich in den Wintermonaten ' der letzten Jahre das Rhynchelmis- Material sammelte, als auch die meisten Fixierungs- und Färbungsmethoden an den Eiern des genannten Wurmes erprobte und dadurch die Angaben Fischers über die Fixierung des Protoplasma gewissermassen einer Kontrolle unterziehen konnte. Immerhin aber waren wir imstande, die von mir vor Jahren mitgeteilten Angaben über die Entstehung der neuen Zellanlagen nicht nur im wesentlichen zu bestätigen, sondern auch in mehreren Richtungen, namentlich was die Existenz des Centriols Boveris anbelangt, zu ergänzen. Und nachdem uns später gelungen ist, die günstigen Eier anderer Tiere, wie die von Glossiphonia, Petromyzon und einiger niederer Annulaten zu vergleichen, waren wir schliesslich imstande, die Bedeutung der sogen. achromatischen Teilungsfiguren auf Grund der Vorgänge, deren Gesamtheit wir als Plasmaumbildung be- zeichnen, einer Erklärung näher zu bringen. Wenn auch nun in der letzten Zeit Boveri dieselben Vorgänge in den Eiern zahlreicher Tiere erfreulicherweise zu sicherstellen vermochte, welche ich vor 15 Jahren zuerst bei Rhynchelmis dargestellt habe, so muss man doch immer auf die Befruchtung und Teilung des Eies des letztgenannten Wurmes ein besonderes Gewicht legen, denn es gibt kaum ein anderes zum Ermitteln der fraglichen Verhältnisse, namentlich der Plasmastrukturen im Allgemeinen, geeigneteres Material, als die Eier von Rhynchel- mis, denen die Eier der Glossiphonien noch am nächsten stehen. So legen wir die Ergebnisse einer fünfjährigen gemein- samen Arbeit der Öffentlichkeit vor und danken zugleich der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften in Prag für die Unterstützung, durch welche diese Schrift vollendet und heraus- gegeben werden konnte. Prag, den 1. Oktober 1902. F. Vejdovsky. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 435 Gewinnung des Materials und Untersuchungs- methoden. Da, wie schon erwähnt, die Fundorte in der nächsten Umgebung von Prag, wo man der Rhynchelmis noch begegnet, schwer zugänglich sind und nur ein spärliches Material liefern, so hat der eine von uns (Mräzek) in den entfernteren Gewässern Rhynchelmis in grösserer Menge zu finden gesucht, was ihm schliesslich nach jahrelangem Suchen in der Umgebung von Celakovice gelang. Hier erbeutet man stets mit ziemlicher Sicherheit und in kurzer Zeit eine grössere Menge von Rhynchelmis, was umsomehr ins Gewicht fallen muss, da die Jahreszeit, in welche die Laichperiode von Rhynchelmis fällt, nämlich die Wintermonate, das Sammeln der Würmer keinesfalls zu einer gerade angenehmen Beschäftigung sich gestalten lässt. Bei Celakovice kommt Rhynchelmis beinahe in allen mit der Elbe in Verbindung stehenden Gewässern vor. Ausgiebigste Fundorte liefert aber die Inundations- zone der Altwässer, in welcher man oft an kleine, kaum einige Quadratmeter einnehmende Stellen stösst, wo der weiche, schlammige Boden buchstäblich von hunderten von Würmern wimmelt, die mit dem grössten Teile ihres Körpers im Schlamme stecken und nur mit dem frei ins Wasser hervor- ragenden Schwanzende die bekannten schlängelnden Athem-Bewegungen aus- üben. An solchen Stellen kann man in günstiger Saison sehr leicht in einigen Minuten mehrere hunderte von Exemplaren sammeln. In anderen Jahren ist dagegen die Beschaffung des Rhynchelmis- Materiales mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, nämlich zur Zeit des Hochwassers, wo der Zugang zu den Fundorten erschwert ist. Steht das Wasser der Elbe etwas höher, so bildet die gesamte Niederung bei Celakovice einen einzigen grossen See und das Sammeln von Rhynchelmis ist dann einfach unmöglich. Glücklicherweise scheint es aber, dass während des Hochwassers und der damit verbundenen Überschwemmung des Ufergebietes Rhynchelmis ihre Kokons nicht ablegt, was vom ökologischen Standpunkte gewiss auffallend ist. Welche Faktoren hier mitspielen, ob der hohe Wasser- stand oder die geänderten Bewegungsverhältnisse des Wassers, Temperatur oder das Accomodationsvermögen des Wurmes an bestimmtes Wasserniveau bei der Eiablage lässt sich nicht so einfach erklären. Sicher ist es aber. dass dieser Erscheinung ein wichtiger, ökologischer Wert zuzuschreiben ist, denn dadurch wird der eventuellen Vernichtung der Brut an ähnlichen Lokalitäten gesteuert, die sonst sicher eintreten müsste, da die an Pflanzen und anderen Gegenständen befestigten Eikapseln beim rasch erfolgenden Ab- fallen des Wassers austrocknen müssten. Dass die Würmer sonst eine bestimmte Höhezone mit Vorliebe bewohnen, darüber hat sich einer von uns (Mräzek) während des Hochwassers überzeugt, wo sich die Würmer an den in der Nähe des Ufers umhertreibenden Pfianzenbüscheln ansammelten; die letzteren werden meist aus Pflanzenwurzeln, Grashalmen und Elodeazweigen gebildet. Über die Laichperiode von Rhynchelmis, den Bau, die Grösse und Form des Kokons, sowie über die Art der Eiablage und Kokonbildung hat einer von uns (Vejdovsky) bereits vor Jahren ausführliche Angaben mit- 436 F. Vejdovsky & A. Mräzek: geteilt, die mit den jetzigen Beobachtungen übereinstimmen. Während der Eiablage nimmt man eine überaus grosse Resistenzfähigkeit und Plastizität der Eier wahr. Diese Eigenschaften ermöglichen das Intaktbleiben der schon aus dem Leibe herausgetretenen Eier bei dem weiteren Brutgeschäft in dem noch unfertigen weichen Kokon, welche sonst arg beschädigt sein müssten. Denn die Eier werden, besonders wenn sie zahlreicher sind zwischen dem Wurmleib und der Kokonwand bei den einzelnen Bewegungen des Tieres, namentlich, als es sich aus dem Kokon herauszuziehen beginnt, hin und her gedrängt und nehmen dabei die verschiedensten Gestalten an, indem sie jedem Druck nachgeben und so bald biskuitförmig, mehrlappig etc. erscheinen. Diese Plastizität der Eier erklärt sich natürlich durch die zu dieser Zeit noch bestehende Verteilung der Plasmastrukturen. In den frisch gelegten Kokons behalten die Eier noch eine Zeit lang die unregelmässige Gestalt, die sie bei der Eiablage erhielten. Erst all- mählich ändert sich dieselbe, die Eier werden annährend kugelig und ordnen sich regelmässig in der Mitte des Kokons an. Infolge der grossen Plastizität würden sich die Eier von Rhynchel- mis vorzüglich für entwicklungsmechanische Untersuchungen eignen, wofür auch ihre relative Grösse vorteilhaft wäre. Für uns handelte es sich aller- dings in erster Reihe darum, in möglichst vollständiger Reihe die ersten Entwicklungsvorgänge festzustellen, sodass uns vorläufig weder Zeit noch Material zu entwicklungsmechanischen Untersuchungen übrig blieben. In einer Richtung war es aber doch wünchenswert, mit den bloss- gelegten Eiern zu experimentieren, nämlich um sicherzustellen, ob die Eiweissflüssigkeit für die Entwicklung des Eies unentbehrlich ist oder nicht? !) Wir versuchten daher, zu diesem Zwecke die Eier aus der Kokonhülse herauszuschälen, um sie, frei im Wasser liegend weiter entwickeln zu lassen. Aber die Entfernung der Kokonhülse hat uns viele Mühe und viel Material gekostet. Bei späten Furchungsstadien gelingt es relativ leicht, anders da- gegen bei den ersten Furchungsstadien oder gar noch bei nichtgeteilten flüssigen Eiern. Beim ersten auch schwächsten Druck, welcher durch das Zerren des angeschnittenen Kokons auf die Eier ausgeübt wird, fliessen aus den einzelnen Eiern kleine Tröpfchen aus, die sich bald auf Kosten der Eier vergrössern, die auf solche Weise ganz vernichtet werden. Schliesslich aber gelang es uns mit Leichtigkeit, die Eier unversehrt aus den Kokons zu befreien und zwar aus den soeben abgelegten Kokons, in welchen die Eier, wie bereits erwähnt, noch eine ungemein grosse Plastizität besitzen. Man braucht nur den einen Kokonzipfel mit einer feinen Pinzette anzufassen und mit einer Scheere die Kokonhülse der Länge nach durchzuschneiden und dann die Eier herauszuschütteln. Bei dieser, gewiss groben Manipulation werden zwar die Eier im Kokon hin und her getrieben und auch in den schmalen Raum zwischen dem Scheerenschenkel und der Kokonwand gedrückt, wobei ') Sonst hat einer von uns (Vejdovsky) schon vor Jahren nach- gewiesen, dass die Oligochätenembryonen und wohl auch die Hirudineen die Eiweissflüssigkeit nicht verschlucken, und dass diese kein Nährmaterial vorstellt. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 437 sie verschiedenartige Formen, wie bei der Ablage aus dem Körper, annehmen ; sobald sie aber aus dem Kokon befreit werden, nehmen sie eine regelmässige Kugelform an. Solche Eier haben wir nun entweder in klares Wasser, oder ins Wasser mit etwas Neutralrot versetzt und sichergestellt, dass sie sich ganz regel- mässig bis zur Bildung der Mikromeren weiter entwickelten. Weiter haben wir allerdings diesen Versuch nicht verfolgt, namentlich weil sich an solchen Eiern bald Verletzungen zeigten und dieselben schnell zugrunde gingen (Zuerst zerfielen die Makromeren, während die Mikromeren noch einige Stunden scheinbar intakt blieben, um schliesslich auch gänzlich zu zerfliessen). Auf grund der erwähnten Experimente kann man aber immerhin behaupten, dass wenigstens für die ersten Entwicklungsstadien von Rhynchelmis ein Aufenthalt der Eier innerhalb der Eiweissflüssigkeit der Kokons nicht un- bedingt notwendig ist. Wir können vielmehr vermuten, dass die Kokonhülse nur zum Schutze der sehr zarten Eier und späteren Embryonen vor äusser- lichen Einflüssen dient. In weit grösserem Masse gilt diese Regel für die Eier der Glossiphonien, welche aus der zarten Kokonhülle befreit, die ganze Entwicklung, von der Befruchtung bis zum Stadium des freilebenden Wurmes im freien Wasser durchzulaufen imstande sind. Hier ist aber die äussere Dottermembran viel dicker und resistenter als die bei Rhynchelmis. Schliesslich verdient hervorgehoben zu werden, dass die beim Sammeln der Tiere sehr leicht eintretende Beschädigung derselben, den Laichvorgang oft gar nicht beeinträchtigt, natürlich aber nur dann, wenn diese Verletzung den Hinterleib des Wurmes getroffen hat. Wir haben beobachtet, dass geschlechtsreife Exemplare, welche 30 und noch mehr hintere Segmente ver- loren haben, bereits nach einigen Stunden, sobald nur die Wunde teilweise heilte, ihre Kokons wieder abzulegen begannen. Da bekanntlich das Ei von Rhynchelmis undurchsichtig ist, und die Beobachtung der feineren Vorgänge der Befruchtung und Kernteilung „in vivo“ nicht zulässt, mussten wir uns mit dem Studium der aus fixierten Eiern hergestellten Schnittserien begnügen. Doch beeinträchtigt dieser Um- stand wohl kaum die Verlässlichkeit der von uns festgestellten Tatsachen, ob zwar es in der neueren Zeit besonders nach dem Vorgange Fischers zur Mode geworden ist, die nur aus fixierten Objekten gewonnenen Resultate auf ihre Richtigkeit hin anzuzweifeln. Eingehender alle die Ausführungen Fischers widerlegen zu wollen, würde nur zu weit führen, sonst geschah dies von sehr kompetenten Seiten, so z. B. von Boveri und besonders auch von Bütschli, mit deren Ausführungen wir durchaus übereinstimmen. Die beste Gewähr für die richtige Deutung der vermeintlichen „Artefakte“ ist nicht die Berufung auf die Arbeiten und zufällige Präparate anderer Forscher, sondern die Beobachtung grosser kontinuierlicher Reihen und der dabei Schnitt für Schnitt sich abspielenden Vorgänge und Veränderungen der einzelnen Komponenten der sich teilenden Zelle. Diese Methode benützte schon z. B. auch Boveri. Dass übrigens dasselbe, was wir an fixierten Objekten sehen, zuweilen sich an manchen günstigen Objekten auch ‚in vivo“ 438 F. Vejdovsky & A. Mräzek: beobachten lässt, davon wollen die Anhänger der ausschliesslichen Beob- achtung des lebenden Materials merkwürdiger Weise nichts wissen. Es wurde bereits auch eine Reihe solcher Objekte sowohl von zoologischer als auch von botanischer Seite namhaft gemacht. Wir erwähnen hier z. B., dass auch einer von uns bei den durchsichtigen Eiern der Lumbriciden (namentlich von Allolobophora putris und Dendrobaena octa&ädra) den ganzen Reifungsprozess und die Kernteilungsfiguren mit allen ihren Komponenten im frischen Zustande ebenso deutlich beobachten konnte, wie am konservierten Material. Namentlich in den grossen Zellen, aus denen die Teloblasten ihren Ursprung nehmen, treten die grossen Sphären, Strahlungen und Centriolen mit unzweideutiger Klarheit hervor. (Vej- dovsky 1888 p. 58—59.)') Dem Verfasser; fiel damals nicht ein, dass eine Zeit kommen dürfte, wo diese wichtigen Bestandteile der Zellteilungs- figuren als in der lebenden Zelle gar nicht existierenden Fixationsartefakte proklamiert werden. Sonst hätte er dieselben ausführlicher beschrieben ; doch die, wenn auch flüchtigen Abbildungen dürften beweisen, dass man in günstigen Objekten in vivo denselben Kernteilungsfiguren wie in fixierten Präparaten begegnet. Unlängst (1899) teilte auch M. W. Coe eine ähnliche interessante Beobachtung mit, die wir wörtlich anzuführen uns erlauben: „But the egg of certain other species, as for example Cerebratulus leidyi and Mic- rura from New England are so much transparent that the general processes of maturation, fertilization and early cleavage can be followed in a single living egg without the use of stains.. By this means und by the use of acetic carmine, the interpretation of the structures found in the stained sections can often be confirmed.‘“ Es liesse sich noch eine Menge ähnlich lautender Beispiele aus der Literatur anführen, doch glauben wir, dass für jeden, der wirklich selber in extenso ‚‚in vivo“ beobachtet hat. auch die schon angeführten eigentlich überflüssig waren. Bei der Fixierung der Rhynchelmis-Eier tritt eine Erscheinung auf, die besonders hervorgehoben werden muss. Am schönsten lässt sich dieselbe beobachten, wenn man die angeschnittenen Kokons in eine langsam fixierende Flüssigkeit (z. B. schwache Flemming’sche Lösung, oder ein fache Chromessigsäure) bringt und unter dem Mikroskop betrachtet. Man sieht, wie aus den Eiern an einzelnen Stellen ihrer Peripherie kleine Tropfen einer glashellen Flüssigkeit heraustreten, die sich nach und nach vergrössern und schliesslich eine wolkenartige Umhüllung der Oberfläche des Eies bilden. Die Erscheinung macht vollkommen denselben Eindruck, wie wenn unter dem ® Wasser aus einer Flasche eine mit dem Wasser sich nur langsam mischende Flüssigkeit (z. B. Glycerin oder dicke Zuckerlösung) ausfliesst. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass bei der Fixierung tatsächlich nicht alle Substanzen gefällt werden, sondern dass ein Teil derselben noch im flüssigen Zustande aus dem Ei extrahiert wird, und allmählich in die das Ei um- gebende Flüssigkeit diffundiert. Schliesslich aber werden auch die extrahierten ‘) Von diesen und ähnlichen Beobachtungen hat Fischer offenbar keine Ahnung. Umbilduug des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 439 Stoffe bei der lang andauernden Wirkung des Fixierungsagens teilweise gefällt, und verursachen so, als eine Kittmasse wirkend, eine Verklebung der konservierten Eier. Dieselben Erscheinungen treten auch bei Anwendung von rasch wirkenden Fixierungsflüssigkeiten, wie Sublimat oder Sublimat- eisessig auf, doch werden hier die aus den Eiern austretenden Substanzen ziemlich rasch unter Bildung feinkörnig fibrillären (niemals aber alveolären) Struktur gefällt und bilden dann einen weisslichen wolkenartigen Überzug an den Eiern. Es fragt sich nun, ob die beobachtete Extraktion von Substanzen aus dem Ei nicht vielleicht einen Einfluss auf die treue Wiedergabe der histologischen Bilder ausüben und ob sie nicht Artefakte hervorrufen könnte? Es können und müssen hier sogenannte Entmischungserscheinungen auftreten und Fischer führt bekanntlich den auf fixierten Objekten beobachteten wabigen Bau des Protoplasmas auf solche Erscheinungen zurück. Und in der Tat beobachten wir, wie weiter unten dargestellt sein wird, im Rhyn- chelmis-Ei ausgesprochen alveoläre Strukturen. Muss man aber dieselben schon deswegen als Artefakte erklären? Entschieden nieht! Wir haben ‘gute Gründe anzunehmen, dass diese Extraktion ohne irgend welchen be- deutenderen Einfluss auf die Gestalt, Grösse u.s. w. der Kernteilungsfiguren bleibt. Es werden wohl nur die dünnflüssigen, wässerigen Bestandteile des 'Cytoplasmas extrahiert. Hierher gehört z. B. die Substanz der vergrösserten Alveolen in den riesig angeschwollenen Centroplasmen zu Beginn des Dyasterstadiums.. Auf dünnen Schnitten erscheinen die Alveolen voll- kommen inhaltslos (auf den Präparaten nur mit Kanadabalsam erfüllt), ihre aus dem Hyaloplasma bestehenden Wandungen sind dagegen unversehrt erhalten. Und ähnlich verhält es sich mit der intervitellären Substanz: zwischen den Dotterkügelchen ist an solchen Stellen, wo keine Strahlen- figuren vorkommen, gar keine Grundsubstanz zu sehen, die doch im Leben existiert haben muss. Dieselbe wurde wohl bei der Fixation extrahiert. Es wurden sehr verschiedene Fixierungsmittel mit sehr abweichenden Resultaten angewandt. Mit Osmiumgemischen erhielten wir nur zu Anfang unserer Untersuchungen vorzügliche Resultate, später aber haben wir von dieser Methode also vom Gemisch Flemmings und v. Raths, Abstand ge- nommen, weil die Resultate nicht immer günstig waren. Auch die Chrom- Essigsäure, welcher sich einer von uns vor Jahren mit so schönen 'Er- folgen bediente, lieferte uns diesmal nicht ganz befriedigende Präparate, namentlich weil die Eier ein wenig aufgequollen erschienen. Meist be- (dienten wir uns des Sublimats oder Pikrosublimats und der Sublimat- Essigsäure. Untersucht man, wie wir es in den letzten Jahren getan haben, das- selbe Objekt in tausenden von Exemplaren, die verschieden konserviert und verschieden gefärbt wurden, so muss man auch ein Urteil gewinnen über die in der Neuzeit so heftig angegriffene Zuverlässigkeit unserer Fixierungs- und Färbungsreagentien. Und unser Urteil ist entschieden zu Gunsten der letzteren ausgefallen. Natürlich gelingt bei einer grossen Individuenzahl 440 F. Vejdovsky & A. Mräzek: des zu fixierenden Objektes die Fixierung nicht bei allen Exemplaren in gleich vollkommener Weise. Einige können vorzüglich, andere dagegen nur mittelmässig oder gar schlecht konserviert sein, und das bei sonst ganz gleicher Behandlung, ohne dass wir die Ursachen dessen angeben könnten. Aber auch die am schlechtesten fixierten Präparate dürfen nicht als gänzlich unbrauchbar bezeichnet werden; im Gegenteil, in Verbindung mit der ganzen Serie der übrigen Präparate können dieselben sehr lehrreich sein, denn sie geben uns wichtige Aufschlüsse über die Wirkungsweise der üblichen mikro- technischen Reagentien. Es entstehen oft bei der Fixierung und bei der weiteren mikrographischen BehandInng innerhalb der Objekte entschiedene Artefakte, aber ein durch vieljähriges selbständiges Arbeiten geschultes Auge ist sehr leicht imstande, nicht nur diese Artefakte als solche von normalen Verhältnissen leicht zu unterscheiden, sondern vermag auch in diesen Arte- fakten und in der Art und Weise, wie dieselben zustande kommen, Beweise für die Objektivität der als normalen supponierten Verhältnisse zu finden. Zu diesem Zwecke wollen wir nur ein einziges Beispiel anführen. Wie einer von uns schon vor Jahren dargelegt hatte, gilt für die typische Gestaltung der’ sogen. achromatischen Bestandteile der Kernteilungs- figuren auf den Polen der Spindel die Regel, dass drei oder wenigstens zwei verschiedene ‚„Radien“-Systeme ineinander „eingeschachtelt“ sind (nach der Ausdrucksweise Fols). Solche gewiss interessante Figuren sind auch im Einzelfalle mit Hilfe der Fischer’schen Erklärungsweise (Gerinnung rings um einen festeren Anhaltspunkt) wohl unmöglich oder nur sehr schwer er- klärbar. Für uns dagegen, — die wir die genetischen Beziehungen der einzelnen in einander „eingeschachtelten Strahlungssysteme“ nicht in einer, sondern in mehreren nacheinander folgenden Teilungsreihen, und nicht in einem, sondern in hunderten von Präparaten sicherstellen konnten, — für uns ist die „Deutung“ Fischers ganz ausgeschlossen und nie und nimmer annehmbar. Denn vergleichen wir die auf die verschiedenste Weise fixierten und behandelten Objekte, so sehen wir, dass überall prinzipiell dieselben Vorgänge zum Vorschein kommen. Eigentliche Radien, wie die der gewiss wenig erfahrene Fischer gesehen haben will, kommen als selbständige fibrillenartige Gebilde nirgends vor, sondern stets nur ein in radiäre Alveolen- oder Mikrosomen-Reihen angeordnetes Protoplasma. Aus dieser Überein- stimmung ist wohl anzunehmen, dass allen diesen auf Präparaten auftretenden Gestaltsverhältnissen eine und dieselbe objektive Struktur während des Lebens zugrunde gelegen sein muss. Dieselbe ist gewiss von den Fixierungs- mitteln ein wenig alteriert worden, und zwar nur je nach der Beschaffen- heit der angewandten Flüssigkeit oder nach dem derzeitigen Strukturstadium. Bei der einen Fixierungsweise werden die Alveolen durch das Entziehen der Flüssigkeit kleiner und so wird das ganze Gefüge dichter gemacht, während durch andere Fixationsflüssigkeiten die Alveolen aufquellen. Dieses Verhalten lässt sich insbesondere in den Fällen instruktiv verfolgen, wo in einem Objekt z.B. in einem Entwicklungsstadium des befruchteten Eies, dicht nebeneinander ungleich struktuierte Protoplasmapartien sich befinden, wo z. B. ein dichtes, aus kleinen Alveolen bestehendes Wabenwerk neben dem groben in den Pol- sphären in der Form eines lockeren Maschenwerkes auftretenden existiert. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 441 Derartige Bildungen, sind sehr schwierig zu konservieren und gerade hier im Innern der grobalveolären Schicht kommen sehr leicht wirkliche Artefakte im Sinne Fischers vor. Befindet sich hier nämlich ein fester Körper, wie z. B. die jungen aus Karyomeren zusammengesetzten Kerne, so ordnen sich bei der Gerinnung des Protoplasmas die zerrissenen Wandungen der daran anstossenden Alveolen strahlig an diese Körper an, und es entstehen grössere Lakumen in dem Maschenwerke (wie es z.B. auch Herfort bei Petro- myzon abbildet). Solche Erscheinungen treten bei Rhynchelmis- Eiern, insbesondere in der Nähe des Spermakernes, auf, und dieser Umstand erschwert überhaupt die gute Fixierung einzelner Stadien. Ja, wir müssen insbesondere ein Stadium hervorheben, welches uns überhaupt durch keine Methode genügend zu fixieren gelang. Es ist dasselbe Stadium, welches bereits vor Jahren die grössten Schwierigkeiten einem von uns gemacht hatte, nämlich das Stadium des noch nicht geteilten Eies, wo sich die Centriolen innerhalb der Centrosphäre soeben verdoppelt hatten. Die das Muttercentroplasma zusammensetzenden und mit reichlichem flüssigem Inhalt angefüllten Alveolen werden bei der Fixierung zerrissen und anstatt des hier früher existierenden Centroplasma mit zwei neuen beginnenden Strahlen- systemen um die beiden Centriolen herum sehen wir in der Mitte des Eies einen hohlen unregelmässig konturierten Raum, in dem nur Fetzen des feinen Maschen- und Strahlenwerkes vorhanden sind. Das ist gewiss ein Artefakt, welcher aber jedem Laien auffallend sein muss. Aber noch ein Grund spricht für die Objektivität der erhaltenen Kernteilungsfiguren. Bei dem Anschneiden der Kokons während des Lebens werden die Eier oft mehr oder weniger deformiert; diese Deformation wiederholt sich auch an den Kernteilungsfiguren, wenn man vorher die deformierten Eier fixiert und in Schnittserien zerlegt. Man sieht dann, wie die Kernteilungsfiguren abnorm gelegen, gebogen, auseinandergezerrt etc. erscheinen, aber alle diese Erscheinungen bürgen dafür, dass die Unregel- mässigkeiten schon im Leben bestanden, nur durch mechanische Ursachen hervorgerufen und in so veränderter Gestalt und Lage fixiert wurden. Wären die Figuren nur Artefakte, so könnte so etwas nie zustande kommen, denn es müsste doch gleichgiltig sein bei der strahligen Gerinnung des Protoplasma um einen festen Einschluss eine unbedeutende Änderung der äusseren Form. Aus allen diesen Gründen können wir uns ganz getrost auf die Zuverlässigkeit unserer fixierten Präparate berufen. Was die Färbung der Präparate anbelangt, so wurden sehr verschiedene Gemische erprobt und angewandt. Der Technik des Färbens wird aber oft ein allzu grosser Wert beigelegt, während es meist und so auch bei unserem Objekt weniger auf die Art und Weise der Färbung als auf die Konservierung ankommt. Besitzt man gut fixiertes Material, so sieht man auch auf gefärbten Präparaten immer dasselbe, ja wir sehen auch an ungefärbten Präparaten beinahe alles. Wenn wir hier und da in der Literatur den Angaben begegnen, nach welchen man die Centrosomen (im SinneBoveris, nicht die Centriolen) schon im ungefärbten Präparate sehen kann, so bemerken wir hierzu, dass dies nichts aussergewöhnliches ist und überall leicht zu beobachten ist, wo 442 F. Vejdovsky & A. Mräzek: die Kernteilungsfigur nicht allzu klein ist. Es kann dazu gesagt werden, dass bei Rhynchelmis die Centroplasmen (Centrosomen, Sphären) sowohl im ungefärbten als auch im gefärbten Zustande mit blossem Auge sicht- bar sind. Häufiger wurden von uns nachfolgende Färbungen angewandt: Safranin oder Safranin-Gentianaviolett. Besonders diese letztere Färbung liefert sehr schöne Bilder. Das Methylgrün-Orange-Verfahren von Kath. Foot haben wir auch angewandt, doch mit ganz negativem Resultate, obzwar wir sowohl käufliches Methylgrün als auch solches, welches wir nach dem Verfahren Fischers durch Amylalkohol von Methylviolett befreiten, angewendet haben, Wir konnten niemals, wie Kath. Foot reine Chromatinfärbung durch das Methylgrün erzielen. Dasselbe gilt auch vom Biondi-Heidenhains Dreifarbgemische. Wurde dasselbe nur so angewandt (nach eventueller Jod- tinktur-Behandlung), so gab es schöne Übersichtspräparate, aber die gesamte Plasmastrukturen, wie Strahlungen usw. waren grün. Nach vorheriger An- säuerung der Schnitte erschien ein ganz anderes Bild; vom Methylgrün ist keine Spur, Dotterkügelchen waren orange, Plasmastrukturen durch Säure- fuchsin intensiv rot gefärbt. Sehr schöne Übersichtsbilder haben wir mit Pikromagnesiakarmin erzielt. Diese Färbung lässt sowohl Plasmastrukturen als auch den Bau der chromatischen Bestandteile des Kerns und manchmal auch die Centriolen sehr schön erkennen. Da diese Färbung sehr leicht zu handhaben ist und meist sehr schnell färbt, können wir sie besonders für dotterreiche Objekte auf das wärmste empfehlen. Dass man mit Pikrokarmin schöne Resultate erzielt, hat einer von uns schon vor Jahren hervorgehoben. Selbstverständlich haben wir auch die Eisenhämatoxylinfärbung nach Heidenhain angewandt. Die Methode ist tatsächlich eine der besten der gesamten Mikrotechnik und leistet für die Erkennung der sog. plasmatischen Strukturen vorzügliche Dienste. Die ÜCentriolen Boveris sind überhaupt mit keiner anderen Methode so positiv nachweisbar. Bei anderen Färbungs- methoden vermuten wir meistens nur die Existenz des Centriols in der Mitte des Centroplasma, und dies deutlicher erst dann, wenn sich um dasselbe herum bereits wieder eine Protoplasmaanhäufung gebildet hat. Wir sehen also eigentlich nur die erste Anlage desjenigen Gebildes, welches Boveri als „reduziertes Centrosoma“ bezeichnet, wo also das Üentriol schon von einem neuen wenn auch winzigen Centroplasma umgeben ist. Die Heiden- hain’sche Methode zeigt jedoch das Centriol mit aller nur wünschenswerter Klarheit und Schärfe auch dann, wo es sich so zu sagen auch um wirklich ruhendes nichtaktives Centriol handelt. Da die Methode jedoch von ver- schiedenen Seiten sehr verschieden, das eine Mal panegyrisch, das andere Mal mehr skeptisch oder geradezu abfällig beurteilt wurde, so ist es nötig, einige Worte über dieselbe hinzuzufügen. Auch Boveri hat sich in der weiter unten mehrfach erwähnten Arbeit (1901) mit dieser Frage beschäftigt. Dass das Eisenhämatoxylin kein Spezifikum für die Darstellung der Centriolen in dem Sinne ist, dass sich die übrigen Zellbestandteile damit nicht färben liessen, das geben wir vollkommen zu. Auch die Dotterkugeln, Mikrosomen etc. sind tiefschwarz gefärbt, ja behalten bei Rhynchelmis diese ihre Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 443 Farbe noch lange, nachdem die eigentlichen Centriolen durch die Eisenalaun- lösung schon wieder vollkommen entfärbt wurden, aber das ist doch kein Nachteil der Methode. Ein Verwechseln des Centriols mit einem etwa ungefähr in die Mitte des Centroplasma geratenem kleinem Dotterkörnchen ist bei aufmerksamer Beobachtung eines erfahrenen Beobachters vollkommen ausgeschlossen. Denn ein distinkt gefärbtes Centriol unterscheidet sich sehr augenfällig von allen anderen körnchenartigen Einschlüssen des Protoplasmas. Dieser Unterschied lässt sich zwar nicht gut wörtlich ausdrücken, denn das Centriol ist zu klein, und in seiner eigentlichen Gestalt, Färbungston etc. überhaupt nicht definierbar, wenn sich aber oft rings um das Centriel herum ungefähr gleich grosse und ebenfalls schwarz gefärbte Körnchen befinden, erkennen wir sofort den Unterschied zwischen den beiden. Wir glauben, dass dies bei einem jeden Forscher der Fall ist, welcher das Centriol nicht nır nach den Abbildungen anderer Beobachter beurteilt, oder an einigen fremden Präparaten gesehen hat (wie es gewiss der Fall bei A. Fischer war), sondern sich mit demselben an Tausenden von Präparaten, die er selbst angefertigt hat, vertraut zu machen die Gelegenheit hatte. Fischer führt auch einige Gründe an, die gegen das objektive Vorkommen des Centriols sprechen sollen. Es ist dies die sog. Spiegelfärbung und konzentrische Ent- färbung. Dass auf diese Weise leicht Trugbilder zustande kommen können, ist mehr als sicher; bei unserem Hauptobjekt, nämlich dem Rhynchelmis- Eie, kann man solche Trugbilder, die vollkommen den Fischer’schen künst- lichen Zweifachfärbungen etc. entsprechen, sehr leicht erzielen. Durch das Färben mit Safranin und Gentiana können wir je nach Belieben die Dotterkügelchen entweder mit blauem Kerne und rotem Saume, oder um- gekehrt je nach der Einwirkungsdauer und Einwirkungsfolge beider Färbungs- flüssigkeiten hervorrufen. Nebstdem auch bloss mit dunklem Kerne und blassem Saume. Mit derselben Methode sind aber die Protoplasma- und Kernstrukturen noch deutlich mit Safranin gefärbt, nachdem sich bereits an den körnigen Einschlüssen die durch Entfärbung entstehenden Trugbilder gezeigt haben. Ganz anders verhält sich die Sache bei der Eisenhämatoxylin- Methode, wenigstens soweit die Eier von Rhynchelmis in Betracht kommen. Die vollkommen schwarz imprägnierten Dotterelemente widerstehen sehr bedeutend der nachherigen Entfärbung, jedenfalls mehr als die übrigen Zellbestandteile. Eine konzentrische Entfärbung der einzelnen Dotterkügelchen ist infolgedessen nirgends festzustellen, wenigstens nicht auch bei der längsten Einwirkungsdauer von Eisenalaunlösung, die zur Erzielung brauch- barer Präparate eben noch zulässig ist. Denn, wie schon erwähnt, geben die Chromatinelemente, Centriolen, Plasmastrahlungen usw. ihre schwarze Färbung viel rascher ab, sodass sie sogar bereits vollkommen farblos, also für die Untersuchung unbrauchbar sein können, während zu gleicher Zeit an pen Dotterkügelchen noch keine nennenswerte Entfärbung sich offenbart. In dieser Hinsicht erzeugt also die Heidenhain’sche Methode keine Trugbilder (wenigstens nicht in unseren Spezialfällen), sonst aber ist sie gewissermassen störend bei der Untersuchung und bedingt eine Einschränkung in der Gebrauchsfähigkeit der Methode, jedoch gerade im entgegengesetzten Sinne . in anbetracht der Annahme Fischers, nach welchem die Hämatoxylin- 444 F. Vejdovsky & A. Mrä%zek: färbung in Wirklichkeit die nicht vorhandenen Strukturen vortäuschen würde, sondern im Gegenteil, dass sie manchmal objektiv zu wenig zeigt und die vorhandenen Strukturen verdeckt. So kann z.B. die feine alveoläre Struktur der kleinen Öentrosphären sehr leicht verschwinden, indem die ganzen Centroplasmen homogen tief schwarz erscheinen (z. B. bei Ascaris)s Ebenso verdecken die schwarzgefärbten und infolgedessen undurchsichtigen Dotterkügelchen sehr leicht die Existenz und den Verlauf seiner Plasma- strahlungen im Zellleibe. An solchen Präparaten ist die Strahlung meist nur auf der radiären Anordnung der Dotterkügelchen, also erst sekundär erkenntlich. In diesem Sinne mag also die Methode von Heidenhain Trugbilder aber nur negativer Art verursachen und bedarf einer Ergänzung durch solche Methoden, welche die Plasmastrukturen nicht so verdecken. Die Färbungs- resp. Entfärbungsweise der Centrosphären ist jedoch bei Rhynchelmis eine derartige, dass die Entstehung des sog. Centrosoms als Folge der konzentrischen Entfärbung auch bei grösster Skepsis nicht behauptet werden kann. Die Centroplasmen sind bei diesem Objekte stets von einem ziemlich lockeren, deutlich wabigen Bau. Infolgedessen wird bei der Extraktion der überflüssigen Farbe das ganze zunächst tiefschwarz im- prägnierte Gebilde wie mit einem Schlage entfärbt, so dass es nur eine graue Färbung behält. In der Mitte des Centroplasmas ist jedoch sofort ein tief schwarz gefärbtes Korn, das Centriol sichtbar, welches lange ganz unverändert bleibt. Durch länger andauernde Extraktion im Eisenalaun kann dasselbe zwar kleiner gemacht, ja endlich bis zum Verschwinden gebracht werden, aber umgekehrt gelingt es uns niemals, dasselbe grösser zu machen: immer tritt das Centriol nur als ein ganz kleines Korn auf. Dasselbe Verhalten haben schon Fürst (1898) und Boveri (1901) bei Ascaris bemerkt (vergl. den letztgenannten p.63.) aber natürlich nicht bei den Centriolen, sondern bei den eigentlichen „ÖUentrosomen“ Boveris, was durch den viel dichteren Bau der Centroplasmen der Ascaris-Eier recht erklärlich ist. Sonst aber muss diese Erscheinung als ein wichtiger Gegenbeweis gegen die „Entfärbungs- hypothese“ bezeichnet werden. Auch bei der grösstenSkepsis müssen wir annehmen, dass im Zentrum des jeweiligen Centroplasmas eine zentrale verdichtete Substanz existiert, die man eben nach dem Vorgange Boveris als Centriol bezeichnet. Wie wir gesehen haben, ist die Heidenhain’sche Methode mit einer gewissen Einschränkung ganz verlässlich und für die die Öentriolen betreffen- den Untersuchungen fast unentbehrlich. Die” gegen dieselbe, wie überhaupt gegen die sämtlichen Fixierungs- und Färbungsmethodenin der jüngsten Zeit hervorgebrachten Vorwürfe zeugen nur davon, dass die Urheber derselben weder über selbständige Er- fahrungen verfügen, noch über den Wert und Tragweite der wissenschaftlichen Methoden überhaupt klare Vorstellungen haben. Die Verlässlichkeit einer jeden Methode hängt zwar von der Qualität dieser Methode selbst, aber auch von der Person des Forschers ab, und die z. B. von Fischer so warm empfohlene Beobachtung der lebenden Objekte kann unter Umständen zu „Artefakten“ führen, die weit gefährlicher sind als die aus dem Studium der „gefärbten Präparate“ entstandenen, da sie durch die durch keine Experimente kontrollierbare Phantasie des Forschersbedingt sind . Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 445 II. Spezieller Teil. $ 1. Struktur des Eies während der Reifung und Besamung. Die äusserste periphere Eischicht, gewöhnlich als Dotterhaut bezeichnet, erscheint bei Rhynchelmis in anderen Gestaltsverhält- nissen in der Periode von der Eiablage bis zur vollbrachten Reifung und Besamung, als bei den später erfolgenden Vor- gängen. In dem ersteren Falle, unmittelbar nach der Eiablage oder zur Zeit der Besamung, besteht diese Schicht aus senkrecht zur Eioberfläche gerichteten Waben (Taf. XIX. Fig. 1), somit er- scheint sie als ein radiär gestreifter, dünner Saum. Es ist keine besonders geartete Membran auf der Eioberfläche und die letztere ist zur erwähnten Zeit mit keiner speziellen Kutikularhaut be- grenzt, sondern die angeführte Wabenschicht bildet einzig und allein die äusserste Grenzschicht des Eiinhaltes, von kaum 1 « Höhe. Infolge des Mangels an eigentlicher resistenteren, äusseren Begrenzung ist das Ei von Rhynchelmis sozusagen flüssig, und wir erklären hierdurch die oben erwähnte Tatsache, dass die Eier während der Ablage aus den Ovidukten eigentlich als lang- gestreckte Schläuche ausfliessen. Auch nach der Ablage be- wahren die Eier dieselbe flüssige Beschaffenheit. Die Plastizität des ohnehin flüssigen Eiinhaltes ist also durch das Vorhandensein der äusseren alveolären Grenzschicht und den Mangel an einer kutikularen Eimembran veranlasst. Daran ändert nichts, wenn sich während der Eireifung über die Polzellen eine feine Schleim- schicht abhebt, die auf den Präparaten leicht nachweisbar ist. Inwiefern diese strukturlose Haut mit der Dotterhaut anderer Tiere zu vergleichen wäre, muss man augenblicklich unerklärt lassen. Uns scheint es möglich, dass diese feine Membran von der erwähnten Alveolarschicht abgesondert wird, nach und nach erstarrt und schliesslich auf den Kanten der Alveolarschicht als ein starrer, dunkel konturierter Kutikularsaum auf der Ei- oberfläche erscheint, wie man demselben auf allen späteren Stadien des Eies, während und nach der Befruchtung, begegnet. In diesen Stadien sucht man nämlich vergeblich nach der oben- erwähnten peripheren Alveolarschicht, das Ei ist dagegen von einer resistenten, kutikularen „Dottermembran“ umgeben. Zu dieser Zeit und auch in allen späteren Entwicklungsstadien ist das Ei — und selbstverständlich auch die Blastomeren — viel widerstandsfähiger, 446 F. Vejdovsky & A. Mräzek: es verliert in hohem Maasse seine frühere Weichheit und Plasti- zität und verhält sich resistenter gegen die äusseren Druck- einflüsse. Unterhalb der Wabenschicht erstreckt sich zur Zeit der Reifung und Besamung die „periphere Protoplasmaschicht“, wie sie bereits mit diesem Namen von ihrem Entdecker bezeichnet wurde (vergl. Vejdovsky, Entwickl. Untersuch. p. 23). Sie ist leicht erkenntlich nach der intensiven Färbung ihrer Kom- ponenten und erscheint bei oberflächlicher Betrachtung als eine aus schichtenweise angeordneten „Körnchen“ gebildete Plasma- lage (Tafel XIX, Fig. 1x). Die wahre Beschaffenheit dieser „Körnchen“ erkennt man auf sehr dünnen Schnitten. Es sind nämlich kugelige oder unregelmässig konturierte Gebilde, welche dicht nebeneinander reihenweise gruppiert sind und, soweit man feststellen kann, in 3—4 Schichten hoch unter der obenerwähnten Wabenschicht sich erstrecken. Die bei schwachen Vergrösserungen als „Körnchen“ oder „Mikrosomen“ erscheinenden Plasmaelemente, welche sich intensiv mit Pikrokarmin imbibieren, erweisen sich bei starken Ver- grösserungen als kugelige oder polyaedrische Alveolen, deren In- halt etwas klarer hervortritt, als ihre äusseren Wandungen, die ebenfalls „feinkörnig“ und intensiv gefärbt erscheinen. Doch das, was man für die feinsten „Körnchen“ oder „Mikrosomen“ halten dürfte, ist nichts anderes als die eigentlichen Anlagen neuer Alveolen, oder das Hyaloplasma. Nach Innen hängt die alveoläre Randschicht mit dem Eigerüst zusammen, welches letztere sich in dem ganzen Dotterinhalte erstreckt und dem entspricht, was einer von uns früher als ein Plasmanetz be- schrieben hat. Dieses plasmatische Gerüst lässt sich nicht nach jeder Fixierungs- und Färbungsmethode nachweisen, am schönsten tritt es nach der Behandlung mit angesäuertem Sublimat oder Chromessigsäure hervor. Nicht selten wollte es uns scheinen, dass man in den knotenartigen Plasmaansammlungen des Gerüstes es mit Artefakten zu thun hätte, so nämlich, dass dieselben durch die frühzeitige Behandlung mit Alkohol entstehen können und schwer fällbare Substanzen des Eies vorstellen. Aber das regelmässige Vorkommen solcher knotenartiger Plasmaansamm- lungen — verbunden untereinander durch fadenförmige Plasma- züge — gerade nur in den Stadien unmittelbar nach der Ablage, Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 447 während später dieses Gerüst fehlt oder stark reduziert erscheint, ferner der Umstand, dass das Gerüst eben dieselbe Struktur aufweist, wie die periphere Rindenschicht — aus diesen beiden Umständen muss man folgern, dass man es hier mit natürlicher Struktur des Gerüstes zu tun hat. In dem erwachsenen, befruchtungsfähigen Eie konnten wir nichts anderes sicherstellen, als das, was eben beschrieben wurde. Aber für die uns beschäftigenden Fragen war es unbedingt not- wendig, über die Entstehung und Bildung resp. Anhäufung des Dottermateriales sichere Aufschlüsse zu gewinnen. Dies ist je- doch nach unseren bisherigen Erfahrungen sehr schwierig zu erfüllen. Einerseits erfordert die Bildung der Dotterkügelchen und ihre Beziehungen zu der ursprünglichen Grundsubstanz während der Eibildung eine spezielle Untersuchung, auf welche wir derzeit nur teilweise eingehen konnten und nur soviel zu ermitteln trachteten, in welchem genetischen Verhältnisse die Dotterelemente zu den ursprünglichen Alveolen der Grundsubstanz stünden. Andererseits erweist sich das Rhynchelmis-Ei selbst für die uns beschäftigende Frage als nicht gut geeignet. Wir sehen zwar, dass die jüngsten sich ‚bildenden Eier eine gleich- mässige Verteilung des Cytoplasmas besitzen, welches sich sehr intensiv rot, z. B. mit Karmingemischen, oder tiefgrau, mit Eisen- haematoxylin, färben. Aber eine Sonderung in eine Grund- substanz und in ein Gerüst (Yolk-nucleus) lässt sich auch bei der Doppelfärbung nicht nachweisen. Wir sehen vielmehr, dass der gesamte Inhalt bei dem Heranwachsen der Eizelle eine mehr granulöse Beschaffenheit angenommen hat. Doch ist es nicht möglich, so ohne weiteres zu entscheiden, ob diese Granula (d.h. die ersten Anlagen der späteren Dotterelemente) einfach nur durch Substanzveränderung der schon bestehenden Alveolen oder als neue Bildungen zwischen den Alveolen aufgetreten sind. Die sich bildenden Dotterelemente sind nämlich in dem ganzen Cytoplasma des Eies verteilt und offenbar noch von ganz anderer chemischer und physikalischer Beschaffenheit, da sie sich ganz anders gegen die Farbstoffe verhalten, als die fertigen Dotter- kügelchen. Sie färben sich noch immer ungefähr wie das Cyto- plasma, nur sind sie ein wenig blasser und es lässt sich erst an etwas grösseren Eiern der Unterschied zwischen der Hauptmasse des Eies, das mit den Dotterelementen ausgefüllt ist, und den Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 29 448 F. Vejdovsky & A. Mräzek: dazwischen zerstreuten, mehr oder weniger zusammenhängenden (bereits oben geschilderten) Plasmainseln, den sog. Dotterkern (Yolk nucleus), erkennen. Dieser Zustand dauert auch, nachdem die Eier bereits beinahe die definitive Grösse erreicht haben, dann ändert sich auf einmal die Beschaffenheit des Dotters und derselbe verrät sich als solcher bereits bei Einfachfärbung, ge- schweige denn bei Mehrfachfärbung. In dem Rhynchelmis-Ei werden die Dotterelemente anscheinend gleichmässig im Ei gebildet und es lassen sich keine besonderen Komponenten der Zelle damit in Zusammenhang bringen. Zum Zwecke eines Vergleiches haben wir auch einige andere Vertreter der Oligochäten, namentlich der Tubificiden, untersucht und hier sehr verschiedene Verhältnisse gefunden. Beobachtet man lebende, ganz junge Eier von Tubifex oder Limnodrilus, so sieht man, wie es bereits frühere Autoren, die sich mit Oligochäten beschäftigten (z.B. Vejdovsky 1884), abgebildet haben, dass in dem sonst hyalinen Ei sozusagen eine den Eikern umgebende Kappe sich befindet, die deutlich aus Körnern zusammengesetzt ist. Dasselbe Verhalten finden wir natürlich auch am fixierten Materiale. Im Eiinhalte sind deut- lich abgegrenzte Körner vorhanden, die sich mit Fisenhämatoxylin tiefschwarz färben und die entweder direkt in die definitiven Dotterelemente übergehen, oder doch mit der Bildung der letzteren im ursächlichen Zusammenhange stehen. Diese Körnchen liegen zwar auch zerstreut im ganzen Eie, entweder vereinzelt oder zu grösseren Gruppen vereinigt, wie z. B. bei Psam- moryctes, doch auch hier sehen wir, dass in der unmittelbaren Nähe des Kernes diese Körnchen am dichtesten angehäuft sind und sozusagen eine wirkliche, einseitig dem Kern anliegende Kappe bilden. Auch bei anderen Arten beobachten wir, dass die erste Bildung solcher Elemente an die Umgebung des Kernes gebunden ist. Nur hier existiert eine dichte Ansammlung der- selben, während im übrigen Eiinhalte die Körnchen nur ver- einzelt zerstreut sind. Sehr schön treten die Verhältnisse bei einer neuen Tubificidenform auf, die wir unlängst unter dem Namen Potamothrix beschrieben haben'). (Vergl. Taf. XIX, ') Vejdovsky und Mräzek: Ueber Potamothrix moldaviensis n. 8., n. sp. Arbeiten aus dem zoolog. Institut der böhm. Universität Prag. 1902. 1. Tafel. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 449 Fig. 2). Hier konnte auch die feinere Struktur des gesamten Ei- inhaltes studiert werden. Die Grundsubstanz des Eies ist fein- alveolär und zwischen derselben finden wir wieder ein feines Gerüst, welches demjenigen von Rhynchelmis oder von Lumbri- ciden (Foot, Calkins etc.) entspricht, aber viel feiner erscheint. An den Schnittpräparaten sieht man, wie dieses Gerüst den Ge- staltsveränderungen des Eies sich anpasst, resp. folgt. Die jungen Dotterelemente sind, wie schon bemerkt wurde, hauptsächlich in der Umgebung des Kerns in grösserer Menge angehäuft. Fassen wir nun so ein einzelnes Gebilde schärfer in Betracht, so finden wir bei genügender Vergrösserung niemals ein einzelnes Korn, sondern stets Gruppen von 2—3 einander sehr genäherten sekundären Körnchen. Diese Erscheinung können wir bisher nicht genügend erklären. Vielleicht haben wir es mit einer Ver- mehrung von Dotterelementen durch Teilung zu tun, oder aber es könnte die Bildung der eigentlichen Dotterelemente erst viel später einsetzen. Auf diesen letzteren Modus würden wenigstens unsere Befunde bei Ilyodrilus coccineus hinweisen. Hier haben wir, soweit unsere bisherigen Erfahrungen an dem uns zur Zeit vorliegenden Material reichen, nur in sehr frühen Stadien eine spärliche Anhäufung von besonderen Differenzierungen in der Umgebung des Kernes beobachten können. Erst in späteren Stadien traten in der wieder fein alveolären Grund- substanz des Eies die den soeben besprochenen entsprechende Gebilde im ganzen Ei gleichmässig verteilt auf, aber unter ganz eigentümlicher Form. Es kamen maulbeerförmige Gruppen von unregelmässig gestalteten Körnern vor, die sich durch ihre Färbung sehr stark von dem übrigen Eiinhalte abhoben. Die einzelnen Körnchen, aus denen eine jede Gruppe zusammengesetzt ist, scheinen in der Mitte miteinander durch kurze Ausläufer verbunden zu sein. Wie solche Gruppen entstehen, bleibt uns unbekannt, vielleicht durch mehrfache Teilung eines ursprünglich einzeln auftretenden Gebildes. Wir konnten nur feststellen, dass in jüngeren, heran- reifenden Eiern die Zahl solcher Gruppen eine ziemlich kleine ist (vergl. Textfig. 1). Mit der Zeit vermehrt sich dieselbe und der ganze Eiinhalt ist von solchen Elementen gefüllt, sodass die Zwischensubstanz dagegen bedeutend zurücktritt (Textfig. 2). Es ist gewiss, dass die Gruppen die Bildung der Dotterelemente 29* 450 F. Vejdovsky & A. Mräzek: einleiten, doch ist es uns noch unklar, wie die definitiven Dotter- elemente entstehen. (Aehnliche Bildungsweise der Dotterelemente beobachteten wir sonst auch in Eiern der Isopoden.) Die fertigen Dotterelemente von Ilyodrilus sind gross (4 « lang), von ungefähr elliptischer Gestalt, grösser noch als eine oben er- wähnte traubenartige Körnerpruppe. Fig. 1. Die Lecithoplasten-Bildung von Ilyodrilus coccineus Vejd. im späteren Stadium. Fig. 2. Weiteres Stadium der Lecithoplasten-Bildung vonIlyodrilus coceineusVejd. Die Fixation der Oligochäten-Eier ist, wie bereits anfangs erwähnt wurde, nicht so leicht. Meistens finden wir die Dotter- elemente einfach im Innern des Eies scheinbar frei liegend, das Gerüst oder die Grundsubstanz wurde bei der Fixation extrahiert oder nicht fixiert. So ist es auch bei Ilyodrilus der Fall. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 451 Doch konnten wir hier auch wiederholt Fälle beobachten, wo zwischen den grossen Dotterelementen ein feines Gerüst, ein Maschenwerk, sich befand, und wo die eigentlichen Dotterplättchen von kleinen Körnern umgeben waren. Wir können die Ver- mutung nicht unterdrücken, dass die besprochenen Körnchen mit den einzelnen Körnern der traubenförmigen Gruppen identisch sein könnten, und wir müssten dann die Sache so auffassen, dass in der Mitte einer jeden solchen Gruppe das eigentliche Dotter- element entsteht. Verhielte sich die Sache in der Weise, so hätten wir es in den traubenförmigen Gruppen mit Gebilden zu tun, die wir einfach als Lecithoplasten bezeichnen könnten d. h. Elementen, welche die Bildung der Dotterelemente veran- lassen. Bei Ilyodrilus wäre nun diese Entstehungsweise der Dotterelemente am schönsten entfaltet, die oben geschilderten Verhältnisse von Potamothrix würden die ersten Anfänge davon darstellen. Unsere vergleichenden Untersuchungen haben uns zwar zu keinem definitiven Resultat bezüglich der Dotterbildung ge- führt, ergaben aber wohl, dass die Dotterbildung ein recht ver- wickeltes Problem darstellt, welches bisher kaum ernst und systematisch in Angriff genommen wurde. Erwägen wir den Umstand, dass nach unseren Erfahrungen in einer und derselben Tiergruppe, ja sogar in einer und derselben Familie, ganz eigen- artige Verhältnisse vorkommen, so können wir uns nicht wundern, wenn wir bei der Durchsicht der Literatur finden, dass die verschiedenen Autoren unter demselben Namen (z. B. Dotter- kern etc.) ganz heterogene Sachen zusammengeworfen haben, und dass die Beziehungen der Dotterbildung zu den verschiedenen Komponenten der Ovocyte (Kern, Centrosphäre, „Dotterkern“ etc.) noch recht unklar sind. Sämtliche eben beschriebenen Komponenten des Eiinhaltes von Rhynchelmis, d.h. die Randschicht, die Dotterkugeln und das Gerüst, erstrecken sich in einer wasserreichen, fast homogenen, oder besser schleimartigen Flüssigkeit, welche zwar in den meisten Präparaten schwierig nachweisbar ist, namentlich wenn die Dotterkugeln dicht nebeneinander gruppiert sind. Anderer- seits ist diese Grundsubstanz leicht an solchen Präparaten nach- weisbar, wo die Dotterelemente stellenweise voneinander entfernt 452 F. Vejdovsky & A. Mräzek: sind und zwischen ihnen dotter- und gerüstfreie Lücken zurück- bleiben. Dann beobachtet man hier eine schwach rosa sich färbende Substanz, in der man kaum eine Struktur wahrzunehmen imstande ist. Aus theoretischen Gründen müssen wir annehmen, dass diese homogene Grundsubstanz tatsächlich existiert, welche Ansicht auch durch die eben beschriebene Extraktion von Flüssig- keit aus dem Ei während der Fixierung wesentlich unterstützt wird. Diese Grundsubstanz ist als das ursprünglichste „Plasma“ anzusehen und in ihr entstehen die „Körnchen“, „Mikrosomen“, „Alveolen“ etc., kurz, alle die Bestandteile, welche in den Eiern und Zellen von verschiedenen Autoren beschrieben wurden. Mit besonderem Nachdruck muss es aber schon jetzt hervor- gehoben werden, dass in den nicht befruchteten Rhynchelmis- Eiern von einer besonders gearteten Substanz, die Boveri als „Archoplasma“ bezeichnete, keine Rede sein kann. Ueberall findet man nur das eine und dasselbe wabige Protoplasma auf der Eiperipherie (die Randschicht) und das intervitelläre Gerüst, dessen Substanz aus Alveolen und Hyaloplasma besteht. In dem letzteren unterscheidet man die homogene Grundsubstanz mit äusserst feinen Mikrosomen, aus denen sich bei den späteren Vorgängen die Strahlen aufbauen und Plasmaströme vorstellen, mittels welcher die Mikrosomen der Zentralkugel oder dem Centroplasma zugeführt werden. Hier wachsen die Mikrosomen zu grossen Alveolen heran. Somit wird das Hyaloplasma zur wabigen Substanz umgebildet. Wenn wir uns also schon von vornherein für die wabige Struktur des Eies von Rhynchelmis mit gewisser Einschränkung aussprechen — dass wir nämlich die Mikrosomen als Alveolen- Anlagen auffassen — so müssen wir doch noch andere Angaben berücksichtigen, welche sich vorzugsweise um den Begriff des sogen. Dotterkernes drehen. Der Name „Dotterkern“ kann nach den heutigen Er- fahrungen verschiedene morphologische Bedeutung haben und wir werden deshalb nur solche Angaben berücksichtigen, welche sich auf dieselben oder ähnliche Strukturen beziehen, mit denen die von uns beobachteten Eier zu übereinstimmen scheinen. In den hier zu besprechenden Arbeiten wird nämlich als „Dotter- kern“ eine Anhäufung besonders gearteten Protoplasmas in jungen Eizellen in der Nähe des Zellkernes bezeichnet. Diese Kern- Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 453 haube zerfällt nach den übereinstimmenden Angaben von Calkins, Foot, Bambeke, Crampton etc. in kleine Brocken von granulöser Struktur, die sich dann in der Eisubstanz verteilen. Einer von uns hat schon vor Jahren hervorgehoben (Entwickl. Untersuch., pag. 120, 121), dass das Gerüst — damals als Retikulum bezeichnet — den sogen. Dotterkernen der Wirbeltiere und Myriopoden entsprechen könnte, und verwahrte sich gegen Leydig, dass die verdichteten ceytoplasmatischen Stellen des Retikulums, welche „nur das Material für die künftige Bildung der Plasmastrahlen bilden“, Keimflecke vor- stellen, die in den Dotter übertretend, zu solchen intravitellären Körpern werden. Trotzdem ist aber Calkins im Jahre 1895 wieder mit der Behauptung aufgetreten, dass das Gerüst, von ihm als „yolk nucleus“ bezeichnet, bei Lumbricus direkt vom Kern mit einer Portion des chromatischen Retikulums in das Cytoplasma austritt. Nach den neueren Arbeiten von Foot und Strobell dürfte man dafür halten, dass das Gerüst in den Lumbrieiden-Eiern denselben Ursprung hat, wie das der Arach- niden, Ascidien, Spermatogonien von Salamandra und Gurwitsch führt Gründe an, nach welchen das sogen. Idiozom von Meves, dem Dotterkern, d. h. unserem Gerüst, entsprechen soll. Die von den genannten und anderen Autoren angewandten Methoden verursachen wahrscheinlich, dass die im Dotter zerstreuten Plasma- inseln isoliert und nicht durch feine Stränge miteinander ver- bunden sind, wie es bei Rhynchelmis mit voller Klarheit nach- weisbar ist. Damit ist in die Wissenschaft eine Konfusion in der Deutung des sogen. Dotterkernes eingeführt worden, welche in der Auffassung der sogen. Polringe in den Eiern der Glossi- phonien und angeblich auch der Lumbrieiden ihren Kulminations- punkt erreicht hat (Foot). Die Polringe sind bekanntlich schon von den älteren Beobachtern, namentlich von Whitman eingehend beschrieben worden. Einer von uns (Vejdovsky) hat dann den Ursprung der Polringe nachgewiesen, indem er Schritt für Schritt die Anhäufung der peripheren plasmatischen Randschicht in den Eiern nicht nur von Rhynchelmis, sondern auch von Hirudineen (Hemiclepsis marginata) zu beiden Polen des Eies verfolgen konnte. Das periphere alveoläre Cytoplasma in den reifen Eiern der genannten Formen und vielleicht auch der Lumbriciden sammelt sich während der Reifung und Befruchtung zu beiden 454 F. Vejdovsky & A. Mräzek: FEipolen an und bildet am animalen Pole den sogen. Polring, während am vegetativen Pole eine scheibenförmige, in der Mitte nicht durchbrochene Plasmaansammlung zustande kommt. Die ringförmige Gestalt der Anhäufung am animalen Pole ist lediglich durch die hier liegende Reifungsspindel und Bildung der Richtungs- körper bedingt. Diese Darstellung des Sachverhaltes ist eingehend ge- schildert worden (Vejdovsky, Entwickl. Untersuch.) und auch das spätere Schicksal der „Polringe“ ist bekannt geworden. Es wurde damals dargetan, dass die polaren Plasmaansammlungen während der ersten zwei Furchungsstadien auf das hintere Blastomer beschränkt bleiben und im Stadium von vier Blastomeren zusammenfliessen, um dann in nachfolgenden Furchungsstadien den Mesomeren Ursprung zu geben. Die Polarringe sind daher schon lange als determinierende Eibestandteile erklärt worden, aber in der neueren Literatur von Foot angefangen bis zu dem Lehrbuch von Korschelt & Heider (1902) ignoriert worden. Sonderbar bleibt nur das Vorgehen von Wilson, der die Deutung von Foot in seinem Buche einfach registriert, ohne die Angaben eines von uns zu verzeichnen und zu prüfen. Diese Bemerkungen dürften hoffentlich dazu beitragen, dass wenigstens eine Konfusion in der Deutung des sogen. Dotter- kernes aus der Wissenschaft beseitigt sein wird. S2. Reifung des Eies. Wie einer von uns schon vor Jahren dargestellt hat, beginnt die Eireifung von Rhynchelmis, Lumbriculus, Bothrioneuron und gewiss bei allen Oligochäten bereits im Mutterleibe, lange vor der Eiablage. Aus diesem Grunde ist es schwer, den ganzen Vorgang (d. h. das erste Auftreten der Centrosphären, die Bildung der Spindel und namentlich die Um- wandlung der Chromosomen) in einer kontinuierlichen Reihe auf den Präparaten festzustellen und dies umsoweniger, als wir bei unseren Untersuchungen viele andere Fragen zu lösen bemüht waren, somit diesem speziellen Falle keine besondere Aufmerk- samkeit widmen konnten. Das Studium der ersten Vorgänge der Eireifung ist schon technisch sehr zeitraubend, wenn man auf den endlosen Schnittserien durch die einige Zentimeter langen von Eiern prall angefüllten vorderen Abschnitte des Wurmleibes Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 455 stets nur entweder noch ruhenden Kernen oder den bereits fertigen Reifungsspindeln begegnet. Zu einer Vervollständigung unserer Erkenntnis haben wir auch einige Vertreter der Familie der Tubificiden in den Kreis unserer Untersuchungen vergleichsweise mit hineingezogen. Natürlich vermochten wir auch hier keine erschöpfenden Be- obachtungen anzustellen, denn dies würde eine volle ungeteilte Arbeitskraft erfordern.) Immerhin konnten wir an den reifen- den Eiern von Tubificiden einige sehr interessante Tatsachen (vergl. das schon bereits früher über die Dotterbildung Gesagte) verzeichnen. Und es ist nun sonderbar, dass bei den verwand- schaftlich so nahen Formen, wie die einzelnen Gattungen der Tubifieiden, die Eier in Bezug auf die Dotterverteilung, Kerne und auch die Reifungspindeln zwar sehr ähnlich erscheinen, aber besonders in der Ausbildung, namentlich der Reifungs- spindeln, spezifische Unterschiede nachweisen lassen. Ausser Tubifex und Limnodrilus besitzen wir ein vollständigeres Material hauptsächlich von Ilyodrilus coceci- neus Vejd. Es kamen uns hier die Schnittserien zugute, die einer von uns (Mräzek) ursprünglich zu anderem Zwecke, nämlich zur Verfolgung der Entwicklung der in Ilyodrilus vorkommenden Gregarine angefertigt hatte. Die Tiere waren nach der für die Gregarinen erprobten Methode (v. Raths Platinchlorid - Osmiumsäuregemisch) fixiert und die Fixierung erwies sich meistens auch für die Untersuchung der Eireifung von Ilyodrilus als ausreichend. Die Untersuchung wurde erschwert nur durch den Umstand, dass es nur selten gelingt, die Reifungsspindel in der Längsachse zu treffen und so ein instruktives Bild davon zu bekommen. Gewöhnlich wird die Spindel schief durchgeschnitten und es ist nicht leicht, bei der Be- schaffenheit der Kernspindel, die auf mehrere Schnitte verteilt ist, zu einer sicheren Rekonstruierung der ganzen Figur zu gelangen. Den ganzen Vorgang der Chromosomenbildung konnten wir nicht verfolgen. Erst in späteren Stadien fanden wir die in !) Sehen wir doch, dass die mehrjährigen Untersuchungen Gathys (1900), die beinahe ausschliesslich der Eireifung von Annulaten (Tubifex und Glossiphonia) gewidmet sind, doch nur zu einem sehr dürftigen Resultat geführt haben. 456 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Textfigur 3 abgebildeten Formen der Chromosomen. Es sind dies Gebilde, die wie aus zwei dicht aneinander gelegten sichel- oder biskuitförmgen Teilen zusammengesetzt erscheinen. Ein Vergleich mit den an anderen Objekten gewonnenen Resultaten führt zu dem Ergebnisse, dass wir hier längsgespaltene doppel- wertige Elemente vor uns haben, die den typischen Vierergruppen entsprechen. Wie die Abbildung zeigt, kann die Form der einzelnen Gruppen etwas variieren, doch muss ausdrücklich bemerkt werden, dass wir Ringbildungen niemals beobachten konnten. Dagegen sind kreuz- oder x-förmige Figuren die häufigsten. Die Zahl dieser Chromosomengruppen lässt sich zu der Zeit, wo dieselben noch im Kern scheinbar ganz unregel- mässig angeordnet sind, nicht so leicht feststellen. Mit Sicher- heit konnte dies erst geschehen, als sich dieselben bereits im Zi Hans. ae & tig ıh Bios &. Fig. 4. Vierergruppen im Eikern von 32 Chromosomengruppen der Reifungs- Ilyodrilus. spindel von Rhynchelmis. Äquator des Kernes befinden. Da fanden wir stets 16 Chromo- somengruppen, die also 32 als die normale Zahl der Chromo- somen für Ilyodrilus ergeben. Zu dieser Zeit haben die einzelnen Chromosomengruppen natürlich bereits eine ganz andere Form angenommen. Gewöhnlich präsentieren sie sich als ein Gebilde, welches an den Buchstaben / erinnert (vergl. Textfigur 4). Wir haben dieselbe Form vor uns, die wir bei Rhychelmis wiederfinden werden und die nach den Angaben von K. Foot (1897), Klinkowström (1897), Francotte (1897), Van der Stricht (1898), Griffin (1899) "ete. in tierischen Eiern als eine weitverbreitete Erscheinung auftritt und wahrscheinlich für die Annulaten wie für die Polycladen und vielleicht auch für Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 457 andere Tiere sich als typisch erweisen wird. Die äquatoriale Anordnung der Chromosomen dauert ziemlich lange, denn sie geschieht schon im völlig intakten Kerne und die Umwandlung des letzteren zu einer Kernspindel erfolgt erst später, da wir bei Ilyodrilus ein sehr lang andauerndedes Fortbestehen der Kernmembran zu konstatieren vermochten. Wir werden im Laufe der weiteren Ausführungen wiederholt die Gelegenheit haben, zu zeigen, dass der Kernanteil an der Spindel stets schon äusserlich deutlich sichtbar bleibt, aber hier sehen wir, dass der Kern, auch nachdem die Spindel scheinbar bereits fertig ist, als ein geschlossenes Ganzes noch fortbesteht (vergl. Textfigur 5). Ein ähnliches Bild für Lumbriculus ist von Vejdovsky (1887 1. ec. T.I, Fig. 4) reproduziert worden. Fig. 5. Erste Reifungsspindel von Ilyodrilus coceineus Vejd. Der Kern ist jetzt von ellipsoider Gestalt, in der Richtung der Spindeln gestreckt und lässt eine derselben Richtung folgende Anordnung seiner Elemente erkennen. Diese machen den Eindruck feiner wellig verlaufenden Fasern. Die Pole der Spindel werden von grossem Üentrosphären!) mit fein alveolärem Bau und zentralem Centriol gebildet. Die von der ÜCentrosphäre ohne !) Im Laufe der Darstellung der sogen. achromatischen Teilungs- figuren werden wir die einzelnen Komponenten folgendermassen bezeichnen: 1. die ganze Figur mit Strahlen als Centrosphäre; 2. das Zentralkorn als Centriol; 3. die dasselbe umgebende Kugel als Centroplasma, 458 F. Vejdovsky & A. Mräzek: irgend welche stärker ausgeprägte Verdichtungszone (Archiplasma oder die Mantelschicht des Centroplasma) ausgehende Strahlung zeigt die Schaumstruktur nicht so deutlich, sodass besonders bei minder gut gelungener Fixation vielmehr das Bild einem dichten radiär angeordneten Fasergeflechte ähnlich ist, wie es die Schule Carnoys in ihrer bekannten Manier darzustellen pflegt. Es muss jedoch ausdrücklich bemerkt werden, dass die Strahlung keineswegs direkt an den Kern herantritt, sondern von dem- selben durch eine Schicht dichterer und infolgedessen dunkler tingierter Substanz getrennt ist. Diese Substanz erstreckt sich teilweise auch um die gesamte Polstrahlung herum, sodass die polaren Cetrosphären geradezu in einer „Hülle“ zu stecken scheinen (vergl. die Textfigur 5). Dieses Bild muss nach unserer Meinung auf Grund der bei späteren Kernteilungen festgestellten gesetzmässigen Entstehungsweise der sogen. achromatischen Strukturen gedeutet werden. Den späteren Ausführungen vor- greifend behaupten wir, dass die beiden in der heranreifenden Övocyte in der unmittelbaren Nähe des Kernes auftretenden Centrosphären nicht direkt zu den definitiven Polen der ersten Reifungsspindel werden, sondern dass erst ein eigentümlicher Vorgang, den Boveri als „Reduktion des Centrosoms“ bezeichnet hat, vorangeht, bei welchem nach unserer Deutung eine wirk- liche Neubildung der Centroplasmen stattfindet. Erst die neuen, endogen in den alten entstandenen Centroplasmen werden zu den definitiven Spindelpolen. Die erwähnte dichtere Substanz stammt grösstenteils von den alten Muttercentroplasmen ab. Bei der weiteren Ausbildung der ersten Reifungsspindel bleiben die Pole vollkommen unverändert, aber zwischen den- selben hat sich bereits eine wirkliche, von einem Pol zum andern hinziehende Spindel gebildet, deren ausserhalb des Kernes liegen- den Teile wohl auf Kosten der „dichteren Substanz“ von früher sich entwickelt hatten, denn diese letztere erscheint jetzt schon stark reduziert (Textfigur 6). Die Spindel ist in ihrer zentralen Partie von dickeren Protoplasmazügen oder Protoplasmaströmen gebildet und geht direkt durch den Kern. Sonst aber findet welches mit den Plasmastrahlen in direktem Zusammenhange steht und 4. das Archiplasma auf der Peripherie des Centroplasma. Die Begründung dieser Terminologie, sowie deren Synonymik ist in dem allgemeinen Teile dieser Arbeit enthalten. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung, 459 man in der ganzen Ausdehnung der Spindel einen exquisiten Wabenbau und auch überall im Kerne sind die Alveolen deutlich und dem Zuge der Spindel folgend angeordnet und verlängert. Reifungsspindel von Ilyodrilus coccineus Vejd, Eigentümlich ist die Gestalt des Kernes. Da wo die Spindel durch den Kern geht, ist derselbe beiderseits eingesunken, so dass er als eine quer auf die Längsachse der Spindel gestellte Biskuitfigur erscheint. Die Kernmembran ist noch vollkommen intakt und im optischen Medianschnitt auch an der Durchtritts- stelle der Spindel sichtbar. Die Lagerung der 16 Chromosomen- gruppen ist diejenige wie früher. Das endliche Verschwinden der Kernmembran konnten wir auf unseren Präparaten nicht verfolgen. Ganz ähnliche Entstehungsweise der Reifungsspindel, wie wir bei Ilyodrilus, hat Gathy bei Tubifex beobachtet. Wir verweisen nur auf seine Figg. 10, 11 und besonders Fig. 12. An dieser letzteren tritt die alveoläre Struktur innerhalb des im Auflösen begriffenen Kernes sehr schön hervor. Die Inter- pretation Gathys ist freilich eine vollkommen verfehlte. Die von demselben für Kernmembran gehaltene Kontur auf einigen Abbildungen ist keineswegs eine solche, und es kann demnach nicht die Rede sein von einer intranuklearen Entstehung der ganzen karyokinetischen Figur. l. e., p. 20: „les pöles se forment les premiers, presque toujours dans, le eytoplasme, parfois dans le noyau“, ibid. p. 21: „Quelquefois ils se forment. ‚dans le noyau, et nous croyons que le cas de ce genre ne doivent pas etre tres rares dans les oeufs des Tubifex,“ 460 FF. Vejdovsky &.A,Mräzek:; Die Figur Platners, auf die sich Gathy als Stütze seiner Ansicht beruft, beweist ebensowenig das intranukleäre Entstehen der Reifungsspindel bei Aulostomum, wie die von Gathy gelieferten Bilder und lässt sich mit unseren sonstigen Erfahrungen, die an verschiedenartigen Objekten gewonnen sind, gut in Einklang bringen. Wir haben im Vorhergehenden einige von uns an Tubi- ficiden gewonnene Resultate geschildert. Dieselben sind freilich nur fragmentarisch geblieben und konnten auch die für Rhynchelmis gebliebenen Lücken nicht vollkommen ausfüllen. Nichtsdestoweniger sind dieselben sehr lehrreich, denn sie zeigen uns sehr deutlich, wie unsere Kenntnisse der indirekten Kern- teilung auch vom rein deskriptiven Standpunkte aus noch sehr unvollkommen sind und dass es unumgänglich not- wendig erscheint, die Karyokinese nicht nur bei einigen wenigen „Iypen“, sondern stets auch bei einer Anzahl von sonst nahe miteinander verwandten Tieren zu verfolgen. Nur auf diesem Wege lässt sich eine feste deskriptive Basis für weitere kausale Forschungen gewinnen. Speziell unsere einheimischen Tubificiden bilden ein überaus schönes und ausgiebiges Material dazu, welches überdies leicht und zu jeder Zeit zu beschaffen ist. Nach diesem Exkurs kehren wir nun wieder zu Rhyn- chelmis zurück und wollen mit der Schilderung der fertigen Reifungsspindel beginnen. Dieselbe ist schon lange vor der eigentlichen Eiablage gebildet. Eine Abbildung derselben geben wir auf Taf. XIX, Fig. 17. Die ganze Figur ist schlank, etwa 0,09 mm (von einem Centriol zum andern gemessen) lang. Die Pole sind von relativ kleinen Centroplasmen eingenommen. An allen gut fixierten Präparaten sehen wir, dass die Centroplasmen einen fein alveolären Bau besitzen und je ein winzig kleines Centriol ohne jede Verdichtung oder Hülle in der Mitte führen. Wie bereits bemerkt wurde, konnte die Entwicklung der Spindel aus dem Kern heraus nicht verfolgt werden. Eine ziemlich vollständige Entwicklungs- reihe hat Korschelt bei einem anderen Annulaten (Ophryo- trocha) beobachtet. Nach seinen Angaben entwickelt sich die ganze Spindelfigur bis auf die Polfelder vollständig intranuklear, wobei die Kernmembran lange erhalten und dadurch die Form des Keimbläschens trotz der schon in seinem Innern vorgebildeten Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 461 Spindel längere Zeit gewahrt bleibt (also ganz ähnlich wie früher von Lumbriculus [Vejdovsky] und jetzt für Ilyodrilus geschildert wurde). Nachdem aber die Kernmembran doch endlich verschwunden ist, lässt sich an den Abbildungen Korschelts der Kernanteil nicht mehr verfolgen. Korschelt erwähnt weiter (l. c. p. 587): „dass die Zentren der Strahlungen zuweilen sehr dicht der Membran des Keimbläschens anliegen, während sie in anderen Fällen eine kurze Strecke davon entfernt sind.“ „Dieses Verhalten würde der weiteren” Spindel- bildung wegen von Interesse sein, doch scheinen sich späterhin immer die Centrosomen wieder an die Kernmembran anzulegen, sodass allem Anschein nach die anfangs zwischen dieser und ihren vorhandenen Strahlen wieder schwinden und bei der Ausbildung der Spindel nicht verwendet werden. Wenn es zu dieser kommt, fand ich die Strahlungen dicht am Kern liegend und da diese Lagerung fernerhin beibehalten wird, so ist die Folge davon, dass die Spindelfasern aus dem Kern hervorgehen müssen.“ Bei unserem Hauptobjekt (Rhynchelmis) ist aber zu jeder Zeit der nukleäre Anteil an der Spindel leicht nachweisbar, ebensowohl wie bei allen späteren Kinesen. Die zentrale Partie der Spindel, die aus dem Kern sich herausgebildet hat, also die eigentliche „Kernspindel“, ist immer bei jeder Präparationsweise viel intensiver gefärbt als die distalen Partien und die Pol- sphären mit ihren Strahlungen, was davon herrührt, dass die sogen. „Fasern“ der Kernspindel viel dicker sind als die Zwischen- wände der einzelnen Waben der Polsphären. Auch in dieser Kernspindel ist eine alveoläre Struktur nur schwer oder über- haupt nicht nachweisbar und die ganze Figur macht den Eindruck, als ob sie einfach durch das Flüssigwerden der Kernsubstanz resp. der Kernmembran zustande gekommen wäre. Wie überhaupt bei allen karyokinetischen Figuren von Rhynchelmis, so hängt auch bei der Reifungsspindel, wie ausdrücklich hervor- zuheben ist, die Kernspindel nicht direkt mit den Centroplasmen (d.h. dem sogen. Uentrosomen Boveris) zusammen, sondern ist von demselben durch einen (wenn auch hier nur kurzen) Zwischenraum getrennt. Diese Verbindungsstrecke zwischen dem Kern und den Spindelpolen ist besonders an den Prophasen der Karyokinese in den kleinen Epiblastzellen von relativ bedeutender Ausdehnung und wir können schon jetzt dem später Mitzuteilen- den vorgreifend, als eine ganz für Rhynchelmis typische Regel bezeichnen, dass die Spindelpole bei ihrem Heranwachsen sich zuerst vom Kern entfernen, und dass erst zwischen den 462 F. Vejdovsky & A. Mräzek: in extremster Lage befindlichen Centroplasmen die definitive Spindel entsteht. Die Erscheinung ist jedoch keineswegs auf Rhynchelmis beschränkt, sondern lässt sich auch bei vielen anderen Objekten und den verschiedensten Zellarten verfolgen. Einen extremen Fall haben jüngst Meves und v. Korff be- schrieben, doch handelt sich bei diesem nicht um etwas prinzipiell verschiedenes, sondern eben nur um eine extrem weite Entfernung der Centrosphären vom Kern. Aus diesem Grunde sind auch die in Anlehnung an einige botanische Befunde gezogenen Schlüsse und Erwägungen der genannten Autoren keineswegs stichhaltig. Bei einer näheren Betrachtung der polaren Centro- sphären ergibt sich ferner, dass dieselben keineswegs kugelige Gebilde darstellen, sondern im optischen Schnitt, da wo sie mit der Spindel zusammenhängen, abgeplattet erscheinen. Vergleichen wir damit die gerade entgegengesetzten Verhältnisse der späteren Furchungsmitosen, bei welchen die Uentroplasmen an derselben Stelle sich gegen die Kernspindel vorwölben, so spricht schon dieser Umstand für sich allein gegen die Auffassung, nach welcher die „Centrosomen“ (im Sinne Boveris) als feste Körper zur Insertion von Muskelfibrillen dienen sollen und über- haupt gegen die ganze Muskelfadentheorie der Zellteilungs- mechanik. Wohl aber lassen sich diese Erscheinungen begreifen, wenn wir uns vorstellen, dass sowohl die „Spindelfasern“ als auch die Polstrahlen etc. keine selbständigen dynamischen Elemente sind: sondern nur als passiver Ausdruck gewisser in der Zelle stattfindenden Substanzumlagerungen zu betrachten sind, die auch von — sei es physikalischen — Veränderungen (z. B. des Aggregationszustandes infolge osmotischer Vorgänge) oder gar chemischen Umsätzungen begleitet sein können. Die jeweilige Spindelform z. B. erscheint dann als die jeweilige Gleichgewichts- lage. Dieses Gleichgewichtsstadium kann ziemlich lange dauern, was insbesondere für die erste Reifungsspindel giltig ist. Die Dauer dieser letzteren ist durch eine direkte Beobachtung schwer festzustellen, doch durch Kombination verschiedener beobachteter Tatsachen, gelangt man zum Schlusse, dass dieselbe eine be- trächtliche sein muss. In der Äquatorialebene der fertigen Reifungsspindel liegen die Chromosomen. Bei der Kleinheit derselben war es keineswegs leicht, die Chromosomenzahl zu ermitteln. Doch durch viele Zählungen, Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 463 zu welchen sich besonders etwas schräg geführte Schnitte eignen, konnten wir zur Zeit der Äquatorialplatte der ersten Reifungs- spindel 32 Chromosomen als die Normalzahl ermitteln. Die Chromosomen sind von jener äusserst charakteristischen Form, welche wir oben für Ilyodrilus hervorgehoben und welche schon früher Miss Foot (1898) für Allolobophora foetida, v. Klinckowström (1897), Francotte (1897), Van der Stricht (1897) für Polycladen festgestellt haben. Am meisten stimmen die Formverhältnisse der Chromosomen unseres Objektes mit den Bildern überein, die v. Klinckowström für Prosthe- cereus geliefert hat. Bei Allolobophora überwiegen die Ring- oder Doppel-V-Elemente der heterotypischen Kernteilung. Solche fehlen bei unserem Objekt beinahe überhaupt und kommen nur hie und da in modifizierter Form vor. Am seltensten sind A ee Fig. 7. f-förmige Chromosomen von Rhynchelmis. solche Fälle, die an normale Vierergruppen erinnern. Häufiger sind Kreuzfiguren, die zu den bei Thalassema und Zir- phaea vorkommenden Formen (Griffin [|99]) hinüberführen. Von solchen Kreuzfiguren finden sich Uebergänge bis zu schein- baren, längs gestellten Doppelstäbchen und noch einfacheren Bildungen. Die meisten Chromosomen stellten jedoch f-förmige Körper dar (Textfig. 7), die durch den einseitigen Durchbruch der Verklebungsstellen entstanden sind. Im einzelnen ist jedoch auch die Form dieser chromatischen Elemente sehr variabel. Gewöhnlich finden wir die Enden kugelig angeschwollen und in der Mitte der dünnen Verbindungsstrecke eine dritte An- schwellung. Seltener ist diese doppelt, sodass die Bildung der ganzen Figur aus zwei (natürlich bivalenten) Chromosomen zum äusseren Ausdruck kommt. Das ganze Element ist entweder gerade gestreckt oder wie ein $ gebogen, oder in der Mitte geknickt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 30 464 F. Vejdovsky & A. Mräzek: In Anbetracht unserer bisherigen Erfahrungen an anderen Objekten und der später darzustellenden Metalyse der be- schriebenen Chromatinelemente ist es sicher, dass die Elemente - bivalent sind, und es ergibt sich daraus als eigentliche Chro- mosomenzahl für Rhynchelmis die Zahl 64. (Diese konnte auch dann tatsächlich in den ersten Furchungsspindeln festgestellt werden.) i Die erste Reifungsspindel liegt auch nach der Eiablage zu- nächst noch im Innern des Eies. Irgendwelche Gesetzlichkeit ihrer Lagerung konnten wir nicht feststellen. Da der noch ruhende Eikern exzentrisch liegt, so ist natürlich auch die Spindel selbst exzentrisch. Ob sie aber radiär oder paratangentiell ge- stellt ist, lässt sich nicht immer so leicht ohne langwierige Rekonstruktion entscheiden. Es scheint aber, dass die Spindel sowohl eine radiäre, als tangentielle Lage einnehmen kann. Die- selbe rückt nun an die Oberfläche heran, um zur Bildung der ersten Polzelle zu schreiten. Es entsteht die Frage, ob dies an einer bestimmten Stelle geschieht. Zwar ist das EivonRhynchel- mis entschieden polar differenziert und die Stelle der Polkörper- bildung befindet sich wenigstens in einer der Hauptachsen des Embryos, aber das beweist immer noch nicht, dass diese Polarität bereits auch schon von vornherein prädeterminiert wurde. Die Polarität könnte eben auch durch die Polkörperbildung bestimmt sein, diese aber an einer beliebigen Stelle der Eioberfläche 'ge- schehen. Es ist nur wahrscheinlich, dass die Reifungsspindel den kürzesten Weg zur Oberfläche wählt, und bei einer exzentrisch gelagerten Spindel wäre demnach die Gegend der Polkörper- bildung dadurch determiniert. Doch nur approximativ, denn es könnte auf diesem engeren Bezirke die Austrittstelle der Pol- zellen eine variable Lage einnehmen. Falls die Spindel radiär gestellt ist, bewegt sich dieselbe wohl regelmässig mit dem der Eioberfläche näheren Pol voran peripheriewärts. Doch auch hier kann man schon die Frage stellen, ob vielleicht der heraus- zustossende Teil der Reifungsspindel schon nicht a priori de- terminiert war. In dieser Hinsicht erscheinen als sehr interessant die schräg gestellten Reifungsspindeln. Solche Fälle sind bei Rhynchelmis sehr oft zu beobachten, was umsomehr in Be- tracht kommt, wenn man bedenkt, dass eine wirklich radiäre Spindel in ihrer Längsachse vom Schnitte getroffen niemals anders Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 465 als radiär erscheinen kann, während eine schief gestellte (tangentielle) Reifungsspindel dagegen sehr leicht auch scheinbar radiäre Lage vortäuschen kann. Eine solche tangentiell gestellte Spindel ist bei ihrer Wanderung zu der Peripherie dieser letzteren meistens mit einem Pole wohl viel näher als mit dem anderen, doch kann dieser Unterschied manchmal ein minimaler sein, denn wir finden sehr schräg gestellte Spindeln. Bei einer solchen Spindel ist wohl anzunehmen, dass derjenige Pol, der zuerst die Oberfläche berührt, zur Bildung der Polzelle benutzt wird, und dass es nur vom „Zufall“ abhängt, welcher der beiden Pole es ist. Doch solche und ähnliche Fragen hängen zusammen mit der Frage nach der morphologischen und physiologischen Bedeutung der Polkörperchen, nach dem Vorkommen von sogen. erb- ungleichen Kernteilungen etc., und solche Fragen lassen sich wohl nur auf experimentell analytischem W.ege lösen, aus welchem Grunde wir auf dieselben hier nicht näher einzugehen brauchen. Die Spindel gelangt also endlich ganz an die Oberfläche. Die dabei sich abspielenden Vorgänge sind bei anderen Objekten in ziemlich übereinstimmender Weise schon vielmals geschildert worden. Es entsteht eine Figur, die man füglich als einpolig bezeichnen dürfte. (Gathy hat auch wirklich diese Bezeichnung für die ähnliche Figur der zweiten Reifungsteilung von Tubifex und Glossiphonia angewandt.) Im Innern des Eies finden wir noch eine normale Sphäre, dann kommt die Kernspindel und an der Eiperipherie finden wir nur eine so dichte Protoplasma- anhäufung, dass sich die radiäre Anordnung eines Teiles der- selben kaum noch unterscheiden lässt. Diese Anhäufung ist am dichtesten an der Peripherie des Eies (Taf. XIX, Fig. 18). Infolgedessen ist dieser Teil immer sehr stark gefärbt; besonders bei der Eisenhämatoxylinfärbung nimmt es eine tiefschwarze Färbung an und bleibt auch bei der Nach- oder Vorfärbung mit Bordeaux R. etc., auch wenn die Präparate im Eisenalaun stark entfärbt wurden, so stark gefärbt, dass wir das Üentriol an diesem Pole gar nicht mehr nachweisen und also auch nicht sagen können, ob es nicht bereits verdoppelt sei. In dieser Hinsicht müssen wir uns bloss an den inneren Spindelpol stützen und dieser bietet sehr eigentümliche Verhältnisse dar, die stark von den bei allen späteren Mitosen vorkommenden abweichen. Doch darüber werden wir erst etwas später berichten und wollen 30* 466 F. Vejdovsky & A. Mräzek: zunächst einige allgemeinere Bemerkungen über den Aufstieg der Reifungsspindel an die Eioberfläche hinzufügen. Der ganze Prozess, d. h. der Aufstieg der Reifungsspindel und die Hervorknospung der Polzellen ist nach unserer Ansicht gänzlich unvereinbar mit der Theorie von einem System ge- spannter Radien, oder, richtiger gesagt, lässt sich auf Grund einer solchen gar nicht mechanisch erklären. Eine andere be- friedigende Erklärung vermögen wir natürlich auch nicht zu geben, aber sehr viele eben zu beschreibende Erscheinungen widersprechen direkt der Muskelfibrillentheorie. Es könnte beim ersten Anblick als wahrscheinlich erscheinen, dass die Heraus- stossung der beiden Richtungskörper mit den sehr mannigfachen äusseren Gestaltsveränderungen des Eies kausal zusammenhängt. Die frisch im Kokon abgelegten Eier haben zunächst eine ganz unregelmässige Gestalt, erst allmählich nimmt das Ei eine kugelige Form an und schreitet dann nach einiger Zeit zur Bildung des ersten Richtungskörpers. Die dabei stattfindenden Gestalts- veränderungen wurden bereits früher in ihrer Zeit- und Reihen- folge erschöpfend (Vejdovsky 1887/8) dargestellt und wir ver- weisen deshalb einfach auf diese frühere Mitteilung. Das Ei nimmt dabei auch eine birnförmige Gestalt an und die Polzelle wird von der Spitze gewissermassen abgeschnürt. Diese Ver- änderung des einen Eipoles nimmt jedoch ihren Ursprung von dem geraden, entgegengesetzten Pol und lässt sich als eine förmliche, scharf stufenartig abgesetzte Wellenbewegung, die über die ganze Eioberfläche fortschreitet, verfolgen. Diese Metabolie des Eies ist ein schlagender Beweis gegen die Existenz von Muskelfibrillen, denn das Vorkommen der letzteren lässt sich mit derselben nicht vereinbaren, andererseits geben allerdings die Eier von Rhynchelmis selbst keinen genügenden Aufschluss über die Bedeutung dieser Metabolie. Dazu eignen sich vielmehr andere Objekte, denn diese gesteigerte Metabolie des Kies während der Befruchtung und Reifung ist keineswegs an Rhynchel- mis beschränkt, sondern auch für viele andere Objekte giltig. Leider ist dieser interessanten Erscheinung meistens bisher keine senügende Aufmerksamkeit gewidmet worden. Am besten dürfte sie für die Eier von Nematoden bekannt sein (vergl. die Unter- suchungen z. B. von Ziegler, Zur Strassen,v. Erlanger, Rhumbler). Doch kommt sie auch bei anderen Objekten vor. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 467 Aus eigener Anschauung haben wir den Vorgang bei Tubifex, Hirudineen und Petromyzon kennen gelernt. Bei Petromyzon wurden die äusseren Gestaltsveränder- ungen des Eies, die sich unmittelbar nach der vollzogenen Be- fruchtung kundgeben, bereits von den ältesten Autoren (Müller, Schulze) ziemlich genau beobachtet und geschildert. Bei diesem Vertebraten wird jedoch zu derselben Zeit sehr rasch die Eihaut abgehoben und ein mächtiger Besamungskegel gebildet (vergl. Herfort) und es könnte deshalb der Gedanke auf- kommen, dass diese Metabolie in einem Zusammenhange mit der Befruchtung resp. dem Hervorquellen der Spitze des Befruchtungs- konus steht. Aber schon die an Hirudineen, z. B. Glossi- phonia, leicht anzustellenden Beobachtungen belehren uns, dass dieser Vorgang mit der eigentlichen Befruchtung nichts zu tun hat. Dieselbe ist schon, ähnlich wie bei Rhynchelmis, seit langem vollzogen, der Besamungskonus bereits wieder verschwunden, wenn das Ei seine merkwürdigen Gestalts- veränderungen zeigt. Der Ausgang dazu zeigt sich wieder an dem der Austrittstelle der Polzellen entgegengesetzten Pol, doch nimmt das Ei niemals eine birnförmige Gestalt an, wie beiRhynchel- mis, was dadurch bedingt wird, dass die obenerwähnte wellen- artige Bewegung sich mehrmals wiederholt. Anstatt einer Ein- schnürung, die zur Annahme einer ovoiden Form führt, entstehen deren zwei. In dieser Gestalt verharrt das Ei von Glossi- phonia eine Zeit lang, doch bei aufmerksamer Beobachtung gewahrt man leicht, dass es keineswegs ruhig ist. Im grossen und ganzen bildet zwar der Kontur drei Wellen, aber wir sehen, wie sich dieselben fortwährend heben und senken, sodass die ganze Eioberfläche eine oscillierende Bewegung macht. Erst nachdem das erste Richtungskörperchen ausgestossen wird, glättet sich wieder allmählich die Oberfläche aus und das Ei nimmt wieder seine frühere Kugelgestalt an. Am schönsten sind jedoch diese Vorgänge, wie wir in der allerjüngsten Zeit festgestellt haben, bei dem gemeinen Tubifex rivulorum zu beobachten. In den Kokons sind zwar die Eier sehr aneinander gedrängt und erschweren so die Beobachtung, nichtsdestoweniger lässt sich bereits hier die Metabolie des Eies verfolgen. Mit grösster Bequemlichkeit ist dies jedoch möglich, wenn wir die Tiere zwingen, ihre Eier nicht in ganzen Kokons, 468 F. Vejdovsky & A. Mräzek: sondern einzeln abzulegen. Dies geschieht auf eine sehr einfache Weise, wenn man eine Menge geschlechtsreifer Tiere in reinem Wasser (ohne Sumpf, Putredo, Sand und ähnliches) in einem Gefäss hält. Die Tiere ballen sich zu einem Klumpen zusammen und werden auf diese Weise gegenseitig bei der Kokonbildung gestört, sodass die Eier frei ins Wasser gelangen. Solche Eier entwickeln sich dann ganz gut und sind auch ganz resistent gegenüber den äusseren Einflüssen. Dies hat seine Ursache in dem Umstande, dass die Eier von Tubifex von einer deutlichen, festen, abstehenden Eihülle umgeben sind. Eine solche fehlt bei Rhynchelmis. Wir sehen zwar bei dieser Form, dass bei den künstlich aus dem Kokon herauspräparierten Eiern (die sich im Wasser auch weiter entwickeln können) die feine Dotter- membran sich ein wenig abzuheben beginnt. Doch dies ist nur kaum angedeutet und die Eioberfläche erscheint wie von einem schmalen, schleimigen und gezüngeltem Saum umgeben. Ganz ähnlich gestalteten sich die Verhältnisse bei Tubifex unmittel- bar nach der Eiablage. Das Abheben der Eihülle geschieht nach unserer Ansicht in der Weise, dass das Ei eine schleimige Masse absondert, die auf den fixierten Präparaten als eine geronnene Substanz die Polkörperchen umhüllt. Das Ei verharrt dann noch eine Zeit lang in seiner ruhenden Kugelform. Bald aber schreitet es zur Ausstossung der beiden Richtungskörper und es zeigen sich jetzt an demselben die höchst intensiven amöboiden Be- wegungen, die die bei Rhynchelmis oder Glossiphonien beobachtete Metabolie weit übertreffen. Das Ei plattet sich zu- nächst ab und seine Peripherie bildet wirkliche Pseudopodien, die zuerst flach bleiben, doch werden die Furchen, welche die einzelnen pseudopodienartigen Bildungen trennen, immer tiefer und das Ei nimmt eine vielfach gelappte Form an. Die ganze Dottermasse des Eies befindet sich in stetiger Bewegung, die äussere Kontur verändert sich fortwährend und an einzelnen Lappen entstehen wieder sekundäre Furchen. Im solchen Stadium macht es beim ersten Blick ganz den Eindruck, als ob ein un- regelmässig gefurchtes Ei vorliegen würde, so tief und deutlich treten die einzelnen Furchen auf der Eioberfläche auf. Bald aber (etwa nach 1—2 Stunden) glättet sich wieder all- mählich die Eioberfläche aus und das Ei nimmt wieder an- nähernd die Kugelgestalt an. An einzelnen Eiern haben wir Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 469 dabei eine Erscheinung beobachtet, die zwar als abnorm zu be- trachten ist, die sich aber aus der beschriebenen amöboiden Be- wegungsweise des Eies sehr leicht erklären lässt. Die einzelnen ' Lappen des metabolischen Eies hängen mit der zentralen Masse des Eies oft nur durch einen kurzen, dünnen Stiel zusammen, und da geschah es oft in unseren Zuchtgläsern, dass solche Lappen bei der nachherigen Abrundung des Eies von dem übrigen Eie sich ablösten und zu selbständigen Gebilden — scheinbaren Blastomeren — wurden. Nach kurzer Pause beginnt das oben beschriebene Bild von neuem. Es wird die zweite Pol- zelle gebildet und es zeigen sich während dieses Vorgangs und noch eine Zeit lang nachher dieselben amöboiden Bewegungen, wie früher. Da dabei das Ei wieder abgeplattet wird, so gleiten die Polzellen, ähnlich wie bei den Eiern der Hirudineen vom oberen Pole seitwärts in die Äquatorialebene. Nachdem das Ei wieder kugelig geworden ist, befinden sich in seiner Mitte bereits die beiden konjugierten Pronuklei oder schon die an- gelegte erste Furchungsspindel. Auf die Schilderung dieser Verhältnisse, die wir bei Tubifex nicht näher verfolgt haben, müssen wir selbstverständlich verzichten. Wir begnügen uns hier nur mit dem Hinweis darauf, dass bei Tubifex auch bei der ersten Zellteilung, d. h. bei der Bildung der zwei ersten Blastomeren, die amöboide Beweglichkeit des Eies wieder zutage tritt, wenn auch in etwas weniger ausgesprochener Weise. Unsere Beobachtungen an Tubifex haben also ergeben, dass die abgelegten Eier dieser Form zu den mit der grössten Metabolie versehenen Objekten gehören. Merkwürdigerweise finden wir aber bei Gathy, der sich doch ausschliesslich mit der Reifung des Eies von Tubifex beschäftigt hat, gar keine, auch nicht die leiseste Anspielung an diese Vorgänge. Es scheint zwar, dass Gathy niemals lebendes Material von Tubifex untersuchte, und dass er sich nur auf das konservierte Material beschränkte. Aber auch so ist sein Übersehen beinahe unmöglich zu ver- stehen, denn wir sehen, wie ja auch nicht anders zu erwarten war, dass die amöboide Form des Eies an den Schnittpräparaten sehr schön zutage tritt. Unsere Beobachtungen gipfeln also in dem Resultate, dass dem Eie sehr vieler Tiere aus verschiedenen Ordnungen (Wirbel- tiere [Petromyzon], Annulaten [Tubifex, Rhynchelmis, 470 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Hirudineen], Nematoden etc.) während der ersten Entwicklungs- stadien eine bedeutende amöboide Beweglichkeit zukommt. Diese Beweglichkeit steht in keinem direkten mechanischen Zusammen- hange mit der Bildung des weiter unten beschriebenen Besamungs- kegels, mit der Ausstossung der Polzellen etc., und lässt sich iusbesondere mit Rücksicht auf die interessanten Befunde Zieglers, Erlangers, z. Strassens und Rhumblers an den Nematoden-Eiern am besten als Ausdruck der erhöhten Reizbarkeit und Lebenstätigkeit des Eies zu dieser Zeit auffassen. Es wäre ja auch möglich, dass diese in den intensiven, amöboiden Bewegungen des Eies sich manifestierende Lebenstätigkeit (Agilität des Eies) eben durch die stattgefundene Befruchtung verursacht oder ausgelöst wurde. Soviel aber ist sicher, dass insbesondere in den extremen Fällen, wie bei Tubifex oder bei den Nematoden, dieses amö- boide Bewegungsvermögen direkt gegen das Vorhandensein irgend- welchen kontraktilen Radiensystemes spricht. Aber auch in anderer Hinsicht ist diese Metabolie des Eies vom allgemeinen Standpunkte aus interessant. Dieselbe scheint uns auch einiges Licht auf die Frage zu werfen, wie wir uns die Durchschnürung der Zelle bei der Zellteilung zu denken haben. Die z. B. von mehreren Seiten versuchte mechanische Erklärung der Zell- durchschnürung auf Grund der Tätigkeit der von der Spindel ausgehenden Muskelfibrillen ist wohl kaum annehmbar. Das haben z. B. auch die Arbeiten Rhumblers dargetan. Doch auch die Erklärung der Zelldurchschnürung durch Membran- wachstum, wie sie Rhumbler verteidigt, ist nicht die glück- lichste resp. die einzig mögliche, und gerade die von uns be- obachtete grosse Beweglichkeit des Eies und seine Fähigkeit, wirkliche Pseudopodien zu bilden, spricht gegen einige Beweis- eründe Rhumblers. Wir sehen, dass das Ei schon durch seine Abplattung seine Oberflächenausdehnung ändert, noch mehr also durch die Lappen- oder Pseudopodienbildung; nachher nimmt das Fi wieder seine frühere Kugelform an und die äusseren Umrisse desselben sind dabei wieder regelmässig, zeigen aber keine Faltenbildung. Es folgt daraus, dass die überaus feine Ei- haut sehr dehnbar ist und allen Gestaltsveränderungen der Zelle folgen kann, und dass, nachdem sich das Ei wieder abgerundet hatte, sie zu ihrem früheren Umfang zurückkehrt. Wollten wir Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 471 die Durchschnürung des Eies von Petromyzon oder von Annulaten etc. als Folge eines einseitigen Zell- Membran- wachstums erklären, so müssten wir ganz konsequent auch die Pseudopodienbildung des reifenden Eies etc. als eine Folge lokaler Wachstumsprozesse in der Zellmembran erklären. Dies wäre jedoch entschieden unrichtig und wir sehen, dass auch die Rhumbler’sche Erklärung nicht zutreffend ist. Es kann nur konstatiert werden, dass die Zellmembran sich stets der Ober- flächenausdehnung anzupassen trachtet, also je nach Bedarf sich entweder ausdehnt oder wieder zusammenzieht. Die Eihaut ist kein starres, totes Gebilde, sondern eben nur die etwas modifizierte, periphere Protoplasmaschicht. Halten wir den Aggregationszustand von Protoplasma für flüssig, so kann die Zelldurchschnürung nach den bekannten physikalischen Gesetzen wenigstens prinzipiell gar leicht begriffen werden, wenn wir uns vorstellen, dass die Zusammensetzung des Eies oder der Zelle verschiedenen Veränderungen ausgesetzt ist, die sich dann in veränderten Spannungsverhältnissen manifestieren müssen. Die dehnbareEimembranist dann fähig, einer jeden, auch der kleinsten Veränderung derSpannung zu folgen und so ist die Ausdehnung oder „Membran- wachstum“ eine Folge der Zelldurchschnürung, nicht deren Ursache. Nach diesem Exkurs kehren wir nun wieder zu der Reifungsspindel zurück. Nachdem die Spindel auf die oben be- schriebene Weise die Oberfläche erreicht hatte, findet die Aus- stossung der ersten Polzelle statt. Dabei zeigen sich einige Veränderungen an der Spindel, die jedoch sehr bedeutend von den bei allen späteren Kinesen vorkommenden Verhältnissen ab- weichen. Zunächst müssen wir hervorheben, dass das Centroplasma nicht weiter wächst. Es behält dieselbe Grösse, die es vom Anfang an besass, wo die Chro- mosomen noch in der Äquatorialplatte ange- sammelt waren. Dies ist ein hochbedeutender Unterschied gegen die weiter unten zu beschreibenden Figuren der Furchungsspindeln. Hier begegnen wir stets einer sehr be- deutenden Vergrösserung der Centroplasmen, die sich zur Zeit des Auseinanderrückens der Chromosomen aus der Äquatorial- 472 F, Vejdovsky & A. Mräzek: platte in besonders intensiver Weise zu zeigen beginnt und zur Zeit der Umbildung der Chromosomen zu den Karyomeren (die dann zur Bildung der neuen Tochterkerne zusammentreten) ihr Maximum erreicht („Das Heranwachsen des Centrosomas* bei Boveri und seinen Nachfolgern.. Mit diesem Heran- wachsen des Centroplasmas ist dann die Verdoppelung der Cen- triolen innig verbunden. Bei der Reifungsspindel von Rhynchel- mis sind dagegen die Verhältnisse ganz andere. Das distale Centriol lässt sich, wie oben erwähnt wurde, kaum mit Sicher- heit nachweisen, und es kann also über seine eventuelle Ver- doppelung nichts ausgesagt werden, doch bezüglich des proxi- malen Gentriols, d.h. desinneren, im Ei zurück- bleibenden Poles der Spindel, können wir mit aller Be- stimmtheit behaupten, dass es sich vorderhand niemals verdoppelt, sicher nicht vor der Ausstossung der ersten Polzelle. Und doch sieht man, dass bei anderen Mitosen die Centriolen sich sehr zeitlich verdoppeln und dass zur Zeit des Auseinanderrückens der Chromosomen bereits nicht nur die Centriolen verdoppelt, sondern gar schon die neuen Tochtercentroplasmen gebildet werden. Aus den Angaben vieler Autoren ersehen wir, dass etwas ähnliches auch an den Reifungs- spindeln der meisten daraufhin untersuchten Tiere vorkommt. Es können z. B. nur die Arbeiten von Griffin (Thalassema), Kostanecki & Wierzejski (Physa, Myzostoma), Wheeler, M-.cCoe (Cerebratulus), MceFarland etc. angeführt werden, wo überall die Centriolen verdoppelt sind. Das Schicksal der Chromosomen ist ziemlich schwer zu ver- folgen. Die auseinanderrückenden Hälften verkürzen sich merk- lich und erscheinen an weniger günstig erhaltenen Präparaten nur in der Form unregelmässig gestalteter Körperchen. An anderen dagegen sehen wir auf das schönste, wie die einzelnen doppelwertigen Elemente sich in der Mitte wieder umbiegen und wie sich die beiden Scheiteln derselben aneinanderlegen. Oft ist auch die Querteilung in der Mitte vollkommen vollbracht und es liegen dann in der Spindelrichtung geordnete Doppel- stäbchen vor, die da ihre Enden abgerundet und oft knopf- artig verbreitet und ganz den Eindruck von Vierergruppen haben (vergl. die Textfigur 8). Wir wollen hier gleich über den weiteren Verlauf berichten. Die Chromosomen strecken sich Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 473 wieder bedeutend und legen sich kreuzweise übereinander, sodass solche Bilder entstehen, wie die in der Textfigur 9 dargestellten. Es ist aus dem Geschilderten zu ersehen, dass bezüglich der Chromosomenbildung und der Reduktionsfrage bei Rhynchel- mis (und einigen Tubificiden) ganz dieselben Verhältnisse vor- liegen, wie sie bei Polycladen festgestellt worden sind. En vv 9 2 Fig. 8. Fig. 9. Umgestaltung der Chromosomen zu Gestalt der Chromosomen der zweiten Ende der ersten Reifungsteilung Reifungsspindel von Rhynchelmis, (Rhynchelmis.) Die an den Chromosomen während der Reifungsteilungen sich abspielenden Vorgänge sind nach unserer Ansicht noch aus einem anderen Grunde besonders interessant. Sowohl die Gruppierung der Chromosomen, als auch deren Gestalt erleiden bedeutende Veränderungen während dieser Zeit und bei vor- urteilsfreier Betrachtung sehen wir, dass einige derselben sicher gar nicht mit der Wirkung der „Spindelfasern“ im ursächlichen Zusammenhange stehen, ja, dass eine solche Stellung der Chro- mosomen, wie sie bei den Kreuzfiguren vorkommt, direkt gegen die mitwirkende Tätigkeit von „Spindelfibrillen“ spricht. Die Gestalts- etc. Verhältnisse der Chromosomen sind entschieden in einigen Zeitpunkten ganz autonom, resp. wir können über die Ursachen derselben zur Zeit nichts Positives aussagen, aber eben solche Fälle sollten uns klar machen, dass wir auch in anderen Fällen sehr vorsichtig sein müssen, wenn wir z. B. die Bewegung der gespalteten Chromosomen gegen die beiden Pole hin auf die Tätigkeit von anderen Bildungen (Spindelfasern) zurückführen. Zu dieser Zeit, wo die eben geschilderten Vorgänge ver- laufen, beginnt sich das Ei, welches eine Zeit lang von birn- förmiger Gestalt war, wieder abzurunden und, nachdem dies ge- schehen ist, wird die erste Polzelle ausgestossen. Diese bildet 474 F. Vejdovsky & A. Mräzek: zunächst ein Höckerchen auf der Oberfläche des Eies, und erst später kommt es zu ihrer Abschnürung. Doch ist ein sehr deut- licher Zwischenkörper noch lange nachweisbar und die Polzelle hängt sozusagen an diesem. Die erste Polzelle misst ungefähr 0,05 mm im Durchmesser und zu ihrer Bildung wurde haupt- sächlich das dotterfreie, hyaline Material der polaren Plasma- anhäufung benützt, doch geraten teilweise auch einzelne Dotter- körnchen hinein. Am lebenden Objekt wurde beobachtet, dass sich das erste Polkörperchen weiter teilen kann, und auf unseren Präparaten sehen wir die senkrecht zur Eioberfläche stehende Teilungsspindel in der ersten Polzelle, wie es schon vor Jahren einer von uns in der ersten Polzelle der Lumbriciden dar- gestellt hatte. Das Centriol ist in der Polzelle sehr schwer nachzuweisen, da bei dem Vorkommen von einzelnen Dotter- körnern in der Polzelle sein Vorhandensein leicht verdeckt werden kann. Die Chromosomen liegen gewöhnlich an der distalen Partie der Zelle, ganz nahe an der Peripherie, und haben stets schon die Metalyse und nachfolgende Gruppierung zu Pseudotetraden durchgemacht. Nach der Ausstossung der ersten Polzelle verkürzt sich die im Ei zurückbleibende Spindelhälfte und nimmt eine tonnen- förmige Gestalt an (Taf. XX, Fig. 10). Die Centrosphäre hat viel an ihrer früheren Deutlichkeit eingebüsst und ihre Strahlen- figur ist beinahe unsichtbar geworden. Zu dieser Zeit beginnt sich die oben erwähnte plasmatische Randschicht des Eies gegen die beiden Pole hin zu bewegen. Diese Verhältnisse wurden schon früher dargestellt und wir verweisen auf die mehrmals zitierte Arbeit eines von uns (Vejdovsky 1887/8) hin. Das Ei von Rhynchelmis bildet erst nach der Eiablage und infolge der Befruchtung eine festere eigentliche Dottermembran. Die- selbe ist auf der Eiperipherie sowohl bei dem Wachstum des Besamungskegels, als auch während der Polzellenbildung ganz deutlich sichtbar, indem sie durch diese Bildungen von der Ei- oberfläche abgehoben wird. Sonst aber kommt es beiRhynchel- mis nicht zur Bildung einer festen, weit abstehenden Dotter- membran, wie bei Glossiphonia, Tubifex und Lumbriciden in welchen Fällen dann eine zweite Dottermembran abgeschieden wird. Da wo sich die Dottermembran etwas von der Eioberfläche abhebt (also in. der Umgebung der Polzelle) wird zwischen die- Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 475 selbe und das Ei eine schleimige Masse ausgeschieden, die auf Präparaten körnig oder fädig koaguliert. Durch solche Fixations- artefakte hat sich offenbar Gathy täuschen lassen, wenn er bei Tubifex von einer dicken Eihülle spricht. „Elle peut alors acquerir un 6&paisseur aussi extraordinaire. Ü’est aussi que l’oeuf de la Fig. 19.a. une membrane tres &paisse et struc- turee et on y voit un reticulum refringent avec des stries longitudinales ondules tres apparentes. Elle a &t& soulevee et detachee de l’oeuf sur une certaine etendue par le premier globule qui c’est loge en partie dans la membrane m&me etc.“ Die erste, weit vom Ei abstehende Eihaut scheint Gathy bei Tubifex gänzlich übersehen zu haben. Die Entstehung der zweiten Reifungsspindel konnten wir leider an unserem Material trotz der eifrigsten Bemühungen nicht beobachten. Immer fanden wir entweder nur die Rück- bildung der Centrosphäre der ersten Reifungsspindel oder schon die ausgebildete zweite Spindel und, obgleich wir weit mehr als hundert solcher Reifungsspindeln in unserer Präparatensammlung besitzen, ist uns niemals eine freie, zweipolige, noch tangentiell gelagerte zweite Reifungsspindel zu Sicht gekommen. Immer sehen wir ein und dasselbe Stadium: radiär gestellte, schlanke Spindel mit deutlichem inneren Pol und Strahlung, während der äussere Pol bereits dicht der Eiperipherie anliegt (Taf. XIX, Fig. 19). Daraus dürfte zunächst der Schluss sich ergeben, dass die Bildung der zweiten Reifungsspindel sehr rasch verläuft, sodass es ungemein schwierig ist, dieselbe auf den Präparaten zu fixieren. In mehr oder weniger deutlicher Weise macht sich dieser Um- stand auch bei vielen anderen Objekten geltend. Vergleicht und prüft man die schon so riesig angewachsene Literatur über die Reifungserscheinungen des tierischen Eies, so findet man bald, dass die Entstehung der zweiten Reifungsspindel nur bei recht geringer Anzahl der Fälle sichergestellt wurde, dass dagegen bei vielen Autoren in dieser Hinsicht eben dieselbe Lücke besteht, wie bei unserem Objekte und dass die entscheidenden Stadien, die die Bildung der zweiten Reifungsspindel zeigen sollten, fehlen. Insbesondere müssen wir auf Objekte hinweisen, die systematisch mit Rhynchelmis verwandt sind, also die Annulaten. Die 476 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Arbeit Gathys, die angeblich als eine Frucht mehrjähriger Untersuchungen an Tubifex und Glossiphonia gelten soll und welche die Verfolgung der Reifungserscheinungen zu ihrem speziellen Ziel hatte, birgt nichts über die eigentliche Entstehung der zweiten Reifungsspindel. Gathy zeichnet stets nur bereits fertige Spindel mit einem einzigen freien Pole (dem inneren), wie er ausdrücklich die zweite Spindel als einpolig bezeichnet. Nach den Untersuchungen dieses Autors steht aber soviel fest, was wir auch aus eigener Anschauung bestätigen können, dass auch bei Tubifex und Glossiphonia das im Ei zurück- bleibende Centriol vor der Ausstossung der ersten Polzelle nicht verdoppelt wird. Wie also die zweite Spindel entsteht, ist vorderhand vollkommen ins Dunkel gehüllt und muss weiteren Untersuchungen die Entscheidung darüber überlassen werden. Nach der Bildung der ersten Polzelle findet man im Eie ein tonnen- förmiges Gebilde mit meridionaler Faserung, wie das in Fig. 20 dargestellt ist und wie einer von uns bereits vor Jahren angegeben hat. Wir haben solche Bilder leider nur in einigen wenigen Exemplaren gefunden, trotzdem wir eine grosse Menge von Tieren, die nach unserer Berechnung (auf der Zeit der Ei- ablage und der Form des Eies basiert) die Übergänge zur Bildung der zweiten Spindel zeigen sollten. Solche Präparate wurden auch nur mit Safranin oder Karmin, nicht aber mit Eisenhämatoxylin gefärbt, sodass wir nicht entscheiden können, ob in der dichteren kappenartigen Anhäufung von Protoplasma an dem einen Ende der Tonnenfigur irgendwelches, dem Centriol entsprechendes Gebilde sich befand. Trotzdem kann nicht be- zweifelt werden, dass der tonnenförmige Kern bereits der zweiten Reifungsteilung angehört und es ist wahrscheinlich, dass die Bildung der zweiten Reifungsspindel nach einem ähnlichen Modus verläuft, wie McFarland bei Diaulula vorgefunden hat. Dies ist natürlich nur eine blosse Vermutung, die durch weitere Untersuchungen bestätigt werden muss. Wie erwähnt, haben wir nur die bereits vollkommen fertige zweite Reifungsspindel näher untersuchen können. Diese ist radiär gestellt und „einpolig“, indem die eine Centrosphäre in Eipheripherie aufgeht. Ein Centriol konnten wir auch hier wieder nicht nachweisen, woran wohl die bedeutende Verdichtung der Protoplasmasubstanz in dieser Gegend schuld ist, die sich “ Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. #77 durch das starke Färbungsvermögen kundgibt, welche alle event. vorhandenen Strukturen verdeckt (vergl. Taf. XIX, Fig. 19). Nach der Bildung der zweiten Polzelle, welche ein wenig kleiner ist als die erste, inzwischen sich wieder zur Teilung vorbereitende Polzelle, erscheint der Spindelrest innerhalb des Eies als ein intensiv sich färbender Plasmastrang, der mit der gewesenen inneren Centrosphäre allmählich verschmilzt. Die Selbständigkeit der letzteren hat nämlich aufgehört; ihr Plasma ist sehr dicht und färbt sich ebenso intensiv, wie der erwähnte Spindelrest. Das Centriol ist nicht mehr nachweisbar, es ist spurlos verschwunden. Jedenfalls aber liegt uns eine äusserst feinwabige, vergrösserte Plasmaansammlung vor, in deren Zentrum die zu bläschenartigen Körperchen umgebildeten Chromosomen gelagert sind, wie sie bereits einer von uns in den „Entwickl. Untersuchungen“ beschreibt und abbildet (l. c. Taf. IV, Fig. 26, 28). Es sind dies die Karyomeren Fols (Karyosomen Platners). Eine solche Umwandlung der früheren Chromosomen zu bläschen- förmigen Karyomeren ist besonders in den letzten Jahren für eine Menge von Tierformen nachgewiesen worden, doch müssen wir darauf aufmerksam machen, dass einer von uns (Vejdovsky 1887) einer der ersten war, der solche Bilder der Rekonstruierung der neuen Tochterkerne aus bläschenförmig umgeformten Chromosomen beschrieb. Dieselbe Erscheinung haben wir auch bei verschiedenen Arten der Blutegelgattung Glossiphonia konstatiert, wo dieselbe noch deutlicher hervortritt, infolge der Grösse der einzelnen Karyomeren und der, wie es scheint, kleineren Chromosomenzahl. Die Lagerung der Karyomeren kann jedoch auch eine mehr unregelmässige sein. Die noch grösser werden- den Bläschen treten endlich zusammen und bilden ein morula- artiges Gebilde, den weiblichen Pronukleus. Die einzelnen bläschen- förmigen Karyomeren scheinen zwar miteinander verklebt, aber sonst selbständig geblieben zu sein. In einem jeden Karyomer treffen wir kleine scharf konturierte und der Wand aufsitzende kugelige Gebilde von nukleolenartiger Gestalt. Der traubenförmige Pronukleus wandert nun in das Eizentrum, wo inzwischen die neuentstandenen Tochtersphären (Taf. XXI, Fig. 34) um den männlichen Pronukleus bereits eine Spindel gebildet haben (vergl. darüber das an anderer Stelle Gesagte). Der Pronukleus liegt in einem klienen Plasmahof, welcher durch die anziehende 478 F. Vejdovsky & A. Mräzek: und vielleicht auch assimilatorische Kraft des Centroplasma gebildet wurde und an welchem noch deutlich derjenige Teil zu sehen ist, welcher durch direkte Umbildung der ersten Mutter- sphäre entstanden ist. In diesen Hof gelangt nun auch der weibliche Pronukleus und es entsteht also die Frage, ob sich derselbe seinen eigenen Plasmahof und mit demselben eventuell das ruhende Centriol mitbringt. Dies können wir auf das Entschiedenste verneinen und nur das wiederholen, was einer von uns schon vor Jahren gegen die sogen. Centrenquadrille Fols behauptet hat. Der weibliche Pronukleus verlässt vollkommen seinen früheren Plasmahof und begibt sich zu dem männlichen Pronukleus. Bei dieser Wanderung vermag er sich allerdings nicht so leicht von der feinalveolären Plasmaansammlung loszureissen, sondern wird von derselben eine Strecke weit im Dotter begleitet. Infolgedessen erscheint das Plasma wie ein Kometenschwanz hinter dem Pronukleus. (Solche Bilder wurden bereits von demselben Objekt vor Jahren ab- gebildet [Vejdovsky, 1887, Taf. V, Fig. 2.]) Der grösste Teil des Plasma, welches dem „Archiplasma“ Boveris entspricht, bleibt jedoch zurück und so wird der mit dem Pronukleus zusammenhängende Streifen immer dünner und dünner, bis endlich kurz vor der Vereinigung der beiden Pronuklei nur noch leise Spuren einer solchen nachzuweisen sind (vergl. Taf. XXI, Fig. 35). Die auf diese Weise vom weib- lichen Pronukleus zurückgelassenen Spuren sind auf den mit Pikro- magnesiakarmin gefärbten Präparaten mit grösster Deutlichkeit zu verfolgen, da das rotgefärbte Protoplasma vom gelb impräg- nierten Dotter sich scharf abhebt. Später resorbiert sich auch ganz der plasmatische Hof, in welchem früher der weibliche Pronukleus lag und man findet am animalen Pole des Eies keine Spur von der früheren Reifungsspindel. Die weiteren Vorgänge spielen sich nur im Eizentrum ab. % S3. Besamung. In den Vorgängen, welche der ersten Teilung des Eies vorangehen, betrachten wir als zweckmässig zwei Phasen zu unterscheiden, nämlich: 1. die Besamung, d.h. den Vorgang, welcher den Eintritt des Sperma in die Eisubstanz erleichtert, eigentlich durch diesen Akt hervorgerufen wird und 2. die Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteiluug. 479 eigentliche Befruchtung, welche durch die Bildung des sogen. Spermozentrums eine Reihe von eigentümlichen Vorgängen im Eicytoplasma eröffnet und durch die Umbildung der Chromo- somen in beide Geschlechtskerne abgeschlossen wird. Bei der Besamung von Rhynchelmis gewahrt man eine Reihe ziemlich langandauernder, merkwürdiger Erscheinungen, welche bei den Eiern anderer Tiere bisher wenig bekannt sind, oder eher wenig beachtet wurden. Durch diese Vorgänge wird die eigentliche Befruchtung gewissermassen vorbereitet und erleichtert. Einer von uns hat schon im Jahre 1887 auf der Eioberfläche eigentümliche Kegel beschrieben, welche in der Regel in grösserer Anzahl zum Vorschein kamen, von denen aber der eine Kegel sich durch grössere Dimensionen auszeichnete. Dieses Gebilde wurde zu der späteren Sphäre oder dem Peri- plaste in nähere Beziehung gebracht und ähnliche Verhältnisse sind auch für die Lumbriciden hervorgehoben worden. Jetzt sind wir imstande, die erwähnten Kegel als Produkte der Be- samung zu bezeichnen. An einer Anzahl der unmittelbar nach der Ablage fixierten und direkt mit dem Kokon in Serien zerlegten Eiern gelang es uns, den ganzen Besamungsakt sicherzustellen, obwohl es uns auf solchen soeben abgelegten Eiern nicht möglich war, auf der Oberfläche derselben im frischen Zustande überhaupt eine Spur der Spermatozoen wahrzunehmen. Es gibt keinen besonderen Befruchtungspol, jede Stelle der Eioberfläche ist befähigt, das Sperma aufzunehmen und in jedem Punkte der äusseren Alveolarschicht des Eies kann sich ein sogen. Empfängnishügel bilden, welcher dann zum Besamungskegel heranwächst. Auch eine grössere Anzahl der Spermatozoen vermag sich in die Alveolarschicht eines und desselben Eies ein- zubohren, wodurch auf der Eioberfläche eine Anzahl Empfängnis- hügel zustande kommen, die aber in der Regel zugrunde gehen bis auf einen einzigen, welcher schliesslich wieder zu einem mächtigen Besamungskegel heranwächst und das Sperma in die Eisubstanz hineinzieht. Sämtliche diese Tatsachen sind von einem von uns (Vejdovsky) bereits vor Jahren festgestellt und sogar illustriert worden, von den nachfolgenden Verfassern aber, die sich mit ähnlichen Fragen befassten, unberücksichtigt geblieben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62, 31 480 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Derzeit sind wir imstande, diese Angaben nicht nur zu bestätigen, sondern durch eine Reihe von merkwürdigen, bisher unbekannten Vorgängen der Besamung zu ergänzen. Zunächst ist die interessante Tatsache hervorzuheben, dass wir auf einigen Eiern eine grössere Anzahl von Spermatozoen in der Alvoelarschicht sicherzustellen vermochten, während in anderen nur ein einziges Sperma auf der Eioberfläche beobachtet wurde. Bisher vermögen wir nicht die Ursache dieser Erscheinung anzugeben, soweit wir aber imstande sind uns zu erinnern, so sind die erst erwähnten, mit zahlreichen Besamungshügeln versehenen Eier bei einer höheren Temperatur (bei etwa 160 R.) abgelegt worden, während die durch einen einzigen Besamungshügel sich auszeichnenden Eier bei niedriger Temparatur (bei 9—12° R.) abgelegt wurden. Was die Gestalt und Grösse der Besamungskegel anbelangt, so unterliegen sie der grössten Mannigfaltigkeit, immer aber wächst nur ein einziger von ihnen hoch über die Oberfläche des Kies zu einem hervorgewölbten Gebilde heran, während die übrigen nur als niedrige, unbedeutend tief in die Eimasse ein- dringende becherartige Körper erscheinen. Zur Illustration des Gesagten führen wir einige Abbildungen an. In der Fig. 3, Taf. XIX ist offenbar das erste Stadium ab- gebildet, in welchem das Sperma mit dem Ei in Berührung kommt. Es hat die periphere Alveolarschicht durchbohrt und bewirkt, dass die plasmatische Randschicht des Eies sich dellen- artig in den Eidotter vertieft. Andererseits sieht man eine, wenn auch unbedeutende Verdickung der Alveolarschicht, die man schon als den sich bildenden Besamungshügel bezeichnen kann. Der letztere ist allerdings zuerst noch niedrig und aus eimer wasserklaren Substanz bestehend, die nichts anderes als das flüssiggewordene Enchylema der Alveolarschicht vorstellt. Ks ist auch wahrscheinlich, dass sich diese Flüssigkeit vermehrt und die Aufquellung der betreffenden Alveolen veranlasst. In allen zu diesem Zwecke reproduzierten Figuren 4, 5 und 6 sieht man tatsächlich die streifige Struktur des Hügels, welche noch deutlicher in den späteren Stadien der Herausbildung des Desamungshügels hervortritt. Kurzum, die Besamungshügel stellen nichts anderes vor, als lokale, durch das Sperma hervor- zerufene Anschwellung der Alveolarschicht des Eies. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung- 481 Ähnliche Gestaltsverhältnisse des beschriebenen Stadiums sind auch in Fig. 6 veranschaulicht, wo die Streifung der ver- dickten Alveolarschicht in drei verschieden sich gestaltenden Besamungshügeln recht deutlich hervortritt. Die Besamungs- hügel sind schon viel grösser, trichter- oder tellerförmig, je nachdem das Sperma mehr oder weniger tief in das Ei ein- gedrungen ist und die plasmatische Randschicht in die Tiefe des Dotters verdrängt. Mit dem Eindringen des Spermas- in die tieferen Lagen des Fies gewahrt man nicht nur das Heran- wachsen, sondern auch die Strukturveränderung des Besamungs- hügels. So sieht man in Figg. 7, S, 9 und 10 bedeutend grosse Kegel, die bei derselben Vergrösserung reproduziert sind, wie die in Fig. 3 abgebildeten. Die Streifung der angeschwollenen Alveolarschicht tritt hier ungemein schön hervor, die Randschicht ragt tief in den Dotter hinein und erscheint als ein intensiv rot sich färbender Saum der inneren Kegelsubstanz. Die ersten Spuren dieser Substanz sind schon in den niedrigen, in Fig. 6 dargestellten Kegeln wahrzunehmen, bei dem weiteren Wachstum derselben vermehrt sich die Substanz so bedeutend, dass man dadurch die Besamungskegel bereits bei schwachen Vergrösse- rungen leicht sicherstellen kann. Die innere, d. h. zwischen der äusseren Alveolarschicht und der dellenartig vertieften Randschicht, oder, wie wir sie weiter bezeichnen wollen, der Kegelkappe, befindliche Substanz der Besamungskegel stellt in den jüngsten Stadien eine vielleicht fast homogene Grundmasse vor, in der man eine äusserst feine Körnelung wahrnimmt (Figg. 6, 8); die letztere wird nach und nach sehr dicht und verursacht eine mehr oder weniger intensive Färbung der Kegelsubstanz. Namentlich in Figg. 9 und 10 sieht man schon eine sehr dichte Körnchenansammlung. Die Frage nach dem Ursprunge dieser inneren Kegelsubstanz glauben wir dahin beantworten zu können, dass dieselbe nur der Grund- substanz des Eies entspricht und bei der Bildung des Kegels durch die sich einstülpende Randschicht aus der nächsten: Um- gebung sich ansammelt. In den ersten Stadien der Besamung fanden wir nämlich zwischen der Alveolarschicht und der sich einstülpenden Randschicht nichts von dem in Rede stehenden Plasmainhalte des Kegels. Wenn sich also später dieser Innen- raum des Kegels mit einer feinkörnigen Flüssigkeit füllt 31* 482 F. Vejdovsky & A. Mräzek: (Fig. 8), welche der allgemeinen Grundsubstanz des Eies ent- spricht, so darf man mit Recht annehmen, dass diese Substanz in den Innenraum des Kegels durchsickert und die allmähliche Vergrösserung derselben verursacht. Bisher haben wir solche Präparate besprochen, welche mit dem Magnesia-Pikrokarmin gefärbt wurden, auf welchem man die besprochenen Gestalts- und Strukturverhältnisse der Be- samungskegel mit der grössten Sicherheit verfolgen kann. An- nähernd dasselbe erscheint auch an den mit Hämatoxylin ge- färbten Präparaten. Einer von uns (Vejdovsky) hat schon in seinen „Entwickl. Untersuch.“ die auffallenden Veränderungen und das schliessliche Schicksal der Besamungskegel auf der Ei- oberfläche dargestellt, mit den damals angewandten Methoden gelang es aber nicht, die Gestaltsverhältnisse des Kegels innerhalb des Eies festzustellen. Um so überraschender müssen also unsere neuen Befunde erscheinen, als es uns gelang, auf einer Reihe von Präparaten die Kegel während ihrer ganzen Entstehungsweise zu verfolgen und ihre physiologische Bedeutung näher zu beleuchten. Die in vollständiger Entfaltung der Länge nach durch- geschnittenen Besamungskegel sind in Figg. 11 und 12 abgebildet und diesen Gestalten entsprechen noch andere, mehr oder weniger ähnliche Bilder, welchen man an unseren Präparaten begegnet. In Fig. 13 ist die zu einem mächtigen Lappen hervorgequollene Alveolarschicht des Kegels dargestellt, während deren innerer Teil nur oberflächlich angeschnitten erscheint. Die Streifung des Lappens ist sehr deutlich. In Fig. 12 ist der Besamungskegel der ganzen Länge nach durchschnitten und man findet hier sämtliche Komponenten der früheren Stadien. Die Alveolarschicht ist kuglig angeschwollen und es ist sicher, dass sich die Alveolen enorm vermehrt haben. Der untere Teil der Randschicht erscheint an der Basis des Kegels als eine kappen- förmige Umhüllung und die innere Substanz zwischen der Alveolar- und Rindenschicht besteht aus groben Waben. Die früher feinkörnige Struktur des Besamungskegels hat sich zu einer wabigen umgestaltet und wir können theoretisch annehmen, dass sich die früheren Körnchen zu dicht gedrängten Alveolen umgewandelt haben. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 483 Dasselbe ist auch aus der Fig. 11 ersichtlich; hier ist die Alveolarschicht tellerförmig, auf der Eioberfläche vertikal, in den unteren Teilen horizontal gestreift, was auf die in mehreren Schichten vermehrten Alveolen hinweist. Die innere Substanz des Kegels bildet einen langgestreckten Schlauch, welcher am unteren Ende von dem erwähnten kappenförmigen Saume der Rindenschicht begrenzt ist. Die innere Struktur des Schlauches ist wieder wabig, wie es auch die in Figg. 14 und 15 reprodu- zierten @uerschnitte beweisen. Die peripheren Alveölen des Schlauches sind viel grösser als die inneren und so scheint es, als ob aus den inneren Waben plasmatische Radien in die Dottersubstanz ausstrahlen. Tatsächlich aber hat man es hier mit den Wandungen der äussersten stark angeschwollenen Alveolen zu tun. Sowohl auf den Quer- als auch Längsschnitten durch den Besamungskegel (Figg. 12, 14, 15) gewahrt man, dass die Dotter- kugeln in der nächsten Umgebung der Kegel weit dichter zu- sammengruppiert erscheinen, als in dem übrigen Eiinhalte. Aus diesem Umstande kann man wohl mit Recht dafür halten, dass durch das Eindringen des Besamungsschlauches in das Ei ein bedeutender allseitiger Druck auf die Dotterelemente ausgeübt wird, sodass die letzteren von der ursprünglichen Stelle zu Seiten, also auf die umliegenden Dotterlagen, verdrängt werden. Bedeutung des Besamungskegels. Der Be- samungskegel stellt nach dem Vorhergehenden eine Leitbahn vor, mittels welcher der Spermaeintritt in das Ei gewisser- massen beschleunigt wird. Durch die flüssige Beschaffenheit der Kegelsubstanz erreicht das Sperma leichter und rascher sein Ziel als es allein, d.h. ohne die erwähnte Leitbahn, durch die dichte Dottermasse durchdringen würde. Dabei wird man wohl nicht leugnen dürfen, dass das Sperma auch bei diesen Vorgängen selbst tätig ist, zumal es selbst die Bildung des Besamungskegels hervorgerufen hat. Es bohrt sich zunächst in die Alveolarschicht ein und dringt all- mählich mit dem sich bildenden Kegel in die Dottermasse hinein. Bei dieser Gelegenheit ist auf die zweckmässige Vorrichtung des inneren Kegelendes hinzuweisen, welches, wie oben erwähnt, mit dem Reste der plasmatischen Randschicht umsäumt ist und wir haben diesen Saum als Kegelkappe bezeichnet. Nun ist diese 484 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Kappe eine Schutzvorrichtung für den Kegel selbst und kann, indem sie gewiss aus einer dichteren Plasmamasse als die Kegel- substanz selbst besteht, in die Dottermasse leichter vordringen, als die innere flüssige Substanz des Kegels. Die Kappe ist also eine Schutzvorrichtung nicht für das Sperma selbst, sondern für den ganzen Leitapparat. Denn schliesslich wird auch die Kappe selbst vom Sperma durchbohrt und das letztere kommt unmittel- bar zwischen die Dotterelemente zu liegen. Es ist nicht schwierig, auf den Präparaten sich zu überzeugen, dass sich in der Kegelkappe eine kanälchenartige Durchbohrung bildet, durch welche das Sperma aus dem Kegel in die Dottermassen eindringt (vergl. hierzu Figg. 9, 10, 11). Aus einer Reihe von Präparaten darf man auch dafür halten, dass das ganze Sperma mit dem Schwanze in das Ei eindringt; zu diesem Schlusse gelangen wir einerseits aus dem Umstande, dass auf den direkt abgelegten Eiern keine Spur der Spermafäden sicherzustellen war, andererseits ist es schwierig, anzunehmen, dass die langen, innerhalb des Dotters sich schlingelnden Fäden nur den Spermaköpfchen entsprechen würden. Diese Frage ist jedenfalls schwierig zu entscheiden, nament- lich auch aus dem Grunde, dass sich der Kern des Sperma- kopfes während der bisher geschilderten Vorgänge tinktoriell nicht differenziert und daher in allen unseren Präparaten als ein gekrümmter, schwärzlicher, ein wenig glänzender, zuweilen knotiger Faden erscheint, dessen Verlauf auf den Schnitten in der dichten Dottermasse sehr schwierig zu verfolgen ist. Am leichtesten überzeugt man sich von der Gegenwart des ganzen Sperma auf solchen Präparaten, wo es noch in der plasmatischen Kegelkappe steckt und von hier in die Dottermasse hineinragt. Einer interessanten Abnormität begegnen wir auf einem Präparate, welche eine besondere Besprechung umsomehr verdient, da sie als Stütze der Annahme angewandt werden kann, dass lediglich das ganze Sperma mit dem Schwanzteile in die Dotter- masse eindringt und dass der Spermakopf allein nicht imstande ist, in die Dottermasse einzudringen. Auf dem erwähnten Präparate, dessen wesentlicher Teil in der Fig. 16 reproduziert ist, sehen wir auf der Eioberfläche den knäuelartig gewundenen Schwanzteil des Sperma, während der schon zum kleineren Spermakerne umgebildete Kopf in dem Besamungskegel liegt. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 485 In solchen Gestaltsverhältnissen finden wir niemals den Schwanz und Spermakopf bei der normalen Besamung, wo immer beide Teile zusammenhängen, während in unserem Falle der Sperma- kopf von dem Schwanze ganz getrennt erscheint. Nebstdem hat der Spermakopf schon die Gestalt des Spermakernes in seinem ersten Bildungsstadium angenommen, was ebenfalls bei der normalen Besamung niemals in dem Besamungskegel statt- findet, sondern erst, wie wir weiter unten eingehender dar- zustellen beabsichtigen, bei der Bildung des Centroplasma. Unser anormale Fall ist aber auch in anderer Rücksicht eigentümlich, so nämlich, dass der Besamungskegel sehr niedrig ist und nicht zu der langen schlauchtörmigen Leitbahn heran- gewachsen ist, wie bei der normalen Besamung. Aus allen erwähnten Gestaltsverhältnissen des Sperma- schwanzes, Spermakernes und Besamungskegels glauben wir die beschriebene Abnormität dahin zu erklären, dass der besamungs- kegel in irgend einer Weise gehindert war, die schlanke Leit- bahn zu bilden und das Sperma in das Eizentrum hineinzuführen. Vielleicht die frühzeitige Trennung des Schwanzes vom Sperma- kopfe veranlasste diese Missbildung. Der Spermakopf ist also mit dem niedrigen Besamungskegel auf der Eiperipherie sitzen geblieben und wandelte sich hier zum Spermakerne um, ohne ein Centriol und somit auch eine Centrosphäre gebildet zu haben. Literaturnotizen. Wie schon erwähnt, lieferte einer von uns die ersten Angaben über die merkwürdigen Erscheinungen der Besamungskegel auf der Eioberfläche von Rhynchelmis und der Lumbriciden. Dass die gegenwärtig von uns näher erschlossenen Vorgänge während der Bildung der Besamungskegel weit verbreiteter sind, als bisher bekannt, beweisen zunächst nicht nur die Ab- bildungen, sondern auch die nachfolgende Beschreibung Ficks über die Be- fruchtung des Eies von Axolotl. „Unter der eigentlichen Eihaut bildet sich an der Eintrittstelle des Samenfadens eine trichterförmige Einsenkung der oberflächlichen, eventuell einer stark pigmentierten Dotterschicht, die mit dem Eiplasma gefüllt ist (Fig. 26—28). Die Dimensionen dieser Trichter sind ver- schieden gross; seine Länge beträgt 15—20 „, seine Basis etwa 30—60 u im Durchmesser. Dieses Eiplasma ist im Gegensatz zu der Perivitellar- kappe zwischen den zwei Dotterhäutchen ziemlich intensiv gefärbt, namentlich in der äusseren Schicht, und ist in dieser regelmässig deut- lich gestreift, der innere Teil des konischen Plasmatropfens ist oft ganz 486 F. Vejdovsky & A. Mräzek: hell und nicht so kompakt als der äussere. Die Streifung bin ich geneigt, für eine Gerinnungserscheinung zu halten. Dass wirklich der „plasmatische Empfängniskegel“, wie wir die Ausfüllung des Penetrationstrichters nennen können, unter der eigentlichen Eimembran gelegen ist, darf ich mit Sicherheit behaupten, da sehr häufig an den Rändern des Empfängnis- oder Penetrationstrichters die Eimembran, wo sie vom Dotter abgehoben ist, eine Falte, eine Knickung zeigt (Fig. 26 und 27), die man nicht gut etwa als eine fester geronnene Grenzschicht ansehen kann.“ Die Differenzen, welche sich in der Deutung der gestreiften Schicht bei Axolotl und Rhynchelmis ergeben, dürften dadurch erklärt werden, dass das Pigment des Axolotl-Eies es nicht erlaubt, sich eingehender von der äusseren Alveolarschicht zu überzeugen. Sonst glauben wir, aus den Abbildungen Ficks (l.c. Fig. 27 und 28) schliessen zu müssen, dass die Pigmentzone unserer Randschicht entspricht und in der letzten Instanz sich an der Basis zu einer Schutzkappe des Besamungskegels herausbildet. Unserer Ansicht nach sind die plasmatischen Leitbahnen, hervor- gerufen durch die Bildung der Besamungskegel, namentlich bei den dotter- reichen Eiern notwendig, um das Eindringen der Spermatozoen in die Dotter- masse zu erleichtern. Tatsächlich sind ähnliche Bildungen wie bei Rhynchelmis auch in den Eiern anderer Tiere (wie bei Unio [Lillie]) sichergestellt worden, und sogar bei Wirbeltieren, wo dieselben bei Petro- myzon namentlich von Herfort dargestellt wurden, am eklatansten vor- kommen. Auch die Erwähnung van der Strichts, dass sich bei dem Ein- tritte des Sperma in das Ei von Amphioxus eine klare, aus feinkörnigem Plasma bestehende Insel auf der Eiperipherie bildet, dürfte in unserem Sinne gedeutet werden. Ähnliches scheint auch Michaelis bei Triton beobachtet zu haben. Aus der übrigen Literatur muss man in der ersten Reihe die Arthro- poden-Eier anführen, in welchen die Leitbahnen für die Samenfäden wahr- scheinlich allgemein vorkommen. In dieser Beziehung verdanken wir ver- lässliche Angaben den schönen Arbeiten H. Henkings. Sowohl seine bild- lichen als textuellen Darstellungen weisen darauf hin, dass nach dem Ein- tritte des Sperma in das Ei durch die Mikropyle aus der peripheren, proto- plasmatischen Randschicht eine Bahn im Eidotter entsteht, in deren Achse das ganze Sperma nach innen fortschreitet. So beschreibt Henking namentlich bei Pyrrhocoris, wo sich um die Samenfäden eine stärkere plasmatische Ansammlung bildet; dieselbe ist später durch eine breite Plasmastrasse markiert, „welche in der Mächtigkeit, wie hier, nur selten vorkommen mag“. Ähnliche Plasmastrassen bildet Henking auch in den be- fruchteten Eiern von Agelastica alni, bei Lasius niger, Bombyx mori ete. ab. Über die Struktnr des „Randplasma“, sowie der ‚„Plasma- strasse‘ teilt Henking keine näheren Angaben mit, doch ist es möglich, dass dieselben den von uns dargestellten Verhältnissen entsprechen. Ehe wir auf die Besprechung der wichtigsten diesbezüglichen Angaben von Miss Foot eingehen, müssen wir auf eine Mitteilung aufmerksam machen, in welcher Ivancoff die Befruchtung der Eier von Holothuria Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 487 tubulosa beschreibt und diesen Vorgang in den unreifen Eiern als einen Verdauungs- oder Ernährungsprozess deutet. Das unreife Ei von Holo- thuria ist von einer Dottermembran und ausserdem von einer dicken, radiär gestrichelten Gallerthülle umhüllt. Diese Strichelung rührt von feinen Kanälchen her, durch welche pseudopodienartige Fortsätze des Zellkörpers bis auf die Oberfläche der Gallerthülle treten. Beim Zusatze von Sperma zu den unreifen Eiern beginnen die Spermatozoen in die Kanälchen der Gallerthülle einzudringen und weiter sollen lappenförmige Pseudopodien vom Eikörper gesendet werden, welche schliesslich ein bürstenförmiges Aussehen haben und von Ivancoff als Büschel zahlreicher, dünner Fäden gedeutet wurden. Durch diese Gebilde werden nun die Spermatozoen umflossen und in das Eiinnere eingezogen. Dieser merkwürdige Vorgang wird, wie gesagt, vom Verfasser als eine Art Verdauung gedeutet, unserer Ansicht nach sieht man hier nur die Fähigkeit der Spermatozoen, auch in die unreifen Eier einzudringen und hier dieselben Leitbahnen hervorzurufen, wie bei den reifen Eiern. Es findet hier also eine „sterile Befruchtung‘ statt, wobei aller- dings noch nachgewiesen werden muss, dass das Ei tatsächlich die „Pseudo- podien‘‘ gegen das Sperma entsendet. Uns scheint es viel wahrscheinlicher, was auch für die reifen Eier der Echinodermen etc. gelten dürfte, dass das Zusammentreffen des Sperma mit dem Eie ursprünglicher ist und dass erst sekundär die gereizte äussere Plasmaschicht den Besamungskegel (d. h. die „Pseudopodien“ Ivancoffs) bildet. Inwieweit die Bildung des Besamungs- kegels im Tierreich verbreitet ist, lässt sich aus den bisherigen Literatur- berichten nicht näher bestimmen. E. B. Wilson bemerkt, auch bei der Befruchtung der Seeigeleier das in Rede stehende Gebilde gesehen zu haben, was übrigens auch von v. Erlanger gefunden und beschrieben wurde. In Anbetracht der grossen physiologischen Bedeutung des Kegels für die leichtere und beschleunigte Zufuhr des Sperma in die Eimasse wird man gewiss die Vermutung aussprechen dürfen, dass man diesen Bildungen all- gemein begegnen wird. Diese Annahme ist namentlich dadurch begründet, dass die Besamungskegel auch bei den dotterarmen Eiern der Lumbrieiden von einem von uns nachgewiesen und einige Jahre später zu wiederholten- malen eingehend von Miss Kath. Foot in Bezug auf ihr Vorkommen und die Struktur besprochen wurden. Zuerst erwähnte die Verfasserin das Ge- bilde im Jahre 1897 in einem offenbar polysperm befruchteten Eie von Allolobophora foetida, in welchem sie drei Kegel abbildet und sie als „cone of attraction“ (Fol) bezeichnet hat. Dieselben reichen tief, fast in bis das Zentrum des Eies hinein und enthalten in ihrer Axe je einen Samen- faden. Die Kegel sind der Länge nach teilweise gestreift, sonst aber er- fährt man nichts von deren Ursprung und Struktur. Ähnlich beschreibt Foot in ihrer zweiten Mitteilung (1897), in welcher sie vorzugsweise auf die Tatsache hinweist, dass die Grösse des Kegels von dem Umstande ab- hängig ist, wie tief der Spermakopf in das Ei eingedrungen ist. Sehr ein- gehend werden dann in Verbindung mit Miss Strobell (1900) die Verhält- nisse besprochen. Das wesentliche dieser Mitteilung beruht auf dem Ver- gleiche des Querschnittes durch den Besamungskegel mit dem „sperm- aster“, in welchen Gebilden die Autoren eine Übereinstimmung darin finden, 488 F. Vejdovsky & A. Mräzek: dass sie eine Strahlung rings um den Querschnitt des inneren Kegelinhaltes. (l. ec. Fig. 9) gesehen zu haben glauben und dieselbe mit der Spermastrahlung für identisch halten. Nach dieser Auffassung soll in beiden Gebilden eine zentrale Plasmaanhäufung (‚central aggregation of archoplasma‘‘) mit der peripheren Strahlung existieren, welche Erscheinung sich dadurch erklären lässt, dass „the spine and the middle piece produces on the cytoplasma of the egg a like morphological effect“. Die Verfasserinnen vermuten weiter, dass nach diesem Effekte zu schliessen sei, dass das Mittelstück und das Acrosom (the spine) aus derselben Substanz bestehen, „though the identity cannot be complete, as the cytoplasm does not react to the two structures at the same stage of the development of the egg.‘“ — — — „The effect produced by the spine is made, however, by a moving object (the sperm entering the egg) and we have thus a differently shaped „aster‘‘ — a cone shaped aster.“ Dieser Vergleich ist gewiss sehr interessant und wir werden mit den Verfasserinnen darin übereinstimmen müssen, dass das Acrosom wie das später gebildete Centriol des Spermakopfes eine auf das Eicytoplasma einen Reiz ausübende Organelle vorstellt, wodurch in dem einen Falle der schlauch- förmige Besamungskegel, in dem anderen die Centrosphäre hervorgerufen wird. Dies ist gewiss ein und derselbe physiologische Effekt, zumal sich das Oytoplasma in beiden Fällen in bestimmter Weise ansammelt, um den wichtigen physiologischen Vorgängen die Bahn zu brechen. Weiter aber lässt sich der Vergleich nicht führen, wenigstens nicht in der Weise, dass es möglich wäre, die Anordnung des Plasmas im Besamungskegel als strahlenförmig bezeichnen zu wollen. Zunächst haben wir nämlich dargetan, dass sich um den Besamungsschlauch keine Strahlen bilden, und dass das, was Miss Foot und Strobell als solche auf den Querschnitten annehmen, nur hyaloplasmatische Wandungen der peripheren, grösseren Alveolen vor- stellen und auf diese Weise die strahlenförmige Anordnung des Cytoplasma- kegels vortäuschen. Leider sind die Photogramme (l. c. Fig. 3 und 9) unserer Forscherinnen allzu undeutlich, als dass wir in denselben die feineren Strukturen der Besamungskegel auf dem Querschnitte näher beurteilen könnten. Auch besteht der Besamungskegel von Rhynchelmis aus Plasmakomponenten verschiedener Herkunft (Alveolarschicht, Randschicht und Grundsubstanz des Eies zu Alveolen umgebildet), während das Centro- plasma mit seiner peripheren Strahlenschicht, wie wir weiter unten nachzu- weisen hoffen, nur aus dem Hyaloplasma hervorgeht. Der Besamungskegel ist ein vergängliches Gebilde, welches nur den Eintritt des Spermafadens in die Tiefe des Eies erleichtert und nachher zugrunde geht, während das Centroplasma in jeder Zelle von neuem erscheint, um das Bildungsmaterial er letzteren vorzubereiten. Miss Foot gelang es durch sehr sorgfältige Untersuchungen, das Acrosom (the spine) auf den Spermatozoen von Allolobophera foetida zu entdecken, und auf diese Weise konnte sie die gewiss begründete Theorie aufstellen, dass die in Rede stehende Spermaorganelle die Besamungskegel im Eie (,cone of attraction“) hervorruft. Wir haben bisher nicht die Gelegenheit gehabt, das Acrosom auch bei Rhynchelmis ausfindig zu machen, glauben aber, das Vorhandensein einer solchen Reizorganelle nicht anzweifeln zu dürfen. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 434 Die Möglichkeit des Vorhandenseins einer Reizorganelle in der Gestalt des Acrosoms an der Spitze des Samenkopfes ergibt sich gewiss aus der Tatsache, dass das Ei unmittelbar nach dem Zusammentreffen mit dem Sperma durch die rasch vor sich gehende Bildung einer Anschwellung der Alveolarschicht reagiert. Nun ist aber sehr interessant, dass diesem Reize nur die Alveo- larschicht unterliegt, indem die Wucherung, d. h. die erste Bildung des Besamungskegels von dieser Schicht ausgeht, während die dicht darunter sich erstreckende Randschicht gar nicht gereizt wird und nur passiv dem vom Sperma ausgeübten Drucke in die tieferen Schichten des Eies weicht. Aus diesem Grunde muss man die äussere Alveolarschicht als eine für die äusseren Reize sehr empfindliche Plasmalage betrachten, während der Randschicht offenbar eine andere Funktion zugeteilt ist. Die Durchsickerung der Grundsubstanz des Eies in den inneren Raum des Kegels kann man füglich als einen mechanischen Vor- gang, verursacht durch das Eindringen des Sperma in die Tiefe des Kegels, ansehen. Wenn wir also auf Grund der direkt Schritt für Schritt beobachteten Tatsachen als sichergestellt annehmen, dass der Besamungskegel einzig und allein erst nach dem Kontakte des Spermakopfes mit dem Ei zustande kommt, so können wir nicht mit der ursprünglichen Deutung Fols und seiner Nachfolger, namentlich auch Boveris, übereinstimmen, dass das Ei selbst bei der Besamung tätig ist, d. h. gegen das sich nähernde Sperma einen Empfängnishügel in der Gestalt eines Läppchens entsendet. Unserer Überzeugung nach muss der letztere erst nach dem Zusammentreffen mit dem Sperma entstanden sein, SO nämlich, dass die periphere, wir möchten sagen „sensorielle“ Alveolarschicht des Eies in derselben Weise gereizt wird, wie man die Folgen dieses Aktes am fixierten Materiale von Rhynchelmis sicherstellen kann. Aus demselben Grunde ist man keinesfalls berechtigt, dem Eicytoplasma eine Fähigkeit zu- zuschreiben, dass es schon auf eine Distanz die Annäherung des Sperma gewissermassen spüren und dessen Anziehung durch die Entsendung eines „Empfängnishügels‘ erleichtern möchte. Unseren Erfahrungen zufolge glauben wir auch behaupten zu dürfen, dass sich dieser Akt im frischen Zustande nicht so leicht beobachten lässt wie Fol angibt und es ist gewiss ratsam, die 490 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Beobachtungen dieses Autors einer genaueren Kontrolle zu unterziehen. 84. SchicksaldesBesamungskegels und dasCentriol. In der Fig. 11 und 12 (Taf. XIX) sind, wie oben be- merkt, die Besamungskegel in voller Entfaltung reproduziert und in diesem Zustande scheint ihre physiologische Funktion, nämlich die Überführung des Sperma in die bestimmte Tiefe des Eies, beendet zu sein. Die weitere Tätigkeit fällt dann nicht dem Spermakerne, sondern dem Centriol zu und der Besamungskegel geht zugrunde. Die Art und Weise, wie diese Degeneration vor sich geht, lässt sich nicht näher ermitteln, da sie, allen Um- ständen zufolge, sich sehr rasch abspielen muss. Jedenfalls aber findet man im Stadium, wo der Spermakopf noch fadenförmig ist, nur plasmatische Trümmer an der Stelle des früher hier existieren- den Kegels, und später, als der Spermakern bereits eine elipsoide Gestalt angenommen hat, findet man nur Spuren der Besamungs- kegel in der Gestalt von plasmatischen Inseln innerhalb der Dottermasse, natürlich aber nur in der Eiregion, wo früher sich der Besamungskegel erstreckte (Taf. XX, Fig. 21, bk.). Den ganzen Degenerationsprozess möchten wir als Plasmaresorption be- zeichnen, wobei die einzelnen Teile, namentlich die Kegelkappe und der alveoläre Schlauch, in die feinsten Plasmateilchen zer- fallen (einerlei, ob man die letzteren als Körnchen oder Alveolen bezeichnet), welche entweder von den Dotterelementen absorbiert werden oder mit der Grundsubstanz des Eies verschmelzen. Das letztere ist wahrscheinlicher. Jedenfalls aber trifft man später keine Spur des Besamungskegels im Dotter, in welchem dann nur der Spermakopf mit dem Centriol zum Vorschein kommt. Wir müssen aber zunächst die Frage beantworten, wo während der schon im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Vorgänge das Centriol zu suchen ist. Auf den im frischen Zu- stande untersuchten Spermatozoen gelang es uns durch keine Methode, einen Teil zu differenzieren, welcher dem sogen. Mittel- stück und somit auch dem sogen. „Centrosoma“ entsprechen sollte. Überall fanden wir nur den bekanntlich schraubenförmig gewundenen Spermakopf und die Geissel als wesentliche Bestand- teile der Spermie. Vorderhand kann daher von einem dem Centrosom entsprechenden Mittelstück am lebenden Sperma keine Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 491 Rede sein. Zugleich aber muss man auch bemerken, dass sich der Beobachtung in dieser Richtung ein grosses Hindernis in den Weg stellt, indem die Spermatozoen der Spermatheken nicht isoliert, sondern klumpenweise zu Bündeln zusammengeklebt er- scheinen. In diesem Zustande lässt sich nämlich nicht genau bestimmen, wo der schraubenförmig gewundene Kopf der einzelnen Spermatozoen aufhört und in die Geissel übergeht. Auch bei dem ersten Zusammentreffen des Sperma mit dem Ei, was allerdings nur am fixierten Materiale und hier nur noch in günstigen Fällen zu beobachten möglich ist, kann man nicht von einem deutlich unterscheidbaren „Centrosom“ reden, und dies um s9 weniger, als das Sperma auf der Eioberfläche meist als ein gekrümmter oder vielfach gewundener Faden erscheint, in welchem es überhaupt nicht möglich ist, zu unterscheiden, ob man es hier mit dem Kopfe oder der Geissel zu tun hat, da - sich im Stadium des Besamungskegels die Spermakomponenten tinktoriell nicht differenzieren. Ausserdem ist noch zu erwägen, wie schwierig. der Verlauf des Sperma selbst zwischen den Dotterkugeln zu verfolgen ist, namentlich wenn derselbe nicht in einem Schnitte getroffen wurde oder wenn er in einer Richtung nicht gestreckt ist. Deutlicher kann man das Sperma in den Schnittserien beobachten, wenn es in der Achse des Besamungskegels getroffen wurde, was aller- dings vom glücklichen Zufalle abhängig ist. Bei der Lösung dieser Frage müssen wir uns also auf einige wenige Präparate berufen, welche unzweideutig beweisen, dass das als winzig kleines, punktförmiges Körperchen sich gestaltende Centriol erst während der Bildung des Besamungskegels aus dem hinteren Teile des Spermakopfes sich differenziert und erst in späteren Stadien als selbständiges Körperchen innerhalb der Dottersubstanz hervortritt. Wir berufen uns zunächst auf die in Fig. 9 und 10 (Taf. XIX) reproduzierten Stadien der tellerförmigen Besamungs- kegel, deren Plasmastrukturen (bisher nicht deutlich alveolär) ungemein schön hervortreten, ebenso wie in deren Achsen ge- lagerte Spermafäden. In beiden sieht man, dass auf der Grenze zwischen dem Spermakopfe und der Geissel eine knotenförmige Verdickung vorhanden ist, die allerdings allzuwenig auffallend ist, als dass man ihr bei der ersten Betrachtung eine besondere 492 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Aufmerksamkeit schenken würde. Wir würden diese Knötchen auch unbeachtet lassen, wenn uns nur diese Stadien vorliegen würden, während die weiteren Stadien dafür sprechen, dass man es hier mit tatsächlicher OGentriolen-Anlage zu tun hat. Tinktoriell unterscheidet sich zwar das in Rede stehende Knötchen nicht von der Substanz des übrigen Spermainhaltes, aber physikalisch erscheint es doch dadurch auffallend, als es als ein matt glänzendes und kompaktes Gebilde am Übergange des Spermakopfes in den Schwanz hervortritt. Dass dieses, bis- her an den Spermakopf gebundene Körperchen tatsächlich dem später selbständig gewordenen Üentriol entspricht, wird man durch die Verfolgung seiner weiteren Schicksale nachweisen können. Ob das Gebilde aus der Differenzierung des Sperma- kernes oder des Cytoplasma, oder auf eine andere Art zustande kommt, lässt sich bei der Ungunst des Objektes nicht ermitteln. Und so gelangen wir zur Besprechung der weiteren Schick- - sale, welche der Spermakopf nach der Resorption des Besamungs- kegels eingeht und berufen uns zunächst auf zwei hintereinander- folgende Schnitte durch ein Ei, welche in Fig. 22 und 23 dar- gestellt sind. Der erste Schnitt stellt uns eine Plasmaansamm- lung innerhalb der Dottermasse, und zwar auf der Stelle, wo sich früher die Basis des Besamungskegels befand. Die Figur ist, obwohl von unbedeutenden Dimensionen, doch durch ihre radiär verlaufenden Plasmastrahlen sehr auffallend und macht den Eindruck, als ob uns eine durch feine Pseudopodien aus- strahlende Amoebe vorliegen würde. Die zentrale Plasmainsel, die wir von jetzt an als Centroplasma bezeichnen werden, besteht aus einer fast homogenen Grundsubstanz, in welcher man nur mit gewissen Schwierigkeiten ungemein feine Körnchen sicher- stellen kann. Die pseudopodienartigen Strahlen selbst sind ge- wissermassen leichter zu verfolgen, als sie in derselben homogenen Grundsubstanz intensiv sich färbende, reihenweise angeordnete Körnchen führen. Einzelne Strahlen, oder richtiger Plasma- ströme, sind einfach, andere dagegen verzweigen sich in Seiten- strahlen, um sich schliesslich zwischen den Dotterkugeln all- mählich zu verlieren. Der nachfolgende in Figur 23 abgebildete Schnitt durch dieselbe Figur zeichnet sich wesentlich durch dieselbe Plasma- beschaffenheit aus, ist aber auffallend durch das Vorhandensein Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 493 sehr wichtiger Bestandteile, nämlich des ÜCentriols und des Spermakopfes. Das erstere liest als ein punktförmiges Korn im Zentrum des ÜCentroplasmas, und zwar als ein selbständiges Körperchen. Unweit von ihm verläuft der noch fadenförmige Spermakopf. Aus dieser Abbildung lässt sich nicht entscheiden, ob sich die obenerwähnte, knotenförmige Verdickung vom Spermakopfe getrennt und um sich eine Plasmaansammlung ge- bildet hat. Wir müssen uns also mit der Tatsache begnügen, dass hier das Korn vorhanden ist, im Centroplasma deutlich hervortritt, indem es sich intensiv färbt, während der bisher fadenförmige, teilweise auch knotenartig eingeschnürte Sperma- kern noch dieselben physikalischen Eigenschaften bewahrt, wie im früheren Stadium. Im Durchschnitt ist das Centroplasma dieses Stadiums sehr unbedeutend, ebenso wie die radiären Plasmaströme sehr kurz sind. In Anbetracht der kolossalen Dimensionen der späteren heranwachsenden Centroplasmen (oder der Periplaste, wie einer von uns dieselben bezeichnete) ist gewiss zweckmässig, die anfänglich ganz unbedeutenden Maasse dieser Plasmabildungen anzuführen. Wenn wir nun die Entstehung der strahligen Figur er- klären wollen, so müssen wir eine Reizwirkung auf die Grund- substanz des Fies voraussetzen, welche entweder von dem Spermakern oder von dem Üentriole ausgeht. Dass der Sitz des Reizes nicht im Spermakerne zu suchen ist, beweisen die dem- nächst zu beschreibenden Gestaltsverhältnisse der Strahlenfigur, dann aber auch der Umstand, dass das Centroplasma mit seinen Radien erst dann entsteht, als das Uentriol selbständig geworden ist und als das Zentrum des sich ansammelnden Cytoplasma hervortritt. Schon aus diesem Grunde und noch mehr aus den weiter unten dargestellten Verhältnissen muss man die Reiz- ursache nur in das Zentralkorn verlegen. Die Strahlen stellen also feine Plasmaströme vor, mittels welcher sowohl die homogene Grundsubstanz, als die darin enthaltenen Körnchen oder Mikro- somen in die nächste Umgebung des Centriols zugeführt werden. Die Tätigkeit geht also von dem Centriole aus und die nächste Folge dieser Aktion ist die Bildung der Radien, d. h. der Plasmaströme. Dieser Satz setzt nun voraus, dass sich die Radien ursprünglich nicht zwar direkt auf das Uentriol inserieren, aber doch in unmittelbaren Kontakt mit demselben kommen 494 F. Vejdovsky & A. Mräzek: müssen, sodass ein hyalines Höfchen um das Zentralkorn in der Gestalt des Boveri’schen Centrosoms nicht möglich ist. In den besprochenen Figuren (22 und 23) liegt uns zwar für diese Behauptung kein Beweis vor, wie es überhaupt schwierig ist, die allerersten Anfänge der Strahlenbildung zu Gesicht zu be- kommen, wir werden aber sowohl für die erste Entstehung der Strahlung, als für die Bildung der polaren Strahlenfiguren ver- lässliche Belege beibringen können, aus welchen es hervorgeht, dass während der ersten Bildung jeder Strahlenfigur die Radien, d. h. Plasmaströme, in unmittelbaren Kontakt mit dem Centriol kommen. Und so gelangen wir zur Aufstellung des allgemein gültigen Satzes, dass die Radien ursprünglicher sind, als das Centroplasma (d. h. das Centrosom Boveris), welches als eine Resultante der centripetalen Plasmaströmung aufzufassen ist. | Auf Grund vorstehender Betrachtungen können wir uns nicht denjenigen Verfassern anschliessen, welche die um das Uentriol sich gruppierenden „Radien“ als Fibrillen, oder sogar kontraktile Fibrillen, auffassen. Auch geht schon aus den bisher beschriebenen Vorgängen ganz unzweideutig hervor, dass die Strahlung nicht vom Sperma gebildet, sondern durch eine spezi- fische Tätigkeit des Centriols hervorgerufen wird, um der zen- tralen Plasmaanhäufung Ursprung zu geben, welche letztere die allererste Anlage der Zentren von neuen Tochterzellen vorstellt. Der in diesem Satze von uns vertretene Standpunkt findet seine Stütze in nachfolgenden Beobachtungen über die definitive Ausbildung der Uentroplasmakugel, welche ursprünglich von einem von uns als Periplast bezeichnet wurde. Ein weiter vorgeschrittenes Stadium als das zuletzt be- sprochene ist in Fig. 24 abgebildet. Der Fortschritt ist nament- lich dadurch gekennzeichnet, dass der Spermakern nicht mehr fadenförmig (wie in Fig. 23) erscheint, sondern eine eliptische Gestalt annimmt. Der Spermakopf hat also eine gewisse Meta- morphose durchgemacht, von welcher wir uns nur ungenügend überzeugen konnten. Die Umwandlung beruht offenbar in der Kondensation der chromatischen Kernsubstanz, wobei sich die Gestalt des Kernes in angegebener Weise verändert. Der eliptische Spermakern stellt ein glänzendes, intensiv rot sich färbendes Körperchen vor, von 3 « im Durchmesser in Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 495 der Längsachse. Eine Struktur ist in der dunkelgefärbten Sub- stanz überhaupt nicht wahrnehmbar. Der Kern liegt in einer zylindrischen Scheide, deren Konturen sich als scharfe Linien verraten. Dieselben sind in Verbindung mit einer dunkel rosa sich färbenden Kugel, nämlich mit der im früheren Stadium er- wähnten Centroplasmakugel, welche jetzt grösser ist und ziemlich scharf konturiert erscheint, obwohl hier keine äussere Hülle nachweisbar ist. Die Struktur der Kugel ist alveolär und im Zentrum liegt das Centriol als ein punktförmiges, tief rot, fast schwarz sich färbendes Korn derselben Eigenschaften, wie früher. Aus der umliegenden Dottermasse konzentrieren sich an der Peripherie der zentralen Kugel (oder des Üentroplasmas) zahl- reiche Strahlen, deren Plasmazufluss auf die Vergrösserung des Uentroplasmas entscheidend war. Das auffallendste in dieser Figur ist das Verhältnis des Spermakernes zu seiner scheidenförmigen Umhüllung. In der bisherigen Literatur findet man keine näheren Angaben über ähnliche Strukturverhältnisse, aus welchem Grunde wir darüber einige Worte verlieren wollen. Die morphologische Deutung der erwähnten Umhüllung ist ziemlich schwierig, es scheint aber, dass man es hier mit einem Überbleibsel der cytoplasmatischen Umhüllung des gewesenen Spermakopfes zu tun hat. Es ist kein Artefakt, da man die Umhüllung auf allen entsprechenden Prä- paraten, sowohl in Quer- als Längsschnitten (wie z. B. Fig. 25 und 26 aus einer (uerschnittserie beweisen) wiederfindet. In der Fig. 26 ist nämlich der Spermakern quer mit seiner Hülle durchgeschnitten, in der Fig. 25 ist der dazugehörige Endschnitt der Scheide wiedergegeben und die Fig.27 stellt den ersten Schnitt der ganzen Serie, d. h. das Centroplasma mit dem Centriol, vor. Aus der Literatur haben wir ersehen, dass nur OÖ. Meyer am Spermakern von Strongylus etwas ähnliches beobachtet hat, dass näm- lich der Spermakern ‚von einem Hofe achromatischer Substanz umgeben ist“, über deren Bedeutung er nichts Sicheres aussagen kann, glaubt aber, denselben als Rest protoplasmatischen Anteils der Spermatozoen anzusehen. Ähnliches bildet auch Griffin ab. Im Anbetracht der übrigen Arbeiten, wo der Spermakern nach dem Eindringen in das Ei nur als ein nackter, intensiv gefärbter Körper abgebildet wird (vergl. Boveri,v. Kosta- necki etc.) betrachten wir als bemerkenswert, dass der Spermakern noch in so frühen Stadien, wie das von uns beobachtete, von einer selbständigen plasmatischen Umhüllung umgeben ist, mittels welcher er in direktem Zu- sammenhange mit der Centroplasmakugel sich befindet. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 32 496 F. Vejdovsky & A. Mräzek: $ 5. Die Gentroplasmakugel im Zentrum des Eies. Die im Vorhergehenden beschriebenen Vorgänge finden im Dotter, unweit von der Eiperipherie, also exzentrisch statt. Das bisher unbedeutende Centroplasma liegt unweit von der Basis des inzwischen resorbierten Besamungskegels. Von hier gelangt die Kugel mit dem Spermakern in das Eizentrum. Die Lagebeziehungen zwischen der Reifungsspindel und dem am Üentroplasma nahe gelagerten Spermakern können sehr verschieden sein, sodass dieser letztere bald der Reifungsspindel radiär, bald schräg gestellt, oder gar gänzlich abgewendet er- scheinen kann. Sonst finden wir auf unseren diesbezüglichen Präparaten noch verschiedene andere Lagebeziehungen des Spermakernes zum Centroplasma und erachten für wichtig genug, auf diese Tatsache hinzuweisen, namentlich in Anbetracht der jetzt vielleieht allgemein angenommenen Auffassung, nach welcher sich der Spermakopf samt seinem „Centrosom“ nach dem Ein- dringen in das Ei um 180° dreht, so zwar, dass das ursprüng- liche Hinterende des Kopfes mit dem Centriol und der strahligen Plasmafigur in der Eimitte zu liegen kommt. Von vielen Seiten wird dieser Vorgang nicht nur als Regel, sondern als ein für die ganze Tierwelt allgemein giltiges Gesetz angenommen und Kostanecki und Wierzejski erklären die Umdrehung des Spermakopfes aus der Tendenz „das Centrosoma aus seiner ‚unnatürlichen Lage‘ zu befreien und dasselbe möglichst bald dem protoplasmatischen Zentrum der Zelle zu nähern“. Ob die Lage des Centroplasma gegenüber dem Sperma- kerne eine natürliche ist, lässt sich in unserem Falle nicht entscheiden; dass aber das Ei von Rhynchelmis von dem allgemeinen Gesetze eine Ausnahme machen dürfte, geht aus den angeführten Angaben von den wechselnden Lagen des Spermakerns hervor und es bleibt uns nur übrig, einen speziellen Fall näher zu beschreiben, aus welchem es keinesfalls möglich ist, aut eine Drehung des Spermakopfes in bestimmter Richtung zu schliessen. In unserer Präparatensammlung trifft man einige, in welchen die Eier sowohl mit der Reifungsspindel, als auch mit der Centroplasmakugel und dem Spermakern getroffen wurden und in welchen gleichzeitig am gegenüberliegenden Pole der Rest des Besamungskegels sich befindet. Ursprünglich, d.h. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 497 bei dem Eindringen des Sperma in das Ei, war der Kopf mit dem: Kerne nach vorne, d.h. gegen die Eimitte, das Centriol mit dem später gebildeten Centroplasma nach hinten gerichtet. Wenn nun die Figur im Zentrum des Eies dieselbe Lage- beziehungen zwischen den erwähnten Komponenten aufweist, so liegt uns wohl nur die einfache Fortsetzung der Lage und nicht eine Drehung um 180° vor). Wir wollen nun der im Zentrum des Eies liegenden Figur nähere Aufmerksamkeit widmen, zumal sich die Struktur der- selben von dem oben beschriebenen exzentrischen Uentroplasma wesentlich unterscheidet. Wir können in dieser Beziehung eingehendere Angaben liefern, zumal die zentrale Figur von Rhynchelmis sich wegen ihrer beträchtlichen Dimensionen von derjenigen der Eier anderer Tierarten unterscheidet, ja wir sind imstande zu behaupten, dass nach den bisherigen Mitteilungen kein anderes Beispiel bekannt geworden ist, an welchem man die Vorgänge der Plasmabildung und die nachfolgenden Teilungs- prozesse mit grösserer Sicherheit verfolgen könnte, wie in unserem Falle. Einer von uns (Vejdovsky) hat zwar auf diese merk- würdigen und nach den heutigen Erfahrungen scheinbar ganz isoliert dastehenden Verhältnisse schon vor Jahren aufmerksam gemacht und aus ihnen die spätere Plasma- und Zellbildung zu erklären versucht. Indessen sind seine Mitteilungen teils ganz ignoriert, teils als irrtümlich hingestellt worden und dies nach unserer Überzeugung lediglich aus dem Grunde, weil entsprechende Gestalts- und Teilungsverhältnisse auch von anderen bis dahin bekannten Tieren nicht beschrieben, oder aber nicht richtig begriffen waren. Wenn einmal bei Ascaris ein „Centrosom“ im Sinne Boveris oder ein „corpuscule central“ im Sinne E. van Benedens aufgestellt wurde, so glaubte man dasselbe Gebilde auch bei Rhynchelmis an- nehmen zu müssen (Bütschli), wenn es auch schwierig war, den kolossalen Mutterperiplast mit seiner Tochterkugel in den Eiern des letztgenannten Wurmes auf das gleiche Schema zurückführen zu können. Bei dieser Gelegenheit muss man sich !) Während des Druckes dieser Abhandlung erfahren wir, dass van der Stricht (1902) dasselbe für die Fledermaus sichergestellt hat. „La tete du spermatozoide ne parait pas subir une rotation de 180° dans l’euf de chauve-souris, analogue ä celle de critelors de la f&condation d’autres aeufs.“ 32* 498 F. Vejdovsky & A. Mräzek: nun die Frage aufstellen, ob durch die „Centrosom- und Archi- plasma-Theorie“ die Bedeutung der karyokinetischen Zellteilung einer näheren Erklärung gebracht wurde? Wir glauben diese Frage im negativen Sinne beantworten zu müssen und dies auf Grund nachfolgender Beobachtungen. Wir beschreiben einige auf unseren Präparaten mit ausser- ordentlicher Klarheit, wie bei kaum anderen Objekten hervor- tretenden Figuren. Betrachten wir zunächst die in Fig. 28 reproduzierte Protoplasmakugel. Man unterscheidet hier eine innere, fast regelmässige, intensiv sich färbende Kugel, welche aus dicht aneinander gedrängten Alveolen zusammengesetzt ist. Im Zentrum der Kugel liegt das tief rot sich färbende Centriol, derselben Eigenschaften wie in Fig. 27. Wenn also das Centroplasma des früheren Stadiums aus einer feinkörnigen Substanz zu bestehen schien und jetzt eine deutlich alveoläre Struktur aufweist, so zeigt eben die jetzige Struktur, dass die früheren Körnchen oder Mikrosomen sich zu Alveolen umgebildet haben. Diese Metamorphose war nur dadurch ermöglicht, dass die Substanz der Mikrosomen mehr flüssig geworden ist und die Gestalt der farblosen Alveolen an- genommen hat. Wie sich in diesem Stadium die interalveoläre Substanz, das Hyaloplasma, gestaltet, lässt sich bei der Kleinheit der Körnchen nicht näher ermitteln, wir werden aber später Gelegenheit finden, auch diese Frage eingehender erörtern zu können. Die beschriebene Centroplasmakugel ist äusserlich von der bekannten radiären Plasmaschicht (Fig. 28 pp.), die von Boveri als Archiplasma, von anderen als Sphäre und von Rhumbler als Mantelschicht bezeichnet wird. Im grossen Ganzen erweckt diese Schicht den Eindruck, als ob sie aus dicht nebeneinander gestellten Strahlen zusammengesetzt würde. Und tatsächlich lässt sich die Entstehung des Archiplasma nicht anders als durch die Umbildung der oben beschriebenen Strahlen erklären. In dem ersten Stadium der Strahlenfigur haben wir nämlich nur sehr spärliche und kurze Radien gefunden; später waren dieselben dicht auf der ganzen Peripherie des Centriols gruppiert und zeichneten sich auch durch ihre bedeutende Länge aus. Die Struktur dieser Radien war dieselbe: in einer homo- genen Grundsubstanz liegen der Reihe nach in der ganzen Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 499 Länge der Strahlen intensiv gefärbte Plasmakörnchen oder Mikrosomen. Die Substanz strömt also der Umgegend des Centriols zu, um die Protoplasmakugel zu bilden. Nachdem nun der Zufluss der Körnchen aufgehört hat, gehen die übrig- bleibenden Strahlen nicht zu Grunde, sondern bilden nach wie vor mit dem Centroplasma die bekannte Astrosphäre. Aber die Substanz der Strahlen wandelt sich um; die Mikrosomen bilden sich zu grösseren hyalinen Alveolen um, deren Reihen sich dicht nebeneinander anordnen, um auf diese Weise die geschlossene Mantelschicht oder das Archiplasma um das Centroplasma her- zustellen. Die umgebildeten Radien sind meist von gleicher Länge und einzelne Strahlen ragen weiter in die Dottersubstanz des Eies hinein, und dieselben bestehen meist noch aus Mikro- somen und scheinen sich auch weiter an der Bildung der Centro- plasmakugel zu beteiligen. Diese Strahlen sind jetzt viel mächtiger als in den früheren Stadien, sie verästeln sich auch zu Seitenströmen, um wiederum mit den plasmatischen Knötchen des Eigerüstes in Verbindung zu stehen (Taf. XX, Fig. 29—31). Wie die Strahlen, so bestehen auch die Plasma- knötchen aus intensiv sich färbenden Mikrosomen oder Alveolen- anlagen, welche in den Radien reihenartig hintereinander gestellt sind und gewissermassen andeuten, wie das intervitelläre Hyalo- plasma in strahlenförmige Reihen umgeordnet und auf diesem Wege zum Zentrum des Eies, d. h. in die Centroplasmakugel befördert wird. Wir haben die Mantelschicht der Centroplasmakugel nach dem Vorgange Boveris als Archiplasma bezeichnet, nicht etwa deshalb, um damit eine spezifische Substanz der Zelle zu unter- scheiden, sondern um mit diesem Namen einen Umbildungs- produkt der Eisubstanz zu bezeichnen. Am wenigsten können wir aber in dem Archiplasma ein eigentliches autonomes Zell- organ erblicken, in welchem das Centroplasma (corpuscule central) nach der Ansicht Ed. van Benedens und OÖ. van der Strichts nur den inneren Teil darstellen soll. Eine besondere Substanz als Archiplasma ist im Ruhe- zustande des Eies von Rhynchelmis und wohl auch in den Eiern sämtlicher Tiere überhaupt nicht nachweisbar und auch nicht vorhanden; diese Substanz wird nur durch die erregende Tätigkeit des Centriols aus dem Plasmagerüst herausdifferenziert 500 F. Vejdovsky & A. Mräzek: und verdient deshalb auch keine besondere morphologische Be- zeichnung, da sie nur das künftige, durch spätere Differen- zierungen vermehrte Bildungsplasma der Mikromeren vor- stellt. Somit entsprechen unsere auf entwicklungsgeschichtlichem Wege errungenen Resultate der Auffassung, namentlich von Bütschli (1892), Rhumbler (1896) und R. Hertwig (1898), nach welcher die in Rede stehende „Sphäre“ eine auf chemischem Wege umgewandelte Plasmaumgebung des „Centrosoms“ (unseres Centroplasmas) vorstellt. Aber die genannten Autoren nehmen das „ÜUentrosom“ als spezifische Organelle der Zelle an und führen die chemische Modifizierung des Sphärenplasmas auf dieses Gebilde, d. h. unseres Centroplasma zurück, während wir, wie gesagt, von der Einwirkung des Centriols auf die Zellsubstanz ausgehen. Ferner verdient hervorgehoben zu werden, dass sämtliche angeführte Angaben der genannten Autoren sich nur auf die Polstrahlungen der Teilungsspindel beziehen, während wir die- selben Umbildungen schon in dem monozentrischen Stadium ganz deutlich unterscheiden die Gelegenheit hatten. Mit der Centroplasmakugel steht in organischem Zusammen- hange ein langgestrecktes Gebilde, bestehend aus den spindel- förmig angeordneten Plasmaradien der äusseren Mantelschicht (Fig. 28, sd.), deren Struktur — d.h. die Alveolen — sich auch in der Spindel wiederholt. Das Gebilde enthält in seinem Innern den Spermakern (spk.), welcher sich von den früheren Stadien dadurch unterscheidet, dass er jetzt eine maulbeerförmige Gestalt annimmt, indem er aus einer Anzahl intensiv rot sich färbenden, dicht aneinander gruppierten Kügelchen besteht. Die frühere homogene Substanz des Spermakerns hat sich offenbar zu einer wegen der Kleinheit nicht näher bestimmbaren Anzahl von Körperchen geteilt, die vielleicht den Chromosomen ent- sprechen. Der spindelförmige Plasmamantel um den Spermakern ist gewiss sehr interessant und lässt sich auf allen unseren Präparaten (etwa 50) in derselben Gestalt sicherstellen. Nur sind die Lagebeziehungen zu der Zentralkugel die verschiedensten, aus Gründen, die wir bereits oben angeführt haben. Ob ähn- liche Bildungen auch bei anderen Eiern beobachtet wurden, lässt sich aus der Literatur nicht ganz verlässlich ermitteln. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 501 So glaubt Boveri einige stärkere Strahlen gesehen zu haben, „die gegen den Spermakern hinziehen und wahrscheinlich die Aufgabe haben, denselben bei der centripetalen Wanderung des Centrosoms nachzuschleppen“. Auch Sobotta meint, „bei der Maus zwischen dem Kopf des Samenfadens und dem ziemlich weit entfernten Centrosom äusserst feine Fäden“ sichergestellt zu haben. Nach Kostanecki und Wierzejski bleibt der Spermakern durch die Strahlen im organischen Zusammenhange, die letzteren sind stets wahrzunehmen und man kann sie bis zum Chromatinkern verfolgen. Wir glauben nun, dass ähnliche Yortiehlungen zwischen dem Spermakern und der Centralkugel wahrscheinlich allgemein vorkommen und auf die Tendenz hinweisen, mit welcher der Spermakern in der Nähe des zentralen Plasma angehalten wird. In seiner spindelartigen Umhüllung verharrt nun der Sperma- kern auch während der nachfolgenden Vorgänge, die sich im Centroplasma von Seiten des Centriols abspielen und in dieser Spindel verwandelt sich der maulbeerförmige Spermakern zu seiner definitiven bläschenförmigen Gestalt, in welcher er schliess- lich die Spindel verlässt, um in das inzwischen kolossal heran- wachsende ÜUentroplasma zu wandern. Auch in den älteren Stadien begegnet man der besprochenen Figur im Eizentrum; sie ist immer auffallend durch die Spindel, in welcher der Spermakern eingeschlossen ist, was aber die Lage und Richtung der Spindel anbelangt, so findet man die grössten Variationen. Derartige weiter vorgeschrittene Stadien der Centroplasmakugel sind in den Figg. 29, 30 und 31 (Taf. XX) reproduziert und alle diese Figuren stimmen darin überein, dass sie alle Komponenten enthalten, die wir in der Fig. 25 besprochen haben und von denen nur die das Centriol enthaltende Centralkugel einigen Variationen unterliegt. Sie ist nämlich etwas grösser, nicht selten (Fig. 29) in der Äquatorialachse gestreckt, somit elliptisch. Die Grösse der Kugel ist verursacht durch die Quellung des inneren Inhaltes. Die Alveolen ver- grössern sich, ihr Inhalt färbt sich nicht mehr, da er sehr dünn- flüssig wird und man kann die Struktur der Kugel mit dem- selben Rechte retikulär als alveolär bezeichnen. Die wässerige Substanz der Alveolen veranlasst nun, dass man die Centralkugel recht schwierig unverletzt fixieren kann und es gelang uns nur 502 F. Vejdovsky & A. Mräzek: sehr selten, die Strukturen unverletzt zu Gesicht zu bekommen, wie sie in den angezogenen Figuren reproduziert sind. Und noch schwieriger ist es in den späteren Stadien, in welchen die Substanz der Alveolen ganz flüssig ist und bei der Fixierung so plötzlich extrahiert wird, dass die Alveolen in allen Fällen zer- rissen werden. Bisher gelang es uns nicht, eine Methode ausfindig zu machen, um die äusserst subtilen Strukturen des inneren Kugelinhaltes fixieren zu können und mussten uns meist nur mit den zerrissenen Überbleibseln des Retikulums begnügen. Die Schwierigkeiten, mit denen einer von uns vor Jahren zu tun hatte, waren wir also auch jetzt nicht imstande, zu überwinden. Aus den Trümmern des Retikulums innerhalb der Centralkugel vermochten wir nur soviel als sehr wahrscheinlich, ja, als gewiss sicherzustellen, dass sich das Centriol durch die Teilung ver- doppelt hat, und dass der inzwischen vergrösserte, bläschenförmige Spermakern seine Spindel verlassen hat, um sich in das Centro- plasma zu begeben. Die Spindel resorbiert sich dann spurlos und der Spermakern liegt frei in dem radiären Mantelplasma. Er ist zu dieser Zeit schon kugelförmig, enthält einige punkt- förmige und intensiv sich färbende Nucleolen, ein achromatisches Gerüst und ist in dieser Gestalt bereits von einem von uns schon vor Jahren abgebildet und beschrieben worden. (In der Fig. 32 ist der Spermakern |spk] in dem Momente abgebildet, als er die spindelförmige Umhüllung zu verlassen im Begriffe ist.) $6. Dizentrische Centroplasma-Figur. Die nachfolgenden Stadien, welche wir ausführlicher zu be- schreiben beabsichtigen, zeigen bereits eine Bipolarität der vordem monozentrischen ÜUentroplasmakugel. Derartige interessante Figuren sind bisher bei keinem anderen Tiere beobachtet worden, als bei Rhynchelmis, wo auf sie einer von uns vor Jahren auf- merksam gemacht hatte. Über die ersten Stadien der Ent- stehung der dizentrischen Figur vermögen wir leider keine ein- gehendere Darstellung zu liefern, zumal uns aus den oben angeführten Gründen zusammenhängende Reihen dieser Vorgänge dermassen nicht zu fixieren gelang, um die feineren Strukturen des Centroplasmas und die Teilung des ursprünglich einfachen Centriols beschreiben zu können. Im allgemeinen, namentlich auch nach der Beurteilung der späteren Teilungsvorgänge der . kN? Umbildung des COytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 205 Centroplasmen, die wir Schritt für Schritt zu verfolgen Gelegen- heit hatten, können wir annehmen, dass die Dizentrität durch die Verdoppelung des Centriols zustande kommt. Durch das Auseinanderweichen der Tochterceentriolen nimmt die ursprüng- liche Kugel eine elliptische Gestalt an, ohne jedoch die Teilung des Centroplasmas zu veranlassen. Jedenfalls aber findet die Verdoppelung der Centriolen schon zur Zeit statt, als der Sperma- kern noch ausserhalb des Centroplasmas, in der oben dar- gestellten Spindelhülle, liegt und hier die erwähnte bläschen- förmige Gestalt annimmt. In dieser Gestalt verlässt der Spermakern seine spindelförmige Umhüllung und dringt in das gestreckte Uentroplasma zwischen die beiden Üentriolen ein. Wir berufen uns bei dieser Gelegenheit nochmals auf die in Fig. 32 reproduzierte Abbildung, in welcher die Alveolen des an- geschnittenen Uentroplasmas (cp) bei sehr starker Vergrösserung wiedergegeben sind und der bläschenförmige Spermakern (spk) auf der Basis der stark verkürzten Spindel (sd) liegt. Schon in diesem Stadium muss das Centriol innerhalb des Centroplasmas verdoppelt sein, denn in den nachfolgenden Stadien, die uns gewissermassen zu fixieren gelang, und von welchen wir eine in Fig. 33 dargestellte Abbildung reproduzieren, finden wir die beiden weit von einander entfernten Centriolen innerhalb des dünnflüssigen Centroplasmas. Der bläschenförmige und kuglige Spermakern liegt schon frei, d. h. ohne seine spindelförmige Um- hüllung, zwar in dem Centroplasma, bisher aber nicht zwischen den Centriolen. Aus diesem Grunde sind wir berechtigt, anzu- nehmen, dass die Zellteilung lediglich von den Centriolen ausgeht und nicht von dem Centroplasma — den „Üentrosomen“ Boveris — welches erst sekundär sich an der Peripherie der Centriolen ansammelt. Es geschieht dies durch die Bildung neuer Strahlungen, die auf der Peripherie der winzig kleinen Centriolen entstehen und keinesfalls mit den alten Radien des ursprünglichen Centro- plasmas in Verbindnng stehen, sondern ihr Material aus dem letzteren vorbereiten. Die erwähnten Strahlungen sind schon in der Fig. 33 ersichtlich, wo sie fast die Oberfläche der Centriolen berühren. Später findet man schon die ersten Anfänge der neuen Centroplasmen in der Umgebung der Uentriolen, nämlich kleine, hyaline Kügelchen, die bei anderen Eiern, namentlich bei 504 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Ascaris, von Boveri als „Üentrosomen“ gedeutet wurden. Tatsächlich sehen wir in diesen Kügelchen neue Centroplasmen- Anlagen. Nachfolgende Beschreibungen der diesbezüglichen Stadien dürften als Belege zu dieser Deutung dienen. In den nächsten von einem von uns in seinen „Entwickl. Untersuchungen“ (in Fig. 9, Taf. V), abgebildeten Stadien be- findet sich der Spermakern schon in dem dizentrischen Centro- plasma, wie dasselbe in der Fig. 34, Taf. XXI, dargestellt erscheint. In diesem Stadium ist der Eikern (ek) eben im Begriffe, seine polare Plasmaansammlung (rp) — als Rest der Polspindel — zu verlassen und sich die Bahn zum Spermakerne zu brechen. Der letztere liegt innerhalb des inzwischen in der Äquatorialachse gestreckten Uentroplasmas und erscheint ebenfalls in dieser Achse verlängert. Ziemlich weit von den Polen des Spermakernes sieht man die Centriolen schon mit je einem hyalinen Höfchen (cp) umgeben, an dessen Peripherie das neue Strahlensystem hervor- tritt. Die Entstehung dieses neuen Strahlensystems müssen wir uns so vorstellen, dass das feinkörnige, interalveoläre Plasma zu neuen Plasmaströmen oder Radien umgeordnet, die Bildung des neuen Tochtercentroplasmas in der Gestalt des erwähnten hyalinen Höfchens hervorgerufen hat. Das letztere stellt uns, wie gesagt, das Gebilde vor, welches Boveri als „Centrosom“ bezeichnet, unserer Beobachtung und Auffassung zufolge aber die Anlage des Tochter-Centroplasmas bildet. Die inneren, neuen Radien sind also Neubildungen und ihr Produkt stellt die Tochter-Centroplasmen (ebenfalls Neubildungen) vor. Die alten Radien an der Peripherie des mütterlichen Centroplasmas strahlen nach wie vor selbständig, d. h. unabhängig von den inneren Strahlen, in den Dotter aus. Bei der Beschreibung des einwenig älteren, sehr interessanten Stadiums, welches uns in mehreren, teils äquatorialen, teils meri- dionalen Schnitten vorliegt und eine allmähliche Fortsetzung der soeben beschriebenen Komponenten der Teilungsfiguren darbietet, werden wir von der Betrachtung der Fig. 35, Taf. XXI, ausgehen, in welcher ein Stadium reproduziert ist, wo der Eikern (ek) den Rest des Richtungsspindel-Plasma (rp) verlassen hat und im Be- griffe ist, wie früher der Spermakern getan hat, in das ÜUentro- plasma einzudringen. Infolgedessen bildet sich in dem letzteren Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 505 eine Vertiefung, in welcher der Eikern liegt und bereits die Grösse erreicht, wie der innerhalb des Centroplasmas liegende Spermakern (spk). Der letztere befindet sich in dem ursprünglichen Centro- plasma (cp), dessen Alveolen sich zu einer spindelförmigen Um- hüllung des Spermakernes angeordnet haben. Die kugligen Tochtercentroplasmen (cp‘) haben sich vergrössert und zeigen jetzt eine „feinkörnige“ Struktur. In der Mitte liegt das Centriol. Die Strahlen der Tochtercentroplasmen sind jetzt viel länger, als früher. In der Fig. 35 sieht man den weiteren Fortschritt der Plasmogenese, dass das frühere Centroplasma zum radiären wird, während das neue Tochtercentroplasma als Produkt der Plasmo- genese hervortritt und das mütterliche Centroplasma jetzt zur Mantelschicht oder Archiplasma geworden ist. Die Tochter- centroplasmen mit ihren Mantelschichten stellen also den inneren Amphiaster nach der älteren Terminologie vor. Nun haben wir aber noch die äusserste alveoläre Plasmaschicht, die ursprüng- liche Mantelschicht oder das Archiplasma der monozentrischen Astrosphäre. Mit derselben verschmilzt zwar die innere oder töchterliche Mantelschicht, aber zwischen beiden ist eine auf- fallende Grenze in der Gestalt einer Zone der sich intensiv färbenden, mehr oder weniger dicht nebeneinandersitzenden „Körnchen“, deren Gesamtheit man bei schwachen Vergrösserungen leicht als eine „Membran“ deuten könnte, wie es neuerdings Conklin (Anatom. Anzeiger) auch tatsächlich getan hat. Die „Körnchenzone“ zieht also an der Grenze zwischen der alten und neuen Mantelzone und wurde schon von Ed. vanBeneden namentlich aber von Heidenhain in den Leukocyten, ferner von Kostanecki und am eingehendsten von Drüner bei der Teilung der Spermatocyten von Salamandra beschrieben. In den Leukocyten ist die „radiär struktuierte Sphäre“ — offenbar unser Centroplasma mit der Mantelschicht — von einem Körnchen-Kreise begrenzt, welche Heidenhain als „Mikro- somen“ bezeichnet. Sie liegen auch auf den Strahlen ausserhalb der Centrosphäre und bilden förmliche, kreisförmige Kon- figurationen. Drüner, welcher die Gebilde ebenfalls als „Mikrosomen“ bezeichnet, hat gefunden, dass eine grössere An- zahl (bis 9) dieser konzentrischen Kreise existieren kann, dass 506 F. Vejdovsky & A. Mräzek: aber die innersten zwei oft besonders deutlich erscheinen, sodass dadurch der Unterschied zwischen der Rinden- und Markschicht E. van Benedens hervortritt. Van der Stricht fand bei Thysanozoon nur einen einzigen Kreis der „Mikrosomen“ und derselbe verläuft zwischen den genannten Schichten, in anderen Fällen existieren aber keine „Mikrosomen-Kreise“. Wenn wir nun diese Angaben mit unseren Beobachtungen vergleichen, so müssen wir zunächst hervorheben, dass es sich in unserem Falle — und wir werden dasselbe auch später belegen können — nicht um gewöhnliche „Mikrosomen“, d. h. um ein- fache, punktförmige Körnchen handelt, sondern dass man in der besagten Übergangszone mit verschieden grossen Gebilden es zu tun hat. Starke Vergrösserungen weisen nämlich darauf hin, dass die grösseren Körperchen aus grosser Anzahl eigentlicher Mikrosomen gebildet sind und also Mikrosomenknötchen vor- stellen, wie wir dieselben in der Gerüstsubstanz des Eies hervor- gehoben haben. Diese grossen Knötchen sind die deutlichsten ; zwischen und neben ihnen erscheinen noch viel kleinere Knötchen, bis ihre Kleinheit den gewöhnlichen interalveolären Mikrosomen gleichkommt. Diese Gebilde sind ständige Begleiter der Strahlen und unterstützen sehr schön die Deutung, dass durch die Strahlen- bildung die Mikrosomen zum Centroplasma befördert werden. Zur Zeit aber, als die neuen Tochterstrahlen innerhalb des Muttercentroplasma entstehen, wird die weitere Beförderung der Mikrosomen sistiert und dieselben stauen sich stellenweise an, um schliesslich die sogen. „Mikrosomenstrata“, die aus Mikro- somenknötchen bestehen, zu bilden. Die ursprünglichen Plasmaströme oder Radien strahlen in der Fig. 35 zwar schon bipolar aus, sind aber jetzt sehr schwach ausgebildet und es scheint, dass ihre Tätigkeit zurücktritt, be- ziehungsweise durch die intensiven Vorgänge innerhalb des alten Centroplasma sistiert wird. | Schliesslich müssen wir darauf hinweisen, dass die eben be- schriebene Figur sich durch grössere Dimensionen auszeichnet, als die früher dargestellten. Die Erklärung hierzu liefern offenbar die Umbildungsvorgänge innerhalb der alten Centroplasmakugel. Bei dieser Gelegenheit wollen wir die von uns gebrauchte Terminologie mit der älteren vergleichen. Durch die neueren Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 907 Untersuchungen, namentlich von Boveri (1901), ist es nämlich klar geworden, dass dieselben Vorgänge, welche einer von uns vor 15 Jahren zuerst bei Rhynchelmis dargestellt hat und welche wir in den vorliegenden Studien eingehender verfolgen konnten, auch in den Eiern und Zellen anderer Tiere platz- greifen, wenn sie auch nicht mit solcher Bestimmtheit erkannt werden konnten, wie bei unserem Objekte. Vejdovsky hat bekanntlich die ursprüngliche Strahlenfigur als Periplast be- zeichnet und dieselbe mit der „Attraktionskugel“ van Benedens verglichen. Wenn wir jetzt diese Bezeichnungen verlassen, so geschieht es aus dem Grunde, dass man innerhalb dieser ein- heitlichen Kugel verschiedene Komponenten zu unterscheiden hat, welche durchaus vom Cytoplasma des Eies herrühren und nur das Centriol höchstwahrscheinlich als eine selbständige Organelle aufzufassen ist. Es gibt kein Centrosom und kein „corpuscule central“ im Sinne Boveris und Ed. vanBenedens, die man als kontinuierliche Organula während der Zellteilung anerkennen sollte. Die genannten vermutlichen Körperchen stellen nur neue Plasmaansammlungen innerhalb der alten Kugel, die wir als Centroplasmen bezeichneten. Neuerdings, bedient sich dieses Namens auch Boveri für die Substanz seiner „Uentrosomen“, die er nach wie vor als selbständige, mit einer besonderen Um- hüllungsmembran versehene Organelle der Zelle betrachtet. Nachdem eine solche Membran tatsächlich nicht existiert, muss man das Üentroplasma nur als ein Umbildungsprodukt des Zellgerüstes auffassen. Es gibt auch kein eigentümlich ge- artetes Archiplasma im Sinne Boveris und seiner Anhänger; das „Archiplasma“ in unserem Sinne stellt das letzte Produkt der Umordnungen, beziehungsweise Umbildungen des Cytoplasmas, welches durch die beschriebenen Vorgänge schliesslich sich im Zentrum ansammelt und für die weiteren Entwicklungsvorgänge vorbereitet. Wir werden noch mehrmals auf diese Probleme zurückkommen. Die nachfolgenden Abbildungen Fig. 36 und 37 scheinen zwar einem und demselben Entwicklungsstadium anzugehören, bei näherer Betrachtung ist aber das in Fig. 37 reproduzierte gewiss jünger, als das in Fig. 36 dargestellte Stadium. Zunächst sehen wir, dass die Geschlechtskerne noch selbständig sind, ferner erinnert das intensiver sich färbende „Mikrosomenstratum“ 508 F. Vejdovsky & A. Mräzek: auf die gewesene monozentrische Gestaltung der Figur, wenn auch die Teilung der polaren Centroplasmen vollständig durch- geführt ist. Die Schichtung der ganzen Figur können wir folgendermassen beschreiben: 1. Auf der äussersten Peripherie erstreckt sich die mächtige Lage des ursprünglichen Archiplasmas; 2. dann folgt das „Mikrosomenstratum“; 3. weiter nach innen sehen wir die in derselben Weise strukturierte Plasmaschicht, wie das äussere Archiplasma und wir bezeichnen sie als Tochter- archiplasma ; die sie zusammensetzenden Alveolen sind radien- artig angeordnet und die so entstandenen Strahlen beider Hälften kreuzen sich in der Meridianebene der ganzen Figur; 4. dann folgen die schwach gefärbten Kugeln, d.h. die Tochtercentro- plasmen, welche mit den inneren Flächen die Geschlechtskerne unmittelbar berühren. Eine äussere, membranartige, oder aus „Mikrosomen“ bestehende Umhüllung existiert nicht und nur die Beschaffenheit der Substanz, aus welcher die Kugeln bestehen, erklärt, dass die Kugeln als selbständige Gebilde hervortreten. Auch die Alveolen dieser Enkelarchiplasmen sind radienartig an- geordnet und um das innere Kügelchen zentriert, in welchem das punktförmige Centriol liegt. Das innere Kügelchen ist nichts anderes, als das neu entstandene Enkelcentroplasma. Wenn wir nun das in der Fig. 37 und 36 abgebildete Stadium näher betrachten, so müssen wir das letztangeführte (Fig. 36) als das nächstfolgende anerkennen. Die gleich grossen und gleich gestalteten Geschlechtskerne legen sich hier eng aneinander. Die polaren Muttercentroplasmen (cp) und innerhalb derselben angelegte Tochtercentroplasmen (cp‘) mit den Centriolen verhalten sich in gleicher Weise wie in Fig. 37. Nur das auf der Peripherie der Muttercentroplasmen stark bervortretende „Mikrosomenstratum“ ist hier sehr auffallend. Dasselbe be- schränkt sich nur auf die Peripherie der Muttercentroplasmen, bildet aber keine geschlossene, membranartige Umhüllung der Kugeln, sondern erscheint als mehr oder weniger regelmässig auf der Peripherie zerstreut und auch das radienartig angeordnete Archiplasma in der Gestalt von sehr kleinen Körnchen begleitend. Die Grösse der das „Mikrosomenstratum“ zusammensetzenden Plasmaknötchen ist sehr verschieden und lässt sich, ebenso wie die Art der Verteilung derselben, auf die individuelle Variation zurückführen. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 509 Wir haben diese Verteilungs- und Grössenverhältnisse der Plasmaknötchen und Körnchen ausführlicher besprochen, nament- lich aus dem Grunde, weil diesen Gebilden eine grosse Bedeutung zugeschrieben wurde. Aus alledem aber, was wir bisher von den Gestaltsverhältnissen der „Mikrosomen“, sowie von deren Zahl und Anordnung sicherstellen konnten, resultiert auf das Be- stimmteste, dass sie gewiss bei der Plasmabildung während der Prophasen eine bedeutende Rolle spielen, indem sie das durch die Tätigkeit der Strahlen zugeführte Material für die Bildung neuer Alveolenanlagen vorstellen; dagegen vermögen wir nicht zu behaupten, dass eine bestimmte Regel in der Verteilung dieser Gebilde existiert, am wenigsten darf man die Angaben Drüners so verallgemeinern, dass die Körperchen in regelmässigen Kreisen auf der Peripherie des Centroplasma angeordnet seien und „die fadenförmigen Strahlen begleiten.“ Wir haben uns an mehreren Stellen der vorhergehenden Kapiteln gegen die Deutung der Polradien als kontraktile Fibrillen ausgesprochen. Nun haben wir die Strahlenfigur sowohl in ihrer monozentrischen, als dizentrischen Entstehungsweise ver- folgt, ihre Komponenten in der morphologischen und physio- logischen Bedeutung auseinanderzusetzen versucht, nirgends aber haben wir Gelegenheit gefunden, die Strahlenbildungen nach ihrer Tätigkeit als muskulöse Fibrillen beurteilen zu können. Am wenigsten kann man sich für diese Deutung bei der mono- zentrischen Radienfigur entscheiden, den schlagendsten Beweis gegen die Muskelfadentheorie, sowie gegen die Lehre von der Beständigkeit der Radien bildet aber immer die Tatsache, dass bei jeder Neubildung des Centroplasmas die neu entstehenden Strahlen sich beteiligen. Diese Tatsache haben wir in dem vor- liegenden Kapitel dargetan, in den nachfolgenden Darstellungen der neuentstehenden sog. achromatischen Polstrahlungen der Kernspindel' werden wir für diese Lehre neue Beweise liefern können. Zweitens verdient schon an dieser Stelle hervorgehoben zu werden, dass die Teilung des Eies nicht von einem „ÜUentrosom“ im Sinne Boveris eingeführt wird, sondern dass es einzig und allein das Centriol ist, welches durch seine Verdoppelung zuerst die dizentrische Anordnung der ganzen Teilungsfigur bedingt. 510 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Dem „Centrosom“ Boveris entspricht offenbar unser mono- zentrisches Centroplasma (mit dem Üentriol), das sich aber erst sehr spät, nachdem nicht nur die Centriolen längst geteilt worden sind, sondern, als sich neue Tochtercentroplasmen an deren Peripherie mit neuen Radiensystemen angelegt haben, teilt. Nach der Auffassung Boveris müsste man erst diese Tochtercentroplasmen als „Centrosomen“ der ganzen achromatischen Figur deuten; wir haben aber Schritt für Schritt verfolgen können, dass sie nicht durch Teilung des ursprünglichen Muttercentroplasma ent- standen, sondern selbständig sich anlegen, ebenso wie ihre Radien und somit auch das neue Archiplasma. Es ist also höchstwahrscheinlich nur das Centriol teilungs- fähig, die übrigen Komponenten sind Neubildungen; es kann daher keine auf die Teilung irgend eines „Üentrosoms“ ein- wirkende Spannung der Radien tätig sein und es wird die mono- zentrische Figur durch die Kontraktion der Strahlen nicht in eine dizentrische auseinandergezogen. Andere Ansichten, welche über das Verhältnis zwischen dem Centriol und dem Centroplasma ausgesprochen wurden, sowie die Darstellungen der vermeintlichen Entstehung des Centroplasmas (Centrosom Boveri) durch die Abscheidung des Centriols mögen hier unberücksichtigt bleiben. S 7. Die erste Furchungsspindel. In den vorstehenden Kapiteln haben wir das Eindringen des Sperma in die Eisubstanz und die Bildung des männlichen Pronukleus mit seinem Strahlensystem dargestellt. Dieser Pro- nukleus begibt sich nicht zum weiblichen Vorkern, sondern zu- nächst, unbekümmert um denselben, an diejenige Stelle des Eies, wo später die erste Furchungsspindel entstehen soll. Hier teilt sich das Üentriol innerhalb des ursprünglichen Centroplasmas und es entsteht eine dizentrische Figur, wie eben dargestellt wurde. Erst dann wandert der inzwischen gebildete weibliche Pronukleus zum männlichen. Von einer Centrenquadrille kann keine Rede sein. Wir haben uns aber überzeugt, dass, allerdings sehr selten, Fälle vorkommen können (bei unseren Beobachtungen eigentlich nur einmal), die einen solchen Vorgang vortäuschen dürften. Es wurde bereits auf eine Art der Entstehung solcher Figuren hin- Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 511 gewiesen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Centroplasma der zweiten Reifungsspindel auch weiter persistieren kann. In diesem Falle kann aber keinesfalls eine Konjugation der Centren stattfinden, denn ein solcher Vorgang ist nach unseren Vor- stellungen, die wir uns über die Mechanik der Karyokinese, be- ziehungsweise über die Sphärenbildung, gebildet haben, einfach unmöglich. Es müssten vielmehr abnorme Teilungsfiguren etc. vorkommen, wie wir solche auch tatsächlich zu beobachten Ge- legenheit hatten. (Dazu kann z. B. auch die Fig. 36 bei van der Stricht gerechnet werden). Täuschende Figuren können jedoch auch auf eine ganz andere Weise entstehen, wie z. B. diejenige, die unserer Textfigur 10 zugrunde gelegen ist. Diese bezieht sich auf Glossiphonia. Auf dem Schnitte sehen wir zwei Kerne, jeden von einem Plasmahofe umgeben, und in diesem deutlich zentrierte Radiensysteme. Hier liegen uns scheinbar die beiden Pronuklei vor und dies umsomehr, als Fig. 10. Ei von Glossiphonia sexoculata, eine „Centrenquadrille“ vortäuschend. Es handelt sich um eine abnorme Teilungsfigur, wo die Bildung der Furche zwischen beiden Blastomeren unterblieben ist. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 02. SB) oo 512 F. Vejdovsky & A. Mräzek: auf dem Schnitte auch eine Polzelle sichtbar ist. In der Tat verhält sich die Sache ganz anders. Beim Durchmustern der ganzen Schnittreihe sehen wir aus der Lage der Polplasmen etec., dass die zweite Polzelle eigentlich bereits auf die Seite, in die Äquatorialebene des Eies, verschoben ist, wie dies bei der Furchung der Hirudineen bekannt ist, und dass wir einfach einen abnormen Fall vor uns haben, wo das Auftreten der ersten Teilungsfurche unterblieben ist. Würde ein solcher Fall bei einem anderen Eie auftreten, wo sich das Entwicklungsstadium weder zeitlich noch topographisch bestimmen liesse (z. B. bei einem Molluskenie), so müsste eine solche Figur entschieden für eine „Centrenquadrille“ erklärt werden. Wir haben diesen Fall deshalb angeführt, um zu zeigen, wie leicht unter Umständen Trugbilder entstehen können, die eventuell auch eine „Centrenquadrille“ vortäuschen könnten. Nun kehren wir zur Schilderung der weiteren Teilungs- figuren zurück und betrachten das in der Fig. 38 abgebildete Stadium. Die polaren Centroplasmen sind durch die eigentliche Spindel miteinander verbunden. Die Bildung dieser letzteren gelang es uns auf unseren Präparaten nicht festzustellen. Immer haben wir entweder nur die beiden Vorkerne, oder sofort die, bereits fertige Kernspindel mit differenzierten Chromosomen in der Äquatorialebene angetroffen. Offenbar verläuft der ganze Vorgang ziemlich schnell, was wohl begreiflich ist, denn wir müssen erwägen, dass die Pronuklei nicht miteinander ver- schmelzen, dass es also eigentlich nicht zur Bildung eines wirklich ruhenden Furchungskernes kommt. Die Pronuklei verharren vielmehr auf einem Stadium, welches eine schnelle Herausbildung der Chromosomen ermöglicht. Dies ist schon aus der Struktur der Pronuklei, wie sie oben geschildert wurde, ersichtlich. Noch besser aber, als bei unserem Hauptobjekt Rhynchelmis tritt diese Erscheinung bei den Eiern der Glossiphonien hervor. Hier bleibt nämlich der Unterschied in der Gestaltung der beiden Pronukleen ein be- deutend markanterer. Der weibliche Pronukleus erscheint un- gefähr aus soviel Kernbläschen (Karyomeren) zusammengesetzt, als die auf die Hälfte reduzierte Chromosomenzahl beträgt, der männliche bildet dagegen ein einziges, relativ kleines Bläschen. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 513 Im Äquator einer sonst fertigen Spindel liegt also eine Anzahl der Karyomeren. Solche Figuren, die für Glossiphonia wenigstens als vollkommen normal betrachtet werden müssen, erinnern sehr an einige Abbildungen Platners bei Arion empi- ricorum, welche diesen Autor zu einer irrigen Auffassung des Befruchtungsvorganges geführt haben. Wie nun aus diesen Bläschen die stäbchenförmigen Chromosomen sich herausdifferen- zieren, ob dies auf eine ähnliche aber rückgängige Weise ge- schieht, wie die Chromosomen nach der Ausstossung der zweiten Polzelle zu Karyomeren werden, oder ob durch eine vollständige Neurekonstruktion, das vermögen wir, wie schon oben bemerkt wurde, nicht zu entscheiden. Es lässt sich eben bei Rhynchel- mis und verwandten Eiern die Entstehung und Bildung der Chromosomen nicht mit einer solchen Deutlichkeit erkennen, wie z.B. bei Ascaris und den Nematoden überhaupt. Gewöhnlich finden wir also die fertigen, winzigen, stäbchen- förmigen Chromosomen zu einer Äquatorialplatte gedrängt (Fig. 38). Auf Querschnitten konnten wir uns auch wirklich überzeugen, dass die Zahl derselben die auf Grund’ der bei Reifung fest- gestellten Erscheinungen postulierte Nummer 64 beträgt. Auf sagittal geführten Schnitten liegen die Chromosomen alle schein- bar regelmässig nebeneinander, schiefe Schnitte lassen aber deutlich erkennen, dass dieselben zu zwei gesonderten Gruppen angeordnet sind. Diese Erscheinung kann gewiss nicht anders gedeutet werden, als im Anschluss an die Beobachtungen Rückerts und Häckers, als eine Selbständigkeit der mütter- lichen und väterlichen Kernsubstanz. War es auch nicht möglich, das Hervorbilden der Spindel aus dem Kern, oder besser gesagt, aus den beiden Pronukleen zu beobachten, so können wir immerhin doch auch an der fertigen Spindel wieder denjenigen Teil leicht unterscheiden, der sich aus der Kernsubstanz gebildet hat. Dieser ist stets bedeutend dunkler gefärbt, insbesondere in einigen seiner Partien, als die übrigen Teile der Spindelfigur. Der „nukleäre“ Teil der Spindel ist keineswegs regelmässig gegen die Polen zu abgegrenzt, sondern greift wie mit mehreren Spitzen (vergl. Fig. 35) in die blasser gefärbte Substanz hinein. Im Falle, dass die deutlichen Polcentrosphären nicht vorhanden wären, müssten wir die Spindel als mehrpolig bezeichnen. Dies ist auch tatsächlich nicht für So >14 F, Vejdovsky & A. Mräzek: die Furchungsspindel, sondern für die Reifungsspindel einiger Objekte geschehen. Die Centrosphären lassen sich hie und da nur schwer nachweisen. In solchen Fällen ist es die eigentliche Kernspindel allein, die man sieht, und wenn nun dieselbe nicht, wie bei Rhynchelmis, regelmässig an beiden Polen abgestutzt ist, sondern zackig vorspringt, so entstehen die mehrpoligen Figuren, wie sie z. B. Häcker (1897) zusammengestellt hat. Die ursprüngliche Gestalt der ersten Furchungsspindel von Rhyncehelmis ist diejenige eines an beiden Polen abgestutzten Doppelkegels. Diese Gestalt bewahrt die Kernspindel aber nur eine kurze Zeit, denn schon am Ende der Prophasis erscheint sie lang ausgezogen, walzenförmig, an beiden Polen gerade ab- gestutzt (Fig. 39). Auch in der Metaphase begegnen wir dieser langen, zylindrischen, gleichmässig dicken Kernspindel (Taf. XXI, Fig. 40). Erst in der Zeit, wo die Karyomeren frei geworden sind, d.h. an die Polen der Kernspindel zu liegen kommen, ver- kürzt sich diese letztere und erscheint als ein zu beiden Polen abgestutztes, nicht scharf abgegrenztes Bündel von wellig ge- bogenen Fäden (Fig. 41). Diese Spindel, aus welcher, wie gesagt, die Karyomeren ausgetreten sind, stellt den Rest der Kern- substanz vor, die sich an der Bildung neuer Tochterkerne nicht beteiligt, sondern allmählich einer Degeneration anheimfällt, bis sie schliesslich in der Gestalt des sog. Zwischenkörpers ihre letzte Existenz verrät. In der weitaus grössten Anzahl der Fälle sehen wir bei allen Kernspindeln von Rhynchelmis, Glossiphonia, Petromyzon wirkliche Fibrillen. Es ist eben nur bei der Kernspindel, wo wir überhaupt während der ganzen Zellteilung (ebilde treffen, die wir für Fibrillen zu halten gewisser- massen berechtigt sind. Es finden sich zwar auch hier quere Verbindungen zwischen einzelnen vermeintlichen Fibrillen, die aber so undeutlich erscheinen, dass man schwierig von einer Alveolarstruktur reden kann. Da man auch in den Vorkernen von einer ähnlichen Struktur keine Spur findet, so müssen wir uns die fibrillären Gebilde der Kernspindel durch gewisse, während der Spindelbildung stattfindende Vorgänge erklären. Bei dem Verschwinden des Kernes als eines scharf begrenzten Körpers verflüssigt offenbar die Kernmembran und aus der Kern- sıbstanz entsteht eine mit dem Cytoplasma sich nicht, oder nur Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 915 schwer mischende, zähflüssige, fädige Substanz, die unter dem Zuge der voneinander weichenden polaren Centrosphären sich radienartig anordnet und dann fibrillenartig auseinandergezogen wird. Auf diese Weise ist die Kernspindel entstanden. Von der Entstehung der Chromosomen aus der Substanz beider Vorkerne haben wir leider keine Erfahrungen. Wir treffen sie zuerst in dem Äquatorialplattenstadium als dünne Stäbchen, die später auseinanderrücken, sich verkürzen, dicker werden und dunkelgefärbte Körperchen vorstellen. Als sie aus dem Bereiche der wirklichen Kernspindel in die weiter unten zu besprechenden Centroplasma-Protuberanzen heraustreten, stellen die Chromosomen wirkliche Bläschen vor. Es findet eine wirkliche Chromosomenumbildung statt, welche zuerst von Fol bei ver- schiedenen Eiern folgendermassen beschrieben wurde: „Die beiden Stäbchen eines jeden Paares hängen aber noch längere Zeit durch eine ungefärbte Substanz zusammen. Diese wird fadenförmig ausgezogen und stellt die sogen. Verbindungsfäden dar, ein von einer Scheibe zur anderen hinziehendes, zylindrisches Bündel. Schliesslich reissen auch diese Fäden durch und ballen sich mit den chromatischen Stäbchen zu kugelförmigen Gebilden zu- sammen .... Sind sie abgerundet und etwas angeschwollen, so pressen sie sich gewissermassen aus dem Kernradienbündel heraus und fallen in die Astrocoelhöhle, wo sie weiter wachsen. Eine jede solche Kugel besteht also aus zwei Substanzen, einer färbbaren und einer ungefärbten, und beide zusammen stellen eine Karyomere dar“ (1596, p.267). Doch einen direkten Beweis für das Vorkommen von zweierlei Substanz hat Fol nicht er- bracht. Direkt können wir nicht beobachten, dass ausser dem eigentlichen Chromosom, der dunkel tingiert ist, noch eine andere Substanz mit zur Bildung der Karyomeren mitgenommen werde. Wir sehen nur, dass das Chromosom gewissermassen auf- quillt und dass es dann ein Bläschen vorstellt, welches zwei verschiedenartige Substanzen aufweist. Die eine ist an die Peripherie beschränkt und kreisförmig im optischen Schnitte. In einem Punkte nach innen erhebt sich von der achromatischen Substanz ein intensiv sich färbendes Korn, das bei weiterem Wachstum sich als Anlage des späteren Nucleolus verrät. Diese Anlagen sind wohl kaum anders zu deuten, als Produkte der Assimilation; es finden sich wandständige Anhäufungen der 516 F. Vejdovsky & A. Mräzek: färbbaren Substanz, die stets kugelig sind und schon im ersten Stadium eine nukleolusartige Beschaffenheit und Gestalt an- nehmen. Sie sind nur in Einzahl in jedem Karyomer vorhanden und es lässt sich nach ihrem Vorhandensein in den ersten Stadien die Karyomerenanzahl einigermassen bestimmen. Es wiederholt sich nämlich dasselbe, was wir — allerdings nicht so verlässlich — bei der Bildung des Z Pronukleus, sehr überzeugend dagegen bei der Bildung des ? Vorkernes nach der Ausstossung der zweiten Polzelle sichergestellt haben. Die ein- zelnen Karyomeren rücken näher aneinander, und so entsteht zunächst ein maulbeerförmiges Gebilde, welches so oft von einem von uns in den „Entwickl. Untersuchungen“ abgebildet ist. Das- selbe bildet bei unserem Objekte, wie auch bei anderen (Petro- myzon, Echinodermen) stets einen Übergang zum ruhenden Kern. Es ist dies keineswegs ein Vorstadium der Kernteilung, wie Nussbaum in seiner jüngsten Arbeit (1902) meint, sondern im Gegenteil ein Endstadium. Nussbaum hat sich dadurch irren lassen, dass er die sich furchenden Eier der Nematoden beobachtete. Bei diesem Vorgange kommt es, wenn die Furchung schnell abläuft — wie dies meistens der Fall ist — eigentlich niemals zur Bildung wirklich ruhender Kerne, sondern der neue Kern, noch bevor er seine Maulbeergestalt verwischen konnte, wandelt sich bereits wieder zur nächsten Kernspindel um. Die Zusammenfügung der Karyomeren findet an der Grenze des polaren Uentroplasmas statt, das von Fol als Astrocoel bezeichnet wird. Von jetzt an können wir von neuen Tochterkernen reden, welche in das Innere der Centroplasmen eindringen. Schon jetzt scheinen einzelne Karyomeren miteinander zu verschmelzen, so- dass wir nicht imstande sind, die Anzahl der früheren Chromo- somen in präziser Weise anzugeben. Aus allen diesen Beobachtungen geht klar her- vor, dass sich der „Furchungskern“ überhaupt nicht teilt,sondernnurseineChromosomen an die nächste Zellgeneration abgibt. Die Kernsubstanzen, wie Kerngerüst, Nucleoli, Kernmembran resorbieren sich und verschmelzen schliesslich mit dem Cyto- plasma. Aus den Karyomeren bäuen sich neue Tochterkerne auf, in welchen sich wieder Chromo- somen neubilden müssen. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 517 Nun müssen wir die auffallendsten Veränderungen der polaren Centroplasmen besprechen, welche sowohl durch ihre Grössenzunahme, als durch die Strukturverhältnisse von den bis- her bekannten Verhältnissen sehr verschieden sind, denn das Wachstum der Centroplasmen erreicht in dem eben besprochenen Stadium der Metaphase ihren Kulminationspunkt, welcher Vor- gang auf die allgemeinen Gestaltsverhältnisse der ganzen Teilungs- figur einwirkend sein muss. Wir verweisen nur auf einige Stadien dieser Umwandlung. In den Fig. 36 und 37 haben “wir im Zentrum der grossen Muttercentroplasmen sehr kleine „centro- somartige“ Anlagen der Tochtercentroplasmen angeführt. Viel- leicht schon vor der Bildung der Furchungsspindel fangen die Tochtercentroplasmen an zu wachsen. Solche Präparate mit den anwachsenden Tochtereentroplasmen in dem Stadium, wo die Ge- schlechtskerne noch selbständig aneinanderliegen, sind aber in unserer Sammlung ziemlich selten, ebenso wie wir von dem Übergange der Geschlechtskerne in die Furchungsspindel recht ungenügende Vorstellungen gewinnen konnten. Aber bei dem Erscheinen der ersten Kernspindel (Fig. 38) können wir das Wachstum des Tochtercentroplasma feststellen. (Die angezogene Figur ist bei viel schwächerer Vergrösserung reproduziert, was auch von den nachfolgenden Abbildungen Fig. 39 und 40 gilt, als die vorangehenden Fig. 34—37. Sollten die Fig. 38—40 in gleichem Massstabe wiedergegeben werden, so würde eine jede Abbildung fast die Fläche, wie Fig. 41, einnehmen. Die letzt- angeführte Figur weist sonst darauf hin, wie das Wachstum der polaren Centroplasmen vom Stadium Fig. 37 und 38 fort- geschritten ist.) Das früher sehr kleine Kügelchen wächst während der Prophase heran und lässt in seinem Zentrum das Centriol ferkennen (Fig. 38). Die Alveolen der mütterlichen Sphäre sind jetzt strahlig angeordnet, die Substanz der ver- grösserten Tochtercentroplasmen scheinbar aus dicht gruppierten Mikrosomen zusammengesetzt, nicht radiär, und dadurch von der Substanz des Muttercentroplasma ziemlich scharf abgesetzt. Es wiederholen sich dieselben Strukturverhältnisse, die wir früher bei dem Wachstum der monozentrischen Figur erkannt haben. Ist dieser Satz richtig, so wird man den Folgen dieses Vor- ganges in dem Stadium begegnen müssen, wo schliesslich nur je eine voluminöse Sphäre mit zentralem Centriol und mächtiger 918 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Archiplasmaschicht an der Peripherie vorhanden ist. Dem ist tatsächlich so in dem nächstfolgenden Stadium, am Schlusse der Prophase mit der oben erwähnten zylindrischen Kernspindel (Fig. 39). Das in Fig. 38 dargestellte Tochtercentroplasma ist so enorm herangewachsen, dass sie die äussere mütterliche Kugel (Muttercentroplasma) vollständig verdrängt und ihre Stelle ganz eingenommen hat. Die Substanz dieser alten Kugel musste allerdings auch auf die Peripherie verdrängt werden und so kam es zur Vermehrung resp. zur Verdichtung der alten, archiplasmatischen Schicht, wie es auch in der Fig. 39 treu nach dem diesbezüg- lichen Präparate wiedergegeben ist. Das Wachstum der polaren Centroplasmen schreitet auch in dem Stadium der Metaphase und Anaphase fort, wie die Figg. 40 und 41 veranschaulichen und wo die CGentroplasmen sich von den vorangehenden Stadien folgendermassen unterscheiden : 1. Sie sind einfach, d. h. enthalten keine Tochterkugeln ; inı Zentrum befindet sich nur das Centriol. Ihre Strukturistgrobalveolär, sogar scheinbar netzförmieg. 3. Sie sind keineswegs regelmässig kugelig, sondern in gewisse Protuberanzen ausgezogen, die sich an die Polen der Kernspindel direkt anschmiegen. 4. Auf der Peripherie der Kugeln erstreckt sich eine mächtige Schicht von Archiplasma. . Wir wollen zunächst die Strukturen der Centroplasmen ein- gehender betrachten und berufen uns zu diesem Zwecke auf die Fig. 41, da dieselbe die Strukturverhältnisse am deutlichsten veranschaulicht, obwohl die grobalveoläre Struktur auch schon bei schwachen Vergrösserungen ganz deutlich hervortritt. Sonst haben wir es mit denselben Strukturverhältnissen zu tun, die wir in der grossen, monozentrischen Figur erkannt haben. Die polaren Centroplasmen wachsen nun so enorm heran, dass sie bereits mit blossem Auge an den durchsichtigen Präparaten leicht wahrnehmbar sind. Ihr Wachstum ist in der letzten Instanz auf die Vergrösserung, Aufquellung der sie zusammensetzenden Alveolen zurückzuführen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Wachstum der Centroplasmen in unserem Stadium einzig und allein auf dem Wachsen der ein- zelnen Alveolen, nicht aber zugleich auf der Bildung neuer Alveolen, auf der Zunahme der Alveolenzahl beruht. Die kaum [6) Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 519 unterscheidbaren, kleinen Alveolen werden nach und nach grösser, sodass der alveoläre Bau schon bei sehr schwachen Vergrösserungen deutlich ist. In der Metaphase kommt es also zu einer aus- gesprochenen habituellen Veränderung des Strukturbildes bei den polaren Centroplasmen. Dieselbe Erscheinung ist keineswegs auf Rhynchelmis beschränkt, sondern kommt nach den Angaben ver- schiedener Autoren auch bei vielen anderen Objekten vor, doch war einer von uns (Vejdovsky 1887), der auf sie zuerst aufmerksam gemacht hat. Die Struktur dieser vergrösserten Centroplasmen wird von den meisten Autoren (Wilson, v. Erlanger etc.) als „grobnetzige“* bezeichnet. (Von Arte- fakten E. B. Wilsons kann keine Rede sein.) Und in der Tat machen die vergrösserten Alveolen eher den Eindruck eines Maschenwerkes, und zwar im Endstadium der Vergrösserung, nachdem die Centroplasmen ihr Maximum erreicht haben, sogar eines ziemlich lockeren Maschenwerkes. Doch lässt sich auch hier stets erkennen, dass der netzige Bau nur vorgetäuscht wird und dass in Wirklichkeit nur eine grobalveoläre Struktur vorliegt. Die einzelnen Alveolen der Centroplasmen wachsen be- deutend und an manchen Präparaten können wir sicherstellen, dass die zentralen, um die Centriole gelegenen viel grösser sind, als die peripherischen. Man dürfte aus diesem Verhalten den Schluss ziehen, dass das Wachstum vom Zentrum der Zelle gegen die Peripherie fortschreitet. Auf feinen Schnitten erscheinen die Alveolen als vollkommen leer. Offenbar war ihr Inhalt ganz dünnflüssig, wässerig und durchscheinend. Nur die Wandungen der Alveolen färben sich, nicht vielleicht dass sie dick wären, sondern weil dieselben bei der Kleinheit der Alveolen dicht aneinander gedrängt sind. Die Scheidewände zwischen den ein- zelnen Enchylematröpfchen (die aneinander anstossenden Waben- wände) sind äusserst fein, doch vermögen sie zu gewisser Zeit dicker zu erscheinen, sich intensiver zu färben und schliesslich als kurze, an das Üentriol zentrierte Strahlen hervorzutreten, wie die weiter unten angeführten Beobachtungen belegen werden. Nun kommen wir zu einer anderen, oben hervorgehobenen Eigentümlichkeit der polaren Centroplasmen, nämlich der, dass sie immer in je eine mächtige Protukeranz ausgebuchtet er- scheinen, mittels welcher sie mit der Kernspindel innig ver- bunden sind. Sowohl die flüssige Beschaffenheit des Alveolar- 520 F. Vejdovsky & A. Mräzek: inhaltes, als auch diese Ausbuchtungen veranlassen, dass die all- gemeine Konfiguration der Centroplasmen grossen Veränderungen unterliegt, wie aus den Figg. 39 (Taf. XXI), 40 und 41 (Taf. XXI) am deutlichsten zu ersehen ist. Den innigen Zusammenhang der Centroplasmen mit der. Kernspindel hat die allseitige Auf- nahme der zum Wachstum der Alveolen nötigen Flüssigkeit zur Folge. Die Üentroplasmen vergrössern sich, indem sie ihre Flüssigkeit von allen Seiten aufnehmen, also auch aus der Kern- spindel selbst ; dieser Vorgang muss auch zu einer Veränderung der Figur führen, vornehmlich auch, da die Centroplasmen mit der Kernspindel innig zusammenhängen. Und in der Tat be- obachten wir in den angezogenen Abbildungen, dass die riesigen Centroplasmen keine kugeligen Gebilde sind, sondern stets mittels einer schlauchförmigen Ausbuchtung mit der Kernspindel ver- bunden sind. Diese Ausbuchtung der Centroplasmen ist für die ausgestreckten Kernspindeln charakteristisch und wir begegnen derselben auch in den vierzelligen Stadien. Die Gestalt der Centroplasmen ist dabei unregelmässig und dauert fort bis zum Untergang der alten Sphären, nachdem sich die neuen Tochter- centroplasmen innerhalb derselben angelegt haben. Selbstverständlich sind die ausgebuchteten Centroplasmen nicht ursprünglich, da ihre Gestalt in den ersten Bildungsstadien regelmässig kuglig war. Die centripetalen, d.h. gegen die Pole der Kernspindel gerichteten, eigentlich mit ihnen in organischem Zusammenhange stehenden Protuberanzen der Oentroplasmen ent- stehen offenbar erst bei der Bildung der Kernspindel, welche sich ursprünglich mit den kugeligen Centroplasmen als Teile des Archiplasma an die letzteren anschmiegt. Durch das fort- schreitende Auseinanderweichen der Centroplasmen differenzierte sich deren mit der Spindel in Verbindung stehender Teil und bildete sich zum mächtigen Lappen oder Centroplasma-Protuberanz, welche sich sonst durch dieselbe alveoläre Struktur auszeichnet, wie das Centroplasma selbst. Nur sind die Alveolen, dem Zuge der Spindel entsprechend, in den Protuberanzen reihenartig an- geordnet, in welcher Beziehung sie mit der Anordnung der Archi- plasmaalveolen übereinstimmen. Also nur die weite Entfernung des ursprünglich kugeligen Centroplasmas vom Furchungskerne hat die gewissermassen un- gewöhnliche und aberrante Gestalt desselben veranlasst. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 521 Drittens bildet in den eben besprochenen Stadien die peri- phere Archiplasmaschicht um die Centroplasmen eine mächtige Lage, wie es in den früheren Figuren nicht vorkam. (Vergl. Figg. 40 und 41, Taf. XXI.) Wie ein sehr breiter und aus dichter Substanz bestehender Saum erstreckt sich das radiär ge- baute Archiplasma in der Fig. 41 um die grosse, zentrale Kugel des Centroplasmas herum. In der inneren dicht an der Peripherie des Uentroplasmas sich erstreckenden Zone ist das Archiplasma viel dichter "gebaut als in seiner äusseren Lage. Figentliche Plasmastrahlen beob- achten wir in dieser Figur nicht und auch von dem „Mikro- somenstratum“ und den „Mikrosomenknötchen“ können wir in der angezogenen Figur nichts wahrnehmen. Offenbar differen- zierten sich die „Mikrosomenknötchen“ der früheren Stadien zu normalen, dicht aneinander sich gruppierenden Alveolen und tragen auf diese Weise zur Vermehrung des Archiplasmas bei. In der Fig. 39 ist wenigstens der Anfang dieses Vorgangs dar- gestellt, so nämlich, dass um das im Wachstum begriffene Centroplasma die feinkörnige Substanz der gewesenen Mikrosom- knötchen mit dem ursprünglichen Archiplasma verschmilzt. Die weiteren Folgen der „Verdichtung“ des Archiplasmas sind in der Fig. 40 dargestellt. Somit bilden die früher beschriebenen Mikrosomenstraten ein Protoplasmamaterial für die Vermehrung des künftigen Bildungsplasmas, welches in und um die Centro- plasmen sich ansammelt. Aber auch die alten Muttercentro- plasmen beteiligen sich teilweise an der Vermehrung des Archi- plasmas; wir glauben nämlich behaupten zu können, dass die innere verdichtete Zone des Archiplasmas nur als ein Teil der alten Muttercentroplasmen aufzufassen ist und dadurch zustande kommen kann, dass durch das Heranwachsen der Tochtercentro- plasmen der periphere Teil der Muttercentroplasmen schliesslich an die Peripherie der Kugel verdrängt wird, wobei sich dessen Alveolen zu den des alten Archiplasmas anschliessen und radienartig anordnen. So gestaltet sich däs Archiplasma auch während der nachfolgen- den Stadien der Rekonstruierung der Tochterkerne und Ver- doppelung der Centriolen innerhalb des kolossalen CGentroplasmas. Ein solches Stadium ist in der Fig. 43 reproduziert, doch haben wir nur einen Teil des Archiplasmas abgebildet, vorzugsweise um dessen innere dichtere Lage zu veranschaulichen. 522 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Die Anlage des neuen Öentroplasmas innerhalb des alten und die feine Struktur des letzteren stark vergrössert. In dem besprochenen Stadium ist gewiss das enorm ent- wickelte Centroplasma am auffallendsten. Das Uentriol jeder Kugel war in den früheren Stadien als mehr oder weniger deutliches Körnchen wahrnehmbar, natürlich aber liess es sich nicht immer mit wünschenswerter Klarheit nachweisen. Dasselbe Verhalten ist auch für andere Objekte giltig. Haben doch z.B. Wilson & Mathews dafür gehalten, dass die Centriolen während der grössten Ausdehnung der Sphäre und der schwammigen Struktur derselben im Eie der Echinodermen voll- kommen verschwinden. Nach unserer grossen Präparaten- sammlung gerade dieser Stadien können wir das Bestehen des Centriols in den weitmeisten Fällen behaupten, wie eben die angezogenen Abbildungen Fig. 40 und 41 beweisen. Natürlich aber wird das Centriol ganz deutlich sichtbar, wenn sich um dieselbe herum wieder eine Strahlung zu zeigen beginnt. Es treten wie mit einem Schlage innerhalb der alten Uentroplasmen winzige Anlagen der neuen Strahlen auf (Textfigur 11). Anfänglic kann man also von keinem Uentrosom Boveris reden, es erscheinen nur sehr kurze, das Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 523 Centriol unmittelbar berührende Strahlen und in dieser Be- ziehung drückt sich Boveri ganz zutreffend aus, wenn er sagt: „Die Centren für die Entstehung der beiden Tochtercentrosomen sind allem Anscheine nach gegeben in den ÜCentriolen in der Weise, dass da, wo ein Tochtercentriol liegt, sich schliesslich ein neues Centrosom bildet“ (1901, p. 107). Es fragt sich nun, wie und wann kommt dies zustande? Wir haben schon in unserer vorläufigen Mitteilung angegeben, dass der erste Moment der neuen Centroplasmaanlage in der Plasmastrahlung zu suchen ist, welche zuerst direkt bis zu dem Centriol reicht. Boveri findet nun diese Angabe nicht für eindeutig genug, indem er sagt: „Vejdovsky und Mräzek geben zwar an, dass sich die Strahlen direkt an das Centriol (von ihnen Centrosom genannt) ansetzen. Allein wenn man ihre Bemerkung berücksichtigt, dass wohl infolge der Strahlenbildung das früher kaum sichtbare Korn von jetzt an viel grösser ist, dürfte die Annahme gerecht- fertigt sein, dass dieses bedeutend grössere Körnchen, das Uentriol und Hülle, d.h. ein Centrosom in meinem Sinne ist.“ Dieses Bedenken Boveris ist leicht verständlich; es findet seine schein- bare Berechtigung in dem Umstande, dass tatsächlich in der Literatur gar zu oft das direkte Inserieren der Strahlen an das Centriol auch da behauptet ward, wo ein deutliches Centroplasma vorhanden ist und wo natürlich eine solche Insertion unmöglich ist. Boveri ist es auch gelungen nachzuweisen, dass ähnlich lautende Beobachtungen auf einer optischen Täuschung beruhen und schliesslich stützt sich Boveri auf seine Auffassung des sogen. „Reduktionsvorganges des Centrosoms“. Das Centriol kann nicht nackt bleiben und direkt zur Insertion der Strahlen- figur dienen, weil als Insertionsfläche für diese letztere stets nur das Öentrosoma fungiert, welches sich zwar zu einem gewissen Zeit- punkt reduzieren, d. h. einen bedeutenden Teil seiner Substanz verlieren und sich auf diese Weise rekonstruieren soll. Immer aber bleibt ein Mantel um das Centriol herum (d.h. das redu- zierte Üentrosom) und von diesem geht die Strahlung aus. Aus unserer bisherigen Darstellung geht aber unzweideutig hervor und wir werden die Sache noch in dem Weiteren belegen können, dass eine Hülle um das Centriol ebenso wie eine Re- duktion im Sinne Boveris garnicht existiert, die Reduktion hat auch in dem ganzen Teilungsvorgange der Zelle keinen Sinn. 524 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Schon jetzt persistiert das alte „Gentrosom“ (d. h. unser Centro- plasma) als „Individuum“, „Organ“ oder wie man es sonst be- nennen will und in seinem Innern entsteht ein neues „Centrosom“ (d. h. das neue Tochtercentroplasma) infolge der neuen Strahlung. Aber die Strahlen betrachten wir, wie oben schon auseinandergesetzt wurde, durchaus nicht als Fibrillen, somit können sie sich über- haupt weder an das Uentroplasma, noch-an das Centriol inserieren. Auch gibt es keine Centroplasmahülle. Die Frage, zu welcher Zeit die neue Strahlung innerhalb des Centroplasmas entsteht, findet in der Fig. 43 (Taf. XXII) ihre Beantwortung. Hier scheint es zwar, dass das Centriol noch einfach ist und dass also eine monozentrische Strahlenfigur vor- liegt. Indessen die Verfolgung der ganzen Schnittserie und ferner anderer Präparate des entsprechenden Entwicklungsstadiums, ‘deren Kernspindel quer durchgeschnitten wurde, beweisen, dass eben in dem besprochenen und in Fig. 43 dargestellten Stadium das Centriol bereits verdoppelt ist, wie eben in Fig. 44 (Taf. XXII) veranschaulicht ist. Wir können getrost dafür halten, dass sich das frühere einfache ÜOentriol geteilt hat und in diesem Augen- blicke beginnt das Plasma in der Gestalt der Strahlen zu jedem der neuen Centriolen sich zu konzentrieren. Wie nun aus der Fig. 43 zu ersehen ist, bestehen die feinen, intensiv rot sich färbenden Plasmastrahlen nicht aus den grossen Alveolen des Centroplasmas, sondern aus einer feinkörnigen Substanz, die sich ursprünglich zwischen den Alveolen erstreckt, eigentlich ihre Wandungen bildet und dem Hyaloplasma entspricht. Die geteilten Uentriolen entfernen sich nun von einander und die so entstandene Lücke zwischen ihnen ist gewiss von den Nachbaralveolen und deren Zwischensubstanz erfüllt. Die letztere ordnet sich nun ebenfalls strahlenförmig in der Richtung gegen die beiden Oentriolen, auf welche Weise die Figur entstehen muss, wie sie in Fig. 44 reproduziert ist und in welcher man die sogen. Zentralspindel erkennt. Sie ist eben nur in diesem Stadium deutlich, später, nachdem sich die Centriolen weit von- einander entfernt haben, verschwinden auch die zwischen ihnen sich erstreckenden Strahlen und somit kann sie keine Bedeutung für die weiteren Teilungsvorgänge haben, namentlich auch deshalb nicht, weil sie sich später nicht zwischen den Centriolen, sondern höchstens zwischen den heranwachsenden Uentroplasmen erstreckt. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 525 Die Strahlung ist also der Ausdruck des fortschreitenden Wachstums, beziehungsweise der neuen Plasmaumbildung für das spätere Stadium der ersten vier Mikromeren, welche also ihr Dasein schon in der Teilung des Centriols und der sie be- gleitenden Strahlenbildung in dem ungeteilten Eie beginnen. Die Strahlen bilden sich aber keineswegs in der Weise, dass um das Centriol herum eine einfache Umordnung der das Mutter- centroplasma zusammensetzenden Alveolen stattfinden würde; in Wirklichkeit beruht die Bildung des neuen Centroplasmas auf einer neuen centripetalen Zuströmung der interalveolären Substanz, d. h. homogenen Grundsubstanz mit äusserst kleinen Mikrosomen in die Umgebung des Centriols. Dieses Ansammeln manifestiert sich äusserlich in der Strahlenfigur. Daher können wir schon aus theoretischen Gründen die Strahlen nicht, wie schon Ed. van Beneden, Boveri und ihre Nachfolger, für wirkliche Fasern halten, sondern betrachten sie als sichtbaren Ausdruck der inneren centripetalen Bewegung und Umbildung des Hyaloplasmas. Durch diese Strahlen strömt sozusagen die genannte Substanz zu den nackten Centriolen und muss sie in den ersten Anfängen dieses Vorganges selbstverständlich berühren, oder wie man sich mit Boveri ausdrücken könnte, „es inserieren sich die Strahlen unmittelbar an das nackte Centriol.“ Durch das fortschreitende Zuströmen des Plasma bilden sich und wachsen die neuen Tochterplasmen. Natürlich dauert es nur eine sehr kurze Zeit, wo die Strahlen unmittelbar das Centriol berühren. Sobald sich in der Mitte des alten Uentroplasma eine wenn auch minimale Menge der Substanz angesammelt hat, liegt uns ein neues Tochtercentroplasma vor und die Strahlen „inserieren“ auf der Peripherie des letzteren. Die Entstehung des neuen Tochtercentroplasmas innerhalb der alten Sphären in dem geschilderten Stadium zeigt uns also überzeugend, dass es nicht Alveolen des Muttercentroplasma sind, welche zur Bildung der neuen Kugeln beitragen, sondern dass die letzteren einzig und allein in der centripetalen Zufuhr der interalveolären Substanz, die sich mit ihren äusserst kleinen Mikrosomen in der Umgebung des Centriols ansammelt, ihren Ursprung haben. Die Mikrosomen selbst wachsen nun auf die Kosten der homogenen Grundsubstanz und gestalten sich nachher als dichtaneinder gedrängte Alveolen, die allerdings viel kleiner 926 F. Vejdovsky & A. Mräzek: sind als die des alten Centroplasmas und deren Gesamtheit die neue Tochtersphäre vorstellt. Die Zufuhr des neuen Bildungs- materiales dauert nun weiter, denn die Strahlen sind nach und nach viel länger, d. h. sie erstrecken sich allmählich mehr gegen die Peripherie des alten Uentroplasmas. Nun ist es gewiss, dass die geschilderten Vorgänge nicht allein für Rhynchelmis giltig sind, sondern auch bei anderen Tieren erkannt wurden. Vorderhand können wir uns nur auf die letzte Arbeit Boveris (Über die Natur der Centrosomen, 1901) berufen, wo in den Eiern der Echinodermen, Mollusken und selbst der Ascaris ganz entsprechende Erscheinungen geschildert werden. Hierin liegt das Verdienst der genannten Schrift, dass sie auf ganz dieselben Umbildungsvorgänge des Hyaloplasma hinweist, wie einer von uns vor Jahren für Rhyn- chelmis dargestellt hat. Boveri hat aber den wahren Sach- verhalt verkannt und so nennt er das neuentstandene Centroplasma „reduziertes Uentrosoma“. Aus alledem, was bisher von diesen interessanten Tatsachen bekannt geworden ist, kann man aber als sichergestellt aner- kennen, dass die Teilung der Öentriolen und die Bildung der Tochtercentroplasmen auf zweierlei Art und Weise vor sich geht. Der erste von uns beschriebene Typus beruht darauf, dass sich zuerst das Centriol innerhalb der alten Sphäre!) verdoppelt und um jeden Teilungsprodukt bildet sich vollständig je ein neues Centroplasma. Dieser Typus ist, unseren Erfahrungen gemäss, für die Glossiphonien giltig und kommt nur aus- nahmsweise auch bei Rhynchelmis vor; wir besitzen nämlich zwei Präparate, wo sich die Tochtercentrosphären in derselben Weise verhalten wie bei Glossiphonien, während in den übrigen Präparaten die Bildung des Tochtercentroplasma nach dem zweiten Typus geschieht. Der Ausnahmefall von Rhynchelmis, den man gewissermassen als eine Abnormität bezeichnen kann, ist in der Fig. 44 (Taf. XXII) abgebildet und entspricht dem ähnlichen aber älteren Stadium, welches in der Fig. 52 (Taf. XXIII) reproduziert ist. In diesem Stadium ist die Durch- schnürung des Eies schon bedeutend fortgeschritten. In dem einen Blastomer ist zu sehen, dass die geteilten und weit von !) Man verstehe das Ceutroplasma. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 527 einander entfernten Centriolen mit anfangender Strahlenbildung selbständig im Muttercentroplasma vorliegen, d. h. ohne eine „Zentralspindel“ in Verbindung stehen. Der Kernspindelrest verbindet noch die beiden Muttercentroplasmen. Der zweite Typus, nach welchem die Bildung der Tochter- centroplasmen vor sich geht, ist nur für Rhynchelmis giltig und wir haben die Regel, nach welcher die Teilung der Figur geschieht, bereits früher erkannt. Das Centriol bleibt im Zentrum des Muttercentroplasma einfach, es teilt sich erst sekundär, nachdem das Tochtereentroplasma bereits angelegt ist. Es geschieht dies zur Zeit, als die Tochterkerne bereits in das Gebiet der Mutter- centroplasmen angelangt sind, wie in der Fig. 48 (Taf. XXIII) bild- lich dargestellt ist. Im Zentrum jedes mütterlichen Centroplasmas sieht man je eine kleine monozentrische Strahlenfigur, d. h. je eine kleine Sphäre mit peripheren Strahlen und zentralem Korn, d. h. dem ungeteilten Centriol. Nachher kommt es wieder zur Verdoppelung der Centriolen innerhalb des monozentrischen Tochtercentroplasmas, das infolge des Zufliessens des Materiales bis zu gewisser Grösse heranwächst, um sich schliesslich zu zwei gleich grossen Hälften, deren Zentrum je ein Centriol ist, einzuschnüren. Von diesem Stadium besitzen wir eine grosse Anzahl von Präparaten, von denen wir aber nur ein einziges reproduzieren, da die entsprechenden Zwischenstadien bereits von einem von uns (Vejdovsky) in seinem Werke abgebildet wurden. Mit allen neueren Methoden haben wir dieselben Bilder erhalten, welche Vejdovsky vor Jahren vorlagen. Derzeit berufen wir uns auf die Fig. 49, Taf. XXIII, welche ein beinahe ganz zu zwei Blastomeren geteiltes Ei vorstellt. In der einen Blastomere sieht man das kolossal herangewachsene Muttercentroplasma mit dem monozentrischen Centriol in der Mitte, der neu rekonstruierte Kern berührt das Tochtercentroplasma. In der anderen Blastomere begegnet man entsprechenden Gestaltsverhältnissen des Mutter- centroplasma und des Kernes, aber das Tochtercentroplasma ist stark eingeschnürt und weist auf die beginnende Teilung der früher monozentrischen Kugel hin. Diese Teilung geschieht aber nicht so einfach, denn auch in dem nachfolgenden Stadium, wo das Ei bereits zu zwei Blastomeren geteilt ist und nur der sogen. Zwischenkörper als Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 34 328 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Rest der Kernspindel auf den gewesenen Zusammenhang der Teilungsfigur hinweist (Fig. 50), auch in diesem Stadium er- scheint das Tochtercentroplasma nicht ganz geteilt, obwohl in ihm bereits neue Enkelcentroplasmen angelegt werden. Da dieses Stadium in mancher Beziehung sehr interessant ist, so wollen wir es eingehender beschreiben, obwohl es nur bei mässiger Vergrösserung wiedergegeben ist. Es interessiert uns vorzugs- weise die grössere Blastomere, indem hier alle Komponenten der Teilungsfigur enthalten sind. Das ursprüngliche Muttercentro- plasma hat eine radiäre Struktur, da sich die Strahlen bis zur Peripherie desselben erstreckt haben; die Dizentrität dieser Strahlung wird einfach durch die Bipolarität des stark heran- gewachsenen Tochtercentroplasmas veranlasst. Die beiden ange- schwollenen Hälften dieses Gebildes hängen aber brückenweise zusammen, so dass die ganze Figur eine biskuitförmige Gestalt annimmt. Der Kern dringt nun zwischen die beiden Hälften des Tochterplasma ein und die Folge davon -erscheint in dessen bogenförmig gekrümmter Gestalt. Obwohl also die Teilung des Tochtercentroplasmas bisher nicht ganz vollzogen ist, so sehen wir doch innerhalb jeder Hälfte eine prächtige Strahlung um die Centriolen, aus welchem (Grunde wir auf die Bildung der Anlagen neuer Kugeln, nämlich der Enkelcentroplasmen urteilen dürfen. Dass tatsächlich dem so ist, wird aus der weiter folgenden Mitteilung hervorgehen. Nun bemerken wir, dass dieselben Vorgänge auch in dem kleineren Blastomer vor sich gehen, dass sich auch hier inner- halb der noch nicht geteilten Tochtercentroplasmen neue Enkel- sphären angelegt haben, was wir durch eine Reihe der nicht gezeichneten Präparate belegen können. Anbei müssen wir eine historische Reminiszenz anknüpfen. In seiner so oft zitierten Schrift führt Boveri an, dass er durch unsere früheren Angaben über das Vorkommen der wirk- lichen „Centrosomen“ (unseren Enkelcentroplasmen) in dem schon „reduzierten“ aber noch nieht vollständig geteilten „Centrosom“ (unseren Tochtercentroplasmen) überrascht war und dass er nur einige Bedenken und Zweifel hegen musste, weil einer von uns (Vejdovsky, 1887) das „Centrosom“ (Enkelperiplast) nur in einer der beiden noch zusammenhängenden Hälften des „redu- zierten“ alten Centrosoms (Tochterperiplast) gezeichnet hat. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 529 Dieser Einwand ist leicht in befriedigender Weise zu erklären. Das sich teilende Tochtercentroplasma („reduziertes Centrosoma* Boveris) von biskuitförmiger Gestalt, resp. seine durch eine Plasmabrücke verbundenen und mit Enkelcentroplasmen versehenen Hälften liegen keineswegs in derselben Ebene und bilden ge- wöhnlich mit der horizontalen Schnittebene, die regelmässig eingehalten wurde, und die auch mit der Ebene der zukünftigen zweiten Teilungsfigur zusammenfällt, einen mehr oder weniger schiefen Winkel. Die Centroplasmen gelangen erst allmählich in ihre definitive Lage und während dieser Zeit erleiden sie noch bedeutende Umgestaltung in ihrer Form und Grösse. Des- halb ist es sehr schwer, in den beiden Hälften (wie z. B. auch in Fig. 50 links) die beiden Centriolen mit den Strahlungen in einem einzigen Schnitte zu treffen. Auch wenn die eine Hälfte des biskuitförmigen Centroplasma nicht direkt median getroffen wurde, so lässt sich das Enkelcentroplasma kaum nachweisen, da das ganze Gebilde doch nur sehr klein und von einer feinen Strahlung umgeben ist. Infolge dieser Beschaffenheit erscheint das letztere wie aus feinen Körnchen zusammengesetzt und färbt sich intensiv mit allen Farbstoffen. Ein Vergleich der Fig. 50 (die jedoch in einem bedeutend kleineren Massstabe ausgeführt wurde) mit der Fig. 49 zeigt, dass das Öentroplasma, welches eine biskuitförmige Gestalt an- genommen hatte, noch bedeutend heranwächst, was mit einer mächtigen Strahlung im Zusammenhange steht, trotzdem, dass in seinem Innern zwei neue Enkelcentroplasmen entstanden sind. Das Schema Boveris kann nach alledem was wir hier dargestellt haben, auch für die von ihm beobachteten Tiere nicht giltig sein, und um so weniger das von Conklin (Anatom. Anz. 1901) reproduzierte. Es kann somit von einer Reduktion keine Rede sein. Die lebende Substanz in dem sich teilenden Eie oder überhaupt der Zelle kann nicht, wenn sie einmal eine gewisse Grösse erlangt hat, reduziert werden, sondern muss im Gegenteil in dem Wachstum weiter fortschreiten. Somit reduziert sich das einmal angelegte und wachsende Centroplasma (Centrosom Boveri) keinesfalls, sondern trachtet noch weiter, in seinem kleinsten Komponenten sich zu vermehren. Das alte Muttercentroplasma reduziert sich somit nicht zu einem linsen- oder tellerförmigen 34* 930 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Körper, sondern das neu angelegte Tochtercentroplasma („das reduzierte kugelige Centrosom“) wächst zu einem zweiteiligen abgeplatteten Gebilde heran, wobei in beiden Hälften wieder bereits eine neue Anlage der Enkelcentroplasmen stattfindet. Diese nochmalige „Reduktion“ hat Boveri gänzlich übersehen. Das Verhalten der rekonstruierten und ebenfalls wachsenden Tochterkerne zu den neu angelegten Tochtercentroplasmen ist aus der Fig. 51, Taf. XXUI ersichtlich. Nachdem sich die Kerne den Centroplasmen dicht angelegt und ihre definitive Grösse erreicht haben, teilen sich die letzteren derart, dass es den Eindruck macht, als ob jedem Kerne zwei grosse Sphären aufsitzen würden. Die so entstandene wahrhaft prächtige Teilungsfigur liegt im Innern des alten primären Grossmuttercentroplasma (Fig. 51), doch dasselbe hat schon eine bedeutende Veränderung erfahren. Es bildet nämlich einen primären archiplasmatischen Hof um die eigentliche Teilungsfigur. Die Tochtercentroplasmen (jetzt wieder zu Muttercentroplasmen geworden) haben ein sehr breites Archiplasma und es zeigt sich eine schöne Kreuzung der Strahlen in der Äquatorialebene und bei schwacher Vergrösserung (ca. 200mal), bei welcher auch unsere Abbildung entworfen wurde, erwecken sie auch bei ganz tadellos konservierten Präparaten den Eindruck wirklicher Faden- züge. Das Verhalten ändert sich jedoch vollkommen, wenn wir das Bild mit starken Immersionssystemen untersuchen. Die ver- meintlichen Fäden lösen sich in Wabenreihen auf, und wir nehmen in allen plasmatischen Komponenten derselben einen so schönen Wabenbau wahr, wie man nur wünschen kann. Es wurde von den Vertretern der Muskelfibrillen-Theorie den Anhängern der Lehre vom wabigen Baue des Plasma vorgeworfen, dass das Kreuzen der Radien auf Grund der Wabenstruktur nicht erklärt werden kann. Wenn solche Einwürfe nicht bereits von Rhumbler in hinlänglicher Weise auch theoretisch abgewiesen worden wären, so würden unsere Präparate an sich allein genügen zum Beweise, dass bei unabweislich bloss alveolärer Struktur tatsächlich Kreuzungserscheinungen sich zeigen und zeigen müssen. Innerhalb der Tochtercentroplasmen sind die Enkelcentro- plasmen bedeutend herangewachsen (Fig. 51), ihr Inhalt besteht aus äusserst feinen Mikrosomen, d.h. den Alveolenanlagen mit einem Centriol in der Mitte. Die Strahlung weist auf das Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 531 reiche Zufliessen des neuen Bildungsmateriales für das Wachstum der inneren Kugel, auf die Kosten des äusseren Centroplasma. Erst diese Enkelcentroplasmen werden also zu den defini- tiven Polen der zweiten Furchungsspindel. Diese Regel gilt sonst auch bei der ersten Furchungsspindel, in dem soeben be- schriebenen Stadium trittjedoch die AnlagedesEnkelcentroplasma viel überzeugender hervor. Der Weg auf welchem zwei nacheinander folgende Kinesen zustande kommen, ist demnach ein viel kompli- zierter, umständlicher, als es nach der Darstellung Boveris der Fall zu sein schien. Die von uns mitgeteilte, Schritt für Schritt beobachtete und somit kontinuierliche Reihe lässt keinen Zweifel über die sich hier abspielenden Prozesse zu. Der Kern, der inzwischen vollkommen zwischen die beiden polaren Sphären, resp. die dieselben noch umgebenden Hälften der Tochtercentrosphären zu liegen kam, hat sich bedeutend vergrössert, und es kommt jetzt tatsächlich zur Verschmelzung einzelner bläschenartiger Karyomeren. Zugleich hat sich aber auch die innere Struktur des Kernes geändert. Es begannen weitgehende Differenzierungen, die nukleolusartigen Gebilde werden grösser und zahlreicher, ein inneres verästeltes Gerüst von sehr veränderlichem färberischem Aussehen tritt auf und die Nukleolen liegen hauptsächlich in den Knotenpunkten der- selben. Die frühere Zusammensetzung des Kernes aus den ein- zelnen Bläschen ist noch hie und da vorhanden, so dass der Kern äusserlich maulbeerförmig erscheint (Fig. 51, Taf. XXIIJ). Es wird kein ruhender Kern im eigentlichen Sinne des Wortes gebildet. Eine Zweiteiligkeit des Kernes, durch welche sich die Selbständigkeit der mütterlichen und väterlichen Substanz mani- festieren würde, ist in diesem Stadium entschieden nicht sichtbar. Dies ist freilich kein Grund für eine prinzipielle Leugnung der Möglichkeit einer etwa doch bestehenden Sonderung beider Chromatinhälften. $S8. Zweite und nachfolgende Furchungs- spindeln. Die Entstehung der zweiten Furchungsspindel aus dem so- eben besprochenen Stadium wird durch das Wachsen der polaren Centroplasmen eingeleitet. Diese ziehen wieder Substanzen an ab IS6) LO F. Vejdovsky & A. Mräzek: sich heran, die alte Figur wird schliesslich ganz verdrängt, resp. bei dem Heranwachsen der Enkelcentroplasmen geht sie ganz in dieselben auf. Diese wachsen aber noch weiter über die (Grenzen ihrer Muttercentrosphäre heran, so dass endlich, nach- dem sich auch aus dem Kern eine Kernspindel gebildet hatte, in jeder der beiden ersten Blastomeren mitten in einem fein alveolären Plasmahof eine Spindelfigur mit riesigen polaren Uentrosphären sich befindet (Fig. 47, Taf. XXII). Die Centro- plasmen sind schon keineswegs so grob alveolär gebaut, wie bei der ersten Furchungsspindel und besitzen in der Mitte wieder je ein nacktes Centriol. Die beiden Spindeln der zweiten Teilungs- figuren liegen nicht frei in der Mitte der Blastomeren, sondern sind parallel einander an die Wand, mit welcher sich die beiden Blastomeren berühren, dicht gedrängt!). Die Chromosomen rücken wieder von einander, bilden sich von neuem zu Karyo- meren um etc. Kurzum, es wiederholen sich im grossen ganzen die schon bei der Bildung der zwei ersten Furchungskerne dar- gestellten Verhältnisse. Um die Centriolen herum entsteht wieder eine Strahlung, bildet sich infolge dessen wieder ein neues Centroplasma in Form eines Hofes von dichterem Protoplasma, von dem eine Strahlung ausgeht. Dieses Stadium haben wir auch bereits in unserer vorläufigen Mitteilung beschrieben und in Fig. 5 abgebildet. Wir verweisen deshalb einfach auf diese Figur. Oben ist das neue Tochtercentroplasma („Tochterperiplast“), welches dem „reduzierten Centrosoma® Boveris entspricht, noch ungeteilt. Unten schicken sich die Tochtercentroplasmen bereits zu einer Zweiteilung an und die verdoppelten Centriolen, im Innern derselben sind bereits Mittelpunkte neuer Strahlungen, die dann zur Bildung von Enkelcentroplasmen führen werden, ähnlich wie es in der Fig. 6 unserer vorläufigen Mitteilung dar- gestellt wurde. Erst diese Enkelcentroplasmen werden zu den Polen der dritten Spindelfigur. Die Sache dürfte jetzt schon vollkommen klar liegen: es wiederholen sich die schon zweimal geschilderten Vorgänge mit grösster Genauigkeit immer wieder von neuem. Zur Illustration mögen die Verhältnisse in den vier ersten Blastomeren dienen. Die Fig. 53 stellt einen Teil !) Die diesbezüglichen Figuren sind in Vejdovkys „Entwicklungs- gesch. Untersuchungen auf der Taf. VII, Fig.7, 8 und Taf. VIII, Fig. 12, 13 zu finden. s Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 533 des Schnittes durch solches Stadium mit zwei der Scheide- wand dicht anliegenden Kernen dar. Oben hat der Schnitt die sich bildende Spindelfigur quer in der Mitte getroffen, so dass nur der noch ruhende Kern zu sehen ist, während vom Plasma der Tochtersphäre nur eine schmale Spur zurückbleibt. Unten ist der Kern nur angeschnitten und die Fig. 54 (Taf. XXIV) (in derselben Schnittserie zwei Schnitte weiter) zeigt das Tochter- centroplasma von einem stark färbbaren Archiplasmamantel um- hüllt und im Innern desselben bereits wieder das Enkelcentro- plasma mit dem Üentriol. Das innerste (Enkel-)Centroplasma ist relativ gross und von äusserst fein alveolärem, beinahe homogen erscheinendem Baue. Gegenüber den grossen Figuren der ersten Furchungs- teilungen zeigen sich natürlich bei den späteren Kernteilungs- figuren in den immer kleiner werdenden Zellen (insbesondere des Ektoderms und Mesoderms) manche Unterschiede, die jedoch von keiner prinzipiellen Bedeutung sind und an den im vorher- gehenden vorgetragenen Ansichten über die sogen. „Reduktion“ Boveris nichts zu ändern vermögen. Es wiederholen sich die schon geschilderten Vorgänge, nur werden bei den jetzt folgenden Karyokinesen die sich dabei ergebenden Bilder viel ähnlicher den Bildern, die wir aus der Schilderung vieler Autoren von zahl- reichen anderen Objekten kennen gelernt haben. Die Unter- schiede gegenüber den früheren Figuren sind in erster Reihe bedingt durch die ungleiche Verteilung des Protoplasmamaterials während der Furchung. Die Art und Weise derselben wurde bereits früher (Vejdovsky 1887/88) ausführlich dargestellt. Aus diesem Grunde sowohl als auch deshalb, weil die rein embryologische Seite der Furchung für unsere cytologischen Studien von keiner unmittelbaren Bedeutung ist, werden wir hier auf die Furchung nicht näher eingehen. Für entwicklungs- physiologische Untersuchungen würden diese Verhältnisse natür- lich vom grössten Belang sein, aber solche lagen vorderhand abseits unseres Arbeitsgebietes. Das Dottermaterial wird, wie bereits bekannt, für die Elemente des Hypoblastes reserviert. In die Zellen des Meso- blastes und insbesondere in die kleinen Epiblastzellen gelangt das Deutoplasma entweder überhaupt nicht, oder nur in sehr 534 F. Vejdovsky & A. Mräzek: unbedeutenden Mengen, die für das Zustandekommen der kinetischen Figur gar keine Bedeutung haben. In den ersten vier Mikromeren kommt also nur das normale von Dotterein- schlüssen freie Protoplasma in Betracht, welches einzig und allein aus dem Archiplasma der ersten vier Makromeren herrührt, wie bereits vor Jahren von einem von uns dargetan wurde. In den Zellen des Mesoblastes, insbesondere in den grossen Mesomeren tritt noch eine zähe dichte Protoplasmaart dazu, die wir bereits in dem abgelegten noch nicht gefurchten Ei in Form der peri- pherischen Plasmaschicht, welche sich schliesslich an den beiden Polen zu den sogen. Polplasmen angesammelt hatte, angetroffen haben. Einen gemeinsamen Charakter aller späteren Mitosen haben wir schon gestreift, nämlich die Tatsache, dass die grob alveoläre Struktur der Centroplasmen zur Zeit der grössten Ausdehnung derselben, wie bei der ersten Furchungsspindel, schon niemals auftritt. Es wird zwar bei dem Heranwachsen der Centroplasmen die alveoläre Struktur derselben stets deutlicher, bleibt aber doch immer nur sehr fein. In den grossen Hypoblastzellen verändern sich die Verhält- nisse am wenigsten. Das ganze Innere dieser Zellen ist von den Dotterschollen erfüllt, und das Protoplasma ist zwischen denselben verteilt, um sich erst zur Zeit der Spindelbildung an beiden Polen der Spindel zu noch beträchtlichen Centroplasmen (Fig. 55, Taf. XXIV) anzusammeln. Die karyokinetische Figur in diesen Zellen gleicht ungefähr den Figuren der ersten Furchungsteilungen, mit dem Unterschiede, dass sie bedeutend kleiner ist. Da die Centroplasmen schon nicht mehr zu einer so enormen Grösse anwachsen, wie am Anfang der Furchung, so erscheint die eigent- liche Spindel relativ grösser. Der Zwischenkörper oder die rudimentäre Zellplatte ist immer recht sichtbar. In den übrigen Zellen der Furchungs- und Embryonal- stadien gestalten sich die Verhältnisse wesentlich anders. Sie verdanken ihr Entstehen nicht der Zweiteilung einer Makromere im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern werden von denselben abgeschnürt oder sprossen um gerade so zu sagen aus derselben heraus. Da dies an dem Pole geschieht, wo sich eine mächtige Protoplasmaanhäufung befindet, so sind die kleinen Abkömmlinge hauptsächlich nur aus dem gewesenen „Archiplasma“, oder besser Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 535 dem Bildungsplasma zusammengesetzt. Da aber der ganze Vor- gang keineswegs mit einer mathematischen Präzision verläuft, so ist die Scheidung der verschiedenen Substanzen niemals eine vollständige: es geraten in die Mesomeren auch stellenweise einige Partien des Dottermaterials (Figg. 63 u. 64, Taf. XXIV). Dieselben bleiben aber an die peripheren Teile der Zellen be- schränkt und beeinflussen nicht die in der Mitte der Zelle befind- liche Spindelfigur !). Die hauptsächlichsten Unterschiede der späteren Kern- teilungsfiguren betreffen die Bildung der Centroplasmen. Es wurde schon früher gezeigt, dass die Zweiteilung des Tochter- centroplasmas (des „reduzierten Centrosomas“) in einigen Fällen (und bei einigen Objekten auch wohl regelmässig) früher auf- treten kann, bevor noch die Enkelcentroplasmen (durch eine „zweite Reduktion“ im Sinne Boveris) entstanden, oder besser ausgedrückt, in ihrer Entstehung zu beobachten sind. Denn es ist wohl ganz denkbar, dass innerhalb des geteilten Centroplasma schon die nächste „Welle“, die zu einer abermaligen Bildung des neuen Üentroplasmas führt, schon vorbereitet ist. Dasselbe Verhalten sehen wir dann regelmässig in den Blastomeren vor- geschrittener Furchungsstadien. Da wo die Centroplasmen noch gross sind und der neue Kern ganz in das alte Centroplasma hineindringt, sehen wir, dass noch die Tochtersphäre als ein deutlicher von einem stark gefärbten Archiplasma umgebener Körper vorhanden ist, innerhalb dessen sich bereits wieder um die beiden Centriolen herum wirkliche Centrosphären gebildet haben (Fig. 56, Taf. XXIV). Der einzige Unterschied von den früheren Stadien beruht darin, dass das Tochtercentroplasma schon nicht mehr so heranwächst wie früher, wo es späterhin die den beiden Polen des Kernes aufsitzenden Kappen bildete (vergl. Fig. 51, Taf. XXIII). In anderen Fällen, nämlich in den kleineren Zellen geschieht die Zweiteilung der neuentstandenen Tochtercentrosphäre auf sehr frühem Stadium, noch bevor die- selbe soweit ausgewachsen ist, um ein deutliches Centroplasma zu zeigen (Fig. 62d, Taf. XXIV), so dass scheinbar die Enkel- !) Über die polaren Plasmaansammlungen und deren Vereinigung während der Furchung auf dem animalen Pole des grössten Makromers vergl. Vejdovsky „Entw. Untersuch.“, p. 111, 113. Taf. VI, Fig. 26, 27. Taf. VII, Fig. 4. Taf. IX, Fig. 12. 556 F. Vejdovsky & A. Mräzek: centrosphäre vollkommen mit einer Hälfte der Tochtercentrosphäre vom Anfang an zusammenfällt. In den kleinen Zellen der von den Teloblasten ausgehenden Zellenreihen, die grösstenteils schon nur aus reinem Protoplasma zusammengesetzt sind, mit nur ver- einzelt dazwischen zerstreuten Dotterkörnergruppen, vereinfachen sich die Verhältnisse noch bedeutend. Das alte Muttercentro- plasma hat kein langes selbständiges Bestehen, es bildet sich an ihm kein so deutlicher Archiplasmamantel und die alte Sphäre geht, sobald sich das Tochtercentroplasma wie in Fig. 57, Taf. XXIV frühzeitig geteilt hatte, beinahe vollständig zu Grunde. Sie ist nur noch eine zeitlang als ein dicht an den Kern anstossender hellerer Hof, innerhalb dessen die beiden neuen ÜUentroplasmen liegen, sichtbar. (Vergl. Fig. 57, Taf. XXIV.) Die letzteren weichen dann voneinander und nehmen schliesslich diejenige Stellung ein, die sie als Pole der zukünftigen nächsten Kern- teilungsfigur einnehmen müssen. Natürlich wird ein jeder vor- urteilsloser Leser begreifen, dass es bei der überaus geringen Grösse der sogen. achromatischen Bestandteile, die im kolossalen (regensatz zu den bedeutenden Dimensionen derselben in den ersten Furchungskinesen steht, unmöglich ist, hier dasselbe Ent- stehen der definitiven Pole der nächsten Figur so einwandsfrei wie früher zu beweisen, nämlich die direkte Umwandlung der Tochtercentroplasmen zu den definitiven Polen ganz sicher aus- zuschliessen. Doch es wurde bereits oben gezeigt, dass dieselbe Entstehungsweise der Pole einer Spindel durch „zweimalige Reduktion“ ebenso wie bei Rhynchelmis sich auch bei anderen Objekten (z. B. Echinodermeneiern), wo die Verhältnisse bei weitem nicht so günstig liegen, durch einen sorgfältigen Vergleich entweder direkt beweisen oder wenigstens als höchst wahrscheinlich darstellen lässt. Ähnlich verhält sich die Sache in unserem Falle. Es kann auf die Verhältnisse der Strahlung hingewiesen werden, die während dieser Zeit entweder gänzlich zurückgeht oder wenigstens in einem länger andauernden Stillstand sich befindet. Auch können wir in diesen Stadien in dem kleinen Centroplasma doch eine deutliche mittlere Verdichtung der Struktur bemerken, die offenbar davon herrührt, dass sich um das Üentriol herum eine neue Strahlung, ein neues Öentroplasma, zu bilden beginnt, das natürlich bald mit den Konturen des alten zusammenfliessen muss. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und. Zellteilung. 537 (Eigentlich muss das alte in das neue vollkommen aufgehen). An dieser Vereinfachung dürfte nach unserer Ansicht nicht allein die Kleinheit der betreffenden Zellen schuld sein, sondern dieselbe könnte vielleicht auch mit der Beschaffenheit der Zellsubstanz zusammenhängen. Hier ist um den Kern herum eine hinreichende Menge von Material zur Bildung der neuen Figur vorhanden. Dasselbe braucht nicht wie früher erst von der ganzen Peripherie des Eies herbeigeschafft zu werden, und so sind solche längere Vorbereitungstadien während des mehrmaligen konzentrischen Anwachsens nicht notwendig und dieselben können rasch auf einander folgen und so scheinbar verschmelzen. Sonst aber sind die Verhältnisse immer noch deutlich genug, dass die einzelnen Phasen der Kernteilung im Allgemeinen noch gut beobachtet werden können. In den, wenn auch winzigen, Centroplasmen lässt sich nach sorgfältiger Fixierung bei aufmerksamer Differenzierung in Eisenalaun stets mit Heidenhain’schem Hämatoxylin ein deutliches Centriol nachweisen. Ganz: anders liegen die Sachen in den späteren Gewebszellen. Hier sind die einzelnen Figuren schon so klein, dass ein Studium der feineren Verhältnisse absolut unmöglich ist. Hier kann man schon von keinem Centroplasma, Centriol, Tochterceentroplasmen und Archiplasma reden. Die ganze Sphäre färbt sich z. E. mit Hämatoxylin schwarz, ja man muss schon zufrieden sein, wenn es uns überhaupt gelingt die polaren Figuren auf färberischem Wege etwas kenntlich zu machen. Auf einen Umstand können wir dabei aufmerksam machen, es sind dies die relativen Verhältnisse der chromatischen Sub- stanz, wie selbe durch Chromosomen repräsentiert ist, und der achromatischen Bestandteile der Spindelfigur. Trotz aller Grösse der Kerne im Ei und den ersten Blastomeren des sich furchenden Eies sehen wir, dass die Chromosomen einen verschwindend kleinen Bestandteil der ganzen karyokinetischen Figur bilden. Bei schwächeren Vergrösserungen kann man dieselben sogar sehr leicht übersehen. Mit dem Kleinerwerden der Zellen werden die Verhältnisse bedeutend geändert: die cytoplasmatischen Be- standteile treten in den Hintergrund und die Hauptmasse der ganzen Teilungsfigur nimmt die eigentliche Kernspindel ein. Und in dieser treten jetzt die Chromosomen viel deutlicher hervor Besonders ist dies an den Kinesen in den Gewebszellen, z.B. in den sich regenerierenden Partien des Körpers, leicht zu 938 F. Vejdovsky & A. Mräzek: beobachten. Die dicht in dem kleinen Raum des Spindeldurch- messers zur Äquatorialplatte gedrängten Chromosomen sind der einzige, deutlich sichtbare Bestandteil der Spindelfigur. Niemand, der eine solche Figur sieht, könnte vermuten, dass hier eine so hohe Chromosomenzahl (64) tatsächlich vorliegt. Diese Tatsachen scheinen darauf hinzuweisen, dass die Chromosomen mit dem Sinken der Kern- und Zellengrösse nicht ebenfalls proportionell in ihrer Grösse reduziert erscheinen Vielmehr müssen wir an- nehmen, dass dieselben nur bis zu einer gewissen Grösse (resp Kleinheit) herabsinken, aber über dieselbe hinaus schon nicht mehr verkleinert werden können. Wäre dies der Fall, so müssten die Chromosomen in den kleinen mitotischen Figuren unsichtbar sein. Diese relative Grösse der Chromatinelemente in späteren Furchungsstadien, verbunden mit der grösseren Zahl der in einem jeden Präparat vorhandenen Zellen, macht eine genauere Verfolgung der Entstehung von Kernspindeln zu einer weit leichteren und bequemeren, als früher. Es konnte, wie im vorigen angeführt wurde, das langsame Verschwinden der Kern- membran an den Polen etc. früher nicht in lückenloser Reihe verfolgt werden. Wir haben stets entweder nur noch ruhende Kerne oder schon die ganz fertige Spindel mit den zu einer Äquatorialplatte angesammelten Chromosomen gefunden. Jetzt aber haben wir sehr zahlreiche Fälle vor uns, die sich gewöhnlich auf den verschiedensten Stadien der Kernteilung befinden und aus welchen sich leicht eine kontinuierliche Reihe zusammen- stellen kann. Wie wir schon einigemale bemerkt haben, kommt es auch während der ganzen Furchung niemals zur Bildung von wirklich „ruhenden“ Kernen von der für die Metazoenkerne typischen Gestalt, mit einem regelmässigen äusseren Kontur, feinem inneren Gerüstwerk und dazwischen verstreuten Chromatinbrocken, Nuc- leolen ete, sondern die Kerne stellen hell färbbare Gebilde von unregelmässiger Gestalt, aber stets aus vielen Teilbläschen be- stehend, vor. Dies ist aus den diesmal beigefügten Figuren, als auch aus den älteren Abbildungen (Vejdovsky 1887/8) zur Genüge ersichtlich. Eine Zweiteiligkeit des Kernes scheint nur in einzelnen Fällen vorzukommen, aber dieselbe ist dann nur ein spezieller Fall der überhaupt vorkommenden Mehrteiligkeit des Kernes. Sehr oft bekommt man auf Schnitten solche Kernbilder, Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 539 die vollkommen an die „Doppelkerne* (nach Rückert und Häcker) erinnern. Ein solcher Kern erscheint jedoch auf mehreren Schnitten, und diese belehren uns, dass die z. B. am Medianschnitt sich zeigende Zweiteiligkeit in Wirklichkeit nicht existiert und nur scheinbar ist. Die kleinen Polsphären sitzen zuerst den Kernen direkt an. Wie dieselben, die ursprünglich dicht nebeneinander lagen, an die entgegengesetzten Pole des Kernes gelangten, ob dies, aktiv geschieht und der Kern durch den von den Uentroplasmen aus- geübten Druck in seine definitive Lage zu liegen kommt, oder ob der Kern sich auch direkt zwischen die Centroplasmen hinein- drängt, und ob es dabei einerlei ist, welche Lage der Kern ein- nimmt, oder ob im Gegenteil der Kern doch polar differenziert ist und stets in fester, vorher bestimmter Richtung in die Spindelachse sich stellen muss: das sind Fragen, die sich hier notwendig aufwerfen und deren Lösung bei anderen Objekten schon teilweise versucht wurde. Was das uns vorliegende Tat- sachenmaterial anbelangt, so können wir nur einige Beobachtungen - anführen, die für die erwähnten Fragen in Betracht kommen könnten. Insbesondere in den kleinen Ektodermzellen, aber auch in den etwas grösseren Zellen des Mesoderms kommen sehr oft Bilder vor, die einer von uns (Vejdovsky) zuerst veröffentlichte. Der Kern erscheint im Durchschnitt wie keilförmig und das zu- gespitzte Ende allein befindet sich zunächst zwischen den beiden Centrosphären, sodass es den Anschein hat, als ob der Kern direkt die Centrosphären auseinandertriebe. Später rundet sich die keilfürmige Gestalt des Kernes natürlich wieder ab, aber die Fig. 60, Taf. XXIV, stellt z. B. noch einen Übergang von der ehemaligen Gestaltung zu der normalen Form dar. Bei der nun stattfindenden Metamorphose der polaren Centrosphären, bei dem Wachsen derselben, sehen wir, dass sich dieselben zunächst beträchtlich von dem immer noch unveränderten Kern entfernen. So entsteht ein in den Fi- guren 58 bis 60, Taf. XXIV, abgebildetes Vorstadium der karyokinetischen Figur, welches für Rhynchelmis überaus typisch ist. Die Centrosphären mit den schon aufgequollenen Centroplasmen und Centriolen sind mit dem ziemlich weit ent- fernten Kerne durch eine Strahlenfigur verbunden. Dasselbe lässt sich übrigens auch bei anderen Objekten nachweisen, sodass 540 Pr Vejdovsky’& A. Mräazek: die von Meves und v. Korff erwähnte Spindelbildung in den Spermatogonien von Lithobius, oder die zum Vergleiche heran- gezogenen botanischen Objekte gar nichts aussergewöhnliches darstellen, sondern nur einen etwas extremen Fall einer sonst im allgemeinen weit verbreiteten Erscheinung. Aus dieser relativ weiten Entfernung der Sphäre vom Kern ist es begreiflich, dass der vom Kern gebildete Teil der Spindel, oder kurzweg die Kernspindel, von den übrigen Teilen noch besser sich wird unterscheiden lassen, wie früher. Wie aus dem Kern heraus die Spindel gebildet wird, haben ‚schon viele Autoren geschildert Da aber leider der ganze Vor- gang sich nicht so leicht am lebenden Objekt direkt verfolgen lässt, so sind immerhin die einzelnen Angaben und Beobacht- ungen nicht erschöpfend und lückenlos. Es kommen sehr ver- schiedene Bildungsmodi vor, bis zu solchen, wo sich auch die äussere Kernmembran als solche während des ganzen Vorganges erhalten kann (insbesondere z. B bei Protozoen, aber auch bei _ Pflanzen und Metazoen nach Angaben einiger Autoren). Ge- wöhnlich schreitet jedoch das Verschwinden der Kernmembran und die Auflösung des Kernes, von den Polen an beginnend, bis zu der Äquatorialebene des Kernes vor. Einen ähnlichen Vor- gang finden wir nun auch bei Rhynchelmis. Doch können wir hier nicht so leicht von einer direkten Auflösung der Kern- membran etc. reden, die Verhältnisse sind ja eigentümlich genug, wie die Abbildungen unserer Fig. 61 und 62, Taf. XXIV, lehren. An den ersten Stadien, die wir zur Sicht bekamen (61), sehen wir, dass die Spindelbildung schon weit vorgeschritten ist. Die Strahlen, die die Centroplasmen mit dem Kern verbinden, sind, wie früher, blass, schwach gefärbt, während der mittlere Teil der Spindel durch bedeutend gesteigertes Färbungsvermögen sich bemerkbar macht. In der Mitte der Spindel liegt jedoch ein Gebilde, welches bedeutend dünner ist als früher der Kern aber sonst noch ganz das früher beschriebene Aussehen besitzt. Es ist hell, aus mehreren Teilbläschen zusammengesetzt und zeigt im Innern die zahlreichen nucleolusartigen Kügelchen. Bei der Kleinheit des Objektes ist es natürlich schwer, ein sicheres Urteil zu fällen, da eine optische Täuschung ungemein leicht möglich ist, aber es will uns scheinen, dass der Kern noch immer überall scharf konturiert ist, also auch im mittleren optischen Durch- Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 541 schnitt, sodass er gegen die Spindel selbst noch vollständig ab- geschlossen wäre. Die ganze Figur könnte man dann so deuten, dass der Kern unter Abgabe eines grossen Teiles seiner Substanz, insbesondere der flüssigen, die zur Bildung der Spindel verwendet wurde, zusammengeschrumpft ist. Einen weiteren Fortschritt würde dann die Fig. 62b bedeuten. Bei dieser könnte auf den ersten Blick die Meinung entstehen, als ob wir hier schon eine normale, fertige Spindelfigur vor uns hätten. Der deutlicher hervortretende Teil würde der Kernspindel entsprechen mit einer äquatorialen Chromatinfigur. Doch ein näheres Prüfen des optischen Bildes, welches die Äquatorialplatte liefert, über- zeugt uns, dass dem noch keinesfalls so ist. Die Äquatorial- platte erscheint als ein scharf begrenztes, glänzendes, kompaktes Gebilde, welches sich in einzelne Chromosomen einfach nicht zerlegen lässt. Die ganze Figur macht vollkommen den Eindruck, als ob der ganze Kern zu einer dünnen Platte zusammen- geschrumpft wäre. Erst diese Platte zerfällt dann in die ein- zelnen Chromosomen. Sobald dies jedoch geschieht, erscheint die ganze Kernspindelfigur schon nicht mehr so dicht, wie früher (Fig. 62c). Die jetzt deutlich gewordenen Chromosomen spalten sich nun und die einzelnen Hälften rücken auseinander, doch dies ist schon von keinem weiteren Interesse für uns, da sich bei diesem Vorgange nur die bereits zur Genüge bekannten Erscheinungen wiederholen. Die soeben geschilderte Entstehungsweise der Kernspindel kann nimmer als etwas Anormales betrachtet werden, sondern wir müssen annehmen, dass dieselbe das normale Geschehen darstellt. Dies erhellt aus dem Umstande, dass wir auf unseren Präparaten immer nur eine solche Entstehungsweise konstatieren konnten. Einzelne Stadien wurden übrigens schon im Jahre 1888 (Vejdovsky) abgebildet, ohne jedoch im Zusammenhang be- handelt zu sein. Wie sollen nun solche Verhältnisse gedeutet werden, oder worauf könnten dieselben hinweisen? Wir haben früher die Umwandlung der Chromosomen zum Kern geschildert, die durch das Aufquellen derselben zu Karyomeren etc geschieht. Dieselbe könnte wohl auch gegen die Individualitätshypothese der Chromosomen ins Feld geführt werden. Bekanntlich erheben sich in der Neuzeit gegen dieselbe einige schwerwiegende Bedenken. Wir nennen hier ausser den Arbeiten von Carnoy und Lebrun 542 F. Vejdovsky & A. Mräzek: noch Hertwig (1900) etc. Die Sache verhält sich in unserem Falle so, als ob der Kern denselben Vorgang wie früher durch- machen könnte, nur in einer umgekehrten Reihenfolge, sodass auf demselben Wege, wie früher, aus Chromosomen durch (uellungserscheinungen Karyomeren und aus diesen ein Kern, jetzt durch Schrumpfung aus dem letzteren wieder die Uhromo- somen entstehen würden. Vom theoretischen Standpunkt ist die Sache sehr interessant, liesse sich aber wohl nur an anderen Objekten mit ähnlicher Beschaffenheit und Umwandlungsweise der Chromosomen, aber mit einer geringeren Zahl derselben als bei Rhynchelmis, entscheiden. Wir haben im Vorhergehenden die Karyokinese in den kleinen Mesodermzellen und in den Zellen des Ektoderms kurz und summarisch geschildert, um den Umfang der Arbeit nicht übermässig auszudehnen. Es erübrigt uns nur noch, einige ° Worte über die grossen Urmesoblasten hinzuzufügen, wo die Ver- hältnisse sehr lehrreich sind. Die topographischen Verhältnisse hat einer von uns bereits vor Jahren geschildert. Wir er- wähnen hier auch, dass ebendaselbst auch schon beschrieben und abgebildet wurde, wie die primäre Mesoblastzelle, ehe sie zur Hervorbildung der Keimstreifenreihen (Telostichen) herantritt, einer Zwergzelle den Ursprung gibt. Dasselbe wird bekanntlich auch bei anderen Objekten vorgefunden und mit Polzellenbildung verglichen. Wir verweisen nur auf Jennings, Wilson, Häcker (1899, 1900) etc. Indessen müssen wir bemerken, dass eine ähnliche Zwergzellenbildung auch später bei den einzelnen sich weiter teilenden Mesoblastzellen vorkommt, sodass dieser Vorgang sich mehrmals wiederholt. Da jedoch eine genauere Verfolgung der Furchung und Keimblätterbildung ausser unserer Absicht lag, so beschränken wir uns auf das Gesagte. Die einzelnen Kinesen in den grossen Urmesoblastzellen zeichnen sich durch ihre bedeutende Grösse aus. Das Bild, welches eine sich eben teilende Zelle darbietet, ist sehr kompli- ziert, und zwar weil in diesen Zellen der Zellinhalt hauptsächlich aus dem dichten Polplasma des Eies gebildet wird, zu welchem sich erst an zweiter Stelle das gewöhnliche „dünnflüssigere‘“ (?) Protoplasma gesellt. Die Dotterschollen fehlen grösstenteils, doch werden dieselben gewöhnlich nicht vollkommen bei der Furchung Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 543 ausgeschieden und sind gruppenweise an der Peripherie gedrängt, ohne jedoch die karyokinetische Figur selbst zu beeinflussen. Wir werden nicht den ganzen Verlauf der Kinese schildern (dazu genügt ja auch nicht unser Material), sondern nur zwei Stadien, erstens dasjenige, wo die ganze Figur noch in der Mitte der Zelle liegt, und zweitens solches, wo die Kernteilungsfigur radiär gelegen ist und mit einem Pol die Zelloberfläche berührt. Die Teilung der Teloblasten geschieht nämlich nicht, wie ‚bei ge- wöhnlicher Zellteilung, mittelst Durchschnürung der Zelle, sondern auf eine ähnliche Weise, wie bei der Entstehung der Polzellen, durch eine Art von Knospung. Die fertige kinetische Figur einer solchen Zelle zur Zeit der grössten Ausbildung der polaren Centroplasmen sehen wir in unserer Fig. 63, Taf. XXIV, abgebildet. Das Centroplasma selbst ist von äusserst feinem alveolären Bau, ihre Peripherie wird wieder von einer Zone des Archiplasmas umrandet. Diese ist wohl von derselben Substanz gebildet, wie das Centroplasma selbst, nur von dichterem Gefüge. Die Färbung der beiden Schichten ist auf den Präparaten die gleiche. Innerhalb des Centroplasmas befindet sich das Centriol und um dasselbe herum, wie auch auf der Zeichnung zu sehen ist, scheint schon ein dunklerer Hof. eine Verdichtung zu sein, doch ist es bei der Feinheit dieser Verhältnisse schwer, zu konstatieren, ob hier schon die bereits neu angelegte Tochtercentrosphäre oder nur nacktes Centriol vorliegt. Eine Strahlung ist gewiss noch nicht vorhanden. Von der Centrosphäre geht ein deutliches Strahlensystem aus. In einiger Entfernung von der Sphäre färbt sich schon die Strahlenfigur und es treten hier winzige Körnchen (Mikro- somen?) auf, die daun etwas grösser werden und peripherie- wärts verliert sich die Strahlung in das dichte Protoplasma des übrigen Zellleibes. Dieses ist von deutlichem alveolären Baue, aber die Alveolen scheinen dickwandig zu sein, sodass daraus die starke Färbbarkeit des Plasmas resultiert. Die Mikrosomen scheinen schon dieser Masse anzugehören, es können dies einzelne seitens der sich vergrössernden Centroplasmen ausgesaugte Alveolen des zähen Plasmas oder gar Alveolengruppen sein. Um solche handelt es sich offenbar in den Seitenteilen der Spindel, wo solche Gebilde, wie in anderen Fällen, die Dotter- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 92. 35 544 F. Vejdovsky & A. Mräzek: körner ganz nahe zu der Spindel herantreten. Diese zwischen den radiär gerichteten Alveolenreihen zerstreuten Körner- gruppen lassen sich bei starker Vergrösserung mit Sicherheit in Alveolengruppen auflösen. Zwischen den beiden Polen liegt nun die eigentliche Spindelfigur. Dieselbe hat die Gestalt eines breiten abgestutzten Doppelkegels (Fig. 63, Taf. XXIV). Die äussere Kontur desselben ist an dem Äquator etwas ver- schwommen, aber im übrigen Umfange, besonders an den vier äusseren Ecken, da wo die Spindel an die Gentroplasmen anstösst, besonders stark verdichtet und infolge dessen auch stärker färbbar. Diese Partien sind wohl aus ähnlichen Verdichtungen, wie sich solche in der Nähe des Kernes z.B. in der Fig. 51 oder der Fig. 53 befinden, zu erklären. Im Innern des in der erwähnten Weise umgrenzten Raumes ‚befindet sich nun die eigentliche Spindel, um welche die soeben besprochene Bildung nur eine Art von Hüllmantel bildet. Wir finden zunächst wieder eine Strecke die als Verbindungsstück (vergl. das früher Gesagte) betrachtet werden kann. Die Chromosomen, die deutlich stäbchen- förmig sind, haben sich schon weit von einander entfernt und liegen bereits am Ende der Kernspindel. Der Rest dieser, die Verbindungsfasern, sind schön sichtbar, aber diesmal lässt sich sin alveolärer Bau leicht feststellen. In der Mitte sehen wir wieder eine Verdichtung, eine färbbare Zone, die rudimentäre Zellplatte. Bedeutend ändert sich das Bild, wenn die Spindelfigur sich radiär gestellt hat und zur Oberfläche emporgestiegen ist, so dass der eine Pol derselben die letztere berührt (Fig. 64, Taf. XXIV'. Dieser Pol ändert sich beträchtlich, indem sein Centroplasma die kugelige Form einbüsst und eine abgeplattete annimmt. Die Spindel ist sehr gestreckt. In der Mitte sehen wir wieder die Zellplatte, die sich sogar auch auf die benachbarten Partien des Cytoplasmas zu erstrecken scheint, was wohl nur eine optische Täuschung ist, verursacht durch die Überkreuzung der Plasmastrahlen: Die Chromosomen sind jetzt hufeisenförmig (noch keine vollkommen geschlossenen Karyomeren!) Um das grosse innere Öentroplasma ist eine starke Strahlung sichtbar. Da, wo dieselbe sich zeigt, ist kein kompaktes dichtes Plasma vorhanden, sondern dasselbe bildet einzelne Knötchen die hie und da zusammenhängen, aber stets dem radiären Bau sich Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 545 anpassen. Diese Knötchen erinnern an ähnliche Gebilde in dem eben befruchteten Ei mit den sich bildenden Centroplasmen und gehören auch entschieden mit demselben in eine Kategorie. Das zähe Protoplasma nimmt die ganze Peripherie und auch einen grossen Teil des Zellinnern ein. Stellenweise ist dasselbe etwas verdichtet, an anderen Stellen wieder von lockerem Baue; stets aber können wir an ihm eine zweifache Struktur wahrnehmen: nämlich ein gröberes Maschenwerk oder Gerüst; dessen einzelne Balken oder Wände alveolär gebaut sind. Die Deutung des Bildes (vergl. d Abb.) ist keineswegs eine leichte. Es erübrigt uns noch einige auffallende Eigentümlichkeiten einzelner Komponenten der Furchungsstadien zu verzeichnen. 1. Im Vorstehenden wurde die erste Furchungsspindel zur Zeit ihrer schönsten Entfaltung geschildert. Eine solche Spindel kommt in den meisten Eiern vor, doch wir müssen bemerken, dass eine solche Symmetrie, wie dieselbe in den jüngeren Stadien fast regelmässig sich zeigt (Fig. 38, Taf. XXD), in den späteren ‚Stadien nur ausnahmsweise vorkommt. Gewöhnlich finden wir, dass die Spindelfigur unsymmetrisch ist, was sich insbesondere in der verschiedenen Entfaltung der polaren Centro- sphären kundgibt. Oft ist der Grössenunterschied der beiden Centrosphären nur wenig ausgeprägt, aber immerhin doch leicht sichtbar (Fig.41, Taf.XXII), in manchen Fällen tritt die Unsymmetrie bedeutender hervor, wie auch bereits aus der Arbeit v. J. 1887/8 (Vejdovsky) oder unserer vorläufigen Mitteilung von 1898, Fig. 4, hervorgeht. Die eine der Gentrosphären bleibt bedeutend kleiner als die andere. Diese Erscheinung dürfte scheinbar in einem Zusammenhange mit der verschiedenen Grösse der beiden ersten Blastomeren stehen. Von diesen ist das eine zunächst bedeutend kleiner als das andere, und es könnte leicht geschlossen werden, wie es auch von verschiedenen Autoren ausgesprochen wurde, dass die kleinere Centrosphäre für die kleinere Blastomere bestimmt ist, was dem von anderen Autoren ausgesprochenen Satze ent- sprechen würde, dass ceteris paribus (bei gleicher Beschaffenheit des Zellinhaltes etc.) die Grösse der Centrosphäre mit der Grösse der Zelle in einem direkten Verhältnis steht. In unserem Falle handelt es sich aber um eine Abnormität, veranlasst durch das frühzeitige Verschmelzen des mütterlichen 35* 546 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Centroplasma mit dem umliegenden Archiplasma. Aus den An- gaben eines von uns (Vejdovsky 1887) weiss man nämlich, dass die ersten zwei Blastomeren in den ersten Stadien doch gleich gross erscheinen und somit mit gleich grossen Centro- sphären versehen sein müssen. Andererseits besitzen wir die meisten Furchungsspindeln mit gleich grossen polaren Centro- sphären. 2. Wenn wir die Vorgänge der Kernteilung, wie sie z. B. bei unseren Objekten vorkommen, näher analysieren, so sehen wir, dass während der Ausbildung der sogen. achromatischen Figur ein Wachsen, d.h. ein Ansammeln von Substanz um die Centriolen herum einerseits, ein Aufblähen des Centroplasma, veranlasst durch die Vergrösserung der Alveolen andererseits, vorkommt. In einigen Fällen kann jedoch. das Aufquellen der Öentroplasmen unterbleiben. Einen solchen extremen Fall sehen wir in der Fig. 45 (Taf. XXII) abgebildet. Hier hat während der ganzen Endphase der Kernteilung schon keine Vergrösserung des einen Centroplasmas stattgefunden, sodass der eine Pol ge- wissermassen rudimentär geblieben ist. Trotzdem erscheint die ganze übrige Spindelfigur ganz normal gebaut, insbesondere die eigentliche Kernspindel. An derjenigen Stelle, wo auf der gegenüberliegenden Seite die Spindel mit dem Centroplasma sich verbindet, wo also auch eine Verdichtung der Substanz, ein Archiplasmamäntel entsteht, wieder eine Verdichtung vorkommt. Auch die eigentliche Oentroplasma - Substanz ist hier vorhanden, wenn auch etwas verändert. Die ganze Bildung hat sich den Zugsverhältnissen der Spindelfigur angepasst. 3. Noch interessanter erscheint ein anderer Fall von abnorm gebauter erster Furchungsspindel, den wir einmal beobachten konnten (Fig. 46, Taf. XXII). Auch hier .war der eine Pol bedeutend verkleinert und demgemäss wieder zwischen demselben und der Kernspindel ein hellerer Raum, ein Teil des gewesenen Öentroplasma, eingeschaltet. Merkwürdig ist das Verhalten der letzteren. Rechts ist ein gewöhnliches, riesig angewachsenes Öentroplasma vorhanden, doch innerhalb dessen fand sich in einiger Entfernung von dem Centriol ein zweites Centroplasma mit deutlicher Verdichtung der Substanz an seiner Peripherie. (Wir haben hier gewissermassen ein frühzeitiges Auftreten einer „Reduktion“ im Sinne Boveris.) Links ist das Centroplasma Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 547 klein geblieben und bildet zwar den Mittelpunkt einer dichten Strahlung, aber die Archiplasmaschicht ist nur von unbedeuten- dem Umfange. Die eigentliche Spindelfigur erscheint ungewöhn- lich breit und macht den Eindruck, als ob dieses Breitwerden eine Folge des Zusammendrückens wäre, sodass die Sphäre infolge des gestörten Wachstumsprozesses eine Stemmwirkung ausgeübt hätte. Diese Wirkung ist nur auf die äussere peripherische Mantelschicht der Spindel (deren Existenz als einer besonderen Bildung hier ganz klar hervortritt) won Erfolg gewesen, während die innere Kernspindel ziemlich intakt geblieben ist. Dies würde für eine grössere Festigkeit, Zähflüssigkeit der die Kernspindel zusammensetzenden Protoplasmastränge sprechen, die wir übrigens auch auf Grund anderer Erscheinungen voraussetzen müssen und von denen an früheren Stellen mehrfach die Rede war. III. Allgemeines. Die in den vorgehenden Kapiteln mitgeteilten Befunde dürften es rechtfertigen, einige Betrachtungen über die Vorgänge der Befruchtung und Furchung des Eies anzustellen. Zwar haben wir vornehmlich die Schicksale der sogen. achromatischen Sub- stanzen verfolgt, doch vermochten wir auch in anderen Detail- fragen manche neue Tatsache festzustellen. Überhaupt trachteten wir, uns in dem speziellen Teile rein deskriptiv zu verhalten, ein Eingehen auf die Literatur oder ein Vergleich mit anderen Objekten fand nur da statt, wo es uns zum besseren Verständnis der dargestellten Tatsachen unumgänglich notwendig erschien. Die vergleichenden Bemerkungen allgemeiner Gesichtspunkte und Folgerungen, die sich dabei ergeben haben, wollen wir jetzt im Zusammenhang dem Leser vorführen. Von diesen Ergebnissen betrifft natürlich eines der hervorragendsten die unter dem Namen „Centrosomen“ bekannten Gebilde. Unter diesem Begriffe versteht man seit 1857 eine selb- ständig persistierende, von einer Zellgeneration auf die andere übergehende Zellorganelle, welche ein dynamisches, die gesamte Kern- und Zellteilung einführendes Zentrum vorstellen soll. Die Arbeit Boveris, in welcher eben diese Lehre am ausführlichsten aufgestellt wurde, bildet den Anfang einer beinahe unüberseh- baren Reihe von Publikationen, die wie eine wahre Sündflut um sich griffen. Zehn Jahre lang handelte der grösste Teil der 548 F. Vejdovsky & A. Mräzek: cytologischen Literatur nur von den „Centrosomen“. Den Haupt- verdienst dieser Arbeiten sehen wir darin, dass sie ein grosses, mehr oder weniger verlässliches Material zusammengetragen haben, dem kritischen Leser musste aber bald klar werden, dass die Angaben einzelner Autoren sich vielfach widersprechen, und dass auch die mit demselben Namen bei verschiedenen Objekten belegten Gebilde keineswegs identisch sind. Ein vorurteilsfreier Beobachter hätte diese Verwirrung teilweise auch auf den Um- stand zurückführen können, dass die „Centrosomen“ keine starren (rebilde sind, sondern auch verschiedenen Veränderungen je nach dem Wachstum der Zelle unterliegen. Insbesondere die Be- obachtungen einiger der letzten Jahre haben dargetan, dass diese Wachstumsvorgänge, die übrigens schon den älteren Beobachtern, wie z.B. Fol, oder Agassiz und Whitman nicht entgangen sind, ganz regelmässig und periodisch auftreten, (Boveri, Sobotta, Behrens u.s. w.) und auch mit einer Struktur- Veränderung der „Centrosomen“ verbunden sind. Ein Licht in dieses Chaos hätte hineingebracht werden können, wenn die etwa mit der Arbeit Boveris gleichzeitig publizierten Angaben eines von uns (Vejdovsky) über das Ei von Rhynchelmis mehr berücksichtigt wären. Aus der Schrift des letztgenannten ergibt es sich doch am klarsten, dass dasjenige Gebilde (Periplast), welches dem „ÜCentrosom“ Boveris entspricht, keinesfalls in toto von Generation auf Generation übertragen wird, dass es sich immer wieder von neuem innerhalb des alten anlegt, dass also die von Boveri aufgestellte Theorie einer Revision zu unterziehen sei. Zu einer solchen Auffassung gelangten auch, wenn auch nur vorübergehend, Wilson und Mathews, aber von anderen Seiten wurde der von Vejdovsky vertretene Standpunkt heftig angegriffen (Fol). Blieb aber eine Zeitlang Rhynchelmis als ein scheinbar isoliert dastehendes Objekt unbeachtet, so mehrten sich doch in der Folge Fälle, wo die Anklänge an das Rhynchelmis-Ei auffallend hervortraten und für eine wirkliche Neubildung der „ÜCentrosomen“ oder „Centrosphären* überhaupt sprachen (Thalassema Griffin, Diaulula MeFarland). Insbesondere die Darstellung, wie sie v. Erlanger für die Eier der Echinodermen gab, nähert sich schon bedeutend den bei Rhynchelmis festgestellten Ver- hältnissen. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 549 An einen so bewährten und denkenden Forscher, wie Boveri, konnten allerdings die mittlerweile gewonnenen Be- obachtungs-Ergebnisse nicht ohne Einfluss bleiben, umsomehr, als er selber mit einer Reihe von hierher gehörigen Tatsachen durch eigene Untersuchungen betraut wurde, und die Frucht seiner Erwägungen ist in dem interessanten Buche „Über die Natur der Centrosomen“, wo gleichzeitig eine Fülle von neuen Beobachtungen mitgeteilt wird, niedergelegt. An einer Anzahl verschiedenen Typen angehörenden Eiern hat Boveri die Ver- änderungen verfolgt, denen sein „Centrosom“ während einer jeden ganzen Teilungsperiode unterworfen ist. Um die schon einmal von ihm aufgestellte Kontinuität des „Centrosomas“ zu retten, kam Boveri auf den Gedanken einer Reduktion des genannten Gebildes, indem er folgendermassen schliesst: Es tritt nicht das ganze ursprüngliche „Centrosoma“ (natürlich nach seiner vollbrachten Zweiteilung) in die nächste Generation, sondern es wird zunächst gewissermassen rekon- struiert. indem es einen bedeutenden (peripher gelegenen) Teil seiner Substanz verliert und erst das in seiner Grösse bedeutend reduzierte Centrosoma teilt sich und tritt in die nächste Zell- generation über, um wieder von neuem zu seiner ursprünglichen Grösse heranzuwachsen. Boveri spricht mit Recht von einem Kreislauf des Centrosoma. Das Buch Boveris hat merkwürdiger- weise bisher keine gehörige Beachtung gefunden, die es sonst in hohem Maasse verdient. Namentlich zeigt hier Boveri über- zeugend, dass die bei der indirekten Zellteilung sich abspielenden Vorgänge in der ganzen Metazoenreihe im grossen und ganzen übereinstimmend verlaufen, und natürlich auch Rhynchelmis keineswegs eine Ausnahme davon bilden kann. Boveri hat selbst auch ganz oflen zugestanden, dass eigentlich der ganze „Kreislauf des Cenrtrosomas bei Rhynchelmis“ zu- erst beschrieben wurde (l. c. p. 106); „Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls verdient hervorgehoben zu werden, dass Vejdovsky schon 1887/88 einen sehr komplizierten und des- halb lange Zeit unverstanden und unbeachtet gebliebenen Modus der Centrosomenteilung im wesentlichen richtig beschrieben hat“. Obgleich wir unumwunden zugestehen, dass die Arbeit Boveris einen wesentlichen Fortschritt in der Erkenntnis der Zellteilung vorstellt, so können wir ihr jedoch weder in den 550 F. Vejdovsky & A. Mräzek: einzelnen Details noch in der ganzen Auffassung beipflichten. So kompliziert auch auf den ersten Blick der ganze von Boveri festgestellte „Kreislauf“ erscheinen mag, verhält sich die Sache in Wirklichkeit noch komplizierter. Nach Boveri wird das geteilte reduzierte Centrosoma zum Pol der neuen Spindel. Dem ist aber nicht so. Wir haben bereits oben erwähnt, dass schon ein Verfolgen der Herausbildung der ersten Reifungsspindel uns lehrt, dass der „Reduktionsvorgang“ nicht nach dem einfachen Schema Boveris, sondern auf eine noch kompliziertere Weise; durch Entstehen eines neuen (Enkel-)Centroplasmas, also durch eine nochmalige Reduktion im Sinne Boveris geschieht. Dies ist z. B. auch sehr schön aus unseren Textfiguren ersichtlich, welche die sich bildende erste Reifungsspindel von Ilyodrilus darstellen. An diesen Figuren sieht man deutlich die dem Kern aufsitzenden alten Tochtercentroplasmen mit ihrem Archiplasma- mantel und erst im Innern derselben die definitive Centrosphäre der zukünftigen Spindel. Und noch prägnanter tritt diese Er- scheinung bei der Befruchtung hervor. Die erste „Reduktion“ geschieht nach der Zweiteilung des Spermozentrums, aber die polaren Centrosphären werden nicht direkt zu beiden Polen der ersten Furchungsspindel, sondern es resultiert schon aus den Schilderungen zahlreicher Autoren, die von einem zeitweisen Verschwinden der alten Strahlung an den beiden Polen des d oder der schon konjugierten beiden Pronuklei sprechen, dass hier eine nochmalige „Reduktion“ vorkommt. Es ist meıkwürdig‘, dass Boveri eben dieselben Er- scheinungen, die sich während der Befruchtung abspielen, unbe- rücksichtigt liess Hätte er dies getan. so müsste er wahrschein- lich zu einer der unsrigen ähnlichen Anschauung geleitet werden. Boveri hebt hervor, dass die meisten früheren Autoren den Vorgang der „Reduktion des Centrosomas“ deshalb nicht er- kennen konnten, weil sie sich mit dem Studium der von der Befruchtung bis zur ersten Furchungsteilung führenden Etappe begnügten, oder ihre Untersuchungen noch früher abgebrochen haben Nur Reincke und v. Erlanger haben eine längere Reihe untersucht, ohne jedoch in der angegebenen Richtung wesentlich zur Frage beizutragen. Boveri hat dagegen seiner Meinung nach den ganzen Cyklus der Centrosomen-Metamorphose von der fertigen ersten Teilungsfigur bis zu annähernd dem Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 551 gleichen Zustande der nächsten Zellgeneration verfolgt. Wir haben bereits durch den gesperrten Druck annähernd anzu- deuten gesucht, dass Boveri in einem Irrtume sich befindet, und dass sein Ausgangspunkt mit dem Endpunkt sich keinesfalls vollkommen deckt. Zu einer unzweifelhaften Erklärung der Tat- sachen, zu einer Erkenntnis der komplizierten Metamorphose der sogen chromatischen Strukturen ist auch die von Boveri verfolgte Reihe zu kurz. Leicht zu erkennen ist dieselbe, wenn wir statt von einer fertigen Teilungsfigur bis zur nächstfolgenden Figur die Verfolgung der Vorgänge mit einem noch ruhenden Kern beginnen und dieselbe bis zur Rekonstruktion von vier Enkelkernen fortführen. Oder aber wir können von der Befruchtung beginnend bis zur Bildung der zwei ersten Furchungs- kerne und der denselben aufsitzenden achromatischen Struk- turen fortfahren. Diese letztere Methode ist zwar schwieriger durchzuführen, aber bezüglich der Resultate ist sie viel ausgiebiger, da wir zuerst mit einer monozentrischen Figur es zu tun haben, welche sich unabhängig vom Kerne entwickelt. Nach Boveris Meinung eignet sich zwar die Verfolgung des Befruchtungsvor- ganges schon deshalb nicht zu einer Erkenntnis der „Reduktion“, weil „die Entstehung der beiden ersten Teilungszentren aus dem Spermacentrosoma bei aller Übereinstimmung mit dem weiteren Verlaufe doch ein Spezialfall ist, der überdies nicht den ganzen Cyklus von einer Zellteilung bis zum gleichen Punkt des nächsten umfasst“. Unseren Erfahrungen zufolge ist eine solche Ansicht vollständig unzutreffend. Die Entstehungsweise der Centrosphären der ersten Furchungsspindel, oder um mit Boveri zu reden, der ganze Kreislauf des Centrosomas vom Eindringen des Sperma in das Ei bis zur Bildung der Pole der ersten Spindel unter- scheidet sich keinesfalls von denselben der folgenden Generationen und schon bei der Befruchtungsetappe lässt sich nachweisen, dass, wie sonst während eines jeden Zellteilungs-Cyklus nicht nur eine einmalige „Reduktion“, wie Boveri annimmt, sondern eine zweimalige sich vollzieht, so dass, um die Boveri’sche Bezeichnungsweise zu gebrauchen, erst das zum zweitenmale reduzierte „Centrosoma“ (unser Centroplasma) die Pole der ersten Furchungsspindel liefert. Übrigens hat Boveri den wahren Sachverhalt auch schon wenigstens teilweise geahnt. Den Anstoss dazu gaben ihm DL Si DD F. Vejdovsky & A. Mräzek: unsere früheren Mitteilungen (Vejdovsky 1887 88, Vejdovsky & Mräzek 1898), und er versuchte es, die für Rhynchelmis angegebenen Tatsachen mit seinen an Ascaris-, Mollusken- und Echinodermen-Eiern gewonnenen Befunden in Einklang zu bringen. Einige unserer Abbildungen machten ihm aber dabei Schwierig- keiten. Doch überlassen wir Boveri selbst das Wort (1901, p. 106): „Schon in seiner ersten Abhandlung hat Vejdovsky in einigen Fällen, so in Fig. 5 und 6 (Taf. VII) in dem einen der beiden vor kurzem gebildeten Tochtercentrosomen noch ein kleineres Körperchen abgebildet, das seinerseits eine kleine Astrosphäre um sich hat. Für ein Centriol wäre dieses Gebilde viel zu gross. Was aus ihm wird, darüber lehren die Abbildungen der folgenden Stadien nichts; in Fig. 3, 7 und 8 (Taf. VII) ist von dem Gebilde nichts zu sehen. So möchte man an Zufälligkeiten einiger Präparate denken, um so mehr, als Vejdovsky dieses Innenkörperchen nur immer in dem einen der beiden Schwester- centrosomen gefunden zu haben scheint; allein die neue Mitteilung ent- hält eine Abbildung, die etwas ganz ähnliches darstellt. In dem noch ungeteilten reduzierten Centrosom der Fig.5 sind abermals zwei winzige Astrosphären gezeichnet. Aber auch hier ist es nicht ganz klar, was aus diesen Bildungen wird. Immerhin ist es denkbar, dass es sich um eine merkwürdige Antizipation handelt, der Art, dass sich in dem Centrosom, ehe es sich von seinem Schwestercentrosom abschnürt, also ehe es die ihm zufallende Rolle zu spielen beginnt, schon wieder als zentrale Differenzierung ein neues reduziertes Centrosom ausbildet, das- jenige, welches später durch seine Teilung die Pole für die übernächste Mitose zu liefern hat. Ist diese Interpretation richtig, so wäre im Rhynchelmis-Ei ein besonderer und jedenfalls der am meisten spezialisierte Typus eines Cytocentren-Kreislaufes gegeben.“ Soweit Boveri. Seine Interpretation deckt sich allerdings nicht vollkommen mit dem wirklichen Tatbestand. Das scheinbar „allzufrüh reduzierte Uentrosoma“ ist keineswegs zur Bildung der beiden Pole (natürlich nach seiner späteren Zweiteilung) der übernächsten kinetischen Figur bestimmt, sondern es liefert ohne jede Zweiteilung einen Pol der nächsten Figur. Die vermeintliche Antizipation ist also keine solche und stellt einen normalen Vorgang dar, der sich jedesmal in gleicher Weise wiederholt Während eines jeden CGyklus ‚reduziert sich das’ Centrosoma zweimal, teilt sich aber nur einmal“! Das Schema von Boveri, welches den Reduktionsvorgang veranschaulichen soll, ist unseren Beobachtungen nach wesentlich zu modifizieren Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung: 553 Aber bei aufmerksamer Verfolgung der anderswo festge- stellten Tatsachen kommen wir bald zu dem einzigen richtigen Schluss, dass es sich in diesem komplizierten Prozess um keinen nur für Rhynchelmis giltigen Spezialfall handelt, sondern um einen Vorgang, der auch bei vielen anderen daraurhin näher geprüften Eiern und Zellen als ein normales Geschehen auftritt. Wir finden von unserem Standpunkt aus eine bis in die feinsten Einzelheiten gehende Übereinstimmung zwischen den betreffenden Vorgängen bei Rhynchelmis und z. B. denjenigen im Diaulula-, Ascaris- oder Echinodermeneiern, wie die- selben Boveri in seiner anregenden Arbeit beschrieben und ab- gebildet hat. Natürlich liegen bei Rhynchelmis die Ver- hältnisse viel günstiger als bei anderen Objekten vor, da hier die sogen. achromatischen Strukturen im Verhältnisse zum Kern recht bedeutende Dimensionen annehmen und so die Beobachtung erleichtern. Man vergleiche z. B. unsere Fig. 50 und die Fig. 34 bei Boveri, wo es sich offenbar um ein und dasselbe Gebilde, um das biskuitförmig geteilte „reduzierte Centrosoma“ handelt. Und wie sind die Bilder verschieden. Im Echinodermenei verhüllt die feinkörnige Archiplasmahülle vollkommen die innere Struktur des ohnehin winzigen Gebildes, während bei Rhyn- chelmis die bedeutende Grösse es gestattet, die innere neue Strahlung deutlich als eine neue selbständige Bildung zu unter- scheiden Eben diese bedeutende Grösse der „Centrosomen“ im Sinne Boveris bei unserem Objekt gestattet es die einzelnen Strahlensysteme gut auseinanderzuhalten, was zu einer sichern Interpretation der beobachteten Vorgänge unumgänglich not- wendig ist. Bei anderen Objekten, wo die neuen Strahlungen einfach als innere Fortsetzung der alten erscheinen müssen, und wo bei der Kleinheit der Objekte die neuangelegten Centro- plasmen beinahe sogleich mit den alten zusammenfliessen müssen, lässt sich die von uns festgestellte Anlage der „Enkel“centro- plasmen oder die „zweite“ Reduktion, wie wir es nach der Bezeichnungsweise Boveris nennen müssten, die erst zur Bildung der eigentlichen Polen der nächsten Spindel führt, nur schwer nachweisen. Es können uns hier nur die Angaben über „das Undeutlichwerden, den Rückgang der Strahlung“ ete. als Weg- weiser dienen. Nachdem wir natürlich den ganzen Entwicklungs- gang bei einem in dieser Hinsicht so günstigem Objekte wie 554 F. Vejdovsky & A. Mräzek: das Rhynchelmis-Ei erkannt haben, sind wir bald imstande, auch an anderen viel ungünstigeren Objekten, wie z. B. dem Echinodermen-Ei (obgleich dasselbe immerhin noch besser zu sein scheint als das Ei von Ascaris) dieselbe komplizierte Ent- stehungsweise der Öentrosphären nachzuweisen. Die bei den einzelnen Objekten sich etwa zeigenden Unter- schiede sind von keiner prinzipiellen Bedeutung. Sie betreffen z.B nur die Reihenfolge, in welcher die zweite „Reduktion“ und die Zweiteilung der neuen Centrosphären stattfinden. Es kann sich das Centroplasma zweimal nacheinander „reduzieren“, ehe es zu einer Zweiteilung desselben kommt, oder aber teilt sich das „reduzierte Centrosom“ zuerst vollständig in zwei neue Tochtercentrosomen und erst in diesen findet nach dem Heran- wachsen desselben die abermalige die definitiven Polen des nach- folgenden Spindel liefernde Reduktion statt. Ein ähnlicher Prozess dürfte z. B., soweit aus der Literatur zu schliessen ist, bei der Bildung der Polen der ersten Furchungsteilung aus dem „Spermozentrum“ vorkommen. Das Endresultat ist dabei aber immer dasselbe. Nur ist der erstere Fall, wo im Innern des „reduzierten Centrosomas“ bereits zwei neue Tochtercentrosomen entstanden sind, während das „reduzierte“ Centrosoma noch weiter heranwächst, den Mittelpunkt einer deutlichen Strahlung bildet und erst ziemlich spät unter Bildung einer hantel- oder biskuitförmigen Figur sich teilt, ein überaus schwerwiegender Beweis gegen die gesamte Auffassung des „Reduktionsvorganges“ im Sinne Boveris. Und damit sind wir bei einem, wie uns scheint, sehr wichtigem Punkte angelangt. Unser Standpunkt lässt -sich folgendermassen präzisieren : Das „Centrosom“ erleidet während einer ganzen Teilungsperiode eine Reihe von Veränderungen, die zwar noch komplizierter als nach der ursprünglichen Annahme Boveris, aber dabei derart sind, dass sie die Annahme eines (Centrosomas im Sinne Boveris als einer selbständigen permanenten Zellorganelle nicht zugelassen. Nach der Darstellung Boveris, die leider sämtlich an dazu nicht besonders günstigen Objekten durchgeführt worden ist, scheint es zwar vorderhand, als ob das „Centrosoma“ sich tat- sächlich reduzieren würde. Es soll seine peripheren Partien gewissermassen von sich abstossen und auf diese Weise einen Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 555 bedeutenden Teil seiner früheren Grösse einbüssen, aber sonst, was seinen zentralen Teil anbelangt, in continuo mit Beibehaltung seiner Individualität in die nächste Zellgeneration hinübertreten. Aber die bei Rhynchelmis äusserst schön und leicht zu be- obachtenden Vorkommnisse belehren uns eines anderen. Das Erhaltenbleiben der nach Boveri „abgestossenen peripheren Partien“ der alten Centroplasmen und der von ihnen ausgehenden Strahlung lässt sich mit der „Reduktionstheorie“ keineswegs in Einklang bringen. i Bei Rhynchelmis bildet sich um das „reduzierte“ Centrosoma“ eine Strahlung noch vor Zweiteilung desselben, während das „abgestossene alte“ „Centroplasma selbst noch als ein deutlich abgegrenztes und in seiner weitaus grösseren peripheren Ausdehnung nicht radiär struktuiertes Areal seinerseits noch das Zentrum einer mächtigen Astrosphäre darstellt“'), die noch erhalten bleibt als das innere „Centrosoma“ sich geteilt und vom Neuen „reduziert“ hat, sodass jetzt drei (nicht zwei wie Boveri meint) von einander unabhängige gesonderte Strahlensysteme eingeschachtelt sind. Insbesondere diese zweite Reduktion macht die Aufrechterhaltung der Individualitäts- kontinuität des Centrosomas unmöglich. Das alte (d.h schon geteilte, reduzierte) Centrosom bleibt als Individum noch er- halten, ja wächst sogar noch beträchtlich und kann sogar an seiner Peripherie eine mächtige Schicht feinkörnigen Archiplasmas ansammeln, während in seinem Innern ein neues Centroplasma sich schon seit langem gebildet hatte. Wir werden tatsächlich zur Erkenntnis gedrängt, dass das „Öentrosoma“ Boveris, unser Centroplasma, keine selbständige persistieren- de Zellorgannelle darstellt, sondern dass dasselbe periodisch stets vollkommen neu entsteht und zwar immer endogen innerhalb des alten Centroplasmas. Dies ist der von einem von uns (Vejdovsky) bereits vor Jahren festgestellte Satz. Damit ist aber die Sache noch nicht vollkommen erledigt. Die neuen „Centrosomen“ entstehen innerhalb der alten, nicht wie mit einem Schlage als bereits fertige Gebilde (auf diese Weise dürfte nach der Ansicht Boveris das reduzierte Centro- soma aus dem alten entstehen), sondern differenzieren sich ganz !) Es wurden eigene Worte Boveris zitiert. 556 F. Vejdovsky & A. Mräzek: allmählich — wir möchten sagen epigenetisch — infolge gewisser im speziellen Teile ausführlich beschriebenen Plasmaumbildungen, die sich in einer bestimmten Folge stets wiederholen. Da die Sache prinzipiell wichtig erscheint, so müssen wir im nachfolgen- den eine zusammenhängende Darstellung dieser Verhältnisse geben. ß 1. Den einfachsten Verhältnissen begegnen wir bei der Centroplasmabildung des Befruchtungsvorganges. In der Nähe des Spermafadens erscheint eine Anzahl der Plasmastrahlen direkt an das Centralkorn oder Centriol sich ansetzend.. Während der weiteren Entwicklungsprozesse verändert sich bedeutend das Gesamtbild, doch das Centriol wird von diesen Veränderungen bewahrt: dasselbe behält immer seine ursprüngliche Gestalt und Beschaffenheit und stellt ein winziges Körnchen dar. 2. Durch die Tätigkeit der Plasmazüge sammelt sich rasch eine wenn auch ursprünglich kleine Menge von Hyaloplasma um das Centriol herum, die ein aus nicht radiär angeordneten Mikrosomen bezw. Alveolen zusammengesetztes Kügelchen dar- stellt, welches seinerzeit als Periplast (Vejdovsky) oder Centrosoma (Boveri) bezeichnet wurde. Wir wollen es fortan Centroplasına nennen. 3. Einer der wesentlichsten und ursprünglichsten Bestandteile der Centrosphäre sind die Plasmazüge, welche mehr oder weniger weit inden Eidotter ausstrahlen und der Reihe nach in einer Grund- substanz angeordnete intensiv sich färbende Körnchen oder Mikro- somen als Anlagen der späteren Alveolen enthalten. Diese Radien stellen centripetale Hyaloplasmazüge vor, mittels welcher sich die Mikrosomen im Öeutroplasma ansammeln und hier zu normalen Alveolen nach dem Begriff Bütschlis aufquellen. Durch diesen Vorgang wird die Vergrösserung des Centroplasmas bewerkstelligt. Unsere Beobachtungen ergeben nun weiter, dass das Wachstum vom Centrum der Kugel zur Peripherie fortschreitet, in dem die innersten Alveolen die grössten, die peripheren die kleinsten sind, aus welchem Grunde man annehmen kann, dass die Zunahme der Alveolen durch Apposition auf der Peripherie der ursprünglich kleinen Centroplasmen geschieht, während die innersten ältesten Alveolen im Wachstum weiter vorgeschritten sind. 4. In sehr frühen Stadien der Centrosplasmabildung erscheint auf dessen Peripherie eine radiär angeordnete Plasmaschicht, welche Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 557 das Archiplasma Boveris darstellt. Diese Mantelschicht stellt das fertige Bildungsplasma oder Archiplasma der späteren Mikromeren vor. Die Mantelschicht der Centroplasmen entstand aus den dicht nebeneinander gruppierten Strahlen in welchen früher reihenartig angeordnete Mikrosomen zu echten Alveolen heran- gewachsen sind. Das Wachsen nimmt seinen Anfang in dem Momente als das Centroplasma aus normaler Anzahl der Mikro- somen besteht. Durch diese Plasmazüge wird also das neue Bildungsmaterial beständig dem Centroplasma zugeführt, zu normalen Alveolen nach dem Begriffe Bütschlis umgebildet und nachdem der Zufluss der Mikrosomen aufgehört hat, schliesslich der radiär angeordneten Mantelschicht zugeordnet. In diesem Stadium sind die Radien die kürzesten und spärlichsten und es wird dieses Stadium von zahreichen Autoren abgebildet und beschrieben. Es liegen hier bereits Centrosphären mit sämtlichen Komponenten vor d. h. mit einem Centriol. dem Üentroplasma und dessen radiärer Mantelschicht und schliesslich mit auslöschenden in Dotter ausstrahlenden Plasmazügen. Solchen oder ähnlichen Centrosphären begegnet man schon später überall, solche bilden die beiden Polen einer jeden Spindel, aber bevor sich in ihrem Innern die CGentrosphären der nächsten Generation endogen anlegen, erleiden sie bedeutende Modifikationen. Wir bemerken zunächst, dass die polaren Centroplasmen bedeutend heranwachsen und im Vergleiche zu früher wahrhaft riesige Dimensionen annehmen, wobei sich zugleich auf die oben angegebene Weise um die Üentroplasmen herum eine radiär angeordnete Mantelschicht zäheren Protoplasmas (Archiplasma) ansammelt. Ein solches Anwachsen der Centroplasmen (des Centrosomas Boveris) wurde auch als ein normales Geschehen für andere Objekte festgestellt, doch bei Rhynchelmis kann auch leicht festgestellt werden, worin die Ursache dieser Volum- vergrösserung zu suchen ist. Die Struktur der Centroplasmen wurde von den meisten Autoren als vollkommen homogen, (hyalin etc.) bezeichnet. Nur einige Autoren (insbesondere v. Erlanger) haben auch innerhalb der Centroplasmen eine deutliche (wabige) Struktur entdeckt. Eine solche muss auch Boveri für einige Fälle zugestehen, doch ist ihm nicht ganz sicher, ob diese Strukturen im lebenden Zustande präformiert sind. Zur Zeit seiner Vergrösserung soll das Gentroplasma nach Boveri heller 558 F. Vejdovsky & A. Mräzek: werden. Eine Erklärung dazu geben unsere Beobachtungen an Rhynchelmis, deren Resulate übrigens sich vollkommen decken mit dem was an anderen zum Vergleiche herangezogenen Objekten (viele Tubificiden, Blutegel, Rotatorien, Petromyzon) ermittelt werden konnte. Die Centroplasmen sind wie bereits oben mit- geteilt wurde, alveolär gebaut, und das Wachsen beruht vorwiegend auf dem Wachsen der die ÜCentroplasmen zusammensetzenden Alveolen. Zur Zeit der grössten Ausdehnung der Centroplasmen werden die Alveolen vielmals grösser und infolgedessen viel deutlicher als früher. Dieser Vorgang wiederholt sich zwar stets bei einer jeden Kinesis, doch das Maximum der Alveolen- Grösse wird in der Endphase der ersten Furchungsfigur erreicht. In den riesig heranwachsenden Centroplasmen liegt das Centriol ganz unverändert in der Mitte. Doch alsbald sehen wir, dass sich um das Centriol herum neue zuerst nur kurze interalveoläre Hyaloplasmazüge zeigen, die das neue Bildungs- material direkt dem Centriol zuführen. Die Folge dieser centripetalen Protoplasmabewegung ist nun, dass innerhalb des alten Centroplasmas ein neues Tochter- centroplasma sich bildet, welches dann das Centrum einer Strahlung bildet, welche jedoch von der noch weiter persistieren- den alten Mutterstrahlung noch vollkommen getrennt ist. Indem das Tochtercentroplasma rasch heranwächst, und bald von einem deutlichen feinkörnigen Archiplasmamantel umgeben wird, verändert sich natürlich die Struktur des Mutter- centroplasma selbst, da die Substanz derselben eben centripetal strömend zur Bildung des neuen Tochtercentroplasmas diente. Nachdem sich innerhalb des anwachsenden Tochtercentro- plasmas die Centriolen verdoppelt haben, beginnt sich das letztere, dessen Strahlung immer weiter um sich greift, in zwei Teile ein- zuschnüren. Aber zu dieser Zeit tritt um jedes der beiden Centriolen eine neue Strahlung auf, und es wiederholen sich hier wieder die schon oben dargestellten Verhältnisse (das Zusammen- fliessen von Plasmabildungsmaterial ete.), und zwar so schnell, dass, als sich die beiden Tochtercentroplasmen von einander getrennt haben und polare mit einem dichten Archiplasmamantel versehene Kappen am Kern bilden, im Innern bereits mit deut- lichen Centroplasmen versehene neue Enkelcentrosphären ent- standen sind. Diese wachsen nun weiter an, und treten dann Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 599 zur Zeit der nun folgenden Spindelbildung an die Stelle der alten Muttercentroplasmen, die sie vollkommen zur Seite verdrängen oder mit welchen sie zusammenfliessen. Alle diese soeben kurz rekapitulierten Erscheinungen lassen sich unserer Ansicht nach ungezwungen so erklären, wenn wir annehmen, dass das Centroplasma (Centrosoma Boveris ohne Centriol) keine autonome und überhaupt dauerhafte Organelle der Zelle darstellt, sondern selbst nur ein Resultat der inneren Tätigkeit der Zelle ist, einfach eine blosse Anhäufung eines neuen Bildungsmaterials rings um das Öentriol herum. Diese Anhäufung manifestiert sich äusserlich am deutlichsten als Strahlenbildung, welche jedoch nicht als ein Ausdruck blosser Umordnung des cytoplasmatischen Materials, sondern auch gleichzeitiger Um- und eventuell auch Neubildung der eigentlichen lebenden Substanz aufzufassen sind. In diesen Strahlen fliessen die Mikrosomen zum Öentriol hinab, um sich hier anzusammeln und Öentroplasmen zu bilden, indem sie zu Alveolen sich vergrössern. Man muss aber dabei zwei ganz verschiedene Bewegungserscheinungen unterscheiden. Einerseits fliesst oder bewegt sich das Hyalo- plasma centripetal, und es kommt zu einer Vermehrung des im Centrum befindlichen alveolär gebauter Substanz, andererseits aber geht in gerade entgegengesetzter Richtung eine zentrifugale Welle, dadurch verursacht, dass zu einer gewissen Zeit die das Centroplasma zusammensetzenden Alveolen sich zu vergrössern, (aufzuquellen) beginnen. Die Folge davon ist, dass an der Peripherie der Centroplasmen gewisse Stauungserscheinungen auftreten müssen, es werden hier die zufliessenden und zu Alveolen sich umbildenden Mikrosomen zu einer dichteren Hüllschicht zu dem radiär gebauten Archiplasmamantel zusammengedrängt. Das Archiplasma ist daher keine spezifische Substanz der Zelle, sondern nur das umgebildete alte interalveoläre aus einer Grundsubstanz und äusserst feinen Mikrosomen bestehende Plasma vor. Die beiden erwähnten Bewegungs- resp. Wachstums- erscheinungen des Cytoplasma weisen eine bestimmte Periodizität auf, sie alternieren zeitweise miteinander. Nachdem durch die Strahlenzüge das nötige Plasmaquantum zentralwärts dem Üen- triol zugeführt wurde, sehen wir, dass das Zuströmen von Plasma sistiert wird und die in den Zellleib (im Ei in die Dottersubstanz) ausstrahlenden „Radien“ an Länge und Zahl abnehmen; die alte Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 36 560 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Strahlung erlischt wie viele Autoren übereinstimmend berichten und wiees Wilson auch beiden während der künstlichen Parthenogenese stattfindenden Protoplasmaumlagerungen nachweisen konnte. Die ganze alte Centro- oder Astrosphäre wird endlich zu einem hellen aus fertigem Plasma gebauten Hof, innerhalb dessen sich wieder neue zentrierte Strahlungen zeigen, die zu neuer Umordnung und Vermehrung der Substanz führen. Es handelt sich also nicht um blosse Abstossung des peripheren Teiles, um eine Verkleinerung der riesig angewachsenen ÖOentrosomen, um eine einfache Rekon- struktion, wie es nach der Boveri’schen Darlegung des Reduktions- vorganges der Fall sein sollte. Es muss hervorgehoben werden, dass schon einige ältere Autoren sich der Wahrheit genähert haben. Die anfänglichen Vorgänge bei der Bildung der Centrosphären und deren weitere Differenzierung sind bereits früher von OÖ. Hertwig, Bütschli und Fol richtig beschrieben und als Ansammlungen des Hyalo- plasma zum „Zentrum der Asteren“ gedeutet; die Asteren selbst wurden als Resultat der plasmatischen Strömungen erklärt. Schon früher hat zwar auch Auerbach dasselbe gelehrt, fasste aber die Strahlen als zentrifugale Strömungen vom Kerne nach aussen auf, während OÖ. Hertwig zuerst die Radien als Aus- druck der zentripetalen Bewegung der homogenen Substanz in die Centren ausgelegt hat (1875). Am genauesten sprach sich in diesem Sinne im J. 1879 Fol aus. Ein vollkommener Umschwung in der Auffassung der komplizierten Figuren der indirekten Kern- und Zellteilung trat aber später ein, als die Strahlen für wirkliche organische Radien, für homogene feste und kontraktile Fibrillen gehalten wurden, und die Lehre von dem „Centrosoma“ als einer starren, per- sistierenden Zellorganelle, „einem dynamischen Zentrum“ auf- gestellt wurde. Doch kam es keineswegs zu einer Verständigung der sich mit diesen Fragen befassenden Forschern, während auf der einen Seite die Muskelfadentheorie in Heidenhain und v. Kostanecki ihre extremsten Vertreter fand, fehlte es auf der anderen Seite nicht an solchen Autoren, die wenigstens teil- weise zu der älteren Anschauung zurückkehrten. So acceptierten z. B. Bütschli (1892), Rhumbler, Ziegler, Morgan und schliesslich E. B. Wilson die Hypothese von der zentripetalen Bewegung des Hyaloplasma. Ja es wurden sogar Stimmen laut, Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 561 welche an den von uns ausgesprochenen Gedanken erinnern, dass „Centrosomen“ der Mittelpunkt des Wachstums und der Bildung des Cytoplasmas sind. (z. BB Munson (1897) p. 205: „It vould seem that the attraction sphere, centrosome and vitelline- body are the primitive basis or center of growth of the cytoplasm.“ Ein anderer Teil der Forscher mit R. Hertwig an der Spitze betrachten die protoplasmatischen Strahlungen als Ausdruck einer seitens des Centrosomas hervorgerufenen Kontraktion des netzförmig angeordneten Fadenwerkes des Protoplasmas (Hertwig, Doflein, Wassilieff), die Strahlung soll eine Folge der Ver- dichtung (!) des Centrosoma sein. Um die schon bestehende Konfusion noch grösser zu machen, wurden auch Ansichten aus- gesprochen, nach welchen überhaupt den meisten, während der indirekten Zellteilung sich zeigenden Strukturen, kein objektives Dasein zukommt, sondern dass dieselben nur künstliche Reagentien- artefakte darstellen, und dieser Standpunkt fand seine pseudo- kritische Beweisführung und gipfelte in dem bekannten Buche Fischers über die Färbung und Fixierung von Protoplasma. Ein solcher krasser Skeptizismus, gegen welchen sich sehr leicht schwerwiegende Beweise anführen lassen, wie dies auch bereits von vielen kompetenten Seiten geschah (siehe z. B. auch oben), muss wohl bald einer besseren Erkenntnis Platz machen, aber diejenigen Theorien erweisen sich nach unserer Unter- suchung als unhaltbar, welche mit wirklichen steifen Radien und Centrosomen als autonomen Gebilden rechnen. Wir haben niemals Gebilde angetroffen, die wir als wirkliche Fibrillen bezeichnen könnten, sondern stets entweder nur aus Mikrosomen zusammengesetzte oder Mikrosomen führende Plasmazüge oder der Länge nach angeordnete, beziehungsweise gedehnte Waben- struktur, die bei schwächeren Vergrösserungen oder bei einigen ungünstigen Objekten eine fibrilläre Struktur vortäuschen kann. E. B. Wilson ist also vollkommen im Rechte, wenn er seine frühere Ansicht verlassen hat und die Radien neuerdings als Hyalo- plasmazüge mit eingestreuten Mikrosomen deutet. Die Auffassung, nach welcher die „Centrosomen“ keine autonomen Zellorganellen sind, sondern lediglich als sichtbarer Ausdruck der Tätigkeit der Zelle auftreten und Zentren dar- stellen, in welchen später die vollkommene Rekonstruierung des Kerns und Cytoplasmas bei der Teilung geschieht, finden ihre 36* 562 F. Vejdovsky & A. Mräzek: schönste Bestätigung in den äusserst interessanten und wichtigen Entdeckungen jüngster Zeit über die sog. künstliche Partheno- genese (vergl. darüber weiter unten). Es bleiben vorderhand nur die Centriolen übrig. Die- selben konnten mit Hilfe der dazu nötigen Färbungsmethoden überall nachgewiesen werden, als ständige in ihrer Grösse und Struktur stets gleichbleibende Körperchen, die die Mitte der jeweiligen Strahlungsfigur oder des Centroplasmas desselben ein- nehmen. Als nächstliegend dürfte es nun erscheinen, diejenigen Eigenschaften oder Fähigkeiten einer Reizwirkung auf das um- gebende Cytoplasma, welche bisher dem „Centrosoma“ zu- geschrieben wurden, einfach auf die Centriolen zu übertragen. Seitens einiger Autoren, nämlich derjenigen die mit dem Termin Centrosoma eigentlich nur das winzige Centralkorn, das Centriol bezeichneten, geschah dies ohnehin schon so, ja sogar Boveri sieht sich gezwungen zu erklären, dass die Centren für die Entstehung der beiden Tochtercentrosomen allem Anschein nach in den Centriolen gegeben sind, in der Weise, dass da, wo ein Tochtercentriol liegt, sich schliesslich ein neues Centrosom bildet (l.c.p 107). Für diese Auffassung dürften auch als schwerwiegend die während der Befruchtung sich abspielenden Vorgänge an- geführt werden. M. D. Hill und vornehmlich v. Kostanecki haben das Centriol Boveris als das Element angegeben, welches mit dem Sperma in das Ei gelangt und die Strahlung des Eicytoplasmas hervorruft. Auch unsere Beobachtungen führen in der letzten Instanz zu dem Resultate, dass das in Rede stehende Körperchen durch den Spermaeintritt in die Dotter- substanz bewirkt wird und wahrscheinlich einen Teil des Sperma- kopfes vorstellt, wie eingehender in dem speziellen Teil beschrieben wurde. Von seinem ersten Auftreten im Zentrum der ersten Strahlung vermag man das COentriol innerhalb des sich bildenden Centroplasma in allen nachfolgenden Stadien der Zellteilung in gleichen Gestalts-- und Funktionsverhältnissen sicherzustellen. Als allgemeine Regel in dieser Beziehung kann man die Wechsel- wirkungen zwischen dem Centriol und Centroplasma hervorheben. Solange sich das Centroplasma bildet, befindet sich das Uentriol in einem Ruhestadium; nachdem aber das erstere seine definitive (Grösse erlangt hat, verdoppelt sich das Centriol und von jetzt an fängt die Duplizität der Strahlenbildungen, der Centroplasmen . m or D af aD. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 569 und die Chromosomenteilung an. In dieser Beziehung gilt also der Satz, dass das Centriol die Zellteilung einführt. Wenn unsere vorliegenden Beobachtungen also wesentlich namentlich die Angaben v. Kostaneckis bestätigen, so müssen wir, in Anbetracht der neuesten Untersuchungen über die künstliche Parthenogenese, deren schon oben erwähnt wurde, einige Bedenken über die Centriolenhypothese erheben, wenn wir auch nicht ein grosses Gewicht auf die strittige Herkunft des Spermacentriols legen würden. Ist ja oft behauptet worden, dass bald das am Vorderende des Sperma befindliche Körperchen — das Akrosom Lenhosseks (Platner 1889, Niessing 1900, Field 1895 King 1901), bald das sog. Mittelstück, die Centroplasmen im Ei hervorrufen soll. Auch über die Art der Verdoppelung der Centriolen innerhalb der Centroplasmen ist man nicht ganz im klaren, bezüglich dessen Boveri ganz zutreffend bemerkt: „Über die dynamischen Beziehungen hierbei etwas auszusagen, ist natürlich unmöglich, besonders da wir bei der Kleinheit der Verhältnisse gar nicht wissen können, ob wir überhaupt das wesentliche sehen“ (1901, p. 117). Was nun die erwähnten Resultate der sog.. künstlichen Parthenogenese anbelangt, so müssen wir Nachfolgendes hervor- heben: Die diesbezüglichen Arbeiten, insbesondere von Morgan und Wilson, sind erschienen, als unsere Beobachtungen der normalen Vorgänge bei der Befruchtung und Teilung des Rhynchel- miseies gewissermassen abgeschlossen wurden, so dass in der vorliegenden Abhandlung auf die zahlreichen anormalen und abweichenden Stadien einzugehen nicht gedacht werden konnte. Wir werden aber in einer späteren Arbeit noch diese Stadien besprechen und auch ähnliche Figuren der Centrosphären und Spindeln anführen können, welche auf die von Morgan und Wilson erwähnten erinnern. Jedenfalls aber sind die Ergebnisse der angeführten Experi- mente sehr wichtig und bedeutungsvoll, namentlich als aus den Abbildungen hervorgeht,. dass es sehr wahrscheinlich ist, dass die. Vorgänge der Centroplasma- und Archiplasma-Bildung die- selben sind wie in den normalen Verhältnissen. Es werden centriolenartige Körperchen auch durch chemische Einwirkungen künstlich hervorgerufen und es entstehen „künstliche Astrosphären.“ Diese letzteren müssen uns umsomehr interessieren, als sie teils 564 F. Vejdovsky & A. Mräzek: auf unsere natürlichen Centrosphären erinnern, teils mit denselben sogar vollkommen übereinstimmen. Die Strahlungen entstehen um ein zentrales Korn, welches nach den Abbildungen der Autoren auf unser Centriol stark erinnert und z. B. von Wilson damit tatsächlich identifiziert wird. Dass aber doch wichtige Unterschiede zwischen der künst- lichen Parthenogenese und tatsächlicher Befruchtung mittels des Sperma bestehen, hat schon Boveri hervorgehoben, mit dessen Ausführungen wir übereinstimmen. Die Experimente der genannten Autoren scheinen zu beweisen, dass das Cytoplasma gewisser Eier durch Einwirkung gewisser Reagentien gereizt wird, wodurch Effekte in Mehrzahl hervorgerufen werden, wie bei der normalen Befruchtung in Ein- resp. Zweizahl. Es scheint uns, dass die knotenartigen „spongy Centrosomes“, welche Wilson z.B. in Fig. 36, 37, 39, ferner 70, 71, 80, 81 etc. nach ‚der Wirkung von MgÜle-Lösung abbildet, keineswegs mit unseren Oentroplasmen, um so weniger mit Centriolen, die in allen Fällen dieselbe Grösse und Beschaffenheit zeigen, übereinstimmen, und eher verdichtete Cytoplasmakörnchen vorstellen, die allerdings dieselbe Lagerung wie die echten Centriolen der normalen Befruchtung einnehmen und den Mittelpunkt der Strahlen- und Centroplasmabildung vorstellen. Doch es wäre sehr schwer zu behaupten, dass der Unter- schied zwischen den Bildern, die bei normaler Befruchtung und bei künstlicher Parthenogenese vorkommen, ein radikaler ist, und dass die Ursache dessen darin zu suchen sei, dass bei der normalen Befruchtung ein wirkliches Centriol vorkommt, welches als aktives Gebilde das hervorruft, was bei der künstlichen Befruchtung die chemischen Substanzen. Es könnte ja ähnlich wie das Centrosom so auch das Centriol selbst kein autonomes Zellorgan darstellen, sondern selbst wieder nur ein Ausdruck der Zelltätigkeit sein, und dies umsomehr, als wir durch die neuesten Untersuchungen wissen, da:s das Cytoplasma auf die chemischen Einflüsse hin zwar in einer ähnlichen, aber doch bedeutend ver- schiedenen Weise reagiert (Wasieleff), und zwar je nach der Beschaffenheit des chemischen Reizstoffes. Es können das eine Mal Strahlenfiguren entstehen ohne deutlich unterscheidbare Centriolen, das andere Mal Strahlungen, die von einem deutlichen Centriol ausgehen. Und so könnte der Gedanke auftauchen, dass Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 565 einige Substanzen auch zur Bildung von Centroplasmen mit Centriolen führen könnten und dass dies insbesondere von den- jenigen Substanzen gilt, die bei normaler Befruchtung in das Ei eindringen, oder wenigstens mit demselben in eine Berührung kommen. Oder aber wir können uns die Sache auch so vorstellen, dass das mit dem Sperma in das Ei gelangende Centriol, derart tätig ist, dass es die Plasmaansammlung bewirkt, die bei der Er sichen Parthenogenese auf ganz unregelmässige Weise auf vielen Stellen entstehen kann, bei der Befruchtung dagegen auf bestimmte Stelle lokalisiert erscheint, nämlich auf die Umgebung des Centriois selbst. Es könnte das Centriol rein mechanisch den Anstoss zu einer Strahlenbildung dienen, indem es als ein fester Punkt die Zentrierung der Radien bestimmt, oder aber da es ohnehin schon aus dichtem fertigem Protoplasma besteht, den Mittelpunkt bildet, wo sich das neue aus dem Eiinhalte sich differenzierende Cytoplasma ansammelt, ähnlich wie ein kleiner Krystall in ein Quantum Mutterlauge gebracht, Anstoss zu einem Krystallisations- prozess gibt, dessen Mitte er bildet und demzufolge rasch heranwächst. Die eben angeführten Ansichten über die wirkliche Be- deutung der Centroplasmen sind wohl geeignet, auch etwas Licht auf eine scheinbar etwas abseits liegende Frage zu werfen, nämlich auf die oft diskutierte allgemeine Verbreitung der „Centrosomen“. Speziell die bei Pflanzen vorkommenden Ver- hältnisse gaben hier Anstoss, und immer wieder wurde es ver- sucht, entweder die „Centrosomen“ hier nachzuweisen, oder ihr Vorkommen trotz der negativen Befunde plausibel zu machen, indem man sich dialektischer Mittel, wie „Kleinheit“, „Unsicht- barkeit“, „schwere Färbbarkeit“ ete., bediente. Doch jede Mühe war vergeblich und die „positiven“ Angaben z.B. Gui- gnards (die zum Teil sogar „ÜOentrenquadrille“ betrafen) er- wiesen sich als grobe Irrtümer. In richtiger Erkennung dieser Tatsache äussert sich auch Boveri (1901, p. 155) ziemlich resigniert: „Man braucht nur die Tafeln zu betrachten, die in den von Strasburger und seinen Schülern herausgegebenen cytologischen Studien enthalten sind,') um sich zu überzeugen, dass der zweipolige ') Und auch zahlreiche andere Arbeiten botanischer Autoren, wie N&mec etc., wie die Verfasser dieser Arbeit bemerken möchten. 566 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Fadenapparat, der die geregelte Verteilung der Chromosomen leitet, in gewissen Zellen ohne Öentrosomen, ja, ohne etwas irgend damit Vergleich- bares, in einer fundamental anderen Weise, entsteht.“ Da die ‚„‚Centrosomen“ nur passiver Ausdruck der Zell- tätigkeit sind, die zur Bildung der jeweilig zur Entwicklung resp. Zellteilung nötigen Menge des Bildungsplasmas vorstellen, so erscheint es keineswegs notwendig, das Vorkommen von solchen Bildungen überall zu postulieren, da es immerhin möglich ist, dass eine solche Ansammlung von Protoplasma (Kinoplasma) bereits vorhanden ist (z. B. in Form einseitiger Kernkappen), oder auf ganz andere Weise (polyzentrisch) zustande kommen kann, wie es eben die positiven Angaben verlässlicher Botaniker, die anzuzweifeln kein genügender Grund vorliegt, beweisen. Konnte also dem oben angeführten Satze Boveris beigepflichtet werden, so ist dem nicht so bei dem gleich weiter foigenden Passus: „Auch hierbei sind also die Centrosomen nichts überhaupt Un- erlässliches, sondern offenbar nur das beste Mittel, um die Bipolarität der Teilungsfigur in einfachster und exaktester Weise herzustellen und die Kernteilung räumlich und zeitlich aufs Genaueste mit der Zellteilung zu verbinden. Ich möchte sagen: die Teilung mit Centrosomen ist die eleganteste Lösung einer Aufgabe, die auch auf andere, und wohl mehr- fach andere, Weise gelöst werden kann.“ Es ist damit ausgesprochen, dass den Centrosomen wesent- lich eine regulatorische Einwirkung auf den Gang der Zell- teilung zukommt, aber das ist noch lange nicht erwiesen. Boveri hat zwar versucht, dies zu beweisen und die Anschauung zu bekämpfen, zu welcher wir uns in der vorliegenden Arbeit bekennen, nämlich, dass der Umbildungskreis (wir möchten lieber sagen Neubildung) der „Centrosomen“ nur eine Wiederspiegelung eyklischer Vorgänge ist, die sich primär in der Zellsubstanz überhaupt abspielen, aber es ist ihm dies nur teilweise gelungen. Bewiesen ist nur die Unabhängigkeit des Kreislaufes der Centro- plasmen von dem Kern, aber nicht die regulatorische Tätigkeit der letzteren. Im Vorhergehenden haben wir endlich auch eine Frage be- rührt, die noch offen steht, nämlich das Verhältnis der Centro- plasmen zum Kern. Es ist z. B. die Ansicht R. Hertwigs (und natürlich auch einiger seiner Schüler), dass das „ÜCentrosom“ — es ist fraglich, ob nur das Centriol gemeint wird — weiter nichts anderes sei, als ein Teil des Kernes, als eine aus dem Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 567 Kern in den Zellleib heraustretende Substanz (ein „Kügelchen‘), die den Reizanstoss zur Bildung der plasmatischen Strukturen gibt, resp. durch seine Veränderung dieselbe produziert. Hert- wig hat selbst sehr viele Tatsachen namhaft gemacht, welche für seine Anschauung zu sprechen scheinen, hauptsächlich auch eine Fülle seiner eigenen ausgezeichneten Beobachtungen an Protozoen dazu verwertet. Wir werden und können hier nicht auf alle diesbezüglichen Angaben eingehen und nehmen sie einst- weilen einfach als gegeben an, doch auch so hat die Lehre ihre schwachen Seiten; sie ist nur möglich unter der Voraussetzung, dass das „Centrosoma‘ ein dynamisches Zentrum ist, und mit diesem Resultat steht und fällt die ganze Lehre. Sobald man aber zugibt, dass das „Centrosom‘“ nur als eine Folge und nicht Ursache von Plasmaansammlung zu betrachten ist, so steht die Möglichkeit offen, dass der Herd dieser Plasmabildung einmal weit vom Kern, das andere Mai in nächster Umgebung des Kernes, ja, sogar im Kerne selbst (z. B. Protozoen) entstehen kann. Wenn wir aber auf die obige Weise das Zustandekommen von ÜÖentrosomen, resp. Centrosphären, überhaupt erklären, so kann immerhin doch der Gedanke aufkommen, dass die chemische Substanz, welche das Ei, resp. die Zelle, zur Ansammlung des Hyaloplasma mittels der Strahlen in bestimmten Punkten reizt, aus dem Kerne stammt. Aber die Unabhängigkeit der Centro- sphärenbildung von dem Kern ist schon, wie bereits oben bemerkt wurde, von Boveri nachgewiesen und geht auch sehr schön aus den neuesten Untersuchungen Morgans und Wilsons hervor, wonach auch in kernlosen Stücken zertrümmerter Eier Centrosphären gebildet werden. Solche unliebsame Tatsachen sucht nun ein Schüler Hertwigs, Wasilieff, so wegzudis- putieren, dass er die Vermutung ausspricht, dass bei der durch Schütteln ausgeführten Fragmentierung der Eier die Kerne schwerlich unverletzt blieben und wohl ein Teil des Kerninhaltes in das Protoplasma übergetreten ist, welcher eben die bezüg- lichen Protoplasmastrahlungen hervorruft. Noch kühner scheint uns folgender Passus zu sein: „Auch in unverletzten Eiern fanden Wilson und Morgan Cytaster, Strahlungen im Protoplasma, die mit dem Kern nicht in Zu- sammenhang standen. Es ist aber hier denkbar, dass dieselben ursprüng- lich mit dem Kern zusammenhängen.“ (br (ep) R F. Vejdovsky & A. Mräzek: Aber gänzlich unvereinbar mit dieser Erklärung sind die von uns in der vorliegenden Arbeit dargestellten Verhältnisse der Entstehungsweise der neuen Centrosphären. Diese beweisen aufs deutlichste, dass das Auftreten von Strahlungen, Bildung von Centroplasmen etc. in einigen speziellen Fällen weit vom Kerne, von diesem dazu noch durch die alten Tochtercentro- plasmen und ihren dichten Archiplasmamanteln getrennt, statt- findet und mit dem Kern absolut nichts gemein hat, sodass kein Grund vorliegt, um in anderen Fällen, wo die Strahlenbildung zufälligerweise in der nächsten Umgebung des Kernes auf- tritt, dieselbe gleich mit der Tätigkeit des Kernes in ursäch- lichen Zusammenhang zu bringen. Das soeben Gesagte erhellt sofort aus einer Betrachtung einiger unserer Figuren, z. B. 49—51, es müsste denn die vermeintlich aus dem Kern heraus- getretene Substanz sich im ganzen Ei verbreiten und Fähigkeit besitzen, nur intermittierend, periodisch (dreimal nacheinander in jeder Zellgeneration) die Eisubstanz anzureizen. Damit wird aber die Sache ad absurdum geführt. Über das Wesen der Befruchtung wird neuerdings vielfach diskutiert und sind verschiedene Theorien, namentlich von R.Hertwig, Th.Boveri, Wilson, v.Kostanecki etc. einer eingehenden Kritik unterzogen worden. Bisher ist die zuerst!) von einem von uns (Vejdovsky) aufgestellte Lehre von den meisten anerkannt worden, nach welcher die Befruchtung durch die Einführung einer dem Ei fehlenden Teilungsorganelle (des !) Die Teilnahme eines von uns an der Befruchtungslehre ist mit einigen wenigen Ausnahmen auch in der allerjüngsten Zeit ignoriert worden. So z. B. wird bei Wilson (1901), R. Hertwig (1902) und selbst bei Boveri (1902) nur der letztgenannte Autor angeführt, der nach diesen Angaben zuerst die Befruchtung in der angegebenen Richtung definiert haben soll. Und doch unterscheidet sich sein Satz von der Lehre eines von uns nur durch den Namen des Befruchtungselementes, „Periplast‘‘ auf der einen, „Centrosom“ auf der anderen Seite. Vejdovsky bespricht diesen Satz auf mehreren Stellen seiner Schrift und schliesst seine Auffassung mit nach- folgender Definition ab (l. c. p. 157): ‚Meine Auffassung des Befruchtungs- vorganges lautet also dahin, dass während der Polzellenbildung das teilende Element — der Periplast — aus dem Eie fast spurlos eliminiert wird und demnach durch das Spermaplasma in Form eines neuen, energisch sich teilenden Periplastes ersetzt werden muss.“ Dabei wird aber noch die Ver- einigung der Geschlechtskerne postuliert. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 56% Periplastes) stattfindet. Diese Lehre ist später und unabhängig auch von Boveri aufgestellt worden, welcher bekanntlich das Teilungselement als ‚„Centrosom“ bezeichnet. Wir haben in der vorliegenden Schrift die Bezeichnung Periplast überhaupt aufgegeben und sonst nachgewiesen, dass es nur das Gebilde, welches Vejdovsky als „Enkelperiplast“ be- zeichnet, „das befruchtende‘‘ Element darstellt, welches mit dem Centriol übereinstimmt. Aus demselben Grunde kann auch das „Centrosom“ Boveris nicht weiter als das Körperchen anerkannt werden, welches das Ei befruchtet und dessen Teilung einführt. Aber einer von uns hat die Befruchtung noch im weiteren Sinne aufgefasst, indem er in diesem Vorgange noch die Verschmelzung der Geschlechtskerne postulierte und dies auf Grund der Tat- sache, dass sich das Ei nicht früher teilt, als die beiden Pro- nuclei sich zu einem „Furchungskern‘“ vereinigt haben. Nach dem jetzigen Stande der Frage und nach den vor- liegenden Beobachtungen ist der Befruchtungsvorgang als eine Reihe der nacheinanderfolgenden Vorgänge zu verstehen, welche in der Eisubstanz besondere auffallende Veränderungen hervor- rufen. Den ganzen Akt kann man zunächst auf ein Vorbereitungs- stadium der Besamung und auf die eigentliche Befruchtung zurückführen. Durch den ersten Vorgang wird das Sperma mit dem Centriol in das Eiinnere einge- führt, durch den anderen werden iin der Eisubstanz Veränderungen hervorgerufen, die zur Umgestal- tung derselben zum Bildungsplasma führen. In der letzten Instanz kommt es zur Vereinigung der Ge- schlechtskerne. Nach den äusseren Erscheinungen, welche die beiden ersten Phasen begleiten, ist es gewiss, dass hier eine chemische Sub- stanz des Spermakopfes auf die Eisubstanz einwirkt. Und nach- dem die Veränderungen bereits bei der ersten Berührung des Sperma mit der Alveolarschicht des Eies stattfinden, d. h. die Bildung des Besamungskegels, muss schon in der Spermaspitze eine Plasmaqualität vorhanden sein, welche eben diese Bildungen hervorruft. Es ist nun möglich, wie auch von Foot und Strobell ver- treten wird, dass diese chemische Substanz in dem Akrosom (Lenhosseks) vorhanden ist. Zwar ist es uns nicht gelungen, 570 F. Vejdovsky & A. Mräzek: dieses Körperchen in der Spermaspitze von Rhynchelmis nachzu- weisen, es ist aber möglich, dass schon das Plasma dieser Spitze die Eisubstanz in derWeise chemisch erregen kann, dass die letztere die beschriebene Leitbahn für das Sperma herzustellen vermag. Wenn also der Vorbereitungsprozess, den wir als Besamung bezeichnet haben, für die Befruchtung lediglich aus der chemi- schen Einwirkung des Spermaplasmas erklärlich ist, so muss man aus demselben Grunde auch die eigentliche Befruchtung des Eies auf eine physikalisch-chemische Wirkung des Spermas zurückführen und wir schliessen uns in dieser Beziehung den ähnlich lautenden Ansichten namentlich von Loeb und Wilson an. Dass der Spermakern nicht der Träger einer solchen chemischen Substanz ist, welche die Umbildung der Eisubstanz hervorrufen könnte, beweist der Umstand, dass sich das Eiplasma in der Umgebung des Spermakernes ganz passiv verhält, d. h. die Strahlenbildung nicht hervorruft, welche Funktion nur dem äusserst kleinen Körperchen zufällt, das wir als Centriol be- zeichnet haben. Es ist dies offenbar ein Teil des Spermakopfes, das sich zu seiner Tätigkeit erst nachträglich differenziert, da uns an isolierten freien Spermatozoen von Rhynchelmis die Centriolen und sonstige Körperchen zu sicherstellen nicht gelang. Da aber das Centriol ähnlich auf das Eiplasma einwirkt, wie die Spermaspitze auf die Alveolarschicht, wird man schliessen müssen dass die reizerregenden Substanzen des Spermas von gleicher Qualität sind. Der äussere Effekt, den die Spermaspitze einer- seits und das Centriol andererseits hervorrufen, ist dahin zu suchen, . dass der Wirkungskreis des letzteren allseitig ist, während die Wirkung der Spermaspitze sich sozusagen auf einen Punkt der Eiperipherie beschränkt. Das Centriol als morphologisches Gebilde ist nicht näher zu definieren; höchstens dürfte es sich künftig herausstellen, dass es einen Teil des Spermakernes, solange der letztere noch seine fädige Gestalt behält, darstellt; zu einer solchen Deutung fehlen uns aber bisher genügende Beweisgründe. Entschieden aber ist die chemische Qualität des Centriols spezifisch, sie ist eine andere als die des Spermakernes, schon deshalb, dass dieser selbst keine besonderen Veränderungen in der Eisubstanz hervor- ruft, obwohl er zu bedeutender Grösse heranwächst. Die Folgen der Befruchtung müssen sich in der morpho- logischen Veränderung der Eisubstanz manifestieren und wir be- Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 571 zeichnen diese Folgen als Umbildung des Eiplasmas. Ohne eine solche Umordnung und Umbildung des Cytoplasmas im allgemeinen ist die Befruchtung und die Entwicklung überhaupt undenkbar, denn dieser in seinen Folgen als Zellteilung sich ab- schliessende Akt setzt das vorangehende Wachstum und die nachfolgende Teilung des Centriols, sowie des durch die Um- bildung hervorgegangenen Centroplasmas voraus. Einer von uns hat schon vor Jahren die Strukturen der Centroplasmen, damals als Periplast bezeichnet, auf tie „Er- nährung, Assimilation und Wachstum“ zurückgeführt. Derzeit begnügen wir uns, diese Vorgänge, welche sich bei den Strahlen- figuren abspielen, als Plasma-Umbildung zu bezeichnen. Tat- sächlich dürfen wir nicht bloss von einer Umordnung des Hyalo- plasma reden, sondern diese Vorgänge eher auf chemische Veränderungen zurückführen, die wir eben als Umbildung aus- drücken. Schon bei der Beobachtung im lebenden Zustande, die einer von uns (Vejdovsky 1892) vor Jahren bei der Furchung, bezw. bei der Bildung der Urteloblasten, einer sehr günstigen Lumbrieiden-Art Allolobophora putris, ferner in den be- fruchteten Eiern von Gordius tolosanus angestellt hatte, und wie auch Boveri für die Blastomeren von Ascaris in lebendem Zustande übereinstimmend angibt, kann man sich sehr leicht überzeugen, dass die Centroplasmen sich physikalisch, d. h. durch ihre äussere Beschaffenheit, von dem umliegenden Cyto- plasma wesentlich unterscheiden. Die Substanz der Üentro- plasmen ist nämlich während ihrer Entstehung glänzend, licht- brechend und sehr durchsichtig, und dieselben Bilder erhalten wir auch auf Schnittserien, welche bisher nicht gefärbt worden waren. Durch diese Beschaffenheit tritt das Centroplasma von der umliegenden Eisubstanz sehr scharf hervor. Erst in den späteren Stadien der Umbildung des peripheren Centroplasma zum Archiplasma, d. h. während der inneren Strahlenbildung um das Centriol, verliert es diese spezifische Beschaffenheit und gleicht dem gewöhnlichen Bildungsplasma. Es ist demnach klar, dass das Hyaloplasma, welches mittels der Strahlen sich in dem Centroplasma konzentrierte, eine physikalische und vielleicht auch chemische Umwandlung durchmacht und dieser Prozess dauert offenbar bis zur Anlage des neuen Tochtercentroplasmas, d.h. während der ganzen Wachstumsperiode des Centroplasmas. 372 F. Vejdovsky & A. Mräzek: Literaturverzeichnis. Behrens, G., 1898: Die Reifung und Befruchtung des Forelleneies. Anat. Hefte, Bd.X. Boveri, Th., 1901: Zellen-Studien. IV. Über die Natur der Centrosomen. Jenaische Zeitschrift, Bd. XXXV. — 1901: Die Polarität von Ovoceyte, Ei und Larve des Strongylocentrotus lividus. Zool. Jahrb., XIV. Bd., 4. 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Ein Teil der Peripherie eines frisch abgelegten Eies; w = die peri- phere Alveolarschicht, x = dichte protoplasmatische Randschicht, =" Dotter. Junges Ovarialei von Potamothrix moldaviensis Vejd. und Mräz. 3—8. Einwirkung der Spermatozoen auf die Eiperipherie bei Poly- spermie. An jeder Berührungsstelle entsteht ein Besamungskegel, der jedoch oft ganz rudimentär bleibt Die Figg. 3—6 stellen die ersten Anfänge der Quellung der Alveolarschicht und die Vertiefung der Randplasmaschicht infolge der Spermaeinbohrung in das Ei vor. Die Figg. 7 und 8 veranschaulichen die Bildung einer flüssigen Substanz innerhalb der Besamungskegel und die Ver- diekung der äusseren Alveolarschicht. 9—10. Tellerförmige Besamungskegel mit Spermafäden. 11—13. Schliessliche Ausbildung der schlauchförmigen Besamungskegel . 14 la: 24. mit der extremen Wucherung der Alveolarschicht. Das Sperma hat bereits die Randplasmakappe durchgebrochen und ragt in den Dotter hinein. Querschnitt etwa durch die Mitte eines schlauchförmigen Be- samungskegels mit inneren kleinen und grossen äusseren Alveolen Querschnitt durch das innere Ende des Kegels (dieselbe Schnitt- serie), die Endkappe, sowie das im Dotter freiliegende Sperma treffend. . Anormaler, rudimentärer Besamungskegel, in welchem sich der Spermakopf frühzeitig vom Spermaschwanz getrennt und bereits zum kleinen Spermakern sich umgebildet hat. . Erste Reifungsspindel aus dem noch im Innern des Wurmes befind- lichen Eie, . Dieselbe zur Oberfläche emporgestiegen, kurz vor der Abschnürung der ersten Polzelle. . Zweite Reifungsspindel. Die erste Polzelle noch mit dem Ei zu- sammenhängend, . Die ausgestossene erste Polzelle und tonnenförmiger Kern. . Die erste Strahlenbildung und Plasmaansammlung um den Sperma- kopf. Daneben ist noch ein Überbleibsel (bk) des Befruchtungkegels sichtbar. ig. 22—23. Die erste Strahlenbildung und Plasmaansammlung um den Spermakopf nach zwei hintereinander folgenden Schnitten. Jugendliches Centroplasma mit dem Centriol und Spermakern inner- halb einer Scheide. 25—27. Drei aufeinander folgende Schnitte eines ähnlichen Stadiums, wie das in der vorigen Figur dargestellte. 37*+ Fig. Fig. Fig. Fig. .. 28. al: ig. 35. . 38. 39, 40. 41. 42, 43. a. 44. F. Vejdovsky & A. Mräzek: Centrosphäre mit dem männlichen, maulbeerförmigen Pronukleus (spk) in einer spindelförmigen Hülle (sd). pp = deutliches Archi- plasma rings um das Üentroplasma. . 23-30. Ähnliche Stadien mit alveolärem Centroplasma und peripherem Archiplasma. Der erste Anfang des Aufblähens der das Centroplasma zusammen- setzenden Alveolen. Eine solche Centrosphäre ist schwer zu kon- servieren und es entstehen sehr leicht, wie in unserer Figur, Schrumpfungserscheinungen. . Anschnitt eines stark vergrösserten Centreplasmas mit der spindel- förmigen Hülle (sd), in welcher der Spermakern (spk) liegt. . Um die verdoppelten Centriolen innerhalb des Centroplasmas zeigt sich bereits eine neue deutliche Strahlung. sp = Pronukleus &. (Nicht ganz gut konserviertes Ei.) . Teil eines meridionalen Schnittes durch die obere Hälfte des Eies nach vollbrachter zweiter Reifungsteilung (rp = Rest der Spindel). Der weibliche Pronukleus (ek) mit’seinem ihm kometenschwanzartig anhängenden Protoplasmahof bewegt sich gegen den & Pronukleus. Annäherung der Pronuklei und weitere Entwicklung der achro- matischen Figur. rp. = Rest der Prüfungsspindel; ek = Eikern; spk —= Spermakern; cp = Muttercentroplasma; cp‘ = Tochter- centroplasma. (Dieselbe Vergröss. wie Fig. 34). . Geschlechtskerne mit den polaren Muttercentroplasmen (cp), in welchen die Tochtercentroplasmen (cp‘) sich anlegen. . Ein wenig jüngeres Stadium, in welchem die Geschlechtskerne noch selbständig sind Erste Furchungsspindel (normal). Dieselbe, weiter entwickelt; rechts mit einer Centroplasma - Pro- tuberanz. Die früheren Mikrosomenknötchen auf der Peripherie der Centroplasmen haben sich zur dichten Plasmastrahlung umgebildet. Figg. 38 und 39 sind bei viel schwächeren Vergrösserungen ge- zeichnet als Fig. 36. Ein wenig älteres Stadium mit vergrösserten Centroplasmen, die sich zu mächtigen Protuberanzen ausgebuchtet haben, an welche letzteren die Polen der Kernspindel inserieren. Kernspindel mit ungleichartig gebildeten polaren Centroplasmen. Die mächtige rechtseitige Protuberanz des Centroplasma. Dieselbe Vergrösserung wie z. B. die Fig. 36. Alveoläre Struktur des Archiplasmas, Eines der polaren Centroplasmen zur Zeit der grössten Entfaltung, wobei die frühere Protuberanz zu einem schlanken Lappen aus- gezogen ist, in welchem der sich rekonstruierende Kern liegt. Innerhalb des Centroplasmas bilden sich neue Strahlen und inserieren direkt an das Centriol. Das periphere Archiplasma besteht aus der dichteren inneren (umgebildete Mikrosomenknötchen) und radiären äusseren Schicht. Erstes Stadium der Verdoppelung des Centriols, wobei sich die sogen. Oentralspindel gebildet hat. Umbildung des Cytoplasma während der Befruchtung und Zellteilung. 579 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ‚Fig. Fig. Fig. Fig. > Fig. > Fig. . 82. . 46. . 4. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. Furchungsspindel mit ungleich ausgebildeten Centroplasmen und deren Protuberanzen. Ähnliche Teilungsfigur. Fertige zweite Furchungsspindel (wird aus der Fig. 51 gebildet). Endphase der ersten Teilungsfigur. Die Centroplasmen mit den Archiplasmen noch vollkommen erhalten, die eigentliche Spindel in Rückbildung begriffen. Die aus Karyomeren bestehenden Kerne sind in die Centroplasmen eingedrungen. Um die Centriolen herum bildet sich ein neues, kleines Tochtercentroplasma. Etwas älteres Stadium, wo die Zweiteilung des Eies schon be- deutend vorgeschritten ist. Zweiteilung der Tochtercentrosphären innerhalb der alten schon umgeformten Centroplasmen. (Rechts ist nur eine Hälfte der Tochterfigur getroffen.) Vollbrachte Teilung der ersten Blastomeren. Zwischenkörper deutlich sichtbar. Um die Centriolen herum entstehen neue Strahlungen. Die höchste Entfaltung der Tochtercentrosphären in einem der beiden ersten Blastomeren, von einem stark tingierten Archiplasma- mantel umgeben. Innerhalb eines jeden Centroplasmas liegt wieder ein bedeutend grosses Enkelcentroplasma mit schöner Strahlung. Ähnliches Stadium wie das in Fig. 48 abgebildete, jedoch mit früh- zeitig geteilten Tochtercentrosphären (vergl. im Text Seite 526). Nur in dem unteren alten Centroplasma liegen beide neuen Centro- shären zugleich in der Ebene des Schnittes. Ähnliche Figur wie die in Fig.51 abgebildete, aber aus dem Stadium von 4. Blastomeren im mittleren Querschnitt. Teil eines Schnittes derselben Serie wie Fig. 53, aber zwei Schnitte weiter, mit dem innersten Enkelcentroplasma und aus dichtem Protoplasma bestehenden Tochtercentroplasma. Kernteilungsfigur in den grossen, dotterreichen Hypoblastzellen, den Figuren der efsten Furchungsteilungen noch vollkommen ent- sprechend. Entstehungsweise der Enkelcentrosphären innerhalb des Mutter- centroplasmas in eine grossen Mesomer. Eine kleine Zelle des Telostichen. Das alte Centroplasma nur noch als ein heller Hof, in welchem sich die Tochter-, resp. Enkelcentro- plasmen gebildet haben, sichtbar. 58-60. Drei Stadien des Centroplasmen-Wachstums und deren sich 61. 62. 63. 64. Entfernen vom Kern in der Prophase der Kernteilung. Beginn der Herausbildung der Kernspindel, Schrumpfen desKernes. Vier Zellen eines Telostichen mit den in Bildung begriffenen Kern- teilungsfiguren. (b und c bilden direkte Fortsetzung der Fig. 61.) Spindelfigur in einem grossen Mesomer. Dieselbe kurz vor der Abschnürung einer Zelle des Meso- blaststreifens. (db) | an oO Über die Blutzirkulation in der Milz. Von Prof. Dr. J. Janosik, Vorstand des anatom. Institutes der k. k. böhmischen Universität in Prag.') Hierzu Tafel XXV. Wie aus den neuesten Publikationen von Weidenreich,?) Helly?’) und Dominici*) hervorgeht, ist die Blutzirkulation in der Milz noch nicht genügend aufgeklärt. Auch ich habe mich mit dieser Frage näher beschäftigt und will darüber folgendes mitteilen. In meinem Lehrbuche der Histologie?) habe ich die Kreislaufverhältnisse etwa folgendermassen geschildert: Wenn man die Milz von der Arteria lienalis her und zwar bei einem möglichst niedrigen Drucke injiziert, so kann man aan zahlreichen Stellen einen direkten Übergang der kleinen Arterien, welche insgesamt Endarterien sind, in kleine Venen nachweisen. Um die Malpighischen Körperchen herum findet man fast immer Extravasate. Wenn man sich nur des Berlinerblaus ohne Zusatz irgend einer Leimmasse bedient, so sind die Fxtravasate spärlicher .und bei der Katze finde ich so ausgedehnte zusammenhängende Netze von wohlbegrenzten und zwar mit Endothel ausgekleideten Bahnen, dass man an ein vollständig geschlossenes Blutzirkulationssystem in der Milz im Sinne von Sokoloff®) denken kann. Dieser Forscher hat beim Hund und Kaninchen gefunden, dass der Blutstrom von den Arterien in geschlossenen, mit Endothel aus- gekleideten Lakunen in die weiten Anfänge der Venen seine Richtung nimmt. Es genügt aber nach Sokoloff nur ein leichter Grad von Hyperaemie, um die Diapedesis der Blut- körperchen in die Pulpa zu bewerkstelligen. ı) Auszug aus den „Rozpravy“ der böhm. Kaiser Franz Josef- Akademie. 1903. ®) Weidenreich: Das Gefässsystem d. menschl. Milz. Arch. für mikr. Anat. Vol. 58. 1901. ®) Helly: Die Blutbahnen der Milz ete. Arch. für mikr. Anat. Vol. 61. 1902. *) Dominiei: Sur l’histol. de la rate etc. Arch. de medicine exper. 1901. °), Janosik: Histologie a mikr. anatomie. 1892. 6) Sokoloff: Über die venöse Hyperaemie d. Milz. Virch. Arch. Vol. 112. 1888. Über die Blutzirkulation in der Milz. 581 Hoyer!) ist um dieselbe Zeit für offene Blutbahnen in der Milzpulpa eingetreten. In dem russischen Lehrbuche der mikroskopischen Anatomie, herausgegeben 1855 von Owsjanikow und Lavdowsky behandelt Hoyer das Kapitel über die Milz und beschreibt auch hier offene Bahnen für das Blut zwischen den Enden der Arterien und den Venenanfängen etwa im Sinne von Müller?). Es ist aber zu bemerken, dass Lavdowsky in einem beigefügten Zusatze auf Grund der Präparate von Hoyer selbst eine geschlossene Blutbahn vertritt. Nachdem die Arbeit Hellys erschienen ist, habe ich neue Untersuchungen unternommen und habe dazu Milzen benutzt, welche entweder ganz intakt waren, oder welche einer ver- schiedenen Vorbehandlung unterzogen wurden?). Injiziert man von der Milzarterie oder von der Aorta her eine normale, nicht oder nur mässig geschwellte Milz (untersucht wurden in dieser Richtung Milzen vom Kind, erwachsenen Menschen, Katze, Hund, Ziesel, weisse Ratte) mit wässerigem Berlinerblau bei einem mässigen Drucke, so bekommt man die Arterien injiziert bis in die feinsten Aeste, wenigstens an einzelnen Stellen. In der Milzpulpa findet man ganze Netze von weiten, mit Endothel ausgekleideten Räumen, welche nur ganz mässig mit der Injektionsmasse gefüllt sind. Stellenweise findet man aber auch geronnenes Blut, in welches hie und da auch die Injektionsmasse auf kleinere oder weitere Strecken eingedrungen ist. Diese sinusartigen Räume stehen überall mit weiten Venen- anfängen in Verbindung, welche wieder in jenen Milzen, bei denen das Trabeklsystem stärker entwickelt ist, auf kürzestem Wege in einen benachbarten Trabekl eintreten. Auch noch hier in den Trabekln ist die Wandung der Venen sehr dünn. In jenen Milzen, in denen das Trabeklsystem schwach entwickelt ist, legen sich die bereits weiten Venen den Trabekln an, um näher dem Hilus ebenfalls in dieselben einzutreten. Was nun das Netz der breiten sinuösen Blutbahnen an- belangt, so kann man dasselbe viel leichter von den Venen, oder ı) Hoyer: Über Injektion der Milzgef. etc. Internat. Monatschr. Vol. 4. 1887. ») Müller, in Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben. 1871. ?) Diese Milzen wurden mir aus dem Institute des Herrn Hofrates Spina durch die Gefälligkeit des Herrn Doc Dr. Velich zugestellt. 582 J. Janosik: auch nur durch Einstichsinjektion füllen, ohne dass bei einiger- massen vorsichtigem Vorgehen grössere Extravasate zustande kommen. Gerade solche Präparate sind sehr geeignet, einen Jeden von typischen, geschlossenen Blutbahnen zu überzeugen. Man kann an solchen Präparaten überdies konstatieren, dass die Netze der nur durch Endothel ausgekleideten Blutbahnen in der Umgebung der Milzkörperchen (Malpighischen Körperchen) be- deutend dichter und die Blutbahnen enger sind, als an anderen Stellen der Pulpa, und so ist es auch näher der Oberfläche des Örganes; nur sind hier die Maschen des Netzes etwas mehr in die Länge gezogen, als es in der Umgebung der Milzkörperchen der Fall ist. Bei diesen beiden Methoden (Injektion von den Venen oder Einstichinjektion) gelangte in keinem Falle die Injektionsmasse in die Arterien. Es sind mir solche Injektionen fast vollkommen gelungen, ohne dass ich je eine Spur der Masse in den Arterien gefunden hätte. Die Injektion von den Venen oder durch Einstich ist mir sowohl bei normalen wie auch an stark kontrahierten Milzen (vorheriges Einspritzen von Neben- nierenextrakt) gelungen. Thoma’) bearbeitete mit Injektionsmethoden haupt- sächlich die Hundemilz und er findet, dass die Endabschnitte der Arterien in erweiterte Ampullen im Sinne von Golz übergehen, welche ihrerseits erst in die Venenplexus ein- münden. Er äussert sich aber weiter bei der Besprechung der „Verbindungsstücke“, wie er die kurzen Röhrchen, welche die Einmündung aus den Ampullen in die Venenplexus bewerk- stelligen, nach Vorgang anderer Autoren nennt, in dem Sinne, als wäre dieses Verhältnis das einzige, welches bei der Ver- bindung der Arterien und Venen in der Milz zur Geltung kommt, die Umgebung der corpuscula lienis ausgenommen. Thoma bemerkt zwar, dass auch an gut gelungenen Injektionen es häufig nicht möglich ist, diese „Verbindungsstücke“ nach- zuweisen und er trachtet dieses Verhalten näher zu erklären, indem er unter anderem angibt, dass die Injektionsmasse aus diesen Verbindungsstücken bei einer kontrahierten Milz wieder ausgepresst wurde, nachdem dieselbe durch diese Verbindungs- stücke bereits in die Venenplexus eingedrungen war. Dieses 2 Thoma: Über Blutgef. d. Milz. Arch. f. Anat. u. Physiolog. (anatom. Abth.). 1899. Über die Blutzirkulation in der Milz. 583 Verschwinden der Injektionsmasse aus den Verbindungsstücken kann nach Thoma durch Abknickung derselben erklärlich sein, oder es kann dieses Verhältnis auch das Eindringen der In- jektionsmasse in die Venenplexus vereiteln. Schliesslich kann das Ausbleiben der Injektion auch dadurch verschuldet sein, dass an diesen Stücken befindliche, zirkular gelagerte Zellen Muskel- zellen sind, welche durch ihr Zusammenziehen die Durchgängig- keit erschweren oder gänzlich hemmen. Dazu kann ich aus meinen Erfahrungen folgendes mit- teilen: An den meisten Stellen findet man wirklich solche Ver- hältnisse, aber man kann auch Stellen antreffen, wo eine Arterie, nachdem sie ihre starke Media verloren hat, direkt in die sinuösen Plexus einmündet. Aber auch an jenen Stellen, wo das Einmünden in der von Thoma beschriebenen Art und Weise vor sich geht, trifft man im Detail nicht immer dieselben Ver- hältnisse. Das häufigste ist, dass, nachdem ein arterielles Stämmchen bereits peripher von jener Stelle, welche durch eine stärkere Einlagerung in adenoide Gewebsscheide gekennzeichnet ist, eine Strecke weit in der Pulpa verlaufen ist, dasselbe ziem- lich schnell und gleichmässig seine Media verliert, sich in einige (3—4) Äste teilt, welche ihrerseits in die erweiterten Ampullen übergehen. Die Wand eines solchen arteriellen Stämmchens ist sehr muskulös, und zwar sind die glatten Muskelfasern hier bei weitem zahlreicher als an entsprechend grossen Arterien anderer Organe, ja sie sind an diesem frei in der Pulpa ver- laufenden Stücke mächtiger als an der Stelle der Einlagerung in die Scheiden des adenoiden Gewebes. Die Wand der Ampullen lässt nur hie und da eine glatte Muskelfaser erkennen, bald aber verschwinden diese völlig, und nun ist die Gefässwand nur durch Endothelien gebildet und bleibt so auch in den „Ver- bindungsstücken“, sowie auch in den sinuösen Geflechten, welche in die breiten Venenanfänge alsbald einmünden. In anderen Fällen lassen die bereits schwach gewordenen, aber immer noch mit einer starken Media ausgestalteten Arterien, eine Unregelmässigkeit in der Anordnung der Muskelzellen er- kennen. Diese sind nämlich von Stelle zu Stelle stärker vertreten und zwischen diesen stärkeren Ringen wechseln Stellen ab, an denen die Muskelzellen nur spärlich vorhanden sind. Am deut- lichsten kann man diese Verhältnisse an injizierten Objekten 584 J. JanoSik: demonstrieren, da diese Arterienstämmehen von Stelle zu Stelle rosenkranzartig erweitert erscheinen. Mitunter ist es möglich, an solchen Arterienstämmchen schon Extravasate in der Milzpulpa zu beobachten, welche man sich leicht erklären kann, wenn man bedenkt, dass die Injektionsmasse, wenn man auch nur bei einem niedrigen Drucke injiziert, durch die Kontraktion der Arterien- wand selbst gegen den auch noch kontrahierten weiter peripher gelegenen Arterienabschnitt gepresst wird. Da entsteht an solchen Stellen, wo die Media nur aus einigen, weit von einander gelegenen Muskelzellen gebildet wird, leicht eine Zerreissung der Intima. Dieses ist leicht erklärlich, besonders wenn man be- achtet, dass die EBlastica in diesen kleinen Arterien im Ver- hältnis zu der Stärke der Media ziemlich schwach ist. Ein ebenfalls abweichendes Verhalten zeigen jene End- arterien, welche nahe der Oberfläche der Milz verlaufen; einige dieser Arterien münden, nachdem ihre Wand langsam alle Muskulatur verloren hat, geradezu direkt in die Venenanfänge, ohne dass sinuöse Netze die Verbindung herstellen. Je mehr gegen die Oberfläche des Organes, desto enger sind auch die sinuösen Gefässnetze selbst. Man kann sich endlich an injizierten Objekten leicht über- zeugen, dass überall in der Milzpulpa die kleinen Arterien durch Vermittelung nur einer Ampulle ohne irgend ein Verbindungs- stück in die sinuösen Gefässräume einmünden. Aus dem Baue der Arterienwand, welche auch in den feinsten Zweigen eine mächtige Muskellage in der Media besitzt, ist es nun leicht verständlich, dass sich der Injektion der Milz von den Arterien her grosse Widerstände entgegenstellen, denn der Injektionsdruck hat die Kontraktion der Gefässwand zu überwinden. Es gelangt somit bei der Anwendung eines mässigen Druckes besonders von der Aorta her, fast gar keine Injektions- masse in die Milz, wenn dieselbe auch nur mässig kontrahiert ist. Ist aber die Injektionsmasse doch in die kleinen arteriellen Stämmchen hinein gelangt, dann wird dieselbe eben durch die Muskulatur der Media von den stärkeren Arterien, gegen die Endäste getrieben, kommt hier unter einen höheren Druck, welcher geeignet ist, wie eben angeführt, die Gefässwand be- sonders an jenen Stellen zu zersprengen, an denen eben die Muskulatur der Media fehlt, oder an denen dieselbe nicht mehr Über die Blutzirkulation in der Milz. 585 eine kontinuirliche Schichte bildet. Man findet somit sehr leicht Extravasate an diesen Stellen auch in jenen Fällen, in denen die sinuösen Netze ganz gut injiziert sind. Man kann nun mit Thoma daran denken, dass aus den Endstücken der Arterien die Injektionsmasse nach beendeter Injektion ausgepresst wurde, so dass man auch bei einer arteriellen Injektion wohl die sinuösen Netze injiziert vorfindet, aber die Kommunikation derselben mit den Arterien nicht nachweisen kann. Man findet ja auch sehr häufig in den stärkeren Arterien nur Spuren von Injektionsmasse und die sinuösen Netze sind doch in grossem Umfange oder in der ganzen Milz injiziert. Verfährt man nun so, dass man von den Venen her injiziert, so ist es leicht verständlich, dass unter solchen Verhältnissen des Baues der Enden der Arterien und der Einmündung derselben in die sinuösen Netze eher eine Zerreissung der nur durch das Endothel gebildeten Wand der sinuösen Netze eintritt, ehe der Druck so steigen könnte, dass er die Muskulatur der Endstücke überwinden würde. Es ist nicht nötig an eine Abkniekung der Schaltstücke zu denken, obwohl dieses bei kontrahierten Milzen auch in Betracht kommen kann, weniger wohl in der Nähe der Oberfläche des Organes, als im Inneren desselben. Es muss noch der Blutzirkulationsverhältnisse an jenen Stellen gedacht werden, an denen das adenoide Gewebe in die Advendia der Arterien eingelagert ist, also speziell in den sog. Milzkörperchen. An einer kontrahierten Milz (natürlich oder auch verursacht durch das Einspritzen von Nebennierenextrakt oder Muscarin in das Blut) gelingt es bei einem niedrigen Drucke nur hie und da die feinen Gefässe in den Milzkörperchen zu injizieren und wo die Injektion zustande kommt, da findet man fast immer Extravasate. Schon an solchen Präparaten und an dünnen Schnitten kann man konstatieren, dass die Gefässchen eine ungleichmässige Lichtung zeigen, dass sie an den Abgangs- stellen von der Arterie enger sind, als im weiteren Verlaufe, indem ihre Lichtung an Grösse gewinnt, um gegen die Peripherie des Körperchens hin wieder an Weite eine Einbusse zu erhalten. Untersucht man diese Verhältnisse an geschwellten Milzen, so treten sie noch ausgesprochener hervor (bei Einspritzen von einer Zuckerlösung in den Blutkreislauf und nachherige Injektion der frischen Milz mit zuckerhaltigem wässerigem 586 J. Janosik: Berlinerblau), denn die Gefässe sind bei weitem in ihrer Lichtung grösser und man findet fast in allen Knötchen die kleinen Gefässe vollständig injiziert. An den Knötchen selbst ist es sehr leicht sich davon zu überzeugen, dass nicht ganz an der Peripherie, sondern eigentlich noch im Knötchen selbst eine lockere Zone des Gewebes nachzuweisen ist und gerade in diese lockere Zone fallen jene Erweiterungen der kapillaren Gefässe der Knötchen. Weiter gegen die Peripherie verengen sich die Gefässchen wieder, indem sie in jene zwar in manchen Fällen ganz dünne, aber doch dichte Oberfläche der Knötchen eintreten. An der Mehrzahl der Knötchen kann man an solchen geschwellten und injizierten Milzen das Einmünden der Gefässe des Knötchen in geschlossene sinuöse Netze der Pulpa, welche um die Knötchen herum eine engere Lichtung besitzen und dichter gefügt sind, beobachten. An Knötchen, in denen es zu Extravasaten kam, ist es möglich, gerade an stark geschwellten Milzen mit Be- stimmtheit den Nachweis zu führen, dass die Extravasate gerade in jener lockeren Zone, also eigentlich noch im Knötchen selbst zu- stande kommen. Diese lockere Zone ist nicht immer konzentrisch gelagert, umfasst auch nicht immer das ganze Knötchen und dadurch ist es auch bedingt, dass auch die Extravasate in den Knötchen verschieden ausfallen. Diese Verschiedenheit ist aber mit ein Behelf um über die Anordnung der Gefässe im Knötchen ein vollkommeneres Bild zu erhalten. In einigen Körperchen ist die lockere Zone zum Teil in zwei Etagen ausgebildet. Es ist auch möglich, hie und da Knötchen zu finden, in denen die in jene lockere Zone extravasierte Masse durch Ver- mittelung geschlossener Bahnen durch die dichtere oberflächliche Schichte hindurch in die sinuösen Netze zu verfolgen ist. In anderen Fällen erstreckt sich aber die extravasierte Injektions- masse durch die oberflächliche Zone des Knötchens bis in die Pulpa hinein. In den grösseren Knötchen findet man stets, dass die (refässe arkadenartig untereinander anastomosieren und dass zwei Etagen solcher Anastomosen übereinander gelagert sind. Jene der beiden Arkadenreihen, welche mehr peripher gelagert ist, grenzt an die lockere Zone oder kann auch zum Teile oder auch ganz in dieselbe fallen. Über die Blutzirkulation in der Milz. 587 Durch diese Befunde wird es sehr wahrscheinlich, dass die Erweiterung an den Knötchengefässen nicht in ihrer Textur bedingt ist und bedingt werden muss, sondern, dass dieselbe ‘ eigentlich durch den Druck, mit welcher die Injektionsmasse eingetrieben wird, verursacht wird, indem gerade hier in der lockeren Zone die Gefässwand eine schwächere Stütze in der Umgebung findet, als mehr zentral im Knötchen, sowie auch an dessen Oberfläche. Da nun die Injektionsmasse vor dem am meisten an der Peripherie des Knötchens gelegenen schwächeren Ende der Knötchengefässe sich in dieser mehr erweiterungs- fähigen Partie anstauen muss, so ist es leicht erklärlich, warum es gerade an dieser Stelle so allgemein zur Bildung von Extra- vasaten kommen kann und tatsächlich auch kommt. Die Konstruktionsbilder, welche Helly zeichnet, zeigen, dass auch unter normalen Verhältnissen durch den Blutdruck selbst diese Erweiterungen vor den Einmündungen in die Venen- sinus bestehen. Noch in einer anderen Hinsicht sind jene Injektionspräparate belehrend. Es ist von verschiedenen Autoren angegeben worden, dass sich gerade hier an der Peripherie der Knötchen Lymph- räume befinden, welche mit den Lymphgefässen der Arterien- scheiden in Verbindung stehen, welche aber andererseits auch direkt mit der Milzpulpa in Kommunikation sich befinden. Aus meinen Befunden geht hervor, dass auch jene lockere Zone nicht mit Lymphgefässen in Verbindung stehen kann, denn nie habe ich nach gerade an dieser Stelle so häufige Extravasaten irgend- welche Gefässe der Arterienscheiden injiziert vorgefunden, was ja doch der Fall sein müsste, wenn hier Lymphgefässspalten vorhanden sein sollten. Weidenreich (l.c.) beschreibt die Knötchenkapillaren so. dass dieselben an der Peripherie der Knötchen „den Knötchen- rand umkreisen und dann unter Verlust ihrer geschlossenen Wand ohne vorherige Kapillarhülsenbildung in dem Reticulum gegen die Randzone hin sich auflösen.“ Nach meinen Befunden kann ich diesem nicht beipflichten, indem ich vielfach, wie oben auseinandergesetzt wurde, eine direkte Verbindung zwischen den Knötchenkapillaren und den netzartig angeordneten Venensinus nachweisen konnte. Ich stimme somit Helly bei, dass hier de norma eine direkte Verbindung der Knötchengefässe mit den 0] 58 J. Janosik: ( Venennetzen besteht und dass zwischen diese beiden Bildungen keine intermediäre Blutbahn eingeschaltet ist. Dass es gerade diese Stelle ist, an welcher in der Milz es sehr leicht zur Diapedese, ja vielleicht auch zu einer Dehiscenz der Gefässwand kommen kann, beweisen eben auch die sorgfältigsten Injektionen. In zahlreichen Milzkörperchen findet man aber, dass ein kleines arterielles Gefäss von der Arterie des Milzkörperchens den Ursprung nimmt und ohne irgendwelche Äste abzugeben, sich direkt in das Gefässnetz, welches die Milzkörperchen um- gibt, ergiesst. An solchen kleinen Arterien kann man häufig beobachten, dass sie von Stelle zu Stelle etwas erweitert sind und dieses Verhalten erinnert an jene feinen Arterien der Pulpa nahe an ihrem Übergange in die Ampullen oder in die sinuösen (refässnetze. Bei diesen arteriellen Gefässchen der Milzkörperchen kommt es selten zu Extravasatbildungen. Inbetreff der geschwellten Milzen will ich nur darauf auf- merksam machen, dass die Milz nach dem Einspritzen von zucker- haltigen Lösungen nicht passiv, denn das Einspritzen braucht auch nur ganz mässig zu sein, sondern sozusagen aktiv sich ver- grössert, was dadurch nachgewiesen wurde, dass eine solche Milz in zuckerhaltiges Berlinerblau eingelegt die Masse in sich und zwar in die Arterien und durch diese bis in die sinuösen Venen- netze eingesogen hat. Damit ist, wie leicht ersichtlich, nicht möglich jene Schwellung der Milz zu vergleichen, welche nach Venenunterbindung zustande kommt; denn im letzten Falle kommt es zu einer Stauung zunächst im Venensysteme, und in diesen Milzen kann man dann überall Extravasate vorfinden. Noch eines Punktes will ich hier Erwähnung tun, nämlich der Lymphzirkulation. Da Lymphgefässe bis jetzt, ausser in der Milzkapsel, in den TrabeklIn und in den Scheiden der Arterien in der Nähe ihres Eintrittes in die Milz nirgends nach- gewiesen wurden und da, wenn man die sinuösen Venennetze in Betracht zieht, in der Milzpulpa kaum noch ein Lymphgefäss- system irgendwo vorhanden sein könnte, so ist man gezwungen anzunehmen, dass hier wirklich keine besonderen Lymphgefässe vorhanden sind. Sie sind auch kaum nötig, da die Venennetze ausreichen und auch darnach gebaut sind, dass die Ernährungs- tlüssigkeit im Wege der Osmose ebensogut zwischen die Gewebs- elemente austreten kann, als sie wieder in den Blutstrom zurück- Uber die Blutzirkulation in der Milz. 589 kehren kann und dass somit die Milz für das Blut im ana- tomischen und funktionellen Sinne eine ähnliche Bedeutung hat, wie die Lymphknoten für das Lymphsystem. Fassen wir das eben Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich folgendes: Durch Injektionenist es möglich nachzuweisen, dass in der Pulpa ein geschlossenessinuöses Gefäss- netz existiert, welches etwaskleinerunddichterist um die Milzkörperchen herum und nahe der Ober- fläche des Organes. Die feinen Endarterien gehen näher der Oberfläche direkt in jene sinuösen Blut- räume, oder geradezu in Venenanfänge über, deren Wand nur durch Endothelien gebildet wird; an anderen Stellen teilen sich die Endarterienin zwei bis drei feineZweige, welche zuweilen in ampullen- artigeErweiterungeneinmünden, welche sich direkt oder durch Vermittlung der sog. Verbindungsstücke in die sinuösen Blutbahnen öffnen. Die Endarterien, noch von Strecke zu Strecke mit adenoidem Gewebe umgeben (Hülsenarterien), besitzen eine starke Media. Nahe den Enden ist die Muskulatur nicht mehr gleichmässig angeordnet, sondern man findet zirkulär gelagerte Muskelzellen in kleineren Abständen von einander; auch bis an die Ampullen können Muskelzellen verfolgt werden. In den Milzkörperchen bilden die von einer Arterie direkt abgehenden Gefässe vielfache Netze, und sie haben verschiedenesKaliber. Aninjizierten Milzen kann immer konstatiert werden, dass diese Gefässe, an denen man ausser dem Endothel keine besondere Wand unterscheiden kann, nahe der Peripherie einesjeden Körperchensineinelockerere Schichte gelangen und in dieser eine Erweiterung aufweisen. Aus diesen Erweiterungen gelangt das Blut durch feinere, mit Endothelausgekleidete Ver- bindungszweige in die dichteren sinuösen Blut- räume, welche mit densinuösen Räumen der weiteren Milzpulpa in direkter Verbindung stehen. 590 Ji..J:aniorsalle: Dieses ist der Fall sowohl bei den kleinen, wie auch bei den grossen Körperchen, in denen es zu einer doppelten arkadenartigen Verzweigung der Gefässchen kommt. Es gibt keineintermediären Blutbahnen, welche sich frei in die Milzpulpa öffneten. Ebenso bestehen weder in den Knötchen der Arterienscheiden, noch in der Milzpulpa geschlossene Lymphbahnen. Ausdem Verhalten derEinmündungderArterien in die sinuösen Gefässnetze, sowie aus der Ein- richtung der Verbindung der Gefässgeflechte der Milzkörperchen mit den dieselben umgebenden Ge- fässnetze ist es erklärlich, dass keine Injektions- masse aus diesen Netzen in die Arterien eindringen kann, denn an den Arterienenden ist es die Mus- kulatur, welche dieses Eindringen vereitelt, bei den Knötchengefässen ist es die Kompression jener Erweiterungen der Gefässe, welche in der lockeren Zone des Milzkörperchens sich befinden oder auch jener arkadenförmigen Anastomosen. Im Leben sind diese beiden Einrichtungen sicher in diesen beiden Richtungen wirksam und verhindern beijeder Phase den Rückstrom des Blutes iin die Arterien. Erklärung der Tafel XXV. Fig. 1. Durch Einstich mit Berlinerblau injizierte Milz einer Ratte. Die sinuösen Netze sind um die Milzkörperchen dichter. In diesen ist die Lage der lockeren Schichte zu sehen. Vergrösserung: Reichert Oc. 3. Obj. 1. Fig. 2. Hundemilz; nach vorheriger Zuckerlösunginjektion in die Venen, wurde diese Milz mit Berlinerblau von den Arterien her injiziert. amp = Ampulle; art = Arterie; m= die Muskulatur der kleinen Arterien. Vergrösserung: Reichert Oc. 3. Obj. 7. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Über die Blutzirkulation in der Milz, 591 Hundemilz; nach vorhergegangener Zuckerlösunginjektion wurde Berlinerblau von den Arterien her injiziert. 1= die lockere Partie, hier von der Fläche tangiert; Erweiterungen der kleinen Milz- körperchengefässe und unten die Einmündung in das sinuöse Netz der Milzpulpa. Vergrösserung: Reichert: Objektiv 3, Ocul. 3. Hundemilz ; die Gefässe von der Aorta aus wurden zunächst mit einer Zuckerlösung durchgespült und nachher mit zuckerhaltigem Berlinerblau von den Arterien aus injiziert. 1=lockere Zone, in welche an verschiedenen Stellen Extravasate erfolgt sind. Vergrösserung: Oc. 3, Obj. 2, Reichert. Hundemilz nach derselben Vorbehandlung, wie jene der Fig. 4. arc — Arkadenbildungen der Knötchengefässe. Vergrösserung: Oc. 3, Obj. 4, Reichert. Hundemilz; durch Zuckerlösungeinspritzen nur mässig geschwellt. Eine direkte Einmündung von arteriellen Ästen (art) in die sinuösen Netze (vp) in der Pulpa. Vergrösserung: Reichert: Oc. 3, Obj. 3. Archit f. mikrosk. Anat. Bd. 6. ag [db] 3 de) [886 Aus dem physiologischen Institut zu Strassburg. Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus und ihre Be- ziehung zu den sogenannten Neuronen. Von C. W. Prentiss. Hierzu Tafel XXVI. Bis zum Jahre 1897 stimmten die Neurologen im all- gemeinen darin überein, dass das Nervensystem aus zahlreichen Nerveneinheiten zusammengesetzt sei. ‚Jedes dieser Elemente, aus einer Nervenzelle und ihren Ausläufern (den Neuriten und Dendriten) bestehend, sollte dem Bau und den Funktionen nach ein Zellenindividuum oder eine Nerveneinheit darstellen. Dieser Nervenzelleneinheit wurde der Name Neuron beigelegt. Der dreifache Beweis, diese Ansicht zu stützen, war folgender: 1. Es wurde behauptet, dass jedes Nervenelement sich aus einer einzigen Zelle entwickele, 2. dass, wenn der Zellenkörper ent- fernt wird, die andern Teile des Neurons degenerieren, die pathologischen Veränderungen sich aber nicht auf andere Neurone erstreckten, 3. dass, bei histologischen Präparaten, die Endbäumchen nie mit denen anderer Elemente ineinanderlaufen, sondern nur in Kontakt miteinander ständen. Einer der Gegner der Neuronentheorie, Bethe (8), meint in Übereinstimmung mit Balfour (2), Beard (3) und Dohrn (9), dass jedes Nervenelement aus vielen Zellen und nicht aus’ einem einzigen Neuroblasten gebildet wird, wie His (11) und kürzlich auch Harrison (10), behauptet haben. Was den Beweis der Neuro-Pathologie betrifft, so stellt Nissl (14) fest, dass es ein grundsätzlicher Irrtum sei, die Neuronenlehre für den einzigen Schlüssel zu halten zu der Tat- sache, dass die Degeneration gewisse Grenzen nicht überschreitet. Denn während die Tatsache, dass die Phänomene der Degeneration bei einem gewissen Punkt Halt machen, von den Anhängern der Neuronenlehre der anatomischen Unabhängigkeit zwischen den einzelnen Nervenelementen zugeschrieben wird, so haben die Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus etc. 593 Gegner derselben eine ebenso gute Erklärung dafür, indem sie das Vorhandensein verbindender Nervenelemente annehmen, die im Bau von den Elementen, die sie in Verbindung setzen, ab- weichen und von deren besonderen Eigentümlichkeiten wir wenig oder nichts wissen. Der histologische Beweis, auf den die Kontaktlehre ge- gründet ist, besteht bekanntlich in Bildern, welche Golgi- und Methylenblau-Präparate zeigen. Dieser Beweis wurde jedoch durch die Entdeckungen Apäthys erschüttert, welcher zeigte, dass die „Neuronen“ früherer Forscher nur Kabel sind, von denen jedes einzelne aus äusserst dünnen, leitenden Elementen besteht, den Primitivfibrillen, oder Neurofibrillen. Aäpthy hat in seinem bekannten Werk über die leitenden Elemente des Nervensystems demonstriert, dass, sowohl in den Ganglienzellen als in den Nerven- fasern, Neurofibrillen vorhanden sind. Er behauptete, die moto- rischen von den rezeptorischen Fibrillen unterscheiden zu können, und zwar dadurch, dass die ersteren stärker seien, und er be- hauptete ferner, dass sowohl Primitivfibrillen verschiedener Nervenelemente innerhalb der Ganglienzellen selbst durch Gitter- werk verbunden seien, als auch in einem diffusen Gitterwerk des Neuropils miteinander in Verbindung stünden. Die Existenz fibrillärer (und auch plasmatischer) Verbindungen zwischen den Ganglienzellen im Darm von Pontobdella hat Apäthy sicher festgestellt. Auch von dem Fibriillengitter im Neuropil der Ganglien von Hirudo hat er auf Grund von Methylenblau- präparaten einige Bilder gegeben. In der Beschreibung der Neurofibrillen im Centralnervensystem des Carcinus sagt Bethe (4), dass er nicht imstande gewesen sei, bei diesem Tier den Unterschied in der Stärke der motorischen und rezeptorischen Fibrillen zu finden, den Apäthy bei Hirudo macht, und behauptet, dass das Netzwerk in dem Neuropil kein diffuses Gitterwerk sei. Er gibt keine Abbildung eines Falles, wo eine direkte Verbindung zwischen „Neuronen“ besteht, aber er beweist, dass eine grössere Anzahl Neurofibrillen in einem motorischen Nervenelement enthalten sein kann, als in die Zelle desselben hineinlaufen, und dass Fibrillen durch das „Neuron“ hindurch- gehen können, ohne sich in die Zelle zu begeben; ferner liefert er durch seinen „Fundamentalversuch“ den Beweis, dass. wenn die Zelle eines motorischen Neurons entfernt worden ist, dieses noch 38* 594 GIIWa Prentusise eine ‘zeitlang seine Funktion beibehält. In einer Reihe .von Abhandlungen (5, 6, 7, 13) hat er die Ergebnisse seiner Studien über die Struktur der Fibrillen in den Nervenelementen des Central- nervensystems verschiedener Wirbeltiere veröffentlicht. Durch alle diese Untersuchungen ist Bethe überzeugt, dass Apathys Theorie in der Hauptsache richtig ist und dass Fibrillengitter- werke in dem Neuropil des Centralnervensystems vorhanden sind. In einem kritischen Referat über die Arbeit Bethes „Die anatomischen Elemente des Nervensystems und ihre physiologische Bedeutung“ spricht sich von Lenhossek (12) dahin aus, dass er den Beweis Bethes für das Vorhandensein von Fibrillen- gitterwerken im Neuropil nicht für stichhaltig erachte.. Er weist nach, dass die Behauptung auf den Beobachtungen eines ein- zelnen Forschers, Apäthy, beruht, und dass Bethe, obgleich er für ihr Vorhandensein eintritt, keinen Fall von Fibrillen- gitter im Neuropil des Careinus gefunden hat. Kurz, von Lenhossek betrachtet es noch als unerwiesen, „dass wir das Neuropil nicht als eine filzförmige Verflechtung frei endigender Fasern, sondern als ein wirkliches Netzwerk mit gitterartiger Verschmelzung der Primitivfibrillen aufzufassen haben“. Nun hat zwar Niss| darauf aufmerksam gemacht, dass der Nachweis der Kontinuität nicht notwendigerweise das Aufgeben der Neuronen- theorie in sich schliesst _— die Neuronen könnten immer noch Zelleinheiten sein, selbst wenn die Endbäumchen zusammen- gewachsen wären — trotzdem bleibt der Nachweis der Kontinuität (abgesehen von seiner physiologischen Wichtigkeit) zum Sturz der Neuronentheorie notwendig, weil viele Neuronisten, z. B. Len- hossek, alles von demselben abhängig machen. Das Vorhanden- sein solcher Verbindungen würde mit der Kontakthypothese auf- räumen, an der viele Anhänger der Neuronenlehre jetzt noch festhalten. Wenn sie diesen Punkt aufrechterhalten wollen, müssen sie mit vonLenhossök das Vorhandensein von Fibrillengitter- werken in dem Neuropil leugnen. Bis jetzt ist nichts zur direkten und vollkommenen Bestätigung oder Widerlegung von Apäthys Beobachtungen veröffentlicht worden. Die vor- liegenden Untersuchungen wurden deshalb unternommen , sowohl um einen Beleg für das Vorhandensein oder das Fehlen solcher Gitterwerke zu erhalten, als auch, um einen weiteren Beitrag zur Kenntnis des Baues des Neuropils zu liefern., Uber die Fibrilleneitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus ete. 595 g p Material und Methode. Das verwendete Material bestand in Bauchganglien des gemeinen Blutegels, Hirudo medicinalis und des Flusskrebses, Astacus fluviatilis. Alle Abbildungen, ausgenommen zwei, be- ziehen sich auf Hirudo. / Die zur Darstellung der Neurofibrillen in den Nervenfasern und im Neuropil von Hirudo angewendete Methode beruht auf den beiden Molybdänverfahren, die Bethe (7) für Wirbeltiere und wirbellose Tiere veröffentlicht hat. Als Fixiermittel erwies sich Sublimat geeigneter als Salpetersäure, da es ein besseres Differenzieren erlaubte. Eine sehr schwache Lösung von Am- moniummolybdat (1:4000) ergab geringeren Niederschlag an der Oberfläche als die stärkere Lösung, welche Bethe für wirbel- lose Tiere empfiehlt. Das Molybdän wurde auf dem Objektträger mit warmem H2O differenziert, ein Verfahren, welches Bethe nur für Material von Wirbeltieren empfohlen hat. Im einzelnen wurde das Material wie folgt behandelt: Ein Teil der Bauchganglienkette wurde dem lebenden Tiere entnommen, in gewöhnlicher Kochsalzlösung abgespült und auf einen Korkstreifen aufgespannt. Fixierung. 1. Konzentrierte Sublimatlösung, 12—24 Stunden; 2. 2 Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschen ; 3..48 Stunden lang in Jod-Alkohol ausziehen lassen, wobei die Lösung verschiedene Male gewechselt wurde. Einbettung in Paraffin. Schnitte, 10 « dick, werden auf den Objektträger ver- mittels Eiweissglyzerin aufgeklebt und bis in Wasser gebracht. Färbung. 1. Eine wässrige Lösung von Ammoniummolybdat, 1: 4000 bei einer Temperatur von 35° C., wenigstens zehn Minuten lang; 2. destilliertes Wasser, das eine Temperatur von 55° bis 60°C. hat, ein bis zwei Minuten; 3. eine wässrige Lösung von Toluidinblau, 1:3000, von gleicher Temperatur, 5 Minuten. 596 GC. W. Prentiss: Dann werden die Schnitte abgespült, bis in Xylol gebracht und in Kanadabalsam eingeschlossen, wobei man achtgeben muss, dass sie von Wasser und Alkohol ganz frei sind. Bei guten Präparaten sind die Fibrillen dunkelblau und undurchsichtig, während die Perifibrillärsubstanz garnicht gefärbt ist; es bildet sich jedoch gewöhnlich ein Niederschlag an der Oberfläche, welcher zuweilen die sonst beinahe vollkommene Differenzierung der Fibrillen verdunkelt. Die Präparate sind nicht permanent, halten sich aber einige Wochen oder Monate unverändert. Um die Neurofibrillen in den Ganglienzellen zu demon- strieren, wurde die Nisslsubstanz (die beim Färben sehr dunkel wird und bei gewöhnlichen Präparaten die Fibrillen undeutlich macht) vermittels schwacher Lösungen von Ammoniak und Salzsäure nach der Bethe’schen Methode ausgezogen. Bei Astacus erhielt ich Methylenblaupräparate durch Ein- spritzen einer 1°/o Lösung in die Herzgegend; die gefärbten Präparate wurden in pikrinsaurem Ammoniak fixiert und in einer Mischung, die aus pikrinsaurem Ammoniak und Glyzerin bestand, eingeschlossen. Zum Studium der Fibrillen erwies sich diese Fixierungsmethode besser als die mit Ammoniummolybdat. Von der Topographie der Bauchganglien von Hirudo hat Apäthy bereits eine genaue Beschreibung gegeben. Die Ganglien sind durch zwei Längskommissuren verbunden und die meisten der dicken Fibrillen, aus denen diese bestehen, ziehen durch den dorsalen Teil der Ganglien als zwei breite, flache Stränge. Zwei Paar Nerven laufen ins Neuropil, welches deutlich von dem um- gebenden Ganglienzellmantel abgesetzt ist. Fig. 16, ein schräger Längsschnitt durch ein Ganglion, zeigt die Lage der Längs- stränge der Fibrillen, die Ausdehnung des Neuropils, die Gang- lienzellen, die im Halbkreis darum gelagert sind und die zwei Wurzeln der seitlichen Nerven. In den Bauchganglien des Blutegels wurden Fibrillengitter im Zellkörper selbst, in den grossen Zellfortsätzen (Axonen), und im Neuropil dargestellt. Die Gitterwerke in den Zellen sind zu genau von Apäthy, Bethe und andern studiert worden, um hier eine weitere Beschreibung zu erfordern. Es mag indessen er- Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus ete. 597 wähnt werden, dass die Gitterwerke in vielen Ganglienzellen des Hirudo mit grösster Deutlichkeit zu erkennen waren und in ihrer Struktur gut mit Apäthys Abbildungen übereinstimmten. Zwei Typen von Zellen wurden beobachtet ; bei dem einen waren die Zellen klein mit einem innern Netzwerk um den Kern, der durch radiale Fibrillen mit einem weitmaschigen, peripheren Gitterwerk verbunden war. Die andern Zellen waren gross und enthielten viele Fibrillen, die ein diffuses Gitterwerk durch das ganze Zellplasma bildeten. Mit Hilfe von Methylenblau- präparaten wurden auch in den Ganglienzellen von Astacus Fibrillengitterwerke dargestellt; im Bau waren sie ähnlich wie diejenigen, welche Bethe bei Careinus maenas beschreibt. Gitterwerke in den Zellfortsätzen. Solche Fibrillarverbindungen, obgleich sie von Bethe schon beobachtet wurden, sind bis heute nicht beschrieben worden. Sie kommen bei meinen Präparaten häufig vor, und die Gitter- werke sind oft zu kompliziert, um Kunstprodukte zu sein, die durch ein Zusammenkleben der Fibrillen hervorgerufen sein könnten. Fig. 5 zeigt einen gewöhnlichen Fall dieser Art. Eine solche Verbindung zwischen den Fibrillen eines Zellfort- satzes ist häufig an dem Punkt vorhanden, von welchem grössere Zweige ausgehen; dies ist gewöhnlich zugleich der Punkt, an dem der Fortsatz seine grösste Stärke erreicht. In Fig. 7 und 11 sind zwei kompliziertere Maschenwerke dieser Art abgebildet. In beiden Fällen kommen die Fibrillen, die mit « bezeichnet sind, aus einem Zellfortsatz, aber es scheint vollständig un- möglich, dass alle Gitterwerke, die sich in Verbindung mit diesen Fibrillen zeigen, zu einem Nervenelement gehören können. Fig. 12 zeigt einen Teil eines Zellfortsatzes, der vollständig im Neuropil liegt. An dieser Stelle des Fortsatzes, von welchem verschiedene Zweige ausgeschickt oder aufgenommen werden, bestehen zwischen den Fibrillen Verbindungen. Man kann auch sehen, dass die Fibrillen, welche die seitlichen Zweige bilden, sich unmittelbar, bevor sie auf den Hauptstrang treffen, teilen, und dass diese Verästelungen sich mit den stärkeren Fibrillen des Fortsatzes verbinden. Dadurch sehen diese Zweige aus, als ob sie eher zu andern „Neuronen“ als zu diesem gehörten. Fibrille d macht besonders diesen Eindruck, da sie an ihrem 598 ® W. Pwentiss; distalen Ende stärker ist und sich zweimal teilt, ehe sıe in das grosse Fibrillenbündel einmündet. Solche T-förmigen Abzweig- ungen einer einzelnen Fibrille kommen häufig in den grossen Fortsätzen der Ganglienzellen vor, finden sich aber selten oder garnicht in den kleineren, distalen Zweigen. Die Tatsache, dass in einem Fall solch eine verzweigte Fibrille direkt bis in den Zellfortsatz eines anderen Elements verfolgt wurde, (siehe weiter unten) spricht dafür, dass oft direkte Verbindung zwischen „Neuronen“ besteht, oder dass einige Fibrillen das Gitterwerk innerhalb eines Nervenelements mit einem Gitter- werk im Neuropil selbst verbinden können. Gitterwerke im Neuropil. Wir haben bereits gesehen, dass die gegenwärtigen An- hänger der Neuronentheorie die Kontinuität zwischen den Nerven- elementen leugnen, obgleich das Anerkennen dieser Kontinuität durchaus nicht das Aufgeben der Neuronenlehre bedingt. Aber wenn das Vorhandensein der Fibrillengitterwerke im Neuropil bewiesen wird, so würde dies vollständig unvereinbar sein mit der Annahme, dass die Endbäumchen der Nervenelemente nur in Kontakt miteinander stehen. Denn, wie die Anhänger der Theorie zugeben werden, wachsen die Zweige desselben „Neurons“ nie netzförmig zusammen, und infolgedessen muss ein Gitter- werk im Neuropil durch die Kontinuität der Fibrillen verschie- dener „Neurone“ gebildet sein. Apäthy hat nun zwar Gitter- werke im Neuropil beschrieben (Taf. 26, Figg. 2 und 3), seine Abbildungen sind aber bei verhältnismässig schwacher Ver- grösserung gezeichnet und die Richtigkeit seiner Beobachtungen ist, wie wir gesehen haben, in Zweifel gezogen worden. Fibrillengitterwerke im Neuropil hat auch Bethe beobachtet, doch sind seine Ergebnisse noch nicht veröffentlicht. In gut gefärbten und differenzierten Präparaten kommen solche Gitterwerke im Neuropil häufig vor. Sie sind indessen gewöhnlich in einen solchen Wirrwarr von Neurofibrillen ver- wickelt, dass es tatsächlich unmöglich ist, eine Abbildung davon mit einem Zeichenapparat zu machen. Die Hauptschwierigkeit ist, die Stellen zu finden, wo die Gitterwerke ganz deutlich sind, und wo sie ziemlich in einer Ebene liegen. In fast allen Fällen rühren die Gitterwerke, die studiert und gezeichnet wurden, Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus ete. 599 von Präparaten her, bei denen die Verbindung zwischen den Fibrillen mit nahezu schematischer Klarheit zu erkennen war. Wenn die Verbindung im Geringsten zweifelhaft war, so wurde sie, entweder nicht unter die Abbildungen aufgenommen, oder als ein Sich- Kreuzen der Fibrillen gezeichnet. Sämtliche Figuren der Gitterwerke, mit Ausnahme von Figg. 14 und 15, wurden in drei Ganglien ebenso vieler verschiedener Tiere ge- funden und fünf davon sind nach einem besonders günstigen Schnitt hergestellt. Es ist nicht nötig, eine ausführliche Be- schreibung solch einfacher Abbildungen zu geben, aber einige der wichtigeren Punkte mögen hervorgehoben werden. Alle Gitterwerke waren in ihrer Ausdehnung beschränkt. Eine allgemeine Fibrillarverbindung war nirgends im Neuropil nachzuweisen ; es fanden sich Formen von 1—2 Maschen bis zu ganz komplizierten Gitterwerken, in welchen viele Fibrillen, die aus verschiedenen Richtungen kamen, zusammentrafen. Figg. 1—4 sind Beispiele für die einfachsten Fälle, in welchen es sich an- scheinend nur um ein paar Fibrillen handelt. Aber man muss sich gegenwärtig halten, dass die Figuren nur kleine Teile aus- gedehnterer Gitterwerke darstellen können. Zuweilen finden sich ganz enge Gitterwerke, wie sie in den Figg. 6, 8, 9 und 11 abgebildet sind. In Fig. 6 gehören die Fibrillen «a, 5 und c offenbar zu verschiedenen Nerven- elementen, da sie stärker sind als die dazwischenliegenden Gitter- werke. In Fig. 11 treffen mehrere Fibrillen, die aus sehr ver- schiedenen Richtungen kommen, zusammen. Bei günstigen Schnitten konnten einzelne isolierte Fibrillen ganz durchs Neuropil der Ganglien verfolgt werden. Ein Beispiel davon gibt Fig. 13. Die Fibrille tritt durch einen der seitlichen Nerven bei Punkt a ins Neuropil ein, und, nachdem sie zwei Zweige entsendet hat, verbindet sie sich mit einem Gitterwerk bei db. Eine Fibrille läuft von dem Gitterwerk aus weiter, gabelt sich und bildet mit einer andern Fibrille eine dreieckige Masche, die mit c bezeichnet ist. Eine viel grössere Fibrille läuft zum Punkt d weiter, wo sie sich verzweigt; die weiteren Fortsätze dieser Zweige sind abgeschnitten. Den Verlauf dieser Fibrille im Neuropil zeigt Fig. 16 (13). Figg. 10 und 18 sind gute Beispiele für die häufig beo- bachteten Gitterwerke, die durch grosse Maschen und stärkere 600 C. W. Prentiss: Fibrillen charakterisiert sind. In den Präparaten waren die Verbindungen mit schematischer Genauigkeit zu sehen, und es liess sich auch eine Strecke weit verfolgen, wie die Fibrillen aus verschiedenen Richtungen in das Gitterwerk hineinlaufen. In Fig. 17 ist das ausgedehnteste und komplizierteste Gitter- werk, welches ich in meinen Präparaten gefunden habe, darge- stellt. Die Fibrillen, die es bilden, liegen tatsächlich in einer Ebene, weshalb die meisten der zahlreichen Verbindungen mit grosser Sicherheit festgestellt werden konnten. Mehrere lange Fibrillen münden in das Gitterwerk ; eine davon, 5b, verbindet sich mit einem kleineren Gitterwerk, aber die Kontinuität bei Punkt d ist unsicher. Ähnliche Gitterwerke finden sich in den Bauchganglien von Astacus. Figg. 14 und 15 zeigen Beispiele dafür. In jedem Gitterwerk treffen drei oder vier Fibrillen zusammen. Die Präparate, die nach der Methyienblaumethode gefärbt worden waren, wurden ungeschnitten als Totalpräparate studiert. Bei Fig. 15 konnten die Fibrillen ziemlich weit verfolgt werden. Die Fibrille e verbindet sich schliesslich mit dem Hauptfortsatz eines grossen Nervenelements; die andern beiden Fibrillen d und «a kommen aus entgegengesetzten Richtungen, und es ist nichts natürlicher, als anzunehmen, dass sie in Zusammenhang mit andern Nervenelementen stehen. In den beiden Figg. 14 und 15 ist die Perifibrillärsubstanz gefärbt; sie umschliesst die Fibrillen, die dadurch dicker erscheinen als sie in Wirklichkeit sind und ist an einigen Stellen zu grösseren Perlen zusammen- geflossen (Fig. 14, e). Ein ausserordentlich günstiger Schnitt durch ein Bauch- ganglion von Hirudo, der zufällig mit vielen parallel dazu ver- laufenden Nervenelementen in einer Ebene lag, lieferte einen Fall direkter Fibrillarverbindung zwischen den Stammfortsätzen zweier Ganglienzellen. Es gelingt nur selten solche Fälle zu beobachten, weil es ausserordentlich schwer ist, eine Fibrille weit genug zu verfolgen, um ihre Ver- bindungen nach allen Seiten hin nachzuweisen. Fig. 19 zeigt diesen Fall direkter Verbindung, der bei Hirudo festgestellt wurde; bei diesem Schnitt laufen die Fortsätze zweier Ganglien- zellen bei Punkt « und b als zwei grosse Fibrillenbündel ins Neuropil hinein. Eine Fibrille des Fortsatzes a gibt einen seit- Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus ete. 601 lichen Zweig ce nach links ab. Die vor allem wichtige, verbindende Fibrille d läuft nach rechts hinunter, teilt sich und schickt einen Zweig nach dem Fortsatz 5; beim Eintritt in diesen Fortsatz findet eine zweite Teilung statt, und eine der so gebildeten Fibrillen lässt sich mit Sicherheit ins Fibrillenbündel hinein bis zum Punkt b verfolgen. Die Zellen beider „Neurone“ sind weg- geschnitten ; aber ihre Fortsätze und Fibrille d lassen sich über die Grenzen des Neuropils hinaus bis in das Gebiet verfolgen, wo sich nur Ganglienzellen finden. Fig. 16 zeigt, wie diese Nervenelemente sich zum Neuropil und den Ganglienzellen ver- halten und bezeichnet auch, wo die Figg. 1, 8, 12 und 13 sich pefinden. Mit Ausnahme der Figg. 7, 11 und 19, welche nahe an der Peripherie des Neuropils liegen, finden sich alle gezeichneten Gitterwerke in grösserer Entfernung von Ganglienzellen. Es ist deshalb sicher, dass es sich um Gitterwerke handelt, die im Neuropil liegen, und es erscheint vollständig ausgeschlossen, dass wir es mit Fibrillengittern zu tun haben, die innerhalb des Aus- läufers einer Ganglienzelle liegen. Methylenblaupräparate zeigen uns nämlich die Dicke der Zellausläufer und diese ist zu gering, um innerhalb ihrer Grenzen für solch ausgedehnte Fibrillär- verbindungen, wie sie unsere Abbildungen zeigen, Raum zu geben. Bei den zwei abgebildeten Methylenblaupräparaten von Astacus kommt jedoch diese Frage garnicht in Betracht. Die Gitterwerke innerhalb der grossen Zellfortsätze kann man übrigens immer daran erkennen, dass die meisten der verbundenen Fibrillen als an- sehnliche Bündel einen parallelen Lauf verfolgen,wie in den Figg. 5, 12 und 19. Dies ist aber nicht der Fall bei denjenigen Gitter- werken, welche wir, als frei im Neuropil liegend, bezeichneten. Diese Beobachtungen und die wenigen Figuren, die be- schrieben wurden, bestätigen, was Apäthy feststellte: dass ein Gitterwerk von Fibrillenim Neuropilbesteht. Meine Präparate werden jedoch zeigen, dass dieses Fibrillargitterwerk keinallgemeines oder diffuses ist. Im Gegenteil, es kommen offenbar nur viele kleine Gitterwerke vor, alle mehr oder weniger unabhängig voneinander, Gitterwerke, welche nur ein beschränktes Gebiet im Neuropil ein- nehmen und verhältnismässig wenige „Neurone“ in Verbindung mit einander setzen. 602 & We Prenmwisise Die Fälle fibrillärer Verbindungen, die hier beschrieben sind, haben der Beweiskette von Apathy, Bethe, Nissl und anderen ein weiteres Glied hinzugefügt gegen die anatomische Einheit des Neurons. Wenn man auch einer einzelnen Beobachtung direkter Verbindung zwischen zwei Nervenelementen nicht all- zuviel Vertrauen entgegenbringen darf, so schliesst doch eben das typische Vorhandensein fibrillärer Gitterwerke im Neuropil eine solehe Kontinuität ein,undesistunvereinbarmitder Unabhängigkeit des Neurons, wie sie von ihren jetzigen Anhängern aufrecht- erhalten wird. Wenn die Theorie, dassessich zwischen den Ausläufern zweier Nervenelemente nur um einenKontakt handle, richtig wäre, dann wäre die Existenz solcher Strukturen unerklärlich. Zusammenfassung. 1. Es bestehen Fibrillargitterwerke in den Ganglienzellen, in den Zellfortsätzen und im Neuropil der Bauchganglien von Hirudo. DD . Die Gitterwerke im Neuropil sind nicht diffus, sondern jedes ist auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt und an- scheinend mit verhältnismässig wenigen Fibrillen verbunden. 3. Das Vorhandensein fibrillärer Gitterwerke im Neuropil bedingt direkte Verbindung zwischen verschiedenen Nervenelementen ; ein Fall solcher Kontinuität wurde in seinem ganzen Verlauf beobachtet. Literaturverzeichnis. 1. Apäthy, 8.: Das leitende Element des Nervensystems und seine topographischen Beziehungen zu den Zellen. Mitt. d. zool. Station zu Neapel, Bd. 12, p. 495— 748, Taf. 23—32, 1897. i 2. Balfour, F. M.: On the Development of the Spinal Nerves in Elasmobranch Fishes. Phil. Trans. Roy. Soc., London, Vol. 166, p. 175 bis 199, pls. 16—18, 1876. 3. Beard, J.: A Contribution to the Morphology and Development of Vertebrates. Anat. Anzeiger, Bd. 3, p. 874—888; 889—905, 1888. Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus ete, 6U3 4 Bethe, A.: Das Nervensystem von Carcinus maenas. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 51, p. 382—452, Taf. 16—17, 1898. 5. Derselbe: Über die Primitivfibrillen in den Ganglienzellen von Menschen und anderen Wirbeltieren. Morph. Arbeiten, Bd. 8, p. 95—116, Taf. 9—10, 1898. 6. Derselbe: Über die Neurofibrillen in den Ganglienzellen von Wirbel. tieren und ihre Beziehungen zu den Golginetzen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 55, p. 513—588, Taf. 29 —31, 1900. 7. Derselbe: Das Molybdanverfahren zur Darstellung der Neurofibrillen und Golginetze im ÜCentralnervensystem, Zeitschr. f. wiss Mikrosk., Bd. 17, p. 13—35, 1900. 8. Derselbe: Über die Regeneration peripherischer Nerven. Archiv f. Psychiatr., Bd. 34, p. 1066—1073, 1901. 9, Dohrn, A.: Nervenfaser und Ganglienzelle Mitt. d. zool. Stat. zu Neapel, Bd. 10, 1891—93. 10. Harrison, R. @.: Über die Histogenese des peripheren Nerven- systems bei Salmo salar. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 57, p. 353—444, 7 Fig. Taf. 18—20, 1901. 11. His, W.: Histogenese und Zusammenhang der Nervenelemente. Arch. Anat. u. Physiol., Anat. Abt., Suppl.-Bd., p. 97—117, 30 Fig., 1890. 12. Lenhossek,M. von: Kritisches Referat über die Arbeit A. Bethes: „Die anatomischen Elemente des Nervensystems und ihre physiologische Bedeutung.“ Neurolog. Centralbl., Jahrg. 1899, No. 6—7, p. 12. 13. Mönckeberg, G. und Bethe, A.: Die Degeneration der mark- haltigen Nervenfasern der Wirbeltiere unter hauptsächlicher Berück- sichtigung des Verhältnisses der Primitivfibrillen. Arch. f. mikr. Anat,, Bd. 54, p. 135—183, Taf. 8—9, 1899. 14. Nissl, F.: Die Neuronenlehre und ihre Anhänger. — Ein Beitrag zur Lösung des Problems der Beziehungen zwischen Nervenzelle, Faser und Grau. Jena 1903, VI u. 478 p.p. mit zwei Tafeln. 15. Waldeyer, W.: Über einige neue Forschungen im Gebiet der Anatomie des Nervensystems. Deutsche med, Wochenschrift, No. 44—50, 1891. Erklärung der Tafel XXV1I. Sämtliche Figuren von Hirudo sind Zeichnungen nach 10 « dicken Schnitten von Sublimatmaterial, die nach der im Text beschriebenen Methode gefärbt waren. Die beiden Figuren von Astacus (14 und 15) sind nach Meihylenblaupräparaten gezeichnet, die in pikrinsaurem Ammoniak fixiert waren. Die dunkeln Linien in den Zeichnungen, welche die Fibrillen darstellen, die an den Gitterwerken beteiligt sind, wurden mit dem Zeichen- apparat (nach Abbc&) entworfen Ein Teil dieser Fibrillen ist bei der 604 C. W. Prentiss: Reproduktion der Zeichnungen dicker dargestellt worden, als sie in den Präparaten (und den Originalen) waren). Jede Figur ist so weit als möglich ohne Benutzung der Mikrometerschraube gezeichnet worden. Die Fibrillen um die Gitterwerke herum sind mit schwächeren Linien ‚schematisch an- gedeutet. Die Lage der einzelnen Gitterwerke in dem Schnitt, den Fig. 16 mit geringerer Vergrösserung illustriert, ist so genau als möglich mit dem Zeichenapparat angegeben und dann sind die bei stärkerer Vergrösserung beobachteten Einzelheiten aus freier Hand eingefügt. Die vielen anderen Fibrillen im Neuropil sind nicht eingetragen, um das Bild nicht zu ver- wirren. Fig. 16 wurde mit Leitz Oc.4 und Obj.3 ausgeführt. Alle anderen Figuren wurden mit dem Leitz Oec.4 und der homogenen Ölimmersion !/ıe gezeichnet, was bei der Papierentfernung von 320 mm und einer Tubuslänge von 160 mm eine wirkliche Vergrösserung. von 2000X ausmacht. Fig. 1—4. Beispiele der einfacheren Typen der Fibrillargitterwerke, die sich im Neuropil finden. «a ist immer eine starke Fibrille, welche sich ziemlich weit verfolgen lässt; b, c, d u.s.w. sind Fibrillen, die vermutlich mit anderen Nervenelementen verbunden sind. Bei Fig.1 ist b stärker als die Zweige der Fibrille a. Bei Fig. 3 besteht anscheinend eine Verbindung zwischen ce und e. b auf Fig. 4 ist wieder eine grosse Fibrille, die sich teilt und in Kontinuität steht mit den Verzweigungen von a, die offenbar als Fibrille eines anderen Neurons aufzufassen ist, Verschiedene andere Fibrillen sind durch- geschnitten, gerade bevor sie in das Gitterwerk übergehen. Fig. 5. Verbindungen zwischen den Fibrillen eines Zellenfortsatzes. Alle Fibrillen sind miteinander verbunden durch die beiden Maschen b und c. Fig. 6. Ein engmaschiges, kompliziertes Gitterwerk dünner Fibrillen, die mit verschiedenen, grösseren Fibrillen (a—e) in Verbindung stehen. Die grosse Fibrille f zur Linken steht nicht in Zusammenhang mit dem Gitterwerk, sondern bildet zwei eigentümliche Schlingen, mit denen zwei andere, kleine Fibrillen verbunden sind. Fig. 7. Ein Gitterwerk von schematischer Deutlichkeit, nahe am Rand des Neuropils. Zwei Fibrillen eines Zellfortsatzes laufen bei Punkt a ins Neuropil; Fibrille 5 ist stärker als der Zweig, der sie mit dem Gitterwerk verbindet. c, d, e sind andere Fibrillen, die ins Gitter- werk münden. Die Kontinuität bei f ist zweifelhaft. Fig. 8. Wegen der Lage des Gitterwerks in den Schnitten siehe Fig. 16 (8); mindestens acht Fibrillen, die aus verschiedenen Richtungen kommen, werden durch kleinere Fibrillen in Verbindung gebracht, sodass zahlreiche Maschen entstehen. Fig. 9. Ein komplizierteres Gitterwerk, dessen Lage auch Fig. 16 (9) zeigt; die hauptsächlichsten Fibrillen, die es bilden, sind mit Buchstaben versehen. Über die Fibrillengitter in dem Neuropil von Hirudo und Astacus ete. 605 Fig 10. Ein Gitterwerk, nicht weit vom Rand des Neuropils; fünf grosse Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ie. I, 12. 13. 14. 15. 16. Belle Fibrillen, «—e, kommen aus verschiedenen Richtungen zusammen, die alle auf eine gewisse Entfernung zu verfolgen sind; die Ver- bindungen zwischen c, d und e waren bei den Präparaten mit schematischer Deutlichkeit zu erkennen. Gitterwerk von grossen Fibrillen, das nicht weit von Fig. 7 im Neuropil desselben Schnittes gefunden wurde. Bei a laufen drei Fibrillen eines Zellfortsatzes ins Neuropil; die Fibrillen‘e und f mögen vielleicht nicht in Verbindung stehen bei g; die Fibrillen c und: d konnten weiter, als die Zeichnung es wiedergibt, ‘verfolgt werden, Ein Teil eines grossen Zellfortsatzes; seine Lage im Neuropil ist bei Fig. 16 (12) angegeben; a ist das proximale Ende des Fortsatzes. Die Fibrillen d, c, d und e teilen sich alle, ehe sie in den Zell- fortsatz übergehen und da, wo sie sich mit dem Fibrillenbündel vereinigen, entsteht eine allgemeine Anastomose. Eine ununterbrochene Fibrille aus dem Schnitt, den Fig. 16 (13) zeigt. Die Fibrille tritt bei Punkt « durch einen der seitlichen Nerven ins Neuropil; bei 5 und c bilden sich mit anderen Fibrillen einfache Gitterwerke. Die Fibrille, die von ce aus weiterläuft, lässt sich beinahe durch das ganze Neuropil verfolgen; danach verzweigt sie sich, aber ihre weitere Kontinuität lässt sich nicht nachweisen, da die Zweige abgeschnitten sind. Ein einfaches Gitterwerk aus dem zweiten Bauchganglion von Astacus; a,b, c, d sind vier Fibrillen, die zusammentreffen und das Gitterwerk bilden; e bezeichnet Perlen von zusammengeflossener Perifibrillärsubstanz. Methylenblaupräparat. Ein zweiter Fall von Fibrillarverbindung aus den Bauchganglien des Astacus. Fibrille c konnte ununterbrochen bis zum Haupt- fortsatz eines grossen Nervenelements e zurückverfolgt werden; bei der punktierten Linie d ist ein beträchtlicher Teil des „Neurons“ ausgelassen. Perifibrillärsubstanz umgibt mehr oder weniger die Fibrillen, wodurch sie dicker aussehen als sie in Wirklichkeit sind. Methylenblaupräparat. Ein schräger Längsschnitt durch einen Bauchganglion von Hirudo, der einigermassen schematisch die Lage von fünf verschiedenen, oben beschriebenen Gitterwerken zeigt; I. c. Längs-Kommissuren ; n, n‘ sind die Lateralnerven der linken Seite; kleine Ziffern (1, 8, 9, 12, 13) bezeichnen die Lage der Gitterwerke, die in den ent- sprechend nummerierten Figuren dargestellt sind. 130X. Ein ausgedehntes Fibrillärgitterwerk, das ganz im Neuropil und ungefähr in einer Ebene liegt. Die Verbindung mit einem kleineren, sekundären Gitterwerk bei Fibrille d ist zweifelhaft; die meisten anderen Verbindungen sind schematisch deutlich, die Fibrillen a, b und c lassen sich ziemlich weit verfolgen; viele andere sind quer durchschnitten zu sehen. 606 Fig. 18. Fig. 19. C. W. Prentiss: Über die Fibrillengitter in dem Neuropil ete. Ein grossmaschiges Gitterwerk starker Fibrillen, das nahe an der Grenze des Neuropils liegt. Die Fibrillen a«—c kommen vielleicht direkt aus einem Zellfortsatz. Ein Fall direkter Fibrillarverbindung zwischen den Stammfortsätzen zweier Ganglienzellen. Die Lage dieser untereinander verbundenen Elemente und ihr Verhältnis zum Ganglion ist auf Fig. 16 (19) be- zeichnet; e die Scheidelinie zwischen Neuropil und dem Gebiet der Ganglienzellen; f Teil eines Zellfortsatzes, der zwischen a und b ins Neuropil tritt; seine grosse Ganglienzelle stellt Fig. 16 dar, a und b die Fortsätze der verbundenen Ganglienzellen; ce T-förmige Fibrille; d die verbindende Fibrille. welche ununterbrochen von Punkt a-b verfolgt werden kann; sie entsendet auf ihrem Weg zwei Zweige d’ d“. x 607 Aus dem Anatomischen Institut zu Berlin. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. Von K. Skrobansky, St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVII und XXVII. ä Die Vervollkommnung der mikroskopischen Technik und unsere dadurch erweiterten Kenntnisse über Morphologie und Physiologie der Zelle konnten nicht ohne Einfluss auf eines der interessantesten Gebiete der Biologie — auf die Frage nach der Struktur und Entwicklung der weiblichen Geschlechtsdrüsen und ihres wesentlichen Bestandteiles, der Eier — bleiben. Trotzdem befinden wir uns noch in derjenigen Phase unserer Kenntnisse über die Oogenese, in der es gilt, vor allem noch neue Tatsachen festzustellen und das bisher vorgebrachte auf seine Stichhaltigkeit auch den neueren Forschungsmethoden gegenüber zu prüfen. Ausgegangen von Untersuchungen über die Bedeutung des Keimepithels, habe ich mich im Berliner Anatomischen Institute mit der Frage der Oogenese beschäftigt, an welcher ich durch frühere Arbeiten ein lebhaftes Interesse gewonnen hatte. Die noch bestehenden zahlreichen unaufgeklärten Punkte dürften die eingehende Mitteilung der Ergebnisse meiner Untersuchungen gerechtfertigt erscheinen lassen. Der Gang meiner Darstellung ergibt sich durch folgende Übersicht: I. Einleitung. II. Material und Untersuchungsmethode. III. Die ersten von mir untersuchten Stadien. (Schweineembryonen von 1,2, 1,5, 1,8—2, 2,8—3, 3,5—4, 5, 6 cm). IV. Ausbildung der Rindenschicht des Eierstockes. Die Beziehung des Keimepithels und der Markstränge zu derselben. V. Die Oogonien. VI. Anfang der Wachstumsperiode. Nährzellen. VII. Die Entstehung der Pflüger’schen Schläuche und die Bildung der Primärfollikel. VIII. Die Markstränge. IX. Schluss. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 62, 39 608 K. Skrobansky: I. Einleitung. Es gibt zwei verschiedene Ansichten über den Ursprung der Geschlechtszellen: entweder sind die Geschlechtszellen von vornherein spezifische Zellen (Waldeyer [37b], Leopold [24], Egli [12]), oder sie sind anfänglich gewöhnliche, oberflächliche Zellen des Mesoderms, welche später zu ihren speziellen Zwecken differenziert sind (Schulin [35], Balfour [2], Bornhaupt [6], Kölliker [22a], Mihälkovics [27] und neuerdings Coert [11] und teilweise Bouin [7])}). Die Anhänger dieser letzteren Ansicht gründen dieselbe auf den allmählichen Übergang, welcher zwischen Mesodermzellen und vollentwickelten Geschlechtszellen vorhanden sei. Schon beim ersten Blick auf die frühesten Stadien der von mir untersuchten Geschlechtsdrüsen muss man zu der Über- zeugung gelangen, dass man aus diesem vermeintlichen „all- mählichen Übergange“ nicht einen bindenden Schluss zur Ent- scheidung einer so wichtigen Frage, wie der Ursprung der Geschlechtszellen es ist, ziehen kann, denn in den frühesten Stadien ist das Aussehen aller Zellen, und insbesondere das der Zellen der Geschlechtsleiste und des Coelomepithels, so gleich, dass man nicht von irgend einem Übergangsstadium, wenigstens nicht bei den Säugetieren, sprechen kann. Ich meine hier die kleineren Zellen, welche zu Anfang die grösste Masse der Geschlechtsleiste bilden, aber nicht diejenigen grossen Zellen, deren Anzahl in dieser Periode beim Schwein sehr unbe- deutend ist. Meine Untersuchungen umfassen zwar nicht die aller- jüngsten Entwicklungsstadien; aber ich meine, dass die Angaben, welche in dieser Beziehung über die niederen Tiere gemacht sind, für die höheren Tiere nicht ignoriert werden können. Hier ist zu erinnern an die von Nussbaum (29) inaugu- rierte Lehre, dass die ßeschlechtszellen als eine besondere Art von Zellen den übrigen Zellen eines Individuums, den somatischen Zellen oder Körperzellen, gegenüberzustellen und schon in den frühesten Entwicklungstadien zu unterscheiden !) Bouin sagt bei seinen Untersuchungen über Entstehung der Eier des Grasfrosches, dass die primordialen Geschlechtszellen abstammen von „Zellen des Coelomepithels, Mesenchymzellen, besonders aus der Gegend zwischen den beiden Cardinalvenen, vielleicht auch von Dottersackzellen“. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 609 seien. Vgl. darüber Boveri (8), OÖ. Meyer (26) Nussbaum. c., Eigenmann (13) und Bonnevie (4. DBoveri konnte sogar nachweisen, dass bei Ascaris die Herkunft der von den somatischen Zellen durch das Verhalten der Kerne scharf geschiedenen Geschlechtszellen sich bis zu einer der ersten beiden Blastomeren zurückverfolgen lässt. Dies veranlasst uns den Unterschied zwischen den somati- schen und den Geschlechtszellen auch bei den höherem Tieren in der feinsten Kernstruktur zu suchen und zu vermuten, dass dieser Unterschied bisher nur wegen der geringen Grösse des Objekts und wegen der noch nicht genügenden Vollkommenheit unserer Untersuchungsmethoden nicht bemerkt werden konnte. Meine Untersuchungen beziehen sich, wie gesagt, auf eine etwas spätere Periode, besonders auf die, wo die Geschlechts- drüse auf Querschnitten ein fast ausschliesslich von gleichen Zellen gebildetes Hügelchen darstellt. Dieses Stadium der Geschlechtsdrüse werden wir im Folgenden mit dem Namen: „Primärgeschlechtsdrüse“ und die zu ihrem Bestande gehörigen Zellen mit dem Namen: „barenchymzellen* oder „indifferente Keimzellen“ bezeichnen. Ich will indessen hier gleich erwähnen, dass man bereits in diesem frühen Stadium vom Wolff’schen Körper aus, auf dem die Basis der Primärgeschlechtsdrüsen aufsitzt, unge- mein feine Faserzüge, die mit zarten sternförmigen Zellen zusammenhängen, in die Drüsenanlage eindringen sieht. Diese Elemente nennen wir das Stroma der Geschlechtsdrüse. Ich halte es für notwendig, für die hauptsächlichen zelligen Bestandteile der Primärgeschlechtsdrüse einen besonderen Namen einzuführen, denn mit dem Ausdrucke „Geschlechtszellen* kann man füglich nur diejenigen Zellen bezeichnen, welche unzweifelhaft als solche charakterisiert sind und welche nur infolge des sexuell indifferenten Zustandes der Drüse noch nicht mit dem Namen „Oogonien“ oder „Sperma- togonien“ bezeichnet werden können. Bei meinen Untersuchungen konnte ich keinen Unterschied in der Struktur derjenigen Zellen. welche man als „Ureier“ bezeichnet hat und derjenigen, welche man „Oogonien“ nennt, bemerken, worauf bei der Spermatogenese für Ursamenzellen und Spermatogonien von mehreren Autoren hingewiesen ist. 39* 610 K, Skrobansky: Darum werde ich die Namen: „Ureier“ und „Oogonien“ als gleichbedeutend verwenden. Ebensowenig konnte ich einen Unterschied in dem. Bau derjenigen Zellen, welche zuerst klar als „Geschlechtszellen“ erkennbar sind und dem der „Oogonien“ oder „Spermatogönien“ wahrnehmen. Ebenso wie wir unter dem Namen „Spermatogonien“ nur diejenigen Zellen verstehen, welche sich nach einer ganzen Reihe von Metamorphosen nur in Spermien umwandeln, so müssen wir auch mit dem Namen „Oogonien“* nur diejenigen Zellen bezeichnen, welche nach einer Reihe, wahrscheinlich analoger Umwandlungen nur Eier liefern. t Auf Grund eigener Untersuchungen beim Bee und einer ganzen Reihe von ähnlichen Untersuchungen bei niederen Tieren (Paulke bei Bienen [30], Tönniges bei Myriopoden [36], Bouin beim Frosch [7] u.a.) gelange ieh zu der Überzeugung, dass die Oogonien durch eine frühzeitige weitere Differen- zierung eines Teiles der Parenchymzellen (indifferenten Keim- zellen) entstehen. Derjenige Teil der Parenchymzellen aber, welcher längere Zeit hindurch undifferenziert bleibt, wird später zu den Granulosazellen der Primärfollikel. Dies alles macht die Verwendung besonderer Bezeichnungen in strengem Wortsinne nötig und ich werde nachstehende NEUER in dem beigefügten Sinne gebrauchen: I. Indifferente Keimzellen oder Parenchym- zellen = den noch undifferenzierten Zellen ‚der Primäranlage der Geschlechtsdrüsen. II. Geschlechtszellen — den schon als solche iffe- renzierten Zellen, welche sich aber noch nicht als männliche oder weibliche unterscheiden lassen. III. Oogonien = weiblichen Geschlechtszellen, welche in der schon differenzierten Geschlechtsdrüse als solche sicher zu erkennen sind. “ Nach dem Aufhören der wahrscheinlich mehrfach wieder- holten Teilungen tritt: der grössere Teil der Oogonien in eine reine Wachstumsperiode ein und wird von jetzt an mit dem Namen „Oocyten“ bezeichnet. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 611 Für die weiteren Stadien verwende ich mit Boveri. OÖ. Hertwig und anderen Autoren die Namen: Oocyten I. Ordnung = den in die Wachstumsperiode ein- getretenen Oogonien, bis zu der Ausstossung des ersten Richtungskörperchens. Die Oocyten I. Ordnung, welche das erste Richtungs- körperchen ausgestossen haben, werden zu Oocyten II. Ordnung und diese letzteren, nach der Aus- stossung des zweiten Richtungskörperchens, zum Reifei (Waldeyer), welches dann befruchtungs- fähig ist. Ich erlaube mir hier, behufs grösserer Klarheit ein Schema der OVogenese nach Boveri und OÖ. Hertwig mit meinen Be- zeichnungen beizufügen : Vermehrungs- Wachstums- Reifungs- periode periode periode Parenchymzellen oder indifferente Keimzellen Geschlechtszellen, Ureier, Oogonien. ’ Ooceyte I. Ordnung, Granulosazellen. Oocyte II. Ordnung, erste Polzelle -.- Reifei, zweite Polzelle. Die Parenchymzellen werden entweder zu Follikelepithelzellen, welche mit einem einfachen schwarzen Punkte in dem Schema bezeichnet sind (= ®@) oder sie werden zu Oogonien und zu Oocyten I. Ordnung, welche durch vier hinzugefügte kleinere Punkte ausgezeichnet sind (= '@). Bei 1 ist zu der ausgewachsenen Oocyte noch eine nicht besonders herangewachsene Follikelzelle hinzugefügt. 612 K. Skrobansky: Da der Prozess der Abstossung von Richtungskörperchen sich, wie bekannt, während der Zeit der Geschlechtsreife der Tiere vollzieht, der Eintritt der letzten Oogonien in die Wachs- tumsperiode, aber (wenigstens beim Schwein) wenn nicht während des Embryonallebens, dann jedenfalls im Laufe der ersten Monate des Extra-uterinlebens von statten geht, so ist es leicht ver- ständlich, dass die Wachstumsperiode, d. h. diejenige Periode, während welcher das Ei Oocyte I. Ordnung heisst, die längste Dauer hat von den drei Perioden, welche das Ei durchmachen muss, um befruchtet werden zu können. Diese Wachstumsperiode ist nun von besonderem Interesse, nicht nur wegen ihrer langen Dauer, sondern hauptsächlich wegen einer ganzen Reihe von Prozessen, welche im Verlauf derselben stattfinden, wie die Vergrösserung der Oocyten, die Veränderungen in dem Verhalten ihres Chroma- tins, die Entstehung der Primärfollikel, das Wachs- tum derselben, dieBildung der Graaf’schen Follikel u.a. Meine Untersuchungen umfassen nicht die ganze Wachs- tumsperiode, weil sie hauptsächlich an Embryonen angestellt wurden und sich daher auf die Vermehrungsperiode und auf die erste, und zwar diejenige Hälfte der Wachstumsperiode be- schränken mussten, in der ein Teil der Oocyten I. Ordnung in Primärfoilikel eingeschlossen werden. II. Material und Untersuchungsmethode. Für das passendste Objekt zur Untersuchung der Oogenese muss man, wie mir scheint, dasjenige halten, dessen Geschlechts- drüsen mehr Stromagewebe und weniger Parenchymzellen ent- halten, und zwar hauptsächlich solches, in welchem die Prozesse der Vermehrung und des Wachstums der Geschlechtszellen über längere Zeiträume sich hinziehen, was wir bei Tieren mit länger dauernder Schwangerschaft erwarten dürfen. Die Grösse der in Betracht kommenden Zellen ist auch nicht zu vernachlässigen, doch schwankt sie so unbedeutend bei den verschiedenen Arten der Säugetiere, dass in dieser Beziehung diese oder jene Spezies gleich zweckmässig erscheinen dürfte. Die Geschlechtsdrüse des Schweins ist, meiner Meinung nach, eins der besten Objekte unter den Säugetieren. Ausser den obenerwähnten Eigenschaften verdient sie noch deshalb den Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 613 Vorzug, weil in grösseren Städten zu jeder Jahreszeit eine un- begrenzte Anzahl von Embryonen jeden Alters zur Verfügung steht. Ausserdem sind die Geschlechtsdrüsen selbst grosser Em- bryonen noch so klein, dass sie sogar in Flemming’scher und Hermann'scher Flüssigkeit in toto fixiert werden können, was unzweifelhaft auch zu den günstigen Eigenschaften dieses Objekts zu rechnen ist. Alles dies bewog mich, meine Untersuchungen hauptsächlich an Schweineembryonen anzustellen. Ä Die von mir untersuchten Stadien sind folgende: Embryonen von 1,2, 1,5, 1,8—2, 2,8—3, 3,5—4, 56, 7—8, 8—-9, 9—10, DIES 12,0 1% 218,145) 15-17 ls 3090302 320139} 22—24, 23—25 cm Länge. Ich muss hierzu bemerken, dass von 2 cm an die Grösse der aus einem und demselben Uterus stammenden Embryonen etwas schwankt: Mit dem Wachstum der Embryonen werden diese Schwankungen bedeutender und, während sie in den aller- Jüngsten Stadien nicht 2 mm überschreiten, kommt der Unter- schied in den weiter entwickelten Stadien manchmal auf 1—2 cm zu stehen. Die Anzahl der von mir untersuchten Embryonen eines und desselben Stadiums war sehr verschieden. Besonders aus den frühesten Stadien untersuchte ich sowohl männliche Geschlechts- drüsen als auch weibliche. Das allerjüngste Stadium umfasst nur 11 aus einer Gebärmutter erhaltene Embryonen. Die Anzahl der Embryonen zweiter Gruppe war auch nicht gross. Dieselben wurden mir von Prof. H. Virchow übermittelt, dem ich hier meinen herzlichsten Dank sagen möchte, sowohl für das wichtige, sehr schön fixierte Material, als auch für die Aufmerksamkeit und Zuvorkommenheit, welche ich stets in seinem Laboratorium genoss. Von 2 cm langen Embryonen an, und besonders zwischen 5 und 20 cm, war die Anzahl der von mir untersuchten Objekte bedeutender (5—6 schwangere Gebärmütter für jedes Alter). Nach 20 em wird ihre Anzahl wieder geringer (2—3 Gebärmütter für jede Periode), und von 25 cm langen Embryonen habe ich nur 5 untersucht. Die aus der Gebärmutter des soeben getöteten Tieres er- haltenen Embryonen wurden geöffnet und ihre Geschlechtsdrüsen mit zugehörigen Wolff’schen Körpern oder mit dessen Resten 614 K. Skrobansky: in toto mit einer von den weiter unten genannten Flüssigkeiten fixiert. Nur die Embryonen weisser Ratten und die Schweine- embryonen von 12 und 15 mm bis 3 cm wurden in toto fixiert, die letzteren nach vorhergehender Eröffnung der Bauchhöhle. Ausser den Geschlechtsdrüsen von Schweinen untersuchte ich noch (aber nur wenige Stadien) die Eierstöcke von weissen Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen, Igeln u. a. Für die Fixierung erzielte ich die besten Resultate mit Zenker’scher Flüssigkeit und nachträglicher Behandlung durch Alkohol (von 60° an) mit Zusatz von. Jodtinktur. Bei einem Teile meiner Präparate habe ich die Fixierung mit Rabls und Flemmings (starke) Flüssigkeiten und Pikrinschwefelsäure an- gewandt. Zur Tinktion der mit Zenker’scher Flüssigkeit fixierten Präparate benutzte ich: Eisen-Hämatoxylin nach M.Heidenhain, Böhmer’sches Alaun-Hämatoxylin, Hansens Hämatoxylin ; nach Vorbehandlung mit Flemming’schem Gemisch: Safranin, Safranin-Lichtgrün, Safranin-Gentianviolett, Orange nach Flem- ming; endlich, besonders für Zenker’sche Präparate: Borax- Karmin mit nachträglicher Tinktion durch Indigo-Karmin und Pikrinsäure, endlich Thionin. Ich muss hier bemerken, dass mir bei den allerjüngsten Stadien das Böhmer’sche Hämatoxylin in stark verdünnten Lösungen vorzügliche Dienste geleistet hat (5cem gewöhnliches, gut färbendes, gelöstes Hämatoxylin [Böhmer] wird mit 25 ccm Wasser verdünnt). Die mit Eiweiss aufgeklebten Schnitte ver- bleiben ca. 12—24 Stunden in dieser Lösung). Bei dieser Tinktion halten sogar die feinsten Chromatinfäserchen stets den Farbstoff fest. Im Gegensatz dazu liefert die Anwendung der Safranin- und besonders der Eisen-Hämatoxylin-Färbung abweichende Bilder, denn bei der nachträglichen Entfärbung geben die zarten Chromatinfädchen sehr leicht und vollständig den Farbstoff ab, sodass nur umfangreichere Ansammlungen des Chromatins die Farbe festhalten, wobei man oft diejenigen Zellenbilder erhält, welche v. Winiwarter (39) beim Kaninchen als ‚„noyaux pro- tobroques a“ bezeichnet, d. h. Kerne, deren Chromatin kein Netzwerk bildet, sondern sich in mehr oder weniger umfang- reichen Haufen sammelt. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 615 Als Begleit-Farben für Eisenhämatoxylin habe ich Pikrin- säure mit Säurefuchsin (van Gieson), Eosin und Orange an- gewandt; für Safranin: Lichtgrün nach Benda, für Böhmer- sches und Hermann’sches Hämatoxylin: Eosin, Orange, van Gieson’sche Färbung. Die sämtlichen Objekte wurden in Paraffin eingeschlossen, bei einem Schmelzpunkt von nicht mehr als 50°) und einer Einschlussdauer von 5—6 Stunden, sodann in 5und 10 « dicke Serienschnitte zerlegt. Die Schnitte wurden in kombinierter Weise mit destilliertem Wasser und Eiweiss aufgeklebt. III. Die ersten Stadien. (1,2>1,5, 1,82, 2,83, 4, 5 cm.) Die Geschlechtsdrüse der Schweineembryonen von 1,2 cm stellt ein länglichrundes Körperchen dar, welches mit seiner breiten Grundfläche an dem inneren vorderen Teil des Wolff’schen Körpers befestigt ist, und zwar da, wo die Malpighi’schen Körperchen des letzteren gelagert sind. Die beiden Geschlechtsdrüsen befinden sich in dieser Periode sehr nahe nebeneinander, sodass der Zwischenraum nur die Wurzel des dünnen Gekröses durchtreten lässt, welchem sie zu- weilen in ihrer ganzen Ausdehnung dicht anliegen. Die Grenze zwischen der Drüse und dem Wolff’schen Körper ist in diesem Stadium schon deutlich sichtbar. Im all- gemeinen nimmt sich die Geschlechtsdrüse wie ein Anhang des Wolff’schen Körpers aus, welcher an der bindegewebigen Hülle desselben befestigt ist. Die Elemente der Drüse bilden ein Konglomerat von Zellen, welche den oberflächlichen Zellen des Wolff’schen Körpers ganz ähnlich sind. Wie ‘die Grösse aller von mir untersuchten Geschlechts- drüsen dieser Periode (11 Embryonen) ist auch ihre Form gleich. Der Querschnitt durch die Mitte einer solchen Anlage stellt einen Halbkreis dar, welcher mit seiner Grundfläche dem W olff- schen Körper anliegt. (Fig. 1, Taf. XXVIIL.) Die Anzahl der !) Ich habe stets dafür Sorge getragen, dass die Temperatur nicht zu hoch war (nicht höher als 50°), denn, wie meine Erfahrung mich gelehrt hat, ist der Eierstock ein so zartes Objekt, dass durch die Wirkung einer auch nur ein wenig zu hohen Temperatur sogar gut fixierte Präparate sehr beschädigt werden. 616 K, Skrobansky: Zellenelemente auf gleich dicken Schnitten ist für alle Geschlechts- drüsen dieser Stufe ungefähr dieselbe. Die Kerne der Zellen in der äussersten Schicht sind mit ihrer Längsachse entweder senkrecht oder etwas schräg zur Oberfläche der Geschlechtsdrüse gelagert. Die Kerne der übrigen Zellen der Drüse liegen ohne bestimmte Ordnung. In dem beschriebenen Entwicklungsstadium konnte ich, ab- gesehen von der ebengenannten Lagerung der Kerne, keine Unterschiede zwischen den an der Oberfläche der primären Drüse gelagerten Zellen und den tiefer gelegenen nachweisen. Es besteht keine Grenze zwischen beiderlei Lagern. Blutgefässe habe ich in solchen Drüsen noch nicht beobachtet. Die Blut- körperchen, welche hier in einer grossen Anzahl vorkommen, liegen entweder gruppenweise oder vereinzelt in Zwischenräumen zwischen den Zellen der Geschlechtsdrüse. Ich lasse es indessen dahingestellt, ob in der Tat keine Blutgefässwandungen vor- handen waren. Das Protoplasma der Zellen, welche die Hauptmasse der Primärgeschlechtsdrüse bilden, stellt eine allgemeine, gleich- förmig feinkörnige Masse dar und lässt die Konturen der meisten Zellen nicht klar begrenzt erscheinen. An mehreren Stellen bleiben unregelmässige Zwischenräume übrig, welche entweder frei (leer) erscheinen, oder eine geringere Anzahl derselben feinen Protoplasmakörnchen enthalten, wie sie sich um die Kerne finden. Oft sind hier auch Blutkörperchen nachweisbar. Mit Hülfe sehr starker Vergrösserungen erkennt man zwischen den beschriebenen Zellenelementen sehr zarte Zellen mit Ausläufern und länglichen Kernen, sowie zarte Fäserchen, welche zwischen den Zellen durchlaufen (Fig. 4, Taf. XXVII). Ich halte diese Zellen und Fasern für bindegewebige Elemente ; sie bilden das vorhin schon erwähnte Stroma der Primärgeschlechtsdrüse. Diese Bilder sind deutlicher in der Nähe der Grundfläche der Drüse zu beobachten, da wo sie mit dem Wolff’schen Körper zu- sammenhängt, was zu der Annahme berechtigt, dass das Binde- gewebe der Geschlechtsdrüse sich durch Einwachsen aus dem unterliegenden Teile der bindegewebigen Kapsel des Wolff- schen Körpers entwickelt. Ich möchte hier nochmals besonders betonen, dass die Parenchymzellen, welche die Drüse bilden, keine deutlich er- Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 617 kennbaren Konturen besitzen und da dies Verhalten unter An- wendung verschiedener Reagentien sich gleich bleibt, später aber bei derselben Behandlung deutliche Konturen auftreten, so meine ich, dass es der Wirklichkeit entspricht, dass also mit anderen Worten die Parenchymzellen der Primärgeschlechtsdrüsen eine Art Plasmodium darstellen. Die Kerne, welche zu den Zellen an der Oberfläche der Drüse gehören, besitzen eine sehr verschiedene Form; meisten- teils sind sie abgerundet und in einer Richtung etwas verlängert. Sie liegen, wie gesagt, entweder perpendikulär, oder öfter etwas schräg gegen die Oberfläche der Drüse. Sie liegen ferner hier so dicht, dass sie einander oft mit ihren Rändern berühren oder doch nur sehr geringe protoplasmatische Masse zwischen sich haben. Jeder Kern enthält .einen oder zwei grosse Nücleoli, deren wahre Natur mit vollständiger Deutlichkeit besonders an den mit Borax-Karmin gefärbten Präparaten festgestellt werden kann. Jeder Nucleolus ist gewöhnlich regelmässig kuglig und kann an verschiedenen Stellen des Kerns eingebettet sein. Das Chromatingerüst der Kerne besteht aus feinen, körnigen Fäden, welche oft um den Nücleolus herum ein dichteres Netz bilden. Sie strahlen vom Nucleolus in allen Richtungen aus und stellen im allgemeinen ein feines Netz dar, in dessen Kreuzungs- punkten sich das Chromatin zu etwas umfangreicheren Kügelchen ansammelt (Taf. XXVII, Fig. 5). Wenn der Kern zwei Nucleoli enthält, so ist die Lage der- selben zu einander sehr verschieden. Unter den Kernen an der Drüsenoberfläche sind Kern- teilungsbilder in diesem Stadium selten; doch bei der Unter- suchung einer grossen Anzahl von Serienschnitten können wir alle Stadien mitotischer Teilung beobachten. Am deutlichsten und häufigsten ist das Knäuelstadium wahrnehmbar, und zwar die Phase, in welcher der Chromatinfaden in einige starke, hufeisenförmige Chromosomen geteilt wird, welche, so weit es die geringe Grösse des Kerns unterscheiden lässt, der Kernmembran dicht anliegen. Man begegnet auch anderen Kernteilungsbildern: dem Knäuelstadium, wo das Chro- matin einen scheinbar ununterbrochenen, langen, gekrümmten, dicken Knäuelfaden bildet, welcher der inneren Seite der Kern- 618 K. Skrobansky: membran anliegt; dem Mutterstern, dem Dyaster und allen Perioden der Metakinese. 'Bei der Untersuchung der tieferen Schichten des Eierstocks von 1,2 cm langen ‚Embryonen stossen wir auf drei Kerntypen: | I. Kerne, welche nach ihrer Struktur den oberflächlichen Kernen der Primärgeschlechtsdrüse ganz ähnlich sind — Kernen der Parenchymzellen oder indifferenten Keim- zellen. II. Grosse, kugelförmige Kerne, welche entweder einen scharf konturierten Zellenleib um sich haben oder des- selben vollständig verlustig gegangen sind. Im. Kerne der Zellen von indeerehe Charakter. Die Kerne des ersten Typus (die Parenchymzellenkerne) unterscheiden sich, wie erwähnt, garnicht von denen der Drüsen- oberfläche, was mir erlaubt, da ihre Beschreibung schon gegeben wurde, zur Schilderung der zweiten Kernart überzugehen. Ich möchte nur bemerken, dass Kernteilungsbilder mir hier ebenso selten vorgekommen sind, wie bei den oberflächlichen Kernen. Die grossen, kugelförmigen -Kerne des zweiten Typus sind in diesem Stadium sehr selten und verteilen sich sehr unregel- mässig. Man kann mehrere Serien durchsehen, ohne einen ein- zigen solchen Kern anzutreffen, während man zuweilen in einem Schnitte zwei und mehr der beschriebenen, grossen, runden Kerne beobachtet. Auch ihre Lage ist sehr verschieden: man begegnet solchen Kernen sowohl in den oberflächlichen Zellen, wie auch an der Grundfläche des Organs. Ihre Grösse ist gleicherweise bedeutenden Schwankungen unterworfen; aber ich kann nicht sagen, dass derartige in den tiefsten Schichten der Drüse vorgefundene Kerne kleiner als die oberflächlichen wären, wie das von v. Mihälkovics behauptet worden ist. Im Gegen- teil bemerken wir oft ein umgekehrtes Verhältnis. Einige solcher grossen, runden Kerne sind mit gut ge- sondertem Zellenleib umgeben. In solchen Fällen beobachten wir dann eine kuglige Zelle mit scharf konturierten Rändern und exzentrisch liegendem Kern; es ist dies schon mit schwachen Vergrösserungen deutlich unterscheidbar. Bei der Untersuchung der feinsten Struktur dieser grossen, runden Kerne gelang es uns nicht, ausser ihrer Form und Grösse Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 619 noch irgend ein weiteres Unterscheidungsmerkmal derselben von den obengeschilderten Kernen (den Kernen der Parenchymzellen) nachzuweisen; auch sie enthalten ein oder: zwei echte Nucleolen und besitzen ‘ein zartes Chromatinnetz, an dessen Kreuzungs- punkten das Chromatin ebenso deutliche Anhäufungen bildet, wie das vorhin beschrieben wurde (Fig. 5, Taf. XXVII). Zwischen diesen grossen, runden Kernen liegen zuweilen Kerne, welche nach ihrer Grösse denen der gewöhnlichen Parenchymzellen sehr ähnlich sind, und wir können nicht mit Bestimmtheit sagen, ob wir einen Kern des zweiten von uns beschriebenen Typus vor uns haben oder ob es sich hier um einen gewöhnlichen Paren- chymzellenkern handelt, welcher nur mehr abgerundet wäre. Zur Entscheidung der Frage über den Ursprung dieser grossen Zellen, bezw. Kerne, ist es sehr wichtig, zu bestimmen, ob in ihnen, wie es in dem zuerst beschriebenen Zellentypus der Fall ist, Kernteilungsbilder auftreten. Es gelang mir nie- mals, in diesem Stadium Kernteilungsfiguren zu be- obachten, welche nach ihrer Form und Grösse dazu berechtigten, sie als Kernteilungsbilder der grossen Kerne zu betrachten, und ich bin der Ansicht, dass in der beschriebenen Periode diese grossen Kerne in der Regel einer Kernteilung nicht unterliegen. Den dritten Kerntypus bilden, wie gesagt, die läng- lichen Kerne der als Bindegewebszellen angesprochenen Gebilde. In dem in Rede stehenden Stadium sind diese bindegewebigen Elemente nicht leicht wahrnehmbar. Ich beobachtete dieselben an den mit Zenker’scher Flüssigkeit fixierten Präparaten, welche mit Borax-Karmin und begleitender Tinktion von Pikrin- säure und Indigo-Karmin gefärbt wurden. Das Bindegewebe bildet hier sehr zarte Fasern mit da- zwischenliegenden Kernen. Diese Kerne ‘sind denen der Paren- chymzellen in manchen Stücken ähnlich; aber wegen der sie be- gleitenden feinsten Fäserchen und ihrer verlängerten Form können sie schon in dieser Periode der Drüsenentwicklung mit grosser Sicherheit als von den Kernen der Parenchymzellen verschiedene Gebilde, und wie sich aus ihrem weiteren Verfolg ergibt, als bindegewebige bezeichnet werden (Fig. 4, Taf. XXVII). In der Geschlechtsdrüse von 1,2 cm langen Schweine- embryonen habe ich, wie bemerkt, die bindegewebigen. Zellen 620 K. Skrobansky: am meisten in der Nähe der Grundfläche des Organs beobachtet. Nur selten durchläuft das Bindegewebe die ganze Masse des Organs, und nur selten erreichen in diesem Stadium die feinsten Fäden die oberflächlichen Schichten desselben. Schon bei Embryonen von 1,2 cm Körperlänge ist jedoch, wie erwähnt, die Grenze zwischen dem Wolff’schen Körper und der Geschlechtsdrüse deutlich ausgeprägt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Geschlechtsdrüse ein Konglomerat der drei oben geschilderten Zellentypen darstellt, während der angrenzende Teil des Wolff’schen Körpers nichts anderes ist, als eine lokale Verdickung der bindegewebigen Urnierenkapsel, welche hier ihren bindegewebigen Charakter deutlich zeigt. Die Schärfe dieser Grenze wird nur dadurch etwas verwischt, dass das Bindegewebe der Urnierenkapsel in die Geschlechtsdrüse einzuwachsen beginnt. In dem ersten von 'uns untersuchten Stadium stellt also die Geschlechtsdrüse im Ganzen eine gleichmässige Anhäufung der bisher als Parenchymzellen oder indifferente Keimzellen be- zeichneten Gebilde dar. Wie wir später sehen werden, ver- mehren sich die Anlagen des Bindegewebes bei der weiteren Entwicklung der Geschlechtsdrüse und zerteilt sich dadurch die ganze Masse der Parenchymzellen in isolierte Parenchyminselchen. Da also die grösste Masse der Primärgeschlechtsdrüse aus Paren- chymzellen besteht, werde ich dieselbe mit dem Namen „Primär- parenchym“ bezeichnen. Die Geschlechtsdrüse des folgenden von mir untersuchten Stadiums — Schweineembryo von 15cm Körperlänge — bietet nur wenige Änderungen dar. Man kann nur eine etwas grössere Anzahl von binde- gewebigen Fasern nachweisen, welche auch öfter schon die ober- flächlichen Schichten der Geschlechtsdrüse erreichen. Im Parenchym des Organs konnte ich in dieser Periode keine Veränderungen bemerken. Alle von mir untersuchten Geschlechtsdrüsen dieses Alters (5 Embryonen) sind ebenso wie in dem ersten Stadium in allen Verhältnissen einander ganz gleich. Dies berechtigt mich zu der Ansicht, dass, auch in dieser Periode, die Geschlechtsdrüse sich noch in jenem indifferenten Zustande befindet, welcher die Möglichkeit, das Geschlecht der Drüse zu bestimmen, ausschliesst. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 621 Die Geschlechtsdrüse der Schweineembryonen von 1,8—2 cm Körperlänge zeigt im Vergleich mit den ebengeschilderten Stadien bedeutende Veränderungen. Diese Veränderungen sind so wesentlich, dass man beim Vergleich einer grösseren Anzahl von Präparaten schon in dieser Periode mit einer gewissen Sicherheit die weibliche Geschlechts- drüse von der männlichen unterscheiden kann. Besonders stark sind diese Veränderungen in der männ- lichen Geschlechtsdrüse ausgeprägt und bestehen in Kürze in folgendem: Es wird eine leicht wahrnehmbare Zunahme des Umfangs Ger Drüse bemerkbar, welche den der oben geschilderten Stadien (von 1,2 und 15 cm) ungefähr um das Doppelte über- trifft; ferner tritt eine bedeutende Veränderung in der Struktur und Anhäufung des Bindegewebes ein. Dasselbe bildet jetzt ein breitmaschiges, helleres Grundgewebe, welches in verschiedenen Richtungen von länglichen, an einzelnen Stellen wachsenden Gruppen von dicht aneinanderliegenden Parenchymzellen durch- setzt ist. In der äusseren Schicht trägt das Bindegewebe einen etwas anderen Charakter. Es durchläuft diese Schicht nur in ver- einzelten Fäserchen und lässt dem Parenchymgewebe mehr Platz, wodurch dasselbe in der äusseren Schicht einen kompakteren Charakter erhält, der noch an die Bilder aus den voraufgehenden Stadien erinnert. Die Parenchymgruppen haben noch denselben plasmodialen (synceytialen) Charakter, wie in den früheren Stadien; die Kerne gleichen meist den vorhin beschriebenen des I. Typus. Zwischen diesen Kernen bemerkt man auch in dieser Periode grosse, helle, runde Kerne, aber wie mir scheint, seltener als in den beiden ersten Stadien. Diese grossen Kerne sind entweder mit einem deutlich konturierten Zellleib umgeben, oder sie liegen frei in einer gemeinsamen Protoplasmamasse. Da das bindegewebige Stroma im Zentrum der Drüse stärker entwickelt ist, als an der Peripherie, so kann man in dieser Periode schon mit ziemlicher Deutlichkeit einen Unter- schied in der Struktur des zentralen und des peripherischen Teiles der Geschlechtsdrüse wahrnehmen. Dieser peripherische Teil gleicht nun bei den sämtlichen von mir untersuchten Geschlechtsdrüsen dieses Stadiums, unter denen sich natürlich 622 K. Skrobansky: sowohl männliche wie weibliche befanden, durchaus der Rinden- schicht derjenigen Geschlechtsdrüse des nächstfolgenden Stadiums, welche man als junge Fierstöcke in diesem Stadium sicher erkennen kann. Dies veranlasst mich, den peripherischen Teil der männlichen Geschlechtsdrüsen als diejenige Schicht zu betrachten, welche der Rindenschicht des Eierstocks ent- spricht, d. i. der „couche germinative“ v. Winiwarter. Bei weiterer Entwicklung der jungen Hodenanlagen schwindet aber diese Schicht, indem sie durch die sich mehr und mehr aus- bildende tunica albuginea ersetzt wird. Demnach dürfen die Tubuli eontorti des Hodens meines Erachtens nicht mit der follikel- bildenden Schicht des Eierstockes verglichen werden. Ich halte vielmehr dafür, dass sie den Marksträngen des Ovariums zu homologisieren seien. Bei den Eierstöcken aus dem hier in Rede stehenden Stadium tritt der Unterschied zwischen der äusseren und inneren Schicht des Organs im Vergleich zu der männlichen Geschlechts- drüse nicht so scharf hervor. Die Parenchymelemente des Eierstocks bilden noch nicht so deutlich abgetrennte Gruppen und sie liegen nicht so dicht zusammen, wie in der männlichen Geschlechtsdrüse, wo sie wie zusammengepresst erscheinen. Im allgemeinen ergibt sich aus dem Vergleich von Prä- paraten der Geschlechtsdrüsen von Embryonen, die aus einem und demselben Uterus stammen, wie ich Janosik bestätigen kann, dass die weibliche Geschlechtsdrüse in ihrer Entwicklung hinter der männlichen zurückbleibt. Auch in dem jetzt betrachteten Stadium geht die Ver- mehrung der Parenchymelemente in beiderlei Geschlechtsdrüsen sehr langsam von statten; nur selten kommen diese oder IB Kernteilungsbilder vor. Die Grundfläche der Geschlechtsdrüse, welche dem Wolft- schen Körper anliegt, verschmälert sich in dieser Periode relativ und stellt so einen kurzen, aber noch dicken Stiel vor, durch welchen die Drüse in. Verbindung mit dem Wolff’schen - Körper bleibt. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 623 In diesem Stiele, welcher aus dichterem Bindegewebe be- steht, sind ausser den Gefässen, welche aus dem Wolff ’schen Körper eindringen, keine anderen Bildungen zu beobachten. In dem folgenden von mir untersuchten Stadium, 2,8—3 cm lange Embryonen, haben die Geschlechtsdrüsen in ihrer Grösse noch etwas zugenommen. Die Veränderungen in der histologischen Struktur derselben sind so bedeutend, dass wir sogar bei einer nur oberflächlichen Betrachtung der Prä- parate leicht die weiblichen Geschlechtsdrüsen von den männ- lichen unterscheiden können. Das Parenchym der letzteren bildet schmale, längliche Stränge, welche durch faseriges Bindegewebe voneinander getrennt sind. Die ehemalige „Rindenschicht“ der jungen Hodenanlagen organisiert sich, wie bemerkt, zu einer tunica albuginea. Das sich ausbildende Bindegewebe verdrängt allmählich die Parenchym- elemente, welche nur an vereinzeiten Stellen ihren ursprüng- lichen Charakter beibehalten. Die durch das Bindegewebe zu- sammengepressten Parenchymzellen bekommen eine mehr längliche oder stark abgeplattete Form. Die Kerne derartiger Zellen färben sich nicht so deutlich wie früher, das Protoplasma wird körniger und wir glauben nicht fehlzugehen in der Annahme, einen Untergangsprozess des peripheren Teils des Primär- parenchyms hier vor uns zu haben. Die weibliche Geschlechtsdrüse ist in dieser Periode ihrem mikroskopischen Aussehen nach dem vorhergehenden Stadium der männlichen Geschlechtsdrüse sehr ähnlich. Diese Ähnlichkeit ist besonders bemerkbar in dem Bau des Bindegewebes. Dasselbe bildet hier ein durchsichtiges, breitmaschiges, mit grossen Kernen versehenes Gewebe, welches vereinzelte Parenchyminselchen von unregelmässiger Form und Grösse umschliesst. Aber die Anzahl der Parenchymgruppen ist in der weiblichen Geschlechtsdrüse stets geringer als in der männlichen. Das Bindegewebe umfasst die Parenchyminselchen nicht so gedrängt und das Parenchym selbst trägt daher einen nicht so dicht gelagerten Charakter wie in der männlichen Geschlechtsdrüse. (Vergl. Taf. XXVIII, Fig. 5 — weibliche Geschlechtsdrüse des beschriebenen Stadiums, und Fig. 1 — männliche Geschlechtsdrüse des vorhergehenden Stadiums.) In der jetzt in Rede stehenden Entwicklungsperiode der. weib- lichen Geschlechtsdrüse kann man noch keinen scharf aus- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 40 624 K. Skrobansky: geprägten Unterschied in der Struktur der Rinden- und der Markschicht beobachten, wie er in dem folgenden Stadium leicht wahrnehmbar ist; doch auch in dem jetzt beobachteten Stadium tritt dieser Unterschied an einzelnen Stellen deutlich hervor. Von besonderem Interesse sind die gegenseitigen Be- ziehungen des Parenchyms der Rinden- und der Markschicht. Die inneren Parenchymgruppen — unzweifelhaft die zu- künftigen Markstränge — stehen oft an vielen Stellen mit den äusseren, in der Rindenschicht liegenden Gruppen in Verbindung. Es erhebt sich die Frage, wie diese Verbindung hergestellt sei? Zweierlei Möglichkeiten liegen vor. Entweder sind die mehr im Zentrum der Drüsenanlage vorhandenen Zellengruppen, d. h. also die Markstränge, durch Auswachsen und Vorsprossen der Rindenparenchymmassen in die Tiefe hervorgegangen und haben dabei den Zusammenhang mit ihrem Mutterboden bewahrt, oder aber die Markstränge sind aus demjenigen Parenchym hervor- gegangen — durch Vermehrung und Umlagerung seiner Ele- mente — welches von vornherein in loco vorhanden war. Wir können nicht daran zweifeln, dass diese letztere Möglichkeit die einzig realisierte ist. Wir haben ja gesehen, dass von den frühesten untersuchten Stadien an von der Oberfläche bis zur Basis die jungen Geschlechts- drüsen-Anlagen aus denselben Zellen bestehen. deren Gruppen durchweg zusammenhängen. Wir brauchen also nur lokale Differenzierungen anzunehmen, welche ja das natürlichste und einfachste sind und die wir ja auch Schritt für Schritt ver- folgen können. Da der Zusammenhang aller Gruppen, sowohl der oberflächlichen wie der tiefen und beider untereinander, von Anfang an bestand, so brauchen wir nur diesen Zusammenhang bestehen zu lassen, um die Verbindung von Rindenparenchym und Marksträngen zn erklären; ein successives Einwachsen brauchen wir nicht anzunehmen. Ohne mich der Ansicht Mihalkovics’ (27) bezüglich des Entstehungsmodus der Stränge anzuschliessen (wovon wir später ausführlicher sprechen werden), muss ich bemerken, dass das allmähliche Einwachsen des Keimepithels in die Tiefe, zur Bildung der Markstränge, auch von diesem Autor geleugnet Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 625 wird, indem er von dem „plötzlichen Erscheinen“ und der „selbständigen Herausdifferenzierung‘ derselben spricht. Die Kerne des Bindegewebes in dieser Entwicklungsperiode der weiblichen Geschlechtsdrüse sind denjenigen des Parenchyms noch sehr ähnlich. Infolgedessen ist es da, wo die Fasern des Bindegewebes nur schwach ausgeprägt sind, manchmal sehr schwer, die Grenze zwischen dem Parenchym- und Bindegewebe zu bestimmen. . Das ebengeschilderte Stadium entspricht ungefähr dem frühesten von Janosik (20) (auch beim Schwein) beschriebenen Stadium — 2,5 em. Janosik sagt, dass das Keimepithel, welches verdickt erscheint, kleine Sprossen in die Tiefe der Ge- schlechtsdrüsenanlage sendet. Die Zellen dieser Sprossen seien etwas mehr rundlich als die Epithelzellen an der Oberfläche der Geschlechtsdrüsenanlage. zeigten aber dieselben mikrochemischen Charaktere wie diese. Ich kann, wie aus dem eben (Gesagten bervorgeht, dieser Ansicht Janosiks (20) nicht zustimmen und kann nicht die Markstränge als Produkt eines Einwachsens von anfänglich kurzen Sprossen des Keimepithels betrachten. Ich muss im Gegenteil betonen, dass die Markstränge gleich- zeitig mit der Rindenschicht in dem jungen Organe auftreten. Ihre Entstehung kann keineswegs nur durch die Proliferation des Keimepithels bedingt sein, da ja dessen Kernteilungsbilder, wie ich wiederholt erwähnt habe, in allen von mir untersuchten Stadien sehr selten sind. Die weibliche Geschlechtsdrüse eines Schweine- embıyo von 4 em Körperlänge unterscheidet sich von der obengeschilderten durch die grössere Entwicklung des Binde- gewebes und es treten infolgedessen auch die Parenchymelemente des Organs deutlicher hervor, indem sie hier schon ganz klar ausgeprägte Markstränge bilden, welche zum erstenmal von Waldeyer [37] (bei Hund, Katze, Kalb,) und später von einer ganzen Reihe von Forschern bei anderen Tieren (Kölliker [22], Born [5], Egli [12], v. Beneden [3], Mihalkovics [27], neuerdings Coert il, Bouin[7],v. Winiwarter [39] u. a.) beobachtet wurden. Die Grösse dieser Markstränge ist sehr verschieden und sie sind im allgemeinen in radialer Richtung angeordnet, indem einige von ihnen mit der Rindenschicht verschmelzen. Die letztere 40* 626 K. Skrobansky: stellt eine ziemlich breite Schicht mit dichter nebeneinander liegenden Zellen dar. Bei näherer Untersuchung der Rindenschicht erkennt man, dass sie sowohl aus den Parenchymgruppen besteht, wie auch aus zartem Bindegewebe, welches dieselben von einander trennt. An denjenigen Stellen der Rindenschicht, wo das Parenchym nicht so dicht angeordnet ist, zeigt sich das Bindegewebe mehr entwickelt und trägt denselben Charakter wie im Innern des Urgans. Von besonderem Interesse sind in dieser Periode die Veränderungen des Parenchyms der Geschlechtsdrüse. Sie bestehen zunächst in dem Auftreten einer grösseren Zahl jener schon vorhin beschriebenen grossen kugeligen Kerne. Diese Kerne sind in eine gemeinsame Masse von Protoplasma eingebettet und kommen sowohl in der Rindenschicht wie auch in den Mark- strängen vor. Ferner beobachtet man in diesem Stadium häufiger eine Teilung der Parenchymzellen; die meisten der in Kernteilnng begriftenen Zellen liegen in der Rindenschicht, obwohl man auch in den Marksträngen einer ansehnlichen Zahl von Zellen begegnet, welche diese oder jene Kernteilungsbilder zeigen. Wiederholt ist bei der Schilderung der bisher betrachteten Stadien von dem syneytialen Charakter des Parenchyms der Geschlechtszellen die Rede gewesen. Meine Untersuchungen erlauben mir nicht, mich über den Ursprung dieser syncytialen Struktur des Protoplasmas auszusprechen und ich muss diese sehr interessante Frage, — ob die erwähnte Eigentümlichkeit durch eine nachträgliche Verschmelzung von anfangs getrennten Zellen (Rabl [31]) oder durch Teilung der Kerne ohne nachfolgende Teilung des Zellenleibes (Boveri [8]) bedingt ist, — un- entschieden lassen. Unsere gegenwärtigen Kenntnisse lassen sowohl die erste, wie auch die zweite Vermutung zu. Ich möchte hier bemerken, dass bereits eine ganze Reihe von Autoren auf eine solche syncytiale Struktur des Parenchyms der Geschlechtsdrüsen- Anlagen hinweisen, besonders bei niederen Tieren in der sogenannten Keimzone, d.h.in demjenigen Teile der röhrenförmigen Geschlechtsdrüse, in welchem wir noch indifferente Keimzellen beobachten und welche unzweifelhaft den allerjüngsten Ent- Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 627 wicklungsstadien der Geschlechtsdrüse bei den höheren Tieren, und im Einzelnen den obengeschilderten Stadien beim Schweine, entsprechen. So beschreibt Boveri [S] in den äusserst dünnen faden- förmigen, blinden Enden der Geschlechtsröhren bei Ascaris einen gleichmässigen Protoplasmastrang in dem sich zahlreiche Kerne, aber keine Zellgrenzen nachweisen lassen. Dieses „Keimlager‘“ ist durch successive Teilung des Kernes der Urgeschlechtszellen ohne entsprechende Teilung der Protoplasmaleiber entstanden. Erst später grenzt sich um die einzelnen Kerne ein Protoplasma- hof ab. Weiter sagt Häcker (17a) über Canthocamptus: „Jeder der beiden Anfangszipfel des Ovariums enthält ein Keimpolster von sehr chromatinreichen Kernen. Unmittelbar an den Keimpolstern, da wo die beiden Endzipfel sich zu dem unpaaren Övarialschlauch vereinigen, ist mit Regelmässigkeit eine grössere Anzahl von Kernen zu beobachten, welche noch in einem gemeinschaftlichen Syneytium eingebettet sind.“ Weismann (38) beschreibt bei Daphnoiden ein „Keim- lager“, welches aus einer gemeinschaftlichen Protoplasmamasse, mit in derselben eingeschlossenen zahlreichen Kernen besteht. Ausser diesen kann ich noch auf die neuerdings erschienenen Arbeiten von Woltereck (40) über Ostrakoden, Tönniges (36) über Myriopoden, Paulcke (30) über die Bienenkönigin u. a.!) hinweisen. Viel spärlicher sind die Mitteilungen über die Struktur des Parenchyms in den Arbeiten, welche die Geschlechtsdrüse der höheren Tiere behandeln, trotzdem wir glauben, dass die Struktur des Parenchyms und besonders seines Protoplasmas für uns von wesentlichem Interesse ist, da wir auf Grund derselben eine grosse Übereinstimmung in der Entwicklung der weiblichen und männlichen Geschlechtsdrüse einerseits und derjenigen der niederen und höheren Tiere andererseits festzustellen vermögen. Ich habe eine ganze Reihe von Arbeiten über die Ge- schlechtsdrüsen-Entwicklung der Vertebraten durchgesehen und fand die betreffenden Hinweisungen von nur sehr unbestimmtem Charakter. !) Die Literaturangaben über diese Frage sind bei Korschelt & Heider (23) ausführlich zusammengefasst. 628 K. Skrobansky: So beschreibt Balfour (2) einen gleichen Entwicklungs- modus für die Elasmobranchier und das Kaninchen und sagt, dass sich aus dem Keimepithel die Ureier entwickeln. Manch- mal verschmelzen mehrere Ureier miteinander. Über die Struktur der Markstränge finden wir bei v. Wini- warter (39) folgendes: Die Zellen derselben besitzen keine deutlich erkennbare Grenze. Ihre Kerne sind in allen Be- ziehungen den „noyaux protobroques b“ (v. Winiwarter) ähn- lich, d.h. den Kernen derjenigen Zellen, welche, wie es mir scheint, unseren Parenchymzellenkernen entsprechen. Eine grössere Bestätigung für unsere Ansicht liefern die Abbildungen einer ganzen Reihe von Autoren, z. B. zeigt bei Mihälkovics (27) (Taf. VIII, Fig. 164) die Abbildung eines (Juerschnitts durch die Geschlechtsdrüse einer 12 mm langen braunen Eidechse eine kontinuierliche Zellenmasse ohne Zell- grenzen, in welcher einzelne grosse, runde, schon mit scharf konturiertem Zellleibe versehene Zellen liegen. Von grossem Interesse sind von unserem Standpunkte aus die Abbildungen 190 und 184. Die letztere (Querschnitt durch die Rindensubstanz des Eierstocks eines 12 cm langen Katzen- embryos) liefert ein besonders deutliches Bild der Kontinuität des Parenchymprotoplasmas der Pflüger’schen Schläuche. Ich übergehe eine ganze Reihe anderer derartiger Bilder und möchte nurnoch die Abbildungen von Köllikers(22c) — Fig. 1216 Follikel aus dem Eierstocke eines 7 monatlichen Mädchens, Bouins (7) Rana temporaria, Fig. 1, 3, 12) und hauptsächlich die von Winiwarter (39) (Planche IV et V), welche als bester Beweis unserer Ansicht dienen, hervorgehoben sehen. Auf Grund des Gesagten halte ich mich für berechtigt, zu dem Schlusse, dass die syneytiale Struktur des Parenchyms der Geschlechtsdrüse in den ersten von mir geschilderten Stadien ein normales und typisches Verhalten desselben ist, ein Ver- halten, welches für bestimmte Strecken der Geschlechtsröhre niederer Tiere (Keimzone) allgemein besteht und bestimmten Entwicklungsperioden sowohl der männlichen wie der weiblichen (eschlechtsdrüse der höheren Tiere eigentümlich ist. Diese plasmodiale Struktur wird, wie ich zu beweisen ver- suchen werde, auch bei den höheren Tieren im Laufe der ganzen Eibildungsperiode beibehalten, indem sie, wie mir scheint, eine Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 629 erosse Rolle bei der Ernährung und weiteren Ausbildung der Eier spielt. Bevor ich mich nun zur näheren Beschreibung der grossen Kerne wende, welche schon in dem ersten Stadium von uns geschildert wurden und welche auch in allen folgenden Stadien vorkommen, möchte ich einen Blick auf die hauptsächlich sich hierauf beziehende Literatur werfen. Waldeyer (37a) beschreibt bei Hühnerembryonen vom Ende des vierten Brüttages in einer Verdickung des Keim- epithels grosse, runde, mit grossem glänzenden Kern versehene Zellen. welche vereinzelt liegen. „Ich zweifle nicht daran“, sagt Waldeyer, „dass wir hier die jüngsten Eier vor uns haben“ und auf Grund dieses Befundes gelangt er zu der Ansicht, welche auch mit unseren Untersuchungen stimmt, dass „die ersten Spuren der Eibildung beim Huhne nicht in schlauch- artigen, follikulären Bildungen gesucht werden dürfen, sondern bereits in dem Keimepithel vorhanden sind“. Derartige Zellen wurden von mehreren Autoren unter dem Namen „Primordialeier“ und „Ureier“ beschrieben, bei einer ganzen Reihe sowohl von Fischen wie auch von niederen und höheren Tieren, bei den letzteren besonders ausführlich von Mihälkovies (27). Nach den Untersuchungen Mihälkovics’ (27), welche für meine Auffassung der Geschlechtsdrüsenentwicklung von be- sonderem Interesse sind, sieht man am frühesten und am besten jene grossen Zellen bei den Reptilien, etwas später bei den Vögeln. Bei 9—10 mm langen Eidechsenembryonen ist die Geschlechtsleiste schon vollständig ausgebildet; man kann sowohl im Keimepithel wie im Keimdrüsenblastem derartige Zellen be- obachten ; in letzterem sind sie etwas kleiner und weniger zahl- reich. Bei der weiteren Entwicklung des Organs wird ihre Anzahl geringer und bei Embryonen von 12—14 mm kommen sie nach der Meinung Mihälkovics’ kaum mehr vor. Bei Säugetieren sind diese grossen Zellen vor der Diffe- renzierung des Geschlechts nach Mihälkovics überhaupt nicht vorhanden. Wie erwähnt,. habe ich diese grossen runden Zellen beim Schwein auch in dieser Periode, d. h. der Periode der noch indifferenten Keimdrüse, mit grosser Deutlichkeit be- obachtet. 630 K. Skrobansky: Doch ist die von Mihälkovics (27) für die Reptilien er- wähnte Tatsache bis zu einem gewissen Grade auch für das von mir untersuchte Objekt wichtig, indem die runden grossen Kerne bei Schweineembryonen von 2—3 cm seltener als bei solchen von 1,2—1,5 cm angetroffen wurden. Ich kann mich nicht mit Sicherheit über die Bedeutung dieses temporären Verschwindens der beschriebenen grossen Zellen mit den runden Kernen aussprechen, jedenfalls aber kann ich nicht mit der Ansicht Mihälkovics’ (27) übereinstimmen und sie als die zur Bildung der Markstränge dienenden Zellen betrachten. Es ist vielmehr anzunehmen, dass diese Zellen die ersten differenzierten Sexualzellen der Geschlechtsdrüse sind. Ihr selteneres Auftreten in den späteren Stadien erklärt sich vielleicht dadurch, dass sie teilweise zu Grunde gehen wegen Mangels des für sie notwendigen Nährmateriales, worauf ich in dem Kapitel über „Nährzellen“ eingehen werde. Erst bei 5 cm langen Embryonen treten diese grossen runden Kerne wieder häufiger auf und stellen, wovon ihre weitere Entwicklung ein unzweifelhaftes Zeugnis gibt, in der Tat die erste Etappe der Differenzierung einer indifferenten Zelle zu einer Geschlechtszelle dar. Sonach werden wir in der weiteren Darstellung diese grossen Zellen als Ureier in der so weit differenzierten Ge- schlechtsdrüse, dass man diese als Eierstock erkennt, Ursamen- zellen im Hoden und Geschlechtszellen in den noch undifferenzierten Drüsenanlagen bezeichnen. Die weibliche Geschlechtsdrüse der Schweine- embryonen von 5 cm Körperlänge ist von grossem Interesse infolge des Auftretens neuer Kern- und Zellformen, welche das Anbrechen der Wachstumsperiode kennzeichnen. Ein Teil von diesen neuen Formen geht zu Grunde, indem er als Nahrungsmaterial für den anderen Teil, für die wachsenden Eier dient. Die etwas vergrösserte Geschlechtsdrüse befestigt sich an dem Wolff’schen Körper mittels eines noch dicken, aber schon langen Stieles, welcher mit grossen, dünnwandigen Gefässen Versehen ist. Ein Hineinwachsen irgend welcher parenchymatösen . .. r . . £ . 209 Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 631 Gebilde in den Eierstock von Seiten des Wollf’schen Körpers habe ich nicht beobachtet. Das Bindegewebe des Stieles geht in das Stroma des Eierstocks über. Mit dem Bindegewebe dringen auch die Blutgefässe ein. Ein Querschnitt durch die Mitte des Organs zeigt eine gut ausgeprägte Rinden- und Mark- schicht. Die letztere besteht aus einem hellen weitmaschigen Bindegewebe, dessen Kerne in diesem Stadium von denen des Parenchyms leicht unterscheidbar sind, sie sind kleiner und bedeutend länger als diese. Im Zentrum der Drüsenanlage finden wir die dunkleren Markstränge, welche an einigen Stellen mit dem Rindenparenchym verschmelzen. Die Grösse und die Form der Markstränge ist sehr verschieden ; gewöhnlich sind sie etwas verlängert, manch- mal aber verästeln sie sich und vereinigen sich mit den benach- barten Gruppen oder sie bilden im Gegenteil kleine vereinzelte Inselchen, welche scheinbar unabhängig in dem bindegewebigen Stroma eingebettet sind. Die Rindenschicht ist deutlich ausgeprägt. Infolge der grösseren Masse des Parenchyms besitzt sie ein mehr kompaktes Aussehen und umfasst die Markschicht in Form einer ziemlich breiten hufeisenförmigen Zone. Für das Verhalten der Markschicht zur Rindenschicht in diesem Stadium verweise ich auf Fig. 3, Taf. XXVIII, wo die Parenchymelemente nicht so dicht zusammenliegen. Wir sehen hier, dass einer der Markstränge (a) eine Sprosse aussendet, welche in die Rindenschicht eindringt und mit dem Parenchym der letzteren verschmilzt. Auf demselben Präparat sieht man ferner, dass die übrigen Parenchymgruppen der Rindenschicht denselben Charakter besitzen, wie die in der Tiefe angeordneten Stränge; sie liegen nur in der Rindenschicht dichter neben- einander. Solehe Bilder sind nicht auf jedem Präparat mit gleicher Deutlichkeit zu verfolgen; aber ich bin sicher, dass jeder Forscher, welcher mehr oder weniger vollständige Serien von mehreren Eierstöcken dieser Periode untersucht hat, auf der- artige Bilder stossen wird. Sowohl in der Rindenschicht wie in den Marksträngen begegnen wir sehr zahlreichen grossen, runden Kernen, welche in diesem Stadium ihre maximale Grösse erreichen. In der 632 K. Skrobansky: Rindenschicht sind sie so reichlich, dass in einigen Eierstöcken sie sogar die Parenchymzellkerne überwiegen. In den Mark- strängen ist ihre Anzahl, obwohl auch gross, doch nie so reich- lich wie in der Rindenschicht. Auch in diesem Stadium kommen unzweifelhafte Über- gangsformen zwischen den grossen runden Kernen und den indifferenten Parenchymzellkernen vor. Besonders hebe ich hervor, dass in dieser Periode, also bei Schweineembryonen von 5 cm Länge, Teilungen der grossen Kerne deutlich festzustellen sind. Besonders deutlich tritt es in dem Knäuelstadium hervor, dass wir in der Tat die Kernteilung der grossen, runden Kerne und nicht der Parenchymzellenkerne vor uns haben. Die Knäuel übertreffen manchmal um das doppelte das entsprechende Stadium der indifferenten Zellen. Es gelang mir nicht, irgend eine Eigentümlichkeit in den Kernteilungsvorgängen der erwähnten Zellen zu bemerken, nur will ich hinzufügen, dass die Tochtersterne der grossen Kerne so weit auseinander weichen, dass sie am Schlusse der Meta- kinesis nur selten in einem und demselben Schnitte zu be- obachten sind. Die Anzahl der Kernteilungsbilder ist in den verschiedenen Eierstöcken sehr verschieden. In einigen Organen kommen sie sehr zahlreich vor, manchmal gruppenweise, in anderen aber beobachtet man dieselben fast garnicht. Die in den Marksträngen liegenden grossen Kerne können ebenfalls Kernteilungsbilder zeigen, aber die Anzahl derselben ist hier stets sehr gering. Ich möchte hier noch einige Worte über die Kerne der oberflächlichen Schicht sagen. In einigen Eierstöcken ist die oberflächliche Schicht an mehreren Stellen deutlich von dem unterliegenden Gewebe gesondert. Sie besteht manchmal aus zwei und mehr Reihen von Kernen, die in einem nicht deutlich zu Zellen abgegrenzten Protoplasma liegen, manchmal aber ist sie einreihig. Die Grösse der Kerne ist hier sehr bedeutenden Schwan- kungen unterworfen. Vielfach sieht man die oberflächlichen Zellen von dem unterliegenden Rindenparenchym durch ein deutlich ausgeprägtes fasriges Bindegewebe getrennt; an den Stellen, wo dieses Bindegewebe fehlt, gehen die einzelnen Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 633 Parenchymgruppen der unterliegenden Rindenschicht in die oberflächlichen Zellen über. Die Kerne der letzteren unter- scheiden sich jedoch schon in dieser Periode von den unter- liegenden Parenchymzellkernen. Die Form der oberflächlichen Kerne ist sehr verschieden, ihr Kerngerüst färbt sich nur schwer und das Chromatin sammelt sich oft in mehreren vereinzelten Bröckchen an. Ein Nucleolus ist vielfach nicht wahrnehmbar. Nur selten kommen in der Oberflächenschicht noch Kerne vor, welche ihren ursprünglichen Charakter als Parenchymzellkerne beibehalten haben. Es finden sich auch Oberflächen-Kerne, welche Übergangs- formen zu den grossen runden Kernen darstellen. Kernteilungsbilder habe ich in dieser Periode an den Ober- flächenzellen nicht gesehen. Die Geschlechtsdrüse der Schweineembryonen von 5 cm Körperlänge besitzt also eine ziemlich gut abgegrenzte Ober- flächen-Zelllage — Keimepithel —, eine gut ausgeprägte Rinden- schicht und eine Markschicht mit Marksträngen. Der weitere Entwicklungsgang besteht hauptsächlich in einer Ausbildung der Rindenschicht und in dem Untergange der Markstränge. Ich werde nicht alle von mir untersuchten Stadien beschreiben, um Wiederholungen zu vermeiden und wende mich zur Schilde- rung der weiteren Ausbildung der Rindenschicht. IV. Ausbildung der Rindenschicht. Die Beziehung des Keimepithels und der Mark- stränge zu derselben. Die bisher, also von Schweineembryonen von 1—5 cm Länge gewonnenen Befunde, ergaben in kurzer Zusammenfassung folgendes: Die jüngsten von mir untersuchten Keimdrüsen-Anlagen bestehen fast durchweg, sowohl an der Oberfläche, wie in der Tiefe, aus denselben Zellen, den von mir sogenannten Paren- chymzellen oder indifferenten Keimzellen. Ausser diesen Parenchymzellen findet sich jedoch auch schon in den jungen Keimdrüsenanlagen ein zartes bindegewebiges Stroma, welches wahrscheinlich von der bindegewebigen 634 K. Skrobansky: Kapsel des Wolff’schen Körpers abzuleiten ist. Durch das verschiedene Verhalten dieses Bindegewebes in seiner weiteren Entwicklung vollzieht sich im wesentlichen die Trennung der Parenchymzellen in die drei Lager, welche wir bereits bei 5 cm langen Embryonen unterscheiden konnten: die Oberflächen- schicht, d.i. das spätere Keimepithel, die Rinden- schicht und die Markschicht. Die zuerst als solche unterscheidbare Rindenschicht, in welcher die Parenchymzellen noch denen des Markparenchyms gleichen, möchte ich, wie ich hier einschalte, mit einem beson- deren Namen = Primär-Rindenschicht belegen, um für die weitere Beschreibung mich bequem ausdrücken zu können. Ich kann mich durchaus nicht der Ansicht derjenigen Forscher anreihen, welche behaupten, dass das Keimepithel durch seine Proliferation fähig sei, nicht nur die Rindenschicht, sondern auch die Markstränge zu bilden. (Janosik [20], v. Mihälkovics [27], Balfour [2] und teilweise v. Wini- warter [39]). Dies ist mir schon deshalb unmöglich, weil ich, wie vorhin hervorgehoben, in keinem der von mir unter- suchten Stadien eine dazu genügende Anzahl von in Teilung begriffenen Zellen nachweisen konnte. Nach dem bisher Mit- geteilten kann ich auch nicht mit denjenigen Beobachtern über- einstimmen, welche sagen, dass in der früheren Entwicklungs- periode die Oberflächen-Lage des Eierstocks aus einer Zellenschicht besteht, welche kein Bindegewebe enthält (Balfour [2], v. Winiwarter [39] u.a.) Wenigstens kann man beim Schwein auch in den früheren Entwieklungsstadien beobachten, dass einzelne Fäserchen des Bindegewebes zwischen den Parenchymgruppen durchlaufen und die oberflächlichste Schicht erreichen. Erst später trennt sich ein stromafreies Keimepithel als Oberflächenschicht allmählich von der primären Rindenschicht ab, wie das vorhin angegeben wurde. Als weitere Ergebnisse meiner Befunde führe ich noch an: den plasmodialen Charakter der Parenchym- elemente der bisher betrachteten jungen Keimdrüsenstadien und den Unterschied, welcher sich bei den. weiblichen und männlichen Keimdrüsen später in dem Verhalten der Rinden- schicht zeigt, während die frühesten Entwicklungstadien gleich Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 635 sind. Dieser Unterschied führte mich, wie gleichfalls vorhin an- gegeben wurde, zu der Ansicht, dass die Tubuli contorti der Hodenanlage nicht aus dem Rindenparenchym der früheren in- differenten Keimdrüse hervorgehen, sondern aus dem Parenchym der Markschicht, d.i. aus den Marksträngen. Bei der männ- lichen Keimdrüse geht sonach die Rindenschicht zu Grunde, bei der weiblichen die Markschicht. Dies sind im wesentlichen die Ergebnisse, zu welchen mich die Untersuchung der bisher beschriebenen jüngeren Stadien geführt hatte. Was nun die weitere Ausbildung der primären Rindenschicht bei den Eierstocks-Anlagen be- trifft, zu deren Schilderung wir jetzt gelangen, so gehören dazu eine ganze Reihe von Vorgängen: Teilungen der Oogonien, die Bildung und das Wachstum der Oocyten, die Bildung der Primär- follikel u.a. An diesen Vorgängen nehmen nun im wesentlichen nur die Elemente der Primär-Rindenschicht teil und ich bezweifle, dass das Keimepithel, d. i. die oberflächliche Schicht der ehemaligen Parenchymzellen, eine nennenswerte Rolle bei dieser weiteren Entwicklung des Parenchyms der Rinden- schicht spielt. Welches ist denn überhaupt die Rolle des Keimepithels bei der Bildung der Rindenschicht? Wann hört die Fähigkeit des Keimepithels zur Bildung von Eiern und überhaupt von Parenchymzellen der Geschlechtsdrüse auf, d.h. diejenige Fähigkeit, welche den oberflächlichen Zellen der ersten Keimdrüsenanlage, die später zum Keimepithel werden, unzweifelhaft eigentüm- lich ist ? Diese Fragen müssen wir, ehe wir zur näheren Betrachtung der Rindenschicht übergehen, erledigen. Wenn ich von dem seltenen Ausnahmefalle Amans (1) absehe, so kommen hier wesentlich die Ansichten Coerts Baar Bouins [7] und v. Winiwarters [39]) in Betracht; bei Letzterem möchte ich ausführlicher verweilen. Bei der Untersuchung über Oogenese (beim Kaninchen und beim Menschen) bestätigt v. Winiwarter (39) die oben an- geführte Ansicht Janosiks, dass das Keimepithel der Ursprung, nicht nur der Rindenschicht. sondern auch der Markstränge sei, und zwar werden nach ihm die Elemente der ersten Proliferation 636 K. Skrobansky: des Keimepithels zur Bildung der Markstränge benutzt, die- jenigen der zweiten Proliferation, — zur Bildung der Rinden- schicht. In Kürze schildert v. Winiwarter (39) den Vorgang der Bildung der Rindenschicht folgendermassen: In der frühesten Periode, welche er hinsichtlich der Oogenese des Kaninchens untersuchte (Kaninchenembryo von 23 Tagen), befindet sich an der Oberfläche des Eierstocks eine ausschliesslich aus epithelialen Elementen bestehende Schicht, in welcher eine oberflächliche Zellenreihe — „assise epitheliale* und eine tiefere Lage — „assise germinative“ zu erkennen sind. Diese beiden Schichten unterscheiden sich voneinander durch den Charakter der zu ihrem Bestande gehörigen Zellen. Die erste Schicht besteht ausnahmslos aus einer Reihe derjenigen Zellen, deren Kerne v. Winiwarter (39) mit dem Namen „noyaux protobroques a“ bezeichnet; die zweite, dickere Schicht führt die sogenannten „noyaux protobroques b*“. Die beiden Kernarten können Kern- teilungsbilder zeigen und sind von v. Winiwarter als Oogonien anerkannt. Unter den beiden geschilderten Schichten liegt eine dritte, wieder epitheliale, welche sich durch das Vorhandensein von Bindegewebe charakterisiert. Dasselbe teilt diese Schicht in ein- zelne Gruppen ab, welche v. Winiwarter mit dem Namen „boyaux germinatifs“ bezeichnet. In den Eierstöcken 23tägiger Kaninchenembryonen führen diese „boyaux germinatifs“ „noyaux protobroques b“, zwischen welchen einige regelmässig runde Kerne von bedeutenderem Umfang und hellerem Aussehen vorkommen, das sind die „noyaux deutobroques* v. Winiwarters. Diese deutobrochen Kerne sind auch in der „assise epitheliale“ nachweisbar. Mit dem Wachstum der Embryonen wird ihre Anzahl grösser. Zwischen den „noyaux protobroques b“* und „noyaux deuto- broques“ hat v. Winiwarter (39) Übergangsformen beobachtet, welche beweisen, dass die zweiten sich aus den ersten entwickeln. Diese „noyaux deutobroques“ betrachtet er als die erste Etappe der Differenzierung, welche das Anbrechen der Wachstumsperiode anzeigt, sie sind schon Kerne von Oocyten I. Ordnung: Die „noyaux protobroques a“ gehören, wie er- wähnt, den oberflächlichen zylindrischen Zellen an und haben Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 631 eine längliche Form. Ihr Chromatin ist innerhalb des Kerns zu einigen umfangreichen, unregelmässigen, stark gefärbten Massen vereinigt; sie enthalten keinen Nucleolus. Die „noyaux protobroques b“ sind etwas kleiner als die ebengenannten; sie sind gewöhnlich rund oder länglich rund; ihr Chromatin ist nicht so stark konzentriert und man gewahrt Chromatinkörnchen an einigen Fäden des Kernnetzes. Die Nucleolen fehlen auch in diesen Kernen. Die „noyaux deutobroques‘“ unterscheiden sich sehr scharf von den beiden eben geschilderten Kernarten durch ihren Umfang, die regelmässig runde Form und das hellere Aussehen. Das Nucleinnetz dieser Kerne ist besser ausgebildet; auch sind Nucleoli vorhanden. Hinsichtlich der Bedeutung der „noyaux protobroques a“, welche die Kerne des Keimepithels der Autoren darstellen, und der „noyaux protobroques b‘ sagt v. Winiwarter (39), dass die „noyaux protobroques a“ durch Teilung neuen ‚noyaux protobroques a“ den Ursprung geben, von denen ein Teil in die Tiefe rückt und zu „‚noyaux protobroques b‘“ sich umformt. Diese ‚‚noyaux protobroques b‘ vermehren sich ihrerseits und produzieren neue ‚„noyaux protobroques b‘“. Ein Teil von diesen transformiert sich zu den „noyaux deutobroques“. Die ober- flächlichen ‚‚noyaux protobroques a“ behalten ihren Charakter während aller von v. Winiwarter (39) untersuchten Stadien bei. Was die Frage betrifft, wann nach v. Winiwarter die Fähigkeit der Zellen mit ‚‚noyaux protobroques a‘ (Keimepithel) und „noyaux protobroques b‘“ zur Bildung von Eizellenkernen aufhört, so fällt dies, wenn wir v. Winiwarter richtig verstehen, etwa mit dem 10. Tage des extra-uterinen Lebens der Tiere (Kaninchen) zusammen; um diese Zeit wird die Anzahl der Mitosen dieser Kerne sehr gering. Aus diesem allen folgt, dass meine vorhin dargelegte Auf- fassung der Oogenese der Meinung v.Winiwarters näher steht, als der von Janosik (20) und Balfour (2), denn auch v. Winiwarter (39) lässt zu, dass-an der Bildung der Rinden- schicht nicht nur die oberflächlichen Zellen mit den ‚„noyaux protobroques a“ teilnehmen, (wie das Balfour [2] und ‚JanosSik [20] behaupten), sondern auch die tiefer gelagerten 638 K. Skrobansky: und von diesen unterschiedenen Zellen mit den ‚‚noyaux proto- broques b‘“. Wie aber aus meiner bisherigen Darstellung hervorgeht, unterscheidet sich meine Meinung von der Bildung der Rinden- schicht und des Keimepithels des Wirbeltiereierstockes darin von der Ansicht v. Winiwarters, dass ich die Elemente der Rindenschicht, speziell die Zellen mit den noyaux deutobroques, nicht von einer ursprünglich oberflächlich gelegenen Zellenschicht. ableite, sondern, unabhängig von einer solchen, aus Zellen, welche von Anfang an in tieferen, unmittelbar an die oberfläch- lichen Zellen grenzenden Schichten der Eierstocksanlage vor- handen waren. Ich hebe, um den Unterschied meiner Auf- fassung von der der meisten übrigen Autoren klarzustellen, es nochmals hervor, dass bei Schweineembryonen bis zu 3—5 cm Länge sämtliche Parenchymzellen der Eierstocks- anlagen einander gleich sind, und dass die Verschieden- heit, die sich später in den verschiedenen Lagen: Keimepithel, Rindenschicht, Markschicht zeigt, auf lokalen Differen- zierungen beruht, die um diese Zeit der Entwicklung ein- treten. Sie beruht nicht darauf, dass Zellengenerationen von der oberflächlichen Zellenanlage aus sich neu bilden und in verschiedenen Schüben in die Tiefe rücken, um successive die Markschicht und dann die Rindenschicht zu bilden, wobei sie sich weiter umformten. Was die Fähigkeit der oberflächlichen Parenchymzellen, i. e. der Keimepithelzellen, zur Bildung von Eizellen anlangt, so wohnt ihnen von Anfang an dieselbe ebenso inne, wie den Zellen der Markschicht und denen der Rindenschicht, da ja alle diese Zellen anfänglich gleicher Art und gleicher Abkunft sind. Diese Eibildungsfähigkeit bleibt bei der weiteren Differenzierung und Entwicklung der weiblichen Geschlechtsdrüse aber nur den Parenchymzellen der Rindenschicht erhalten und wird bei diesen Rindenschichtzellen speziell ausgebildet; bei den Zellen der Markstränge geht sie ebenso wie bei den Zellen des Keimepithels. alsbald verloren. Für die Markstrangzellen verweise ich ins- besondere in dieser Beziehung auf Coerts und v. Winiwarters Arbeiten. Solange als die an der Oberfläche liegenden Parenchym- zellen, also die Keimepithelzellen, die ursprüngliche Beschaffen- Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 639 heit ihrer Kerne behalten — und es mögen immerhin eine An- zahl unter ihnen sein, bei denen dies auch noch später zutrifit — solange können solche Zellen auch noch zu Eizellen sich entwickeln. Alle diejenigen Zellen aber, welche einmal den anderen Entwicklungsweg zu echten Keimepithelzellen, wie sie später die Ovarialoberfläche bedecken, genommen haben, bringen keine Eizellen mehr hervor, weder auf dem Wege der Trans- formation, noch auf dem der Proliferation und damit vergesell- schafteter Abänderung der neugebildeten Zellen. Dass Teilungen an den fertigen Keimepithelzellen noch vorkommen, stelle ich nicht in Abrede, meine aber, dass die dadurch neugebildeten Zellen entweder bei noch statthabendem Wachstum des Eier- stockes verwendet werden, oder beim Untergange von Epithel- zellen, wie sie etwa beim Platzen von Graaf’schen Follikeln stattfindet, zur Deckung verwendet werden. Schon bei den Eierstöcken von 11 cm langen Schweine- embryonen hat der grösste Teil der Oberflächen-Zellen den Charakter von Keimepithelzellen angenommen und ich glaube, dass man bereits in diesem Alter nicht mehr von einer Bildung von Oogonien im Keimepithel sprechen kann. Nachdem wir hiermit unsere Ansicht über die Bedeutung und das Schicksal der oberflächlichen Zellen der weiblichen Ge- schlechtsdrüse festgestellt haben, wenden wir uns zur Schilderung der weiteren Entwicklungsvorgänge in der Rindenschicht derselben. Die Veränderungen, welche hier bei Embryonen von 5 cm ab zu beobachten sind, betreffen sowohl das Bindegewebe der Rindenschicht, wie auch ihr Parenchym. In letzterem entwickelt sich in einer Reihe von Prozessen, welche wir in einem besonderen Kapitel näher besprechen werden, ein Teil der Oogonien zu Eiern (Oocyten) der Primärfollikel, der andere Teil aber bildet Nährzellen, welche als Nahrungs- material für die wachsenden Oocyten dienen. Gleichzeitig mit den Veränderungen, welche hierbei die Parenchymzellenkerne erfahren, bemerken wir auch Änderungen in der Anordnung der Parenchymzellengruppen selbst; diese ver- schmelzen miteinander und bilden dadurch grosse Schläuche (Pflüger’sche Schläuche), welche in perpendiknulärer Richtung die ganze Masse der Rindenschicht durchsetzen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 41 640 K. Skrobansky: Die Verschmelzung der Parenchymgruppen breitet sich in der Richtung von der Tiefe nach der Oberfläche aus. So sind bei 7 cm langen Schweineembryonen die tieferen Parenchym- gruppen der Rindenschicht schon bedeutenden Veränderungen unterworfen, welche den Anfang der Wachstumsperiode der in denselben eingeschlossenen Kerne charakterisieren, während die mehr oberflächlich geordneten Gruppen noch ihren status quo ante zeigen. Bei 11 cm langen Embryonen sind auch die mehr oberflächlich liegenden Gruppen getroffen, bei 25 cm langen die oberflächlichsten. Erst in dieser Periode beobachten wir voll- ständig ausgebildete Pflüger’sche Schläuche. Der weitere Entwicklungsvorgang der Rindenschicht be- ‚steht darin, dass das Bindegewebe der Geschlechtsdrüse, indem es zwischen die einzelnen, in den unteren Enden der Pflüger- schen Schläuche liegenden Zellen eindringt, hier die ersten Primärfollikel zu bilden beginnt. Dieser Prozess zeigt sich zuerst in den Eierstöcken von 20,1 cm langen Embryonen und war auch in den spätesten von uns untersuchten Stadien noch nicht vollendet, was annehmen lässt, dass die endgültige Fertigstellung der Rindenschicht, wie sie dem vollständig entwickelten Organ angehört, beim Schwein der Postembryonalperiode zugeschrieben werden muss. V. Die Oogonien. Mit dem Namen: „Oogonien“ bezeichnen wir, wie es aus der Schilderung des Eierstocks der 5 cm langen Embryonen sich ergab, jene Parenchymzellen, welche einen runden hellen Kern mit einem regelmässigen Chromatinnetz und mit exzentrisch liegendem Nukleolus enthalten (Taf. XXVIL, Fig. 6 u. 7). Diese Kerne sind schon deutlich als Kerne unzweifelhafter weiblicher Geschlechtszellen zu erkennen. Sie kommen auch, wie wir gesehen haben, in den früheren Perioden vor, aber hier haben wir an ihnen noch keine Kernteilungsbilder beobachtet und es kann daher der Name ‚Oogonien‘“, der für solche jüngste Eizellen gilt, die sich durch Teilung vermehren, in dieser Periode nicht wohl angewandt werden, was uns in solchen Fällen den Terminus: ‚Ureier‘‘ vorziehen lässt. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 641 Die Form der Oogonienkerne ist meistenteils regelmässig rund. Seltener kommen leicht verlängerte, richtiger gesagt, etwas seitlich komprimierte Kerne vor. Das Kerngerüst besteht aus feinsten Lininfäden in welchen kleine Chromatinkörnchen eingebettet liegen. An den Durchkreuzungspunkten des Lininnetzes verdickt sich das Chromatin zu kleinen Netzknoten, welche in dem Kerne gleichmässig verteilt sind. Der Nucleolus liegt stets exzentrisch und, was sehr interessant ist, in den Oogonien, welche ihre maximale Entwicklung erreicht haben, unmittelbar an der inneren Fläche der Kernmembran. Der Nucleolus stellt ein regelmässig rundes Körperchen mit deutlich ausgeprägten Konturen dar, falls die letzteren durch die anliegenden Chromatinkörnchen nicht verdunkelt sind. Über die Eigentümlichkeiten des Nucleolus der Oogonien kann ich noch bemerken, dass er sich sehr schwer mit Borax-Karmin und Hämatoxylin färbt. Infolgedessen ist sogar in Kernen mit gut gefärbtem Kerngerüst der Nucleolus oft sehr schwer wahr- nehmbar. In einigen Oogonienkernen gelang es uns nicht den Nucleolus nachzuweisen. Ich bin zu der Annahme geneigt, dass es sich auch in diesen Fällen nicht um sein Fehlen handelt, sondern vielmehr darum, dass er überhaupt wenig gefärbt war, oder dass einfach der den Nucleolus enthaltende Teil des Kerns nicht in den: Schnitt geraten war. Die bedeutende Grösse des Oogonien- kerns und die exzentrische Lage des Nucleolus machen diese letztere Vermutung sehr wahrscheinlich. In dem grösseren Teil der Oogonienkerne ist das Kerngerüst schwer färbbar, doch kommen auch solche Kerne vor, deren Kern- netz sich bedeutend intensiver färbt. Ich kann nicht sagen, ob es sich hier um eine Vermehrung des Chromatins und um die Vorbereitung zur indirekten Teilung, oder um die eingetretene Wachstums- periode handelt. Derartige Kerne, welche ein intensiv färbbares und an Chromatin reicheres Kernnetz besitzen, können als Anfangsstufe sowohl für einen wie auch für den anderen dieser beiden Prozesse angesehen werden. An den Oogonien sind alle Stadien der indirekten Teilung zu verfolgen. Die Kernteilungsbilder der Oogonien sind denjenigen 41* 642 K. Skrobansky: der Parenchymzellen sehr ähnlich ; die letzteren sind gewöhnlich nur kleiner, was sie von einander unterscheiden lässt. Mit der Entwicklung des Eierstockes, mit der Abnahme der Zahl der Parenchymzellen und mit der Vermehrung der Oogonien wird es immer leichter zu bestimmen, welcher Zellen- art das Kernteilungsbild angehört, ob einer Oogonie oder einer Parenchymzelle; und bei 20,5 em langen Embryonen, wo die Anzahl der Parenchymzellen nur noch sehr gering ist, bildet diese Bestimmung gar keine Schwierigkeit. Das Knäuelstadium, welches Fig. S Taf. XXVII darstellt, gehört dem Eierstocke eines5 cm langen Schweineembryo an. Der dicke, stark gekrümmte Chromatinfaden ordnet sich an der Peripherie des Kernes an. Bei der Segmentierung zerfällt er in mehrere hufeisenförmige Chromosomen. Der Mutterstern besteht aus dicken, an den Enden abgerundeten Chromosomen. Seine Achromatinspindel ist deutlich ausgeprägt. Die Chromosomen der Tochtersterne sind feiner als die vorhergehenden und sind so dicht aneinander gelagert, dass sie in eine gemeinsame Masse zu verchmelzen scheinen. Man kann noch bemerken, dass die Tochtersterne bei noch deutlich sicht- barem achromatischem Teile der Spindel auseinanderrücken, und zwar bedeutend weiter als in den anderen Zellen. Centrosomen sind mir nie vorgekommen. Die Anzahl der Oogonien ist sehr veränderlich: in einigen Eierstöcken sind sie sehr zahlreich, in anderen konnten wir, trotz sorgfältiger Betrachtung, keine einzige wahrnehmen. Im Zusammenhange mit der weiteren Entwicklung der Geschleehts- drüse berechtigt dies zu der Vermutung, dass die Vermehrung der Geschlechtsprodukte sich im Eierstocke periodisch vollzieht. Die in Teilung begriffenen Oogonien liegen gewöhnlich nicht an der Peripherie der Rindenschicht, sondern in der Tiefe derselben, und zwar in denjenigen Parenchymgruppen, deren Oogonien bald darauf in die Wachstumperiode eintreten. Wie wir früher gesehen haben, betrachtet v. Wini- warter (39) die von mir eben geschilderten Oogonien nicht als Oogonien, sondern als Oocyten I. Ordnung, d.h. als Zellen, die keine Teilung zunächst mehr eingehen, sondern nur an Grösse zunehmen, d.h. in die Wachstumsperiode eingetreten sind. Mit dem Namen „Oogonien* aber bezeichnet dieser Autor die oben . .. r . . .. . rn [>] Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 645 beschriebenen, die „noyaux protobroques a“ und „noyaux proto- broques b“ enthaltenden Zellen. Ich möchte hierzu bemerken, dass der Name „Oogonien“ für die Zellen, welche nach v. Winiwarter (39) zu seinen „noyaux protobroques a und b“ gehören, und welche seiner Meinung nach nicht nur zur Bildung der Eier, sondern auch der Granulosazellen dienen, schwerlich passt. Was seine „noyaux deutobroques“ betrifft, welche-unzweifel- haft den Kernen meiner Oogonien entsprechen und für welche v. Winiwarter (39) eine mitotische Teilung in Abrede stellt, so habe ich in diesen Zellen, wenigstens beim Schwein, ganz deutliche Kernteilungsbilder beobachtet und mir scheint, dass meine Untersuchungen in dieser Hinsicht bei einer ganzen Reihe von Forschern Bestätigung finden. So sah z. B. Gurwitsch (15) bei einem Meerschweinchen von zwei Wochen, dass die meisten „Docyten“ sich in reger Teilung befinden, wobei ganz auffallend das Knäuelstadium vorherrscht. Es handelt sich beiGurwitsch (15) unzweifelhaft um „Oogonien“, nicht um Oocyten. Holmgren (19) beschreibt bei neugeborenen Tieren (Kaninchen, Katzen, Hunden) die echten Pflüger’schen Schläuche (?), in welchen die Zellen verschiedene Kernteilungs- bilder zeigen. Besonders aber begegnen wir in der Beschreibung Rabls (31) einer grossen Ähnlichkeit mit den von uns be- obachteten Bildern. „Die Kerne der Oogonien“, sagt Rabl (31), „sind gross und oval. Sie enthalten einen grossen, nahe der Mitte gelegenen Nucleolus. Die Mitosen treten in ihnen ge- wöhnlich gruppenweise auf, die Chromosomen derselben sind kurze, dicke Schleifen.“ Ich erlaube mir, mich auf diese Hinweisungen zu be- schränken und meine, dass man nicht daran zweifeln kann, dass sowohl Gurwitsch (15) und Holmgren (19), als auch Rabl (31) nicht über die Teilung der Zellen mit „noyaux pro- tobroques a und b“ v. Winiwarters (39) sprechen, welche letzterer selbst als kleine Zellen beschreibt, sondern über die Teilung der zu seinen „noyaux deutobroques“ gehörigen Zellen oder meiner „Oogonien“. 644 K. Skrobansky: Wie erwähnt, nimmt die Zahl der Oogonien anfänglich langsam zu. Bei 5 cm langen Embryonen ist der überwiegende Teil der Rinden-Parenchymzellen schon rund geworden und in Oogonien umgewandelt, welche in der ganzen Masse der Rinden- schicht zerstreut sind. Bis zu 12 cm langen Embryonen ver- kleinert sich die Anzahl der Oogonien augenscheinlich nicht, trotzdem mehrere von ihnen in Oocyten umgewandelt sind, was sich aus den Kernteilungsbildern erklärt, welche hier vorkommen. Von den 12 cm langen Embryonen an beginnt die Anzahl der Oogonien abzunehmen. In Eierstöcken von 20,1 cm langen Embryonen, wo die Pflüger’schen Schläuche schon gut ausgebildet sind, nehmen die Oogonien nur deren oberen Teil ein und liegen hier in zwei, drei Reihen (Fig. 16, Taf. XXVII). Bei den letzten von mir untersuchten Embryonen von 25 cm Körperlänge ist die Anzahl der Oogonien noch geringer. Bei der Beschreibung der Oogonien als grosser. runder Zellen verstehen wir die am meisten typische Form derselben welche vorherrschend in der Periode von 5 bis zu 12 cm langen Embryonen vorkommt. Vor dieser Periode besitzen die Oogonien, welche durch die Transformation der Parenchymzellen entstehen, den Charakter einer Zelle, welche einen runden, hellen, mit regelmässigem Chromatinnetz versehenen Kern enthält; doch hat letzterer noch nicht jene Grösse erreicht, welche ihm bei vollständig entwickelten Oogonien eigen ist. Bei älteren Embryonen, wenn die Oogonien eine mehrfache Teilung erlitten haben, können sie auch etwas kleiner als in den vorhergehenden Stadien sein. Die Frage, ob eine aus einer Parenchymzelle ausgebildete Oogonie, ohne Teilungsprozesse durchzumachen, in die Wachstums- periode eintreten kann, muss, so scheint es mir, in positivem Sinne entschieden werden. i VI. Anfang der Wachstumsperiode. Nährzellen. Dieses Kapitel ist der Beschreibung jener komplizierten Er- scheinungen gewidmet, welche in der ersten Hälfte der Wachs- tumsperiode der Oocyten I. Ordnung zu beobachten sind. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 645 - Schon im Eierstocke von 5 em langen Schweineembryonen stossen wir in den tiefsten Rinden-Parenchymgruppen auf Kerne, deren Chromatin einen grossen, dichten Klumpen bildet, welcher neben einem der beiden Kernpole liegt. Wir haben hier un- zweifelhaft das Bild eines Kernes in dem von Moore be- schriebenen Synapsisstadium vor uns, welches den Antritt der Wachstumsperiode bezeugt und ein allgemeines Vorkommnis bei den Geschlechtszellen der Pflanzen sowohl wie der Tiere zu sein scheint. 3 Synapsis und ihr vorangehendes Stadium. So leicht wie es ist, den Kern in der Synapsis wahrzunehmen, so schwierig ist es, die ihr vorangehenden Stadien zu verfolgen. Ich glaube vermuten zu dürfen, dass die Synapsis sich schneller bildet, als die ihr folgenden Kernformen. Nach meinen Befunden wird vor der Bildung des Synapsis- stadiums der Kern der Oocyte umfangreicher und sein Kerngerüst färbt sich intensiver, was sich durch die Zunahme desselben an Chromatin erklärt. Der Nucleolus derartiger Kerne liegt exzentrisch, dicht an der Kernmembran. Nunmehr zieht sich das Chromatinnetz des Kerns nach der Stelle, wo das Kernkörperchen liegt, zusammen (Taf. XXVII, Figg. 9 und 19). Dabei bleibt immer ein Teil der Chromatinfäden mit der Kernmembran verbunden und zieht sich, insoweit sie nicht mit der Synapsismasse sich vereinigen, mehr oder minder stark in die Länge zu zarten, feinen Fäden, welche den Raum zwischen der Kernmembran und dem Synapsisklumpen durchsetzen. Auch die Chromatingranula, welche an den Knotenpunkten des so aus- gezogenen Maschenwerkes liegen, erscheinen verlängert. Je nachdem mehr oder weniger der Chromatinfäden in den Synapsis- klumpen eintreten, sind die Bilder der Synapsis verschieden. Ferner sind sie verschieden, je nachdem sich die betreffende Zelle als Oocyte weiter entwickelt oder zu einer Nährzelle wird. Bei der Entwicklung zur Oocyte lässt der Chromatin- klumpen keine feinere Struktnr erkennen; nur an seiner Peri- pherie können wir die Enden der zu seinem Bestande gehörigen Fasern unterscheiden. Der zentrale Teil stellt vielmehr eine dichte, grobkörnige Masse dar. Es gelang mir nie, einen Nuc- leolus in dieser körnigen Masse zu unterscheiden. In dem voll- 646 K. Skrobansky: ständig ausgebildeten Synapsisstadium ist das ganze Uhromatin des Kernes zu seiner Bildung benutzt. Der Chromatinklumpen liegt dicht an einem der Kernpole und der übrige Kernraum erscheint als vollständig durchsichtiger, heller Hof, welcher entweder mit einer feinsten, kaum erkenn- baren Hülle umgeben ist oder keine solche zu besitzen scheint. Weiter beobachten wir nun, dass die anscheinend formlose Chromatinmasse der Synapsıs allmählich eine gewisse Struktur zu zeigen beginnt: sie bildet dicke Fäden, welche, anfänglich schwer erkennbar, später immer deutlicher werden, wie es Fig. 10 und 11, Taf. XXVII, darstellt. Wir sehen hier, dass die dicken Chro- matinfäden eine sehr eigentümliche Anordnung zeigen: sie be- geben sich nach Art eines Fächers von einem Punkte der Kern- peripherie nach innen in den obengeschilderten durchsichtigen Kernraum. Die am Knotenpunkte liegenden Chromatinfadenenden er- scheinen gewöhnlich noch in eine Masse verschmolzen, welche die einzelnen Fäden nicht erkennen lässt. Die nach dem Innern des Kernes gewandten Enden der Chromatinfäden, welche hier freier liegen, lassen erkennen, dass der Cbromatinfaden entweder hier frei endet oder zurückkehrt und so eine deutliche Masche bildet. Vielleicht besteht eine ringartige Anordnung der Chro- matinfäden (Figg. 10 und 11, Taf. XXVI). Das Bild des Chromatinknotens erinnert jetzt sehr an ein Bouquet und wir werden fernerhin dieses Stadium nach Eisens und Janssens(21) Vorgang als „Bouquetstadium“ bezeichnen. Weiterhin entfalten sich die Chromatinmaschen und Fäden immer mehr und verteilen sich in Form stark gekrümmter, regelmässig dicker Fäden in dem ganzen Kernraume (Fig. 12, Taf. XXVII). Schon zur Zeit, wann die Chromatinfäden sich zu entfalten beginnen, kann man zwischen ihnen den Nucleolus nachweisen. Seine Lage ist sehr verschieden und es gelang mir zuweilen, auch beim Schwein (wie das von Giardina|!+] für die Oocyten von Mantis abgebildet ist) ihn entweder zwischen den inneren Enden der Chromatinfäden, oder schon ausserhalb derselben, in dem hellen Kernraume zu finden (Fig. 10, Taf. XXVID. Nach der Verteilung der Chromatinfäden in dem ganzen Kernraume stellt derselbe ein Bild dar, welches dem Knäuel- - Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 647 stadium einer gewöhnlichen mitotischen Teilung sehr ähnlich ist Aber ein derartiger Synapsiskern ist immer bedeutend grösser als ein in gewöhnlicher Mitose befindlicher Kern und sein Chromatinfaden ist so dick und so typisch angeordnet, dass eine Verwechslung mir unmöglich zu sein scheint. Ich kann nicht sagen, ob beim Schwein der Chromatinfaden ein einziger ununterbrochener ist oder ob er in einzelne Segmente zerteilt ist. Jedenfalls müssten diese Segmente sehr lang sein. In dieser Periode besitzt der Kern eine deutlich ausgeprägte Hülle. Das „Knäuelstadium“, wie wir diese Kernform benennen werden, kommt in den Schweineeierstöcken — wenigstens voll- ständig ausgebildet — selten vor, was vermuten lässt, dass seine Dauer nicht lang ist. Wir gelangen auch deshalb noch zu dieser Überzeugung, weil wir gleichzeitig mit der kleinen Anzahl der- artiger Kerne stets die folgende Übergangsform des Kernes be- obachteten, welche mit dem Namen „Stadium der doppelten Fasern = ‚noyaux diplotenes“ von Winiwarter, bezeichnen werden In den bisher beschriebenen Stadien haben die Chromatin- fäden das Aussehen einer Kette, deren kurze kompakte Chromatin- glieder durch achromatische Fäden miteinander vereinigt sind. Die weiteren Stadien der Wachtumsperiode sind, wie er- wähnt, ziemlich leicht zu verfolgen. Die Chromosomen des Knäuelstadiums beginnen sich der Länge nach zu teilen, wobei die zwei auseinander gegangenen Hälften des Chromatinfadens oft noch lange aneinander parallel liegen und sehr verschiedene Zwischenräume bilden. Die Fäden dieser Längenteilung sind anscheinend genau halb so stark wie der Faden des Knäuelstadiums. Dieser Teilungsprozess vollzieht sich sehr schnell. Die Kerne, in welchen man mit Deutlickkeit sowohl die geteilten, parallel liegenden, feinen Fäden, wie auch einzelne dicke Chromatinfäden beobachten kann, kommen sehr selten vor. Wir begegnen gewöhnlich Kernen, in welchen die meisten Fäden schon die Längenteilung durchgemacht haben. In diesem Stadium ist die Kernmembran noch deutlicher ausgeprägt und enthält, zum Unterschied von dem vorangehen- den Stadium kleine Chromatinplättchen oder Bröckel. 648 K. Skrobansky: Die Fäden selbst verlieren allmählich ihre ursprüngliche, regelmässige Struktur; sie verdicken sich an einzelnen Stellen und entsenden feinste Chromatinsprossen. An anderen Stellen werden sie im Gegenteil dünner. Der Parallelismus der Faden- richtung verliert sich allmählich und wir können zuweilen be- obachten, dass die anfänglich parallelen Fäden auseinander gehen und sich sogar durchkreuzen (Taf. XXVII, Fig, 13). Die Kerne in dem Stadium der „doppelten Fasern“ liegen beim Schwein immer in den tiefsten Schichten der in dieser Periode bereits deutlich ausgeprägten Pflüger’schen Schläuche und wenn die Schicht der Primärfollikel gebildet ist, in deren unmittelbarer Nachbarschaft. Die Kerne der in den Primärfollikeln liegenden Eizellen unterscheiden sich nicht scharf von den eben geschilderten. Der Parallelismus der Chromatinfäden ist hier nur noch als Ausnahme zu beobachten. Die Fasern durchkreuzen sich in verschiedenen Richtungen und bilden wieder ein deutliches breitmaschiges Chromatinnetz, an dessen Durchkreuzungspunkten das Chromatin sich, wenn auch bis jetzt noch sehr unbedeutend, zu verdicken beginnt (Taf. XXVII, Fig. 14). Ich beschränke mich hier auf diese tatsächliche Schilderung des Transformationsvorgangs des Kernes während der Wachs- tumsperiode, denn meine Untersuchungen berechtigen mich nicht zu irgend einer Schlussfolgerung hinsichtlich der Bedeutung dieser Wandlungen. Ich muss jedoch auf einen gewissen Widerspruch hinweisen, in welchem die von mir beobachteten Serien der Übergangsformen des Kerns zu den von v. Winiwarter (39) beschriebenen stehen (beim Kaninchen). Als der Synapsis vorangehendes Stadium beschreibt von Winiwarter (39) sogenannte „noyaux leptotenes“, deren Chromatin sehr feine lange Fäden bildet, welche, ohne mit- einander zu anastomosieren, den ganzen Kernraum gleichmässig ausfüllen. In den Schweineeierstöcken konnte ich keine derartigen Kerne finden. Dies gelang mir auch nicht in den von mir untersuchten Kanincheneierstöcken, deren Anzahl freilich nicht gross war. Im Gegenteil lassen diejenigen Kernformen, welche mir in den Eierstöcken dieses Tieres vorgekommen sind, annehmen, dass auch hier die Synapsis sich durch die Zusammenziehung Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 649 (Retraktion) des Chromatinnetzes zu einem Punkte der Kern- membran hin, bildet, ohne vorhergehende Bildung irgend einer besonderen Struktur des Kerngerüstes, Meine Untersuchungen bestätigen hingegen die Angaben v. Winiwarters (39) über die Längenteilung des Chromatin- fadens zur Bildung jener Parallelfäden, welchen wir in dem Stadium der „doppelten Fasern“ begegnen (noyaux diplotenes v. Winiwarter). Giardina (14), welcher die Wachstumsperiode bei Mantis untersuchte, hat dieses Zerspalten des Chromatinfadens der Länge nach nicht gesehen und meint, dass der dicke Chromatin- faden sich zu einem gewöhnlichen Nuclearnetz ausbilde auf die Weise, dass seine einzelnen Chromosomen nach rechts und links achromatische Fäden aussenden, welche zur Restitution des Nucleinnetzes führen, an dem sich auch die Chromatinsubstanz entlang zu lagern beginne. Beim Schwein ist indessen das Stadium der Doppelfäden so deutlich ausgeprägt und kommt so oft vor, dass kein Zweifel an seinem Vorhandensein bestehen kann. | Ich kann die Untersuchungen Giardinas (14) nur in der Beziehung bestätigen, dass der aus der Synapsis entwickelte, dicke Chromatinfaden in der Tat, in dem Stadium, welches ich als Knäuelstadium bezeichne, an einzelnen Stellen feinste Nuclein- fäserchen von sich aussenden kann, welche sich später reicher an Chromatin erweisen; dabei kann ja aber eine Längsspaltung bestehen. Ich möchte hier noch die Arbeit Janssens’ (21) erwähnen, welcher behauptet, dass die Längsspaltung auch bei den Sperma- tocyten des von ihm untersuchten Objekts (Triton) vorhanden ist, aber dass dieselbe sich in dem der Synapsis vorangehenden Stadium vollzieht. Die gespaltenen Chromatinfäden krümmen sich maschenartig und wenden sich mit den Scheiteln der Maschen nach einer Seite des Kernes, was demselben jenes Aussehen verleiht, welches wir zuweilen in dem von uns beschriebenen Bouquetstadium beobachten konnten. Was endlich die Massenverhältnisse des Chromatins in diesen Ooceytenstadien anlangt, so erscheint es unzweifelhaft, dass das Chromatin in dem Synapsisstadium bedeutend reichlicher ist als vor diesem Stadium. Jedenfalls, wenn es sich auch bei der 650 K. Skrobansky Bildung des sich aus der Synapsis entwickelnden Chromatinfadens um den vorläufigen Prozess eines paarweisen Zusammenklebens der feineren vorangehenden Fäden handelt (wie das v. Wini- warter [39] behauptet), so wird ‘doch dieser Prozess des Zu- sammenklebens durch eine Menge neuer Prozesse kompliziert (die Vermehrung der Chromatinmasse, die Bildung einer grossen Anzahl von gleichgrossen Chromosomen, die Gruppierung der- selben in einer streng besimmten Ordnung u. s. w.), unter welchen das Zusammenkleben der ursprünglichen Fäden nur eine geringe volle spielt Im Bouquetstadium und in dem ihm folgenden Knäuelstadium nimmt die Masse des Chromatins immer noch zu. Dann aber nimmt die Quantität des Chromatins sichtbar ab, was sichtbarlich bei dem Vergleich des entwickelten Knäuel- stadiums mit den Oocyten der Primärfollikel hervortritt. Die Nährzellen. In einigen Parenchymgruppen, welche eine grosse Anzahl von Oogonienkernen einschliessen, sieht man oft rundliche Körperchen auftreten, welche etwas kleiner als die umgebenden Oogonienkerne sind. Diese Körperchen sind zuweilen homogen, besitzen scharf ausgeprägte Konturen und fallen wegen ihrer intensiven Färbbarkeit sofort in die Augen Bei näherer Untersuchung ist es leicht, sich zu überzeugen, dass man eins der Untergangsbilder der Oogonienkerne vor sich hat. Sowohl die vorhergehenden wie auch nachfolgenden Stufen dieses Unter- gangs sind leicht nachzuweisen. So begegnen wir oft Kernen, welche anfangen ein homo- genes Aussehen zu bekommen, in deren Innerem jedoch die Reste des ehemaligen Kerngerüstes in Gestalt unregelmässiger Brocken von verschiedener Grösse noch wahrzunehmen sind. Auch diese Kerne behalten die ursprügliche runde Form der Oogonienkerne bei und unterscheiden sich von denselben nur durch kleinere Dimensionen. Man kann auch Oogonienkerne beobachten, welche die frühesten Stadien dieses Untergangs- prozesses darstellen. Das Kerngerüst derartiger Kerne färbt sich sehr intensiv, verdickt sich an einzelnen Stellen und beginnt in vereinzelte Stücke zu zerfallen. Endlich zerfällt der ganze Oogonienkern in einzelne unregelmässige Brocken, welche wir in verschiedenen Teilen des Protoplasmas der Parenchymgruppen beobachten können. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 65l In gewissen Perioden dieses Untergangsprozesses, und zwar da, wo der betreffende Oogonienkern wie ein rundliches, homo- genes Körperchen erscheint, erinnert derselbe sehr an einen stark vergrösserten Nucleolus. Diese Ähnlichkeit liess uns im Anfang vermuten, dass vielleicht auch beim Schwein in der Wachstumsperiode der Oocyten jene enorme Vergrösserung des Nucleolus stattfinde, welche bei einer ganzen Reihe, besonders niederer Tiere, beschrieben ist (Rückert [32], Born [5], Carnoy [10]. Lubosch [25]). Unsere Untersuchungen aber haben uns zu der Überzeugung gelangen lassen, dass wir es mit einem degenerativen und nicht progressiven Prozess zu tun haben. Wenn wir den Entwicklungsgang des Eierstocks Schritt für Schritt verfolgen, so bemerken wir, dass diese degenerativen Formen nicht in allen Stadien auftreten. Am häufigsten sind sie uns nur in den Eierstöcken der 5 cm langen Embryonen vorge- kommen und zwar unter denjenigen Oogonienkernen, welche sich bald darauf zu Oocyten ausbilden müssten oder bereits teil- weise in solche umgewandelt waren. Wie wir früher gesehen haben, begegnen wir in. derselben Periode auch am häufigsten in den Oogonien den Kernteilungs- bildern. Dies veranlasst uns, diese beiden Prozesse in Zusammen- hang zu bringen und anzunehmen, dass dem obengeschilderten Untergang wahrscheinlich die Oogonien unterworfen sind, welche alle Teilungsprozesse durchgemacht haben, aber nicht in die Kerntransformationen der Wachstumsperiode eintreten. Obwohl ich die Schilderung dieser Zellen in das Kapitel „Nährzellen“ gestellt habe, kann ich doch, auf Grund der Er- fahrungen, über welche ich verfüge, nicht sagen, ob es sich hier um eine Bildung echter Nährzellen handelt. Das Aussehen dieser Zellen, ihre Lage und der Verlauf des Untergangsprozesses veranlassen uns vielmehr dieselben als Oogonien zu betrachten, welche wegen Nahrungsmangel zugrunde gehen, und sie für ein Analogon der von O. Hertwig (18) beschriebenen „Zwischenkörperchen“ („globes residuels“ von Benedens und Julins [3]) zu halten, welche später bei ver- schiedenen Tieren auch von anderen Autoren gefunden wurden. Die oben beschriebenen, runden, homogenen Körperchen haben wir im übrigen in einer unbedeutenden Anzahl auch in den Eierstöcken der ersten von uns untersuchten Stadien gesehen, wo eigentliche Oogonien noch nicht auftreten. 652 K. Skrobansky: Infolge des nur seltenen Vorkommens dieser Bildungen in den frühesten Stadien gelang es mir nicht, den Entwicklungs- gang derselben zu verfolgen, aber ich glaube vermuten zu dürfen, dass sie sich hier aus den grossen, runden Zellen bilden — Ge- schlechtszellen, Ureiern. Dafür spricht die obenerwähnte tempo- räre Anzahlabnahme dieser grossen Zellen und das gleichzeitige Vorhandensein einer unbedeutenden Anzahl von runden, homogenen Körperchen in derartigen Eierstöcken. Die Ansicht O. Hert- wigs (18) über die Zwischenkörperchen, welche er als wegen Nahrungsmangel zugrunde gehende Oogonien betrachtet, erklärt am besten das Auftreten der erwähnten homogenen Körperchen in den Schweineeierstöcken. In den Eierstöcken von 1,2 cm langen Embryönen können die Geschlechtszellen, welche, wie wir gesehen haben, nach ihrer Struktur den späteren Oogonien ganz ähnlich sind, sich wegen des Fehlens von Nährstoff nicht weiter ausbilden und gehen zu- grunde. Erst in den Eierstöcken der 5 cm langen Embryonen, wo wir bereits eine grosse Anzahl von Nährzellen beobachten, beginnen die Oogonien eine genügende Quantität von Nahrungs- material zu bekommen und können deswegen alle mit der Wachs- tumsperiode verbundenen Umwandlungen durchmachen. Von viel grösserem Interesse sind diejenigen Oogonien, welche erst nach ihrem Eintritt in die Wachstumsperiode, also als Oocyten, einem unzweifelhaften Untergangsprozesse verfallen. Am häufigsten und am leichtesten ist derselbe bei denjenigen Oocyten zu verfolgen, welche sich im Synapsisstadium, oder richtiger in dem Übergangsstadium, zwischen diesem und dem Bouquetstadium befinden. Der Chromatinklumpen, welcher sich zu einem dicken Chromatinfaden des folgenden Stadiums zu formen beginnt, zer- fällt dabei in einzelne Stücke von verschiedener Grösse, welche oft weit von dem ursprünglichen Klumpen entfernt liegen. In anderen Fällen verfällt das Chromatin allmählich einer Verdichtung, der Chromatinknoten verkleinert sich und wird in toto immer stärker färbbar. Manchmal sind diese Kerne denjenigen der zu- grunde gegangenen Oogonien sehr ähnlich, doch besitzen sie nie eine so regelmässig runde Form wie diese und in den be- treffenden Untergangsperioden kann man inihnen das Vorhanden- sein von dicken Chromatinfäden nachweisen. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 653 Eins von den Merkmalen eines untergehenden Kernes ist in dieser Periode das Fehlen des hellen Kernteiles. Der Chro- matinknoten liegt unmittelbar in der körnigen Protoplasmamasse. Der helle Kernteil fehlt jedoch nicht immer vollständig. Im Anfang des Untergangsprozesses scheint der Oocytenkern wie zu- sammengepresst und seine Konturen sehen wie gefaltet aus. Diese Verkleinerung des Kernumfanges geschieht hauptsächlich auf Kosten seines hellen Teiles (Figg. 17 und 18, Taf. XXVIIJ). Als Resultat des Unterganges des Oocytenkernes beobachten wir, dass sein sämtliches Chromatin in einzelne kleine Brocken zerfällt. Oft erscheinen dieselben in Form von Tetraden. Die Chromatinbrocken, welche an derartigen Präparaten manchmal in den benachbarten Blutgefässen vorkommen, berech- tigen uns, anzunehmen, dass nach dem vollständigen Zerfall des Chromatins der Oocytenkerne die Chromatinreste in den Blut- kreislauf geraten und aus dem Eierstocke hinausgeführt werden. Bei der Untersuchung von Präparaten aus Flemming'’scher Mischung bemerken wir in der Nachbarschaft der zugrunde gehenden Oocyten, wie das Fig. 8, Taf. XXVIII darstellt, eine ganze Menge schwarzer, in Grösse ungleicher Tropfen, welche sich gruppenweise anordnen, manchmal die Chromatinreste des Kernes sehr dicht umlagernd. Das sind unzweifelhaft Fett- tropfen. In den Parenchymgruppen, wo die untergehenden Oocyten entweder vollständig fehlen oder nur selten auftreten, erscheinen die Fettkörner nur in Form kleiner Kügelchen, welche regelmässig in dem ganzen Protoplasma zerstreut sind. Der geschilderte Untergangsprozess von Oocyten, welcher in allen von uns untersuchten Stadien von 5 bis 25 cm zu be- obachten ist und welcher von der eben genannten Fetttropfen- bildung begleitet ist, muss, wie es mir scheint, als ein physio- logischer Prozess betrachtet werden, dessen Zweck die Lieferung von Nahrungsmaterial (Fetttropfen) für die wachsenden und ver- stärkter Ernährung bedürftigen Oocyten ist. Diese Fetttropfenbildung zum Zwecke der Ernährung der Geschlechtszelle ist auch, wie bekannt, bei der Spermatogenese in den Sertoli’schen Zellen zu beobachten. Ebenso wie bei der Spermatogenese bilden sich die Fett- tröpfchen auch hier bei der Oogenese in dem Protoplasma, welches den Oocytenkern umschliesst. Die Chromatinreste des 654 K. Skrobansky: Kernes selbst können anscheinend nicht an der Bildung des Nahrungsmaterials teilnehmen. Die Bestätigung dieser Annahme liefert die obenerwähnte Tatsache, dass diese Chromatinreste oft in den Blutgefässen des Eierstocks nachzuweisen sind. Man muss also annehmen, dass sie als nutzlos aus dem Organe fortgeschafft werden. Der Meinung, dass ein Teil der Oocyten als „Nährzellen“ zu betrachten ist, begegnen wir bei einer ganzen Reihe von Autoren, welche die Oogenese bei den niederen Tieren behandeln. Ich erlaube mir, hier nur bei den jüngsten Untersuchungen zu verweilen, in welchen wir eine grosse Analogie mit den von uns erhaltenen Angaben finden. So beschreibt Woltereck (40), dass bei den Ostrakoden in dem Synapsisstadium ein Teil der Synapsiszellen sich zu den eigentlichen Eizellen umbildet, der andere aber zu Nährzellen wird und einem Untergangsprozess verfällt; das Chromatin der- selben erscheint von Anfang bis zu Ende tief dunkel tingiert, die Zahl der Chromosomen scheint die Normalzahl 12 über- schreiten zu können — eine „Hyperchromatose“, wie sie von de- generierenden Zellen (in Karzinomen etc.) des öfteren beschrieben worden ist. Sofort nachdem die kugeligen Chromosomen gebildet sind, erleiden sie eine interessante Veränderung, indem sie zu- nächst zu Doppelkugeln oder kurzen Doppelstäbchen, sodann zu deutlichen Viererpruppen werden. Die beiden Formationen gehen sehr bald, meist schon in der nächsten Zellfolge des Ovariums, in weiteren Zerfall auf. Schliesslich kann das Chromatin eine amorpbe, tiefdunkle Masse bilden, die den Kern völlig ausfüllt. Weiter beschreibt Paulcke (30) in der Endkammer des Ovariıums der Bienenkönigin ein Syneytium. Aus dieser in- differenten Keimzone differenzieren sich zweierlei Elemente heraus: erstens Kerne, welche noch für längere Zeit ihren in- differenten Charakter beibehalten und die später dem Follikel- epithel den Ursprung geben, und zweitens Kerne, welche eine bläschenförmige Gestalt annehmen — die Keimkerne oder Ur- eikerne, aus denen ‘nach Bildung eines Zellleibes Eizellen und Nährzellen werden. Derartige Beziehungen zwischen Eizellen und Nährzellen beschreibt neuerdings ferner Tönniges (36) bei Myriopoden. Es heisst bei ihm, dass in den jungen weiblichen und männlichen Keimdrüsen sämtliche Zellenelemente ein Synceytium bilden, Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 655 Dieses Syneytium wird in weiblichen Keimdrüsen grösstenteils von den heranwachsenden Eiern als Nährmaterial verbraucht. Indifferente Zellen des Keimepithels liefern Keimzellen und Follikelzellen Die ersteren differenzieren sich ihrerseits in Ei- zellen und Nährzellen (abortive Eizellen). Ich beschränke mich auf die eben zitierten Autoren. Eine ganze Reihe von derartigen Hinweisungen kann man bei Kor- schelt und Heider (23) finden, wo in dem entsprechenden Kapitel die sich auf diese Frage beziehenden Angaben ausführlich angeführt sind. Ich möchte hier noch einige Worte über die syncytiale Struktur einiger Teile des Parenchyms sagen, welche wir oben in der Primärgeschlechtsdrüse des Schweins beschrieben haben. Dieselbe ist teilweise auch bei der weiteren Entwicklung der Geschlechtsdrüse beibehalten und zwar, wenn das Parenchym sich zu einer Rindenschicht und zu Marksträngen formt. In den Eierstöcken der 5 cm langen Embryonen und später ist die syneytiale Struktur des Parenchyms in denjenigen Teilen desselben zu beobachten, wo die jungen Oogonien liegen. In den tieferen Schichten, in welchen bereits die Vocyten auftreten, sind die Zellerenzen schon deutlicher ausgeprägt, besonders aber bei den Oocyten, welche am tiefsten gelegen sind und einen Kern mit gedoppelten Chromatinfäden besitzen, d. h. welche bald darauf in Primärfollikel aufgenommen werden. Diese syncytiale Struktur des Parenchyms, welche eine aus- gebreitete Ausdehnung auch bei den niederen Tieren hat, ver- anlasst uns zu der Vermutung, dass sie eine besonders wichtige physiologische Bedeutung besitzt. Diese besteht vielleicht darin, möglichst leicht und schnell der sich organisierenden Zelle das Nährmaterial zu liefern, welches dieselbe in dieser Periode be- sonders bedarf. Dieses Nährmaterial, welches durch den Zerfall einiger Oocyten entsteht, tritt in die gemeinschaftliche Masse des Protoplasma, verteilt sich gleichmässig in derselben und kann infolgedessen sehr leicht von den Kernen verbraucht werden. Mit der weiteren Formierung des Kernes bedarf derselbe immer weniger und weniger dieser erleichterten Lieferung und so grossen Quantität des Nährmaterials, sein Zellleib wird immer schärfer abgegrenzt und auf diese Weise sondert sich die Oocyte mehr und mehr aus der allgemeinen Masse des Syncytiums heraus. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. #2. ° Aa” 656 K. Skrobansky: vYII. Die Entstehung der Pflüger’schen Schläuche und die Bildung der Primärfollikel. Wenn wir in strenger Folgerichtigkeit die mikroskopischen Bilder der von mir untersuchten Stadien betrachten, so beobachten wir im allgemeinen folgende Reihe von Prozessen: Zuerst treten die Kerne derjenigen Oogonien in die Wachs- tumsperiode ein, welche in den tiefsten Parenchymgruppen der Rindenschicht liegen. Die sämtlichen Oogonien einer und der- selben Parenchymgruppe treten gleichzeitig in die Wachtums- periode ein. Der eine Teil von ihnen macht wieder gleichzeitig alle oben geschilderten Stadien der Wachstumsperiode durch, der andere ist dem oben beschriebenen Untergangsprozesse unter- worfen. Dieser Prozess führt nicht nur zur Bildung des Nähr- materials; infolge des Untergangs mehrerer Oogonienkerne ordnen sich nun auch die zurückgebliebenen Kerne ganz frei in demselben Kerne an, wo sie früher sehr gedrängt lagen, was ihr weiteres Wachstum begünstigt. Erst wenn der Entwicklungsvorgang in den tieferen Piitenie chymgruppen bedeutend vorwärts gegangen ist und statt der Oocyten in Synapsis wir hier den späteren Stadien der Wachs- tumsperiode der Eizelle begegnen, erst dann wird die folgende Reihe der oberflächlicher liegenden Parenchymgruppen von diesem Prozesse getroffen. Aber hier kompliziert sich derselbe durch die vorhergehende Vermehrung der Oogonien. Es gelang mir nicht, diese Vermehrung der Oogonien in den tiefsten Parenchymgruppen der Rindenschicht zu beobachten und ich bin geneigt, anzunehmen, dass dieselbe hier möglicher- weise fehlt, weil diese Gruppen gewöhnlich grösser sind als die oberflächlichen und eine genügende Anzahl von Oogonien, sowohl für die Ausbildung der Oocyten, wie auch für die Entstehung der Nährzellen, enthalten. Wir haben bereits erwähnt, dass auch der Vermehrungs- prozess gleichzeitig die ganzen Gruppen von Oogonien betrifft, welche zunächst in die Wachstumsperiode eintreten, welch letztere zur Bildung der neuen Kerne in der Synapsis führt. Der weitere Entwicklungsprozess des Eierstockes besteht darin, dass die Oogonien der immer oberflächlicher liegenden Parenchymgruppen in die Wachstumsperiode eintreten und mit den unterliegenden Oocytengruppen verschmelzen. Diese Verschmelzung kann sich Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. v5 auch früher vollziehen, bevor die Kerne der oberflächlicher liegenden Parenchymgruppen in die Wachstumsperiode eintreten, was zur Bildung ganzer Schläuche führt, welche sowohl die Oogonien wie auch die Oocyten verschiedener Generationen ein- schliessen (Pflüger’sche Schläuche). Wenn die oberste zur Bildung der Pflüger’schen Schläuche verwandte Parenchymgruppe dem oberflächlichen Epithel unmittel- bar anliegt, dann stehen natürlich auch die Schläuche selbst in Kontinuität mit demselben. Im allgemeinen ist das Bild der vollständig ausgebildeten Pflüger’schen Schläuche (z. B. beim Schweineembryo von 20 cm Körperlänge) folgendes: Oben, oft unmittelbar unter dem ober- flächlichen Epithel, ordnet sich eine Schicht Oogonien an, von denen die am tiefsten liegenden Kernteilungsbilder zeigen können. Weiter hinab beobachten wir die Schicht der Oocyten in Synapsis, unter welchen sowohl die degenerierenden, wie auch die sich zum Bouquetstadium ausbildenden auftreten. Noch tiefer sind die weiter entwickelten Bouquet- und Knäuelstadien nachzuweisen und endlich begegnen wir Oocyten, deren Kerne sich in dem Stadium der doppelten Kerne befinden (Taf. XXVII, Fig. 16). Ich führe hier die Schilderung der Bilder zur Follikel- bildung an, welche mir in den Eierstöcken der 25 cm langen Embryonen vorgekommen sind. In der Tiefe der Rindenschicht sehen wir eine ganze Reihe von jungen, sich eben entwickelnden Follikeln. Die übrige Rindenschicht ist von Pflüger’schen Schläuchen durchsetzt, von denen nur einige mit der Oberfläche des Organs in Verbindung stehen. Die Oocyten, welche in der Tiefe der Pflüger’schen Schläuche liegen, schliessen. wie erwähnt, Kerne im Stadium der doppelten Fasern ein und lassen schon die Grenze ihres eigenen Protoplasmas erkennen. Zwischen diesen Oocyten sind die unver- änderten Kerne der indifferenten Parenchymkerne wahrnehmbar. Hier ist zu erwähnen, dass in einigen von den Oocyten der Primär- follikel in dem Protoplasma, in der unmittelbaren Nachbarschaft des Kernes, manchmal ein ziemlich umfangreiches ganz durchsichtiges Gebilde zu be- obuchten ist. Seine Ränder sind scharf konturiert. Bei der Tinktion mit Eisen-Hämatoxylin kann man oft an der Peripherie derartiger Körper kleine, ganz schwarz tingierte, in ihrer Grösse verschiedene Körnchen wahrnehmen. Am häufigsten bin ich solchen Gebilden in den Eierstöcken der 25 cm langen Embryonen begegnet, und nur selten bei den Embryonen von 21 cm Körperlänge. 42* 658 K. Skrobansky: Die Lage und die Form dieser Gebilde berechtigt uns zu mutmassen, dass wir es hier vielleicht mit einer Anlage des Balbiani’schen Körpers zu tun haben, welchen wir als ein selbständiges, der weiblichen Geschlechts- zelle eigentümliches Organ zu betrachten geneigt sind, welches mit den Sphären (Idiozoma-Meves) nichts gemein bat. In den tieferen Enden der Pflüger’schen Schläuche, besonders an den nach van Gieson gefärbten Präparaten, ist es leicht, das Einwachsen des Bindegewebes in das Innere der Schläuche zu beobachten. Das Bindegewebe dringt hierher in Form feiner Lamellen und Fäden, welche, sich verästelnd, die Oocyten von einander absondern, ein. Manchmal trennen sich von den Schläuchen ganze Gruppen von Oocyten ab; die letzteren werden durch sekundäres Ein- wachsen von Bindegewebe von einander isoliert und in den Bestand der Primärfollikel eingereiht. In den soeben entwickelten Follikeln befinden sich ausser der Oocyte einige indifferente Parenchymzellen, welche dieselbe umgeben Das weitere Schicksal dieser Parenchymzellen konnte ich nicht verfolgen. In den soeben gebildeten Follikeln behalten sie den ursprünglichen Charakter ihres Kernes und sogar ihres Protoplasma bei, denn es gelang mir nie, die Grenze zwischen diesen Zellen zu unterscheiden. Jedoch ist es unzweifelhaft, dass sie zu den Follikelepithel- zellen werden. VIII. Markstränge. Indem ich für die Literaturangabe auf die Arbeiten von Mihälkovics (27), Janosik (20), Coert (11) und v. Wini- warter (39) hinweise, führe ich folgendes nach meinen Be- obachtungen an: Es war schon bei der Schilderung der Rindenschicht- entwicklung erwähnt, dass die Markstränge nur als langestrecktere und tiefer gelegene Parenchymgruppen zu betrachten sind, als wie die an der Peripherie in der Rindenschicht liegenden, dass sie also aus denselben Elementen hervorgehen, wie das Rinden- parenchym. Die Anzahl der Markstränge ist, ebenso wie ihre (srösse, bedeutenden Schwankungen unterworfen. Bereits in den Eierstöcken von 2 em langen Embryonen übertreffen sie das Bindegewebe und bilden umfangreiche, unregelmässige, mit- einander vereinigte Gruppen. Mit der weiteren Ausbildung des Bindegewebes werden sie durch dasselbe mehr und mehr von- Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 639 einander getrennt und in Eierstöcken von 5 cm langen Schweine- embryonen erscheinen sie in Form meistenteils verlängerter epithelialer Inselchen. Beim Schwein ist es leicht, sich zu über- zeugen, dass zur Zeit da die Rindenschicht deutlicher hervorzu- treten beginnt, auch die Markstränge mit derselben Deutlichkeit ausgeprägt sind. Dass die Markparenchymzellen gleichzeitig mit den Rinden- parenchymzellen und den Vorläufern des definitiven Keimepithels und aus derselben Anlage hervorgehen und dass ich also einer successiven Proliferation der Markstränge aus den Keimepithel- zellen nicht das Wort reden kann, wurde bereits gesagt. Es existiert indessen eine zweite Proliferation, auf welche Janosik (20) und v. Winiwarter hinweisen, in der Tat, aber dieselbe vollzieht sich an den Oogonien (noyaux deuto- broques Winiwarters) und führt nicht zur Bildung der Mark- schicht oder Rindenschicht, welche bereits früher gebildet sind, sondern zur Bildung neuer Oogonien, deren Vermehrung, infolge des Unterganges einer bedeutenden Anzahl von ihnen (Nährzellen) notwendig ist. Mehr als das, die soeben ausgebildete Rindenschicht ent- hält soviel Parenchym, dass diese zweite Proliferation für die Bildung einer grösseren Anzahl der Zellen, welche später zu Eiern werden, schwerlich notwendig ist, und wir sind geneigt anzunehmen, dass dieselbe vielmehr für die Bildung der von uns beschriebenen Nährzellen bestimmt ist. Wie wir oben gesehen haben, können die Markstränge auch . in einer gewissen Entwicklungsperiode Oogonien einschliessen. Auch hier entstehen dieselben durch eine Differenzierung aus den Parenchymzellen. Ebenso wie in der Rindenschicht ist auch in den Marksträngen bis zur Periode, wo die Körperlänge des Embryos 5 cm erreicht, ihre Anzahl sehr geringfügig und erst von dieser Periode an nimmt dieselbe sehr bedeutend zu, aber hauptsächlich durch einfache Transformation der Parenchymzellen und nur zu- weilen durch mitotische Teilung schon bestehender Oogonien. Wie erwähnt, konnte ich in den früheren Entwicklungs- perioden der Geschlechtsdrüse irgend einen Unterschied in der Struktur der Markstränge und der Rindenschicht nicht bemerken. Dies schafft bisweilen bedeutende Schwierigkeiten bei der Ent- scheidung der Frage, welche von den an der Grenze der Mark- 660 K. Skrobansky: und Rindenschicht liegenden Parenchymgruppen der ersten und welche der zweiten Schicht zugehören. In den Eierstöcken der Embryonen von 5 und 7 cm fand ich an der Grenze zwischen der Mark- und Rindenschicht Parenchymgruppen, welche nach ihrer Anordnung unzweifelhaft als Teile der Markstränge be- trachtet werden mussten. Eine grosse Anzahl von Oocyten verschiedener Stadien (Synapsis u. a.), welche wir hier beobachteten, veranlasst uns, an- zunehmen, dass auch die Teile der Markstränge nächst der Rinden- schicht zur Bildung echter Primärfollikel dienen können. Das Schicksal der tiefer angeordneten Teile der Markstränge ist an den Schweineeierstöcken leicht zu verfolgen. Dies wird von dem nur kurz andauernden Vorhandensein der Markstränge in den Schweineeierstöcken begünstigt. Die Markstränge sind in den Eierstöcken von 3 cm langen Embryonen bereits ganz deutlich ausgeprägt und erhalten sich in diesem Zustande gewöhnlich bis zu Körperlängen von 16 cm, von welcher Zeit an sie nach und nach dem Untergange anheimfallen. Ich möchte hier das Bild beschreiben, welches gewöhnlich in den Eierstöcken von 9—10 cm langen Embryonen zu beobachten ist. Die Markstränge erscheinen hier in Form vereinzelter Insel- chen von verschiedener Grösse, welche in der ganzen Markschicht zerstreut sind. Ihre Anzahl ist bedeutenden individuellen Schwankungen unterworfen. Die Elemente der Rindenschicht sind infolge der in ihr eingetretenen Wachstumsperiode selbst von den Zellen der nächsten Markstränge leicht zu unterscheiden, denn die Oogonien dieser letzteren treten nur selten in die. Wachstumsperiode ein. Bei näherer Untersuchung der Struktur der Markstränge können wir uns überzeugen, dass die zu ihrem Bestande gehörige Zellen keine Zellgrenze unterscheiden lassen und folgende Kernarten einschliessen: Kerne der indifferenten Keim- zellen, Oogonienkerne und die Übergangsformen zwischen diesen beiderlei Kernarten. Hier und da stossen wir auf Kerne im Synapsisstadium, Bouquetstadium, Knäuelstadium, Stadium der doppelten Fasern und sogar der Primärfollikel, was auf die Fähigkeit der in den Marksträngen liegenden Oogonien, in die Wachstums- periode einzutreten, deutet. Die Anzahl derartiger Kerne ist in- dessen stets unbedeutend und mit der weiteren Entwicklung des Organs kommen sie immer seltener vor. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren, 661 Im Gegenteil treffen wir mit dem Wachstum des Eierstocks n den Marksträngen immer häufiger die degenerativen Kernformen. Am häufigsten beobachten wir diejenige Untergangsform, welcher die Oogonien der Rindenschicht verfallen. In den Eierstöcken von 25 cm langen Embryonen existieren die Markstränge im eigentlichen Sinne des Worts nicht mehr. Statt ausgebildeter Marksträngen beobachten wir gewöhnlich in der Markschicht zwei bis drei zuweilen umfangreiche Gruppen, welche sich von dem bindegewebigen Grund der Markschicht scharf abheben. Diese Gruppen bestehen aus dicht nebeneinander liegenden Kernen, welche sehr spärliches Protoplasma besitzen. Das sind die Reste der Markstränge. Die Kerne dieser Gruppen tragen den Charakter der Parenchymzellenkerne. Die Oogonien treten hier selten auf. Oocyten habe ich nie gesehen. Zweimal begegnete ich hier den Primärfollikeln sehr ähnlichen Bildungen, Derartige Gruppen, die Reste der Markstränge, sind ent- weder in der Markschicht selbst nachzuweisen oder sie nähern sich dem Hilus und ordnen sich an der Grenze zwischen dem Hilus und der Markschicht an. Ein Rete ovarii, welches neuerdings von Winiwarter (39) und Coert (11) beschrieben ist, habe ich im Eierstock des Schweins nicht beobachtet. Nur in einem Eierstock, welcher einem 20,5 em langen Embryo angehörte, gelang es mir zu sehen, dass die Reste der Markstränge hier eine umfangreiche, unmittel- bar neben dem Hilus liegende Masse, in der Art von Kanälchen, bildeten. Dieser Fall ist aber nur ein schwaches Abbild jenes „Rete ovarii* welches ich Gelegenheit hatte in dem Eierstocke eines zweiwöchentlichen Meerschweinchens zu beobachten. Auch eine Vereinigung der Markstränge mit den Kanälchen des Epoophoron habe ich nicht gesehen. Jedoch können die Stränge auch in den Schweineeierstöücken beinahe den Hilus erreichen. IX. Schluss. Die Resultate meiner Untersuchungen können folgender- massen zusammengefasst werden: 1. Die Geschlechtsdrüse eines 12 mm langen Schweine- embryos hat die Form eines Hügelchens, welches fast aus- 'nahmslos aus indifferenten Keimzellen (Primärparenchym), daneben aus sehr spärlichem Bindegewebe besteht. 662 K. Skrobansky: . Das Wachstum des Primärparenchyms vollzieht sich durch die Vermehrung der zu seinem Bestande gehörigen Zellen. In sämtlichen von mir untersuchten Stadien ist diese Vermehrung sowohl in den oberflächlichen Schichten des Parenchyms, wie auch in den tieferen gleich schwach. . Das sich aus der Kapsel des Wolff’schen Körpers aus- bildende Bindegewebe verteilt das Primärparenchym in der Weise, dass dasselbe sich an der Peripherie der Ge- schlechtsdrüse in eine Rindenschicht und im Inneren in die Markstränge ordnet. . Die zuerst gebildete Rindenschicht stellt sonach einen Teil des Primärparenchyms dar, entsteht aber nicht durch eine Proliferation des Keimepithels. . Die Differenzierung der anfänglich indifferenten Ge- schlechtsdrüse in die weibliche und männliche beginnt in den frühesten Entwicklungstadien (bereits bei 1,5—2 cm. langen Embryonen). . Bei der Entwicklung der weiblichen Geschlechtsdrüse spielt die wichtigste Rolle das Parenchym der Rinden- schicht, die Markstränge aber gehen zu grunde. Bei der Entwicklung der männlichen Geschlechtsdrüse beobachten wir das umgekehrte Verhältnis. . Mit der weiteren Entwicklung des Organs differenzieren sich die Kerne der anfänglich indifferenten Zellen nach drei Richtungen: a) Zu Kernen der Oogonien. b) Zu Kernen des oberflächlichen Epithels. c) Zu Kernen, welche ihr ursprüngliches Aussehen beibehalten und später zu Kernen der Granulosa- zellen werden. . Die Oogonien besitzen einen grossen, runden, hellen Kern, woran man sie stets als Geschlechtszellen erkennt. . Derartige Zellen können sogar in den noch undifferen- zierten Geschlechtsdrüsen auftreten, aber hier gehen sie, scheinbar wegen Mangel an notwendigem Nährmaterial zu grunde, in derselben Art und Weise, wie viele Oogonien der späteren Stadien (Zwischenkörperchen). 10. 11. 12. 13. 14. 16. Pr. Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. 665 Bei den Embryonen bis zu 5 cm Körperlänge vollzieht sich die Vermehrung der „Ureier* (Oogonien) vorwiegend durch die Ausbildung derselben aus den indifferenten Keimzellen. Nur von dem Stadium der 5 cm langen Embryonen an, kann man zuweilen einen sehr ausgebreiteten Teilungs- prozess der Oogonien (gruppenweise) beobachten. Die Vermehrung der Oogonien ist nur zu einem geringen Teile für die Zunahme des Parenchyms der Rindenchicht bestimmt; sie ist hauptsächlich wegen des Untergangs einer grossen Anzahl von Oocyten bei der Nährzellen- bildung notwendig. Die in die Wachstumsperiode eingetretenen Oogonien (Ooeyten I. Ordnung) erleiden in dem Chromatin ihres Kernes eine ganze Reihe von Umformungen welche in dieser Periode von mehreren Autoren sowohl für niedere als auch für höhere Tiere beschrieben sind. (Synapsis, Bouquet- stadium, Knäuelstadium, Stadium der doppelten Fasern usw.) Ein Teil der Oocyten geht zu grunde, indem er als Nahrungsmaterial für die sich weiter ausbildenden Oocyten dient. . Das Nahrungsmaterial liefert das Protoplasma der unter- gehenden Oocyten, vielleicht auch der achromatische Teil ihrer Kerne. Das Chromatin kann, wie es scheint, nicht zu Ernährungszwecken dienen und wird vom Blut aus dem Organ hinausgeschwemmt. Die oberflächlichen Zellen des Eierstocks unterscheiden sich in den frühesten Entwicklungsstadien nicht von den unterliegenden; beides sind die indifferenten Zellen, welche sich vermehren und den zukünftigen Geschlechtszellen den Ursprung geben können. Die oberflächlichen Zellen der späteren Stadien unter- scheiden sich von den unterliegenden deutlich. Sie sind die speziellen Zellen des oberflächlichen Epithels, welche ihre ursprüngliche Struktur und mit demselben ihre Fähigkeit zur Produktion der Geschlechtszellen verloren haben. 664 K. Skrobansky: 18. Die Transformation der indifferenten Zellen in die speziellen Zellen des oberflächlichen Epithels beginnt schon bei 5 em langen Embryonen und verläuft sehr langsam. 19. Die transformierten oberflächlichen Zellen können sich teilen, aber nur mit dem speziellen Ergebnisse, die Ober- fläche des Organs zu bedecken, nicht jedoch, um neue (Geschlechtszellen zu produzieren. 20. Die Markstränge bilden sich aus demselben Primärparen- chym wie die Rindenschicht. Sie entstehen gleichzeitig mit demselben und enthalten dieselben indifferenten Keimzellen. 21. Mehrere von den indifferenten Zellen der Markstränge wandeln sich auch in Oogonien und sogar in Oocyten um, unter der Bildung der Synapsis und anderer Stadien, schliesslich aber gehen sie dennoch zu grunde. [S) | &0) . Die letzten Spuren der Markstränge sind bereits in der Embryonalperiode zu beachten. Am Schlusse meiner Arbeit sage ich Herrn Professor Waldeyer meinen ergebensten Dank für das rege Interesse, mit dem er meine Arbeit stets begleitete und die Unterstützung durch Literatur, die ieh bereitwilligst durch ihn erfuhr. DD Literatur. Amann: Über Bildung von Ureiern und primärfollikelähnlichen Gebilden im senilen Ovarium Festschr. z 70. Geb C. von Kupffer. Jena 1899. Balfour: ÖOnthe Struture and Development of the vertebrate Ovary. Quart Journ. of mier. Sc., Vol. XVIII, 1878. Beneden, van u. Julin, C.: La spermotogenöse chez l’Ascaride megaloc£phale, Bull. Acad. roy. Belg., 3. ser., T. VII, 1884. Bonnevie, Kristine: Über Chromatindiminution bei Nematoden. Jenaische Zeitschr. (1901), Bd. XXXVI. N. F. XXIX. Born: Die Struktur des Keimbläschens im Ovyarialei von Triton taeniatus. Arch. f. mier. Anat., Bd. XLIII, 1894. 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Egli: Beiträge zur Anatomie und Entwicklung der Geschlechts- organe, Diss. inaug., Zürich, 1876. . Eigenmann: Sex differentiation in the viviparous Teleost Cyma- togaster. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. IV, 1897. . Giardina: Sui primi stadii dell’ oogenesi e principalmente sulle fasi di sinapsi. Anatomischer Anzeiger, Bd. 21, 1902. . Gurwitsch: lIdiozom und Centralkörper im Ovarialei der Säuge- tiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 56, 1900. Harz: Beiträge zur Histologie des Ovariums der Säugetiere. Arch. f. mikr Anat., Bd. 22, 1883. Häcker: a) Die Eibildung bei Cyelops und Canthocamptus. Zool. Jahrbücher, Abt. f. Anat. u. Ontol., Bd. 5. b) Über weitere Übereinstimmungen zwischen Fortpflanzungs- vorgängen der Tiere und Pflanzen. Biolog. Zentralblatt, Bd..X VII, No, 19, 1897. Hertwig, O.: Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Holmgren: Von den Oocyten der Katze. Anat,. Anz. 1900. Janosik: Histologisch-embryologische Untersuchungen über das Uro- genitalsystem. Aus dem XCI. 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(Fig 6—14 sind mit Zeiss Apochromat 3,0 [Apert. 1,30] Comp, Oc. 4 gezeichnet.) 6 und 7. Die Kerne der Oogonien von Schweineembryonen. 8. Das Knäuelstadium einer sich teilenden Oogonie, 9. Kerne in dem Synapsisstadium. . 10 und 11. Bouquetstadium. d . 12. Das Knäuelstadium der Wachstumsperiode. . 13. Stadium der doppelten Fasern . 14. Oocyte aus einem Primärfollikel. 15 Ein Teil aus der Geschlechtsdrüse eines 1,2cm langen Schweineembryo. Zeiss Apochromat 3,0 (Apert. 1,30) Comp. Oe. 8. . 16. Ein Teil der Rindenschicht eines 20,1 em langen Schweineembryo. Vollständig ausgebildeter Pflüger’scher Schlauch. Zeiss Apochromat 3,0 (Apert 1,30) Comp. Oec. 4. Tafel XXVIII. 1. Männliche Geschlechtsdrüse eines 2 cm langen Schweineembryo. Tinktion mit Boehm. Hämatoxylin-Eosin. Zeiss Apochromat 16 (Apert. 0,50) Comp. Oc. 4 2. Ein Teil aus der Tiefe der Rndenschicht vom Eierstocke eines 6 cm langen Schweineembryo Im Protoplasma regelmässig zerstreute Fetttropfen. Fixierung mit Flemming’schem Gemisch (stark). Tinktion Safranin-Lichtgrün Zeiss Apochr. 3,0 (Apert. 1,30) Comp. Oec. 4. 3. Ein Teil der Rindenschicht aus dem Eierstocke eines 5 cm langen Schweineembryo; a —= peripherisches Ende eines Markstranges. Tinktion Hansen’sches Hämatoxylin-Orange. Zeiss Obj. DD. Comp. Oe. 4. 4. Ein Teil aus der tieferen Schicht eines Eierstockes eines 1,5 cm langen Schweineembryo. Erste Anlagen des Bindegewebes. Zwei Geschlechtszellen. Borax-Karmin, Pikrinsäuie, Indigo-Karmin. Zeiss Apoclromat 3,0 (Apert 1,30) Comp. Oe. 8. 5. Weibliche Geschlechtsdrüse eines Schweineembryo von 3 cm Körperlänge. Vergrösserung und Tinktion siehe oben: Fig. 1. 6. Ein Teil der Rindenschicht aus dem Eierstocke eines 6 cm langen Schweineembryo. In den tieferen Parenchymgruppen sind die Oocyten in der Wachstumsperiode sichtbar. Tinktion Borax-Karmin, Pikrinsäure, Iudigo-Karmin. Zeiss Obj. DD. Comp. Oe. 4. 668 K.Skrobansky: Beiträge zur Kenntnis der Oogenese bei Säugetieren. Fig. 7. Ein Teil aus der Tiefe der Markschicht. Reste der Markstränge. Eisen-Hämatoxylin und Säurefuchsin mit Pikrinsäure ae Gieson). Zeiss Obj. DD. Comp. Ob. 4, Fig. 8. Eine Parenchymgruppe aus der Tiefe der Rindenschicht vom Eier- stocke eines 6 cm langen Schweineembrye. Flemming'’sches Gemisch (starkes), Flemming’sche Dreifärbung. Zeiss Apochr. 3,0 (Apert. 1,30), Comp. Oc. 8. Sämtliche Figuren sind unter Benutzung des Abb&’schen Zeichen- apparates bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet. Karl v. Kupiier Karl v. Kupffer. Mit Porträt. Am 14. November 1829 wurde dem Pastor Karl Hermann Kupffer in Lesten bei Mitau im Kurland sein erster Sohn ge- boren und erhielt die Namen Karl Wilhelm. Es folgten bald noch mehrere Kinder und sie alle verlebten auf dem wohl- habenden Pfarrhofe eine glückliche Jugend. Das altertümliche, weitläufige Wohnhaus, die Scheunen und Ställe, der grosse zu- gehörige Grundbesitz an Wiesen und Feldern, Wäldern und fischreichen Seen waren für die Kinder herrliche Spielplätze und die Eltern waren verständig genug, die Kinder ihre Jugend voll geniessen zu lassen, bei einer gleichzeitigen strengen, tüchtigen Erziehung. Den ersten Unterricht im Lesen und Schreiben gab allen die Mutter. Den ältesten Sohn übernahm dann der Vater und mit Hilfe eines Hauslehrers führte er das gesamte Unterrichtsprogramm des Gymnasiums in eigener Weise durch. Er war nämlich der Anschauung, dass für die Aus- ‚bildung der geistigen Fähigkeiten eines Kindes ein konzentriertes Studium eines Faches nach dem andern das richtige sei. Der strebsame, ausgezeichnet veranlagte Knabe machte dem Vater viele Freude. Eines Tages, als gerade in nächster Zeit an Stelle des bisher betriebenen mathematischen Unterrichts das Studium der Geschichte treten sollte, zeigte der Vater auf die im Regal seines Zimmers stehenden 12 Bände der Weltgeschichte und gab dem Sohn die Erlaubnis, sich dieselben gelegentlich einmal an- zusehen, da in den nächsten Tagen damit begonnen werden sollte. Da lachte der Knabe und bekannte: Ja, Vater, die kenne ich ja schon, die habe ich alle schon gelesen. Er hatte sich damit in seinen freien Stunden von dem zu einseitigen Unterricht seines Vaters erholt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 43 670 Karl v. Kupffer, Zur besseren Ausbildung in der französischen Sprache kamen die beiden ältesten Brüder zweimal in der Woche ins Herrenhaus zum Unterricht, den ihnen die Gouvernante der freiherrlichen Familie erteilte. Der weite Weg wurde meist zu Pferde zurückgelegt und wir sehen daraus, dass auch die körper- liche Ausbildung der Kinder entsprechend dem freien Landleben eine beneidenswerte war. Mit 19 Jahren bestand K. zu Weihnachten 1848 vor der Prüfungskommission in Dorpat seine Maturitätsprüfung und wurde im Januar als stud. med. immatrikuliert. Nach einer fünfjährigen, fleissigen, aber auch sehr ver- gnügten Studienzeit legte er im März 1854 das Doktorexamen ab, disputierte am 29. September desselben Jahres und wurde am gleichen Tage zum Dr. medicinae promoviert. Als Inauguraldissertation legte er der Fakultät eine unter Bidders Leitung ausgeführte Arbeit über den Bau des Rücken- markes beim Frosche vor. Dieselbe wurde auf Begutachtung Bidders selbst, als derzeitigen Dekan, in Druck gegeben. Der Titel lautet: De medullae spinalis textura in ranis ratione im- primis habita indolis substantiae cinereae. Als Widmung trägt sie: Patri optimo pio gratoque animo — filius. Es gehört diese Arbeit K.’s zu jener grösseren Reihe, die Bidder mit seinen Schülern über den histologischen Bau des Centralnervensystems veröffentlichte und damit eine wesentliche Vertiefung der damaligen Kenntnisse ermöglichte. Es sei nur auf die auch von K. besonders berücksichtigte Beteiligung einer bindegewebigen, nicht nervösen Substanz am Aufbau des Rücken- markes hingewiesen und ferner darauf, dass K. auch beim Frosch die vorderen Wurzelfasern von den Zellen des Vorderhornes ausgehen sah und sich gegen die damalige Darstellung Köllikers in seiner vor kurzem erschienenen mikroskopischen Anatomie wendet. „Quivis harum cellularum ramulus speciem axis cylindri qualem descripsi, offert, nec equidem unquam id quod Kölliker in animalium superiorum hominisque medulla sibi observavisse videtur, ramulum paulatim accuminari in finemque tenuem liberumque exire, vel adeo fasciculi ad instar in fibras tenuissimas diffindi videbam.“ Im übrigen freilich steht K. ganz auf dem Boden der schematischen, mehr physiologisch deduzierten als durch Be- Karl v. Kupffer. 671 obachtungen begründeten, geistreichen Auffassung Bidders vom Bau des Rückenmarkes. Am Schlusse stehen die Thesen, von denen die erste und letzte die damalige Auffassung des Baues der nervösen Substanz kennzeichnet. Sie lauteten: 1. Tubuli nervei medulla non nisi axis cylindro tutando inservit — und 2. Elementa nervea solita- ria non exstant. Die erste zeigt, dass die Bidder’sche Schule "bei dem damals noch schwebenden Streit, ob der Axenzylinder Purkinjes als etwas wesentliches, dem normalen Nerven stets zugehöriges anzusehen sei, oder aber eine erst im Tode entstandene Bildung (nicht geronnener axialer Teil eines gleichförmigen Inhaltes der Nervenröhre) wäre, sich schon zu Gunsten ersterer Anschauung entschieden hatte. Die letzte These lässt uns verstehen, dass K. mit seinem Lehrer schon damals von dem ausschliesslichen Zu- sammenhang von Nervenfaser und Ganglienzelle überzeugt war, in einer Zeit, wo viele Histologen die Unabhängigkeit der Nervenröhren von den Ganglienkugeln, zum mindesten für einen Teil derselben, noch vertraten. Das ergibt sich auch aus vielen Bemerkungen in seiner Dissertation. K. kam nach seiner Promotion wieder nach Hause und ver- suchte sich hier als Landarzt, ohne irgendwelche Befriedigung in seiner Tätigkeit zu finden. So war es ein Glück für ihn, dass bald darauf eine Anfrage von Bidder einlief, ob er nicht Lust hätte, eine Assistentenstelle am anatomischen Institut anzu- nehmen, die er als Vorstand desselben zu vergeben habe. K. nahm dieses Anerbieten seines Lehrers, der an dem gut er- zogenen, gescheidten jungen Manne seine Freude gehabt hatte, dankbar an und siedelte im März des Jahres 1555 wieder nach Dorpat über, wo er zum Prosektorgehilfen ernannt wurde. Als Resultat seiner jetzt mit Bidder gemeinsam weiter- geführten Studien über das Rückenmark erschien im Jahre 1357 das damals Aufsehen erregende Werk: Untersuchungen über die Textur des Rückenmarkes und die Entwicklung seiner Form- elemente. Wie Bidder in der Einleitung bemerkt, hat K. in diesem Werk den entwicklungsgeschichtlichen Teil selbständig bearbeitet und sich nur auf das dringende Zureden seines Lehrers entschlossen, diese Ergebnisse einer noch lange nicht abge- 43* 672 Karl v. Kupffer. schlossenen Untersuchung als „vorläufige Mitteilung“ zu ver- öffentlichen. In den Vorbemerkungen zu dem von ihm verfassten Kapitel glaubt K. sich nochmals selbst entschuldigen zu müssen. Er sagt: „Hier möchte aber eine nochmalige kurze Rechtfertigung dessen am Orte sein, dass das gesammelte Material in dem vor- liegenden Umfange bereits der Öffentlichkeit übergeben wird. Die Arbeit erhebt durchaus nicht den Anspruch, den behandelten Gegenstand zu einem befriedigenden Schlusse geführt zu haben; Lückenhaftigkeit im einzelnen und zu enge Beschränkung des (sebietes, aus dem die hier niedergelegten Tatsachen geschöpft sind, nehmen ihr alles Recht dazu“ — etc. Es war ein Glück, dass Bidder die Bedenken seines Schülers überwand. denn K. wäre wohl kaum zu einer weiteren Fortsetzung dieser Untersuchungen und zur Veröffentlichung der- selben gekommen. Es war ihm nämlich durch die Vermittlung seines Lehrers von der russischen Regierung ein Stipendium zu einer wissenschaftlichen Reise ins Ausland bewilligt worden, welche er am 30. Mai 1856 antreten musste. So brachte er, von seinem Mitarbeiter gedrängt, noch rasch vorher die Arbeit zum Abschluss und deshalb wohl seine Bedenken. Als Material bei seinen Untersuchungen dienten K. vor allem Embryonen vom Schaf, welche in einer 8—9°/o Lösung von saurem chromsauren Kali erhärtet und in Querschnitte zer- legt worden waren. Das Studium dieser Schnitte förderte die bekannten wich- tigen Tatsachen ans Licht, über die Koelliker in der ersten Auflage seiner Entwicklungsgeschichte im Jahre 1861 eingehend referierte. Hier sei daran erinnert, dass K. die Entdeckung gelang, dass die erste Anlage des Rückenmarkes nur der späteren grauen Substanz entspricht, dass die weisse viel später als Aussenbelag um dieselbe erscheint, und anfänglich keine Zellen und Kerne besitzt, sondern durchwegs aus diskreten Fasern besteht. Er erkannte ferner die erste einheitliche Anlage des Vorderseiten- stranges und betont, dass das embryologische Bild entschieden nur für eine Selbständigkeit des Hinterstranges spricht, dessen Erscheinen mit dem Sichtbarwerden der hinteren Wurzeln zu- Karl v. Kupffer. 673 sammenfällt. Er hält deshalb auch den Gedanken für gegeben, dass die hinteren Wurzelfasern in den Hintersträngen aufwärts steigen. Doch wagt er nicht zu entscheiden, ob nicht auch einige Fasern der hinteren Wurzel nach ihrem Eintritt ins Mark in die graue Substanz vordringen. „Doch habe ich keine einzige in die graue Masse hineinbiegen sehen“, bekennt er often und sagt energischer am Schluss der Arbeit: „Auch späterhin, nach- dem die Breite der hinteren Stränge zugenommen, dass man über die Eintrittsstelle und den Verlauf der Wurzelfasern Genaueres anzugeben vermag, deuten die Verhältnisse darauf, dass die Fasern in auschliesslicher Beziehung zu den hinteren Strängen verbleiben. Die Eintrittsstelle ist die vordere Grenze der Stränge“. Die vorderen Wurzeln der Spinalnerven fand er schon zu einer Zeit sichtbar, in der die Markanlage noch aus indifferenten Zellen sich aufbaut und sah sie von unmerklich grösseren Zellen einer vorn und seitlich gelegenen rundlichen Anhäufung aus- sehen. Bald darauf werden die blassen Fasern der vorderen Kommissur erkennbar. Wenn dann noch später die Anlage des Vorderseitenstranges auftritt, so dürfen deshalb die denselben bildenden Longitudinalfasern nicht als direkte Fortsetzung der ‚vorderen Wurzelfasern aufgefasst werden. Es ist eines auffallend bei dieser ersten selbständigen ent- wicklungsgeschichtlichen Arbeit K.’s, dass er die Resultate der- selben mit keinem Wort zu einer Stütze des Bidder'’schen Schemas des Rückenmarkes benützt, welches in dem ersten ana- tomischen Teil vom Autor selbst in klarster Weise besprochen ist. Im Gegenteil! Die Beziehung der dorsalen Wurzel zum Mark z. B. schildern beide völlig verschieden, denn Bidder sagt: „wir müssen daher auch jetzt noch den Satz wiederholen, dass auch die hinteren Spinalnervenwurzeln mit den hinteren weissen Rückenmarkssträngen nichts weiter zu schaffen haben, als dass sie in etwas schiefer Richtung dieselben durchsetzen.“ Er lässt sie alle in das Hinterhorn eintreten und vermutet ihren Abgang von Zellen der grauen Substanz. Wir müssen daraus schliessen, dass K. durch seine Studien zu einer abweichenden selbständigen Auffassung der Textur des Rückenmarkes gelangte, welche einen grossen Schritt vorwärts bedeutete, und dass er wohl deshalb auch gezögert hatte, seine 674 Karl v. Kupffer. Studie der Darstellung seines verehrten Lehrers anzufügen, dessen extreme Lehre er nicht mehr zu teilen vermochte, weil er sie mit den beobachteten Tatsachen nicht im Einklang fand. Tieferen Eindruck als alle diese wichtigen neuen Beobach- tungen aber machte K.’s Stellungnahme gegen die damals geltende Anschauung über die Entwicklung der Nervenfaser. Diese herrschende Theorie war die Zellkettentheorie und stützte sich auf die Befunde der in gleichen Abständen vorhandenen Kerne der Schwann’schen Scheide. K. erklärt dieselbe für unhaltbar, da er die erste Anlage der Wurzelfasern und der weissen Substanz wie Remak kernlos fand. Er sagt: „So leicht es ist, dies zu konstatieren, so schwierig dürfte die Ermittlung der wirklichen Entstehungsweise sein. Will man nicht dem Gebäude der Mor- phologie die Grundlage rauben, indem man den Satz negiert, dass jedes Formelement aus der Zelle hervorgehe; will man also nicht etwa behaupten, dass die Nervenfasern durch Gerinnung aus einem flüssigen Blastem entstehen, so dürfte wohl die An- nahme den höchsten Grad von Wahrscheinlichkeit beanspruchen, dass die Nervenzelle mit den Bedingungen ausgerüstet sei, die Faser als direkten Fortsatz aus sich hervorgehen zu lassen, ohne dass eine Beteiligung anderer Bildungszellen im Verlaufe der Faser an der Konstruktion des Elementes erforderlich wäre. Jede Faser müsste demnach bis zu ihrer peripherischen Endigung, morphologisch betrachtet, nur als kolossaler Ausläufer der Nerven- zelle aufgefasst werden“, und an einer anderen Stelle gibt er nochmals klar seine Ansicht: aus der embryonalen Nervenzelle wächst schon in sehr früher Zeit als unmittelbare Fortsetzung derselben der Achsenzylinder hervor und erlangt in rascher Zu- nahme im Embryonalkörper die Ausdehnung, die der Länge der Nervenfaser, in die er einzugehen bestimmt ist, am Schlusse der Entwicklung entspricht. Nachdem aus diesen Elementen die weisse Masse des Rückenmarks und die Spinalnerven angelegt sind, wird zwischen die Achsenzylinder ein Blastem gesetzt, aus dem zum Teil das lockere Bindegewebe zwischen den Nerven- fasern, zum Teil aber in den peripherischen Nerven, die Primitiv- und Markscheide hervorgeht. „Die letztere wäre somit eine sekundäre Bildung“, d. h. bindegewebiger Natur. Diese wichtigen Mitteilungen K.’s erwähnt Kölliker in der ersten Auflage seiner Entwicklungsgeschichte, 1861, nicht. Er Karl v. Kupffer. 675 gibt aber in dem Kapitel über die Entwicklung der peripheren Nerven eine Darstellung seiner eigenen am Hühnchen gemachten Beobachtungen über denselben Gegenstand, welche fast in jedem Punkt mit denen K.’s übereinstimmen, aber auch in keinem über das Resultat K.’s aus dem Jahre 1857 hinausgehen. Die Anschauung K.’s vom Auswachsen der Nervenfaser aus der Ganglienzelle, von ihm aus seinen Beobachtungen nur erschlossen, wurde wie allgemein bekannt, später von.His in seiner Neurobastenlehre histogenetisch begründet und ausgebaut und auf ihr fusst zum Teil die moderne Neurenlehre. K. selbst aber hatte sie später wieder aufgegeben und stellte sich in letzter Zeit ganz auf die Seite der Vertreter der Zellkettentheorie, die durch Balfour, Dohrn u.a. in neuer Form wieder Eingang ge- funden hatte, nachdem die Kupffer’sche Theorie lange Jahre fast allgemein anerkannt gewesen war. Der Streit ist zur Zeit noch derselbe unversöhnliche, wie vor 50 Jahren. Es scheint schon fast zuviel, von dieser ersten Jünglings- arbeit K.’s gesprochen, und doch ist sie nicht nur in wissenschaft- licher Hinsicht von Wert, sie charakterisiert auch klar den werdenden Mann und seine Bedeutung. Diese erste Arbeit liest sich wie die letzte. K. hat sich offenbar kaum geändert. Seine ruhige, scharf überlegende, fast nüchtern klare Natur kommt schon hier wie später zum Aus- druck. Lebhafter wird die Darstellung nur da, wo es sich um die geistige Ausnützung beobachteter Tatsachen handelt, wenn er von dem beschreibenden zum „theoretischen Teil“ seiner Arbeit übergeht. Hier beginnt für ihn erst das Geniessen bei der Arbeit. Die dazu nötigen technischen Vorarbeiten, ferner die Beobachtung selbst, die Registrierung und Darstellung des Beobachteten ist ihm nur unvermeidliches Mittel zum Zweck. Er gibt sie meisterlich — aber ohne sonderliche Freude. So liegt, wie ich meine, überhaupt die grosse Bedeutung K.’s nicht in seinen naturwissenschaftlichen Beobachtungen selbst, nicht in der Bereicherung des Tatsachenmaterials, so viel ihm auch hier zu verdanken ist, sondern in den Direktiven, den geistigen Ausblicken und der Anregung, welche von dem eigen- artigen Manne ausgingen, der mit seinem klaren Blicke das Allgemeinwichtige jeder neu auftauchenden wissenschaftlichen Frage schon in ihren ersten rohen Anfängen erkannte. 676 Karl v. Kupffer. Wie schon erwähnt, begann K. im Mai eine wissenschaft- liche Reise, die ihn über Königsberg, Leipzig und Würzburg zu längerem Aufenthalt nach Wien, dann nach Berlin und Göttingen führte‘). Ich schicke voraus, dass K. damals, auf den Rat Bidders hin, schon entschlossen war, sich der akademischen Laufbahn zu widmen und von Bidder im Stillen zu seinem Nachfolger ausersehen war. Bidder hatte aber im Jahre 1843 den anatomischen Lehrstuhl mit dem physiologischen vertauscht und gab seinem Schüler entsprechenden Auftrag, sich im Auslande gründliche physiologische Kenntnisse anzueignen. So finden wir K. zunächst in Wien bei Brücke und Ludwig, in Berlin bei Dubois-Reymond und in Göttingen bei Wagner eifrig physiologische Vorlesungen hören und daneben praktisch physiologisch tätig. Aus dieser Zeit stammen drei Arbeiten: 1. Die Beziehungen der Nervi vagi und splanchnici zur Darmbewegung. 2. Untersuchungen über die elektrischen Organe von Gymnotus electricus und Mormyrus oxyrhynchus. 3. Über das Hemmungsvermögen der Muskeln gegenüber lokaler Erregung, nach Prof. Dr. Fick. Die erste publizierte K. gemeinsam mit seinem Lehrer Ludwig, die zweite stammt aus dem Göttinger physiologischen Laboratorium und ist gemeinsam mit Keferstein veröffentlicht und die dritte endlich ist unter der Leitung Dubois-Reymonds entstanden. Aber trotz dieser Arbeitsresultate kam K. der Physiologie nicht näher. Und der Erfolg dieser seiner zweiten Studienzeit wurde endlich ein ganz unbeabsichtigter. Die Ursache hierzu war einerseits die fehlende Begabung K.’s für die exakten Naturwissenschaften, welche ihm bald die Überzeugung brachte, dass er zum Physiologen nicht tauge, und endlich der Einfluss von Johannes Müller während seines Berliner Aufenthaltes. Dieser kommt frappant in der Durchführung seines Kollegien- heftes über Physiologie und über die vergleichende Anatomie !) Die Herbstferien des Jahres 1856 benützte K. zunächst zu einer Erholungsreise in die Schweiz mit zwei Dorpater Studiengenossen, die er in Würzburg getroffen hatte und folgte dann einer Einladung Köllikers nach Nizza um hier im Verein mit H. Müller und Haeckel zoologisch zu arbeiten. Die Ferien des nächsten Jahres ging er zu gleichem Zwecke mit Max Schultze, Lieberkühn und G. Wagner nach Helgoland. Karl v. Kupffer. 67) zum Ausdruck. Im ersteren ist die Mühe und Unlust nament- lich im rein physikalischen und chemischen Teil leicht herauszu- lesen, während das letztere bis ins Detail ausgearbeitet, die grosse Freude des Hörers wiedergibt. An einer Stelle des Skriptums findet sich die wohl seltene Notiz — eine Vorlesung versäumt, und K. selbst schreibt in seinen hinterlassenen Auf- zeichnungen, dass er nächst Bidder Joh. Müller am meisten zu Dank verpflichtet sei. So kam K. im Dezember 1857 nach Dorpat zurück, wohl als durchgebildeter Physiologe, aber auch mit der festen Überzeugung, dass er nicht zum Physiologen tauge, und es traf sich gut, dass er kurze Zeit nach seiner Rückkehr am 3. Februar 1857 nach einer Probevorlesung sofort zum ausserordentlichen Professor und Prosektor am anatomischen Institut ernannt wurde. Um das letztere zu verstehen, ist die Mitteilung nötig, dass nach dem Abgange Reicherts im Jahre 1855 Bidder stellvertretend auch die anatomischen Vorlesungen und Kurse und die Leitung des anatomischen Institutes übernommen hatte und seinen Schüler K. bei der grossen Arbeitslast zu Hülfe nahm. Die anatomische Professur blieb noch lange unbesetzt. Die nun folgenden Jahre liessen K. nur wenig Zeit zu eigener Arbeit, denn nun galt es, sich rasch zum praktischen Anatomen auszubilden. Mitten in dieser Tätigkeit traf ihn die Nachricht vom Tode seines Vaters (1860), und jetzt begann für K. die verantwortungsvolle Sorge für die zahlreiche Familie, welcher er sich bis zu seinem Ende niemals entzog. Das Arbeiten wurde ernst. Aber er benützte jede freie Stunde, um seine vergleichend anatomi- schen und zoologischen Kenntnisse zu bereichern, so sehr wirkte die in Berlin gewonnene Anregung fort. Er durchstreifte die Um- gebung, sammelte und beobachtete so viel als möglich und das Produkt einer derartigen Gelegenheitsuntersuchung ist auch die im Jahre 1864 erschienene Publikation: „Blutbereitende Organe bei den Rüsselegeln.“ Gleichzeitig begann er seine ersten Untersuchungen über die Entwicklung der Niere mit der Präparation von Schaf- embryonen. Als er mit dieser Methode nicht weiterkam, ver- suchte er als einer der ersten an Serienschnitten durch Embryonen die Untersuchung durchzuführen. Er zerlegte die, in einer 10°/o Lösung von doppelchromsaurem Kali gehärteten Embryonen mit 678 Karl v. Kupffer. frei geführtem Messer, im Schnitte von 40—50 « und mit diesen ältesten Serien gelang ihm die wichtige Entdeckung der ersten Anlage des Nierenganges, als einer blindsackförmigen Aussackung an der Rückwand des Wolff’schen Ganges. Diese Beobachtung, die bald allgemein bestätigt wurde, veranlasste K. auch beim Hühnchen die Entstehung der Niere nachzuuntersuchen, weil er Remaks Angabe bezweifelte, dass sich hier die Niere vom Darme aus bilde, wie das Pankreas und die Lungen. Bei dieser Unter- suchung half ihm stud. med. Goette. Auch hier wurde die gleiche Bildung bestätigt. Die Harnkanälchen fand K. beim Schaf unabhängig von dem Nierenbecken und seinen Ästen ihre Entstehung in der mittleren Schichte jenes kompakten Zellenlagers nehmen, in welches der Nierengang einwächst und sich teilt. Diese Lehre K.’s von der doppelten Anlage der Niere, scharf entgegengestellt jener, welche das gesamte Kanalsystem der Niere vom Nierengange ableitete, musste zum Streit zwischen den Vertretern beider führen. Jetzt scheint nach langem Kampfe der Sieg K. zuzufallen, da die äusserst sorgfältige und überzeugende Darstellung Schreiners eine abermalige Bestätigung bringt. Die eben besprochene Arbeit K.’s ist seine erste vergleichend- embryologische und mit derselben betritt er sein eigentlichstes liebstes Arbeitsgebiet, zu dessen erster Ausgestaltung er in hervor- ragendster Weise beitrug. Die massgebende Bedeutung der ver- gleichenden Entwicklungsgeschichte zur Erklärung phylogenetischer Fragen zog ihn besonders an, weil sie ihm am meisten Su zum freieren Denken gab. Schon in dieser ersten Arbeit nützt er geistig das gewonnene Beobachtungsergebnis so vollständig aus, dass für die Zukunft nicht mehr viel zu tun übrig blieb. Er sagt: „Nach diesem Ergebnis muss die bleibende Niere der Vertebraten in organo- logischer Hinsicht als ein weiter entwickelter Teil des Systems der Urniere aufgefasst werden.“ Ein weiteres Ergebnis einer gelegentlichen Untersuchung der Eier von Chironomus aus einem Teiche im botanischen Garten zu Dorpat war die Publikation: Über das Faltenblatt an den Embryonen der Gattung Chironomus. Karl v. Kupffer. 679 K. interessierten die eigentümlichen Embryonalhüllen dieser Insektengattung, deren Entwicklung von A. Weismann eben beschrieben worden war und die Mecznikow mit dem Amnion der höheren Wirbeltiere verglichen hatte. Er beobachtete am lebenden frischen Ei die Bildungsweise der Falten und gibt davon eine sehr klare Beschreibung, mit guten Abbildungen, die auch in den neuesten entwicklungsgeschichtlichen Lehrbüchern sich noch findet. Beachtenswert ist die am Schluss der Arbeit befindliche Kritik des Vergleiches der Embryonalhüllen der Insekten mit jenen der Amnioten. K. sagt sehr zutreffend, dass das äussere Blatt mit der serösen Hülle, das innere mit dem Amnion verglichen werden müsste, und dass letzteres auch hier an einem wenn auch dorsal gelegenen Nabel in die Embryonalanlage über- geht. Doch sei ein Vergleich überhaupt nicht gestattet, da das Faltenblatt an der Entwicklung embryonaler Teile (Scheitel- platten und Antennen) beteiligt sei. Diese Beobachtung hat sich später als falsch erwiesen und so kann der Vergleich K. in seinem Sinne jetzt zu Recht bestehen. Das war die letzte Arbeit K.’s in Dorpat. Im August 1865 reiste er von hier über Riga, Berlin, nach Kiel. Das kam so. Ich habe schon früher erwähnt, dass Bidder stellvertretend auch die anatomische Professur innehatte. Diese wurde aber endlich im Jahre 1862 mit Reissner besetzt. Das war für K. ein schwerer Schlag, da damit seine Aussichten, in Dorpat ein Ordinariat zu bekommen, vernichtet wurden. Zur Physiologie aber hatte er durch seine Arbeiten immer mehr die Fühlung vorloren, und so empfand er nicht die geringste Neigung, auf die physiol. Professur zu warten, für die ihn Bidder eigentlich bestimmt hatte. Vielleicht waren auch die Familien- verhältnisse zwingend geworden. Aus diesen Gründen reifte in ihm allmählich der Entschluss, seine bisherige Stellung als ausser- ordentlicher Professor und Prosektor am anatomischen Institut aufzugeben, in welcher er mittlerweile auch zum Kollegienassessor, Hofrat und endlich zum Kollegienrat ernannt worden war. Mit den Ausschlag für diesen schwerwiegenden Schritt gab noch ein anderer Umstand. K. hatte auf seiner wissenschaftlichen Studienreise den Westen Europas mit seiner aufstrebenden all- gemeinen Kultur kennen und so lieben gelernt, dass er den Eindruck nicht mehr verwischen konnte — und andererseits hatte 680 Karl v. Kupffer. er aus „Abneigung gegen den Osten unseres Kontinents“ wie er es selbst sagte, schon im Jahre 1860 einen Ruf als Adjunkt für Anatomie und Physiologie an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ausgeschlagen. Karl Ernst v. Baer trug ihm persönlich diese Stelle an und war sehr verwundert über seine Ablehnung. Die Akademie berief hierauf Philipp Owsjannikow. K. der im Frühjahr des Jahres 1865 lange krank gewesen war, nahm, wieder genesen, zunächst mehrmonatlichen Urlaub und wurde auf sein Ansuchen unter vollster Anerkennung seiner langjährigen hervorragenden Leistungen und Verdienste von Seiten der Fakultät ferner mit der nach dem alten Universitätsstatut gewährten einmaligen Unterstützung in der Höhe des Jahres- gehaltes ::: 714 Rubel, seiner Funktion enthoben am 31. De- zember 1865. K. benützte zunächst seinen Urlaub, um in Kiel über den Stand der Vorbereitungen für die projektierte deutsche Nordpol- expedition näheres zu erfahren, der er sich gerne angeschlossen hätte. Während dieses ersten Aufenthaltes in Kiel schloss er sich wieder sehr an seinen alten Berliner Studienfreund Hensen an, der damals ausserordentlicher Professor der Physiologie war, und fand an ihm einen Freund für alle Zeiten. K. bewarb sich wirklich bei dem Leiter der Expedition, dem preussischen Korvettenkapitän R. Werner um die Stelle als Arzt und Zoologe und erhielt sie zugesagt. Er war mittlerweile von Kiel abgereist und folgte nun gerne einer Einladung Hensens, die Zeit seines Aufenthaltes in Kiel zur Vorbereitung für seine neue Aufgabe bei ihm zu verbringen. Im März 1866 traf Kupffer wieder in Kiel ein. Allein der österreichisch-preussische Krieg vereitelte die Durchführung der Expedition. K. blieb nun auf den Rat seines Freundes Hensen in Kiel und habilitierte sich daselbst am 5. Mai 1866 als Dozent für Histologie. Als Habilitationsschrift benützte er die schon in Dorpat fertiggestellte Arbeit über das Faltenblatt von Chironomus, liess dieselbe aber später auch im Archiv f. mikr. Anat. erscheinen. Kaum hatte K. in Kiel festen Fuss gefasst, so begann er wieder energisch zu arbeiten. Noch in Dorpat hatte er die Absicht gefasst, auch an Fischembryonen die Entwicklung der Niere zu verfolgen. Hier konnte er leicht das Material dazu Karl v. Kupffer. 681 finden. Er untersuchte in den Monaten Juni und Juli die Ent- wicklung der Eier des Stichlings, welche ihm wegen ihrer Durch- sichtigkeit ein ausgezeichnetes Objekt für die mikroskopische Beobachtung in toto schienen. Als erstes Resultat erschien im zweiten Band des Arch. f. mikr. Anat. als No. 3 seiner Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Geschlechtssystems „Die Allantois der Knochen- fische.“ K. sah bekanntlich schon in ganz frühen Stadien; noch bevor der Darm gebildet ist, ein kleines Bläschen zwischen dem Hinterende der Chorda und der Peripherie des Dotterloches deutlich werden. Dieses Bläschen vergrössert sich, zieht sich nach vorn in einen Zipfel aus und dieser tritt in Verbindung mit dem Urnierengang, der zunächst vorn blind endigt. Später erfolgt die Bildung sekundärer Kanäle an den beiden Gängen zur Entwicklung des Drüsenparenchyms. Die birnförmige Blase wird so zur Harnblase und erlangt durch einen kurzen Gang ihre Verbindung mit der Oberfläche. K. erklärt infolgedessen die Harnblase der Fische als Rest der Allantois, welcher Rest eben in der anfangs kleinen Blase gegeben ist. Um diese An- schauung K.’s zu verstehen, muss man daran denken, dass man zur damaligen Zeit (1865) durch die Beobachtungen v. Baers, Reicherts, Bischoffs und vor allem Remaks wohl über die Entwicklung der fötalen Adnexorgane bei Säugetieren und dem Hühnchen im wesentlichen orientiert war, dass aber die ver- gleichende Embryologie dieser Teile noch nicht bis zur Durch- führung der Einteilung der Wirbeltiere in Anamnier und Am- nioten gefördert war. Es ist deshalb durchaus begreiflich, wie Vogt und beeinflusst von ihm K. auch bei Fischen nach einer Allantois suchten und sich von dieser Deutung auch nicht durch die dorsale Lage der Fischharnblase abhalten liessen. Bemerkenswert aber ist die Anschauung K.’s, dass der Urnierengang in embryonaler Zeit bei den Knochenfischen als alleiniges Harnorgan funktioniert und mit blindem Ende hinter dem Ohrbläschen ausläuft. Er meint des- halb: „dass den primären Urnierengängen hier die Funktion und Bedeutung der Primordial (Ur)-nieren der anderen Tiere zukommt.“ Denkt man daran, dass von einer Vorniere noch nichts bekannt war, man also nur mit zwei, zeitlich und örtlich verschiedenen Drüsen rechnete, so liegt ein grosser Fortschritt in dem Ge- 6832 Karl v. Kupffer. danken K.’s, der die Urniere als bleibende Niere der Teleostier bezeichnet. Die Deutung der Harnblase als Allantoisrest, von K. immer- hin zaghaft ausgesprochen, wurde von Rosenberg angegriffen, und die Harnblase als Erweiterung des unpaaren Endstückes der beiden verschmolzenen Urnierengänge bezeichnet. K. hält in seiner ausführlichen Arbeit: Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische (eine gedrängte Darstellung der Ergebnisse wurde vorher in den Nachrichten der Göttinger Sozietät gegeben) daran fest, dass das erste kleine Bläschen zur Harnblase wird und macht die Entscheidung, ob Allantois oder nicht von weiteren Untersuchungen abhängig. Ueber die wichtigen, zum Teil grundlegenden neuen Be- obachtungen, die K. in dieser Arbeit über die Teleostier-Ent- wicklung von dem Stadium der Furchung bis zu den älteren embryonalen Stadien brachte, erschöpfend zu berichten, wäre nur möglich, wenn man das bisher durch die Untersuchungen von v. Baer, Vogt, Aubert, Reichert und Lereboullet erreichte und die dadurch geschaffenen Anschauungen berück- sichtigen würde. Ich begnüge mich damit, daran zu erinnern, dass K. die eigentümliche solide Anlage des Zentralnervensystems und der Sinnesorgane als erster beschrieb. Es scheint fast unnötig, an diese Entdeckung K.’s besonders zu erinnern, so allgemein bekannt ist dieselbe, und doch würde niemand, der im neuen Lehrbuch von Ziegler das Kapitel „leleostier‘‘ durchliest, davon etwas erfahren. Denn unter den vom Autor für dieses Kapitel zitierten wichtigeren Arbeiten fehlen die K.’s, obwohl die eigentümliche solide Anlage des Medullarrohres eingehend besprochen wird. Die erste Anlage des Embryo hatte K. im Anschlusse an die Entdeckung Lereboullets, vom Randwulst ausgehend, gefunden und folgendermassen beschrieben: Die Ausbreitung des Keimes nach der Furchung erfolgt gleichmässig zentrifugal vom Keimpol. Während der Bildung der Keimhaut verdünnt sich ihre Mitte und verdickt sich der Rand. Nach der Bildung des Randwulstes ändert sich die bisherige zentrifugale auf den Rand- wulst gerichtete Bewegung der Zellen und diese verschieben sich nun auf jeder Hälfte des Eies im Randwulst selbst aequatorial. Karl v. Kupffer. 683 Derselbe wird deshalb auf einer Seite dünner, auf der anderen dicker und liefert hier die erste Embryonalanlage.“ Obwohl K. später (77) im Anschluss an Goette vom Rand- wulst die Mesodermbildung ausgehen lässt, hält er doch gegen Oellacher und His, welche die erste Embryonalanlage aus einer primären lokalen Verdickung des Keimes herleiten, an seiner Auffassung fest. Er weist aber auch energisch die Lehre zurück, dass der Rumpf des Embryo aus einer allmählichen Verwachsung des Randwulstes sich bilde und leugnet die dazu postulierte un- gleichmässige Umwachsung des Eies. ‚Der Rand der Keimhaut wird sich selbst parallel verschieben und daran ändert auch die Embryonalanlage nichts.“ Gegen die Conerescenzlehre macht K. ferner Bedenken geltend, die von Balfour acceptiert und durch weitere ergänzt wurden. Den von Oellacher zuerst beschriebenen Zellknopf, der nach kurzer Zeit am Embryonalschild sichtbar wird, nennt K. Endknospe, weil nach seiner Ansicht aus demselben nicht nur der Schwanz, sondern auch der hintere Teil des Rumpfes hervorgeht. Vereinigen wir die Angaben K.’s über die Entstehung der Embryonalanlage und damit auch der Endknospe mit seiner eben zitierten Auffassung von der Bedeutung der letzteren, so erhalten wir ein Resultat, das sehr nahe an die modernsten Vorstellungen über die erste Bildung des Teleostierembryo herankommt, welche durch die experimentelle Embryologie gewonnen wurden. Anderer- seits aber war die ausschliessliche Beobachtung lebenden Materials, welches trotz seiner grossen Durchsichtigkeit doch vielfach namentlich bei zunehmender Organsonderung zu Täuschungen führt, die Ursache, dass viele Angaben durch die spätere, für Teleostier zuerst von Oellacher (72) angewendete Serienschnitt- methode, als irrig eine Korrektur erfuhren. Es muss hier noch daran erinnert werden, dass K. am Ei von Gasterosteus und Spinachia am Ende der Furchung ausser- halb des Blastoderms Kerne auftreten sah, welche sich bald durch deutliche zwischengelegene Konturen abgrenzen und sich so als Zellen erweisen, deren Entstehung aus der oberflächlichen Dotterschichte durch freie Zellbildung K. für sicher hält. Er lässt auch hier schon den Gedanken durchblicken, ob nicht das Darmblatt vielleicht von diesen Zellen gebildet wird 684 Karl v. Kupffer. (68), und in seiner späteren Arbeit (74) erklärt er die Abstammung des Ectoderms und Mesoderms vom Archiblast (Keimprotoplasma) und die Bildung des Entoderms aus dem Parablast (Rinden- protoplasma mit freier Kernbildung) für zweifellos, und weist die fortschrittliche Erkenntnis Goettes, dass alle Keimblätter vom ursprünglichen Keim geliefert werden, zurück. Diese Vorstellung einer besonderen Leistung des Dotters für die Embryonalanlage verfolgte K. noch lange Zeit und kehrt in mehreren Arbeiten wieder. Hier liegt also schon bei K. der Gedanke, den His später zur Grundlage seiner Parablasttheorie machte. Freilich mit dem wesentlichen Unterschied, dass K. stets an dem Charakter des Eies als einer Zelle festhielt und die von His angenommene Bildung des Embryo aus zwei genetisch verschiedenen Quellen nicht anerkannte. His wie K. entschlossen sich erst nach schweren inneren Kämpfen, diesen Gedanken aufzugeben. Zunächst aber baute ihn K. weiter aus (77) und die im Jahre 1852 erschienene Arbeit seines Schülers @ensch (82) spricht sich entschieden für die Bildung der Zellen in der protoplas- matischen Rindenschichte des Dotters aus und dass das Entoderm als sekundäres Entoderm von diesen Zellen abstamme. Das primäre Entoderm aber sah K. nunmehr in der von ihm entdeckten kleinen epithelialen Blase, deren Deutung als Allantois er in einer im Jahre 1879 erschienenen Arbeit wider- rufen hatte. Dieses Urentoderm, die Kupffer’sche Blase, nimmt aber keinen Anteil an der Darmbildung, sondern geht bald völlig zu grunde. Aber nicht nur den Darm leitete K. vom sekundären Entoderm ab, sondern dieses sollte nach Gensch auch die primären Blutzellen durch Abschnürung bilden, welche dann durch Ausbildung eines deutlichen Kernes zu definitiven Blutkörperchen werden. Der Streit, ob das Dottersyncytium mit seinen Kernen am Aufbau des Embryo beitrage, ist auch heute nicht beendet (Lwoft), aber die Gesichtspunkte sind andere geworden, seitdem wir wissen, dass die Periblastkerne der Teleostier von den Furchungs- zellen abstammen und schon lange kein Histologe mehr an die Möglichkeit einer freien Zellbildung glaubt. Karl v. Kupffer. 685 K. hatte seine Ansicht über die Bildung des Blutes später dahin geändert, dass er dasselbe, wie auch die ventralen Gefäss- anlagen inklusive Herz vom Entoderm ableitete. Auf seinen zahlreichen Fischzügen in der Kieler Bucht sammelte K. wichtige biologische Beobachtungen, die sich als kurze Notizen in seinen Arbeiten finden. Diese Ausflüge im Boot waren eine seiner liebsten Beschäftigungen geworden und er benützte sie zum Studium wie zur Erholung. Als er nun im Sommer 1868 beim Dredgen über die Seegraswiesen im der Kieler Bucht massenhafte Ascidien erhielt, beschloss er, die damals grösstes Aufsehen erregenden Beobachtungen von Kowalewsky (66) an diesem Material nachzuuntersuchen. Er publizierte sein Resultat in drei Arbeiten (69, 70, 72). Es ergab eine Bestätigung und wesentliche Erweiterung der Ergeb- nisse Kowalewskys und es entspricht ganz der eigentümlichen spekulativen Begabung K.’s, dass er die aus den gewonnenen Beobachtungen gezogenen Schlüsse über die Verwandtschaft der Tunikaten und Wirbeltiere weit vollständiger und sanguinischer ausspricht als Kowalewsky selbst. K. beschrieb zum erstenmale die Spinalnerven, das Harn- bläschen und die Bildung der Haftpapillen und erweiterte die ersten Angaben Kowalewskys über die Entwicklung des Nervenrohres, der eigentümlichen Sinnesorgane der darmumspinnen- den Drüse und der Chorda. Er wies nach, dass die letztere, an- fänglich aus den Chordazellen bestehend, später von einer homo- genen gallertartigen Substanz ‘gebildet wird, welche, axial gelegen, von den Zellen als Chordascheide umhüllt wird. Ferner beschrieb er eingehend die Anatomie der fertigen Larve sowie die Rückbildungsvorgänge während der Metamorphose. K. kam in einem Punkte der Beschreibung mit Kowalewsky in Widerspruch. Er leitete nämlich die sogenannten Testazellen nicht vom Follikelepithel ab wie dieser, sondern glaubte, sie ent- stünden durch freie Zellbildung (im Sinne der Botaniker [Sachs]) in der oberflächlichen Dotterschicht. Dieser Gedanke einer freien Zellbildung d. h. einer spezifischen cellulären Leistung des Dotters, durch welche der Keim selbst nicht alteriert wird, knüpft enge an die erwähnte Beobachtung K.’s bei Knochenfischen an. Auch bei Ascidien musste folglich der Embryo aus zwei getrennten Quellen sein Material beziehen, erstens vom Keim und zweitens vom Dotter; Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62, 44 656 Karl v. Kupffer. denn die von ihm gelieferten Testazellen hielt man damals für die Produzenten des Tunikatenmantels. Diese Meinungsverschieden- heit mit Kowalewsky führte K. im Herbste des Jahres 1372 an die süd-norwegische Küste, wo er den Hafen und die Rhede von Arendal mehrere Wochen lang nach Ascidia intestinalis, dem Untersuchungsobjekt Kowalewskys, in Begleitung von Dr. Langerhans durchsuchte. Die wichtigen Ergebnisse der Ascidien-Entwicklung benützte K. auch als Thema eines populären Vortrages in der Harmonie in Kiel. Dieser ungemein anziehend geschriebene Vortrag ist betitelt: „Vor- und rückschreitende Entwicklung im Tierreich“ und enthält eine Menge eigener Gedanken über die Abstammungs- lehre und das Problem der Vererbung. Die nächste Publikation K.’s behandelt zum erstenmal ein histologisch descriptives Thema. Er suchte an den Speichel- drüsen von Blatta orientalis den Zusammenhang von Drüsenzellen und Nerven festzustellen. Anstoss zu dieser Untersuchung mag wohl die Pflügersche Abhandlung im neu erschienenen Handbuch der Gewebelehre von Stricker (71) gegeben haben. Es erschien ja damals als ein Postulat, für den durch Heidenhain und Pflüger nachgewiesenen Nerveneinfluss auf die Speichelsekretion, die erklärende Verbindung zwischen Drüsenzelle und Nerv auf- zufinden, aber die Darstellung Plügers erschien K. nach ein- leitenden Beobachtungen für unzulänglich und er erkannte, dass es sich hier nicht um „grobe“ Verhältnisse handle, sondern in letzter Instanz um die feine blasse Fibrille, deren Zusammen- hang mit der Drüsenzelle zu ermitteln sei. Hierüber kam er nun zu dem Resultat, dass das Eindringen der Nervenfibrillen in eine Drüsenzelle eine Tatsache sei und zwar in der Weise erfolge, dass oft mehrere eindringende Fibrillen in ein feines Netzwerk um den Kern herum übergehen. Hofer konnte sich davon nicht überzeugen und man muss ihm Recht geben, dass die durch die Methode K.’s (Behandlung mit Kalilauge) erzielten Strukturen zweifelhaft erscheinen müssen, doch will ich bemerken, dass K. angibt, diese Fibrillengitter auch an frischen Drüsenzellen gesehen zu haben. Jedenfalls stimmt auch Hofer der Angabe K.’s bei, dass Fibrillen in die Drüsenzellen eindringen, doch ver- mochte er sie innerhalb des Protoplasmas nicht mehr zu ver- folgen. Karl v. Kupffer. 687 K. hat später eine Erklärung seines Befundes dahin ge- geben, dass dieses um den Kern liegende Netz nichts anderes sei, als das Fadennetzwerk des Protoplasmas und dass die Nerven in dieses eingehen. Im Jahre 1875 erschien noch eine andere Arbeit K.’s: Über Differenzierung des Protoplasmas an den Zellen tierischer Ge- webe. Ich glaube mit dieser meisterhaft geschriebenen kurzen Darstellung feiner Beobachtungsergebnisse über die Struktur des Protoplasmas muss K. als der erste bezeichnet werden, der als Vorgänger Flemmings eine spezifische Strukturierung des Proto- plasmas in Form seiner Fadennetze nachwies. Bisher hatte man stets von einer homogenen oder körnigen Beschaffenheit der- selben gesprochen und die etwas phantastischen Angaben From- manns und Heitzmanns über eine Strukturierung des Zell- protoplasmas waren nur wenig beachtet worden. K. wies in der Leberzelle des Frosches zwei Substanzen nach, eine hyaline, massigere formbedingende und eine spärlichere feinkörnig fibrilläre, die in der ersteren ein netzförmig-geordnetes Fadenwerk bildet und um den Kern sich zuweilen zu einer compakteren Oentralmasse ansammelt. Er nennt die beiden Substanzen Paraplasma und Protoplasma. Gegenüber chemischen Reagentien konstatierte er ein verschiedenes Verhalten beider und bei Erwärmung fand er das Protoplasma in träger Bewegung. Doch sind die an fixierten Zellen beschriebenen beiden Substanzen auch an den frischen Zellen deutlich erkennbar. Entsprechendes fand K. aber auch an Zellen, die nach Herkunft, Gestalt und Funktion von der Leberzelle sehr weit abstehen, nämlich an den Odontoblasten. Er weist ferner darauf hin, dass die von Heidenhain be- schriebenen Strukturverhältnisse der Nierenzellen seinen an der Leberzelle gewonnenen Erfahrungen nicht widersprechen, und indem er auch noch das früher von ihm beschriebene Netz in den Speicheldrüsenzellen von Periplaneta nunmehr als Protoplasma- netz auffasst, wird es dem Leser vollkommen klar, dass K. eine weitgehende Verallgemeinerung seiner Entdeckung im Sinne hat. Die Zeichnungen zu dieser Arbeit finden sich im Handbuch der Physiologie von Hermann, Physiologie der Absonderungsvorgänge von Heidenhain (Fig. 61 und 62). Nach 20 Jahren (96) behandelte K. in einer geistreichen Rede beim Antritt des Rektorates in München nochmal dieses Thema. 44* 688 Karl v. Kupffer. Er präzisiert hier umfassender und eingehender seine Auffassung der paraplastischen Substanz und der Gebilde, welche sie liefert, die Paraplasten. Als Beispiele bespricht er die Muskel- und Nerven- fibrille. Das Protoplasma und der Kern, die Energide von Sachs, produziert die kinetische Energie, deren funktionell eigentümliche Verwendung von den verschiedenartigen paraplastischen Bildungen in den Zellen abhängt. K. nahm aber im Gegensatz zu Sachs keine absolute Abhängigkeit der paraplastischen Gebilde von der Energide an, sondern meinte, dass ersteren auch im gewissen Sinne selbständige Lebensäusserungen zukämen, die nur genetisch in letzter Linie von der Energide abhängig sind, eine Auffassung, welche wohl der jetzigen über die Myo- und Neurofibrille, wie über die Bindegewebsfibrille entspricht. Durch seine früheren Untersuchungen über die Verbindung von Nerv und Drüsenzelle kam er auf den Gedanken, auch in der Leber die Nerven der Läppchen aufzusuchen und ihre Ver- bindung mit den Zellen zu erforschen. Aber ohne Erfolg. Doch kam K. bei diesen Versuchen zur Entdeckung seiner „Stern- zellen“ mit Hilfe der Goldfärbung. Diese zackigen Zellen mit kleinen sphärischen Kernen finden sicb nur im Leberläppchen und folgen hier den Kapillaren der Pfortader. K. hielt sie anfänglich für nervöse Zellen, dann aber für perivaskuläre und zwar für Bindegewebszellen und dieser Deutung folgten zahl- reiche Autoren, welche nähere Angaben über dieselben brachten. K. selbst aber wurde später durch die Arbeit von Asch (84) zweifelhaft, als derselbe in diesen Zellen häufig verschiedenartige Einschlüsse nachwies und er kam endlich durch eine neue Unter- suchung (99) zu der Auffassung, dass die Sternzellen zum Endothel (eventuell syneytialen) der Pfortaderkapillaren gehören und in hervorragendem Masse die Fähigkeit der Phagocytose besitzen K. schreibt diesen Zellen nun auch eine wichtige Rolle bei der Zerstörung roter Blutkörperchen zu. S. Mayer machte in einer Mitteilung im Anatomischen Anzeiger darauf aufmerksam, dass v. K. einige Angaben aus der Literatur entgangen seien, welche sich der Auffassung und den Angaben v. K.’s nähern. S. Mayer hat hierin vollkommen Recht und ebenso darin, dass dadurch an dem Werte der v. K.’schen Mitteilung nichts geschmälert wird. Karl v. Kupfer. 659 K. beschrieb ferner auch die Bindesubstanz des Leber- läppchens, welche allerdings vorher von His und Henle gesehen worden war, genauer an seinen Groldpräparaten und bezeichnete dieses Fasersystem als Gitterfasern (76). Später neigte er dazu, dieselben für elastische Fasern zu halten (89), doch muss man die stichhaltigen Einwände v. Ebners gegen diese Auslegung anerkennen. In der letzterwähnten Publikation referiert K. sonst blos über eine Chromsilber-Methode seines Assistenten A. A. Boehm, um die Gitterfasern und Gallenkapillaren darzustellen. Eine Methode die von Oppel im Münchener Laboratorium zur Darstellung der Gitterfasern in der menschlichen Leber modifiziert wurde. Haben wir nunmehr die wissenschaftliche Tätigkeit K.’s in Kiel kennen gelernt, so sind doch wichtige Personalia noch nach- zutragen. K. hatte sich im Sommersemester 1566 habilitiert und las im folgenden Semester über „Zoologie der Wirbellosen“ und über „Spezielle Anatomie und Histologie der Sinnesorgane.“ Ordentlicher Professor der Anatomie war Behn. Im folgenden Sommersemester 1867 fehlt Behn unter den lesenden Professoren und in den Schriften der Universität findet sich folgende Stelle: 5. Anatomisch-zoologisches Institut. Nachdem der seitherige Direktor des anatomisch-zoologischen Institutes, Prof. Dr. Behn im Mai dieses Jahres einen längeren Urlaub erbeten hatte, wurde durch Reskript des Königlichen Ministeriums vom 12. Juni dem Unterzeichneten, damals Privat- dozenten bei der medizinischen Fakultät, die stellvertretende Direktion des obengenannten Institutes kommissarisch übertragen und übernahm derselbe, neben der Vorlesung über Histologie, die von dem Prof. Dr. Behn für das Sommersemester an- gekündigten Vorlesungen über Neurologie” und allgemeine Zoologie. Als dann auf sein Ersuchen der Prof. Dr. Behn in den Ruhestand versetzt worden war, wurde eine Trennung der bisher vereinten anatomischen und zoologischen Institute verfügt, der Unterzeichnete durch königliche Bestallung vom 17. September zum ordentlichen Professor in der medizinischen Fakultät er- nannt und mit der Direktion des anatomischen Institutes 690 Karl v. Kupffer. betraut, während die Leitung des zoologischen Institutes durch Entscheidung des Königlichen Ministeriums vom 6. November demselben provisorisch übertragen wurde. Infolgedessen über- lieferte der Prof. Fr. Behn am 31. Dezember die zu beiden Instituten gehörigen Sammlungen, Archivalien und Kassenbestände an den Unterzeichneten. Kupffer. Die Ursache dieses plötzlichen Abschiedes Behns war eine politische. Nach der Annektierung Schleswig-Holsteins durch Preussen wurden die Beamten direkt in preussischen Dienst über- nommen, nachdem sie den Huldigungseid geleistet hatten. Diesen zu leisten verweigerte aber Behn und musste deshalb um Ent- lassung von seiner Stellung einkommen. Die Ernennung K.'s als Nachfolger Behns zum ordentlichen Professor ist, obwohl er von der Kieler med. Fakultät einstimmig vorgeschlagen wurde, doch nicht ohne Kampf abgegangen, denn es wurde, soviel ich erfahren habe, ein Gegenkandidat von sehr einflussreicher Seite vor- geschoben. Der Entscheid zu Gunsten K.’s soll, wie man sagt, durch Bismarck selbst gefallen sein, bei dem sich sein Freund, der damalige Kurator der Dorpater Universität Graf Kayserling für Kupffer verwendete. Ob sein alter Freund und Lehrer Bidder in Dorpat hier in letzter Linie für ihn eingetreten war, habe ich nicht erfahren können. Im Bericht des nächsten Jahres lesen wir von der Trennung des anatomischen und zoologischen Institutes und von der Berufung des Dr. K. Moebius als Ordinarius nach Kiel. K.’s Vorschlag mag hier wohl der bestimmende Moment gewesen sein. Im selben Bericht klagt K. über Leichenmangel und Mangel an Raum in seinem Institut. Er hatte 4 mässige Zimmer zur Verfügung. Davon war eines als Auditorium, eines als Präpariersaal und zwei für die Sammlung bestimmt. „Im Winter, wenn während des Vormittags der Präpariersaal und als Aushilfe auch das Auditorium von den Präparanten eingenommen werden, müssen die beiden Sammlungszimmer sowohl dem Direktor als Arbeitsraum dienen, als auch zu den mikroskopischen Kursen benutzt werden und da sie zusammen nur 4 Fenster enthalten, so reichten sie im Winter 68/69 für das Bedürfnis nicht aus, da sich 15 Teilnehmer zu den Kursen gemeldet hatten.“ K.’s Prosektor war Pansch, der sich im gleichen Jahr und Semester habilitiert hatte. K. las nunmehr über deskriptive Karl v. Kupffer. 691 Anatomie und Histologie, während die Entwicklungsgeschichte von Hensen doziert wurde. 8 Jahre darauf enthält die Universitäts- chronik folgende Mitteilung: „Für die nächste Zukunft aber steht der medizinischen Fakultät wie unserer ganzen Universität ein empfindlicher Verlust bevor durch die zu Ostern erfolgende Übersiedelung des ordent- lichen Professors der Anatomie, Dr. Karl Kupffer auf die Universität Königsberg, wohin er im Laufe dieses Winters einen ihn auszeichnenden Ruf erhalten und angenommen hat. Möge ihm an seinem neuen Berufsorte eine glückliche Zukunft blühen und möge sich dort bei ihm die Erinnerung an unsere Universität ungeschwächt erhalten, wozu ihm die allgemeine Achtung, welche er sich hier erworben hat, Grund genug bieten darf. Es sei erwähnt, dass er auch das akademische Rektorat hierorts zwei Jahre nacheinander (1872—74) bekleidet hat und während seiner Rektoratsverwaltung zugleich der Begründer der hiesigen akademischen Lesehalle geworden ist.“ Die seltene Ehrung, die in diesem herzlichen Abschiedsgruss liegt, klingt gut zusammen mit folgender Aufzeichnung aus der Hand K.'s selbst: „In Kiel habe ich die glücklichste Zeit meines Lebens genossen, Stadt und Land so lieb gewonnen, dass ich Holstein meine zweite Heimat nenne. Ich schlug daher auch einen Ruf nach Dorpat und einen zweiten nach Breslau aus. Pekuniäre Rücksichten bestimmten mich aber einen im November erhaltenen Ruf nach Königsberg anzunehmen.“ Dass diese pekuniären Rücksichten den Ausschlag geben mussten, ist begreiflich, denn K. hatte sich am 15. Mai 1869 mit Frau Ida Goldmann, der verwitweten Schwester seines Freundes Völckers, Professor der Augenheilkunde in Kiel, vermählt. Sie schenkte ihm im Jahre 1870 einen Sohn und ein Jahr darauf eine Tochter. Er gab dem Sohn den Namen Gustav zur Erinnerung an seinen im selben Jahre verstorbenen, leiden- schaftlich geliebten Bruder gleichen Namens. Dieser war als praktischer Arzt im Kurland ein Opfer seines Berufes geworden. Er muss einer jener seltenen Naturen gewesen sein, die überall, wo sie erscheinen, einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen. Seinen Tod konnte K. lange nicht verwinden. Ein einziges Mal erzählte er mir von ihm und da mit einer so schwärmerischen 692 - Karl v. Kupffer. Verehrung, dass ich darüber bei dem sonst so ruhigen abwägenden Manne tief erschüttert war. Nur wer mit K. oft verkehrte, konnte bei solchen seltenen Gelegenheiten erfahren, was für eine tief veranlagte innerliche Natur er war. K. siedelte im April 1876 von Kiel nach Königsberg über. Trotzdem er nun in ein grosses, für die damalige Zeit reich ausgestattetes Institut, mit wertvoller deskriptiv-anatomischer und vergleichend-anatomischer Sammlung einzog, war K. zunächst doch sehr enttäuscht über den völligen Mangel an Demonstrations- material für den histologischen Unterricht und es war für ihn ein schwerer Entschluss, dieses sein liebstes Kolleg, das er in Kiel im Wintersemester 4-stündig gelesen hatte, ausfallen zu lassen. Statt dessen setzte er eine 4-stündige Vorlesung über vergleichende Anatomie der Wirbeltiere an. Die Histologie wurde von dem Physiologen Prof. extraord. Grünhagen gelesen und man kann sich denken, wie sehr es K. wurmte, aus Mangel an Unterrichtsmaterial dieses Kolleg aus der Hand lassen zu müssen. K. hatte von Kiel als Assistenten Privatdozent P. Albrecht mit- gebracht, den er zum Prosektor machte, nachdem Benecke im nächsten Jahre zum Extraordinarius befördert worden war. Da aber seine Hülfskräfte durch den Unterricht völlig be- schäftigt waren, so sah sich K. im Jahre 1879 nach einer weiteren Unterstützung um und fand in A. A. Boehm den richtigen Mann. Boehm, ein Schüler Raubers war von diesem an K. empfohlen worden und dank seiner merkwürdigen Arbeitskraft, seiner selbstlosen Ergebenheit und seines eminenten Könnens auf mikrotechnischem Gebiete sah K. in kurzer Zeit eine hervor- ragende histologische Lehrsammlung entstehen und lernte in Boehm einen Assistenten kennen, der bis zum Tode seines Chefs jede Arbeitsleistung, lag sie auf geistigem oder technischem (rebiet, als eine Ehrensache auffasste. Der Einfluss Boehms auf K.’s Arbeiten ist unverkennbar. Boehms rasches Arbeiten, sein seltenes Gedächtnis, welches ihm ermöglichte, die gesamte Literatur im Kopfe bereit zu halten, war für K. geradezu eine Erlösung. Er brauchte sich jetzt nicht mehr mit der Herstellung von Präparaten zu plagen und konnte seine ganze freie Zeit in seinem Sinne, wissenschaftlich tätig, geniessen. Aus den vier Jahren seines Königsberger Aufenthaltes stammen mehrere Publikationen. Schon sein Vorgänger Aug. Karl v. Kupffer. 695 Müller hatte an dem in Königsberg leicht zu habenden Petro- myzontenmaterial, die Befruchtungserscheinungen studiert und auch K. reizte dieses seltene Material zu einer Nachuntersuchung, und er führte diese im Vereine mit Benecke durch (73). Es ist hier daran zu erinnern, dass zur damaligen Zeit die O0. Hertwig’sche Publikation über die Befruchtung alle Morphologen auf das lebhafteste beschäftigte. Der Ausspruch, dass die Befruchtung auf der Vereinigung zweier geschlechtlich differenzierter Zellkerne beruht, musste auch alle jene Vorgänge in neues Licht setzen, welche die Einbringung des zweiten Kernes in die Eizelle bezwecken. Hertwig hatte bei seinem Objekt das Eindringen des Spermatozoons aber nicht nachweisen können, sondern die Abstammung des Spermakernes vom Kopf des Sperma- tozoons auf Grund seiner Befunde und der Angabe Bütschlis nur angenommen. Doch war die damalige Anschauung die, dass es sich bei der Befruchtung stets nur um ein eindringendes Spermatozoon handle und Polyspermie ein Abweichen vom nor- malen Zustand sei. Dieser Auffassung trat K. entgegen. Er fand bei Petromyzon allerdings ein bevorzugtes Spermatozoon direkt und vollständig in den Dotter eindringen, damit aber den Vorgang nicht beendet. Denn aus dem von der Eihaut zurückgezogenen Dotter hebt sich eine Protoplasmamasse die gegen die Eihautinnenfläche vordringt und hier Zoospermien — oder Reste derselben, die nicht völlig in das Ei eingedrungen waren, — in sich aufnimmt, und so nachträglich dem Ei einverleibt. K. schreibt also dem Dotter eine aktive Tätigkeit bei der Befruchtung zu, die zu einem sekundären Befruchtungsakt führt. K. hat diesen Gedanken einer Zweiteilung des Befruchtungs- vorganges, bei dem einmal vom Zoospermium und dann von der Eizelle aktiv vorgegangen wird, auch auf die Befruchtung bei Amphibien (83) und Knochenfischen (86) ausgedehnt. Bei Bufo variabilis und vulgaris, ferner bei Rana beobachtet K., dass nach dem Eindringen mehrerer Zoospermien durch eigene bewegung in den Dotter eine Nachbefruchtung eintritt, auf Grund einer entgegenkommenden Tätigkeit des Dotters. Diese besteht in der Bildung einer Reihe kleiner Empfängnishügel, welche an jene Stellen der Eihaut vordringen, an welchem noch bewegliche Spermatozoen in der Eihaut stecken, um sie dem Ei einzu- 694 Karl v. Kupffer. verleiben. Als derartige Kopulationshügel beschreibt K. ferner bei dem Forellenei eigentümliche Bildungen, die er, verleitet durch die Beschreibung v. Benedens seines „disque polaire“ und „bouchon d’impregnation“ bei Ascaris gleichfalls Polplatten nennt. Es ist hier wohl ehrlich zu bekennen, dass die Unter- suchungen K.’s über die Befruchtung keine neuen wesentlichen Ergebnisse brachten, ja sogar vielfach auf falschen Beobachtungen und Deutungen beruhen. Den Wert hatten sie aber doch, dass sie auf die aktive Tätigkeit des Dotters bei der Befruchtung und zweitens auf die Frage der Polyspermie hinwiesen, die ja später, wenn auch für andere Objekte nachgewiesen wurde. Was K. aber sich für Vorstellungen über das weitere Schicksal der zahlreichen in das Ei gebrachten Spermatozoen machte, hat er nicht ausgesprochen; er erwartete von ihnen aber wohl eine wichtige Tätigkeit, obschon er von der Bildung des Spermakernes aus dem Kopfe eines Spermatozoons überzeugt war. Ob er früher vielleicht die von ihm vertretene freie Kern- bildung am Dotter damit in Zusammenhang brachte, lässt sich nicht mehr eruieren. Ich glaube wohl. (Gemeinsam mit cand. med. Bessel-Hagen gab K. im Jahre 1880 den Bericht über die Schädel und Skelette der anthropologischen Sammlung zu Königsberg heraus, als IV. Teil des grossen, unter der Leitung Schaaffhausens stehenden Sammelberichtes. Hier sei nur auf die Beschreibung und Benennung des Torus palatinus und der sog. crista marginalis des Gaumens durch K. erinnert. Im gleichen Jahre wurde K. von dem Komite zur Wieder- herstellung der Grabstätte Kants der ausgegrabene Schädel des Gelehrten zur anthropologischen Verwertung übergeben. K. berichtete im nächsten Jahre über das Ergebnis der Untersuchung die er mit Bessel-Hagen durchgeführt hatte. In die Königsberger Zeit K.’s fällt auch der Beginn seiner Studien über Gastrulation. Sie führten zu drei Publikationen (78 und 79), denen sich in München vier weitere (82, 84 und 87) anschlossen. Das wichtige Resultat derselben ist schwer in Kürze zusammenzufassen. Karl v. Kupffer. 695 K. und Benecke entdeckten im Jahre 1878 jenen rudi- mentären Einstülpungsvorgang am Blastoderm von Lacerta und Emys, der zur Bildung eines kurzen nach vorn und gegen den Dotter gerichteten epithelialen Blindsackes führt, dessen äussere Öffnung sich verengt und endlich am Boden des Medullarrohres sichtbar ist. Schon in dieser ersten Publikation folgern die Autoren: Es findet also die Bildung einer Gastrula, wenn auch in beschränktem Umfange statt und die Lagebeziehung der Öffnung erlaubt, sie mit dem Prostoma oder Gastrulamtnd des Amphioxus, dem Rusconi’schen After der Batrachier zu ver- gleichen, obwohl die Einstülpung nicht am Rande des Blastoderms, sondern exzentrisch im Embryonalschild erfolgt. Aber die Gastrulahöhle der Reptilien wird nicht zum Ur- darm wie beim Amphioxus und das Epithel der Blase, homolog dem Entoderm der Amphioxusgastrula, tritt nicht in Verbindung mit dem Darmdrüsenblatt des Reptilieneies. Dieses entsteht vielmehr früher und wahrscheinlich durch freie Zellbildung, vom Dotter aus, wie das homologe Blatt der Teleostierkeimscheibe. Zwischen diesen beiden primären Blättern entsteht das Mesoderm und zwar geht die Bildung desselben vom Gastrula- munde aus, welche Partie sich beträchtlich verdickt. Diese erste Angabe K.’s über die zeitliche Differenz der Bildung von Entoderm und Mesoderm wurde in neuester Zeit von Will bekanntlich zu einer Einteilung des Gastrulations- vorganges bei Reptilien (Epibolie und Invagination) benützt und ist auch die Grundlage für jene Auffassung neuerer Autoren, welche für die Gastrulation bei Amnioten eine zeitliche Ver- schiebung mehrerer Phasen des Prozesses als charakteristisch annehmen. An dem Mesoderm unterschieden die Autoren damals schon einen Teil, der von dem Gastrulamunde ausgeht, und die Bildung der Sichel bedingt, und dann eine Platte, die von demselben Ausgangspunkte als mediane Zone nach vorn wächst, die Achsen- platte. In Bezug der sogen. Sichel der Reptilien ist K. wohl niemals das Entdeckerrecht bestritten worden, aber K. erwähnt in derselben Arbeit, dass sie beim Sperling fast konstant eine Sichel am hinteren Ende des Primitivstreifens sahen, die der- selben Bildung am Eidechsenei entspricht, und so meine ich, muss auch in Bezug auf die Sichel beim Vogelembryo K. und 696 Karl v. Kupffer. nicht Koller als Entdecker derselben genannt werden. Ver- sucht man den Einwand, dass die Kupffer’sche Sichel, als Mesodermsichel nicht identisch sei, mit der Koller’schen Sichel, so glaube ich, fällt die Entscheidung erst recht zu Gunsten K.’s aus, denn ganz entschieden hat K. recht, wenn er am Blastoderm des Huhnes in der allerersten Zeit der Bebrütung und vor der Bebrütung das Vorhandensein einer charakteristischen Sichel bezweifelt. Die am Rande des Blastoderms auch an einzelnen Reptilien-Keimscheiben auftretende Aussensichel (Völtzkow) ist wohl nur eine nicht charakteristische Bildung des Keimwalles und vielleicht mit jener früh auftretenden Sichel des Huhnes zu vergleichen, von der Koller sagt, dass sich dieselbe manchmal vorne ringförmig schliesst, von der aber Gasser wieder an- gibt, dass einer solchen Verdiekung kein besonderes, von den anstossenden Teilen irgendwie abzugrenzendes Gebilde zu grunde liegt. Hat sich die K.’sche Entdeckung der Einstülpung auf dem Reptilienkeimschild und ihre Deutung als rudimentäre Gastrulation als richtig erwiesen, so wird sie in Zukunft sicher auch jene von K. schon verlangte wichtige Rolle spielen, die Keimblätterbildung bei Vögeln richtig deuten zu können. Denn noch haben wir es in dieser Beziehung zu keinem zufriedenstellenden Erfolg ge- bracht, nachdem sich die Duval’sche Darstellung als irrig er- wiesen hat. Dass K. selbst schon eine solche Deutung versuchte, ist bekannt, und ich will seinen Gedankengang hier kurz wieder- holen. K. und Benecke hielten anfangs (78 u. 79) die Ein- stülpungshöhle für die Anlage der Allantois und K. identifizierte mit der Gastrulahöhle der Reptilien Jann auch die K.’sche Blase der Knochenfische. Auch hier leitete K. das definitive Darmrohr nicht vom Urentoderm (K.’sche Blase) ab, sondern liess dasselbe im Rindenprotoplasma (Periplast, Dottersyneytium) durch freie Zellbildung entstehen und nannte es sekundäres Entoderm. Die Auffassung der Gastrulahöhle als Allantoisanlage hielt K. auch weiter noch gegen die Angriffe Balfours aufrecht und kapitulierte erst, als er an Embryonen von Lacerta viridis die Gastrulahöhle sich gegen den Dotter zu, wirklich öffnen und mit dem sekundären Entoderm in Verbindung treten sah. Frei- mütig schreibt er: „In diesem Punkte stimme ich jetzt Balfour zu“. Aber K. hatte mittlerweile von der ventralen Karl v. Kupffer. 697 Wand des Canalis neurenterieis ausgehend, eine kleine, scharf ausgeprägte Tasche gefunden, die sich dotterwärts einsenkt und nun deutete er diese Tasche als Allantoisanlage, die somit doch direkt aus der Gastrulahöhle ihre Entstehung nehmen würde und fand eine ähnliche Bildung auch beim Hühnchen. Das letztere war eine Täuschung. Der von K. auf Taf. IV, Fig. 39 von Lacerta abgebildete Schnitt ist aber, soviel ich urteilen kann, naturgetreu und eine Erklärung dieser Bildung steht noch aus. Vielleicht ist dieselbe, weil kein späterer Beobachter sie mehr erwähnt, ein aussergewöhnlicher Befund. — K. kam also zur Auffassung, dass aus dem eingestülpten Teil des Blastoderms der Canalis neurentericus, die Kloake, die Allantois und ein Teil des Hinterdarmes sich bilde. Den Rest des Darmes liefert das Paraderm, wie K. später die zellige, nach seiner Meinung vom Parablast (Dottersyneytium, Periblast) gebildete Zellschichte nannte, im Gegensatz zum Entoderm, welches durch die Invagi- nation entstanden. den Hinterdarm liefert. K. möchte deshalb auch nur das durch Invagination entstandene Entoderm mit dem Gesamt-Entoblast des Amphioxus homologisieren. Während also beim dotterreichen meroblastischen Ei die Bedeutung der Gastrulation für Entodermbildung zurücktritt, liegt ihre Be- deutung hier mehr nach der Seite der Mesodermbildung. Seine Ansicht über die letztere hat K. gleichfalls im Laufe seiner Untersuchungen geändert. Anfänglich leitete er das gesamte Mesoderm des Embryo vom Urmundrand ab und später glaubte er, dass auch Zellen vom Parablast als Mesenchymzellen sich den Zellen aus der ersten Quelle beimengen. Aus diesem Material leitete K. die Elemente des Blutes und die Gefässendothelien der Area vasculosa ab. Immer aber erklärte er das Mesoderm der Sauropsiden anfangs als nicht epithelial, sondern seinem histo- logischen Charakter nach als Mesenchym. Aber trotzdem ver- wirft er deshalb nicht wie Kölliker damals die Coelom- theorie, sondern bekennt sich zum strengen Anhänger phylo- genetischer Deduktion, indem er sagt: „Ich meine, hat die Coelomtheorie für die Amphibien Geltung, so gilt sie auch für Amnioten“ — und K. glaubt nur, dass die von der Coelomtheorie postulierte scharfe Scheidung von Epithel und Mesenchym durch den Vergleich der Mesodermbildung bei den Amphibien und Sauropsiden sehr an Wahrscheinlichkeit verloren habe. 698 Karl v. Kupffer. Was nun den Vergleich der erkannten Gastrulation der Reptilien mit den bisher bekannten ersten Entwicklungsvorgängen beim Hühnchen betrifft, so kam K. allmählich zur Anschauung, dass die Primitivrinne der Vögel, von der die Mesodermbildung ausgeht, zum Urmund gehört, als eine flache mediane Fortsetzung der Gastrulaeinstülpung. Er verlegte ferner die Mündung des Canalis neurentericus an das hintere Ende des Primitivstreifens im Gegensatz zu Gasser, welcher damals schon in richtiger Erkenntnis das Prostoma am vorderen Ende des Primitivstreifens suchte und fand. Dieser Irrtum K.’s ist nicht verwunderlich. K. ging ja von der bisher bekannten Gastrulation bei Selachiern und Am- phibien aus und suchte deshalb den Urmund möglichst nahe am Blastodermrande und hielt den am Rande der Area pellucida, auch von Koller gesehenen queren Spalt dafür. Für ihn war der Teil des späteren Primitivstreifens zwischen Sichel und Kopf- fortsatz etwas beim Vogel Neuhinzugekommenes. Er sagt ja auch ausdrücklich, dass er bei Reptilien niemals etwas gesehen habe, was als Primitivstreif bezeichnet werden könnte, obwohl K. den wirklichen Primitivstreif der Reptilien (Primitivplatte der Autoren) gesehen hatte, denn er erwähnt in bestimmten Stadien einen vom hinteren Urmundrand ausgehenden verdickten Streif, auf dem sogar eine seichte Rinne sichtbar wird. K. leugnet deshalb auch den von Balfour gezogenen Vergleich des Primitivstreifens mit der Verwachsungsraphe der Blastodermränder bei Selachiern. In seiner Auffassung wurde K. noch bestärkt durch seine Untersuchung von Teleostierkeimscheiben; doch sind die hier angeführten Belege zur Zeit nicht mehr gültig, da K. sich zum Teil durch Kunstprodukte, welche die damalige Technik an den schwer zu konservierenden Knochenfischeiern erzeugt hatte, täuschen liess. K. hielt im Gegensatz zu Rauber, Haeckel und Balfour den Umwachsungsrand an den meroblastischen Eiern auch bei Anamiern nicht für den Urmund oder einen Teil des- selben, sondern fasste die Blastodermausbreitung als Blastula- bildung auf, die bei grossem Dotter sich so verzögert, dass vor ihrer Vollendung die Gastrulation einsetzt. Karl v. Kupffer. 699 Er bezeichnet folglich das Dotterloch der meroblastischen Eier als Blastotrema, zum Unterschiede vom Blastoporus, welchen Namen er für die eigentliche Invaginationsöffnung reserviert, die er auch bei Selachiern auf eine beschränkte Stelle des Keim- randes bezieht. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass K. seine Anschauung einer scharfen Sonderung von Archiblast und Parablast schon im Jahre 1884 aufgegeben hat. Übersehen wir nochmals die Arbeiten K.’s über die Gastru- lation, so müssen wir sagen, sie haben ausserordentlich wichtige, massgebende Tatsachen gebracht, und das scharfe Durchdenken und die kühne, geistreiche Behandlung des Problems mussten nachhaltig und fruchtbringend auf die Wissenschaft einwirken. Die erste Publikation aus dem Jahre 1878 aber ist für die da- malige Zeit geradezu eine wissenschaftliche Tat. Im Anschluss an die besprochenen Arbeiten mögen hier noch die späteren Angaben K.’s (90) über die Gastrulation und Mesodermbildung bei Petromyzon genannt werden. Das wesent- liche seiner Auffassung liegt darin, dass noch während des Blastulastadiums, also bevor noch ein epitheliales Blastoderm das ganze Ei umfasst hat, die Gastrulation beginnt. K. leugnet dabei eine Umwachsung der Makromeren durch die Mikromeren (Amphibien. Die Ursache für das verkürzte Blastulastadium sieht er in der grossen Dottermasse. Die Gastrulation führt zur Trennung von Entoderm und Eetoderm, aber nicht zur Bildung des Mesoderms. Die Entstehung des letzteren geht überhaupt nicht vom Urmundrand aus, sondern dasselbe entwickelt sich in kranio-kaudaler Richtung in relativ späteren Stadien. Dabei verläuft die Mesodermbildung im Kopf nach dem Typus der Enterocoelie (Amphioxus), im Rumpfe hingegen im Sinne einer Schizocoelie. Wenn das Mesoderm des Rumpfes aber kaudal den Blasto- porus erreicht, so tritt es sekundär in innige Beziehung mit einer indifferenten Zellgruppe, welche aus dem Blastoporusrande stammt und in der dorsalen Lippe liegt, dem Teloblast K.'s. Derselbe bedingt also weiterhin dies Längenwachstum des Mesoblasts, aber auch der achsialen Organe, welche den gleichen sekundären Anschluss an den Teloblast zeigen. 700 Karl v. Kupffer. Derselbe ist seiner Bedeutung nach mit dem Schwanzknopf der Teleostier, einem Teil der Sichel der Amphibien, Reptilien und Vögel zu vergleichen. Weil aber der Blastoporus bei Petromyzon zum definitiven After wird, so fehlt hier der Canalis neurentericus und der Teloblast liegt praestomal. Die Sichel hingegen retrostomal, weil hier ein Canalis neurentiericus sich bildet und der After (Schwanzdarm) eine Neubildung darstellt. Diese Angaben K.’s sind einerseits heftig angegriffen (Götte, Hatta, Lwoff), andererseits bestätigt worden (Hatta, Eycleshymer). Die Diskussion ist hierüber nicht geschlossen. Ein abwiegendes Urteil ist zur Zeit nicht möglich. Nur ein Befund K.’s hat eine definitive Korrektur erfahren, über die K. selbst sehr erfreut war, nämlich durch den Nachweis, den Hatta brachte, dass doch auch bei Petromyzon die Meso- dermbildung vom Urmundrand primär ihren Ausgang nimmt, und die Neunaugen sich so dem allgemein gültigen Gesetz unterordnen. Während K. noch mit seinen Untersuchungen über die Gastrulation beschäftigt war, kam er durch eine gelegentliche Beobachtung an dem Ei der Fledermaus auf jene eigentümliche Verlagerung der Keimblätter, auf die zuerst Reichert und später Bischoff aufmerksam gemacht hatten. . Eine Erklärung dieser damals noch völlig rätselhaften Er- scheinung unternahmen damals fast gleichzeitig drei Forscher: Hensen, Kupffer und Selenka. K. fällt die Priorität der- selben zu, wie das Selenka in seiner am 15. November 1882 erschienenen Publikation auch anerkennt. K.’s Beobachtungen wurden von ihm am 4. November 1882 in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften vorgetragen und seine Auffassung, vorher schon mündlich Selenka mitgeteilt, blieb nicht ohne Einfluss auf die Darstellung dieses Autors. Aber andererseits waren die mündliche Aussprache und die Demonstrierung der vortrefflichen Präparate Selenkas auch nicht ohne Rückwirkung auf K. geblieben. Ich glaube das Ur- heberrecht auf die Lösung dieses Rätsels ist so zu verteilen, dass Selenka zuerst die Angabe Hensens berichtigte und nachwies, dass das Epithel des Uterus nichts dabei zu tun hat, während K. durch mündliche Mitteilung davon in Kenntnis ge- setzt, die einfache Lösung brachte, dass eine Wucherung der Karl v. Kupffer. 701 Rauber’schen vergänglichen Deckschichte einen hohlen Zapfen erzeugt, der gegen das Ei vordringt und dasselbe einstülpt, während er vorher meinte, dass der vordringende Zapfen der Decidua angehöre. Es folgen zwei Publikationen histologischen Inhaltes. In der ersten — Epithel und Drüsen des menschlichen Magens — macht K. Angaben über die topographische Lage der Pylorus- drüsen, und über den Bau der Cardiadrüsen, ferner über den totalen Schwund der Belegzellen bei akuten fieberhaften Krank- heiten. Diese letztere Angabe steht jener gegenüber, welche bloss eine Verkleinerung (Hungerzustand) der Belegzellen vertritt. Doch ist eine Umbildung der indifferenten Zellen des Drüsen- halses einerseits zu Öberflächenepithelzellen, andererseits zu Drüsenzellen (Haupt- und Belegzellen) nicht auszuschliessen und deshalb die K.’sche Anschauung möglich. Von grösster Bedeutung ist die zweite Arbeit — Über den Achsenzylinder markhaltiger Nervenfasern — geworden, indem das Resultat: der Achsenraum enthält die Nervenfibrillen, die locker im Nervenserum flottieren — zum erstenmal exakt die alte Lehre Max Schultzes vom fibrillären Bau der leitenden Substanz bestätigt. Diese Darstellung K.’s (die Osmium-Säure- fuchsin-Präparate wurden von K.’s Schüler A. Maley gemacht) gewann in letzter Zeit, in der Sturm- und Drangperiode der Lehre vom Bau der nervösen Substanz, wieder neue Bedeutung. Ich habe schon erwähnt, dass die letzten zitierten Arbeiten K.’s schon aus der Münchner Zeit stammen. In Königsberg hatte sich K. nie recht einleben können, obwohl er die angenehmsten kollegialen Beziehungen daselbst antraf. Aber die allgemeinen Verhältnisse sagten ihm umso- weniger zu. Diese Abneigung gegen den Osten war durch seinen Kieler Aufenthalt so gestiegen, dass er jetzt selbst im Vater- haus manches nicht mehr ertragen konnte und sich gerne als Deutschen bekannte, der er mit Leib und Seele geworden war, auch im politischen Denken. So hatte er einen Ruf nach Amsterdam im Jahre 1877 ausgeschlagen, weil er sich der Forderung, nach zwei Jahren in holländischer Sprache vorzutragen, nicht fügen wollte. Aus Stolz — denn K. hatte ein grosses Sprachtalent und wäre ihm die Erfüllung dieser Bedingung leicht gewesen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. #2. 45 702 Karl v. Kupffer. K. war Rektor, als er im Juni 1880 den Ruf nach München als Nachfolger von Bischoff erhielt. Er nahm ihn an. Aus zwei Gründen. Den einen haben wir soeben in seiner persön- lichen Abneigung gegen den Osten kennen gelernt und der zweite war die Hoffnung, einen lange gehegten Wunsch endlich sich selbst erfüllen zu können. Den Wunsch, von der er- drückenden Arbeitslast des Lehrers sich soweit frei zu machen, um wieder Zeit für gesteigertes eigenes Arbeiten zu gewinnen. Denn ein so eminenter Lehrer K. war, so gewährte ihm die Lehrtätigkeit doch lange nicht die Freude, wie seine eigene wissenschaftliche Arbeit und seine genussreichsten Stunden waren wohl die, wenn er auf dem Heimwege vom Institute die durch die Beobachtung gewonnenen Resultate in ihrer Tragweite be- urteilte und geistig verarbeitete. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Es ist bekannt, wie K. in München mit Rüdinger jene Teilung durchführte, nach welcher er sich bloss die Histologie und Embryologie als Lehr- fach reservierte und in selten uneigennütziger Weise die deskrip- tive und topographische Anatomie, sowie den Präpariersaal seinem jüngeren Kollegen überliess. K. gewöhnte sich auch in München anfangs etwas schwer an die ihm völlig fremde süddeutsche Art, und es dauerte eine Zeit, bis er sich vollkommen heimisch fühlte. Seine wissenschaftliche Tätigkeit erlitt durch seine Berufung keine Unterbrechung, sie gewann aber aus oben genanntem Grunde jetzt an Produktivität und die in Angriff genommenen Fragen wurden schwieriger. Nachdem die Arbeiten K.’s über die Gastrulation schon besprochen sind, will ich noch kurz seiner Untersuchungen über die Entwicklung der Milz und des Pankreas gedenken. K. fand bei Embryonen des Störs vier Pankreasanlagen, zwei dorsale und zwei ventrale. Die letzteren gehen vom primären Lebergang aus. Die dorsalen schnüren sich vom Darm völlig ab, verbreitern sich in die Quere und nur die rechte Hälfte jeder so geschaffenen Drüse bleibt als solche bestehen. Die Zellen der beiden linken Hälften hingegen lockern sich, gewinnen mesenchymatösen Charakter und so wird dieser Drüsenteil splenisiert. Die beiden Pankreasanlagen, wie die beiden Milzanlagen verschmelzen dann einerseits zu einem dorsalen Pankreas (rechts), Karl v. Kupffer. 703 andererseits zu einer Milz (links). Mittlerweile haben sich die beiden ventralen Pankreasanlagen vereinigt und verwachsen nun auch mit der dorsalen, sodass aus der entstandenen einstigen Pankreasdrüse nur zwei Ausführungsgänge in den Darm führen. Die erste gemeinsame Genese zwischen Pankreas und Milz ist auch noch an der häufigen Verwachsung beider Organe in älteren Embryonen zu erkennen. Die Lymphocyten der Milz sind tolg- lich entodermaler Herkunft und entstehen unter der Erscheinung regressiver Metamorphose epithelialer Schläuche. i Da seit K. die Entwicklung des Störs nicht mehr unter- sucht wurde, sind seine Angaben nur bezweifelt, aber nicht widerlegt worden. Seine Anschauung geht dahin, ein primäres, paariges, dorsales und ventrales Drüsensystem anzunehmen, das den Mitteldarm umgreift, vergleichbar der Mitteldarmdrüse der Tunikaten. Aber ich glaube, K. ist hier entschieden zu schema- tisierend seinem Gedanken zuliebe verfahren und hierin zeigt sich K. als der lebhafte Sanguiniker, der er bis zu seinem Lebensende blieb. Aber kühn war er immer in der Ausarbeitung seiner Ideen und auch hier scheute er nicht, die letzte Konse- quenz zu ziehen, und alles Iymphoide Material des Wirbeltier- körpers, selbst das Knochenmark, aus dem epithelialen Entoderm abzuleiten und dafür einzutreten, dass eine Bildung von Lympho- cyten aus Darmdrüsenzellen auch im postembryonalen Leben möglich sei. Ein Jahr darauf beschrieb K. bei Ammocoetes gleichfalls ein kraniales dorsales Pankreas, von dem ebenso ein, wenn auch kleiner Teil splenisiert wird. Der Pankreasrest wächst ventral vor, und vereinigt sich mit der Leberanlage, welche durch Öbliteration des primitiven ventralen Leberganges endlich nur mehr durch das dorsale Pankreas eine jetzt dorsal gelegene Verbindung mit dem Darm besitzt. So erklärt K. die Verlagerung des Leberganges am Darme, welche Goette als allmähliche Wanderung beschrieben hatte. Jenen Teil der Leber, welcher sich mit dem dorsalen Pankreas vereinigt, fasst K. folgerichtig als ventrales Pankreas auf, obwohl dasselbe beim Ammocoetes dauernd in die Leber einbezogen wird. Brachet konnte nach K. nichts von dem beschriebenen dorsalen Pankreas entdecken, aber die Frage ist noch keines- wegs geklärt, da auch in der neuesten grossen Arbeit von 45* 704 Karl v. Kupffer. Choronshitzky die Untersuchung der beiden Objekte fehlt, die K. zu seinen Untersuchungen verwendete. Zum Schlusse sind die zahlreichen Arbeiten zu besprechen, die im Verlaufe eines Jahrzehntes erschienen sind. und seine Untersuchungen wie Theorien über die Entwicklungsgeschichte des Kopfes enthalten. K.’s fundamentale Resultate, seine neuen Beobachtungen und seine originelle Ausdeutung der von ihm durchgearbeiteten Fragen jetzt schon zu kritisieren ist unmöglich, weil dieselben mitten in vollster Diskussion stehen, zu der sie selbst herausgefordert haben. So darf ich das Urteil späterer Zeit überlassen und hier nur im wesentlichen K.’s Gedanken und Untersuchungen zusammenfassen. Ich werde nach der Reihe besprechen 1. den Kopfdarm und die Hypophysis, 2. Kopfnerven, 3. das Hirn und das vordere Ende der Hirnachse, 3. die Mono- und Amphirhinie. Es ist bekannt, wie die Segmenttheorie des Kopfes seit ihrer Schöpfung durch Balfour, von van Wyhe und den ihm folgenden Autoren ausgebaut wurde und auf dem besten Wege war, allgemeine Anerkennung zu finden, als K. eine neue Deutung gegen dieselbe in die Wagschale warf. Er leugnete den somi- talen Charakter der Kopfhöhlen auf Grund seiner Befunde bei Petromyzon und Acipenser und erklärte dieselben für rudimen- täre Kiementaschen eines ' vordersten Darmstückes, welches ursprünglich durch den Hypophysenkanal als Paläostoma nach aussen mündete und dann nach Durchbruch des Neostoma vom definitiven Kopfdarm isoliert wurde. Diesen vordersten Darm- abschnitt nannte er deshalb die präorale Tasche. Er homologi- sierte die prämandibulare dorsale Ausstülpung dieser Tasche mit dem van Wyhe’schem ersten Somiten der Selachier und fand in seiner Deutung eine einfache Erklärung des bisher rätsel- haften Verbindungsstückes zwischen denselben. Da wo sich dieses Mittelstück als Rest des vorderen Entodermsäckchens vom Darm sondert, liegt bei Amnioten die Seesel’sche Tasche. Die damals von schwerwiegender Seite geäusserten Bedenken, gegen die allerdings häufig nicht recht kritisch geführte Lehre von der Metamerie des Kopfes, boten K. eine willkommene Be- rechtigung zur Publikation seiner neuen Ideen. Als Beweise führt er an: 1. die Diskontinuität ihrer Anlage. Es fehlt der seriale Anschluss dieser Kopfhöhlen an den weiter kaudal folgen- Karl v. Kupffer. 705 den ersten noch erkennbaren Somiten. Hingegen ist ein serialer Anschluss an die folgenden Kiementaschen unverkennbar; 2. die Abschnürungsweise der prämandibularen Höhle mit dem Ver- bindungsstück beim Stör und 3. ihre Lagerung zu den Gefässen und der Verlauf dieser selbst. Seine Beobachtungen über die Entwicklung der Gefässe im Kopfe von Störembryonen wurden von ihm aber erst voll zur Deutung ausgenützt, als die Arbeit Raffaeles dieses Thema an Selachiermaterial behandelte. Raffaele fand auf jeder Seite des Kopfes fünf Gefässe von den mandibularen Aortenbögen und dem Kopfsinus (Rückert) ausgehen und erklärte sie für präorale Aortenbögen. Der Kopf- sinus ist nach seiner Meinung aus dem Zusammenfluss dieser Bögen entstanden, welche sich sonst gerade wie die retroman- dibularen Gefässbögen verhalten. K. fand nun beim Stör vor dem mandibularen Sinus drei vollständige Gefässringe, die vom Truncus arteriosus ausgehen und sich selbständig eine zeitlang erhalten ohne weiteren Anschluss. In dem mandibularen Aortenbogen und dem sie ver- bindenden Kopfsinus erblickt er gleichtalls einen solchen primitiven Gefässring, der aber durch anastomotischen Anschluss an folgende retromandibulare seine Selbständigkeit - verloren hat. Auch bei Selachiern findet sich aber nach Raffaele vor dem Kopfsinus noch eine quere weitere Gefässverbindung und weist auf dasselbe Verhalten hin. K. spricht den Gedanken aus, dass diese Gefäss- ringbildungen eine im Kopfe noch erhaltene primitive Anordnung vorstellt, welche mit der Kiementaschennatur der Kopfhöhlen in Einklang zu bringen sind und verlangt eine neue diesbezügliche Terminologie. Ich glaube diese selten zitierten Angaben K.’s sind auch Koltzoff entgangen. Zwischen der prämandibularen Tasche und der mandibularen fand K. bei Ammocoetes noch Andeutungen zweier anderer, sodass er an dem präoralen Darm drei rudimen- täre Kiementaschen annimmt, für deren einstige volle Existenz auch noch das Vorkommen von drei lateralen Ganglien spricht. Auch die mandibulare Tasche selbst ist nach K. beim Stör ein Produkt des Entoderms, ist eine rudimentäre Kiementasche, während das Mesoderm nur zur Bildung mesenchymatösen Zell- materials zwischen den Taschen Verwendung findet. Da aber bei 706 Karl v. Kupffer. Ammocoetes aus der Wandung der prämandibularen Tasche nicht wie bei Selachiern die Augenmuskel (Oculomotorius) und aus der mandibularen Tasche nicht die Kaumuskel entstehen, sondern die Taschen vollkommen verschwinden und die Augen- und Kaumuskeln aus dem Material des Trabekular- und Mandi- bularbogens sich entwickeln, spricht K. die Parallele mit den Selachiern auch sehr vorsichtig aus. Er gibt ferner die Möglichkeit der Umwandlung von Entodermzellen in Muskelzellen zu, sodass auch durch einen solchen Befund bei Selachiern und Amnioten seine Deutung der präoralen Kopfhöhlen nicht negiert würde. K. setzt an Stelle der Lehre von der Metamerie des Kopfes die Lehre von der Branchiomerie desselben. Seine Deutung der Hypophysis ergänzte K. später (94) auf Grund weiterer Untersuchungen. Es ist bekannt, wie er an der Hand der Entdeckung dreier, in embryonaler Zeit noch nach- weisbarer Komponenten an der Bildung der Hypophyse (Gaupp), die sich bei Anamniern und Amnioten auffinden lassen, eine phylogenetische Erklärung versuchte. Diese Komponenten sind der epidermoidale (Rathke’sche) Anteil, der entodermale und cerebrale Anteil. Den Hypophysenkanal als Paläostoma angenommen (homolog dem Munde der Ascidienlarven), ging nach der Auf- fassung K.’s von dem vordersten Abschnitt des Kiemendarmes der . Canalis neurentericus anterior zum Boden der vorderen Hirnblase und entwickelte aus seiner Wand ein subcerebrale Drüse, die Infundibulardrüse (celebraler Anteil. Ventral vom Paläostoma liegt die Haftscheibe (Oberlippe bei Petromyzon). Ventral von dieser erfolgte die Bildung des Neostoma aus einem Kiemen- spaltenpaar, der Vertebratenmund. Bei der konsekutiven Reduktion des funktionslosen präoralen Darmes bleibt das Paläostoma als Nasenrachengang (der Monorhinen), resp. als epidermoidaler Anteil der Hypophysis (dorsaler Drüsenkomplex bei Petromyzon) und als entodermaler Anteil bestehen. Trotz der häufigen Verschiebung der drei Ausgangspunkte der einzelnen Anteile für die Hypophysis haben dieselben das Bestreben, sich zusammenzuschliessen und in obiger Auffassung findet K. die Erklärung derselben. Als wertvollster Teil dieser Serie von Arbeiten müssen wohl die Untersuchungen K.’s über die ontogenetische Entwicklung Karl v. Kupffer. 1707 der Kopfnerven gelten. K. ging von der neuen Anschauung aus, dass auch nach der Abtrennung des Medullarrohres vom Ektoderm das letztere noch weiter die Fähigkeit behalte, Sinnes- epithel abzugeben oder in loco auszubilden. Er fand im An- schlusse an die Beobachtungen von van Wyhe, Froriep und Beard, dass das Ektoderm die Bildung der Kopfnerven in zwei Zeiten vornimmt. Zunächst erfolgt die Bildung der „dorsalen Hirnplatte“, d. i. der Nervenleiste der übrigen Autoren, aus welcher die Wurzelleiste hervorgeht. Aus derselben wachsen segmental die spinalen und branchialen Nerven hervor. Die letzteren enden mit dem centrogenen medialen Ganglion. Dieses wird nun durch das von der Epidermisplakode stammende (derma- togene) laterale Ganglion zum Hauptganglion ergänzt und durch einen auswachsenden Nerv zum nächsten epibranchialen Ganglion fortgesetzt, welches gleichfalls selbständig aus einer Epidermis- plakode sich abschnürt. Von hier aus sind die ventralen Nerven- äste Produkt der Zellen der Neurodermis, d. i. einer tiefsten Zellage des Ektoblast, welche sich von der Epidermis ablöst. Die Rückbildung dieses branchialen Systems charakterisiert das spinale System im Rumpf, gegenüber dem spino-branchialen System des Kopfes. Die epibranchialen Ganglien zeigen segmentale Anordnung und liegen über je einer Kiementasche. Branchiomerie, Myomerie und Neuromerie decken sich also anfänglich. In die dorso-laterale Reihe der Ganglien ist das Labyrinth eingeordnet, die epibranchiale Reihe endet vorne mit der Linse. Die von den Ganglien allmählich ausgehenden Nerven sind transversale (segmentale) und longitudinale. Die transversalen sind ausschliesslich branchiale, nur der Okulomotorius ist seinem Ursprung nach als der einzige im Kopf noch erhaltene spinale Nerv anzusehen. Die Längsnerven entstehen durch Kommissuren nachbarlicher Ganglien. Der Traetus epibranchialis entsteht früher als der Tr. dorso-lateralis. Der Nervus lateralis vagi bildet sich vom Vagusganglion aus entlang einer Epidermisleiste, welche in kaudaler Richtung entsteht. Aber auch die epibranchiale Reihe der Plakoden setzt sich bei den Gnathostomen als epibranchialer Nerv der Seiten- linie fort. 708 Karl v. Kupffer. K. denkt sich, im Gegensatz zu Bird, dass diese beiden Plakodenreihen die Anlagen primärer Sinnesorgane darstellen, von denen bei den Kranioten aber nur mehr die Riechplakoden zu dauernden solchen Sinnesorganen werden, während die Zellen der übrigen Plakoden nur zentripetal vordringende Nervenzellen liefern. Die oberflächliche Zellenlage aber, von welcher diese tieferen Nervenzelien sich ablösen, liefert weiterhin die sekundären Sinnes- organe der Haut. Zu dieser Auffassung kam K. durch weitere Ausgestaltung jener bekannten Hypothese von Retzius, nach welcher im Verlauf der Phylogenie ursprünglich peripher gelegene Sinnes- nervenzellen allmählich zentripetal aufgerückt wären. Dass K. genaue Angaben über die spezielle Genese der einzelnen Kopfnerven macht und die Resultate vergleichend ver- wertet, sei hier nur erwähnt. Die Beobachtungen K.’s über die Entwicklung der Kopf- nerven hatten ihn ferner davon überzeugt, obwohl er bisher ein strikter Anhänger der Auffassung von der scharfen Sonderung der Keimblätter in organogenetischer Beziehung war, dass die Aufsehen und Widerspruch erregenden Angaben über eine Mesenchymbildung von Seite des Ektoderms richtig seien. Er fand eine Beteiligung des Ektoderms an der Lieferung des Zellmaterials für die knorpeligen Kiemenbögen bei Ammocoetes. Er ging aber nicht so weit, auch jene, in einzelnen Gebieten des Kopfes nicht unerheblichen Anteile der Nervenleiste, welche keine Nerven- bestandteile bilden, sondern sich auflösen, ausschliesslich als mesenchymbildende Bezirke aufzufassen, sondern glaubte, hier Reste ursprünglicher Nervenanlagen annehmen zu sollen. Dabei hält er es aber für sehr wahrscheinlich, dass manche Ganglien- und Nervenanlagen am Vorderkopfe nicht durch Histolyse verschwinden, sondern ihre Zellen sich in Bindegewebszellen um- wandeln. Es handelt sich dabei nach seiner Ansicht vielleicht um den bestimmenden Einfluss, welchen ein progressiv sich weiter entwickelndes Gewebe auf ein nachbarliches ausübt, das in seiner Selbstdifferenzierung gehemmt erscheint. Unter den gleichen Gedanken bringt er die eventuelle Muskel- bildung aus den entodermalen Epithelzellen der branchialen Kopfhöhlen. Karl v. Kupffer. 709 Die klassische Behandlung des Kopfnerven- und Kopfproblems durch K. brachte Ausblicke auf neue Ziele und neue Wege der Forschung und sie ist umso bewundernswerter, wenn man bedenkt, dass sie die Leistung eines 66jährigen Mannes ist, der seit dem 20. Jahre in angestrengter, rastloser Arbeit ununterbrochen tätig war. Ebenso neugestaltend sind die Untersuchungen K.’s über die Entwicklung des Hirns geworden. Ich darf hier nicht auf Details eingehen, aber wohl hervorheben, dass K. zu einer ganz selbständigen Auffassung kam, die ihn auch zu einer neuen Ein- teilung des Gehirns führte, die wesentlich von der fast gleich- zeitig von His gelieferten abweicht. K. geht von einem primären Zweiblasenstadium aus, welches beim Amphioxus dauernd sich erhält. Das Vorhirn wird durch die zentrale Hirnfalte vom Nachhirn geschieden. Diese Falte ent- steht unabhängig von der späteren Scheitelkrümmung. Bei den Kranioten gliedert sich das Vorhirn weiter zum Vorderhirn und Mittelhirn und liefert so das zweite Dreiblasenstadium. Aus dem primären Vorderhirn bildet sich das sekundäre Vorderhirn als erste Anlage des Grosshirns, aber nach K. im Gegensatz Mihälcovics und His als dorsale paarige Bildung und nicht als unpaare Terminale. Die Lamina terminalis bildet daher stets die vordere Begrenzung des Hirnrohres, und es ist deshalb die Bezeichnung Telencephalon für das Grosshirn, (Anat. Nomenclatur) verfehlt. Das Zwischenhirn ist nichts anderes, als das primäre Vorderhirn und bleibt es. K. behält deshalb auch den Namen bei. Das Gehirn verharrt also bei den Kranioten auf seiner Dreiteilung, eine weitere Längsgliederung (Mihälcovies und His) findet nicht statt. Grosshirn wie Kleinhirn sind Teilbildungen des sekundären Vorderhirns und Nachhirns. Es ist klar, dass eine derartige Einteilung und Auffassung der Hirngenese bestimmt sein musste durch eine entsprechende Beantwortung der Frage nach dem vorderen Ende der Hirnaxe und ebenso dass hierin K. wieder von His abweichen musste. Für K. ist die letzte Zusammenhangstelle des Hirnrohres mit dem Ektoderm an einem vorderen Ende dem Neuroporus der Amphioxus- larve homolog. Nach der Ablösung sind beim Stör als Reste des Zusammenhangs zu erkennen, am Ektoblast eine verdickte 10 Karl v. Kupfier. Zellplatte die unpaare Riechplatte, welche bald verschwindet, am Hirn ein schnabelförmiger Fortsatz, der lobus olfactorius impar. Der Stör zeigt also in einer gewissen Entwicklungszeit ein Monorhinenstadium. Dann verschwindet die unpaare Riechplatte und bloss die beiden folgenden paarigen liefern das Organ. K. fand dadurch die Angaben van Wyhes über die Lage der Verschlussstelle des Neuroporus für Vogelembryonen bestätigt und ergänzte sie durch die Beobachtung. dass zur Zeit des Schlusses des Neuroporus keine Spur der paarigen Riechplatten zu sehen ist. Die spätere Ausbildung der paarigen Riechplakoden gegen- über den unpaaren ist deshalb für K. der phylogenetische Hinweis für die Abstammung der amphirhinen Gnathostomen von monorhinen Vorfahren. Als weitere Begründung dieser seiner bekannten Hypothese galt ihm die Art der Entwicklung des Riech- organes bei Cyclostomen. Hier fand er zunächst eine unpaare mediane Plakode (selbständig innerviert) und erst später wird dieselbe durch Hinzutreten paariger Plakoden zum Riechorgan er- gänzt. Dieses Verhalten lehrt den Uebergang der rein monorhinen Form der Amphioxus (Flimmergrube) und der Tunicaten zu der reinen Amphirhinie der Gnathostomen verstehen. Auch zur Frage nach der primären Metamerie des Hirn- rohres nahm K. in seinen Arbeiten Stellung, sagt aber, dass die bisherigen Arbeiten nur den Wert von einleitenden Studien haben können (93). Eine andere Angabe K.’s wird in nächster Zeit vielleicht noch tiefere Bedeutung gewinnen. Ich meine seine Stellungnahme zur Lehre von der Histogenese der Nervenfaser. In seiner zweiten Studie äussert sich K. zu einer Zeit. in der gerade durch die Golgifärbung seine alte Lehre zu höchster Blüte gebracht worden war, sich ohne fremde Beeinflussung entschieden gegen dieselbe. Er hält es für sicher. dass die Nerven aus Zellenketten hervorgehen — und sich vielleicht aus der Einzelzelle unter Längenwachstum bei fortschreitender Kernteilung eine vielkernige Faser ausbildet, ebenso wie aus dem Myocyten die quergestreifte Muskelfaser. Dass diese Art der Entwicklung einer Muskelfaser aus einem primären Syneytium, aber nicht die einzige ist, wissen wir jetzt (Godlewsky u.A.ete.) Es verschmelzen auch viele Karl v. Kupfer. 711 aneinander gereihte Zellen zu ihrer Bildung aus einem sekundären Syneytium. Vielleicht erfolgt die Entwicklung der N\ervenfaser in ähnlicher Weise und wird der Vergleich K.'s einmal histogenetisch begründet. Ausser der wissenschaftlichen Tätigkeit muss K.'s Wirken in München noch manches hervorgehoben werden. K. war ein ausgezeichneter Lehrer und besass eine seltene rethorische Begabung, zwei Momente, die den Besuch seiner Vor- lesungen auf einer Höhe erhielten, die K. niemals auch ndr durch das kleinste Mittelchen zu beeinflussen suchte. Sein Vortrag war ihm ein Problem, dessen Lösung ihn selbst interessierte — und deshalb waren ihm die Zuhörer fast gleichgiltig. Seine Vorlesungen waren bis ins kleinste Detail, dem Inhalt wie der Form nach, vorbereitet. Die Verteilung und Anordnung des Stoffes war für sämtliche Vorlesungen bestimmt, ja seine Tätig- keit als eigener Regisseur ging so weit, dass Vortrag und Ent- werfen der Zeichnungen auf der Tafel stets in angemehmster Weise zusammenfielen. Ein rethorischer Schnitzer konnte ihn den ganzen Tag um den Humor bringen. Im Rahmen aller dieser Detail- malerei wirkte nun der genial grosse Zug in seinen Vorlesungen um so packender, denn eben dadurch hatte man stets das Gefühl des Unmittelbaren. des absolut Natürlichen und nie hat wohl einer seiner ungezählten Hörer geahnt. dass K. vor der ersten Vorlesung im Semester jedesmal unruhig im Zimmer auf und ab ging — und Lampentieber hatte. Wer hätte es auch denken können, der K. gesehen hat, wie er mit vornehmer Rule, langsam, fast steif ins Auditorium kam und mit einem kaum merklichen Gruss an sein Pult trat. Die vollendete, überlegene Sicherheit. Und wie nahm er uns alle durch sein erstes Wort gefangen, das er, nachlässig ausgesprochen, einen Augenblick auf uns wirken liess. Es war ein Meisterstück dieses erste Wort — Commilitonen! Als junger Anfänger hat man ja kein Verständnis für solche Perlen aber wir fühlten doch sofort das eigenartig Grosse dieses Mannes und in späteren Jahren bewunderten wir die Geschicklichkeit. mit der K. die schwersten Probleme dem Stu- denten nicht nur geniessbar und verständlich, sondern interessant zu bieten wusste und wie -es ihm glückte, durch seine Vorträge dem Hörer ein abgerundetes, festgezeichnetes Bild mitzugeben, das ihm noch lange zu seinem Vorteile in Erinnerung blieb. 712 Karl v. Kupffer. So viele Jahre K. das Kolleg über Histologie und Entwick- lungsgeschichte las, so war es doch nie dasselbe. Mit peinlicher Sorge nahm er von allen neuen und zuverlässigen Beobachtungen, sowie allen neuen Auffassungen Notiz und berücksichtigte sie in der Vorlesung. Er war dabei ein Anhänger der mehr schematischen Zeichnung im Auditorium, weil er damit das Verständnis und die Betonung des Wesentlichen erleichtern wollte, während er durch weitgehendste Demonstrationen im Anschluss an die Vor- lesung dafür sorgte, das erhaltene schematische Bild durch das Bild des Objektes selbst zu ersetzen. K.’s Laboratorinm war weit berühmt. Aus ihm sind eine grosse Zahl hervorragender Arbeiten hervorgegangen, an denen allen er mehr oder weniger geistigen Anteil hatte. Eine grosse Zahl von Männer, die jetzt in der wissenschaftlichen Welt etwas gelten, haben hier ihre Sporen verdient. Auch K.’s Wirken in der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München darf nicht unerwähnt bleiben, weil es keine Phrase ist zu sagen, er sei eine Stütze derselben gewesen. Er war stets darauf bedacht, den Besuch der Vortragsabende und die wissenschaftlichen Leistungen an denselben auf einer gewissen Höhe zu erhalten. Das erstere suchte er durch sein gutes Beispiel zu erreichen, das letztere durch eine zweck- entsprechende Kritik. Ich glaube nicht, dass es leicht ist, in so feiner, vornehmer und wirksamer Weise wie K., eine wohlverdiente Anerkennung oder eine vernichtende Ablehnung auszusprechen. Er selbst hielt es für seine Pflicht, über das Ergebnis seiner eigenen Untersuchungen und die seiner Schüler, jährlich zum mindesten einmal der Gesellschaft Rechenschaft zu erstatten. Mehrmals hatte er auch die Arbeit und Zeit nicht gescheut, in referierender Weise die Mitglieder der Gesellschaft über neue wichtige Fragen zu orientieren. K. hatte ein ungemein feines Gefühl, die Art der Darstellung seinem Zuhörerkreis anzupassen und deshalb waren seine Vorträge stets von so eindringlicher Wirkung. Dass K.’s persönliche Eigenschaften wie geschaffen dazu waren, an der Spitze einer Zahl gleichgesinnter Männer, deren Absichten erfolgreich zu vertreten, ist einleuchtend. Als K. mit Uebernahme der Kieler Professur deutscher Staatsangehöriger Karl v. Kupffer. 713 wurde, begann er sich auch für Deutschlands politische Verhält- nisse zu interessieren und zeigte auch hier jenes eigentümliche Gemisch von ruhiger weitblickender Ueberlegung und jugendlichem Feuer, welches seine wissenschaftlichen Arbeiten so sehr charakterisiert. Als eine kolonisatorische Tätigkeit für die fernere gedeihliche Entwicklung der aufstrebenden deutschen Industrie sich als notwendig erwies, da war K. mit unter den ersten, welche energisch dafür eintraten und versuchten die kleinlichen Bedenken dagegen wegzuräumen. Der deutsche Kolonialverein verdankt ihm vieles, der Münchener Zweigverein, an dessen Spitze K. lange Jahre wirkte, verdankt ihm alles bisher erreichte, wie das an seinem Grabe von massgebender Seite betont wurde. Im persönlichen Verkehr haben wohl die meisten K. als einen schwer zugänglichen, fast verschlossenen, aber immer liebenswürdigen Mann kennen gelernt. Die ihm aber näher traten und öfter mit ihm verkehrten, mussten sich daran gewöhnen, K. den einen Tag fast abweisend steif und förmlich anzutreffen, während er am nächsten Tage mit beispielloser Offenheit die intimsten Angelegenheiten besprach. War er dabei gut aufgelegt so geschah das mit einem trockenen feinen Witz, der K. so gut stand. Dass sich im Gespräch ab und zu eine kleine Bosheit einschlich, ohne als solche jemals unangenehm zu wirken, das passte vortrefllich zu seinem überlegenen, weitsichtigen Geist, der alles Kleinliche als etwas, die allgemeine Entwicklung hemmendes, einfach hasste und auch ein bischen verfolgte. Dabei war K. aber ungemein vorsichtig im Urteil über Andere. Er konnte eine rasche lebhafte Kritik, wenn sie ab- fällig ausfiel, nicht leiden, sie brauchte dabei nicht einmal ober- flächlich zu sein. Ueberdenken wir endlich nochmals die ununterbrochene sich steigernde wissenschaftliche Tätigkeit K.’s so erschliesst sich hieraus der markanteste Zug im Charakterbild des ver- storbenen Gelehrten. Ihm war die Arbeit Alles. In ihr lebte er sich völlig aus. Sie allein brachte ihm schon genug Abwechslung in sein Fühlen und Denken. Kein Wunder, dass K., wie man so zu sagen pflegt, keinen Sinn für manches andere hatte. Trotz seiner tiefen, allgemeinen Bildung blieb ihm z. B. der Entwicklungs- gang, den Literatur und Kunst in den letzten Dezennien erlebten, innerlich fremd. Er liebte weder das Theater noch die Musik, 714 Karl v. Kupffer. Das war aber nicht die Folge stumpfer Sinne, sondern K. fand alle diese Sinneseindrücke in eigner Weise in seiner Arbeit. Wohl selten hat ein Gelehrter z. B. so sehr die ästhetische Seite seiner Wissenschaft und Lehraufgabe verstanden und kultiviert wie gerade K. Eine gutgeschriebene Arbeit zu lesen war ihm ein harmonischer Genuss, gleichgiltig ob er sie wegen ihrer wissen- schaftlichen Bedeutung hochschätzen oder verurteilen musste. Den gleichen Eindruck machte ihm eine meisterliche Rede — und K. merkte hier schon die kleinsten rethorischen Fehler als Dissonanzen, die jedem weniger begabten entgingen. Das Leben selbst aber und der Verkehr mit Anderen waren ihm bei seiner ruhigen scharfen Beobachtungsgabe Theater genug. So ist es bei diesem reichen innerlichen Leben erklärlich dass man im Verkehr mit K. niemals die oben besprochenen scheinbaren Mängel fühlte. Nur das ist bezeichnend für K., dass er das Gefühl dem Verstande, zum mindesten nach aussen hin, so viel als möglich unterordnete. Es beruht das auf seiner kritischen Begabung. Daher kam es wohl auch, dass K. dem reinen Schönheitsgefühl, der angewandten Kunst, nicht näher kam, ja dass er auch die Natur stets mehr mit dem Verstande analysierte als ihre un- mittelbare Grösse auf sich wirken liess. Und doch war K. deshalb kein trockener, unerfreulicher Mensch wie wir sahen. Im Gegenteil es spricht aus seinen wissenschaftlichen Arbeiten auf den aufmerksamen Leser eine tiefe poetische Ader, welche manchmal sogar dem Verstande Herr wird, sodass ihm die „Lust am Fabulieren*“ von dem nüchternen kritischen Wege der Schlussfolgerung abbringt. Das darf ihm nicht verdacht werden. K. arbeitete mit an der Grundsteinlegung seiner Wissenschaft und K.E. v. Baer hat einmal gesagt, es beginne jede Wissenschaft mit einer poetischen Phase, in welcher der Wissensdrang die aufgeworfenen Fragen in schöpferischer Phan- tasie vollständig und kühn beantwortet. In unserer Zeit wird jetzt an der Detailgestaltung des Gebäudes gearbeitet und dabei sind die Grenzen des Arbeits- feldes für den einzelnen enge geworden und mit Sehnsucht denkt man wohl an den Genuss, mit dem in früherer Zeit der Forscher den Entwurf des Gesamtplanes sich ausdenken durfte. Dass dabei manches Luftschloss gebaut wurde, schadete gar nichts. Karl v. Kupffer. 715 K. hatte sich vorgenommen, seine letzten Jahre sich Ruhe zu gönnen und auf dem Lande zu verbringen. Von seinen Jugendjahren her steckte in ihm noch die Freude an der Garten- arbeit und an ihr wollte er sich von der geistigen Anstrengung erholen. Doch es kam anders. Er hatte daran gedacht, mit dem 70. Jahre seiner Stellung zu entsagen, liess sich aber wieder davon abbringen. Da erhielt er das Ersuchen O0. Hertwigs, die Bearbeitung des Kapitels „Die Entwicklungsgeschichte des Centralnervensystems“ für sein grosses Handbuch zu übernehmen, und K.nahm an. Er nahm an, von dem Gedanken erfüllt, hier sein letztes, aber auch grösstes wissen- schaftliches Werk zu liefern, um dann zu ruhen. Dieser Ehr- geiz führte in auch zu dem gefährlichen Entschluss, so weit als möglich die Darstellung auf eigene Beobachtung zu gründen. Zur Bewältigung dieser riesigen Arbeitsmasse machte sich K. im Oktober 1901 von seinen Verpflichtungen als Lehrer frei und lebte von nun ab nur mehr diesem einzigen und letzten Ziel. Er hat es auch fast erreicht. In einem der nächsten Hefte des Handbuches wird diese letzte Arbeit K.’s erscheinen. Sie ist entstanden im erbitterten Kampfe des unersättlichen Geistes mit dem müden, ermattenden Körper, den er rücksichtslos zu Tode hetzte, ohne es selbst zu bemerken. Am 19. September brach er zusammen. Ein Schlaganfall machte dem Arbeiten ein Ende. Aber sein Geist blieb un- angetastet tätig und erst nach einer traurigen Zeit vorüber- gehender Besserung und steigender Schwäche starb K. an einer Lungenentzündung am 16. Dezember 1902. So schloss ein stilles Leben eines echten deutschen Gelehrten von jener Art, die Deutschlands Wissenschaft zu ihrer Höhe brachten. Jeder grosse Mann hinterlässt bei seinem Weggang Spuren. K. hat sie auf dem wissenschaftlichen Arbeitsfeld mit wuchtigen Schritten getreten. Sie werden nicht mehr zu verwischen sein. München, im April 1903. 716 Karl v. Kupffer. Kupffers Schriften: 1854. De medullae spinalis textura in ranis ratione imprimis habita indolis sukstantiae cinerae. Diss. inaug. Dorpati. 1857. Untersuchungen über die Textur des Rückenmarkes und die Ent- wicklung seiner Formelemente. Mit Bidder. Leipzig. 1857. Über den feineren Bau des elektrischen Organs beim Zitteraal und Zitterwels. Zeitschr. f. rat. Medizin, III. Reihe, Bd. 2. 1857. Über den feineren Bau des elektrischen Organs beim Zitteraal (Gymnotus electricus),, mit Rücksicht auf den Bau bei anderen elektrischen Fischen, insbesondere bei Mormyrus oxyrynchus. Nachr. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Mit Keferstein. 1857. Über das Hemmungsvermögen der Muskeln gegenüber lokaler Erregung, nach Prof. Dr. Fick. Zeitschrift f. rat. Med. 1857. Die Beziehung der Nervi vagi und Splanchnici zur Darmbewegung. Mit Ludwig. Zeitschrift f. rat. Med. 1864. Blutbereitende Organe bei den Rüsselegeln. Zeitschr. f. wiss Zoologie, Bd. 14. 1865—66. Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Geschlechts- systems. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 1 und 2. 1866. Über das Faltenblatt an den Embryonen der Gattung Chironomus. Ibid. Bd. 2. 1867. Die Bildung des Embryo im Ei der Knochenfische. Nachr. d. K. Ges. d. Wiss., Göttingen. 1868. Die Entwicklung der Retina des Fischauges. Vorl. Mitt. Centralbl. f. d. med. Wiss., 6. Jahrg. 1868. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 4. 1869. Die Stammverwandtschaft der Ascidien und Wirbeltiere. Ibid. Bd. 5. 1870. Die Stammverwandtschaft zwischen Ascidien und Wirbeltieren. Nach Untersuchungen über die Entwicklung der Ascidia canina (Zool. dan.). Ibid. Bd. 6. 1872. Zur Entwicklung der einfachen Ascidien. Ibid. Bd. 8. 1873. Das Verhältnis der Drüsennerven zu Drüsenzellen. Ibid. Bd. 9. 1873. Vor- und rückschreitende Entwicklung im Tierreich. PopulärerVortrag. Schriften des naturwiss. Vereins für Schleswig-Holstein, Kiel. 1874. Die zweite deutsche Nordpolfahrt in den Jahren 1869 und 1872. Bd. 2, Abt. Tunicata, Leipzig. 1875. Die Speicheldrüsen von Blatta orientalis und ihr Nervenapparat. Festschrift für ©. Ludwig, Leipzig. 1875. Tunicata. Jahresber. der Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der deutschen Meere in Kiel, 2. und 3. Jahrg. Berlin. 1875. Über Differenzierung des Protoplasma an den Zellen tierischer Gewebe Schriften des naturwiss. Vereins für Schleswig-Holstein, Kiel. 1876. Über Sternzellen der Leber. Archiv f. mikr. Anatomie, 12. Bd., p. 353—358. 1878. 1878. 1878. 1879. 1879. 1880. 1881. Karl v. Kupffer. al: Über Laichen und Entwicklung des Ostsee-Härings. Jahresber. der Komm. zur Unters. der deutsch. Meere in Kiel für die Jahre 1874, 1875, 1876, Berlin, 4., 5. und 6. Jahrg. Der Vorgang der Befruchtung am Ei der Neunaugen. Mit B. Benecke, Königsberg. In: Festschrift für Theodor Schwann. Schädel und Skelette der anthropol. Sammlung zu Königsberg. Mit Hagen. Arch. f. Anthrop., Bd. 11. Die Entstehung der Allantois und die Gastrulation der Wirbeltiere. Zool. Anzeiger. Photogramme zur Ontogenie der Vögel. Mit B. Benecke. Nova Acta, Bd. 41, Halle. Immanuel Kants Schädel. Fünf photogr. Blätter mit erläuternd. Be- merkungen. Mit Hagen. Königsberg. Der Schädel von Immanuel Kant. Mit Dr. Hagen. Archiv f. Anthrop., Bd,+13: 1882—1884. Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbeltiere 1882. 1882, 1883. 1883. 1884. 1885. 1885. 1886. 1887. 1887. 1888. 1888. 1589. 1890. 1891. und die Bedeutung des Primitivstreifs. I. Reptilien. Archiv f. Anat. und Physiol., p. 1-30. T. IV. II. Vögel. Ibid. ’82, p. 139--156. T. VIII, IX. II. Teleostei. Ibid. ’84, p. 1-40, T. I-U. Über aktive Beteiligung des Dotters am Befruchtungsakte bei Bufo variabilis und vulgaris. Sitzungsber. der Akad. München. H.4, p. 608—618. Das Ei von Arvicola arvalis und die vermeintliche Umkehr der Keim- blätter. Ibid. H. 5, p. 621—631, 1 Pl. Epithel und Drüsen des menschlichen Magens. Festschr. des Ärztl. Vereins, München. Über den Achsenzylinder markhaltiger Nervenfasern. Sitzungsber. der Akad., München. Gedächtnisrede auf Theodor L. v. Bischoff. Abh.d. k. b. Akad. d. Wissenschaften. Über den Bau der Nervenfasern. Sitzungsber. d. Ges. für Morph. u. Physiol., München. Primäre Metamerie des Neuralrohres der Vertebraten. Ihbid. Die Befruchtung des Forelleneies. Bayrische Fischereizeitung. Über den Canalis neurentericus der Wirbeltiere. Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. und Phys., München. Referat über die Arbeit von G. Baur, Ibid. Über die Entwicklung der Neunaugen. Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. Math. Phys. Cl. I, p. 71—79. Auch im Journ. Roy. Mier. Soc., Vol. V. Decidua und Ei des Menschen am Ende des ersten Monats der Gravidität. Sitzungsber. der Ges. f. Morphol. Physiol., München, Bd. 4. Über den Nachweis der Gallenkapillaren und spezifischer Fasern in den Leberläppchen durch Färbung. Sitzungsber. der Ges. für Morph. und Physiol., München, Bd. 5. Die Entwicklung von Petromyzon planeri. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 35. Die Entwicklung der Kopfnerven der Wirbeltiere. Bericht über die V. Versamml. d. Anat. Ges. zu München. Jena, Fischer. Auch im Journ. Comp. Neur., Vol. 1. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 46 718 Karl v. Kupffer. 1891.- Mitteilungen der Entwicklungsgeschichte des Kopfes bei Acipenser sturio. Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. und Physiol, München, Bd. 8. 1892. Karl Ernst v. Baers hundertjähriger Geburtstag. Münchner med. Wochenschr., 1. 1892. Über die Entwickiung von Milz und Pankreas. Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. und Physiol.. München, Bd. 8. 1893. Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. H.1I.: Die Entwicklung des Kopfes von Acipenser sturis. München, Lehmann, Bd. 9. 1893. Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. 2, Wiesbaden, Bergmann. 1894. Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. H. II.: Die Entwicklung des Kopfes des Ammocoetes planeri, München, Lehmann. 1894. Über Monorhinie und Amphirhinie. Sitzungsber. d. Math. Phys. Cl. d. k. bayr. Akad., Vol. 24. 1894. Die Neurenlehre in der Anatomie des Nervensystems. Münchner med. Wochenschrift. 1894. Die Deutung des Hirnanhanges. Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. und Physiol., München, Bd. 10. 1895. Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der ; Kranioten. H. III.: Die Entwicklung der Kopfnerven von Ammocoetes planeri. München, Lehmann. 1895. Die Entwicklung des Kiemenskelettes bei Petromyzon. Verhandl. der IX. Versamml. der Anat. Gesellsch., Basel. Jena, Fischer. 1896.* Eröffnungsrede bei der X. Versammlung der anatomischen Gesellschaft, Berlin. Jena, Fischer. 1596. Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Ergebn. d. Anat Entwicklungsgesch., Bd.5. Wiesbaden, Bergmann. 1896. Über Energiden und paraplastische Bildungen, Rektoratsrede. München, Wolf & Sohn. 1897. Nikolaus Rüdinger f. Anat. Anz., 13. Bd. 1897. Ein Kollegienheft nach Ignaz Döllingers d, A. Vorlesung über vergleichende Anatomie. Münchner med. Wochenschrift. 1898. Über Sternzellen der Leber. Verhandl. der Anat. Gesellsch. auf der 12. Versammlung in Kiel. 1899. Über die sogen. Sternzellen der Leber. Archiv f. mikr. Anatomie und Entwicklungsgesch., Bd. 54. 1899. Zur Kopfentwicklung von Bdellostoma. Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. und Physiologie, München. 1900. Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. 4. Heft. Zur Kopfentwicklung von Bdellostoma. München, Lehmann. 1901 und 1902. Die Morphologie des Centralnervensytems. 8. Kapitel des Handbuchs der vergl. u. experiment. Entwicklungsgeschichte der Wirbel- tiere. Herausgegeben von OÖ. Hertwig. Jena, Fischer. 719 Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin. Zur Kenntnis des Pericardialepithels. Von Dr. Alfred Sommer. Hierzu Tafel XXIX. Auf Anregung des Herrn Professor R. Krause habe ich die Kernverhältnisse des Plattenepithels zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht. Als besonders geeignetes Objekt für dieselbe erschien zunächst das Pericard der Katze: nach W. Tonkofft) soll das normale Epithel desselben in grösserer oder geringerer Menge vielkernige Zellen enthalten. Da meine Beobachtungen betreffs der Vielkernigkeit der Peri- cardialepithelzellen mich zu wesentlich anderen Resultaten geführt haben, will ich über dieselben berichten. Eine kurze Beschreibung des Protoplasma und des Kerns der Pericardialepithelzelle, wie ich sie bei der Katze beobachtet, folgt am Schluss meiner Mitteilung. In einer späteren Arbeit über das Plattenepithel werde ich auf diese Dinge ausführlich zurückkommen. Tonkoff behandelte das Pericard des eben getöteten Tieres mit einer schwachen (!/ıo—!/20°/o) Lösung von Arg. nitrie. !/» Minute lang und exponierte dasselbe alsdann in einer Schale mit destilliertem Wasser der Wirkung des Sonnenlichts auf !/a—!/a Stunde. Nachdem er das Objekt 24 Stunden lang mit Hoyer’schem Picrokarmin gefärbt, brachte er es vorsichtig in eine Mischung von Glycerin und Wasser zu gleichen Teilen und schabte in derselben das Epithel mit einem Messer ab. Nach seiner Meinung erhielt er auf diese Weise Präparate, die nur aus einer Schicht von Zellen bestehen. Liess Tonkotf das Objekt etwas länger in Glycerin liegen, so gelang es ihm manch- mal, „dass das dünne Häutchen des Epithels nach einem Auf- schütteln sich von selbst auflöst“. In anderen Fällen benutzte er als Fixationsmittel Sublimat und zur Kernfärbung Häma- toxylin und Boraxkarmin. An den mit Silber behandelten Präparaten bemerkte Tonkotff ausser den einkernigen Zellen von allgemein bekanntem 1) Tonkoff, W, Über die vielkernigen Zellen des Plattenepithels. Anatom. Anz. 1899. Band XVI, S. 256—260. 46* 720 Alfred Sommer: Aussehen Zellen, die sich durch grössere Dimensionen (mit einem Durchmesser bis zu !/ıo mm) auszeichnen und bis 15 und mehr Kerne enthalten. Letztere liegen ausschliesslich in derselben Fläche und sind oft in der Mitte des Zellkörpers zu einer Gruppe angeordnet. Jeder Kern enthält ein kleines Kern- körperchen. Neben diesen Riesenzellen beobachtete Tonkoff gruppenartig vereinigte Zellen. Die gegenseitigen Beziehungen der letzteren und die Anordnung ihrer Kerne veranlassen Tonkoff eine Entstehung derselben durch Teilung der Riesen- zellen anzunehmen; diese aber werden aus einer einkernigen Zelle durch Wachstum des Zellkörpers und nachträgliche Kern- teilung gebildet. Solche Riesenzellen fand Tonkoff bei der Katze in grösserer oder geringerer Zahl sowohl im Epithel des parietalen Blattes des Pericards als auch in der Pleura pericardiaca: er hält diesen Befund für normal bei ausgewachsenen Tieren dieser Species. Bei alten Katzen traf er Riesenzellen in grösserer Menge, bei jungen Katzen und Embryonen der zweiten Hälfte aber nicht. Ähnliche Beobachtungen machte Tonkoff am Pericard von Kaninchen, Hunden und weissen Ratten. Bei diesen Tieren sah er 2—3 kernige Zellen als eine häufige Erscheinung, vielkernige seltener und auch nicht von solchen Dimensionen wie bei der Katze; beim Kaninchen enthielten Riesenzellen manchmals 10 Kerne. Zellen mit mehreren Kernen bemerkte Tonkoff schliesslich noch im Pericard einiger Vögel, wie Taube, Habicht, Falke und Ente. Als besonders beachtenswert ist zu erwähnen, dass das Pericard der von Tonkoff untersuchten Tiere immer eine durch- sichtige und glatte Oberfläche zeigte, „sodass hier die Möglichkeit einer Entzündung oder einer anderen Krankheitserscheinung aus- geschlossen ist“. Mit Rücksicht auf die Angabe Tonkoffs, dass der Befund vielkerniger Zellen im Pericardialepithel für ausgewachsene Katzen als normal betrachtet werden müsse, beschränke ich mich hier auf die Mitteilung meiner an solchen Tieren gemachten Beobachtungen. Bei der Herstellung des für dieselben dienenden Materials habe ich mich im Gegensatz zu Tonkoff aus- schliesslich der Schnittmethode bedient, mittelst welcher ich mich Zur Kenntnis des Pericardialepithels. 712] bemühte, das Pericard in Flach-, oder Schrägschnitte. zu zerlegen. Anfangs standen mir dabei grosse Schwierigkeiten im Wege, die ich nur allmählich zu überwinden lernte. Es handelte sich darum: 1. bei der Einbettung das Pericard so zu orientieren, dass die Schnittrichtung des Messers der Oberfläche des Pericards parallel war oder doch in nicht zu grossem Winkel dieselbe traf, also Fiach-, oder Schräg- schnitte zu erhalten; 2. die Vorbehandlung so einzurichten, dass das Pericard sich in möglichst dünne Schnitte gut zerlegen liess. Der ersten Anforderung glaube ich dadurch gerecht geworden zu sein, dass ich das Pericard im gespannten Zustande den verschiedenen Prozeduren der Versilberung. Fixation, Ent- wässerung, Aufhellung und Einbettung unterwarf. Zu diesem Zweck benutzte ich kleine, dünne, annähernd quadratische Glas- rähmchen mit verschieden grosser centraler Öffnung. Mittelst eines Kittes wurden auf der einen Fläche derselben dünne Leisten aus Hollundermark geklebt. Nachdem an dem durch Chloroform getöteten Tiere das Pericard freigelegt und eröffnet war, wurde ein solches Rähmchen in die Herzbeutelhöhle ein- geführt, die mit Hollundermark besetzte Fläche desselben an das Pericard gelegt und ein entsprechend grosses Stück des Herzbeutels abgeschnitten. Dasselbe wurde mit Igelstacheln auf dem Hollundermark aufgespannt, wobei jegliche Dehnung sorg- fältig vermieden wurde. In anderen Fällen legte ich das Rähmchen mit der Hollundermarkfläche auf die äussere Fläche des Herzbeutels und verfuhr, wie oben erwähnt. Auf diese Weise erhielt ich Präparate, bei denen je nach der Anordnung bald das Epithel der Pleura pericardiaca bald das des parietalen Pericardialblattes die obere Fläche des auf dem Hollundermark aufgespannten Pericards bildete. Aus dem Paraffinblock, in welchem das Rähmchen deutlich sichtbar war, wurde entsprechend der centralen Öffnung des letzteren, mit grosser Vorsicht ein Cylinder herausgeschnitten, der zur Herstellung der Schnitte diente. Die Schwierigkeit, der zweiten Anforderung — Herstellung von gut schneidbarem Material — zu genügen, besteht darin, dass die Anwendung der Alkohole höheren Grades und des 722 Alfred Sommer: Xylols die Gewebe des Pericards so zäh und spröde macht, dass ein Zerlegen in Schnitte fast unmöglich wird. Dank den Weisungen des Herrn Professor R. Krause gelang es mir, auch diesen Missstand zu beseitigen und Material zu erhalten, das sich unschwer in Schnitte von 5, 7,5 und 10 « zerlegen liess. Ich brachte die Rähmchen mit dem aufgespannten Pericard aus dem Alkohol von 70° oder 85° in Anilin, wo sie 24 Stunden oder länger verblieben. Darauf gelangten sie in Schwefelkohlen- stoff, welchem nach Ablauf von 24 Stunden Stückchen weichen Paraffins (Schmelzpunkt 48°) hinzugefügt wurden. Gleichzeitig wurden die Gefässe mit den Präparaten auf den Thermostat ge- stellt, um den jähen Temperaturwechsel bei der nachfolgenden Überführung in flüssiges, weiches Paraffın zu vermeiden. Nach 24 Stunden wurden die Präparate in Schalen mit flüssigem, . weichem Paraffin getan und im Thermostaten 24 Stunden ge- halten. Schliesslich wurden sie für 1—1'/s Stunde in hartes Paraffin (Schmelzpunkt 56°) gebracht und alsdann eingebettet. Die Aufspannung der Herzbeutelstücke wurde mit tunlichster Schnelligkeit ausgeführt. Fin Teil derselben wurde der Wirkung von Argent. nitriec. ausgesetzt genau wie es Tonkoff getan. Ein anderer Teil wurde behufs Fixation in Schalen getan, die mit Zenker’scher oder Flemming’scher Flüssigkeit gefüllt waren. Schliesslich habe ich bei einigen Präparaten auch Räucherung mit Osmium vorgenommen. Zur Färbung der Schnitte des mit Silberlösung behandelten Pericards diente Alaunkarmin und Ehrlich’sches Hämatoxylin. Die Schnitte des Zenker- Materials färbte ich mit Hämatoxylin nach Heidenhain, während die des Flemming- Materials teils ungefärbt eingeschlossen teils der Färbung mit Safranin unterworfen wurden. In einzelnen Fällen kam Böhmers Hämatoxylin mit Nachfärbung nach van Gieson oder letztere wurde mit der Färbung nach Heidenhain kombiniert. Bei dieser Gelegenheit muss besonders hervorgehoben werden, dass die Fixation der Präparate vermittels Zenker’scher Flüssigkeit und die nachfolgende Färbung der Schnitte mit Hämatoxylin nach Heidenhain sowohl die scharfe Konturierung der Zellkörper des Epithels als auch die eigentümliche Gestalt der Kerne gut zur Anschauung bringt. Die Behandlung mit Silberlösung hebt zwar die Zellgrenzen deutlich hervor, bewirkt Zur Kenntnis des Pericardialepithels. 723 aber infolge mangelhafter Fixation eine Veränderung der Kernform. Trotz sorgfältiger Durchmusterung der überaus zahlreich von mir hergestellten Schnitte habe ich vielkernige Zellen weder in dem Epithel des parietalen Pericardialblattes noch in dem der Pleura pericardiaca beobachten können. Zellen mit 2 Kernen findet man verhältnismöässig nicht selten (Fig. 1). Wohl kommt es vor, dass in den Grenzen einer Zelle die Konturen von 3 oder mehr Kernen angetroffen werden (Fig. 2). Im solchen Fällen kann es dem Beobachter jedoch nicht entgehen, dass der betreffenden Zelle (Fig. 2 rechts oben) nur höchstens 2 Kerne zukommen. Die anderen gehören zu dem unter dem Epithel befindlichen Bindegewebe und schimmern durch das sehr dünne Epithel hindurch. Ein solches Bild wird nicht selten auf Schräg- schnitten durch die Pleura pericardiaca beobachtet, da die Zellen des unter dem Fpithel derselben befindlichen lockeren Binde- gewebes Kerne enthalten, die denen des Epithels sehr ähnlich sind. Die ungleiche Intensität der Färbung der Kerne, sowie Heben und Senken des Tubus führen jedoch bald zu der Über- zeugung, dass höchstens 2 Kerne in derselben Ebene liegen und der betreffenden Zelle angehören. Eine solche Deutung wird übrigens durch den Umstand ungemein erleichtert, dass nicht selten ein Kern in den Grenzen von 2-3 Zellen zu liegen scheint Ich habe 5 ausgewachsene und 4 junge Katzen untersucht und stets fast den ganzen Herzbeutel zur Herstellung von Präparaten verwandt. Mithin konnte jedesmal das Pericardial- epithel beinahe in seiner ganzen Ausdehnung auf Schnitten durchmustert werden Wenn nun das Vorkommen vielkerniger Epithelzellen, wie es Tonkoff als normal für die ausgewachsene Katze angibt, von mir nie konstatiert werden konnte, so fragt es sich, wie eine solche bedeutende Differenz der Beobachtungs- resultate zu erklären ist Zur Entscheidung dieser Frage kommen die Verschieden- heit der von Tonkoff und von mir benutzten Methoden, die Qualität des zur Beobachtung dienenden Materials und die Zahl der untersuchten Tiere in Betracht. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass meine Methode, wenngleich unbequemer, so doch exakter ist als die von Ton- koff angewandte. Bei letzterer ist die Möglichkeit nicht von 1724 Alfred Sommer: der Hand zu weisen, dass beim Abschaben des Pericards sowohl Schichten von dünnen Epithelzellen über einander zu liegen kommen als auch -—- ‚bei der Pleura pericardiaca — Zellen des unterliegenden lockeren Bindegewebes gleichzeitig mit dem Epithel abgelöst werden. Auf diese Weise könnte das Bild einer mehr- oder vielkernigen Zelle unter Umständen vorgetäuscht werden. In solchen Fällen würde aber kaum eine derartige Gruppierung der Kerne zustande kommen, wie sie Tonkoff abbildet, stets müsste konstatiert werden können, dass von den Kernen nicht alle der betreffenden Zelle angehören. Ein Beobachtungsfehler von Seiten Tonkoffs ist auszuschliessen, zumal er ausdrücklich erwähnt, dass die Kerne der von ihm beobachteten Riesenzellen in derselben Ebene liegen. Ebenso wenig für die Klärung der uns interessierenden Frage gewinnen wir, wenn die Qualität des benutzten Materials in Betracht gezogen wird: Tonkoff gibt an, dass das Pericard der untersuchten Tiere eine durchsichtige und glatte Oberfläche zeigte. Mithin bleibt nichts übrig als anzunehmen, dass der Befund von vielkernigen Zellen im Epithel des Herzbeutels der Katze ein relativ seltener und jedenfalls nicht normaler ist. Diese Annahme ist um so leichter zu machen, als Tonkoff die Zahl der von ihm untersuchten Tiere nicht angibt. Wie schon erwähnt, liegt unter der Pleura pericardiaca lockeres Bindegewebe; dasselbe wird von reich verästelten Blut- gefässen durchzogen (Fig. 3). Unter dem parietalen Blatt des Pericards hingegen befindet sich ein straffes, faseriges Binde- gewebe, dessen Zellkerne eine spindelförmige Gestalt haben (Fig. 4). Nach innen von demselben dehnt sich eine ziemlich breite Schicht glatter Muskelfasern aus. Die Fig. 4 stellt einen Schrägschnitt durch das parietale Blatt des Herzbeutels dar. An demselben gewahrt man deutlich den eigentümlichen Bau des Zellkörpers und die charakteristische Form der Kerne, wie ich sie an dem Epithel des parietalen Pericardialblattes stets beobachtet. An dem Epithel der Pleura pericardiaca waren derartige Befunde bei weitem nicht so konstant und scharf. Der Schnitt rührt von einem Präparat her, das mit Zenker’scher Flüssigkeit fixiert ist; er wurde nach Heidenhain gefärbt und darauf einer kurzen Nachfärbung nach van Gieson unterzogen. {I N ou Zur Kenntnis des Pericardialepithels. Die Zellkörper, deren Konturen scharf gegeneinander ab- gesetzt sind, zeigen in fast allen ihren Teilen einen alveolären Bau. Die Kerne, welche ein deutliches, kleines Kernkörperchen besitzen, haben im allgemeinen eine ovale Form und weisen an einer, zwei oder sehr selten, an mehreren Stellen kleine dellen- artige Vertiefungen auf, die sehr oft von einer Alveole des Protoplasma eingenommen ist. An Schnitten, die 3X 24 Stunden mit Hämatoxylin nach Heidenhain gefärbt waren, gelang es mir nicht selten Centrosome zur Anschauung zu bringen. Dieselben lagen als kleine rundliche Gebilde in der unmittelbaren Nähe des Kerns in einer der oben beschriebenen dellenartigen Vertiefungen. Zellteilungen habe ich trotz der äusserst grossen Anzahl von Schnitten, die ich untersucht, nicht beobachten können. Vielleicht könnte man einige Fälle als beginnende amitotische Teilung ansprechen, zumal da zwei Kernkörperchen vorhanden zu sein schienen. Zum Schluss dieser kurzen Mitteilung erfülle ich eine an- genehme Pflicht, indem ich dem Direktor des anatomisch- biologischen Institut der Universität Berlin, Herrn Geheimrat Dr. 0. Hertwig, welcher in liberaler Weise die Mittel des Instituts mir zur Verfügung stellte und Rat und Unterweisung mir in liebenswürdiger Weise angedeihen liess, sowie Herrn Professor R. Krause für die stets gern gewährte Unterstützung und Belehrung meinen ergebenen Dank ausspreche. Erklärung der Figuren auf Tafel XXIX. Fig. 1. Flachschnitt durch das parietale Blatt des Pericards einer aus- gewachsenen Katze. Versilberung. Alaunkarmin. Leitz Tubuslänge 199.021. Zeiss Obj. D. Fig. 2. Flachschnitt durch die Pleura pericardiaca einer ausgewachsenen Katze. Versilberung. Ehrlichs Hämatoxylin. Leitz Tubuslänge 155, Oc. 1, Öl-Immersion !ı2. Fig. 3. Schrägschnitt durch das Pericard einer ausgewachsenen Katze. Ver- silberung. Böhmers Hämatoxylin van Gieson. Leitz Tubus- länge 155, Oc. 1. Zeiss Obj. A. 726 Alfred Sommer: Zur Kenntnis des Pericardialepithels. Fig. 4. Schrägschnitt durch das parietale Blatt des Pericards einer aus- gewachsenen Katze. Zenker. Hämatoxylin nach Heidenhain. Nachfärbung nach van Gieson. Leitz Tubuslänge 155, Oc. 1, Öl-Immersion !/ı2. a) Epithel der Pleura pericardiaca. b) Lockeres Bindegewebe. c) Schicht glatter Muskelfasern. d) Straffes Bindegewebe. e) Epithel des parietalen Blattes des Pericards. Alle Zeichnungen sind in der Höhe des Objekttisches entworfen. Über die Verlagerung des dorsalen Pankreas beim Menschen. Von Otomar Völker, Assistent am Institut für normale Anatomie des Prof. Dr. J.. Janosik, ’) Zu den kleineren Fragen, welche sich bei der Erforschung der Pankreas-Entwicklung bei den Säugetieren ergeben, gehört auch die, ob sich das dorsale Pankreas des Menschen gleich primär, mehr proximal als die Leber, oder ob es sich weiter distal als diese, wie bei allen untersuchten Säugetieren entwickelt und ob es sich erst in der späteren Entwicklung proximalwärts über den Lebergang verschiebt? Schon den älteren Forschern fiel es auf, dass der Aus- führungsgang des dorsalen menschlichen Pankreas näher zum Magen als der Lebergang in den Darm mündet. Dieses Ver- halten erklärte Chabry auf Grund des Vergleiches mit den Säugetieren so, dass sich das Pankreas beim Menschen wie auch anderswo zum grössten Teile vom Magen weiter di-tal als die Leber entwickele, dass es sich dann aus unbekannter Ursache gegen denselben in longitudinaler und transversaler Richtung ebenso ver- schiebe. wie sich bei anderen Säugetieren diese Ausführgänge nur längs der transversalen Achse des Embryo verschieben. Janosik brachte in seiner Arbeit „die Milz und das Pankreas“ als Erster eine zusammenhängende Darstellung dieser Frage an Menschen- embryonen und bewies, dass bei einem lcm langen menschlichen Embryo das dorsale Pankreas um 2 Schnitte weiter distal in den Darm mündet als die Leber und das mit ihr verbundene ventrale Pankreas. Bei einem 2,9cm langen, also schon in seiner Ent- wicklung bedeutend fortgeschrittenen Embryo, ist das Verhältnis dieser Einmündungen gerade umgekehrt. Er schreibt: „Chez un autre embryon (2,9 cm de long) ces deux embouchures ont chang& de place, car le conduit pancreatique de la partie direc- tement derivee de l’epithelium intestinal s’ouvre dans l’intestin plus pres de l’estomac que le canal choledoque avec la partie du pancreas qui en derive“. !) Siehe: Rozpravy et Bulletin de l’Academie Boheme & Pra- gue 1902. I [89] [0'5) Otomar Völker: Helly kommt auf Grund einer Untersuchung an einem menschlichen Embryo und auf Grund des Vergleiches mit der scheinbaren Bewegung des dorsalen Pankreas gegen den ductus choledochus bei dem Meerschweinchen zu folgendem Resultate: „die endgiltige Lage des ductus Santorini gegenüber dem Leber- gange ist sofort zu Beginn des Auftretens der dorsalen Pankreas- anlage angedeutet; eine nachträgliche Wanderung eines Ganges gegen den anderen findet nicht statt“. Diese Arbeit bekam ich im Augenblick alsich meine Arbeit „Beiträge zur Pankreasentwicklung bei den Amnioten“ zur Auf- nahme in die Abhandlungen der Böhmischen Akademie einreichte und ich fügte dann dem Befunde Janosik’s meine Beobachtungen bei zwei weiteren menschlichen Embryonen hinzu, indem ich dem oben angeführten Ausspruche Hellys entgegentrat. In einer später erschienenen Abhandlung wendet sich Helly gegen diese Angaben und schreibt: „bezüglich der an- geblichen „gegenseitigen Bewegung der Mündungsstellen der Leber und des Pankreas“, die sich auch aus den vier Embryonen Janosik’s ergeben soll, verweise ich auf pag. 323 u. 324 sowie auf die Beschreibung der Pankreasanlagen beim Meerschweinchen, insbesondere auf pag. 277, 312—313. Man wird daselbst finden, dass ich meine Befunde an 23 Plattenmodellen durch direkte Messungen derselben gemacht habe. Jedermann aber weiss, dass das blosse Abzählen von Schnitten, wie es auch Völker wieder tat, gänzlich unzureichend ist für die Massbestimmung an Or- ganen, von denen man ohne Modell unmöglich genau angeben kann, in welcher Richtung sie von dem Schnitte getroffen wurden. Übrigens ist Völker eine Erklärung und einen etwa histologisch begründeten Beweis für die gedachte „Bewegung“ gänzlich schuldig geblieben“. Vor diesem angeführten Satze polemisiert Helly gegen meine Einwendung, die ich auf Grund des „Atlas der mensch- lichen Embryonen“ von His gegen seine Schlüsse getan habe. Ich erkenne an, dass Helly im Rechte ist, wenn er meinen in- direkten Beweis abweist, weil im Atlas von His jene vier Embryonen, welche das Pankreas mehr distal als den ductus choledochus gezeichnet haben, erwiesen älter sind als jene, bei welchen er proximal gezeichnet ist, dass sie sich also nicht dazu eignen, um zu beweisen, dass sich bei den älteren Embryonen Über die Verlagerung des dorsalen Pankreas beim Menschen. 729 der ductus Santorini in proximaler Richtung verschiebt. Die Embryonen von His, insoweit die Konstruktion gezeichnet ist, würden gerade das Gegenteil beweisen Zu diesem indirekten Beweise führte mich aber eben Helly durch seinen Ausspruch auf Seite 274 selbst. Über die Verlässlichkeit des Atlas von His konnte ich mich selbst so schnell nicht unterrichten, da ich mir denselben nicht sofort verschaffen konnte. Was den Einwand Hellys anbelangt, dass ich nicht an Modellen, die nach der Methode Borns angefertigt wären, ge- arbeitet habe, muss ich bemerken, dass ich bei meiner Arbeit Modelle, welche schon früher von zwei Embryonen zur Arbeit JanosSik’s verfertigt worden waren, benützte und dass ich von den zwei anderen beschriebenen Embryonen Modelle nach Borns Methode verfertigte. Von den anderen untersuchten Embryonen habe ich ebenfalls Modelle, zwanzig an der Zahl, verfertigt, alles das vor Helly’s Aufforderungen. Schon im vorigen Jahre reichte ich bei der Böhmischen Akademie der Wissenschaften eine vorläufige Mitteilung über die Ergebnisse einer neuen Untersuchung dieser Frage ein, aber ich habe bis jetzt die Veröffentlichung dieser Arbeit verzögert, weil ich damals vier menschliche Embryonen als Geschenk er- hielt und da ich dieselben zu der jetzigen Arbeit benützen wollte. Da jedoch alle Objekte zum Schneiden in Celloidin ein- gebettet sind und da es dazu immer einer gewissen Zeit bedarf, wird man es begreiflich finden, dass sich meine Arbeit um eine so bedeutende Frist verschoben habe. Leider konnte ich von den vier Embryonen, welche äusserlich ganz erhalten schienen, zur mikro- skopischen Untersuchung nur einen und zwar den 9,3cm langen, von dem ich schon in der vorangeschickten Mitteilung gesprochen habe, benützen. Der erste menschliche Embryo, welcher in dieser An- gelegenheit zu beschreiben ist, ist ein 3mm langer Embryo des Prof. Janosik und befindet sich wie die anderen in der Institutssammlung. Dieser Embryo ist so geschnitten, dass er in der Gegend, wo sich die Leber entwickelt, von der Schnitt- richtung, welche von der dorsalen Seite ventral und distal führt, leicht schräg getroffen ist. Das Darmrohr ist in der Lebergegend leicht ventral konkav. Die Leber ist schon bei diesem Embryo als ein Kanälchen entwickelt, welches sich im Septum transversum 730 Otomar Völker: in der Länge von fünf Schnitten, welche genügend dick sind, hinzieht und das sich an seinem proximalen Ende ein wenig nach beiden Seiten in zwei sekundären Ausstülpungen erweitert. Auf dem sechsten Schnitte, in dem die Leber getroffen ist, ver- einigt sich dieselbe mit dem Darmrohr und ist an derselben als eine ventrale, kugelige Ausstülpung, welche von dem Darm leicht durch laterale Furchen abgeschnürt ist, zu erkennen. Auf dem distal folgenden Schnitte ist diese Ausstülpung noch kenntlich, natürlich ist sie nicht mehr kugelig, sondern von den Seiten ab- geflacht und viel seichter, und auf dem siebenten Schnitte ist sie schon ganz niedrig und verschwindet in den unteren Partien bei tieferer Focuseinstellung vollkommen. Das Epithel ist in den Partien der Lebermündung und der Leberfurche dreireihig nur etwas höher, als an den eigentlichen Wänden des Darmrohres. Um einen Schnitt weiter nimmt die Darmrohrhöhlung in ventraler Richtung grössere Dimensionen an und geht in den ductus om- phalomesentericus über. An dieser Stelle zeigt das Epithel einen ganz ausgeprägten Unterschied gegen das des Darmrohres; es ist viel niedriger als dieses und nur in zwei Reihen gestellt. Am sechsten Schnitte in der Lebergegend nimmt das Darmrohr auch nach hinten an Weite zu und bildet so die Ausstülpung für das dorsale Pankreas. Diese Ausstülpung ist um mehr als die Hälfte weiter als die Darmrohrhöhlung und ist von dieser durch seitliche Furchen abgeteilt. Das Epithel hat im Vergleiche zu dem Darmepithel bis jetzt seinen Charakter nicht verändert. Diese Ausstülpung beginnt also gegenüber der Mündung des Leberausführganges, zieht sich dieser Mündung gegenüber durch drei Schnitte hin und setzt sich noch weiter auf vier Schnitten gegenüber dem ductus omphaloentericus in den Darm fort. Aus dieser Beschreibung ersehen wir, dass die Leberaus- stülpung schon fast vollkommen vom Darme abgetrennt ist und dass die Stelle, wo sich dem Darme jene runde Ausstülpung anschliesst, den Anfang der Gallenblase andeutet. Es war also nach der Analogie wie bei den anderen Säugetieren aller Wahrscheinlichkeit nach die Furche viel ausgedehnter und dies in einer Ausdelinung von 8 Schnitten, als wie bei dem beschriebenen Embryo die Mündung des Leberausganges ist. Das Pankreas reicht mit seinem proximalen Ende nur an das distale Ende der Leberfurche hinan und liegt mit seiner grösseren Partie distal Über die Verlagerung des dorsalen Pankreas beim Menschen. 731 von derselben. Ein ähnliches Verhalten finden wir auch bei anderen Säugetieren; es weicht also in dieser Hinsicht der Mensch von ihnen nicht ab. Die Anlage für das dorsale Pankreas liegt im ganzen weiter distal als die Anlage für die Leber. Der zweite 1 cm lange Embryo wurde von Janosik be- schrieben, zugleich wurde auch die Gegend, um welche es sich handelt, rekonstruiert (vide Abb. No. 18), wir brauchen uns also damit nicht aufzuhalten. Bei dem Embryo von 0,93 cm finden wir fast das gleiche Verhalten. An der Stelle, wo der Leber- und Pankreasausführgang münden, biegt der Darm aus der schrägen Richtung von der linken Seite distal und median in eine vollkommen transversale Richtung ab. Der Magen mit seinem Mesenterium und der Darm haben sich schon so gedreht, dass sich die ursprünglich rechte Darmwand fast dorsal ge- gewendet hat. Der ductus choledochus, welcher sehr lang ist und sich von der Leber zuerst dorsal und distal hinzieht, wendet sich gerade bei der Anlage für das ventrale Pankreas distal und ventral und mündet von der proximalen Seite in den Darm. Das dorsale Pankreas ist schon bedeutend. Es mündet in den Darm an seiner unteren Seite um 3 Schnitte (16 «) weiter distal Bei der Untersuchung des angefertigten Modelles sehen wir, dass sich die Mündung des Pankreasganges gegen den ductus choledochus verschoben hat, dass sie aber dennoch um ein be- deutendes Stück mehr distal vom Magen gelegen ist als die Mündung des ductus choledochus. Dieses Verhältnis, welches wir bei diesem Embryo finden, nähert sich also demjenigen, welches wir bei den beiden Ausführgängen des 5mm langen Embryo fanden. Das Bild bringe ich nicht, ich verweise nur auf die schon erwähnte 18. Abb in der Publikation Janosik'’s, mit der der jetzt beschriebene Embryo vollkommen über- einstimmt. | Bei einem 2,9cm langen Embryo münden schon beide Aus- führgänge im definitiven Verhältnisse zu einander, es mussten sich also beide Mündungen gegeneinander bis zum umgekehrten Verhältnis verschoben haben. Helly führt an verschiedenen Stellen den Grund an, dass wir uns aus mechanischen Ursachen nicht denken können, dass eine solche Verschiebung vor sich gehen könnte. Er stellt sich 132 Otomar Völker: aller Wahrscheinlichkeit nach vor, dass die Epithelzellen im Ver- . hältnisse zu einander unverschieblich sind, dass das Darmrohr rigid, keiner anderen Veränderung als der durch das gleichmässige Wachs- tum fähig ist. Dagegen muss ich anführen, dass nach den Unter- suchungen von Janosik, Brachet und nach meinen eigenen Untersuchungen die in Rede stehenden Mündungen bei Lacerta agilis, welche ursprünglich von einander weit entfernt sind, definitiv eng bei einander liegen. Wenn eine ähnliche Ver- schiebung bei der Eidechse möglich ist, kann man sie auch beim Menschen nicht für unmöglich halten. Was die Erklärung der Ursache, welche diese Verschiebung verschuldet, anbelangt so kann ich anführen, dass vielleicht bei der gegenseitigen Ver- schiebung der dorsalen Körperwand, an welcher das dorsale Mesenterium mit dem Pankreas befestigt ist, und des Diaphragma mit dem die Leber und das ventrale Mensenterium mit der Lebermündung zusammenhängen, gegen einander auch die beiden Ausführungsgänge eine ähnliche Bewegung vollführen und dies bis zu dem Grade, dass sie im definitiven Zustande im um- gedrehten Verhältnisse, als wie es bei der Anlage beider Organe war, einmünden. Es ist selbstverständlich, dass jede solche Ver- schiebung nur der Ausdruck eines ungleichmässigen Wachstums sein kann und dass dieses von Beziehungen zu den Nebenorganen abhängig ist. Warum diese Bewegung bei dem Menschen und nicht bei den anderen Säugetieren so ausgiebig ist, können wir vorläufig nicht bestimmen. Die angeführten Untersuchungen an menschlichen Embryonen führen mich also dazu, dass ich auf meiner Behauptung, die schon früher von Janosik, Chabry und anderen vorgebracht wurde, bestehe, dass die Mündungen des Pankreas und der Leber nicht sofort in einem definitiven Verhält- nisse zu einander angelegt sind sondern, dass sie sich im Verlaufe der embryonalen Entwicklung gegen einander verschieben. Über die Verlagerung des dorsalen Pankreas beim Menschen. 133 Literatur. Heily: Zur Pankreasentwicklung der Säugetiere. Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. LVII. — Bemerkungen zum Aufsatz Völkers: Beiträge zur Entwicklung des Pankreas bei den Amnioten. Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. LX. Janosik: Slezina a pankreas. Rozpravy tesk6 akademie v Praze 1895, R..4,.C4 5; — Le pankreas et la rate. Bibliographie anatomique A 1896: Völker: |Pfispevky ke vyvoji pankreatu u amniot 1901. R.X. €. 11. — Beiträge zur Entwicklung des Pankreas bei den Amnioten. Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. LIX. 1901. — 0 posunoväni se pankreatu dorsälniho u dlovöka. Vöstnik a roz- pravy de l’Academie Boh&me. Prague 1902, Archiv f. mikrosk. Anat. BA. #2. Al 734 Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin. Über die Verwendung der Paraffin- einbettung bei Markscheidenfärbung. Von Dr. George L. Streeter. Obschon in der Litteratur häufig auf die Anwendung und Abänderung, des Weigert’schen Markscheidenverfahrens hin- gewiesen wird, scheint doch die Frage 'nach der Benutzung anderer Einbettungsmittel als des ursprünglich vorgeschlagenen Celloidin relativ wenig berührt worden zu sein. Dieses über- rascht um so mehr, als Paraffin im Gegensatz zum Üelloidin das ideale Einbettungsmittel für die Anfertigung von Serienschnitten ist, die gerade bei der Markscheidenmethode besonders erwünscht sind. Die Schwierigkeiten, mit Celloidin befriedigende Serien von kleineren Reptilien- und Fischgehirnen herzustellen, können kaum übertrieben werden und machen fast die Anwendung der prachtvollen Weigert’schen Methode auf diesem Gebiet un- brauchbar. Versuchtist die Anwendung des ParaffinsvonCiaglinski(l) Strasser(2), vanWalsem(3)undHaugh(4);sie alle richteten ihr Bestreben auf die aufgeklebten Schnitte. Auch Köppen(5), weist auf Versuche mit Paraffın hin, schreibt aber nichts von von Einzelheiten oder Resultaten. Beevor(6) bettete vorher in toto gefärbtes und differenziertes Material in Paraffin ein, machte davon Schnitte und schloss sie ohne weitere Behandlung ein. Auf diese Weise gelang es ihm, Präparate herzustellen, die wohl den groben Unterschied zwischen grauer und weisser Substanz zeigten, aber für feineres Studium untauglich waren. Merkwürdigerweise ist in den Kompendien und in den ausführlicheren Büchern der Mikroskopischen Technik weder etwas für noch gegen die Anwendung des Paraffins als Einbettungs- mittel erwähnt. Deshalb bettete Verfasser gelegentlich wert- volles Material in Paraffin ein, wodurch die Objekte sofort un- brauchbar wurden. Dieser Misserfolg veranlasste eine Reihe von Versuchen um den unbefriedigenden Erfolg der Paraffineinbettung zu ermitteln. Über die Verwendungder Paraffineinbettung beiMarkscheidenfärbung. 735 Die ersten Präparate wurden nach ähnlichen Methoden gemacht, wie sie von Ciaglinski, Strasser, van Walsem, und Haugh angewandt wurden, aber stets mit enttäuschenden Resultaten. Obgleich in diesen Präparaten die Haupttopo- graphie dargestellt war, war doch bei genauerer Betrachtung keine feinere Faser zu sehen, und die gröberen Fasern sahen statt dicker Ringe und Cylinder wie eine Reihe feiner unregel- mässiger Bläschen aus. Es wurde bald wahrnehmbar, dass hier die Schwierigkeit nicht in der Unfärbbarkeit des Myelins zu suchen war, sondern in der Tatsache, dass das Myelin teilweise entfernt worden war; das Myelin der feineren Fasern war sogar vollständig ver- schwunden und von dem der gröberen Fasern war bloss ein kleiner Rest hinterlassen. — Die Schuld an diesen Veränderungen scheint also in der Einbettung zu suchen zu sein, und allem An- schein nach entweder in der das Myelin auflösenden Wirkung des Xylois oder in dem zerstörenden Einfluss der Hitze, oder vielleicht auch in beiden. Der Versuch wurde deshalb gemacht, das Verweilen des Materials im Xylol so viel wie möglich zu verkürzen, und um die Temperatur herabzusetzen sehr weiches Paraffın angewandt. Schnitte von so behandeltem Material zeigten nach Färbung und Differenzierung jedoch noch einen erheblichen Myelin-Verlust. Nun war es klar, dass eine Änderung des Verfahrens vor der Einbettung erfolgen musste, und zwar musste das Myelin — wenigstens jener Teil des Myelins, der an der Färbung beteiligt ist — in irgend einer Weise so gebeizt und fixiert werden, dass es in dem Vorharze unlöslich blieb. Da nun bekanntlich das Hämatoxylin mit chromgebeiztem Myelin eine Verbindung ein- geht, die in Xylol usw. unlöslich ist, so wurde versucht, das ganze Stück mit Hämatoxylin zu durchtränken, bevor es in Xylol und Paraffin kam, aber abweichend von den erwähnten Experimenten von Beevor wurde die Differenzierung an den Schnitten statt am ganzen Block vorgenommen. Differenzierte Schnitte von so vorbehandeltem Material bestätigten die Vermutung, dass auf diese Weise ein befriedigendes Resultat erzielt werden konnte, und es bedurfte bloss der Ausarbeitung verschiedener Einzelheiten, um Präparate anzufertigen, welche dasselbe pracht- 47* 756 GeorgeL. Streeter: volle, charakteristische Bild gelungener Celloidin - Präparate darstellten. Das Verfahren besteht also in Beizung, Färbung, Ein- bettung, Schneiden, Differenzierung, und Einschluss. Es kann auf folgende Weise beschrieben werden: Beizung. Das frische Material wird gleich in die Weigert’sche Mischung (7) von 5°/o Kaliumbichromat und 2°%o Fluorchrom hineingebracht, und in dieser Lösung bleibt es — einmal gewechselt — bei Zimmer-Temperatur 4-8 Tage. Ge- hirne kleinerer Tiere für Serien-Zwecke werden nur teilweise präpariert, ehe sie in die Lösung kommen; genügende Hirn- schale wird darum gelassen, um die natürliche Form zu er- halten. Das nervöse Gewebe wird nach 12 Stunden hinreichend hart, um die weitere Entfernung des Gehirns zu gestatten. Anstatt dieser Schnellhärtungs-Flüssigkeit kann man ein- faches 5P/oiges Kaliumbichromat, oder die Müller’sche Flüssigkeit, 2—3 Monate anwenden, und diese Härtungsart ist trotz der längeren Zeitdauer wegen ihrer grösserer Gleich- mässigkeit im Durchdringen zu empfehlen. Die vorherige Härtung im Formol und besonders die sekundäre Beizung in essigsaurem Kupferoxyd wirken störend auf den Erfolg der Färbung. Färbung. Bevor das Material in die Färbeflüssigkeit kommt, ist es mit Rücksicht auf das erfolgreiche Eindringen des Hämatoxylins sehr nötig, dass das Übermass der Chrommischung von dem Präparat gründlich entfernt wird. Zu diesem Zweck genügt es die Objekte 1—2 Wochen in oft gewechseltem 80° Alkohol zu lassen; dennoch wirkt ein längeres Verweilen im Al- kohol nicht störend auf das Resultat. Chromiertes Material, das sogar über ein Jahr im Alkohol gewesen ist, oder das in Celloidin schon eingebettet war, ist nach der Entfernung des Celloidins noch vollkommen zur Färbung geeignet. Das Material ist nach diesem gründlichen Abspülen in Alkohol — vielleicht könnte statt Alkohol fliessendes Wasser dazu gebraucht werden — dann bei Zimmertemperatur, 4- 6 Tage, „in toto“ zu färben inder Weigert’schen Flüssigkeit (8), bestehend aus 1 gr. Hämatoxylin, 1 cem Lithium Carbonicum- Lösung, 10 ccm 96° Alkohol und 90 ccm Wasser. Diese Lösung sollte nach 24 und 72 Stunden gewechselt werden. Über die Verwendung der Paraffineinbettung der Markscheidenfärbung. 7 37 Einbettung. Das Material wird jetzt 48 Stunden in 70° Alkohol abgespült, dann in steigendem Alkohol wasserfrei gemacht, im Chloroform oder Xylol aufgehellt und im Paraffın von 50° C. Schmelzpunkt eingebettet. Schnitte. Zum Markscheidenstudium bei kleineren Tieren eignet sich die Schnittdicke von 10—15 «u am besten. Diese Schnitte werden mit Eiweiss-Glycerin aufgeklebt, und durch Xylol, 95° und 70° Alkohol in Wasser gebracht und sind dann fertig zum differenzieren. Bei der Serienanfertigung lohnt es sich, zur Vermeidung des möglichen zufälligen Verlusts eines Schnittes, nach dem 95° Alkohol die aufgeklebten Schnitte durch eine Mischung von gleichen Teilen absoluten Alkohol und Äther zu bringen, und dann mit einer sehr dünnen Schicht von Photoxylin oder Celloidin zu übergiessen, welches nachher für einige Stunden in 70° Alkohol gehärtet wird. Differenzierung. Die Schnitte können in der von Weigert angegebenen Flüssigkeit, bestehend aus Ferrideyan- kalium 2!/2°/o, und Borax 2°/o in Wasser differenziert werden. Bei Serien ist es empfehlenswert, diese Lösung zehnmal zu ver- dünnen, allerdings braucht man dann einige Stunden zum ent- färben der Präparate, doch sind die Resultate gleichmässiger. Statt dessen kann man auch das von Pal(9) empfohlene Verfahren anwenden und zwar auf folgende Weise: Die Objekt- träger mit aufgeklebten Schnitten werden in eine flache Glas- schale, enthaltend eine !/ı5°/o Lösung von Kalium hypermanganicum, hineingebracht, und die Differenzierungsprozedur wird mit dem Mikroskope verfolgt. Bei Schnitten von 15 « treten nach un- gefähr zehn Minuten die Nervenfasern deutlich hervor. Die Schnitte werden dann kurz in Wasser abgespült und der Hinter- grund kann nach dem Geschmack des Präparators in einer Mischung von Kalium sulfurosum und Oxalsäure zu je '/«”/o in Wasser gebleicht werden. Die zweite von den beiden Differenzierungsmethoden scheint sich bei diesem so stark überfärbten Material etwas bequemer anwenden zu lassen. Weitere Behandlung. Die Präparate stehen nach Entfärbung 24—48 Stunden in fliessendem Wasser, werden dann 1738 George L. Streeter: in Alkohol entwässert, in Carbol-Xylol aufgehellt, in Xylol ab- gespült, und in Balsam eingeschlossen. Vermittels des oben beschriebenen Verfahrens sind Prä- parate von folgendem Material von dem Verfasser angefertigt worden: Ratte, Rückenmark und Ganglion Gasseri; Torpedo, Rückenmark; Leueiscus rutilus, Gehirnserien; Leuciscus rutilus, Gehirn- (in situ) Serien; Frosch, Gehirnserien; Stier, Grosshirnrinde ; Erwachsener Mensch, Medulla oblongata (Diese Präparate wurden in der anatomischen Gesellschaft in Heidelberg, Mai 1903, demonstriert.) Die Resultate sind höchst befriedigend. Es war möglich, mit Leichtigkeit und Schnelligkeit tadellose Serien mit jeder beliebigen Schnittdicke zu machen; und eine Vergleichung dieser Präparate, durchgeführt mit Celloidin-Kontrollschnitten bei Stier- Grosshirnrinde, Mensch-Medulla, und Torpedo-Rückenmark, zeigte, dass das Myelin selbst bei den feinsten Fasern vollständig er- halten und gefärbt worden war. Dieses Verfahren verspricht also einigen Dienst bei der Verfertigung von Präparaten des Nervensystems der grösseren Säugetiere, inklusive Mensch, zu leisten. Stücke, '/ cm dick, können, einmal auf diese Weise eingebettet, unendlich lang auf- bewahrt werden, und Schnitte nach Belieben zu irgend einer Zeit abgeschnitten und differenziert werden — eine Eigenschaft, besonders wünschenswert bei Kursusmaterial. Die dankbarsten Resultate sind aber da zu erwarten, wo lückenlose, gleichmässige Serien von kleineren Gehirnen, z. B. von Fischen, Amphibien, Reptilien, kleinsten Vögeln und Säugetieren erforderlich sind, oder mit anderen Worten, wo Paraffın mit Rücksicht auf die Grösse vorzuziehen ist. Es wäre möglich, dass mit Veränderung der alkalischen Beschaffenheit und Konzentration der Hämatoxylinlösung ihre Eindringungs-Fähigkeit noch gesteigert werden könnte. Dieses, vereinigt mit verbesserten Mikrotomen, könnte vielleicht die An- fertigung von Serien von viel grösserem Material ermöglichen. Diese Frage und ebenso die über die notwendigen Veränderungen bei der Entkalkungsprozedur sind noch auszuarbeiten. Über die Verwendungder Paraffineinbettungder Markscheidenfärbung. 739 Litteratur. . Ciaglinski. Ein Beitrag zur mikroskopischen Technik bei der Unter- suchung des Rückenmarks und der peripheren Nerven. Zeit. f. wiss. Mikr., Bd. 8. 1891. .Strasser. Über die Nachbehandlung von Serienschnitten bei Paraffin- einbettung. Zeit. f. wiss. Mikr., Bd. 3. 1886. Derselbve: Weitere Mitteilungen usw. Zeit. f, wiss. Mikr., Bd. 9. 1892. . Derselbe: Weitere Mitteilungen usw. Zeit. f. wiss. Mikr., Bd. 12. 189. .van Walsem. Beitrag zur Technik des Schneidens und der weiteren Behandlung der Paraffinschnittbänder. Zeit. f. wiss. Mikr., Bd. 11. 1894. 4 Haugh. Über eine einfache verlässige Methode der Darstellung der nervösen Elemente des Rückenmarkes. Zeit. f. wiss. Mikr, Bd. 7. 1890. . Köppen. Zur Anatomie des Froschgehirns. Arch. f. Anat. u. Pbysiol., Anat. Abt. 1888. . Beevor. On staining ‚in toto“ the central nervous system with Weigert’s Hämatoxylin. Brain, Vol. 8. 1886. . Weigert. Die Markscheidenfärbung. Merkel-Bonnet, Anatom. Hefte, Ergebnisse, Bd. 6. 1896. . Derselbe: Neue Färbungsmethoden für das Zentralnervensystem. Fortschritte der Medizin, 1884. . Pal. Ein Beitrag zur Nervenfärbetechnik. Wien Med. Jahrb. 1886. Zeit. f. wiss. Mikr., Bd. 4. 1887. 740 Studien über das Epithel gewisser Teile der Nierenkanäle von Rana esculenta. Von Viktor Wigert und Hialmar Ekberg Assistenten am histologischen Institut zu Stockholm. Hierzu Tafel XXX. Über das fragliche Thema haben wir schon vorher im Anatom. Anzeiger (XXII. Band, No. 17 und 18, 1903) eine Notiz gegeben. Im vorliegenden Aufsatze geben wir eine eingehende Beschreibung unserer Beobachtungen. — Die erste vollständige Beschreibung über den Verlauf der Nierenkanäle von Rana esculenta hat Hüfner!) geliefert. Seiner Ansicht nach nehmen die Malpighischen Körperchen den ventralen Teil der Niere ein. (Fig. 1a). Von denselben geht ein mit kubischen Epithelzellen bekleideter „Halsteil* aus, die besonders lange Üilien zeigen. Dieser Halsteil geht bald in die „Kanäle der 2. Abteilung“ über, welche unter grossen Windungen gegen die dorsale Fläche (c) der Niere hin verlaufen, um dann wieder nach dem ventralen Teil zurückzukehren, wo sie in die „Kanäle der 3. Abteilung“ (d) durch Vermittlung eines kurzen „Schaltstückes“ (e) übergehen. Auch diese letztgenannte Abteilung ist mit cilienführendem Epithel versehen. Die Kanäle der 3. Abteilung winden und krümmen sich stark im ventralen Teil der Niere und gehen dort in die bisher als Ausführwege beschriebenen Kanäle (f) über, die nach einem ziemlich geraden Verlauf in das im frontalen Plan horizontal verlaufende „Sammelkanälchen“ (g) ausmünden, welches sich dann seinerseits in den lateral von der Niere gelegenen Ureter (u) entleert. Die einzige Einwendung, welche man gegen das von Hüfner gegebene Schema machen kann, ist diejenige, dass er einen gar zu kleinen Teil der Kanäle der 2. Abteilung dorsal von dem Sammelkanälchen liegen lässt. An einem rechtwinklig gegen die Längenachse der Niere angebrachten Schnitt markieren sich diese verschiedenen Teile schon bei geringer Vergrösserung. !) Carl Gustav Hüfner: Zur vergleichenden Anatomie und Physio- logie der Harnkanälchen. Inaugural-Dissertation. Leipzig 1866. Das Epithel gewisser Teile der Nierenkanäle von Rana esculenta. 741 (Fig. 2). Die Niere scheint durch die in dieser Weise längs- geschnittenen Sammelkanälchen in zwei Zonen geteilt zu sein: eine dorsale und eine ventrale. Die dorsale, welche nur halb so breit ist als die ventrale, besteht ausschliesslich aus Kanälen der zweiten Abteilung, die mit einem ziemlich weiten Lumen versehen und mit einem relativ hohen, kubischen Epithel be- kleidet sind, weshalb dieser Teil der Niere klarer und weniger zusammengewachsen erscheint als der ventrale. In ihrem ven- tralsten Teil zeigt die letztgenannte Zone die Malpighischen Körperchen zwischen die Kanälen der 3. Abteilung eingebettet. Zwischen diesem glomeralus-führenden Gebiete und dem Sammel- kanälchen liegt eine Abteilung, welche wenigstens einen Teil längsgeschnittener Gänge aufweist, nämlich die in die Sammel- kanälchen mündenden Ausführgänge. Diese Ausführgänge, und zum grösseren Teil auch der Sammelkanal, sind mit einer — soweit wir haben finden können — bisher unbekannten Epithelform bekleidet, welche teilweise an das Fpithel in den Fundusdrüsen des Magens erinnert, sich in- dessen auch in vielen Hinsichten von denselben unterscheidet. Es besteht nämlich aus zwei Arten von Zellen (Fig. 3, 4, 5), wovon die eine der Lage nach den Hauptzellen der Fundusdrüsen entspricht, die andere stark an die Belegzellen erinnert, d. h. sie liegen vom Lumen abgedrängt, das sie gewöhnlicherweise nur mit einer sehr unbedeutenden Fläche berühren. An einem reinen Querschnitt durch das Epithel liegen die beiden Zellenarten alternierend, sodass die „Hauptzellen“ eine breite Fläche gegen das Lumen haben, gegen die Membrana propria aber schmäler werden, die sie nur mit einer schmalen Spitze erreichen, während sich die „Belegzellen“ in umgekehrter Weise verhalten. (Fig. 3,5.) An Flächenschnitten sieht man die „Belegzellen“ in den Ecken der 4—5-reihigen Figuren liegen, welche von den „Hauptzellen“ gebildet werden. (Fig. 4, 5.) Keine der beiden Zellenarten hat, so weit wir haben ersehen können, eine differenzierte Cutieula; dagegen sind Kittleisten leicht mit Eisenhämatoxylin herzustellen. Nach Fixierung in Alkohol-Chloroform-Eisessig oder Sublimat- Pikrinsäure und Färbung mit Eisenhämatoxylin oder mit Methylen- blau, findet man deutlich, dass die „Belegzellen“ bedeutend heller sind als die „Hauptzellen“. Das Protoplasma beider Zellenarten ist stark granuliert, doch mit dem Unterschiede, dass die dunkleren 742 Viktor Wigert und Hjalmar Ekberg: Zellen mit kleinen, dicht zusammengedrängten Körnchen gefüllt sind, während die Körnchen in den helleren Zellen wohl grösser sind, aber bedeutend lockerer liegen. Die Zellenkerne zeigen bei beiden Zellenarten das gewöhnliche Aussehen derjenigen der Nieren-Epithelzellen. Den „Beleg“zellen gehören eigentümliche intracelluläre Ge- bilde an, welche sich vom Lumen her in das Protoplasma hinein- senken (s. die Figuren). Besonders nach Fixierung in Alkohol- Chloroform-Eisessig sind sie mit Eisenhämatoxylin leicht dar- stellbar. Sie treten oft wie kompakte Stränge auf, welche augenscheinlich durch eine Auflösung ihrer eigenen Substanz kanalisiert werden. (Fig. 3—9). Was den intracellulären Ver- lauf dieser Gebilde betrifft, sind sie auffallend unbedeutend ge- wunden. Wie gerade Stränge (resp. Schläuche) senken sie sich ins Protoplasma hinein, bis sie ungefähr die Mitte der Zelle erreicht haben, wo sie entweder blind aufhören oder auch sich ver- zweigen — gewöhnlich in T-Form, doch oft auch in mehrere Zweige. (Fig. 4 u. 8.) Diese letzteren setzen sich abwärts in der Zelle fort, wo sie indessen nie in irgend einen Zusammen- hang mit der Membrana propria treten. Der Zellenkern ist basalwärts in der Richtung gegen der Membrana propria, oft auch in eine der basalen Ecken der Zellen verschoben. Es ist nicht ungewöhnlich, einen Zweig dieser intracellulären Gebilde kanalisiert zu sehen, während andere fortwährend kompakt sind. Querschnitte, welche keine Spur von Kanalisierung aufweisen, legen dar, dass hier wirkliche kompakte Gebilde vorliegen und dass hier von Flächenbildern der Kanäle keine Frage sein kann. Oft treten Diplosomen auf, welche indessen mit dem Kanalsystem in keinem Zusammenhange zu stehen scheinen. Sie haben ihren Platz zwischen dem Kanalsystem und dem Zellenkern. Die Kanäle münden deutlich an der freien Oberfläche der Zelle aus. Durch Injektion mit Berlinerblau von der Cloake aus, ist es uns gelungen, auch diese intracellulären Kanäle dar- zustellen. (Fig. 12.) Die Mündung der Kanäle ist deutlich von Kittleisten begrenzt. Zuweilen haben sich die kanalführenden Zellen vom Lumen herabgesenkt und das intracelluläre Kanal- system mündet dann durch eine epicelluläre Sekretkapillare, von Kittleisten ‚bekleidet aus. Das Epithel gewisser Teile der Nierenkanäle von Rana esculenta. 743 Es ist klar, dass ein ähnliche Eigentümlichkeiten zeigendes Epithel nicht ausschliesslich die Aufgabe haben kann, einen Aus- führgang zu bekleiden, sondern es scheint wenigstens wahr- scheinlich, dass es in irgend einer Weise im Dienste der Urinsekretion stehen muss. Hierauf deutet der Umstand hin, dass man nach Fixierung in Sublimat-Pikrinsäure oder Bichromat- Formalin und nach Färbung in Eisenhämatoxylin kleine An- sammlungen ergastischer Bestandteile in den Wänden des intracellulären Kanalsystems oder in deren Nähe darstellen kann. Die Granulationen der Niere scheinen im allgemeinen mehr acidophil als basophil zu reagieren. So werden sie z B. leicht mit Methylenblau gefärbt, aber beim Versuche, mit einer sauren Anilinfarbe nachzufärben, wird die blaue Farbe aus den Granu- lationen vertrieben. So verhält es sich auch mit diesen ergastischen Ansammlungen um die intracellulären Kanäle; indessen können sie von Toluidin-Erythrosin blaugefärbt werden, auch nachdem die übrigen Nierengranulationen eine rote Farbe angenommen haben, doch geschieht dies erst nach mehrtägiger Färbung mit Toluidinblau. Aus oben angegebenen Gründen scheint der Gedanke nicht unwahrscheinlich zu sein, dass die intracellulären Kanalsysteme als eine Art intracelluläre Sekretkapillare aufzufassen sind. Um zu ergründen, in welchem Verhältnisse dieses Epithel von einer gesteigerten Urinstoffsekretion beeinflusst werden könnte, haben wir mit zwei Exemplaren von Rana esculenta Experimente angestellt. In den ventralen Lymphsack wurden mehrere Tage nach einander kleine Dosen injiziert, an dem einen Exemplar aus Supercarbonas ammonicus, an dem andern aus Harnstoff bestehend, bei beiden von nicht unbedeutenden Mengen Wasser begleitet. Das Resultat ergab, dass, während die Kanäle der III. und speziell der II. Ordnung einen deutlichen Reizzustand darlegten, die Kanäle, die mit dem hier oben be- schriebenen Epithel bekleidet sind, nur in unbedeutendem Grade verändert waren; die kanalführenden Zellen waren etwas ange- schwollen und bedeutend heller als sonst, was augenscheinlich dadurch bedingt ist, dass sie einen Teil der injizierten Wasser- menge aufgenommen hatten; die intracellulären Kanäle hatten keine merkbare Veränderung erlitten. Es dürfte nicht richtig sein, aus diesen Ergebnissen den Schluss zu ziehen, das die mit 744 Viktor Wigert und Hjalmar Ekberg: diesem Epithel bekleideten Ausführgänge nicht im Dienste der Harnsekretion stehen. Denn es scheint wenigstens sehr unwahr- scheinlich, dass eine so eigentümliche Epithelart, wie diese, an der bei allen Tieren vorkommenden Harnstoffsekretion teilnehmen sollte.e Annehmbarer scheint es uns, dass dieses Epithel einen für den Harn der Rana esculenta spezifischeren Bestandteil ab- sondert, und es ist klar, dass in solchem Falle dieser das ge- eignete Reizmittel ausmachen würde. Nicht selten kommen ballonähnliche Anschwellungen der intracellulären Kanäle vor, welche an die von Rina und Achille Monti beschriebenen in den Belegzellen des Magens bei Arctomys Marmotta im Winterschlafe!) vorkommenden Bildungen erinnern, und welche von ihnen als Divertikel vom Lumen gedeutet worden sind. Eine solche Deutung dürfte hier kaum in Frage kommen können, wenn man die Lage der Kittleisten an der Mündung der Ballons in Anbetracht nimmt (Fig. 11). Wir sind gleichwohl zu der Ueberzeugung gekommen, dass die Ballons nicht als normale Bildungen, sondern eher als degenerative Phänomene gedeutet werden müssen. Man findet nicht selten ähnliche Bildungen auch in den übrigen Zellenarten in der Niere der Rana esculenta und hierbei wird man zu der Meinung genötigt, dass es sich um Degenerationserscheinungen handelt. Stockholm, April 1903. ') Le ghiandole gastriche delle Marmotte, durante il letargo invernale e l’attivitä estiva. Ricerche Lab. Anat. della R. Univ. di Roma e altri Lab. Biol., Vol. 9. 1902, Tasc. 2'3. 745 Aus der entwicklungsgeschichtlichen Abteilung des anatomischen Instituts der Universität Breslau. Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum und des interstitiellen Ovarialgewebes Von Dr. Franz Cohn, 3 Volontärassistent der Kgl. Universitäts-Frauenklinik zu München. Hierzu Tafel XXXI und 8 Figuren im Text. Zur Frage nach der Herkunft des Corpus luteum, die in letzter Zeit, besonders infolge der Sobotta’schen Arbeiten (18, 19, 20, 21, 22) zum Gegenstande lebhafter Diskussion ge- worden ist, möchte ich im folgenden über Untersuchungen be- richten, die ich an Kaninchen-Ovarien im Anschlusse an eine von Born aufgestellte Hypothese über die Funktion des Corpus luteum unternommen habe. Born hielt das Corpus luteum für eine Drüse mit innerer Sekretion, deren Sekret die Funktion habe, den Uterus für den physiologischen Prozess der Gravidität und speziell für die Anheftung des Eies in der Uterusschleimhaut vorzubereiten. Diese Hypothese wurde von Dr. L. Fraenkel und mir durch experimentelle Untersuchungen gestützt, die im Anatomischen Anzeiger Bd. XX veröffentlicht sind (5). Um weiterhin auch histologische Anhaltspunkte für die sekretorische Tätigkeit des Corpus luteum zu gewinnen, unterwarf ich den gelben Körper des Kaninchens einer eingehenderen Untersuchung; und zwar richtete ich mein Hauptaugenmerk zunächst auf die Histogenese des gelben Körpers. Nach Borns Tod ermöglichte mir dessen Nachfolger, Herr Professor Schaper, die Fortführung meiner Untersuchungen. Als diese im wesentlichen eine Bestätigung der Sobotta’schen Befunde zum Ergebnis hatten, veranlasste mich Herr Professor Schaper auch zu einer genaueren cytologischen Untersuchung der spezifischen Elemente (Luteinzellen) des Corpus luteum, um hierbei mein Augenmerk im besonderen auf etwaige zelluläre Veränderungen zu richten, die auf eine sekretorische Funktion derselben schliessen lassen könnten. 746 Franz Cohn: Ausser den hierbei erhaltenen Resultaten konnte ich noch einige Befunde zum Bau und zur Herkunft des inter- stitiellen Ovarialgewebes erheben. Ich wäre gern noch der Anregung des Herrn Professor Schaper gefolgt, die zeit- lichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Entwicklungsphasen des Corpus luteum und den Veränderungen der Uterusschleimhaut im Beginne der Gravidität festzustellen. Indessen konnte ich diese Untersuchungen bisher aus Mangel an geeignetem Material leider nicht in Angriff nehmen, da bei den Tierexperimenten, die mir mein Material lieferten, die Uteri in den Tieren verbleiben mussten. Material und Methode. Als Material standen mir, wie schon erwähnt, in erster - Linie die bei den früheren Experimenten gewonnenen Kaninchen- Övarien zur Verfügung, die während der Operation in Tellyesniczky- sche oder Zenker’sche Flüssigkeit eingelegt wurden. Der voran- gegangene Üoitus wurde jedesmal von mir beobachtet, wobei eine schon von Rein gemachte Angabe benützt wurde, dass nämlich die Weibchen bald nach dem Wurf das Männchen annehmen und meist mit Erfolg belegt werden. Ich erhielt auf diese Weise Corpora lutea von 20!/e, 22, 22!ja, 42, 44'/:, 48!/e, 68 Stunden, 5 Tagen, 8, 13 und ca. 15 Tagen post coitum. Die Corpora lutea waren schon makroskopisch als halbkugelige Prominenzen sichtbar und zeigten auf ihrem Gipfel einen Pfropf, den „bouchon obturateur‘ van der Strichts (25, 26, 27, 28). Ältere gelbe Körper liessen für das blosse Auge einen feinen, den Propf umgebenden Gefässkranz erkennen. Ausser den gelben Körpern der bestehenden Gravidität enthielten diese Ovarien noch die Corpora lutea der vorigen Schwanger- schaft, die also meist nur wenig älter als die 24—28 Tage be- tragende Trächtigkeitsperiode waren. Ferner fanden sich in mehreren Ovarien während der Gravidität sprungreife, über die Övarialoberfläche stark vorragende, sehr grosse Follikel neben mittleren und kleineren Follikeln. Es entspricht dies nicht dem Verhalten, das Stratz (24) bei Tupaja, Sorex und Tarsius be- schreibt, wo sofort nach Beginn der Trächtigkeit alle grösseren und mittelgrossen Follikel zugrunde gehen sollen. Eine solche Erscheinung ist wohl auch bei Tieren unmöglich, bei denen Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etec. 147 sich, wie beim Kaninchen, an die eben abgelaufene Gravidität sofort eine neue anschliesst und bei denen ausserdem die Trag- zeit zu kurz ist, um inzwischen ganz junge Follikel heranreifen zu lassen. Die Objekte wurden nach der üblichen Methode in Paraffın eingebettet und in Schnittserien von 4—10 u Dicke zerlegt. Die Färbung erfolgte mit Hämatoxylin-Eosin, phosphorwolfram- saurem Hämatoxylin nach Mallory'), Eisenhämatoxylin nach Heidenhain, nach der von Plessen und Rabinovicz (13) für Nervenfärbung angegebenen Hämatoxylinmethode, die sich besonders für die Darstellung von Protoplasmastrukturen günstig erwies, und endlich mit der Mallory’schen Bindegewebsfärbung (9). Letztere ist besonders vorteilhaft für das Studium der Bindegewebs- wucherung in das Corpus luteum hinein, da sie das Bindegewebe leuchtend blau tingiert. Allerdings werden durch diese Methode hier und da noch einige andere Gebilde ebenfalls blau gefärbt (Anilinblau), die sich aber entweder durch die Nuance der Färbung oder durch andere Merkmale leicht vom Bindegewebe unterscheiden lassen. Der Vorgang der Histogenese des Corpus luteum lässt sich am besten durch eine zusammenhängende Beschreibung der mir vorliegenden fortschreitenden Entwicklungsstadien darstellen : die sich daraus ergebenden Resultate sollen dann später im Zusammenhang erörtert werden. 1. Sprungreifer Follikel. (Textfig. 1.) °) Die sprungreifen Follikel zeigen das Epithel der Membrana granulosa von der Theca follieuli scharf durch eine Basalmembran getrennt, die bei allen Färbungen zu sehen ist, besonders deutlich aber bei der Mallory’schen Bindegewebsfärbung durch inten- sive Blaufärbung hervortritt. Mit derselben Methode lässt sie sich auch bei jüngeren Follikeln nachweisen. Das Follikelepithel hat eine Dicke von 5—6 Zellschichten; die an den Liquor !) Die durch Mallorys Hämatoxylin gewonnene Färbung zeichnet sich durch eine sehr feine Nuancierung aus; ihr Effekt ist ganz anders, als der der gebräuchlichen Hämatoxylinfärbungen. ?) Die Textzeichnungen 1—7 sind mittels des Abb&’schen Zeichen- prismas mit Zeiss’scher Immersion 2,0 mm, Apertur 1,30 aufgenommen. Tubuslänge 150, Ocular 2. Die Vergrösserung ist bei allen Figuren 225fach. Die Epithelkerne sind punktiert, die Bindegewebskerne schraffiert gezeichnet. 748 Franz Cohn: follieuli grenzende Epithelschicht zeigt abgeplattete Zellen, während die übrigen Schichten eine spindelförmige oder zylindrische Zellform aufweisen. Die Zellkörper sind von geringer (Grösse, sodass die Kerne die Hauptmasse der Zellen ausmachen und dicht aneinander gedrängt erscheinen. Die Zellgrenzen sind [@toY © ER > BA © ® & ß r & d & (WR) © 2) 8 RI \ LOS PR N rg Basalmembran ® Granulosa D Fig. 1. Sprungreifer Follikel des Kaninchens. Vergr. 225 mal. Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. nicht deutlich ausgeprägt. Die Epithelkerne sind mehr oder weniger oval und zeigen ein ziemlich dichtes Chromatingerüst, das nicht die feine Verteilung besitzt, die uns bei späteren Stadien der Corpora lutea begegnen wird. Vereinzelt finden sich Mitosen im Bereich des Follikelepithels. Die Theca folliculi besitzt ungefähr dieselbe Dicke wie die Membrana granulosa. An ihr lassen sich drei Schichten unter- scheiden, eine mittlere mit grossen plasmareichen Zellen, die einen runden, hellen und grossen Kern besitzen,’ |sowie eine äussere und eine innere Schicht von Bindegewebszellen. Dieser Befund entspricht den Angaben v. Köllikers (7), der ein Stratum fibrosum externum, Stratum medium cellulare und Stratum fibrosum internum unterscheidet. Auch Honore& (6) Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 749 beschreibt ein ähnliches Bild. Die Kerne der äussersten Theca- lage sind schmal und sehr langgestreckt. Ihre Längsrichtung steht zirkulär zum Follikel, also parallel der Basalmembran. Die Kerne der innersten Thecalage sind bedeutend kleiner, nicht so gestreckt und besitzen nicht die regelmässige, konzentrische An- ordnung der äussersten Zelllage. 2. Corpus luteum 20'/» Stunden post coitum. (Fig, 2.) Das Corpus luteum hat eine kelchförmige Gestalt, pro- miniert über die Oberfläche des Ovariums und besitzt an der Sprungstelle einen Pfropf, der aus Blutgerinnseln und los- EL, @8 UN ns f 7 Hi - ; B Er ea III URAN Thea & a» Epithel n ERIRT MR Liquorrest Fig. 2. Corpus luteum des Kaninchens 20'/» Std. post coitum. Vergr. 225 mal. Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. gerissenen Epithelien besteht. Die ziemlich geräumige Höhle ist mit zurückgebliebener, geronnener Follikelflüssigkeit gefüllt, die sich nach der Mallory’schen Bindegewebsfärbung aus einem feinen, teils blau, teils rötlich gefärbten Fadenwerk bestehend erweist; dieses nimmt auch nach der Färbung mit phosphor- wolframsaurem Hämatoxylin eine intensiv blaue, nach der Methode von Plessen und Rabinovicz eine tiefschwarze Farbe an. Die Richtung der Fäden konvergiert nach der Sprungstelle hin Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 48 750 Franz Cohn: In das Fadenwerk sind Gruppen von losgerissenen Epithelzellen und kleinere Blutergüsse eingeschlossen. Die Membrana granulosa hat eine Dicke von 6—10 Zell- schichten und enthält an zahlreichen Stellen kleinere Ansamm- lungen freier roter Blutkörperchen. Die Form der Epithelzellen ist spindelig; das Protoplasma ist fein granuliert, seine Menge ist im Vergleich zur Zellgrösse immer noch gering, sodass der Kern etwa die Hälfte des Zellvolums ausmacht. Gegenüber den Granulosazellen im sprungreifen Follikel ist hier nur eine gering- fügige Vergrösserung der Epithelien zu konstatieren. Die Kerne hingegen haben ungefähr die doppelte Grösse der Epithelkerne im sprungreifen Follikel; sie besitzen ein deutliches Chromatin- gerüst und weisen keine Kernteilungsfiguren auf. An den FEpithelzellen ist nirgends ein Zeichen von Degeneration wahrzunehmen. Die Grenze zwischen dem Epithel und der Theca ist noch überall deutlich, da sich die spindelförmigen und radiär an- geordneten Granulosazellen von den unregelmässig gestalteten und regellos gelagerten Zellen der inneren Thecalage durchaus unterscheiden. Ausserdem tritt bei der Färbung mit phosphor- wolframsaurem Hämatoxylin ein feiner Unterschied in den Farbennuancen hervor, indem das Protoplasma der Granulosa- zellen eine etwas rötlichere und dunklere Färbung annimmt. Eine kontinuierliche Basalmembran zwischen Theca und Granulosa ist jedoch nicht mehr vor- handen. Nur mit der Mallory’schen Bindegewebsfärbung lassen sich noch stellenweise aufgelockerte, hier und da durch- brochene Reste derselben von blauer Farbe zwischen Epithel- und Thecazellen nachweisen. In dieLücken der ehemaligen Basalmembran sind die kleinen Kerne der innersten Thecalage hineingerückt, an manchen Stellen wuchern sie schon in einzelnen Sprossen in das Epithel hinein. Auch die grossen Zellen der mittleren Thecaschicht haben sich der Epithelgrenze an vielen Stellen genähert, wobei sie ihre ziemlich regelmässige Anordnung eingebüsst haben, die sie im sprungreifen Follikel noch besassen. Ihre Achse steht nicht mehr wie dort wesentlich in tangentialer Richtung; viele haben sich schon mehr oder minder in die radiale Richtung umgebogen, manche stehen schon in einem Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 751 Radius des Corpus luteum. Im Bereich der Theca finden sich mehrfache Kernteilungsfiguren. In den grossen Zellen der Theca, die sich durch eine An- sammlung von Fetttröpfehen im Protoplasma auszeichnen, er- blickte Born ebenso wie Sobotta nicht in regressiver Meta- morphose begriffene Zellen, sondern sah die Fetteinschlüsse ebenso wie dieser Autor als aufgespeichertes Nährmaterial an. Der Zweck desselben sei der, schnell aufeinanderfolgende Teilungen der Thecazellen zu ermöglichen und so die Invasıon des Bindegewebes in die Granulosa anzubahnen. 3. Corpora lutea von 22 und 22'/. Stunden post coitum. Diese Corpora lutea zeigen die Einwucherung des Bindegewebes in das Epithel schon etwas weiter fortgeschritten. Die radiären Bindegewebssprossen sind zahlreicher und etwas massiger geworden und auch tiefer in die Granulosa eingedrungen, sodass ihre äussersten Ausläufer in Gestalt vereinzelter, zwischen den Epithelien liegender Bindegewebszellen fast bis in die Mitte der Epithelschicht vorgerückt sind. Hier ist die Mallory’sche Bindegewebs- färbung von nicht zu unterschätzendem Werte, indem sie die blaugefärbten Bindegewebszüge scharf zwischen dem gelblich gefärbten Epithel hervortreten lässt. Die Grenze zwischen Epithel und Theca ist sehr verwischt und die Unterscheidung dieser beiden Elemente höchstens noch durch ihre Anordnung und ihre Färbungsdifferenzen möglich. Mit der Mallory’schen Bindegewebsfärbung lassen sich nur noch vereinzelte Reste einer Basalmembran sichtbar machen. Die Grösse der Thecazellen und ihrer Kerne hat im allgemeinen abgenommen, nur sehr selten findet man noch grosse Zellformen. Die äusserste, lamellöse Thecaschicht hat keine Veränderung erlitten. In der Theca finden sich ab und zu Mitosen, in der Granulosa dagegen nicht. Am Protoplasma und an den Kernen der Epithelzellen ist gegenüber dem vorhergehenden Stadium von 20!/» Stunden noch kaum eine Änderung zu konstatieren. Ihre Grösse und Form ist dieselbe geblieben. Die in den Resten der Follikelflüssigkeit liegenden losgerissenen Epithelinseln entsprechen völlig den Zellen der Granulosa, die keine Spur von Degeneration aufweisen. 48* -1 or |} Franz Cohn: Die Rissstelle ist an diesen gelben Körpern noch nicht verklebt. Auch diese Corpora lutea enthalten freies Blut zwischen den Epithelien, das eine sogar in beträchtlicher Menge. Da diese Blutergüsse sich in allen Teilen des gelben Körpers, auch gegenüber der Sprungöffnung vorfinden, so ist ihre Ent- stehung wohl nicht nur, wie bisher vielfach angenommen, auf eine Zerreissung von Gefässen an der Berstungsstelle, sondern zum grösseren Teil auf ein Platzen derselben an allen Teilen der Peripherie infolge des plötzlich beim Follikelsprunge erniedrigten intrafollikulären Drucks zurückzuführen. 4. Corpus luteum 42 Stunden post coitum. (Textfig. 3.) Dieser gelbe Körper zeigt einen erheblichen Fort- schritt in der Ausbildung gegenüber den vorangehenden Stadien. Er prominiert nicht merklich über die Oberfläche des ÖOvariums und hat an Volumen gegen die jüngeren Gebilde bedeutend, schätzungsweise um die Hälfte zugenommen. Die Rissöffnung ist bereits verklebt, der Rest der Follikelflüssigkeit ist ziemlich gering und besteht aus einem Fadenwerk, das losgerissene Epithelzellen und Blutgerinnsel enthält. Da die zurückgebliebene Liquormasse gegen früher sogar eine Verminderung erfahren hat, muss die Vergrösserung des Organs wesentlich auf Rechnung der Zellen gesetzt werden. Fig.3. Corpus luteum des Kaninchens 42 Stunden post coitum. Vergr. 225 mal. Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. In der Tat ist die Ursache in einer Vergrösserung des Protoplasmaleibes der Granulosazellen zu finden, s . . ro Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 155 die ohne weiteres ins Auge fällt, noch deutlicher aber durch Vergleich genauer, unter derselben starken Vergrösserung mittels des Zeichenprismas hergestellter Zeichnungen und durch Messung der Zellgrössen in diesen dargelegt wird. Die Resultate dieser Messungen finden sich auf S. 759 zusammengestellt; auch ist die zunehmende Hypertrophie der Epithelzellen aus den Textfiguren 1—7 leicht zu ersehen, die sämtlich bei gleicher Vergrösserung (550 mal) hergestellt wurden und in der Reproduktion auf die Häfte verkleinert sind. Eine Vermehrung der Epithelzellen ist an der Volumszunahme "des Corpus luteum nur in ver- schwindend geringem Maasse beteiligt; ich konnte in diesem Corpus luteum nur eine einzige sichere Epithel- mitose nachweisen. Die Form der Granulosazellen ist noch immer spindelig, das Protoplasma ist fein granuliert. Das Chromatin der Kerne hat eine etwas feinere Verteilung gewonnen; die Kerne zeigen einen oder mehrere Nucleolen. Auch die bindegewebige Einwucherung hat in diesem Stadium zugenommen, indem die Bindegewebs- sprossen fast die ganze Dicke des Epithels durchdrungen haben. Die Kerne der Bindegewebszellen haben häufig eine langestreckte Form, die sehr an die des Kernes glatter Muskelzellen erinnert. Das Chromatin derselben ist dichter als in den Granulosazellen. In den Bindegewebszügen finden sich zahlreiche Mitosen, meist in der Peripherie des Corpus luteum. Eine Theca interna ist vom Epithel nicht mehr abzugrenzen, immerhin finden sich an der Peripherie des gelben Körpers noch Thecazellen, die sich nach Form, Anordnung und Färbung von den Epithelzellen unterscheiden lassen. In den peripheren Partien des Corpus luteum und auch in dessen Umgebung finden sich mehrfache Ansammlungen von freiem Blut. 5. Corpus luteum 44! Stunden post coitum. Hier haben die Bindegewebssprossen bereits die ganze Dicke der Epithelschicht durchwachsen und sind an dem Reste der Follikelflüssigkeit angelangt. Die Theca internaist in diesem Stadium völlig verschwunden, 1.34 Franz Cohn: auch von einer Basalmembran ist natürlich nichts mehr nachzu- weisen. Die Epithelzellen, deren Form hier und da aus einer spindeligen bereits in eine polygonale übergeht, haben ein helles Protoplasma, das eine wabige Struktur erkennen lässt, bedingt durch Einlagerung feinster tropfenförmiger (rebilde in den Zellkörper. Die Kerne enthalten neben einem äusserst fein verteilten Chromatingerüst 1—2 Kernkörperchen. Mitosen sind im Epithel nicht zu beobachten; da- gegen fanden sich im Bindegewebe einige Kern- teilungsfiguren. Ausser unregelmässigen Haufen roter Blutkörperchen, die sich zwischen den Epithelien vorfanden, waren an einigen Stellen Reihen von roten Blutkörperchen zu beobachten, deren Längs- richtung radial zum Corpus luteum stand. Es machte den Ein- druck, als ob sie sich in geschlossenen Bahnen bewegten. Zwar waren diese Reihen meist von Bindegewebszügen umgeben, das Vorhandensein einer Capillarwand war indessen nicht sicher festzustellen. 6. Corpus luteum 48! Stunden post coitum. Dieses Corpus luteum zeigt im wesentlichen dieselben Ver- hältnisse wie das vorhergehende Stadium. Auch hier ist die Theca interna völlig verschwunden. Das Bindegewebe, dessen Kerne gegenüber den hellen Luteinzellenkernen besonders bei der Heidenhain’schen Färbung ganz dunkel erscheinen, ist bis zum Reste der Follikelflüssigkeit vorgedrungen und zeigt einige mitotische Teilungen. Die Bindegewebskerne haben häufig eine sehr langgestreckte Gestalt; andere sind klein und weniger gestreckt. Die Epithelzellen haben ein feinwabig strukturiertes Proto- plasma und helle, bläschenförmige Kerne mit fein verteiltem Chromatin und einem oder zwei grösseren Kernkörperchen. Die Grösse der Epithelzellen hat etwas zugenommen. Auch in diesem Corpus luteum findet sich, besonders an der Peripherie, viel freies Blut. An der Sprungstelle ragt noch ein grosser, stark mit Blut durchsetzter Propf hervor. Der Rest der Follikelflüssigkeit nimmt nur noch einen geringen Raum ein. ?. Corpus luteum 68 Stunden post coitum. (Textfig. 4). In diesem Stadium tritt neben einer weiter fortge- schrittenen Hypertrophie der Epithelzellen nament- Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 755 lich eine enorme Zunahme der Bindegewebswuche- rung hervor. Das Bindegewebe durchzieht in zahlreichen Sprossen, die sich auf weite Strecken hin verfolgen lassen, das Epithel von der überaus gefässreichen Theca externa an bis zu Fig. 4. Corpus luteum des Kaninchens 68 Stunden post coitum. Vergr. 225 mal. Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. dem jetzt sehr spärlichen Reste der Follikelflüssigkeit hin. Die Bindegewebszüge breiten sich nunmehr nicht allein in radiärer Richtung aus, sondern entsenden seitliche Ausläufer, die benach- barte und parallele Züge miteinander verbinden. So werden die Epithelzellen in kleinere Gruppen geteilt, die all- seitig von Bindegewebe umgeben sind. An vielen Stellen erscheinen die Bindegewebssprossen in Form zweier parallel laufender, eng nebeneinander liegender Zellzüge; sie lassen nur einen schmalen Hohlraum zwischen sich, in dem von Zeit zu Zeit rote Blutkörperchen aufzufinden sind. Verfolgt man derartige Hohl- räume bis an die Peripherie des Corpus luteum, so sieht man an einigen Orten, dass sie in Gefässe der Theca einmünden. Sie erweisen sich somit als zweifellose Kapillaren (s. Fig. 1, Taf. XXX). 756 Franz Cohn: Das Bindegewebe zeigt mehrfache Mitosen, im Epithel sind keine Kernteilungsfiguren aufzufinden. Das Protoplasma der Epithelzellen ist heller als früher gefärbt und zeigt eine feinschaumige Struktur, die von der Einlagerung zahlreicher Vakuolen herrührt!). Anzahl und Grösse der letzteren hat gegen das vorige Stadium bereits etwas zugenommen. Die Kerne der Granulosazellen sind bläschen- förmig und hell, das Chromatin ist äusserst fein verteilt, Kern- körperchen sind sichtbar. 8. Corpus luteum 5 Tage post coitum. (Textfig. 5). Fig. 5. Corpus luteum des Kaninchens 5 Tage post coitum. Vergr. 225mal. Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. Auf dieser Entwicklungsstufe zeigt das Corpus luteum, ab- gesehen von einer noch deutlichen radiären Anordnung seiner Elemente, bereits seine spezifische Struktur. Die Epithel- zellen, deren Grösse noch mehr;izugenommen hat, haben eine !) Unter Vakuolen verstehe ich die in dem protoplasmatischen Maschenwerk gelegenen helleren Räume, deren mehr oder weniger flüssiger Inhalt durch die Behandlung der Präparate teilweise entfernt ist. Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. (57 polygonale Gestalt angenommen. Ihr Protoplasma ist hell und besitzt, besonders in den peripheren Teilen, eine grosswabige Struktur; die Vakuolen haben sich sichtlich vergrössert. Das Bindegewebe ist ausserordentlich reichlich entwickelt und umschliesst einzelne Luteinzellen oder kleine Gruppen von 2 oder 3 solcher Zellen allseitig.. An zahlreichen Stellen umgiebt das Bindegewebe kapilläre Räume, die mit roten Blut- körperchen erfüllt sind. Besonders deutlich treten diese Ver- hältnisse nach der Färbung von Heidenhain, der Mallory- schen Bindegewebsfärbung und der Methode von Plessen und Rabinovicz hervor. 9. Aeltere Corpora lutea. Ältere Stadien von 8, 13 und ungefähr 15 Tagen post coitum zeigen ausser der jetzt vorhandenen unregelmässigen An- ordnung der Luteinzellen keine Änderung im Bau des Corpus luteum mehr. Die Hypertrophie der Luteinzellen hat am 8. Tage ihren Höhepunkt erreicht (Textfig.6). Auch Fig.6. Corpus luteum des Kaninchens 8 Tage post coitum. Vergr. 225mal Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. die Vaskularisation hat eine beträchtliche Aus- bildung-erlangt (s. Fig. 4, Taf. XXXI). An 13 und 15 Tagen alten gelben Körpern liess sich keine Veränderung des 158 Franz Cohn: Zellvolumens mehr konstatieren; hingegen zeigte ein Corpus luteum, das einen Tag nach Ablauf der Gravidität fixiert wurde, bereits eine Abnahme der Zellgrösse (Textfig. 7). - Fig. 7. Corpus luteum des Kaninchens 1 Tag nach Ende der Gravidität. Vergr. 225 mal. Epithelkerne punktiert, Bindegewebskerne schraffiert. An allen ausgebildeten gelben Körpern liess sich die feine Verteilung "des Chromatins in’ den Kernen der Luteinzellen sowie die schaumige Struktur des Protoplasmas beobachten. Die Zahl und Grösse der Zelleinschlüsse hatte gegen das 5 Tage alte Stadium zugenommen. Besonders instruktiv zeigte ein nach Plessen und Rabinovicz gefärbtes Präparat eines 15 Tage alten Corpus luteum diesen maschigen Bau des Protoplasmas (s. Fig. 2, Taf. XXXJ). Zur besseren Veranschaulichung der progressiven Volum- zunahme der Luteinzellen gebe ich nachstehend eine Zusammen- stellung der Zellgrössen in den verschiedenen Altersstadien. Es wurden an Zeichnungen, die mittels des Abbe’schen Zeichenprismas unter 550 facher Vergrösserung Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum ete. 759 hergestellt wurden und als Textfiguren 1—7 auf die Hälfte ver- kleinert abgebildet sind, eine grössere Anzahl von Luteinzellen gemessen und daraus das arithmetische Mittel berechnet. Am deutlichsten spricht sich die gewaltige Grössenzunahme in den- gefundenen Maximalwerten aus, die in der rechts stehenden Kolumne angegeben sind. Tabelle der Zellgrössen der Luteinzellen. Alter des Durchschnittliche Maximale Corpus luteum | Länge Breite Länge Breite 20%/ Stunden. . 27,6 6,9 34,5 9,0 42 & Br 25,9 9,6 38,1 14,5 68 ER BEN) 14,7 |» 45,4 21,8 Hr Fageyiisyr 33,6 22,3 454 .| 345 Bing, “m 35,4 26,8; |, -Aglanı|ı 413455 ER NTE pe 33,6 240 | 40,0 34,5 An dieser Volumzunahme der Luteinzellen ist fast aus- schliesslich das Protoplasma derselben beteiligt, während sich die Grösse der Kerne in den verschiedenen Stadien nicht wesent- lich ändert. Nur unmittelbar nach dem Follikelsprunge tritt, wie schon oben erwähnt, eine bemerkenswerte Grössenzunahme der Epithelkerne ein, sodass sie in einem Corpus luteum von 20'/s Stunden post coitum fast die doppelte Grösse der Granulosa- kerne im sprungreifen Follikel besitzen. Aus der obigen Tabelle geht hervor, dass das Maximum in der Hypertrophie der Luteinzellen ungefähr am 8. Tage der Gravidität erreicht ist, also ungefähr mit dem Zeitpunkte der Ei-Insertion zusammenfällt, der beim Kaninchen auf den 7. bis 8. Tag nach dem Coitus zu verlegen ist. Hand in Hand mit dieser Volumsvergrösserung, und zweifellos als ursächliches Moment derselben anzusehen, geht die Entwicklung von Vakuolen im Protoplasma, die zur Entstehung des wabigen Baues des letzteren führt. Diese Ver- änderung innerhalb des Zellleibes ist wohl identisch mit der „fettigen Infiltration“ der Luteinzellen, welche von anderen Autoren beschrieben und als Zeichen eines beginnenden Zerfalls dieser Elemente gedeutet wird. Da von sonstigen Degenerations- 760 Franz Cohn: erscheinungen im Corpus luteum nichts zu entdecken ist, eine Involution des gelben Körpers vielmehr erst nach Beendigung der Gravidität und auch dann, wenigstens beim Kaninchen, recht langsam einsetzt, so ist wohl die Annahme berechtigt, dass es sich bei diesen Einlagerungen nicht um Zeichen einer fettigen Degeneration der Luteinzellen, sondern um Protoplasmaprodukte sekretartiger Natur handelt. Allerdings ist dieses Sekret dem Fette wohl ähnlich, da es durch fettlösende Medien anscheinend aus den Zellen entfernt wird. Auch schwärzt es sich mit Osmium- säure, indem ein in Flemming’scher Lösung fixiertes Ovarıum eine äusserst intensive Schwarzfärbung der 5 Tage alten Corpora lutea aufwies. Bei starker Vergrösserung stellte sich heraus, dass diese Schwärzung der Zellen bedingt wurde durch zahlreiche, vollkommen schwarz gefärbte Tröpfchen von sehr variabler Grösse, zumeist innerhalb der Lutein- zellen (Textfig. 8A). Auch in den Zellen des interstitiellen Gewebes (Textfig. SB) finden sich solche schwarz gefärbte Tröpfehen, aber weitaus kleiner und in feiner Verteilung, sodass das interstitielle Gewebe wie bestäubt aussieht. Fig. 8. Durch Osmiumsäure schwarz gefärbte Zelleinschlüsse. A.: in drei Luteinzellen. B.: in drei Zellen des interstitiellen Gewebes. Vergr. 300 x. Sehr eigenartige, von den geschwärzten Tröpf- chen in dem soeben erwähnten ÖOsmiumpräparat durchaus verschiedene Zelleinschlüsse zeigten Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 761 Präparate eines Corpus luteum von S Tagen post coitum nach Färbung mittels der Plessen-Rabi- novicz’schen Hämatoxylinmethode (s. Fig. 3, Taf. XXX). Während alle übrigen Teile des Ovariums durch die Differen- zierungsflüssigkeit vollkommen oder fast ganz entfärbt waren, war dasProtoplasma der Luteinzellen durch zahllose schwarzblaue Einlagerungen tief dunkel gefärbt. Diese Zelleinschlüsse von sehr verschiedener Grösse, doch meist kugeliger Form zeigten bei starker Vergrösserung eine ganz eigenartige Anordnung. Bei ausgiebiger Benutzung der Mikrometerschraube liess sich nämlich feststellen, dass um einen nur leicht blau gefärbten Inhaltskörper sich kapselartig eine blauschwarz gefärbte Masse lagerte, die sich ihrerseits wiederum aus grösseren und kleineren Körnern zusammengesetzt erwies. Es erscheint zweifellos, dass der hellere Inhaltskörper dieser Protoplasmaeinschlüsse den in den vorher erwähnten Präparaten durch Osmiumsäure schwarz gefärbten Tröpfchen entspricht, während die kapselartige körnige Aussenschicht an den Osmium- präparaten nicht zur Darstellung kam (vergl. Fig. 3, Taf. XXXI mit Textfig. SA). Ob diese kapselartige Hülle, die eine ganz andere chemische Reaktion giebt als der helle Inhaltskörper, zu letzterem in genetischer Beziehung steht, ob sie vielleicht eine Vorstufe desselben ist oder ein von diesem unabhängiges Proto- plasmaprodukt darstellt, vermagich vor der Hand nicht zu entscheiden. Die genannten Zelleinschlüsse liegen meist in der Peripherie des Zellkörpers und lassen in der Umgebung des Kerns eine heller gefärbte, nur mit feinsten schwarzen Granulis erfüllte Protoplasma- anhäufung frei. Auch bei anderen Stadien und nach Anwendung sämtlicher Färbemethoden zeigt sich die Erscheinung, dass die Umgebung des Kernes von dichterem, gleichmässig tingiertem Protoplasma gebildet wird, während die peripheren Teile des Zellkörpers von äusserst zahlreichen kleinen Vakuolen durchsetzt sind. Ein besonders schönes Bild der hierdurch entstehenden Protoplasmastruktur gab ein bereits erwähntes, nach Plessen und Rabinovicz gefärbtes Corpus luteum von ca. 15 Tagen Alter. Hier zeigten die Zellkörper der Luteinzellen ein ziemlich weit- maschiges, schwarz gefärbtes Wabenwerk auf hellem Grunde (Fig. 2, Taf. XXXIJ). 762 Franz Cohn: Sekretartige Gebilde innerhalb der Luteinzellen sind in jüngster Zeit auch von Regaud und Policard (14, 15) mittels der Weigert’schen Färbemethode in Form von sehr kleinen, tröpfehenförmigen Einlagerungen der Epithelzellen im Corpus luteum des Igels, der Ratte, des Meerschweinchens und des Kaninchens nachgewiesen worden. Diese Autoren heben ausdrück- lich hervor: „Ces gouttelettes sont differentes de la petite quantit© de graisse qu’on peut aussi y deceler par l’acide osmique.“ Vielleicht entsprechen diese Tröpfchen unseren mit der Plessen- Rabinoviez’schen Methode intensiv dunkel gefärbten Körnchen, die um die grösseren mit Osmiumsäure sich schwärzenden Sekret- tropfen in meinen Präparaten herumgelagert sind. Eine Tatsache, die ebenfalls zu der sek schen Funktion Hr Luteinzellen in Beziehung gebracht werden kann, ist die überaus feine Ver- teilung des Uhromatins in den Kernen derselben, die auch von anderen Autoren vermerkt wird. Während die Epithelkerne im sprungreifen Follikel noch ziemlich dunkel erscheinen, gewinnen sie während der Ausbildung des Corpus luteum eine auffallende Helligkeit. Schon früher haben Born (1) und Rückert (16) und im Anschluss an diese auch Peter (12) an anderen Zellen derartige Veränderungen des Kernes beobachtet und auf eine etwaige Beziehung zwischen feiner Chromatinver- teilung und sekretorischer Funktion der Zellen hingewiesen. Als den Weg, auf dem die gebildeten Sekrete aus dem Corpus luteum dem Körper zugeführt werden, sah Born das im Innern derselben befindliche, reich entwickelte Ka- pillarnetz an. Wie oben erwähnt, ist die Entwicklung der Kapillaren im Corpus luteum zuerst in einem Stadium von 68 Stunden post coitum zn beobachten. Am 5. Tage nach dem Coitus sind die Kapillaren bereits recht zahlreich geworden und am 8. Tage post coitum lässt sich eine weitere Zunahme der Vaskularisation konstatieren. Die Kapillaren bilden ein ziemlich enges Netz, das einzelne Luteinzellen oder kleine Gruppen von solchen umschliesst (s. Fig. 4, Taf. XXXD. Der Höhepunkt in der Ausbildung des Kapillarnetzes fällt also ungefähr mit dem Zeitpunkte der Ei-Insertion und mit dem Maximum der Hypertrophie der Luteinzellen zusammen. Eine derartige ausgiebige Entwicklung der Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 163 Blutbahnen legt es an und für sich nahe, dass wir es nicht nur mit einer Ernährungsvorrichtung zu tun haben, sondern dass nach Analogie von Drüsen mit innerer Sekretion (hierüber vergl. weiter unten) diese Bahnen auch zugleich als sekretabführende Wege dienen.') Ein Versuch, mittels der von Holmgren angegebenen Methode sogenannte „Trophospongien“, im Corpus luteum nach- zuweisen, wie sie der genannte Autor an den verschiedensten Drüsenzellen dargestellt hat, führte zu keinem Resultate. Was die Ähnlichkeit des Corpus luteum mit anderen Drüsen innerer Sekretion betrifft, die auch Limon (8) hervorhebt, so ist diese nach meinen Präparaten nicht so gross, als man nach den Abbildungen Sobottas No.9, 10 und 11 annehmen könnte, und wie auch Born auf Grund dieser Bilder angenommen hat. Die Sobotta’schen Bilder sind gelben Körpern von 70 und 96 Stunden und S Tagen post coitum entnommen und zeigen relativ weite, von flachen Zellen ausgekleidete Hohlräume. Meine Präparate aus den entsprechenden Entwicklungsstadien zeigen keine solche weiten Bluträume, etwa nach Art derer, wie sie für die von Schaper (17) beschriebenen Glandulae parathyreoideae und auch für die Nebenniere so charakterisch sind, und die von Schaper zuerst als „lakunäre Kapillaren“, später von Minot (11) als „Sinusoids“ bezeichnet worden sind. Das eigentümliche dieser lakunären Kapillaren liegt vor allem in der unmittelbaren An- lagerung der von Endothel ausgekleideten Bluträume an die Drüsensubstanz ohne Zwischenlagerung irgend welchen Binde- gewebes. Die Corpora lutea weisen im Gegensatz hierzu relativ enge Kapillaren auf, die fast überall, wie besonders die Mallory’sche Bindegewebsfärbung zeigt, durch eine, wenn auch sehr geringe Bindegewebsschicht von der Umgebung abgesetzt sind. Nur gegen die Peripherie des Corpus luteum hin liessen sich hier und da etwas weitere Kapillaren nachweisen, die aber vielleicht schon als Übergänge in das venöse System zu betrachten sind. Die Mehrzahl der Kapillaren im Corpus luteum !) Dieser Blutreichtum des Corpus luteum steht ausserdem im Gegen- satz zu der Annahme, dass es sich um ein in diesem Entwicklungsstadium schon degenerierendes Gewebe handelt. 764 Franz Cohn: besitzt nur die Weite des Durchmessers eines roten Blutkörperchens. Erst an alten gelben Körpern nach Ablauf der Gravidität sehe ich hier und da weite, von einem flachen Endothel ausgekleidete Räume im Innern des Corpus luteum auftreten, die mehr an das Aussehen der kapillären Sinusse erinnern. Die Resorption der alten Corpora lutea geht beim Kaninchen ziemlich langsam vor sich. An graviden Kaninchen waren nicht nur die noch sehr grossen Corpora lutea der eben abgelaufenen Gravidität, sondern auch diejenigen der vorletzten Trächtigkeit sichtbar. Letztere hatten nicht mehr die Kugelform der gelben Körper der jüngeren Generation, sondern besassen die Gestalt eines Keils, dessen Spitze nach dem Hilus des Ovariums zu gerichtet ist. Sie fielen durch ihre sehr helle Färbung auf und zeigten im wesentlichen die gleiche Anordnung der Elemente wie in den jüngeren Organen. Die Luteinzellen hatten an Umfang stark abgenommen und besassen ungefähr die (Grösse der interstitiellen Zellen des Ovariums, die von den Luteinzellen auf der Höhe ihrer Ausbildung wesentlich über- troffen wird. Die Kapillaren waren durch ein dichtes Bindegewebsnetz ersetzt. Noch ältere Stadien von gelben Körpern habe ich nicht zu Gesicht bekommen, ebensowenig narbige, rein bindegewebige Bildungen, wie sie als Corpora albicantia beschrieben werden. Auch habe ich nicht konstatieren können, dass die alten Corpora lutea in das interstitielle Ovarıumgewebe mit einbezogen werden. Das eigenartige interstitielle Gewebe des Ovariums, dessen Ähnlichkeit mit dem Luteingewebe besonders beim Hasen und Kaninchen hervorgehoben wird, zeigt immerhin einige wesentliche Unterschiede von diesem. Erstens wird die Grösse der interstitiellen Zellen von den Luteinzellen im ausgebildeten, also ca. 3 Tage alten Corpus luteum bedeutend übertroffen (vergl. Fig.4 u.5, Taf.XXXJD). Ferner ist die Art der Bindegewebsverteilung ganz anders. Während im Corpus luteum häufig eine einzelne, höchstens aber Gruppen von 2—4 Luteinzellen vom Bindegewebe umsponnen werden, sind im Ovarialstroma bei weitem grössere Gruppen von interstitiellen Zellen durch Bindegewebe zusammen- gefasst. Gegenüber dem grossen Reichtum des gelben Körpers Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 1765 an Kapillaren erscheint die Blutversorgung des interstitiellen Gewebes recht spärlich. Die interstitiellen Zellen zeigen sehr scharfe und häufig gezackte Zellgrenzen, wie sie dieLuteinzellen an den Stellen, an denen sie sich berühren, niemals aufweisen. Auch lässt die Färbung mit phosphorwolframsaurem Hämatoxylin deut- liche Unterschiede in den Farbennuancen hervortreten. Das Protoplasma der interstitiellen Zellen zeigt, hauptsächlich in der Peripherie des Zellkörpers, eine wabige Struktur, die durch die Einlagerung kleiner, rundlicher Vakuolen bedingt wird. Das Chromatin der Kerne ist fein verteilt. Diese Befunde müssten, ebenso wie bei den Luteinzellen, zu der Vermutung einer sekretorischen Funktion derinter- stiellen Zellen führen. Inder Tat hat auch Limon(8) den inter- stitiellen Zellen des Ovariums eine derartige Tätigkeit zugesprochen und auch ein dem Fette ähnliches Sekret nachgewiesen, das sich jedoch vom Fett durch seine fast augenblickliche Löslichkeit in Xylol unterscheiden soll. Limon bezeichnet demnach das interstitielle Gewebe als „G«lande interstitielle de l’ovaire“ und stellt die Vermutung auf, dass ihr Sekret, unabhängig von der Ovulation, eine Bedeutung für den Gesamtorganismus haben könne. Die Entstehung des interstitiellen Gewebes führt Limon auf die atretischen Follikel zurück, aus deren bindegewebiger Theca sich die interstitiellen Zellen zunächst nur durch Änderung ihrer Anordnung ausbilden, während die weitere Differenzierung erst nach der „ÖOrganogenese der interstitiellen Drüse“ eintritt. Um mich über diese Verhältnisse zu unterrichten, unter- suchte ich die Ovarien eines jungen, noch nicht ge- schlechtsreifen Kaninchens von 2 Monaten. Die Ovarien waren sehr reich an Primärfollikeln und zeigten auch eine grosse Menge in Atresie befindlicher Follikel. Das inter- stitielle Gewebe war schon in zahlreichen schmalen Zügen vorhanden, die sich in radiärer Richtung vom Zentrum des Eierstocks zwischen den Follikeln hindurch nach der Ober- fläche des Ovariums zu erstreckten. Das Vorhandensein von interstitiellen Zellen in einem Alter (2 Monate), wo von einer Ovulation noch kaum die Rede sein kann und auch tatsächlich weder geplatzte Follikel noch Corpora lutea vorhanden waren, lässt eine genetische Beziehung der Stromazellen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. #2. 49 766 Franz Cohn: zu den Luteinzellen völlig ausgeschlossen er- scheinen. In den Övarien dieses jungen Tieres haben die interstitiellen Zellen grosse Ähnlichkeit sowohl mit den ent- sprechenden Zellen in den Eierstöcken erwachsener Tiere als auch mit der stark gewucherten bindegewebigen Theca atresieren- der Follikel, in die sie häufig ohne jede Abgrenzung übergehen. In den Ovarien eines 5—6 Monate alten Kanin- chens, das noch ziemlich klein war und nie trächtig gewesen sein soll, finden sich ausser sehr zahlreichen Primärfollikeln und einigen atretischen Follikeln schon völlig ausgebildete Corpora jutea. Letztere unterscheiden sich durch die Grösse der Lutein- zellen und die übrigen bereits angeführten Merkmale scharf von dem interstitiellen Gewebe, das gegen das 2 Monate alte Stadium übrigens stark vermehrt ist. Dagegen ist die Ähnlichkeit des interstitiellen Gewebes mit der gewucherten Theca atretischer Follikel so gross, dass an Stellen, wo eine bindegewebige Scheidung durch Reste der äussersten, lamellösen Thecalage nicht mehr vorhanden ist, das interstitielle Gewebe ohne scharfe Grenze in den atretischen Follikel über- geht (s. Fig. 6, Taf. XXXJ). Zur Herleitung des interstitiellen Gewebes von atretischen Follikeln möchte ich noch einen weiteren Befund erwähnen, den ich an fast allen Ovarien, auch an denen des 2 Monate alten Tieres, erheben konnte. An der Peripherie des Eierstocks sind in vielen Schnitten, in manchen sogar in mehrfacher Zahl, hyaline Körper von rundlicher Form und unregelmässigem Umriss sichtbar (s. Fig. 7, Taf. XXXJ). Sie liegen in freien, manchmal auch von platten Zellen ausgekleideten Räumen, die sie nicht ganz aus- füllen. Diese Räume mit ihren hyalinen Körpern sind allseitig von interstitiellem Gewebe umgeben, das häufig eine konzen- trische Anordnung um sie zeigt. Die hyalinen Gebilde färben sich mit der Mallory’schen Bindegewebsfärbung leuchtend blau, nach den Methoden von Heidenhain und Plessen-Rabino- vicz schwarz, mit Eosin rot. In der Literatur finde ich nirgends eine ähnliche Beobachtung. Dass diese Gebilde nur zufällige Gerinnsel seien, macht ihr überaus häufiges, fast konstantes Auftreten unwahrscheinlich. Ich möchte auf die Möglich- keit hinweisen, dass es sich hier um die letzten Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 767 Reste atretischer Follikel handelt, in welchen die nach Mallory blaugefärbten hyalinen Körper die Residuen der Zona pellucida darstellen,!) während die Thecazellen sich schon völlig zu interstitiellem (Gewebe umgewandelt haben. Der Vergleich eines solchen hyalinen Körpers (Fig. 7, Taf. XXXI) und seiner Umgebung mit einem atretischen Follikel (Fig. 6, Taf. XXXI) wird am besten die Ähnlichkeit beider Gebilde anschaulich machen. Ein Argument war für Born bei Aufstellung seiner Theorie auch die Tatsache, dass bei Tieren, deren Eier ausserhalb des Uterus zur Entwicklung kommen, ein Corpus luteum entweder ganz fehlt oder nur eine geringe Ausbildung erlangt. Ich unter- suchte deshalb vier Stadien von gelben Körpern von Lacerta agilis. Die Ovarien, die ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Privatdozenten Dr. Peter verdanke, waren in Tellyesniczky- scher Flüssigkeit fixiert; die dazu gehörenden Eier befanden sich im Stadium der Befruchtung, in dem der groben Furchung, im fort- geschrittenen Gastrulationsstadium, während zu dem 4. Ovarium schon Embryonen mit 10 Urwirbeln vorhanden waren. Im Befruchtungsstadium enthielt das Ovarium 6 Corpora lutea von langgestreckter Form mit spaltförmiger Rissöffnung, die sich fast über die ganze Länge des gelben Körpers erstreckt. Dieser ist 0,4 cm lang und 0,15 cm breit. Im Stadium der groben Furchung finden sich drei Corpora lutea, deren grösste Dimension 0,3 cm beträgt. Das eine Corpus luteum ist länglich mit spaltförmiger Sprungstelle, die beiden anderen haben eine rundliche Form und eine kleine, grübchen- förmige Rissöffnung. Im Gastrulationsstadium haben die Corpora lutea eine läng- liche Gestalt; ihr Längsdurchmesser beträgt 0,2 cm, ihre Breite Onlecm%, ; Im Stadium von 10 Urwirbeln sind die Corpora lutea schon sehr klein; ihre Form ist rundlich, die Rissöffnung klein und grübchenförmig. Der grösste Durchmesser der Corpora lutea beträgt nur noch 0,1 cm. Dieser schon makroskopisch wahrnehmbare Schwund der Corpora lutea wird durch die mikros- !) Auch in normalen Follikeln ist die Zona pellucida des Eies bei Mallory’scher Bindegewebsfärbung stets intensiv blau gefärbt. 49* 765 Franz Cohn: kopische Betrachtung bestätigt. Man sieht, wie von Stadium zu Stadium die Epithelzellen enger zu- sammengedrängt werden. Eine Einwucherung von Binde- gewebe ins Corpus luteum konnte ich nicht beobachten. Auf- fallend war der Gefässreichtum der Theca. Wie sich der Prozess weiter gestaltet, konnte ich nicht untersuchen, da mir noch ältere Stadien fehlten. Indessen finde ich bei Mingazzini (10) auch nur dieselben Bilder von Lacerta, die ich beobachten konnte. Eine Figur eines Corpus luteum von Elaphis zeigt allerdings bei Mingazzini ein Einwachsen von Bindegewebe. Endlich möchte ich noch auf das biologische Interesse der Tatsache hinweisen, dass, die Richtig- keit der Born’schen Theorie vorausgesetzt, im er- wachsenen Organismus sich eine Drüse in kurzer Zeit und zwar periodisch bildet Vielleicht kann man sich die Funktion dieses Organs im Gegensatz zu der wohl ständig secernierenden interstitiellen Drüse so denken, dass ersteres periodisch funktioniert, während letztere die dauernden Ein- wirkungen des Eierstocks auf den Organismus bedingt, die sich in den somatischen Geschlechtscharakteren äussern und als Negativ vielleicht in den Ausfallserscheinungen nach doppelseitigen Ovario- tomieen zu Tage treten. Für das Corpus luteum ist eine in gewissem Sinne periodische Wirkung durch die experimentelle Prüfung der Born’schen Theorie zum mindesten wahrscheinlich gemacht. Zum Schluss möchte ich Herrn Professor Dr. Schaper meinen wärmsten Dank aussprechen für seine rege Anteilnahme an meiner Arbeit und die vielfache Unterstützung, die er mir zuteil werden liess. Zusammenfassung der Resultate. l. Die Luteinzellen entstehen, übereinstimmend mit den Befunden Sobottas u. a., aus den Epithelzellen der Membrana granulosa und zwar durch Hypertrophie, nicht durch Hyperplasie derselben. Die Hypertrophie wird im wesentlichen durch Zunahme des Protoplasmas bedingt; nur unmittelbar nach dem Follikelsprunge ist Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum etc. 769 eine Vergrösserung der Zellkerne auf ungefähr das Doppelte zu konstatieren. Die Hypertrophie der Luteinzellen erreicht ihr Maximum ungefähr am 8. Tage post coitum und fällt mit dem Zeitpunkte der Ei-Insertion im Uterus zusammen. 3. Die Zunahme des Protoplasmaleibes der Luteinzellen wird in erster Linie durch Einlagerung von Sekret- tröpfehen bedingt, die hauptsächlich in den peripheren Teilen der Zelle in Erscheinung treten. Sie schwärzen sich mit Osmiumsäure und zeigen mittels der Plessen- Rabinovicz’schen Färbungsmethode eine aus tief- schwarzen Körnchen bestehende Randzone. 4. Die aus der Theca folliculi entstehenden und in das Corpus luteum hineinwuchernden Bindegewebssprossen wandeln sich zu relativ weiten Kapillaren um, die mit den Gefässen der Theca kommunizieren und in Form eines dichten Netzwerkes die Masse der Luteinzellen durchsetzen. Das Kapillarnetz ist zur Zeit der Ei-Insertion völlig ausgebildet. 5. Die mikroskopischen Befunde stehen im Einklange mit der Born’schen Theorie, dass das Corpus luteum eine Drüse mit innerer Sekretion sei. 6. Das interstitielle Ovarialgewebe unterscheidet sich vom Luteingewebe durch die geringere Grösse seiner zelligen Elemente und durch die weit geringere Dichte seines Kapillarnetzes. Der Bau der interstitiellen Zellen weist ebenfalls auf eine sekretorische Funktion derselben hin, wenngleich die darin enthaltenen Sekrettröpfehen weit kleiner und spärlicher als in den Luteinzellen sind. 7. Das interstitielle Gewebe entsteht aus der gewucherten Theca atretischer Follikel. Breslau, im April 1903. D Literatur. 1. Born, G.: Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. Archiv f. mikrosk. Anat., Bd. 43. 2. Bühler: Entwicklungsstadien menschlicher Corpora lutea. Verhandl. d. anat. Gesellsch. auf d. 14. Vers. in Pavia, 1900. S 10. u 0 Franz Cohn: . Ciaccio: Comunicazione sopra i canalicule di secrezione nelle capsule soprarenali. Anat. Anz. 22, 1903. . Doering: Beitrag zur Streitfrage über die Bildung des Corpus luteum. Anat. Anz. 16, 1899. .Fraenkel, L. u. Cohn, Fr.: Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss des Corpus luteum auf die Insertion des Eies. (Theorie von Born). Anat. Anz. 20, 1901. . Honor&, Ch.: Recherches sur l’ovaire du lapin. II. Recherches sur la formation du corps jaune. Arch. de Biol. 16. .v. Koelliker, A.: Über Corpora lutea atretica bei Säugetieren. Verh. d. anat. Gesellsch. in Kiel, 1898. . Limon, M.: Etude histologique et histogenique de la Glande inter- stitielle de l’ovaire. Arch. d’Anat. micr. 5. . Mallory, F.B.: A contribution to staining methods. I. A differential staining for connective tissue, fibrillae and reticulum. Journ. of Exper. Med. 5, 1900. Ref. Zeitschr. wiss. Mikr. 18, 1901. Mingazzini, P.: Corpi lutei veri e falsi dei Rittili. Ricerche fatte nel labor. di anat. norm. della R. univers. di Roma, 3, 1893. Minot, Ch. S.: On a hitherto unrecognized form of blood circulation without capillaries in the organs of vertebrata. Proceedings of the Boston Society of Natural History. Vol. 29, 1900. 2. Peter, K.: Über die Bedeutung der Nährzellen im Hoden. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 53, 1898. . Plessenu.Rabinovicz: Die Kopfnerven von Salamandra maculata. München 1891. Ref. Zeitschr. f. wiss. Mikr. 8, 1891. . Regaud et Policard: Phenome£nes secretoires, formations ergasto- plasmiques et participation du noyau ä la secretion dans les cellules des corps jaunes chez le herisson. Comptes rend. des s&eances de la Soc. de Biol. 1901. 5. Dieselben: Notes histologiques sur l’ovaire des mammiferes. Ass. des Anatom. 1901. . Rückert: Zur Entwicklungsgeschichte des Ovarialeies bei Selachiern. Anat. Anz., 7, 1892. . Schaper, A.: Über die sogenannten Epithelkörper (Glandulae para- thyreoideae) in der seitlichen Nachbarschaft der Schilddrüse und der Umgebung der Arteria carotis der Säuger und des Menschen. Arch. f. mikr. Anat., 44, 1895. . Sobotta, J.: Über die Bildung des Corpus luteum bei der Maus. Arch. f. mikr. Anat., 47, 1896. 9. Derselbe: Über die Bildung des Corpus luteum beim Kaninchen. 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Derselbe: La ponte ovarique et l’histogenöse du corps jaune: Bulletin de l’Acad. royale de med, de Belgique. Bruxelles 1901. . Derselbe: Une anomalie interessante de formation de corps jaune. Annales de la soc. de Med. de Gand. 1901. Nachtrag. Zwei Arbeiten: Bouin, P.: Les deux glandes & secretion interne de l’ovaire: la glande interstitielle et le corps jaune. Rev. med. de l’Est, 1902. Montouro, F.: Sulle cellule midollari dell’ ovago del coniglio. Archivio Italiono di Anat. e di Embriol. Vol. II, Fasc. 1, 1903, von denen ich während des Drucks erfuhr, waren mir leider nicht zugänglich. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI Fig. 1. Corpus luteum des Kaninchens 68 Std. post coitum. Färbung nach Plessen und Rabinoviez. Zeiss Obj. DD, Oec. 1. Zeichentisch in der Höhe des Objekttisches. Aus einem Gefäss der Theca entspringt eine Kapillare, die sich weit in das Corpus luteum verfolgen lässt. Fig. 2. Corpus luteum des Kaninchens ca. 15 Tage post coitum. Färbung nach Plessen und Rabinovicz. Zeiss Öl-Imm. !/ı2, Oc. 2. Zeichentisch in der Höhe des Objekttisches. Das Protoplasma der Luteinzellen zeigt eine maschige Struktur, bedingt durch Einlagerung zahlreicher Vakuolen. Das Chromatin der Kerne ist fein verteilt. Rechts oben eine Kapillare. ‚Fig. 3. Corpus luteum des Kaninchens 8 Tage post coitum. Färbung nach Plessen und Rabinoviez. Zeiss Öl-Imm. !ı2, Oe. 2. Zeichentisch in der Höhe des Objekttisches. Das Protoplasma der Luteinzellen enthält zahlreiche, schwach gefärbte, tröpfehenförmige Einlagerungen (Sekrettröpfchen), die von einem Kranze intensiv schwarz gefärbter Körnchen um- geben sind. Fig. 4. Corpus luteum des Kaninchens 8 Tage post coitum. Färbung mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain. Zeiss Obj. DD, Oe. 2. Zeichentisch in der Höhe des Objekttisches. Die Luteinzellen sind in kleinen Gruppen von einem Kapillar- netze umflochten. —| | DD Fig. Fig. Franz Cohn: Interstitielles Ovarialgewebe des Kaninchens. Färbung nach Plessen und Rabinoviez. Zeiss Obj. DD, Oc. 2. Zeichentisch in der Höhe des Objekttisches. Die interstitiellen Zellen haben scharfe Zellgrenzen und maschige Protoplasmastruktur. Die Vaskularisation ist gering. Atretischer Follikel im Ovarium eines 5—6 Monate alten Kaninchens. Hämatoxylin-Eosin. Zeiss Obj. AA, Oc. 4. Zeichentisch in der Höhe des Öbjekttisches. An der linken Seite und unten geht das interstitielle Gewebe kontinuierlich in die gewucherte Theca des atretischen Follikels über. Interstitielles Ovarialgewebe des Kaninchens. Mallorys Bindegewebsfärbung. Zeiss Obj. AA, Oc. 4. Zeichentisch in der Höhe des Objekttisches. Im interstitiellen Gewebe liegt ein hyaliner Körper. Das interstitielle Gewebe zeigt eine leichte konzentrische Anordnung um denselben. Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin. Beiträge zur Kenntnis der Nebenniere der Knochenfische: Über Bau und Entwicklung der Stannius- schen Körperchen der Lophobranchier. Von Dr. O. V. Srdinko, Privatdozent und Assistent des histologisch-embryo- logischen Instituts der böhmischen Universität in Prag. Hierzu Tafel XXXII und 2 Textfiguren. Auf Anregung des Herrn Geheimrates Prof. Dr. OÖ. Hertwig habe ich den feineren Bau und die Entwicklung des uropoötischen Systems, des Lymphoidgewebes und der Stannius’schen Körperchen der Lophobranchier studiert. Meine Untersuchungen, sofern sie die Stannius’schen Körperchen betreffen, die nebenbei bemerkt, der Corticalsubstanz der Säugetiernebenniere entsprechen, sind bereits soweit fortgeschritten, dass ich in der Lage bin, über nachstehende Resultate zu berichten. Anlass zu diesen Untersuchungen bot namentlich der Umstand, dass ich ausser zwei Mitteilungen von Huot, die ohne nähere Angaben und Abbildungen sind und in embryonaler Beziehung von allen anderen Fischen wesentlich abweichen, in der umfangreichen Literatur über Nebenniere keine Publikation auffinden konnte, die sich mit dieser Gruppe der Knochenfische eingehender be- schäftigte. Das zu meiner Untersuchung erforderliche Material verdanke ich teils der Güte des Herrn Prof. Dr. R. Krause, Prosektor am anatomisch- biologischen Institute zu Berlin, teils dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Prof. Dr. E. Cori, Direktor der k. k. zoologischen Station in Triest; zum Teil aber verschaffte ich mir das Material selbst während meines Aufenthaltes auf der Triester Station, der mir durch die Munifizenz des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht in Wien ermöglicht worden ist. Meine Untersuchungen haben weiterhin die freundliche Unterstützung durch Herrn Dr. H. Poll, Assistent am anatomisch-biologischen Institut in Berlin gefunden und zwar dadurch, dass mir Herr Dr. Poll eine sehr schöne und an Präparaten reiche Sammlung der Nebenniere fast aller Wirbeltier- classen behufs vergleichend-anatomischer und entwicklungsgeschichtlicher Studien und ferner die grosse Literatur über denselben Gegenstand zur Ver- fügung gestellt hat. —1 -1 He O2 VE Sr.damıkdo: Ich erachte es für meine angenehme Pflicht, den genannten Herren meinen besten Dank auszusprechen. Desgleichen bringe ich dem hohen k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien meinen ergebensten Dank für das erteilte Reisestipendium zum Ausdruck, denn nur auf diese Weise sind meine Arbeiten in Triest und Berlin möglich geworden. Gegenstand meiner histologischen Untersuchungen waren erwachsene Exemplare von Syngnathus acus, Siphonostomum typhle und Hippocampus aequoreus:; die Entwicklung der Stannius’schen Körperchen studierte ich dagegen an einer vollständigen Serie (von 9 mm Länge angefangen) von Sipho- nostomum typhle, an jungen Embryonen (3—8 mm Länge) von Hippocampus aequoreus und endlich an einigen Stadien von Syngnathus acus. Bei den erwachsenen Tieren bemühte ich mich, die topo- graphischen Verhältnisse der Stannius’schen Körperchen, ihre Anzahl, Grösse und mikroskopische Struktur festzustellen. Zu dem Zweck habe ich verschiedene Fixierungs- und Färbungs- methoden angewandt: von den untersuchten 8 Exemplaren von Syngnathus wurden 3 in Müller’scher Flüssigkeit, 2 in der Zenker’scher Flüssigkeit und je ein Exemplar in der Hermann- schen Lösung, in Essigsäurealkohol (10 Teile Essigsäure und 90 Teile Alkohol 30°) und in Sublimatlösung konserviert. Von den 3 Exemplaren von Hippocampus fixierte ich eines in der Müller’schen, das zweite in der Zenker’schen Lösung und das dritte in Essigsäurealkohol. Das einzige Exemplar von Siphonostomum typhle war in Zenker’scher Flüssigkeit konserviert worden. Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich auf die genannten drei Gattungen der Lophobranchier. Die topographische Be- stimmung der Stannius’schen Körperchen auf mikroskopischem Wege ist mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden; daher war ich genötigt, eine lückenlose Serie von der ganzen Region der analen Öffnung etwa von der Gegend 5 mm vor der Anal- öffnung bis etwa 3 mm hinter dieser anzufertigen. Es empfiehlt sich dies schon aus dem Grunde, damit man sich davon über- zeugt, ob Teile der Stannius’schen Körperchen nicht etwa in der Umgebung der Hauptkörperchen sich befänden; ferner damit man leichter das Homologon der Medullarelemente auch hier suchen könnte. Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 775 Ecker fand die im Jahre 1839 von Stannius entdeckten Körperchen bei verschiedenen Arten der Knochenfische und führt an, dass sie verschieden gross, von weisslicher Farbe, stellen- weise pigmentiert seien. Ihre Lagerungstätte befindet sich bald auf der dorsalen, bald auf der ventralen Fläche der Niere und zwar in der Mitte der Längsache oder am distalen Ende. Ihre Anzahl soll gleichfalls verschieden sein; sie sind paarig und dabei entweder bilateral symmetrisch (Brachsen, Dorsch, Hecht, Karpfen) oder assymmetrisch, lateralwärts nebeneinander (Pleuronectes), oder auch hintereinander gelegen (Scomber) und mitunter gibt es ihrer mehrere: 3—4 (Brachsen), auch sogar 6 (Lachs). Die Körperchen sind mehr oder weniger in die Nierensubstanz eingelagert, ohne dass sie dabei in einer physiologischen Beziehung zu dieser stehen würden. Hyrtl „hat die von Stannius bei Tinca, Gadus etc. entdeckten und als Nebennieren gedeuteten rundlichen, weissgelb gefärbten Körperchen fast in allen Fischen, die er untersuchte, bemerkt. Sie finden sich nie in dem vorderen Drittel der Niere, meistens an oder auf der hinteren Hälfte, selten in einiger Ent- fernung vom hinteren Ende der Niere, wie bei den Gymnodonten. Sie sind durchgehends paarig (nur bei Diagramma unpaar, zwischen den beiden Harnleiterenden gelegen) selten jedoch in beiden Nieren symmetrisch ....... Sie bestehen ohne Ausnahme aus einer fibrösen Hülle und feinkörnigem Inhalte (Kerne von Lymphkörperchen ?)“ In dem speziellen Abschnitt, in dem Hyrtl die Verhältnisse des uropoötischen Systems und der Stannius’schen Körperchen in den einzelnen Gruppen der Knochenfische schildert, berührt er nicht mit einem einzigen Worte die Stannius’schen Körperchen bei den Lophobranchiern, ebensowenig Vincent und Diamare. A. Bau der Stannius’schen Körperchen. a) Syngnathus acus. Als die zweckmässigste Fixierungsflüssigkeit bewährte sich die Müller’sche Lösung und so beginne ich meine Beschreibung der nach dieser Methode fixierten Präparate. 1. Syngnathus, 32 cm langes Exemplar, konserviert in Müller’scher Flüssigkeit, in Alkohol gehärtet, die Schnitte in Mayers Hämatoxylin gefärbt. Behufs bequemer Übersicht 776 0. V. Sridian)k2o0:: wurden 400 20 u dicke Schnitte angefertigt, deren eine Hälfte der präanalen, deren andere der postanalen Region angehörte. Die Stannius’schen Körperchen fand ich im ganzen in 60 aufeinanderfolgenden Schnitten in der präanalen Region. Dabei erscheint zuerst das Körperchen auf der linken Seite, wenn man von vorn her distalwärts die Schnittreihe durchmustert; das Körperchen ist im ganzen in 39 Schnitten getroffen, sodass wir seine Länge auf 0,73 mm bestimmen können. Das rechte Körperchen erscheint erst im 30. Schnitt mit dem linken Körperchen zusammen und reicht von hier bis zum 60. Schnitt; folglich beträgt die Länge dieses Körperchens 0,72 mm. Ausser diesen 2 Hauptkörperchen befinden sich am distalen Ende des linken Stannius’schen Körperchens 2 kleinere Nebenkörperchen von gleicher Struktur wie jene, von denen das eine medialwärts von dem distalen Ende des Hauptkörperchens in 6 Schnitten ge- troffen ist, also eine Länge von 0,12 mm besitzt, während das andere Nebenkörperchen ventralwärts von dem distalen Ende des Hauptkörperchens gelagert und in 3 Schnitten getroffen, mithin 0,06 mm lang ist. Die Gestalt der Hauptkörperchen ist an Querschnitten kreisförmig oder elliptisch und ihr grösster Durchmesser beträgt 0,6 mm. Daher präsentiert sich das Stannius’sche Körperchen räumlich als mässig oval, wobei seine längere Achse parallel mit der Achse des Körpers verläuft. Die Form der zwei Neben- körperchen ist unregelmässig. Bei der Bestimmung der topographischen Lage der Stannius-Körperchen sind zu berücksichtigen: das Verhalten derselben erstens zu der Medianebene, zweitens zu den W olff- schen Gängen, zur Vene, zur Niere und Harnblase und drittens zu der Analöffnung. Wäs die Entfernung der Körperchen von dieser betrifit, so finden sich bei erwachsenen Tieren die Stannius’schen Körperchen knapp vor der Analöffnung und zwar in der Entfernung von 0,3—1 mm, bei jüngeren Tieren und Embryonen trifft man sie sehr häufig, wie später gezeigt wird, kaudalwärts von der Analöffnung. In Betreff der An- ordnung der Körperchen zur Medianebene des Körpers kann ich bloss soviel sagen, dass ich nur selten die Körperchen bilateral- symmetrisch in der Körperhöhle fand, dass ich ferner grössten- teils bei den erwachsenen, bei den jungen Stadien immer die Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 777 Neigung beider Körperchen beobachtete, sich zusammen auf die rechte Seite der Leibeshöhle zu lagern. Diese Assymmetrie ist bedingt durch die allgemein bekannte Assymmetrie der Lopho- branchier, bei denen beide Nieren einzig und allein an der rechten Vena cardinalis liegen und derart vereinigt sind, dass Huot zu der Ansicht verführt wurde, die Niere der Lopho- branchier sei unpaarig und bloss auf der einen Seite ent- wickelt, die anderseitige Niere aber sei durch ein in der Bauch- höhle um die Aorta herum, und zwar hauptsächlich in der Kaudal- region, gelagertes Lymphoidgewebe ersetzt worden. In der Tat besitzen die Lophobranchier zwei Nieren mit den entsprechenden Wolff’schen Gängen, aber schon bei den Embryonen verwachsen sie und werden durch das sich entwickelnde Lymphoidgewebe auf die rechte Seite verschoben. Demzufolge stehen die Stannius- Körperchen in topographischer Wechselbeziehung zu dem uro- poötischen System; bei Syngnathus sind sie an der vorderen Fläche der vereinigten Nieren, annäherungsweise symmetrisch zur Vene gelagert, welch letztere sich in der Mitte der beiden Nieren befindet; sie liegen weiterhin symmetrisch lateral oder dorsalwärts von den in dieser Gegend aus der Nierensubstanz hervortretenden und in die Harnblase mündenden W olff’schen Gängen. In der Umgebung der Stannius’schen Körperchen finden sich also: dorsalwärts die Niere oder manchmal das Lym- phoidgewebe (das letztere hauptsächlich bei dem linksseitigen Körperchen), medialwärts die Niere oder der W olff’sche Gang, lateral die Leibeswand, ventralwärts ragt das Körperchen ent- weder frei in die Leibeshöhle oder es sitzt dem Wolff’schen Gang oder der Harnblase auf. Die Entfernung der Stannius- schen Körperchen von der Niere ist verschieden; zuweilen um- greifen die Nierenkanälchen den grösseren Teil des Körperchens, als wenn das Körperchen in die Niere eingesenkt wäre; ander- mal ist das Körperchen frei und von der Niere getrennt. Bezüglich der Mikrostruktur kann man an dieser Serie nur einige Verhältnisse beschreiben. Zu Detailstudium eignen sich diese Schnitte wegen ihrer Dicke nicht. Das Körperchen besitzt immer eine verhältnismässig starke bindegewebige Kapsel, von welcher zahlreiche Septa in das Innere des Organs eindringen; sie ziehen manchmal gegen die Mitte des Körperchens hin, meistens aber sind sie unregelmässig verteilt. Mit dem Binde- 77 [0 6) OTVS rd nor gewebe dringen in das Körperchen Gefässe und zwar bald an der lateralen, bald an der medialen Seite ein. Demnach kann man von einem bestimmten Hilus nicht sprechen. Zwischen der Septa lagert sich das eigentliche Gewebe der Körperchen;; dasselbe setzt sich zusammen aus Zellen, welche an den Schnitten zweifache Anordnung erkennen lassen. Einerseits bemerkt man Züge oder Balken von dichtgedrängten Zellen, wobei die Elemente in der Mitte der Balken mehr schütter als an der Oberfläche derselben geordnet sind. In anderen Fällen sind die Zellbalken quer getroffen, sodass man dann im Schnitte eine rundliche Gruppe von Zellen bemerkt, wobei sie oberflächlich wieder fester aneinander geordnet sind, gegen die Mitte lockerer (Abb. 3a). Zwischen den einzelnen Zellbalken bemerkt man grössere oder kleinere, von Endothel ausgekleidete Spalten mit Gruppen von Blutkörperchen darin; demzufolge kann der Zusammenhang dieser Spalten mit den Gefässen nicht geleugnet werden (Abb. 2 und 3a). Grössere, mit eigentlicher Wand ausgestaltete Gefässe findet man haupt- sächlich an der Peripherie der Körperchen. Nach Pettit!) ist bei den Säugetieren die Beziehung der Nebenniere zur Niere bloss eine sekundäre, während das Verhältnis der Nebenniere zur Vena cava ein engeres ist. Bei den Vögeln und Reptilien ist solches Verhältnis zwischen der Nebenniere und grossen Abdominalgefässen noch enger. Die direkte Be- ziehung der Räume in der Nebenniere zu den Venen beschreibt Manasse?) bei manchen Säugetieren. In den Räumen und Venen der Medullaris beschreibt derselbe bräunliche, hyaline Masse, welche aus den Zellen in die Venen einzudringen scheinen. Obgleich auch ich?) bei den Amphibien ähnliches bemerkte, ver- mochte ich derartiges bei den Lophobranchiern nicht auf- finden und wir daher vonirgend einer Sekretion morphologischer Bestandtteile in das Blut nicht sprechen können. Die Zellform ist an der Oberfläche der Balken eine oblonge, sodass man einige unter ihnen als zylindrische ‘) Pettit: Recherches sur les capsules surrenales. Journ. de l’anat. et de la physiol. 1896. ?) Manasse: Virchows Archiv. Vol. 135. 1894. ») Srdinko: Bau und Entwicklung der Nebenniere bei Anuren. Anat. Anz. 1900. Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 779 Zellen bezeichnen kann: ferner sind die Zellen in der Mitte der Balken niedriger und unregelmässig. Das Cytoplasma der Zellen ist fein granuliert, der ziemlich grosse, mittelständige Kern färbt sich deutlich mit Hämatoxylin. Das ganze Körper- chen, gleichwie die kleinen Nebenkörperchen, bestehen aus- schliesslich aus Zellen von dem eben beschriebenen Typus. Zahlreiche Forscher stimmen in der Ansicht überein, dass die Stannius’schen Körperchen der Knochenfische das Homo- logon des interrenalen Organes der Elasmobranchier und der kortikalen Substanz der Nebenniere bei den Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren bilden. Vincent betrachtet in seinen zahlreichen Mitteilungen über Nebenniere der Knochenfische als homologe Organe den interrenalen Körper der Elasmobranchier, die Stannius- schen Körperchen der Knochenfische und die kortikale Substanz der Nebenniere der Amnioten; hingegen soll die medullare Sub- stanz der Nebenniere der Amnioten den segmentalen, paarigen, suprarenalen Körpern der Elasmobranchier entsprechen, während bei den Knochenfischen deren Homologa nicht existieren. Ähnliche Ansichten hegt auch Diamare, indem er die Stannius’schen Körperchen ihrer Struktur, ihrer Lage, ihrer Beziehung zu der Niere und den Blutgefässen nach als den Repräsentanten des interrenalen Körpers der Elasmobranchier erklärt. Die Schlussfolgerung Diamares über die Homologie der Nebenniere ist in folgenden Worten enthalten: „La capsula surrenale non & un organo rudimentale, sibbene un organo in evoluzione progressiva, in quanto che, per lo meno la sostanza corticale & la piü alta espressione morphologica dell’ organo interrenale, rimanento poi ancora a provare si, nell fatto, la sostanza midollare sia un derivato del simpatico“. Huot, der allein spezielle Untersuchungen über diese Verhältnisse bei Lophobranchiern anstellte, stimmt mit der eben angeführten Ansicht überein und bemerkt, dass die Struktur des interrenalen Körpers des 20 cm langen Acanthias vul- garis mit der Struktur der „capsules surr@nales“ der Lopho- branchier identisch sei. Im Bezug auf die Struktur äussert sich Hu ot folgendermassen: „Les capsules surr@nales des poissons lophobranches ont chez l’adulte l’aspect de deux petites masses spheriques entour&es par une mince enveloppe fibreuse, et sont 780 O0. V.Srdinko: formees d’un plus ou moins grand nombre de vesicules closes dans les intervalles des quelles circulent des vaisseaux sanquins“. Huots Beschreibung kann ich bestätigen und zugleich dahin erweitern, dass ich, wie bereits oben bemerkt, ausser den be- schriebenen Hauptkörperchen auch kleinere Inseln desselben Gewebes in der Umgebung der paarigen Hauptkörperchen be- obachtet habe. Die Nebenkörperchen sind indes derart gelegen und von so geringem Umfang, dass man sie keinesfalls etwa als zweites Paar der Körperchen neben jenen Hauptkörperchen an- sprechen könnte. Daher kann man weder bei den erwachsenen Lophobranchiern noch bei den Embryonen, wie später gezeigt wird, von irgend welcher segmentalen Anordnung der Stannius- schen Körperchen bei Lophobranchiern reden, wie es Brauer bei Hypogeophis gefunden hat und neuerdings H. Poll bei Haifischen vermutet. In bezug auf die topographischen Verhältnisse schildert Huot, dass die „capsules surrenales“ der Lophobranchier an der ventralen Nierenfläche liegen, und sagt von der Niere folgendes: „Le rein impair est developpe seulement du cöte gauche autour de la veine cardinale unique, et ne presente pas des capsules de Malpighi“. Rechterseits beschreibt Huot die Aorta und das Lymphoidgewebe, welches die fehlende Niere auf dieser Seite ersetzt. Diese Angabe muss dahin korrigiert werden, dass die topo- graphischen Verhältnisse gerade umgekehrt sind und Huot wahrscheinlich durch das verkehrte Bild im Mikroskope irrege- führt worden ist. In der Tat liegt die Vene mit den vereinigten Nieren und den Stannius’schen Körperchen rechterseits, die Aorta mit dem grösseren Teil des Lymphoidgewebes linkerseits. Was weiterhin die Homologie der Stannius’schen Körperchen mit den Interrenalkörpern der Elasmobranchier und der Kortikal-Substanz der Säugetiernebenniere anbelangt, bin ich geneigt, auf Grund der Struktur, der Lage und der Entwicklung, der herrschenden Ansicht mich anzuschliessen. Ein Umstand aber erweckt in mir den Gedanken, dass, wenn auch nicht ein morphologischer, so doch vielleicht ein anderer, etwa ein funk- tioneller Unterschied hier dennoch besteht, weil die Reaktion auf Osmiumsäure, welche in der Rindensubstanz der Nebenniere stets wiederkehrt, bei dem Stannius’schen Körperchen unter Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 781 allen Umständen ausblieb, und zwar nicht nur bei Lopho- branchiern, sondern auch nach der freundlichen Mitteilung von H. Poll auch bei den anderen Knochenfisch-Gruppen. Nachdem ich die anatomischen und histologischen Verhält- nisse der Stannius’schen Körperchen in der Schnittserie ge- prüft, versuchte ich den Repräsentanten der zweiten Abteilung der Amniotennebenniere aufzusuchen, d. h. jenes Gewebe, das der Medullarsubstanz entsprechen würde. Obgleich ich hierfür be- stimmte Beweise nicht zu erbringen vermag, bin ich dennoch gezwungen, eines Gebildes zu erwähnen, welches man mit grosser Wahrscheinlichkeit als das Homologon der Medullarstubstanz an- sprechen dürfte. Das Gebilde erscheint bei oberflächlicher Betrachtung sehr ähnlich einem Ganglion, in dessen Nähe Durchschnitte von Nerven bemerkbar sind. Es ist dies eine unregelmässige Gruppe grosser Elemente mit dem Charakter von Nervenzellen; sie erstreckt sich im Gewebe der vereinigten Nieren an der Venenwand und längs der kleinen Gefässzweige von der dorsalen Seite bis zur ventralen Nierenfläche. Dieses Gebilde zeigt sich auf Quer- schnitten, zumal wenn wir von dem kaudalen Ende zum Kopfe fortschreiten, kranialwärts und knapp vor den Stannius’schen Körperchen und zwar in der bezeichneten Serie auf dem zwölften Schnitte an der ventralen Fläche der Niere, dann wiederholt sich dasselbe in den aufeinander folgenden 150 Schnitten, indem es sich in das Nierengewebe einsenkt, bis es am Ende der dor- salen Nierenfläche aufhört, sodass man dann dort bloss den Sym- pathikus beobachtet. Wir können demzufolge nicht daran zweifeln, dass dieses Gebilde mit dem Sympathikus zusammenhängt. Chevrel äussert sich in seiner umfangreichen Abhandlung über den Sympathikus der Elasmobranchier und Teleostier bezüglich der Lophobranchier folgendermassen: „Chez les Siphonostomes les deux cordons sont relies entre eux et avec le rameau viscerale du pneumogastrique. Ils restent distinet dans toute l’extendue de la cavite abdominale, sont chaque nerf irchidien se trouve un petit ganglion nettement accuse. Le cordon droit est situ& au-dessus de la veine cardinale, qui nous est paru etre unique; il faut la fendre dans toute sa longeur pour apercevoir le cordon. Celui de gauche est toujours en dehors de l’aorte abdominale qui est constamment rejetece a gauche Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 50 17182 0. v: Srdinko: de la ligne mediane (Hippocampus guttulatus, Syngna- thus acus, Siphonostomum Rondeletii).“ Nähere An- gaben fand ich bei Chevrel nicht. Umstände, welche mich bestimmt haben, in dem vermeint- lichen Gebilde oder wenigstens in einigen Zellen desselben das Homologon der Medullaris zu erblicken, sind folgende: wenn wir nämlich das Gebilde stärker mit Hämatoxylin färben, bemerken wir Zellen, welche jenen von mir in der Nebenniere des Frosches beschriebenen und als Homologon der Medullaris gedeuteten Zellen sehr ähnlich sind. Die Reaktion dieser Zellen auf Häma- toxylin, deren Zerstreuung oder Konzentrierung am Gefäss oder in geringerer Entfernung von 'demselben; ferner ihre undeut- liche Abgrenzung und unregelmässige Form, das sind alles Charakterzüge, die wohl übereinstimmen mit den Elementen, die sich mit Hämatoxylin in der Amphibiennebenniere dunkel färben lassen. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass dieselben Zellen bei den Amphibien zwischen den Balken der Kortikalsubstanz liegen, während hier die Kortikalsubstanz gesondert in den Stannius’schen Körperchen gelegen ist und diese Zellen zwar in der Nähe der Körperchen liegen, aber dennoch von ihnen ge- trennt sind (Abb. 4a). Ausserdem bemerke ich, dass das Gebilde unpaarig und annähernd in der Medianebene zwischen den beiden Stannius’schen Körperchen gelagert ist. Die Grösse des Ge- bildes ist verschieden, wir finden es bald in zahlreichen, bald bloss in einigen wenigen Schnitten vor. Gleichwie bei den Stannius’schen Körperchen die Reaktion auf Osmiumsäure versagte, blieb auch hier die gewöhnliche Phäochromreaktion aus. Dies würde allerdings nicht hindern, diese Zellen als das Homo- logon zu den von Kohn als „chromaffine“, von Poll als ‚„phä- ochrom‘‘ bezeichneten Zellen anzusehen. A. Kohn, der die phäochromen Zellen der Organe studierte, gelangte zu der Ansicht: „Auch dann, wenn die Bräunung nicht deutlich ausgesprochen ist, äussert sich die Chromaffinität der Zellen doch darin, dass ihr Zellleib in Chromatlösung und zwar nur in diesen, in keiner anderen Fixierungsflüssigkeit gut erhalten bleibt. Bei jeder sonst üblichen Fixation schwindet der Zellinhalt vollständig und ist daher durch keine nachträgliche Färbung mehr zu verdeutlichen, während dies nach der Behand- Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 783 lung mit Chromatlösung überraschend gut gelingt.“ Weiterhin äussert sich Kohn in seiner Studie über Medullarsubstanz der Nebenniere, wie folgt: ‚Ihre Zellsubstanz lässt sich in Lösungen chromsaurer Salze sehr gut, in anderen Fixierungsflüssigkeiten garnicht erhalten und wird durch erstere häufig gelb oder auch intensiv braun gefärbt.“ In dieser Richtung prüfte ich meine Präparate und fand, dass die Zellen in jener Gruppe tatsächlich in der Müller- schen Flüssigkeit am besten erhalten sind, namentlich in bezug auf ihre Konturen. Die Zellen sind nach Behandlung mit Müllers Flüssigkeit oval oder kugelig, wie bei den Amphibien ; der runde Kern ist gewöhnlich exzentrisch gelagert (Abb. 4b). Die Zellen sind bald in einigen Gruppen geordnet oder verein- zelt und zerstreut; dabei bemerkt man zwischen ihnen zahl- reiche kleine Zellen, welche wahrscheinlich dem Lymphoidgewebe angehören. Nach der Fixierung in anderen Flüssigkeiten ist die Ab- grenzung derselben Zellen undeutlich und das Cytoplasma schlecht erhalten. Man kann also die mit Hämatoxylin intensiv gefärbten Zellen, wenngleich sie auch keine bestimmte Reaktion auf die Chromatlösung zeigen, für die Repräsentanten der Medullar- substanz erklären. Weil aber die Hämatoxylinreaktion bei weniger zahlreichen Zellen jenes Gebildes eintritt, könnte man vielleicht vermuten, dass bloss ein Teil von jener beschriebenen, ziemlich grossen Zellgruppe die Medullarsubstanz repräsentiert, dass hingegen der andere Teil der Zellen das Ganglion sympathi- cum darstellt. Letzthin publizierte Giacomini seine Befunde betreffs der Nebenniere der Knochenfische und beschreibt als erster bei diesen Fischen nicht allein die kortikale, durch die Stannius- schen Körperchen repräsentierte Substanz, sondern auch die medullare, die er in der Wand der Kardinalvene auffindet und die den Suprarenalkörpern bei Elasmobranchiern entspricht. Giacomini ist der Meinung, dass auch bei den übrigen Knochenfischen, bei denen die Medullarsubstanz noch nicht ge- sehen worden ist, sie ebenfalls in den Wandungen der Kardinal- vene gefunden werden dürfte. Giacomini fand nicht bei allen von ihm untersuchten Fischen die Medullarelemente von gleicher Zahl vertreten. Die meisten fand er bei Aal und Hecht, 50* 17184 O0. V. Srdinko: während er sie bei Lenciscus aula und Barbus plebejus schwer auffinden konnte. Giacomini sah in der Wand der Vene nicht nur die Medullarzellen, sondern auch solche, die den in den Stannius’schen Körperchen vorkommenden ähneln. Weiterhin fand er bei Cyprinus carpio in dem Iymphoiden Teil der Niere zerstreute Nester von Medullarzellen, ebenso im Innern der Wandung der Kardinalvene. Dabei folgen die Zell- gruppen den kleinen in die Vena cardinalis mündenden Venen- zweigen. Beachtenswert ist ferner der Umstand, dass Giacomini auch bei dem Petromyzon sowohl die Kortikal- als Medullar- zellen auffand. Die Beschreibung Giacominis bezüglich der Form und Lage der erwähnten Elemente stimmt mit dem überein, was ich bei Lophobranchiern sah, nur mit dem Unterschied, dass mir eine deutliche Phäochromreaktion, wie bei anderen Wirbeltieren, niemals hier gelingen konnte. 2. Syngnathus acus (23 cm langes Exemplar, fixiert in der Zenker’schen Lösung, gehärtet in Alkohol und mit Mayers Hämatoxylin gefärbt). Die Stannius’schen Körperchen erscheinen im ganzen in 35 Schnitten von 15 « Dicke; die Körperchen sind hier kleiner als bei dem vorangehenden Tier, die Nebenkörperchen fehlen. Die Räume innerhalb der Körperchen sind bedeutend grösser (Abb. 2). Während an dem voran- gehenden untersuchten Exemplar in den Stannius’schen Körperchen die venösen Spalten fast garnicht vorhanden waren, halten sich hier venöse Spalten und Zellbalken an Masse etwa das Gleichgewicht. Beiläufig 2 mm kranialwärts vor den Stannius’schen Körperchen und in der Medianebene der vereinigten Nieren be- findet sich jenes zweite Gebilde, das zum Teil für das Homo- logon der Medullarsubstanz gelten kann und das man in 6U Schnitten (zu je 15 «) beobachtet. Die Zellen des Gebildes sind stark intensiv mit Hämatoxylin gefärbt, grösstenteils einzeln zerstreut und in geringerer oder grösserer Entfernung von den Gefässen oder in der Gefässwand gelagert. Ihre Form ist un- bestimmt, gleichsam verschwommen. Zwischen diesen Zellen findet sich das stark vertretene Lymphoidgewebe. 3. Syngnathus acus (20 cm langes Exemplar), fixiert mit Hermanns Flüssigkeit, die Schnittserie ungefärbt. Der Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 785 Zweck dieser Serie bestand darin, sich davon zu überzeugen, ob etwa in den Zellen der Stannius’schen Körperchen die fett- artigen Tröpfehen, welche sich mit Osmiumsäure in der Neben- niere der Säuger, Vögel, Reptilien und Amphibien schwarz färben, nicht existieren. Wie jedoch oben bereits bemerkt, blieb diese Reaktion aus. Die Gruppe der den Ganglien ähnlichen Zellen ist auch hier deutlich wahrnehmbar. 4. Von den weiteren 5 Exemplaren des Syngnathus konservierte ich abermals 2 in der Müller’schen Flüssigkeit, eines in der Zenker’schen, eines in Essigsäurealkohol und eines mit Sublimatlösung. Von diesen Präparaten ist jenes Exemplar beachtenswert, welches in Essigsäurealkohol konserviert und mit Heidenhain’schem Hämatoxylin gefärbt wurde. Bei diesem Präparat treten jene im Nierengewebe gelegene Medullar- zellen sehr deutlich hervor. Auch sind dieselben an Präparaten nach Behandlung mit Müller’scher Flüssigkeit und Färbung mit Mayers Hämatoxylin sehr deutlich erkennbar. Übrigens stimmen sämtliche Serien bezüglich der Stannius’schen Körperchen und jenes mittelständigen Gebildes überein. Zu be- merken wäre, dass ich manchmal im Bindegewebe von der Um- gebung der Stannius’schen Körperchen eine Anhäufung von Pigment beobachtete, wie solches auch bei anderen Wirbeltieren vorkommt. b) Hippocampus aequoreus. Die Konservierung geschah in der Müller’schen Flüssig- keit und die Färbung in Mayers Hämatoxylin. Die Total- ansicht, Grösse, Form und innere histologische Struktur der Stannius’schen Körperchen bei Hippocampus stimmt mit der bei Syngnathus wohl überein. Nur zweier Umstände muss ich gedenken. Der erste betrifft die topographischen Verhältnisse: die Körperchen liegen bei Hippocampus viel tiefer in der Nierensubstanz, sodass sie entweder vollständig an der Dorsalfläche der vereinigten Nieren oder näher der Median- ebene in der Nierensubstanz vorkommen, wie es Huot schon sah. Es sind deren zwei Hauptkörperchen, neben denen bei manchen Exemplaren auch die kleineren Nebenkörperchen vor- gefunden werden, und zwar beiläufig 2—3 mm vor der Anal- öffnung. Der zweite Umstand betrifft besondere Kanälchen, die ich in zwei Fällen im Innern des Gewebes der Stannius’schen 786 0, V. Srdinko: Körperchen beobachtete. Die Kanälchen haben im Innern ein hohes zylindrisches Epithel mit Flimmerbelag, und da sie in der Substanz der Körperchen eingeschlossen sind, endigen sie beider- seits blind; dieselben bemerkt man an 4—6 Schnitten zu je 15 «. Ursprünglich betrachtete ich dieselben für Nieren- kanälchen, die in die Stannius’schen Körperchen hineinragen; später konnte ich mich jedoch davon überzeugen, dass sie mit ihrer Umgebung in keinerlei Beziehung stehen; man bemerkt eines oder zwei derartiger Kanälchen nebeneinander im Zentrum oder am Rande der Körperchen gelagert. Von einer Deutung kann möglicherweise erst dann die Rede sein, wenn vielleicht in vielen anderen Fällen ihr Vorkommen konstatiert wird. Beiläufig in 30 Schnitten (zu je 15 «) kranialwärts finden sich in der Medianebene einige Zellgruppen, stark mit Häma- toxylin gefärbt, die auf den nachfolgenden 60 Schnitten in der- selben Region in der Nähe kleiner Blutgefässe getroffen werden. Die Ähnlichkeit und Anordnung dieser Zellen mit jenen bei Amphibien in der Nebenniere nach Hämatoxylin-Färbung be- obachteten ist so gross, dass man noch eher bei Hippo- campus diese Zellen für das Homologon der Medullaris be- trachten dürfte. Dieses Gebilde ist gleichfalls unpaar, wie bei Syngnathus, annähernd in der Medianebene und symmetrisch zwischen den beiden Wolff’schen Gängen zu den beiden Stannius’schen Körperchen gelagert. Die Chromreaktion konnte bei diesen Zellen nicht wahrgenommen werden. Bei zwei weiteren Exemplaren, von denen eines in Zenkers Lösung und das zweite im Essigsäurealkohol fixiert wurden, fand ich nichts besonderes. c) Siphonostomum typhle. Exemplar 17 cm lang, fixiert in Zenkers Lösung und tingiert in toto mit Boraxkarmin. An der Analöffnung und an der ventralen Fläche der ver- einigten Nieren, bilateral symmetrisch, etwas vor der Kardinal- vene und hinter den Wolff’schen Gängen liegen zwei Stannius’sche Körperchen, deren Gewebe sich mit Karmin intensiv färbt; die Länge und Breite derselben beträgt etwa 0,3 mm. Die histologische Struktur stimmt hier mit der oben beschriebenen überein, nur mit dem Unterschiede, dass hier die Spalten und die Räume zwischen den Zellbalken zahlreich und Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 787 breit sind. Ungefähr 0,5 mm kranialwärts von den Stannius- schen Körperchen tritt in den Schnitten jene medial gelegene Zellgruppe in der Nähe der ventralen Nierenfläche auf: diese Zellen sind nicht so zahlreich wie bei den zwei vorangehenden Gattungen. Damit ist die Beschreibung der Verhältnisse bei den er- wachsenen Tieren erschöpft, sodass ich nunmehr an die Schil- derung der Befunde bei den Embryonen gehen kann. Wie be- reits oben erwähnt, bilden hierzu die Grundlage Präparate einer vollständigen Entwicklungsreihe von Siphonostomum typhle, ferner die Anfangsstadien von Hippocampus aequoreus und einige mittlere Stadien von Syngnathus acus. B. Entwicklung der Stannius’schen Körperchen. a) Siphonostomum typhle. Die Entwicklung der Stannius’schen Körperchen habe ich in der nachfolgenden Reihe des Siphonostomum typhle verfolgt: Embryonen von 76 mm: Serie vom ganzen Tier, Querschnitte, 76 mm: Serie in 3 Teilen vom ganzen Tier, Sagittalschnitte. ” „ 65 mm: Querschnitte (zweimal), = „ 65 mm: Sagittalschnitte (einmal), 55 „ 55 mm: Querschnitte , „. ” 52 mm: re) „ ” ” 45 mm: ” ” ” „ 30 mm: ” ” 22 mm: 4; (zweimal) " „ 20 mm: Sagittalschnitte ee 16 mm: Querschnitte f 1: „ 16 mm: Sagittalschnitte N 9 mm: Querschnitte (achtmal) 9 mm: Sagittalschnitte (viermal), 35 „ 9 mm: Frontalschnitte (einmal). Die Embryonen wurden in Zenkers Lösung fixiert und grösstenteils in toto mit Boraxkarmin gefärbt. In einigen Fällen wurde Hämatoxylin angewandt; ich erwähne nebenbei, dass das Material sich im ganzen schlecht tingierte. Ib) ” 7188 0. V. Srdinko: Von der Entwicklung der Stannius’schen Körperchen, soweit ich die einschlägige Literatur überblicke, handelt bloss eine einzige Arbeit, nämlich die früher erwähnte kurze Publi- kation von Huot, die einige Angaben über die Nebeniere der Lophobranchier enthält. Da die Angaben Huots für die weitere Schilderung von Bedeutung erscheinen, sende ich die- selben voraus Die Nebenniere der Lophobranchier, sagt er, erscheint bei den Embryonen in den ersten untersuchten Stadien in der Form zweier abgeschlossener Bläschen (,‚vesicules‘), gelagert an der ventralen Nierenfläche rechts und links, beiläufig in der Höhe der Analöffnung. Bei den Syngnathiden be- wahren die Stannius’schen Körperchen dieselbe embryonale Lage auch im reifen Zustand; bei den Hippocampien können dieselben mehr oder weniger tief in die Nierensubstanz ein- dringen. Sodann schliesst Huot seine erste Mitteilung damit ab, dass er die Stannius’schen Körperchen für das Homologon mit den interrenalen Körpern der Elasmobranchier erklärt. Im Jahre 1898 publizierte Huot seine zweite Mitteilung und führt an, dass er bei seinen Studien über Entwicklung der Stannius’schen Körperchen zu völlig abweichenden Resultaten als die übrigen Forscher bei homologen Gebilden anderer Wirbel- tiere gelangte. Huot fand, dass bei den jungen Embryonen vom Syngnathus Dumerilii, deren Alter oder Grösse er nicht angibt, sich die ersten Anfänge der Körperchen in der Form von Ausstülpungen der lateralen Wand Wolff’scher Kanälchen zeigen und zwar an jenen Stellen, wo letztere sich der Harnblase nähern. Jede der beiden Ausstülpungen kommuniziert nach Huot mit dem Wolff’schen Gange und es repräsentiert daher die Nebenniere in diesem Stadium eine Drüse mit einem Aus- führungsgang. Bei einigermassen älteren Stadien, deren Grösse Huot abermals nicht bestimmt, verschwindet die Kommunikation beider Ausstülpungen mit den Wolff’schen Gängen und es bleiben nur zwei rundliche, zellige Körper zurück, deren deut- liche Begrenzung durch eine Bindegewebsmembran - geschieht. Die Zellen dieser Körperchen vermehren sich und dringen in das Innere der Körperchen als sekundäre Bläschen von Zellen, wo- durch die Nebenniere entsteht. Die Stannius’schen Körperchen können im reifen Zustande die ursprüngliche Lage (Syngnathus Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 739 Dumerilii. S. rubeus, Nerophys) beibehalten; in anderen ’ Fällen dringen die Körperchen in die Nierensubstanz ein und entfernen sich von der ursprünglichen Lage (Hippocampus guttulalus). Huot schliesst seine Mitteilungen mit folgenden Worten: ‚‚Notre etude ‚a eu pour objet une groupe tres res- treint de Te&el&ost&ens. Il serait done imprudent d’etendre nos conclusions aux autres groupes de Vertebres. Ecartant l’idee d’une generalisation trop hätive, nous pouvons cependant croire, que le mode d’origine des capsules surrenales Chez les Lophobranches n’est pas un fait isole et poura &tre observe dans d’autres groupes de Poissons.. En resume, les capsules surrenales de Poissons lophobranches proviennent de deux diverticules creux dont chacun est un bourgeoument de la partie posterieur d’un canale de Wolff.“ Ich wende mich nunmehr diesbezüglich zu meinen eigenen Erfahrungen; meine Beschreibung beginnt mit dem jüngsten Stadium und schreitet zu dem ältesten fort. Zugleich mit den Stannius’schen Körperchen gedenke ich auch das median ge- legene, als den Repräsentanten der Medullarsubstanz anzusehende Gebilde zu verfolgen. Was die einzelnen Entwicklungsphasen betrifft, will ich mich an die Einteilung halten, welche H. Poll in seiner neuesten Arbeit über die Zwischenniere der Haifische und die auch für Lophobranchier am passendsten erscheint, durchführte. Poll unterscheidet zwei Hauptabteilungen, das ist: Organogenie und Histiogenie. „Die ÖOrganogenesis gliedert sich wieder in zwei Abschnitte: der erste gipfelt in der Bildung der ersten An- lage durch Zellenwucherung des Mutterbodens, der zweite in der Lösung der Anlage aus dem Verbande des Ursprungsgewebes unter Wachstums- und Rückbildungserscheinungen. Hiermit ist die Organogenese beendet; die Histiogenese beginnt.‘ Sollte ich nun die Entwicklung der Stannius’schen Körperchen nach. dem vorerwähnten Plan einteilen, dann muss ich sagen, dass bei 50—60 mm langen Tieren die Entwicklung auch histiogenetisch vollkommen abgeschlossen ist und dass es sich bei den älteren Stadien bloss um das Wachsen der Organe handelt. Die Histiogenie verläuft in den von 10—50 mm langen Stadien, während die ÖOrganogenese vor dem Stadium 10 mm beendet ist. Leider stand mir aus der jüngsten Zeit nur ein 790 O0. V. Srdinko: Stadium von 9 mm Länge zur Verfügung. Hier traten die Stannius’schen Körperchen als bereits fertige und ziemlich deutlich abgegrenzte Organe auf; trotzdem vermag man auf den vorangehenden Zustand und die erste Anlage dieser Körperchen auf grund der bisher bestehenden Beziehungen mit den um- gebenden Organen zu schliessen. Bei den Hippocampus-Embryonen, die ich.in der Grösse von 2,3—9 mm der Gefälligkeit des Herrn Prof. C ori verdanke, entspricht das Stadium von 5 mm dem Stadium von 9 mm bei Siphonostomum. Die Stadien des Hippocampus vor jenen 5 mm langen, enthalten die Organogenese der Stannius- schen Körperchen. Weil aber im 3 mm langen Stadium von Hippocampus bislang nicht die geringste Spur von der Anlage der Körperchen existiert, schliesse ich daraus, dass die Organo- genese dieser Körperchen bei Hippocampus in jener Embryonal- zeit vor sich geht, wo die Länge des Embryos etwa 3,5—5 mm beträgt. Analogerweise kann man bei Siphonostomum die- selbe Periode beiläufig in das Embryonalstadium von 6—9 mm versetzen. Demzufolge wäre bei Siphonostomum die Ein- teilung der einzelnen Entwicklungsphasen Stannius’scher Körperchen diese: I. Organogenese: 1. Erste Anlage bei Embryo 6 oder mm; 2. Abgrenzung und das Wachsen bei Embryo von 9 oder 10 mm. Il. Histiogenese: Verlauf und Abschluss derselben an Embryonen zwischen 10—50 mm. III. Weiteres Wachsen der Körperchen an Tieren von 50 mm an. Ich wende mich der Beschreibung der einzelnen Stadien zu. Fig. 5 stellt einen Querschnitt eines 9 mm langen Embryos von Siphonostomum typhle dar; die Stannius’schen Körperchen sind hier im grössten Umfange getroffen. Ventral- wärts der Chorda bemerkt man die Aorta (a) und vor dieser die Vene (v). An der Venenwand liegen die beiden Wolff’schen Gänge (w); lateralwärts von jedem derselben je ein Stannius- sches Körperchen (st) und zwar in der nächsten Nachbarschaft Wolff’scher Gänge und der Vena cardinalis; weiter ventral Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 791 wärts liegt die Harnblase (H) mit ihrer Mündung. Die Körperchen sind ringsherum von einer zarten Bindegewebskapsel umgeben und gegen die Vene und die Wolff’schen Gänge deutlich ab- gegrenzt. Im Innern sind die Zellen dicht aneinander gedrängt, daher sind irgendwelche Räume nicht sichtbar. Woher dieses Körperchen seinen Ursprung nahm, konnte an diesem Präparate nicht direkt konstatiert werden. Es mochte entstanden sein aus der Venenwand, aus dem Wolff’schen Kanal, aus der Blasen- wand oder endlich aus der Splanchnopleura, welche im- dieser Gegend längs der Wolff’schen Gänge bis zur Harnblase einen Zipfelentsendet. Die unmittelbare Nachbarschaft der Körperchen mit der Harnblase und der Vena in diesem Präparate ist eine zufällige und ich konnte mich bei anderen gleichaltrigen Stadien davon überzeugen, dass die Körperchen sowohl von der Harn- blase als von der Vena entfernt liegen können und dann keinerlei Beziehungen zu ihnen haben. Es sind also nur folgende Mög- lichkeiten der Genese der Stannius’schen Körperchen denkbar: entweder aus den Wolff’schen Gängen oder aber von der Splanchnopleura oder aus den Mesenchymzellen. Huot ist zur ersten Ansicht gekommen; er meint, dass er das Lumen dieser Körperchen und die Kommunikation ihres Ausführungsganges mit den Wolff’schen Gängen gesehen habe. Soweit ich mich auf ganzen Serien desselben Stadiums von Siphonostomum gleichwie an ganzen Serien der jüngsten Stadien von Hippocampus überzeugen konnte, ist diese Angabe Huots unrichtig. Sein Irrtum lässt sich durch den Umstand erklären, dass die Stannius- schen Körperchen in diesem Stadium eng den Wolff’schen Gängen aufsitzen und zwar an denjenigen Stellen, wo diese um- biegen, um in die Harnblase einzumünden. An der Beugungs- stelle sitzt das Körperchen und an einigen Schnitten entsteht der Eindruck, als bestände eine Kommunikation zwischen beiden Ge- bilden. Bei aufmerksamer Beobachtung kann man sich jedoch davon überzeugen, dass das Körperchen jederzeit durch eine zarte Bindegewebsmembran von dem Wolff’schen Gange ge- trennt ist und dass irgend ein Lumen oder eine Mündung des Körperchens in den Wolff’schen Gang niemals vorkommt. Hiervon überzeugt man sich an den Figg. 6-10, die fünf auf- einanderfolgende Schnitte aus derselben Körperregion darstellen. 792 O. V. Srdinko: In der Abb. 6 bemerkt man nur ventralwärts der Chorda die in der Medianebene gelegene Aorta (a), rechts von ihr die Vene (v), ferner bauchwärts in der Medianebene den linken Wolff’schen Gang (W) und rechts von ihm den rechten (W); vor den Wolff’schen Gängen befindet sich die Harnblase (H) mit ihrer Öffnung. Der Schnitt trifft auf beiden Seiten, links in grösserer, rechts in geringerer Ausdehnung, das hinterste Ende des Coeloms (C), ausgekleidet von der Splanchnopleura (Spl.. Der Zwischenraum zwischen der Harnblase, W olff’schen Gängen, Blutgefässen und der Leibeswand ist teils leer, teils mit einem mesenchymalen Gewebe und der Splanchnopleura erfüllt; diese reicht bis in diese hintere Region hinter der Harnblase hin. Die Stannius’schen Körperchen sind in diesem Schnitte nicht ge- troffen. Neben der Aorta trifft man beiderseits kleine Zell- gruppen (m), welche meines Erachtens die Anlagen sympathischer Stränge darstellen. Ein Teil dieser Zellen samt ihren Fasern drängt sich zwischen die Vene und Aorta und gelangt vor der Aorta an die dorsale Fläche der Wolff’schen Gänge. Diese Gruppe ist in allen weiteren Stadien wahrnehmbar. In der Abb. 7, welche den nachfolgenden Schnitt vorstellt, gestalten sich die Verhältnisse anders. Zwischen der Splanchno- pleura und dem linken Wolff’schen Gang erscheint eine Zell- gruppe, ziemlich unbestimmt von der Splanchnepleura differenziert, jedoch von dem Wolff’schen Gang deutlich abgegrenzt; diese Zellgruppe repräsentiert den kranialen Abschnitt des Stannius- schen Körperchens. Lateral vom rechten Wolff’schen Gange ist das Körperchen noch nicht so deutlich wie auf der anderen Seite ausgeprägt. Am dritten Schnitt (Fig. 8) bemerkt man vorerst, wie die beiden Wolff’schen Gänge von dorsalwärts nach vorne um- biegen und in die Harnblase einmünden. Lateral von dieser Beugung bemerkt man beiderseits symmetrisch gelagert die Stannius’schen Körperchen; diese erscheinen als geschlossene und bestimmt abgegrenzte Gruppen und stehen in keinerlei Be- ziehung zu den Wolff’schen Gängen, ausser der inniger, topo- graphischer Nachbarschaft. Die Harnblase verengert sich bereits in diesem Schnitte. Das Coelom ist rechts geschwunden, links noch getroffen. Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 793 Im vierten Schnitt (Abb. 9) beobachtet man ähnliche Ver- hältnisse wie im dritten und im fünften (Abb. 10), wo die Harn- blase fehlt, sieht man zwei ziemlich undeutlich abgegrenzte Zell- gruppen, das distale Ende der Stannius’schen Körperchen, in ein lockeres, mesenchymales Gewebe übergehen. Ich prüfte dieselben Verhältnisse in acht Serien von Querschnitten, in vier Serien von Sagittalschnitten und in einer von Frontalschnitten desselben Stadiums und gelangte zu der Ansicht, dass Huots Anschaunng durch den Umstand ihre Erklärung findet, dass das Stannius’sche Körperchen gerade an der Stelle dem Wolff- schen Gange aufsitzt, an der dieser umbiegt, um in die Harn- blase einzumünden; infolge dieser Richtungsänderung in seinem Verlaufe tritt er scheinbar wie ein Ausführungsgang aus dem Stannius’schen Körperchen hervor; tatsächlich aber ist der- selbe stets getrennt und ein Lumen im Körperchen kann durch Vorhandensein eines kleinen Blutgefässes vorgetäuscht werden. Auf dem Sagittalschnitt kann man sich die topographische Vorstellung in der an der Textfigur I dargestellten Weise ergänzen. RSST- D. = Darm, H. = Harnblase, - Stannius’sche Körperchen, W. = Wolff’scher Gang, Spl. = Splanchnopleura. Die Stannius’schen Körperchen liegen hier als am meist distalwärts liegendes Organ der Leibeshöhle, hinter der Analen- und Harnblasenöffnung, kaudalwärts von der Harnblase selbst. Zugleich bemerkt man in diesem Schnitt, dass der Splanchno- pleurastreifen (Spl.) auf der dorsalen Leibeswand bis auf die 794 ON Ski lstau ke or: dorsale Fläche der Harnblase und zwischen diese und dem Wolff’schen Gang auf das Stannius’sche Körperchen, welches zwischen den Mesodermalstreifen liegt, übergeht. Obgleich also die erste Entwicklungsphase bei diesem Stadium bereits vollendet ist, kann man dennoch mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine direkte mesodermale Abstammung der ersten Anlage der Stan/nius’schen Körperchen bei Sipho- nostomum schliessen. Auch ist hier jene Zellgruppe sichtbar, welche ich wenigstens teilweise als Homologon der Medullaris bei erwachsenen Tieren betrachte. Vollkommen differenziert fand ich dieses Gebilde erst bei 20 mm langen Embryonen. Bei den 9 mm langen muss ich noch auf zwei Umstände hinweisen; zunächst ist das Körperchen verhältnismässig gross im Vergleich zu der ganzen Grösse des Embryos und zu der Grösse bei den erwachsenen Exemplaren, zweitens ist seine Lage mehr kaudal- wärts denn später. Eine .weitere Gruppe des untersuchten Materials bilden 14 Serien von Quer- und Sagittalschnitten, angefertigt von 16—22 mm langen Embryonen, bei denen die Verhältnisse im Ganzen übereinstimmen. Abb. 11 zeigt einen Querschnitt von einem 20 mm langen Embryo, in welchem das rechtsseitige Körperchen (St.) in seinem grössten Umfange getroffen ist, während das linksseitige noch nicht sichtbar ist. Man sieht, wie das Körperchen ventralwärts an den Wolff’schen Gang (W.), von welchem es durch Binde- gewebe und einen schmalen Spaltraum getrennt ist und medial an die Harnblase (H.) grenzt; im übrigen ragt es frei in den Zipfel der Leibeshöhle hervor und wird von der Splanchnopleura bekleidet. Was den histologischen Bau betrifft, so beobachtet man, dass sich die Zellen vermehren und hie und da zu Balken ordnen, zwischen die die Fortsätze der bindegewebigen Kapsel einspringen. Das Körperchen ist im ganzen in 7 Schnitten (zu je 15 u) getroffen und zeigt dieselbe Grösse wie das Körperchen der anderen Seite, das weiter kaudalwärts liegt. Einige Schnitte kranialwärts von den Stannius’schen Körperchen bemerkt man ventral von der Vene und zwischen den beiden Wolff’schen Gängen eine mit Karmin intensiv ge- färbte Zellgruppe, welche die Anlage jenes medianen, der Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 795 Medullaris homologen Gebildes darstellt und sich von der dorsalen Seite längs der Gefässwand nach vorne vorschiebt. Aus dem Sagittalschnitt ist ersichtlich, dass das Stannius’sche Körperchen aus seiner ursprünglichen Lage ein wenig mehr proximal ver- schoben ist. Eine weitere Gruppe der Serien von 30, 45, 50, 52, 55, 60, 64 und 65 mm langen Exemplaren schliesst die Histiogenese der Stannius’sbhen Körperchen ab. Sie ist bei einem 65 mm langen Exemplar vollkommen abgeschlossen und die Unterschiede von den Körperchen der erwachsenen Tiere erstrecken sich bloss auf seine Dimensionen. Die Textfigur II stellt den Querschnitt eines 65 mm langen Exemplars dar. A. = Aorta, H. — Harnblase, L. —= Lymphoidgewebe, S. = Stannius’sche Körperchen, V. = Vena, W. = Wolff’scher Gang. Was nun ferner die mediale Gruppe der Medullarzellen derselben Serie betrifft, so bemerke ich, dass sie den Umfang von jener bei reifen Tieren nicht erlangte. Die Zellen schalten sich zwar längs der kleinen Arterien von dorsalwärts nach vorne zwischen den beiden Wolff’schen Gängen in die Nähe der Vena ein, sind aber bislang sehr viel geringer an Zahl. 796 0. V. Srdinko, Die Stannius’schen Körperchen und jenes mediale Ge- bilde findet man bei Tieren von 7,6 mm Länge vollkommen entwickelt. Bei einem Exemplar dieses Stadiums fand ich in der Anal- region drei Körperchen nebeneinander, von denen in den Schnitten zuerst das eine medial zwischen den beiden Wolff’schen Gängen gelegene, dann erst die beiden anderen lateral von den Wolff’schen Gängen erscheinen. An der vollständigen Serie von diesem Exemplare überzeugte ich mich, dass ausser jenen paarigen Körperchen und jenen Nebenkörperchen keine weiteren Körperchen in der Leibeshöhle vorkommen. Hier konnte ich weiterhin das direkte Austreten der kleinen Venen aus den zwischen den Balken befindlichen Räumen und deren Mündung in die Vena cardinalis beobachten. b) Hippocampus. Die erste Anlage der Stannius’schen Körperchen bei Hippocampus aequoreus (Stadium von 4,5 mm Länge) bilden Zellgruppen, welche durch Proliferation aus der Splanchno- pleura entstanden sind und mit dieser noch in Verbindung stehen; diese Zellgruppen befinden sich in der Medianebene und zwar an der Mesenterialwurzel, mehr oder weniger von der Oberfläche entfernt, grösstenteils an der dorsalen Fläche der Wolff’schen Gänge liegend. Die Abb. 12 veranschaulicht diese Verhältnisse von einem 45 mm langen Embryo; der Schnitt ist am Rande der Anal- region schräg-frontal geführt. Das Mesenterium erstreckt sich vom Ende des Darmes nach dem oberen Pol der Harnblase und von da dorsalwärts zwischen die beiden Wolff’schen Gänge vor. Dabei überzieht das Peritoneum einerseits die Wolff’schen Gänge und zwar vorn und lateral (im Querschnitte), anderseits kann man die Mesodermalstreifen von der Mesenterialwurzel an der medialen Fläche der Wolff’schen Gänge bis zu den dorsal- wärts gelagerten Blutgefässen verfolgen. Und gerade an den- selben Stellen ist die Zellgruppe als die Anlage der Stannius- schen Körperchen gelegen, welche Zellgruppe mit jenen Streifen und dem Peritoneum an der Mesenterialwurzel verbunden ist. Zu den Wolff’schen Gängen hat diese Zellgruppe keinerlei Beziehungen. In den vollkommen quer getroffenen Schnitten Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 797 liegt oftmals die Zelleruppe direkt dem Peritoneum an der Mesenterialwurzel auf; in anderen Fällen wiederum findet man die erste Anlage der Stannius’schen Körperchen bei Hippo- campus hinter den Wolff’schen Gängen, wo dann die Anlage des Körperchens dem Peritoneum an der lateralen Seite auf- liegt. Im letzteren Falle nähert sich die erste Anlage der Körperchen jener Art und Stelle, wie es Poll bei Haifischen beschreibt, wo für die Ursprungsstelle der Zwischenniere „das Epithel der dorsalen Kante der visceralen Seitenplatte an der Gekrösewurzel‘‘ erklärt wird. Bei einem etwas älteren Stadium (5 mm) ist die Wechsel- beziehung der Stannius’schen Körperchen zum Peritoneum bereits weniger ausgeprägt; die Körperchen erscheinen als iso- lierte Zellgruppen, bestimmt abgegrenzt und grösstenteils dorsal von den Wolff’schen Gängen in der Medianebene gelegen (Abb. 13). In allen Fällen, wo ich das Stannius’sche Körperchen entweder als eine unbestimmt abgegrenzte oder als selbständige Zellgruppe auffinden konnte, forschte ich nach den Beziehungen derselben zu dem Wolff’schen Gang, konnte aber nicht in einem einzigen Falle weder ein Lumen noch einen Ausführungs- gang des Körperchens, noch irgendwelche Kommunikation mit dem Wolff’schen Gang erblicken. Bei 3 mm langem Hippocampus vermochte ich keinerlei Zellgebilde, welches die Anlage der Körperchen bilden würde, aufzufinden. c) Syngnathus. Von diesem Lophobranchier konnte ich nur zwei Stadien (12 und 15 mm) untersuchen. Zustand der Entwicklung und die Lage der Körperchen entsprechen bei diesen Embryonen jenen von Siphonostomum von gleicher Grösse. Wenn ich nun die Resultate meiner Beobachtungen über Entwicklung der Stannius’schen Körperchen bei Lopho- branchiern resumiere, so kann ich wohl per exclusionem den Ort und die Zeit sowohl der ersten Anlage, als auch der anderen Entwicklungsphasen bestimmen, obschon die Wucherung des Mutterbodens direkt nachzuweisen mir nicht gelingen konnte. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 62. 51 -] de [0 0) 0. V. Srdinko: Die Ergebnisse meiner Untersuchungen möchte ich in nach- folgende Sätze zusammenfassen: | A.rBiant 1. Bei den Lophobranchiern ist die Kortikalsubstanz der Säugetiernebenniere durch die Stannius’schen Körperchen repräsentiert; das Homologon der Medullarsubstanz kann hin- gegen in den Zellgruppen oder in den vereinzelten Zellen längs der Gefässwand (Vena und Aorta), in der Nähe der Analöffnung gelegen, erblickt werden. 2. In der Regel sind zwei Stannius’sche Körperchen am distalen Ende der Leibeshöhle gelagert; indessen kann man ziemlich häufig in der Nachbarschaft dieser Körperchen noch kleinere accessorische Körperchen von gleichem Bau beobachten. 3. Bezüglich der Lagerung kommt die Spezies und das Alter in Betracht. Bei Syngnathus und Siphonostomum liegen die Körperchen an der Ventralfläche des distalen Nieren- endes, bei Hippocampus sind die Körperchen nahe der Medianebene in die Nierensubstanz eingelagert, sodass wir ihnen in vielen Fällen auf der dorsalen Fläche der Nieren begegnen. In Bezug auf die Embryonen kann angeführt werden, dass bei Syngnathus und Siphonostomum die Körperchen im ganzen vor den Wolff’schen Gängen und bei Hippocampus hinter denselben liegen. Ferner kann man konstatieren, dass die Körperchen als die am meisten distalwärts gelegenen Organe der Bauchhöhle entstehen und im Laufe der Entwicklung etwas proximalwärts sich vorschieben Die Stannius’schen Körperchen bei Lophobranchiern sind symmetrisch zur Vene und den Wolff’schen Gängen, hingegen zu der Medianebene zumeist assymmetrisch gelagert. 4. Ihre Grösse richtet sich nach jener des Tieres. Bei Syngnathus (32 cm) betrug ihre Länge 0,75 mm. Auffallend ist dabei, dass in den jüngsten Stadien (Siphonostomum 9—20 mm, Hippocampus 5—9 mm) die Stannius’schen Körperchen im Vergleich mit älteren Stadien und dem ausgewachsenen Tier un- verhältnismässig gross sind ; dieser Umstand unterstützt die Meinung, dass die Funktion der Nebenniere frühzeitig in der Embryonal- periode beginnt. Gerade auch von menschlichen Embryonen Bau u. Entwicklung d. Stannius’schen Körperchen d. Lophobranchier 799 wissen wir, wie stark die Nebennieren bei ihnen besonders im Verhältnis zu den übrigen Organen der Leibeshöhle entwickelt sind. 5. In der Mikrostruktur unterscheiden sich die Stannius- schen Körperchen der Lophobranchier vom Typus derselben bei anderen Knochenfischen im wesentlichen nicht. Von der bindegewebigen Kapsel strahlen zahlreiche Septa in das Innere ein; zwischen diesen liegen die Zellbalken, die sich winden und durchtflechten, sodass es oftmals den Anschein hat, als würde man es auf den Schnitten mit Bläschen und ihren Lumina zu tun haben; bei näherer Betrachtung erscheint hier jedoch eine Zell- gruppe mit lockerem Zentrum. Die Räume zwischen den Zell- palken sind mit Endothel bekleidet und hängen mit der Vene zusammen. 6. Die Elemente, welche nach der Hämatoxylin-Reaktion und nach dem Umstande, wonach sie in den Chromatlösungen am besten erhalten bleiben, für das Homologon der Medullaris betrachtet werden dürfen, sind in der Nähe der Stannius’schen Körperchen etwas proximalwärts und in der Medianebene in die Nierensubstanz eingesenkt und zwar in der Nähe der Gefässe; ihren Zusammenhang mit den Sympathikussträngen kann man von der vorderen Nierenfläche an bis zu der hinteren verfolgen. Dieselben erscheinen vereinzelt oder in Gruppen und erinnern sehr an die von Giacomini und mir gleichzeitig in der Amphibiennebenniere beobachteten Medullarzellen. Die Meinung ist zulässig, dass hier nebeneinander sowohl die wirklichen Gang- lienzellen als Teile des sympathischen Ganglions, sowie auch Medullarzellen als die Repräsentanten des mit den suprarenalen Körpern bei Elasmobranchiern und der Medullaris der Säugetiernebenniere homologen Organs bestehen. B. Entwicklung. 7 DieZeit, in welcher die Stannius’schen Körperchen sich zu entwickeln beginnen, fällt bei Hippocampus in ein Stadium von etwa 4 mm Länge und bei Siphonostomum kann dieselbe Zeit in das Stadium von 6 oder 7 mm Länge ver- legt werden. Die Organogenese der Körperchen ist bei Hippo- campus im Stadium von 5 mm und bei Siphonostomum in jenem von 9 mm beendet und es beginnt die Histiogenese, 51* 300 0. VW. Srdinko: welche beiläufig im Stadium von 5 em (Siphonostomum) ihren Abschluss findet. Die Stelle, von der aus die Körperchen ihren Ursprung nehmen, ist dieSplanchnopleuraan der Mesenterialwurzel, ventral- oder dorsalwärts der Wolff’schen Gänge, und zwar dort, wo sich die Wolff’schen Gänge in ihrem Verlaufe gegen das Kaudalende nach vorne umbiegen, um in die Harnblase einzu- münden. Die Anlage der Stannius’schen Körperchen befindet sich in keiner anderen Beziehung zu den Wolff’schen Gängen, als in topographischer Nachbarschaft. 8. Die Elemente der Medullarsubstanz können in bestimmter Weise erst später erkannt werden (Stadium 20 mm bei Sipho- nostomum); ihr Ursprung vom Sympathiecus ist ausserordent- lich wahrscheinlich. Im Stadium von 7,6 mm (Siphonostomum) sind sowohl die Stannius’schen Körperchen, als auch die Medullarelemente vollständig entwickelt. Zum Schluss erlaube ich mir, dem Herrn Geheimrat Prof. Dr. OÖ. Hertwig für die gütigen Ratschläge, welche er mir bei meinen Untersuchungen erteilte, meinen tiefgefühlten Dank aus- zusprechen. Prag, den 24. Mai 1903. Benützte Literatur. 1. Diamare, V.: I corpusculi surrenali de Stannius edi corpi del cavo abdominale dei teleostei. Notize anat. e morph. Bollet. soc. natur. in Napoli. Vol. IX. An. IX. 189. 2. Derselbe: Sulta constituzione dei gangli simpatici negli elasmo- branchi ete. Anat. Anzeiger. Bd. 20. 1902. Derselbe: Ricerche intorno all’organo interrenale degli elasmo- branchi ed ai corpusculi di Stannius dei teleostei. 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A. = Aorta, B. = Balken, D. =Darm, H. = Harnblase, K. = Kapsel, L. = Lymphoidgewebe, m. = Medullarzelen, mes. = Mesenterium, n. = Nierenkanälchen, R. = venöse Räume, St. — Stannius’sche Körperchen, V. —= Vena cardinails, W. = Wolff’scher Gang, p. = Pig- mentzellen, ©. —= Coelom, Spl. = Splanchnopleura. Abk. 1. Syngnathus acus. Müller’sche Flüssigkeit. Querschnitt durch Stannius’sches Körperchen. Reichert oc. 2 ob. 4. Abb. 2. Syngnathus acus. Zenker’sche Flüssigkeit. Querschnitt durch Stannius’sches Körperchen. Reichert oc. 3 ob. 4. Abb. 5a. Syngnathusacus. Zenkers Flüssigkeit. Teil eines Quer- schnittes durch Stannius’sches Körperchen. Reichert oc.3 ob. 6. Abb. 3b. Zellen eines Balken aus Abb. 3a, wo diese Stelle mit ss bezeichnet ist. Reichert oc. 5 hom. im. !ı. Abb. 4a. Syngnathus acus. Fixiert mit Essigalkohol. Medullarzellen sind mit Hämatoxylin dunkel gefärbt. Reichert’oc. 3 ob. 4. Abb. 4b. Hippocampus aequoreus. Müller’sche Flüssigkeit. Eine Medullarzelle mit starker Vergrösserung. Reichert oe. 5. hom. im. !/ıa. 802 O0. V. Srdinko: Abb. 5. Siphonostomum typhle. Embryo 9 mm lang. Querschnitt. Reichert oc. 2 ob. 4. Abb. 6-10. Siphonostomum typhle. Embryo 9 mm lang. Fünf aufeinanderfolgende Querschnitte aus der Analgegend. Reichert oc. 2 ob. 4. Abb. 11. Siphonostomum typhle. Embryo 20 mm lang. Querschnitt. Reichert oc. 3 ob. 4. Abb. 12. Hippocampus aequoreus. Embryo 4,5 mm lang. Quer- schnitt. Reichert oc. 4 ob. 6. Abb. 13. Hippocampus aequoreus. Embryo 5 mm lang. Querschnitt. Reichert oc. 3 ob. 6. Verbesserungen zu Seite 167 dieses Bandes: Zeile 10 von oben lies statt nur „und“. „ 16 „ unten wolle man zwischen die Worte und auch die Worte „er sie“ einschieben. N »„ lies statt Urniere „Coelomepithel“. Min D, Archiv £mikroskon. Anatomie Ba. PAR un ER ER . -'® 3 > 2 # ı ® nr R f \ 1 “ ä ® j " = + rn f _ A _ » j x ii = er E - - - u 2 8 E DE u R 2 = ’ = B ’ er ER i Er Archiv £ mıkroskon. Anatonme Ba. LXH. — eh \ er IE SI NEN II IN AN Taf: IV. >) IN Lich. Anst.v. Werner & Winter, Frankfurt 7M. [} “ \ 3 ii . | “ . . + B ex } ! / nf j 5 i ei u | % = Ay { W T \ + I + ' \ N * * 1% " e ha - - er % . ZZ IR IHRANDDS slow gez. vi ch Act n. Werner & Winter, Eranklurt *M. De Bee FT — == 2. a a u ER ar —— E = * u “ u - 5 2 u ü en = = w „ Üü En 3 u n Archiv f£_mikroskon. Anatomie. BaA.LXM. Taf v1. — mi Iith. Anskv. Werner a Winter PrankfureYM. “r Be N f r N 5 1 = - { f Ni { | ı ir ' ı f + D * rg 2 1 x n j I‘ | “ - { { 7 i N N S 1 Kr { { ı I i { ze {I 5 LE . ! 3 € { n 5 k ' { { { G r 4 [E0 5 N i on er Archiv f mikroskon. Anatomie. Bd. LM. Taf: Vn. Pe 6.1. Werner & Winter FrankfurbYM, a $ on: Archiv Kmikroskon. Anatomie. ba.LXI- “ . n Archiv Emikroskon. Anatomie. Bd.LMM. Taf. IX. ‚Lith. Anst: v Werner a Winter, Frankfart »M. D ! Ar ® Archiv £ mikroskom. Änairmie. Bd. LU. EL) Vogue a PATICMTY A EIKE EZ, A n N. ei 2 s 57 ) ı ““ r Ali f we f i { t - h IWL IT i u De In FR \ \ DI ’ | { ß = ü > j u u 7 nee { * [ . i > b AZ = u j L) ug BE L we 0) “, ! Bi 4 a Er u ee t N, 5 ve Pi ur, f j u \ r ' \ f f 7 v n j Fr . er ' { | | er ) a . D ' \ RL { A . ‚ nn | B ' = { L \ \ = { ri f 1 De a . / > € r- } { l / \ f j D [ { . 3 - b | 8 j = h ns = A ’ En ” \ u u ’ i 5 u n % : f N “ 4 ir St AS a ua 2 rn - ‘ Br [2 u = . I - FAN en Br Re ED Archiv Emikroskon. Anatomie. Bd. IM. nr Keen Mi L 5 Es ie ä Fi &@ 5 1 In Br nr y ur @ B "u a2 r . . Les Baur hi == he f ce” m Ü a Se = B K- erg i N B ; » Be Be J # # u 5 Re rw - u ra 5 Archiv Emikroskon. Anatomie. ba. IX. fa Taf: XI. 11 wu j\ 7 KEN Y\y R BEN R) i IR \ IR — ze \ EN a Archiv Emikroskon. Anatomie. Bd. LM. == 3 Taf: XIV. f fi Archiv £mikroskon. Anatomie Ba.ıIM. < de‘ d. MAN TER @-_0 RS ao ES: DPa [N a8. set®e se 238000 oe NR N S SER, ® N Kar day SS AL BI, N EINCRROT LURRN Sy Taf. XV. 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