bp, ty ‚ 6K) R; Day a Gong 2 re + ei > m - FALTEN ‘, D ey f x m 7 a I er 5 wu Archiv für Mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte herausgegeben von 0. Hertwig in Berlin v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie Achtundsechszigster Band Mit 40 Tafeln und 49 Textfiguren Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1906. - € * 5 IR er. & u 2 S Ada Inhalt. Über den Einfluss der Jahreszeit, des Alters und der Ernährung auf die Form der Hoden und Hodenzellen der Batrachier. Von M.Nuss- baum. Hierzu Tafel I-VI . er Beiträge zur Kenntnis der Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. Von Fritz Worthmann, prakt. Arzt aus Schweidnitz i. Schl. Hierzu Tafel VIII und IX . N Osteobiologie. Von Dr. Alfred Bidder, Mitglied der deutschen Ge- sellschaft für Chirurgie. Hierzu Tafel X—XIV Ag: Die Vergrösserung der Eikammer bei der Feldmaus (arvicola arvalis). Von J. Disse in Marburg. Hierzu Tafel XV—XVIII und 1 Text- figur . sah: 5 Er er Die Beziehungen des Lymphdruckes zu den Erscheinungen der Regene- ration und des Wachstums. Von Fr. Reinke, a. o. Professor in Rostock. Hierzu Tafel XIX und 10 Textfiguren . Experimentelle Untersuchung über die Entwicklung des Auges bei Frosch- embryonen. Von E. T. Bell, M.D., Instruktor der Anatomie an der Universität zu Missourk (Aus dem anatomischen Institut zu Bonn.) Hierzu Tafel XX und 7 Textfiguren Die Entwicklung der Zahnscheiden; gleichzeitig ein Beitrag zur Ent- wicklung der Zahnbeingrundsubstanz. Von Dr. Leo Fleisch- mann. (Aus dem Wiener histolog. Universitätsinstitute. Vor- stand: Hofrat Prof. Victor v. Ebner.) Hierzu Tafel XXI Zur Kenntnis der Thrombocyten des Salamanderblutes nnd ihres Ver- haltens bei der Gerinnung. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel XXII—XXV und 6 Textfiguren u Über die Herkunft der Teilungszentren der ersten Furchungsspindel im befruchteten Ei. Von K. Kostanecki. (Aus dem anatomischen Institut der Jagellonischen Universität in Krakau.) Hierzu Tafel XXVI und XXVII : rail Beiträge zur Kenntnis der spinalen und symphatischen Ganglienzellen des Frosches (Rana temporaria). Von Erik Warfwinge zu Stockholm. Hierzu Tafel XXVIII 3. en: Ei und Samenreife bei Ascaris canis (Werner) [Asce. mystax]. Von Dr. med. Harry Marcus. (Aus dem zoologischen Institut in München.) Hierzu Tafel XXIX und XXX und 10 Texfiguren Seite 297 oll 359 441 IV Über die Ergebnisse der Altmann-Schriddeschen Färbemethode beim Zentralnervensystem. Von Dr. Wilh.Lobenhoffer, Volontär- Assistent. (Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Uni- versität Marburg a.d.L.) Hierzu Tafel XXXI Die Endigungen der sensiblen Nerven in den Augenmuskeln und deren Sehnen beim Menschen und den Säugetieren. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XXXII—XXXIV Einige Beobachtungen über die Roncoronischen Fibrillen der Nerven- zellenkerne. Von Dr. Em. Mencl, Prag. (Aus dem zoologischen Institute der böhmischen Universität.) Hierzu Tafel XXXV . Die Erklärung einer histologischen Täuschung, der sogenannten Kopulation der Spermien und der Sertolischen Elemente. Von Dr. K. Tellyesniezky, Professor, Budapest. II. anatomisches Institut. Hierzu Tafel XXXVI Zur vergleichenden Anatomie des Mandelkerns und seiner Nachbargebilde. Von Dr. Max Völsch. (Aus dem Laboratorium der psychiatrischen und Nervenklinik der Kgl. Charit& zu Berlin: Prof. Ziehen.) Hier- zu Tafel XXXVII—XL und 15 Textfiguren . Berichtigendes zur Histologie des zentralen Nervensystems. Von Dr. Vladislav Rüzicka Seite 491 501 683 Über den Einfluss der Jahreszeit, des Alters und der Ernährung auf die Form der Hoden und Hodenzellen der Batrachier. Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel I-VI. Die vorliegende Abhandlung berichtet über Untersuchungen, die im Sommer 1901 begonnen und seit dem September 1902 bis jetzt, Herbst 1905, ohne Unterbrechung fortgeführt wurden; sie bringt einiges Neue, soll aber wesentlich dazu dienen, die seit mehr als zwanzig Jahren bestehenden Meinungsverschieden- heiten über die Bedeutung der maulbeerförmigen Kernform zu beseitigen. In einer früheren Mitteilung!) zu dieser Frage wurde die Literatur schon eingehend behandelt, und die Meinung selbst der neuesten Autoren dahin richtig gestellt, dass ebensowenig der Entdecker dieser Kernform, von la Valette St. George, als ich selbst weiter daran festhalten, die Maulbeerform der Kerne als eine selbständige Vermehrungsart der Hodenzellen aufzufassen, wie wir dies anfänglich getan hatten. Das war zu einer Zeit, wo die Kenntnis der Mitose in den ersten Anfängen stand. Ich darf wohl daran erinnern, dass ich gleich in meiner ersten hierhergehörigen Arbeit darauf hinwies, dass die Maul- beerform der Kerne zur Abspaltung der Follikelepithelien führe, und die Teilungen des Restes der Spermatogonie, sowie aller folgenden Zellengenerationen durch Mitose erfolge.?) DEDEA:chE BR SIE I0R ?) D. Arch. Bd. 18 pag. 7: Bei Tritonen tritt in diesem Stadium eine netzartige Anordnung der festen Kernbestandteile ein, wie sie im Ver- lauf der Zellteilung bisher an vielen Objekten beobachtet wurde. Bei Rana fusca ist das Phaenomen nicht deutlich; von Rana esculenta findet sich ein solcher Kern in Fig. 93 dargestellt.“ Ebenso pag. 62: „Daneben sind schon Follikel mit vielen Spermatocyten vorhanden; die Kerne derselben sind grob- granuliert. Ob diese grobe Granulation eine netzartige Anordnung der festen Kernbestandteile repräsentiere, lässt sich bei Bombinator igneus nicht Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 1 2 M. Nussbaum: Später fand ich, dass bei erwachsenen Tieren die Follikel- zellen nicht von den Spermatogonien abgespalten werden; es wird somit die Deutung jener Bilder, die ich bei meinen ersten Untersuchungen der maulbeerförmigen Kerne gab, soweit ich bis jetzt habe feststellen können, in der nachembryonalen Zeit hin- fällig; zur Zeit der ersten Entwicklung müssen die Geschlechts- drüsen auf diesen Punkt nochmals untersucht werden; wir wissen über die erste Entstehung der Follikelzellen nichts Sicheres. Wer dem Gange der Entwicklung unserer Kenntnisse auf diesem Ge- biete nicht als ein Selbstbeteiligter aufmerksam gefolgt ist, könnte aus dem Zugeständnisse leicht zu der Ansicht kommen, dass, wenn die Schlussfolgerung falsch sei, die Maulbeerform der Kerne der Spermatogonien leite die Bildung der Follikelzellen ein, es mit der Behauptung, die Maulbeerform der Kerne gehöre an den Anfang der Spermatogenese, sich wohl ebenso verhalten möge. Diese Art zu argumentieren ist deshalb nicht erlaubt, weil der erste, nunmehr als hinfällig erkannte Teil eine Schluss- folgerung gewesen ist, der der Natur der Sache nach keine kontinuierliche Beobachtung am Lebenden zu Grunde gelegt werden konnte; er ist eine Deutung von Zuständen, deren Binde- glieder durch die Beobachtung nicht herbeigeschafft werden konnten. Die Aussage dagegen, dass die Maulbeerform der Kerne an den Anfang der Spermatogenese gehöre, ist keine aus unver- mittelt aneinandergereihten Beobachtungen gezogene Schluss- folgerung; der Satz enthält nichts, was nicht durch Beobachtung selbst gefunden wäre; denn die Spermatogenese verläuft bei dem mit Sicherheit bestimmen. Dagegen sieht man bei Tritonen und Salamandern die balkenartige Configuration im Innern des Kernes sehr deutlich an den noch in Teilung begriffenen Spermatocyten, und da die Spermatocyten bei anderen Tieren so lange „grob granulierte“ Kerne aufweisen, als sie sich noch teilen, so werden beide Bilder: grobe Granulation oder deutliche netz- artige Struktur im Kern, dasselbe bedeuten, nämlich die Vorbereitungen für die Zellteilung, worauf schon im ersten Abschnitt (cf. p. 7) hingewiesen wurde“. Da ich mich hierbei auf Flemmings Abhandlung, d. Arch., Bd. XVI, p. 302, Taf. XV—XVIII bezog, so wird man nicht daran zweifeln, dass ich die genannten Erscheinungen zur Mitose in Beziehung brachte. Damit er- hebe ich selbstverständlich keinen Anspruch, die Kenntnisse über die feineren Vorgänge bei der Mitose gefördert zu haben; das wäre auch damals bei den relativ schwachen Vergrösserungen, die mir zur Verfügung standen, gar nicht möglich gewesen. Wohl aber bin ich einer der ersten gewesen, die für das Vorkommen der Mitose an Hodenzellen eingetreten sind. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. o zum ersten Male von mir zu verschiedenen Jahreszeiten genau untersuchten Landfrosch (Rana fusca) zeitlich so genau geordnet, dass die Entwicklung lückenlos und Schritt für Schritt verfolgt werden kann. Es gelang mir sodann im Laufe der Zeit nachzuweisen, dass auch die Maulbeerform der Kerne in mitotische Formen über- geführt werden könne.') Damit hätte eigentlich die alte Kontro- verse beendigt sein können, zumal auch von seiten Flemmings und namentlich seines Schülers Meves die maulbeerförmigen Kerne neuerdings nicht mehr als Stadien einer regressiven Kern- veränderung aufgefasst werden. Man ist somit darüber einig geworden, dass, entgegen der alten Anschauung Flemmings, die maulbeerförmige Kernteilung im Hoden mitspiele (siehe Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zellteilung, p. 356). Die Zellen mit maulbeerförmigem Kern gehen nicht zu Grunde. Wenn aber Meves in der meiner Belehrung gewidmeten An- merkung neulich?) behauptete: „In den Spermatogonien des Salamanders hat demnach die Maulbeerform mit der Mitose nichts zu tun“, so ist das im Grunde genommen eine Zurecht- weisung, die an eine falsche Adresse gerichtet ist. Ich will aber wegen der grossen Verehrung, die ich den Verdiensten Flemmings und seiner Persönlichkeit entgegenbringe, so umständlich, als mir das überhaupt möglich ist, versuchen, meine alten Angaben weiter zu stützen und neue Beweise beizubringen. Flemmings erste Zweifel an der, sagen wir einmal, progressiven Bedeutung der maulbeerförmigen Kerne ist in den Sätzen ausgedrückt: „v. la Valette St. George und Nussbaum stützten die Ansicht, dass die maulbeerförmige Kernteilung im Hoden mit- spiele auf das reichliche Vorkommen von derartigen geschnürten Kernformen, wie Fig.5. Ich habe neuerdings bei Salamandra, wo die Grösse der Kerne für solche Untersuchung besondere Gunst gibt, näher geprüft, ob im Anfang der Reproduktions- periode im Hoden (Juni, Juli), wo eben die massenhaften Zell- teilungen im Epithel der Kanäle vor sich gehen, auch besonderer Reichtum an solchen geschnürten, maulbeerförmigen Kernen herrscht. Das Resultat war ein durchweg negatives. Ich finde um diese Zeit fast nur einkernige und mehrkernige Zellen und 2. D. Arch., Bd. 59, 1901. 2DE Arch#, Ba. 61,102, p:1E 1* 4 M. Nussbaum: solche, die in Teilung sind. — Dagegen in der Zeit, wo die Zell- teilungen abgelaufen sind und die Bildung der Spermatozoen beginnt, in Drüsen, in welchen letztere floriert und meist keine einzige kinetische Teilung mehr zu finden ist, trifft man zahl- reiche Kerne von dem Habitus der Fig. 5: deutliche Einschnürungs- formen, ganz der sogenannten maulbeerförmigen Kernteilung der Autoren entsprechend. Mit diesem Befund habe ich mich also W. Krause anzuschliessen, welcher die letztgenannten Formen an das Ende der Samenkörperentwicklung verlegt, und muss es schon hiernach für nicht gerade wahrscheinlich halten, dass bei der vorgängigen Zellvermehrung in diesem Epithel die in- direkte Kernteilung eine Rolle spielt.“ (Zellsubstanz etc., p. 336.) Flemming war meine entgegengesetzte Auffassung und meine gegen W.Krause gerichtete Erwiderung im 21. Bd.d. Arch., p. 341 nicht unbekannt, da er sie in seinem oben zitierten, berühmten Buch im Literaturverzeichnis aufführt, wenn auch die Seitenzahl verdruckt ist. Sie hätte also auch Meves bekannt sein müssen, zumal er mir vorhält, was mir alles hätte bekannt sein sollen. Der Einfachheit halber setze ich die betreffende Stelle hierher: „Bezüglich der maulbeerförmigen Kernteilung in den Spermato- gonien kann ich der von Krause!) geäusserten Meinung nicht beipflichten. Die maulbeerförmige Kernteilung tritt nicht gegen Ende der Samenkörperentwicklung auf, sondern am Anfang. Ein Cystenkern in regressiver Metamorphose ist auf Taf. III, Bd. 18, d. Arch. abgebildet; an diesem ist von maulbeerförmiger Teilung nichts zu sehen, wohl aber an der unter der abgängigen Oyste in ihrer Follikelhaut gelegenen Spermatogonie, aus der sich demnächst neue Samenkörper entwickelt haben würden.“ Kon- trolliertt man die Figur und ihre Erläuterung in Bd. 15 d. Arch., so findet man, dass das Präparat von Rana fusca zu Anfang April entnommen ist. Wer sich dann weiter an der Hand der in Bd. 18 d. Arch. gegebenen Beschreibung orientiert, kann sich überzeugen, dass im April die zur Bildung von Spermatocyten führende Teilung der Spermatogonien beginnt. Es steht somit Behauptung gegen Behauptung, und es wird sich zeigen lassen, dass auch hier wieder das verschiedenartige Untersuchungs- material, Rana fusca (Nussbaum) und Salamandra maculata (Flemming) den Ausgangspunkt und Endpunkt der Kontroverse FR a) Handbuch der menschl. Anat.; Nachträge zum I. Bd. 1881. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. ä) abgibt. Nun will ich vor der Beschreibung aller hier in Betracht kommenden Veränderungen vorweg bemerken, dass Flemming die irrtümliche Annahme gemacht hat, es müssen zur Zeit der massenhaften Zellteilungen im Epithel der Hodenkanäle im Juni und Juli auch die Spermatogonien sich teilen: es beginne somit erst im Juni und Juli die Reproduktionsperiode Die Repro- duktionsperiode hebt aber viel früher an und zwar, so wie ich sie beschrieben habe. Im Juni und Juli erfolgen die Reifeteilungen der Spermatocyten, und die Teilung der Spermatogonien erfolgt entweder gar nicht mehr, oder nur sehr vereinzelt. Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zur Schilderung des zyklischen Ablaufs der während eines Jahres erfolgenden Um- wälzungen in den Hoden der Batrachier über. Mit Bezug auf die Regenerationsvorgänge im Hoden weisen die Batrachier in den beiden Gruppen, den Anuren und Urodelen, zwei verschiedene Typen auf, von denen der eine durch von la Valette St. George, der andere von Semper in seiner wahren Bedeutung erkannt wurde. Bei den Anuren liegen die Zellen, die Spermatogonien, von denen die Regenerationen aus- gehen, in den bleibenden Hodenkanälen: bei den Urodelen gehen die Hodenampullen zum Teil zu Grunde und werden in einer später genauer zu beschreibenden Weise von Keimzellen, Sper- matogonien, ersetzt. Demzufolge sind die mit blossem Auge oder mit der Lupe wahrnehmbaren Veränderungen bei Anuren und Urodelen so sehr verschieden, dass es kaum der mikroskopischen Untersuchung bedarf, um die beiden Typen zu erkennen, die ja auch bei anderen Tierklassen bekannt geworden sind. Die Unter- suchung der ganzen, unzerlegten Hoden hat aber noch den Vor- teil, dass sie viel einfacher, leichter und daher für jeden über- zeugender feststellen lässt, in welcher Reihenfolge die Veränderungen auftreten. Die Vernachlässigung dieser Seite der Beobachtung hat oft genug bedeutende Fehler in der Deutung der Ergebnisse komplizierterer Methoden im Gefolge gehabt. Das Komplizierte kann nur an dem Maßstab des Einfachen sicher gemessen werden. Wir werden uns daher zuvörderst mit den Formveränderungen, welche die Hoden im Laufe eines Jahres durchmachen, zu. be- schäftigen haben und daran die Beschreibung anreihen, welche sich auf die Veränderung der Hodenzellen bezieht. 6 M. Nussbaum: Will man gute und einwandfreie Ergebnisse erzielen, so darf man nur frisch eingefangene Tiere zum Vergleich benutzen und muss der Beschreibung immer eine grössere Zahl von Exemplaren aus den einander folgenden, verschiedenen Stadien zu Grunde legen. In manchen Fällen schadet schon der Einfluss der Gefangenschaft an sich; in anderen macht der Hunger seinen störenden Einfluss geltend. Da nach diesen Gesichtspunkten bei der Untersuchung verfahren wurde, so sind, wo nichts anderes bemerkt ist, stets frisch eingefangene Tiere verwertet worden. Als Ausgangspunkt der Beschreibung dient die Zeit direkt nach der Begattung. l.Cyklische, makroskopisch sichtbareVeränderungen der männlichen Geschlechtsdrüsen. A. Batrachia anura. Als Repräsentant dieser Gruppe wähle ich den schon früher von mir eingehender untersuchten Landfrosch, Rana fusca und bemerke, dass ich ausser dieser Species des Genus Rana auch noch andere und auch Repräsentanten anderer Familien unter- sucht habe. Rana fusca. Ein Männchen wird kurz nach der Eiablage des umklammerten Weibchens am 15. März 1903 getötet. Die abgesetzten Eier sind noch klein, ihre Hülle quillt erst später; am folgenden Tage haben sie das maulbeerförmige Furchungsstadium erreicht. Um diese Zeit sind die Hoden weiss und ziemlich gross, die Samenblasen leicht gefüllt. Es wird also durch die Begattung eines Weibchen nicht der ganze Samenvorrat entleert. Diese Bemerkung bezieht sich mehr auf den Hoden als auf die Samenblase; denn wenn die Samenblasen auch nach der Be- gattung noch prall gefüllt sind, was hin und wieder vorkommt, so ist ihr Inhalt doch durchsichtig und nicht mehr wie kurz vor der Samenergiessung auf die Eier undurchsichtig weiss. Nach der Begattung werden in der Samenblase nur wenige Samen- fäden gefunden: die weisse Farbe des Hodens und seine Grösse sind aber ein Zeichen, dass der Hoden nicht alle Samenfäden und meist sogar nur einen geringen Bruchteil des Vorrats aus- gestossen hat. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 7 Aus der Zahl der Männchen, die am 16. März 19053 das Begattungsgeschäft beendet hatten, wurden am 17. März zwei Stück ausgewählt und mit Muskelstücken gefüttert. Ein Tier wird am 21. März getötet. Die gefütterten Muskeln sind noch nicht verdaut; der Hoden, die Fettkörper und die Samenblasen sind kleiner als bei dem am 15. März, also sechs Tage vorher getöteten Exemplar. Am 23. März ging der zweite Frosch ein; ebenso zwei zu dieser Serie gehörige Weibchen. Ich führe dies an, um zu zeigen, wie vorsichtig der Befund an einem einzigen Tier nur verwertet werden darf. Im Jahre 1905 laichten bei Bonn die Lanifrösche am 13. März. Ein im Aquarium des Instituts bis zum 23. März aufbewahrtes Männchen hatte noch strotzend mit beweglichen Samenfäden gefüllte Samenblasen. Die Fettkörper sind klein, die Hoden verkleinert und gelblich, makroskopisch ist Weiss an der Oberfläche kaum zu erkennen, obwohl im Strichpräparat entleerte Cysten, gefüllte Cysten und unbewegliche Samenfäden gefunden wurden. In der Samenblase wie im Hoden trifft man zwischen den Samenfäden die Kugeln wieder, die zur Zeit der Reife an der Spitze der Cysten, dem Innern der Kanäle zugewandt liegen. In einem grossen Aquarium wurden seit der Zeit vor der Laichperiorde mehrere Männchen isoliert gehalten. Ein am 2. April getötetes Exemplar hatte wenig verkleinerte Hoden und gefüllte Samenblasen; es.ist daher wahrscheinlich, dass dieses Tier gar nicht zur Begattung gekommen ist. Das kann in diesem Falle nicht mit Sicherheit angegeben werden, weil die Tiere zwar einzeln und nicht in Paarung beim Fang begriffen von mir in das Aquarium eingesetzt wurden; die Fangzeit fiel aber in die Laichperiode selbst hinein, sodass möglicherweise die isolierten Männchen vorher schon sich begattet hatten. Das ist hier nicht von so grosser Wichtigkeit, weil es nur darauf ankommt, zu zeigen, dass auch nach der Laichzeit noch Männchen mit gefüllten Samenblasen gefunden werden können. Ein am 27. April 1903 getötetes Tier, das gleich gehalten wurde und aus demselben Fange stammte, hatte wenig ver- kleinerte Hoden, kleine Samenblasen und in ihnen nur noch wenig Samenfäden. In der Samenblasa wie im Hoden trifft man fo) M. Nussbaum: zwischen den Samenfäden die Kugeln wieder, die zur Zeit der Reife an der Spitze der Cysten dem Lumen der Kanäle zugewandt liegen.!) Bei einem am 5. Mai getöteten Exemplar waren die Hoden und Samenblasen verkleinert; in den Samenblasen fanden sich keine Samenfäden; ebensowenig waren am 14. Mai Samenfäden in den fnoch relativ grossen Samenblasen vorhanden; aber an einzelnen Stellen schimmerten durch das Peritoneum der Hoden- oberfläche noch weisse Kanälchen durch, zum Zeichen, dass aus dem Hoden noch nicht alle Samenfäden verschwunden waren. Demgemäss wird man zu dem Schluss geführt, dass mindestens von diesem Zeitpunkt an, keine Samenfäden mehr aus dem Hoden entleert werden; vielmehr alle noch etwa vor- handenen der Resorption anheimfallen müssen. Von den seit dem 17. März in dreitägigen Zwischenräumen regelmässig gefütterten Fröschen wird am 13. Juni ein Exemplar getötet. Die Hoden sind klein, gelblich, die Samenblasen leer, der Fettkörper klein. Unter normalen Bedingungen hat der Hoden im Anfang des Monats Juni die geringste Grösse, um von nun an wieder mächtig anzuschwellen, wie ich dies früher schon angegeben hatte und wie er durch die folgende Darstellung erhärtet wird. Ploetz°) hat nach mir, ohne; jedoch meine Untersuchungen aus dem Jahre 1880 zu kennen, 1890 die Veränderungen in den Hoden von Rana fusca studiert und ist dabei zu ungefähr den- selben Ergebnissen gekommen wie ich. Da eine feinere Analyse der mikroskopischen Schnitte von ihm nicht gemacht wurde, so konnte Ploetz auch nur mit Sicherheit Angaben über die Hodenvolumina geben, und die Ansicht Duvals, der im Gegen- satz zu ihm, statt eines 12 monatlichen einen 18 monatlichen Cyclus annahm, nicht widerlegen. „Ich lasse also offen, wie lange vorher die September-Spermatogonien bereits gebildet worden sind.“ (p. 16). Gaupp’), dem wir die treffliche Anatomie des Frosches verdanken, die ebenso auf eingehenden Studien des Objektes selbst als der Literatur sich aufbaut, hat meine Arbeit gekannt, !, Vorweg genommene mikroskopische Beschreibung. ?) Archiv f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. Supplement 1890 ®) Anatomie des Frosches. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 5) so dass ich auf diesen Punkt nicht weiter einzugehen brauche; dies ist mir umso erfreulicher, als eine ganze Reihe anderer Entdeckungen durch ihn als mein Eigentum anerkannt worden ist. Ob in den Hoden neben den Resorptionsvorgängen schon Vermehrung von Zellen stattfindet, lässt sich wegen der ungemein grossen Volumabnahme des Organs durch die äussere Besichtigung natürlich nicht erkennen; es muss die Feststellung dieses Ver- haltens der mikroskopischen Analyse vorbehalten bleiben, auf die wir weiter unten eingehen werden. Ein Vergleich der Fig. 3 und 4 ergibt ohne Weiteres, wie schnell von Juni bis zum Juli die Schwellung der Hoden erfolgt. Fig. 3 stammt vom 12. Juni und Fig. 4 vom 4. Juli 1903. Das Exemplar vom 4. Juli war gleich nach dem Fang aus dem Freien getötet worden; die Hoden waren mittelgross, die Samenblasen und der Fettkörper klein. Zum Vergleich wurde ein Exemplar im Terrarium gehaltener und regelmässig gefütterter Frösche getötet. Die Hoden waren verschieden gross; der eine von derselben Grösse wie die des im Freien gefangenen Tieres, der andere klein; beide Fettkörper waren klein. Die Verschiedenheit in der Grösse der Hoden gefangen gehaltener Tiere war mir zuerst im Jahre 1901 aufgefallen; es gab Exemplare mit grossen und kleinen Hoden. Über die Bedeutung dieser Unterschiede kann erst die feinere Untersuchung Aufschluss geben. Bis in den August hinein nimmt die Grösse der Hoden weiter zu. Welche Unterschiede an hungernden und aus dem Freien frisch eingefangenen Tieren um diese Zeit in der Hoden- grösse bestehen können, zeigt ein Vergleich der Fig. 5 und 6, die beide aus dem August stammen und an demselben Tage getöteten Fröschen, Rana fusca, entnommen sind. Das hungernde Tier hatte sich in der Gefangenschaft eines grossen Aquariums seit der Laichperiode jedenfalls nur kümmerlich ernähren können; die Muskeln waren schlaff und stark geschwunden und die Hoden von einer Kleinheit, wie ich die bis dahin bei dieser Species am erwachsenen Tier noch nicht gesehen hatte. Das der Frei- heit entnommene Exemplar besass Hoden von einer Grösse, wie sie nur im August gefunden werden, so dass Nichts besser den 10 M. Nussbaum: Einfluss langdauerden Hungers auf die Ausbildung der Geschlechts- stoffe erläutern kann, als die Gegenüberstellung dieser beiden Hodenpräparate aus dem Monat August Wie dies H. Gerhartz näher beschrieben hat, beginnen unter normalen Verhältnissen jetzt auch die Samenblasen, die vorher verkleinert waren, wieder von Neuem zu wachsen; an normalen Tieren haben die Fettkörper eine riesige Ausdehnung, was alles beim hungernden Tiere fehlt. Vom September an schwellen die Hoden wieder ab; Anfang Oktober ist bei frisch gefangenen Tieren mit grossem Fettkörper die Abnahme des Hodenvolums gegen das im Monat August und Anfang September schon recht beträchtlich. In Fig. S ist ein Hoden eines frisch aus dem Freien im November gefangenen Exemplares dargestellt. Man sieht ohne Weiteres die Grössen- abnahme im Vergleich zum Augusthoden. Die Farbe der Ober- fläche ist von einem durchsichtigen Grau in glänzendes Weiss übergegangen und die Felderung, die man bei dem Hoden aus dem Monat August schon mit blossem Auge wahrnehmen konnte, ist nur mit Hülfe einer Lupe noch zu erkennen. Es hat somit der Querschnitt der Hodenkanäle bis zum November hin vom September an wieder ahgenommen. Denn die blinden Enden der Hodenkanäle sind senkreckt zur Oberfläche orientiert und man kann deshalb ohne Verletzung des Präparates über ihre relative Ausdehnung sich unterrichten. Über die Ursachen der Volumabnahme kann selbstverständ- lich durch die Betrachtung mit dem blossen Auge oder mit der Lupe kein Anhaltspunkt gewonnen werden. Es können die Verdichtungsvorgänge bei der Umwandlung der Samenzellen zu Samenfäden hierbei eine Rolle spielen; es wäre aber auch möglich, dass von den durch Teilung bis in den August hinein gebildeten Zellen eine mehr oder weniger grosse Zahl zu Grunde gehen. Wir müssen die Entscheidung in dieser Frage der eingehenden und später zu beschreibenden mikroskopischen Untersuchung anheimgeben. Für gewöhnlich kommt bei den anuren Batrachiern auf jeder Seite nur ein Hoden vor, und es wird von den Autoren als ein besonderes Kennzeichen der Urodelenhoden die Zerklüftung desselben in mehrere Abteilungen angegeben. Man trifft aber, wie ich öfters gefunden habe, auch bei Rana fusca eine Ver- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 11 mehrung der Zahl. In Fig. 9 und 10 sind zwei verschiedene Typen dargestellt. Was die Fig. 9 anlangt, so ist sie nach einem Präparat vom 19. November 1903 entworfen. An den Haupthoden, dessen medialer und lateraler Peritonealüberzug dorsal kurz abgeschnitten sind, sodass die Albuginea des Hodens frei zutage liegt, schliesst sich oral der Fettkörper an und unter diesem, durch einen dünnen Stiel mit der Hauptdrüse verbunden, ein kleiner acsessorischer Hoden. Beide, der grosse und der kleine Hoden, sind der Jahres- zeit entsprechend weiss gefärbt und enthalten in den Üysten ihrer Kanäle reife Samenfäden. Aber auch in dem System der Ausführungsgänge finden sich schon Spermatozoen, wie sich an feinen Schnitten mikroskopisch feststellen liess. Es haben somit beide Hoden Samenfäden entwickelt, und es wäre denkbar, dass in einem ähnlicheu Falle beim Verlust des grösseren Hodens der funktionsfähige kleinere gelegentlich der Sektion verborgen bliebe. Auch an unserem Präparat, wie ich besonders betonen möchte, war es gar nicht leicht den kleinen Hoden aufzufinden; obschon die Verhältnisse nicht ganz so ungünstig lagen als sie gelegentlich eintreten können. Man wird demgemäss mit grösserer Vorsicht, als dies gewöhnlich geschieht, das Geschlecht der Batrachier bestimmen müssen. Denn bei ausgebildeten Aus- führungsvorgängen ist auch der kleinste Hoden eine funktions- fähige männliche Geschlechtsdrüse. Freilich muss sie zu Grunde gehen, wenn die Ausführungsgänge nicht entwickelt sind Eine andere Erscheinung der Zahlvermehrung der Hoden zeigt die Fig. 10. Das betreffende Exemplar von Rana fusca wurde am 12. März 1903 getötet, hatte einen einheitlich gestalteten Hoden auf der einen Seite und zwei in ihrer Gesamt- masse gleich grosse auf der anderen Seite. Dass die beiden Hoden genetisch zusammengehören, zeigt trotz der deutlichen Einschnürung der nur einfach vorhandene und am oberen Ende des grösseren Abschnittes befestigte Fettkörper. Noch eine andere Art der Vermehrung von Hoden fand sich an einem Ende Juli getöteten Exemplar. Der Haupthoden war 11 mm lang, Smm breit und an der lateralen Kante 5 mm dick. Medial nahm der Dickendurchmesser ab. An seinem oralen Ende sass, wie ein zwergenhafter Anhang, der gleich weit entwickelte zweite Hoden- lappen, der in.der Länge 1,5 mm Breite und Dicke 1 mm maß. 19 M. Nussbaum: Diese Vermehrung der Hoden ist nicht häufig, aber unab- hängig von der Jahreszeit und dem Alter der Tiere. Trotz ihres Auftretens bleibt zwischen dem Typus der Anuren und der Urodelen eine breite Kluft vorhanden; da die Wesenheit der Bildung beider Formen eine grundverschiedene ist. Bei den Anuren ist der eine Teil nicht ein Reservoir für die Neubildung des anderen, sondern ein abgespaltener Teil des Ganzen; an allen Punkten ist der Entwickelungszustand der gleiche: während bei den Urodelen, mit deren Beschreibung der folgende Abschnitt sich beschäftigt, die Entwicklungsstadien auf verschiedene Abteilungen der Hoden verteilt sind und die Zahl der Lappen mit dem Alter der Tiere zunimmt. B. Batrachia urodela. Leydig waren die der Farbe und dem Inhalt nach ver- schiedenen Abteilungen des Hodens von Salamandra maculata sehr wohl bekannt. „Die Farbe der einzelnen Abteilungen wechseit zwischen weiss, grau und schwefelgelb, was vom Inhalt der Hodenschläuche herrührt. In den grauen Lappen haben die kurzen Drüsenschläuche, deren abgerundetes Ende 0,024—0,05 breit ist, keine Spermatozoiden, sondern sind von grossen, 0,012 ‘ messenden, hellen Zellen ausgefüllt. Der Inhalt der Zellen ist blass, feinkörnig, der grosse Kern hat mehrere Nucleoli. Die Hodenabteilungen mit schwefelgelber Farbe haben in denselben Zellen gelbe Fettkügelchen und nur die weiss aussehenden zeigen die bekannten, schönen, mit undulierender Membran besetzten Spermatozoiden.‘“ Auch der heute als Regenerationszone bekannte oral am Hoden gelegene Zipfel war Leydig aufgefallen. Die betreffende Stelle lautet: „Eigentümlich ist, dass bei allen von mir hierauf untersuchten Individuen die Hoden von rechts und links durch ein graues, fadenförmiges Endstück, welches nach vorne und gegen die Medianlinie sich neigt, von beiden Seiten und zwar gerade über dem Magen mit einander in Verbindung sich setzen.“ Besondere Förderung unserer Kenntnisse über die feineren Veränderungen der Zellen während der Teilung und die Aus- bildung der Samenfäden bei den Urodelen verdanken wir Flemming, Hermann und Meves. Doch ist gerade der y Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. p. 74, 1853. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 15 vordere Zipfel der Hoden in dem die Regeneration anhebt, bisher nicht eingehend genug berücksichtigt worden. Als Grund hierfür gibt Meves an, dass er für seine auf die feineren Vorgänge bei der Zellteilung gerichteten Untersuchungen den vorderen Zipfel nicht geeignet fand und sich auf die zentralen Partien der grossen grauen Lappen beschränkte. !) Die neueren Untersucher haben auch, was früher nicht geschehen war, den Hoden methodisch zu verschiedenen Zeiten des Jahres studiert. Und doch glaube ich, dass man mit Bezug auf diesen Punkt noch eingehender hätte untersuchen können. Was früher nicht erkannt wurde, bezieht sich auf die Verschiedenheit der Zahl von Hodenlappen, die man bei den Urodelen findet. Leydig gebraucht die Bezeichnungen „Ab- teilung und Lappen“ promiscue. Im Anschluss an diese Nomen- clatur des berühmten vergleichenden Anatomen sollen die Wörter Abteilung und Lappen von nun an so verwandt werden, dass der Hoden aus Lappen und jeder Lappen aus Abteilungen besteht. Denn die Lappen, so viele ihrer auch vorhanden sein mögen, bestehen immer aus mehreren Abteilungen, die sich durch Grösse und Farbe unterscheiden. Auch die Lappen sind, wie schon Bidder bemerkte, verschieden gross; sie sind aber ihrer Qualität nach nicht verschieden, wie ihre einzelnen Abteilungen.?) Zu den Hodenlappen kommen dann noch oral und caudal gelegene Anhänge, die ich Lungenzipfel und Cloaken- oder Schwanzzipfel benennen werde. Von Vertretern der Urodelen habe ich zu verschiedenen Jahreszeiten Triton alpestris und Triton cristatus untersucht: Salamandra maculata an frisch im Frühjahr eingefangenen Exemplaren noch nicht; Triton cristatus dagegen an vielen Exemplaren das ganze Jahr hindurch. Die Beschreibung wird sich vorzüglich mit Triton alpestris und Triton eristatus beschäftigen, die wie ich gefunden habe, im (srossen und Ganzen ähnlich sind, für gewöhnlich aber so grosse Verschiedenheiten zeigen, dass man leicht geneigt sein könnte, für jeden derselben einen besonderen Typus festzulegen. Das ist, wie sich’ herausstellen wird, zwar nicht der Fall; aber ) D. Arch. Bd. 48, p. 9, 1896. ?) Synonym mit Abteilung sind gelegentlich die Ausdrücke Zone, Partie, Abschnitt gebraucht worden. 14 M. Nussbaum: Triton alpestris zeigt Erscheinungen, die für das Verständnis der bei den anderen Urodelen bis jetzt bekannten von wesent- licher Bedeutung sind, häufiger als Triton cristatus. Triton alpestris. Unter allen von mir bis jetzt genauer untersuchten Urodelen hat Triton alpestris bei der Mehrzahl der gefangenen Exemplare den am einfachsten gebauten Hoden; die Veränderungen im Laufe der einzelnen Monate sind so prägnant und spielen sich an so wohlcharakterisierten Stellen des Organes ab, dass man mit schwachen Vergrösserungen schon imstande ist, den Ablauf der Vorgänge und ihre Reihenfolge zu erkennen. Für gewöhnlich ist auf jeder Seite nur ein Hoden vor- handen und auf diese Gruppe passt die folgende Beschreibung. Untersucht man frisch eingefangene Tiere gegen Mitte März, so findet sich, wie Fig. 19 erläutert, ein oft rein weisser, zuweilen auch leicht gelblich gefärbter Hoden; auf ihm ruht oral ein kleiner durchsichtiger Schild oder Spiegel, der sich gegen die Lunge hin in einen feinen gleichbeschaffenen Zipfel fortsetzt. Die Wolffschen Gänge sind glänzend weiss und mit reifen Samen- fäden gefüllt; die Fettkörper sind klein. Am 25. April eingefangene Weibchen hatten Eier unten im Eileiter, aber auch im Eierstock befanden sich noch reife Eier. Ich führe dies an, um zu zeigen, weshalb die im Laufe des Monats April gefangenen Männchen verschieden sich ver- halten; da es offenbar darauf ankommt, ob das betreffende Tier zur Begattung gelangt ist, bevor es eingefangen wurde. Auch bei Triton alpestris wird sicher nicht aller Samen bei der Copulation entleert. Ein am 16. April eingefangenes Männchen hatte, wie Fig. 20 Taf. II zeigt, noch grosse, prall mit reifen Samenfäden gefüllte und daher rein weissfarbige Ampullen; aber der durchsichtige Spiegel auf der Oberfläche war im Vergleich zu dem vom 17. März, vergl. Fig. 19, schon stark nach abwärts vorgeschoben. Nach diesem Termin muss im Jahre 1904 bei den meisten Exemplaren die Begattung eingetreten sein. Ein frisch einge- fangenes Männchen vom 25. April zeigte gegen das Verhalten der früher getöteten Exemplare schon bedeutende Unter- schiede. Der Hoden erschien wie in zwei Hälften zerlegt, die. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 15 sich mit den Längsseiten fast sagittal aneinanderlegten. Der Mittellinie zugewandt eine durchsichtige, und lateral eine weisse Partie. Die durchsichtige besteht, wie Fig. 19 illustrieren mag, aus dem oralen, an der Lunge befestigten Zipfel und dem Spiegel; die weisse stellt die Summe der noch mit reifen Samen- fäden erfüllten Hodenampullen dar. Die relativen Grössen- verhältnisse der beiden Abteilungen haben sich verändert. Der Spiegel ist grösser geworden, und zwar ist er in die Länge und in die Breite gewachsen; der Abschnitt mit den reifen, weissen Ampullen ist verkleinert. Diese Veränderung schreitet in der nächsten Zeit noch weiter fort und es tritt von jetzt an immer deutlicher noch eine andere Erscheinung ein, die mit der Ent- leerung der Ampullen zusammenhängt. Zwar ist es selten, dass man soweit entleerte Hoden, wie den in Fig. 22, Taf. II abge- bildeten vorfindet. Das betreffende Tier stammt vom 27. April. Der Hoden ist in der Seitenansicht dargestellt. Der Spiegel ist bedeutend gewachsen, und an die Stelle der früher noch grossen, rein weissen Abteilung ist eine gelbliche, schlaffe Masse getreten, in der hier und da noch einige blendend weisse Kügelchen auf- leuchten. Gewöhnlich ist gegen Ende April und Anfang Mai der Hoden von der medialen zur lateralen Seite hin in drei neben- einander liegende, fast längsverlaufende Streifen geteilt; der laterale besteht aus dem durchsichtigen Spiegel mit dem zur Lunge hin gerichteten Zipfel, der mittlere aus den weissen, noch nicht entleerten, und der mediale gelbliche aus den entleerten Ampullen. Im Grossen und Ganzen schreitet die Entleerung durch das Hodennetz zur Niere und in den Wolffschen Gang vom medialen Rande des Hodens gegen den Spiegel hin vor; es werden aber auch gelegentlich bei diesem Vorgange, wie Fig. 22 wohl am deutlichsten zeigt, unterwegs einige Ampullen übersprungen, Ist dieser Zustand erreicht, so nimmt der Spiegel nicht mehr an Grösse zu; der mediale gelbliche Streifen verkleinert sich und vom Spiegel bis zu dieser Zone treten auch bei schwacher Lupenvergrösserung wahrnehmbare durchsichtige Ampullen auf, die vom Spiegel aus gerechnet nach der Medianebene und nach dem caudalen Hodenpole hin an Grösse zunehmen. Fig. 23 mag dazu dienen, über diese Phase der Weiterentwicklung ein Bild zu geben. Das Präparat ist en face von der lateralen Seite aus gesehen, nachdem es aus dem Tier entfernt und in Hermann- 16 M. Nussbaum: scher Flüssigkeit gehärtet war. Der mediale Streifen lugt unten rechts in der Zeichnung vor; die Grösse der Ampullen nimmt nach den freien Rändern des Hodens zu; nur im Spiegel und dem frei hervorragenden Zipfel ist bei der schwachen Vergrösse- rung nichts von Felderung, also keine Andeutung von Ampullen zu sehen. Eine weisse Abteilung mit reifen Ampullen ist nicht mehr vorhanden. Das Präparat stammt vom 18. Mai 1904. Um zu zeigen, wie sehr sich die beschriebenen Verhältnisse in den einzelnen Jahren verschieben können, füge ich noch die Beschrei- bung der Fig. 24, Taf. II bei. Das Präparat war am 13. Mai 1903 gewonnen worden und stellt, von der lateralen Seite aus gesehen, den rechten Hoden dar. Oben ragt frei der durchscheinende Lungenzipfel vor; rechts schmiegt sich eine Strecke weit oben an den Hoden der Fettkörper an, um in der Zeichnung bald unter dem Hoden zu verschwinden. Die Hauptmasse des Hodens besteht aus drei Längsstreifen: rechts der Spiegel und die jungen durchscheinenden Ampullen; dann folgt ein schmaler Streif weisser, reifer und grosser Ampullen, links schliesst das Ganze mit dem entleerten Hodenparenchym ab. Es sind somit von Mitte März bis Mitte Mai folgende Ver- änderungen aufgetreten. Der Spiegel hat sich vergrössert, und die alten weissen Ampullen haben sich entleert. Gleichen Schritt mit dieser Entleerung hält Auftreten und Vergrösserung des Streifens am lateralen Rande und das Vorschieben junger Ampullen vom Spiegel aus, bis schliesslich die jungen Ampullen nach völliger Entleerung der alten, direkt an den Entleerungs- streifen anstossen. Während des Übergangs ist der Hoden drei- teilig, vorher und nachher nur zweiteilig. Vor der Entleerung besteht das Organ aus dem Lungenzipfel mit dem kleinen Spiegel und der Summe reifer Ampullen; nach der völligen Entleerung aus der vermehrten Masse junger Ampullen und den hinfälligen testen der entleerten Ampullen. Im Juni ist der Hoden soweit umgestaltet, dass nunmehr die völlige Resorption der entleerten Ampullen eingetreten ist. Dadurch ist für einige Zeit der Hoden wieder zweiteilig geworden, indem er nur aus wachsenden Am- pullen und dem Lungenzipfel nebst dem Spiegel und, was sofort ins Auge fällt, nur aus durchscheinendem Gewebe besteht. Der Hoden von Triton alpestris ist bei den hier be- schriebenen Exemplaren einlappig und besteht nur kurze Zeit Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 17 nach der Brunst aus drei Abteilungen: einer Zone junger Am- pullen, einer Zone weisser und einer Zone entleerter Ampullen; vorher und nachher ist der Hodenlappen zweiteilig. Vom Monat Juni an sind nur junge und wachsende Ampullen vorhanden. Die wachsenden Ampullen werden sodann in reife übergeführt; kurz vor der Brunstzeit werden nur reife Ampullen gefunden; zwischendurch aber, von Juli an, junge, wachsende und reife Ampullen. Man kann auch makroskopisch feststellen, dass der Lungen- zipfel mit dem Eintritt der Brunst sich vergrössert und dann wieder kleiner wird. Eine nähere Beschreibung verschieben wir besser auf später, wenn zugleich nach mikroskopischer Unter- suchung von Schnittserien die Veränderungen seiner Zellen in Betracht gezogen werden können. Denn die im Lungenzipfel enthaltenen Elemente — junge Ampullen — sind so klein,. dass sie mit blossem Auge nicht zu erkennen sind. Über die weiteren Veränderungen der Hoden, die zur Aus- bildung von Samenfäden führen, habe ich wegen der schwierigen Beschaffung frischen Materials in den nun folgenden Monaten keine Untersuchungen angestellt. Dafür sind die gleich zu be- richtenden Beobachtungen an Triton ceristatus um so vollständiger. Triton cristatus. In Fig. 14 gebe ich eine genau nach der Natur entworfene Abbildung des linken Hodens samt seinen Ausführungsgängen. Die Biddersche Zeichnung von Triton taeniatus ist zu schematisch, wie man das dort am bestenan dem Relief der Hoden- oberfläche erkennen kann. Auch gehen die Vasa efferentia testis nur selten an die Spitze der kompakten Nieren heran, und wenn sie es tun, so ist es nur ein Kanälchen dieser Gegend, das noch einen Ausführungsgang aufnimmt. Oft enden die Vasa efferentia blind an dieser Stelle, so dass in der Tat nur der in einzelne Gruppen aufgelöste orale Nierenteil die wahre Geschlechtsniere darstellt. Spengel bildet bei Triton taeniatus 10 isolierte vordere Nierenkanäle mit ebenso vielen Vasa efferentia testis ab. Bei Triton cristatus liegen die Sachen nicht so einfach. Das Präparat!) stammt vom 11. März 1903 und kann zugleich als Beleg für das Aussehen des Hodens um diese Zeit, also kurz 6) Fig. 14, Taf. II. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 2 18 M. Nussbaum: vor der Brunstzeit, dienen. Es sind zwei grosse Hodenlappen vorhanden, deren Oberflächenrelief nicht in der Zeichnung wieder- gegeben worden ist. Jeder dieser Hodenlappen zerfällt in zwei Unterabteilungen, von denen die in jedem Lappen gelegenen, grossen rein weiss, die anderen aber durchsichtig erscheinen. Der vordere Lappen hat, oral gegen die Lunge gerichtet und an ihr befestigt, den von Triton alpestris her schon bekannten durch- sichtigen Zipfel; an ihn schliesst sich ein feiner, durchsichtiger Schleier, der der Hauptmasse des Lappens halbmondförmig ange- lagert ist. Der erste Lappen ist von dem zweiten ventrolateral durch eine tiefe Ringfurche getrennt und an ihn schliesst sich wieder mit dem durchsichtigen halbmondförmigen Schleier oral bedeckt der zweite, im übrigen glänzend weisse Lappen, der caudal in das Mesorchium mit einem durchsichtigen Zipfel aus- läuft. Nur von der Rückseite her kann man nachweisen, dass die beiden Lappen durch einen schmalen, durchsichtigen Ver- bindungsstrang zusammenhängen. Die von der ventralen Seite aufgenommene Zeichnung hat somit diesen Verbindungsstrang nicht zur Anschauung bringen können. Es sind also um diese Zeit kleine Regenerationszonen in Form zweier durchsichtiger Schleier und eines caudalen und oralen durchsichtigen Zipfels, sowie des Verbindungsstranges vorhanden, während die über- wiegende Masse des Hodens reife Samenfäden in ihren Ampullen enthält. In diesem Massiv des Hodens finden sich auch einige helle Blasen von der Grösse reifer Eier, die aber bei mikrosko- pischer Untersuchung nichts als entleerte Hodenampullen dar- stellen und beinahe völlig von Samenfäden frei sind. Es muss also in diese Ampullen hinein die Secretion einer Flüssigkeit erfolgt sein, die ihre Wände prall gedehnt erhält, während für gewöhnlich entleerte Ampullen stark verkleinert werden. Diese Blasen finden sich nicht bei allen Exemplaren. Dagegen strotzt der ganze ausführende Apparat von Samenfäden. Untersucht man viele Tiere zu dieser Zeit, so trifft man auch solche, die nur aus einer reifen Abteilung des Hodens einer Seite den Samen zu entleeren begonnen haben. Dann ist der Wolfische Gang dieser Seite mit Sperma gefüllt, der der anderen Seite dagegen noch frei davon. Man kann bei einiger Übung den ganzen ausführenden Apparat so vorbereiten, dass er als ein übersichtliches flaches Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 19 Präparat in seiner ganzen Ausdehnung auf einen Objektträger gebracht, konserviert und mikroskopisch untersucht werden kann. Nach einer solchen Präparation ist der betreffende Abschnitt der Fig. 14 mit der Camera entworfen worden. Aus dem Hoden treten sechs Stämmchen als Ausführungsgänge hervor, und zwar setzen sich die anal gelegenen aus je einer zweizinkigen Gabel zusammen; dann vereinigen sich alle zu dem Bidderschen Längskanal, und aus diesem zieht das vordere Ende zu einem oral gelegenen Renculus, d. h. einem einzigen mit Glomerulus ausgestatteten Harnkanälchen des Geschlechtsteiles des Wolff- schen Körpers. Das Endstück dieses Renculus ist zugleich der Anfangsteil des Woltfschen Ganges, der zu einer oral kon- vexen Schleife gebogen in den lateral zur Niere gelegenen und um diese Zeit stark verdickten und geschlängelten Hauptteil des Ganges anschwillt. In diesen Gang münden weiter die übrigen Renculi, bei denen die Zahl der zu den Bowmanschen Kapseln der Glomeruli führenden Vasa afferentia des Längskanales mit der Zahl der Glomeruli übereinstimmt, während die Zahl der in den Wolffschen Gang sich ergiessenden Endstücke geringer ist. Man zählt im vorliegenden Präparat in der Geschlechtsniere 17 aus dem Bidderschen Längskanal hervortretende Vasa afferentia, ebensoviele Glomeruli, aber nur 15 Ausführungsgänge der Renculi zum Wolffschen Gang. Auf diese Ausführungsgänge folgen die der kompakten Beckenniere, über die H. Gerhartz!) aus- führlicher berichtet und die in ihrer natürlichen Lage auch in unsere Zeichnung aufgenommen worden sind. Die Verschiedenheit der Zahl der Glomeruli und der iso- lierten Ausführungsgänge, die in den Wolffschen Gang ein- münden, ist bei der Überlegenheit in der Zahl der Glomeruli ein überzeugender Beweis, dass auch im Geschlechtsteil des Wolffschen Körpers sekundäre Kanälchen gebildet werden, wie ich dies schon früher (Zool. Anz. 1897) für die Batrachia anura angegeben hatte.”) Medial vom Hoden liegt der an unserem Exemplar im Anfang März mächtig entwickelte Fettkörper. Zur weiteren Erläuterung der Figur sei noch bemerkt, dass die Lunge an ihrem oralen und caudalen Ende, und der Mast- 1) D. Arch. Bd. 65, pag. 666, 1905. ?) Vergl. E.Grafe, D. Arch. Bd. 67, pag. 143, 1905. 20 M. Nussbaum: darm oralwärts abgeschnitten sind. Oben in der Zeichnung ist ein Teil des von Leydig bei Urodelen entdeckten rudimentären Müllerschen Ganges des Männchen dargestellt. Wie ungleich die Zahl der Hodenlappen sein kann, ergibt sich am deutlichsten aus dem Befund, dass bei demselben Triton, dessen links gelegener, soeben beschriebener Hoden nur in zwei Lappen zerfiel, rechts drei sich fanden; der caudale rechte Zipfel war weniger stark entwickelt, als der linke. Ein am 1. April 1903 getöteter Triton cristatus hatte auf jeder Seite nur einen Hoden mit einem oralen und caudalen durchscheinenden Zipfel. Die kompakte Masse zerfällt in einen durchscheinenden und in einen glänzend weissen Teil. Die Am- pullen des weissen, caudal gelegenen Teiles sind grösser und enthalten reife Spermatozoen: der orale durchscheinende Teil hat von vorn nach hinten an Grösse zunehmende Ampullen, die einen zentralen Hohlraum erkennen lassen: die an den weissen Teil anstossenden Ampullen sind die grössten des durchscheinenden Teiles, aber bedeutend kleiner als die reifen Ampullen. bei einem am 13. April 1904 getöteten Exemplar gab es links drei Hodenlappen, die durch dünne, helle, durchscheinende, kurze Stränge ein rosenkranzförmiges Aussehen erhielten. In Jedem einzelnen Lappen folgten sich ein heller durchsichtiger Strang, eine verbreiterte, durchscheinende, oral gelegene, kleinere Partie und eine grössere, caudal in jedem Lappen sich anschliessende, mit reifen Samenfäden erfüllte grössere Partie. Die Oberflächen- zeichnung, die ein Ausdruck des Aufbaues aus Ampullen ist, hat den schon mehrmals geschilderten Charakter; in den durch- scheinenden Partien nimmt sie jedesmal analwärts an Grösse zu; aber selbst die Grenzgebiete gegen die weisse Partie haben viel kleinere Felderzeichnung als diese weissen Ampullen mit den reifen Samenfäden. Die helleren Partien sind im Vergleich zu den Hoden des vorigen Monates vergrössert, die weissen verkleinert. Ebenso verhält sich ein Triton cristatus vom 28. April 1903. Die durchscheinenden Partien sind vergrössert und deutlich massiger geworden; in den weissen Partien sind am lateralen Rande mehrere wasserklare Blasen; bei einigen derselben schimmert eine leichte weisse Flocke reifer Samenfäden aus dem Innern durch. Es sind nur zwei Lappen vorhanden, die durch ein helles Band mit einander verbunden werden; oral geht der erste Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 21 Lappen in den hellen durchscheinenden Lungenzipfel aus. In jedem Lappen liegt caudal die weisse, reife Partie; oral die durchscheinende Einen Hoden vom 27. April 1905 findet man in Fig. 15, Taf. II, abgebildet. Es fehlen die Zipfel am oralen und caudalen Ende; statt derselben liegen an den bezeichneten Stellen durch- scheinende Partien und zwischen ihnen noch zwei weisse, die durch eine durchscheinende getrennt werden. Der Hoden ist demgemäss wie der in Fig. 14 dargestellte zweilappig; zusammen gehören je eine durchscheinende und eine weisse Partie; der orale Zipfel ist in die erste durchscheinende Partie aufgenommen worden, den caudalen stellt die letzte Abteilung dar, indem eine sehr schnelle Umwandlung in Ampullen hier Platz griff. Im Gegensatz zu anderen Hoden, von deren Verhalten die von Salamandra maculata stammende Fig. 26, Taf. II, eine Vorstellung geben mag, ist das zwischen dem ersten und zweiten Lappen gelegene Ver- bindungsstück so kurz, dass beide nur durch eine Furche ge- trennt zu sein scheinen; es ist aber dennoch auf der Rückseite vorhanden, während die Abbildung in Fig. 15 nur die vordere Ansicht gibt und hier in der Tat von einem gelegentlich sehr langen Verbindungsstrang nichts zu sehen ist. Fragt man sich, was aus diesem Hoden im Laufe der Ent- wicklung zu Ende des Jahres, in dem das Tier getötet wurde, hätte werden können, so kommt man nach den Ergebnissen der an anderen Exemplaren zu anderen Jahreszeiten gemachten makroskopischen und mikroskopischen Beobachtungen zu dem Schluss, dass die beiden reifen Hodenabteilungen resorbiert und an die Stelle eines zweilappigen ein dreilappiger Hoden getreten wäre. Den Beweis für diese Feststellung können wir selbst- verständlich erst im weiteren Verlauf der Darstellung erbringen. Ein frisch gefangener und gleich getöteter Triton ceristatus vom 5. Mai 1903 hat auf der linken Seite einen durchsichtigen Lungenzipfel, dem eine junge durchscheinende und weiter eine grössere weisse, gefelderte Partie mit reifen Samenfäden folgt; eine durchscheinende Partie macht anal den Beschluss dieses Hodens. Auf der rechten Seite ist der Hoden, von dem in Fig. 16, Taf. II, eine laterale Profilansicht gegeben wird, wie folgt zusammengesetzt. Oral ein langer und breiter Lungen- zipfel mit anschliessender gegen den Zustand vom März be- 22 M. Nussbaum: deutend vergrösserten, kompakten durchscheinenden Abteilung; ihr folgt ein weisser, gross gefelderter Abschnitt, dessen Ampullen reife Samenfäden enthalten; an ihn schliesst sich eine kleinere an der Oberfläche glatte Abteilung entleerter Ampullen. Diese drei Abschnitte bilden zusammen einen Lappen des ganzen Hodens; ein zweiteiliger Lappen folgt anal und endet in einem schmalen caudalen Zipfel. Verbunden sind die beiden Lappen durch einen zarten, durchscheinenden Verbindungsstrang. In der entleerten caudalen Abteilung sind noch einige ge- füllte Ampullen mit reifen Samenfäden vorhanden, was in der Zeichnung durch den weissen Fleck in der grauen fünften Ab- teilung angedeutet ist. Die Zipfel sind nicht auf der Oberfläche gefeldert; die Grösse der Felderung nimmt auf den durch- scheinenden, kompakten Abteilungen caudalwärts zu, bleibt aber noch bedeutend hinter der Grösse der Felder der weissen Ab- teilungen zurück. Die Abteilungen mit entleerten Ampullen zeigen keine Felderung. Die Oberflächenzeichnung ist nicht in die Figur eingetragen, da die genaue Copie nach der Natur zu schwierig und zeitraubend ist. Man möge zum Studium dieser Eigentümlichkeiten die Figuren 26 und 33 verwerten. Wohl sind in Fig. 16, Taf. II, die Verschiedenheiten der Lappen durch ver- schiedene Tönung angedeutet. Die Samenleiter sind noch strotzend mit Samenfäden gefüllt; gleichzeitig getötete Weibchen haben Eier im Eileiter und noch reife Eier in den Eierstöcken. Was aus diesem zur Zeit der Tötung zweilappigen Hoden im Laufe des Jahres bei fortschreitender EntwickInng hätte werden können, ist schwer zu sagen; da die Zustände des cau- dalen Endes nicht soweit fortgeschritten sind, als dass schon die Bildung eines dritten Lappens hier erkannt werden könnte. Unter günstigen Umständen hätte der Hoden dreilappig bis zur nächsten Brunst werden können; es wäre aber auch möglich gewesen, dass die caudal gelegene Abteilung sich nicht weiter entwickelt hätte und somit der Hoden, wie er es bei der beinahe abgelaufenen Brunstzeit war, zweilappig geblieben wäre. Von nun an nehmen die Abteilungen mit reifen Ampullen schnell an Grösse ab, und gleichzeitig wachsen die oral diesen Abteilungen vorgelagerten, grau durchscheinenden Abteilungen der einzelnen Lappen Im Mai sind schon an einigen reifen und völlig entleerten Abteilungen die Anzeichen der Fetteinlagerung Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 23 durch das Auftreten der schwefelgelben Verfärbung nachzuweisen. So waren an einem frischgefangenen kräftigen Tier am 13. Mai 1903 die Fettkörper gross, die Samenleiter strotzend mit weissem In- halt gefüllt, der Hoden bestand aus zwei Lappen von je zwei Abteilungen, so dass in der Richtung vom Kopf zum Schwanz sich eine Abteilung von milchglasartig durchscheinender Farbe, eine rein weisse opake, eine durchscheinende uud eine schwefel- gelbe folgten. Verfettung war also nur in dem caudalen Lappen vorhanden. Der vordere und hintere durchscheinende Zipfel fehlten. Ein Triton cristatus vom 23. Mai 1903 hatte drei Hoden- lappen aus je zwei Abteilungen zusammengesetzt, von denen jedesmal oral die durchscheinende der weissen undurchsichtigen voraufging. Ein durchscheinender Lungenzipfel fehlte, der cau- dale Zipfel war vorhanden. Um diese Zeit haben die Weibchen von Rana fusca nur kleine durchsichtige Eier im Eierstock, die Ablage der reifen Eier ist längst erfolgt, während die Eierstöcke der Weibchen von Triton cristatus noch viele grosse, weisse Eier - enthalten; das Laichgeschäft ist also bei Triton eristatus Ende Mai noch nicht völlig beendigt. Im Juni dagegen sind die reifen Hodenabteilungen fast bei allen Tieren ganz entleert. Die Beschreibung des Hodens eines am 13. Juni 1903 eingefangenen und getöteten Exemplars möge dies erläutern. Die Abteilungen mit reifen Spermatozoen, d. h. die un- durchsichtig weissen sind rechts ganz, links bis auf wenige gelb- liche Reste geschwunden. In den Samenleitern steckt zentral ein schmaler weisser Faden nicht entleerter Spermatozoen. Die Hoden sind stark geschwollen, die Fettkörper gross. Auf den Abteilungen nimmt die Grösse der Felderung, welche, wie schon oben erwähnt, der Ausdruck der Ampullengrösse ist, in caudaler Richtung jedesmal zu, und in jedem Feld ist ein zentraler Hohlraum sichtbar. Der rechte Hoden besteht, wie Fig. 17, Taf. II erläutert, aus drei milchglasartig durchscheinenden Lappen, die durch schmale Bänder durchsichtigen Gewebes mit einander verbunden sind; ein Lungenzipfel, und ebenso ein caudaler Zipfel, wie ihn Fig. 14 derselben Tafel zeigt, fehlen. In der Zeichnung ist das Detail der Felderung nicht aufgenommen worden. Vergleicht man Fig. 15 und Fig. 17 miteinander, so fehlen in Fig. 17 die weissen Abteilungen; der Hoden ist aber, 24 M. Nussbaum: wie dies für Fig. 15 vorhergesagt werden konnte, dreilappig ge- worden, und zwar haben sich die durchsichtigen, in den Zeich- nungen leicht grau gehaltenen Abteilungen der alten Lappen und der in Fig. 15 schon vergrösserte Schwanzzipfel zu gesonderten Lappen entwickelt, die zwar durch Verbindungsstränge zusammen- hängen, aber noch keine verschieden gefärbten Abteilungen ge- bildet haben. Um diese Jahreszeit war bei den untersuchten Hoden die Entleerung und die völlige Resorption etwaiger im Hoden zurückgebliebener Spermtozoen beendet und die Neu- bildung von Samenfäden noch nicht im Gange, weshalb keine Farbenunterschiede wahrgenommen werden konnten. Im Jahre 1904 waren die Hoden der frisch eingefangenen Tritonen um dieselbe Zeit nicht so weit entleert. Aus meiner Sammlung beschreibe ich ein Exemplar vom 23. Juni 1904. Links fehlt der Lungenzipfel und am weitesten oral liegt eine fast völlig entleerte reife Abteilung, auf diese folgt ein schmaler und kurzer durchsichtiger Streifen; dann eine grosse Abteilung wachsender Ampullen. Die Grösse der Ampullen dieser Abteilung nimmt caudalwärts zu. Es folgt wieder eine nicht ganz entleerte Abteilung reifer Ampullen, ein ganz kurzer schmaler durchsichtiger Verbindungsstreifen, eine Abteilung wachsender Ampullen, etwa halb so gross als die weiter oral gelegene, gleiche Abteilung; eine weitere Abteilung entleerter Ampullen macht mit dem ihr folgenden caudalen, sehr zarten durchsichtigen Zipfel den Be- schluss. Der rechte Hoden ist gleichartig gegliedert; beide entbehren somit des durchsichtigen Lungenzipfels und haben, wie ich dies in anderen Monaten auch gesehen habe, statt seiner nicht eine wachsende, sondern eine ganz reife Abteilung. Da in diesen reifen Abteilungen Spermatogonien vorkommen, so ist dies Verhalten von besonderem Interesse. Wir werden nach der Beschreibung der mikroskopisch sichtbaren Details auf diesen Befund zurückkommen. Abgebildet ist der soeben beschriebene Hoden in Fig. 18. Die Abteilungen, welche noch reife Samenfäden enthalten, sind weiss, diejenigen mit jungen und wachsenden Ampullen grau und die im Zustande der Rückbildung befindlichen Abteilungen dunkel gehalten. Weiter vorgeschritten in der Rückbildung der fertigen, weissen, reife Samenfäden enthaltenden Abteilungen des Hodens Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 25 und in der Fortentwicklung der neuen Ampullen waren die Hoden eines am 27. Juni 1905 getöteten Triton cristatus. Wie Fig. 19a von dem Hoden der rechten Seite in dorsaler Ansicht zeigt, folgt auf einen grossen Lungenzipfel, a, eine fast gleich durchsichtige, kleine Vermehrungszone b, und ihr eine grau durchscheinende grosse Wachstumszone c. Diese Abteilungen sind in der Zeichnung grau gehalten und an sie schliesst sich an, im Zusammenhang nur von der abgebildeten Rückseite her völlig zu erkennen, eine kleine dunkler gehaltene im frischem Zustande gelblich gefärbte Degenerationszone e, die in ein relativ breites aber dünnes Band, im ganzen Sförmig gestaltet, a, übergeht und mit einer kleinen kugligen Abteilung durchsichtiger junger Am- pullen endigt b. Es fehlen somit um diese Zeit Abteilungen mit reifen Samenfäden; ein Lungenzipfel war vorhanden, der Kloakenzipfel fehlte; an seine Stelle ist eben um diese Zeit die Zone junger Ampullen getreten. Im Juli verschwinden die degenerativen Zonen völlig und am Ende dieses Monats und Anfang August findet man schon Samenfäden, die auch bei dieser Spezies von Triton gegen die Ausführungsgänge des Hodens hin, also von der lateralen zur medialen Seite in ihrer Ausbildung weitere Fortschritte machen. Aus dieser Zeit habe ich makroskopisch nur ein Bruchstück eines Hodens in Fig. 25 wiedergegeben. Da das Präparat aber nicht lebend mir zu Gerichte gekommen ist, sondern erst nach der Konservierung in Flemmingscher Lösung, so muss ich die genauere Beschreibung bis zur Darstellung der histologischen Verhältnisse verschieben. Doch geht dies um so eher an, als der ganze hier makroskopisch gezeichnete Hodenteil in eine feine, gut geratene Längsschnittserie zerlegt worden ist. In der Abbildung sind die Zellen enthaltenden Teile, die Regene- rations-Vermehrungs-Wachstum- und Reifezone grau gehalten; der mediocaudale Rand erscheint weiss, weil hier die Umbildung zu Samenfäden schon eingesetzt hat. Auch vom September standen mir nur konservierte Prä- parate zur Verfügung. Was aus den Serienschnitten hier Er- wähnung finden muss, beschränkt sich auf das Verschwinden der Wachstumszone und die fortschreitende Ausbildung der Samen- fäden. Die Vermehrungszone ist äusserst klein. Im Grossen und Ganzen behält der Hoden jetzt bis zur nächsten Brunst 26 M. Nussbaum: denselben Habitus; dann beginnt der Lauf der geschilderten Veränderungen von Neuem. Aus meinen Notizen sei für die Zwischenzeit noch das folgende angeführt, weil es zeigt, dass der Lungenzipfel nicht immer ausschliesslich Regenerationszone ist. Ein Triton eristatus mit flach liegender Rückenflosse aus einem Terrarium, das in einem ungeheizten aber frostfreien Zimmer aufgestellt war, wird am 11. Dezember 1902 getötet. Der Fettkörper ist mässig entwickelt, sein Zipfel ist mit der Milz verwachsen. Der linke Hoden besteht aus einem vorderen kleinen und zwei hinteren grösseren Lappen, die durch milch- glasartige, schmale Stränge verbunden sind. Ein Lungenzipfel fehlt, der Kloakenzipfel ist vorhanden. Die drei Lappen sind weiss und lassen die Ampullenzeichnung auf der Oberfläche gut erkennen. Da am äussersten oralen Ende und ebenso am caudalen Ende der Hoden von Triton eristatus demgemäss recht häufig reife Hodenabteilungen gefunden werden, so muss die Form der Regeneration eine andere sein, als man sich bis jetzt vorstellte. Aufschluss über das wirkliche Verhalten wird die mikroskopische Untersuchung geben. Die makroskopische Betrachtung der Hoden zeigt jedoch schon ohne weiteres, dass mit dem Eintritt des Winters die Samenbildung abgeschlossen ist und jedenfalls keine neuen Schübe von Zellteilungen mehr erfolgen; denn die durchsichtigen und milchglasartigen Abteilungen der Hoden sind und bleiben bis zum Frühjahr sehr klein. Die Reifung der fertig gestellten Samenfäden macht aber noch Fortschritte, wie sich aus der all- mählich fortschreitenden Abnahme der Durchmesser reifer Am- pullen ergibt. Aber auch über diesen Punkt kann erst die mikroskopische Untersuchung völlig aufklären. Salamandra maculata. Von einer mit der Bahn aus Süddeutschland bezogenen Sendung wird sofort nach der Ankunft ein Exemplar am 28. Juni 1903 getötet. Das Männchen hat auf jeder Seite einen aus drei Abteilungen bestehenden Hoden. Der vordere Zipfel ist canz durchsichtig, dann folgt die allmählich in deutlich milch- glasartige Färbung übergehende grössere Abteilung; eine kleine Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 2Arf weisse Abteilung macht caudal den Abschluss. Es fehlt somit der Kloakenzipfel, während der Lungenzipfel vorhanden ist. Vergleicht man die reife Abteilung mit der gleichen der grösseren Exemplare, so fällt auf, dass bei den grösseren Tieren um diese Zeit zwei weisse Abteilungen vorhanden sind, während am hier beschriebenen, einlappigen Hoden nur eine einzige Abteilung von weisser Farbe vorkommt. Ein am 20. Juli getötetes, grösseres Exemplar zeigt ganz andere Verhältnisse. Die Hoden bestehen aus mehreren Lappen, von denen jeder in mehrere verschieden grosse und verschieden gefärbte Abteilungen zerfällt. Ein ganz feiner durchsichtger Lungenzipfel wird von einer grösseren milchglasartigen Abteilung gefolgt. An diese reinen sich eine mittelgrosse und eine kleine weisse Abteilung an; es folgt dann ein durchsichtiger Strang und auf diesen der zweite, gleich wie der erste zusammengesetzte Lappen. An diesem Hoden war die stets, auch schon bei Larven sichtbare, mediodorsale Einfaltung des Hodens, an der die Aus- führungsgänge austreten und die Arterien in den Hoden ge- langen, so stark entwickelt, dass man hätte glauben können, namentlich der zweite Hodenlappen sei aus sechs einzelnen Stücken zusammengesetzt. Da diese Einfaltung, in der auch noch der Fettkörper befestigt ist, bei allen Urodelen sich findet, so sei zur Erläuterung auf Fig. 46, Taf. III, verwiesen. Ein zweiter durchsichtiger Strang verbindet den eben be- schriebenen zweiten Hodenlappen mit einer eingefalteten milch- glasartigen Abteilung; das caudale Ende des Hodens bilden eine mittelgrosse und ihr folgend eine ganz kleine weisse Abteilung. Der caudale Zipfel fehlt. Soweit ich bis jetzt diese Verhältnisse beurteilen kann, sind bei den kleineren, also voraussichtlich jüngeren Männchen, nur drei Abteilungen vorhanden, die zu einem Lappen vereinigt sind und die verschiedenen Stadien von Ent- wicklungszuständen der Samenzellen enthalten. Bei älteren, den grösseren Männchen entstehen mehrere Lappen, die wiederum in den Sommermonaten aus drei Abteilungen mit ‚verschiedenen Entwicklungsformen der Samenzellen zusammengesetzt sind. Ein analer Zipfel ist nicht immer vorhanden; er kommt aber vor, wie dies auch Meves und Hermann beschrieben haben. Es bedarf nur ‚geringer Vergrösserungen, um noch eine Reihe von Details an den unzerlegten Geschlechtsdrüsen zu er- 28 M. Nussbaum: kennen. So ist die Fig. 26 auf Taf. II, bei vierfacher Lupenver- grösserung genau mit Hülfe einer Camera lucida in Objektisch- höhe entworfen worden, und zwar sind alle Details peinlich genau wiedergegeben worden und durchaus naturgetreu. Dabei zeigt sich denn an den Hoden einer am 28. Juli 1903 getöteten Salamandra maculata das Folgende. Die Geschlechtsdrüse besteht aus drei Lappen, die in mehrere Abteilungen zerfallen und durch zwei dünne Stränge mit einander verbunden sind. Der orale Lappen ist der grösste, fast gleich gross der zweite, sehr klein im Vergleich zu diesen beiden der caudale Lappen. Am oralen, in der Figur nach oben orientierten Ende, liegt der schmale durchsichtige Lungenzipfel. Milchglasartig sind die grossen vorderen Abteilungen der Lappen und die Verbindungsstränge zwischen denselben. Weiss dagegen leuchten in jedem Lappen die der ersten folgenden beiden Abteilungen. Diese weissen Abteilungen sind kleiner als die milchglasartigen, und der caudal gelegene in jedem Lappen wieder kleiner als der orale. Deutlich prägt sich in der Ansicht der Oberfläche die Zeichnung der Ampullen aus und es ergibt sich, dass in dem durchsichtigen Zipfel nur an der Basis eine ganz feine Körnung zu erkennen ist, die in einer kleinen kappenförmigen Zone an Durchmesser zunimmt. Diese Kappe auf den milchglasartigen Abteilungen ist auch durch- sichtiger als das jetzt folgende Hauptgebiet. Man erkennt eine beträchtliche Volumzunahme der Körner, die aber alsbald geradezu sprungweise sich vergrössern, um gegen den caudalen Begrenzungs- rand an Durchmesser wieder abzunehmen. Die weissen Abteilungen haben eine kleinere Oberflächenzeichnung als sie der angrenzende Rand der milchglasartigen, ihnen oral vorgelagerten Abteilungen aufweist. Noch deutlicher wird der geschilderte Befund bei einer etwas stärkeren Vergrösserung, wie sie zur Darstellung eines Teiles der Oberfläche einer milchglasartigen Abteilung und der anstossenden weissen Abteilung benutzt wurde Man kann somit makroskopisch am Hoden an der Grösse der Oberflächen- felderung und der Färbung der Abteilungen sehr wohl eine Regenerationszone, eine Vermehrungs-, eine Wachstum-, Reife- und eine Involutionszone unterscheiden. Die Regenerationszone ist durchscheinend und hat keine Oberflächenzeichnung. Die Vermehrungszone hat kleine, caudalwärts an Grösse zunehmende Felderung. Die Wachstumszone hat sprungweise vergrösserte Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 29 Felderung, die caudal an Grösse abnimmt und mit dem Ueber- gang in die weissen Abteilungen der Hodenlappen noch etwas kleiner wird. Die weissen Abteilungen enthalten, das müssen wir aus der mikroskopischen Untersuchung vorwegnehmen, reife Samenfäden und zwar caudal gelegen, stets die am völligsten ent- wickelten, weshalb auch hier wieder caudal eine Verminderung in der Grösse der Oberflächenfelderung eintritt. Die Involutionszone ist klein, ohne Oberflächenzeichnung und gelb von Farbe. Die Zonen folgen sich in orocaudaler Richtung in der hier angegebenen Reihenfolge. Die Abteilungen sind nicht zu allen Zeiten des Jahres alle gleichzeitig vorhanden; nur die Regenerations- und Vermehrungszone und bei Salamandra maculata im Gegensatz zu den anderen Urodelen auch die Zone reifer Ampuilen trifft man das ganze Jahr hindurch; ist die Wachstumszone ausge- bildet, so fehlt die Involutionszone und umgekehrt. Man überzeugt sich an Fig.33 nach einem Präparat vom Hoden der am 28. Juli 1903 getöteten Salamandra maculata, dass in der milchglasartig gefärbten Abteilung oral ganz kleine Kreise allmählich an Grösse zunehmen, bis dann bei a sprung- weise eine bedeutende Vergrösserung an einigen dieser Kreise auftritt. Zwischendurch bleiben aber Ampullen auch weiter ab- wärts liegen wie bei b, deren Durchmesser nicht vergrössert ist. Dann folgt eine neue Zone bei ce mit wiederum sprungweiser Vergrösserung, bis bei d der grösste Durchmesser erreicht ist, der aber nach dem caudalen Rande bei e wieder an Grösse ab- nimmt. Die in der weissen Abteilung bei f sichtbaren Ampullen sind noch kleiner als die bei e. In der Zone c—d liegen nahe bei ce am linken Rande auch einige Ampullen, die unter der Grösse, welche die übrigen Ampullen der Zone zeigen, zurück- bleiben; aber keine mehr von der Grösse derer bei a oder gar beib. Estreten somit von a an bis f hin keine jungen Ampullen mehr auf. Dies wird auch an feinen Schnitten bestätigt, ist aber weit mühseliger festzustellen, als an dem Öberflächenbild des unzerlegten Hodens. Das Gesagte wird auch durch die Fig. 27 bestätigt, die nach einer milchglasartigen Abteilung und einem Teil des Lungen- zipfels eines natürlich injizierten Salamanderhodens entworfen ist. Die stark injizierten Venen der Oberfläche trennen deutlich die Ampullen voneinander, die im oralen Gebiet klein, in der 30 M. Nussbaum: Mitte am grössten sind und am caudalen, nach abwärts stehenden Rande der Figur wieder an Durchmesser abnehmen, ohne jedoch auf die ursprüngliche Kleinbeit zurückzugelangen. Im Lungenzipfel und in dem anstossenden nach oben in der Zeichnung gelegenen Gebiet ist die Abgrenzung der Ampullen nicht möglich; sie sind zu klein und können erst mit Hilfe des Mikroskops erkannt werden Was ich weiter über die Veränderungen der Hoden in den folgenden Monaten beibringen kann, hat nicht den Anspruch zu machen, dass die Beobachtungen dem Ablauf der Erscheinungen an normalen Tieren in der freien Natur entsprächen. Alles be- zieht sich nur auf Tiere, die im Juli gefangen und bis zum nächsten Frühjahr in Gefangenschaft gehalten wurden. Im September bestand jeder Hodenlappen, der mit dem nächstfolgenden mittelst eines durchscheinenden Verbindungs- stranges vereinigt war, aus drei Abteilungen: einer milchglas- artig oralen, die caudal grössere Ampullen aufwies als oral, und die der Vermehrungszone in Fig. 26 entspricht. Die Wachs- tumszone fehlt, da im Monat August die Umwandlung der Spermatiden zu Samenfäden so grosse Fortschritte gemacht hat, dass an der Stelle der Wachstums- und Reifezone jezt eine Ab- teilung mit reifen und reifenden Samenfäden getreten ist. Die Öberflächenzeichnung der Ampullen ist daher auch gegen die der Wachstums- und Reifezone in Fig 26 kleiner gewerden. Wie es aber Ende Juli zwei Abteilungen reifer Samenfäden haltender Ampullen in jedem Lappen gab, so enthält auch der September- hoden zwei solcher Abteilungen. Die caudal gelegene ist kleiner auf der Oberfläche gefeldert als die orale, und im Monat Sep- tember geht diese zweite Zone reifer Ampullen direkt in eine Zone entleerter und nicht mehr weiss, sondern gelb gefärbter Ampullen über. In Fig. 58, Taf. IV, sind zwei Hodenlappen eines Hodens von Salamandra maculata aus dem Anfang September 1904 dargestellt. Die leicht grauen Töne geben die mehr oder weniger durchsichtigen Hodenabteilungen an, weiss sind die Abteilungen mit reifen Samenfäden und dunkel die Zonen, welche sich der Samenfäden entledigt haben. Im Frühjahr ändert sich das Bild wiederum. Inwieweit die (Gefangenschaft hier mitgewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen. Es war mir aber nicht möglich, um diese Zeit Salamander aus dem Freien zu erhalten. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. > Die einzelnen Lappen waren durch Verbindungsstränge zusammengehalten. Da später von der Lappenbildung noch besonders geredet werden soll, führe ich hier nur an, dass jeder Lappen aus drei Abteilungen bestand: einer Abteilung junger Ampullen, einer Abteilung reifer und einer caudal gelegenen dritten Abteilung entleerter Ampullen. Dementsprechend verhielt- sich auch die Farbe der einzelnen Abteilungen, eine durchscheinende orale, eine mittlere weisse und eine gelbe caudale Abteilung. In Fig. 57 ist der Unterschied der Farbe durch die auch in Fig. 26 und 58 gewählten Schattentöne wiedergegeben worden. Mit dem Septemberhoden hat der Märzhoden gemein, dass die ganz grossen durchscheinenden Ampullen fehlen; es ist aber die Zone junger Ampullen wieder gewachsen wie sich aus einem Vergleich von Fig. 57 und 58 sofort ergibt. Eine Abteilung reifer, weisser Ampullen ist auch im Märzhoden erhalten geblieben; aber der Schwund der Samenfäden aus der zweiten weissen Abteilung hat Fortschritte gemacht, und auf ihre Kosten ist die gelbe degenerative Zone vergrössert worden. Nochmals sei darauf hingewiesen, dass die hier beschriebenen Veränderungen der Hoden in der freien Natur sicher ganz anders und nicht bei allen Tieren gleichartig ablaufen werden. Auf die doppelte Abteilung reifer Ampullen hat schon Flemming aufmerksam gemacht, und dies eigenartige Vor- kommen ist es, was dem Salamanderhoden vor allen anderen Urodelenhoden eine Ausnahmestellung verleiht. Man ersieht, aus der voraufgehenden Schilderung dass man über die zyklischen Veränderungen im Urodelenhoden schon ziemlich gut durch die makroskopische Untersuchung der Form und Farbe unterrichtet wird. An dem Hoden von Rana fusca erhält man bei schwachen Vergrösserungen ebenfalls Oberflächenbilder, welche wohl über den Gang der Entleerung der Samenfäden einigen Aufschluss verschaffen; da aber in denselben Kanälen auch die Regeneration abläuft, so ergibt diese Form der Untersuchung kein Bild, wie die Prozesse der Ausstossung, Involution und Regeneration sich zeitlich zu einander verhalten. Aus der Farbe und Grösse kann man jedoch auch bei dieser Form der Untersuchung einigen Aufschluss erhalten. Ganz anders verhält es sich bei den Hoden des Triton alpestris, der für die Einsicht in den Gang der Neu- 3 M. Nussbaum: bildung der Ampullen und die Umwandlung ihres Inhaltes zu Samenfäden weit günstiger ist als Salamandra maculata. Denn bei Triton alpestris ist, wie oben ausgeführt wurde, für gewöhn- lich nur ein solitärer Hoden auf jeder Seite vorhanden und die Ampullen sind in ihrer Färbung und Grösse zeitlich und örtlich so genau geordnet, dass eine Reihe wertvoller Aufschlüsse am mässig vergrösserten Oberflächenbild gewonnen werden kann. Es sollen zuerst die Veränderungen bei Rana fusca beschrieben werden. In den Fig. 11-13 auf Taf. I sind Zustände aus den Monaten Mai, Juli und November dargestellt. Beginnen wir mit Fig. 13 aus dem November, so sind zu dieser Zeit alle Kanäle rein weiss und wie die mikroskopische Untersuchung ergibt, durchaus mit reifen Samenfäden erfüllt. Die Kanäle haben nicht gleiches Kaliber. In unserer Figur sind die drei mittleren Querschnitte die grössten. Es können somit nicht in allen Hodenschläuchen gleich viel Spermatozoen gebildet worden sein. Ein Vergleich mit dem Kaliber der Kanäle aus der Mitte August ergibt, dass der Durchmesser bedeutend abgenommen hat. Fig. 11 stellt einen Hodenoberflächenabschnitt aus der Mitte des Monats Mai dar; sie zeigt, dass noch einige Kanäle reife Samenfäden enthalten; dies sind die beiden grossen, rein weissen Scheiben; andere Kanäle haben sich der reifen Samenfäden entledigt und weisen alle eine starke Verkleinerung des (Quer- schnittes gegen die mit Samenfäden erfüllten auf; sie sind grau durchscheinend und unter sich an Grösse verschieden. Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass sie nicht mehr reife Samenfäden in grosser Zahl enthalten können; denn nur die damit prall gefüllten Kanäle haben eine rein weisse, glänzende Farbe; was sich sonst im Innern abspielt, kann auf diese Weise nicht erkannt werden. Es müssen aber bis zum folgenden in Fig. 12 bei gleicher Vergrösserung dargestellten Stadium noch Resorptionen des Inhaltes der Kanäle stattgefunden haben; denn die grossen, rein weissen Querschnitte fehlen und ebenso die mittelgrossen; es sind nur solche Hodenschläuche vorhanden, die ein mattgraues durchscheinendes Ende der Oberfläche zuwenden, und deren Durchmesser, unter einander ein wenig verschieden, doch die kleinsten aus dem Monat Mai übertrifft. In Fig. 7 ist bei einer weit schwächeren Vergrösserung die Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 33 Hodenoberfläche aus der Mitte August abgebildet. Die Durch- messer der Hodenschläuche, wie sie an ihrem blinden Ende an der Oberfläche erscheinen, sind bedeutend vergrössert. Dies ist auch schon gelegentlich der Beschreibung der mit schwacher Lupenvergrösserung äusserlich sichtbaren Veränderungen der Hoden in den einzelnen Monaten hervorgehoben worden. Damit ist aber auch erschöpft, was ohne Anfertigung feiner Schnitte erkannt werden kann und was in den Hauptzügen schon oben mitgeteilt wurde Ergiebiger ist die Analyse der Hodenoberfläche mit mässigen Vergrösserungen bei Triton alpestris. Der Grund dafür liegt in dem schon früher betonten Unterschied der Regenerations- vorgänge der Batrachia anura und der Urodelen, speziell des Triton alpestris. Bei den Urodelen gehen die zur Samenbildung verwandten Ampullen zum grössten Teil zu Grunde, und es bilden sich Zonen ächter, den weiblichen Corpora lutea vergleichbarer Involutionen. Die Regeneration geht allerdings von Zellen aus, die in den alten Ampullen gelegen sind, aber bei der äusseren Untersuchung sind diese Verhältnisse nicht völlig klar zu legen und bis jetzt auch verkannt worden. Wir kommen später hierauf zurück. Bei den Anuren bleiben die alten Schläuche, wie leicht nachzuweisen ist, erhalten, und die Involution und Regeneration gehen Wege, die an der Oberfläche nicht zu erkennen sind. Von der Hodenoberfläche wurde bei Triton alpestris in den Figuren 28, 29 und 30, Taf. II, ein gleich gelegener seitlicher Streif gezeichnet, um die Grösse der Elemente am Rande des Spiegels und die Entfernung der mit reifen Samenfäden gefüllten Ampullen deutlich zu machen. Dabei ist zu bemerken, dass die gewählte Ver- grösserung, Zeiss a, Oc. I, die Grösse der central im Spiegel gelegenen Elemente nicht darzustellen gestattete; dafür waren sie zu klein. Es ist aber in den drei Figuren im Bereich des durchsichtigen Spiegels nur eine schmale Zone junger Ampullen vorhanden, deren Grösse nach dem Rande hin zunimmt; nicht alle Ampullen, die auf derselben Querlinie stehen, sind gleich gross. Es können somit, wie das auch für Salamandra gelten würde, zwei Möglichkeiten vorliegen. Entweder sind die kleineren Ampullen in der Entwicklung stehen geblieben, oder sie haben eine Degeneration ihrer Elemente erlitten, nachdem sie früher grösser gewesen waren. In den Figuren sind die jungen, kleinen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 3 34 M. Nussbaum: Ampullen grau gehalten, die wenigen, gezeichneten, unten in den Figuren ihnen folgenden Ampullen mit reifen Samenfäden da- gegen weiss: Fig. 28 stellt einen Hoden vom 16. April, Fig. 29 vom 27. April und Fig. 30 vom 25. April dar. Total ver- ändert wird das Bild bis zur Mitte des Monats Mai, aus welcher Zeit die für die Herstellung der Figuren 31 und 32 benutzten Hoden stammen. Fig. 31 zeigt das obere Ende des Hodens mit dem nach links im Bild gewandten Lungenzipfel nur wenig schräg von der medialen Fläche; Fig. 32 dieselbe Hodenpartie mit nach rechts gewandtem basalem Teile des Lungenzipfels in Profilansicht;; in Fig. 31 liegt daher der Spiegel in der medianen Längsachse oder nahezu darin; in Fig. 32 liegt der Spiegel nach oben zu und randständig. Auf dem Lungenzipfel und dem Spiegel sind Details nicht zu erkennenl; wo sie deutlich sichtbar werden, zeigt es sich, dass die Breitenausdehnung der Zone neugebildeter Ampullen gegen den vorhergehenden Monat bedeutend zuge- nommen hat. Während man in den Figuren 23—30 junge Am- pullen nur auf fünf bis sieben Querlinien findet, ist hier die Zahl der Reihen mehr als verdoppelt, und trotzdem ist von anstossenden reifen Ampullen nichts zu sehen. Es hat somit eine Neubildung von Ampullen und ein Vorwärtschieben derselben vom Spiegel aus nach den Seiten zu um diese Zeit sicher stattgefunden. Gleichzeitig müssen aber auch in den vorher schon vorhandenen Ampullen Vorgänge eingetreten sein, die zu ihrer Vergrösserung geführt haben; denn die Durchmesser der peripher gelegenen Ampullen sind vergrössert. Auch hier sind nicht die auf der- selben Querlinie stehenden Ampullen gleich gross. Wenn auch die Grösse vom Spiegel aus nach der Peripherie zunimmt, so sind doch unter den ganz peripher gezeichneten Ampullen auch solche zu finden, welche ihrer Grösse nach in eine dem Spiegel näher liegende Zone hineingehörten. Was aber hier wie bei Salamandra von Bedeutung ist, wurzelt in der Erscheinung, dass die peripheren kleinen Ampullen nicht unter ein bestimmtes Maß heruntergehen, sodass die Möglichkeit, sie seien an Ort und Stelle entstanden, dadurch widerlegt ist. Die kleinen peripheren Ampullen können auch hier wie bei Salamandra nicht in loco aus den ersten Anfängen entstanden sein; denn es fehlen die ersten Anlagen an diesen Stellen. Dagegen müssen die Ampullen, wie ein Vergleich ihrer relativen Grösse und ihrer Ausdehnung Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 35 in den beiden Monaten April und Mai zeigt, vom Spiegel aus peripher vorgeschoben worden sein. Diese Feststellung wird durch die Beschreibung von Schnitt- serien später noch ergänzt werden und sie ist geeignet, den Re- generationsmodus der einzelnen Spezies und der beiden Ordnungen genauer zu erkennen, als dies bis jetzt möglich war. Das Ein- gehen auf diesen Punkt wird bis zur Mitteilung der mikro- skopischen Analyse bei stärkeren Vergrösserungen verschoben werden müssen. Die Grösse der Zellen beim Salamander und bei den Tritonen erlaubt auch bei schwachen Vergrösserungen noch zu erkennen, wie weit die Entwicklung der Elemente in den einzelnen Monaten des Jahres vorschreitet. Freilich gehört dazu, dass man die mit der Lupe untersuchten Oberflächenbilder durch das Studium von Serienschnitteu der verschieden gefärbten Hodenabteilungen er- gänzt. Zur Einsicht in den Ablauf der Veränderungen sind Totalschnitte durch den ganzen Hoden von Triton alpestris oder durch die verschiedenen Abteilungen eines Lappens der Hoden von Salamandra maculata oder Triton cristatus unbedingt er- forderlich. Die Reihenfolge der Entwicklungsformen ist im Urodelenhoden so genau topographisch geordnet, wie viele Andere und ich selbst es früher schon vom Hoden der Spulwürmer be- schrieben haben. An dieser Stelle soll der Nachweis erbracht werden, dass die Vermehrung der Ampullen im ersten Frühjahr erfolgt. II. Ergebnisse mikroskopischer Untersuchung. Wir werden, um der Abhandlung Meves vom Jahre 1896 (d. Arch., Bd. 48, p. 1 und figd.) gerecht zu werden, noch einige Vor- bemerkungen voraufschicken müssen, und zwar handelt es sich hier weniger um Tatsachen, als um Bezeichnungen. Trotzdem kann diese Auseinandersetzung nicht umgangen werden, weil sonst ein Verständnis dessen, was beschrieben wird, unmöglich sein würde. Meves findet Spermatogonien in dem Lungen- und Schwanz- zipfel. Von den Zellen des Lungenzipfels heisst es sodann: „Durch die Teilungen derselben werden eine Zeit lang nur gleichwertige Tochterzellen gebildet, die sich jede mit einer von den sogenannten Follikelzellen (Randzellen vom Raths) ge- BE 36 M. Nussbaum: bildeten Umhüllung umgeben. — An der Basis des Zipfels be- ginnen nun die durch wiederholte Teilungen bereits kleiner gewordenen Zellen vielfach eine Zusammenlagerung in Nestern (Fig. 2) zu zeigen welche durch stärkere Bindegewebszüge von- einander abgegrenzt sind. — Jede einzelne Zelle ist zunächst noch von ihrer von Randzellen gebildeten Umhüllung umgeben. In der Folge teilt sie sich nun innerhalb der Umhüllung viele Male hintereinander. Auf diese Weise entstehen durch immer wieder- holte Teilungen schliesslich Cysten (Spermatocysten von v. la Valette). Eine Anzahl solcher Spermatocysten sind zu einem dickwandigen Bläschen mit kleinem centralem Hohlraum zu- sammengelagert.“ In der Figurenerklärung Taf. I, Fig. 3 wird ein solches Bläschen Cyste genannt. Meves ist im Recht, dem Urodelenhoden gleich vielen anderen den Besitz von Kanälen abzusprechen. Diese Hodeneinheiten haben den Charakter von Ampullen; sie verdienen aber nicht die Bezeichnung von Oysten, da sie an einem Ende in den Ausführungsgang übergehen. Der Charakter der Ampulle ist aber sehr viel früher vorhanden, als Meves annimmt; denn das System der Ausführungsgänge ist bei erwachsenen Tieren, um die es sich bei Meves handelt, schon mit den im Lungenzipfel gelegenen Spermatogonien in Verbindung. Im Lungenzipfel und im Schwanzzipfel liegen die Spermatogonien, mögen sie nun vereinzelt oder zu mehreren vereinigt angetroffen werden, von Follikelzellen umgeben, und wenn es mehrere Sper- matogonien sind, auch durch Follikelzellen getrennt in einer bindegewebigen Haut, die in die Membrana propria des Ausführungs- ganges sich fortsetzt (s. Fig. 41 und 43, Taf. III). Diese Sper- matogonien vermehren sich, wie Meves gleichfalls hervorhebt, in kaudaler Richtung, so dass immer mehrere nebst ihren Follikel- zellen in einer Ampulle zusammenliegen. Spermatogonien und Follikelzellen werden dabei durch Teilung ihresgleichen vermehrt; man kann Schritt für Schritt verfolgen, wie nach der Teilung der Spermatogonien die Follikelzellen sich teilen, zwischen die Teilprodukte der Spermatogonien hineinwachsen und sie von- einander trennen. Mitosen in Follikelzellen sind in Fig. 68, 81, 89 und 90 abgebildet. Man findet auch Bilder, welche darauf hinweisen, dass durch Einwucherung der Membrana propria einer jungen Ampulle und durch Sprossung des Ausführungsgangs Teilungen und Ver- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 37 mehrungen von Ampullen entstehen. Doch will ich hierauf an dieser Stelle nicht eingehen. Wegen der bei den erwachsenen Urodelen leicht zu konstatierenden Verbindungen der im Lungen- zipfel gelegenen Spermatogonien mit den Ausführungsgängen würden wir den Aufbau des ganzen Hodens in folgender Weise schildern: Der Hoden der Urodelen besteht aus Ampullen, die je nach ihrer Lage in den einzelnen Abteilungen eine verschiedene Grösse haben. Jede Ampulle enthält eine oder viele durch Mitose vermehrte Spermatogonien, die durch mitotisch sich vermehrende Follikelzellen umhüllt und voneinander getrennt werden. _ Jede Ampulle öffnet sich in eine Endverzweigung eines der Aus- führungsgänge. Jede Ampulle enthält nach dem Stadium ihrer Entwicklung eine verschiedene Zahl von Follikeln. Wie wir später zeigen werden, deckt sich der Begriff Follikel mit Cyste. Die Ampullen einer bestimmten Abteilung zeigen verschiedene Grösse und enthalten von den verschiedenen Entwicklungsstadien der Samenzellen stets nur eine oder nahezu dieselbe Form. v. la Valette St. George hatte die Abkömmlinge einer Spermatogonie, welche durch Follikelzellen wohl umschlossen, aber nicht wieder wie die Spermatogonien bei ihrer Vermehrung voneinander getrennt werden, Spermatocyten genannt. Als Platner die Reduktionsteilung im Hoden entdeckt hatte, stellte sich das Bedürfnis ein, diesen Vorgang durch eine besondere Bezeichnung sinnfällig zu machen und v. la Valette St. @eorge nahm die Semper-Vogtsche Bezeichnung „Spermatiden“ in seine Nomenklatur auf. Ganz berechtigt scheint mir auch der Vor- schlag von Lenhosseks, die Zellen, welche aus der ersten Re- duktionsteilung hervorgehen, besonders zu benennen, und man wird gewiss allgemein den von Waldeyer hierfür eingeführten Namen „Präspermatiden“ annehmen. Ich finde es aber durchaus unpraktisch, das Wort Spermatocyt in dem Sinne zu gebrauchen, wie Meves dies z.B. getan hat. Das bringt es mit sich, dass das, was v. la Valette St. George Spermatocyt genannt hat, mit dem Namen Spermatogonie belegt werden muss. Ich denke, es mag sein Bewenden dabei haben, wenn man den guten, alten Namen Spermatogonie für alle Zellgenerationen beim er- wachsenen Tier beibehält, bis zur Teilung der letzten Gene- ration, wo die Teilprodukte nicht mehr, wie das bis dahin immer erfolgt war, durch Follikelzellen getrennt werden. Spermato- 38 M. Nussbaum: cyten nenne man alle Zellgenerationen, die durch Teilung der Spermatogonie bis zum Auftreten der ersten Reifeteilung entstehen, Präspermatiden die Zellen, die aus der ersten, und Spermatiden die Zellen, die aus der letzten Reifeteilung her- vorgehen. Eine Nötigung, das Wachstum der letzten Spermatocyten- generation durch eine besondere Namengebung zu charakterisieren, liegt deshalb nicht vor, weil die Nomenklatur der Spermatogenese in einem einzigen Wort doch nicht alle Charakteristika enthalten kann. Wenn die Nomenklatur die Verkleinerung der Zellen nicht hervorhebt, so braucht sie auch das Wachstum nicht be- sonders zu bezeichnen Man wird freilich gestehen müssen, dass die hier gegebenen Definitionen ohne weiteres nur für die Batrachier anwendbar sind. Ich verkenne nicht, dass bei niederen Tieren die Erscheinung des Wachstums der letzten Spermatocytengruppe im Sinne der vorhin gegebenen Definition so sinnfällig ist, und die Unmöglichkeit, Spermatogonie und Spermatocyt in ähnlicher Weise zu unter- scheiden als bei den Batrachiern, so absolut, dass für die Sperma- togenese der niederen Tiere, denen die Follikelzellen fehlen, auch die Zusammengehörigkeit der Abkömmlinge einer einzigen Sperma- togonie viel schwerer festzustellen ist. Man wird daher leicht geneigt sein, alles bis zur Wachstumszone Spermatogonie zu nennen. Vielleicht findet man aber sowohl bei niederen, als bei höheren Tieren, gleichwie dies von la Valette St. George für die Batrachier gelang, noch sinnfällige Merkmale für eine bessere Abgrenzung. Jedenfalls ist der Name Spermatocyt in der Spermatogenese der Batrachier ein so prägnanter, dass ihm sogar viel mehr Bedeutung zukommt, als allen später neu ge- bildeten; denn er bezeichnete zum ersten Male alle aus einer Spermatogonie durch Teilung hervorgehenden Zellen, die sich in Samenfäden verwandeln. Zwischen Spermatogonie und Sper- matocyt ist bei Batrachiern der Unterschied deshalb so gross, weil Spermatogonien durch Follikelzellen getrennt und Sperma- tocyten durch Follikelzellen zusammengehalten werden. Der Hoden der anuren einheimischen Batrachier besteht wie gesagt aus Ampullen, die sich in ein System von Ausführungs- gängen öffnen. Jede Ampulle fängt an, nachdem sich zuvor in ihr Spermatogonien und Follikelzellen gesondert vermehrt und Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 39 die Follikelzellen die Spermatogonien getrennt hatten, in den einzelnen Follikeln Spermatocyten durch fortgesetzte mitotische Teilung zu entwickeln; man nennt die letzten Generationen von Zellen Präspermatiden und Spermatiden. Die Spermatiden werden zu Samenfäden umgewandelt. Für die Regenerationsver- hältnisse muss eine neue Bezeichnung, von der später gehandelt wird, die „Restspermatogonie“, eingeführt werden. Ich hoffe, dass man die alte, hier nur wenig modifizierte Terminologie von la Valette St. Georges, der nun einmal der Begründer unserer Kenntnisse von der Spermatogenese ist, von neuem wieder allgemeine Geltung verschaffen wird. Bei allen Batrachiern fehlen einzelne Stadien der Sperma- togenese zu gewissen Jahreszeiten; die vorhandenen liegen bei Anuren in denselben Hodenschläuchen, an denen mit Bezug auf Entwicklung und Rückbildung die dem Ausführungsgang zu- nächst gelegenen Teile der Hodenschläuche voraufgehen. Bei den geschwänzten Batrachiern sind die einzelnen Entwicklungs- stadien auf bestimmte Abteilungen der Lappen verteilt, was schon bei der makroskopischen Untersuchung verwertet werden konnte. Wir können jetzt die Beschreibung der Veränderungen folgen lassen, welche eine genaue Feststellung der Hauptver- mehrungsphasen im Hoden der Batrachier erkennen lässt. Vorangestellt wird eine Beschreibung der Erscheinungen bei Triton cristatus. Ein am 29. September 1902 im Freien gefangenes Männ- chen hatte jederseits drei Hodenlappen ; der vordere war bis zum Verbindungsstrang für den folgenden Lappen an der Lunge festgewachsen, ganz weiss und klein; der zweite Lappen, mit dem dritten durch einen kurzen Strang verbunden, grösser als der dritte; beide hatten, wie Fig 34, Taf. III zeigt, eine kleine Vermehrungszone und bestanden zum grössten Teil aus reifenden und reifen Ampullen; eine Wachstumszone war nicht vorhanden. Dorsomedial sass dem caudalen Lappen ein Anhängsel an, das, wie die mikroskopische Untersuchung ergab, aus einer breit- basigen, derben Bindegewebsmasse bestand, in der Ausführungs- gänge und einige Restspermatogonien gelegen waren. Die Haupt- masse des Anhanges bestand aus jungen Ampullen, deren Follikel- zellen stark mit geschwärzten Körnchen angefüllt waren. Alle Rest- spermatogonien hatten zerklüftete Kerne mit wenig Chromatin. 40 M. Nussbaum: Die Spermatogonien der jungen Ampullen waren zuweilen in Mitose, sonst waren ihre Kerne rund oder eingebuchtet. Die Spermatocyten wiesen Mitosen, ruhende Kerne und chromato- lytische Degeneration auf. Über das Stadium der Ampullen mit grossem zentralem Hohlraum war es in diesem Hodenlappen nicht hinausgekommen; eine Wachstum- oder Reifungszone gab es nicht, ebensowenig reife Samenfäden. Der Fettkörper war gut entwickelt. Körpermaße sind nicht mehr anzugeben, da ich im Jahre 1902 noch nicht daran denken konnte, dass die Körpergrösse von Einfluss auf die Lappung der Hoden sei, und demgemäss die Hoden einfach aus dem Tiere herausgeschnitten und konserviert wurden. Der dorsomedial gelegene Anhang des dritten Hodenlappens ist rationell wie folgt zu deuten. Nach der Entleerung der reifen Ampullen, die für die abgelaufene Brunst des Jahres im caudalen Hodenlappen bereitet waren, ging die Regeneration aus den Restspermatogonien dieses Lappens weiter bis zur Bildung einer Vermehrungszone. Dann trat chromatolytische Degeneration der Spermatocyten ein, während andere Follikel erhalten blieben oder sogar noch durch Mitose ihrer Zellen vergrössert wurden. Über dieses Entwicklungsstadium hinaus kam es in diesem neu angelegten Hodenlappen nicht. Es lässt sich nicht entscheiden, ob im künftigen Jahre, wenn das Tier unter günstigen Be- dingungen hätte weiter leben können, dieser rudimentäre Lappen sich weiter entwickelt hätte. Möglich wäre es schon gewesen, da ja bei allen zahlreichen von mir untersuchten Tritonen und Salamandern diese im Herbst an dem oralen Ende der Hoden- lappen vorhandene kleine Vermehrungszone sich vergrössert und bis zu reifen Ampullen auswächst (vergl. Fig. 34 und 35, Taf. III). Die Restspermatogonien hätten sogar nochmals einen neuen Lappen bilden können, wenn sie auch anfangs als Schwanzzipfel um die Zeit der Brunst aufgetreten wären. Dass dieser vierte rudimentäre Hodenlappen dorsomedial dem vollständig entwickelten Lappen des Hodens angelagert ist, oder an dieser Stelle aus dem dritten Lappen hervorgeht, hat seinen Grund in der Ver- schiebung der relativen Wachstumsverhältnisse beider Lappen. Der dritte Lappen hat den vierten überholt und so musste, da das Wachstum der Lappen caudal gerichtet ist, der dritte Lappen um diese Jahreszeit weiter caudal reichen als der vierte. Wäre Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 41 das Tier um die Brunstzeit getötet worden, so hätte der vierte Lappen für einen Schwanzzipfel gegolten, weil dann der vorher- gehende Lappen verkleinert gewesen und der jetzt vierte Lappen am caudalen Ende aus ihm hervorgegangen wäre. Derartige Verschiebungen haben wir ja bei der Vermehrung der Lappen schon makroskopisch kennen gelernt. Bei jungen Tieren folgen sich die Abteilungen eines Lappens in latero-medialer, bei älteren Tieren in oro-caudaler Richtung. Die Verbindungsstränge enthielten alle reichliches Binde- gewebe und neben Ausführungsgängen am oralen Ende einzelne Spermatogonien, caudalwärts stets mehrere in den jungen Ampullen. Die grossen Spermatogonien der Verbindungsstränge und die Restspermatogonien der kleinen Vermehrungszone waren alle zerklüftet; die kleineren Spermatogonien zeigten vereinzelt Mitosen und zuweilen Chromatolyse Die Spermatocyten waren ebenfalls, aber häufiger als die Spermatogonien hier und da ın Mitose oder Chromatolyse. Die zahlreichsten Kerne derjenigen Spermatogonien, die zu mehreren in einer Ampulle lagen und die Spermatocytenkerne waren im Ruhezustand rund oder gelappt, aber nicht zerklüftet wie die Kerne der grossen Spermatogonien und auch chromatinreicher als diese. Es fehlt demgemäss diesem Hoden die Wachstumszone; trotzdem das Tier im Freien frisch gefangen war und seine Fettkörper ansehnlich ausgebildet waren, kam Chromatolyse reichlich in den Spermatocyten vor, ohne dass die mitotische Vermehrung dabei völlig aufgehoben gewesen wäre. Es fehlt dem Hoden auch die Involutionszone. Die Spermatogenese hat auf einem Punkt eine völlige Unterbrechung erlitten, indem die Wachstumszone ausgefallen ist, obwohl eine Vermehrungszone vorkommt; die Reifung der Samenfäden ist dagegen noch nicht beendet, sondern geht in den Wintermonaten weiter. Zur weiteren Erläuterung der Fig. 34 auf Taf. III sei noch hinzugefügt, dass in dem Schnitt der orale reife Lappen, der hier aus dem Rest des Lungenzipfels bestehende Verbindungs- strang und neben der Vermehrungszone des zweiten Lappens noch drei mit reifenden Samenfäden gefüllte Ampullen dargestellt worden sind. Die Ausführungsgänge sind nur zum Teil einge- zeichnet. Im vorderen Lappen ist die Ampullenzeichnung kleiner als im zweiten, weil in dem ersten nur reife und im zweiten 42 M. Nussbaum: Lappen nicht völlig ausgebildete Samenfäden liegen. Die grossen Bluträume unter der Membrana propria des Hodens, die ebenso weiss gehalten sind als die reifen und beinahe reifen Ampullen, sind zum Unterschiede von diesen schematisch durch ein einge- zeichnetes Kreuz hervorgehoben worden. Die Restspermato- gonien sind in dem Verbindungsstrang durch dunkle Punkte mit matterem Hof genau der Zahl und Lage nach angegeben; die Lage der Ausführungsgänge ist in die Zeichnung nicht eingetragen. Man erkennt in der dunkel gehaltenen Vermehrungszone, wie die Grösse der Ampullen von oben und rechts nach links und dann nach unten, also in oro-caudaler Richtung zunimmt. Einige grössere Ampullen zeigen den centralen Hohlraum. Vergleicht man hiermit die Abbildung aus einem Längs- schnitt eines Hodens vom 1. April 1903 (Fig. 55, Taf. III), so fallen eine Reihe von Unterschieden in die Augen, die teils durch die Jahreszeit, teils durch das verschiedene Alter bedingt sind. Es fehlt dem Tier vom 1. April der orale Hodenlappen. Dass er nicht vorhanden war, ergibt sich aus dem Fehlen einer Invo- lutionszone, die dort liegen müsste, wo der reife orale Hoden- lappen gelegen hätte, wenn er vorhanden gewesen wäre. In Fig. 34 ist das reichlich im Lungenzipfel vorhandene Bindegewebe wegen der geringen Vergrösserung der Figur schematisch durch einen leichten Ton angedeutet. Nur wenige Spermatogonien liegen darin. In Fig. 35 vom Anfang April ist dagegen das Umgekehrte der Fall. In wenig Bindegewebe liegen zahlreiche, in Ampullen vereinigte Spermatogonien. Die Ausführungsgänge sind in diese Figur nicht eingezeichnet, sie liegen am rechten Rande des Lungenzipfels. Hat also hier eine Vermehrung statt- gefunden, die auch, nach dem Vorhandensein von Mitosen zu schliessen, noch nicht zum Stillstand gekommen ist, so ist die Zellvermehrung noch grösser im Bereich der folgenden Zone, die es zu einer grösseren Zahl von Ampullen und zum Anwachsen der Durchmesser bei den ältesten unter ihnen, die naturgemäss am caudalen Rande liegen, gebracht hat. Zählt man die Reihen, in denen die Ampullen in Fig. 34 in der Vermehrungszone liegen, so erhält man dafür 6 bis 7, in Fig 35 dagegen bis zu 20. Die grössten Follikel aus dem Ende September zählen 20 Zellen auf dem maximalen Querschnitt, die vom 1. April bis zu 48. An diesem Präparat kann auch durch Vergleichung fest- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 43 gestellt werden, dass in den Ampullen, deren Follikel eben in die Bildung von Spermatocyten eingetreten sind, die Zahl der Follikel konstant bleibt; es treten keine neuen jungen Follikel neben den alten auf. Dieses Verhalten wird wichtig für die Frage nach der Regeneration der Ampullen. Ebenso wie zwischen den grossen Follikeln einer Ampulle keine jungen Follikel gelegen sind, finden sich auch zwischen den grossen Ampullen keine jungen Ampullen. Die kleinen Follikel haben wenig grosse Spermatocyten, die grossen viele kleine um diese Zeit. In Fig. 55 liegen zwar anscheinend grosse und kleine Ampullen an vielen Stellen scheinbar nebeneinander. Das ist aber nichts anderes, als der Ausdruck der mannigfaltigen Art, wie die Am- pullen im Schnitt getroffen wurden; denn in demselben Breiten- grad ist die Grösse der Follikel und ihrer Zellen dieselbe, mag die betreffende Ampulle noch so verschieden durchschnitten sein. Die Zeichnung enthält deshalb ausser der Grösse der Ampullen auch noch die Grösse ihrer Follikel. In Fig. 35 sind der Längsschnitt des Lungenzipfels und der grossen Vermehrungszone sowie die oberen Kuppen von vier mit reifen Samenfäden gefüllten Ampullen dargestellt. In der Ab- bildung ist auch zu erkennen, dass der Schnitt durch die drei Abteilungen nicht ganz achsial geführt werden konnte, da die Ab- teilung reifer Ampullen eben an der Oberfläche getroffen wurde, während die Abteilung junger Ampullen schon 80 Schnitte hin- durch in fast gleicher Grösse vorlag. Hier sei auch zu Fig. 34 nachgetragen, dass der Schnitt kein Oberflächenschnitt ist, wo- durch die Ausdehnung der Vermehrungszone verkleinert erscheinen könnte. Der in Fig. 34 abgebildete Schnitt liegt achtzehn, 10 « dicke Schnitte unter der Oberfläche der Vermehrungszone; aber selbst 27 Schnitte weiter ist die Ausdehnung der Vermehrungs- zone nicht grösser geworden; mehr Schnitte liegen allerdings in der Serie nicht vor; sie beweisen aber, dass selbst in der Tiefe von 0,45 mm die Ausdehnung der Vermehrungszone eine minimale ist. Es muss also in der Zeit von Anfang Oktober bis zu An- fang April eine starke Zellvermehrung stattgefunden haben; zu welcher Zeit dies stattgefunden hat, soll nunmehr genauer be- stimmt werden; dabei soll vom Monat Dezember die Beschreibung ausgehen. 44 M. Nussbaum: Triton ceristatus vom 12. Dezember 1903. Solange die Spermatogonien noch von Follikelzellen um- schlossen, ungeteilt in den Ampullen liegen, haben sie runde oder polymorphe Kerne; es kommen aber auch vereinzelte Mitosen in ihnen vor; in anderen ächte Chromatolyse. Je weniger Spermatogonien in einer Ampulle liegen, umso grösser ist dann die Einzelspermatogonie, und von einer gewissen Grösse an auf- wärts sind alle Kerne zerklüftet, polymorph. Der Inhalt der zerklüfteten Kerne ist stark getrübt und enthält eine grössere oder geringere Zahl kleiner in Safranin gefärbter Körnchen; um den Kern ist der Körnchenkranz, der von Meves als gesprengte Sphäre gedeutet wird, gelegen. Auch in der Zone der jungen Follikel kommt, freilich selten, Mitose der Spermatocyten vor, in anderen Chromatolyse. Aber diese Zone wächst doch kaum nachweisbar, und die Verhältnisse bleiben auch im Februar und Anfang März ungefähr dieselben, sodass die erste wirkliche und belangreiche Zellvermehrung im April stattfindet. Dagegen tritt von Ende Februar an eine Reihe von Erschei- nungen auf, die mit der Regeneration sehr eng in Beziehung steht, von der hier nur Einiges erwähnt, das Hauptsächliche später im Zusammenhang in einem besonderen Abschnittbehandelt werden soll. Die Ausstossung der reifen Samenfäden beginnt nämlich um diese Zeit, und Anfang März ist schon Samen in den Hoden- ausführungsgängen enthalten. Es kann sogar eine Rückstauung nach anderen und zwar jungen Ampullen hin stattfinden; dann werden diese, obschon sie nur kleine Follikel enthalten, stark von den eingepressten Samenfäden gedehnt. Hand in Hand mit der Entleerung der reifen Follikel geht nun die Regeneration, und während die Zahl der Teilungen in Spermatogonien und Spermatocyten im März noch nicht auffallend zunimmt, ver- schwinden die stark zerklüfteten Kerne in den grossen Spermato- gonien mehr und mehr, der Kerninhalt wird lichter und durch- sichtiger und die Konturen bilden nunmehr Buchten; die Kern- masse wird zusammenhängender. Triton eristatus vom 5: 'Ma1.1903. Die grossen Spermatogonien der Lungenzipfel haben maul- beerförmige Kerne, ebenso die Restspermatogonien. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 45 Die Spermatogonien in den jungen Ampullen führen runde, eingebuchtete Kerne oder deutliche Mitosen, zuweilen ist ihr Kern der Chromatolyse verfallen. Die Vermehrung ist bis zur Bildung von Cysten in den Ampullen mit grossem centralen Hohlraum vorgeschritten; ein Wachstum der Zellen ist noch nicht eingetreten. Viele Spermato- eyten sind in chromatolytischer Degeneration begriffen. In den entleerten Ampullen enthalten die vergrösserten Follikelzellen grosse geschwärzte Körner. Das Präparat war in Hermannscher Flüssigkeit abgetötet worden. Das Exemplar war frisch im Freien gefangen worden, und trotzdem fanden sich so viele zugrunde gehende Zellen. In den weissen Hodenabteilungen waren die reifen Follikel noch nicht geplatzt. Die ganze Vermehrungszone ist bedeutend kleiner als an einem Hoden vom 1. April und die Mitose beschränkt sich in dem vorliegenden auf wenige junge Spermatogonien und die aller- ersten Spermatocyten. Die Entwicklung geht somit auch im Freien nicht ganz gleichmässig voran. Triton eristatus vom 13. Mai 1903. Die Ampullen mit reifen Samenfäden sind noch nicht völlig entleert; ihnen folgt eine Zone entleerter Follikel, in denen die Follikelzellen zurückgeblieben sind. Die Verkleinerung solcher Ampullen ist ganz bedeutend. Die Restspermatogonien der reifen Follikel sind eingebuchtet, die der entleerten meist glatt konturiert; doch gibt es auch hier eingebuchtete Kerne der Spermatogonien. Eine solche Restspermatogonie aus der Involutionszone, die in ihrer Follikelhaut dicht am Ausführungsgang einer entleerten Ampulle gelegen ist, findet sich in Fig. 42, Taf. III abgebildet: sie enthält neben einer konsolidierten Sphäre einen maulbeer- förmigen Kern. Der Kern führt ein zartes achromatisches Gerüst mit wenigen kleinen gefärbten Körnchen und in jeder Loge des buchtigen Kernes einen grossen Nucleolus. In anderen Ampullen dieses Involutionsgebietes sind keine Restspermatogonien enthalten, wie ich durch genaues Studium der Serie festgestellt habe. In Ausführungsgängen sind aber Mitosen nicht selten. Es gehen also in der Involutionszone Rück- und Neubildung und völliger 46 M. Nussbaum: Untergang von Ampullen nebeneinander her. Auch in Aus- führungsgängen in dem Gebiet des Lungenzipfels aus dem Monat September habe ich Mitosen gefunden. Zur Beschreibung des Hodens vom 13. Mai zurückkehrend, wäre noch das Folgende hinzuzufügen: Viele Follikelzellen enthalten grosse, durch die Überosmium- säure geschwärzte Körner. Die Restspermatogonien der jungen Ampullen sind eingebuchtet. Die Entwicklung der Follikel ist bis zu solchen mit ca. 40 Zellen auf dem grössten Querschnitt der Ampulle gediehen. Die Ampullen haben noch ein grosses Lumen, das mit einem durch die ÖOsmiumsäure gebräunten Sekret gefüllt ist. Hin und wieder trifft man auf Zellen in Chroma- tolyse. Mitosen der Spermatogonien und Spermatocyten sind zahlreich In dem Verbindungstrang zweier Lappen liegt viel Binde- gewebe, Ausführungsgänge, vereinzelte und in Gruppen beisammen- liegende Spermatogonien, die in laterocaudaler Richtung sich vermehren und in die Zone der jungen Ampullen des nächst- folgenden Lappens kontinuierlich übergehen In diesen Verbindungssträngen ist an diesem Präparat im oralen Gebiet keine Mitose nachweisbar gewesen, obgleich sie in den jüngsten Ampullen der Lappen recht zahlreich auftraten. Im Mai vergrössern sich die Zonen der jungen Ampullen nicht bedeutend; erst im Juni (13. Juni beobachtet) findet sich heterotypische Teilung in der jetzt vorhandenen Wachstumszone, während die Zone entleerter Follikel noch nicht geschwunden ist. Gegen Ende Juli ist die Spermatohistogenese im Gange; alle Spermatogonien, die im Lungenzipfel, in den Verbindungssträngen und in den Ampullen der Vermehrungszone liegen, haben an diesem Exemplar stark zerklüftete Kerne. Im August geht die Ausbildung der Samenfäden weiter und ist, wie oben gezeigt wurde, Ende September noch nicht abgeschlossen; da um diese Zeit noch Umbildungsformen vorkommen, und die oral gelegenen Ampullen ausser diesen auch Samenfäden ohne Spiralsaum enthalten. Es gibt somit zwei Vermehrungsperioden der Hodenzellen, die im Monat April und Juni ihr Maximum haben. Die erste Periode zeitigt Mitosen in den Spermatogonien und Spermatocyten die zweite, im Juni beginnende Periode, tritt an der vergrösserten Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 47 letzten Spermatocytengeneration in Form der heterotypisch- mitotischen Teilung auf. Nach Zählungen, die aber noch nicht völlig abgeschlossen sind, gehen der ersten heterotypischen Teilung mindestens acht Teilungen vorauf, wenn man von der zu Spermatocyten umgewandelten Spermatogonie ausgeht. Nach der zur Zeit geläufigen Anschauung soll es aber nur zwei hetero- typische Mitosen geben, um durch Präspermatiden und Sperma- tiden hindurch die Spermatocyten in Samenfäden überzuführen. Die Mitosen der Spermatogonien und Spermatocyten müssen sich demgemäss öfters einstellen als die Reduktionsteilungen; sie sind aber auf einmal nicht so massenhaft als diese und auch nicht auf so kurze Zeit zusammengedrängt, wenn auch ihr Maximum, wie gesagt, in den Monat April fällt; Reduktionsteilungen gibt es nur im Juni und Juli, vereinzelt im August; normale Mitosen das ganze Jahr hindurch. Die Annahme Flemmings, dass im Juni und Juli die Reproduktionsperiode beginne (pag. 336, Zellsubstanz, Kern und Zellteilung), muss daher so umgestaltet werden, dass in diesen Monaten die Reduktionsteilungen sich finden, der Anfang der Reproduktionsperiode dagegen um ganze zwei Monate früher liegt. Die mikroskopische Analyse der Hoden von Triton alpestris und Salamandra maculata hat im wesentlichen dieselben Resultate ergeben; wir begnügen uns daher mit diesen Angaben von Triton cristatus und kommen auf die beiden anderen Spezies an geeigneter Stelle zurück. Bei den Batrachia anura ist die cyclische Folge der Erscheinungen insofern eine etwas andere, als schon im Winter Vermehrung der Spermatogonien sich einstellt, dafür aber um diese Zeit keine Spermatocyten mehr im Hoden vorhanden sind. Urodelen haben somit das ganze Jahr hindurch eine in variabler Grösse auftretende Vermehrungszone; aber die Regenerationszone derselben ist nur im Frühjahr in Tätigkeit. Die Beschreibung der nur mikroskopisch sichtbaren Ver- änderungen im Hoden von Rana fusca, wie sie sich im Laufe eines Jahres abspielen, schliesst sich hier an. Wir wählen die eben abgelaufene Zeit der Begattung als Ausgangspunkt. Die Hoden eines am 15. März 1903, kurz nach der Eiab- lage des zugehörigen Weibchen getöteten Männchen der Rana fusca wurden in Flemmingscher Lösung konserviert und in 10 « dicke, in Safranin gefärbte Schnitte zerlegt. Die peripheren 48 M. Nussbaum: Enden der Hodenschläuche stecken noch voll Cysten') mit deut- lichem Cystenkern und voll von Spermatozoen; die gefüllten Oysten sitzen der Schlauchwand noch fest an; in anderen Schläuchen sind die Cysten entleert, während das Lumen dieser Schläuche bald leer, bald mit dicht gedrängt liegenden Samen- fadenlocken angefüllt ist. Auch die entleerten Üysten sitzen noch fest an der Schlauchwand; ihre Kerne sind wie die der gefüllten Uysten oval, enthalten einen Nucleolus und staubartig verteilte, feine Ohromatinkörnchen. Nach dem Lumen der Hoden- kanäle zu liegt vor den Spermatozoen, die noch in den Üysten sich befinden, eine durch das Reagens leicht gebräunte grob- körnige Masse und in dieser verstreut etwa halb so grosse, rot gefärbte Granula; beides findet sich auch in den Kanalstrecken mit entleerten Cysten zwischen den hier und da noch im Lumen der Kanäle anzutreffenden Spermatozoenbündeln. Die Kanalwand trägt ausser den gefüllten und schon entleerten Cysten noch ein drittes Element; aber vorläufig noch spärlich verteilt. Das sind die Spermatogonien in ihrer Follikelhaut. Die Kerne der Sperma- togonien findet man in den verschiedensten Zuständen; manche sind gelappt, andere rund, noch andere in Mitose ; zuweilen liegen auch zwei Zellen in einem Follikel, an anderen Stellen sind auch einfache Reihen von grossen Zellen an der Wand flach aus- gebreitet und noch nicht durch Follikelzellen getrennt. Dies sind die Spermatogonienketten, die erst später durch Umwachsung von Follikelzellen zu einzelligen Follikeln umgewandelt werden, d. h. so voneinander abgetrennt werden, dass nach vollendeter Durchwachsung mit Follikelzellen in jedem Follikel wieder nur eine Spermatogonie liegt. Wesentlich verändert ist das Bild bei einem sechs Tage später, am 21. März 1903, getöteten Frosche, der am 16. März das begattete Weibchen verlassen hatte und dann gut gefüttert worden !ı) Nimmt man an, dass der Cystenkern bei Rana fusca eine andere Entstehung und namentlich eine andere Ableitung habe als die Follikelkerne, so müssen in diesem Stadium, die nur noch mit einem Üystenkern aus- gestatteten Samenfadenbündel „Samencysten“ genannt werden; denn um diese Zeit sind alle übrigen Kerne einer Umhüllungshaut, die von la Valette St. George als Follikelhaut bezeichnete, geschwunden. Bezeichnet man mit Cyste und Follikel wesentlich den Inhalt dieser grösseren Einheit, so deckt sich um diese Zeit das, was die Cyste mit dem, was der Follikel enthält. Ich gedenke auf diesen Punkt demnächst zurückzukommen. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 49 war. Zwar steckten auch hier an den blinden peripheren Schlauch- enden noch einige Cysten voll von Samenfäden; auch lagen im Lumen mancher Kanalstrecken noch Bündel aus den Cysten ent- leerter Samenfäden; es waren jetzt aber auch die leeren Oysten von der Kanalwand ins Lumen abgestossen; sie waren durch die Flemmingsche Lösung gebräunt, enthielten ein bis drei geschwärzte Klumpen; ihre Gestalt von langgestreckten Phiolen hatten sie beibehalten, nur waren sie schmäler als am 15. März; ein Kern war nicht mehr in allen aufzufinden. Die Schlauchwände waren dicht gedrängt mit Spermatogonien in ihrer Follikelhaut besetzt; manche Follikel enthielten mehrere Zellen, so dass die zur defini- tiven Cystenbildung führende Vermehrung der Spermatogonien schon begonnen hatte. Was den Zustand der Kerne in den grossen Spermatogonien anlangt, so waren diese teils maulbeer- förmig. teils in den bekannten Stadien der Mitose. Aber auch die maulbeerförmigen Kerne enthielten Fadengerüste verschiedener Dicke, sodass unzweifelhaft in diesen Kernen die Veränderungen beginnen, welche zur Mitose führen. Um die Zahl der Abbildungen nicht ins Ungebührliche zu vermehren, beschränke ich mich auf diese Angaben und verweise auf Fig. 88, Taf. VI. Der Durch- messer der Kanäle war auf die Hälfte des vom 15. März ver- kleinert worden, sodass das Aneinanderrücken der Spermatogonien zum Teil auf die Abnahme des Kalibers der Schläuche zurück- zuführen ist, im wesentlichen aber auf der Vermehrung durch Zellteilung beruht. Und zwar ist diese Zellteilung die indirekte, in deren Anfangsphasen buchtige und maulbeerförmige Kerne deutliche Spireme entwickeln. In den Hoden vom 21. März habe ich keinen einzigen runden Kern in grossen Spermatogonien gefunden, während diese Form noch am 15. März vorhanden war und dann neben ganz vereinzelten typischen Phasen der Mitose in der Mehrzahl sich zeigte. Die Kerne der Spermatocyten, die auf dem Schnitt einer Cyste an der Basis, d. h. der Schlauchwand zugewandt zu zweien sich fanden und von da nach dem Lumen des Schlauches zu in drei Reihen übereinanderlagen, also in den Anfangsstadien der Vermehrung standen, waren entsprechend klein und zeigten keine Maulbeerform. Nur an wenigen Punkten war die Entwicklung soweit vorgeschritten; der Mehrzahl nach überwogen die grossen Spermatogonien. Demgemäss findet man die Mitose der Sperma- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. (8. 4 50 M. Nussbaum: togonien und als integrierenden Bestandteil derselben maulbeer- förmige Kerne kurze Zeit nach der Brunst Nur wenig verändert war der Bau eines Hoden vom 2. April, der von einem Tiere stammte, das zur Laichzeit gefangen war, sich zur Zeit des Fanges nicht in Copulation befand und in einem grossen freiliegenden Bassin aufbewahrt worden war. Dagegen war die Vermehrung der Spermatocyten bei einem anderen Männchen, das am 27. April getötet wurde und aus demselben Fang stammte, weiter vorgeschritten. Die jungen Cysten enthielten durchweg auf dem Schnitt zwei bis vier Zellen; die vereinzelten grossen Spermatogonien waren hier und da in Mitose; bei manchen der Kerne maulbeerförmig. An manchen Kanalstrecken lagen der Wand in Follikelzellen eingeschlossen kleinere Spermatogonien an, die kurz nach der Brunst noch nicht gesehen wurden, also offenbar aus dem Teilungsprozess der damals noch grossen vereinzelten Spermatogonien sich ableiten. Namentlich an der Peripherie findet man noch frei im Lumen Spermatozoen- bündel und im ganzen Hoden die jetzt rundlich gewordenen entleerten Cysten. Es muss betont werden, dass in diesem Hoden nur wenige Mitosen anzutreffen waren. Exemplare vom 5. und vom 14. Mai hatten noch immer Samenfadenbündel und die entleerten Cysten im Lumen der Kanäle liegen. Die Zahl der ungeteilt in ihren Follikeln liegenden Spermatogonien hatte abgenommen. Manche Kerne dieser Spermatogonien waren bei dem Männchen vom 14. Mai buchtig oder in den bekannten Stadien der Mitose. In manchen Follikeln hatte die Zahl der Zellen auf dem Schnitt sich schon so weit vermehrt, dass in fünf bis sechs Reihen je vier oder fünf Zellen lagen, die natürlich gegen die anfängliche Grösse der Sperma- togonien stark verkleinert waren. Die Kerne der Spermatocyten waren klein und rund. Der zunächst untersuchte Hoden stammt vom 13. Juni, ist noch nicht ganz frei von Resten der Cysten; auch liegen noch vereinzelte Spermatozoen verstreut in dem jetzt sehr engen Lumen der Kanäle. Es hat somit die Resorption der tür die abgelaufene Brunst gebildeten und nicht verbrauchten Samen- fäden beinahe ihr Ende erreicht. Die Vermehrung der Sperma- tocyten ist fortgeschritten. Die kleinen Zellkerne sind rund oder in Mitose; die Kerne der Spermatogonien entweder maulbeer- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 51 förmig oder in Mitose. Der Durchmesser der Hodenkanäle hat bedeutend abgenommen und ist auf die Hälfte verkleinert, im Vergleich zu seiner Ausdehnung vor vier Wochen. Wie in Abschnitt I, pag. 8 schon mitgeteilt wurde, war dieser Frosch nach der Laichzeit beständig gefüttert worden. Er stammte nicht aus dem Freien. Im Monat Juli vermehren sich noch die Spermatogonien und die Spermatocyten und im August ist dann schon an Tieren, die in der ersten Hälfte des Monats eingefangen wurden, in Übereinstimmung mit der riesigen Schwellung des ganzen Organs, die Wachstumsperiode der Spermatocyten vorhanden. Es liegen in einem solchen Hoden alle Stadien vor, von der ersten Teilung einer Spermatogonie bis zu den heterotypischen Teilungen und den Umwandlungen der Spermatiden zu Samenfäden. Die Raum- beanspruchung eines reifen Samenfollikels zu der eines in der Wachstumsperiode befindlichen ist ungemein gering, sodass der Hoden, wenn nicht im August zurzeit der Ausbildung der Samen- fäden aus den Spermatiden noch junge Nachschübe erfolgten, die makroskopisch deutlich nachweisbare Volumabnahme des Hodens in den folgenden Monaten noch viel bedeutender sein müsste. Der Augusthoden hat denn auch bei geeignet ausgesuchten Tieren die reichlichste Zahl von Entwicklungstadien von der Spermatogonie bis zum fast fertigen Samenfaden, während in den übrigen Monaten des Jahres immer nur einzelne typische Stadien aufzufinden sind. Deutlicher als an jedem anderen Objekt ist bei Rana fusca bei Beginn der Entstehung der Samenfäden aus den Spermatiden die Abgabe eines Sekretes in den Zentralraum des Follikels und der Untergang von Samenzellen zu verfolgen. Gegen das Ende des Augustmonates nimmt die Zahl der Follikel mit reifenden Spermatozoen bedeutend zu und dem- entsprechend die Zahl der jüngeren Stadien ab. Namentlich sind gegen Ende August die Spermatogonien selten geworden, während noch Follikel mit Spermatiden in nicht geringer Zahl neben den Follikeln mit reifenden Samenfäden vorkommen. Im November dagegen, wenn schon der Durchmesser der Hodenkanäle wieder beträchtlich abgenommen hat, fehlen alle Zwischenstadien von der Spermatogonie bis zum reifen oder fast 4* 52 M. Nussbaum: reifen Samenfollikel.e. Die Zahl der in Follikeln gelegenen und der noch nicht durch Follikelzellen getrennten Spermatogonien hat dagegen sich beträchtlich vermehrt. Die Vermehrung geschieht im September und Oktober in der Weise, dass Sperma- togonien und Follikelzellen sich teilen und die Spermatogonien- ketten von den Follikelzellen bis zur Abtrennung von einzelnen Spermatogonien durchwachsen werden. Die Spermatogonien und Follikelzellen vermehren sich unabhängig voneinander, wie dies schon Benda hervorhob. Die Vermehrung der Spermatogonien hört aber auch in den späteren Wintermonaten nicht ganz auf, da ich an Präparaten aus dem Monat Januar deutliche Mitosen in Spermatogonien gefunden habe. Spermatocyten oder Spermatiden werden im Hoden von Rana fusca während des Winters nicht gebildet, dagegen habe ich schon im November abgestossene reife Samen- fäden in den Ausführungsgängen des Hodens gesehen. Die Kerne der Spermatogonien sind rund, buchtig oder in Mitose; die bei den Urodelen beschriebenen zersägten oder polymorphen Kernformen kommen auch in den Winterhoden der Rana fusca nicht vor. In Winterhoden, die in osmiumsäurehaltigen Flüssig- keiten gehärtet wurden, fanden sich viele geschwärzte Kugeln in den Zellen der Hodenzwischensubstanz und auch in den Spermatogonien selbst. Die Zahl der Spermatogonien ist aber in den Wintermonaten nicht so gross, dass auf jeden reifen Samenfollikel auch wieder eine junge Spermatogonie käme; ihre Vermehrung nimmt viel- mehr um die Laichzeit ganz besonders zu, wie sich aus der zu Anfang dieser Auseinandersetzung gegebenen Beschreibung ergibt. Die zellulären Veränderungen im Hoden von Rana fusca würden demgemäss in folgender Weise verlaufen. Eine Ver- mehrung der Spermatogonien findet das ganze Jahr hindurch statt mit einer Abschwächung im August und einer besonders grossen Verstärkung zur Laichzeit im Monat März. Nach dem Laichen kommt eine Pause, die zur Resorption der restierenden Samenfäden und der allmählich abgestossenen entleerten Cysten ausgenutzt wird. Schon ehe dieser Rückbildungs- und Auf- saugungsvorgang völlig beendet ist, fängt die Bildung der Spermatocyten an; darauf folgt im Juli und August die Wachs- tumsperiode und nach ihr die Zeit der heterotypischen Teilungen, Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 53 also die Bildung der Präspermatiden und der Spermatiden. Vom August bis in den November hinein vollzieht sich die Umwandlung zu Samenfäden. Während des Winters sind keine Spermatocyten im Hoden vorhanden, und nur im Juli und August die Reifeteilungen. Bezüglich der Regeneration im Hoden der Batrachia anura kann es somit keinem Zweifel unterliegen, dass sie, wie dies von la Valette St. George zuerst nachgewiesen hat, von den zwischen den reifen Samenfadenbündeln zurückgebliebenen Spermatogonien ihren Ausgang nehme. Wie der Ersatz für die entleerten Samenfäden bei den Urodelen geleistet werde, soll in dem folgenden Abschnitt gesondert untersucht werden. III. Die Regeneration im Hoden der Urodelen. Nach der Ansicht der Autoren soll die Regeneration der Hodenampullen der Urodelen gleich der der Selachier von einer Vorkeimfalte oder einem Vorkeimzipfel ausgehen, also dem Typus folgen, den Semper für den Selachierhoden entdeckt hat. Dabei wird dann entweder stillschweigend vorausgesetzt oder auch deutlich ausgesprochen, dass die alten Ampullen nach Ausstossung der reifen Samenfäden völlig untergehen, und dass die von den Zellen der Vorkeimfalte aus gebildeten neuen Ampullen sich mit ebenfalls neu von der Niere oder dem Hodennetz aus sprossenden Ausführungsgängen verbinden. Flemming und Meves erwähnen auch, um die Meves- sche Beschreibung anzuführen,') „solche grosse Spermatogonien, welche man in den zentralen Partien der grossen Lappen im Bindegewebe zwischen den Spermatocysten vereinzelt trifft.“ Demgemäss hat Me ves diese Spermatogonien in den kleinen, weisslichgrauen bezw. hellweissen „Lappen“?) nicht gefunden, da er in Fig. 1, entsprechend seiner Beschreibung im Text, den Hoden aus einem grossen vorderen und zwei hinteren kleineren „Lappen“ bestehen lässt. Spermatogonien finden sich nach Meves in dem oralen und caudalen Zipfel (l. c. pag. 3); über die Involutionszonen des Hodens sind keine Angaben gemacht. Beide Autoren machen diese Zellen für Regenerationsvor- gänge im Hoden verantwortlich, wie die Spermatogonien, „welche 1) D. Arch. Bd. 48, pag. 9, 1896. ?) Das Wort „Lappen“ entspricht dem von mir vorgeschlagenen „Ab- teilung“ eines Lappens (vgl. pag. 13). 54 M. Nussbaum: in dem dünnen Zipfel enthalten sind,“ der also Sempers Vor- keimfalte entsprechen würde. Es fehlen aber Angaben, auf welche Weise die Zellen in die zentralen Partien der grossen „Lappen“ gelangen; es wird nicht untersucht, ob sie an Ort und Stelle seit der embryonalen Periode gelegen, ob sie dort durch Umbildung entstanden, oder gar aus der Vorkeimfalte dorthin ausgewandert seien. Ich habe oben schon auseinandergesetzt, dass die Bezeich- nungen der Autoren verwirrend wirken. So wird auch in dieser Darstellung von Meves die Bezeichnung Lappen durch Abteilung ersetzt werden müssen und das Wort Spermatocyste durch Am- pulle. Denn es besteht, wie ich weiter oben gezeigt habe, der Hoden der einheimischen Urodelen aus Lappen, und in jedem Lappen kommen, der Jahreszeit entsprechend, verschiedene Ab- teilungen vor. Die Spermatogonien, um die es sich handelt, liegen niemals zwischen den von v. la Valette St. George Spermatocysten genannten Teilen. Meves gebraucht aber das- selbe Wort für zwei verschiedene Dinge; er nennt die Spermato- cysten von v. la Valette St.George und die Summe der in „einem diekwandigen Bläschen vereinigten Spermatocysten“ eben- falls eine Cyste.!) Wir werden zeigen können, dass die Sperma- togonien, von denen eine Neubildung ausgeht, weder zwischen den „Cysten“ von v. la Valette St. Georges noch zwischen den von Meves „Oysten“ genannten Hodenampullen gelegen sind. Geht man nun bei der Untersuchung des Urodelenhodens, die sich über ein ganzes Jahr zu erstrecken hat, von dem der Vorkeimfalte der Plagiostomen entsprechenden Lungenzipfel aus, so vermehren sich die Zellen der jungen Ampullen mit wenigen Follikelzellen und nur einer Spermatogonie derart, dass die beiden Zellarten durch Mitose an Zahl zunehmen. Die Follikel- zellen trennen alsdann die Spermatogonien, indem sie zwischen dieselben hineinwachsen und jede derselben mit einer geschlossenen Hülle, der Follikelhaut, umgeben. Es trennen sich alsdann die zentral gelegenen Follikelzellen, wie das oft beschrieben wurde, voneinander; die Ampulle erhält einen zentralen Hohlraum. Die Vermehrung der Spermatogonien und der Follikelzellen hält noch an, und wenn bei Salamandra maculata etwa 40 - 45 Sper- matogonien, jede von der andern durch eine Follikelhaut getrennt, !) D. Arch. Bd. 48, pag. 74, Tafelerklärung (Fig. 3 und 4). Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 55 vorhanden sind, so beginnen die Spermatogonien sich in den Follikeln zu teilen, ohne dass jede neu entstehende Zelle von Follikelzellen umgeben würde. Die Bildung der Spermatocyten hat begonnen, die dadurch charakterisiert ist, dass alle von einer Spermatogonie abstammenden Zellen in derselben Follikelhaut zusammen liegen bleiben. Die Follikelzellen vermehren sich durch Mitose weiter (s. Fig. 68, 82, 89 und 90), um der Dehnung, die die mitotische Vermehrung der Spermatogonie verursacht, gerecht zu werden. Von einem gewissen Zeitpunkt an hört freilich die Vermehrung der Follikelzellen auf und macht einer bei den einzelnen Spezies verschieden weit gehenden Reduktion ihrer Zahl Platz. Beginnt die Bildung der Spermatocyten, so bleibt, wie bei günstiger Richtung an Serienschnitten durch die wachsenden Ampullen erkannt werden kann, dicht am Ausführungsgang eine Spermatogonie, oft auch zwei, ungeteilt, aber jede in ihrem Follikel liegen. Die Kerne dieser Spermatogonien sind gelappt, während die Schwesterspermatogonien und kurz vorher auch sie selbst runde Kerne aufweisen. Ein Stadium einer wachsenden Ampulle mit spermatocyten- haltigen Follikeln ist in Fig. 49, Taf. IV aus dem Hoden von Triton cristatus vom 5. Mai 1903 dargestellt. Das Präparat war sofort nach der Tötung des Tieres für 24 Stunden in Hermannscher Lösung gehärtet. Nach Anfertigung der Serien wurden die Schnitte mit Safranin gefärbt. Der für Fig. 49 benutzte Schnitt ist durch die Längsache von Ampulle und Ausführungsgang ge- fallen, der nach unten in der Figur gelegen ist. Auch an den folgenden Figuren ist diese Orientierung der Teile beibehalten worden. Man findet nun am Übergang der Ampulle in den Ausführungsgang eine ungeteilte Spermatogonie von Follikelzellen umgeben. Der Kern der Spermatogonie ist gelappt und von einem feinen Körnerkranz umgeben, den Meves als eine dissociierte Sphäre beschrieben hat. Ein gleich gerichteter Schnitt durch Ampulle und Aus- führungsgang in der Zone der jungen noch durchsichtigen Ampullen eines Hodens von Salamandra maculata, getötet am 24. März 1905, ist in Fig. 50 abgebildet. Alle Follikel sind durch Follikelzellen voneinander abgesetzt; an manchen Stellen sind Follikelzellen gehäuft, so namentlich nach dem Lumen der Ampulle zu. Dies 56 M. Nussbaum: findet sich regelmässig in den jungen, wachsenden Ampullen. Die Häufung der Follikelzellen verschwindet, wenn die Sperma- tocyten in Vorbereitung für die erste heterotypische Teilung sich vergrössern. An der Stelle, wo der Ausführungsgang an die Ampulle herantritt, sind zwischen diesem und den in der Ampulle gelegenen jungen Follikeln, in denen es schon zur Spermatocyten- bildung gekommen ist, zwei Spermatogonien gelegen, die von Follikelzellen umgeben sind. Die Kerne der Spermatogonien sind gelappt. Man findet an der Stelle, wo der Ausführungsgang in die Ampullen eintritt, auch an allen weiteren Entwicklungs- stadien der Ampullen bis zur Fertigstellung reifer Samenfäden dieselben in ihre Follikelhaut eingeschlossenen ruhenden Sperma- togonien mit gelapptem Kern. Besondere Zeichnungen dieser Stadien sind wegen des grossen Umfangs der Ampullen nicht bei- gegeben worden. Zum Beweise dafür, dass die Restspermatogonien mit der Vergrösserung der Ampullen und der Ausbildung der Samen- fäden sich vermehren, habe ich an einem Salamanderhoden vom 10. August 1903 den Zustand und die Zahl der Rest- spermatogonien in den verschiedenen Hodenabteilungen ver- glichen. Im Lungenzipfel kamen neben runden, stark gebräunten Kernen auch Mitosen und Kerne von zackigen und zerklüfteten Formen vor. Die Zellen mit zackigen Kernen messen 46:57 u, die Spermatogonien mit runden Kernen 30:20 «, doch kommen auf dem Querschnitt auch Zellen mit runden Kernen vor, deren Durchmesser bis 33 « gross ist. Die Zellen sind somit gewöhn- lich länglich gestreckt und können nicht in einem Schnitt einer dünnen Serie allein liegen; die Zellen mit zackigen Kernen sind die grössten. In der Zone junger Ampullen mit nur zwölf Spermatocyten auf dem Querschnitt eines Follikels waren in vier Schnitten, von denen der zweite den Ausführungsgang der Länge nach ge- troffen hatte, nur zwei Restspermatogonien mit ihren Follikelzellen am Übergang zum Ausführungsgang vorhanden. Jede der Zelien lag in drei Schnitten, sodass im ersten Schnitt nur die eine und im letzten Schnitte nur die andere getroffen worden war. In einer Ampulle deren Spermatocyten in Zahl von 40 auf dem Querschnitt eines Follikels sich fanden, und deren Kerne in Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 57 das Synapsisstadium eingetreten waren, lagen drei Spermatocyten mit schön entwickeitem Spirem. Es erfolgt aber nicht immer die Teilung der Zellen in diesem Stadium, denn in einer anderen Ampulle mit abgelaufener heterotypischer Teilung waren sicher nur zwei Restspermatogonien vorhanden. In einer Ampulle mit beinahe reifen Samenfäden lagen am Übergang in den Ausführungsgang mindestens fünf Zellen; genau liess sich die Zahl selbst bei Aufnahme der einzelnen Schnitte mittels der Camera lucida nicht feststellen; es können auch zwei Zellen mehr gewesen sein, was hier freilich nicht von Belang sein kann, da die Zahl eher grösser wie kleiner als fünf ist. Zackige oder zerklüftete Kerne kamen wie im Lungenzipfel bei den Rest- spermatogonien der verschiedenen Abteilungen nicht vor. Alle Spermatogonien waren durch Follikelzellen getrennt. Wenn schon die makroskopische Untersuchung den Nachweis erbringt, dass an die Stelle, wo einst alte reife und zurück- gebildete Ampullen im Urodelenhoden gelegen waren, neue Ampullen treten und wenn auch die Entdeckung, dass in den alten Ampullen Restspermatogonien erhalten bleiben, den makroskopisch zu erhebenden Befund bekräftigt, so muss doch erwiesen werden, dass diese Restspermatogonien, nachdem wir sie in regressiver Metamorphose gefunden haben, sich wieder in einen aktiven Zustand zurückverwandeln können und auf dem Wege der Mitose neue Ampullen bilden. Das ist nach den Angaben von Meves, der die Mitose grosser Spermatogonien im Salamanderhoden beschrieben hat, der Fall. Beginnt nun im Frühjahr aus der Zone reifer Ampullen die Entleerung der Spermatozoen, so bleiben die Follikelzellen in den Ampullen zurück. Man kann in dieser Zone alle Über- gänge finden. In Fig.51, Taf. IV ist ein Schnitt durch die Längsachse einer Ampulle wieder gegeben, in der neben den Follikelzellen noch wenige lockig gedrehte Spermatozoen-Bündel zurückgeblieben sind. Derartige Ampullen sind zur Zeit der Brunst am caudalen Ende jeder weissen Abteilung eines Hodenlappens gelegen; sie sind nicht allein durch die Lage und die Abnahme ihrer Grösse kenntlich, sondern auch daran, dass das grossmaschige Fachwerk, welches die Follikelzellen auf feinen Schnitten durch nicht ent- leerte Ampullen darstellten, hier gesprengt ist. Die in den teil- weise entleerten Ampullen noch zurückgebliebenen Spermatozoen- 58 M. Nussbaum: Bündel, sind demgemäss von ihrer Follikelhaut befreit und die Follikelzellen selbst, wie Fig. 51 zeigt, auf einen kleineren Raum zusammengezogen. Diese Einzelheiten mussten besonders hervor- gehoben werden, um den Zeitpunkt zu kennzeichnen, wann eine weitere Veränderung der Restspermatagonien am Übergang der Ampulle in den Ausführungsgang eintritt. Es dürfte sich empfehlen, aus einer Serie des Hodens der Salamandra maculata vom 24. März 1905 die Schnitte einer Ampulle einzeln so weit zu beschreiben, als in ihnen Restspermatogonien gefunden wurden. 1. Nach unten links im Schnitt von Follikelzellen umgeben, und innerhalb der Membrana propria der Ampulle, die noch mit wenigen Spermatozoenbündeln und den zurückgebliebenen Follikelzellen erfüllt ist, liegen die untersten Kuppen zweier grossen Zellen, deren Kerne noch nicht getroffen sind. 2. Neben den Zellen des vorigen Präparates, in denen jetzt auch die gelappten Kerne getroffen sind, erscheint links etwas nach aufwärts die protoplasmatische Kuppe einer dritten, von Follikelzellen umgebenen, grossen Zelle. 3. In den beiden rechts gelegenen Zellen sind nochmals die gelappten Kerne getroffen, in der linken noch nicht. 4. In allen drei Zellen enthält der Schnitt die gelappten Kerne. 5. Der Ausführungsgang ist zum ersten Male in der Gegend der grossen Zellen der Länge nach getroffen; von den Zellen selbst nur die oberen Kuppen. 6. Am Ausführungsgang liegt eine neue grosse Zelle, deren Kern noch Spuren der Lappung zeigt. 7. Es ist noch eine dünne Schicht des gelappten Kernes dieser grossen von Follikelzellen eingehüllten Zelle vorhanden, vom Ausführungsgang dagegen nichts mehr. Die nun folgenden Schnitte enthalten wohl noch die bisher getroffene Ampulle, es fehlt aber der Ausführungsgang und die am Übergang des Ausführungsganges in die Ampulle in den früheren Schnitten von Follikelzellen umhüllten Spermatogonien mit ihren gelappten Kernen. Demgemäss sind um diese Zeit, Ende März, in der untersuchten Ampulle, die den grösseren Teil ihrer reifen Samenfäden entleert hat, an der Eintrittsstelle des Ausführungsganges vier durch Follikelzellen getrennte Hoden und Hodenzellon der Batrachier. 59 Spermatogonien gelegen, deren Kerne gelappt sind. Wie sich aus der Betrachtung von Schnitt 1 bis 5 ergibt, haben zwei dieser Zellen einen grössten Durchmesser von 40-50 u, da ihre Kuppen in 1 und 5, die Kerne in 2 bis 4 getroffen sind. Die Schnittdicke beträgt 10 «. Fig. 52 stellt einen Schnitt durch die Involutionszone des Hodens eines am 13. Juni 1903 getöteten Triton cristatus dar. Es wird nötig sein, auch hier die betreffenden einzelnen Schnitte der Serie, soweit sie die am Ausführungsgang der Ampulle gelegenen Spermatogonien enthalten, der Reihe nach zu be- schreiben. Schnitt I. Eine stark verkleinerte Ampulle, mit den zurück- gebliebenen und vergrösserten Follikelzellen fast vollständig erfüllt, ist, wie Fig. 52 zeigt, mit dem zugehörigen Ausführungs- gang der Länge nach getroffen worden. In dem hier nicht abge- bildeten Schnitt I liegt dicht am Ausführungsgang die Kuppe einer von normalen, d. i. nicht vergrösserten Follikelzellen umgebenen Spermatogonie. Schnitt 2. Wie 1, nur tritt zu der vorhergetroffenen Spermatogonie mit maulbeerförmigem Kern, noch die Kuppe einer zweiten, näher dem Ansführungsgang gelegenen Sperma- togonie mit ihren Follikelzellen hinzu. Schnitt 3. Von der zuerst getroffenen Spermatogonie liegt im Schnitt die obere Kuppe vor, die zweite Spermatogonie zeigt den gelappten Kern voll getroffen. Schnitt 4. Eine neue Spermatogonie im Niveau der ersten erscheint, die zweite ist wieder getroffen. Schnitt 5 enthält eine vierte Spermatogonie mit stark gelapptem Kern. Schnitt 6 zeigt nur noch die Kuppe dieser Spermatogonie. Damit ist die Zone der in der Ampulle hart am Ausführungs- sang gelegenen Spermatogonien zu Ende. Es sind deren vier vorhanden; da in jüngeren Ampullen nur ein bis zwei Sperma- togonien vorkommen, so hat nachweislich eine Vermehrung der- selben stattgefunden. Die folgenden Abbildungen nach Schnitten durch dieselbe Zone desselben Hodens sollen illustrieren, dass die Vermehrung auf dem Wege der Mitose vor sich geht. Wir werden auch hier die betreffenden Schnitte in ihrer Reihenfolge einzeln beschreiben. 60 M. Nussbaum: Schnitt 1. Schrägschnitt durch Ausführungsgang und Am- pulle. Am Ausführungsgang zwei durch Follikelzellen getrennte Spermatogonien mit gelapptem Kern. Schnitt 2. Dargestellt in Fig. 53. Die rechts gelegene Spermatogonie ist zu Ende, und über ihr erscheinen Chromatin- fäden; die linke Spermatogonie mit gelapptem Kern ist noch im Schnitt vorhanden. Von der im ersten Schnitt enthaltenen, rechts gelegenen Spermatogonie ist noch eine kleine mit schwarzgefärbten Kugeln gefüllte Kuppe im Präparat vorhanden. Schnitt 3. Dieser Schnitt enthält, wie Fig. 54 zeigt, die Hauptmassen der oben rechts im Schnitt gelegenen Chromatin- schleifen, den letzten Rest der mit schwarzen Kugeln erfüllten Kuppe der ersten rechts gelegenen Spermatogonie, die obere Kuppe der linken Spermatogonie und dazu rechts unten eine neugetroffene vierte Spermatogonie. Nach aufwärts in Fig. 54 sind noch sieben vergrösserte Follikelzellen, die Reste entleerter Samenfollikel, abgebildet. In vier derselben ist der Kern getroffen, und von diesen bei einer die Vakuolisierung des Inhalts, wie sie an Lack- präparaten sich zeigt, von den anderen Follikelzellen nur die Konturen und, wo der Kern getroffen wurde, auch dieser dar- gestellt worden. Nicht immer sind die Follikelzellen wie in dieser Figur gebaut. Gewöhnlich sind sie um diese Zeit mit stark in der Osmiumsäure geschwärzten Körnchen gefüllt, die mit allem, was die Follikelzelle enthält, resorbiert werden und dann nur die Restspermatogonien, umgeben von den eigenen Follikelzellen, in der geschrumpften Ampullenwand zurücklassen. Die Follikel- zellen des Batrachierhodens stellen somit bei den Urodelen eine direkt dem Corpus luteum des Weibchens vergleichbare Um- wandlung der Hüllzellen der Geschlechtsstoffe dar, sobald diese entleert worden sind. Sie bleiben länger zurück und werden nach Umwandlungen, wie sie die Follikelzellen des Eies erleiden, gleich diesen resorbiert. Beiden anuren Batrachiern imponiert diese Umwandlung nicht sofort als ein Corpus luteum, da die restieren- den Follikelzellen nicht in einer Kapsel gehäuft zusammenliegen, sondern einzeln im Lumen der Schläuche die regressive Meta- morphose durchmachen, während an der Wand der Schläuche die Regeneration der Samenzellen ihren Gang geht. Es gibt aber auch Eierstöcke, freilich ohne Follikelzellen, in denen nach Entleerung der reifen Eier von den in den Eischläuchen zurück- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 61 gebliebenen Keimzellen die Bildung neuer Eier erfolgt, wie ich dies für den Eierstock der Cirripedien!) beschrieben habe. Das Corpus luteum des Eierstocks führt zur Verödung; das kommt bei Urodelen ebenfalls gelegentlich vor und zwar in allen Stadien der Spermatogenese. Tritt Chromatolyse an den Spermatocyten oder schon früher an einzelnen, in einer Ampulle gelegenen Spermatogonien auf, so bleiben eine Zeitlang die Follikelzellen noch erhalten, gehen aber dann auch zu Grunde. Es ist ein eigenartiger Wechsel im Grade der Beständigkeit zwischen Follikelzellen und den funktionellen Hodenzellen, den Abkömmlingen der Spermato- gonien, zu beobachten. Immer geht eine grosse Zahl von Follikel- zellen zu Grunde, wenn sich die Inhaltszellen einer Cyste (v. la Valette St. George) oder eines Follikels auch normal weiter vermehren und entwickeln, aber stets bleiben eine, oder je nach der Spezies auch mehrere Follikelzellen nach der Ent- leerung der reifen Samenfäden zurück, um schliesslich der Re- sorption anheimzufallen. Aber auch die Restspermatogonien einer entleerten Am- pulle kommen nicht alle zur Weiterentwicklung. Dafür spricht schon das makroskopische Verhalten älterer Hoden, indem die neu auftretenden Hodenlappen gewöhnlich kleiner sind als der erste und einzige Lappen junger Tiere; dann aber auch das mikroskopische Bild. In vielen, völlig zurückgebildeten Ampullen der Involutionszone ist nur eine Spermatogonie gelegen; es müssen somit ihre Schwesterspermatogonien allmählich zugrunde gegangen sein (vergl. Fig. 38, Taf. III). Man kann sich in solchen Fällen durch das Studium mehrerer folgender und vorhergehender Schnitte der Serie davon überzeugen, dass in diesen Fällen nicht etwa eine Teilung der einfachen Ampullen in mehrere stattgefunden hat. In vielen anderen Fälllen bleibt von der ganzen Ampulle nach Resorption aller Teile nur die verdickte Ampullenwand übrig, und deshalb sind die Verbindungsstränge zwischen zwei Hoden- lappen so reich an Bindegewebe. In einem Lungenzipfel, nament- lich von Triton alpestris im Monat April ist nur sehr wenig Bindegewebe enthalten, und diese Spezies scheint nach allem, was ich bis jetzt darüber kennen gelernt habe, diejenige zu sein, bei der !, Californische Cirripedien, Bonn 1890. 62 M. Nussbaum: am meisten entleerte Ampullen völlig zugrunde gehen; bei der der Lungenzipfel am längsten seine Fähigkeit zur Regeneration be- hält und am seltensten mehrlappige Hoden gefunden werden. Beim Salamander gelang es, auch im Juni Mitosen der Restspermatogonien in der Involutionszone zu finden. Das be- treffende Männchen war mit der Eisenbahn hierhergeschickt und zwei Tage später, am 24. Juni, getötet worden. Apical im Lungenzipfel lag ein reifer Hodenlappen. An seiner caudalen Grenze, beim Übergang in den dünnen, von den Autoren Lungen- zipfel genannten durchsichtigen Strang, fanden sich entleerte und in der Entleerung begriffene reife Ampullen, in denen nur wenige reife Samenfäden und die Follikelzellen zurückgebliehen waren. Am Übergang der Ampullen in den Ausführungsgang sassen die Restspermatogonien. Fig. 92, Taf. VII stellt einen Schnitt durch eine Ampulle dar; der Ausführungsgang liegt unten; es sind drei von Follikelzellen umgebene Restspermatogonien in der Am- pulle vorhanden: die zwei links gelegenen haben runde Kerne, der rechts gelegene Kern zeigt achromatische Spindel und einige Chromosomen.!) In der Mitte des Ampullenschrägschnittes liegen isolierte Samenfäden und ein Follikelkern eines entleerten Follikels. Dies beweist, dass die Regeneration aus den Restspermatogonien bei frisch gefangenen Tieren nicht allein im Frühjahr bei Sala- mandra maculata zu finden sind. denn caudalwärts von der Stelle, aus der die Fig. 92 entnommen ist, lagen im Lungenzipfel junge Ampullen mit stets caudalwärts zunehmender Zahl von Spermatogonien. Als weiteren Beleg führe ich noch die Untersuchung eines am 23. Juni getöteten Expemplars von Salamandra maculata an. Aus der Zone halb entleerter. reifer Ampullen wird eine der Lage nach durch die Schnittreihe hindurch gut zu verfolgende Ampulle ausgewählt. Im ersten Schnitt ist die Kuppe der Am- pulle getroffen, die ausser reifen nicht mehr in den Follikeln liegende und nicht zu Bündeln vereinigte Samenfäden und die entsprechenden Follikelzellen enthält. Der zweite Schnitt hat den Ausführungsgang der Länge nach getroffen, er ist aber noch nicht ganz bis zur Ampulle hin im Schnitt enthalten; ihm zuge- wandt liegt ausser dem Inhalt des vorigen Schnittes in ihrei ı) Es sind nur einige Chromosomen in diesem Schnitt von 7,5 « Dicke enthalten, weil die getroffene Spermatogonie sich durch drei Schnitte hin- durch erstreckt. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 63 Follikelhaut eine Spermatogonie mit rundem Kern. Im fünften Schnitt ist der Ausführungsgang bis an die Ampulle herange- treten, er enthält, wie Schnitt drei und vier, je eine Spermato- gonie in ihrer Follikelhaut dicht am Ausführungsgang; der sechste in Fig. 45, Taf. III abgebildete Schnitt weist am Aus- führungsgang zwei von Follikelzellen umgebene Spermatogonien neben den freien Samenfäden und Follikelzellen in der Ampulle auf. Neben dem Kern der rechts gelegenen Spermatogonie liegt der eiförmige Körper (siehe Fig. 44, Taf. III), den Meves als die metamorphosierte Sphäre beschrieben hat Das Protoplasma der Zelle hat sich von der Follikelmembran und ebenso von der Kernwand zurückgezogen; die feinere Struktur des Protoplasmas ist in der Figur nicht eingezeichnet. Im siebenten Schnitt findet sich dasselbe Bild, ebenso im achten: im neunten sind keine Spermatogonien mehr vorhanden und nur noch die Decke des Ausführungsganges; zehn und elf enthalten dicht an der Stelle, wo sich in den vorhergehenden Schnitten der Ausführungs- gang befand je eine Spermatogonie; Schnitt zwölf zwei Sperma- togonien, Schnitt dreizehn zwei Spermatogonien; von da an sind keine Spermatogonien in der Ampulle zu finden. Die Schnitt- dicke betrug 10 «. Die Spermatogonien messen in den Schnitten 36 «. Es sind also die Spermatogonien in den einzelnen Schnitten nicht ganz vorhanden, jede derselben muss in mehr als einem, vielleicht in je drei Schnitten vorkommen. Was die beiden Spermatogonien in den Schnitten sechs, sieben und acht an- langt, so lässt sich mit Sicherheit nachweisen, dass die beiden dort gelegenen Durchschnitte von Spermatogonien nur zwei nebeneinandergelegenen Zellen angehören; in sechs und acht sind die Kuppen der Zellen und in Schnitt sieben die Mitte derselben getroffen. Immerhin liegen bis zum achten Schnitte, diesen eingeschlossen, vier in Follikelhäuten getrennt liegende Spermatogonien. Die Zahl der folgenden Zellen ist nicht so leicht zu bestimmen, aber schon vier Zellen würden genügen, um zu zeigen, dass im Laufe der Entwicklung einer Ampulle die Zahl der Restspermatogonien vermehrt wird. Für gewöhnlich liegen in ein und derselben Ampulle nahe zu einander gehörige Stadien; ich habe aber auch gelegentlich in den Ampullen verschiedene Ausbildungstadien von Samenfäden und Spermatocyten in den verschiedenen Phasen der ersten 64 M. Nussbaum: heterotypischen Teilung gefunden; einmal stehen geblieben auf dem Knäuel-Stadium der Kerne, ein anderes Mal im Stadium der Muttersterne. Mit den Restspermatogonien sind solche in der Entwicklung zurückgebliebene Spermatocyten nicht zu ver- wechseln, da sie nur als Ganzes und nicht jede einzelne Zelle, wie es bei Spermatogonien der Fall ist, von Follikelzellen umhüllt und somit auch durch die Follikelzellen von einander nicht getrennt werden. Neben den Spermatocyten kommen am Über- gang in den Ausführungsgang auch Restspermatogonien vor. In einem Falle aus dem Hoden eines frisch gefangenen Sala- manders vom 23. Juni 1904 gab es mindestens sechs solcher Restspermatogonien in der Nähe des Ausführungsganges: aber nur einen Follikel mit den Spermatoeyten. Es finden sich somit, namentlich bei Salamandra maculata, in allen Hodenabteilungen, Restspermatogonien, die sich mit dem Wachstum der Ampullen vermehren und die Involutionsperiode derselben überdauern. Es gibt aber auch Fälle, wo zuvor schon Restspermatogonien zu Grunde gehen und namentlich bei Triton alpestris viele, in denen die Rückbildung der Ampullen mit deren völligem Schwunde unter Zurücklassung straff gefaserten Binde- gewebes endet. Man trifft deshalb bei Triton alpestris seltener als bei anderen Urodelen zwei oder mehrlappige Hoden: da wegen des Unterganges der Restspermatogonien des bei der Brunst entleerten Lappens die Entstehung eines zweiten Lappens verhindert wird. Aber auch bei dem am häufigsten von mir untersuchten Triton ceristatus war die Regeneration aus den Restspermatogonien der alten Ampullen nicht immer erfolgt. Wir konnten den Nachweis erbringen, und das ist eigentlich nichts Neues, da es sich mit den bisherigen Er- fahrungen der Autoren deckt, dass ganze Ampullen nach der Entleerung der Samenfäden bis auf einen bindegewebigen Rest verschwinden. In den Kernen der Restspermatogonien solcher zu Grunde gehender entleerter Ampullen findet sich keine Chromatolyse; die Zellen gehen durch Zerklüftung der Kerne und folgenden Kernschwund zu Grunde. Hierfür sprechen die Resultate der Untersuchung von Scehnittserien durch die Hoden von Triton alpestris aus den Monaten Juni und Juli; zugleich sei auf die makroskopische Beschreibung der Hoden dieser Species verwiesen. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 65 Auf der dem Hodennetz zugewandten Seite liegt bei Triton alpestris gegen Ende Juni der Rest des bei der abgelaufenen >runst entleerten Hodens. Man findet darin vereinzelte Am- pullen, in denen Spermatogonien mit gezacktem Kern gelagert sind. Weitaus die meisten Ampullen sind verödet. Die Wand ist mächtig verdickt, wie Semper') dies auch von den Hoden der Plagiostomen im Gebiet der Degenerationszone beschrieben hat. Im Innern dieser zu Grunde gehenden Ampullen liegen die Reste der Follikelzellen und keine Spermatogonien. Von dem Hoden eines am 27. Juli 1903 getöteten Triton alpestris verhielt sich die Involutionszone wie folgt: Auf der dem Hodennetz zugewandten Seite des Hodens liegen entleerte Ampullen und in diesen die dicht gedrängten Follikelzellen. Nur selten ist eine Spermatogonie und dann mit gelapptem Kerne in der Nähe des Ausführungsganges zu finden. Die Verkleinerung der Ampullen ist schon weit vorgeschritten: die Wand zeigt aber noch keine auffälligen Veränderungen. Die Follikelzellen sind vergrössert und meist von groben geschwärzten Körnern er- füllt. In Fig. 55 und 56, Taf. IV sind Schnitte durch entleerte Am- pullen abgebildet. Fig. 55 enthält ausser drei Restspermatogonien mit ihren kleinen Follikelzellen eine mit geschwärzten Körnern erfüllte Follikelzelle der bei der voraufgegangenen Brunst ent- leerten Follikel dieser Ampulle; Fig. 56 nur noch zwei Rest- spermatogonien einer weiter zurückgebildeten Ampulle. Alle Kerne sind zerklüftet und namentlich in Fig. 56 ist ihre Form kaum noch zu erkennen; sie sind von einem Körnchenkranz umgeben. Der Vergleich dieser beiden Involutionszonen zeigt, dass die Rückbildung nicht gleichmässig erfolgt; der Hoden vom Ende Juni war weiter zurückgebildet als der vom Ende Juli; beide Präparate zusammengehalten führen zu dem Schluss, dass die Restspermatogonien zu Grunde gehen können und hier zu Grunde gegangen sind, da bei keinem dieser beiden Tiere eine Ent- wicklung von Spermatocyten in dem entleerten Lappen er- folgte. Wir kommen somit zu dem Ergebnis, dass die Regeneration im Urodelenhoden an den Stellen, wo der oder die Hodenlappen ‘) Arbeiten aus dem zoolog.-zootom. Institut zu Würzburg 1875 pag. 276. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 68. 5 66 M. Nussbaum: gelegen sind, nach der Entleerung der Ampullen von den Rest- spermatogonien dieser Ampullen ausgeht. Da vom Lungenzipfel her unzweifelhaft und wie dies schon lange bekannt ist, ebenfalls Regeneration erfolgt, so fragt es sich, ob diese scheinbare Ver- schiedenheit der Regenerationsvorgänge, von einer Keimzone aus und in alten Ampullen so unvermittelt sich einander gegen- überstehen. Das scheint mir nicht den Fall zu sein. Genau so wie in einer Keimzone nach Teilung der vorhandenen Zellen ein Teil der Tochterzellen der Histogenese, d. h. der Bildung von Samenfäden zugeführt wird, ein anderer aber als Keimlager zurückbleibt, werden jetzt von den Spermatogonien der Ampullen eine oder zwei zurückgehalten, um in der Ampulle selbst für die zweite Brunst ein Keimlager zu bilden.. Damit ist der Übergang zu den Regenerationsverhältnissen bei den höheren Wirbeltieren, mit den Batrachia anura beginnend, gegeben. Daraus erklären sich dann auch die makroskopisch erkennbaren Ver- schiedenheiten im Aufbau der Hoden. Im Prinzip spielt sich die Regeneration der beiden Typen gleichartig ab; die Variation des Prinzips besteht darin, dass bei den Urodelen es viele Am- pullen mit absolut gleichen Zuständen der Hodenzellen gibt, also Ampullen im Vermehrungs-, Ampullen im Wachstums-, Ampullen im Reife- und schliesslich im Involutionsstadium. Diese einzelnen Stadien sind im Urodelenhoden auch räumlich getrennt; sie folgen sich nicht allein zeitlich, sondern auch topograpisch, indem die erste Zone oral, die letzte caudal, oder bei jungen Tieren in latero-medialer Folge gelagert ist. Beim Landfrosch ist die zeitliche Folge der einzelnen Etappen der Spermatogonese noch schärfer ausgesprochen; bei den Säugern und namentlich dem Menschen fehlt auch diese sanz. Die Topographie der Entwicklungsstadien ist von den Batrachia anura aufwärts nicht mehr auf Gruppen von Ampullen oder Schläuchen verteilt, sondern in jedem Schlauch finden sich bald, wie beim Frosch, der Jahreszeit entsprechend nur einige der Entwicklungsstadien, oder wie bei den Säugern alle Stadien gleichzeitig vor. Überall geht aber in den Schläuchen oder in den Ampullen, die schon funktioniert haben, auch von Restspermatogonien die Regeneration aus. Die Ursachen der Verschiedenheiten im Aufbau der Selachier, Urodelen, und anuren Batrachierhoden, sind begründet in der Zeit, wenn die Zellen Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 67 der Keimzone sich zu Hodenampullen oder Schläuchen um- wandeln. Bei den Selachiern wandeln sich bei jeder Brunst nur wenige Zellen der Keimzone zu Ampullen um; bei den Urodelen bleiben nur wenige Keimzellen eine Zeitlang, wie später noch genauer als bisher gezeigt wird, erhalten und die umge- wandelten Ampullen übernehmen ihre Rolle; während bei den Batrachia anura und den höheren Wirbeltieren gleich in der embryonalen Periode alle Keimzellen in die Hodenschläuche ein- bezogen werden. Mit Hülfe dieser Erkenntnis wird es auch möglich sein, den Ursachen der verschiedenen Lappenbildung der Hoden bei den Urodelen nachzugehen. In zwei getrennten Abschnitten soll das Vorkommen von ein- und mehrlappigen Hoden und das Vorkommen oder Fehlen des Lungen- und Kloakenzipfels (letzterer auch Schwanz- zipfel genannt) behandelt werden. IV. Der Einfluss des Alters auf die Zahl der Hoden- lappen bei Urodelen. Die nachfolgende Beschreibung gibt an einer grösseren Zahl von Tieren eine zum Teil tabellarisch gehaltene Darstellung von der Vermehrung der Hodenlappen mit zunehmender Körper- grösse bei den Urodelen: Salamandra maculata, Triton eristatus und Triton alpestris. Die Lappen sind verschieden gross und je nach der Jahreszeit aus verschiedenen Abteilungen zusammen- gesetzt, wie dies im Abschnitt I des Näheren gezeigt wurde. Der folgende fünfte Abschnitt soll durch die Vorführung eines reichen Materials das Vorkommen oder Fehlen des sogenannten Lungen- und Kloaken- oder Schwanzzipfels am Hoden der Urodelen ge- setzmässig begründen; er erhärtet aber auch die hier schon zu ziehenden Schlüsse mit Bezug auf den Zusammenhang der Zahl von Hodenlappen mit der Körpergrösse. (Gemessen wurde der Abstand der Schnauzenspitze von dem oralen Rand der Kloakenspalte und von da bis zur Schwanzspitze. Zur Untersuchung der frischen Hoden kann ich angelegent- lich das folgende Verfahren empfehlen, ohne welches leicht Fehler unterlaufen können. Die Tiere werden mit Chloroform soweit betäubt, dass das Herz zwar noch schlägt, die Muskeln aber gelähmt sind und = 68 M. Nussbaum: ein Wiedererwachen ausgeschlossen ist. Es schien mir am zweck- mässigsten in einem Glase von 500 cbem Inhalt einen Watte- bausch mit Chloroform zu tränken und das Glas alsdann mit dem Stöpsel zu verschliessen. Nach 5 Minuten ist die Betäubung auf den gewünschten Grad gestiegen. Man reibt die Haut mit einem feuchten Tuche ab, um das auf ihr angehäufte Secret der Hautdrüsen zu entfernen. Eine durch die Kehlhaut und eine durch den Schwanz gestochene Nadel befestigen das Tier in einem mit schwarzen Wachs ausgegossenen Becken. Man schlitzt die Bauch- haut in der Mittellinie, schneidet an der Vorder- und Hinter- extremität vom medianen Bauchschnitt aus die Haut quer nach dem Rücken zu auf jeder Seite ein, entfernt die in einer Bauch- fellfalte zur Leber hinziehende Vena abdominalis anterior und befestigt die beiden langen rechten und linken Hautlappen, mit Nadeln im Wachs des Präparationsbeckens. Es werden nunmehr Füllung des Magens, Darmes und der Kloake notiert, die Fettkörper nach der Mittellinie zurückge- schlagen und dadurch die Hoden freigelegt, deren Lappen und Farbe sodann beschrieben werden. Um die Hoden herausnehmen zu können, muss der Darm entfernt, die Fettkörper abgetrennt werden. Darauf wird dann die Beckenniere quer durchschnitten und mit den ventral auf ihr liegenden Hoden von der Rumpf- wand gelöst; oral werden die Lungen quer durchschnitten, das Präparat auf die Bauchseite gewendet und jederseits das freie Lungenende abgeschnitten. Fettkörper und nicht am Hoden selbst befestigte Teile der Lunge müssen entfernt werden, weil in den Konservierungsflüssigkeiten sonst das Präparat schwimmt. Verfährt man auf die angegebene Weise, so kann man die makroskopische und Lupen-Untersuchung vor der Zerlegung des Präparates in feine Schnitte nochmals genau und in durchaus normaler Lage der Teile wiederholen, was ohne die geschilderte Präparations- methode nicht möglich oder sehr schwierig ist, wie ich mich des öfteren überzeugt habe. Spirituspräparate sind wegen der Ver- wischung der Öberflächenzeichnung und des Schwundes der Farben wenig oder gar nicht brauchbar. Das wichtige Oberflächenbild, die Grösse der Felderung studiert und zeichnet man am besten am ausgewässerten, ZU- vor mit Flemmingscher Lösung behandelten Präparat, vor der Entwässerung in Alkohol. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 69 Von Salamandra maculata liegen nur wenige Messungen vor, da ich beim Beginn meiner Untersuchungen noch nicht über die Ursachen der Variation der Zahl der Hodenlappen unter- richtet war und keine Notizen über die Körpergrösse besitze. Was ich geben kann, ist das Nachstehende. Von einer am 23. Juni 1904 aus dem Schwarzwald erhaltenen Sendung von Salamandra maculata wurden 9 Stück überwintert und vom 2. März 1905 an alle vier bis fünf Tage mit Frosch- muskeln künstlich gefüttert. Das Futter wurde gut verdaut, wie sich jedesmal bei der Eröffnung der Tiere ergab. Von den gefütterten Tieren gingen, ohne dass die Todesursache aufzufinden war, sechs Stück ein; drei lebende wurden am 4., 10. und 24. März getötet. Unter diesen neun Exemplaren gab es zwei Weibchen: das kleinste derselben von 8 cm Kopf-, Rumpf- und 5 cm Schwanzlänge und einem grössten Körperumfang von 4 cm hatte kleine unreife Eierstöcke; das andere, nur wenig grössere (9 cm Kopf-Rumpflänge, 5,5 cm Schwanzlänge) neben jungen, ungefärbten Eiern noch rechts sechs grosse, links neun grosse Eier und deutliche gelbe in Rückbildung befindliche verkleinerte Follikel im Eierstock. Die Eileiter enthielten keine Eier. Was die sechs Männchen anlangt, so verhielten sich die Hoden der einzelnen bei Lupenbetrachtung wie folgt: Salamandra maculata (Männchen), getötet 4. März 1905, 17 cm (10 +7) lang hat auf jeder Seite zwei Hodenlappen, die sich untereinander verschieden verhalten. Ein Schwanzzipfel ist nicht vorhanden. Der Lungenzipfel rechts ist durchscheinend und endet in einer feinen Spitze. Der linke Lungenzipfel ist massiger entwickelt und weniger durchscheinend. Das orale Ende des Zipfels stellt eine etwa linsengrosse Anhäufung mit reifem Sperma gefüllter, kleiner weisser Ampullen dar. Auch im Verlauf dieses Zipfels sind vereinzelte reife Ampullen ein- gesprengt. Die oral gelegenen Hodenlappen, rechts und links, werden auf beiden Seiten mit den caudalgelegenen durch lange, schmale, durchscheinende Stränge verbunden, sind aber in ihrer Zusammensetzung verschieden. Die oral gelegenen bestehen, wie Figur 57, Tafel IV zeigt, aus einer grossen Abteilung grau durch- scheinender, junger Ampullen, deren Grösse caudalwärts zunimmt, aber auch an dieser Stelle um das Doppelte im Durchmesser hinter den weissen Ampullen der folgenden Abteilung zurück- 70 Pe; M. Nussbaum: bleibt. An diese Abteilung reifer, fertiger Ampullen reiht sich im oralen Lappen eine Zone entleerter, gelblich gefärbter Ampullen an, in die stellenweise, wie das die Figur erläutert, vereinzelte oder in kleinen Häufchen beisammenliegende weisse Ampullen eingeschaltet sind. In den caudalen Lappen fehlen diese in regressiver Metamorphose begriffenen gelblichen Abtei- lungen; ein Schwanzzipfel ist auf keiner Seite vorhanden. Ein am 10. März 1905 getötetes Salamandermännchen von 19 cm (11 +8) Körperlänge und 6 cm grösstem Leibesumfang hat auf jeder Seite 4 Hodenlappen, die durch durchscheinende Stränge untereinander verbunden sind, und schwanzwärts in einen dünnen Zipfel ausgehen. Lungenzipfel sind nicht vorhanden. Jeder Lappen beginnt mit einer grossen, graudurchsichtigen Ab- teilung junger Ampullen. Dann folgt eine kleine Abteilung reifer, weisser Ampullen, und zum Schluss an jedem Lappen eine gelbliche Abteilung, in der die Ampullenzeichnung nicht mehr deutlich zu erkennen ist. Die einzelnen Lappen sind kleiner als die des Exemplares vom 4. März mit 2 Lappen, das in der Körperlänge um 2 cm hinter dem Tier vom 10. März zurückblieb. Ein zweites, an demselben Tage getötetes Männchen von ll cm Rumpf- und 8 cm Schwanzlänge hat auf der linken Seite vier Lappen, die mit einer grossen grauen Abteilung beginnen, durch dünne durchscheinende Bänder verbunden sind, und von denen der letzte in einen Schwanzzipfel ausgeht. Ein durch- scheinender Lungenzipfel fehlt. Jeder Lappen besteht aus drei Abteilungen, einem voderen graudurchscheinenden. einem mittleren weissen mit reifen Ampullen, und einer hinteren in Rückbildung begriffenen Abteilung. Die jungen Ampullen bleiben in der Grösse hinter den reifen Ampullen zurück, so.dass mit Sicher- heit in ihnen das Stadium des Wachstums der Spermatocyten noch nicht erreicht ist. Während auf der linken Körperseite vier Lappen, ein Schwanzzipfel, aber kein Lungenzipfel vorhanden ist, verhalten sich Gestalt und Gliederung des rechten Hodens durchaus anders. Auf einen langgedehnten Lungenzipfel folgt in der Höhe des zweiten linken Hodenlappens ein aus zwei winzigen Abteilungen zusammengesetzter Lappen, dann ein langes, schmales Band, in dem caudal einige reife Ampullen zu erkennen sind. Dann der einzige, kräftig ausgebildete Hodenlappen mit den drei Abtei- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. zei lungen der wachsenden, der reifen und der in Rückbildung be- eriffenen Ampullen, die mit einem letzten caudal gelegenen, aus zwei Abteilungen aufgebauten winzigen Hodenlappen durch einen schmalen durchsichtigen Strang verbunden sind. Die Vermehrungs- fähigkeit der Zellen auf dieser Körperseite muss im Hoden eine geringe gewesen sein, da es wohl zur mehrfachen Lappenbildung gekommen ist, die einzelnen Lappen aber nur winzig ausgebildet wurden. .Der einzige grosse Hodenlappen ist spiralig gedreht, so dass das orale und das caudale Verbindungsstück sich kreuzen. Von drei anderen am 10. März 1905 getöteten Salamandern seien nur einige Zahlen angeführt. | Schwanz- In nz ı Rumpflänge ah, Hodenlappen Iunzenzipfel | er 1 8,5 cm | 6,5 cm 2 vorhanden | vorhanden 2 ER verstümmelt | 4 vorhanden vorhanden 3 UL) 5 cm 3 fehlt vorhanden Zu Nummer 3 muss bemerkt werden, dass der erste Lappen mit einer weissen Abteilung reifer Ampullen beginnt und einer gelben endet, während die beiden folgenden mit der vorher- gehenden und untereinander durch durchsichtige Verbindungs- fäden vereinigt, jeder aus drei Abteilungen, einer grauen durch- scheinenden, einer weissen und einer gelben besteht. Zu diesen Exemplaren kommen noch zwei andere hinzu, die bei einer Körperlänge von 7,14 + 5,9 cm und von 8,0 + 6,2cm auf jeder Seite nur zwei Hodenlappen besitzen. Zählt man hierzu diejenigen Salamander, die in dem Abschnitt I beschrieben wurden, wo es sich um die Schilderung des Ablaufes der während eines Jahres im Hoden eintretenden Veränderungen handelte, so sind dort zwar nicht die Körpermaße notiert, aber, wie schon aus der dort gegebenen Darstellung hervorgeht, hatte das kleinste Exemplar nur einen Hodenlappen und die beiden grösseren Tiere zwei und drei Hodenlappen. Da die ganzen Tiere aus jener Zeit nicht konserviert wurden, so können die Zahlen für die Körperlänge, aus denen man einen Rückschluss auf das Alter der Tiere machen könnte, nicht angegeben werden. Ich weiss aber, dass der Salamander mit nur einem Hodenlappen zu den allerkleinsten Tieren der im Jahre 1903 untersuchten Sendung gehört hat. Jedenfalls geht aus dieser Zusammenstellung einer, 2, M. Nussbaum: wenn auch nur kleinen Zahl von Tieren hervor, dass die Zahl der Hodenlappen mit der Zunahme der Körpergrösse wächst. Ein Vergleich von Nummer 2 und 3 der am 10. März 1905 getöteten Exemplare zeigt, dass die Zunahme nicht bei allen Tieren gleichmässig erfolgt; sie findet aber statt; denn junge Tiere haben nur einen Hodenlappen. Einwandsfreier, weil an einem reicheren, genau gemessenen Material nachgewiesen, lässt sich für die Tritonen, Triton cristatus und Triton alpestris, zeigen, dass mit zunehmendem Alter die Zahl der Hodenlappen vermehrt wird. Trıton eristarus ke Schwanz- I Schwanz- Rumpflänge länse Hodenlappen | Lungenzipfel ze 1 4,7 cm 38cm | 1 vorhanden |links vorhand. (vom 18. Mai 1905 ohne Rückenkamm) 2 _ = | 1l vorhanden | vorhanden (Vom 1. April 1903; leider kann nur die Entfernung zwischen vorderer und hinterer Extremität zu 3,6 cm angegeben werden, da nicht das ganze Tier konserviert wurde. Dieses Maß bleibt aber hinter den entsprechenden des kleinsten Exemplars mit zwei Hodenlappen um 0,35 cm zurück.) Hier werden noch einige Exemplare mit nur einem Hodenlappen angeschlossen, denen die mit zwei Hodenlappen folgen. 4 Schwanz- 4 Schwanz- Rumpflänge Brse Hodenlappen | Lungenzipfel Zipfel 3 5,5 cm 4,5 cm il vorhanden | vorhanden 4 56% 4.6 „ 1 vorhanden fehlt 5 Se 45 „ 1 = 6 fd i 5 6 605, 42, 2 Seite orhana | vorhanden 7 6,00% 4,5 „ 2 fehlt vorhanden 8 64 „ 4,6 „ 2 fehlt vorhanden 9 65, |. | 2 vorhanden fehlt Eine Durchsicht der hier aufgeführten Zahlen ergibt ohne weiteres, dass die Zahl der Hodenlappen mit dem Alter zunimmt, und dass sowohl Lungen- wie Schwanzzipfel fehlen können. Be- merkt sei noch, dass die in der ersten Hälfte des Mai 1905 ge- töteten Tiere der Jahreszeit entsprechend in jedem Lappen des —I > Hoden und Hodenzellen der Batrachier. Hodens drei Abteilungen führten, die vom Kopf zum Schwanz so geordnet waren, dass der grau durchscheinenden Zone junger Ampullen, die weisse reifer und dieser die gelbe entleerter und in Rückbildung begriffenen Ampullen folgte. Zwischen den Hoden- lappen lag ein dünner durchscheinender Verbindungsstrang. PEıLOoNn- 2bpestcrie Rumpflänge ee Hodenlappen 1 3.5 cm _ 1 2 3,6% 1, 3,6 cm d 3 38, E 2 4 40 „ — 2 5 2.0; _ 2 6 40 „ 3,7 cm 2 Auch diese Tabelle lässt erkennen, dass mit der Zunahme der Körperlänge die Zahl der Hodenlappen zunimmt. Dabei ist freilich stillschweigend vorausgesetzt, dass ein Tier von 4 cm Rumpflänge mindestens ein Jahr älter sei, als ein Tier von 3,5 cm, was aber, wie mir scheint, bei der geringen Körpergrösse des Triton alpestris doch wohl der Wahrheit entsprechen wird, da es durch die zyklischen Veränderungen des Hodens, die im Jahres- laufe eintreten, erhärtet wird. Ausdrücklich sei bemerkt, dass alle hier aufgeführten Tri- tonen, frisch im Freien gefangen, zur Untersuchung gelangten. V. Der Einfluss des Alters und der Jahreszeit auf das Vorkommen und die Grösse des Lungen- und Cloaken- oder Schwanzzipfels beim Urodelenhoden. In der folgenden Beschreibung, die mit einem grossen Fang vom 21. und 27. Juli 1905 beginnt, sind die Längen von der Schnauze bis zum oralen Rand der Cloake und die Länge von der Schnauze bis zur Schwanzspitze bei den ersten 23 Exemplaren als zwei durch Komma getrennte Zahlen, die beide volle Millimeter bedeuten, aufgeführt; dasselbe gilt von den drei am 18. Juli 1905 untersuchten Tieren; bei den anderen Exemplaren ergibt sich die Bedeutung der Zahlen von selbst. Die Zusätze über Grösse des Fettkörpers und Füllung von Magen und Darm sind gemacht, um als Beweise für die 74 M. Nussbaum: Zuverlässigkeit der Angaben über den frischen Fang der Tiere im Freien zu dienen. Angaben über den Wolffschen Gang (Harn- samenleiter) gegebenen Daten dienen. T. = E Ropeler [0 0) 10. ia Jr mögen als Bestätigung der von Gerhartz') Atom crıstatus vom Zr und 277 7Ul7.1902 4.8492. 54,100. 55,100. 54,100. 56,115. 57,105. 58,105. 58,116. 58,110. 59,102. 60,75. Mit Kamm. Lungenzipfel und ein Lappen, kein Schwanzzipfel. Der eine Lappen ist gross; beginnende Spermatohistogenese. Lungenzipfel und dreizoniger grosser Lappen. Der zweite Lappen ist rechts wenig, links kaum ent- wickelt, der Verbindungstrang aber deutlich. Man würde demgemäß sagen können, dass der Kloaken- zipfel rechts fehle und links vorhanden sei. Wie der Vorige. Grosser Lungenzipfel;: ein grosser nicht an der Lunge befestigter aus drei Abteilungen zusammen- gesetzter Lappen und ein dünner Schwanzzipfel. Wie der vorige. Wie der vorige. Lungenzipfel, ein grosser Lappen, Verbindungsstrang ein kleiner Lappen. Rechts ebenso. Im grossen Lappen junge, wachsende und reifende Ampullen, kein Kloakenzipfel. Es haben somit Tiere bis zu 58 mm Rumpflänge nur einen Hodenlappen. Wie der vorige. Zwei Lappen, oral gross, caudal kleiner; zwischen beiden ein grauweisslicher Verbindungsstrang. Es fehlen Lungen- und Kloakenzipfel. (Fettkörper mittelgross, Darm gefüllt.) Mit der Lunge verwachsener grosser Lappen; Verbindungsstrang; mittelgrosser Lappen, an der Kloake festgewachsen. Beide Lappen bestehen aus drei Abteilungen. Es fehlen also m diesem Falle Lungen und Kloakenzipfel. Schwanz verstümmelt. Auf beiden Seiten kleiner, rudimentärer Lungenzipfel; grosser freier Lappen, 1) D. Arch. Bd. 65, p. 666, 1905. >, Junge 48,92 mm lange Weibchen haben um diese Jahreszeit nur kleine durchsichtige Eier in den Ovarien. 13. 14. 15. 17. 18. 60,112. 60,108. 62,110. 63,120. 63,114. 64,114. 65 112. u | O1 Hoden und Hodenzellen der Batrachier. Verbindungsstrang, mittelgrosser Schwanzlappen, kein Schwanzzipfel; Fettkörper mittelgross; Magen gefüllt. Mit der Lunge verwachsener, mittelgrosser Lappen, Verbindungsstrang, grosser Lappen, kleiner Schwanz- lappen. In den beiden vorderen Lappen junge, wachsende und reifende Ampullen. Drei Lappen; oral ein kleiner, dann ein grosser, dann ein kleiner, zwei Verbindungsstränge, keine Lungen, kein Schwanzzipfel. In jedem Lappen nur zwei Abteilungen. Junge und wachsende Ampullen, keine reifen Spermatozoen. (Fettkörper gross, Darm gefüllt, Samenleiter dünn, fast gerade.) Kein Lungenzipfel. An der Lunge festgewachsener kleiner Lappen, Verbindungsstrang, grosser Lappen mit drei Abteilungen, Verbindungsstrang, kleiner Lappen mit zwei Abteilungen, junge und wachsende Ampullen. Zwei Lappen und Schwanzzipfel; in dem Schwanz- zipfel rechts einige junge Ampullen. Zwischen den Lappen durchsichtiger Verbindungsstrang. Fett- körper mittelgross, Darm gefüllt. Drei Lappen durch Verbindungsstränge zusammen- hängend; der orale an die Lunge geheftet, der mittlere sehr grosse Lappen aus drei Zonen bestehend am Mesorchium hängend und sonst frei, der kleinste caudale Lappen mit der Kloakenwand verwachsen. Auch der orale Hodenlappen ist nur wenig entwickelt, auf der rechten Seite aber stärker als auf der linken. Kleiner mit der Lunge zusammenhängender Lappen. Verbindungsstrang. Grosser Lappen. KleinerSchwanz- lappen. Die beiden vorderen Lappen haben drei Abteilungen, der hintere nur zwei. Lungenzipfel und Schwanzzipfel fehlen auf beiden Seiten. Kein Lungenzipfel. Grosser Lappen mit der Spitze an der Lunge festgewachsen. Verbindungszipfel. Grosser Lappen. Rudimentärer Schwanzlappen. Jeder grosse Lappen besteht aus 4 Abteilungen, den jungen, 19: 20. 2: 65,95. 67,120. 68,122. 68,125. 68,130. M. Nussbaum: den wachsenden, den reifenden und den entleerten Abteilungen. Jeder Lappen ist demgemäss oral grau, klein gefeldert, dann gross gefeldert, medio- caudal weisslich und am weitesten median in dieser Region gelblich gefärbt. Die gelbliche Zone geht direkt in den Verbindungsstrang über. Schwanz verstümmelt. Kein Lungen-, kein Schwanz- zipfel. Drei durch Verbindungsstränge zusammen- hängende Hodenlappen auf jeder Seite, von denen der mittlere der grösste, der caudale Lappen der kleinste ist. Der orale Lappen ist mit der Lunge verwachsen; über ihn ragt die Lunge noch eine Strecke weit caudalwärts frei in die Bauchhöhle und ist mit den anderen Lappen nicht verwachsen. Links im Lungenzipfel ein kleiner Lappen; dann grosser Lappen, Verbindungsstrang, mittelgrosser Lappen; kein Kloakenzipfel. Rechts Lungenzipfel, grosser Lappen, Verbindungsstrang, mittelgrosser Lappen, kein Kloakenzipfel. Fettkörper mittelgross, Magen leer, Kloake mit Speiseresten gefüllt. Der mittlere Lappen frei. Der orale kleine Lappen ist mit der Lunge ver- wachsen; es folgt ein Verbindungsstrang und sehr grosser Haupthodenlappen; an ihm caudomedian ein kleiner Schwanzzipfel. Links drei Lappen; der mittlere ist frei und der grösste; der orale Lappen ist mittelgross und an der medianen Lungenseite festgeheftet; der caudale Lappen ist der kleinste, aber doch noch mittelgross. Rechts liegen nur zwei Lappen, ein oraler an der Lunge befestigter, ein mittlerer gleich grosser und ein Schwanzzipfel, in dem einige junge Ampullen liegen,die anderen Lappen haben junge,wachsende und reifende Ampullen. Fettkörper gross, Magen gefüllt. Links ein kleiner an der Lunge befestigter Lappen, ') ein grosser Lappen und ein mittelgrosser Lappen, ‘) Dieser orale, winzige Lappen hatte nur eine einzige Abteilung und zwar wachsender Ampullen, während die andern Lappen noch eine vor der Wachstumszone oral gelagerte Vermehrungszone besassen. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. ef zwei Verbindungsstränge, kein Lungen-, kein Kloakenzipfel. Rechts drei grosse Lappen, der mittlere ist der grösste; kein Lungen-, kein Kloaken- zipfel; der vordere Lappen ist in der ganzen Aus- dehnung an der Lunge median festgewachsen, liegt also an der Stelle des Lungenzipfels. Fettkörper gross, Magen leer. Das grösste untersuchte Exemplar von Triton eristatus stammt aus der Sammlung, die H. Gerhartz') zur Untersuchung der ceyclischen Veränderungen des Harnsamenleiters benutzt hatte. Die Gesamtlänge des Tieres anzugeben bin ich ausser Stande, da zur Anlegung eines Demonstrationspräparates Kopf, Extremi- täten und Schwanz entfernt sind. Der Abstand zwischen Vorder- und Hinterextrimitäten beträgt 47 mm und übertrifft um mindestens 8 mm die Länge derselben Strecke bei einem Männchen von 67 mm Rumpflänge. Der Kamm ist der Jahreszeit, 26. März. entsprechend sehr hoch, in der Mitte des Rückens am gehärteten Präparat (80°/o Alkohol) 6 mm. Auf jeder Seite gab es vier Lappen, von denen die beiden vorderen an die Lunge angeheftet waren, der orale ganz, der darauf folgende zum Teil. Ein Lungenzipfel war nicht vorhanden, doch lief der vierte, caudal gelegene Lappen in einen dünnen Schwanzzipfel aus. Das Präparat ist nicht frisch untersucht worden, so dass die zur Diagnose wichtigen Farbenunterschiede und auch die Oberflächenzeichnung nicht verwertet werden konnten. Ich muss daher an dieser Stelle aus der mikroskopischen Untersuchung nachtragen, dass der Schwanzzipfel nur aus entleerten Ampullen bestand. Der orale Lappen enthielt nur Ampullen mit reifen Samenfäden, die drei folgenden bestanden aus je drei Abteilungen; jedesmal oral an einen feinen Verbindungstrang sich anschliessend eine kleine Zone junger Ampullen, eine grössere Zone reifer Ampullen und eine kleine entleerter Ampullen. So war auch der vierte, caudale Lappen zusammengesetzt: nur machte das dünne Endstück mit den entleerten Ampullen den Eindruck eines Schwanzzipfels. Der Grösse nach verhielten 2,DisArchälkse. 18 M. Nussbaum: sich die Lappen derart, dass der orale klein, die beiden folgenden grösser und der caudale, vierte Lappen wieder klein war. Die Lappenbildung der Hoden bei Triton cristatus habe ich bis zu Entwicklungsformen der Larve zurückverfolgt und dabei gefunden, dass bei einsömmerigen Tieren von 34 mm Rumpf und 70 mm Gesamtlänge Ende Juli ein mächtiger oraler Zipfel und ein sich daran anschliessender kleiner Hoden vorhanden ist. Einlappig bleibt der Hoden bis zu einer Rumpflänge von 58 mm; dreilappige Hoden finden sich bei Tieren von 60 mm Rumptlänge und darüber. Nach meinen Beobachtungen werden Weibchen erst bei grösserer Körperlänge laichreif als Männchen. Das Alter kann ich freilich nicht bestimmen; es ist möglich, dass die Weibchen schneller wachsen, aber bei mehreren Exemplaren, die am 13. Mai untersucht wurden, hatten Weibchen von selbst 50 mm Rumpf- und 95 mm Gesamtlänge nur junge durchsichtige Eier im Eier- stock; die Eileiter waren dünn und durchsichtig und die After- papillen klein. Ein. Weibehen von 55 mm Rumpf und 105 mm Gesamtlänge hatte allerdings einige dotterreiche und fast reife Eier im Eierstock, die meisten aber waren klein und durchsichtig, die Kloakenpapillen unentwickelt und der Eileiter durchsichtig. Weibchen von 70 mm Rumpflänge zeigten im Eierstock Eier von allen Grössen, von durchsichtigen bis zu ganz gelben, dotter- reichen, reifen Stadien. In den geschwollenen Eileitern steckten nahe der Kloake gallertumhüllte Eier. Die Kloakenpapillen waren stark entwickelt. In der Larvenzeit geht die Entwicklung in beiden Geschlechtern pari passu, denn bei Weibchen von 34 mm Rumpf- und 70 mm Gesamtlänge war das Ovarium hohl und enthielt gegen den Hohlraum zugewandt schon junge Eier mit Follikelepithel und Theca follieuli. Es hängt mit den Regenerationserscheinungen ursächlich zusammen, dass gegen Ende Juli, wie dies die voraufgehende Beschreibung von 23 Tritonen zeigt, der Schwanzzipfel fast durch- gehend fehlt. Bei den älteren Tieren fehlt auch der Lungen- zipfel. Der Lungenzipfel büsst somit nach einer gewissen Reihe von Jahren seine Regenerationsfähigkeit ein und an seine Stelle tritt ein Samenfäden produzierender Hodenlappen. Die ersten acht Männchen, bis zu einer Rumpflänge von 58 mm, -besassen alle Lungenzipfel; diese Länge scheint die kritische zu sein. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 19 Denn das neunte Exemplar dieser Reihe von ebenfalls 55 mm Rumpflänge besass keinen Lungenzipfel mehr, und ebensowenig alle folgenden, die eine grössere Körperlänge aufwiesen. Hierzu kommt noch ein Moment, was ebenfalls das wechselnde Vor- kommen, d. h. das Vorhandensein oder das Fehlen eines Lungen- zipfels zu erläutern, imstande ist. Der Lungenzipfel ist, wie sein Name besagt, mit dem oralen Ende der Lunge fest verwachsen. Der einzige grosse Hodenlappen junger Tiere ist nicht mit der Lunge verwachsen; das caudale Lungenende ragt frei in die Bauchhöhle hinein. Werden die Männchen älter und schwindet schliesslich der Lungenzipfel, so ist der erste orale Hodenlappen mit der Lunge verwachsen; bei dem vierlappigen Hoden vom 36. März 1904 war sogar noch ein Teil des folgenden Lappens an die Lunge festgeheftet. Schon dieses makroskopische Ver- halten macht es wahrscheinlich, dass bei den älteren Tieren, denen der Lungenzipfel des Hodens fehlt, der erste Lappen an seine Stelle getreten ist. Der Lungenzipfel kann somit nicht zeitlebens eine Quelle der Regeneration für die entleerten Ampullen sein. Völlig bewiesen kann diese Annahme erst durch das Studium der feineren Veränderungen während der ver- schiedenen Monate des Jahres werden. Auch ein anderes, makroskopisch schon wahrnehmbares Verhalten, die topographische Verteilung von jungen, wachsenden und reifen, sowie der degenerierenden Ampullen und der Ver- bindungsstränge lässt sich für das eigenartige Wachstum des Hodens und die Vermehrung seiner Lappen mit zunehmendem Alter verwerten. Die Lungenzipfel liegen lateral; medial die degenerierenden gelben Ampullen und zwischen beiden Zonen die jungen, wachsenden und reifen Ampullen. Es findet somit ein Vorwärtsschieben von der ventrolateralen Kante nach der dorsomedialen Kante statt. Die Verbindungsstränge liegen im Gegensatz zu dem ventrolateral am Hoden befindlichen Lungen- zipfel stets dorsomedial und es wird sich bei der mikroskopischen Untersuchung zeigen, dass nicht allein die jungen Ampullen ın die wachsenden reifen und entleerten Ampullen auf ihrer Wan- derung von der Seiten- zur Mittelkante des Hodens ineinander übergehen, sondern dass auch der Verbindungsstrang aus der Zone der entleerten Ampullen hervorgeht und gerade deshalb dorsomedial gefunden wird. So muss auch ‘hier. zum Ein- s0 M. Nussbaum: dringen in das Verständnis des Ablaufes der Erscheinungen genaue topographische Bestimmungen am unzerlegten Präparat mit dem Studium der Zellenveränderungen Hand in Hand gehen. Von dem Verhalten des Lungenzipfels geben die vorauf- gehenden Beschreibungen hinlänglichen Aufschlus. Was den Schwanzzipfel anlangt, so füge ich noch folgende Daten hinzu. Sie betreffen Tiere aus dem Monat Mai und solche aus dem Monat Juni, wo alle Hodenlappen mit Ausnahme des in der Entwicklung zurückgebliebenen caudalen Lappens heterotypische Teilungen aufweisen. Ebenso sollen noch einige Exemplare aus dem Monat Juli hier beschrieben werden. Ein am 13. Mai 1905 frisch gefangenes Männchen von 67 mm Rumpf-!) und 53 mm Schwanzlänge hatte auf beiden Seiten je zwei Hodenlappen, die durch einen Verbindungsstrang verbunden waren; Lungen- und Kloakenzipfel beide vorhanden. Jeder Hodenlappen besteht aus einer grauen, weissen und gelben Abteilung, die sich in oro-analer Richtung folgen. Zwei am 27. Juni 1905 frisch gefangene Männchen zeigten folgende Formen: 1. 62 mm Rumpf-, 55 mm Schwanzlänge: Rechts drei Hodenlappen. Lungenzipfel undeutlich, Schwanzzipfel gut aus- gebildet, hell durchsichtig. Jeder Lappen besteht aus drei Ab- teilungen, den wachsenden Ampullen, einem kleinen Rest unent- leerter und einem nicht grösseren gelben entleerter Ampullen. Zwischen den Lappen auf der dorsalen Seite hell durchscheinende Verbindungsstränge. Derselbe Befund links. Fettkörper sehr gross. Samenleiter noch mäßig gewunden. Magen und Darm gefüllt. 2,57 mm Rumpf-, 42 mm Schwanzlänge: Links langer Lungenzipfel, kleine helle Zone junger Ampullen, grosse Ab- teilung wachsender Ampullen, kleiner Rest gelblich degene- rierender Ampullen, breiter heller Verbindungsstrang zu einer kugligen, kleinen Masse junger Ampullen. Rechts kleiner, aber deutlicher Lungenzipfel, kleine helle Zone junger Ampullen, an diese sich anschliessend grosse Abteilung wachsender Ampullen, medio-dorsal eine kleine Zone gelblicher degenerierender Am- pullen, dann heller Verbindungsstrang und schliesslich eine kleine elliptische Abteilung junger Ampullen. Es sind also auf beiden !) Von der Schnauze bis zum oralen Rande der Cloake gemessen. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 81 Seiten der Lungenzipfel und zwei Hodenlappen, aber kein Kloaken- zipfel vorhanden. Fettkörper gross. Samenleiter grade. Darm leer. 3. 53 mm Rumpf-, 42 mm Schwanzlänge: Auf jeder Seite ein Hoden: oral und lateral ein durchsichtiger Lungenzipfel; caudal und medial, mit dem Haupthoden durch eine kleine gelb- liche Zone verbunden, der durchsichtige Schwanzzipfel. Magen und Darm gefüllt. Fettkörper mäßig gross. Samenleiter links geschlängelt, hell durchsichtig. Hierzu kommen noch zwei am folgenden Tage, dem 28. Juni 1904, frisch gefangene Exemplare. 1. 64mm Rumpf-, 56 mm Schwanzlänge: Links kein Lungen- zipfel; erster Hodenlappen mit vier Abteilungen, hell, grau, weiss, gelb; dann helles Verbindungsstück und dieselben Abteilungen des zweiten Lappens und ein kleiner Caudalzipfel. Rechts eben- falls zwei Lappen mit je vier Abteilungen, dem Verbindungs- zipfel, dem Kloakenzipfel, jedoch ohne Lungenzipfel. Die Samen- leiter sind mäßig gewunden, aber nicht weiss, enthalten also keine Samenfäden, obwohl auch da auf jeder Seite zwei samen- haltige Abteilungen, in jedem Hodenlappen eine, vorkommen. Fettkörper mager. 9. 57 mm Rumpf-, 55 mm Schwanzlänge: Links heller Lungenzipfel, kleine Abteilung junger, grosse Abteilung wachsender Ampullen; medio dorsal grössere gelbliche und kleine junge Abteilung; rechts dasselbe, nur ist die junge Abteilung grösser. Die caudal gelegenen Lappen sind aber auf beiden Seiten sehr klein im Vergleich zu den oral gelegenen. Es fehlt auf beiden Seiten der Kloakenzipfel. Fettkörper gross. Aus demselben Fang stammt ein drittes Männchen, das auf einer Körperseite zwar abnorm sich verhielt, auf der anderen dagegen ein für unsere Zwecke brauchbares Ergebnis lieferte. Die Rumpflänge betrug 67 mm, die Schwanzlänge 63 mm. Rechts fand sich ein zweilappiger Hoden, dessen Lappen aus je einer Abteilung junger, einer wachsender Ampullen, einer kleinen weissen und einer kleinen gelben Abteilung bestanden. Lungen und Kloakenzipfel fehlen. Links fehit der ganze Hoden. Der Gesamtfettkörper bestand aus drei Abteilungen. Links oben, an Lunge und dorsaler Rumpfwand festgewachsen, eine 10 cm lange, rechts unten, seitlich von der Kloake an der Rücken- wand befestigt, eine zweite 8 cm lange Masse und normal am Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 6 82 M. Nussbaum: rechten Hoden befestigt die dritte, welche ventral vor den Ein- geweiden nach rechts bis zur Kloake hinabstieg und von da nach links oben sich umbog, Die drei Massen hingen nicht zu- sammen. Die Verhältnisse sind somit pathologisch, da eine adhäsive Peritonitis die Fettkörpermassen an Stellen der Rumpfwand be- festigt hat, wo sie für gewöhnlich nicht gefunden werden. Viel- leicht lässt sich das Zustandekommen dieser Veränderungen auf folgende Weise erklären. Durch eine Verletzung ist der linke Hoden zu Grunde ge- gangen; sein Fettkörper wurde in zwei Teile gespalten, von denen der eine links oben liegen blieb und mit der Bauchwand verwuchs, während der andere abgesprengt nach unten rechts verlagert wurde und sich dort an die Bauchwand festheftete. Der rechte Fettkörper wurde im Bereich der links oben befind- lichen Bauchfellentzündung angelötet. Diese Annahme ist dadurch berechtigt, dass der rechte Fettkörper in seinem Anfangsteil oral normal zum Hoden und den anderen Eingeweiden gelagert ist und sein unterer Zipfel, wie schon oben beschrieben, nach links oben über die Eingeweide hinwegsteigend, links an der seitlichen Rumpfwand anhaftet. Die folgenden Exemplare waren am 11. Juli im Freien ge- fangen und eine Woche lang mit Regenwürmern gefüttert worden. 65,124. Auf beiden Seiten zwei Lappen. Lungen- und Schwanz- zipfel fehlen. Die Lappen sind gross, die caudalen etwas grösser als die oralen. 62,106. Auf beiden Seiten drei Lappen. Links oral ein kleiner Lappen, Verbindungsstrang, ein grosser Lappen, Ver- bindungsstrang und ein kleiner Schwanzlappen. Rechts oral ein mittelgrosser Lappen, Verbindungsstrang, ein wenig erösserer Lappen, Verbindungsstrang und kleiner caudaler Lappen, an dem noch ein kleiner Schwanzzipfel sich befindet. Lungenzipfel fehlt. 70,130. Auf beiden Seiten drei Lappen. Grössenverhältnisse auf beiden Seiten gleich. Der orale Lappen mittelgross; der mittlere Lappen ist grösser, hängt mit dem vorher- gehenden und dem folgenden durch je einen Verbindungs- strang zusammen und besteht deutlich aus drei Ab- teilungen: einer Zone junger, einer Zone wachsender Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 33 und einer dritten gelben in Rückbildung begriffener Ampullen. Der dritte caudal gelegene Lappen ist klein und besteht nur aus jungen Ampullen. Die Involutionsperiode ist somit bei diesem letzten Tiere noch nicht im Juli zu Ende gegangen; wenn auch die Ent- leerung der reifen Samenfäden, soweit sich dies makroskopisch durch die Farbe nachweisen lässt, wegen des Fehlens einer weissen Abteilung beendet gewesen sein musste. Unter fünf am 13. März 1905 gefangenen und am folgenden Tage getöteten Triton alpestris waren zwei Exemplare die von der Schnauze bis zum Schwanz 65 mm, je einer 66, 7! und 76 mm lang waren. Die Rumpflänge von der Schnauze bis zum Anfang der gewulsteten Kloakenspalte betrug bei den ersten 35 und den drei folgenden der Reihe nach 36, 40 und 43 mm. Bei dem Tiere von 76 mm Länge zerfielder Hoden auf jeder Seite in zwei Lappen, die durch ein schmales durchsichtiges Bändchen verbunden waren. Ein Lungenzipfel war vorhanden. Da caudal auf der medialen Seite auch entleerte, gelb verfärbte Ampullen lagen, so war die Reihenfolge der Teile gegen die der meisten Tiere mit nur einem Hodenlappen so verschoben, wie man es der Regel nach bei Triton eristatus und Salamandra maculata findet: um 90° ge- dreht, aus einer Queraxe in die Längsaxe des Tieres. Von den drei Triton alpestris mit nur einem Hoden auf jeder Seite war der vom Lungenzipfel ausgehende lateral gelegene Spiegel am grössten bei dem Exemplar, das nur am wenigsten reife, unentleerte und dafür um so mehr entleerte gelbliche, ver- kleinerte Ampullen besass und umgekehrt am kleinsten bei dem- jenigen, dessen Hoden nur erst wenige reife Ampullen entleert hatten. Bei allen Tieren waren die Samenleiter stark gewunden, geschwollen und von den darin enthaltenen Samenfäden ganz weiss. Das Exemplar von ‘I mm Länge besass rechts einen Hoden mit Lungen und Schwanzzipfel, links dagegen zwei Hoden, von denen der anale so klein entwickelt war, dass er uns zuerst ent- ging. Er enthielt aber in wenigen Ampullen reife Samenfaden- bündel. Bei Triton alpestris ist der einfache Hoden am grössten ; in den zweilappigen Hoden überwiegt der orale Lappen. Das gilt, wenn auch nicht in so auffallender Weise für die anderen Tritonen und Salamandra maculata, solange als der Lungenzipfel noch vorhanden ist. 6* s4 M. Nussbaum: Von den im Mai (16. Mai 1905) frisch gefangenen Triton alpestris hatten, wie aus der Zusammenstellung auf Seite 72 hervorgeht, die grössten je zwei Hodenlappen; bei allen war der caudale Lappen kleiner als der orale; alle Lappen, auch bei den Tieren mit nur einem Lappen, bestanden aus einer grossen grau durchscheinenden, einer kleinen weissen und einer grossen gelben Zone. Es hatte somit gegen den März, wo die graue und gelbe Zone klein, die weisse gross gewesen war, neben der Entleerung der weissen Zone, der Ausstossung von Samenfäden, eine Ver- grösserung der Vermehrungszone durch das Wachstum der grauen Abteilung und eine Vergrösserung der Involutionszone durch das Fortschreiten der Entleerung alter Ampullen stattgefunden. Bei den einlappigen Hoden lagen die Abteilungen in latero-medialer, bei den zweilappigen in oro-caudaler Reihenfolge. Im März waren die Hoden caudalwärts abgestumpft, im Mai dagegen spitz, sodass die gelbe Involutionszone in einen Kloakenzipfel auslief, der im März fehlte. Lungenzipfel waren bei allen Tieren vor- handen. Die untersuchten Exemplare erhärten die Ansicht, dass der Schwanzzipfel aus einer entleerten Abteilung hervorgehe, da er erst bei der fortschreitenden Entleerung sich zeigte. Jeden- falls ist aber im Mai die Entleerung alter Ampullen auch in der freien Natur noch nicht beendet. Welchen Schwankungen die Grösse der Lungenzipfel im Laufe eines Jahres unterworfen sein können, sollen die Durch- schnitte von drei Lungenzipfeln des Triton alpestris vom 27. April, 27. Juli und 14. September 1903 dartun. Das Tier vom 27. April war frisch gefangen; die anderen an den angegebenen Tagen von einem Händler gekauft, der sie seit dem Frühjahr in einem Aquarium gehalten hatte. Wegen des Zustandes des letzten Exemplares, das nur ganz rudimentäre Hoden besass. darf wohl vermutet werden, der Hunger spiele hier auch eine Rolle. In dem Hoden vom 27. Juli waren wohl die beiden Reifeteilungen vorhanden, aber die Samenfadenbildung hatte noch nicht begonnen. Am medialen Rande des Hodens waren zwar durch Chromatolyse ganze Ampullen zu Grunde gegangen, doch waren die Hoden immerhin von ansehnlicher Grösse, sodass ich während der Untersuchung im Juli 1903 ein normales Tier zu haben glaubte. Frisch waren Triton alpestris im Sommer und Herbst nicht zu erlangen. Es muss daher unentschieden bleiben, ob die bedeu- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 55 tenden Veränderungen auch in der freien Natur in so hohem Grade aufgetreten wären. Ich gebe trotzdem die Abbildungen in Fig. 46, 47 und 48, Taf. Ill, die ohne weiteres zeigen, wie stark die Zahl der jungen Ampullen vom April bis in den September abnimmt. In Fig. 46 liegen viele Ampullen, die bis zu fünf durch Follikelzellen getrennte kleine Spermatogonien mit maulbeerförmigen Kernen ent- halten, dicht gehäuft. In Fig. 47 vom 27. Juli sind noch fünf junge Ampullen vorhanden, in denen höchstens zwei vergrösserte Spermatogonien. in vier Fällen nur eine Spermatogonie liegen ; in Fig. 435 vom 14. September sind nur drei Ampullen mit je einer Spermatogonie vorhanden. Die Kerne der Spermatogonien im Aprilhodenzipfel sind maulbeerförmig oder in Mitose, die aus dem Monat Juli und September zerklüftet. Das Präparat aus dem April ist arm an Bindegewebe, die beiden anderen Präparate reich daran. Aus dem Jahre 1904 besitze ich noch Präparate in Form von Schnittserien durch den Hoden des damals frisch am 22. Juni eingefangenen Triton cristatus. Das Tier hatte nur einen Hodenlappen und einen verkleinerten Lungenzipfel, worin nur wenige Ampullen und viel Bindegewebe enthalten war. Die Spermatogonienkerne waren stark zerklüftet. Es ist somit sicher, dass der Lungenzipfel zur Brunstzeit am grössten ist und dass die in ihm gelegenen Spermatogonien sich in dieser Periode leb- haft vermehren, später aber regressive Veränderungen durch- machen. Wir ziehen vorläufig aus dieser Zusammenstellung den Schluss, indem auf die mikroskopische Analyse der Hoden erwachsener Tiere und die Beschreibung des Hodens der Larve verwiesen wird, dass bei jungen Tieren ein Lungenzipfel vor- kommt und bei alten Tieren nicht. Bei gesunden jungen Tieren vor der ersten Brunst und bei alten Tieren meist von Juni an fehlt der Schwanzzipfel; er ist nach der Brunst, also im Monat April, Mai bis Juni bei erwachsenen Tieren vorhanden, weil er aus dem während der Brunst entleerten, jeweilig caudalen Hoden- lappen zurückbleibt und nach den äusseren Bedingungen und dem individuellen Zustande des betreffenden Tieres später zurück- gebildet oder in einen neuen Lappen umgeformt wird. Auf dieselbe Weise wie der Schwanzzipfel entstehen die Ver- bindungstränge zwischen den Hodenlappen. 6 M. Nussbaum: Bei älteren Tieren ist der an der oralen Spitze des Hodens gelegene kleine Lappen meist nur aus einer Abteilung zusammen- gesetzt; sind Präspermatiden, Spermatiden oder Samenfäden in ihm vorhanden, so fehlt die Vermehrungszone; es sind somit alle vorhandenen Spermatocyten umgewandelt worden, während bei den grösseren Lappen auch im Winter noch eine kleine Ver- mehrungszone an der oralen Spitze derselben zurückbleibt. Der kleine Schwanzlappen älterer Tiere bleibt dagegen während des Sommers bei manchen Exemplaren in der Entwicklung zurück; er enthält dann selbst im September nur Ampullen im Anfang des Vermehrungsstadiums. Die Zusammenstellung erhärtet den schon bewiesenen Satz, dass mit dem Grössenwachstum der Tiere nach der ersten Brunst die Zahl der Hodenlappen sich vermehrt. Die Zunahme in der Zahl der Hodenlappen ist aber nicht für jedes Tier, der Körper- grösse entsprechend, die gleiche, wie auch die Grösse der einzelnen Lappen nicht immer dieselbe ist, weil in manchen Exemplaren mehr Restspermatogonien zurückbleiben als in anderen, und zu- weilen die ganze Involutionszone eines Lappens schwindet. Die Beweise für diese Deutung der Erscheinung gebe ich in folgendem: eine Beschreibung des Larvenhodens und der Gegenüberstellung der Ergebnisse mikroskopischer Untersuchung verschiedener Hoden erwachsener Triton cristatus. VI. Beschreibung der Hoden einer Larve von Triton cristatus vom 5. August 1905. Die Larve hat drei Kiemen; die ventral gelegene ist am kleinsten; die Körperlänge von der Schnauze bis zum vorderen Rand der Kloake beträgt 34 mm; die Schwanzlänge von da an semessen 36 mm, wovon 10 mm auf einen feinen peripheren, fadenförmigen Anhang kommen. Die Hoden haben die Gestalt, wie es von einem derselben die Fig. 36 auf Taf. III in vierfacher Vergrösserung zeigt. Im Kloakenzipfel ce liegen keine Spermatogonien. Der Hoden ist, wie dies auch die Abbildung lehrt, am caudalen, in der Figur nach abwärts orientierten Ende abgestumpft; es fehlt der all- mähliche Übergang in den Kloakenzipfel, wie er am vorderen Iinde gegen den Lungenzipfel zu sich findet. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 87 Auch im oralen Ende des Lungenzipfels fehlten Sperma- togonien Somit sind Kloakenzipfel und orales Ende des Lungen- zipfels nur Befestigungsbänder des Hodens bei dieser jungen Larve. Die ersten im Lungenzipfel befindlichen und auch die meisten lateral im Hoden gelegenen Spermatogonien haben gelappte oder stark zerklüftete Kerne Wo medial im Hoden schon junge Ampullen mit zentralem Hohlraum gebildet sind, trifft man in den Kernen auch Spireme oder statt der Kerne Spindelfiguren. Die Mitose ist somit an dieser Stelle in vollem Gange. In dem grössten Querschnitt der am weitesten entwickelten Ampullen lagen bis sechs, durch Follikelzellen getrennte Spermatogonien. Das Hodennetz, d h. die Ausführungsgänge zur Niere, war vor- handen. Der Hoden der Larve hat somit den Bau wie ihn Triton alpestris noch nach der ersten Brunst am deutlichsten zeigt. Die grossen Spermatogonien liegen im Lungenzipfel und lateral am kompakten Hoden. Wo schon zwei oder drei auf dem Quer- schnitt, ohne völlige Trennung durch Follikelzellen in einer Ampulle am mediodorsalen Rande beisammen liegen, kommen Spireme, Spindelfiguren und gelappte Kerne vor; sie sind halb so gross als die grossen Spermatogonien, in denen nur selten um diese Zeit eine Mitose gefunden wird. Das Hodenwachstum geht, wie auch bei den erwachsenen Tieren schon in der Larve von dem Hodenzipfel am oralen Ende lateral am Hoden entlang zum caudomedialen Rande; hier liegen die jungen Ampullen mit den kleinsten Spermatogonien und hier war in dem untersuchten Exemplar die Periode der Zellvermehrung, während die anderen Partien sich im Ruhestadium befanden. Man könnte daran denken, dass die gelappten Kerne und die zugehörigen Zellen junge Eier seien, die zu Grunde gehen werden ; das ist aber deshalb nicht möglich, weil sie in Ampullen liegen, zu denen Ausführungsgänge hinziehen und die Eier in gleich alten, ächten Eierstöcken ein ganz anderes Aussehen haben. Zu anderen Jahreszeiten wird ja auch an diesen Spermatogonien in der angegebenen Lage wirkliche Vermehrung und Umbildung zu Samenfäden beobachtet. Ganz von der Hand zu weisen, dass auch im Hoden Anlagen zu Eiern vorkommen, ist nach den Beobachtungen zahlreicher 88 M. Nussbaum: Autoren nicht möglich. Pflueger wies wirkliche Eier bei jungen Grasfröschen nach, und vonla Valette St. George beschrieb einen ächten Zwitter von Triton taeniatus. Gerhartz') hat in der neuesten Mitteilung über diesen Gegenstand die ein- schlägige Literatur zusammengestellt Am wichtigsten ist die Topographie des Eierstocks zum Hoden, wie sie von la Valette St. George gefunden hat. Der ächte Eierstock des Zwitters lag lateral zum Hoden. Vor allen Dingen enthielt er Eier, was bei dem von mir untersuchten Hoden der Larve von Triton eristatus nicht gesagt werden kann. Wenn demgemäss auch diese Zellen am lateralen Hodenrande liegen, so ist zwar nicht zu leugnen, dass dort auch Eier gelegen sein könnten. Es ist auch nicht zu leugnen, dass diese Eier in Degeneration geraten können, da ja so ungemein selten bei erwachsenen Tritonen Hermaphroditismus der Geschlechtsdrüsen vorkommt, wenn auch stets Hermaphroditismus der Ausführungs- gänge. Es lässt sich aber nicht mit Bestimmtheit sagen, dass alle Zellen im Lungenzipfel und am lateralen Hodenrande im Schwinden begriffene Eianlagen seien; denn dieselben Zellen kommen auch bei solchen erwachsenen Tieren vor, bei denen kein einziges Ei gefunden wird. Gerade dieses Verhalten ist ein kräftiges Argument zu Gunsten der Annahme, dass die ein- geschnürten und zerklüfteten Kerne nicht unbedingt zum Absterben der Zellen führen müssen. Die Zellen mit den ein- geschnürten und den zerklüfteten Kernen trifft man bei Embryonen sehr häufig. Wenn nun eine so ausgedehnte Strecke wie der Lungenzipfel und die laterale Kante des Hodens nur Zellen mit eingeschnürten Kernen führt und diese Strecken später erhalten bleiben, so können die eingeschnürten Kernformen nicht in allen Fällen zum Zellenuntergang führen. Dieselbe Auffassung habe ich seit dem Anfang meiner Arbeiten über die Geschlechtsorgane vertreten, und Meves hat durch die Untersuchung der Kern- formen und der Sphäre einen neuen Beweis für die Richtigkeit dieser meiner Anschauung erbracht. Das Vorhandensein oder Fehlen eines Schwanzzipfels wird, wie die Mitteilung der Ergebnisse der mikroskopischen Unter- suchung der beiden einlappigen Hoden eines jungen Triton 1) D. Arch. Bd. 65, p. 699, 1905. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 59 eristatus erläutert, durch Regenerations- oder Resorptionsvorgänge im caudalen Ende des Hodens hervorgebracht. VII Zur mikroskopischen Anatomie des caudalen Hodenpoles (sog. Schwanzzipfel) der Urodelen. Der linke einlappige Hoden des 47 +38 mm langen Triton vom 18. Mai 1905 ') zeigte im Schwanzzipfel neben spärlichen Oysten ungeteilte Spermatogonien mit gelapptem Kern. Der Hauptteil des Hodens war über das Stadium der ersten Sperma- tocytenbildung nicht hinausgekommen. Es fanden sich hier nur wenige Mitosen; dagegen viele degenerierende Kerne in CUhro- matolyse. Im Lungenzipfel lagen die grossen Spermatogonien dicht gedrängt, ihre Kerne buchtig, die chromatischen Fäden auch in buchtigen Kernen ausgebildet und ebenso Kerne in den Teilungsstadien der Mitose, d. h. die verschiedensten Stadien der Lagerung der Chromosomen an der achromatischen Spindel fanden sich. In den Spermatocyten kommt auffallend zahlreich Chromatolyse vor. Die Entwicklung ist auch in diesem jungen Hoden schwanzwärts gerichtet, wenn auch in dem Cloakenzipfel einige Spermatogonien liegen, die noch nicht bis zur Bildung von Spermatocyten gediehen waren. Bei eingehender Untersuchung des Präparates zeigte sich sodann, dass die im Schwanzzipfel gelegenen Spermatogonien aus den durch Chromatolyse zu Grunde gegangenen schwanzwärts gelegenen Ampullen übrig geblieben waren. Der Übergang liess sich genau verfolgen. Von den durch Chromatolyse der Sperma- tocytenkerne schwindenden Cysten bleiben zuerst die Follikelzellen und die am Ausführungsgang der Ampulle in ihrer Follikelhaut gelegene Restspermatogonie zurück; dann schwinden auch die Follikelzellen, die zu den untergegangenen Cysten gehören, und es bleibt nur der Ausführungsgang mit der Restspermatogonie übrig. Die einzelnen Stadien dieser Metamorphose, die ja zum !, Vergl. Nr. 1 auf p.ı2. Der Triton war sehr hinfällig, hatte einen ödematös geschwollenen Kopf, der Rückenkamm war nicht entwickelt, so dass das Tier sicher noch nicht brünstig gewesen war. Denn der einmal entwickelte Kamm schwindet nicht wieder, wenn er auch zu verschiedenen Jahreszeiten in der Stärke variirt. Der grösste Breitendurchmesser des Hodens betrug an den Schnitten der Serie Imm, der grösste Längsdurch- messer des compakten Teiles ohne Lungen- und Schwanzzipfel 2 mm. 90 M. Nussbaum: grössten Teile aus degenerativen Vorgängen besteht, folgen sich in oro-caudaler Richtung. Der Schwanzzipfel ist somit auch in diesem Falle eine sekundäre Bildung. Durch irgendwelche an diesem Präparat nicht aufzudeckende Störungen ist am caudalen Ende des Hodens eine Rückbildung aufgetreten und hat aus den schon bis zur Bildung von Spermatocyten vorgeschrittenen Ampullen nur die Restpermatogonie zurückgelassen. Die Richtigkeit der Deutung |wird nicht allein durch die caudale Hodenpartie erhärtet, sondern auch durch den oralen Teil, wo keine Chromatolyse in Ampullen und keine Sperma- togonien in ähnlicher Topographie wie im Schwanzzipfel gefunden wurden. Wo oral schon Cysten entwickelt waren, lagen die Restspermatogonien stets am Ausführungsgang der Ampullen. Es fehlten oral die Stadien der Degeneration wie am caudalen Ende. Es gab am oralen Ende keine einzige Ampulle, die nicht Spermatocyten und Follikelzellen zugleich enthalten hätte; nicht etwa Ampullen ohne Spermatocyten. Der Hoden der anderen Seite hatte gar keinen Schwanz- zipfel; hier waren auch die chromatolytischen Prozesse am caudo-medialen Rande, also dem ältesten Teile des Hodens, nicht bis zum völligen Schwund der Spermatocyten durch Chromatolyse gediehen; es konnten hier somit auch nicht die Endstadien des Prozesses gefunden werden. Der Schwanzzipfel musste fehlen. Aus diesem Befund ergibt sich aber eine weitere Be- trachtung, die für die Lappenbildung im Hoden von Belang ist. Wären die störenden Ursachen zu der Zeit weggefallen, wo das Tier getötet wurde und hätte es ohne einem Untersucher in die Hände zu fallen, weiter leben können, so würde sich auf der einen Seite, die keinen Schwanzzipfel besass, nur ein Hoden- lappen entwickelt haben. Die andere Seite könnte verschiedene Weiterentwicklung eingeschlagen haben. Entweder wäre der Schwanzzipfel bestehen geblieben, oder er wäre auch der Resorption anheimgefallen; im ersten Falle hätte das kleine Tier für die erste Brunst auf dieser Körperseite zwei Hodenlappen ausgebildet, oder es wäre nach Schwund des Schwanzzipfels auch nur ein Hodenlappen zur Ausbildung gelangt. Es konnte somit auch hier der Hoden den Einflüssen der Ernährung unterworfen sich ganz anders verhalten, als es bei theoretisch vorausgesetzter gleich- Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 91 mässiger Ernährung hätte der Fall sein müssen. Das Moment der Ernährung spielt demgemäss die grosse Rolle in der Ge- staltung des Hodens der Urodelen, dass zwar Restspermatogonien selbst nach dem Untergang ihrer schon zu Spermatocyten und Spermatozoen umg. bildeten Schwesterspermatogonien zurück- bleiben, bei Fortdauer der Störung aber ebenfalls zu Grunde gehen. Wir reihen einen Fall an, wo ein caudaler Lappen sich entleert hatte und darauf im Schwinden begriffen war. Die von der medio-caudalen Partie des zweiten und zugleich am weitesten caudal gelegenen Hodenlappens eines am 13. Juli 1905 getöteten Triton cristatus stammenden Präparate enthielten Am- pullen mit reifenden Samenfäden wie um eine Nabelzone herum- gelagert. In diesem Nabel waren nur noch die Reste unter- gegangener Ampullen und nichts von Spermatogonien mehr sichtbar. Die Ampullenreste waren mit den, ebenso wie sie selbst, hyalin verschwollenen Ausführungsgängen der degenerierten Zone durch Verfolgung der Serienschnitte in Zusammenhang zu bringen. Es war in diesem Falle der Regenerationsprozess nicht fortge- schritten, sondern in Degeneration umgeschlagen. Die Spermatohistognese ist in vollem Gange, wenn auch die Abteilungen wachsender und reifender Ampullen noch nicht äusserlich durch eine Ringfurche gegen einander abgesetzt sind. Die zur Spermatohistogene übergehenden Ampullen liegen medio- caudal in den wachsenden Abteilungen der Lappen und machen nur einen kleinen Teil derselben aus, mit deutlich gegen die der wachsenden Ampullen verkleinerten Oberflächenfelderung. Zwischen den reifenden Ampullen, die in ihren Follikeln noch breitköpfige, gespreizt gelagerte Spermatozoen und die Restspermatogonien enthalten, lagen an den Ausführungsgängen einzelne oder in Gruppen bis zu je vier vereinigte Spermatogonien. Die Kerne dieser Zellen waren stark zersägt; also von der Form, die einer Regeneration fähig ist, aber auch vorher zum Untergang führen kann. Hier ist Untergang der alten Ampullen erfolgt; infolge- dessen ist kein Schwanzzipfel vorhanden und kein aus ihm durch Weiterbildung entstandener neuer Lappen, der mit dem vor- hergehenden durch einen Verbindungsstrang verbunden ge- wesen wäre. 92 M. Nussbaum: Zum Schlsss dieses Kapitels reihen wir noch die Beschreibung der mikroskopisch sichtbaren Zusände der Hoden zweier vom 27. Jnni 1905 stammender Triton critatus sich hier an. Nr. 1. Triton- ceritatus vom 27. Juni 1905. Die heterotypische Teilung hat schon in der Abteilung wachsender Ampullen kleine Spermatiden erzeugt. In den Am- pullen mit restierenden reifen Samenfäden sind selten Rest- Spermatogonien zu finden; die degenerierenden Ampullen ent- halten sie fast gar nicht; nur an wenigen Stellen stehen die in der degenerierenden Zone enthaltenen Ausführungsgänge noch mit Ampullen in Verbindung, in denen ein bis vier Spermatogonien liegen. Der Schwanzzipfel ist somit fast frei von Spermatogonien. Die Kerne der Spermatogonien sind zerklüftet. Nr. 2. Triton eristatus vom 27. Juni 1905. Im Lungenzipfel sind viele Spermatogonien enthalten. Die Kerne aller Zellen sind zerklüftet nnd im Gegensatz zu den in Teilung begriffenen Zellen der anderen Hodenabteilungen sehr chromatinarm. Das Schwanzende des Hodens wird aus jungen Ampullen gebildet, in denen noch das Wachstum der Zellen nicht eingetreten ist. Mit der vorhergehenden Abteilung wachsender Ampullen hängt dieser Lappen durch einen hellen Verbindungstrang zusammen; in ihm liegen einige wenige chromatinarme Spermatogonien mit gelapptem Kerne und Reste der Ausführungsgänge. Die Resorption ist also in diesem Ab- schnitt des Hodens soweit vorgeschritten, dass die alten Ampullen und mit ihnen auch die meisten Restspermatogonien verschwunden sind; nur in der äussersten caudalen Spitze ist eine Weiter- bildung der Spermatogonien erfolgt, aber nicht bis zum Auftreten einer Wachstumszone vorgeschritten. In dem Hauptlappen des Hodens ist eine Vermehrungs- und Wachstumszone vorhanden. (ss Daf. DIS: Ries 1935 Die Gegenüberstellung dieser beiden Exemplare vom Ende Juni beweist auf das deutlichste, dass die Entwicklungs- und Rückbildungsvorgänge nicht in allen Hoden und in allen Hodenlappen desselben Hodens gleichmässig ablaufen, und dass es vor allen Dingen sehr schwer oder gar unmöglich ist, in jedem einzelnen Falle nachzuweisen, weshalb der zur Zeit der Unter- suchung vorhandene Zustand ausgebildet werden musste. Der Hunger hat einen deutlich nachweisbaren Einfluss auf das Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 93 Verhalten der Geschlechtsorgane. Wie sich aber auf Seite 80 u. 81 findet, waren beider Tiere Fettkörper sehr gross; eine Unter- ernährung lag also zur Zeit der Untersuchung nicht vor. Da wir aber nicht wissen, was vorher sich zugetragen hatte, so werden wir gestehen müssen, dass wir die Ursachen für die be- obachteten Verschiedenheiten zwischen zwei im Freien gefangenen Tieren nicht kennen. Exemplar 1 hatte undeutliche Lungen und gut ausgebildete Schwanzzipfel, Exemplar 2? das gerade Gegen- teil. Exemplar 1 hatte noch nicht alie Samenfäden entleert. Exemplar 2 besass dieselben nicht mehr. Bei Exemplar 1 waren wenig Restspermatogonien in dem nicht völlig entleerten caudalen Lappen und in dem aus der Zone völlig entleerter Ampullen hervorgegangenen Schwanzzipfel vorhanden; in Exemplar 2 hatte der caudale, völlig entleerte Hodenlappen einen Verbindungsstrang zu einem aus dem Schwanzzipfel neugebildeten kleinen Lappen geliefert. Wenn man sich erinnert, wie die Hodenentwicklung schon in der Larve vor sich geht, so sind es immer die caudalen Partien, die in der Entwicklung voran sind, wie sich auch bei erwachsenen Tieren die mediocaudalen Abschnitte reifer Ab- teilungen zuerst entleeren. Dieselbe Gegenüberstellung ergibt aber gleichfalls, dass der Ausbildung neuer Lappen, die Entleerung der alten voraufgeht, dass der Schwanzzipfel ein Anfangs- und Endstadium in der Endstehungsgeschichte des am weitesten caudal gelegenen Hodenlappens nach der ersten Brunst zugleich darstellen kann; indem bei vielen Tieren die Restspermatogonien zu Grunde gehen, es somit nicht zur Entwicklung eines neuen mehr caudal als die übrigen gelegenen Hodenlappens kommen kann. Die beiden Fälle zeigen aber auch zugleich, dass die zer- klüftete Kernform zum Untergang von Zellen führen kann. Meves hat den Nachweis geführt, dass die zerklüfteten Kerne im Frühjahr, bevor sie wieder in mitotische Teilung ge- raten, sich wieder ausrunden, und dass die zerstreuten Sphären- teilen sich wieder sammeln. Ich habe zwar im Herbst keine aus dem Freien erbeuteten Exemplare von Salamandra zur Ver- fügung gehabt. Die Tiere hatten sicher längere Zeit gehungert Ein am 8. September 1904 getötetes Männchen (vergl. pag. 30) hatte in allen Hodenabteilungen runde, lappige und zerklüftete Kerne in den Restspermatogonien. In der Zone junger Ampullen und in in der Vermehrungszone gab es auch Mitosen, sowohl der 94 M. Nussbaum: Spermatogonien als der Spermatocyten und Follikelzellen. In den stark zerklüfteten Formen war die Sphäre aufgelöst. In manchen Zellen war der Kern nicht mehr nachzuweisen Von denselben Tieren überwinterten einige, und nachdem sie von Anfang März gefüttert wurden, fehlten im Hoden die zackigen und zerklüfteten Kernformen; die Sphäre hatte sich zu einem Körnerhaufen und in manchen Fällen zu einem kleinen, dunkel gefärbten Körper mit centralem Korn verdichtet. Bei Salamandra maculata runden sıch somit, da die Hoden nicht ganz zu Grunde gehen, die im Herbste buchtig gewordenen Kerne zum Teil wieder aus, wie Meves dies beschrieben hat, zum Teil gehen sie aber durch weitgehende Zerklüftung und völligen Schwund samt dem zugehörigen Zelleib zu Grunde. Um über die feineren Vorgänge beim Untergang von Hoden- zellen mich auch noch anderweitig zu unterrichten, habe ich, durch den Zufall begünstigt, Hungerfrösche untersucht und auch an Hungerfröschen experimentiert. VIII. Einfluss von Hunger und Fütterung auf die Hodengrösse und die Samenzellen. Die ersten untersuchten Frösche waren im Hungerzustande (zur Laichzeit gefangen und im Institutsaquarium aufbewahrt) einseitig kastriert worden, so dass der entfernte Hoden ein Bild des Zustandes vor der Fütterung der Tiere abgeben konnte. Die letzten Tiere, die bis gegen den 14. August gehungert hatten, waren so elend, dass sie nicht operiert werden konnten. Bei ihnen sind keine Vergleiche anzustellen; sie zeigten verschiedene Grade der Rückbildung, indem die Länre der Hoden zwischen 9 und 3,2 mm variierte; während der normale Frosch um diese Zeit Hoden von 17 mm Länge besitzt. 1. Ein am 18. Juli 1905 links kastrierter Frosch hatte auf der operierten Seite einen Hoden von 6 mm Länge, 4 mm Breite und 2mm Dicke. Vom 21. Julian wurde das Tier alle drei Tage von mir künstlich mit Muskelfleisch gefüttert. Am 31. Juli war das Tier aus der feucht gehaltenen Glasglocke entwichen und wurde zwar noch lebend, aber stark eingetrocknet im Zimmer wiedergefunden und in seine feuchte Glocke zurückgebracht; blieb aber nicht am Leben. Bei der Sektion zeigte der rechte Hoden eine Länge von 11 mm, eine Breite von 5 mm und eine Dicke von 3 mm. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 95 Er war also fast 3'/sfach!) so gross als der am 18. Juli entfernte und in der Zeit vom 22. bis zum 31. Juli so bedeutend ge- wachsen, obschon der Körper mager geblieben, und der Fettkörper sehr klein, kaum sichtbar war. Um ein Demonstrationspräparat für das schnelle Wachstum einer Geschlechtsdrüse bei ver- hungertem Körper zu erhalten, sind die Hoden nicht in Schnitte zerlegt worden. 2. Ein am 31. Juli 1905 kastrierter Frosch hatte auf der operierten Seite einen Hoden von 5 mm Länge und 4 mm Breite; er wurde am 2. August zuerst gefüttert und am 4. August getötet. Die mikroskopische Untersuchung von Schnittserien der beiden Hoden ergab: Der Hoden vom 4. August: Die grössten Follikel enthalten bis zu 45 Zellen auf dem maximalen Querschnitt. Man zählt oft in einem Schnitt drei Follikelkerne an einem Follikel, ein Wachstum der Spermatocyten oder gar heterotypische Teilung ist nicht aufgetreten, wohl findet sich in jungen Cysten normale Mitose. Die Kerne der grossen Spermatogonien sind buchtig, sie enthalten Nucleolen oder Spireme oder sind zur Spindel mit den Chromosomen umgewandelt. Der Hoden vom 31. Juli: Es stecken bei den Präparaten vom 31. Juli 1905 noch Spermatozoen in dem Lumen der Kanäle. Die Färbung eines auf. demselben Objektträger mit Schnitten vom 4. August aufgeklebten Präparates ist heller als diese. Die grössten Follikel sind nicht soweit entwickelt, als am 4. August, d.h. die Zahl der Spermatocyten ist kleiner. An den Spermato- gonien fand ich keinen Unterschied, auch hier kommen buchtige Kernformen mit Spirem und mitotische Teilungsstadien der Zelle vor. In Fig. 94 bis 96, Taf. VIl sind aus einem jungen Follikel, der auf dem betreffenden Querschnitt nur diese drei von Follikelzellen als Ganzes umhüllte Spermatocyten enthielt, drei Kerne in der natürlichen Lage abgebildet. Der eine, links „unten, ist ein ') Es kommen auch ohne äussere Eingriffe Verschiedenheiten in der Grösse beider Hoden eines Tieres vor. Trotzdem die Kontrolle fehlt, wird man jedoch wegen des öfter beobachteten Erfolges der Fütterung eines Hungerfrosches die Vergrösserung des zurückgebliebenen Hodens auf die Fütterung und nicht auf Rechnung einer schon vorher bestandenen Grössen- verschiedenheit zurückführen. 96 M. Nussbaum: Lochkern und enthält ausser zwei matt in Hämatoxilin gefärbten Nucleolen nur staubförmig, namentlich an der Oberfläche ge- lagertes Chromatin neben dem nicht gezeichneten achromatischen Kernnetz. Der Kern rechts hat einen von Vakuolen durchsetzten Nucleolus und dichter stehende Chromatinkörnchen. Der dritte Kern ist eingebuchtet, führt einen Nucleolus und auf der Ober- fläche deutliche, aus feinen gefärbten Körnchen bestehenden Chro- mosomen; die Körnchen sind durch ungefärbte Substanz von einander getrennt und stellen so die Kernfäden dar. 3. Ein sehr elender, seit der Laichzeit hungernder Land- frosch wird am 10. August 1905 einseitig kastriert, nach der Operation gleich und dann jeden dritten Tag von mir selbst ge- füttert. Die Zerlegung des Hodens ergibt: Länge der Quer- schnitte in maximo 3 mm, Breite 1,5 mm. Die Länge des ganzen Hodens ist in den Notizen nicht angemerkt. Die Kerne der Spermatogonien sind rund oder buchtig oder in Mitose. Die Kerne der Spermatocyten in den grössten Follikel befinden sich im Synapsisstadium. Jüngste Follikel zeigen hin und wieder Mitosen der Spermatocyten; von den mittleren Follikeln an auf- wärts habe ich keine Mitosen gefunden. Der Frosch wird am 17. August getötet. Höhe der Hoden 2 mm, Breite: 3,5 mm, Länge: 6,5 mm. Im Hoden sind die Anfänge der Samenfadenbildung enthalten, die Spermatogonien in Mitose und reichlicher Kettenbildung; sehr wenig junge Uysten vorhanden; die beiden heterotypischen Teilungen häufig, ebenso Übergänge zur Kopfbildung der Samenfäden. Die vereinzelt liegenden Spermatogonien sind bedeutend grösser als die in Ketten angeordneten. Die Kerne der einzeln gelegenen Spermatogonien sind gelappt oder in Mitose; die Kerne der in Ketten gelegenen Spermatogonien sind rund. In beiden Kernformen kommen Spireme vor. Der zurückgebliebene Hoden ist innerhalb sieben Tagen, wenn man nur die Breite und Höhe vergleichbarer Querschnitte zu Grunde legt, fast um das Doppelte grösser geworden; die Muskeln und Fettkörper blieben für das blosse Auge unverändert. 4. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf ein Tier, das nach langem Hunger (seit der Laichperiode im Aquarium des Instituts gefangen gehalten) am 10. August 1905 einseitig kastriert wurde und trotz sofortiger Fütterung zwei Tage später Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 97 einging. Der im Tier zurückgelassene Hoden, der erst nach dem Tode hätte konserviert werden können, ist nicht untersucht worden; dagegen wurde der vom lebenden Tiere entnommene Hoden in eine Schnittserie zerlegt. Die maximale Länge der Schnitte beträgt 1,5; ihre grösste Breite ungefähr 1 mm. Die Verkleinerung der Hoden ist gegen die des normalen Tieres um diese Zeit also ganz enorm. Die Abmagerung des Körpers war ebenfalls sehr weit gediehen. In den engen Hodenkanälen liegen nur noch Spermatogonien in ihrer Follikelhaut. Die Kerne der Spermatogonien sind bald rund, bald buchtig, bald maulbeerförmig. In einigen sind die Nucleolen verschwunden und dafür ein Spirem vorhanden. Es gibt aber auch viele Querschnitte von Hodenkanälchen, wo die Spermatogonien entweder alle oder zum Teil zu Grunde gegangen sind und nur Follikelzellen einen kernlosen Raum einschliessen. Chromatolyse ist nicht nachweisbar. Gelegentlich finden sich Mitosen. Es gehen also auch hier die funktionellen Zellen eher zu Grunde; sie werden aufgesaugt, während die Follikel- zellen wie beim normalen Verlauf der Spermatogenese noch länger erhalten bleiben. In Figur 98, Taf. VIL ist der fast reine Querschnitt eines Hoden- kanälchen abgebildet, in dem nur drei Spermatogonien erhalten sind. In anderen Querschnitten sind nur noch Follikelzellen vor- handen. Mir schien der abgebildete Querschsitt deshalb von Bedeutung, weil er zeigt, dass auch in buchtigen Kernen Spirem- bildung zu einer Zeit auftritt, wo die nebengelegenen Schwester- zellen schon zu Grunde gegangen sind. Die betreffende Zelle liegt im Bilde oben; links davon ist ein stark buchtiger Kern zu finden, der noch Nucleolen in den einzelnen Buchten enthält und ausserdem nur ganz feine CUhromatinpunkte. Neben dem Kern kam in jeder Spermatogonie auf der Seite der stärksten Protoplasmaanhäufung ein in Hämatoxylin deutlich, aber blasser gefärbtes Korn vor. Dieses Korn kann nicht das Üentrosom sein, da es in solchen Zellen, wo die Spindel deutlich entwickelt ist und die Chromosomen trägt, abseits von der mitotischen Figur im Protoplasma und in manchen Zellen mehrfach sich findet. Nach der entgegengesetzten Seite war das Protoplasma nicht compact, sondern zog in dünnen Strängen gegen die Zellwand. Ebensolche dünne Stränge durchsetzten auch die Räume in denen Archiv f. mikrosk. Anat. Ba. 68. 7 98 M. Nussbaum: vordem Spermatogonien gelegen hatten, während die Follikelkerne noch erhalten waren. Dass der Kernschwund und im weiteren Verlauf der Unter- gang der Spermatogonien nicht durch Chromatolyse bedingt sei, lässt sich leicht zeigen. In dem Präparat vom 10. August 1905 habe ich keine Chromatolyse gefunden, wohl ein allmähliches Blasserwerden der Nucleolen, einen Schwund des Kernes, der wie Schnee vor der Sonne vergeht, und eine Vacuolisierung des Protoplasmas, wenn nur noch wenig vom Kern, siehe in Fig. 97 die obere Zelle, gefunden werden kann. In den von Follikel- zellen getrennten Spermatogonien sind Überganngsstadien zu dem abgelaufenen Prozess des Zellschwundes in Fig. 98 rechts - dargestellt. In der oberen Zelle der Fig. 97, an die zwei Follikel- kerne angelagert sind, ist das Protoplasma vacuolisiert und vom Kern nur zwei kümmerliche, getrennte Reste, die noch eine leichte blaue Könrchenfärbung im dem Hämatoxylin angenommen hatten, erhalten geblieben. 5. In dem Hoden einer seit der Brunstzeit im Aquarium gefangen gehaltenen, am 5. August 1904 getöteten und bis dahin stark abgemagerten Rana fusca sind maulbeerförmige Kerne der Spermatogonien und selbst Mitosen der Spermatogonien vor- handen. Es finden sich auch einige junge Cysten mit zwei bis vier Zellen und selbst in diesen gelegentlich Mitosen. Daneben kommen Zellen vor, in deren rundem Kern die Chromatolyse in vollem Gang ist. In Fig. 82, Taf. VI ist das Grössenverhältnis eines Kanälchens und die verschiedenen Zustände der Spermato- gonienkerne mit Ausnahme von Chromatolyse derselben ab- gebildet. Die maximalen Durchmesser der Querschnitte betragen 1,2 mm und 1,5 mm; der Hoden ist rundlicher auf dem Quer- schnitt als der vorige und schätzungsweise mindestens ein halb mal so gross als der vorhin beschriebene. Selbstverständlich kann bei einem so unregelmässig gestalteten Körper wie es der Froschhoden ist, von einem genauen Messen nicht die Rede sein; die Werte sind nur annähernd richtig. Rana fusca, Hungerfrosch, vier Tage nach der ersten Fütterung, am 18. August 1905 getötet. Länge des Hodens 3,2, Breite 1,5, Höhe 1 mm. Die Maße normaler Hoden aus dieser Zeit betragen 17,00, 10,0, 3 mm. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 99 Es sind noch viele Spermatogonien in den Schläuchen ge- legen. Die Kerne der grossen Spermatogonien sind gebogen, eingeschnürt oder maulbeerförmig, in manchen liegen Spireme; andere Spermatogonienkerne und mit ihnen die Spermatogonien sind zu Grunde gegangen. Die Kerne der kleinen Spermatogonien sind rund und chromatinreicher als im August 1904, wo sie einige Nucleolen enthalten und eingebuchtet erscheinen. Ich füge noch eine Beobachtung an einem Triton alpestris hinzu. Ein seit dem Frühjahr in Gefangenschaft gehaltenes Männchen von Triton alpestris hatte am 14. September 1903 kleine durch- sichtige Hoden. Die grossen Spermatogonien führten zerklüftete Kerne; wo einige wenige Spermatocyten gebildet waren, kamen unter ihnen Degenerationen auf dem Wege der Chromatolyse vor. Heterotypische Teilungen oder Erscheinungen des Wachstums an Spermatocyten waren nicht vorhanden, Mitosen äusserst selten. Der Hunger kann somit, so lange das Leben währt, in den verkleinerten Organen in denen ächter Zellschwund auftritt, die Tendenz zur Vermehrung der Zellen nicht ganz unterdrücken. Die kräftigen Zellen bleiben erhalten und vermehren sich auf Kosten der zu Grunde gehenden schwächeren Zellen. Deshalb wird die Entscheidung über die Bedeutung der einzelnen Kern- formen in hungernden Tieren ebenso erschwert als in normalen, wo ja ebenfalls alle Stadien gemischt vorkommen, die der fort- und der rückschreitenden Entwicklung der Zellen. Da aber bei genauerem Studium doch die Uebergänge gefunden werden, so ergibt diese Versuchsreihe folgendes Resultat. Die Versuche müssen noch erweitert werden, da sie alle an Fröschen angestellt sind, die von der Laichperiode an hungerten. Es kann somit nicht entschieden werden, wie weit die Entwicklung vorgeschritten war, ehe der Hunger seinen verheerenden Ein- fluss geltend machte. Bewiesen ist aber durch die vorliegenden Beobachtungen, dass beim Hunger eine grosse Zahl von Zellen zu Grunde geht, denn die Zellen waren nicht verkleinert; sie hatten numerisch abgenommen, und die Stadien ihres Unter- ganges konnten nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass neben Chromatolyse auch noch einfacher Kernschwund zum Zellen- tod im Hoden führen kann. Stark zerklüftete Kerne habe ich 7&S 100 M. Nussbaum: beim Frosch nicht angetroffen; der Kernschwund ging von runden Kernen unter den Erscheinungen der Chromatolyse, von maulbeer- formigen oder buchtigen Kernen durch Chromatinschwund und Vaccuolisierung des Protoplasmas aus Die Ursachen dieser ver- schiedenen Todesarten von Zellen müssen noch aufgedeckt werden. Im Jahre 1888 hat Morpurgo!') festgestellt, dass bei der Inanition die Zellvermehrung auf mitotischem Wege am längsten in den Geschlechtsdrüsen erhalten bleibe. Bei lang fortgesetzten Hungerversuchen an Planaria lactea fand Eugen Schultz?) die Genitalzellen (Schultz berichtet nur über männliche) am widerstandfähigsten ; alle übrigen Zellen und Gewebe zerfielen früher. Der Hunger dauerte so lange an, dass die Tiere auf !/ıo bis '/ı» der normalen Grösse verkleinert wurden. Die Grössenverhältnisse des Hoden bei Hungerfröschen, den künstlich ernährten und den im Freien erbeuteten Exemplaren zeigen deutlich den grossen Einfluss der Nahrung auf das Wachs- tum. Die Hungerfrösche haben kleine Hoden zu einer Zeit, wo die im Freien gefangenen schon stark vergrösserte Geschlechts- drüsen besitzen. In kurzer Zeit wird durch eine regelmässige Fütterung hungernder Tiere die Vergrösserung der Hodon erzielt und es wäre durch eine gar nicht zu grosse Reihe von Versuchen leicht festzustellen, in welcher Zeit die reichlichsten Vermehrungs- vorgänge in den Spermatogonien nach einseitiger Castration hungernder und dann gefütterter Frösche gefunden werden. Dann müsste es sich auch leicht nachweisen lassen, ob um diese Zeit viele maulbeerförmige Kerne vorkommen oder nicht. Denn durch die Castration ist das Moment der vicariirenden Ver- srösserung des zurückgelassenen Hodens eingeführt, und durch die Fütterung des bis dahin hungernden Tieres der Anstoss und die Möglichkeit der Zellvermehrung gegeben worden. Von Degenerationsvorgängen wird in einem solchen Hoden kaum viel gefunden werden, da sein Wachstum ein so schnelles ist. Berücksichtigt man den Umstand, dass innerhalb zehn Tagen der nach der Kastration im Juli zurückgebliebene Hoden einer Rana fusca um mehr als das Dreifache sich vergrössert hatte, während 1) Atti Accad. Lincei Rend. (4) Vol. 4 Sem. 2 p. 84—85 (citiert nach dem Zoologischen Jahresbericht 1888). ?) Arch. für Entwicklungsmechanik 118. Bd. pag. 555, 1904. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 101 das Tier vor wie nach ungemein abgemagert erschien, so zeigt sich, dass Organe auch ohne Übung wachsen, und dass die Ge- schlechtsdrüsen in der richtig gewählten Jahreszeit aus der ge- botenen Nahrung mehr Material entnehmen, als die Musculatur. Da im Freien grade im Monat Juli bei Rana fusca die stärkste Vergrösserung der Hoden sich einstellt, die im Laufe eines Jahres zu beobachten ist, so hat der vorher hungernde und im Juli ge- fütterte Frosch reichlich eingeholt, was während der voraufgehenden Hungerperiode versäumt worden war. Ein Vergleich mit der Grösse eines Hungerhodens aus dem Monat August beweist un- zweideutig, dass der Hoden des im Juli gefütterten Hunger- frosches noch weiter verkleinert worden wäre, hätte nicht die zugeführte Nahrung grade das Gegenteil erzeugt. Die Regene- ration stockt also bei andauerndem Hunger und wird mächtig angeregt, wenn zur rechten Zeit genügende Nahrung gereicht wird. Wie weit die Verkleinerung eines Hodens bei richtig aus- gewählter Zeit für das Experiment getrieben werden kann, möge ein Vergleich der Fig. 5 und 6 dartun, welche Hoden von Rana fusca aus dem Monat August darstellen. Fig. 5 ist bei vierfacher Lupenvergrösserung nach dem Hoden eines frisch im Freien ge- fangenen Landfrosches vom 2. August gezeichnet. Fig. 6 stammt vou einem Frosch, der zur Laichzeit eingefangen war und in einem Institutsaquarium bis zu demselben Tage aufbewahrt wurde und bei gleicher Vergrösserung gezeichnet ist. Der Unterschied in der Grösse ist so gewaltig, dass eine weitere Beschreibung über- flüssig ist. In Fig. 6 ist ausser dem nach rechts gewandten Mesorchium auch noch der aufwärts in der Figur gelegene kleine Fettkörper gezeichnet, der normal im August so gross ist, dass er wie Fig. 7 lehrt, bei der ausgewählten Vergrösserung eine ganz bedeutende Grössse erreicht; die einzelnen Lappen des Fettkörpers sind Fig. 7 der Raumersparnis wegen kurz an der Basis abge- schnitten. Bei meinen Untersuchungen über die ersten Entwicklungs- stadien der Geschlechtsorgane hatten hungernde Quappen von Rana fusca!) sich im Gegensatz zur mangelhaften Fortentwicklung des übrigen Körpers, namentlich der Extremitäten, in den Ge- schlechtsdrüsen gleich weit entwickelt gezeigt als gut gewährte 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 18, pag. 4, 1880. 102 M. Nussbaum: Larven. Diese Beobachtung ist nicht selten zitiert und commen- tiert worden. Ich komme hier darauf zurück, weil die Quappen sich in diesem Punkte abweichend verhalten, wie die erwachsenen Tiere, da bei Hungerfröschen die Fortentwicklung der Hodenzellen ausblieb. Das hat aber vielleicht seinen Grund darin, dass die erste Anlage der Geschlechtsdrüsen grade bei Rana fusca in den Geschlechtszellen sehr viel länger als der übrige Körper Dotter- elemente zurückhält und infolgedessen von der Zufuhr von Bildungsmaterial durch die Nahrung viel unabhängiger ist als die Zellen, welche schon das Dottermaterial verbraucht haben. Und doch ist bei der Rana fusca im Monat Juli und August, wenn die Wachstumsenergie des Hodens am grössten ist, an Hungerfröschen, sobald sie nach lang dauerndem Hunger gefüttert werden, der Beweis zu führen, dass die Geschlechtsorgane eine Sonderstellung einnehmen, indem sie aus der gereichten Nahrung mehr verbrauchen als die übrigen Körperorgane. Es ist leicht, binnen wenigen Tagen die Hoden auf das dreifache zu ver- grössern, während die Abmagerung des Körpers noch längere Zeit unvermindert fortbesteht. Lang fortgesetzte Fütterung zu anderen Zwecken operierter Frösche brachten auch eine Wiederherstellung der Muskulatur zu Wege. IX. Maulbeerförmige und polymorphe Kerne. Man wird sich gewiss fragen, ob denn die genaue Ver- folegung aller voraufgehend beschriebenen Veränderungen von Belang sei, für die Frage nach der Bedeutung der maulbeer- förmigen Kernteilung. Die Bejahung dieser Frage wird leicht zu erzielen sein durch die Überlegung, dass aus dem Zustand von Zellen in einem dem steten Wechsel unterworfenen Organ, wie es der Urodelenhoden ist, nicht ohne weiteres auf die Bedeutung dieser Zustände geschlossen werden kann. Es musste somit vorher festgestellt werden, ob eine bestimmte Zell- und Kernform in einem bestimmten Abschnitt des Hodens eine Ver- grösserung oder eine Verkleinerung dieses Abschnittes hervor- ruft. Es zeigte sich gerade bei der makroskopisch durchgeführten Untersuchung, dass dieselben Abschnitte des Hodens bald gross, bald klein gefunden werden, und es bedurfte eines sehr grossen Materials, die Gesetzmässigkeit der Erscheinungen festzustellen. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 103 Finden sich nun maulbeerförmige Kerne in solchen Abschnitten, die regelmässig von Vergrösserung einer Abteilung gefolgt sind, so muss diese Kernform zu den Umwandlungen des Kernes gehören, die eine Vermehrung von Zellen einleiten, namentlich wenn in diesem Abschnitt auch solche Kernformen vorkommen, welche durch direkte Beobachtung am lebenden Objekt als in den Kreis der mitotischen Veränderungen gehörig nachgewiesen worden sind. Ich habe zwar am lebenden Objekt maulbeerförmige Kerne der Zellteilung voraufgehen sehen; aber da diese Beobachtung an- gezweifelt worden ist,') so suchte ich auf andere Weise den von mir erbrachten Beweis für die progressive Natur des maulbeer- förmigen Kernes zu erhärten. Es ergab sich, dass sowohl Flemming wie Meves eine ganz andere Kernform mit dem Namen der maulbeerförmigen belegt haben, als von la Valette St. George und ich. Der Grund für diese Differenz liegt in der Verschiedenheit der Spezies, welche die beiden Parteien untersucht haben und in der verschiedenen Jahreszeit, die Flemming und wir für die Hauptvermehrungszeit der Sperma- togonien gehalten hatten. Flemmings Objekt war Salamandra maculata, das unsrige verschiedene Spezies von Anuren, besonders aber Rana fusca. Bei Rana fusca kommt die Kernform, die von Flemming und Meves als maulbeerförmig bezeichnet worden ist, gar nicht vor. Die ächte von la Valette St. George’sche Maulbeerform der Kerne ist aber bei Rana fusca im Frühjahr am reichlichsten vorhanden; sie gehört zu den progressiven Veränderungen der Zelle. Die Flemming’sche Kernform — auch polymorphe, von mir oben zerklüftete genannt, — findet sich im Herbst am häufigsten und kann, wieMeves nachwies, im Frühjahr sich wieder ausrunden und in Mitose übergehen. Sie kann aber, wie ich nach meinen Untersuchungen jetzt sicher feststellen kann, auch zum Schwund der Zelle führen. Die Sach- lage ist somit die, dass von la Valette St. George und ich progressive Kernformen unter dem Namen der maulbeerförmigen !, D. Arch. Bd. 61, 1902, p. 11. Wie unberechtigt dieser Zweifel sei, wird Jeder zugeben, der darauf achtet, dass bei der Beschreibung meiner Beobachtungen die Zeitangaben nicht fehlen, und wer sich ber bekannten Tatsache erinnert, dass die Zelle am spitzen oder Richtungspol des Eies von Rhabditis nigrovenosa sich vor der anderen, am stumpfen Pol in der zweiten Furchung teilt, wie ich dies auch p. 652, D. Arch., Bd. 59, 1901 in der 5. und 7. Zeile von unten angab. 104 M. Nussbaum: Kerne beschrieben, Flemming dagegen Kerne, die nach Meves’ Untersuchungen erst nach der Winterruhe wieder reaktiviert werden und von denen ich jetzt hinzufügen kann, dass sie auch zum massenhaften Untergang von Zellen führen. Während der Reaktiviterung der Kerne der Spermatogonien zur Brunstzeit nehmen die erhaltenen zerklüfteten Formen, bevor sie beim Salamander in die runde Form übergehen, Maulbeerform an; bei Tritonen und Rana fusca entwickeln sich schon in maulbeer- förmigen Kernen Spireme, wie ich dies oben gezeigt und noch an einigen Beispielen hier erläutern will. Zuerst eine Spermatogonie aus dem Hoden von Rana fusca am 21. März 1903. Die wahre Form ihres Kernes (siehe Fig. SS, Taf. VI) kann leicht verkannt werden; indem man, die im Schnitte hoch- liegende Contour betrachend, den Kern für hufeisenförmig halten würde. Er besitzt aber auch einen in die Tiefe gerichteten Fortsatz, der in der Zeichnung von den Chromosomen der Quere nach durchzogen wird und aus dem sie in die Hauptmasse des Kernes nach oben steigen. Die Contour der nach unten ge- richteten Ausbuchtung ist durch eine feine Linie ergänzt, soweit sie nicht annähernd, mit der Begrenzung der höher gelegenen Kernmasse zusammenfällt. Man erkennt dadurch auch, dass die Schenkel des Hufeisens nicht so weit in die Tiefe ragen, als jener Buckel des Verbindungsstückes der freien Schenkel. In der Concavität des Kernes liegt ein gefärbtes Körnchen, weit ab vom Kern unten eine gebräunte Kugel und hoch im Kern selbst ein grosser Nucleolus. Strukturen im Protoplasma, die auf das Vorhandensein einer Centrosphäre hinwiesen, waren nicht zu erkennen, obschon diese Zelle dicht bei einer anderen lag, welche in auffallend deutlicher Weise die Fibrillen der Spindel hervortreten liess. Fig. 91, Taf. VII zeigt die Kuppe eines eingeschnürten Kernes mit den darin enthaltenen Chromosomen aus einer Spermatogonie des Lungenzipfels von Triton alpestris am 28. April 1904. Der Hoden einer am 2. April 1903 getöteten Rana fusca enthielt Spermatogonien in Mitose; wenn die Kernmembran er- halten war, erschienen die meisten Kerne maulbeerförmig; in ihnen lagen dann die Chromosomen in den verschiedensten Stadien der Ausbildung. Man kann die Kerne, wie es mir wenigstens nicht anders möglich war, nicht gut als in verschiedenen optischen, Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 105 übereinander gelegten Schnitten zeichnen. Es ergibt sich als- dann, dass die Contouren sich in den verschiedenen Horizonten durchaus ungleich verhalten. Fig. 60, Taf. IV gibt eine solche Spermatogonie mit drei übereinander gezeichneten Horizonten wieder. Am tiefsten im Präparat lag das Centrosom mit der Centriole; dann folgten nach rechts und links in der Figur zwei durchaus getrennte Kernlogen, die in der Zeichnung hell gehalten sind. Eingezeichnet sind einige Kernschleifen, deren offene Schenkel nach aufwärts gerichtet sind. Über diesen Querschnitt getrennter Kernteile folgte die Vereinigung derselben und man konnte die Chromosomen von unten auf in sie hinein verfolgen ; sie verliefen aber von da nicht mehr in der Fläche, sondern stiegen meist senkrecht auf, so dass am Rande dieser höchst gelegenen Kernschicht feine Punkte die Lage der Chromosomen verraten. Vor dem gänzlichen Zusammenfliessen der Kernfort- sätze — und dies ist in der Figur angedeutet — bestand der Kern noch aus zwei dicht aneinandergelagerten Teilen, einem oberen grösseren und einem unteren kleineren Abschnitt. Auch Figur 61 zeigt deutlich, dass zur Zeit der Chromo- somenbildung die Kerne der Spermatogonien nicht rund zu sein brauchen. Der eine höhere nach rechts in der Figur gelegene Horizont ist elliptisch, der links gelegene cförmig gebogen. Der Übergang des einen Abschnitts in den anderen kann bei Benutzung der Mikrometerschraube verfolgt werden ; ebenso sicher ist es aber auch, dass das Protoplasma in den Buchten des Kernes gelegen ist und im Inneren des Kernes die gebogenen Chromo- somen. In der Figur ist die Stelle hell gehalten, wo der tiefer gelegene linke Kernabschnitt von dem rechts liegenden höheren Kernabschnitt gedeckt wird. Die Follikelzellenkerne sind im Präparat dunkel und dem- entsprechend in der Zeichnung mit einem dunkleren Ton wieder- gegeben. In den Kern sind nicht alle Chromosomen eingezeichnet, die Protoplasmastruktur ist nicht wiedergegeben. In Fig. 62, Taf. IV findet man eine Spermatogonie mit Spirem dünner Fäden in einem buchtigen Kerne von Triton alpestris am 27. April 1904. Der hochgelegene, halbmondförmige Kernabschnitt ist hell gehalten, der tiefer gelegene eiförmige mattgrau und das in die Kernbucht eindringende Protoplasma, wie es am Präparat sich zeigt, dunkler. Ich musste darauf ver- 106 M. Nussbaum: zichten, die Chromosomen, die bei ihrer Feinheit eine bedeutende Länge aufwiesen genau einzuzeichnen. Von Triton eristatus aus der Mitte Mai ist in Fig. 64a, Taf. V eine Spermatogonie aus einem Verbindungstrang zweier Hodenlappen dargestellt. Der Kern ist nicht rund und hat ein ungemein feines Spirem, das aus Fäden mit aufgereihten Chromatin- körnchen besteht, in seinem Inneren entwickelt. Neben diesem Kern fanden sich maulbeerförmige Kerne mit dicken Nucleolen in den einzelnen Logen und Mitosen mit Chromosomen im Äquator der achromatischen Spindel. Fig. 64b gibt eine im Anfangsteil eines Lappens, also in der grau durchscheinenden Abteilung gelegene Spermatogonie wieder. Der Kern ist buchtig und die Fäden in ihm sind deutlich zu verfolgen; sie sind dicker als in Figur 64a und bestehen aus einer einfachen Chromatinkörnchenreihe. In Fig. 59a bis f, Taf. IV sind sechs 5« dicke Schnitte einer einzigen Spermatogonie aus dem Lungenzipfel des Hodens von Triton alpestris am 28. April 1904 abgebildet. Im ersten Schnitt liegen zwei grosse Spermatogonien, noch nicht von Follikelzellen getrennt, beisammen, deren stets senkrecht zum Schnitt verlaufende Trennungslinie ein wertvolles Zeichen dafür abgibt, dass die zu beschreibende Spermatogonie nicht etwa ein Conglomerat mehrerer Zellen darstellt. Auch die Abnahme des Durchmessers nach den Kuppen der Zelle zu ist ein Beweis, dass es sich um eine Zelle handelt; ebenso, dass jede Zelle mit deutlicher Spindel in ebenfalls sechs Schnitte von 5 u Dicke zerlegt ist. Von der einen, in sechs Schnitten gelegenen Spermatogonie ist in 59a die Zellkuppe getroffen. Hoch im Schnitt liegt ausser- halb des Kernes ein dunkel gefärbtes Korn, dann folgen die ge- wundenen Fäden des Kernes, die deutlich aus einer Reihe dünner Körnchen zusammengesetzt sind. Der folgende Schnitt enthält die Spermatogonie und ihren Kern, der an dieser Stelle einge- schnürt ist. Der dritte Schnitt zeigt zwei getrennte Kernpartien, der vierte drei und in der Bucht derselben grobe, leicht gebräunte Körner dicht beieinander gelagert; in einem hellen Hofe liegt ein dickeres Korn. Schnitt fünf führt drei Kernabteilungen; Schnitt sechs, der letzte, nur eine Abteilung. In denselben Schnitten ist noch eine Mitose mit Spindel und Chromatinfäden getroffen, die sich ebenfalls auf sechs Prä- parate verteilt. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 107 Auch die Zellen mit gelappten Kernen, in denen es nicht zur Spirem- oder Spindelbildung gekommen ist, gehen durch fünf Schnitte von 5 « Dicke hindurch. In dem Lungenzipfel dieses Hoden vom 28. April 1904 liegen Spermatogonien in deutlicher Mitose; die meisten Kerne sind eingeschnürt, maulbeerförmig; einige zeigen Chromatolyse, andere wieder Spireme in verschiedenen Entwicklungsstadien. Eine Zählung der Fäden ist an den einzelnen Durchschnitten der Fig. 59 nicht möglich, weil sie zu lang und öfter gebogen sind, wie die Schnitte auf Taf. VI in Fig. S3 bis 87 deutlich zeigen. Es muss daher öfter vorkommen, dass die Chromosomen bei den 5 « dieken Schnitten durchschnitten werden. Obschon man demgemäss in der Beurteilung des wirklichen Tatbestandes stark behindert ist, so erscheint es doch annehmbar, dass die normale Chromosomenzahl nicht überschritten ist. In den Spermatogonien, die sich anschicken Spermatocyten zu bilden, entstehen die Spireme in runden Kernen; solche Spermatogonien sind aber viel kleiner als die im Lungenzipfel und aussen im Spiegel des Hodens gelegenen Spermatogonien. Ein in Flemmingscher Lösung erhärteter Hoden von Triton alpestris (28. April) wird in 5 « dicke Schnitte zerlegt. Der Lungenzipfel der Geschlechtsdrüse enthält maulbeer- förmige Kerne mit diekem Nucleolus in den einzelnen Logen, Kerne mit verschieden dickem Spirem und Spindeln mit den Chromosomen in den verschiedensten Lagen zur Spindel. Bei der gewählten Schnittdicke sind die Kerne und auch die Spindeln nicht in einem einzigen Schnitt enthalten. Wegen der Seltenheit der Objekte soll jeder Schnitt einer zu einem einzigen Kerne gehörigen Serie gesondert beschrieben werden. Ein gelappter durch sechs Schnitte zu vertolgender Kern mit ausgebildeten gesonderten Chromatinfäden, in denen nur eine Reihe von Körnchen enthalten ist. In Schnitt 1, siehe Fig. 87, liegen zwei gesonderte Kern- logen und an den Rändern derselben im Protoplasma oben rechts und unten links je eine tief rot gefärbte Kugel. Die obere Kernloge enthält drei Fäden; die untere nur einen Faden und ein kleines Stück eines zweiten Fadens. Die Krümmungen der Fäden sind im Grossen so geordnet, dass ihre Konvexität unter die Zeichenebene fällt und die freien Enden sich darüber hinaus 108 M. Nussbaum: erheben. Die Lageunterschiede sind durch die Tiefe des Tones angedeutet. Was höher liegt, ist dunkler gehalten. Die Fäden sind auch in der Fläche wellig gebogen; doch sind die Biegungen nicht gleich. Man zählt in Fig. 87 oben links zwei, an dem folgenden Faden aber drei Krümmungen in der Fläche. Ebenso sind auch die Richtungen der basalen Strecken an den vier Fäden verschieden; ihre Axen sind nicht untereinander parallel, wenn sie auch alle mit Bezug auf die von ihnen ausgehenden Schenkel gleichgelagert sind, d. h. wie schon vorhin angegeben, sie liegen alle tiefer als die freien Enden. Im zweiten Schnitt, Fig. 86, ist die Trennung der Kern- logen nicht vollständig, aber durch Einbuchtungen angedeutet. Im oberen Kernraum sind fünf Fadenabschnitte, im unteren drei zu sehen. Im Protoplasma liegt rechts oben eine gefärbte Masse. Der dritte Schnitt, Fig. 85, weist zwei getrennte Logen, eine _ eingebuchtete Partie des Kernes und die Kuppe von Kernabschnitten auf, die im folgenden Schnitt weiter enthalten sind. In einem der Fäden ist die Zusammensetzung aus Chromatinkugeln, die durch eine ungefärbte Substanz zusammengehalten werden, dar- gestellt; so sind alle Fäden gebaut, nur in der Zeichnung der Einfachheit halber glatt gehalten. In der linken unteren Kern- loge ist ein Faden stark nach der Höhe und Tiefe zu gewunden. Im Protoplasma liegt links unten eine gefärbte Masse. Der vierte Schnitt, Fig. S4, zeigt zwei getrennte und in der Mitte eingeschnürte Logen und scheinbar ausserhalb des Kernes noch ein Stück einer Chromatinschleife. Im Protoplasma liegt rechts unten ein gefärbtes Korn. Der fünfte Schnitt enthält mehrere Buchten und Spalten von teilweise zusammenhängenden Kernabschnitten. An ganzen Fadenschlingen sind in diesem Schnitt oben links vielleicht nur je eine vorhanden. Vom dritten und vierten Schnitt kann dies nicht mit Sicherheit angegeben werden, so dass nicht entschieden werden kann ob der Kern die normale Zahl von 20 Schleifen enthalte oder nicht. Die Schnitte sind zu dünn, als dass die langen und gebogenen Schleifen nicht in der Mehrzahl der Falle zerschnitten werden müssten, wie das ein Vergleich der Länge der einzelnen Fäden und ihrer Biegungen ergibt. Der letzte Schnitt ist nicht abgebildet, er enthält die untere Kernkuppe der Spermatogonie. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 109 In Fig. 65, Tafel V ist eine Spermatogonie aus der ober- tlächlichen Schicht des Spiegels eines Hodens des Triton alpestris vom 13. Mai 1903 abgebildet. Die Zelle geht durch drei Schnitte von je 10 « Dicke hindurch und ist von Follikelzellen umgeben. Die Zellen der Nachbarschaft sind maulbeerförmig oder in un- zweifelhafter Stadien der Mitose. Auch Kerne der Follikelzellen und der Ausführungseänge sind an vielen Stellen in mitotischer Teilung begriffen. Hierzu wolle man Fig. 68 vergleichen, die eine Mitose und zwei maulbeerförmige Kerne in Spermatogonien und eine Mitose in einer Follikelzelle zeigt. Das Lumen der jungen Ampulle ist nach links gewandt. Das Protoplasma der Spermatogonie der Fig. 65 ist von einer Seite der Follikelwand zurückgetreten, sonst fein granuliert, aber in der Figur nur durch einen gleichmässigen Ton wieder- gegeben. Der Kern ist durch das zwischengezwängte Protoplasma in vier Logen geteilt, die an drei Stellen dieses Schnittes zusammenhängen. Im Kern sind Chromosomen, die in Wirklich- keit aus getrennten, durch Safranin gefärbten Körnchen bestehen, in der Figur aber glatt erscheinen und nur in ihrer Lage, auch der Tiefe nach durch den Wechsel des Tones angedeutet, natur- getreu abgebildet sind. Nicht alleChromosomen sind eingezeichnet. Die Chromosomen sind mehrfach gebogen und besonders wichtig erscheint mir der durch die Figur gelieferte Nachweis, dass ein und dasselbe Chromosom durch die Brücke zwischen zwei Logen des buchtigen Kernes hindurchziehen kann und somit in zwei Logen liegt, während die meisten nur in einer Loge liegen. Die Körnchenreihe der Chromosomen ist einfach. Im Protoplasma sind noch zwei stärker durch die Flemmingsche Lösung als dieses selbst gebräunte Körperchen vorhanden. Das eine, links unten in der Figur, besteht aus Körnchen in einer dichteren Grund- masse als es das Protoplasma selbst ist. Nach dem Kern zu sind zwei Körnchen dunkler eingezeichnet, von denen es wahr- scheinlich oder möglich ist, dass sie den optischen Querschnitt eines Ringes darstellen. Das andere Körperchen, links oben in der Figur, ist gleichmässig braun. Eine Deutung dieser Körperchen vermag ich nicht zu geben. Hinzugefügt sei, dass die Zellen mit ausgebildeter Zentral- spindel und den Chromosomen im Äquator derselben, gleich der hier beschriebenen 30 « dick waren, also in drei Schnitten dieser 110 M. Nussbaum: Serie zu finden waren, wenn es sich um dieselbe Generation von Spermatogonien handelte. Aus eine Ampulle desselben Hodens mit sieben Spermatogonien auf dem Querschnitt ist in Figur 71 eine andere Form eines buchtigen oder maulbeerförmigen Kernes mit gebogenen Chromosomen dargestellt. Der Kern ist von oben gesehen, und die sanduhrförmig eingebogene obere Fläche hell gehalten, während die am höchsten gelegenen Chromosomen, wie üblich, tief dunkel in der Figur erscheinen. Unter der Öber- fläche des Kernes treten in der Figur zwei matt getönte, Chromosomen enthaltende Kernfortsätze hervor. Diese tief gelegenen Kernlogen gehen kontinuierlich in den Körper des Kernes und in die in der Figur abgebildete Oberfläche über. In der Bucht des Kernes, nach links oben, liegen zwei Körnchen, die ich für Centrosomen halte. An dieser Stelle ist das Protoplasma dichter als im übrigen Teil der Zelle. Das Protoplasma ist in die Figur nicht eingezeichnet, blos der Zellkontur und die Kerne der Follikelhaut. Nicht alle Chromosomen sind abgebildet. Somit ist es sicher, dass Spireme nicht allein in runden Kernen gefunden werden. Ausser den älteren bekannten Angaben über die Bedeutung der Maulbeerform des Kernes für die Mitose verdient noch die folgende besondere Beachtung: E. Mathiesen!) fand bei der Untersuchung der zu ver- schiedenen Zeiten nach der Ablage der Cocons getöteten Eier von Planaria torva die erste Furchungsmitose nach 18 Stunden. Zuerst erfolgt die Vereinigung der beiden Vorkerne und dann ein maulbeerförmiger Zustand des Furchungskernes, der mit Zerklüftung des Kernes und Ausbildung von Chromosomen und Nucleolen endet, um sodann in die Spindelfigur übergeführt zu werden. Da hier die Zeiten bestimmt sind, so liefern diese Beobachtungen eine wertvolle Bestätigung meiner am lebenden Ei von Ascaris nigrovenosa gemachten Ermittelungen, dass der Mitose ein Stadium des Kernes als Maubeerform voraufgehen kann. Ganz verschieden von den maulbeerförmigen Kernen sind die zerklüfteten oder polymorphen. Man findet, wie pag. 93 auseinandergesetzt, und wie dies zuerst von Meves festgestellt wurde, im Frühjahr die zerklüfteten Kerne im Salamanderhoden, und, wie ich hinzufügen kann, auch 1) Z. f. w. Zoologie, Bd. 77, 1904. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 111 bei Tritonen nicht vor. Da sie, wie schon Flemming bekannt war, im Laufe des Sommers auftreten, so versuchte ich ihre Ent- stehung zu verfolgen. Darüber kann ich nun das folgende mitteilen : Studiert man die Kernverhältnisse des Lungenzipfels eines Salamanderhodens im Juli an Tieren, die sich ungefähr einen Monat in Gefangenschaft befinden, so erscheinen in ihm Kern- formen der Spermatogonien, die vorher nicht vorhanden waren. Die Kerne sind wie Fig. 75 erläutert, noch rund, zuweilen eitörmig und erscheinen stark getrübt, In dem feinen Körnerwerk der- selben liegen vereinzelte Vacuolen und in ihnen Chromatin, das bei nicht zu intensiver Gesamtfärbung mit Safranin noch ein cen- trales stärker gefärbtes Korn enthält. Daneben kommen geblähter erscheinende Kerne vor von gestreckterer Form, in denen die Vacuolen sich vergrössert haben, einseitig oder doppelseitig schmale Fortsätze treiben, untereinander zusammenfliessen und zuletzt die Kernperipherie erreichen und diese selbst durchbohren. Auf diese Weise entstehen Bilder, wie sie in Fig. 72 und 73 abge- bildet sind. Die Kerne gehören Spermatogonien aus den Lungen- zipfeln von Salamandern an, die am 20. Juli und 28. Juni getötet wurden. Um diese Zeit sind auch Kerne vorhanden, wie der in Fig. 74 abgebildete. Der Kern ist getrübt, enthält grobe Chromatin- granula und ist stark zerklüftet. Ich betrachte diese Form, zu denen ähnliche in Fig. 76—S0 hinzukommen, als den Ausdruck einer Fortentwicklung der Vacuolen, die beim Durchbrechen der Kernwand die Zerklüftung herbeiführen und das Chromatin aus dem Kern herausschaffen. Zu den Fig. 76, 78 und 79 sei bemerkt, dass die Contouren der höher gelegenen Kernteile einen hellen, die der tiefer gelegenen Kernteile dagegen einen leicht getönten Raum in den Abbildungen begrenzen. Meves hat an den zerklüfteten Kernen der Spermatogonien ‚sodann Veränderungen der Sphäre entdeckt und ihre Rekonstruktion in den Frühjahrsmonaten verfolgt. Nach ihm hat Nicolas!) die Veränderungen der Kerne in den Salamanderspermatogonien ‚studiert; er nimmt ebenfalls an, dass die polymorphen Kerne aus runden hervorgehen und sich in runde Kerne zurückverwandeln. !) Comptes rendus des s&ances de la Societe de Biologie. 28 mai et 23 juin 1892. 112 M. Nussbaum: Dagegen bestreitet es die Richtigkeit der Angaben Meves über die Umwandlung der Sphäre in den polymorphen Kernen. Nicolas hat dieselben Bilder wie Meves gesehen, aber neben den difussen Granulationen in den Zellen mit polymorphem Kern auch noch die Sphäre gefunden, die Meves hier vermisste. Dasselbe hatte vom Rath!) behauptet, und es finden sich in der Tat gleichmässig in Osmiumssäure gebräunte, oft ein- geschnürte Körper, wie in Fig. 74, oder zwei getrennte Körper, wie in Fig. 72 oder ein Körper neben dem zerklüfteten Kern, wie in Fig. 78; doch wird man Meves zustimmen müssen, wenn er behauptet, dass diese Körper nicht dasselbe sind, wie die Sphären in Zellen mit runden Kernen. Dazu kommt, dass in den am weitesten vorgeschrittenen Stadien der Kernzerklüftung keine Teile mehr zu finden sind, die mit einer Sphäre verglichen werden können. Es gehen nämlich ebenso bestimmt wie dies für die Rekonstruktion von Meves nachgewiesen wurde, der Annahme Belloncis, vom Rath u. A. entsprechend eine grosse und in jedem Einzelfalle verschiedene Zahl von Spermato- gonien mit zerklüftetem Kern zu Grunde. So steht denn auch hier .die Wahrheit in der Mitte. Die Zerklüftung der Kerne wird, wie dies zuerst von Oscar Schultze gefunden wurde, durch den Hunger und wie ich glaube, auch durch andere Ein- wirkungen herbeigeführt; sie kann in den normalen Zustand zurückverwandelt werden, wenn sie nicht durch weiter gehende Zerklüftung schon vorher mit Kernschwund und Tod der Zelle geendet hat. Belloneci?) hat die polymorphen Kerne nicht allein für Degenerationszustände erklärt, sondern ausdrücklich die Möglich- keit zugegeben, dass auch diese Kerne sich reconstruieren könnten. Indem ich das Voraufgehende zusammenfasse, komme ich zu folgenden Schlüssen: Maulbeerförmige und polymorphe Kerne sind verschieden. Maulbeerförmige Kerne können direkt Spireme entwickeln oder zuvor in die runde Kernform übergeführt werden. Maul- beerförmige Kerne können Kernschwund einleiten. Polymorphe Kerne entstehen durch Zerklüftung aus runden Kernen: sieleiten entweder Kern- und Zellschwund ein, oder werden 2) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, 57. Bd. 1893. 2) Memor. Acad. Bologna, T. 7, 1886, p. 169—182. 2. Tafel. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 113 je nach der Species bei ihrer Rekonstruktion schon im maulbeer- förmigen Stadium fähig, Spireme zu entwickeln (Tritonen), oder bedürfen dazu erst der Überführung in die runde Kernform (Salamandra). Kern- und Zellschwund kann auch durch Chroma- tolyse (Flemming) des Kernes oder durch Einlagerungen in das Protoplasma (Nussbaum und Rabl) erzielt werden. Die Maulbeerform des Kernes kann Amitose einleiten, und um das ganze Bild zu vervollständigen, worauf bei der vorauf- gehenden Beschreibung nicht Rücksicht genommen wurde: die Amitose (Pfeffer) wird, wie die künstliche Teilung des Kernes (Nussbaum und Gruber) in günstigen Fällen wieder von Mitose gefolgt. Inhaltangabe. Einleitung .. . me par I. Cyklische, en enthare wernddenmneen ds männ- lichen Geschlechtsorgane bei IDEE USE a EB a ee 6 BEitviealpesbEise nm uhue SATE ET PEEn NE ERBEN ER DATE In 14 INTIGONAGEISTALUS RE EIER ee DATE BEINEN Te lm Salamandra maculata . .. . A ART N . 26 II. Ergebnisse mikroskopischer nen RO) NE FON 35 III. Regeneration im Urodelenhoden . . . . n 53 IV. Einfluss des Alters auf die Zahl der edentenpen Bei uros GEISHIEFE INS E.E ADIISIEUEN ER UNV : 67 V. Einfluss des Ar ma a Tahrkereit auf das Vorkinmmah und die Grösse des Lungen- und Cloaken- oder Schwanz- zintelse beim: Urollelenhoden: „uu1a,» 129 - vllt ennriee E 13 Vl. Beschreibung der Hoden einer Larve von Triton cristatus am DEENDENSt ODE ur 2 Sapmne Sure zZ Bent Sonn ee er n 86 VII. Zur mikroskopischen Aatomie es endalen Hodenpoles (sog. Schwanzzipfel), der Urodelen . ....,..... ums hernde ae r 89 VIII. Einfluss von Hunger und Fütterung ae die Hodengrösse und die Samenzellen . . . . 31 2. Te EHEN En. 94 IX. Maulbeerförmige und N neehe en a en. MU Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 8 114 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. a [bt 10. 1b 12. 13. M. Nussbaum: Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—-VII. Tafel I. Hoden von Rana fusca, 2. April 1903. Hoden von Rana fusca, 5. Mai 1903. Hoden von Rana fusca, 12. Juni 1903. Hoden von Rana fusca, 4. Juli 1903, rechts die Ausführungsgänge des Hodens kurz abgeschnitten, im Mesorchium verlaufend. Hoden von Rana fusca, 2. August 1904. Spitze des Hodens nicht wie bei den anderen Präparaten nach oben, sondern nach links orientiert; oben zieht an der lateralen Seite das kurz abgeschnittene Mesorchium entlang. Hoden von Rana fusca, 2. August 1904. Lang anhaltender Hunger; alle anderen Abbildungen stammen von direkt nach dem Fang aus der freien Natur getöteten Fröschen. Hoden von Rana fusca, 18. August 1904. Fettkörper sehr gross, zum grössten Teil entfernt. Auf der Hodenoberfläche die blinden Enden der Hodenschläuche sichtbar. Hoden von Rana fusca vom 19. November 1903. Fettkörper gross; Hoden gegen den vom August wieder verkleinert. Die Hoden einer Seite von Rana fusca vom 19. November 1903. Rechts unter dem teilweise entfernten Fettkörper ragt auf zartem langem Stiele ein kleiner runder Hoden hervor. An dem Haupt- hoden, dessen laterale Seite nach links oben gewandt ist, wurde der peritoneale Überzug so abgeschnitten, dass der laterale, nicht vom Peritoneum überzogene Rand frei zutage liegt. Hoden einer Seite von Rana fusca in zwei Abteilungen zerschnürt, 12. März 1903. Fig. 1—10 inkl. sind mit der Camera lucida bei vierfacher Lupenvergrösserung - entworfen, Fig. 11—13 bei Benutzung von Zeiss A, Oc.1. Hodenoberfläche von Rana fusca am 14. Mai 1904; die reife Spermatozoen enthaltenden Kanäle, auf deren blinde Enden man sieht, sind gross und weiss; die mehr oder weniger entleerten Kanäle grau. Hodenoberfläche von Rana fusca am 6. Juli 1903. Alle Kanäle sind verkleinert, frei von Samenfäden und daher grau. Hodenoberfläche von Rana fusca am 19. November 1903. Alle Kanäle sind weiss und gegen die vom Monat Juli stark vergrössert. Unterschiede im Durchmesser kommen aber auch hier vor, wenn man den oben rechts gelegenen optischen Durchschnitt etwa mit dem direkt rechts unten gelegenen vergleicht. Fig. 14. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 115 Tafel I. Männliche Geschlechtswerkzeuge eines am 11. März 1903 ge- töteten Triton -cristatus. M. G.—=rudimentärer Müllerscher Gang, W. G. = Wolffscher Gang, N. — Beckennieren, M. = Mastdarm, L. — Lunge abgeschnitten, Lz. = Lungenzipfel des Hodens, V. Z.ı = Vermehrungszone des vorderen Hodenlappens, R.ı — die reifen Am- pullen des vorderen Hodenlappens, V. Z.z = Vermehrungszone des zweiten Hodenlappens, R.. — die reifen Ampullen des zweiten Hodenlappens, Cz.—=der caudale Zipfel des Hodens, Fk. = Fett- körper. (Vierfache Lupenvergrösserung. Projektion in Tischhöhe.) Fig. 15—18 sind bei derselben Vergrösserung und in derselben Tönung der Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. einzelnen Abteilung der Hodenlappen gezeichnet, so dass die Ver- mehrungszone und, wo sie vorhanden sind, Lungenzipfel sowie caudaler Zipfel des Hodens hellgrau, die reifen Ampullen weiss und die Lappen mit entleerten Ampullen dunkelgrau sich abheben. Einer besonderen Buchstabenbezeichnung bedarf es nicht. Hoden von Triton eristatus am 27. April. Hoden von Triton cristatus am 5. Mai. Hoden von Triton cristatus am 5. Juni. Hoden von Triton cristatus am 23. Juni. Fig. 19a. Hoden von Triton cristatus am 27. Juli 1905. Vierfache Lupen- Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. vergrösserung. Rückenansicht. a —= Regenerations-, b = Ver- mehrungs-, c = Wachstums-, e = Involutionszone. Männliche Geschlechtswerkzeuge eines am 17. März 1904 getöteten Triton alpestris. L. = Distales Lungenende mit Gefässen, Lz. — Lungenzipfel, V. Z.— Vermehrungszone, R.—=reife Ampullen des Hodens, W.G. — Wolffscher Gang (auf eine kurze Strecke nur dar- gestellt), Mo. — Mesorchium, Fk. = Fettkörper. Bei vierfacher Lupen- vergrösserung entworfen. Hoden von Triton alpestris vom 16. April. Vierfache Lupenver- grösserung. Hoden von Triton alpestris vom 25. April. Vierfache Lupenver- grösserung. Hoden von Triton alpestris vom 27. April. Vierfache Lupenver- grösserung. , Hoden von Triton alpestris vom 18. Mai. Vierfache Lupenver- grösserung. Hoden von Triton alpestris vom 13. Mai. Ein oberer Zipfel des Fettkörpers ist rechts in der Figur (Fk.) sichtbar. Vierfache Lupen- vergrösserung. Bei den Figuren 19—24 ist, wie bei der Dar- stellung der Hoden von Triton cristatus in Figuren 14—18 die Zone der reifen Ampullen weiss, die Vermehrungszone hellgrau und die Zone der entleerten Ampullen dunkelgrau im Ton gehalten. Demgemäss ist bei beiden Arten während des ganzen Jahres eine \ g% 116 Fig. 25. Fig. 26. Fig. Fig. Fig. [89] = 31. 39. M. Nussbaum: Vermehrungszone vorhanden, während sowohl die reifen, als die der regressiven Metamorphose anheimfallenden entleerten Ampullen nur zu gewissen Zeiten gefunden werden, Hoden von Triton cristatus vom 3. August 1904. Es ist nur eine Abteilung mit ihren verschiedenen Zonen dargestellt. a = Re- generations-, b — Vermehrungs-, ce = Wachstum- und d = Reifezone, Vierfache Lupenvergrösserung. Hoden von Salamandra maculata am 28. Juli 1903 mit genau nach der Natur gezeichneter Felderung der Oberfläche. Die wachsenden Ampullen grau, die reifen weiss gehalten. Oben in der Abbildung der Lungenzipfel; der caudale Zipfel enthält ausser einigen oral gelegenen jungen Ampullen am caudalen Ende auch solche mit reifen Samenfäden. Der Hoden zerfällt in drei Lappen, die durch ein Band mit ganz jungen Ampullen verbunden sind; jeder Lappen hat drei Abteilungen, eine orale mit wachsenden Ampullen und zwei caudal sich anschliessende mit Ampullen voll reifer Spermatozoen. Der caudale Lappen ist mangelhaft entwickelt. Vierfache Lupenvergrösserung. Natürliche Injektion der Hodenoberfläche von Salamandra maculata. Oben rechts liegt der Lungenzipfel; man erkennt deutlich das Wachstum der Ampullen, das in caudaler Richtung fortschreitet. Das Präparat enthält das caudale Ende des Lungenzipfels und die folgende Abteilung eines Lappens. Flächenbild der Hodenoberfläche von Triton alpestris vom 16. April. Unten die reifen weissen Ampullen, nach oben die im Spiegel noch bei der Vergrösserung von Zeiss A, Oc. 1 sichtbaren jungen Ampullen. (Vergl. Fig. 20.) Dieselbe Gegend der Hodenoberfläche von Triton alpestris vom 27. April bei gleicher Vergrösserung wie in Fig. 28. (Vergl. Fig. 21.) Dieselbe Gegend der Hodenoberfläche von Triton alpestris vom 25. April bei gleicher Vergrösserung wie die beiden vorhergehenden. (Vergl. Fig. 22.) Lungenzipfel und anstossende Partie der Oberfläche des Hodens. von Triton alpestris am 17. Mai von der medialen Fläche aus ge- sehen. Vergrösserung Zeiss A, Oc. 1. Dasselbe vom 18. Mai (vergl. Fig. 23) im Profil gesehen. Lungen- zipfel nach rechts oben. Vergrösserung wie Fig. 31. Ein Stück von einem Schnitt durch einen in Pikrinsäure gehärteten Hoden von Salamandra maculata vom 28. Juli 1903. Die Grösse der nur in den Umrissen gezeichneten Ampullen nimmt von oben, das ist die Gegend des Lungenzipfels, zu und dann am caudalen Ende wieder ab. . Von der folgenden Abteilung mit reifen Ampullen ist nur ein kleiner Abschnitt gezeichnet, um die weitere Grössen- abnahme der reifenden Ampullen zu illustrieren. Vergrösserung Zeiss A, Oc.1. Fig. 34, Fig. 35. Fig. 36. Fig. 37. Fig. 38. Fig. 39. Fig. 40. Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. Fig. 44. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 1 Tafel III. Triton cristatus vom 29. September 1902. Längsschnitt durch die maximale Breite des oralen Hodenendes, enthaltend oralen Lappen, Verbindungsstrang und den zweiten Lappen bis zu den ersten reifen Ampullen, Flemmingsche Lösung. Vergrösserung Zeiss A, 0e. Od. Triton eristatus am 1. April 1903, wie der vorhergehende aus dem Freien frisch gefangen. Längsschnitt durch die maximale Breite des oralen Hodenendes, enthaltend Lungenzipfel und Vermehrungs- zone bis zu den ersten reifen Ampullen. Zum Vergleich mit der vorhergehenden Figur bei gleicher Präparation und Vergrösserung gezeichnet. Hoden einer Larve von Triton ceristatus vom 5. August. Gesamt- länge 70 mm, Rumpflänge 34 mm. Vierfache Lupenvergrösserung. Aus der Wachstumszone eines Hodenlappens von Salamandra maculata. Vergrösserung Zeiss A, Oc.1. Ampullen, und in der mittleren oberen, auch die Follikel und Spermatocyten gegeneinander abgegrenzt. | Ein Ausführungsgang mit endständiger Spermatogonie in ihrer Follikelkaut. Die bindegewebige Hülle des Ausführungsganges geht in die Kapsel (Ampullenwand) der Spermatogonie über. Lungen- zipfel des Hodens von Triton ceristatus am 29. September 1902. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss Apochr. 3, Oc.2. Lungenzipfel des Hodens von Triton alpestris am 13. Mai 1903. Kernform nach eben abgelaufener Teilung. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss Apochr. 3, Oc. 4. Tubuslänge 160. Endstadium der Zellteilung einer Spermatogonie aus dem Hoden von Triton cristatus am 1. April 1903. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss Apochr. 3, Oc. 6. Aus dem Lungenzipfel ‚des Hodens von Triton cristatus am 1. April 1903. Ausführungsgang mit Endverzweigung zu drei jungen Ampullen. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss Apochr. 3, Oe. 2. Restspermatogonie am Übergange einer entleerten, in Involution begriffenen Ampulle in den Ausführungsgang. Kern maulbeerförmig, Sphäre konsolidiert. Hoden von Triton ceristatus am 13. Mai 1905, Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 6, Apochromat. Aus dem Lungenzipfel eines Hodens von Triton cristatus am 29. September 1902. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 4, Apochromat. Aus der Involutionszone des Hodens von Salamandra maculata am 23. Juni 1904. Restspermatogonie mit rundem Kern und konsoli- dierter Sphäre am Ausführungsgang einer beinahe entleerten und 118 M. Nussbaum: in Fig. 45 abgebildeten Hodenampulle. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 8, Apochromat. Tubus- länge 160. t Ebendaher eine ganze Ampulle mit Ausführungsgang im Längs- schnitt. Vergrösserung Zeiss 16 mm, Oc. 4, Apochromat. Tubus- länge 160. Fig. 46, 47, 48. Querschnitt durch den Hodenlungenzipfel von Triton alpestris Fig. 49. am 27. April, am 27. Juli und am 14, September bei derselben Vergrösserung, Zeiss 8 mm, Oc. 4, Apochromat. Tubuslänge 160. Tafel IV. Schnitt durch eine Ampulle in der Längsachse des Ausführungs- ganges. Hoden von Triton cristatus am 5. Mai 1903, gehärtet in Hermannscher Lösung, gefärbt mit Safranin. Vergrösserung Zeiss Apochr. 3, Oc. 2. Tubuslänge 160 mm, Gleichgerichteter Schnitt durch den Hoden von Salamandra maculata vom 24. März 1905 bei gleicher Vergrösserung. Flemmingsche Lösung, Safranin. Gleichgerichteter Schnitt durch denselben Hoden bei einer Ver- grösserung von Zeiss Apochr. 8, Oc. 4. Tubuslänge 160 mm. Fig. 50 stammt aus der Zone neugebildeter Ampullen, Fig. 51 aus der Zone enleerter Ampullen. Gleichgerichteter Schnitt aus dem Hoden von Triton cristatus am 13. Juni 1903 bei einer Vergrösserung von Zeiss Apochr. 8, Oc. 4. Tubuslänge 160 mm. Zone entleerter Ampullen, weiter vorge- schrittenenes Stadium als in Fig. 51. Flemmingsche Lösung, Safranin. Fig. 53 u. 54. Zwei aufeinanderfolgende Schnitte durch dieselbe Zone des Fig. 57. Hodens von Triton cristatus am 13. Juni 1903 bei einer Ver- grösserung von Zeiss Apochr, 3, Oc. 4. Tubuslänge 160 mm, Schrägschnitte. Schrägschnitt durch Ausführungsgang und entleerte Ampulle im Hoden von Triton alpestris am 27: Juli 1903. Vergrösserung Zeiss 3 mm Apochr., Oc. 4. Tubuslänge 160 mm. Flemmingsche Lösung, Safranin. Eberdaher. Rückgebildete Ampullen in der Längsachse des Aus- führungsganges getroffen. Dieselbe Vergrörserung wie bei Fig. 55. Die beiden Schnitte, nach denen Fig. 55 und 56 Brzerchnet sind, stammen aus der Zone entleerter Ampullen. Lungenzipfel, oraler Lappen und Verbindungszipfel zum folgenden Lappen der Hoden eines am 4. März 1905 getöteten Männchens von Salamandra maculata. Vierfache Lupenvergrösserung. In Flemmingseher Lösung abgetötet und in .steigendem Alkohol bis zu 80° gehärtet. Fig. 58. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 119 Zwei Lappen und drei Verbindungszipfel eines Hodens eines am 8. September getöteten Männchens von Salamandra maculata. Vier- fache Lupenvergrösserung: direkt nach der Aufnahme der Fig. 57 mit der Camera lucida bei derselben Stellung des Tisches und des Prisma entworfen. Konserviert wie das vorige Präparat. Fig. 59a—f. Sechs aufeinanderfolgende, 5 « dicke Schnitte durch eine Fig. 60. Fig. 61. Fig. 62. Spermatogonie aus dem Lungenzipfel des Hodens eines am 28. April 1904 getöteten Männchens von Triton alpestris. Konservierung in Flemmingscher Lösung. Vergrösserung Zeiss Apochr. 3, Oc. 4. Tubuslänge 160. Spermatogonie an der links gelegenen kernhaltigen Membrana pro- pria in ihrer Follikelhaut mit buchtigem, spiremhaltigem Kern und konsolidierter Sphäre. Rana fusca, Hoden vom 2. April 1903. Ver- grösserung Zeiss Apochr. homog. Immers. 2, Oc. 12, Tubuslänge 160. In Flemmingscher Lösung konserviert. Spermatogonie an der Membrana propria und in ihrer kernhaltigen Follikelhaut, mit eingebuchtetem Kern und vier eingezeichneten Fadenschleifen. Aus demselben Hoden bei derselben Vergrösserung wie Fig. 60. Buchtiger, spiremhaltiger Kern in einer Spermatogonie von Triton alpestris. 27. April 1904. Behandlung und Vergrösserung wie in Fig. 60 und 61. Fig.63a u.b. Bei derselben Stellung des Prismas und des Zeichentisches entworfene Grössenverhältnisse der Chromatinkugeln in den Schleifen der Zellen aus Taf. V, Fig. 65 und Taf. IV, Fig. 59. In den Chro- mosomen an den achromatischen Spindeln derselben Präparate sind bei gleicher Färbungsintensität keine einzelnen Chromatinkugeln sichtbar, die Fäden erscheinen homogen und kontinuierlich gefärbt. Vergrösserung Zeiss homog., Apochr., Immers. 2, Oc. 12. Tubus- länge 160. (Der Abstand der kleineren Kugeln in b ist grösser als der der grossen in a.) Spermatogonien von Triton alpestris. Tafel V. Fig. 64a u.b. Spermatogonien von Triton cristatus am 13. Mai. Fig. 65. Fig. 66. Fig. 67. Fig. 68. Spermatogonie von Triton alpestris am 13. Mai 1903. Optischer Durchschnitt eines maulbeerförmigen Kernes in einer Sper- matogonie mit konsolidierter Sphäre von Rana fusca am 13. März Vergsösserung Zeiss Immers. 2, Oc. 12, Apochromat. Spermatogonie von Follikelzellen umgeben aus dem Salamander- hoden im Anfang Juli. Vergrösserung wie in Fig. 66. Teile einer jungen Ampulle mit Spermatogonien, Follikelzellen und Ampullenwand. Nach links das Lumen der Ampulle Triton alpestris vom 13. Mai 1903. Flemmingsche Lösung, Safranin. Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 6, Apochromat. 120 Fig. 69. Fig. 70. Fig. 71. Fig. 72. Fig. 73. Fig. 74. Fig. 75 u. M. Nussbaum: Kuppe einer Spermatogonie des Lungenzipfels im Hoden von Triton alpestris am 28. April 1904. Nur die Kernoberfläche ist dargestellt. Vergrösserung Zeiss Immers. 2 mm, Oc. 12. Tubus- länge 160, Apochromat. Spirem in einem Lochkern mit eingebuchteten Rändern aus einer Spermatogonie des Lungenzipfels von Salamandra maculata vom 18. Juli 1903. Spermatogonie aus einer Ampulle des Hodens von Triton alpestris am 13. Mai 1903 mit sieben 'Spermatogonien auf dem grössten Querschnitt. Vergrösserung Zeiss homog. Immers. 2, Oc. 12. Tubus- länge 160, Apochromat. Übergangsform eines glattrandigen Kernes einer Spermatogonie des Lungenzipfels von Salamandra maculata am 20. Juli 1903 zu einem zerklüfteten Kern. Dasselbe vom 28. Juni 1904. Spermatogonie mit zerklüftetem Kern aus dem Lungenzipfel von Salamandra maculata am 18. Juli 1903. Vergrösserung von Fig.72—74 Zeiss homog. Imm,2, Oc. 12, Tubuslänge 160, Apochromat. 76. Übergangsform und stark zerklüfteter Kern von Spermatogonien aus dem Lungenzipfel der Salamandra maculata am 28. Juli 1903. Vergrösserung wie vorige Fig. Tafel VI. Fig. 77—80. Spermatogonien mit zerklüftetem Kern und zerklüfteter Kern Fig. 81. Fig. 82. einer Spermatogonie (Fig. 79) aus dem Lungenzipfel des Hodens von Salamandra maculata vom 18. Juli 1903. Vergrösserung Fig. 77, Zeiss 3 mm, Oc. 4, Fig. 79 Zeiss homog. Immers. 2 mm, Oc. 6. Tubuslänge 160. Aus einer Ampulle mit fünf Spermatogonien auf dem Querschnitt. Follikelzellen in Mitose, nicht alle Fadenschleifen gezeichnet. Hoden von Triton alpestris vom 13. Mai 1903. Vergrösserung Zeiss homog. Immers. 2, Oc. 12. Tubuslänge 160, Apochromat. Aus dem Hoden einer hungernden Rana esculenta am 5. August 1903. Querschnitt eines Hodenkanälchens. Vergrösserung Zeiss3 mm, Oc.4. Tubuslänge 160, Apochromat. Fig. 83—87. Fünf Schnitte durch eine Spermatogonie des Lungenzipfels von Fig. 88. Triton alpestris am 28. April 1904. Schnittdicke 5 „. Vergrösserung Zeiss homog. Immers. 2 mm, Oc. 12. Tubuslänge 160. Nicht ein- gezeichnet ist die einfache Reihe von Chromatinkörnern der Chro- mosomen. Spermatogonie mit gelapptem Kern aus dem Hoden von Rana fusca am 21. März 1903. Vergrösserung wie in Fig. 87. Fig.89u.90. Mitosen in Follikelzellen junger Samenfollikel von Triton cristatus am 13. Mai 1903. Vergrösserung Zeiss homog. Immers. 2 mm, Oc.4. Tubuslänge 160, Apochromat. Fig. 91. Fig. 92. Hoden und Hodenzellen der Batrachier. 121 Tafel VII. Kuppe eines gelappten Kernes aus einer Spermatogonie im Lungen- zipfel des Hodens von Triton alpestris am 28. April 1904. Ein- fache Reihe von Chromatinkugeln in die Chromosomen nicht ein- gezeichnet, Vergrösserung Zeiss homog. Immers, 2, Oc. 12. Tubus- länge 160, Apochromat. Unteres Ende einer beinahe entleerten Ampulle aus der Involutions- zone eines Hodens von Salamandra maculata am 24. Juni 1904. Vergrösserung Zeiss 8 mm, Oc. 12. Tubuslänge 160, Apochromat. Fig.93u.99. Gebogener Kern und Sphäre von Spermatogonien aus dem Hoden des Triton alpestris am 27. April 1904. Fig. 93, Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 6. Tubuslänge 160. Fig. 99, Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 12. Tubuslänge 160, Apochromat. Fig. 94, 95 u. 96. Spermatocytenkerne eines Samenfollikels von Rana esculenta, Fig. 97. Fig. 98. der nach langem Hungern zwei Tage vor der Untersuchung ge- füttert worden war. Vergrösserung Zeiss homog. Immers. 2 mm, Oec. 12. Tubuslänge 160, Apochromat. Stück eines Hodenkanälchens von einer lang hungernden Rana fusca am 10. August 1905. Querschnitt eines Hodenkanälchens desselben Tieres. Vergrösserung Zeiss 3 mm, Oc. 12, Tubuslänge 160, Apochromat. 122 Beiträge zur Kenntnis der Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. Von Fritz Worthmann, prakt. Arzt aus Schweidnitz i. Schl. Hierzu Tafel VIII und IX. Während das Problem, von welchen nervösen Apparaten aus der Anstoss zu der Kontraktionsarbeit des Uterus während der Geburt und zu dem damit verbundenen Wehenschmerz erfolgt, noch heute keineswegs als gelöst betrachtet werden kann, war es von alters her überhaupt für keinen Menschen eine Frage mehr, dass für die dem Uterus während der Cohabitation zu- geschriebenen Bewegungen und das damit Hand in Hand gehende erotische Gefühl, die Clitorisreizung, das ursächliche Moment ist. Es galt das stets und überall so sehr als „Grundsatz“ und nicht als „Lehrsatz‘‘, dass es wohl kaum jemandem eingefallen ist, für diese „‚Tatsache‘‘ Beweise erbringen zu: wollen. Diese alte, tief eingewurzelte Anschauung erklärt Professor R. Bergh (Kopenhagen) in seiner Arbeit über die Urethralpapille (4) für falsch und veranlasste dadurch Herrn Geheimrat Hasse mich mit der Prüfung dieser Frage zu beauftragen. Bergh sagt in jener Arbeit wörtlich folgendes: „Es ist eine uralte, immer aber noch ziemlich allgemeine Annahme, dass die Clitorispartie eine grosse Rolle bei der Erweckung der Sensualität und während der CGohabitation spiele, während welcher sogar eine Art von Erektion stattfinden sollte. — — — Die Berichte vom alten Allgemeinen Spitale (von Kopen- hagen) haben schon vor langer Zeit (Beretn. om All. Hosp., 2. Atdel. i 1867, 1868, 8.23: £. 1872, 1873, 8.30; 1. 1s7 1008 8.21; f. 1884, 1885, S. 7), die Falschheit dieser der Clitoris unterschobenen Bedeutung behauptet — — —. Nicht die Clitorispartie, sondern eher das Vestibulum superius und der untere Teil der vorderen Wand der Vagina löst den reflektorischen, sensuellen Orgasmus aus.“ Leider war es mir, obwohl ich mich desbalb auch an den Verfasser selbst wandte, nicht möglich, jene alten, von ihm er- wähnten Originalartikel zu erhalten. In den Symbolae führt B. Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. 123 für seine Behauptungen nur einen Grund an, und der bezieht sich auch nur auf die von ihm geleugnete Erektion der Qlitoris. Er sagt: „Falls während des Connubiums eine Erektion der Clitorispartie einträte, würden Exkoriationen derselben gewiss recht häufig vorkommen, während sie in der Tat nur selten gesehen werden.‘ Als Beleg wird auf die Berichte des Vestre- Hospitals in Kopenhagen hingewiesen. Von diesen Berichten liegt mir durch die Güte des Herrn Prof. Bergh das Exemplar für 1886 vor, und in der darin ent- haltenen Tabelle (es handelt sich um die puellae publ. von Kopenhagen) stehen allerdings z. B. 68 Exkoriationen an der Urethralpapille nur 20 solcher an der Qlitoris gegenüber. Doch scheint mir die Lage dieser Affektionen sehr von Zufälligkeiten abhängig zu sein, was daraus hervorgeht, dass z. B. am linken Labium majus 43, am rechten hingegen nur 34 aufgeführt werden, umgekehrt am linken Labium minus nur 13, am rechten 26. Wenn so an symmetrisch gelegenen Teilen Schwankungen um 50 °/o konstatiert werden, dann ist meines Erachtens das relativ seltene Vorkommen von Exkoriationen an der Ulitoris gegenüber anderen Stellen das Genitale externum vollauf durch die weniger exponierte Lage (siehe Bergh, 1. c. pag. S) des Organes zu erklären, falls überhaupt all diese Affektionen auf die Cohabitation zurückgeführt werden sollen. Im ganzen scheinen mir diese Befunde recht belanglos gegenüber dem von B. selbst erwähnten „faktischen Vorhanden- sein von kavernösem Gewebe,“ was in meinen Augen den kate- gorischen Beweis für die Erektionsfähigkeit der Clitoris darstellt. Da ich wohl annehmen muss, dass B. bei der ersten Auf- stellung seiner Hypothese mehr und stichhaltigere Gründe bei- gebracht hat, es mir jedoch nicht gelang, jener Arbeiten habhaft zu werden, suchte ich mir, unabhängig von B., eine eigene Ansicht über den strittigen Punkt zu bilden. Wie der weibliche Genitaltraktus überhaupt infolge der grossen Wichtigkeit, die seine genaue Kenntnis vermöge der fast unendlichen Fülle seiner physiologischen und pathologischen Erscheinungen für den Arzt besitzt, ein von anatomischer Seite viel und eingehend studiertes Gebiet darstellt, so ist auch die Litteratur, welche die in ihm vorkommenden Nerven und deren Endigungen betrifft, eine reiche, 124 ‘ Fritz Worthmann: Der Erste, der überhaupt in der Haut der Genitalien End- körperchen gesehen hat, war (nach Finger (9) L. Fick, der schon 1845 in seinem Lehrbuch der Anatomie des Menschen (Leipzig 18545) „eine den (damals allein bekannten) Vaterschen Körperchen voll- kommen ähnliche Organisation“ in der glans penis des Menschen beschreibt. Während Bense (3) das einfach als Beobachtungs- fehler hinstellt, liegt für uns, seit von Schweigger-Seidl 1866 (vel. Köllikers Handbuch), deren Vorkommen in der glans penis sicher gestellt ist, kein Grund vor, an der Richtigkeit von Ficks Angabe zu zweifeln. Somit wären die schon seit 1741 be- kannten Vaterschen Körperchen auch in der Haut der Genitalien die zuerst aufgefundenen. In der glans clitoridis (des Schweines) wurden sie (Bense l. c.) zuerst von Nylander gesehen, später von W.Krause und Kölliker bestätigt. Letzterer beschrieb 1854 (13) in der glans penis und clitoridis des Menschen „schwache Andeutungen von Tastkörper- chen“ und „den Tastkörperchen ähnliche Bildungen.“ Wie Kölliker selbst in seinem Handbuch erwähnt, handelte es sich damals um die 1858 von Krause (15) geschilderten Organe, die von manchen Autoren, so Izquierdo (11) Key und Retzius (12) als „Endkolben“ oder „Krausesche Körperchen“ zusammengefasst, von ihrem Entdecker selbst aber als zwei wohl differenzierte Gruppen, die „Endkolben“ im engeren Sinne und die „Genital- nervenkörperchen“ einander gegenüber gestellt werden. Jene sind an den verschiedensten Stellen des Körpers zu finden, diese, durch kolossale Grösse (200) und Maulbeerform von den End- kolben unterschieden, nur in der Genitalschleimhaut. In einer späteren Veröffentlichung (19) äussert sich Krause, nachdem er die besonderen Eigentümlichkeiten der Genitalnerven- körperchen erörtert hat, darüber folgendermaßen: „Den Körper- chen dürfte mithin wohl eine besondere Funktion zukommen, und diese kann keine andere sein, als die Geschlechtsempfindung — — —., Dafür spricht, dass die Genitalnervenkörperchen auf die glans penis und clitoridis beschränkt sind,') sowie sich wiederum hieraus ableitet, dass die Geschlechts- empfindung andieClitoris ausschiesslich gebunden ist.“ Dieser Satz, der dadurch, dass im Nachsatze Voraus- ) Nach Ebner-Kölliker, Handbuch, finden sie sich auch in der Schleimhaut der pars cavernosa und der übrigen Harnröhre, Bd. III, pag. 490. Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. 125 setzung nnd Behauptung vertauscht werden, stark an. Logik ein- büsst, ist meines Wissens der einzige Versuch, einerseits die von Bergh bekämpfte „uralte, aber noch ziemlich allgemeine Annahme“ von der Bedeutung der Ulitoris, andrerseits die von Krause behauptete spezifische Funktion der Genitalnervenkörperchen zu beweisen. | Endlich sind auch noch die von Meissner und Wagner 1852 zuerst beschriebenen Tastkörperchen in der glans clitoridis ge- funden worden, und zwar ebenfalls von W. Krause (vgl. Köllikers Handbuch). Während so schon vor langer Zeit in der Ulitoris mannig- fache Formen von Nervenendigungen bekannt waren, liest man über die Nerven der Vaginalschleimhaut in den Arbeiten jener Autoren nur weniges. Einig sind alle Stimmen darüber, dass die Haut der Scheide bedeutend ärmer an Nerven ist, als die Clitoris, wenngleich Nerven nach Kölliker „auch in der Scheidenschleimhaut nicht schwer zu finden“ sind. Ebenso herrscht Einigkeit darüber, dass Genitalnervenkörperchen weder in der Scheide noch im Vestibulum vorkommen (Finger, Bense, Carrard u.a.m.). Ja, essind über- haupt von Endkörperchen in der Vagina nur die Krauseschen Endkolben gefunden worden, und zwar von Krause selbst beim Schwein in den der Clitoris direkt benachbarten Teilen, die also vergleichend anatomisch dem Vestibulum entsprechen. Ferner sah sie Bense in der „Schleimhaut des unteren Teiles der Vagina und des Scheideneingangs“ beim Kaninchen, wo sie vor allem von Aronson (2) und Retzius (23) näher studiert wurden. In der menschlichen Vagina sind im Gegensatze hierzu meines Wissens von keinem Autor bislang |Endkörperchen beschrieben worden. Auch N. von Gawronsky (10) erwähnt nichts davon, sondern schildert nur ausser vielen sich in der Muscularis ver- lierenden Nerven solche, die ins Epithel eindringen, um dort „zumeist schon in den unteren Schichten spitz oder knopfförmig zu enden.“ Alle neueren Arbeiten, wie die von Sfameni (25) und vor allem die von Dogiel (7), behandeln nur die äusseren Genitalien, nicht auch zugleich die Vagina. Mit Hilfe der neueren Färbe- methoden, der Cohnheimschen Goldimprägnation mit ihren Modi- fikationen und der vor allem von Dogiel zu grosser Vollkommen- 126 Fritz Worthmann: heit ausgestalteten Ehrlichschen Methylenblaufärbung, war es diesen Forschern möglich, früher ungeahnte Details bezüglich der Endausbreitung der Nervenfaser innerhalb der Körperchen sowie im Epithel festzustellen, die die alte, auf der äusseren Ansicht der Körperchen beruhende Einteilung derselben zu ver- wischen drohte. Es stellte sich eine derartige Mannigfaltigkeit in der Art der Verflechtung und Auffaserung der teils glatten, teils varikösen, teils mit blattförmigen oder anders gestalteten Anhängseln versehenen Nervenfasern heraus, dass die früher festgestellten Typen von Endkörperchen wieder in eine grosse Zahl von Unterarten zerfielen und diese wieder noch mancherlei Übergangsformen aufwiesen. Um einigermaßen einen Überblick über diese Fülle zu ermöglichen, hat sich aber schliesslich doch neben der Aufstellung einiger neuer Klassen, so der Ruffinischen Endkörperchen (24), das Festhalten an der alten Einteilung als Grundlage zweckmässig erwiesen, und so will auch ich vorläufig ohne Rücksicht auf den feineren Bau nur von den Vaterschen und den Meissnerschen Endkörperchen, den Endkolben, den Genitalnervenkörperchen und den freien Nervenendigungen reden. Wie erwähnt, kommen diese Arten der Nervenendigung sämtlich in der Clitoris zur Beobachtung, während in der Vagina des Menschen nur freie Endigungen konstatiert sind, bei manchen Tieren auch noch ganz in der Nähe der Clitoris Endkolben. Es fragt.sich, ob daraus ein bestimmter Schluss auf die Empfin- dungsmöglichkeiten in diesen Bezirken zu ziehen ist. Was zunächst die Vaterschen Körperchen betrifft, so dürfen sie aus der Betrachtung ausscheiden. Diese nach den Unter- suchungen Arndts (1) aus der Adventitia der Gefässe sich ent- wickelnden und erst sekundär mit Nervenfasern versehenen Ge- bilde stehen vielleicht in Beziehung zur Gefässinnervation, haben aber mit dem Geschlechtsgefühl sicher wohl nichts zu tun; wahr- scheinlich vermitteln sie, da sie sich auch ja z. B. in dem nor- maler Weise unempfindlichen Mesenterium finden, überhaupt keine Gefühlseindrücke. Der Umstand der Ubiquität spricht gegen die beiden nächsten Sorten von Endkörperchen, die Endkolben und die Meissner- -Wagnerschen. Erstere, von Krause bekanntlich in der Konjunktiva des Kalbes entdeckten Körperchen finden sich ausserdem in vielen anderen Schleimhäuten und auch an manchen Stellen der äusseren Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. 127 Haut; und in den letzteren haben wir nach M. v. Freys Unter- suchungen mit allergrösster Wahrscheinlichkeit neben den Haaren die spezifischen Organe des Tastsinnes zu sehen. Es stehen somit nur mehr die Genitalnervenkörperchen und die freien Nervenendigungen zur Diskussion. Nachdem durch die Arbeiten von Blix und Goldscheider das Gebundensein bestimmter Sensationen, deren Wahrnehmung früher als eine Funktion der „Haut“ schlechtweg betrachtet wurde, an bestimmte Punkte nachgewiesen wurde und M.v. Frey für einzelne Gefühlseindrücke die betreffenden Punkte mit be- sonderen Nervenendigungen identifizieren konnte, ist es ja ein Bedürfnis, für jede Art von Gefühl, so auch für das Geschlechts- gefühl, bestimmt organisierte Endkörperchen anzunehmen; und diesem Bedürfnis kommt die Krausesche Behauptung in wünschens- wertester Weise entgegen. Da jedoch, wie gesagt, bis jetzt noch kein unanfechtbarer Beweis für .die Realität der den Genital- nervenkörperchen zudiktierten Bedeutung existiert, lässt sich auch aus ihrer Anwesenheit oder ihrem Fehlen noch nicht mit voller Be- stimmtheit ein Schluss auf die Lokalisation des Sexualgefühles ziehen, Wir können nur folgendes sagen: Wo überhaupt eine Per- zeption von Gefühlseindrücken zustande kommen soll, da müssen Nervenendigungen vorhanden sein; besitzt ein Bezirk der Haut deren wesentlich mehr als ein anderer, so ist daraus ein Schluss erlaubt auf seine quantitativ feinere Empfindlichkeit oder auf einen grösseren Reichtum an qualitativ verschiedenen Empfindungs- möglichkeiten. In diesem Sinne zwischen Clitoris und Vagina auf grund der vorhandenen Literatur einen Vergleich zu ziehen ist deshalb nicht angängig, weil die einzelnen Autoren immer nur die äusseren oder nur die inneren Genitalien behandeln und die differenten Darstellungsmethoden es nicht gestatten, die Resultate zweier von einander unabhängiger Arbeiten in Parallele zu stellen. Infolgedessen stellte ich selbst Untersuchungen darüber an. Nach einem missglückten Versuch mit Hilfe von Serien- schnitten an den Genitalien einer Ratte mittels gewöhnlicher Färbemethoden die Nervenverteilung darzustellen, wandte ich mich der Methylenblaumethode zu und habe dann, da auch vorüber- gehende Versuche mit Vergoldung mich zu keinem brauchbaren Resultate führten, alle meine Untersuchungen unter alleiniger 128 Fritz Worthmann: Anwendung dieser Färbung angestellt. Die Golgische Methode schien mir von vornherein wegen der grossen Fehlerquellen für meinen Zweck nicht brauchbar. Da bei der Methylenblaufärbung frisches Material die Haupt bedingung des Gelingens ist, wurden vorwiegend frisch geschlachtete Tiere, Schweine und Pferde untersucht‘). Nur einmal hatte ich Gelegenheit die Clitoris von einer ganz frischen menschlichen Leiche zu verarbeiten. Der Versuch, gleich N. v. Gawronsky, die bei einer Colporrhaphie abfallenden Vaginallappen zu färben, der mir durch die Güte des Herrn Geheimrats Küstner ermög- licht wurde, misslang, wahrscheinlich wegen der vorhergegangenen energischen Desinfektion mit Alkohol. Die Technik war die Dogielsche Schnittfärbung (6). Von den dem eben geschlachteten Tiere entnommenen Hautstücken wurden zwischen Hollundermark mit dem Rasiermesser in frischem Zu- stande möglichst dünne Schnitte angefertigt, diese auf einem mit ganz schwacher, meist !/so°/oiger Lösung?) von Methylenblau in physiologischer Kochsalzlösung eben nur benetzten Objektträger ausgebreitet und dann für etwa 10 Minuten in den Thermostaten bei zirka 35° gebracht. Falls dann die zwischen zwei Objekt- trägern mässig breitgedrückten Schnitte bei schwacher Vergrösse- rung eine gute Färbung der dickeren Nervenstämme zeigten, wurden sie in eine 7,5°/oige, wässerige Lösung von molybdaen- saurem Ammonium überführt, andernfalls die Färbung noch 5 bis. 10 Minuten fortgesetzt. Ist auch dann noch nichts zu sehen, so sind die Schnitte unbrauchbar. Aus der Fixierungsflüssigkeit gelangen sie nach sechs- bis. achtstündigem Verweilen in destilliertes Wasser, wo sie bei öfterem Wechseln 2—4 Stunden verbleiben. In den meisten Fällen wurden dann die Schnitte möglichst rasch durch absoluten Alkohol ent- wässert, mit Xylol aufgehellt und m Kanadabalsam eingeschlossen. Da der Alkohol bei etwas längerer Einwirkung den Farbstoff \) Es ist zwar bekannt, dass die Form der Nervenendigungen bei ver- schiedenen Tierarten nicht die gleiche ist. Doch darf man wohl annehmen, dass bei allen Säugetieren analoge Organe auch funktionell gleichwertig sind; aus diesem Grunde schien es mir für das Resultat gleichgiltig, ob tierisches. oder menschliches Material verwendet wurde. ?2) Aus einer 1°/oigen Stammlösung jedesmal frisch herzustellen, nach vorherigem Erwärmen derselben, um Niederschläge zu lösen. Nervenausbreitung in Olitoris und Vagina. 129 auszieht, benutzte ich probeweise, nachdem die Schnitte, direkt aus dem Wasser kommend, in Glyzerin aufgehellt waren, zum Einschliessen Glyzerinleim nach der alten Vorschrift von Beale (vgl. das Mikroskop u. d. mikrosk. Techn. von Heinr. Frey, Leipzig, Wilh. Engelmann 1873). Es hielten sich jedoch darin nur einige Präparate gut, andere verblassten sehr schnell, so dass später nur noch die Einbettung in Kanadabalsam in Anwendung kam. Die in dieser Weise aufbewahrten Präparate, die nun zumteil schon weit über ein Jahr alt sind, zeigen bis jetzt noch keine Spur eines Abblassens der Färbung. Mit Hilfe deseben angegebenen Verfahrens gelang es mir relativ oft, vorzügliche Präparate zu erhalten; oft freilich versagte die Methode bei einigen Schnitten, während in anderen, gleichzeitig und mit denselben Cautelen hergestellten, die schönsten End- körperchen mit intensiver Färbung auch der feinsten Fäserchen sichtbar wurden. Einen Grund dafür und für den Umstand, dass in den misslungenen Präparaten oft andere Gewebselemente elektiv gefärbt erschienen, so oft die elastischen Fasern in hervorragend schöner Weise, oft auch die Lymphgefässe, konnte ich nicht auffinden. Nur zwei Umstände übten nach meiner Erfahrung fast stets einen ungünstigen Einfluss aus; einmal die starke Füllung der Kapillaren mit Blut, da dann die roten Blutkörperchen anscheinend den Farbstoff für sich in Anspruch nehmen. Zweitens aber ist besonders darauf zu achten, dass die Schnitte von der Farb- lösung eben nur benetzt sind. Wenn sie darin schwimmen, werden sie auch leicht von der Flüssigkeit bedeckt, und dann wird der zur Färbung bekanntlich notwendige Zutritt des Sauer- stoffes behindert. Wenn so auch die Anwendung der Methylenblaumethode, wie die der Golgischen, zu einem Teil Glückssache ist, so besteht doch zwischen beiden ein wesentlicher Unterschied: Ist ein Methylen- blaupräparat unvollständig gefärbt, dann haben doch die dickeren Nervenstämme die Farbe meist gleichmässig und gut angenommen bis zu einem bestimmten Kaliber; da hört bei allen in gleicher Weise die Tinktion auf. Doch dass, wie das bei Golgipräparaten häufig vorkommt und gerade als ein Vorzug der Methode hin- gestellt wird, ein Neuron bis in die feinsten Verzweigungen hinein tadellos imprägniert erscheint, während andere total unsichtbar bleiben, das kommt bei der Methylenblaumethode selten oder nie Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 68, 9 130 Fritz Worthmann: vor, und gerade darum schien sie mir am geeignetsten, um Ver- gleichswerte zu gewinnen. Es zeigte sich, dass in der Vaginalschleimhaut!) Nerven nur äusserst spärlich vorhanden sind. In manchen Gesichtsfeldern. selbst ganzen Schnitten, waren nur kleine, vom Stamm abgetrennte Fäserchen zu sehen, was sich durch den aus anderen Stellen ersichtlichen Verlauf der Nerven erklärt. Als typisch dafür kann das Präparat gelten, das Abb. 1 wiedergibt. Es laufen die markhaltigen Nervenfasern entweder einzeln oder zu kleinen Bündeln von zweien, höchstens dreien vereinigt senkrecht aus der Tiefe der Oberfläche zu. Bevor sie jedoch das Stratum Malpighi erreichen, biegen sie, unter dichotomischer Teilung sich verflechtend, stumpfwinkelig um und laufen nun weite Strecken der Epidermis fast parallel, von Zeit zu Zeit feine Endausläufer in dieselbe hineinsendend, bis die Faser, durch die vielen Abgaben selbst zum Fäsörchen geworden, auch ihrerseits in das Epithel eindringt. Das Ganze ist ungefähr einem Baumstämmchen zu vergleichen, das, auf dürrem Boden gewachsen, seine Wurzeln weithin aussendet, um ein möglichst grosses Gebiet auszunützen. In der Tat versorgt ein derartiges Nervenbündelchen oft eine Fläche von weit über einen qmm. Die ins Epithel eindringenden, marklosen Fasern enden dort in verschiedener Weise. Entweder teilen sie sich noch öfter und werden dann zum Schluss so fein, dass sie dem Auge entschwin- den — die spitzen Endigungen v. Gawronskys Abb. 1 rechts — oder sie teilen sich nur wenigemale und enden in einer der varikösen Anschwellungen, wie sie die Endfasern in diesen Fällen auch in ihrem Verlaufe zahlreich aufweisen — die knopfförmigen Endigungen v. G.'s, Abb. 3. Endlich habe ich häufig noch eine dritte Art der Endigung gefunden, Gebilde, die einem Netzbeutel oder dem Haltenetz eines Luftballons ähnlich sehen, Abb.ı1. Es bilden hier die durch Teilung enstandenen Fäserchen ein ziemlich geschlossenes Netz- werk, das, in einer anderen Faser sich sammelnd, wieder zum Hauptstamm zurückgeleitet wird, vergleichbar einem Nieren- elomerulus mit vas afferens und vas efferens. ») Es wurde lediglich der untere Teil der vorderen Vaginalwand unter- sucht, und zwar teils vor, teils hinter dem orificium urethrae, ohne dass beide Bezirke wesentliche Differenzen darboten. Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. 151 Ähnliche Bildungen sind auch, wie ich hier einschalten möchte, an anderen Stellen der Haut nicht selten zu finden. Abb. 5 gibt ein allerdings nicht deutlich ausgeprägtes Endnetz aus der mensch- lichen Clitoris wieder, Abb. 2 stellt ein solches aus dem zipfel- förmigen Anhang dar, den die Vulva des Schweines ventralwärts aufweist, und der unter anderem auch eine Fundstätte für schöne Merkelsche Tastscheiben ist, vgl. Abb. 4. Während der geschilderte einfache Modus des Nervenver- laufes in allen Präparaten aus Vaginalschleimhaut, mögen dieselben vom Pferd oder vom Schwein stammen, mit geringen Abweichungen wiederkehrt, gestalten sich in der Clitoris die Verhältnisse wesent- lich komplizierter, vor allem durch das zum Teil massenhafte Vorhandensein von Endkörperchen. Die letzten drei Abbildungen geben einige derselben wieder, und zwar Abb. 10 und 11 zwei verschiedene Typen, die zur Klasse der Endkolben zu rechnen sind, Abb. 12 eines der komplizierter gebauten Genitalnervenkörperchen. Letzteres sieht einem Con- glomerat von mehreren Endkolben ähnlich, unterscheidet sich jedoch von einem solchen einmal, wie schon Krausse hervorhob, dadurch, dass es nur eine zuleitende Nervenfaser besitzt, und ausserdem dadurch, dass die einzelnen Knäuel von einem gemein- samen feinen Fasernetz umschlungen werden. Sowohl Abb. 10 wie Abb. 12 weisen ausserdem feine Ausläufer auf, die im Epithel enden, wie sie Dogiel schon geschildert hat. Überhaupt ist in den erschöpfenden Arbeiten Dogiels alles Wesentliche über diese Gebilde gesagt, und schon deshalb kann ich es nicht als meine Aufgabe erachten, mich des weiteren über die Endkörperchen, ihre Lagerung im Gewebe, ihren Zusammen- hang untereinander und die Art des Nervenverlaufes im Innern derselben auszulassen. Vielmehr kam es mir, meinen obigen Ausführungen ent- sprechend, gerade auf die nicht inkorporierten Nervenendgeflechte an, da nur diese ähnliche Verhältnisse darbieten, wie die Vagina, und daher auch nur mit Bezug auf sie beide Bezirke ohne weiteres miteinander verglichen werden können. Als das geeignetste Objekt stellte sich in dieser Beziehung das Pferd heraus, dessen Clitoris Endkörperchen, abgesehen von einigen wenigen, in der Tiefe gelagerten, in ihrem Bau den End- kolben entsprechenden, in meinen Präparaten vermissen liess. 9* 132 Fritz Worthmann: Einen Schnitt durch dieselbe gibt Abb. 6 wieder. Da er von demselben Tiere stammt, wie das Abb. 1 zugrundeliegende Präparat, und in der gleichen Vergrösserung wiedergegeben wurde, ist an der Hand der beiden Abbildungen ein direkter Vergleich von Olitoris und Vagina bezüglich ihres Nervenreichtums möglich. Da sieht man auf denselben Raum, der in Abb. 1 von zwei Nervenfasern versorgt wird, deren mehr als zwanzig eng zusam- mengedrängt, phalanxartig dem Epithel zustreben, die überwiegende Mehrzahl markhaltig, nur wenige marklose Fasern sind darunter gemischt, zum Teil aus den ersteren, wie Dogiel bemerkt, an den Ranvierschen Schnürringen entspringend. An der Basis des Papillarkörpers angelangt, verlieren die Fasern, wie Abb. 7 bei stärkerer Vergrösserung zeigt, ihre Mark- scheide und bilden ein die Papille umschlingendes Geflecht, das jedoch wirkliche Anastomosen, wie sie in den oben geschilderten intraepithelialen Endnetzen zu sehen sind, nicht aufweist. Teils von diesem Geflecht aus, teils unter Vermeidung des- selben direkt, dringen feine, marklose Fasern in das Epithel ein und sind dort zum Teil bis an die obere Grenze des Stratum Malpighi zu verfolgen. Die Endigung geschieht, wie in allen geschichteten Pflaster- epithelien, teils spitz, teils knopfförmig. In der Clitoris des Schweines, Abb. S, wie der des Menschen, Abb. 9, treten die Endkörperchen so sehr in den Vordergrund, dass die meisten Autoren diese ausschliesslich zum Gegenstand ihrer Betrachtungen gemacht haben. Es gibt jedoch auch da Bezirke — und zwar scheinen das die Partien nahe der Umschlag- stelle in das Präputium zu sein!) — in denen die Endigung in nicht inkorporierten Geflechten das Bild beherrscht. Hier liegen dann die Dinge ähnlich wie beim Pferd. Unterschiede sind jedoch da, und zwar sind sie bedingt erstens durch die kleineren Ver- hältnisse, weshalb z. B. in der Clitoris des Schweines die dem !) Ich schliesse das aus einem vom Menschen stammenden Präparat, das diese Lagerungsverhältnisse unzweideutig aufweist. Leider ist es oft wegen der Notwendigkeit, die Haut frisch zu schneiden und des daraus resultierenden Übelstandes, die Schnitte quetschen zu müssen, nicht möglich, die Topographie in ihren Einzelheiten festzuhalten. Wo bestimmte Angaben über die Lagerung der Nerven zur Haut gemacht sind, handelt es sich stets um solche Stellen, bei denen Zweifel nicht obwalten können. Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. 133 Epithel zustrebenden Nervenfasern nicht annähernd so parallel, wie in Abb. 6, sondern besenreiserartig divergierend verlaufen, zweitens durch das teils nur andeutungsweise Vorhandensein, teils vollkommene Fehlen von Papillen. ‚Die Nervengeflechte, welche letztere beim Pferd umspinnen, sind deshalb hier flächenhaft an der oberen Grenze des Coriums ausgebreitet. Doch verlieren auch hier die zuleitenden Nerven in der Nähe des Epithels ihre Markscheide und bilden ein anfäng- lich aus gröberen Fasern bestehendes, weitmaschiges, nach der Oberfläche zu immer feiner, schliesslich unentwirrbar werdendes Geflecht. Die Endigungen der feinsten Fäserchen sind nicht zu erkennen, vielleicht gar nicht vorhanden. Obgleich anzunehmen, dass auch von hier aus feine Fasern in das Epithel eindringen, und obgleich ich in diesem einzelne Endgeflechte auffand (vgl. Abb. 5), konnte ich doch nirgends den Zusammenhang mit einem subepithelialen Plexus feststellen und möchte daher diese Frage in suspenso lassen. Als Facit dieser Untersuchungen ergibt sich, dass wir in Clitoris und Vagina zwei Extreme vor uns haben; dort eine abundante Fülle, wie sie an keiner anderen Stelle des Integuments zum zweitenmale zu finden ist, hier die allergrösste Sparsamkeit. Wie enorm der Unterschied zwischen beiden ist, leuchtet ein, wenn man Abb. 1 und 6 vergleicht und dabei in Betracht zieht, dass es sich da ja nur um Flächen, in Wirklichkeit aber um körperliche Dinge handelt. Somit entspricht dem in den Zeichnungen zu beobachtenden Verhältnis von 2:20 re vera, eines von 2:400. Wenn nun schon nicht recht einzusehen ist, wozu diese unge- heure Nervenmenge an ein Organ verschwendet sein soll, falls sie nicht besondere Funktionen hat — Funktionen, doch wahrschein- lich gleich denen, wie sie den Nerven in der glans penis zukom- men — so ist nach diesen Beobachtungen eine Verlegung der sexuellen Irritation in die Vaginalschleimhaut unhaltbar. Denn wenn wir auch unsere Anforderungen, wie ich das getan habe, auf ein Minimum herabschrauben, so sind wir doch, entsprechend dem Gesetze von der spezifischen Energie, gezwungen, für jede Empfindungsqualität eine isolierte Leitung anzunehmen, also eine besondere Nervenfaser. Es liegt aber auf der Hand, dass eine so verschwindend geringe Anzahl von Nervenelementen, wie sie 134 Fritz Worthmann: in der Vaginalschleimhaut zu konstatieren ist, sozusagen nur die allernötigsten Sinneseindrücke zu vermitteln imstande ist, wir die Lokalisation des Geschlechtsgefühles also an anderer Stelle zu suchen haben. Und da ist es der naturgemässe Schluss, sie in die glans clitoridis zu verlegen, zumal sich dadurch die sonst unbegreif- liche Nervenfülle derselben zwanglos erklärt, während es der zweckmässig schaffenden Natur garnicht ähnlich sähe, ein Organ, das physiologischer Weise so den rohesten Gewaltenwirkungen ausgesetzt ist, wie die Vagina unter der Geburt, zum Sitze einer besonderen Sinneswahrnehmung zu machen. Ob freilich die Reizung der Clitoris eine direkte ist und nicht vielmehr indirekt durch Druck und Zug von der Vagina aus erfolgt, ist eine andere Frage, auf die einzugehen aus dem Rahmen der mir gestellten Aufgabe herausfiele. Zum Schluss sage ich allen den Herren, die mir vornehm- lich bei der Beschaffung des Untersuchungsmaterials durch liebens- würdiges Entgegenkommen behilflich waren, insonderheit aber Herrn Geheimrat Hasse für die Stellung des Themas, die Über- weisung eines Arbeitsplatzes, sowie das mir stets bewiesene Wohlwollen meinen verbindlichsten Dank. Literaturverzeichnis. 1. Arndt, R.: Was sind Pacinische Körperchen? 1875. Virchows Archiv. Bd. 65, S. 131—137. Aronson, H.: Beiträge zur Kenntnis der zentralen und peripheren Nervenendigungen 1886. Inaug. Diss. Berlin. 3. Bense, W.: Über Nervenendigungen in den Geschlechtsorganen. Zeitschr. f. rat. Med., 3. Reihe, Bd. 33. 4. Bergh, R.: Symbolae ad cognitionem genitalium externorum foemi- neorum IV, 1901. Sonderabdruck aus: Monatshefte f. prakt. Dermatologie. Hamburg und Leipzig, Verlag v. Leopold Voss. 5. Carrard, H.: Beitrag zur Anatomie und Pathologie der kleinen Labien. Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. X. S.62—73, 2. Taf. 6. Dogiel,A.S.: Methylenblau f. Nervenfärbung in Ehrlichs Encyclopaedie d. mikr. Technik. 7. Derselbe: Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane des Menschen, 1893. Arch. f. Mikr. Anat. Bd. 41, p. 585 ff. I) 26. Nervenausbreitung in Clitoris und Vagina. 135 Derselbe. Über die Nervenendapparate in der Haut des Menschen, 1903. Zeitschr. f. wiss. 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Zeitschr. für rat. Med. Bd. 28. Derselbe: Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen, 1881. Arch. f. Mikr. Anat. Bd.19, p.53f. 3 Taf. Derselbe: Die Nervenendigungen in der äusseren Haut und den Schleim- häuten. Biol. Zentralbl. IV, Nr. 6, S. 161—182, Nr. 7, S. 205— 211. . Lenhosseck, M.von: Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen, 1892. Fortschr. d. Med. Bd.X., 2. Derselbe: Histologische Mitteilungen (Nervenendigungen etc.). Würzburger Sitzgsber. d. physik. med. Ges. Nr. 10, S. 156—158. Retzius,G.: Über die Endigungsweisce der Nerven in den Genitalnerven- körperchen des Kaninchens, 1890. Internal. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. VII. Ruffini, A.: Sulla presenza di nuove forme di terminazioni nervose nello strato papilare e subpapillare della cute del umo, ete. Torino 1898. . Sfameni, P.: Contributo alla conoscenza delle jterminazioni nervose negli organi genitali femminili externi. Arch. ital. Ginecol. Anno 4. 1901, Nr. 2. Windscheidt, F.: Die Nervenendigungen in den weiblichen Genitalien. Anatomisches und klinisches Sammelreferat. Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. Bd.I, S. 609—619. 136 Fritz Worthmann: Clitoris und Vagina. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII und IX. Sämtliche Präparate sind nach der oben beschriebenen Methode mit Methylenblau gefärbt und mittels eines Leitzschen Prismenokulars von mir selbst gezeichnet. Die Vergrösserung ist beil und 6 150fach, bei den anderen Abbildungen 360 fach. Abb. 1. Schnitt durch die Vaginalschleimhaut eines Pferdes. Abb. 2. Nervenendnetz, intraepithelial gelagert, aus dem an der vulva des Schweines ventralwärts gelegenen zipfelförmigen Hautanhang. Abb. 3. Schnitt durch die Vaginalschleimhaut eines Schweines mit knopf- förmigen Nervenenden. Abb. 4. Merkelsche Tastscheiben ebendaher. Sie sitzen in ihrer Gesamt- heit der interpapillären Epitheleinsenkung kappenförmig auf. Abb. 5. Nervenendnetz aus dem Epithel der menschl. Clitoris. Abb. 6. Schnitt durch die Haut der Clitoris eines Pferdes. Abb. 7. Desgl. bei stärkerer Vergrösserung, die Endausbreitungen der Nerven zeigend. Abb. 8. Nervenendgeflecht aus der Haut der Clitoris eines Schweines. Abb. 9. Desgl. aus der Haut einer menschl. Clitoris. Abb. 10. Endkolben aus der Clitoris eines Schweines. Abb. 11. Desgl. aus der Haut einer menschl. Clitoris. Abb. 12. Genitalnervenkörperchen aus der Haut einer menschl. Clitoris. Die unterbrochenen Linien stellen die untere, die ausgezogenen die obere Epithelgrenze dar. 137 Osteobiologie. Von Dr. Alfred Bidder, Mitglied der deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Hierzu Tafel X—XIV. Einleitung. Seit zwei Jahrhunderten ungefähr sind der anatomische Bau und die Lebenserscheinungen des Hauptstützgewebes des menschlichen Körpers, der Knochen in steigendem Maße Gegen- stand wissenschaftlicher Untersuchung geworden. Die grosse Zahl hierbei auftauchender Fragen nach der Art und Weise der Ent- wicklung, der Bildung, Umbildung und Rückbildung des Knochen- gewebes verlangte immer dringender nach befriedigender Antwort. Dabei war nicht allein rein wissenschaftlicher Erkenntnisdrang die Triebfeder, sondern auch der Wunsch, die Errungenschaften der Forschung für das Verständnis der Störungen des normalen Verhaltens und für die ärztliche Praxis verwerten zu können. Mit der stetigen Verbesserung der Hilfsmittel für anatomische, vergleichend-anatomische, entwicklungsgeschichtliche, histologische, und physiologische Untersuchungen vergrösserte sich die Zahl der Arbeiter sehr bedeutend. Infolgedessen hat auch die hierher- gehörende Literatur mit der Zeit einen ungeheueren Umfang angenommen. Ja, man darf wohl sagen, ein Menschenalter würde für den kühnen Mann nicht genügend sein, der es unter- nehmen wollte, alles gründlich durchzulesen, was nur in den letzten 50 Jahren über die Biologie der Knochen veröffentlicht worden ist. Auch dann wäre es nicht möglich, wenn — wie es geschehen soll — man unter der Bezeichnung Biologie nur die Vereinigung von Morphologie und Physiologie versteht, patho- logische Lebensäusserungen des Knochengewebes aber zunächst unberücksichtigt lässt. Unter dieser Einschränkung ist der in der Überschrift zu den folgenden Blättern gebrauchte Ausdruck „Osteobiologie“ zu verstehen. Demnach soll versucht werden, das zu ordnen, was gewissenhafte Forscher in sorgfältigen Arbeiten lange Jahre hindurch zusammengebracht haben, und das festzustellen, was 138 Alfred Bidder: für die Lebensäusserungen des normalen gesunden Knochens als bereits allerseits sicher erkannte Tatsache, als Regel, als „Gesetz“ angesehen werden darf und was noch zweifelhaft ist. Im Vordergrund dieser Untersuchungen stehen die Knochen des menschlichen Körpers. Viel reichlicheres Material mussten aber bekanntlich die kleineren und kleinsten Säugetiere liefern, was um so gerechtfertiger ist, als bei diesen Tieren einerseits die Prozesse der Formation und Transformation des Knochengewebes ganz ebenso nur schneller als beim Menschen verlaufen, anderer- seits aber die Herstellung guter und übersichtiger Präparate leichter ist, auch das Material leichter beschafft werden kann. Verfasser glaubt schliesslich noch hervorheben zu müssen, aus welchem Grunde er es wagen zu können glaubt, an die obenbezeichnete schwierige Aufgabe heranzutreten. Schon in seiner bereits 40 Jahre zurückliegenden Studentenzeit eine Vor- liebe für Osteobiologie bekundend, wuchs diese während seiner Assistentenjahre bei seinem unvergesslichen Lehrer Richard Volkmann, so dass er schon von 30 Jahren selbsttätig in diesem Gebiete mit einer kleinen Arbeit hervortreten konnte. Seitdem ist er trotz eines bewegten Lebens und durch allgemeine Praxis vielfach behindert dieser alten Liebe treugeblieben, hat nicht allein so viel als möglich die anwachsende Literatur über die Osteobiologie zu verfolgen gesucht, sondern hat auch jetzt wiederum eigene Untersuchungen vorgenommen. Bei diesen standen ihm die Hilfsmittel des hiesigen anatomisch-biologischen Institutes zu Gebote und ein Arbeitsplatz, den er dem freund- lichen Entgegenkommen des Herrn G. R.O.Hertwig verdankte. Dank sei hier auch ausgesprochen den Herren Professoren Nagel und A. Baginsky für die Überlassung von Embryonen und kindlicher Knochen; ebenso Herrn G.R. Waldeyer für die freundliche Erlaubnis zur Benutzung der reichhaltigen Bibliothek des anatomischen Institutes. Der oben bereits gemachte Hinweis auf den ungeheueren Umfang der Literatur veranlasst den Verfasser um ganz be- sondere Nachsicht zu bitten. Die ältere Literatur anlangend, so konnte eine Anzahl der wichtigsten Arbeiten allerdings im Original studiert werden, bei vielen musste Verfasser sich aber auf die Angaben anderer Autoren verlassen, wie sie z. B. in den Werken von Flourens, Schwegel, H. Müller, Kölliker, Osteobiologie. 139 Ollier, Stieda, Langer, v. Bruns!) niedergelegt sind. Wenn aber von den in den letzten 20 Jahren erschienenen Arbeiten nicht wenige übersehen sein sollten, so bittet Autor darin nur die Unmöglichkeit erkennen zu wollen, allem gerecht zu werden, was an den verschiedensten Stellen veröffentlicht worden ist. A. Zeit und Ort des Auftretens der Knochenanlagen im menschlichen Skelett. Den ersten Stützapparat des jungen Embryo bildet be- kanntlich die aus dem inneren Keimblatt entstehende Chorda dorsalis, die Bergmann (Göttinger Studien, 1845) seinerzeit als „Urform“ des Skelettes bezeichnete. An Stelle dieser tritt dann ein festerer Apparat auf: das knorpelige Achsenskelett, dem sich alsbald das Extremitätenskelett anschliesst, während gleich- zeitig die sogenannten Deck- oder Belegknochen erscheinen. Rob. Nesbitt?) (1731) dürfte wohl der erste Anatom gewesen sein, der mit aller Entschiedenheit der namentlich von Kerkring vertretenen Ansicht entgegentrat, dass alle menschlichen Knochen knorpelig vorgebildet seien. Ich werde zeigen, sagte er, „dass der alte und gemeine Begrift, als ob alle Knochen ursprünglich knorpelig wären, ein gemeiner Irrthum sei“ (Seite 3). Diese Er- kenntnis ist heutigen Tages sicherer wissenschaftlicher Besitz. Nach den Untersuchungen der Embryologen, von denen ich nur Gegenbaur°) und OÖ. Hertwig‘*) nennen will, entstehen aus dem vom Entoderm ausgehenden Zwischenblatt, — dem Mesen- chym — zunächst die Ursegmente (Sclerotom und Myotom). Aus dem Sclerotom bildet sich dann ein Gallertgewebe, das die Chorda umwächst — die skeletogene Chordascheide; diese wächst dann auch um das Nervenrohr und erzeugt damit die sogenannten häutigen Wirbelbögen und weiterhin dünne Binde- gewebsplatten, die Zwischenwirbelbänder. 1) Die genauen Zitate erfolgen im weiteren Verlauf dieser Arbeit. Nur für P. Bruns sei hier gleich bemerkt, dass es sich um sein Lehrbuch der Knochenbrüche handelt, 1886, deutsche Chirurgie. ?) R. Nesbitts Osteogenie etc. 1731. Aus dem Englischen übersetzt von J. E. Greding. Altenburg 1753. ®) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig, 1889. ı) Die Elemente der Entwicklungslehre des Menschen und der Wirbel- tiere. Jena, G. Fischer 1900 und Lehrbuch. 140 Alfred Bidder: Diese „häutige Wirbelsäule“ erfährt beim Menschen und den Säugetieren nacheinander zwei histologische Metamorphosen. Zunächst verknorpelt das Gewebe teilweise und später wird der Knorpel durch Knochengewebe ersetzt. Die Verknorpelung beginnt beim Menschen im zweiten Embryonalmonat; es bilden sich gesonderte Wirbelkörper, wobei die Chorda unter- geht und nur Reste als Gallertkerne in den Zwischenwirbel- scheiben zurückbleiben. Bald darauf erscheinen gesonderte Knorpelstückchen der Wirbelbögen nahe am Körper, mit dem sie in der achten Woche verschmelzen; im dritten Monat vereinigen sie sich zum vollständigen Bogen mit kleinem Dornfortsatz. Ebenso knorpelig vorgebildet sind die basalen Teile des Craniums, die Scapula, und das Becken und die Extremitäten, welche letzteren bereits in der sechsten Fötalwoche in ihren drei Hauptabschnitte gesondert erscheinen. Eine kurze Übersicht über den Gang der ÖOssifikation in allen diesen vor der Verknöcherung aus Knorpel bestehenden Skeletteilen soll sogleich gegeben werden. Dann erst möge eine Besprechung der bindegewebig-vorgebildeten Knochen stattfinden. Bei dem auf knorpeliger Grundlage entstehenden Knochen- gewebe geschieht die erste Anlage entweder an der Oberfläche — periostale Ossifikation — oder im Innern des Knorpels — intracartilaginöse Ossifikation — Ausdrücke, die nach Strel- zoffs Vorgange jetzt durch die Bezeichnung perichondrale und endochondraie Ossifikation in der Regel ersetzt werden. Schon Nesbitt hat eine treftliche, durch schöne Ab- bildungen erläuterte Schilderung des Ganges der Verknöcherung geliefert, soweit sie bei Embryonen makroskopisch erkennbar ist. Sehr ausführliche — von J. F.Meckel aber vielfach korrigierte — Angaben über Zeit und Ort der Össifikation aller Skeletteile finden sich beiB&clard!) und weitere Untersuchungen hierüber — gestützt auf das reiche Material Hyrtls — verdanken wir bekanntlich Schweeel.?) Dieser verfolgte den Gang der to) J © fe) Knochenbildune in allen Körperteilen — mit Ausnahme des [o) !) Meckels Archiv, Bd. 6. 1820. ?2) Die Entwicklungsgeschichte der Knochen des Stammes und der Extremitäten mit Rücksicht auf Chirurgie, Geburtskunde und gerichtliche Medizin. Sitzungsb. d. K. K. Akademie d. W. in Wien, math.-naturw. Kl. XXX. Bd. 1858. Osteobiologie. 141 Schädels — von der Embryonalzeit an bis zur Erreichung des völlig erwachsenen Alters im 26. Lebensjahre. Auch er be- rücksichtigt nur die makroskopischen Verhältnisse und unter- scheidet dabei auch nicht zwischen perichondraler und endo- chondraler Ossifikation, sondern spricht nur von „Knochenpunkten“. Diese werden in primäre und accessorische oder in Haupt- und Nebenknochenpunkte eingeteilt. . Ihr erstes Erscheinen, ihre spätere Verschmelzung untereinander zu einer zusammenhängenden Knochenmasse — erste und zweite Synostosierung“ — werden tabellarisch zusammengestellt, wobei Schwegel ähnlich wie Beclard Epochen oder Perioden annimmt, auf die weiterhin noch hingewiesen werden soll. Vergleicht man nun diese früheren Angaben untereinander, so findet man bei B&eclard und Schwegel oft recht bedeutende Unterschiede namentlich in den Zeitangaben. Das ist um so erklärlicher als auch die neuesten, mit Röntgendurchleuchtung arbeitenden Forscher solche Unterschiede bestätigen. In Bezug auf die Wirbel, die zuerst betrachtet werden mögen, ist die Übereinstimmung am vollkommensten. Am Anfang des dritten Embryonalmonates, oder etwas früher, beginnt bereits die Verknöcherung in den Bögen: zunächst je ein perichondraler Knochenkern in jeder Bogenhälfte, etwas später ein einzelner (oder auch zwei?) im Wirbelkörper. Aber schon Meckel fand, dass ausser diesen Hauptkernen noch fünf Nebenkerne ent- stehen: einer an der Spitze jedes Dornfortsatzes, je einer in der Spitze jedes Querfortsatzes und an der oberen unteren Zona- Fläche der Wirbelkörper — jetzt „Epiphysenplatten“ genannt — je einer. „Im fünften Monat ist die Verknöcherung der Körper bis an die Oberfläche des Knorpels vorgedrungen“ (O0. Hertwig); zur endochondralen gesellt sich also um diese Zeit eine peri- chondrale Ossifikation, bei den Brustwirbeln etwas früher als bei den Lendenwirbeln. Die die drei Hauptkerne verbindenden Knorpelteile verschwinden erst nach der Geburt und zwar im ersten Jahre der hintere Knorpelrest, so dass ein knöcherner Wirbelbogen entsteht, während die Bögen mit dem Körper erst zwischen dem dritten und achten Lebensjahre knöchern ver- schmelzen. Eine Abweichung bietet der Atlas, dessen Körper schon sehr früh mit dem Epistropheus verschmilzt und dessen Zahnfortsatz bildet, — der aber nach Hertwig im fünften 142 Alfred Bidder: Monat einen Kern bekommt. Die Sakralwirbel ossifizieren von je fünf Knochenkernen aus (zwei davon entsprechen Rippenrudi- menten). Die fünf Teile verschmelzen mit einander vom zweiten bis sechsten Lebensjahre. Die Knorpelscheiben zwischen den fünf Sakralwirbeln verknöchern erst vom 18. bis 25. Lebensjahre: Die Steisswirbel erhalten erst sehr spät ihre Kerne. „Vom 30. Lebensjahre an können sie untereinander und zuweilen auch mit dem Kreuzbein verschmelzen“ (0. Hertwig). Nach P. Bades!) neuerlichen „röntgographischen“ Untersuchungen zeigen sich im Gegensatz zu den Halswirbeln bei den Lenden- und Kreuzbeinwirbeln die Knochenschatten zuerst in den Körpern und erst später in den Bögen, ein Verhältnis, das übrigens schon von B&clard in ähnlicher Weise beschrieben worden ist. Die Rippen beginnen — perichondral — zu ossifizieren; nach Kölliker im zweiten Embryonalmonat, nach Gegenbaur in der 9. bis 15. Woche; Capitulum und Tuberculum erhalten erst im 9. bis 15. Lebensjahre Knochenkerne, die vom 15. bis 20. Jahre mit dem Rippenkörper verschmelzen. Beim Brustbein treten Knochenkerne im sechsten Fötal- monat auf (endochondral); die ersten in Manubrium und oberen Teil des Corpus und zwar meist in der Gegend, die dem Raume zwischen zwei aufeinanderfolgenden Rippenknorpeln entspricht. Ihre Zahl scheint bei verschiedenen Individuen sehr verschieden zu sein. Schwegel findet die meisten — etwa 30 Knochenpunkte. „Diese verschmelzen bis zum vollendeten Wachstum in fünf, vier, drei Stück und im höheren Alter manchmal in zwei und endlich in ein Stück.‘ Das soll in vier Epochen geschehen. Für die obere Extremität gibt Schwegel vier Perioden der Knochenbildungen. Ihre 30 Knochen sind aus ungefähr 140 Knochenpunkten entstanden. Die Verschmelzung zwischen Epi- und Diaphyse des Humerus — die „letzte Synostosierung“ — fällt in die vierte Periode. Zuerst sei hier die Clavicula erwähnt, obgleich sie nicht knorpelig vorgebildet ist. An einer der Mitte des späteren Skeletteiles entsprechenden Stelle geht aus indifferentem Gewebe Knochengewebe hervor, ein Knochenkern, an den sowohl nach dem TB Bade, die Entwicklung des menschlichen Skelettes bis zur Geburt; Taf. 15 bis 17 und 20 Textfiguren. (Archiv f. mikroskop. Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. 55. Osteobiologie. 143 Sternum als auch nach dem Acromion hin sich Knorpelgewebe anzubilden beginnt. Dieser Knorpel bedingt das Längenwachs- tum des Schlüsselbeins. Von dem in der Mitte der Anlage zu- erst aufgetretenen Knochenstückchen aus erstreckt sich Knochen- gewebe über den Knorpel und wächst mit ihm unter zunehmender Dicke gleichfalls in die Länge aus, sodass dann äusserlich der grösste Teil der Clavicula durch Knochen dargestellt ist. Dieser von allen anderen Knochen abweichende Entwicklungsgang leitet sich von Beziehungen ab, welche die Clavicula bei niederen Wirbeltieren besitzt.‘‘ So drückt Gegenbaur den Vorgang aus. Von Nesbitt an bis auf unsere Tage sind alle Forscher darin einig, dass die Olavicula der am frühesten — in der 6.—7. Fötal- woche — ossifizierender Skeletteil ist. Nach Kölliker soll im sternalen Ende im 15.—20. Lebensjahre sich eine Art von Epi- physenkern bilden, der im 25. Jahre mit dem Hauptknochen verschmilzt. Beim Schulterblatt!) beginnt die — perichondrale — Verknöcherung im dritten Fötalmonat am Collum. Bade sah den Knochenschatten zum ersten Male bei einem zirka 10 Wochen alten Embryo. Die Ränder bleiben noch lange knorpelig. Nach Gegenbaur entsteht im} Knochenkern ein Processus coracoideus erst im ersten Lebensjahre. ‚Accessorische Kerne erscheinen im späteren Kindesalter: an der Gelenkfläche, längs der Basis, zwischen Coracoid und Gelenkstück am oberen Ende der Pfanne, im unteren Winkel, zuweilen auch im Acromion. Der am oberen Ende der Pfanne auftretende Kern verbindet sich mit dem Coracoid, sodass dieses dadurch an der Cavitas glenoidalis teilnimmt. Die Verschmelzung des Coracoid mit der Scapula tritt nach dem 16.—18. Jahre ein.“ Was nun die Extremitäten betrifft, so sei gleich voraus- bemerkt, dass bei allen langen Knorpeln — ‚den späteren Röhren- knochen“ — die Ossifikation etwa in der Mitte der Diaphysen in perichondraler Form beginnt. Beim Humerus geschieht das früh, etwa in der achten Woche. Die Nebenkerne in den Epiphysen entstehen erst nach der Geburt; im zweiten Lebensjahre treten Nebenkerne im Tuberceulum majus und minus, vom fünften Jahre !) Man vergleiche damit die treffliche Arbeit von Lambertz: Die Entwicklung des menschlichen Knochengerüstes während des fötalen Lebens. Bd.I. Das Archiv und Atlas ete. von Albers-Schönberg. 144 Alfred Bidder: an in den Epicondylen auf. Für die letzteren nennt Schwegel das achte Lebensjahr und bestreitet die Richtigkeit der Angabe Beclards, nach welchem der Condylus intern. humeri erst im 16. Jahre ossifizieren soll. In Schwegels vierter Epoche — vom 18.— 20. Jahre — verschmelzen die zusammengesetzten Epi- physen mit den Diaphysen; nach anderen Forschern vom 18. bis 22. Lebensjahre. „Am Radius erscheint die Verknöcherung in der achten Woche. Die beiden Enden bleiben bis zur Geburt knorpelig. Erst im zweiten Lebensjahre tritt ein Knochenkern im distalen Ende, nach dem fünften einer auch im Capitulum auf. Das proximale Ende verschmilzt früher als das distale mit dem Mittel- stück“ (Gegenbaur). | Die Ulna ossifiziert ungefähr zu gleicher Zeit. „Bis zum 2.—5. Lebensjahre bleiben die Enden knorpelig. Dann erscheint ein Knochenkern in der distalen Epiphyse, während erst mehrere Jahre später ein Kern im knorpeligen Ende des Olecranon auf- tritt. Im 17. Lebensjahre ist diese Epiphyse verschmolzen, die distale erst im 20. Jahre. Auch im Proc. styloideus ulnae et radii erscheinen spät kleine Knochenkerne‘ (Gegenbaur). Nach Schwegel soll ein „Hauptknochenpunkt“ erst im neunten Jahre im Olecranon erscheinen; er nennt dieses daher eine „Diaphysis“, mit der mir dunkel erscheinenden Begründung, „weil zwischen dem Olecranon und der Ulna vor der knöchernen Vereinigung ein Knochenplättehen zwischen beiden zur Entwicklung kommt, welches keilförmig zwischen beiden steckt und mit den Epiphysen der Ulna am oberen Ende zu gleicher Zeit auftritt und später mit diesen sowie den Diaphysen des Ölecranon und der Ulna knöchern verwächst, die ich Apophysis conjunctiva oder Metaxy- physis (Zwischenknochenpunkte) nennen will.“ Bei anderen Autoren habe ich über diese Merkwürdigkeit nichts gefunden. Die Handwurzelknochen verknöchern erst nach der Geburt und zwar endochondral. Nach Köllikerund Hertwiger- scheint der Knochenkern im Os capitatum und hamatum im ersten Jahr, im triquetrum im dritten, im multangulum majus und lunatum im fünften, im scaphoideum und multangulum minus im 6.—8., im pisiforme im zwölften Lebensjahre. Nach Gegen- baur „beginnt die Ossifikation im Carpale drei noch während des ersten Lebensjahres; dann folgen das Carpale vier, Ulnare, Östeobiologie. 145 Intermedium, Radiale und das Carpale zwei in Intervallen von dreiviertel bis ein Jahr, sodaß der im achten Jahre auftretende Kern im Carpale eins die Reihe abschliesst. Erst gegen das zwölfte Jahr beginnt die Ossifikation des Pisiforme.‘‘ Das letztere bestätigt Ranke durch seine Untersuchungen mit Röntgenstrahlen, denen er die Hände von Individuen von 1—18S Jahren aussetzte. Da- gegen glaubt er, abweichend von allen anderen Forschern, als Regel aufstellen zu können, dass bereits beinur vier und 5!2 Monate alten Kindern schon ein Knochenkern im Os capitatum und hamatum auftrete. Die Mittelhandknochen verknöchern (perichondral) von der ersten Fötalwoche an. Die distalen Epiphysen erhalten im dritten Lebensjahre einen Knochenkern. ‚Am Metacarpale des Daumens erhält sich die proximale Epiphyse, an den vier übrigen nur die distale, während die proximale vom Mittelstück aus verknöchert.‘‘ Aus diesem Grunde wird das Metacarpale des Daumens von Schwegel, Ranke!) u. A. als Phalanx angesehen, welche Anschauung jedoch Gegenbaur durch ‚das Verhalten zur Musculatur widerlegt.“ „Seltener als Spuren eines distalen Epiphysenkerns am ersten Metacarpale, kommt am zweiten Metacarpale ein proximaler Epiphysenkern vor. Wir haben also auch für diese Knochen kein von vorneherein von den langen Röhrenknochen verschiedenes Verhalten anzunehmen, sondern eine selbständige Verknöcherung beider Epiphysen.‘“ „Die Stelle des Epiphysenkerns wird von der Diaphysenver- knöcherung erreicht, bevor er zur selbständigen Ausbildung ge- langt und kommt fernerhin gar nicht mehr zur Anlage. Durch die Ossifikation der proximalen Enden des 2.—5. Metacarpale von der Diaphyse aus wird dem Knochen schon frühzeitig eine grössere Festigkeit zuteil, durch welche sie dem Gegendruck des Daumens besseren Widerstand zu leisten vermögen, als wenn sie auch proximale Epiphysen besässen.“ (Gegenbaur). Die Phalangen zeigen ebenfalls perichondrale Ossifikation. Diese beginnt aber etwas später als bei den Metacarpalen, und zwar zuerst in der Grundphalange, dann in der Endphalange (nach Bade zuerst in dieser) und erst kurz vor der Geburt die !) v. Ranke. Die ÖOssifikation der Hand unter Röntgenbeleuchtung München. Med. Wochenschrift, 1898. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 10 146 Alfred Bidder: Mittelphalange. Die in den ersten Lebensjahren entstehenden Epiphysenkerne beginnen erst nach der Pubertät sich mit dem Knochengewebe der Diaphysen zu verbinden: v. Ranke fand die völlige Verschmelzung bei sämtlichen Phalangen bereits im 18. Lebensjahre. Ueber die Ossifikation des Hüftbeins möchte ich wiederum Gegenbaur (8.263) reden lassen: „Darmbein und Sitzbein besitzen eine ursprünglich kontinuierliche Knorpelan- lage, mit welcher der selbständig angelegte Schambeinknorpel sich jedoch frühzeitig verbindet (E. Rosenberg). Dann erscheint das Hüftbein einheitlich durch Knorpel repräsentiert. Wegen des ursprünglichen Ausschlusses des Schambeins vom primären Beckengürtel entspricht bei Vergleichung mit dem primären Schultergürtel das Ilium der Scapula, das Sitzbein dem Coracoid. — Die Verknöcherung beginnt perichondral am Ilium und später an den beiden anderen Abschnitten, an den der: Pfanne näher gelegenen Teilen. Bei der Geburt ist ein grosser Teil der Peripherie des Darmbeins, dann der Pfannenrand, sowie die ganze untere Begrenzung des Foramen obturatum, vom Tuberculum pubicum bis zum Tuber ischii knorpelig. Am Boden der Pfanne rückt die Ossifikation allmählich von den drei Teilen aus vor, sodass diese in einer dreiteiligen Figur aneinander grenzen. Im 8.—9. Jahre sind Scham- und Sitzbein distal verschmolzen. Erst mit der Pubertät tritt die Verbindung der drei Knochen an der Pfanne ein. In den knorpelig gebliebenen Teilen treten Knochenkerne auf. So im Tuber ischii, im Symphysenende des Schambeins, in der Crista des Darmbeins, in der Spina iliaca ant. auf. Die Verschmelzung dieser Kerne mit dem Hauptstück er- folgt erst gegen das 24. Jahr.“ Das Femur verknöchert von der siebten Woche an; kurz vor der Geburt bildet sich bekanntlich in der distalen Epiphyse ein Knochenkern, bald nach der Geburt ein solcher im Caput femoris. Nebenkerne entstehen: im achten Jahr im Trochanter major, im 13. oder 14. im Trochanter minor; bis zum 24. Jahre sind alle Knochenteile miteinander verwachsen. Die Tibia erhält ihre diaphysären Knochenmäntel etwa gleichzeitig mit dem Femur, die Fibula etwas später, ihre Epiphysenkerne erscheinen im 1.—3. Jahre zuerst im proximalen dann im distalen Ende und zwar so, dass sie bei der Fibula Östeobiologie. 147 etwa um ein Jahr später auftreten als bei der Tibia. Gegen- baurs Ansicht ist insofern abweichend, als nach ihm der distale Knochenkern zuerst auftritt, der Kern der oberen Epiphyse aber erst vom 3.—6. Jahr. Wie bei der Tibia verschmilzt auch bei der Fibula die untere Epiphyse früher mit der Diaphyse als die obere, proximale. Es verdient bemerkt zu werden, dass trotz der offenbaren Unterordnung der funktionellen Bedeutung der Fibula im postembryonalen Leben, die Fibula bei der ersten Entwicklung — im sogenannten Vorknorpelstadium — nach den Untersuchungen Schomburgs!) so unzweifelhaft das Über- gewicht hat, dass man sie im Verein mit Calcaneus und Meta- carpale V. als Hauptstrahl im Sinne des Gegenbaurschen Archipterygiums bezeichnen darf. Die Patella beginnt im dritten oder vierten Jahre endo- chondral zu verknöchern. Über die Ossifikation der Fussknochen hat Schomburg in neuester Zeit sorgfältige Untersuchungen gemacht und mit Kollmann, Gegenbaur, Minot?) gefunden, dass der Cal- caneus etwa im sechsten Embryonalmonat zu ossifizieren beginnt, im Gegensatz zuLanger — Toldt, die erst den siebten Monat als Anfangstermin bezeichnen und zu B&eclard und Rambaud — Renault, die gar schon im fünften Monat den Beginn der Ossifikation gesehen haben wollen. Bei allen Fusswurzelknochen findet die Verknöcherung nach endochondralem Typus statt. Schwegel andrerseits vermisste den Kern oft nach ein halbes Jahr nach der Geburt. Im Tuber calcanei soll noch Langer — Toldt ein Kern im 8.—9. Jahre entstehen, der im 14.— 19. Jahr wit dem vorderen Hauptkern verschmilzt. Auch ein lateraler Kern soll noch gesehen worden sein; ein „anomales Beinchen“ (Schwegel). Der Talus verknöchert im siebten Monat: nur Beclard gibt für den Beginn schon die Mitte des sechsten Monates an. Das Navisulare verknöchert nach Schwegel im ersten, nach anderen Autoren erst im fünften Lebensjahre, und zwar ‘) H. Schomburg. Untersuchungen über die Entwicklung der Muskeln und Knochen des menschlichen Fusses etc. Diss. Göttingen, 1900. Preis- gekrönte Schrift. ?) Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen. Übersetzt von Kästner, Leipzig, 1894. 10* 148 Alfred Bidder: geschieht die Ossifikation von zwei Punkten aus, wie Rambaud — Renault gefunden haben und von K.v. Bardeleben be- stätigt worden ist.!) Das Cuboideum soll um die Zeit der Geburt zu ver- knöchern anfangen, das Cuneiforme I und II im dritten, das Cuneiforme Ill im vierten Jahre.?) Die Mittelfussknochen und Phalangen ossifizieren — perichondral — im dritten Monat. Das Metatarsale I erhält — wie die Phalangen — einen Epiphysenkern im proximalen Ende, während Metatarsale II—-V nur in den distalen Enden einen Kern zeigen. Bei den Phalangen tritt der perichondrale Knochen zuerst in den Grund- und End-, zuletzt in den Mittelphalangen auf. Den vorderen Abschluss des Achsenkeletts bildet der Schädel. Bei Menschen ist — im Gegensatz zu den niedersten Wirbel- tieren — nur die Basalregion und ein hinterer Teil knorpelig vorgebildet, das sogenannte Primordialeraniıum. Zu diesem ge- hören: Das Os oceipitale (mit Ausnahme des oberen Teiles der Schuppe, das Os interparietale), das Keilbein (ausgenommen die innere Lamella des Processus pterygoideus), das Siebbein und die Muscheln; endlich die Pyramide und der Proc. mastoideus des Schläfenbeins, die Gehörknöchelchen und das Zungenbein. Die Knochenkerne entstehen hier endochondral im 2.—3. Embryonal- monat. Das Ocecipitale verknöchert von vier Punkten aus; im 3.—4. Lebensjahre verschmelzen die Partes condyloideae knöchern mit der Pars basilaris. Nach Gegenbaur ist die „Verschmelzung der Teile in der Umgebung des Foramen magnum in der Regel im 6.—7. Jahre nach der Geburt beendet.“ Das Oceipitale superius dagegen ist schon bei der Geburt mit dem Interparietale „grösstenteils verschmolzen.“ Am Keilbein geht nach Hertwig „die Verschmelzung der zahlreichen Knochenkerne in der Reihen- folge vor sich, dass im sechsten fötalen Monat die kleinen Keil- beinflügel mit dem vorderen Körper verwachsen, kurz vor der Geburt dieser mit dem hinteren Körper verschmilzt und im !) Die neuesten Röntgenographischen Untersuchungen scheinen das nicht zu bestätigen. ?) Siehe auch Bade: Die Össifikation des menschlichen Fußskeletts nach Röntgogrammen. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. III, Heft 4. Osteobiologie. 149 ersten Lebensjahre sich noch die grossen Flügel hinzugesellen. Die innere Lamelle ist Belegknochen. Das Vomer entsteht zu beiden Seiten der knorpeligen Nasenscheidewand im dritten Monat als paarige Bildung.“ Der Unterkiefer bildet gleichsam eine Vermittlung zwischen knorpelig vorgebildeten und Belag-Knochen. Seine erste Anlage, der bekannte Meckelsche Knorpel, wird alsbald von Belagknochen, dem sogenannten Os dentale umschlossen, das perichondral ver- knöchert und auch das Kiefergelenk bildet. Aus dem obersten Teil des Meckelschen Knorpels entstehen dagegen bekanntermaßen Hammer und Amboss, zwischen denen bei niederen Wirbeltieren das sogenannte primäre Kiefergelenk liegt. Aus völlig häutiger Anlage gehen Schädeldach, Gesichtsskelett und Oberkiefer hervor, die im dritten Fötalmonat zu verknöchern anfangen: also Stirnbein, Scheitelbein, die Schuppe des Temporale, das Interparietale, Annulus tympanicus, Oberkiefer-, Gaumen-, Nasen-, Tränen- und Jochbein. — Diese Belag-Knochen sind mit den primordialen beim Erwachsenen meistenteils so voll- ständig miteinander verschmolzen, dass der verschiedenartige Ursprung ihres Gewebes nicht mehr wahrgenommen werden kann (Knochenkomplexe). Ob jemand die Zahl der Knochenkerne, aus denen das Kopf- skelett des Erwachsenen entstanden ist, berechnet hat, ist mir nicht bekannt. Für den Rumpf aber und für die Extremitäten hat Schwegel sich dieser Mühe unterzogen und gefunden, dass „die Summe der Knochenpunkte ungefähr 1500 ist, während die der Erwachsenen!) nur 180 beträgt; davon entfallen etwa 500 auf die Wirbel („des Erwachsenen“ fügt Schwegel merkwürdiger- weise hinzu), 30 auf das Sternum, 150 auf die Rippen, je 40 auf den Schulter- und Beckengürtel, 600 auf die Extremitäten.“ Aus den soeben kurz skizzierten Untersuchungen geht nun hervor, dass die Zeit des ersten Erscheinens von Knochengewebe für die meisten Skeletteile noch etwas unbestimmt ist. Auch die meisten diagnostischen Untersuchungen haben oft recht er- hebliche individuelle Verschiedenheiten in dieser Richtung gezeigt, und die merkwürdige Tatsache bestätigt, dass in einer und ') Schwegel will wohl sagen: die Summe der besprochenen Knochen Erwachsener. 150 Alfred Bidder: derselben Person in korrespondierenden Teilen die Entwicklung nicht immer gleichen Schritt hält. Auch die Untersuchungen von Wilms und Sick!) bestätigen das Unregelmässige in der Zeit des Auftretens der Knochenanlagen in den kurzen Knochen. Böclard hatte es freilich unternommen, eine genaue Ordnung oder Reihenfolge in der Verknöcherung der Gliedmaßen aufzu- stellen, doch kann diese wohl nur insoweit als völlig zutreffend anerkannt werden, als auch er die Ulavicula als ersten und das Os pisiforme als letzten ossifizierenden Skeletteil ansieht und als auch heute das Vorhandensein eines Knochenkerns in der distalen Epiphyse des Femur mit Recht als Zeichen für die Reife eines neugeborenen Kindes dient. Im übrigen darf man aber wohl nur im allgemeinen als Gesetz aufstellen, dass die Diaphysen zuerst zu ossifizieren be- ginnen und zwar stets perichondral, die Epiphysen erheblich später und zwar endochondral, weiterhin ebenfalls endochondral die kurzen Knochen und zuletzt die Apophysen, die „Ansätze der Gliedmaßenknochen.“ In bezug auf die knöcherne Ver- schmelzung der Haupt- und Nebenkerne wird aber nicht dieselbe Ordnung eingehalten. Diesen Schwierigkeiten — wenn es sich auch nur um einen Teil der mit der Knochenbildung zusammen- hängenden Fragen handelt — gibt Schwegel Ausdruck, wenn er sagt: „In den ersten Jahren nach der Geburt kann mit Gewissheit bis auf ein Jahr, in späteren bis auf 2, 3, 4, 5 Jahre das Alter bestimmt werden.“ Als Tatsache endlich, die von den meisten Anatomen alter und neuer Zeit anerkannt wird, soll noch hervorgehoben werden, dass die knorpelig vorgebildeten Knochen noch im Knorpelstadium, also schon im 2.-—-3. Embryonalmonat, im wesentlichen schon die Form erkennen lassen, die sie während der Verknöcherung und im erwachsenen Alter haben. Allerdings sind die Formen auch vielfach etwas roher und modifiziert und erscheinen erst später — ich möchte sagen — künstlerischer modelliert. Sehr hübsch sieht man das z. B. auf den schönen Kupfertafeln, auf denen Nesbitt eine Reihe von Knochen in verschiedenen Altersstufen darstellt. (Wenn aber manche Forscher z.B. Henke und Reyher ı) Wilms und Sick: die Entwickelung der Knochen der Extremitäten von der Geburt bis zum vollendeten Wachstum. Archiv und Atlas etc. von Albers-Schönberg, Bd. 9. Osteobiologie. 151 annehmen, dass die Gelenkenden erst durch ihre Funktion sich ausbilden, so braucht man nur den Talus eines viermonatlichen Embryo anzusehen, um sofort die zierliche Miniaturausgabe des Erwachsenen zu erkennen.) Am wenigsten ausgearbeitet erscheinen der Unterkiefer und die einzelnen Teile des Primordialeranium; das Charakteristische ist aber auch bei ihnen schon wahrnehmbar. Diese in der Tat wunderbare Tatsache des Gleichbleibens der Form trotz ge- waltiger Vergrösserung und trotz der Kraftentfaltung mehrerer Ossifikationszentren eines Knochens im Verlaufe des Wachstums — diese Tatsache ist es nun, die zu immer erneuten Untersuchungen angeregt hat. Wie weit es diesen gelungen ist, die Gesetze der Knochenbildung und Formerhaltung zu ergründen, das in den Hauptsachen wenigstens zu schildern, soll in den nächsten Ab- schnitten versucht werden. B. Die feineren Vorgänge bei der Osteogenese. 1. Intermembranöse, perichondrale und endochon- drale Ossifikation. Wenn auch die sehr zahlreichen und sorgfältigen histo- logischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte zu fast völlig über- einstimmender Auffassung der intermembranösen, der perichon- dralen und endochondralen Osteogenese geführt haben, so bedürfen einige Einzelheiten doch noch ergänzender Untersuchungen, nament- lich die Art der Knochenentwicklung in den sogenannten kurzen Knochen und in den Apo- und Epiphysen der Röhrenknochen. Es sei mir aber gestattet, bevor ich auf diese näher eingehe, eine einleitende sehr verkürzte Darstellung der in den Lehr- büchern ausführlich geschilderten Knochenentwicklung in den bindegewebig vorgebildeten und in den Diaphysen der knorpelig vorgebildeten langen oder Röhren- Knochen wiederzugeben. Was die erstere betrifft, so beginnt die Ossifikation — beispiels- weise in der häutigen Anlage des Os parietale — im dritten Fötalmonat in der Weise, dass in der mittleren Gegend zwischen der äusseren und inneren Membran dickere, sklerosierende netz- förmig angeordnete Bindegewebsbündel entstehen, in deren Lücken sich Gruppen von grösseren granulierten Zellen ansammeln. 152 Alfred Bidder: Diese — die knochenbildenden Osteoblasten — legen sich an das genannte Fasergerüst an und differenzieren sich dann zu Knochen- körperchen nebst Interzellularsubstanz. Während hier nun immer weitere Knochenschichten angesetzt werden, entstehen an der Peripherie neue auffällig in radiärer Richtung ausstrahlende sklerosierende Fasern, die dem fortschreitenden Ansatz jungen Knochengewebes zur Stütze dienen. Ein hübsches Bild dieser Anordnung erhält man bekanntlich nach Behandlung der Knochen mit Kalilauge, die die umgebenden Weichteile durchsichtig macht. Die in der Fläche sich ausbreitenden Knochenbalken sind durch zahlreiche kurze Querbalken miteinander verbunden. Mehr und mehr bilden sich die kleinen Markräume der Diploe und die kompakteren Knochenschichten der Tabula externa und vitrea aus. Sind dann im Laufe des postembryonalen Lebens die Ränder der benachbarten Knochen bis zur Gestaltung der Nähte nahe- gerückt, so geht in dem Bindegewebslager der letzteren die Knochenbildung in gleicher Weise durch Apposition fort bis zum vollendeten Wachstum. Die intramembranöse Ossifikation verläuft also ohne Mit- wirkung von Knorpelgewebe. Sie ist der perichondralen oder periostalen Ossifikation im Wohin ganz gleich. Diese beginnt an den langen Knorpeln des Extremitäten- Skelettes ebenfalls im dritten Fötalmonate. Von der inneren zellenreichen Schicht des reichlich vaskularisierten Perichondriums scheidet sich in der mittleren Region der Diaphysen eine dünne sklerosierende Lamelle ab. An diese legen sich sogleich die auch hier schon entstandenen Osteoblasten an und erzeugen eine dünne Knochenlage, die wie ein breiter Ring oder Mantel die Mitte der Diaphyse eng umschliesst — die primäre Periost- lamelle Lovens. An diese erste Knochenentwicklung in dem hier zum Periost gewordenen Perichondrium schliesst sich un- mittelbar die Ossifikation in der umschlossenen Knorpelregion, die durch starke Vergrösserung der Knorpelzellenkapseln und Niederschläge von Kalksalzen in der Knorpelgrundsubstanz dazu bereits vorbereitet erscheint. Seitlich vom Periost aus ein- dringende, von Bindegewebe und Osteoblasten begleitete Blutge- fässe dringen in die Knorpelzellen, deren Protoplasma und Kerne zerfallen sind, die Osteoblasten lagern sich an die in grubiger Form zurückgebliebene Grundsubstanz und bilden hier die be- Östeobiologie. 153 kannten übereinandergeschichten Halbmonde des jungen endo- chondralen Knochengewebes. Zur perichondralen hat sich solcher Art die endochondrale Ossifikation hinzugesellt. Die erste Anlage der späteren Mark- höhle und Arteria nutritia ist entstanden. Perichondrale und endochondrale Ossifikation schreiten nun in proximaler und distaler Richtung vorwärts und zwar in der Weise, dass die erstere der letzteren eine kurze Strecke voraus- eilt. Perichondrale Össifikation ist daher auch dann noch zu beob- achten, wenn der grösste Teil der Diaphysen bereits völlig ver- knöchert und von Periost umhüllt ist. Die Dickenzunahme erfolgt hier mit ununterbrochener Neu- bildung periostaler Blutgefässe, welche teils in der Längsrichtung teils quer verlaufen und von Bindegewebszügen und elastischen Fasern begleitet sind, die ebenso wie die stärkeren, in schräger Richtung vom Periost in den Knochen dringenden — die bekannten Sharpe yschen durchbohrenden — Fasern, den lebhaft wuchern- den Osteoblasten als Stütze dienen. So entstehen mehr oder weniger gerade, lange, dicke, dicht aneinander liegende und kürzere schräg- oder quergestellte Knochenbalken, welche Räume umschliessen, die miteinander, mit der grossen Markhöhle und dem Periost in Verbindung stehen. Diese nach Havers benannten Markräume der Knochenrinde verkleinern sich zu den blutge- fässführenden Haversischen Kanälen durch fortschreitende Ab- lagerung von Knochengewebe. Dieses gewinnt bei weiterem Wachstum allmählig eine regelmässigere Anordnung und zeigt schliesslich die zierliche Architektur der Haversischen, der um- fassenden und Schalt-Lamellen (Rollet)?). Unterdessen ist die endochondrale Ossifikation der Diaphyse fast ebenso schnell weitergegangen. An der proximalen und distalen Seite der zentralen primären kleinen Markhöhle haben sich weitere, meist dicht aneinanderliegende hypertrophische Knorpelzellen gebildet, an die sich mehr weniger säulenförmig gruppierte, nach den Knochenenden zu immer flacher werdende Knorpelzellen anschliessen. Diese zeigen breitere oder schmälere Streifen von Knorpelgrundsubstanz zwischen sich. An diese !) Von den Bindesubstanzen; in Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben, 1868. I. Lieferung. 154 Alfred Bidder: platten, mit ihrer Längsachse ziemlich senkrecht zur Längsachse des ganzen Knochens gerichteten Zellen schliessen sich kleinere voneinander getrennte Haufen kleiner Knorpelzellen, die sich dann in das dichte Zellenlager der knorpeligen Endstücke verlieren. Diese proliferierenden, nach der Markhöhle zu in so eigentüm- licher Weise sich ordnenden Knorpelzellen liefern nun ununter- brochen bis zu vollendetem Längenwachstum die erstgenannte Schieht hypertrophischer Zellen; diese und ihre Zwischenwände zerfallen immer wieder, während in die dadurch freigewordenen Knorpelkapseln (oder Knorpelhöhlen, wie sie auch genannt werden) ununterbrochen neue Blutgefässe, Markzellen und Osteoblasten hin- einwachsen. Die Reste der Knorpelgrundsubstanz ragen dabei etwa wie Finger oder mit seitlichen Zacken versehene Äste vor; in die zwischen den Zacken befindlichen Gruben aber — der Wandreste der runden Knorpelkapseln — lagert sich immer weiter zur Epiphyse hin schichtweise — wie schon vorhin be- tont — das junge Knochengewebe ab. So entstehen die früher als Knochenkanäle, jetzt meist als Granulationsräume oder granu- lierende Schicht bezeichneten Anlagen, aus denen das spongiöse Gewebe der Diaphysenenden hervorgeht. Es ist die Region, für die jetzt bei erwachsenen Knochen die durch ihre Kürze sich empfehlende Bezeichnung „Metaphyse“ gebraucht wird. Aus dem vorhergehenden ergibt sich also für die typische normale Osteogenese zunächst, dass die aus den embryonalen Bildungszellen differenzierten Osteoblasten die unmittelbaren Bildner des Knochengewebes sind, und ferner, dass wie die Binde- gewebsfaser des intramembranösen und perichondralen Gewebes in gleicher Weise bei der endochondralen Ossifikation, die Knorpel- grundsubstanz nach Untergang der Knorpelzellen nur passiv als Stützgewebe beteiligt ist. Die eben geschilderten Vorgänge werden bekanntlich nach Strelzoff unter der Bezeichnung „neoplastische Ossifikation“ zusammengefasst. Bei der ‚‚metaplastischen Ossifikation“ dagegen soll, wie von einigen Forschern noch jetzt behauptet wird, bereits völlig fertiges Knorpel- oder Bindegewebe etc. sich direkt in Knochengewebe umwandeln ohne Vermittlung der Osteoblasten. — Die Berechtigung dieser Ansicht soll später geprüft werden. Hier sei endlich nur noch auf einen jetzt mit voller Sicherheit erkannten Vorgang hingewiesen, der für das Zustandekommen Otseobiologie. 155 des grossen zentralen Markraums der „Markhöhle‘‘, der kleineren Markräume und der geordneten Verteilung der Knochenbalken notwendig ist, nämlich auf die mit dem Namen J. Hunters für alle Zeit verknüpfte Lehre von der Resorption bereits fertigen Knochengewebes. Je sicherer und einfacher heutigen Tages das Rätsel der physiologischen Osteogenese der besprochenen Knochenteile gelöst erscheint, um so reizvoller ist es für den sich dafür Interessierenden, die Jahrhunderte hindurch andauernden Schwankungen und Irr- tümer zu verfolgen, denen die Beantwortung dieser Fragen aus- gesetzt war. 3. Geschichtliches. Geschichtliche Untersuchungen indessen, wie sie sich unter vielen anderen, besonders in den Arbeiten von Blourensd), DAN Köllikerd)i, AN Miüller®)," ON1er‘), L. Stieda®), F.Busch®), niedergelegt finden, sollen hier nicht wiederholt werden. Nur die Erinnerung an einige Momente und Wendepunkte sei mir erlaubt, so vor allem daran, dass eigentlich erst im Anfange des 18. Jahrhunderts mit wissen- schaftlichen induktiven Methoden zur Erforschung der Knochen- bildung begonnen wurde. Schon damals gewannen geniale Ärzte trotz mangelhafter Hilfs- und Beweismittel gleichsam vorahnend eine in wesentlichen Dingen auch heute zutreffende Erkenntnis des Beobachteten, während andererseits nachfolgende Forscher an alten Meinungen und Spekulationen festhaltend, wiederum auf Irrwege gerieten, indem sie das Gesehene falsch deuteten, trotz der Hilfe sehr verbesserter Untersuchungsmittel. Leicht zu verstehen ist diese bedauerliche Tatsache aber, wenn man die vielen Hindernisse bedenkt, die sogar heute noch die Unter- suchung junger wie alter Knochen erschweren. Ihr hartes Gefüge macht die Untersuchung in frischem Zustande leider fast un- möglich, wenn es sich nicht bloss um die Untersuchung einzelner Teile des weichen Markes, des Periostes und des angrenzenden ı) Flourens. Theorie experimentale de la formation des os. Paris 1847. >) Kölliker. Gewebelehre, I. Auflage, 1850. 3), H. Müller. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. IX, 1858. +, Qllier. Traite experimentale etc. Paris, 1867. 5) L.Stieda. Die Bildung des Knochengewebes, Leipzig, 1873. 6, F.Busch. Langenbecks Archiv, Bd. XXI. D) 156 Alfred Bidder: Knorpels handelt, sondern vielmehr um die Herstellung mikro- skopischer Übersichtspräparate, die aber zur Beurteilung der Beziehungen des Knochengewebes zu den benachbarten Weich- teilen unumgänglich notwendig erscheinen. Die früher so beliebte mechanische Vorbereitung in Form geschliffener trockener Knochenplättchen war ganz ungenügend und führte zu manchem Irrtum, z. B. zur Annahme, dass die Knochenkörperchen und -kanälchen kalkführende Organe seien. Einen grossen Fortschritt bedeutete daher die Errungenschaft, die frischen Gewebe zu „fixieren und die Knochen durch Entkalkung und besondere Erhärtungsmethoden schnittfähig zu machen, ferner durch Zusatz einer Reihe von Chemikalien und Farbstoffen die Zellen und ganze Zellgruppen einzeln oder in ihren gegenseitigen Be- ziehungen hervortreten zu lassen und endlich durch weitere Ver- vollkommnung der Technik mikroskopische Schnitte von beliebiger Dicke ohne Ausfall herzustellen und zu konservieren. Indessen verbinden sich diese Fortschritte mit einem auch heute noch wohl zu berücksichtigenden Nachteil. Er besteht bekanntlich darin, dass durch die Einwirkung der mannigfaltigen chemischen Agentien und mechanisch -physikalischen Prozeduren die zarten Zellengewebe leicht verändert, also Kunstprodukte!) werden können, die von dem natürlichen Aussehen und der Form frischer Zellen mehr oder weniger abweichen. Zu dieser Ursache von Miss- verständnissen kommt endlich noch eine weitere hinzu, nämlich die Geneigtheit des Forschers, nebeneinanderliegende oder auf- einanderfolgende Dinge alsin einem Causalitätsverhältniss befindlich zu betrachten, wodurch man dann leicht zu Deutungen und Schlüssen gelangt, die unterlassen worden wären, wenn man lebendes Knochengewebe in seiner Entwicklung unter dem Mikroskop verfolgen könnte. Wenn man sich alle diese Erschwernisse der Untersuchung, wozu noch die früher oft ungleichmäßige und daher zu Miss- verständnissen führende Benennung des Gesehenen und manches andere kommt, vor Augen hält, so muss man um so mehr die !) Vergleiche A. Fischer, Fixierung, Färbung und Bau des Proto- plasmas, Jena, 1899, und Über Protoplasmastruktur. Archiv für Entwicklungs- mechanik, Bd. 13. W. Berg: Weitere Beiträge zur Theorie der histologischen Fixation. Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. 65, 1904. Osteobiologie. 157 Klarheit bewundern, mit der Nesbitt als Erster schon vor bald 200 Jahren erkannte, dass das Knochengewebe einerseits „zwischen Häuten‘‘ ohne Mitwirkung von Knorpel, andererseits aber in präformierten, der Zerstörung anheimfallenden Knorpeln ent- stehe „welche Knorpel nachgehends den Verbeinerungen zum Bette dienen, um sich darinnen sicher an- und einzulegen.“ Im Bindegewebe wie im Knorpel bilde sich das junge Knochengewebe in ganz gleicher Weise und zwar durch Tätigkeit eines aus den Blutgefässen stammenden „verbeinernden Saftes“. Die Annahme eines verbeinernden Saftes war allerdings eine Hypothese, die sich späterhin als nicht ganz richtig erwies. Sie spielte noch eine Rolle, auch nachdem bald nach Nesbitt Duhamel durch seine denkwürdigen physiologischen Experimente — durch Krappfütterung und seinen Ringversuch — bewiesen hatte, dass der Knochen durch ständige Auflagerung neuen Gewebes von Periost aus (‚dans le perioste‘“) dicker werde. Bei dem da- maligen niedrigen Stande der Mikroskopie erscheint es daher durchaus nicht so erstaunlich — wie es manchmal dargestellt wird — dass noch A. v. Haller an der Annahme eines succus ossificans oder suc g6latineux festhielt, und dass spätere Forscher es ebenso machten, wenn sie ihm auch andere Benennungen bei- legten, wie z. B. „‚liquide organisable“* (B&eelard). Wurden doch sogar bis in die neuere Zeit noch recht unbestimmte Ausdrücke gebraucht; es sei nur an die dünnen und diekflüssigen oder zellenreichen Exsudate, an Bezeichnungen wie „‚ossifizierendes Blastem“ (Köllicker 1850) und an die „osteogene Substanz‘ H. Müllers erinnert. Am zutreffendsten drückt sich Virchow!) bereits 1853 aus, wenn er sagt, „die schleimige, aus indifferenten Zellen be- stehende innere Periost- resp. Perichondriumschicht liefere nach der einen Seite Periost, nach der anderen Knochen.“ Schnellere Fortschritte in der Kenntnis der Osteogenese hätte man erwarten dürfen, nachdem am Ende des 18. Jahr- hunderts J. Hunter nicht allein Duhamels Resultate bestätigt, sondern auch durch Experimente bewiesen hatte, dass auch das Längenwachstum der Knochen durch Apposition an den Enden erfolgt und nicht durch Extension, wie die Franzosen es früher !) Archiv, Bd. 5. 158 Alfred Bidder: nannten oder durch Expansion (durch Aufblähung), wie man es später bezeichnete. Aber sie blieben aus und scheinen auch nicht in dem zu erhoffenden Maße gefördert durch die Entwicklung der Embryologie am Anfange des 19. Jahrhunderts und die Ent- deckung der „Zelle“ und des zelligen Aufbaues der Organismen durch Schwann. Trotz der Vervollkommnung der Mikroskope und Methoden machten sich die vorhin erwähnten Schwierigkeiten der richtigen Deutung zunächst noch in unerfreulicher Weise geltend. B&clard!), der schon erkannt hatte, dass die Kalknetze im Knochen nicht einfach niedergeschlagen, sondern chemisch assimiliert werden, meinte noch, das Dickenwachstum geschehe immer durch Bildung und Verknöcherung einer dünnen Knorpelschicht zwischen Periost und Knochen. Ebenso behauptete später Miescher, (100 Jahre nach der richtigen Auffassung Nesbitts) bei der intramembranösen Verknöcherung bilde sich an den Rändern im Bindegewebe immer Knorpelgewebe, das erst dann in Knochen umgewandelt werde. Kurze Zeit darnach untersuchte der Vater des Autors, F. Bidder?), die Vorgänge bei der endochondralen (intracartilaginösen) Ossifikation neugeborener Säugetiere an der Grenze des „Bildungsknorpels“ oder wie wir jetzt sagen: des Fugen- oder Intermediärknorpels. Er scheint zuerst gefunden zu haben, dass durch Resorption der Wände der hypertrophischen, säulenförmig an der Ossifikations- grenze angeordneten Knorpelkapseln (‚‚Knorpelhöhlen“, ‚„Knorpel- zellen‘‘) längere Räume geschaffen werden für die sodann ein- dringenden Blutgefässe und Markzellen — ‚„Knochenkanäle‘“, Markkanäle oder primäre Markräume, wie sie später genannt wurden. — An den Wänden dieser fand er, wie schon Henle, geschichtete Ablagerungen und grössere granulierte Zellen, ist aber über die Bedeutung dieser Vorgänge, in denen er neben fortschrittlichen Entwicklungen auch „Geschehnisse“ findet, die „schwerlich anders denn als Rückbildungen angesehen werden können.‘ zu keinem sicheren Urteil gelangt. Er ist geneigt, eine Umbildung von Knorpelzellen in Knochenkörperchen an- zunehmen; spricht aber mit Bestimmtheit als Erster — wie aus ') Über die Osteose oder die Bildung, das Wachstum und die Alters- abnahme der Knochen des Menschen. Nouveau Journ. de Medec. Tom, V und VIII. Meckels Archiv, Bd. 6, 1820. ?) Zur Histogenese der Knochen, J. Müllers Archiv, 1843. Osteobiologie. 159 der zustimmenden Anmerkung J. Müllers zu entnehmen ist — aus, dass die Kalkerde nur in die „Fundamentalsubstanz‘‘ des Knorpels abgesetzt werde und dass die Knochenkörperchen nicht als kalkführende Organe bezeichnet werden dürften. — Sehr wesentlich gefördert wurde sodann die Erkenntnis der Össifikation durch die wichtigen Arbeiten von Sharpey und Hassall'). Der erstere fand die grösseren granulierten Zellen bei der intra- membranösen Ossifikation an die sklerosierenden Bindegewebs- fasern und jungen Kochenbalken epithelartig anliegend und sieht sie als Knochenbildner an, während Hassall den gleichen, in den primären Markräumen der Ossifikationsgrenze auftretenden Zellen ebenfalls knochenbildende Funktion zuzuschreiben geneigt ist. Die diese Verhältnisse darstellenden Abbildungen bei Hassall (Tafel XXX) sind übrigens noch heute lehrreich und im wesent- lichen den in den neusten Lehrbüchern befindlichen ähnlich‘ Ziemlich — und wenn man die damalige Zeit berücksichtigt, darf man wohl auch sagen: überraschend zutreffend — sind auch die Hassallschen Zeichnungen der endochondralen Ossifikations- organe. Man sieht hier schon das ebenfalls von F. Bidder bereits beschriebene Streifigwerden der Knorpelgrundsubstanz an einigen Stellen zwischen den auseinandergerückten Säulen der hypertrophischen Knorpelzellen. Aber irrtümlich hat Hassall in diesen Streifen Knochenkörperchen zu erkennen geglaubt und sie infolgedessen „Knochenstrahlen‘ genannt. Es sind dieselben Bildungen, die später von v. Brunn?) als elastische Stützfasern und von Langer als Verkalkungsbalken bezeichnet wurden. Auf ihre Bedeutung wird erst weiterhin zurückzukommen sein. Diese sowie einige andere Arbeiten (z.B. Baur, Brach’) gewannen indessen zu ihrer Zeit nicht die gebührende An- erkennung, da sie alsbald durch die allbekannte umfassende Darstellung der Osteogenese durch H. Müller‘) überragt wurden. Aber so ausgezeichnet diese Untersuchungen, denen Virchow, Kölliker und andere Forscher beistimmten, auch !, Mikroskopische Anatomie des menschlichen Körpers etc., übersetzt von O.Kohlschütter, Leipzig, 1852. ?) Archiv von Reichert und Dubois, 1874. 3) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. VI. #) Über die Entwicklung der Knochensubstanz etc. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. IX, 1858. 160 Alfred Bidder: waren, die wichtige Frage nach der Herkunft der knochen- bildenden Zellen, des „ossifizierenden Blastems“ konnte von H. Müller nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Er lässt sie zum Teil mit dem jungen Knochenmark in die eröffneten Knorpelkapseln — die primären Markräume — gelangen, zum Teil aber auch aus den Knorpelzellen entstehen und endlich meint er, dass ausnahmsweise Knorpelzellen auch direkt in Knochenzellen übergehen könnten, während er im Gegensatz dazu eine solche metaplastische Ossifikation des fibrillären Binde- gewebes für ganz unwahrscheinlich hält. Auch Gegenbaur'), der den Knorpelbildungszellen den Namen „Östeoblasten“ gab, drückt sich in seiner ersten Publikation in dieser Hinsicht noch unsicher aus, während Rollet (a. o. OÖ.) in seiner vortrefflichen Schilderung der Osteogenese im wesentlichen schon auf dem heute noch geltenden Standpunkt steht. Dieser wurde dazu weiter befestigt durch die Arbeiten Lovens?) und sichergestellt durch sorfältige Untersuchungen von L. Stieda?). Er erklärt mit Bestimmtheit, dass „das echte Knochengewebe sich ohne Beteiligung des Knorpelgewebes bilde.“ ‚Das Knochen- gewebe ist weder unmittelbar verknöchertes Knorpelgewebe noch als ein vom Knorpel genetisch herzuleitendes Gewebe aufzufassen. Das Knochengewebe ist ein zur Kategorie der Stützsubstanzen (Bindesubstanzen) gehöriges Gewebe sui generis. Wo einzelne Knochen knorpelig vorgebildet sind, da hat der Knorpel nur eine stellvertretende provisorische Bedeutung: das Knorpelgewebe atrophiert und an seine Stelle tritt das neugebildete, mit dem Knorpel in keiner genetischen Beziehung stehende Knochen- gewebe.* Auch Loven erkannte dem Knorpel nur eine „form- bestimmende‘ Rolle zu. Sehr entschieden betont ferner Wolff (Moskau) *) die Ansicht, „dass eine direkte Umwandlung von Knorpel- oder Bindegewebe in Knochengewebe nicht nachzuweisen !) Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft, I. Bd., 1864. ?) Medieinsk Archiv ut gifvet af Lärarna vid Carolinska Institutet, I. Bd., 3. Heft, Stockholm, 1863. Die Inhaltsangabe findet sich in dem hier zitierten Artikel Stiedas. ®) l.c. und Archiv für mikroskopische Anatomie, XI, 1875. *) Petersb. med. Zeitschr., 14. Bd., 1868 und Inaug.- Dissertation Dorpat, 1875. Osteobiologie. 161 sei,‘ und Steudener!) und später Leser?) fanden ebenfalls, dass eine metaplastische Ossifikation nicht vorkomme, dass viel- mehr bei der endochondralen Ossifikation die Knorpellzellen stets zugrunde gehen. Leser namentlich hebt hervor, dass in den hypertrophischen Knorpelzellen der Verknöcherungsgrenze das Protoplasma stets zerfliesse, „hydropisch“ aussehe; dass „die Kerne ihre Gerüstsubstanz verlieren, blasenähnlich erscheinen,“ und dass „viele oft sehr geräumige Knorpelhöhlen ganz leer sind.“ Das letztere hatte, beiläufig bemerkt, schon H. Müller gesehen. Nach Minot (a.a. 0.) endlich ist es über jeden Zweifel erhaben, dass die Knorpelzellen zerfallen, untergehen. 3. Das ausschliessliche Vorkommen neoplastischer Ossi- fikation. Die zuletzt angeführten Beobachtungen kann ich nach meinen neuesten ausgedehnten Untersuchungen vollkommen bestätigen, und glaube daher ebenfalls die Annahme einer meta- plastischen Ossifikation im gesunden Organismus als irrig und auf Beobachtungsfehlern beruhend, erklären zu müsssen. Auf meine ‘in dieser Hinsicht, wie ich glaube, beweisenden Unter- suchungsbefunde, namentlich an der Crista tibiae, möchte ich erst im weiteren Verlaufe dieser Arbeit zurückkommen. Hier sei, — von älteren Verteidigern einer direkten Umwandlung von Knorpel- und Bindegewebszellen in Knochenzellen abgesehen — bemerkt, dass bereits Stieda°) den Irrtum Strellzoffs,*) der für die Spina scapulae und den Unterkiefer das Vorkommen metaplastischer Ossifikation behauptet hatte, unzweideutig nach- gewiesen hat. Merkwürdigerweise tritt dann noch v. Braun’) für eine metaplastische Ossifikation resp. die Umwandlung von Knorpelzellen in Osteoblasten in der Ossifikationszone der Fugen- knorpel ein, obgleich er das Aufblähen der Knorpelkerne und das Zerfliessen des Protoplasmas nicht allein schildert, sondern !) Beiträge zur Lehre von der embryonalen Knochenentwicklung und dem Knochenwachstum. Abhandl. der naturforsch. Gesellschaft in Halle, 1877. 2) Über die histolog. Vorgänge an der Ossifikationsgrenze. Vrhdl. der deutsch. Gesellschaft für Chirurgie, 1888. 3) Archiv für mikroskop. Anatomie, Bd. XI, 1875. *) Über die Histogenese der Knochen. Untersuchungen aus dem pathol. Institut zu Zürich, I. Heft, 1873. 2 AO: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 11 162 Alfred Bidder: auch zeichnet. Weitere Verteidiger dieser unrichtigen Ansicht erstanden u.a. in Kassowitz,') bei dem die metaplastische Ossi- fikation noch eine grosse Rolle spielt und ferner in Lilienberg ,’) in dessen Abbildungen ich indessen nicht den geringsten Beweis für seine Meinung finden kann. Auch die Zeichnung von Stöhr?) der am Unterkiefer des neugeborenen Hundes das Vorkommen metaplastischer Ossifikation des Knorpels zeigen zu können glaubt, erscheint mir nicht beweiskräftig. Auf die Fehlerquellen bei der Deutung solcher „Übergangsformen“ soll bei der Osteogenese in der Epiphyse und Apophyse zurückgekommen werden. Merk- würdigerweise nahm selbst Gegenbaur (Lehrbuch der Anatomie des Menschen, 1888, S. S9 u. 111), wenn auch nur für einige wenige Stellen, z.B. den Unterkiefer, eine metaplastische Ossi- fikation an. Allein diese Meinung haben nicht nur sorgfältigere Untersuchungen und richtigere Deutung jetzt — ich möchte sagen — völlig widerlegt, sondern auch Schlüsse, zu denen Er- fahrungen über Entwicklung, Leben und Tätigkeit der Zellen im allgemeinen wohl mit Notwendigkeit, wie mir scheint, führen müssen. Wenn daher Gegenbaur meint, dass der allerdings „nicht allgemein verbreitete‘‘ Vorgang, dass nämlich nach ‚‚Selero- sierung der Interzellularsubstanz‘‘ des Gewebes die Knorpel- oder Bindegewebszellen sich inKnochenzellen umwandeln könnten‘‘, des- halb „von Bedeutung sei, weil aus ihm die nahe Verwandtschaft aller Hauptformen des Stützgewebes hervorleuchte‘“, so darf man mit viel grösserer Berechtigung dagegenhalten, das erstens die Prämisse unbewiesen ist und dass die auch ohne diese schon unbezweifelte Verwandtschaft der Bindesubstanzen eine meta- plastische Ossifikation durchaus nicht wahrscheinlicher macht. Alle Zellen des Körpers sind miteinander verwandt, alle haben einen gemeinsamen Ursprung. Schon Kölliker*) sagte, als er der Hisschen Lehre vom „Archiblast‘‘ und „Parablast‘‘ entgegentrat, „die zuerst differenzierten Gewebe besitzen den Charakter von Epithelien und stellen den Eetoblasten und Endoblasten dar.“ !) Die normale Ossifikation ete. Wien, 1881, Braumüller. ?), Beiträge zur Histologie und Histogenese des Knochengewebes. Memoiren der Petersburger Akademie. Serie 7, Bd. 33, 1856. ) Lehrbuch der Histologie ete. 1891, S. 102. *) A. Kölliker: Die embryonalen Keimblätter und die Gewebe. Zeit- schrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. 40, 1883. 5) Östeobiologie. 163 „Aus diesen zwei Zellagen entstehen alle anderen Gewebe,“ auch das mittlere Blatt, „das dann einen Hauptteil der Gewebs- bildung übernimmt.“ „Jedes Keimblatt hat, wenn man die ganze Tierreihe ins Auge fasst, bei gewissen Geschöpfen die Fähigkeit, mindestens drei und vielleicht alle Gewebe aus sich zu erzeugen und sind deswegen die Keimblätter keine biologischen Primitivorgane“. „,Die Elemente der fertigen Gewebe haben, wie es scheint, das Vermögen eingebüsst, andere Gewebe zu bilden‘ etc. Dieser Auseinandersetzung zustimmend, darf man daher wohl sagen: Allerdings sind Bindegewebs-, Knorpel- und Knochenzellen von einem gemeinsamen Ursprung, den embryonalen Bildungszellen, herzuleiten, aber sie haben sich eben in Art und Form zu verschiedenen wohl charakterisierten Typen ausgebildet, stellen also gleichsam Endprodukte einer Entwicklung dar, deren direkte Umwandlung in andere Endprodukte nicht bewiesen und auch ganz unwahrscheinlich ist. Ja, wenn eine fertige Knorpelzelle z. B. sich wieder zu einer Embryonalzelle zurück- bilden, also in den Urzustand zurückkehren könnte, dann wäre es wenigstens denkbar. dass auch bei erneuter progressiver Ent- wickelung vielleicht eine Knochen- oder Bindegewebszelle und nicht wieder eine Knorpelzelle als Produkt dieses Vorganges erscheinen könnte. Aber auch diese Art der Umbildung auf grossem Umwege dürfte wohl niemals beobachtet werden. Vor einer Reihe von Jahren war allerdings von pathologisch-anatomischer Seite aus der Versuch gemacht worden, bereits fertig ausgebildete Bindegewebsfasern wieder in den zelligen Mutterzustand zurück- kehren zu lassen. Diese ‚„Schlummerzellen“ sind aber verunglückt. Auch v. Ebner!) endlich findet es schon, wie ich sehe, „gänzlich ungerechtfertigt‘‘ eine direkte Umwandlung anzunehmen z. B. von Sehnengewebe in Knochengewebe. Jedes Gewebe ent- wickele sich aus Embryonalzellen zu einem typischen Dauer- gewebe. „Wenn wir nun denken sollten, dass ein solches Dauer- gewebe sich direkt in ein anderes Dauergewebe umwandle, das für gewöhnlich eine ganz andere eigentümliche Entwicklung durchmacht, so müssten es ganz besonders zwingende Gründe sein, die uns zu einer Annahme veranlassen könnten, die — mir ') V. v. Ebner: Überdenfeineren Bau der Knochensubstanz. Sitzungsber. d. k. Akad. in Wien; mathem.-naturwiss. Klasse, Bd. 72, III. Abt., Jahrg. 1875. 11% 164 Alfred Bidder: wenigstens — ebenso paradox erscheint, wie die Vorstellung, dass sich verwandte Tier- oder Pflanzenarten im ausgebildeten Zustande ineinander metamorphosieren könnten.“ S. 130. Nesbitt war also schon auf dem richtigen Wege, als er in seiner Art sagte: „Da aber nichts gewisseres ist, als dass die Natur niemals unnötige Verwirrung in keinem ihrer Werke macht, mit sich allzeit so übereinstimmig ist, dass sie jederzeit gleichförmig auf die allerleichteste und einfachste Art wirket, so kann man von ihr vernünftigerweise nicht annehmen, dass sie gleichartige Substanzen in einem und denselben Körper und zu eben derselben Zeit von verschiedenen Ursprüngen und auf ver- schiedene Arten hervorbringen solle.“ Als sicher begründetes ‚Gesetz‘ darf jetzt hingestellt werden, dass das Bindegewebe einerseits, der Knorpel anderer- seits bei der Osteogenese nur eine passive Rolle spielen, dass sie;nur als; Bett, als Gerüst, als; Substrat für dee Anlagerung des Knochengewebes dienen. Zum Schluss dieses Abschnittes noch eine Bemerkung: Ungerechtfertigt und nur zu Verwirrung führend scheint mir der in den letzten Jahrzehnten üblich gewordene Ausdruck „osteoides Gewebe“ zu sein. Man will damit sklerosierte Bindegewebsfasern oder etwas veränderte Knorpelgrundsubstanz bezeichnen, denen einige grössere Zellen anliegen. Ein. solches Gewebe ist aber nicht knochenähnlich, nicht osteoid. Es kann nur im gegebenen Falle zu Knochengewebe werden. Denn ein solches ist entweder vorhanden oder nicht, ein Mittelding gibt es nicht. Osteoid dürfte man meiner Meinung nach nur ein solches Gewebe nennen, dass zweifellos den Charakter des Knochens hat, dem aber die Kalksalze fehlen. Solch kalkloses Knochengewebe kommt pathologisch vor und wir machen es künst- lich zur Herstellung mikroskopischer Knochenschnitte. 4. Die histologischen Vorgänge bei der Umbildung der Osteoblasten im Knochengewebe. In welcher Weise aus den Osteoblasten die Knochenzellen und ihre Interzellularsubstanz entstehen, darüber gehen die Meinungen noch ein wenig auseinander. Die Osteoblasten werden mit Recht polymorph genannt; sie sind in der Tat — wieviel dabei auf Rechnung der Präparation kommt, sei dahingestellt — Osteobiologie. 165 vielgestaltig. Ihr Kern zwar ist in der Regel gleichmäßig rundlich oder oval, je nachdem er sich in die Blickebene des Mikroskops einstellt; das umgebende zarte Protoplasma ist aber verschiedenartig gelagert, sodass viele Zellen eine annähernd kubische Form, andere dagegen eine elliptische mit mehr oder weniger zugespitzten Enden ausgestattete oder eine ganz unregel- mäßige mit feinen Fortsätzen oder Ausläufern versehene Form annehmen; spindelförmige Osteoblasten findet man in den Knochen- balken meist fest, oft dachziegelartig anliegend. Bei Färbung mit Borax-Karmin erscheinen Protoplasma und Kern ziemlich gleichmässig körnig, granuliert; beide haben den Farbstoff stärker aufgenommen als die Lamellen des Knochengewebes. Die Be- handlung mit Hämatoxylin und van Giesonscher Flüssigkeit zeigt aber ein etwas anderes Verhalten; denn während hierbei die Zwischensubstanz des Knochengewebes die rote Farbe des Rubin lebhaft annimmt, bleibt das Protoplasma der Knochenbildungs- zelle entweder ungefärbt, oder erscheint zart und nur wenig körnig, oder es sieht gelblich aus, oft recht dunkel, namentlich an den spindelartigen, den Knochenbalken anliegenden Zellen. Der Kern erscheint dabei dunkler, grenzt sich deutlich vom Protoplasma ab und enthält zahlreiche kleinere oder grössere schwarze Körnchen (Chromatin ?). Ebenso dunkel sind die Kerne der Knochenzellen gefärbt. Während die Kerne der Blutgefässe ähnliche Färbungen zeigen, erscheinen die Kerne der kleinen Markzellen im Gegensatz dazu sehr dunkel schwärzlich. Gegenbaur glaubte nun anfangs, die Knochengrundsubstanz für eine Absonderung, ein Ausscheidungsprodukt der Osteoblasten halten zu müssen. Waldeyer') war anderer Ansicht. „Ein Teil derselben‘ (nämlich der Osteoblasten), sagte er, „geht mit dem Schwund des Kerns ganz die Umwandlung in leimgebendes mehr oder minder faseriges Gewebe ein, welches bei der normalen Verknöcherung fast gleichzeitig die Kalksalze aufnimmt; von einem anderen Teile tun das nur die peripheren Protoplasma- schichten; der Rest bleibt als kernhaltiges Knochenkörperchen in seiner Interzellularsubstanz, der Knochensubstanz, zurück, wie ein Bindegewebskörperchen in der Sehnensubstanz.‘‘ 1) Archiv für mikroskop. Anatomie, Bd. I, 1865. Über den Ossifikations- prozess. 166 Alfred Bidder: Wolff (Moskau!) dagegen sucht durch sehr sorgfältige Untersuchungen das Irrtümliche dieser Meinung nachzuweisen und findet, dass kein Osteoblast im ganzen zu Interzellular- substanz wird, sondern immer nur ein Teil seines Protoplasmas. Dieser Auffassung schloss sich später auch Gegenbaur an (Lehr- buch der Anatomie 1888), während Rollet seinerzeit sich im Sinne Waldeyers aussprach. Diesem muss ich mich ebenfalls anschliessen. Wenn man bei menschlichen Embryonen ver- schiedenen Alters, bei jungen Kindern oder auch bei Säugetieren sehr dünne Schnitte der Diaphysen untersucht, findet man neben dem gewöhnlichen epithelartigen Besatz der jungen Knochenbalken viel Osteoblasten verschiedener Form, auch nicht selten Stellen, wo der Durchschnittsrand eines Knochenbalkens mit stachel- oder kammartig vorstehenden schmalen spindelförmigen Osteo- blasten besetzt ist; bei vielen von diesen steckt das eine Ende dem Anscheine nach zum Teil im Knochengewebe. An anderen Stellen bilden breite Züge dieser Zellen gleichsam eine Brücke zwischen zwei einander gegenüberstehenden konisch abgeerenzten Knochenbalken. Die Figur 1 zeigt ein solches Bild von endochondralen resp. intermedullären Knochenbalken aus dem oberen Ende der Tibia-Diaphyse eines etwa neun Monate alten Fötus. Ich fasse das Bild so auf, dass das Messer einen bogenförmig gekrümmten Knochenbalken in der Höhe der Konkavität weggeschnitten hat, gerade an der Grenze zwischen Osteoblastenlager und Knochenoberfläche. Durch eine solche schräge Durchschneidung des Balkens sind die beiden sich gegenüberstehenden und verjüngenden Knochenteile entstanden, die durch das erhaltengebliebene Lager von Osteoblasten mit- einander brückenförmig verbunden sind. Sehr auffallend sind dabei die fast bandartig ausgedehnten Zellen, von denen nur einige eine schwache Andeutung eines Kerns zeigen. Einige wenige nicht in dieser Weise veränderte Zellen finden sich in der Nähe des Knochens. Ich wüsste nicht, wie man die lang- ausgezogenen Zellen richtiger deuten könnte, denn als in Um- bildung zu fibrillärer Interzellularsubstanz begriffen, während die anderen zum Finschluss als Knochenkörperchen bestimmt sind. Am oberen Knochenteil erkennt man noch eingeschlossene A MOND. Osteobiologie. 167 Knorpelgrundsubstanz — zum Beweise der endochondralen Ent- stehung des Balkens. In diesem Sinne glaube ich auch die Abbild- ungen Waldeyers(a.a.0.Fig.1) und Rollets deuten zu dürfen. Wahrscheinlich erscheint es auch, dass die Umbildung in aufeinanderfolgenden Schichten geschieht, zwischen denen schon im Entstehen Lücken und kleine Kanälchen ausgespart werden für die Aufnahme der zu Knochenzellen mit ihren Ausläufern bestimmten Osteoblasten. Wolff (Moskau) vertritt nun auch die — wohl zutreffende — Meinung, dass in diese Lücken, die sogenannten Höhlen der jungen Knochenzellen, die anfänglich weit, noch garnicht oder nur wenig gezackt erscheinen, nach- träglich noch vom Protoplasma der Zellen Interzellularsubstanz abgelagert wird. Diese Annahme dient ihm auch zur Erklärung der scheinbar grösseren Entfernung der einzelnen Knochen- körperchen voneinander in älterem Knochengewebe. — Von der schichtweisen Anbildnng der Interzellularsubstanz hat sich von Ebner ebenfalls überzeugt. Er findet aber dabei, dass die jungen Knochenfasern anfänglich — namentlich im endochondral- gebildeten Knochen an manchen Stellen sehr unregelmässig, zuweilen geradezu verfilzt erscheinen („Wurzelstock“ Gegen- baurs) und unterscheidet deshalb zwischen „geflechtartigen“ und parallelfaserigen Knochengewebe“, die erst nach ihrer Resorption dem eigentlich „lamellösen Knochengewebe“ Platz machen. Indem Ebner ferner zeigt, dass in allen Fällen die Knochenkörperchen zwischen Knochenfasern — die durch eine besondere, die assi- milierten Kalksalze enthaltende Kittsubstanz zusammengehalten werden — liegen, wird es wohl erklärlich, dass die im geflecht- artigen Gewebe noch sehr ungeordnet erscheinenden Knochen- körperchen erst mit der Ausbildung lamellösen Gewebes regel- mässiger gestellt sind und zwar so, dass ihre Längsachse der Richtung der Lamellen folgt. Die Körperchen sind dabei länger, schmaler und zackiger geworden. Über die bei der Osteogenese sich abspielenden biochemi- schen Prozesse sind wir leider noch im Unklaren. Wir wissen nicht, wie der Schwund des Chondrins und die — schon in den Langerschen Verkalkungsbalken nachweisbare — Bildung der collagenen Substanz der Knochen geschieht, in welcher Weise also der sogenannte Knochenknorpel entsteht. Ganz unbekannt sind uns noch die Vorgänge der Assimilation der Kalksalze 168 Alfred Bidder: bei der Umbildung der Osteoblasten in Knochengewebe; und auch die vielen farbenanalytischen Versuche der letzten Jahre scheinen mir noch kein Licht in dieses Dunkel geworfen zu haben. Auch in Zukunft dürfte die Frage nach dem zellulären und interzellulären Stoffwechsel — wie bei allen übrigen Zellen des Körpers so auch bei den verschiedenen Zellen des Knochen- und Markgewebes — auf die grössten Schwierigkeiten stossen, vielleicht für immer unbeantwortet bleiben. 5. Die Osteogenese in den Epiphysen. Beim Fötus wie beim neugeborenen Kinde sind die knorpeligen Endstücke der Röhrenknochen noch hoch und gross, und enthalten nicht nur das Gelenkende, sondern auch die zum Ansatz von Sehnen und Bändern bestimmten Vorsprünge, die Apophysen, die Vasal — vielleicht bezeichnender— Ecphysen nannte. Diese Endstücke fassen also eigentlich auch noch die Endteile der bis dahin in ihrer Länge nicht völlig verknöcherten Diaphyse in sich: wir sehen das z. B. sehr deutlich am oberen Ende des Humerus, des Femur und auch an den hinteren Rippen- enden, wo Uapitulum, Collum und Tubereulum noch ein Knorpel- stück bilden, das durch eine breite Ossifikation schon von der Diaphyse abgegrenzt ist. Die Knochenentwicklung in den Epi- und Apophysen ge- schieht erst mehr oder weniger lange nach der Geburt, wie im allgemeinen Teil gezeigt wurde. Eine Ausnahme bildete nur die untere Femurepiphyse, in der die Ossifikation bekanntlich schon im letzten Fötalmonate beginnt. Die Region des Knorpels, dienach Ausbildung des epiphysären Knochenkernes — diesen vom Össifikationslager der Diaphyse trennend — zum Intermediärknorpel wird, erscheint bei jüngeren Föten noch sehr breit resp. hoch. Auf Längsschnitten erkennt man ferner, dass schon beim jungen Fötus die Grenze zwischen dem in hückbildung begriffenen Knorpelzellenlager — der „seneszierenden Schicht“ Strelzoffs — und der Zone der jungen Markräume („granulierende* Schicht) durchaus nicht gleichmäßig eben ist, sondern mehr oder weniger wellig — ge- krümmt den Knochen in querer Richtung durchsetzt. Während nun die endochondrale Ossifikation an beiden Enden des Röhrenknochens energisch der definitiven Epiphysen- Östeobiologie. 169 grenze zustrebt. sieht man — wie schon im Abschnitte 1 er- wähnt wurde — den periostalgebildeten Knochen stets eine er- heblich weitere Strecke an der Öberfläche des Fugenknorpels gegen die Epiphyse hin vorgeschoben. Hier verjüngt er sich und läuft öfters in einen feinen homogenen Streifen aus, der ungefähr in der Höhe der sich „richtenden“ Knorpelzellen in der Bindegewebsbedeckung der Epiphyse verschwindet (Fig.2pk und auf mehreren anderen Figuren noch deutlicher zu sehen). Die innere Fläche dieses Streifens liegt dem wuchernden Knorpel direkt an und zeigt sich an manchen Stellen mit ovalen oder spindelförmigen wie flachgedrückt aussehenden Knorpelzellen belegt. Ein ähnlicher Streifen ist auch — aber ganz vorüber- gehend, wie Stieda mit Recht betont — zwischen den jung entstandenen endochondralen und perichondralen Knochenbalken vorhanden: die endochondrale Grenzlinie Strelzoffs. Auf das Verhalten der äusseren Fläche kommen wir noch zurück. Ich möchte diese vorgeschobene Knochenschicht die be- grenzende perichondrale Össifikationslamelle nennen. An ihrem peripheren Ende findet sich — nicht überall — eine den ganzen Knorpel rund umfassende Furche, Depression, die von Ranvier: encoche d’ossification genannt wurde, und die ich als begrenzende perichondrale Ossifikationsfurche bezeichnen will. Bei Ausbildung dieser Furche erscheint auch die perichondrale Ossifikationslamelle nach der Mittellinie zu bogenförmig gekrümmt. Ebenso verhält es sich mit den an- grenzenden Knorpelzellensäulen, an die sich dann wieder regel- recht gerade gerichtete Säulen anschliessen. Die perichondrale Ossifikationslamelle umfasst gleichsam wie ein Ring, wie ein schützendes Band ringsum die zur Ossifikation vorbereiteten Knorpelzellen. Sie findet sich übrigens schon, wenn auch nicht unter der genannten Bezeichnung — von Bruch!) erwähnt, ebenso von Kölliker,?’) der sie an der zweiten Phalanx des Fingers eines sechsmonatlichen Embryos — allerdings ganz gerade und recht derb — abbildet. Auch in anderen Lehr- büchern finde ich sie auf Bildern von Längsschnitten junger ') ©. Bruch: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Knochen- systems, S. 102. Aus den Denkschriften der schweiz. naturforsch. Gesell- schaft, Bd. 12. ?) Gewebelehre, 1867 und 1888. 170 Alfred Bidder: Röhrenknochen gezeichnet, wenn auch auf ihre Bedeutung nicht besonders hingewiesen ist. Sie erhält sich, wie mir scheint, bis zur knöchernen Verschmelzung von Epi- und Diaphyse, also bis zur Vollendung des Wachstums. In einer Anzahl der Abbildungen auf den beigefügten Tafeln mit pk. bezeichnet, ist die ge- nannte Lamelle bei schwächerer und stärkerer Vergrösserung sichtbar und durch rote Farbe hervorgehoben. Sehr deutlich ist sie auch an einem bereits 29 Jahre alten Präparate zu erkennen, nämlich an dem auf Taf. X, Fig. 2 dargestellten Durchschnitt des proximalen Tibiaendes eines etwa 3!/2 Monate alten Embryos. Das noch aus freier Hand geschnittene Präparat ist erst jetzt gezeichnet, aber früher schon von mir beschrieben worden. ') Diese perichondrale Ossifikationslamelle darf wohl als Fortsetzung der „primären Periostlamelle“, der embryonalen Diaphyse ange- sehen werden, zumal sie ebenso wie diese — nach der Meinung Lovens und anderer Untersucher — in der Regel als eine kontinuierliche lückenlose Schicht erscheint. Auch ich habe sie in sehr zahlreichen Schnitten verschiedenartiger Knochen stets so gefunden: in allen Röhrenknochen und solchen die in ähnlicher Weise perichondral ossifizieren, wie die Ossa ilium, ischii, pubis, Wirbelbögen, Scapula, Proc. condyloideus des Unterkiefers etc. Nur am vorderen Rippenrande zeigten sich an der Lamelle einer Seite mehrfache Lücken, die von zelligem‘ Gewebe be- gleiteten Blutgefässen Zutritt gewähren. Allerdings sind gerade an diesem Skeletteil die perichondralen begrenzenden Össifikations- lamellen sehr lang, entsprechend der aussergewöhnlich grossen Ausdehnung des Lagers hypertrophischer Knorpelzellen (Taf. X, Fig. 3 pk.) Wie verhalten sich nun Periost und Blutgefässe in der eben beschriebenen Grenzgegend und an den übrigen Teilen der Röhrenknochen ? Im Gefüge des Periostes glaubten Autoren verschiedener Zeiten teils drei, teils nur zwei Schichten unterscheiden zu müssen, je nachdem das der äusseren Fläche der Knochenbalken anliegende ÖOsteoblastenlager zum Periost gerechnet wurde oder ı) Experimentelle Beiträge und anatomische Untersuchungen zur Lehre von der Regeneration des Knochengewebes etc, Langenbecks Archiv, Bd. XXII., 1877. Osteobiologie. 27 nicht. So gibt beispielsweise Rollet (mit Billroth') drei Schichten an: eine äussere locker bindegewebige, eine mittlere mit Nerven, reichlichen Gefässen und elastischen Fasern versehene und eine innere zellenreiche, während Stöhr nur zwei Schichten nennt: eine äussere, viel Blutgefässe enthaltende und eine innere, an elastischen Fasern, rundlichen und spindelförmigen Zellen reiche. Er fügt aber doch hinzu, dass sich „an der Innenfläche stellenweise eine Lage kubischer Zellen bilde, die für die Ent- wicklung des Knochens von Bedeutung sind.“ — Wie dem auch sei, so darf man wohl sagen, dass alle diese Schichten nicht scharf voneinander abzugrenzen sind. Andererseits darf aber auch konstatiert werden, dass nur die äussere Schicht von Gelenkfläche zu Gelenkfläche reicht, also auf die Epiphyse über- geht, während die zellenreiche innere (Osteoblasten-) Schicht nicht über die begrenzende perichondrale OÖOssi- fikationsfurche hinausragt. Hier, wo die eigentliche Epiphyse beginnt, tritt eben nur die äussere, rein binde- gsewebige Schicht des Periostesresp. Perichondriums an die Epiphyse heran. Diese Schicht ist je nach der Örtlichkeit von verschiedener Dicke, an manchen Stellen sehr massig, wie z. B. in Fig. 4 bs., Taf. X zu sehen, hier bemerkt man auch, wie die Bindegewebsfasern in ein Grenzlager dicht aneinanderliegender meist runder kleiner Zellen übergehen, die weiter nach innen zu sich in die dicht stehenden kleineren Zellen des Hyalinknorpels verlieren, die in dieser Gegend oft eine keulen- oder spindelförmige Gestalt haben. Diese Bilder, sagt G.Schwalbe,?) „gestatten kaum eine andere Deutung, als die, welche Bruch (Denkschriften der allgemein. schweizer. natur- forschenden Gesellschaft, XII. Bd.. S. 36, 1852) ihnen schon vor Jahren gab, nämlich, dass von hier aus der embryonale Knorpel appositionell wächst, indem an ihn sich immer neues Zellen- material anlegt, das durch interstitielle Vermehrung der Grund- substanz allmählich zerstreut wird“ etc. Aber auch das aussen angrenzende ohne Zweifel interstitiell wachsende periostale Binde- gewebe dürfte von hier aus Zuwachs erhalten, wenn man mit Recht annimmt, dass die embryonalen Zellen dieses Grenzbezirks ') Langebecks Archiv, Bd. VI. 2) Uber die Ernährungskanäle der Knochen und das Knochenwachstum. Zeitschr. f. Anatomie und Entwicklungsgeschichte, I. Bd., 1876. 172 Alfred Bidder: auf der einen Seite Bindegewebe, auf der andern Knorpel liefern. Wie innig diese periostale Bindegewebsschicht mit der Epiphyse verbunden, erkennt man auch durch ein grobes Ver- fahren. Lockert man nämlich durch gründliches Kochen eines jungen Röhrenknochens das Periost und zieht es dann vom Knochen ab, so löst sich bekanntlich auch die ganze Epiphyse von der Diaphyse, und bleibt am Periost hängen, während die entblösste Ossifikationsfläche der Diaphyse frei zutage tritt. Versucht man das Gleiche am frischen Knochen, so löst sich die Epiphyse nicht oder nicht leicht, wohl aber werden durch den Zug am Bindegewebslager Stücke aus dem Knorpel der Epiphyse ausgerissen. Diese Schicht ist auch an den Endgegenden der Diaphyse noch dick und recht fest mit den Knochenbalken ver- bunden durch die schräg eintretenden — Sharpeyschen — Fasern ; zur Mitte des Knochens hin wird die Schicht, dünn und liegt bekanntlich der Knochenoberfläche bei älteren Indi- viduen recht locker an. Manche Autoren meinen auch, dass die Sharpeyschen Fasern nach den ersten Kinderjahren ganz verschwänden. Dieses von der Epiphyse über die begrenzende perichondrale Ossifikationsfurche hinweg zum Periost der Diaphyse ziehende faserige Bindegewebe hat also eine durchaus andere Qualität als das Periost der Diaphyse. Dieses wahre Periost, das eben auch die innere mit Knochenbildungszellen versehene Schicht enthält, endigt, wie wir sehen, mit der perichondralen begrenzenden Ossifikationslamelle; und gerade an der äusseren Fläche dieser kann man lebhafte Anbildung von Knochengewebe in schönster Weise studieren. Besonders gut sind hier die „trabekulären Lakunen“ Strelzoffs zu sehen, d.h. Stellen, wo schräg von aussen herantretende Bindegewebsfasern mit junger Knochenschicht eine Art von Mulde bilden, in welcher der zur Umbildung in Knochengewebe bestimmte Osteoblast rubt. (Taf. X, Fig. 5 und 6). An dem peripheren, d. h. der Epiphyse zugekehrten Rande der Össifikationslamelle verlieren sich die Osteoblasten entweder einfach, oder gruppieren sich auch zuweilen halbkreisförmig und grenzen sich in dieser Weise recht scharf gegen das an die knorpelige Seitenfläche der Epiphyse herantretende Bindegewebe ab (Taf. X, Fig. 7). Osteobiologie. 175 Nach der Diaphyse hin geht die begrenzende Periostlamelle meist kontinuierlich in die mehr oder wenigen dicken Lagen der diaphysären Knochenrinde über. Nicht selten hört aber auch die Lamelle hier also in der Nähe des Diaphysenrandes für eine längere oder kürzere Strecke auf und man findet an ihrer Stelle nur mit reichlichen Zellen durchsetztes, der Osteoblasten schein- bar entbehrendes, aber zuweilen mehrere Riesenzellen enthaltendes Bindegewebe, das direkt endochondralen Knochenbalken aufliegt, die ihrerseits leicht durch in ihnen vorhandene Reste der Knorpelgrundsubstanz erkennbar sind. Solche von Kölliker'!) als Resorptionsflächen, von Strelzoff dagegen als aplastische Flächen bezeichnete Stellen, habe ich besonders schön an der medialen Fläche des oberen Endes der Humerus- Diaphyse des acht Tage alten Kaninchens gesehen. An dieser Stelle ist auch sehr deutlich die grosse Zahl der im periostalen (Gewebe vorhandenen, sich durch den in ihm enthaltenen blauen Farbstoff abhebenden Blutgefässe zu erkennen, -die mit denen des jungen Markgewebes anastomosieren. Auf das Verhalten der auch für die endochondrale Ossi- fikation der Epiphysen eine bedeutsame Rolle spielenden Blut- gefässe muss zunächst noch etwas näher eingegangen werden. Was die inneren periostalen Gefässe betrifft, so laufen sie, wie schon kurz erwähnt, an der Längsrichtung auf- und ab- steigend und durch quere Anastomosen miteinander verbunden, an der Knochenoberfläche hin und werden allmählich von neugebildetem Knochengewebe in die Haversischen Kanäle eingeschlossen. Nach Langer?) ist die Wand dieser Kanäle mit einer glashellen, dünnen, aber sehr widerstandsfähigen Membran aus- gekleidet, in der feinste mit den Ausläufern der Knochenkörperchen zusammenhängende Öffnungen zu erkennen sind, die ihrerseits mit den die Blutgefässe begleitenden Lymphgefässen in Ver- bindung stehen — eine Anordnung die sicherlich für die Er- nährung des Knochengewebes von wesentlicher Bedeutung ist. Diese der inneren Periostschicht angehörenden Blutgefässe gehen bis dicht an die Diaphysengrenze heran und anastomosieren hier durch grössere in querer Richtung die Knochenrinde durch- ') Die normale Resorption des Knochengewebes etc. Leipzig, 1873. ?) Uber das Gefäßsystem der Röhrenknochen etc. Denkschriften- der K. Akademie d. Wissenschaften in Wien. Math.-naturw. Kl., 36. Bd., 1876. 174 Alfred Bidder: setzende Kanäle mit den Markgefässen. Diese Art der Blut- versorgung des Knochens ist seit alter Zeit bekannt und findet sich bereits in der ersten Auflage (1850) der Köllikerschen Gewebelehre beschrieben. Die stärkste Arterie ist bekanntlich die für die Ernährung des Markes und des endochondralen Knochen- gewebes wichtige Arteria nutritia. Die eigentümlichen Lage- veränderungen, die ihr Stamm im Laufe des Knochenwachstums erfährt, sind von G. Schwalbe beschrieben worden, über das Ver- halten ihrer Verzweigungen innerhalb der Markräume geben uns aber die sorgfältigen Untersuchungen Langers — namentlich für die Tibia — Aufschluss. Diese intramedullären von reich- lichen Venenstämmen begleiteten Arterien verzweigen sich von der mittleren Gegend des Röhrenknochens nach den Diaphysen- grenzen hin. In der Össifikationszone bilden sie feine End- schlingen, indem die bis zur Kapillarität dünne Arterie etwas trichterförmig erweitert, direkt in die sehr breite Vene über- geht. Ihre Wände bestehen eigentlich nur aus den zarten Elementen der Kapillargefässe — ein Umstand, der wohl haupt- sächlich zu der noch vor 40 Jahren von einigen Autoren ver- tretenen irrtümlichen Annahme geführt hatte, dass die Venen des Knochenmarkes wandungslos seien. Die Endschlingen lagern sich im Verein mit Bindegewebs-Markzellen und Osteoblasten in die neu eröffneten Knorpelzellen, die dann zu jungen Markräumen werden. Sie geben in Übersichtsschnitten von Injektionspräparaten ein sehr zierliches Bild arkadenförmiger Anordnung. Ausser den Endschlingen gibt es aber auch noch einige Blutgefässe, die den ganzen Intermediärknorpel durchsetzend, in die Epiphyse gelangen. Doch bevor ich auf diese für die Ossifikation der Epiphyse wichtigen Gefässe eingehe, muss ich noch einmal zu den periostalen — mit den sogen. Knorpelkanälen in Beziehung stehenden — Gefässen zurückkehren. Die äussere, auf die Epiphyse übergehende Bindegewebslage ist „charakterisiert durch ihren. Reichtum an Blutgefässen und stellt die Verbindung mit Nachbargebilden (Sehnen, Fascien etc.) her“ (Stöhr, a.0.,S.129). Nach Schiefferdecker und Kossel!) „grenzen sich die Gefässe gegen den Gelenkknorpel mit kapillaren Netzen und zottenärtig angeordneten Schlingen ab.“ Wie Langer, finden !) Gewebelehre ete. Bd.II, Abt.I, S. 315, Braunschweig, 1891. Osteobiologie. 175 sie, dass an den Ansatzstellen der Bänder neben Endschlingen auch längsverlaufende Gefässe vorhanden sind, die in den Knochen übergehen, eine übrigens schon längst bekannte Tatsache, die schon Paletta!) an dem Ligamentum teres beobachtete, indem er darauf hinweist, dass besonders leicht bei jugendlichen Indi- viduen die Löcher zu finden seien, durch die Blutgefässe vom Band aus in das Caput femoris einträten. Auch bei jungen Embryonen, deren Röhrenknochen noch ganz knorpelige Endstücke haben, sieht man diese in den Knorpel eindringenden Gefässe, indessen nicht nur an den An- heftungsstellen der Bänder und Sehnen, sondern noch zahlreicher an den verschiedensten Stellen des bindegewebigen Überzuges der Epiphysen, also ihres Perichondrium. Sie liegen in besonderen Kanälen, die, soviel mir bekannt, Miescher zuerst als Knorpel- kanäle bezeichnet hat. Diese bekanntlich der Ernährung des Knorpels dienenden Gefässkanäle treten aber erst im dritten bis vierten Fötalmonate auf; Bis dahin müssen die noch kleinen Epiphysen aufanderem Wege ernährt werden. Das geschieht ohne Zweifel auch von den Ge- fässen des Perichondriums aus und wahrscheinlich auf die Weise, dass die perivaskulären Lymphgefässe mit den feinen Spalt- räumen des Knorpels verbunden sind. Dass die Grundsubstanz des Hyalinknorpels aber nur scheinbar homogen ist, konnte schon Nichols (siehe: Nesbitt) vor 200 Jahren durch Mazeration zeigen und ist bekanntlich auch in neuerer Zeit durch diese und feinere Methoden bewiesen worden, so von Tillmann?) Stricker,?) Heitzmann,?) Spina.’) Der letztere konnte sich sogar von einer Verbindung der Knorpelkörperchen mit den saftführenden Spalten überzeugen. Übrigens sieht man auch gelegentlich ohne besondere Vorbereitung, — vielleicht durch den Druck des Messers bewirkt — die Grundsubstanz hyalinen Knorpels auseinander gezerrt in bandartige, wellige Fasern; mir liegen derartige mikroskopische Bilder vor von Schnitten, die aus dem oberen Humerusende des jungen Kaninchens und dem ') Über den Bau des runden Bandes — Meckels Archiv, Bd. VI, 1820. ®) Tillmanns: Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd.X. 3) Stricker: Wiener Sitzungsbericht, Bd. 55, 1867. *) Heitzmann: Medizin. Jahrbücher, 1872. 5) Spina: Sitzungsber. d. K. Akad. in Wien, Bd. 80, III. 1879. 176 Alfred Bidder: Knorpel des Os pubis eines menschlichen Fötus gewonnen wurden. Zur Vervollständigung der Spaltraumernährung treten also die Knorpelkanäle auf. Den Angaben, die Miescher über die letzteren machte, schlossen sich F. Bidder, Virchow, Kölliker, H. Müller, G. Schwalbe u.a. an. Besonders ge- nau hat Langer sie studiert. Auch ich habe sie jetzt aufs neue untersucht, namentlich im Hinblick darauf, dass zurzeit noch von manchen Autoren angenommen wird, dass die Osteoblasten von den Seitenflächen der Epiphysen her auf dem Wege der Knorpelkanäle in das Innere gelangten zur Bildung des Knochen- kerns. Ich hoffe, das Irrtümliche dieser Ansicht nachweisen zu können. Es sei mir gestattet, hier kurz zu berichten über die Art der meinen Untersuchungen zugrunde liegenden Präparate und die Weise ihrer Her- stellung. Gern hätte ich die Beobachtungen nur an Knorpeln und Knochen von Embryonen und menschlichen Skeletteilen aller Altersstufen gemacht. Da mir solches Material aber nur in ungenügendem Maße zu Gebote stand, da es ausserdem bei fortgeschrittenem Alter durch seine Grösse die mikro- skopische Untersuchung sehr erschwert und da — wie bekannt — die Vor- gänge bei kleinen Säugetieren im wesentlichen identisch sind, sich ausser- dem schneller abspielen, so entnahm ich die zu untersuchenden Teile Kanin- chen, Meerschweinchen und einer alten Katze. Die Teile wurden sogleich nach Tödtung der Tiere in 4°/o Formalinlösung „fixiert“. Die anfangs benutzte Zenkersche Mischung gab ich bald wegen der störenden Sublimatnieder- schläge auf und habe es nicht zu bedauern gehabt. Dann kamen sie nach Durchwässerung in 5—10°/o Trichloressigsäure (von O. Hertwig mir empfohlen. Dann wurden sie nach den üblichen Vorbereitungen mit Celloidin behandelt und schliesslich in Paraffin eingeschlossen. Die so gewonnenen Blöcke liessen sich mit dem Schanzeschen Microtom sehr gut schneiden. Einem zirka acht Tage alten Kaninchen war von den soeben ge- schilderten Maßnahmen eine Injektion von Berliner Blau in Leimlösung, die gut gelang, gemacht worden. — Die Schnitte auf den Objektträgern kamen dann, wie vorgeschrieben, in den Trockenschrank, machten dann weitere Behandlung zur Entfettung, Färbung etc. durch und wurden endlich in Canadabalsam eingeschlossen. Bei allen diesen Vorbereitungen wurde ich in dankenswerter Weise durch den technisch sehr geschickten und sorgfältigen Präparator des Institutes, Herrn Kühne, unterstützt. Die Schnitte waren meist 5 , aber zuweilen bis 15 „ dick. Ich färbte in der Regel doppelt mit Hämatoxylin (Böhmer) und van Giesonscher Mischung, seltener einfach mit Borax-Karmin. Sehr viel müssen die zarten Zellen erdulden, bevor sie sich dem Beobachter vorstellen! Osteobiologie. 177 Die Knorpelkanäle erscheinen je nach den Winkeln, in denen sie vom Messer getroffen wurden, einerseits als verschieden gestaltete Lücken im Innern der Knorpel, andererseits als Ein- stülpungen (Kölliker) des Knorpelüberzuges (Perichondrium- zapfen Virchows). Die Wände der Kanäle sind gestreckt oder wellig, zeigen nie sklerosierende Schichten oder Gruben, wie sie bei sogenannter lakunärer Einschmelzung gefunden werden. Im Inneren findet man zarte, oft breite, den Kapillaren zu- zurechnende Blutgefässe und spärliches, mit der Aussenfläche verbundenes Bindegewebe, das nicht sehr zahlreiche, kleine, auch öfters grössere, sehr blasse, wie gequollen aussehende Zellen ent- hält. Den Östeoblasten ähnliche oder gar Riesenzellen habe ich im Inhalt der gemeinen Knorpelkanäle,. dem sogenannten Knorpel- mark nicht entdecken können. Quer oder schräg durchschnittene Kanäle finden sich im Innern des Knorpels in sehr verschiedener Grösse; an Gelenkflächen treten sie nur dort ein, wo sich An- sätze von Bändern, z.B. die Lig. cruciata finden; an den Seiten- flächen der Epiphysen sind sie dagegen an verschiedenen Stellen zu sehen, gehen aber nicht über die perichondrale Endlamelle oder die begrenzende perichondrale Ossifikationsfurche hinaus. Indessen mag es wohl einmal vorkommen, dass gerade in der Osteoblasten tragenden Stelle der Furche ein Kanal eintritt nnd dadurch ausnahmsweise Osteoblasten in ihn gelangen. An den häufig in der Nähe der Furche eintretenden Knorpelkanälen be- merkt man oft ein merkwürdiges, schon von Langer hervor- sehobenes Verhalten. Der seitlich eingetretene Kanal verläuft eine Strecke quer oder schräg zur Mitte der Epiphyse hin (Taf. X, Fig. 4, Kre.) und biegt dann — oft vorher sich erheblich erweiternd — um, geht dann öfters bis in die proliferirenden oder hyper- trophischen Schichten des Intermediärknorpels hinein, scheinbar trichterförmig werdend. Ich sage scheinbar, denn untersucht man weitere Schnitte, so sieht man, dass ein solcher Kanal wieder weiter wird und oft ganz schräg verläuft (Taf. X, Fig. 6, Kre.). Ich bin daher zweifel- haft geworden, ob selbst in früheren Stadien die Kanäle so oft innerhalb des Knorpels kolbig enden, wie Langer meint und abbildet. Ausser diesen seitlich eintretenden — den eigentlichen Knorpelkanälen — gibt esaber noch einezweite Art von Kanälen, die gerade sich durch ihre Beziehung zur Ossifikation der Epi- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 12 178 Alfred Bidder: physen auszeichnen. Das will ich in Folgendem zu beweisen suchen. Schon in frühen Entwicklungsstadien nämlich kann man Kanäle beobachten, die in longitudinaler Richtung das Innere desepiphysärenKnorpels direkt mitdenMark- räumen der Diaphyse verbinden, also alle Schichten des Intermediärknorpels durchsetzen. Hassall hat sie bereits gefunden und glaubt (nach Quer- schnittbildern), dass sie an der Diaphysengrenze ein weiteres Lumen haben und gegen die Epiphyse hin in kleinere auseinander gehen. Auch H. Müller sind diese Kanäle bekannt gewesen; durch Injektion deutlich gemacht hat sie aber wohl zuerst Langer, leider aber eine mikroskopische Abbildung der Ver- hältnisse nicht gegeben, ebensowenig wie Lexer, der in neuester Zeit diese Gefässkanäle nach Injektion einer Quecksilbermischung in menschliche Knochen verschiedenen Alters durch Röntgen- photographie dargestellt und makroskopisch sichtbar gemacht hat. Man kann sie übrigens an grösseren Objekten z. B. dem distalen Femurende des Neugeborenen etc. unter Umständen an sagittalen Durchschnitten mit blossem Auge, noch besser an Injektions- präparaten selbst kleiner Tiere unterscheiden. Ich möchte die Kanäle zur Unterscheidung von den seitlich eintretenden Knorpel- kanälen nennen: Canales vasculosi perforantes longitu- dinales. Diese Kanäle sieht man zuweilen schon in früher Fötal- periode, wie z. B. einen solchen bei dem 3'/s monatlichen Embryo im proximalen Ende der Tibia (Taf. X, Fig. 2, cvp.) Bei einem achttägigen Kaninchen, dessen epiphysärer Knochenkern schon sehr entwickelt ist, fand sich im unteren Intermediärknorpel des Femur ein ähnlicher Kanal (Taf. X, Fig. 7, cop.) Dieser erscheint allerdings im Gegensatz zu dem nebenbei liegenden später zu besprechenden sehr schmal und nicht ganz durchgehend. Er steigt von der Ossifikationsgrenze der Diaphyse hinab und er- weitert sich zu einem grösseren Raum, der einem querdurch- schnittenen Knorpelkanal gleicht. Ob nicht vielleicht grade von diesem der perforierende Kanal ausgegangen — also gerade der meiner Beschreibung entgegengesetzte Weg eingeschlagen worden ist, wie Langer für solche Fälle annimmt, mag dahingestellt sein. Bei stärkerer Vergrösserung zeigt sich bei der Durchsicht Osteobiologie. 179 einer Reihe von Schnitten, dass sich die Nähe eines solchen Kanals oft andeutet durch streifiges Wesen zwischen den Knorpel- zellensäulen und schmale der Längsrichtung parallel liegende spindelförmige Zellen. Weiterhin sieht man dann, dass diese die Lichtung eines Kanals begrenzen. Das gleiche Bild lag wohl schon Langer vor, als er schrieb, „man sieht spindel- förmige Zellen nach der Länge des Kanals geordnet, auch dichter um das Kanallumen sich gruppieren, wodurch namentlich in der Zoneder Zellwucherung mitunter beträchtliche Texturumänderungen zustande kommen.‘ Diese entstehen aber wohl dadurch, dass der Canalis perforans entsprechend den sogenannten elastischen Stützfasern sich zwischen die Reihen der Knorpel- zellen lagert, die ganz reaktionslos gleichsam auseinander- gedrängt erscheinen. Auch durch dieses Verhalten unterscheiden sich die Canales vasculosi perforantes von den gewöhnlichen Knorpelkanälen; aber ebenso unterschieden sind sie von den durch Zusammenfluss über- einanderliegender Knorpelkapseln entstandenen jungen Markräume — die früher Markkanäle genannt wurden; denn diese liegen eben innerhalb der Knorpelkapseln, sind erst nach dem Unter- gang der Knorpelzellen entstanden. Ein solcher Canalis perforans kann relativ breit und lang werden, wenn sich die Ossifikation durch die bekannten Ver- änderungen innerhalb der Epiphyse vorbereitet. Ein Bild dieser Art bietet das distale Ende des Radius des acht Tage alten Kaninchens. Nur die obere Hälfte der Epiphyse ist gezeichnet (Taf. X, Fig. 5, cop.) Von der Össifikationszone geht ein langer — im Präparat zum Teil mit blauer Injektionsmasse gefüllter — Kanal bis gegen die Gelenkfläche hin. Neben seinem Ende liegt ein grosser querdurchschnittener Knorpelkanal und in beider Um- gebung bemerkt man viele (auf weiteren Schnitten noch viel reich- lichere) hypertrophische Knorpelzellen. Ablagerung von Knochen- gewebe ist noch nicht eingetreten. Dagegen scheinen mir in dem in der Ossifikationszone liegenden Teil des Kanals schon Östeoblasten vorhanden zu sein. Eine grosse Zahl (46) auf- einander folgender Sagittalschnitte haben mir am Radius nur diesen einen Kanal geliefert. Ähnlich verhalten sich diese Kanäle in anderen Epiphysen. Sie scheinen mir den einzigen regelmässigen Weg dar- 12* 150 Alfred Bidder: zustellen, auf dem zu bestimmter Zeit die Osteo- blasten von der Diaphyse in die Epiphyse gelangen, um den Knochenkern zu bilden. Das ist mir im höchsten Grade wahrscheinlich geworden durch die Untersuchung einer Reihe weiterer Objekte... SO sagittale Durchschnitte durch die Mitte der das Kniegelenk bildenden Enden von Femur und Tibia des achttägigen Kaninchens (s. das Übersichtsbild: Taf. X u. XI, Fig. 7, su. 9) zeigen nämlich Canales perforantes, die nicht allein Gefässe, sondern auch reichlich Osteoblasten ja sogar schon Knochenbalken enthalten. Zunächst an der Tibia bemerkt man schon bei schwacher Vergrösserung, wie von der Ossifikationszone ein breiter, Knochengewebe enthaltender Kanal noch oben gehend die Knochenzellen auseinander gedrückt uud merkwürdigerweise auch eine Gruppe hypertrophischer Knorpelzellen nach dem Knochen- kern hin scheinbar in die Höhe geschoben hat. Er teilt sich in zwei Äste, die als schmale Streifen bis zum epiphysären Knochen- kern verlaufen. Noch viel besser sieht man einen solchen Kanal an dem unteren Femurande des gleichen Präparates. Mehrere Schnitte haben ihn so glücklich getroffen, dass er in seinem ganzen Ver- laufe klar und frei vorliegt (Taf. X, Fig. 7, cop.) Bei starker Vergrösserung erkennt man, wie neben den ossifizierenden Mark- räumen der Diaphyse ein schmaler Knochenbalken in Begleitung einer grossen Menge von Osteoblasten in den breiten Kanal ein- dringt (Taf. XI, Fig. 5, kb.), neben ihm ein mit Blutkörperchen sefülltes breites Gefäss. Etwa in der Mitte des Kanals verschwinden die Knochenbalken und die Osteoblasten werden spärlich (Taf. XI, Fig. 9). Erst an der Einmündungsstelle im Knochenkern treten beide wieder auf und zwar als Belag der Seitenwände. Auch am Anfang des Kanals erscheinen die Seitenwände sklerosiert und zum Teil mit Knochengewebe und Osteoblasten belegt; nicht so in der Mitte, wo die Wände dasselbe Bild wie bei den ge- wöhnlichen Knorpelkanälen darbieten. Die Knorpelzellen sind am Rande stellenweise flach, verhalten sich aber in allen Schichten ganz passiv. Eine Reihe von Frontalschnitten und einige Sagittal- schnitte durch das untere Femurende eines neugeborenen Kindes zeigten mir ebenfalls einen bis dicht an den Knochenkern durch- gehenden Kanal; er ist sehr breit aber leer, da sein Inhalt durch das Messer wohl fortgestossen oder auch bei weiterer Präparation Östeobiologie. 181 des Schnittes herausgefallen ist. Einige weitere Kanäle in diesem Schnitte und anderen erscheinen unterbrochen, teils schmal, teils beträchtlich erweitert, und in ihnen neben starken Blutgefässen mehr oder weniger reichliche osteoblastenähnliche Zellen. An einer etwas mehr an der Peripherie gelegenen Stelle fand ich endlich noch einen sehr eigenartigen Kanal. Ein von der Gegend der diaphysären Markräume herabsteigender Kanal, in dessen Umgebung die grossen Knorpelzellen wie herangezogen und doch auch verdrängt erscheinen, ist völlig von einem flaschenförmigen Strang von Zellen ausgefüllt. Die Zellen liegen fast noch näher aneinander als an anderen Stellen jüngsten Knochengewebes, z.B. der perichondralen Ossifikationslamelle; da sie den Charakter junger Knochenkörperchen haben, da ferner die Interzellularsub- stanz auch bei ihnen in typischer Weise rot gefärbt ist, so glaube ich, den Strang für junges Knochengewebe halten zu müssen, dessen Körperchen zum Teil noch der Umwandlung in Zwischen- substanz entgegensehen (Taf. XI, Fig. 10 u. 11). Der Strang endet sich etwas umbiegend und abgerundet, hier von osteoblastenähn- lichen Zellen und massenhaften Blutkörperchen umgeben, frei in einen grösseren Raum, der einem querdurchschnittenen Knorpel- kanal gleicht. — Die Einmündung eines Kanals im epiphysären Knochenkern findet sich auf Taf. Xl, Fig. 11, abgebildet. Sie verhält sich den am Kaninchen beobachteten im wesentlichen gleich. Die eben beschriebenen Kanäle, die den Canales vasculosi perforantes wahrscheinlich gleichwertig sind, möchte ich Canales longitudinales ossiferi perforantes nennen. Ihre Zahl ist offenbar sehr gering; ein sicheres Urteil darüber liesse sich wohl am besten durch völlige Zerlegung einer ganzen Epiphyse (mit Össifikationszone) in Längsschnitte gewinnen. Die Angabe Langers, der die Zahl der perforierenden Kanäle am unteren Femurende des Neugeborenen im ganzen auf ungefähr 15 bestimmt, scheint mir indessen doch zu hoch gegriffen und auf Irrtum zu beruhen. Das Gesagte möchte ich in folgendem kurz zusammen- fassen: Die in der inneren Schicht des Perichondriums und Periostes der Diaphyse entstandenen Knochenbildungszellen gelangen einerseits in das Innere des Diaphysenknorpels, andererseits breiten sie sich an der Oberfläche aus, nach oben und unten immer neuen Knochen ansetzend. Über die begrenzende perichondrale 182 Alfred Bidder: Össifikationsfurche oder -lamelle gehen die ÖOsteoblasten nicht hinaus, denn auf der Oberfläche der Epiphyse findet man nur die äussere bindegewebige Schicht des Periostes; mit dieser hängen nur die Knorpelkanäle zusammen, die ausschliesslich der Ernährung und dem Wachstum der knorpeligen Teile der Epi- physe dienen. Die Knochenbildungszellen im Innern der Diaphyse bilden dagegen immer neuen endochondralen Knochen in einer im allgemeinen quer zur Längsachse liegenden Zone. Ist diese Zone nahe an die Epiphyse hinangerückt, so entstehen die Ganales longitudinales ossiferi perforantes, durch die die Osteoblasten schiesslichin dasInnere der knorpeligen Epiphyse treten zur Anlage des Knochenkerns. Die Knochenbildungszellen haben also einen weiten Weg (vom Periost der Diaphysenmitte , durch den grossen Markraum, die kleinen Markräume der endochon- dralen Ossifikationsgrenze und den Intermediärknorpel) zurück- zulegen, bis sie das Innere der Epiphyse erreichen. Einige lange Knochen haben bekanntlich keinen epiphysären Knochenkern z. B. die proximalen Enden der Metakarpal- und Metatarsalknochen, die distalen Enden der Phalangen, das Gelenkende des Unterkiefers. Hierher gehören auch Os ilium, pubis, und ischii, deren das Acetabulum formende Teile als Epi- physen anzusehen sind. Die Clavicula verhält sich hierin ebenso wie die übrigen langen Knochen; nur der erste Beginn der Verknöcherung gestaltet sich nach Gegenbaur etwas ab- weichend, wie schon erwähnt. In diesen Teilen rücken periostale und endochondrale Ossifikation gleichmäßig zum Gelenkknorpel vor bis zur Vollendung desWachstums. Die ausschliesslich endochondrale Össifikation geht in den mit Knochenkern versehenen Epiphysen nach Eintritt der Östeoblasten in ganz gleicher Weise wie in der Diaphyse vor sich mit nur einigen durch die Örtlichkeit bedingten formalen Abweichungen. An einer Stelle im Innern des kleinzelligen Knorpelgewebes werden die Zellen immer grösser, dann hypertrophisch. In einer Anzahl dieser tritt endlich Zerfall der Kerne ein und in die geöffneten Knorpelkapseln treten Blutgefässe, Markzellen und Osteoblasten ein. Diese lagern sich an die Knorpelgrundsubstanz und bilden endlich das junge Knochengewebe. Osteobiologie. 153 Der junge Knochenkern hat eine rundliche oder eiförmige Gestalt, und ist rings umgeben von einer oft nur drei bis vier Zellen hohen Schicht seneszierender resp. hypertrophischer Knorpelzellen, die, allmählich kleiner werdend, sich in das dichte Zellenlager der Peripherie verlieren. Die hypertrophischen Zellen sind nicht parallel in Säulenform angeordnet, sondern mehr oder weniger regelmäßig radiär gestellt und demgemäß strahlt auch das spongiöse Knochengewebe der Epiphyse nach allen Richtungen aus und zwar — wie ich sogleich hinzufügen möchte — ganz ohne Rücksicht auf die auf dem Wege liegenden Knorpel- kanäle. Schon Langer schreibt, er habe „Fälle gesehen, wo das ganze Gefässnetz eines grösseren Knorpelkanals, nachdem es sich im Knochenkern mit den Markgefässen desselben in Kommunikation gesetzt hat, wieder ausgetreten ist und peripher- wärts in den Rest des Knorpels Zweige abgegeben hat; es sah die Sache so aus, als ob sich der Kern mitten im Verlaufe des Kanals angesetzt hätte.“ „Ich kenne auch Fälle, wo der Knorpel- kanal noch neben dem Knochenkern vorbeiging und nach her- gestellter Verbindung der Gefässe wieder weiter in den Knorpel sich verteilt.‘“ Auch das Verhalten des beschriebenen Canalis ossi- ferus perforans des neugeborenen Kindes dürfte in ähnlicher Weise zu deuten sein (Taf. XI, Fig. 10). Man trifft ferner auch förmliche Knorpelinseln mitten im spongiösen Gewebe, wie z. B. in der proximalen Tibia-Epiphyse des achttägigen Kaninchens (Taf. X, Fig. 7 Kp). „‚Knorpelinseln“ werden uns noch an anderen Stellen begegnen; in vielen Fällen handelt es sich wirklich um ganz abgetrennte Knorpeiteile, die erst nachträglich ossi- fizieren. Zuweilen werden es aber wohl scheinbare „Inseln“ sein, wenn bei knöcherner Umwachsung eines vielleicht kegelförmig vorspringenden Knorpelteils das Messer den Kegel quer durch- schnitten hat und dieser somit nur in der Durchschnittebene, nicht überall, vom Knochengewebe umgeben ist. Die Knorpel- kanäle scheinen sich recht lange zu erhalten; sah sie Kölliker doch (Gewebelehre 1889, S. 320) „selbst bei einem sechzehn- jährigen Individuum in den Gelenkknorpeln der Epiphysen der langen Röhrenknochen.“ Später allerdings, wenn das endo- chondrale Knochengewebe sich der Seitenwand der Epiphyse schon sehr genähert hat, scheinen sie zu verschwinden. Auf Schnitten durch Humerus, Femur und Tibia eines fast er- 184 Alfred Bidder: wachsenen Kaninchens konnte ich Knorpelkanäle nicht mehr erblicken. In dieser späteren Zeit nimmt der Knochenkern auch immer mehr die Form der erwachsenen Epiphyse an und tritt endlich in Verbindung mit dem früher beschriebenen perichondralen Binde- gewebe der Seitenflächen, das sich hier in die endochondral gebildeten Knochenbalken einsenkt und fest verbindet, wie die Sharpeyschen Fasern mit den periostalen. An der inneren Fläche des dauernden Gelenkknorpels grenzt sich das epiphysäre Knochengewebe in mehr oder weniger un- ebener Fläche ab. An der oberen Tibiaepiphyse hat Langeres mit halbkugeligen Buckeln vorspringend gefunden und das zwischen die Knochenbuckel eingefalzte Knorpelgewebe verkalkt. In den Buckeln sollen sich endlich auch ziemlich regelmäßig Gefäss- schlingen bilden. Hier also bleiben Knochen und Knorpel bis ins hohe Alter nebeneinander liegen. Am Intermediärknorpel ver- läuft die Sache etwas anders. An seiner der Epiphyse zu- gekehrten Fläche lässt allmählich die Markraumbildung mit zunehmendem Alter nach und die Knochenbalken legen sich ziemlich breit und horizontal der kleinzelligen Knorpelschicht an; an der entgegengesetzten Seite geht aber das Wachstum von der Diaphyse aus noch in gewöhnlicher Weise weiter; indessen scheint schon in den Kinderjahren die proliferierende Schicht des Knorpels langsam schmäler zu werden. Solche Angaben haben selbstverständlich nur ganz relativen Wert. So fand Langer bei einem sieben Jahre alten Kinde ‚in der Zwischenzone nur mehr Gruppen von drei bis vier Zellen, und diese Anordnung konnte ich noch an Kindern aus dem 11. Lebensjahre konstatieren.‘ Es handelt sich dabei ebenso wie in der folgenden Beobachtung um das proximale Ende der Tibia. Bei einer siebzehnjährigen Person sah er „die Dicke des Fugenknorpels bis auf etwa 2 mm zurückgehen.“ Am proximalen, durch Resektion gewonnenen, Femurende eines zehnjährigen Knaben fand ich den Fugen- knorpel in der Mitte nur etwa 1,5 mm dick, an einigen Stellen der Peripherie nur wenig dicker. Am längsten halten sich in schöner regelmäßiger Anordnung die hypertrophischen Zellen- säulen, zwischen denen die für die elastischen Stützfasern be- stimmten Räume häufig recht breit sind. Endlich legen sich unter Schwund des Fugenknorpels die diaphysären Knochenbalken Osteobiologie. 185 und Markräume an die epiphysäre Knochenfläche an. Die Synostose der beiden Knochenteile ist damit eingeleitet, aber noch nicht vollständig. Denn bei jungerwachsenen Individuen markiert sich die Grenze zwischen Diaphyse und Epiphyse nicht allein durch eine Furche, sondern eine Zeit lang gelingt es auch noch verhältnismäßig leicht, die knöcherne Epiphyse von der Diaphyse abzuheben, wenn der Skeletteil vorher gründlich gekocht worden war. Die dabei zutage tretende Grenzfläche der Diaphyse zeigt dann ein dichtes spongiöses mit kleinsten rundlichen Buckeln übersätes Knochengewebe. Dementsprechend verhält sich die meist etwas konkave Fläche der verknöcherten Epiphyse. Beide sind um diese Zeit erst durch Bindegebe fest miteinander verlötet. Endlich wird auch dieses durch Knochengewebe ersetzt und damit dann Epiphyse und Diaphyse zu einem Stück ver- schmolzen. Schliesslich möchte ich noch hinzufügen, dass entsprechend der Verminderung des Blutreichtums der Röhrenknochen im Laufe des Wachstums nach seinem Abschluss auch die Arteriae nutritiae relativ dünner werden. Sehr instruktive Bilder sind in dieser Hinsicht von Lexer') durch Röntgenphotogramme seiner Injektionspräparate geliefert worden. 6. Die Osteogenese in den Apophysen. Die Apophysen verknöchern im wesentlichen nach dem gleichen Typus wie die Epiphysen. Sind sie von den letzteren durch ihre eigene diaphysäre Ossifikationszone abgegrenzt, so zeigt sich bei ihnen ebenfalls die begrenzende perichondrale Ossifikationslamelle und ebenso früher oder später — wenigstens in den meisten Apophysen — ein endochondraler Knochenkern, der von der Diaphyse durch einen Fugenknorpel getrennt ist. Auch bei ihnen finden sich die beschriebenen Canales longitu- dinales perforantes; wenn ich sie auch nicht, wie bei den schon beschriebenen Epiphysen — durch gehäufte Anzahl von Schnitten, durch die ganzen Fugenknorpel verfolgt habe, so scheint mir ihr Vorhandensein doch nicht zweifelhaft. Nur am Prozessus cora- coideus des jungen Kaninchens ist mir ein abweichender Modus aufgefallen. Hier nämlich finde ich etwa in der Mitte der !) Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 1904 und Monographie. 156 Alfred Bidder: oberen Fläche perichondrale Knochen von denen aus sich ein kleiner Knochenkern in die knorpelige Anlage entwickelt hat. Osteo- blasten haben also — so sieht es auch aus — die auch hier am gemeinsamen knorpeligen Hals der Proc. condyl. und coracoid. be- findliche, begrenzende perichondrale Ossifikationslamelle über- schritten. Ob das beim Menschen ebenfalls vorkommt und über- haupt regelmässig ist, kann ich noch nicht sagen. Bemerkenswert erscheint es auch in Hinsicht auf die von den Anatomen gefundene Homologie zwischen Os coracoideum und Os ischii, das stets per- chondral ossifiziert. Im übrigen darf ich aber doch wohl annehmen, dass die in Ermangelung menschlichen Materiales an den Apophysen vom Kaninchen beobachteten Vorgänge auch für den Menschen zu- treffen. Ergänzende Untersuchungen im einzelnen sind aber selbstverständlich noch notwendig. Die äussere Fläche der knorpeligen Apophyse ist mit Bindegewebe überzogen, dessen Fasern ebenso in den Knorpel übergehen wie bei der Epiphyse. Das Bindegewebe wird an den Stellen verstärkt, wo sich die Fasern von Bändern, Fascien und Sehnen ansetzen, für die die Apophyse ja gerade den physiolo- gischen Haltpunkt bieten muss. An der Oberfläche der Apophyse, im Grenzgebiet zwischen Knorpel einerseits und Bindegewebe oder Sehne anderseits, befindet sich eine Schicht indifferenter Zellen, die ohne Zweifel in der einen Richtung die Zunahme des Knorpelgewebes, nach der anderen das Wachstum des Binde- und Sehnengewebes unterstützen. Wenn nun im Laufe des Wachstums das endochondrale Knochengewebe nach Untergang des ihm bis dahin zum Substrat dienenden Knorpels die Peripherie erreicht hat, so legt sich der neugebildete Knochen an den Ansatzstellen der Bänder und Sehnen zwischen die Sehnenbündel; wie bei den Epiphysen fehlt hier in der Regel wahres, d. h. Osteoblastenführen- des Periost. Es entsteht also zum Schluss eine intratendinöse!) Össifikation, die der endochondralen gleichwertig ist. An Stelle der Knorpelgrundsubstanz dienen jetzt die Anheftungsteile der Sehnenfasern als Stütze des jungen Knochens. Das lässt sich z.B. an dem Ligamentum patellare und der Crista resp. Tuberositas !) Man könnte sie auch als „endotendinale“ bezeichnen; oder „endoliga- mentale“ oder „endofasciale“, wenn die endochondrale Ossifikation auf Bänder oder Fascien übergreift. Osteobiologie. 157 tibiae erkennen. An der vorderen Fläche der Tibia nämlich ist der periostale Knochen des ungefähr acht Tage alten Kaninchens — entsprechend dem oberen Teile der Crista — sehr dick. Die dicht aneinander gelagerten Knochenbalken streben nach aufwärts zur Epiphyse hin, gehen aber bereits, ehe sie diese erreicht haben, in Sehnenfasern über; diese liegen in breitem Lager parallel übereinander und vor der begrenzenden perichondralen Össifikationslamelle, über welche hinausgehend sie sich zum Teil in den vorderen, starkvorspringenden Teil der knorpeligen Epiphyse verlieren. Zwischen den Sehnenbündeln liegen zierlich aneinander- gereiht die Sehnenzellen mit ihren grossen Kernen (s. Taf. XI, Fig.13. Z). In der Grenzgegend des Knochen- und Sehnengewebes sieht man zwischen Sehnenbündeln schmale in die Länge gezogene Markräume und an den Bündeln angelagerte Osteoblasten vorge- schoben. Die Räume haben den gleichen Charakter, wie die grösseren weiter nach unten und hinten zu gelegenen älteren Markräumen. Von der typischen periostalen unterscheidet sich diese Markraumbildung also dadurch, dass sie von der Tiefe nach der Oberfläche vordringt und dass auf diesem Wege auch die ÖOsteoblasten zwischen die Sehnenfibrillen den jungen Knochen ablagern, ganz wie bei der endochondralen Ossifikation in die Knorpelgrundsubstanz. So schreitet diese endotendinale Ossifikation aufwärts bis zum vorderen Buckel der knorpeligen Tibia-Epiphyse (s. Fig.7), der als eigentliche Tuberositas anzu- sehen ist. Jetzt gelangen an der Ansatzstelle der Sehnenfasern die Osteoblasten ins Innere des knorpeligen Buckels, die endoten- dinale geht inendochondrale Ossifikation über (Taf. XII, Fig. 14, Knk). Es entsteht ein besonderer Knochenkern der Tuberositas tibiae, der von dem grossen Kern der Epiphyse bis zum vollendeten Wachstum durch eine vertical stehende Knorpelschicht (Taf. XII, Fig. 14) getrennt bleibt. Nur die inneren (resp. hinteren) Sehnenbündel sind an dieser endotendinalen Knochenbildung beteiligt. Die äusseren (resp. vorderen) bleiben sehnig und laufen frei über den Buckel hinweg nach oben als Ligamentum patellare.. Zwischen diesem und dem oberen Teil des Buckels — also der Tuberositas — bildet sich ein Schleimbeutel (Taf. XII, Fig. 14). Hinter der Tuberositas ist an einer schmalen Stelle das endochondrale Knochengewebe der Epiphyse an die Oberfläche 155 Alfred Bidder: gelangt (Taf. XII, Fig. 14). Sie dient dem Lig. mucosum und den Menisken zum Ansatz. Beim Menschen liegt die Tuberositas tiefer, von der Gelenk- fläche der Tibia weiter entfernt. An dem Sagittaldurchschnitt des oberen Tibiaendes eines etwa ein Jahr alten Kindes fällt auf, dass hier der Knochen der Diaphyse wie ein flacher Buckel vor- springt, dass er aber auch von einer ziemlich dicken Knorpel- schicht bedeckt ist, die mit der unteren vorderen Fläche der Epiphyse zusammenhängt und nach unten dünner werdend sich in das Periost der flachen Crista verliert. In diesem knorpeligen Fortsatz dürfte sich wohl der Knochenkern der Tuberositas in ähnlicher Weise wie beim Kaninchen bilden Ob ein solcher regelmäßig vorkommt, weiss ich nicht. Er ist aber oft beobachtet worden; so von Sick (a.a.0.) als länglicher Schatten bei der Röntgenphotographie eines dreizehnjährigen Kindes. Die nach Verletzungen beobachteten resp. sich bildenden Knochen, können erst später berücksichtigt werden. Auch hier liegt, wie beim Kaninchen, zwischen Vorderfläche, der Epiphyse, der Tuberositas und dem Lig. patellare ein Schleim- beutel — die bekannte Bursa infrapatellaris. Dass an der Crista tibiae des Menschen ebenfalls endotendinale Ossifikation stattfindet, erscheint mir sehr wahrscheinlich, muss aber noch durch genaue Untersuchung bestätigt werden. Ich habe mir das dazu nötige Material nicht verschaffen können. Die Kenntnis dieser physiologischen endotendinalen Ossifi- kation, auf die ich weiterhin noch zurückkommen werde, dürfte wohl von einigem Wert sein für die richtige Beurteilung von Knochenbildung in Sehnen, Fascien und Bändern im allgeme und bei gewissen Krankheitsfällen. Endlich möchte ich noch einen „Knorpelkern“ eingehender berücksichtigen, der mir ein gutes Beispiel dafür zu sein scheint, wie leicht man zur Annahme des Bestehens metaplastischer Ossifikation kommen kann, während tatsächlich an der betreffenden Stelle nur typische neoplastische Ossifikation vorhanden ist. Auf einigen der zahlreichen Sagittalschnitte durch die Crista tibiae des achttägigen Kaninchens (Taf. XI, Fig. 13 Kp.) bemerkte ich nämlich ein grösseres Lager grosser Knorpelzellen, die nach vorn zu und seitlich in dichte Massen embryonaler Zellen über- gehen, aus denen in diesem Stadium die Crista noch besteht: Osteobiologie. 189 (Taf. XI, Fig. 13c.) Die äusseren (vorderen) Schichten bestehen ausmehrlänglichen mit wenig faseriger Zwischensubstanz versehenen Zellen und bedecken die ganze Vorderflläche, die Sehnenbündel des Lig patellae. Nach hinten zu legen sich die Knorpelzellen an die periostalen Knochenbalken an, und gerade hier hat es den Anschein, als ob die kleiner werdenden Knorpelzellen allmählich in Knochenzellen übergehen, als ob also metaplastische Ossifikation vorliege (Taf. XI, Fig.13 Kp.). Zweifel müssen sich aber schon regen, wenn man an der unteren Peripherie dieses „Knorpelkerns“ das Eindringen von Blutgefässen und Osteoblasten des Periostes eröffnete Knorpelkapseln, also die Vorgänge wie bei typischer neoplastischer Ossifikation sieht. Ganz sicher ist man aber, dass nur diese und nicht metaplastische Ossifikation vorliegt, wenn man die Stelle in Querschnitten betrachtet. Ich habe deren hundertfünfundvierzig durch die Crista der korrespondierenden Tibia gemacht; sie enthalten den ganzen Knorpelkern. Man sieht (Taf. XII, Fig. 15 ez.) zunächst das äussere — auf dem Längsschnitt längliche Kerne zeigende — dicke Zellenlager, deren Kerne auf dem Querschnitt mehr rundlich erscheinen; daran schliessen sich, die ganze Vorderfläche der Knochen umfassend, Massen von embryonalen Bildungszellen. Weiter nach innen liegen die hypertrophischen Knorpel- zellen (Taf. XII, Fig. 15. Kp.) und dann die Knochenbalken (Taf. XII, Fig. 15, Kb.); die mittleren sind endochondral, die seitlichen periostal gebildet und zeigen sehr deutlich den geflecht- artigen Charakter jungen Knochengewebes. Der endochondrale Knochen dringt, markraumbildend gegen die Knorpelzellen vor. Hier und am periostalen Knochen sind reichlich Osteoblasten zusehen; aber nichts von direkter Umbildung von Knorpel- in Knochenzellen. Für manche andere, z. B. am Unterkiefer vorkommende accessorische Knorpelkerne hat bereits Stieda bewiesen, dass auch sie nach neoplastischem Typus ossifizieren. Ausdrücklich möchte ich endlich noch bemerken, dass ich meine vor 30 Jahren ausgesprochene Meinung (Archiv für experi- mentelle Pathologie ete., Bd. 1, 1873), es könne möglicherweise unter Umständen eine metaplastische Ossifikation stattfinden, nicht mehr aufrecht erhalten kann. Meine neueren gründlicheren Uxtersuchungen haben mich zu der Annahme des ausschliesslichen Vorkommens neoplastischer Ossifikation geführt. 190 Alfred Bidder: Die Osteogenese in kurzen Knochen. Die Knochenentwicklung in den sogenannten kurzen Knochen ist — wie in den Epiphysen — in der Regel zunächst endochon- dral und von einer bestimmten Stelle des Perichondriums ausgehend. Sie gestaltet sich in verschiedenen Knochen in etwas modifizierter Weise. In einigen tritt die erste Knochenbildung recht früh auf, in anderen später. Bei einigen schliesst sich der endochondralen recht bald peri- chondrale Ossifikation an, wenn auch in mässiger Ausdehnung. Betrachten wir zunächst die Wirbel. so müssen wir sogleich die Wirbelbögen ausschliessen, da diese, wie die langen Knochen, Becken und Scapula, zuerst perichondral verknöchern und zwar erheblich früher als die Wirbelkörper. An den Körpern bemerkt man folgendes: Nachdem sich auch hier die Knorpelkanäle gezeigt hatten, erscheint an der hinteren, vom Ligamentum longitudinale posterius überbrückten, Fläche eine stärkere Ansammlung von Bildungszellen. Die Knorpelzellen im inneren des Wirbelkörpers werden hypertrophisch (Kalknieder- schläge). Sie ordnen sich kranzförmig in der Mitte um eine Masse von unbestimmter Struktur — ein Rest der Chorda — die erst später durch Knorpelzellen resp. Knochengewebe ersetzt wird. Im dritten bis vierten Monate bildet sich dann ein per- forierender Kanal (Taf. XII, Fig. 16, cop.), der in das Innere reicht, und durch den Blutgefässe und Osteoblasten eindringen; sodann wird in die eröffneten Knorpelkapseln Knochengewebe abgelagert, während an der äusseren Fläche noch jede Knochenbildung fehlt. (Taf. XII, Fig. 16, der Chordarest bildet auf dem Schnitte gleichsam eine Insel.') Die von demselben Schnitte getroffenen Wirbelbögen sind schon weitgehend perichondral ossifiziert (Taf. XII, Fig. 17), das gleiche sieht man an einem höher gelegenen Schnitt des nämlichen Wirbels (Fig.18). Hier ist aber der Wirbel- körper noch ganz knorpelig; an ihn tritt der Bogen heran und man erkennt auch hier die begrenzende periostale Ossifikations- lamelle. Solche Befunde veranlassten Gegenbaur und E.Rosen- berg (Über die Entwicklung der Wirbelsäule ete., Morphol. Jahrbuch), die Bögen als das „Primäre“ der Wirbel anzusehen. !) Vielleicht hängt .es hiermit zusammen, dass einige Autoren das öftere Vorkommen von zwei Kernen im Körper annehmen; die Täuschung tritt leicht ein, wenn man die Schnittfläche mit blossem Auge besieht. Östeobiologie. 191 In 54— 5 m dicken — Querschnitten des soeben be- schriebenen Wirbelkörpers fand sich nur der eine perforierende Kanal. In Sagittalschnitten durch die Mitte des Wirbelkörpers eines 6— monatlichen Embryo (Taf. XII, Fig. 19) bemerkt man schon einen bedeutenden Fortschritt. Das Knochengewebe durchdringt schon den ganzen Körper und an der hinteren Fläche ist bereits recht dicker periostaler Knochen entstanden (Fig. 19, p.). Vorn gegen die Oberfläche hin sieht man horizontal gerichtete Knochen- balken, von deren Spitze bogenförmige — den Sharpeyschen analoge — Fasern pinselförmig ausstrahlen und sich mit dem Lig. longitudinale anterius vereinigen. Wie Parallelschnitte lehren, hat das Knochengewebe an der vorderen Fläche jetzt eine grössere Ausdehnung als an der hinteren. Die knorpelige Be- schaffenheit der Seitenwände erhält sich noch eine zeitlang nach der Geburt. Im inneren des Wirbelkörpers geht die Ossifikation nach endochondralem Typus weiter, wie in den Röhrenknochen; die gleichen Zellensäulen und auch die begrenzende perichondrale Ossifikationslamelle sind vorhanden (Fig. 19). In diesen knorpeligen Endzonen, die von Rauber Epiphysen- platten genannt werden, bilden sich auch, wie in den Epiphysen der Röhrenknochen, zuweilen flache Knochenplatten. Nach Gegen- baur soll das nicht selten vorkommen. Mit vollendetem Wachstum sind auch die Epiphysenplatten völlig verknöchert, gleichwie um diese Zeit auch die Wirbelkörper und -bögen knöchern miteinander verschmelzen. In gleicher Weise, wenngleich durch die etwas anders gearteten anatomischen Verhältnisse modifiziert, verknöchert auch das Kreuzbein. Viele Analogien bietet auch die Ossifikation der knorpelig präformierten Skeletteile der Schädelbasis. Diese soll noch kurz skizziert werden und zwar — da mir selbst nur wenige Präparate dieser Teile zu Gebote stehen — im Anschluss an die alten, noch heute mustergültigen Untersuchungen R. Virchows'). Am frühesten sieht man beim menschlichen Embryo eine Knochen- anlage — und zwar ohne Zweifel perichondraler Natur — am Knorpel der Pars basilaris ossis oceipitis; „sie beginnt am vorderen Umfange des Hinterhauptloches am Ende des zweiten Fötalmonates !, Untersuchungen über die Entwicklung des Schädelgrundes etc. Berlin, 1857, Georg Reimer. 192 Alfred Bidder: und erstreckt sich als ein fast dreieckiges, nach vorn sich ver- jüngendes Plättchen in der Richtung zum hinteren Keilbein.“ Fast zu gleicher Zeit beginnt die Verknöcherung in den Partes condyloideae und im Schuppenteil. Diese vier Teile verschmelzen dann vondritten bis sechsten Lebensjahre knöchern, zu welcher Zeit das Foramen oceipitale magnum, aber auch schon einen Umfang wie beim Erwachsenen erreicht hat. Die Ossifikation des Körpers des hinteren Keilbeins (Os sphenoides posterius) beginnt im dritten Fötalmonate, indem sich im Boden der Fossa pituitaria, also an der oberen Wand des Keilbeins nebeneinander zwei Plättchen „Knochenkerne‘‘ bilden, die rasch miteinander „bisquitförmig“ verschmelzen. Von’ hier- aus drängt der junge Knochen dann in die Tiefe und erreicht sehr bald die untere Fläche des Keilbeins, worauf dann endo- chondrale und periostale Ossifikation gleichmässig vorrücken. — Im Körper des vorderen Keilbeins erscheint das Knochengewebe erst im vierten Monate „und zwar am inneren Rande des Foramen opticum, sodass beide Kerne anfangs durch ein ziemlich breites medianes Knorpelblatt getrennt sind, welche sich kontinuierlich in den Knorpel des Siebbeins und der Nasenscheidewand fort- setzt.“ Die untere Fläche und das Rostrum verknöchern ganz perio- stal. Im Keilbein findet man öfters wirkliche, erst nachträglich verknöchernde Knorpelinseln. Vorderes und hinteres Keilbein bleiben bis zur Geburt durch eine Knorpelwand getrennt, die „Synehondrosis intersphenoidalis“. Länger erhält sich die Knorpel- wand zwischen hinterem Keil- und Hinterhauptbein ‚‚Synchondrosis spheno-oceipitalis‘. An diesen Fugenknorpeln zeigen sich die Knorpelzellen in ganz bestimmter Weise „gerichtet“, sodass man an ihnen, wie an den früher beschriebenen Skeletteilen bereits erkennen kann, welche Gestalt und Richtung auch das sie später ersetzende Knochengewebe haben wird. Noch später beginnt die Ossifikation im Siebbein und zwar perichondral. Es verdient betont zu werden, dass bei diesem wie bei den Keilbeinen die Össifikation zuerst in den Seitenteilen, also in den grossen und kleinen Keilbeinflügeln ete. zuerst beginnt, gleichwie die Ossi- fikation der Wirbelbögen der der -körper vorangeht. Bei einigen Sagittalschnitten, die ich durch die Mitte des Schädels eines sechsmonatlichen Embryo anlegte, fand ich beim Os basilare die Ossifikation ganz, beim hinteren Keilbein schon tief nach unten Osteobiologie. 193 gedrungen, ferner auch die oftgenannte begrenzende perichon- drale Ossifikationslamelle. Das andere Keilbein war noch knorpelig d.h.in der Medianebene. Auch beim Brustbein schliesst sich der endochondralen Ossifikation sehr schnell die perichondrale an. Auf Längsschnitten durch das Manubrium sterni eines 25 Wochen alten menschlichen Embryos zeigte sich etwa in der Mitte der hinteren Wand ein ganz kleiner Knochenkern dem Perichondrium anliegend (Taf. XII, Fig. 20). Das Knochengewebe breitet sich dann endo- und peri- chondral aus und hat beim zwei Monate alten Kinde schon den ganzen Knorpel durchsetzt. Nur oben und unten sind noch den Epiphysen analoge Knorpelstücke, in denen die Össifikation bis zum Abschluss des Wachstums vorrückt (Taf. XII, Fig. 21). Etwas später erscheinen die Knochenkerne im Corpus und zuletzt im Processus ensiformis. Zu der zweiten Gruppe gehören die Skeletteile des Tarsus und Carpus und die Patella. Fast alle haben bekanntlich eine mehr oder weniger unregelmässige, kubische, kahn- oder keil- förmige Gestalt mit schärferen oder abgerundeten Ecken und Kanten. Bei allen ist die Oberfläche grösstenteils mit Gelenk- knorpeln bedeckt oder zeigt Furchen zur Einlagerung von Sehnen oder dient zur Anheftung von Bändern und Sehnen. Es bleibt daher nur wenig Platz übrig zur Ausbildung wahren, d. h. auch mit einer inneren osteoblastentragenden Schicht versehenen Perio- stes übrig. Dementsprechend ist die Ossifikation auch bis zum erwachsenen Alter eine vorwiegend endochondrale. Betrachten wir zunächst Talus und Calcameus, die in bezug auf Osteogenese den Röhrenknochen noch am nächsten stehen, und bei denen auch schon relativ früh — etwa im siebten Embryonalmonate — und ungefähr gleichzeitig, die Verknöcherung beginnt. Im fünften Embryonalmonate bemerkt man in den knorpeligen Anlagen nur zahlreiche Knorpelkanäle und die Verbindung der Skeletteile an einzelnen Stellen durch mehr oder weniger breite Züge jungen Bindegewebes. Auch am Sagittaldurchschnitte durch den Fuss eines zirka 24 Wochen alten Embryo ist Knochengewebe noch nicht zu sehen ; aber die Ossifikation bereitet sich ohne Zweifel schon vor. Eine kurze Strecke der dem Sinus tarsi zugekehrten oberen Fläche des Oalcaneus zeigt nämlich nicht allein ein mehr- schichtiges zellenreiches Perichondrium, sondern auch einen von Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 13 194 Alfred Bidder: hieraus in die Tiefe der Mitte des Knorpels zustrebenden recht breiten Canalis vasculosus mit Zügen osteoblastenähnlicher Zellen. In der Mitte sind dementsprechend in einer rundlichen Zone die Knorpelzellen bereits vergrössert nebst schräg durchschnittenen (Gefässkanälen. Die untere Fläche ist in bedeutender Ausdehnung ebenfalls mit zellenreichem dickem Perichondrium bedeckt. An dem in der gleichen Durchschnittsebene getroffenen Knorpel des Talus sind am Knorpel noch keine fortschrittlichen Veränderungen zu sehen. — In vollem Gange ist aber die Ossifikation schon beim zirka 28 Wochen alten Embryo. Der der oberen Fläche des Calcaneus anliegende runde Knochenkern hat einen Durch- messer von 3 mm und bei der mikroskopischen Untersuchung sieht man ihn schon mit starken periostalen Knochenbalken zu- sammenhängend und an diesen auch eine begrenzende perichon- drale Ossifikationslamelle. Von der Mitte der unteren Fläche geht ein breiter Canalis vasculosus durch den Knorpel aufsteigend zum Knochenkern (Taf. XIII, Fig. 22, 23). Am Talus liegen im wesentlichen gleiche Verhältnisse vor; nur ist der Knochenkern nicht allein kleiner (2 mm‘, sondern er liegt auch der unteren Fläche des Talus an, grade gegen- über dem des Oalcaneus (Taf. XIII, Fig. 22 A). An den dem Sinus tarsi angrenzenden Teilen beginnt also die Ossifikation. Bei der mikroskopischen Untersuchung sieht man das zellenreiche, mit vielen grossen Blutgefässen durchzogene Periost und dickere Fasern — den fibres arciformes Ranviers analoge — die bogen- förmig verlaufend in junge periostale Knochenbalken übergehen; auch die perichondrale begrenzende Ossifikationslamelle fehlt nicht (Taf. XIII, Fig. 23). Sehr schön sind auch die in radiärer Richtung der Peripherie zustrebenden Balken des endochondralen Knochens, der sich in die den ganzen Knochenkern umgebenden grossen Knorpelzellen nach neoplastischem Typus einlagert; also Geschehnisse die den an den Epiphysen beschriebenen völlig analog sind. Ob hier der periostale Knochen dem endochondralen vorher geht oder nicht, kann ich nicht sagen, da ich ein das allererste Stadium der Knochenentwicklung bietendes Präparat nicht gewinnen konnte. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass am Oalcaneus wenigstens eine kleine perichondrale Knochen- lamelle das Primäre ist. Beim Neugeborenen ist schon der ganze mittlere Teil des Calcanens von Knochengewebe durchsetzt, das Osteobiologie. 195 an der unteren Fläche hinten an beschränkter Stelle den Knorpel vordrängt und hier an die bindgewebige Hülle stösst (Taf. XIII, Fig. 24 B). Der Knochen wächst jetzt in die Dicke, zum Teil periostal, in die Länge endochondral nach bekanntem Typus. Die dicke Knorpelmasse des Tuber calcanei erhält im 6.—10. Lebensjahre einen besonderen Knochenkern; ob er ebenso entsteht wie in der epiphysären der Röhrenknochen, habe ich nicht untersuchen können, es scheint mir aber sehr wahrscheinlich, ebenso wie die Annahme, dass zum Schluss des Wachstums sich auch hier an die endo- chondrale eine intratendinöse resp. intraligamentöse Ossifikation anschliesst, nämlich an der Ansatzstelle des Ursprungs des Flexor digit. brevis und der Achillessehne. Indessen muss ich mir über diesen Punkt und manche andere Einzelheiten die Entscheidung für eine günstigere Gelegenheit aufsparen. Für wahres Periost bleiben am erwachsenen Calcaneus im allgemeinen nur einige Stellen an der oberen, unteren und äusseren Fläche übrig, da die mediale zum Teil als Schleifbahn für den Flexor hallueis longus, das Tuber zu Sehnenansätzen, die vordere und obere Fläche end- lich zur Gelenkverbindung dienen. — Am Talus des Neugeborenen ist in gleicher Weise die Mitte durch Knochengewebe eingenommen, das an der unteren und oberen Fläche durch periostalen Knochen begrenzt wird und zwar oben nur in geringer Ausdehnung an der lateralen Hälfte des Collum. Für wahres Periost bestimmte Flächen sind nur wenige vorhanden, da der grösste Teil der Talusoberfläche mit dauerndem Gelenkknorpel überzogen ist. Ob auch beim Erwachsenen deutliche Östeoblastenlager vorhanden sind, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Weit später verknöchert das Os naviculare. Bei einem zwei Monate alten Kinde war vom Knochen noch nichts zu finden, ent- sprechend der Erfahrung, dass die Ossifikation nicht vor dem dritten Lebensjahre beginne. Dagegen zeigte mir dieser Knochen bei einem dreijährigen Kinde schon ausgedehnte Verknöcherung. Das die Form des Skeletteils schon wiedergebende Knochen- gewebe ist allerdings noch ringsum von Knorpel umgeben und scheint nur an einer kleinen Stelle der oberen und unteren Fläche mit dem bindegewebigen Überzug zusammenzuhängen. Jedenfalls bleibt auch hier im erwachsenen Alter nur wenig Raum für wahres Periost übrig und zwar an der oberen, unteren und 13* 196 Alfred Bidder: medialen Fläche, die nicht nur an und für sich schmal sind, sondern auch noch zu Bandansatz benutzt werden, während die vordere, hintere und laterale Fläche Gelenkflächen sind. Die Ossifikation des Os naviculare ist ohne Zweifel ebenso wie die des Cuneiforme I und II anfänglich eine rein endochondrale; für das Cuneiforme III und das Cuboideum kann ich es durch mikroskopische Untersuchung direkt beweisen. Es liegen nämlich Schnitte durch das Cuneiforme III eines zwei Monate alten Kindes vor, die an der medialen Fläche schon einen kleinen endochondralen Knochenkern darbieten, aber noch keine Spur perichondralen Knochengewebes (Fig. 25). Der frontale Durchschnitt zeigt an der medialen Fläche faseriges spindelzellenhaltiges Gewebe mit zahlreichen Blutgefässen durch- setzt. Von hier aus tritt an eine Stelle ein breiter, gefäss- führender und Züge osteoblastenähnlicher Zellen enthaltender Kanal durch den Knorpel quer in das innere der angrenzenden endo- chondralen Markräume, die an mehreren Stellen bereits endo- chondralen Knochen enthalten. Der Kanal teilt sich gleich nach dem Eintritt in den Knorpel in zwei Äste, die eine scheinbare Knorpelinsel umfassen. Der Knochenkern ist von einem Kranze hypertrophischer, resp. in Rückbildung begriffener Knorpelzellen umgeben, die aber mehr zu kleinen Gruppen mit zwischen- liegender breiter Grundsubstanz vereinigt sind. An der gegenüber liegenden lateralen Fläche ist ein grosser von der Peripherie eindringender und sich teilender Knorpelkanal zu sehen ') Ein schon weiter vorgerücktes Stadium zeigt der Knochen bei einem einjährigen Kind. Hier ist der Knochenkern bereits linsengross und legt sich mit etwas breiterer Fläche an den medialen Wandüberzug. Das Os cuneiforme II ist noch knorpelig; beim Cuneiforme III ist ein erst stecknadelkopfgrosser Kern zu sehen, der lateralen Wand am nächsten liegend, aber doch noch durch ein ziemlich breites Knorpellager von ihr getrennt. Ein Blutgefäss verbindet hier den Knochenkern mit der binde- gewebigen Umhüllung. Das Os cuboideum des zwei Monate alten Kindes hat einen schon fast erbsengrossen Knochenkern, der überall von dickem Knorpel umgeben ist (Taf. XIIL, Fig.26 A). Die mikroskopische !) Die geplante mikroskopische Zeichnung konnte ich meiner Er- krankung wegen nicht mehr ausführen. Osteobiologie. 197 Untersuchung (Sagittal- und Frontalschnitte) lehrt, dass von dem vorderen Teil der mit starken fibrösen Fasern überzogenen knorpeligen oberen Fläche an einer Stelle ein breiter Kanal in die Tiefe geht, in dem eine dicke Vene (Taf. XIII, Fig. 26 v) unter Zügen von grösseren Zellen liegt, die in die Markräume des endochondralen Knochens dringen. Das fibröse, zum Teil mit dem Knorpel festverwachsene Gewebe zeigt meist spindelförmige Zellen und Querdurchschnitte kleinerer Blutgefässe in der Nähe des genannten Verbindungskanals, lässt aber ein Osteoblasten- lager vermissen. Perichondraler Knochen ist nicht zu finden. Ohne Zweifel haben sich hier nur an einer ganzen kleinen Stelle im Perichondrium Osteoblasten gebildet, die dann alsbald, durch den Kanal ins Innere gelangt, die endochondrale Vssifikation bewirkt haben. Beim einjährigen Kind ist das Knochengewebe schon recht ausgedehnt und dicht an die Oberfläche gelangt, so dass man es schon mit blossem Auge durch die mit fibrösen Fasern bedeckte obere Wandfläche durchschimmern sieht. Sagittalschnitte durch das Os cuboideum eines drei Jahre alten Kindes (Taf. XIII, Fig. 26 B), zeigen das Knochengewebe an der oberen Fläche in grosser, an der unteren in geringerer Aus- dehnung an die Oberfläche gelangt. Bei mikroskopischer Unter- suchung findet man die lang gezogenen Knochenbalken mit dichten Zügen fibrösen Gewebes belegt, deren innere Fasern reichliche nahe beieinander liegende Zellen von meist spindel- förmigen Charakter zeigen Nur an einigen Stellen findet sich stärkere Ansammlung grösserer, rundlicher Zellen, die in Be- gleitung von Blutgefässen durch Lücken der Knochenbalken mit den Markräumen des Knochens zusammenhängen. Es scheint mir hier weniger periostale alsvielmehrintraligamentöse sog. intrafasciale Ossifikation vorzuliegen, die von den Markräumen des endochon- dralen Knochensausgeht. Die mediale Seitenwand ist, wie auf Quer- schnitten zu sehen ist, noch zum grossen Teil mit Knorpel über- deckt, der nur in der unteren Hälfte an einer kleinen Stelle fehlt. Hier sind die an die Oberfläche gelangten endochondralen Knochenbalken mit dem Bindegewebe der seitlichen Wand bedeckt. Der vordere Teil der unteren Fläche des Os cuboideum zeigt noch knorpeligen Überzug. Für dauerndes Periost ist am Würfelbein nur wenig Platz, da vordere und hintere Fläche Gelenkknorpel tragen, ebenso der 198 Alfred Bidder: grösste Teil der medialen, während ein grosser Teil der äusseren Furche für die Peroneussehne dient. Auch Os cuneiforme I bietet wenig Platz für wahres Periost, da vordere, hintere und mediale Fläche Gelenkflächen sind, an die äussere aber der Musculus tibialis anticus und Fascien sich ansetzen; Os cuneiforme II und III sind endlich fast all- seitig von Gelenkknorpeln bedeckt. Die gleichen Verhältnisse finden sich an den Handwurzel- knochen. Bei ihnen ist ebenfalls die Oberfläche grösstenteils mit dauernden Knorpelflächen besetzt, die freieren oberen und unteren resp. äusseren Flächen aber zum Ansatz von Sehnen, Bändern, Fascien bestimmt, zwischen denen-nur wenig Platz für wahres Periost vor- handen ist. Die knorpeligen Anlagen dieser Skeletteile ossifizieren endochondral und relativ spät. Bei dem mir vorliegenden Carpus eines ein Jahr und vier Monate alten Kindes sind nur im Os capitatum und hamatum erst kleine zentrale Knochen- kerne vorhanden (Taf. XIII, Fig. 27, B und A), die nur nach oben hin durch einen Gefässkanal mit dem die obere Fläche bedeckenden fibrösen Gewebe in Verbindung stehen. Ausserdem finden sich natürlich, wie überall, in verschiedener Richtung durchschnittene typische Knorpelkanäle. Betrachtet man die obere Hälfte des Os hamatum auf Sagittalschnitten bei stärkerer Vergröserung (Taf. XIII, Fig. 27), so erblickt man hier ebenfalls an einer Stelle in der Knorpelwand einen breiten Kanal, der die Oberfläche mit dem Knochenkern verbindet. In ihm liegen erstens: eine teils schräg, teils in der Längsrichtung durchschnittene (Taf. XIII, Fig.27 a) dickwandige Arterie und zweitens: eine breite mit Blutkörperchen gefüllte Vene (Taf. XIII, Fig. 27 v), die durch die Ver- einigung zweier aus den Markräumen tretender Venen entstanden ist; diese umfassen auf dem vorliegenden Schnitte eine schein- bare Knorpelinsel (Taf. XIII. Fig. 27 kp.), der nach der Markhöhle zu ein junger Knochenbalken anliegt. Weitere Knochenbalken liegen — wie beim os cuboideum — teils dem Knorpel flach an, teils treiben sie Sprossen, in die auch hier meist in Gruppen zu drei bis fünt zusammenstehenden hypertrophischen Knorpel- zellen der Ossifikationsgrenze. Das Mark ist sehr zellenreich; im Kanal aber sieht man neben lockerem Bindegewebe nur wenige Gruppen resp. Züge von Zellen, die den Osteoblasten zuzurechnen wären. An den Grenzen aber zwischen Knorpel Osteobiologie. 199 und äusserem Überzug erkennt man nur die direkte Verbindung des Knorpels mit den sehnig-welligen Faserzügen; wo dann spindelförmige Bindegewebs- oder ovale Sehnenzellen sich im Gebiete junger Knorpelzellen verlieren. Eine den Charakter wahren Periostes resp. Perichondriums tragende Schicht ist nicht zu erkennen. Sehr gerne hätte ich die erste Knochenentstehung gerade am os scaphoideum untersucht, doch dieses war wie die anderen Carpalteile des genannten Kindes noch völlig knorpelig. Dass aber hier die Verhältnisse ohne Zweifel die gleichen sind, wie bei den soeben beschriebenen, dafür sprechen klinische Er- fahrungen, die später erörtert werden müssen. Sehr hübsche Bilder, die das bald von der Seite, bald von oben oder unten er- folgende Eindringen von Gefässkanälen in die für die Ossifikation schon vorbereitete Mitte der Carpal- und Tarsalknorpel illustrieren, lieferten endlich Schnitte durch die genannten Teile des mit Berliner Blau injizierten jungen Kaninchens. Was schliesslich die Patella betrifft, so musste ich mich auf ihre Untersuchung bei Tieren beschränken, da ich mensch- liche Pateilen aus dem dritten bis vierten Lebensjahre, in dem die Ossifikation beginnt, nicht erlangen konnte. Dafür habe ich aber den Prozess an Meerschweinchen, Kaninchen und Katzen in allen Stadien recht genau verfolgen können. — Bei neugeborenen Kaninchen ist die Patella noch ganz knorpelig. Der Knorpel ist noch kleinzellig und zeigt nur einige Knorpelkanäle. Auf Längs- schnitten sieht man die inneren Fasern der Quadricepssehne, zwischen denen die jungen Sehnenzellen in Reihen angeordnet liegen, in die vordere Knorpelwand übergehen. Die übrigen Fasern sind dicht durchsetzt von mehr länglichen Zellen und bedecken die ganze Vorderfläche der Patella in ziemlich dicker Schicht, die auch auf das Lig. patellare übergeht, dessen innere Fasern sich ähnlich verhalten und in gleicher Beziehung zu dem unteren Rande der Patella stehen, wie die Sehnen zum oberen. Nach zwei bis drei Wochen ist das Bild bereits ein recht verändertes. Eine Reihe von Querschnitten durch die mittlere Zone der Patella zeigte mir jetzt folgendes: Von der vorderen Binde- gewebsschicht, deren Zellen auf dem Querschnitt vorherrschend rundlich aussehen, senken sich die reichlichen Zellen der inneren Lagein eine hier entstandene Lücke des Knorpels (Taf. XIII, Fig. 28). Diese Lücke bildet aber den Anfang eines breiten Kanals, der 200 Alfred Bidder: in weitere durch Einschmelzung des Knorpels gebildete Mark- räume führt. Im Kanal erkennt man Blutgefässe und Zellen, die den Osteoblasten gleichen. Diese liegen auch den Seiten der Markräume und den wenigen jungen Knochenbalken an, die bereits zu erkennen sind. Nach aussen ist dieser junge Knochenkern aber von den typischen hypertrophischen und seneszierenden Knorpelzellen umgeben. Es ist also ohne Zweifel genau der gleiche Vorgang, wie wir ihn an den beschriebenen Handwurzel- und vorderen Fusswurzelknochen und an den Wirbelkörpern gefunden haben. Man erkennt aber auch, dass diese zum Knochenkern führenden Kanäle durchaus gleichwertig sind den Kanälen, die von der Diaphyse aus den Fugenknorpel der Röhrenknochen durchsetzen. Wenn sie auch nicht Canales longitudinales perforantes sind wiein den Epiphysen, so darf man sie doch wohl Canales ossiferi laterales nennen. Diese scheinen mir bei der Patella nur von einer kleinen Stelle der mittleren Zone auszugehen. Auf oberhalb und unterhalb gelegenen Querschnitten war ein solcher eindringender Kanal nicht zu sehen. Derin der Abbildung rechts befindliche und mit dem perichondralen Bindegewebe kommuni- zierende Kanal ist offenbar ein Knorpelkanal. Das endochondrale Knochengewebe wächst nun rasch in die Länge, Breite und nach vorn; nach hinten weniger, da ja hier der Knorpel als Gelenkfläche stehen bleiben muss. Bei einem ungefähr drei Viertel erwachsenen Kaninchen ist der Knorpel an der Vorderfläche der Patella bereits völlig aufgezehrt, und die endochondrale Ossifikation ist bereits in endotendinale über- gegangen. Auf Längsschnitten erkennt man schön, wie an der Vorderfläche das blutgefäss- und osteoblastenführende Markgewebe voninnen her nach aussen, oben und unten zwischen den Faserbündeln der Quadricepssehne vordringt. (Taf. XIV, Fig. 29.) Nach innen zu erscheinen die Markräume grösser und nach aussen zu kleiner und schmäler (Taf. XIV, Fig. 29 m) und in den zwischen ihnen liegenden Sehnenbündeln treten dem Beobachter noch Reihen grosser Sehnenzellen entgegen. Ohne Zweifel gehen sie ebenso wie die hypertrophischen Zellen bei der endo- chondralen Ossifikation zu Grunde und schaffen dadurch Raum für die endotendinale Ablagerung des jungen Knochengewebes. Ob die Kerne der Sehnenzellen dabei die gleiche regressive Me- tamorphose durchmachen, wie die Knorpelzellen, habe ich nicht mit Osteobiologie. 201 Sicherheit konstatieren können. Jedenfalls ist es klar, dass die Sehnenfasern als Stützleisten für die von innen her an sie gelangenden Osteoblasten dienen. Dadurch wird zugleich eine sehr feste Verbindung zwischen Sehne oder Ligament und Knochen hergestellt. Perichondral- resp. periostalgebildete Knochen zeigen die mir vorliegenden Schnitte nirgends; möglich ist in- dessen, dass an einer kleinen in der Mitte, vielleicht an der Eintrittstelle des beschriebenen Canalis ossiferus, doch etwas wahres Periost vorhanden ist und sich das ganze Leben hindurch erhält. Nach allem muss ich daher die Patella als ein sehr geeignetes Objekt zur Demonstration endotendinaler und endo- ligamentaler Ossifikation bezeichnen. Es ist hier ein der be- schriebenen Ossifikation der Crista tibiae an der Ansatzstelle des Lig. patellare ganz analoges Bild. Es stimmt hiermit auch der Befund Ranviers!) an der Grenze zwischen Ligamentum teres und Caput femoris einer alten Katze überein. Auf der bei- gefügten Abbildung sieht man Sehnenfibrillen in den Knochen übergehen, der hier allerdings scharf abgegrenzt erscheint, entsprechand dem völlig ausgewachsenen Zustande von Knochen und Band. Soweit war ich mit dem Niederschreiben gekommen als ich in mir das Vorhandensein eines schweren Leberleidens — ohne Zweifel eines Carcinoma hepatis — entdeckte, das sich offenbar schon seit langer Zeit vorbereitet hatte, jetzt aber schnelle Fortschritte zu machen scheint. Ich werde daher in den folgenden — in der Inhaltsübersicht genannten — Abschnitten nur das wesentlichste kurz skizzieren können, die die praktische Chirurgie betreffenden Kapitel vielleicht garnicht mehr in Angriff nehmen. Das würde mir um so mehr Leid tun, als ich glaubte, auf Grund reichlichen von mir gesammelten Materials manche Unklarheiten aufhellen zu können. 8. Knochenmark und Resorption. Die im innern der Knochen an die kleinen und grossen Markräume grenzenden Knochenbalken sind an vielen Stellen mit etwas zartem Bindegewebe bedeckt, das jetzt „Endosteum“ ') Ranvier. Lehrbuch ete. 1888. Deutsch von Nicati und Wyss. 8.343. 202 Alfred Bidder: (Gegenbaur) genannt wird. An anderen Stellen liegen aber dem Knochen die Wandelemente von Lymphgefässen an, die hier jetzt ebenso nachgewiesen sind wie im Periost. In den neugebildeten Markräumen erscheinen zuerst gleich- zeitig mit Capillargefässen Bindegewebszellen verschiedener (Gestalt (manche dieser sind wohl schon als ÖOsteoblasten auf- zufassen), deren Protoplasma mit zarten Fäden mit dem Gefäss zusammenhängt (Fig. 5, Fig. 32). Dann sieht man zahlreiche kleine und grössere Mark- zellen. Mit dem grossen Blutreichtum jungen Knochengewebes hängt es natürlich zusammen, dass man bei mikroskopischer Untersuchung massenhaften roten Blutkörperchen, auch vielen weissen Blutkörperchen und Lymphkörperchen begegnet. Auch Vorstufen der roten Blutkörperchen will man gefunden haben. Diesen verschiedenartigen Zellen hat man jetzt — haupt- sächlich auf Grund von Farbenreaktionen — viele neue interessante Namen gegeben, ist aber der Erkenntnis damit. noch nicht wesentlich näher gekommen. Von vielen Seiten wird mit Bestimmtheit behauptet, das Knochenmark sei die 3ildungsstätte der roten Blutkörperchen. Ich kann mich dieser Ansicht aus mehrfachen Gründen nicht anschliessen, besonders deshalb, weil schon lange, bevor die Markräume entstehen, Blutkörperchen vorhanden sind und in lebhafter Weise zirkulieren. Das kindliche Knochenmark ist rot; vom vierten Lebens- jahre an wird es mehr und mehr gelb. Zahlreiche Zellen — wahrscheinlich die des Bindegewebes — nehmen grosse Fett- mengen in sich auf, gruppieren sich traubenförmig und sind dann durch ein bindegewebiges Gerüst (Langer) voneinander ge- trennt. Es ist ein Maschenwerk entstanden, in dem die ge- nannten Zellen des Knochenmarkes sich sammeln und in dessen Knotenpunkten man die mit Blutkörperchen gefüllten Gefässe er- kennt. Auch hier tritt uns wieder die „Zielstrebigkeit“ (C. E. v. Baer) der Natur vor Augen, die die mit zu- nehmendem Wachstum auch notwendigerweise vermehrte Schwere der Knochen dadurch einschränkt, dass sie offenbar für den Bestand und die späteren Aufgaben nicht durchaus. Notwendiges durch das leichte Fettgewebe ersetzt. Osteobiologie. 203 Eine gute Übersicht über unsere bisherigen Kenntnisse vom Bau des Knochenmarkes hat C. M. Jackson!) geliefert, auf dessen Arbeit hiermit hingewiesen sei. An den kleinen Markzellen sieht man häufig Vorgänge, die man als Teilung auffassen muss. In welcher Beziehung sie zu den übrigen Zellen des Markes stehen, namentlich zu den Osteoblasten, an denen ich Teilungsvorgänge nicht mit Sicherheit finden konnte, ist noch nicht klar. Ebenso wenig scheint mir das Wesen der grossen vielkernigen Zellen aufgeklärt zu sein, denen von vielen Untersuchern ein bedeutender Einfluss auf die Resorption des Knochengewebes zugedacht wird. Diese Zellen sind zuallererst von F. Bidder (Müllers Archiv 1543) gesehen und beschrieben worden. Es dürfte von Interesse sein, seine Worte hier wiederzugeben: „Die letzte und grösste Art von Körperchen, von 0,0015‘ Durchmesser, ist platt, kreisrund oder oblong, schwach, aber doch recht kenntlich kon- turiert, in dem Inhalte eine geringe Trübung zeigend, ohne dass jedoch deutliche Körnchen zu erkennen wären. Dagegen zeigen sich in ihnen Kerne, die 0,00022—0,00030' Durchmesser haben und in einfacher bis vier- und mehrfacher Zahl vorkommen. Wo nur ein solcher Nucleus vorhanden ist, da ist er kreisrund; sind mehrere da, so haben sie sich aneinander abgeplattet, sodass die Grenzen der einzelnen Kerne nur an einem Teile des Umfanges noch kenntlich sind; endlich scheinen sie ganz zu verschmelzen, und dann treten inmitten jener Körper Kerne von selbst 0,00065 Durchmesser auf. Der beträchtliche Umfang dieser Körper und die nur schwache Trübung ihres Inhaltes bewirken es, dass sie von der übrigen Masse des Markes, die wegen ihrer gelblichen Färbung und dunkelkörnigen Beschaffenheit undurchsichtig er- scheint, als grosse, helle Flecken sich unterscheiden, die man auf den ersten Blick für blosse Lücken zu halten geneigt ist und die dieser Knochenmarkmasse unter dem Mikroskop eine ent- fernte Ähnlichkeit mit dem Aussehen des Froschdotters erteilen. Zu- weilen trifft man endlich auf baumförmig verzweigte, helle, durch- sichtige Streifen, die von scharfen Konturen umschlossen werden 1,C. M. Jackson. Zur Histologie und Histogenese des Knochen- markes. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Waldeyer — Anat. Abt., Jahrg. 1904. 204 Alfred Bidder: und wahrscheinlich Gefässe sind, die vielleicht aus den letztge- nannten grossen, hellen Körpern sich entwickeln. In welchem näheren Verhältnis diese verschiedenen Körperchen des Knochen- markes zu dem späteren Inhalt der Knochenkanäle stehen, dar- über muss ich mich vorläufig jeder detaillierten Angabe enthalten.‘ Diese Beobachtungen sind noch heute im wesentlichen zu- treffend. Sie wurden an frischem Material mit Essigsäurezusatz gemacht. Später wurden diese mehrkernigen Zellen nach Robin Myeloplaxen, nach Virchow Riesenzellen genannt. Ihre Bedeutung blieb ungewiss, bis A. Kölliker zu der Ueberzeugung gelangt war (die normale Resorption ete., 1573), dass sie die Resorption des Knochengewebes bewirkten. Er nannte sie daher Osteoklasten. Gegen diese Lehre wurde mancher Einwand erhoben, so von Bredichin, Marisier (Archiv für experimentielle Pathologie etec., Bd. 1), die die Osteoklasten als Zerfallsprodukte der Knochensub- stanz ansahen. Viel allgemeiner war aber die Zustimmung. Auch die Ansicht Köllikers, dass die Osteoklasten sich aus Osteoblasten entwickelten und nach getaner Arbeit sich wieder zu Osteoblasten zurückbildeten, fand Zustimmung selbst von seiten Gegenbaurs. Die Beobachtung von Böhm und Davidoff!), die in Riesen- zellen Mitosen gefunden haben wollen, würde allerdings für ein recht aktives Verhalten dieser Zellen sprechen. Alle weiteren Einzelheiten muss ich übergehen, auch die zahlreichen Arbeiten der pathol. Anatomen, die — ich muss sagen — eher zur Ver- wirrung als zur Klärung der Sache beitrugen?),, zumal man alsbald die Riesenzellen aus allen möglichen anderen Zellen entstehen liess; sogar aus den fertigen Epithelien von Drüsen- kanälchen. Ich habe mich bei meinen Untersuchungen an das Knochen- und Markgewebe gesunder Tiere und menschlicher Embryonen gehalten, muss aber bekennen, dass ich trotz aller Bemühungen zu einem bestimmten Urteil nicht gelangt bin. Nur soviel scheint mir sicher, dass im Knochen zwischen Riesenzellen und Riesenzellen ein Unterschied gemacht werden muss. ') Mikroskopische Technik. ?), z. B. Ziegler: Uber Proliferation, Metaplasie und Resorption des Knochengewebes Virchows Archiv, Bd. 73. S. 369 und 372. Osteobiologie. 205 Nur einige Präparate will ich kurz beschreiben. An dem Knorpelrest, der dem periostalen Knochen des Talus eines 6— 7 monatlichen Embryo (vergl. Fig. 23) innen naliegt, sieht man eine Protoplasmamasse, die von kleinen hellen ovalen Stellen durchsetzt ist (Schaum-Vacuolen? Vergl. W. Berg), vor allem aber fünf grosse ovale Kerne mit Kernkörperchen ent- hält. (Fig. 30 r.) Bei veränderter Linseneinstellung erscheinen noch einige weitere Kerne. Zarte Protoplasmafäden verbinden diese Riesenzelle mit zwei anderen, von mehr runder Form, die etwas kleiner sind und kleinere, mehr runde Kerne haben; zwischen den beiden letztgenannten Riesenzellen liegt ein Blut- gefäss, das einige rote Blutkörper enthält (Fig. 30b.). An einer nebenanliegenden Stelle sieht man der Knochenoberfläche eine grössere, in die Länge gezogene, acht Kerne enthaltende Zelle ziemlich glatt anliegen. (Fig. 31r.). Nach innen zu grenzt sie an ein viele rote Blutkörperchen enthaltendes Gefäss (Fig. 31b). Sehr schön ist die erste Markraumbildung in dem Manu- brium sterni des 25 Wochen alten Embryo — das in natürlicher Grösse in Fig. 20 abgebildet ist — zu sehen. Man erkennt in der Abbildung Fig. 32 einen geschlossenen und rechts davon einen offenen — die rechte Wand ist nicht dargestellt — Mark- raum. (Fig. 32r). In dem ersten ist eine zweikernige Riesen- zelle, die einem einige rote Blutkörperchen enthaltenden Gefässe anliegt. Ausserdem zahlreiche, verschieden gestaltete Zellen, die durch Protoplasmafäden verbunden sind und grosse Kerne runder oder länglicher Form enthalten. Die Ränder der Knorpel- grundsubstanz (Fig. 32. k. p.) sind stellenweise glänzend und erscheinen hier durch Aufnahme der beiden Farbstoffe (Haemat- oxylin und Rubin) bläulichviolett. An einer Stelle (Fig. 32x) sieht der Knorpel wie in Tröpfchen gesondert, nebenan körnig und streifig aus. An zahlreichen anliegenden Knorpelzellen ist das Zerfallen der Kerne deutlich erkennbar. Wie soll man dieses bunte zellenreiche Bild deuten? Endlich noch einige Abbildungen aus Querschnitten durch die Tibia eines acht Tage alten Kaninchen in der Höhe der Crista. In der Mitte des Markes finden sich zahlreiche Riesenzellen, die eine mehr rund- liche Form mit zackigen Rändern haben, die durch feine Proto- plasmafäden mit den zahlreichen, umgebenden Markzellen ver- bunden sind (Fig. 33); die meisten dieser Riesenzellen zeigen 206 Alfred Bidder: im Innern sehr zahlreiche Kerne, welche kranzförmig dicht an- einandergedrängt liegen (Fig. 33r.). Einige andere, wie die in der Abbildung danebenstehende, umfassen ein Lumen, das sich durch därin befindlichen blauen Injektionsstoff, resp. durch Blut- körperchen in der Tat als Gefässlichtung erweist. Die Kerne sind hier verschieden geformt und nicht so gruppiert wie in der vorher besprochenen Riesenzelle.e. Weiter unten liegt eine Riesenzelle mit Kernen verschiedener Grösse, eine zweite mit zwei grossen und einem kleinen Kern. Alle Riesenzellen sind durch Protoplasmafäden mit der Umgebung verbunden, die dicht erfüllt ist mit Markzellen von verschiedenster Grösse, Form und Durchsichtigkeit. Die oft wechselnde Form der Riesenzellenkerne ist wohl dadurch zu erklären, dass sie sich in verschiedenen Ebenen bald flach, bald auf die Kante oder gleichsam auf den Kopf gestellt im Gesichtsfeid darbieten. Die Zellen sind ausserdem nicht sehr flach, sondern zeigen meist eine gewisse Dicke. Dort aber, wo die Riesenzelle an die en- dochondralen Knochenbalken grenzen, sind etwas abweichende Formen, die sich oft denen nähern, die Kölliker zeichnet. In Fig. 33 A scheint die Protoplasmamasse einer Riesenzelle r. sanduhrförmig eingeklammert zu sein zwischen zwei Knochen- enden. Doch die Betrachtung angrenzender Schnitte lehrt, dass das nicht der Fall ist. Vielmehr liegt das Protoplasma nur in der Konkavität eines gekrümmten Knochenbalkens, dessen Bogen weggeschnitten ist. Die wenigen Kerne der Riesenzelle zeigen eine abweichende, ausgezogene Form und sind unklar. Die mehr runden, meist in den Knotenpunkten des binde- gewebigen, das Mark durchsetzenden, Netzwerkes gelegenen Riesenzellen sind wahrscheinlich besonderer Art. Mir sind sie im Mark eines fast erwachsenen Kaninchens fast ebenso häufig begegnet, wie beim ganz jungen. Neben ihnen sind öfters grössere, dicht mit Blutkörperchen gefüllte Gefässe. Gedenkt man ferner der Riesenzellen, die gleichsam als sehr verdickter Wandteil ein Kapillargefäss umschliessen, so begreift man sehr wohl, dass diese Zellen geradezu als „Angioblasten“ bezeichnet werden konnten, wie es W. Brodowski'!) vor 30 Jahren getan hat. ) Brodowski: Über den Ursprung sogenannter Riesenzellen und Tuberkeln im Allgemeinen: Virchows Archiv, Bd. 63, 8.113, 1875. Östeobiologie. 207 Die andere Gruppe der Riesenzellen, die mehr in die Länge gezogenen, dem Knochenbalken mehr oder weniger anliegenden, haben öfters nur wenige aber ganz unregelmässig gestaltete Fortsätze. Ihr Protoplasma wird dabei durch die Pikrinsäure der van Giesonschen Lösung fast immer geiblich-grün ge- färbt, was bei der erstgenannten Gruppe nicht der Fall ist. Schon Kölliker ist das chemisch-physikalisch abweichende Verhalten seiner Osteoklasten im Vergleich mit anderen Zellen aufgefallen. Er fand nämlich, dass das Protoplasma der Osteo- klasten im Wasser nicht quelle, wenig verändere und ausserdem bedeutenden Druck ertrage. — Ich kann auf diese Dinge nicht näher eingehen, auch nicht auf die eine Zeit lang vielstudierte Frage, ob und welche etwa durch zellulären Stoffwechsel erzeugte chemische Stoffe die Resorption bewirken. Eine genaue Erörterung dieser Fragen findet sich in der trefflichen Arbeit von G. Pommer.') Darauf muss aber besonders hingewiesen werden, dass die nor- male mit der pathologischen Resorption, wie sie z. B. bei der rarefizierenden ÖOstitis Regel ist, nicht gleichgestellt werden darf. Ein sehr wichtiger Unterschied besteht schon darin, dass bei Ostitis stets lacunäre Einschmelzung stattfindet, und dass die Ränder der Lakunen feine Zähnelung und Zerklüftung zeigen, auf die ich jüngst aufmerksam gemacht habe (Langenbecks Archiv, Bd. 18) und die von Pommer bestätigt worden ist. Diese Erscheinung findet man bei normaler Resorption nie. Überhaupt ist dabei die Bildung Howshipscher Lakunen eine nicht regelmässige Erscheinung. Dagegen kann man sich ın gesundem Knochengewebe überall von dem Vorhandensein sog. „glatter“ Resorption (vergl. F. Busch: Langenbecks Archiv, Bd. 21) überzeugen. Als Kuriosum sei noch erwähnt, dass Strelzoff seinerzeit die Resorption glaubte verwerfen und an ihrer Stelle eine Wanderung der endochondralen Knochenbalken konstatieren zu müssen. Nun, diese konstatierte Behauptung ist von L. Stieda längst ad absurdum geführt worden. Kölliker führte endlich auch den Begriff „äussere Re- sorption“ ein, die im früheren Abschnitt 5 schon kurz berück- sichtigt wurde. Ich kann darauf nicht näher eingehen, sondern !) Über die lakunäre Resorption in erkrankten Knochen. Aus dem 83. Bande d. Sitzb. d. k. Akademie in Wien. III. Abt. 1881. 208 Alfred Bidder: möchte nur kurz bemerken, dass eine solche Annahme durchaus nicht nötig ist, wenn man bedenkt, wie viel hundert Mal der erwachsene Knochen grösser ist, als der embryonale. Wichtig wäre es, wenn es schon in der Jugend ringsum knöchern umschlossene Öffnungen oder Kanäle gäbe, deren Durch- messer sich bis zum erwachsenen Alter vergrössern müsste. Deren Existenz wäre aber nicht bekannt. Wohl aber scheint zu gewissen Zeiten an bestimmten Stellen die äussere Apposition vom Knochengewebe vorübergehend in verringertem Maße oder gar nicht stattzufinden. Wie dem auch sein mag, jedenfalls sehen wir, dass bei allen vorher beschriebenen komplizierten Vorgängen, bei dem wunderbaren Zusammenwirken von Apposition und Resorption die äussere Form der Knochen und ihr inneres Gefüge erhalten bleiben und nur kunstvoller modelliert werden im Laufe des Wachstums. Es ist ein Verdienst Hermann Meyers (Zürich)!), zu- erst darauf aufmerksam gemacht zu haben, einerseits, dass die Spongiosa regelmässig nach den Anforderungen der Statik — aufgebaut ist und andererseits, dass. die ebenso zierliche wie zweckmässige innere Architektur in allen Altersstadien gleich bleibt. Am wunderbarsten — und was ist in der ganzen Ent- wickelungsgeschichte nicht wunderbar — ist aber, dass alles bereits im Knorpelstadium des Skelettes „vorgezeichnet“ (J.G. Walter?) ist. Schon in diesem Stadium sind Form und Inhalt der zu- künftigen Knochen entschieden und die rätselvolle immanente Kraft der Natur hält mit äusserster Zähigkeit an der Durch- führung des bestimmten Planes fest. Bekannt ist ferner, dass schon im Knorpelstadium und den ihm vorhergehenden Stadien eine Anzahl von Missbildungen vor- bereitet ist, die dann späterhin unweigerlich erscheinen. Weniger bekannt dürfte sein, dass das auch für den congenitalen Pes varus gilt Mir ist es durch einen zufälligen Fund klar geworden. Bei einem kaum über 3 Monate alten Fötus fiel mir. nämlich die adducierte und supinierte Stellung des einen Fusses auf; ich präparierte vorsichtig die knorpeligen Fusswurzelteile und fand ) Müllers Archiv, 1849, S. 328, ferner: Archiv für Anatomie, Physiologie etc. von Reichert und Dubois, 1867. ?) Siehe Stiedas Monogrpahie. Östeobiologie. 209 dabei den Hals des Talus stark nach der medialen Seite gedreht, sodass Körper und Hals einen nach innen offenen Winkel bildeten. Dieses Verhältnis war sehr auffallend, besonders wenn man den normal gebildeten Talus eines gleichalterigen Fötus daneben hielt. Das Präparat besitze ich noch; gern hätte ich es ge- zeichnet, wenn es nicht so sehr klein wäre. Ich glaube, eine solche Beobachtung erklärt die vielen Fehlschläge bei der rein mechanischen Behandlung des angeborenen Klumpfusses. Diese Widerstandskraft auch deform angelegter Skeletteile lässt es mir auch sehr zweifelhaft erscheinen, dass bei kongenitaler Hüft- gelenk-Luxation es wirklieh gelingen könnte — wie die modernen Orthopäden meinen — durch wenn auch jahrelange Festhaltung des reponirten Caput femoris in der Pfannengegend dieser die Konkavität wieder zu verschaffen und damit den Kopf an der richtigen Stelle zurückzuhalten. Die scheinbar guten Resultate sind, wie ich fürchte, nur als Temporäre anzusehen; die Ent- wickelungsgeschichte der das Acetabulum bildenden Teile ver- anlassen mich zu dieser Prognose. Doch auf diesen wichtigen Gegenstand kann ich leider nicht weiter eingehen. Es seien nur noch die grossen Schwierigkeiten angedeutet, die sich dem Bestreben entgegensetzen, normal vorgebildeten Skeletteilen eine dauernd perverse Stellung zu geben, wie es bei den Verunstaltungen der Chinesinnenfüsse geschieht. Endlich sei hier auch ein in ebengenannter Hinsicht bemerkenswerter Fund erwähnt, den ich vor langen Jahren machte. Ein 59jähriger Mann, der vom ersten Lebensjahre an einen durch spastische Paralyse ver- ursachten Pes equinus dexter gehabt hatte, und mit diesem bis an sein Lebensende stets hinkend umhergegangen war, wurde von mir seziert!). Die ausgelösten Tali — sie befinden sich im Berliner patholog. anat. Institut — wurden miteinander ver- glichen. „Der rechte Talus ist in allen Dimensionen etwas kleiner als der linke, der Querdurchmesser der Rolle ist um !»d cm verkürzt, die untere Gelenkfläche des Taluskopfes ist mal so klein als die entsprechende Fläche des linken Talus. Ich will endlich noch hinzufügen, dass der rechte Fuss auch im ganzen kürzer ist als der linke und dass der rechte Unter- und Oberschenkel eine Verkürzung von ungefähr je 2 cm darbieten“. '!) A. Bidder: Osteom des corpus striatum bei Hemiplegia infantilis. Virchow’s Archiv, 88 Bd. 1882. Archiv f. mikrosk: Anat. Bd. 68. 14 210 Alfred Bidder: Um irrtümlicher Auffassung zu begegnen, dass die Ver- kleinerung der Gelenkfläche des Taluskopfes durch Ersatz des Knorpels durch blutreiches Bindegewebe bedingt war, ebenso wie der vordere zur Gelenkbewegung nicht benutzte Teil der Talusrolle, sei auf die bekannte Veränderung des Gelenkknorpels bei dauernder Ruhestellung hingewiesen. Wie geringfügig sind diese Veränderungen, wenn man die ununterbrochene Einwirkung perverser Stellung und Belastung vom 2. Lebensjahre an bedenkt. Die zur Erreichung der von der Natur vorherbestimmten Ziele tätige Kraft ist eine un- geheure, und neben ihr erscheint die „funktionelle Anpassung“ sehr unbedeutend! Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Blut- gefässe wie bei der Apposition so auch bei der Resorption eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben. So einfach wird die Sache aber nicht sein, wie schon ausgesprochen worden ist, dass nämlich bei geringem Blutandrange Apposition, bei starkem dagegen Re- sorption erfolge. Auch die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen muss die Zukunft bringen. Erklärung der Abbildungen. (Das Knochengewebe ist überall durch rötlich-bräunlichen Farbenton hervorgehoben.) Fig. 1. 9 Monate alter Fötus; endochondr. Knochenbalken aus dem oberen Ende der Tibia-Diaphyse, verbunden durch zahlreiche, bandartige oder spindelförmige Osteoblasten. Vergröss. ca. 250. Fig. 2. 3-4 Monate alter Fötus. Proximales Tibiaende; E. = Epiphyse, D.— Diaphyse; pk. — begrenzende perichondrale Össifikationslamelle ; kre. = Knorpelcanäle; evp. — canalis vasculosus perforans. Vergröss. ca. 30., verkleinert gezeichnet. Fig. 3. 4-5 Monate alter Fötus, vorderer Rippenteil. pk. = begrenzende perichondrale Ossifikationslamelle. Bei 30f. Vergröss. teilweise ver- kleinert gezeichnet. Fig. 4. 9 Monate alter Fötus. Distal. Femurende; E. = Epiphyse, D. = Dia- physe; bs. — dicke äussere Bindegewebsschicht, weiter oben nach der Diaphyse hin die begrenzende perichondrale Ossifikationslamelle mit Osteoblastenlagen zu sehen; kre. — Knorpelcanal. Vergröss. 30. Osteoblasten etwas vergrössert gezeichnet. Fig. 5 Fig. 6 Fig, 7 Kie; 8. Big, v9: Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Osteobiologie. 211 Etwa 8 Tage altes Kaninchen. Obere Hälfte der distalen Radius- Epiphyse; der distale Teil der noch knorpeligen Epiphyse verkürzt gezeichnet. E.— Epiphyse, D.— Diaphyse. Von dieser durch die Knorpelschichten verlaufend ein breiter evp. — Canalis vasculosus perforans bis gegen die Gelenkfläche reichend; neben ihm ein grosser quergetroffener Knorpelcanal, in dessen Umgebung schon hyper- trophische Knorpelzellen (auf angrenzenden Schnitten noch mehr). 0. = Osteoblasten der begrenzenden Ossifikationslamelle. An dieser tb. — trabeculäre Lacunen sehr deutlich. Vergröss. 95. Knochen- körperchen u. Osteoblasten stärker vergrössert. 9 Monate alter Fötus; proximales Tibiaende. Sagittalschnitt etwa in der Mitte E. — Epiphyse, D. — Diaphyse; kre. = Knorpelcanal bis zur Ossifikationszone herablaufend. Vergröss. etwa 30. Ca. 8 Tage altes Kaninchen. Sagittalschnitt durch Femur (F.), Knie- gelenk und Tibia (T.). pk. = begrenzende perichondrale Ossifi- kationslamelle. cevp. = canalis vasculosus perforans; cop. — Canalis ossiferus perforans; knk. — Knochenkern der Epiphyse. Aehnliches an der zugehörigen Tibia zu sehen; die durchschnittenen Lig. eruciata noch sehr kernreich. In beiden Epiphysen mehrere seitlich ein- tretende und den Knorpel durchsetzende Knorpelcanäle zu sehen. P. = Patella; kp. = Knorpelinsel. Bei 30 Vergröss. verkleinert gez. Eintrittsstelle des in Fig.?7 klein gezeichneten Canalis perforans ossiferus von der Diaphyse des Fermur in den Fugenknorpel. Ver- gröss. Zeiss Obj. D. Oeul. I. die Knochenbalken dicht an die hyper- trophischen Knorpelzellen herantretend; von den letzteren zeigen viele hydropischen Kern und Zerfall des Protoplasma (.‚senescirend‘), rechts zeigen die eröffneten Knorpelkapseln zartes Bindegewebe und eindringende Osteoblasten, links in einigen jungen Markräumen Blutkörperchen. In der Mitte des Kanals liegt ein Knochenbalken kb. von zahlreichen Osteoblasten umlagert; zwischen diesem und der linken Seitenwand ein dicht mit Blutkörperchen gefülltes Gefäss. 8 Tage altes Kaninchen. Ein dem vorhergehenden benachbarter Schnitt, der die ganze Länge des (ein wenig verkürzt gezeichneten) Canalis ossiferus perforans zeigt: von der D. — Diaphyse an bis in den E. = Epiphyse-Knochenkern. Vergröss. 9. Neugeborenes Kind. Distales Femurende; Eindringen eines Canalis ossiferus perf. von der D. = Diaphyse in einen querdurchschnittenen Knorpelcanal des Fugenknorpels. Frontalschnitt. Vergröss. 9. Neugeborenes Kind. Distales Femurende. Mündung eines Canalis ossiferus perf. im E. — Epiphyse-Knochenkern. Frontalschnitt. Ver- gröss. 9. Halberwachsenes Kaninchen. Teil eines ursprünglich drehrunden 8. = Elfenbeinstabes, der quer durch die Tibia getrieben worden war und dort 4 Wochen gelegen hatte. Der Vergleich mit der Fig. 11 dürfte von Interesse sein: Obgleich im toten Elfenbein keine Zellen 14* Fig. Fig. Fig. . 18. 14. g. 15. 19. ASErerdenBäikdidrerte: wie im Knorpel vorhanden sind, haben die andrängenden Blutge- fässe einerseits durch Resorption Canäle erzeugt ıs. die R. Volk- mannsche „Direkte Vascularisation“ der tela ossea,) andererseits aber auch die Einlagerung jungen Knochengewebes vermittelt. (s. A. Bidder, Langenbecks Archiv, Bd. 18.) S Tage altes Kaninchen, Tibia; vorderes oberes Ende; nur der untere Teil der Epiphyse ist gezeichnet. ©. = Crista tibiae, Sagitt- schnitt. Vergl. Fig.7. E. — vorderes unteres Stück der Epiphyse; D. = Diaphyse; pk. = begrenzende perichondrale Ossifikationslamelle ; e.— endochondrale Knochenbalken; 1.= lig. patellare; kp. =Knorpel- kern. Bei 9dfacher Vergrösserung verkleinert gezeichnet. 3/, erwachsenes Kaninchen. Tibia-Sagittalschnitt. Vorderer Teil der oberen E. — Epiphyse, von dem knk. der Tuberositas durch eine senkrechte Knorpelwand getrennt. kp. == Gelenkknorpel der Tibia; fk. = Fugenknorpel; D. = Diaphyse; m. — Ligament. mucosum; 1. = Lig. patellare; et. — endotendinale resp. endoligamentale Ossifikation Bei 30facher Vergröss. verkleinert gezeichnet. 8 Tage altes Kaninchen; Tibia (S. Fig. 13.); Querschnitt durch Crista kp. = Knorpelkern; kb. = Knochenbalken mit ausgesprochen geflecht- artigem Gefässe. Zeiss Objektiv D. Ocular I. ez. = embryonale Zellen, die nach der einen Seite Knorpel, nach der anderen Seite Osteo- blasten liefern. 4 Monate alter Embryo. Brustwirbel, Horizontalschnitt. Mitte. cvp. — Canalis perforans vasculosus. Derselbe Embryo. Die hinteren Wirbelbögen. Bei 30fach. Vergröss. verkleinert gezeichnet. Höher gelegener Schnitt, durch den Wirbel des viermonatl. Embryo. Perichondrale Ossifikation der Bögen und des angrenzenden verte- bralen Rippenendes. Bei 30fach. Vergröss. verkleinert gezeichnet. Embryo, 6—7 Monate alt; Brustwirbel; Sagittalschnitt. p. = perios- taler Knochen der Hinterfläche mit begrenzender perichondraler Ossifikationslamelle. Bei 30fach. Vergröss. verkleinert gezeichnet. 25 Wochen alter Embryo. Manubrium sterni mit kleinem Knochen- kern an der hinteren Wand; Sagittalschnitt: natürliche Grösse. 2 Monate altes Kind; Manubrium sterni; Sagittalschnitt: natürliche Grösse. 6-—7 Monate alter Embryo; A. Talus, B. Öalcaneus; natürliche Grösse; Sagittalschnitt. Derselbe 6—7 Monate alte Embryo. Talus, dessen vorderes und hinteres knorpeliges Endstück nicht gezeichnet ist. Sagittalschnitt. Bei 30facher Vergröss. verkleinert gezeichnet. Neugeborenes Kind; A. Talus, B. Calcaneus; natürliche Grösse; Sagittalschnitt. 2 Monate altes Kind. Os cuneiformelll. mit kleinem medial gelegenen Knochenkern. Natürliche Grösse; Frontalschnitt. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Big..: Fig. 29. 30, 31. 33. Osteobiologie. 213 2 Monate altes Kind. Oberes Drittel des Os cuboideum, Mitte; Sagittalschnitt. Eintritt von Blutgefässen und Zellengewebe durch eine Lücke der oberen, im übrigen knorpeligen Wand. v. — Vene, mit Blutkörperchen gefüllt. Bei 30fach. Vergröss. verkleinert gez. A. Dasselbe Os cuboideum in natürlicher Grösse, B. Das Os cuboideum eines 3jährigen Kindes; natürliche Grösse; Sagittalschnitt. Kind, 1 Jahr 4 Monat alt; Os hamatum, ein Stück der oberen Wand, Mitte, Sagittalschnitt. a — Arterie, v. — Vene, das dichte Knorpel- lager durchsetzend, kp. — Knorpelinsel. Bei Yafach. Vergröss. ver- kleinert gezeichnet. A. Dasselbe Os hamatum in natürlicher Grösse, Sagittalschnitt. B. Das nebenanliegende Os capitatum, in natürl. Grösse, Sagittalschn. 2—3 Wochen altes Kaninchen. Patella, Querschnitt durch die Mitte. Beginn der endochondralen Ossifikation. Bei 30fach. Vergröss. ver- kleinert gezeichnet. 3/4 erwachsenes Kaninchen; oberer Teil der Patella im Zusammen- hang mit der Quadricepsehne; Periost nicht vorhanden. m. — junge Markräume. 6—7 Monate alter Embryo; untere Knochenwand des Talus. r.— Riesenzelle, b. = Blutkörperchen. Zeiss Oelimmersion 3,0 mm, Apert 1,30, Compens. Ocular 4. Dasselbe Präparat; eine in der Nähe liegende Stelle. r. = Riesen- zelle, dem Knochen glatt anliegend, b. = rote Blutkörperchen. Der Knochen in beiden Abbildungen rötlich. Aus dem Manubrium sterni des 25 Wochen alten Embryo. (Vergl. Fig. 20.) Sagittalschnitt. Junge Markräume, die links ganz von Knorpelgrundsubstanz mit zum Teil glänzenden Rändern kp. (dunkler gezeichnet) umgeben. r. — Riesenzelle, x. = tröpfchen- förmig zerfallender Knorpel. Zeiss Oelimmersion 3,0 mm, Apert. 1,30, Compens. Ocular 4. Aus dem Querschnitt durch die Tibia eines 8 Tage alten mit Berliner- blau injizierten Kaninchens in der Höhe der Crista. Knochengewebe rötlich, dazwischen eine Riesenzelle r. Ocular 1, Himmler Oelimmersion 1.12. dr Re W s * 1 “ bi n ww Kt Er nr 21 Kan a ir ine | Core Aha u, b ea N Para 0 | Hau Ihre ei vr RER Sure es - er h E hg oh ENDEN ni‘ I ER u Erd Bir IRRE br 7 nd | Er A \ | 2 Ba ee Ah gig we F me I N ae, ANDALE Dr re 17T N» 2 ee REITER er ‚ER ee RE ET Eh u, Keen N 7 32 u ) u) N WM A TR ARTE = NUT we h ul any TER ET Ne u ” ’ ‚dk u SREHER NY RD Fr U Ba RA AA TORRENT LE, WUREHE LER TIERE: BIT DITNE Per Bl STZ re 2077 RR &., 3unschs ia erhal Be Pe Y 4 A { ER? EII STE AEEENST LEN Aus vn N } j N ATZE j ar) cs Tl PN Ir vor \ 7 Dar U ER N N . em ae F nd Im rn Wu; jur Day Zu E 2 hir ı Zu 2 un Beet; ur } F, RT EN SIT r n A a Sa wo 2 ar, ; j n n A N ‘ AR AR 7 Er r ü N: w ?, j RE N EHEN Egg x ee ae Er Ya=hl k — Fr m j h j a }: ey ni y , r Alpe d N v a 5 3 Mina E, rar nie sy 1% A rar‘ aa \ ’ 4 Ze EEE NED 7 LER GELB De Ze u 17 u Hi L} R ’ ’ k \ 4 ? x 3 rg EEE, 23 5 \ j 4 Tu ,, x en 4 ' iu "17 H a4 1 t Nnat#l Pr ! 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' Bei denjenigen Säugern, deren Entwicklung zuerst genauer untersucht wurde, findet sich das befruchtete Ei im Lumen des Uterus vor, und macht hier seine weitere Entwicklung durch, Das Ei ist anfänglich frei beweglich, lässt sich verschieben und als Ganzes unverletzt herauspräparieren; nach kürzerer oder längerer Zeit erst setzt sich das Ei fest, geht Verbindungen mit der Uteruswand ein, und ist für seine fernere Entwicklung an den Abschnitt des Uterus gebunden, in dem es sich festgesetzt hat. Da man bei Vertretern der Ungulaten, der Raubtiere, der Halbaffen, sowie bei einigen Nagern das Ei im Lumen des Uterus sich entwickeln sah, war es kein Wunder, dass man geneigt war, vorauszusetzen, es treffe dieser Entwicklungsmodus für alle Säuger ohne Ausnahme zu. Man wurde auch durch einzelne Beobachtungen hervorragender Forscher, denen es nicht gelang, das gesuchte Ei im Uterus aufzufinden, obwohl Gravidität vorlag, zunächst noch nicht dazu geführt, zu vermuten, dass es Säugetiere geben könne, die sich anders verhalten, als Hunde, Katzen oder Kaninchen; dass es möglich sei, dass ein Fi seine Entwicklung zwar im Uterus, aber ausserhalb des Cavum uteri durchmache. Wir verdanken erst den Untersuchungen der neuesten Zeit die planmässig die Erkenntnis der Festsetzung des befruchteten Eies im Uterus bei den verschiedenen Ordnungen der Säugetiere verfolgten, die Erkenntnis, dass es eine Anzahl von Säugetierarten gibt, deren Eier die Uterushöhle verlassen, und in einem für jedes Ei besonders gebildeten Raume, einer Eikammer, ihre Entwicklung durchmachen. Bis jetzt kennen wir eine Eikammer bei verschiedenen Nagern, z.B. dem Meer- schweinchen, der Ratte, der Maus, bei einem Vertreter der Insektivoren, dem Igel (Erinaceus europaeus), endlich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 15 216 J. Dissee: bei den Primaten, unter denen gerade der Mensch eine typische Eikammer ausbildet. Merkwürdigerweise zeigen diejenigen Eier, die in einer Eikammer sich entwickeln, sämtlich die frühe Bildung der Amnionhöhle durch Hohlwerden einer verdickten Lage des Ektoderms, und die dadurch bedingte mehr oder minder stark hervortretende scheinbare Umkehrung der Keimblätter. Die Eikammer liegt in der Wand des Uterus und wird von dessen Lichtung durch eine Lage mütterlichen Gewebes getrennt; in dem Maße, wie das Ei wächst, nimmt auch der Raum der Eikammer zu. Das wachsende Ei springt auch nach der Uterushöhle hin vor und drängt die trennende Wandschicht dabei vor sich her; diese erscheint immer mehr wie eine besondere Hülle des Eies und ist seit langem beim Menschen als „decidua capsularis“ oder „reflexa“ bezeichnet werden. Trennt man vom Lumen des Uterus her die Reflexa, so gelangt man in die Eikammer. Die Eikammer wird für jedes befruchtete Ei neu gebildet und erhält sich so lange, als die Reflexa sie vom Üterus- lumen trennt; schwindet die Reflexa im Laufe der Entwicklung, so kommt das Ei in die Uterushöhle hinein, die Eikammer hört auf zu existieren. Bis jetzt wissen wir, dass eine Eikammer auf verschiedene Weisen entstehen kann. Einmal kann sie aus einem Abschnitt der Uterushöhle hervorgehen, der sich gegen die Lichtung vollständig abschliesst; sie kann aber auch innerhalb der Propria der Uterusschleimhaut sich neu bilden. Das letztere ist der Fall beim Meerschweinchen (Cavia cobaya). Wie Graf v. Spee (1) gefunden hat, liegt das Ei des Meerschweinchens nur so lange im Lumen des Uterus, bis die Furchung vollendet ist. Dann, meistens im Laufe des siebenten Tages nach dem Belegen, verliert das Ei die Zona pellucida; im Keimblasenstadium dringt es durch das Epithel des Uterus hindurch, gelangt in die Propria und bleibt hier liegen. Um das Ei herum bildet sich durch Einschmelzung des mütterlichen Gewebes ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum; das ist die Eikammer. Sie wird dadurch, dass die Lücke im Epithel des Uterus sich alsbald nach dem Durchtritt des Eies schliesst, gegen das Lumen des Uterus abgeschlossen. Die Wand der Eikammer wird durch ein uterines Symplasma gebildet; die Bindegewebszellen aus denen die Propria besteht, verlieren ihre Abgrenzung gegeneinander, die Kerne werden kleiner, stellenweise auch blasser, rücken an einzelnen Die Eikammer bei der Feldmaus. DHL, Stellen dicht zusammen. Indem, dem Ei zunächst, das Symplasma sich auflöst, wird die Eikammer vergrössert; sie wächst also „auf Kosten der umschliessenden Kapsel.“ Die Zerstörung von Epithel und Bindegewebe, die zum Austritt des Eies und zur Bildung der Eikammer führt, erfolgt wohl unter dem Einfluss des Eies selbst. Nach einem anderen Prinzip bildet sich die Eikammer bei der Maus, sowie beim ‚Igel. Zuerst: hat M.Duval (2) ausgesprochen, dass das Ei der Maus, und auch der Ratte, sich in einem vom Uteruslumen getrennten Raum entwickelt; diesen nennt er „la cavite de la caduque“ (2. S.45.) Nach Duvals Ansicht führt eine Wucherung der Propria dazu, dass jederseits von der Stelle, wo im Lumen des Uterus ein Ei liegt, sich von Epithel bekleidete Falten erheben, in die Lichtung des Uterus vorspringen und die das Ei enthaltende Abteilung in eine Bucht umwandeln, die durch einen engen Zugang mit dem Uteruslumen noch in Verbindung steht. Indem die Falten mit einander ver- schmelzen, trennen sie die Bucht mitsamt dem Ei vom Uterus- lumen vollständig ab; das Epithel geht zu Grunde, und die Wand der „Deciduahöhle“ wird lediglich vom mütterlichen Binde- gewebe gebildet. Die Untersuchungen von Burckhard (5) haben diese Angaben bestätigt und vielfach erweitert. Das Ei bewirkt zunächst da, wo es liegt, eine Abplattung der Zellen des Uterusepithels; die platten Zellen gehen schroff in die hohen Zellen über, die dem Lumen des Uterus dauernd als Auskleidung verbleiben. Darauf erst treten Veränderungen in der Decidua ein; deren Zellen werden grösser und bekommen „rundlich- polygonale“ Formen. Soweit die Epithelzellen abgeplattet sind, degenerieren sie; dadurch kommt das Ei mit den Elementen der Decidua direkt in Berührung, es liegt in einer lediglich von der Decidua begrenzten, engen Höhle. „Der Abschluss der Decidua- höhle gegen das Uteruslumen erfolgt durch starke Entwicklung des nach dem Mesometrium zu gelegenen Teiles des Ovulum, der unter dem Namen Ektoplazentarkonus oder Träger bekannt ist. Dadurch, dass dieser Ektoplazentarkonus grösser wird, füllt er das Lumen an der Grenze zwischen Deciduahöhle und Uterus- lumen vollständig aus und bewirkt so einen zunächst wahrscheinlich nur mechanischen Abschluss, dem erst später eine organische Verbindung desselben (?) mit der Umgebung folgt (3, S. 24 d.S.A ). 15* 218 J. Disse: Es vollzieht sich der Abschluss der Decidualhöhle gegen das Lumen des Uterus im Laufe des sechsten Tages nach der Befruchtung. Die Deciduahöhle rückt dann vom Uteruslumen weiter ab. Es ist also der Raum, in den das Ei der Maus zu liegen kommt, ein Stück der Uteruslichtung, das die epitheliale Wand und die Verbindung mit dem Cavum uteri verloren hat; er darf nicht, als vollständig identisch erklärt werden mit der Höhlung, in die das Ei des Meerschweinchens gelangt. Trotz der Verschiedenheit der Entstehungsweise aber verhält sich der Eiraum bei der Maus. in der Hinsicht genau so, wie der Eiraum beim Meerschweinchen, dass er lediglich vom mütterlichen Bindegewebe, von deci- dualem Gewebe, begrenzt wird und einer epithelialen Aus- kleidung ganz und gar entbehrt. Auch das Ei von Erinaceuseuropaeus macht, wie Hubrecht (4) beschreibt, seine Entwicklung in einem besonderen, neben dem Uteruslumen gelegenen Raume durch. Es gerät das Ei zu Ende der Furchung in eine Bucht der Schleimhaut des Uterus hinein, und lagert sich in derem Grunde. Die Wände dieser Bucht werden ödematös, nähern sich einander und verlegen, eng aneinanderliegend, den Eingang, sodass der Binnenraum der Bucht von der Lichtung des Uterus getrennt wird. Das Ödem nimmt zu, es treten Hämorrhagieen auf, und das hämorrhagische Exsudat findet sich auch innerhalb der Bucht vor; die epitheliale Auskleidung geht dabei zu Grunde, zuerst da, wo sie mit dem Ei in Berührung kommt. Zwischen Bucht und Uteruslumen liegt ein Gerinnsel, das vorwiegend aus Blut besteht, auch abgestorbene Epithelzellen umschliesst. Wenn das Epithel zu Grunde gegangen ist, befindet sich also das Ei in einem Raume, der von dem serös durchtränkten Stroma der Uterusschleimhaut allseitig begrenzt wird. Dieser Bildungsmodus des Raumes für das Ei beim Igel gleicht dem bei der Maus; es ist bei beiden Arten der Raum für das Ei ursprünglich ein Teil der Lichtung des Uterus, der nicht nur sein Epithel verliert, sondern auch ganz vom Uteruslumen getrennt wird. Wir wollen diesen Raum, der das sich weiter entwickelnde Ei enthält, mit einem vom Grafen Spee (5) angewandten Aus- druck als „Eikammer“ bezeichnen; wir definieren die Eikammer als eine vom Lumen des Uterus getrennte, innerhalb der binde- gewebigen Propria der Schleimhaut des Uterus gelegene Höhlung, Die Eikammer bei der Feldmaus. 219 deren epithelfreie Wand lediglich vom mütterlichen Bindegewebe gebildet wird. Für die Kenntnis der Entwicklung des Menschen hat das Studium der Eikammer ein besonderes Interesse, da auch das menschliche Ei, die Uterushöhle verlassend, in eine Eikammer hinein gelangt. Das vorliegende Material erlaubt noch nicht, mit voller Sicherheit die Bildungsweise der menschlichen Eikammer zu erkennen; wir werden aber mit Nutzen das Verhalten der Eikammer innerhalb der Reihe der Säugetiere untersuchen, um für das Verständnis der Vorgänge beim Menschen eine Basis zu gewinnen. Von vorn herein darf man annehmen, dass für die Ernährung des Eies in der Eikammer sehr gut gesorgt ist. Das Ei liegt, ohne dass eine Epithellage wie eine trennende Schranke dazwischen tritt, unmittelbar im saftdurchtränkten mütterlichen Gewebe: es kann nicht nur die im Gewebssaft gelösten Nahrungsstoffe aufnehmen, sondern auch mütterliches Blut. Für Maus, Meer- schweinchen, Mensch ist der Nachweis geführt worden, dass das Ei reichliche Mengen von roten Blutzellen sich einverleibt und sie verdaut. Nun wächst das Ei und vergrössert sich binnen kurzer Zeit oft beträchtlich; die Eikammer vergrössert sich ebenfalls. Welche Momente sind es, die eine dem Wachstum des Eies entsprechende Vergrösserung der Eikammer bewirken’? Diese Frage ist bisher noch nicht zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung gemacht worden, mehr gelegentlich sind Vorgänge besprochen, die auf das Wachstum der Eikammer Einfluss haben. Soll die Eikammer sich ausdehnen, so muss mütterliches Gewebe dabei zugrunde gehen; gibt es Einrichtungen, die eine Lösung des mütterlichen Gewebes bewirken und ent- sprechend dem Wachstum des Eies regulieren? Vielfach wird angenommen, dass dem embryonalen Gewebe, besonders den vom fetalen Ektoderm aus entstehenden Bildungen, vornehmlich den Chorionzotten, die Fähigkeit zukommt, das mütterliche Gewebe anzugreifen und zu zerstören. Neuerdings z. B. hat Sedgwick Minot (6) angegeben, dass es besondere vom Ekto- derm des Eies stammende Zellen sind, die das mütterliche Gewebe auflösen, wo sie es antreffen; er bezeichnet sie als „Tropho- derm“. „The function of the Trophoderm is to corrode away a portion of the mucous membrane of the Uterus.“ DD [50] o IODVsisier Auch wenn sich herausstellen sollte, dass für den Menschen und für andere Säuger die embryonale Entstehung derjenigen Flemente sicher nachgewiesen werden kann, die das mütterliche Gewebe auflösen, so würde daraus nicht folgen, dass es bei allen Arten so ist. Es geht nicht an, ohne Prüfung Vorgänge, die bei einer Spezies beobachtet sind, auf eine andere zu übertragen. Man wird nur sicher gehen, wenn man für jede Art den Vorgang, über den man Aufschluss haben möchte, gesondert untersucht. Solchen Erwägungen folgend, habe ich mir die Aufgabe ge- stellt, nicht die erste Bildung, sondern die Vergrösserung der Eikammer bei der Feldmaus zu untersuchen; es stand mir von dieser Spezies (arvicola arvalis) ein hinreichend grosses Material zu Gebote, das frisch gefangenen Tieren entnommen und in Formol- Alkohol (95 °/o Alkohol 90 voll. käufliches Formol 10 voll.) fixiert wurde. Eine Altersbestimmung der Eier war natürlich ausge- schlossen ; das betreffende Entwicklungsstadium aber konnte genau ermittelt werden, und die Reihe der vorhandenen Stadien war ziemlich lückenlos. Die Untersuchung umfasste die Zeit, die zwischen die Abschliessung der Eikammer gegen den Uterus, und das Auf- treten der Placenta fällt; in dieser Periode ernährt sich das Ei direkt, ohne besondere Ernährungsorgane. Gerade die Feldmaus ist für die Untersuchung der Eikammer ausserordentlich günstig; es finden sich bei ihr Einrichtungen für die Vergrösserung der Eikammer, die so charakteristisch sind, dass die Verfolgung ihrer Wirkungsweise nicht schwierig ist. Sie scheinen aber nur bei der Feldmaus prägnant hervorzutreten. Wenn bei der Feldmaus die Eikammer sich gegen das Lumen des Uterus abgeschlossen hat, ist das Epithel derselben zugrunde gegangen und lässt sich nicht mehr nachweisen. Das Ei ist im Stadium der Keimblase und besitzt an demjenigen Pol, der der späteren Plazentarstelle entspricht, eine mächtige, solide Zellen- masse, die in den Dottersack vorspringt. Es gleicht das Ei der Feldmaus in allen Beziehungen dem Ei der weissen Maus, das wir durch die Untersuchungen von Sobotta (7) kennen; das jüngste in der Eikammer befindliche Stadium meines Materials entspricht ungefähr dem Stadium, dasSobotta (7) Taf. XVI, Fig. 10 abgebildet hat (Ende des sechsten Tages). Die Längsachse der elliptischen Keimblase steht senkrecht auf der Längsachse des Uterushorns; am Uterus lässt eine ovoide Anschwellung, deren Die Eikammer bei der Feldmaus. 221 stumpfer Pol dem Mesometrium zugekehrt ist, die Stelle erkennen, an der eine Eikammer nebst Ei sich befindet. Schon Selenka (8) gibt an, dass man Längsschnitte des Eis erhält, wenn man die Anschwellung des Uterushorns entweder senkrecht zu der Lichtung, oder aber parallel der Ebene des Mesometriums schneidet. Von den beiden Polen der Keimblase ist derjenige, der die Zellen- masse trägt, nach dem Mesometrium zu gelegen; der entgegen- gesetzte, den wir „Dottersackpol“ nennen wollen, liegt in dem ver- jüngten Ende der Uterusanschwellung. Diese Lage des Eies ändert sich nicht. Anfänglich wird die Keimblase unmittelbar vom Gewebe der Decidua berührt; der Raum der Eikammer ist nicht grösser, als die Keimblase. Dieses ändert sich aber rasch, und von dem Zeitpunkte ab, in welchem unterhalb des Ektoplazentarkonus die Amnionhöhle deutlich wird, tritt ein Zwischenraum zwischen Keimblase und Decidua auf. Es ist also die Vergrösserung der Eikammer bedeutender als das Wachstum der Keimblase; be- sonders an den beiden Polen des Eies ist der Raum der Eikammer gewachsen, die Eikammer zieht sich in zwei Zipfel aus. Wir wollen das Verhalten der Wände der Eikammer, sowie den Inhalt derselben, der bei der Raumvergrösserung neben dem Ei auftritt, zuerst von einem vorgerückteren Entwicklungsstadium schildern (Fig.1, Taf. XV). Fig.1 stellt einen Längsschnitt der Eikammer vor, der unmittelbar neben dem Ei geführt ist; der nächste Schnitt der Serie hat das Ei getroffen (Schnittdicke 10 «). Das Ei zeigt eine geräumige noch einfache Amnionhöhle, die durch den Ektoplazentarkonus abgeschlossen wird. Das Entoderm ist als kontinuierliches Blatt entlang der ektodermalen Wand der Amnionhöhle entwickelt, das Mesoderm legt sich im Bereich des Primitivstreifens an. Die Wand des Dottersackes besteht aus einer Lage dünner, platter Ektodermzellen, an deren Innenfläche einzelne Entodermzellen sich vorfinden. Der Entwicklungsgrad des Eies entspricht etwa dem, der sich bei der weissen Maus am Anfang des achten Tages vorfindet. Die Eikammer entspricht nur im allgemeinen der Form des Eies; die Wand verläuft unregelmässig, ist mit Vorsprüngen. und Ausbuchtungen versehen, und läuft, dem Plazentarpol des Eies entsprechend, in einen weiten, buchtigen Raum aus, der durch 292 JeDıisse; eine enge Öffnung mit dem Raum für das Ei in Verbindung steht (Fig.1, Pl.) Auch am entgegengesetzten Ende der Eikammer findet sich eine ähnliche, enge Bucht. Die Wände der Eikammer bestehen aus zelligem Gewebe; es ist bei der Feldmaus die Propria der Uterusschleimhaut rein zellig. Vielfach sind die Deciduazellen die die Wand der Eikammer bilden, selbständig; es sind polygo- nale Elemente mit rundlichem Kern. Aber neben den getrennten Zellen finden sich Partieen der Wand vor, die aus verschmolzenen Zellen bestehen (Fig.1,Sy, Sy). Die Zellgrenzen sind verschwunden, die Kerne, etwas kleiner als die der selbständigen Zellen, sind dunkel, intensiv gefärbt. Es handelt sich um Symplasma uterinum im Sinne von Bonnet (9) das sich an den Wänden der Eikammer gebildet hat. Teils liegt das Symplasma in der Flucht der Wand (Fig. 1, rechte Seite), teils aber springt es in das Lumen der Eikammer vor, wird von Spalten umfasst und von der Wand mehr oder weniger vollständig getrennt (Fig. 1, Syı) und derartige vorspringende Symplasmamassen können so vom Schnitt getroffen werden, dass sie frei in der Eikammer zu liegen scheinen (Fig.1, Sye). Der Inhalt der Eikammer ist mannigfaltig. Sehr verbreitet ist ein Gerinnsel, dessen Hauptbestandteil mehr oder weniger stark veränderte rote Blutzellen sind. Der Farb- stoff ist zum grössten Teil extrahiert, man kann aber die Zell- grenzen in ähnlicher Weise erkennen, wie in einer Blutprobe, auf die Wasser oder verdünnte Säure eingewirkt hat. Ferner liegen Kerne, auch Chromatinpartikel, in der Eikammer verstreut; die Kerne sind wohl hauptsächlich als Reste aufgelöster Decidua- zellen aufzufassen. Endlich findet sich. als wichtigster Bestandteil, eine Anzahl von Zellen, die zum Teil in Rückbildung begriffen, zum Teil aber lebenskräftig erscheinen. - Die Zellen besitzen sämtlich grosse, kompakte, chromatin- reiche Kerne (Fig. 1, Mph, Mphı, Mphe) das Protoplasma hingegen ist nur bei einem Teil der Zellen gut erhalten. Es erscheint bei vielen Zellen (z.B, Mphe der Fig.1) in seinen peripheren Partien vacuolisiert; es löst sich in eine Anzahl von Fäden auf, die sich unmerklich in das Gerinnsel verlieren. Wenn derartige Zellen mit stark vacuolisiertem Protoplasma nebeneinander liegen, fliessen die Protoplasmamassen zusammen. Die Vacuolisierung des Proto- plasma leitet offenbar die Auflösung der Zelle ein; der Kern Die Eikammer bei der Feldmaus. 223 scheint davon zuletzt betroffen zu werden, da er noch ziemlich reich an Chromatin auch in solchen Zellen gefunden wird, deren Protoplasma stark geschwunden ist. Ganz lebenskräftig scheinen aber eine Anzahl sehr grosser Zellen zu sein, die sich durch einen grossen elliptischen Kern und einen dichten Protoplasmaleib auszeichnen (Fig. 1, Mph, Mphı ). Der Kern wird von Hämalaun tief dunkel gefärbt; man erkennt kein Chromatingerüst, der Kern ist ganz kompakt. Das Proto- plasma dieser Zellen färbt sich lebhaft in Eosin. Diese grossen Zellen liegen teils in der Eikammer selbst, teils in einer Blut- lakune (Fig. 1,L), die sich im nächsten Schnitt der Serie in die Eikammer eröffnet. Durch diese Öffnung ist eine grosse Zelle in die Eikammer eingetreten; eine andere liegt noch innerhalb der Lakune (Fig. 1, Mphı). Die in der Eikammer gelegenen Zellen (Mph) liegen an deren Wand; und sie liegen mit Vorliebe, möchte man sagen, in den Ausbuchtungen, die die Wand der Eikammer aufweist. Besonders die kleineren dieser Ausbuchtungen werden von je einer grossen Zelle ausgefüllt. Wie die Schnittserie ergibt. wird die eigentliche Eikammer überall, besonders an den Seiten- flächen, von einem System grösserer und kleinerer buchtiger Hohl- räume umgeben, die mit der Eikammer in offener Verbindung stehen; diese Hohlräume, die Lücken innerhalb der Decidua sind, enthalten, je nach ihrer Grösse, eine grössere oder kleinere Anzahl der zuletzt beschriebenen grossen Zellen. Es ist also die Deeidua in der Nachbarschaft der Eikammer porös; die Hohl- räume aber werden, unvollständig wenigstens, von eigenartigen grossen Zellen mit kompaktem Kern eingenommen. Neben den Zellen liegt meistens Blut frei in den Hohlräumen der Deecidua, sowie auch innerhalb der Eikammer neben dem Ei selbst Die grossen Zellen finden sich in der Eikammer unregelmässig ver- streut eigentlich überall vor; sie liegen bald einzeln, bald in Gruppen, und besonders in den Gegendeı. der Eikammer, die den Polen des Eies entprechen, trifft man am häufigsten derartige Zellen an. Ihr Verhalten zeigt besonders deutlich ein Schnitt der Serie, der 0,08 mm vom vorhin beschriebenen entfernt ist; er hat die Amnionhöhle in ganzer Länge getroffen und gehört zu den annähernd medianen Längschnitten des Eies. (Fig. 2, Taf. XVI) zeigt aus diesem Schnitt den Dottersackpol des Eies mit dem ihn umschliessenden Abschnitt der Eikammer. 2234 J. Disse: Die äussere Lage des Eies wird durch die aus platten Zellen bestehende Wand des Dottersacks gebildet (Fig. 2, Ds, Ds). Der Hohlraum des Dottersacks umgibt wie eine enge Spalte die Embryonalanlage, die den Boden der Amnionhöhle einnimmt und durch ihr aus hohen Zellen zusammengesetztes Ektoderm (Ekt. der Fig. 2) kenntlich ist. Zwischen Dottersack und Wand der Eikammer liegt ein grösserer unregelmässig begrenzter Raum, in welchem neben Blutmengen, die in der Zeichnung weggelassen sind, eine Anzahl grosser Zellen gelegen sind (Fig.2, Mph, Mph) nur eine von diesen Zellen liegt nahe dem Dottersack; die andern liegen der decidualen Wand der Eikammer an. Diese Zellen sind ausserordentlich gross; die grösste hat einen Gesamtdurchmesser von 0,085 mm, der Kern misst 0,025 mm. Das Protoplasma ist feinfädig, die Fäden kreuzen sich vielfach und schliessen grössere und kleinere Lücken ein. Eine scharfe Begrenzung fehlt den Zellen; das Protoplasma erscheint wie aus- gefasert, die Ausläufer verlieren sich. Zwischen den grossen Zellen liegt ein kleines Stück Symplasma. Im Protoplasma der grossen Zellen liegen nahe der Peripherie eine Anzahl von Kernen; derjenigen Zelle die an der Wand des Dottersackes liegt (Fig.2, Mphı) liegt uterines Symplasma an. Der von den grossen Zellen ausgefüllte Abschnitt der Eikammer hat eine sehr unregelmässige Begrenzung; die Decidua ist wie ausgenagt, zerklüftet, von Spalten durchsetzt, und sieht aus wie Gewebe, das im Begriff ist sich aufzulösen. Schon aus der Tat- sache, dass das Protoplasma der grossen Zellen Kerne enthält, die dunkel und kompakt erscheinen, wie die Kerne des uterinen Symplasma, können wir den Schluss ziehen, dass die grossen Zellen (Mph in Figg. 1 u. 2) die Fähigkeit haben, Gewebselemente in sich aufzunehmen; es sind diese Zellen grosse Phago- eyten; die Auflösung der Deceidua in der nächsten Umgebung der Phagocyten wird uns dann erklärlich, sie erfolgt unter der Einwirkung der genannten Zellen. Es würden diese Zellen der Eikammer ihrer Grösse wegen als „Makrophagen“ zu be- zeichnen sein. Wenn es uns auch obliegt, für die gewebszerstörende Tätig- keit dieser grossen Zellen weitere Belege zu bringen, so müssen wir hier eine Frage vorerst beantworten: Woher stammen die grossen Zellen der FEikammer? Sind sie fetalen oder mütter- Die Eikammer bei der Feldmaus. 225 lichen Ursprungs? Von den verschiedenen Beobachtern, die bisher auf die grossen Zellen aufmerksam geworden sind, ist diese Frage verschieden beantwortet worden. Selenka (8) hält sie für vergrösserte Bindegewebszellen; Duval (2) vertritt die Ansicht, es handle sich um Zellen fetaler Herkunft. Nach seiner Meinung wachsen einzelne Zellen der ektodermalen Wand des Dottersackes zu ganz bedeutender Grösse heran, lösen sich vom Ektoderm ab und bleiben in der Eikammer liegen. Burkhard (3) leitet die Riesenzellen von der Decidua ab; auch der neueste Beobachter, Kolster (10), schildert ihre Entstehung aus Zellen der Decidua. Sie sollen der „subepithelialen Schicht“ der Wand der Eikammer angehören, und zuerst „vereinzelt an dem anti- mesometralen Ende der Schleimhautbucht“, in der sich das Ei festsetzt, auftreten. Darauf, dass die Riesenzellen rote Blutzellen in ihr Proto- plasma aufnehmen und sie zu verändern imstande sind, hat be- reits Burkhard (3) aufmerksam gemacht; es sagt, dass man annehmen müsse, „dass sich hier die Vorgänge einer Art von Phagocytose abspielen, die durch Auflösung von roten Blut- körperchen zur Ernährung der einzelnen Zellindividuen dienen“ (S.37 des S. A.). Kolster (10) hat die Aufnahme roter Blut- zellen bestätigt; ebenso nehmen, wie er fand, die Riesenzellen Fettropfen auf, die in Begleitung von Degenerationserscheinungen in der Decidua vielfach auftreten. Das Entstehen der Riesenzellen („Makrophagen“) sowie ihr Verhalten und ihre Funktionen werden durch die mitgeteilten Angaben nur sehr unvollständig geschildert; die diesen Elementen zukommende Bedeutung ist eine viel grössere, als die zitierten Arbeiten ahnen lassen. Die Riesenzellen sind mütterlicher Ab- stammung und entstehen aus gewöhnlichen Deciduazellen in der unmittelbaren Umgebung der Eikammer sowohl, als in grösserer Entfernung von derselben; ihre Bildung beginnt bereits vor der Einnistung des Eies. Die nahe der Eikammer entstandenen Riesenzellen gelangen direkt, die weiter abliegenden auf dem Wege der Blutbahn zur Eikammer; sie resorbieren das mütter- liche Gewebe, arrodieren die Blutlacunen, nehmen das Symplasma uterinum auf, das in der Umgebung des Eies entstanden ist, und verdauen es; die Vergrösserung der Eikammer wird hauptsächlich durch die Tätigkeit der Riesenzellen 226 J. Disse: bewirkt. Die Riesenzellen sind Phagocyten in vollem Sinne des Ausdrucks; sie schaffen vermittelst ihrer Phagocytose den Platz für das wachsende Ei. So lange noch keine Placenta ausgebildet ist, kleiden die Riesenzellen in mehrfacher Schicht die Eikammer aus, nehmen die roten Blutzellen, die in die Eikammer gelangt sind, in grossen Mengen auf, und geben, soweit man beurteilen kann, vielfach die Produkte der intracellulären Verdauung an das Ei ab. Weil die Aufgabe der genannten Zellen hauptsächlich durch ihre phagocytären Eigenschaften erfüllt wird, nenne ich dieselben „deciduale Makrophagen“; damit wird auch ihre Ab- stammung vom mütterlichen Organismus hervorgehoben. Es dürfte sich empfehlen, die Belege für die vorstehenden Aus- führungen an einzelne Leitsätze anzuschliessen. 1. Die deeidualen Makrophagen entstehen in der Propria der Schleimhaut des Uterus und treten schon auf, bevor sich das Ei festgesetzt hat (vgl. Taf. XV, XVI, Fig. 3, 4, 5). Ich verfüge über zwei Serien, von zwei verschiedenen Tieren stammend, in welchen die Eier noch frei im Uterus befindlich sind. Die Eier haben die Furchung fast vollendet (Fig. 3, E), die Zona pelluceida ist geschwunden, das Ei wird von einem Ge- rinnsel begleitet, in dem man Leucocyten mit polymorphem Kern erkennt (Fig. 3, G). Fig. 3 entstammt der einen, Fig. 4 der anderen Serie. Das Epithel des Uterus ist noch ganz unverändert; das Ei liegt frei im Lumen. Die zellige Unterlage des Epithels, also die Propria, ist von zahlreichen weiten Gapillaren durchzogen; nahe dem Epithel findet man mehrkernige grössere Protoplasma- massen (Fig. 3, Sy), die sich durch dunklere Färbung des Proto- plasma hervorheben; da die Kerne ganz den Kernen der Zellen gleichen, aus denen die Propria besteht, darf man diese mehr- kernige Protoplasmamasse wohl als „Symplasma uterinum“ auf- fassen und annehmen, dass sie durch Verschmelzung von Decidua- zellen entstanden ist. Innerhalb der Propria, in einem Abstand von 0,25 mm vom Epithel des Uterus, sieht man eine grosse Zelle liegen, die sich durch die Beschaffenheit von Kern und Protoplasma charakteristisch unter den Zellen der Umgebung her- vorhebt (Fig. 3, Mph), der grösste Durchmesser der Zelle beträgt 0,060 mm, der Durchmesser des kugligen Kerns 0,028 mm. Das Protoplasma ist viel dunkler als das der gewöhnlichen Zellen, Die Eikammer bei der Feldmaus. DDR aus denen die Propria besteht, der Deciduazellen, wie wir sie nennen wollen; es zeigt eine fädige Struktur, und die Faden- züge verlaufen hauptsächlich konzentrisch um den Kern herum. Der Kern hat einen ganz eigenartigen Bau. Innerhalb der deut- lichen Kernmembran liegt nicht das gewöhnliche chromatische Netz, sondern es häuft sich das Chromatin in Form einer fein- körnigen Masse an der Innenfläche der Kernmembran an und bildet eine dicke Hohlkugel; in das Innere derselben ragen gröbere und feinere Züge chromatischer Substanz hinein, die in dem hellen Binnenraum klar zu erkennen sind. Die chromatische Substanz ist intensiv gefärbt und erscheint bei Hämalaun-Färbung fast schwarz. (Alle Objekte sind derart behandelt, dass die mit Hämalaun durchgefärbten Stücke in 0,01 mm dicke Serien zerlegt, mit Wasser aufgeklebt und auf dem Objektträger, nach Entfernung des Paraffıns, mit wasserlöslichem Eosin nachgefärbt wurden.) Infolgedessen fallen derartige grosse Zellen sofort auf. So lange das Ei noch nicht sich eingenistet hat, ist die Zahl derartig veränderter Deciduazelleı noch gering; sie liegen immer in einiger Entfernung vom Epithel, sind unregelmässig entlang dem Cavum uteri verteilt, können aber zu mehreren in einem Schnitt angetroffen werden (Fig. 4), auch an solchen Stellen, an denen kein Ei im Lumen liegt. Fig. 4, von der zweiten der erwähnten Serien herstammend, zeigt, dass neben der ganz leeren Uterushöhle, in Abständen, die zwischen 0,4 und 0,2 mm schwanken, drei derartig veränderte grosse Zellen liegen (Fig. 4, Mphı Mph). Es ist nun die erste Frage: woher kommen derartig veränderte Zellen? Darauf ist zu bemerken, dass eine Beziehung solcher grossen Zellen zum Ei ausgeschlossen ist. Die Eier sind noch in Furchung begriffen; sie liegen frei in der von intaktem, hohen Epithel ausgekleideten Höhlung des Uterus. Da ist es wohl ausgeschlossen, dass einzelne Furchungszellen sich vom Ei trennen, durch das Epithel hindurchwandern und sich weiter umbilden; schon der grosse Abstand der fraglichen Zellen von der Uteruswand spricht gegen einen derartigen Vorgang. Ich erwähne aber die Möglichkeit, weil Selenka (8, Figg.5 u. 6) angegeben und gezeichnet hat, dass einzelne Deckzellen des Eies zum Ektoderm des Dottersackes gehörend, in das Epithel des Uterus eindringen. Auch Duval (2) hat in Fig. 77 eine Keimblase abgebildet, aus der zwei Zellen im Begriff sind in das 228 J. Disse: Uterusepithel einzudringen. Das in meiner Fig. 3 abgebildete Ei ist jünger, als die von Selenka und Duval gezeichneten; es besteht aus einer zusammenhängenden Aussenschicht, von der eine dichte Masse innen liegender Zellen umgeben wird; die Furchungshöhle ist nur eben angedeutet. Man müsste sehr klare und eindeutige Befunde vorlegen können, wenn man behaupten wollte, dass von einem Ei in diesem Stadium einzelne Furchungs- zellen sich abtrennen könnten, um anderswo gesondert sich weiter umzubilden. Es bleibt also nur übrig, anzunehmen, dass die grossen Zellen da entstanden sind, wo sie gefunden werden; und dann müssen sie aus Deciduazellen hervorgegangen sein. Dass sich gewöhnliche Zellen vergrössern, und sowohl an Kern als an Protoplasma wachsen, kommt bei physiologischen und pathologischen Vorgängen zur Beobachtung; die vergrösserten Zellen werden Riesenzellen genannt. Bekanntlich kommen bei der physiologischen Resorption von Knochengewebe Riesenzellen zur Wirkung; sie finden sich ferner in blutbildenden Organen, Knochenmark, Milz, der embryonalen Leber zahlreich vor; unter pathologischen Verhältnissen beobachtet man das Auftreten von Riesenzellen besonders bei der Entzündung und bei der ent- zündlichen Neubildung. Die Gegenwart von Fremdkörpern im Organismus, auch von bestimmten Mikroorganismen, z. B. Tuberkel- bazillen, bedingt ebenfalls das Auftreten von Riesenzellen. Zu ihrer Bildung ist, wie es scheint, eine nicht näher zu präzisierende Reizwirkung erforderlich. Im Uterus der Feldmaus scheint dieser Reiz an das Eindringen des befruchteten Eies geknüpft zu sein; er wird sich wohl sehr schnell auf die gesamte den Uterus aus- kleidende Schleimhaut ausbreiten, und keineswegs auf die nächste Umgebung des betreffenden Eies beschränken. Ausser zur Bildung von Riesenzellen, führt die angenommene reizende Einwirkung zum Zusammenfliessen benachbarter Zellen, zur Bildung von uterinem Symplasma. Für einige Riesenzellen der Decidua lässt sich der Nach- weis führen, dass sie in der unmittelbaren Nachbarschaft von Blutcapillaren entstehen (Fig. 5). In Fig.5 der Taf. XV sehen wir eine noch kleine und deshalb wohl für ganz jung zu haltende Riesenzelle Mph neben einem leeren Capillargefäss Ca liegen. Der Abstand der Zelle von dem gut erhaltenen Epithel Die Eikammer bei der Feldmaus. 229 des Uterus, der an dieser Stelle ganz leer ist, beträgt 0,6 mm; die Zelle liegt also näher der Serosa als dem Lumen des Uterus- horns. Der grösste Durchmesser der Zelle beträgt 0,028 mm; der Durchmesser des Kerns allein ist 0,020 mm. Das Chromatin des kugligen Kerns wird durch einige zentral gelegene grössere Massen repräsentiert, von denen aus Fäden zu einer an der Kernmembran liegenden Chromatinschale ziehen. Die Endothel- zellen der Capillarwand sind neben der Riesenzelle zu erkennen. Die wahrscheinlichste Deutung dieses Bildes ist wohl die, dass eine dem Öapillarrohr unmittelbar anliegende Zelle zu einer Riesenzelle geworden ist. Die Veränderung müsste durch Wachs- tum des Kerns, unter gleichzeitiger Änderung der Verteilung des Chromatins eingeleitet sein; auf die Kernänderung wäre die Massenzunahme des Protoplasma gefolgt. Das Protoplasma dieser Zelle bleibt an Menge beträchtlich hinter dem zurück, was die Zellen der Figg. 3 und 4 an Protoplasma besitzen; die Kerne zeigen viel geringere Grössen-Differenzen. Wir werden sehen, dass in späteren Entwicklungsstadien die Protoplasmaleiber der decidualen Riesenzellen ganz bedeutend wachsen, und dass es Zellen gibt, deren grösster Durchmesser '/ı Millimeter beträgt; die Durchmesser der Zellkerne nehmen nicht in dem Verhältnis zu. Das Wachstum der decidualen Makrophagen erfolgt also hauptsächlich durch Vermehrung des Protoplasma, wird aber ein- geleitet durch Grössenzunahme des Kerns. Die Angabe von Kolster (10, S. 17), dass einzelne, in der subepithelialen Schicht der Uterusschleimhaut gelegene Zellen zuerst zu Riesenzellen werden, ist für die Feldmaus nicht ganz zutreffend. Wenn ich auch nicht in Abrede stellen will, dass sich eine nahe dem Epithel gelegene Deciduazelle frühzeitig in eine Riesenzelle umwandeln kann, so treten, nach meinen durch die Figg. 3, 4, 5 belegten Beobachtungen, die ersten deutlich erkennbaren Riesenzellen in grösseren Abständen vom Epithel auf. 2. Die deeidualen Riesenzellen bleiben zunächst da liegen, wo sie entstanden sind, und wachsen zu ganz bedeutender Grösse heran; sie entwickeln dabei phagocytäre Eigenschaften, nehmen Deciduazellen in ihr Protoplasma auf und zerstören die Wände von Blutläcunen, denen sie anliegen (Figg. 6, 7, 8). Taf. XV, Fig. 6 zeigt eine Riesenzelle (Mph) die, wie die Schnitt- serie ergibt, einer Blutlacune unmittelbar anliegt. Das Ei dieser 230 J. Disse: Serie entspricht seinem Ausbildungsgrade nach etwa der Fig. 10, Taf. XVI von Sobotta (7); es beginnt die Eikammer sich gegen die Uterushöhle abzuschliessen, und an der dem Dottersack zu- sekehrten Fläche der Embryonalanlage, die noch einen soliden Zapfen darstellt, tritt das Entoderm auf. Das Stadium ist also: nicht allzusehr gegenüber dem der Fig. 3 vorgeschritten. Die Riesenzelle unserer Fig. 6 liegt näher der Serosa des Uterushorns. als der Eikammer:; der grösste Durchmesser der Zelle beträgt 0,164 mm, der ovale Kern misst im grössten Durchmesser 0,076, im darauf senkrecht stehenden kleinsten 0,060 mm. Das Proto- plasma hat an Masse also ganz bedeutend zugenommen gegen- über den Zellen, die in den Figg. 3, 4, 5 abgebildet sind. Sehr‘ bemerkenswert ist der wellige Verlauf des Zellenrandes; die Zelle entsendet kurze, breite Ausläufer zwischen die kleinen Deciduazellen der Umgebung hinein. Da im peripheren Proto- plasma der Riesenzelle an zwei Stellen Kerne enthalten sind, die denen der Deciduazellen an Grösse entsprechen, ist die Riesen- zelle sicher befähigt, Deciduazellen sich einzuverleiben ; sie ist. ein Phagocyt. Die plumpen Ausläufer des Protoplasma sind vielleicht im Begriff, benachbarte Zellen zu umgreifen, um diese aufzunehmen; damit würde eine amöboide Beweglichkeit des. Phagocyten gegeben sein. Nun können wir für die Annahme, dass die fragliche Zelle ein Phagocyt ist, einen schwer ins Gewicht fallenden Befund anführen. Bei Bl zeigt die Fig. 6 eine in das Protoplasma ein- gelagerte Menge von roten Blutzellen, die ihr Hämoglobin noch besitzen und deutlich als Blutzellen zu erkennen sind. Die Serie ergibt, dass die Riesenzelle die Wandung der Blutlacune, der sie anliegt, an einer Stelle zerstört hat; der Zellenleib selber verstopft die Öffnung, vervollständigt also die Gefässwand, und berührt direkt den Inhalt des Gefässes. Die Blutzellen der Figur sind vom Gefäss aus in das Protoplasma derart einge- drungen, dass sie in einer, mit dem Gefäss verbundenen Höhlung gelegen sind. Die Höhlung ist dadurch zustande gekommen, dass die Riesenzelle das Blutgefäss umfasst hat und mehr als die Hälfte der Peripherie berührt; dabei ist ein Stück der Gefässwand zerstört worden. Einen weiteren klaren Beleg für die Zerstörung der Wand einer Blutlacune durch eine Riesenzelle liefert Fig. 7. Die Eikammer hei der Feldmans. 331 Taf. XV. Die endotheliale Wand der Blutlacune L zeigt bei a eine grosse Lücke; statt des Endothels schliesst das Protoplasma der Riesenzelle Mph im Bereich der Lücke das Gefässrohr. Die Serie ergibt, dass eine Calotte der Riesenzelle sich in die Blutlacune eingedrängt hat; genau in ihrem Umfange fehlt das Endothel. Es bleibt zur Erklärung des Befundes nur die Annahme, dass durch die grosse Zelle eine Lösung des Endothels bewirkt worden ist. Kolster (10) hat beobachtet, dass in den Endothelien der Blutlacunen häufig Fettröpfchen auftreten; es wäre möglich, dass derartig degenerierte Bezirke der Gefässwand dem Angriff der Riesenzellen erliegen. Jedenfalls ist klar, dass die Riesenzelle den Defekt der Gefässwand verursacht hat, da nur. soweit die un- mittelbare Berührung mit der Zelle reicht, die Wandung fehlt. Lücken in Blutlacunen die durch Riesenzellen ganz oder teilweise ausgefüllt werden, sind durchaus nicht selten. Man trifft sie in vielen Serien an; ich werde auch noch zwei Ab- bildungen aus späteren Stadien bringen, die eine Arrosion von Blutgefässen durch Riesenzellen darstellen. Freilich sind die Bilder nicht immer so klar, als in Fig.7. Sobotta (7, S. 327) spricht schon die Vermutung ‚aus, dass den Riesenzellen auch die Funktion zukomme, die „mütterlichen Capillaren zu arrodieren und so die Blutextravasate zu erzeugen, welche für die Ernährung des Eies... eine so grosse Rolle spielen.“ Er hat keine direkten Beobachtungen für diese Annahme anführen können; vielleicht ist es dem mir vorliegenden, von der Feldmaus stammenden Untersuchungsmaterial zuzuschreiben, dass ich glücklicher war als meine Vorgänger. 3) Die decidualen Riesenzellen dringen in die lacunären Blutgefässe ein und werden durch den Blutstrom zur Eikammer hin transportiert. (Figg. 8, 9, 1.) Fig. S Taf. XVII zeigt innerhalb eines kleinen, von weiten l.acunen durchzogenen Bezirks der Decidua, der ausserhalb der Ei- kammer gelegen ist, drei Riesenzellen, Mph, Mphı ; zwei davon liegen zwischen den Zellen der Decidua, die dritte Mphı, liegt in einer Lacune, die sie nicht ganz ausfüllt. Die Zelle hat, der Form der Lacune entsprechend, sich abgeplattet; in der Serie ist die Zelle durch zehn Schnitte zu verfolgen, der abgebildete Schnitt gehört der Mitte an. Wie die Riesenzelle in das Gefäss hineingekommen ist, geht natürlich aus dem Präparat nicht hervor; da aber, Archiv f£. mikrosk. Anat. Bd. 68. 16 332 J. Disse: wie Fig. 7 zeigt, Riesenzellen mit einem Abschnitt ihres Proto- plasma in Lacunen hineinragen können, so ist wohl die Annahme gestattet, dass es diesen Zellen auch möglich ist, ganz in ein Blutgefäss einzuwandern. Dafür, dass die Zelle Mphı früher innerhalb der Decidua gelegen hat, spricht der Umstand, dass das eine Ende der Zelle im Protoplasma eingeschlossen einen Kernrest enthält (Fig. 8. Kr... Auch die grössere der beiden anderen Riesenzellen umschliesst mehrere veränderte Kerne von Deciduazellen. Es ist die Peripherie der Riesensellen mit kurzen Aus- läufern besetzt, die sich zwischen die kleinen Deciduazellen ein- drängen, was als Vorbereitung einer Aufnahme dieser Zellen gedeutet werden kann. Auf die eigentümliche Form des Kerns der Zelle innerhalb der Blutlacune möchte ich noch hinweisen. Der Kern ist wie der Zellenleib, von der Seite her sehr komprimiert; der einen schmalen Seite sitzt eine ungefärbte, von feinen Fäden durchzogene Kugel an, auf der sich ein kleiner kegelförmiger Fortsatz erhebt. Dieser endigt in einem stark gefärbten Korn. Über die Bedeutung dieser Bildung habe ich mir noch kein Urteil bilden können; umso- weniger, als ich sie an keiner anderen Zelle jemals angetroffen habe. Die Kerne der anderen Riesenzellen sind sehr gross, und erscheinen als Blasen, an deren Wandung eine aus körnigem Chromatin bestehende Schale anliegt, während das Innere hell und frei von Chromatin bleibt. Wir müssen aus dem besprochenen Präparat schliessen, dass Riesenzellen, die in der Decidua entstanden sind, in lacunäre Blutgefässe einwandern können. Nun ist es durchaus nicht selten, dass man Riesenzellen antrifft, die innerhalb von Blut- gefässen liegen; und meistens trifft man sie in der Nähe der Eikammer an. Diese Zellen haben sich der Form der betreffenden (sefässe angepasst, erscheinen in einem Durchmesser stark ver- längert, während die beiden anderen etwas abgenommen haben. Es liegt nahe, daraus zu schliessen, dass die Riesenzellen die Fähig- keit der Gestaltveränderung besitzen. Fig. 9 Taf. XV zeigt einen Schnitt durch eine innerhalb eines Blutgefässes befindliche Riesen- zelle Mph. Das Präparat stammt von derselben Serie, der Fig. 1 an- gehört; und wie aus der Schnittserie hervorgeht, verläuft das Blut- gefäss L der Fig.9 auf den anti-mesometralen Zipfel der Eikammer Die Eikammer bei der Feldmaus. 293 zu, der dem Punkt Pl der Fig. 1 gerade gegenüberliegt; das Blut- gefäss eröffnet sich in die Eikammer. Schon aus dem Umstande, dass in die Eikammer zahlreiche Blutlacunen sich eröffnen, darf man schliessen, dass in vielen Gefässen der Blutstrom nach der Eikammer hin gerichtet ist; dann müssen die inihm schwimmenden Riesenzellen ebenfalls zur Eikammer geführt werden. Wir sehen dementsprechend auch in Fig. 1 Mphı drei Blutzellen in einer Lacune; eine davon ist gerade in die Eikammer eingetreten, die zweite befindet sich in der Öffnung, die die Lacune mit der Eikammer verbindet, die dritte Zelle ist noch von deren Öffnung etwas entfernt. (Der nächste Schnitt der Serie trifft die Öffnung der Lacune in die Eikammer.) Kombinieren wir aber die Bilder 8, 9, 1, so sehen wir Riesenzellen in den verschiedenen Stadien des Transports zur Eikammer hin; da das Stadium, dem Fig. 8 entnommen ist, älter ist als das der Fig. 9 und 1, so darf man wohl schliessen, dass während einer längeren Periode fortwährend Riesenzellen in die Blutbahnen hineingeraten und auf diesem Wege zur Eikammer gelangen. Wenn das richtig ist, muss während der Entwicklung des Eies die Zahl der Riesenzellen in der Eikammer fortwährend zunehmen; und das ist der Fall. Die Zunahme kann nicht auf dem Wege der Neubildung von Riesenzellen, etwa durch Teilung der bereits vorhandenen, erfolgt sein; die Riesenzellen teilen sich nicht. Niemals findet man eine Andeutung einer Kernfigur; wenn mitotische Teilung vorkäme, müsste man sie zu Gesicht bekommen, ebensogut wie man in den Deciduazellen — ganz abgesehen von den Zellen des Eies — Mitosen immer antrifft. Man darf schon aus der eigenartigen Beschaffenheit der Kerne der Riesenzellen, der Klumpenbildung der chromatischen Substanz, dem Fehlen einer Kernstruktur schliessen, dass die Riesenzellen nicht zur mitotischen Teilung befähigt sind. Überhaupt scheint es, dass diese Elemente nur eine beschränkte Lebensdauer haben. Man findet ja auch innerhalb der Eikammer stets Riesenzellen mit deutlichen Erscheinungen der Rückbildung. Das Protoplasma nimmt an Masse ab, vakuolisiert sich; schliesslich sieht man grosse Kerne, entweder nackt, oder mit einer dünnen Protoplasmahülle, die nach ihrem Bau nur Riesenzellen angehören können. Kolster (10) sind die Degenerationserscheinungen der Riesen- zellen der Eikammer nicht entgangen; er sagt (S. 39) „die 16* 234 Je Diis se: Riesenzellen zerfallen ebenfalls. Sie verändern zunächst die Beschaffenheit der Kerne, welche ein mehr und mehr verklumptes Chromatingerüst zeigen. Darauf verlieren sie ihre runde Form, werden eckig und gefaltet, und bilden schliesslich nur noch kompakte. Chromatinfärbung zeigende Klumpen. Gleichzeitig zerfällt ihr protoplasmatischer, von Degenerationsprodukten er- füllter Leib.“ Wenn nun aber, trotz der Degeneration einer Anzahl von Riesenzellen innerhalb der Eikammer, die Zahl dieser Elemente nicht ab- sondern zunimmt, so kann dies nur geschehen durch Hinzutreten neuer Riesenzellen zu den bereits in der Eikammer befindlichen. Einen Weg für die zur Eikammer sich begebenden Riesenzellen bildet die Blutbahn. Diese Erwägungen führen uns zu der Frage: Wo werden diese Riesenzellen überhaupt gebildet? Gibt es etwa besondere tegionen der Decidua, in denen man die Bildung von Riesen- zellen aus decidualen Elementen häufiger antrifft? Die Antwort lautet: 4. Es kommen als Bildungsstätte der decidualen Makro- phagen zwei Regionen der Uterusschleimhaut in Betracht; einmal die Wandung der Eikammer, dann diejenigen Bezirke der Decidua, die den beiden Polen der Eikammer benachbart sind. Dem mesometralen Pole entspricht die spätere Plazentarstelle. Wenn sich die Fikammer gegen das cavum uteri ab- geschlossen hat, wird das Ei unmittelbar vom Gewebe der Decidua berührt. Die Eikammer besitzt noch keinen Hohlraum. In diesem Stadium beginnt die Bildung von Riesenzellen in der Wand der Eikammer. Die Zellen sind anfänglich nicht zahlreich, liegen vereinzelt oder zu zweien; um eine Riesenzelle scheint sich alsbald eine Lücke zu bilden, als ob das Gewebe, das mit der Zelle in Berührung kommt, einschmilzt. Deshalb kommen diese Riesenzellen leicht in die Eikammer hinein, sie zeichnen sich durch die bekannten grossen Kerne aus, besitzen aber erst ver- hältnismässig wenig Protoplasma. Oft trifft man Riesenzellen neben erweiterten Capillaren an. Da, wie gesagt, das Gewebe, das die Riesenzellen von der Eikammer trennt, einschmilzt, treten die Lücken, die die genannten Zellen umschliessen, zur Eikammer hinzu und erweitern sie; die Zellen können in direkte Berührung mit der äusseren Lage des Eies, also mit der ektodermalen Wand des Dottersacks — den Reichertschen Zellen von Selenka (8) Die Eikammer bei der Feldmaus. 235 treten. Sobotta (7) hat Taf. XVII, Fig. 16 eine derartige Zelle abgebildet. Diese Berührung zwischen Dottersack und Riesen- zellen hat Duval (2) zu der Annahme geführt, dass die Riesen- zellen fetaler Herkunft sind, und dass sie durch Wachstum ein- zelner ektodermaler Zellen entstehen. Durch das Einschmelzen des Gewebes, das die Riesenzellen um- gibt, wird die Wand der Eikammer porös; sie ist von Lücken durch- setzt, von denen manche mit der Eikammer in Verbindung treten. Auf diese Weise erfolgt die erste Vergrösserung der Eikammer. Es handelt sich um ein von vielen Stellen ausgehendes Ein- schmelzen des decidualen Gewebes, das an die Gegenwart der Riesenzellen geknüpft ist. Diese Elemente selbst erhalten sich, während die kleinen Deciduazellen zugrunde gehen. Da der Einschmelzungsprozess auch die Gefässwand ergreift, so ergiesst sich das Blut in die Eikammer und umspült den Dottersack Das Gewebe löst sich erst, wenn die Riesenzellen erscheinen; die Lösung tritt da auf, wo die Zellen liegen; es scheint daraus zu folgen, dass die Riesenzellen die Ursache der Einschmelzung der Decidua sind. Während sich das Entoderm bildet, die Amnionhöhle er- scheint und der Ektoplazentarkonus des Eies eine bedeutende Ausbildung erfährt, nehmen die Riesenzellen in der Wand der Fikammer an Menge ganz bedeutend zu. Man findet die Decidua- schicht, die die Eikammerwand bildet, in relativ grosser Aus- dehnung von Riesenzellen durchsetzt; mindestens 0,2 mm vom Lumen der Eikammer entfernt beginnt die Anhäufung dieser Elemente. Sie liegen in grösseren und kleineren Lücken; neben ihnen trifft man Blut, auch aus verschmolzenen Deeiduazellen bestehende vielkernige Protoplasmamassen, Symplasma uterinum, finden sich hier vor. Je näher man der Eikammer kommt, desto grösser werden die Lücken, desto häufiger sind die Blutergüsse. Fig. 10 (Taf. XVIII) stellt einen noch 0,05 mm von Lumen der Eikammer entfernten Schnitt dar, der parallel der Medianebene des Eies geführt, also ein Längsschnitt ist. Die Deeidua wird durch einzelne Symplasmamassen Sy repräsentiert; im übrigen ist das Gewebe verschwunden, und an seiner Stelle trifft man einen Bluterguss (Bl), in dem zahlreiche Riesenzellen (Mph) verteilt sind. Die Riesenzellen sind von verschiedener Grösse und Form; es sind unter ihnen die kleineren an der geringen Protoplasma- 236 J. Disse: menge kenntlich. Die Gesamtzahl der Riesenzellen, die in dieser Serie sich innerhalb der Wand der Eikammer in 20 aufeinander- folgenden Schnitten vorfanden (Schnittdicke 0,01 mm) betrug etwa 180; es ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne Zellen mehr als einmal gezählt wurden, da jede der grossen Zellen in mehreren Schnitten sichtbar ist und es nicht immer angeht, die schon ein- mal gezählten Exemplare auszuschliessen. Für ein etwas jüngeres Stadium konnte ich, bei gleicher Schnittdieke und Schnittrichtung, auf 25 Schnitte (0,25 mm) un- gefähr 100 Riesenzellen zählen. Da die Fehlerquellen mehr die absolute, als die relative Menge der Riesenzellen beeinflussen, kann man ersehen, dass die Anzahl der Riesenzellen in der Wand der Eikammer beträchtlich ist, und dass sie während der Ent- wicklungsdauer zunimmt. Kombinieren wir das, was über die- Neubildung von Riesenzellen in der Wand der Eikammer mitge- teilt ist, mit der früher gegebenen Darstellung von der Bildung von Riesenzellen nahe den Blutlacunen und von ihrer Einwanderung in die Blutbahn, so ergibt sich, dass die Riesenzellen innerhalb der Eikammer teils von aussen zugewandert sind, teils aber schon während ihrer Bildung der Eikammerwand angehört haben. Es ist wahrscheinlich, dass fortwährend einzelne Riesenzellen durch den Blutstrom der Eikammer zugeführt werden. Die fetalen Häute, besonders die Wand des Dottersacks, oder auch der Ekto- plazentarkonus, haben mit der Bildung der Riesenzellen der Ei- kammer aber nicht das geringste zu tun. Die Angaben, die Duval (2) darüber gemacht hat, finden keine Bestätigung. Lediglich die Riesenzellen innerhalb der Eikammer und in ihrer decidualen Wand sind bisher gesehen worden. Sie sind aber nicht die einzigen Zellen dieser Art. Es treten vielmehr auch in den peripheren Deciduaregionen Riesenzellen auf, und gerade diese erreichen die beträchtlichsten Dimensionen. Die Serien lehren, dass als Bildungsstätten der „peripheren Riesen- zellen“ diejenige Bezirke der Decidua von Bedeutung sind, welche den Polen der Eikammer benachbart liegen. Textfigur 1 soll dieses näher erläutern. Die Figur stellt einen schematischen Querschnitt durch die eikammerhaltige Anschwellung eines Uterushorns vor. Die Ei- kammer liegt in dem schmäleren, vom Mesometrium (Mes) abge- wandten Abschnitte der Anschwellung. In die Figur sind, in Die Eicammer bei der Feldmaus. 237 ihrer genauen Lage, diejenigen Riesenzellen eingetragen, die sich in drei aufeinanderfolgenden Schnitten einer Serie vorfanden; im Bereich der Eikammer liegen sieben Zellen (RER); am meso- metralen Pole derselben finden sich fünf grosse Zellen vor (PRrp). Den entgegengesetzten Pole der Eikammer entprechen ihrer Lage nach drei Riesenzellen (PR.). PRı a REK PRır Mes Textfig. 1. Riesenzellen der Eikammer (REK) und periphere Riesenzellen (PRı PRısr). Mes = Mesometrium. Alle Serien ergeben nicht nur, dass immer periphere Riesen- zellen vorhanden sind; sie zeigen auch stets eine Verteilung in zwei Gruppen, die mesometrale und die anti-mesometrale. An der Stelle, wo die mesometrale Zellgruppe liegt, entwickeltsich später die Placenta. Gerade die Riesen- zellen der peripheren Bezirke erreichen ausserordentlich grosse Dimensionen; so dass ihnen gegenüber die Riesenzellen der Eikammer kleiner erscheinen. Eine ganze Reihe derartiger 238 rDisse: Zellen, die verschiedenen Serien angehörten, maßen 0,24 zu 0,16 mm im grössten und kleinsten Durchmesser; die Kerne, weniger stark elliptisch, maßen 0,12 zu 0,10 mm. Es fällt also jede Zelle in eine ganze Anzahl von Schnitten, ebenso ihr Kern; es gehören diese Riesenzellen zu den grössten Zellen, die man bei Säuge- tieren überhaupt antrifit. Viele liegen in den äussersten Lagen der Propria, dicht an der Muskelhaut ; andere wieder liegen nahe der Eikammer. Die Form ist meistens elliptisch, es kommen aber auch rundliche, sowie langgestreckte Zellen zur Beobachtung. Die ganze Mannigfaltigkeit, die diese Elemente zeigen, kann hier nicht erschöpfend beschrieben werden. Selten finden sich neben derartigen grossen Zellen Blutextravasate in der Decidua; ich habe aber gesehen, dass Riesenzellen grösster Art neben arrodierten Gefässen lagen. Diejenige Gruppe, die der späteren Plazentarstelle entspricht, scheint mir die Aufgabe zu haben, durch Zerstörung der Decidua Platz für die Plazenta zu schaffen. Ich will auf diesen Punkt für diesmal nicht näher eingehen, da ich die Untersuchung nicht durch das genaue Studium der Plazentarbildung komplizieren wollte. Diejenigen peripheren Riesenzellen, welche am anti- mesometralen Pol der Eikammer liegen, beteiligen sich an der Resorption der Decidua capsularis und bewirken, dass die Scheide- wand zwischen Eikammer und Cavum uteri schliesslich ganz zerstört wird. Bei dieser Funktion schliessen sie sich der Tätig- keit der der Eikammer angehörenden Riesenzellen an, die wir im folgenden näher schildern wollen. 5. Die Riesenzellen zerstören durch Phagocytose die Wände der Eikammer und vergrössern dadurch deren Raum. Sie nehmen die Symplasmamassen auf, die sich in den Wänden der Eikammer bilden; sie resorbieren auch einzelne Deciduazellen. Ferner eröffnen sie die Blutlacunen der Decidua, sodass deren Inhalt sich in die Eikammer ergiesst. Schon die Fig. 1 und 2 lassen den eigentümlich buchtigen Zustand der Eikammerwandung erkennen. Sie zeigen, dass besonders an den Polen der Eikammer die Höhlung in Zipfel aus- gezogen erscheint, deren Wände ausgesprochen wellig verlaufen; dass aber auch die Seitenwände stärkere grubige Vertiefungen aufweisen (Fig. 1, Taf. XV). Die Wandschicht der Fikammer ist streckenweise von Protoplasmamassen mit eingestreuten, mehr oder weniger stark rückgebildeten Kernen gebildet; sie besteht Die Eikammer bei der Feldmaus. 239 an diesen Stellen aus uterinem Symplasma (Fig. 1, Sy), Wenn schon, wie Fig. 1 zeigt, die Ausbuchtungen der Eikammer nicht leer sind, sondern Riesenzellen enthalten (Fig. 1, Mph), so sieht man bei stärkeren Vergrösserungen, und bei Verfolgung dieser Ausbuchtungen in der Schnittserie, dass sämtliche Lücken von den Riesenzellen fast völlig ausgefüllt werden, und dass sie oftmals entsprechend dem zelligen Inhalte geformt sind (Fig. 2, Taf. XV]). Die unregelmässige, grosse Lücke zwischen Dottersack Ds und decidualer Wand der Eikammer ist von einer Gruppe sehr grosser Zellen ausgefüllt (Mph), die sich hauptsächlich an die Decidua angelegt haben. Die Decidua ist von Spalten zerklüftet, gegen die Eikammer ganz unregelmässig abgegrenzt; es macht den Eindruck, als sei sie hier in Lösung begriffen. Die unregelmässige Begrenzung der Eikammer durch die Decidua,der zerfressene Zustand der Eikammerwand, ist die Regel; nicht etwa diejenigen Partien zeigen die Ausnagungen, die dem Dottersack nahe liegen, sondern die partielle Zerstörung der Deecidua ist am meisten da ausgeprägt, wo die Decidua weit vom Ei entfernt ist. Fig. 11, Taf. XV Ill zeigt das Verhalten der Eikammer am antimesometralen Pol. Das Ende der Eikammer zerfällt in zwei Lücken EKı und EKır, die durch einen starken, aus Symplasma gebildeten Vorsprung der Deecidua getrennt werden (Fig. 11, Sy). Ausserdem sieht man, an der linken Seite der Figur, zwei Lücken der Decidua (L, L), die nicht mit der Eikammer in offener Ver- bindung stehen. Die grössere Lücke (Fig. 11, EKr) wird unvollständig durch vier grosse Zellen ausgefüllt; neben diesen Zellen liegen Gerinnsel und Blut, was aber in der Zeichnung, der Deutlichkeit halber, weggelassen wurde. Eine grössere Anzahl von Riesenzellen liegt da, wo die Lücken EKı und EKır in die Eikammer einmünden. Auch diese Zellen liegen in einem feinkörnigen Gerinnsel, in dem auch Blutmassen (Bl) sichtbar sind. Diese Gerinnsel deuten darauf hin, dass das Gewebe zerfallen ist; der Gewebszerfall wird auch die Ursache der Blutung sein. Eine Vorstufe des zerfallenden Gewebes sind die Massen von Symplasma (Fig. 11, Sy), die zum Teil die Wände der FEikammer bilden und in Form kleiner Vorsprünge in die Höhlung hineinragen (Fig. 11, Syı). Nicht alle Zellen sind lebenskräftig; zunächst dem Dotter- sack (Fig. 11, Ds) sieht man bei Mphı mehrere grosse Kerne, 240 J. Disse: die von Resten eines feinkörnigen Protoplasma umgeben sind; das Protoplasma scheint in’ Auflösung begriffen; es könnten also die Gerinnsel in der Eikammer auch derartiges, in Zerfall begriffenes Zellprotoplasma darstellen. Die zahlreichen grossen Zellen würden dann lediglich ein zum Zerfall bestimmtes Material repräsentieren. Es lässt sich nun aber mit aller wünschenswerten Schärfe der Nachweis führen, dass die grossen Zellen der Eikammer das Gewebe resorbieren, das die Wände dieses Raumes bildet, dass sie also fortwährend an der Auflösung der Decidua arbeiten und durch diese Tätigkeit die Vergrösserung der Eikammer bewirken (Big. 12,719, °14, Ta XV ER NVIERNTI In Fig. 12 sehen wir eine Gruppe sehr grosser Zellen, die den Raum der Eikammer am antimesometralen Pol vollständig ausfüllen (Fig. 12, Mph, Mphı). Sie liegen einerseits dem Dotter- sacks (Ds) an, berühren andererseits die deciduale Wand der Eikammer. Die Grenzen der einzelnen Zellen sind kaum wahr- zunehmen, jede Zelle enthält einen sehr grossen Kern mit dem klumpigen Chromatin. Das Protoplasma der grossen Zellen enthält vielfach Einschlüsse; kleine dunkle Körper, die nach- weislich aufgenommene rote Blutzellen sind, und deutliche, grössere Kerne, die entweder den Kernen der Deciduazellen ihrem Bau und ihrer Grösse nach durchaus gleichen (Mphı an der rechten Seite der Figur 12), oder die kleiner, dunkler sind, wie die Kerne der Symplasmamassen (Mphe2). In einer anderen grossen Zelle (Mph3) liegen ganz blasse Kerne ohne deutliche Struktur. Ein Blick auf die Fig. 12 zeigt das Geschilderte sehr deutlich; man kann die aufgenommenen Kerne an ihrer Grösse und ihrem Bau erkennen, und sie auf den ersten Blick von den viel grösseren und ganz anders aussehenden Kernen unterscheiden, die den Riesenzellen selbst zukommen. An einer Stelle sieht man zwischen den Riesenzellen eine Symplasmamasse (Sy) liegen. Die Deutung des Befundes kann nur eine sein. Es handelt sich um deciduale Zellen und Symplasmamassen, die im Proto- plasma der Riesenzellen befindlich und mehr oder weniger weit verändert sind. Die Riesenzellen sind Phagocyten; sie fressen die Deciduazellen ; nicht etwa nur gelegentlich, sondern immer und überall. Wo die Riesenzellen an die Decidua angrenzen, wird die Decidua gelöst, die nicht gelösten Zellen werden gefressen, Die Eikammer bei der Feldmaus. 241 dann verdaut. Darum sieht die Decidua, die die Eikammerwand bildet, wie ausgenagt aus. Die zahlreichen grösseren Vakuolen, die man in den Riesenzellen der Eikammer so häufig findet, sind aus der Phagocytose zu erklären. Dieselbe Gegend der Eikammer eines älteren Stadiumszeigt Fig. 13, Taf. XVIII. Es ist der Abstand zwischen dem Dottersack (Ds) und der decidualen Wand der Ei- kammer beträchtlich gewachsen ; der Zwischenraum zwischen beiden wird teils durch Blut, das in der Zeichnung weggelassen ist, teils durch eine Anzahl grosser Zellen (Mph) ausgefüllt. Diese Zellen sind nahe dem Dottersack kleiner, als nahe der Wand der Eikammer; einige sind durch breite Protoplasmabrücken verbunden, andere sind selbständig. Die näher der Decidua gelegenen grossen Zellen Mphı, Mphe, Mphs haben andere Zellen aufgenommen. Die Zellen, die von Mphı gefressen sind, sind meistens rote Blut- zellen; Mph>z aber hat eine deutlich erkennbare Masse von uterinem Symplasma sich einverleibt, in Mphs liegt stark ver- ändertes Gewebe. Zu beachten ist, dass die beiden grossen Zellen Mphı und Mph> dicht an einem grösseren Vorsprung der Eikammerwand liegen, der aus Symplasma besteht (Fig. 13, Sy). Also auch hier ist die Phagocytose der Riesenzellen in die Augen fallend, und es tritt hervor, dass die Riesenzellen an das uterine Symplasma sich anlegen. Wir vervollständigen die Belege für die Phagocytose, die die Riesenzellen der Eikammer ausüben, durch die Fig. 14, Taf. XVI. Das Präparat gehört einem Eian, das un- mittelbar vor der Bildung der Plazenta steht. Der Ektoplazentar- konus war bedeutend an Masse reduziert, von Hohlräumen durch- setzt; die Allantois hatte sich an die Innenfläche des Chorion dem Ektoplazentarkonus entsprechend, angesetzt. Die abgebildete Stelle gehört derjenigen Abteilung der Decidua an, die die Eikammer vom Cavum uteri trennt, also der Decidua capsularis. An ihrer Innenfläche findet man regelmässig mehrere Lagen von Riesenzellen vor, die untereinander verbunden sind und die Eikammer austapezieren ; eine dieser Riesenzellen (Fig. 14, Mph) kenntlich an dem grossen Kerne K, hat ein grosses Stück Symplasma sich einverleibt; etwa 70 Kerne lassen sich im Schnitt zählen. Jeder dieser kleinen Kerne ist von einem Hohlraum ‚umgeben, was darauf hindeutet, dass das den Kern umhüllende Protoplasma bereits gelöst ist; nur das periphere Protoplasma der Riesenzelle, das der Decidua capsularis (w, w) zunächst liegt, 242 EmDanisısıee enthält fast gar keine kernähnlichen Einschlüsse. Die unregel- mässig wellige Abgrenzung der Riesenzelle gegen die Decidua legt die Vermutung nahe, dass das Symplasmastück innerhalb der Riesenzelle früher einen Bestandteil der Decidua gebildet hat. Ein vom Schnitt noch getroffenes Stück einer zweiten Riesenzelle (Fig. 14, Mphı ) enthält ebenfalls Kerne aufgenommener Gewebszellen. Da man in vielen Serien ähnliche Bilder findet, so muss man die Phagocytose als die wesentliche Tätigkeit der Riesen- zellen an den Wänden der Eikammer bezeichnen, und es muss der Erfolg dieser Tätigkeit der sein, dass die Eikammer sich fortwährend vergrössert. Es ist schon vielfach erwähnt, dass innerhalb der decidualen Wand der Eikammer sich vielfach Symplasma bildet; das ist eine Vorbereitung für die Auflösung der Decidua. Es wird aber wohl meistens nicht dazu kommen, dass die Symplasmamassen sich etwa unter Einwirkung gelöster, in den mütterlichem Gewebe befindlicher Fermente auflösen; ihre Auflösung wird dadurch beschleunigt, dass die Riesenzellen das Symplasma aufnehmen und verdauen. Wo wir also von Riesenzellen ausgefüllte Lücken der Decidua finden, dürfen wir annehmen, dass sie durch aktive Tätigkeit dieser Zellen entstanden sind. Es ist nicht anzunehmen, dass die aufgenommenen Zellen sehr lange Zeit innerhalb des Protoplasmas der Riesenzellen ver- weilen und dann erklärt sich, warum so viele Riesenzellen frei von decidualen Elementen gefunden werden. Vergleicht man diejenigen Riesenzellen einer Serie, in denen Symplasma oder einzelne Deciduazellen enthalten sind, miteinander, so treten Unterschiede im Bau der kleinen Kerne hervor, die dem gefressenen Gewebe angehören. In einer Riesenzelle findet man die Kerne so gross, wie in der Decidua, gut gefärbt, mit erkennbarem Kerngerüst; in einer anderen Riesenzelle dagegen sind die Kerne klein, unregelmässig begrenzt, blass; die Kerne verändern sich also innerhalb der Riesenzellen und verlieren nachweislich das Chromatin; den Schluss des Vorgangs dürfte wohl die völlige Lösung des Kerns bilden. Während die Riesenzellen, so lange das Ei die Keimblätter und die Amnionhöhle ausbildet, unregelmässig in der Eikammer verteilt sind, einzeln oder in kleinen Gruppen liegen, und vor- wiegend an den Polen der Eikammer angetroffen werden, findet Die Eikammer bei der Feldmaus. 243 man sie bei älteren Eiern, die kurz vor der Placentarbildung stehen, in regelmässiger Anordnung. Sie ordnen sich zu Lagen an, welche konzentrisch das Ei umgeben, und dem Chorion einerseits, der Decidua andererseits anliegen. Die Zellen, welche zu diesen Lagen zusammentreten, sind im Profil spindelförmig, in der Flächenansicht bilden sie grosse, polygonale, mit Ausläufern ver- sehene Platten. Vermöge dieser Ausläufer, die auch die Zellen in Fig. 13 erkennen lassen, verbinden sich die Zellen untereinander so, dass die Zellgrenzen nicht zu erkennen sind. Es hängen also nicht nur die Zellen zusammen, die eine Lage bilden, sondern es sind auch die Zellen benachbarter Lagen miteinander ver- bunden. Da nun zwischen den Zellenausläufern grosse Lücken bleiben, und alle Zellenlagen durchbrochen sind, wird das Chorion von einem System durchbrochener Lamellen umgeben; die Räume zwischen den Lamellen hängen überall zusammen, sodass ihr Inhalt mit dem Chorion in Berührung treten kann. Nach aussen an der äussersten Lamelle liegen hier und da noch Gruppen von Riesenzellen ; sie finden sich in grubigen Ver- tiefungen der Decidua, einzelne stecken noch ganz in der Decidua drin. Diese Riesenzellen liegen an Symplasmamassen an, oder sie finden sich an den Wandungen von Blutlacunen ; wir werden sehen, dass sie diese eröffnen. Der von dem Lamellensystem durchsetzte Raum der Eikammer ist mit Blut und mit den Resten zerfallenden (rewebes erfüllt. Das Blut überwiegt an Menge; eigentlich ist der Raum der Eikammer mit Blut gefüllt, und in dieser Blutmasse schwimmt das Ei. Die roten Blutzellen liegen nur zum Teil frei; sehr viele finden sich im Protoplasma der Riesen- zellen vor (Fig. 15, Taf. XVII). Man kann Exemplare finden, in denen mehr als 100 rote Blutzellen enthalten sind. Nur die Minderzahl dieser Blutzellen ist gut erhalten, zeigt die regelmässige Form und enthält das Hämoglobin in gleichmässig dichter Verteilung. Die Mehrzahl der Erytrocyten ist mehr oder weniger verändert. Einzelne Zellen erscheinen gequollen, kugelig, grösser als normal; das Hämoglobin ist in Form grösserer Körner noch teilweise in diesen Zellen enthalten. In anderen Zellen ist eine feinkörnige Masse noch als Hämoglobin zu erkennen. Endlich findet man ganz blasse Scheiben ohne Hämoglobin, die an die „Schatten“ roter Blutzellen erinnern, die nach Zusatz von Wasser oder von ganz verdünnten Säuren zu frischem Blut 244 J. Disse: auftreten. Innerhalb der Riesenzellen vollzieht sich also eine langsame Zerstörung der roten Blutzellen. Über das Schicksal des Materials, das in den Riesenzellen durch Lösung der auf- genommenen Zellen, auch der Blutzellen, entsteht, kann man nur mehr oder weniger begründete Vermutungen hegen, da sich auf morphologischem Wege kein Aufschluss über die Bahn gewinnen lässt, die von Zelle zu Zelle gehende Saftströmungen nehmen. Ich möchte annehmen, dass die Riesenzellen das in ihnen in Lösung befindliche Nahrungsmaterial an das Ei abgeben; man sieht wenigstens gelegentlich, dass Riesenzellen in breiteren Kontakt mit dem Chorion treten (Fig. 15). Noch zu Anfang der Placentarbildung, wenn die Allantois den Ektoplacentarkonus erreicht hat, kann man Verhältnisse antreffen, wie sie Fig. 15 zeigt. Drei nebeneinander liegende Riesenzellen a, b, ce sitzen dem Chorion Ds direkt auf. Das Protoplasma ist zunächst dem Chorion frei von Einlagerungen, besonders von Blutzellen; man erkennt, besonders deutlich in Zelle c, dass die feinen Fadenstrukturen des Protoplasmas senkrecht auf das Chorion verlaufen. Ein der- artiger, inniger Kontakt muss den direkten Austausch von ge- löstem Nahrungsmaterial zwischen den Riesenzellen und dem Ei begünstigen; die Zellen der äusseren Lamellen, welche die der innersten Lage berühren, könnten diesen das Nahrungsmaterial übermitteln, das sie selbst bereitet haben. Man findet nun der- artige direkte Verbindungen zwischen Riesenzellen und Chorion nicht überall, auch nicht regelmässig vor; es ist ein gelegent- licher Befund, aber ganz ohne Bedeutung kann er nicht sein; es findet sich schon in früher Entwicklungszeit eine Anlagerung von Riesenzellen an das Ei (vergl. Sobotta, 7, Taf. XVII, Fig. 16) und Duval (2) hat auf derartige Befunde die Ansicht gestützt, dass die Riesenzellen ektodermaler Abkunft seien und sich vom Dottersack abschnüren. Meine Ansicht ist, dass durch direkte Berührung der Riesenzellen mit dem Dottersack — dem späteren Chorion — ein Übertritt von Nährmaterial in das Ei hinein erleichtert wird. Die Riesenzellen der Eikammer können das in ihnen be- findliche, durch Verdauung mütterlicher Zellen gewonnene Nah- rungsmaterial nicht für sich selbst verwerten. Sie vermehren sich nicht; niemals findet man Kernteilungsfiguren. Sie wachsen eben- falls nicht; hingegen findet man viele Belege für die Tatsache, Die Eikammer bei der Feldmaus. 245 dass die Riesenzellen der Eikammer jederzeit in grösserer An- zahl zu Grunde gehen. Darauf ist schon früher (S. 233) hinge- wiesen worden. Es bleibt also als das Wahrscheinlichste die Annahme übrig, dass das von den Riesenzellen bereitgestellte Nahrungsmaterial dem Ei zugute kommt; es würden also auch Zellen sich an der Ernährung des Eies beteiligen. Wenn die Wände der Eikammer durch die Riesenzellen auf- gelöst werden, muss es vielfach zur Eröffnung von Blutgefässen kommen. Besonders dann, wenn entlang der Wand einer Blut- lacune sich Symplasmamassen gebildet haben, und wenn diese durch Riesenzellen gefressen werden. In der Tat findet man häufig genug Bilder, welche die Eröffnung von Blutgefässen durch Riesenzellen, und den Austritt des Gefässinhalts in die Eikammer erweisen. Fig. 16, Taf. XVI zeigt, dass zwei Blutgefässe der Ei- kammerwand (L,L) grosse Lücken ihrer inneren Wand aufweisen, durch die Blut (Bl) in die Eikammer sich ergiesst. In der Lücke der Wand des einen Gefässes liegt eine grosse Riesenzelle Mphı, die den Defekt fast ausfüllt; die Lücke des anderen eröffneten Ge- fässes wird von zwei Riesenzellen Mph» und Mphs eingenommen. Die Gefässwand wird in der Nachbarschaft beider Lücken durch Symplasma (Sy) begrenzt. Die Riesenzellen Mphı, 2, 3 liegen den Symplasmamassen direkt an. Dass diese Zellen durch ihre Tätig- keit die Arrosion der Gefässe bewirkt haben, kann wohl keinem Zweifel unterliegen; ich gebe als weiteren Beleg für derartige Ge- fässzerstörung noch eine Abbildung (Fig. 17, Taf. XVII). Sie stammt aus der Wand der Eikammer eines Eies, das vor der Placentarbildung steht. Eine Riesenzelle Mph hat an zwei Stellen a und b die endotheliale Wand einer Blutlacune L, L zerstört; in der Öffnung b sieht man noch, der Zelle locker anliegend, das eine Strecke weit abgehobene Gefässendothel E. Dieses ist, wie seine Ablösung von der Unterlage zeigt, schon in Rückbildung begriffen; es würde sicherlich binnen kurzem ganz zu Grunde gegangen sein. Ob das Endothel an dieser Stelle in fettiger Degeneration begriffen ist, kann ich bei der von mir ausschliesslich verwendeten Fixierung in Formol-Alkohol und Doppelfärbung mit Hämalaun-Eosin nicht entscheiden. Das mitgeteilte Tatsachenmaterial reicht aus, um über die Herkunft und die Aufgabe der Riesenzellen im Uterus der Feldmaus 246 J. Disse: Aufschluss zu geben. Die Riesenzellen sind mütterlicher Ab- stammung, sie gehen aus Deciduazellen hervor; ihre Aufgabe ist die, das mütterliche Gewebe aufzulösen und dadurch die Ver- grösserung der Eikammer zu bewirken. Das wachsende Ei übt auf die Vergrösserung des Raumes, in dem es liegt, keinen direkten Einfluss aus; der mütterliche Organismus sorgt dafür, dass der Platz geschaffen wird, den das Ei nötig hat. Auf die Tätigkeit des mütterlichen Organismus muss sowohl die Bildung des Symplasma uterinum, als auch das Auftreten der Phagocyten zurückgeführt werden; und diese beiden Momente konkurrieren bei der Ver- grösserung der Eikammer. Die Bildung von uterinem Symplasma ist eine Form langsamer Degeneration, die schliesslich zur Lösung des Symplasma führt; die Phagocytose ist ein anderes, viel energischer wirkendes Mittel, die Decidua zu zerstören. Es würde müssig sein, zurzeit über die Ursachen sich zu äussern, die die Bildung von Symplasma und das Heranwachsen so mancher Deeiduazellen zu grossen Phagocyten bewirken könnten; wir kommen, beim jetzigen Stande unserer biologischen Kenntnisse, nicht über das (Gebiet der Vermutungen hinaus. Natürlich aber ist nicht aus- geschlossen, dass das Problem in absehbarer Zeit gelöst wird. Es ist von hohem Interesse, dass die Phagocyten, wie es scheint, nicht bei jeder Spezies auftreten, die eine Fikammer bildet. Bei Cavia, wo gerade die ersten Ausbildungsstadien der Eikammer gut bekannt sind, gibt es keine Phagocyten, die das (rewebe lösen; die Entstehung des Raumes für das Ei, das das Epithel des Uterus durchsetzt hat, erfolgt ohne Mitwirkung von Zellen. Esist also jedenfalls die Mitwirkung von Phagocyten bei der Zerstörung der Decidua nicht immer und überall erforderlich: der Organismus verfügt über mehrere Mittel, um das gleiche Ziel zu erreichen. Welche Mittel aber in einem besonderen Fall, also bei einer bestimmten Spezies, gerade angewendet werden, kann nicht aus der Analogie erschlossen, es muss für jede Spezies besonders untersucht werden. Man wird auch nicht erwarten dürfen, dass bei jeder Spezies die Phagocyten, wenn sie überhaupt vorkommen, sich durch ihre Grösse und den so eigenartigen Bau des Kerns in der Weise hervorheben, wie das bei der Feldmaus der Fall ist. Für die Entscheidung der Frage, wie sich die Fikammre des Menschen vergrössert, reicht das vorliegende Material nicht Die Eikammer bei der Feldmaus. 247 aus, und solange keine zusammenhängende Reihe frühester Aus- bildungsstadien bekannt ist, stösst die sichere Deutung der zurzeit vorliegenden Befunde an ganz jungen Eiern auf so srosse Schwierigkeiten, dass ich es für besser halte, jeden Versuch zu unterlassen, der die Aufstellung einer Theorie über die Bildung der menschlichen Eikammer zum Zweck hat. Man kann zurzeit für den Menschen nicht auseinanderhalten, welche Elemente mütterlicher und welche fetaler Abstammung sind. Nach den Beobachtungen von Hubrecht (4) scheint es, dass bei Erinaceus die Eikammer ebenfalls dadurch vergrössert wird, dass mütter- liches Gewebe unter tätiger Mitwirkung grosser Zellen zerstört wird. Die Zerstörung der Decidua vollzieht sich an der äusseren Begrenzung einer das wachsende Ei umgebenden Schicht, der „Trophosphäre“. Diese besteht aus einer inneren, dem Ei angehörigen Lage, die Hubrecht als „Trophoblast“ bezeichnet, und aus einer äusseren Schicht, der „Trophospongia“, die dem mütterlichen Organismus angehört. Die Trophospongia grenzt an die unveränderte Decidua an. Es treten nun in den äusseren Schichten der „Trophospongia“ zahlreiche grosse Zellen auf; besonders erreicht der Kern eine ganz bedeutende Grösse (S. 324/325). Im Protoplasma dieser grossen Zellen kommen zahlreiche Einschlüsse vor, die den Kernen der Deciduazellen gleichen und Kernfarben begierig annehmen. Auch rote Blutzellen findet man in den genannten Zellen vor. Man kann also nicht umhin, diesen grossen Zellen die Fähigkeit zuzuschreiben, andere Gewebszellen sich einzuverleiben und zu zerstören; es sind Phagocyten. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass das Gewebe der Decidua durch diese Phagocyten zerstört wird. Dass dabei lacunäre Blutgefässe der Decidua eröffnet werden, deren Inhalt sich in die das Ei umgebenden Bluträume ergiesst, hat Hubrecht bereits beobachtet (4, S. 345) und er weist darauf hin, dass ähnliche grosse Zellen sich in der Decidua der Maus, und auch anderer Nager vorfinden. Über ihre Bildungsweise konnte er nichts bestimmtes eruieren. Ist man nun aber, nach den mitgeteilten Beobachtungen bei der Feldmaus, nach den Befunden von Hubrecht bei Erinaceus, zu der Annahme berechtigt, dass überall da, wo es zu einer Zerstörung mütterlichen Gewebes kommt, die Resorption durch mütterliche Elemente bewirkt wird? Dass überhaupt das Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 1] 248 J. Disse: embryonale Gewebe nicht imstande ist, die Decidua zu resorbieren ? Das wäre ausserordentlich voreilig. Wir sind nur berechtigt, auszusprechen, dass bei der Feldmaus das embryonale Gewebe nicht die Aufgabe hat, die Decidua zu lösen, sondern dass dies durch mütterliche Zellen bewirkt wird. Wie es sich damit aber bei anderen Spezies, innerhalb anderer Ordnungen verhält, kann nicht aus der Analogie gefolgert, es muss untersucht werden. Gerade so gut wie es vorkommt, dass bei einer Säugerart das Amnion durch Faltung sich bildet, wie bei Vögeln und Reptilien, bei einer anderen dagegen durch Hohlwerden einer soliden Zellmasse, gerade so gut kann das fetale Gewebe bei einer Spezies imstande sein, die mäütterliche Decidua zu lösen, bei einer anderen dagegen nicht. Je genauer man die Entwicklungsvorgänge gerade bei den Säugern kennen gelernt hat, desto mehr hat man den Ausspruch bestätigt gefunden, den Bischoff (11) tat: „dass die Natur selbst in solchen Fundamentalverhältnissen, als um welche es sich hier handelt (d.h. die Lagerung der Keimblätter) in verschiedener Weise verfahren kann, um dasselbe Ziel zu erreichen.“ (S. 37.) Die vorstehend mitgeteilten Beobachtungen sind in der Gesellschaft zur Förderung der gesamten Naturwissenschaften zu Marburg (12), sowie auf der Versammlung der deutschen Gynaekologischen Gesellschaft zu Kiel 1905 vorgetragen und durch Demonstration einer grösseren Anzahl von Präparaten erläutert worden. Literaturverzeichnis. 1. Graf v.Spee: Die Implantation des Meerschweincheneies in die Uterus- wand. Zeitschr. f. Morphologie u. Anthropologie, Bd. III, 1901. 2, Mathias Duval: Le Placenta des rongeurs. Troisieme partie. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie (Robin-Pouchet). 27 me anne£, 1891, Nr. 1. 3. Burckhard: Die Implantation des Eies der Maus in die Uterus- schleimhaut. Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 57, 1901. 4. Hubrecht: Studies in mammalian Embryology. I. The placentation of Erinaceus europaeus. Quarterly Journal of Microscopical Science, vol. 30, part. 3, 1889. 199 12. Die Eikammer bei der Feldmaus. 249 Graf v.Spee: Über die menschliche Eikammer und Deeidua reflexa. Verhandlungen der anatom. Gesellschaft, 1898. Sedgwik Minot: The implantation of the human ovum in the uterus. Transactions of the American Gynecological Society, 1904. Sobotta: Die Entwicklung des Eies der Maus vom Schlusse der Furchungsperiode bis zum Auftreten der Amniosfalten. Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 61, 1902. Selenka: Studien über Entwicklungsgeschichte der Tiere. I. Keimblätter und Primitivorgane der Maus. 1883. Bonnet: Über Syneytien, Plasmodien und Symplasma in der Placenta der Säugetiere und des Menschen. Monatsschr. f. Geburtshülfe u. Gynäko- logie, Bd. 18, Heft 1, 1903. . Kolster: Zur Kenntnis der Embryotrophe beim Vorhandensein einer Decidua capsularis. Anatomische Hefte, Bd. 22, 1903. Bischoff: Entwicklungsgeschichte des Meerschweinchens. Giessen, 1852. Disse: Über die Vergrösserung der Eikammer bei der Feldmaus. Marburger Sitzungsberichte, 1905, Nr.5, vom 7. Juni 1905. Figurenerklärung auf Tafel XV—XVIII. Fig. 1. Längsschnitt der Eikammer, seitlich vom Ei, sodass der Raum der Eikammer leer erscheint. Der nächste Schnitt hat das Ei selbst getroffen. Der Entwicklungsgrad entspricht dem des Eies der weissen Maus vom Anfang des achten Tages. Pl = Stelle des Placentar - Poles. Mph — Makrophagen, teils in Ausbuchtungen der Eikammerwand, teils in einer Blutlacune gelegen. Mphı — zwei Makrophagen, die aus einer Blutlacune in die Eikammer treten. Mph> = in Rückbildung begriffene Makrophagen - Gruppe innerhalb der Eikammer. L = Blutlacune. Sy, Syı, Sy — Sym- plasma uterinum, an den Wänden sowie in der Lichtung der Ei- kammer. Ausser Zellen findet sich körniges Gerinnsel in der Eikammer vor. Vergr. "0. Fig. 2. Dasselbe. Ei, annähernd medianer Längsschnitt der Amnionhöhle. Der Dottersackpol des Eies ist sichtbar wie er innerhalb der Eikammer liegt. Amh — Amnionhöhle. Ekt = Ektoderm. Ds, Ds — Wand des Dottersacks. Ek = Eikammer. Mph, Mph = grosse Zellen innerhalb der Eikammer. Das Blut das neben diesen Zellen in der Eikammer liegt, is nicht gezeichnet. Vergr. ?%ı. Fig. 3. Querschnitt eines Uterushorns, in dem ein Ei, ungefähr zu Ende der Furchung, frei gelegen ist. E= Ei. G = das begleitende Gerinnsel. Sy — mehrkernige Protoplasmamasse („Symplasma uterinum‘). Mph = Grosse deciduale Zelle (decidualer Makrophage). Vergr. '5%ı. 1ltke Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. ig. 11. 13. J. Disse: Querschnitt eines Uterushorns, das an dieser Stelle kein Ei enthält. In der Propria liegen drei grosse Zellen mit kugligem, dunkel gefärbten Kern, Mph, Mph, Mph. Ut = Lichtung des Uterus von der zwei kleinere Buchten scheinbar durch eine Falte getrennt sind. Vergr. °°ı. Ein Stück Decidua aus dem Querschnitt eines Uterushorns. Neben einem leeren Capillargefäss Ca liegt eine junge Riesenzelle Mph. Vergr. ?5°ı. Eine Riesenzelle innerhalb der Decidua, an der Wand einer Blut- lacune gelegen; Mph = Zelle, K= Kern. Bei Bl eine Masse roter Blutzellen, die aus dem Gefäss in eine Höhlung des Zellprotoplasmas. gelangt sind. Vergr. ”°ı. ’ Eine Riesenzelle, die innerhalb der Decidua einer Blutlacune anliegt, und die endotheliale Wand eine Strecke weit zerstört hat. Mph — Riesenzelle. L — Lacune. a — Öffnung in der Gefässwand durch die Riesenzelle ausgefüllt. Der Kern der Riesenzelle ist nur mit einem Randsegment in den Schnitt gefallen. Vergr. ”°. Drei Riesenzellen in einem kleinen, von erweiterten Blutlacunen L durchzogenen Bezirk der Decidua. Zwei dieser Zellen Mph, Mph liegen zwischen den Deciduazellen, die dritte Zelle Mphı liegt inner- halb einer Blutlacune. Ihr Protoplasma enthält bei Kr einen Kernrest. Vergr. *”Pı. Ein längsgetroffenes Blutgefäss L, das auf die Eikammer zu ver- läuft. Im Lumen schwimmt eine Riesenzelle Mph. Unter den Deciduazellen, die der Wand des Gefässes anliegen, befindet sich eine stark vergrösserte Zelle Z mit dunklerem Protoplasma und zwei Kernen. Vergr. ”°ı. Schnitt durch die Wand der Eikammer, noch 0,05 mm von der Lichtung entfernt. Verteilung von Symplasma und Riesenzellen. Sy, Sy = Symplasma uterinum. Mph = Riesenzellen. Bl, Bl = Blut. Vergr. 1501. Schnitt durch das antimesometrale Ende der Eikammer. Die Ei- kammer zieht sich in zwei Zipfel E; und Ejr aus. Neben der Eikammer grössere Lücken L L. Sy = Symplasma uterinum in der Wand der Eikammer. Syr = Symplasma, das in die Eikammer vorspringt. Mphı — Zerfallende Riesenzellen. Bl = Blut innerhalb der Eikammer. Ds = Wand des Dottersacks. Vergr. '?/ı. Schnitt durch eine Eikammer. Phagocytose von Seiten der Riesen- zellen. Ds — Dottersack. Mph = Riesenzellen. Mphı = eine Riesenzelle, die zahlreiche Kerne von Deciduazellen in ihr Proto- plasma aufgenommen hat. Mph»? — eine Riesenzelle mit auf- genommenem Symplasma uterinum. Mphz = eine Riesenzelle mit stark veränderten Kernen von Deciduazellen. Sy = Symplasma uterinum. Vergr. ”°|ı. Ein Abschnitt der Eikammer, dem antimesometralen Pol des Eies entsprechend. Ek — Eikammer. Mph, Mphı, Mphe, Mph3 — Riesen- Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Die Eikammer bei der Feldmaus. 251 zellen der Eikammer. Mphı hat vorwiegend rote Blutzellen auf- genommen; in der Zelle Mph> liegt Symplasma uterinum, in Mphs stark verändertes Gewebe. Sy — Symplasma uterinum. Vergr. ?5°:. Ein Stück der Decidua capsularis, die die Wand der Eikammer bildet. Eine der Decidua anliegenden Riesenzelle Mph hat ein grosses Stück Symplasma aufgenommen. Mphı = Stück einer zweiten Riesenzelle. K — Kern der Riesenzelle Mph. W,W = Decidua capsularis. Vergr. ?°ı. Ein Stück vom Chorion eines älteren Eies mit ansitzenden Riesen- zellen. Ds, Ds — Chorion; an seiner Innenfläche fötale rote Blut- zellen Bl. Drei Riesenzellen a, b, c haben sich an die Aussenfläche des Chorion angelegt. Ihr Protoplasma, ebenso das der anliegenden Riesenzellen, ist mit roten Blutzellen gefüllt. Vergr. ”°ı. Durchschnitt der Eikammerwand; Eröffnung von Blutlacunen durch Riesenzellen. L, L = zwei Blutlacunen, deren Wände je eine in die Eikammer führende Öffnung besitzen. Mph, Mph», Mph; — Riesenzellen, die in den Öffnungen der Blutlacunen liegen. Sy, Sy = Symplasma uterinum, die Wände der Blutgefässe begleitend; Bl = Blut, Cho = Chorion. Vergr. ”°ı. Eine Blutlacune aus der Umgebung der Eikammer, die an zwei Stellen zugleich durch eine Riesenzelle eröffnet wird. L, L = Blut- lacunen; bei a und b fehlt die Wandschicht einer Lacune, soweit die Riesenzelle Mph der Lacune anliegt. E = in Zerstörung be- griffenes, von der Unterlage abgehobenes Gefässendothel. Vergr. ?°°1. NND oO 16) Die Beziehungen des Lymphdruckes zu den Erscheinungen der Regeneration und des Wachstums. Von Fr. Reinke, a. 0. Professor in Rostock. Hierzu Tafel XIX und 10 Textfiguren. Inhalt: . Erkenntnistheoretische Vorbemerkungen. Regeneration des Gehirns. . Regeneration der Linse. . Regeneration der Leber. 5. Wachstum. DD — rw 1. Erkenntnistheoretische Vorbemerkungen. Die Gesamtheit der Ursachen einer Naturerscheinung ist unbeschränkt.!) Bei der Darstellung eines Vorganges sind wir gezwungen, nur einen Teil der verschiedenen Ursachen heran- zuziehen und dieselben als mehr passive Vorbedingungen und als aktive Hauptursachen zu analysieren. Stehen wir einem im Wesentlichen noch unklaren Naturereignis gegenüber, so wird es eine Hauptaufgabe sein, den Komplex der Totalursache so in Faktoren zu zerlegen, dass wir übersehen können, durch welche Komponenten die Art, der Ort, die Zeit, die Kraft, der Umfang und die Richtung des Geschehens bewirkt wird. Die in den meisten Fällen durch das Experiment erlangte Erweiterung unserer Erkenntnis des ursächlichen Zusammenhanges wird es naturgemäss mit sich bringen, dass einerseits das, was wir vordem für eine primäre und ansschlaggebende Ursache gehalten haben, als mehr oder weniger unwesentliche Vor- bedingung an zweite oder dritte Stelle rückt und unser Interesse in erhöhtem Maße auf bisher vielleicht für mehr nebensächlich angesehene Vorgänge gelenkt wird. Ferner lässt sich oft eine Ursache, die wir für einfach gehalten haben, in mehrere Komponenten von ungleicher Wichtig- !) J. Reinke: Die Welt als That. Berlin 1899. Kapitel 5, Kausalität. — Fr. Reinke: Grundzüge der allgemeinen Anatomie, Wiesbaden 1901, Seite 9. — W. Roux, Vorträge und Aufsätze über Entwicklungsmechanik der Organismen. Leipzig 1905. Heft I, Seite 14. Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 253 keit zerlegen, wodurch ebenfalls unsere Anschauungweise geändert werden kann Dabei liegt es auf der Hand, dass gar nicht selten das subjektive Moment bei der Bewertung der einzelnen Faktoren eine grössere Rolle spielt als es im Interesse einer objektiven Naturforschung erwünscht sein dürfte. Dies ist eine der schwachen Seiten jeder kausalen Forschung. So wird in manchen Fragen der jeweilige Schulstandpunkt, der persönliche Geschmack, ja die augenblicklich tonangebende Mode eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Bedenklich kann aber die Sache wohl nur dann werden, wenn ein einflussreicher Forscher in souveräner Weise seiner subjektiven Anschauung Geltung zu verschaffen sucht. Bei dem jetzigen Betriebe unserer Wissenschaft ist diese Gefahr kaum erheblich. Bekanntlich hat man deshalb geraten, die wissenschaftliche Untersuchung auf eine möglichst genaue Beschreibuug zu beschränken. Ein Verzichten auf die Analyse des Kausalnexus würde aber gleichbedeutend mit der Aufgabe einer vorzüglichen Untersuchungsmethode sein. Hat doch gerade dieses analytische Verfahren viele neue Seiten des Geschehens aufgedeckt und dadurch eine genauere Beschreibungs- möglichkeit geliefert. Für meine vorliegenden speziellen Untersuchungen erscheint es angebracht, auf folgende Verhältnisse kurz einzugehen. „Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen.“ Dieser Satz gilt nur, wenn unter „gleichen Ursachen“ die Gesamtsumme aller wesentlichen Faktoren verstanden wird. Auch gilt nicht die Umkehr des Satzes, denn gleiche Wirkungen können durch sehr verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Ich glaube, dass dieser Satz manche Irrtümer veranlasst hat. Jede biologische Erscheinung hat zur Voraussetzung eine aus zahlreichen Faktoren bestehende Gesamtursache, welche wirkt, und ein Substrat, an dem sich die Wirkung abspielt. Dieses Substrat ist seinerseits wiederum bedingt durch eine grosse Menge einzelner Ursachen. Nur für den Fall, dass die wesentlichsten Ursachen beider Gruppen gleichwertig sind, wird die Wirkung auch gleich sein. Andererseits ist die Wirkung in erster Linie von der Ursachsgruppe des Substrats abhängig; denn es kann die erstgenannte Ursachsgruppe sich ändern und doch dieselbe Wirkung erzielt werden, wenn nur die zweite 254 Fr. Reinke: Ursachsgruppe unverändert bleibt. Aber auch die zweite Gruppe kann in einzelnen Gliedern durch andere Ursachen ersetzt werden. Zweckmässig stellt man sich die beiden Ursachsgruppen unter dem Bilde zweier konvergierender Reihen vor, in deren Treffpunkt das bewirkte Ereignis liegt. Dieser Treffpunkt ist für die kausale Forschung von hervorragender Bedeutung. Beide „Systemreihen“, wie man sich ausdrücken kann, enthalten also eine grosse Zahl von Gliedern verschiedener Dignität. Man kann diese beiden Systemreihen als Reihe erster Ordnung und Reihe zweiter Ordnung, oder auch als mehr aktive und mehr passive Systemreihe unterscheiden. Die Systemreihe erster Ordnung kann durch die Glieder einer anderen Kette ersetzt werden, die Systemreihe zweiter Ordnung muss im Allgemeinen wohl bei Bestand bleiben. Bei allen biologischen Ereignissen wird auch die Systemreihe zweiter Ordnung gewisse, wenn auch oft geringe Veränderungen zeigen; man denke nur an die individuellen Schwankungen, so wird gerade hier streng genommen der Satz: „gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen“ mancherlei Einschränkung erfahren. Suchen wir das Gesagte durch ein Beispiel zu erläutern: Ein Jäger erlegt einen weiblichen Vogel, der Junge im Nest hat. Infolgedessen verhungern die jungen Vögel. Auch hier lässt sich die Gesamtursache in zwei konver- gierende Systemreihen zerlegen. Der Schnittpunkt beider ist das Einschlagen der Kugel in den Vogel. Zur Systemreihe erster Ordnung würden gehören: die Konstruktion der Büchse, die Spannkraft des Pulvers, der zur rechten Zeit und am richtigen Ort erfolgende Fingerdruck des Jägers, die Flugbahn der Kugel usw. Zur Systemreihe zweiter Ordnung: der Ort des Vogels, seine Bewegungen, die Dichtigkeit seines Gefieders, der Tod des Vogels, die Verlassenheit und Unfähigkeit der jungen Vögel sich selbst zu ernähren, ihr endlicher Hunger- tod usw. An Stelle der ersten Systemreihe können wir, ohne dass das Endresultat verändert wird, etwas ganz anderes setzen, z. B. könnte ein Raubvogel den Vogel töten. Aber auch in der zweiten Reihe können Ursachen auftreten, die das Resultat ändern, z. B. könnte der überlebende männliche Vogel die Brut füttern. Diese neue Ursachengruppe stellt eine „Seitenreihe“ der Systemreihe zweiter Ordnung dar. Solche Seitenreihen treten Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 255 unter biologischen Verhältnissen häufig auf. Es ist eine wichtige Aufgabe, derartige Seitenreihen aufzudecken und ihren Schnitt- punkt mit der Systemreihe zweiter Ordnung festzustellen. Man sieht also, der so oft zitierte Satz „gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen“ passt auf die Verhältnisse im Leben keines- wegs immer. Wenn das aber schon der Fall ist in einem Kausalnexus, den wir übersehen können, wie viel mehr wird es der Fall sein in der Biologie, wo wir die einzelnen Glieder der kausalen Reihen nicht übersehen können und wo die Bewertung der einzelnen Faktoren so häufig der subjektiven Meinung unter- stellt ist. Ich habe es für richtig gehalten, diese banalen Ver- hältnisse des Kausalnexus hier hervorzuheben, weil ich sie für die Erklärung der Regenerations- und Wachstumserscheinungen für recht wichtig halte. Wir kennen verschiedene Arten der Regeneration. Die Regeneration durch Umordnung und Umdifferenzierung, bei der das ganze Organ oder ein grosser Teil desselben beteiligt ist. Die Regeneration durch Sprossung, wobei im wesentlichen durch Selbstdifferenzierung die dem Defekt benachbarten Teile des Körpers den verloren gegangenen Körperteil ersetzen. Man unter- scheidet ferner eine physiologische Regeneration und eine patho- logische oder traumatische Regeneration.) Bei der letzteren soll die Setzung einer Unterbrechungsfläche oder das Fortfallen der physiologischen Nachbarschaft die kausale Ursache der Regeneration sein, indem dadurch die Selbstdifferenzierung der benachbarten Teile hervorgerufen wird. Fassen wir einmal einen der bekanntesten Fälle der Regeneration, den Wiederersatz der abgeschnittenen Schwanzspitze der Amphibien ins Auge. Auch hier kommen wieder die beiden konvergierenden Systemreihen in Betracht. Zur Reihe der ersten Ordnung rechne ich die Setzung des Defektes durch den Schnitt, die Reizung der verschiedenen Gewebe, z. B. der Nerven, Blutgefässe usw., die dadurch erzeugte Hyperämie und die von ihr wiederum abhängige vermehrte Lymphabsonderung. ') Barfurth: Die Erscheinungen der Regeneration bei Wirbeltier- embryonen. Jena 1903. 256 Fr. Reinke: Zur Systemreihe zweiter Ordung gehört die Fähigkeit der Epidermiszellen durch Wanderung und Vorschiebung die Unter- brechungsfläche provisorisch zu schliessen. Die Fähigkeit der Zellen des Rückenmarkes, der Chorda, der Gefässe, Muskeln usw. durch mitotische Teilung sich zu vermehren. Die Fähigkeit der Gewebe (vor allem der Chorda) durch Einwirkung aufeinander die ursprüngliche Form der Schwanzspitze wieder herzustellen usw. Welches sind nun die wichtigsten kausalen Faktoren beider Reihen, die in erster Linie den Vorgang bedingen? Diese Fragen sind sehr verschieden beantwortet worden. In völlig objektiver Weise sie zu lösen, ist jedenfalls sehr schwer, vielleicht unmöglich. Dies liegt eben in dem subjektiven Moment, das jeder Kausal- erklärung anhaftet. Ich sehe folgende zwei Faktoren jener beiden Kausalreihen als die Hauptursachen an: Aus der ersten Reihe die Steigerung des Lymphdruckes Aus der zweiten Reihe die Fähigkeit der Zellen auf den erhöhten Lymphdruck durch Teilung zu reagieren und ihre Selbst- differenzierung. In diesem speziellen Fall ist noch, wie Morgan!) nachgewiesen hat, das Wachsen der Stützsubstanz, der Chorda notwendig. Sie muss in den anderen Geweben durch mechanische Spannung eine künstliche Raumerweiterung geben. Immerhin ist dies aber nur ein sekundäres, eine „Seitenreihe“ des zweiten Systems bildendes Moment. Andere sonst für besonders wichtig angesehene Faktoren dürften nur bedingte Bedeutung haben. So ist in vielen Fällen die Raumerweiterung notwendige Vorbedingung, aber sie ist allein nicht ausschlaggebend. Es fragt sich überhaupt, ob wir durch den Schnitt direkt auf die Gewebe einwirken können. Es wäre durchaus möglich, dass wir durch denselben, abgesehen von einzelnen durchschnittenen Zellen, Nerven und Blutgefässen, stets erst eine Wirkung auf die Gefässe mit ihren Nerven hervorrufen, so dass die dadurch bewirkte Lymphdrucksteigerung ihrerseits erst die Gewebe beeinflusst. Dann wäre nur die Raumerweiterung als sekundäre Vorbedingung des Wachstums direkt durch den Schnitt geschaffen, die eigentliche Hauptwirkung des Schnittes würde erst auf dem Umwege durch die Blutgefässe resp. den Lymph- druck auf die Zellgewebe erzielt. Die direkte Wirkung des Schnittes, die Raumerweiterung, schafft aber an den Gelenkenden, “ T.H.Morgan: Archiv f. Entw.-Mech. Bd. 15, 1902, Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 2a am Gehirn, an der Iris keine Regeneration, also kann dieselbe nicht ausschlaggebend sein. (Für die nicht medizinisch vor- gebildeten Leser bemerke ich, dass jede Schnittwunde eine „Entzündung“ hervorruft. Der „Entzündungsprozess“ besteht ganz allgemein in einer Alteration der Gefässwände und deren Folgen (Hyperämie, gesteigerte Lymphabsonderung.) Dieser Prozess kann durch die verschiedensten Mittel hervorgerufen werden, keineswegs nur durch Infektion. Es deckt sich also der landläufige Begriff der Entzündung nicht mit dem der Wissenschaft. Schon deshalb empfiehlt es sich, den Schnitt- punkt der beiden kausalen Hauptreihen dorthin zu verlegen, wo der erhöhte Lymphdruck auf die Zellgewebe einwirkt. Es ist ein eigentümliches Zusammentreffen, dass gerade kürzlich zwei wichtige Monographien erschienen sind, die von ganz verschiedenen Stand- punkten aus auf die Bedeutung der Hyperämie die Aufmerksamkeit der medizinischen Welt zu lenken suchen und deren Lektüre für die Biologen empfehlenswert sein dürfte. Vom klinischen Standpunkt aus: August Bier: Hyperämie als Heil- mittel, zweite Auflage, Leipzig 1905 (namentlich Seite 182 und 211). Vom pathologischen Standpunkt aus: G.Rickert: Entwurf einer Relationspathologie. Jena 1905. Es kann kein Zweifel sein, dass die Hyperämie, wie dies auch Rickert ausdrücklich hervorhebt, nicht direkt, sondern nur durch die Lymphe auf die Gewebe einwirkt. Sehen wir uns den Regenerationsvorgang an der ab- geschnittenen Schwanzspitze der Amphibien noch etwas näher an, so ist zu beachten, dass die gesetzte Unterbrechungsfläche von den restierenden Epidermiszellen sogleich (in wenigen Stunden) durch amöboide Bewegung, durch Verschiebung der Zellen über die Wandfläche, provisorisch abgeschlossen wird. Durch diesen regulatorischen Vorgang wird der Abschluss natürlich viel eher eintreten, als wenn erst der später erfolgende Eintritt mitotischer Teilung abgewartet wird. Offenbar ist die Natur ängstlich bemüht, den für den Gesamterfolg der Regeneration schädlichen Einfluss der Unterbrechungsfläche zu beseitigen. Wurde zunächst durch die Setzung der Wunde der auf den Gefässen lastende Gegendruck aufgehoben, so wird dieser Gegen- druck durch die provisorische Epidermisüberkleidung einiger- maßen und. bald wieder hergestellt. [86] [sb { [0 9) Fr. Reinke: Durch das Anschneiden der Gefässe wird eine Unterbrechung des Blutkreislaufes im Capillar- und Präcapillargebiet und eine Alteration der Gefässwandung erzeugt. Nach vorläufigem Ver- schluss der kleineren Gefässlumina erfolgt eine Stauungshyperämie, da der Abfluss des Blutes durch die Störung in den Venen mehr oder weniger gehemmt ist, der arterielle Blutzufluss im Allgemeinen aber bei Bestand bleibt. Diese Hyperämie führt zur Steigerung der Lymphabscheidung und, da der Gegendruck provisorisch durch die Epidermis wieder hergestellt ist, zur Erhöhung des Lymphdruckes. Soweit gehen also die direkten Folgen des Eingriffes aer Systemreihe erster Ordnung. Jetzt beginnt die Wirkung der Systemreihe zweiter Ordnung. Die unter dem gesteigerten Lymphdruck stehenden Gewebezellen reagieren in ihrer spezifischen Weise, nämlich durch die mitotische Kern- und Zellteilung, also durch Proliferation und Wachstum. Dieses Wachstum würde bei offener Wunde ein ungeordnetes, unbeschränktes sein, durch den Epithelverschluss wird ein ein- heitliches Druckgebiet geschaffen, in dessen Bezirk die Gewebs- zellen eingeschränkt werden, sodass ein einheitliches Organ- wachstum stattfinden kann. Dabei wirkt die Ausdehnung des wachsenden Stützapparates auf die Muskeln und die anderen Gewebe mechanisch spannend ein, erhält dadurch offenbar die Funktion der Muskeln und des Bindegewebes, verhindert, dass dieselben zusammenfallen und den Raum beengen. Schneidet man nämlich nach Abtragung der Schwanzspitze noch ein weiteres Stück der Chorda heraus, so dass dieselbe nicht mehr bis zur Schnittfläche reicht, so rundet sich das Schwanzende zwar ab, aber es regeneriert sich keine neue Schwanzspitze. (Morganl.c.) Dasselbe sehen wir bei zahlreichen Wachstumsvorgängen physiologischer und pathologischer Natur. Bleibt das Wachstum der Knochen aus irgend einem Grunde zurück, so wachsen auch die ganzen Glieder nicht. Dasselbe gilt für das Längswachstum des ganzen Körpers. Andererseits ruft das exzessive Wachstum des Knochensystems ein starkes Wachstum sämtlicher Weichteile der Extremitäten hervor (Riesenwuchs).') Derartige Hemmungen der kausalen Wirkung beruhen oft auf dem störenden Einfluss einer „kausalen Nebenreihe“. Ein Beispiel dafür liefert die Beobachtung von dem Ausbleiben der Regeneration nach Auslösung der Knochen in den Gelenken ) Samuel: Allgemeine Pathologie. 1879, Seite 499 u. 535. Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 259 ohne Verletzung der Skeletteille (Fraisse, Wendelstadt). Ich vermute, es hängt dieses merkwürdige Verhalten mit der spezifischen Funktion des Gelenkknorpels zusammen. Diese ist auf Druck mit Reibung (Abscheerung) eingestellt (Roux). Die Auslösung des distalen Gelenkendes hebt diese Funktion auf. Es ist eine längst bekannte Tatsache, dass der Gelenkknorpel schwindet beim Nichtfunktionieren eines Gelenkes z. B. nach Laxation, dass dagegen auch hier diejenigen Knorpelabschnitte sich erhalten, wo noch Knorpel auf Knorpel reibt, wo also noch scheerende Kräfte wirken (Reyher).') Nach diesen Vorbemerkungen werde ich im Speziellen ver- suchen nachzuweisen, dass tatsächlich die Proliferation von der Steigerung des Lymphdruckes abhängig ist. 2. Regeneration des Gehirns. Durch die Arbeiten von Schaper,?) Rubin?) u.a. ist die Tatsache festgestellt, dass eine Abtragung des Gehirns an Am- phibienlarven, die im übrigen ausserordentlich regenerationsfähig sind, eine Regeneration des Gehirns unterbleibt. Dies Faktum ist um so merkwürdiger, da Voit bei einer Taube fünf Monate nach Wegnahme beider Grosshirnhemisphären an deren Stelle eine Masse fand, die ganz aus doppelt konturierten Nervenfasern mit eingelagerten Ganglien bestand. Ebenso konstatierte Dani- lewsky‘*) beim Frosch nach Abtragung der Hemisphären des Grosshirns die Regeneration einer cerebralen Masse. Die Regenerationsfähigkeit des Gehirns ist demnach keines- wegs von der Hand zu weisen. Auch Alfred Schaper weist neuerdings in seiner letzten Arbeit’) darauf hin, dass gerade im Gehirn sich sogenannte Indifferenzzonen, ‚‚Epithelkeile“ als Wachs- tumszonen noch lange erhalten, die gerade an anderen Organen für die Fähigkeit einer Regeneration sprechen. !, Reyher: D. Zeitschrift f. Chirurgie, 1873, III. p. 180. ?) Schaper: Archiv f. Entw.-Mech., Band 6, 1898. ®) Rubin: Dissertation, Rostock 1903. Beziehung des Nervensystems zur Regeneration. *) Danilewsky: Verh. d. X. int. med. Kongr. Bd. 2, Berlin 1820. 5) A. Schaper und ©. Cohen: Über zellproliferatorische Wachstums- zentren und deren Beziehungen zur Regeneration und Geschwulstbildung. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. 19, 1905. 260 Fr. Reinke: Ferner sprechen die Erfahrungen der Pathologen z. B. Fr. Saxers') dafür, dass das Ventrikel- und Plexusepithel beim Menschen noch Wachstumsfähigkeit behält. Diese Epithelien sind imstande zu wuchern und Geschwülste zu bilden. Die prinzipielle Regenerationsfähigkeit des Medullarrohrs der Amphibien ist erwiesen durch die vollständige Regeneration des Rückenmarkes in der abgeschnittenen Schwanzspitze durch Fraisse, Barfurth, Sgobbo und Rubin. Speziell Bar- furth?) beschreibt, dass dabei der provisorisch geschlossene Zentralkanal des Rückenmarks durch den Druck des Liquor cerebro- spinalis kolbenförmig vorgebaucht wird. Ferner fand Roux nach Einwirkung verdünnter Borsäure- lösung auf junge Froschlarven eine vollständige Regeneration der Zellen des Medullarrohrs von den basalen Zellen aus, nachdem vorher „Framboisia minor“ und Abfall der Epithelzellen im Be- reich der Medullarplatte stattgefunden hatte. Auf Grund ausgedehnter Versuche mit Äther an Larven von Salamandra maculosa kann ich konstatieren, dass das Gehirn in hohem Maße regenerationsfähig ist. Die Larven wurden auf 1'/z Stunden in eine Schale mit Äther sulfuricus®) enthaltendem Wasser gesetzt. (4 ccm Äther werden mit 100 cem Leitungswasser gründ- lich geschüttelt.) Darauf werden die Larven in reines Leitungs- wasser getan, das sehr häufig gewechselt wird, bis kein Äther- geruch mehr wabrnehmbar ist. Dann kommen die Tiere in einen Fischkasten mit beständig fliessendem Wasser. Die Wirkung des Äthers ist individuel verschieden. Während bei einigen Tieren eine einmalige Narkose genügt, müssen manche mehrere Tage hintereinander in die vierprozentige Ätherlösung gelegt werden. In der Narkose hört der Kreislauf auf, indem die Pulsation des Herzens zunächst sistiert. Erst nach 5—7 Minuten fängt das Herz wieder an zu schlagen und der Kreislauf stellt sich wieder ı) Fr. Saxer: Ependymepithel, Gliome und epitheliale Geschwülste des Centralnervensystems. Zieglers Beiträge, Bd. 22, 1902, Seite 276. ?, Barfurth: Zur Regeneration der Gewebe. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 37, 1891. Derselbe: Die Erscheinungen der Regeneration bei Wirbeltier- embryonen. O. Hertwigs Handbuch der Entwickelungslehre. Bd. III, 3, 1903. 3) Vergleiche: Valentin Häcker: Mitosen im Gefolge amitosen- ähnlicher Vorgänge, Anat. Anz., Bd. 17, 1900 und W. Johannsen: Das Äther-Verfahren beim Frühtreiben der Fliedertreiberei, Jena 1900. Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 261 her. Wichtig ist die gute Erhaltung der Kiemen, die nicht etwa abgebissen sein dürfen, da sonst die Tiere leicht sterben. Ist die Einwirkung des Äthers genügend gelungen, so kann man die Tiere auf den Rücken oder die Seite legen, ohne dass sich dieselben selbständig bewegen. Manchmal allerdings führen sie eine schnellende Bewegung aus, wodurch sie wieder in Bauchlage kommen. Will man ständige Rückenlage erzielen, so muss man derartige Tiere noch einmal kurze Zeit ätherisieren. Gestorbene Exemplare werden sogleich aus dem Behälter entfernt. Die Tiere befinden sich dauernd im Hungerzustand, da sie nicht imstande sind, Nahrung aufzunehmen. Es ist mir gelungen, von einigen hundert Exemplaren einige sechzig Tiere längere Zeit am Leben zu erhalten, die allmählich getötet wurden. Die zuletzt getöteten hatten 152 Tage nach der Einwirkung des Äthers gelebt. Alle Larven wurden in Zankerscher Flüssigkeit fixiert, nach gründlicher Auswaschung mit verdünntem Hämalaun durchgefärbt und der Kopf sorgfältig in Serienschnitte von 10 « Dicke zerlegt. Von den ätherisierten Tieren sind einige auf Tafel XIX Fig. 1—5 photo- graphisch abgebildet. Etwa um den zehnten Tag — manchmal etwas früher, manchmal später, tritt eine sehr auffallende Veränderung des Ge- hirns ein. Die Lichtung des Medullarrohrs erweitert sich und buchtet sich rundlich aus. Schon gebildete Faltungen der Wand verstreichen, diese wird durch Dehnung dünner. An manchen Stellen werden Zellkomplexe abgelöst und vielfach gehen Zellen unter. Andererseits treten aber jetzt und später mitotische Teilungen in grösseren Mengen auf. Diese Zellteilungen finden sich der grösseren Menge nach an der freien Oberfläche, manchmal aber auch in den tieferen Schichten der Wandung. Auffallend ist, dass sowohl die Abstossung von Zellkomplexen wie die Er- scheinung der mitotischen Teilungen an. symmetrisch einander gegenüberliegenden Abschnitten der Rohrwandung auftritt. Im Ganzen finden sich aber die Zellteilungen diffus über die gesamte Innenfläche der Wandung verbreitet. Manchmal werden auch Zellkomplexe mit mitotischen Teilungen in die Lichtung abge- stossen. Die mitotische Teilung geschieht fast stürmisch, etwa bis zum 80. Tage. Allmählich sistiert dieselbe dann vollständig, indem zugleich der Überdruck des Liquor und die Dilatation des Rohres abnimmt. Das Endresultat ist ein recht verschiedenes. 262 Fr. Reinke: Entweder es stellt sich in allen Teilen des Gehirns eine vollständige Regeneration her, sodass weder anatomisch noch physiologisch die Tiere sich von den normalen Vergleichs- larven unterscheiden. Oder es tritt nur eine teilweise Regeneration ein, namentlich im Gebiet des Vor- und Mittelhirns, sowie des Rückenmarks, während im Nachhirn, speziell am Boden des 1V. Ven- trikels starke Veränderungen (Verdünnung und Vernichtung des Epithels) bei Bestand bleiben. Oder aber, es kommt zu einer Überproduktion einzelner Teile, vor allem des Vor- und Mittel- hirns. Da es mir an dieser Stelle in erster Linie auf die allge- mein prinzipiellen Verhältnisse ankommt, so werde ich diese Vor- gänge an der Hand zahlreicher Abbildungen an anderer Stelle genauer beschreiben. Hier gebe ich nur als Textfiguren einige, wie ich glaube, recht instruktive Abbildungen jüngerer und älterer Stadien, die zusammen mit den normalen Vergleichstieren mit dem Zeichenapparat bei einer Vergrösserung von 45 entworfen sind. In Fig. 1 und Fig. 2 sind normale Durchschnitte des Vorder- und Mittelhirns abgebildet. Fig. 3 und Fig. 4 sind dementsprechende Durchschnitte, die die durch den Druck des Liquor cerebri ge- schaffenen Veränderungen erkennen lassen. In Fig. 3 und Fig. 4 ist der Binnenraum stark erweitert. Die Wandung ist durch die Spannung gedehnt und erscheint namentlich in der kernhaltigen Zone verschmälert. In Fig 4 sind an zwei symmetrischen seit- lichen Partien die Zellen fast ganz zu Grunde gegangen. Stärkere Vergrösserung zeigt sowohl in Fig. 3 wie Fig. 4 zahlreiche Mi- tosen, die hier bei der schwachen Vergrösserung nicht wieder- gegeben sind. In Fig. 3 erscheint der Plexus chorioideus merklich verändert. Das Epithel ist verdickt und teilweise mit der Wan- dung des Ventrikels verwachsen. Offenbar hat der Plexus durch die Einwirkung des Äthers eine bleibende Schädigung erfahren. Die genaue Beschreibung dieser Verhältnisse werde ich an anderer Stelle geben. Alle diese Veränderungen können vollständig zurückgehen, und es kann durch Regeneration ein völlig normales Gehirn ge- bildet werden. Ganz anders liegt der Fall, der in Fig. 5 und 6 dargestellt ist. Es stammen diese Durchschnitte von einem Tier, das nach 90 Tagen getötet wurde. Dasselbe ist auf Tafel XIX, Fig. 2 photographiert. Es ist entschieden atrophisch geworden, weil es Die Beziehungen des Lymphdruckes ete. Fig. 1. Querschnitt des Gehirns einer normalen Salamander- layer Gaudaleremvenler des Vorderhirns. Ventr. — Lichtung des Medullarrohrs. Pl. ch. = Plexus chorioideus. S. a. = Substantia alba. Vergröss. 45, Zeichenapparat. u 2» ER} De AL 08 EICH Fig. 3. Querschnitt des Gehirns einer ätherisierten,hungernden Salamanderlarve, 18 Tage nach der Narkose, Caudaler Teil des Vorderhirns. Entsprechend der Fig. 1. Ventr. = ausgebuchtete Lichtung d. Medullarrohrs. Pl. ch. — Plexus chorioideus. Sa. — Substantia alba. Vergrösser. 45, Zeichenapparat. Fig. 2. Querschnitt des Fig. 4 Querschnitt des Gehirns Gehirns einer normalen einer ätherisierten, hungern- Salamanderlarve. Dience- den Salamanderlarve Dience- phalon. Getroffen das Chi- phalon. Getroffen das Chiasma asman. opt. Ep. = Epiphysis. n. opt. Entsprechend der Fig. 2. Ventr. —= Lichtung d. Medullar- rohrs. Sg.— Kernzone der Sub- stantia grisea. Sa.— Substantia alba. N. opt. — Nervus opticus. Vergröss. 45, Zeichenapparat. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd.68. 20 Tage nach der Narkose. grösserung 45, Zeichenapparat. Ventr. dullarrohrs. Sa, — Ver- stark erweiterte Lichtung des Me- N. opt. = Nervus optieus. Substantia alba. W. = abge- M. = Hirnhäute. 18 stossene Zellen. 264 Fr. Reinke: die ganze Zeit gehungert hat. Das ganze Gehirn ist eben- falls atrophiert. Der Druck des Liquor cerebri hat nachgelassen. Die Wandung ist in atypischer Weise gewuchert und zwar in die Lichtung des Rohres hinein, sodass mehrfache Rohre ent- standen sind. Man kann hier von einer Massa intermedia sprechen, wie sie bei den Reptilien sich findet. Mitosen finden sich in diesen späten Stadien nicht mehr. Bei diesem Vorgang dürfte die Kausalreihe I. Ordnung aus folgenden Gliedern bestehen: Der Äther wirkt alterierend aut die Gefässe des Plexus chorioideus ein. Dadurch entsteht in vielen Fällen eine vorübergehende, in manchen Fällen eine chronische Fig.5. Querschnitt des Ge- hirns einer ätherisierten, hungernden Salamander- larve. 90 Tage nach der Nar- kose. Vorderes Zwischen- hirn, wie Fig.1. Par. = Plexus chorioideus u. Paraphysis. Ventr. — Breite der Lichtung des Me- dullarrohrs. M. int. — Masse inter- media, eine aus den Epithelzellen hervorgegangene atypische Wuche- rung. Vergrösserung 45, Zeichen- apparat. Fig. 6. Querschnitt des Ge- hirns einer ätherisierten, hungernden Salamander- larve. 90 Tage nach der Nar- kose. Hinterer Abschnitt des Zwischenhirns. Ge- troffen das Chiasma N. opt. Entsprechend der Fig.2. Ep. — Epiphysis. Ventr. = Die Lich- tung des in zwei Rohre geteilten Medullarrohrs. ©. = neu gebildete Lichtungen. M.i. — atypische Wucherung der Epithelzellen eine Masse intermedia bildend. Ver- grösserung 45, Zeichenapparat. Hyperämie. Durch die Hyperämie wird eine stärkere Ausscheidung des Liquor cerebri im Innern des Medullarrohrs erzeugt Der gesteigerte Druck des Liquor cerebri bewirkt eine enorme Er- weiterung der Lichtung und eine Dehnung der Ventrikelwandung. Die Epithelzellen werden gezerrt, ihr Verband teilweise gelockert, sodass der unter erhöhtem Druck stehende Liquor zwischen die Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 265 Zellen eindringen kann. Diese erleiden einen erheblichen Druck. Die Kausalreihe II. Ordnung besteht im wesentlichen aus der Em- pfänglichkeit der Zellen gegen diesen erhöhten Druck, der Er- nährungsflüssigkeit, aus der Fähigkeit der Zellen, sich mitotisch zu teilen und dadurch in dem einen Falle eine Regeneration an- zubahnen, in dem anderen Falle eine atypische Wucherung zu bilden. Ist der Druck sehr stark wie in Fig. 4, so sterben manche Zellen ab und werden abgestossen. Eine direkte Wirkung des Äthers auf die Zellen des Gehirns ohne Vermittelung des Plexus ist weder zu beweisen noch zu widerlegen. Immerhin wäre es möglich, dass gewisse Absterbungserscheinungen der Zellen von der Einwirkung des Aethers herrührten. Niemals finden sich Veränderungen in den Spinalganglien, niemals im Bulbus olfactorius. Dies ist verständlich, da auf diese der Druck des Liquor nicht einwirken kann. Auch wird es jetzt erklärlich, weswegen nach Wegnahme des ganzen Gehirns keine Regeneration desselben erfolgt: man hat eben die Plexus chorioi- dei, die Hauptlieferanten des Liquor cerebri, mit fortgenommen, sodass es zu einer Erhöhung des inneren Druckes nicht kommen kann. Andererseits, nimmt man nur die Grosshirnhemisphäre fort, so bleibt ein Teil des Plexus bestehen, so dass sich dann noch Regenerate bilden können. Hier bei der Regeneration des Gehirns haben wir wiederum ein Beispiel dafür, dass eine Ernährung des ganzen Kör- pers nicht nötig ist. Die lokale Ernährung, die natürlich zur Regeneration absolut notwendig ist, geschieht auf Kosten der übrigen Körperteile, namentlich der Muskeln, die stark atro- phisch erscheinen. Die Temperatur des Wasserbehälters, in dem die Tiere gehalten wurden, schwankte zwischen 11°C. im April und 24° C. im Juli. Regeneration der Linse. Die berühmt gewordene Regeneration der Linse bei Tritonen und Salamandern ist in Bezug auf ihre Kausalität noch unaufgeklärt. Durch Wolffs!) Experimente erscheint das Eine sichergestellt, dass direkte Läsionen der Iris (bei Erhaltung der Linse) die Re- generation nicht auslösen. !) Arch. f. mikroscop. Anat. u. Entw. Bd. 63, 1903. 18* 266 Fr. Reinke: Ein wesentlicher Faktor dürfte auch hier der gesteigerte Lymphdruck sein. Der wohl allgemein bekannte Vorgang ist folgender: Wie G. Wolff!) gezeigt hat, regeneriert sich bei Amphibien die heraus- genommene Linse ohne Verletzung der Iris vom oberen Rande der letzteren aus vollkommen wieder. Zunächst beginnen die Epithel- zellen der Iris damit, ihr Pigment abzugeben. Dann treten die beiden Zellagen, welche die Iris bilden, auseinander, sodass zwischen ihnen ein grösserer Lymphspalt entsteht, und mit dem Frscheinen dieses Raumes treten Mitosen in den Fpithelzellen auf. Die Wucherung dieser Zellen bildet dann ein Linsenbläschen. Die zunächst auftretende Depigmentierung deutet auf einen inter- cellularen Druck hin, den die Epithelzellen des Irisrandes erleiden. Da nun nach Herausnahme der ursprünglichen Linse der intra- okulare Druck zunächst stark sinkt, so kann hier nur der Lymph- druck innerhalb der Lymphspalten der Iris in Frage kommen. Derselbe wird zweifelsohne durch die Herausnahme der Linse verursacht. Der intraokulare Druck wird erzeugt und erhalten durch den Blutdruck.?) Streng genommen, ist der im Innern des Bulbus herrschende Druck abhängig von der Elastizität der Bulbus- wandung und von der Füllung derselben (Humor aqueus und vitreus). Letzterer hängt wiederum ab von dem Füllungszustand der Blut- gefässe. Man nimmt allgemein an, dass in der vorderen Kammer eine kontinuierliche Strömung des Humor aqueus statt hat. Die Bildung und der Abfluss desselben sind noch nicht völlig sicher gestellt. Nehmen wir die Linse heraus, so wirken wir direkt auf die Gefässe der Iris ein. Das vermittelnde Glied ist der Saft- strom. Gerade so, wie wir durch eine Ätzung des Zentrums der gefässlosen Cornea, die Gefässe am Rand dieser Organe in „Ent- zündung‘“ versetzen, so werden durch Herausnahme der Linse die Gefässe der Iris alteriert. Es tritt also eine Hyperämie ein, durch die Alteration der Gefässwandung. Durch die Hyperämie entsteht eine Steigerung der Lymphausscheidung, die nun ihrer- seits direkt auf die Zellen der Iris wirkt. !, G. Wolff: Arch. f. Entw.-Mech. Bd. 1, 1834. 2) Leber: Die Zirkulations- und Ernährungsverhältnisse des Auges Graefe und Sämisch: Handbuch, I. T., II. Bd., XI. Kapitel, Seite 305. 1903. Otto Weiss: Die Ernährung und die Zirkulation des Auges. Nagels Hand- buch d. Physiol. Bd. 3, 2, Seite 456. 1905. Die Beziehungen des Lymphdruckes ete. 267 Die kausale Systemreihe I. Ordnung ist hier also folgende: Herausnahme der Linse, Störung der Saftzirkulation im Auge, Alteration der Gefässwandung, Hyperämie der Iris, lokale Steige- rung des Lymphdruckes in der Iris (Ausbildung des Lymphsinus). Der gesteigerte Lymphdruck wirkt direkt auf die Iriszellen. Hier liegt demnach wieder der Schnittpunkt der Kausalreihe I. Ordnung mit derjenigen der II. Ordnung. Die Faktoren der II. Reihe liegen innerhalb der Iriszellen. Sie sind, soweit wir das über- sehen können: Die Fähigkeit der Irisepithelzellen, sich durch mitotische Teilung zu vermehren. Ferner ihre Fähigkeit, zu Linsenfasern auszuwachsen und schliesslich eine wohlgebildete Linse zu bilden. Auffallend ist die Depigmentierung, wie die Figg. 7— 10 auf Tafel XIX sie zeigen. Wenn auf eine mit Körnchen gefüllte Zelle ein äusserer Druck einwirkt, so sucht die Zelle diesem zunächst dadurch zu entgehen, dass sie die Körner, hier die Pigment- körnchen, abgibt. Ganz anders verhält sich die Zelle, wenn in ihr selbst der Druck steigt wie z. B. beim Beginn der mitotischen Teilung. In diesem Falle pflegen Pigment- und andere Körnchen in der Zelle zu bleiben, werden aber an die beiden Pole der Spindelfigur geschoben. Am oberen Irisrand entsteht ein förm- licher Lymphsinus. In der Lymphflüssigkeit bemerkt man Leuko- cyten, die das Pigment auflockern und fortschaffen. Dies ist deut- lich zu sehen in den Figg. 9 u. 10, Tafel XIX. Aber nicht nur am oberen Rand sondern auch am untern macht sich der lokal gesteigerte Lymphdruck bemerkbar. (Fig. 12, Tafel XIX). Auch hier findet Depigmentation statt, auch hier bildet sich ein Lymphsinus aus, der aber in der Regel nicht die Grösse des Lymphsinus am oberen Rande erreicht. In den Fällen, wo die Tiere durch Ätherisierung in Rückenlage gehalten werden, scheint es, als ob der Lymphdruck am unteren Rande etwas stärker werde als gewöhnlich. Auch finden sich hier zu- weilen Mitosen, doch kommt es in der Regel nicht zur Ausbildung einer Linsenanlage, niemals zur wirklichen Linsenneubildung. Dies ungleiche Verhalten des oberen und unteren Irisrandes kann entweder beruben auf den anatomischen Verhältnissen der Blut- gefässe und der Lymphspalten des unteren Irisrandes oder aber und das ist weit wahrscheinlicher, die Zellen der Iris sind hier anders disponiert, sodass in ihnen Hemmungen unbekannter Art 268 Fr. Reinke: vorliegen. In Fig. 12 der Tafel XIX ist der Durchschnitt eines unteren Irisrandes photographisch wiedergegeben, welcher be- ginnende Depigmentation und Lymphsinus zeigt. Trotzdem glaube ich nicht, dass sich aus ihm eine Linse entwickelt haben würde. Wenn wirklich einerseits die lokale Lymphdrucksteigerung innerhalb der Iris, nach Herausnahme der normalen Linse, darauf beruht, dass die Veränderung der Druckverhältnisse eine Alteration der Gefässwandung veranlasst hat, so wäre es andererseits denkbar, dass es gelänge, durch Einbringung eines die Linse ersetzenden Fremdkörpers die Druck- und Zirkulationsverhältnisse innerhalb des Bulbus so wieder herzustellen, dass eine Regeneration der Linse unterbliebe. Dies ist nach meiner Ansicht Fischel') tatsächlich gelungen. In einem Falle konnte nämlich Fischel durch Einsetzung eines Üorneastückes, welches den ursprüng- lichen Raum der Linse im Wesentlichen einnahm und, von innen her die Pupille verlegend, die Binnenseite der Iris noch eine Strecke umfasste, die sonst regelmässig eintretende Regene- ration verhindern. Fischel selbst deutet den Fall zwar etwas anders. Er ist der Ansicht, dass das Stückchen Cornea keinen Platz für die neuzubildende Linse gelassen hätte. Doch erscheint mir diese Deutung nicht zutreffend. Sicherlich hätte dann die Iris doch Versuche zur Regeneration gemacht, sie hätte versucht, durch ihre Wucherung den Fremdkörper zu ver- drängen oder wäre in ihn hineingewachsen, wie das Fischel') selbst in einem anderen Fall von dem wuchernden Corneaepithel beschreibt. Nichts von alledem ist hier zu finden. Es ist daher viel näher liegend anzunehmen, dass die Lagerung des Fremd- körpers hier zufällig so war, dass die Druckdifferenzen, welche sonst durch die Linsenextraktion erzeugt werden, völlig aus- bleiben. Damit fällt auch die Ursache der Regeneration fort. G. Wolff?) hat die Iris verletzt unter möglichster Schonung aller anderen Augenteile, vor allem der Linse, dabei ist es gleich, ob man ein Stück aus der Iris herausschneidet oder ob man nur einen Einsehnitt an derselben anbıingt. In diesen Fällen verhält sich die Iris ganz anders als bei der Linsenextraktion. ı) Fischel: Anatomische Hefte. Bd. 14, 1901 und Arch. f. Entw.-Mech. Bd. 15, 1902. 2) Archiv f. mikroskop. Anat. Bd. 63, 1903. Archiv f. Entw.-Mech., Bd. 1. 1894 und Bd. 12, 1901. Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 269 Eine Entpigmentierung der Epithelzellen findet nur manchmal an einzelnen Stellen statt, niemals in der Ausdehnung und dem Grade wie nach der Entfernung der Linse. Eine Zellwucherung findet am Wundrand überhaupt nicht statt trotz des intensiven traumatischen Reizes. Allmählich nimmt die Iris, welche zunächst an der verstümmelten Stelle verkürzt erscheint, ihre normale Gestalt wieder an, wahrscheinlich durch Wucherung an der Iriswurzel. Andererseits, wenn man am iridotomierten Auge die Linse fortnimmt, so ändert sich das Bild, die Depigmentierung tritt ein, die Iriszellen wuchern und regenerieren eine neue Linse vom peripheren Rande aus. Auch hier scheint mir die Deutung auf der Hand zu liegen. Bleibt die Linse im Auge in normaler Lage, so erhöht eine direkte Läsion der Iris den Iymphatischen Druck in derselben nicht, sodass die direkte Ursache der Regeneration fortfällt. Andererseits kommen Fälle vor, wo trotz des Vorhandenseins einer Linse Regenerationsversuche eintreten. (Fig. 15, Taf. XIX) zeigt eine gut regenerierte, noch am oberen Irisrande hängende Linse (81 Tage alt), die aber nachträglich vorn mit der Cornea verwachsen ist, also ihre topographische Lage verloren hat. Dadurch ist die vordere Kammer in einen oberen und unteren Raum geteilt. Dabei ist natürlich die genannte vordere Augen- kammer bedeutend verkleinert. Es steht dabei die Cornea durch die Linse in direkter Verbindung mit dem oberen Irisrand. Diese eigentümlichen topographischen Verhältnisse wirken offenbar wieder störend auf die Lymphzirkulation im Auge. Der obere Irisrand, an dem die grosse regenerierte Linse hängt, ist ver- geben, an ihm macht sich die Störung nicht bemerkbar, wohl aber muss das am lateralen Iriswinkel der Fall sein. Hier findet sich nämlich die Anlage einer zweiten nach hinten wachsenden Linse, deren Epithel sowohl mit dem Epithel des oberen wie des unteren Irisrandes in Verbindung steht. Das eigentliche Wachstum geht aber auch hier vom oberen Iristeile aus, wie die Depigmentierung in Figg. 15 u. 16, Taf. XIX deutlich erkennen lässt. Die Zellen der sehr deutlichen, kleinen Linsenanlage sind noch nicht differenziert. Noch weiter lateralwärts, Fig. 17, 2’, findet sich, schon hinter der Iris gelegen, ein drittes, linsenähn- liches Gebilde, bestehend aus einem Häufchen grosser Epithelzellen, 270 Fr. Reinke: ümgeben von einer Art Kapsel, ein richtiges „Lentoid“. Dieses Lentoid ist offenbar älter wie die daneben befindliche Neuanlage. Weiter haben Brachet und Benoit, sowie Fischel gezeigt, dass unter Umständen sich zwei kleinere, aber voll- kommen normale Linsen oder mehrere bilden können. Zur Erklärung dieser Erscheinung dürfte auch der erhöhte Lymphdruck sich heranziehen lassen. Diese Doppelbildungen der Linse kommen nämlich, wie es scheint, nur nach Verletzungen des Irisrandes vor. Durch die provisorische Heilung dieser Verletzungen werden vermutlich die Lymphspalten des Irisrandes in zwei oder mehrere abgeschlossene Lymphdruckbezirke zerlegt. Dadurch bilden sich bei der durch die Hyperämie erzeugten Lymphdrucksteigerung zwei oder mehrere selbständige Regene- rationszentren. Regeneration der Leber. Durch die berühmten Arbeiten Ponficks') über die Rekreation der Leber, wissen wir, dass dieses Organ mit aktiver Funktion einer enormen Hypertrophie fähig ist. Ich habe seinerzeit?) Experimente an der Leber des Kaninchens zu anderen Zwecken (Studium der direkten Kernteilung) angestellt. Dabei fand ich nach Abtragung eines Stückes durch den Thermokauter nach 48 Stunden eine beträchtliche Anzahl mitotischer Teilungen in den Leberzellen, wie die Figuren 7 und 8 es zeigen. Dabei sehe ich die perivaskulären Lymphräume und auch Lymphspalten zwischen den Zellen erweitert. Ich glaube daraus mit Recht zu schliessen, dass in diesem Fall ein erhöhter Lymphdruck auf die Zellen der Leber stattgefunden hat, der auch hier den Antrieb zur mitotischen Kern- und Zellteilung gab. Andererseits wissen wir, dass eine chronische Hyperämie der Leber keine Proliferation sondern Atrophie der Leber- zellen erzeugt. Ich erkläre dies Verhalten so: Wirkt auf die Leberzellen eine starke Hyperämie, so drücken die gefüllten ') E.Ponfick. Über Regeneration der Leber. Verhandl.d. X. intern. Kongr., Berlin 1890. Derselbe: Über das Wesen der Leberrekreation. Med. Zentralblatt. Bd. 32, 1894. 2) Fr. Reinke: Über direkte Kernteilungen und Kernschwund der menschlichen Leberzellen. Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft. Kiel 1898. Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. Dya Capillaren die sehr feinen perivaskulären Lymphspalten zu und es wirkt jetzt der capillare Druck direkt auf die Leberzellen schädigend ein. Wird bei schwacher Hyperämie die Lichtung der Lymphräume erhalten, vielleicht auch durch den Gegendruck vom Gallengangsystem aus, so kann der Lymphdruck auf die Leberzellen wirken und es tritt Proliferation auf. Bei der Ponfickschen Leberrekreation, wo ganze Stücke der Leber abge- tragen werden, findet, wie es scheint, stets eine Erhöhung des Lymph- Fig.7. Schnitt aus der Leber des Kaninchens. 48 Stunden nach Abtragung durch den Thermo- kauter. M. == mitotische Zellteilung. ©. — Blutcapillaren. B. = Rote Blutkörperchen. G. = Gallencapillaren. K. = Kupffersche Sternzelle. pL. = Perivasculäre Lymph- räume. L. = Intercellulare Lymphspalten. Starke Ver- grösserung. Zeichenapparat. druckes statt. Wir hätten in den feineren anatomischen Ver- hältnissen dieses „aktiv funktionierenden“ Organs einen besonderen Mechanismus, der für gewöhnlich bei Hyperämie eine Proliferation verhindert. Etwas Ähnliches dürfte bei den quergestreiften Muskeln der Fall sein, wo ebenfalls die Hyperämie ohne Weiteres keine Hypertrophie erzeugt. Bei diesem aktiv funktionierenden Organ findet nämlich bei gewöhnlicher Arbeit keine Hypertrophie statt. 272 Fr. Reinke: Ein viel, aber nur leicht arbeitender Muskel wird nicht hyper- trophisch. Dagegen wird derselbe Muskel hypertrophisch, wenn er schwer arbeitet und starke Widerstände zu über- winden hat (Fechter, Ringer, Tänzer). Ich vermute, dass dies eigentümliche Verhalten durch besondere Mechanismen bedingt wird. Wir wissen durch Rouxs Entdeckung, dass für gewöhnlich die Muskelfasern durch besondere Anordnung des Perimysium internum („Abscheerungsfaserpaar*) bei der Kon- Fig.8. Schnitt aus der Leber des Kaninchens 48Stunden nach der Operation. M. = Mitotische Zellteilung. C. = Blut- capillaren. K. = Kupffersche Sternzellen. L. = Perivasculäre Lymph- räume. L. — Intercellulare Lymphspalten. Starke Vergrösserung. Zeichenapparat. traktion und Dilatation so zusammengehalten werden, dass Faser an Faser bleibt. Es wäre denkbar, dass hierdurch selbst bei stärkerer Hyperämie der Blutcapillaren eine Steigerung des Lymphdruckes zwischen den Muskelfasern (die ja als viel- kernige Zellen mit besonderer Fibrillendifferenzierung anzusehen sind) nicht statthaben kann. Erst wenn bei starker Arbeit die Fasern des Perimysium internum überdehnt werden oder zerreissen oder wenn die Muskelfaser selbst überdehnt wird und zerreisst, wird für die Entfaltung des Lymphdruckes zwischen Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. 273 und in den Muskelfasern Raum geschaffen und dadurch wird eine Hypertrophie der Muskelfasern erzeugt werden können. Jacques Loeb') hat auf Grund der Rankeschen Befunde beim Tetanus „dass der arbeitende Muskel wasserreicher wird und dass der Wassergehalt bei denjenigen Muskeln am grössten ist, die am meisten gearbeitet haben. Der Zunahme des Wassergehaltes im arbeitenden Muskel entspricht einer Abnahme des Wasser- gehaltes im Blut,“ den Schluss gezogen, dass infolge der Muskel- tätigkeit der osmotische Druck wächst und die Zahl der gelösten Moleküle in der Muskelsubstanz zunimmt, wodurch die Muskel- faser wachsen soll. Wenn wir auch nicht gleich bis auf die Moleküle zu gehen brauchen, so würde schon viel gewonnen sein, wenn es sich nachweisen liesse, dass bei starker Muskeltätigkeit der auf die Muskelfaser wirkende Lymphdruck zunimmt und da- durch ein Wachstum der Faser eingeleitet wird. Weitere Unter- suchungen werden abzuwarten sein. Wachstum. Es ist wohl kaum zweifelhaft, das zwischen patho- logischem Wachstum (Hypertrophie, Geschwülste usw.) regene- ratorischem Wachstum und physiologischem Wachstum ein prinzipieller Unterschied nicht existiert. Das gemein- same, leicht erkennbare äussere Merkmal ist die mitotische Kern- und Zellteilung. Dabei ist es für das Prinzip belanglos, ob durch die Kern- und Zellteilung tatsächlich eine Massen- zunahme des Gewebes oder Organs stattfindet oder nicht. Mir wenigstens erscheint es eine schulmeisterliche Pedanterie, wenn man sagt: die Haare, die Nagel wachsen, weil sie an Länge zunehmen, während die Epidermis nicht wächst, weil in der Regel die Dicke derselben gleich bleibt, indem der Überschuss der Zellen abgestossen wird. Haben wir gesehen, dass das regeneratorische Wachstum angetrieben wird durch die Hyperämie und die durch sie gesetzte Iymphatische Drucksteigerung, so wird es auch wahrscheinlich, dass alles pathologische und physiologische Wachstum durch Hyperämie und gesteigerten Lymphdruck in Gang gesetzt wird. Für das pathologische Wachstum wird der Nachweis vermutlich gar nicht ı) Jacques Loeb. Über die Entstehung der Aktivitätshypertrophie der Muskeln. Archiv d. ges. Physiologie (Pflügers Arch.) Bd’ 16, 1894. 274 Fr. Reinke: sehr schwer sein, namentlich für das Gebiet der entzündlichen Hypertrophie. Weit schwieriger dagegen liegen die Verhältnisse beim physiologischen Wachstum. Dasselbe geschieht im All- gemeinen so allmählich und ist dem Experiment, weil in der Regel regeneratorische Vorgänge eintreten, so wenig zugänglich, dass es in der Tat schwierig sein wird, die Erscheinungen desselben zu untersuchen. Immerhin wissen wir, dass die mitotischen Teilungen beim physiologischen, im Wesentlichen von der Ernährung abhängigen Wachstum nicht ununterbrochen, sondern schubweise auftreten, eine Erscheinung, die für eine periodisch auftretende stärkere Füllung der Capillargebiete zu sprechen scheint. Lässt man Salamanderlarven zunächst hungern und füttert sie dann sehr stark mit lebenden Würmern (Naiden), so treten etwa nach einer Woche eine enorme Menge von Mitosen in fast allen Organen auf, aber ganz regelmässig schubweise. Hierbei kann man Erweiterung von Capillaren und Lymph- spalten z. B. im Epithel der Kiemenblätter deutlich konstatieren. Kıeg. 97u2 10.2) Ich will hier, um nicht zu weitschweifig zu werden, mich auf ein kleines Gebiet beschränken, das Wachstum der Epidermis. Es ist eine seit langer Zeit von guten Beobachtern kon- statierte Tatsache, dass Epidermis und Haare infolge von Hyperämie proliferieren und wachsen. So schreibt Samuell.c. Seite 547: „Unzweifelhaft bleibt immer der hochgradige Anteil des Entzündungsprozesses an den Neubildungsvorgängen. Welche umfangreichen Geschwülste schliesslich aus chronischen Entzündungen hervorgehen können, beweist am schlagendsten die Elephantiasis Arabam, jene Pachydermie, bei der durch Schwellung der Haut der Epidermoidalgebilde und des Unterhautbindegewebes im Anschluss an chronische Dermatitis und Lymphanjoitis die Glieder zu unförmlichen Massen (Elephantenfüssen) sich umbilden.*“ Bier?), Helferich und ') Fr. Reinke: Über die Beziehungen der Wanderzellen zu den Zellbrücken, Zelllüicken und Trophospongien. Anatomischer Anzeiger, Bd. XX VIII, 1906. 2) Bier. Hyperämie als Heilmittel. 1905. Seite 192. — Helferich. Über künstliche Vermehrung der Knochenneubildung. Arch. f. klin. Chirurg. 1887. Bd. 36. Seite 873. — Leber. Die Entstehung der Entzündung. Leipzig 1891. Die Beziehungen des Lymphdruckes ete. 275 Leber geben in neuerer Zeit übereinstimmend an, dass die Haare infolge von Hyperämie, die auf sehr verschiedene Weise erzeugt wurde, wachsen. In diesen Fällen kann, da die Epidermis keine eigenen Gefässe besitzt, von einem direkten Einfluss der Hyperämie auf die Epidermiszellen keine Rede sein, sondern es kann nur die Lymphe, die in den Intercellularlücken der Matrix des Haares oder den untersten Zellenlagen der Keimschicht der Epidermis sich findet, sich vermehren und auf die Zellen so ein- Fig. 9. Epithelzellen des Kiemenblattes vom Salamander. Hermannsches Gemisch. Saffranin-Orange. Ruhestadium. Die Zellen liegen dicht aneinander. Zwischen ihnen ein ver- dichteter, färbbarer Grenzsaum (Schlussleisten) Interzellularlücken und Brücken fehlen absolut. wirken, dass dieselben proliferieren. Wir hätten denn auch hier wieder folgende kausale Systemreihe erster Ordnung: Eine Ursache, welche die Hyperämie erzeugt durch Alteration der Gefässe, erhöhte Lymphproduktion, Erhöhung des Lymphdrucks in den Intercellularlücken der Keimschicht. Reihe zweiter Ordnung: Reaktionsfähigkeit der Zellen, Proliferationsfähigkeit derselben, Zellteilung, Wachstum der Epidermisschicht. Wie 276 Fr. Reinke: oben bemerkt, dürfte das physiologische Wachstum der Epi- dermis und ihrer Anhangsorgane sich von diesem experimentellen Wachstum nur graduell, nicht prinzipiell unterscheiden. Man wird daher mit Recht auch für das regelrechte physiologische Wachstum oder die „physiologische Regeneration“ der Epidermis eine periodische Hyperämie der Haut annehmen, die mit einer sehr geringen Alteration der Wandung der kleinsten Gefässe und vermehrter Lymphausscheidung verbunden ist. Fig. 10. Epithelzellen des Kiemenblattes vom Salamander. Hermannsches Gemisch. Saffranin-Orange. Antreibungsstadium. Es haben sich Intercellularlücken Brücken gebildet, in denen rechts eine Wanderzelle liegt. Ein Kern in beginnender, zwei in voller Mitose. ‘“ Mit anderen Worten: Die Allgemeinerscheinung der „patho- logischen“ Entzündung wäre ein beim physiologischen Wachstum allgemein vorkommender biologischer Prozess. Beide wären nur graduell voneinander verschieden. Der Ausdruck „Entzündung“ gibt schon in der Pathologie zu manchem Missverständnis Ver- DD | —I Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. anlassung, weil es erfahrungsgemäss selbst für den Mediziner schwierig ist, eine Entzündung ohne Infektion zu denken. Ganz unmöglich erscheint es mir, das Wort „Entzündung“ beim physio- logischen Wachstum anzuwenden. Ich schlage deshalb vor, den ganzen Vorgang der Alteration der Gefässwand, der Hyperämie und der gesteigerten Lymphabsonderung, soweit derselbe bio- logisch in Betracht kommt, als „Treibung“ oder „Antreibung“ — „Blastose“!) zu bezeichnen. Der Ausdruck ist der gärtnerischen Technik entnommen, die es versteht, Pflanzen durch künstliche Wärme und Feuchtigkeit „anzutreiben“ oder zum „Treiben“ zu bringen.?) (Noch kürzer wäre „Antrieb“, wie er in der dynamischen Maschinenkunde gebraucht wird. Der Ausdruck „Antrieb“ ist aber vielleicht nicht so charakteristisch.) Wir würden dann bei der Regeneration und beim Wachstum der Gewebe und Organe von einer „Antreibung“ der Zellen zur Proliferation sprechen können, indem wir damit eine ganz bestimmte Vorstellung eines komplizierten Vorganges verbinden würden. Ich befinde mich bei dieser Auffassung in Übereinstimmung mit zahlreichen hervor- ragenden Forschern, wie Samuel, E. Neumann, R. Heiden- hain, Bunge, Ribbert u.a., in deren Arbeiten sich mehrfach Äusserungen verwandten Inhalts finden, auf die ich an anderm Orte näher eingehen werde. Da ich den blastotischen Prozess nur als einen mehr äusseren Faktor der Wachstumserschei- nungen ansehe, so dürfte hierdurch die Rouxsche Lehre des funktionellen Wachstums und der Selbstdifferenziernng keineswegs eingeschränkt werden. Auch auf diese Frage einzugehen wird sich später Gelegenheit finden. Abgeschlossen: November 1905. 1) zo Plastızcv — das Sprossen Fördernde. Von diesem Wort lässt sich allerdings durch etwas kühne Abkürzung das bequeme Wort „Blastose“ bilden. Biesrn, $Aasros heisst Trieb oder Wuchs, kann also nicht direkt ver- wandt werden. 2) Interessant ist es, dass es dem dänischen Pflanzenphysiologen W.Johannsen, |. c. gelungen ist, verschiedene Pflanzen, namentlich Flieder, durch Ätherisieren zum Frühtreiben zu bringen. Diese Methode wird jetzt praktisch im Grossen angewandt. 278 Fr. Reinke: Die Beziehungen des Lymphdruckes etc. Figurenerklärung der photographischen Tafel XIX. Fig. 1—5. Ätherisierte, hungernde Salamanderlarven in Rückenlage. Fig. 4 Fig. 9 m. und Fig. 5 14 Tage nach der Narkose._ Fig. 1 80 Tage. Fig. 3 152 Tage. Durchschnitt des normalen oberen Irisrandes, der Linse und der Cornea einer Salamanderlarve. Oberer und unterer Irisrand. 14 Tage nach Exstirpation der Linse. Regeneration der Linse vom oberen Irisrand. 49 Tage nach der Operation. Schwache Vergrösserung. 10. Regeneration der Linse vom oberen Irisrand. 49 Tage nach der Operation. Depigmentation, Lymphsinus, in dem Wanderzellen mit Pigment gefüllt liegen; mitotische Kernteilungen. Fig. 10 ist derselbe Schnitt wie Fig. 8 nur stärker vergrössert. An der linken (äusseren Fläche) der Iris stark gefüllte Blutgefässe. Man erkennt deutlich die roten Blutkörperchen. . Regenerierte, noch mit dem oberen Irisrand in Verbindung stehende Linse. 81 Tage nach der Operation. . Veränderungen des unteren lIrisrandes. Beginnende Depigmen- tation und Lymphsinusbildung bei einem Auge, wo durch Prolaps der Retina der obere Irisrand verdeckt wurde. 49 Tage nach der Operation. Fig. 13—17. Durchschnitte eines Auges. 81 Tage nach der Operation. Die vollständig regenerierte Linse (Fig. 13 u. 14) hängt noch mit dem oberen Irisrand etwas zusammen, ist dabei aber mit der Cornea sekundär fest verwachsen. Infolgedessen haben sich zwei kleinere Linsenanlagen am lateralen Irisrand von der hinteren Seite der Iris gebildet. Fig. 15 und Fig. 16 sind Durchschnitte der ersten kleinen Linsenanlage. Man sieht, das Bläschen steht in direktem Zusammen-. hang durch depigmentierte Zellen mit der Pars ciliaris retinae. Fig. 17 stellt ein selbständiges, weiter lateralwärts liegendes Lentoid dar. Gemeinsame Bezeichnungen: = Cornea, J (0) — obere Irishälfte, = Linse, J (u) — untere Irishälfte, — Blutgefässe, Tr, 5.5 1“ = hentai! = Linsenepithel, Lk — Leukocyt, = Retina, Ly u.Lyr. = Lymphraum, = Prolapsus retinae, M — Nitose. — Irisepithel Aus dem anatomischen Institut zu Bonn. Experimentelle Untersuchung über die Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. Von E. T. Bell, M. D., Instruktor der Anatomie an der Universität zu Missouri. Hierzu Taf. XX und 7 Textfiguren. Beim experimentellen Studium der Frage, wie sich nach Entfernung einer Hirnhälfte bei jungen Froschembryonen der N. optieus der anderen Seite entwickeln würde, erhielt ich zwei Larven, deren abnorme Augenentwicklung eine besondere Be- schreibung verdienen dürfte. Bei dem einen Embryo (Nr. 31) bildete die Retina einen integrierenden Bestandteil der Hirnwand auf der operierten Seite. Dieser Fund gibt Gelegenheit, die Schichten der Retina mit denen der Hirnwandung zu vergleichen und liefert einen Beitrag zur Entwicklungsphysiologie des Auges. Bei dem anderen Embryo (Nr. 11) hatte sich ebenfalls auf der operierten Seite eine Retina in der Hirnwand entwickelt; da aber das Hirn nicht ganz normal beschaffen war, so sind die Beziehungen zwischen Retina und Hirnwand nicht so deutlich als im ersten Falle. Der zweite Embryo besass auf der nicht operierten Seite zwei Augen, die sich von der Augenblase dieser Kopfhälfte aus werden ent- wickelt haben. Die genaue Analyse auch dieses Falles kann für die Entwicklungsphysiologie des Auges gleiches Interesse bean- spruchen wie die des ersten. In Folgendem sollen nun die Zu- stände des Hirnes und der Augen bei den Embryonen gesondert beschrieben werden. Nr. 31. Der betreffende Embryo (Rana esculenta) — nach Heron-RoyeretCh.van Bambeke: Extrait des Archives der Biologie. Tome IX — 1859 — war bei der Operation 3,5 mm lang. In diesem Stadium, welches man in Textfig. 1 abgebildet findet, ist die Schwanzknospe entwickelt und die Ohrblase noch nicht rund sondern halbmondförmig. Die Augenblase liegt dicht unter dem Eetoderm und die Linse ist als eine leichte Verdickung des äusseren Keimblattes zu erkennen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 19 280 E.ErBiell: Die Operation bestand in der Entfernung der einen Seite des Kopfes bis fast zur Ohrblase. Die Linie ab in Textfig. 2 zeigt die Lage des sagittalen Schnittes, Linie ab in Textfig. 1 die Lage des transversalen Schnittes bei der Operation. Die transversale Schnittlinie lag in diesem Falle dicht vor der Ohr- blase. Operiert wurde mit einer dünnen, scharfgeschliffenen Lanzette unter einem Präpariermikroskop. Der nunmehr zu besprechende Embryo 31 heilte in wenigen Stunden und entwickelte sich zehn Tage lang anscheinend normal weiter. Dann zeigte sich aber, dass der Embryo wegen abnormer Bier 1. Fig. 2. 4 mm langer Embryo von Rana escu- 4 mm langer Embryo von Rana lenta nur wenig älter als die Exem- esculenta, Querschnitt durch die plare in Versuch 31 und 11. Die Augenblase kurz nach dem Stadium Linie ab zeigt den Verlauf des Quer- in dem operiert wurde. Die Linie schnittes an, somit die caudale Grenze a b bezeichnet den sagittalen Ein- der entfernten Kopfhälfte. s = Saug- schnitt. a g — primäre Augenblase. näpfe. x 12. m — Mundhöhle. x 12. Entwicklung des Mundes und Pharynx zufolge der Operation nicht fressen konnte und höchstwahrscheinlich verhungern musste. Die Quappe begann früher als gewöhnlich schwächer zu werden und wurde am dreizehnten Tage nach der Operation getötet. Sie war um diese Zeit ”mm lang. Die rechte Kopfhälfte war kleiner als die linke und rechts ein Auge äusserlich nicht sichtbar. Für die mikroskopische Untersuchung wurde das Präparat in einer gesättigten Lösung von Sublimat mit 1 °/o Essigsäure fixiert. Während der Aus- und Entwässerung schrumpfte das Präparat, offenbar in Folge der weitgehenden Absorption des Bindegewebes während des Hungers. Die Serie wurde nach Einbettung in Paraffin geschnitten und mit Haematoxylin und Congorot gefärbt. Die Schnittdicke betrug 7,5 «. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 281 Wie in den meisten Fällen hatte auch dieser Embryo das durch die Operation entfernte Gehirn teilweise regeneriert. Fig. ], Tafel XX zeigt einen Querschnitt durch den Kopf und die Lage der abnorm gelagerten Retina. Die Retina besteht deutlich in einer Einstülpung des ventrolateralen Teiles der Hirnwandune. Fig. 4 ist nach einem weiter caudal gelegenen Schnitt ge- zeichnet. Die Retina ist noch vorhanden, liegt aber jetzt in der Wand des Infundibulum. Die Länge der Retina in orocaudaler Richtung beträgt 200 u. Fig. 2 zeigt, dass die verschiedenen Retinaschichten ent- wickelt sind. Eine Lage von Pigmentzellen p stellt an einer kurzen, aufwärts und lateral gelegenen Strecke die äussere Wand des Augenbechers dar und geht in die mehrschichtige obere Hirnwand über. Fig. 3 und 5 zeigen Teile der Stäbchen- und Zapfenschicht bei starker Vergrösserung. Sie sind nicht so gut konserviert als im normalen linken Auge desselben Tieres. Aber das Aussen- und Innenglied ist bei den meisten unter- scheidbar und in einigen auch die Plättchenstruktur des Aussen- gliedes. Die Ellipsoide (e) und Ölkugeln (o) können ebenfalls an Fig. 3 und 5 durch Vergleich mit Osmiumsäurepräparaten dieses Entwicklungsstadiums leicht erkannt werden. Zellgrenzen können an unserem Präparat, weder an der normalen noch an dieser regenerierten Retina erkannt werden, da offenbar die Schnittdicke zu gross ist. Da diese abnorme Retina sich in der Hirnwandung entwickelt hat, so ist eine Gelegenheit geboten, wie sie bisher noch nicht gefunden wurde, die Retinaschichten mit denen der Hirnwandung zu vergleichen. Zu diesem Zwecke wolle man Fig. 4 benutzen, die nach einem Schnitt nahe der caudalen Wand der Augenblase gezeichnet ist. Der Schnitt liegt gegen den für die Fig. 2 benutzten um 45 « weiter schwanzwärts und ist zufolge- dessen, den bekannten Entwicklungsvorgängen der Retina ent- sprechend, weniger weit entwickelt. In Fig. 4 geht die bei der normalen Retina innere granulierte Schicht in die weisse Substanz der anderen Hirnseite über. Die Stäbchen und Zapfenschicht entspricht dem Ependym und geht allmählich in dessen Zellen über (vergl. Fig. 2). Die beiden Körnerschichten gehen über in die graue Substanz der anderen Hirnseite. Die Ganglienzellen- schicht ist an den Ecken in Zusammenhang mit der grauen Substanz, in die auch die Körnerschichten übergehen. Die innere 198 2832 E.R. Biel: granulierte Schicht scheint bei ihrer Entwicklung die Ganglien- zellen von der übrigen grauen Substanz getrennt zu haben. So würde man denn die Ganglienzellenschicht als entsprechend den Commissurzellen auf der äusseren Oberfläche der grauen Substanz betrachten können. Ein junges Stadium der Retinabildung ist in Textfig. 3 wiedergegeben; sie zeigt einen Schnitt durch die Retina in der Hirnwand von Embryo 11 zu einer Zeit, wenn die Ganglienzellenschicht von der inneren Körnerschicht eben durch Fig. 3. Embryo 11. Querschnitt durch das Hirn in der Gegend der Ohrblase mit Retina in der Hirnwand. Das Hirn ist abnorm entwickelt. a h —= Augenbecherhöhle, d = dorsaler Teil des Diencephalon, d‘ —= ventraler Teil des Diencephalon ungenau abgegrenzt gegen das Infundibullum. ec = Ectoderm. g n= Ganglion des Trigeminus. g z — Ganglionzellenschicht. ir innere retikulierte Schicht. k s= Körnerschichten. s z— Stäbchen- und Zapfenschicht der Retina. m — Muskel- anlage. ch = Chorda dorsalis. o b—= innere Wand der Ohrblase. die innere reticulierte Schicht getrennt wird. So werden auch bei der normalen Entwicklung der Retina diese drei Schichten gebildet. Es wird sich empfehlen, vor der Besprechung des Ur- sprungs und der Entwickelung der abnorm gelagerten, oben be- schriebenen Retina eine Übersicht über die Regeneration der Augenblase und des Hirns bei Amphibien, soweit dies bis jetzt bekannt geworden ist, zu geben. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 283 Schaper!) entfernte bei 3 bis 5 mm langen Embryonen der Rana esculenta das Hirn ganz oder teilweise. Die entfernten Teile regenerierten sich nicht. Dieses Ergebnis wurde von Rubin?) an 4 bis 5 mm langen Embryonen von Rana fusca bestätigt. Spemann?) zerstörte durch den Galvanocauter einen Teil der Augenblase bei Rana fusca vor dem Schluss der Medullar- rinne. Die Augenblase wurde gewöhnlich ersetzt und erhielt auch eine Linse, wenn sie die Oberfläche des Kopfes erreichte. Wurde ein Teil der Medullarplatte seitlich von der Anlage der Retina zerstört, so entwickelte sich eine Retina von gewöhnlicher Grösse in der Hirnwand der verletzten Seite‘). Es fehlte dann der grössere Teil der Hirnwand, das Tapetum nigrum und der dorsale Teil des Opticusstieles in der operierten Kopfhälfte. Die Diagnose einer vorhandenen Retina stützte Spemann auf dem ‘Verlust des Pigments, wodurch sie sich hell von der Umgebung abhebt und an der Fähigkeit, die Bildung einer Linse aus dem Ectoderm Ruf. auszulösen. Die beigegebene Abbildung zeigt auf der operierten Seite eine sehr dünne Hirnwand in der Gegend der beigebrachten Verletzung. Getötet wurden die Versuchs- objekte so früh, dass die Regeneration keinen hohen Grad er- reichen konnte. Lewis°) schnitt die Augenblase an Froschembryonen auf dem Stadium, wie es meine Textfig. 2 zeigt, aus; sie wurde von dem zurückbleibenden Rest aus regeneriert, aber das entstandene Auge war kleiner als normal. H.D. King) zerstörte die „eyeforming“ Region des Hirns an Froschembryonen vor Schluss der Medullarrinne mit Hilfe einer erhitzten Nadel. Auf der verletzten Seite wurde kein Auge ge- !) A. Schaper, Eperimentelle Studien an Amphibienlarven. Archiv für Entw.-Mech. Bd. VI. 1898. ?) R. Rubin, Beziehung des Nervensystems zur Regeneration bei Amphibien. Inaugural-Dissertation. Rostock 1903. 3) H. Spemann. Über Correlation in der Entwicklung des Auges. Anat. Anz. Ergänzungsheft 19. 1901. ı) H. Spemann. Über Linsenbildung bei defekter Augenblase. Anat. Anz., Bd. XXIII, 1903. 5) W. H. Lewis, Experimental Studies on the Development of the Eye in Amphibia. American Journal of Anatomy, Vol.3, 1904. ®) Helen Dean King, Experimental Studies on the Eye of the Frog Embryo. Archiv für Entw.-Mech., Bd. 1904. 254 ErTeBiell: bildet; die Hirnwand war in der Gegend des Eingriffs zuweilen sehr dünn. O0. Dragendorf!) entfernte auf dieselbe Weise Teile aus der Augenblase bei Hühnerembryonen während des dritten Brüte- tages. Völlige Entfernung der Augenblase verhinderte jede Regeneration; war aber ein Rest zurückgelassen worden, so ent- stand ein rudimentärer Augenbecher. Geringe Defekte wurden völlig ersetzt. Nach den hier mitgeteilten Erfahrungen scheint in früheren Stadien der Entwicklung wenigstens beim Frosch und Huhn die Augenblase regenerationsfähig zu sein. Kleine Verletzungen heilen mit völligem Ersatz des Verlorenen aus. Wenn nur ein kleiner Teil der Augenblase zurückbleibt, so entsteht durch Neu- bildung aus ihm entweder ein rudimentärer Augenbecher oder ein kleines Auge. Wird dagegen die ganze Augenblase entfernt, so hört die Regeneration auf. Allein alle Experimentatoren, welche angeben, die augen- bildende Region gänzlich entfernt zu haben, umgrenzen nicht klar genug den Bezirk des Hirns, den sie zerstörten. Es ist nicht nachgewiesen worden, in welcher Ausdehnung das in frühen Entwicklungsstadien verletzte Gehirn der Wiederherstellung fähig ist. In meinen Experimenten ist immer eine Kopfhälfte in demselben Stadium und nach derselben Methode, wie bei Embryo 31 angegeben wurde, entfernt worden. Immer trat Regeneration der Hirnwand ein; allein der Grad derseiben variiert bedeutend. Jedesmal wurde die Hirnhöhie vollständig geschlossen, wenn die Wand auch nur durch eine einzige Lage dünner, abgeplatteter Hirnzellen gebildet wurde. Textfig. 4 gibt einen Schnitt durch das Diencephalon wieder: auf der regenerierten Seite ist die Wand nur ein- bis zweischichtig. In Textfig. 5 ist die regenerierte Seite zwei Drittel so dick als die andere, normale Seite und im histologischen Aufbau ihr ungemein ähnlich. Der Schnitt der Textfig. 5 liegt dabei vor der Gegend, wo früher der Querschnitt bei der Operation angelegt wurde, also mitten im regenerierten Gewebe; der grössere Teil der rechten operierten Seite des 'ı, 0. Dragendorf, Experimentelle Untersuchungen über Regene- rationsvorgänge am Auge und an der Linse bei Hühnerembryonen. Inaug.- Dissert., Rostock 1903. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 285 Diencephalon und Mesencephalon hat bei diesem Embryo eine Wandstärke, die die Hälfte oder zwei Drittel der normalen linken Seite erreicht. Einen stärkeren Grad von Regeneration als den in Textfig. 5 dargestellten, habe ich nicht beobachtet. Auf der nicht operierten Seite ist gewöhnlich das Telencephalon von ungefähr gleichmässiger Wandstärke; aber oft kommen an dieser Stelle auch Abnormitäten vor. An einem Exemplar war Fig. 4. Fig. 5. Embryo 45. Querschnitt Embryo 46. Querschnitt des Diencephalon. des Diencephalon. Die re- Die regenerierte Seite des Hirns (r) er- generierte Seite des Hirns reicht ?/s der entgegengesetzten normalen (r) ist nur 1 bis 2 Zellen Seite. g = graue Substanz, n o — Nervus dick. g— graue Substanz. opticus. Nur auf der unverletzten Seite w = weisse Substanz. X 50. war ein Auge vorhanden. Auf der ope- rierten Seite fehlte die Retina. VIII = 3. Ventrikel. w = weisse Substanz. X 50. auf der operierten Seite das Telencephalon nur etwa ein Drittel so gross als normal und in einigen anderen Fällen begann dieser Hirnteilerstzu wachsen. In anderen ist keine Spur von Telencephalon auf der operierten Seite vorhanden. Operiert wurde vor dem Er- scheinen des Telencephalon; offenbar war durch die Verletzung das Material zu einer Bildung entfernt worden. Das Telence- phalon entsteht nicht, bis das Diencephalon der betreffenden Seite regeneriert ist. Wie schon oben mitgeteilt, wurde in zwei Quappen eine Retina auf der operierten Seite in der Hirnwand entwickelt; die übrigen operierten Tiere regenerierten dagegen die entfernte Augenblase nicht. Aus meinen Versuchen geht demgemäss hervor, dass jede Seite des vorderen Neuralrohrendes bei 3,5—4 mm langen Frosch- embryonen die Fähigkeit besitzt, die andere Hirnhälfte teilweise zu regenerieren. Spemann konnte die Regeneration der ent- fernten Hirnteile nicht erkennen, weil die von ihm benutzten Ver- suchstiere zu früh getötet wurden. Es lag nicht in dem Plane 286 EB SBrei: meiner Untersuchungen, durch Querschnitte verschieden grosse Teile des Gehirns auf beiden Seiten zu entfernen; ich kann da- her nichts darüber aussagen, ob ausser der symmetrischen Re- generation auch noch Regeneration in craniocaudaler Richtung bei Embryonen der Rana esculenta zu erzielen sei, d.h. ob z.B. das virtuell völlig entfernte Prosencephalon aus dem Diencephalon regeneriert werden könne. Während der Nachweis erbracht ist, dass bei älteren Froschembryonen Hirnsegmente nicht regene- riert werden, ist es bis jetzt, soweit mir bekannt geworden, un- entschieden, ob eine symmetrische Regeneration aufträte, wie ich sie bei 5,5—4 mm langen Embryonen gefunden habe. Es ist wahrscheinlich, dass die Zellen eines gegebenen (Querschnittes im Hirn die Fähigkeit, verloren gegangene Teile der anderen Seite zu ersetzen, länger erhalten, als die Fähigkeit, benach- barte Querschnitte zu regenerieren. Es werden ja auch die Energien symmetrisch gelagerter Zellen weniger verschieden sein als die Energien von Zellen, die auf derselben Seite in ver- schiedenen Querschnitten liegen. Der erste Schritt zur Regeneration einer verletzten Hirn- wand ist der Verschluss derselben. Erreicht wird dies durch Dehnung und Wachstum der Zellen an den Wundrändern. Diese Zellen bilden zuerst, wie Textfig. 4 erläutert, eine einzige dünne Lage. Damit kann die Regeneration beendet sein und die ein- schichtige Zellwand noch weiter gedehnt werden; oder es tritt Zellvermehrung ein, bis die Dicke der neuen Gewebsmassen dem Durchmesser der anderen normalen Seite sich nähert. Die weisse Substanz kann sich zu bilden beginnen, wenn die regenerierte Gehirnwand noch sehr dünn ist. In meinen Versuchen ist die Regenerationsgrösse am bedeutendsten bei den Embryonen, die am längsten lebten; aber dies Ergebnis besagt nichts weiter, als dass das Alter nach der Operation einer von den Faktoren ist, die zu berücksichtigen sind. Für die Frage, wie und warum sich die Retina bei diesen Experimenten in der Hirnwand entwickelt, sind drei Möglichkeiten zu berücksichtigen, die zu einer Antwort führen können. 1. Man könnte annehmen, dass die Retina-Anlage zur Zeit der Operation schon differenziert ist und dass beim sagittalen Einstich die Lanzette nach der verletzten Seite abgewichen wäre (vergl. Textfig. 2); dadurch würde ein Teil der Retina-Anlage er- Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 287 halten bleiben. Die Retina-Anlage könnte sich bis nahe an die Mittellinie erstrecken, sodass eine geringe Abweichung hinreichen würde, einen Teil derselben bei der Operation unverletzt und in Zusammenhang mit dem übrigen Hirn zurückzulassen. Dann würde der im Tier verbliebene Rest der Retina-Anlage eine Re- tina in der Hirnwand regenerieren. In diesem Falle müsste man die Regeneration als eine von einem Fragment der Anlage aus- gehende deuten, wie sie auch von Spemann, Lewis, Dragen- dorff u. A. beobachtet wurden, mit der Einschränkung freilich, dass das Fragment sehr klein gewesen ist. 2. Man könnte annehmen, dass die Retina völlig oder zum grössten Teil aus undifferenziertem Gewebe entstanden sei, wie es sicher bei dem Rest der Hirnwandung dieser Seite der Fall ge- wesen sein muss. In Übereinstimmung mit dieser Interpretation müsste man annehmen, dass, wenn die Retina-Anlage zur Zeit der Operation differenziert und begrenzt ist, die ganze Anlage entfernt wurde. 5. Eine dritte Möglichkeit, die Erscheinungen zu erklären, wäre die, anzunehmen, die Retina sei zur Zeit der Operation als Anlage differenziert und durch den Schnitt vollständig entfernt worden und dass dann aus der Anlage der einen Seite Zellen auf die verletzte Seite übergewandert und nicht von dem regene- rierten Gewebe dieser Seite neu gebildet wären. Die erste Annahme scheint mir sehr wahrscheinlich zu sein. Die Retina war auf der operierten Seite nur bei 2 von 16 erfolgreich operierten Embryonen vorhanden. Wenn die Retina ausschliesslich von regeneriertem (Gewebe und nicht von einem zurückgelassenen Rest ihres eigenen Gewebes gebildet worden wäre, so ist es schwer zu verstehen, weshalb sie nicht in jedem einzelnen Falle und namentlich bei Embryo 46, Textfigur 5, vor- handen war, wo die verletzte Seite in ausgedehnter Weise regene- riert wurde.) Wir neigen somit zu dem Schluss, dass höchst wahrscheinlich zur Zeit der Operation die Retina-Anlage schon differenziert ist und dass diese Anlage bei Embryo 31 und 11 nicht vollständig entfernt wurde. Die Hirnwand regeneriert sich von den Zellen, die in der Nähe der Wundränder liegen; die Re- I) Leider wurde das bei der Operation entfernte Gewebe nicht kon- serviert, sodass die genaue Schnittebene, die durch den sagittalen Einschnitt angelegt wurde, nicht bekannt ist. 258 EATHBiell: tina aber kann nur von den Zellen ihrer Anlage gebildet werden. Die Zellen der Hirnwand haben entweder nicht die Fähigkeit oder sie bekommen nicht den nötigen Reiz, um in Zellen der Re- tina umgewandelt zu werden. Spemann zerstörte, wie oben erwähnt, den Teil der Medullarplatte, der seitlich zu der Retina-Anlage gelegen ist bei Rana fusca vor dem Schluss der Medullarrinne. Das Versuchs- tier hatte eine Retina von normaler Grösse als Teil der Hirn- wandung. Auch eine Linse war vorhanden, aber das Tapetum nigrum, der dorsale Teil des Opticusstieles und der ganze Rest der Hirn- wand dieser Seite fehlten. Aus dieser Beobachtung zieht der Autor den Schluss, dass wahrscheinlich schon vor dem Schluss der Medullarrinne die verschiedenen Teile des Augenbechers in der Anlage difterenziert seien. Spemanns Versuchstiere wurden früher getötet als die meinigen, sodass eine beträchtliche Regeneration nicht stattfinden konnte. Die Resultate meiner Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Teile des Augenbechers, d. i. das Tapetum nigrum und der Optieusstiel in der Anlage nicht so früh in dem Sinne diffe- renziert sind, dass sie sich unabhängig von der Retina entwickeln könnten. Wenn in meinem Experiment 31 der sagittale Einschnitt weit genug nach rechts abbiegt, um einen Teil der Retina zurück- zulassen, so wäre das Material, das den ventralen Teil des Opticus- stieles bilden kann, sicher nicht entfernt worden; aber, wie Fig. 1 zeigt, kein Opticusstiel ist vorhanden. Auch hätte das Material, das normaler Weise das Tapetum nigrum liefert, entfernt worden sein müssen; aber ein Teil desselben ist vorhanden. (Vergl. Fig. 2). Mir will es scheinen, als wenn Tapetum nigrum und Optiecusstiel erst später unter dem Einfluss der Retina sich entwickeln. Nach meinen Experimenten ist als gewiss anzunehmen, dass die Retina als Teil der Hirnwandung bei Abwesenheit des Opticus- stieles und des grössten Teiles des Tapetum nigrum sich ent- wickeln kann. Auch stützen sie Spemanns Ansicht, dass die Entwicklung der von Menel!) beschriebenen Linse wirklich von einer in der Hirnwand gelegenen Retina ausgelöst worden war. Mencl war bekanntlich nicht dieser Ansicht. Doch ist an dieser !) E. Mencl. Ein Fall von beiderseitiger Augenlinsenausbildung während der Abwesenheit von Augenblasen. Arch. f. Entw.-Mech. Bd. XVI, 1903. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 289 Stelle zu bemerken, dass diese Ansicht nicht durch Spemanns eigenes Experiment begründet wurde, da Spemanns wichtigster Beweis dafür, dass die von ihm in der Hirnwand beschriebene Partie wirklich eine Retina sei, sich darauf stützte, dass diese Retina die Bildung einer Linse vom Ektoderm hervorgerufen habe. In meinen Versuchen dagegen ist die Diagnose „Retina“ eine absolut gewisse, weil ich Stäbchen in dieser Retina aufge- funden habe. Durch meine Versuche ist demgemäss bewiesen, dass die Retina ein spezifisch ausgebildeter Teil der Hirnwand sei; sie kann sich auch in der Hirnwand ausbilden, wenn abnorme Be- dingungen die Bildung eines Opticusstieles und den Transport der Retina an die Peripherie hindern. Die Histogenese der Retina ist unabhängig vom Vorhandensein eines Opticusstieles und der primären Augenblase. Embryo 11. Dieser Embryo wurde am 17. Juni 1905 eben- so operiert wie Embryo 51; nur war statt der rechten hier die linke vordere Kopfhälfte entfernt worden. Zur Zeit der Operation war der Embryo um ein weniges weiter entwickelt als der von Versuch 31, wie sich das am deutlichsten an der Grösse der Schwanzknospe erkennen liess. Von einem etwas älteren Embryo wurde das hintere Leibesende an die Wunde dieses Versuchs- tieres angelegt und durch passend gebogenen dicken Silberdraht in der Lage erhalten. Der Druck des Drahtes war aber zu gross, und das angelegte Stück heilte nicht an; ein grosser Teil des Vorderendes nekrotisierte, sodass am nächsten Tage die Wunde direkt vorn gelegen war. Wenn keine Nekrose eintrat, heilte die Wunde bei den operierten Embryonen in wenig Stunden, und die Narbe lag stets lateral. Der Embryo 11 heilte viel später als gewöhnlich, entwickelte sich aber dann wie die anderen, zeigte Reflex- und deutlich willkürliche Bewegungen, obschon das vordere Körperende fast bis zu den Kiemen fehlte. Bei den anderen operierten Embryonen erschien gewöhnlich auf der unverletzten Seite das Auge am zweiten Tage nach der Operation; aber in diesem Falle zeigte sich vor dem fünften Tage nichts; dann aber statt eines Auges zwei, ganz vorn, dicht bei einander, rechts und links von der Medianebene. Der Embryo konnte nicht fressen, Am elften Tage nach der Operation wurde er in Flemmingscher Lösung getötet, dann gehärtet, entwässert, in Paraffin eingebettet 290 BR. Biel: und in eine mit Haematoxylin gefärbte Serie von 7,5 « dicken Schnitten zerlegt Das Hirn zeigt bei der mikroskopischen Untersuchung einen sehr abnormen Bau. Der Telencephalon fehlt völlig; das Infundibulum ist breit und liegt zwischen den Ohrblasen (bei normalen Embryonen dieses Alters liegt das Infundibulum gewöhnlich vor den Öhrblasen, aber auf der operierten Seite liegt bei meinen Versuchstieren die ÖOhrblase meistens weiter nach vorn als normaler Weise). Die Höhle des Infundibulum kommuniziert durch einen sehr engen Spalt mit der Höhle einer unregelmässig begrenzten, dorsal gelegenen Portion von Hirn- substanz, die den dorsalen Teil des Diencephalon darstellt. (Vergl. Textfigur ©.) Die Verbindung mit dem Infundibulum liegt kaudal von dem Querschnitt, der in dieser Figur abgebildet ist. Dass diese unregelmässig gestaltete Hirnmasse in der Tat der dorsale Teil des Diencephalon ist, ergibt sich ebenso gut daraus, dass die Epiphysis dorsal von ihr entspringt, als auch aus ihrem Zusammenhang mit dem Mittelhirn und dem Infundi- bulum. Der obere Teil des Diencephalon (d, Textfigur 3) hört wenige Schnitte vor dem Querschnitt der Figur 5 auf. Der untere Teil des Diencephalon (d‘, Textfigur 3) reicht viel weiter nach vorn, wird allmählich schmäler und endet als eine kleine, unregelmässig begrenzte Masse, die sich kaum vom Bindegewebe abgrenzen lässt. In der Wand des Infundibulum') und des ventralen Teiles des Diencephalons liegt eine der in Versuch 31 beschriebenen ähnlichen Retina, nur nicht ganz so weit entwickelt (Textfigur 3). Sie ist in eranio-caudaler Richtung 180 u lang. Cranialwärts wird sie klein und unregelmässig und verliert sich gegen das vordere Ende des Stranges von Nervengewebe, der das Hirn darstellt. Dass es sich hier um eine Retina handelt, ist zweifellos; da einige Stäbchen sich so weit entwickelt haben, dass sie unverkennbar sind (Figur 6). An vielen dieser Stäbchen kann das Innen- (ig) und das Aussenglied (ag) deutlich unterschieden werden. Die meisten sind nicht so weit entwickelt und stellen bloss nach der Hirnhöhle zu gespitzte Zellen dar (st). Zur Zeit der Konservierung war dieser Embryo zwei Tage jünger als Embryo 31. 1) Wegen des abnormen Hirnbaues lassen sich die Grenzen des Infundibulum nicht genau bestimmen. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 291 In Grundlage dieses Versuches kann man die Retinaschichten mit denen der Hirnwand vergleichen; namentlich, wenn man noch die Ergebnisse des Versuches 31 heranzieht, bei dem die Retina etwas weiter entwickelt ist. Textfigur 3 zeigt deutlich, . dass die innere retikulierte Schicht sich in dem äusseren Teile der Hirnwand bildet, und die Ganglienzellschicht von der inneren granulierten Schicht trennt. Fast in ihrer ganzen Ausdehnung füllt die Retina beinahe vollständig die Höhle des Hirnteiles aus, der sie enthält. An einigen Stellen erreicht ihre konvexe Oberfläche die gegenüberliegende Ventrikelwand. Im vorderen Teile ist die Retina von dem um- gebenden Gewebe offenbar gedrückt worden, sodass statt der ge- wöhnlich konvexen Oberfläche der Retina nach dem Ventrikel zu zwei konvexe Leisten vorhanden sind, die durch ein Tal voneinander (Text- fig. 6) getrennt sind. Dies ist ein neuer Beweis für die schon wohl begründete Ansicht, dass die verhältnismässig starke Vermehrung der Zellen an der dem Ventrikel zugewandten Ober- Embryo 11. Querschnitt durch Hirn und Chorda dorsalis, fron- tal von dem Schnitt in Text- figur 3. Die Retina füllt die Hirnwand aus. e = Ein- stülpung der Retina. h = Hirn- wand. m — Mitosen der Re- tinazellen an der ventrikularen Oberfläche der Retina. ch — Chorda dorsalis. r = Retina. x 68. Auge. nervenfaser. fläche der; Retina einen Druck erzeugt, der sie mechanisch zwingt, die typische Becherform anzunehmen. Auf der ventrikulären Oberfläche sind zahl- reiche Mitosen in der Retina vor- handen. Vor dem vorderen Ende des Nervenstranges, der das Gehirn dar- stellt, liegt rechts und links von der Medianebene je ein (Textfigur 7) Keins von beiden hat einen Opticusstiel oder Opticus- Alle Retina- Das linke Auge ist das grössere. schichten scheinen normal entwickelt zu sein, mit Ausnahme der Ganglienzellenschicht, da die Nervenfaserschicht fehlt. Ein Glaskörperraum ist nicht vorhanden, und die Linse überall dicht an die innere Oberfläche der Retina angepresst. An der cranio- ventralen Oberfläche ist die Linse noch in Zusammenhang mit dem Rand der Augenblase, wodurch auf das deutlichste gezeigt wird, woher sie abstammt. Das rechte Auge ist kleiner. Die Retinaschichten gleichen denen des linken Auges. Alle scheinen 292 EB. 1. Bell: normal zu sein mit Ausnahme der Ganglienzellenschicht, von der keine Nervenfaserschicht ausgeht. Die „Augenbecherhöhle“ ist eine kleine Spalte, deren äusseres Ende fast vollständig von den überhängenden Rändern des „Augenbechers“ geschlossen wird. Eine Linse ist nicht vorhanden, aber an der Stelle, die gewöhnlich von der Linse eingenommen wird, sind die Kerne der Augen- blase linsenartig angeordnet. Vielleicht ist dies ein junges Stadium der Linsenentwicklung. Fig. 7. Embryo 2. Querschnitt durch die beiden Augen am Kopfende des Embryo. ah — Augenbecherhöhle gz = Ganglienzellenschicht. ir — innere retikulierte Schicht. l = Line. m = Muskelanlage. mh — Mundhöhle. tn — Tapetum nigrum. x 34. Die bei diesem Experiment in der Hirnwand vorhandene Retina bietet für diese Erklärung grössere Schwierigkeiten, als die bei Embryo 31; da das Hirn selbst abnorm entwickelt ist. Vielleicht ging die Entwicklung denselben Gang wie bei Embryo 31. Die Beziehung der Retina zum Gehirn ist verwirrt, weil nach der Operation Atrophie sich einstellte. Dagegen wird der Vergleich der Retinaschichten mit denen des Hirns als Ergänzung zu den von Embryo 31 gelieferten Daten dienen können. Bei dieser Retina ist der Beginn der inneren retikulierten Schicht und die Trennung der Ganglienzellenschicht von den granulierten Schichten (Textfigur 3) zu finden. Die Retina des Embryo 11 zeigt auch die Entwicklung der Stäbchen von den Ependymzellen. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 298 Das Vorhandensein der beiden Augen an der Spitze des Kopfes glaube ich in folgender Weise erklären zu sollen: Sie müssen von der rechten Augenblase aus entwickelt worden sein, da die linke entfernt worden war. Keine von beiden wurde von dem Rest der Retinaanlage der linken Seite regeneriert, da dieser Rest eine Retina in der Hirnwand ent- wickeltee Lewis erhielt zwei nebeneinander gelegene Augen. wenn er eine Augenblase abschnitt und sie eine Strecke weit durch das Mesenchym zurückdrückte. Die verlagerte Augenblase bildete ein Auge; das andere wurde von der Schnittwunde des ÖOpticusstieles aus regeneriert. Bei meinem Versuche am Embryo 11 wird also die Nekrose dasselbe geleistet haben, was Lewis mit Hilfe des Messers erreichte. Denn durch das Experiment von Lewis ist der Beweis erbracht, dass durch Teilung der jungen Anlage mehrere Augen entstehen können. In welcher Weise die Teilung bei Embryo 11 erfolgte, kann nicht festgestellt werden. Es ist möglich, dass die nach der Operation an Embryo 11 auf- tretende Nekrose die Augenblase in ähnlicher Weise wie in Lewis Experiment abgetrennt hat. Das kleinere Auge wäre dann ein Regenerationsprodukt, das sekundär durch Nekrose des Opticusstieles seine Verbindung mit dem Hirn verloren hätte. Wahrscheinlicher ist jedoch die Annahme, dass die Nekrose die Augenblase in zwei ungleiche Teile zerlegte, von denen jeder ein Auge bildete. Dann hätte die Nekrose des Opticusstieles entweder voraufgehen oder folgen können, um die Verbindung mit dem Hirn aufzuheben. Eine interessante Abnormität der beiden oben beschriebenen Augen ist die völlige Abwesenheit des Glaskörperraumes und der Opticusfasern. Da die Glaskörper zum mindesten teilweise vom Mesoderm geliefert wird, so mag sein Fehlen darauf zurück- zuführen sein, dass das Mesoderm keinen Zugang zur Augen- becherhöhle gefunden hat. Es fehlen die Bedingungen, unter denen normalerweise das Mesoderm in die Augenbecherhöhle eindringt. Die Augenblase wurde geteilt und die Augenspalte dadurch um- gestaltet. Die Linse des linken Auges wurde vom Raud des Augenbechers gebildet und die Augenblase dadurch beinahe geschlossen. In dem rechten Auge hatte sich keine Linse gebildet und die Ränder des Augenbechers waren zusammen- gewachsen, sodass die Augenspalte fast vollständig verschwunden 294 BaspaBreiie: ist. Überdies ist das Mesoderm in der Gegend der Augen sehr dünn und mag auch durch die vorhergehende Nekrose ver- ändert sein. Eine andere Frage betrifft das Vorhandensein der Retina in der Wand des Infundibulum. Ich glaube diese Abnormität aus dem Wachstum des Hirnes erklären zu können. Die Augen- blase eines 4 mm langen Embryo hat eine relativ breitere Ver- bindung mit der ventrolateralen Wand des Hirnrohres (virtuelles Diencephalon) als der Öpticusstiel späterhin. Da in dem beschriebenen Versuch der Opticusstiel sich nicht bildete, so blieb die Retinaanlage ein integrierender Bestandteil der Hirn- wand. Nun wuchs die Anlage in der Hirnwand genau so, wie sie bei Bildung eines ÖOpticusstieles peripher gewachsen wäre. Dadurch geriet die Retina in den Bereich des Infundibulum, das ja nur eine Ausstülpung des caudalen Teiles des Diencephalon ist. Meine Versuche wurden in der Absicht angestellt, eine Lösung zu finden in der Frage, welchen Einfluss die Entfernung einer Hirnhälfte auf die Entwicklung des N. opticus der anderen Seite hat. Die mit Bezug auf diesen Punkt erzielten Resultate sind jedoch noch nicht in den Versuchen oft genug bestätigt worden, sodass ich vorläufig von einer Veröffentlichung absehe und im Frühjahre die Untersuchung fortzusetzen gedenke. Zusammenfassung. Bei zwei operierten Embryonen entwickelte sich, wie im Text beschrieben worden, eine Retina als integrierender Bestandteil der Hirnwand auf der operierten Seite. Dass es sich hierbei um eine Retina handelte, wurde über jeden Zweifel sichergestellt, da in beiden Fällen Stäbchen nachgewiesen wurden und bei dem älteren Embryo auch Zapfen. In einem Falle zeigten die Präparate den Zusammenhang der Retina- und Hirnschichten so deutlich, dass sie eine selten gute Gelegenheit für die Vergleichung beider Teile abgaben. Es gelang der Nachweis, dass die innere retikulierte Schicht der weissen Hirnsubstanz entspricht; die Körnerschichten der grauen Substanz des dritten Ventrikels; Stäbchen und Zapfen dem Ependym und die Ganglienzellenschicht den Kommissurzellen an der äusseren Fläche der grauen Substanz. Die Retina ist somit ein spezifisch ausgebildeter Hirnteil. Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. 295 Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Retina in der Anlage schon vor dem Schluss der Medullarrinne vorhanden ist. Der Optieusstiel und das Tapetum nigrum werden wahrscheinlich später unter dem Einfluss der Retina differenziert. Die Ent- wicklung der Retina ist unabhängig von der Bildung des Opticus- stieles und der Augenblase. Wenn bei 3,5 —4 mm langen Embryonen der Rana esculenta ein Teil der Hirnwandung entfernt wird, so fährt der unverletzte Rest allem Anschein nach in normaler Weise sich zu entwickeln fort, während das entfernte Gewebe zum Teil von den Wund- rändern aus regeneriert wird. Die regenerierte Hirnwandung kann ungefähr zwei Wochen nach der Operation zwei Drittel der Dicke der normalen Seite erreichen. Die beobachtete Verdoppelung des Auges wurde durch Spaltung der Augenblase infolge von Nekrose eines Teiles der- selben herbeigeführt. Das eine dieser beiden Augen hatte vom Rande des Augenbechers aus eine Linse entwickelt. In beiden Augen fehlte der Glaskörper und die Opticusfasern bei normaler Entwicklung der übrigen Retinaschichten. Die Retinaanlage entwickelte sich somit auch ausser dem Zusammenhang mit dem Hirn. Das Fehlen des Glaskörpers wird höchstwahrscheinlich dadurch verursacht sein, dass das Mesoderm nicht in die Augen- becherhöhle eindringen konnte. Zum Schluss verfehle ich nicht, meinem Lehrer, Herrn Professor M. Nussbaum, zu danken und ebenso Herrn Geheimrat von la Valette St. George für die freundliche Aufnahme, die ich im Bonner anatomischen Institut zur Anstellung meiner Versuche gefunden habe. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX. Alle Figuren wurden mit Hilfe der Camera lucida entworfen. In allen Figuren bezeichnet: A — Augenblase ag — Aussenglied (Stäbchen) ak — äussere Körnerschicht BIT — äussere retikuläre Schicht e — Ellipsoid Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 20 296 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. je 1. fo E. T. Bell: Entwicklung des Auges bei Froschembryonen. h — Hirnwand gz — Ganglienzellschicht ig — Innenglied (Stäbchen) ik — innere Körnerschicht It —= innere retikuläre Schicht k — Knorpel l — Linse m — Muskelanlage no — Nervus opticus 0 — Oelkugel p —= Pigmentzellen ir = Retina S — Schlund st — Stäbchen (abgerundete Ependymzelle) v.OI = IH. Ventrikel z — Zapfen. 5. Embryo 31. Querschnitt mit Retina in der Hirnwand (links in der Figur). Die regenerierte Seite des Hirns ist weit dünner als die normale Seite x 50. Querschnitt der Retina in der Hirnwand 15 „ caudalwärts von dem in Figur 1 abgebildeten Schnitt. Die Retinaschichten sind differenziert, Stäbchen und Zapfen sind deutlich, aber nicht so gut konserviert als in normalen Augen. Das Tapetum nigrum wird durch eine kleine Lage von Pigmentzellen (p) dargestellt. Ein Opticusstiel fehlt. x 150. Stäbchen und Zapfen der Retina in der Hirnwandung. Innen- und Aussenglied, Oelkugel und Ellipsoid sind sichtbar. X 1100. Querschnitt des Hirns mit Retina in der Wand des Infundibulum. Dieser Schnitt liegt weiter caudal als der in Figur 2 gezeichnete. Die innere retikulierte Schicht ist hier in direktem Zuammenhang mit der weissen Substanz der anderen Hirnseite. Der Schnitt liegt nahe der caudalen Kante der Retina. x 250. An dem Stäbchen und Zapfen der in der Hirnwand gelegenen Retina ist die Plättchenstruktur des Aussengliedes sichtbar. x 1100. Embryo 11. Stäbchen der Retina aus der Hirnwand; einige Stäbchen sind weit genug entwickelt, um Aussen- und Innenglied zu zeigen. Die meisten Zellen haben noch abgerundete Kegelform (st) X —. Aus dem Wiener histologischen Universitätsinstitute. Vorstand: Hofrat Prof. Victor v. Ebner. Die Entwicklung der Zahnscheiden; gleichzeitig ein Beitrag zur Entwicklung der Zahnbeingrundsubstanz. Von Dr. Leo Fleischmann, Hierzu Tafel XXI. In einer vor kurzem erschienenen Arbeit „Über den Bau und Inhalt der Dentinkanälchen‘ !) habe ich den Nachweis er- bracht, dass die Zahnbeingrundsubstanz nicht nur in der ver- kalkten Zone des Dentins, wie man bisher angenommen hatte, sondern auch in der unverkalkten, sogenannten dentinogenen Zone durch besondere Wandungen, die Neumannschen Scheiden, gegen die Zahnkanälchen begrenzt wird.?) Ferner habe ich die von Kölliker im Jahre 1850 entdeckte, dann jedoch in Vergessen- heit geratene Tatsache neuerdings in Erinnerung gebracht, dass man bei der Darstellung der Scheiden durch Zerstörung der Grund- substanz mittels konzentrierter Säuren oder Alkalien auch ein Häutchen isoliert, welches die zentralen Enden der Scheiden mit- einander verbindet. Dieses Häutchen grenzt die Zahnbeingrund- substanz gegen die Pulpahöhle ab, sowie dies die Scheiden gegen die Zahnbeinkanälchen tun. Die Erwägung des Umstandes, dass die Scheiden mit ihrem zentralen Ende in das Häutchen übergehen, beide also ein zu- !) Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Band 66. 1905. ’) Römer, der in seiner „Zahnhistologischer Studie“ (Frei- burg i. Br. 1899) sowie in einem auf der Jahresversammlung des Vereins deutscher Zahnärzte im August 1905 gehaltenen Vortrage die Ansicht ver- treten hatte, dass es Scheiden überhaupt nicht gäbe, erklärte mir nach Durch- sicht meiner ihm vorgelegten Präparate, dass er von dieser Ansicht zurücktrete. Desgleichen erklärte mir Fasoli, der sich in seiner Monographie „Sulla struttura della Dentina“ (Milano 1905) der Römerschen Ansicht zum Teil an- geschlossen hatte, nach Einsichtnahme in meine Präparate, dass er seine dies- bezüglich geäusserte Ansicht nicht mehr aufrecht halte. 20* 298 Leo Fleischmann: sammenhängendes Ganzes bilden; weiter, dass beide (Häutchen und Scheide) dasselbe chemische Verhalten gegenüber Säuren und Alkalien zeigen; endlich, dass beide die Begrenzung der Zahn- beingrundsubstanz gegen die Hohlräume des Zahnes bilden (das Häutchen gegen die Pulpahöhle, die Scheiden gegen die Kanälchen) legt den Schluss sehr nahe, dass Häutchen und Scheiden analoge Bildungen sind. Die Aufklärung, ob dieser Schluss nicht nur be- rechtigt, sondern auch tatsächlich richtig ist, vermag uns nur die Entwicklungsgeschichte der beiden Gebilde zu geben. Über die Entwicklung des Häutchens ist gar nichts bekannt. Der Entdecker desselben, Kölliker,!) beschränkte sich auf die Konstatierung der Tatsache, dass es im ausgebildeten Zahn vor- handen sei, ohne irgend eine weitere Bemerkung daran zu knüpfen. Später ging auch die Kenntnis der nackten Tatsache wieder verloren. Der Genese der Scheide sind naturgemäss alle jene Autoren nähergetreten, die sich mit der Erforschung der Vorgänge bei der Bildung des Dentins beschäftigt hatten, ohne dass jedoch eine Übereinstimmung der Ansichten darüber erzielt worden wäre. Zur Klarlegung der Entwicklung der Scheiden und des Häutchens, sowie ihrer Beziehungen zu einander und zur Grund- substanz stellte ich daher Untersuchungen an, über deren Ergeb- nis ich im Nachfolgenden berichte. Zunächst handelte es sich darum, die verschiedenen Ent- wicklungsstadien des Dentins auf das Vorkommen von Scheiden und Häutchen hin systematisch zu untersuchen. Da die Scheiden durch Färbungen nur in der verkalkten Zone des Dentins zuverlässig nachgewiesen werden können, das Häutchen sich durch Färbungen von der Grundsubstanz überhaupt nicht differenzieren lässt, bediente ich mich zum Nachweis des Vorhandenseins oder Fehlens der beiden Gebilde der Methode von Zachariades?) (Färben des Schnittes mit Safranin; hierauf Erwärmen in 40 prozentiger Kalilauge auf dem Objektträger bis zur Auflösung der Grundsubstanz). Bei diesem Verfahren wird die leimgebende Zahnbeingrundsubstanz völlig aufgelöst, und es bleiben die Scheiden und das Häutchen zurück, ausserdem auch ') Kölliker: Mikroskopische Anatomie. ?) Schaffer: Knochen und Zähne in „Encyklopädie der histologischen Technik.“ Die Entwicklung der Zahnscheiden. 299 die Odontoblasten und deren Fortsätze, falls sie genügend fixiert und konserviert waren. Als Untersuchungsmaterial diente mir zunächst der Zahnkeim eines unteren mittleren Incisivus, der von einem ungefähr achtmonatlichen, in Alkohol konservierten menschlichen Embryo herrührte. Der aus dem Unterkiefer heraus- präparierte Keim wurde nach Schaffers Methode!) in fünf- prozentiger Salpetersäure durch einige Stunden entkalkt und hier- auf in Celloidin eingebettet. An einem radiären Längsschnitt durch diesen Keim kann man das Dentin in allen Stadien seiner Entwicklung beobachten: An der Basis des Keimes die ersten Spuren; in der Kuppe bereits ausgebildetes verkalktes Dentin; dazwischen alle Übergänge (Fig. 1). Ich teilte mir einen solchen Schnitt, nachdem ich die Pulpa bis auf die Odontoblastenschichte, die am Dentin haften blieb, von diesem abgezogen hatte, in drei Teile: der erste enthielt nur Dentin allerjüngsten Datums (Fig. 1, I); der zweite Dentin in den mittleren Stadien der Ent- wicklung (Fig. 1, II); der dritte endlich zeigte völlig ausgebildetes Dentin (Fig. 1, III). Im Teile I (Fig. 2) zeigt das dünne, neugebildete Dentin in gefärbtem Zustand ein anscheinend homogenes Aussehen. Von Verkalkung ist noch keine Spur zu bemerken. Die Odontoblasten besitzen an ihrem peripheren, dem jungen Dentin zugekehrten Ende einen oder mehrere ganz kurze Fortsätze. Unterzieht man diesen Teil dem Verfahren nach Zachariades, so löst sich das neugebildete Dentin nahezu völlig auf (Fig. 3 und Fig. 4). Ausser den Odontoblasten und deren kurzen Fort- sätzen bleibt nur die innerste, den Odontoblasten zunächst gelegene Schichte des Dentins als dünnes Häutchen zurück. Dieses Häut- chen zeigt ein gleichförmiges Aussehen und ist nirgends unter- brochen. Teil II, der der nächstälteren Partie des Dentins ent- spricht, zeigt im gefärbten Präparate bereits eine Differenzierung des Dentins, insofern dieses von kurzen Kanälchen durchzogen wird, in welche die Dentinfortsätze der Odontoblasten hinein- ragen. Behandelt man diesen Teil (Fig. 5) mit Kalilauge, so erhält man nach Auflösung der Grundsubstanz ausser den Odontoblasten und den aus ihnen hervorgehenden Fortsätzen wieder die innerste nn 300 Leo Fleischmann: Schichte der Grundsubstanz als dünnes Häutchen. Dieses Häutchen ist hier siebartig durchlöchert. Die Löcher entsprechen den Öff- nungen der Zahnbeinkanälchen und dienen den ÖOdontoblasten- fortsätzen zum Durchtritt. Die Odontoblastenfortsätze erscheinen als solide, faserförmige Gebilde, deren Ursprung aus der Zelle man sehr genau konstatieren kann. Von röhrenförmigen Gebilden, den Scheiden, ist nichts zu sehen. Das von Kölliker aus ausgebildeten Zähnen isolierte Häutchen ist also bereits bei der ersten Anlage des Dentins vorhanden. Es begrenzt das Dentin an derder Pulpa benachbarten Fläche. Da die Dentin-Neubildung an dieser Fläche erfolgt, kann es nichts anderes sein, als die jüngst gebildete Schichte des Dentins selbst. Behandelt man den dritten Teil (Fig. 6), also die Partie, die der Kuppe des Zahn-Scherbchens entstammt, nach Zachariades, so erhält man zunächst die aus Teil II isolierten Gebilde wieder. Ausserdem findet man aber die zentralen, der Pulpa zunächst gelegenen Teile der Odontoblastenfortsätze von deutlichen Röhren umgeben. Die zentralen Enden dieser Röhren hängen mit dem isolierten Häutchen zusammen. Gegen die Peripherie hin finden die Röhren ihr Ende ungefähr in der Mitte des Dentinmantels. Hier ragen aus den Röhren die isolierten Fasern heraus, die also in ihren peripheren Teilen der umhüllende Röhre entbehren. Dass diese röhrenförmigen Gebilde mit den Neumann schen Scheiden des ausgebildeten Zahnes identisch sind, ergibt sich ohne weiteres aus ihrer Form, ihrer Lage, sowie ihrem chemischen Verhalten gegenüber der konzentrierten Natronlauge, Aus den eben geschilderten Befunden ergeben sich für unsere Vorstellung der Zahnbeinentwicklung, bezw. der genetischen Stellung des Häutchens und der Scheiden unmittelbar folgende Schlüsse: Es kommt zunächst zur Bildung einer dünnen Schicht einer Substanz, die sich durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen erhitzte Kalilauge auszeichnet und infolge dieser Eigenschaft zur Darstellung gebracht werden kann (Köllikersches Häutchen). Diese dünne Schichte verliert, wenn eine neue Schichte an sie angebildet wird, ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Kalilauge, muss also eine Umwandlung chemischer Natur erfahren. Diese Die Entwicklung der Zahnscheiden. 301 Umwandlung findet in demselben Ausmaße statt, als die Neu- bildung vor sich geht. Wir können dies aus dem Umstande erschliessen, dass die isolierbare Schichte immer die gleiche Stärke hat. Diese innerste jüngste Schichte ist also im Gegensatz zur fertigen leimgebenden Grundsubstanz gegen konzentrierte Kalilauge widerstandsfähig. Sie muss also eine wesentlich ver- schiedene chemische Zusammensetzung haben, als die fertige Grundsubstanz, bezw. die fertige Grundsubstanz kann aus ihr nur durch eine Umwandlung chemischer Natur entstehen. Sie ist demnach das Primäre, d. h. nichts anderes als ein Vorstadium der Grundsubstanz. Da das Köllikershe Häutchen mit dieser innersten Schichte identisch ist, so ist also dieses Häutchen in genetischer Beziehung das Primäre segenüber der leimgebenden Grundsubstanz, ein Vorstadium derselben. Wie verhält es sich nun mit der Bildung der die Kanälchen begrenzenden Scheiden? Wir haben gesehen, dass die Kanälchen zunächst keine isolierbaren Wandungen besitzen, dass diese viel- mehr erst zu einer Zeit auftreten, in der das Dentin bereits eine gewisse Dicke erreicht hat. Dieser Befund spräche in erster Linie dafür, dass die Scheiden ein Produkt der fertigen Grund- substanz wären und erst durch eine sekundäre Umwandlung aus derselben entständen. Die Scheiden wären dann ein von dem Häutchen genetisch total verschiedenes Gebilde. Der Vorgang ihrer Bildung wäre dann folgender: Nachdem durch eine Um- wandlung aus dem Häutchen sich die leimgebende Grundsubstanz gebildet hat, entsteht durch eine neuerliche Umwandlung aus dieser die Scheidensubstanz. Diese würde dann, wenn auch von dem Häutchen genetisch verschieden, doch dasselbe chemische Verhalten gegenüber erwärmter Kalilauge besitzen wie das Häutchen selbst. Ich war ursprünglich geneigt, diese Deutung meiner Befunde zu akzeptieren, und vertrat diesen Standpunkt auch gelegentlich einer Demonstration der hier abgebildeten Präparate in der Morphologisch-Physiologischen Gesellschaft zu Wien. Doch waren es zwei Umstände, die mich bewogen, von dieser Meinung abzulassen, bezw. mich von deren Unrichtigkeit überzeugten. Zunächst die Tatsache, dass die Scheiden zuerst 302 Leo Fleischmann: um die zentralen, der Puipa zunächst gelegenen Teile der Zahn- fasern auftreten, während die peripheriewärts gelegenen Teile der Fasern noch ohne Umhüllung sind. Da es sich nun bei den Scheiden um eine sekundäre Bildung durch Umwandlung aus der fertigen Grundsubstanz handeln würde, so müsste in Analogie zu anderen Bildungsvorgängen diese Umwandlung dort zuerst einsetzen, wo die Grundsubstanz zuerst ihr Definitirum erreicht hat. Das wäre in den peripheren Teilen derselben. Statt dessen sehen wir die Scheiden zuerst in den zentralen, den entschieden jüngeren Partien der Grundsubstanz auftreten. Dies ist das eine Moment, das gegen den eben erörterten Bildungsmodus der Scheiden spricht. Das zweite Moment für die Unhaltbarkeit der Ansicht, dass die Scheiden eine sekundäre Bildung wären, sind die Tatsachen, die sich aus der Betrachtung der Vorgänge des sich weiter entwickelnden Dentins ergeben. Wenn der Zahn seine definitive Grösse erreicht hat, so ist damit die Neubildung des Dentins noch lange nicht abgeschlossen. Vielmehr tritt nun eine fortschreitende Konsolidierung des Dentins ein, bewirkt durch eine Verengung seiner Hohlräume infolge von Dentin- Neubildung. Mit dem zunehmenden Alter des Zahnes wird einerseits das Lumen der Pulpahöhle kleiner, andererseits verengen sich die Kanälchen von der Peripherie aus beginnend (Beale', Neumann?) Walkhoff°). Wären nun die Scheiden eine sekundäre Bildung der Grundsubstanz, so wäre der fortschreitende Prozess der Verengung der Kanälchen, der ja nur durch Neubildung von Dentin durch die Zahnfaser möglich ist, schwer verständlich; es müsste denn, (da wir ja für die Scheiden nicht zweierlei Bildungsmodi annehmen können) nachdem sich die Scheiden durch eine Umwandlung aus der leimgebenden Grundsubstanz gebildet haben, eine neuerliche Rückwandlung derselben in leimgebende Substanz stattfinden. Hierauf müsste sich die von seiten der Zahnfaser neugebildete junge Dentin- !) Lionel Beale, Die Struktur der einfachen Gewebe. (Deutsch von Carus). ?, Neumann, Beitrag zur Kenntnis des normalen Zahnbein- und Knochengewebes. Leipzig, 1863, F. ©. Vogel. ®) Walkhoff, Die normale Histologie menschlicher Zähne etc. Leipzig, A. Felix, 1901. Die Entwicklung der Zahnscheiden. 305 schicht zunächst wieder in leimgebende Substanz umwandeln und erst diese wieder neuerdings in Scheidensubstanz. Dieser Um- wandlungs- und Rückwandlungsprozess müsste sich im Maße der fortschreitenden Konsolidierung stetig wiederholen. Der ganze Vorgang der fortschreitenden Zahnbeinkonso- lidierung im Einklang mit der Scheidenbildung wird aber ohne weiteres verständlich, wenn die Befunde während der Entwicklung in folgender Weise gedeutet werden: Zunächst beteiligen sich an der Neubildung des Dentins die Odontoblasten, indem sie das Köllikersche Häutchen bilden, das sich in die leimgebende Grundsubstanz umwandelt. Während der weiteren Neubildung von Grundsubstanz nach diesem Mechanismus wachsen die Odontoblasten in ihre Dentinfortsätze, die Zahnfasern, aus, die sich aber an der Neubildung von Dentin zunächst noch nicht beteiligen. Diese wird nur von den Körpern der Odontoblasten besorgt. Dadurch, dass die Substanz, die seitens der Odontoblasten gebildet wird, sich um die schon vor- handenen Fortsätze herumbildet, entstehen die Kanälchen. Wenn nun die Kanälchen, bezw. die Zahnfasern bis zu einer gewissen Länge herangewachsen sind, beginnen auch die Fasern, sich an der Bildung von Grundsubstanz zu beteiligen. Sie bilden nun in ihrer Peripherie ebenfalls zunächst eine dünne Schicht einer Substanz, die gegen die konzentrierte Lauge widerstandsfähig ist, die dann, ebenso wie das Häutchen, diese Widerstandsfähigkeit durch eine chemische Umwandlung verliert, und die, ebenso wie das Häutchen, als ein Vorstadium der Grundsubstanz zu betrachten ist. In dem Momente, wo diese Neubildung seitens der Faser beginnt, gelingt es dann auch, die die Faser umhüllende jüngst gebildete Schichte als Röhrchen durch Einwirkung von erwärmter Kalilauge zu isolieren. Diese Röhrchen wandeln sich dann, ebenso wie das Häutchen, in collagene Grundsubstanz um, und zwar in demselben Maße, als neue Substanz an sie angebildet wird. Dass diese Umwandlung in dem Maße der Neubildung erfolgt, ergibt sich, ebenso wie bei der Umbildung des Häutchens, aus der sich stets gleichbleibenden Stärke der Röhrchen (Figur 7). Diese Röhrchen sind, wie ich schon bemerkte, mit den Neumannschen Scheiden identisch. Demnach ist die Scheide wiederum nur die inneıste jüngst gebildete Schichte des Dentins, aus der sich durch Umwandlung leimgebende Grundsubstanz 304 Leo Fleischmann: bildet. Scheiden und Häutchen sind also auch genetisch dieselben Bildungen. Beide stellen gegenüber der Grundsubstanz das primäre Bildungsprodukt vor, bezw. sind ein Vorstadium derselben. Die Berücksichtigung des Umstandes, dass Scheiden und Häutchen nicht nur morphologischh, sondern auch genetisch analoge Bildungen sind, lässt es mir im Interesse einer präzisen Ausdrucksweise wünschenswert erscheinen, beiden eine gemeinsame zusammenfassende Bezeichnung zu geben. Das Einfachste wäre, den Begriff der Scheide auch auf das Häutchen auszudehen, wenn dies wegen der alteingebürgerten derzeitigen Bestimmung des Begriffs „„Zahnscheiden“ nicht zu Missverständnissen führen müsste. Über Anregung des Herrn Hofrates v. Ebner schlage ich daher die Bezeichnung „Innere Begrenzungsmembran des Zahnes: Lamina terminalis interna dentis‘‘ vor. Neben dieser zusammen- fassenden Bezeichnung kann ja der Begriff „Zahnscheide oder Neumannsche Scheide“ in seiner alten Bedeutung zur Be- zeichnung jenes Teiles der Lamina terminalis, der die Zahnbein- kanälchen begrenzt, fortbestehen. Wie ich schon erwähnte, haben bereits viele Autoren die: Entwickelung der Scheiden in den Bereich ihrer Erwägungen gezogen. Da die Scheiden einen wesentlichen Bestandteil der Lamina terminalis bilden, obliegt es mir noch, zu untersuchen, inwieweit die Befunde, auf Grund derer die Autoren sich ihre Ansichten über die Entwiekelung der Scheiden gebildet hatten, für oder gegen meine Auffassung des Bildungsmodus der Lamina termi- nalis zeugen. Neumann!'), der Entdecker der Scheiden, kommt, im wesentlichen per exclusionem, zu dem Schlusse, dass die Scheiden verdichtete, bezw. veränderte, mit der Grundsubstanz gleichzeitig‘ verkaikte Teile derselben sind. Dieser Ansicht schliesst sich Waldeyer?) insoweit an, als auch er die Scheiden für eine sekundäre Bildung der Zahnbeingrundsubstanz hält. Die Scheiden entstünden nach Waldeyer durch eine Umwandlung chemischer Natur aus der fertigen Grundsubstanz und bildeten gleichsam. den Abschluss der Zahnbeinbildung. Die Stütze seiner Ansicht nz: ?) Waldeyer, Untersuchungen über die Entwicklung der Zähne. 2. Teil. 1865. Zeitschrift für rationelle Medizin. 24. Band. Die Entwicklung der Zahnscheiden. 305 findet er in der vermeintlichen Tatsache, dass die Scheiden nur, oder besser gesagt erst in der verkalkten Partie des Dentins auftreten. Wenzel!) und Boll?) teilen die Waldeyersche Ansicht auf Grund desselben Argumentes. Nachdem ich das Vorhandensein der Scheiden auch in der unverkalkten Zone nachgewiesen habe, ist der Ansicht der ge- nannten Autoren die Basis entzogen, und der einzige tatsächliche Grund für ihre Annahme der sekundären Entwicklung der Scheiden in Wegfall gebracht. Lionel Beale°) hat als Erster beobachtet, dass mit zu- nehmendem Alter die Zahnbeinkanälchen von der Peripherie gegen das Zentrum zu fortschreitend sich verengen, indem gleichzeitig eine Verkümmerung der weichen Inhaltsfaser erfolgt. Neumann) bestätigt diese Befunde Beales. Ich habe bereits ausgeführt, wie wichtig diese Tatsache für die Scheidenbildung ist, und wie sehr sie unsere Vorstellung von derselben zu beeinflussen geeignet ist. Dennoch hat kein anderer Autor darauf Rücksicht genommen. Erst Walkhoff’) kam auf die alte Bealesche Lehre zurück. Er erklärt den Vorgang der Zahnbeinbildung im alternden Zahn, indem er sagt, dass sich aus der Zahnfaser Scheidensubstanz, aus dieser die Grundsubstanz, die nachträglich verkalkt, bilde. Die Scheiden wären demnach eine Zwischenstufe zur Grundsubstanz. Dasselbe also, was ich in meinen Ausführungen als Vorstadium der Grundsubstanz be- zeichnet habe. Walkhoff führt jedoch diesen Gedankengang nicht konsequent durch. Bereits zwei Seiten weiter erklärt er merkwürdigerweise die Scheiden für eine sekundäre Bildung des Dentins, die sich umf&die präformierte Zahnfaser herumbilden, um einige Seiten weiter wieder die erste Ansicht zu betonen. Da er das Köllikersche Häutchen und dessen Bedeutung für die Zahnbeinbildung nicht kennt, hätte er eigentlich darauf auf- merksam machen müssen, dass, wenn seine Ansicht über die !) Wenzel, Untersuchungen über die Entwicklung der Zahnsubstanzen. Leipzig. 1871. ®) Boll, Untersuchungen über die Zahnpulpa. Archiv für mikrosk. Anatomie. Band 4. 1868. 306 Leo Fleischmann: Dentinbildung bei der Verengung der Kanälchen richtig ist, es zweierlei Modi der Bildung der Grundsubstanz gibt; indem sie sie sich einerseits direkt, andrerseits auf dem Umwege über die „„Zwischenstufe der Zahnscheidensubstanz‘“ bildet. Das tut er nicht, sondern vertritt bald die eine, bald die andere Bildungs- weise, ohne einen Ausgleich des Widerspruches zu suchen. Doch bleibt es immerhin sein Verdienst, die Erscheinungen, die das alternde Dentin darbietet, einer Berücksichtigung in Hinsicht auf die Bildung der Grundsubstanz überhaupt gewürdigt zu haben. Röse!) nimmt in der Scheidenfrage einen eigenen Stand- punkt ein. Er fand an Zahnschliffen, die er nach der Kochschen Versteinerungsmethode gewonnen und mit Chromsilber behandelt hatte, dass sich die Scheiden, die Seitenfiederchen und die Inter- globularräume des Dentins schwarz färben. Er hielt daher dafür, dass diese drei Gebilde Überbleibsel der unverkalkten Zahnbein- grundsubstanz wären. Diese Überbleibsel beständen aus leim- gebender Substanz, die gewisse chemische Veränderungen er- litten hätte, so dass sie gegen Säuren und Alkalien äusserst widerstandsfähig geworden wäre. Eine besondere Stütze seiner Ansicht findet er noch darin, dass die Scheiden in jugendlichen, sich noch entwickelten Zähnen viel dicker wären, als in alten. Das Dünnerwerden der Scheiden im Alter wäre eine Folge ihrer fortschreitenden Verkalkung. Gegen die Rösesche Ansicht, dass die Seitenfiderchen nur Reste unverkalkter Grundsubstanz wären, hat seinerzeit schon Schaffer?) eingewendet, dass es auch in frischen Zähnen ge- lingt, die Seitenästehen durch Ausfüllung der Kanälchen mit Farbstoffen nachzuweisen. Röse gibt auch an, dass die Seiten- fiederchen an Schnitten durch entkalkte Zähne nicht nachzuweisen seien. Demgegenüber möchte ich einwenden, dass ich diese Fiederchen wiederholt an entkalkten und mit Haematoxylin gefärbten Schnitten beobachtet und auch in meiner eingangs zitierten Arbeit zur Abbildung gebracht habe. !, Röse C., Contributions to the Histogency and Histology of cony and dental tissnes. Dental-Cosmos for Nov. and Dez. 1893. — Über die verschiedenen Abänderungen der Hartgewebe bei niedern Wirbeltieren. Anatomischer Anzeiger, Band 14, 1897. 2) Schaffer, Bemerkungen zur Histologie des Knochengewebes. Anatomischer Anzeiger, Band 14, 1897. Die Entwicklung der Zahnscheiden. 307 Gegen die Ansicht Röses, dass die Scheiden und Inter- globularrräume identische Bildungen seien, möchte ich folgendes vorbringen: An entkalkten und gefärbten Schnitten gelingt es nicht, die Interglobularräume sichtbar zu machen, weil sie sich von der künstlich entkalkten Grundsubstanz optisch nicht differenzieren. Dagegen kann man in solchen Schnitten die Scheiden durch die Färbung sehr wohl differenzieren. Das be- weist mir, dass die Scheiden doch etwas anderes sein müssen, als Reste der unverkalkten Grundsubstanz, wie es für die Inter- globularräume allgemein anerkannt ist. Scheiden und Interglobular- räume verhalten sich auch durchaus nicht gleichartig gegenüber der Einwirkung konzentrierter Alkalien. Die Scheiden selbst sind widerstandfähig, die Interglobularräume lösen sich voll- ständig auf. Den Befund Röses endlich, dass die Scheiden mit zu- nehmendem Alter an Dicke verlieren, konnte ich nicht bestätigen. Ich fand die Scheiden an einem Zahn, der sich eben zum Durch- bruch vorbereitete, nicht dicker, als an dem Zahn eines 62 jährigen Mannes. Fig. 7 u 5 zeigen mikrophotographische Aufnahmen der beiden Präparate unter ganz gleichen Verhältnissen. Messungen geben wegen der übergrossen Zartheit der Scheiden kein ein- wandfreies Resultat Dagegen kann man aus dem Vergleiche der beiden Photographien die konstante Dicke der Scheiden unmittelbar er\ennen. Ich kann also auch an den Befunden Röses nichts finden, was meiner Ansicht über die Bildung der Scheiden entgegen- stehen würde. Endlich wäre noch einer Arbeit neuesten Datums zu ge- denken: „Über die Entwicklung der Zahnbeingrundsubstanz“ von v. Korff!). v. Korff behauptet, dass die Zahnbeinbildung unab- hängig und ohne jede Beteiligung der Odontoblasten vor sich gehe. Die Grundsubstanz würde seitens der Fibrillen der Pulpa formiert. Die Odontoblasten, bezw deren Fortsätze, die Zahn- fasern, bildeten lediglich die Neumannsche Scheide. v. Korff fand in Schnitten von Zähnen, welche frühzeitige Stadien der Dentinentwicklung zeigten, ein Einstrahlen von Fibrillen aus der Pulpa in das junge Dentin. Ferner fand er in mit Eisenhäma- ! v. Korff, Über die Entwicklung der Zahnbeingrundsubstanz. — Band 67, 1. Heft, 1905. Archiv für mikrosk. Anatomie u. Entwicklungslehre. 308 Leo Fleischmann: toxylin gefärbten Schnitten eines jungen Zahnkeimes die Aussen- fläche der Ödontoblastenfortsätze „von einem scheinbar aus Körnern zusammengesetzten membranartigen Saume unigeben, aus welchem vermutlich die spätere Neumannsche Scheide hervorgeht.“ Dieser Saum soll dann frühzeitig eine lockere Verwachsung mit der Grundsubstanz eingehen, was v. Korff aus dem Umstande schliesst, dass er an Fasern, die er durch Herausziehen aus dem Dentin isolierte, diesen Saum nicht fand. Zwischen Scheiden und Grundsubstanz besteht also nach v. Korffs Ansicht in genetischer Beziehung überhaupt kein Zusammenhang. Diese Ansicht ist infolge der Tatsachen, die ich schon früher angeführt habe, und die beim Altern der Zähne beobachtet werden, nicht aufrecht zu halten. Wäre sie richtig, so könnte die Verengung der Kanälchen im Alter nur auf ein Dickerwerden der Scheiden bezogen werden. Da aber die Scheiden immer die gleiche Stärke besitzen (wie ich schon Röse gegenüber betonte), so ist die Annahme unerlässlich, dass sich die Scheidensubstanz in demselben Maße, als sie von Seite der Zahnfaser neugebildet wird, in Grundsubstanz umwandelt. Mit diesem Nachweis des genetischen Zusammenhanges der Scheiden und der Grundsubstanz ist auch die Behauptung v. Korffs hinfällig, dass die Odonto- blasten, bezw. deren Fortsätze, die Fasern, mit der Zahnbein- bildung nichts zu tun hätten, da ja die Scheiden ein Produkt der Fasern sind. Dass die Zahnbeinbildung überhaupt auf ganz analoge Weise unter Vermittelung des Köllikerschen Häutchens vor sich geht, wie ich es im Verlaufe dieser Arbeit geschildert habe, steht für mich vollkommen fest. Doch will ich hier auf die diesbezüglichen Korffschen Ansichten nicht näher eingehen, da dies von Seiten des Institutsvorstandes, Herrn Hofrat v. Ebner, selbst geschehen wird; und möchte nur hervorheben, dass die Existenz des v. Korff unbekannten Köllikerschen Häutchens allein die gewichtigsten Bedenken gegen seine Ansichten begründet erscheinen lässt. Neumann!) bezeichnete seinerzeit die Scheiden als Analoga der Knorpelkapseln; dagegen erhob Waldeyer?) Ein- 1 2 last: aE.re: Die Entwicklung der Zahnscheiden. 309 spruch, weil die Neumannschen Scheiden sich sekundär aus der Zahnbeingrundsubstanz bildeten, die Knorpelkapseln indessen, gemäss den Untersuchungen R. Heidenhains, der Knorpel- grundsubstanz gegenüber das Primäre wären. Spätere Autoren schlossen sich entweder der Ansicht Wal- deyersan, oder berührten die Frage überhaupt nicht. Inzwischen unterlagen die Ansichten über die Knorpelkapseln wesentlichen Modifikationen. Schaffer!) gibt in seiner Abhandlung „Knorpelkapseln und Chondrinballen“ davon folgende Darstellung: „Jede um die Zelloberfläche neugebildete Substanzlage wird, insofern sie sich von der schon in der Zelle vorhandenen Substanz optisch oder mikrochemisch unterscheidet, als Kapsel imponieren; während aber in dem einen Fall diese Kapsel gleichsam ein definitives und letztes Zellprodukt ist, ist sie im anderen Falle nur eine transitorische Bildung, die durch weitere Wachstum- schichten von der Zelle abgedrängt werden kann, und dabei Veränderungen ihres mikrochemischen Verhaltens erleidet. Endlich kann um die Zelle eine kapselartige Zone von besonderem Mikrochemismus noch dadurch entstehen, dass von der Zelle aus- gehend regressive Veränderungen in der Zirkumzellularsubstanz Platz greifen. Demnach wären drei verschiedenene Arten von Kapseln im Knorpel zu unterscheiden, die man kurz als definitive, transitorische und regressive bezeichnen kann.“ Vergleiche ich damit die Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Genese der Lamina terminalis, so ergibt sich daraus unmittelbar eine Analogie und zwar mit jenen Knorpelkapseln, die Schaffer als die transitorischen bezeichnet hat. Ich fasse zum Schlusse meine Ansicht über die Lamina terminalis interna dentis nochmals kurz zusammen: Die Zahn- beingrundsubstanz ist gegen die Hohlräume des Zahnes (Pulpahöhle und die daraus ausstrahlen- den Dentinkanälchen) von einer besonderen, zu- sammenhängenden, isolierbaren Wandschichte (Lamina terminalis interna = Innere Begrenzungs- membran des Zahnes) begrenzt. Diese innere Be- grenzungsmembran ist in morphologischer Hin- ') Schaffer, Knorpelkapseln und Chondrinballen. Anatomischer An- zeiger. Bd.23. 1903. 310 Leo Fleischmann: Die Entwicklung der Zahnscheiden. sicht nichts anderes, als die innerste Schichte der Grundsubstanz selbst; in genetischer Hinsicht ein Vorstadium derselben, ein Analogon der tran- sitorischen Knorpelkapseln. Herrn Hofrat v. Ebner und Herrn Prof. Schaffer sage ich für ihre fördernde Unterstützung meiner Abeit ergebensten Dank. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Fig. 1. Radiärer Längsschnitt durch den unteren mittleren Ineissivus eines achtmonatlichen, in Alkohol konservierten Embryos. In fünfprozentiger Salpetersäure entkalkt, in Celloidin eingebettet, mit Safranin gefärbt: a) Schmelz, b) Dentin, c) Odontoblastenschicht, d) Pulpa. Ver- grösserung 20. Fig. 2. Ein Teil der Partie I der Figur 1 bei 650 facher Vergrösserung: a) Pulpa, b) Odontoblasten, c) erste Zahnbeinschichte. Fig. 3. Gleiches Präparat wie Fig. 2 nach Zachariades Methode behandelt. a) Odontoblasten, b) kurze Fortsätze derselben, c) Köllikersches Häutchen von der Fläche. Hom. Öl-Immers. !/ı, Vergr. 1000 fach. Fig. 4. Gleiches Präparat wie Fig. 2 und 3 nach Zachariades behandelt: a) Pulpa, b) Köllikersches Häutchen von der Fläche, c) Umschlag- stelle desselben, sodass es im Profil erscheint. Vergrösserung wie Fig. 3. 5. Ein Teil der Partie II der Fig. 1 nach Zachariades behandelt: a) Odontoblasten, b) Köllikersches Häutchen, c) Löcher in demselben für den Durchtritt der Odontoblastenfortsätze (Beginn der Kanälchen), d) Odontoblasten- Fortsätze zum Teile in Verbindung mit den Odonto- blasten. Vergrösserung wie Fig. 3. Fig. 6. Teil aus der Partie III der Fig. 1 nach Zachariades behandelt: a) Scheiden, b) Odontoblasten-Fortsätze. Vergrösserung wie Fig. 3. Fig. 7.*) Schnitt durch den im Durchbruche befindlichen zweiten Milch-Molaren eines 2!/»jährigen Kindes. Nach Schmorls Methode gefärbt. (Das Präparat ist Eigentum des Herrn Prof. Schaffer, der es mir zur photographischen Reproduktion gütigst zur Verfügung stellte). Mikrophotographische Aufnahmen; Öl-Immersion, Zeiss Apochr. 2 mm. Vergr. 1000fach. a) Scheiden. Fig. 8. Horizontal-Schnitt durch die Wurzel eines Praemol. eines 62 jährigen Mannes. Mit Haematoxylin Delafield gefärbt. Mikrophotographische Aufnahmen; Öl-Immersion, Zeiss Apochr. 2 mm. Vergr. 1000fach. a) Scheiden. Es er Q ot *, Infolge eines Missverständnisses wurden die Fig. 7 und 8 nicht mittels eines Lichtdruckverfahrens nach den Original-Photographien, sondern auf lithographischem Wege wiedergegeben. 3ll Zur Kenntnis der Thrombocyten des Salamander: blutes und ihres Verhaltens bei der Gerinnung. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel XXII—XXV und sechs Textfiguren. Die vorliegende Mitteilung handelt von den zuerst von Golubew (68) beschriebenen, weiter von Vulpian (77), Stricker (77), Hayem (79) und vielen anderen untersuchten Spindelzellen des Amphibienblutes, welchen Dekhuyzen (92) den Namen Thrombocyten beigelegt hat. Bis in die neueste Zeit hinein geben zahlreiche Autoren irr- tümlicher Weise an, dass diese Spindelzellen von v. Reckling- hausen entdeckt worden seien. v. Recklinghausen (66) hat in Froschblut, welches er in geglühten Porzellanschälchen auffing und in ein grosses Glas- gefäss mit feucht gehaltener täglich erneuerter Luft brachte, nach drei bis vier Tagen auf der abgesetzten Schicht der roten Blutkörperchen kleine weisse Punkte auftreten sehen, welche an den folgenden Tagen zu platten Inseln bis zu einem Durchmesser von 4 mm wuchsen und aus farblosen stark kontraktilen Zellen bestanden. Ausserdem fanden sich in diesen Inseln, weit zahl- reicher aber in der unteren Serumschicht zerstreut, spindel- förmige farblose Zellen, welche sich nach v. Recklinghausen vom vierten bis achten Tag zu roten Blutkörperchen weiter ent- wickeln. Hayem (79, S.609) und Neumann (96, 8.247) haben nun aber bereits darauf hingewiesen, dass diese erst nach einigen Tagen auftretenden „Spindelzellen“ mit den äusserst leicht sich verändernden Thrombocyten des zirkulierenden Blutes unmöglich identisch sein können. Auch mir scheint eine solche Identität vollständig ausgeschlossen. Soweit ich (in Überein- stimmung mit Neumann) finden kann, ist Golubew, ein Schüler von Rollet, der erste, welcher die Spindelzellen als solche gesehen hat. Er konnte sie nicht nur im frisch herge- stellten Blutpräparat, sondern auch in den Kapillargefässen be- obachten (68,5. 566—567). Golubew selbst glaubt allerdings Archiv £. mikrosk. Anat. Bd. 68. il 312 Friedrich Meves: auch irrtümlicher Weise, dass die Priorität seiner Entdeckung v. Recklinghausen zusteht. Mit Hayem (79), Bizzozero (82) und vielen anderen und im Gegensatz zu Löwit (84), Neumann (96), Arnold (98), E. Schwalbe (00), Riess (04), Helber (05) nehme ich an, dass die Spindelzellen des Amphibienblutes die Analoga derjenigen Elemente des Säugetierblutes sind, welche Bizzozero (82) als Blutplättchen bezeichnet hat: ich bezweifle, dass diese letzteren Zerfallsprodukte von roten Blutkörperchen oder Leukocyten darstellen. Untersuchungsmethode. Die Spindelzellen zeichnen sich bekanntlich vor den anderen zelligen Elementen des Blutes dadurch aus, dass sie ausserhalb der Gefässe ausserordentlich rasch Veränderungen eingehen, welche man gewöhnlich als Zerfall bezeichnet. In einem frisch eingedeckten Tropfen vom Blut des Feuersalamanders (Salamandra maculosa) sind sie nur in den ersten Augenblicken nach Herstellung des Präparates noch unverändert. Wir wissen, dass diese Veränderungen sich dureh Zusatz von sogenannten indifferenten Flüssigkeiten, wie Jodserum von M. Schultze und isotonischer Kochsalzlösung, eine zeit- lang hintanhalten bezw. stark verlangsamen lassen '). Ich habe 0,8°/oige Kochsalzlösung ”’) verwandt, deren Zusatz ich in folgender Weise bewerkstellige.. Ich schneide einem Salamander die Schwanzspitze ab und spüle den blutenden Stumpf kurz in einem Gefäss mit 0,8°/oiger Kochsalzlösung ab. Die Lösung. welche der Wundfläche nach dem Herausziehen des Stumpfes an- haften bleibt, vermischt sich sofort mit dem vorquellenden Blut und wird mit diesem zusammen auf einen Objektträger abgetupft und eingedeckt. !) Die Methodik der Kochsalzuntersuchung ist bekanntlich von Dekhuyzen soweit ausgebildet worden, dass es gelingt, sämtliche Blut- zellen vom Frosch Wochen hindurch lebend zu erhalten. Herr Prof. Dekhuyzen hat mich im Herbst 1904 in Utrecht in seinem Laboratorium aufs freundlichste aufgenommen und mir die Kenntnis seiner Technik in liebenswürdigster Weise vermittelt; ich spreche ihm dafür meinen herzlichsten Dank aus. ?2) Nach brieflicher Mitteilung von Dekhuyzen hat das Blut von Salamandra maculosa einen Gefrierpunkt von — 0,479°, ist demnach mit rund 0,8°/o NaCl isotonisch. Thrombocyten des Salamanderblutes. 313 Um die Spindelzellen im unveränderten Zustand zu fixieren, kann man dem Blut verschiedene Mittel zusetzen. Hayem ‚empfiehlt Pacinische Flüssigkeit und Osmiumsäure. Gute Fixierung und gleichzeitige Färbung kann man durch das vorn Dekhuyzen (9, S. 90) angegebene Osmium-Essigsäuregemisch erzielen, welches 6°/o kalt gesättigte, wässerige Methylenblau- lösung (und etwas Säurefuchsin) enthält; Fig. 16 ist nach einem mit diesem Gemisch behandelten Präparat gezeichnet. An getrockneten Ausstrichpräparaten von Salamanderblut haben die Spindelzellen stets mehr oder weniger stark gelitten (vergl. auch Neumann 96, S. 252). Um Balsampräparate gut er- haltener Spindelzellen zu gewinnen, habe ich Blut auf dem Objektträger durch eine Schleuderbewegung ausgebreitet und diesen sofort in ein mit Fixierungsflüssigkeit (siehe unten) ge- fülltes Glas hineingebracht. Auf diese Weise sind die den Figg. 17, 29 und 30 zugrunde liegenden Präparate hergestellt. Die Veränderungen, welche an den Spindelzellen und in ihrer Umgebung im extravasierten Blut auftreten, habe ich teils an frischen, mit Paraffıin umrandeten, teils an fixierten Präparaten studiert. Letztere gewinne ich in der Weise, dass ich etwas Blut in nicht zu dünner Schicht auf einem Objektträger ausstreiche und diesen sofort in eine feuchte Kammer bringe, in welcher ich ihn verschieden lange Zeit (ein paar Minuten bis zu mehreren Stunden) sich selbst überlasse.. Dann stecke ich ihn in Fixierungs- flüssigkeit, nachdem ich ihn vorher eventuell ein paar Mal in der Luft umhergeschwenkt habe, damit die Ränder der geronnenen Blutschicht leicht antrocknen. Im einzelnen habe ich zur Technik dieser Untersuchung noch folgendes zu bemerken: In die feuchte Kammer bringe ich nicht Wasser, sondern 0,8°/oige, mit dem Blut isotonische Kochsalzlösung, welche den gleichen Dampfdruck hat wie dieses. Nimmt man Wasser, so muss das Blut Wasserdampf anziehen und absorbieren. Böttcher (Virchows Arch., Bd. 35, 1866, S. 1283—129) teilt mit, dass die roten Blutkörperchen bei längerem Aufenthalt in der mit Wasser beschickten feuchten Kammer zerstört werden. Als feuchte Kammer habe ich zuerst eine Glasglocke ver- ‚wandt, welche innen mit Fliesspapier ausgeschlagen war. Da aber nach dem Wiederaufsetzen der abgehobenen Glasglocke 21* 314 Friedrich Meves: immer einige Zeit vergehen muss, bis der Luftraum mit Feuchtig- keit gesättigt. ist, habe ich mich später auch folgender Ein- richtung bedient. Ein Blechkasten (Textfigur a) von 14 cm Länge, 7!/s cm Breite und 5!/s cm Höhe trägt an einer der beiden langen Seitenwände eine dicke Metallplatte angelötet. Seitenwand und Metallplatte werden in halber Höhe des Kastens von einem horizontalen, 8'/z cm langen, ca. 4 mm hohen Spalt durchsetzt. In diesen ist ein Metallbalken (mit Hilfe von Vaselin luftdicht) eingepasst, der eine horizontal stehende kreisförmige Scheibe trägt. Metallbalken und Scheibe sind um eine durch ihre Mitte gehende senkrechte Achse drehbar. Der Kasten, welcher oben often ist, wird, nachdem 0,8°/oige Kochsalzlösung bis zu ca. 1 cm Höhe hineingefüllt ist, durch eine Glasplatte mit Hilfe von Vaselin luftdicht geschlossen und ist dann, sobald Sättigung im Innern eingetreten ist, zur Verwendung fertig. Man legt den mit frisch ausgestrichener Blutschicht bedeckten Objektträger (ich benutze solche von Giessener Format) auf die ausserhalb des Kastens befindliche Hälfte der Scheibe und bringt diese dann mitsamt dem Objektträger durch eine Drehung um 180° in das dampfgesättigte Innere hinein. Die ganze Manipulation lässt sich sehr schnell vornehmen. Der Luftwechsel ist unter diesen Um- ständen sehr gering. Als Fixierungsflüssigkeit habe ich vorwiegend entweder 1°/oige Sublimatlösung oder Flemmingsche Chromosmium- essigsäure, letztere meistens in Form des sogenannten schwachen Gemisches?), beide mit Zusatz von 1 °/o Kochsalz, benutzt. 'ı) 1°/oige Chromsäure 25 ccm, 1°/oige Osmiumsäure 10 ccm, 1°/oige Essigsäure 10 cem, dest. Wasser 55 ccm. Thrombocyten des Salamanderblutes. 315 Auf die Sublimatfixierung liess ich meistens eine Färbung mit Ehrlich-Biondischer Lösung folgen; nach Fixierung mit Flemmingschem Gemisch habe ich eine Doppelfärbung mit Safranin und verdünntem Delafieldschen Haematoxylin oder die Flemmingsche Dreifachbehandlung (Safranin-Gentiana-Orange) angewandt.') Die mit Chromosmiumessigsäure fixierten Präparate über- trage ich nach der Färbung und Entwässerung in absolutem Al- kohol aus diesem nicht sofort in Xylol, sondern vorher in ein Gemisch von absolutem Alkohol und Xylol zu gleichen Teilen; auf diese Weise werden Zerreissungen der fixierten Blutschicht, welche sonst auftreten, verhindert. Ein Vergleich der Figuren auf Tafel 22, welche frische Objekte betreffen, mit den bei gleicher Vergrösserung nach Sublimat- präparaten gezeichneten Figuren 17 bis 28 auf Tafel 23 lehrt, dass die Sublimatlösung eine stark schrumpfende Wirkung aus- übt, im übrigen aber den Naturzustand ziemlich getreu konser- viert; während das Flemmingsche Gemisch (Tafel 24 und 25) meistens eine Quellung der Protoplasmafortsätze bewirkt, die im extravasierten Blut an den Spindelzellen auftreten. Die unveränderten Thrombocyten. Form. Die unveränderten Thrombocyten (bezw. die- jenigen des zirkulierenden Blutes) sind beim Salamander ebenso wie beim Frosch entweder spindelförmig oder auch keulen- bezw. mandelförmig. Wenn man sie um ihre Längsachse rotieren sieht, bemerkt man, dass der Querdurchmesser abwechselnd länger und kürzer erscheint; woraus hervorgeht, dass sie auf einem Querschnitt abgeplattet sein müssen. Überein- stimmende Angaben bezüglich der Form der Froschspindelzellen finden sich bei Hayem (79, S. 203), Bizzozero (82, S. 325), Eberth (87, S.41), Eberth und Schimmelbusch (88, S. 71), !) Bei der Safranin-Haematoxylin-Doppelfärbung verfuhr ich in der Weise, dass ich die Präparate zuerst für ca. 24 Stunden in eine 1°/oige wässerige Safraninlösung hineinbrachte, dann mit neutralem Alkohol extrahierte und schliesslich ca. 6 bis 12 Stunden mit stark verdünntem Delafieldschen Haematoxylin nachfärbte. Die Flemmingsche Dreifachbehandlung habe ich im wesentlichen nach der von Flemming gegebenen Vorschrift aus- geführt. 316 Friedrich Meves: Dekhuyzen (92, S. 97), Neumann (96, S. 235), Giglio-Tos (98, S 159). | Zellsubstanz. Die relativ spärlich vorhandene Zellsub- stanz finde ich in Übereinstimmung mit den meisten Untersuchern und im Gegensatz zu Vulpian (77, S. 1280/81), Hayem (79, S. 241), und Marquis (92, S. 64—67) stets haeımoglobinlos. Was ihren Bau anlangt, so ist sie nach einigen Autoren (z. BB. Neumann 96, S. 242) gänzlich, nach anderen (Hayem (79, S. 206), Eberth (87, 8.41 und44), Eberth und Schimmel- busch (88, S.7)), „fast“ homogen. Bizzozero (82, S. 325) bezeichnet sie als feinkörnig, Dekhuyzen (92, S. 98) als „fein- körnig-feinfaserig mit konzentrischem Verlauf der Fibrillen.“ Nach Giglio-Tos (98, S. 161) lässt sie an erhitzten Trocken- präparaten, welche mit Methylenblau BX gefärbt und in Glyzerin eingeschlossen sind, zwei Bestandteile erkennen, eine blau gefärbte Filarmasse und rötlich tingierte Granula, welche die Maschen der Filarmasse einehmen. Ich selbst sehe an den lebenden, ohne jeden Zusatz unter- suchten Zellen im Cytoplasma eine verwaschene Zeichnung, die ebenso gut einem feinkörnigen wie einem Fadenbau entsprechen könnte (Fig. 1—3). Nach Sublimatfixierung erscheint die Zell- substanz homogen (Fig. 17). Auch an den mit Flemming schem Gemisch behandelten Präparaten lässt sie von einem Fadenbau nichts erkennen, weist vielmehr ein undeutlich körniges Aussehen auf, welches ich in den Figg. 29 und 30 wiederzugeben versucht habe, und ist nicht selten an einem oder auch an beiden Polen des Kernes stärker verdichtet. Das Cytoplasma der lebend untersuchten Zellen zeigt häufig stark liehtbrechende Kügelehen, welche meistens an den Polen des Kerns in nächster Nähe desselben liegen. Nach Hayem (79), welcher sie zuerst.bei Rana temporaria aufgefunden hat, kommen hier ein bis vier derartige Kügelchen vor; bei Salamandra sind sie zuweilen noch zahlreicher vorhanden. , Cytocentren. Eisen (97) und Giglio-Tos (98) haben neuerdings „Centrosomen“ im Cytoplasma der Spindelzellen beschrieben. pe Hierzu möchte ich zunächst bemerken, dass meiner Meinung nach die Existenz von Centrosomen in den Spindelzellen. über- Thrombocyten des Salamanderblutes. 317. haupt nicht in Frage kommen kann, sondern nur diejenige von Centriolen; vergl. hierzu: Fr. Meves, über die Frage, ob die Centrosomen Boveris als allgemeine und dauernde Zellorgane aufzufassen sind, Verh. d. anat. Ges. in Halle a. S., 1902. Eisen will „Centrosomen“ bei Batrachoseps, einem in Kali- fornien häufigen Batrachier, im allgemeinen an beiden Kernpolen gefunden haben; sie sind nach ihm hier von einer Reihe ver- schiedenartiger Cytoplasmahüllen umgeben. Ich habe Gelegenheit gehabt, Präparate Eisens einzusehen und zu konstatieren, dass sie mit den von ihm gegebenen Ab- bildungen in Übereinstimmung sind, habe aber keine Sicherheit gewinnen können, dass die fraglichen Körnchen Üytocentren bez. Centriolen darstellen. Wenn solche tatsächlich, wie Eisen annimmt, an beiden Kernpolen vorkommen sollten, so müsste dies als auffällig bezeichnet werden; denn wir wissen, dass, wo sonst Centriolen in der ruhenden Zelle in grösserer Zahl vorhanden sind, sie sich meistens an einer Stelle zusammen- gruppieren!). Auch Giglio-Tos (98, S.195 u f.) hat mich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass er Centrosomen bezw. Centriolen vor sich gehabt hat. Diese präsentieren sich fast ausnahmslos als Doppelkörnchen; die von Giglio-Tos durch Methylen- blaufärbung dargestellten „Centrosomen“ der Spindelzellen da- gegen sind in den meisten Fällen nur in der Einzahl vorhanden. Die von diesem Autor beobachtete schwache Strahlung aber kann als Beweis für die Cytocentrennatur der fraglichen Körnchen nicht verwertet werden, da eine ebensolche Strahlung sich nach ihm auch um Fremdkörper herum findet. Ich selbst habe versucht mit Hilfe der Flemmingschen Dreifachbehandlung (Safranin-Gentiana-Orange) und der M. Heidenhainschen Eisenhämatoxylinmethode Centriolen in den Spindelzellen des Salamanders aufzufinden, habe aber bisher keinen Erfolg gehabt. Plasmocyten. Eisen hat in seiner erwähnten Arbeit (97) beschrieben, dass die polaren Teile des Protoplasmas (mit den in !) Vergl. die Befunde über Centriolengruppen in Riesenzellen (M. Heidenhain, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43. 1894; Fr. Meves, Ebenda, Bd. 45, 1895; J. Broman, Anat. Anz., Bd. 17, 1900). 318 Friedrich Meves: ihnen enthaltenen „Centrosomen“) sich von den Spindelzellen abschnüren und neue morphologische Elemente bilden können, welche er als Plasmocyten bezeichnet. Von diesen Plasmocyten hat Giglio-Tos anfänglich (97) behauptet, dass sie grösstenteils Spindelzellen, vielleicht auch Junge Lymphocyten seien, deren Kerne sich infolge der von Eisen angewandten Methode') bis zur Unkenntlichkeit verändert hätten. Später aber (98), nachdem Eisen ihm Präparate übersandt hatte, hat er diese Kritik als irrtümlich zurückgezogen und die Plas- mocyten für Körperchen besonderer Art erklärt, über deren Natur er hoffte sich demnächst bestimmt aussprechen zu können. Eine weitere Äusserung von Giglio-Tos zu diesem Gegenstand ist aber meines Wissens nicht erfolgt. Ich für meine Person muss es für ausgeschlossen erklären, dass solche Plasmocyten, wie sie Eisen beschreibt, im zirkulierenden Salamanderblut vorkommen; dagegen dürften sie bei der Her- stellung eines Blutpräparats auf artefiziellem Wege leicht folgender- massen entstehen können. Unmittelbar nachdem man einen frischen Bluttropfen eingedeckt hat, bemerkt man, wie bereits Hayem (719, 8.204) angibt, dass die Spindelzellen eine eigentüm- liche Viscositöt annehmen; „on les voit s’accrocher au verre, et comme ils sont tr&s extensibles, le courant sanguin leur fait prendre, des qu’ils sont fixes en un point, une forme allongee souvent d&esmesurde.“ Besonders dann, wenn man einen Blut- tropfen ausstreicht, wird es leicht passieren können, dass von einer solchen am Glas angeklebten Spindelzelle ein Stückchen Protoplasma abreisst. Jedenfalls finde ich in meinen Ausstrich- präparaten nicht selten kleine, völlig isolierte Protoplasma- klümpchen (ein solches ist in Fig. 41 nach Fixierung mit Flemmingschem Gemisch dargestellt), von denen ich auf Grund eines später zu schildernden Kennzeichens behaupten kann, dass sie höchstwahrscheinlich von einer Spindelzelle abstammen. Kern. Die Form des Kerns wird übereinstimmend als länglich oval beschrieben. Nur Macallum (91, S. 242) gibt an, dass der Kern in den Spindelzellen von Necturus in einigen !) Deckglaspräparate, die an der Luft 12 Stunden hindurch getrocknet und hierauf in Alkohol fixiert wurden ; Färbung mit Toluidinblau, Methylenblau- Eosin und Ehrlich-Biondischer Lösung. Thrombocyten des Salamanderblutes. 319 Fällen gelappt sein kann; die Lappung kann soweit gehen, dass mehrere kleine kugelige Kerne vorhanden sind. | Was die Strukturverhältnisse des Thromboecyten- kerns anlangt, so beschreibt Hayem (79, S. 206), dass der Kern der in Jodserum untersuchten Spindelzellen des Froschbluts feine Körner zeigt, welche ziemlich regelmässig in der Weise an- geordnet sind, dass der Anschein von Längsstreifen entsteht. Nach Fixierung in Sublimatgemischen konstatiert man (S. 208), dass ‚die Körner peripher gelegen und kommaähnlich sind; ihre An- ‘ordnung an derartigen Präparaten ruft bald den Eindruck einer ‚Längsstreifung, bald denjenigen einer Querstreifung hervor. Bizzozero (82, Taf. V, Fig. 14a) bildet zwei Spindelzellen des Frosches ab, deren Kern zwei parallel, dicht nebeneinander verlaufende Längslinien zeigt. Im Text habe ich eine auf die Längslinien bezügliche Bemerkung nicht finden können. Löwit (83, S. 396 u. 85, $. 88) sagt, dass die Spindelzellen hinsicht- lich der Struktur ihres Kernes vollständig mit den weissen Blutkörperchen übereinstimmen. Nach Eberth (87, S. 43) beobachtet man an Osmiumsäure- Präparaten an den Kernen der Spindeln mitunter einen leicht gewundenen Längsstreifen. „Wahrscheinlich rührt derselbe von einer Art Faltung der Kernwand oder geschrumpfter Kernsubstanz her.“ Der Kern lässt ausserdem einige glänzende Körner er- kennen, von denen ein mehr rundliches wohl als Kernkörperchen anzusehen ist. An gefärbten Trockenpräparaten zeigt der „länglich runde, nur da und dort leicht eingekerbte* Kern ein Chromatingerüst, welches unregelmässiger und schwächer ausgebildet ist als bei den farblosen Blutköperchen. Man erkennt nur 1—2 rundliche, intensiver gefärbte Körner, die Nucleolen und einige unregel- mässige Klümpchen und Fädchen, die da und dort wohl zusammen- hängen, aber nirgends ein so vollständiges Netzwerk bilden, wie man es an den Leukocyten und roten Blutscheiben findet. Eberth und Schimmelbusch (88, S. 77) erwähnen von dem Kern in den Spindelzellen von Triton cristatus, dass er sich bei Zusatz von verdünnter Essigsäure etwas authellt und dass an der Innenfläche seiner Wand ein glänzender Belag in Gestalt eines schmalen sichelföürmigen Saums oder hellen Streifens erscheint. 320 Friedrich Meves: Mondino und Sala (88) und Mondino (ebenfalls 88) geben an, dass die Kerne der Spindelzellen sich mittels eines „kinetischen Prozesses“ teilen, welcher, wenn auch von sehr eigentümlicher Art, einer Mitose ähnlich sei. — Es scheint, dass diese Autoren die Längsstreifen von Hayem und Eberth, welche mit den gleich zu erwähnenden Mitochromen Dekhuyzens identisch sind, für Chromosomen angesehen haben. Nach H. F. Müller (89, S. 32) zeigen die Kerne der Soihdelzälen in ihrem Innern ein System feiner, stellenweise etwas dickerer, feinzackig be- grenzter Stränge als ein feinstes auch bei der stärksten Vergrösserung nicht sicher aufzulösendes Netzwerk. Die Stränge und das Netz färben sich in Safranin; bei weniger starken Vergrösserungen sieht man die Substanz zwischen den Strängen in toto leicht rot gefärbt, was nur der Feinheit des Netzes zuzuschreiben ist, während bei starken Vergrösserungen die Kern- grundsubstanz deutlich ungefärbt erscheint. So verhält es sich immer an gut gelungenen Präparaten. Gröbere Anhäufungen von Chromatin in Form vom Klumpen sieht man nur, wenn veränderte stark gequollene Kerne vorliegen. Luzet (91) findet bei der Taube im Kem der Spindelzellen ein Chromatinnetz, dessen Fäden regelmässige rautenförmige Maschen begrenzen. Die Knotenpunkte, von denen die Fäden ausgehen, sind ziemlich voluminös; die Fäden verdünnen sich bis zu ihrer Mitte, um dann wieder bis zum be- nachbarten Knotenpunkt an Dicke zuzunehmen. Nach Macallum (91 S. 242) ist der Kern der Spindelzellen von Necturus entweder homogen oder grob reticuliert Dekhuyzen (92, S. 98) beschreibt an den Spindelzellen des Froschbluts als am meisten charakteristisches Merkmal (,„Leit- merkmal“) die von ihm sog. Mitochromen, streifen- und schleifen- förmige Chromatinansammlungen, welche gewöhnlich in der Längsdimension des Kerns verlaufen. Sie scheinen zu der Membran in Beziehung zu stehen, insofern sie derselben anzuliegen pflegen. „Öfters verlaufen zwei Mitochromen über längere Strecken parallel und weichen auf einmal auseinander, indem sich ein neues schleifenförmiges Mitochrom in die von den beiden gebildeten Winkel einschiebt, welches dann wieder parallel verläuft mit den Enden der beiden ersten.“ „Es sieht so aus,“ fährt Dekhuyzen fort, „als ob auf dem Kern eine sich verzweigende Rinne vor- handen ist, welche von Chromatinfäden begrenzt wird.“ Man findet nach Dekhuyzen Bilder, welche zu Gunsten der Auf- fassung sprechen, dass es sich bei den Mitochromen um‘ Chro- mosomen handelt, welche im ruhenden Kern persistieren, d. h. kontrahiert geblieben sind. Neumann (96, S. 241) hält den Längsstreifen an den Kernen der Spindelzellen des Froschblutes für einen durch seine Thromboeyten des Salamanderblutes. 321 Dicke ausgezeichneten Balken eines im Innern des Kerns befind- lichen Chromatingerüstes; Präparate aus Pacini-Hayemscher Flüssigkeit, mit einer essigsauren Vesuvinlösung gefärbt, liessen erkennen, dass von dem axialen (übrigens meist nach dem Rande des Kerns. verschobenen) Balken zarte Chromatinfäden ausstrahlen, die mehrfach sich untereinander verbindend ein feines Netzwerk mit schmalen langen Maschen bilden; im Verlaufe dieser Fäden und an den Knotenpunkten des Netzes sind Verdickungen kaum wahrnehmbar; der erwähnte dickere Längsbalken, der zuweilen noch aus zwei parallelen,'nebeneinander gelagerten Fäden zusammen- gesetzt erschien, und die ebenfalls longitudinal ausgezogenen Maschen geben dem Retikulum ein einigermaßen charakteristisches Aussehen anderen Kernformationen gegenüber. „Am meisten‘ sagt Neumann, „dürfte die von Dekhuyzen gegebene Beschreibung mit meiner Beobachtung zusammentreffen, weniger die Angaben von Luzet, Löwit und H. F. Müller.“ Nach Giglio-Tos (98, S 154—155) sind die Mitochromen Chromatinmassen von Strang- oder Bandform, welche in der Mehrzahl der Fälle mit unregelmässigen Verdickungen besetzt sind; sie durchziehen den Kern der ausgewachsenen Thrombo- cyten entweder in der Längsrichtung oder schräg, zuweilen, aber nur selten, auch quer. Häufig sind zwei solcher Chromatinstränge vorhanden, welche parallel mit einander verlaufen; die inneren Ränder beider Stränge sind stets sehr deutlich und durch eine dazwischen eingelagerte schmale Schicht von Kernsaft getrennt, welche gewöhnlich schwächer gefärbt ist als der Rest und deshalb heller erscheint. Es gibt Fälle, in denen diese Anordnung so stark in die Augen springt, dass es auf den ersten Blick scheint, als sei der Kern in zwei Teile geteilt; jedoch überzeugt man sich leicht davon, dass dies eben nur Schein ist. Andere Male sind die Mitochromen nicht so lang und regel- mässig, aber zahlreicher und kürzer und deshalb weniger - auf- fallend. Dann sind sie häufig ganz schräg oder fast quer angeordnet. Nicht alles Kernchromatin wird durch diese charakteristischen Mitochromen repräsentiert. Daneben sind nach Giglio-Tos immer noch andere, im allgemeinen grosse Chromatinmassen vorhanden, die vom Kernsaft manchmal nur wenig abstechen, weil auch dieser sich ziemlich stark färbt; sie sind entweder rund oder 322 Friedrich Meves: von unregelmässiger Form, entweder im Kern verstreut oder der Membran desselben angelagert, einander benachbart oder mit- einander verschmolzen. Viele von ihnen sind durch dicke Chromatinfäden unter einander oder auch mit den Mitochromen verbunden oder auch den letzteren so stark genähert, dass sie mit ihnen verschmelzen. Was die «Bedeutung der Mitochromen anlangt, so hält Giglio-Tos sie nicht für Chromosomen (Mondino und Sala, Dekhuyzen), sondern meint, dass es sich um eine besondere Anordnungsweise des Chromatins handelt, welche unter unbekanntem Einfluss zustande kommt. Meine eigenen Beobachtungen an den durch ihre (Grösse ausgezeichneten Thrombocyten des Salamanders haben mir ergeben, dass die sogenannten Mitochromen nicht, wie Dek- huyzen, Neumann und Giglio-Tos annehmen, im Innern des Kerns verlaufende Chromatinstränge sind. Es handelt sich vielmehr um spaltförmige Einsenkungen der Kernmem- bran, wie bei Salamandra schon am frischen Präparat (Fig. 1—3) zu sehen ist. Fixierte und gefärbte Präparate zeigen, dass die Innenseite der Kernmembran mit einer fast ununterbrochenen Chromatinlage bedeckt ist (vergleiche auch die oben zitierte Beobachtung, welche ' Eberth und Schimmelbusch bei Zusatz von verdünnter Essigsäure gemacht haben). Daher erhält man, wenn man auf eine spaltförmige Einsenkung der Kernmembran einstellt, das Bild eines Chromatinbalkens, der aus zwei Parallelfäden zusammen- gesetzt erscheint (Fig. 16, 17, 29, 30). Der Zwischenraum zwischen den beiden Fäden wird nicht, wie Giglio-Tos meint, von Kernsaft, sondern von Zellsubstanz eingenommen ; dass er am gefärbten Präparat heller erscheint als das Kern- innere, kann demnach nicht wunder nehmen. Ähnliche spaltförmige Einfaltungen der Oberfläche sind bei anderen Kernen vielfach beobachtet. Flemming!) hat sie an den Kernen des Epithels und der Leydigschen Drüsenzellen in der Haut der Salamanderlarve beschrieben, ich selbst?) fand !) W. Flemming: Zellsubstanz, Kern und Zellteilung Leipzig 1882, S. 95. ?) Fr. Meves: Über eine Metamorphose der Attraktionssphäre in den Spermatogonien vonSalamandra maculosa. Arch.f. mikr.Anat. Bd. 44,1895,S.164. Thrombocyten des Salamanderblutes. 323 sie an den Kernen der Spermatogonien und der sogenannten Follikelzellen im Hoden und Ovarium des erwachsenen Tieres; bekanntist ferner ihr Vorkommen an den Kernen der Sertolischen Zellen des Säugetierhodens. Was über den Verlauf der Einfaltungen am Kern der Spindelzellen zu sagen ist, deckt sich im wesentlichen mit dem, was Dekhuyzen und Giglio-Tos mit Bezug auf die „Mito- chromen“ beschrieben haben; ihre Zahl scheint bei Salamandra meistens grösser zu sein als bei Rana. Im Innern des Thrombocytenkerns finde ich an den fixierten und gefärbten Präparaten keine gröberen Chromatinbrocken, wie Giglio-Tos, sondern zahlreiche feine Uhromatinkörnchen; von diesen wird man auf Grund unserer sonstigen Kenntnisse vom Bau des Kerns annehmen dürfen, dass sie in den Strängen eines (an meinen Präparaten nicht zur Darstellung gebrachten) Linin- gerüstes gelegen sind. Von dem Hayemschen „Längsstreifen‘“ am Kern der Frosch- spindelzellen hat Eberth bereits 1858 ausgesprochen, dass er wahrscheinlich ‚von einer Art Faltung der Kernwand oder geschrumpfter Kernsubstanz“ herrühre. In diesen Worten scheint allerdings zu liegen, was sicher nicht zutreffend ist, dass es sich nach Eberths Meinung um ein Kunstprodukt handelt. — Auch Dekhuyzen ist stellenweise nahe daran gewesen, die Natur der „Mitochromen“ richtig zu erkennen, wie einige oben reproduzierte Wendungen seiner Beschreibung zeigen. Nucleolen sind in der Regel nicht zu sehen, können aber, wie Hayem (79, S. 210) bereits erwähnt, durch Osmium- säure dargestellt werden; diese ist bekanntlich ein sehr geeignetes Mittel für den Nachweis von Nucleolen (vergl. W.Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zellteilung, 1882, S. 141). Die Annahme Neumanns (96, S. 241), dass die bei der Einwirkung der Os- miumsäure auftretenden Nucleolen Kunstprodukte seien, kann ich nicht für gerechtfertigt halten. Gestaltsveränderungen der Thrombocyten im extra- vasierten Blut. Golubew (68, S. 568) konstatiert bereits, dass die Spindel- zellen, die aus frisch abgelassenen Blut gewonnen sind, kürzer und dicker werden und sich zuletzt in Kugeln verwandeln, von 324 Friedrich Meves: denen er sagt, dass sie sich garnicht von den sogenannten „freien Kernen“ unterscheiden. Einige von diesen Kugeln bekommen später einen hyalinen Hof. Die erste eingehende Schilderung von dem Verhalten der Spindelzellen im extravasierten Blut von Frosch und Triton hat Stricker (77, S. 10 u. folg.) gegeben. Die folgende Darstellung bezieht sich auf Triton. Stricker schreibt: „Da der Leib der ... Zellen amöboid ist, so variiert seine äussere Begrenzung, wie auch die Verteilung seiner Masse rings um den Kern. Nicht selten scheint diese auf viele Zacken oder Höcker, oder auf einige äusserst dünne wie zerrissen aussehende Anhängsel reduziert zu sein. Andere male scheint der Kern in einem Teile seiner Zirkumferenz nackt und nur an einer oder der anderen Stelle mit einem aufgelagerten Klümpchen Protoplasma versehen zu sein. Während der Zelleib seine Veränderungen durchmacht, bleibt indessen auch der Kern nicht ruhig. Er ändert seine Gestalt; er ist bald kugelig, bald elliptisch, bald wieder unregelmässig geformt. Vollends sein inneres Gerüste ist an ganz frischen Präparaten in einer ununterbrochenen Bewegung begriffen.‘ Das weitere Verhalten des Kerns führt Stricker zu einem Resultat, welches er besonders durch seine Beobachtungen an Leukocyten bestätigt findet: dass der Kern kein persistentes Formelement, sondern ein vorübergehend abgekapselter Teil des Zelleibes sei. Wenn man sorgfältig auf die Konturen der Kernhülle achtet, so merkt man nach Stricker, dass sie ab und zu in gewissen Ebenen unterbrochen ist, und das Innengerüste kontinuierlich in den Zelleib übergeht. Bei weiterer Beobachtung wird dieses Verhältnis noch prägnanter. „Die Kernhülle wird bald in einer grösseren Ausdehnung durchbrochen, und nunmehr stehen Kerngerüste und Zelleib in offener Verbindung. Die Kern- "hülle ist auf ein Drittel oder auf die Hälfte ihres früheren Umfanges reduziert und sitzt jetzt eigentlich nur wie eine unvollständige Kapsel auf einem amöboiden Klümpchen, etwa wie das Schneckenhaus auf der frei herum- kriechenden Schnecke. In der Mehrzahl der Fälle gestaltet sich das Verhältnis so, dass die Kernhülle in zwei oder mehr Stücke zerreisst, zumeist in ein grösseres und ein kleineres Stück, sodass der bewegliche Zelleib zwei ungleich grosse ’Kapselhälften trägt, etwa wie wenn die kriechende- Schnecke auch am Kopfe ein’ Hütchen aufhätte‘“. Thrombocyten des Salamanderblutes. 325 Ebensolche Zellen wie diejenigen, an welchen. Stricker die geschilderten Veränderungen beobachtet hat, kommen nach. ihm auch in Gruppen vor. Der Unterschied zwischen beiden besteht nur darin, dass hier je ein Kern und dort je viele Kerne von einem Zelleibe umgeben zu sein scheinen. Namentlich am Froschblut will Stricker sich schliesslich überzeugt haben, dass die Protoplasmazone der kugelig gewordenen Spindelzellen verschwinden kann, unter Umständen, die keine andere Annahme zulassen, als dass das Protoplasma sich in das Innere des Kerns zurückgezogen hat; die Spindelzellen haben sich in nackte Kerne umgewandelt. Hayem (79) schildert (S. 204) die Neigung der Spindel- zellen am Glas und aneinander anzukleben und beschreibt dann (S. 215 u. folg.) die Veränderungen, welche im Blut von Rana viridis an den Zellen eines Spindelhaufens vor sich gehen, der durch Verschmelzung von zirka zwölf Zellen gebildet ist. Die Oberfläche der Spindeln wird stachelich infolge einer Art Fältelung der Oberfläche und infolge der Bildung zahlreicher kurzer Fortsätze. Bald scheinen die Zellen gegen einander anzudrängen, sie werden polyedrisch; der Haufen gleicht einer Art vielkerniger Platte oder einer Gruppe von Pflasterepithelien, die mit Zacken oder Stacheln versehen sind. Ausser den Fortsätzen. deren Anordnung von einem Augenblick zum andern wechselt, sieht man am Rande des Haufens durchsichtige Bläschen auftreten, welche erblassen und dann verschwinden; sie scheinen anzuzeigen, dass ein Teil des Protoplasmas sich in der Blutflüssigkeit löst. Diese ersten Veränderungen haben zur Folge, dass das Protoplasma der Spindelzellen durchscheinender wird und der Kern sehr deutlich hervortritt. Später suchen die Zellen sich immer inniger aneinander zu lagern, sodass sie nach Ablauf einer verschieden langen Zeit (einige Minuten bis zu einer halben Stunde) eine einzige verschwommene Masse bilden. Am Rand dieser Massen bemerkt man protoplasmatische Verlängerungen, ferner Knospen, welche sich gewissermassen durch Segmentierung von der Haupt- masse abtrennen, und schliesslich mehr oder weniger voluminöse Bläschen. Die Kerne, welche zuerst sehr deutlich sind, werden, nachdem sie sich deformiert haben, trübe und leicht grau aus- sehen; eine Anzahl von ihnen fragmentiert sich, einige verschwinden sogar ganz. 326 Friedrich Meves: Nach Ablauf von Y/a—?/s Stunden, zuweilen früher, treten in den Haufen stark lichtbrechende Körperchen auf, welche zuerst wenig zahlreich sind, in der Folge aber immer reichlicher werden. Einige von ihnen zeigen ein zentrales Loch, sind also ringförmig; andere werden von mehreren Löchern (von sehr variablem, zuweilen sehr kleinem Durchmesser) durchbohrt. Man überzeugt sich leicht, dass sie von dem Kern der Spindelzellen abstammen. — Eine Anzahl der Spindelzellen, deren Protoplasma geschwunden oder äusserst durchsichtig geworden ist, scheint um diese Zeit bereits untergegangen zu sein; andere haben sich zu blassen, schlecht begrenzten Platten umgeformt. Nach Ablauf von 1!/.—2 Stunden hat die Desorganisation des Spindelzellhaufens bereits grosse Fortschritte gemacht. Die eben referierte Beschreibung ergänzt Hayem durch eine weitere ähnliche, welche das Verhalten eines Spindelzell- haufens im Blut von Rana temporaria betrifft, um schliesslich noch das Verhalten isolierter Spindelzellen desselben Tieres zu schildern. Eine isolierte Spindelzelle sieht man bei einer über mehrere Stunden ausgedehnten Beobachtung sich unaufhörlich unter Pro- duktion von hellen Knospen und Bläschen umgestalten. Der Kern scheint komprimiert zu werden; oft sieht er wie eingeschnürt aus, scheint sich zu teilen oder blasigen Bildungen Platz zu machen; oder auch er ist an das eine Ende des Körperchens zurückgedrängt und erscheint völlig frei; aber dies ist nur Schein ; nach Ablauf einiger Minuten findet er sich häufig von neuem im Innern der Zelle. Schliesslich erblasst die Spindelzelle mehr und mehr, wird unregelmässig, eckig und verschwommen. Hayem sagt: „D’apres les modifications successives que presente chaque hematoblaste isol&, on pourrait croire quil s’agit d’un corpuscule poreux qui reviendrait sur lui- meme et ferait sortir, par exosmose, une sorte de produit muqueux, tandis que le noyau comprime, etrangle, parfois fragmente, serait mis en quelque sorte en libert6. Mais ces apparences peuvent etre interpretdes egalement dans le sens de deformations compli- quedes ayant pour si6ge le disque m&me de l’hematoblaste dont. une partie s’6talerait en plaque mince, colloidale et festonnee.“ Die folgenden Untersucher, Bizzozero, Eberth, Eberth und Schimmelbusch, Macallum, Neumann, Deetjen, Thrombocyten des Salamanderblutes. 82% geben von den Veränderungen der Spindelzellen Darstellungen, welche im wesentlichen mit derjenigen Hayems übereinstimmen. Bizzozero (82, S. 326) beschreibt, dass die Spindelzellen wenige Augenblicke nach der Herstellung des Präparates verkleinert erscheinen; an ihrer Oberfläche treten mehrere kleine Halbkugeln hyaliner Substanz auf oder werden dünne Lamellen gleichfalls hyaliner Substanz ausgeschieden; die Form des Kerns wird mehr eine rundliche. Während dieser Alteration werden die Zellen sehr viscös und haften daher leicht an fremden Körpern, z.B. an dem Deckgläschen, oder sammeln sich zu grossen Haufen, in welchen sie dieselben Veränderungen wie im isolierten Zustand erleiden und mit einander verschmelzen. Wir haben dann eine Masse vor uns, die aus zahlreichen, aber undeutlichen Kernen und einer Substanz von körnigem Aussehen besteht, worin die Kerne eingebettet sind und welche an ihrer Peripherie nicht selten Tröpfehen oder Lamellen von körniger Substanz vorragen lässt. Nach Eberth (87, S. 43) bestehen die Veränderungen, welche eine Spindelzelle zwischen Objektträger und Deckgläschen eingeht, zunächst da- rin, dass Protoplasma und Kern aufquellen; der früher glatte Kontur wird unregelmässig, das Körperchen erscheint wie gezackt, sein äusserer Kontur verschwommen; das Protoplasma, wohl infolge der starken Quellung des Kerns reduziert, lässt alsbald an der Oberfläche eine Menge kleiner, leicht gestielter Körnchen erkennen, die sich alsbald ablösen, sodass der Zellkörper in eine Menge kleiner Körnchen sich aufzulösen scheint, bis schliesslich nur noch ein matter, etwas unregelmässiger Fleck, der Kern der Spindel, übrig bleibt. In ganz ähnlicher Weise wird das Verhalten isolierter Spindelzellen von Eberth und Schimmelbusch (88, S. 72) beschrieben. Dann heisst es weiter: „Liegen, wie das am häufigsten der Fall, drei, vier oder ein ganzes Häufchen von Spindeln zusammen, so verschmilzt das Protoplasma zu einer hellen bis feinkörnigen Masse. Die Kerne sind in dieser zunächst noch gut zu erkennen, und es dauert viel länger, bis sie einem erst grobkörnigen, später feinkörnigen Zerfall unterliegen.“ Nach Macallum (91, S.242) ist das Protoplasma der Spindelzellen von Necturus amöboid oder in Form feiner gerader Strahlen vorstreckbar, welche bei sorgfältiger Beobachtung zuweilen langsame vibrierende Bewegung erkennen lassen. In einer feuchten Kammer werden die vorher „reticulierten‘ Kerne homogen oder aber das Kernchromatin bildet eine dicke Schicht unter der kugelig gewordenen Kernmembran. Nunmehr kann ein Lappigwerden des Kerns eintreten (nach S. 244). Schliesslich zerlegt sich das ganze Körperchen in eine Anzahl von Kügelchen, deren Cytoplasmateile sich grösstenteils im Serum lösen. Neumann (96, S. 244) konnte folgendes mit Sicherheit beobachten: Das spindelförmige Körperchen zieht sich unter Verkürzung seines Längendurchmessers sehr bald zu einem kugligen oder etwas unregelmässigen Klümpchen zusammen und wird dabei zugleich etwas stärker glänzend; sein Aussehen gewinnt dadurch so sehr Ähnlichkeit mit den kleinsten, stets gleichzeitig im Präparate vorhandenen Leukocyten, dass es sehr schwierig oder selbst unmöglich ist, beide nunmehr zu unterscheiden. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 2 328 Friedrich Meves: Bereits nach einigen Minuten erscheint das Körperchen blasser und weniger scharf konturiert, nach kurzer Zeit treten sodann die Umrisse eines runden, etwas granulierten Kernes hervor und die umgebende Substanz erscheint als eine spärliche, hyaline Umhüllung des Kerns, an deren Peri- pherie kleinste, tropfenartige, ebenfalls hyaline Gebilde haften; auf dem wechselnden Spiel dieser den Rand bildenden Tröpfchen, die immer schnell wieder verschwinden und durch andere ersetzt werden, beruht die beständige Formänderung des Körperchen und die bald zentrale bald exzentrische Lage des Kerns, an welchem letzteren Neumann auch Einschnürungen gesehen hat. Ein vollständiges Freiwerden der Kerne (Stricker, Hayem) hat er nicht konstatieren können. Dass ein Zerfail der Kerne in den Zellen der Spindelhaufen zu Stande kommt, wie Eberth und Schimmelbusch angegeben haben, wird von Neumann in Abrede gestellt. Nach Deetjen (00) verlieren die Spindeln des Frosches, frisch unter- sucht, rasch ihre ovale Gestalt, indem sie rundlicher werden, und indem zu- gleich das Protoplasma, das anfangs scharf nach aussen abgegrenzt schien, jetzt in Form eines zarten Saumes mit unregelmässigen Rändern und kurzen Fortsätzen den grossen Kern umgibt. In dieser Form erhalten sich die Zellen meist einige Zeit, äusserlich wenig verändert, nur wird das Plasma blasser, der Kern glänzender nnd seine feine Zeichnung undeutlicher, ein Zeichen der fortschreitenden Degeneration. Nach etwa einer Stunde, oft auch schon früher, ist das Aussehen der Spindeln aber schon wesentlich anders, Oberflächlich betrachtet sieht man nur einen ganz homogenen glänzenden Körper, den Kernrest. Das Protoplasma ist erst bei genauerem Zusehen als eine zarte, von einem überaus feinem Kontur begrenzte, gequollene Scheibe, welche diese Kernsubstanz umgibt, zu erkennen. Einzelne Kern- partikelchen findet man bisweilen losgebröckelt vom Kern in diesem Proto- plasma liegen. Dekhuyzen (92 und 01) Deetjen (00) und Zieler (03) haben Veränderungen beschrieben, welche unter Bedingungen vor sich gingen, die geschaffen waren, um die Spindelzellen längere Zeit lebend zu erhalten. Dekhuyzen (92) hat an Spindelzellen, welche in 0,8°,oiger Koch- salzlösung suspendiert waren, amöboide Bewegungen wahrgenommen. Wenn Deetjen (00) Froschblut auf eine Agarschicht brachte, die Kochsalz und metaphosphorsaures Natron enthielt, beobachtete er an den Spindelzellen die gleichen Veränderungen, wie am frisch untersuchten Blut; jedoch behielt der Kern für lange Zeit seine „zarte“ Struktur und wurde nicht zu einer homogenen Masse umgewandelt; was nach Deetjen beweist, dass die Degeneration der Spindeln durch metaphosphorsaures Natron auf- gehalten wird. Dekhuyzen (01, 8. 537) schildert „agonale Erscheinungen“, die an den Spindelzellen des Frosches unter dem Einfluss einer 0,8°/oigen, besser einer hypotonischen Kochsalzlösung auftreten. Thrombocyten des Salamanderblutes. 329 Fängt man Froschblut im Becherglas in O,5"/oiger Kochsalzlösung auf und breitet einen Tropfen vom Bodensatze auf dem Öbjektträger aus, so fangen bald einige Spindelzellen an, eine Reihe von Veränderungen zu erleiden, welche in 3 bis 5 Minuten ablaufen. Im Bechergläschen erhalten sie sich länger. Als Reiz, welcher die Agone in Gang bringt, können der Transport in der Pipette und die unge- N wohnten Bedingungen (z. B. Erhitzung, 1) Ü) \" weil stets bei Gas mikroskopiert wurde) unter dem Deckglase in Betracht kommen. Eine glattrandige, ovale Fig. b. Spindelzelle fängt plötzlich an, sich zu „Agone“ eines Thrombocyten des Kontrahieren, wird kleiner und mehr Frosches in 0,5°/oigem NaCl. kugelig, dabei wird die Oberfläche Nach Dekhuyzen (01 S. 537). höckerig, das Plasma grünglänzend, d.h. stärker lichtbrechend, dann erscheint, etwa 80 Sekunden nach den ersten Veränderungen, ein äusserst blasskontu- rierter „Halo,“ der sich schnell ausdehnt und innerhalb dessen das den Kern umgebende ‚Plasma‘ Gestaltsveränderungen erleidet. Zieler (03) hat die von Dekhuyzen 1892 erwähnten „amöboiden Veränderungen‘, welche die Spindelzellen in 0,8°/oiger Kochsalzlösung zeigen, in detaillierterer Weise beschrieben; er fast dieselben als „spezifische Ab- sterbeerscheinungen“ auf. Meine eigenen Beobachtungen über die Veränderungen extravasierter Spindelzellen des Salamanders habe ich an frischem, ohne Zusätze eingedecktem Blut angestellt und durch fixierte Präparate, welche in der oben (S. 313—315) geschilderten Weise gewonnen waren, kontrolliert. Die Figg. 4a—f stellen sechs aufeinander folgende Stadien der Veränderung dar, welche an ein und derselben lebenden Zelle beobachtet sind. Auf dem zuerst gezeichneten Stadium 4a (fast unmittelbar nach Herstellung des Präparates) haben Zelleib und Kern sich bereits im Längsdurchmesser verkürzt. Diese Verkürzung geht sofort weiter. Die Zelloberfläche bedeckt sich mit zahlreichen kleinen halbkugeligen Vorragungen (Fig. 4b.) Gleich darauf (Fig. 4c) glätten die Einfaltungen der Kern- wand sich aus; an der Zelloberfläche treten grössere und zum Teil lappige Exkreszenzen auf. Diese erscheinen auf einem folgenden Stadium (Fig. 4d) an dem einen (in Fig. 4d obern) Pol der noch immer leicht ellipsoidischen Zelle in grösserer Zahl, während sie an der übrigen 22* 330 Friedrich Meves: Zelloberfläche mehr und mehr eingezogen werden. Der kugelig gewordene Kern begibt sich in eine exzentrische Lagerung; er entfernt sich von demjenigen Pol, an welchem die zahlreichen Protoplasmafortsätze aufgetreten sind, und verlagert sich an die gegenüberliegende Seite. Auf dem Stadium der Fig. 4e hat auch der Zelleib eine kugelige Form. Die Zelloberfläche geht noch immer deutlich erkenn- bar unter der Basis der Protoplasmafortsätze weg. An Zellen auf dem gleichen Stadium der Veränderung wie Figg. 4c—e, welche mit Sublimat fixiert und mit Ehrlich— Biondischer Lösung gefärbt sind (Figg. 18, 19), fällt sie sogar durch ihre starke Tinktion auf, welche an der ebenso behandelten unveränderten Zelle (Fig. 17) nicht vorhanden ist. Danach (Fig. 4f) treten schlankere Fortsätze auf, die offenbar neu ausgesandt werden. Sämtliche Fortsätze lassen nunmehr deutlich eine Zentrierung auf einen neben dem Kern liegenden Punkt erkennen. Die Zelloberfläche unter der Basis der Fort- sätze entzieht sich dem Blick. Das Stadium, welches sich an dasjenige der Fig. 4f anschliesst (zirka 15 Minuten nach Entnahme des Blutes) zeigt folgendes Bild (Fig. 5—12). Neben dem Kern liegt ein Cytoplasmaklümpchen, welches diesem oder auch zugleich der Oberfläche des Objektträgers anklebt und nach den übrigen Seiten zahlreiche radiär gestellte fadenförmige Fortsätze aussendet. Die meisten von ihnen sind an ihrem Ende leicht keulenförmig verdickt; andere, welche gewöhnlich länger sind, endigen zugespitzt. Neben den faden- förmigen Fortsätzen sind meistens noch mehr voluminöse vor- handen (Fig. 6—12), welche sich hauptsächlich nach der Seite hin erstrecken. Besonders diese letzteren zeigen fortwährende Formänderungen; einzelne von ihnen können sich als helle Bläschen abschnüren. Zuweilen sieht man auch ‚‚wie zerrissen aussehende Anhängsel‘ (Fig. 7 und 10). An der übrigen Peripherie ist der Kern entweder vollständig nackt oder teilweise oder ganz von einem hyalinen, hier und da eingebuchteten Protoplasmasaum umgeben, welcher, ebenso wie die plumpen Fortsätze, lebhaftere Bewegung zeigt. Fasst man die Konturen des Kerns ins Auge, so erkennt man, dass er seine Gestalt von dem Augenblick an, wo er sich Thrombocyten des Salamanderblutes. 881 abgerundet hat, weiter ununterbrochen ändert. Mit oder nach der Formierung des Üytoplasmaklümpchens treten häufig Knospungs- vorgänge an ihm auf; zwei oder auch drei kleine Knospen schnüren sich nacheinander oder auch gleichzeitig von ihm ab, und zwar konstant an der dem Cytoplasmaklümpchen zugekehrten Seite (Fig. 6, 7, 9, 14). Anderemale beobachtet man, dass sich der ganze Kern in eine Anzahl ungleich grosser Stücke frag- mentiert (Fig. 10 und 11). Spindelzellen auf dem zuletzt beschriebenen Stadium der Ver- änderung sind in den Figg. 21—26 nach Fixierung in Sublimat, in den Figg. 32— 37,39 und 40 nach Behandlung mit Flemmingschem Gemisch dargestellt. Über die Wirkungsweise der angewandten Reagentien vergl. S. 315. Fig. 20 zeigt einen nicht ganz selten vorkommenden Fall, in welchem sich zwei Cytoplasmaklümpchen an ‚zwei voneinander entfernten Stellen der Kernperipherie entwickelt haben. Knospungs- und Fragmentierungsvorgänge des Kerns in fixiertem Zustand sind in den Figg. 19, 22—28, 35, 40 und 46 zu sehen. Neues erfährt man an den fixierten und gefärbten Präparaten besonders bezüglich des Verhaltens des am frischen Objekt unsichtbaren Kernchromatins. Dieses bildet an der dem Cytoplasmaklümpehen zugekehrten Seite des Kerns regelmässig eine grössere kompakte Masse, unter der übrigen Kernoberfläche dagegen nach wie vor eine ununter- brochene Schicht von etwa der gleichen Dicke wie am Kern der unveränderten Zelle. Das Kerninnere enthält im übrigen wenig oder gar kein Chromatin mehr. Man wird daher annehmen dürfen, dass die grössere Chromatinmasse durch Zusammen- häufung der feinen Körnchen entstanden ist, welche im Kern der unveränderten Zelle verstreut sind. Mit der beschriebenen Anordnung des Chromatins hängt es offenbar zusammen, dass die Kernknospen, welche sich, wie erwähnt, stets von der dem Cytoplasmaklümpchen zugekehrten Seite abschnüren, ganz oder grösstenteills aus Chromatin bestehen. — In den Spindelzellhaufen verändern sich die einzelnen Zellen ebenso wie die isoliert liegenden: nach den Bildern, welche die in Sublimat fixierten Zellhaufen zeigen (Fig. 27 und 28), 332 Friedrich Meves: scheint ihr Protoplasma meistens nicht so vollständig zu ver- schmelzen, wie es nach dem frischen Objekt den Anschein hat. — Das zuletzt geschilderte Aussehen können die Spindelzellen im extravasculären Blut stundenlang beibehalten. Dann erst treten Erscheinungen auf, welche auf eingetretenen Tod hindeuten: Kern und Cytoplasma quellen und nehmen ein blasses, ver- schwommenes Aussehen an; die Cytoplasmafortsätze erleiden häufig einen körnigen Zerfall. Die Veränderungen dagegen, welche sich an den Spindel- zellen gleich nach dem Austritt des Blutes aus dem Körper abspielen, dürfen meines Erachtens nicht als Degenerations- oder Absterbeerscheinungen aufgefasst werden; ich sehe in ihnen viel- mehr Lebensvorgänge, welche der Ausdruck einer bestimmten funktionellen Tätigkeit sind, wenn sie auch den Untergang der Zelle im Gefolge haben. — Einen abnormen Verlauf scheint die Veränderung der Spindelzelle in dem in Fig. 38 abgebildeten Fall genommen zu haben; ähnliche Bilder habe ich in fixierten Präparaten wiederholt beobachtet. Der Kern ist stark vergrössert und rings von Protoplasma umgeben, welches lappige Exkreszenzen bildet. Man könnte zweifelhaft sein, ob hier wirklich eine veränderte Spindel- zelle und nicht vielleicht ein- Leukocyt vorliegt; die Diagnose Spindelzelle wird jedoch durch die nach allen Seiten hin abgehende feine Fibrinstrahlung (vergl. S. 340 u. folg.) gesichert. Zuweilen trifft man !/—!/s Stunde nach Herstellung des Präparates vereinzelte Zellen, welche ein Bild wie das in Fig. 13 gezeichnete darbieten. Der Kern ist gequollen und von einem hyalinen Hof (,‚Halo“) umgeben, das Cytoplasmaklümpchen dagegen anscheinend unverändert. Eine ebensolche Zelle nach Fixierung in Flemmingschem Gemisch ist in Fig. 42 dargestellt. Die Erscheinungen, welche sich hier abgespielt haben, deuten offen- bar auf vorzeitiges Absterben; sie sind mit den 1901 von Dekhuyzen geschilderten identisch, welche unter dem Einfluss einer isotonischen, besser einer hypotonischen Kochsalzlösung zu- stande kommen (vergl. S. 329 und Textfigur b). Von Dekhuyzen werden sie zutreffend als „agonale‘‘ bezeichnet. Ob es aber gerechtfertigt ist, ihnen, wie Dekhuyzen will, funktionelle Be- deutung beizulegen, möchte ich bezweifeln, weil sie im zusatz- freien Blut fast immer nur vereinzelt und relativ spät auftreten. Thrombocyten des Salamanderblutes. 333 Thrombocyten und Gerinnung. Über die feineren histologischen Vorgänge bei der Ge- rinnung existiert eine erosse Literatur; soweit sie sich auf Säugetierblut bezieht, kann hier nur einiges wenige daraus hervorgehoben werden. Nach der Lehre von A. Schmidt (77), welche haupt- sächlich auf physiologisch-chemischen Erwägungen basiert, wird die Blutgerinnung durch ein Ferment ausgelöst, welches in ge- ringen Mengen im zirkulierenden Blut vorhanden ist, zum grössten Teil aber erst im Augenblick der Gerinnung durch den massen- haften Zerfall von Leukocyten entsteht. Hayem (78) und Bizzozero (82) kamen dann aber zu dem Resultat, dass nicht die Leukocyten, sondern die Blut- plättchen bei der Gerinnung beteiligt sind. Sie beriefen sich dafür unter anderem auf die von M. Schultze (65) ge- machte, von Ranvier (73) u.a. bestätigte Beobachtung, dass die Blutplättchen Centren der Fibrinfädenbildung darstellen. Namentlich Bizzozero (82) brachte auf dem Wege des Experi- ments eine Reihe weiterer gewichtiger Gründe bei, welche für eine Beziehung der Blutplättchen zur Gerinnung sprechen. Von anderer Seite (Löwit (84) Schimmelbusch (85), Eberth und Schimmelbusch (88) ) ist dagegen eine gerinnungs- erzeugende Wirkung der Blutplättchen bestritten worden. Auch Kopsch (01) findet, dass nach dem morphologischen Verhalten der Blutplättchen bei der Gerinnung die Abhängigkeit der Fibrinbildung von dem „Zerfall“ der Blutplättchen sich nicht beweisen lässt. — In pathologischen Fällen wird die Fibringerinnung nach Hauser (92) und Zenker (95) durch ein aus absterbenden Zellen sich ausscheidendes Ferment bedingt. Hauser (92) fand in stark entzündetem Bindegewebe an Präparaten, welche nach der Weigertschen Fibrinfärbungs- methode mit Anilinwasser - Gentianaviolett tingiert waren, ein sehr zierliches, aber fast überall ziemlich engmaschiges Fibrin- netz, in welchem ausserordentlich zahlreiche Knotenpunkte hervortraten, welche bei ganz schwacher Vergrösserung wie rundliche, dunkel gefärbte, in der Peripherie etwas verwaschene, sehr auffällige Flecke erschienen. „Bei stärkerer Vergrösserung 334 Friedrich Meves: erkennt man sofort, dass ein jeder dieser blau gefärbten Flecke einer sehr dichten Fibrinablagerung entspricht, welche in ihrer Mitte eine Bindegewebszelle oder ein farbloses Blutkörperchen einschliesst und in der Peripherie sich in nach allen Seiten hin radiär ausstrahlende, mit dem beschriebenen Fibrinnetze in unmittelbarer Verbindung stehende, zarte Fibrinfäden auflöst“. Die in den „Gerinnungscentren“ eingeschlossenen Zellen zeigen fast ausnahmlos Veränderungen, welche als Erscheinungen des Absterbens zu deuten sind. Analoge Befunde hat Hauser auch bei der intravaskulären Blutgerinnung gemacht, bei welcher die Fibrinfäden von degenerierten Gefässendothelien sowie von abge- storbenen Leukocyten ausstrahlten. K. Zenker (95) konnte das ausserordentlich häufige Vor- kommen der „Gerinnungscentren“ bei der interstitiellen und intra- vasculären Gerinnung bestätigen; bei der letzteren sind es nach ihm namentlich Blutplättchenhaufen, um welche herum Fibrin- fäden radiär angeordnet sind. Gegen die von Hauser und Zenker vertretene Auffassung der ‚„Gerinnungscentren“ sind von Arnold (93 und 97,2) Be- denken erhoben worden. Arnold beobachtete eine strahlige Gruppierung von Fibrinfäden auch um Fremdkörper und wurde daher zweifelhaft, ‚ob solche Bilder als der morphologische Aus- druck eines fibringeneratorischen Vorganges gedeutet werden dürfen und ob sie nicht vielmehr die Vorliebe des Fibrins für gegebene fixe Punkte bei der Ausscheidung anzeigen“. Dem- gegenüber hat Hauser (95) noch einmal die Gründe erörtert, welche für eine fibringeneratorische Rolle der Gerinnungscentren sprechen. Die Diskussion zwischen Arnold und Hauser hat sich in zwei Artikeln des Zentralblatts für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie (Bd. 10, 1899) noch weiter fort- gesetzl — An dieser Stelle muss schliesslich noch eine Arbeit von Laker Erwähnung finden. Laker, welcher in einer ersten Mitteilung (82) sich in allen wesentlichen Punkten an Bizzozero anschloss, kam später (84) zu dem Resultat, dass der erste Beginn der Blutgerinnung vom Blutplasma ausgeht, ohne dass die Annahme einer Beeinflussung von Seiten der körperlichen Elemente dringend notwendig er- Thrombocyten des Salamanderblutes. 335 scheint. Es gelang ihm nämlich, den Nachweis zu liefern, dass als erste Gerinnungserscheinung auf dem Objektträger eine Fibrmausscheidung in Form einer homogenen, dem Glase dicht anliegenden Membran auftritt, welcher er den Namen „primäre Fibrinmembran“ gegeben hat. Von der Existenz dieser Membran überzeugte Laker sich auf folgende Weise. Er schwemmte "einen schnell auf den Öbjektträger gebrachten Tropfen Blut, ohne ihn mit einem Deck- gläschen zu bedecken, rasch aber vorsichtig in gleichmässigem Strome mit 1°/oiger Osmiumsäure weg, bis mit freiem Auge nichts mehr oder nur eine leise Trübung zu entdecken war. Setzt man nun der Osmiumsäure etwas Methylanilinviolett zu und bedeckt vorsichtig mit einem Deckgläschen, so ist häufig ausser mehr oder weniger gut erhaltenen Blutscheibehen und einzelnen weissen Blutkörperchen auch mit den stärksten Ver- grösserungen nichts zu entdecken. Wenn man jedoch vor dem Bedecken mit dem Deckgläschen die Stelle, wo der Bluttropfen adhäriert hatte, mit der Spitze einer scharfen Nadel mehrfach durchkratzt, so gelingt es meist ganz gut, die Spuren, welche die Nadelspitze in der primären Fibrinmembran zurückgelassen hat, als Furchen mit leicht aufgeworfenen Rändern, die sich stärker tingieren als die Umgebung, mit stärkeren Vergrösse- rungen aufzufinden. Da man einwenden könnte, dass die beschriebene Membran durch Einwirkung der Osmiumsäure zustande kommt, so stellte Laker Kontrollversuche an, bei welchen er als Schwemmflüssig- keit konzentrierte Magnesiumsulfatlösung benutzte, welche bereits gebildetes Fibrin nicht mehr in Lösung bringt, dagegen als eminent gerinnungshindernd bekannt ist. Bei Anwendung dieser Lösung gelang es ebenfalls, die Fibrinmembran zur Darstellung zu bringen. Gutschy hat neuerdings (03) die Angaben Lakers über die Bildung einer primären Fibrinmembran mit Hilfe der von Arnold angewandten Methode der Hollundermarkplättchen nach- geprüft und bestätigt gefunden. Auf die Frage, ob im weiteren Verlauf der Blutgerinnung noch andere Faktoren mit in Betracht zu ziehen seien, will Gutschy nicht eingehen. 336 Friedrich Meves: Zur Morphologie der Gerinnung des Amphibienblutes finde ich in der Literatur folgende Angaben. Ranvier (75) nimmt an, dass an Stelle der von roten Blutkörperchen gebildeten Rosetten, welche in einem Präparat von Froschblut einige Zeit nach der Herstellung auftreten (vergl. unten, S. 347), Fibrinmassen gelegen sind; die von den Rosetten ausgehenden Strahlen werden, wie er sagt, von Fibrinfasern gebildet, welche die roten Blutkörperchen festhalten. Hayem (79) schliesst zunächst auf das Vorhandensein eines in bestimmter Weise angeordneten Fibrinnetzes aus den Erscheinungen, welche sich bei der Gerinnung des Froschbluts an den Spindelzellen und den roten Blutkörperchen in der Um- gebung der Spindelzellen abspielen. Wenn man sich eine Stelle eines frisch hergestellten Präparates aussucht, wo in demselben Gesichtsfeld mehrere iso- lierte Spindelzellen in geringem Abstand voneinander liegen, so nimmt man nach Hayem (nach etwa 2!/s bis 3 Stunden) wahr, dass die Spindelzellen mehr und mehr zusammenfliessen, wie wenn sie durch die Wirkung von Fäden zueinander hingezogen würden. Diese Fäden sind für gewöhnlich unsichtbar; jedoch sieht man sie häufig, sobald die Spindelzellen sich einander ge- nähert haben, zu kleinen Bündeln verdichtet in die Erscheinung treten. Während diese Zusammengruppierung der isolierten Spindel- zellen vor sich geht, werden die umliegenden roten Blutkörper- chen in gleicher Weise durch unsichtbare Bande angezogen. Einer ebensolchen Anziehung unterliegen sie in der Umgebung der Spindelzellhaufen. Diese Tatsachen, sagt Hayem, erlauben uns bereits das Vorhandensein eines Fibrinnetzes anzunehmen, dessen einziehbare Hauptfäden die Spindelzellen unter einander verbinden, während andere von den Knotenpunkten nach allen Seiten hin ausstrahlen, um die roten Blutkörperchen zu umschlingen. Die Fibrillen dieses Netzes sind so fein, dass es absolut unmöglich ist, sie im frischen Zustande wahrzunehmen'). Man kann sie jedoch durch leichte Eintrocknung sichtbar machen; !) Die vereinzelten Fäden, welche man in frischen Präparaten wahr- nimmt, sind nach Hayem, wie gesagt, durch Vereinigung mehrerer Fibrillen zu Bündeln entstanden. Thrombocyten des Salamanderblutes. 337 ferner dadurch, dass man durch ein Blutpräparat, welches man eine zeitlang unter einer feuchten Glocke aufbewahrt hat, Jodserum hindurchzieht, durch welches eine Anzahl roter Blut- Fig. c. Geronnenes Froschblut, teilweise eingetrocknet. Nach Hayem, Du sang, S. 148. körperchen fortgeschwemmt werden, und dieses später durch eine Jodjodkalilösung ersetzt. Bei dem letzteren Verfahren färben sich alle Elemente sofort gelb, und man sieht von den Spindel- zellen, welche sich zu eckigen und sternförmigen Körperchen Fig. d. Spindelzellen aus geronnenem Froschblut, mit Jodserum behandelt. Nach Hayem, Du sang, S. 149. umgeformt haben, zahlreiche Fäden ausgehen, welche sich teilen und wieder teilen in Fibrillen von äusserster Zartheit, die nur in- folge der durch das Jod erzeugten gelben Färbung kenntlich werden. 338 Friedrich Meves: Bizzozero (82, S. 326) will auf die morphologischen Vor- gänge bei der Gerinnung des Froschblutes nicht eingehen, da sie bereits ausführlich von Hayem beschrieben seien; er nimmt seinerseits eine Beteiligung der Spindelzellen bei diesem Prozess auf Grund von Versuchen an. Nach Hlava (83, S. 414—415) ist die Blutgerinnung eine „Coagulationsnekrose‘ der weissen Blutkörperchen, durch welche das Ferment frei wird, welches mit Stoffen des Plasmas das Fibrin hervorbringt. Die Spindelzellen des Froschbluts beteiligen sich an der Blutgerinnung insofern, als sie eine Art weisser Blutkörperchen sind; ihre Beteiligung ist jedoch eine höchst minimale. Eberth und Schimmelbusch (83, S. 72) stellen jegliche Beteiligung der Spindelzellen (ebenso wie der Blutplättchen des Säugetierblutes) bei der Gerinnung in Abrede. Die im Frosch- blut auftretenden Faserstofffäden setzen sich an alle festen Punkte an, so auch an die verschmolzenen Spindelhäufchen. „Es ist die Faserstoffabscheidung beim Frosch aber nur mit Schwierigkeit zu erkennen und bietet lange nicht das in die Augen fallende Bild wie beim Warmblüter.‘ Griesbach (91,8. 539) konstatierte bei der Gerinnung des Amphibienblutes an den Leukocyten ebensolche Erscheinungen von Plasmoschise, wie sie von Löwit und ihm selbst an den Blut- körperchen des Krebses und acephaler Mollusken beobachtet waren. Arnold hat Abschnürungs- und Ausscheidungsvorgänge, wie er sie zuerst (96) an den roten Blutkörperchen von Säuge- tieren gesehen hat, in einer späteren Arbeit (97,1) auch an den- jenigen des Frosches wahrgenommen. Die von ihm mitgeteilten Beobachtungen rechtfertigen nach seiner Ansicht die Annahme, dass die roten Blutkörperchen des Frosches bei der Gerinnung in hervorragender Weise beteiligt sind, unbeschadet der Rolle, welche dabei die Leukocyten, Spindeln und vielleicht noch andere Gewebszellen spielen. „Bezüglich der Beteiligung der Spindeln“, sagt Arnold. (97,1, S. 492—493) „habe ich zu erwähnen, dass nicht selten von ihren Polen fädige Gebilde abtreten oder hyaline Bänder mit ihnen in Verbindung stehen. Ob aber aus solchen Befunden auf eine Beteiligung der Spindeln an der Gerinnung in dem Sinne geschlossen werden darf, dass die an ihnen haftenden Thrombocyten des Salamanderblutes. 339 Gerinnsel aus einem Zerfall der Zellsubstanz derselben hervor- gegangen sind, dünkt mir zweifelhaft. Vorerst hat meines Er- achtens die Annahme, dass die Spindeln, wie andere corpusculäre Gebilde auch, nur als Uentra für die Gerinnung in physikalischem Sinne gedient haben, dieselbe Berechtigung. Selbstverständlich soll durch diese Erwägung die Möglichkeit nicht in Abrede ge- stellt werden, dass die Spindeln gerade so gut wie andere Zellen durch Ausscheidungen oder selbst durch Zerfall Material zur Gerinnung liefern; ob ihnen aber in dieser Hinsicht ausschliess- lich, wie manche meinen, eine Bedeutung zukommt, muss ich als fraglich bezeichnen.“ E. Schwalbe (99, S. 101) konnte die Ansichten Arnolds bezüglich der Beteiligung der roten Blutkörperchen bei der Ge- rinnung bestätigen. Ich selbst habe den Vorgang der Fibringerinnung an Sala- manderblut studiert, welches ich auf dem Objektträger ausge- breitet, in der feuchten Kammer verschieden lange Zeit (ein paar Minuten bis zu mehreren Stunden) sich selbst überlassen, dann mit Flemmingschem Gemisch fixiert und in der oben mitgeteilten Weise gefärbt hatte. Wenn man ein derartig hergerichtetes Präparat unter das Mikroskop bringt, gewahrt man eine bei schwacher Vergrösserung homogen aussehende Schicht, welche die Oberfläche des Objekt- trägers überzieht und die zelligen Elemente des Blutes ein- schliesst; bei Untersuchung mit starkem System weist sie eine körnige, körnig-netzige oder fädig-netzige Struktur auf. Die roten Blutkörperchen füllen die Höhlen der Schicht, in denen sie liegen, meistens nicht vollständig aus, sondern es bleibt zwischen ihrer Aussenwand und der Innenwand der Höhlen ein heller Zwischenraum (Fig. 31). Anfangs war ich der Meinung, dass diese Schicht eine durch das Flemmingsche Gemisch erzeugte Niederschlagsmembran sei. Dann machte ich aber sehr bald eine Beobachtung, welche beweist, dass sie schon vor der Fixierung vorhanden sein muss, und kam zu dem Resultat, dass es sich um die primäre Fibrin- membran Lakers (vergl. oben S. 334) handelt. Ich fand nämlich, dass Leukoceyten, welche in der feuchten Kammer zu kriechen angefangen hatten, sich vielfach in der 340 Friedrich Meves: in Rede stehenden Membran Gänge gebahnt hatten!) (Fig. 31). Andere Male hatten sie nur den Ausgangsplatz als Loch zurück- gelassen; sie waren dann offenbar auf der Fibrinmembran weiter gekrochen. Ein aus dem Serum gebildeter Niederschlag, wie er ja bei Fixierung der Blutpräparate mit Flemmingschen Gemisch notwendig auftreten muss, liegt in Gestalt körniger Massen hier und da, zuweilen reichlich, über der Fibrinmembran (diese Nieder- schläge sind in den Figuren der Tafel 24 und 25 nicht mit- gezeichnet). Von der oben erwähnten Struktur, welche an der Fibrin- membran mit starkem System sichtbar ist, muss ich es dahin gestellt sein lassen, ob sie präformiert ist oder ein Reagentien- produkt darstellt. Die vorhin erwähnten Hohlräume, welche die in der Fibrin- membran eingeschlossenen roten Blutkörperchen umgeben, sind möglicherweise durch eine nach der Bildung der Fibrinmembran eintretende Zusammenziehung derselben (eine solche wurde auch von Gutschy 03, S. 35 beobachtet) zustande gekommen. Sucht man nun in den Präparaten die veränderten Spindelzellen auf, so fällt zunächst auf, dass sie im Gegensatz zu den roten Blutkörperchen innerhalb der primären Fibrin- membran niemals von einem Hohlraum umgeben sind. Weiter entdeckt man, dass das dem Kern ansitzende Cyto- plasmaklümpchen (dessen Fortsätze nach der Fixierung in Flemmingschem Gemisch meistens gequollen sind, vergl. oben S. 315) das Zentrum einer nach allen Seiten sich erstreckenden Strahlung bildet; diese ist bereits zwei Minuten nach Entnahme des Bluts (Fig. 32) vorhanden. Die Radien der Strahlung (Fig.32 u. folg.) sind ausserordentlich fein und anscheinend völlig unverästelt; ihre Länge beträgt etwas mehr als diejenige eines roten Blut- körperchens. Sie sind in einer Ebene ausgebreitet und so zahl- reich, dass sie einen dichten Schirm bilden. Sie liegen nicht unmittelbar auf der Oberfläche des Glases, sondern auf derjenigen der Fibrinmembran; diese zeigt aber unter dem Strahlenschirm häufig eine geringere Dichte als ausserhalb seines Bereichs; man !) Der aus aneinander gereihten Löchern bestehende Gang in Fig. 31 erweist sich beim Heben des Tubus als vollständig geschlossen. Thrombocyten des Salamanderblutes. 341 betrachte die Fig. 35, in welcher rechts oben ein Ausschnitt der Strahlung weggelassen ist. Entsprechend ihrer oberflächlichen Lage ziehen die Strahlen über den roten Blutkörperchen und Leukocyten, die in der Nach- barschaft der Spindelzellen gelegen sind, hinweg (Fig. 37). Von diesen selbst geht niemals auch nur die Spur einer ähnlichen Strahlung aus wie von den Spindelzellen. Dagegen trifft man zuweilen kleine kernlose Cytoplasmastückchen, welche ebenfalls eine Strahlung um sich entwickelt haben (Fig. 41); von diesen darf aber mit Bestimmtheit angenommen werden, dass sie in der oben S. 318 geschilderten Weise von Spindelzellen abgetrennt worden sind. Zwischen benachbarten Thrombocyten oder Thrombocyten- haufen bildet sich regelmässig eine Art Spindelfigur aus, wie Fig. 39 zeigt. Schliesslich sei noch bemerkt, dass die geschilderte Strah- lung auch an Sublimatpräparaten, welche mit zu starker Ehrlich- Biondischer Lösung überfärbt sind, wahrzunehmen ist. Es fragt sich nun, welcher Natur die Strahlen sind und wie sie entstehen. Dass es sich um Fäden handelt und nicht etwa nur um den durch das Reagens fixierten Ausdruck von „Strombahnen“, dass diese Fäden, wenn sie auch im frischen Präparat nicht sichtbar sind, hier bereits existieren und nicht bloss ein Artefakt darstellen, ergibt sich zweifellos aus den später zu schildernden Deformationen, welche sie an den roten Blutkörperchen in nächster Umgebung der Spindelzellen hervorrufen. Die Strahlen sind ferner jedenfalls keine Fortsetzungen des Cytoplasmas, sondern bestehen höchstwahrscheinlich aus abgeschiedenem Fibrin, wofür auch ihre allmählich eintretende Zusammenziehung (vergl. unten S. 351) spricht; jedoch sind sie mit den „Fibrinfasern‘ der Autoren nicht identisch. Ihr Auftreten muss in ursächlieher Beziehung zu den Spindel- zellen stehen und ist meines Erachtens ein bestimmter Beweis dafür, dass die Spindelzellen am Gerinnungsvorgang beteiligt sind. Von dem Cytoplasma der Spindelzellen wird offenbar ein Stoff abgeschieden, welcher mit Bestandteilen der umgebenden Flüssigkeit eine unlös- liche Verbindung (Fibrin) bildet. Dass es unter diesen Bedin- 3412 Friedrich Meves: sungen zur Entstehung von Strahlungen kommen kann, wird: durch Versuche bewiesen, welche Alf. Fischer 1899 in seinem Buche „Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas‘ beschrieben hat. Alf. Fischer unterscheidet zwei verschiedene Arten von Fällungsstrahlungen, welche in Eiweisslösungen zustande kommen können: 1. eine „Fremdstrahlung‘‘, welche in einer übersättigten Lösung um einen heterogenen Körper entsteht, der genau so wirkt wie ein Staubteilchen, das eine übersättigte Salzlösung zur Krystallisation treibt; 2. eine „Selbststrahlung‘‘, welche sich um die Diffusionszone des Fällungsmittels bildet. Auf die ‚„Selbst- strahlung‘‘, welche für den uns vorliegenden Fall allein in betracht kommt, beziehen sich zwei von Alf. Fischer angestellte Versuche. „Auf einem Objektträger wird ein quadratischer Raum durch einen Vaselinwall umgrenzt und dahinein eine kurze, beiderseits offene Kapillare so eingedrückt, dass die eine Mün- dung kurz in den Innenraum, die andere nach aussen vorragt. Nachdem die Durchtrittsstelle der Kapillare durch das Vaselin noch hoch damit bedeckt worden ist, wird Albumoselösung. in den Raum gebracht und ein Deckglas sanft aufgedrückt. Die Albumoselösung muss den Raum innerhalb des Vaselins ganz und ohne Luftblasen erfüllen und darf aus der Kapillare nach aussen nicht hervorströmen. Man hat nunmehr nach kurzer Zeit eine ganz ruhige Lösung in der kleinen Kammer, die mit schwacher Vergrösserung so eingestellt wird, dass der in die Albumoselösung ragende Mund der Kapillare gut zu sehen ist. Nunmehr setzt man an den freien Kapillarrand einen Tropfen eines Fixierungsmittels, z. B. 0,2°/oige Pikrinsäure, 0,5 '/oiges HgÜls, 1°/oiges PtCk, 1°/oige Osmiumsäure, Flemmingsche Lösung. Mehr wurde nicht geprüft. Von dem Kapillarmunde diffundiert die fixierende Lösung kugelschalig in die Albumose- lösung und erzeugt nun hier eine zunächst sehr sanfte Trübung, die bald stärker wird. Schliesslich entsteht ein mehr oder weniger deutliches, nach derKapillare konvergierendes Strahlensystem ....“ Ein weiterer Versuch ist folgender: „In den vaselinumgrenzten Raum mit der Albumoselösung tauche man ein sehr kleines Kryställchen von Sublimat unter und lege schnell ein Deckglas auf, wieder so, dass Luftblasen und Strömungen fehlen. Um das allmählich sich lösende Kryställchen bildet sich ein Diffusions- und Fällungsgürtel, der nach wenigen Thrombocyten des Salamanderblutes. 343 Minuten schon strahlig wird. Später, nach 10 bis 20 Minuten bildet der ungelöste Rest des Sublimates das Zentrum einer Steahlenfieur 41...“ Bei beiden Versuchen besteht das Prinzip darin, dass in eine Lösung ein Zentrum eingetaucht wird, von dem aus das Fällungsmittel diffundiert. Hier bedarf es keines besonderen Strahlenerweckers wie bei den Fremdstrahlungen, sondern die ersten Fällungen, die entstehen, dienen selbst dazu. Auch die Strahlung, welche um die Spindelzelle zustande kommt, ist meines Erachtens als Selbststrahlung im Sinne von Alf. Fischer aufzufassen; das Cytoplasmaklümpchen der Spindel- zelle wirkt in dem extravasierten Blut nach Art eines in Albu- moselösung gelegten Sublimatkryställchens. Zuerst tritt die primäre Fibrinmembran auf. Dann diffundiert aus dem Cytoplasma der Spindelzellen eine Substanz („Fibrinferment“?), welche die feine Fibrinstrahlung mit einer anderen Substanz bildet, die sich an der Oberfläche der Fibrinmembran findet. Letztere Substanz wird ausserhalb des Diffusionsbereiches der Spindelzellen wahr- scheinlichs ganz oder grösstenteils zur weiteren Verdichtung der Fibrinmembran verwendet; dadurch, dass sie innerhalb dieses Bereichs von dem diffundierenden Stoff beschlagnahmt wird, erklärt sich wohl die oben erwähnte Tatsache, dass die Fibrin- membran unter dem Strahlenschirm vielfach eine mehr lockere Beschaffenheit zeigt.') Dass es zwischen benachbarten Strahlenzentren zur Aus- bildung einer Spindelfigur kommt (Fig. 39), steht durchaus im Einklang mit Beobachtungen, die Alf. Fischer (l.c.S. 221) be- schrieben hat. Durch eine eintretende Verkürzung der Spindel- fasern kann möglicherweise eine Annäherung zweier Nachbar- zellen, wie sie von Hayem beobachtet wurde, bewirkt werden. !, Nachdem ich im obigen wiederum die von Fischer experimentell erzeugten Strahlungen herangezogen habe, um histologische Strahlungen ab- zuleiten (zum ersten Mal zur Erklärung der circumnucleären Strahlungen, welche in den roten Blutkörperchen von Amphibien nach Reagentienzusatz auftreten können, Anat. Anz. Bd. 26, 1905, S. 537), möchte ich darauf hin- weisen, dass ich Fischer nicht beistimmen kann, wenn er auch die Spindel- fasern und Polstrahlen der achromatischen Figur der Mitose auf solche Ursachen zurückführen will, welche die künstliche Strahlung hervorrufen (vergl. Fr. Meves: Bericht über „Zellteilung‘‘, Ergebnisse d. Anat. u. Ent- wicklungsgesch. Bd. 8, 1898, Wiesbaden 1899, 8. 534—535). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd.68. 23 344 Friedrich Meves: Fig. e. Fibrinfasern aus einem mit Flemmingschem Gemisch fixierten Präparat von Salamanderblut. Ausser den eben beschriebenen feinen Fibrinfäden, die radiär um das Cytoplasmaklümpchen der Spindelzelle angeordnet Thrombocyten des Salamanderblutes. >45 sind, kommen auch die gewöhnlichen „Fibrinfasern‘ zur Beobach- tung. Allerdings gibt es immer zahlreiche Stellen des Präpa- rates, wo sie gänzlich fehlen, und ganze Präparate, in denen sie nur sehr spärlich zu finden sind. Sie präsentieren sich als dickere Fäden von verschiedener Länge, welche meistens nicht ge- rade, sondern mehr oder minder stark bogenförmig verlaufen. Fig. f. Netz von Fibrinfasern, aus einem mit Flemmingschem Gemisch fixierten Präparat von Salamanderblut. Gewöhnlich spitzen sie sich nach den Enden hin allmählich zu. Sie sind stets über der primären Fibrinmembran gelegen. Sie laufen entweder isoliert oder legen sich (entweder mit ihren Enden oder in der in Fig. e abgebildeten Weise) zu Fäden aneinander: dadurch, dass die Zwischenräume zwischen benach- 23* 346 Friedrich Meves: barten Fäden von anderen überquert werden oder durch eine Lagerung der einzelnen Fasern wie in Fig. f wird der Eindruck eines Netzes hervorgebracht. Wo diese Fasern zusammen mit Spindelzellen an ein und derselben Stelle des Präparates vorkommen, sind sienoch über der von dem Cytoplasmaklümpchen der Spindelzelle ausgehenden feinen Fibrinstrahlung gelegen. Häufig sind sie radiär zum Oytoplasma- klümpchen orientiert und scheinen an ihm mit ihrem einen Ende zu inserieren (Fig. 35, 36, 39, 40). In diesem Fall könnte man mit- unter zu dem Glauben kommen, sie seien durch Verschmelzung feiner Fäden entstanden, besonders, wenn ihr Verlauf ein gerader ist und man sich noch nicht davon überzeugt hat, dass sie in einer höheren Ebene liegen. Andere Male aber gehen sie über das Cytoplasmaklümpchen hinweg oder ziehen an ihm vorbei, indem sie quer zur Richtung der feinen Strahlen verlaufen. Dass die Fibrinfasern Faltungen der Fibrinmembran seien, wie Laker meint, ist gänzlich ausgeschlossen (vergl. auch Schimmelbusch 85 S.236 und Eberth und Schimmel- busch 88 8.41). Das Fibrin würde demnach in einer auf dem Öbjektträger ausgestrichenen Schicht von Salamanderblut in drei Formationen auftreten, welche sich in verschiedener Höhe lagern: als primäre Fibrinmembran an der Oberfläche des Glases; als feine Fibrin- strahlung an der Oberfläche der primären Fibrinmembran; als dickere Fibrinfasern ebenfalls an der Oberfläche der primären Fibrinmembran und noch oberhalb der feinen Fibrinstrahlung, wo sie mit dieser zusammen vorkommen. — Hayem ist bisher der einzige gewesen, welcher auf Grund morphologischer Beobachtungen behauptet hat, dass die Spindel- zellen bei der Gerinnung eine Rolle spielen und zwar hat er diese Behauptung mit der Existenz eines von den Spindelzellen ausgehenden Fibrinnetzes begründet. Dabei hat er offenbar, wie aus seiner oben referierten Beschreibung und aus seinen Abbildungen hervorgeht, ein Netz dickerer Fibrinfasern, von der Art wie es meine Fig. 40 zeigt, im Auge gehabt; die von mir beschriebene feine Fibrinstrahlung, auf welche ich mich mit der gleichen Behauptung stütze, hat er dagegen nicht zu sehen bekommen. Die dickeren Fibrinfäden zeigen nun aber, wie ich Thrombocyten des Salamanderblutes. 347 oben geschildert habe, eine sehr wechselnde Anordnung; ein radiäres Ausstrahlen wie in Fig. 40 ist keineswegs die Regel. Ein Zusammenhang zwischen den Spindelzellen und der Bildung dieser dickeren Fibrinfasern lässt sich daher meines Erachtens nicht beweisen. Noch weniger kann auf Grund der morphologischen Daten behauptet werden, dass die Spindelzellen bei der Entstehung der primären Fibrinmembran beteiligt sind. Dafür, dass die Leukocyten und roten Blutkörperchen in irgend einer ursächlichen Beziehung zur Gerinnung stehen, habe ich in meinen Präparaten keine Anhaltspunkte gefunden. Thrombocyten und rote Blutkörperchen. Ranvier hat 1875 (S. 215) beschrieben, dass die roten Blutkörperchen in einem Präparat von Froschblut nach 15—20 Stunden eine bestimmte regelmässige Anordnung zeigen: An gewissen Punkten sind sie zu einer kleinen rundlichen Masse angeordnet, von eleganter Form ähnlich einer Rosette, von deren Rändern Strahlen ausgehen. welche sich mit ähnlichen Strahlen einer benachbarten Rosette verbinden. Die roten Blutkörperchen, welche die Rosette bilden, sind den frei im Präparate schwimmenden unähnlich. Sie sind kugelig, stärker gefärbt, stärker lichtbrechend und kleiner als die letzteren. Bei 150facher Vergrösserung hat man Mühe, sie als rote Blutkörperchen zu erkennen. Man würde sie einfach für gefärbte Körner halten. Untersucht man aber bei stärkerer Vergrösserung, namentlich aber, wenn man die Blutkörperchen getrennt hatte, indem man die Masse durch Druck in verschiedener Richtung auf das Deckglas in Bewegung setzte, so sieht man leicht, dass sie die Form einer Birne angenommen haben. Sind die Gruppen noch nicht getrennt, so ist das dicke Ende des birnförmig gewordenen Blutkörperchen der Seite des Beobachters zugekehrt, während das dünne Ende in ein feines Netz von Fibrin ein- geschlossen ist. Ranvier stellt sich vor, dass diese Formänderungen der roten Blutkörperchen auf folgende Weise entstehen. Das Fibrin hat diese Blutkörperchen bei seiner Bildung umgeben und, als es sich zusammenzog, schnürte es sie ein, sodass ein Teil ihrer Masse nach aussen gedrängt wurde, der dann ganz natürlich eine Kugelgestalt bekam, wie sie eine mit Wasser halbgefüllte Kautschukblase annimmt, wenn man sie mit der Hand umspannt, sodass die Flüssigkeit in den Teil der Blase gedrängt wird, der sich nicht in der Hand befindet. Zwei Jahre später hat Fuchs (77, S. 91) angegeben, dass das Zentrum der rosettenförmigen Gruppen, zu welchen sich die roten Blutkörperchen anordnen, von einer ungefärbten körnigen 343 Friedrich Meves: Protoplasmamasse eingenommen wird (er fügt in Klammern „weisses Blutkörperchen‘ hinzu). An diese Protoplasmamasse setzen sich Kugeln, welche sich von den roten Blutkörperchen abgeschnürt haben, mit zugespitzten Enden an; diese Kugeln zeigen häufig eine Anzahl gegen die Spitze konvergierender Falten, wie ein zugeschnürter Tabaksbeutel. Hayem (79) ist der erste, welcher erkannt hat, dass das Zentrum der Rosetten von Spindeln oder Spindelhaufen ge- bildet wird. Wenn man sich ein Präparat von Froschblut herstellt, beobachtet man, solange das Blut unter dem Deckglas noch in Bewegung ist, dass die Spindelzellen zu Haufen verkleben, welche am Glase festhaften und Hindernisse bilden, um welche die roten Blutörperchen sich anhäufen. An diesen letzteren hat Hayem in der Umgebung eines Spindelhaufens im Blut von Rana temporaria folgende Veränderungen vor sich gehen sehen. Ein paar Minuten nach Anfertigung des Präparates erscheinen einzelne rote Blutkörperchen durch Fortsätze, welche von den Spindelzellen ausgehen, festgehalten zu werden; mehrere sind leicht deformiert, wie wenn sie durch unsichtbare Fäden um- tlochten wären. Zehn Minuten später haben verschiedene entfernter liegende Blutkörperchen sich dem Spindelhaufen, wie durch Fortsätze angezogen, genähert; andere dagegen haben sich entfernt. Nach einer weiteren Viertelstunde findet man einige Blutkörperchen fest an den Rand des Spindelhaufens angelagert; sie sind auf dem Punkt sich zu fragmentieren, was sie zum Teil ein paar Minuten später wirklich tun. Die Zahl der roten Blut- körperchen, welche gegen den Spindelhaufen angezogen werden, wächst in der Folge immer mehr. Nach Ablauf von ungefähr einer Stunde ist ihre Konfluenz am stärksten, während der Spindelhaufen stark eingeengt ist. Hayem sagt: „On pourrait exprimer assez bien l’ensemble des phenomenes qui se passent du cöte des globules rouges en disant que ces elements ont ete enlaces par une sorte de filet rayonnant qui, parti de l’amas d’hematoblastes, s’est replie sur lui-meme en enserrant dans ses mailles invisibles tous les globules rouges compris dans son territoire.““ Das Fibrinnetz, welches Hayem hierbei im Auge hat, ist wiederum das gröbere meiner Fig. 40. Thrombocyten des Salamanderblutes. 349 Neben den Fibrinfasern spielen aber nach Hayem auch Protoplasmafäden oder -fortsätze („appendices“), welche von den Spindelzellen ausgehen, bei der Heranziehung der roten Blut- körperchen eine Rolle. Diese Fortsätze gehen zuweilen sehr weit auf die Suche, Hayem möchte fast sagen auf den Fang roter Blutkörperchen aus. Sie enden mit einer Art Knopf oder auch sie ähneln einem kleinen Bündel und erzeugen an der Oberfläche der benachbarten roten Blutkörperchen charakteristische blasse, rundliche oder streifenförmige Flecke. Je nach der Art und Weise, wie sie an der Oberfläche der Blutkörperchen und um sie herum plaziert sind, rufen sie sehr verschiedene Defor- mationen hervor. „Fixes A une extremite ils transforment le slobule rouge en une sorte de poire, enroules transversalement autour de son disque ils en font un bissae ou un corpuscule festonne, disposes dans le sens du grand axe, ils lui donnent la forme d’un eventail plus ou moins ferme; enfin ils peuvent en tirant sur ses deux extremites le replier sur lui-meme & la facon d’une bourse. Puislorsque la retraetion des filaments est extreme, un grand nombre d’elements se fragmentent et chacun des fragments prend en general la forme d’un corps globuleux.“ Eberth und Schimmelbusch (88, S. 72) tun der strahlenförmigen Gruppierung der roten Blutkörperchen um die Spindelhaufen als einer eigentümlichen Erscheinung Er- wähnung, aber nur, „um die Idee von der Hand zu weisen, als liege hier in diesem ziemlich auffallenden Phänomen eine rätselhafte Fähigkeit der Spindeln vor.“ Dieselbe Gruppierung roter Blutkörperchen soll nach Eberth und Schimmelbusch im Froschblut um alle Hervorragungen, z. B. auch um zufällige Verunreinigungen des Deckglases, eintreten. Nach Neumann (96, S. 245) bestehen die Deformationen der roten Blutkörperchen, welche sich im Umkreis der Spindel- haufen gruppieren, teils in zirkulären Einschnürungen derselben mit Faltenbildungen der Zellmembran, wobei die beiden Teile bisweilen vollständig ihren Zusammenhang zu verlieren scheinen, teils in einer Art Korrosion; es zeigen sich kleinere oder grössere, von konkaven Bogenlinien begrenzte Ausschnitte (Defekte) am Rande der Körperchen. Neumann konnte jedoch feststellen, dass diese anscheinend verstümmelten, durchgeschnürten oder defekten roten Blutzellen, wenn sie sich aus der Umgebung der 350 Friedrich Meves: Kernhaufen loslösten, wieder ihre normale Gestalt und Grösse annahmen. Über die Art und Weise, wie er sich das Zustande- kommen dieser Deformationen denkt, macht Neumann keine Angaben. Zieler (03) beschäftigte sich auf Veranlassung von Roux mit der Frage nach der Entstehungsursache der radiären An- ordnungen roter Blutkörperchen um die Spindelzellenhaufen herum, um zu prüfen, ob hier eine (dem von Roux entdeckten Cyto- tropismus der Furchungszellen vergleichbare Wirkungsweise vorliege. Er kam zu dem Resultat, dass dies nicht der Fall sei. Bei der Entstehung der Sternanordnung spielen nach ihm einmal mechanische Verhältnisse eine Rolle. Dies geht hervor aus der schon von Hayem gemachten Beobachtung feinster von den Sternzentren ausgehender und an rote Blutkörperchen sich an- haftender kontraktiler Fortsätze, die nach Zieler oft das vier- bis sechs- und mehrfache der Länge einer Spindel erreichen sollen. Als Hauptursache aber kommen wohl chemisch vermittelte zentripetale Strömungen in Frage. Man kann durch direkte Beobachtung feststellen, dass an den Spindeln und Spindelhaufen deutlich verfolebare Prozesse vor sich gehen, bestehend in der dauernden Abtrennung kleinster Protoplasmatröpfehen mit folgender Auflösung im Plasma und in sonstigen Protoplasma- und Kernveränderungen; vielleicht werden auch durch moleculäre Umsetzungen chemische Produkte gebildet, die sich ebenfalls in der umgebenden Flüssigkeit auflösen. Durch die Auflösung dieser Zerfallsprodukte entsteht vielleicht eine ganz minimale Strömung von den Sternzentren weg, bei der es sich aber wohl um einen Ausgleich in dem Konzentrationsgrad der verschiedenen Schichten durch allmähliche Diffusion handelt. Da aber durch die gleichzeitig stattfindende Quellung des Proto- plasmas und später auch der Kerne der Spindeln, möglicherweise auch zur Lösung der Zerfallsprodukte, Flüssigkeit in reichlicherem Maße gebraucht wird, also von der Peripherie zum Zentrum strömt, so scheint Zieler der Gedanke naheliegend, dass durch diese Strömung die roten Blutkörperchen mit herangeführt werden. Eine radiäre Einstellung muss bei vorhandener Strömung immer zustande kommen. Thrombocyten des Salamanderblutes. sol Meinerseits möchte ich im Hinblick auf die gallertartige Beschaffenheit des geronnenen Blutes zunächst behaupten, dass Strömungen. wie sie Zieler annimmt, hier überhaupt nicht ent- stehen, jedenfalls aber für das Zustandekommen der Sternanord- nung nicht von Bedeutung sein können. Sodann muss ich gegenüber Hayem und Zieler in Ab- rede nehmen, dass die Protoplasmafortsätze der Spindelzellen bei letzterem Vorgang eine Rolle spielen. Wenn Zieler angibt, dass diese Fortsätze das vier- bis sechs- und mehrfache einer Spindel erreichen können, so liegt hier offenbar eine Verwechslung mit Fibrinfasern vor. Auch Hayem scheint mir nicht immer klar zwischen Protoplasma- fortsätzen und Fibrinfasern unterschieden zu haben. Ferner aber habe ich von den schlankeren Protoplasma- fortsätzen überhaupt niemals konstatieren können, dass sie irgend- einen Einfluss auf die roten Blutkörperchen ausüben. Die plumperen dagegen wirken nicht nur nicht anziehend, sondern drängen im Gegenteil gegen die roten Blutkörperchen an und drücken sich mit ihren abgerundeten Enden in die weiche Substanz derselben ein (Fig. 14, 43, 44). Auf diese Weise ent- stehen an der den Spindelzellen benachbarten Seite der roten Blutkörperchen die von Neumann erwähnten kleineren oder grösseren, von konkaven Bogenlinien begrenzten Ausschnitte, welche den Eindruck erwecken, als wenn die roten Blutkörperchen korrodiert wären. Auch ein von den Spindelzellen ausgehendes Netz gröberer Fibrinfasern wie dasjenige meiner Fig. 40, welchem Hayem Bedeutung für die Entstehung der Sternanordnung zuschreibt, kann hierfür nicht in Betracht kommen, da es sich nur ver- hältnismässig selten findet, die Sternanordnung aber sich um jede Spindelzelle herum ausbildet, in deren Umkreis rote Blut- körperchen liegen. Meines Erachtens sind die sämtlichen Erscheinungen, welche sich an den roten Blutkörperchen abspielen, mit Aus- nahme der bereits besprochenen, auf eine allmähliche Kon- traktion der feinen Fibrinstrahlen zurückzuführen, welche von dem Cytoplasmaklümpchen der Spindelzellen in radiärer Richtung über die roten Blutkörperchen wegziehen. Dadurch werden die mannigfachen, schon von Hayem beschriebenen 352 Friedrich Meves: Formänderungen der roten Blutkörperchen. bedingt, die Falten- bildungen an ihrer Oberfläche, welche stets in radiärer Richtung verlaufen, die Zerschnürungen in zwei oder mehr Fragmente, welche zuweilen jeden Zusammenhang zu verlieren scheinen (Fig. 15, 45, 46). Nicht selten sieht man die unter Druck geratene Substanz der roten Blutkörperchen hernienartige Aussackungen bilden, welche durch Lücken des Strahlenschirms austreten und ober- halb desselben Kugelform annehmen. Diejenigen roten Blutkörperchen, in welche sich an der einen Seite Protoplasmafortsätze der Spindelzellen eingelagert haben, zeigen an der entgegengesetzten häufig zahlreiche Ein- kerbungen, auf welche Furchen der Oberfläche zulaufen (Fig. 14, 43, 46). Letztere Erscheinung kommt wahrscheinlich dadurch zustande, dass die Substanz der roten Blutkörperchen durch die Protoplasmafortsätze vom Sternzentrum weegestaut und gegen die Fibrinfäden, welche in sie einschneiden, angedrängt wird. Schluss. In der vorliegenden Abhandlung ist die Rolle, welche die Spindelzellen bei der Thrombenbildung spielen, unberührt gelassen. Bizzozero (82), Hayem (82), Eberth und Schimmel- busch (88) haben gezeigt, dass der weisse Thrombus, dessen Entstehung aus Leukocyten Zahn (74) nachgewiesen zu haben glaubte, sich aus Spindelzellen zusammensetzt. Nach Bizzozero erleiden die den Thrombus bildenden Spindelzellen sekundäre Alterationen. „Ihre Form ändert sich, die Kerne werden minder deutlich und die Protoplasmen verschmelzen zu einer einzigen Masse von körnigem Aussehen.“ Von Eberth und Schimmel- busch werden diese Veränderungen als „viscöse Metamorphose“ bezeichnet. Ob sie identisch mit denjenigen sind, welche im extravasculären Blut auf dem Objektträger vor sich gehen, vermag ich aus der Schilderung der Autoren nicht zu ersehen. Jedenfalls aber möchte ich glauben, dass die sich verändernden Spindelzellen des Thrombus ebenso wie diejenigen des auf den Objektträger gebrachten Blutes eine Substanz abgeben, welche mit Bestandteilen des Blutplasmas Fibrin erzeugt. Demnach würde die Konglutination der Spindelzellen bei der Thrombose Thrombocyten des Salamanderblutes. 353 sich stets mit einer von den Spindelzellen ausgehenden Fibrin- bildung kombinieren. Mit der Aufgabe, welche die Spindelzellen bei der Thrombose und Gerinnung zu erfüllen haben, braucht ihre Bedeutung für den Organismus nicht notwendig erschöpft zu sein. Sie könnten auch unter normalen Verhältnissen irgendwelche Funktionen aus- üben. Jedoch ist darüber bisher nichts sicheres festgestellt. Nach einer Reihe von Autoren (Vulpian, Hayem, Marquis, Neumann, Heinz) sollen die Spindelzellen sich in rote Blutkörperchen umwandeln. Auch Knoll will diese Möglichkeit „nicht geradezu von der Hand weisen. Die Annahme eines genetischen Zusammenhangs zwischen beiden Zellarten wird hauptsächlich damit begründet, dass im zirkulierenden Blut Zellen vorkommen, welche als intermediäre Formen zwischen Spindel- zellen und Erythrocyten aufgefasst werden: lämoglobinhaltige Zellen, welche an einem oder auch an beiden Polen zugespitzt sind; Abbildungen davon haben Hayem (79, Pl. 1, Fig. 5d und Pl.5, Fig. 3—5), Knoll (96, Taf. I, Fig. 13—18 und Taf. III, Fig. 23), Heinz (Ol, Taf. V, Fig. 3) gegeben. Meines Erachtens handelt es sich aber bei diesen angeblichen Übergangsformen nicht um solche, sondern um rote Blutkörperchen, deren Randreifen eine Läsion erfahren hat !) Verzeichnis der zitierten Literatur. Arnold, J. (93): Über die Geschicke der Leucocyten bei der Fremdkörper- embolie. 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Recklinghausen (66): Über die Erzeugung von roten Blutkörperchen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 2. Riess, L. (04): Über die Beziehungen der Spindelzellen des Kaltblüterblutes zu den Blutplättchen der Säugetiere. Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 51. 356 Friedrich Meves: Schimmelbusch, C. (85): Die Blutplättchen und die Blutgerinnung. Virchows Arch. Bd. 101. Schmidt, Al. (77): Die Lehre von den fermentativen Gerinnungserschein- ungen in den eiweißartigen tierischen Körperflüssigkeiten. Dorpat. Schultze, M. (65): Ein heizbarer Objekttisch und seine Verwendung bei Untersuchungen des Bluts. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 1. Schwalbe, E. (99): Die morphologischen Umwandlungen der roten Frosch- blutkörperchen bei der extravasculären Gerinnung. Virchows Arch. Bd. 158. Derselbe (00): Untersuchungen zur Blutgerinnung. Beiträge zur Chemie und Morphologie der Coagulation des Blutes. Braunschweig. Stricker, S. (77): Beobachtungen über die Entstehung des Zellkernes. Sitzgsber. d. kais. Akademie d. 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Sie sind sämtlich mit Zeiß’ Apochromat 2 mm (Apertur 1,30) und Kompensationsocular 8 bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet. Tafel XXI. Spindelzellen aus frischem Blut. Fig. 1—3. Spindelzellen unmittelbar nach Anfertigung des Präparates; das Protoplasma der in Fig. 2 abgebildeten Zelle enthält Hayem sche Kügelchen. Fig. 4a—f. Sechs aufeinander folgende Stadien der Veränderung ein- und derselben Spindelzelle; in den ersten zehn Minuten nach Anfertigung des Präparates. Text pag. 329— 330. 12} Thromboeyten des Salamanderblutes. 357 Fig.5—12. Metamorphosierte Spindelzellen, ca. 15 bis 30 Minuten nach Ent- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 13. 14. 15. 16. It, nahme des Blutes. Text pag. 330—331. In Fig. 8 zeigt der dem Cytoplasmaklümpchen benachbarte Teil des Kerns ein eigentümliches helles Aussehen; darin eine netzige Struktur. In Fig. 5, 6, 8, 10 und 12: Hayemsche Kügelchen. Metamorphosierte Spindelzelle, degeneriert. Kern gequollen und von einem hyalinen Hof umgeben. Ca. 20 Minuten nach Anfertigung des Präparats. Metamorphosierte Spindelzelle (ca. '/» Stunde nach Anfertigung des Präparats) mit zwei dem Cytoplasmaklümpchen angelagerten roten Blutkörperchen, welche deformiert sind. Gruppe von zwei metamorphosierten Spindelzellen (ca. !/s Stunde nach Anfertigung des Präparates) mit sogenannter Sternanordnung der umgebenden roten Blutkörperchen. Tafel XXIII. Spindelzelle, fixiert und gefärbt mit dem von Dekhuyzen empfohlenen Gemisch von 1,5°jsiger Osmiumsäure und 1,5°%oiger Essigsäure, welches 6 °/o kalt gesättigte wässerige Methylenblaulösung und etwas Säurefuchsin enthält. Spindelzelle aus einem in 1°/oiger Sublimatlösung (mit 1°/o NaCl) fixierten Schleuderpräparat, nach Ehrlich-Biondi gefärbt. 18—26. Metamorphosierte Spindelzellen, nach verschieden langem Aufent- halt in der feuchten Kammer (bei Fig. 18: 2 Minuten, bei Fig. 19: 7 Minuten, bei Fig. 20—26: 15 bis 30 Minuten) in 1°oiger Sublimatlösung (mit 1°/o NaC]) fixiert und nach Ehrlich-Biondi gefärbt. Die feinen Fäden, welche in Fig. 18, 19, 22—24 von den Zellen ausgehen, sind „dickere“ Fibrinfasern; die feine Fibrin- strahlung ist nicht sichtbar. — Der abgeschnürte Protoplasma- ballen unten links vom Kern der Fig. 21 gehört zu dieser Figur. 27 und 28. Gruppen von zwei und drei metamorphosierten Spindel- zellen, '/: Stunde nach Anfertigung des Präparates. Fixierung und Färbung wie vorher. Tafel XXIV und XXV. Die Abbildungen der Tafel XXIV und XXV sind nach Präparaten gezeichnet, welche mit schwachem Flemmingschen Gemisch (mit 1°/ NaCl) fixier- und hinterher der Flemmingschen Dreifachbehandlung (Safranin-Gentiana- Orange) unterworfen waren. Tafel XXIV. Fig. 29 und 30. Spindelzellen aus einem Schleuderpräparat. Fig. 31. Aus einem Präparat, welches nach '/stündigem Aufenthalt in der feuchten Kammer fixiert war. Primäre Fibrinmembran. Oben ein rotes Blutkörperchen, in einer Höhle der primären Fibrin- membran liegend; unten ein in Kriechbewegung fixierter Leukocyt, welcher sich einen Gang in der primären Fibrinmembran gebahnt hat. 358 Friedrich Meves: Thrombocyten des Salamanderblutes. Fig. 32—36. Metamorphosierte Spindelzellen. Cytoplasmaklümpchen von feiner Fibrinstrahlung umgeben. Die Zelle der Fig. 32 nach einem Aufent- halt von 2 Minuten, diejenigen der Figg. 33—36 nach einem solchen von 30 Minuten in der feuchten Kammer fixiert. In Fig. 35 und 36 sieht man neben der feinen Fibrinstrahlung dickere Fibrinfasern. In Fig. 35 ist rechts oben ein Ausschnitt der feinen Fibrinstrahlung weggelassen. Fig. 37. Inder Mitte: metamorphosierte Spindelzelle mit feiner Fibrinstrahlung. Oben rechts und oben links je ein rotes Blutkörperchen; unten rechts ein Leukocyt in Kriechbewegung; unten links ein sogenannter „freier Kern“. Man konstatiert, daß die Fäden der Fibrinstrahlung über die roten Blutkörperchen und den in Kriechbewegung befind- lichen Leukocyten hinweggehen. — Fixiert nach !/»stündigem Aufent- halt in der feuchten Kammer. Fig. 38. Spindelzelle, bei welcher die Metamorphose einen abnormen Verlauf genommen hat. Text pag. 332. — Fixiert nach !/sstündigem Aufent- halt in der feuchten Kammer. Tafel XXV. Die Präparate, welche den Figg. 39—42 und 44 zugrunde liegen, sind nach !/» stündigen, diejenigen, nach welchen die Figg. 43, 45 und 46 gezeichnet sind, nach zweistündigem Aufenthalt in der feuchten Kamuer fixiert. Fig. 39. Zwei metamorphosierte Spindelzellen, jede von einer feinen Fibrin- strahlung umgeben; zwischen ihnen eine Spindelfigur. Fig. 40. Metamorphosierte Spindelzelle mit feiner Fibrinstrahlung. Netz von dickeren Fibrinfasern, welche in der Nachbarschaft der Spindel- zelle radiär um diese herum angeordnet sind. Fig. 41. Ein von einer Spindelzelle abgetrenntes Cytoplasmastück, meta- morphosiert, von feiner Fibrinstrahlung umgeben. Fig. 42. Metamorphosierte Spindelzelle, degeneriert; Kern gequollen und von einem hyalinen Hof umgeben; wie in Fig. 13. Fig. 43—45. Gruppen von je zwei Spindelzellen, Fig. 46 größerer Haufen von solchen, umgeben von mehr oder weniger stark deformierten roten Blutkörperchen. In Fig. 44 rechts unten ein Leukocyt (teil- weise). 359 Aus dem anatomischen Institut der Jagellonischen Universität in Krakau. Über die Herkunft der Teilungscentren der ersten Furchungsspindel im befruchteten Ei. Von K. Kostanecki. Hierzu Tafel XXVI und XXVII. T. Die Beobachtung, dass der Samenfadenkopf auf seiner Wan- derung nach dem Eikern von einer einfachen oder doppelten Strahlung begleitet wird, ist ebenso alt, wie die ersten genaueren Beschreibungen der im Inneren des Eies nach der Befruchtung vor sich gehenden Veränderungen. Fol (1879) hat zuerst beobachtet, dass die Strahlung des Spermakerns auf eine vor ihm gelegene Stelle zentriert ist; OÖ. und R. Hertwig (1884) zeigten, dass die Strahlung auf ein vor dem Spermakern gelegenes achromatisches Gebilde als Mittel- punkt angeordnet ist; aber zwei Forschern gebührt das Verdienst, die Tragweite dieser Beobachtung gewürdigt zu haben, nämlich Vejdovsky (1886/7) und Boveri (1837). Sie stellten nämlich fast gleichzeitig und jedenfalls unabhängig voneinander fest, dass die Strahlung an dem Spermakern um ein Gebilde entsteht, welches das Spermatozoon ins Ei einführt; Vejdovsky nannte es „Periplast“, Boveri „Oentrosoma“. Sie erkannten auch die Bedeutung dieses Gebildes als Teilungsorgans der Zelle und wiesen nach, dass der „Periplast‘‘, das „Centrosoma‘‘ des Sperma- tozoons durch Teilung die Polkörperchen der ersten Furchungs- spindel liefert. Vejdovsky: „Meine Auffassuug des Befruchtungsvor- ganges lautet also dahin, dass während der Polzellenbildung das teilende Element — der Periplast — aus dem Ei fast spurlos eliminiert wird und demnach durch das Spermaplasma in Form eines neuen, energisch sich teilenden Periplastes ersetzt werden muss.“ Boveris Anschauung geht von folgenden Erwägungen aus: Wie es sich phylogenetisch feststellen lässt, vereinigen sich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 24 360 K. Kostanecki: während der Befruchtung zwei Zellen, die ursprünglich einander vollkommen gleichwertig waren, gleichwertig in bezug auf ihr Protoplasma, ihre Kerne und ihre Centrosomen. Später erst trat die geschlechtliche Differenzierung ein. Von dieser Differenzierung blieben ihrem Wesen nach unberührt die Kerne, die, trotz schein- barer Veränderungen, in bezug auf die wesentlichen Merkmale (Zahl der Chromosomen usw.) gleich geblieben sind. Boveri fasst die Vereinigung der Kerne als den Zweck der Befruchtung auf. Das Wesen, die Bedingung der Befruchtung aber besteht in der Anregung des Eies zur Entwicklung, d. h. zur fortgesetzten Zellteilung. Hierzu sind, wie eine Reihe von Experimenten Boveris bewiesen hat, die Geschlechtskerne entbehrlich; hier spielen die Hauptrolle das Protoplasma und die Centrosomen, die in beiden Geschlechtszellen durch eine Art Arbeitsteilung in umgekehrter Richtung differenziert sind. „Das Spermatozoon besitzt alle zur Entwicklung nötigen Qualitäten, Kern und Centrosoma, nur fehlt ihm das Protoplasma, in welchem diese Organe ihre Tätigkeit entfalten können. Das Ei umgekehrt besitzt Kern und Protoplasma, ihm aber fehlt das Centrosoma, oder das vorhandene ist zu schwach, um die Teilungs- vorgänge in Bewegung setzen zu können. Durch die Vereinigung von Ei- und Samenzelle ergänzt jede von beiden den Defekt der anderen, und so entsteht das entwicklungsfähige Ei, die erste Embryonalzelle.“ .... ‚Das befruchtende am Spermatozoon ist das Centrosoma.‘ Die Beobachtungen dieser Autoren wurden von einer ganzen Reihe von Forschern an verschiedenen Objekten bestätigt und ihre Deutung in vollem Umfange oder mit nur geringen Modi- fikationen angenommen. Während des schnellen Aufschwungs, den die Befruchtungslehre in den beiden letzten Dezennien gewann, mehrten sich von Jahr zu Jahr bestätigende positive Belege, sowohl bezüglich des Schwundes des Eicentrosomas, als auch der Entstehung der Spermastrahlung mit Centrosomen, ihrer Wan- derung gegen den Eikern und ihrer Verwertung zur Bildung der ersten Furchungsspindel. Wenn wir auch ältere Angaben, wo diese Frage nicht genau erörtert wird, oder auch spätere Arbeiten, in denen wegen der ungünstigen Verhältnisse an dem betreffenden Objekte dies nicht entschieden werden konnte, unberücksichtigt lassen, so ergibt sich doch eine stattliche Reihe von bestätigenden Furchungsspindel im befruchteten Ei. 361 Beobachtungen. Es sind dies: Brauer (Branchipus), Bochenek (Aplysia), Böhm (Petromyzon, Forelle), Behrens (Forelle), Byrnes (Limax), Co& (Cerebratulus), Crampton (Doris, Bulla, Molgula), Castle (Ciona), v. Erlanger (Seeigel, Asplanchna, Ascaris und andere Nematoden), Fick (Axolotl), Garnault (Helix, Arion), Gölski (Ciona), Griffin (Thalassema, Zirphea), Henking (Pterotrachea, Pyrrhocoris u. a.), Hill (Echinodermen, Phallusia), Halkin (Polystomum integerrimum), Herfort (Petromyzon), Jenkinson (Axolotl), Julin (Ascidien), Klinkow- ström (Prostheceraeus), Korschelt (Ophryotrocha), Helen Dean King (Bufo, Kostanecki (Seeigel, Physa fontinalis, Ascaris, Cerebratulus, Mactra), Linville (Gasteropoda), Mac Farland (Pleurophillidia californica), Michaelis (Triton), OÖ. Meyer (Strongylus tetracanthus), Mead (Chaetopterus per- gamentaceus), Mathews (Asterias, Arbacia), Rückert (Pri- stiurus, Cyclops), Reinke (Echinodermen), vom Rath (Grylio- talpa, Echinodermen, Schubmann (Distomum hepaticum), Sobotta (Maus, Amphioxus), Wilson (Toxopneustes, Nereis), Wulfert (Gonothyrea loveni) u.a. Während aber einerseits von so vielen Forschern diese Anschauung durch ganz unzweideutige Beobachtungen bestätigt wird, tauchen von Zeit zu Zeit Beobachtungen auf, die dieser Regel ihre allgemeine Gültigkeit zu nehmen bestimmt sind. So werden bei gewissen Tieren die Centrosomen der ersten Furchungsspindel nicht vom Spermacentrosoma, sondern vom Eicentrosoma, bei anderen vom Sperma- und Eicentrosoma zu- p) gleich hergeleitet; oder aber es wird zwar angegeben, dass der Samenfadenkopf auf seiner Wanderung nach dem Eikern von I 8 einer einfachen oder doppelten Strahlung samt Üentriolen be- gleitet wird, dass dieselben jedoch sodann schwinden und die Centriolen, welche die Polkörper der ersten Furchungsspindel liefern sollen, sowie ihre Strahlungen de novo entstehen. Es verdient gewiss nochmals nachgeprüft zu werden, ob die Angaben, die bei gewissen Tieren einen abweichenden Ursprung der Teilungseentren der ersten Furchungsspindel feststellen, genügend gestützt sind und ob wir für eine so fundamentale Phase des Befruchtungsprozesses in der Tat vier verschiedene Typen aufstellen müssen oder auch nur dürfen. - 24* 362 K. Kostanecki: 1. Die angebliche Herkunft der Polkörper der ersten Furchungsspindel aus der Teilung des Eicentrosomas bei Myzostoma glabrum. Nachdem ähnliche frühere Angaben bereits vorhin wider- legt wurden, gilt wiederum seit dem Jahre 1895 als einziges Beispiel für die Herkunft der Centrosomen der ersten Furchungs- spindel aus der Teilung des Eicentrosomas das Ei von Myzostoma glabrum, seitdem Wheeler angegeben hat, dass im befruchteten Ei dieses Tieres eine Sperma-Strahlung und ein Sperma-Öentrosoma vollkommen fehlen soll, und dass die beiden Strahlensysteme der ersten Furchungsspindel samt den beiden Polkörperchen ledig- lich vom Ei (durch Teilung des nach Ausstossung des II. Richtungs- körpers im Ei zurückgebliebenen Centrosomas samt seiner Strahlung) stammen. Die aufsehenerregende Arbeit Wheelers veranlasste mich, im Frühjahr 1897 während meines Aufenthaltes in der zoologischen Station in Neapel den Befruchtungsprozess bei Myzostoma einer Nachuntersuchung zu unterziehen. In einer Arbeit, die Anfang 1898 erschienen ist, habe ich meine Ergebnisse veröffentlicht, die darin gipfelten, dass die Wheelerschen Angaben bezüglich der Centrosomen der Furchungsspindel nicht stichhaltig seien und dass auch für Myzostoma glabrum der Satz seine Gültigkeit habe, dass die Centrosomen der ersten Furchungsspindel vom Spermacentrosoma herstammen. Fast gleichzeitig mit meiner Arbeit ist eine ausführliche, mit zahlreichen und genauer ausgeführten Figuren ausgestattete Arbeit Wheelers in den „Archives de biologie“ erschienen; und so konnte Wheeler meine Einwände noch nicht berück- sichtigen, ebensowenig, wie ich seine ausführlichere Darstellung und namentlich eine ganze Reihe seiner neuen Figuren. Dem Umstande ist es gewiss zuzuschreiben, dass in den späteren Abhandlungen über den Befruchtungsprozess von einigen Autoren die Wheelersche Ansicht als maßgebend,') von anderen Autoren als von mir widerlegt betrachtet,’) von anderen wiederum die Herkunft der Centrosomen der Furchungsspindel !) Vergl. Petrunkewitsch. 2\"Vergl. Go&: Furchungsspindel im befruchteten Ei. 363 von Myzostoma glabrum als noch nicht ganz sichergestellt ange- sehen wird.!) Es erschien mir deswegen dringend geboten, durchaus der endgültigen, durchaus unzweideutigen Entscheidung der Frage zuzustreben. Zunächst sei an den Verlauf des Befruchtungsprozesses bei Myzostoma in den Hauptzügen erinnert, und sodann seien die Wheelerschen Angaben nochmals kritisch beleuchtet. Der Samenfaden dringt bekanntlich bei Myzostoma in toto ins Ei ein, die Geissel schwindet allmählich, der lange, schlanke Spermakopf verkürzt und rundet sich allmählich ab, so dass während der zweiten Richtungsmitose ein runder kompakter Spermakern zu sehen ist. Der Spermakern liegt gewöhnlich dem vegetativren Pol genähertt. Wenn nach Abschnürung des II. Richtungskörpers der Eikern sich bläschenförmig umzuge- stalten beginnt, fängt die gleiche Umänderung auch am Sperma- kern an, und zwar verläuft der Umänderungsprozess an beiden Kernen gleichzeitig, so dass sie als gleichmässig grosse und gleich strukturierte Blasen erscheinen, durch ihre Lage im Ver- hältnis zu den Richtungskörpern jedoch stets deutlich zu unter- scheiden sind. Die Geschlechtskerne nähern sich einander, es tritt gewöhnlich eine teilweise Verschmelzung ein. Erst wenn sich die Kernbläschen auf einen geringen Abstand genähert haben, erscheint zwischen ihnen eine deutliche, für gewöhnlich doppelte Strahlenfigur, inmitten der unendlich zarten Fibrillen sieht man deutliche Centriolen. Die beiden Strahlensonnen nehmen ihre Stellung in der Kopulationsebene der zu immer grösseren Kernblasen anwachsenden Geschlechtskerne ein und es entsteht nach Schwund der Kernmembran eine typische Furchungsspindel. Diese, zwischen den beiden Geschlechtskernen auftretende Strahlung samt ihren Centrosomen leitet eben Wheeler von dem Centrosom und dem „Archoplasma“, welche nach Ausstossung des zweiten Richtungskörpers am inneren Pol in der Eizelle ver- blieben sind, ab. Er begründet diese Ansicht sowohl in seiner ersten als auch in seiner zweiten Arbeit damit, dass er während der !) Vergl. Lillie, sodann Korschelt und Heider: (Lehrbuch der ver- gleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Jena 1903. pg. 657) u. a. 364 K. Kostanecki: Wanderung des Spermakerns keine Spur von „Archoplasma“ oder „Centrosoma“ neben dem Spermakern wahrnehmen konnte, da- gegen beschreibt und zeichnet er Bilder, welche beweisen. sollen, dass das nach Ausstossung des zweiten Richtungskörpers im Ei zurückgebliebene Uentrosoma sich teilen, sich von Archoplasma umgeben und zum Ausgangspunkt der beiden Strahlensonnen der ersten Furchungsspindel werden soll. In meiner im Jahre 1898 veröffentlichten Arbeit habe ich bereits betont, dass ich die Umgebung des Eikerns nach Aus- stossung des II. Richtungskörpers mit der grössten Aufmerksam- keit studiert habe, und dass ich zu einem von den Wheelerschen Angaben ganz abweichenden Resultate gelangt bin. Meine da- malige Darstellung muss ich heute im vollsten Umfange aufrecht erhalten nach neuerlicher Prüfung des alten, sowie eines neuen sehr umfangreichen Materials. Die Strahlung, welche anfänglich um das in der Eizelle verbleibende Centrosoma in mächtiger Entfaltung zu sehen ist, bildet sich allmählich zurück, die Strahlen sind auf immer kürzere Strecken zu verfolgen, werden zarter und weniger färbbar; wenn dann der Eikern Bläschenform anzunehmen beginnt, sind an ihm noch eine zeitlang Spuren der anfänglichen Strahlung zu sehen, was mehr durch die Bei- behaltung der radiären Anordnung der Dotterkörnchen, als durch Fortbestehen der eigentlichen Strahlen zum Ausdruck kommt. Während der, anfangs meist lappige Kern an Grösse wächst und eine einheitlich runde Bläschenform annimmt, schwindet die Strahlung vollständig spurlos. Was also die Schicksale des im Ei verbleibenden Centrosomas und seiner Strahlung betrifft, schliesst sich Myzostoma vollkommen typisch an die Verhältnisse an, welche ich bei Physa, bei Cerebratulus, bei Mactra beschrieben und abgebildet habe') und welche auch von einer ganzen Reihe ı) Während des Überganges zur Bläschenform ist der Eikern nicht sofort von kugeliger Gestalt, sondern seine Konturen sind etwas eingebuchtet; gewöhnlich ist die Strahlung gegen eine Kernbucht gerichtet (was auch in Wheelers Fig. 24 (1898) zu sehen ist); es liegt also die Vermutung nahe, dass hier das Centrosoma hineingeraten ist. Öfters findet man die Überreste der Strahlung nicht an der dem Eizentrum zugekehrten Seite des Eikerns, sondern etwas seitwärts gelegen, infolge der telophatischen Drehung des Kerns. Alle diese Einzelheiten erinnern an die Verhältnisse bei Physa fontinalis, Cerebratulus, Mactra und verschiedenen anderen Tieren, die von anderen Autoren beschrieben wurden. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 365 von Autoren bei denjenigen Tieren beschrieben wurden, bei denen die Richtungsmitose mit deutlichen Centrosomen und schön entwickelter Strahlung verläuft. Ich möchte nochmals hervorheben, dass sowohl bei der ersten als auch, was vor allem wichtig ist, bei der zweiten Richtungsspindel man öfters die Centrosomen doppelt findet und zwar sowohl an dem Richtungspol als auch an dem in der Eizelle verbleibenden Pol. Besonders betonen möchte ich dies für den nach Abschnürung des II. Richtungskörpers in der Ei- zelle verbleibenden inneren Pol; Wheeler erblickt hierin eine Teilung des Ovozentrums, welche die Ausbildung der ersten Furchungsspindel vorbereiten soll. Demgegenüber muss ich be- merken, dass ich die gleiche Tatsache, die Teilung des Centro- somas an dem in der Eizelle verbleibenden Pol der II. Richtungs- spindel im befruchteten Ei von Physa fontinalis, Cerebratulus, Mactra beobachtet habe, wo es ja über jeden Zweifel feststeht, dass diese Öentrosomen samt ihrer Strahlung nachträglich zu Grunde gehen und die den Spermakern begleitende Strahlung samt ihrem Centrosoma die erste Furchungsspindel liefert. Das Gleiche haben auch andere Autoren, z. B. mit besonderem Nachdruck Griffin für Thalassema festgestellt (vergl. pg. 167 und 174 sowie Fig. 9 (1896). Es gilt für diese Tatsache dasjenige, was ich in meiner Physa-Arbeit bemerkt habe: „Da das Ei selbst- ständig keine weitere Teilung durchmacht, so hat diese Zwei- teilung des Gentrosomas keine praktische Verwendung, da ja die Polkörper der zukünftigen karyokinetischen Figur nach der Be- fruchtung, also der ersten Furchungsspindel, lediglich vom Samen- faden herrühren. Das bei der Ausstossung der beiden Richtungs- körper in rascher Tätigkeit begriffene Ei weist hier also ein Übermaß an Leistung auf, es schickt sich zu einer neuen Teilung an, die aber sofort unterdrückt wird.“ In den Wheelerschen Arbeiten sollen die Fig. 5 und 6 (1895) und die Fig. 27, 28, 29 (1898) den Fortbestand der Centrosomen an dem Eikern beweisen. Bezüglich der Figuren der ersten Wheelerschen Arbeit (1895) habe ich gesagt, dass dieselben in ihrer Aufeinanderfolge auf den ersten Blick einen durchaus überzeugenden Eindruck machen und dafür unzweideutig zu sprechen scheinen, dass die Centrosomen und das „Archoplasma“ mit dem Eikern gegen den Spermakern hinwandern. „Die Beweiskraft der Fig. 5 und 6 (1895) wird aber bedeutend sinken,“ habe ich in meiner vorigen 366 K. Kostanecki: Arbeit bemerkt, „wenn man bedenkt, dass der ganze mittlere Teil des Zell- leibes nach innen von den Vacuolen, welchen Wheeler um das „Archoplasma“ und die Öentrosomen freilässt, von der gleichen dichten feinkörnigen Masse erfüllt ist.“ Und meiner Ansicht nach haben auch die Figuren 27, 28, 29 der zweiten Wheelerschen Arbeit (1898), welche das gleiche Stadium be- treffen, durch die genaue Ausführung bedeutend an Beweiskraft eingebüsst und können keineswegs zur Stütze der Wheelerschen Ansicht beitragen. Bilder, wie sie Wheeler in Fig. 27 abbildet, wo neben dem Eikernbläschen zwei von einem hellen Hof umgebene Körnchen liegen sollen, habe ich niemals beobachtet; dass man ab und zu versucht sein kann, ein oder zwei kleine Körnchen, um welche herum man bei gewisser Einstellung des Mikroskops ein helleres Feld zu sehen glaubt, für Centrosomen zu halten, ist leicht verständlich, aber derartige Bilder kann man an jeder Stelle im Protoplasma der Eizelle zufällig finden und deswegen muss ich mit allem Nachdruck feststellen, dass wir nicht berechtigt sind, derartige kleine Körnchen ohne jede Spur von Strahlung als Centrosomen zu deuten, geschweige denn, diese Deutung zum Ausgangspunkt einer neuen vollkommen abweichenden Auffassung des Befruchtungsprozesses zu machen. Beim An- blick der Fig. 28 und 29 wird sich aber jeder die Frage aufwerfen, welches Kriterium es uns gestattet, das kaum merkliche Feld an der inneren Seite des Eikerns, als „Archoplasma“ zu deuten und noch dazu Centrosomen in demselben zu erkennen. Von den neuen Wheelerschen Figuren, welche die ferneren Stadien illustrieren, und wo zwei Strahlensonnen mit Centrosomen zu sehen sind, muss ich zum grössten Teil dassselbe sagen, was ich von der Fig. 7 und 8 (1895) seinerzeit gesagt habe: wenn man aus der Lage der beiden Strahlen- figuren und ihrer Öentrosomen auf ihre Zugehörigkeit zu einem der beiden Geschlechtskerne schliessen will, so kann man in den Figuren 30, 34 die- selben ebenso gut vom Eikern, wie vom Spermakern herleiten, in den Figuren 33, 35 weisen sie viel engere Beziehungen zum Spermakern als zum Eikern auf, sodass meiner Ansicht nach, die Figuren eher gegen Wheelers Deutung sprechen. Ohne Bedeutung sind die Fig. 31 und 37, einer Diskussion bedürfen nur die Fig. 32, 36, 40. In der Fig. 32 haben wir einen Schiefschnitt (denn die Richtungskörper sind nicht mit getroffen), die beiden bläschenförmigen Geschlechtskerne berühren einander bereits — auf diesem Stadium ist die doppelte Strahlung stets bereits weit entwickelt, und wie die Figuren Wheelers selbst lehren, kann die Lage der Strahlensonnen im Verhältnis zu den beiden Kernen eine sehr verschiedene sein, dass sie also auch, falls sie sich an einer Seite des Spermakerns entwickelten und sich sodann etwas mehr von ihm entfernten, an die Seite des Eikerns geraten konnten, ist sehr möglich; zudem muss ich betonen, dass nur das plastische mikroskopische Bild der Fig. 32 völligen Aufschluss über die Zugehörigkeit der Strahlungen zu den bläschenförmigen sich teilweise bedeckenden Kernen geben könnte, es würde sich dann sicherlich herausstellen, dass, wenn man die ganze Oberfläche des bläschenförmigen Spermakerns in Betracht zieht, der Abstand der Strahlung vom Spermakern geringer ist, als in dem in Furchungsspindel im befruchteten Ei. 367 einer Ebene gezeichneten Bilde. In der Fig. 36 lässt die Lage der beiden Sphären gleichfalls keine Schlüsse mehr auf die Zugehörigkeit der Strahlungen zum Eikern zu; die vor dem etwas seitlich gelegenen Spermakern zur Ent- wicklung gelangte Strahlung hat sich schneller, als der Spermakern selbst, an ihren definitiven Bestimmungsort begeben; aus der Lage der Geschlechts- kerne im Verhältnis zu den Richtungskörperchen sieht man, dass der Sperma- kern erst später in die Längsachse des Eies rücken wird, in der er stets später zu finden ist. Der Umstand, dass von den Strahlungen der Eikern beiderseits etwas eingebuchtet wird, spricht keineswegs für die Zugehörig- keit der Sphären zu demselben,') unter Heranziehung dieses Arguments hätte Wheeler z. B. die Fig. 35 gegen seine Deutung verwerten müssen, da ja in derselben der Spermakern von einer Sphäre deutlich eingebuchtet ist, während der Eikern eine vollkommen runde Form besitzt. Die Fig. 40 stellt eine Abnormität dar, eine Abnormität sowohl was die Lage der beiden Sphären betrifft, als auch die Lage der Geschlechtskerne (wenn man ihren schon weit vorgeschrittenen Entwicklungsgrad mit berück- sichtigt). Die beiden Strahlensonnen zwischen den Geschlechtskernen liegen gewöhnlich — davon kann man sich auch an Wheelers Figuren über- zeugen — anfangs schief, bald aber streben sie der typischen Lage in der Kopulationsebene zu, derart, dass sie in einer zu der durch die Richtungs- körper gehenden Achse (bei Myzostoma Längsachse des Eies) senkrechten Ebene zu liegen kommen. In der Fig. 40 sieht man dagegen, trotzdem dass die beiden Strahlensonnen schon sehr weit entwickelt und ihre Centrosomen in beiden doppelt sind, die beiden Sphären in der Längsachse des Eies ge- legen und sie fassen den Eikern zwischen sich. Bei so hochgradiger Ent- wicklung der Strahlensonnen ist der Spermakern gewöhnlich schon dem Eizentrum genähert, für gewöhnlich in unmittelbarer Berührung mit dem Eikern — hier dagegen liegt der Spermakern noch völlig am vegetativen Pol. Selbst wenn andere Figuren die Herkunft der -Strahlensonnen und ihrer Centrosomen aus dem Centrosoma des Eikerns beweisen würden, müssten wir diese Figur als eine Abnormität betrachten. Die Figur macht mir den Eindruck, als ob (aus unbekanntem Grunde) der Spermakern in “seiner Wanderung zurückgehalten, die Sphäre sich entwickelt, weiter ge- wandert und in eine ungewöhnliche Lage gerückt wäre; wenn nicht vielleicht. da in der Figur nur ein Richtungskörper zu sehen ist, wir es mit einer Abnormität zu tun haben, ‚die mit der unterbliebenen Ausstossung des II. Richtungskörpers zusammenhängt. Abnorm ist die Figur auf jeden Fall — in meinen Präparaten habe ich niemals ähnliches beobachtet und auch in Wheelers Präparaten dürften sich diese Fälle nicht wiederholt haben. Wir haben gewiss kein Recht, auf einer Abnormität eine neue Regel für die Herkunft der Centrosomen der Furchungsspindel aufzubauen. Meiner Ansicht nach beweist also auch von den neuen Figuren Wheelers (1398) keine einzige die Herkunft der !) Analoge Fälle der Einbuchtung des Eikerns durch die Strahlungen finden wir auch bei Tieren, wo die Strahlungen ganz sicher vom Sperma- tozoon abstammen. 368 K. Kostanecki: Centrosomen der Furchungsspindel von dem Eicentrosoma. Ich muss nochmals feststellen, dass bei Myzostoma im befruchteten Ei ein Stadium eintritt, wo die beiden zu grösseren Blasen ange- wachsenen und voneinander bedeutender entfernten Geschlechts- kerne gewöhnlich nur durch eine gleichmässig fein- körnige Plasmamasse voneinander geschieden sind. Wenn nun nach Annäherung der beiden Geschlechtskerne plötzlich zwischen ihnen eine Strahlenfigur mit Centrosomen erscheint, so könnte dieselbe von zweifacher Herkunft sein: Entweder ist sie die zeitweise unterdrückte Strahlung des Eikerns und sein Centrosoma, die aber, dies muss betont werden, von neuem in Aktion treten müssten, da ich ihren Fort- bestand bis dahin entschieden in Abrede stellen muss — oder aber sie können von dem Samenfaden eingeführt sein, nur dass sie bis dahin latent waren. Die Verwirklichung der ersten Möglichkeit bei Myzostoma wäre ein Unikum, die bei keinem anderen Tiere ein Analogon findet — zu ihrer Annahme müssten unzweideutige Beweise bei- gebracht werden, ganz andere, als diejenigen, welche uns die Bilder des Befruchtungsvorgangs bei Myzostoma zu bieten imstande sind, und welche also Wheeler in seinen Arbeiten liefern konnte. Ich habe bereits betont, dass bei dieser Sachlage, bei der Unmöglichkeit des direkten Nachweises der Herkunft der Centro- somen der ersten Furchungsspindel bei Myzostoma, für die Ent- scheidung der Frage zunächst die Analogie mit dem Befruchtungs- vorgange bei anderen Tierspezies als maßgebendes Moment in Betracht kommt; die Tatsache, dass für alle anderen Tierspezies festgestellt werden konnte, dass die Üentrosomen der ersten Furchungsspindel vom Spermacentrosoma abstammen, spricht von vornherein für denselben Ursprung auch bei Myzostoma. Abgesehen von dieser allgemeinen Analogie haben wir in der Literatur des Befruchtungsprozesses einige Analogien im engeren Sinne, die für uns sehr lehrreich sind. Ich erinnere an das in der Befruchtungslehre klassische Objekt, das be- fruchtete Ei von Ascaris megalocephala. Van Beneden und Herla haben für Ascaris gerade die Ansicht ausgesprochen, dass die Öentrosomen der ersten Furchungsspindel dem Ei entstammen, — erst neuere Färbungsmittel haben gezeigt, dass mitten in dem Furchungsspindel im befruchteten Ei. 369 dem Spermatozoon vorangehenden feinkörnigen protoplasmatischen Hof ein Üentrosoma nachzuweisen ist. Bei Ascaris ist der protoplasmatische Hof am Spermakern so deutlich wahrnehmbar, weil er sich scharf von dem umgebenden, mit grossen Vacuolen erfüllten Zellleibe abhebt; bei Myzostoma lässt sich nicht einmal ein protoplasmatischer Hof nachweisen, weil der Samenfaden in eine dichte, äusserst feinkörnige Plasmamasse zu liegen kommt, welche den Hauptteil des Zellleibes einnimmt. Erst wenn sich das Centriol resp. die Gentriolen mit Strahlungen umgeben, kann man sie erkennen. Ich habe in meiner vorigen Arbeit auch auf das sehr wichtige Beispiel aufmerksam gemacht, welches uns das befruchtete Ei der Maus liefert: Sobotta sah an dem eingedrungenen Samenfadenkopf ‚„einigemale an seinem hinteren Ende ein kleines Öentrosma mit einer zarten Strahlung. Der Samenfaden scheint auch hier eine Drehung zu machen und liegt schon sehr bald nach seinem Eindringen schräg zur Eioberfläche. Dann geht er in einen kleinen runden Kern, denn männlichen Vorkern, über... Ein Centrosoma oder eine Strahlung habe ich dann an ihm nicht mehr wahrgenommen.“ !) Erst fürs Knäuelstadium beschreibt er: „In einigen Fällen würde jetzt schon zwischen beiden Kernen ein, wenn auch undeutliches Uentrosoma bemerkt.‘ Dieses Centrosoma leitet Sobotta von dem Sperma- centrosoma ab, welches anfänglich zu sehen war, dann durch andere Strukturen verdeckt wurde und sodann wieder sicht- bar wird. Bei Myzostoma. ist es eben nicht möglich, in den Anfangs- stadien neben dem Spermakern ein Üentrosoma nachzuweisen, die hierfür am meisten geeignete Heidenhainsche Methode färbt den langen, aus Spermatomeriten zusammengesetzten Spermakopf und die hier in toto eingedrungene Geissel so intensiv, dass das Suchen nach dem Spermacentrosoma von VOINn- herein sich aussichtslos darstellt. Wheeler erblickt in der Un- möglichkeit, das Centrosoma färberisch darzustellen, und in dem Mangel eines deutlichen, ausgesprochenen Mittelstückes in dem !) An einer anderen Stelle sagt Sobotta: „Das Centrosoma des Spermatozoenkopfes ist jetzt nicht mehr zu entdecken, anscheinend ist das- selbe in die Bildung des Spermakerns spurlos aufgegangen und entzieht sich so der Beobachtung.“ 370 K. Kostanecki: Samenfaden von Myzostoma, einen Beweis dafür, dass das Centro- soma der Spermatide zugrunde gegangen ist. Ich kann diese Annahme nicht gelten lassen,!) denn auch bei den Tieren, bei denen in etwas späteren Stadien der Be- fruchtung neben dem Spermakern mächtige Strahlungen mit Centriolen auftreten, gelingt es nur bei verhältnismässig wenigen, an dem freien Spermatozoon oder bald nach seinem Eindringen ins Ei ein Uentriol nachzuweisen. Ich habe in meiner vorigen Arbeit bereits hervorgehoben, dass für gewöhnlich in meinen Präparaten, solange die beiden Geschlechtskerne in einer etwas größeren Entfernung voneinander lagen, den Raum zwischen denselben eine gleichmässig feinkörnige Masse erfüllte, dass ich aber vereinzelte Bilder getroffen habe, wo neben dem Spermakern, an der der Eimitte zugekehrten Seite die Andeutung einer um ein oder zwei deutliche Körnchen gruppierten Strahlung zu sehen war; meiner Ansicht nach war dies die in Entwicklung begriffene Spermastrahlung, wenn auch in Anbetracht des Mangels einer deutlichen Strahlung ich die Bilder nicht als über allen Zweifel erhaben hinstellen konnte. In meinen bisherigen Bemerkungen musste ich mich, ebenso, wie in meiner vorigen Arbeit, darauf beschränken, die Unzu- länglichkeit der Wheelerschen Beweise für die Herkunft der Centriolen der Furchungsspindel vom Eicentriol darzutun, die Wahrscheinlichkeit ihrer Herkunft vom Spermacentriol konnte ich nur durch mehr aprioristische Betrachtungen stützen, an positiven Beweisen konnte ich nur die ab und zu am Spermakern wahrnehmbare „Spur“ einer Strahlung anführen. Die Wahrnehmung, dass diese Gründe nicht genügten, um der Behauptung, dass bei Myzostoma die Üentriolen der Furchungsspindel vom Eicentriol abstammen, vollständig den Boden zu entziehen, veranlassten mich, neuerlich nach direkten Beweisen für die Herkunft derselben vom Spermacentriol zu suchen, und ich benutzte meinen Aufenthalt in der zoologischen ı) Wilson hat gleichfalls hervorgehoben: ‚That the absence of a distinet middle-piece is not a valid argument is sbown by the insect- spermatozoön, where the region of the middle-piece is likewise not marked off from the tail, yet as we have seen the centrosome passes into this part 0f the spermatozoön.“ Furchungsspindel im befruchteten Ei. 371 Station in Neapel im Monate März und April 1905, um die dies- bezüglichen Untersuchungen anzustellen. Ich habe nochmals zu wiederholtenmalen an einem umfang- reichen Material die künstliche Befruchtung des Myzostoma-Eies unter normalen Bedingungen vorgenommen um die „kritischen“ maßgebenden Stadien in verschiedenen Zeitabständen zu fixieren. Ich habe in den bezüglichen Präparaten eine vollständige Be- stätigung meiner früheren Beschreibung gefunden, namentlich was die Abwesenheit einer Eikernstrahlung betrifft, sodann aber auch einige Ergänzungen bezüglich der Spermastrahlung, über welche ich unten berichten werde; aber diese Untersuchung hat mir gleichfalls gezeigt, dass bei den ganz eigentümlichen Ver- hältnissen im befruchteten Myzostoma-Ei, namentlich bei dem so späten Auftreten der deutlichen Strahlungen mit deutlichen Centriolen, auf diesem Wege eine endgültige positive Entscheidung sich nicht erreichen lässt. Ich habe es deshalb unternommen, das Problem experi- mentell in Angriff zu nehmen: Vergegenwärtigen wir uns, dass bei Myzostoma der Sperma- kern an der Eiperipherie (gewöhnlich am vegetativen Pol) längere Zeit hindurch liegen bleibt, dass er dort bedeutend aufquillt, zu einer grossen Kernblase heranwächst und dann plötzlich gegen den gleichfalls bläschenförmigen reifen Eikern emporrückt, worauf zwischen den Geschlechtskernen die Strahlungen erscheinen, deren Lage es nicht ermöglicht zu entscheiden, welchem der beiden Kerne sie ursprünglich angehören. Von Be Tatsache ausgehend, habe ichsangenommen, dass, falls die Voraussetzung richtig ist, Mläss die Strahlungen und die Centriolen von dem Sperma- tozoon abstammen, es vielleicht möglich sein wird, das Auftreten der Strahlung am Spermakern hervorzurufen, bevor er sich noch dem Eikern genähert hat (wodurch alle Zweifel über ihre Her- kunft gehoben wären), wenn es gelingt, den Spermakern zu ver- anlassen, länger an der Peripherie liegen zu bleiben und sein Emporrücken gegen den Eikern zu verzögern. Die Beobachtung wiederum, dass der Spermakern an der Peripherie so lange liegen bleibt, bis die beiden Richtungsmitosen abgelaufen sind und der Eikern zu einem bedeutenderen Kern- bläschen angewachsen ist, wies mich von vornherein darauf hin, dass eine Verzögerung des Emporrückens des Spermakerns nur 372 K. Kostanecki: durch eine Verzögerung in dem Ablauf der Richtungsmitosen erzielt werden kann. Zur Verzögerung des Ablaufs der Richtungs- mitosen benutzte ich die bekannte Tatsache, dass man die Furchung befruchteter Eier, also die Zellteilung, verlangsamen kann, wenn man die Eier sich in einem Medium entwickeln lässt, dessen Konzentrationsgrad man erhöht; ich vermutete also, dass die Erhöhung der Konzentration auch auf den Ablauf der Richtungsmitose einen verlangsamenden Einfluss ausüben kann. Zu letzterem Zwecke habe ich, um möglichst wenig die qualitative Zusammensetzung des Meerwassers zu ändern, abgedampftes Meerwasser benutzt. Entwicklung des befruchteten Myzostoma -Eies im Meerwasser von höherer Konzentration.') Ich habe zunächst eine Reihe von Versuchen angestellt, wo ich das Meerwasser von 1000 cem auf 750 cem abgedampft und dann diese Lösung in verschiedenen Verhältnissen mit. frischem Meerwasser gemischt habe; da aber beim Abdampfen hierbei schon ein bedeutender Niederschlag entstand, so habe ich dann das Meerwasser nur noch von 1000 auf S00 cem abgedampft; die hierbei infolge der Entfernung der Kohlensäure beim Kochen gefällten Salze lösten sich beim längeren Durchleiten des Luftstromes wieder vollständig auf. Bei der einen, wie bei der anderen Versuchsreihe waren die Resultate ähnlich, wenn die aus der Mischung mit frischem Meerwasser resultierende Konzentration eine ähnliche war. Es erwies sich am zweckmässigsten, das abgedampfte Meer- wasser zur Hälfte mit frischem zu mischen, denn dadurch wurde bereits eine bedeutendere Verzögerung in der Ausstossung der Richtungskörper und sodann in der Teilung des Eies in zwei Blastomeren erzielt, sonst aber keine weiteren Störungen oder nur ab und zu bei einem sehr geringen Bruchteil der Eier geringfügige Abweichungen in der Ausstossung der Richtungs- körper hervorgerufen. !) Die Hauptresultate dieser Versuche wurden unter dem Titel: „Ex- perimenteller Beitrag zur Feststellung der Herkunft der Centriolen der ersten Furchungsspindel bei Myzostoma glabrum“ im Bulletin de l’academie des sciences de Cracovie, Cl. d. se. mathem. et natur. Juillet 1905 veröffentlicht. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 373 Die Teilung des Eies in zwei Blastomeren, welche in gewöhnlichem Meerwasser in 1 Stunde 25 bis 35 Minuten erfolgt, trat hier erst in 1 Stunde 50 Minuten bis zu 2 Stunden ein. Je mehr das abgedampfte Meerwasser durch Zusatz von frischem verdünnt wurde, desto weniger verzögerte sich die Richtungs- und Furchungsmitose, bei höherer Konzentration dagegen wurde die Tätigkeit der Eizelle in zu hohem Grade angegriffen, es wurde bei sämtlichen Eiern nur der erste Richtungskörper gebildet, die Ausstossung des zweiten trat nicht ein, bei noch stärkerer Lösung blieb die Ausstossung der Richtungskörper überhaupt aus, was an den Schnittpräparaten das Auftreten von abnormen, bisweilen komplizierten Teilungs- bildern zur Folge hatte. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass die Teilung des befruchteten Eies in dem Meerwasser, welches zur Hälfte mit abgedampftem Meerwasser verdünnt war, nach ungefähr 1 Stunde 50 Minuten erfolgt, habe ich eine ganze Reihe von Ver- suchen angestellt und in verschiedenen Zeitabständen die ver- schiedenen Stadien, vor allem in der Zeit von 1 Stunde 20 Minuten, bis zu 1 Stunde 40 Minuten fixiert. Die Untersuchung einer sehr grossen Zahl von Schnitten ergab das erwartete Resultat: An dem infolge der langsamer erfolgenden Ausstossung der beiden Richtungskörper längere Zeit hindurch am vegetativen Pol oder überhaupt an der Zell- peripherie verbleibenden, also in weiterer Entfernung von dem Eikern liegenden Spermakern sind schöne Strahlungen mit deut- lichen Centriolen aufgetreten. An den Präparaten war entweder eine Strahlung mit einem oder zwei Üentriolen, oder es waren zwei, mehr oder weniger voneinander, entfernte Strahlungen zu sehen, über deren Zugehörigkeit zum Spermakerne kein Zweifel überhaupt möglich war, während der Eikern stets von einer gleichförmig feinkörnigen Plasmamasse ohne Spur einer Strahlung umgeben war, sich also ganz ebenso verhielt, wie ich es stets an meinen Präparaten auch bei den in gewöhnlichem Meerwasser sich entwickelnden befruchteten Eiern gesehen habe. Ich habe in den Fig. 1 bis 22 eine Reihe der diesen Versuchen ent- nommenen FEiserienschnitte abgebildet, absichtlich nur solche Bilder, in denen auf einem Schnitte sowohl die Richtungskörper 374 K. Kostanecki: als auch der Ei-!) und Spermakern sowie die Strahlung zu sehen war, um jede Möglichkeit einer Täuschung in der Deutung der Kerne auszuschliessen; Hunderte von Schnitten also, welche nicht in der Längsachse des Eies, sondern schief ausgefallen waren, in denen der Spermakern mit seiner Strahlung in einen Schnitt, der Eikern mit den Richtungskörpern, oder auch die Richtungs- körper allein in einen anderen Schnitt gefallen waren, wurden von vornherein ausgeschlossen, bildeten nur für mich ein weiteres bestätigendes Material; aber auch so wäre die Zahl der Figuren noch viel grösser ausgefallen, wollte ich alle die Bilder mit zwei Richtungskörpern, dem Ei- und Spermakern samt Strahlung auf ein und demselben Schnitt reproduzieren, für die meisten der hier abgebildeten Figuren habe ich in meinen Präparaten mehrere Belege. Dieser Umstand ist wichtig, denn er zeigt, dass in diesen Versuchen die Strahlung neben dem Spermakern nicht nur ab und zu auftritt, sondern eine stetige Erscheinung bildet. Und ebenso wie für mich die grosse Zahl der beobachteten Bilder, so wird für den Leser gewiss die Aus- wahl der Figuren in ihrer Gesamtheit einen Beweis bieten, dass bei Myzostoma ebenso wie bei anderen Tieren neben dem Spermakern eine Spermastrahlung auftritt. In den Fig. 1 und 2 sehen wir vor dem weit entfernten Spermakern eine deutliche Strahlung mit einem Centriol, in den Fig. 3, 4. 5, 6 sehen wir den Beginn der Ausbildung einer Doppelstrahlung und selbst die Ausbildung einer Zentralspindel, die Doppelstrahlung geht dem Spermakern voran oder nimmt eine schiefe Lage zu demselben ein. Indessen sieht man auch häufig, dass die einfache oder doppelte Strahlung nicht vor dem Spermakern, sondern hinter ihm gelegen ist, und zwar sowohl in den Stadien, wo der Spermakern noch in weiterer Entfernung vom Eikern liegt (Fig. 7 und 8), als auch sehr häufig zur Zeit, als die beiden Geschlechtskerne sich sogar schon berühren (wie in Fig. 9, 10, 11). !) In Fig.1, 3, 12 ist der Eikern nicht rundlich, sondern gelappt; dies kommt aber auch bei den im gewöhnlichen Meerwasser sich entwickelnden Eiern vor; bisweilen bildet sich aus den Eichromosomen überhaupt kein ein- heitlicher Eikern, sondern eine Reihe kleiner Kernbläschen aus; vergl. auch die Bemerkungen Wheelers über den ‚„multivesicular character of the female pronucleus‘“ pg. 38 (1898). Furchungsspindel im befruchteten Ei. 375 Die Lage der Strahlung in Fig. 7 bis 11 ist für uns be- sonders lehrreich, da sie ihre Zugehörigkeit zum Spermakern be- sonders klar dokumentiert, dass sie dem Spermakern nicht voran- geht, sondern nachfolgt, halte ich für eine Abweichung; die stärkere Konzentration des umgebenden Mediums hat nämlich, sei es das Eiplasma, sei es den Samenfaden, derartig beeinflusst, dass der Samenfaden in diesen Fällen die bekannte „Drehung“ nicht ausgführt hat, während die Fig. 1 bis 6 in dieser Beziehung sicherlich ‚‚normaler‘“ sind. Die verschiedene Lage der Strahlung im Verhältnis zum Spermakern muss natürlich auch ein verschiedenes Bild in den ferneren Stadien zur Folge haben. Wenn die Spermastrahlung dem Spermakern voranging, so wird sie nach Annäherung der (reschlechtskerne die Lage zwischen denselben einnehmen, der- artige Bilder lassen keine Schlüsse mehr auf die Ursprungsquelle der Strahlung zu — ich habe sie deswegen hier nicht abge- bildet; wenn die Strahlung dagegen anfänglich schief neben dem Spermakern oder hinter ihm lag, so wird auch in den ferneren Stadien die aus ihrer Teilung hervorgegangene Doppel- strahlung ihre Zugehörigkeit zum Spermakerne dokumentieren. Die Figuren 12 bis 19 bieten uns hierfür ganz unzweideutige Belege und zeigen zugleich, wie mannigfach sich die Bilder ge- stalten können. Im weiteren Verlauf rückt die Doppelstrahlung, welche Lage sie anfangs auch eingenommen haben mag, schliesslich in die Kopulationsebene der Geschlechtskerne ein, wie wir es in Fig. 20 sehen; natürlich sind die Bilder von diesem Moment ab für die Herkunft der Centriolen nicht mehr entscheidend. Ich habe die Fig. 20 nur deshalb beigefügt, um zu zeigen, dass in diesen Versuchen der Vorgang dem typischen Bilde zustrebt, wie wir es in den unter gewöhnlichen Verhältnissen sich entwickelnden Eiern antreffen (vergl. die Figuren Wheelers und die Figuren in meiner vorigen Arbeit); ebenso unterscheiden sich die ferneren Stadien, als die Geschlechtskerne in zwei Chromosomengruppen zerfallen und als sich sodann die definitive Furchungsspindel herausbildet usw., in keiner Weise von den entsprechenden Bildern bei der normalen Befruchtung. Auch die weitere Entwicklung geht in ganz normaler Weise vor sich, nur immer in langsamerem Tempo. Ich habe Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 25 2 376 K. Kostanecki: bei einigen Versuchen die Eier sich mehrere Tage entwickeln lassen und zwar stets in dem Meerwasser von höherer Konzen- tration: es bildeten sich vollkommen normale typische Embryonen. Nur sehr selten, jedoch immerhin ab und zu, trat in den Versuchen, wo die Eier sich in dem abgedampften Meerwasser, welches zur Hälfte mit normalem gemischt war, entwickelten, eine kleine Abweichung ein: es wurde anstatt zweier, nur ein Richtungskörper ausgestossen. Aus der zweiten Richtungsspindel bildeten sich, wie wir aus Fig. 21 und 22 ersehen, zwei bläschen- förmige Eikerne (dass der erste Richtungskörper in mitotischer Teilung begriffen ist, ist eine auch sonst häuflg vorkommende Er- scheinung), aber auch in solchen Eiern sah man neben dem Spermakern entweder vor ihm, oder seitwärts von ihm oder hinter ihm die in Bildung begriffene Spermastrahlung. Das, was bei diesen Versuchen nur ab und zu vorkommt, nämlich, dass die Ausstossung des zweiten Richtungskörpers unter- bleibt, tritt als Regel auf, wenn man die Konzentration des Mediums, in dem man die Eier befruchtet und sich entwickeln lässt, noch erhöht. In Fig. 23 sehen wir ein Ei, welches sich in einer Mischung von 60 eem abgedampften Meerwassers (von 1000 auf S00 ccm) und 40 cem frischen Meerwassers entwickelte. Wir sehen nur einen Richtungskörper, aus der zweiten Richtungsspindel, die sich wahrscheinlich zweimal zur Teilung anschickte, sind vier bläschen- föormige Kerne entstanden, man sieht neben ihnen einen Über- rest von Strahlung, an dem Spermakern ist eine sehr deutliche Strahlung zu sehen. In Fig.24 und 25 sehen wir Eier, welche sich in einer Mischung von 90 cem abgedampften Meerwassers (von 1000 auf 800 cem) und 10 ccm frischen Meerwassers entwickelten. In beiden ist nur der erste Richtungskörper ausgestossen und in beiden ist er in mitotischer Teilung begriffen. Infolge der höheren Konzentration des umgebenden Mediums sind die beiden Chromo- somengruppen der zweiten Richtungsspindel nicht mehr zu bläschenförmigen Kernen angequollen, sondern bilden kompakte Chromatinklumpen, ebenso ist der Spermakopf kompakt geblieben. In Fig. 24 sieht man neben dem Eichromatin eine kleine Doppel- strahlung mit Centriolen, neben dem Spermakern eine einfache Strahlung mit Centriol, in Fig. 25 umgekehrt, neben den Ei- Furchungsspindel im befruchteten Ei. 371 chromatinklumpen eine einfache Strahlung, neben dem Sperma- kern eine Doppelstrahlung mit Centriolen. Die Bilder, die uns die Fig. 21, 22, 23, 24 und 25 bieten, beweisen, dass auch in den Eiern, in denen die Erhöhung der Konzentration des umgebenden Mediums Abweichungen in dem Verlauf der Richtungsmitose und selbst in der Ausbildung der Geschlechtskerne hervorgerufen hat, neben dem Spermakern, der in seinem Emporrücken gegen den Eikern verhindert wird, eine deutliche Strahlung auftritt. Bei noch stärkerer Erhöhung der Konzentration bleibt auch die Ausstossung des ersten Richtungskörpers aus, das Chromatin bildet Klumpen, die Strahlungen treten entweder garnicht oder nur in rudimentärer Form auf, deswegen bieten diese Figuren kein Interesse mehr. Aus den obigen Versuchen ergibt sich also, dass die Er- höhung der Konzentration (wie oben gesagt, bis zu einem ge- wissen Grade) keinen schädlichen Einfluss auf die Entwicklungs- fähigkeit des Eies, keinen störenden Einfluss auf die Richtungs- mitose, ebensowenig auf die Ausbildung der typischen Furchungs- spindel ausübt, mit der einzigen Ausnahme, dass sie das Tempo der Entwicklung verlangsamt. Dadurch aber, dass diese Verlangsamung sich schon bei der Richtungsmitose geltend macht, erreicht man eben das Auftreten der Strahlung am Spermakern, als er noch in weiter Ent- fernung vom Eikern liegt, während dieselbe nor- malerweiseerstdann auftritt, wenn die Geschlechts- kerne einander genähert sind. Wollte man diesen Schluss nicht gelten und die Wheeler- schen Angaben zu Recht bestehen lassen, so müsste man der Erhöhung der Konzentration des Meerwassers eine zweifache Wirkung auf das befruchtete Myzostoma-Ei zuschreiben: 1. müsste sie die Teilung des nach Ausstossung des II. Richtungskörpers am reifen Eikern zurückgebliebenen Centriols und die Ent- stehung der Strahlung unterdrückt haben, dagegen 2. in der Nachbarschaft des Spermakerns die Strahlungen samt Üentri- olen als neue Bildungen hervorgerufen haben. Dass durch eine und dieselbe Ursache gleichzeitig zwei so weitgehende, aber regelmässig sich begleitende Änderungen hervor- gerufen werden sollten, lässt sich von vornherein unmöglich 25* 378 K. Kostanecki: annehmen; müssten sich doch dabei die beiden Erscheinungen in diametral entgegengesetztem Sinne geltend machen: Unter- drückung der Strahlung am Eikern, wo sie vorhanden sein, ihre Erzeugung am Spermakern, wo sie fehlen sollte. Über das Verhalten des im Inneren des Eies verbleibenden Centriols des inneren Poles der II. Richtungsspindel, sowie des in bläschenförmigen Zustand übergehenden Eikerns gegen- über einem Medium von höherer Konzentration haben wir aus einer Reihe von neueren Arbeiten eine gewisse Erfahrung. Durch höhere Konzentration des umgebenden Mediums wird die Teilungsfähigkeit des Centriols nicht herabgesetzt, vielmehr erhöht, das beweisen die Arbeiten Morgans, der befruchtete Eier in Lösungen von höherer Konzentration ‚sich entwickeln liess und eine vermehrte Tätigkeit des Üentriols beobachtete, dies beweisen die Arbeiten über künstliche Parthenogenese. Ich werde im Abschnitt III dieser Arbeit gewisse Versuche Conklins besprechen und über ähnliche von mir angestellte Versuche be- richten, welche beweisen, dass durch Erhöhung der Konzentration des umgebenden Mediums das am Eikern verbleibende Centro- soma im befruchteten Ei zur weiteren Entwicklung angeregt werden kann. Dass also in diesen Versuchen durch die geringe Erhöhung der Konzentration des Meerwassers das ÜCentriol zum Schwinden gebracht und die Strahlung unterdrückt wurde, während sie für gewöhnlich vorhanden sind, ist völlig ausgeschlossen. Ebenso- wenig kann man annehmen, dass erst unter dem Einflusse des stärker konzentrierten Meerwassers am Spermakern die einfache oder doppelte Strahlung samt Centriolen als völlige Neubildung entstanden sei. Die Arbeiten Morgans, Wilsons, Yatsus u. a. beweisen zwar die Möglichkeit der Neubildung einer Reihe von zerstreut liegenden Cytastern mit Centriolen, aber wenn man die Lage, die Zahl und die weiteren Schicksale derselben mit den hier bei Myzostoma stets regelmässig am Spermakern auf- tretenden Strahlungen vergleicht, so ist eine Homologisierung der Gebilde absolut unmöglich. Wenn jemand also noch so skeptisch die Ergebnisse der Versuche beurteilen wollte, so müsste er jedenfalls zugeben, dass die Anwendung des konzentrierten Meerwassers Bildungen zur Entfaltung brachte, die zwar für gewöhnlich — wenn man sich auf Wheelers Standpunkt stellt — Furchungsspindel im befruchteten Ei. 379 nicht auftreten, die aber das Spermatozoon vorgebildet in das Ei mit sich einführte. Damit fällt aber ein wichtiges Argument, welches Wheeler für seine Ansicht ins Treffen führte, nämlich dass dem Spermatozoon von Myzostoma ein Centrosoma über- haupt fehlen soll. Wenn ich demnach die Ergebnisse meiner Versuche mit dem in gewöhnlichem Meerwasser sich abspielenden Befruchtungs- vorgange vergleiche, so ist meiner Ansicht nach nur der Schluss zulässig, dass auch bei der gewöhnlichen Befruchtung des Eies von Myzostoma die Öentriolen der Furchungs- spindel vom Spermatozoon abstammen, dass sich dies aber nur deswegen nicht feststellen lässt, weil die Strahlung gewöhnlich erst dann auftritt, wenn die Geschlechtskerne sich bedeutend genähert haben. Dass ausnahmsweise in sehr seltenen Fällen, auch bei den in gewöhnlichem Meerwasser befruchteten und sich entwickelnden Eiern von Myzostoma, an dem in weiterer Entfernung liegenden Spermakern die Andeutung einer schwachen Strahlung, welche sich um ein oder zwei Centriolen gruppiert, zu sehen ist, habe ich bereits in meiner vorigen Myzostoma-Arbeit festgestellt. Ich habe neuerlich ein sehr umfangreiches Material in den kritischen Stadien fixiert, in der Erwartung, dass unter einem sehr grossen Material sich mehr ähnliche Fälle finden dürften. Und in der Tat habe ich unter tausenden von Eidurchschnitten nicht nur eine Anzahl von Eiern gefunden, welche wieder eine dem Spermakern anliegende, äusserst zarte Strahlung aufwiesen, sondern sogar einige Bilder, in denen die Strahlung am Spermakern so deutlich war, dass jedes einigermaßen geübte Auge die- selbe nicht nur wahrnehmen musste, sondern aufs genauestein den Einzelheiten verfolgen konnte, wie wir es in Fig. 26, 27, 283 und 29 sehen. Die Strahlung war in allen diesen Fällen vollkommen ausgeprägt, in ihrem Zentrum sah man ein (Fig. 26 und 27) oder zwei Centriolen (Fig. 28, 29). Hervorheben möchte ich besonders, dass das Zentrum der Strahlung in unmittelbarer Nähe des Spermakerns lag, die sich ausbildende Strahlung bewirkte zuweilen eine Delle in demselben (Fig. 26, 27, 29). Ich glaube, dass der Umstand, 380 K. Kostanecki: dass das Uentriol so dicht dem Kontur des Spermakerns anliegt, uns darauf hinweist, dass im Samenfaden von Myzostoma, bei welchem sich ein Mittelstück überhaupt nicht feststellen lässt, das Centriol lange in sehr innigem Zusammenhange mit dem Chromatin verbleibt, erst spät, sich von ihm loslösend, in das Plasma hineingerät und zum Ausgangspunkt der Strahlung wird. Ich habe öfters auch Bilder gesehen, wie es die Fig. 30 darstellt: vor dem Spermakern sah ich eine Strahlung mit ein- fachem oder doppeltem Centriol und wenn auch wegen der An- näherung der Geschlechtskerne diese Figuren allein für sich vielleicht nicht mehr die volle Beweiskraft für die Herkunft der Strahlung vom Spermatozoon besitzen, so sind sie doch, mit anderen Bildern zusammengestellt, eine Illustration der Variabilität in dem Auftreten der Strahlung. Was in einigen Ausnahmefällen das Auftreten der Sperma- strahlung vor der Annäherung der Geschlechtskerne veranlasst, während sie gewöhnlich erst später erscheint, lässt sich nicht feststellen; wir haben hier offenbar eine von den individuellen Variationen, wie sie auch bei anderen Tieren so häufig zu beobachten sind, indem die Spermastrahlung einmal früher, ein andermal später auftreten, einmal sehr früh, ein andermal sehr spät sich teilen, einmal dem Spermakern nahe anliegen, ein andermal auf eine sehr bedeutende Strecke ihm vorangehen kann. (Gerade durch diese individuellen Schwankungen gewinnt aber das Ei von Myzostoma, was die Herkunft der Centriolen der ersten Furchungsspindel betrifft, desto engeren Anschluss an die Eier anderer Metazoen. Die Frage nach der Herkunft der Centriolen der Furchungsspindel hätte sich bei Myzostoma von vornherein leichter entscheiden lassen, wenn bei den Befruchtungsversuchen öfters Polyspermie einträte Hätten wir z. B. öfters Eier mit zwei!) normalen Richtungskörpern und drei grossen ‘) Eier mit nur einem Richtungskörper wären nicht beweisend, da man annehmen könnte, dass die Ausstosung des zweiten Richtungskörpers unter- blieben ist und aus der zweiten Richtungsmitose zwei Kerne entstanden sind, deren zugehörige Centriolen durch Teilung eine pluripolare mitotische Figur gebildet haben. Anderseits müssten Eier mit derartigen pluripolaren Mitosen, die zwei Richtungskörper aufweisen, in grösserer Zahl angetroffen werden, sonst liesse sich noch an die ab und zu vorkommende Möglichkeit denken, dass der erste Richtungskörper sich in zwei geteilt hat. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 381 nebeneinander liegenden Kernen oder drei Chromosomengruppen, die ihre Herkunft aus drei Kernen dokumentieren, und neben denselben eine bipolare achromatische Figur, so spräche dies dafür, dass die Teilungsspindel der Teilung des Eicentriols ihre Entstehung verdankt und auch durch das Eindringen zweier Samenfäden nicht beeinflusst wurde; wenn aber neben den drei Kernbläschen oder den drei Chromosomengruppen eine pluri- polare achromatische Figur zu sehen wäre, so würde dies darauf hinweisen, dass jeder der Samenfäden sein Centriol eingeführt hat, dieselben sich geteilt haben und eine pluripolare Figur geliefert haben, wie wir es ja bei polysperm befruchteten Eiern anderer Tiere kennen. Indessen ist die Polyspermie, die bei den Untersuchungen bei anderen Tieren bisweilen störend in den Weg tritt, bei Myzostoma, wo sie erwünscht wäre, nur äusserst selten zu beobachten; ich habe früher und jetzt gleichfalls einige Fälle von Polyspermie gesehen, leider waren dies aber Stadien, wo die Geschlechtskerne die Gestalt von grossen Blasen angenommen hatten; ausser dem an der Lare kenntlichen Eikerne waren zwei grosse Spermakerne zu sehen. Da man während dieses Stadiums auch an monospermen Eiern ge- wöhnlich vergeblich nach Centriolen oder Strahlungen sucht, so ist es nicht wunderbar, dass in diesen Fällen über diese Verhältnisse nichts zu er- mitteln war. Ich habe nun versucht, Polyspermie künstlich bei Myzostoma hervor- zurufen und zwar unter Benutzung der Erfahrungen O. und R. Hertwigs an Echinodermeneiern, bei denen diese Forscher Polyspermie erreichten, wenn sie die Eier vor der Befruchtung mit gewissen chemischen Substanzen (Chi- nin oder Chloral, Nicotin, Strychnin usw.) behandelten. Bei Myzostoma treffen diese Versuche vor allem deswegen auf Schwierigkeiten, weil Myzostoma doppelgeschlechtlich ist, an eine getrennt vorgenommene Behandlung der Eier also nicht gedacht werden kann. Über diese Schwierigkeit, glaubte ich, würde mir der Umstand hinweghelfen, dass einige Substanzen, welche auf das Ei angewandt, Polyspermie veranlassen, auf die Spermatozoen lähmend einwirken, die Aufhebung der Beweglichkeit dauert solange an, als die Spermatozoen in der Lösung verbleiben, während dieselben in frisches Meerwasser übertragen, nach einiger Zeit ihre Beweg- lichkeit wieder gewinnen. Ich habe das von OÖ. und R. Hertwig mit vielem Erfolge angewandte Chloral gewählt und dasselbe in verschiedenen Konzentrationen und ver- schieden lange Zeit einwirken lassen. Eine ausführliche Einzelbeschreibung der grossen Zahl von Experimenten füge ich nicht bei, da die denselben entnommenen Eier, auf Schnitten untersucht, nicht die erwünschten klaren Bilder lieferten. Mehrere Momente treffen hier zusammen, welche das Auftreten der typischen Bilder der Polyspermie beeinträchtigen. Zunächst erwiesen sich die kleinen Eier von Myzostoma gegen die Einwirkung der Chlorallösung widerstandfähiger, als es in Anbetracht der Erfahrungen an den grösseren Eiern der Echinodermen erwartet werden könnte; der Prozentsatz der polysperm befruchteten Eier war nur sehr gering. Und gerade die Eier, 382 K. Kostanecki: bei denen Polyspermie eingetreten ist, zeigten gewöhnlich Abnormitäten in der Ausstossung der Richtungskörper, indem meist nur ein Richtungskörper ausgestossen oder bisweilen überhaupt die Ausstossung der Richtungskörper ganz unterblieben war, dagegen aus den Richtungsspindeln mehrere Kerne sich gebildet haben. Um Polyspermie eintreten zu lassen, muss eine ge- wisse Schwächung im Zustande des Protoplasmas eingetreten sein und die- selbe veranlasste zugleich auch den abnormen Verlauf der Richtungsmitose, eine Kernteilung ohne Zelleibsteilung; es ist offenbar, dass eventuelle mitotische Bilder in derartigen Eiern keine irgendwie beweisenden Bilder mehr lieferten. Nachdem ich in den vorher geschilderten Experimenten und in einigen Fällen selbst beim normalen Befruchtungsvorgang die Herkunft der Centriolen und der Strahlungen der Furchungsspindel von dem Spermatozoon direkt habe verfolgen können, hat natürlich dieser eventuelle, durch die Polyspermie zu erreichende Beweis an Bedeutung verloren, immerhin könnte vielleicht mit anderen chemischen Substanzen der Versuch gemacht werden, ob sich nicht Polyspermie erreichen lässt, ohne dass das Eiplasma derart schädlich beeinflusst wird, dass es zu Abnormitäten in der Ausstossung der Richtungs- körper Kommt. ET: Die angebliche Abstammung der Teilungszentren der Furchungsspindel sowohl vom Ei- als auch vom Spermacentrosoma. Die Ansicht, dass sowohl das Ei- als auch das Spermacentro- soma sich an der Bildung der Polkörper der ersten Furchungs- spindel beteiligt, kommt in der Befruchtungslehre mehrfach, wenn auch in veränderter Form wieder. Man erinnert sich gewiss des Aufsehens, welches die im Jahre 1891 von Fol fürs Seeigelei beschriebene „Quadrille des centres“ erregte. Bekanntlich erwies sich die Folsche Be- schreibung als irrtümlich. Alle Autoren, welche den Befruch- tungsvorgang bei den Seeigeln nachuntersucht haben‘) (Boveri, Reinke, Wilson und Mathews, Kostanecki, vom Rath, Hill, Erlanger), haben übereinstimmend festgestellt, dass die 1) Ich möchte hier betonen, dass sämtliche hier angeführten Autoren den Befruchtungsvorgang beim Seeigelei an Schnitten nachuntersucht haben, während die Folschen Angaben sich auf die Eier beziehen, die er in toto gefärbt und beobachtet hat. Dass die in toto gefärbten und unter- suchten Eier über so subtile Vorgänge keinen absolut zuverlässigen Auf- schluss bieten können, braucht bei dem heutigen Stand der Befruchtungslehre nicht erst näher erörtert zu werden. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 383 dem Spermakern vorangehende Strahlung sich entweder nach oder noch vor der Annäherung der Geschlechtskerne teilt und dass die beiden Strahlungen samt ihren Centriolen direkt zu den Polen der ersten Furchungsspindel werden.) Die unter dem Eindruck der Folschen Publikation er- schienenen Angaben einer quadrille des centres bei Lilium Mar- tagon (Guiguard) und Alisma plantago (Schaffner), welche die Existenz der Zentrenquadrille auch auf das Ptlanzenreich aus- dehnen sollten, erwiesen sich gleichfalls als falsch. Van der Stricht hat für zwei von ihm untersuchte Ob- jekte, nämlich Amphioxus lanceolatus und Thysanozoon Brocchi gleichfalls eine Zentrenquadrille beschrieben. Seine, allerdings mehr hypothetischen Angaben für Amphioxus wurden direkt widerlegt durch die Arbeit von Sobotta, welcher gleichfalls das befruchtete Ei von Amphioxus untersucht hat; er hat an seinen Präparaten festgestellt, dass dem Spermakern eine zunächst ein- fache, dann doppelte Strahlung vorangeht, sich in die Kopu- lationsebene der Geschlechtskerne begibt und direkt zu den Polen der Furchungsspindel wird. Die Befruchtung des Eies von Thysanozoon Brocchi hat Schockaert nachuntersucht und auch da keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Quadrille des centres gefunden. Dass aber bei Thysanozoon die Verhältnisse kompliziert sein müssen, ergibt sich aus der Tatsache, dass van der Stricht selbst, der im Jahre 1897 die Centrenquadrille bei Thysanozoon beschreibt, in seiner ersten Mit- teilung (1896) eine ganz andere Darstellung des Befruchtungsvorgangs bei Thysanozoon gibt. „Jamais il ne nous a &t& donne d’observer un spermo- !) Beweise gegen die Existenz einer Centrenquadrille liefern uns des weiteren die bekannten Versuche über Merogonie und über Polyspermie, für welche gerade die Eier der Echinodermen ein klassisches Objekt bilden. Es wurde schon von mehreren Autoren hervorgehoben, dass gerade die Bilder, welche wir bei der Polyspermie beobachten, uns eine quadrille des centres vortäuschen können; anderseits können auch andere Abnormitäten die Existenz einer Centrenquadrille vorspiegeln, sehr lehrreich ist das von Vejdovsky (1904) gegebene Beispiel (Textfigur 10), wo bei Glossiphonia sexoculata die Bildung der Teilungsfurche zwischen den beiden Blastomeren unterblieben ist und neben jedem der Tochterkerne (welche die Vor- kerne vortäuschen) je zwei Sphären mit Centriolen zu sehen sind, welche aus der Teilung der Spindelpole der ersten Furchungsspindel hervorge- gangen sind. 3854 K. Kostanecki: centre distinet de l’ovocentre“ ..... „Chez le Thysanozoon il ne peut etre question d’un quadrille. Il existe ici manifestement un ovocentre unique. A un moment donne de la fecondation, il est attenant d’un cöte au pronucl&us femelle et d’un autre cöt€ au pronucl&us mäle.‘“ — Der männliche Vorkern sollnach van der Stricht einen Ausläufer in die Sphäre des Eikerns aussenden und dahin ein Körperchen ausstossen, „un corpuscule ayant la valeur d’un spermocentre.“ Van der Stricht glaubt auf Grund hiervon: „il faut admettre que les deux centres mäles et femelles se fusionnent & l’intsrieur de cette sphere.“ Im Gegensatz zu der Folschen Quadrille „Chez le Thysanozoon, il y a d’abord fusion et la division s’opere plus tard.“ In einer zweiten, in den Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft (Gent, 1897) veröffentlichten Arbeit gibt van der Stricht an, dass es ihm ge- lungen sei, während der Reifungsteilungen an dem zu einem Bläschen an- wachsenden Spermakern eine zunächst kleine monocentrische, dann dicentrische Strahlung mit Centriolon nachzuweisen. Ausser dieser Strahlung hat van der Stricht auch an dem im Ei nach Ausstossung des zweiten Richtungs- körpers verbleibenden Pol neben den Chromosomen, auch dann, als sie sich zum Eikern umbilden, eine dicentrische Strahlung gefunden. ,A ce stade il existe quatre corpuscules centraux, deux d’origine ovulaire, et deux d’origine spermatique. C’est un veritable quadrille de Fol.“ Aus der Tatsache der Existenz zweier Spermacentrosomen und zweier Eicentrosomen schliesst van der Stricht auf die unzweifelhafte Existenz einer Centrenquadrille'). Es ist sehr zu bedauern, dass van der Stricht in seiner ausführlichsten letzten Arbeit über das befruchtete Ei von Thysanozoon (Archives de Biolo- gie, T. XV) an Figuren nur die Bilder der Richtungsmitosen und der ersten Stadien der Wanderung des Spermakerns und der Ausbildung der Sperma- strahlung gibt, dagegen keine Bilder der späteren Stadien, wo eben die !) „Nous avouons, que rien que l’existence de quatre centres aussi nets, dont aucun ne manifeste un signe de degenerescence, nous porte & croire, que la theorie de Fol doit &tre conforme ä la realite. On se demande en effet, & quoi pourrait servir la division de la sphere attractive ovulaire, si elle n’a aucun but A realiser et si comme plusieurs auteurs l’admettent, elle est destinee & disparaitre. Jusqwici on ne connait aucun exemple d’une division aussi typique et aussi normale de sphere attractive, qui precederait sa desagr6gation.“ Ich muss diesen Ausführungen van der Strichts gegenüber betonen, dass, mag man mit noch so grossem Nach- druck hervorheben, dass die Eicentrosomen in den weiteren Stadien der Be- fruchtung eine Rolle spielen müssen, dadurch noch keineswegs bewiesen wird, dass sie es wirklich tun, dafür müsste ihr morphologisches Verhalten Schritt für Schritt verfolgt werden. Wenn aber van der Stricht zur Stütze seiner Ansicht anführt, dass keine Fälle bekannt sind, wo eine typische Teilung einer Attraktionssphäre ihrer Degeneration voranginge, so muss ich dies entschieden bestreiten. Ich selbst habe bei Physa fontinalis, bei Myzo- stoma, bei Cerebratulus, bei Mactra, Griffin bei Zirphea und Thalassema eine Teilung des am inneren Pol der zweiten Richtungsspindel im Ei ver- bleibenden Centriols beschrieben; und doch geht dasselbe bei diesen Ob- Furchungsspindel im befruchteten Ei. 385 Centrenquadrille sich abspielen müsste. Van der Stricht selbst bemerkt: „La demonstration de l’opinon de Fol, d’apres laquelle les centrosomes mäles se fusionnent avec les centrosomes femelles deux &A deux, presente de tres grandes difficultes.“ Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Strahlungen um die Centrosomen schwinden und die beiden Sphären (die Eikern- und die Spermakern-Sphäre) zusammenfliessen sollen. Ich muss gestehen, dass die, die folgenden Stadien betreffende Be- schreibung van der Strichts uns keine Anhaltspunkte gibt, uns den Ver- lauf der Centrenquadrille zu veranschaulichen und uns nicht für seine An- sicht zu gewinnen vermag, wonach: „il ne peut exister aucun doute au point de vue de l’existence du quadrille de Fol dans l’oeuf de Thysanozoon.‘“ Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass van der Stricht die Existenz einer quadrille des centres im Sinne Fols als absolut sicher feststehende Tatsache hinnimmt, dass er von vornherein voraussetzt, dass dieselbe auch bei Thysanozoon existieren müsse und dass er die beobachteten Tatsachen dieser vorgefassten Meinung anzupassen bestrebt ist. Die Zusammenstellung der Ergebnisse van der Strichts (soweit es sich nicht um die Deutung, sondern um die be- obachteten Tatsachen handelt) mit den an dem gleichen Ob- jekte erlangten Resultaten Schockaerts berechtigt uns zu der Behauptung, dass die Verhältnisse im befruchteten Ei von Thysanozoon sich im wesentlichen an die Verhältnissein den befruchteten Eiern anderer Tiere anschliessen: jekten, mag es einfach oder doppelt sein, nach vollzogener zweiter Richtungs- mitose völlig zu Grunde: Die Strahlung um dasselbe schwindet allmählich, die letzten Spuren der Strahlung konvergieren gewöhnlich gegen eine Kern- bucht des auf diesem Stadium meist lappigen Eikerns; ob das Centriol, das sich nicht mehr von anderen Granula unterscheiden lässt, schliesslich im Protoplasma resorbiert wird oder in das Kerninnere gerät, lässt sich unmög- lich entscheiden. Van der Stricht glaubt, dass der Schwund der Strahlung nur die Auffindung der Centriolen nicht ermöglicht, dass er aber ihr Ver- schwinden nicht beweist. Dieser Einwand würde vollauf zu Recht bestehen, wenn im weiteren Verlauf des Befruchtungsvorganges sich Erscheinungen namhaft machen liessen, welche an die Permanenz des Eicentriols sich anknüpfen liessen. Dies ist indess nicht der Fall, vielmehr spricht der weitere Verlauf des Befruchtungsvorganges dafür, dass die weiteren mito- tischen Vorgänge von den Spermacentriolen beherrscht werden. Und dies ist der Hauptgrund, weswegen die überwiegende Zahl der Autoren den Schwund des Eicentriols annimmt. Es ist Sache derjenigen, welche bei dem von ihnen untersuchten Objekt für den Fortbestand des Eicentriols eintreten und ihm eine Rolle während des eigentlichen Befruchtungsvorganges vindizieren, dies durch absolut unzweideutige Bilder zu stützen. 386 K. Kostanecki: Das im Innern des Eies nach Ausstossung des II. Richtungskörpers verbleibende Centriol samt seiner Strahlung geht zu Grunde.!) Bisweilen scheint es jedoch, wie aus van der Strichts Arbeit hervorgeht, lange Zeit fortzubestehen und sich sogar zu teilen. Diesem Umstande, der van der Stricht die Hauptveranlassung zu seiner Auffassung des Befruchtungs- prozesses bei diesem Tiere gegeben hat, kommt indessen keine prinzipielle Bedeutung zu; der zeitweise Fortbestand und sogar die Teilung des Ovo- zentrums wurde, wie schon oben hervorgehoben, bei verschiedenen Tieren beobachtet, bei denen über seinen Untergang in späteren Stadien kein Zweifel möglich ist. Der Samenfaden wird von einer zunächst mono-, dann dicentrischen Strahlung begleitet, welche von der Metaphase der ersten bis zur Metaphase der zweiten Richtungsmitose deutlich entwickelt ist. Hierin stimmen beide Autoren, sowohl van der Stricht alsauch Schockaert überein, ebenso wie darin, dass in dem weiteren Stadium der Annäherung der Geschlechts- kerne und ihres Anwachsens zu grösseren Kernblasen die Strahlung schwächer, undeutlicher wird, nach Schockaert schwindet sie sogar völlig ;’) erst nachdem die beiden Geschlechtskerne ihre definitive Lage und Grösse erreicht haben, erscheinen dann zu ihren beiden Seiten die Strahlungen samt Centriolen wieder; dies sind die gleichen Schicksale der Spermastrahlung, wie sie unter ganz demselben Bilde bei der überwiegenden Zahl der von verschiedenen Autoren untersuchten Eier verfolgt wurden und deren genauere Analyse im Abschnitt IV dieser Arbeit uns beschäftigen wird. Noch eine Angabe über die Existenz der „quadrille des centres“ muss uns hier näher beschäftigen. In einer im Jahre 1894 erschienenen Arbeit?) hat Conklin eine „quadrille des centres* auch für das befruchtete Ei von Crepidula plana beschrieben. „The sperm nucleus always approaches the egg nucleus from below and in such a way that the sperm aster is directed toward the egg aster ... the asters first come in contact ...... After the two pronuclej have met, the two asters begin to move apart. They continue to separate, moving around the oppressed nuclei, until they lie at opposite poles. The sperm aster now lies on the outer side of the sperm nucleus, and the egg aster on the outer side of the egg nucleus; ..... After the asters have reached the outer sides of the two pronuclei, each divides into two half-asters» !) Schockaert: „Pendant cette transformation des chromosomes ovulaires en pronucl&us, la sphere ovulaire disparait compl&tement, de sorte que quelgque temps apres l’expulsion du second globule polaire, l’oeuf ne renferme pas de corpuscule ovulaire ou ovocentre, qui serait destine ä par- tieiper & la formation de la premiere figure de segmentation.“ 2) „Jamais nous n’avons vu persister le spermocentre avec ses deux centrioles aux stades finaux de la deuxieme figure de maturation. Apres l’expulsion du second globule, il n’en reste plus de trace.“ ®, Conklin, The Fertilization of the ovum. Woods Hall Lectures 1894 Furchungsspindel im befruchteten Ei. 387 which diverge from each other until they come to lie at opposite poles of the nuclei and in the plane of contact between the two. At this stage, therefore, there is found at each pole of the two pronuclei one-half of the sperm aster and one-half of the egg aster. Each of these couples soon fuses into a single aster, and the two asters thus formed lie at opposite poles of the first cleavage-spindle, and from them all the asters of the developing ovum are derived. Im Jahre 1901 hat dann Conklin selbst seine Beschreibung modifiziert '). Er lässt die „quadrille“ fallen und gibt folgende Beschreibung des Befruchtungsvorganges bei Crepidula: „The head and middle piece of the spermatozoon enter the egg during the early prophase of the first maturation ; the tail does not enter. The head is transformed into the sperm nucleus and the middle piece into a large number of deeply straining granules. No sperm centrosome or amphiaster is present at any time during the movement of the sperm through the egg and no astral radiations appear in connection with the sperm until the anaphase of the second maturation. At this time radiations appear around the granules from the middle piece; the central area of this aster grows rapidly and is filled with coarse granules. This is the sperm sphere and it develops pari passu with the egg sphere, which it resembles in every particular. Each sphere remains in contact with its nucleus and when the germ nuclei have come into contact the egg and sperm spheres fuse into a granular mass which partially surrounds the germ nuclei. Within these fused spheres the two cleavage centrosomes arise. They are at frist quite independent of each other and one is always in contact with each of the germ nuclei. After some time a central spindle appears between the two centrosomes and the first cleavage is introduced. There is no „quadrille“ of the spheres, or asters, as maintained in my first paper (1894) on this subject, the appearance of a division of the spheres and their sub- sequent fusion by pairs which I formerly described being due to their lobulation or even fragmentation in certain cases. On the other hand there is good evidence that the cleavage centrosomes are not derived exclusively either from a sperm centrosome or from an egg centrosome, but that one of these comes from the egg sphere, the other from the sperm sphere.‘“ Ich muss gestehen, dass meiner Ansicht nach, weder die Figuren, welche die vorläufige Mitteilung Conklins im Ana- tomischen Anzeiger (1901), noch diejenigen, welche in genauerer Ausführung seine grosse Publikation (1902) illustrieren, für die doppelte Herkunft der Centrosomen der ersten Furchungsspindel ') Centrosome and sphere in the Maturation Fertilization and Cleavage of Crepidula. Anatomischer Anzeiger, Bd. XIX, No. 11, 1901 und Conklin Karyokinesis and Öytokynesis in the Maturation, Fertilization and Cleavage of Crepidula and other Gasteropoda. Journal Acad. nat. sci., 2 Ser., Vol. XI. Philadelphia 1902. 388 K. Kostanecki: (sowohl vom ÜCentrosoma des Ei- als auch des Spermakerns) Beweise liefern. Wenn ich die Bilder des befruchteten Eies von Crepidula plana mit den entsprechenden Vorgängen an Eiern anderer Tiere, wie wir sie heutzutage aus einer sehr grossen Zahl von Be- schreibungen kennen, vergleiche, wenn ich mich an die Bilder erinnere, welche ich aus eigener Anschauung bei einer Reihe von Objekten kenne, so kann ich nur sagen, dass für mich kein einziges Bild für die Herkunft eines Centrosomas vom Centrosoma des Eies, kein einziges Bild gegen die Herkunft beider Centro- somen der ersten Furchungsspindel vom Spermacentrosoma spricht, viele direkt dafür. Es ist nur ein Umstand, welcher das, im übrigen typische, Bild bei Crepidula plana etwas verdeckt, nämlich, dass sich neben dem Eikern verhältnismässig lange und in ausgeprägterer Form, als sonst, der Überrest der am inneren Pol der zweiten Richtungs- spindel mächtig entwickelten Strahlung erhält.!) Es ist aus den Abbildungen sehr wahrscheinlich, dass die Abgrenzung dieser „Sphäre“ wegen der verschiedenen im Eiplasma angesammelten, aus dem Bereich der Sphäre aber verdrängten Dottermassen so scharf ausgeprägt ist. Der bisweilen längere Zeit andauernde Fortbestand der Strahlung am Eikern ist eine sehr bekannte Tatsache, ich erinnere an die Bilder bei Physa, Mactra, Cere- bratulus und vielen anderen Objekten. Nach Conklin geht dem Spermakern auf seiner Wanderung zunächst eine ganz mächtige Strahlung voran, aus seinen Bildern geht hervor, dass die Feststellung des Centriols darin auf Schwierigkeiten stossen musste, weil sich offenbar andere Granula schwarz mitfärbten, aber ich mache auf den Umstand aufmerksam, dass die „Spermasphäre“ an vielen Bildern nicht rund ist, sondern oval, elliptisch, wie gewöhnlich in den Fällen, wo das Üentriol sich in zwei geteilt hat und die beiden Teilhälften auseinanderzurücken beginnen (Fig. E [1901], Fig.40, 41, 42, 43 [1902]). In dem Stadium, wo die bläschenförmigen Kerne direkt aneinander liegen, sprechen bei Crepidula die Bilder, wo deutliche Centri- olen und Strahlensonnen zu sehen sind, bevor sie noch in die Kopulations- ebene sich eingestellt haben, (wo ja bekanntlich ihre Herkunft sich nicht mehr beurteilen lässt), direkt für die Herkunft vom Spermacentrosama, so meiner Ansicht nach die Fig. 48 und 53; dass in Fig. 53 die eine Sphäre im Eikern eine Delle erzeugt, ist nichts aussergewöhnliches, auch bei !)Korschelt vermutet gleichfalls, dass das lange Erhaltenbleiben des Eicentrosomas bei Crepidula die Veranlassung zu der Conklinschen Deutung gegeben haben mag. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 389 anderen Objekten wird der Eikern bisweilen von der sich nähernden Spermasphäre eingedrückt. In anderen Bildern, wie Fig. 47, 50. 51, ist es nicht zu entscheiden, ob die von Conklin als Öentrosomen bezeich- neten kleinen Körnchen wirklich Centrosomen sind, sie unterscheiden sich kaum in färberischer Beziehung von anderen schwarzen Körnchen, deutliche Strahlensonnen sind an ihnen nicht zu sehen, sondern vereinzelte, nach einer Richtung hin ausgehende Strahlen, wie sie aber Conklin in denselben Bildern an anderen Körnchen gleichfalls zeichnet. Die Fig. 44 bis 47 und 49 bis 51 beweisen meiner Ansicht nach, dass bei Crepidula wie bei so vielen anderen Tieren die Geschlechtskerne noch nicht völlig ausgewachsen sind, als sie sich einander nähern, und dann erst zu mächtigen Blasen aufquellen, bevor sie in Chromosomen zerfallen. Während dieser Wachstumsperiode der Geschlechtskerne tritt bezüglich der Ausbildung der anfänglich mächtigen, dem Spermakern vorangehenden Strahlung die bekannte „Pause“ ein, die Strahlung wird völlig undeutlich und tritt erst nach dem beendeten Vor- bereitungsstadium der Geschlechtskerne wieder von neuem mächtig auf (verg. Abschnitt IV dieser Arbeit). Ich glaube, dass Conklin sein Untersuchungsobjekt zu sehr gesondert beurteilt und auf die Erfahrungen an anderen Objekten zu wenig Rücksicht gewonnen hat; dass übrigens an dem Ei von Crepidula die Bilder nicht von typischer Klarheit sind, mag zugegeben werden. Dies beweist schon der Umstand, dass Conklin ursprünglich (1894) die Bilder anders, im Sinne einer „quadrille des centres“ auffasste, dann (1901) ihnen eine andere Deutung gegeben hat. Eine Abschwächung auch dieser Deutung erblicke ich in einer neuen Publikation Conklins!) (1904), welche gleichfalls die Herkunft der Centrosomen der Furchungsspindel im befruch- teten Ei von Crepidula plana betriftt. Conklin schildert darin, ähnlich wie in seinen vorigen Arbeiten, dass nach Abschnürung des zweiten Richtungskörpers das am reifen Eikern in der Eizelle verbleibende Centrosoma schwindet, es bleibt nur eine grosse „Sphäre“ oder „Aster‘. Der Spermakern nähert sich mit seiner Strahlung dem Eikern und seiner Sphäre. „Here the egg and sperm spheres fuse and at their periphery two separate and independent centrosomes appear which ultimately come to lie at opposite poles of the first cleavage spindle. It is pro- bable that one of these centrosomes comes from the egg sphere and the other from the sperm sphere though there is no '!) Conklin: Experiments on the origin of the cleavage centrosomes. Biological Bulletin, Vol. VII, No. 4 Sept. 1904. 390 K. Kostanecki: positive evidence that they are directly derived from the egg and sperm centrosomes.“ Aus den von mir gesperrt wiedergegebenen Worten erhellt deutlicher als vorhin der mehr hypothetische Charakter der Conklinschen Deutung. Um seine Hypothese zu stützen, hat nun Conklin folgendes Experiment ausgeführt: Er hat befruchtete Eier von Crepidula plana in dem Stadium, wo sie eber den zweiten Richtungskörper ausgestossen hatten, in Meerwasser mit Zusatz von 1°/o NaCl gebracht und durch den Einfluss dieser Lösung Veränderungen im weiteren Verlauf des Befruchtungs- prozesses hervorgerufen, welche er beschreibt und in einer suc- cessiven Reihe von Bildern vorführt: Es tritt eine sehr deutliche Zweiteilung des im Ei ver- bleibenden Centrosomas des inneren Pols der zweiten Richtungs- spindel, also des Eicentrosomas ein und es bildet sich eine neue typische Spindel aus, in deren Äquator sich die aus dem Eikerne hervorgegangenen Chromosomen einstellen. Der Spermakern liegt nahe dem vegetativen Pol, seine Wanderung gegen den Eikern und auch die Ausbildung seiner Strahlung wird verzögert. Als er sich jedoch dem animalen Pol nähert, bildet sich aus ihm unter Auflösung des Kerns in Chromosomen, eine unabhängige, selbständige zweipolige Spindel. Die Eikern- und die Sperma- kernspindel können unabhängig am animalen Pol nebeneinander liegen, von Dottermasse voneinander getrennt sein, oder sie können an einem Pol verschmelzen, sodass eine scheinbar dreipolige Figur entsteht, oder aber es bilden sich vierpolige Figuren aus, Tetraster, welche sowohl im Mutterstern- als auch im Tochtersternstadium sehr verschiedene Bilder liefern können. Conklin zieht aus dem Ergebnis dieses Experiments den Schluss: ‚Since under normal conditions one of the cleavage centrosomes of Urepudala arises in connection with the egg and the other with the sperm nucleus the only respect in which these experimental results differ from the normal is that in the former the centrosomes divide while the nuclei are still far apart, thus giving rise to two spindles or to a tetraster, whereas in the latter these centrosomes do not appear until after the germ nuclei and spheres have met and they do not divide until the prophase of the second cleavage.“ Furchungsspindel im befruchteten Ei. 391 Das tatsächliche Ergebnis des schönen Conklinschen Versuches ist an sich sehr interessant, aber es kann nicht nur, sondern muss sogar meiner Ansicht nach in einem ganz anderen Sinne gedeutet werden, als es Conklin tut, und es ist nicht imstande, die Hypothese Conklins zu stützen, sondern spricht vielmehr gegen dieselbe. An den Figuren Conklins können wir es direkt ablesen, welchen Einfluss die 1°/o NaCl- Meerwasserlösung auf die Weiterentwicklung der befruchteten Crepidula-Eier ausgeübt hat; am lehrreichsten sind die Anfangs- stadien; die Figuren 1 bis 6. Wenn wir dieselben mit den bei der normalen Befruchtung auftretenden Bildern vergleichen, so sehen wir, dass die Wanderung des Spermakerns gegen den Eikern hin und die Ausbildung seiner Strahlung gehemmt wurde, dass dagegen das Eicentrosoma, welches gewöhnlich untätig ist und der Degeneration anheimfällt, zur Teilung angeregt wurde. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich vermute, dass hierin nicht eine spezifische Wirkung des NaCl als solchen, sondern der Einfluss der stärkeren Konzentration des Meerwassers sich geltend macht, welche ebenso wie sie es an unbefruchteten Eiern zu tun vermag, so hier an befruchteten eine Art parthenogener Wirkung, wenn man so sagen darf, ausgeübt hat. Dass die Erhöhung der Konzentration auf die Wanderung des Spermakerns einen hemmenden, verlangsamenden Einfluss ausüben kann, habe ich mich an Myzostomaeiern überzeugt, die ich in stärker konzentriertem Meerwasser sich entwickeln liess, ebenso an Mactraeiern; über letztere Versuche werde ich sogleich (relegenheit haben, zu berichten. Die anregende Wirkung der hypertonischen Lösung auf das Eicentrosoma erinnert uns sofort an eine Reihe von Experimenten, welche in neuerer Zeit ausgeführt wurden, und welche die Funktions- und Teilungsfähigkeit des Eicentriols beweisen. Es kommen hier ausser den Erfahrungen über künstliche Partho- genese die Beobachtungen von Hertwig, Ziegler, Boveri, Krahelska in Betracht, welche beweisen, dass auch im befruch- teten Ei solcher Tiere, bei denen unter normalen Bedingungen die alleinige Anteilnahme der Spermacentriolen an der Ausbildung der Furchungsspindel und der Schwund des Eicentriols keinem Zweifel unterliegt, das letztere zur Teilung angeregt werden kann (vergl. Anhang zu Abschnitt II und III). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 26 392 K. Kostanecki: Speziell interessant sind in dieser Beziehung die Versuche O.und R. Hertwigs, welche Seeigeleier, also reife Eier, kurz nach der Befruchtung auf zehn Minuten in eine 0,5°/o Chloral- lösung, dann wieder in frisches Meerwasser brachten: Der Sperma- kern blieb für gewöhnlich an der Eiperipherie liegen, die sich entwickelnde Spermastrahlung führte zur Bildung mehr oder weniger abnormer Spindelfiguren, in welche die Chromosomen des Spermakerns einbezogen wurden. Ganz unabhängig davon bildeten sich auch am Eikern selbständige, allerdings abnorme Teilungs- figuren. Die Conklinschen Versuche bieten hierzu eine vollkommene Analogie. Speziell die Fig. 6 von Conklin beweist, dass der Spermakern, als er sich dem animalen Pol nähert, sich zu einer selbständigen Spindel umbildet: diese Spindel gerät aber in Kollision mit der inzwischen gebildeten Eikernspindel und dies erklärt alle die weiteren verschiedenen Bilder der Fig. 7 bis 12. Conklin ist der Ansicht, dass normalerweise das Ei- und Spermacentrosoma ungeteilt direkt je ein Polkörperchen der ersten Furchungsspindel liefern sollten und ihre Teilung erst in den beiden ersten Blastomeren erfolgen sollte — die weitere Kon- sequenz der Conklinschen Auffassung wäre also, dass das Centrosoma einer der beiden ersten Blastomeren und aller ihrer Nachkommen lediglich vom Ei-, das der anderen und aller nach- folgenden Generationen lediglich vom Spermacentrosoma abstammen würde —: er sieht also das Abweichende in den durch seine Versuche erzielten Bildern darin, dass hier durch die NaCl-Lösung sowohl das Ei- als auch das Spermacentrosoma zur früheren Teilung angeregt wurden, meiner Ansicht nach besteht dagegen das Abweichende darin, dass das Eicentrosoma zur Entwicklung angeregt wurde, anstatt der Degeneration anheimzufallen. Ich stütze diese Auffassung darauf, dass die normalen Bilder des be- fruchteten Eies von Crepidula meiner Ansicht nach für die Her- kunft der Centrosomen der ersten Furchungspindel vom Sperma- centrosoma sprechen, sodann auf die Erfahrungen, welche uns die oben zitierten verschiedenen Versuche an die Hand geben. Ich glaube, dass meine Ansicht als bewiesen gelten müsste, wenn es gelänge, durch die von Conklin angewandte 1°/oNaCl-Meer- wasserlösung ähnliche Abweichungen, wie Conklin bei Crepidula plana, in dem befruchteten Ei eines Tieres hervorzurufen, bei dem Furchungsspindel im befruchteten Ei. Br es über allen Zweifel sicher feststeht, dass bei der normalen Befruchtung die Centrosomen der ersten Furchungsspindel aus der Teilung des Spermacentrosomas hervorgehen, während das Eicentrosoma degeneriert, wo also die eventuelle Entstehung einer Eikernspindel lediglich dadurch sich erklären liesse, dass durch die hypertonische Lösung das Eicentrosoma zur Teilung und weiteren Tätigkeit angeregt wurde. Ich habe derartige Versuche an den Eiern von Mactra aus- geführt, bei denen ich früher (1594) festgestellt hatte, dass das Eicentrosoma degeneriert, die Centriolen der Furchungsspindel und ihre Strahlungen dagegen die Derivate des Spermacentriols und der Spermastrahlung sind. Nachdem die befruchteten, in frischem Meerwasser sich entwickelnden Eier von Mactra die beiden Richtungskörper aus- gestossen haben, habe ich sie in eine 1°/oige NaUl-Meerwasser- lösung gebracht. Schon am lebenden Ei sah man den hemmen- den Einfluss der NaCl-Lösung, während nämlich normalerweise in etwa 30 bis 40 Minuten nach Ausstossung des II. Richtungs- körpers die Teilung des Eies in zwei Furchungszellen eintritt, fingen hier einige Eier an, sich nach 1 Stunde zu teilen, die überwiegende Mehrzahl erst nach 3 bis 4 Stunden, zum Teil war die Teilung normal, zum Teil bot sie abnorme Bilder dar, wie Teilung in mehrere Zellen u.a. Da die Eier von Mactra wenig durchsichtig sind, habe ich in halbstündigen Abständen die Eier fixiert (zusammen fünf Portionen, die letzte nach 2!/sstündigem Verweilen in der NaÜl-Meerwasserlösung), um sie dann auf Schnitten genauer zu untersuchen. Unter den Eiern, welche nach '/> stündigem Verweilen in NaÜUl-Meerwasserlösung fixiert wurden, habe ich zum Teil Bilder gefunden, welche einen bläschenförmigen Spermakern und einen bläschenförmigen Eikern enthielten, also ein im wesentlichen nor- males Bild darboten, nur dass sie weniger weit in der Entwick- lung vorgeschritten waren, als zu derselben Zeit unter normalen Bedingungen. In einer allerdings nur kleinen Anzahl von Eiern. welche zwei Richtungskörper aufwiesen und einen Spermakern mit Strahlung enthielten, sah ich indessen am animalen Pol eine deutliche Spindelfigur (Fig. 31), deren Zustandekommen wohl nur daraus erklärt werden kann, dass das am inneren Pol der zweiten Richtungsspindel gelegene, im Ei verbliebene Centriol zur wei- 26* 394 K. Kostanecki: teren Teilung angeregt wurde. In manchen solchen Eiern waren zwei oder sogar mehr Spermatozoen eingedrungen. Die Poly- spermie ist eben leider bei Mactra sehr häufig, und dieser Um- stand verhindert es, die weiteren Schicksale der Eikernspindel und der Spermastrahlung zu verfolgen. Obwohl ich nämlich in den ferneren Stadien an Eiern mit zwei Richtungskörpern an dem animalen Pol vielpolige Teilungsfiguren sah, so lässt es sich infolge der Häufigkeit der Polyspermie nicht entscheiden, ob die- selben der Vereinigung der Eikernspindel und der Spermastrah- lung oder den vielfältigen Spermastrahlungen ihre Entstehung verdanken. Immerhin glaube ich in derartigen Bildern wie in Fig. 31 einen Anhaltspunkt dafür zu haben, dass meine Deutung der von Conklin in seinen Versuchen erzielten Veränderungen richtig ist, und vielleicht dürften sich günstigere Objekte finden, in denen das gleiche Experiment sich ohne den störenden Ein- fluss der Polyspermie ausführen liesse. Ich glaube, dass, nachdem die Nachuntersuchungen ver- schiedener Autoren für das ursprüngliche Objekt, an dem Fol zum ersten Male die ‚quadrille des centres“ in die Literatur eingeführt hat, nämlich für die Echinodermeneier, gezeigt haben, dass der Befruchtungsprozess sich in ganz analoger Weise ab- spielt, wie bei anderen Tieren und so der „quadrille des centres‘ bei dem klassischen Objekt den Boden entzogen haben, nachdem die unter dem Einfluss der Folschen Publikation erschienenen ähnlichen Angaben für andere Objekte als widerlegt gelten dürfen, dadurch die Centrenquadrille überhaupt als endgiltig zu Grabe getragen betrachtet werden darf. Und wenn in der Zukunft noch versucht werden sollte, die Centrenquadrille bei einem Ob- jekt festzustellen, so dürfen wir wohl verlangen, dass uns ganz unzweideutige Bilder für alle Phasen vorgeführt werden, welche unwiderlegbare Beweise bilden und dass dieselben nicht durch Versuche ersetzt werden, uns durch aprioristische theoretische Erwägungen überzeugen zu wollen, dass das Ovozentrum an der Bildung der Centrosomen der ersten Furchungsspindel teilnehmen müsse. Die Angaben von Czermak, wonach bei den Salmoniden das Eicentrosoma fortbestehen und sich in dem Augenblicke, wo Furchungsspindel im befruchteten Ei. 395 der Spermakern mit seiner dicentrischen Strahlung (in Form einer typischen zweipoligen Spindel) sich dem Eikern genähert hat, einem der männlichen Centrosomen zugesellen soll, derart, dass das für eine der beiden ersten Blastomeren bestimmte Centro- soma einen rein männlichen Ursprung hätte, während das andere ein zusammengesetztes Centrosoma, männlichen und weiblichen Ursprungs, wäre, (ein „durch Kopulation renoviertes junges Centrosoma“, das „eine vollständige Befruchtung erlitten hat“) — haben von keiner Seite Bestätigung erfahren und überhaupt nirgends Anklang gefunden. Allem Anscheine nach hat Czermak zufälligen deutoplasmatischen Körnchen in der Nähe eines Pols der ersten Furchungsspindel die Bedeutung eines weiblichen Central- körpers zugeschrieben; seine Beschreibung und seine Abbildungen sind nicht im Stande, für seine Annahme eine sichere Stütze zu liefern. Unter dem Einfluss der Folschen Publikation über die Centrenquadrille ist noch eine Arbeit von Blanc erschienen, der- zufolge bei der Forelle zwar keine Centrenquadrille, aber eine „Verschmelzung der Spermasphäre mit der Eisphäre“ stattfinden soll, „une copulation, fusion des spheres“, so dass „elles n’en font plus qu’une‘“; das Verhalten der Centrosomen konnte Blanc nicht genauer feststellen. Auf eine Widerlegung der Blancschen Ansichten kann ich hier verzichten, da wir eine sehr gründliche Untersuchung über die Reifung und Befruchtung des Forelleneies von Behrens besitzen, in welcher dieser Autor die Unhaltbarkeit der Angaben Blanes aufs einleuchtendste dargetan und gezeigt hat, dass die beiden zu jeder Seite des Furchungskerns gelegenen Centrosomen, welche unmittelbar zu den Centrosomen der ersten Furchungs- spindel werden ‚die direkten Abkömmlinge des vom Spermato- zoon ins Ei gebrachten Centrosoms“ sind. In dieser Verschmelzung der Sphäre des Spermakerns mit der Sphäre des Eikerns sieht sowohl Blanc als auch manche andere Autoren eine Art Ersatz für die Centrenquadrille und einen Beweis dafür, dass die Eikern- sphäre an der Herausbildung der Centren der ersten Furchungsspindel teil- nehmen müsse. Ohne die Stichhaltigkeit dieser Deduktionen anerkennen zu können, muss ich die Tatsache selbst, auf welcher diese Hypothesen aufgebaut werden, genauer analysieren. Ich brauche hierbei nicht nach neuen Erklärungen zu suchen, sondern kann mich auf zahlreiche eigene Beobachtungen, sowie auf 396 K. Kostanecki: deren Auffassung stützen, die ich in meiner Physa-Arbeit dargelegt habe und welche ich durch die Untersuchungen der befruchteten Eier von Cerebratulus und Mactra vollkommen bestätigt finde. Ebenso wie an diesen Objekten, welche ich untersucht habe, lassen sich die Verhältnisse aufs genaueste an zahlreichen von anderen Autoren untersuchten Objekten verfolgen, nämlich überall da, wo die Reifungsvor- gänge sich erst nach der Befruchtung abspielen und wo die Richtungsmitose mit deutlich ausgeprägten Centriolen und mit mächtig entwickelter Strahlung einhergeht. Während der ersten und ebenso während der zweiten Richtungsmitose sieht man das protoplasmatische Gerüst der Eizelle zunächst um die beiden Pole der Richtungsspindel sphärisch angeordnet, dann, als der erste und eben- so der zweite Richtungskörper ausgestossen wird, ist das Fadengerüst auf den inneren in der Eizelle verbleibenden Pol centriert. Für die in der Ei- zelle nach der Ausstossung des zweiten Richtungskörpers verbleibende ‚Sphäre‘ habe ich schon oben mehrfach hervorgehoben, dass ihre einzelnen Strahlen allmählich immer schwächer werden und sich in dem netzförmigen protoplas- matischen Gerüst der Eizelle verlieren; immerhin bleiben längere Zeit hin- durch Überreste dieser Strahlung neben dem sich zu einem Bläschen um- formenden Eikern bestehen. Ob dieser Überrest der Sphäre sich mehr oder weniger von dem übrigen Teile des Zellkörpers abhebt, hängt vor allem von der Menge der angesammelten Deutoplasmamassen ab. Die Deutoplasma- massen werden nämlich, solange die Strahlung mächtig entwickelt ist, aus dem inneren Bereich der Sphäre nach der Peripherie verdrängt; wenn nun die Zahl der Deutoplasmastoffe bedeudender ist und ihre einzelnen Elemente voluminös sind, so resultiert daraus ein auffallender Gegensatz zwischen der „Eikernsphäre‘‘ und dem übrigen Zellleibe.') Bei den meisten Tieren bildet sich während der ersten, eventuell zweiten Richtungsmitose um das anfangs einfache, dann gewöhnlich doppelte Spermacentriol die Strahlung aus, diese Strahlung nimmt an Umfang und an Intensität zu, sie begleitet, immer mächtiger werdend, den Spermakern auf seiner Wanderung nach dem Eikern, geht ihm dabei meist auf bedeutendere Strecke voran. Wenn die Spermastrahlung sich frühzeitig mächtig entwickelt, sich bedeutend vom Spermakern entfernt und gegen den animalen Pol schnell emporrückt, so „kollidiert“ sie bisweilen mit der noch mächtigen Strahlung am inneren Pol der Richtungsspindel.?) Aber selbst in diesen Fällen ist der weitere Verlauf ein typischer. Es tritt keine Verschmelzung der beiden ') Bei denjenigen Eiern, bei denen die Richtungsmitosen ohne deutliche Zentralkörper und ohne eine ausgesprochene Strahlung verlaufen, liegt die Richtungsspindel immerhin in einem Hof feinkörnigen Protoplasmas, sodass die obigen Bemerkungen auch für diese Fälle ihre Geltung haben (vergl. Sobotta: Anatom. Anz. XI, pg. 134. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 50). ?, Genaue Angaben über das Verhältnis der Spermastrahlung zur Ei- kernstrahlung und die hierbei auftretenden Varietäten sind in meiner Physa- Arbeit enthalten; Physa bildet für die Beurteilung dieser Verhältnisse ein ausserordentlich günstiges Objekt. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 397 Sphären ein, sondern während die Eikernsphäre allmählich schwächer wird und schliesslich schwindet, gewinnt die Spermasphäre (oder die Spermasphären) an Intensität und Umfang, es wird, wie ich mich ausgedrückt habe, das proto- plasmatische Fadengerüst von dem Eicentrosoma abgewendet und dem Sperma- zentrum zugewendet. Wenn nun bei einigen Eiern infolge der Ansammlung grosser deuto- plasmatischer Massen die Eikernsphäre länger ihre Abgrenzung gegen den übrigen Zelleib bewahrt, wenn auch nicht mehr in radiärer Struktur, sondern in Form eines feinkörnigen Hofes, so muss die Spermasphäre bei ihrem Vor- rücken gegen den animalen Pol auf dieselbe treffen. Diese Plasmamasse wird gleichfalls vom Spermazentrum zur Vergrösserung seiner Strahlung ver- wendet, leichter und schneller sogar, als die übrigen Protoplasmateile des übrigen Eizellleibes, da die Deutoplasmamassen hier nicht störend einwirken. Ich glaube, dass auf diesen Momenten, welche in dem gleichzeitigen Verlauf der Reifungs- und Befruchtungsvorgänge und in dem Verhalten der Deutoplasmamassen gegenüber dem Protoplasma-Gerüst der Zelle ihre Er- klärung finden, die „Vereinigung der Sphären‘ beruht, welche einige Autoren mit solchem Nachdruck hervorheben. Bei anderen Eiern, wo die Richtungsmitose schneller (im Verhältnis zum Vorrücken der Spermastrahlung) abläuft und die Strahlung der Eikern- sphäre sich in dem protoplasmatischen Gerüst der Eizelle vollkommen ver- liert, bevor der Spermakern samt seiner Strahlung sich dem Eikern genähert hat, oder vollends in den Fällen (wie z. B. bei Seeigeln), wo reife Eier be- fruchtet werden, bei denen von einer Eikernsphäre nichts mehr wahrzunehmen ist, fällt diese Erscheinung natürlich weg. Ich habe in meiner Physa-Arbeit betont, dass meiner Ansicht nach, mit dem Augenblicke, wo das ganze protoplasmatische Gerüst der Eizelle unter die Botmässigkeit des Spermozentrums gebracht ist, von ihm beherrscht wird, der eigentliche Befruchtungsvorgang als solcher zum Abschluss gebracht ist und dass von diesem Augenblicke an der weitere Prozess, was die achro- matischen Teile betrifft, nach den allgemeinen Gesetzen der gewöhnlichen Mitose verläuft. Anhang zu HU und IM. Die Autoren, welche für die Herkunft der Centrosomen der Furchungsspindel vom Eicentrosoma, oder wenigstens für eine Anteilnahme des Eicentrosomas an der Bildung der Centrosomen der ersten Furchungsspindel eintreten, ziehen als Beweis für ihre Ansicht die Resultate über die Teilungsfähigkeit des Ei- centrosomas heran. welche die Untersuchungen über normale Parthenogenese, über künstliche Parthenogenese und verwandte Probleme!) bei verschiedenen Tieren zutage gefördert haben. '!) Es kämen hier ausser den Arbeiten über künstliche Parthenogenese die Versuche in Betracht, in denen auch in befruchteten Eiern, abgesehen von den Centriolen und Strahlungen des Spermakerns, Strahlungen am Ei- 398 K. Kostanecki: Ich muss demgegenüber hervorheben: 1) Dass bei der physiologischen parthenogenetischen Ent- wicklung, die übrigens bezüglich der achromatischen Strukturen noch keineswegs in allen Einzelheiten klargelegt ist, es sich um Verhältnisse handelt, welche, — darin kommen alle dieses Thema behandelnden Autoren überein — aus der rein geschlechtlichen Fortpflanzung hervorgegangen sind, also als eine sekundär er- kern entstehen, welche auf eine Funktions- und Teilungsfähigkeit des Ei- centriols hinweisen, so die Arbeiten von OÖ. u. R. Hertwig, Ziegler, Boveri, Wilson. O0. u. R. Hertwig haben gezeigt, dass durch Chloralysieren der Eier 1 Minute nach der Besamung man die Vereinigung der Geschlechtskerne verhindern kann und dass jeder Kern eine selbständige Spindel ausbilden kann. Ziegler hat Seeigeleier nach der Befruchtung so in zwei Hälften zerschnürt, dass die eine Hälfte das Spermatozoon, die andere den Eikern enthielt; in der den Spermakern enthaltenden Hälfte bildet sich unter Teilung des Spermacentrosomas und seiner Strahlung eine Spindel und es tritt weiterhin eine förmliche Furchung ein; die den Eikern enthaltende Hälfte teilt sich nicht, aber „ein Anlauf zu Teilungsvorgängen wird auch hier ge- macht.“ Es entsteht am Eikern eine Sphäre, der Eikern löst sich auf, er tritt in Mitose ein, teilt sich jedoch nicht, sondern rekonstruiert sich nach einiger Zeit. Dieser Vorgang kann sich mehrfach wiederholen. Ganz ähnliche Vorgänge sah Boveri an den bloss den Eikern ent- haltenden Bruchstücken, welche er durch Schütteln der Eier einige Minuten nach der Befruchtung erhalten hatte, es traten am Eikern Strahlungen auf und es fanden sogar einige Teilungen der Bruchstücke statt. Ähnliches sah auch Krahelska gelegentlich ihrer Versuche über merogonische Befruchtung von Bruchstücken von Eiern, die sie durch Schütteln erhielt; wenn ein kernhaltiges Eistück befruchtet wurde, der Ei- kern aber der verwundeten Stelle nahe lag, und dann mit einem Teile des geschädigten Plasmas „autotomiert“ wurde, so bildete sich an dem im autotomierten Eistück befindlichen Eikern eine Sphäre aus. Wilson hat befruchtete Eier ätherisiert und sie dann in reines Meer- wasser übertragen. „Bei nur teilweiser Erholung vor der Vereinigung der Vorkerne können beide getrennt der karyokinetischen Umbildung unterliegen, ohne sich zu vereinigen. In diesen Fällen entsteht typisch aus dem männ- lichen Vorkern ein Amphiaster, aus dem weiblichen ein Monaster und jeder von den drei Astern kann der Ausgangspunkt für eine vollständige Teilung werden, indem drei Zellen entstehen.“ Hier kämen schliesslich die Beobachtungen Conklins bei Crepidula plana und meine bei Mactra; wurden die befruchteten Eier zur Zeit, als schon beide Richtungskörper ausgestossen waren, in Meerwasser mit Zusatz von 1° NaCl gelegt, so wurde das Eicentriol zur weiteren Teilung angeregt, es entstand eine neuerliche Eikernspindel. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 399 worbene, eine Art von Rückbildungserscheinung zu betrachten sind; !) der Vorgang der Parthenogenese zielt darauf hin, dass das Ei von selbst den Mangel des Spermakerns und des Sperma- centriols ersetzen muss. Die bisherigen Arbeiten sprechen in der Tat dafür, dass der Mangel der Spermacentriolen durch die Aktion des Eicentriols ersetzt wird, aber daraus, dass bei Ab- wesenheit des Spermacentriols das Eicentriol in Aktion tritt, ist meiner Ansicht nach noch keineswegs der Schluss berechtigt, dass es auch im befruchteten Ei nach Ausstossung der beiden Richtungskörper seine Tätigkeit äussern müsse. oder auch nur könne, zumal wenn bei verschiedenen Tieren eine Reihe von unumstösslich bewiesenen Tatsachen dagegen spricht; 2) muss ich bemerken, dass in allen den Fällen, wo ein Eingreifen des Eicentriols in die Entwicklung bei befruchteten Eiern erzielt wurde, dies stets nur durch Herstellung abnormer, künstlicher Bedingungen geschah, und dass das Eingreifen des Eicentriols stets zur Bildung von Abnormen mitotischen Figuren und zu abnormen Entwicklungsvorgängen führte; 3) muss ich betonen, dass die parthenogenetische Ent- wickelung bei solchen Eiern künstlich erzeugt wurde, bei denen, wenn sie befruchtet werden, es keinem Zweifel unterliegt, dass die Centriolen der ersten Furchungsspindel vom Samenfaden ab- stammen, das Eicentriol dagegen keine Rolle spielt; ferner beruht die Einleitung der parthenogenetischen Entwicklung keineswegs einfach darauf, dass das Centriol des reifen Eikerns sich teilt und die Pole der achromatischen Spindel liefert, sondern es handelt sich um viel kompliziertere Vorgänge, welche sogar bei verschiedenen Tieren und bei verschiedenen Methoden sich ver- schieden abspielen können, bis es zur Bildung zweier Teilungs- centren und zur Ausbildung der ersten zweipoligen „Furchungs- spindel“ kommt, die zur Teilung des Eies in zwei Blastomeren führt. ?) Meiner Ansicht nach bedürfen gerade die ersten Stadien der Entwicklung der künstlich parthenogenetisch sich ent- wickelnden Eier noch weiterer Untersuchungen bei verschiedenen !) Vergl. auch Korschelt, pg. 698. 2) Vergl. darüber meine Arbeit: Cytologische Studien an künstlich parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern von Mactra. Archiv für mikr. Anatomie, Bd. 64, 1904. 400 i K. Kostanecki: Tieren und mit verschiedenen Methoden, um uns über alle hier- bei vorkommenden Möglichkeiten Rechenschaft zu geben und uns über die Unterschiede zwischen den bei der Befruchtung und bei der künstlichen Parthenogenese sich abspielenden Vor- gängen völlige Klarheit zu verschaffen. Zu dem Zwecke müssen die Grenzlinien zwischen den beiden Vorgängen, welche sich aus den durch Beobachtung festgestellten Tatsachen ergeben, mög- lichst scharf beobachtet werden und es darf, meiner Ansicht nach, ein in seinen cytologischen Einzelheiten noch keineswegs aufge- klärter Prozess, wie es die künstliche Parthenogenese ist, vor der Hand nicht zur Aufstellung neuer Theorien über die Her- kunft der Centriolen der ersten Furchungsspindel im befruchteten Ei herangezogen werden, zumal da man hierbei von der falschen Voraussetzung ausgeht, nämlich der, dass die künstliche Partheno- genese einfach auf einer Anregung des Ovocentrums zur Teilung sich zurückführen lässt, was, wie gesagt, absolut unzutreffend ist. Korschelt bemerkt, dass wir aus den Versuchen über künstliche Parthenogenese „erfahren haben, dass nicht nur der (sonst vom Spermatozoon herkommende) Kern für die Entwicklung des Eies entbehrlich ist, sondern auch die Centrosomen von diesem selbst geliefert werden können.“ Er betont aber mit vollstem Recht: „Beide Tatsachen kannte man ja schon von der natür- lichen Parthenogenese, ohne dass man darin für die befruchtungs- bedürftigen Eier eine Abschwächung der Bedeutung der vom Spermatozoon herrührenden Üentrosomen sah. Die wichtige Tatsache, dass dem Ei bei der Befruchtung durch das Sperma- tozoon das Teilungsorgan zugeführt wird, bleibt jedenfalls be- stehen.“ IV. Die meisten Autoren, welche bei dem von ihnen unter- suchten Objekt den Spermakern von einer deutlichen Sperma- strahlung begleitet fanden und die beiden aus ihrer Teilung her- vorgehenden Strahlungen samt Centriolen die Lage zwischen den beiden Geschlechtskernen einnehmen sahen, haben auch die Centriolen der ersten Furchungsspindel und ihre achromatischen Figuren aus derselben Queile hergeleitet, sie also nur als eine weitere Umbildung der Spermastrahlung aufgefasst. Nun tritt aber bei einer Reihe von Tieren (wie bei den von mir untersuchten Physa fontalis und Cerebratulus, Limax Furchungsspindel im befruchteten Ei. 401 (Mark), Pterotrachea (Boveri), Maus (Sobotta), Arenicola (Child), Prostheceraeus (Klinkowström), Polychaerus candatus (Gardiner), Unio (Lillie), Pleurophyllidia californica (Mac Farland), Allolobophora foetida (Katharina Foot), Thysanozoon (Schockaert), Bulla, Haminea (Smallwood) u.v.a. nach der Annäherung der Geschlechtskerne ein Stadium ein, wo die Strahlung undeutlich wird und die Centriolen. infolgedessen in der körnigen Plasmamasse nicht gefunden werden können; erst in dem Augenblick, wo die Kerne mit ihrer Vorbereitung zur Teilung (zum Zerfall in Chromosomen) fertig sind, treten die Centriolen samt der ganzen achromatischen Figur wieder deutlich hervor und gehen dann unmittelbar in die schnell sich aus- bildende erste Furchungsspindel über. Die Mehrzahl von Autoren vertritt die Anschauung, dass diese Centriolen dieselben sind, die früher die Mittelpunkte der deutlichen Spermastrahlungen bildeten, dass nur infolgedessen, dass während der Wachstums- periode der Geschlechtskerne die Strahlung schwand, dieselben während dieser „Pause“ als „nackte“ Centrosomen von anderen Plasmakörnchen nicht zu unterscheiden waren. Eine ganze An- zahl von Autoren lässt indessen, auf diesen Umstand gestützt, das vom Spermatozoon eingeführte Uentrosoma völlig zugrunde gehen, leitet dagegen die Uentriolen der ersten Furchungsspindel aus einer anderen Quelle her; und zwar haben wir hier zwei Hypo- thesen: nach der einen sollen diese Centriolen die beiden aus dem Ei- resp. Spermakern ausgewanderten Nucleolen sein, nach der anderen sollen sie überhaupt ganz von neuem im Protoplasma entstehen.') !) Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich betonen, dass ich in diesem Abschnitte nur die Frage bespreche, ob die Centriolen und Strahlungen der ersten Furchungsspindel auf die den Spermakern begleitenden Strahlungen und Centriolen zurückzuführen, oder als von diesen unabhängige Neubildungen aufzufassen sind; ich ziehe nicht in den Bereich der Er- örterungen die Diskussion über das erste Auftreten der Spermastrahlung und des Spermacentriols, namentlich, ob das neben dem Spermakern auf- tretende Centriol vom Samenfaden ins Ei eingeführt wird, oder erst im Ei unter Einfluss des Spermakerns de novo entsteht; wie einige Autoren (Mead, Katharina Foot, Jenkinson) wollen. Ich möchte nur hervorheben, dass ich schon in meinen früheren Arbeiten zu dem Ergebnis gelangt bin, dass das Centriol der Spermastrahlung vom Samenfaden in das Ei hineingebracht wird und zwar im Mittelstück desselben. Das Centriol des Samenfadens leite ich wiederum von dem in die Spermatide bei der letzten Teilung über- gehenden Centriol her. 402 K. Kostanecki: Die Deutung der beiden Üentriolen als ausgewanderter Nucleolen der beiden Geschlechtskerne rührt von Carnoy und Lebrun!) her; dasselbe Objekt, an dem van Beneden und Neyt die Furchungsspindelcentriolen vom Eicentrosoma her- leiteten, Boveri ihre Abstammung vom Spermacentrosoma dar- gelegt hat, (welche Angabe von v. Erlanger, Kostanecki und Siedlecki, Fürst volle Bestätigung fand), nämlich das befruchtete Ei von Ascaris megalocephala sollte nach diesen Autoren von den früheren Forschern in diesem Punkte falsch gedeutet worden sein, und sie glaubten bei ihm einen ganz neuen von den bisdaherigen Angaben ganz verschiedenen Ur- sprung für die Uentrosomen der ersten Furchungsspindel fest- stellen zu müssen. Ich kenne das befruchtete Ei von Ascaris megalocephala genau aus eigener Untersuchung, da ich seiner feineren Struktur eine besondere Arbeit gewidmet habe, und ich muss mich vollständig auf Seite derjenigen Autoren stellen, welche im Anschluss an Boveri die Centriolen der ersten Furchungsspindel im befruchteten Ei von Ascaris megalocephala durch Teilung des Gentriols des Spermatozoons entstehen lassen. Auf Grund der Untersuchung desselben Objekts muss die von Carnoy gegebene Deutung der Uentrosomen als ausgewanderter Nucleolen der Greschlechtskerne verworfen werden und auch sonst hat diese Auffassung von keiner Seite Anhänger gefunden, ?) direkte Beobachtungen sprechen vielmehr dagegen. Aber mehrere Autoren (Lillie, Child, Katharina Foot, Mark, Nekrassoff,’) Schockaert, Smallwood,*) Gardiner) !) La f&condation chez l’ascaris megalocephala. La Cellule, T. XIII, 1897. °, Ich kann in der Arbeit Gathys (Anneliden: Tubifex, Clepsine) nicht eine selbständige Bestätigung der Ansicht Carnoys erblicken, da diese Arbeit unter der Leitung Carnoys ausgeführt ist und diesen Punkt übrigens nur ganz nebenbei streift. 3, Nekrassoff, der den Befruchtungsvorgang bei Cymbulia Peronii untersucht hat, stellt fest, dass er zu keiner Zeit die Anwesenheit eines Centrosoms oder einer Sphäre des Spermakerns konstatieren konnte; dagegen soll sich längere Zeit hindurch das Eicentrosoma erhalten, sodass nach Nekrassoff die Möglichkeit der Herkunft des Furchungscentrosomas vom Eicentrosoma bei Cymbulia nicht unbedingt in Abrede gestellt werden kann. Indessen schwindet auch dieses, sodass, wenn die Kerne in Kontakt ge- kommen sind, man von der Strahlung keine Spur mehr sieht, und erst wenn das längere Zeit in Anspruch nehmende Wachstum der Geschlechtskerne seinen Höhepunkt erreicht hat, erscheinen zu beiden Seiten in der Kopulations- Furchungsspindel im befruchteten Ei. 405 verwerten die oben angeführten Beobachtungen von Mark, Boveri, Klinkowström, Kostanecki, Mac Farland, Co& (Cerebratulus), van Name (Planocera) u. a. sowie ihre eigenen ähnlichen Beobachtungen, um daraus den Schluss zu ziehen, dass die Rolle der den Spermakern begleitenden Strahlung mit dem Augenblicke der Annäherung der Spermakerne völlig ausgespielt sei, dass die vom Spermatozoon eingeführten Centrosomen völlig zugrunde gehen, die Uentrosomen der ersten Furchungsspindel aber völlig von neuem entstehen. Diese Autoren verwerfen also die Herkunft der Centren von den Spermacentriolen ausschliesslich aus dem Grunde, weil sie ihren Fortbestand nicht verfolgen können, (und dass sich dies durch direkte Beobachtung nicht nachweisen lässt, muss zugegeben werden); da sie die sodann wahrnehmbaren Centriolen und Strahlungen der ersten Furchungsspindel nicht mit einem vor- hin existierenden Gebilde direkt verknüpfen zu können glauben, sehen sie sich veranlasst, dieselben als Neubildungen aufzufassen. ebene zwei Centriolen mit Strahlung; Nekrassoff meint in Anbetracht dessen: „Man kann sich nicht des Eindruckes erwehren, dass die Furchungs- centrosomen de novo entstehen.‘ Beim Anblick der in der Nekrassoffschen Arbeit enthaltenen Abbildungen ist es zweifelhaft, ob das in seiner Figur 14 zwischen den Geschlechtskernen abgebildete Centrosomen nebst Strahlung ein Überrest des in Figur 13 abgebildeten Ricentrosoms nebst Strahlung ist, ob wir es nicht vielmehr mit dem Spermacentriol zu tun haben; leider fehlen gerade die Bilder der mafßgebenden Zwischenstadien zwischen den Fig. 13 und 14. Der Befruchtungsvorgang bei Cymbulia fordert gewiss zu einer Nachprüfung auf (eventuell mit Zuhilfenahme von Experimenten, wie bei Myzostoma); dieselbe dürfte auch für Cymbulia die Existenz der Sperma- centriolen feststellen, welche nur während der lange andauernden Wachs- tumsperiode der Geschlechtskerne infolge des Schwindens der Strahlung un- kenntlich werden und dann erst wieder sichtbar werden. +, Smallwood beschreibt für Bulla solitaria, dass der Spermakern von einer Doppelstrahlung begleitet wird, er nähert sich „rapidly“ dem inneren Pol der zweiten Richtungsspindel und die Strahlungen schwinden. Nach längerer Pause, während welcher die Geschlechtskerne anwachsen, er- scheinen die Strahlungen, die Pole der ersten Furchungsspindel. Smallwood schliesst, „first, that they arise de novo; and second, that one arises in connection with each pronucleus.“ Ich möchte betonen, dass erstens, wenn die Geschlechtskerne zur Berührung nahe liegen, aus der Lage der Strahlungen keine Schlüsse mehr auf die Zugehörigkeit zu einem der Geschlechtskerne gezogen werden können, dass anderseits z. B. die Fig. 7 von Smallwood eher für die Zugehörigkeit der beiden Sphären zum Spermakern spricht. — 404 K. Kostanecki: Eine Stütze für diese Hypothese sehen einige Autoren in den bekannten Versuchen Morgans und Wilsons, welche den Beweis erbracht haben, dass wirkliche, von Strahlungen umgebene, teilungsfähige Üentriolen im Protoplasma de novo entstehen können. Demgegenüber glaube ich betonen zu müssen, dass sicher- lich die Ergebnisse der Versuche Wilsons und Morgans. welche durch die Untersuchungen von Stevens und Yatsu eine weitere Bestätigung erfahren haben, für die Lehre von den Centrosomen, für die Beurteilung ihrer Bedeutung und ihres Verhältnisses zu dem Protoplasma, von der grössten Bedeutung sind; aber wenn man das Auftreten der Centrosomen in diesen Versuchen direkt mit den Schicksalen der Centriolen beim normalen Befruchtungsvorgang analogisiert, so übersieht man dabei zunächst, dass in diesen Versuchen das Auftreten der ÖOentrosomen durch künstliche Reize veranlasst wurde, sodann, dass sie in grösserer und sehr variabler Zahl auftreten und dass auch bezüglich ihrer Verteilung, ihrer Lage im Zelleibe sich keine Gesetzmässigkeit feststellen lässt, während beim normalen Befruchtungsvorgang es sich um einen, was Zahl und Lage der Oentriolen betrifft, streng gesetzmässigen, morphologischen Vor- gang handelt. Die Ergebnisse dieser Experimente im Verein mit den Beobachtungen über die Vorgänge bei der normalen Befruchtung und bei jeder Mitose können sicherlich in Zukunft für die Beurteilung der physiologischen Rolle der Centrosomen grosse Bedeutung haben, für die Entscheidung des morphologischen Problems — und um ein solches handelt es sich in erster Linie, wenn wir die Ursprungsquelle der Centriolen der Furchungs- strahlung feststellen wollen — dürfen dieselben bei dem gegen- wärtigen Stand unserer Kenntnisse nicht direkt verwendet werden; die Lösung der Frage kann meiner Ansicht nach nur durch eine kritische Zusammenstellung der Tatsachen gewonnen werden, welche wir aus genauen Beobachtungen des normalen Be- fruchtungsvorgangs bei den verschiedensten Tieren kennen. Ich möchte bezüglich der Frage, inwiefern die Resultate der Experimente Loebs,. Wilsons, Morgans über künstliche Parthenogenese und über die Neubildung von Centrosomen unsere Anschauungen über die Vorgänge bei der normalen Befruchtung beeinflussen können, auf die geistreichen Bemerkungeu Boveris Furchungsspindel im befruchteten Ei. 405 “Anhang zu seinem Vortrag: Das Problem der Befruchtung) hinweisen, aus denen hervorgeht, dass durch dieselben unsere Auffassung nicht verändert worden ist: „Die künstliche Parthenogenese der Seeigeleier führt .... nur unter gewissen zufälligen Umständen zu einem normalen Produkt.“ .... „Die künstliche Parthenogenese des Seeigeleies beruht darauf, dass im Eiprotoplasma echte Centrosomen und Astrosphären neu gebildet werden, durch Prozesse, die sich einst- weilen nicht weiter analysieren lassen. Eine Prädilectionsstelle für das Auftreten dieser sich neu bildenden Zentren ist der Eikern. Stehen sich hier im entscheidenden Moment zwei gegen- über, so ist — wahrscheinlich noch mit gewissen Einschränkungen — normale Entwicklung möglich.“ „An dem Spermatozoöon ist etwas besonderes vorhanden. welches unter normalen Bedingungen gerade hier die Entstehung eines zur Entwicklung ausreichenden Teilungsapparates bedingt.“ „Der Krystallisationspunkt für die Sphäre, die bei der künst- lichen Parthenogenese erst geschaffen werden muss, wird vom Spermatozoon schon mitgebracht.“ ... . „Die befruchtende Wir- kung des Spermatozoons beruht auf der Einführung eines Uentro- soma. Die parthenogene Wirkung der Loebschen Agentien liegt darin, dass diese Agentien die Bildung neuer Zentren im Eiprotoplasma veranlassen.“ Einige von den Autoren, welche in den Üentriolen der Furchungsspindel Neubildungen sehen, erörtern nieht weiter ihre (Genese, die meisten teilen aber die von Lillie ausgesprochene Ansicht: „I believe that they are egg-products of new origin formed underthe influence oftthe two germ-nuclei.“ Die Annahme eines Einflusses der beiden Geschlechtskerne auf die Neubildung der Centriolen begründen einige Autoren damit, dass bei dem von ihnen untersuchten Objekt die beiden neben den bläschenförmigen Kernen wiedererscheinenden Sphären eine derartige Lage einnehmen, dass die eine mehr dem Spermakern, die andere mehr dem Eikern genähert war, was in der Weise gedeutet wurde, dass die eine unter dem Einflusse des Sperma- kerns, die andere unter dem Einflusse des Eikerns entstanden ist. Um diese Schlussfolgerung zu entkräften, genügt es, darauf hinzuweisen, dass auch die den Spermakern auf seiner Wande- rung begleitenden Sphären eine äusserst variable Lage zeigen 406 K. Kostanecki: können (man vergl. nur beispielsweise Aplysia, Pterotrachea, Branchipus, Thalassema, Physa fontinalis), und dass sie sehr oft in dem Augenblick, als der Spermakern dem Eikern sich nähert, eine schiefe Lage einnehmen, derart, dass die eine in viel nähere Berührung mit dem Eikern kommt, als die andere; ja die Sperma- sphären können den Spermakern so zwischen sich fassen, dass die eine ihm vorangeht und unmittelbar dem Eikern anliegt, während die andere dem Spermakern nachfolgt; erst allmählich tritt die Ein- stellung in die Kopulationsebene ein. Würde man diese Bilder nicht genetisch verfolgen, sondern wollte man aus dem Einzelbilde Schlüsse auf die Herkunft der Sphären mit ihren Centriolen ziehen, so läge allerdings der Gedanke am nächsten, jede Sphäre in causalen Zusammenhang mit je einem der Geschlechtskerne zu bringen. Man kann nun feststellen, wie wir unten genauer ausführen werden, dass bei den Tieren, wo eine „Pause“ in der Deutlich- keit der Strahlung während der Wachstumsperiode der Geschlechts- kerne eintritt und so die Kontinuität der Bilderreihe unter- brochen wird, die Strahlungen mit ihren Centriolen gewöhnlich genau an demselben Orte wieder erscheinen, wo sie vorhin, vor ihrem Verschwinden lagen, worin ich einen Grund mehr zur An- nahme ihrer Identität mit den vorigen Spermastrahlungen erblicke. Wenn nun bei einigen Tieren der Schwund der Strahlung eintrat, bevor sich die beiden Strahlensonnen in die Kopulations- ebene symmetrisch eingestellt haben und noch in schiefer Lage zum Spermakern sich befanden, so erscheinen sie eben in der- selben schiefen Lage wieder. Ich erblicke also in der von manchen Autoren festgestellten Lage der Sphären zu den Ge- schlechtskernen, derart, dass die eine Sphäre näher dem Eikern, die andere näher dem Spermakern liegt, nur den Ausdruck der „schiefen“ Lage der Spermasphären, nicht aber den Beweis für den genetischen Zusammenhang der Sphären mit je einem Ge- schlechtskerne. Wiederum muss ich betonen, dass die Betrachtung des Einzelbildes oder das Studium des Befruchtungsvorganges eines einzelnen Tieres diese Hypothese vielleicht als die nächstliegende und als die einfachste Lösung des Problems erscheinen lassen mag, man statuiert aber dadurch für eine der wichtigsten Phasen des Befruchtungsvorganges einen prin- Furchungsspindel im befruchteten Ei. 407 zipiellen Gegensatz zwischen verschiedenen Tierformen, da ja die Annahme des Schwundes der Spermacentriolen und die Hypothese von der Neubildung der Centriolen der ersten Furchungsspindel anf eine ganze Reihe von Tierformen ‘keine Anwendung finden kann;!) die von einigen Autoren versuchte Generalisierung vach dieser Richtung hin steht so sehr im Widerspruch mit einer Reihe von unzweideutigen, absolut sicheren Beobachtungen über den direkten Übergang der Spermadoppelstrahlung in die Zentren der ersten Furchungsspindel, die wir sogleich näher besprechen werden, dass eine eingehendere Widerlegung überflüssig ist. Ich glaube, dass, bevor wir uns entscheiden, in einer so fundamentalen Frage einen prinzipiellen Unterschied bei verschiedenen Tieren festzu- stellen, wir jedenfalls bei neuen, anscheinend ab- weichenden Befunden vor allem verpflichtet sind, dieselben mit den Befunden bei anderen Tieren, namentlich wenn bei diesen unzweifelhaft festgestellte Tatsachen vorliegen, zu vergleichen und zu prüfen, ob die scheinbaren Abweichungen sich nichtetwanurals Modifikationen, Variationen, eines prinzipiellidentischen Vorganges heraus- stellen und ob wir sie nicht unter ein allgemein gültiges, einheitliches Gesetz subsumieren können. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass ja auch in einer Reihe von anderen Einzelheiten des Reifungs- und Befruchtungs- prozesses?) auf den ersten Blick ganz unüberbrückbare Gegen- !) Lillie und einige andere Autoren, die für die Neubildung der Centriolen der ersten Furchungsspindel bei ihren Objekten eintreten, betonen allerdings, dass bei anderen Tieren die-elben eine andere Herkunft haben können. >) Ich erinnere nur an die Vorgänge bei der Ausstossung der Richtungs- körper, sowohl was die chromatischen, als auch die achromatischen Teile betrifft, ich erinnere an die Zeit des Eintritts des Spermatozoons ins Ei (das Spermatozoon kann bekanntlich entweder nur ins reife Ei oder während der Ausstossung des I. oder II. Richtungskörpers oder in das unreife Ei ein- dringen), ich erinnere an das frühere oder spätere Auftreten der Sperma- strahlung, an das so sehr verschiedene Bild, welches dieselbe während der Wanderung gegen den Eikern darbieten kann, ich erinnere daran, dass die beiden Geschlechtskerne im Augenblick ihrer Aneinanderlagerung ein sehr verschiedenes Verhalten aufweisen können, dass sie einmal zu einem einzigen Furchungskern verschmelzen, ein andermal die Selbständigkeit der väterlichen und mütterlichen Chromosomen bis in die Blastomeren sich erhalten kann usw. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 27 408 K. Kostanecki: sätze zwischen verschiedenen Tierformen zu bestehen scheinen, dass es sich indes bei näherer Prüfung und beim Vergleich der immer sich mehrenden Beobachtungen herausgestellt hat, dass es sich nur um graduelle oder nebensächliche, den Kern des Problems unangetastet lassende Variationen handelt, die alle zu demselben Ziele führen, und dass zwischen den verschiedenen For- men stufenweise Übergänge existieren. Meiner Ansicht nach handelt es sich also bei Beurteilung dieser Frage zunächst darum, ob wir Beobachtungen besitzen, die wenigstens für einige Tiere eine direkte Herkunft der Öentriolen und Strahlungen der ersten Furchungsspindel von der Spermastrahlung und ihren Centriolen unzweideutig beweisen. DerartigepositiveBelege haben wir nunaber in der Tat und zwar in grosser Zahl: Wir besitzen Beobachtungen an solchen Tieren, bei denen im befruchteten Ei die dem Spermakern vorangehende mächtige Strahlenfigur sich teilt, sich in die Kopulationsebene der Geschlechtskerne begibt und die ganze Zeit hindurch bis zur Ausbildung der definitiven Furchungsspindel völlig ungeschwächt fortbesteht, oder aber, wo sie zwar nach Annäherung der Geschlechtskerne schwächer wird, aber nicht in dem Maße, dass man nicht auf jedem Stadium ihren Fortbestand feststellen könnte. So kann ich für das klassische Untersuchungsobjekt in der Befruchtungs- lehre, für die Echinodermen aus eigener Erfahrung, ebenso wie v. Erlanger, die Beobachtung Boveris bestätigen, dass nach der Verschmelzung der Ge- schlechtskerne ‚jene 30 bis 35 Minuten währende Periode folgt, in der die Strahlung zunächst an Intensivität sehr stark abnimmt, bis sie schliesslich, wenn der Kern mit seiner Vorbereitung zur Teilung fertig geworden ist, von neuem wieder mächtig wird.“ Auch Ziegler schildert auf Grund von Beobachtungen am lebenden Material, dass in befruchteten Seeigeleiern nach Annäherung der Geschlechts- kerne die mächtige Befruchtungsstrahlung (= Spermastrahlung — Sperm- Aster) schwindet, es bleiben aber die „Attraktionssphären‘“ bestehen, und diese bilden den Ausgangspunkt für die Bildung der Teilungsstrahlungen (— Strahlungen der Furchungsspindel — Üleavage-Aster). Diese ununterbrochene und direkte Herkunft des ‚„Cleavage-Amphiaster‘ von dem ,‚Sperm-Aster‘“‘ haben in schönster Weise schon Wilson und Mathews (1895, für Echinodermen dargetan, sie haben an sehr genauen Abbildungen der Schnitte gezeigt, dass bei Toxopneustes die anfängliche Spermadoppelstrahlung an Stärke abnimmt, aber doch die beiden strahligen Furchungsspindel im befruchteten Ei. 409 Sphären ausserordentlich deutlich bestehen bleiben, um dann wieder an Mächtig- keit zu gewinnen. Für Asterias und Arbacia, wo die Teilung der Spermastrahlung vor der Vereinigung der Geschlechtskerne erfolgt, haben sie gezeigt, dass eine solche ‚„„Pause‘“‘ überhaupt nicht eintritt und dass die Doppelstrahlung der ersten Furchungsspindel direkt aus der Spermadoppelstrahlung sich herleiten lässt. Ihre präzise Darstellung und die zahlreichen Figuren bilden einen unzweideutigen Beleg für ihre Behauptung: „The spermasters of Asterias and Arbacia have now been followed step by step, from their first beginning; throughout their growth, and directly to the asters of the first cleavage spindle.‘ Behrens stellt, wie im Abschnitt III dieser Arbeit bereits hervor- gehoben wurde, für das befruchtete Ei der Forelle fest, dass der Kopf des Samenfadens von einer zunächst einfachen Strahlung mit Centrosoma, dann von einer doppelten Strahlung mit deutlichen Centrosomen begleitet wird; nach der Verschmelzung der beiden Vorkerne zu einem einheitlichen Furchungskern lagern sich die beiden dichten, mächtigen Strahlensonnen samt Uentrosomen zu beiden Seiten des Furchungskerns und liefern dann unmittelbar die Centrosomen der ersten Furchungsspindel, welche also unzweifelhaft die direkten Abkömmlinge des vom Spermatozoon ins Ei gebrachten Centrosoms sind. Nicht nur die Beschreibung Behrens’, sondern auch seine Abbil- dungen der bezüglichen Stadien lassen in dieser Beziehung nicht den geringsten Zweifel zu. Sobotta stellt für Amphioxus fest, dass eine zunächst einfache, dann doppelte Strahlung mit Centrosomen den Spermakern begleitet, dass nach Annäherung der Geschlechtskerne die beiden Strahlungen zunächst noch in näherer Beziehung zum Spermakern stehen, dann jedoch sich in die Kopulations- ebene einstellen und nach Verschmelzung der beiden Geschlechtskerne zu beiden Seiten des einheitlichen Furchungskerns fortbestehen und nach Auf- lösung desselben in Chromosomen die beiden Pole der ersten Furchungs- spindel bilden; die ausserordentlich klaren, eine ununterbrochene kontinuier- liche Reihe darstellenden Bilder Sobottas lassen die ganze Zeit hindurch keine Abschwächung, geschweige denn ein Verschwinden der Strahlungen und ihrer Centrosomen erkennen. Griffin stellt bei Thalassema fest: „In Thalassema the „pause“ is of short duration, and while the asters are a trifle less distinet, they never- theless show clearly throughout, and the persistence of their focal centrosome is easily demonstrated.“ ‚From the above is quite evident that the centro- somes persist entire throughout the whole of the critical stage where, in so many forms, they have been lost sight of.“ Dasselbe stellt Orampton für Molgula (eine Ascidie) fest, dessen Befunde ich nach Lillie zitiere: „This egg offers especially clear evidence of the persistence of the sperm-centrosomes in the cleavage, because there are no asters associated with the maturation Spindles, and the spermasters are perfectly distinct, and persistent from the time of entrance of the sperma- tozoon.“ Die Beschreibung und die zahlreichen, die ganze ununterbrochene Serie der Stadien wiedergebenden Abbildungen Meads für Chaetopterus 410 K. Kostanecki: pergamentaceus, ebenso Korschelts für Ophryotrocha puerilis, beweisen ganz unzweideutig, dass die Centriolen der Furchungsspindel von den Sperma- Centrosomen direkt herstammen; eine Pause zwischen der Ausbildung der den Spermakern begleitenden Strahlung und ihrer Umbildung in die definitive Furchungsspindel tritt nicht ein. Gleichfalls einen unmittelbaren Übergang der beiden Spermastrahlungen in die Sphären an den Polen der definitiven ersten Furchungsspindel ohne eine „Pause“ in dem kritischen Stadium beschreibt Helen Dean King bei Bufo leutiginosus,') das gleiche bestätigt auch v. Erlanger für Asplanchna priodonta, ebenso scheinen nach den Angaben Brauers bei Branchipus Grubii, nach Wulfert dei Gonothyraea loveni .die Verhältnisse sehr klar zu liegen. Für Mactra habe ich in meiner im Jahre 1904 veröffentlichten Arbeit festgestellt, dass die geteilte Strahlung des Spermatozoons eine symmetrische Lage in der Kopulationsebene der Geschlechtskerne einnimmt und dass die Strahlungen und ihre Üentriolen auch weiterhin bis zur definitiven Aus- bildung der karyokinetischen Spindelfigur erhalten bleiben, so dass es für Mactra keinem Zweifel unterliegen kann, dass die achromatische Figur und die Centriolen der ersten Furchungsspindel aus der Strahlung des Sperma- tozoons und seinem Centriol hervorgegangen sind. ') Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass uns gerade die be- fruchteten Eier der Amphibien grosse Dienste leisten können bei der Ent- scheidung der Frage, ob die den Spermakern begleitenden Sphären direkt die Pole der ersten Furchungsspindel liefern, und zwar aus folgendem Grunde. Bei seinem Eintritt ins Ei reisst der Spermakern einen Teil des in der Rindenschicht dieser Eier angesammelten Pigmentes mit sich fort, so dass der Weg, den der Spermakern zurückgelegt hat, durch eine Pigmentstrasse gekennzeichnet wird. Als die Spermastrahlung auftritt, werden die Pigment- körner, ähnlich wie bei der Mitose in pigmentierten somatischen Zellen das Pigment, oder auch ähnliche andere Deuteroplasmastoffe, zwar aus dem Zentrum der Sphäre in der unmittelbaren Nähe des Centriols verdrängt, bilden aber da, wo die Strahlen weniger dicht gedrängt sind, einen zu dem Öentriol konzentrischen Ring; wenn die Spermastrahlung schon doppelt ist, verteilt sich das Pigment, gleichfalls konzentrisch sich lagernd, auf die beiden Sphären und verbleibt weiterhin in dieser Anordnung. Wenn also die Sphären der ersten Furchungsspindel die direkten Abkömmlinge der Spermastrahlung sind, so müssen auch in ihrem Bereiche die Pigmentringe sich erkennen lassen. Dies trifft in der Tat für Bufo lentiginosus, für Axolotl (Fick, Jenkinson) zu. Wenn nun vielleicht bei der Untersuchung anderer Spezies der Amphibien es sich erweisen sollte, was durchaus wahr- scheinlich ist, dass bei einigen auch eine Pause eintritt, wo während des Anwachsens der Kerne die Strahlungen rückgängig werden, so dürfte die Anhäufung des Pigmentes zur Feststellung der Lokalisation der Centriolen eine sichere Handhabe liefern. Auf diesen Punkt, der in der bisherigen Literatur nach dieser Richtung hin nicht ausgenutzt wurde, sei für eventuelle künftige Untersuchungen mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 411 Vejdovsky beschreibt in seiner im Jahre 1903 erschienenen Arbeit, dass bei Rhynchelmis der Spermakern mit seiner Strahlung sich an diejenige Stelle des Eies begibt, wo später die erste Furchungsspindel entstehen soll, hier teilt sich das Centriol und es entsteht eine dizentrische Figur. Erst dann wandert der inzwischen gebildete weibliche Pronucleus zum männlichen, die Geschlechtskerne legen sich eng aneinander, die dizentrische Strahlung wird nicht schwächer, sondern sogar stärker und unter Schwund der Kern- membran und Herausbildung der Chromosoomen geht sie unmittelbar in die erste Furchungsspindel über. Für Ascaris megalocephala unterliegt es nach den Arbeiten von Boveri, Erlanger, Kostanecki und Siedlecki, Fürst keinem Zweifel, dass das Spermatozoon sein Centriol ins Ei einführt; dieses teilt sich verhältnis- mässig spät, als die beiden Geschlechtskerne schon zu grösseren Blasen angewachsen sind und sich bedeutender einander genähert haben, wobei die beiden Tochtercentrosomen in der Regel in der Protoplasmazone zwischen den beiden Geschlechtskernen in gleichem Abstande von beiden liegen. Die beiden Tochtercentrosomen entfernen sich immer mehr voneinander, es bildet sich allmählich eine immer mächtigere Spindel mit allen Attributen (Zentralspindel, Pohlstrahlung, Centriolen) aus, in keinem Augenblick kann man einen Schwund der Strahlung oder der Centriolen wahrnehmen, so dass es für den Unter- sucher auch nicht einen Augenblick zweifelhaft sein kann, dass die Polkörper der ersten Furchungsspindel die direkten Abkömmlinge der aus der Teilung des Spermacentriols hervorgegangenen Üentriolen sind. Im vorigen Kapitel habe ich gezeigt, dass bei Myzostoma die Öentro- somen der ersten Furchungsspindel von den Spermacentriolen abzuleiten sind, dass dieselben bei der gewöhnlichen Befruchtung in der Regel erst nach der Annäherung der Geschlechtskerne auftreten, dass man aber durch eine kleine Erhöhung der Konzentration des umgebenden Mediums ihr früheres Erscheinen veranlassen kann, hier muss ich hervorheben, dass sowohl bei den unter gewöhnlichen Verhältnissen befruchteten Eiern, als auch in allen oben beschriebenen Versuchen die Oentriolen vom ersten Augenblicke ihres Auf- tretens bis zur definitiven Ausbildung der Furchungsspindel fortbestehen und dass die Strahlung an Mächtigkeit zunimmt; bezüglich dieses Punktes. nämlich des weiteren Schicksals der einmal zwischen den Geschlechtskernen deutlich ausgebildeten Sphären, stehen meine Befunde in vollkommenstem Einklang mit Wheelers Beobachtungen.') ', Ich glaube aus der Arbeit von Halkin zu entnehmen, dass ein, dem bei Myzostoma ganz analoger Vorgang im Ei von Polystomum integer- rimum sich abspielt. Halkin stellt fest, dass während der zweiten Richtungs- mitose ausgesprochene Centriolen fehlen, an dem Eikern ist keine Spur von einem ÖOvozentrum, aber auch am Spermakern fehlt ein Spermazentrum. Erst als die beiden Vorkerne bedeutend angewachsen sind und jeder sich in einen für dieses Tier charakteristischen Haufen von Bläschen umgewandelt hat, wobei eine Entscheidung über ihre Abstammung vom Ei- oder vom Spermakern nicht mehr möglich ist, erscheint „dans le vitellus un corpuseule, qui se colore fortement par la methode de Heidenhain.“ Halkin bemerkt: 412 K. Kostanecki: Von grosser Bedeutung für die Entscheidung sowohl als auch für die Beurteilung dieser Frage scheinen mir die Beob- achtungen von Erlangers an lebenden Eiern von Nema- toden (Diplogaster longicanda, Rhabditis teres, Rhabditis polio, Rhabditis dolichura). v. Erlanger sah neben dem männlichen Vorkern, noch als er am vegetativen Pol lag, eine Sphäre auftreten. Diese teilte sich bald und zwischen den Tochtersphären erschien eine Zentralspindel, die deutlich gesehen werden konnte, wenn sie sich in einiger Entfernung vom männlichen Pro- nucleus befand. Bald nähert sich der weibliche Vorkern dem männlichen und legt sich ihm dicht an. „Lag die Zentralspindel bei diesem Vorgang zwischen dem männlichen Vorkern und dem Eimittelpunkt, so gerät sie ganz von selbst zwischen die beiden Vorkerne; war dies dagegen nicht der Fall, so dreht sie sich allmählich so, dass sie in den nach der Eioberfläche gerichteten Spaltraum zwischen den Vorkernen hineinschlüpft (Fig. 14 u. 15, Rh. p.). „Die Bildung der Sphäre, ihre Teilung und die Entstehung der Zentral- spindel scheint von der Zeit abhängig zu sein, welche der weibliche Vorkern braucht, um den männlichen zu erreichen. Erfolgt diese Wanderung relativ langsam, so verläuft die Sache so, wie ich sie oben dargestellt habe, erfolgt sie relativ schnell, so tritt die Sphäre erst dann auf, wenn die beiden Vor- kerne sich aneinanderlegen und zwar am männlichen Pronucleus, scheinbar als ein knopfförmiger Vorsprung (Fig. 10), rückt von der Kernoberfläche ab. teilt sich (Fig. 11) unter Bildung einer Zentralspindel, welche wieder in den Spalt zwischen den beiden Vorkernen hineinschlüpft und sich ebenfalls senkrecht auf die Verbindungsebene der Kernmittelpunkte einstellt.“ Sodann bildet sich allmählich unter Schwund der Kernmembranen die fertige Furchungsspindel aus, hierbei tritt eine Abnahme der Strahlung, eine „Pause“ in keinem Stadium ein, im Gegenteil: „von der Konjugation der Pronuclei ab, bis zu dem Moment, wo die erste Teilungsfurche auftritt, haben sowohl die sogenannten Sphären (helle Höfe, Centroplasmen), als auch „Quelle est l’origine de ce corpuscule central? Je n’ai pu faire aucune observation positive A ce sujet. Il est possible que pendant toute la matu- ration le spermocentre soit reste intimement en contact avec le spermatozoide, pour devenir visible seulement au moment oü la partie chromatique sperma- tique devient indecelable comme la chromatine d’origine femelle. II me parait moins probable qu’il soit d’origine ovulaire.“ Vom Augenblicke seines Auftretens sind die Schicksale des Centriols ununterbrochen deutlich zu verfolgen, es umgibt sich mit einer Strahlung, teilt sich und liefert die Spindelpole der ersten Furchungsspindel. Es sei indes bemerkt, dass eine etwas abweichende Deutung für den Ursprung des Uentrosoms des Samen- kerns, aus dem die Centrosomen der ersten Furchungsspindel hervorgehen, Goldschmidt für Polystomum integerrimum in seiner Arbeit, die ungefähr gleichzeitig mit der Arbeit Halkins erschienen ist, gibt; er leitet es nämlich vom „zentralen Karyomeriten‘“ des Spermakerns ab; bezüglich der Einzelheiten sei auf das Original verwiesen. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 415 die Polstrahlungen an Grösse stets zugenommen.“ Durch Fixieren und Färben der Präparate gelang es v. Erlanger, auf allen diesen Stadien die Zentralkörper in den Sphären und an den Spindelpolen nachzuweisen (ihr Aussehen glich dem bei Ascaris megalocephala), und selbst an lebenden Eiern konnte er Üentrosomen in der Mitte der sogenannten Sphären, hellen Höfe, an den Spindelpolen beobachten. Derartige Beobachtungen, die sich gewiss mehren dürften, sprechen gegen die Entstehung der Centrosomen der Furchungs- spindel de novo, gegen die Beteiligung der beiden Geschlechts- kerne an der Genese derselben und entziehen vollends den Boden der Carnoyschen Behauptung, wonach die ausgewanderten Nucleolen der beiden Greschlechtskerne zu Üentrosomen der Furchungsspindel werden sollen. Gegen diese Anschauung und für die alleinige Be- teiligung der Öentriolen desSpermatozoonsan dem Zustandekommen der Furchungsspindel sprechen auch die Beobachtungen bei der Polyspermie, wo bekanntlich die Zahl der Pole der mehrpoligen Figuren der doppelten Anzahl der eingedrungenen Samenfäden entspricht, also 2 n (Spermakerne), während sie im Sinne der Öarnoyschen Auffassung, oder der Auffassung, dass die Centriolen unter Ein- tluss der Geschlechtskerne de novo im Eiprotoplasma entstehen n (Spermakerne) + 1 (Eikern) betragen müsste. Einer weitgehenderen Erörterung braucht diese Tatsache nicht; fast bei jeder, namentlich künstlich vorgenommenen Befruchtung trifft man bekanntlich Bilder von Polyspermie, welche diesen Satz bestätigen. Es sei nur auf die dieses Thema speziell behandelnden Arbeiten von O.u. R. Hertwig, Boveri und Teichmann hingewiesen. Besonders klar und daher besonders lehrreich sind die disperm befruchteten Eier, wo jeder der Spermakerne von je einer Doppelstrahlung begleitet wird, welche dann eine vierpolige Furchungs- spindel liefern (vergl. die Abbildungen Teichmanns und seine Versuche, die wir gleich weiter unten besprechen). Zur Stütze der Ansicht, dass die Spermasphären in der Tat direkt die Pole der ersten Furchungsspindel liefern, können noch die Ergebnisse verschiedener Arbeiten dienen, welche nicht den gewöhnlichen Befruchtungsvorgang, sondern dessen auf experimentellem Wege erzielte Modifikationen zum Gegenstande haben. Vor allem kommen hier die von O.u. R. Hertwig, Boveri, Morgan, Ziegler, Delage, Winkler, M. Boveri, Krahelska erzielten Resultate der Befruchtung kernloser Eistücke (Merogonie) in Betracht: Der Samen- faden dringt in ein Eifragment ein, welches weder Eikern noch Eicentrosoma 414 K. Kostanecki: enthält, mit ihm dringt auch das Spermacentrosoma hinein, um welches eine Strahlung entsteht, dasselbe teilt sich und die Teilstücke liefern die beiden Pole der sich ausbildenden Spindel. Sodann sind die von Boveri und von Teichmann ausgeführten Versuche zu erwähnen: „Als bei Eiern von Echinus microtuberculatus, die 14 Stunden in nicht erneutem Seewasser gelegen hatten, künstliche Besamung mit Spermatozoen vorgenommen wurde, die solange mit 0,05 pCt. Kalilauge behandelt worden waren, bis nur noch ein kleiner Teil von ihnen beweglich war, zeigte es sich, dass einige Eier monosperm, andere disperm, andere polysperm befruchtet waren. Ein Teil der monosperm befruchteten Eier zeigte aber ein eigentümliches Verhalten: der Spermakern war wie gelähmt, er vereinigte sich nicht mit dem Eikerne und während der Eikern in einzelne Chromosomen zerfiel, welche in den Äquator der Furchungsspindel sich ein- stellten, blieb der Spermakern als einheitlicher Chromatinklumpen abseits liegen und gelang als solcher in eine der beiden Furchungszellen, diese teilen sich abermals und der Spermakern findet sich in einer der vier regulär gebildeten Blastomeren. Das gleiche fand Boveri und Teichmann auch bei disperm befruchteten Eiern. Diese Lähmung des Spermatozoons bezog sich aber ausschliesslich auf seinen Kern: das mit dem Spermatozoon eingeführte Öentrosoma bildete den Ausgangspunkt einer deutlichen Strahlung, darauf trat eine Zweiteilung der Sphäre ein, die beiden Sphären rückten gegen den Eikern hin, den Sperma- kern bei Seite lassend, legten sich an ihn heran und unter Auflösung des Kerns in einzelne Chromosomen entstand eine typische Spindel. Bei disperm befruchteten Eiern sah man an jedem der Spermakerne je eine, dann je zwei Sphären, welche gleichfalls gegen den Eikern rückten und zur Entstehung von Tetrastern führten, gleichfalls ohne die Beteiligung der Spermakerne. Die Abbildungen Teichmanns geben ein deutliches, kontinuierliches Bild der Sphären von ihrem Auftreten bis zur Ausbildung der Furchungsspindeln, man sieht auf keinem Stadium einen Schwund oder auch nur eine Abschwächung der Strahlungen und man kann den direkten Übergang der Spermastrahlungen in die Pole der fertigen Furchungsspindel Schritt für Schritt verfolgen. Wilsons Versuche können gleichfalls hierfür als Beleg dienen: „Bei Eiern, welche unmittelbar nach dem Eintritt des Spermatozoons ätherisiert wurden, entsteht keine Spermakernstrahlung, doch kann das Wachstum des Spermakerns fortdauern und Verschmeizung der Vorkerne vorkommen.“ Werden die Eier in reines Meerwasser übertragen und „tritt Erholung von der Ätherisation vor der Vereinigung der Vorkerne ein, so bildet sich rasch die männliche Strahlung aus und die Weiterentwicklung kann normal verlaufen. In diesen Fällen teilt sich die Strahlung oft vor der Vereinigung und bildet so einen Amphiaster, wobei beide Vorkerne annähernd dieselbe Grösse zeigen.“ Die Kerne zerfallen in Chromosomen und es entsteht direkt die erste Furchungsspindel. Wir müssen also feststellen, dass wireine ganze Reihe von, zum Teilanfixiertem, zum Teilanleben- dem Material gewonnenen Beobachtungen des nor- Furchungsspindel im befruchteten Ei. 415 malen Verlaufs des Befruchtungsprozesses bei ver- schiedenen Tieren besitzen, welche unzweifelhaft den direkten ununterbrochenen Übergang der Centriolen der Spermastrahlung in die Centren der ersten Furchungsspindel uns klarlegen, sodass eine andere Deutung ganz ausgeschlossen ist; diese Auffassung wird noch obendrein durch Ab- weichungen des Befruchtungsprozesses, wie er bei Polyspermie auftritt, sodann durch eine Reihe von experimentellen Untersuchungen gestützt. Überblicken wir aber die oben angeführten Beispiele des normalen Befruchtungsprozesses, so ersehen wir, dass schon er- hebliche Unterschiede bezüglich des Verhaltens der Sperma- strahlung innerhalb derselben sich geltend machen. Als Typus des Verlaufs des Befruchtungsvorganges, der uns am klarsten das Verhalten der Spermastrahlung darbietet, können die Eier derjenigen Tiere gelten, welche als reife Eier befruchtet werden, und in denen die Spermastrahlung bald nach Eintritt des Spermatozoons sich ausbildet, dann den Spermakern, als einfache Strahlung oder als Doppelstrahlung, auf seiner Wanderung begleitet, nach Zusammenlagerung der Geschlechtskerne sich zu beiden Seiten derselben in die Kopulationsebene begibt und ohne eine bedeutendere Rückbildung zu erfahren, jedenfalls aber ohne zu schwinden, direkt die beiden Pole der ersten Furchungsspindel liefert. Dieser Modus ist bei den Echinodermen verwirklicht, bei denen aber schon grosse individuelle Schwankungen vorkommen, indem einmal dem Spermakern eine nur einfache Strahlung mit einem Üentriol vorangeht und erst nach Verschmelzung der Geschlechtskerne sich teilt, während ein andermal schon früher eine Zweiteilung des Uentriols und der Strahlung eintritt und so der Spermakern mit einer deutlichen Doppelstrahlung sich dem Eikern nähert. Auch unter den Tieren, bei denen entweder nicht ganz reife Eier (während oder nach Ablauf der zweiten oder ersten Richtungsmitose) oder unreife Eier befruchtet werden,') der ‘) Bezüglich der Zeit des Eintritts des Spermatozoons im Verhältnis zu dem Stadium, in welchem sich das Ei befindet, haben wir die mannig- fachsten Variationen beim Vergleich sowohl nahestehender als auch entfernter Abteilungen, zudem scheinen auch zahlreiche individuelle Schwankungen vor- 416 K. Kostanecki: Spermakern länger an der Peripherie liegen bleibt und die Strahlung später auftritt, sind die Schicksale der Spermastrahlung leicht zu verfolgen, wenn dieselben an dem noch weit entlegenen Spermakern auftritt und von da ab bis zur Stellungnahme an den beiden Furchungsspindelpolen ununterbrochen fortbesteht; ob die Spermastrahlung dabei auf der Wanderung einfach oder bald früher bald später doppelt ist, welche Lage die beiden Strahlungen zum Spermakern und demnach auch während der Annäherung zum Eikern anfangs einnehmen, ist hierbei gleichgültig — be- kanntlich bestehen hier die mannigfachsten Varietäten. Von Bedeutung ist aber der Umstand, dass bei einigen Tieren die Spermastrahlung an dem noch ganz an der Peripherie des Eies gelegenen, bisweilen noch kompakten, bisweilen schon bläschenförmigen Spermakern auftritt, bei anderen dagegen erst, als der Spermakern schon mehr nach dem Eiinnern vorgerückt ist, ohne bis dahin von einer Strahlung begleitet zu sein; die Entscheidung der Frage ist aber auch dann noch leicht, wenn nur die Strahlung noch zur Zeit auftritt, als der Spermakern, mag er auch bedeutend gegen den animalen Pol gewandert sein, sich doch noch in gewissem Abstande von dem Eikern befindet, sodass aus der Lage auf die Zugehörigkeit der Strahlung ge- schlossen werden kann. Die Deutung trifft erst auf Schwierigkeiten, wenn die Entwicklung der Spermastrahlung sich noch mehr verzögert und wenn während der ganzen Wanderung des Spermakerns gegen den Eikern eine Strahlung fehlt, und erst nach der Annäherung der Geschlechtskerne auftritt, wodurch ihre ursprüngliche Zu- gehörigkeit verdeckt wird: in diese Kategorie gehören die Eier von Myzostoma glabrum (vielleicht auch Polystomum integerrimum). zukommen. So kann das Spermatozoon ins Ei eindringen, als der Eikern sich noch auf dem Keimbläschenstadium befindet, ja bei vielen Tieren beginnt die Vorbereitung des Keimbläschens zur Teilung niemals vor dem Eintritt des Spermatozoons — bei anderen Tieren dringt das Spermatozoon in dem Augen- blick der Anfangsstadien der Umbildung des Keimbläschens in die Richtungs- spindel, bei anderen während der ersten Richtungsmitose oder nach ihrer Be- endigung, bei anderen wiederum während des Beginnes oder im späteren Stadium der zweiten Richtungsmitose, bei anderen wiederum erst nach Ab- lauf derselben, schliesslich bei einigen erst dann, als sich schon ein bläschen- förmiger ruhender Eikern rekonstruiert hat. (Vergl. eine genaue Zusammen- stellung hierüber bei Korschelt, pg. 630.) Furchungsspindel im befruchteten Ei. 417 Trotz aller dieser Verschiedenheiten im Verhalten der Spermastrahlung besteht für alle oben angeführten Beispiele das (remeinsame darin, dass vom ersten Augenblick ihres Auftretens die Spermastrahlung ununterbrochen, kontinuierlich verfolgt werden kann und dadurch ihr direkter Übergang in die beiden Pole der Furchungspindel sich feststellen lässt. Aber von einem Gesichts- punkte aus lassen sich die angeführten Beispiele wiederum in zwei Kategorien einreihen: bei der einen nimmt die Sperma- strahlung von ihrem Auftreten an Intensität zu, erreicht eine be- stimmte Ausdehnung und erleidet vor dem Übergang in die Furchungsspindel in keinem Stadium eine Ver- minderung, eine Schwächung; bei der anderen Kategorie wächst die Spermastrahlung, teilt sich, als aber die Geschlechts- kerne sich genähert haben, tritt eine Art „Pause“ ein, während der die Strahlungen an Intensität mehr oder weniger abnehmen, wenn sie auch die ganze Zeit hindurch deutlich erhalten bleiben, um dann wieder an Intensität zuzunehmen und zu den Polen der Furchungsspindel zu werden. Dies ist z. B. bei den Echinodermen oder bei Thalassema der Fall. Es kann aber die „Pause“ in der Ausbildung der Strahlung noch viel ausgesprochener sein und trotzdem kann sich doch die Kontinuität der Centriolen (der Übergang der Centriolen der Spermastrahlung in die Centriolen der Furchungsspindel) direkt feststellen lassen. Ein in dieser Beziehung äusserst lehr- reiches Beispiel bietet uns das befruchtete Ei von Cerebratulus marginatus: Die Spermastrahlungen erreichen hier ihre grösste Ausbildung, wie schon Co& im Jahre 1599 festgestellt hat, vor der Kopulation der Geschlechtskerne, dann schwinden sie, und zwar erfolgt die Degeneration der Strahlen in zentrifugaler Richtung, indem sie körnig zerfallen; nach Schwund der Strah- lung liegen die Centriolen frei in dem körnigen Protoplasma und sind daher nicht zu unterscheiden, sie treten erst nach voll- kommener Verschmelzung der Vorkerne an den Enden des in die Länge gezogenen Furchungskerns von Strahlung umgeben wieder deutlich auf. Bisweilen können indes die Strahlensonnen mit Cen- triolen, welche die Pole der Furchungsspindel liefern sollen, früher wiedererscheinen, noch vor der vollkommenen Kernverschmelzung, man kan dann noch im peripheren Teil der Eizelle die Überreste 41S K. Kostanecki: der anfänglichen Strahlen der Spermasphären wahrnehmen, und im Zentrum derselben, aber genau an der Stelle, wo vorhin das Centriol der Spermastrahlung lag, sieht man je eine kleine Strahlen- sonne mit einem Centriol in der Mitte, sodass die Annahme der Identität je eines Centriols der Spermastrahlung mit einem Cen- triol der Furchungsstrahlung sich dem Beobachter unabweisbar aufwirft. Ich bin gelegentlich der Untersuchung des Befruchtungs- vorgangs des Eies von Cerebratulus marginatus gleichfalls aufs entschiedenste für die Identität der Üentriolen der Sperma- strahlungen und der Furchungsstrahlungen eingetreten. Meiner Ansicht nach vermitteln uns also die Eier von Thalassema oder die der Seeigel, sodann die Eier von Cerebratulus einen stufenweisen Über- gang von dem Typus von Eiern, bei denen infolge der in unverminderter Stärke fortbestehenden Strah- lung der direkte Übergang der Centriolen der Spermastrahlung in die Centriolen der Furchungs- spindel sich durch unmittelbare Beobachtung ver- folgen lässt, zu demjenigen Typus, bei welchem die den Spermakern begleitende Strahlung nach An- näherung der Geschlechtskerne für eine Zeitlans schwindet, die Centriolen infolgedessen sich nicht auffinden lassen und dann erst nach Heranwachsen der Geschlechtskerne inmitten der Strahlung wieder sichtbar werden; der Gegensatz ist meiner Ansicht nach nur ein scheinbarer!) oder vielmehr nur ein gradueller. !) Die folgenden Bemerkungen, welche sich aus der Auffassung dieser Verhältnisse, wie ich sie in meiner Physa- und Cerebratulus-Arbeit dargelegt habe, ergeben, stehen in Einklang mit der Auffassnng Co&s, welcher darauf hingewiesen hat, dass bezüglich der Abnahme, der Rückbildung der Sperma- strahlung die Eier verschiedener Tiere sich in eine kontinuierliche Serie ein- reihen lassen: „At the head of the series we must place the eggs of Ascaris Myzostoma (according to Kostanecki) and similar ones in which the spermasters make their appearance only a short time before the formation of the cleavage-spindle, and which, consequently, suffer no diminution in size. Following these are the eggs of Chaetopterus (Mead) and Ophryotrocha (Korschelt) and of some echinoderms in which the spermasters develop very early, but are not described as decreasing in size before the formation Furchungsspindel im befruchteten Ei. 419 Die Ansicht, dass die Pole der ersten Furchungsspindel als die Abkömmlinge der Spermastrahlung und ihrer Centriolen auf- zufassen sind, teilen gerade diejenigen Autoren, welche den Be- fruchtungsprozess zusammenfassend bearbeitet haben, so vor allem v. Erlanger, Wilson und Korschelt. Wilson betont gleichfalls, dass der Umstand, dass die Spermastrahlungen und Üentrosomen bei verschiedenen Tieren zeitweise schwinden, noch keinen Grund für die Wahrscheinlich- keit der Carnoy-Lebrunschen Hypothese bildet und keines- wegs zur Annahme der Entstehung der Centrosomen der ersten Furchungsspindel de novo zwingt. Er lässt die Auffassung von Sobotta, Mac Farland, Kostanecki, Co& zu Recht be- stehen, welche ‚„relying partly on the analogy of other forıns, partly on the occasional presence of the centrosomes during the ceritical stage, urge that the disappearance of the sperm-centrosomes 18 due to the disappearance of the asters, which renders diffieult or impossible the identification of the centrosomes among the other protoplasmie granules of the egg.“ Er sieht eine Stütze für diese Ansicht in den Befunden bei Ascaris, Chaetopterus, Thalassema, bei denen in dem kritischen Stadium die Spermastrahlung nicht schwindet; in meinen Beobachtungen bei Physa und Coö&ös bei Cerebratulus sieht er eine Stütze dafür, dass: „even though the sperm-centrosomes disappear from view, there is some kind of genetic continuity between them and the cleavage-centrosomes“, of the cleavage-spindle. Then come the eggs of Toxopneustes (Wilson) and Thalassema (Griffin), where the spermasters appear early and develop to a very considerable size, but nevertheless become very much smaller and less conspieuous after the germ-nuclei have come together. After these we must place the eggs of Physa (Kostaneckiand Wierzejski), for here the sperm- asters, after becoming very large and conspicuous. degenerate to such an ex- tent that only a very few exceedingly delicate fibres remain. Those of Cere- bratulus follow next. Here the spermasters increase in size until they ex- tend throughout the whole body of the cell, but at the time of fusion of the germ-nuclei they degenerate completely. The peripheral portions of their fibres, however, may be followed, as stated above of Pleurophyllidia, Prosthe- ceraeus etc., where the spermasters degenerate soon after their formation, so that for a considerable period the egg is without trace of aster-fibres. Yet in all of those cases where the spermasters disappear and their centro- somes become lost among the other granules of the cell, we are justified in believing that the sperm-centrosomes nevertheless retain their identity, and later reappear in the cleavage-asters.“ 420 K. Kostanecki: dass „the apparent disappearance of the centrosomes may be due to a loss of staining-capacity at the critical period, or that even though the formed centrosome disappears its substance reappears in its successor.*“ Wilson gelangt gleichfalls zu dem allgemeinen Schlusse: „Yet when we regard the facts of fertilization in ani- mals, taken in connection with the mode of formation of the spermatozoon, we find it diffieult to avoid the conclusion that the substance by which the stimulus to development is normally given is originally derived from the spermatid-centrosome, 18 con- veyed into the egg by the middle-piece, and is localized in the sperm-centrosomes which are conveyed to the nuclear poles during the amphiaster-formation.“ Desgleichen gelangt Korschelt zu dem Gesamtergebnis: „Im allgemeinen wird man jedoch in Übereinstimmung mit den- jenigen Formen, bei denen sich ein ununterbrochenes Bestehen- bleiben der Centrosomen bezw. Strahlungen feststellen liess, an- zunehmen geneigt sein, dass das Schwinden der Centrosomen nur ein scheinbares ist und darauf beruht, dass sie zu gewissen Zeiten sich schwerer färben und von ihrer Umgebung nicht differenzieren lassen, was an und für sich beim Zurücktreten der Strahlung so- wie beim Vorhandensein solcher Granula im Ooplasma schwierig ist, die sich in ihrem Lichtbrechungsvermögen und ihrer Färb- barkeit ähnlich wie die Centrosomen selbst verhalten.“ Ja, ich habe in meiner Physa-Arbeit betont, dass ich bei den Eiern dieses Mollusken, bei denen ja die Spermastrahlung vorhin so mächtig entwickelt ist, in dem Stadium, wo die Ge- schlechtskerne zu grossen Blasen angewachsen sind und durch ihre ganze Struktur zu erkennen geben, dass sie über das Wachs- tumsstadium hinaus sind und unmittelbar vor dem Übergang ins Knäuel-Stadium stehen, längere Zeit hindurch vergeblich nach den Centrosomen und ihren Strahlungen gesucht habe, bis es mir an besonders günstigen Schnitten gelungen ist, dieselben auf- zufinden, und ich habe in Fig. 33a und Fig. 34 derartige Bilder abgezeichnet; man sieht in ihnen symmetrisch zu beiden Seiten der Geschlechtskerne in der Kopulationsebene liegende, äusserst zierliche Strahlenfiguren, die nur aus einigen, um je ein Centriol gruppierten, äusserst zarten Strahlen bestehen. Die beiden achro- matischen Figuren sind so äusserst zart, dass sie im mikro- skopischen Bilde sehr leicht übersehen werden können, ihr Auf- Furchungsspindel im befruchteten Ei. 421 finden ist überdies nur bei äusserst günstiger Schnittführung möglich, da sie sonst durch die chromatischen Teile des Kern ver- deckt werden und in diesem Falle zweifellos für das Auge des Beob- achters unkenntlich sind. Ich habe deshalb für das Ei von Physa nicht einen vollkommenen Schwund der Strahlung, sondern nur eine hochgradige Verminderung derselben angenommen und möchte auch für die zahlreichen Angaben über den Schwund der Strah- lung bei anderen Tieren es nicht für ausgeschlossen erachten, dass nur der technischen Schwierigkeiten wegen die zarten Über- reste der Strahlung nicht gefunden werden können; für jeden Fall muss ich dies für die Centriolen annehmen. Übrigens ist es erklärlich, dass einige Autoren, welche einen völligen Unter- gang der Spermacentriolen und eine Neubildung der Gentriolen der Furchungsspindel annehmen, derartige Bilder, wie bei Physa, in denen so äusserst zarte Strahlensterne neben den beieinander liegenden Vorkernen zu sehen sind, nicht als Beweis für den Fortbestand der Spermastrahlung gelten lassen wollen, sondern sie entweder als die letzten Spuren der degenerierenden Sperma- strahlung (wie es Carnoy und Lebrun tun) oder als die ersten Anzeichen der neuentstehenden Furchungsstrahlen deuten; diese Auffassung lässt sich nicht direkt widerlegen, aber sie ist auch weit davon entfernt, bewiesen zu sein. Aber mag auch die Strahlung völlig schwinden, die Tat- sache, dass die Gentriolen der Furchungsspindel immer an derselben Stelle auftreten, an der die Centriolen der Spermastrahlung zuletzt sichtbar waren,!) legt uns von vornherein die Annahme der Identität der beiden Gebilde !, Nähert sich z. B. der Spermakern mit seiner Doppel-Strahlung dem Eikern, legt sich dieselbe in der Kopulationsebene zu beiden Seiten der Ge- schlechtskerne und wird sie in dem Stadium, wo die Geschlechtskerne anwachsen und zum Zerfall in Chromosomen sich vorbereiten, unsichtbar, tritt sie dann aber wiederum auf, so sieht man sie genau an derselben Stelle in der Kopulationsebene zu beiden Seiten der Geschlechtskerne. Wenn dagegen die den Spermakern begleitende Doppel-Strahlung schwächer wird und schwindet, bevor noch eine völlige Berührung der Geschlechtskerne eintrat. und wenn die beiden Strahlensonnen sich demnach noch nicht in die Kopulationsebene der Geschlechtskerne einstellen konnten, sondern z. B. eine schiefe Lage im Verhältnis zum Spermakern einnahmen, so erscheinen sie auch dann, wenn sie nach der „Pause“ wieder erscheinen, gleichfalls in schiefer Lage zum Spermakern und rücken dann erst in die Kopulationsebene ein. 493 K. Kostanecki: nahe; der „Mangel“ der Gentriolen während der ‚Pause‘ erklärt sich nur aus der technischen Unmöglichkeit, das ‚nackte‘ Cen- triol in dem umgebenden körnigen Plasma aufzufinden. Mit einem Worte spitzt sich die Frage dahin zu, muss man daraus, dass die Strahlungen undeutlich und infolgedessen die Gentriolen unkenntlich worden, auf ihr Zugrundegehen schliessen, oder dürfen wir trotzdertechnischen Unmöglichkeit, dieselben im mikro- skopischen Bilde nachzuweisen, deren Fortbestand annehmen? Dass Strahlungen für einige Zeit schwächer werden können, um dann wiederum eine bedeutende Entfaltung zu er- langen, beweisen uns die oben angeführten Beobachtungen des Befruchtungsprozesses bei Echinodermen, bei Thalassema, meiner Auffassung nach auch bei Uerebratulus, Physa; aber wir haben auch andere direkte Beweise dafür, dass Strahlungen während des Befruchtungsvorganges oder selbst während der schon eingeleiteten typischen Mitose zeitweise völlig schwinden und dann wiederum in völlig derselben Lage, in völlig derselben Ausbildung, derselben Stärke wieder erscheinen können. Diese Beweise haben uns verschiedene experimentelle Arbeiten, namentlich von OÖ. u. R. Hertwig, sodann von OÖ. Hertwig und Wilson erbracht. OÖ. u. R. Hertwig haben gefunden, dass wenn Echinodermeneier 15 Minuten nach der Besamung, wo also die Spermastrahlung schon stark entwickelt war, mit Chloral oder Chinin behandelt wurden, die Strahlung sich allmählich zurückbildete, so dass zunächst noch ‚eine Anhäufung homogenen Protoplasmas“ und um diese eine unregelmässig streifige Anordnung der Protoplasmakörnchen zu sehen war, dann aber überhaupt keine Reste von strahliger Anordnung erhalten waren; wenn die Chloral- und Chininlösung gut ausgewaschen und die Einwirkungen vorübergegangen sind, tritt die Strahlung von neuem auf; ganz ähnliche Beobachtungen machten O.u. R. Hertwig, wenn die Eier in späteren Befruchtungsstadien oder selbst in Vorbereitung zur Teilung begriffene Eier mit Chloral oder Chinin behandelt wurden. 0.Hertwig hat sodann Eier von Strongylocentrotus 40, 80 oder 105 Minuten nach der Befruchtung der Einwirkung von Kälte (2 bis 3° €. unter OÖ) ausgesetzt; die Folge davon war, dass alle Strahlenfiguren im Protoplasma (entweder die einfache Spermastrahlung oder die beiden Strahlungen der Furchungsspindel) unterdrückt wurden, der Ort der Strahlung war noch daran zu erkennen, dass der Mittelpunkt der Strahlung als eine helle körnchenfreie Stelle im Protoplasma fortbestehen blieb, nach Hertwigs Ansicht entspricht sie der Attraktionssphäre van Benedens, aber die Furchungsspindel im befruchteten Ei. 425 charakteristische radiäre Anordnung der Dotterteilchen war vollständig ge- schwunden. „Die Wirkung der Kältestarre war indessen in den eben be- schriebenen Versuchen eine rasch vorübergehende. Denn wenn die Eier aus der Kältemischung in einem Tropfen Wasser auf den Objektträger gebracht wurden, so genügten schon 5 bis 10 Minuten, damit die beiden Polstrahlungen (z. B. auf dem Hantelsstadium) in der ursprünglichen Schärfe wiederkehrten. Bald kam es dann auch zur regelrechten Teilung und normalen Weiter- entwicklung.“ Wenn O. Hertwig befruchtete Eier, deren Furchungspindeln sich auf dem Hantelstadium befanden, in die Kältemischung brachte und darin lange, 2'/ı Stunden verweilen liess, so blieben von den beiden Strahlungen gleichfalls nur als Rest der beiden Attraktionssphären feinkörnige, kugelige Körper; sodann wurden die Eier aus der Kältemischung herausgenommen und der warmen Zimmertemperatur ausgesetzt. „Der Teilungsprozess setzt einfach an dem Punkte wieder ein, an welchem er durch dis Kälte zum Stillstand gebracht worden war. Um die beiden Attraktionsphären nimmt der Dotter wieder ein strahliges Gefüge an; zwischen den beiden Strahlungen treten wieder die Spindelfasern hervor.“ Ebenso sah Wilson, dass, wenn Eier nahe dem Zeitpunkt der ersten Teilung ätherisiert werden, die Strahlungen vollständig schwinden, nach der Erholung aber wieder erscheinen, worauf die Teilung weitergeht. Ich glaube, dass wir in diesen experimentell hervorgerufenen Vorgängen eine sehr lehrreiche Analogie mit dem bei so vielen Tieren beobachteten Schwinden der Strahlungen während der Wachstums- periode der Geschlechtskerne und ihrem Wieder- erscheinen nach deren Anwachsen vor uns haben. Dieser Schwund und dieses Wiedererscheinen der Strahlung im befruchteten Ei muss, trotzdem dass diese Erscheinung sich bei so vielen Tieren geltend macht, auffallend erscheinen, immerhin haben wir aber einige Anhaltspunkte, welche dieselbe unserem Verständnis näher bringen können. Mögen nämlich auch bezüglich mancher Einzelheiten bei den Eiern verschiedener Tiere verschiedene Unterschiede vor- kommen,!) so lässt sich doch feststellen, dass diese „Pause“, diese Abschwächung oder der völlige Schwund der Strahlungen ı) Das Bild der Spermastrahlung kann nicht nur bei verschiedenen Tieren, sondern anch bei verschiedenen Individuen einer Tierspezies, ja selbst in verschiedenen Eiern eines und desselben Individuums sich sehr ver- schieden darstellen. Schwankungen kommen hier sehr häufig und in sehr weiten Grenzen vor. Die Strahlung kann früher oder später auftreten, sie Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 28 424 K. Kostanecki: in den Eiern derjenigen Tiere beobachtet wird, bei denen die Spermastrahlung früh entsteht und rasch gegen den animalen Pol vorrückt, weswegen sie sich dem Eikern nähert, als dieser noch ein kleines Bläschen darstellt, und ebenso ist auch der ihr nachfolgende Spermakern noch wenig entwickelt, noch klein. Die „Pause“ in der Ausbildung der Strahlen fällt in die Zeit, wo die beiden Geschlechtskerne erst von kleinen Bläschen zu grossen Dimensionen heranwachsen und wo auch am Chromatingerüst die Vorbereitung zur Ausbildung der zu- künftigen Chromosomen deutlich zu verfolgen ist. Diese „Pause“ dauert um so länger, je weniger reif die Geschlechtskerne zu- sammentreffen. Zwischen diesem zeitlichen Zusammentreffen des Schwundes der Spermastrahlungen und des Anwachsens sowie der strukturellen Ausgestaltung der Geschlechtskerne muss, glaube ich, ein kausaler Zusammenhang bestehen. Ich habe schon in meiner Physa-Arbeit, dann in meiner Cerebratulus-Arbeit diesen Zusamen- hang betont und den Schwund der Strahlung während dieses Vorbereitungsstadiums daraushergeleitet, dass die, eine symmetrische Lage zu beiden Seiten der (Geschlechtskerne einnehmenden Strahlungen während der ganzen Zeit des Heranwachsens der Geschlechtskerne offenbar keine Rolle spielen und dass, da ihre Tätigkeit nicht in Anspruch genommen wird, da sie keine Auf- gabe zu erfüllen haben, mit ihnen dieselbe Veränderung vor sich geht, die nach jeder Mitose an jeder Zelle, wenn sie ins Ruhestadium übergeht, in dem protoplasmatischen Fadengerüst wahrzunehmen ist: Die Strahlung wird undeutlich, geht in eine netzförmige Anordnung über, oder sie verliert sich in einer „entsprechenden molekularen Gruppierung,“ die dann im gegebenen Augenblick durch eine der physiologischen Erregung entsprechende histologische Differenzierung wieder in Strahlenform sichtbar wird. In Anbetracht des ganzen weiteren Verlaufs des Prozesses können und müssen wir annehmen, dass das ganze Strahlensystem (Zentralspindel und das Centrosoma, Polstrahlung und die nach kann einfach oder doppelt sein, kann dem Spermakern näher anliegen oder sich schon sehr früh bedeutend von ihm entfernen, in dem Maße, dass sie eventuell sogar mit der Sphäre am inneren Pol der II. Richtungsspindel kollidiert (vergl. meine Physa-Arbeit). Furchungsspindel im befruchteten Ei. 425 den Kernen gerichteten Strahlenkegel) auch hier, wenn auch in modifizierter Form, vorhanden sind.“ }) Wenn wir nun den Schwund oder die Abschwächung der Sperma-Strahlungen während des Vorbereitungsstadiums der Ge- schlechtskerne darauf zurückführen, dass dieselben während dieser Zeit keine Rolle zu erfüllen haben, so wirft sich von selbst die Frage auf nach ihrer Bedeutung in den vorangehenden Stadien, wo sie bestanden, sowie in den nachfolgenden Stadien, wo sie wiederum sichtbar werden. Bezüglich ihrer Bedeutung in den späteren Stadien, wenn sie nach vollendeter Vorbereitung der Kerne wieder mächtig werden, können wir uns beschränken, darauf hinzuweisen, dass sie absolut dieselbe Bedeutung haben, wie die Doppelstrahlung bei jeder Mitose; wir haben noch oben darauf hingewiesen, dass von dem Augenblick an, wo die Spermastrahlung die symmetrische Lage in der Copulationsebene eingenommen hat, wir einen Vorgang vor uns haben, der der Mitose in jeder Zelle gleichkommt. Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der Bedeutung der Spermastrahlung in den früheren Stadien, wo sie dem Sperma- kern auf seiner Wanderung gegen den Eikern vorangeht. Ich habe früher, ebenso wie eine Anzahl von Autoren, der Spermastrahlung einen Einfluss auf die Beförderung des Sperma- ER, der bezüglich der Indentität der Spermacentrosomen und der Centrosomen der Furchungsspindel meine Anschauung völlig teilt, ist jedoch der Ansicht, dass dies nicht auch für die Strahlenfigur gilt: „These new asters are entirely new formations and can have absolutely no relations with the old radiations of the spermasters unless it be that they have the same centrosomes.‘ Ich glaube indes an meiner Behauptung in der obigen Fassung fest- halten zu müssen: Wenn wir das rasche Auftreten der achromatischen Figur der I. Furchungsspindel samt ihrem ganzen Apparat (Zugfasern, Polstrahlung, Zentralspindel) mit der sich nur langsam vollziehenden Entwicklung der achromatischen Figur bei jeder Karyokinese, sodann mit der so langsamen Entwicklung der Spermastrahlung vergleichen, so muss uns der auffallende Unterschied zu dem Schluss führen, dass diese achromatische Figur ihre Entstehung der vorhin schon durchgeführten und vorbereiteten dizentrischen Gruppierung und Anordnung der protoplasmatischen Teile verdankt, wobei natürlich nicht Strahl für Strahl identisch mit den vorhin existierenden sein MUSS. Meiner Ansicht nach darf man auch hier nicht ausser Acht lassen, dass bei anderen Tieren der direkte Übergang der Spermastrahlung in die Furchungsstrahlung mit vollster Sicherheit festgestellt ist. 28+ 426 K. Kostanecki: kerns gegen den Eikern zugeschrieben, ich habe vermutet, dass die Strahlung den Weg für den Spermakern bahnt, oder sogar mit ihm direkt in Zusammenhang bleibt und ihn nach dem Ei- kern hin befördert. Diese Vermutung muss ich fallen lassen, nachdem wir aus einer Reihe von Beobachtungen Beispiele dafür gewonnen haben, dass der Spermakern eine grössere Strecke gegen den Fikern vorrücken kann (z. B. Ascaris), ja sogar bis zur Berührung nahe (wie z. B. bei Myzostoma), ohne von einer Strahlung begleitet zu sein; wir müssen also für die Bewegung und gegenseitige Annäherung der Geschlechtskerne die Erklärung in anderen Momenten suchen; !) die bei einer Anzahl von Eiern dem Sperma- kern vorangehende Strahlung kann höchstens das Vorrücken des Kerns begünstigen und beschleunigen ; und in diesem Sinne kann wohl die Tatsache gedeutet werden, dass bei den Eiern, wo eine ausgesprochene Strahlung dem Spermakern vorangeht, derselbe in der Tat schneller nach dem Eikern gelangt und im Augen- blick seines Zusammentreffens mit dem Spermakern weniger weit in der Ausbildung vorgeschritten ist und dann erst zur grösseren Blase heranwächst, während bei den Eiern, wo der Spermakern ohne eine vorangehende Strahlung gegen den Eikern wandert, diese Wanderung länger dauert, so dass der Spermakern Zeit hat, allmählich aufzuquellen, zu einem grösseren Bläschen heran- zuwachsen und daher in mehr fertigem Zustande sich dem Ei- kern nähert. Eine hinreichende Erklärung für die Rolle der dem Spermakern vorangehenden Strahlung zu finden, ist desto !) Vergl. über diesen Punkt die Ausführungen von Hertwig, Conklin, Wilson, Korschelt, Ziegler, Erlanger, Boveri, Vejdovsky u.a. Keine einzige von den bisher aufgestellten Hypothesen gibt uns dafür eine hinreichende Erklärung. Korschelt vermutet, dass verschiedene Momente hier mitwirken können (Bigenbewegung der Kerne, eine zwischen ihnen wirkende Anziehung, vielleicht chemischer Natur, Strömungen im Ooplasma, sodann die in der strahligen Strukturveränderung sich ausdrückende Einwirkung). „Diese ver- schiedenen Momente bezw. einige derselben können unter Umständen in ein und demselben Ei zusammenwirken oder aber es überwiegt, je nach der Struktur des betreffenden Eies, nur das eine oder andere derselben.“ Wilson schliesst seine Betrachtungen damit ab: „The approach of the germ-nuclei therefore remains unexplained.‘ Furchungsspindel im befruchteten Ei. 427 schwieriger, als wir ja über die physiologische Rolle der Centri- olen überhaupt nur in den Hauptzügen uns Rechenschaft geben können. Ich glaube indes, dass die Resultate der Untersuchungen über den Befruchtungsprozess uns den Gedanken nahe legen, dass in Anbetracht der grossen Variabilität in der Zeit des ersten Auftretens der Spermastrahlung und in ihrem weiteren Verhalten ihr eine hervorragende Rolle während ihrer Wanderung gegen den Eikern schwerlich zukommen dürfte, dass wir es hier vielmehr wiederum mit graduellen Unterschieden zuthunhaben, welchevorallemaufdasverschiedene morphologische Verhalten des GentriolsdesSperma- tozoons sich zurückführen lassen. Ich glaube, dass auf Grund der direkten Beobachtung es sich feststellen lässt, dass in den Fällen, wo die Spermastrahlung mit ihrem Centriol erst sehr spät neben dem bläschenförmigen Spermakern entsteht, sie stets in unmittelbarer Nähe, geradezu an der Peripherie des Kerns auftritt, ich glaube demnach, dass der Schluss gerechtfertigt ist, dass sich dies daraus herleitet, dass das Spermacentriol sehr lange mit den chromatischen Be- standteilen des Spermatozoons in innigem Zusammenhang geblieben ist, dann erst diesen Zusammenhang aufgibt, in das umgebende Plasma gerät und zum Ausgangspunkt der Strahlung wird. Bei anderen Tieren entfernt sich das Centriol viel früher von dem, in vielen Fällen noch kompakten Spermakern, übt sofort seinen Einfluss auf das Protoplasma aus und veranlasst die Bildung der Strahlung. In den Eiern, wo das Spermacentriol sich spät von dem bläschenförmigen Spermakern entfernt, hat es nur noch eben Zeit sich zu teilen und mit seinen Teilbälften und Strahlungen sich in die Kopulationsebene der Geschlechtskerne zu begeben, während diese zum definitiven Stadium heranwachsen; in den Fällen dagegen, wo das Spermiocentriol sich vom Spermakern sehr früh ablöst, macht es alle die Stadien, welche bei den ersten Eiern erst nach Annäherung der grossen bläschenförmigen Ge- schlechtskerne sich abspielen, nämlich Wanderung nach dem Ei- kern, Teilung, Entfernung der beiden Strahlensonnen, Wanderung in die Kopulationsebene, viel früher, man kann sagen, „zu früh“ durch, und nachdem die Üentriolen diese Vorbereitungsstadien durchgemacht haben, müssen sie, bevor sie die weiteren Stadien 425 K. Kostanecki: der Mitose durchführen können, warten, bis der Spermakern sich dem Eikern genähert hat, und bis die beiden Geschlechtskerne entsprechend herangewachsen und sich entsprechend herange- bildet haben. Während dieses „Wartens“ tritt eine Ver- minderung oder ein Schwund der Strahlung ein. Aus diesem Schwund der Strahlung während der Zeit, wo einfach die Centri- olen auf dem eingenommenen Standpunkt verharren, ergeben sich gewisse Rückschlüsse auf die Bedeutung der Strahlung in den vorhergehenden Stadien. Ich glaube, dass die Strahlung nicht für die Beförderung des Spermakerns notwendig ist, sondern mit der Wanderung des Centriols oder der Centriolen in Zu- sammenhang zu bringen ist — die Vorgänge bei jeder Mitose bieten uns hierfür lehrreiche Analogien. Der graduelle Unterschied bezüglich der Zeit, in welcher das Spermacentriol sich von seinem Spermakern entfernt, lässt sich, glaube ich, wiederum vor allem auf ein morphologisches Moment zurückführen, nämlich auf die verschiedene Lage des Centriols in dem Spermatozoon, letzteres steht wiederum mit anderen strukturellen Eigentümlichkeiten desselben, namentlich der mehr oder weniger deutlichen Ausbildung oder dem Fehlen eines Mittelstückes!) im Zusammenhang. Bei den Spermatozoen, welche ein von dem chromatischen Kopf sich deutlich abhebendes Mittelstück aufweisen, und bei denen das Centriol in diesem Mittelstück enthalten ist, ist das Uentriol gewissermaßen gleich beim Eindringen des Spermatozoons ins Ei von dem Kopf ab- gelöst, bei den Echinodermen, bei den Mollusken, wo dies z. B. sehr deutlich der Fall ist, entsteht denn auch die Strahlung sehr früh, sogar noch ehe der Samenfaden seine bekannte „Drehung“ vollendet hat und hier sehen wir gerade die frühe und schnelle Wanderung des einfachen oder geteilten Spermacentriols mit seiner einfachen oder doppelten Strahlung; bei Myzostoma da- gegen, wo unter allen Tieren am spätesten vielleicht, nämlich gewöhnlich erst nach vollständiger Annäherung der schon grossen !) Man erinnere sich, dass wenn auch die spermatogenetischen Unter- suchungen darauf hinweisen, dass das Üentrosoma im Mittelstück des Samenfadens niedergelegt wird, es bei einigen Tieren auf grosse Schwierig- keiten stösst, den Sitz des Centrosomas im Mittelstück festzustellen, weil eben das Mittelstück aus verschieden gebautem und in verschiedener Menge vorhandenem Plasma besteht. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 429 Geschlechtskerne, die Strahlung — ich darf wohl sagen Sperma- strahlung — auftritt, ist ein Mittelstück nicht festzustellen; wie oben hervorgehoben, hat dies Wheeler mit besonderem Nach- druck hervorgehoben, und er schloss daraus auf den Mangel des Spermacentriols, ich glaube indes, dass das Oentriol im Samen- faden von Myzostoma eben in so inniger Beziehung zu den chromatischen Kernteilen steht, dass es sich färberisch gesondert nicht darstellen lässt. Ich glaube als Endergebnis dieser Abhandlung feststellen zu können, dass im befruchteten Ei sämtlicher Metazoen die Centriolen der ersten Furschungsspindel die direkten Abkömm- linge des vom Spermatozoon eingeführten Centriols sind. Die von dieser Regel statuierten Ausnahmen erweisen sich bei ge nauerer Prüfung als unhaltbar. Dass im Laufe der Unter- suchungen so viele abweichende Auffassungen über die Ursprungs- qnelle der Uentriolen der ersten Furchungsspindel aufgetreten sind, beweist, dass dieses Gesetz bei der Untersuchung eines einzelnen Objekts in manchen Fällen nicht direkt erkannt werden kann; dies findet seine Erklärung darin, dass die Zeit des Auf tretens des Spermazentrums eine sehr variable ist und dass das Bild der Spermastrahlung vom Augenblick ihrer Entstehung bis zur Herausbildung der definitiven ersten Furchungsspindel ein’ sehr verschiedenes sein kann; erst der Vergleich der verschiedenen immer sich mehrenden Beobachtungen lässt uns die Übergänge zwischen den verschiedenen Bildern, welche die einzelnen Phasen bieten können, kennen lernen. Wer die heutzutage allerdings schon sehr umfangreiche Literatur des Befruchtungsvorgangs verfolgt, wer namentlich sich Mühe nimmt, auch die Bilder, welche die verschiedenen Arbeiten illustrieren, kritisch zu durchmustern und zu vergleichen, wird sicherlich gleichfalls dieses allgemeine Gesetz herauslesen ; und dies wird es auch gewiss in Zukunft bei neuen Untersuchungen verhindern, dass auf Grund einer Einzelbeobachtung ein neues Gesetz formuliert, eine neue Hypothese aufgestellt werde. 430 K. Kostanecki: Bezüglich der genaueren Angaben über die oben zitierten Arbeiten möchte ich auf das Literaturverzeichnis verweisen, welches in drei meiner Arbeiten enthalten ist: Über das Verhalten der sog. achromatischen Substanzen im befruchteten Ei, Nach Beobachtungen an Physa fontinalis. Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. 47. 189€. Über die Reifung und Befruchtung des Eies von Cerebratulus marginatus. Bulletin de l’acad&mie des sciences de Cracovie. Mai 1902. Classe des sciences math@matiques et naturelles. Cytologische Studien an künstlich parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern von Mactra. Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. 64. 1904. Sodann verweise ich auf das sehr genaue Literaturver- zeichnis zu Kapitel VI in Korschelts und Heiders Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungslehre der wirbellosen Tiere. Jena 1903. Von neueren Arbeiten kommen in Betracht: Conklin, E.: On the Origin of the Cleavage Centrosomes. Biol. Bull. of the Marine biolog. Laborat. Wood’s Hall. Mass. Vol. 7. Nr. 2/4. 1904. Czermak N.: Das Centrosoma im Befruchtungsmomente bei den Salmo- niden. Anatom. Anzeiger, Bd. 22. Derjugin, K.M.: Beobachtungen über die ersten Stadien der Entwick- lung bei den Eiern von Perca fluviatilis unter normalen und künst- lichen Bedingungen. Trav. Soc. Imp. Natural. St. Petersbourg, Vol. 32. Liv. 1., Nr.3., Compt. rend., S. 227 bis 246. Goldschmidt: Reifung, Befruchtung und Embryonalentwicklung des Zoogonus mirus. Zoologische Jahrbücher. Abt. f. Anat. und Ontogenie d. Tiere, Bd. 21, H. 4, 1905. Jenkinson, J. W: Observations on the Maturation and Fertilization of the Egg of the Axolotl. Quart. Journ. of Microsc. Sc. New Ser. Nr. 191. (Vol. 48, Pt. 3). Krahelska,M.: Sur le developpement merogonique des oeufs de Psam- _ mechinus.. Bulletin de l’Acad&mie des sciences de Cracovie. Nr. 1. 1905. Nekrassoff, A.: Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Eies von Cymbulia Peronii. Anat. Anz., Bd. 24, Nr. 4. Petrunkewitsch, Alexander: Künstliche Parthenogenese. Zool. Jahrb. Suppl.7 3 Tafeln und 8 Abbildungen im Text. pg. 77 bis 138. Festschr. zum ‘0. Geburtstag für Prof. Weismann. Rubaschkin: Über die Reifungs- und Befruchtungsprozesse des Meer- schweinchens. Anatomische Hefte, Bd. 29, H. 3, 1905. Schockaert, R.: La f&condation et la segmentation chez le Thysanozoon Brocchii. La Cellule, T. 22, 1905. Schubmann: Über die Eibildung und Embryonalentwicklung von Fasciola hepatica L. (Distomum hepaticum Retz). Zoolog. Jahrbücher. Abt. f. Anat. u. Ontog. d. Tiere. Bd. 21, H.4. Furchungsspindel im befruchteten Ei. 431 Smallwood, W.M.: Maturation and Fertilization of Haminea solitaria. Biolog. Bulletin. VIII. 1904. Stevens, N. M.: A study of the germ cells of Aphis rosae and Aphis oenotherae. The Journal of experimental zoology. Vol. II, 1905. Wulfert: Die Embryonalentwicklung von Gonothyraea loveni. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 71. Bd. Yatsu, N.: Experiments on the Development of Eggs-Fragments in Cerebratulus. Biol. Bull. of the Marine Biol. Laboratory Wood’s Hall, Mass. Vol. 6. No.3/5. Ziegler, H.E.: Die ersten Entwicklungsvorgänge des Echinodermeneies, insbesondere die Vorgänge am Zellkörper. Denkschrift med.-naturw. Gesellsch. Jena 1904. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVI u. XXVIL Sämtliche Eier wurden nach dem in meinen früheren Arbeiten genauer be- schriebenen Verfahren in Prennyischer Flüssigkeit fixiert, eingebettet und in 5 u dicke Serienschnitte zerlegt. Färbung mit Bordeaux-R. und Heidenhains Eisen-Hämatoxylin. Fig. 1—22 stellen Eier von Myzostoma glabrum dar, welche in einer Mischung von abgedampftem Meerwasser (von 1000 auf 800 eem) und frischem Meerwasser zur Hälfte, befruchtet wurden. Fig. 23 stellt ein Ei von Myzostoma glabrum dar, welches sich in einer Mischung von 60 ccm abgedampften Meerwassers (von 1000 auf 800 cem) und 40 ccm frischen Meerwassers entwickelte. Fig. 24 und 25 stellen Eier von Myzostoma glabrum dar, welche sich in einer Mischung von 90 ccm abgedampften Meerwassers (von 1000 auf 800 cem) und 10 ccm frischen Meerwassers entwickelten. Fig. 26—30 stellen Eier von Myzostoma glabrum dar, welche sich in ge- wöhnlichem Meerwasser entwickelten. Fig. 31 stellt ein Ei von Mactra dar, welches in gewöhnlichem Meerwasser befruchtet wurde, sodann nach Ausstossung der beiden Richtungs- körper in eine Lösung von 1°/o NaCl in Meerwasser übertragen wurde. Genauere Beschreibungen der Figuren im Text. Sämtliche Bilder wurden mit Hilfe des Abbeschen Apparates mit Zeiss apochromat. homog. Immersion 2,0 mm, Aprt. 1,30, Ocular 6 in der Höhe des Objekttisches gezeichnet. 432 Beiträge zur Kenntnis der spinalen und sym- pathischen Ganglienzellen des Frosches (Rana temporaria). Von Erik Warfwinge zu Stockholm. Hierzu Tafel XXVII. Bei einigen älteren Untersuchungen |Max Schulze!), Arnold?, G. Retzius‘)] der peripheren Ganglienzellen des Frosches wurden bei diesen, wie auch bei Ganglienzellen anderer höherer Tiergattungen, eigentümliche Fadenbildungen von, wie man glaubte, nervöser Natur innerhalb des Zellkörpers hervor- gehoben. Max Schulze beschrieb in der Ganglienzellen- substanz eine fibrilläre Struktur, wo die einzelnen Fäden („Primitivfibrillen‘‘) von jedem Zellenausläufer divergierend in die Zellensubstanz ausliefen, um sich dort in einem Gewirr sich durchkreuzender Fäden zu verlieren. In Ganglienzellen von Fröschen und anderen Tieren fand J. Arnold ein System von freien, in der homogenen oder feinkörnigen Grundsubstanz ein- gebetteten, untereinander netzförmig verbundenen Fadenbildungen. Retzius dagegen, welcher ebenfalls Ganglienzellen von Fröschen untersuchte, konnte sich in Betreff der Existenz von Fadenstruk- turen weder im Zellenprotoplasma noch auf der Oberfläche der Ganglienzellen völlig überzeugen. Da man aber, als diese Studien ausgeführt wurden, noch über keine geeigneten technischen Hülfs- mittel für die deutliche Darstellung ähnlicher neurofibrillären Strukturen verfügte, konnten auch diese Bildungen selbstfallend nicht näher studiert werden. Mit den während der letzteren Jahre erhaltenen Behandlungsmethoden dagegen hat man in Ganglienzellen verschiedener Tiergattungen solche Strukturen färben und nachweisen können, welche wohl annähernd den !, Striekers Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Tiere. Bd.1. 1868—71. ?) Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klin. Medizin. Bd. 41. 1867. 3) Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes von A. Key und G. Retzius. Zweite Hälfte. 1876. Ganglienzellen des Frosches. 435 früheren, unsicheren Beobachtungen entsprechen dürften. So waren — um uns ausschliesslich an die peripheren Ganglien- zellen der Amphibien zu halten — Untersuchungen über Neu- rofibrillenstrukturen in spinalen Ganglienzellen von Mann!) ausgeführt worden. Dieser Autor behandelte sein Material mit einem Sublimat-Pikrinsäuregemisch und konnte nach Toluidin- färbung den Verlauf der Neurofibrillen herstellen. Er konstatierte, dass die Fibrillen einen wellenförmigen Verlauf hatten und dass sie sowohl in den Fortsätzen als in der Peripherie der Zelle ungeteilt liefen. Die Fibrillen der sympathischen und spinalen Ganglienzellen waren immer in Bündeln angeordnet. Es ist auch Holmgren°) durch Fixierung in Salieyl- Alkohol und Färbung mit Eisenhämatoxylin gelungen, eine faden- artige Struktur in den Ganglienzellen des Frosches zu erhalten, die der Flemmingschen Filarsubstanz entsprechen soll. Die gut differenzierten Neurofibrillen des Achsenzylinders konnte er bis in den Zellkörper verfolgen, wo sie in einen ziemlich dichten Filz von Fäden übergingen. Nirgends hatte er gefunden, dass die einzelnen Neurofibrillen, die in dem ektoplasmatischen Teile der Zelle mehr parallel verliefen, direkt miteinander kommuni- zierten. Im Anschluss an die Befunde von Mann erwähnte er auch eine andere Kategorie von spinalen Ganglienzellen, wo die Neurofibrillen des Achsenzylinders nicht in einen unregel- mäßigen Filz innerhalb des Zellkörpers übergingen, sondern parallel untereinander verlaufend, eine deutlich ausgesprochene Spirale innerhalb des Zellkörpers bildeten, wie es sich bei Rana verhielt. Bei verschiedenen Vertebraten beobachtete er, wie sich um den Achsenzylinder herum einfache Nervenfäserchen oder auch mehrere zusammen wanden, um in der Nähe des Polkegels in die Zelle hineinzudringen und dieselbe in verschiedenen Rich- tungen zu durchlaufen. Auch an anderen Stellen des Zellen- umfanges konnten Nervenfäserchen in die Zelle hineindringen, ‘wo sie möglicherweise ein Netz innerhalb der Zelle bildeten. Diese nun erwähnten Methoden gaben jedoch, im Vergleich mit noch später ausgearbeiteten, nur ausnahmsweise scharfgefärbte !, Gustav Mann. Anat. Anzeiger, XIV. Bd. 1898. ®) „Noch weitere Mitteilungen über den Bau der Nervenzellen ver- schiedener Tiere‘. Anat. Anz. XVII. Bd. 1900. 434 Erik Warfwinge: Neurofibrillen. Die von Apathy') ausgearbeitete Neurofibrillen- methode aber, welche bei einigen Evertebraten so schöne Bilder gibt, kann nicht mit Vorteil bei Amphibien oder Vertebraten überhaupt benutzt werden, wie dies auch Apathy selbst zu- gegeben hat. Eine einfache und zuverlässige Färbungsmethode für die nervöse Fadenausbreitung innerhalb der Ganglienzellen, sowohl von Vertebraten als Evertebraten, hat man indes be- kanntlich während der allerletzten Zeit in der von Ramön y Cajal ausgearbeiteten Methode mit Silber und Hydrokinon oder Pyrogallol erhalten. Die Bilder, welche man mittelst dieser Methode von den peripheren Ganglienzellen des Frosches be- kommen kann und die. soweit ich kenne, noch kein anderer bemerkt hat, sind meines Erachtens von einer auffallend eigen- tümlichen Natur, weshalb eine Schilderung derselben auf ein gewisses Interesse dürfte rechnen können. Einen Teil des benutzten Materials habe ich mit 96°)o Spiritus und Ammoniak (2 °/o), einen anderen mit 40 °/o Spiritus und Ammoniak (2°/o) behandelt. Nachbehandlung während 6—12 Tagen mit 1,5 °/o Silberlösung und danach Reduktion mit Hydrokinon, wobei ein Teil des Materials versuchsweise mit Soda und Natriumsulfit versetzt wurde, was beträchtlich die Reduktion vollständigte. Die mit 40°/o Spiritus behandelten Präparate schienen die beste Färbung erhalten zu haben, jedoch konnte ich mit der erwähnten Konzentration der Silberlösung nur schwache Bilder von den sympathischen Ganglienzellen bekommen. Darum behandelte ich einige Ganglien mit 40°/o Spiritus und Ammoniak und danach mit 3 °/o Silberlösung (statt 1,5 °/o). Die Reduktion wurde dann, wie oben angegeben, mit Zusatz von Soda und Sulfit ausgeführt. Sowohl die Neurofibrillen der sympathischen als die der spinalen Ganglienzellen wurden durch diese Modifikation bedeutend vollständiger und schärfer gefärbt. Die in Paraffin eingebetteten Ganglien wurden in Serien von 3—5 Mikren dicken Schnitten zerlegt, die mit Thiazinrot nach- gefärbt wurden, um deutlich die protoplasmatischen Teile des Zellkörpers abzugrenzen und dadurch die Lage der Neurofibrillen innerhalb der Zelle sicher bestimmen zu können. ') Das leitende Element des Nervensystems und seine topographischen Beziehungen zu den Zellen. — Mitteil. a. d. Zool. Stat. zu Neapel. Bd. 12. Ganglienzellen des Frosches. 435 Diesympathischen Ganglienzellen sind gewöhnlich rund oder oval und mit einem mehr oder weniger exzentrisch liegenden Kern versehen, der ringsherum von einem mächtigen, tigroidführenden Endoplasma umgeben ist, während das Ekto- plasma im allgemeinen relativ weniger entwickelt ist. Bei Be- handlung mit Cajals Silbermethode erweist sich das Endoplasma der Zellen von einer weniger deutlich gefärbten Fadenmasse (Fig. 1) ausgefüllt. welche direkt in die Neurofibrillen des ge- raden, schwachgefärbten Achsenzylinderfortsatzes übergeht. Dass diese innere Zone in der Tat dem Endoplasma vollständig ent- spricht, davon kann man sich überzeugen beim Vergleich mit den sympathischen Ganglienzellen des Frosches, die mit basischen Anilinfarben gefärbt worden sind. Ausserhalb des ektoplas- matischen Teiles des Zellkörpers sieht man quer- oder schräg- geschnittene, scharfgefärbte Fäden, welche auf der Oberfläche der Zelle zwischen Zellkörper und Kapsel liegen. Die gröberen oder feineren Fäden können bis zur Gegend des Polkegels ver- folgt werden, wo sie in die gewöhnlich ziemlich dicke Spiral- faser übergehen, die man immer den Zellenfortsatz umwindend findet. (Siehe Figg. 1 und 2). Das Verhältnis der Spiralfaser wird am besten auf oberflächlichen Schnitten studiert. (Fig. 3). Diese Figur, ebenso wie Fig. 2, zeigt, wie sich die T-förmig geteilte Spiralfaser knäuelförmig auf der Oberfläche der Zelle windet und dabei ihre Äste abgibt, die mit ringförmigen Bil- dungen endigen. Diese stimmen am nächsten mit den Bildern überein, die man häufig mit der Silbermethode Cajals von den sog. Heldschen „Nervenendfüssen“ erhält, welche von u.a. Ramön y Cayal!), Held?) und Holmgren?°) geschildert worden sind. Die auf einem Querschnitt getroffenen Fäden auf der Oberfläche der Zellen entsprechen also den Verästelungen der Spiralfaser. Das Verhältnis der Spiralfaser zum Zellkörper ist vorher von Arnold*) beschrieben worden; er behandelte !) Trabajos del laborat. de. investig. biolog. Tom. II Fasc. 4. 1903. ?) Hans Held: „Zur weiteren Kenntnis der Nervenendfüsse und zur Struktur der Sehzellen‘“. 3) „Über die sog. Nervenendfüsse (Held). Jahrbüch. für Psychiatrie und Neurologie. Bd. 26. 1905. *) Archiv für path. Anatomie und Physiologie und für klin. Medizin. Bd. 41. 1867. 436 Erik Warfwinge: sein Material mit Essigsäure, wobei die Fäden schärfer hervor- traten. Seine Ergebnisse stimmen zum grossen Teil mit denen zusammen, die man durch Silberfärbung erhält. Er zeigte, wie die Spiralfaser in der Nähe der Rindensubstanz sich teilte, im Anfang noch ziemlich starke Fäden aussendend, welche häufig die Zelle spiralförmig umgaben; in ihrem Verlauf zerfielen die Ästchen dann wieder durch Teilung in feinere Bildungen, welche mehr netzförmig angeordnet waren, sodass die spiralförmigen Zeichnungen sich sehr bald verloren. Um den Ganglienkörper herum lag somit ein Konvolut von feinen Fadenbildungen, welche sich dann in. die Zellensubstanz einsenkten, zum Teil auch auf deren Oberfläche verliefen. Diese Fadenbildungen traten nun nach Arnold mit dem System von feinen, untereinander netz- förmig verbundenen Fäden zusammen, die er in der teils homo- genen, teils feinkörnigen Grundsubstanz eingebettet fand. Be- obachtungen an silbergefärbten Sympathicuszellen stimmen also mit Arnolds Untersuchungen überein in Bezug auf das Ver- hältnis der Spiralfaser zum Zellkörper und das Fadennetz inner- halb der Zelle. Jedoch kann man an silbergefärbten Präparaten keine Verbindungsfäden in dem hier homogenen Ektoplasma zwischen dem inneren Netz und den Verästelungen der Spiral- faser entdecken. Auch Beale!) konstatierte die Gegenwart einer Spiralfaser, die mit der äusseren Zellenpartie verbunden war und sich spiralförmig um den geraden Zellenfortsatz wand. In späterer Zeit haben mehrere andere Forscher die Spiralfaser geschildert. Prinzipiell stimmen ihre Befunde mit den meinigen überein. So hat Ehrlich?) nach Methylenfärbung den Verlauf der Spiralfaser um den ungefärbten Zellneurit verfolgen können; er zeigte auch, wie sie in ein Fibrillennetz auf der Oberfläche der Zellen direkt überging. Von dem Netze liefen kleine Ästchen aus, die oberflächlich mit Anschwellungen endigten. Die Angabe Ehrlichs konnte Arnstein?°) durch seine Untersuchungen des !) Philosophical Transactions of the Royal Society of London for the yearal 8637, Vol9193Gs Bar 21% 2) P. Ehrlich: Über die Methylenblaureaktion der lebenden Nerven- substanz. Deutsche mediz. Wochenschrift, No. 4, 1886. °) C. Arnstein: Die Methylenfärbung als histologische Methode. Anat. Anz., Jahrg. II, No. 5, 1887. Ganglienzellen des Frosches. 4537 Froschsympathicus bestätigen und teilweise vervollständigen. Einige Jahre später veröffentlichte Retzius!) die Resultate seiner Methylenfärbungsversuche an sympathischen Ganglien. Er be- schrieb da ein an der Zellenoberfläche liegendes Netz, bald breit maschenförmig angeordnet, bald dicht spiralig um den Zellkörper herum gewunden. In den Knotenpunkten des Netzes fand er die von Ehrlich erwähnten Anschwellungen, die er doch mit Arnstein für keine eigentliche Endknöpfe halten konnte. Doch beobachtete er bisweilen einige von dem geschlossenen Endnetze seitlich auslaufende, freie Platten. Von dem am Polkegel reich- lich gewundenen Netzwerke ging die eigentliche Spiralfaser aus. Man findet also hier im Prinzip ganz dasselbe Bild der sym- pathischen Ganglienzellen, das man durch Silberfärbung erhält. Die von Retzius erwähnten Seitenplatten sind wahrscheinlich nichts anderes als diffus gefärbte Heldsche Nervenendfüsse. Die spinalen Ganglienzellen unterscheiden sich wesentlich von den sympathischen. Sie sind beträchtlich grösser als diese und gewöhnlich von einer runden Gestalt. Der Kern liegt hier immer exzentrisch, häufig sehr exzentrisch, von einem sehr dünnen, tigroidführenden Endoplasma umgeben, das zum Vorschein kommt, wenn man mit basischen Anilinfarben die Tigroidsubstanz färbt. Diese erscheint hierbei als eine ein- fache Kette von Tigroidschollen um den Kern herum. (Vergl. Figg. 4, 5, S, 9, 10). Das Ektoplasma ist hier wohl abgegrenzt. Bei Färbung nach der Silbermethode Cajals erscheint das Endoplasma ein scharf gezeichnetes Konvolut sehr feiner, deutlich gefärbter Fäden zu enthalten, die häufig in geschlossenen Strichen angeordnet sind, welche sich wirbelförmig innerhalb des Endo- plasmas winden (Fig. 4 u. 5). Diese Fäden entsprechen den von Mann und Holmgren mit anderen Methoden nachgewiesenen Fadenspiralen untereinander freier Fasern in den spinalen Gang- lienzellen des Frosches.. Von diesem Fadenapparat aus, der in die Neurofibrillen des Zellenfortsatzes übergeht, gehen feine Fasern radierend gegen die Peripherie der Zelle ab und dringen in das (bei Behandlung nach Cajals Methode) homogene Ekto- plasma ein, wo sie sich verästeln und sich zu einem grobfädigen, ') G. Retzius: Zur Kenntnis der Ganglienzellen des Sympathicus. Verhandl. des biol. Vereins in Stockholm. Bd. II, No. 1—2, 1889, 438 Erik Warfwinge: geschlossenen Netzwerk oder „Aussengitter‘‘ verbinden, welches das ganze Endoplasma und dessen Zone um den Kern ausfüllen kann. (Vergl. Figg. 4, 5, S, 9, 10). Auf oberflächlichen Schnitten erscheint dieses Aussengitter als ein auffallend grobes, stark tingierbares und geschlossenes Maschenwerk. (Siehe Figg. 6 u. 7.) Es verhält sich jedoch durchaus nicht immer so, dass dieses Aussengitter sich diffus und mehr gleichförmig innerhalb des Ektoplasmas verbreitet. Man bekommt nämlich nicht selten Schnitte von spinalen Ganglienzellen, wo das Ektoplasma keine Schrumpfung zeigt, sondern die ganze Höhlung der Zellenkapsel ausfüllt, wo das erwähnte, grobfädige Aussengitter sich aber nichtsdestoweniger auf einen dichtmaschigen Schleier auf der Oberfläche des Zellenendoplasmas beschränkt. So verhält es sich in Fig. 8, wo fast alle Fäden des groben Aussengitters quer- geschnitten sind; so auch gewissermaßen in Fig. 9. Dass dieses Aussengitter möglicherweise durch Retraktion des Ektoplasmas entstanden wäre, ist ganz ausgeschlossen, da nur ausnahmsweise runzelige Bilder und Vakuolen des Zellenektoplasmas bei Be- handlung mit der Silbermethode erhalten worden sind. Bis- weilen sieht man, wie Äste des Fadennetzes in der Nähe des Polkegels frei mit keulenförmigen Auftreibungen enden, wie Fig. 6 bei H zeigt. Mit der Methylenblaumethode hat Huber!) vorher diese keulenförmigen Bildungen bei Ganglienzellen der Amphibien dargetan. Fr beobachtete bei diesen Zellen feine Nervenäste, die von dem Achsenzylinder innerhalb der Zellen- kapsel ausgingen und mit flachen, birnenförmigen Erweiterungen in der Kapsel endigten. Diese Ästchen des Achsencylinders liefen nach einem mehr oder weniger spiralförmigen Verlauf zum Zell- körper zurück, um dort mit den erwähnten Erweiterungen, den sog. „end-dises“‘, zu endigen. Oft war ıhr Verlauf verwickelt; bisweilen wanden sie sich spiralförmig um den Achsenzylinder herum, wobei der Zusammenhang mit diesem schwierig nach- zuweisen und häufig überhaupt nicht zu entdecken war. Auf meinen silbergefärbten Präparaten ist kein Zusammenhang zwischen dem Achsenzylinder und den keulenförmigen Erweiterungen zu sehen, und diese hören hier vielmehr mit den feinen Ästen des Aussengitters zusammen. Die Frage ist nun die, von wo das ı) „The spinal ganglia of Amphibia‘“. Anat. Anz. Bd. XVI Nr. 18. 1896. Ganglienzellen des Frosches. 439 Aussengitter zunächst herrührt. Es ist nicht unmöglich, dass wir hier dieselbe Anordnung wie bei den sympathischen Gang- lienzellen haben, also Spiralneurit und von diesem gebildeten Aussengitter. Mit kräftiger Silberbehandlung (3°/o) kann man nämlich auch bei den spinalen Ganglienzellen eine neben dem Zellenfortsatz laufende Faser darstellen, die sich häufig um den- selben windet, doch nicht so sehr gewunden ist wie die sym- pathische Spiralfaser. (Siehe Figeg. 10 und 11). Wie Fig. 10 zeigt, teilt sich die kurze Spiralfaser in Äste von derselben Dicke wie das Aussengitter, zu welchem ich jedoch auf verfüg- baren Schnitten keine sicheren direkten Übergänge sehen kann. Möglicherweise entspricht die Spiralfaser gerade den von Huber erwähnten, um den Achsenzylinder gewundenen Ästen, die in der Zellenkapsel als ‚‚end-dises‘“ endeten, welche wohl mit den Held- schen Nervenendfüssen zunächst können verglichen werden. Auf einigen Präparaten beobachtete Huber feine Nervenfasern, welche sich ab und zu um den Achsenzylinder wanden und mit einem Netzwerk feiner Ästehen in der Zellenkapsel endigten. Er erachtete, dass diese Äste die Schlussverästelungen der sym- pathischen Fasern vertraten, die man in Spinalganglien gefunden hat. Es liegt nahe anzunehmen, dass diese feinen Nervenäste, die innerhalb der Kapsel in ein Netzwerk übergingen, die Spiral- faser aufbauen und also in der Kapsel ins Aussengitter übergehen. Da ich nur vermute und noch nicht mit Bestimmtheit die Ansicht aussprechen will, dass das Aussengitter der spinalen Ganglienzellen von der exogenen, den Zellenfortsatz spiralförmig umwindenden Nervenfaser abstammt, so will ich auch nicht die weitgehenden, prinzipiellen Deutungen näher entwickeln, zu welchen eine solche Vermutung Veranlassung geben könnte. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 29 440 Erik Warfwinge: Ganglienzellen des Frosches. Figurenerklärung auf Tafel XXVII. Sämtliche Figuren sind mit Hülfe der Abb&schen Camera lucida gezeichnet. Fig. 1. Rio. 22: Fig. 3. Fig. 4. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Schnitt einer sympathischen Ganglienzelle.e k=Kapsel. n = Neurit. spn = spiralförmiger, exogener Neurit. ektopl = Ektoplasma. endopl — Endoplasma. x = perizelluläres Fadennetz, von dem exogenen Spiralneurit ausgehend. Der ein wenig tangentiell getroffene Schnitt einer sympathischen Ganglienzelle.e n = Zellenneurit. spn = exogener Spiralneurit. H = Heldsche Nervenendfüsse. Tangentialschnitt einer sympathischen Ganglienzelle. spn —= exo- gener Spiralneurit, der sich T-förmig teilt und in einen auf der Zellenoberfläche befindlichen, lockeren Fadenknäuel übergeht. — Heldsche Nervenendfüsse Spinalganglienzellee k = Kapsel. endopl = Endoplasma, von wirbelförmig angeordneten Neurofibrillen durchsetzt, yg = in dem Zellenektoplasma befindliches Aussengitter sehr grober Neuro- fibrillen, die mit dem Fadenapparat des Endoplasmas zusammen- hängen. . Drei spinale Ganglienzellen, in verschiedenen Richtungen geschnitten. — Kapsel. endopl. = vorticose Fibrillenbahnen im Endoplasma. yg = Aussengitter des Ektoplasmas. n = Zellenneurit. Tangentiell getroffener Schnitt einer spinalen Ganglienzelle endopl. — Neurofibrillen des Endoplasmas. yg = ektoplasmatisches Aussengitter. H = Hubers „end-discs“. ke = zu den Kapsel- zellen gehörende Kerne. Tangentialschnitt einer Spinalganglienzelle..e yg —= Aussengitter des Ektoplasmas. Schnitt einer Spinalganglienzelle. k = Kapsel. yg = das ekto- plasmatische Aussengitter, das sich hauptsächlich an der Oberfläche des Endoplasmas gesammelt hat. n = der an zwei Stellen ge- troffene Neurit. spn = exogener Spiralneurit. x — Faser von unsicherem Ursprunge, ins Aussengitter direkt übergehend. Schnitt einer kleinen Spinalganglienzelle. yg — Aussengitter des Ektoplasmas. . Schnitt einer spinalen Ganglienzelle.e. k = Kapsel. yg = Aussen- gitter des Ektoplasmas. n = Zellenneurit. spn = exogener Spiralneurit. Tangentialschnitt einer Spinalganglienzelle.e n = schräger Quer- schnitt des Zellenneurits. spn = exogener Spinalneurit. yg = Aussengitter des Ektoplasmas. 44] Aus dem zoologischen Institut in München. Ei und Samenreife bei Ascaris canis (Werner) (Asc. mystax). Von Dr. med. Harry Marcus. Hierzu Tafel XXIX und XXX und 10 Textfiguren. Die Grundlage unserer Erkenntnis von den Vorgängen bei der Geschlechtszellenentwicklung wurde hauptsächlich durch Ar- beiten an Ascaris megalocephala gelegt. Ich brauche nur an die Namen van Beneden, Boveri, Carnoy, O. Hertwig, Brauer zu erinnern. Das Resultat dieser Untersuchungen war, dass man annahm, der Spiremfaden teile sich zweimal der Länge nach, und die Reduktion der Chromosomenzahl werde durch das Unterbleiben einer Querteilung bei der Segmentierung dieses Fadens bewirkt. Dieser „eumitotische“ Reduktionsmodus, nach Korschelt und Heiders Lehrbuch, würde das ganze Hypothesen- gebäude von Weismann umstürzen, und es ist daher leicht erklärlich, dass sowohl eine Bestätigung als auch eine Wider- legung dieses Reduktionstypus von den verschiedenen Forschern versucht wurde. Nun zeigte es sich im Laufe der folgenden Jahre durch die unzähligen neueren Arbeiten auf diesem Gebiete, dass es noch andere, damals unbekannte Erscheinungen gäbe, die allgemein verbreitet schienen. So fand man fast überall ein Synapsisstadium, ein Stadium, auf welchem chromatische Fäden in so dichtem Gewirr im Kerne angeordnet sind, dass sie nur einen kleinen Bezirk im hellen Kerninhalt ausmachen. Dass die aus dem Synapsisstadium wieder hervortretenden chromatischen Fäden ein- ander paarweise parallel verlaufen, deutet auf eine Chromosomen- konjugation. Im grossen und ganzen neigten allmählich die meisten Autoren dazu, dass ein echte Reduktionsteilung statt- fände und nachdem auch die Botaniker ins Weismannsche Lager übergetreten waren, standen die Aussagen über Ascaris megalocephala ganz isoliert da. Nun hatte schon der erste Nach- untersucher dieses Objektes, Sabaschnikoff (97), den vierfachen Faden durch Konjugation zweier längsgespaltener Fäden entstehen lassen. (Dieser Ansicht haben sich dann auch die Begründer des „eumitotischen Typus“, Boveri und O. Hertwig, angeschlossen.) 29+ 442 Harry Mariens: Positives Beweismaterial konnte er für diese Deutung nicht er- bringen, ebensowenig wie kürzlich Tretjakoff (05). Ehe die letztere Arbeit erschien, hatte ich diese Frage in Angriff ge- nommen. Zu einer Zeit, als ich kein weiteres Material von Ascaris megalocephala bekommen konnte, erhielt ich zufällig Ascaris canis aus Hunden. Ich entschloss mich, die Bearbeitung dieser verwandten Art aufzunehmen, besonders, da ich mich in- zwischen überzeugt hatte, dass man bei Ascaris megalocephala schwerlich nach so zahlreichen gründlichen Untersuchungen positive Tatsachen zur Klärung der Reduktionsfrage werde auffinden können, die strikter Beweis und nicht Vermutung und Deutung wären. Und obgleich es gar nicht im Rahmen dieser Arbeit liegt, so werden sich doch vielleicht ganz von selbst gewisse Rück- schlüsse auf Ascaris megalocephala ergeben. Die Nachteile von Ascaris canis gegenüber Ascaris megalo- cephala sind hauptsächlich kleinere Zellelemente und ungünstige Eischalen. Letztere sind nämlich schlecht durchlässig für Farben; besonders stören jedoch die Höcker der Schale, die eine so un- ebene Oberfläche bilden, dass das Licht sich unregelmässig bricht. Es ist daher die Untersuchung im Totalpräparat eine Unmöglich- keit, auch wenn eine Färbung, z. B. durch essigsaures Delafieldsches Hämatoxylin, geglückt ist. Diesem Übelstand bin ich durch 30 « dicke Schnitte erfolgreich begegnet. Auf diese Weise hat man auch mit dem Färben natürlich gar keine Schwierigkeit, während O0. Meyer (95), ein Schüler Boveris, berichtet, er habe mit keiner Methode diese Eier färben können. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb dies Objekt noch kaum bearbeitet worden ist, auch nicht von Carnoy, der doch so viele Nematoden untersucht hat. Ich habe als gesamte Literatur nur zwei Arbeiten gefunden, von denen die eine, die von Lukjanow (89) einen unbestimmten Hundespulwurm behandelt, der nach seinen Bildern zu urteilen offen- bar Ascaris canis war. Von den 16 Chromosomen sollte eine Hälfte bei der ersten Reifeteilung in das erste Richtungskörperchen ge- langen, und von dem verbleibenden Rest von acht Chromosomen sollte abermals eine Hälfte in das zweite Richtungskörperchen verteilt werden, sodass also schliesslich vier Kugeln im be- fruchtungsfähigen Ei verbleiben sollten. Die andere Arbeit stammt von Kultschitzky (88) und weist eine Reihe guter Beobachtungen auf. So z.B. bildet Kult- Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 443 schitzky in Fig. 11--14 ganz exakt 22 Chromosomen ab; ferner schildert er, wie in den Reifeteilungen die Chromosomen jedes Mal der Länge nach gespalten werden. Der Satz: „Der Bau beider Pronuclei ist vollkommen gleich“ bedarf der Einschränkung, dass man unter Umständen im achromatischen Teil der Kerne eine Differenz nachweisen kann. Im allgemeinen freilich ist auch diese Beobachtung richtig. Die Vorteile, welche Ascaris canis vor Ascaris megalo- cephala bietet, sind: Das gewöhnliche Verhältnis in der Chromo- somenzahl zwischen somatischen und propagatorischen Zellen, analog wie sonst im Tierreich. Das heisst wir haben hier nicht die Komplikation wie bei Ascaris megalocephala, wo zwei oder vier grosse Chromosomen in den Geschlechtszellen zu finden sind, während in den Köperzellen die als Diminution bekannte Elimi- nation eines Teils des Chromatins und darauf eine Unzahl kleiner Chromosomen auftreten. Von diesem Gesichtspunkt kann ich die grössere Anzahl und Kleinheit der Chromosomen bei meinem Objekt nicht als einen Nachteil gelten lassen, denn auch hier sind die Chromosomen sehr distinkt. | Ein fernerer Vorzug ist die Kleinheit des Tieres. Man erhält dadurch eine leichte Übersiehtlichkeit, besonders da bei jüngeren Individuen die Geschlechtsröhren in regelmässigen Windungen am Darm hinauf laufen und man mit einem Längsschnitt eventuell die ganze Spermatogenese verfolgen kann, da die ge- wundene Röhre immer in gewissen Abständen quer getroffen wurde. Konserviert wurde viel mit der von Petrunkewitsch an- gegebenen Modifikation der Gilsonschen Flüssigkeit, da hiermit ein rasches Eindringen durch die Schalen erzielt wurde. Für spätere Stadien war Pikrinessigsäure sehr gut zu gebrauchen, denn in ihr entwickelten sich im Brutschrank die Eier zu ganz alten Würmchen, waren aber trotzdem ganz gut konserviert. Ferner gaben gute Bilder die Gemische von Flemming, Hermann und auch Zenker. Doch ist bei Ascaris canis ebenso wie bei Ascaris megalocephala die Konservierung launen- haft, obwohl immer nur lebende Tiere aufgeschnitten in die Fixierungsflüssigkeiten geworfen wurden und erst nach der Härtung die Geschlechtsröhren herauspräpariert oder mit dem Darm geschnitten wurden. 444 Harry Marens% Gefärbt wurde mit Borax-Carmin, Delafieldschem Häma- toxylin, Eisen-Hämatoxylin nach Heidenhain mit verschiedenen Vorfärbungen; ferner mit Methylgrün-Säurefuchsin und Safranin. Bei kleineren Tieren wurde vielfach von den Geschlechts- röhren ein Totalpräparat in Nelkenöl untersucht. Die Schnittdicke betrug bei männlichen Tieren 5, 7!/2, 10, 15 «; bei weiblichen 15 und besonders 30 «; nur für Details oder frühe Stadien wurden dünnere Schnitte verwandt. In der Nomenklatur werde ich nach dem Beispiel Wilsons (05) Me Clune (00) folgen, der jeden zusammenhängenden chroma- tischen Komplex „Chromosom“ benennt, ohne Rücksicht auf seine Valenz. Die Unterabteilungen dieses Chromosoms mögen dann ebenfalls nach demselben Autor „Chromatide“ heissen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Prof. R. Hertwig für die freundliche Aufnahme in sein Institut, für sein Interesse, sowie die weitgehende Förderung dieser Arbeit meinen tiefgefühlten herzlichen Dank auszusprechen. Auch Herrn Privatdozenten Dr. R. Goldschmidt bin ich für seine Einführung in dieses komplizierte Gebiet zu grossem Danke verpflichtet. Ich werde zunächst die Chromatische Figur behandeln und zwar für Ovo- und Spermatogenese gemeinsam, da ich dabei keine Unterschiede gesehen habe. In der Vermehrungs- zone sind die Elemente recht klein und entsprechen im allgemeinen denen von Ascaris megalocephala. Ich habe die Chromosomen nicht in der Spindel selbst zählen können, sondern nur kurz vor der Auflösung der Kernmembran. Fig. 1 und 29 zeigen dies Stadium. Ausser einem Nucleolus zählen wir 22 Chromosomen. Dies ist die Normalzahl, wie die Fig. 48a und b zeigen, die Pol- ansichten von ersten Furchungsspindeln darstellen. (Lange Zeit hielt ich 20 für die Normalzahl. Am leichtesten zählt man die reduzierte Zahl vor der ersten Reifeteilung; doch gibt es Fälle, wo ich jetzt noch nur zehn bivalente Chromosomen zählen kann.) Was die Grösse der Chromosomen betrifft, so kann man gewisse Unterschiede sehen, die aber zu gering sind, um dargestellt zu werden. Ein Chromosomenpaar fällt besonders durch seine Grösse häufig auf (Fig. 6 und Textfig. 2b und ce). Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 445 Häufig lassen die Chromosomen an geeigneten Präparaten einen deutlichen Längsspalt als Vorbereitung zur Teilung er- kennen. Bisweilen dachte ich auch einen Querspalt (Fig. 30) an- gedeutet zu sehen, doch kann dies auch eine Täuschung sein, bewirkt durch den bogenförmigen Verlauf der Schleife. In der Wachstumszone finden wir ein Spirem, wie es Fig. 31 und 2a zeigen. Es scheint ein einheitlicher Faden zu sein, der deutlich längsgespalten ist. Durch Konzentration in die Mitte (Fig. 2ab cd) entsteht das Synapsisstadium (Fig. 32 u.3abe). Wir bemerken in Fig. 2c und 3b eine Elimination chromatischer Substanz aus dem Kern. Dieser Vorgang kann während der ganzen Wachstumsperiode eintreten. Ob bei jeder einzelnen Zelle einmal, oder bei einigen mehrmals oder keinmal, kann ich nicht entscheiden. Ein Beispiel für diesen Prozess ist Textfig. 1. Dies Fig. 1. Elimination von Trophochromatin aus dem Kern einer Spermatocyte. Oc. 4; !;ı» hom. Immers. Chromatin hat mit den Chromosomen nichts gemein ausser dem Tinktionsvermögen; es ist „Trophochromatin“. In Fig. 3c be- ginnt die Synapsis. sich zu lösen, wir sehen einen echten Plastin- nucleolus aus der chromatischen Masse herausgesschält. Auf allen Bildern sieht man, dass es ein Fadengewirr und kein Kunst- produkt, keine Verklumpung ist, die das Synapsisstadium aus- machen. Bei der Auflösung der Synapsis sehen wir zunächst vereinzelte, längsgeteilte, blasse Fäden durch den hellen Kernsaft zur Peripherie, der Membran, verlaufen. Häufig sehen wir in derselben chromatische Körner an der Berührungsstelle (Fig. 3), und wir schliessen daraus, dass auch jetzt Trophochromatin aus- wandert, da wir im Plasma auch chromatische Körner bisweilen antreffen. Allmählich erfüllen immer mehr achromatische Fäden den Kernraum und bilden schliesslich nach mannigfaltigen Ver- änderungen ein weitmaschiges Netz (Fig. 4, 33), das nur in den 446 Harry Marcus: Knotenpunkten etwas chromatisch ist. Nach der Auffassung von Häcker sollen in diesen blassen Fäden das achromatische Sub- strat der Chromosomen als Individuen enthalten sein, während der chromatische Nucleolus als „Uhromatin-Speicher“ fungieren soll. Freilich will ich nicht verschweigen, dass es auch Stadien gibt, wo von einer regelmässigen Anordnung eines Fadenwerks nicht die Rede sein kann. Man sieht dann um den chromatischen Nucleolus grössere und kleinere achromatische Brocken und Körner; also eine strikte Individualität der Chromosomen ist hier nicht vorhanden. Wenn wir nun das oben geschilderte Stadium von Fig. 4 und 33 weiter verfolgen, so bemerken wir, wie aus dem unregelmässigen Maschenwerk sich allmählich eine Orientierung der Fäden auf den meist in der Mitte des Kerns liegenden Chromatinnucleolus entwickelt (Fig. 4b). Es fallen uns dann oft zwei nebeneinander verlaufende Fäden auf, die freilich noch. nach dem Uhromatinnucleolus konvergieren, in einem peripheren Ab- schnitt jedoch schon parallel zueinander verlaufen. Und diese distalen Abschnitte sind es, die zuerst chromatisch sich färben. (Noch immer ist der Längsspalt in den Fäden erkennbar [Fig. 5]). Ein gleiches Bild zeigt Fig. 24 von Eisen (01). Aus ihnen entstehen die Chromosomen durch Verkürzung der Fäden, wobei die Trennung vom Chromatinnucleolus stattgefunden hat. Ich glaube berechtigt zu sein, in diesen Gruppen nach dem Vor- gang von Montgommery eine CUhromosomenkonjugation zu sehen, zumal sie in der reduzierten Zahl auftreten. ‚Jeder der Fäden würde einem Chromosom entsprechen, der der Länge nach mit seinem Partner vereinigt, das bivalente Chromosom von den Reifeteilungen bildet. (Ebenso bilden sich bei Batrachoseps (Eisen, 01) die bivalenten Chromosomen aus diesen radıär an- geordneten Fäden.) Ein Längspalt war, wie wir sahen, von Anfang an in den Fäden und nachher in den Chromosomen zu verfolgen (Fig. 5). Einen Querspalt konnte ich jetzt beim männ- lichen Geschlecht nicht mit Bestimmtheit nachweisen, wohl aber beim weiblichen. Der Querspalt ist sehr deutlich bei den Ovocyten (Fig. 34), bei denen auch ein schwacher Längsspalt sichtbar ist, der später sehr manifest wird (Fig. 38). Auch bei den männlichen bivalenten Chromosomen ist späterhin ein Querspalt sehr deutlich. Wir haben also die äusserst auffällige Tatsache, dass jedes univalente Chromosom aus vier Chromatiden besteht, Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 447 eine Tatsache, die aus Fig. 38 so offenkundig wie nur möglich hervorgeht, denn wir haben es hier mit einem Stadium vor der Bildung der ersten Reifespindel zu tun und sehen 22 Chromosomen paarweise angeordnet. Doch muss ich bemerken, dass zwischen Fig. 34 und 33 ein Zwischenstadium (35) eintritt, in dem die Chromosomen sich derart verkürzen, dass man nur zwei ovale Gebilde erkennen kann (Fig. 6, 35), bei denen man also nicht direkt beobachten kann, dass die bivalenten Chromosomen („Tetraden“) aus acht Chromatiden zusammengesetzt sind. Zu dieser Zeit hat der Kern der Ovocyte ein un- regelmässiges zackiges Aussehen, da er Fortsätze aus- schickt, die nur schwer vom Cytoplasma sich abgrenzen lassen. Genau so verhalten sich tätige Drüsenzellen. So sagt Barfurth (85) von den Speicheldrüsen von Helix pomatia bei lebhafter Tätigkeit (S. 370): „Der Kern besitzt ein zackiges Aussehen, da er Fortsätze ausschickt, die mit dem Plasmanetz kommunizieren.“ Und ferner bei beginnender Tätigkeit (S. 404): „Der Kern wird zackig, das Protoplasma bildet grosse Maschen.“ Man sieht, diese Schilderung passt vortrefflich auch für mein Bild (35) und die Analogie wächst noch mehr, wenn ich hinzufüge, dass es mir wie Barfurth gelungen ist. eine reichliche Glykogenablagerung hier nachzuweisen (Fig. 55). Daher glaube ich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Gestalt des zackigen Kerns und der Funktion der Zelle be- steht, die kurz vor Loslösung von der Rhachis das Nahrungs- material aufspeichert, während es früher zum Wachstum verwandt wurde, wobei der Kern seine runde Gestalt beibehielt. Diese Kugelform erhält der Kern wieder, ehe die Reifeteilungen ein- setzen und zwar sobald die Zelle sich von der Rhachis losgelöst hat, wonach eine Nahrungsmittelaufspeicherung nicht mehr statt- finden kann. Nachdem wir die Kernform betrachtet haben, wollen wir die Schicksale des Chromatinnucleolus im Zusammenhang ver- folgen. Wir sahen, wie nach der Synapsis alles Chromatin in einem echten Nucleolus sich ansammelte, während die Fäden ganz blass waren. Es hat nun in der Tat den Anschein, als ob das Chromatin vom Synapsisgewirr in den Nucleolus gewandert wäre und so die Fäden des Chromatins entblösst wären. Auch fernerhin scheint ein Wechselverhältnis zwischen dem Chromatin- 448 Harry Marcus: nucleolus und den Fäden zu bestehen, denn der Chromatin- nucleolus wird immer kleiner, wenn die Fäden, oder besser deren Segmente, wieder chromatisch werden, bis er endlich ganz ver- schwindet oder der letzte Rest von ihm aus dem Kern ins Plasma kommt, wo er dann bald unsichtbar wird. Textfigur 2 illustriert im Verein mit den Figuren 4, 5, 7 dies Verhalten an Spermatocyten erster Ordnung kurz vor der ersten Reifeteilung. Nach dieser Abschweifung kehren wir zur Betrachtung der Chromosomen zurück. Wir hatten die Bildung der bivalenten Chromosomen („Tetraden“) aus einer Konjugation zweier vierteiliger Chromosomen geschildert. Diese bivalenten Chromosomen be- n stehen also aus acht Chromatiden, eine Tat- \ sache, die man jetzt \ Ay kurz vor den Reife- eg teilungen direkt er- 9735 schliessen könnte, auch HN EELTE c wenn man die Ent- og er ns stehung dieser Gruppe 3 nicht verfolgt hätte. rer Man sieht nämlich von N oben aus betrachtet immer vier Kugeln, von: der Seite vier Stäbchen (Fig. 11), und da der Längsspalt stets sichtbar ist, ebenso wie stets ein Querspalt, muss die „Tetrade“ aus acht Chromatiden bestehen. Die Chromosomen verhalten sich in beiden Geschlechtern gleich; ehe wir jedoch zu den Reife- teilungen übergehen, möchte ich einige sonstige Vorgänge der OÖvocyte schildern. Die Form der Zelle in den Figuren 33, 35 ist dadurch bedingt, dass die Zellen in bekannter Weise radiär um die (ernährende) Rhachis gruppiert sind. Sobald sie sich losgelöst haben, nimmt die Zelle eine kugelige Gestalt an (Fig. 36). Auch hier sehen wir noch zahlreiche chromatische Elemente, „Uhromidien“, im Plasma. Der Chromatinnucleolus verblasst, wenn die „Tetraden“ sich bilden: er zeigt meist eine helle Vacuole und häufig darin ein chromatisches Pünktchen (Fig. 37). Der chromatische Ring geht peripherwärts allmählich in hellere Fig. 2. Verschwinden des Chromatinnucleolus. Comp.-Oc. 8; !/ı2 hom. Immers. Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 449 Töne über, ist aber doch scharf vom Cytoplasma geschieden (37). Bei der Doppelfärbung Methylgrün-Säurefuchsin ist das Zentrum rot, die Peripherie des Nucleolus grün, so dass wir annehmen müssen, dass zwei verschiedene, in gewissem Gegensatz stehende Substanzen den Nucleolus aufbauen. Die Zellen müssen hier der Reihe nach die Geschlechtsröhre wegen deren Engigkeit einzeln passieren und gelangen noch hüllenlos durch die Samenblase ge- nannte Partie der Röhre, die dicht mit Spermatozoon erfüllt ist. Hier findet also beim Durchtritt der Eier die Befruchtung statt, auf die wir später eingehen werden. Erst nach der Besamung beginnen die weiblichen Reifeteilungen. Der Kern von Fig. 36 muss vom Zentrum des Eies zur Peripherie gelangen. Der Kern ist bei der Wanderung schon aufgelöst und man sieht die Chromosomen unregelmässig oder in einem Ring gelagert, von achromatischer Substanz umgeben. Häufig tritt aber bei sonst gut konserviertem Material eine strahlige Figur auf (Fig. 38, 39). Vielleicht handelt es sich aber doch um ein atypisches Ver- halten, verursacht durch den Reiz des zu langsam eindringenden Konservierungsmittels. Ähnliche Strahlungsfiguren erzielte R. Hertwig (95) durch Strychnin bei Seeigeleiern. Auf jeden Fall entsteht ein Bild, das uns in bezug auf die Chromosomen äussert willkommen ist, da es an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt. Das achromatische Substrat lässt sich am besten mit einer Butterblume vergleichen. Um eine zentrale Scheibe sitzen wie Blütenblätter elf Plasmazüge von der Form einer Spindel. Jeder dieser Strahlen beherbergt ein Paar vierteiliger Chromosomen, die durch einen lichteren Streifen voneinander getrennt sind. Und diese Trennung bleibt bestehen und geht in die der Fig. 40 über, wie ich aus dem Umstand schliesse, dass ich niemals wieder die reduzierte Zahl 11 (wie in den Fig. 35, 36, 37) in diesen Stadien gesehen habe. Es tritt somit die Sonderung in die Tochterchromosomen sehr früh- zeitig ein. Ob dieses Paar den ursprünglichen konjugierten Chromosomen entspricht oder nicht, wollen wir im allgemeinen Teil erörtern. Die vorhin von oben betrachtete strahlige Figur nimmt sich, von der Seite gesehen, wie ein Büschel aus (Fig. 39). Die Plasmazüge senden verjüngte Ausläufer bis an die Eiperipherie. Ob aus der zentralen Scheibe das Centrosoma sich bildet, wie es nach Fig. 39 den Anschein hat, vermag ich nicht bestimmt 450 Han yMarcnk: zu sagen; jedenfalls entstehen aus den Plasmazügen die Spindel- fasern. Und nun wollen wir zu den Reifeteilungen selbst übergehen. Bug, Die Chromosomen stellen sich, wenn die Spindel gebildet ist, mit der Längsachse senkrecht zu den Spindelfasern ein (Fig. 12) , und werden der Länge nach geteilt (Fig. 40), wie das besonders deutlich aus den Produkten der Teilung hervorgeht. Wir sehen nämlich in den Spermatocyten zweiter Ordnung elf vierteilige Chromosomen, und zwar besteht jedes einzelne Chromosom aus vier Stäbchen (Fig. 13 und 14). Ebenso sind in der Ovocyte zweiter Ordnung elf Chromosomen, die aus vier Chromatiden be- stehen (Fig. 41). Der Richtungskörper beweist, dass die erste Teilung vollbracht ist. Ohne Kernrekonstruktion setzt darauf die zweite Teilung ein. Nur sehen wir, wie die Chromosomen sich aneinander reihen und eine flache Scheibe oder eine Spirale bei Aufsicht bilden (Fig. 15). Die einzelnen Chrosomen zeigen noch einen Längsspalt und sind mit achromatischen Fäden miteinander verknüpft. Die zweite Reifeteilung ist ebenfalls eine Längsteilung, wie klar aus Fig. 42 hervorgeht. Bei der Spermatocyte ist es nicht so deutlich (Fig. 16). weil die Chromatiden sehr klein geworden sind und sich der Kugelform genähert haben. Und da ich zuerst hauptsächlich die Spermatogenese studiert hatte, schlich sich in meine vorläufige Mitteilung (05) der Fehler ein, dass die zweite Teilung eine Querteilung sei. In die Spermatide gelangen also elf Chromosomen, die deutlich eine Zweiteilung erkennen lassen. Später reihen sich die Chromosomen aneinander auf und vereinigen sich zum kompakten Spermakern (Fig. 17 und 18). Wenn das Spermatozoon längere Zeit im Ei verweilt hat und die weiblichen Reifeteilungen vollbracht sind, lockert sich der Spermakern und löst sich in seine elf Chromosomen auf (Fig. 44 und 43), und diese weisen äusserst deutlich wieder eine Zweiheit auf; sie sehen wie eine Dyade aus, sind aber natürlich univalent. Dieses Verhalten verschwindet allmählich in den Vorkernen (Fig. 47 u. 46), die schliesslich häufig als einzigen chromatischen Bestandteil wieder nur einen chromatischen Nucleolus zeigen (Fig. 48). Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 451 In derersten Furchungsspindel (Fig. 49) zählen wir 22 Chromo- somen. Es sind Stäbchen die häufig eine Querteilung angedgttet zeigen, die ich zeichnerisch kaum wiedergeben kann. In Fig. 49a sieht man sie an einigen Chromosomen, besonders an dem grossen Chromosom oben. Die Längsteilung der Chromosomen ist natürlich die Vorbereitung zur nächsten Teilung. Es tritt hierbei auch eine Chromatin-Diminution bei der Trennung somatischer und propa- gatorischer Zellen auf und zwar wie bei Ascaris lumbricoides von Bonnevie (01) beschrieben. Die Chromosomen wandern an die Pole und in der Mitte der Spindel finden wir chromatische Brocken (Fig. 50), die von den Chromosomen stammen müssen. Ganze Chromosomen sind es natürlich nicht, da die Normalzahl erhalten bleibt. Diese chromatischen Körnchen vereinigen sich zu grösseren Kugeln und bilden schliesslich häufig einen einzigen „Diminutionskörper“‘, der gerade in der Urgeschlechtszelle sich meist gut nachweisen lässt. Ich vermute, dass auch dies Chromatin als Trophochromatin aufzufassen sei. Fig. 51 zeigt uns ebenfalls eine erste Blastomere. Ausser einem Diminutions- körper sehen wir eine höchst merkwürdige chromatische Figur. Es finden sich nämlich die Chromosomen hier in der Urgeschlechts- zelle anscheinend wieder in der reduzierten Zahl und jedes be- steht dann aus vier Teilen, wie Fig. 51b bei starker Vergrösserung zeigt. Fig. 52 ist die Urgeschlechtszelle eines viergeteilten Eies und wir erblicken auch hier ausser neun fertigen vierteiligen Chromosomen noch chromatische Einlagerungen im Nucleolus, die als die zwei fehlenden unfertigen oder bereits aufgelösten Chromosomen gedeutet werden könnten. Ein noch späteres Stadium zeigt Fig. 53 mit der Urgeschlechtszelle rechts unten, deren Kern daneben in Fig. 53b stärker vergrössert ist. Auch hier ist kein völlig einwandfreies Bild, denn ausser den neun Stäben finden wir einen Klumpen, in dem wohl zwei Chromosomen und der Nucleolus enthalten sein dürften. Jedenfalls zeigen die Bilder, dass die Zahl der Chromosomen wahrscheinlicher 11 als 22 in diesen Stadien der Urgeschlechtszelle beträgt. Die Zahl der Chromatiden bleibt 44 auf jeden Fall. Spätere Stadien von kleinen Würmern mit zwei Urge- schlechtszellen sind so klein, dass man keine Details weiter ver- folgen kann. Es lag somit für mich keine Veranlassung vor, durch Impfversuche die Entwicklung vom Ei zum jungen Tiere 452 Hiarıy2MareuE: zu untersuchen und somit den ganzen Entwicklungskreis bei Ascariden festzustellen, was ich sicherlich bei grossen und deut- lichen Urgeschlechtszellen versucht hätte. Das Centrosoma. Ich will vorausschicken, dass ich sämtliche diesbezügliche Angaben Brauers (93) bestätigen kann. Die Untersuchung ist sehr schwierig und man muss dabei alle Cautelen beobachten. Es kommen daher die Eisenalaun- Hämatoxylinpräparate erst in zweiter Linie in Betracht, da ein schwarzes Korn natürlich nichts besagt und die Lininfäden meist nicht sichtbar sind. Wie leicht eine Täuschung ist, beweist eine Spermatogonie von Ascaris meg. Das vermeintliche Centrosom ist sicherlich der Querschnitt eines Rhachisfadens, der in die Zelle führt (Textfig. 3). Ich habe daher hauptsächlich zuerst Delafield-Hämatoxylinpräparate daraufhin untersucht. Bei diesen ist es nun wieder nicht leicht, das Centro- soma vor der Strahlung zu erkennen. Fig. 3. Aber hier kommt einem die Reihen- Spermatocyte von Ascaris folge der Stadien zu gute. Wenn das megalocephala mit centro- Centrosoma im Plasma ist, hat es eine soma ähnlichem Gebilde, jrächtige Strahlenfgur. Wenn man das der Querschnitt eines ER 3.57 Re x - Hhachtsfadens ist 'Oe, A, nun sorgfältig die Kerne früherer Stadien onen untersucht, findet man den ganzen | Entwicklungsverlauf. Man erkennt, wie das Liningerüst an einer Stelle sich verdickt, wie dann alle Fäden sich auf diese Stelle radiär einstellen. Manchmal sieht man auch eine Teilung im Kern, und wir haben dann zwei kugelige noch verbundene Gebilde, auf die alle übrigen Lininfäden radiär angeordet sind (7). Mit Eisenalaun-Hämatoxylin gefärbt, sieht man (Fig. 8) absolut sicher innerhalb des Kerns eine blasse blaue Kugel (Vorfärbung mit Anilinblau), mit einem schwarzen Korn in der Mitte, während in den Nachbarzellen das genau ebenso aussehende Centrosoma bereits im Plasma von einer Strahlensphäre umgeben ist. Ich glaube daher berechtigt zu sein, ersteres im Kern als ein typisches Centrosoma mit Centriole anzusprechen. Wir sehen weiter in Fig. 9 ein Centrosoma an der Kernmembran, aber auch noch sicher teilweise im Kern, während deutlich eine Strahlung Ei und Samenreife bei Ascaris canis. ale im Plasma aufgetreten ist. Endlich zeigt Fig. 10 das Centrosoma in einer tiefen Nische des Kerns, aber ausserhalb der Kern- membran, durch die es oftenbar eben hindurch getreten ist. Auch hier zeigt eine Strahlung an, dass es sich um ein Cen- trosoma handelt. Ein Centriol ist natürlich nicht sichtbar, da ich zur grösseren Sicherheit Delafield-Präparate gewählt habe. Ich beschränke mich auf die Wiedergabe dieser wenigen Bilder, da der ganze Prozess von Brauer bis ins kleinste Detail mit vielen einwandsfreien Abbildungen beschrieben worden ist. Und ich hoffe, meine Bilder beweisen die Exaktheit seiner Angaben. Dabei muss ich der Verwunderung Ausdruck geben, dass seine Befunde von keinem Nachuntersucher bisher bestätigt wurden. Auf die folgenden Schicksale des Centrosoma brauche ich nicht einzugehen; nur auf seine Struktur möchte ich kurz ein- gehen. Dabei muss ich mich Boveri anschliessen. Ich finde eine homogene Kugel und in ihrer Mitte das Centriol. Von der Kugel gehen radiär feine achromatische Fäden aus, die sich in den ebenfalls radiär eingestellten Dotterstäbchen verlieren. Manch- mal sieht man jedoch das Centrosom nicht als eine Scheibe, sondern als eine ganz unregelmässige Figur (Fig. 27). Ob dies ein Kunst- produkt ist, durch Schrumpfung verzerrt, lasse ich dahingestellt, jedenfalls sind die plasmatischen Ausläufer besonders deutlich dabei zu sehen. Dagegen sagt Tretjakoft in einer kürzlich erschienenen Arbeit (05) Seite 410: „In Wirklichkeit gibt es in den Sperma- tocyten der Ascaris kein ähnliches homogenes Centrosom, sondern es reichen die Sphärenstrahlen bis zum Centriol heran, wodurch die ganze Radialstrahlung der das Centriol unmittelbar umgeben- den Zone bewirkt wird“. Das Ganze soll der Ausdruck der „Organischen Radien“ sein. Dieselben Angaben und Ansichten finden sich bei Kostanecki und Siedlecki (97) die von Fürst und Boveri (01) bekämpft wurden. Ich habe an meinem Objekt nie durchgehende Strahlen, wie Tretjakoff sie abbildet gesehen, auch nicht bei Ascaris megalocephala, und ich muss gestehen, dass mir seine Angaben nach den eingehenden Untersuchungen von Boveri (01) und Brauer am selben Objekt sehr unwahrscheinlich klingen. In Fig. 11 und 12 sieht man die geteilte Centriole, in Fig. 14 sind die ÜCentrosomen auseinandergewichen, und 454 Harry Marcus: in Fig. 16 sehen wir sie bei der zweiten Reifeteilung. Die Chromosomen, hintereinander meist zum Kreise gereiht, rücken an die Pole. Bei Seitenansicht erblickt man dann zuletzt das Chromosom unmittelbar neben dem Chromatin- streifen. In Polansicht dagegen (Fig. 17) sieht man das Centrosom von den Chromosomen umgeben. Dies kann natürlich dem eben geschilderten Bild in Seitenansicht entsprechen, das heisst, das Uentrosoma kann in einer etwas höheren Ebene liegen. Nach den folgenden Befunden glaube ich jedoch mit einiger Wahr- scheinlichkeit schliessen zu dürfen, dass das Centrosoma in dem Uhromatinkreis liegt und in den Kern mit eingeschlossen wird, wenn die Chromosomen zu einer einheitlichen Masse verklumpen. Doch muss ich natürlich die Möglichkeit offen lassen, dass das Öentrosom nicht mit eingeschlossen wird und im Plasma ver- schwindet. Dagegen spricht freilich, dass man in dem kompakten Uhromatinkern eine helle Vacuole findet, die van Beneden schon gesehen hat, und die besonders deutlich bei Borax-Carmin- färbung ist, aber auch mit Delafield- und stark extrahiertem Eisenalaun-Hämatoxylin darstellbar ist. Wir könnten nun ver- muten, dies sei das Centrosom, obgleich es natürlich auch eine ganz gewöhnliche Vacuole sein kann. Auffallend ist der Sperma- kern von Fig. 27, wo um ein centrosomaartiges Gebilde das Chromatin sichelförmig gelagert ist, oder in Fig.27b, wo die „Vacuole“ wieder ein schwarzes Korn zeigt. Ganz ähnlich sind die Bilder von Ballowitz (98) vom Salpenepithel. Wenn das Spermatozoon im Ei ist, sieht man häufig eine helle Scheibe mit zwei chromatischen Pünktchen, wie Fig. 39 zeigt. Ich glaube nicht, dass dies das Centroma ist, denn ich habe es nicht weiter verfolgen können, und ich glaube, dass ihm keine weitere Be- deutung zukommt. Dagegen fand ich das ÜCentrosoma wieder im männlichen Vorkern. Die beiden Vorkerne unterscheiden sich in gewissen Fällen wesentlich in ihrer achromatischen Struktur (Fig. 48). Bei einem Vorkern ist das Liningerüst unregelmässig in Anordnung und Fadendicke, während der zweite Vorkern eine achro- matische Scheibe mit zentralem Korn und radiärer Faden- sruppierung aufweist (Fig. 45b). Ich habe diese Strahlung immer nur bei einem der beiden Vorkerne gefunden und schliesse nun, dass es das Centrosoma im männlichem Vorkern sei, das von Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 455 der Spermatide herstammt und innerhalb des Chromatins gelegen war, wie es OÖ. Hertwig, Brauer auch angenommen hatten. Spermiogenese. In diesem Jahre sind zwei Untersuchungen über die Bildung des Spermatozoons bei Ascaris megalocephala erschienen, die eine von Tretjakoff, die andere von Scheben. Tretjakoff (05) schildert die Entstehung des Glanzkörpers als ein Anwachsen eines kleinen Pünktchens hinter dem Kern. Er bildet nur Eisen- alaun-Hämatoxylinpräparate ab, die für diese Frage höchst un- vorteilhaft sind. Ganz anders schildert Scheben (05) diesen Vorgang in seiner interessanten Arbeit. Der Glanzkörper soll aus dem Kern entstehen; dabei muss aber hervorgehoben werden, dass Scheben den Begriff Kern nicht in der üblichen Weise nur für das Chromatin gebraucht, sondern gleich „chromatische Elemente und Kernvacuole“ setzt. Er beschreibt also seine erste Figur, die etwa unserer Fig. 15 entsprechen würde, folgender- maßen: „In der Mitte liegt der Kern, bestehend aus einem hellen Bläschen mit seinen zentral gelegenen, hier deutlich in ihrer Duplieität!) sichtbaren Chromosomen, darum das Uytoplasma mit den zahlreich eingelagerten glänzenden Dotterkörnchen.“ Später (Fig. 8) sieht er „auffallenderweise die Chromosomen ausserhalb der Kernmembran liegen“, doch bleibt er seiner Definition fernerhin konsequent. Wir wollen ihm hierin nicht folgen, da ich glaube, dass dem typischen Spermakopf nur der Chromatinballen entspricht, der, wie ich wahrscheinlich zu machen versucht habe, auch noch das Centrosoma enthält, dass dagegen die von Scheben als Kernblase gedeutete Partie dem Protoplasma angehört. Dabei gebe ich zu, dass es sehr merkwürdig ist, wie das Cytoplasma in zwei Teile gesondert ist, in einen inneren körnigen und einen äusseren, in dem der Dotter radiär angeordnet ist. Verbunden !) Ich erwähnte vorhin schon, dass auch Ascaris canis häufig die- selbe Duplicität zeigt, obgleich die Normalzahl 22 ist und in der Spermatide somit elf Chromosomen enthalten sind. Es kämen somit auf die eine Kugel fünf auf die andere sechs, wenn wir annehmen, dass die Chromosomen ungeteilt verbleiben. Das ist nun sehr unwahrscheinlich und nach Analogie glaube ich, dass man bei Ascaris megalocephala auch nicht aus der Duplicität auf die Zweizahl der Chromosomen schliessen darf. Kommt diese nie bei Asc. meg. univalens vor? Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 30 456 Harry) Narenus: sind beide Partien durch feine Protoplasmafäden, während ich den Spaltraum mit Scheben nicht für ein Kunstprodukt halte. Die Körner in der inneren Zone (Fig. 19) bilden sich erst, denn ursprünglich (Fig. 18) zeigt das Protoplasma einen unregel- mässigen Bau, in der Mitte am hellsten und peripherwärts mit dunkleren Schollen und Krümeln besetzt. Zunächst wollen wir die äussere Dotterschicht wieder verfolgen. Aus der radiär- stäbchenförmigen entsteht die radiär-kugelige Formation der Dottermassen, wie Fig. 20 zeigt, die den Fig.5 und 6 von Scheben entspricht. In der gesamten Peripherie sind diese Dotterkugeln eingelagert. Nun bricht der innere Teil der Zelle hervor, oder besser gesagt, die Dotterpartikel konzentrieren sich auf einen Pol der Spermatide, wodurch der entgegengesetzte Pol dotterfrei wird (Fig. 21). Der optische Durchschnitt ist in Schebens Fig. 7 exakt wiedergegeben und trotzdem erläutert er den wahren Sachverhalt nicht. Denn bei wechselnder Ein- stellung sehen wir, wie die Dotterkugeln den einen Pol wie eine Halbkugel umkleiden, was Herr Universitätszeichner C. Krapf plastisch darzustellen versucht hat (Fig. 21). Nun sehen wir, wie die Konzentration immer weiter vor sich geht (Fig. 22), analog wie gewisse runde Papierlanternen sich öffnen, bis endlich die immer kleiner gewordenen Dotterpartikel sich in Form eines hohlen Kegels angeordnet haben (Fig. 23). Dies wird nun der Glanzkörper !) (Fig. 25 und 26). Er ist also auf dem immer feiner und homogener werdenden Dottermaterial entstanden. Dass Scheben zu einem anderen Resultate gelangt ist, liegt, wenn auch das Verhalten bei Ascaris canis klarer sein sollte, glaube ich, an der Heidenhainschen Eisenalaun-Methode, die als Beize naturgemäss nur physikalische Unterschiede anzeigt und daher die Oberfläche des Glanzkörpers mit undurchsichtiger Schwärze gefärbt hat, so dass die innere Höhlung unsichtbar wurde. Man sieht am eklatantesten an seinen Fig. 9, 10 dies ‚Verhalten. Beide Stadien sind kaum verschieden; nur ist Fig. 10 gegen Fig. 9 umgedreht. Es ist ja denkbar, dass bei Ascaris megalocephala dieser ganze Prozess anders verläuft, aber es ist mir nicht wahrscheinlich. So gibt kürzlich auch Schneider (02) . ı) Dass dieser gefärbte Körper auch der Glanzkörper ist, beweist die Untersuchung frischen ungefärbten Materials. Auch bei Borax- Carmin- färbung ist der Glanz sehr schön sichtbar. Ei und Samenreife bei Ascaris canis. AH in seinem Lehrbuch an, der Glanzkörper entstünde bei Ascaris megalocephala aus den Dotterkugeln. Ob er den Vorgang näher beobachtet hat, geht aus seinen Ausführungen nicht hervor. Da der Glanzkörper ganz plötzlich aus dem dotterfreien Abschnitt, dem „Kern“ entstehen soll, kann Scheben mit den Plasmaein- lagerungen nichts anfangen und „müssen sie wohl einer allmäh- lichen Auflösung verfallen.“ Scheben hat am freien Ende des Glanzkörpers ein Gebilde beschrieben, dass er „Spitzenstück* genannt hat. Er hat es mit so zahlreichen und guten Zeichnungen illustriert, dass an der Existenz nicht zu zweifeln ist. Ich habe etwas ähnliches gesehen (Fig. 25), konnte es aber nur vereinzelt finden, bin auch nicht näher darauf eingegangen, da Ascaris BR NETT regen | ne 4 TEE | Re 7 ne) ß | i ae | Wr... U: \ & ; ar .- Dr Fi | 4 NN / £ ) r- } Br > © . j Fig. 4. Spermium mit Pseudopodien in einer Nische der Uteruswand haftend. Comp.-Oc. 8; !/ıe hom. Immers. 2:3 verkleinert. canis offenbar ungeeignet dafür ist. Auch ‘innerhalb des Glanz- körpers sah ich öfters, ja in gewissen Stadien regelmässig, eine helle Vacuole mit dunklerem Zentrum (Fig. 26). Vielleicht ge- hört dies auch zum „Spitzenstück“. Mit dem „Spitzenstück“ soll sich das Spermatozoon an die Nährzelle der Uteruswand an- haften können. Das mag richtig sein, obwohl Tretjakoff da- gegen behauptet, dass „jedes Spermatozoid an die Fläche des Zellfortsatzes sich mit dem Kopf anschmiegt“. Nun ist die Be- 30* 458 Harry Marcus: zeichnung „Kopf“ und „Schwanz“ ja auch nicht besonders ange- gebracht, doch versteht er unter Kopf die protoplasmatische Breitseite nach dem Vorgang von van Beneden. Freilich geht aus seiner Zeichnung dies nicht deutlich hervor für die Mehrzahl der Spermatozoen. Textfigur 4 zeigt jedenfalls, dass auch die Breitseite durch amöboide Fortsätze mit den Nährzellen in Ver- bindung treten kann. Doch mag dies immerhin die Ausnahme sein. Befruchtung. Mit dem „Spitzenstück“ soll ferner das Spermatozoon in das Ei eindringen. Ein Pünktchen hinter dem Kern spricht Scheben vermutungsweise als Centrosoma an und das Ascaris- spermatozoon würde somit in das typische Spermatozoonschema eingereiht werden können. Diese allen bisherigen Darstellungen widersprechende Angabe, dass nämlich das Spermatozoon mit der spitzen Seite ins Ei tritt, entspricht nicht den Tatsachen. Das Spermatozoon dringt mit der wahrscheinlich!) amöboid beweglichen protoplasmatischen Breitseite in das Ei ein. Van Beneden gibt in seiner klassi- schen Arbeit etwa 50 Abbildungen, die das Spermatozoon auf diese Weise halb einge- drungen zeigen. Ebenso bildet es Boveri ab. Scheben meint, dass sie „einer Täuschung Fig. 5. unterworfen“ wären. Eindringen des Spermium ins Ei. Comp.-Oc. &; Da Scheben die Dar- 2 mm apochrom. Immers.; ?/s verkleinert. stellung Boveris und van Benedens für irrtümlich erklärt, so gebe ich m der Textfigur 5 eine neue Abbildung, die das halb einge- drungene Spermatozoon ganz vom Eiplasma umgeben darstellt. Ich habe zahlreiche solcher Bilder gefunden und konnte mich !) Inzwischen habe ich das Ausstrecken und Einziehen von langen feinen Pseudopodien bei lebenden Spermien auf dem heitzbaren Objekttisch beobachten können (Biolog. Centralblatt 06). Anm. bei der Cor. Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 459 zum Überfluss an Boveris Originalpräparat von der Exaktheit seiner Angaben überzeugen. Auch die Abbildungen von Scheben sind durchaus nicht einwandsfrei. Seine Fig. 25 beweist natür- lich garnichts; Fig. 26 zeigt ein Ei mit Hülle. Das Spermatozoon ist durch diese hindurch getreten ohne noch das Eiplasma be- rührt zu haben. Das ist sicher nicht normal, da die Befruchtung bei hüllenlosen Eiern eintritt. Auf jeden Fall ist dieses Bild nicht beweisend. Ebensowenig verständlich ist mir sein Bild 27. Dort sieht man nämlich ein halb zuerst mit der Spitze eingedrungenes Spermatozoon. Zwischen diesem und dem Eiplasma liegt eine Kluft, was diese zu bedeuten hat ist mir ebenso unklar wie die Linie, die über das Spermatozoon hinwegzieht. — Im weiteren Verlauf soll der Glanzkörper sich in Körnchen auflösen, die dann das achromatische Substrat des Vorkerns liefern. Bei Ascaris canis habe ich diesen Prozess nicht verfolgen können; aber Scheben gibt alle Etappen in so deutlichen Bildern an, dass ein Zweifel nicht erlaubt wäre, wenn nicht van Beneden und Boveri den Vorgang anders beschrieben hätten und zwar so, wie ich es nun an Ascaris canis bestätigen kann. Nach der Besamung tritt sofort eine Erhöhung des Tinktionsver- mögens ein, wie v. Beneden es beobachtet hatte. Der Glanzkörper färbt sich wie Chromatin, wenn auch etwas anders als die Chromosomen, mit Delafieldschem Hämatoxylin. In Fig. 45 sehen wir, wie das Spermatozoon zerfällt und die Trennung von Glanzkörper und Kern stattfindet, der in körnigem Proto- plasma liegt. Bald verliert der Glanzkörper seine bisherige typische Gestalt; er zerfällt in Stücke (Fig. 38) oder bildet zer- bröckelte Massen und unregelmässige Klumpen, die häufig im Inneren vacuolisiert sind (Fig. 43). Dabei wird er allmählich immer kleiner und verschwindet schliesslich ganz (Fig. 46, 47). Sehr charakteristisch ist Fig. 46. Wir sehen dort neben dem männ- lichen Vorkern (der weibliche ist durch die Nähe des Richtungs- körpers bezeichnet) den Rest des Glanzkörpers noch mit einer Hülle körnigen Protoplasmas, aus der der männliche Vor- kern herausgeschlüpft zu sein scheint. Ein ähnliches Bild gibt Zacharias (87). Einen letzten Rest des Glanzkörpers sieht man (Fig. 47) in dem Chromatinfleck neben den Vor- kernen. Ich muss mich also im Gegensatz zu Scheben der Ansicht v. Benedens und Boveris anschliessen, die dem 460 Harry Marcus: Glanzkörper keine unmittelbare Bedeutung bei der Befruchtung zuschreiben. Nach meiner Auffassung ist er ein Nahrungskörper. Ob die Dotterkugeln bei den Spermatocyten ursprünglich aus dem ins Piasma hinausgetretenen Trophochromatin entstanden sind, kann ich nicht entscheiden. Zeitlich fallen die Prozesse zu- sammen, aber räumlich stimmt es nicht, denn der Dotter bildet sich an der Peripherie der Zelle. Fig. 6. Bildung der „Zwischenkörperchen“. Oc. 2; !/ı» hom. Immers. Dass ein Spermatozoon dotterhaltig ist, kann uns nicht weiter befremden; es ist dies höchstens ein primitiver Zustand; ich erinnere an die von L&eger beschriebenen Spermatozoide von Stylorhynchus, einer Gregarine, die auch eine beträchtige Dotter- menge dem Ei zuführen. Wir haben nun die äussere Plasmaschicht der Spermatide verfolgt; nun wollen wir die Schicksale der inneren zu schildern versuchen, wobei wir uns ganz kurz fassen können. Aus dem unregelmässig gebauten Protoplasma (Fig. 17) bilden sich distinkte Körner, die C. K. Schneider „Körner unbestimmter Bedeutung“ Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 461 genannt hat. Sie sind um den Kern gelagert und erfüllen meist nicht das ganze Protoplasma. Wenn das Spermatozoon später im Ei zerfällt, sehen wir diese kleine Körnchen nach allen Richtungen ins Eiplasma wandern (Fig. 38). Diese Körnchen färben sich intensiv mit Delafield und sind an guten Präparaten stets nachweisbar. Über ihr weiteres Schicksal sowie ihre Bedeutung vermag ich nichts auszusagen. Vielleicht entsprechen sie den Mitochondrien. Nun noch einige Worte über die Zwischen- körperchen, die früher eine so wichtige Rolle gespielt haben und dann von O..Hertwig (90) als verkümmerte Keimzellen be- zeichnet wurden. Diese Deutung trifitt auch sicherlich für alle diese Körper in der Vermehrungs- und Wachstumszone zu. Aber die plötzlich massenhaft auftretenden Zwischenkörperchen in der Hodenröhre haben, glaube ich, einen anderen Ursprung. Wir sehen in Fig. 15 wie eine gallertige Masse aus der Spermatide „ausgeschwitzt“ wird. Diese der Spermatide kappenförmig auf- sitzende Masse bildet sich zu typischen Zwischenkörperchen um (Fig. 19). Textfigur 6 soll das äusserst frappante Übersichts- bild wiedergeben. Man sieht, wie die dunklen Spermatiden (a) ganz hell geworden sind (b) und wie zwischen ihnen dunkle unregel- mässige Massen eingelagert sind, die „Cytophoren“. Fig. ce zeigt wie daraus die „Zwischenkörperchen“ entstanden sind, die später- hin zerbröckeln und verschwinden. Man versteht, wie in den SOer Jahren van Beneden und Julin diesen Prozess mit der Richtungskörperbildung ver- gleichen konnten. Anhang. Weinland (02) hat auf physiologischem Wege gezeigt, dass die bei Sauerstoff-Mangel lebenden Darmparasiten das Glykogen als Energiequelle gebrauchen. Bei dessen Spaltung wird Sauerstoff frei, der zur Oxydation verwandt werden kann. Durch diese Arbeit angeregt, hat Busch (05) dies Verhalten morphologisch untersucht und er gibt an, dass mit Ausbildung der Geschlechtsprodukte das Glykogen in den Proglottiden der Taenien abnehme. Ich habe ohne Kenntnis dieser Arbeit einige Jodreaktionen an Zupf- sowie Schnittpräparaten gemacht und kann nun zeigen, wie das Glykogen innerhalb der Geschlechts- zellen selbst allmählich verbraucht wird. Fig. 55a zeigt eine 462 Harry Marcus: Ovocyte noch an der Rhachis befestigt; 55b ungefähr dasselbe Stadium etwas jünger als meine Fig. 55. In der Rhachis fand ich kein Glykogen; in der Ovocyte dagegen reichliche mahagoni- braune Kugeln in unregelmässiger Verteilung. Der Kern bleibt stets, wie auch Barfurth (85) betont, glykogenfrei. Die Glykogenaufspeicherung hat ihr Maximum erreicht, wenn die Ovocyte sich von der Rhachis lostrennt. Fig. 56 zeigt solch eine Zelle mit ihren grossen intensiv gefärbten Glykogenschollen. Jetzt soll die Zelle auch die grösste Energie leisten, denn die Befruchtung, die Reifeteilungen und das Schalenbilden stehen ihr bevor. Und so sehen wir im Zweizellenstadium eine schwach braune Färbung, die uns anzeigt, dass zwar noch Glykogen vor- handen ist, aber doch nur sehr wenig in feiner Verteilung.') Die Zelle hat also das Glykogen als Energiequelle benutzt. Fig. 7. Endzelle einer @ Geschlechtsröhre. Oc. 2; !/ı hom. Immers.; 2:3 verkleinert. In Fig. 54 habe ich eine merkwürdige Kernrekonstruktion abgebildet. Wir sehen nach einer Zellteilung, wie das achroma- tische Gerüst fertig ausgebildet ist und die Chromosomen nach ausserhalb gelagert sind und somit nachträglich in den Kern ge- langen müssen. y Dieser Vorgang, der so deutlich die gewisse Selbständigkeit von Kerngerüst und Chromosomen charakterisiert, ist öfters be- schrieben worden, z. B. von R. Hertwig (95) und ist offenbar pathologisch. Auf einen Befund mehrkerniger Zellen bei jungen Individuen will ich hier nicht eingehen. Ich fand sie auch bei Ascaris megalocephala, wo sie Wasiliewski (95) kurz erwähnt hat. !) Es handelt sich um einen Schnitt, also stand dem Eindringen des Jods kein Hindernis in der Schale entgegen. Die Bilder 55a, 56, 57 stammen aus einem und demselben Präparate. Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 463 Meine Untersuchungen sind hierüber noch nicht abgeschlossen, wegen Mangels jugendlicher Tiere, doch vermute ich, dass diese Zellen die Rhachis bilden. Am blinden Ende der Geschlechtsröhre fand ich eine Wand- zelle (Textfigur 7) von ungeheurer Dimmension, was freilich bei einer Ascaris mit ihren sonstigen Riesenzellen nicht weiter auf- fällt. Dieselbe sah ich auch bei Ascaris lumbrieoides. Allgemeiner Teil. Ehe wir eine Deutung unserer Befunde versuchen, wollen wir das Wichtigste noch einmal zusammenfassen: Nach dem Synapsisstadium findet eine Konjugation der Chromosomen statt, wodurch die Reduktion der Chromosomenzahl auf die halbe Normalzahl bewirkt wird. Beide Reifeteilungen sind Länes- teilungen. — Die Chromosomen scheinen in der ganzen Ge- schlechtsbahn eine „Duplieität“ zu besitzen. Wir sehen nämlich in der Spermato- und Ovocyte vor den Teilungen ausser dem sonst überall beobachteten Längsspalt noch eine chromatinfreie, also nur lininhaltige Stelle in der Mitte der einzelnen Chromosomen. Auch im Spermakern zeigen die kugligen Chromosomen deutlich eine Duplicität, d. h. sie sehen aus wie eine Dyade, trotzdem sie univalent sind. — In der Urgeschlechtszelle scheint wieder- um eine Reduktion der Chromosomenzahl einzutreten und zwar vereinigen sich jetzt die Chromosomen nicht wie vorhin bei der Konjugation der Länge nach, sondern „end to end“. Ich möchte vorschlagen, dieseVerbindung der Chromosomen mit ihren Enden als „Konjunktion“ zu bezeichnen, im Gegensatz zur Konjugation. bei der die Chromosomen sich der Länge nach an- einanderlegen. Das typische Beispiel einer „Konjunktion“ wäre die Tetradenbildung bei Ophryotrocha nach der Schilderung von Korschelt (95). In der Urgeschlechtszelle besteht das bivalente Chromosom aus vier Chromatiden, so dass wir eine „Pseudotetrade“ vor uns haben, bei der der Querspalt durch die Konjunktion bedingt ist. Der Längsspalt ist offenbar auf die dyadenartigen Vorkernchromosomen zurückzuführen. Es ist somit eine Um- orientierung der Chromosomen um 90° eingetreten, worauf wir später eingehen werden. — Dass eine echte Reduktion im Sinne Weismanns, also eine Verteilung ganzer Chromosumen bei dieser Ascaris statt- 464 Has.rya Marsensz findet, kann nicht bezweifelt werden. Denn wir sehen, dass zu- nächst zwei Chromosomen der Länge nach konjugieren und dass dann zwei Längsteilungen erfolgen. Durch eine derselben muss die vorangegangene Konjugation gelöst werden. Nun entsteht die Frage, welche der beiden Reifeteilungen ist die Reduktionsteilung? Darauf kann eine entscheidende Antwort nicht gegeben werden. Denn wir besitzen morphologisch gar keine Anhaltspunkte, da die beiden konjugierenden Chromosomen einen Längsspalt aufwiesen, so dass die „Tetrade“ in ihrer Längsachse doppelt gespalten ist, ebenso wie bei Ascaris megalocephala. Dies möge Textfigur S veranschaulichen, bei der die beiden Chromosomen durch verschiedene Tönung gekennzeichnet sind. Entweder geht die erste Längsteilung durch die gestrichelte Linie; dann wäre es eine „Präreduktion“ (nach Korschelt und Heider) oder die Teilung geht durch die verstärkte Linie; dann wäre sie eine Äquationsteilung und die zweite Teilung eine Reduktionsteilung, also eine „Post- reduktion“. Eine Querteilung entlang der EEE Sl punktierten Linie erfolgt nicht. Fig. 8. Die Frage ob Prä- oder Postreduktion Schema einer „Tetrade“. \op]iege, mag unwichtig erscheinen. Und in der Tat lassen sie viele Autoren often. Sie geben mit aller Bestimmtheit an, dass eine Reduktion eintritt, lassen es aber unentschieden in welcher Reifeteilung. Wie wir sehen werden, kann diese Frage von Bedeutung sein und wir wollen daher näher darauf eingehen. Kürzlich sind zwei Arbeiten erschienen, die sämtliche Reife- teilungen durch ein einheitliches Schema auszudrücken versuchen. Und in der Tat scheint eine grössere Übereinstimmug der tat- sächlichen Befunde bei den Reifeerscheinungen zu bestehen, als man früher annehmen durfte. Für Montgommery (05) ver- laufen überall die Reifeteilungen nach dem Modus der „Prä- reduktion“. Gr&goire (05) verficht in seinem bis jetzt erschienenen ersten Teil seiner Arbeit, die nur die Reifeteilungen, nicht die Tetradenbildung umfasst, die Auffassung, dass in Tier- und Pflanzenreich stets zwei Längsteilungen sich finden, was er als ; ae RB 1 8228258 ; < En ze EDEN Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 465 homoio - heterotypisch bezeichnet. Doch sagt er ausdrücklich am Schlusse, wo er auf den folgenden Teil hinweist, dass er nach dem vergleichenden Studium der Tetradenbildung wahr- scheinlich die Präreduktion als den alleinigen Reduktionsmodus ansprechen werde. Der Reduktionsmodus bei Ascaris canis lässt sich vorzüg- lich mit dem „Einheitsschema“ dieser beiden Autoren in Einklang bringen, und sicherlich würden sie nach Analogie schliessen, dass die konjugierten Chromosomen sich hier bei der ersten Teilung wieder trennen, wie sie sich vereinigt hatten, und dass also hier eine „Präreduktion“ stattfindet. Ich neige dagegen mehr der Ansicht zu, dass die erste Teilung eine Äquationsteilung sei, also eine Postreduktion stattfindet. Ich kann mir die Bedeutung der Konjugation nicht vor- stellen, wenn die Konjuganten gleich bei der ersten Teilung ans- einander weichen, besonders da zwischen der Konjugation und der Teilung die Chromosomen sicherlich ihre Individualität be- wahren. Jedenfalls haben wir gar keinen morphologischen Anhalts- punkt, dass ein Substanzaustausch, wie de Vries ihn annimmt, stattfindet. Und wenn wir gar mit Sutton und Montgommery annehmen, dass die Konjuganten immer väterlichen und mütter- lichen Ursprungs sind, so ist die Vorstellung sehr unwahrschein- lich, dass diese elterlichen Chromosomen sofort wieder für immer getrennt würden. Und wenn wir ferner auch die Annahme machten, dass die elterlichen Chromosomen in verschiedener Weise auf die beiden Pole verteilt würden, so würde ein solcher Vorgang bei geringer Chromosomenmenge nur einen geringen Wert haben und bei Ascaris megalocephala univalens vollkommen bedeutungslos sein. Es würden hier also nur väterliche oder nur mütterliche Anteile in die folgende Generation gelangen, was sehr unwahrscheinlich ist. — Dem Einwand, dass diese Be- denken bei einer Postreduktion dieselben bleiben, werde ich später begegnen. Bei meinem Objekt ist sachlich gegen die An- nahme einer Postreduktion nichts einzuwenden; man könnte da- her nur auf die Analogie mit anderen Objekten verweisen und sagen, dass man sonst überall bei der ersten Reifeteilung eine Verteilung ganzer Chromosomen, die keinen Längsspalt aufweisen, beobachte und daraus folgern, dass auch bei Ascaris mystax die erste Teilung keine Äquationsteilung sein könne. Dagegen 466 Harry Marcus: möchte ich gewisse Vorgänge nach der Synapsis in Erinnerung bringen, die eventuell geeignet sind, das oben erwähnte Einheits- schema von Montgommery-Gregoire umzudeuten, sodass statt der angenommenen Präreduktion eine Postreduktion statt- findet. Wenn wir die Prozesse bei der Auflösung des Synapsis- gewirres betrachten, so finden wir fast stets die Schilderung, dass dünne längsgespaltene Fäden sich aneinanderlegen, den dicken Strang des „noyau pachytene* von Winiwarter (Ol) bilden. Dieser muss de facto doppelt gespalten sein, wie dies auch z. B. Fig. 57 von Schreiner (05) zeigt, wo er quer getroffen eine Vierteilung aufweist. (Natürlich kann der Spalt mehr oder weniger deutlich sein und ist sicher bei vielen Objekten überhaupt nicht nachweisbar.) Aus diesem dicken einheitlichen Faden entstehen wiederum die zwei Fäden des „noyau diplotene“* (Winiwarter), welche direkt in die bivalenten Chromosomen, die „Tetraden“, übergehen. Diese Vorgänge werden als Chromosomenkonjugation gedeutet. Nun ist es aber durchaus nicht selbstverständlich, dass der Spalt zwischen den Chromosomen im noyau diplotene die ganzen Chromosomen trennt, genau so wie sie vor der Konjugation waren. Wir haben durch die Tatsache des oben erwähnten vierteiligen Stranges dieselben zwei Möglichkeiten zu erwägen, wie vorhin im Anschluss an die Textfig. s. Und ich meine, es ist zum mindesten ebenso wahrscheinlich, dass die Chromosomen sich nicht wieder ebenso trennen, wie sie sich vereint haben, sondern dass hier ein Austausch der längshalbierten Chromosomen statt- findet. Es würde also die verstärkte Linie in unserem Schema (Texfig. 8) dem Spalt der Chromosomen im noyau diplotene ent- sprechen. Wenn daher durch diesen Spalt bei der ersten Reife- teilung die Trennung erfolgt, so ist es eine Äquationsteilung, während erst die zweite Teilung die Reduktion bewirkt. Es wäre dies also eine Postreduktion. Diese Ausführungen, die auf den Untersuchungen von Schreiner (05), sowie verschiedener Botaniker basieren, sollen, wie oben erwähnt, einem eventuellen Einwand begegnen und ferner eine Möglichkeit darbieten, alle Reifeerscheinungen durch ein einheitliches Schema auszudrücken. Es ist klar, dass wir durch das Einschalten dieses Chromosomen- austausches nach der Synapsis sämtliche Fälle, die bisher als Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 467 Präreduktion aufgefasst wurden, in Postreduktion umdeuten können. Nun haben, wie schon oben erwähnt, Montgommery (05) und Gregoire (05) alle Reifeteilungen als „Präreduktion“ er- klärt. Ich brauche daher nicht ausführlicher auf die Literatur einzugehen, sondern verweise auf die Zusammenstellungen dieser beiden Autoren. Nur deute ich, wie oben ausgeführt, die Prä- reduktion in eine Postreduktion um, da es unzweifelhaft Fälle gibt, wo die Reduktion in der zweiten Teilung eintritt, womit also das Einheitsschema Montgommery-Gregoire widerlegt wird. Eine unwiderlegbare Postreduktion hat Goldschmidt (05), bei Zoogonus und Prandtl (05) beim Infusor Didinium be- schrieben. Beim Trematoden Zoogonus haben wir keine Synapsis, keine Konjugation, keine Tetradenbildung. Die Normalzahl zehn wird in der zweiten Reifeteilung durch Verteilung ganzer Chromosomen auf fünf in den Spermatiden resp. im Ei reduziert. Denselben einfachen Reduktionsmodus zeigt das Didinium. Hier ist die Normalzahl 16; die erste Teilung ist eine Äquationsteilung, bei der die 16 Chromosomen halbiert werden, die zweite Teilung ist eine Reduktionsteilung, indem von den 16 Chromosomen je acht an die beiden Pole wandern. Wir entscheiden uns also bei der Beantwortung der ge- stellten Frage, ob Prä- oder Postreduktion, für die letztere, aus theoretischen Gründen, sowie dem Bestreben, alle Reife- erscheinungen durch ein einheitliches Schema auszudrücken. Dieses werden wir noch modifizieren, wenn wir jetzt eine Deutung der Duplicität im Chromosom versuchen. Wie wir sahen, konnten wir fast in allen Stadien bei den Chromosomen in der Keimbahn eine Zusammensetzung aus zwei Teilen beobachten. Absolut sicher im Spermakern, vor der Chromosomenkonjugation, in der Urgeschlechtszelle; ferner, wenn auch nicht so bestimmt, in der gewöhnlichen Furchungsspindel und unsicher in den Ovogonien. Es ist also wahrscheinlich. dass jedes Chromosom stets aus zwei Teilen besteht. Diese Duplicität im Chromosom steht nicht so ganz vereinzelt da. So hat Maas (95) bei Spongien im Spermakern gespaltene Chromosomen beschrieben und abgebildet. Er deutet diese Duplieität als Vorbereitung zur Teilung. Labbe& (04) beschreibt beim Hummer überall zweiteilige Chromosomen. Bei der zweiten .Reifeteilung heisst es: „les dyades se placent dans le plan fusorial, 468 Harry Mareus: leur grand axe etant perpendiculaire au plan &quatorial; chaque sranule &tant devise en deux elles semblent des microtetrades. A la telophase, les spermatides sont separees par un pont fusorial; les noyaux reniformes montrent encore les microdyades, dont chacune doit representer un d“mi-chromosome.“ Ähnlich scheinen die Verhältnisse bei Hydra (Downing, 05) zu liegen. Es werden dort Unterabteilungen der Chromosomen, dort „Chromo- meren“ genannt, beschrieben, die unseren „Chromatiden“ ent- sprechen dürften, doch konnte ich aus der Arbeit nicht völlige Klarheit über die Vorgänge gewinnen. Auch bei Enteroxenos (Bonnevie 05) sieht man vierteilige Chromosomen, was wohl sicherlich anf eine Duplieität wie bei Ascaris hinweist, doch möchte ich auf die versprochene definitive Arbeit warten, ehe ich mir eine Deutung erlaube. Ferner hat Rückert (94) bei Diaptomus beobachtet und abgebildet, wie „die Chromosomen in der Tochterplatte der Furchungsspindel deutlich längsgespalten sina.“ Er deutet diese Duplieität als eine verfrühte Teilung. Ich zweifle nicht, dass man beim Studium der Literatur noch viele Beispiele der Zweiheit in den Chromosomen finden könnte, doch genügen diese wenigen, um zu zeigen, dass das Verhalten bei meinem Objekt kein Ausnahmefall sei, sondern dass ihm eine allgemeinere Bedeutung zukommt. Um eine breitere Basis für unsere Deutungen zu gewinnen, wollen wir unsere Befunde mit denen bei Copepoden ver- gleichen, die zu den am gründlichsten untersuchten Objekten gehören. Dabei wird sich von selbst eine Besprechung der Häckerschen Theorie der „Symmixis“ ergeben. Die fundamentalen Arbeiten von Rückert (94, 95) darf ich wohl als bekannt voraussetzen. Er sah, dass die erste Reifeteilung eine Längs- teilung der Chromosomen ist, dagegen konnte er die zweite Teilung nicht direkt beobachten und schloss nur, dass es eine Querteilung sei, in der Annahme, dass die Trennung durch den vorhandenen Querspalt erfolgen würde. In seinem zusammen- fassenden Referat (95) gab er eine halbschematische Abbildung von der Chromosomeneinstellung zur zweiten Teilung, die, wie Gregoire hervorhob, nicht beweisend ist; ich selbst habe durch ähnliche Bilder verleitet, in meiner vorläufigen Mitteilung eine Querteilung angenommen, während ich mich später von meinem Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 469 Irrtum überzeugte. Direkt gegen diese Querteilung der Chromo- somen sprechen die Befunde von Häcker (02) und Lerat (02) Häcker (04) freilich nimmt an, dass die winklig geknickten Chromosomen sich zwischen der ersten und zweiten Teilung mit ihrem Scheitel vereinigen, so dass eine Xförmige Figur entsteht. Nachher soll die Trennung so erfolgen, dass ein Austausch von Chromosomenhälften stattfindet. Die Tochterchromosomen der zweiten Teilung sollen also aus zwei hintereinander liegenden Teilen verschiedenen Ursprungs bestehen. Seine Abbildungen sind durch- aus nicht überzeugend, dass eine Vereinigung und nachträgliche Trennung wirklich stattfindet, besonders da in diesem Stadium bei anderen Formen die „Symmixis“ sicher ausgeschlossen werden kann. Trotz dieser Ablehnung ist mir die Theorie der Symmixis, das heisst die Annahme, dass ein Austausch von Chromosomen- hälften stattfindet, sehr sympatisch, weil Teile der konjugieren- den Chromosomen dadurch eventuell dauernd vereinigt werden können. Häcker verbindet seine Anschauungen mit der Theorie Suttons, dass immer ein väterliches mit einem mütterlichken Chromosom konjugiert, so dass Häcker in zweiteiligen Chromosomen der Zygoten grosselterlich ver- schiedene Anteile annimmt. Dies finde ich durchaus berechtigt in Anbetracht der Befunde bei Insekten, wo die Chromo- somen häufig so verschieden gross sind und immer ein Paar die gleiche Grösse zeigt. Wir werden später auf die Symmixis zurückzukommen haben; hier möchte ich nur nach dieser Abschweifung hervorheben, dass nach den Abbildungen (Fig. 39 bis 41) von Häcker (02), ganz abgesehen, ob eine Symmixis stattfindet oder nicht, ersichtlich ist, dass die zweite Reifeteilung die Chromosomen der Länge nach teilt. Diese morphologische Tatsache wird bestätigt durch Lerat (02), der in den Tochterchromosomen nach der ersten Teilung einen Längsspalt beschreibt, wie er in q RN r Textfigur 9 wiedergegeben ist. Nach den Fig. 9. vorliegenden Untersuchungen können wir Anaphase dererstenSperma- also annehmen, dass ebenso wie bei Ascaris tocytenteilung von Cyelops auch bei Cyclops zweimal eine Längs- Bo u uaelgerae) teilung der Chromosomen erfolgt. Wir nehmen also im Gegensatz zu Rückert mit Häcker und Lerat an, dass die zweite Reifeteilung eine Längsteilung sei. Daraus folgt 470 Harry Mareus: unmittelbar, dass jener Querspalt, durch den bei Rückert die Trennung erfolgen sollte, bestehen bleibt und den Chromosomen der Zygoten eine mehr oder minder deutliche Duplicität verleihen muss. Es wäre also sehr gut denkbar, dass dieser Querspalt (d.h. die chromatinfreie Stelle in der Mitte der Chromosomen, an der man aber deutlich eine achromatische Verbindung wie bei unserem Objekt nachweisen konnte) auch in den Chromosomen der Furchungszellen fortbestehen könnte, das würde denn das oben zitierte Bild Rückerts (94) von Diaptomus illustrieren. Freilich deuten wir die dort so offenkundige Trennung der Uhromosomenhälften nicht wie der Autor als „voreiligen“ Längs- spalt, sondern als den ursprünglichen Querspalt. Es würde dies dem Befund bei Ascaris entsprechen, wo wir in der Urgeschlechts- zelle ebenfalls eine Duplieität im Chromosom nachweisen konnten. Den Spalt hier bezogen wir auf den in den Spermakernchromosomen beobachteten, der also dem Querspalt der „Tetrade“ entsprechen muss. Wir sahen ferner, wie in der Urgeschlechtszelle die halbe Normalzahl wieder auftrat durch eine Konjunktion der Chromo- somen. Diese elf bivalenten, aus je vier Chromatiden bestehenden Chromosomen müssen eine Teilung erfahren innerhalb der Zelle, denn wir finden in den Ovo- und Spermatogonien 22 Chromosomen, die dann aus zwei Chromatiden bestehen müssen, eine Tatsache, die ich auch bei Ovogonienchromosomen beobachtet zu haben glaube, wenn ich mich auch nicht absolut sicher vom Querspalt überzeugen konnte, der ja später in der Ovocyte sehr deutlich zu sehen ist. Der Vorgang der Teilung konnte nicht direkt beobachtet werden, weil die Urgeschlechtszellen zu klein werden und die Zwischenstadien bis zur Bildung der Geschlechtsdrüsen fehlen. Es ist aber sicher wahrscheinlicher, auch wenn wir diesen unsicher beobachteten Querspalt im Ovogonienchromosom ausser Acht lassen, dass die Trennung nicht so erfolgt, wie die ursprüng- liche Vereinigung, sondern senkrecht dazu, durch den prä- existierenden Spalt innerhalb des Chromosoms, durch den früheren Querspalt, der späterhin zum Längsspalt der durch Konjunktion entstandenen „Tetrade“ geworden war. Nach erfolgter Trennung der bivalenten Chromosomen hätten wir jn diesen univalenten Chromosomen der zukünftigen Ovogonie hintereinander geschaltet zwei verschiedene Chromosomenhälften. Es hätte somit eine Symmixis (Häcker) stattgefunden. | .n . = . r- Ei und Samenreife bei Ascaris canis. ATıl Wenn wir uns nun vorstellen, dass die Trennung des eben besprochenen bivalenten Chromosoms nicht in der Urgeschlechts- zelle erfolgt, sondern dass es bis in die Geschlechtsmutterzellen persistiert, so liesse sich vielleicht die „Pseudoreduktion“ bei Cyelops auf diese Weise erklären. Denn eine Konjugation oder Konjunktion (was, wie wir später sehen werden, gar kein Gegen- satz zu sein braucht) muss notwendigerweise in der Urgeschlechts- zelle von Cyclops erfolgen, zur Herstellung der reduzierten Zahl in den Ovogonien. Rückert hat gezeigt, dass in den bivalenten Uhromosomen frühzeitig ein Längsspalt zu beobachten ist, während ganz vereinzelt ein schwacher Querspalt zu erkennen ist. Letzterer soll nach Rückert ganze Chromosomen trennen, während der Längsspalt äquale Teile spalten soll, eine Auffassung, die Mont- sommery (05) als unbewiesen zurückweist, da nicht angegeben werden könne, wie die Chromosomen sich verbunden hätten, ob also eine Konjugation oder eine Konjunktion sie vereint hätte. Nach unserer Deutung würde der frühzeitig auftretende Längs- spalt bei Cyclops nur die Symmixis vollenden und wir hätten in den Produkten dieser Längsspaltung ganze univalente Chromo- somen. Für diese Auffassung spricht auch die merkwürdige Selbständigkeit dieser Uhromosomen, die so weit voneinander weichen und sich seltsam verschlingen. Sie bleiben nach Rückerts Angaben vereinigt. Wir können es nach meiner Deutung anders ausdrücken: sie „konjugieren“. Die Deutung des angedeuteten Querspaltes, der dem bei Ascaris völlig entspricht, soll später versucht werden. Wie wir oben sahen, können wir für die Reifeteilungen zwei Längsteilungen mit Häcker und Lerat annehmen, so dass wir eine vollständige Übereinstimmung mit Ascaris canis besitzen. Nur ein unwichtiger zeitlicher Unterschied ist vor- handen: Die Konjunktion der Chromosomen ist bei Cyelops länger andauernd, die Symmixis wird erst in den‘ Ovocyten von Cyclops durch den Längsspalt vollendet, während sie bei Ascaris schon vor den Ovogonien stattgefunden haben muss. Diese unwesentliche Differenz ist nur ein Vorteil, da sie eine Erklärung der Pseudoreduktion bei Cyclops ermöglicht und anderer- seits diese unsere Auffassung der Symmixis bei Ascaris stützt. Die Frage, ob Prä- oder Postreduktion bei Cyclops statt- findet, können wir natürlich noch weniger als bei Ascaris ent- Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 68. 31 472 Harry Marcus: scheiden. Wir schliessen nach Analogie, dass auch hier eine Postreduktion eintritt. Dabei brauchen wir nicht eine dizentrische Wanderung der Längshälften der Chromosomen anzunehmen, wie Häcker (02) es tut, sondern könnten uns denken, dass in einem vierteiligen Synapsisfaden die Äquationsteilung vollzogen worden sei, wie wir es oben ausgeführt haben. Bei der Annahme der Symmixis, wie wir sie machen, ist es notwendig, dass die Chromosomen sich der Kugelform nähern. (Auch bei Copepoden finden sich kuglige Chromosomen in diesen Stadien.) Dies ist auch bei den Vorkernchromosomen der Fall, wie Fig. 44 zeigt. Die Halbierungslinie bei den kugligen Sperma- kernchromosomen entspricht einerseits dem Querspalt der Sperma- tocyten, andererseits dem Längsspalt der durch Konjunktion ver- bundenen Chromosomen der Urgeschlechtszelle.e Die Form der Chromatide ist aus dem Queroval in einen Halbkreis, darauf in ein Längsoval übergegangen: es hat eine Umorientierung des Chromosoms um 90° stattgefunden. Daraus ergibt sich, dass in unserem Falle „Konjugation“ und „Konjunktion“ nur morpho- logisch, nicht ihrem Wesen nach, Gegensätze sind; denn was wir in der Urgeschlechtszelle als Konjunktion bezeichnet haben, ist eine echte Konjugation in bezug auf die vorhergehende Generation. Nachdem wir nun durch das Übereinstimmen unserer Befunde mit den bei Copepoden auf eine allgemeinere Verbreitung derselben schliessen dürfen, wollen wir eine Deutung versuchen. In Meran beim Naturforscherkongress (05) habe ich vorgetragen, was im folgenden gleich näher auszuführen sein wird. Als Resultat konnte ich beide Reifeteilungen als Reduktionsteilungen an- sprechen. Natürlich entspricht dieser Gedankengang, dessen spekulativen Charakter ich ausdrücklich hervorgehoben habe, nur einer Möglichkeit; wie denn ja auch die Annahme der Symmixis ganz hypothetisch ist. Vom theoretischen Standpunkt verliert die Annahme einer zweimaligen Reduktion jegliches Paradoxe, wenn man bedenkt, dass nicht notwendigerweise gerade elterliche Anteile eliminiert werden müssen, sondern eventuell gonomere Teile früherer Gene- rationen. So könnten z. B. sehr gut die vier grosselterlichen Anteile zweimal reduziert werden. Dass diese Auffassung natürlich nichts mit der von Wilcox gemein hat, ist klar; denn dieser Autor leugnete mit seinen zwei 473 A Vorkerne B Erste Blastomere (Urgeschlechtszelle) C Spermatogonie D Spermatocyte (Chromosomenkonjugation) Erste Reifeteilung „Aequationsteilung“ Reduktion ururgrosselter- licher Anteile. Zweite Reifeteilung „Reduktionsteilung“ Reduktion gross- elterlicher Anteile Zygoten mit gleichen elterl. G _ungleichen grosselterlichen Anteilen Fig. 10. Schema der gesamten Keimbahn zur Erläuterung des Schicksals eines Chromosomenpaares. Die Verschiedenheit der Kopulanten ist ausgedrückt bei den Eltern durch den Ton, den Grosseltern durch die Kontur, den Urgross- eltern durch die Strichelung, den Ururgrosseltern durch Punktierung. 474 Harry Marcus: Reduktionsteilungen gerade die Existenz einer Reduktion im Sinne Weismanns. Z Zur Orientierung schicken wir den Grundgedanken voraus: Die Chromosomen sind gonomer zusammengesetzt, d.h. sie bestehen aus selbständigen kleineren Teilen, die verschiedenen Vorfahren angehören. Bei beiden Reifeteilungen werden solche Teile auf verschiedene Zellen verteilt, so dass jedesmal eine echte Reduktion im Sinne Weismanns eintritt. Wir wollen nun an der Hand eines Schemas versuchen, diesen Reduktionsmodus bis ins Detail durchzuführen. Unser Schema umfasst das Schicksal der Chromosomen auf der ganzen Keimbahn, wobei wir statt 22 nur 2 als Normalzahl nehmen. Wir beginnen bei den Vorkernen A, B soll die Kon- junktion in der Urgeschlechtszelle bezeichnen. Es erfolgt die Symmixis und wir sehen in C eine Spermatogonie mit der Normal- zahl der Chromosomen, die bei der Konjugation in der Sperma- tocyte D aus vier Chromatiden bestehen. Zwischen D und E, der Anaphase der ersten Reifeteilung, muss die Textfigur 3 interpoliert werden, welche die Bildung der „Tetrade“ und die Teilung in die Tochterchromosomen illustriert, wie wir es oben besprochen haben, als wir uns für die Postreduktion entschieden. Unser Schema zeigt aber nicht die Bildung und Teilung der Tetrade, da es nur plastisch darstellbar ist, und dies das Schema noch mehr komplizieren würde. Man muss sich vorstellen, dass die konjugierenden Chromosomen in D übereinander zu liegen kommen und die achtteilige „Tetrade“ bilden. Die Trennung geht dann der Länge nach durch jedes konjugierte Chromosom, so dass wir nach dieser Äquationsteilung als Resultat die vier- teiligen Tochterchromosomen der Spermatocyte zweiter Ordnung erhalten, wie wir sie in E sehen, nur sind sie um 90° gedreht, da wir sie eigentlich von der Kante aus sehen. Unser Schema endigt in G mit den Spermakernchromosomen, die ja die folgende Generation darstellen. Die Ergebnisse, die wir in G als Resultat der Reifeteilungen finden, werden wir wieder in A eintragen, so dass wir somit unser Schema für zahlreiche Generationen in Anspruch nehmen können. Um das mütterliche Chromosom vom väterlichen in der Zeichnung zu unterscheiden, habe ich die Tönung angewandt. Grossväterliche und grossmütterliche Anteile wollen wir durch den Kontur unterscheiden usw. Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 475 Die also durch die Tönung als väterlich und mütterlich differenzierten Chromosomen der Vorkerne vereinigen sich durch Konjunktion in der Urgeschlechtszelle B. Es findet die Trennung, wie oben besprochen, durch den Längsspalt des bivalenten Chromo- soms statt, d.h. wir nehmen eine Symmixis an. (Dabei tuen wir den Tatsachen keinen Zwang an, sondern wählen uns eine von den beiden Möglichkeiten.) Die Chromosomen der Spermatogonie bestehen nun aus einem väterlichen und einem mütterlichen Anteil und ich erwähnte, dass ich eine Querteilung in den Chromosomen einer Ovogonie tatsächlich beobachtet zu haben glaube (Fig. 30). Jedenfalls ist der Querspalt späterhin sehr manifest und in der Spermatoeyte D sehen wir die vierteiligen Chromosomen konjugieren. Die erste Teilung halbiert, wie wir oben ausgeführt haben, die konjugierenden Chromosomen der Länge nach, während die zweite die beiden restierenden Hälften dieser durch eine weitere Längsteilung ver- teilt. Wir sehen nun, dass nicht nur bei der ersten, sondern auch bei der zweiten Reifeteilung, der „Reduktionsteilung“ (in F) in den Tochterchromosomen Vater und Mutter durch den Quer- spalt getrennt, gleichmässig vertreten sind. Es wäre also die zweite Reifeteilung, was die elterlichen Anteile betrifft, im strengem Sinne hier ebenfalls eine „Äquationsteilung“; oder mit anderen Worten: es findet keine Reduktion von elterlichen An- teilen statt. Wir haben daher in den Sperma- resp. Vorkern- chromosomen überall väterliche und mütterliche Teile und da die Vorkerne schon der nächstfolgenden Generation angehören, müssen wir von grosselterlichen Anteilen reden. Wir deuten also die Duplieität im Vorkernchromosom direkt als Ausdruck der Gonomerie und sehen in den Hälften grosselterlich verschiedene Anteile. Dieses Resultat, das durch den Ton in @ ausgedrückt wurde, tragen wir in A durch die Verschiedenheit der Konturen ein. Der glatte und der gestrichelte Kontur soll das grossväterliche Halbehromo- som vom grossmütterlichen kennzeichnen. Wenn wir nun die Chromosomen in der zweiten Generation weiter verfolgen, so erkennen wir jetzt das Wesen der Symmixis, wie sie die elter- lichen Chromatiden vereinigt und die grosselterlichen trennt. Die Chromosomen der Spermatogonie sind also, wie wir schon sahen, in bezug auf ihre Eltern gleich, ungleich rücksicht- lieh der Grosseltern. Wir dürfen daher, wenn wir exakt sein 476 Harry Marcus: wollen, nicht mit Montgommery und Sutton sagen, dass väterliche und mütterliche Chromosomen in D konjugieren, sondern müssen sie als grossväterliche und grossmütterliche bezeichnen. Durch die erste Teilung, die „Äquationsteilung“, gelangen gleiche Teile in die Spermatocyten zweiter Ordnung; und dann erfolgt eine echte Reduktionsteilung, eine Verteilung grosselter- licher Anteile auf die Spermatiden. Soweit können wir unser Schema auf direkte Beobachtung aufbauen, auf Grund der Duplieität in den Chromosomen. Wir können aber logisch weiterbauen in der Annahme, dass die grossväterliche Chromatide abermals aus zwei urgrosselterlichen Hälften zusammengesetzt sei, oder allgemeiner ausgedrückt, dass die Chromosomen aus einem Mosaik ihrer Vorfahren bestehen, und ferner in der Er- wägung, dass wir in der Symmixis eine Umorientierung der Uhromosomen um 90° bei jeder folgenden Generation haben. Wir dürfen also, glaube ich, schliessen, dass jedes gross- elterliche Halbchromosom aus einem urgrossväterlichen und einem urgrossmütterlichen Viertelchromosom besteht. Auch wenn wir keinen Spalt erblicken können, der senk- recht zu dem bestehenden verlaufen müsste. Die urgross- elterlichen Teile sind in unserem Schema durch Strichelung differenziert. Sie verhalten sich ganz passiv in dieser Generation. Wir sehen jetzt eklatant die Umorientierung des Chromosoms durch die Symmixis, wie nämlich die ursprünglich in der Quere angeordnete Strichelung infolge der Drehung um 90° nun longitudinal in G verläuft und jetzt in den Spermakernen die ururgrosselterlichen Anteile bezeichnet, die wir in A durch Punktieren bezeichnen wollen. Der Längsspalt der beiden gross- elterlich verschiedenen Konjuganten trennt jetzt ungleiche Teile, und bei der ersten Reifeteilung findet eine Verteilung, eine Reduktion ururgrosselterlicher Anteile statt. Vier Generationen hindurch hätten also die bei der Symmmixis verbundenen elter- lichen Chromosomen zusammengehalten! Wir hätten also zwei echte Reduktionsteilungen im Sinne Weismanns, wovon die eine grosselterliche, die andere ururgrosselterliche Teile trennt. Wir haben in unserem Schema nur die „abbauenden‘ Prozesse verfolgt. Nun muss naturgemäss auch eine Verdoppelung der Deter- minanten oder wie man die Chromomeren sonst nennen will, stattfinden. Ob diesem Prozess der Längsspalt im Faden nach Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 477 der Synapsis entspricht, kann man nur als vage Vermutung aussprechen. Wir wollen uns nicht in weiteren Spekulationen verlieren, denn es verlohnt sich nicht, ein so hohes Hypothesen- gebäude aufzubauen, ehe nicht das Fundament ganz sicher ist. In unserem Falle muss also zunächst die Symmixis zwischen Urgeschlechtszelle und Geschlechtsmutterzelle (Spermato- und Ovogonie) bei anderen Formen sicher nachgewiesen sein. Das ist eine nicht leichte Aufgabe, ein Objekt zu finden, dessen ge- samte Keimbahn beschafft werden könnte, und das in dieser Periode so günstige Elemente besässe, dass man das Schicksal der Chromosome bis in die Geschlechtsmutterzellen verfolgen könnte. Ferner muss als Grundlage die Annahme der Chromosomen- individualität gemacht werden, was wir bisher stillschweigend getan haben, obwohl wir oben im speziellen Teil sahen, dass nach der Synapsis der achromatische Faden in kleine Körner und unregelmässige Massen zerfiel, so dass von einer starren Individualität nicht die Rede sein kann. Trotzdem halten wir aus theoretischen Erwägungen an dem von Boveri (04) erweiterten Begriff der „physiologischen Individualität“ fest, da es ja durch- aus nicht undenkbar ist, dass die verstreuten Chromomeren sich bei der Gruppierung zu Chromosomen wieder in denselben Ver- band wie vorher anordnen. Jedenfalis hat die Individualitätslehre so viele Thatsachen erklärt, dass die sie ablösende Hypothese manches von ihr mit herüber nehmen wird. So phantastisch und konstruiert unser Schema auch auf den ersten Blick erscheinen mag, so möchte ich doch nochmals betonen, dass es auf der Beobachtung einer Duplieität im Chromo- som beruht, die bei Verwerfung des Schemas als sichere Tat- sache der Deutung harrt. Unser Schema basiert also auf den geschilderten Befunden bei Ascaris, mit denen die von Üyclops in Einklang gebracht wurden; es wird ferner gestützt durch all- gemein vorkommende Befunde, so zum Beispiel den so frühzeitig auftretenden Längsspalt im Faden nach der Synapsis. Denn eine Deutung dieser Tatsache, es handle sich hier um eine Vor- bereitung für eine Teilung, die in so ferner Zeit vielleicht nach Monaten oder Jahren (bei Säugetieren) erfolgen soll, ist wenig plausibel und dürfte ohne Analogon sein. Ganz unverständlich ist es ferner, weshalb in der Natur ausnahmslos zwei Reifeteilungen vorkommen, wenn nur die eine 478 Har'r yıMareuis: von ihnen von so fundamentaler Bedeutung wäre und die Reduktion bewerkstelligen sollte. Dabei ist die grosse morpho- logische Ähnlichkeit der beiden Reifeteilungen besonders auf- fallend, nicht nur in unserem Fall, sondern auch bei vielen anderen Objekten liessen es die Autoren unentschieden, welche denn von den beiden Teilungen die Reduktionsteilung sei, wenn sie eine solche auch bestimmt annehmen. Die Äquationsteilung wird kaum beachtet, denn das Ver- halten der Chromosomen entspricht dem einer gewöhnlichen Zell- teilung, muss also in Weismannschem Sinne in bezug auf die Determinanten einer Ovogonienteilung analog gehalten werden; und doch ist diese ihre Deutung durchaus nicht so selbstver- ständlich, da sie eigentlich gar nichts erklärt. Denn eine Ver- mehrung der Zygoten durch sie bewirkt, wäre ja ganz irre- levant gegenüber der von den Vermehrungsteilungen und würde beim Ei ganz wegfallen. Unser Schema würde also auch die Tatsache deuten. dass überall in der Natur zwei Reifeteilungen auftreten. Beide Reife- teilungen sind nach unserer Auffassung wesensgleich, d. h. beide reduzieren Chromosomenanteile der Vorfahren. Die Sonder- stellung, die die Reifeteilungen unter den übrigen Zellteilungen einnehmen, würde somit nicht nur auf die inäquale Zellteilung bei der Richtungskörperbildung und ähnliche Abweichungen von der Norm bedingt sein, sondern der fundamentale Unterschied würde darin bestehen, dass eine Zellteilung ohne eine Chromo- somenteilung stattfindet. Während bei einer gewöhnlichen Zell- teilung die Verdoppelung und Teilung der Chromosomen als das Wesentliche betrachtet werden muss, sehen wir bei den Reife- teilungen nur eine Verteilung der Chromosomen. Wir verschärfen somit den Gegensatz zwischen gewöhnlicher Zellteilung und Reifungs-Teilung. die wir als prinzipiell verschieden auffassen müssen. Unser Schema ist nicht auf Ascaris canis beschränkt, da die Befunde bei Oyclops vollständig damit in Einklang zu bringen sind. Ferner passen nach der oben ausgeführten Modifikation sämtliche „typischen“ Fälle von Montgommery und Gregoire hinein, wenn wirklich eine Symmixis stattfindet. Auch die beiden Beobachtungen unzweifelhafter ‚„Postreduktion“ (wir gebrauchen diesen Begriff zu unserer Verständigung, obwohl wir nach unserer Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 479 Auffassung seine Existenzberechtigung anzweifeln müssen) bei Didinium und Zoogonus die Montgommerys Schema sowohl als auch das von Gregoire umstürzen, lassen sich mit dem meinen vereinigen. Denn beim Didinium hat Herr Dr. Prandtl beobachtet und die Liebenswürdigkeit gehabt, mir die Präparate zu zeigen, dass im befruchteten Tier vor der fertigen Spindel genau 32 chroma- tische Körner gezählt werden können, die sich dann zu den üblichen 16 Chromosomen vereinigen. Es wäre somit denkbar, dass auch hier ein Dualismus im Chromosom bestünde. Beim Zoogonus sehen die univalenten Chromosomen vor den Reifeteilungen (Fig. 13 von Goldschmidt [05b]|) auffallend den Chromosomen ähnlich, die wir sonst in diesem Stadium zu sehen pflegen und die dann zweifelsohne bivalent sind. Es ist sehr auffällig, dass diese weit verbreitete Trennung der Chromosomen- hälften nur eine Vorbereitung zur ersten Teilung sein soll, be- sonders da ja die Kernmembran noch erhalten ist. Wenn nun auch diese Spalthälften keine univalenten Chromosomen sind, so imponieren sie doch als selbständige Einheiten. Dieser „vor- bereitende“ Längsspalt lässt sich auch hier ganz weit zurück verfolgen (Fig. 9, 10. 11 von Goldschmidt [O5 b)). Ich glaube nicht, dass dieser so allgemein wiederkehrende Befund der so frühzeitigen Längsspaltung nur als Vorbereitung der künftigen Teilung angesehen werden kann. Es ist nicht undenkbar, dass auch bei Zoogonus ein der Synapsis ent- sprechendes Stadium sich abspielt, nach dem durch eine Kon- jugation ein Austausch von Chromosomenhälften stattfindet, wie wir oben es für den viergeteilten Faden angenommen haben. Die beiden Hälften würden dann keine Produkte einer Längs- spaltung eines Chromosoms sein, sondern würden verschiedenen Ursprungs sein, wodurch sie in der Tat eine Einheit vorstellen würden, womit die oben erwähnte Selbständigkeit gut harmonieren würde. Wir dürften also auch hier vielleicht einen Dualismus im Chromosom annehmen. Nun könnte gegen die Annahme der Symmixis geltend gemacht werden, dass Boveri bei Ascaris megalocephala die Urgeschlechtszelle genau verfolgt habe, ohne irgend etwas der Konjunktion ähnliches beschrieben zu haben. Nun hat aber Boveri nicht die Urgeschlechtszelle bis zur Geschlechtsmutter- 480 Harry Mareus: zelle verfolgen können und ferner liegen die Verhältnisse bei Ascaris megalocephala sehr kompliziert durch den Umstand, dass in den Körperzellen etwa 50 kleine Chromosomen sich finden, während die Geschlechtsmutterzellen vier resp. zwei grosse auf- weisen. Diese grossen „Geschlechtschromosomen“ können wir als einen Chromosomenverband auffassen, oder wir müssen die kleinen zahlreichen somatischen als Chromosomenteile ansprechen. Ich halte die erste Ansicht für richtiger, wobei ich mich einer Auf- fassung verschiedener Autoren und namentlich Brauers anschliesse, der in den „Mikrotetraden“ das Wesentliche, ihre Verbände zu den grossen Chromosomen dagegen als nebensächlich ansah. (Letzteres wird wohl nach unseren heutigen Ideen nicht mehr ganz richtig sein, denn je grösser die Verbände sind, desto kleiner wird die Variationsmöglichkeit sein und desto konstanter die Art.) Die Auffassung, dass die somatischen Chromosomen die Einheit repräsentieren, kann durch verschiedene morphologische- Befunde gestützt werden. So hat Sala (95) durch Kältewirkung eine Reifungsspindel erhalten. die eine Unzahl kleiner Chromosomen aufweisst. Wasiliewski (93, Fig. 13—15) beschreibt den Zerfall des „Chromatinfadens in kubische Elemente, zu deren jedem eine Spindelfaser sich begibt. Die Zahl derselben ist nicht genau bestimmbar gewesen, da in den betreffenden Stadien die Äquatorialplatte nur von der Seite zur Beobachtung gelangt. Doch schien sie S—10 zu betragen.“ Ebenso habe ich an einem Keimbläschen einer unbefruchteten Ascaris megalocephala 24—25 bivalente Chromosomen gezählt. Es war ein Stadium, das meiner Fig. 36 entspricht; auch die Chromosomen waren in der Form ähnlich wie bei Ascaris canis, nur etwas kleiner. Doch konnte man deutlich zwei chromatische Elemente nebeneinander unterscheiden, von denen jedes durch eine Lininbrücke in der Mitte der Quere nach in zwei Chromatiden geteilt wurde. Das Ei zeigte schon eine Schale, doch entwickelte es sich parthenogenetisch nicht weiter. Dieser Fall wäre ein- wandsfrei, wenn er bestimmt von Ascaris megalocephala stammte: ich bekam aber nur ein kleines Stück Eiröhre, so dass immer eine Täuschung möglich sein kann, dass es sich trotz gegenteiliger Versicherung um Ascaris lumbricoides gehandelt hat. — Ferner zeigt uns die Fig. 115 der äusserst exakten Zeichnungen Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 481 Brauers (93) eine pathologisch veränderte Spermatocyte von Ascaris megalocephala bivalens. Jede der beiden Gruppen hat die Wertigkeit eines bivalenten grossen Chromosoms. Wir zählen nun in jedem der vier Stäbchen 11—13 hintereinander gereihte Körner. Die Zahl haben wir, da die Tetrade bivalent ist, mit zwei zu multiplizieren, was 24 ergibt, wenn wir die Durchschnitts- zahl nehmen. 24 in jeder der zwei Gruppen gibt 48 als Normal- zahl, wenn wir die Körner als Einheiten gleich den somatischen Chromosomen auffassen. Diese Erörterungen machen natürlich nicht den Anspruch etwas zu beweisen, sie sollen nur eventuell die Möglichkeit zeigen, die Vermutung zu begründen, dass Ascaris univalens und bivalens gleich viele Chromosomen besitzen. Dies könnte, glaube ich, an einem der oben zitierten Fig. 115 von Brauer analogen Bild von Ascaris univalens gezeigt werden, wenn in dem Strang statt ca 12 konstant ungefähr 24 Körner hintereinander gezählt werden könnten. Wir kommen also zum Schluss, dass Ascaris megalocephala einen sekundär komplizierten Reduktionsmodus aufweist, der nicht ohne weiteres gegen unser Schema ausgespielt werden darf. Denn die Chromosomen in der Keimbahn müssen wir als plurivalente Verbände ansehen. Es ist daher auch die Gepflogenheit, Ascaris megalocephala immer als Paradigma der Reifeteilungen zu benutzen und die Diminution gar nicht oder nur beiläufig als Nebensache zu erwähnen, nicht ohne weiteres zulässig. Freilich ein schöneres Demonstrations- objekt gibt es kaum, aber bei einem Schema sollte es ver- mieden werden. Wie nun aus den vielen kleinen Chromosomen ein Chromosomen- verband entstanden ist, ist eine Frage für sich. Ich will kurz für diejenigen, die mein Schema und die Annahme der Symmixis nicht akzeptieren, eine zweite Deutungsmöglichkeit der Duplieität im Chromosom von Ascaris canis geben, die auf obige Frage Bezug hat. Bei der Frage nach dem Ursprung des Spaltes, der diese Duplicität bewirkt, müssen wir zwei Möglichkeiten erwägen, ob er nämlich als Vorbereitung zu einer später zu erwartenden Teilung oder als Zeichen einer unvollkommenen Vereinigung zu deuten sei. Die erste Möglichkeit müssen wir ablehnen, da auf keiner der folgenden Teilungen eine Trennung der Chromosomen längs des betreffenden Spaltes erfolgt, also von einem „vorbe- reitenden Trennungsspalt“ nicht gesprochen werden kann. Es 482 Harry Marcus: erscheint uns also die Annahme einer unvollständigen Vereinigung wahrscheinlicher. Daraus folet unmittelbar, dass ursprünglich die doppelte Ohromosomenanzahl, also 44 vorgelegen haben muss. Nun hat es sich gezeigt, dass nah verwandte Arten oft die gleiche oder eine ähnliche Chromosomenzahl aufweisen. Es existieren Chromosomenzahltabellen, und ich brauche daher nicht näher darauf einzugehen. Bei Ascarisarten findet man die Zahl 48 bei Ascaris lJumbricoides und bei Ascaris clavata, sowie an- nähernd in den somatischen Zellen von. Ascaris megalocephala. Nach der obigen Deduktion würden bei Ascaris canis ursprüng- lich 44 vorhanden sein. Es würde somit eventuell jener Querspalt ein Rudiment einer Verbindung ganzer Chromosomen sein. Wir können uns vorstellen, dass es eine erste Etappe einer Uhromosomenverschmelzung sei, deren zweite Spiroptera mit zwölf Chromosomen darstellt und deren dritte Ascaris megalocephala bivalens sei. In Ascaris megalocephala univalens würde dieser Vereinigungsprozess seinen Abschluss finden. Ich muss gestehen, dass ich meine erste Deutung der Duplieität der Chromosomen viel plausibler finde als diese phylogenetische Spekulation. Bei der Besprechung des GCentrosoms können wir uns kurz fassen, denn wir haben nur Brauers Befunde bestätigt. Viele andere Autoren geben auch an, dass das ÜUentrosom im Kern gebildet sei; ich verweise auf Wilsons Lehrbuch (02), in dem dies alles zusammengetragen ist. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen. dass in all den Fällen, wo das Centrosom im Plasma entsteht, es trotzdem eventuell aus dem Kern ursprüng- lich stammen kann. Wir sehen fast überall, dass in der Wachs- tumszone Chromidien den Kern verlassen. Aus diesem bildet sich oft ein sichelförmiger Körper, der sich an den Kern lagert und in dessem Innern nachher die Centrosomen zuerst auftreten (z. B. Schreiner [05] bei Myxyne). Dies würde genau dem Verhalten beim Aktinosphaerium entsprechen (R. Hertwig [98]), wo aus einem chromatischen, aus dem Kern stammenden Teil, das Centrosoma entsteht. Was die weiteren Schicksale des Centrosoms betrifft, so glaube ich wahrscheinlich gemacht zu haben, dass es mit dem Spermatozoon ins Ei gelangt, wie auch sonst. Wenn es nun auch von der letzten Reifeteilung bis zur ersten Furchungsspindel persistieren soll, so will ich damit natürlich nicht gesagt haben, Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 483 dass es nicht de novo auch entstehen könnte, wie es neuere Experimentaluntersuchungen wahrscheinlich machen. Zusammenfassung. 1. Es findet eine Konjugation der Chromosomen statt. Die beiden Reifeteilungen sind Längsteilungen, folglich muss die eine von ihnen eine echte Reduktionsteilung sein. 3. Die Chromosomen zeigen eine „Duplicität“. 4. In der Urgeschlechtszelle scheint wiederum eine Reduktion der Zahl einzutreten durch „Konjunktion“ der Chromosomen. Eine Symmixis ist demnach wahrscheinlich. 6. Auf Grund weitgehender Gonomerie innerhalb des Chromo- soms kann man beide Reifeteilungen als Reduktionsteilungen auflassen. Das Centrosoma entsteht im Kern. Wahrscheinlich bleibt das Centrosoma der Spermatide er- halten und gelangt mit dem Spermatozoon in dessen Kern ins Ei. 9. Der Glanzkörper entsteht aus den Dotterkugeln. 10. Derselbe geht allmählich im Ei zu Grunde, ohne bei der Befruchtung unmittelbar beteiligt zu sein. 11. Es konnte morphologisch bestätigt werden, dass als Energie- quelle Glykogen verbraucht wurde. [89] oO wer | Zitierte Literatur. Ballowitz, E. (98): Zur Kenntnis der Zellsphäre. Arch. f. Anat. Entw., Anat. Abt. Bd. 43. Barfurth, D. (85): Vergleichend-histochemische Untersuchungen über das Glykogen. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. 25. 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Fig. 1—6. Comp.-Oe. 8, Obj. !/ız, homog. Immers. Fig. 1. Spermatogonie vor Auflösung des Kernes zur Teilung. 22 Chromo- some ausser dem Nucleolus. Eisen-Hämat. Fig. 2. Synapsis. Delafield-Hämat. Fig.3. Lösung der Synapsis beginnt. Fig. 3b Trophochromatin aus dem Kern tretend. Fig. 3c Plastinnucleolus. Fig.4. Delafield-Hämat. Spermatocyte. Vom Plasma nur ein Ring ge- zeichnet. Nucleolus chromatisch. Gespaltene Fäden bilden ein Maschenwerk. Fig.5. Eisen-Hämat. Plasma teilweise als Rahmen gezeichnet. Konju- sation der gespaltenen Chromosomen, die noch durch achromatische Fäden mit dem Chromatin-Nucleolus verbunden sind. In Fig. 5b sind sie schon von demselben getrennt. Fig.6. _Eisen-Hämat. Kern vor den Reifeteilungen. 11 bivalente Chromosomen. Fig.7. _ Delafield. Oc. 4, Obj. !ı2, homog. Immers. 2 Centrosomen im Kern mit auf sie orientierten Lininfäden. Fig. 8. Eisen-Hämat. Vorfärbung Anilinblau. Oc. 2, Obj. !/ı2, homog. Immers- Öentrosom mit Centriole innerhalb des Kernes. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig Fig Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 487 .9. Delafield. Oec. 2, Obj. Y'ız, hom. Immers. Durchtritt des Centro- soms durch die Kernmembran. Strahlung im Plasma. .10—16. Comp.-Oc. 8, Obj. !/ız, hom. Immers. .10. Delafield-Hämatox. Centrosoma in einer Kernnische. .11—19.. Eisen-Hämatox. .11. Eben vor Auflösung des Kernes. Das untere Centrosom sieht durch den Schnitt kleiner aus. Die „Tetraden‘‘ sehen immer 4teilig aus, bestehen aus 4 Stäbchen oder 4 Kugeln, müssen also Steilig sein. Der«radiär angeordnete Dotter nur angedeutet. .12. Bei fester Einstellung gezeichnet, so dass nur wenige Chromosomen abgebildet. Frühe Anaphase. 4teilig. Häufig sind die auseinander weichenden 4teiligen Tochterchromosomen von einer hellen Vacuole umgeben. .13. Späte Anaphase. 11 4teilige Chromosomen. .14. Späte Anaphase. Der untere Teil tief angeschnitten, zeigt sehr deutlich 4teilige Chromosome. In der oberen Hälfte wandern die Chromosomen an die Pole. Die Chromosomen wie in .15 durch achromatische Substanz verknüpft. Deutliche Längsspaltung Zwischenstadium zwischen den Reifeteilungen. .16. Zweite Reifeteilung. Anaphase. Tochterchromosome 2teilig. Fig. 17. Späte Anaphase. Chromosomen im Kreis um das Centrosoma. Äussere Zone mit radiär gestelltem Dotter. Die innere Zone mit unregelmässigem Protoplasma, das durch feine Fäden mit der äusseren in Verbindung steht. 18. Das Chromatin zusammengeballt. In der inneren Zone Körner. Ausserhalb der Zelle eine gallertartige Masse ausgeschwitzt, aus der 19. die Zwischenkörperchen entstehen. 20. Der Dotter wird kugelig und umgibt noch die Spermatide in ihrer ganzen Peripherie. 21—23. Von Herrn C. Krapf plastisch gezeichnet. Methylgrün-Säure- fuchsin. 21. Die Dotterkugeln sammeln sich an einem Pole, den sie also wie eine Halbkugel umgeben, während der andere Pol frei bleibt. In diesem sieht man eine helle Kugel mit dunklerem Zentrum. Der Kern scheint blaugrau durch den roten Dotter durch. 22. Die Konzentration der Dotterkugeln ist weiter fortgeschritten. Ansicht von oben. Bei höherer Einstellung hellere Töne. Kern schimmert durch. 23—27. Spermatozoon im Ei. 23. Die Dotterpartikel werden kleiner und bilden einen hohlen Kegel, „den Glanzkörper“. Kern zeigt Vacuole im innern und ist von einem hellen Hof umgeben. Dann folgt die Körnchenzone. Unten eine sichelförmige körnerfreie Zone. .24. Gilanzkörper homogen. Methylgrün-Säurefuchsin. .25. Spermatozoon mit „Spitzenstück“ und amöboid zackiger Basis. Eisen-Hämat. Archiv f. n ikrosk. Anat. Bd, 68. 32 488 Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. Fig. 36. Fig. 37. Fig. 38. Fig. 39. Harry Marcus: Im Glanzkörper helle Kugel mit dunklerem Zentrum. Chromatin dyadenartig. Methylgrün-Säurefuchsin. Chromatin um centrosomaähnliches Gebilde gelagert, in b) nur der Kern. Centrosoma der ersten Reifeteilung, unregelmässig, wohl durch Schrumpfung; sehr schön die Fäden zeigend, die radiär verlaufend im Dotter sich verlieren. Comp.-Oc. 18, Obj. !/ız, hom. Immers. Eisen-Hämat. Tafel XXX. OÖvogenese und Furchungsstadien. Ovogonie mit 22 Chromosomen und Nucleolus. Comp.-Oe. 8, Obj. !/ı2, homog. Immers. Delafield. Ausschnitt einer Ovogonie. Chromosomen zeigen ausser dem Längs- spalt einen undeutlichen Querspalt. Comp.-Oc. 18, Obj. 2 mm, Apochr. hom. Immers. Delafield-Hämat. Spiremstadium. Faden gespalten. Comp.-Oe. 8, Obj. !/ı2, hom. Immers., Delafield. Synapsis. Comp.-Oc. 8, Obj. '/ıe, hom. Immers. Ovocyte. Fadengewirr nach Synapsis. Grosser Ohromatin-Nucleolus. Oc. 1, Obj. !/ı, hom. Immers. Eisen-Hämat. Kern einer älteren Ovocyte. Chromosomen - Konjugation. Jedes Chromosom zeigt deutlichen Querspalt, weniger deutlichen Längs- spalt. Grosser Chromatin-Nucleolus mit chromatischem Rand. Comp.-Oc. 8, Obj. !/ız, hom. Immers. Delafield. Kern zackig, unscharf abgegrenzt gegen das Cytoplasma, die biva- lenten Chromosomen sind sehr klein geworden und lassen nur eine Zweiheit erkennen, auch bei stärkerer Vergrösserung. Oc. 1, Öbj. !/ı2, hom. Immers. Delafield. Ovocyte von Rhachis losgelöst. Kern rund, scharf abgegrenzt. Im Plasma zahlreiche Chromidien, b) das eine Chromosomenpaar stärker vergrössert. Comp.-Oc. 8, Obj. !/ı2, hom. Immers. Delafield. Fig. 36b Comp.-Oc. 18, Obj. 12, hom. Immers. Kern von dem Stadium von Fig. 36. 11 Chromosomengruppen. Im Nucleolus helle Vacuole mit Körnchen. Um den chromatischen Ring eine hellere, aber scharf konturierte Zone. Comp.-Oe. 8, Obj. !/ıe, hom. Immers. Delafield. Der weibliche Kern strahlig auseinander gewichen. In jedem achromatischen Bündel zwei 4teilige Chromosomen. Das Sperma- tozoon aufgelöst. Der Kern kompakt; der Glanzkörper wieder seine Segmente zeigend. Ringsherum kleine chromatische Teile. Tubus nicht ausgezogen. Papier auf Objekttischhöhe. Comp.-Oc. 8, Obj. !/ia hom. Immers. Delafield-Hämat. Dasselbe Stadium bei Seitenansicht. Der Glanzkörper abgehoben und zum Teil bröckelig zerfallend. Eine Vacuole mit zwei chroma- tischen Pünktchen? Comp.-Oec. 1, Obj. !/ız. Delafield. Fig. 40. Fig. 41. Fig. 42. Fig. 46. Fig. 47. Fig. 48. Ei und Samenreife bei Ascaris canis. 489 Erste Reifeteilung. Frühe Anaphase. Die Tochterchromosomen bestehen aus zwei weit entfernten aber durch Linien verbundenen Kugeln, die wiederum z. T. eine Querteilung erkennen lassen. An jeder Kugel eine dicke Spindelfaser. Comp.-Oc. 18, Obj.2 mm, apochr. Immers. Delafield. Stadium zwischen den Reifeteilungen. Rechts erster Richtungs- körper. Die 11 Chromosomen zeigen deutliche Vierteilung. Comp.- Oc. 8, Obj. !/ı», hom. Immers. Delafield. Zweite Reifeteilung. Frühe Anaphase. Deutliche Längsteilung. Die Tochterchromosomen zeigen eine Querteilung. Comp.-Oe. 8, Obj. !/ı, hom. Immers. Delafield. Spermatozoonumwandlung im Ei. Der Glanzkörper krümelig, zum Teil kompakt und vacuolisiert, im Innern differenzieren sich die Chromosomen. Comp.-Oc. 8, Obj. !/ıe, hom. Immers. Delafield. Chromosomen des Spermakernes im Zentrum des Eies. Die elf Chromosomen zeigen einen deutlichen Spalt. (An der Peripherie dieses Eies Vorbereitung zur ersten Reifebildung, was nicht mit- gezeichnet.) Comp.-Oc. 8, Obj. !/ız, hom. Immers. Delafield. Der Spermakern von körnigem Protoplasma umgeben, daneben der Glanzkörper. Oc. 2, Obj. !ı hom. Immers. Delafield-Hämat. Die beiden Vorkerne des Eies sind gebildet. Neben dem weib- lichen sieht man den Richtungskörper; neben dem männlichen eine chromatische Masse, die vom Glanzkörper stammt, sowie eine unregelmässige protoplasmatische Substanz von der Form des Spermatozoons, die offenbar die Hülle des männlichen Vorkernes gebildet hat. Oc. 2, Obj. !/ız, hom. Immers. Delafield-Hämat. Die Vorkerne haben sich genähert; man sieht daneben einen chro- matischen Teil, den Rest des Glanzkörpers. Die beiden Vorkerne haben nur einen chromatischen Nucleolus. Die achromatische Substanz ist in dem einen ganz unregelmässig, in dem anderen (dem männlichen ?) regelmässig radiär auf ein Centro- soma mit Centriol angeordnet. b) zeigt einen solchen Vorkern mit stärkerer Strahlung. Oc. 2, Obj. !/ı», hom. Immers. Eisen-Hämat. Fig. 49a und b. Zwei erste Furchungsspindeln, die Normalzahl 22 zeigend, Fig. 50. Fig. 51. Fig. 52. in a erkennt man ausser dem gewohnten Längsspalt noch einen schwach angedeuteten Querspalt. Comp.-Oe. 8, Obj. "/ız, hom. Immers. Delafield-Hämat. Diminution. Comp.-Oc. 8, Obj. '/ıe, hom. Immers. Delafield-Hämat. Erste Blastomere; Urgeschlechtszelle.. Unten Diminutionskörper. Die Chromosomen in b), stärker vergrössert, weisen eine Vereinigung je zweier Chromosomen mit den Enden auf, so dass die reduzierte Zahl bivalenter 4teiliger Chromosomen entsteht. a) Oc. 1; b) Comp.- Oc. 18, Obj. '/ız, hom. Immers. Delafield-Hämat. Urgeschlechtszelle des Vierzellen-Stadiums. Kern aufgelöst, neun 4teilige Chromosomen zählbar. Comp.-Oe. 8, Obj. !/Jı2, hom. Immers. Delafield. 32* Harry Marcus: Ei und Samenreife bei Ascaris canis. Urgeschlechtszelle rechts unten, wiederum neun Stäbchen ausser einer nicht analysierbaren Chromatinmasse. a) Comp.-Oc. 4, 2 mm apochr. Immers. b) Comp.-Oc. 18, Obj. !/ı2, hom. Immers. Eisen-Hämat. Kernrekonstruktion. Das achromatische Gerüst ist gebildet, die- Chromosomen liegen noch ausserhalb. Fig. 55-58. Jodbehandlung. _Glykogenreaktion nimmt an Intensität ab mit. Fig. 5da. Fig.5öb. fortschreitender Entwicklung. Ovocyte an Rhachis befestigt. Oec. 1, Obj. DD. Stärker vergrössert, Oc. 1, !/ı2 hom. Immers., von Herrn G. Keller gezeichnet. Ovocyte unmittelbar vor der Befruchtung und den Reifeteilungen. Oe.2, Obj. DD. Zweizellenstadium. Oec. 2, Obj. DD. 491 Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Universität Marburg a.d.L. Über die Ergebnisse der Altmann-Schriddeschen Färbemethode beim Zentralnervensystem. Von Dr. Wilh. Lobenhofier, Volontär-Assistent am Institut. Hierzu Tafel XXXI. Die Anwendung der von Schridde!) für die Zellkörnelungen angegebenen Methode ergibt beim Zentralnervensystem eine Reihe von Bildern, die mir bemerkenswert genug erscheint, um näher auf sie einzugehen. Zu meinen Untersuchungen benutzte ich in der Hauptsache Rückenmark, Gehirn und Retina von Hund und Katze, die sich mir am geeignetsten erwiesen, machte aber auch Vergleichs- präparate an Material von einer Anzahl anderer Warmblüter und von Fischen, ohne merkliche Unterschiede von jenen zu finden. Die lebenswarm dem Tier entnommenen Stücke wurden sofort in an- gewärmte Formol-Müller-Flüssigkeit gebracht. Für eine klare Dar- stellung der Granula ist es hier ebenso wie bei anderen Geweben nötig, dass das Material lebenswarm eingelegt wird, denn schon kurze Zeit nach dem Tode (1 bis 2 Stunden) entnommene Präparate zeigen eine Veränderung des Protoplasmas; es tritt eine diffuse Rotfärbung ein, die Differenzierung gelingt nicht mehr. Daran liest es auch, dass ich meine Untersuchungen nicht auf den Menschen ausdehnen konnte, weil mir kein entsprechendes Material zur Verfügung stand. Die Stücke wurden nach 24stündigem Ver- weilen in der auf 35° gehaltenen Fixierungsflüssigkeit ebenso lange in fliessendes Wasser gebracht, in Alkoholen von steigender Konzentration gehärtet und nach Aufhellen in Chloroform in Paraffin eingebettet. Die Osmiierung nahm ich erst am aufge- klebten Schnitt vor. Der Altmann-Schriddeschen Färbung liess ich vielfach eine solche mit verschiedenen Methylenblau- lösungen oder mit Toluidin folgen, um einen Kontrast mit den !) Schridde, Beiträge zur Lehre von den Zellkörnelungen. Anat. Hefte 85/86. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 33 492 Wilh. Lobenhoffer: übrigen Protoplasmabestandteilen, besonders den Tigroidschollen zu bekommen. Die einfach gefärbten Präparate boten folgende Bilder. Die Nervenzellen zeigten eine schwach gelbliche Grund- substanz, die an besonders guten Stellen — die Schnittdicke be- trug meist ca. 1 bis 2 « — eine deutlich streifige oder netzartige Anordnung, vor allem im Ursprungshügel und den Fortsätzen, aufwies. Der scharf begrenzte Kern hatte einen etwas dunkleren Ton angenommen. Das Kernkörperchen war tief dunkelrot. Das Protoplasma der Zelle enthielt eine Menge dunkel- roter Granula, die jedoch nicht gleichmässig darin verteilt waren, sondern immer Felder von unregelmässiger meist polygonaler Gestalt frei liessen. Vielfach standen die Körnchen zu kurzen oder etwas längeren Ketten geordnet, oft aber auch mehr unregelmässig zu kleinen Gruppen vereinigt. Ersteres war besonders in den Ganglienzellen der Retina zu sehen. In den Fortsätzen waren ausschliesslich kurze Ketten, die parallel zur Längsachse des betreffenden Fortsatzes standen, zu beobachten. Das Kaliber war etwas kleiner als das der Körner der eosinophil granulierten Leucocyten. Die Körner wiesen alle den- selben intensiv roten Farbenton auf. Abstufungen zwischen helleren und dunkleren Nuancen waren nirgends zu finden. Die frei- bleibenden polygonalen Felder im Zelleib waren besonders in den Randpartien gross, und nahmen nach dem Kern hin an Grösse ab. Form und Grösse der Felder wechselte je nach der Lage der Zelle im Zentralnervensystem. Der sofort auftretende Ge- danke. es könnte sich hier um das Negativ der Tigroidschollen handeln, wurde durch die Doppelfärbung mit Methylenblau usw. bestätigt. Die im einfach gefärbten Präparat hellgebliebenen Felder waren bei Doppelfärbung intensiv blau. Die besten Bilder (ef. Fig. 1) bekam ich, wenn ich der Vorfärbung nach Altmann- Schridde eine Behandlung nach Nissls vereinfachter Methode‘) folgen liess. Die Tigroidschollen nahmen dabei allerdings einen etwas helleren Ton als gewöhnlich an, was ich der Vorhehandlung meiner Präparate zuschreibe, waren aber deswegen nicht weniger deutlich zu erkennen. Die Lagebeziehungen der Granula zu den Tigroidschollen stellten sich nun so dar, dass erstere die Gassen ') Friedländer: Mikroskopische Technik. Die Altmann-Schriddesche Färbemethode. 493 zwischen diesen ausfüllten. Fast überall erschienen die Körnchen zu kürzeren oder längeren Reihen angordnet (Fig. 1). In dem an Tigroid ärmeren oder von ihm ganz freien perinucleären Teil des Protoplasmas trat die Reihenbildung mehr zurück, verschwand aber auch hier nicht ganz, denn längs des Kerns hatten sich auch Ketten angelagert. Im ganzen war die Zahl der Granula in diesen Gebieten des Protoplasmas grösser als zwischen den Randschollen. An vielen Zellen, besonders an denen der Retina konnte ich oft noch eine deutliche fibrilläre Struktur der Grund- substanz zwischen den Körnern sehen, die besonders bei Methylen- blaubehandlung klar wurde. Am deutlichsten war diese Be- schaffenheit im Ursprungshügel und Achsenzylinder. Ich konnte die Granula in allen Nervenzellen, die ich unter- suchte, nachweisen. Auch die Lagebeziehungen zueinander und ihrer Umgebung zeigten nirgends wesentliche Unterschiede. Ebenso waren die Körner in der Umgebung des Kerns fast immer dichter gestellt als gegen die Peripherie zu. Sie waren auch bei allen Tieren, denen ich Material entnahm, vorhanden, nur das Kaliber und die Menge waren bei den verschiedenen Spezies ver- schieden. Auch die Gliazellen wiesen rotgefärbte Granula auf, die jedoch an Zahl geringer waren. Auch hier standen die Körnchen nahe dem Kern dichter als in der Peripherie. Ein merkwürdiges Bild bot die graue Substanz. In sie ein- gestreut lagen eine Menge ebenfalls roter runder Gebilde, die sich von den intracellulären Körnern besonders durch ihre wechselnde Grösse unterschieden. Oft waren sie vom Kaliber jener, häufig aber bis noch einmal so gross im Durchmesser. Nie standen sie in Ketten. Sie liessen überhaupt keine Lagerungs- beziehungen zu anderen Bestandteilen mit Sicherheit erkennen. Oft fanden sie sich scheinbar frei im Netzwerk der grauen Sub- stanz, oft auch sassen sie Fasern desselben an oder auf. In der Umgebung von Gefässen schienen sie etwas dichter zu liegen. Da sich die Gliafasern vielfach auch rot gefärbt hatten, so lag der Gedanke nahe, dass es sich hier um Querschnitte von solchen handeln könne, obwohl das Rote der viel feineren Fasern etwas heller schien und sie bei weitem in der Minderzahl waren. Ich beobachtete die roten Punkte zuerst an Querschnitten durch das Mark. Waren es nun quergetroffene Fasern, so müsste ein Längs- schnitt an ihrer Stelle mehr streifenförmige Gebilde zeigen. Dies 33+ 494 Wilh. Lobenhoffer: bestätigte sich jedoch keineswegs, vielmehr zeigte der Querschnitt. genau dieselben roten Punkte, sowohl was Quantität als auch Lage und Form anlangt. Daneben waren wieder Gliafasern in gleicher Menge wie am Querschnitt zu sehen. Es konnte sich also nur um Kugeln handeln. In der weissen Substanz waren auch gelegentlich einige dieser Granula, wie ich sie nun zu nennen keinen Anstand nehme, zu bemerken, doch nur in ganz geringen Mengen. Wenn diese Gebilde wirklich frei in der Substanz des Zentralnervensystems lagen, so mussten sie auch im Abklatsch vorhanden sein. Und tatsächlich waren sie auch hier stets reich- lich vorhanden. Die Abklatschpräparate fertigte ich so an, dass ich die lufttrockene Schicht in der Hitze fixierte, und dann nach der Osmiierung färbte. Ich konnte diese Körner überall im Zentral- nervensystem nachweisen, besonders zahlreich in der grauen Substanz und in der Körnerschicht des Kleinhirns, wo sie meist zu Gruppen dichtgestellt zwischen deren Elementen lagen. Ferner traten sehr schöne Granulationen in den Ependym- zellen des Zentralkanals zutage, die sich jedoch durch ein etwas geringeres Kaliber von denen der Ganglienzellen unterschieden. Bemerkenswert war dabei, dass sie fast stets mehr die dem Lumen des Kanals zugekehrte Partie des Zelleibes einnahmen und auch hier gegen die Nähe des Kerns zu dichter standen. Als Nebenbefund sei hier noch erwähnt, dass die Mark- scheiden einen zartrötlichen Ton angenommen hatten. Am peripheren Nerven wies auch das Neurokeratinnetz in der Mark- scheide eine tiefrote Färbung auf. Um den Einwurf, es könnte sich bei meinen Befunden etwa um Kunstprodukte handeln, nach Möglichkeit zu entkräften, ver- suchte ich nun eine Reihe von Kontrollfärbungen an Stücken, die ebenfalls in Formol-Müller fixiert waren. Zunächst wandte ich die Eisenalaun-Cochenille-Färbung an nicht osmiierten Schnitten an. Diese wiesen, besonders schön wieder an den Zellen des Vorderhorns, genau den Granula der oben beschriebenen Präparate entsprechende helle Lücken auf. Da die graue Substanz ja an und für sich schon ein mehr oder weniger weitmaschiges Netz darstellt, so war der Befund hier weniger charakteristisch. Die- selben Bilder gab die Färbung an vorher osmiierten Schnitten. Die Die Altmann-Schriddesche Färbemethode. 495 gleichen Resultate zeigten die Färbungen mit der Weigertschen Eisenhämatoxylin - Säurefuchsin - Pierinsäuremethode, mit Eisen- alaunhämatoxylin, polychromem Methylenblau, der von Schridde jüngst angegebenen Azur II-Eosin-Methode, sowie mit der Weigertschen Elastinfärbung, die nach persönlicher Mitteilung von Herrn Dr. Schridde in den Hauptzellen der Magenschleim- haut dichtgedrängte schwarzblaue Granula zur Darstellung bringt. Dagegen gab die Methode Bielschowskys, wenn die Schnitte im richtigen Moment aus dem Goldbad genommen wurden, oft vorzügliche Bilder (Fig. 2). In genau derselben Anordnung wie bei der Säurefuchsinmethode traten auch hier die Granula auf. Die Übereinstimmung war eine so vollkommene, dass es sich nur um dieselben Gebilde handeln konnte. Eine weitere Versuchsreihe stellte ich in der Weise an, dass ich verschiedene Fixierungsflüssigkeiten anwandte, und zwar die Flemmingsche Flüssigkeit, 10°/oige Formollösung, Alkohol, Sublimat; ausserdem, wie oben erwähnt, versuchte ich auch die Hitzefixation. Wenn auch nie so schön wie bei Formol-Müller, waren die Körner doch überall zu sehen, besonders in der grauen Substanz. Die besten Resultate in dieser Reihe gab das Formol, demnächst Alkohol, die schlechtesten Sublimat, doch auch hier waren die Zellkörner noch zu sehen. Schliesslich suchte ich noch auf dem heizbaren Objekt- tische im lebensfrischen Präparate nach den Granula. In den Gang- lienzellen waren sie am Quetschpräparat ohne Schwierigkeiten aufzufinden. Die freien Körner dagegen waren nicht mit Sicher- heit an allen Präparaten nachzuweisen. An vielen Stellen waren zarte Körnchen im Faserwerk sicher, wenn auch nur bei ange- strengtester Aufmerksamkeit zu sehen. Doch in dem wirren, fast gleichfarbigen Faserwerk hoben sich die nicht glänzenden, ganz zart grauen Gebilde zu wenig scharf hervor, als dass man sie mit absoluter Sicherheit mit jenen im gefärbten Präparat hätte identifizieren können. In der Literatur, soweit sie mir zu Gebote stand, konnte ich nicht viel hierhergehöriges finden. Held erwähnt einmal „aus der Zelle herausdiffundierte Neurosomen“. Um solche kann es sich, wenigstens in meinen Präparaten, unmöglich handeln. Das könnte doch nur eine be- schränkte Auzahl gleichgrosser Körner sein, die besonders nahe 496 Wilh. Lobenhoffer: der Zelle liegen müssten. Ferner beschreibt er!) Gebilde, die allem nach mit den von mir gesehenen gleich sind, als „End- füßschen“ und teilt ihnen die Rolle der Reizübertragung zwischen den einzelnen Nervenzellen zu. Die Anordnung zu Haufen und Reihen längs der Achsenzylinderendigungen lässt sich jedoch auch durch Anlagerung an gegebene feste Elemente erklären, wie ich das auch für die Lagerung der intrazellulären Granula tue. Von meinen Präparaten, die ich auf die Angaben und Ab- bildungen Helds noch einmal speziell daraufhin durchsah, konnte ich auch keine andere Meinung gewinnen. Ähnliche Gebilde wie Held hat Auerbach?) als End- kölbchen beschrieben, und ich finde in seiner Beschreibung manches, was auch auf meine Körner passt. Nur bezweifle ich eben einen direkten Zusammenhang mit nervösen Elementen. Solche Anschwellungen und Endkölbchen sind noch von einer Reihe Autoren beschrieben worden (cf. Sankhanoff et Czarniecki,?) Geier®) u.a.). Ich konnte aber an meinen Präparaten nie eine volle Übereinstimmung mit diesen Be- schreibungen finden; auch scheint es mir unwahrscheinlich, dass ein Element, das doch als ein Teil des Achsenzylinders aufgefasst werden müsste, sich chemisch ganz anders verhält wie der Achsenzylinder selbst. Varela de la Iglesia°) kommt zu dem Schluss, dass das ganze Rückenmark von einem ununterbrochenen protoplasma- tischen Kanalnetz durchzogen ist, in dem zahlreiche kernartige Verdichtungen (condensaciones protoplasmäticas nucleoideas) liegen sollen. Die intrazellulären Granula sind schon lange bekannt. Seine Untersuchungsergebnisse an frischen und nach seiner Jodjodcali- ') Arch. f. Anat. u. Physiol. 1897. Suppl. Beiträge zur Struktur der Nervenzelle und ihrer Fortsätze. ?) Auerbach: Extra- sowie intrazelluläre Netze nervöser Natur i. d, Zentralorg. der Wirbeltiere. Anat. Anz., Bd. 25. 3) Sankhanoff et Özarniecki: Dendrites spinales chez les ver- tebr6es. Nevrax Vol. IV, 1903. 4) Geier: Sur la forme et developpement des prolongementes proto- plasmatiques des cellules nerveuses chez les vertebres superieures. Nevrax Vol. IV 1903. 5) Varela delaIglesia: Contribution al estudio de la medul espinal. Madrid 1904. (Mir nur im Referat zugänglich.) Die Altmann-Schriddesche Färbemethode. 497 methode behandelten Objekten beschreibt Arnold!) folgender- maßen: Zwischen den Nissl-Körpern in grösseren und kleineren Haufen, Spindeln, Gruppen oder Reihen angeordnet oder mehr gleichmässig verteilt, liegen lichtere, reihen- oder netzförmig aufgestellte Körner. Auch an den Protoplasmafortsätzen finden sich Reihen sehr kleiner Körnchen, welche eine feine Strichelung bedingen.“ Altmann?) kommt bei seinen Untersuchungen zum Schluss, dass die Körnchenreihen, die er mit seiner Methode darstellte, in den Nervenzellen die Leitung besorgten. Auf Tafel XI gibt er Abbildungen von Nervenzellen, die durchzogen sind von langen Ketten von Granula, die ziemlich parallel zueinander die Zelle durchziehen. Solche Bilder konnte ich auch bei dieken Schnitten, wo ein grosser Teil einer Zelle in den Schnitt fiel, nie gewinnen. Bethe teilt in seiner „Allgemeinen Anatomie und Physio- logie des Nervensystems“ einen Versuch mit Injektion von Neutralrot bei lebenden Fröschen mit (Becker), wobei sich an Quetschpräparaten rote Körnchen zeigten, und erwähnt auch einen Versuch mit Methylenblauinjektion, bei dem neben den die Nissl-Körper zusammensetzenden allerfeinsten Körnchen noch gröbere vom Kaliber der Beckerschen auftraten. Bethe spricht die Ansicht aus, dass es sich bei diesen Körnchen um etwas bisher wenig bekanntes handle, das frei in der Zelle ver- teilt sei, sich aber eventuell an präformierte Substanzbrocken anlagern könne. Ramön y Cajal’) gibt die Zwischensubstanz zwischen den Nissl-Körpern als netzartig an und erwähnt Körnchen in den Maschen dieses Netzes. In den Verhandlungen der pathologischen Gesellschaft 1904 beschrieb Ernst Granulationen, die er mit der Markscheiden- methode im Plexusepithel nachgewiesen hatte. Sein Schüler Schäpfer*) führte jene Untersuchungen weiter aus und be- !, Arnold: Struktur und Architektur der Zelle. Arch. f. mikr. Anat. Band 52. ?) Altmann: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig 1894. ®) Ramön y Cajal: Estructura del Protoplasma nervioso. Rivist. Trimest. micrograf. I. *) Schäpfer: Zieglers Beiträge 1905. Festschrift für Arnold. 498 . Wilh. Lobenhoffer: richtet in einer Arbeit über seine Befunde. Seine Bilder, soweit sie Präparate betreffen, die nach der Altmannschen Methode behandelt sind, sind jedoch sehr wenig klar und stimmen in bezug auf die Tinktion überhaupt nicht mit den Altmannschen Präparaten überein, so dass man einen Vergleich nicht machen kann. Die eingehendste Bearbeitung erfuhren die in den Nerven- zellen vorkommenden Granula durch Held,!) der sie mit dem Namen „Neurosomen* belegte. Meine Befunde gleichen den seinigen vielfach. Besonders hat er auch der Altmannschen Methode sich bedient, die der von Schridde angegebenen im Effekt ja ziemlich gleich ist. Seine Auffassung, die sich schon im Namen ‚„Neurosomen‘“ ausprägt, kann ich freilich nicht teilen. Auch mit der Äusserung, dass bei dieser Methode sich nur ein Teil der Granula färbe, während ein anderer die Farbe abgebe, kann ich mich nicht ein- verstanden erklären, denn dann müssten doch stets Übergänge vom dunkleren Rot, das die Hauptmasse der Körner zeigt, zu helleren Nuancen und ganz blassen Schatten vorhanden sein. Solche konnte ich aber bei der genauesten Durchsicht der Schnitte nie finden. Auch v. Lenhossek befasst sich mit diesen Granula in einer im Archiv für Psychiatrie, Bd. 29, erschienenen Arbeit. Ferner beschreibt Motta-Goco?°) fuchsinophile Körner in Nervenzellen und stellt von ihnen die Behauptung auf, dass sie erst im Kern aufträten, um dann erst ins Protoplasma über- zugehen. Dem ist zu entgegnen, dass der Kern zwar deutliche Granulationen auch bei der Schriddeschen Färbung aufweist, die aber nur eine gleichmässige graugelbe Farbe zeigen. Nur das Kernkörperchen ist von einem ähnlichen Rot wie die extra- nucleären Granula. Bei Gleichheit oder naher Verwandtschaft beider wäre wohl auch eine Rotfärbung der Granulationen des Kerns zu erwarten. Aus dem histologischen Laboratorium von Bechteren erschien ferner jüngst eine Arbeit von Passek,°) der bei seiner !) Held: Beiträge zur Struktur der Nervenzellen und ihrer Forts. Arch. f. Anat. 1897. 2, Motta-Coco: Nuovo contributo sulle granulationi fucsinofilo della cellule dei gangli spinali. Anat. Anz., Bd. 25. 3) Passek: Neue Methode zur Färbung von Nervenzellen. Neurol. Centralbl. 1905, Bd. 13. ' Die Altmann-Schriddesche Färbemethode. 499 „neuen Methode“, die in Fixation mit einem Osmium-Müller- Gemisch und nachfolgender Eisenhämatoxylinfärbung besteht, Granula, die er von den Heldschen Neurosomen unterscheiden zu sollen glaubt, konstatieren konnte. Über die feinere Anord- nung seiner Granula spricht er sich nicht näher aus. Nur aus der Bemerkung, dass sie besonders in der Nähe des Kerns liegen, könnte man schliessen, dass sie mit den von mir beschriebenen identisch seien. In der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nerven- krankheiten demonstrierte Reich (Referat i. Neurol. Oentralbl.) Präparate von Nervenzellen und wies dabei einmal auf Granu- lationen hin, die sich mit basischen Farbstoffen färbten, dann aber auch auf eine Art von Körnern, die schon in der normalen Nervenzelle vorkommen, aber bei pathologischen Zuständen ver- mehrt sein sollen, und die sich durch ihre Verwandtschaft zu sauren Anilinfarbstoffen auszeichnen. Reich hält sie für einen physioiogischen Zellbestandteil. Auch Rhode!) beschäftigt sich mit Granulationen, die er in Ganglienzellen und Gliazellen gefunden hat, und sieht darin einen Beweis für die nahe Verwandtschaft beider. Dass die von den verschiedenen Autoren beschriebenen Be- funde das Gleiche darstellen, ist sehr wahrscheinlich. Als erwiesen ist zu betrachten, dass die Granula von den Tigroid- schollen absolut zu trennen sind. Dafür spricht auch die von mir angewandte Doppelfärbung, bei der beide Gebilde sich scharf und deutlich scheiden. Dagegen sind die Ansichten über die Funktion der Granula auseinandergehend. Während die einen Autoren ihnen die Rolle der Leitung und Reizübertragung zusprechen, wie Altmann und Held, sprechen andere ihnen diese Eigenschaften nicht zu, allerdings meist auch ohne sich weiter zu äussern. Namentlich die Arbeiten Altmanns, dann in letzter Zeit Schriddes, haben nun gezeigt, dass Granula in einer grossen Anzahl von Körperzellen vorkommen und zwar in Zellen, wo % ') Rhode: Untersuchungen über den Bau der Zelle. Zeitschr. für wissensch. Zoolog. 1904. 500 Wilh. Lobenhoffer: Altmann-Schriddesche Färbemethode. man ihnen eine nervöse Rolle sicher nicht zuschreiben kann. Nach meiner Ansicht handelt es sich auch bei den Zellkörne- lungen der Ganglienzellen um Gebilde, die mit dem Stoffwechsel der Zelle in Beziehung stehen. Dass wir es bei den Körnern nicht mit Stücken von Fibrillen, die ja vielfach als Körnchenreihen beschrieben werden, zu tun haben, geht für mich daraus hervor, dass an vielen Stellen diese als zarte bläuliche Streifen zu sehen waren. Im Nerven- fortsatz, wo doch, wenn die Fibrillen tatsächlich aus Reihen von Granula beständen, diese ganz dicht stehen müssten, fand ich die Granula allerdings in Ketten, aber nur verhältnismässig spärlich. Die Stellung der Granula in der Zelle und ihren Fort- sätzen zu Kettchen und Netzen, die ja vielfach erwähnt wird, glaube ich, wie schon gesagt, ganz einfach aus den gegebenen Raumverhältnissen erklären zu können. Meiner Ansicht nach sind die Granula ein spezifischer Be- standteil des Zellprotoplasmas überhaupt und haben, wie ich schon bemerkte, mit den speziellen Eigenschaften der Nerven- zelle direkt nichts zu tun. Wie sie sich in pathologischen Zu- ständen verhalten, darüber behalte ich mir weitere Mitteilungen vor; vielleicht sind aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen dann weitere Schlüsse möglich. Über die Gebilde, die ich als frei im Gewebe beschrieben habe, konnte ich mir eine feste Meinung noch nicht bilden. Jedoch möchte ich mich auf Grund meiner oben ausgeführten Untersuchungen mit Entschiedenheit gegen die Auffassung als Kunstprodukte wenden. 501 Die Endigungen der sensiblen Nerven in den Augenmuskeln und deren Sehnen beim Menschen und den Säugetieren. Von A. S. Dogiel (Prof. der Histologie an der Universität St. Petersburg). Hierzu Tafel XXXII—XXXIV. Die Frage über die Endigungen der sensiblen Nerven in den Augenmuskeln beim Menschen und den Säugetieren ist be- reits von mehreren Forschern, besonders jedoch von Huber!) und Orevatin?) behandelt worden. Huber berührt die Frage nur unter anderen, wobei er darauf hin- weist, dass die von G. Retzius®) beim Kaninchen unter der Bezeichnung „atypische“, beschriebenen Endigungen der motorischen Nerven sich ziemlich scharf von den typischen unterscheiden. Erstens liegen sie nicht unter, sondern auf dem Sarcolemma, zweitens sind sie nicht in der körnigen, kern- haltigen Masse, welche den bereits längst bekannten Doyerschen Hügel bildet, eingelagert. In Berücksichtigung dieses Verhaltens hält Huber diese Endigungen für sensible Apparate; zu Gunsten dieser Annahme spricht seiner Meinung nach auch die Beobachtung, dass sich dieselben in der Nähe der Anheftung der Muskeln an die Sehnen vorfinden, sowie die Abwesenheit irgend welcher anderer sensibler Apparate. F. Crevatin suchte festzustellen, ob ähnliche Endigungen ausser in den Augenmuskeln des Kaninchens auch bei anderen Tieren vorkommen. Zu dem Zweck untersuchte er die geraden Augenmuskeln des Menschen, des Ochsen und der Eselin, wobei er die Nervenfärbung vermittelst Chlorgold vornahm. In den erwähnten Muskeln des Menschen und sämtlicher ge- nannter Tiere gelang es ihm, Apparate zu färben, in welchen markhaltige Fasern endigen. Letztere verlaufen längs der Muskelfasern, geben an den Ranvierschen Schnürringen markhaltige und in der Mehrzahl der Fälle mark- lose Ästchen ab, welche alsbald baumförmige Verzweigungen bilden, die ihrer- seits in keulenförmigen Verdickungen oder aber einfach in verschieden grossen !) Note on sensory nerve-endings in the extrinsic eye-muscles of the Rabbit ‚„Atypical motor-endings“ of Retzius. Anat. Anz., Bd. XV, 189. ?) Su di aleune particolari forme di terminazioni nervose nei musculi che muovono l’occhio. Bologna 1901. ®) Zur Kenntnis der motorischen Nervenendigungen. Biolog. Unter- suchungen, Neue Folge, Bd. III, 1892. 502 A. S. Dogiel: Anschwellungen endigen. Die genannten Nervenendigungen hält Crevatin. wie auch Huber für sensible, da sie über dem Sarcolemma liegen und sen- siblen Nervenendigungan in anderen Organen gleichen. In einer seiner Arbeiten!) beschreibt Crevatin fernerhin ähnliche Endigungen sensibler Nerven in den Augenmuskeln des Kamels. Die End- verzweigungen erscheinen hier wie Trauben oder in Gestalt eines Netzes; in einem Falle gelang es, eine markhaltige Faser wahrzunehmen, welche sich in zwei Ästchen teilte; das eine derselben endigte in baumförmigen Ver- zweigungen in der Sehne, das andere bildete nach dem Zerfall in eine grosse Anzahl feiner Fädchen am Ende der Muskelfaser eine Art von Korb. Diese Angaben sind alles, was wir bisher über die Endigungen sensibler Nerven- fasern in den Augenmuskeln des Menschen und der Säugetiere wissen. In anbetracht der geringen und unvollständigen Angaben über die Frage der Endigung sensibler Nerven in den Augen- muskeln des Menschen und der Säugetiere beschloss ich mich mit derselben zu beschäftigen und wenn möglich die vorhandenen Angaben zu vervollständigen. Als Objekte dienten mir für meine Beobachtungen die geraden Augenmuskeln vom Menschen, vom Affen, vom Pferde, vom Rinde (Ochs) sowie vom Hunde und von der Katze. Die Färbung erfolgte mit Methylenblau folgendermaßen: Der Augapfel wurde mit sämtlichen Muskeln (bis dicht an die Anheftung derselben an die Sehne des N. opticus) und dem umgebenden Fettgewebe aus der Orbite heraus- genommen; das Fettgewebe trennte ich alsdann sorgfältig von den Muskeln ab, worauf das Auge je nach seiner Grösse in eine mehr oder weniger tiefe Schale eingelegt wurde. In dieser lagerte ich den Augapfel dermaßen, dass die geraden Augenmuskeln mit den an die Sklera sich anheftenden Sehnen mehr oder weniger gespannt waren. Die äussere Oberfläche einer der ge- raden Muskeln (des oberen, unteren oder einer der seitlichen) mit ihrer Sehne wurde darauf mit einer '/s—!/ıs°/oigen Lösung von Methylenblau befeuchtet; alsdann wurde die Schale mit einem Deckel zugedeckt und für 1'/» bis im Maximum 2 Stunden in den Thermostaten bei einer Temperatur von 36—37° C. gestellt. Während dieser Zeit werden die Muskeln mehrere Male mit einer der angegebenen Methylenblaulösungen angefeuchtet, alsdann mit den Sehnen abgeschnitten und für 24 Stunden in eine 5°joige oder 7°/oige Lösung von molybdänsaurem Ammonium eingelegt. Von jedem Muskel wurden ge- wöhnlich die vorderen zwei Drittel oder die Hälfte derselben abgeschnitten, oder aber nur die hintere Hälfte desselben genommen. Aus der Lösung von molybdän- saurem Ammonium legte ich die Präparate zum Auswaschen in destilliertes Wasser für 3—4 Stunden, worauf ich von der inneren Fläche der Muskeln vorsichtig kleine Stücke abschnitt, um die Präparate möglichst dünn und für !) Su di aleune forme di terminazioni nervose nei musculi dell’occhio del Dromedario. Rendic. Accad sc. Isstit. Bologna, N. S. vol. VI, 1902. Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 503 eine Untersuchung tauglich zu erhalten. Schliesslich wurden die Präparate sorgfältig ausgebreitet und auf Kartonstücke gespannt, indem sie an dieselben mit Nadeln befestigt wurden und in absoluten Alkohol behufs Entwässerung eingelegt, darauf in Xylol aufgehellt und in Xyloldamarlack oder Xylolkanada- balsam eingeschlossen. Bei diesem Verfahren der Färbung und Anfertigung der Präparate hatte ich die Möglichkeit die Verteilung und Endigung der Nerven sowohl in den Sehnen und an der Ubergangsstelle derselben in den Muskeln, als auch in den Muskeln selber und dabei auf einer beträchtlichen Strecke derselben wahrzunehmen. Die Stämmcehen sensibler Nerven, welche Sherrington!) für Äste des III., IV. und VI. Paares der Kopfnerven hält, dringen in die M. M. recti ungefähr in der Mitte derselben ein, fast an derselben Stelle, wie auch die Stämmchen der motorischen Nerven. Beim Menschen und allen von mir untersuchten Tieren, mit Aus- nahme des Rindes, gehen in den Bestand der Stämmchen verhältnis- mässig dünne markhaltige Fasern ein, welche sich auf ihrem Ver- lauf in den Stämmchen mehrfach teilen. In denselben Stämmchen bei Rindern sind neben dünnen auch recht dicke, von der Mark- scheide und der Henleschen Scheide umgebene Fasern enthalten; diese Fasern endigen in den Muskeln und Sehnen der genannten Tiere, in Golgis Sehnenspindeln sowie in sogenannten Muskel- spindeln.”) Nach dem Eintritt in die Muskeln teilen sich die Stämmechen allmählich in verschieden dicke Ästchen, welche an- fangs in Windungen in den Bindegewebssepten, welche die ver- schieden dicken Muskelbündel voneinander trennen, verlaufen und darauf ein weitmaschiges Geflecht bilden. Von dem Geflecht, welches, soviel ich habe wahrnehmen können, nur in dem mitt- leren Teil des Muskels vorhanden ist, sondern sich alsdann feine Ästchen ab, welche in den Bindegewebssepten längs der Muskel- bündel zum vorderen und hinteren Abschnitt eines jeden Muskels verlaufen. Die Ästchen geben allmählich einzelne Fasern ab, welche in mannigfaltigen sensiblen Apparaten sowohl in den Muskeln als auch in den Sehnen endigen. Von der Sehne aus treten nach meinen Beobachtungen Blutgefässe in die Muskeln ein, die von feinen Ästehen sympathischer Nerven begleitet werden. ‘) Further note on the sensory nerves of the muscles. Proceed. roy. Soc. London, vol. LXI, 1897. ?) Zur Frage über den fibrillären Bau der Sehnenspindeln ete. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 67, 1906. 904 A. S. Dogiel: Sämtliche inden Augenmuskeln vorhandenen sensiblen Nerven- apparate können in vier Gruppen geteilt werden: Apparate, die 1. auf der Oberfläche der Muskelfasern, 2. in dem intermus- kulären Bindegewebe, 3. an der Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehne und 4.in der Sehne selber gelegen sind. Die in diesen Apparaten endigenden Fasern gehören markhaltigen Nerven- fasern verschiedener Dicke an, welche, wie oben angegeben worden ist, nach ihrer Absonderung von Ästchen des Geflechts, sich windend und allmählich teilend zum vorderen und hinteren Ende eines jeden geraden Muskels verlaufen. Viele der auf diese Weise entstehenden markhaltigen Fasern erreichen die Übergangsstelle des Muskels in die Sehne, dringen sogar in letztere ein, worauf sie nach einem längeren oder kürzeren Verlauf in derselben Schlingen bilden und in den Muskel zurückkehren. Es entstehen auf diese Weise an der erwähnten Stelle eines jeden Muskels, in der ganzen Breite desselben, eine grosse Anzahl schlingenförmig gewundener, markhaltiger Fasern; eine Linie, welche die Bögen der Schlingen miteinander verbindet, erscheint jedoch hierbei nicht gerade, sondern mehr oder weniger gebrochen. Dieses Ver- halten erklärt sich nicht nur daraus, dass einige Fasern vor der Schlingenbildung mehr oder weniger weit in die Sehne sich er- strecken, sondern auch aus der Endigungsweise der Muskelfasern selber in der Sehne. In den Augenmuskeln, sowie in vielen an- deren, z. B. den Bauchmuskeln, gehen einige Muskelfasern früher in die Sehne über, andere später, infolgedessen das ganze Muskel- ende mehr oder weniger gezähnt erscheint. Ausserdem über- schreiten einzelne Muskelfasern die makroskopische Grenze der Übergangsstelle des Muskels in die Sehne und dringen weit in die letztere vor. Derartige einzelne Muskelfasern sind oft schwer von dünnen Bindegewebsbündeln zu unterscheiden, da sie sich allmählich verfeinern und schliesslich das Aussehen von Fäden erhalten, die dünnen Bindegewebsbündeln durchaus gleichen; nur durch die Färbung mit Methylenblau gelingt es, in ihnen eine Querstreifung wahrzunehmen. 1. Nervenapparate, welche auf der Oberfläche der Muskelfasern gelegen sind (Fig. 1—”7) werden in der ganzen Ausdehnnng eines jeden geraden Muskels von einer Sehne zur anderen angetroffen, wobei keine einzige Muskelfaser eines derartigen Apparates entbehrt. Die in denselben endigenden Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 505 markhaltigen Nervenfasern verlaufen in der Mehrzahl der Fälle in Windungen, teils parallel der Längsachse der Muskeln, teils schräg zu derselben in den die Muskelbündel trennenden Binde- gewebssepten, wobei sie allmählich in eine grössere oder geringere Menge markhaltiger und markloser Ästchen zerfallen, welche nicht selten von einem KRanvierschen Schnürringe abgehen. Die ersteren (die markhaltigen) Ästehen dringen in die Zwischen- räume zwischen den einzelnen Muskelfasern ein, wobei einige derselben nach vorn, andere nach hinten verlaufen, indem sie sich hierbei abermals teilen, ähnlich den weiter oben erwähnten Ästchen. Auf ihrem Verlauf zwischen den Muskelfasern winden sich viele dieser Ästehen mehr oder weniger, beschreiben häufig eine, zwei oder drei Touren um eine Muskelfaser und verlieren darauf nach Verlauf einer gewissen Strecke ihre Markscheide. Ein jedes der- artiges Ästehen, welches seine Markscheide bereits verloren hat, erstreckt sich weiter auf der Oberfläche einer Muskelfaser, wobei es dem Sarcolemma dicht anliegt, windet sich hierbei nicht selten in stärkerem oder geringerem Maße oder umwindet die Faser in einigen Touren (Fig. 1-4). Von dem erwähnten Ästchen sondern sich auf dessen gesamten Verlauf allmählich unter verschiedenen Winkeln zahlreiche feine Seitenästchen ab, wobei schliesslich das ursprüngliche Ästchen, bisweilen erst nach Verlauf einer sehr grossen Strecke, entweder in mehrere den früheren Seitenästchen entsprechende‘Verzweigungen zerfällt, oder, wie weiter unten ge- zeigt werden soll, auf eine benachbarte Muskelfaser übergeht. Sowohl das Hauptästchen als auch sämtliche Seitenästchen bilden stellenweise kleine Erweiterungen oder Anschwellungen; die Länge der Seitenästchen ist hierbei verschieden: einige erscheinen kurz, andere wiederum recht lang. Die ersteren zerfallen bereits in geringer Entfernung von ihrer Abgangsstelle anf der Oberfläche einer Muskelfaser in mehrere feine, kurze, häufig sich mehrfach teilender Fädchen, welche nach Bildung einer Art von Klaue in kleine Anschwellungen oder Verbreiterungen von runder, ovaler oder unregelmässiger Form endigen (Fig. 1 und 2). Einige dieser kurzen Fäden winden sich bogenförmig und gehen auf die Seiten- oder in bezug auf den Beobachter untere Fläche der Muskelfaser über und endigen daselbst in der angegebenen Weise. Die langen Seitenästchen zerfallen nach ihrem Abgange vom Stammästchen all- mählich in zwei bis drei Fädchen, welche entweder in einer oder in 506 A. S. Dogiel: verschiedenen Richtungen auf der Oberfläche der Muskelfaser ver- laufen, wobei sie letztere nicht selten spiralförmig umwinden und hierbei kurze Seitenästchen abgeben (Fig. 1 und 2). Diese Fädchen und ihre Verzweigungen endigen alsdann in den beschriebenen Endklauen. Die Verdickungen und Verbreiterungen, mit denen die Endverzweigungen besetzt sind und in denen sie endigen, sind gewöhnlich untereinander durch feine Fädchen verbunden, oder aber entsenden Fädchen zu ähnlichen Verbreiterungen be- nachbarter Ästchen. Häufig löst sich von einem markhaltigen Ast in einer Entfernung von einigen Schnürringen von der Stelle, wo er seine Markscheide verliert, ein beträchtlich langes mark- loses Ästchen ab, welches in derselben Weise endigt wie der mark- haltige Ast (Fig. 1). Wie bereits oben erwähnt worden ist, endigt jedoch bei weitem nicht jedes Hauptästchen auf der Oberfläche einer und derselben Muskelfaser: häufig geht es nach der Bildung einer Reihe der oben beschriebenen Endapparate auf eine andere, benachbarte Muskelfaser über, wo es auf deren Ober- fläche daselbst endigende Seitenästchen abgibt, um alsdann auf eine dritte Muskelfaser usw. zu gehen, bis es schliesslich auf einer derselben endgültig in seine Endästchen zerfällt (Fig. 1). Ein markhaltiger Ast liefert somit Endapparate für mehrere Muskelfasern. Die oben erwähnten marklosen Ästehen sind verschieden lang und dick, bilden stellenweise kleine, eckige oder abgerundete Verbreiterungen und endigen ebenso wie die beschriebenen mark- haltigen Ästehen. Die langen Ästchen erstrecken sich gewöhnlich weithin auf der Oberfläche einer Muskelfaser, wobei sie um die- selbe sich mehrfach winden und zerfallen allmählich in eine grössere oder geringere Anzahl kurzer, feiner Ästchen, welche die Endverzweigungen bilden. In der Mehrzahl der Fälle, mit nur sehr geringen Aus- nahmen, erhält jede Muskelfaser, auf deren Oberfläche ein kurzes markloses Ästchen endigt, ausserdem noch eine lange marklose oder markhaltige Faser, die sie desgleichen mit Endapparaten versorgt. Nicht selten endigen auf einer Muskelfaser zwei oder drei lange marklose oder aber lange markhaltige und marklose Ästehen (Fig. 1). Ausserdem ist noch hinzuzufügen, dass fast beständig von den Endapparaten selber auf einer Muskelfaser feine Ästehen zu denjenigen auf dem Sarcolemma benachbarter Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 507 Fasern gelegenen abgehen, wo sie sich entweder nur mit diesen vereinigen oder aber selbständige Nervenapparate bilden. Die beschriebenen Endverzweigungen sind gewöhnlich ungefähr auf dem mittleren Teil einer Muskelfaser gelegen, wobei sie nicht selten, wie es aus Fig. 1 ersichtlich ist, auf weite Strecken ver- laufen. Zu den Abschnitten der Muskelfasern, welche der be- schriebenen Apparate entbehren, ziehen jedoch häufig markhaltige oder marklose Ästchen, die in der erwähnten Weise endigen. Diese letzteren Endverzweigungen unterscheiden sich nur darin, dass sie auf der Oberfläche der Muskelfaser einen beschränkten Raum einnehmen. Das markhaltige Ästchen verliert gewöhnlich nach Verlauf einer gewissen Strecke, seine Markscheide und zer- fällt sofort in mehrere feine, mehr oder weniger kurze Ästchen, von denen sich einige von einer Seite der Muskelfaser auf die andere erstrecken, worauf sie in zahlreiche, stellenweise verdickte oder verbreiterte Endverzweigungen zerfallen. Bisweilen teilt sich ein markhaltiges Ästchen vorher in 2-3-4 kurze, markhaltige Unterästchen, welche alsbald die Markscheide verlieren und in ihre Endverzweigungen zerfallen. Ebenso verlaufen und endigen auch die marklosen Ästchen, die zu den erwähnten Abschnitten der Muskelfasern herantreten. Nahe der Übergangsstelle sowohl der einzelnen Muskelfasern in die Sehne als auch in dem Endabschnitt eines jeden geraden Muskels vom Menschen und aller von mir untersuchten Säuge- tiere werden beständig einige Abweichungen der Endigungsweise der sensiblen Nerven von der eben beschriebenen typischen Form derselben angetroffen. Bevor ich jedoch auf die Beschreibung derselben übergehe, will ich bemerken, dass die in den Bestand eines geraden Muskels eingehenden Muskelfasern sich nicht kon- tinuierlich von einem Ende des letzteren bis zum anderen er- strecken, sondern verschiedene Länge aufweisen und in der ge- samten Ausdehnung des Muskels an verschiedenen Stellen des- selben in dem intramuskulären Bindegewebe endigen. Die Länge der einzelnen Fasern ist somit äusserst verschieden: einige der- selben sind sehr lang, andere wieder kurz, wobei ihre Enden sich entweder allmählich in äusserst feine Fasern ausziehen, oder aber verdickt erscheinen und in zwei bis drei und mehr feine, kurze Ästehen spalten. In Berücksichtigung des Gesagten sind auch die Nervenendapparate, von denen die Rede sein wird, nicht nur in der Archiv f. mikrosk. Anat. Bad. 68. 34 508 AS Dogiel: Nähe der sozusagen makroskopisch wahrnehmbaren Übergangs- stelle des Muskels in die Sehne gelegen, sondern auch in der (Gesamtausdehnung eines jeden Muskels und folglich auch in ver- schiedener Entfernung von der makroskopisch erkennbaren Über- gangsstelle desselben in die Sehne. a) Die erste modifizierte Form der Nervenapparate, welche an der Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehne angetroffen wird, ist nun folgende. Eine mehr oder weniger dicke mark- haltige Faser erstreckt sich in zickzackförmigen Windungen auf der Oberfläche einer Muskelfaser, verliert ihre Markscheide und begibt sich darauf als dicker Achsenzylinder auf derselben Muskel- faser weiter, wobei sie einige bogenförmige Windungen beschreibt (Fig. 3). Auf ihrem gesamten, bisweilen äusserst langen Ver- lauf zerfällt sie allmählich in eine grosse Anzahl Ästchen, von denen einige, lange, sich ihrer Dicke nach nicht vom Achsen- zylinder unterscheiden, während andere als mehr oder weniger lange Fäden erscheinen. Diese Ästchen verlaufen in zahlreichen Windungen; die längeren erstrecken sich hierbei häufig nach ent- gegengesetzten Richtungen längs der Muskelfaser, oder ziehen von einer Seite derselben auf die andere, wobei sie sich mehrfach teilen. Einige Ästchen umgeben, sich allmählich verzweigend, ring- förmig die Muskelfaser oder umfassen dieselbe in Form von Halb- ringen. Nach einem bisweilen äusserst langen Verlauf zerfällt schliesslich der Achsenzylinder in zwei bis drei dicke Ästchen, welche ähnlich den vorhergehenden sich um die Muskelfaser winden, von einer Oberfläche derselben auf die andere hinüberziehen, wobei sie sich gleichzeitig mehrfach verzweigen und häufig bis an die Übergangsstelle der Muskelfaser in die Sehne verfolgt werden können (Fig. 3). Sowohl der Achsenzylinder selber als auch sämt- liche Äste desselben mit deren Verzweigungen bilden besonders an den Teilungsstellen verschieden grosse und verschieden ge- staltete (dreieckige, vieleckige, spindelförmige usw.) Erweiterungen und Verdickungen, von denen feine Fäden zu benachbarten Ver- breiterungen desselben Ästehens oder anderer verlaufen und die- selben untereinander verbinden. Die Verzweigungen des Achsen- zylinders umflechten somit, indem sie sich untereinander ver- binden, die Muskelfaser auf weite Strecken bis dicht an die Über- sangsstelle derselben in die Sehne und bilden gleichsam eine netzförmige Hülle. Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 509 Nicht selten verläuft ferner eine markhaltige Nervenfaser nach Verlust ihrer Markscheide eine beträchtliche Strecke in Ge- stalt eines nackten Achsenzylinders, worauf sie sich gabelförmig in zwei Äste teilt, von denen jeder zu einer besonderen Muskel- faser zieht. Auf der Oberfläche der Muskelfaser windet sich der eine Ast schlangenförmig, beschreibt häufig mehrere Touren um die Faser, wobei er gleichzeitig eine grosse Anzahl von Ästchen abgibt, und zerfällt schliesslich in eine gewisse Anzahl von End- verzweigungen; einige dieser letzteren teilen sich, verbinden sich untereinander und umflechten die Muskelfaser, andere und zwar bald einer, bald zwei, bald mehrere ziehen zu benachbarten Muskelfasern hin, wo sie in derselben Weise wie der Hauptast endigen. Der andere Ast zerfällt sofort, nachdem er die Muskel- faser erreicht hat, in mehrere verschieden dicke Ästchen, wobei einige (3—4 und mehr) derselben sich verzweigen und in der angegebenen Weise auf derselben Muskelfaser endigen, andere nach den Teilungen ihre Äste nicht nur derselben, sondern auch einer benachbarten Muskelfaser abgeben, wahrend wieder andere nur zu benachbarten Muskelfasern hinziehen und auf denselben Endapparate bilden. Aus dem Gesagten erhellt nicht nur, dass ein markhaltiger Ast (Faser) Endapparate für mehrere Muskelfasern liefert, sondern dass sämtliche Apparate gleichzeitig auch eng miteinander ver- bunden sind. Im allgemeinen lässt sich aussagen, dass die Endapparate, in denen die sensibien Nervenfasern in der Nähe der Übergangs- stelle der Muskelfasern in die Sehnen endigen, durchaus den von Ruffini, Huber und mir in den sogenannten Muskelspindeln beschriebenen Nervenendverzweigungen gleichen. b) Die zweite Modifikation sensibler Nervenapparate stellen, wie erwähnt, solche dar, die am häufigsten im Gebiete des Über- ganges der geraden Muskeln in die Sehne, jedoch auch ausserhalb dieses Gebietes, wo überhaupt ein Übergang einzelner Muskelfasern in Sehnen (in das intermuskuläre Bindegewebe) zu erkennen ist, angetroffen werden. Diese Apparate sind einfacher gebaut als sämtliche oben beschriebene Formen. An der Übergangsstelle des Muskels in die Sehne ist es nicht schwer zu erkennen, wie eine dicke markhaltige Faser in Windungen in den Bindegewebs- septa zwischen den Muskelbündeln verläuft; hierbei gibt die Faser 34* 510 AS: Dogs? verschieden lange markhaltige und marklose Ästchen (Fig. 4) ab, beschreibt alsdann in der Nähe der Übergangsstelle des Muskels in die Sehne oder bisweilen in der Sehne selber eine Schlinge und zerfällt alsbald in mehrere verschieden lange und dicke markhaltige und marklose Ästchen, von denen jedes häufig sich abermals in ähnlicher Weise teilt (Fig. 4). Die, in die eben beschriebenen Ästchen zerfallenden markhaltigen Fasern sind, wie ich habe feststellen können, selber beträchtlich dick und von einer dicken Markscheide sowie von einer dicken Henle- schen Hülle umgeben. Diese Fasern sind ausserdem dadurch charakterisiert, dass der Achsenzylinder sich stellenweise gabel- förmig in zwei bis drei markhaltige oder marklose Äste teilt, die nach kurzem Verlauf sich wieder zu einem Achsenzylinder vereinigen (Fig. 4). Letzterer erhält abermals eine Markscheide und erstreckt sich als markhaltige Faser weiter; eine derartige Teilung des Achsenzylinders in zwei bis drei Äste und die weitere Wiedervereinigung derselben wiederholt sich bisweilen mehrere Mal; diese Erscheinung wird besonders häufig an sehr dicken markhaltigen Fasern beobachtet, welche in den sogenannten Sehnenspindeln Golgis, die ihrerseits sehr zahlreich in den geraden Augenmuskeln des Rindes vorhanden sind, endigen. Jedes markhaltige oder marklose Ästchen zieht bald parallel bald mehr oder weniger schräg zu den Muskelfasern und legt sich darauf, nach einem kürzeren oder längeren Verlauf, der Oberfläche einer Muskelfaser an, windet sich hierbei mehr oder weniger stark und bildet den Endapparat, wobei die markhaltigen Ästehen vorher ihre Markscheide verlieren. Die Form der End- verzweigungen ist verschieden: 1. das Nervenästchen windet sich hufeisenförmig auf einer Seite der Muskelfaser, bildet stellenweise Verbreiterungen (Anschwellungen) und gibt zwei bis drei kurze Ästchen ab, welche alsdann in mehrere, sehr kurze und an den Enden verbreiterte Fädchen zerfallen (Fig 4). 2. Ein Ästchen teilt sich in drei bis vier kurze, mehr oder weniger gewundene und stellenweise verbreiterte Fädehen, welche eine Art von Klaue bilden und entweder alle auf einer Seite der Muskelfaser liegen oder teilweise dieselbe an einer bestimmten Stelle umfassen (Fig. 4). Bisweilen gehen von diesen Ästehen kurze Seitenfädchen ab, wo- bei die Enden sämtlicher Verzweigungen verbreitert erscheinen. 3. Schliesslich beschreibt ein Ästchen ein oder zwei Windungen Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 5ll um die Muskelfaser, entsendet hierbei einige kurze Seitenästchen, von denen jedes in ein Bündel feiner am Ende verdickter oder verbreiterter Fädchen zerfällt (Fig. 4). Darauf teilt sich das Ästehen in zwei bis drei verschieden lange feine Fädchen, welche nach einigem Verlauf in ein Bündel kurzer, am Ende verdickter Fädchen zerfallen. Bisweilen erhält eine Muskelfaser zwei und mehr End- apparate einer der soeben beschriebenen Formen. Viele der erwähnten Endverzweigungen gleichen, wie es aus der Fig. 4 ersichtlich ist, motorischen Endapparaten; ich zweifle nicht, dass die von G. Retzius in den Augenmuskeln des Kaninchens als motorische beschriebenen Endapparate, in der Tat Endverzweigungen sensibler Nerven darstellen. Beim Pferde und den anderen von mir untersuchten Tieren finden sich in dem oben erwähnten Gebiet der geraden Augen- muskeln Endapparate, welche den beschriebenen Formen des Menschen gleichen. Dicke markhaltige Fasern teilen sich bei diesen Tieren auf ihrem Verlauf zwischen den Muskelbündeln allmählich in verschieden lange und dicke, häufig sich mehrfach verzweigende, markhaltige und marklose Ästchen. In der Zahl eines, bisweilen aber von zwei bis drei Ästchen begeben sie sich alsdann zu einzelnen Muskelfasern, ziehen darauf auf der Öber- fläche der Muskelfaser, wobei sie sich nicht selten schleifenförmig winden, weiter und verlieren schliesslich nach Verlauf einer gewissen Strecke ihre Markscheide (Fig. 5 u.6). Bald darauf zerfällt jedes Ästehen rasch in eine grosse Anzahl sich abermals vielfach teilender, kurzer Ästchen. Letztere sind mit eckigen Verbreiterungen besetzt, erscheinen mehr oder weniger gewunden und geben eine grosse Anzahl kurzer, feiner Sprossen (Dornen) ab, vermittels derer sie sich mit benachbarten Ästchen oder deren Verbreiterungen verbinden; das Ende jedes Ästchens bildet desgleichen eine vieleckige oder runde Verbreiterung (Fig, 5 u. 6). Von einem derartigen Apparat sondert sich häufig ein feines Ästchen ab, welches zunächst eine kurze Strecke auf der Oberfläche der Muskelfaser hinzieht, darauf in mehrere, häufig sich verzweigende Ästchen, die einen neuen Endapparat bilden, teilt (Fig. 5); von letzterem aus entsteht in seltenen Fällen auf dieselbe Weise ein Apparat dritter Ordnung. Bisweilen zerfällt 512 A.S, Dogiel: eine markhaltige Faser, nach Verlust ihrer Markscheide, einfach in ein Bündel Endfädchen, welche auf ihrem gesamten Verlauf und am Ende mit Verbreiterungen verschiedener Form besetzt sind (Fig. 6). Eine Muskelfaser wird auf diese Weise sehr häufig mit mehreren Endapparaten versehen. Die marklosen Ästchen endigen in derselben Weise wie die markhaltigen; einige derselben haben einen kurzen Verlauf, indem sie alsbald nach ihrem Abgange in der Ein- oder Zweizahl von einer markhaltigen Faser, an der Stelle eines ihrer Ranvier- schen Schnürringe, auf der Oberfläche einer benachbarten Muskelfaser endigt (Fig. 5). Letztere erhalten gewöhnlich ausser Apparaten, die marklose Ästchen bilden, auch noch Apparate, in denen die oben beschriebenen markhaltigen Fasern endigen. Am Schluss der Beschreibung der sensiblen, auf der Oberfläche der Muskelfasern gelegenen Neryen- apparate, habe ich noch hinzuzufügen, dass in gewissen Fällen in der Nähe der Übergangsstelle der geraden Muskeln in die Sehne eine dicke markhaltige Faser ein Muskelbündel umfasst und darauf nach Verlust ihrer Markscheide allmählich in eine grosse Anzahl, sich vielfach verzweigender Ästchen und Fäden zerfällt (Fig. 7). Diese durchflechten sich untereinander, ver- binden sich miteinander und umflechten eine gewisse Strecke weit das Muskelbündel (Fig. 7). Von diesen umflechtenden Ästchen gehen ihrerseits zahlreiche Ästchen und Fäden ab, welche in die Zwischenräume zwischen den einzelnen Muskel- fasern eindringen, sich auf der Oberfläche derselben abermals verzweigen und, indem sie sich miteinander vereinigen, die einzelnen Fasern des Bündels umspinnen (Fig. 7). Sämtliche beschriebene Formen der Endapparate liegen, wie bereits oben erwähnt wurde, unmittelbar auf dem Sarco- lemma; zu Gunsten dieses Verhaltens sprechen unter anderem folgende Befunde. In den Augenmuskeln, besonders des Pferdes und des Rindes, werden fast stets Parasiten — Filariformen, die den Nematoden angehören — angetroffen; dieselben liegen gewöhnlich in den Muskelfasern und zerstören häufig, indem sie sich von der Muskelsubstanz nähren, die letztere an der Stelle, wo die Parasiten gelegen sind, wobei bloss das Sarcolemma unberührt Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 513 bleibt, welches den Parasiten in Form eines Sackes umgibt und äusserst deutlich zu erkennen ist. Ungeachtet dessen gelingt es in vielen ähnlichen Fällen in dem vom Parasiten zerstörten Anteil der Muskelfaser vollkommen erhaltene Nervenverzweigungen wahrzunehmen und festzustellen, dass letztere nicht unter, sondern auf dem Sarcolemm liegen. Bei dem Aufspannen des Präparates auf Karton vor dem Einlegen in Alkohol, zerreissen fernerhin nicht selten stellenweise einige Muskelfasern, infolge dessen an einigen Stellen blos das Sarcolemm in Form eines Sackes zutage tritt. Die an diesen Stellen gelegenen Nerven- apparate bleiben nichts desto weniger erhalten, wobei ihre Lagerung auf der äusseren Sarcolemmafläche deutlich erkannt werden kann. Die eigenartige Form aller beschriebener Nervenapparate, das Fehlen einer körnigen kernhaltigen Masse (Doyersche Hügel) an ihrer Verzweigungsstelle, ihre Lage auf dem Sarcolemm beweist zweifellos, dass dieselben nicht motorischen Endigungen angehören, was hauptsächlich noch dadurch bestätigt wird, dass von den Nervenfasern, welche in den beschriebenen Apparaten endigen, ‘sowohl markhaltige als marklose Ästchen abgehen, die verschiedene andersartige Nervenapparate an der Übergangsstelle der Muskeln in die Sehne, in dem intermuskulären Bindegewebe und in der Sehne selber, bilden. 2. Die Nervenendigungen an der Übergangs- stelle der Muskelfasern in die Sehne (Fig. 8—11) stellen die interessanteste, bisher beim Menschen und den Säugetieren fast unbekannte Form der Nervenendigungen dar. Ein Hinweis auf die Existenz dieser eigenartigen Apparate findet sich in der zitierten Arbeit von Crevatin'), woselbst er unter anderem schreibt, dass esikm in einem Falle in den Augenmuskeln des Kamels gelungen sei, wahrzunehmen, wie eine dicke markhaltige Nervenfaser in zwei Ästchen sich spaltete, von denen eines auf der Oberfläche der Sehne endigte, das andere sich verzweigte und an dem unteren Ende der Muskelfaser eine Art von Korb bildete. Bei der Betrachtung der Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehnen auf den nach dem angegebenen Verfahren ange- NDEIBAEIE 514 A.S. Dogiel: fertigten Präparaten ist es nicht schwer zu erkennen, dass von dem Muskel aus in der Richtung zur Sehne verschiedene dicke markhaltige Fasern verlaufen. Einige dieser Fasern sind ver- hältnismässig dünn, andere weniger zahlreiche wiederum beträcht- lich dick und von der Markscheide als auch der Henleschen Scheide umgeben. Die dünnen Fasern geben auf ihrem Verlauf ;wischen den Muskelbündeln markhaltige und marklose Ästchen ab, welche in den oben beschriebenen Apparaten endigen, worauf die Fasern seiber in die Sehne eindringen und daselbst verschieden weit, bisweilen auf sehr grosse Strecken hin, verfolgt werden können (Fig. 8). Einige derselben bilden sofort nach ihrem Eintritt in die Sehne, oder verhältnismässig nahe an der betreffenden Stelle eine Schlinge und begeben sich darauf rückwärts zum Muskel, wobei sowohl von dem Schleifenbogen als auch von dem ab- und aufsteigenden Schenkel desselben, an den Ran vierschen Schnür- ringen markhaltige und marklose Ästchen abgehen. Einige derselben, ein bis drei, verlaufen in der Sehne selber weiter, wo sie, wie weiter unten berichtet werden wird, früher oder später in besonderen Apparaten endigen, die übrigen kehren mit dem aufsteigenden Schenkel zum Muskel zurück (Fig. 8). Der auf- steigende Schleifenschenkel sowie alle oder viele der aufsteigenden, aus Verzweigungen einer jeden derartigen Faser entstandenen Ästehen, streben einer Muskelfaser zu, verlieren hierbei ihre Markscheide und teilen sich allmählich bei ihrer Annäherung zum Muskelfaserende (Fig. 8 u. 9). Nachdem das gesamte Bündel von Nervenästchen verschiedener Dicke das Muskelfaserende erreicht hat, umgibt es dasselbe allseitig und bildet eine Art dichter Pallisaden. Während ihres Verlaufs bilden alle Ästchen stellen- weise kleine Verbreiterungen von verschiedener Form; ihre Enden erscheinen desgleichen auf einer grösseren oder geringeren Strecke verdickt oder aufgetrieben; der Teil der Ästchen, welcher die Pallisaden selber oder das Nervenfutteral mit dem in dasselbe eingelegte Muskelfaserende bildet, liegt der Oberfläche des Muskelfaserendes dicht an, wobei von diesem Abschnitt der Ästehen Seitenfädchen abgehen, welche die einzelnen Ästchen miteinander verbinden. Bisweilen erstrecken sich ein, zwei oder drei Ästchen dieser Pallisaden weiter auf der Oberfläche der Muskelfaser und zerfallen darauf bald in zahlreiche, stellenweise verdickte und miteinander verbundene feine Endverzweigungen Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 515 (Fig. 9); dieselben sind auf einer Seite der Faser gelegen; zuweilen jedoch ragen einige Ästchen nur wenig über die übrigen, die Pallisaden bildenden, bervor. In einigen Fällen zieht sich ein Muskelfaserende, wahrscheinlich infolge des Aufspannens der Muskeln auf den Karton, aus seinem Nervenfutteral oder seiner Nervenscheide heraus und liegt in der Nähe desselben, wobei noch deutlicher die Ästchen des Endapparates selber mit ihren verbreiterten und verdickten Enden sichtbar sind. Nicht selten teilt sich eine markhaltige Nervenfaser sofort nach dem Ein- dringen in die Sehne, beinahe an der Übergangsstelle der Muskelfasern in letztere, in zwei bis drei markhaltige Ästchen, welche bald darauf ihre Markscheide verlieren, in eine grosse Anzahl Endästchen zerfallen und den Endapparat bilden. In einigen Fällen teilt sich eine markhaltige Faser in der Nähe eines Muskelfaserendes in mehrere markhaltige und marklose Ästehen, welche einen Bogen bilden und sich zur Muskelfaser begeben, wobei sie sich allmählich verzweigen (die markhaltigen Ästchen verlieren hierbei die Markscheide) und darauf den End- apparat bilden, wobei sie das Muskelfaserende in Form von Pallisaden umgeben. Schliesslich kommen Fälle vor, dass eines der infolge der erwähnten Teilung entstandenen (markhaltiges oder markloses) Ästchen einige weitere Ästchen abgibt, welche den Endapparat bilden, worauf es selber einen Bogen beschreibt und abermals zur Sehne zurückkehrt, wo es früher oder später in baumförmigen Verzweigungen endigt (Fig. 9). Neben diesen beschriebenen, am häufigsten vorkommenden Formen von Nervenendigungen sind auch noch kompliziertere Formen vorhanden, von denen eine auf Fig. 10 dargestellt ist. In diesen Apparaten endigen gewöhnlich die oben erwähnten sehr dicken markhaltigen Fasern, welche eine dicke Mark- nnd Henle- sche Scheide aufweisen. In der Mehrzahl der Fälle verläuft eine derartige Faser in schlangenförmigen Windungen auf der Oberfläche einer Muskel- faser, beschreibt in der Nähe der Übergangsstelle derselben in die Sehne einen Bogen um sie und dringt darauf in die Sebne ein; hier bildet sie nach Verlauf einer kurzen Strecke nicht selten eine Schlinge, worauf sie sich bald in zwei bis drei dicke, mark- haltige Ästchen teilt. Letztere beschreiben eine bogenförmige Windung, verlaufen zum Ende der Muskelfaser zurück, wobei 516 A. S. Dogiel: ein jedes derselben auf dieser Strecke sich abermals an den Stellen der Ranvierschen Schnürringe in zwei bis drei ähnliche, bisweilen gebogene Ästchen teilt, welch letztere dasselbe Ver- halten erkennen lassen (Fig. 10). Schliesslich verliert jedes markhaltige Ästchen, wie es auf Fig. 10 ersichtlich, die markhaltige Scheide und verwandelt sich in ein mehr oder weniger dickes, markloses Ästchen. Alle diese Ästchen erstrecken sich wie die markhaltigen weiter zum Muskelfaserende und endigen, nachdem sie die Übergangsstelle der Muskelfaser in die Sehne erreicht haben, in verschieden grossen spindelförmigen oder mehr oder weniger abgeplatteten Anschwellungen. Letztere liegen auf der Oberfläche des Endteils der Muskelfaser, vereinigen sich miteinander vermittels feiner Seitenfädchen und umgeben auf diese Weise das Faserende in Form von Pallisaden. Diese Formen von Nervenapparaten werden seltener als die vorher beschriebenen angetroffen und innervieren, soviel ich habe wahrnehmen können, am häufigsten die Enden dicker Muskel- fasern. Ausser diesen typischen Nervenapparaten an der Übergangs- stelle der Muskelfasern in die Sehne, werden noch verschieden - artige andere Formen angetroffen, welche als atypische bezeichnet werden können. Die charakteristischsten derselben sind in folgen- dem beschrieben: Die markhaltigen Nervenfasern geben nicht selten nach ihrem Eintritt in die Sehne verschieden lange markhaltige und marklose Ästehen ab, von denen einige — längere, sich zum Muskel zurückbegeben und in den beschriebenen Verzweigungen auf der Oberfläche der Muskelfasern oder in dem intermuskulären Bindegewebe endigen, während andere auf ihrem Verlauf zum Muskel Endverzweigungen in der Sehne bilden. Die markhaltige Faser selber verläuft eine Strecke weit in der Sehne, bildet eine Schlinge, kehrt wieder zum Muskel um und tritt mehr oder weniger nahe an das Ende einer Muskelfaser heran, wo sie in der Nähe des letzteren ihre Markscheide verliert und alsbald in mehrere Ästchen zerfällt. Letztere teilen sich rasch in zahlreiche, sich ihrerseits mehrfach verzweigende, mit verschiedenartigen Verbreiterungen besetzte Ästchen, welche sich in mehr oder minder starkem Maße winden und nicht nur das Muskelfaserende, sondern auch das unmittelbar mit ihm verbundene Sehnenbündel umflechten. Von den Endästchen, besonders ihren Verbreiterungen 17 U Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. sondern sich dünne Seitenfädchen ab, die die einzelnen Ästchen untereinander verbinden. Bisweilen zieht eine markhaltige Nervenfaser, ohne in die Sehne einzudringen, zu einer Muskelfaser bin, verliert ihre Markscheide bald an der Übergangsstelle derselben in die Sehne, bald in der Nähe der letzteren Stelle und zerfällt allmählich in eine grosse Zahl sich mehrfach teilender und miteinander ver- bundener Endästchen, welche eine Strecke weit das Ende der Muskelfaser umgeben. In einigen Fällen verliert die Nervenfaser, wie es Fig. 11 zeigt, ihre Markscheide an der Übergangsstelle der Muskelfaser in die Sehne, bildet um dieselbe eine ringförmige Windung, verläuft alsdann eine grössere oder geringere Strecke auf der Oberfläche der Faser und teilt sich alsbald in mehrere dieke Ästchen. Letztere zerfallen ihrerseits in zahlreiche Ästchen, welche allmählich nach verschiedenen Seiten auseinanderziehen und einen kleinen Abschnitt der Muskelfaser umflechten. Nicht selten verläuft ein Ästchen zur Übergangsstelle des Muskels in die Sehne und endigt hier auf der Oberfläche des Sehnenbündels in baumförmigen Verzweigungen (Fig. 11, c.‘'). Sämtliche den Endapparat zusammensetzende Ästchen bilden verschiedenartige, bisweilen ziemlich grosse, Verbreiterungen, von denen Fädehen zu benachbarten Ästchen und Verbreite- rungen abgehen. Den verhältnismässig seltenen Formen dieser Endapparate gehört die auf der Fig. 12 dargestellte an. Die dicken mark- haltigen Fasern, welche in diesen Apparaten endigen, erstrecken sich gewöhnlich auf weite Strecken in der Sehne. Nach einer Schlingenbildung verläuft jede Faser wieder in der Richtung zum Muskel und verliert an der Übergangsstelle einer Muskelfaser in die Sehne ihre Markscheide, wobei sich ihr Achsenzylinder gabelförmig in zwei bis drei Ästchen spaltet. Letztere geben allmählich zahlreiche Ästehen und Fäden ab, welche stellenweise verschieden grosse (je nach der Dicke der Ästehen) und ver- schieden gehaltene Verbreiterungen bilden und sich abermals mehrfach teilen. Die auf diese Weise entstandenen Verzweigungen sind auf der Oberfläche des Sehnenbündels gelagert, winden sich verschiedenartig, verbinden sich untereinander, umflechten zunächst das Sehnenbündel, gehen erst darauf, indem sie sich weiter ver- zweigen, auf das Ende der mit dem betreffenden Sehnenbündel 518 A.S. Dogiel: verbundenen Muskelfaser über und umflechten dieselbe ebenso auf einer gewissen Strecke (Fig. 12). Wie aus dem Gesagten hervorgeht, so unterscheiden sich die atypischen Formen der sensiblen Nervenapparate an der Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehne von den typischen dadurch, dass erstens ihre Ästehen und Fäden sich nicht in Form von Pallisaden um das Ende der Muskelfaser anordnen, sondern dasselbe nur auf einer grösseren oder geringeren Strecke umflechten und dass zweitens diese Apparate häufig zunächst ein Sehnenbündel umflechten und darauf allmählich auf die mit diesem verbundene Muskelfaser übergehen. Es entsteht nun die Frage, ob blos diejenigen Enden der Muskelfaser, welche sich an der Übergangsstelle der geraden Muskeln in die Sehnen befinden, mit den beschriebenen eigen- artigen Apparaten versorgt werden, oder ob dieselben auch an dem anderen Faserende vorhanden sind? Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Muskelfasern in den geraden Muskeln verschieden lang sind, wobei ein Faserende in die Sehne übergeht, während das andere Ende mit dem intermuskulären Bindegewebe zusammenhängt. Auf den Präparaten der Augenmuskeln, welche nach der Färbung der Nerven in ihnen mit Methylenblau und nach der Fixierung und Auswaschung in Wasser nicht nur in der Längsrichtung, sondern auch in der Querrichtung in genügendem Masse auf dem Karton ausgespannt waren, sind die Muskelfasern mehr oder weniger auseinandergezogen. Auf derartigen Präparaten gelingt es nicht selten, beide Enden vieler Muskelfasern wahr- zunehmen und festzustellen, dass beide Muskelenden mit ge- sonderten Nervenapparaten typischer oder atypischer Form ver- sehen sind (Fig. 8). Von diesen Apparaten werden auch diejenigen Muskelfasern versorgt, deren beide Enden mit dem intermuskulären Bindegewebe verbunden sind. In den Augenmuskeln des Menschen und der Säugetiere muss somit das Vorhandensein zweier Arten sensibler Nerven- apparate anerkannt werden, mit denen jede einzelne Mnskelfaser ver- sehen ist; die Nervenapparate liegen nicht unter, sondern überdem Sarcolemm. Einige dieser Apparate umflechten die Muskelfaser nicht selten fast auf dem gesamten Verlauf derselben, andere umgeben die Enden der Muskelfaser in Form von Pallisaden, Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 519 wobei die Muskelfaser in den Endapparat gleichsam eingefügt erscheint. Zwischen diesen beiden typischen Formen sensibler Apparate sind zahlreiche Übergangsformen vorhanden. 3. Als Nervenendigungen in dem intermusku- Jären Bindegewebe und 4.in den Sehnen der geraden Augenmuskeln werden sowohl uneingekapselte als auch ein- gekapselte Nervenapparate angetroffen. Erstere stellen sich in Form verschiedenartiger baumförmiger Verzweigungen dar, wie sie von mir ausführlich in dem intermuskulären Bindegewebe und in den Sehnen der Bauch- und Interkostalmuskeln beschrieben worden sind. Einige verschieden dicke markhaltige und marklose Ästchen, in welche die in den oben beschriebenen Apparaten endigenden markhaltigen Fasern zerfallen, verlaufen eine grössere oder geringere Strecke im intermuskulären Bindegewebe und teilen sich hierbei in eine Anzahl gleicher Ästehen. Sowohl die marklosen als auch die markhaltigen (jedoch nach Verlust ihrer Markscheide) zerfallen rasch in eine grosse Anzahl verschieden langer, sich ihrerseits wiederum teilender Ästchen und Fäden (Fig. 4 u. 15). Letztere bilden stellenweise (besonders an den Verzweigungsstellen) vieleckige Erweiterungen und sind mit kurzen, sich bisweilen abermals verzweigenden Seitenfädchen besetzt, welche in blattförmigen Verbreiterungen endigen; von den Ecken dieser letzteren gehen gewöhnlich feinste Fädchen zu den Verbreiterungen benachbarter Ästehen ab und verbinden dieselben untereinander. Auf diese Weise entstehen Apparate, welche an mit verschieden gestaltenen Blättchen besetzte Baum- zweige erinnern, wobei die Blättchen untereinander durch feine Fädchen verbunden sind (Fig. 4 u. 13). Die baumförmigen End- verweigungen nehmen bald eine grössere, bald eine geringere Fläche ein, wobei die sie zusammensetzenden Ästchen mit den Endverbreiterungen in der Mehrzahl der Fälle nicht in einer Ebene liegen, sondern mehr oder weniger gebogen erscheinen. Einige derselben liegen auf der Oberfläche der Bindegewebs- fibrillenbündel, andere dringen in die Zwischenräume zwischen den einzelnen Bündeln ein und umgeben eine grössere oder geringere Anzahl von Bündeln je nach der Grösse der von den Endverzweigungen eingenommenen Fläche. Einige Verzweigungen nehmen nur eine unbedeutende Fläche ein und liegen nur auf einer Seite eines Bindegewebsbündels. Von vielen baumförmigen 520 A. S. Dogiel: Verzweigungen sondern sich ein oder mehrere Ästchen ab, welche nach längerem oder kürzerem Verlauf, in eine grosse Anzahl sich verzweigender, einen Endapparat zweiter Ordnung bildender Ästchen zerfallen; an diesen wiederholt sich häufig das gleiche Verhalten, infolge dessen Apparate dritter Ordnung entstehen. Aus dem Berichteten geht hervor, dass die baumförmigen End- verzweigungen in dem intermuskulären Bindegewebe der geraden Augenmuskeln sich in nichts wesentlichem von ähnlichen Ver- zweigungen an anderen Stellen derselben Muskeln, sowie in ver- schiedenen Bindegewebsgebilden (in der Haut, in den Schleim- und serösen Häuten) unterscheiden. Genau die gleichen Nervenapparate sind auch in grosser Zahl in den Sehnen der geraden Augenmuskeln, von ihrer Über- gangsstelle in die Muskeln bis zur Anheftungsstelle an die Sklerä vorhanden; am meisten werden sie in der Nähe der Übergangs- stelle des Muskels in die Sehne angetroffen. In den beschriebenen Apparaten endigen gewöhnlich verschieden dicke markhaltige und marklose Ästchen, markhaltiger Fasern, welche ihrerseits in be- sonderen Apparaten auf der Oberfläche der Muskelfasern und an der Übergangsstelle derselben in die Sehnen endigen. Diese Ästehen dringen entweder direkt aus dem intermuskulären Binde- gewebe in die Sehne ein, oder aber, und zwar häufiger, sondern sie sich von denjenigen markhaltigen Fasern ab, welche mehr oder weniger weit in die Sehne vordringen, alsdann einen Bogen bilden und sich zu den Enden der Muskelfasern begeben, wo sie in den beschriebenen Apparaten endigen. In diesen Fällen teilt sich, wie ich es weiter oben angegeben, die eine oder die andere markhaltige Faser an den Stellen der bogenförmigen Krümmung häufig in zwei oder drei markhaltige und marklose Ästchen, welche nach einer knieförmigen Biegung zum Muskel zurück- kehren; von diesen Ästchen sondern sich nun an dem Bogen (sowohl von dessen konkaven als auch konvexen Seite) eine, zwei oder mehr markhaltige und marklose Ästehen ab (Fig. 9), welche, sich allmählich verzweigend nach verschiedenen Seiten verlaufen und in baumförmigen Verzweigungen endigen. In den Sehnen werden ausserdem noch eigenartige, meines Wissens noch nicht beschriebene Nervenapparate angetroffen. In denselben endigen dicke markhaltige Fasern, wobei die eine oder die andere derselben sich gewöhnlich in zwei bis drei kurze Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 521 markhaltige Ästehen verzweigt, welche zunächst sich schwach windend einander mehr oder weniger parallel verlaufen, worauf sie ihre Markscheide verlieren, während ihre Achsenzylinder rasch in eine grosse Anzahl feiner Fäden zerfallen (Fig. 14). Letztere verzweigen sich auf ihrem Verlauf mehrfach unter spitzen Winkeln, verlaufen sich mehr oder weniger windend ein- ander parallel und stellen schliesslich ein recht langes und dickes Bündel oder einen Pinsel dar. Die einzelnen Fäden sind mit kleinen spindelförmigen, leicht abgeplatteten Anschwellungen be- setzt und sind stellenweise durch äusserst feine Seitenfädchen mit- einander verbunden (Fig. 14). Diese eigenartigen Nervenapparate sind, soviel ich beurteilen kann, nicht eingekapselt; die dieselben zusammensetzenden zahlreichen, äusserst nahe beieinander an- geordneten Fädchen liegen augenscheinlich innerhalb der Binde- gewebsfibrillenbündel, wodurch ihr paralleler Verlauf erklärt wird. Diese Apparate werden nicht häufig angetroffen, und zwar in verschieden weiter Entfernung von dem Ende der Muskelfasern, zu welchen sie in gar keiner Beziehung stehen. Zu den eingekapselten Nervenapparaten gehören die bereits lange Zeit bekannten Sehnenspindeln von Golgi (corpuscula di Golgi), sowie die modifizierten Vater-Pacinischen Körperchen (Golgi-Mazzoni). Erstere liegen sowohl in den bindegewebigen Septa zwischen den Muskelfasern als auch in der Sehne selber, insbesondere in der Nähe und an der Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehne; besonders stark entwickelt sind sie in den geraden Augenmuskeln des Rindes. Beim Menschen und den anderen untersuchten Tieren (Affe, Pferd, Hund, Katze) sind sie in viel geringerer Zahl vorhanden und erlangen niemals eine derartige Entwickelung, wie in den geraden Augenmuskeln des Rindes. Ich will mich nicht weiter mit der Beschreibung des Baues dieser Apparate aufhalten, da ich dieselbe bereits in einer meiner letzten Arbeiten gegeben habe.) Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass neben denselben nicht selten auch sog. Muskelspindeln angetroffen werden, in denen bisweilen dicke markhaltige Teiläste der zu den Sehnenspindeln verlaufen- den Fasern endigen. Die modifizierten Vater-Pacinischen Körperchen (Fig. 15 u. 15) fand ich in meinen Präparaten nur in den geraden Augenmuskeln De Re 522 A. S. Dogiel: des Pferdes, wobei ich sie sowohl in der Sehne selber, als auch an der Übergangsstelle der Sehne in den Muskel, in einigen Fällen sogar mehr oder weniger weit zwischen den Muskelfasern in der Nähe der Übergangsstelle derselben in die Sehne ange- troffen habe. Zu diesen Körperchen ziehen recht dicke mark- haltige Fasern, welche auf ihrem Verlauf in dem intermuskulären Bindegewebe allmählich sich in markhaltige und marklose Ästchen verzweigen und darauf nach ihrem Eintritt in die Sehne endgültig in eine grosse Anzahl gleicher Ästchen zerfallen. Von diesen endigen diejenigen, welche sich von den erwähnten Fasern während des Verlaufs derselben in dem Muskel absondern, auf der Oberfläche der Muskelfasern an der Übergangsstelle der- selben in die Sehne und in dem intermuskulären Bindegewebe in den oben beschriebenen Apparaten. Von den in der Sehne gelegenen Ästchen kehren viele wieder zum Muskel um; auf diesem letzteren Verlauf endigen einige Ästehen in baumförmigen Verzweigungen in der Sehne, andere in Apparaten, welche die Enden der Muskelfasern umfassen, andere wiederum nach ihrem abermaligen Vordringen in den Muskel auf der Oberfläche der Muskelfasern und zwischen Bündeln derselben, einige schliesslich, besonders markhaltige verlieren die Markscheide und dringen in den Hohlraum eines Endkörperchens ein. Der Achsenzylinder eines derartigen Ästchens zerfällt allmählich im Hohlraum des Körperchens in eine grosse Anzahl sich mehrfach teilender Ästehen, welche sich mannigfach winden und untereinander durchflechten, indem sie einen den gesamten Hohlraum des Körperchens einnehmenden Knäuel bilden (Fig. 13 und 15). Sämtliche in dem Körperchen gelegene Verzweigungen des Achsenzylinders bilden stellenweise verschieden grosse und ver- schieden gestaltete abgeplattete Anschwellungen, von denen feine Fädchen zu benachbarten Ästehen und ihren Anschwellungen ab- gehen. Dasselbe Verhalten weisen auch die Ästchen auf, welche, wie oben erwähnt, nicht zum Muskel zurückkehren, sondern in der Sehne selber verlaufen; einige derselben endigen in irgend- welchen uneingekapselten Apparaten in der Sehne, andere markhaltige — verzweigen sich nach Verlust der Markscheide in dem Hohlraum modifizierter Vater-Pacinischer Körperchen. Bei der Erwähnung der Körperchen von Golgi-Mazzoni halte ich es für notwendig, einiges über die Annahme von Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. 523 Ruffini!) auszusagen, dass die von mir in der papillären und subpapillären Schicht der Haut beschriebenen modifizierten Vater- Paeinischen Körperchen den einlappigen Meissnerschen Körperchen zugezählt werden müssten. Diese Körperchen sehe und be- schreibe ich nicht das erste Mal, wobei überall folgende charakteristische Merkmale derselben hervortreten: erstens be- sitzen sie eine deutlich lamelläre, d.h. aus mehreren Binde- gewebskapseln bestehende Hülle; zweitens ordnen sich die in den Körperchen endigenden Achsenzylinderverzweigungen mark- haltiger Nerven in dem Hohlraum der Körperchen vollkommen regellos an, durchflechten sich mannigfach und vereinigen sich gleichzeitig miteinander; drittens haben die modifizierten Vater- Pacinischen Körperchen nicht nur eine runde, ovale oder ei- förmige Gestalt, sondern erscheinen häufig mehr oder weniger in die Länge gezogen und gebogen (conf. Fig. 9 meiner Arbeit), was niemals an den einlappigen Meissnerschen Körperchen beobachtet wird. In einer Papillen werden ferner bisweilen sowohl modifizierte Vater-Pacinische Körperchen, als auch mehr- und einlappige Meissnersche Körperchen angetroffen; in diesem Fall liegen die ersteren im Basalteil der Papille. — Die in den oben erwähnten Koriumschichten gelagerten Körperchen unter- scheiden sich schliesslich in nichts von den oben beschriebenen, sowie von denjenigen in der Haut des Nagelbettes, der Pleura, des Bauchfells und anderen Organen. Dieselben gleichen ebenso wenig den einlappigen Meissnerschen Körperchen wie die von Crevatin („Le terminazioni nervose nel eorio della congiuntiva..“ Memoria dell dottor Frane-Örevatin, Bologna 1905, Fig. 1 u. 2) in der Haut und den Muskeln der Hand beschriebenen Apparate, welche er irrtümlich als Körperchen von Golgi-Mazzoni be- zeichnet, in der Tat jedoch Körperchen dieser Art gleichen. Es endigen somit, in Übereinstimmung mit den Angaben in meiner letzten Arbeit?) die Verzweigungen einer mark- haltigen Faser in Gestalt markhaltiger und markloser Ästchen häufig in verschiedenen eingekapselten und uneingekapselten !) Sur les expansions nerveuses de la peau. Revue generale d’Histologie. Lyon-Paris 1905. 2) Über die Nervenendigungen in den Grandryschen und Herbstschen Körperchen etc. Anat. Anz. Bd. XXV, 1904. Der fibrilläre Bau der Nerven- endapparate in der Haut des Menschen etc. Anat. Anz. Bd. XXVII, 1905. Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 68. 35 524 A.S. Dogiel: Nervenapparaten, wie es in der Fig. 13 wiedergegeben ist. Diese Tatsache entscheidet meiner Meinung nach endgültig die Frage, welcher Art von Nervenapparaten — motorischen oder sensiblen — sowohl die Endigungen, welche die Muskelfasern mit Endver- zweigungen umflechten, als auch diejenigen, welche die Muskel- faserenden in Form von Pallisaden umgeben, als auch die sog. Muskel- und Sehnenspindeln angehören. Es erübrigt noch einiges über den feineren Bau der oben beschriebenen Nervenendigungen zu berichten. Hinsichtlich dieser Frage verweise ich jedoch auf meine) letzten Arbeiten und habe nur hinzuzufügen, dass denselben Bau, wie er aus den nach dem Verfahren von R. y Cajal behandelten Präparaten hervorgeht, auch die übrigen Apparate aufweisen, in welchen die sensiblen Nerven in den geraden Augenmuskeln und ihren Sehnen endigen OL DD Oo Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. Figurenerklärung auf Tafel XXXII-XXXIV. Rirossalaur Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5A 5102272 Fig. 8, 9 Fig. 11 u. Fig. 13 2. Verschiedene Formen sensibler Nervenapparate, welche die Muskelfasern umflechten. a = markhaltige Nervenfasern ; b = mark- lose Nervenfasern; ce = Muskelfasern. Fig. 1 bei Zeiss Obj. A, Fig. 2 bei Obj. © gezeichnet. Modifizierte Form von Nervenendapparaten, welche die Muskelfasern in der Nähe ihres Überganges in die Sehne umflechten. a = mark- haltige Nervenfaser; ce — Muskelfaser; d = Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehne. Obj. ©. Zeiss. Modifizierte Formen von Nervenapparaten auf der Oberfläche der Muskelfasern unweit ihres Übergangs in die Sehne. a = mark- haltige Nervenfaser und deren markhaltige (b) und marklose (c) Teiläste; d = markhaltiges Ästchen, welches in baumförmigen Verzweigungen in dem intermuskulären Bindegewebe endigt; e = Muskelfasern. Aus einem geraden Augenmuskel des Menschen. Obj. C. Zeiss. u. B u. Fig. 6. Modifizierte Formen von Endverzweigungen analog denjenigen in Fig. 4 dargestellten, aus den geraden Augenmuskeln des Pferdes. Fig.5B ist die Fortsetzung von Fig. 5A; auf ihm ist die Endigung einer markhaltigen Faser a’ dargestellt. a —= mark- haltige Fasern; b = marklose Fasern; c — Muskelfasern. Die Fasern d endigen auf benachbarten Muskelfasern in ähnlichen Apparaten. Obj. ©. Zeiss, halbausgezog. Tubus. Die Verzweigungen einer markhaltigen Faser umgeben zunächst ein Muskelbündel, dringen darauf in die Zwischenräume zwischen die einzelnen Muskelfasern ein und endigen auf deren Oberfläche. a — markhaltige Faser; b = Muskelfasern; ce = Übergangsstelle der Muskelfasern in die Sehne. Obj. C. Zeiss. u. 10. Endverzweigungen, welche in Form von Pallisaden die Enden von Muskelfasern umgeben; a — markhaltige Fasern; b — Muskelfasern; ce — Ästchen, welche in die Sehnen verlaufen und daselbst in baumförmigen Verzweigungen (c’) endigen; d — Übergangsstelle des Muskels in die Sehne. Fig 8 ist bei Obj. A, Fig. 9 bei Obj. C und Fig. 10 bei Obj. D Zeiss gezeichnet. 12. Verschiedene atypische Formen von Nervenapparaten, welche die Enden der Muskelfasern umgeben. a — markhaltige Fasern; a — Markscheide; b = Muskelfaser; ce und c” = marklose Ästchen, welche auf der Oberfläche der Muskelfasern (c), in der Sehne (c”) und auch im intermuskulären Bindegewebe (s. Fig. 13) endigen. Obj. ©. Zeiss, halbausgezogener Tubus. Eine markhaltige Faser (a) zerfällt in markhaltige (a’) und mark- lose (a”) Ästehen, welche auf der Oberfläche der Muskelfasern, in 35* SL 1) op) A. S. Dogiel: Die sensiblen Nerven in den Augenmuskeln. dem intermuskulären Bindegewebe und in modifizierten Vater- Pacinischen Körperchen endigen, In der Nähe der Übergangsstelle des Muskels in die Sehne. Obj. A. Zeiss. Fig. 14A u.B. Besondere Formen von Nervenapparaten, in denen mark- haltige Fasern in der Sehne endigen. a — markhaltige Faser; b = Sehnenbündel; c = Sehnenzellen. Obj. ©. Zeiss. Fig. 15 A u. B. Modifizierte Vater-Pacinische Körperchen. a — markhaltige Fasern; b — Kapseln. Körperchen A liegt in der Sehne selber, Körperchen B — in der Nähe der Übergangsstelle des Muskels in die Sehne in dem intermuskulären Bindegewebe. Obj. C. Zeiss, halbausgezogener Tubus. Sämtliche Figuren sind mit Hilfe des Zeichenprismas von Präparaten der geraden Augenmuskeln des Pferdes (mit Ausnahme Fig. 4) gezeichnet worden. OL DD -—I Aus dem zoolog. Institute der böhm. Universität. Einige Beobachtungen über die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. Von Dr. Em. Mencl, Prag. Hierzu Tafel XXXYV. Vor einiger Zeit bin ich zuerst in den Ganglienzellen aller Schichten des Cortex cerebri und später auch auf anderen Stellen des Nervensystems gewissen Gebilden begegnet, die mir damals in ihrer Bedeutung ganz dunkel waren, so dass ich es nicht wagen konnte, dieselbe zu beschreiben und zu deuten, obzwar ich damals der Überzeugung war, es handle sich um neue, bisher gänzlich unbekannte Bestandteile der Nervenzelle. Erst später bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Gebilde bereits, seit dem Jahre 1895, durch Roncoroni (Arch. di psich. scienze penali etc.) bekannt ge- worden sind und dass bereits über deren Bedeutung zwischen dem Entdecker derselben und Lugaro eine Diskussion ent- standen sei. Jetzt, etwa drei Jahre nachdem mir diese Gebilde aus der Autopsie bekannt geworden sind, finde ich Veranlassung, einige Bemerkungen über das Vorkommen und Verhalten der frag- lichen Nervenzellkomponenten zu veröffentlichen, obzwar ich im voraus bemerke, dass ich bisher trotz aller Bemühungen nicht imstande bin, das wahre Wesen derselben klarzulegen. Zur Veröffentlichung dieses Aufsatzes hat mich eine meiner Über- zeugung nach völlig falsche und unnatürliche Deutung, die über diesen Gegenstand neuerdings ausgesprochen wurde, veranlasst, und es liegt in der Absicht dieser Zeilen nicht etwa, wie ich bereits angedeutet, irgend-eine definitive Erklärung der fraglichen Gebilde abzugeben, sondern nur einige Details hervorzuheben, um die Angelegenheit ihrer Lösung näher zu bringen. Die ursprüngliche Abhandlung Roncoronis ist mir leider unzugänglich geblieben — ich kenne sie bloss aus einem Referate 528 Em. Menel: von Robertson „Normal and pathological Histology of the nerve Cell“ (Brain 1899), wo gesagt wird (pg. 239): „Roncoroni (Arch. di psich. scienze penali etc. 1895) described in the nuclei of some pyramidal cells of the cerebral cortex the occurence of a sharp line, coloured deep blue in methylene blue and eosine preparations and extending sometimes from one pole of the nucleus to the other. He thought that it was probably composed of chromatin. Lugaro (Rivista di patol. nerv. e ment. 1896) maintained that Roncoronis line is nothing more than a fold ofthe nuclear membrane, due to shrinking of the nucleus, generally from alkohol hardening, and that staining reactions prove that it is not composed of chromatin. Roncoroni (Riv. di patol. nerv. e ment. 1896) defended his original opinion against the critiesm of Lugaro, who in turn replied with further arguments in support of his contentions (Riv. di pat. nerv. e ment. 1896). There can be little doubt that Lugaros wiew of this matter is the correct one.“ Ausser dem Aufsatze Lugaros (Su di un presunto nuovo reperto nel nucleo delle cellule nervose) und einer Erwiderung von Roncoroni, sowie einer „Replica“ von Lugaro (Alles in der Rivista di patologia nervosa e mentale, Vol. I, pg. 149, 180), von welchen also in der zitierten Nachricht in „Brain“ die Rede ist, sind diese Gebilde noch von Babes, v. Lenhossek, Renaut, Mann, OÖbersteiner, Holmgren u. a. berücksichtigt worden. Ich zitiere ferner zwei Stellen von Ramön y Cajal und Athias. S.R. y Cajal in seinem Aufsatze „Un sencillo metodo de coloraciön selectiva del reticulo protopläsmico y sus efectos en los diversos organos nerviosos (in den „Trabajos“ del laboratorio de investigaciones biolögicas de la Universidad de Madrid 1903) zeichnet (]. c. pg. 79, Fig. 22) sechs Nervenzellen, deren Kerne scharfe, fast diametral laufende Fibrillen aufweisen. Cajal nennt diese Gebilde „baston“ oder „bastoneitos intranucleares“ und sagt von denselben I. c. pg. 180: „En el perro, gato y hombre, no hemos logrado hallar bastoncitos intranucleares; pero, en cambio, en el conejo se nos ha presentado en gran nümero, yaciendo de preferencia en las c@lulas polimorfas y en tal cual elemento de la capa segunda.“ Die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. 529 Eine weitere Anspielung auf dieselben Gebilde finde ich in der portugiesischen Monographie der Nervenzelle von Athias „Anatomia da cellula nervosa“, Lissabon 1905, pg. 193. Dieser Autor nennt die fraglichen Gebilde direkt „erystalloides“ und reiht sie in zwei Gruppen: die extranuklearen „Krystalloide“, die im Protoplasma liegen und die intranukleären ‚Krystalloide“, die offenbar mit den Roncoronischen Gebilden identisch sind. Abgesehen davon, dass es sich allen Merkmalen nach nicht um Krystalloide handelt, wie ich weiter unten zeigen werde —- besteht noch eine unannehmbare Deutung in der Anschauungsweise Athias — indem dieser Autor, l. c. sagt: „Vistos pela primeira vez por Mann em cellulas corticaes do coelho e por elle considerados como centrosomas, foram depois descriptos por Lenhoss&ek, Prenant e Sjövall nas cellulas sympathicas do ourico (Erinaceus europeus), por Holmgren em cellulas dos ganglios espinhaes e sympathicos de mammoferos e aves e por Ganalayr rn 4% Tambem Roncoroni descreven, nas cellulas pyramidaes medias do cortex, umas balestilhas intranucleares que julgou serem cerystalloides ..... .“ In einer Hinsicht kann ich mit Athias übereinstimmen, und zwar in dem Punkte, dass nicht alle Gebilde, die seitens zahlreicher Beobachter für Sphären mit einem oder mehreren Centriolen, es sei vereinzelt oder in der Mehrzahl vorhanden, wirkliche Centrosphären sind. Zu diesem Resultate bin ich haupt- sächlich bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die Histologie des elektrischen Lappens bei den Zitterrochen gekommen. Auch was die Bedeutung der Holmgrenschen Kanäle in den Ganglien- zellen betrifft, so glaube ich ebenfalls, dass nicht einmal in dieser Beziehung die bisherigen Erklärungen genügen. Trotzdem natür- lich bin ich keineswegs geneigt, das Vorhandensein der Sphären in den Nervenzellen in Abrede zu stellen. Was speziell das Vorkommen von Fibrillen in dem Nerven- zellenleibe anbelangt, so muss ich in erster Reihe nochmals auf die äusserst interessanten Fibrillen in den Ganglienzellen des Lobus electricus von Torpedo hinweisen, die Solger (Morphol. Jahrbuch XXXI, 1) beschrieben hat. Dieser Autor deutet seine Befunde auf Kanäle, die mit irgend einer gut tingierbaren Masse zufälligerweise angefüllt seien, und dieser gefärbte Inhalt soll nach ihm eine Fibrille vortäuschen (]. c. pg. 111). Mit dieser Erklärung, 530 Em. Menel: die sich auf einen vereinzelten Befund von einer Fibrille von „granulärer Beschaffenheit“ stützt, kann ich nicht übereinstimmen. Ich habe vor einiger Zeit (Sitzber. d. kön. böhm. Ges. d. Wissensch. 1901, Nr. XXVIIL, Arch. mikr. Anat. 1902) einen Fall, wo ein Neurit in das Innere einer Ganglienzelle hineingewachsen ist, beschrieben und abgebildet. Auf diesen Befund, den ich als „interessantes Kuriosum“ bezeichnete, kann an dieser Stelle keine Rücksicht genommen werden, und ich habe es damals als einen Beweis gegen Brown angeführt, der die Ganglienzellen- Anastomosen durch eine Konkreszenz der Plasmafortsätze ent- stehen lässt. Dagegen kann ich auf eine spätere, von mir ver- fasste Mitteilung verweisen, wo ich zahlreiche Befunde von Fibrillen in den Ganglienzellen veröffentlicht habe.) Da die dort ent- haltenen Angaben nur sehr wenig bekannt geworden sind, so erlaube ich mir an dieser Stelle eine kurze Inhaltsangabe, von drei auf der beiliegenden Tafel reproduzierten Abbildungen (Fig. 1, 2, 3) begleitet, vorzulegen. Es handelte sich um Querschnitte durch das in Sublimat fixierte Rückenmark von Seyllium, auf welchen man die faserigen Elemente des Nervenbindegewebes, und hauptsächlich des Epen- dyma recht scharf in ganz schwarzem Tone (Heidenhains Hämatoxylin) hervortreten sehen konnte. Die Ganglienzellen sind ziemlich gross — die Räume dagegen zwischen den einzelnen Ependymfasern ziemlich eng. Aus diesen Verhältnissen kann man sich leicht den Umstand erklären, dass in zahlreichen Fällen durch die Ganglienzellen eine lange, mehr oder weniger ge- schlängelte schwarze Linie läuft (Taf. XXXV, Fig. 3). Wenn das Wachstum der Zelle, oder die Form derselben so sind, dass die Gliafasern nicht direkt in das Protoplasma eingeschlossen werden, so kommen wir zu Verhältnissen, von welchen ein Beispiel durch die Fig. 2 veranschaulicht wird, wo nämlich der Nervenzellenleib beiderseits von zwei Gliafasern eingeschnürt wird. An der Ein- schnürungsstelle kommen sehr deutlich die Primitivfibrillen zu- tage. In manchen Fällen wird jedoch eine einzige Zelle von mehreren Fibrillen, die in verschiedenen Richtungen das Proto- plasma passieren, durchschnitten (Fig. 1). Es sind mehrere !, Mencl: Kurze Bemerkungen über die Solgerschen intracellulären Fibrillen in den Nervenzellen von Scyllium. Sitzber. d. königl. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. 1903, XXXVL. Die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. 531 Gründe vorhanden, nach welchen man diese Fibrillen für Ependym- und Neurogliafasern halten muss, und es ist dasselbe, meiner Überzeugung nach, auch bei den Solgerschen Befunden der Fall. Später, nach der Veröffentlichung der in Rede stehenden Mitteilung, habe ich hier und da auch bei Torpedo ähnliche Ver- hältnisse konstatieren können. Es handelt sich dabei jedoch nicht um die grossen Ganglienzellen des Lobus electricus, sondern um die Zellen in der Oblongata, grösstenteils um die der Oliva superior. In der beiliegenden Fig. 4 sieht man eine solche Zelle von dreieckiger Form. Der Zelleib zeigt eine deutliche fibrilläre Struktur. Der linke Winkel der Zelle ist ziemlich nahe bei dem Kerne von einer dicken schwarzen Fibrille durchbohrt. Recht merkwürdig erscheint die in der Fig. 5 dar- gestellte Zelle, die lebhaft an die alten Zeichnungen und Be- schreibungen erinnert, wo man nämlich den „Achsenzylinderfort- satz“ aus dem Zellkerne entsprossen liess. Die Fibrille ist hier nicht nur in das Protoplasma hineingewachsen, sondern hat auch die Kernmembran durchbrochen und ragt frei in den Binnenraum des Kernes hinein. Fig. 6 dagegen zeigt Bruchstücke von zwei Fibrillen, die von allen Seiten vom Protoplasma eingeschlossen sind. Dieser Fall allein stimmt mit dem überein, was Athias l. c. Photogramm 2 u. 3 wiedergibt, und zwar vollkommen, so dass es sich hier um.Krystalloide handelte, wenn wir das Vorkommen derselben überhaupt annehmen wollen. Ob es sich bei Athias auf dem Photogramme 4 um (querdurchschnittene) dieselben Ge- bilde handelt, will ich nicht entscheiden. — Nur der auf meiner Taf. XXXV, Fig. 4 abgebildete Fall kann ohne weiteres mit den Solgerschen Fibrillen und mit meinen eigenen Befunden bei Seyllium identifiziert werden. Der Fall Fig. 5 könnte in das oben erwähnte Kuriosum, wo ein Neurit in eine Zelle des elektrischen Lappens hineingewachsen ist, eingereiht werden. Bisher also haben wir intraplasmatische echte Fibrillen bei Torpedo (Solger), Scyllium (ich) gefunden. An dieser Stelle kann ich jedoch darauf aufmerksam machen, dass ich dieselben auch auf anderen Stellen vorzufinden imstande ge- wesen bin, und zwar sozusagen auf allen Stellen des Nerven- systems, obzwar nicht überall gleich zahlreich. Die jetzt zu be- schreibenden Fibrillen unterscheiden sich nicht durch ihre Struktur von den oben erwähnten — im Gegenteil: sie sind (| Se) DD Em. Mencl: ebenfalls so homogen, glatt, tief färbbar wie jene. Dort aber konnte man die in Frage stehenden Gebilde eine ziemlich weite Strecke verfolgen, wobei sie, soweit sie im Protoplasma gelegen sind, dasselbe direkt berühren, und zwar auf ihrem ganzen Ver- laufe. Auf der bereits besprochenen Fig. 1. sowie auf den Fig. 7, 8, 9 erblicken wir kleine Fibrillenabschnitte, die in einer förmlichen Vakuole liegen. Abgesehen von Fig. 9 kommen sie zu je zwei, in Fig. 1 sogar zu drei auf einmal. Diese Fibrillen pflegen gewöhnlich so nahe beim Zellkern gelegen zu sein, dass ihre Vakuolen die Kernmembran direkt berühren, oder dass die Fibrillen selbst an dem Kernumfange endigen (Fig. 8). Nähere Erklärung dieser nicht ganz seltenen, obzwar sporadischen Er- scheinung abzugeben, bin ich augenblicklich nicht imstande. Die bisher erwähnten Strukturen sind also nicht alle gleich und sind desto weniger alle als Krystalloide zu betrachten; sie sind verschiedenartiger Natur und bedürfen selbstverständlich einer besonderen, für jeden Fall passenden Lösung. Sie sind überdies auch von einer anderen Art von Fibrillen, von den intranucleären strenge zu unterscheiden — von den echten, zum erstenmaie von Roncoroni beobachteten. Ich habe bereits oben erwähnt, dass die Roncoronischen Fibrillen, vom Erfinder selbst als chromatisch betrachtet, von Lugaro einerseits für Artefakte, von Athias anderseits für Krystalloide gehalten werden. Es sei mir nun erlaubt, an dieser Stelle meine eigenen Er- fahrungen mitzuteilen. Zum erstenmale sind von mir die intranukleären Fibrillen auf einer Serie aus der Vorderhirnrinde einer jungen Hausmaus gefunden, deren Gehirn in toto herauspräpariert, in drei Teile zerschnitten, mit konzentriertem Sublimat mit etwas 2° Über- osmiumsäure fixiert, und mit basischer, polychromer Methylen- blaulösung unter nachfolgender Nachfärbung mittels Eosin gefärbt wurde. Es ist ratsam, recht stark in einer mit absolutem Alkohol gefüllten Kuvette 12—24 Stunden zu entfärben, bis die Schnitte ganz blass, oder wie ungefärbt aussehen. Mittels dieser Methode erscheint dann die ganze Fläche des Schnittes unter dem Mikroskope farblos, die Gliakerne etc. grünblau, die Ganglien- zellen blau, mit farblosem oder fast farblosem Zellinhalte. Wo . . 1. . 29 Die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. 533 die Fibrillen vorhanden sind, erscheinen sie als dünne oder dickere, durch den blassen Kern durchlaufende Striche. Später habe ich dieselbe Methode auch auf andere zahlreiche Objekte von verschiedenen Tieren und aus verschiedenartigen Stellen des zentralen Nervensystems, immer mit ähnlichem Erfolge ange- wendet. Bloss das sei gleich anfangs bemerkt, dass die Fibrillen nicht überall in gleicher Zahl vorhanden sind, und dass nicht alles, was ihnen auf den ersten Blick ähnlich ist, auch wirkliche Fibrillen sind. Ich bin den Roncoronischen Fibrillen bisher bei einer alten und einer sehr jungen Hausmaus begegnet, und zwar in Cortex cerebri, im Mittelhirn, in den proximalen Partien der Oblongata, im Conus terminalis. Bei Microtus auf denselben Stellen. Bei einer albinotischen Hausmaus, ferner in Cortex cerebri vonHomo, Bos, Equus, Lepus ceuniculus, Lepus timidus, Cavia cobaya, Felis domest, Canis dom,, Talpa europaea, ferner bei Columba dom. Lacerta agılis, Cyprinus auratus etc. Bei den letzten drei in der Oblongata oder im Rückenmark. Am seltensten kommen die Fibrillen, mindestens die intranucleären in den Purkinjeschen Zellen vor. Ausserdem jedoch können sie auch durch andere Fixations- mittel konstatiert werden — so z.B. nach reinem konzentr. Sublimat, nach Sublimat mit Essigsäure, nach Sublimat-Formalin, Flemming etc. Es ist also nicht richtig, wenn Lugaro gegen Roncoroni (l. c. pg. 150: Su di un nuovo reperto nel nucleo delle cellule nervose.) bemerkt, dass die Fibrillen am besten und zahlreichsten auf den mittels Alkohol, oder besser absolutem Alkohol fixierten Objekten zu Gesicht kommen, was durch die hier stattfindende Zusammenschrumpfung der Kernmembran be- dingt ist. Dass die Fibrillen nicht gleich häufig und scharf mit allen Fixierungs- und Färbemitteln hervortreten — das glaube ich, ist kein Beweis gegen Roncoronis Befunde — wie Lugaro meint. Die Färbung der Fibrillen gelingt auch mittels Eisenhämatoxylin (Taf. XXXV, Fig. 10) sehr gut — nur dass auch die anderen Komponenten des Kerns mitgefärbt werden, was natür- lich das Auffinden und Verfolgen der Fibrillen nicht erleichtert. Aus demselben Grunde habe ich auch die starke Entziehung von Methylenblau weiter oben betont. 534 Em. Menel: Es ist wahr, dass man manchmal eine Kernmembranfalte, die eine Fibrille vorzutäuschen vermag, vor sich haben mag. Ich bin auch sehr häufig manchen ähnlichen Fällen begegnet; bei starken Vergrösserungen (ich habe immer Immersionsysteme benutzt, und zwar Leitz !/ıo und !/ı2, Zeiss !/ıe, Zeiss Apochr.- Immers. 2.0, Zeiss Apochr.-Immers. 1.5, oder endlich, haupt- sächlich beim Zeichnen, Trocken-Apochromat 3.0) lässt sich aber sehr leicht ermitteln, dass solche Pseudo-Fibrillen immer von einer seichten oder tiefen Einkerbung ihren Verlauf nehmen, und dass sie immer nicht besonders scharf, manchmal sogar varikös erscheinen. Auf solche Bildungen habe ich nie Rück- sicht genommen. Hier sind nur diejenigen Fibrillen zu beachten, welche im Innern des Kernes verlaufen, oder mindestens ohne jegliche Falte in der Kernmembran beginnen, oder bogenartig zur Kernmembran aufsteigen, um sich derselben auf grössere oder kleinere Strecken eng anzuschmiegen. Auf der Fig. 12 der beiliegenden Tafel biegt sich die im Kerne zur Peripherie verlaufende Fibrille knapp an der Kern- membran rechtwinklig um, und verläuft dann auf dem äusseren Umfange des Kerns. Es scheint hier ein paralleler Fall zu dem in Fig. 5 abgebildeten vorzuliegen, obzwar ich, wie bereits oben angedeutet, die Identität beider Fibrillenarten nicht anerkennen kann. Ebensowenig ist man augenblicklich imstande, die Be- ziehungen des in Rede stehenden Falles zu den bereits erwähnten (Fig. 7,8,9) näher zu erklären. Die Angabe Roncoronis, dass die Fibrillen zwei- oder manchmal dreimal verzweigt sind, worin Lugaro auch einen Grund für seine Anschauungsweise, es handle sich um Kern- membranfalten, erblickt, ist nicht zutreffend. Es scheint hier und da eine Verzweigung vorhanden zu sein (z.B. Fig. 18), es handelt sich aber dabei immer um sekundäre Verklebungen, wie das untere Fibrillenpaar in Fig. 18 direkt erkennen lässt. Manchmal kann es sich auch um eine Kreuzung zweier Fibrillen handeln, wo dieselben zufälligerweise an der Kreuzungsstelle ab- geschnitten worden sind. Die Fig. 11 zeigt ein Beispiel von einer recht schönen Fibrillenkreuzung. Ich betone hier diesen Fall, der mir, obzwar selten, aber doch ein paarmal vorge- kommen ist, aus dem Grunde, weil er direkt beweist, dass es sich um keine Falten, also Artefakte handelt. Denn die Falten Die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. 535 können bekanntlich, wenn sich ein kugeliger Körper zusammen- zieht, in allen Richtungen verlaufen, sie können auch verzweigt sein — aber sie kreuzen sich nie! Und desto mehr ausge- schlossen ist, dass sie sich in einem Punkte äusserst scharf kreuzen könnten. — Recht sonderbar und ein äusserst seltener Zufall wäre es, wenn man, wenn es sich wirklich um Kern- membranfalten handelte, einmal einer scharfen, jeglicher Varikositäten entbehrenden Linie begegnete, wie es zum Bei- spiel die von mir Fig. 17, 15, 30, 10 abgebildeten sind. Und solchen begegnet man doch sehr oft. Ich muss noch bemerken, dass diese Fibrillen sogar bei den besten und schärfsten optischen Mitteln (Zeiss Immers., Apochr. 1,5, Komp.-Oc. 8) gerade so scharf erscheinen, wie bei dem ersten Durchmustern des Präparats z. B. bei Zeiss D etc. Ich habe auf der beiliegenden Tafel zahlreiche Fälle abgebildet, die einerseits verschiedenen Tieren und Stellen entnommen sind, anderseits verschiedene Lage-, Form- und Dimensionsverhältnisse zeigen.') Lugaro in seiner Betrachtung hat noch zwei Umstände betont, nämlich, dass man die Fibrillen am zahlreichsten bei einem Materiale findet, das mittels solcher Fixationsmittel, die eine starke Schrumpfung verursachen, behandelt worden ist. Derselbe Autor sagt direkt, dass man sie nur schwer nach einer Sublimatfixation etc. finden würde. Diese Behauptung ist nicht ganz richtig. Ich z. B. habe fast ausschliesslich, wie erwähnt, mittels Sublimat-Osmiumsäure fixiert — und wenn man gerade mit dieser Fixation recht schöne und zahlreiche Fibrillen erzielt, so liegt der Grund dazu nicht etwa in der schrumpfenden Wirkung dieser Fixation, denn nach solcher findet man keine Spur, sondern eher in dem chemischen Charakter der Kern- und Protoplasmabestandteile, etwa so, dass die Färbbarkeit der Fibrillen erhöht, die der Nisslschen Körperchen, ja sogar des Chromatins, erniedrigt wird. Und zweitens betont Lugaro, dass man den vermeint- lichen Fibrillen von Roncoroni nur in den Pyramidenzellen begegne, da diese einen ziemlich grossen bläschenförmigen Kern besitzen, der leicht allzusehr zusammenschrumpfen kann. Dagegen bin ich imstande gewesen, die Roncoro.nischen Fibrillen !) Näheres siehe die Tafelerklärung. 536 Em. Menel: in allen Zellarten, ja sogar in den Purkinjeschen Kleinhirn- zellen aufzufinden. Von dieser Regel sind nicht einmal die kleinsten Zellen der Oblongata und der tiefsten Cortexschichten ausgenommen. Fig.38a,b zeigen die Fibrillen in den Purkinje- schen Zellen, Fig. 26a, b sehr kleine Zellen aus menschlicher Cortex cerebri. Bloss in den Spinalganglienzellen habe ich keine Fibrillen konstatieren können — und diese Zellenart besitzt doch einen ziemlich grossen und leicht zusammenziehbaren Kern. Anderseits habe ich nach Alkoholfixation keine Fibrillen, das heisst keine echten Fibrillen, beobachten können — nur schein- bare periphere Fibrillen, die sich wirklich bei genauer Unter- suchung als Artefakte, als Membranfalten erwiesen. Es soll noch auf einen anderen Umstand hingewiesen werden. Chromatinähnliche Fibrillen und Stäbchen, die aus dem Nucleus entstehen, sind bereits in der Literatur bekannt, und es handelt sich wahrscheinlich um nichts anderes, als um eine Chromatinabgabe für den Zellkern von seiten des Nucleolus, der offenbar nichts anderes vorstellt, als aufgespeicherte zusammen- geballte Chromatinsubstanz. In dieser Hinsicht also wären die Roncoronischen Fibrillen kein Specificum für die Ganglien- zellen. Und ich habe wirklich recht deutliche Fibrillen, die ein- mal dem Nucleolus entstammen, einmal selbständig sind, sogar in den Ependymzellen beobachtet, wo sie, mindestens bei von mir be- obachteten Cyprinus auratus-Exemplaren (anderswo habe ich aus Mangel an geeignetem Materiale die Sache nicht verfolgt), sehr oft vorkommen. Ein solcher Fall ist in der Fig. 39 veranschau- licht worden. In dem Kern dieser Ependymzelle liegen zwei Nucleolen, dem einen entsprosst eine Fibrille, die rosenkranzartig angeordnete, kugelige Körperchen trägt, und bis an die Kern- membran reicht. Der andere Nucleolus entsendet auf die ent- gegengesetzte Seite eine andere, jedoch ganz scharfe, überall gleich dicke Fibrille. In manchen Fällen findet man auch zwei, drei oder auch vier scharfe, nicht variköse Fibrillen in einem Ependymkerne. Dass die Fibrillen aus den Nucleolen entstehen, das lässt sich direkt an den kleinen Zellen der sehr jungen Tiere be- obachten. Diese Zellen enthalten in ihrem Kerne gewöhnlich zwei dicht aneinander liegende Nucleolen. Nach meiner oben angeführten Behandlung erscheint der eine schwarz, oder I Die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. 3 mindestens schwarzblau, während der andere blassblau ist. Sehr oft sieht man, wie der Hauptnucleolus und der Nebennucleolus auseinanderrücken; doch bleiben aber beide durch eine chromatische Brücke im Zusammenhange (Fig. 33, 34, 35). Gleichzeitig aber kann von dem einen, oder von beiden Nucleolis ein anderes Fibrillenstück auswachsen (Fig. 35), das manchmal auch in die Richtung des Verbindungsstückes fällt, und so seine Fortsetzung bildet (Fig. 35, 31, 37). In anderen Fällen beginnt der Nucleolus einfach auf einer Stelle (Fig. 38a, 36a) oder auf zwei diametral liegenden Punkten zu knospen (Fig. 36b, 37) um so ein Stäbchen oder eine Fibrille entstehen zu lassen. Was die nähere Bedeutung der besprochenen Gebilde be- trifft, so ist es jetzt unmöglich, wie ich bereits anfangs bemerkt, nähere Aufschlüsse zu geben. Die vorliegenden Bemerkungen haben nur einen Zweck, nämlich die Sache wieder in die Diskussion zu bringen, denn meiner Überzeugung nach ist es unzulässig, die intranucleären Fibrillen Roncoronis mit anderen fibrillenähnlichen Gebilden zu identifizieren, die in dem Proto- plasma vorkommen. Hier wäre es am Platze, die letzteren mit den von Held (1897) beschriebenen Befunden und den Solgerschen zu vergleichen — die Roncoronischen Fibrillen werden eine ganz andere Bedeutung besitzen (obzwar sie, wie ich hervorgehoben, keine für Nervenzellen spezifischen Strukturen sind) — um so mehr, als es manchmal scheint, dass sie auch in das Protoplasma übergehen. Diesen Um- stand jedoch kann ich mangels an Material und Beobachtungen nicht näher besprechen — die vorliegende Mitteilung hat voll- kommen ihren Zweck erreicht, wenn sie noch einmal die Auf- merksamkeit auf die fraglichen Gebilde zu lenken vermöchte. Prag, den 26. Januar 1906. 538 Em. Menel: Nachtrag. Während des Druckes des Vorstehenden ist mir ein Aufsatz von Lache „Penetrations de substance chromatophile dans le noyau de la cellule nerveuse‘“ (Compt. rend. hebdom. de la Societ& de biologie 1905, Nr. 38, pg. 682) zu Gesicht gekommen. Dieser Autor hält ebenfalls die Roncoronischen Fibrillen für chromatinartige Gebilde, und nimmt Stellung gegen die oben- erwähnte Ansicht, es handle sich vielleicht um Krystalloide. Lache lässt die Tigroidsubstanz aus dem Protoplasma der Nerven- zellen in den Zellkern hineinwandern und sich dort an den Kernfäden-Netzen fixieren. Ich habe aber stets nur einzelne Fäden, nie Netze in der be- schriebenen Weise gefärbt gesehen. Eine ähnliche Ein- und Auswanderung der chromophilen Substanzen hat bekanntlich ausser anderen für die jungen Nervenzellen der weissen Ratte Shinkishi Hatai (Journal of compar. Neurology 1904) beschrieben. Die Bewegung der chromophilen Körnchen geschehe auf den Radien der Centrosphäre, die nach dem genannten Autor direkt in den Zellkern hinein- ragen. Alle diese und ähnliche Ansichten lassen sich auf die von R. Hertwig aufgeworfene und von Goldschmidt u.a. weiter behandelte Chromidien- theorie zurückführen, die aber noch weitere und mehr überzeugende Stützen brauchen wird, ehe sie als wirkliche Tatsache in die Wissenschaft eingeführt werden kann. Lache hat, wie er selbst bemerkt, die direkte Durch- wanderung nicht beobachtet, obzwar manche Gründe für diese Annahme sprechen. Dagegen kann man direkt die von mir bereits oben erwähnte Sprossung der Nukleolen in längere chromatische Streifen beobachten. Erklärung der Figuren auf Tafel XXXV. Fig. 1, 2, und 3 zeigen die Beziehungen des Nervenbindegewebes zu den Nervenzellen. Scyllium spec. Fig. 4. Eine Zelle aus der Olive von Torpedo (Zeiss D, Oc. 3). Fig. 5. Dasselbe. Eine Fibrille dringt in den Kern hinein. Fig. 6. Stäbchenförmige Gebilde im Protoplasma. Dieselbe Stelle und Vergrösserung. Fig. 7. Mus musculus, Purkinjesche Zelle, Leitz '/ı2, Oc. 4. Fig. 8. ’ 5 Mittelhirnstamm. Leitz !/ıe, Oc. 4. Ried: n „ Cortex cerebri, Leitz !/ıa Immers., Oc. 4. Fig. 10. 5 proximale Partie der Oblongata, Heidenhain, Leitz !/ı2, Oc. 4. Fig. 11. Dasselbe wie Fig. 9. Fig.12. Dasselbe wie Fig. 8. Fig.13. Dasselbe wie Fig. 9. Die Roncoronischen Fibrillen der Nervenzellenkerne. 539 „14. Dasselbe wie Fig. 9. g.15. Dasselbe wie Fig. ‚16. Dasselbe wie Fig. .17. Dasselbe wie Fig. 8 .18, 19 und 20. Dasselbe wie Fig. 8. .21 und 22. Drei Zellen aus Cortex cerebri Yon Bos taurus 9. .23 und 24. Dasselbe wie Fig 22. .25. Von Üortex cerebri von Felis Dom., sehr jung. .26a,b, 27 und 28. Zellen aus Cortex eines sehr alten Menschen. &.29. Aus dem Öonus terminalis einer Hausmaus. .80. Dasselbe. ig. 31, 32, 33, 34 und 35. Aus der Oblongata eines sehr jungen Mus musc. e.36a,b. Aus dem Conus terminalis von Cavia cobaya. ig. 37. Aus der Oblongata eines sehr jungen Mus musculus. .35a,b. Purkinjesche Zellen aus dem Kleinhirne einer Maus. .39. Eine FEpendymzelle aus dem proximalen Rückenmarke eines Cyprinus auratus. (Fig. 29—39 sind bei Zeiss Ap., Immers. 1,5, Oc.4, gezeichnet). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 68. 36 940 Die Erklärung einer histologischen Täuschung, der sogenannten Kopulation der Spermien und der Sertolischen Elemente. Von Dr. K. Tellyesniczky. Privatdozent. Budapest, II. anatom. Institut. Hierzu Tafel XXXVI. Inhaltsverzeichnis. Einleitung . . 4 ei. 5) I. Das Raumgreifen er en ra Fe mechanische Ge- staltung der Spermienbündel . . . . 212 II. Die Sertolischen Kerne und die intäroelkuläire Sastanz A III. Die Richtung und Aneinanderlagerung der Spermien. Phylo- genetische Bemerkungen 7... SE Se Einleitung. Ich habe zuerst auf dem Anatomenkongress im Jahre 1894 in dem Vortrage „Über die Sertolischen Zellen und Ebnerschen Spermatoblasten“ auseinandergesetzt, dass die Spermienbündel, beziehungsweise die Ebnerschen Spermatoblasten durch den Druck der neuen Generationen entstehen und dass die Spermien notwendigerweise und passiv infolge dieses Druckes oberhalb der Sertolischen Kerne sich gruppieren; weiterhin habe ich die Er- klärung der, früher „Kopulation“, in neuerer Zeit „Symphorese“ genannten Erscheinung darin gefunden, dass die intercellulär sich verbreitende Substanz der Sertolischen Elemente mit den Plasma- resten der zusammengedrängten Spermiden !) zusammentliesst. In meiner späteren, ausführlichen Arbeit?) habe ich diese meine Ansicht streng begründet und diese Frage ins rechte Licht gestellt. ') In dieser Arbeit gebrauche ich die von M. v. Lenhossek auf dem Genfer Anatomenkongress (1905) vorgeschlagene Nomenklatur: Spermiogonie, Spermiocyte, Spermide. ?) K. Tellyesniczky, Über den Bau des Eidechsenhodens. Über die Wandschicht und über die Ebnerschen Spermatoblasten. Math. Natur- wiss. Berichte aus Ungarn. (Ungarisch 1895. Deutsch 1897.) Die Erklärung einer histologischen Täuschung 541 Es wäre mit Recht zu erwarten gewesen, dass die An- sichten, welche mangels eines richtigen Verständnisses der Be- ziehungen zwischen den Sertolischen Kernen und den Samen- fädchen die Wirkung einer gewissen Attraktionskraft und derzu- folge die Entstehung gewisser Kopulationen annehmen, nun bald von der Tagesordnung verschwinden würden. Dies geschah jedoch nicht. Vollständig überzeugt von der Richtigkeit meiner Ansichten, habe ich im Jahre 1897 ') noch einmal das Wort ergriffen. Auch diesmal vergebens. Im Interesse der Wahrheit lasse ich mich in eine neue Erörterung der Frage ein. Bekanntlich haben die Untersuchungen v. Ebners?) im Jahre 1871 das hohe Interesse für die Bündel der Spermien er- weckt. Hierbei spielte das Untersuchungsmaterial v. Ebners, Rattenhoden, wo die Spermienbündel in einer sehr auffälligen, regelrechten Anordnung erscheinen, eine grosse Rolle. Den Umstand, dass Ebners Arbeit vom, Jahre 1871 trotz seiner Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit in einem grossen Irrtum gipfelt, — er lässt nämlich die Spermien aus den Sertolischen Kernen entstehen, mit anderen Worten, er stellt seine „Spermatoblasten“ auf — deute ich nur darum an, damit wir vor Augen halten, mit welch’ unwiderstehlicher Kraft die uns beschäftigenden Gebilde auch den exaktesten Forscher auf Irrwege leiten können. Den späteren Untersuchern diente unglücklicherweise dieser Irrtum nicht zum warnenden Beispiel vor weiteren Abenteuer- lichkeiten. Der Irrtum lebt in anderer Form, unter anderem Namen auch heute weiter fort. Heutzutage wimmeln nicht nur die einzelnen Arbeiten von den Annahmen gewisser Attraktionen und Kopulationen, wofür wir das auffallendste Beispiel bei Broman’°) finden, sondern die ganze spermatologische Literatur steht mit wenigen Ausnahmen unter ihrer Herrschaft. !) K. Tellyesniczky. Bemerkungen zu v. Bardelebens neuer Theorie der Samenfädenentwicklung. 1897. Internat. Monatsschr. Bd. 14. >) V.v. Ebner. Untersuchungen ü. d. Bau der Samenkanälchen. In Rollets Untersuchungen a. d. Institut f. Hist. u. Phys. in Graz; separat. Leipzig 1871. 3) J. Broman. Über gesetzmässige Bewegungs- und Wachstumser- scheinungen (Taxis und Tropismenformen) der Spermatiden, ihrer Zentral- körper, Idisomen und Kerne. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 59. 1902. 36* 542 K. Tellyesniczky: Es finden sich zwar auch Versuche für die mechanische Erklärung der Gruppierungen, wie z. B. Biondis!) Versuch vom Jahre 1885; dieser Autor hat auch die intercelluläre Substanz einer besonderen Aufmerksamkeit gewürdigt, doch ist seine auf „Zellensäulen“ gegründete Ansicht offenbar ünrichtig und er hat den Mechanismus der Zusammendrückung nicht erkannt. Ausser- dem hat Biondi auch das Vorhandensein der Sertolischen Kerne geleugnet, so, dass sein Unternehmen nur Misstrauen gegen die mechanische Deutung erweckte. Die Schwierigkeit bei der Erklärung der Entstehung der Spermienbündel besteht in erster Reihe darin, dass man viele, von einander scheinbar weit entfernte Faktoren in Zusammen- hang bringen muss. Von diesen Faktoren sind das Raumgreifen und die topographische Lagerung der Generationen und die Ver- hältnisse der intercellulären Substanz die wichtigsten. Haben wir einmal diese Faktoren ins keine gebracht, so können wir auch die übrigen Schwierigkeiten, unter denen die sogenannte Richtung der Spermien keine geringe Rolle spielt, überwinden. I. Das Raumgreifen der Generationen und die mechanische Gestaltung der Spermienbündel. Der Inhalt der Samenkanälchen besteht aus verschiedenen, in fortwährender Entwicklung begriffenen Zellschichten. Die durch stetige Zellteilungen wachsenden Schichten erinnern mit ihren Falten- und Furchenbildungen, in welcher Falten und Furchenbildung wir auch den Grund der Entstehung der Spermienbündel erkennen werden, lebhaft an die ähnlichen Ver- hältnisse der Keimblätter. Das Gleichnis lässt sich noch ver- tiefen, wenn wir in Betracht ziehen, dass, wie bei den Keim- blättern aus unbedeutenden, anfänglichen Ursachen mächtige Faktoren erwachsen, so erfolgt auch die Furchenbildung in den Zellschichten der Samenkanälchen, welche zur Gruppierung der Spermien führt, aus einer verborgenen topographischen Ursache. Da wir den Prozess der Falten- respektive Bündelbildung selbst nicht unmittelbar verfolgen können, so müssen wir gewisse Kunstgriffe anwenden, um sie überzeugend nachzuweisen. !) D. Biondi. Die Entwicklung der Spermatozoiden. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 25. 1885. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 543 In erster Reihe ist es notwendig, die räumliche Anordnung der Zellen und Schichten genau abzubilden. Die genäue Topographie eines Bildes können wir ohne Schwierigkeit er- halten, wenn wir das Präparat mit Hilfe der Camera lucida pünktlich zeichnen. Das weitere Schicksal dieses bestimmten Bildes können wir jedoch nur auf Grund anderer Fälle mit Hilfe der Konstruktion erkennen. Zu dieser Konstruktion sind wieder- um mit der Camera lucida bei der gleichen Vergrösserung, wie bei der ersten Zeichnung, verfertigte Zeichnungen nötig, um die Proportionen der Schichten genau einhalten zu können. Da Regauds!) mit Camera lucida verfertigte Abbildungen aus Rattenhoden nicht nur diesen Anforderungen entsprechen, sondern auch die intercelluläre Substanz richtig wiedergeben, welche in meiner Erklärung eine nicht minder wichtige Rolle spielt, so habe ich sie umsomehr zum Muster genommen, weil ich dadurch nicht nur meine Arbeit erleichterte, sondern mich auch der Be- schuldigung bei der Auswahl der Zeichnungen willkürlich vorge- gangen zu sein, entlastete. Bei der Bekämpfung der Schwierigkeiten habe ich auch auf jenen Umstand gerechnet, dass es nicht leicht, ja sogar un- möglich ist, die, durch die relativen und absoluten Verschiebungen der Schichten entstehenden räumlichen Veränderungen den Ver- hältnissen genau entsprechend, im Geiste zu verfolgen, darum musste ich, um verständlicher und überzeugender zu werden objektivere Arten der Darstellung suchen. Dies glaubte ich auf zwei Wegen zu erreichen, erstens durch verschiedene Kolorierung der aktiven und der sich passiv verhaltenden Schichten, zweitens dadurch, dass ich das Vordringen der Schichten noch durch be- sondere Konturzeichnungen dargestellt habe. So entstand die dieser Arbeit beigefügte Tafel XXXVI. Regauds Zeichnung, von der wir ausgehen (Taf. XXXVL,Fig.D) ist für die mechanische Erklärung der tiefen Einsenkungen nicht gerade günstig, weil die Sertolischen Kerne gegen das Lumen hin sehr verlängert sind. Die gewöhnlichen, knapp an der Wand liegenden Sertolischen Kerne führen zur Entstehung tieferer Ein- senkungen und so könnte man das Entstehen der Einsenkungen ) Cl. Regaud. Etudes sur la structure des tubes seminiferes etc. Arch. d’anat. mier. 1901. T. IV. 544 K. Tellyesnieczky: in diesen Fällen auffallender demonstrieren. Aber ich wollte von Regauds Zeichnung schon darum nicht abweichen, weil ich auf diese Weise die allgemeine Giltigkeit meiner mechanischen Er- klärung überzeugender nachweisen zu können glaubte. Einen Sertolischen Kern, der in Regauds Zeichnung ausnahmsweise zu hoch steht, habe ich gleich den anderen Kernen an die Wand gestellt; die Kerne der Spermiogonien zeichnete ich nach eigenen Präparaten, und fügte auch das in Regauds Zeichnungen fehlende Plasma hinzu. Auch dadurch strebte ich naturgetreu zu werden, dass ich bei der Darstellung der Zellgrenzen keine Konturlinien benützt habe, da solche auch im Präparat nicht vorhanden sind. Zur Veranschaulichung des weiteren Schicksales der ersten Figur, habe ich die Fig. II, III und IV konstruiert. In diesen Zeichnungen habe ich aus der ersten Zeichnung die Distanz zwischen den Sertolischen Kernen beibehalten und die von den Raum- und Zahlverhältnissen der Zellen der ersten Figur zu er- wartenden Veränderungen vor Augen gehalten. Die auf diese Weise konstruierten Bilder weichen gar nicht von den Bildern der Präparate ab, doch stellen sie das Schicksal eines gegebenen Falles, also das der ersten Figur dar, was am Präparate zu ver- folgen unmöglich ist. Richten wir also unser Augenmerk zuerst auf den gegebenen Fall, auf Fig. 1. Der Inhalt des Samenkanälchens kann in Fig. I in zwei Schichten geteilt werden: in die Schicht der Spermiden (A) und in die darunter liegende Schicht (B), in welcher die Spermiocyten den Raum beherrschen. Die obere Schicht (A) besitzt in Fig. I grössere Dimensionen, als die untere (B), doch wissen wir, dass in der Schicht A das Wachstum und die Vermehrung schon zu Ende ist und so lassen sich hier keine Vergrösserungen der Dimensionen mehr erwarten. Desto grösser ist aber das Wachsen in der Schicht B, wo sowohl das Auftreten neuer Generationen, als auch ihr Wachsen und ihre Teilung des Weiteren (Fig. II, II, 1V) einen grossen Raum beanspruchen wird. So können wir die Schicht A passiv und B aktiv nennen. Diese aktiven und passiven Schichten sind auf der Tafel zum besseren Verständnis verschieden koloriert. Alles, was aktiv, also weiteren Raumgreifens fähig ist (Spermiogonien, Spermiocyten) ist rot, alles was sich passiv verhält, also aktiven Die Erklärung einer histologischen Täuschung 545 kaumgreifens nicht fähig ist, ist in Tuschfarbe dargestellt. So mussten wir denn nicht nur die Spermien, sondern auch die sich gleich passiv verhaltenden Sertolischen Kerne und die inter- celluläre Substanz mit Tuschfarbe wiedergeben. Diese zweifache Kolorierung ist nicht nur darum lehrreich, weil wir dadurch die Verschiebungen der Schichten augenscheinlicher demonstrieren können, sondern auch darum, weil schon diese Teilung in zwei Gruppen eine Form der Lösung in sich birgt, welche darin be- steht, dass die aktive Schicht in der letzten Scene (Fig. IV) alle passiven Gebilde, also die Sertolischen Kerne, intercelluläre Substanz und Spermiden, gruppenweise zusammendrückt. Wollen wir das künftige Schicksal der ersten Figur näher veriolgen, so müssen wir unsere Aufmerksamkeit der Berührungs- grenze der aktiven und passiven Schichten zuwenden. Bei der oberflächlichen Betrachtung der Stadien, welche Fig. I darstellt, könnten wir leicht der Auffassung sein, dass die Spermiocyten eine mit der Wand mehr oder weniger parallel verlaufende Schicht bilden. Bei näherem Betrachten jedoch, be- sonders aber, wenn wir in den mit Hilfe der Camera lucida ver- fertigten Zeichnungen, die Grenzen der Schichten mit einer Linie markieren, können wir uns davon überzeugen, dass die Spermiocytenschicht eine wellige Form besitzt, wie es die punktierte Linie 1—1 in Fig. Ia zeigt. Diese Wellenlinie (1—1, Fig. Ia) stellt genau die Berührungsgrenze der Schichten „A“ und „B“ dar, da sie aus einer Kopie der Fig. I stammt. Die gleiche Wellenlinie, die wir von den Spermiocyten (A) bekommen, geben auch die Spermiden (B); nur darin besteht ein Unterschied, dass dort, wo die Wellentäler der Spermiocyten liegen, die Spermiden Wellenberge zeigen, mit andern Worten, die Spermidenschicht fügt sich genau den Wellen der „B*- Schicht an. Die besondere Bedeutung dieser an der Grenze der aktiven und passiven Schicht liegenden Wellenlinie besteht darin, dass sie den Keim für die künftige rätselhafte Gruppierung bildet. Wenn schon das Erkennen dieser Wellenlinie der Spermio- cyten und Spermiden uns einigermaßen überraschen konnte, so muss unser Interesse noch mehr erweckt werden durch den Um- stand, dass die Wellenberge der Spermiden mit sonderbarer Regelmässigkeit gerade gegen einen Sertolischen Kern gerichtet 546 K. Tellyesniczky: sind. Die Wellenberge der Spermiden liegen nämlich zumeist entweder unmittelbar über den Sertolischen Kernen, oder ihnen sehr nahe. In diesem Stadium nimmt doch niemand Attraktion oder Tropismus an und doch sind alle topographische Faktoren der künftigen Bündelbildung schon in dieser Einrichtung gegeben. Die Spermidenwellen mit dem Sertolischen Kerne oberhalb der Wellen führen notgedrungen zur Entwicklung der Spermienbündel. Wir können die Analyse der späteren Stadien nicht eher vornehmen, bis wir nicht damit ins Reine gekommen sind, was der Grund sein kann, dass die Spermidenschicht schon in diesem Stadium, welche Fig. I aufweist, in solcher welligen Form erscheint. Wie die Sertolischen Kerne neben der Wand in einer mehr oder minder regelmässigen Distanz von einander liegen, so müssen auch die von der Wandschicht stammenden neuen Generationen in einer diesen Distanzen entsprechenden Gliederung vorwärts dringen, respektive sich vorwölben. In der Richtung der Sertolischen Kerne kann keine Vorwölbung stattfinden, da in dieser Richtung keine neuen Generationen entstehen, welche die Sertolischen Kerne aus ihrer Stelle verdrängen könnten. Der Sertolische Kern bleibt also an seiner Stelle; daher kommt es, dass er als fixes Element an der Wand erscheint. So bedeutet der Ort, den der Sertolische Kern an der Wand ein- nimmt, mit Bezug auf die von ihm rechts und links liegenden Stellen, von welchen die neuen Generationen ihren Ursprung nehmen, einen Ruhepunkt, welcher notgedrungen zur Bildung eines Wellentales führt. Die Sertolischen Kerne bedeuten — sozusagen — tote Punkte zwischen den, neben der Wand sich entwickelnden und von dort hervortretenden neuen Generationen. Ein jeder dieser Punkte bedingt nun die Entstehung eines Wellentales, in dessen Tiefe ein Sertolischer Kern sich befinden muss. In dieser Er- scheinung, nach welcher die neuen Generationen an den Seiten der Sertolischen Kerne hervortreten, ist der gemeinsame Grund von zwei wichtigen Dingen zu finden; erstens der Grund für das Zustandekommen der Wellen selbst, und zweitens auch der Grund für das Vorhandensein der Sertolischen Kerne in den Wellentälern. Die Sertolischen Kerne liegen also deswegen in den Tälern, weil sie selbst die Ursachen der Tälerbildung sind. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 547 Die sich passiv verhaltenden und an der Wand in gewissen Distanzen stehenden Sertolischen Kerne, sind also die Ursache, dass die Schicht der Spermiocyten gleich bei ihrer Entstehung eine wellige Form annimmt. So dringt nun die aktive Schicht „B“ in die passive Schicht „A“ nicht gleichmässig ein, sondern ihren Wellen entsprechend, welchen Wellen sich genau anzu- passen die passive Schicht gezwungen ist. Die Wellen der Schicht „B“ drängen die Schicht „A“ in solcher Weise vorwärts, dass wo die Spermiocyten Wellentäler bilden, dort bilden die Spermiden Wellenberge; das bedeutet so viel, dass in den Tälern die Spermiden relativ zurückbleiben. Zufolge dieses passiven Zurückbleibens kommen also die Einsenkungen der Spermiden zustande. Diese Einsenkungen der Spermiden und das Vorhandensein eines Sertolischen Kernes auf den Spitzen dieser Einsenkungen in Fig. I geben den Schlüssel zur Beurteilung der übrigen Figuren. In den späteren Stadien entwickelt sich die in Fig. I gegebene Einrichtung weiter. Die Wellenberge wachsen, wodurch auch die Täler tiefer werden; endlich gestalten sich jene zu hohen Säulen, die zu tiefen Klüften um; in der Tiefe der Klüfte bleiben die Sertolischen Kerne, die ständigen Urheber der Falten- bildung stets an ihrer Stelle. Bisher habe ich nur den Umstand betont, dass der Sertolische Kern durch nichts von seiner Stelle gedrängt wird, da hinter ihm keine neuen Generationen auftreten; man muss aber noch be- tonen, dass auch der Sertolische Kern selbst keine neue Generation bildet. Diese zwei Faktoren bedingen, dass in der Richtung des durch den Sertolischen Kern gedeckten Radius, oberhalb des Sertolischen Kernes das Hinausdrängen der Spermiden entweder ganz ausbleibt, oder verlangsamt wird. Dieser Radius wird also bei dem Vorwärtsdrängen der Spermiden ebenso eine tote Linie bilden, wie der Sertolische Kern selbst neben der Wand als ein toter Punkt erscheint. In meinen konstruierten Fig. II, III, IV, habe ich absicht- lich nicht den Fall geschildert, in welchem das Hinausdrängen der Spermiden oberhalb des Sertolischen Kernes gänzlich aus- bleibt, sondern ich habe den Fall genommen, in welchem sämt- liche Spermiden sich in fortwährendem Hinausdrängen be- finden. [de] | um [@ 6) K. Tellyesniczky: Die Absurdität der angeblichen aktiven und tiefen Ein- wachsung der Spermiden kann kaum auf andere Weise besser demonstiert werden, als wenn ich nachweise, dass das „tiefe Ein- wachsen“ der Spermiden in vollem Masse auch in dem Falle zu Stande kommt, wenn jene fortwährend hinausgedrängt, sich also auch von den Sertolischen Kernen ‘fortwährend entfernen. Betrachten wir zuerst die kolorierten Bilder, und nachher die Zeichnungen des Wellengangs, in den Fig. II, III, IV, welche jene Stadien vorstellen, die man gemeiniglich als aktive Ein- wachsungen der Spermien beschreibt, wodurch die Spermien an- geblich stets tiefer und tiefer gegen den Sertolischen Kern vor- dringen. In der Fig. II verursacht das Wachsen der Spermiocyten und das Auftreten einer neuen Spermiocytengeneration das Wachsen der aktiven Schicht „B“; in Fig. III u. IV führt sowohl die Teilung der Spermioeyten und das Auftreten neuer Spermiden, als auch das Wachsen der neuen Spermiocyten zu neuem Raum- greifen. Auf diese Weise erreicht die Höhe der aktiven Schicht „B“ eine bedeutende Zunahme. Dementsprechend ist Fig. IV im ganzen bedeutend höher als Fig. I. Diese Höhenzunahme ist einzig die Folge des Wachstums der Schicht „B*, denn das Volumen der passiven Spermidenschicht hat sich nicht verändert, wohl aber ihre Form. Der grösste Teil der Spermidenschicht ragt weit in das Lumen hinein, richtiger gesagt, sie wird weit in das Lumen hineingedrängt; ein kleinerer Teil derselben mit den Köpfen der Spermien, bleibt tiefer und wird so zwischen die Wellen der neuen Generationen eingekeilt. Die Präparate selbst erwecken den Eindruck als würden die Spermiden gegen die Wand hervorrücken. Dass aber dieses Hervorrücken der Spermiden nichts anderes ist, als eine optische Täuschung, erkennen wir deutlich, wenn wir die Wellenlinien genauer ins Auge fassen. Der Gang der Wellen, welcher unter jede Scene besonders hingezeichnet wurde (la, Ila, IIla, IVa) demonstriert sowohl die Veränderung der Wellenlinie, als auch die Formveränderungen der Schicht. Man kann aus diesen Figuren ersehen, dass die Form der Wellenlinie sich zwar verändert, aber die Linie selbst sich nie der Wand nähert, sondern sich fortwährend davon entfernt. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 549 Besonders Fig. V ist bestimmt dieses Schicksal der Wellen- linie darzustellen, in welcher ich die Wellenlinien der vier Stadien in ein Bild zusammengefasst habe. Daraus, dass in dieser Figur die vier Wellenlinien sich übereinander anordnen, das heisst die Welle jedes späteren Stadiums über der Welle des früheren Stadiums zu finden ist. Überzeugen wir uns voll- ständig, dass die ganze Spermidenschicht fortwährend dem Lumen zugedrängt wurde. Aus all dem erkennen wir, dass das „tiefe Einwachsen‘“ der Spermiden nicht dadurch zustande kommt, dass die Spermiden in die Täler hinunterdringen, sondern dadurch, dass die Wellen der aktiven Schicht zu hohen Säulen auswachsen, welche in ihren Tälern die Spermien zu keilförmigen Bündeln zusammenpressen. Je höher die Säulen werden, desto tiefer werden die Klüfte, in welche die Spermienbündel gelangen. Kommt eine tiefe Einkeilung der Spermien wie wir gesehen, auch in diesem Falle zustande, wo die Spermiden sich in ent- gegengesetzter Richtung dem Lumen zu bewegen, so bietet sich für eine noch tiefere Einkeilung Gelegenheit, wenn das Hinaus- drängen der Spermiden oberhalb des Sertolischen Kernes inne hält. Die Richtung des durch die Sertolischen Kerne gedachten Radius ist für das Innehalten des Vordrängens prädestiniert, denn diese Richtung wird — wie wir gesehen haben — durch den Sertolischen Kern gegen das Drängen der Zellen gedeckt. Nehme ich also den Fall an, dass das Hinausdrängen ober- halb der Sertolischen Kerne für eine Zeit ausbleibt, so bekomme ich ein noch tieferes Einklemmen der Spermien. Von einer Einwachsung in der Richtung der Wand oder des Sertolischen Kernes kann aber auch in diesem Falle ebenso- wenig die Rede sein, wie in dem vorigen, wovon wir uns leicht überzeugen können, wenn wir den Gang der Wellen verfolgen, wie dieser Fall in Fig. VI zu sehen ist. Die Wellen liegen auch in diesem Falle übereinander zum Beweise dessen, dass die Spermidenschicht sich fortwährend gegen das Lumen bewegt. Nur die Gipfel der Spermidenwellen unmittelbar oberhalb der Sertolischen Kerne verändern ihre Stelle nicht, was den Schein erweckt, als wären sie dort durch etwas fixiert. In diesem Falle werden die Spermien unmittelbar über den Sertolischen Kernen zu finden sein. 550 K. Tellyesniczky: Wir müssen endlich noch den Fall erwähnen, in welchem die Spermienbündel bis an die Wand reichen. Diese Fälle, wo die Köpfe der untersten Spermien unmittelbar an der Wand zu- finden sind, entsprechen jenen Anfangsituationen, in welchen auch die Spermidenschicht bis an die Wand reicht. Die Mechanik der Bündelbildung beansprucht nämlich nicht unbedingt das Vor- handensein des Sertolischen Kernes. Nur der Faktor ist unbe- dingt notwendig, dass auf gewissen Punkten der Wand kein Hervorwölben neuer Generationen mehr stattfinde. Solche Punkte können aber auch ohne Sertolische Kerne überall neben der Wand entstehen, wo keine neue Generation mehr gebildet wird. Das Wesen der tiefen Einklemmung der Spermiden besteht immer darin, dass in einer gewissen Richtung das Hinausdrängen der Spermiden nach dem Lumen hin, ausbleibt. Aus dem Umstande, dass eine aktive Annäherung der Spermiden in der Richtung zur Wand und zum Sertolischen Kerne als ausgeschlossen zu betrachten ist, folgt ein wichtiges Gesetz dieser Erscheinung: das Gesetz nämlich, dass die Spitzen der Spermienbündel nie tiefer stehen können als die tiefsten Teile der Spermidenschicht selbst, mit anderen Worten die Spermidenbündel können nicht unter das Niveau der Spermiden- schicht geraten. Da jedoch in Säugetierhoden die Spermiden tief, oft dicht oberhalb der Sertolischen Kerne stehen, da man Spermiden sogar auch neben der Wand findet, so folgt daraus, dass die Spermiden- bündel in diesem Hoden bis an die Wand reichen können und ausserdem in jeder Höhe zu finden sind. Dieses Gesetz aber, dass die Spitzen der Spermienbündel nicht tiefer stehen können als bis die untere Grenze der Spermidenschicht selbst reicht, lässt sich mit ausgezeichnetem Erfolge in den von Etzold') untersuchten Fringillenhoden ver- werten. Auf Etzolds Untersuchung einzugehen ist umsomehr meine Pflicht, als ich es in meiner älteren Arbeit nicht tat, und da die in dem Fringillenhoden durch die grosse Zahl der Schichten entstehende Lage der Bündel der Kopulationstheorie scheinbar eine mächtige Stütze bot. ') F.Etzold. Die Entwicklung der Testikel von Fringilla domestica etc. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 52. 1891. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 5öl Es ist leicht einzusehen, dass es eine langwierige Aufgabe wäre in dem Fringillenhoden die absoluten und relativen Ver- schiebungen der zahlreichen Schichten zu verfolgen, wenn schon das Schicksal der zwei Schichten der Rattenhode nur mit be- sonderen Kunstgriffen demonstriert, verständlich gemacht werden konnte. Zum Glücke ist es aber nicht notwendig den Gang der Wellen auch im Fringillenhoden besonders zu verfolgen, da auch ohne dies der Nachweis gelingt, dass hier dieselben Gesetze bei der Lagerung der Zellen obwalten, wie im Rattenhoden. Im Fringillenhoden bildet der Inhalt der Kanälchen wegen der Menge der Generationen eine besonders hohe Schichte. In dieser hohen Schicht stehen die Spermien mit grosser Regel- mässigkeit in einem bestimmten Niveau. Etzold sagt betreffs dieser Regelmässigkeit nur so viel, dass dieses Niveau, in welchem die Spermienköpfe stehen, auf einem Drittel der Höhe des Kanälcheninhalts liegt. Dieses Niveau hat aber eine ganz be- stimmte Bedeutung, welche uns besonders interessiert. Aus Etzolds Zeichnungen können wir ersehen, dass der Weg gegen die Sertolischen Kerne eigentlich frei ist; würde also Attraktion, respektive aktive Näherung vorhanden sein, so könnten ja die Spermien ungehindert bis zu den Sertolischen Kernen dringen, wie in anderen Hoden. Warum tun sie das nicht in dem Fringillenhoden, warum verbleiben sie speziell in diesem Hoden in einer bedeutenden Distanz über dem Sertoli- schen Kern? In dem Fringillenhoden, wie es aus Etzolds Zeichnung ersichtlich ist, reicht auch die Spermidenschicht nicht so nahe zur Wand hin, als in anderen Hoden. Was uns aber ganz be- sonders interessiert, ist, dass die untere Grenze der Spermiden auch auf einem Drittel der Höhe des Kanälcheninhaltes steht und siehe: genau bis zu derselben Höhe reichen die Spermiden- bündel! Die Anhänger der Attraktionstheorien hätten die Frage aufstellen müssen, was denn im Fringillenhoden auf einmal in einer gewissen Höhe dem Vorwärtsschreiten der Spermien den Weg verlegt. Der unsichtbare Geist, welcher hier den Weg der Spermien versperrt, haust im obigen Gesetz; die Spermien können nicht tiefer stehen, als auf der Höhe in welcher die tiefst stehenden 552 K. Tellyesniczky: Spermiden zu finden sind, das heisst: die Spermienbündel können nicht unter das Niveau der Spermidenschichte geraten. II. Die Sertolischen Kerne und die intercelluläre Substanz. Intercelluläre Substanz, Syneytium, Degeneration, Sekretion ? In den Hoden der Säugetiere, Vögel und Reptilien ist zwischen den Hodenzellen eine gewisse flüssige Substanz zu finden. Daher kommt es, dass man frisch die Hodenzellen sehr leicht isolieren kann und dass der Inhalt der Samenkanälchen in frischem Zustande leicht zerfliesst. Zur Fixierung dieser intercellulären Substanz soll Flemmingsche Flüssigkeit oder Kali-Essigsäure benutzt werden; gebraucht man andere Fixierungsflüssigkeiten, allgemein gesagt, jene, welche weder Osmiumsäure, noch Kaliumbichromicum ent- halten, so wird diese Substanz mehr — minder mangelhaft konserviert. Bei Flemmingscher Flüssigkeit oder Kali-Essigsäure kann man die Substanz auch ohne Färbung untersuchen; es empfiehlt sich jedoch, dass man sie mit Eosin oder mit einem Metall- lack färbe. Die Figuren I, Il, III, IV der Tafel geben ein treffendes Bild von der Verbreitung dieser Substanz. Wir können daraus ersehen, dass die intercelluläre Substanz bald sehr feine Streifen zwischen den Zellen bildet, bald in etwas grösserer Menge dort erscheint, wo die Ecken der Zellen sich nicht genau berühren, endlich dass ihre grösste Masse zwischen gewissen Zellgruppen zu finden ist, wo sie zu dickeren Streifen zusammenfliesst. Diese Substanz kann ausserdem noch in dem Lumen der Kanälchen erscheinen; sie kann von den Zwischenräumen der Zellen auch in das Lumen hineinfliessen. Diese Substanz verbreitet sich also in den Samenkanälchen als eine diffuse Masse. Wie überhaupt der Intercellularsubstanz, so kann man auch dieser Substanz der Samenkanälchen die Bedeutung einer Er- nährung und die Bedeutung einer Stütze der Zellen beimessen. Das mächtige Wachsen und die Vermehrung der Zellen in den Hodenkanälchen bedingen eine erhöhte Nahrungszufuhr; diese wird nun nach Allem durch die intercelluläre Substanz ver- mittelt. Diese Substanz hat aber auch eine Bedeutung in der Die Erklärung einer histologischen Täuschung 553 mechanischen Ausfüllung der Lücken, zwischen den ihr Volumen und ihre Lage fortwährend verändernden Zellen. Mit dieser letzteren Rolle steht die sehr unregelmässige Verteilung der Substanz in Zusammenhang; an einem Orte findet man davon mehr, an anderen weniger; bald erscheint sie in kaum bemerkbaren Streifen, bald in bedeutend grossen Massen. Diese unregelmässige Verteilung der intercellulären Substanz hängt direkt mit dem Andrängen der, ihre Lage stets wechseln- den Zellen zusammen. So ist an dieser Substanz am ärmsten das Innere der einzelnen Zellgruppen, wo das Andrängen der Zellen am stärksten ist; in grösseren Massen sammelt sie sich dort an, wo die Zellen selbst den gegebenen Verhältnissen zufolge den Raum nicht ausfüllen können. In dem vorigen Kapitel haben wir bei der Mechanik des Raumgreifens der Schichten gefunden, dass beim Vorwärtsdrängen der Zellen der Sertolische Kern als Hindernis wirkt, sodass oberhalb desselben ein, vor dem Drängen der Zellen geschützter Raum in der Form eines Streirens zu Stande kommt. Leer kann aber dieser Streifen nicht bleiben, er muss auch durch etwas aus- gefüllt werden, wozu eben die intercelluläre Substanz berufen ist. Der Sertolische Kern, indem er das Anhäufen der Zellen über sich verhindert, verursacht das Dahinströmen der inter- cellulären Substanz; so wird sich die intercelluläre Substanz in der von dem Körper des Sertolischen Kernes bedeckten Richtung in der Form eines Streifens anhäufen. Dieselbe in dem vorigen Kapitel beschriebene Einrichtung, der zufolge das Hinausdrängen der Spermien oberhalb des Sertolischen Kernes ausbleibt, verursacht also auch das Anhäufen der intercellulären Substanz oberhalb des Sertolischen Kernes. Es wäre kein Wunder, wenn der Leser aus dieser Be- schreibung nicht einmal ahnen würde, dass dieses Anhäufen der intercellulären Substanz oberhalb des Sertolischen Kernes dieselbe Erscheinung darstellt, was in den Kopulationstheorien als das „Auswachsen* des „Spermatoblasten“ beschrieben und gemeint wird. Erscheinen doch in den beiden Auffassungen die Verhält- nisse grundverschieden. Die Entstehung der „Spermatoblasten“ durch das Zusammen- fliessen der Intercellularsubstanz erklärt auch die Formverhältnisse derselben vollständig. 554 K. Tellyesniczky: So wird es erst recht begreiflich, dass diese Gebilde einer- seits in jeder Richtung auf das genaueste mit der gemeinsamen intercellulären Substanz des Samenkanälchens zusammenhängen, und anderseits nach der Art der intercellulären Substanzen sich vollkommen den Konturen der umgebenden Elemente anpassen. Nach diesem bedarf es keiner besonderen Motivierung dafür, dass die Oberfläche dieser Gebilde mit Buchten und Fortsätzen versehen ist. Die Buchten werden durch das genaue Anpassen der Nachbarzellen verursacht, die Fortsätze bedeuten den Zu- sammenhang mit der allgemeinen intercellulären Substanz des Kanälchens. Den stacheligen, sich verästelnden Charakter der „Spermato- blasten“ erkannten schon die früheren Autoren, und man findet in der Literatur vielfach darauf bezügliche Andeutungen, wenn auch von den divergierendsten Ansichten begleitet. So be- schreiben Neumann (1875) und Biondi (1885) beide die „Spermatoblasten“ der Form nach vollkommen richtig. Neu- mann hält sie aber noch für wahrhafte „Spermatoblasten“, er lässt nämlich die Spermien aus ihnen entstehen, während Biondi sie schon für intercelluläre Substanz ansieht. Eine grössere Divergenz der Ansichten ist kaum denkbar und doch ist die ver- ästelnde Form der „Spermatoblasten“ schon bei diesen Autoren richtig erkannt. In manchen Arbeiten herrscht aber noch heutzutage ein Irrtum über diese Formverhältnisse und in gewissen modernen Zeichnungen erscheinen die „Spermatoblasten“ als vollständig isolierte Säulen. Diese Zeichnungen sind auf die mangelhafte Konservierung der intercellulären Substanz zurückzuführen. Infolge der mangelhaften Konservierung, verschwinden die sehr zarten intercellulären Züge, die stärkeren Züge aber, wie die oberhalb des Sertolischen Kernes liegenden, bleiben auch bei der schlechteren Konservierung übrig; durch das Zugrunde- gehen der schwächeren Fortsätze geht auch das genaue Anpassen der dickeren Züge an die umgebenden Zellen verloren und so erscheinen diese mehr oder minder isoliert. Die mangelhafte Konservierung der intercellulären Substanz hat zur weiteren Folge, dass auch die Zellen und Spermien mehr oder minder freistehend erscheinen. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 555 All diese Mängel und Fehler spiegeln sich ganz getreu in den erwähnten Illustrationen ‚wieder, in denen sowohl die Körper der „Spermatoblasten“, als auch die Zellen in mangelhaft kon- servierter Umgebung sozusagen freistehend zu sehen sind. Ich zweifle nicht, dass heutzutage doch die Mängel dieser Präparate, was bei der Beurteilung der Verhältnisse von ent- scheidender Bedeutung ist — allgemein erkannt werden dürften. Ich erwähne nur noch eine Angabe Retzius (Biologische Untersuchungen V, 1893). Die von Retzius auf dem Wege der Golgischen Methode gewonnenen Präparate stellen die Form- verhältnisse der intercellulären Substanz in derselben Beleuchtung vor, wie ich es soeben getan habe. Diese Methode ist für die Beurteilung der Verhältnisse sehr lehrreich, indem sie die inter- celluläre Substanz allein, schwarz imprägniert erscheinen lässt. So zeigen sich in Retzius Zeichnung auch die feinsten inter- cellulären Streifen in festem Zusammenhange mit den dickeren Zügen, welche die Körper der „Spermatoblasten“ darstellen. Dass der Ebnersche Spermatoblast sich in jeder Richtung verästelt, ist wie wir sehen, eine längst bekannte, gut begründete Tatsache; dass jener mit der intercellulären Substanz eine un- unterbrochen zusammenhängende Masse bildet, stellte sich aus meinen Untersuchungen heraus (1396), was von neueren Unter- suchern (Regaud siehe oben; Policard!, Peter?) bestätigt wird. Wie sollen denn diese über jeden Zweifel stehenden Ver- hältnisse der intercellulären Substanz gedeutet werden’? Man könnte kaum einen dankbareren Boden für eine endlose Diskussion ersinnen, wie es das Sertolische Element ist. Es wird in dieser verfänglichen Frage nützlich sein, die Tatsachen von den Theorien scharf zu trennen. Die Tatsache besteht nun, wie wir gesehen haben, darin, dass in den Samenkanälchen eine diffuse, flüssige Grundsubstanz vorhanden ist, welche sich nicht nur zwischen den Zellen mit feinsten Streifen ausbreitet, sondern auch im Lumen vorhanden ist; dieselbe Substanz hält an der Wand die Sertolischen Kerne in sich eingeschlossen. ') A. Policard. Notes sur la spermatogenese. Bibliographie- Anatomique. F. XI. ”) K. Peter. Die Bedeutung der Nährzelle im Hoden. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 53. 189. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 68. 37 556 K. Tellyesniczky: Die Aufmerksamkeit der Autoren hat bisher hauptsächlich das Fehlen der Zellkonturen gefesselt, welchen Umstand sie mit dem Begriffe des „Syneytiums“ erklärt haben; die Syneytium- erklärung hat aber die wahre Form des Sertolischen Elements nicht in Betracht gezogen. Wir müssen einsehen, dass auf diese diffuse Flüssigkeit, wiewohl darin an der Wand Kerne sind, nicht nur der Begriff der Zelle, sondern auch der des „Syneytiums“ unanwendbar ist. Unter Synceytium versteht man doch ein, mit einer bestimmten Grenze versehenes protoplasmatisches Gebilde; ausserdem erhellt aus dem vorigen zweifellos, dass die Annahme des Synceytiums nur auf Grund der Unkenntnis der wahren Formverhältnisse entstanden ist; dies erhellt daraus, dass das Synceytium in den einzelnen Arbeiten bald enger bald weiter aufgefasst erscheint. Die Kopulationstheorie beschränkt sich hauptsächlich auf die Annahme eines an der Wand liegenden Syneytiums. Das Syneytinm an der Wand ist es, wovon laut dieser Theorie die Ammen der Spermien von Zeit zu Zeit sich aufmachen, und wohin sie nach Ernährung der Spermiensäuglinge re bene gesta zurückkehren. Nach dieser Auffassung also hat das Sertolische lement nur an der Wand seinen Platz und es tritt mit den Spermiden nur zeitweise in Verbindung. In einem grösseren Umfange erscheint das Syneytium bei Etzold; nach ihm hängt das Syneytium nicht nur mit den Spermien, sondern auch mit den Spermiocyten zusammen. Einen noch grösseren Umfang gewinnt es endlich bei jenen Autoren, die, wie ich zuerst bei der Eidechse nachgewiesen habe, auch von dem intercellulären Charakter des Elements überzeugt sind. So ist in den oben zitierten Abhandlungen Regauds, Policards und Peters die Substanz schon als eine sich zwischen allen Flementen des Samenkanälchens verbreitende beschrieben; mit anderen Worten, die Autoren erkennen den intercellulären Charakter der Substanz an, ob sie nun von ihnen Syncytium oder intercelluläre Substanz genannt wird. Doch, wie wir gesehen, ist auch der Begriff der intercellulären Substanz nicht ganz zu- friedenstellend, denn die Substanz kann sich als Kanälchenflüssig- keit auch in dem Lumen frei verbreiten. Will man sich irgend eine Meinung über die Sertolischen Elemente bilden, so ist es Bit Die Erklärung einer histologischen Täuschung 57 garnicht indifferent, ob man diese Formverhältnisse richtig erkennt und sorgfältig in Erwägung zieht. Wenn wir nun die äussere Form eines Sertolischen Elements betrachten, so müssen wir einsehen, dass nicht nur von normalen Zellen keine Rede sein kann, sondern dass auch der Begriff des Syneytiums kein passender ist. Was sagen nun zu all dem die Sertolischen Kerne: deuten vielleicht diese auf einen normalen Zustand, zwingen sie vielleicht uns trotz der obigen Verhältnisse zur Annahme einer speziellen Funktion? Absolut nicht! — Was wir an diesen Kernen sehen und was wir von ihnen im allgemeinen wissen, bieten den sehr verbreiteten Spekulationen über die Rolle dieser Gebilde nicht die geringste Stütze. Im Gegenteil, wie die die Kerne umgebende Substanz als ein Zerfliessen des Plasmas aufzufassen ist — so beweisen auch diese Kerne, dass hier irgendwelche Degeneration eine Rolle spielt. Nur die Annahme einer Degeneration erklärt den ganzen Kreis dieser Erscheinung: das Verschwinden der Zellgrenzen, das gänzliche Zerfliessen des Plasmas, das Vorhandensein vieler Fett- Tröpfchen in der zerflossenen Substanz, kann ebenso nur durch die Annahme einer Degeneration erklärt werden, wie auch die Neigung der Kerne zur Fragmentierung, ihre passiven, durch die Nachbarelemente verursachten, verschiedensten Formveränderungen und ihr beobachtbares Zugrundegehen auch nur durch diese An- nahme verständlich wird. Dies kann auch von jenem Umstande nicht beeinflusst werden, dass die Beobachtung des gänzlichen Verschwindens der Kerne mit einigen Schwierigkeiten ver- bunden ist. Im Rahmen der Synceytiumauffassung spielt besonders in neuerer Zeit die Secretion der Sertolischen Elemente behufs der Ernährung der Spermien eine grosse Rolle. So erscheinen denn in dem Streite vier Begriffe: der Begriff der intercellulären Substanz mit der Annahme der Degeneration, das Syneytium mit der Annahme der Secretion. Die Gesellschaft der Viere, Syneytium, Secretion, intercelluläre Substanz, Degene- ration sieht viel zu bunt aus, als dass man ihre Vereinbarung so leicht erwarten könnte. Wir können mit grösserer Aussicht auf einen Erfolg an die Lösung herantreten, wenn wir bei der Analyse dieser Begriffe auch die jungen Hoden in Betracht ziehen. 37* 558 K. Tellyesniczky: Die Ausfüllung der jungen Hodenkanälchen wird nur teil- weise von Zellen bewirkt, denn auch eine Flüssigkeit hat Anteil daran, welche hauptsächlich das Zentrum des Kanälchens einnimmt. Diese Flüssigkeit der Kanälchen, welche in grösserer Menge in der Zeit unmittelbar vor dem Beginne der Spermiogenese vor- handen ist, möchte ich nach dem Muster des Liquor follieuli, Liquor canaliculi nennen, denn die zwei Flüssigkeiten sind homologe Gebilde. Die Flüssigkeit der jungen Kanälchen erscheint in fixierten Präparaten gekörnt, oder auch gefasert. Aus der Richtung dieser Fasern kann man nun folgern, dass sie ihre Ent- stehung den Sertolischen Elementen verdanken. Die jungen Hoden scheinen ferner auch darauf hinzudeuten, dass! die Flüssigkeits- produktion schon in diesem Alter mit dem Zerfliessen des Plasmas der Sertolischen Elemente einhergeht. Die jungen Hoden er- wecken zugleich den Gedanken, dass diese Kanälchenflüssigkeit irgend eine mechanische Bestimmung haben muss, ebenso, wie der mit ihr homologe Liquor folliculi. Diese Bestimmung besteht wahrscheinlich darin, dass sie das räumliche Wachsen der noch nicht funktionierenden Samenkanälchen fördere, und überhaupt zur Lumenbildung führe. Denn ohne solche Flüssigkeitsbildung könnte ja eigentlich kein Lumen auftreten. Würde nur Zellen- bildung vorhanden sein, so würden nicht Kanälchen, sondern solide Zellstränge entstehen. Der Liquor canalieuli erscheint somit als Lumenbildner; diese mechanische Bedeutung ist umso- mehr wahrscheinlich, als ja anfänglich das ganze Kanälchen zellen- arm ist und die Ernährung der Zellen allein kann eine solche Menge Flüssigkeit nicht beanspruchen. Dem Sertolischen Element muss also eine mechanische Be- deutung nicht nur bei den niederen Tieren, bei deren Cysten und Cytophoren, wo diese Bedeutung augenscheinlich ist, sondern auch bei sämtlichen Amnioten im jungen und funktionierenden Hoden beigelegt werden. Die Bedeutung der Sertolischen Elemente gewinnt auf diesem Wege ein ganz anderes und viel weiteres Feld, als in jener irrigen Auffassung, welche die Sertolischen Elemente als die Ammen der Spermien fungieren lässt. Wir werden bei der Lösung der Frage viel mehr Aussicht haben, wenn wir die Verhältnisse von diesem weiteren Gesichtspunkte aus be- trachten. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 559 Wie die syneytielle Ansicht die äussere Form und die Ver- breitungsverhältnisse des Sertolischen Elements irrig auffasst, so nimmt sie auch die erhöhte Ernährung der Spermien auf dem Wege der sogenannten Kopulation ohne allen Grund auf. Nur das gänzliche Verkennen der Verhältnisse hat die Meinung er- wecken können, dass die Spermiden gerade bei ihrer Umwandlung zu Spermien eine Ernährung durch besondere Ammen benötigen. Bei Eidechsen, Schlangen, Schildkröten, Marsupialien und bei vielen niederen Tieren kommt „Kopulation“ überhaupt nicht vor, und dennoch entwickeln sich und reifen die Spermien nicht minder gut, als sonstwo immer. Physiologische Erfahrungen er- fordern auch nicht, dass die Spermien besonders genährt werden müssen; muss man doch für höchst wahrscheinlich halten, dass die Bedingungen der Umwandlung und die zur Umwandlung nötigen Substanzen schon in den Spermiden fertig vorhanden sind. Die intercelluläre Substanz kommt sicherlich sämtlichen Elementen * des Samenkanälchens zugute, wovon auch die Spermien keine Ausnahme bilden werden; doch wenn überhaupt die Frage nach der Notwendigkeit eines besonders lebhaften Stoffwechsels auf- taucht, so kann dies nur bei lebhafter Teilung und beim Wachsen der Samenzellen einen Sinn haben. Wenn wir nun also annehmen, dass das Sertolische Element ausser der mechanischen Funktion noch eine ernährende Funktion verrichtet, so muss auch diese Funktion in einem anderen und weiteren Sinne aufgefasst werden, als es in den bisherigen An- sichten geschehen ist, welche das Sertolische Element als besondere „Nährzelle“ speziell für die Spermien in Beschlag genommen haben. Wir können also in den Begriff des Sertolischen Elements ebenso den Liquor canaliculi der jungen Hoden, wie die inter- celluläre Substanz der erwachsenen einfassen; als Funktion können wir weiter für das Sertolische Element in jungen Hoden die Lumenbildung, in erwachsenen die Ausfüllung der intercellulären Lücken aufstellen, auch können wir die allgemeine Ernährung der Hodenzellen annehmen; nur das Vorhandensein einer Rolle kann man nicht aufrecht halten: die Säugung der Spermien und die im Interesse dieser Säugung angenommene spezielle Sekretion. Wie ungern auch wir uns zur Annahme einer Degeneration entschlossen haben — ist doch von physiologischen Verhältnissen 560 K. Tellyesniczky: die Rede — ebenso angenehm kann uns nun der Umstand be- rühren, dass ja gerade die Annahme einer Degeneration den Schlüssel auch zum physiologischen Verständnis einer „Sekretion“ geben kann. Wenn wir in Betracht ziehen, dass wir ja auch unter physio- logischen Verhältnissen gewisse Drüsen, wie z. B. die Talgdrüsen, kennen, deren Zellen mit Aufopferung des eigenen Körpers, also auf dem Wege der Degeneration, das Sekret produzieren, so werden wir einsehen, dass man zur Deutung des Sertolischen Elements einen besseren Vergleich, als die zur Zellendegeneration führende Drüsenfunktion — wenn man eine Drüsenfunktion, wenn auch nicht speziell im Interesse der Spermien, aufrecht halten will — nicht finden kann. Das Schicksal der Sertolischen Elemente und das Schicksal jener Drüsenzellen, welche das Sekret mit der Aufopferung ihres eigenen Körpers produzieren und selbst also zu Grunde gehen, scheinen nahe verwandt zu sein. Die Annahme der Degeneration harmoniert mit der un- zweifelhaften Zukunft der Elemente, was man auch bei den niederen Tieren, bei deren Cysten und Cytophoren, leicht erkennt, wo die Sertolischen Elemente nach der Entwicklung je einer Generation zu Grunde gehen. Wie lange bei den höheren Tieren die frei gewordenen und an der Wand stecken gebliebenen Kerne leben, resp. wie lange der Degenerationsprozess der Kerne dauert, ob sie Fragmentationen zeigen, ob man ihnen eine Rolle während ihres ganzen Lebens zuschreiben kann, oder nur bei ihrem Auf- treten, ob sie nur notgedrungen an der Wand verweilen, wann neue Kerne auf Kosten der Spermiogonen auftreten, das heisst wann und inwiefern sie ersetzt werden usw. ..., all diese Fragen kann man aufstellen, doch bei der obigen Erklärung können sie eine besondere Bedeutung kaum gewinnen. All die Ansichten ferner, welche speziell den Kernen eine besondere Rolle zugeschrieben haben, konnten auch nur bei Ver- kennen der ganzen Erscheinung entstehen. Unsere Kenntnisse sind auch sonst sehr weit davon entfernt, dass wir aus der Form und dem Aussehen der Kerne auf spezielle Funktionen folgern könnten, wie es z. B. Peter tut. Durch meinen Vergleich von den degenerierenden Drüsen- zellen hat also auch die neuerdings so oft und mit grosser Vor- Die Erklärung einer histologischen Täuschung 561 liebe erörterte Sekretionsfrage Platz gewonnen; die Degeneration kann auf Grund dieses Vergleiches auch als Funktion aufgefasst werden, welche in jungen Hoden in der Produktion des Liquor canaliculi, in erwachsenen in der Produktion oder Vermehrung der intercellulären Substanz besteht. So wird vielleicht meine Erklärung sich leichter Bahn brechen, nur soll dies nicht von jenem Umstande beeinflusst werden, dass nicht nur die Annahme dieser Degenerationssekretion auf einem anderen Grunde geboren ist, sondern auch ihr Ziel ganz anders erscheint, als das von der Sekretion der „Ammen- zellen“. In dem ersten Kapitel habe ich die mechanische Gestaltung der Spermienbündel nachgewiesen; das in diesem Kapitel auf- geführte macht es vollkommen verständlich, dass das Plasma der Spermiden mit dem Sertolischen Element ohne Grenze zusammen- fliesst; es geschieht ja nichts anderes, als dass das ohnehin zer- flossene Plasma der Spermiden und die intercelluläre Substanz auf einem schmalen Raum zusammengedrängt miteinander zu- sammenfliessen. Damit ist auch die Verschmelzung der Spermiden und der Sertolischen Elemente klar beleuchtet, woraus wir in vollem Maße beurteilen können, dass die Annahme eines be- sonderen Kopulationsvorganges in der Tat ein Irrtum ist. III. Die Richtung und Aneinanderlagerung der Spermien. Phylogenetische Bemerkungen. Im vorhergehenden Kapitel haben wir die „Kopulation“ in ihrem Wesen erkannt. Ich kann mir vorstellen, dass diejenigen, die in dieser Erscheinung nicht mit aller Gewalt etwas Mystisches erblicken wollen, die Frage damit als erledigt betrachten werden. Doch ist immer noch etwas geblieben, was der Erklärung bedarf: nämlich die Richtung der Spermien und die mit ihr verbundene Aneinanderlagerung derselben, welche besonders bei niederen Tieren zur Bildung der so auffälligen und charakteristischen Bündel führt. Wir müssen uns noch dieser Verhältnisse erinnern, da jene nicht wenig dazu beigetragen haben, dass die Bündel der Spermien in einem so mystischen Lichte erschienen sind und dass man die Annahme besonderer Kräfte und Reize bei der Bildung dieser Bündel für beinahe selbstverständlich fand. 562 K. Tellyesniczky: Wenn man ein Präparat, wie Fig. II, besichtigt, so bekommt man den Eindruck, als wenn sich die Kerne der Spermiden in der Richtung der Sertolischen Kerne bewegt hätten. Die Kopu- lations-Theorie meint auch, dass hier eine besondere aktive Be- wegung vorgeht. Im Banne des ersten Eindruckes beschäftigt uns die Richtung der sich verdichtenden und gut färbenden Kerne und Köpfe viel- mehr, ohne dass wir bemerken, abermals in eine neue Täuschung geraten zu sein. Diese neue Täuschung findet ihren Ursprung darin, dass wir die Richtung, welche auch das Plasma der Sper- miden einnimmt, ausser Acht lassen. Bei Beurteilung der Richtung der Spermiden muss die des Plasmas, respektive des Schwanzfadens ebenso in Betracht gezogen werden, wie man im allgemeinen nur die Richtung der Kerne in Rücksicht zieht. Es taucht hier auch die Frage auf, warum denn die Schwänze der Spermien dem Lumen und nicht der Wand gegenüberstehen? Das Aufstellen dieser Frage erscheint hier dankbar zu sein, umsomehr, da auf diese Frage schon aligemeine biologische Erfahrungen eine Antwort geben: Die Erscheinung, dass sich Flimmerhaare nur auf der freien Oberfläche der Zellen befinden, ist übereinstimmend mit dem Um- stande, dass die Schwanzfäden der Spermien nur auf der Seite des Lumens auftreten. Diese Übereinstimmung wird noch be- deutender, wenn wir bedenken, dass bei Zylinderzellen der Kern regelmässig nicht in der Nähe des Lumens, sondern in dem unteren schmäleren Teile der Zellen Platz findet, ebenso, wie bei den sich verlängernden Spermiden der Kern sich in dem unteren, schmäleren Teile anordnet. Das Vorhandensein der Schwanz- fäden am Lumenpol, sowie jenes der Kerne am Kanaiwandpol weist vollkommen auf die Verhältnisse der flimmerhaarigen Zylinderzellen hin. Schon diese Erfahrung mahnt uns zur Vorsicht: bei Richtung der Kerne und Schwänze der Spermiden nicht um jeden Preis irgendwelche, ganz eigentümliche Erscheinungen und Kräfte suchen zu wollen. Das Erscheinen des Schwanzfadens am Kanalwandpol wäre ja eine biologische Absurdität und was die „Richtung“ der Kerne anbelangt, darüber geben uns die Spermiden selbst gute Auskunft Die Erklärung einer histologischen Täuschung 565 Sowie die Spermienbündel sich nicht im geringsten Maße dem Sertolischen Kerne nähern, bewegen sich die Kerne auch gar nicht in dieser Richtung; es ist wiederum nur von einem relativen Zurückbleiben der Kerne, dem schneller und leichter strömenden Plasma gegenüber, die Rede. Nicht die Spermiden- kerne dringen gegen die Sertolischen Kerne vor, sondern das Plasma der Spermiden strömt ausgiebiger dem Lumen zu. Wer dieses Hinausströmen des Plasmas dem Lumen zu in Anfangs- stadien weniger deutlich findet, dem rate ich das Betrachten späterer Stadien, wie sie Fig. IV darstellt, wo am Ende des Pro- zesses dies viel mehr ins Auge fällt und umso leichter verständlich ist. In Fig. IV ist das Plasma der Spermiden weit von den dazu gehörigen Kernen, respektive Köpfen entfernt, in das Lumen hineingepresst. v. Lenhossck folgert aus der Lagerung des chromatoiden Nebenkernes ebenfalls auf derart gerichtete Plasmaströmungen: „Es ist nicht leicht, sich über die mechanischen Momente, die diese regelmässige Orientierung hervorbringen, eine befriedigende Vorstellung zu bilden. Man bekommt den Eindruck, als wäre eine gewisse Strömung im Cytoplasma vorhanden in der Richtung vom Kanalwandpol nach dem Lumenpol hin.“ ') Die Lenhosseksche ‚‚hypothetische“ Plasmaströmung ent- spricht der Wahrheit. Es ist aber von Wichtigkeit, dass diese Strömung nicht aktiv, sondern dem Druck der Umgebung zufolge passiv entsteht. Nun fragt es sich, ob man auch näher motivieren kann, was der Grund sei, dass das Plasma sich ausgiebiger dem Lumen zu bewegt, als der Kern. Wir wissen, dass bei der Entwicklung der Spermien die Kerne immer dichter werden, während das Plasma der Spermiden im Gegenteil zerfällt und zerfliesst. Diese entgegengesetzte Umwandlung gibt auch den Grund der relativen Verschiebung, die der Kern und das Plasma — eines dem anderen gegenüber — erleiden. Das flüssige und immer mehr zerfliessende Plasma weicht dem Drucke der Um- gebung leichter und fliesst gegen das Lumen schneller hin, während die verdichteten und immer dichter werdenden Köpfe ı) M.v. Lenhossök: Untersuchungen über Spermatogenese. Archiv für mikr. Anat., 1898, Bd. 51, S. 285. 564 K. Tellyesniczky: — als schwerere Elemente — dem Plasma gegenüber zurück- bleiben.) Mit dieser Erscheinung stimmen auch die räumlichen Ver- hältnisse überein, denen zufolge das Plasma, welches mehr Raum benötigt, mehr zum Lumen hin weicht, als die weniger Raum beanspruchenden Kerne nnd Köpfe. Die Richtung der Spermien wird also einerseits durch den Druck der Umgebung und die Raumverhältnisse, andererseits durch die physikalischen Unterschiede, welche zwischen Kern und Plasma der Spermiden auftreten, bedingt. Wir müssen also in der „Richtung“ der Spermien eine aktive Bewegung ebenso ausschliessen, wie wir im vorigen eine aktive Bewegung bei dem „tiefen Einwachsen“ der Spermien ausge- schlossen haben. Beide Täuschungen nehmen ihren Ursprung aus ein und derselben Erscheinung, aus relativen Verschiebungen. Die Richtung der Spermien und ihr Zusammendrängen in eine enge Spalte hat die Aneinanderlagerung der schon in eine Richtung gelangten Köpfe und Schwanzfäden zur Folge. Bei den Säugetieren ist die Aneinanderlagerung der Köpfe und Schwänze zumeist nicht so regelmässig, wie bei den niederen Tieren, wo die Spermien der Cysten und Cytophoren oft so regelmässig an- einander passen, dass die Köpfe und Schwänze sehr genau in ein Niveau geraten. In den Cysten und Cytophoren sind, wie wir wissen, die Zellen von Anfang an beständig in einer Gruppe beisammen und von Anfang an ist in jeder Gruppe auch das Sertolische Element vorhanden, so ist es hier — was bei den Vögeln und Säugetieren so schwer verständlich war, dass nämlich die Spermien mit dem Sertolischen Elemente in einer Gruppe zu finden sind, selbst- verständlich. Bei den niederen Tieren fällt also die Frage der Gruppen- bildungen selbst weg, es bleiben aber noch immer die Fragen der Richtung und Aneinanderlagerung der Spermien zu beant- worten. Daher kommt es, dass wir uns in diesem Kapitel der Cytophoren und Cysten erinnern müssen. !) Richtiger wäre es zu sagen: nachdem während des Vordrängens der Spermidenschicht die Kerne der Spermiden dem Plasma gegenüber zurück- bleiben, kann man darauf schliessen, dass die Kerne schwerer sind als das Plasma. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 565 Die Ideen der „Kopulation“ spielen auch in der Literatur bei niederen Tieren eine grosse Rolle. Broman (Lo. ci.) nimmt sogar zwei Formen der Taxis in Anspruch; erstens eine Tropho- taxis, die die Näherung der Spermien zu den Sertolischen Kernen erklären sollte. Da aber die Trophotaxis nur zur Erklärung einer Annäherung ausreicht und die Aneinanderlagerung gar nicht moti- viert, so nimmt der Autor aus dem reichen Vorrate seiner „Taxis“ die Homocytotaxis hervor. Die Homocytotaxis sollte die Erklärung der Aneinanderlagerung geben. Werfen wir nur einen Blick auf Bromans Argumente. Broman fängt in seiner oben angeführten Arbeit sein Argumen- tieren, sich auf seine zweite und dritte Figur berufend, also an: „Wer die Figur 2 und 3 (auf Tafel 5), welche zwei Spermatocyten von Scyllium canicula darstellen, betrachtet, wird sogleich einsehen, dass die meisten Spermatiden des Stadiums der Fig. 2 um die Bündelanordnung auf dem Stadium Fig. 3 erreicht zu haben, eine beträchtliche Ortsveränderung erlitten haben.“ Die Beschreibung kann zu Missverständnissen Anlass bieten; nicht die ‚meisten‘ Spermiden haben eine Ortsveränderung er- litten; die Wahrheit ist, dass erstens „alle“ ihre Lage verändert haben und zweitens ein Teil der Spermiden sich nicht nur nicht den Sertolischen Elementen genähert, sondern im Gegenteil sich davon entfernt hatte. Man kann dies aus des Autors eigenen Zeichnungen, welche er zum Beweise seiner Taxis mitteilt, ganz klar erkennen. Auch das ist nicht indifferent, dass diese, von den Sertolischen Elementen sich entfernenden Spermiden eben von jenen Spermiden herkommen, welche den Sertolischen Elementen am nächsten ge- legen sind. Aus den Illustrationen des Autoren wäre daher zu schliessen, dass die zu den Sertolischen Kernen näher stehenden Spermiden sich davon entfernt, die fern stehenden sich ge- nähert hätten. Wir können wohl fragen, was für ein Reiz, was für eine Kraft es sein kann welche in der Ferne eine andere Wirkung ausübt, als in der Nähe; oder — was sich auf Bromans Figuren noch am meisten bezieht -— was für eine Kraft ist es, welche in der Nähe abstösst, aus der Ferne anzieht? Der Autor hätte aus seiner eigenen Illustration mit dem- selben Rechte das Abstossen und die Entfernung folgern können, 566 K. Tellyesniczky: mit welchem er nur das Annähern zu konstatieren für nötig fand. Wäre er also konsequent vorgegangen, so hätte er in die (Gesellschaft seiner Homocytotaxis und positiven Trophotaxis noch eine negative Trophotaxis aufnehmen müssen. Übrigens kann in dieser Frage ein Anfangs- und Endstadium allein, aus welcher Broman seine Ansichten nimmt, keine Auf- klärung geben. Von den erwähnten zwei Zeichnungen des Autors stellt die eine die noch zellenförmigen Spermiden, die andere die schon vollkommen entwickelten Spermienbündel dar; von den dazwischen liegenden Stadien wurde kein einziges in Betracht genommen. Die Endstadien allein sind aber zum Entstehen gewisser Irrtümer vorzüglich geeignet, ja wahrhaft prädestiniert, was auch leicht begreiflich ist. Die morphologische Umwandlung der Spermiden- zelle in eine Spermie ist eigentlich die Umwandlung einer Kugel in einen iangen, dünnen Faden: eine solche extreme, morpho- logische Veränderung wird notwendigerweise entsprechende, grosse räumliche Verschiebungen zur Folge haben, was zu einer all- gemeinen Bewegung der sich umwandelnden Spermiden führt. Zur Erklärung dieser Bewegung können wir bei den niederen Tieren unmöglich nach anderen Faktoren suchen, als solchen, welche schon bei den Amnioten die Bewegung und Richtung der Spermien erklärten. Wir dürfen nicht vergessen, wenn wir über diese Verhältnisse nachdenken, dass überall im Organismus die Zellen einerseits nicht frei stehen, sondern dem Drucke der Umgebung — dem der Nachbarzellen oder der Gewebsflüssigkeit — unterworfen sind und anderseits nicht an ihre Stelle gebunden oder fixiert sind, so dass sie durch den Druck der Umgebung ungehindert verschoben werden können. Bei dem Zustandekommen der Richtung der Spermien ist aber der Druck der Umgebung nicht der einzige Faktor. Durch diesen Druck werden die Elemente nur einfach von der Seite des grösseren Druckes nach der des kleineren bewegt; die Richtung selbst kann durch diesen Druck allein nicht bestimmt werden. Während dieser Bewegung wird dann und insofern eine Richtung auftreten, wenn und inwiefern das Verhalten der Zellen dazu Veranlassung bietet. Wenn zwischen den einzelnen Teilen der Zellen solch grosse Differenzen auftauchen, wie bei den Spermiden, wo das Plasma Die Erklärung einer histologischen Täuschung 567 zum Schlusse gänzlich zerfliesst, der Kern dagegen stets dichter wird, so wird es klar, dass unter dem Drucke der Umgebung Verschiebungsdifferenzen zwischen Plasma und Kern entstehen. Da die Differenzen zwischen Kern und Plasma bei allen Spermiden im gleichen Maße auftreten, so werden sich dann auch die Ver- schiebungsdifferenzen zwischen Plasma und Kern bei ihnen allen gleicherweise und gleichzeitig geltend machen, wodurch dann die regelmässige Richtung sämtlicher Spermiden entsteht. Ferner müssen wir vor Augen halten, dass das Plasma infolge seines grösseren Volumens den freieren Raum sucht, und seiner flüssigeren Beschaffenheit halber dem Drucke leichter nachgibt, als der dichtere, allem Scheine nach, schwerere Kern. Bei den Cytophoren ist es selbstverständlich, dass die Köpfe gegen das Zentrum der Cytophoren gerichtet sind, da die Oberfläche derselben offenbar einen weiteren Raum für das Plasma bietet. Weit ver- fänglicher ist die Frage bei den Öysten, doch ist es zweifellos, dass auch hier das Gelingen einer mechanischen Erklärung nur von der darauf angewendeten Mühe abhängt. Als Richtschnur würde ich folgendes bemerken: der leichteren Vorstellung halber nehmen wir an, dass die Cyste eine regel- mässige Kugelform darstelle. Durch den.Druck der Umgebung genötigt, strebt das flüssigere Plasma der sich umwandelnden Spermiden nach dem Zentrum der Cysten, der schwerere Kern bleibt also mehr an der Oberfläche; mit dieser Verschiebungs- differenz ist schon die gemeinsame Richtung sämtlicher Spermien gegeben. Das Resultat ist also eine Kugel, bei welcher sämtliche Köpfe — im Gegensatz zu den Cytophoren — nicht nach dem Zentrum der Kugel, sondern nach der Peripherie derselben gerichtet sind. Im Schnittpräparate würde dieses Gebilde einen Kreis geben, in welchem die Spermien — Radien gleich — mit ihren Köpfen gegen den Rand des Kreises, mit ihren Schwänzen gegen das Zentrum gerichtet sind. Ich habe diese Stadien im Salamanderhoden aufgefunden. Es findet sich auch ein Stadium, in welchem die Spermien noch vor der Aneinanderlagerung in in einer mehr oder minder geöftneten Fächerform erscheinen. (Siehe E. Korschelt und K. Heider, Lehrb. d. vergleichenden Fntwicklungsg., S. 492, Fig. 292A). Man kann nur annehmen, dass im inneren der Kugel der Druck grösser wurde, wahr- scheinlich findet das hineingedrungene Plasma im inneren 568 K. Tellyesniezky: der Cyste keinen genügenden Raum mehr, und so öffnete sich die Kugel in der Richtung des kleinsten Druckes, wodurch die Spermien in eine Bogen- oder Fächerform geraten. Der Druck der Umgebung und dieselben Verhältnisse, welche die Cyste zum Öffnen brachten, drücken jetzt den Bogen weiter und weiter zusammen, bis sich endlich der Fächer schliesst, wodurch die auffallend pünktliche Aneinanderlagerung zustande kommt. Es scheint, dass diese Erklärung zutrifft, doch ohne besondere Untersuchungen teile ich dieselbe nur als Ideengang mit. Ich weise nur noch darauf hin, dass die Wirbel der Schwanzfäden in den Cysten auch zur Annahme gewisser „ Kreisbewegungen Anlass geben. Jene Meinungen endlich, nach welchen die Spermienköpfe, ihre Richtung gegen gewisse Kerne der Üysten nehmen, sind ganz willkürlich. An der Oberfläche der Cysten sind die Kerne bekanntlich verstreut, in grösserer Zahl vorhanden, und es bedarf keines grossen Zufalles, dass die Bündel nach einem Kern gerichtet werden; diesem Umstande kann aber nur die grösste Befangenheit irgendwelche Bedeutung zukommen lassen. Die Kerne können ja ebenso an den Seiten der Spermienbündel, ebenso hinter den Köpfen liegen, als auch in der Richtung der Köpfe vollständig fehlen, wofür schon die Illustrationen der Autoren genügende Beispiele bieten. Dass der Sertolische Kern bei der Richtung keine aktive Rolle spielt, können auch die Cytophoren beweisen, deren zentrale Substanz bald mit Kernen versehen, bald kernlos ist; der Mangel der Kerne aber stört nicht im mindesten die elegante Gruppierung der Spermien. Da die Cystenbildung in der Skala der Wirbeltiere bei den Reptilien verschwindet, taucht die Frage auf, wie man die Bündel der Vögel und Säugetiere deuten soll. Sind diese neu entstandene Bildungen oder sind sie den Cysten homologe Bildungen? Die Frage ist nicht so einfach, wie sie beim ersten Blicke zu sein scheint. Bei den Amnioten ist kaum zu bemerken, dass die neuen Generationen ihren Ursprung auch hier aus Nestern nehmen, so schnell wandeln sich die ursprünglichen nestartig auftretenden Teilungen der Spermiogonen und die jungen Spermiocyten in Schichten um, womit die Cystenbildung verloren geht, und die Cystenkerne zu Sertolischen Kernen werden. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 569 Die bei den Vögeln und Säugetieren sich nachher bildenden Bündel der Spermien sind also etwas neues, etwas sekundäres; da aber der Grund der sekundären Gruppierung in den Sertolischen Kernen liegt, welche den Cystenkernen homolog sind, so hängen auf indirektem Wege die zweierlei Gruppierungen zusammen. Bei Säugetieren und Vögeln ist es aber nicht Regel, dass die Spermien, die aus einem Teilungsneste der Spermiogonen stammen, sekundär wieder in ein Bündel geraten. Daher kommt es vor, wenn auch selten, dass auch Spermiden verschiedener Stadien in eine Gruppe gelangen können, wofür ein Fall in Regauds zitierter Arbeit abgebildet zu finden ist. Der phylogenetische Charakter des Sertolischen Elementes zeigt auch jene gewisse Undefinierbarkeit, welche wir für die höheren Tiere charakteristisch fanden. Bei manchen erhält sich der Zellencharakter mehr oder minder (Versonsche Zellen bei Insekten), bei anderen kann man die Degeneration der Zellen klar erkennen (die zentrale Substanz gewisser Cytophoren), wiederum bei anderen tritt der Zellencharakter ganz in den Hintergrund und das Sertolische Element verbreitet sich nach Art der interzellulären Substanz (Amnioten) oder auch als Kanälchenflüssigkeit mit oder ohne Kerne (Ascaris). Alles dies zwang mich, die allgemeinste Benennung „Sertolisches Element“ zu gebrauchen; die chamäleonartige Erscheinung dieser Bildungen lässt eine andere gemeinsame Benennung nicht zu. In einer mir während des Druckes dieser Arbeit zugänglich gewordenen vorläufigen Mitteilung meint Loisel (La fasciculation des spermatozoides dans le testicule. Comptes rendus de l’Association des Anatomistes VII. Sess. Geneve. 1905) die Bündelbildungen bei den höheren Vertebraten durch Taxis erklären zu können. Ich habe schon oben bei der Analyse der Gründe Bromans nach- gewiesen, dass die Annahme der Taxis auf einem Irrtum beruhe. Auf die Gründe Loisels näher einzugehen, halte ich um so weniger für notwendig, da ich in meiner vorliegenden Arbeit eben bei den höheren Vertebraten — auf welche sich Loisels Angaben beziehen — nachweise, dass die Bündelbildung und Richtung der Spermien Resultate mechanischer Faktoren sind. Ich will nur noch eines bemerken: 570 K. Tellyesniczky: Sämtliche Arbeiten, welche auf dem Standpunkte der Taxis stehen, leiden an einem Grundfehler, welcher dann in den Theorien der Autoren unbewusst zur Quelle weiterer Irrtümer wird. Die Theorien ignorieren nämlich die natürlichsten, rationellsten, ich möchte sagen selbstverständlichsten Ursachen der Bündelbildung, die sich aus dem Wachstum und der Teilung der Samenzellen notwendigerweise ergebenden Verschiebungen der Spermien fast vollständig, oder würdigen sie bei weitem nicht genügend. Es ist doch leicht einzusehen, dass bei der Erklärung der- artiger histologischer Vorgänge vor den hypothetischen Annahmen taktischer Anziehungen vor allem die naheliegenden mechanischen Faktoren der Orts- und Formveränderungen in Betracht gezogen werden müssen. Das Ausserachtlassen dieser Momente in den erwähnten Arbeiten wäre meiner Ansicht nach auch dann ein Fehler, wenn ich im Jahre 1894 nicht klar darauf hingewiesen hätte, dass die mechanischen Verhältnisse die Bündelbildung voll- ständig zu erklären vermögen. Wenn aber die Bündelbildung bereits durch mechanische Verhältnisse erklärbar wird — und dass dies der Fall ist, ist meine volle Überzeugung — so sind jene Spekulationen, welehe mit dem unverständlichen Begriff der Kopulation, oder mit einer offenbar unpassenden Anwendung der Taxis und der Tropismen die Frage der Bündelbildung zu lösen suchen, absolut gegenstandslos und überflüssig. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVlI. Fig. I, ein bestimmter Fall aus dem Rattenhoden. II, III, IV, konstruierte Figuren, welche das weitere Schicksal der ersten Figur demonstrieren. Rot gefärbt sind jene Schichten, welche aktiven Raumgreifens fähig sind: also die Schicht der Spermiogonien und der Spermiocyten. Tuschfarben sind die sich passiv verhaltenden Elemente, die keines Raumgreifens mehr fähig sind: also die Spermiden, die Sertolischen Kerne und die interzelluläre Substanz. Das Ziel der zweifachen Färbung ist die leichtere Versinnlichung der Wirkung der aktiven Schicht und des Verhaltens der passiven Elemente, Vollkommen objektiv zeigen die Wirkung der aktiven Schicht die Figuren Ia, IIa, IIIa, IVa, deren Linien die genauen Abbilder der vorigen Figuren sind. Die punktierten Wellenlinien stellen die Veränderung der Berührungsfläche der aktiven und passiven Schicht in den vier Stadien vor. Fig. V zeigt die Wellenlinien sämtlicher vier Stadien in einem Bilde vereinigt. Die Erklärung einer histologischen Täuschung 571 Alle diese Figuren (I—IV) weisen nach, dass das vermeintliche „tiefe Einwachsen‘‘ der Spermien auch in dem Falle zustande kommt, wenn diese sich nicht nur den Sertolischen Kernen nicht nähern, sondern sich sogar im Gegenteile auch von dem Sertolischen Kerne fortwährend entfernen. Fig. VI demonstriert nach der Art V jenen Fall, wo die Spermien unmittelbar oberhalb der Sertolischen Kerne zu finden sind. Näheres über die Entstehung der Tafel siehe im Text. Rio: T. Fig. I. Die aktive Schicht (B) dringt mit welliger Oberfläche in die Schicht der Spermiden (A) ein. Die Wellenlinie der Berührungsfläche der zwei Schichten zeigt sich in Fig. Ia, 1—1. Die Sertolischen Kerne, die Ursachen der Entstehung der Wellen, liegen notgedrungen in den Wellentälern (siehe Text). Das Wachsen der Spermiocyten, und das Auftreten neuer Spermio- cyten verursacht die Volumenzunahme der aktiven Schicht (B), wodurch die ganze aktive Schicht gegen das Lumen hin vordringt. Dieses Vordringen geschieht nicht in einer, mit der Wand parallelen Linie, sondern derart, dass die Verhältnisse der früheren Einrichtung (Fig. I) sich weiter entwickeln, das heisst, das Vordringen besteht im Wachsen der Wellenberge (vergl. Fig. Ia, 1—1 mit Fig. Ila, 2—2). Dem Wachsen der Wellenberge entsprechend werden die Wellen- täler tiefer. So bleiben in den Wellentälern, das heisst oberhalb der Sertolischen Kerne, die Spermiden den übrigen Spermiden gegen- über relativ zurück. In Wirklichkeit haben sich sämtliche Spermiden auch von den Sertolischen Kernen entfernt. Das relative Zurück- bleiben der Spermiden erweckt die Sinnestäuschung des „Ein- wachsens‘“. In der Figur II tritt schon die sogenannte „Richtung“ der Spermiden auf. Während die Spermiden im ganzen dem Lumen zugedrängt werden, kommt eine Verschiebung zwischen deren Kern und Plasma zustande, das heisst: das zerfallende Plasma der Spermiden fliesst leichter gegen das Lumen, gegen den weiteren Raum und den Ort geringeren Druckes, als die verdichteten Kerne. Die Kerne bleiben also dem Plasma gegenüber relativ zurück. Das relative Zurückbleiben der Kerne der Spermiden erweckt den Schein einer aktiven Richtung derselben. Fig. III. Infolge der Teilung der alten und des Wachsens der neuen Spermio- cyten werden die Wellenberge der aktiven Schicht (B) höher und dementsprechend die Wellentäler tiefer. In der Fig. IIIa lässt sich feststellen, dass die Spermiden sich auch von den Sertolischen Kernen entfernt hatten, so dass die Spermidenschicht in ihrer Gesamtheit gegen das Lumen gedrängt wurde. Mit der zunehmenden Pressung parallel dringt das Plasma der Spermiden stets mehr in das Lumen hinein, es erleidet dann das Plasma eine noch grössere Verschiebung den Spermienköpfen gegenüber, welche auf diese Weise immer mehr zurückbleiben. Dieses Zurückbleiben der Köpfe Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 38 572 K. Tellyesniezky: Die Erklärung einer histologischen Täuschung. Fig. IV. Fig. V. Fig. VI. ist aber nur relativ, denn auch sie haben sich von den Sertolischen Kernen entfernt, was durch das Vergleichen der Figuren IIa und IlIa verständlich wird. Durch das Auftreten der neuen Spermidengeneration und das Wachsen der Spermiocyten hat die Höhe der aktiven Schicht (B) ihren Gipfelpunkt erreicht. Die Wellenberge wurden zu hohen Säulen, die Wellentäler zu tiefen Klüften Die in den tiefen Klüften zusammengepferchten Spermien erwecken den Schein „des tiefen Einwachsens“ der Autoren. In Fig. IV lässt sich feststellen, dass die Spermien sich dem vorigen Stadium (Fig. IIIa) gegenüber wieder von den Sertolischen Kernen entfernt haben. Das Hinausdrängen des Plasmas der Spermiden gegen das Lumen hat beträchtlich zugenommen, darum hat auch das Zurück- bleiben der Köpfe dem Plasma gegenüber grössere Dimensionen angenommen. In dieser Figur ist auch das Zusammenfliessen der interzellulären Substanz mit dem Plasma der in schmalen Klüften gepferchten Spermiden zustande gekommen. Das Verschwinden jeglicher Grenzen zwischen beiden ist nach dem Zerfliessen des Plasmas der Spermiden selbstverständlich. Diese Figur, welche die vier Wellenlinien der vier Stadien in einem Bilde vereinigt, zeigt, dass die Wellenlinie eines jeden späteren Stadiums sich über der Wellenlinie des vorigen Stadiums befindet, zum Beweise, dass die Spermidenschicht in ihrem ganzen Umfange und so auch oberhalb der Sertolischen Kerne fortwährend gegen das Lumen gedrängt wurde. Diese Figur illustriert nach Art der Fig. V jenen Fall, wo das Hinausdringen der Spermiden in der Richtung der Sertolischen Kerne unterbleibt. Unter diesen Verhältnissen kommt jener Fall zustande, in welchem die Spermien hart neben den Sertolischen Kernen zu finden sind. Aus der Fig. VI kann die Entwicklung dieses Falles beurteilt werden, woraus ersichtlich ist, dass von einer Annäherung der Spermien an die Sertolischen Kerne auch in diesem Falle keine Rede sein kann, da die Wellenlinie jedes späteren Stadiums oberhalb der Wellenlinie des vorigen Stadiums zu finden ist. 573 Aus dem Laboratorium der psychiatrischen und Nervenklinik der Kgl. Charite zu Berlin: Prof. Ziehen. Zur vergleichenden Anatomie des Mandelkerns und seiner Nachbargebilde. IL: Teil, Von Dr. Max Völsch. Hierzu Taf. XXXVII—XL und 15 Textfiguren. Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung einer An- regung des Herrn Geheimrat Ziehen. Ihm für diese Anregung, für das Interesse, mit welchem er die Arbeit begleitet hat, und für vielfach erteilten Rat meinen verbindlichsten Dank zu sagen, mag mir schon an dieser Stelle gestattet sein. Der ursprüngliche Plan der Arbeit ging dahin, die Homologien des Mandelkerns der Primaten bei einer Anzahl verschiedener Säugerarten festzustellen und dadurch vielleicht rückschliessend Anhaltspunkte über die Verbindungen und die Bedeutung dieses bei den Primaten scharf umschriebenen Gebildes zu gewinnen. Im Laufe der Untersuchung ergab sich die Notwendigkeit, die Betrachtung auch auf die anderen in der basalen Hemisphären- region gelegenen Kernmassen auszudehnen und speziell auch dem Bau der Rinde des Rhinencephalons Beachtung zu schenken; zum Zweck des Vergleichs wurde auch der prinzipielle Aufbau der Palliumrinde, wenn auch nur flüchtig, berührt. Trotzdem beansprucht die Untersuchung nicht, eine durch- aus erschöpfende Darstellung aller an der Basis der Hemisphären gelegenen Kerne zu geben; ich habe mich vielmehr darauf. be- schränkt, nur die besonders in die Augen fallenden Differenzen in der Gestaltung der einzelnen Zellgebiete, sowie die mit relativer Sicherheit zu verfolgenden Faserausbreitungen hervor- zuheben. Ich habe ferner nur mit Frontalschnittreihen arbeiten können, und habe vorerst sowohl auf das Studium der Öntogenese der in Betracht kommenden Gebiete, als äuf die Darstellung ihrer Elemente mit den Imprägnationsmethoden verzichten müssen. Das eigentliche Riechlappengebiet (sens. striet.) ist fast gänzlich aus der Betrachtung ausgeschieden. 38* und: Max Völsch: Der zunächst vorliegende erste Teil der Arbeit umfasst die Beobachtungen an dem Gehirn je eines Vertreters der Insektivoren (Erinaceus europ.) und der Nager (Mus musculus); ich gedenke später, die Resultate weiterer, zum Teil schon be- gonnener Untersuchungen folgen zu lassen. Der Mitteilung der Untersuchungsergebnisse aber seien einige Angaben über die wichtigste Literatur der hauptsächlich in Frage kommenden Gebilde vorangestellt. Der Mandelkern der Primaten wird in allen Hand- und Lehrbüchern der Anatomie des zentralen Nervensystems des Menschen erwähnt. Beispielsweise sagt Kölliker'): „Mit dem Namen Mandelkern, Amygdala oder Nucleusamygdalae bezeichnet man seit Burdach eine dicke, graue Masse unterhalb des vorderen Teils des Linsenkerns, welche die Spitze des Unter- horns nach vorn begrenzt und als grosser, vor der Spitze des Ammonshorns gelegener Wulst in das Unterhorn vorspringt. An drei Seiten, medial, ventral, lateral, wird die graue Substanz dieser Anschwellung von weisser Substanz umgeben und hängt nur an der dorsalen medialen Seite mit der Rinde der Spitze des Unterlappens zusammen.“ Bezüglich seiner Entstehung und Bedeutung hält Meynert?) ihn für morphologisch einheitlich mit der Vormauer wegen der Kontiguität der Gebilde, der Gleichheit der Elementarformen und der reichen Verknüpfung mit den Fibrae propriae der Rinde. Wegen eben dieser Eigenschaften erklärt er beide Körper für Verdickungen seiner fünften Rindenschicht (siehe unter Vormauer). Mondino?) widmet dem Mandelkern ausführliche Be- trachtungen: Die Rinde des Gyrus hippocampi soll, nachdem sie die Substantia perforata anterior erreicht, sich in rundlicher Form nach unten bis an die Spitze des Unterhorns ziehen und so den Mandelkern bilden. Nach vorn zu lasse ein zwischen Mandel !) Handbuch der Gewebelehre. Band II, 1896, 6. Auflage, p. 630. 2) Der Bau der Grosshirnrinde und seine örtlichen Verschiedenheiten. Vierteljahrsschrift für Psychiatrie, I. und II. Jahrgang, 1867 u. 68. — Hand- buch der Lehre von den Geweben von S. Stricker, 1872, II. Kap. XXX], p. 711. — Psychiatrie, I. Hälfte, 1884, p. 66. °) Untersuchungen über die Vormauer und den Mandelkern. Inter- nationale Monatsschrift für Anatomie und Histologie, Band II, 1885; siehe auch: Archivio per le science mediche V. IX, 1885. BD) | Anatomie des Mandelkerns etc. DB und Rinde verlaufender Streif weisser Substanz den Kern isoliert erscheinen; er nehme durch Zunahme des Streifs rasch an Aus- dehnung ab. Nach hinten zu liege er auch weiterhin auf der oberen äusseren Wand des Unterhorns, werde durch die Er- weiterung des Ventrikels wie erdrückt und zu einem unregel- mässigen Blatt grauer Substanz umgewandelt. Noch weit aus- führlicher spricht sich derselbe Autor') in einer späteren Arbeit über den fraglichen Kern aus. Er beschreibt zwei Markblätter, welche ihn durchziehen und gewissermassen in drei Rindenfalten zerlegen, deren innere in Kontinuität mit der Rinde sei, deren äussere sich in das Claustrum fortsetze. Ausgehend von einem Querschnitt in seinem mittleren Teil konstatiert er erneut seine rapide Verkleinerung nach vorn und seine Endigung in einer leichten Rindenverdickung des Gyrus hippocampi. Nach innen setze er sich, ebenfalls sich verkleinernd, in den Uncus fort. Nach hinten zu gehe er, zu einer Art „Coda“ reduziert, direkt in den Schwanz des Nucleus caudatus über. Mondino beschreibt ferner auf der Ventrikeloberfläche dieser kaudalen Endigung longitudinale Markstreifen und leugnet mit derselben Bestimmt- heit den Übergang derselben in die medial liegende, in Form einer Falte oder einer Ependymverdickung erscheinende Stria cornea wie die Endigung von Fasern aus der letzteren im Mandel- kern. Auch Beziehungen des Tractus olfactorius zum Mandelkern hat er — in Übereinstimmung mit Golgi — nicht gefunden. Unter den Zellen des Mandelkerns, die er nach der Imprägnations- methode dargestellt hat, überwiegen nach ihm die Pyramiden- zellen; daneben fand er runde, polygonale und Spindelformen. Ich werde später Gelegenheit haben, auf diese Ausführung Mondinos, sowie auf seine ausführlichen Mitteilungen über die Verteilung der Zellen im Kern und den Verlauf der Achsen- zylinderfortsätze zurückzukommen. Über die Homologien des Mandelkerns bei den niederen Säugern äussern sich Ziehen, Ganser und Honegger. Nach Ziehen?) fehlt bei den Aplacentaliern eine dem Mandelkern homologe Bildung keineswegs; er bringt dieselbe in eine bestimmte Beziehung zu dem von ihm bei Didelphys be- \) Ricerche macro- e microscopiche sui centri nervosi, Torino 1887. 2, Das Zentralnervensystem der Monotremen und Marsupialier, Teil I. Jenaische Denkschriften VI. 576 Max Völsch: schriebenen Corpus poststriatum. Übrigens betont Ziehen im Anschluss an die Erörterung Honeggers, dass die Homologien des Mandelkerns noch innerhalb der ganzen Säugetierreihe sehr unsicher seien. Ganser!) beschreibt den Mandelkern des Maulwurfs als in den drei Hauptschnittebenen dreieckig; er stelle eine drei- seitige Pyramide dar, „welche vom Streifenhügel bedeckt, ihre Spitze nach vorn, ihre Basis nach hinten gegen die Lichtung des Unterhorns vom Seitenventrikel wendet. Mit der dorsalen Fläche liegt er am Linsenkern, mit den beiden anderen an der Rinde des Lobus pyriformis auf, und zwar hängt die ventrale Fläche mit derselben unmittelbar zusammen, während die laterale von derselben durch eine dünne Marklamelle getrennt ist.“ Ganser betont die relative Grösse des Gebildes beim Maulwurf. Grösste Durchmesser: sagittal 2, transversal 2,2, dorsoventral 25 mm. Die Zellen nennt er sternförmig mit einem Durchmesser von 15 « und darüber. Er beschreibt: 1. Fasern zur vorderen Kommissur. 2. Fasern, welche in den Streifenhügel eintreten. 3. Fasern zur Stria terminalis. Ganser rechnet den Mandel- kern zur Hirnrinde, wegen seines Zusammenhangs mit derselben, wegen seiner Abstammung aus dem Hemisphärenbläschen und endlich wegen seiner Faserverbindungen. Es sei an dieser Stelle die Erwähnung einiger in der Nachbarschaft gelegener, von Ganser beschriebener Gebilde ein- geschoben. Ganser schildert den oberflächlichen sagittalen Verlauf des Tractus olfactorius zwischen der Rinde am Kopf des Streifenhügels, wie er die Gegend des Tuberculum olfactorium nennt, und der Rinde des Lobus pyriformis und erwähnt die be- ständige Faserabgabe an beide Rindengebiete.e Doch ist der Tractus olfactorius, wenn er in der Gegend hinter der Rinde am Kopf des Streifenhügels angelangt ist, durch diese Faserabgabe noch nicht völlig erschöpft; ein kleiner Rest desselben soll sich vielmehr hinter dem Kopf des Streifenhügels „auf einmal“ in die Rinde einsenken. Die Einsenkungsstelle markiere sich bei Igel und Ratte als ein rundes, vorspringendes Knöpfchen, während bei Maulwurf und Maus sich nur eine umschriebene, ziemlich ') Vergleichend-anatomische Studien über das Gehirn des Maulwurfs, Morphologisches Jahrbuch VII, 1882. Anatomie des Mandelkerns etc. ART mächtige Ansammlung von kleinen, pyramidenförmigen Zellen, der Nucleus tractus olfactorü, findet. — Medial von dieser Gruppe beschreibt er (p. 690) eine andere Zellgruppe, welche sich medialwärts bis zur lateralen Grenze des Tuber cinereum erstreckt; sie liegt in der Querebene des Chiasma und reicht nach hinten etwa soweit wie das basale Opticusganglion, nach vorn bis zu den grossen Zellen am Kopf des Streifenhügels. Sie besteht aus Zellen, die mit den grossen Rindenpyramiden übereinstimmen, aber ungeordneter liegen. Ganser sieht in diesem Gebilde den Kern seines „basalen Längsbündels“, das er von der Gegend des Ganglion interpeduneulare in der Regio subthalamica oralwärts verfolgen konnte und das im vorderen Teil des Tuber einereum plötzlich lateralwärts zu jenem Kern sich wende. Honegger‘) hält es für möglich, dass bei niederen Säugern eine Zellenanhäufung, die dicht am vorderen, medialen Rande des Lobus hippocampi gelegen ist, da, wo derselbe in die Substantia perforata anterior übergeht, das Homologon des Mandelkerns der Primaten sei. Bei Maus und Kaninchen sei dieser Pyramiden- zellenkern ziemlich kugelförmig, bei Hund und Katze, noch mehr bei den Huftieren, finde sich statt seiner eine platte Verdickung der Rinde des Lobus hippocampi. Die Zellmasse sei identisch mit der Rindenpartie des Tractus olfactorius von Ganser. Honegger bestätigt sodann das von Ganser beim Maulwurf als Mandelkern aufgefasste Ganglion und betont, dass es sich an der Bildung der vorderen Wand des Unterhorns beteiligt. Bei der Maus sei es in den untersten Partien dieser Wand lateral gelegen, sich nach oben rasch verjüngend. Beim Kaninchen bilde es einen noch grösseren Teil der Unterhornvorderwand, da es dem Linsenkern nicht rein seitlich, sondern seitlich hinten anliegt. Bei Hund, Katze, Huftieren seien die Verhältnisse ähnlich. Bei letzteren fand er noch ein, in weiter hinten ge- legenen Frontalebenen befindliches, im Frontalschnitt birnen- förmiges Ganglion, das nach Aussehen der Zellen und Grund- substanz dem äusseren Gliede des Linsenkerns ähnlich sein soll. !) Vergleichend-anatomische Untersuchungen über den Fornix und die zu ihm in Beziehung gebrachten Gebilde im Gehirn des Menschen und der Säugetiere. Genf 18%. 578 Max Völsch: Die Lage des Ganserschen Mandelkerns dicht am Linsen- kern, die Schmächtigkeit der sie scheidenden Marklamalle, während er nach aussen mit samt dem Linsenkern durch das Claustrum abgegrenzt ist, bestimmen Honegger, das Ganglion zum Linsenkern zu rechnen. „Wie aus dem lateralen Gliede des Linsenkerns, so entspringen auch aus ihm Fasern, welche den ersteren sich beigesellend, durch den Globus pallidus zur Capsula interna gehen.“ — Immerhin macht ihn die Tatsache, dass beim Menschen keine Andeutung dieses Ganglions vorhanden ist, stutzig, und er gibt die Möglichkeit der Richtigkeit der Ganserschen Anschauung unter der Annahme einer Verlagerung der Teile (durch Gehirnwachstum etc.) zu. „Es würde dann..... der Mandelkern nicht als bloss aus dem von Ganser be- schriebenen Ganglion bestehend angesehen werden dürfen, sondern es drängt uns die vergleichend-anatomische Untersuchung dazu, in demselben auch einen Teil des Fusses des lateralen Linsen- kerngliedes und vor allem den erwähnten sogenannten Tractus olfactorius-Kern zu suchen.“ Als weitere Möglichkeit erwähnt er ein Zurückbleiben der basalen Partie des Linsenkerns im Wachs- tum und eine kompensatorische Entwicklung des sog. Tractus olfactorius-Kerns. Kölliker!) betrachtet den „Nucleus amygdalae von Ganser“ als Teil des Linsenkerns und erwähnt die „graue Sub- stanz der Spitze des Unterhorns, welche Gegend dem sogenannten Mandelkern des Menschen entspricht“ (vergl. auch Fig. 716, p. 626, Kaninchen). Bei der Katze soll, wie er erwähnt, der Abschnitt des Linsenkerns, den Ganser Nucleus amygdalae nennt, an Golgipräparaten besonders deutlich sein und einen dreieckigen, ziemlich scharf begrenzten Kern ventral von den zwei Gliedern des Linsenkerns darstellen. S Ramön Cajal?) endlich bezeichnet als äusseres Glied des Linsenkerns der Ratte eine kommaförmige, graue Masse, die mit der oberen Schläfenrinde eng zusammenhängen soll (siehe Fig. 654, E), während La Villa dieselbe Masse als Claustrum identifiziere. Dieses äussere Glied sei zu erkennen: an den volu- minösen polygonalen oder dreieckigen Zellen, die an Tigroid- 1. c.p. 628. ?2) Textura del sistema nervioso del hombre y de los vertebrados 1904, Tomo II, p. 784. Anatomie des Mandelkerns etc. 579 körpern sehr reich seien, während die inneren Abschnitte stern- förmige Zellen enthalten. Die meisten der zuletzt genannten Autoren konstatieren Beziehungen zwischen den beschriebenen, bezüglich ihrer Bedeutung strittigen Gebilden und der Stria terminalis. Kölliker') gibt eine ausführliche Beschreibung des eigentümlichen, gewundenen Verlaufs der Stria beim Kaninchen und lässt ihr ventrales Ende entspringen: aus dem Linsenkern, aus dem Nucleus amygdalae Ganser (den er ja ebenfalls zum Linsenkern rechnet), aus der grauen Substanz der Spitze des Unterhorns und vielleicht aus der Capsula interna. Er erwähnt ferner als Ursprungsbündel der Stria term. ein longitudinal verlaufendes Faserbündel im tiefsten Teil des Lobus pyriformis. Ganser?) lässt aus allen Teilen des Mandelkerns Fasern nach dem hinteren, dorsalen Rande desselben konvergieren und sich dort zu einem kompakten Bündel, der Stria term., vereinigen, das dorsalwärts zieht. Nach Honegger?) gehen Fasern aus dem ventralen Teil der Stria sowohl zum Linsenkern, als zum Ganserschen Nucleus amygdalae, als endlich zu dem Nucleus tractus olfactorii des letzteren Autors. Mit dem zuletzt genannten Kern tritt ein mark- weisses Bündel aus der Stria in Verbindung, welches in dessen Inneren ein Fasernetz bilden soll. Ziehen®) erwähnt für Pseudochirus, dass die Fasern der Stria terminalis etwa senkrecht zum Rhinencephalon absteigen, dann aber im Bogen sich wieder frontalwärts wenden; ein schwächeres Bündel soll möglicherweise medialwärts gegen die Substantia perforata antica sich wenden. Ich möchte nicht un- erwähnt lassen, dass meines Wissens zuerst Ziehen mit Nach- druck auf die „Einnistung“ zahlreicher Ganglienzellen in das Striabündel aufmerksam macht. Auch bezüglich des Mandelkerns des Menschen behaupten viele Autoren, dass er eine Endigungs- oder Ursprungsstätte für 1) 1.c. p. 624 ff. 2) 1. c. p. 666. 3) ].c. p. 415. %) ].c. p. 714. 580 Max Völsch: die Fasern der Stria terminalis sei, so Meynert,') Luys,?) der sie als fibres efferentes ansieht, Schwalbe?) Kölliker ®) Dalton.’) v.Monakow°) u.a. Mondino’) bestreitet, wie oben bemerkt, einen solchen Zusammenhang auf das entschiedenste. Andererseits wollen einige Autoren in dem Mandelkern auch eine Endigungsstätte von Fasern des Tractus olfactorius sehen: Luys°) z. B. bezeichnet ihn geradezu als „Ganglion propre des fibres convergentes olfactives.“ Er hält die Fasern desselben für les fibres efferentes. Auch Dejerine°) rechnet den Mandelkern zu den sekundären oder kortikalen Geruchscentren. Mondino'°) hat eine Beziehung zwischen dem Kern und dem Tractus olfactorius nicht finden können. Ich erinnere daran, dass für den Maulwurf Ganser die Einsenkung eines Restes des Tractus olfactorius in das hier in Frage stehende Gebiet und seine Endigung in seinem Nucleus tractus olfactorii behauptete. Honegger erscheint es fraglich. ob der Kern mit dem Tractus olfactorius Verbindungen hat. Alle Autoren betonen den Zusammenhang des Mandelkerns mit dem Claustrum. Nach Meynert!!) setzt sich der erstere nach aussen in mehrere diffuse, graue Massen fort, die offenbar eine Zusammengehörigkeit mit der kammartig unterbrochenen Basis eines grauen Streifs zeigen, der in dem zwischen Linsen- kern und Inselrinde erscheinenden Marke eingetragen ist. Dieser Streif ist die Vormauer, ein graues, mit dem oberen Ende in den über der Insel erscheinenden Klappdeckel sich umbeugendes.Blatt, welches deren ganzer Ausdehnung folgt und, frei präpariert, an seiner Aussenfläche fächerförmig angeordnete Biegungen zeigt, die ungefähr ein Abdruck der fächerförmigen Entfaltung der a)alse: 2) Recherches sur le syst&me nerveux 1865; p. 42. 2) Hoffmann-Schwalbe, Lehrbuch der Neurologie, 1881, p. 134. *, Kölliker 1 c. p. 680. 5, On the form and topographical relations of the corpus striatum, Brain, Vol. III, 1881. °) Gehirnpathologie 1905, p. 204. ZU N.E- 8) 1. 6: p. 27,-39. °) Anatomie des centres nerveux, 1895, I, p. 417. 10) Le. Le Anatomie des Mandelkerns etc. 581 Inselbildungen sind. Er vergleicht sie an einer anderen Stelle mit einem parallel der Insel entfalteten Fächer mit umgekrämpten Rändern, dessen Stiel in eine Kugel, den Mandelkern, ausläuft. Bezüglich des Wesens dieser Bildung ist Meynert der Meinung, dass sie, ebenso wie der Mandelkern, lediglich eine Anhäufung von Zellen seiner fünften Hirnschicht darstelle, welche sich aus spindelförmigen, im allgemeinen mit ihrer Längsachse der Rinden- oberfläche parallelen Elementen zusammensetzt. Einen Beweis für diese Anschauung sieht er in der für seine fünfte Schicht charakteristischen exquisiten Verknüpfung der Zellen dieser Körper mit den Fibrae propriae der Rinde, und jene Übereinstimmung ihrer Zellformen mit den Spindelformen der fünften Schicht ist ihm so evident, dass er die letztere geradezu als „Vormauer- formation“ bezeichnet. Während der Mandelkern allen Säugetier- hirnen gemeinsam sei, entwickele sich die Vormauer genau parallel der Entwicklung der Sylvischen Spalte und der Insel. Es mag beiläufig erwähnt werden, dass er diese Vormauerentwicklung, die ihre Höhe beim Menschen erreicht, zu der Erwerbung sprach- licher Vorstellungen in Beziehung setzt. Der Meynertschen Auffassung über die Entstehung der Vor- mauer schliessen sich zahlreiche Autoren mit grösseren oder geringeren Modifikationen an, so Krause!) Schwalbe) Gegenbauer,’) Randacio,*) Giacomini°) u.a. NachLuys®) nähert sich die „Substance grise lineaire des regions laterales“ mehr der Struktur des Rindengraus als der des Corpus striatum. Er sieht sie als eine supplementäre Anhäufung der Rindensub- stanz an. In einem neu erschienenen Werke über die Lokalisation der cerebralen Funktion äussert sich Campbell‘) dahin, dass bei Katze, Hund und Schwein der vordere Rand des Gyrus arcu- atus und die extrarhinale Rinde unmittelbar hinter der .‚Sylvischen !) Spezielle und makroskopische Anatomie. TE c.p: 084. ®) Lehrbuch der Anatomie des Menschen, 1896, II, p. 431. *) On the relations of the Nucleus taeniaeformis with the olfactory nerve, Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XVI, 1882, p. 151. °, Guida allo studio delle circonvoluzioni cerebrali deli’ uomo, Torino 1884, p. 96. °) 1. c. p. 169 ”) Histologieal studies on the localisation of cerebral function, Cam- bridge 1905, p. 288. 582 Max Völsch: Furche“ gewöhnlich das Claustrum überlagern, dies sei das Rinden- gebiet, das er als Vorläufer der Insel betrachte. Einen wesentlich anderen Standpunkt zu der Frage der Bedeu- tung desClaustrums nehmen andere Autoren ein. Arnold!) rechnet es als Nucleus taeniaeformis zum Striatum und bezeichnet es als „äusseren Kern des Streifenhügels.‘“ Reichert?) lässt seine Kern- schicht das Ganglion cerebri anterius bilden, dasaus Corpus striatum, Nucleus lentiformis, dem Mandelkern und dem Nucleus taeniaeformis bestehe. Ähnlich ist die Anschauung Henles.?) Nach ihm ver- schmilzt die Vormauer an ihrem unteren Ende teilweise mit dem Linsenkern, teilweise geht sie in das Tuber olfactorium über. Aber auch der Streifenhügel fliesse am Boden des Gehirns mit dem Linsenkern und beide mit der Substantia perforata antica zusammen, so dass man alle diese Gebilde als Bestandteile einer grauen Masse betrachten müsse. Neuerdings noch erklärt S. Ramon Cajal?) das Claustrum, eine Ansammlung sternförmiger Zellen, für eine Dependence des Corpus striatum ohne Beziehungen zur Rinde. Undv.Monakow°) rechnet „wohl auch“ die Vormauer mit Streifenhügel, Linsenkern und Mandelkern zu den ‚„Vorderhirnganglien“. Mondino hat in seinen zitierten Arbeiten auch das Claustrum einer eingehenden Untersuchung unterzogen. In seiner letzten Arbeit“) kommt er zu dem Schluss, dass die Rinde des Gyrus hippocampi, in der Gegend der Substantia perforata antica angelangt, abgesehen davon, dass sie „in basso“ den Mandelkern bildet, in die Masse der Hemisphäre hineindringt und zwischen Insel und Linsenkern unter allmählicher Verdünnung bis oberhalb dieser Organe sich fortsetzt. Während der innere Rand „di questa porzione di corteceia chiusa nell’ emisfero‘“ scharf begrenzt und konkav den Linsenkern umgibt, ist der äussere, der Insel- rinde entsprechende Rand unregelmässig, „sfumato“, er geht unter Vermischung der Vormauerelemente mit den Fasern des Marks der Sylvischen Grube (Capsula extrema) allmählich in das- ') Handbuch der Anatomie des Menschen, 1851, p. 754. ?) Bau des menschlichen Gehirns, 1879, p. 184. ») Handbuch der Nervenlehre, 1879, p. 194. 201299 0R a) ie.up: 40: 6) Richerche ctc. 1887 (s. oben). Anatomie des Mandelkerns etc. 583 selbe über; ausserdem zeigt er Vorsprünge gegen die Insel. In den hinteren Partien ist die Vormauer sowohl vom Gyrus hippo- campi als vom Mandelkern durch Fasermassen geschieden, die z. T. der vorderen Kommissur angehören, z. T. zur Substantia perforata antica, z. T. aus der Capsula externa in das Markzentrum des Schläfenlappens ziehen. — Mondino hat ferner mit der Golgischen Methode mannigfach geformte Zellen im Claustrum gefunden: dreieckige, polygonale, pyramiden-, spindelförmige und unregelmässige, die spindelförmigen vorwiegend an den Rändern und somit auch in dem oberen, dünneren Teil, die anderen im Inneren; sie sind grösser und kleiner, aber nicht von so erheblicher Ungleichheit wie in der Rinde. Er erklärt dies, wie überhaupt die Verschiedenheit der Zellen in verschiedenen Hirnteilen, aus differenten Entwicklungsbedingungen; so legt er im Anschluss an Golgi auf die Formen überhaupt wenig Gewicht. Seine Resul- tate über den Achsenzylinderverlauf fasse ich ganz kurz dahin zu- sammen, dass er ausschliesslich Zellen des ersten Golgischen Typus gefunden hat, und dass er die Axenzylinder teils zur äusseren Kapsel, teils zur Capsula extrema verfolgen konnte. Bezüglich der Gründe, mit welchen er die Meynertsche Auf- fassung bekämpft, muss ich auf das Original verweisen. In den angeführten vergleichend-anatomischen Arbeiten finde ich eine Erwähnung des Claustrums nur bei Honegger.') Er fand bei der Maus ‚nur eine Anhäufung von etwas dichter gedrängt stehenden Zellen, aussen an der Capsula externa, von den anderen Zellenschichten der Rinde durch eine zellenärmere Zone ohne Marklamelle teilweise getrennt.“ Beim Kaninchen war diese Anhäufung dagegen sehr stark. Sie scheint auf Frontal- schnitten aus einer dorsalen und einer grösseren ventralen Ab- teilung zu bestehen, die durch ein dünneres Mittelstück verbunden sind. Die ventrale Abteilung enthalte in ihrem Inneren gross- kernige Zellen in kugeligen Hohlräumen, die sich auch noch längs der Aussenseite des Olaustrums und in den tiefen, angrenzenden Rindenschichten fänden, im übrigen Zellen, die etwas grösser seien als die des lateralen Linsenkerngliedes. Die ventrale Ab- teilung höre nach vorn in der Gegend der vorderen Kommissur auf. Die dorsale setze sich noch weiter fort; auch beim Kaninchen 1), ]. e..p. 412. 584 Max Völsch: bestehe keine Capsula extrema. Bei Hund und Katze sei be- sonders die dorsale Abteilung ausgebildet; sie stelle ein Dreieck dar, dessen mediale Seite vom Linsenkern, dessen laterale Seite von der Rinde durch eine Marklamelle geschieden sei, ebenso, wie der laterale Teil der ventralen Seite, während der mediale Teil der letzteren, ventralwärts ausgezogen, sich mit der Rinde (nämlich der basalen) vermische. Gegen eine Verwechslung mit dem Ganserschen Nucleus amygdalae schütze dessen Lage medial von der Capsula externa. Bei den Huftieren finden sich die- selben Verhältnisse wie bei der Maus. Bezüglich der Funktion des Claustrums möchte ich endlich nicht unterlassen, der Ansicht Randacios') Erwähnung zu tun, der dasselbe zusammen mit dem Mandelkern und einem mit letzterem verbundenen grauen Körper, den er „the hood of the amygdala““ nennt, ohne ihn a. a. Orte näher zu bezeichnen, als Konzentrationspunkte für Riecheindrücke ansieht. Er nimmt, ähnlich wie Luys, zuführende Faserver- bindungen aus dem Riechnerven und abführende zur Temporo- Sphenoidalwindung an. I. Erinaceus europaeus. Zum Studium der Zellkomplexe des Igelgehirns stand mir eine von mir angefertigte, lückenlose Serie von Frontalschnitten zur Verfügung. Es wurde vollkommen frisches, dem eben ge- töteten Tier — einem ausgewachsenen Weibchen — entnommenes Material verwendet. Zur Erzielung einer lückenlosen Serie erschien Paraffineinbettung unerlässlich. Der Aufenthalt der Stücke in absolutem Alkohol und in Xylol wurde nach Möglichkeit abgekürzt. Die Schnitte sind durchweg 7'/g « dick. Sie wurden nach Nissl mit Methylenblau gefärbt. Es soll von vorherein zugegeben werden, dass die so ge- wonnenen Zellbilder nicht beanspruchen können, die feinere und feinste Struktur der einzelnen Zelle getreu wiederzuspiegeln; im Gegenteil, das Aussehen vieler Zellen (vergl. Figur 1)?) weist entschieden darauf hin, dass die Behandlung der Präparate mannigfache Veränderungen ihrer feinen Struktur herbeigeführt EL IGH ?) Taf. XXXVII; auf die Figuren im Texte ist überall mit dem Wort „Sextfigur‘‘ verwiesen. Anatomie des Mandelkerns etc. 585 hat. Aber auf die Erhaltung dieser Struktur kam es für die vorliegende Untersuchung auch nicht an. Die Präparate haben lediglich einen Vergleichswert unter sich und mit anderen in derselben Weise behandelten Objekten. Bei der Unklarheit, welche bezüglich des etwaigen Zu- sammenhanges der in der Mandelkerngegend liegenden Zellgruppen mit der Rinde herrscht, schien es geboten, die Schnitte von dem kaudalen Hemisphärenpol an und nach oralwärts bis über das in Frage kommende Gebiet hinaus einer genauen Durchsicht zu unterwerfen. Die bei dieser Gelegenheit über die Struktur der Rinde gemachten Beobachtungen werde ich im folgenden anzu- führen haben, ausführlicher, soweit sie sich auf die Rinde des Rhinencephalon beziehen, ganz in Kürze und lediglich, soweit sie als Vergleichsobjekt in Frage kommt, in Bezug auf die Palliumrinde. Die sämtlichen der Betrachtung zu Grunde gelegten Hemi- sphärenbilder haben Bezug auf die linke Seite, soweit nicht anderes ausdrücklich vermerkt ist. Die hintersten Frontalschnitte durch die Hemisphäre des Igels (XIX, 14)!) zeigen eine unregelmässig ovale Gestalt. Unter der Oberfläche liegt rings um das Oval herum eine zellfreie Molekularschicht, überall ungefähr von gleicher Breite, nur in der dorsalen Kuppe des Ovals mehr oder weniger erheblich ver- dickt. Zentralwärts: von dieser ringförmigen Molekularschicht erscheint zuerst ein Kreis, auf weiter nach vorn gelegenen Schnitten ein Ring (R) von rundlichen, mittelstark gefärbten Zellen, mit grossem, hellem Kern und mässig reichlichem, streu- sandartig ihn umgebenden Tigroid. Medial ist der Ring durch radiäre Züge weisser Substanz mehrfach unterbrochen, so dass die Zellen in 2—3 von einander getrennten Gruppen zusammenliegen. Hier sind die Zellen etwas stärker gefärbt, tigroidhaltiger und vielleicht etwas grösser als die übrigen Zellen des Rings; unsicher ist diese Differenz bei dem Vergleich mit den dorsal gelegenen, zahlreicheren, zu einem grösseren Haufen vereinigten Zellen, deutlicher im Vergleich mit den spärlicheren Zellen der lateralen 1) Die römischen Zahlen bezeichnen stets die Nummer des Objektträgers, die arabischen die Nummer des Schnittes auf dem einzelnen Objektträger. 586 Max Völsch: Seite. Hier an der lateralen Seite, vereinzelter auch dorsal, findet sich nun aber eine Anzahl länglicher, teilweise pyramiden- förmiger, stark chromophiler kleiner Zellen, mit ihrer Längsachse unregelmässig gelagert, zwischen die rundlichen Zellen verstreut. Der Unterschied zwischen den beiden Zellsorten ist frappant und drängt sich bei der Verfolgung der Serie immer wieder auf, so dass ich sie von vornherein scheiden will. Die rundlichen Zellen bezeichne ich mit r: sie haben eine der kreisförmigen sich nähernde Gestalt (wodurch das Vorkommen von Ecken und Fortsätzen, Ja von echten Dreiecks- und breiten Pyramidenformen nicht aus- geschlossen ist), sie sind hell bis mittelstark gefärbt, zeigen meist ein nicht homogenes, sondern streusandartiges Tigroid und lassen den Kern deutlich erkennen. Die andere Art (p) ist polymorph, zeigt viel eckigere, vorzugsweise längliche (Pyramiden-, Spindel-, Strich- ete.) Formen; sie sind durchweg viel chromophiler, homogen tiefblau gefärbt und der Kern ist meist durch die starke Farbstoffansammlung verdeckt (s. Fig. 1). Es mag jedoch gleich bemerkt werden, dass zwischen den r- und p-Formen Über- gänge vorkommen. Schon auf den letzten Schnitten von Objektträger XIX tauchen in dem zunächst zellfreien Zentrum des Ringes R!) neue Zellen auf, alsbald dieses Zentrum ganz Fig. 12) (XXI, 2). ausfüllend und durch einen, nicht stets Frontalschnitt. durchdas deutlichen zellfreien Ring von R ge- Oceipitalhirn des Igels; schieden. Die Zellen sind etwas kleiner linke Hemisphäre. als die R-Zellen, ebenfalls fast durchweg Re ae von unregelmässig rundlicher Gestalt und “ fallen durch ihre geringere Tinktion auf; das Tigroid ist spärlicher und blasser, der Kern springt nicht so deutlich hervor (R‘). — Weiterhin mehren sich die kleinen chromophilen Pyramiden p an der lateralen Seite, und XXI, 2 zeigt das beistehende Bild (Textfig. 1). !) Grosse, lateinische Buchstaben, z. B. R, präjudizieren nichts über Art und Form der Zellen, sollen vielmehr lediglich zur Scheidung der Schichten der Rinde, Zellgruppen etc. dienen. ?) Die Zeichenerklärung sämtlicher Figuren befindet sich p. 681 ff. Anatomie des Mandelkerns etc. 587 In dem mittleren lateralen Bezirk von R liegen ausser spärlichen r-Zellen die erwähnten chromophilen Elemente p, poly- morph, ganz unregelmässig gestellt und ebenso unregelmässig mit den r-Zellen gemischt. Auch in der dorsalen Anhäufung sieht man viele sehr kleine p-Zellen, während in den übrigen Bezirken von R solche Zellen nur sehr selten und gelegentlich gesehen werden. Im ventrolateralen und ventralen Bezirk erscheinen die r-Zellen besonders gross und scharf umerenzt. Innerhalb des Ringes R, durch eine zellfreie Schicht geschieden, der Kreis R’, welcher sich im Zentrum etwas zu lichten beginnt. Weiter nach vorn bilden die dichter gelagerten peripheren Zellen von R‘ geradezu einen zweiten, dem Ringe R konzentrischen Zellenring um das Zentrum, in welchem die Zellen viel lockerer lagern (R'). Auch erscheinen diese R“-Zellen kleiner als die R‘-Zellen, und da sich bisweilen (z. B. XXII, 17, latero-basal, nicht abgebildet,) auch eine zwischen R‘ und R“ gelegene zellfreie Zone zeigt, muss man sie wohl als zwei gesonderte Schichten ansehen. — Auf Objektträger XXIII erscheint im Zentrum jenes Doppelringes, und zwar in dem ventralen Teil des Zentrums von R“, ein Kreis von rundlichen Zellen, die ein wenig stärker tingiert und vielleicht auch etwas grösser sind als R'. Dabei lässt sich ein vorheriges völliges Verschwinden der zentralen R“-Zellen an dieser Stelle (wie z. B. bei der Maus) nicht feststellen. Da jedoch auf XXIII (z. B. 14) und fernerhin die neue kreisförmige Gruppe (S) überall von einemganz zellarmen Ringe umgeben ist, wird man die Existenz einer zellarmen oder zellfreien Schicht zwischen den Zellschichten R“ und S auch für den Igel er- schliessen dürfen. Die Zellen der Schichten R‘, R“ und S haben durchweg den Charakter der r-Zellen. Durch das Auftreten von S erhält natürlich die Gruppe R" wieder die Ringform. Aber während in dem ventralen Teil des Hemisphärenovals R“ zu einem dünnen, stellenweise kaum sicher erkennbaren Streifen sich reduziert, bleibt dorsal ein kompakter Haufen von R“-Zellen erhalten, welcher den dorsalen Teil des Lumens des Ringes ausfüllt. Man hätte also zu unterscheiden: 1. Molekularschicht, 2. Ring R mit der dorsalen und mittleren lateralen Einlagerung von p-Zellen, 5. zellfreie Schicht, 4. R‘, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 39 588 Max Völsch: 5. R”, dorsal zu einem Haufen verdichtet, 6. zellfreie Schicht, 7. S in Kreisform. !) Auf den letzten Schnitten von XXIII beginnt die Schicht R sich auf der medialen Seite des Ovals von der medio-ventralen Ecke nach dorsal und ventral zurückzuziehen, so dass hier nun- mehr R‘ an die Molekularschicht anstösst. Auf XXIV, 17, ragt der dorsale Schenkel nur noch als ein schmaler Fortsatz an der medialen Wand herunter. Inzwischen bildet sich auch aus S ein Ring mit zellfreiem Zentrum; die mediale Seite dieses Rings ist reichlich mit horizontal verlaufenden Fasern durchzogen, so dass die Zellen in zueinander parallelen Reihen angeordnet sind. Von den Furchen an der lateralen Seite wird eine konstant: sie sei mit y bezeichnet. Seit Objektträger XXIII findet sich dorsal, da, wo bereits früher die Verdickung der Molekularschicht bemerkt wurde, eine stärkere Ausziehung des Ovals mit dorsaler Spitze. Auf der lateralen Begrenzungslinie der Hemisphäre findet sich von der Stelle an, an welcher dieser dorsale Fortsatz kenntlich wird, eine tiefe Furche zwischen Oval und dorsalem Teil = 0. Der Schnitt bekommt durch diese Veränderung eine mehr birnenförmige Ge- stalt. Da diese Gestalt des Hemisphärenschnittes von nun an prinzipiell Konstant bleibt, mag es gestattet sein, an dieser Stelle gewisse, weiterhin vielfach zum Zweck der örtlichen Orientierung gebrauchte Bezeichnungen einzuführen, Der ventrale, in diesen Höhen weit überwiegende Teil des @uerschnitts heisse das Oval, der dorsale, hier noch lediglich eine unbedeutende Aus- ziehung bildende, das Hemisphärendreieck. An der lateralen Begrenzungslinie seien der dorso-laterale Teil, der von der Spitze bis o reicht, also durchaus dem Dreieck angehört, von dem medio- lateralen (o—y), und dem ventro-lateralen unterschieden, welcher von y bis zu einer an der Basis weiterhin auftretenden Furche d (s. u.) reicht. Die Strecke d bis zur medio-ventralen Ecke ist der ventro-mediale Teil, welch letzterer zusammen mit dem ventro- lateralen die Basis bildet. In dem dorsalen Dreieck treten allmählich in der Molekular- schicht Zellen auf, teils r-Zellen, teils p-Zellen, letztere durchweg sehr klein, erst einzeln, dann in Haufen, welche sich miteinander !) Über die Bedeutung dieser Zellschichten vergl. p. 619. . Anatomie des Mandelkerns etc. 589 vereinigen, bis sie schliesslich die Gestalt eines Dreiecks oder besser eines sphärischen Dreiecks mit ventro-lateraler Spitze an- nehmen. Dasselbe dehnt sich aus und berührt schliesslich die Kuppe des Ovals, in welcher sich die R- und die R‘-Schicht ver- loren haben, so dass die R“-Zellen sich direkt an die Zellen des dorsalen Dreiecks anschliessen. Inzwischen hat sich (XXV, 22); medial auch der letzte Rest von R verloren. R‘ begrenzt die mediale Fläche. Auch R‘ und R‘ ziehen sich nun aus der medio-ventralen Ecke dorsal- Fig. 2 (XXV, 22). Frontalschnitt durch die linke Hemisphäre des Igels. 3/ı mm vor dem Schnitt in Fig. 1. Schematisch. Buch- staben s. Text. und ventralwärts zurück, und zwischen den. beiden Enden des Ringes R’+ R' bildet sich in jener Ecke ein kleinzelliger Haufen C (Textfig. 2), der sich immer mehr ausdehnend die mediale Ringwand von S lateralwärts ausbiegt. Weiterhin bleibt dieser Zellhaufen, indem der untere Schenkel des Ringes R'+R’ gewissermassen von ihm abreisst, mit dem dorsalen Schenkel 3g* 590 Max Völsch: dieses Ringes in Verbindung, die ventralwärts gerichtete verdickte Spitze dieses Schenkels bildend und mit ibm allmählich immer weiter dorsalwärts zurückweichend. In dieser Höhe (Textfig. 2) treten zuerst in dem Mark- zentrum des nierenförmigen S-Ringes die proximalsten Zellen der Ammonsformation, A, als ein spindelförmiger Haufen auf, der sich Sing AM die mediale (Hilus-) Seite dieses Ringes ' von lateral anlagert, so dass die S-Zellen von den ihnen sehr ähnlichen A-Zellen schwer scheidbar sind. A nimmt dann weiterhin die Form eines lateralkonvexen Bogens an, der mit seinem dorsalen und ventralen Ende an den medialen Teil des S-Ringes anstösst und einen elliptischen zellfreien Raum umzieht, der lateral eben von diesem Bogen, medial von dem medialen Schenkel des S-Ringes begrenzt wird (s. Text- fig. 3, das schraffierte Gebiet). Indem nun A gewissermassen die S-Schicht an der medio- ventralen Ecke durchbricht, dieselbe in einen dorsalen und ventralen Schenkel teilend, und indem der dorsale Schenkel von S sich schnell dorsalwärts ebenso zurückzieht, wie früher R, R'‘ und R', gelangt A zuerst an jener Ecke und weiterhin in dem ventralen Teil der medialen Seite der Hemisphäre an die ober- tlächliche Molekularschicht. Es geht alsdann der lateral-konvexe A-Bogen sowohl mit seinem dorsalen als seinem ventralen Ende in die Enden des — nunmehr unterbrochenen — S-Ringes (bezw. besser S-Bogens) über (s. Textfig. 4). Besonders weiter nach vorne erkennt man jedoch an den Übergangsstellen ziem- lich deutlich die Grenzen zwischen A und S; die rundlich eckigen oder spindelförmig ausgezogenen Zellen S zeichnen sich ziemlich scharf gegen die A-Zellen ab, die mehr und mehr den typischen Charakter der mit langem Fadenfortsatz versehenen Ammons- zellen annehmen. Auch markiert sich das Ende von A, besonders das dorsale, durch eine kolbenartige Anschwellung. — Nachdem S, sich auf der medialen Seite dorsalwärts zurückziehend, das Niveau von R, und R“” erreicht hat, bildet der kleinzellige Haufen C die gemeinsame Spitze aller dieser Schichten: er hat Dreiecksform mit breiter dorsaler Basis und schmaler ventral- wärts gerichteter Spitze (Textfig. 4). Fig. 3. (Schema). Anatomie des Mandelkerns etc. 591 Auf der lateralen Seite des Ovals beschränken sich die p-Zellen noch immer auf ungefähr denselben Bezirk wie früher; dieser Bezirk nimmt, wenn man die medio-laterale Begrenzungs- tläche der Hemisphäre in fünf Teile teilen wollte, etwa das dritte und vierte Fünftel (von o aus gerechnet) ein. Hier finden sich r-Zellen nur noch in geringer Zahl; die p-Zellen haben den Fig. 4 (XXV], 23). Frontalschnitt, linke Hemisphäre, ca. */; mm vor Fig. 2, Schema. Charakter sehr grosser, eckiger Zellen angenommen und erstrecken sich weit in die tieferen Schichten hinein; dorsal und ventral von dieser grosszelligen lateralen p-Gruppe wird die medio- laterale Hemisphäre dagegen nach wie vor von den übrigen, ziemlich locker gelagerten, aus r-Zellen bestehenden Schichten R und R' begrenzt. Es scheint, dass die R-Schicht sich auf den ÖObjektträgern XXVI und XXVII verliert. In der Tiefe finden sich R’-Zellen ausser in dem dorsalen Teil, wo sie reichlich sind, 592 Max Völsch:. nur noch sehr spärlich zwischen R’ und S. In dem lateralen Schenkel von S finden sich schon hier einzelne längliche, mit der Längsachse parallel der Oberfläche gestellte Zellen. Sehr bald sieht man nun, wie die dorsalwärts gelegene Umbiegung des lateralen Schenkels von S durch das sich vergrössernde Ammonshorn und den sich bildenden Ventrikel dorsalwärts in die Höhe geschoben wird. Diese Ausdehnung erfolgt auf Kosten von R“ des Ovals. Schliesslich (XX VII) wird diese Schicht durch das Vordrängen von S durchbrochen, wie früher schon R und R' dorsal eine Unterbrechung erfuhren, und S lagert sich direkt an die ventralen Zellen des dorsalen Hemisphärendreiecks an. — An der Basis erkennt man von y bis zur medio-ventralen Ecke noch die Schicht R, ziemlich spärliche, in Häufchen zusammen- gelagerte r-Zellen, darunter R’; die Zellen der letzteren Schicht sind etwas blasser tingiert und legen sich in Form eigentümlicher Reihen und Bögen, stellenweise guirlandenförmig, aneinander. Darunter der Streifen mit spärlichen R’'-Zellen und schliesslich der ventrale Schenkel des S-Ringes. Während dieser letztere an A sich anschliesst, hören die übrigen Schichten unter allmäh- licher Verschmälerung von lateral nach medial mit einer Spitze im medio-ventralen Winkel auf (Textfig. 4). Auf den nächsten Objektträgern (bis etwa XXX]) verschwinden ganz allmählich auch hier die R-Zellen, nachdem deren Reihe immer deutlichere Unterbrechungen gezeigt hat, zunächst in dem lateralen Teile, später auch medial. Die in einzelnen Häufchen guirlandenförmig gelagerten R’-Zellen erreichen somit die Oberfläche. Von XXIX an zeigt sich basal eine leichte Einschnürung d, die weiterhin immer deutlicher wird. Diese Einschnürung drängt die R’-Schicht etwas dorsalwärts in das Gebiet hinein, welches sonst von den spärlichen R’-Zellen und von S eingenommen wurde. Man hat danach den Eindruck, als ob S sich hierdurch teilte und der laterale Schenkel sich dorso-lateralwärts etwas zurückzöge, während medial ein Rest von 3 mit A vereinigt bleibt; dieser Rest, der immer aus kleinen Rundzellen besteht, zwischen welche sich, besonders medial an der Umbiegungsstelle, zahlreiche kleine p-Zellen mischen, hat die Gestalt eines an A angesetzten latero-dorsalwärts gerichteten Sporns. Von XXIX ab erscheint A in ganz charakteristischer Ge- stalt. Unter der kolossal verbreiteten Molekularschicht (Kern- Anatomie des Mandelkerns ete. 593 blatt, Meynert) liegt eine mehrreihige Lage dichtgedrängter A-Zellen, welche ihre fadenförmigen Fortsätze medialwärts senden. Alsdann folgt lateralwärts eine lockere Lage spärlicher ähnlicher Zellen und endlich eine ganz spärliche, vielfach unterbrochene Schicht länglicher Zellen, die mit ihrer Längsachse vielfach parallel zur Verlaufsrichtung der Schichten, also senkrecht zur Längsachse der A-Zellen gestellt sind. Darunter endlich die Markschicht des Alveus, an den bereits getroffenen Ventrikel srenzend. Die Zellen der gedrängten Schicht lockern und splittern sich an den beiden Enden der Formation, an den Um- biegungsstellen derselben in die dorsale und basale Rinde, zu kolbenartigen Gebilden auf. Seit XXVII tauchen in einem medialen, durch die durchschneidende Fissura Hippocampi abge- trennten Hemisphärenabschnitt die ersten Zellen der Fascia dentata auf, zuerst in Form eines Haufens, dann einer zackigen Ringfigur. Von XXIX an sieht man im Lumen derselben zuerst vereinzelt, später massenhaft die Zellen des eingebogenen Teils des Ammonshorns. Dieselben präsentieren sich auf den ersten Schnitten fast ausschliesslich als eckige, chromophile Zellen, später treten mehr und mehr r-Zellen vom Charakter der eigent- lichen A-Zellen auf. Auf XXXI, 17 (s. Textfig. 5, p. 596) gestaltet sich das Bild des Hemisphärenschnitts somit folgendermassen: Die Furchen y, oe und d sind deutlich, im Hemisphären- dreieck ist eine laterale Furche o angedeutet, welche sich auch auf die Hinterfläche der Hemisphäre zu ziehen scheint. a) Dorsales Hemisphärendreieck. Nachdem hier zunächst r- und p-Zellen überall gemischt waren, sondern sich dieselben allmählich in der Weise, dass die r-Zellen das Zentrum und die mediale Seite ausschliesslich ein- nehmen, während die p-Zellen sich, fast überall gemischt mit r-Zellen, auf einzelne Bezirke der lateralen Begrenzungslinie be- schränken. Durch die Einschiebung des Ammonshorns und des Ventrikels von ventral her verdünnt sich die Rinde, wenn sie freilich auch noch lange in der Kuppe eine wesentliche Ver- breiterung zeigt. Die Schichtung präsentiert sich also in folgen- der Weise: 594 Max Völsch: 1. Molekularschicht. 2. Eine in der Breitenausdehnung wechselnde, aber überall wenigstens 20—30 Zelldurchmesser breite R‘-Schicht; dieselbe besteht an einzelnen Stellen (dorsal von o, Kuppe) aus einer Mischung von r- und p-Zellen in verschiedener Verteilung, an anderen (dorsaler Teil der lateralen Rinde, mediale Rinde) aus- schliesslich aus r-Zellen. Charakteristisch ist überall die dichte Zusammenlagerung der Zellen der Oberfläche zu einem, nur wenige Zelldurchmesser breiten, oberflächlichen Bande, charakte- ristisch ferner die Gruppierung der tiefen, lockerer liegenden Zellen zu Parallelreihen, welche senkrecht zur Oberfläche stehen. Auf der lateralen Seite ist diese Reihenanordnung deutlicher als medial, am deutlichsten dicht über der Furche o. 3. Darunter folgt eine von den benachbarten Schichten stellenweise sehr schwer abgrenzbare r-Zellenschicht, die sich im wesentlichen durch die unregelmässigere, die Reihenform in keiner Weise erkennen lassende Lagerung der kleinen r-Zellen von der oberflächlichen Schicht unterscheidet; sie beginnt erst etwas dorsal von o, verbreitert sich sehr stark in der Kuppe und verschmälert sich wieder auf der medialen Seite. Sie ist als R“-Schicht zu deuten. Vielfach finden sich in ihr p-Zellen; dieselben erstrecken sich in ihr bis auf die mediale Seite. Unter diesen p-Zellen fallen überall vereinzelte auf, welche den Charakter grosser Pyramiden haben. 4. Die S-Schicht. Die Zellen derselben, meist längliche ı-Zellen, doch häufiger auch p-Zellen, sind zum grossen Teil mit ihrer Längsachse parallel zur Oberfläche gestellt und vor allem zeigen sie eine deutliche Anordnung in Reihen, welche der Ober- fläche parallel verlaufen. 9. Darunter das Mark. — Lateral geht die R‘-Schicht unter erheblicher Verschmälerung im Grunde der Furche o in die R’-Schicht des Ovals, die Schicht R’ mit einer Unterbrechung durch diese Furche in die R’-Schicht des Ovals über, während S kontinuierlich über o hinweg in das Oval hineinzieht. Auf der medialen Seite gehen alle genannten Zellschichten in den Fort- satz F über; derselbe hat sich sehr stark bis in die Höhe der Furche 0 zurückgezogen; der an seiner Spitze gelegene Zell- haufen © ist erheblich reduziert, und während F früher in eine Spitze auslief, endet er jetzt in Form eines Meissels. Anatomie des Mandelkerns etc. 595 b) Die Ammonsformation schliesst sich in der oben beschriebenen Weise medial an den Fortsatz F an, verläuft in einem lateralwärts gekrümmten Bogen ventral und endet dort, in den erwähnten Sporn umbiegend. Ganz medial liegt, von der Hemisphäre durch die total durchschneidende Fissura hippocampi getrennt, der unregelmässig zackige Ring der Fascia dentata; die Zellen derselben gehören dem Typus der achromophilen r-Zellen an, obwohl sie relativ stark gefärbt erscheinen, auch mannigfache eckige und längliche Formen haben. Sie liegen, besonders in dem medialen Ringteil, dicht gedrängt aneinander. In seinem Zentrum findet sich der umgerollte Teil des Ammons- horns (das dorsale, bezgl. Endblatt Köllikers) als ein länglicher Zellstreifen A’. Auf XXXIV öffnet sich, wie hier vorweg be- merkt werden mag, die Fascia dentata auf der lateralen Seite, auf XXXVII ist sie in zwei Teile zerfallen, die in charakteristischer Weise die Enden von A’ umgeben. Auf XXXVIII vereinigt sich A‘ mit A, und von nun an erscheint der bekannte dorsale und ventrale bogenförmige Schenkel der Ammonsformation im Bilde. Medial wird der Ventrikel bis VIL von der sich allmählich immer länger ausziehenden und verschmälernden Fimbria be- grenzt. Auf VL reisst sie gewissermassen unten ab und ist ventral noch eine kleine Strecke weit als kleiner Höcker erkennbar, dorsal zieht sie sich rasch zurück; der Ventrikel wird somit von hier ab nur noch durch das Epithel der Tela abgeschlossen. Der unterere Schenkel der Ammonswindung ver- kürzt sich schnell, auf VL erkennt man davon in der medio- ventralen Hemisphärenspitze nur noch eine gewundene Zellinie, welche lateral in den Sporn und weiterhin in den Haufen B (s. u.) übergeht, medial von einem dürftigen Halbkreis, der Fascia dentata, umgeben (s. Fig. 3)'). Auf IVL schliesst sich die gewundene Linie zum Kreise, von welchem alsbald nur noch ein bereits auf IIIL verschwindender zentraler Haufen übrig bleibt. Gleich darauf macht die Fascia dentata dieselbe Wandlung durch und auf IIL ist der letzte Rest des ventralen Ammonshorns verschwunden. c) Medio-lateraler Teil (des Ovals). In der oberflächlichen Schicht breiten sich die p-Zellen von dem früher genannten Bezirk allmählich mehr und mehr sowohl 3) Die Erklärung sämtlicher Tafeln s. S. 679. Die Figuren der Tafeln sind nur mit „Fig.“, die im Text mit „Textfigur‘“ bezeichnet. 596 Max Völsch: dorsal als ventral aus, wobei übrigens nun gerade in den mittleren Partien relativ reichliche r-Zellen erhalten bleiben, während sie in den anderen Teilen nur spärlich unter die viel zahlreicheren p-Zellen gemischt sind. Die p-Zellen sind hier meist grosse, eckige, unregelmässig geformte und unregelmässig durcheinander gelagerte Gebilde. Ihre ventrale Ausbreitung erreicht 7 und erstreckt sich alsbald darüber hinaus bis in den basalen Teil. Die oberflächlichtsen Teile dieser Schicht zeigen eine dichtere Fig. 5 (XXXT, 17) Frontalschnitt ca. ?/« mm vor Fig. 4. Schema. f.H. — fissura hippocampi, f. d. — fascia dentata, A— Ammons- rinde. A‘ — dorsales Blatt der Ammonsrinde, o — fissura rhinalis lateralis, R, R‘, R“, S — Rindenschichten. Zusammenlagerung der Zellen als ihre tieferen Teile; sie bilden ein dichtgedrängtes Band. Auch die unter der soeben beschriebenen R'-Schicht gelagerte R’'-Schicht ist eine Mischung von p- und r-Zellen; die ersteren haben zum Teil den Charakter grosser Pyramiden, welche stellenweise in Häufchen zusammenliegen. — In den mittleren Partien herrschen auch in R“ die r-Zellen vor und zwar so erheblich, dass sie ähnlich wie in R’ zeitweise hier fast ausschliesslich vorkommen. Anatomie des Mandelkerns ete. 5917 Die Schicht S endlich besteht im medio-lateralen Teil im wesentlichen aus strichförmigen p-Zellen mit der Längsachse parallel zur Oberfläche; nur im dorsalsten Teil mehr blasse, länglich runde Formen. In diesem dorsalsten Teile des latero-medialen Teils kurz vor o findet sich statt der Zellen der beiden gemischten Schichten R’ und R'' eine Ansammlung von länglichen, schmalen Pyramiden (p) mit der Längsachse senkrecht zur Oberfläche in radiären Reihen orientiert (Textfig. 5). An dieser Stelle in der Molekularschicht noch einzelne lebhaft gefärbte r-Zellen, welche wohl als Reste der R-Schicht aufzufassen sind, welche sonst in dieser Höhe überall verschwunden ist. dj. BasalerTeil: Derselbe reicht von der ventro-medialen Spitze der Hemi- sphäre, von dem Sporn, welchen ich vermutungsweise als einen Rest der Schicht S ansprach, bis zur Furche .. Die Einschnürung d ist tiefer geworden. R ist total verschwunden. R’ zieht in der oben beschriebenen Weise unter dorsaler Verdrängung von R‘ und S in leicht geschwungenem Bogen um die Furche d herum, medial sich spitz ausziehend und an den Sporn anlegend. Indem R’ im Grunde der Furche d etwas mehr von der Oberfläche zurückweicht, entsteht in der Gegend der Furche und besonders medial von ihr eine Verbreiterung der Molekularschicht mit relativ sehr wenigen Zellen. Dieser relativ zellfreie Molekularraum vergrössert sich auf späteren Schnitten (XXXII, 5, 16) noch mehr dadurch, dass die mediale Spitze von R’ etwas latero-dorsal zurückweicht. In diesem Raum tritt eine nicht sehr distinkte Zellmasse B auf, welche sich an das laterale Ende des Sporns anlegt. Der Beginn des Haufens B lässt sich nicht sicher — (nicht annähernd so sicher wie beispielsweise bei der Maus) — feststellen, und speziell für XXXI, 17 (s. Textfig. 5 u. 6) bleibt es ungewiss, ob der mit einem Fragezeichen bezeichnete Zell- komplex schon einen Anfang von B darstellt, oder ob er zu R’ gehört oder etwa noch ein Rest von R ist. Die Tatsache, dass auf XXXII eher wieder eine Reduktion und dann wieder eine Zunahme desselben eintritt, macht die letztere Annahme wahr- scheinlich. Die umstehenden, rein schematischen Zeichnungen (s. Textfig. 6) sollen diese Entwicklung veranschaulichen. 598 Max Völsch: Gleichzeitig mit den geschilderten Veränderungen in der medialen Hälfte des basalen Teils gehen auch in der lateralen Hälfte, welche von Öd bis y zu rechnen ist, wesentliche Ver- änderungen vor sich. Auch hier ist R verschwunden. Von etwa Objektträger XAXIX an schieben sich aus dem medio-lateralen Teil der Hemisphäre (dorsal von 7) mehr und mehr chromophile eckige XXXIL, 11. Fig. 6, Schema. V — Ventrikel, im übrigen s. Text. p-Zellen in das festonnierte Band der R’-Zellen. Die oberflächliche Schicht dieses Bandes legt sich im Vergleich zu den medialen Ge- bieten des basalen Teils enger zu einem dichten Streifen zusammen. Auf XXXI erstreckt sich diese Durchmischung des oberflächlichen Streifens mit p-Zellen nur erst auf die Nachbarschaft von y, in den tieferen Teilen von R', wo die Zellen weniger gedrängt liegen, ver- drängen die p-Zellen hingegen die r-Zellen vollständig. Sie haben da- bei Neigung zu radiärer Reihenbildung; es finden sich unter ihnen auch viele längliche und Pyramidenformen, welche sich mit ihrer Längsachse vielfach in der gleichen Richtung einstellen (Textfig. 5). Weiter in der Tiefe folgt alsdann das Gebiet R”, in welchem die r-Zellen ebenfalls bis auf spärliche Reste durch unregelmässige p-Zellen verdrängt sind. Die Lagerung der letzteren ist jedoch unregelmässiger, Reihenanordnung ist nicht kenntlich. Endlich S: ziemlich spärliche, quergestellte Zellen vom r-Typus. Jenseits des dünnen Marks dringt der Ventrikel immer tiefer in das basale Gebiet ein (Textfig. 5). Anatomie des Mandelkerns ete. 599 Weiter nach vorne zu werden die r-Zellen der Schicht R' durch immer weiteres Vordringen der p-Zellen reduziert. Auf XXXV ist diese Reduktion soweit vollendet, dass in dem latero- basalen Gebiet die r-Zellen überall bis auf den kleinen, gleich zu besprechenden, der Furche Öö lateral anliegenden Bezirk voll- ständig oder fast vollständig durch p-Zellen ersetzt sind. Die- selben liegen an der Oberfläche dicht gedrängt zu einzelnen Häufchen zusammengelagert, zwischen welchen Zwischenräume erkennbar sind; sie haben sehr verschiedene, stets eckige, vielfach Pyramiden-, aber auch viel unregelmässige Formen. Sie unter- scheiden sich kaum von den p-Zellen des medio-lateralen Teils des Ovals. Dass in den tieferen Lagen der R'-Schicht sich eben- falls ausschliesslich, meist längliche p-Zellen mit deutlicher, radiärer Reihenbildung, dass in der Region von R” unregelmässige p-Zellen mit unregelmässiger Lagerung sich finden, wurde bereits oben gesagt. S reduziert sich mehr und mehr. Im übrigen charakterisieren sich die auf XXXI folgenden Schnitte durch weitere Ausbildung des Haufens B in der er- wähnten, relativ zellfreien Molekularschicht medial von d. B ver- grössert sich, drängt die Spitze des Zellstreifens R' mehr und mehr lateralwärts zurück und nimmt alsbald in Gestalt eines grossen Querovals den ganzen medial von Öd gelegenen Teil der Basis ein. Die Zellen sind in der grossen Mehrzahl r-Zellen. Auf XXXVIII u. ff. finden sich an der Basis medial von Ö zwei leichte Einschnürungen. Die medialste (@) bedingt ein leichtes, dorsales Zurückweichen des Sporns, welcher sich an den dorsalen Teil von B anlegt. Es entsteht durch dies Zurückweichen des Sporns an der Furche « ein kleines zellfreies Dreieck. Halbwegs zwischen © und « liegt die leichte Einschnürung 5, durch welche auch der Kern B eine leichte Einschnürung erfährt. In dem abge- schnürten Teil von B (B') sind die Zellen etwas kleiner als in dem Restgebiet von B. In beiden Teilen scheidet sich mehr oder weniger deutlich eine dorsale, horizontal längliche Zellengruppe von einer basalen ab, welche in Form eines Randstreifens von d bis über % hinaus verläuft (s. Fig. 2)'). '‘, Die Photographien sind von dem Präparator der Nervenklinik, Herrn Zimmermann, mit grosser Sorgfalt und viel Aufwand von Zeit und Mühe in dankenswerter Weise ausgeführt. 600 Max Völsch: Jenseits der Furche d, welche sich übrigens allmählich mehr und mehr abflacht, bis zu dem Gebiet hin, in welchem die latero- basale Rinde in der oben geschilderten Weise durch p-Zellen- bildung modifiziert wurde, bleibt auf einer kleinen Strecke die alte Rundzellenformation der Rinde erhalten. Man sieht hier die aus den Schichten R’ und R“ bestehende Rinde in schräger tichtung medialwärts nach dem dorsalen Teil von B hinziehen und sich an der Übergangsstelle zu B mit dessen Zellen ohne scharfe Grenze vermischen. Dorsal von diesem Rindenstück, vielleicht auch noch inner- halh des Gebietes von R“, an der ventralen Seite des weit in die Basis vorgeschobenen Ventrikels treten, zuerst wohl auf XXXV, grosse, stark gefärbte r-Zellen auf. Dieser Haufen, T, vergrössert sich ganz allmählich. Auf XXXVII, 14 hat er die Form eines Dreiecks oder einer Parabel angenommen, deren Spitze in der Nähe der Umbiegungsstelle des Ventrikels liegt; von diesem Punkt aus strahlen die Zellen gegen die Rinde R'+ R” und gegen den Haufen B hin auseinander, am gehäuftesten immer am Boden des Ventrikels, wo sich auch immer die grössten und durch stärkste Färbung ausgezeichneten Zellen finden. Die T-Zellen sind meist r-Zellen, gross, stark tingiert, später treten auch p-Zellen in dem Haufen auf. Die an dieser Stelle gelegene, von T schwer scheidbare Rinde R'+R“ mag als Randstreifen T be- zeichnet werden. So sieht man also den ganzen Bezirk von dem Ende der latero-ventralen Rinde bis fast zur Hemisphärenspitze von einem aus r-Zellen bestehenden Randstreifen (Randstreifen T+ B+P‘) umgeben, dessen einzelne Teile sich einmal unter sich durch die Grösse und Lagerung der Zellen (T am grössten, B‘ am kleinsten) sowie durch den r-Zellen-Charakter von der lateral anstossenden ventro-lateralen Rinde unterscheiden. Sowohl in den Randstreifen B und T als in den darunter gelegenen Teilen von B treten zunächst vereinzelte, später reich- lichere, unregelmässig gelagerte p-Zellen auf. Auf IXL bildet sich an der Stelle, wo der Ventrikel aus der vertikalen Richtung in die schräg horizontale umbiegt, ein einstweilen zellfreies Dreieck, dessen Schenkel von der ventro-lateralen Rinde und der Parabel T und dessen Grundlinie von der Ventrikelwand gebildet wird. In diesem Markdreieck Anatomie des Mandelkerns etc. 601 erscheint VIIIL, ein Haufen von rundlichen, blassen Zellen, kleiner als die T-Zellen, dazwischen, namentlich basal, auch einige unregelmässig gelagerte p-Zellen. Gegen Ende des Objekt- trägers VIIIL tritt diese sich stetig vergrössernde Gruppe mit T in Verbindung; doch bleiben die beiden Haufen einstweilen noch durch eine schmale, zellfreie Strasse voneinander getrennt. Hierdurch, ferner durch die Grössen- und Tinktionsdifferenz der Zellen, die Hinzumischung der p-Zellen in dem neuen Haufen M, sowie endlich durch die Existenz eines kleinen Häufchens sehr blasser, kleiner Rundzellen an der Parabelspitze T sind sie einst- weilen leicht voneinander scheidbar. In T fällt eine Zunahme der grossen, am Ventrikelrande liegenden Zellen auf; es finden sich hier ganz ausserordentlich mächtige Exemplare sowohl von r-Zellen als von p-Zellen (Fig. 35). Weiter nach vorn verwischen sich diese Differenzen mehr und mehr, so dass M und T späterhin als eine einigermassen homogene Masse erscheint (etwa von VL an), wenn auch gelegent- lich die erwähnten Unterschiede immer wieder zutage treten (Fig. 3). M-+T bildet dann ein grosses Dreieck mit dorsaler Spitze; die Basis richtet sich gegen B bezw. den Randstreifen T. Eine Seite verläuft längs des Ventrikels; die andere Seite wird allein von dem T ventralwärts überragenden Haufen M gebildet und liegt der latero-basalen Rinde an (Fig. 3). Da, wo die längs dem Ventrikel verlaufende Wand an die dorsale Gruppe des Kernes B stösst, entsteht (VLu.ff.) wiederum ein kleines Markdreieck mit der Basis an den Ventrikel gelehnt. In ihm tritt noch auf VL eine neue Gruppe rundlicher, blasser, kleiner Zellen auf = D (Fig. 3). Der Markstreifen, welcher zwischen Ventrikelwand und der dorso- medialen Begrenzungslinie von M-+T gelegen ist, erfährt auf den folgenden Öbjektträgern eine gewaltige Verbreiterung. Der Ventrikel wird dadurch viel enger; seine Wände lagern sich dicht zusammen. Der ventrale Teil dieses verbreiterten Markstreifens lässt weiterhin (IIIL bis IL, s. Fig. 4) eine deutliche Faserung erkennen, welche von der Gegend des D- und T-Kernes in leicht geschwungenem, lateral- konvexem Bogen nach der Stelle verläuft, wo die ventrale Ventrikelwand sich an die Fimbria anlegt, ein wenig lateral von der tiefsten Stelle des Ventrikels. Zwischen die Fasern dieses 602 Max Völsch: Zuges (St. t.) sind überall unregelmässig Zellen eingelagert. Besonders deutlich auf etwas späteren Bildern präsentieren sich diese Zellen als teils rundliche, teils strichförmige Gebilde, welche zueinander und zu den Fasern des Zuges St.t. parallel angeordnet sind. Ich nenne die Gesamtmasse dieser Zellen den „Begleitkern der Stria terminalis“ (N. st.t.). Die Abgrenzung dieses Zellkomplexes gegen den gleich zu beschreibenden Körper St. ist bisweilen schwierig. — In dem erwähnten, dorsal von M+T gelegenen Markstreifen bildet sich von IVL an eine neue Zellenmasse, dorso-lateral von N.St.t., die Zellen sind durchweg rundlich, blass, klein, denen von D ähnlich, sich ziemlich deutlich dagegen von den stärker gefärbten und grösseren M- und T-Zellen abhebend. Sie erscheinen zuerst in einer Vor- buckelung der Hemisphäre medial von dem Haufen M und breiten sich von hier schnell in dem ganzen dorsalen Gebiet des Mark- streifens nach ventralwärts hin aus; sie drängen dabei M und T von dem Ventrikel ab und sind von ihnen durch einen schmalen Markstreifen geschieden, in welchem vielfach, aber nicht gleich- mässig und konstant, Haufen und Streifen kleinster, dicht zu- sammengelagerter Körnerzellen vom Typus r (K) auftreten. Auch dorsalwärts erfolgt die Ausbreitung dieses Zellkomplexes St. schnell, so dass er schon auf IIIL eine breite, längliche, dem Kern M + T medial angelagerte Masse bildet, welche die letzteren mit ihrer dorsalen Abrundung dorsalwärts erheblich überragt, während sie mit ihrer ventralen Spitze bis in die Nähe des Haufens D reicht. Diese Spitze schiebt sich wie ein Keil zwischen T und D ein; auch an sie lagert sich ein Häufchen jener kleinen, kernähnlichen Zellen K an (Fig. 4). Auf IL tritt eine wesentliche Veränderung in dem Bilde ein. Nachdem schon auf den vorhergehenden Objektträgern sich die Hemisphäre, und zwar gerade mit dem als St. t. bezeichneten Teil dicht an den Stamm angelegt hat, erfolgt auf IL der Durchbruch des Pedun- culus. St.t. respektive N.St.t. wird hierdurch in einen dorsalen und ventralen Teil gespalten; der letztere verliert sich alsbald; der erstere liegt als ein sehr unscheinbares, nur aus spärlichen Zellen bestehendes Häufchen ein wenig lateral von der Spitze des Suleus strio-thalamieus. Die Masse St. aber wird sofort nach dem Durchbruch des Pedunculus in ihrem dorsalen Teil von zahlreichen Faserzügen in schräger Richtung durchsetzt, welche Anatomie des Mandelkerns etc. 603 nach der Rinde hinstreben. Ja, schon vor dem Durchbruch (Fig. 4) sieht man solche, offenbar schräg kaudalwärts abbiegende Bündel aus dem Pedunculus die Kernmasse St. durchziehen. Es kenn- zeichnet sich dieses Gebilde mithin unzweifelhaft als das Striatum. Der schmale, ventralwärts hinabreichende und sich zwischen D und T einschiebende Teil desselben ist die Cauda nuclei caudati. Basal ist unterdessen der Randstreifen T+B durch noch engere Zusammenlagerung seiner Zellen, sowie durch reichliche Untermischung mit p-Zellen der jenseits der Furche Ö gelegenen Riechrinde ähnlicher geworden (s. Fig. 3 u.4). Der darunter- liegende Komplex B-dorsal ist stark reduziert und besteht jetzt (IL, 2) aus kleinen blassen r-Zellen und zahlreichen, kleinen strich- bis punktförmigen p-Zellen. Medial von der Furche ? tritt schon auf IVL!) eine Reduktion des ventralen Teiles des Haufens B‘ ein, welche auf IIIL fortschreitet und sich fast vollendet. Auf letzterem Objektträger reduziert sich dann auch der dorsale Teil von B'; derselbe präsentiert sich auf IVL als ein länglicher, horizontal von medial nach lateral verlaufender Streifen, dessen Zellen deutlich stärker tingiert und grösser sind als die Zellen des ventralen Gebiets und dessen laterales Ende in den Bezirk von B-dorsal hineinragt. Die Reduktion erfolgt nun in der Weise, dass der ventralwärts vordringende Haufen D diesen Streifen durch- brieht; schliesslich bleiben nur vereinzelte Zellen davon übrig, und auf IIL sind auch diese verschwunden. In dem so frei ge- wordenen Bezirk breitet sich nun D aus, das also erheblich an Grösse wächst und eine gänzlich veränderte Gestalt annimmt. Es erscheint IIL, 7 (s. Fig. 4) als ein mediales, die Hemi- sphäre abschliessendes Dreieck. Vielfach erscheinen die in dem dorsalen Teil von D gelegenen Zellen grösser und runder als die ventralen, immerhin ist der Unterschied nicht so markant und konstant, dass eine Scheidung in mehrere Teile geboten erschiene. Auch in D vereinzelte p-Zellen. Bis zu den Objektträgern L und LI ändert sich dann all- mählich auch das Bild von B. Es verschwindet der rindenartige, ventrale Streifen; die ganze Formation B wird homogener. Sei !) Vergl. zu Folgendem Fig. 3 u.4. Fig. 3 zeigt die Situation gerade bei Beginn der im Folgenden geschilderten Veränderungen. Auf Fig. 4 ist B‘ bereits ganz durch D ersetzt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 40 604 Max Völsch: es nun, dass in der Tat eine Umwandlung von B stattfindet, oder sei es, dass die Formation B durch die sich immer weiter aus- breitende Kernmasse D verdrängt wird, das Endresultat ist jeden- falls (s. Fig. 5), dass die ganze Spitze der Hemisphäre von einer ziemlich homogenen Zellmasse, dem „basalen Spitzenkern“ aus- gefüllt wird =B-+ D. Derselbe enthält einen Faserquer- schnitt @, der schon seit IIIL kenntlich ist und sich nach vorne zu noch lange verfolgen lässt. Der Spitzen- kern besteht hauptsächlich aus rundlichen, blassen Zellen, welche ziemlich dieselbe Grösse haben und überall einigermassen gleich- mässig verteilt sind, so dass das Ganze den Eindruck einer ziemlich gleichförmigen Kernmasse macht. Doch sind in dieselbe überall, am spärlichsten in dem medialen Teil, in dem früheren D-Bezirk, am reichlichsten wohl an der basalen Oberfläche, kleine, unregel- mässige p-Zellen eingelagert.. Der Kern hat im ganzen ungefähr die Gestalt eines Keils, welcher von medialwärts her zwischen die basale Oberfläche der Hemisphäre und die Ganglienmassen St. und T hineingetrieben ist. Mit seiner Spitze stösst der Keil an das mediale Ende des ventro-lateralen Rindenbezirks (Furche 0). Die Furche % in der Basis ist nur noch ganz leicht angedeutet. Die latero-dorsale Grenze gegen die Rinde, gegen T und St. ist verwischt und undeutlich. M+T ist noch sehr deutlich kenntlich, wenn auch bereits erheblich verkleinert (Fig. 5). Zwischen ihm und St. wiederum ein kleinzelliger Streifen K. Auch lateral von T, zwischen ihm und der Rinde liegt ein Gebiet, in welchem sich solche kleine Zellen gelegentlich finden; ebenso treten sie stellen- weise an der ventralen Spitze von St. auf, meist, um nach einigen Schnitten wieder zu verschwinden. Medial von St. finden sich schon seit IL und L ziemlich spärliche, weit auseinanderliegende r- und p-Zellen, welche durch ihre Grösse und starke Tinktion, worin sie zum Teil noch die T-Zellen übertreffen, sehr auffallend sind. Sie lagern namentlich dem medialen Rande von St. an, während noch weiter medial- wärts, in das Gebiet der inneren Kapsel hinein ein Gebiet zahl- reicher, sehr unscheinbarer, rundlicher Zellkörperchen folgt. Die Zellen seien mit St.‘ und St.‘ bezeichnet. Ein äusserst schwieriges Gebiet ist hier und weiterhin die Stelle, wo Spitzenkern, Striatum und T zusammenstossen. An dieser Stelle lagen auf früheren Schnitten die als N. St. t. be- Anatomie des Mandelkerns etc. 605 zeichneten Zellen; jetzt. sieht man in dieser Ecke auch weiter nach vorne vielfach grössere und kleinere Zellen, meist r-Zellen, später auch p-Zellen, die sich sehr schwer einem der abgegrenzten Gebilde anreihen lassen. Namentlich die Abgrenzung gegen die Basis des Striatums ist oft durchaus unmöglich. Ich halte es für wahrscheinlich, dass sie verschiedenen Gebilden angehören. Zum Teil mögen sie noch als Reste des N. St.t. aufzufassen, zum Teil zur Cauda zu rechnen sein. Weiter nach vorne haben sie wohl grössten- teils die Bedeutung von Zellen, welche dem sich ventro-medial stark ausziehenden, inneren Gliede des Linsenkerns angehören, wenn sie auch nicht die auffallende Grösse der vorhin erwähnten St.’-Zellen haben. Endlich aber strahlen in dieses Gebiet, das ich als das „Gebiet an der Basis des Striatums‘“ bezeichne, auch noch andere Zellen hinein, welche einem ebenfalls schon IL an- gedeuteten schmalen Zuge angehören. Es sind mittelerosse und grosse, mittelstark gestärkte, meist längliche, mit der Längsachse in die Zugrichtung gestellte Zellen (G). Der Zellenzug G (s. Fig. 5) reicht von der ventro-medialen Spitze des Striatums (Putamens) bis in den Stammteil des Hirns hinein. Er umzieht dabei im Bogen die dorsale Spitze des basalen Hemisphärenspitzenkerns und die basale Vereinigungsstelle der Hemisphäre mit dem Stamm, welche jetzt fest miteinander verwachsen sind, und tritt mit den Zellmassen des Thalamus opticus in Berührung; ventral von dem Zuge bleibt zunächst ein zellfreier Raum (s. Fig. 5 z. Z.). Aus dieser Gegend sieht man später starke Faserzüge nach den dorsalen Thalamuskernen ziehen (unterer Thalamusstiel). Die folgenden Objektträger zeigen leider nur unvollständige Schnittbilder; es hat hier eine Durchtrennung des Gehirns zum Zweck der Bearbeitung stattgefunden. So erhalten die Objekt- träger LII—LIV die zentraleren, die Objektträger LV u. LVI die peripheren Teile der Schnitte. Die Beurteilung der weiteren Entwicklung der Verhältnisse wird dadurch etwas erschwert; immerhin lässt sich durch Komposition der Schnitte das Folgende feststellen: Die Gruppe @& (s. Fig. 6) nimmt an Breitenausdehnung zu, wobei ihre Zellen eine weniger regelmässige Lage annehmen. Durch ihre Vermittlung findet schon auf LIII ein kontinuierlicher Übergang der Zellmassen des Stamms in die der Hemisphäre statt. Der ventral von G gelegene Raum füllt sich mit zunächst spärlichen, mannigfaltig geformten und ganz unregelmässig ge- 40* 606 Max Völsch: lagerten Zellen aus. Sie sind vorzugsweise eckig, sind verschieden sross und verschieden stark gefärbt. Besonders auf späteren Schnitten fallen immer einige ganz besonders grosse und kompakte Zellen ins Auge, welche sich noch durch eine gewisse Verwaschen- heit der Zellgrenzen auszeichnen. Es handelt sich um das Gebiet, welches an der Oberfläche Substantia perforata anterior genannt wird. Die Zellengruppe mag mit Spa bezeichnet werden. Durch Form und Lagerung der Zellen ist sie ziemlich deutlich von B-+D abscheidbar (s. Fig. 6). In der Basis des basalen Spitzenkerns (etwa LV) bildet sich eine sehr auffallende Zellenansammlung D’ (s. Fig. 6). Sie schreitet von medial nach lateral fort und besteht aus dichtgelagerten, starkgefärbten, ziemlich grossen Zellen vom r-Zellentypus, welche jedoch zum grossen Teil auch dreieckige und pyramidenförmige Gestalt haben. Echte p-Zellen finden sich in diesem Gebiete kaum. In den übrigen Teilen des noch immer keilförmigen basalen Spitzenkerns liegen die Zellen viel lockerer und dünner. Der Querschnitt Q (s. Fig. 6) liegt jetzt unmittelbar dorsal von D‘. Die Furche # ist verstrichen. Das Striatum hat sich dorsal und ventral breit ausgedehnt; man erkennt hier schon sehr deutlich die Capsula interna und die durch sie bewirkte Scheidung des Corpus striatum in Nucleus caudatus und Nucleus lenticularis. Das Innenglied des letzteren wird vielleicht!) durch die oben beschriebenen, kleinen r-Zellen (St‘‘), vor allem aber durch die stark gefärbten, spärlichen St‘-Zellen am inneren Rande des Putamen gebildet; sie reichen jetzt weit basalwärts bis an den basalen Spitzenkern heran (s. Fig. 11), von dem sie schwer zu trennen sind (Gebiet an der Basis des Striatum). Der Haufen T+M hat sich dagegen schon etwa von IL oder L an sehr stark reduziert; die Reduktion erfolgt namentlich in der Richtung von dorsal nach ventral. Auf LV und LVI sehen wir die lateralen und medialen Kleinzellen- reihen K zwischen ihm und der Rinde, respektive dem Striatum sehr gut entwickelt; sie verdichten sich an der ventro-medialen Spitze des Kerns, und so erscheint derselbe auf einigen Schnitten von LVI fast von einer Kapsel solch kleinzelliger Elemente umgeben. Auf LVII verliert sich der Kern ganz; ') Es ist mir nicht sicher, ob diese Zellen Ganglienzellen sind. Anatomie des Mandelkerns etc. 607 die K-Zellengruppen sind jedoch noch weiter verfolgbar (s. Fig. 6). Medial und medio-dorsal vom Spitzenkern verbreitert sich die Verbindungsstelle (G und Spa) mit dem Stamm. Aus der Gegend dieser Kerngruppen ziehen in diesen Ebenen (LVI, LVII) deutlich Fasern in schräger Richtung (ventro-lateral nach dorso- medial) zum Thalamus: es handelt sich um den unteren Thalamus- stil. Ganz basal findet man schon auf LIII die Anfänge des zunächst rundlichen Ganglion opticum basale, das sich weiterhin zu einem langen, flachen, horizontal gelegenen Gebilde auszieht; die Zellen desselben sind mittelgrosse, stark gefärbte r-Zellen. Endlich ist es erforderlich, an dieser Stelle einen Blick auf die Schicksale zu werfen, welche inzwischen die Rinde des in Frage stehenden Gebietes, die medio-laterale und ventro-laterale Rinde von der Furche o bis zur Furche Ö erlitten hat. Auf Objektträger XXXI u. ff. wurden unterschieden (vergl. S. 595—597, sowie Textfig. 5): 1. Die Molekularschicht. 2. Die R’-Schicht, oberflächlich ein dichtes Band bildend, in der Tiefe in mehr oder weniger breitem Streifen locker gelagert. 3. R“, überall unregelmässig geformte und gelagerte, lockere Zellen. 4. Die S-Schicht, charakterisiert durch die Anordnung ihrer Elemente in Reihen parallel zur Oberfläche. In dem latero-medialen Gebiet fand sich überall in der zweiten und dritten Schicht eine Mischung von p- und r-Zellen mit deutlichem Überwiegen der letzteren in dem mittleren Bezirk, während in dem ventro-lateralen Gebiet sowohl das oberflächliche Band als auch der lockere Streifen der zweiten Schicht, sowie auch die dritte Schicht nur oder fast nur p-Zellen enthielt. In letzterem Gebiet zeigten ferner die p-Zellen des tieferen Streifens der zweiten Schicht in viel höherem Maße eine radiäre Reihenanordnung wie die Zellen des medio-lateralen Teils. Endlich fehlte S im latero-basalen Gebiet bis auf den dorsalsten Teil fast ganz. Zunächst bleibt das Bild unverändert. Von den ersten der vierziger Objektträger an beginnt der medio-laterale Teil sich zu verkürzen, indem die Furche o sich senkt. Gleichzeitig wird y flacher, gabelt sich anscheinend und ist auf LVII nur noch angedeutet. | Etwa von VIIIL an mischen sich nun zuerst in dem ventralsten Teil des oberflächlichen Bandes der latero-basalen 608 Max Völseh: (regend den bisher hier ausschliesslich vorhandenen p-Zellen r-Zellen bei. Die Ausbreitung dieser Zellen erfolgt ganz allmäh- lich in doppelter Weise, einmal erfüllen sie weiter und weiter lateralwärts das oberflächliche Band, dann aber dringen sie auch in die tieferen, lockeren Teile der zweiten und endlich auch in die dritte Schicht ein. Die Erfüllung dieser Schichten mit r-Zellen dehnt sich dann auch auf die jenseits 7 gelegenen, latero-medialen Partien aus. Sie verdrängen die p-Zellen mehr und mehr, und LVII, 9 zeigt ein bezüglich der Konfiguration der Zellen dem früheren Zustande gerade entgegengesetztes Bild. Von d bis fast zu o besteht sowohl das oberflächliche gedrängte Band, als der lockere, tiefere Streifen als endlich die übrigens sehr spärliche und von jenem Streifen oft nicht scheidbare dritte Schicht im wesentlichen aus r-Zellen. Nur hier und da sieht man vereinzelt oder zu Nestern zusammengelagert p-Zellen unter die r-Zellen verstreut. Nur in dem allerdorsalsten Teil, dicht ventral von o be- steht nach wie vor jene in radiären Streifen angeordnete Pyramidenformation, welcher schon oben Erwähnung getan wurde. Ferner fällt schon seit etwa VIIIL ventral von der Furche eine immer mehr anwachsende Verbreiterung von S auf, während gleichzeitig die, diese Schicht von den oberflächlichen Schichten trennende Zone an dieser Stelle ganz aussergewöhnlich breit entwickelt ist. Auf LVII erscheint die Verdickung als ein kompaktes Zelldreieck, dessen Basis dorsalwärts gerichtet, dicht unter der Furche o gelegen, in die S-Schicht der Hemisphäre übergeht, und dessen Spitze in dem latero-bäsalen Teil hinein- ragt und sich in die hier liegenden, geringfügigen Reste von S fortsetzt. Der dorsale, hiernach immer am stärksten verdickte Teil lagert immer, durch die zellfreie Zone getrennt, der eigen- tümlichen Pyramidenformation ventral von o an, welche ich früher als dorsalsten Anteil der medio-lateralen Rinde beschrieb. Die Verdickung besteht aus ganz unregelmässig durcheinander- seworfenen Zellen, welche weit überwiegend den r Charakter haben; neben runden, kommen vielfach Spindel- und eckige Formen vor; vereinzelt sind unter ihnen jedoch auch strich- förmige oder dreieckige, gleichfalls unregelmässig gelagerte p-Zellen zu finden. Die sonst für S charakteristische Reihenan- ordnung ist nicht deutlich. Der Komplex sei mit S‘ bezeichnet. Anatomie des Mandelkerns ete. 609 Auf Objektträger LVII bildet die als G bezeichnete Zellgruppe einen breiten, horizontalen Streifen, welcher lateral in das dorsale Gebiet des basalen Spitzenkerns übergeht und von dort in einem jetzt ventralwärts konvexen Bogen nach medial zieht, um sich dort an einen starken, von latero-dorsal nach medio-ventral ziehenden Zellenzug anzuschliessen. (Fig. 6, Taf. 3 und die Skizze Textfig. 7, die auch für das Folgende zu vergleichen ist). Die Anfänge dieser mächtigen, aus kleinen, Ne NeY Ste Th oO 5 2 v Q o [e} je} o ar on a8 “. 5 x U S= a ,. ° ° BL S e S Air ae [0} arze, Sa Eee . 3 o o SET Ge wi in a\ SUOre s .. V q [6) o ae 0.18 E% ° = e o v DIR LO) ) aus o er o’ E Q ° oo & e n o IN x 3 oo o o [0) = o © uU o i Co ° ° n o SE TI. S o . n > ec. Ü os o>e * cr 0.00, o je‘ = - o Tex gs oe. o 0 RELSIEIR I & vo. % o .. U o ne ORTE & o y ° - ° = GK > . [0] “Os o 5 E Sale er 02° 8 or +0 5 a 0 © EIS ar, - ©, o u ° .. a Pi 5 o er rıs es og Ü S o [0] ; Sr m De AH SE D B .. N- IN, eo < °» 3 ae r x eoli- a Dis GENE = 7 2° ao vengdel, TS: SL os o der Kor: do {A “0,8, ) BE o s Be Zus SEE SET e= eis 2% © re Sc ur 73) a Kun 2 o De] 1} © = BrY) „r’ oO ya‘ 9 ‚ .o {] o\, @ . > nZ [7 CR rose B+D D’ G Spa Kioaa (Ungefähr dieselbe Höhe, wie Fig. 12.) lebhaft gefärbten, dicht und unregelmässig gelagerten r-Zellen bestehenden Strasse befinden sich auf LVI in dem tiefen Ein- schnitt zwischen Nucleus caudatus und Thalamus opticus, welcher die Fimbria in sich aufnimmt, in Form eines rundlichen, ein wenig lateral vom Sulcus strio-thalamieus gelegenen Haufens. Weiter nach vorne dehnt sich der Haufen ventro-medialwärts gegen die auf LVII noch sehr deutliche Faserung des unteren 610 Max Völsch: Thalamusstiels hinaus. Mit dem Verschwinden des letzteren (LVII) strahlt er weiter in ventro-medialer Richtung gegen das zentrale Höhlengrau hin, schliesslich ohne deutliche Grenze in dasselbe übergehend. Ich nenne den unzweifelhaft zum Stamme gehörigen Kern den „Grenzkern“ zwischen Sehhügel und Hemisphäre (G. K.), ohne bezüglich der Bedeutung desselben etwas zu präjudizieren. Schon auf LVII, 9 fällt auf, dass das Aussehen des als ventralster Teil des Nucleus caudatus imponierenden Zellkomplexes (n. e. v.) ein etwas anderes ist, als das der übrigen Teile dieses Kerns. Dieser Haufen ist zunächst durch eine leichte Einkerbung der Ventrikelwand von den übrigen Teilen des Nucleus caudatus getrennt. Alsdann liegen die kleineren und rundlicheren Zellen mehr bogenförmig in Reihen, im Gegensatz zu der regellosen Verteilung der grösseren, dorsalen Schweifkernzellen. Weiterhin wird der Haufen von dem dorsalen Teil des Nucleus caudatus durch einen deutlichen, zellfreien Streifen, der schräg zum Ventrikel aufsteigt, geschieden. Der Haufen sendet in weiter oralwärts gelegenen Ebenen einen Ausläufer ventro-medialwärts und tritt schliesslich (LX) durch denselben mit dem medialen Ende des Zuges G in Verbindung, mit diesem Zuge scheinbar einen medialwärts konvexen Bogen von dem Ventrikel bis zum basalen Spitzenkern hin beschreibend. Die Spitze dieses Bogens steht in Berührung mit dem mächtigen Grenzkern (G. K.). Zwischen letzterem und dem eben beschriebenen Zellhaufen, den- selben etwas vom Ventrikel abdrängend, findet sich stets ein zellfreier oder nur mit spärlichen, kleinen, körnchenartig ge- bildeten Zellen besetzter Raum. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass dieser Raum von der am Boden des Ventrikels oralwärts ziehenden Stria terminalis eingenommen wird; die kleinen Zellen in demselben haben vielleicht die Bedeutung einer oralen Fort- setzung des Begleitkerns der Stria. Die Fasern der letzteren dürften in schräger Richtung ventro-medialwärts in den Grenz- kern hineinstrahlen.!) Das Bild, welches der Haufen N. C.\V. darbietet, erklärt sich aus der ventralwärts gerichteten Ver- srösserung des Nucleus caudatus an seinem Kopfende. Die er- wähnte Reihenanordnung der Zellen macht es wahrscheinlich, dass Fasern aus der kompakten Stria, die, wie gesagt, etwas 1) ef. Ziehen, 1. c. p. 714. Anatomie des Mandelkerns etc. 611 latero-dorsal vom Suleus strio-thalamicus oralwärts verläuft, während dieses Verlaufs auch in diesen Teil des Nucleus caudatus abgegeben werden (in latero-dorsaler Richtung). Den erwähnten, ventralwärts gerichteten Ausläufer des Kerns sieht man von fast vertikal aufsteigenden Fasern durchsetzt (LX), welche aus der Capsula interna zu stammen scheinen. — Der ausdrücklichen Hervorhebung wert scheint mir die Beobachtung über die, wenn nicht sehr erhebliche, so doch unverkennbare, Differenz im Aus- sehen der Zellen der beiden unterschiedenen Abteilungen des Nucleus caudatus zu sein. G ist am stärksten wohl schon etwas früher, auf LIX, ent- wickelt. Man erkennt hier auch am besten die diesem Zuge eigentümliche, maschenförmige Zellenanordnung. Anscheinend verlaufen in diesen Maschen sagittale Faserbündel. Es sticht diese Anordnung sehr deutlich ab gegen die massige Zellen- sruppierung des benachbarten Zuges G. K., in dessen lateralem Teil Fasern augenscheinlich zwischen den zu schräg vertikalen Reihen gestellten Zellen hindurch, schräge von latero-dorsal nach medio-ventral verlaufen (etwa die erwähnten ausstrahlenden Fasern aus der Stria). Schon auf LVIII, deutlicher auf LIX erscheint an der latero-ventralen Ecke von St. ein erst rundlicher, dann länglicher Markquer — bzgl. Längsschnitt (ce. a.); auf LX ist die Commissura anterior bereits als ein die Basis des Linsenkerns umziehendes Band sichtbar; auf LX, 12 erscheint, unmittelbar, nachdem sich Fornix und Fimbria vereinigt haben, das Mittelstück der vorderen Commissur, und auf LXIL, 13 vereinigt es sich mit c.a., das sich dadurch mit Sicherheit als das hintere Horn der Commissur zu erkennen gibt. In ungefähr derselben Höhe, in welcher der Beginn von ce. a. fällt, findet sich innerhalb der Capsula externa ein zunächst sehr kleiner, schmaler, länglicher, vertikal verlaufender Zellstreifen aus stark tingierten, scharf umschriebenen und eng zusammen- liegenden Rundzellen, X; derselbe verbreitert sich nach vorne zu zu einem schmalen Dreieck, dessen Basis in den dorso- lateralen Teil des Spitzenkerns überzugehen scheint. Vielfach sieht man in ihm Unterbrechungen, durch welche die Züge der vorderen Commissur hindurchtreten mögen. Er ist noch weithin verfolgbar (s. Fig. 7). Das äussere Glied des Linsenkerns geht 612 Max Völsch: innigere, wenn auch noch vielfach unterbrochene Verbindung mit dem Schweifkern ein; sie bilden ein grosses, lateral-konvexes Kreissegment; im Innern dieses Segments liegen die Zellen St‘ und St". Im basalen Spitzenkern ist @ nicht mehr deutlich; er wird massenhaft von transversalen Faserzügen durchzogen. (Gegen Ende LX reduziert sich die Anhäufung D‘ schnell und ver- schwindet auf LXI. Der basale Spitzenkern wird durch die Entwicklung der vorderen Commissur abgeflacht, und geht medial, ohne scharfe Grenze in das Gebiet G + Spa über. Immerhin bleibt einstweilen (auf LX) der Kern, welcher vorwiegend rundliche Zellen enthält mit Einstreuung mannig- faltiger p-Zellen, doch leidlich gegen dieses Gebiet abgrenzbar, dessen Zellen viel unregelmässiger, eckiger und wenigstens im dorsalen Gebiet (G) maschenförmig geordnet sind, während im ventralen Gebiet (Spa) neben anderen polymorphen Zellen immer einzelne, ganz auffallend grosse, stark gefärbte, an Anzahl all- mählich zunehmende Zellen sich zeigen. Mehrfach sieht man in diesem ventral von dem Zuge G@ gelegenen Gebiete Spa schräg vertikal verlaufende, augenscheinlich Faserzüge begleitende Zell- reihen und ganz basal findet sich ein Zug von Zellen, der in transversaler Richtung aus dem Kern D' in dieses Gebiet hinein- verläuft. Alsbald, schon von LX an, schieben sich nun die Zellen der Formation Spa dorso-lateralwärts über D‘ hinweg in den basalen Spitzenkern hinein, den letzteren verdrängend und er- setzend; sie sind offenbar von massenhaften, in derselben schrägen Richtung verlaufenden Fasern begleitet. Diese Ver- schiebung erfolgt ziemlich schnell, und schon auf LXII dürfte, nachdem auch D' verschwunden ist, von dem basalen Spitzen- kern nichts mehr übrig sein. Auf diese Weise wird das ganze, an der Basis des Striatums oder, nach Ganser am Kopfe des Streifenhügels gelegene Gebiet, von den Zellen Spa ausgefüllt. (Vergl. Fig. 7, etwas weiter oral). Der Zellenstreifen Spa zieht in leicht gekrümmten Bogen nach der latero-basalen Rinde hin, an die er grenzt, und speziell nach der Basis des in der Capsula externa gelegenen Dreiecks X. Dorso-lateral von ihm, diesseits von der Kommissur, liegt immer ein Haufen oder Streifen spär- licher rundlicher Zellen. Ich vermag diesen Haufen (Y) (Fig. 7) nach Entstehung, Zusammenhang und Bedeutung nicht durchaus sicher Anatomie des Mandelkerns etc. 615 zu analysieren ; mit grösster Wahrscheinlichkeit aber handelt es sich um einen durch die Kommissur gewissermassen abgesprengten Teil von St, mit dessen Zellen seine Elemente grosse Ähnlichkeit haben. Dorso-medial von dem Zuge Spa, liegen immer noch Reste von G. Ventral von dem grosszelligen Zuge Spa findet sich schon seit einigen Objektträgern ein mehr in horizontaler Richtung verlaufender Zug von kleineren, mehr spindelförmigen Zellen, anscheinend einem in derselben Richtung verlaufenden Faserzuge ein- und angelagert S.p.a.' (Fig. 7); er ist besonders in den medialeren Teilen der Basis deutlich. Mit der Ausbreitung des Mittelstücks der vorderen Kommissur wird der Haufen G. K. unterbrochen und eingeengt. Auf LXLO ist er wohl gänzlich verschwunden, und der Raum zwischen der ventralen Spitze des Ventrikels und dem nun mächtig entwickelten Mittelstück der vorderen Kommissur wird durch den in immer kompakteren Zellmassen sich ventralwärts ausbreitenden Kopf des Nucleus caudatus gebildet (Fig. 7, n. e. v.). Ventral von der Kommissur verliert sich @ mehr und mehr. Dieht ventral von dem medialsten Teil ihres Seitenstücks zieht sich die graue Masse des zentralen Graus zu einem lateralwärts gerichteten Zellkomplex aus, der dem Nucleus commissurae anterioris Ziehens!) entsprechen dürfte (vergl. Fig. 7). Von LXIII ab bildet sich basal wieder eine stärkere Furche (0?) aus, es erscheint medial davon eine Ausbuchtung der Hemisphäre, welche als kleine, rundliche Kuppe ventralwärts sieht. In dieser Kuppe bildet sich auf LXIV, ventral von den zu Transversalreihen gestellten Spa’-Zellen, ein Haufen oder Streifen kleiner, dicht gedrängter, rundlicher oder eckiger r-Zellen, welche ganz unregelmässig durcheinanderliegen (Tb olf). Dieselben Zellen finden sich alsbald in dem Zwischenraum zwischen dem Haufen und dem medialen Ende der Riechrinde ein, allmäh- lich sich zu einem kontinuierlichen Bande vereinigend und lateral das Rindenende von dorsal her umfassend (s. Fig. 7). Durch die angeführten Kriterien lässt sich dieses von den Zellen des Tubereulum olfactorium gebildete Band leicht von der an- liegenden Rinde des Lobus pyriformis unterscheiden. Es breitet sich mehr und mehr medialwärts aus. Auf LXVII reicht es von 1) 1. c.p. 716. 614 Max Völsch: dem medialen Rindenende bis über die Mitte der Basis hinaus; schliesslich auf LXXIV erreicht es die Mittellinie und bildet dann ein reichgewundenes Band von der Vereinigungsstelle der latero-medialen Rinde bis zur Medianebene. Durch ein leichtes Zurückweichen der Vereinigungsstelle der beiden Rindengebiete entsteht eine dreieckige Einsenkung der Molekularschicht, welche sich äusserlich nicht markiert (d?). Lateral davon bildet das Schlussstück der Rinde des Lobus pyriformis seit LXVII eine zweite Einsenkung, welche sich immer stärker vertieft und schliesslich zu einer mächtigen, dorso-lateralwärts gerichteten Rindeneinziehung wird. Während der Vorschiebung der Tuberculumrinde von lateral nach medial sieht man stets aus dem medialen Teil des dorsal von ihr gelegenen Gebietes den transversalen Spindelzellenzug Spa‘, welchen ich, soweit er von der Tuberculumrinde bedeckt ist, St K’ nenne, in das mediale, noch nicht von Rinde überzogene Gebiet hineinziehen, darüber stets den grosszelligen Zug, welcher eben- falls, soweit er in das Tuberculum olfactorium einbezogen ist, nun St K heisst, in Verbindung mit Spa. Das Gebiet St K tlacht sich nach vorne zu mehr und mehr ab durch basale Aus- breitung des Striatum, welches vielfach zackige Ausläufer ventral- wärts in St K hineinschickt. Weiterhin dehnt sich der Kopf des Streifenhügels auch medialwärts aus, und indem gleichzeitig auch die Tubereulumrinde medialwärts fortschreitet, werden die Zellen- gruppen St K, St K’auch auf der medialen Seite und schliesslich auch Spa mehr und mehr reduziert, bis endlich, wenn.die Tuberculumrinde die Medianebene erreicht, sich in dem dorsal von ihr gelegenen, nunmehr schmalen Streifen nur noch vereinzelte Zellen, meist von dem Charakter der grossen St K-Zellen finden. Vielfach liegen in der eigentümlichen Guirlande der Tuberculumrinde zapfenartige Einsenkungen sehr kleiner Körnerzellen und vielfach auch in dem dorsalen Streifen über ihr isolierte Häufchen solcher Ge bilde (Tb olf‘). Von etwa LXVIII an schiebt sich von der ventralen Ventrikelspitze her um das Vorderhorn der Commissura anterior herum eine Masse von dichtgedrängten, kleinen r-Zellen vor. Der Kern hat eine ungefähr halbmondförmige Gestalt mit dorsal gerichteter Spitze und geht lateral breit in die Basis des Striatum bzgl. in das Gebiet Y über, ohne dass sich die Grenz- Anatomie des Mandelkerns etc. 615 stelle genau bezeichnen liesse. Die einzelnen Zellen dieses Haufens Z sind denen des Striatums sehr ähnlich, in dem medial von der Kommissur gelegenen Teil sind sie sehr dicht gehäuft, in dem lateralen Teil zeigen sie, wie die Zellen des Striatum selbst, eine gitterartige Anordnung; sie scheinen von sagittalen Faserbündeln dnrchzogen. Nach vorne verwischen sich diese Unterschiede mehr und mehr, und Z erscheint als ein um das Vorderhorn der Kommissur herumgeschlagener Teil des Striatum. Ich glaube nicht fehl zu geben, wenn ich den immerhin durch die Zellanordnung charakterisierten Komplex als den Nucleus accumbens Ziehens!) anspreche. Medial von ihm liegen viel- fach streifige und runde Körnerzellengruppen, die mit den in der Tuberculumrinde gelegenen grosse Ähnlichkeit haben. In der Capsula externa ist der dreieckige Körper X bis LXXV erhalten. Auch die Rindenverdickung S’ besteht hier noch, wenn auch in vertikaler Richtung verkürzt. Im Folgenden soll ein Resume über die bisher beschriebenen Befunde gegeben werden. Dabei soll versucht werden, eine räum- liche Vorstellung der verschiedenen Gebilde zu gewinnen und gleichzeitig, soweit es jetzt schon möglich sein sollte, Homologien mit den bekannten entsprechenden Gebilden in dem Gehirn anderer Mammalier und besonders der Primaten zu finden. Es fiel zunächst auf, dass die Zellen im Grosshirn des Igels ein sehr verschiedenartiges Aussehen haben. Aus der Mannig- faltigkeit der Zellbilder aber glaubte ich von vorneherein zwei eigenartige Typen herausheben zu können, die sich bei der NissIschen Färbung als in mehreren Beziehungen prinzipiell different präsentieren. Der erste Typus waren die sogenannten r-Zellen. So viel- gestaltig sie auch sind, so sehr ihre Grösse schwankt, so ver- schieden ihre, wohl von der Menge und Art des Tigroids ab- hängige Tinktionsfähigkeit ist, sie haben gemeinsam eine, der rundlichen sich nähernde Gestalt, sie sind durchweg nur soweit gefärbt, dass der Kern sich aus den mehr oder minder reichlichen De] Pi 718. 616 Max Völsch: und mehr oder minder intensiv gefärbten Tigroidmassen immer noch deutlich hervorhebt. Ihnen gegenüber steht der Typus p. Die p-Zellen sind durchweg ausgesprochen eckig (stern-, pyramidenförmig, drei- oder vieleckig) oder haben längliche strich- und spindelförmige Gestalt. - Sie sind durchweg stärker gefärbt, chromophil, stellen meist kompakte, dunkelblaue Massen dar, in welchen der Kern verdeckt ist. Obwohl auch gelegentlich Übergangsformen beobachtet werden, ist die Differenz doch eine so augenfällige, dass es meist auf den ersten Blick gelingt, die Zellen in die eine oder die andere Kategorie zu ordnen. Die weit überwiegende Zahl der Grosshirnzellen des Igels gehört zu dem r-Typus. Es gibt nur wenige Territorien, in welchen die p-Zellen ganz oder fast ganz ausschliesslich vor- kommen: so eine kurze Strecke weit (im sagittalen Durchmesser gerechnet) in der Rinde des ventro-lateralen Gebiets (cfr. XXXV u.ff.); so dauernd in den oberflächlichen Schichten der Rinde dicht ventral von der Furche 9. Vielfach finden sich die p-Zellen, sowohl in der Rinde als in den zentralen Teilen der Hemisphäre zwischen die Rundzellen verstreut. Eine besondere Rolle spielen sie ebensowohl wegen ihrer Häufigkeit als wegen ihrer Grösse und plumpeckigen Gestalt in den oberflächlichen Schichten der Rinde des medio-lateralen und ventro-lateralen Teils, während sie in den entsprechenden Schichten des dorso-lateralen Teils nur streckenweise (dorsal von oe und in der dorsalen Kuppe) sich finden und die regelmässigere Form länglicher Pyramiden haben. Dagegen gibt es zahlreiche Gebiete, in welchen r-Zellen ausschliesslich, oder doch beinahe ausschliesslich, vorkommen: der mittlere Bezirk der dorso-lateralen Rinde und noch aus- gesprochener, die dorso-mediale Rinde, die ganze Ammons- formation und endlich zahlreiche zentrale Zellgebiete, in denen überall, wenn überhaupt, nur spärliche p-Zellen sich finden. Es ist mir natürlich bekannt, dass die Unterscheidung zwischen runden und eckigen — meist Pyramiden — Formen bei den Hirnzellen längst gemacht ist. Ich glaubte jedoch, zumal mit Rücksicht auf den vergleichenden Zweck dieser. Arbeit, nochmals auf die eigenartigen Differenzen aufmerksam machen zu sollen, wie sie sich mir nach Methylenblaufärbung inklusive Anatomie des Mandelkerns etc. 617 der geschilderten Vorbehandlung präsentierten. Ich will nicht unterlassen, zu erwähnen, dass Ganser!) für den dem Igel so nahe verwandten Maulwurf bei seinen, mit Karmin gefärbten, gechromten Schnitten neben Pyramidenzellen ebenfalls runde Zellen fand, die er als „blasenförmig“ bezeichnet. Der Ausdruck ist auch für manche meiner Nisslzellen (z. B. der grossen R-Zellen an der ventro-lateralen Seite des Hemisphärenpols) recht zutreffend. Ganser hält dieselben für Kunstprodukte. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass ich keines- wegs der Meinung bin, dass die gewonnenen Zellbilder getreue Wiederspiegelungen der realen Zellformen darstellen. Immerhin lässt die Konstanz des Auftretens der beiden Zelltypen in ver- schiedenen Regionen, die Durchmischung vieler Schnittbilder mit wohlgeordneten Gruppen des einen oder anderen Typus doch darauf schliessen, dass den so auffallend verschiedenen Bildern auch tatsächliche Differenzen irgend welcher Art in den Zellen selbst entsprechen, mögen sie nun, wie es den Anschein hat, struktureller, oder mögen sie etwa chemischer oder physikalischer Natur sein. Die Hemisphären habe ich von ihrer hinteren bis Kuppe in die Tubereulumgegend hinein verfolgt. Sielassen sich ohne weiteres in zwei Teile zerlegen, einen dorsalen und einen ventralen, durch die lange, in sagittaler Richtung verlaufende Furche o voneinander geschieden. Die Furche darf mit Sicherheit als Fissura rhinalis lateralis angesprochen werden. Der dorsal davon gelegene Teil ist das Pallium; es vergrössert sich gleichmässig von hinten nach vorn. Der ventrale Teil ist der Lobus pyriformis des Rhinen- cephalon. Der letztere überwiegt bei Erinaceus erheblich. Er reicht auch etwas weiter kaudal. An der medialen Seite wird die gleich zu beschreibende Rindenbildung bald vor dem hinteren Pol der Hemisphäre im ventro- und medio-medialen Teil durch die Einschiebung der Ammonsrinde modifiziert, gegen welche sie sich überall plötzlich und jäh absetzt. Oralwärts zieht sich die Ammonsformation nach unten und oben zurück, und nun geht die mediale Seite durch Vermittlung der Pedunculi, der Sub- stantia perforata anterior, resp. der dorsal von ihr gelegenen Ganglienmassen in den Stammteil des Hirns über. Der dorso- "1. cp: 618. 618 Max Völsch: mediale, der ganze laterale Teil, sowie die ganze hintere Kuppe der Hemisphäre sind mit einer Rinde überzogen, die aus folgenden Schichten besteht (s. S. 594 ff.). 1. Molekularschicht. 2. R‘-Schicht mit oberflächlichem Bande und tieferem, lockerem Streifen. 3. R”- Schicht. 4. S-Schicht. Zwischen R“ und S (vielleicht auch zwischen R' und R”) liegt stellenweise sehr deutlich eine zellfreie oder sanz zellarme Zone; in den tiefsten Teilen von R” oder auch unter dieser Zone grosse p-Zellen im dorso-lateralen Bezirk, welche die Analoga der grossen Pyramiden in der Primatenrinde dar- stellen dürften. Auch im medio-lateralen Bezirk finden sich an der ent- sprechenden Stelle grosse auffallende p-Zellen. Während die Schichten R‘ und R’ durch die über die kaudale Kante der Hemisphäre augenscheinlich hinwegziehende Fissura rhinalis lateralis eingeschnürt werden, umzieht die Schicht S nach vorne zu dorsalwärts sich ausbreitend kontinuierlich und gleichmässig alle genannten Teile der Rinde von innen her; nur an der Basis ist sie weiter oral kaum noch erkennbar. Die wesentlichsten Charakteristika im Bau: 1. der dorso-medialen und der dorso-lateralen Teile s. S. 594 ff. Feinere regionäre Differenzen und Abweichungen von dem prinzipiellen Rindenbau konnten im Rahmen des vorliegenden Themas nicht wohl berück- sichtigt werden. Betrefis der übrigen Gebiete der Rinde ist Folgendes zu bemerken: 3. Der medio-laterale und ventro-laterale Teil zeigen in den Schichten R‘ und R” vielfach Mischungen von r- und p-Zellen. Kaudal beschränken sich die p-Zellen zunächst auf ein annähernd in der Mitte zwischen der Fissura rhinalis lateralis und der Furche y (welche den medio-lateralen und ventro-lateralen Teil scheidet) gelegenes Gebiet. Von hier aus breiten sie sich nach vorne zu, sowohl dorsalwärts als ventralwärts, ganz allmählich aus, so zwar, dass auf XXXV in dem ganzen ventro-lateralen Gebiet die r-Zellen der Schichten R’ und R” durch p-Zellen ersetzt sind, während in dem medio-lateralen Teil immer noch viele r-Zellen unter die p-Zellen gemischt sind. Von VIIIL etwa an ändert sich das Bild in der Weise, dass nunmehr von der ventro-medialen Spitze des ventro-lateralen Bezirks aus wiederum Anatomie des Mandelkerns etc. 619 r-Zellen in die R’- und R”-Schichten eindringen und sie erfüllen, nun ihrerseits die p-Zellen ersetzend, und auf LVII bestehen die Rindenzellen dieses Gebiets in allen Schichten fast ausschliesslich ausrundlichen Zellen, zwischen welche nur hier und da einige p-Zellen eingestreut sind. Nur ganz dorsal, unmittelbar ventral von der Fissura rhinalis lateralis fällt konstant die eigentümliche Pyramidenformation auf, welche oben S. 597 erwähnt wurde. Es ist der Bezirk, an welchen sich die mehrfach erwähnte Verdickung der S-Schicht (S’) an- lagert. Der ganze Bezirk, welcher p-Zellen ausschliesslich oder vorwiegend enthält, stellt sich als ein unregelmässiges Ovoid mit einer oralen Fortsetzung ungefähr in folgender Weise dar: Da es in dem Rahmen der vorliegenden Studie nicht meine Aufgabe sein kann, die geschilderte Schichtung der Rinde des Pallium mit den Beschreibnngen der verschiedenen Autoren in Vergleich zu stellen und etwa sich ergebende Abweichungen zu klären, so will ich nur in Kürze darauf hinweisen, dass der Befund, wie ich glaube, vollkommen und ohne jeden Zwang sich in Übereinstimmung bringen lässt z. B. mit der bekannten Hirn- schichteneinteiluing Meynerts.!) Die Schicht R’ entspricht der zweiten und dritten Schicht Meynerts (Pyramidenschichten), in der diehten Zusammenlagerung der Zellen des oberflächlichen Teils dieser Schicht findet sich ein wesentliches Charakteristikum der zweiten Schicht M’s wieder, in der radiären Anordnung der Zellen in den tieferen Lagen ein ebenso charakteristisches Merkmal der dritten Schicht Meynerts, in welcher er die „säulenförmige Anordnung der Pyramidenzellen“ hervorhebt. Die Schicht R” würde der vierten, der Körnerschicht M’s und endlich S der fünften, der Spindelzellenschicht (,„Vormauer- formation“) entsprechen. Ich will auch an dieser Stelle noch 1) ]. c., z. B. Psychiatrie, p.:55. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 4 620 Max Völsch: nicht auf die meinem Thema näherliegende Aufgabe eingehen, meine Angaben über die Rinde des Lobus pyriformis mit der Auf- fassung der Autoren über dieselbe in Einklang zu bringen; ich gedenke vielmehr an späterer Stelle hierauf zurückzukommen, da die Angaben über den Bau der Rhinencephalonrinde der Mammalier sich fast ausschliesslich auf andere Tierordnungen beziehen. Ich will hier nur auf die wesentlich differierende Darstellung dieser Rinde, die Ganser') für Talpa gibt, hin- weisen und zugleich bemerken, dass Ganser, obwohl er, wie bemerkt, blasenförmige Zellen in der Rinde beschreibt, doch augenscheinlich den Pyramiden eine weit grössere Verbreitung einräumt, als ich es für Erinaceus nach meinen Präparaten vermag. Es mag das an der verschiedenen Behandlungsmethode liegen, vielleicht auch an dem Umstande, dass ich bei der Ein- teilung in r- und p-Zellen neben den Formverhältnissen in hohem Maße die Tinktionsverhältnisse berücksichtige; manche meiner r-Zellen können, soweit lediglich ihre Form in Frage kommt, wohl auch als breite Pyramiden aufgefasst werden. In einer kurzen Arbeit beschreibt Taalman Kip?) neuerdings den Bau der Rinde bei Igel und Maulwurf. Er spricht der Rhinencephalon- rinde dieser Tiere nur eine Schicht zu. Ich kann weder dieser Anschauung, noch der Meinung des Autors über die Schichtung der Palliumrinde beipflichten. 4. Endlich ist noch die kaudale Kuppe des unteren ovalen Teils der Hemisphäre besonders zu erwähnen, in dessen vorderem Teil sich eben das Rhinencephalon entwickelt. Sie ist von einer oberflächlichsten Schicht R umgeben, welche von R‘ durch eine Markschicht getrennt ist; sie besteht ebenfalls im wesentlichen aus r-Zellen, enthält jedoch lateral auch p-Zellen. Sie hört oralwärts zuerst auf der medialen Seite in einer schräg, von ventro-kaudal nach dorso-oral verlaufenden Linie auf, indem sie, ebenso wie die tieferen Schichten, der Ammonsformation Platz macht. Später verliert sie sich auch basal nnd lateral, hält sich anscheinend am längsten in einzelnen Gruppen dicht unter der Fissura rbinalis lateralis (s. XXXL, 17), welche sie übrigens dorsalwärts nie überschreitet. Auch hierauf will ich nicht aus- I,rl.ue: ?) Over den Bouw van den Cortex cerebri bij Mol en Egel. Psychia- trische en neurologische Bladen 1905, Nr. 2 (Sonderabdruck). Anatomie des Mandelkerns etc. 621 führlicher eingehen. Der Befund erinnert an die seit Meynert mehrfach behauptete Schichtenvermehrung in der Rinde des Oceipitalpols; mir erscheint es jedoch umsoweniger erwiesen, dass mein Befund mit diesen Beobachtungen identisch ist, als er sich, um es nochmals ausdrücklich hervorzuheben, auf den ventral von dem distalsten Teile der Fissura rhinalis gelegenen Hemi- sphärenabschnitt bezieht, und so möchte ich ihn auch nicht ohne weiteres mit der Beobachtung Gansers in Parallele stellen, welcher für Talpa den fünf Schichten der „vorderen Region“ sieben Schichten der „hinteren Region“ gegenüber stellt; er fasst diese Vermehrung als eine Zerlegung der oberflächlichen Zellchicht in zwei Abteilungen durch eine zellarme Zone auf. Ich habe bei der Darstellung meines Befundes R als eine besondere, von R’ zu trennende Rindenschicht beschrieben, einmal wegen der nicht unerheblichen Differenzen im Aussehen der Zellen R und R‘, zumal in Bezug auf die Färbungsintensität, sodann aber, weil die R’-Schicht der Palliumrinde in der Fissura rhinalis in, wie ich glaube, zweifelsfreier Weise stets in die R‘-Schicht, nie in die R-Schicht des Lobus pyriformis übergeht. Eine prinzipielle Bedeutung lege ich dieser Auffassung nicht bei. Bisher unerwähnt geblieben ist der medio-ventrale Bezirk, die mediale Hälfte der Basis der Hemisphäre; kaudal ist er begrenzt wie die anderen Teile der kaudalen Kuppe. Alsbald reisst in der ventro-medialen Ecke eine nach der anderen der Begrenzungsschichten gewissermassen durch und der dorsale Schenkel zieht sich dorsalwärts zurück, auf diese Weise Platz machend für die an die Oberfläche tretende Ammonsformation. Lateral von dem Winkel sieht man, nachdem R sich verloren, die Schicht R’ in eigentümlicher, festonnierter Zellenanordnung die Rinde begrenzen; darunter die spärliche R“-Schicht, noch tiefer S, in welche die Ammonsformation umbog (s. S. 590). Weiterhin (s. Schema S. 598) liessen sich eigentümliche Lagenver- änderungen verfolgen, durch welche die in einen kleinen Sporn endende Ammonsformation von S gewissermassen losgerissen wurde. Sie schloss sich nun an einen dorsal von der Furche d sich bildenden Haufen B. Der Kern beginnt auf XXXII, ver- grössert sich alsbald zu einem grossen, den ganzen Raum zwischen der Furche d und der Hemisphärenspitze einnehmenden Quer- oval. Durch eine an der Basis auftretende Furche ß wird B in einen - 41* 622 Max Völsch: grösseren lateralen (B) und einen kleineren, abgeschürten, medialen Abschnitt (B‘) geteilt. Von Beginn an, zunächst nur undeutlich, später deutlicher, wird B aber auch in einen kleinzelligeren, dorsalen Teil und einen grosszelligeren, ventralen, rindenartigen Streifen geschieden. Ebenso teilt sich B’ in einen dorsalen, an den Sporn des Ammonshorns angrenzenden, horizontal-länglichen Teil und den ventralen Randstreifen B‘. Die Zellen, in der Grösse in den eben beschriebenen Gebieten etwas wechselnd, sind meist r-Zellen, doch treten von Anfang an, sowohl in den dorsalen Teilen von B' als in dem Randstreifen, auch einzelne p-Zellen auf. — Die Entstehung von B is keine so eindeutige, dass man seine Zugehörigkeit zur Rinde leugnen und ihn als selbständigen Kern deuten könnte. Es muss vielmehr die Möglichkeit, dass er lediglich eine verdickte, freilich wesentlich modifizierte Rinde darstellt, offen gelassen werden; der ventrale Teil würde dann eine den äusseren Schichten anderer Rindenteile entsprechende Partie darstellen, der dorsale, als eine Art tiefere Rinde, die die Verbindung der Ammonsrinde mit den tieferen Schichten der lateralen Rinde herstellt. Die Masse des Kerns B verkleinert sich weiter oralwärts und verliert sich entweder auf VIL oder geht ohne deutliche Grenze in den basalen Spitzenkern über. Die sagittale Länge beträgt ungefähr!) 2,05 mm; sie ist um so schwerer festzustellen, als vorne der Übergang in den „sagittalen Spitzenkern“ kein scharfer ist; er erreicht schnell, nach ca. 0,65 mm, seine grösste Breite (XXXVII) = 2,4mm und verschmälert sich dann allmäh- lich. Seine höchste Höhe erreicht er schon etwa nach 0,5 mm (auf XXXVIN, um sie ca. ?/s mm lang beizubehalten ; sie beträgt 1,1 bis 1,2mm; nach vorne zu fällt die Höhe dann ziemlich schnell ab. Wir haben uns also unter dem Kern B einen flachen, in seinem vorderen Teil durch eine Sagittalfurche ventral ein- gekerbten Körper vorzustellen, der von hinten her schnell seine grösste Breite und Höhe erreicht, während beide nach vorne langsamer abnehmen. Der grösste Breitendurchmesser ist etwas länger als der Sagittaldurchmesser. ') Die Sagittalmaße ergeben sich aus der Zahl der Schnitte (& 7,5 «); die Höhen- und Breitenmaße sind mit dem Okularmikrometer gemessen, geben. aber hier und im Folgenden nur ganz ungefähre Werte wieder. Anatomie des Mandelkerns etc. 623 Ebenfalls zweifelhaft ist die Provenienz des Haufens T, von welchem gleichfalls eine von der Rinde unabhängige Entstehung sehr fragwürdig erscheint; denn die ersten Zellen, welche den Beginn dieses Kerns markieren (Objektträger XXXIV und XXXV), liegen dem Gebiet der Rinde zum mindesten sehr nahe, und auch weiterhin ist eine scharfe Grenze zwischen Rinde und T-Kern nicht überall deutlich; auch er könnte also als eine dorsale Ver- dickung der basalen Rinde aufgefasst werden. Der Kern entsteht aus kleinen Anfängen (etwa auf XXXV), nimmt bald die Gestalt eines Dreiecks mit dorso-lateraler Spitze an, grenzt mit der Basis an B und den Randstreifen T, mit der einen Seite an die Riechrinde, mit der anderen an den Ventrikel. Nach vorne zu lagert er sich eng mit dem gleich zu erwähnenden Kern M zu- sammen, verschmilzt mit ihm und reduziert sich mit ihm zu- sammen von etwa L ab. Auf LVIII bis LX verliert er sich ganz. Die Zellen von T zeichnen sich von Anfang an durch ihre Grösse und starke Tinktion gegen ihre Nachbarschaft aus; entlang der Ventrikelwand finden sich besonders grosse und stark tingierte r-Zellen, zwischen welche auch sehr auffallende p-Zellen einge- lagert sind. Latero-dorsal von T bildet sich von VIIIL an der. Haufen M; er vergrössert sich rasch dorsalwärts und umgreift gleichzeitig den Kern T von der lateralen Seite, mit ihm zusammen ein grösseres Dreieck mit dorsaler Spitze bildend. Während anfäng- lich die Zellen von M kleiner und 36 mn blasser sind als die T-Zellen, verwischt sich dieser Unterschied weiterhin, Y und M + T wird eine unzerlegbare \ 25 ° Masse, die, wie eben bemerkt, sich \ [# j reduziert und auf LX. verschwindet. N u Den r-Zellen von M sind vielfach N Neun | H s p-Zellen zugemischt. Die Länge (sagittal) von T beträgt ca. 3,5 mm, die Länge von M ca. 2,5 mm. Die Höhen des Dreiecks in den verschiedenen Schnittebenen soll beistehende Kurve veranschaulichen (Textfig. 8); sie. zeigt, wie die Höhe von T allmählich bis Objektträger VL an- steigt, wie bei VIHIL sich M hinzugesellt, wie dann die Höhe der beiden vereinigten und von etwa VL nicht mehr Fig. 8. 624 Max Völsch: sicher zu scheidenden Kerne bis IIL weiter zunimmt, um nun allmählich bis LX abzufallen. Die Breite von T ber XXXVI beträgt 0,65 mm, die grösste Breite von T-+M (etwa bei IIL) 1,2 mm. — In der Nachbar- schaft von T, besonders zwischen T und Striatum, aber auch an seiner lateralen Seite und Spitze sieht man oft Häufchen und Streifen sehr kleiner körnchenartiger Zellen (K); es sind, wie mir scheint, ganz unregelmässig gelagerte Zellansammlungen. In dem Markstreifen, welcher zwischen Ventrikel und den bisher aufgezählten Kernmassen liegt, lagern sich von Objekt- träger VL ab grosse neue Zellmassen ein. Die auffallendste ist das aus ziemlich kleinen, blassen Zellen bestehende Striatum (St, von IVL ab). Es erscheint zuerst als kleine Zellgruppe medial von M, breitet sich dann rapide dorsal und besonders ventral aus. Die Ausbreitung in letzterer Richtung entspricht wohl mit Sicherheit dem Verlauf der Cauda. Dieselbe geht, wie hier gleich bemerkt werden mag, nach vorne zu ohne erkennbare Grenze in den Linsenkern über; in den oraleren Ebenen ist eine Cauda von letzterem höchstens hier und da vermutungsweise zu scheiden. Das Striatum als Ganzes würde danach beim Igel einen in sich geschlossenen, von der Capsula interna durch- brochenen Ring darstellen. Indem es sich weiterhin auch im Breitendurchmesser ver- dickt, lagert sich St dem Kerne M + T auf; von VIL ab wird es von den Zügen des Pedunculus durchzogen, und bald bildet sich auch eine deutliche Capsula interna und ein deutlicher Nucleus caudatus heraus. An der Innenseite des Putamen finden sich seit Objektträger L zuerst spärliche, später reiehlichere, teils auffallend grosse, starkgefärbte Zellen, teils besonders kleine, sehr blasse rundliche Zellen (St‘ und St‘). Es handelt sich um die Zellen der Innenglieder des Linsenkerns. Die grossen St‘-Zellen nehmen hauptsächlich, aber nicht aus- schliesslich den dem medialen Rande des Putamen anliegenden Bezirk ein. In den vorderen Teilen des betrachteten Gehirnab- schnitts vereinigen sich Nucleus lentiformis und Nuclus eaudatus zu einer grossen schalenförmigen, später, wenn der letztere auch medial sich weit ventral hinabgezogen hat, zu einer grossen rundlichen Masse, die tief bis an die Rinde des Tuberculum olfactorium hinabreicht (Kopf des Streifenhügels, Ganser). Die Anatomie des Mandelkerns etc. 625 Zellen des Innengliedes des Linsenkerns sind hier ver- schwunden. Medial vom Striatum findet sich ebenfalls von VL ab eine Kernmasse, deren längliche bis strichförmige Zellen in einem medialwärts leicht konkaven Bogen in zueinander parallelen Reihen geordnet sind. Sie lagern sich augenscheinlich zwischen die Markbündel eines von der Hemisphärenspitze dorsalwärts ziehenden Faserzuges, welcher ein wenig latero-dorsal von der ventralsten Spitze des Ventrikels endet (s. Fig. 4). Es handelt sich unzweifelhaft um die Stria terminalis, resp. um den sie be- gleitenden Nucleus (n. st. t.). Der geschilderte Bogen der Stria sowie des sie begleitenden Kernes verliert sich mit dem Durch- bruch des Pedunculus, und es erhält sich von diesen Gebilden nur eine höchst unscheinbare Ansammlung von Zellen, ein wenig latero-dorsal vom Sulcus strio-thalamicus. Weiter oral, während die Stria immer etwas latero-dorsal vom Grunde dieses Sulcus oralwärts zieht, mehren sich diese Zellen vielleicht wieder etwas; gleichzeitig scheint die Stria während dieses Verlaufs Fasern in den angrenzenden — etwas modifizierten Teil des Nucleus caudatus abzugeben; sie scheint ferner ventro-medialwärts in den als „Grenzkern zwischen Sehhügel und Hemisphäre“ bezeichneten Kern (G K) einzustrahlen. Schon früher als das Striatum, schon auf VL, bildete sich endlich in einem, durch ventrales Zurückweichen von B und T entstandenen zellfreien Dreieck der Zellkern D, aus rundlichen, blassen Zellen bestehend (s. Fig. 3 u. 4). Er hat zunächst Drei- ecksgestalt mit dorsaler Basis und ventraler Spitze; das Dreieck verbreitert sich auf IVL und erreicht auf IIIL die grösste Breite (ca. 1,3 mm) und die grösste Höhe (!/; mm). Auch die sagittale Ausdehnung des Dreiecks nur ca. '!'r mm. Dann breitet sich dieser Kern auf IIL und den folgenden Objektträgern allmählich basalwärts in das Gebiet des gleichzeitig verschwindenden Kerns B‘ aus, und schliesslich wird, sei es durch fernere Ausbreitung auf das Gebiet des Kerns B, sei es durch Vermischung der B und D-Zellen, das ganze Gebiet dorso-medialwärts von d durch eine ziemlich homogene Kernmasse ausgefüllt, welche eine keilförmige Gestalt hat und sich oralwärts abflacht („basaler Spitzenkern“ B-+D (s. Fig. 5 u. 6). In ihm tritt basal eine sehr auffallende Gruppe stärker gefärbter und dicht gelagerter, länglicher r-Zellen 626 Max Völsch: auf (D‘) (Fig. 6). Dieselbe hat eine sagittale Längenausdehnung von ?/a—1 mm; die grösste Breite beträgt 1,1 mm, die Höhe fast überall gleichmässig ca. !ı mm. Sie hat danach die Gestalt einer flachen Platte. Sie verliert sich auf LXI. Dorsal von D‘ im Zentrum des Spitzenkernes kann lange ein ziemlich deutlicher Querschnitt eines Markbündels Q verfolgt werden. Von LX und LXI an wird der basale Spitzenkern durch eine, rasch von medial her sich vorschiebende, Formation mannigfaltiger Zellen verdrängt und ersetzt, während er gleichzeitig von dorsal her durch die Entwicklung der vorderen Kommissur abgeflacht wird. Der „basale Spitzenkern“ ist wegen der auf allen Seiten unscharfen Grenzen (nach hinten gegen B, dorsalwärts gegen das Striatum, lateral gegen die Rinde und nach vorne gegen die gleich zu erwähnenden Zellkomplexe), kein deutlich umschriebenes und ab- gegrenztes Gebilde, dessen Maße sich daher auch kaum bestimmen lassen; sie mögen in allen Richtungen etwa 1!/s mm betragen. — Die Zellmasse G stellt die Verbindung der Hemisphäre mit dem Stamme her. Sie erscheint zunächst (IL ff.) in einem dorsal konvexen Bogen die ventrale Berührungsstelle beider umziehend. Weiter nach vorne dehnt sie sich erheblich aus und nimmt zu- gleich die Gestalt eines ventralwärts konvexen Bogens an. Erst sehr weit nach vorne reduziert sie sich und verschwindet schliess- lich, indem sie dem sich in ihrem Bezirke ausdehnenden Striatum, sowie dem von dorsal her sich nach ventro-medial ausdehnenden Haufen Z (dem Nucleus accumbens Ziehens) Platz macht. Die Zellen zeigen, besonders in den proximaleren Teilen, eine maschen- förmige Anordnung. Die erwähnte eigentümliche Verlaufs- änderung des von ihnen gebildeten Bogens macht es, wenn man sich des Verlaufs des von ventral her zur Capsula interna auf- steigenden Pedunculus erinnert, von vorneherein wahrscheinlich, dass jene Änderung durch die ventrale Anlagerung des Zell- komplexes an den Pedunculus bedingt ist. In der Tat sieht man dorsal von ihm stets einen zellfreien Raum, der sich deutlich -als Peduneulus zu erkennen gibt. Vermutlich handelt es sich bei G@ also um den Kern der Hirnschenkelschlinge Meynerts, das Basalganglion Köllikers (s. bei letzterem Fig. 605 N. a. p.). Ventral von G liegt in seinen hinteren Partien ein schon dem Stamme angehöriger fast zellfreier Raum, medial von den Zellmassen des zentralen Höhengraus, lateral von dem Spitzen- Anatomie des Mandelkerns etc. 627 kern, dorsal von G und ventral von der Lamina perforata anterior begrenzt (z. Z. auf Fig. 5, Spa auf Fig. 6 u.7); weiter nach vorne finden sich in diesem Raum zahlreiche polymorphe, zum Teil sehr grosse Zellen (Spa); unter ihnen erkennt man ganz basal einen transversal verlaufenden Zug (Spa‘). Von Objekt- träger LX an schieben sich diese Zellmassen schräg latero- dorsalwärts in das Gebiet des Spitzenkerns oder das Gebiet am Kopfe des Streifenhügels hinein, ihn bald gänzlich (inel. D') ver- drängend und ersetzend, so dass die Formation Spa eine Strecke weit den ganzen basalen Hemisphärenabschnitt vom Ende der Riechrinde an einnimmt. Ich habe keine Merkmale gefunden, welche mir gestatteten, den grossen lateral geschobenen Zell- komplex gegen den ursprünglichen medial gelegenen, als in ihrem Wesen different, abzuscheiden; die weiter vorne durch die ver- schiedene Bezeichnung markierte Scheidung ist lediglich eine räum- liche. Ventral von Spa, auch weiter vorne, liegt ein transversaler Zug kleiner spindelförmiger Zellen, der sich ebenfalls in medialer Richtung fortsetzt. Von LIV an erscheint dann die Tubereulum- rinde, durch die bekannte eigenartige guirlandenförmige Zusammen- legung kleiner r-Zellen gekennzeichnet. Sie tritt zuerst als ein isoliertes Häufchen in einer kleinen Vorbuckelung der Hemisphären- basis etwas medial von dem Ende der Riechrinde und der Furche d auf. Diese Lage kann leicht zu einer Verwechslung mit dem oben beschriebenen Haufen D’ führen. Doch schützt dagegen, abgesehen davon, dass D‘ sicher schon mindestens !/a—!/s mm früher verschwunden ist, die Form der Zellen sowie die Weiter- ausbreitung des zuletzt erwähnten Häufchens zu dem charakte- ristischen Bande der Tubereulumrinde. Dieselbe überzieht, langsam medial fortschreitend, den ganzen medio-basalen Teil der Hemisphäre. Dorsal von ihr werden die jetzt St K u. St K‘ ge- nannten Züge (Fig. 7) immer flacher, die Zellen derselben immer spärlicher. Von dorsal schiebt sich der Kopf des Streifenhügels, vielfach zackige Fortsätze in St K hineinschiebend, bis dicht an die Tuberculumrinde heran. Betreffs der Entstehung und Ausbreitung der vorderen Kommissur verweise ich auf S. 611. Ich hätte dann noch an zwei eigentümliche, in der Capsula externa gelegene Gebilde zu erinnern, erstens an die Rindenverdickung oder besser die Ver- dickung der innersten Rindenschicht (S‘) dicht ventral von der 628 Max Völsch: Fissura rhinalis (s. S. 608); auf die Tatsache, dass gerade an dieser Stelle die „prärhinencephale“ Rinde stets einen besonderen Bau zeigt, machte ich oben schon aufmerksam. Sodann an das Ge- bilde X, dass auf IL zuerst als ein vertikaler Zellstreifen in der Japsula externa an der Eintrittsstelle der Kommissur erscheint und sich oralwärts zu einem länglichen Dreieck mit ventraler Basis entwickelt, das bis in die Riechlappengrube verfolgt werden kann. Es ist mithin bisher nur für einen Teil der beschriebenen Zell- formationen die Identifikation mit bekannten Gebilden gelungen. Mit Sicherheit wurde St, St’ (St‘'?) als Striatum resp. als Nucleus lentiformis und Nucleus caudatus, n.st.t. als Nucleus striae terminalis oder „Begleitkern der Stria“ erkannt. Ob freilich Fig. 9a. Fig. 9. — — — Umrandung von T und M. Hemisphären-u. Striatumgrenzen. nn 5 ler ———- Umrandung der Stria terminalis R BurD: bezügl. ihres „Begleitkerns“. 0——0— Umrandung des Nucleus ansae peduncularis (G). Die schraffierte Partie — Ventrikel. noch andere Kernmassen zum Striatum zu rechnen sind, wird erst später zu entscheiden sein; nur Y und Z gehören wohl sicher dazu. Bezüglich des Kernes T+ M, der mit Sicherheit der umstrittene „Gansersche Mandelkern“ ist, weise ich hier nur auf die immerhin sehr erhebliche Differenz in den Formen der Zellen dieses Kerns und des Striatums, sowie auf die Tat- sache hin, dass er oralwärts sich weit früher verliert, als der Komplex St. Anatomie des Mandelkerns etc. 629 Mit grosser Wahrscheinlichkeit konnte G als Nucleus ansae peduncularis von Meynert, bezeichnet werden. Zweifelhaft bleibt die Bedeutung von B, T,M, D, D‘, B+D; sie alle kommen für die Homologisierung des Primatenmandelkerns in Frage. Zum besseren Verständnis zur Lage aller dieser Gebilde in der Hemisphäre und zueinander gebe ich beistehende, ganz schematische Zeichnungen (Fig. 9 u. 10). Fig. 9 zeigt die Situation in einer Ebene, welche der Fig. 3 entspricht, während Fig. 9a ungefähr Fig. 4 entsprechend ist, also weiter nach vorne liegt. Noch weiter nach vorne hat man sich den auf Fig. 9a von T+M eingenommenen Raum durch das weiter lateralwärts ausgedehnte, von der Capsula interna durchbrochene Striatum eingenommen zu denken, während medial der Raum der Kerne B und D von dem „basalen Spitzenkern“, sowie den in ihm enthaltenen Ge- bilden (D’, Q) eingenommen wird (vergl. auch Textfig. 7, S. 609). Fig. 10 zeigt eine grob- schematische Projektion der basalen Gebilde auf die basale Oberfläche. Die schraffierte Stelle bezeichnet die Lage der Zellformation Spa (und Spa‘), während die punktierte Partie die Lage derselben Formation darstellt, soweit sie von dem Tuber- culum olfactorium bedeckt ist (St.K, St .K‘); beide, Teile zu- sammen bilden eine breite, nach vorne sich anflachende Zellplatte. Die Furche d ist in ihrem vorderen Teile —= der fissura Tractus olfactorü (f. rhin. med.); in ihrem hinteren Teile ist sie die Grenze zwischen B —, wie in Fig. 9 durch eine unterbrochene Linie markiert, — und dem mehr in der Tiefe Fig. 10 (vergl. Text). Schematisch. liegenden und daher nicht pro jieierten Kern T. Es ist nicht ganz sicher, ob die beiden Teile der Furche ineinander über- sehen; sie sind daher in der Zeichnung durch eine punktierte Linie verbunden. 630 Max Völsch: Die Bedeutung der „Zellplatte“ Spa+StK ist noch un- gewiss. — Die Lage der Formation S‘ lässt an das Claustrum denken. X hat vielleicht (?) Beziehungen zum Hinterhorn der vorderen Kommissur. GK, der „Grenzkern“, gehört zum Stamm. Ich gehe nun zu der Durchsicht einer Frontalserie vom Igel über, welche in dem Laboratorium der Nervenklinik ge- schnitten und nach Weigert-Pal gefärbt ist. Jeder zweite Schnitt ist aufbewahrt. Schnittdicke 20 u. Die distalsten Schnitte LIX, 4, welche die (linke) Hemisphäre treffen, zeigen in dem ovalen Querschnitt unter der Molekular- schicht einen Faserring, dessen Fasern meist schräge, in spitzem Winkel zur Schnittebene verlaufen und daher eine grössere oder kleinere Strecke weit zu verfolgen sind. Im Zentrum des Ringes ein dichter Faserfilz. Weiter nach vorne wird der Faserring auf der lateralen Seite immer dünner, lässt sich bald gar nicht mehr nachweisen, auf der medialen Seite dagegen immer deut- licher. Im ventralsten Teil des so entstandenen medialen Faser- streifens verlaufen die Fasern nicht mehr schräge, sondern vertikal von dorsal nach ventral, schliesslich pinselförmig ausein- anderstrahlend (s. Textfig. 11, A,LVIIL,2). Gleichzeitig sondert sich aus dem zentralen Faserfilz in seinem medio-ventralen Teil eine Masse von querverlaufenden Faserstücken aus, die im ganzen in lateral-konvexem Bogen verläuft und vom medialen Faser- streifen durch graue Masse getrennt ist. Überall, besonders aber in ihrem ventraleren Teil, wird diese graue Masse von querverlaufenden Fasern durchzogen, welche aus dem erwähnten Bogen stammen und medial, an dem Faserstreifen angelangt, ventralwärts umbiegend, in ihn übergehen oder sich ihm lateral anlegen, eine kompakte mediale Fasermasse bildend. Die bogenförmige Fasermasse verdichtet sich (LVII) mehr und mehr, schiebt sich immer weiter dorsalwärts, und gerade aus dem dorsalen Teil der Verdichtung ziehen reichliche Fasern in schräge getroffenen, dichten Bündeln zu dem medialen Faser- streifen. Anatomie des Mandelkerns etc. 631 Auf LYIu. ff. teilt sich die mehrfach erwähnte Bogenfaser- masse in einen medialen und lateralen Teil; der letztere erweist un a EIS © 2) seo =, =— D (Combiniert aus LIV—LI.) Fig. 11. Schematische Darstellung der Faserentwicklung an Frontal- schnitten durch den hinteren Hemisphärenpol. Igel; linke Hemisphäre ; LVIII, 2, am weitesten kaudal. sich als das Mark der Hemisphäre, der erstere als Alveus (s. Textfig. 11, C). Medial vom Alveus liegt die Zellmasse des Ammonshorns, noch weiter medial jene erwähnte mediale 632 Max Völsch: Fasermasse, ventral aus längsgetroffenen Fasern, im dorsalen Teil aus schräge und quergetroffenen Bündeln bestehend. Mit ihr verbunden und von ihr nicht mehr zu scheiden ist der mediale Faserstreifen ; der letztere dürfte von etwa LV ab über- haupt nicht mehr vorhanden sein, und die medialen Fasern wären von da ab lediglich als die Tangentialfaserung des Ammons- horns aufzufassen. In der grauen Substanz medial vom Alveus vielfache Faserverflechtungen (Textfig. 11, C). Man erkennt aus diesen Bildern die bekannte Ammonsschichtung wieder: den Alveus, die Zellschichten und das Stratum zonale. Der medial liegende, eingerollte Teil des Ammonshorns (dorsales Blatt, Kölliker), sowie die Fascia dentata können hier unberück- sichtigt bleiben. | Aus der Fasermasse des Hemisphärenmarks gehen immer deutlicher radiäre Fasern nach der Rinde ab, an der Abgangs- stelle vom Marke überall von longitudinalen, also in der Schnitt- ebene verlaufenden, das Mark umziehenden Fasern (Associations- fasern) durchflochten. Von LV ab erscheint auf dem Querschnitt das dorsale, bei der Zellschnittserie bereits genügend besprochene Hemisphären- dreieck, von dem basalen Oval durch die Fissura rhinalis lateralis ({.rh.1.= o) getrennt. Von LIII an öffnet sich das Lumen des Ventrikels; derselbe verläuft auf diesen Frontalschnitten immer in grossem Bogen von dorsal nach ventral; der ventrale Teil biegt plötzlich scharf nach medio-ventral ab.) An der konvexen Seite dieser Umbiegungsstelle, entsprechend der latero-ventralen Ecke der Hemisphäre, sieht man stets eine besonders starke Entwicklung des durch die Radiär- und Longitudinalfaserung gebildeten Netzes, das sich weithin nach jener Ecke hin aus- breitet (s. Textfig. 11D). An dem vertikal verlaufenden Schenkel des Ventrikels besteht die Markfaserung im wesentlichen aus schräg- oder längsgetroffenen, dorso-ventral ziehenden Fasern, während die dem ventralen, horizontalen Schenkel des Ventrikels an- liegende Markmasse vorwiegend oder ausschliesslich aus quer- getroffenen Faserbündeln besteht. Es handelt sich bei den letzteren vermutlich um die Projektions- und Associationsfaserung aus den distalsten Teilen der Hemisphäre, welche auf dem weiter ‘) In Textfigur 11D der weisse Raum lateral vom Alveus. Anatomie des Mandelkerns etc. 633 unten zu beschreibenden Wege späterhin die übrige Markmasse erreicht (s. Fig. 8). Eine Scheidung dieser Massen, etwa in ein Stratum sagittale externum und internum lässt sich nicht nachweisen. Inzwischen hat sich an der Basis die Furche d heraus- gebildet, und damit markiert sich das Gebiet des Kerns B. In ihm sieht man allenthalben ein unentwirrbares Netz feiner, kurz- geschnittener, in allen Richtungen verlaufender Fasern, das lateral in das Fasernetz an der Umbiegungsstelle des Ventrikels übergeht, dorsal an die eben beschriebene „oceipitale“ Mark- faserung grenzt. Auf den Schnitten von LI ab beginnt ferner T sich zu markieren, und zwar liegen die Zellmassen zum Teil noch in dem Fasernetz der Umbiegungsstelle, zum Teil dorsal und medial davon längs dem horizontalen Ventrikelscherkel. Der Kern wird ventral von Fasern umfasst, die aus dem Netz der Umbiegungsstelle medio-ventralwärts ziehen. Er ist ferner von schräggetroffenen Fasern und Bündelchen durchsetzt, die aus dem Marklager stammen und in schräger Richtung nach der ihn latero-ventral umfassenden Fasermasse hinziehen. Weiterhin werden diese Bündel immer kompakter, schieben sich immer weiter in den ventralen Teil des Kerns vor, und, da sie meist schräge zur Schnittebene verlaufen und kurz abgeschnitten sind, bekommt der Kern ein hermelinartiges Aussehen. Allmählich dehnt er sich mehr und mehr aus und erhält die parabolische Form, welche die Zellpräparate zeigten. Gleichzeitig wölbt er die Ventrikel- wand dorsalwärts vor (Fig. 8 u. 9). In dem Fasernetz der Umbiegungsstelle sind viele Zellen in die Maschen des Netzwerkes eingestreut (Fig. 10). Was nun die Art und Herkunft der verschiedenen, er- wähnten Fasern betrifft, so besteht das Fasernetz der Umbiegungs- stelle ausser aus Longitudinalfasern aus einer sehr massenhaften Radiärfaserung, welche von jener Stelle nach allen Seiten in die Rinde des Rhinencephalons ausstrahlt. Speziell die Faserung, welche den T-Kern ventral umzieht, dürfte im wesentlichen die Radiärfaserung zu dem Teil der Rinde darstellen, welchen ich oben als Randstreifen T bezeichnete. Das zunächst unentwirr- bare Fasernetz in dem Haufen B wird allmählich spärlicher; es sondert sich auf VL in dem lateralsten Teil von B bezw. schon mehr auf der Grenze zwischen T und B eine Fasermasse ab, welche, den Kern T medial umziehend, dorsalwärts gegen das Marklager 634 Max Völsch: am Boden des Ventrikels strebt. Vielleicht stellt sie einen Teil der Radiärfaserung aus dem Randstreifen B dar. Medial wird B immer faserärmer, und auf VIL ist der medialste, durch die Furche 3% abgeschnürte Teil (B‘) fast faserfrei. Jedenfalls wird der Kern T durch alle die erwähnten Faser- massen in eine Art von Kapsel eingehüllt, deren ventraler Teil sich als ein Faserfilzwerk präsentiert, das sich ohne deutliche Grenze in das Hemisphärenmark lateralwärts fortsetzt (Fig. S—10). Die Bündel innerhalb des Haufens T stammen aus der am Boden des Ventrikels liegenden Markschicht; zum grössten Teil durchziehen sie sicher den Kern und biegen in jenes ventrale Fasernetz ein. Der Durchbruch stellt nach dem oben gesagten den Übergang der oceipitalen Markfaserung in die Hemisphären- markmasse dar. Ob ein Teil jener oceipitalen Fasern auch in dem Kern T endet, vermag ich nicht zu entscheiden. Auf VIIL, 2, beginnt der Kern D (s. Fig. 9); das dorsale Marklager schiebt sich etwas zwischen T und B ein, und etwas medial von ihm entwickelt sich D, sich schnell vergrössernd und auf Kosten von B‘ in die Spitze der Hemisphäre vorschiebend, von IXL an sie tatsächlich bildend. Denn hier hat sich der letzte Rest des kümmerlichen unteren Ammonshorns verloren, welches sich, wie hier nachgetragen werden mag, auf IVL von dem oberen Horn trennte; es bietet keine Besonderheiten (s. Fig. 8). Fast gleichzeitig mit D, deutlich auf VIIIL, 4—2 (s. Fig. 9), tritt lateral vonD und ihm unmittelbar anliegend, an der Grenze des Ventrikels eine schmale Fasermasse auf, deren Fasern in vertikaler Richtung verlaufen und dadurch erheblich gegen die anliegende oceipitale Markfaserung abstechen. Zwischen den Fasern liegen graue Massen in unregelmässiger Anordnung (Fig. 9, St. t.). Ventral hiervon, in der erwähnten Fasermasse, welche den Kern T medial begrenzt, liegt ein kleines, längliches, schräge vertikal (von ventro-lateral nach dorso-medial) verlaufendes Faserbündelchen (Fig. 9*), welches aus einer Zellgruppe. lateral von der nur ange- deuteten Furche # kommt; es handelt sich um Zellen aus dem bei den Zellpräparaten erwähnten Randstreifen B. Das Faserbündelchen endet dorsal mitten in dem Kerne B mit einer leichten Auf- splitterung (s. Fig.9). Nach wenigen Schnitten ist es verschwunden. An der Stelle aber, wo vorher sein dorsales Ende lag, liegt ein Anatomie des Mandelkerns etc. 635 kleiner Bündelquerschnitt Q; das Bündelchen ist also offenbar in die sagittale Richtung umgebogen. Seinen Querschnitt kann man nun über Objektträger IXL und XL verfolgen; es scheinen ihm auch Fasern aus der Umgebung zuzufliessen. — Geichzeitig breitet sich die am Ventrikel gelegene vertikale Fasermasse St. t. sowohl in transversaler Richtung wesentlich aus, als auch dringen ihre Fasern fächerförmig allmählich immer weiter ventralwärts vor; ein erheblicher Teil derselben nähert sich dem Querschnitt Q. Die ganze, von dorsal her vordringende Bildung ist unzweifelhaft die Stria terminalis. Sie wird ebenso, wie die in sie unregel- mässig eingelagerte, vielleicht ihr auch teilweise noch lateral angelagerte graue Substanz (der „Begleitkern“ der Stria, N.st.t.) immer mächtiger. Sie zieht sich dorsalwärts aus, ventral aber erkennt man (XXXIX, s. Fig. 10) einstweilen folgende Endigungen: 1. Medial breiten sich ihre Fasern fächerförmig in D aus, teils einzeln verlaufend, teils — die medialsten — in Form eines schmalen medio-ventralwärts auseinander strahlenden Bündelchens. 2. Weiter lateral ziehen reichliche Faserbündel zu dem Querschnitt Q, jetzt augenscheinlich in ihn umbiegend. 3. Noch weiter lateral endlich, dringen noch reichlichere Fasermassen in den Kern T ein. Sie müssen dazu breite graue Massen durchsetzen, welche sich in- zwischen zwischen T und dem Ventrikel gebildet und T von der Ventrikelwand abgedrängt haben, nachdem sich die oceipitale Markstrahlung durch die erwähnte fortwährende Abgabe von Fasern und Bündeln in T hinein und durch T hindurch allmählich erschöpft hat. Jene grauen Massen dürften zum Teil noch zum Begleitkern der Stria gehören, zum grösseren Teil aber stellen sie die Anfänge des Striatums (Cauda nuclei caudati) dar (s. Fig. 10). Eine Scheidung des etwa zum Begleitkern der Stria gehörigen Anteils des Graus von dem Striatum ist nicht möglich. Nach der Durchsetzung des Graus erreichen die Striabündel und -Fasern T; in ihm finden sich noch längere Zeit jene quer- oder schräggetroffenen Faserbündel, welche ihm das hermelinartige Aussehen geben, und jetzt (s. Fig. 10) sind es gerade jene aus der Stria stammenden Bündel, welche diese Wirkung hervor- bringen. Was den weiteren Verlauf dieser Fasern betrifft, so mögen viele von ihnen in dem Kern T ihr Ende finden; sicher aber durchziehen auch erhebliche Mengen derselben den Kern, um lateral in die immer gewaltiger anschwellende Hemisphären- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 42 636 Max Völsch: markmasse überzugehen. Dorso-lateral wird T jetzt von dem Kern M begrenzt (Fig. 9 u. 10); derselbe erscheint zuerst auf VIIIL, 3, als graue Masse an der Spitze der Parabel T, gerade an der Umbiegungsstelle des Ventrikels. Er vergrössert sich schnell, hat dreieckige Form, umzieht mit der Basis die Spitze von T; eine Seite stösst an das Fasernetz der Capsula externa, die andere an den Ventrikel, welcher von diesem Kern dauernd nur durch einen ganz dünnen Markbelag getrennt ist. Einerseits ziehen Fasern aus M in das latero-ventrale Mark, andererseits aus dem schmalen Marksaum am Ventrike), endlich wohl auch aus der Stria in ihn hinein. Doch sind alle diese Züge unver- gleichlich spärlicher als die entsprechenden in T, und demgemäss ist, wenigstens in den distaleren Teilen, das Grundfasernetz in M auch viel spärlicher als in T; dadurch lassen sich die Kerne zunächst gut unterscheiden, während sich später allerdings dieser Unterschied verwischt. Zwischen M und T einerseits und St (s. u.) andererseits bildet sich eine schmale, im allgemeinen von dorso-lateral nach medio-ventral verlaufende Faserung heraus, die diese Massen dauernd voneinander scheidet. Vielfach sieht man aus ihr Fasern und Faserbündelchen in M und T eintreten oder anderer- seits nach dem ventro-lateralen Mark hinstreben. In die Faserung zwischen M + T und St eingebettet sieht man stellenweise in wechselnder Menge schmale, graue Massen (K). Fig. 10 ist die Faserung angedeutet; Fig. 11 ist siemit den in ihr enthaltenen Massen K deutlich. Auf XXXIX, 4, tritt zuerst zwischen T+-M und Begleitkern der Stria am Ventrikel die graue Masse des Striatum auf (Fig. 10), die schon hier schwierig und weiterhin noch weniger von dem Begleitkern zu scheiden ist. Zuerst erscheint die Cauda, bald nicht mehr gegen die auf den nächsten Schnitten auftretenden Massen des Nucleus lentiformis abgrenzbar. St ver- grössert sich andauernd, M+T immer mehr in die Tiefe drängend;; gleichzeitig wird dieser Doppelkern, der seine grösste Ausdehnung auf XL, 1, erreicht, kleiner. B dürfte hier ganz verschwunden und durch den „basalen Spitzenkern“ (B-+D) ersetzt sein. Vielleicht enden in diesen Höhen Fasern aus der Stria auch in dem Striatum, welches jetzt die ganze Ventrikelbasis erfüllt. Sicher gehen Fasern aus ihr (XXXVII) auch direkt in die tiefe, als Capsula externa aufzufassende Markmasse über, welcke M+T - Anatomie des Mandelkerns etc. 637 umzieht. Die letztere steht, wie früher mit dem Fasernetz des Kernes B, so jetzt mit einem ebenso feinen Fasernetz in Ver- bindung, welches den basalen Spitzenkern ausfüllt und zum Teil wenigstens aus den medialen Teilen der Striafaserung sich zu- sammenzusetzen scheint (s. Fig. 11). Mitten in diesem Fasernetz, von ihm nicht ganz scharf getrennt, aber doch deutlich sich ab- hebend, findet sich nun wiederum ein Bündelquerschnitt Q (Fig. 11). Wie oben geschildert, erreichten die Striafasern auf Objektträger XXXIX ein von distal heranziehendes, sich im Querschnitt zeigendes Faserbündelchen. Auf diesem und dem folgenden Objektträger strömen ihm reichliche Bündel aus der Stria zu (Fig. 10). Alsdann erschöpft sich der Zuzug in Form kompakter Bündel, und von XXXVII ab bleibt nur ein Querschnitt übrig, welcher indessen erheblich grösser ist als der früher geschilderte, hinter dem Eintritt der Stria gelegene. Die entsprechenden Fasern derletzteren sind offenbar zum grösseren Teiloralwärts, zumkleineren kaudalwärts umgebogen. Der Querschnitt senkt sich in seinem Ver- laufe nach vorne, sich allmählich durch Aufnahme immer neuer einzelner Fasern aus der Stria vergrössernd, etwas ventralwärts und strebt gegen eine auffällige, im ventralen Teil des basalen Spitzenkerns gelegene Zellansammlung hin; es handelt sich offen- bar um den Kern D' (Fig. 11). Mit den Zellen dieses Kerns gehen die Fasern des erwähnten Bündels Verbindungen ein (vergl. die Zellpräparate), indem sie sich massenhaft ventralwärts wenden und in den Kern einstrahlen. Vielleicht erklärt die hiermit verbundene Auflockerung die noch immer kenntliche Vergrösserung des Bündelquerschnittes in dieser Gegend, in welcher sich neu eintretende Striafasern kaum noch nachweisen lassen. Jedenfalls aber stösst auch die Annahme auf keine Schwierigkeit, dass ein reichlicher Zuzug zu dem Bündel aus der Fasermasse des Spitzenkerns, also indirekt wohl auch aus der Stria gelangt; auf XXXVI ziehen noch immer Striafasern ganz medial in diese Kernfasermasse hinein. Bis XXXII erhält sich so das Bündel, fortwährend Fasern in den Kern D’ ab- gebend; dann ist es nicht mehr aus dem umgebenden Fasernetz herauszusondern. Auf XXXH verschwindet auch der Kern D‘. Schon erheblich früher, zunächst sehr spärlich, dann reich- licher, aber immerhin bezüglich der Zahl der Fasern mit dem eben beschriebenen Bündel nicht zu vergleichen, treten aus 42 * 638 Max Völsch der ventralen Seite des D‘-Kerns Fasern aus (Fig. 12); sie lassen sich ziemlich gut verfolgen, weil in dieser Schnitthöhe das erwähnte, feine, den Spitzenkern ausfüllende Fasernetz sich mehr auf den dorsalen Teil desselben beschränkt, den ventralen fast völlig freilassend; so sieht man die Fasern, die lateralen in gestrecktem Verlauf, die medialen in zierlichen Bögen nach dem Stamm hinziehen und sich hier zunächst in einem Gebiet ver- lieren, dessen Besprechung hier angeschlossen werden mag. Seit lange, etwa von Objektträger L ab, kann man an der Basis des Stamms einen dunklen Querschnitt grober Faser- bündel verfolgen. Derselbe besteht zuerst nur aus wenigen Bündeln, vergrössert sich durch Zuzug von Fasern von dorsal her allmählich und bildet von etwa VL ab ein schräge liegendes- Oval, das immer an der Stelle der Basis des Stammes sich findet, an welche der temporale Hemisphärenpol sich anlagert (Fig. 9 und 10 G.L.). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das Bündel identisch ist mit dem „basalen Längsbündel“ Gausers. Weiter schiebt sich dann der Tractus opticus zwischen Stamm und Hemisphärenspitze. Von XXXVIIH an aber bat er sich zur Basis heruntergezogen und hier, in der Gegend des hinteren Randes des Chiasma, zeigt sich nun folgendes Bild (Fig. 11). An der beschriebenen Stelle des Stammes, über dem lateralsten Teile des Tractus opticus, durch etwas graue, von transversalen Fasern durchzogene Masse von ihm getrennt, liegt der horizontal längliche elliptische Querschnitt des „basalen Längsbündels“, darüber ein Feld (auf Fig. 11 N.a.p.) schräge und transversal verlaufender Fasern, die in die lateralen Teile des Pedunculus übergehen. Man wird dieses Feld, wie sich aus der Rückwärts- und Vor- wärtsverfolgung desselben ergibt, wohl zum Pedunculus zu rechnen haben. Vermutlich enthält es die als Hirnschenkel- schlinge bezeichneten Fasern. Noch weiter latero-dorsal der Pedunculus, aus dessen dorsaler Seite massenhaft die Stabkranz- faserung des Thalamus in den letzteren übergeht. Medial von diesen Gebilden aber liegt als lateralster Teil der Regio sub- thalamiea (auf der Figur nicht mehr sichtbar) eine ebenfalls quergeschnittene Fasermasse, die, besonders auf weiteren Schnitten, die Gestalt eines Halbmondes annimmt, in dessen Konkavität die graue Masse des zentralen Höhlengraus mit dem Querschnitt des aufsteigenden Fornixschenkels liegt. Später nimmt die Faser- Anatomie des Mandelkerns etc. 639 masse, die ich das mediale Längsfaserfeld (M.L.F.) nennen will, die Gestalt eines Keiles an (s. Fig. 12). Wie überhaupt in diesem Felde eine sehr lebhafte Faseraufnahme aus dem zentralen Grau überall nachweisbar ist, so sieht man auch auf XXXVII reich- liche Fasern aus ihm in die Kommissuren des hypothalamischen Gebietes ziehen. Wenn ich dieses Feld, ohne übrigens. auf die Genese und Bedeutung der darin enthaltenen Längsfaserung genauer einzugehen, rückwärts verfolge, so finde ich, dass es sich aus der Forelschen Zona incerta entwickelt. Es sticht gegen das Gansersche Bündel stets sehr deutlich durch die Feinheit seiner Fasern ab, zwischen welchen sich diffus graue Substanz befindet. Von XXXVII, 2, ab steigen aus all den genannten Feldern Fasern schräge dorso-medialwärts auf (Fig. 11) und zwar aus dem Ganserschen „basalen Längsbündel“ und jener inter- mediären Zone zwischen ihm und dem Peduneulus (Fig. 11, N.a. p.) grobfaserige, aus M. L. F. viel feinfaserigere Bündel. Auf XXXVI hält diese Faserabgabe an, gleichzeitig hellt sich das intermediäre, jetzt dreieckige, dasGansersche Bündel jetzt lateral umfassende Feld auf. Es besteht weiterhin aus einer sich namentlich in trans- versaler Richtung immer mehr ausdehnenden grauen Masse, welche von reichlichen, quergeschnittenen Faserbündeln der Capsula interna durchsetzt ist, an deren Basis es angeschmiegt liest. Es grenzt dann medial an das Grau, in welchem, wie später gezeigt werden wird, sich die absteigende Ausstrahlung des vorderen Striaschenkels ausbreitet, lateral zieht es sich bis dicht zum Linsenkern hin und ist von ihm nur durch eine Faserung getrennt, welche in vertikaler Richtung aus letzterem zum basalen Spitzenkern sich begibt (Fig. 12). Es mag an dieser Stelle erwähnt werden, dass eine Linsenkernschlinge, wenn über- haupt, nur ganz spurweise nachweisbar ist; auch Ganser hat bei Talpa eine Linsenkernschlinge nicht gefunden. — Das erwähnte Grau ist sicher identisch einerseits mit der Zelleruppe G in den Präparaten der Zellserie, andererseits mit dem Nucleus ansae peduneularis Meynerts, einer nach obigem, wie mir scheint, nicht so unpassenden Bezeichnung, oder dem Basalganglion Köllikers; ich bezeichne es fortan mit Meynert als N.a.p. Auch aus N.a.p. steigen, ebenso wie aus dem Pedunculus selbst, viele Fasern zum Thalamus auf. Die Gesamtheit aller dieser 640 Max Völsch: Fasern, inkl. der aus den Längsfeldern stammenden, dürfte als unterer Thalamusstiel aufzufassen sein. Derselbe zieht sich nach einigen Schnitten sozusagen dorsalwärts zurück, als Ausdruck des ventro-caudal nach dorso- oral gerichteten Verlaufs desselben. Danach treten die erwähnten Längsbündel wieder scharf hervor; es ist dieses der Bezirk, in welchem sich die Transversalfasern aus der ventralen Seite des Kerns D’ zu verlieren scheinen. Im übrigen fällt auf, dass der Querschnitt des Ganserschen Längsbündels jetzt erheblich stärker ist als früher. Es dürfte daher die Annahme berechtigt sein, dass sich grössere Fasermengen aus dem Thalamusstiel dem Längsbündel zugesellt haben und es nach vorne umbiegend nun- mehr auf seinem Zuge begleiten. Eine Scheidung des Ganser- schen Bündels und der aus dem Thalamus stammenden Bündel ist mir nicht möglich; ich nenne die Gesamtheit der Fasern das laterale Längsfaserfeld (L.L. F.). Ferner zeigen sich von XXXVI ab zwischen den Fasern dieses Feldes zuerst nur wenige, dann immer zahlreichere grosse, hell hervortretende Zellen. Sie sind identisch mit den als Spa bezeichneten Elementen der Zell- präparate. Von XXXIV an beginnt nun eine Seitwärtsschiebung der Fasern des L.L.F., die Fasern, vorher meist quergetroffen, dringen, nachdem sie wieder in die Schnittebene umgebogen sind, als kompakte Bündel in schräger Richtung von medio- ventral nach latero-dorsal über das aus der Stria stammende Längsbündel (Q) hinweg in den Spitzenkern hinein (s. Fig. 12). Auf XXXI verschwinden dieses Bündel, der dazugehörige Kern D' und mit ihnen natürlich auch die aus letzterem entspringende Transversalfaserung, und von nun an erfüllt die schräg ver- laufende Faserung aus L.L.F. allmählich den ganzen Bezirk des früheren Spitzenkerns, in starken Zügen gegen die Capsula externa und die Basis des in sie eingelagerten Dreiecks X hin- ziehend. Sie enthält viele grosse Zellen, die die Fasermasse wie die Löcher eines Siebes durchbrechen. Dorsal grenzt sie an den immer ausgedehnteren N.a.p., latero-dorsal an das Hinterhorn der vorderen Kommissur und an spärliche graue Massen ventral von letzterer, welcheichbeiden Zellpräparaten mit Y bezeichnete undzudemLinsen- kern rechnete. An der ventralen Seite dieser Fasermasse, welche die Zwischenräume zwischen den in den Zellpräparaten mit Spa bezeichneten Zellen ausfüllt, zieht sich an der basalen Oberfläche Anatomie des Mandelkerns etc. 641 der Hemisphäre ein Fasergebiet hin, das ich von der eben be- schriebenen Fasermasse trennen möchte; die Fasern verlaufen in ihm mehr horizontal aus der Gegend des Tractus olfactorius nach L.L. F., ohne dass direkte Fortsetzungen aus dem Traetus olfactorius in ihm sich nachweisen liessen; es fehlen in ihm jene grossen, charakteristischen Zellen. Ich bezeichne den Zug als transversales Faserfeld (Tr. F.); er scheint mir auf XXXII zu beginnen, doch da er denselben Raum einnimmt wie vorher der transversale Zug aus D‘, ist es sehr wohl möglich, dass der Be- ginn früher liegt, und dass eine Strecke weit beide Züge neben- einander bestehen. Ich zweifle nicht, dass Tr. F. mit den spindel- förmigen Zellen in Verbindung steht, welche ich als Spa’ be- zeichnete. Endlich will ich noch erwähnen, dass, nachdem die Um- biegung der Fasern von L.L.F. bereits weit vorgeschritten ist, in der Masse der schräge transversal verlaufenden Fasern sich noch einzelne Bündelquerschnitte markieren, deren Lage und wohl auch Ausdehnung ganz und gar dem ursprünglichen Ganserschen Bündel entspricht. Sie lassen sich über Objekt- träger XXX und XXXI verfolgen. Die Vermutung liegt nahe, dass das Gansersche Bündel in L.L.F. seinen alten Platz be- halten hat und somit, wenn überhaupt, erst sehr spät die lateral gerichtete Umbiegung des letzteren mitmacht. Unterdessen ist der Kern M + T seit XXXIX immer kleiner geworden, sowohl in der Höhen- als namentlich in der Breiten- ausdehnung; er wird durch den immer stärker anschwellenden Linsenkern gewissermassen seitlich zusammengedrückt. In seinem ventralsten Teil treten zuerst auf XXXVI Faserbündel aus der Commissura anterior auf; da diese Bündel schräge den Schnitt durchziehen, erhält die basale Fläche des Kerns M+T ein zackiges Aussehen (Fig. 11); zwischen den Bündeln der Kommissur bleiben noch Zacken von grauer Masse stehen. Auf XXXV bricht die Capsula interna durch das Striatum nach der Capsula externa durch; der Durchbruch erfolgt nicht in einer kompakten Masse, sondern in einzelnen Zügen, zwischen welchen Ganglienmassen erhalten bleiben; es existiert also nur ein medialer Teil der Capsula interna im eigentlichen Sinne. Immerhin sind auch in ihrem lateralen Teil die Züge so kompakt, dass man einen Linsenkern und einen Schweifkern, durch intra- 642 Max Völsch: faszikuläre Ganglienmassen verbunden, wohl unterscheiden kann. Der Linsenkern besteht (Fig. 11) aus zwei, nicht deutlich ge- schiedenen Gliedern; das mediale Glied schiebt sich, besonders weiter oralwärts, ziemlich weit in die Zellmasse B+D vor („Stiel des Linsenkerns“); an der Basis des äusseren Gliedes sieht man vielfach einen rundlichen, etwas helleren, weil faser- ärmeren Teil, der wohl als Cauda nuclei caudati aufzufassen ist (s. Fig. 11). Über den Nucleus caudatus selbst ist besonderes nicht zu erwähnen. Starke Faserbündel aus der Capsula interna erreichen die Capsula externa an der Grenze von M-+T und St, nachdem sie vielfach ein Stück weit in der Faserung zwischen den beiden Kernen (s. oben) hingezogen sind; man könnte die letztere da- nach mit einigem Recht als Capsula media bezeichnen; sie ist übrigens von XXX] ab nicht mehr deutlich. Auf XXXIII ist das Hinterhorn der Commissura anterior schon sehr deutlich ausgebildet (Fig. 12); es erscheint für eine lange Reihe von Schnitten in zwei Etagen, einer dorsalen und einer kleineren ventralen. Sicher umzieht es T+M und geht nicht etwa zwischen diesen Kernen und dem Linsenkern hin- durch. Übrigens ist T+M hier schon stark reduziert und liegt nur noch als kleines Oval dem unteren äusseren Linsenkernwinkel an; auf XXXII ist es infolge des Verschwindens der Capsula media überhaupt nicht mehr von dem Linsenkern zu differenzieren; aus den Zellschnitten ist zu ersehen, dass es bald gänzlich verschwindet. Auf XXXH taucht in dem Ausstrahlungsbezirk der unteren Bündel der Commissura anterior in die Capsula externa hinein eine schwache, allmählich sich vergrössernde Kernmasse auf, die die Form eines länglichen Dreiecks mit ventraler Basis hat und sich bis in den Riechlappen hinein verfolgen lässt. Die Fasern der Kommissur durchziehen den Kern, endigen vielleicht auch in demselben ; es handelt sich um den früher mit X bezeichneten Kern. Auf XXXI treten, ventral von dem Hinterhorn der vorderen Kommissur, das allmählich medialwärts vorrückt, spärliche graue Massen auf; sie werden nach vorn zu massiger, besonders nach- dem auf XXIX die Vereinigung des Hinterhorns mit dem — übrigens seit XXXII sichtbaren — Mittelstück der Kommissur stattgefunden hat. Dann ragen diese Massen unregelmässig Anatomie des Mandelkerns etc. 643 zackig in die Kernfasermasse dorsal vom Tuberculum olfactorium hinein; sie steht durch N. a. p. ohne deutlichen Übergang mit der grauen, zentralen Masse in Verbindung. Zahlreiche Ab- sprengungen finden sich in jener Fasermasse. Über die Zuge- hörigkeit dieser Masse zum Striatum ist schon oben sowie auch bei den Zellpräparaten gesprochen worden. — N.a.p. wird hier spärlicher, indem von dorsal immer mehr quergetroffene Bündel sich loslösen und den von dem Kern eingenommenen Raum durch- setzen; es schiebt sich die Kapsel immer weiter ventro-medial- wärts. Da ferner das mediale Längsfaserfeld sich immer mehr ausbreitet, indem es nicht nur in noch höherem Maße als früher Fasern in die medialen zentralen, grauen Massen, sondern auch in das Gebiet der Capsula interna resp. N. a. p. abgibt, da endlich, wie erwähnt, dorsal das Mittelstück der Kommissur sich immer weiter lateralwärts ausbreitet, so entsteht, ventral von ihr, in dem zentralen Grau, ein ventral von den Bündeln der Capsula interna und dem medialen Längsfaserfeld begrenztes Ellipsoid, das ich als den von Ziehen bei Pseudochirus beschriebenen Kern der vorderen Kommissur ansprechen möchte; ich wies bei den Zellpräparaten auf eine entsprechende Zellansammlung hin. An der Basis beginnt auf XXX eine Anhäufung eigentüm- licher, grauer Masse in Gestalt einer kleinen, sich stetig ver- grössernden Vorwölbung; die ersten Anfänge liegen etwas medial von der Furche d, in welcher seit XL der nach vorne zu sich vergrössernde Tractus olfactorius lateralis verläuft. Von hier aus breitet sich die graue Masse lateral und medial aus; es ist der Beginn des Tuberculum olfactorium. Zwischen jenen An- fängen desselben und d, aber auch in die Hervorwölbung selbst hinein senken sich die Fasern des Tractus olfactorius dauernd in grosser Zahl in die Tiefe. Sie verlieren sich hier in den dorsal von der Formation gelegenen Partien. In diesen trifft man zunächst Tr. F., den mit den Zellen Spa’ in Verbindung stehenden transversalen Faserzug. Derselbe verläuft dicht unter der Rinde des Tuberculum und senkt sich da, wo diese Rinde medialwärts aufhört, bis unmittelbar zur Oberfläche hinab. Mit der medialen Ausbreitung der Tubereulumrinde rückt dieser Punkt natürlich immer weiter medialwärts. Der Zug strebt dann in derselben Richtung weiter; er verliert sich jetzt nicht mehr in dem Gebiet des lateralen Längsfaserfeldes, welches nach dem 644 Max Völsch: Abbiegen der letzten Fasern des Ganserschen Bündels nur noch aus schrägen, transversal in der Schnittebene verlaufenden Fasern besteht, sondern es eilt ventral an ihm vorbei der Mittellinie zu. Dorsal von Tr. F. liegt dann nach wie vor die mächtige Zellfasermasse, vom Gebiet des L. L. F. bis zur Capsula externa reichend, welche ich, soweit sie vom Tuberculum olfactorium bedeckt ist, als St K, im übrigen als Spa bezeichnete. Auf XXVII bildet sich das Septum pellucidum, sowie das Vorderhorn der Commissura anterior heraus, und alsbald beginnt eine massenhafte, bogenförmige Ausstrahlung von Fasern aus dem basalen Gebiet in das Septum pellueidum. Am ventralsten (bezw. medialsten) verlaufen die feinen Fasern aus Tr. F., am dorsalsten (lateralsten) die ebenfalls feinfasrige Strahlung aus dem medialen Längsfaserfeld, welches andererseits auch viele Fasern zu den Zügen der Capsula interna schickt. Zwischen ihnen endlich liegt die Ausstrahlung viel gröberer Fasern aus dem lateralen Längsfaserfeld, das, obwohl eine Längsfaserung nicht mehr enthaltend, noch immer durch seine grossen Zellen und seine dunklen Fasern sich deutlich abhebt. Der Raum St K hat sich inzwischen durch immer weiteres ventrales Vordringen des Striatum ganz allmählich von hinten nach vorne abgeflacht, während das letztere N.a.p. völlig ver- drängt hat. Es schickt grosse, zackige Fortsätze in die Faser- masse St K hinein. Die Zellen derselben werden spärlicher; die Fasermasse nimmt nach vorn zu medial fortschreitend mehr Querschnittscharakter an. An der Basis aber schiebt sich die Tubereulumformation immer weiter medial, den alsSpa bezeichneten Anteil der Zellfasermasse sowie die soeben beschriebene Bogen- faserung zum Septum pellucidum gewissermassen vor sich her- schiebend. Von XXV an wird die Masse Spa auch von latero-dorsal her eingeengt, indem sich das Striatum von unten her um die mediale Seite des Vorderhorns herumschlägt (Kern Z). Auf XXVI stösst dieser Kern, der dem Nucleus accumbens Ziehens homolog ist, ventro-medial mit der Tuberculumrinde zusammen, welche nunmehr die ganze Basis umzieht. Der Tractus olfactorius sendet dauernd eine starke, trans- versale Tangentialausstrahlung nach dem Lobus pyriformis, während die entsprechende mediale Strahlung nach dem Tuberculum olfac- torium sehr viel schwächer und kürzer ist. Es wurde schon Anatomie des Mandelkerns etc. 645 erwähnt, dass aus letzterem zahlreiche Fasern in die Tiefe des Tubereulum olfactorium ziehen, zumal auch zu den distalsten, sich als kleine, basale Hervorwölbung präsentierenden Teilen des- selben. Die letztere ist nicht identisch mit der kleinen Hervor- wölbung, in welcher der Kern D’ liegt; ich betone das nochmals ausdrücklich, da ich aus den Abbildungen Gansers den Ein- druck habe, dass es dieses letztere Gebilde ist, welches er als Nucleus tractus olfactorii bezeichnet. Ich vermag aber beim Igel eine Faserverbindung zu dem Kern D‘ nicht auffinden ; immerhin bin ich, zumal die Entfärbung mancher Schnitte gerade in diesen basalsten Teilen nicht durchaus tadellos ist, hierüber nicht ganz sicher; jedenfalls könnten diese Verbindungen nur spärliche sein. Auch ist der Traetus olfactorius nach hinten bis in eine Gegend zu verfolgen, in welcher D’ längst verschwunden ist (s. Fig. 9 u. 10). Der Kern kann also nicht den letzten kleinen Rest des Tractus aufnehmen, wie Ganser annimmt. Ich habe mehrfach des an der Umbiegungsstelle des Ventrikels liegenden Fasernetzes Erwähnung getan. Die Rinde ist an dieser Stelle etwas breiter als sonst im Rhinencephalon ; das Netz entsteht durch innige Verpflechtung der langen, radiären Fasern mit der besonders stark ausgebildeten Longitudinal- faserung des tiefen Marks. Es geht, wie erwähnt, medio-ventral in das Fasernetz des Kerns B resp. der weiter vorn an seiner Stelle lagernden Gebilde über, dorsal in das längs dem Ventrikel hinabsteigende Mark; es stellt eben eine Verdickung dieses Marks dar. In den Maschen des Netzes liegen stets viele Zellen. Auch weiter oral, wenn die Kerne T und M sowie das Striatum den Ventrikel dorsalwärts geschoben haben, bleibt an jener Stelle, also an der latero-ventralen Ecke der Hemisphäre und lateral von den soeben genannten Ganglien, das Fasernetz des Marks immer besonders ausgedehnt. Ganz auffallend stark entwickelt sich diese Markmasse, wenn die Bündel aus der sagittal ver- laufenden Markschicht am Boden des Ventrikels (das oceipitale Mark), und wenn ferner die Fasern der Stria terminalis in sie hinein- strömen. Wenn in den ventralen Teilen des Marks schon in distaleren Ebenen zahlreiche Zelleinlagerungen bemerkt wurden, so ist jetzt die Zelleinlagerung in die Maschen des lateral von den grossen Ganglien gelegenen Fasernetzes eine ganz ausserordentlich auffallende (XXXVI). Die Fissura rhinalis lateralis 646 Max Völsch: hat sich schon stark gesenkt, und die Zelleinlagerung beginnt dicht unter ihr, ventralwärts spärlicher werdend. Sie lässt sich weit nach vorn bis in das Riechlappengebiet verfolgen. Nachdem sich in der Tiefe, also medial von ihr, durch die Aufnahme der Commissura anterior und besonders der Fasern aus der Capsula interna eine echte Capsula externa gebildet hat, wird die Zell- masse immer kompakter und stellt ein allerdings von vielen Fasern durchsetztes Grau dar, das nach innen von der Capsula externa, nach aussen aber durch eine Fasermasse begrenzt wird, die ventral in die Capsula externa übergeht, dorsal sich in der Tiefe der Fissura rhinalis verliert. Da sich sowohl in der Capsula externa als in dieser Fasermasse zahlreiche vereinzelte Zellen finden, so sind die Grenzen des Graus ganz diffuse und unbe- stimmte. Die Zelleinlagerung entspricht ohne Zweifel der Rinden- verdickung, welche ich bei den Zellpräparaten als S‘ bezeichnete. Es erübrigt noch, die Stria terminalis von dem Punkte an, wo sie am Boden des dritten Ventrikels erschien, oralwärts weiter zu verfolgen. Während sie einzelne Fasern in das ihr lateral anliegende Grau des Nucleus caudatus abgibt (n. c. v., vergl. Fig. 12, wo man andeutungsweise solche Fasern sieht), verläuft die Hauptmasse ihrer Fasern als kompaktes Bündel ein Stück proximalwärts und wendet sich dann medialwärts. In der Höhe von XXXIII und XXXII, kurz hinter dem Beginn des Mittelstücks der Commissura anterior, strahlen dieselben wieder fächerförmig auseinander. Ein Teil wendet sich ventralwärts zu der medial von der Capsula interna gelegenen grauen Masse G.K. (s. Fig. 12). Ein dorsalerer Anteil geht etwas weiter nach vorn in die Commissura anterior, und zwar nur in den dorsaleren, helleren Teil derselben über. Die dorsalsten Fasern endlich gehen durch die grauen Massen, dorsal von der Commissura anterior und lateral von den aufsteigenden Fornixschenkeln hindurch in das Septum pellucidum hinein; alles das ist bereits anderweitig be- schrieben (vergl. Köllikers Beschreibung für das Kaninchen). Resume: In Verfolgung der Faserschnitte vom hinteren Pol der Hemisphäre an ergibt sich, dass sich in den distalen Teilen derselben in gewisser Tiefe unter der Oberfläche ein der letzteren konzentrischer Faserring findet. Derselbe geht auf der medialen Anatomie des Mandelkerns etc. 647 Seite oralwärts in die Tangentialfasermasse des Ammonshorns über, von welcher er schliesslich nicht deutlich zu trennen ist. In den übrigen Hirnbezirken verliert er sich nach vorne zu. Ich möchte auf diese Beobachtung nur beiläufig hinweisen mit Rücksicht auf die früher berührte Frage der Rindenschichtung am Occipitalpo)l und die Übereinstimmung betonen mit dem Befund an den Zellschnitten, bei welchen an der hinteren Kuppe der Hemisphäre eine den übrigen Rindenschichten aufgelagerte, durch einen zellfreien Streifen von ihnen getrennte Zellschicht beobachtet wurde. Bezüglich der hier in erster Linie interessierenden basalen Kerne ist zu bemerken, dass sie sich sämtlich in den Pal- präparaten ohne Zwang wiedererkennen lassen. Während ferner beim oralen Fortschreiten der Serie an dem sich öffnenden Ventrikel medial in bekannter Weise die Ammonsformation sich bildet, lagert sich dem lateralen und ventralen Rande des Ventrikels die Markmasse der Hemisphäre an. Lateral sieht man überall die Radiärfaserung aus der Rinde sich in diese längs des Ventrikels verlaufende Masse einsenken und mit deren dorso-ventralwärts ziehenden, schräge oder vertikal verlaufenden Fasern sich mischen; eine besonders starke Entwicklung erfährt das in dieser Weise entstehende Netz an der Umbiegungsstelle des Ventrikels resp. weiter vorn an der gleichen, stets der latero-ventralen Hemisphärenecke entsprechen- den Stelle. Die dem horizontalen Teil des Ventrikels ventral angelegte Markmasse nimmt nur wenig Radiärfasern aus den entsprechenden, d.h. den basalen Hemisphärenteilen auf, enthält vielmehr im wesentlichen occipitale, in sagittaler Richtung ver- laufende Markfasern. Der Kern B ist in seinen distalsten Teilen von einem dichten Faserfilz durchsetzt; nach vorne zu wird derselbe viel kleiner; er steht lateralwärts in. Verbindung mit der Hemisphärenmarkmasse der Umbiegungsstelle. Eine etwas reich- lichere Radiärfaserung dringt aus den peripheren Teilen (dem Randstreifen) dorsalwärts in das ventrale Mark ein; im übrigen ergeben die Präparate nichts Sicheres über die Provenienz dieses Filzes. Der Kern T und der sich ihm später anlagernde Kern M wird ventralwärts durch die bogenförmige, medio-ventrale Strahlung 648 Max Völsch: der Markmasse der Umbiegungsstelle in eine Art Kapsel eingehüllt. Dorsal wird er in seinen distalen Teilen von der oceipitalen Markmasse, in seinen proximalen, nachdem er durch die Ent- wicklung der Stria und des Striatums von dem Ventrikel abge- drängt ist, gegen das letztere von der dünnen Fasermasse abge- grenzt, welche ich als Capsula media bezeichnete. Innerhalb dieser letzteren liegen graue Massen, welche vermutlich den eigentümlichen, kleinzelligen, streifigen Gebilden K entsprechen, welche ich in den Nisslpräparaten beschrieb. Der Kern T und in geringerem Maße auch M wird von vielen Fasern und Faser- bündeln durchzogen, nämlich Fasern des ventralen „occipitalen“ Marks zur lateralen Hemisphärenmarkmasse und Fasern der Stria terminalis zu derselben Markmasse. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob und wieviele dieser Fasern in dem Kern enden. Jedenfalls besteht ausser den durchziehenden Fasern auch in diesen Kernen ein reichliches Fasergeflecht. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass der Kern T-+M identisch ist mit dem Ganserschen Nucleus amygdalae bei Talpa; er ist ferner wahrscheinlich mit den als Nl’ von Kölliker beim Kaninchen bezeichneten Gebilden, die er zum Linsenkern rechnet, ganz oder teilweise zu identifizieren !) (vgl. Gewebelehre II, 1896, Fig. 716). Alle seitens Gansers gemachten Angaben treffen für den Kern M+T zu; nur die über die Gestalt des Kerns, die beim Maulwurf die einer dreiseitigen Pyramide sein soll, glaube ich für den Igel nicht annehmen zu können. Wenn ich auch, da ich leider nur an Frontalschnitten arbeiten konnte, mit einer positiven Angabe über diese Gestalt zurückhalten will, so ist doch ein Anschwellen des Kernumfangs aus geringen Anfängen zu einem Maximum und ein weiteres entsprechendes Abschwellen in seinem Verlaufe von hinten nach vorne deutlich. — Die von Ganser gefundene Faserverbindung aus dem Kern zur vorderen Kommissur habe ich nicht sehen können. Deutlich erkennbar ist der Kern D — identisch mit dem von Kölliker als N. A. bezeichneten Ganglion beim Kaninchen (s. Fig. 716 a. a. 0.) — und der als ;basaler Spitzenkern“ be- zeichnete Kern B+ D. Innerhalb des letzteren fällt die Gruppe ') Vergl. hierzu Seite 674. Anatomie des Mandelkerns etc. 649 D' sehr deutlich ins Auge. Alle diese Teile sind Endigungs- stätten der Stria terminalis. Während es mir nicht sicher ist, ob aus der Stria während ihres Verlaufs im Suleus strio-thalamicus Fasern in den Thalamus opticus abgegeben werden, — die Präparate sind an dieser Stelle oft nicht ganz einwandsfrei, — glaube ich Fasern lateral- und latero-dorsalwärts in den Teil des Nucleus caudatus verfolgen zu können, welchen ich bei den Zell- präparaten als n. c. v. bezeichnete; ich deutete die Fortsetzung, welche derselbe ventralwärts schickte und welche den ventro- medialwärts gerichteten Teil der oralen Striastrahlung auf der lateralen Seite begleitete, als den Beginn des „Kopfes des Streifenhügels“. Jene ventro-medialwärts gerichtete Strahlung erfolgt in eine kompakte graue Masse hinein, die sich auf den Zellpräparaten im wesentlichen aus dichtgedrängten, stark tingierten Zellen bestehend erweist; sie gehört zum Stamm und ich bezeichnete sie als Grenzkern (s. Textfig. 7). Über die übrigen oralen Endigungen der Stria siehe S. 646. Ich habe dem dort Gesagten und der Beschreibung Köllikers') über diese „vordere“ Endigung der Stria nichts hinzuzufügen. Die Zuzüge aus Septum pellucidum, Commissura anterior und dem „Grenzkern“ strömen ganz allmählich auf einer ca. 1 mm langen Strecke zusammen, wie die Quellen eines Flusses, um das kompakte Bündel der Stria zu bilden; dasselbe verläuft dann etwa !/s mm weit in sagittaler Richtung distalwärts, dorso-lateral vom Sulcus strio-thalamicus, und biegt sich dann, den Pedunculus auf seiner hinteren Fläche umziehend, ventralwärts. Alsdann be- ginnt ihre hintere ventrale Ausstrahlung. Für dieses hintere Ende der Stria aber finde ich bei Erinaceus, um es noch einmal zusammenzufassen, folgende Endigungen (wiederum im wesent- lichen ganz in Übereinstimmung mit den Angaben Köllikers für das Kaninchen): 1. In Kern D (Nr. 3, Kölliker, p. 627). 2. In den Kernen T und M (vermutlich Nr. 2 bei Kölliker, der ja diese Massen zum Linsenkern rechnet); doch scheint mir die Endigung der Fasern in diesen Kernen nicht absolut sicher- gestellt. 1) 1. c. p. 6%. 650 Max Völsch: 3. In der latero-ventral von M+ T liegenden Hemisphären- markmasse, teils direkt um T (und auch wohl um M) herum, teils durch M und T hindurch. 4. Vielleicht in dem Linsenkern (Kölliker Nr. 2). 5.'Im „sagittalen Längsbündel der Stria“. Auf XXXIX und XXXVIII ziehen kompakte Faserbündel aus letzterer direkt ventralwärts bis in den Kern B mitten hinein und biegen dort in die sagittale Richtung um; ein kleinerer Teil distalwärts; er verläuft als „hinterer Schenkel!) des Sagittalbündels“ etwa ‘is; mm weit distalwärts, biegt dann scharf, fast im rechten Winkel ventral um und endigt in den Zellmassen des Rand- streifens B. Der grössere Teil aber wendet sich proximalwärts, den „vorderen Schenkel des Sagittalbündels“ bildend, in etwa eben so langem Verlauf zu den Zellen des Kerns D‘, zwischen welchen er sich auffasert. Ventral tritt aus dem Kern D‘ ein transversal zum Stamm verlaufender Faserzug aus. — Kölliker gibt auf S. 625 a. a. O0. eine Beschreibung eines solchen Längs- bündels beim Kaninchen, bildet dasselbe auch Fig. 668 und 667 ab, ohne es zu bezeichnen; er lässt es dann in seinem Verlauf nach hinten sich unter pinselförmiger Verbreiterung medial vom Linsenkern in die Capsula interna verlieren, während er es p. 628 ausdrücklich zur Stria rechnet. Ich glaube mit Be- stimmtheit für den Igel die Provenienz des oben beschriebenen Bündels aus der Stria behaupten zu können (s. Fig. 10).?) Honegger°) beschreibt bei den niederen Säugern ein bei Karminfärbung markweiss bleibendes Bündel der Stria, das sich gegen die von ihm vermutungsweise als Mandelkern angesehene, in der Einleitung besprochene Zellanhäufung richtet, die er, wenn ich ihn recht verstehe, für identisch mit dem Tractus olfactorius- Kern von Ganser hält. Das Bündel bilde in ihm ein Netz. Es ist mir leider nicht möglich, mir ein vollkommen sicheres Bild von seiner Beschreibung zu machen. Immerhin glaube ich, !) Es muss bemerkt werden, dass die Umbiegung der Striafasern in diesen hinteren Schenkel nicht durchaus sichergestellt ist. Es wäre immer- hin möglich, dass er eine Fortsetzung eines Teils der Fasern des vorderen Schenkels darstellt, die dann eine Associationsbahn zwischen D’ und B be- deuten würde. Sagittalschnitte könnten darüber Aufschluss geben. °) Vergl. Seite 676. Sale: Anatomie des Mandelkerns ete. 651 diese Honeggersche Zellenanhäufung als identisch mit dem von mir als D’ bezeichneten Kern ansehen zu sollen, und kann dann die Angabe Honeggers über die Bildung jenes Netzes voll be- stätigen. Der Kern D’ ist allerdings unzweifelhaft ein End- oder Ursprungskern für das sagittale Striabündel. Der basale Spitzenkern, welcher als seine hervorstechendsten Gebilde den Kern D‘ und die eben erwähnten Faserzüge ent- hält, ist besonders in seinem dorsalen Teil von einem dichten Fasernetz erfüllt, das lateral in die Capsula externa übergeht und das wenigstens teilweise aus den in D sich ausbreitenden Striafasern herstammen mag. Der Kern N.a.p.ist oben bereits genügend besprochen. Über die Bedeutung des Kerns X geben auch die Faserpräparate keinen Aufschluss. Viele Fasern der vorderen Kommissur durchziehen ihn; einige mögen darin endigen. Man könnte nach den Faser- präparaten geneigt sein, X für einen zu Y gehörigen Teil des Linsenkerns zu halten; doch hält mich das erheblich differente Aussehen der Zellen in den Zellpräparaten davon ab. Auch die Gruppe S‘ findet sich wieder, aussen und innen von Fasermassen begrenzt; die letztere Tatsache, die Lage, die diffuse Verbreitung der Zellen in die Fasermassen hinein machen es noch wahrscheinlicher, dass S‘ das Homologon des Claustrums oder eines Teils desselben ist; ich meine, auch Honegger hat dieses Gebilde dafür gehalten. Wenn ich schliesslich versuche, ein zusammenfassendes Bild der Verhältnisse in der basalen, vor dem basalen Spitzenkern gelegenen Region zu geben, so tue ich es mit der Reserve, die die Schwierigkeit dieser Verhältnisse erfordert (vergl. hierzu Textfig. 10, S. 629). Das Tubereulum olfactorium bekleidet in der Gegend seiner grössten transversalen Ausdehnung die ganze Basis des Gehirns von der Furche des Tractus olfactorius (d, Fissura rhinalis medialis) bis zur Medianlinie. Dorsal von dem dieses Gebiet (zusammen mit den kleinzelligen Riechinseln) charakterisierenden Zellenband, zwischen ihm und dem mit ventralen Zacken versehenen Striatum liegt eine aus meist grossen, unregelmässigen Zellen bestehende, leicht ventral-konvexe Zellplatte (St. K). Dieselbe, vorne sehr flach und nur wenige dieser Zellen enthaltend, wird nach hinten dieker und zellenreicher. Mit dem Zurückweichen der medialen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 43 652 Max Völsch: Grenze des Tubereulum olfactorium bekommt die Zellplatte eine schräge (latero-dorsale/medio-ventrale) Verlaufsrichtung und ge- langt medial an die basale Oberfläche des Gehirns (Spa) ; hinter der hinteren Kuppe des Tubereulum olfactorium erfüllt sie (als Spa) die ganze Basis von dem Ende der Riechrinde bis zu dem zentralen Grau. Dorsal wird sie dauernd durch Teile des Corpus striatum resp. durch N.a.p. begrenzt. Kurz bevor Stamm und Hemisphäre durch die Einschiebung des Tractus optieus getrennt werden, geht ihr lateraler Teil — an der Hemisphärenbasis — nach hinten zu in den basalen Spitzenkern über. Ihr medialer Teil — an der Stammbasis — macht dagegen einer zellfreien Zone Platz, die sich ventral von N.a.p. findet. An der Basis der Zellplatte lagert sich, in ihren hinteren und medialen Teilen, eine zweite, aus spindelförmigen Zellen bestehende, flachere Zellplatte an (St K' bezw. Spa‘). In den vorderen, flachen Teilen der Platte liegen spärliche, meist sagittal verlaufende Faserzüge — wegen der Striatum- fortsätze sehr unregelmässig und im Frontalschnitt zackig — die sich mit der distal fortschreitenden Verdickung der Platte mehren. In der Höhe des Septum pellucidum biegen sie medial um und ziehen in medio-ventral-konvexen Bögen zu diesem Gebilde, be- gleitet basal von den Zügen aus der Spindelzellenplatte (Tr. F.), dorsal von solchen aus dem medialen Längsfaserfeld, welches beiläufig auch viel Verbindungen mit der Capsula interna hat Weiter hinten erschöpfen sich diese Züge; die Fasern der Zell- platte biegen distalwärts um und bilden das laterale Längsfaser- feld. In der Höhe des Chiasma gehen sie dann zum grössten Teil in den Thalamusstiel über, wieder begleitet von Fasern aus dem medialen Längsfaserfelde und aus anderen Gebieten (s. ob.). Ein Teil aber behält die sagittale Richtung bei und lässt sich lange als Gansersches basales Längsbündel kaudalwärts ver- folgen. Das mediale Längsfaserfeld lässt sich in die Zona incerta verfolgen. Ganser!) beschreibt die grossen, unregelmässigen Zellen der Platte als tiefste Schicht der Rinde am Kopfe des Streifen- hügels. R.y Cajal?) setzt das Spatium perforatum anterius 2) 1ae: p. 646: 2?) Studien über die Hirnrinde des Menschen, viertes Heft, übersetzt von Bresler. 1903. p.118 ff. Vergl. auch Fig. 50. Anatomie des Mandelkerns etc. 653 des Menschen dem Tuberculum olfactorium der Tiere gleich; er beschreibt bei letzterem drei Gebiete des Tuberculum olfactorium ; das vordere und mittlere enthält die Molekularschicht, die Schicht der kleinen und mittelgrossen Pyramiden nebst den Riechinseln und die Schicht der polymorphen Zellen. Das hintere aber zeigt keine Schichtenbildung, hat keine Inseln, sondern nur grosse, un- regelmässig verstreute Zellen. Die dritte Schicht des vorderen und mittleren Gebietes und das hintere Gebiet entspricht ohne Zweifel der beschriebenen „Zellplatte“. Ich möchte meinerseits nur die morphologische Gleichartigkeit der Zellelemente dieser Gebiete betonen, räumlich jedoch einstweilen an einer Trennung des durch die eigenartige „zweite Schicht“ und die Inseln gekenn- zeichneten Tuberculum olfactorium und des Gebietes festhalten, in welchem nur die grossen, polymorphen Zellen die Hirnbasis erfüllen. Der Teil der Platte, welcher dorsal vom Tuberculum liegt, ist mit St K, der, welcher frei an der Basis liegt, mit Spa bezeichnet worden. Der Einstrahlung der Traectus olfactorius-Fasern in die Rinde des Tubereulum ist bereits oben gedacht. II. Mus musculus. Die folgenden Untersuchungen wurden an einer von mir angefertigten Frontalserie angestellt. Eine zweite, gleichfalls von mir hergestellte, aber stark unterbrochene Frontalserie konnte ich gelegentlich zum Vergleich heranziehen. Alle bei Erinaceus an entsprechender Stelle gemachten Bemerkungen haben auch für das Folgende Geltung. Der Besprechung der kaudalsten Partien wurde die rechte Hemisphäre zugrunde gelegt, da die entsprechenden linksseitigen Schnitte etwas lädiert waren. Weiterhin wurde die linke Hemisphäre verfolgt. Die kaudalsten Schnitte treffen nur die Molekularschicht. Alsbald finden sich auf dem birnenförmigen Querschnitt der Hemisphäre und zwar zunächst ausschliesslich in dem dicken, ventralen Teile der Birne starkgefärbte p-Zellen, denen sich schon auf den nächsten Schnitten r-Zellen zumischen. Allmählich 43 * 654 Max Völsch: tritt eine Sonderung ein, indem die p-Zellen die laterale, die r-Zellen die mediale Seite eines den unteren Teil des Schnittes einnehmenden Ovals erfüllen. Die Ausbreitung der Zellmasse des Ovals erfolgt von ventral nach dorsal, indem es sich sukzessive vergrössert und auch, indem kleinere in der dorsalen Molekular- masse isoliert auftauchende Zellenhaufen in das Oval einbezogen werden. Schon hier lagern sich andeutungsweise die Zellen mehr in die peripheren Zonen des Ovals, einen Ring (R‘) bildend; im innern desselben treten helle, blassgefärbte r-Zellen auf, vielleicht etwas kleiner, jedenfalls weniger dicht gelagert (R''). In dem dorsalen Teil der Hemisphäre treten etwa von II, 10 ab kleine, längliche, strich- und pyramidenförmige Zellen auf. Sie sind erheblich kleiner, regelmässiger geformt und schwächer gefärbt als die p-Zellen der lateralen Ovalseite. Alsbald lagern sich die p-Zellen des dorsalen Gebiets in Form eines sphärischen Winkels, dessen Spitze ventro-lateralwärts gerichtet ist, und welcher später durch die Ausfüllung des Winkels mit Zellen zu einem sphärischen Dreieck wird. Dem ventralen Schenkel des Winkels, welcher übrigens etwas distaler auftaucht, sind zunächst grosse eckige p-Zellen angelagert (II, 14), welche alsbald sich als zu dem Oval gehörig erweisen. Ihre Trennung von demselben ist aufzufassen als der Ausdruck einer Einsenkung der Molekular- schicht von dorso-kaudalwärts her. In II, 26, ist die ganze Peripherie des sphärischen Dreiecks von den kleinen p-Zellen erfüllt. Im Zentrum aber haben sich rundliche r-Zellen gebildet, die durch ihre Kleinheit und schwache Tinktion sich auszeichnen. Die p-Zellen verschwinden bald auf der medialen und ventralen Seite des Dreiecks, halten sich längere Zeit in dem medio- ventralen Winkel und persistieren auf der lateralen Dreiecksseite, hier eine sechs bis acht Zellen breite Schicht bildend. An die Stelle der p-Zellen treten medial rundliche, kleine Zellen, ein wenig stärker tingiert und schärfer kontouriert als die Zellen des Zentrums, während an der ventralen Seite die letzteren direkt an die Begrenzungslinie des Dreiecks treten. Von seiner medio-ventralen Ecke sendet dasselbe einen kleinen Fortsatz (f) von rundlichen Zellen ventralwärts, welcher die R’-Schicht des Ovals umgreift. Der ventro-laterale Winkel des Dreiecks schiebt sich ebenfalls ventralwärts, so dass das ganze dorsale Dreieck dem ventralen Oval wie ein Helm aufsitzt, vorläufig noch von Anatomie des Mandelkerns ete. 655 ihm durch einen zellfreien, bogenförmig verlaufenden Streifen getrennt (s. Textfig. 12, Il, 26 u. 42). In der Kuppe des Ovals hat sich die R’-Schicht verloren, so dass R’' an die zentralen Zellen des Dreiecks unmittelbar angrenzt. Von hier ab verfolge ich die linke Hemisphäre. Als Differenz gegen die rechte Seite ist zu erwähnen, dass die 000.0°9 SToMl0 1070, uc# O a a o o o0 00 oo o © oo o EN Fig. 12. Schematisch; siehe Text. Die Figuren entsprechen den Schnitten II, 3, 8, 14, 21, 26, 42. p-Zellen der lateralen Seite des Ovals, welche rechts ungefähr an der ventro-medialen Ecke der Hemisphäre endeten, hier von unten her auf ihre mediale Wand ein Stück hinübergreifen. Im übrigen hat sich auf I, 36 (einem Schnitt, welcher die linke Hemisphäre etwas kaudaler trifft, als die rechte in II, 42 ge- troffen war) R“ zum Ringe geformt, in dessen zellfreier Mitte hier neue Zellen auftreten, vielleicht ein wenig stärker gefärbt 656 Max Völsch: als R'’, sonst ihnen sehr ähnlich—=S. Auch diese Gruppe macht nun die Wandlung aus der Kreisform in die Ringform durch; die Zellen liegen, zumal auf der medialen Seite des Rings, in dichtgedrängten Reihen, die durch gerade, radiäre Streifen, an- scheinend Markstrahlen, durchbrochen werden. Erwähnenswert ist ferner, dass von diesen Höhen an sich an der lateralen Grenze zwischen Oval und dorsalem Dreieck eine zunächst undeutliche, dann ausgeprägtere Einsenkung der Molekularschicht bildet, welche sich weiter zur Furche e entwickelt. In der Gegend dieser Einsenkung bzw. Furche strahlen die p-Zellen der R‘-Schicht konstant in die darunter gelegenen Schichten ein. Eine ähnliche Einstrahlung von p-Zellen findet sich ziemlich regelmässig an der medio-ventralen Ecke der Hemisphäre (y). Endlich ver- schwindet auch der letzte Rest des erwähnten Streifens zwischen dorsalem Gebiet und Oval, und auf II, 20, wird die ganze Hemisphäre von einer kontinuierlichen Rindenschicht überzogen. a) Dorso-lateral (von der dorsalen Spitze bis o) be- steht sie aus folgenden Schichten: 1. Der Molekularschicht. 3. Einer Schicht sehr kleiner, sehr dicht und unregelmässig ge- lagerter p-Zellen: in den tieferen Teilen dieser Schicht finden sich in der Nachbarschaft von e spärlich, nach der Spitze zu an Zahl zunehmend, kleine r-Zellen. 3. R“, lockergelagerte r-Zellen, in ihren tieferen Teilen konstant sehr auffallende, grosse p-Pyra- miden enthaltend, welche in Häufchen zusammenliegen (P). Sie präsentieren sich auf den Frontalschnitten von nun an als eine von der Furche o beginnende und im Bogen, parallel zur lateralen Kante der Schnitts, bis mehr oder weniger dicht an die mediale Fläche ziehende, vielfach unterbrochene Zelllinie. 4. Endlich folgt die S-Schicht, ausschliesslich aus dichtgelagerten r-Zellen bestehend, welche eine Neigung zur Bildung von Reihen haben, die der Oberfläche parallel laufen. Die Zellen sind viel kleiner als die S-Zellen des ovalen Hemisphärenteils. b) Dorso-medial dieselbe Schichtenbildung; nur sind die p-Zellen der oberflächlichen Schicht gänzlich durch r-Zellen er- setzt, während sich in der R‘“-Schicht auch hier einzelne grössere p-Zellen finden. Diese äusseren Schichten gehen ventrai in den erwähnten Fortsatz f über, der übrigens alsbald mit dem ihm ventral anliegenden Ende der R‘- und R‘“-Schicht des Ovals ver- schmilzt. Ich glaube, die bis hierher bestehende Trennung wiederum Anatomie des Mandelkerns etc. 657 als den Ausdruck einer Einsenkung der Molekularschicht der medialen Hemisphärenwand (0?) auffassen zu dürfen. Es mag hier gleich bemerkt werden, dass später (von III, 40, an) die p-Zellen von der dorso-lateralen Seite her über die Spitze auf die mediale Hemisphärenseite hinübergreifen, deren dorsalen Teil sie mit einer schmalen Schicht überziehen: die Zellen werden hier noch kleiner, nehmen einen kleinkörnigen Charakter an; dieser prinzipielle Unterschied wird dadurch noch auffälliger, dass noch später (V, 12) eine Scheide zwischen ihnen sich bildet, ein latero-dorsal gelegener Zwischenraum, in welchem lediglich rund- liche Zellen liegen. . ec) Die Furche o bildet den Übergang vom dorso-lateralen zum ventro-lateralen Teil. 1. Molekularschicht. 2. Die R’- Schicht des ersteren geht in ihrem Grunde kontinuierlich in die R’-Schicht des Ovals über. Die letztere überzieht die Rinde des ventro-lateralen Teils bis zu einer, wie es scheint, wechselnden Grenze. Ihre p-Zellen sind durchweg dicke, plumpe, eckige Gebilde, von verschiedener Grösse, die vielfach in Häufchen zusammenliegen, zwischen welchen sich zellfreie Zwischenräume befinden. Ich erinnere daran, dass ich in dem kandalen Teil dieses Gebiets beim Igel von der R’-Schicht eine Schicht R ab- schied, welehe von jener durch eine zellfreie Zone getrennt, den Oceipitalpol überzog. Bei der Maus findet sich eine solche Scheidung, wenigstens in den allerkaudalsten Teilen und auf der medialen Seite, nicht deutlich. Lateral dagegen finde ich schon auf den letzten Schnitten des Objektträgers I und dann über die Objektträger II und III hin eine deutliche Zerlegung der t-Schiceht in eine oberflächlichere, vielleicht etwas dichtere und schmälere und eine tiefere, vielleicht etwas lockerere und breitere Lage von p-Zellen, zwischen welchen ein zellfreier Streifen her- vortritt. Stellenweise (z.B. II, 42) ist dies viel deutlicher, als es 11, 20, Fig. 13 zeigt. Zweifellos ist es ferner auf manchen späteren Schnitten (z. B. III, 14), dass die R’-Schicht des Dorsums in der Furche o in die tiefere jener beiden Lagen übergeht. In der tiefer gelegenen Lage, die also der R‘-Schicht des Igels ent- sprechen würde, wenn man die oberflächliche mit dessen R-Schicht identifizieren will, finden sich den p-Zellen immer einige r-Zellen zugemischt. 3.R‘ wird durch o unterbrochen und besteht aus locker gelagerten Rundzellen. 4. S zieht kontinuierlich im Grunde 658 Max Völsch: von o aus dem dorsalen in den ventralen Teil hinüber, besteht, abgesehen von den p-Zellen-Einstrahlungen in der Nachbarschaft von 0, (welche beiläufig weiter oral sich stellenweise bis in die unter S gelegene Ammonsformation hinein erstrecken), und dem fast konstanten Haufen y nur aus r-Zellen. d) Auf der medialen Hemisphärenwand ziehen ventralwärts von dem Fortsatz f bis zur medio-ventralen Ecke die Schichten R‘ und R“, sich bald unter Verschwinden des Fortsatzes mit den entsprechenden Schichten des dorso-medialen Teiles vereinigend. In jener Ecke nun sammeln sich etwa von II, 6 an zwischen den p-Zellen der R‘-Schicht zunächst einzelne, später immer mehr und mehr r-Zellen. Allmählich verdrängen sie die p-Zellen nicht nur in jener Ecke, sondern fortschreitend auch ein Stück dorsal- wärts auf der medialen und lateralwärts auf der basalen Fläche. Schliesslich in den ersten Schnitten von III gibt es in dieser R’-Schicht der ganzen basalen Hemisphärenspitze nur r-Zellen, ziemlich gross, scharf umschrieben und lebhaft gefärbt. Auf der medialen Seite rückt hierdurch der dorsale Rest der p-Zellen als ein umschriebener Haufen immer weiter dorsalwärts, den Zug der r-Zellen in R‘ unterbrechend; erst sehr viel später verliert er sich. In der rechten Hemisphäre fehlen diese p-Zellen, wie gesagt, ganz; hier besteht die R’-Schicht nur aus einem Zuge von kontinuierlich an der medialen Seite herabziehenden r-Zellen. Lateral lagert sich an R’ die lockere R“-Schicht und ferner die S-Schicht an. Die Zellen der letzteren sind kleiner als die S-Zellen des basalen Teils, in welche sie von der medio-ventralen Ecke übergehen. Seit II, 9 zeigen sich in dem zellfreien Lumen des Ringes S die ersten Anfänge der Ammonsformation: grosse blasse Zellen als kompakter Haufen an den medialen Schenkel von S lateralwärts angelagert. Ich glaube, mit obiger Besprechung die Schilderung des Rindenbaus des Pallium abschliessen zu können. Höchstens wäre noch zu erwähnen, dass die auf II, 20, noch stark hervor- tretende Verdickung der dorsalen Rindenspitze sich weiter immer mehr ausgleicht, sowie, dass die zunächst unregelmässige Lagerung der Zellen der oberflächlichen Schicht R‘ einer aus- gesprochen radiären Anordnung derselben Platz macht. Immer deutlicher zerfällt sie, zumal latero-dorsal, in eine periphere, aus Anatomie des Mandelkerns etc. 659 kleinen p-Pyramiden, und eine zentrale, aus kleinen r-Zellen bestehende Region. Darunter liegt die lockere R“-Schicht mit den grossen Pyramiden. Auch die sich auf der medialen Seite abspielenden Ver- änderungen kann ich in aller Kürze abtun, indem ich auf das hierüber bei Erinaceus Gesagte verweise. Genau wie dort erfolgt die Trennung der Rindenschichten in der ventro-medialen Ecke, die dorsalwärts gerichtete Zurückziehung des die sämtlichen Rindenschichten enthaltenden Fortsatzes F (s. Fig. 14), die An- lagerung eines Haufens kleinkörniger Zellen © — wohl aus 8 entstanden — an die Spitze von F (Fig. 14). Schon auf III, 26, ist F bis in die Höhe der dorsalen Anlagerungsstelle des Ammons- horns zurückgewichen. Auch die Umwandlung des Haufens A in einen lateral-konvexen Bogen, der sich an das mediale Ende der basalen Rinde anlagert, sowie die Entwicklung der Fissura hippocampi und des umgerollten Blattes des Ammonshorns mit der Fascia dentata bieten nichts besonderes. Die scheinbare Verschmelzung der Zellagen der beiden Blätter des Ammonshorns (ventrales und dorsales Blatt Köllikers beim Menschen) und die Trennung in einen dorsalen und ventralen Schenkel erfolgt auf V, 37, und zwar tritt die Verschmelzung, wie Fig. 16 zeigt, an drei verschiedenen Punkten ein, zuerst an einem ventralen und dorsalen, erst später an einem mittleren Punkte (m). Die Figur zeigt die ersteren schon vollzogen, die letztere noch bevorstehend. Das Bild ist der Ausdruck einer oralwärts gerichteten Vor- buckelung des Ammonshorns und des Ventrikels. Weiterhin findet man die Reste des ventralen, sehr reduzierten Schenkels (A v) nebst einem Rest von fd in der medio-ventralen Ventrikel- spitze bis Objektträger VI. Dagegen muss ich auf das weitere Schicksal der basalen Rinde ausführlicher eingehen; so bezeichne ich das Rindenstück an der Basis, in welchem die p-Zellen der R‘-Schicht in der oben beschriebenen Weise durch r-Zellen ersetzt sind. Es grenzt, seitdem F sich aus dem medio-ventralen Winkel zurückgezogen hat, an das ventrale, sich lateral umbiegende Ende der Ammons- rinde, welches wohl dem beim Igel erwähnten Sporne entspricht. Die R’-Schicht besteht aus den erwähnten grossen r-Zellen und sticht stark gegen die lateral angrenzende R'-Schicht der ventro- lateralen Rinde ab, in welcher die ursprüngliche p-Formation 660 Max Völsch: noch erhalten ist. R’ und S gehen unter erheblicher Ver- schmälerung aus der ventro-lateralen in die basale Rinde über. Sehr bald beginnt die letztere sich ungefähr in ihrer Mitte etwas einzubuchten, wodurch der laterale Schenkel von S latero- dorsalwärts zurückgeschoben wird. Es entsteht so eine über einer zunächst nur andeutungsweise vorhandenen äusserlichen Furche (0), ventral von der geschilderten Rinde gelegene Verbreitung der Molekularschicht. In ihr entwickelt sich von III, 14 ab ein zu- nächst ganz kleiner, durchaus distinkter, sich schnell, besonders medialwärts, vergrössernder Zellhaufen B, zuerst nur aus p-Zellen bestehend, an die sich jedoch sehr bald lateralwärts grössere, blassere r-Zellen, sich mit jenen untermischend, anlegen. Dorsal von B zieht sich die R’-Schicht der basalen Rinde lateralwärts zurück, gleichzeitig breiten sich die Zellen der R'-Schicht lateral von d mehr und mehr in das Gebiet von R“ und S hinein aus, nehmen dabei vielleicht eine noch etwas stärkere Tinktion an. So entsteht hier ein kompakter Zellhaufen T. Der Haufen B vergrössert sich schnell; dorsal von ihm sieht man einen horizontalen Streifen blasser Zellen, welcher sich medial an den bei der Maus meist aus p-Zellen bestehenden Sporn anlegt. Gegen Ende des Objekt- trägers IV lässt sich dieser Streifen von B nicht mehr sondern. Auf IV, 22 (s. Fig. 15) hat die Gruppe B, inkl. jenes Streifens, vollständig den Charakter rundlicher Zellen angenommen. Nun aber treten in den ventralen Teilen, sowohl von T als B, wiederum p-Zellen auf, zunächst lateral und medial, später den ganzen basalen Bezirk überziehend (V, 12); sie sind meist kleiner und weniger compakt als die Zellen der angrenzenden, latero-ventralen Rinde. Hierdurch wird nun T und der dorsale Streifen von B von der Oberfläche abgetrennt, an welcher sich der „Randstreifen“ T und B hinzieht; sie kommen schliesslich direkt an die latero- ventrale Fläche des Ventrikels zu liegen. Was die Genese der Zellhaufen T und B betrifft, so glaube ich dieselbe durch folgende schematische Zeichnung veranschau- lichen zu können (Textfig. 13, A, B,C). A stellt den Aufbau der basalen Rinde im Frontalschnitt etwa auf III, 9 dar. Der dicke Strich bezeichnet R', die dünne horizontale Schraffierung die tieferen Rindenschichten. Durch die Molekularschichteinsenkung d an der Übergangsstelle der basalen zur latero-ventralen Rinde wird die R‘-Schicht der ersteren latero-dorsalwärts in die Hemisphäre Anatomie des Mandelkerns etc. 661 hineingeschoben, wodurch sich ihr mediales Ende sukzessive immer weiter lateralwärts zurückzieht. Die Einschiebung T hat die Form eines Dreiecks mit dorso-lateraler Spitze: dasselbe besteht also eigentlich aus einem auf- steigenden lateralen und einem absteigenden medialen Schenkel. Seit der Zurückziehung von R‘ lagert sich die Spitze der Ammons- rinde nur noch dem Reste der = tiefen Schichten der basalen Rinde, wahrscheinlich nur R” an; dieser Rest verdickt sich (dorsaler Streifen von B). Während mir die bisher geschilderte Entwicklung ziemlich sicher zu sein scheint, gebe ich das Folgende vermutungsweise. An der Stelle, wo die Einschiebung von R‘ in die Hemisphäre vollendet ist, sendet der mediale Schenkel eine freilich wesentlich modifizierte, der ventro-lateralen R’-Schicht ähnliche Fortsetzung ventralwärts (die im Schema punktiert gezeich- B Schema. Erklärung siehe Text. „, nete Linie). Dieselbe umzieht im 5 = Bogen den dorsalen Abschnitt von n B und bildet den ventralen Rand- N streifen von B. Weiter nach vorne R Ye verschmilzt der letztere mit dem 3 Ende der ventro-lateralen Rinde, $ den Randstreifen T bildend und T S selbst völlig von der Oberfläche = abschnürend. Nach hinten aber sendet der ventrale Fortsatz des medialen T-Schenkels eine lappige Verdiekung, welche zunächst dem dorsalen Streifen B ange- lagert ist, ‘dann aber sich transversal und vertikal ver- schmälernd, wahrscheinlich abgerundet, frei in der Molekular- masse, ventral von der basalen Rinde, endet. Wenn ich mit dieser Anschauung die bei dem Igel gegebene Darstellung der 662 Max Völsch: fraglichen Verhältnisse vergleiche (cfr. p. 597 u. fl.), so finde ich dort nichts, was mit ihr in Widerspruch stände. Das dort gegebene Schema zeigt vielmehr lediglich die Zwischenstufen zwischen den Figuren A und B des nebenstehend gegebenen Schemas. Die Entstehung von T aus einer Einsenkung der Rinde, welche ich, wie gesagt, bei der Maus für ziemlich sicher halte, konnte und kann ich beim Igel auch bei wiederholter Prüfung der Zellbilder nicht deutlich erkennen; immerhin sprechen die- selben in keiner Weise gegen solche Auffassung. Bezüglich des Haufens B bin ich schon beim Igel (S. 621 u. 622), und in der Tat ganz unbeeinflusst durch die Bilder bei der Maus zu einer der soeben gegebenen Deutung ganz ähnlichen Auffassung ge- kommen. Schon in den letzten Schnitten von Objektträger V biegt der übrigens andauernd von zahlreichen p-Zellen durchsetzte Streifen S, ventral von o, lateralwärts etwas vom Seitenventrikel ab; in dem so entstandenen dreieckigen Raum bildet sich in den ersten Schnitten von VI ein Zellhaufen M von ziemlich grossen, nur matt gefärbten, zart konturierten, rundlichen Zellen, die durch die Färbung doch wesentlich gegen die anliegenden, durch einen schmalen zellfreien Streifen getrennten T-Zellen kontrastieren. Der Haufe T nimmt übrigens gleichzeitig an Grösse zu und ist zeit- weise schwer von B abzuscheiden. Auch B nimmt auf VI in seinem dorsalen Teil wieder zu. Die r-Zellen durchbrechen den Randstreifen und gelangen streckenweise wieder an die Ober- fläche; der Haufen wird hier von T durch einen zellfreien Streifen deutlich geschieden. Beide Haufen ziehen sich an ihrer Berührungs- stelle ein wenig von der Ventrikelwand zurück. In dem so zwischen beiden, ventral von dem Ventrikel, entstehenden Mark- raum bildet sich der Zellhaufen D (s. Fig. 17). Seine ersten Zellen erscheinen auf VI, 27 u. 28. Auf VI, 35, haben sie sich zu einem kompakten Dreieck entwickelt. Die Zellen sind rundlich, blass, klein, denen von B ziemlich ähnlich. Der Kern M nimmt sehr schnell an Grösse zu, namentlich im vertikalen Durchmesser. So liegt er auf den letzten Schnitten von VI als ein längliches, schmales Dreieck mit dorsaler Spitze und mit der Basis an T grenzend, von letzterem durch die fort- schreitende Assimilation ihrer Zellen schwer scheidbar, lateral neben dem Ventrikel (Fig. 17). Der Marksaum, welcher ihn von Anatomie des Mandelkerns etc. 663 letzterem trennt, verbreitert sich, besonders dorsal neben der Spitze des Dreiecks, und in dem so entstehenden zellfreien Felde tritt auf VI, 34, eine neue Gruppe kleiner, runder, sehr blass gefärbter Zellen auf, die sich rasch, besonders im vertikalen Durchmesser, von oben nach unten vergrössert und eine zunächst spindelförmige Gestalt annimmt (St zunächst = Cauda nuclei caudati. Auf den ersten Schnitten von VII liegt St als ein langes, schmales Gebilde zwischen M und der Wand des Ven- trikels, der sich übrigens hier schnell dorsalwärts verkürzt, indem der Hirnschenkel sich dieht an die Hemisphäre anlagert und mit ihr zu verwachsen beginnt (Fig. 15). Von der Gegend der lateralen Spitze von D, resp. dem Winkel zwischen D, St und T, zieht offenbar ein bogenförmig gekrümmter Faserzug nach der Gegend hin, wo die Fimbria sich an die ventrale Ventrikelwand anlagert. In diesem Faserzug sieht man zahlreiche, kleine, zierliche, meist längliche p-Zellen, welche sich grösstenteils mit der Längsachse in die Richtung der Markbündel dieses Faserzuges stellen. Ventralwärts strahlen ‚diese p-Zellen fächerförmig in die Kernmassen T und D bezw. in den sich inzwischen bildenden Kern B+D aus; namentlich kann man einen schmalen Zug dieser Zellen genau ventralwärts bis zu einem kleinen, mitten in der r-Zellenmasse B+D gelegenen, zellfreien Querschnitt Q verfolgen (s. Fig. 18, VII, 3), der im Präparate sich viel deutlicher markiert als auf der Photographie. Auf etwa VII, 24 finden sich diese Zellen (n. st. t. = Begleitkern der Stria) ventral von der inzwischen durch das Striatum hin- durchgebrochenen Capsula interna noch sehr reichlich, dorsal davon nur einige wenige blasse Zellen. An der Basis vergrössert sich auf Objektträger VII der Haufen D, dehnt sich medial bis in die Spitze der Hemisphäre und im Bogen über diese Spitze hinaus auf die Basis aus und be- schränkt das Gebiet von B. Auf VII, 42, hat der baso -mediale Teil der Hemisphäre die Form eines unregelmässigen Kreises welcher latero-dorsal an St, T und die Rinde grenzt. Es ist B+D, der „basale Spitzenkern“. Im medialen Teil des Kreises, sowie an der Basis überwiegen die r-Zellen, in der Spitze noch gemischt mit den Resten der oberflächlichen p-Zellen-Schicht, welche früher die ganze Basis umzog, durch den erwähnten Durchbruch der dorsalen r-Zellen von B erheblich reduziert 664 Max Völsch: wurde und sich nun allmählich bis auf kleine Reste verloren hat. Im latero-dorsalen Teil des Kreises hingegen überwiegen die p-Zellen, klein, meist dreieckig, ganz unregelmässig durch- einander gelagert. Sehr wesentlich verändert ist auch das T-Gebiet. Seit etwa VI, 20, anfangs sehr spärlich, breiten sich von lateralwärts her zwischen die r-Zellen T sehr grosse, dicke, plumpe, ganz tiefblau gefärbte, meist dreieckige p-Zellen aus, allmählich er- füllen sie den ganzen T-Bezirk, ersetzen und verdrängen die r-Zellen desselben und erscheinen schliesslich als ein unregel- mässiges, längliches Dreieck, welches von dorsal her von M um- fasst wird (Fig. 18 u. 19). Medial von T, zwischen ihm und St, findet sich ein zellfreier Streifen, in welchem vielfach Häufchen ganz kleiner Körnchenzellen liegen (K). Auf der Innenseite von St sieht man von der zweiten Hälfte von VII an einige sehr grosse, starkgefärbte p-Zellen (St’) neben ganz kleinen, rundlichen, sich in die Capsula interna hinein er- streckenden Gebilden St‘. Sodann muss noch der sich immer erheblicher vermehrenden p-Zellen- Ansammlung in dem Winkel zwischen D, T und St ge- dacht werden, der oben von n. st. t. eingenommen wurde. Ende VII dehnt sich dieser Komplex dicht gelagerter, mittelgrosser bis kleiner p-Zellen bis in die Basis von St aus. Es ist das Gebiet, welches ich beim Igel auf S. 605 als Gebiet an der Basis des Striatum und in Fig. 5 mit ? bezeichnete. Betrefis der Be- deutung der Zellen verweise ich auf das dort Gesagte. Die Zellenmasse, welche ich E nenne, ist bei der Maus noch viel hervorstechender als beim Igel (s. Fig. 19 u. 20). Gleichzeitig ist nun der Hirnschenkel mit der Hemisphäre in Verbindung getreten (etwa von VII, 12 an); seine Fasern durch- setzen den oberen Teil des Striatum und zwar in Form einzelner, schmaler Züge und nicht als kompakte Masse, welche eine echte Capsula interna darstellen würde; demgemäss ist bei der Maus der Nucleus caudatus kein durchaus scharf abgegrenzter Körper. An der Basis der Hemisphäre findet man auch bei der Maus, von Mitte des Objektträgers VII an, kleine und mittelgrosse p- und r-Zellen, die von den zentralen Zellmassen des Stamms her lateral- wärts in leichtem Bogen um die basale Vereinigungsstelle von Stamm und Hemisphäre herumziehen und auf VIII das Gebiet Anatomie des Mandelkerns etc. 665 an der Basis des Striatum erreichen (= G beim Igel — Nucleus ansae peduncularis, n. a. p.). Der Kern nimmt nach vorne an Ausdehnung zu, zeigt vielfach eine maschenförmige Anordnung der Zellen, ist übrigens häufig sehr schwer von den anliegenden Zellmassen abzugrenzen. Auf VII sieht man eine Strecke weit eine auffällige, kleine Ablagerung von r-Zellen, ebenfalls maschen- artig geordnet, mitten in der Substanz des Peduneulus bezw. der Capsula interna, welche sich nach vorne verliert oder sich viel- leicht mit n. a. p. verbindet. Ich vermute, dass es sich um ein (Gebilde handelt, welches meines Wissens zuerst von Ziehen als Nucleus intrapeduncularis beschrieben worden ist. Bevor ich zur Betrachtung der weiteren Entwicklung der basalen Kernmassen übergehe, sei es gestattet, einen kurzen Rückblick auf die Wandlungen zu werfen, die die ventro- laterale Rinde inzwischen durchgemacht hat. Sie grenzt, wie oben gesagt, dorsal an g, ventral an die „basale Rinde“, von der sie sich, solange die letztere ausschliesslich aus r-Zellen besteht, scharf abhebt (s. Fig. 14 u. 15). Später, nachdem sich der basale Teil mit einer oberflächlichen p-Zellen-Schicht überzogen hat (s. Fig. 16 u. 17), ist diese Grenze weniger deut- lich, doch sind die „basalen“ p-Rindenzellen ein wenig kleiner, schlanker, vor allem aber lockerer gelagert; es fehlt das gleich zu erwähnende, dichtgedrängte, oberflächliche Band der ventro- lateralen Rinde. Sie reicht stets bis dicht an d heran. Die für II, 20, geschilderte Rindenschichtung (1. Molekularschicht, 2. R’-, fast lediglich aus den für diese Gegend typischen p-Zellen be- stehend, welche in Häufchen und in zwei zur Oberfläche parallelen, voneinander durch einen zellarmen Streifen getrennten Reihen gelagert sind, 3. die lockere R’- und 4. die S-Schicht) erleidet auf IV eine Veränderung, indem jene Teilung der R‘-Schicht in zwei Reihen sich ganz allmählich verliert, ohne dass man sicher entscheiden könnte, ob die oberflächliche Reihe verschwindet oder sich mit der tieferen zusammenlagert. Auf den letzten Schnitten von IV gibt es nur eine Reihe von R‘p-Zellen, an der Ober- fläche etwas gedrängter, polymorpher, in der Tiefe viel- fach länglich, pyramidenförmig, radiär gestellt. Die ganze Schicht, in welcher sich die Zusammenlagerung zu Häufchen nicht ver- kennen lässt, ist etwa sechs bis acht Zellhöhen tief, darunter liegt R', lediglich aus r-Zellen bestehend, und endlich S in bekannter An- 666 Max Völsch: ordnung. Von V an flacht sich die Furche go allmählich ab, ist auf VII kaum noch kenntlich. Gleichzeitig lockert sich in dem dorsalsten Teil dicht ventral von oe das oberflächliche p-Zellen- band auf und nimmt einen grösseren Teil der Rinde ein. In noch viel höherem Maße als früher sind auch die R’-Zellen dieses Gebiets durch p-Zellen ersetzt, die zum Teil echte Pyramiden darstellen. Auch in den ventralen Teilen der ventro-lateralen Rinde sind seit V der Schicht R“ p-Zellen eingelagert, im ventralsten Teil in dem Maße, dass auf VII hier fast sämtliche r-Zellen ver- schwunden und durch p-Zellen ersetzt sind. Das in dieser Weise sich abzeichnende dorsale p-Zellen-Gebiet der ventro-lateralen Rinde dürfte dem beim Igel als prärhinencephale Rinde hervor- gehobenen Bezirk, das ventrale dem dort ventral von der Furche 7 liegenden Abschnitt entsprechen. Zwischen beiden liegt von VII an auch bei der Maus ein mittlerer Bezirk, in welchem eine Strecke weit die oberflächliche p-Schicht durch dichtgedrängte r-Zellen ersetzt ist; der Bezirk hat ungefähr die Form eines Kreises mit einem Durchmesser von !/a—?/ı mm. Endlich ist von Objektträger V, zweite Hälfte an des ventral von der Furche o gelegenen Teils von S, der sich immer weiter dorso- lateralwärts zurückgezogen hat, zu gedenken. Die bei dem Igel so charakteristische Verdickung 5’ lässt sich nicht nachweisen. Immerhin enthält dieser Teil der S-Schicht durch seine Zu- sammensetzung aus meist grossen, auffallend stark gefärbten, dicht zusammengelagerten r-Zellen und durch die Einlagerung zahlreicher p-Zellen ein gegen den dorsaleren Teil der S-Schicht mit ihren gleichmässigen, blassen r-Zellen stark kontrastierendes Aussehen. Bei weiterer Verfolgung der basalen Gebilde sieht man auf VIII in der medio-ventralen Hemisphärenspitze diffus ausgebreitet die rundliche, kompakte Masse des basalen Spitzenkerns, in seinem dorsalen Teil massenhaft p-Zellen, in seinem basalen jetzt vorwiegend r-Zellen enthaltend ; mitten darin liegt mehr oder weniger deutlich bis Ende IX der Querschnitt ©. Auf VIII, 35 bildet sich im medialen Teil von B+D eine sich stark markierende (Gruppe von relativ lebhaft tingierten Zellen, aus r- und p-Zellen zusammengesetzt. Die Gruppe erhält sich bis IX, 21, ist also ca. 250 « = !/ı mm lang (D‘) (Fig. 19). Mit dem allmählichen Verschwinden von D' tritt lateral davon, ebenfalls ganz in der Anatomie des Mandelkerns etc. 667 Basis des Spitzenkerns, seit IX, 5, ein Haufen stark gefärbter rundlicher und eckiger, vielfach pyramidenförmiger Zellen vom T;pus r auf (DY). Er erreicht den Höhepunkt seiner Ausbildung nach etwa 150 « und seinen Endpunkt bei X, 7, hat also eine Länge von ca. 400 «. Q sieht man oft dorsal von ihm. Es muss frag- lich bleiben. ob D‘ und D’ Gruppen desselben Zellkomplexes sind. Die Beimischung der p-Zellen und die rundlicheren Formen der r-Zellen von D‘' geben diesem Haufen ein etwas anderes Aussehen, als es D' hat, das wohl mit Sicherheit als der Kern des sagittalen Striabündels (beim Igel) angesprochen werden kann (Fig. 20). In dem Winkel, den die mit dem Stamm verschmolzene Hemisphäre basal bildet, zeigt sich seit VIII, 35, das aus sehr stark tingierten, eckigen p-Zellen und wenigen blasseren r-Zellen bestehende Ganglion opticum basale; es hat eine Länge von fast l mm (bis Ende X) (Fig. 19 u. 20). Dorsal von B und D liegen die beiden Gebilde M und T dicht aneinander, durch die charakteristische Form der T-Zellen sehr deutlich scheidbar. Sie erreichen auf VIII ihr Maximum, reduzieren sich dann rapide. Auf VIII, 48, ist von beiden nur noch ein kleiner Rest erhalten. Vielfach findet man, wie schon früher, in der Nachbarschaft von T, besonders auch an seiner Basis die Körnchenzellenhaufen K. Medial von den Resten von M und T das in vertikaler und transversaler Richtung vergrösserte Striatum. Die Gruppe E wird noch immer zellenreicher. Ihrer Lage nach muss sie jetzt wohl zum Teil als der basale Teil des Innengliedes des Linsenkerns aufgefasst werden; auch die dorsaler gelegenen St’-Zellen sind etwas reichlicher geworden. Basal von allen diesen Gebilden findet sich als zellarmer Streifen zwischen ihnen und dem basalen Spitzenkern bereits das Hinterhorn der Commissura anterior. Auf IX verschwinden auch die letzten Reste von M+T, Mitte IX beginnt die Zahl der Zellen der Gruppe E abzunehmen; sie verlieren sich ebenso wie St’ und St‘ gänzlich erst auf XI. Ende IX tritt zwischen dem breit ausgedehnten Kern Nap, welcher dauernd eine Zellenbrücke von den zentralen Zellmassen zu dem (Gebiet an der Basis des Striatums bildet, zunächst sehr spärlich und undeutlich die Formation Spa auf (Fig. 20); auf X beginnt sie sich vom Stamm aus lateralwärts in den seit der Entwicklung Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 68. 44 668 Max Völsch: der Kommissur abgeflachten, basalen Spitzenkern in der beim Igel geschilderten Weise hineinzuschieben und ihn zu verdrängen; nur beschreibt sie dabei bei der Maus zunächst einen dorsal kon- vexen Bogen um die Verbindungsstelle von Stamm und Hemisphären- basis herum (s. Fig. 20 und die Textskizze 14). Bald ist der ganze basale Teil von ihr eingenommen. Ihre Zellen charakterisieren Fig. 14. Schematisch nach Schnitten von Objektträger XI. Rhin‘ — r-Zellenformation im ventralen Teil der Rhinencephalonrinde (s. p. 166). sich besonders durch die Ungleichheit ihrer Grösse, — es gibt ihrer kleine, mittelgrosse und viele sehr grosse, — durch eine sehr unregelmässige Lagerung und eine gewisse Verwaschenheit: auch einige p-Zellen kommen vor. Der ventrale Zug Spa‘, aus durchweg kleineren Zellen bestehend, ist ebenfalls, wenn auch nicht sehr deutlich, vorhanden (s. Textfig. 14). Anatomie des Mandelkerns etc. 669 In der diese Kernmasse basal umgebenden, breiten Molekular- schicht treten auf X, 36, die ersten Zellen der Rinde des Tuber- culum olfactorium auf; sie liegen genau wie beim Igel ein Stück von dem Ende der ventro-lateralen Rinde entfernt in einer kleinen, basalen Vorbuckelung: sie dehnen sich lateral bis zur Rinde und medial immer weiter aus, allmählich, auf XI, die ganze Gegend von der ventro-lateralen Rinde bis zu der Furche zwischen Stamm und Hemisphäre, endlich auf XIII bis zur Mittellinie überziehend. Die Zellen sind kleine, eckige, meist längliche Gebilde, von welchen es zweifelhaft sein kann, ob man sie zu dem p- oder r-Typus zu rechnen hat (Tb. olf.). Vielfach kommen in dieser Rindenschicht, sowie in dem dorsal von ihr sich bildenden zellarmen Raum Haufen oder Streifen kleinster, runder, starkgefärbter, körnchen- oder punktförmiger Zellen vor (Tb. olf.‘). Endlich finden sich auf einer kleinen, etwa in der Mitte zwischen Medianebene und lateralem Tuberculumende gelegenen Stelle die typischen Tb. olf.- Zellen durch blasse, rundliche, etwas grössere r-Zellen ersetzt (Tb. olf.'‘). Die geschilderte Rinde überzieht in charakteristischer Fältelung das Tuberculum (s. Textfig. 14). Mit der vollen Ausbildung dieser Rinde werden die dorsal von ihr gelegenen Zellen Spa, jetzt St K genannt, spärlicher; auf XII machen sie einer ziemlich breiten, fast zellfreien Schicht Platz. Sehr deutlich markiert sich an einigen Stellen in den hinteren Partien des Tuberculum der basale Zellenzug St K‘. Dorsal von St K schiebt sich das Striatum allmählich weiter ventral. Von XI an, wo das Hinterhorn der Kommissur sehr deutlich verfolgt werden kann, wie es die Basis von St umzieht und in die Capsula externa übergeht, lagern sich ventral von ihm Zellen zusammen (Y). Sie sind den Zellen St sehr ähnlich, wenn nicht mit ihnen identisch, und bilden einen halbkreisförmigen, mit der Peripherie in die basale Kuppe hineinragenden, mit dem Durch- messer der lateralen Seite des Hinterhorns angelagerten Haufen. Auf XIII sieht man in der Gegend, in welcher bis dahin Nap lag, einen halbmondförmigen Zellkomplex, im Bogen die Innen- seite des jetzt ausgebildeten Vorderhorns der Commissura anterior und die mediale Seite der Basis des Striatum überziehend. Es ist Z= Nucleus accumbens. Die beschriebene Rindenmodifikation 5’ ıst auch hier noch nachweisbar. Schon seit IX andeutungs- : 44* 670 Max Völsch: weise, seit X deutlich, markiert sich in der Capsula externa ein länglicher, vertikal gestellter Zellstreifen, der sich spurweise noch bis XII verfolgen lässt. Er liegt stets an der Stelle, wo die vordere Kommissur in die Kapsel einstrahlt, und besteht aus kleinen, stark gefärbten, dichtgelagerten r-Zellen (X). Es bleibt noch übrig, die weitere Entwicklung der ventro- lateralen Rinde seit Objektträger VIII zu verfolgen. Dieselbe verkürzt sich allmählich im vertikalen Durchmesser. Die Furche o ist nicht mehr stets kenntlich, und die obere Grenze dieses Rindengebiets ist nur noch durch die p-Zellen-Einstrahlung in R‘ markiert. Von IX (letzte Schnitte) an wandeln sich die p-Zellen der Schicht R‘ in grosse, blasse, dichtgelagerte r-Zellen um. Nur wenige p-Zellen bleiben schliesslich erhalten. Der Prozess beginnt an dem ventro-medialen Ende der Formation und greift auch auf die R“-Zellen über. Die Rinde verkürzt sich dabei von dorsalwärts noch mehr, doch bleibt auf XIV noch ein dorsaler Rest der alten Formation erhalten. Es wäre noch der flachen Einsenkung dieses in einen r-Zellenstreifen umgewandelten Gebietes zu gedenken, durch welche sowohl an der Übergangsstelle dieses Gebietes zur Rinde des Tuberkulum, als an der Stelle. wo es mit dem Rest der noch in ursprünglicher Form erhaltenen ventro-lateralen Rinde zusammenstösst, eine Art von Winkel oder Furche ent- steht (Textfig. 14X). Auch diese beiden Furchen finden sich beim Igel viel ausgeprägter wieder, zumal die letztere in Form einer gewaltigen dorso-lateralwärts gerichteten Einbiegung der Rinde. Die Stria terminalis sieht man auch bei der Maus als ein weisses, mit nur wenig ganz kleinen Zellen besetztes Feld am Boden des Ventrikels etwas latero-dorsal von der tiefsten Stelle des Suleus strio-thalamieus hinziehen. Auf Objektträger XI (erste Hälfte) scheint sie in eine Masse von mittelgrossen, lebhaft gefärbten Zellen medio-ventralwärts hineinzuströmen, die nach Lage und Art der Zellen durchaus dem bei dem Igel als „Grenz- kern“ (s. Textfig. 7) bezeichneten Gebilde entspricht. Er ver- schwindet mit der Ausbildung des Mittelstücks der vorderen Kommissur. Auf XII sieht man zellarme Streifen, anscheinend Faserstreifen, aus der erwähnten Striagegend nach der vorderen Kommissur (Mittelstück) hinziehen. Die bei dem Igel geschilderte Ventralwärtsschiebung des Nucleus caudatus (Bildung des Kopfes Anatomie des Mandelkerns etc. 671 des n.c.) scheint mir bei der Maus erst in etwas oraler gelegenen Ebenen zu erfolgen. Eine Abscheidung des ventralen Teils des Nucleus caudatus (n. c. v. bei Erinaceus) nach Form und Lagerung der Zellen gelingt mir bei der Maus nicht. Wenn ich nun die vorstehenden Ergebnisse, soweit es noch nicht geschehen, kurz zusammenfasse und mit den am Igel- hirn gewonnenen Resultaten vergleiche, so ergibt sich zunächst völlige Identität in dem Aufbau der Rindenschichten (R', R“, S, von denen R’ fast überall in eine gedrängtere, oberflächliche und eine etwas lockere, tiefere Schicht zerfällt). Auch die Schichten- vermehrung am Oceipitalpol findet sich bei der Maus, wenn auch in etwas undeutlicherer Weise und auf die laterale Seite be- schränkt, wieder. Die wesentlichsten Differenzen sind: 1. Dorso- lateral besteht die Rinde aus einem kontinuierlichen, oberfläch- lichen Bande von p-Zellen, während die tieferen Lagen der R’- Schicht hier und da eine Mischung von p und r-Zellen, vorzugs- weise aber reine r-Zellen-Lagerungen darstellen, welche Hermanides und Köppent) als „Körnerschicht“ bezeichnet haben. — In oder unter der Schicht R' fallen bei der Maus weit zahl- reichere, zu Häufchen gelagerte grosse Pyramiden auf. 2. Auch dorso-medial enthält die R‘'-Schicht vereinzelte grosse Pyramiden. In den proximalen Teilen ist die Oberfläche mit ganz kleinen p-Zellen überzogen. 3. Der Bau der ventro-lateralen Rinde ist prinzipiell, analog dem Bau des entsprechenden Gebietes beim Igel, der folgende: Kaudal eine gleichmässig aus eigentümlichen p-Zellen bestehende R’-Schicht, in deren tiefem Teil einzelne r-Zellen vorkommen. R“ besteht nur aus r-Zellen. Weiter oral (von V an) sind diese r-Zellen der R’-Schicht dorsal und ventral durch p-Zellen er- setzt, die Neigung zu radiärer Lagerung zeigen, während im mittleren Bezirk die r-Zellen erhalten bleiben; an einer um- schriebenen Stelle dieses Bezirks werden auch die p-Zellen der R‘-Schieht durch r-Zellen abgelöst. Ganz oral endlich, in der Region des Tuberculum, findet eine vom medialen Ende langsam !) Vergl. H. und K.: Über die Furchen und den Bau der Grosshirnrinde bei den Lissencephalen etc. Arch. f. Psych., Band 37, Hft. II. 672 Max Völsch: fortschreitende Umwandlung der p-Zellen von R’ und R’ in r-Zellen statt, ohne dass an der Stelle, an welcher die Unter- suchung abgebrochen wurde, diese Umwandlung bis in den dorsalsten Teil der Formation vorgeschritten wäre. 4. Ein weiterer Unterschied besteht in der Furchenbildung. Bei der Maus präsentiert sich in der Frontalserie lediglich die Fissura rhinalis lateralis und die nur als Einsenkung der Molekularschicht erscheinende Rindeneinschnürung 0; beide, besonders letztere, gleichen sich nach vorne zu früher aus als beim Igel. Die übrigen dort erwähnten Furchen, vor allem y, welche die Rhinencephalon- rinde weithin in einen dorsalen und einen ventralen Teil (den medio- und ventro-lateralen der lateralen Hemisphärenwand) teilte, finden sich bei der Maus nicht wieder. 5. Endlich er- scheint die Ausbreitung der Hemisphäre der Maus im vertikalen Durchmesser etwas gestreckter, die Knickung an der latero- ventralen Umbiegungsstelle und damit die Knickung des Ventrikels ist nicht so stark und so jäh wie beim Igel. Die Hemisphäre- dagegen umfasst den Stamm mehr von unten her. Als eine Folge davon erscheint die dorsal-konvexe Verlaufsrichtung der Zellplatte Spa + StK. 6. Das Pallium reicht bei der Maus weiter kaudalwärts, und das Rhinencephalon hat bei ihr nicht ein so gewaltiges Übergewicht über das letztere, wie beim Igel. An den übrigen Begrenzungsflächen des Hirns wiederholen sich genau die beim Igel beschriebenen Vorgänge. Speziell basal findet sich kaudal eine, freilich aus p-Zellen bestehende, R’-Schicht, darunter R“. Die weiter vorne sich abspielenden Veränderungen dieser basalen Rinde sind oben ausführlich be- schrieben. T glaubte ich prinzipiell als eine Einsenkung der R‘- Schicht auffassen zu sollen, von der ein Teil als Randstreifen von T erhalten bleibt. B entstand wahrscheinlich in seinem dorsalen Teil aus einer Verdiekung der R', während sein Randstreifen eine Fortsetzung von R' darzustellen schien. Die freilich zu- nächst auffallende Modifikation dieser Verhältnisse bei der Maus gegenüber dem Igel besteht darin, dass diese Randstreifen von B und T ausgesprochen p-Typus annehmen. Aber wie es scheint, und wie sich bereits an der dorsalen Rinde beobachten liess, be- steht bei ersterer allgemein eine vergleichsweise stärkere Tendenz zum Ersatz der r-Zellen durch p-Zellen. Es liegt nahe, diese Umwandlung der r- in p-Zellen als ein phylogenetisches Fort- Anatomie des Mandelkerns etc. 6753 schreiten aufzufassen, so dass die r-Zellen, die in der Tat ja weit mehr an die embryonalen Zellformen erinnern, entwicklungs- geschichtliche Vorstufen der p-Zellen wären. Ist diese Annahme richtig, so dürfte jene oben besprochene Erscheinung nichts Auf- fälliges haben und nicht gegen die Identität der Rindenabschnitte bei beiden Tierordnungen sprechen. Jene Tendenz zeigt sich dann ferner auch in eklatanter Weise in der Durchdringung des Haufens T in seinem oralen Teil mit den grossen, auffälligen p-Zellen. — Infolge des gestreckteren Verlaufs der Hemisphäre und des Ventrikels liegen die Gebilde T und M mehr lateral vom Ventrikel, nicht wie beim Igel ventral oder ventro-lateral. Im übrigen erfolgt das Anwachsen und Verschwinden der Kerne in genau derselben Weise wie dort. Unsicher ist die Homologie des „Sporns“; es liegt nahe, für diesen die Verbindung der Ammonsformation und der tieferen Schichten der Rinde bzgl. B vermittelnden Zellenzug den Haufen y in Anspruch zu nehmen. Doch ist diese Beziehung zweifelhaft. Ganz überzeugend ergibt sich die Identität von St, St‘ und St‘; ferner von D und dem „basalen Spitzenkern“, sowie dem Kern des sagitalen Striabündels D‘. Ob D“ zu derselben Gruppe gehört, blieb zweifelhaft. Die distale Anhäufung n. st. t. (Begleitkern der Stria) liess sich infolge des p-Zellen-Charakters ihrer Zellen noch schöner als beim Igel in die basalen Kerne hineinverfolgen, in welche die Stria ausstrahlt. Innerhalb des kompakten Striabündels, während seines Verlaufs am Boden des Ventrikels, schrumpft der „Begleitkern* zu einigen, wenigen blassen kleinen Zellen zusammen, wie bei dem Igel. Auf die Differenz der fragwürdigen Zellansammlung E in dem Gebiet an der Basis des Striatum ist oben genügend hin- gewiesen. Ebenso auf die Tatsache, dass sich an Stelle der Rindenverdickung S‘ des Igels bei der Maus an entsprechender Stelle nur eine Zellenzusammenlagerung und -Häufung findet. Mir scheinen danach die Homologien der fraglichen Bildungen bei Igel und Maus so vollkommen und die sich ergebenden Differenzen so geringfügig, dass ich auf den Vergleich der Zell- präparate der Maus mit entsprechenden Faserpräparaten verzichten zu dürfen glaube; dieselben würden für die Beantwortung der Fragen, welche das eigentliche Thema dieser Arbeit bilden, kaum neues Material herbeischaffen. Ich glaube vielmehr, dass die 674 Max Völsch: Verhältnisse bei dem Gehirn der Maus, abgesehen davon, dass die Zellpräparate ein Licht auf die Genese von T und B werfen, in Bezug auf diese Fragen lediglich die beim Igel erhobenen Befunde bestätigen. Das Wenige, was ich an einer unvoll- ständigen und durchaus ungenügend gefärbten Serie sehen kann, bestärkt mich in dieser Ansicht. Hingegen mag es gestattet sein, anhangsweise und ge- wissermassen zur Ergänzung des Zellenbefundes bei der Maus einige Bemerkungen über eine mir vorliegende, mir von Herrn Geheimrat Ziehen zur Verfügung gestellte Frontalserie des Kaninchens (Pal, jeder zweite Schnitt) anzuschliessen: Das Rhinencephalon des Kaninchens ist relativ viel kleiner; die Fissura rhinalis lateralis verläuft im ventro-lateralen Teil der Hemisphäre. Die Entwicklung der basalen Kerne, die sich bei Igel und Maus an den Zellpräparaten differenzieren liessen, ist auf den Faserschnitten allein schwer zu verfolgen. Indessen stimmen, wie ich glaube, die sich darbietenden Bilder mit der oben ge- gebenen Darstellung durchaus überein; nirgends tritt ein prinzi- pieller Gegensatz hervor. Zunächst — beim Verfolgen der Serie von hinten nach vorne — entwickelt sich der Kern B (Objekttr. LXXXIH) in der basalen Hemisphärenspitze; man sieht, wie die beim Kaninchen viel reichlichere Radiärfaserung des basalen Gebiets in die dem ventro-medialwärts abgebogenen Ventrikalabschnitt angelagerte „occipitale“ Markschicht hinein durch die Entwicklung jenes Kerns dorsalwärts geschoben und verkürzt wird. Etwas weiter oralwärts bildet sich T, gleichfalls in einer der beschriebenen ganz analogen Stelle. Ein Unterschied zwischen Igel und Kaninchen besteht darin, dass dort jenes „oceipitale“ Mark in schräger Richtung durch den Kern T zu der grossen lateralen Markmasse der Hemisphäre zieht, ihn in einzelnen Fasern und Bündeln durchsetzend (s. Fig. 8 u. 9) und sich hier- durch bald erschöpfend, während es bei dem Kaninchen lange Zeit nur einzelne Fasern in den Kern und durch ihn hindurch abgibt, im übrigen aber viel weiter oralwärts als kompakte Faser- masse am Boden des Ventrikels erhalten und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem lateralen Hemisphärenmark bleibt (wie auf Fig. 8, bei Erinac.). Dadurch kommt es, dass, wenn nun die Anatomie des Mandelkerns etec. 675 graue Masse, die zunächst als M anzusprechen sein dürfte, sich dem Hemisphärenmark in Form eines Dreiecks, latero-dorsal von der Spitze von T, medial anlegt und sie vom Ventrikel abdrängt, (vergl. Fig. S u. 9 bei Igel) dieses Grau, zunächst wenigstens, nicht wie beim Igel mit dem Kern T in direkter Verbindung steht, sondern von ihm durch eine kompakte Markbrücke ge- trennt ist; dieselbe verbindet eben das noch an der ventralen Fläche des eingebogenen Ventrikelteils gelegenen „oeeipitale“ Mark mit der von der Ventrikelwand abgedrängten grossen lateralen Markmasse. Erst viel weiter oralwärts beginnt die Zerlegung dieser Brücke in Bündel und das allmähliche Ver- schwinden des „Oceipitalmarks“ von der Ventrikalbasis, (wo es alsdann der Striafaserung Platz macht), und jene Zerlegung, die dem ganzen Kern T bei dem Igel ein hermelinartiges Aussehen gab. beschränkt sich beim Kaninchen immer auf den dorso- lateralsten Teil des Kerns, bezw. das Grenzgebiet zu M. Wieviel von dem oben erwähnten Grau, das sich, immer in Drei- ecksform, gewaltig in vertikaler und transversaler Richtung aus- dehnt, zu dem Kern M, und wie viel zu dem sich ihm medial anlagernden Striatum gehört, vermag ich ohne Zellpräparate nicht zu sagen. Die Grenze zwischen dem Striatum einerseits und den Kernen T und besonders M — (dessen Existenz sich ohne Zellpräparate ja nur mutmassen lässt) — andererseits ist, zumal in den distaleren Teilen, eine ganz verwischte. Nach vorne bildet sich dann, wenn auch nur andeutungsweise, eine Faserung aus, die der „Uapsula media“ des Igels entsprechen könnte. Das Striatum hat sich von dorsal her zwischen die Kerne und den Ventrikel eingeschoben und sie von letzterem abgedrängt. Ich glaube danach die Figur 716 auf p. 626 bei Kölliker (a. a. O.) dahin deuten zu dürfen, dass die beiden Gebiete NI' den Kernen T und M, das ventralere Gebiet Nl der Cauda, das dorsalere N] dem Linsenkern entspricht. Weiter oral wird die als T+M aufgefasste Kernmasse deutlich kleiner, M scheint sich auf einen dem Striatum lateral angelagerten schmalen Fortsatz zu reduzieren; das Ende der Kerne ist nicht festzustellen. Zell- präparate müssten über das alles sichere Auskunft geben. D, dessen Anfänge unsicher sind, erscheint auf Obj. tr. C charakteristisch ausgebildet, weiter nach vorne in den basalen Spitzenkern mit den Gruppen D' und D“ übergehend. 676 Max Völsch: Der Verlauf der Stria terminalis gestaltet sich ganz analog dem beim Igel beschriebenen; ich kann der erwähnten Darstellung Köllikers (a. a. OÖ. p. 624 ff.) nur wenige neue Momente anfügen. Die Stria erscheint, von hinten her gerechnet, zuerst als ein vertikal verlaufender Saum medial vom Striatum, der sich bald in Breite und Länge ausdehnt, bei seiner ventralen Aus- dehnung allmählich den Platz der „oceipitalen“ Markfaserung einnehmend. So entsteht das von Kölliker in Fig. 716 wieder- gegebene Bild. Auf proximaleren Schnitten teilt der durch- brechende Pedunculus den Bogen der Stria nun in zwei Teile; der dorsale umfasst von unten kelch- später halbmondförmig den Suleus strio-thalamieus; weiter vorwärts spitzt sich der Ventrikel zu und die Stria kommt latero-dorsalwärts von der ventralen Spitze des Ventrikels zu liegen (vergl. bei Kölliker Fig. 715, p. 625). Während ihres Verlaufs am Boden des Ventrikels finden sich in ihr und ihr lateral angelagert vielfach graue Massen („Begleit- kern“), sie gibt dabei Fasern sowohl lateral in den Nucleus caudatus, als medial in den Thalamus ab und endet oralwärts in der von Kölliker angegebenen Weise. Sehr deutlich finden sich auch die beim Igel beschriebenen ventralen resp. distalen Endigungen der Stria wieder. Der distale Schenkel des sagittalen Längsbündels bildet sich auf Ob- jektträger C; die zu ihm ziehenden Strahlungen aus B sind lockerer als beim Igel, haben nicht die Form des dort beob- achteten kompakten Bündelchens (Fig. 9). Nach Verfolgung des Querschnitts des hinteren Schenkels des sagittalen Längsbündels über mehrere Objektträger sieht man sehr schön seine Verbindung mit der Stria als ein dunkles, aus der Stria zu dem Querschnitt herabsteigendes Bündelchen, das sich innerhalb des den Pedunculus umziehenden Stria-Bogens bis in ihren dorsalen, am Boden des Ventrikels verlaufenden Teil, immer ausgezeichnet durch seine dunklere Färbung, verfolgen lässt.) Sehr deutlich markiert sich in diesen Höhen medial von dem soeben erwähnten (zum Quer- schnitt © ziehenden und zum sagittalen Längsbündel werdenden) Bündel noch ein anderes innerhalb der fächerförmigen Stria- strahlung in den Kern D gelegenes Bündel, das im Bogen ') Dies im Gegensatz zu Köllikers Angabe a. a. O., p. 626. Anatomie des Mandelkerns etc. 677 ungefähr parallel der Hemisphärenspitze zur Basis (in die Gegend der Furche d) zieht. Es vereinigt sich hier mit einer Anzahl von Faserbündelchen, die weithin rückwärts als kleine Quer- und Schrägschnitte innerhalb des Kernes B zu verfolgen sind. Danach bestände noch eine zweite kompakte Verbindung von B mit der Stria (ausser der durch den hinteren Schenkel des sagittalen Längsbündels),. Während ich auf die übrigen ventralen Endigungen der Stria, die genau, wie beim Igel verlaufen, nicht eingehe, will ich nur erwähnen, dass sich das sagittale Längsbündel wiederum auch nach vorne zum Kern D' verfolgen lässt. Das ganze sagittale Längsbündel ist beim Kaninchen viel unbedeutender wie bei dem Igel. Bezüglich der Frage der Verbindung des Kerns D' mit dem Tractus olfactorius muss ich für das Kaninchen Ganser Recht geben, der beim Maulwurf diese Verbindung konstatiert. Der Kern ist von einem Fasernetz umgeben, zu dessen Bildung der Traetus alfactorius jedenfalls beiträgt. Zweifellos aber ist der letztere auch beim Kaninchen weit über dieses Gebiet hinaus distalwärts zu verfolgen. Es scheint mir, als ob beim Kaninchen Fasern aus der Hemisphärenspitze nach ihrer Verwachsung mit dem Stamm an der Bildung des unteren Thalamusstiels partizipieren (Kern D“?). Ausserordentlich auffallend ist die relative Schmächtigkeit der Fasermasse lateral vom Kern T, resp. vom Linsenkern, des ventralen Teils der Capsula externa. Wegen der hier gelagerten grauen Massen (Claustrum?) verweise ich auf die Schilderung Honeggers.!) Vielleicht lässt sich der ventrale Teil dieser grauen Masse, die Honegger für das Claustrum des Kaninchens hält, mit dem Kern X des Igels in Verbindung bringen. Ich fasse zum Schluss die Resultate der obigen Unter- suchung in bezug auf das Gebiet der basalen Hemisphärenkerne in folgende Sätze zusammen: I. An der Basis der Hemisphären sowohl beim Igel als bei der Maus finden sich in den proximaleren Gegenden eine Anzahl von Ganglienzellenkomplexen, die sich durch Grösse, Form und 1) .c.p. 412. 678 Max Völsch: Tinktionsverhältnisse der Zellen wohl gegeneinander abgrenzen lassen; zum Teil sind sie als Verdickungen oder Einstülpungen der basalen Rinde aufzufassen; andere lassen eine solche Genese nicht erkennen. 1. Am distalsten liegt der Kern B; vielleicht entspricht er einem von Honegger bei Hund, Katze, Huftieren be- schriebenen, auf dem Frontalschnitt birnförmigen Ganglion. 9. Latero-dorsal von ihm liegen die sich zu einem Ganzen vereinigenden Kerne T und M, identisch mit dem Nucleus amygdalae von Ganser bei Talpa. von andern (z. BD. Kölliker) zum Striatum gerechnet. Ich behalte mir eine definitive Entscheidung vor und betone für jetzt nur, dass ich wegen des Verschwindens des Kerns in solchen proximalen Ebenen, in welchen das Striatum längst noch nicht erschöpft sein kann, und aus andern Gründen seine Zugehörigkeit zum Striatum bezweifle. Proximaler findet sich der Kern D, identisch mit dem von Kölliker als Nucleus amygdalae (N. a.) beim Kaninchen bezeichneten Gebilde. 4. Darauf folgt der „basale Spitzenkern“, noch weiter proxi- mal sich an D und B anschliessend; er enthält den umschriebenen Kern D' (Traetus olfactorius-Kern von Ganser), für welchen jedoch Beziehungen zum Tractus olfactorius noch nicht zweifelsfrei sind. Alle diese Gebilde kommen als Homologien des Mandelkerns der Primaten in Betracht; die weitere vergleichende Untersuchung wird darüber eventuell Klarheit bringen. Ob und in wie weit die Kerne Verbindungen mit dem Tractus olfactorius haben, geht aus den Präparaten nicht sicher hervor. II. Alle diese Kerne (daneben andere Gebiete, Striatum, Hemisphärenmark) entsenden Fasern zur Stria terminalis, speziell der Kern D' den vorderen, der Kern B den hinteren Schenkel des „sagittalen Längsbündels der Stria“. Dieselbe umzieht als- dann im Bogen von hinten her die Capsula interna, verläuft am Boden des Ventrikels, Fasern zum Nucleus caudatus und Thalamus (?) abgebend, und endet oralwärts in der von Kölliker beschriebenen Weise. III. Proximal schliesst sich an die Gegend des „basalen Spitzenkerns“ nach der Vereinigung von Stamm- und Hemisphären- o [eb | Anatomie des Mandelkerns etc. 679 basis die Substantia perforata anterior, eine Zellplatte oder Zellfaserplatte, die sich als tiefste Schicht der „Rinde am Kopfe des Streifenhügels* in das Tuberculum olfactorium hinein fort- setzt. Die Faserung dieser Zellplatte strebt zum Teil zum Septum pellueidum; eine andere Partie scheint distalwärts umzu- biegen, um an der Verschmelzungsstelle von Stamm- und Hemi- sphärenbasis ein Stück distalwärts zu verlaufen. Während jedoch die Mehrzahl dieser Fasern alsbald wieder in die Frontalebene einbiegt und sich in den unteren Thalamusstiel ergiesst, behält ein anderer kleinerer Teil, das Gansersche Längsbündel, die distale Verlaufsrichtung bei, sich zusammen mit anderen, medialer gelegenen Fasern (dem „medialen Längsfaserfeld“) wahrschein- lich zur Zona incerta begebend. IV. Die Rinde des Tuberculum olfaetorium und damit viel- leicht auch die Zellfaserplatte der Substantia perforata anterior hat Beziehungen zum Tractus olfactorius. V. Die Homologie des Claustrums ist unsicher; vielleicht ist als solche die mit S’ bezeichnete Verdickung der tiefsten Rinden- schicht beim Igel anzusehen; vielleicht daneben auch eine Zell- ansammlung (X) in der Gegend der Einstrahlung der vorderen Kommissur in die Capsula externa. Erklärung der Tafeln XXXVII—- XL. Fig. 1 gibt eine Gruppe von Zellen aus der Rinde des Rhinencephalons des Igels wieder; Mischung von r- und p-Zellen. Zeiss, Apochrom. S mm, Kompens.-Okular 4, K.A.80 (400fache Vergrösserung). Fig. 2-7 zeigen den basalen Teil der linken Hemisphäre des Igels in sechs verschiedenen Frontalebenen; Färbung nach Nissl; die Furche Ö an der basalen Oberfläche trennt überall (ebenso wie auf den fünf folgenden Figuren) den ventro-lateralen von dem ventro-medialen Teil ab; sie bilden gleichzeitig stets die ungefähre Grenze der von der auf den Figuren nicht mehr sichtbaren Furche » herabsteigenden Rhinencephalonrinde. Fig. 2 (korrespondierend ungefähr mit dem in Fig. 15 wiedergegebenen Frontalschnitt aus dem Gehirn der Maus) stellt einen Schnitt dar, der die Gegend der Commissura posterior trifft. Zeiss, Obj. AA, K.A.SD (50fache Vergrösserung). Die Max Völsch: 3 (ungefähr — Fig. 17 bei der Maus). Schnitt im hinteren Drittel des Ganglion habenulae. Da die Photographie unzulänglich war, wurde sie, ebenso wie die zu Fig. 7, durch eine Zeiehnung ersetzt (ca. 18fache Vergrösserung). . 4 u.5 (= Fig. 18 resp. Fig. 19, Maus). Schnitte durch den mittleren resp. vorderen Teil des Ganglion habenulae. Fig. 4, Zeiss, Planar, K.A.66 (18fache Vergr.). Fig.5, Zeiss, AA, K. A. 62 (25fache Vergr.). 6 entspricht etwa Fig. 20 der Maus. Der Schnitt liegt kurz vor der Vereinigung der Fimbria mit dem aufsteigenden Forniaschenkel Zeiss, aa, K.A 80 (ca. 30fache Vergrösserung). (etwa — Textfig. 14 bei der Maus); der Schnitt liegt an der Stelle des Beginns des Septi pellueidi. (Ca. 18fache Vergrösserung). Vergl. die Bemerkung zu Fig. 3. -] . 8—12. Basis der linken Hemisphäre des Igels. Frontalschnitte; Pal- färbung. Zeiss, Planar 35, K. A. 48 (ca. 15fache Vergrösserung) . 8 in der Frontalebene der hinteren Kommissur. 9 in der Frontalebene des hinteren Teils des Ganglion habenulae. .10. Hinterer, Fig. 11 mittlerer Teil des Chiasma. .12. Etwas vor dem Chiasma. .13-—-20 zeigen den basalen Hemisphärenteil der Maus; Frontalschnitte, nach Nissl gefärbt. (Die Schnitte liegen vielfach schräge, weil es wünschenswert schien, den grössten Durchmesser der Platte aus- zunutzen.) Zeiss, AA, K.A. 67 (40fache Vergrösserung). .13 u.14. Vierhügelgegend. .15 (korrespondiert mit dem Schnitt in Fig. 2, Igel) — Gegend der Commissura posterior.') .16 (einer Stelle beim Igel entsprechend, die zwischen den Frontalebenen der Fig. 2 und 3 liegt), sowie Fig. 17 (cfr. Fig. 3, Igel) und Fig. 18 (efr. Fig. 4, Igel) treffen ebenfalls noch die hintere Kommissur. %.19 (etwa Fig. 5, Igel, entsprechend) und Fig. 20 (etwa Fig. 6, Igel, entsprechend) stellen Schnitte dar, die das Ganglion habenulae und das Chiasma treffen. .20 endlich liegt etwas weiter nach vorne als Fig. 7 beim Igel, trifft ebenfalls noch das Chiasma. Photogramme sind mit Ausnahme von Fig. 1 sämtlich ohne Okular auf- genommen. Die angegebenen Vergrösserungen sind nur ungefähr zutreffend. !) Das Gebilde links unten in den Figuren 15—17 ist das Ganglion Gasseri. ) | Anatomie des Mandelkerns etc. 681 Zeichenerklärung. Ammonshorn. umgerollter Teil des Ammonshorns (dem dorsalen Blatt Köllikers entsprechend). dem ventralen Schenkel des Ammonshorns. Alveus. Molekularschichteinsenkung resp. Furche bei Maus und Igel an der ventralen Übergangsstelle der Ammonsrinde in die basale Hirnrinde. Kern in der basalen Hemisphärenspitze. Medialer, abgeschnürter Teil von B (nur beim Igel). Furche bezw. Molekularschichteinsenkung zwischen B und B‘ (nur beim Igel). „basaler Spitzenkern“. Cauda nuclei caudati. Commissura anterior. Mittelstück der Commissura anterior. Capsula externa. zentrales Höhlengrau. Corpus geniculatum externum. Capsula interna. Kern an der Hemisphärenbasis (nucl. amygdal. Köllikers beim Kaninchen). End- oder Ursprungskern des „sagittalen Längsbündels der Stria terminalis“. End- oder Ursprungskern eines Teils des unteren Thalamus- stiels (?). Furche zwischen ventro-lateralem und ventro-medialem Teil der Hemisphäre; ungefähre Grenze zwischen Rhinencephalon und basalem Gebiet; Furche des Tractus olfactorius lateralis; Fissura rhinalis medialis. Zellmasse in der „Gegend des Kopfes des Striatums“, zum Teil zum inneren Linsenkerngliede, zum Teil zum „basalen Spitzenkern“ gehörig (?) (bei dem Igel mit ? bezeichnet). Infolge der durch die Einschiebung der Ammonswindung be- dingten Lageveränderung der medialen Hemisphärenrinde, deren ventrales Ende in einer schrägen Linie von ventro- caudal nach dorso-oral verläuft, erscheint diese Rinde auf den Frontalschnitten als ein dorso-ventral verlaufender Fortsatz (F) mit ventraler Spitze. kleiner, ventralwärts gerichteter Fortsatz der medialen Pallium- rinde, auf dem Frontalschnitt als solcher imponierend, ent- standen durch eine latero-dorsal gerichtete Einsenkung der medialen Molekularschicht (Fiss. rhin. lateralis, nach ihrem Übergreifen auf die mediale Seite über den distalen Hemisphärenpol hinweg ?) Max Völsch: Fascia dentata. Fimbria. Fissura Hippocampi. G. siehe N.a. p. G.K „Grenzkern“ zwischen Thalamus und Hemisphäre in den oralsten Teilen des Stammes. Gansers basales Längsbündel. Ganglion opticum basale. Ventro-lateral gelegene Sagittalfurche im Rhinencephalon des Igels. Kleinzellige Kernmassen in verschiedener Lage. „Laterales Längsfaserfeld*“. Kern an der latero-ventralen Seite des Striatums (s. auch T). Molekularschicht der Rinde. „Mediales Längsfaserfeld“. G = Nucleus ansae peduncularis (Meynert), Basalganglion (Kölliker). Nucleus caudatus. Kopf des Nucleus caudatus resp. der Teil desselben, welcher sich in den oralen Ebenen ventralwärts hinabsenkt. Nucleus commissurae anterioris (Ziehen). Nervus opticus. Begleitkern der Stria terminalis. Öceipitale Markstrahlung, am Boden des Ventrikels proximal- wärts verlaufend. Peduneculus cerebri. Bündelquerschnitt („sagittales Längsbündel der Stria terminalis“). Öberflächlichste Rindenzellschicht aus dem Oceipitalpol des Igels. oberflächliche und tiefere Rindenzellschicht (bei Igel und Maus). Rhinencephalonrinde. Mark der Rhinencephalonrinde. Fissura rhinalis lateralis. Tiefste Rindenzellschicht. Verdickung der Rindenzellschicht S im Rhinencephalon (ventral von 2). Substantia perforata anterior, bezw. die die letztere über- lagernden Zellfasermassen. ventralster Teil der Zellfasermassen S.p.a. Striatum bezw. äusseres Glied des Linsenkerns. Zellen des inneren Gliedes des Linsenkerns. Die Zellfasermassen der 8. p. a. (am Kopfe des Streifenhügels), soweit sie vom Tuberculum olfactorium bedeckt sind — tiefster Schicht der Rinde des Tuberculum olfactorium. Die entsprechenden Anteile von S.p. a‘. Stria terminalis. Anatomie des Mandelkerns etc. 683 415 — Kern an der latero-ventralen Seite des Striatums; zusammen mit M. den Nucleus amygdalae von Ganser bildend. Buch: = Tela chorioidea. Th. — Thalamus opticus. Tr.olf. = Traetus olfactorius lateralis. Tr. opt. = Tractus opticus. Th. olf., Tb. olf.‘, Tb. olf.“ — verschiedene Zellformationen in der Rinde des Tuberculum olfactorium. U. Th. St. = Unterer Thalamusstiel. V. — Ventrikel. X. — Kern in der capsula externa. I — Zellkomplex ventral vom Hinterhorn der vorderen Kommissur, zum Striatum gehörig. y — Zellhaufen in der temporalen Hemisphärenspitze der Maus. 2. — nucleus accumbens (Ziehen), zum Striatum gehörig. 2. 2. — zellarme Zone im Stamm, ventral von N.a.p., das Gansersche Längsbündel und das „mediale Längsfaserfeld“ enthaltend. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 68. 45 684 Berichtigendes zur Histologie des zentralen Nervensystems. Von Dr. Vladislav Rüzicka. Durch anderweitige Arbeiten war ich mehrere Jahre hindurch verhindert, alle Arbeiten über die Histologie des zentralen Nervensystems im Originale nachzulesen und habe daher übersehen, dass die im Bd. 60, 1902, dieses Archivs publizierte Arbeit von Mencl, Assistent am zoologischen Institut in Prag, „Einige Bemerkungen zur Histologie des elektrischen Lappens bei Torpedo marmorata“ zum grössten Teile auf Tatsachen be- ruht, welche ich in meinen „Untersuchungen über die feinere Struktur der Nervenzellen und ihrer Fortsätze,“ dieses Archiv, Bd. 53, 1899,!) also drei Jahre früher, als erster mitgeteilt habe. Es sei mir daher gestattet, auf diesen Umstand, in einer, wenngleich ver- späteten, so doch nicht minder berechtigten Mitteilung hinzuweisen. Zum Beweise meiner Behauptung zitiere ich die betreffenden Stellen wörtlich. 1. Menc] führt in seiner Arbeit an: „Lech habe ebenfalls sehr oft gefunden, dass eine Kapillare das Plasma der Ganglienzelle berührt, oder die Zelle einen Ausläufer zur Kapillare entsendet“ (S. 188). Drei Jahre vor Mencl habe ich mitgeteilt und in der Fig. 24, Taf. XXIII das Nachfolgende illustriert: „Des weiteren kann man die Beobachtung machen, dass die Nerven- zelle direkt mittels eines stärkeren Dendriten mit dem Blutgefässe zusammen- hängt“ (S. 507). Mencl erwähnt diese meine Beobachtung nicht, so dass der Eindruck entstehen kann, als ob er selbst, diese allerdings seltene, bislang nur von Golgi und mir konstatierte Erscheinung entdeckt hätte. 2. Weiterhin gibt Mencl an: „Die Fig. 8 der beiliegenden Tafel veranschaulicht eine Sache, auf welche ich da nur aufmerksam mache, weil ich sie nicht eingehender studieren konnte, die aber verdient, dass man ihr besondere Auf- merksamkeit widmet. Auf meinen Eisenhämatoxylinpräparaten und noch besser auf einem mir gefälligst von Herrn Doc. Dr. F.K. Studnicka zur Disposition gestellten Methylenblaupräparate fand ich, dass sich über die ganze Fläche des Lobus zwischen den Zellen ein feines Netz erstreckt“ (S. 188). '!) Die Arbeit erschien eigentlich 1898, der ganze Band trägt jedoch die Jahreszahl 1899. Berichtigendes zur Histologie des zentralen Nervensystems. 685 Menecl verschweigt hier gleichfalls, dass dieses feine Netzwerk drei Jahre vor dem Erscheinen seiner Arbeit von mir ausführlich be- schrieben wurde, wie dies aus nachfolgenden Zitaten hervorgeht: „Kann man an geeigneten Stellen deutlich wahrnehmen, dass sie (die feinsten Ausläufer der Nervenzellen) sich mit den Balken des umliegenden Gerüstes zu einem dichten Netzwerke vereinigen“ (S. 504). „An etwas dickeren Schnitten, welche mittels Hämatoxylin!) gefärbt wurden, erscheinen die einzelnen Zellen wie von einem aus den feinen Aus- läufern gebildeten Spinngewebe umsponnen‘“ (S. 505). „Die Nervenzellen werden also hüllenförmig von dem wahrscheinlich gliösen Reticulum umgeben, an dessen Aufbau die Verzweigungen der aus den Nervenzellen entspringenden feinsten Ausläufer Anteil nehmen‘ (S. 505). Diese Angaben habe ich in den Fig. 26, 27, 28, 29, 30, Taf. XXIII, mit welchen die drei Jahre später publizierte Abbildung Mencels ganz konform ist, illustriert. Ich hebe ausdrücklich hervor, dass es sich nicht um Differenzen in der Deutung dieses Netzwerkes handelt, sondern um die Tatsache des Auffindens dieses Netzwerkes. Sieht man also von jeder Deutung ab, so ist es klar, dass sich meine Beschreibung auf das später von Bethe (dieses Arch. 1900) so benannte zentrale Golginetz bezieht, dessen Entdeckung ich im Jahre 1898 im Archiv für mikroskopische Anatomie publiziert habe, während die gleichzeitige Arbeit Golgis über diesen Gegenstand in dem Bolletino med-chir. Pavia erschienen ist. Es liegt mir fern, die Namengebung Bethes abzuändern. Meine Arbeit war Mencl gut bekannt, da er dieselbe auf 8.184 zitiert. Das Zitat bezieht sich jedoch nur auf die von mir be- schriebenen Anastomosen der Nervenzellen. 3. Dieses Zitat ist jedoch hauptsächlich zu gunsten einer Polemik an- geführt, durch welche die Beweiskraft der von mir publizierten Anastomosen- bilder bestritten werden soll und zwar mit folgenden Gründen: a) Die Anastomosen entbehren in alle Fällen der Verästelungen und Varikositäten. Eine meiner Figuren (21) zeigt nun eine verästelte Anastomose. Dass diese Einwendung Mencls gegenstandslos ist, hätte ihm aus der Literatur bekannt sein sollen, nachdem ja Dogiel bereits 1893, Archiv f. Anatomie ete., Taf. XVI, Anastomosen mit unzähligen Ästen und Varikositäten veröffentlicht hat. Die Verbindung findet immer nur zwischen zwei Zellen statt. Ich hatte eine Abbildung gebracht (22), in welcher vier Zellen ver- bunden erscheinen. Selbst wenn man nun davon absieht, dass bereits Apäthy 1898?) mehrfache Anastomosen zur Veröffentlichung gebracht hat, so hätte Mencl bedenken sollen, dass die Verhältnisse vom Meerschweinchen, auf das ich mich bezog, keineswegs durch die von ihm an Torpedo festgestellten widerlegt werden können. = !) Das auch Mencl benützt hat. ?) Auch von Smirnow, dieses Arch. 59, 1902. { | 45* 686 Vladislav RüZilka: Berichtigendes zur Histologie etc. Während aber Mencl meine Anastomosen „nicht überzeugend‘ findet, publiziert er in Fig. 3 (im Text 9.185) und in den Fig. 1 u. 2, Taf. X, Anastomosen, die, was die Art der Verbindung betrifft, mit den meinen (Fig. 22 u. 23) völlig gleich sind. Auffällig ist es, das Mencl die folgenden auf $.12 seiner diesbezüglichen böhmischen Arbeit!) ent- haltenen Worte in dem in diesem Archiv veröffentlichten Auszuge ausgelassen hat: „Hiermit will ich freilich den Befund des genannten Autors ohne Ein- sicht in seine Präparate nicht ganz Kategorisch bestreiten.‘ Indem ich auf diese Umstände aufmerksam mache, überlasse ich es dem Gerechtigkeitssinne der Leser, sich über das Verfahren von Mencl selbst ein Urteil zu bilden. !) Pfisp. k histol. elektr. centra n Torpedo marmor. V£stn. kräl. &. spol. nauk. 1901. Ber, . a FI 3 ı di SE: wi; si. 1 u. ” Br: . ‚ R > * — v N. h x SER | “ E42 n Pia Arch £mikroskon. Anatomie . Ba. LXV. be Er Ei Be ww - 2 a — zn Eu Pe - a , _ fr = — 2 TA TT — N Ehe. 2 ne E2 “ 2 ! N a > 5 Y IE. Ben * £ F i I I en © . ; a h ne A A a t \ % 2 - \ l L\ & - _ er R ” « E . E \ « a f > x Archiv Kmikroskon. Anatomie. Ba.LXVIl. r— — Ta / ll cı fi 19° 30 | WW 4 #1 dl q — € ü » I} 33 \ SL Archiv fmikroskon. Anatomie. BA.LAXVIN. 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