ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte Il. Abteilung für Zeugungs- und Vererbungslehre herausgegeben von O. Hertwig und W. Waldeyer in Berlin Neunundsiebzigster Band I. Abteilung Mit 32 Tafeln und 51 Textfiguren. BONN Verlag von Friedrich Cohen 1912 Inhalt. AbteilungIl, Erstes Heft. Ausgegeben am 3. Januar 1912. Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. Ein Beitrag zur Stammes- geschichte dieser Tiere. Von B. Haller. Hierzu Tafel I-IV und 11 Textfiguren : a Untersuchungen über die Plnosut der Salon democe mucronata. Von Prof. C. Saint-Hilaire (Jurjew - Russland). Hierzu Barel-V —\V.MT amd ‚8-Textfiguren., „u... Mau Zur Frage über die Bedeutung der Panethschen Zellen. Von Privat- dozent Dr. K. Miram. (Aus der Histologischen Abteilung der höheren medizinischen Frauenkurse zu Kiew.) Hierzu Tafel IX Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus unter Berück- sichtigung der Ausbildung des gesamten Darmkanales. Von Veterinärarzt August Kersten. (Aus dem anatomischen Institut der veterinär - medizinischen Fakultät der Universität Zürich.) Mierzu Tafel X und 11 Textfiguren NEE Mikrochemische Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. Von M. Mühlmann. (Aus der Prosektur des Krankenhauses des Naphthaindustriellenverbandes in Balachany-Baku.) Hierzu Tafel XI Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. Von Ivar Thulin, Assistent des Histologischen Instituts zu. Stockholm. Hierzu Tafel XII. Zweites Heft. Ausgegeben am 12. Februar 1912. Beiträge zur Vitalfärbung. Von Werner Schulemann. (Aus dem anat. Institut der Universität Freiburg i. Br.) Hierzu Tafel XIlI Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. Von Dr. Ihde. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu 3 Textfiguren : : Über die Langerhansschen Nalselhe im Pan von en Von H. Fischer. (Aus dem biologischen Laboratorium der Universität Bonn.) Hierzu Tafel XIV : Über den direkten Zusammenhang von Muskelfibrillen ae Sehnenhbuinen Von Oskar Schultze (Würzburg). Hierzu Tafel XV—XVII Über Implantation gestielter Hautlappen in das Peritonaeum unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeit einer funktionellen Anpassung der äusseren Haut. Von Dr. med. Friedrich Krauss, Charlottenburg. (Aus dem anatomisch-biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XVIII und XIX Drittes Heft. Ausgegeben am 18. März 1912. Über Regeneration bei Planarien. Von Paul Lang. (Aus dem biolog. Laboratorium der Universität Bonn.) Hierzu Tafel XX, XXI und 2 Textfiguren Seite 114 206 ID IV Os 247 Ds Su 189) 361 IV Seite Die Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. Erster Teil: Entwicklung der Siebbeinmuscheln bei Säugetieren. Von Karl Peter, Greifswald. Hierzu Tafel XXII, XXIII und 8 Texthiguren ."... dar Drüsenstudien. IV. Beitrag zur en ir Bricklare Er er höhlendrüsen. Von N. Loewenthal, a. o. Professor der Histologie an der Universität Lausanne. Hierzu Tafel XXIV und XXV . 464 Über das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. Ein zweiter Beitrag zur Stammesgeschichte der Arachnoiden. Von B. Haller. Hierzu Tafel XXVI und 3 Textfiguren .. .... 504 Viertes Heft. Ausgegeben am 26. April 1912. Untersuchungen über die Haut des Schweines. Von Dr. Eduard Kränzle. (Aus dem ahatomischen Institut der k. tierärztlichen Hochschule München [Prof. Dr. Stoss].) Hierzu Tafel XXVII, XXVIII und 5 Dextfieuren . .. N. 2 Untersuchungen über Blut at ROLE elie. IV. Über die Histogenese der Thymus bei Amphibien. Von Dr. Alexander Maximow, Professor der Histologie und Embryologie an der Kaiserlichen Medizinischen Militär - Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XXIX—XXXI ..... 560 Untersuchungen über die Histogenese des ihres and de a 3 beim Hühnchen. Von B.Rosenstadt. Hierzu Tafel XXXII 612 Nachschrift zu Drüsenstudien IV. Von Prof. N Loewenthal .. . 637 Noch einmal über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. Von A. Nemiloff, Assistent am anat.-hist. Laboratorium der Universität St. Petersburg. (Aus dem anat.-hist. Laboratorium der Universität St. Petersburg [Vorstand: Prof. A.S. Dogiel]) 639 Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. Ein Beitrag zur Stammesgeschichte dieser Tiere. Von B. Haller. Hierzu Tafel I—-IV und 11 Textfiguren. Die Atmungsorgane haben in unserem Wissen über die Entwicklungsgeschichte der Arachnoiden eine grosse Rolle gespielt, sie waren der Ausgangspunkt für eine durch Ray-Lankester genauer eingeleiteten Spekulation über die Abstammung dieser Tiere. Nachdem schon 1848 der scharfsinnige Leuckart (18) den Nachweis zu erbringen suchte, dass die Lungen der Spinnen nur modifizierte Tracheen seien, hat er sich ein Jahr später (19) mit dieser Frage noch ausführlicher befasst. Für unwesentlich für die Bestimmung des Tracheenbegriffes erachtete er das Vor- handensein des „Spiralfadens“ in der Tracheenwand, wobei er aber gleichzeitig den Unterschied betonte, der zwischen spiral- fädigen Tracheen und solchen ohne diesen besteht. Denn während die mit Spiralfaden versehenen Tracheen der Hexapoden „von den einzelnen Luftlöchern entspringend sich baumartig verästeln und zu einem gemeinsamen Systeme zusammenhängen, sehen wir“, sagt Leuckart, „überall bei Abwesenheit des Spiralfadens die Tracheen eines jeden Stigma unverästelt und ohne Zusammen- hang mit den Tracheen der übrigen Stigmata“. Es hängt somit nach ihm die Verästelung der Tracheen mit dem Vorhandensein des Spiralfadens direkt zusammen, indem dieser direkt durch seine Widerstandskraft ein stetes Offensein der Röhren ermöglicht und nur hierdurch ein ausgebreiteter, alle Eingeweide umspinnender Zusammenhang des Tracheenröhrensystems sich entfalten kann. Es werden auch die Arachnoidenlungen von einem Tracheen- bündel abgeleitet, denn „auch bei ihnen ist ein jedes Stigma in unmittelbarem Zusammenhang mit einem kurzen, sackförmigen Behälter, an dessen oberem Grunde eine Anzahl platter und unverästelter Röhren entspringt. Auch bei ihnen ist das Skelett der Respirationsorgane aus Chitin gebildet.* Drei Typen der Tracheenbildung unterscheidet Leuckart, die baumförmig ver- Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 1 2 BeHaller: ästelten mit Spiralfaden, die der Hexapoden, die spiralfadenlosen unverästelten der Arachnoiden und die fächerförmigen Lungen- tracheen dieser. Dieser Auffassung der Arachnoidenlungen als modifizierter Tracheen schloss sich dann 23 Jahre später, auf eigenen reichen Erfahrungen basierend, Bertkau an (5, 6), indem auch er in jenen Modifikationen „der Tracheen“ sieht, wie sie bei den Araneen üblich sind: nicht in Gestalt zylindrischer, baumartig verästelter, sondern bandförmig abgeplatteter Röhren, die des Spiralfadens vollständig entbehren und büschelförmig von einem durch seine Struktur ausgezeichneten Hauptstamm ausgehen. Von Bertkau stammt auch die Bezeichnung Fächertrachee anstatt Lunge. Solche Fächertracheen besitzen zwei Paare die Mygaliden und ein Paar büschelige Röhrentracheen die Dysderiden (Dysdera, Harpactes, Segestria) und Argyroneta. Neben ein Paar Fächer- tracheen ist den Myerophantiden und Attiden ein Paar büscheliger Röhrentracheen mit gemeinsamer Öffnung eigen, indessen letztere bei Thomisiden durch ein Paar baumartig verästelter Röhren- tracheen mit gemeinsamer Mündung ersetzt werden. Neben den Fächertracheen besitzen vier einfache höhrentracheen mit gemein- samer Mündung: Scytodides, Drassides, Agelenides, Epeirides, die meisten Theridides, die Sparassides und Lycosides. Diese Leuckartsche Auffassung erhielt sich aber nicht Bis zur Jetztzeit und man leitet jetzt die Arachnoidenlungen von Paläostreckenkiemen ab, von jenen des Limulus. wodurch diese zu Ahnen der Arachnoiden wurden. Die Tracheen dieser sollen dann erst mit dem Luftleben erworben worden und unabhängige Bildungen von jenen der Tracheaten sein. Es ist dies jene Ansicht, die Milne-Edward (22) und Ray-Lankester (24, 25) begründet haben, Ed. van Beneden (2), Barrois (1) und insbesondere Mac Leod (21) und Purcell (23) zu Verteidigern hat. In seiner 1384 erschienenen Arbeit über die Atmungsorgane der Arachnoiden sucht Mac Leod diese .Auffassung ausführlichst zu begründen, ohne dass Leuckart oder Bertkau je versucht hätten, diese Ableitung zu widerlegen. Mac Leod stellte seine Untersuchungen bezüglich der Araneen hauptsächlich an Argyroneta an, sagt aber „les trachees des autres especes ne different en effet de celles des argyronetes que par de nature morphologique secondaire“ (l. c., 8. 3). os Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. Nach ihm sind die Lungen der Araneen, doch meint er auch die der Skorpionen, einem Sacke vergleichbar, in dem die Atemlamellen horizontal ausgespannt sind und hinten in der Atemhöhle frei enden. Diese mündet mit dem Stigma frei nach aussen. Wichtig soll es dann sein, dass die Atemhöhlen der beiden in gleicher Querebene gelegenen Lungen durch eine mediane Verbindung untereinander kommunizieren sollen (l. c., 8. 5). Dieses Verhalten wird dann auf einem Totalbilde dargestellt (Fig. 2). Die Atemlamellen sind die Fortsetzung des Integumentes, ihrer Natur nach eine chitinöse Cuticula. Je zu zweit begrenzen sie einen abgeflachten Raum, der aber in die Atemhöhle mündet. Dabei ist der grösste Teil der Lamellen befestigt, und zwar nicht nur nach vorn (oralwärts) zu, sondern auch auf der lateralen Seite. Es wird dann die Arachnoidenlunge mit den fünf Kiemen- paaren des Limulus verglichen. Die jederseitige Kieme des Limulus besitzt Atemlamellen, welche medianwärts an der medianen Leiste des Abdomens befestigt sind und von denen je ein Paar solcher Kiemen ventralwärts durch die Kiemendeckelplatte über- deckt wird. Es wäre dann die Öffnung jeder Kieme eine laterale Spalte, welche mit der der anderseitigen gleichen Kieme nach ventralwärts zusammenfliesst, was denn ja auch nach Mac Leod die Lungenöffnungen der Araneendies tun sollen. Damit glaubt Mac Leod gezeigt zu haben „qu’il existe une homologie incon- testable autre l’apparail respiratoire des Limulus et des Arachnides poulmones, au d’autres termes, que les poumons des Arachnides sont des branchies de Limule adoptees a la vie acrienne“. Dabei werden die Tracheen der Araneen nur nebenbei behandelt und nur das vordere Paar, das seine Stigmata hinter jenen der "Lungen hat und nur für Argyroneta erörtert, wobei ihre sekundäre Bedeutung vorausgesetzt wird, und doch sollte gerade dieses Tracheenpaar, das nur der Argyroneta, den Oonopsiden und den Dysderiden zukommt, für die Ableitung der Arachnoidenlunge von Limuluskiemen ein Ende machen. Es sind das nach Mac Leod ein weites, ganz kurzes höhrenpaar, dessen beiderseitige Teile durch einen fast an dem Stigmata gelegenen Quergang ver- bunden sind. Von jeder Röhre geht ein vorderer und hinterer Büschel feiner Atemröhren ab. Nachdem inzwischen durch Schimkewitz (26), besonders aber durch Jaworowski (16) durch die Ontogenese der Nach- 1* 4 Bekranllem.: weis erbracht ward, „dass die Lunge bei den Spinnen aus einem Teil der Embryonaltrachee entsteht“, wurde die Limulustheorie hinfällig und sind die Arachnoiden den Tracheaten beizufügen. Damit erscheint die Ray-Lankestersche Limulustheorie in einem anderen Lichte, denn obgleich Jaworowski die Ent- faltung der Arachnoidenlunge aus Tracheen entstanden nachwies, und damit die Ableitung jener Lungen aus Limuluskiemen zurück- wies, kann er die Verwandtschaft des Limulus mit Arachnoideen nicht in Abrede stellen und tatsächlich hat nachträglich Ray- Lankester (24) noch manche Ähnlichkeiten — ich verweise besonders auf die des Endosternites — zwischen Limulus und Arachnoiden, speziell den Sceorpioniden, aufgedeckt. Nach Jawo- rowski würde dann mit Simroth (28) Limulus von Arachnoideen abzuleiten sein.') Die Trilobiten und Xyphosuren schaltet nun Ray-Lankester aus der Abteilung der CGrustaceen aus und fügt sie den Arach- noiden an, jene als Unterklasse der Anomomeristica, die Xypho- suren als Nemomeristica, welche Unterklasse auch alle anderen Arachnoiden in sich fasst. Es bilden da die Xyphosuren eine Ordnung, die den Scorpioniden am nächsten steht. Purcell fand Vordertracheen bei Dysteriden, Oonopiden und Caponiden. Diese Spinnen hätten nach ihm eben darum mehr Ähnlichkeit mit den Mygalomorphen als mit Arachnomorphen, doch leitet er ihre Tracheen von Lungen ab, wie es eben die Limulustheorie verlangt. Die beiden Tracheen werden durch einen Querkanal verbunden und besitzen eine kopfwärtige und je eine analwärtige Verlängerung, in welche beide Tracheenröhrchen münden. Von grösserem Interesse sind seine Angaben über die Ver- hältnisse der Caponiden, dieser lungenlosen Spinnen, bei denen die Lungen durch ein vorderes Tracheenpaar ersetzt werden. Diese bereits durch Simon (27) richtig dargestellten Verhältnisse finden durch Purcells Angaben volle Bestätigung. Es liegt dieses Tracheenpaar „genauestens auf demselben Platze, welchen bei den dipneumonen Spinnen die Lungen einnehmen und sind offen- ') Die weitgehenden Spekulationen Jaworowskis führen uns dann zu der sonderbaren Annahme, dass die Kiemenblätter der Crustaceen über- haupt von Lungenblättern und die Crustaceen von Tracheaten abzuleiten sind. Kaum werden solche unbegründete Ableitungen je Boden gewinnen können. Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. ) bar gleich einem Paar von Lungen, bei dem“ nach Purcell „die Lamellen in Tracheenröhrchen sich verwandelt haben.“ Neben diesen besteht aber gleich dahinter ein zweites Tracheenpaar, das dann jenem der Dysderiden gleichwertig wäre. Beide Tracheen jedes Paares sind durch Quergänge untereinander verbunden. Obgleich auch das hintere Tracheenpaar je einen kopfwärtigen und analwärtigen Fortsatz mit Tracheenröhrchen besitzt, so versieht doch das vordere Paar den weit grössten Teil des Körpers, indem die beiden vorderen Äste des Tracheenpaares in den Üephalo- thorax und von dort auch in die Gliedmassen gelangen, die hinteren aber weit bis zur Aftergegend des Abdomens sich erstrecken. Das Ergebnis, zu dem Purcell gelangt, ist, dass die Spinnen von viellungigen Formen abstammen, von welchen beiden Lungenreihen sich aber nur im achten und neunten postoralen. sowie im allerletzten Segmente, also im analsten, im ganzen drei Lungenpaare sich erhalten, indessen die übrigen nur durch die bekannten, paarweise am Abdomen sich findenden, Muskel- insertionsstellen noch markiert sind. Von den drei erhalten gebliebenen Lungenpaaren bestehen zwei Paare als Lungen bei den Mygalomorphen, aber nur ein Paar bei den Arachno- morphen, indessen bei diesen die zwei letzten Paare zu Tracheen wurden. Bei den Oaponiden endlich wurden alle zwei Paare zu Tracheen. Hat auf diese Weise die vom Limulus abgeleitete Abstammung der Arachnoiden in der neueren Literatur in Purcell einen eifrigen Vertreter gefunden, so schloss sich Lamy (17) der Leukartschen Auffassung an. Für ihn sind die Araneentracheen auch strukturell jenen der Hexapoden gleich. Tracheen und Lungen sind homologe Gebilde. Es sind die Dysderiden — darin stimmt er Bertkau bei — die ältesten Spinnen, für ihn ist das zweite Lungenpaar der Mygaliden durch ein Tracheenpaar vertreten. Ihnen stehen dann sehr nahe die Caponiden, bei denen auch das erste Lungenpaar durch Tracheen ersetzt wird. Bei den anderen haben sich dann die Tracheen zu Lungen entfaltet (Mygalomorphen) oder tat dies nur das vordere Paar (Aranomorphen). „On pourrait“ sagt Lamy, „en conclure que le trachee est un organe primitif en voie de disparition et le poumon se deye- loppe secondairement pour le remplacer“ (l. e., S. 265). 6 B. Haller: Hier möchte ich noch kurz anführen, dass für Lamy das bei allen Aranomorphen die Tracheenöffnung durch dasselbe Stigmenpaar, jenes des dritten Abdominalsegmentes, gebildet wird. Dies der heutige allgemeine Stand des Wissens über unseren Gegenstand. A. Form und gröbere Bau der Fächertracheen oder Lungen der dipneumonen Spinnen. Es hat der Lungenbau, wie ihn Mac Leod dargestellt hatte, durch Börner (8) insbesondere für die Pedipalpi eine Korrektur erfahren, die aber, wie Börner ausdrücklich sagt, auch für die Spinnen Geltung hat. Er unterscheidet an der Arachnoidenlunge die äussere Luft- kammer und die Lamellen. Zwischen letzteren liegen die inneren Luftkammern. Es verlängert sich die äussere Luftkammer bei den Thelyphoniden lateralwärts in einen blinden Zipfel, der einer platten Trachee mit verdickten Wänden gleicht. Die vordere Wand der äusseren Luftkammer ist rostartig durchbrochen und die spaltförmigen Durchbrechungen führen in die inneren Luft- kammern, die annähernd senkrecht gestellt sind. An den vorderen Enden der Lungenlamellen inserieren Muskelfasern. Diese bewirken durch ihre Zusammenziehung oder Erschlaffung eine Verengung oder Erweiterung der inneren Luftkammern, wie des zwischen zwei Lamellen sich befindenden Blutsinus. Die Lamellen sind an ihrem oberen und unteren Rande an den Wänden der äusseren Luftkammer befestigt. Indem ich dies vorausschickte, will ich die Angaben über die Histologie der Fächertracheen Mac Leods und Börners erst später erörtern und hier mit den eigenen Beobachtungen des Lungenbaues beginnen. Die äussere Form der Fächertracheen ist bei Dysdera eine etwas bohnenförmige mit medianer konkaver Seite (Fig. 9) oder eine etwas dreieckige wie bei Lycosa, Tegenaria und Clubiona (Fig. 10). Dadurch dann, dass in letzter Form die laterale Seite oralwärts sich etwas einwölbt, entsteht eine Birnform, welche den Orbitaliden eigen ist (Fig. 11, 12), doch bei manchen unter ihnen wie bei Agriope erscheint diese Birnform weniger aus- geprägt. Gewiss wird die Lungenform beeinflusst durch jene des Abdomens und bei grossen alten Weibchen der grossen —] Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. Epeiren erscheint dann die jederseitige Fächertrachee breiter als bei Männchen und jungen Weibchen, auch entspricht dem kurzen gedrungenen Abdomen der Thomisiden eine mehr breite Form (Fig. 3), während das langgestreckte Abdomen von Phyllo- nethis eine sehr lange Form der Fächertrachee verursacht (Fig. 5). Allein es gibt von dieser Regel Ausnahmen und die lange Abdomenform von Tibellus vermochte die Form der Fächer- trachee lange nicht so zu beeinflussen (Fig. 4) wie bei Phyllonethis. Mag auch die Form der Fächertrachee sein wie sie wolle, an ihr lassen sich jedesmal zwei nebeneinander gelegene Abschnitte unterscheiden. Der innere Abschnitt (Fig. 9—12 rosa) liegt medianwärts jenem unpaaren, zwischen den beiden Flächentracheen gelegenen Wulste an, der Eingeweide deckt und hinten mit der (renitalpapille, der Epigyne (gp) endigt. Dieser innere Abschnitt umfasst den Blutraum der Lunge. Es kommt dieser Blutraum dadurch zustande, dass die medianwärts gelegene Lungenarterie (Fig. 9—12 dunkelrosa, Fig. 5, 14 la) sich mit der Lungenvene, die viel breiter, von ihr lateralwärts liegt (lv), vereinigt. Der Blutraumabschnitt der Lunge ') ist dadurch vom lateralen, von ihr auswärts gelegenen eigentlichen respiratorischen Abschnitt begrenzt äusserlich (auf durch Xylol aufgehellten Alkohol- präparaten), dass er eben jene lamellöse Struktur wie dieser nicht hat. In den meisten Fällen reicht der Blutraum bis an die Epigyne und nur selten rückt die eigentliche Lunge der Epigyne so an, dass der Blutraum äusserlich von hier verdrängt wird, wie bei den Orbitaliden (Fig. 11, 12). Der äussere Lungen- abschnitt oder der respiratorische Lungenteil zeichnet sich, wie gesagt, durch parallel zueinander und quer gestellte Streifung aus, welche der Ausdruck der an die ventrale Lungenwand angewachsenen Atemlamellen ist. Dieser Lungenabschnitt ist bei den verschiedenen Formen relativ zur Körpergrösse ver- schieden gross und die Zahl der parallelen Linien ist um so grösser, je grösser die Oberfläche. Am kleinsten ist diese wohl !) Wenn ich auch mit Bertkau die Bezeichnung Fächertrachee für charakteristischer halte, möchte ich der Kürze halber die Bezeichnung Lunge» die sich einmal eingebürgert, gebrauchen. Schliesslich ist ja auch die Lunge der Schnecken nichts Homologes der Chordatenlunge, aber die Bezeichnung „Lunge“ ist einmal allgemein gebräuchlich, wie die unpassende Bezeichnung Zelle für die tierischen und pflanzlichen Elementargebilde. 8 B. Haller: bei der Gattung Dysdera (Fig. 9), am grössten bei den Orbitaliden und unter dieser bei der Gattung Epeira.. Die Richtung der parallelen Streifung ist mehr weniger quer zur Körperlängsachse, diese aber unter nach analwärts gerichtetem, mehr weniger spitzem Winkel schneidend. Dieser Winkel ist am kleinsten bei Epeira. Die Streifung reicht nicht bis zum Mündungsrand der Lungen und bleibt zwischen diesen und dem hinteren Ende der Streifung stets eine glatte schmale Fläche übrig, die ventrale Wand der Atemhöhle. Bei den Orbitaliden und unter ihnen am meisten bei alten Epeiren, aber auch bei Tegenaria und anderen zeigt sich an der medianen Hälfte der Decke des Atemhöhlenabschnittes eine netz- förmige Zeichnung (Fig. 11 cz), die von Systematikern schon öfters gezeichnet ward, so unter anderem von Hermann (15), und welche Zeichnung von dem ceutieulären Stützbalkensysteme der Atemlamellen herrührt und weiter unten noch besprochen werden soll. Jede der beiden Lungen öffnet sich seitlich von der Epygine durch eine quergestellte Spalte, das Stigma nach aussen und nur bei einer auf die Spezies mir nicht bestimmbaren hellen Dysdera ') ist die Spalte längsgestellt, doch in medianer Lage. Erst mit einer lateralen Verschiebung gerät die Spalte lateralwärts und ist dann mehr weniger längsgestellt wie bei der Lycosa, Clubiona, weniger bei Attiden und Tibellus (Fig. 4, 6, 10). Die mediane quere Stellung ist die ursprüngliche (Fig. 3, 5, 9, 11, 12). Aber auch in letzterem Verhalten zeigen sich verschiedene Grade. Am meisten genähert der Epigyne sind die (@uerspalten bei den Orbitaliden und mehr bei FEpeira als bei Meta (Fig. 11, 12), weniger bei Thomisus (Fig. 3) und noch weniger bei Phyllonethis (Fig. 5). Letzterer Zustand führt dann zu jenem etwa bei Tibellus (Fig. 4) hinüber, welcher dann wieder hinüberleitet zu ganz lateraler Stellung der Stigmata, wie unter anderem bei Ulubiona (Fig. 10). Diese sekundäre Verschiebung der Lungenmündung ist aber unter den Dipneumonen polyphil erfolgt und hat darum keine systematische Bedeutung. Aber selbst wenn die beiden Stigmata der beiden Tracheen ganz medianwärts an der Epigyne liegen wie bei Epeira (Fig. 11), !) Bestimmt habe ich nach den Werken von OÖ. Hermann (15) und Bösenberg (9). Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. I können sich ihre inneren Ränder einander nie berühren, da ja die Epigyne zwischen ihnen liegt, und darum ist es mir auch schon nach äusserlicher Betrachtung, geschweige denn nach Verfolgung der Verhältnisse auf Schnittserien, unverständlich, wie Mac Leod eine gemeinsame Mündung der beiden Lungen aller Spinnen annimmt. Dieser nicht geringe Irrtum kann nur durch das Voreingenommene für die Limulustheorie verursacht worden sein. Umgeben wird das Lungenpaar durch eine Rinne, welche nur vorn am Stielchen unterbrochen ist und bei manchen eine ansehnliche Tiefe besitzt, so bei Dysdera (Fig. 16 vr). Am hinteren Ende der Lungen ist jedoch diese Furche fast immer tief und zieht quer an und etwas unter der Epigyne vorüber (Fig. 10—12). An der hinteren lateralen Ecke der Lunge jener Formen mit quergestelltem Stigma wird aber diese Rinne (Fig. 11, 12 vr) unterbrochen durch einen nach innen auch vor- springenden chitinösen Muskelansatz (ce), welcher sich aber dann bei Versetzung des Stigma lateralwärts auf die Lungentläche vor- schiebt (Fig. 10 c.). Etwas anders verhält sich die Sache bei Dysdera. Hier (Fig. 9) verschiebt sich die Rinne weiter nach hinten und: die Muskelleiste (ce) hat eine dementsprechende Lage, aber nur ausser- halb der Rinne. Bei dieser Gattung, so auch bei Argyroneta, also bei den Formen mit vorderem Tracheenpaar, befindet sich das Stigma dieses Tracheenpaares (rö) hinter und etwas nach innen von dem Stigma der Lunge (lö), also auch innerhalb der Rinne. Bei denjenigen Formen aber, bei denen jenes Tracheen- paar nur noch in seinem (uergange erhalten ist, befindet sich das jederseitige Stigma etwas lateral von dem Lungenstigma (Fig. 3 lö) und median von dem Muskelfortsatz (rö), wenn es überhaupt äusserlich erkenntlich ist. Was nun den Bau der Lungen betrifft, so glaube ich, dass solche Schemata, wie sie Mac Leod und Börner aufgestellt haben, vollständig überflüssig sind, sobald man die Lunge durch eine geeignete Fläche durchschneidet. Auf Textfig. 1 habe ich einen so gehaltenen Schnitt abgebildet, wo die Schnittfläche möglichst parallel zur Fläche der Atemlamellen geführt wird, diese Fläche ist aber bei den verschiedenen Formen eine verschieden geneigte und so muss jedesmal die geeignete Richtung erst gefunden werden. Das Präparat stammt von einer kleinen Lycosa und die 10 B. Haller: Richtung des Schnittes wird verständlich, wenn man auf Fig. 14 bei Phyllonethis die Zeigerlinie bei b als Schnittrichtung annimmt. Dann ist oben das Herz (Textfig. | h) getroffen, gleich daneben bei Lycosa die weit nach vorn reichende eine Lunge. Es gelingt aber nach’ einiger Übung an in Formol-Alkohol gut gehärtetem Material, mit einem leichten Rasiermesser die Spinne zwischen den Fingern haltend den Schnitt so zu führen und dann das Totalpräparat in Xylol aufhellend mit der starken Lupe zu ver- Fig. 1. Lycosa lugubris. Schräger Horizontalschnitt. h = Herz: mm —= medianer Lungenmuskel ; pb — pericardialer Blutraum; br = Blutraum der Lunge; 1 —= Lungenlamellen ; an = Atemhöhle ; 1lö = Lungenöffnung. folgen. Auf diese Weise entstand dann die Fig. 17, welche mit der Hilfe der Textfig. 1 volles Verständnis in den groben Lungen- bau der Lycosa gewährt. Aus diesen beiden Bildern geht hervor, dass die Atemlamellen eine etwa horizontale Lage haben (l) und so nach Art der Blätter eines Buches übereinander lagern. Befestigt sind die Lamellen median- (Fig. 17 ec‘) und ventralwärts, hier ihrer längsten Seite nach (c), indessen die mediane Befestigung sich nur auf eine ganz kurze Strecke erstreckt, so dass diese Stelle auf Querschnitten nur selten erkenntlich ist (Textfig. 2). Es ist jede Atemlamelle eine Doppellamelle welche an jener in die Atemhöhle vorragenden Seite geschlossen, an der oralen Seite aber offen ist, um dem Blute das Eindringen zu ermöglichen. Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. r1 Dies zeigt am besten der Sagittalschnitt (Fig. 16). Es sind die übereinander lagernden Atemlamellen ungleich lang, die oberen kürzer als die ventralen, was aber durchaus nicht für alle Formen in gleichem Grade Geltung hat, da auch die ventralen in gleicher Weise verkürzt sein können (Textfig. 3), es gilt vielmehr das oben (resagte hauptsächlich für Dysdera. Doch soll dies noch aus- führlicher besprochen werden. Die freien, aber geschlossenen Ränder der Atemlamellen springen somit in die Atemhöhle vor (Fig. 16, 17 a und Textfig. 1 ah), indessen sie nach oralwärts zu mit ihrer offenen Seite im Blut- raum (rosa und br) liegen. Es dringt das Blut hier zwischen die Doppellamelle ein (Fig. 17 b) und aus, gerade so wie dies die Atem- luft von der Atemhöhle aus zwischen je zwei Doppellamellen, die inneren Luftkammern Börners, tut. Ich verwende darum folgende Bezeichnungen. Den grossen Atemraum der mittels des Stigma (lö) sich nach aussen öffnet, nenne ich die Atemhöhle (ah); sie ist die äussere Luftkammer Börners. Den zwischen zwei Lamellen sich befindenden flachen, niedrigen Raum, Börners innere Luftkammern, bezeichne ich als Luftkammern, während den Raum innerhalb einer Doppellamelle ich die Blutkammer nennen will. Es besteht somit die Lunge eigentlich aus zwei morpho- logischen Abschnitten, der Atemhöhle und den in diese mündenden Doppellamellen, oder besser, man kann die Lunge vergleichen mit einem kurzen Sacke, dessen Bodenseite in übereinander lagernde Falten gelegt ist. Die Form der Lungenlamellen ist die eines zugespitzten breiten Pflanzenblattes, wobei die Spitze lateralwärts in die Atemhöhle vorspringt (Fig. 171). Allein es gibt auch Lungen mit Lungenblättern von mehr weniger länglich zungenförmiger (restalt und dies gilt im höchsten Grade für die Orbitaliden. Diese Lamellen liegen mehr weniger horizontal, aber diese Fläche kann nicht nur ihre Neigungsrichtung ändern, sie kann sich auch nach ventralwärts zu etwas wölben. Diese Momente bestimmen dann die Verhältnisse bei den einzelnen Formen. Ihre Zahl richtet sich nach dem Umfang der jeweiligen Lunge und grössere Lungen haben auch bei derselben Art mehr Lamellen als kleinere von jugendlichen Individuen, denn wie Bertkau schon darauf hingewiesen hatte, vermehrt sich ihre Zahl mit fortschreitendem 12 B: Halle: Wachstum der Lunge. Es wird also bei jeder Form eine Mindest- und eine Maximalzahl der Lungenlamellen geben. Die Zahl der Lungenblätter schätzt Bertkau') (5, 8. 211) für Dictyna auf 4—5, bei Segestria auf 10—12, für Thomisus und Xysticus auf 20, für Agelena und Epeira auf 60—70. Ich habe die geringste Zahl bei Dysdera gefunden, bei welcher Gattung junge Tiere 10—12 Lamellen, erwachsene 15 hatten. Die höchste Zahl fand ich aber auch bei alten Epeiren, nämlich 68. Die Blätter der Lunge erscheinen somit in mehr weniger horizontaler oder in etwas nach der lateralen Seite geneigter Lage (Textfig. 2) entlang der ganzen ventralen Wand befestigt an das Integument, vielfach an ceuticulare Leisten (Textfig. 1, 2 cz). Dieser auf eine ganze Seite der Lamelle sich erstreckenden Befestigung gegenüber ist jene auf der medianen, also inneren, der Leibeshöhle zugekehrten Seite eine geringe. Beide Befestigungs- stellen befinden sich somit an den beiden Eckenden der Atem- höhle genauestens dort, wo diese Ecken oralwärts zu an den 3lutraum angrenzen. Sowohl bei Dysdera, Argyroneta und vielen Orbitaliden hören somit mit Beginn der Atemhöhle die Kiemen '!) Bertkau meint, mit der Entwicklung des Tracheensystems sei eine Verkümmerung der Lungen verbunden. Ich würde diesen Satz eher so formulieren, — wie dies weiter unten noch erörtert werden soll, denn so einfach ist die Sache doch nicht — eine allmähliche Vergrösserung der Lungen vermindert die Ausbreitung des Tracheensystems bis zum völligen Schwunde bei Epeira. Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 15 Fig. 2 C. Epeira diad. Drei Querschnitte durch die linke Lunge: LA = weiter hinten durch die Genitalpapille; &p. B—= mehrere Schnitte weiter nach vorn; Im — lateraler Spannmuskel der Lunge; zm —= mittlerer, Im —= lateraler Lungen- spannmuskel ; br — Blutraum ; v = Kreisfurche der Lunge; e = Chitinleisten : gg — Genitalgang; gp — Genitalpapille; d —= Darm. blätter nach hinten zu auf (Textfig. 2C). Anders bei den Formen mit nach seitlich verlegtem Stigma. Dies zeigt sich in geringem Grade schon bei Meta, in höherem bei Olubiona und anderen, denn bei ihnen muss folgerichtig ein geringer Teil der Lungenlamellen unter die Atemhöhle gelangen (Textfig. 6, 7). Die Atemhöhle hat überall ziemlich die gleiche Form, und eine laterale zipfel- förmige Ausbuchtung, wie nach Börner bei Thelyphoniden, findet sich nirgends, doch dürfte sie die grösste Ausbreitung 14 B. Haller: nach ovalwärts wohl bei Epiblemum besitzen. Dies scheint mir zusammenzuhängen mit dem Umstand, dass bei dieser Form die luftverdichtende Struktur der Atemhöhlenwand fehlt und sie nur von einem Plattenpithel gebildet wird. Da die Atemhöhlenwand aber, wie auch ich es weiter unten zeigen werde, eine respira- torische Bedeutung besitzt in ihrem Wandbaue, so wäre in Er- mangelung eines solehen Baues eine Vergrösserung der Fläche dedingt. Diese Verhältnisse gehen am besten hervor bei Ver- sleichung der Abbildung C auf Textfig. 3 mit jener auf A und B. Es zeigt sich da, dass trotz der grossen Lunge der Epeira (A, B) die Atemhöhle einen geringeren Umfang aufweist als bei Epiblemum, denn auch der Quere nach ist die Atemhöhle von Epeira nicht von so grossem Umfange als bei den Attiden. Doch ist wie gesagt die Atemhöhlenwand bei beiden verschieden gebaut und Epeira weist die höhere Stufe der respiratorischen Funktion auf. So wie bei der Epeira fand ich überall die Atemhöhlenwand und auch den Umfang der Atemhöhle. Anders mit der Gestalt. Bei Epeira ist die Atemhöhle hoch medianwärts (Textfig. 3 B ah) plattet sich aber lateralwärts zu ab (A ah). Bei den Formen mit nach lateralwärts zu verlegtem Stigma sendet dorsalwärts zu die an der Mündung geräumige Atemhöhle (Textfig. 6 ah) eine schmale Verlängerung nach oralwärts zu. Der Blutraum der Lunge entsteht durch die Vereinigung der Lungenarterie mit der Lungenvene. Die Lungenarterie ist das erste Gefässpaar in dem Abdomen, das vom vordersten Ende des Herzens jederseits lateral von der Aorta cephalothoracica ab- geht. Dabei zeigt sie bei ihrem Abgange aus dem Herzen ein Verhalten, das den anderen Herzgefässen fehlt und bisher keine Berücksichtigung gefunden hat. Es befindet sich nämlich ge- nauestens bei seinem Abgange vom Herzen (Fig. 14, 15 la) an seiner analwärtigen Wand eine ampullenförmige, nach analwärts zu gekehrte Ausbuchtung (b), ohne dass dabei eine muskulöse Verdickung der Wand sich eingestellt hätte. Wie schon an- gegeben, zieht die nur vom Plattenepithel gebildete Lungen- arterie median von-der viel breiteren, in den pericardialen Blut- sinus mündenden Lungenvene gelegen, nach kurzer, nur bei Phyllonethis noch etwas längerer Strecke bis an den Blutsinus der Lunge, wo sie mit der Lungenvene sich vereinigend jenen Sinus bildet. Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 15 Dort wo dies erfolgt, geht nach hinten zu aus der Lungen- vene eine Ast als erste Abdominalvene ab (Textfig. 3 C av). Diese umspült nur bei Attiden die dorsale Seite der Atemhöhle. Sie wird bald wandungslos. Der Blutraum oder Blutsinus der Lunge umgibt von allen Seiten die Lunge (Fig. 16) und selbst an der hinteren ventralen Seite kann dies an der Anhaftungsstelle erfolgen (Textfig. 6). Sie behält zwar ihre plattenepitheliale Wand wohl am besten bei den Orbitaliden, wodurch der Blutraum begrenzt erscheint, doch steht er auch dann in Kommunikation mit den übrigen an- grenzenden Bluträumen (Textfig. 6, 7) und durch diese medial gelegenen Bluträume stehen auch die Bluträume der beiden Seiten in Verbindung untereinander. Eigs3.A,.B. A.B. Epeira diad. Zwei sagittale Längsschnitte durch die Lunge, B= etwas weiter lateralwärts von A: L=Lunge; ah= Atemhöhle; or = deren hintere, beziehentlich obere Wand; 1lö= Stelle der Lungenöffnung; br = Blutraum; m = hinterer Spannmuskel der Lungenmündung: ce = Chitin- leisten; ro = Mündung der rudimentären Atemröhre. 16 B. Haller: Das in das Herz zurückkehrende Blut aus der Lungenvene wird also ein ebensowenig arterielles sein wie das der Lunge durch die Lungenarterie zufliessende ein venöses ist. Es führt das Blut im ganzen Körper den gleichen Sauerstoffgehalt, den aber zu erhalten unter anderen die Lungen berufen sind. Die Lunge bedarf einer Erweiterung und nachheriger Erschlaffung, um Blut und besonders die Luft im Ein- und Aus- stossen zu erhalten, folglich besitzt die Lunge eine recht kom- plizierte Muskulatur aus quergestreiften Faserbändern. Die Lungenmuskulatur der Pedipalpi, wie sie Börner beschreibt stimmt so wenig überein mit jenen der dipneumonen Spinnen, dass ich wohl besser tue, sie hier gar nicht weiter anzu- Fig.3 C. Epiblemum. sc = Sagittalschnitt durch die eine Lunge L; br = deren Blutraum; ah = Atemhöhle; mm = medianer Stigmamuskel; gg — Genital- gang; av — erste Abdominalvene. führen, jedenfalls ist es mir auch dort höchst unwahrscheimlich, dass Muskelfasern an das vordere Ende der Lungenlamellen an- setzen sollten. Es scheint mir dies eine doch zu prinzipielle Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 17 Einrichtung zu sein, um bei den Spinnen nicht wiederzukehren, wenn sie einmal dort besteht. Im Gegenteil, alle Muskeln, die sich auf die Atmungsorgane beziehen, inserieren bei den Spinnen entweder an die Ränder der Stigmata oder in der ventralen Wand der Lunge im Integumente, doch nie direkt an den zarten Lungenlamellen. Meine zahlreichen Schnittserien in verschiedenen Ebenen geben zwar Aufschluss über das Verhalten der Lungenmuskulatur, allein die richtige Übersicht über dieselbe erhielt ich erst auf Totalpräparaten. Es wurde an nicht allzu lange gehärteten, aus- schliesslich grossen Tieren die vordere ventrale Hälfte des Abdomens, welche eben die Lungen enthält, durch einen horizontal geführten Schnitt abgehoben und in Alkohol unter der Lupe die Eingeweide um die Lungen herum bis zu einem gewissen Grade mit der Nadel entfernt, dann in Xylol aufgehellt und dann diese Präparation so weit geführt, bis die Muskeln in toto freigelegt waren. Man kann solche Präparate dann mit Alaunkarmin färben, wodurch die Muskulatur besser hervortritt, doch absolut nötig ist es nicht. Es besteht ein Muskel ausschliesslich zwischen den beiden Lungen, ein starkes @Querbündel, der schon des öfteren ge- sehen, aber stets verkannt wurde. Dieser Quermuskel inseriert somit an der medianen Atemhöhlenwand der beiden Lungen (Textfig. 2A, 6A und 4 mp). Ich möchte ihn seiner Lage nach den hinteren Lungenmuskel nennen. Zum Teil nur greift er auf die mediale oder dorsale Wand der Atemhöhle über, zum grössten Teil inseriert er am Rande des Stigma. Er liegt stets unter dem gemeinsamen (@uerstück des (Greenitalganges (gg) zwischen diesem und dem langen Körpermuskelpaar (km). Er deckt die beiden Lungen der (uere nach. Unterhalb vom Darm (d) in der nächsten Nähe des Stielchens entspringt von einem medianen Muskelfortsatz des Integumentes ein Muskel- paar, von dem dann jeder an die vordere Ecke der Lunge herantritt (Textfig. 4 ma), hier einige Bündel an die Lungendecke abgibt (Textfig. 2ma), solche Einzelbündel in der ganzen Wand der Lunge aussendet, dann aber auf diese Weise bis an den Stigmarand gelangt. Es ist der vordere Lungenmuskel. Ventralst von diesem Muskelpaar entspringt von gleicher Stelle das mittlere Lungenmuskelpaar (Textfig. 4mm), von dem Archiv f. mikr. Anat. Bd. 79. Abt.1. 2 18 B. Haller: jedes auf der gleichen Seitenhälfte zum Stigma gelangt (Textfig. 1, 2 mm). Ausser diesen Muskeln gibt es aber noch kurze Bündel, die, von analwärts kommend, an der hinteren äusseren Ecke lateral vom Stigma an einem cuticularen Muskelfortsatz, der km Textfig. 4. Tegenaria domestica L. Die Lungenmuskulatur von dorsalwärts gesehen, nach Wegnahme der dorsal gelegenen Eingeweide, d— Darm; gg = Genital- gang; r — querer Tracheengang (Rest des vorderen Tracheenpaares); rö — dessen Öffnung: lö — Lungenöffnung; km — langer Körpermuskel; ma = vorderer, mm — medianer, mp — querer Lungenmuskel. schon oben erwähnt wurde (Fig. 9—12c), sich festsetzen. Alle diese Muskeln bewirken eine Erweiterung des Stigmas, gleichzeitig aber auch eine gewisse Erweiterung der gesamten Atemhöhle, ohne dass dadurch die Lungenlamellen wesentlich ergriffen würden. Durch diese Bewegung erfolgt die Einatmung, durch die Er- schlaftung der gesamten Muskulatur, durch Verengung der Atem- höhle das Ausstossen der Luft. B. Die Histologie der Lungen. Die Histologie der Lungen bezieht sich auf jene der Lungenhöhlenwand und auf jene der Lungenlamellen. Bezüglich einzelner Stellen der Atemhöhlenwand von Argyroneta findet Mac Leod eine gewisse Ähnlichkeit mit dem jener der Haupttracheenröhren dieser Spinne, ohne dass eine genauere Angabe darüber mitgeteilt würde. Er vermutet im Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 19 Tracheenpaare der Argyroneta schon wegen der Lage der Stigmata einen Abkömmling des zweiten Lungenpaares der Dipneumonen. Ausführlicher äussert er sich über den Bau der Lungen- lamellen. Diese sind nach Mac Leod (l. c., S. 21) chitinöse, homogene Gebilde, ohne andere zellöse Elemente als kleine Zellsäulchen zwischen den beiden Lamellen der Atemlamelle, Säulchen, die aus wenig Protoplasma und zwei bis drei Zell- kernen bestehen. An den scheinbar strukturlosen Lamellen lässt sich aber durch Behandlung mit Silbernitrat eine Struktur erkennen, die darauf schliessen lässt, dass die Lamelle aus einem Endothelium besteht, d. h. aus einer inneren Zellage, ich möchte sagen einer Matrix, die dann eine strukturlos chitinöse Cuticula abscheidet. wie dies also in den Wänden der Tracheen der Insekten besteht. „Vers le centre de chacun de ces champs“, sagt dann weiter Mac Leod, „se trouve place le noyau cellulaire au millieu d’une petite portion de protoplasma qui fait saillie dans la cavite interne de la lamelle. En regard d’une sallie quelconque appartenant a une cuti- cule se trouve placee sur l’autre cuticule de la meme lamelle une autre saillie semblable: ces deux saillies se touchant, se reunissant, se fusionnant et finissant par ne plus constituer qu’une masse unique, la coloumette.“ Dies erklärt die beiden Zellkerne in jedem Zellsäulchen. An diesen Zellsäulchen ist aber die eine Seite zu einer stark lichtbrechenden Masse umgebildet, welche Zellumwandlung auf Muskelfäserchen schliessen lässt. Diese Muskelzellen vermögen dann die beiden Lamellen der Doppellamelle einander zu nähern. Börner bestätigt diese Angabe für die Pedipalpen und erweitert sie. „Die dorsale Lamelle ist wie die Vorderwand der äusseren Luftkammer mit einer enorm grossen Zahl von ein- fachen oder zwei- bis dreispitzigen, untereinander nicht ver- bundenen oder mit solchen Härchen besetzt, welche sich distal mehr oder weniger stark verzweigen und deren Zweige sich gegenseitig zur Bildung einer arkadıschen Struktur verwachsen.“ „Niemals aber verwachsen jene Härchen mit der aufliegenden nackten Lamelle des nachfolgenden inneren Luftkammerfaches.“ Ähnliche Strukturen sollen die Wände der Atemhöhle zeigen. Schon vier Jahre vor Börner hat Berteaux (4) die Struktur der Lungen speziell der Spinnen sehr ausführlich ver- 9* 20 B- tRalVler; folgt. Nach ihm besitzt jede Doppellamelle der Lunge zwei Platten, eine freie und eine angewachsene. Letztere trägt einen eutieularen Überzug, besetzt mit feinen, parallel zueinander stehenden Nädelchen mit abgerundeten feinen Köpfchen. Diese Nadeln gehen von den Knotenpunkten eines äusserst zierlichen polygonalen Netzes aus, welches eben die Struktur jener Cuticula vorstellt. Mit diesen Nadeln stösst jede dieser Lamellenflächen an die freie Fläche der nächstfolgenden Atemlamelle, ohne jedoch mit ihr zu verwachsen. An den freien, in die Atemhöhle vor- ragenden Enden der Lamelle werden die cuticularen Nadeln höher‘ und verzweigen sich an ihren freien Enden sehr regel- mässiger Weise, wodurch ein arkadenförmiges Geflecht dort ent- steht. Die Wand der Atemhöhle, deren Fpithel die Fortsetzung des äusseren Hautepithels ist, trägt gleichfalls eine Cuticula, deren hohe Nadeln sich an ihrem freien Ende teilend, arkaden- formig zu einer chitinös schwammigen (Geflechtlage verbinden, die stellenweise verschieden hoch, im allgemeinen höher ist wie an den freien Enden der Lamellen. Berteaux weist die Ansicht Mac Leods. dass die Cuticeula aus endothelartigen Zellen bestünde, zurück. Nach meinen eigenen Untersuchungen verhält sich die Struktur sowohl der Lungenblätter als die der Wand der Atem- höhle folgendermassen: Wie man auf Schnitten, mögen dieselben sagittal oder quer geführt worden sein, sofort erkennt, ist die Höhe der Blutkammern zwischen den beiden Blättern einer Lungenlamelle stets viel höher als jener Raum, welcher zwischen je zwei Doppellamellen gelegen ist und die Luftkammer darstellt; bei manchen Formen zweimal, bei anderen vielleicht auch dreimal. In der Blutkammer (Fig. 18, 21b) erkennt man die schon mehr- fach beschriebenen Zellsäulchen (br). Diese bestehen meiner Er- fahrung nach aus je zwei Zellen, und da sie sich durch die an- gewandten Farbstoffe, Methylenblau oder Alaunkarmin, sehr intensiv färben, sieht man auf Zupfpräparaten (Fig. 24), dass die beiden Zellen, von denen jede je einer der entgegengesetzten Blätter einer Doppellamelle angehört, rund umgrenzt sind. So liegen sie der Lamelle auf und verbinden sich durch ein schmäleres, gleichgeartetes Zwischenstück miteinander. Die ganze so gebildete Säule färbt sich gleichmässig und eine weitere Struktur ausser Streifungen, die als kontraktile Muskelmasse sich zu erkennen Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 21 geben würde, ist nicht vorhanden. Hierin hat sich Mac Leod geirrt, diese Zellsäule ist nicht muskulös differenziert, was aber eine Kontraktilität noch nicht ausschliesst. An den Lamellen sind viele gleichweit voneinander abstehende, fast glashelle nadelartige Fortsätzchen vorhanden (Fig. 24). Auf Schnitten erwiesen sich diese an der Membran etwas verdickten Fortsätze als Querbalken, die die eine Lamelle je einer Atem- doppellamelle mit der darauffolgenden Lamelle der erwähnten Doppellamelle verbinden. Auf diese Weise ist die Luftkammer (Fig. 15, 21z) durch ein vollständiges Säulchengerüst von feinen strukturlosen Säulchen durchsetzt. Es nehmen diese äusserst zarten, doch sehr deutlichen Gebilde aber so wenig den Farbstoft an wie die Lamellen selbst, aber mit Ausnahme der Zellsäulchen. An ihrer Basis sind diese Nadeln in der Lamelle durch ein Netz- werk untereinander verbunden, wie dies am ausführlichsten Berteaux geschildert hat und ich dieser Schilderung weiter nichts beizufügen habe. Diese feinen strukturlosen Säulchen sind zumeist nur ein- fach, doch sind mitunter auch solche vorhanden, die sich gabeln und so mit zwei Ästen an die Nachbarlamelle ansetzen. Die Gabelung kann dabei sofort oder etwas später erfolgen. So ent- steht auf Schnitten ein höchst zierliches und sehr bezeichnendes Bild der Lungenstruktur, in dem breitere Räume mit engeren abwechseln und in den ersteren, den Blutkammern, Blutzellen (bz) sich finden, während die engen Luftkammern eben durch ihre Zellenleere auffallen. Immerhin können solche Schnitte noch kein richtiges Bild vom wirklichen Verhalten der Strukturen geben; dies vermögen aber sehr gut Schnitte, oder doch besser die Stellen auf demselben Schnitte, an den freien, der Atemhöhle zugekehrten Enden der Lungenlamellen. Da fehlen dann die gut gefärbten Zellsäulchen in den Blutkammern, dafür oftenbart sich die Struktur um so besser. Statt der Zellen jener Säulchen findet sich hier (Fig. 20) in den Lamellen je einer Doppellamelle, also in den Wänden der Blutkammern (b) nur mehr weniger spindel- förmig gestreckte Zellen, mit gleichgrossem und linsenförmig abgeplatteten und sich ebenso intensiv färbenden Zellkern, wie die in den Zellsäulchen. Das Protoplasma um diese Kerne färbt sich aber nicht so intensiv wie jenes der Zellsäulchen und nimmt höchstens eine fast eingebildet leise Tinktion an. Dafür sind die 22 B. Haller: Zellgrenzen um so schärfer, da stark lichtbrechend. Ich glaube dieses scharfe Hervortreten dem Einfluss des Formalins zu- schreiben zu müssen, da bei einer Alkoholhärtung dies lange nicht so deutlich erfolgt. Da sieht man dann, dass diese Zellen mit zahlreichen Fort- sätzen allerfeinster Art innerhalb der Wand der beiden Blätter sich verzweigen und diese Fortsätze benachbarter Zellen sich zu einem Netze vereinigen. Aber es wird durch dieses Netz hier an den Enden auch der Zwischenraum der Doppellamelle aus- gefüllt, so, dass Blutzellen in das freie Ende der Lungenlamellen, in die Blutkammern (b) nicht hineingeraten können. Damit nicht genug, geht dieses Netz auch auf die Luftkammern über (zz‘), wie ja das auch vorher schon der Fall war. Dieses gesamte Netz erscheint hier gleich glänzend und hell, wie anderorts in den Luftkammern, doch gelblicher. Es ist dieses Netzwerk aber nicht regelmässig, wie Berteaux es darstellt. Die Struktur der Atemhöhlenwand besteht aus einer platten Epithelschichte, die direkt in das höhere, hier kubische Epithel des äusseren Integumentes (Fig. 20 sp) ganz kontinuierlich übergeht. Zellgrenzen sind in jener platten Lage aber nicht erkenntlich und die Färbung ist eine ganz geringe. Von dieser Zellenlage aus erheben sich senkrecht zur Zellschichte gestellte hohe schmale Säulchen, wie Berteaux sie darstellte, doch wohl etwas breiter wie die in den Luftkammern sind. Nachdem die Säulchen eine gewisse Höhe nach innen der Atemhöhle zu erreicht haben, verästeln sie sich, und indem diese Äste sich mit solchen der anstossenden Säulchen vereinigen, entsteht ein ziemlich enges Netzwerk, womit dieses Gewebe nach innen zu abschliesst. Es ist dies ein schönes Arkadensystem, wie es Berteaux plastisch und sehr belehrend gezeichnet hat. An den Stellen nun, wo eine Lungenlamelle an die Wand der Atemhöhlenwand heran- zieht, wie dies nur die oberste Lamelle allein tun kann. an der dorsalen Wand der Atemhöhle (Fig. 16 or), verbindet sich jenes innere Netz der Atemhöhlenwand (Fig. 20 or) mit dem Netz der Atemlamelle, wodurch zwischen beiden eine Atemkammer (z) besteht. Dieses Gewebe besitzt die Atemhöhlenwand nicht überall; so fehlt es an der ventralen Seite bei Dysdera, wo nur eine Epithellage sich findet, und bei Epiblemum überhaupt, wie wir das schon gesehen haben. Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 23 Es musste die Frage von selbst sich aufwerfen, wie sich dies (rewebe denn zu anliegenden Geweben, in erster Reihe zum Integumente, verhält, da ein solches Verhältnis schon der Genese nach sich vermuten liess. Für das Gewebe der Atemhöhlenwand wurde schon gezeigt, dass es sich kontinuierlich in das Epithel des Integumentes fortsetzt, für die Feststellung jenes der Lungenblätter zeigte sich aber eine gute (Gelegenheit an der ventralen Wand der Lunge, am sogenannten Lungendeckel. Dies blieb Berteaux unbekannt. Es wurde weiter oben schon berichtet, dass sich an genannter Stelle bei fast allen Formen chitinöse Spangen finden, Spangen, die sich dann netzförmig gestalten und so auch äusserlich, be- sonders bei Epeira, aber auch bei anderen sich zeigen (Fig. 11 cz). Es dient dieses chitinöse Spangensystem der Befestigung der Lungenblätter und wo eben diese in grosser Zahl auftreten, entfaltet es sich auch mächtiger, indessen bei Dysdera z. B. sie nicht zu finden sind. Diese Spangen erweisen sich auf Schnitten (Fig. 19 ez) als Einfaltungen der inneren Cutislage (c), die wie jene die Färbung gut annimmt. Die äussere Lage (c‘) nimmt daran nie Teil. Es endigen auf ihrer freien Kante diese Spangen entweder abgerundet oder rinnenförmig gespalten, doch können auch weitere Ansatzfortsätze sich an den kräftigeren unter ihnen betinden. Naturgemäss muss das Integumentepithel diese Spangen nach innen zu überziehen. während aber das Epithel sonst kubisch erscheint (ep), ist es auf den Spangen abgeplattet (ep‘) und sendet Fortsätze aus, welche Fortsätze mit den Fortsätzen der Zellsäulchen der Blutkammern (b), wie auch mit jenen in den Luftkammern (z) auf die mannigfaltigste Weise zusammen- hängen. Hier zeigt sich somit die Abkunft jener Zellsäulchen als Epithelzellen und in dieser Weise hängt die Lunge mit dem Integumente innigst zusammen. Es besteht somit das Lungengewebe aus einer ektodermalen Membran, in welcher die Zellen als Matrixzellen erscheinen, dje jene Membran abgesondert haben. Es erfolgt dies aber auf jene Weise, dass die Zellen ihren ursprünglichen Zusammenhang durch Zellbrücken weiter ausgebildet haben, wodurch innerhalb der Membran ein wohl auch chemisch verändertes Netzwerk ent- steht, von welchem Netzwerk aus Verbindungsfäden nicht nur 24 B. Haller: zur Nachbarlamelle, sondern auch zu der Lungenhöhlenwand gelangen, so den Zusammenhang der gesamten Lunge auf das vollkommendste sichernd. Dass dieses Netzwerk aber auch innerhalb der Lungen- lamellen sich so verhält, wie an dem in die Atemhöhle vor- springenden Rande der Lamelle, allerdings mit dem Unterschiede, dass das Netzwerk, wie Berteaux gezeigt hat, feiner und regel- mässiger ist, habe ich schon gesagt. Nach meinen Untersuchungen ist somit im Gegensatz zu Berteaux diese strukturierte Lamelle keine Cuticula, deren Matrixzellen die Zellsäulchen wären, sondern eine Membran, in die die Fortsätze der Matrixzellen netzförmig sich ausbreiten und zwischen welchem Netz dann eine homogene Masse sich abscheidet. Von den Zellen sind dann diejenigen, die die Zellsäulen bilden, solche, welche wohl auch bei der Vergrösserung der Lamelle, beim Wachstum die aktive Rolle zu spielen haben. Was aber ihre Funktion betrifft, so sind sie keine Muskelzellen und dienen vielleicht dazu, um dem Blute ein rasches Abfliessen zum Zweck besserer Oxydation zu verhindern. Dass die Spangen in den Luftkammern unter anderem derselben Aufgabe bezüglich der Luft dienen, brauche ich gar nicht zu sagen. Sie haben aber auch noch eine andere Aufgabe, ebenso wie das Säulengerüst der Atemhöhlen- wand. Börner, der zwar die Lungenstruktur nur unvollkommen erfasste und nicht in der (Gesamtheit, infolge ungünstigen Materials, erkennen konnte, hat die physiologische Bedeutung dieses „Uhitinschwammes“ ganz richtig erkannt, indem er den Hauptzweck in der Herbeiführung der für die Respiration not- wendigen Luftverdiehtung erblickt. Dies liegt in der Vergrösserung der luftverdichtenden Oberfläche der chitinisierten Wände, da Chitin die Eigenschaft besitzt, die Luft auf seiner Oberfläche zu konzentrieren (l. c., S. 103). C. Die Vordertracheen und ihr Bau. Bezüglich des Tracheensystems der Spinnen unterscheide ich ausdrücklich zwischen Vorder- und Hinter- oder Analtracheen. Erstere haben ihr Stigmenpaar gleich hinter jenem der Lunge, letztere ihr Stigmenpaar oder das einheitlich gewordene Stigma vor den Spinnwarzen. Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 25 Vordertracheen sind bisher nur bei vier Gattungen von Spinnen bekannt, bei‘ Dysdera, Harpactes, Segestria und Argyroneta, ferner bei den Oonopsiden und den lungenlosen Caponiden. Über dieses Tracheensystem berichtet für Dysdera Duges, viel aus- führlicher aber Bertkau. Ich will ihn selbst reden lassen. „Der sehr kurze, von der strukturlosen Haut gebildete Gang führt zu einem kräftigen, sich noch etwas verbreiternden Tracheen- stamm (Hauptstamm), der flach gedrückt ist... .. Die Wand dieses Hauptstammes ist durch die Stäbchen besonders verstärkt.“ Sie verschmelzen bei Dysdera „auf der Innenseite der Röhre zu einem Ringe, der spiralig verläuft und dem Spiralfaden der Insekten ganz analog ist.... Der grösste Teil des Hauptstammes geht nach vorn (Cephalothoraxstamm), während ein kleiner Anhang in Gestalt eines langen Beutels nach hinten abgeht (Abdominal- stamm).“ Die beiden Cephalothoraxstämme ziehen dicht anein- ander gelagert durch den Körperstiel in den Cephalothorax und enden hier, „indem sie kopfförmig anschwellen und eine über- aus grosse Zahl feinwandiger, unverästelter Röhrchen aussenden“. Auch der Abdominalstamm entsendet zahlreiche Röhrchen, doch unterscheidet er sich von dem ÜCephalothoraxstamm durch das Fehlen des Spiralstammes. Die unverästelten Röhrchen gehen in die äussersten Enden des Abdomens, wie dann auch die im Cephalothorax in Bündeln von 30—40 Stück „in die Beine, das Kinn, die Unterkiefer mit den Tastern, den Epipharynx, die Oberkiefer* gelangen. Ein Spiralfaden fehlt all diesen Röhrchen. Die Hauptstämme sind miteinander nicht verbunden, welche Ver- bindung aber Mac Leod, wie wir gesehen haben, für Argyroneta festgestellt hat. Nach meinen eigenen Beobachtungen, angestellt an sagittalen und quergeführten Schnittserien und an einem aufgehellten Total- präparat, verhält sich die Sache wie folgt. Die Mündung der Vordertrachee (Fig. 9 R) befindet sich hinter jener der Lunge (lö) und etwas einwärts von ihr. An Weite entspricht dieses Stigma genauestens jenem der Lunge, auch in der Form bei Dysdera rubicunda,') auf die sich überhaupt meine Angaben, soweit nichts angegeben wird, beziehen. Eine öffnende Muskulatur besitzt auch das Stigma der Vordertrachee !) Dysdera rubicunda ist eine recht seltene Spinne nicht nur hier, sondern überall wo sie vorkommt. 26 B. Hialler: (Fig. 16m). Von hier aus zieht nun die Trachee als sehr weite Röhre am inneren Rande der Lunge, besser gesagt des Blutraumes, gelegen nach vorn zu bis zum vorderen Ende der Lunge (Fig. IR). Bevor das vordere Ende der Trachee erreicht ist, verbindet sie sich durch einen durchaus gleichweiten vorderen Quergang mit jener der anderen Seite. Diesen Quergang hat Bertkau übersehen, Mac Leod bei Argyroneta gefunden, doch verlegt er ihn genauestens an die Mündungen, was bei Dysdera durchaus nicht der Fall ist. Indessen hat Lamy den Quergang in gleicher Lage gefunden ausser bei Argyroneta noch bei Onopsiden (Dysderina, Oonops), wie denn auch bei den Caponiden bekanntlich die (Juergänge zwischen den beiden Tracheenpaaren sich in gleicher Lage befinden nach Simon und Purcell. Eine richtige Vorstellung von der Gesamtform dieses Tracheenpaares gewinnt man aber an mit Xylol aufgehellten Totalpräparaten, wie Fig. 9 darstellt, nicht. Es müssen vielmehr von grossen Exemplaren die Tracheen mit der Nadel heraus- präpariert werden, was um so mühsamer war, da ich nur ein erosses Exemplar (und zwei kleine) von dieser im ganzen Oden- wald und Schwarzwald seltenen Spinne mir verschaffen konnte. Ich habe dann die von diesem Präparat entworfene Abbildung mit Rekonstruktionen von der sagittalen und quergeschnittenen Serie verglichen und daran einige kleinere Verbesserungen vor- genommen. So entstand die Abbildung auf Fig. 13. Daraus geht hervor, dass das jederseitige Tracheenrohr nicht zylindrisch ist, sondern mehrere Ausbuchtungen aufweist, die aber infolge der harten Tracheenwand beständig sind. Von dem engen Stigma an erweitert sich das Rohr ampullenförmig (8), wobei die Längsachse der ovalen Ampulle von ventral- nach dorsalwärts zu gerichtet ist. Dann engt sich das Rohr ein, um sich gleich wieder zu erweitern; an dieser Stelle liegt die zylindrischrunde Querverbindung (q). Von der Einengung an ist nun das Tracheenrohr mit seiner Längsachse nach oralwärts zu gerichtet. Die Eeweiterung vor dem Quergange nimmt noch etwas bis zum vorderen Ende (0) des Rohres zu. Unrichtig ist die Angabe Bertkaus, dass dieses Rohr in den Cephalothorax hineinreichen würde, denn es endigt noch im Abdomen. Das vordere Ende ist nicht, wie es auch bei Mac Leod für Argyro- neta heisst, knopfförmig abgerundet, sondern zieht sich in zwei Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 27 Zipfel aus. Der ventrale dieser ist kürzer und endet abgestutzt, der dorsale (f) ist länger, birnförmig und endet mit zwei kleineren Zipfeln. Aus der Ampulle am Stigma setzt sich auch ein anal- wärtiges Rohr fort (h), doch ist dieses nur ganz kurz. In das- selbe mündet eine grosse Zahl von zylindrischen, unverzweigten schmalen Tracheenröhrchen, die somit einen Büschel vorstellen. Sie sind insofern nicht gleichlang. als ein Teil von ihnen (Fig. Ih) sich noch weiter analwärts erstreckt, bald aber in ventraler Lage endigt. Die Angabe Bertkaus ist somit unrichtig, nach welcher diese höhrchen bis in die weitesten Gegenden des Abdomens reichen würden, etwa wie bei Caponiden, im Gegenteil, der weit grösste TeildesAbdomensist völlig tracheen- leer (Fig. 1). Die quastenförmigen Tracheenbüschel, wie vorher zylindrisch und unverästelt, besetzen weder die Röhre, noch den Quergang, sondern nur das oralwärtige Ende des Tracheenrohres (r und bt). Sie sind kürzer und länger. Die kurzen enden vor den Lungen im Abdomen unter den dorsal gelegenen Eingeweiden, ohne zwischen dieselben einzudringen. Die mittelständigen vereinigen sich zu einem Bündel und dieses Bündel (bt) zieht durch das Stielchen in den Cephalothorax (Fig. Ibt). Hier liegen die vielen Röhrchen in einem dichten Bündel von oralem Quer- schnitt (Fig. 25bt), zuerst über dem Darm (d) und der Aorta (ao). Das Bündel wird hier sogar von einer Kreisschicht (h) von Fasern umhüllt, in welcher aber auch der Darm drin liegt. Bald darauf aber ändert sich die gegenseitige Lage und Darm und Aorta durchsetzen das Tracheenbündel, um dann im Cephalothorax über demselben zu lagern (Textfig. 5A d, ao).') Schon in der Gegend des vierten Beinpaares beginnt das Tracheenbündel sich etwas zu lockern, die Umhüllung fehlt hier (bt). Es liegt das Bündel hier ventralwärts dem Integument fest an, dorsalwärts reicht es bis zu dem Darm. Hier vereinigen sich eine grössere Zahl von Tracheenröhrchen jederseits zu mehreren weiteren Röhren (t). An dem Beinpaar jederseits vereinigen ‘) Dabei wäre zu berichten, dass bei Dysdera die Aorta zu Beginn doppelt ist, die Äste umgreifen den Darm und vereinigen sich unter ihm zu einem einheitlichen Blutgefäss, das erst zwischen viertem und drittem Bein- paar sich wieder gabelt. h 28 BHkanlilkert:: sich mehrere Röhren, neun bis zwölf, biegen nach koxalwärts zwischen die Muskulatur desselben und vereinigen sich dort zu KG [7 N JABÄZ © ———o ZA I N Dysdera rub. Zwei Querschnitte durch den Cephalothorax, B durch das vierte und © durch das dritte Beinpaar (IVb, IIIb. d=Darm; ao = Aorta; bm — Bauchmark; s= Querseptum; t—=grössere Tracheenröhren, die sich durch Vereinigung feinster Röhrchen des Brusttracheenbündels (bt) bilden, um allmählich zu den beiden mächtigen, nach kopfwärts ziehenden Seiten- röhrenpaaren (tr‘) zu werden: t‘, t‘‘, t'' Tracheen der Beine. Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 29 zwei mächtigen Tracheenröhren (t“, t'), welche dann bis in das dritte Glied des Beinpaares hineinreichen und ohne Äste abzu- geben und an Weite einzubüssen blind endigen. Ähnlich ent- stehen die Tracheen auch des dritten Beinpaares (Fig. 1). Zwischen drittem und zweitem Beinpaar werden jene mediangelagerten Röhren (Textfig. 5A tr) noch mächtiger (Fig. 1), bis sie zum Schlusse in der Höhe des zweiten Beinpaares jederseits zwei mächtige Röhren sind, die eine ganz laterale Lage einnehmen (Textfig. 5B tr‘) neben dem Aortenaste. Die Struktur dieser zwei mächtigen Röhren ist, wie wir weiter unten sehen werden, eine andere geworden. Von der unteren dieser Röhren geht ein Ast in das zweite Beinpaar ab, doch besitzt dieser Ast die Struktur der feinen Tracheenröhren. Er teilt sich im Beine in zwei Äste. Die Fortsetzung der unteren Hauptröhre gelangt in das erste Beinpaar und zerfällt dort, nachdem die Struktur der Röhrenwand sich verändert, in zwei Äste. Diese verhalten sich in den zwei ersten Beinpaaren genauestens so, wie in den zwei hinteren. Die obere Tracheenröhre gelangt in die Palpen. Die Verhältnisse der Tracheen im Cephalothorax sind somit wesentlich andere, als sie Bertkau geschildert hat. Nicht alle Tracheenäste gehen in die Gliedmassentracheen auf, vielmehr biegen die ventralen in der (regend des dritten Beinpaares, wo sich schon das. Bauchmark befindet, nach unten und bilden dann über das Bauchmark (Textfig. 5B bm) eine zwei oder drei Lagen dicke Schicht (bt‘). Fortwährend biegen einzelne Röhren in das Bauchmark ein, bis in der Nähe des Gehirns sie alle dort hineingelangt sind. Das Bauchmark ist dann völlig durchsetzt von unverästelten blind endigenden Tracheen- röhrchen, eine Erscheinung, die bei Spinnen ohne Vordertracheen, ganz gleich ob bei Orbitaliden oder anderen, nie der Fall ist, denn dort werden die Tracheen durch Bluträume ersetzt. Während also beiden Spinnen — die Argyroneta verhält sich auch so — mit Vordertracheen der Cephalo- thorax stark tracheeisiert erscheint, bleibt der weit grösste Teil des Abdomens tracheenfrei im Gegen- satz zu den Gaponiden. Der Bau der Vordertracheen verdient eine besondere Besprechung. Die breite Wand der beiden Hauptröhren sowohl wie die der Querverbindung der Vordertracheen im Lungen- 30 B: ENall er: bereiche fallen auf Schnitten durch ihre gelbe Farbe auf, genau wie die Wände der Lungenatemhöhle, denn im wesentlichen zeigen sie auch den gleichen Bau. Von einem Plattenepithel mit deutlichen Zellkernen (Fig. 230) erheben sich senkrechte Säulchen (m) und diese vereinigen sich dem Lumen der Röhre zugekehrt netz- förmig (n) arkadenartig. Hier an diesem freien Ende der Wand erfolgte eine weitere Differenzierung, die in der Wand der Lungen- atemhöhle in so hohem Grade nicht eintritt. Im arkadenförmigen Netze entstehen hier nämlich Längsbalken, die eine ansehnliche Breite aufweisen und untereinander sich zu einem Netze verbinden (Fig. 22). Die Netzmaschen sind entsprechend der Balkenrichtung der Röhrenlängsachse nach orientiert und das Ganze ist als die Weiterentfaltung des Chitinnetzes in der inneren Seite der Lungen- atemhöhlenwand zu betrachten. Hierdurch ist wie dort die Wand der Atemröhren höchst resistent. Wie Bertkau und Lamy in der Wand dieser Röhrenwände Spiralfäden sehen konnten, ist mir völlig unverständlich. Viel einfacher als die schwammigen Gefüge der Haupt- röhrenwände sind jene der sich nie verästelnden, bis zu ihrem Ende gleichweiten büschelföürmig angeordneten Tracheenröhrchen gebaut. Sie sind glashelle, doch etwas sich tingierende, nach der angewandten technischen Methode strukturlose Röhren mit eingelagerten platten Zellkernen. Diese färben sich gut, doch konnte ich nie ein färbbares Protoplasma um die Zellkerne herum beobachten (Fig. 33 r). Sie sind durchaus elastisch und erscheinen nie zusammengedrückt, stets mit offenem kreisrundem Lumen. Sie öffnen sich dann in das chitinöse Schwammmark der Haupt- röhre (R), indem ihre Wand in die zellkernreiche äussere Lage der Röhrenwand der grossen Röhren übergeht. Es besteht aber auch an den Stellen, wo Röhrchen von den Hauptröhren, fest nebeneinander gelagert, doch Blutzellen zwischen sich einlassend, abtreten, das schwammige Balkengefüge in der Wand der Haupt- röhre. Nur fehlt dann hier die innere Lage des groben Balken- netzwerkes und ist die Wand der Hauptröhre hier auch niedriger. Es liegen wie gesagt die Röhrchen sehr fest aneinander und parallel zueinander verlaufend, dabei sind ihre Grenzen gegen- einander gut erkenntlich bis zur Stelle, wo das Brusttracheen- bündel im Stielchen von einer Hülle umgeben wird (Fig. 25). Hier gelang es mir auch bei starker Vergrösserung nicht, Grenzen 8% — Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. zwischen den Röhrchen zu erkennen (Fig. 28) und diese scheinen hier untereinander verwachsen zu sein. Dies ändert sich aber sofort nach Eintritt des Tracheenbündels in den Üephalothorax, wo dann dieselben Verhältnisse bestehen wie im Lungenbereiche. Wenn diese feinen Röhrchen im Cephalothorax sich zu weiten Röhren zusammentun, so erfolgt dies auf die Weise, dass diese Röhren eine zellkernreiche Wand behalten, von welchen Zellen aus durch Zellfortsätze im Lumen der Röhren ein Netz entsteht (Fig. 27). So sind auch sämtliche Extremitätentracheen unbeschadet ihrer Weite gebaut. Wenn dann diese Röhren in die beiden Haupt- röhren jederseits im Cephalothorax zusammenfliessen, ändert sich dieser Bau. Die Wände dieser Hauptröhren bestehen zu äusserst aus einer ganz platten Zellenlage (Fig. 26 r), von welcher aus feine Fortsätze nach dem Lumen zu ein Netzwerk ohne Zell- kerne bilden (n). Dieses den grössten Teil der Tracheenwand vorstellende Netz geht dann dem Lumen zu in eine Zellenlage über (r‘), deren Elemente mit ihren verzweigten Fortsätzen eben das Netz bilden. Es sind grosse schöne Zellkerne mit nur wenig färbbarer Protoplasmaumrandung. Die dem Lumen zugekehrten spärlichen Fortsätze dieser Zellen vereinigen sich im Lumen der Röhre zwar auch zu einem allerdings weitmaschigen Netze (l), allein dieses Netz ist auf den Präparaten in der Regel vielfach durchrissen. Dies erklärt sich auf folgende Weise. Diese Röhren sind äusserst dehnbar, doch ein gewisses Minimum bei der Zu- sammenziehung erreichend, geben sie dann nicht mehr nach, sondern bleiben dann resistent und die Tracheen können nie zusammenfallen. Von diesem Minimum an ist aber die Dehnbarkeit ganz gewaltig gross. Ich habe bei den kleinen Exemplaren, die zwecks Einbettung in Xylol gelegt waren, Luftblasen nicht nur in den Haupttracheen des Cephalothorax, sondern auch in den Extremitätentracheen gesehen, deren (uerschnitt jenen der Trachee sogar um das Fünf- und Sechsfache übertrafen. Normalerweise im Leben wird eine solche Blasenbildung nie erfolgen und wäre verderblich, wenn aber Luft sich in den Tracheen findet bei der Abtötung in Formalin aber gewisse Teile der Tracheen früher die Erhärtung erfahren, so sammelt sich eben die Luft in grossen Blasen an jenen Stellen, die noch zurzeit nachgiebiger sind. Dieser enorme Druck wird das Netz im Lumen der Trachee durch- rissen haben. wo 32 Br Maler: Die Vordertracheen der Spinnen erfulıren im Laufe der Phylo- genese mannigfaltige Umwandlungen. Bei Dysdera, Argyroneta, und nach Bertkau auch bei Segestria, dann bei den Oonopsiden nach Lamy und den Caponiden nach Simon und Purcell, erhielten sie sich nicht nur, sondern entfalteten sich im Cephalo- thorax zu einem mächtigen System. Dabei schwanden andere ro ar IP TUN, 2299] Fig. 6 B Ulubiona atr. Querschnitt A durch die Lungenmündung. B etwas weiter nach mundwärts zu. d=Darm; r = mittlerer, r' = seitlicher Teil des vorderen Tracheenpaares (hier Querganges) ; rö = Öffnung; gg — Genital- gang; Blutraum (br) punktiert; gp = Genitalpapille; L— Lunge; ah — deren Mündung und Atemhöhle ah; mp= Quermuskel; ma — medianer, sm — seit- licher Lungenmuskel:; tr — der in den Cephalothorax sich begebende Haupt- gang der Analtrachee. Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 33 Tracheenpaare bei diesen Dipnoern vollständig. Bei den Mygaliden nun haben sie sich — ich zweifle nicht im geringsten daran — zum zweiten Lungenpaar umgeformt, bei allen anderen Dipneu- monen aber als die obigen — vielleicht auch noch andere, daraufhin verhaltenden — haben sie sich rückgebildet. mit Beibehalt eines letzten Restes. Diesen fand ich bei vielen, so bei Ülubiona, Lvcosa, den Thomisiden, Meta, Agirope und Epeira und ich zweifle nicht, dass die meisten Dipneumonen sie besitzen, obgleich manche, wie die Attiden, sie völlig eingebüsst haben. Es befindet sich da ein Querkanal in gleicher (Juerebene mit der Lungenmündung, der (Textfig. 6 A r) zwischen dem Darm (d) und der Leber und dem einheitlich gewordenen Genitalgang (gg) gelegen ist (r). Jedesmal öffnet sich dieser Querkanal (rö) in gleicher Höhe mit der Lungenmündung (lö) mit einem äusserlich nur selten wahrnehmbaren Stigma (Fig. 3 rö) nach aussen. Es treten aber nie Äste, welcher Art sie auch immer sein mögen, von diesem Querkanal ab, darüber haben mich nicht nur Quer-, sondern auch Längenschnittserien belehrt. Dieser Querkanal zeigt nun zwei Modifikationen in seinem Bau. Bei Clubiona und Lycosa sind die beiden Enden des Rohres (Textfig. 6 A r) bezüglich ihrer Wandstruktur genau so gebaut, Arm nm il Tom IN gp Fig. 7. Meta seg. Etwas horizontal geneigter Querschnitt durch die linke Lunge (L): (die rechte, da der Schnitt auch etwas nach rechts neigt, nicht getroffen) und die Genitalpapille (ep); km = langer Körpermuskel: tr— die über der Lunge endenden Enden der Analtracheen; d=Darm: gg = Genitalgang: r— Quergang oder der Rest des vorderen Tracheenpaares; rö = dessen rechte Öffnung; 1ö = Lungenöffnung. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1I. 3 34 B. Haller: wie die Hauptröhren der Vordertracheen der Dysderiden, allein das dazwischen gelegene Stück (r) besitzt nur ein Plattenepithel und zeigt etwa den Bau der Röhrchen der Dysdera. Diesem Verhalten im Gegensatz, ist die ganze (@uerröhre bei Meta (Textfig. 7 r) so gebaut, als die beiden Enden obiger Formen, d.h. wie die Hauptröhren von Dysdera. Ein drittes Stadium der Rückbildung zeigt aber die Gattung Epeira. Bei dieser Gattung ist jenes bei Clubiona und Lycosa schon sich rückentfaltende Mittelstück der Röhre völlig ver- schwunden und es erhalten sich nur die beiden Endstücke (Textfig. 2C r) mit ihrer Mündung (Textfig. 3 B rö) unter dem Lungenstigma (lö). Freilich sind diese Reste bei Epeira so gebaut wie die Hauptröhren der Vordertracheen bei Dysdera, und befinden sich also in voller physiologischer Dignität. D. Die Hintertracheen und ihr Bau. Die Hintertracheen haben ihre Stigmata, die aber bei den meisten Spinnen einheitlich geworden sind, vor den Spinnwarzen. Darum könnten sie auch Analtracheen heissen. Die beiden Tracheensysteme — Hintertracheensystem und Vordertracheen- system — werden von keinem der Autoren genügend aus- einander gehalten. Am ausführlichsten ist das Vordertracheen- system von Bertkau und Lamy durchforscht. Es zeigt nach ersterem „so grosse Verschiedenheiten, dass sich kaum etwas Allgemeines darüber sagen lässt“. Nach Lamy modifizierte sich das Tracheensystem polyphil nach den Familien. All dies fand ich allerdings nicht. Leider, hat auch hier Bertkau „spiralfädige* Tracheen gefunden — wie denn auch Lamy diesem Irrtum anheim fiel — wo doch solche ebensowenig bestehen als im Vordertracheensystem. Sie zeichnen sie sogar und Bertkau hat selbst den Spiral- faden abgerollt (6). Allerdings hat er auch nicht spiralfädige Tracheen beschrieben. Ich will bei der Beschreibung bei jeder bezüglichen Form die Befunde Bertkaus vorausschicken. Eine hohe Entfaltung des Hintertracheensystemes zeigt die Gattung Clubiona und Lycosa. Bei diesen zwei Gattungen wie bei vielen anderen auch sollen nach Bertkau von den vier Tracheen- röhren, die von dem einheitlichen Stigma nach oralwärts zu ab- gehen, die zwei lateralen untereinander verwachsen sein, so dass Uber die Atmungsorgane der Arachnoider. 35 dann eigentlich nur zwei Tracheen vom Stigma abgehen würden. Dies kann ich aber nicht bestätigen. Am Stigma (Fig. 2) sind allerdings alle vier Röhren verwachsen, allein von da an sind sie voneinander getrennt. Die beiden äusseren Röhren (T‘) erreichen das Lungengebiet nicht, doch gelangen sie in dessen Nähe. Sie geben zwei oder drei lateralwärtige Äste ab, die gleich dem Hauptraum, ohne weitere Verzweigung gleichweit bleibend bis zum Schlusse, dann blind endigen. Anders die zwei inneren Tracheen (T), die etwas breiter als die äusseren sind. Sie liegen wie überall lateralwärts dem Darm zu und zerfallen etwa in der Mitte des Abdomens in drei Äste, die aber ganz fest beisammen bleiben und zum Schluss, wenigstens bei Clubiona, sich verflechten. Die zwei inneren Äste gelangen auf diese Weise nach aussen von den früher äussersten, erreichen so die Lungengegend und enden dorsalwärts von der Lunge (L) in einem Büschel oder treffender in einer Quaste von parallel zu einander verlaufenden, “ gleichlangen, völlig unverzweigten und überall gleichweiten Ästen, deren Zahl an jeder Quaste wohl acht bis zehn betragen dürfte. Der dritte Ast zieht etwas oberhalb und seitlich vom Darm gelegen in das Stielehen und durch dasselbe hindurch in den Cephalothorax. Dann wendet sich jedes von ihnen dort etwas nach auswärts und zieht lateral und oberhalb von jedem Aorten- ast (auf der Figur mit unterbrochener Linie) bis zum ersten Fusspaare. Bei jedem Fusse gelangt ein Ast in ein Bein und zerfällt dort in zwei gleichweite unverzweigte Nebenäste, die aber nur in das dritte Fussglied eindringen und bald darauf dort blind enden. Sie liegen dort der ampullenartig erweiterten Fuss- arterie (Fig. 8 bg) fest an (t) und diese Erweiterung des Blut- gefässes wird sicherlich durch das Verhalten der Tracheen bedingt. Dass ein Ast aus der Trachee als Endsack des Tracheen- stammes in die Palpe gedrungen wäre, habe ich auch an Schnitt- serien nicht beobachtet. Auch gibt es keine weiteren Tracheen- äste, die etwa mit dem Zentralnervensystem in Beziehung stünden, letzteres ist vielmehr vaskularisiert. Überhaupt sehen wir hier, dass der geringern Entfaltung des Tracheensystems im Cephalo- thorax im Gegensatz zu Dysdera und Argyroneta eine höhere Entfaltung des Blutgefäßsystems entgegensteht. Eine ebenfalls starke Entfaltung des Hintertracheensystems zeigen die Krabbenspinnen (untersucht wurden Thomisus ceitreus 3% 56 Bakkarllert: und Synaema globosa). Bei diesen fand Bertkau nicht nur fortschreitende Verkümmerung des Hintertracheensystems, sondern auch eine räumliche Reduzierung des ganzen Apparates. Von all dem habe ich nichts gesehen und muss im Gegenteil behaupten, dass das Hintertracheensystem bei den Thomisiden auf einer sehr hohen Stufe der Entwicklung steht. So fand dies auch Lamy, der freilich wie in den meisten Fällen wo es sonst vorkommt, die Tracheen in den Cephalothorax hinein nicht verfolgt hat. Dabei zeigt es sich, dass die beiden Stigmen noch gar nicht vereint sind miteinander. Wie bei vielen anderen Spinnen, so befinden sich auch in dieser Familie mehrere Paare, hier fünf, von runden inte- gumentalen Verdickungen, medioventralwärts am Abdomen hinter der Lunge beginnend (Textfig. 3p). Dabei liegen diese runden Integumentalverdickungen, die schon öfters als zurückgebildete Stigmata gedeutet wurden und nach der Ontogenese auch sind (Purcell), stets zu vieren in einem (Quadrat. Zwischen jedem (Juadrat fehlen diese (rebilde und die letzten zwei Punkte des analen (Juadrates bilden die Stigmata der beiden Hintertracheen, genauestens vor den Spinnwarzen. Sie liegen durchaus nicht fest beisammen. Von ihnen geht je eine Trachee aus, die sich als- bald in einen äusseren (T‘) und einen inneren Ast (T) spaltet. Der äussere Ast hört, nachdem mehrere unverzweigte Äste abgegeben wurden, hinter dem Lungengebiet auf. Der innere Ast, dem Darm anlagernd, gibt anfangs keine Äste ab, dann aber in nächster Nähe zwei, einen inneren und einen äusseren. Der innere endet unverzweigt, der äussere zerfällt quastenförmig in etwa sechs Äste, die parallel verlaufen und fest beisammen liegen und hinter der Lungengeeend blind enden. Der Hauptstamm der inneren Trachee aber gerät in gleicher Lage wie bei den früheren Formen in den Cephalothorax, um sich dort genau so zu ver- halten wie bei Ulubionen und Lycosen. Eine andere Spinnenform, die gleichfalls kein Netz macht und in die Nähe der Thomisiden gestellt zu werden pflegt, ist Tibellus,') aber mit langgestrecktem Abdomen. Bei dieser Form findet sich nur ein Stigma, von dem die vier Tracheen ausgehen. ') Über das Leben dieser Form scheint wenig bekannt zu sein. Ich fand das Weibchen zu mehreren Malen (das Männchen ist mir unbekannt) auf der Wanderung mit dem Eierkokon im Munde im Mai und Juni, den das Tier unter keinen Umständen freigeben wollte. Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. | © Die äussere Trachee (Fig. 4 T‘) verhält sich etwa wie bei Thomi- siden, die innere gibt Äste wohl ab (T), besitzt aber den quasten- förmigen Ast jener Formen nicht. Die Fortsetzung der Trachee gelangt ın den Cephalothorax und verhält sich dort genauestens wie bei den bisher beschiiebenen Spinnen. Die Verhältnisse der Hintertracheen der Attiden, Epiblemum salticum und Attus saxicola, welche zwei Formen auf Felsen ich öfter zusammen fand, sind dieselben wie jene von Clubiona, Lycosa und Thomisus, doch kenne ich die Verhältnisse bei der Kleinheit der Objekte nur von Schnittserien her. Das Stigma (Textfig. S st) ist einheitlich, die äussere Trachee verhält sich wie bisher. Die dem Darm jederseits anliegende innere Trachee (T) gibt neben anderen Ästen einen (uastenast ab (tb), der dem langen Körper- muskel fest anlagernd hinter der Lungengegend mit bis 20 und Fig. 8. Epiblemum scen. Sagittaler Längsschnitt durch das Abdomen, die Anal- trachee (T) treffend. st—=deren Stigma; tb = deren büschelförmig endender Ast ventral vom Darme (d); gg = Genitalgang, dessen Endstück medianwärts von der Lunge (L) mit unterbrochener Linie; gö= Genitalöffnung. mehr blinden gleichlangen Ästen endet. Die Haupttrachee zieht in gleicher Lage weiter, doch verbreitert sie sich derartig, dass sie als abgeplattetes Gebilde die ganze halbe Seitenwand des Darmes bedeckt und oben und unten sich mit jener der anderen Seite berührt (Fig. 29T). In der Lungengegend wird die Haupt- trachee wieder schmäler, nachdem sie sich vom Darme lateral- wärts entfernt hat und gerät dann durch das Stielchen in den Cephalothorax, um dort sich genau so zu verhalten wie bei den obigen Gattungen, d. h. Äste in die Beinpaare entsendend. 35 B. Haller: Ein etwas anderes Verhalten zeigt sich bei Phyllonethis lineata (Fig. 5). einer Form, die vagant ist, kein Netz baut, allein zeitweilig, sowohl das Weibchen als auch das Männchen symbiotisch im Netze von Theridium tinetum Walcker lebt. Diese Beobach- tungen habe ich selbst gemacht und teile sie aus ganz bestimmten Gründen hier mit. Dieses Theridium gehört hier im Heidelberger Walde zu den gewöhnlichsten Spinnen. Im Monat Juni fand ich nun öfter Phyllonethis in der Einzahl auf dem unregel- mässigen Netze des öfter auch unter sich gesellig lebenden Theridiums in nächster Nähe der Nestspinnerin. Die Phyllonethis ist grösser und kräftiger als die Gastgeberin. Ich beobachtete, und habe selber durch Einlassen grösserer Dipteren in das Nest Versuche angestellt. dass, sobald ein grösseres Insekt in das Nest gerät, das das Netz gefährden könnte, das Theridium sich sofort zurückzieht, Phyllonethis sich aber sogleich auf diese Beute stürzt. Es ist nun klar, dass Theridium den Gast duldet, weil es von ihm Nutzen zieht und dieser die gute (Gelegenheit ausnützt, um zeitweilig symbiotisch zu leben. Heute, Mitte Juli, als ich diese Zeilen schreibe, ist Phyllonethis aus den Netzen des Theridium verschwunden. Phyllonethis ist also vagant, aber schmarotzt zeitweilig und dies ist für unsere Betrachtungen wichtig. Es findet sich bei Phyllonethis lineata ein vereinigtes Stigma in gewöhnlicher Lage (Fig. 5) von dem vier Tracheen abgehen. Die äussere Trachee (T‘) geht stark lateralwärts, gibt keine Äste ab und endigt, ohne die Lungengegend zu erreichen, blind. Die innere Trachee (T) hat auch keine Äste bis zur Lungengegend, wo sie einen kurzen Ast nach aussen sendet und blind endigen lässt. Der Hauptstamm aber gelangt in den Cephalothorax und versieht die Extremitäten mit Ästen. Bei Tegenaria domestica mit einheitlichem Stigma (Fig. 6) ist die äussere Trachee (T‘) nur kurz und endigt gegabelt. Die innere Trachee (T) gibt im hinteren Abdomenabschnitt einen Ast ab, der kurz darauf gegabelt endigt und setzt sich dann bis in die Lungengegend fort, um dorsal von der Lunge in einer Quaste von etwa vier Ästen aufzuhören. Es gelangt also bei Tege- naria keine Fortsetzung des Stammesin den Cephalo- thorax und dieser ist völlig tracheenlos. Ähnliches, doch einfacheres Verhalten weist die Orbitalidae Meta segmentata auf. Von dem einheitlichen Stigma gehen vier Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 39 Tracheen ab und zwar nahe beisammen am Darm gelegen, in zu- einander parallelem Verlaufe (Fig. 7). Die äussere Trachee erreicht ohne auch nur einen Ast abgegeben zu haben die hintere Lungengegend, um dort dann blind zu endigen. Auch die innere Trachee ist astlos (T), gerät aber bis in die vordere Lungen- gegend, macht dort Schlängelungen nach innen und endigt blind. Für kleinere Arten der Gattung Epeira, dann für Theridium und Zilla gibt Bertkau und Lamy eine Verschmelzung der inneren beiden Tracheen an, doch sind diese Tracheen dann ganz kurz und breit. die äusseren länger. Ich will, da ich weder kleinere Arten der Gattung Epeira untersucht noch die diesbezüglichen Verhältnisse bei Theridium und Zilla verfolgt habe, diese An- @ ‚dr m gaben nicht bezweifeln, | | allein für grosse Epeirae wie E. diadema, cornuta und marmorea kann ich behaupten, dass die dies- bezüglichen Verhält- nisse anders liegen. Es besitzen diese ein ein- heitliches Stigma (Text- figur 9 st), von dem aber nur ein einheitlicher Blindsack (T) abgeht, der kurz darauf endigt Fig. 9. unter den glasigen Aus- E pe ira diad. Luaserosaeittalsehnith, das führungsgängen der Be (st) der Sa N en a uchee ER (T) treffend; m m'—= Muskeln; d= helle Spinan- dunkeln Spinndrüsen drüse: dg— Gänge der dunkeln (chromophilen) (dg). Bei diesen Spinndrüsen. BKormen hat sich somit das Hintertracheensystem bis auf einen ge- ringen Blindsack und dem Stigma völlig rückgebildet. In geringerem Grade hat Lamy diese Rückbildung ja auch verfolgt. Nach meinen Befunden zeigt das Hintertracheensystem somit drei verschiedenartige Zustände, was mit der leb- haften beziehentlich sesshaften Lebensweise zusammenhängt. Da sahen wir denn, dass bei ausgesprochen vaganten Formen ohne Netz wie Lycosa, Clubiona, die Attiden und Thomisiden das 40 B. Ha Wker: Hintertracheensystem stark entfaltet ist. Es versieht auch den Cephalothorax und macht das Vordertracheensystem anderer vaganter Formen überflüssig. Aber schon bei Spinnen mit auch nur zeitweilig sesshafter Lebensweise wie Phyllonethis verschwindet die Verästelung der Tracheen. Bei Formen endlich, die zwar nächtliche kurze Streifzüge, vielleicht mehr aus anderen Gründen als wegen der Beute, ausführen, sonst aber sesshaft sind, wie Tegenaria domestica, rückbildet sich der cephalothorakale Teil des Tracheensystems völlig. Andererseits sehen wir, dass ein lebhafteres Verhalten einer Netzspinne, der Meta segmentata, die sich nie im Netze aufhält und bei der geringsten Gefahr aus der Nähe des Netzes in ein Versteck flüchtet, sich das Hinter- tracheensystem, wenngleich reduziert, zu erhalten vermag, indem es bei anderen bequemen Formen, wie die grossen Epeiren, sich völlig rückbildet.') Diese Reduktion ist somit nur die Folge der allmählich erlangten Lebensweise. Eine vagante Lebensweise erfordert aber ungemein mehr Arbeit, folglich auch einen höheren Stoff- wechsel als eine sesshafte und hierin sehe ich eben den Grund für die Reduktion des Tracheensystems, wobei allerdings auch der Umstand in Betracht kommt, dass die Ver- grösserung der Lunge bei den Epeiren eine gewisse Kompensation gewährt für das ausgefallene Tracheensystem. Diese Fragen sollen weiter unten noch einmal besprochen werden und hier möge die Erörterung der Struktur des Hintertracheensystems Platz finden. Eine Spiraifadenbildung an den Tracheen gibt es auch hier nicht, darin haben sich Bertkau und Lamy geirrt. Bei allen von mir untersuchten Formen besteht der Eingang am Stigma aus einem platten weiten Abschnitt, von dem dann die Tracheenröhren abgehen. Dieser gemeinsame Abschnitt, insofern die beiden Tracheen schon vereinigt sind, weist zwei Teile auf, einen hinteren und einen vorderen. Erstere (Fig. 32, a) Wand wird von kubischen Epithelien gebildet, wobei die dorsale Seite besser färbbare Zellen, aber keinen cuticularen Überzug besitzt, der der unteren Wand zukommt. Die Oberfläche dieser Cuticula ist sogar rauh, was bis zur Haarbildung führen kann. Vielleicht dienen diese zur Abhaltung von staubförmigen Unreinlich- ', Dies ergibt sich auch bei aufmerksamer Verfolgung der Ergebnisse Lamys. Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 41 keiten, die mit der Atemluft in die. Tracheen gelangen könnten. Der hintere Abschnitt geht in einen gleichfalls kurzen vorderen über (b), deren Wände von einem Plattenepithel gebildet werden. Eine Cutieula fehlt auf diesem. Die einzelnen Tracheen erweitern sich, bis sie schliesslich auch die von früheren Forschern erkannte abgeplattet hohe Band- form erreichen. Mit diesem Beginn ändert sich auch die Struktur. Die die Wand bildenden Epithelzellen (v) senden zahlreiche Fort- sätze nach dem Inneren der Röhre und diese Fortsätze vereinigen sich zu einem Netzwerk, auf welche Weise die Höhlung der Tracheen von einem spongiösen Gerüst, das keine Zellen enthält, ausgefüllt wird (e). Diese Struktur erhält sich dann während des ganzen Ver- alufes der Tracheenröhren. Es erscheinen die grossen Tracheen- stämme als abgeplattete, mit der grösseren Querachse nach dorsal- wärts gestellte, wie wir wissen, an der Seite des Darmes — ich halte mich an die inneren Stämme — gelegene Bänder (Fig. 31) und bestehen aus einem Netzwerk. das von jenem zu Beginn der Trachee sich dadurch unterscheidet, dass jetzt auch in dem das Lumen ausfüllenden Netzwerk Zellen vorhanden sind. Man sieht an der Peripherie mehr weniger grosse Zellen, die sich intensiv färben und das Protoplasma in gewöhnlicher Weise zeigen. Demgegenüber fehlt an dem inneren Netzwerk diese Körnelung um die hier nur kleinen Zellkerne (z) herum. Es erscheint dieses Netz glänzend und homogen und nimmt keine Färbung an. Dadurch stechen die grossen Randzellen besser ab. Nur selten reicht dieses Netz bis zur Peripherie, dort die grossen Zellen ersetzend oder gelangen solche Zellen mehr zentralwärts wie in dem abgebildeten Falle auf der rechten Seite. Stets sind die beiden Kanten (o, u) nur von den grossen Zellen eingenommen. Die Netzfäden, wenn man die Bezeichnung hier verwenden darf, sind von verschiedener Breite und die Maschenräume sehr ungleich gross. Ein weiterer Überzug um die Trachee ist nicht vorhanden, sondern die Tracheen werden, insofern sie nicht dem Darme fest anliegen, von allen Seiten direkt vom Blute umspült. In den beiden Enden der Tracheen, in ihren Endästen (Fig. 30) ist das Schwammnetz zwar weniger dicht, doch habe ich nie gefunden, dass es fehlen sollte und dann diese Endäste etwa so gebaut wären, wie jene des Vordertracheensystems, d. h. nur aus einer 42 B. Haller: platten Zellschichte, einem Endothel bestehend. Es erhalten sich die randständigen grossen Zellen, an Umfang zwar abnehmend, und verbinden sich untereinander lumenwärts, allerdings oft, auf dem Schnitte wenigstens, durch unverästelte Fortsätze. Ich habe schon erwähnt, dass bei Epiblemum vorn diese inneren Tracheen- stämme so breit werden, dass sie dann zu beiden den Darm vollständig umfassen (Fig. 29 T, T). Aber auch da sieht man keine weitere Veränderung in der Struktur der Trachee Zu einer ähnlichen starren Wandbildung wie in den beiden weiten Röhren und den sie verbindenden Querröhren des Vordertracheen- systems gelangt es in den Hauptstämmen des Hintertracheen- systems nie, was die beiden Systeme strukturell einigermassen voneinander unterscheidet. Ist nun dieses Wabensystem der Tracheen, dieses Schwamm- gerüst etwa starr und chitinisiert? Eine gewisse Chitinisierung im chemischen Sinne mag ja, insofern die grossen Zellen nicht in Betracht kommen, wohl vorhanden sein, doch ist jenes Netz höchst dehnbar. ebenso wie jenes im Cephalothorax wie das der mit Vordertracheensystem versehenen Dipneumonen. Man findet nämlich öfter Luftblasen im Tracheensystem gehärteter Tiere, so dass dann eine Perlschnurform entsteht (Fig. 4, 34) und die Grösse dieser Luftblasen zeigt deutlich genug an, wie dehnbar dieses Gewebe ist. Besonders im Stielchen sind öfter jederseits grosse Luftblasen vorhanden bei konservierten Tieren, so dass dann die beiden Tracheen hier blasenartig vorspringen, nach Durchschnitt eines Beinpaares aber sofort verschwinden. E. Die Atmungsorgane anderer Arachnoiden. Um das allgemeine Bild zu ergänzen, untersuchte ich auch die diesbezüglichen Verhältnisse bei anderen Abteilungen der Arachnoiden, doch nur für einzelne Formen und zwar insofern diese mir als die geeignetsten erschienen. Scorpio,') da wir hier ja bezüglich der Lungen die ursprünglichsten Verhältnisse voraussetzen müssen, und auch die grosse Zahl auf primäre Ver- hältnisse hinweist, die Phalangiden wegen ihrer eigenartigen Ent- faltung des Tracheensystems und von Milben Trombidium, da ', Das Material hierzu verdanke ich der Liebenswürdigkeit meines alten Freundes Herrn Professor K. Grobben und möchte ihm auch hier dafür meinen innigsten Dank aussprechen! Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. 45 ich bei einer freilebenden Form dieser Abteilung auf ursprüng- lichere Verhältnisse hoffen durfte, als bei den schmarotzenden. Bekanntlich sind bei den Skorpionen vier Paar Lungen vorhanden, je ein Paar in jedem der vier ersten Segmente des Proabdomens. Ihre Lage ist eine lateralwärtige. Tracheen fehlen vollständig. Diese Lungen liegen so frei in dem sie von allen Seiten umgebenden Blutraum, dass man sie, im Gegensatz zu jenen der Spinnen, ohne Mühe bei gehärteten Tieren herauspräparieren kann (Fig. 35), wann sie dann deutlich zeigen, dass sie aus einer grösseren Zahl blätterförmig übereinander gelagerter Doppel- lamellen bestehen. Diese liegen horizontal und öffnen sich in eine verhältnismässig zu jener der Spinnen engen Atemhöhle. Dieses Verhalten wie das lockere Gefüge der Lunge im Körper weist ihnen ein viel grösseres Alter zu, als den Spinnenlungen zukommt. Über diese Lungen hat Berteaux (l.c.) am aus- führlichsten berichtet. Nach ihm ist die Struktur dieselbe wie bei den Spinnen. Diesen Angaben hätte ich nur Weniges bei- zufügen, beziehentlich daran zu ändern, allerdings beziehen sich meine Angaben nur auf Scorpio europaeus. Zuerst möchte ich hervorheben, dass die Lunge mit der ventralen Integumentwand nicht so innig zusammenhängt als bei den Spinnen, vielmehr mit ihren nur durch lange feine Fäden, die sich auch vielfach ver- ästeln und nichts anderes wie Ausläufer von Epithelzellen sind, in gleicher Weise wie bei den Spinnen. Entsprechend der Ent- fernung sind sie aber von bedeutend grösserer Länge als dort. Die nadelförmigen Säulchen der Luftkammern sind ungemein viel niedriger und zarter als die der Spinnen. So sind auch die Säulchen in der Blutkammer, d.i. Verbindungen zwischen Zelle und Zelle, äusserst zart. An den freien in die Atemhöhle mündenden Enden der Lamellen befindet sich aber kein so zartes Netzgefüge, wie dies berteaux meint. Im (Gegenteil, hier ist eine ansehnlich dicke Cutieula vorhanden, die in jenes der Atemhöhle übergeht an den betreffenden Stellen. Spongiöse Struktur ist allerdings an den freien Rändern schon vorhanden, doch ist das sie bildende Balken- werk sehr grob. In dieser Weise erstreckt sich dann diese Bildung etwa auf ein Viertel der Lamellenlänge auf diese fort. ohne dass solange diese dichte Chitinbildung besteht, eine Durch- 44 BorEkanlikem: wachsung der Luftkammern stattfinden würde. Dies erfolgt viel- mehr mit dem Aufhören dieser Cuticula. Diese dient hier für das zarte (Gefüge der Lungenlamellen bloss als Stütze, wie denn auch der Atemhöhle infolge des Baues ihrer Wände keine respira- torische Tätigkeit beizumessen ist. Muskeln inserieren an der vorderen dorsalen Wand der Atemhöhle, die aber, wie gesagt, nur homolog, doch nicht analog jener der Spinnen ist. Der Blutraum um die Lungen ist entlang aller vier Lungen derselben Seite in Verbindung und hängt mit den venösen Lumina des Abdomens, sowie mit je einem einer Lunge ent- sprechenden Arterienzweige der doppelten Ventralarterie zu- sammen. Diese Arterie, jederseits eine, verläuft entlang der Lungenreihe bis in das fünfte lungenlose Segment des Präabdomens. Es handelt sich somit bei Skorpionen um noch primärere Zustände der Lungen als bei den Spinnen. Über das Tracheensystem von Trombidium fuliginosum Herm. teilt Henking (15) folgendes mit. Das Tracheensystem mündet jederseits an den Innenseiten der Cheliceren und besteht aus dem Tracheenstamm und den von ihm ausgehenden zarten und unverästelten eigentlichen Tracheen. Der Tracheen- stamm ist ein annähernd zylindrisches Rohr, an dem Henking A. Fig. 10. B. Trombidium holosericeum A das Tier von der ventralen Seite. t — vorderes, t'—= hinteres Tracheenpaar. B das vordere Tracheenpaar nach Querschnitten. R = Hauptröhre; r — Büschelröhrchen. folgende Abschnitte unterscheidet: Die ‘erste Luftkammer, die ein weichhäutiger Röhrenabschnitt ist, die zweite Luftkammer und den Endabschnitt. Die erste Luftkammer ist durch ein ın Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 45 der Vertiefung der Chaliceren befestigter Röhrenabschnitt und weichhäutig, die zweite Luftkammer von derb chitiniger Wand. Ein anderes Tracheensystem beschreibt Henking ebensowenig wie Thor (29) und Trombidium gilt ihnen als Prostigmata. Ich habe auf Querschnitten bei Trombidium holosericeum das Tracheensystem verfolgt soweit diese Verhältnisse hier für uns von einiger Bedeutung sind. Die Vordertracheen habe ich genau so gefunden, wie sie Henking beschrieb, nur fand ich von der derb chitinigen Luftkammer (Textfig. 10 B), die ringförmige chitinöse Verdickungen zeigt, die feinen Büscheltracheen (r) reichlicher abgehen, als dies Henkings Abbildung vergegen- wärtigt. Auch sind die dorsalen und analwärtigen unter ihnen länger als die anderen, wodurch sie weitere (Gebiete zu erreichen vermögen. Sie bestehen alle aus einem Plattenepithel, genauestens so wie jene der Spinnen. Überrascht hat es mich, dass ein zweites Tracheenpaar bisher nicht beschrieben war. Dieses liegt in der nächsten Nähe der (eschlechtsöffnung. Jede Trachee von ihm hat einen dünnen Endgang mit der Mündung etwas vor der Genitalöffnung und erweitert sich dorsalwärts genauestens wie das Vorder- tracheenpaar in einen derb chitinösen Endabschnitt, aus dem dann die unverzweigten, zylindrischen Tracheenröhrchen büschel- förmig abgehen. Ich habe die Lage und ungefähre Relativgrösse der beiden Tracheenpaare auf Textfig. 10 A eingetragen. Trom- bidium holosericeum besitzt somit Vorder- und Hintertracheen, zweiPaareim ganzen. Sie sind Büschel- tracheen wie alle Tracheen der Milben und liegt in Trombidium somit ein Bindeglied zwischen Opistho- und Prostigmata vor. Die Phalangiden sind bekanntlich diejenigen Cheliceraten, bei denen ein verästeltes Tracheensystem besteht, und die Wände der Tracheen zeigen auch einen ähnlichen Bau wie jene der Tracheaten, was eben eine Ausnahme für die Arachnoiden ist und Leuckart bezüglich der „Spiralfaser“ recht gibt. Ich habe mich über diese Zustände bei einem Trogulus orientiert. Ich finde das Stigma, wie das ja schon bekannt ist, zwischen der vierten Coxa und dem ersten Abdominalsegment frei zutage liegend, von runder Form und doppeltem Gitterverschluss. Da- neben nach innen befindet sich noch ein kleines Stigma, das aber keiner Trachee mehr zum Ausgangspunkt dient. Dieses 46 B. Haller: Stigma scheint unbekannt und dürfte bei der Gattung Phalangium etwas vor dem Hauptstigma in gleicher schlitzförmiger Gestalt wie dieses liegen. Gleich vom Stigma an erweitert sich jede Trachee (Text- figur 11A) zu einem ansehnlichen Trachealabschnitt mit nach vorn zu verjüngendem Auslauf. Hinter dem Stigma ist das nicht der Fall, von dort geht nur ein starker Ast aus der Erweiterung ab. Diese hintere Trachee gibt Äste an das zweite bis fünfte Ab- dominalsegment, indessen das erste von einem Aste hinter der Trachee des ersten Beinpaares versorgt wird. Es wendet sich dieser Ast gleich nach dorsalwärts. Aus der entlang der inneren Koxaenden nach mundwärts ziehenden und sich allmählich verjüngenden Haupttrachee geht je ein Ast in jedes Bein und zerfällt dort sofort in zwei Äste. Das Ende der Trachee gelangt in die Palpe, doch gehen noch einige mediane Äste in die Mundgegend ab. Bekanntlich sind die Phalangidentracheen nach Art der Insektentracheen spiralig geringelt, was ja bei den Arachnoiden eine Ausnahme ist. Ich für A. Fig. 11. B. Trogulus spec.? A das ganze Tier von unten, die Tracheen schwarz eingetragen. ö SR Ben Stuck Trachee) meinen Teil glaube aber, dass es doch einen Unter- schied gibt zwischen den Phalangidentracheen und jenen der Tracheaten bezüglich der Struktur. Dieser Unterschied würde darin bestehen, dass die Matrixschicht in der Weise wie bei den Tracheaten nicht besteht, sondern dass die Zellen in das Tracheen- gewebe nach Spinnenart aufgehen, wobei nur ihre Zellkerne ihr einstiges Dasein bezeugen. Dann aber glaube ich auch, dass die Phalangidentracheen bloss geringelt (Textfig. 11 B) und nicht spiralig gebaut sind. Jedenfalls besteht ein Unterschied darin, dass die Phalan- gidentracheen sich nie feiner verästeln und nie Anastomosen untereinander bildend jenes feine Netzwerk darstellen, wie bei Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 47 den Tracheaten. Ebenso fehlen auch Verbindungen zwischen den beiderseitigen Tracheenstämmen. Solche Anastomosenbildungen beruhen auf irrtümlicher Beobachtung (Treviranus, Talk) und wurden mit Entschiedenheit von Loman (20), der doch nach neuen technischen Methoden arbeitete, zurückgewiesen. Allgemeine Betrachtungen. Zwei verschiedene Wege sind versucht worden, um die (renese der Arachnoidenlungen zu ermitteln. Der eine ist der durch Leuckart, der andere der durch Ray-Lankester benützte. Wie schon auseinandergesetzt, leitet Leukart diese Atmungsorgane von vorher bestandenen Tracheen, Ray-Lankester von der Limuluskieme ab. Das Gelingen einer dieser genetischen Ableitungen hat einen viel höheren Wert als die eines Organes beansprucht, es hat den hohen Wert der Ermittlung der Phylo- genese der Arachnoiden. Denn gelingt es festzustellen, dass die Arachnoidenlunge von Tracheen abstammt, so müssen wir eben die Arachnoiden von Landarthropoden mit wenigstens beginnent- lichen Tracheen ableiten, im anderen Falle aber sie mit wasser- bewohnenden Formen, mit Crustaceen, in Beziehung bringen. Der Leukartschen Ableitung stehen die Tatsachen zur Verfügung, dass ein Tracheensystem gleich von Anfang an bei den Arachnoiden vorhanden ist, indessen die Ray-Lankester- sche diese erst sekundär entstehen lassen muss, eine Voraussetzung, die durch gar nichts Positives gestützt wird. Es war bisher bekannt, dass den Arachnoiden — von den Skorpionen will ich vorerst absehen — zwei Stigmenpaare eigen sind, soweit sich eines, wie bei den Milben, Phalangiden und einem Teil der Pedipalpen, nicht rückgebildet hat. Entweder führen beide Stigmenpaare in Lungen wie bei den mygalomorphen Spinnen und einem Teil der Pedipalpen oder es leitet das eine Paar in Lungen, das andere in Tracheen wie bei den aranomorphen Spinnen. Bei letzteren liegt das zweite Stigmenpaar entweder gleich hinter dem ersten zu Beginn des Abdomens oder analwärts vor den Spinnwarzen. In vorliegender Schrift ist nun der direkte Nachweis dafür erbracht worden, dass die beiden hinteren Stigmenpaare einander nicht homolog sind, da sie auch nebeneinander, also gleichzeitig, bestehen können, dass somit die Spinnen von solchen direkten 48 Burkkalllier.: Vorfahren abzuleiten sind, die mindestens drei Paar Stigmenpaare besessen haben. Denn ein grosser Teil der aranomorphen Spinnen besitzt sie auch heute und wenn auch die Vordertracheen die Hintertracheen (Dysdera ete.) oder umgekehrt (Olubione ete.) über- flüssig machen können, oder beide durch eine Vergrösserung der Lunge und durch einen verminderten Stoffwechsel entbehrlich werden (Epeira), so liefern ihre Rudimente doch noch den Beweis dafür, dass einstens drei Paar Tracheen nebeneinander bestanden. Trotzdem kann man angesichts der Verhältnisse bei den Skorpionen nicht der Meinung sein, dass die Arachnoidenahnen nur drei Paar Stigmenpaare besessen hätten. Es bezieht sich vielmehr das eben Gesagte nur auf direkte Araneenahnen. Hierfür spricht ja auch die Ontogenese nach Purcell. Nehmen wir an, dass die Skorpionen mit vier Stigmen- paaren — aber auch ihre Segmentation beweist ja das — die ältesten rezenten Arachnoiden sind, so müssen wir folgerichtig entweder zugeben, dass die vier Paar Lungen dieser Formen aus Tracheen hervorgegangen sind oder dass im besten Falle nur zwei Lungenpaare auf die anderen Arachnoiden vererbt, die anderen aber zu Tracheen sich umgewandelt haben, denn die Scorpioniden sollen doch von limulusartigen Formen abstammen. Das wäre aber eine sehr verhängnisvolle Folgerung für die Limulus- Theorie im alten Sinne, in welchem der Paläostrake als Stamm- form hingestellt wird. Wir müssen somit für die Entstehungsweise der Arach- noidenlunge eine andere Erklärung suchen, die durch diese Schrift gegebene. Wie schon angeführt ward, hat auf dem Wege der Onto- genese Jaworowskiden Nachweis dafür erbracht oder doch zu erbringen versucht, wenn wir die Ontogenese allein als Beweis nicht gelten lassen wollen, dass die Spinnenlunge aus Tracheen entsteht. Nach ihm besitzt die Spinnenlungenanlage, nachdem das Stigma sich gebildet, einen langen, wohl entfalteten Tracheen- ast und erst nun beginnen sich in der Nähe des Stigma die Lungenlamellen zu bilden, Lamellen jedoch, deren ursprüngliche Röhrennatur klar ist. Ich verweise diesbezüglich hauptsächlich auf Jaworowskis Fig. 5 und 10. Die Tatsache. dass die Lungen, oder besser Fächertracheen von Büscheltracheen und nicht von Limuluskiemen abzuleiten Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 49 sind, können auch die durch Purcell (l. ec.) festgestellten ontogenetischen Tatsachen, die als erwünschte Ergänzungen der Jaworowskischen Arbeit gelten können, nicht erschüttern, ob- gleich Purcell von Anfang an ein Anhänger jener Theorie. diese gerne dazu verwerten möchte. Nach ihm entstehen die Lungen der Spinnen im 8. postoralen Segment, wie dies ja anders nicht zu erwarten war. Es sind dies an der Hinterseite der rudimentären Gliedmassen gelegene Anlagen. Die Einstülpungen falten sich dann weiter, wobei dann der Extremitätenstummel versenkt wird. Damit wäre dann jenes Stadium erreicht, von dem Jaworowski ausging. Ich betone also, dass es sich um Einfaltungen des Ectoderms handelt, was sicherlich mehr für die ursprüngliche Tracheennatur spricht, als jene vermeintlichen Andeutungen der distalsten Lamellen als Ausstülpungen nach aussen, die Purcell ja auch mit Bestimmtheit nicht geschen hat, sie aber als Limulusähnlichkeit deuten möchte. Und dann, was sollen die nach kopfwärts zu gerichteten, später sich rück- bildenden Tracheen an der Kiemenanlage, die Jaworowski gefunden, und die ich auch kenne bei Lycosa? Die anderen Tracheenanlagen als versunkene Kiemen zu deuten, ist aber ein willkürliches Verfahren. dem entschieden widersprochen werden muss, da dafür keine einzige Tat- sache spricht. Wenn ich auch an der Richtigkeit mancher ontogenetischen Beobachtungen Janecks (13) zweifeln muss, so kann ich doch nicht unerwähnt lassen, dass auch er die Arachnoiden den Tracheaten anreiht. Erst wenn die Lungenanlage sich weiter entfaltet und die Lungenentwicklung ihrem Ende sich nähert, rückbildet sich die aus der Atemhöhle dorsalwärts sich fortsetzende und sich ver- ästelnde Trachee. Hieran schliessen dann die Zustände an. die ich für Dysdera bezüglich der Vordertrachee geschildert habe. Wir finden da neben den Lungen ein Tracheenpaar mit seinem Stigma knapp hinter den Lungen, das sich von den Hintertracheen nicht nur der anderen Spinnen, sondern auch den Tracheen der Phalangiden wesentlich unterscheidet, und zwar dadurch, dass die grossen Tracheenröhren im Abdomen sich in sonst nicht wiederzufindender Mächtigkeit entfalten und eine modifizierte Struktur erringen, wiesienur die Atemhöhlen- Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. I. 4 50 BRrKarllem: wand der Spinnenlungen aufweist. In ihrem netz- föormigen Bau stimmen andererseits die Tracheenröhrchen mit den Atemlamellen der Lungen überein. Das sind aber wesentliche Momente bei der Beurteilung der Lungen- abstammung. Gewiss sind die peripheren Teile des Vordertracheen- systems Röhren, die Atemlamellen der Lungen Platten, allein die Ontogenese hat hier ein Übergangsstadium ermittelt, das gewiss auch in der Öntogenese der Lungen der Scorpioniden sich finden wird. Somit sehe ich in den Vordertracheen der Dysderiden, Onopsiden (nach Lamy) und der Argy- roneta eine Vorstufe zu einer Lungenentfaltung, des zweiten Lungenpaares, die das erste Tracheenpaar, die dem ersten Lungenpaar zum Ursprung diente, und welches die Caponiden noch besitzen, vondiesen an überschritten hat. Jenes erste Tracheenpaar versorgte offenbar durch seine Äste Gebiete, die bei Dysdera und anderen das zweite Paar heute beherrscht. Hierfür treten die Zustände bei Caponiden direkt ein. Es legten sich die parallel zueinander orientierten und in Röhrenschichten übereinander lagernden Büscheltracheen- Röhrchen, wie wir sie noch heute bei Dysdera und anderen finden, so innig aneinander wie nur möglich, wobei die vertikalen Zwischenwände sich rückbildeten. Mit diesem Vorgang gleich- zeitig, wie eben die Ontogenese lehrt, rückbildeten sich aber jene Tracheenröhrchen, die bei Dysdera die Brusttracheenbündel vorstellen. Damit wäre dann erst jenes Stadium erreicht, das Scorpio auch heute zeigt. Die innige Verwachsung und weitere Umformung bis zur Spinnenlunge ist dort noch nicht vorhanden. Und damit meine ich, wäre der Beweis dafür erbracht, dass die Arachnoidenlungen aus Büscheltracheen sich gebildet haben, wie dies Leukart behauptet hatte. Indem ich hiermit die Ableitung der Arachnoidenlungen von Kiemenorganen für widerlegt erachte, kann ich nicht um- hin, noch auf einen Punkt hinzuweisen, der jener Limuluskiemen- Hypothese auch theoretisch von Anfang an hinderlich im Wege stand. Wir kennen drei Fälle, in denen Wasserbewohner zu Land- tieren wurden und in keinem dieser drei Fälle haben sich die Kiemenorgane zu Lungenorganen entfaltet. Bei den amphibischen Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. 51 Brachyuren haben sich für die Luftatmung besondere Organe an der inneren Wand der sogenannten Kiemendeckel gebildet, bei den Schnecken haben sich die Kiemen rückgebildet und die Atem- höhle sich zum Zweck der Luftatmung vaskularisiert, bei den Neochordaten endlich sind besondere Luftatmungsorgane aus einem Teil der Vorderdarmwand geworden. Büschelförmige Tracheenpaare in gleichmässiger Anordnung im segmentierten Körper der Arachnoidenvorfahren, wofür chilo- pode Myriapoden noch Zustände aufweisen — ohne als Arach- noidenahnen zu gelten — waren die Anfangsstufen, von wo aus mit der Umformung des Körpers viele Tracheen-Paare zugrunde gingen, mindestens vier, wofür die Scorpionen eintreten, sich aber erhielten. Welche Paare diese in jedem Arachnoidenfalle nach der Segmentreihe sind, entzieht sich heute der Beurteilung. Von diesen vier Paaren erhielten sich im besten Falle bei der weiteren Phylogenese aber nur drei, denn bei Milben sowohl als bei den Phalangiden sind im höchsten Falle nur zwei Paare nachweisbar. Dabei erhöht sich selbst bei der höchsten Ver- zweigung dieser Tracheen im Gegensatze zu den Tracheaten (Myriapoden und Hexapoden) die feste Tendenz der Isolierung nicht nur der einzelnen Tracheen derselben Seite voneinander, sondern auch die von jenen aut der anderen Körperhälfte. Wir kennen nur eine (uerverbindung, eben im Vordertracheensystem der Spinnen, die aber als sekundär erworben und nicht als ererbt zu betrachten ist. Entweder entfalteten sich alle gebliebenen Tracheenpaare zu Lungen (Scorpione) oder nur zwei oder sogar bloss ein Paar oder gar keines (Caponiden). Bei der Entfaltung von vier Lungen wurde das dritte Tracheenpaar aufgehoben, die Lungen ersetzen das übrige, oder aber es erhält sich ausser einem Lungenpaar bei den Spinnen noch ein Tracheenpaar. Aber auch dafür haben wir ja Beispiele, dass auch bei einem Lungenpaar alles übrige von Atmungsorganen in Wegfall gerät wie bei einem Teil der Pedipalpen. Bei einem anderen Teil der Arachnoiden gelangt es aber gar nicht zur Lungenentfaltung. Ein völliges Schwinden konzentrierter Atmungsorgane ist aber ein Zustand, der mit Ausnahme der Chordaten sich bei allen Bilaterienabteilungen ein- stellen kann. Für die Spinnen, speziell den Aranimorphen aber erweist sich das ganze erworbene Tracheensystem ja auch überflüssig 4* B. Haller: OU (8) und die Entfaltung des zweiten Paares, der Vordertracheen, involviert die Rückbildung des dritten oder der Hintertracheen. Darnach können wir die Araneen einteilen in Tetrapneumonen oder Mygalomorphen (R. Leukart) und mn Dipeumonen, wobei diese wieder in Protracheaten (mit Vordertracheen) und Opisthotracheaten einzuteilen wären. Die Protracheaten (Dysderiden, Oonopsiden, Argyroneta) wären stammesgeschichtlich alte Formen unter den rezenten Spinnen, die aber hierin durch die Caponiden übertroffen werden. Es würden dann wohl die Mygaloiden mit vier Lungen doch gar keinen Hintertracheen wohl von ihnen abzuleiten sein, nicht aber die ÖOpisthotracheen, da eine Analtrachee bei den rezenten Protracheaten völlig fehlt. Diese müssen dann von solchen Formen der Protracheaten abstammen, die auch Hintertracheen noch aufweisen und möglicherweise rezent noch erhalten, doch wenigstens auf diese Merkmale hin nur unbekannt sind. Es wird dann in Zukunft hierauf zu achten sein. Der Stammbaum wäre somit Urspinnen mit drei Paar Tracheen (Caponiden ?) Protracheata Opisthotracheata. (ohne Analtrachee) Mygalomorphae Damit wäre die Ray-Laukestersche (ruppe der Aranomorphen aufgelöst, da die jetzigen Protracheaten ohne Analtrachee den Myvgalomorphen näher stehen. Die Einschränkung des Tracheensystems der Dipnoer hängt zusammen mit der Lebensweise, mit dem grösseren oder geringeren Stoffwechsel. Stark vagante Spinnen haben ein kräftig entfaltetes Tracheensystem, das im Grade der sessilen Lebensweise sich einschränkt (Tegenaria u.v.a.) bis fast zum völligen Verschwinden bei Epeira, wo aller- dings die Vergrösserung der Lungen ersatzbringend wirkt. oo Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. > Ist nun auch die Ableitung der Arachnoiden von landlebenden Urtracheaten, die irgendwo an der Wurzel der Myriapoden zu suchen wären — ich erinnere nur an den Prozess der Verlegung der Genitalöffnungen nach kopfwärts zu bei einem Teil der Myriapoden — als gesichert zu betrachten, so mag darum doch eine gewisse Beziehung zu Paläostraken bestehen, die wieder dem Wasserleben sich anpassten. Dies wäre aber noch festzu- stellen. Dabei könnte man ja an eine Abzweigung jener etwa von scorpionartigen Formen wohl denken. Es könnte sich somit hier nur darum handeln, Limulus und die Eurypteriden in irgend einer Weise mit den Arachnoiden in Beziehung zu bringen, wo- bei die Crustaceen, nachdem von ihnen die obigen Formen ab- getrennt wurden, nicht in Betracht kämen. Indem nach Ray- Lankester die Spinnen und Pedipalpen, wohl auch Solpugiden — die anderen Arachnoiden betrachtet R.-Lankester als jüngere Formen, und das gewiss mit Recht — nicht direkt von Scorpionen abzuleiten sind, woran kaum zu zweifeln ist, will er sie mit im Wasser lebenden Vorfahren in Beziehung bringen, wobei Limulus wenigstens indirekt in Frage käme. Die Scorpioniden betrachte auch ich für solche Arachnoiden, die sich zeitig von den Arachnoiden abgetrennt haben — von gemeinsamen Ahnen nämlich — und möglicherweise wäre dann hier irgend eine Beziehung mit den Eurypteriden vorhanden und da dürfte, freilich nicht direkt, auch Limulus abgezweigt sein. All diese Formen würden dann von gemeinsamen Arachnoiden- ahnen wohl ableitbar sein, von solchen mit beginnendem Tracheen- system, von wo aus sie hydrobiotisch wurden. Damit hört aber auch jede weitere begründbare Spekulation auf. Freilich setzt diese Spekulation voraus, dass die Limuluskiemen von Arachnoiden- lungen abgeleitet werden können, im Falle dies aber nicht möglich wäre — die genaue strukturelle Durcharbeitung der Limulus- kiemen steht zur Stunde noch aus — würde auch diese Spekulation in sich zusammenfallen ! Zum Schlusse möchte ich noch ein Thema berühren, das alle Arthropoden betrifft, aber das Tracheensystem der Spinnen und andere Organsysteme auch berührt. 54 Bakkarlalenz: Es findet sich bei allen Arthropoden ein Netzgewebe im gesammten Körper, das man vielfach als Bindegewebe anspricht, in erster Linie aber Stützgewebe ist. Wohl am ausführlichsten hat dies für Argulus Grobben (10) behandelt, der den innigen Zusammenhang dieses (Gewebes nicht nur, sondern auch seinen Zusammenhang mit dem Ecetoderm erkannt hat. Es wird, sagt (Grobben, „die Bindesubstanz der Arthropoden nicht bloss durch das Bindegewebe repräsentiert, sondern auch alle Epithelien und die Muskeln partizipieren im Aufbau derselben, was mit der sämt- lichen Zellen des Arthropodenkörpers eigentümlichen Fähigkeit der Produktion wahrscheinlich durchweg chitiniger Uuticular substanzen zusammenhängt“. Darum verwendet Grobben für dieses Grewebe statt Bindegewebe die Bezeichnung Bindesubstanz. Ich möchte hier gleich bemerken, dass meiner Ansicht nach das Hauptgewicht hier mehr auf den allgemeinen Zusammenhang dieses Bindesubstanz-Gewebes als auf die Chitinisierung zu legen wäre, da diese auch fehlen kann, obgleich im allgemeinen das nicht der Fall ist. Es ist ein Gewebe, das überall eindringt, mit allen Organen zusammenhängt, wie dies eben Grobben für Argulus so ausführlich gezeigt hat. (Gefässe und Nervensystem machen davon auch keine Ausnahme. Es hängt zusammen mit dem Integument und mit den entodermalen Produkten, dem Darm und seinen Drüsen nämlich. Nach Grobben sollen alle Zellen des Körpers die Fähigkeit besitzen, diese Stütz- oder Bindesubstanz zu bilden, die aus Chitin oder doch einer dem Chitin nahe stehenden Substanz besteht, wobei aber dieses Gewebe im ganzen Körper ein Kontinuum bildet. Es erklärt dies Verhalten, das Eingeschränktsein des mesodermalen Bindegewebes bei den Arthropoden. In zwei Schriften (11, 12) habe ich den Nachweis dafür erbracht, dass im gesamten Zentralnervensystem ein zusammen- hängendes neurogliales Netz mit Zellkernen besteht, das teilweise Septen bildend mit der Hülle des Nervensystemes ein Kontinuum bildet. Dies finde ich auch für die Spinnen. Hier nun speziell bei Dysdera, wo das Bauchmark ventralwärts direkt dem Integu- mente aufliegt, sehe ich nun, dass die neurogliale Nervenhülle mit Fortsätzen von Epithelzellen der Haut direkt verbunden ist. Oben, wo der Vorderdarm zwischen Gehirn und Bauchmark durch- dringt, liegt es für kurze Zeit dem Bauchmark fest auf, von ihm or O1 Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. nur durch zellöses Bindegewebe getrennt. Hier ziehen Fasern von der Neurogliahülle durch jenes Bindegewebe hindurch bis zum Darmepithel und verbinden sich mit Fortsätzen von solchen. Andererseits sah ich bei Epeira, dass an Blutgefässe, die an gleicher Stelle unter dem Darm gelegen, mit ihren Ästen in das Bauchmark eintraten, die Zellen der Gefässwände dieser mit dem neuroglialen Netz des Zentralnervensystemes zusammenhängen. Zu diesem Gewebe gehört aber auch das Trachealgewebe. Es ist das Trachealgewebe ja, wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, bei den Spinnen überall ein Netzwerk, wobei eine Chitinisierung nicht überall aufzutreten hat. Und dieses Netzwerk hängt, wie für die Lungen nachgewiesen ward, durch Fortsätze mit den Hautepithelien direkt zusammen. Heidelberg im Juli 1911. Literaturverzeichnis. 1. Barrois: Recherches sur le developpement des Araignees. Journ. d. Robin et Pouchet, 1878. 2. Van Beneden, E.: De la place que le Limulus doivent occuper. Journ. d. Zoolog., T. I, 1870. Derselbe: Sur la structure et la signification de l’appareil respiratoire des Arachnides. Bull. sc. dept. d. Nord., 1882. 4. Berteaux, L.: Le poumon des Arachnides. La Cellule, T. V, 1889. 5. Bertkau, Ph.: Über die Respirationsorgane der Araneen. Arch. f. Naturgesch., Bd. I, 38. Jahrg., 1872. 6. Derselbe: Versuch einer natürlichen Anordnung der Spinnen etc. Arch, f. Naturgesch., Bd. I, 44. Jahrg., 1878. 7. 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T = innerer Ast der Analtrachee. — Lungenarterie. 52 Aussereri” { — Luftkammer der Lunge. SS t — Uber die Atmungsorgane der Arachnoiden. .) Tafel I. Dysdera rubicunda L. Koch. Das Tracheensystem von ventralwärts gesehen. Clubiona atrox Deg. Dasselbe von dorsalwärts gesehen. Thomisus citreus Deg. Abdomen. Das Tracheensystem von ventralwärts. Tibellus oblongatus Walck. Ebenso. Phyllonethis lineata Cl. Ebenso. Tegenaria domestica L. Ebenso. Meta segmentata Ül. Ebenso. Lycosa lugubris Walck. Ebenso. Tafel II. Fig. 9—12. Die Lungen von unten gesehen. Lungenvene und Blutraum der Lungen hellrosa, Lungenarterie dunkelrosa. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 9. 10. 10% 12. 13. 14. ig. 16. ak 18. 19. Dysdera rubicunda. Clubiona atrox. Epeira marmorea. Meta segmentata. Dysdera rub. Die Büscheltrachee herauspräpariert von unten und etwas von der linken Seite gesehen. s = Mündungssinus; m -— mittleres, o — oberes Stück; q = Querstück; bt = Brust- tracheen. Phyllonetihs lineata, Cl. Vordere Hälfte des Abdomens von rechts. h = Herz; b = Sinus der Lungenarterie; pb = peri- cardialer Blutraum. Meta seg. Das vordere Ende des Herzens. h —= sagittal ge- schnitten; b — Sinus der Lungenarterie: pb — pericardialer Blutsinus. Tafel III. Dysdera rub. Sagittalschnitt durch die eine Lunge. Blutraum rosa. v — obere Rinne; I = Leber; gg — Genitalgang; m = dorsale Stigmenmuskeln. Dyeosıau luguibriäsr ver ventralescea _ dorsal. 7 Es’ ist der dorsale Abschnitt der Lunge durch einen auf die Lungenlängs- achse geführten Querschnitt abgetragen, so dass nur der anale Abschnitt der Lunge zu sehen ist. 1 —= Lungenlamellen. Blut- raum rosa. b — Blutrichtung in oder aus den Lamellen; a = Richtung der Luft zwischen die Lamellen durch die Lungen- öffnung (1ö). Dysdera rub. Ein Stück aus einem Sagittalschnitt durch die Lunge. Vergr. *s, Reichert. Epeira diadema L. Ein Stück von einem Querschnitt durch die Lunge von der ventromedialen Seite. Vergr. ”/s, Reichert. Dysdera rub. Ein Stück von einem sagittalen Schnitte. das frei in die Atemhöhle ragende Ende der Lungenlamellen zeigend Vergr. */is, Reichert. 2. 30. 831% ig. 32. B. Haller: Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. Dysdera rub. Ein Stück aus einem sagittalen Längsschnitt durch die Lunge. Vergr. ”’s, Reichert. Dysdera rub. Horizontaler Schnitt durch die freie obere Fläche der Atemröhrenwand der Büscheltracheen. Vergr. ”/s, Reichert, Dysdera rub. Ein Stück der sagittal geschnittenen Wand der grossen Röhre der Büscheltrachee. Vergr. ?/s, Reichert. Epeira dirad. Ein Stück aus einer Atemdoppellamelle der Lunge mit einer Zellsäule in der Mitte. Vergr. */s, Reichert. Tafel IV. Dysdera rub. Querschnitt durch das Tracheenbündel des Cepha- lothorax (bt). h — Muskelhülle; d = Darm; ao — Aorta. Vergr. ?/a, Reichert. Dysdera rub. Querschnitt durch eine der beiden grossen Tracheenröhren des Cephalothorax. 1 — Lumen; r —= Wand. Vergr. °/s, Reichert. Dysdera rub. Ganzer Querschnitt zu Beginn der grossen Atemröhre des Cephalothorax. Vergr. ?/s, Reichert. Dysdera rub. Querschnitt durch die Atemröhrchen der Büschel- trachee. Vergr. %s, Reichert. Epiblemum scenicum (Cl. Querschnitt durch den Darm (d) im Abdomen. T — die ihn umfassenden beiden Analtracheen. Vergr. ls, Reichert. Epiblemum sc. Ein an seinem Ende der Länge nach ge- schnittenes Ende eines Tracheenastes der Analtrachee. Vergr. */s, Reichert. Epiblemum sc. Quergeschnittener Haupttracheenstamm der Analtrachee. o —= oben; u = unten. Vergr. *s, Reichert. Epiblemum sc. Sagittalschnitt an der Mündung der Anal- trachee. d = dorsal; v = ventral; a = erstes, b — zweites, ce — drittes Stück der Tracheenröhre. Vergr. ?/s, Reichert. Dysdera rub. Ein Stück des vorderen Endes der Büschel- trachee sagittal geschnitten. Vergr. */s, Reichert. Thomisus eitreus Deg. Ein Stück mit Luftblasen gefüllter Trachee. Scorpio europaeus L. Freipräparierte Lunge. Untersuchungen über die Placenta der Salpa democratica -mucronata. Von Prof. C. Saint-Hilaire (Jurjew - Russland). Hierzu Tafel V—VIII und 8 Textfiguren. Bei meinen Untersuchungen der Placenta der Salpen hatte ich mir vor allem die Aufgabe gestellt, zu erforschen, wie der Embryo sich mit Hilfe dieses Organs, das physiologisch der Säugetierplacenta so sehr ähnlich ist, ernährt. Während meines Aufenthaltes auf der zoologischen Station ın Villafranca im Früh- ling 1910 konnte ich viel Material zu dieser Arbeit erhalten, doch fand sich damals im Plankton immer nur ein und dieselbe Art von Salpen, nämlich Salpa democratica-mucronata, die eine sehr geringe (Grösse besitzt. Daher konnten an ihr keine physiologischen Experimente angestellt werden und ich musste mich mit der histologischen Untersuchung begnügen. Alles unten Gesagte be- zieht sich nur auf diese Art. Die Embryologie der Salpen ist eine der allerverwirrtesten Fragen — mit diesem oder einem ähnlichen Satze beginnen gewöhnlich die Arbeiten über dieses Thema. Die Schwierigkeit liegt darin, dass bei der Bildung des Embryo mehrere gänzlich verschiedene Elemente beteiligt sind: 1. die Blastomeren, 2. die Follikelzellen und 3. die Hüllen des Eisackes. Noch ist es nicht gelungen, die Rolle eines jeden dieser Elemente klarzustellen, und wir finden eine grosse Meinungsverschiedenheit bei den Unter- suchern dieser Frage. Bekanntlich verneint W. Salensky sogar die Mitwirkung der Blastomeren bei der Bildung des Embryo vollständig. Seiner Ansicht nach verschwinden diese Zellen und werden durch Follikelzellen ersetzt. Ebenso ist auch die Herkunft der Placenta noch ganz un- geklärt, besonders da sie sowohl im Bau wie in der Entstehung der einzelnen Teile bei den verschiedenen Arten von Salpen ganz verschieden ist. Ein Blick auf die von Brooks (2) angeführte Synonymik der Embryonalhüllen genügt, um zu verstehen, wie verwirrt diese Frage ist. 60 C. Saint-Hilaire: Da es sich hier nur um S. democratica handelt, werde ich auch nur die wichtigsten Arbeiten über die Embryologie dieser Art berücksichtigen; der Entwicklungsprozess der anderen soll nur zum- Vergleich herangezogen werden. Da die Nomen- klatur der einzelnen Placentateile nicht feststeht, müssen wir zuerst über die Bezeichnungen ins reine kommen. Wir benutzen dazu das Schema einer sich entwickelnden Placenta auf Fig. A. Hy ob. Sie besteht aus der Kammer, die Blutlakunen enthält und deren Wände (K) mit sehr grossen Zellen ausgekleidet sind; ihr Ein- gang (E) ist sehr schmal; oberhalb wird sie durch ein diskus- förmiges Dach (D) von dem Embryo abgeteilt ; unterhalb des Daches ist ein balkengerüstförmig nach unten ziehendes protoplasmatisches Gebilde, das nicht in Zellen zerfällt — das Syneytium (S) — befestigt. Salensky (14) bildet ;aus S. dem. und S. bicaudata eine besondere Gruppe der Gymnogonae, die sich von den Salpen der anderen Gruppe (Ihecogonae) dadurch unterscheiden, dass sie keine Faltenhülle, d. h. eine Falte des Epithels der Atemhöhle, Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 61 das den Embryo bedeckt, besitzen. Im Zusammenhange damit steht auch die Entwicklung der Placenta: bei den Thecogonae nimmt der Epithelhügel (siehe Schema B, Eph.) teil an der Bildung der Placenta, während das bei S. dem. nicht der Fall ist. Korotneff (7) dagegen findet keinen so grossen Unterschied in der Entwicklung dieser beiden (Gruppen. Nach Salensky (13) geht die Entwicklung der Placenta bei S. dem. folgendermassen vor sich. Das Schema B stellt ein frühes Ent- wicklungsstadium vor: der Embryo besteht aus wenigen Zellen und ist von Follikelzellen umgeben (Fol.); er steht mit dem äusseren Medium durch ein Röhrchen in Ver- bindung, dem Überrest des Oviducts oder, wie man ihn bezeichnet, der inneren Brutlamelle (J. Br.). An der Stelle, wo der Embryo liegt, hebt sich die Wand der Atemhöhle; sie ist mit Epithel bedeckt — Epithelhügel (Eph.). Am nächsten Schema (Fig. C) sieht man, dass die innere Brutsacklamelle gewachsen ist, den Keim umgibt und die Follikelüberreste verdrängt. Dann beginnt ihre Degeneration. Deutlichsichtbarwird im Embryo- körper das Ektoderm, das nach unten hin verdickt ist; an diese Stellestösst der Rest des Follikels. Aus der Verdiekung des Ekto- derms bildet sich das Dach der Placenta (D); der Follikelrest, den man jetzt Blutknospe nennen kann, bildet die übrigen Placenta- Jg [ teile. Der Embryo ist von der Placenta durch ein dünnes Häut- chen, dem Überrest der inneren Platte des Brutsackes, getrennt. Dieses verschwindet, und die Keim- zellen stossen mit den Placentalzellen zusammen. Die Placental- höhle entsteht aus der Leibeshöhle des Embryo. Dann teilt sich die Anlage der Placenta in seitliche Teile (unsere Kammerzellen) 62 re, Soanalshtilantieee und die innere Masse (unser Syncytium). Die seitlichen Teile gelangen in Berührung mit dem embryonalen Epithel und bestehen aus runden Zellen. Der mittlere Teil verwandalt sich in Trabekeln, die aus einer reichen, dem Protoplasma ähnlichen, feinkörnigen Masse bestehen, und gewiss aus den zusammengeflossenen Zellen der früheren Placentaanlage entstanden sind. Dabei häufen sich die Kerne im Inneren an. Weiterhin wächst das Dach der Placenta nach den Seiten hin und erhält ein kuppelartiges Aus- sehen. Dabei verwächst es mit den seitlichen Wänden und trennt die Leibeshöhle von der Placentahöhle. Die innere Masse verwächst mit dem Dache und zerfällt in Stränge. Es dringen Blutsinusse in sie ein. Korotneff (7) ist damit nicht einverstanden. Nach seiner Meinung entsteht die Placenta der Salpa dem. nicht aus dem Ektoderm des Embryo, sondern gehört, wie auch bei anderen Salpen, der Mutter an. Einen deutlichen Hinweis auf die Ent- stehung der Placenta finden wir bei Korotneff nicht. Er sagt, bei einem der frühsten Stadien kämen besondere grosse Zellen zum Vorschein, die das Placentadach ausbilden ; sie ent- stehen wahrscheinlich aus Follikelzellen oder aus den Elementen des Brutsackes. Im jedem Falle ist die Blutknospe follikulärer Herkunft und bildet den Anfang des inneren Plasmanetzes der Placenta. Die Blutknospe steht durch einen besonderen, durch die Placenta gehenden Balken mit dem Embryo in Verbindung. Dieser besteht aus länglichen faserigen Zellen. Das wären also die wichtigsten Angaben über die Placenta- entwicklung bei S. dem. Zur Klarstellung der physiologischen Prozesse haben sie keine unmittelbare Beziehung, doch kann man diese Frage nicht umgehen, da der Bau des Organs unbedingt von der Entstehung ihrer Elemente abhängt. Ich lasse die Frage nach der Entstehung der ersten Placentazellen beiseite und weise nur vor allem darauf hin, wo und wie sich dieses Organ entwickelt. Meine Untersuchungen wurden an lebendem und an fixiertem Material vorgenommen. Letzteres wurde sofort nach dem Ein- fangen aus dem Plankton mit folgenden Stoffen fixiert: Sublimat- Essigsäure, Gilsons Gemisch, Flemmings Gemisch, Osmium- säure, 10°/ Formalin; es wurden Totalpräparate und Paraffın- schnitte angefertigt. Die verschiedenen Färbmethoden werden in den Einzelfällen angegeben werden. Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 63 Die Entwicklung der Placenta. Vor allem muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Teile der Placenta auf ganz verschiedene Art entstehen. Trotzdem machen einige Autoren darin gar keinen Unterschied. Dadurch entstehen Missverständnisse, da eine allgemeine Placental- anlage nicht vorhanden ist. Wir beginnen unsere Untersuchung mit demjenigen Ent- wicklungsstadium, das dem bei Salensky (13) auf Fig. 13 ab- gebildeten entspricht. Es besteht aus einer Gruppe verschieden- geformter Zellen, wobei noch keine Organe zu unterscheiden sind. Vor allem fallen grosse hohe Zellen im basalen Teile des Keims auf, die in Epithelform sich ausbreiten. Sie sind bei Salensky (13) FR. und Korotneff (7) auf Fig. 7 und 8, allerdings ziemlich schematisch, abgebildet und als Ektoderm bezeichnet. Unten stützen sich diese Zellen (siehe Fig. 1 und 2) auf das von Salensky beschriebene helle strukturlose Häutchen. Dieses trennt sie von der darunterliegenden dichten Zellengruppe, die 64 0, Saımt- Hilaire: von den Autoren Blutknospe genannt wird. Anfangs scheint sie eine direkte Fortsetzung des Keimes vorzustellen; ihre Breite entspricht derjenigen des Embryo (Fig. Dj. Im mittleren Teile ist das Häutchen unterbrochen und die Zellen der Blutknospe sind hier nicht von denjenigen des Embryo getrennt, wie schon Salensky und Korotneff es beschreiben (Tat. V, Fig. 1). Die Blutknospe tritt in das Lumen des Blutgefässes, das in der Nähe der Anheftungsstelle des Embryo vorbeizieht, ein und ist von Blut umflossen. Bald können wir sehen, dass die Blutknospe ihre Form ändert, ihre Grenzen werden undeutlich, sie zieht sich immer tiefer ins Innere des Gefässes hinein, und der Bau erscheint weniger fest (Fig. E). Dadurch, dass sie ins Blutgefäss hineinragt, hemmt sie den Blutstrom und um sie herum sammeln sich Blutkörperchen. Dabei können sich von ihr auch einzelne Zellen ablösen, die dann frei im Blut umher- schwimmen. Daher hat sie auch ihren Namen, den ihr Todaro (16) gegeben hat. Doch ist es kaum richtig, ihr, wie es Todaro tat, die Bedeutung eines blutbildenden Organs beizumessen, da die Zellenabtrennung nur kurze Zeit andauert. Der Zerfall dieses Organs in seine Bestandteile ist auch auf Schnitten gut zu sehen; siehe z. B. Fig. 1 und 3. Die abgetrennten Zellen haben nicht den Charakter von degenerierenden, doch lässt sich ihr Schicksal nicht weiter verfolgen. Viel wichtiger ist für uns der andere Prozess, den wir in dem an den Embryo stossenden Teile der Blutknospe beobachten. Hier verschmelzen die Zellen zu einer einheitlichen protoplasmatischen Masse, die wir als Syneytium bezeichneten. Die Kerne bleiben in ihr teilweise erhalten, zum Teil degenerieren sie, wie aus Fig. 1, 2 und 4 ersichtlich. Besonders gut ist dies Syncytium an den Seitenwänden der Blutknospe zu sehen, wie Salensky (14) auf Fig. 3, Taf. 27 abbildet. Dort, wo das die Blutknospe vom Keime trennende Häutchen fehlt, können wir das Heraustreten der embryonalen Zellen ins Syneytium beobachten. Sie sind von letzterem deutlich getrennt und bilden offenbar einen Teil jener grossen Zellen, die die Grenzschicht vorstellen (siehe Fig. 1). Diese Zellen müssen be- achtet werden: sie besitzen grosse Kerne und ein recht dichtes, sich dunkel färbendes Plasma. Doch besondere Aufmerksamkeit verdienen die neben ihnen liegenden Gebilde, die auf Fig. 2 Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 65 abgebildet sind. Sie ragen tief in den Körper des Embryo hinein und ziehen sich längs der äusseren Körperwand hin. Ihr Plasma hat einen spezifischen Charakter, es ist von dunklen, deutlich sichtbaren Körnern angefüllt. Im Plasma liegen einige grosse längliche Kerne. Der entsprechende Teil des Schnittes ist bei mir auf Fig. 5 (bei Immersion) abgebildet; die Zellgrenzen sind auch bei stärkster Vergrösserung nicht zu sehen. Auch hier haben wir also Plasmamasse mit vielen Kernen. Es konnte entweder durch Verschmelzung einzelner Zellen, als Syncytium entstehen, was ich für wahrscheinlicher halte, oder durch das Wachsen einer Zelle und Teilung ihres Kerns. Es sind paarige Gebilde; auf Fig. 2 ist der Schnitt unsymmetrisch, daher ist nur eines von ihnen getroffen. Bei der Durchsicht der Schnitte von diesem Keime finden wir ebensolch ein Gebilde auch auf der anderen Seite, wie auf Fig. 5 abgebildet. Die Grenze zwischen ihnen und dem Syneytium ausserhalb des Embryo bildet das oben beschriebene Häutchen. Ich will gleich sagen, dass eben dieses die erste Anlage des Placentaldaches ist. Zur Mitte hinwachsend verschmelzen diese zwei Hörner allmählich. Fig. 3 zeigt das Stadium, wo diese Verschmelzung fast beendet ist, im mittleren Teil liegen noch einige einzelne, untereinander nicht verbundene Zellen, die oftenbar auch noch mit der Placentalanlage ver- schmelzen werden. Ich mache besonders auf die charakteristische Form der Placentaanlage, die wie ein Hufeisen aussieht, das beide Enden in die Höhe streckt, aufmerksam; der mittlere Teil stösst an das Syneytium ausserhalb des Embryo. Dadurch können wir einige an späteren Stadien beobachtete Tatsachen erklären. Auf einem Schnitt, der zwischen beiden Placentaästen durchgeht, können wir sie im (uerschnitt sehen, sie erscheint als kleines Gebilde. Solch ein Schnitt ist auf Fig. 4 zu sehen. Im folgenden Stadium erhebt sich das Placentaldach ins Innere des Embryo und zieht das Syncytium nach sich. Den Beweis dafür sehen wir auf Fig. 22 und 23. Die Schnitte gelangen nicht ganz regelmässig, wie auch auf Fig. 23. Fig. 22 geht durch den mittleren Teil der Placenta, wo der Querschnitt durchs Dach einen symmetrischen Bau besitzt; Fig. 23 durch eines der Hörner, daher ist das Dach unsymmetrisch. Ebensolch ein Gebilde liegt auf der anderen Seite. Das Placentaldach hat jetzt seine endgültige Form; seine Grenzen sind nach unten hin ganz Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1. 5 66 C. Saint-Hilaire: bestimmt. Die Zahl der Kerne in ihm ist sehr gross, sie nehmen einen grösseren Raum als das Plasma ein. Ihre Form ist recht unregelmässig, oval oder länglich. Die äussere Form des Daches hat sich geändert: die Enden des Hufeisens biegen sich nach unten, wie auf Fig. 23 zu sehen. Nach oben hin ist seine Grenze sehr unbestimmt, da die benach- barten embryonalen Zellen darauf drücken. Seitlich stützt sich das Dach auf die Seitenwände, die aus kleineren und sehr grossen Zellen mit grossem Kerne bestehen. Erstere bilden hauptsächlich die äussere Schicht und gehören zum Ektoderm des Embryo, was schon Heider in dem Lehrb. f. Entw. richtig erklärt hat. Von den grossen Zellen sind anfangs nur wenige vorhanden, man kann sie bei Betrachtung des Embryo in toto zählen. Sie liegen hauptsächlich im mittleren Teil der Placenta, dort, wo sich das Dach herabsenkt (siehe Fig. 4). Die Enden der Placenta, die sich gehoben haben, gehen ins Ektoderm. Diese Zellen bilden den Anfang der kommenden Kammerwände der Placenta. Unmittelbar an den unteren Teil des Daches stösst das Syneytium, als wäre es etwas ins Innere des Embryo hinein- gezogen. Auf Schnitten (Fig. 4 und 22) ist jenes Häutchen, das früher den Keim von der Blutknospe trennte, deutlich zu sehen. Das Syneytium zeigt in diesem Stadium keinerlei Struktur; es hat das Aussehen von sehr festem geronnenem Eiweiss. Nach unten hin geht es auf die Seitenwände über und bildet dort ebensolch eine syneytiale Schicht (Fig. 3). In der Mitte reicht es zungenförmig bis nach unten und geht in die von der Blutknospe übriggebliebene Zellgruppe über (Fig. 22). Letztere stösst immer noch einzelne Zellen oder Zellgruppen ab. Im unteren Teile findet hier Verschmelzung der Zellen statt, da wir hier viele Kerne finden, während sich im oberen Teile des Syneytiums keine Kerne finden. Manchmal begegnet man dort veränderten Zellen (Fig. 23). In den ersten Entwicklungsstadien sind also zwei Tatsachen von grösster Bedeutung: die Bildung zweier Syncytien, des Daches und des eigentlichen Syneytiums. Der Prozess der Verschmelzung wurde schon früher beschrieben, doch hatte man ihm noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. So meinen z.B. viele Autoren, das Dach bestehe aus Zellen. Salensky (13) bildet in seiner Arbeit über die Entwicklung von S. dem. deut- Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. . 67 liche Zellgrenzen ab und spricht sogar von zwei Zellschichten. Er sagt: „Die Placenta stellt nun ein solides, aus deutlich abgegrenzten Zellen bestehendes Organ dar, dessen Zellen das Material für die weitere Differenzierung darbieten.“ In der späteren Arbeit Salenskys (14), die auf Grund von Schnitten und nicht nur Totalpräparaten verfasst ist, finden wir schon genauere Angaben. Er sagt dort: „Die Placenta breitet sich am unteren Teil des Embryo aus und besteht in ihrem oberen Teil aus einer feinkörnigen Substanz, welche offenbar aus den zusammengeflossenen Zellen entstanden ist.“ Die dazugehörige Zeichnung entspricht aber nicht ganz genau der Beschreibung (Taf. 27, Fig. 2, dt). Sie ähnelt meiner Abbildung (Fig. 1). Das nächste Stadium (Fig. 3, dt) hat dagegen grosse Ähnlichkeit mit meinen Zeichnungen (Fig. 3 und 4). Aber in der Beschreibung heisst es, das Dach bilde sich aus embryo- nalen Zellen, und nur vom unteren Teil der Placenta heisst es „seine Zellen fliessen ineinander“. Die Bezeichnungen auf dieser Figur sind mir nicht ganz klar, der Autor nennt: „Dach der Placenta“ (Pld) nicht nur das Dach, sondern auch den oberen Teil des Synceytiums, die „Wand der Placenta“* (Plw) bei ihm ist eigentlich ein Teil des Syneytiums; die wirkliche Wand bildet sich aus besonders grossen Zellen. Korotneffs (7) Abbildungen entsprechen mehr meinen Präparaten, als Salenskys Zeichnungen, doch ist mir auch bei diesem Autor nicht alles klar. Die Anlagen der Placenta sind bei ihm hufeisenförmig abgebildet, was mit meinen Beobachtungen übereinstimmt. Es sind Syncytien. Er sagt: „In der Placenta haben die grossen Zellen, die das Placentaldach bilden, ihre Individualität auf diesem Stadium schon verloren und bilden eine gemeinschaftliche Protoplasmamasse, in der einzelne, schon be- deutend degenerierte Kerne zerstreut sind.“ Ohne die Frage nach der Herkunft dieser Zellen zu beurteilen, kann ich Korotneffs Ansicht in betreff ihres Schicksals nicht teilen. Meiner Meinung nach kann man sie nicht „Zellen, die das Placentaldach bilden“, nennen; sie dürften eher den grossen Zellen der Kammerwände der Placenta entsprechen. Auf meinen Präparaten habe ich nie degenerierende Kerne gefunden: ebenso konnte ich nie eine so deutliche Grenze zwischen den Follikelzellen und den grossen, die Placentalanlage bildenden 5* 65 C. Saint-Hilaire: Zellen beobachten. wie Korotneff sie abbildet. Besonders unklar ist für mich seine Fig. 13. Hier ist das Placentaldach offenbar fertig gebildet und enthält Kerne (in dieser Lage habe ich sie aber niemals gesehen), doch auf ihnen liegt ein Häufchen irgendwelcher Zellen, die Follikelzellen genannt werden und mit dem Dache verschmolzen sind. Etwas derartiges habe ich nie beobachten können. Das Dach ist auf der rechten Seite weder von grossen Zellen, noch von Plasmamassen mit Kernen begrenzt. Ebensolch eine Masse ist links neben den grossen Zellen abge- bildet. Hier haben im Gegenteil alle Zellen Grenzen, die sehr wichtig sind, da sie auf die gegenseitigen Beziehungen der Gewebe hinweisen. Seine Fig. 7,8 und 9 sind mir auch unverständlich ; zwischen dem Embryo und der Blutknospe, in den Lücken zwischen den grossen Zellen, liegen längliche kleine Zellen. Etwas derartiges habe ich auch nicht gesehen. Alles oben gesagte betrifft S. democratica. Bei der Durch- sicht der Arbeiten von Todaro (16), Barrois (1), Salensky (14), Korotneff (9), Brooks (2), Heider (5) u. a. über die Entwicklung anderer Salpenarten finden wir fast immer Hinweise auf die Verschmelzung der Zellen zu Syneytien, in manchen Fällen auch im Dache. Doch wird das letztere oft als aus einzelnen Zellen bestehend abgebildet. Wie richtig oder falsch diese Abbildungen sind, kann ich nicht beurteilen, da der Prozess bei den verschiedenen Arten verschieden sein kann. Nur die Arbeit von Barrois (1) kann ich nicht mit Stillschweigen über- gehen, da er recht ausführlich den Verschmelzungsprozess der Zellen, oder wie er sagt, die Degeneration, beschreibt. Bei S. maxima trennt sich das Placentaldach, das er „Placenta foetal“ nennt, von der Keimanlage ab und verwandelt sich in eine Reihe hoher Zellen. In ihnen beginnt die Degeneration, die immer weiter fortschreitet ; die Zellgrenzen verschwinden, es entsteht eine körnige Piasmamasse mit zerstreut liegenden Kernen und verschiedenen Einschlüssen. Die Degeneration geht auf die tiefer liegende „mem- brane pliss&ee* über, dann verschmelzen die obere und die untere Masse. „Ainsi se constitue une masse unique du degenerescence occupante toute la portion centrale du pacenta.“ Weiterhin zerfällt diese Masse in Balken, zwischen denen Lakunen liegen. Äusserlich ist das alles ganz richtig, doch unterscheidet er keine Teile in der Placenta. Eine völlige Verschmelzung des Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 69 Daches (bei ihm plac. foetal) mit dem Syncytium (bei ihm plac. maternel) findet auch bei anderen Salpen nicht statt. Korotneff (8) unterscheidet bei S. pinnata im Placental- dach zwei Schichten. Sie bestehen nicht aus Zellen, sondern aus Plasmaschichten, die vom Blutsinus durch eine feine Kutikula getrennt werden. Die ovalen Kerne liegen ganz unregelmässig und ungleichmässig verstreut; in der oberen Schicht sind sie zahlreicher. ‘ Diese Beschreibung und die Abbildungen stimmen mit dem, was ich bei S. democratica gesehen habe, überein; die zwei Plasmaschichten, von denen Korotneff spricht, entsprechen offenbar dem Placentaldache und dem Syneytium. Im Laufe der Entwicklung des Synceytiums entsteht zwischen der Blutknospe und den Seitenwänden ein freier Raum, wohin der Blutstrom eintreten kann; das Syncytium bildet hier Bälkchen. Das Placentaldach behält noch einige Zeit lang eine charakteristische unregelmässige Form, worauf auch Korotneff bei S. pinnata hinweist. Auf dem Stadium, wo die Atemhöhle bereits vollständig angelegt ist, ist das Placentaldach nach unten gebogen, das Vorderende hat sich dagegen gehoben, wie das an ganzen mit Osmiumsäure fixierten und aufgehellten Embryonen zu sehen ist (Fig. 12). Die hintere Dachseite stösst an den Eleoblasten und an die Seitenwand der Kammer, der vordere Teil reicht nicht bis zur Seitenwand. Bei Betrachtung des Embryo auf Fig. 12 auf dem optischen Querschnitt kann man gut sehen, dass von den seitlichen Placentateilen flügelartige Gebilde ausgehen, die den oben beschriebenen seitlichen Placental- auswüchsen entsprechen. Der unregelmässige Bau des Daches ist auch auf Schnitten zu sehen, z. B. auf Fig.7. Korotneff erwähnt diese Erscheinung auch. Auf Schnitten von Embryonen aus ungefähr demselben Stadium habe ich folgendes gefunden (Fig. 9). Im vorderen Körperende scheint das Placentaldach aus zwei Teilen zu bestehen, einem äusseren und einem inneren, wobei sie gewissermassen ineinander geschachtelt sind. Der innere Teil geht in zwei läng- liche, nach oben gerichtete Auswüchse über, die sich in die mesodermale Zellenschicht fortsetzen (siehe von rechts). Ich glaube nicht, dass dieses Bild rein zufällig war, da ich dasselbe, wenn auch nicht so deutlich, auch auf anderen Präparaten gesehen 70 C. Saint-Hilaire: habe. Die Auswüchse stehen wahrscheinlich in irgendeiner Be- ziehung zur Entwicklung des Daches, doch weiss ich nicht, welcher Art sie sein könnten. Bei Heider (5) sehen wir ein ähnliches Bild auf Fig. 27 aus der Entwicklung von S. fusiformis. Das Dach nimmt allmählich eine immer regelmässigere Form an, bis es schliesslich als Diskus erscheint. Jetzt, wo wir die ersten Entwicklungsstadien der Placenta kennen gelernt haben, können wir einiges über die äussere Ent- wicklung der Placenta überhaupt sagen. Obgleich wir darüber bei Salensky, Brooks u. a. genaue Angaben haben, muss ich doch der Übersichtlichkeit wegen in wenigen Worten davon sprechen. Auf Fıg. 22 können wir die Placenta in zwei Kammern teilen: 1. in eine obere, von einem Syneytium angefüllte, die von oben durch das Placentaldach, von den Seiten durch grosse Zellen gebildet wird: 2. in eine untere, unter der ersten, die von den Wänden des Stieles, auf dem der Embryo sitzt. ein- geschlossen wird. Die untere Kammer hört bald auf zu wachsen, die obere wächst stark. Auf diese Weise entsteht ein sehr schmaler Eingane zur Kammer in der Placenta. Von aussen wird er durch besondere Zellen differenziert, die 1. eine ring- förmige Schicht von länglichen Zellen bilden, glatten Muskeln ähnlich, und 2. eine rings darum herumliegende rosettenförmige Zellschicht, die nur auf einer Seite der Fig. 11 abgebildet ist. Auf einigen von meinen Präparaten ist der Eingang zur Kammer besonders gut zu sehen (Fig. Ss, 10 und 34); die Ektodermzellen bilden hier eine Verdickung, die den rosetten- förmig gelagerten Zellen entspricht. Die Ektodermzellen reichen bis in den Gang hinein. Eine Art Futteral umgibt die Ektoderm- zellen; es besteht aus einem festen, strukturlosen Häutchen und einer Zellenschicht und stelit die Reste der äusseren Brfutsack- lamelle vor. Dieser Teil entspricht dem Ringe auf Fig. 11. Die Verbindung zwischen der Placenta und der Salpe erinnert auf- fallend an eine Fistelkanüle. Die Trennung des Embryo von der Mutter wird uns ganz verständlich. Bekanntlich verwandelt sich das Syncytium in ein System von Strängen im Innern der Kammer; die Blutknospe ver- wächst mit der Gefässwand und bildet auf diese Weise eine Scheidewand, die dem Blutstrom die Richtung vorschreibt (Fig. 10). Die Placentakammer wächst stark und wird kugelförmig. Am Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 71 diskusförmigen Dach biegen sich die Ränder nach unten, es gleicht dann einer Tasse oder Glocke (Fig. 13). Das geht im Zusammenhang mit ihrem Verwachsen und mit dem Ein- schnürungsprozess des Embryo vor sich; anfangs ist die Placenta eine unmittelbare Fortsetzung des embryonalen Körpers, sobald sich dieser aber deutlicher formt, wird er bedeutend grösser als die Placenta und beginnt sich sozusagen abzuschnüren: die Ver- bindung zwischen ihm und der Placenta wird immer dünner und verwandelt sich schliesslich in einen kleinen Stiel. Dadurch wird auch die Veränderung in der Form des Daches bedingt. Wenden wir uns jetzt zur genaueren Untersuchung der einzelnen Placentateile. Das Dach der Placenta. Unten hat es immer eine scharfe Grenze, die es vom Syneytium trennt (Fig. 22 und 23). Die obere Grenze dagegen ist unregelmässig und verwischt. Hier bildet sich allmählich in den mittleren Stadien (z. B. wie auf Fig. 12) die charakteristische Hülle, die Kutikula, die, ziemlich breit und gestrichelt, an die Kutikula der Darmzellen erinnert (Fig. 20, 29, 30 und 31). Sie besteht aus Stäbchen, die sich manchmal verlängern und Härchen ähneln (Fig. 32). Bei starker Vergrösserung kann man sehen, dass die Kutikula manchmal aus kleinen Bläschen besteht, die durch das obere feste Häutchen aus dem Dache treten; die Mehrzahl der Bläschen ist von ein und derselben Grösse, doch treten einzelne stark hervor (Fig. 25). Diese Kutikula ist daher besonders gut zu sehen, weil sie sich mit Plasmafarben färbt, das Dach dagen mit Kernfarben. Über ihr liegt noch ein feines strukturloses Häutchen (Fig. 32). Dieses ist nicht kutikulären Ursprungs; meinen Beobachtungen nach bildet es sich aus einer besonderen Bindegewebszellenschicht, dıe anfangs über der Kutikula gelegen ist (Fig. 14). Diese Zellen entsenden Auswüchse, die sich miteinander verflechten und das besagte Häutchen bilden. Dieses senkt sich allmählich und legt sich endlich dicht an die Kutikula an. Während des Wachsens wird das Dach dünner, obgleich die Messungen auf Schnitten keine regelmässige Reihe von abnehmenden Zahlen aufweisen. Ich glaube, das liegt daran, dass u | [89] ©. Saint-Hilaire: die Placenta nicht an ein und derselben Stelle gemessen werden kann; auch kann ihre Elastizität die Ursache dafür sein. Das Placentaldach wächst ohne Zweifel aus der Mitte heraus, da es hier dünner ist und zu den Rändern hin sich verdickt; die Kerne liegen auch am Rande weniger dicht und haben eine rundlichere Form. Die Kerne des Daches haben von Anfang an ihren charakteristischen Bau, der sich auf typische Art und Weise ändert. Anfangs haben sie folgendes Aussehen: sie färben sich gleichmässig und haben ein dichtes zartes Netz und ausserdem einige kleine regelmässige Körner, die aber nicht den Charakter von wirklichen Kernkörperchen haben (Fig. 16 und 7). Es ist von Interesse, dass die Gewebe der Salpen in histologischer Be- ziehung eine unverständliche Eigenschaft haben, dass nämlich die Anilinfarbstoffe anders auf sie wirken als auf das Gewebe anderer Tiere. Es kommt oft vor, dass Plasmafarbstoffe, z. B. Eosin oder saures Fuchsin, die Kerne färben, das Plasma dagegen sich mit Methylengrün oder Methylenblau färbt. Der Leser möge sich dadurch nicht verwirren lassen, da ich auf meinen Zeichnungen die Farben, die das Präparat aufwies, abbilden musste. Auf keinem einzigen Schnitt habe ich kariokinetische Figuren gesehen. Daraus kann man schliessen, dass im Dache direkte Kernteilung stattfindet; der Bau der Kerne auf einigen Präparaten weist auch darauf hin (siehe Fig. 19). Die Kerne sind länglich, oft biskuitförmig, haben sogar oft mehrere Ein- schnürungen oder die Gestalt mehrerer untereinander verbundener Körnchen. Diese Kernteile sind ihrer Grösse nach recht ver- schieden. Wenn man die Fig. 23 mit Fig. 38 vergleicht, sieht man, wie rasch die Kerne sich vermehren. Anfangs liegen sie regelmässig, seitlich zusammengedrückt. Während das Dach immer grösser wird, werden sie breiter und liegen unregel- mässig zerstreut im Dach: die einen findet man bei der unteren Grenze, die anderen am oberen Rande (Fig. 29). Fig. 28 zeigt, bis zu welchem Grade die Zahl der Kerne wachsen kann; auf dem Schnitt, der die obere Schicht des Daches getroffen hat, liegen die Kerne als fast ununterbrochene Schicht. Wie aus Fig. 31 ersichtlich, ist die Form der Kerne ge- wöhnlich unregelmässig, der Bau auf meinen Präparaten recht verschiedenartig. Einige behalten ihr früheres Aussehen, wie Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 73 auf Fig.7, der Inhalt von anderen wird feinkörnig (Fig. 16), wieder andere zeigen einen dichten Bau (Fig. 29 und 31) oder färben sich sehr dunkel. Diese Verschiedenheit steht in keiner Beziehung zum Alter des Embryo: ich erkläre sie mir als von den Fixierungsstoffen abhängig. Die Kerne zerfallen in ausserordentlich kleine. Teilchen (Fig. 29). Viel wichtiger ist für uns der Bau des Plasmas im Dache. Auf den ersten Stadien ist es, wie wir sahen, mit deutlichen Körnchen angefüllt, die ganz gleichmässig verteilt sind (Fig. 5). Auf späteren Stadien bei den lebenden Tieren kann man im Plasma des Daches ausser den genannten „ursprünglichen“ Körnern zahlreiche Einschlüsse finden. Es treten besonders hervor: 1. feste unregelmässig geformte Körner, die durch ihren Glanz an Fettkörner erinnern: 2. kleine glänzende Körnchen; 3. kleine Bläschen mit hellblau gefärbter Flüssigkeit. Durch die letzteren erhält das ganze Organ seinen charakte- ristischen lila Schimmer (Fig. 36). Unter dem Druck des Deck- gläschens auf die Placenta platzen diese Bläschen und es er- scheinen recht zahlreiche zitronengelbe lange, nadelförmige Kristalle (Fig. 39). Auf der Figur sind die Kristalle farblos abgebildet. Leider konnte ich diese Kristalle nicht chemisch untersuchen, oder feststellen, wo sie sich eigentlich bilden, da sie klein sind und die Bedingungen, unter denen sie sich entwickeln, sehr kompliziert sind. Kleine fettähnliche Körner füllen oft fast ganz das Protoplasma des Daches aus (Fig. 39), sie sind ziemlich beständig und bleiben bis zu den letzten Stadien der Placenta vorhanden. Die grossen fettähnlichen Tröpfchen sind lange nicht ständig vorhanden, doch gelingt es nicht, festzustellen, wovon ihre An- wesenheit oder Abwesenheit abhängt. Jedenfalls findet man sie auf späteren Stadien häufiger. Bei Färbung mit Sudan II färben sie sich rot, mit Osmiumsäure aber schwarz. Um den Entwicklungsgang dieser Körner festzustellen, machte ich Präparate von Salpenembryonen, die in Osmiumsäure fixiert waren, indem ich sie in venezianischen Terpentin tat, damit das Fett nicht schmelze, und fand, dass bei Embryonen auf ungefähr denselben Entwicklungsstadien einmal Fett vorhanden war (Fig. 13), das andere Mal aber nicht. 74 C. Saint-Hilaire: Auf Schnitten sind diese Arten von Einschlüssen sehr gut zu sehen, allerdings nicht auf allen Präparaten gleichmässig, da bei der Behandlung der Objekte, die in Paraffin eingeschlossen werden, das Fett nicht erhalten bleibt. Wir werden jetzt eine Reihe von Präparaten durchsehen. Auf Fig. 7 sind die ursprünglichen Körner noch erhalten. Ausserdem sehen wir im oberen Teile des Daches grosse deutlich umrissene Bläschen und kleinere, die in dem ans Syneytium stossenden Teile säulenartig angeordnet sind; infolgedessen sehen wir hier Strichelung. Die unteren Bläschen entsprechen sowohl der Lage wie auch dem Aussehen nach den blauen am lebenden Objekt, die oberen — den Fettbläschen. Fig. 8 zeigt eine Placenta, in deren Dach schon bei geringer Vergrösserung deutlich die grossen Bläschen, die auf die Kerne drücken, zu sehen sind. Solch eine Deformation der Kerne im Placentaldache ist eine gewöhnliche Erscheinung. Auf Fig. 14, wo der Schnitt mit Flemmingscher Flüssigkeit behandelt worden ist, finden wir eine Menge sehr kleiner dunkler, also fettiger Körner. Fig. 16 zeigt einen Schnitt vom Embryo in Flemmingscher Flüssigkeit fixiert. Wir sehen auf ihm grosse, mit Safranin gefärbte Kerne und ziemlich grosse, scharfumrissene Bläschen mit einigen dunklen Körnern. Offenbar bestanden diese Körner im Leben aus irgendeinem zusammengesetzten Stoff, der sich teil- weise beim Präparieren aufgelöst hat, zum Teil in Form der erwähnten Körner erhalten geblieben ist. Ausser diesen grossen Körnern, die meiner Ansicht nach fettähnlichen Körnern ent- sprechen, finden wir noch zahlreiche sehr kleine Bläschen. Auf dem Schnitt auf Fig. 29 sind die kleinen Bläschen besonders gut entwickelt. sie füllen das ganze Plasma an, das zwischen ihnen als feines Netz liegt. Die unteren Bläschen sind auf Fig. 30 besonders deutlich: von den grossen sind wenige vorhanden, es finden sich einige am Dachrande. Auf Fig. 31 liegt unter den Kernen eine Gruppe von sehr kleinen Bläschen, über den Kernen dagegen breitet sich das feste, mit Kernfarbstoffen gefärbte Plasma aus. Auf einem späteren Stadium (Fig. 32) sehen wir bei der Behandlung mit Flemmings Gemisch das Plasma von grossen dunklen Körnern angefüllt. Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 16) Alles das weist darauf hin, dass in dem Placentaldache ein komplizierter Stoffwechsel vor sich geht, der sich morphologisch durch die genannten Körnchen und Bläschen ausdrückt. Bei diesem Prozess lassen sich mehrere Stadien beobachten, welche abwechseln können, wobei bald das eine, bald das andere Produkt in grosser Menge angehäuft wird. Doch kann man keinen regel- mässigen Wechsel dieser Phasen bemerken, daher muss man annehmen, dass sie von irgendwelchen äusseren Ernährungs- verhältnissen des Embryo abhängen. Das Syncytium der Placenta. Das Syneytium ist von Anbeginn seiner Existenz an unzer- trennlich verbunden mit dem Dache, doch unterscheidet es sich seinem Baue nach sehr von letzterem. Die Ähnlichkeit besteht darin, dass beide protoplasmatische Gebilde mit vielen Kernen sind. Es besteht, wie ich schon sagte, auf den ersten Stadien aus einer einheitlichen Plasmamasse, die die Placentalkammer ausfüllt (Fig. 17) und sich in Form eines Stranges zur Blut- knospe und zum seitlichen Syneytium hinzieht (Fig. 22 und 23). Das erste, was wir darauf bemerken, ist die Bildung von Spalten zwischen den seitlichen Kammerwänden, an die grosse Zellen befestigt sind, und dem Syneytium, wie auf Fig. 12 zu sehen ist, die nach einem Totalpräparat gezeichnet ist. Diese Spalten sind nichts anderes als die Fortsetzung der Bluträume, die wir auf den vorhergehenden Stadien bei der Blutknospe beobachtet haben. Blutkörperchen beginnen in sie einzudringen. Diese gelangen dorthin mit dem Blutstrom, der durch das den Embryo mit Blut versorgende (Gefäss geht. Angesichts der Wichtigkeit, die die Blutzirkulation für die Ernährung der Placenta hat, muss ich hier näher auf sie eingehen. Schon auf früheren Entwicklungsstadien konnten wir sehen, dass die Blutknospe ins Gefäss tritt, und den Blutstrom behindert (Fig. D); die Blutkörperchen sammeln sich hier. Im Maße ihres Wachstums vergrössert sich auch dieses Hindernis, und man kann sehen, wie der Blutstrom am verengerten Teile der Blut- knospe vorüberfliesst (Fig. E, durch Punktierung ist die Richtung des Blutstromes bezeichnet). Manchmal bilden sich in den Blut- räumen beim Syneytium Pfropfen aus Zellbündeln, die den Blut- umlauf noch mehr behindern. Durch das Wachstum der Blut- 76 C. Saint-Hilaire: knospe und ihre hemmende Wirkung beginnt das Blut ins Innere der Placenta zu treten. Bekanntlich treibt das Herz bei den Tunikaten überhaupt und bei den Salpen im besonderen das Blut abwechselnd bald auf die eine, bald auf die andere Seite, Dieser Wechsel findet auch im Gefäss des Embryo statt. Dabei geht das Blut unter Schwierigkeiten durch die Placenta, die Blutkörperchen werden in grosser Zahl zurück- gehalten und gelangen in die Spalten des Syneytiums, wie das so gut am lebenden Tiere zu sehen ist (Fig, 46). Die Wanderzellen gelangen ins Syneytium und füllen dessen Plasma an. Die Blutkörperchen zerfallen bei den Salpen in zwei Haupttypen, in körnige und nichtkörnige. Erstere enthalten in ihrem Plasma ziemlich grosse regelmässige Körner, die sich vital mit Neutralrot färben (Fig. 49a), auf fixierten Präparaten dagegen mit sauren Farbstoffen — Eosin, saurem Fuchsin und besonders Orange, was auch Knoll (11) in seiner Arbeit über das Blut der Wirbellosen sagt. Ihre Grösse ist ziemlich gleich. Die nicht- Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. N körnigen Zellen haben recht grosse Kerne, ihr Plasma weist auf Präparaten dunkle Kernfärbung auf (Fig. 38). Ihre Grösse ist verschieden, so wie auch die Struktur des Plasmas. In letzterem habe ich folgende Elemente gesehen: entweder sehr feine vital gefärbte Körnchen (Fig. 49b), oder kleine glänzende Tröpfehen (Fig. 49c), oder unregelmässige gefärbte Bläschen (Fig. 49 d—f). Ich werde mich bei einer genauen Klassifikation der Blut- körperchen bei den Salpen nicht weiter aufhalten, da ich mich mit dieser Frage speziell nicht beschäftigt habe und die Literatur darüber mangelhaft ist. In einer verhältnismässig neuen Arbeit zählt Fernandez (3) fünf Typen mit Unterabteilungen auf. Mir scheint, dass es kaum so viele gibt; seinen Zeichnungen nach kann die Zahl der Typen vermindert werden, da einige Zellen durch Reaktion veränderten körnigen Zellen gleichen. Die Zelle, die er als Zerfallsprodukt bezeichnet, ist eine richtige Körnerzelle, Alle diese Körperchen dringen ins Syncytium, wie das auf lebenden und vital gefärbten Präparaten sichtbar ist (Fig. 39 und 40). Ein Syncytium mit vielen Blutkörperchen ist bei mir auf Fig. 35 abgebildet; wir sehen hier ganze Reihen von Körner- zellen, die in den Spalten des Syneytiums liegen; ebensolche Zellen finden sich auch mitten im Syneytium. Einige von ihnen haben sehr blasse, gewissermassen zerfliessende Körner. Sehr zahlreich sind auch die nichtkörnigen Zellen, die entweder in besonderen Bläschen oder direkt im Plasma liegen. Sie haben ein recht mannigfaltiges Aussehen: die einen haben ihren Bau vollständig beibehalten; an anderen ist die frühere Form nur mit Mühe zu erkennen, wobei die Farbe des Plasma sich verändert und blasser wird. Endlich sehen wir unten einige Kerne, die nicht mehr von Plasma umgeben sind. Dieser Prozess des Verschluckens hat für das Syncytium grosse Bedeutung. Weiterhin bilden sich im Syneytium immerfort neue Spalten (Fig. 14), die die Masse in plasmatische Stränge, wie sie auch Salensky (13) und andere Autoren beschreiben, zerteilen. Diese Stränge bilden in der vollständig entwickelten Placenta ein kompliziertes System: sie anastomosieren untereinander und sind von verschiedener Dicke. Der grösste Teil geht von oben nach unten, doch gibt es auch solche, die sich an die Seiten- 78 ©, Saint-Hilaire: wände der Placentalkammer befestigen (Fig. 10). Im unteren Teil zieht das Syneytium seitlich zwischen die grossen Kammer- zellen hinein; solche Auswüchse sind auf Fig. 33 zu sehen. Trotz der Bildung von Lücken zwischen den Strängen des Syneytiums bleiben sie an demselben Ort, d. h. beim Eingange in die Placenta (Fig. 5), sie sind alle auf dieselbe Weise befestigt: die Stränge des Syncytiums bilden im Herabsteigen eine Art (Gewölbe, das sich zu beiden Seiten der Eingangsöffnung aufstützt; diese beiden Seiten sind den lateralen Flächen des Embryo parallel, wie auf Fig. S zu sehen. Auf einem Querschnitt recht- winklig zur Richtung des vorhergehenden Schnittes finden wir die Befestigung nicht, wie auf Fig. 10, wo die den Blutstrom regulierende Scheidewand zu sehen ist. Auf späteren Stadien finden sich in dem Syneytium recht verschiedenartige Einschlüsse. Ihre Menge ist bei den Embryonen recht verschieden. Ich habe bemerkt, dass die Grösse des Embryo nicht mit seinem Alter in direktem Verhältnis steht: einige Embryonen, die noch recht klein sind, stehen schon auf einer späteren Entwicklungsstufe. Der eine Embryo ist gut genährt und besitzt viele Einschlüsse, ein anderer enthält fast gar keine. Als Beispiel für letzteres mag Fig. 10 gelten, während Fig. 14 das Gegenteil abbildet. Wenden wir vor allem unsere Aufmerksamkeit den Kernen zu, von denen im Syncytium mehrere Arten vorhanden sind. Die meisten sind fast gleich geformt, färben sich stark mit Kernfarbstoffen und besitzen ein dichtes Uhromatinnetz (Fig. 20). Sie liegen im ganzen Synceytium zerstreut, doch sammeln sie sich an manchen Stellen zu grösseren Gruppen an (Fig. 35), besonders in den Strängen, mit Hilfe derer sich das Syneytium an den Eingang zur Placentalkammer befestigt: sie liegen hier in Gruppen (Fig. 5). Hier liegen neben den gewöhnlichen Kernen noch sehr grosse Kerne. Was stellen diese Kerne vor? Sie liegen unmittelbar im Plasma, daher scheinen sie zu ihm zu gehören. Möglicherweise sind es die Kerne des Syneytiums selbst, die aus den verschmolzenen Zellen entstanden sind (siehe Fig. 4) und durch Teilung sich vermehren. Diese Annahme schien mir die am meisten wahrscheinliche, doch stösst sie auf folgende Hindernisse: erstens habe ich nie irgend ein Teilungs- Die Placenta der Salpa democratica-mueronata. 79 stadium gefunden, weder von direkter noch von indirekter Teilung; zweitens können wir auf den ersten Entwicklungsstadien des Synceytiums in seinen oberen Teilen, die ans Dach stossen, keine Kerne finden (Fig. 23 und 17); nachdem jedoch Blutkörperchen hingelangt sind, wie auf Fig. 38, erscheinen die Kerne im Syneytium. Das Syncytium im Embryo auf Fig. 9 enthält wenig Plasma, es hat auch wenig Kerne. Das könnte man dadurch erklären, dass das Plasma wenige von den Wanderzellen auf- genommen hat. Diese Tatsachen sprechen gegen unsere Annahme und zeigen, dass die Kerne eher noch von aussen her eintreten. Wenn dem so ist, müssen sie einige Veränderungen erleiden, da sie in den Blutkörperchen einen ganz anderen Bau hatten, was besonders gut auf Präparaten, die mit Triazid gefärbt sind, zu sehen ist (Fig. 85). Es gelingt nicht, den ganzen Gang dieser Veränderungen zu verfolgen, doch das Verschlucken der Blut- körperchen ist sehr deutlich, wenigstens auf dem genannten Präparat. Man kann beobachten, wie nicht gekörnte Leucocyten sich dem Syneytium nähern und sich in ganzen Gruppen an seine Hülle ansetzen (Fig. 39), das Plasma des Syncytiums tritt vor und umhüllt diese Wanderzellen. Dasselbe sieht man auch auf den Fig. 7 und 14. Wie diese Zellen assimiliert werden, ist nicht zu sehen. Anfangs liegen sie im Plasma wie in Bläschen, dann aber findet man einfache Kerne im Plasma. Man könnte annehmen, das Plasma der verschluckten Zellen verschmelze einfach mit dem des Syneytiums. Doch kann man sich das nicht so vorstellen, als ob die Zellen mit dem Syneytium verschmelzen würden, wie zwei amöboide Organismen: dem Verschmelzen geht das Verschlucken voraus. Doch habe ich nie gesehen, dass die Verdauung in besonderen Nahrungsvakuolen vor sich ginge, wie bei den Protozoen oder wie in den Zellen der Metazoen. Die Frage nach der Bedeutung dieser Kerne im Syneytium ist noch nicht endgültig gelöst. Man kann sie meiner Ansicht nach nur am lebenden Materiale lösen. Ausser den beschriebenen Kernen finden sich noch andere von verschiedener Grösse und festem Bau, wobei es sich zweifellos um degenerierende Kerne handelt. Weiterhin finden wir noch den Kernen ähnliche Gebilde von netzartigem Bau (Fig. 20 und 26). Auf frischen Präparaten sieht man ähnliche Körperchen (Fig. 36). Neben normalgefärbten körnigen Zellen kann man ihre Gerüste 80 ©. Saint-Hilaire: sehen, die nicht mit Neutralrot gefärbt sind. In ihnen finden wir nur die Wände, die den Grenzen zwischen den Kernen ent- sprechen (Fig. 43a, b). Die Form dieser Zellen hängt natürlich nicht von dem durch das Deckgläschen ausgeübten Druck ab, wie das Studium des lebenden Syneytiums nach Beobachtung der nötigen Vorsichts- massregeln beweist. Dass das wirklich die Gerüste der körnigen Zellen sind, zeigt direkt die Beobachtung: unter dem Einflusse gewisser chemischer Reagentien geben die gefärbten körnigen Zellen im Leben den Inhalt der Granula ab, so dass nur die Konturen nachbleiben. Dieses beweist, dass der Inhalt der Körnchen in das Plasma des Syneytiums übergehen kann. Genau dasselbe habe ich auch auf einem Präparat gesehen, das mit Flemmingscher Flüssigkeit fixiert und mit Safranin gefärbt worden war. In den zweifellos körnigen Körperchen sind die Körner gut erhalten und mit Safranin gefärbt (gewöhnlich färben sie sich mit sauren Farbstoffen, das Präparat hier ist überfärbt); neben ihnen liegen ebensolche Zellen, aber mit grauen Körnern und einem roten Netz dazwischen; endlich ein einzelnes Netz, das sehr an die körnerähnlichen Elemente im Syncytium erinnert. Die oben beschriebenen Gerüste quellen allmählich und ergeben sonderbar geformte Gebilde. Auf einigen Präparaten fand ich sie am Syncytium liegend, nicht in ihm, was auch darauf hinweist, dass es Zellen und nicht Kerne sind. Auf das Vorhandensein besonderer Körperchen im Syneytium wurde schon früher hingewiesen. Todaro (16) hat gesehen, dass die Zellen der Placenta bei der Bildung der körnigen Masse, die offenbar unserem Syncytium entspricht, verschmelzen; in ihr erscheinen besondere Körperchen, die vom Autor „corpuscoli gialli“ genannt werden. Sie sind schon früher von Vogt, Kowalewsky und Sars gesehen worden: letzterer nennt sie „Dotterkugeln“, während die erstgenannten Forscher sie für Fettkörper halten. Nach der Beschreibung von Todaro haben sie ein feinkörniges Plasma mit grossen Körnern. Diese Körner sind gelblich, daher ihre Bezeichnung als Fettkörner. Sie ver- lassen das körnige Plasma und werden vom Blutstrom fortgetragen und zerstört. Da ich S. pinnata nicht untersucht habe, kann ich nichts Bestimmtes über die Bedeutung dieser gelben Körperchen sagen, Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 81 doch müssen das, nach Todaros Beschreibung und seinen Zeichnungen, so viel ich sie beurteilen kann, körnige Blut- körperchen sein. Sie sind tatsächlich sehr zahlreich in der Placenta, doch entstehen sie nicht dort, sondern werden vom Syneytinm aufgenommen. Brooks (2) zeigt auf seinen Abbildungen (Taf. 44, Fig. 2, 3 und 5), wie umherirrende Körperchen vom Syncytium bei S. pinnata verschluckt werden; leider sind seine Zeichnungen zu schematisch. Für mich war es sehr wichtig, festzustellen, ob auf den Strängen des Synceytiums eine Epithelschicht vorhanden ist oder nicht. Auf einigen Präparaten, z. B. auf Fig. 7, sieht man deutlich ein das Syneytium bedeckendes Häutchen; manchmal sind auf ihm charakteristische Falten zu sehen, die wahrscheinlich durch Pressung des Organs beim Fixieren entstanden sind. Kerne habe ich in ihm nicht finden können; ich glaube auch, dass sie hier gar nicht vorhanden sind, da der Entwicklungsgang des Syneytiums das Vorhandensein eines Epithels ausschliesst. Eher könnte man noch erwarten, dass das Synceytium mit Gefässendothel bedeckt sein könnte, ist doch schon von Huxley und Sars nach Leuckart (12) festgestellt worden, dass die Gefässwände sich direkt aus dem Bindegewebe, durch das sie hindurchgehen, bilden. Manchmal finden sich Zellen an ihnen, doch bilden sie nicht ein vollständiges Epithel. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bluträume in der Placenta keine zelligen Wände besitzen. Das Syneytium kann somit unmittelbar Zellen aufnehmen. Zugleich mit dem Wachstum der Placenta verändert sich der Bau des Syneytiums. Auf dem Entwicklungsstadium, das bei mir auf Fig. 12 ab- gebildet ist, ist das Syneytium sehr dunkel mit Osmiumsäure gefärbt, wie auch auf den anderen ebenso behandelten Präparaten. Die Farbe hängt nicht vom Vorhandensein der Fettkörner ab, sondern von der gleichmässigen Färbung des gesamten Stoffes. Auf späteren Entwicklungsstadien ist diese Farbe nicht mehr vorhanden, es ist aber charakteristisch, dass das Syncytium sich mit sauren Plasmafarben färbt, wie z. B. mit Eosin, Fuchsin und Liehtgrün. Das anfangs einheitliche Plasma (wie auf Fig. 9 und 38) wird wabig (Fig. 14). Seine Dichte verändert sich auch an Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. I. 6 82 C. Saint-Hilaire: einigen Stellen, die Zwischenräume sind von einem lockeren Stoffe angefüllt (Fig. 20). Es bildet sich ein festes Gerüst; ausserdem erscheinen Körner in grossen Mengen, die dem Plasma ein breiiges Aussehen geben (Fig. 26). Sehr charakteristisch ist der Bau des Plasmas in den Strängen des Syncytiums, wie auf Fig. 27. Das Präparat ist in Flemmingscher Lösung fixiert und mit Safranin gefärbt. Die Kerne sind rot, das Plasma ist wabig; auch schwarzgefärbte Körner sind vorhanden, was auf die An- wesenheit von Fett hindeutet; gewöhnlich ist es im Syncytium nicht vorhanden. Unter dem Placentaldach liegt oft eine Schicht durchsichtiger Bläschen (Fig. 20). Am lebenden Syncytium enthält das Plasma entweder von einer wässerigen Flüssigkeit angefüllte Bläschen, die auch auf Schnitten zu sehen sind, oder Vakuolen von oft recht beträcht- licher Grösse, die vital färbbare Körner enthalten (Fig. 40). Das Plasma selbst hat in frischem Zustande ein sehr charakteristisches Aussehen. Erstens ist es recht fest und zäh und besteht schein- bar aus winzigen Körnern. Diese Körner bilden Fäden, so dass das Plasma ein faseriges Aussehen erhält. Diese Strichelung ist auch auf fixierten Präparaten zu sehen (Fig. 15). Das lebende Syneytium ist gelblichgrau gefärbt. Dieses faserige Aussehen ist zu beachten; bei Beginn der Entwicklung ist es nicht zu sehen. Das Auftreten der faserigen Beschaffenheit steht offenbar im Zusammenhang mit der Aus- bildung der Stränge und der Durchwanderung von Flüssigkeiten durch das Syneytium. Unwillkürlich drängt sich ein Vergleich mit dem Zylinderepithel auf. Die Seitenwände der Placentalkammer haben eine doppelte Zellenschicht aus äusseren ektodermalen flachen Zellen und inneren grossen Zellen. Auf einem vital ge- färbten Präparate der Placenta ist die epitheliale Zellenschicht, die mit sehr kleinen gefärbten Körnern angefüllt ist, deutlich zu unterscheiden (Fig. 42). Zwischen den Körnern liegt ein grosser Kern. In der zweiten Schicht von grossen Zellen gibt es keine kleinen, dafür aber einige grössere Körner (Fig. 41). Die anfangs weniger zahlreichen grossen Zellen vermehren sich und konzentrieren sich am Placentaleingange (Fig. 8). Weiter Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 83 nach oben hin werden sie immer niedriger, besitzen jedoch eine noch breitere Basis, als die höheren. Ihre Struktur, besonders die ihrer Kerne, ist sehr typisch. Diese enthalten ein Uhromatin- netz von charakteristischem Aussehen (Fig. 18). Dasselbe sehen wir auch in den hohen Zellen: die Kerne sind sehr gross und haben ebensolch ein Uhromatinnetz. Auch das Plasma hat einen durchaus typischen Bau; es ist von intrazellulären Kanälchen durchzogen (Fig. 6), die sich all- mählich entwickelt haben. Wenigstens sind sie in jungen Zellen nicht vorhanden; das Plasma ist dort dicht und feinkörnig. In diesen Zellen finden sich manchmal Bläschen oder gewisse dichte Plasmaklümpchen; Fettkörner sind nicht vorhanden, obgleich sie in der epithelialen Zellenschicht, die sie von aussen umgibt, deutlich zu sehen sind (Fig. 11). In dem Maße, wie der Embryo wächst, vergrössert sich auch die Kammer bedeutend. Sie wächst auf Kosten der niedrigen Zellen, da die Zahl der hohen ziemlich konstant ist. Die Ober- fläche der Kammerwände vergrössert sich durch das Wachsen der Zellen, die ringfürmig um den Rand des Placentaldaches liegen (Fig. 9), ebenso auch durch das Wachsen der grossen Zellen selbst, vielleicht auch durch Vermehrung derselben, obgleich ich das nicht beobachtet habe. Irgendwelche phagozytären Eigen- schaften sind bei diesen Zellen nicht vorhanden. So ist also der Bau der Placenta, ebenso wie die Histo- genese, sehr kompliziert. Wir können daher nicht der Ansicht von Leuckart (12), diesem unvergleichlichen Beobachter, beipflichten, wenn er sagt: „Die histologischen Elemente der Placenta ver- harren auf der Entwicklungsstufe, die sie bei der Abtrennung des Fruchtkuchens besassen und bleiben, sozusagen, beständige Furchungskugeln, an denen man nicht einmal eine äussere Zell- membran mit Sicherheit erkennen kann.“ Wir sehen im Gegenteil, dass die Gewebe der Placenta sich sehr früh differenzieren und späterhin stark verändern, indem sie sich den verschiedenen Funktionen anpassen. Sogar die Zellen, die scheinbar die kleinste Rolle bei der Arbeit der Placenta spielen, die Zellen der Kammer, besitzen einen speziellen, durch- aus komplizierten Bau. Diese frühere Ansicht kann ich mir nur dadurch erklären, dass der feinere histologische Bau der Placenta nicht genügend beachtet wurde. 6* 34 C. Saint-Hilaire: Wie ernährt sich der Embryo? In der Literatur finden wir darüber folgendes: alle Autoren machen natürlich auf die physiologische Ähnlichkeit zwischen der Salpenplacenta und derjenigen der Säugetiere aufmerksam. Nach Barrois (1) findet der Stoffwechsel in der Placenta auf osmotischem Wege statt. Leuckart (12) misst der Entwicklung der Blut- zirkulation im Embryo grosse Bedeutung zu. Der Blutkreislauf des letzteren ist vollständig von demjenigen der Mutter getrennt, so dass die Flüssigkeit nur mit Hilfe der Osmose durch die Placenta dringen kann, wobei die obere Placentalwand die Haupt- rolle spielt. Die völlige Trennung zwischen mütterlichem und embryonalem Blut geht auch daraus hervor, dass die Blut- körperchen bei ihnen von verschiedener Grösse sind. Heider (5) sagt nur, „dass die blutbildende Knospe an dem Stoffaustausch zwischen Mutter und Embryo in bestimmter Weise beteiligt ist“. Brooks (2) beurteilt diese Frage folgendermassen. Er meint, die Diffusion spiele hier keine grosse Rolle, da die Placentalwände sehr dick sind. Folglich muss die Sache bei den Salpen anders liegen, als bei den Säugetieren. Er nimmt an, dass die Ernährung durch besonders grosse Wanderzellen, die aus der Placenta in den embryonalen Körper gelangen. vor sich geht. Ausserdem wirken seiner Ansicht nach ausser diesen Zellen auch noch Follikelzellen bei der Ernährung mit. Auf Grund dieser Hinweise können wir zweierlei annehmen: entweder stammt das Nährmaterial aus den flüssigen Teilen des Blutes, oder aus dessen geformten Elementen. Wir wissen nichts über die chemische Zusammensetzung des Blutes bei Salpen, doch wissen wir, dass das Blut der Ascidien fast gar keine Eiweiss- oder ähnliche Stoffe enthält. Höchst wahrscheinlich trifft dass auch für die Salpen zu; wenig- stens sind auf Präparaten in den Gefässen keine Anzeichen von seronnenem Eiweiss zu bemerken. Doch muss man andererseits auch folgendes berücksichtigen: die Hoden erreichen bei den Salpen einen recht beträchtlichen Umfang; sie liegen direkt in der Leibeshöhle und werden vom Blute umspült. Besondere Organe zu ihrer Ernährung sind nicht vorhanden, folglich muss man annehmen, dass sie sich auf Kosten des sie umgebenden Blutes ernähren. Allerdings liegt der Darm in ihrer nächsten Die Placenta der Salpe democratica-mucronata. 85 Nähe, doch muss man nicht vergessen, dass auch der Embryo auf einem Blutgefäss liegt, dessen Blut aus dem den Darm umgebenden Hohlraum stammt. Auf den Abbildungen von Vogt und Yung (18) über die Blutzirkulation bei Salpen ist das deutlich zu sehen. Das Blut der Salpen muss also, wenn auch in geringen Mengen, gelöste Nahrungsstoffe mit sich führen, die das Placen- talsyncytium aufnimmt. Schon Leuckart sagt ganz bestimmt, das Blut der Mutter gelange nicht in den Körper des Embryo. Ich untersuchte diese Frage und kam zu folgenden Resultaten: Auf mittleren Ent- wicklungsstadien stützen sich, wie aus verschiedenen Abbildungen ersichtlich (Fig. 9, 22), die Ränder des Placentaldaches auf eine Zellenschicht. Wenn man auf die Placenta einer reiferen Frucht drückt, springt erstere aus der Kammeröffnung, wobei das Dach heil bleibt, während das Syncytium mit ihm ver- schmolzen ist. Dadurch könnte man auf den Gedanken kommen, zwischen dem Dach und den seitlichen Kammerwänden existierte ein Durchgang, mit Hilfe dessen eine Verbindung zwischen Mutter und Embryo zustande kommen könnte. Am leichtesten wäre das zu konstatieren, wenn man mütterliche Blutkörperchen, besonders die körnigen, im Körper des Embryo fände, weil mütter- liche und embryonale Zellen gut voneinander zu unterscheiden sind (vgl. z. B. die Zellen 43a und 49a mit Fig. 44b, c, d und Fig. 47b, c). An lebenden Tieren ist es mir nur in äusserst seltenen Fällen gelungen, im Embryo grosse mütterliche Blut- körperchen zu finden, auf Präparaten sieht man es öfter. Diese Erscheinung kann jedoch eine zufällige, künstliche sein, da solche Präparate verletzt sind. Die Verletzung kann durch das Dünner- werden der oben angeführten Zellenschicht beim Dache herbei- geführt werden. Salenskys (13) Annahme, es könnten die mütterliche und die embryonale Leibeshöhle untereinander verbunden sein, muss somit zurückgewiesen werden (mit Heider). Unter natürlichen Bedingungen kommt das nicht vor. Existiert kein Übergang des Blutes der Mutter in den Embryo, so können vielleicht die Nährstoffe durch die das Dach umgebenden Zellen gehen. Das kann nur in den ersten Stadien möglich sein, da das Placental- dach sehr schnell wächst und zwischen seinem Rande und der Ss6 G. Saint-Hilaire: äusseren Wand nur eine Schicht von grossen Kammerzellen bleibt (wie auf Fig. 8). Wir kommen also zu dem Schluss, dass der Übergang der Nährstoffe von der Mutter zum Embryo hauptsächlich durch das Placentaldach möglich ist. Als vermittelndes Element erscheint dabei das Syncytium, da das Dach nicht unmittelbar an die mütterlichen Blutgefässe stösst. Dafür gibt es aber zwischen dem Dache und dem Embryo keine Zwischenglieder. Das Syn- cytium liegt als ununterbrochene Schicht unter dem Dache und geht auf die Seitenwände über (Fig. 8). Das Syncytium, das im Anfange der Entwicklung sehr dicht gebaut ist, wie ich schon zeigte, wird späterhin immer lockerer, das Plasma wird schaumig (Fig. 20). Das spricht dafür, dass es sich zum Teil auf Kosten der aus dem Blute aufgenommenen Flüssigkeit vergrössert. Andererseits werden auch zweifellos Blutkörperchen ver- schluckt, -wie ich schon früher zu zeigen versuchte und wie es auch von Brooks beschrieben wird. Der Bau des Syneytiums wird dadurch stark verändert, sein Umfang vergrössert sich um das mehrfache seiner anfänglichen Gestalt. Für besonders wichtig halte ich die Aufnahme von körnigen Zellen, da in ihnen unbe- dingt irgend ein bestimmter Stoff in grossen Mengen vorhanden ist. Sie kommen auch aus dem perivisceralen Sinus, wo ich körnige Zellen fand (Fig. 48b). Das Syncytium stellt somit eine plasmatische Masse vor, die aus dem mütterlichen Blute eine grosse Menge Nährmaterial aufnimmt. Als ich die anfängliche Blutzirkulation in der Placenta besprach, erwähnte ich, dass das Syncytium dem Blutstrome hemmend entgegentritt. Auf späteren Stadien finden wir besondere Einrichtungen, die eine Blutstauung in der Placentalkammer bezwecken. Der Eingang in die Kammer ist sehr schmal und von einem besonderen Zellenring umgeben (Fig. 11). Ausserdem ist er durch eine Wand in zwei Gänge geteilt (Fig. 10). Diese Wand zwingt das Blut in die Placenta zu fliessen. Ausserdem ist die Eingangsöffnung durch Stränge des Syneytiums verbaut (Fig. F), wodurch sich der Blutstrom mehrfach teilen muss. Manchmal wechselt die trennende Zwischenwand unter dem Blut- drucke ihre Lage; dann kann man am lebenden Embryo sehen, wie sie sich abwechselnd hebt und senkt; bei mir ist das auf Fig. G Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 87 abgebildet, wobei die eine Lage der Wand punktiert dargestellt ist. In dieser Lage muss sie, wie man sieht, den Blutstrom noch stärker aufhalten. Überhaupt ist es sehr interessant, den Blut- strom in der lebenden Placenta zu beobachten. Besonders wenn die Blutkörperchen vital mit Neutralrot gefärbt worden sind, kann man deutlich sehen, wie sie durch die Kammer fliessen. in die Öffnung schlüpfen und aus ihr wieder hervortreten. Die Hauptarbeit beim Stoffwechsel zwischen Embryo und Mutter findet zweifellos in dem Placentaldache statt. Schon der drüsige Bau dieses Organs beweist Ber r es. Der Umstand, dass sich in M N der zwischen den Kernen und ke ee | dem unteren Häutchen liegenden |: Be, x N Plasmaschicht kleine Bläschen in Mengen ansammeln, zeigt, dass das i BER / KR, N \\ 4 j / [ e : \ nd 2, g . ! : )) iR | er 5 Ber Ku os »_/ Dach aus dem darunterliegenden Syneytium Flüssigkeit erhält. Im Dache werden die Nahrungsstoffe zweifellos differenziert: die einen, zZ. B. Fettansammlungen, werden zeitweilig, andere, z. B. die blau gefärbten Stoffe, ganz zurückgehalten. Diese verbleiben bis zum letzten Entwicklungsstadium in der Placenta. Da das Dach von unten durch ein Häutchen begrenzt wird, kann das Nährmaterial nur durch Diffusion durchgehen. Sehr oft weist die Menge und die Form der Kerne auf die Stärke des Stoffwechsels hin. Wir finden hier einen Überfluss 88 C. Saint-Hilaire: an Kernen, und ihre unregelmässige Form ist gerade Zellen mit starkem Stoffwechsel, z. B. Drüsenzellen, eigentümlich. Am schwersten ist die Frage nach dem weiteren Gang der Nährstoffe zu beantworten, nämlich ihre Weitergabe an den embryonalen Körper. Sogar in viel genauer untersuchten Fällen, z. B. beim Darmkanale, ist diese Frage ein ungelöstes Rätsel geblieben. Dieser Übergang kann auf zweierlei Art stattfinden: durch Diffusion oder mit Hilfe geformter Elemente. In meiner Arbeit über den Stoffwechsel in der Zelle habe ich den Gedanken durch- zuführen versucht, der Prozess der Nahrungsaufnahme und der Ausscheidung, überhaupt der ganze Stoffwechsel, sei von morpho- logischen Veränderungen im Zellenbau abhängig, d. h. von Ver- änderungen in dem Sinne, dass die Plasmaelemente, die Körner, die Bläschen u. a. grösser und kleiner werden, ihren Platz wechseln, zusammenfliessen usw. Dasselbe sehen wir auch hier, nämlich in den ersten Ent- wicklungsstadien. Eine grosse Bedeutung bei der Weiterbeförderung der Nahrungsstoffe aus dem Dache in den Embryo messe ich den Zellen zu, die dem Dache dicht aufsitzen und in ihrem Plasma Einschlüsse enthalten. die einige Ähnlichkeit mit den im Dache befindlichen haben, z. B. die Fettkörner. Die Nährstoffe werden hier umgearbeitet und in verändertem Zustande an den embryo- nalen Körper weitergegeben. Betrachten wir genauer die auf der Placenta liegenden (rewebe. Sobald sich im Embryo die Atemhöhle mit ihrem Epithel gebildet hat, finden wir zwischen ihr und dem Dache in grosser Zahl Zellen von mesenchymartigem Charakter. Der das Placentaldach umgebende Zellenring geht nach unten hin unmittelbar in die Kammerzellen, nach oben hin in die Mesenchymzellenschicht, die auf dem Dache liegt, über (Fig. 9), was auch Korotneff (8) bei S. pinnata abbildet. Wenn die Placenta aus dem Embryokörper künstlich herausgepresst wird, so bleiben bei dem Dache mehrere Mesenchymzellen zurück (Fig. 39). Je jünger das Stadium ist, desto breiter ist der Ring und dem- entsprechend schmäler das Dach. In dem Maße, als letzteres wächst, vollzieht sich auch die Trennung der Kammerzellen von den Mesenchymzellen. Doch kann ich nicht behaupten, dass hier Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 89 eine spezielle Stelle der Phagozytenentstehung ist, wie das Korotneff zu meinen scheint. Wenigstens habe ich hier keine Spuren von Zellenvermehrung gefunden. Man kann nur von der Verwandlung von Mesenchymzellen in Wanderzellen sprechen, was man auch in anderen Stellen des Embryokörpers be- obachten kann. Wenn wir diese Zellen am lebenden Embryo untersuchen, sehen wir, dass es amöboide Zellen mit kurzen Pseudopodien sind; doch bewegen sie sich nicht merklich fort (Fig. 53). Ihr Plasma enthält vital mit Neutralrot färbbare Körner und Fett- tropfen. Diese Zellen unterscheiden sich aber nicht sehr von den Mesenchymzellen; sie charakterisieren sich nur durch ihre be- sondere Gruppierung in Form einer festen Schicht in der Nähe des Daches. Am lebenden, schwach vital gefärbten Embryo sind sie gut zu sehen; sie treten dann deutlich hervor (Fig. 46). Ähnliche Zellen liegen beim Eleoblasten. Ihr Plasma enthält immer mehr oder weniger zahlreiche, mit Neutralrot färbbare Körnchen (Fig. 45. a—e, aus dem Embryo desselben Stadiums wie Fig. 9). Wenn man einen Embryo untersucht, so bemerkt man, dass die Mesenchymzellen an verschiedenen Stellen ein spezifisches Aussehen haben. Weil die einen Zellen schwer von den anderen zu unterscheiden sind, habe ich ihre Lage im Embryo schematisch wiedergegeben (Fig. 51). Die verschiedenen Zellformen (Fig. 52) sind numeriert und jeder Nummer entspricht ein ebenso be- zeichneter Platz im Schema, der ihre Lage zeigt. Auf dem Dache liegen, wie wir sehen, folgende Zellen: 1. solche, die wenig ge- färbte Körner und viele kleine glänzende, fettähnliche Körner (a) enthalten; 2. im mittleren Teil des Daches liegende Zellen mit grösseren gefärbten und fettähnlichen Körnern (b); 3. Zellen mit sehr zahlreichen gefärbten Körnern, beim Eleoblasten und im vorderen Teil des Embryo befindlich (c); 4. bei den Muskeln und längs den Kiemen liegende besondere in die Länge gezogene Zellen (d und e). Auf fixierten Objekten treten diese charakteristischen Eigen- schaften der Zellen noch deutlicher hervor. Auf Fig. 14 z.B. liegen sie auf dem Dache, mit kleinen schwarzen Körnern im Plasma, wie in dem Dache selbst. Das Präparat ist mit Osmium- säure behandelt worden. In den übrigen Teilen des embryonalen 90 C. Saint-Hilaire: Körpers finden wir keine solchen Körner. Auf Fig. 16 enthält das Plasma der uns interessierenden Zellen eine oder mehrere durchsichtige Vakuolen. Die Mesenchymzellen liegen hier dem Dache sehr fest an. Solche Vakuolen habe ich auf diesem Präparat auch in anderen Mesenchymzellen gefunden, im Epithel sind sie fast gar nicht vorhanden. Aus all dem geht hervor, dass die eben beschriebenen Zellen einen grossen Anteil an der Aufnahme der Nahrung und ihrer Weiterbeförderung aus der Placenta in den Embryo nehmen. Das dauert bis zur Zeit, wo die mesodermale Membran über dem Dache vollständig gebildet ist. Ausser den Mesenchymzellen liegen auf dem Dache noch ganz eigenartige Zellen, die sich von den gewöhnlichen Zellen erstens durch ihre Kleinheit und zweitens durch ihre dichten, stark färbbaren Kerne unterscheiden. Es sind das abgerissene, abgefallene Dachpartikelchen. Auf Fig.7 sehen wir eine dem Dache so fest anliegende Zelle, dass sie fast eins mit ihm er- scheint. Auf Fig. 23 sehen wir sehr deutlich den Unterschied zwischen den normalen Zellen mit hellen Kernen und denen mit dunklen Kernen, die unzweifelhaft aus dem Dache stammen. Manchmal kann man auch Knospenbildung am Kern erkennen, z.B. auf Fig. 21. Diese Erscheinung ist recht interessant. Ich weiss nicht, ob überhaupt Fälle von Abtrennung einzelner Teile von dem Syneytium bekannt sind. Da sie nicht sehr zahlreich sind, können sie bei der Ernährung des Embryo keine grosse Rolle spielen, obgleich sie zum Teil von Phagozyten geschluckt werden. Neben dem Dache finden wir unregelmässig geformte Häufchen, die an die Kerne dieser Zellen erinnern. Sie liegen ent- weder frei umher oder werden von Mesenchymzellen aufgenommen (Fig. 28). Ich habe aber nicht gesehen, wie Korotneff (8), dass diese abgetrennten Zellen heil von anderen verschluckt worden wären. Einige Autoren, besonders Brooks, messen jedoch dem Hineinwandern einiger Zellen in den Körper des Embryo grosse Bedeutung zu. Seiner Ansicht nach geht die Ernährung nicht mit Hilfe der Diffusion vor sich, sondern besteht die Haupt- aufgabe der Placenta darin, besonders grosse wandernde Placenta- zellen zu ernähren, die dann aus der Placenta in den embryo- nalen Körper auswandern und ihn ernähren: darin bestehe Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 91 die einzige Funktion der Placenta. Das Austreten der Placenta- zellen beginne sehr früh und der Embryo fange erst dann an zu wachsen. Auf den Abbildungen dieses Autors sehen wir in der Placenta sehr grosse Zellen mit dunklem Plasma (siehe Fig. 28, Taf. XVII). Dasselbe bildet auch Salensky (14) von S. pinnata ab. Schon früher hat Todaro (17) diese Placentazellen unter dem Namen „corpi oviformi o germoblasti“ beschrieben. Er beschreibt sehr genau ihre Entstehung aus am Dachrande liegenden Zellen. Seine Beschreibung stimmt jedoch mit dem, was spätere Arbeiten festgestellt haben, so wenig überein, dass ich es vorziehe, sie hier nicht wörtlich anzuführen. Wichtig ist für uns nur, dass die Germoblasten aus der Placenta treten und ins embryonale Blut gelangen. Nach Todaro (17) sind sie von keiner Be- deutung für die Ernährung des Embryo. Auf Korotneffs (8) Fig. 13 und 17 finden wir grosse, den Placentazellen ähnliche Zellen, die er als Nephrocyten be- zeichnet. Unter diesem Namen beschreibt Kowalewsky einzeln verstreute Zellen im Körper verschiedener Wirbelloser, die solche Stoffe, die entfernt werden sollen, aufnehmen können. Kowa- lewsky hat das auf folgende Art festgestellt: er führte in den Körper des Tieres Farbstoffe, z.B. Karmin, ein; die Nephrozyten nahmen die Farbe auf. In diesem Falle ist jedoch eine experimentelle Nachprüfung unterblieben, es wäre auch wohl kaum möglich, sie auszuführen. Ausserdem gestattet es der Bau der Zellen nicht, die Anwesenheit irgendwelcher Fremdkörper in ihnen festzustellen. So haben wir gar keine Beweise dafür, dass Korotneffs Nephrocyten diese Rolle spielen. Bei S. democratica habe ich, wie auch andere Autoren, keine grossen Zellen in dem Dache gefunden. Wenn man an- nimmt, dass sie eine wichtige Rolle im Leben des Embryo spielen, müsste man zugeben, dass bei unseren Salpen die physiologischen Prozesse anders verlaufen, als bei den anderen Salpen; das ist kaum wahrscheinlich. Möglicherweise sehen diese Zellen hier anders aus. (sewisse Anzeichen finden sich für diese Annahme; ich erinnere z. B. an die der Placenta so fest anliegenden Zellen, die sich von den benachbarten durch ihren Bau unterscheiden (Fig. 7). Weiterhin weise ich auf die grossen Wandzellen der Placentalkammer hin; anfänglich haben sie die Fähigkeit, sich 92 C. Saint-Hilaire: fortzubewegen, sie können aus dem Embryo in die untere Placentalkammer wandern (s. Fig. 4). Wenigstens kann ich mir das Auftreten von grossen Zellen mit charakteristischem Kern in der Placenta nicht anders erklären. Möglicherweise bewegen sich die Zellen bei anderen Salpen in anderer Richtung. Korotneff (7) macht bei S. demoratica auf sie aufmerksam und weist auf ihre Ähnlichkeit mit den Nephrocyten bei S. punctata hin. Diese Frage kann nur durch eine neue spezielle Untersuchung ent- schieden werden. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wanderzellen in der Placenta steht die Frage nach der Phagocytose im Embryo und ihrer Bedeutung bei der Ernährung. Korotneff (9) wendet dieser Frage in seiner Arbeit besondere Aufmerksamkeit zu. Bei S. musculosa-punctata beginnen nach seinen Beobachtungen die Zellen des ursprünglichen Epithels, das auf den seitlichen Teilen des Embryo liegt und mit dem inneren Blatt der Falten- hülle verwächst, die im Embryo zurückgebliebenen Kalymmoeyten, d. h. die früheren Follikelzellen, zu verschlucken. Nach Ansicht des Autors scheint das Epithel „eine bedeutende Rolle in der Ökonomie des Embryo zu spielen“. In den Arbeiten von van Rees hat er Hinweise auf dieselbe Erscheinung gefunden. Er sagt: „van Rees teilt den „ÜUhorocyten* (Wanderzellen) ausser anderen wichtigen Funktionen die Aufgabe zu, in kräftig wachsende (zewebe (Epithel der Kiemen und Flossen von Torpedoembryonen, Haut und Darm der Puppen von Musca) einzudringen und durch ihren Untergang Material zu liefern“. In seinen Tunikatenstudien widmet Korotneff (8) ein ganzes Kapitel der Phagocytose. Er weist vor allem darauf hin, dass die bläschenhaltigen Zellen des Eleoblasten auf einem gewissen Stadium in ihrem Plasma andere kleinere Zellen ent- halten, die von dem vom Entoderm gebildeten Flügel abfallen. Der Autor nimmt an, dass diese kleinen Zellen von den grossen aufgenommen werden, in ihnen zugrunde gehen und so zur Er- nährung der bläschenhaltigen Zellen dienen. Diese verfallen ihrerseits der regressiven Metamorphose und werden von den Leucocyten ergriffen. Die Leucocyten spielen eine plastische volle: sie sammeln sich dort an, wo die Bildung des Stolo statt- findet. Über der Placenta finden wir im vorderen Teile nur kleine Leucocyten; im hinteren dagegen Phagocyten unbekannter Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 33 Herkunft, die in ihrem Plasma verschluckte Zellen beherbergen. Auch Nephroeyten werden von den Phagocyten aufgenommen. Ein so energischer Prozess der Zellenverdauung muss natürlich bei der Ernährung des Embryo eine grosse Rolle spielen. Ich fand bei S. democratica über dem Dache Zellen, die den von Korotneff abgebildeten sehr ähnlich sehen. Sie sind also phagocytär. Da sie aber nur auf bestimmten (mittleren) Stadien zu sehen sind, kann ihnen keine grosse Bedeutung zuge- schrieben werden. Das Gesagte beweist, wie mir scheint, dass in dem Prozesse der Weiterbeförderung der Nahrungsstoffe aus dem Dache die Mesenchymzellen eine grosse Rolle spielen und das Nährmaterial in substantia bekommen um es weiter zu geben. Dieser Prozess nimmt mit der Zeit an Stärke ab und wird allmählich durch Osmose ersetzt, was von verschiedenen Be- dingungen abhängt. Vor allem beachte man das Häutchen, das das Placental- dach von oben bedeckt und das einen so charakteristischen Bau hat. Einen ganz ähnlichen Bau hat die Kutikula auf den Zellen des Dünndarms und anderer Organe, durch deren Zellen viel Flüssigkeit wandern muss. Das halte ich für ausserordentlich wichtig. Wir sehen daraus, dass die Zellen völlig verschiedener Organe, die nichts Gemeinsames untereinander haben, unter den- selben physiologischen Bedingungen dieselben Veränderungen aufweisen. Ausser dieser gestrichelten Kutikula existiert ja noch ein ihr dicht anliegendes Häutchen, das ich schon oben erwähnte. Auch durch dieses Häutchen müssen die Nährstoffe wandern. Es erscheint auf späteren Entwicklungsstadien und entwickelt sich, wie ich zeigte, aus Bindegewebszellen, folglich ist es wenigstens im Anfang seiner Entwicklung nicht kontinuierlich. Dadurch kann man sich auch erklären, warum es sich auf Präparaten oft vom Dache löst, so dass zwischen letzterem und dem Häutchen ein von Flüssigkeit angefüllter Raum sich bildet, wo sich manchmal sogar Zellen finden. Die Flüssigkeit gibt mit keaktiven einen Niederschlag. Der Bau des Bindegewebshäutchens muss einen grossen Einfluss auf die Ernährungsweise des Embryo haben. Vorher 94 C. Saint-Hilaire: spielen die Mesenchymzellen eine grosse Rolle bei der Weiter- gabe der Nahrung, hat sich das Häutchen aber einmal gebildet, so verlieren sie gleich an Bedeutung. Daher verschwinden sie und werden durch Blutkörperchen ersetzt. Folgendes muss beachtet werden: das Dach der Placenta ist, wie wir wissen, kuppelförmig:; die Kuppel stützt sich auf die untere Wand der Atemhöhle (Fig. 9), die aus einer flachen Epithelschicht besteht. Letztere ist vom Dache nur durch eine Schicht feinster Zellen getrennt, so dass Flüssigkeiten mit Leichtigkeit durchgelassen werden können. Diese Annahme wird durch den Umstand, dass sich auf einigen Präparaten in der Atemhöhle eiweissartige (rerinnsel finden, bestätigt. Wenn die Placenta sich vom Embryo abzuschnüren beginnt, verringert sich die Zahl der Mesenchymzellen auf dem Dache, dafür erscheinen immer mehr Blutkörperchen. Zu dieser Zeit beginnt die Pulsation des Herzens, das die Blutkörperchen anfangs nur wenig vorwärtstreibt. Diese unterscheiden sich sehr von denjenigen der Mutter. Beim Embryo bilden sich die Blut- körperchen hauptsächlichneben dem Eleoblasten. Auf vital gefärbten Embryonen sieht man an dieser Stelle Zellen, die sich in Blut- körperchen verwandeln; von den Mesenchymzellen kann man sie allerdings nur durch ihre eigenartige Bewegung unterscheiden, vgl.z.B. Fig. 47 d, e, Fig.44a (Blutzellen) und Fig. 45 (Mesenchym- zellen). Die körnigen Zellen sind von Anfang an deutlich sichtbar. Ich habe einige solche Zellen auf Fig. 50 abgebildet. Wir sehen in ihnen regelmässige gefärbte Körner, die den Körnern in den körnigen Zellen ähneln. Sie sammeln sich allmählich an. Das Auftreten der körnigen Zellen ist auf fixierten Präparaten schwer zu verfolgen. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass sie sich sehr spät entwickeln; wirklich gut kann man sie nur bei fast reifen Embryonen sehen. Auf früheren Stadien fand ich sporadisch zerstreute Zellen, deren Plasma mit sauren Farbstoffen gefärbt war, doch bin ich nicht sicher, dass.es wirklich die Körnerzellen sind. In früheren Arbeiten finden wir in dieser Frage folgendes. Todaro (16) beschreibt eine sehr merkwürdige Entwicklung der Blutkörperchen: von der Blutknospe trennen sich nach ihm Zellen ab, die sich teilen und in winzige Teilchen, die bei ge- wöhnlichen Vergrösserungen kaum noch zu sehen sind, zerfallen. Diese wandern durch die Placenta und gelangen ins Blutgefäss- Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 95 system des Embryo. Es ist schwer zu entscheiden, was diese Körperchen vorstellen, doch kann man mit Bestimmtheit sagen, dass sie nichts mit Blutkörperchen gemeinsam haben. Korotneftf (8) bildet bei S. pinnata im Sinus über der Placenta Leucocyten von verschiedener Grösse in grosser Anzahl ab. Sie bilden sich seiner Ansicht nach aus den zwischen dem Dache und den Seitenwänden liegenden Zellen. Fernandez (3) resümiert die Literaturangaben und schliesst sich der Meinung der anderen Autoren an, wonach die Blut- körperchen im Salpenembryo sich aus den Mesenchymzellen des Blastocoels entwickeln. Nach Todaro (17) bilden sich die Blut- körperchen das ganze Leben hindurch aus dem am Darme liegenden Mesenchym. Dieser letzteren Ansicht kann ich mich nur anschliessen. Fig. 55 zeigt einen solchen mesenchymatischen Zellenhaufen, in dem gekörnte und nicht gekörnte Blutzellen gebildet sind. In dem Maße, wie der Embryo sich entwickelt, vergrössert sich die Zahl der Blutkörperchen und verstärkt sich die Herz- tätigkeit. Auf der Placentakuppel bildet sich ein Raum. der nach unten hin durch das oben beschriebene Häutchen aus Binde- Fig HH gewebszellen und dem äusseren Epithel gebildet wird. In diesem Raume bewegt sich das Blut in einer ganz bestimmten Bahn, die bei mir auf Fig. H abgebildet ist. Ebenso wie der Eingang 96 C. Saint-Hilaire: zur Placenta sich verengert, so wird auch der embryonale Teil der Plaeenta — der Stiel — schmäler und es entsteht in ihm eine Zwischenwand, die ihn in zwei Gänge teilt. Diese Wand finden wir bei Todaro (16), Huxley (6) und anderen abge- bildet. Das aus dem Herzen kommende oder zum Herzen zurück- kehrende Blut passiert die Placenta. Beim Eintritt in dieselbe teilt sich der Blutstrom in einen rechten und einen linken Arm, wobei der Hauptstrom am Rande der Placenta fliesst; unbedeutende Arme gehen sogar längs den Wänden. Die Zwischenwand ist aber nicht vollständig, was ich besonders betonen will, sondern sie besitzt eine kleine Öffnung, durch die, wenn auch selten, Blutkörperchen wandern. All dieses kann man ausgezeichnet am lebenden, vital gefärbten Embryo beobachten. So zweifellos die Beteiligung der auf dem Dache liegenden Zellen an der Weiterbeförderung der Nährstoffe aus der Placenta in den Embryo anfangs ist, ebenso sicher ist in den späteren Stadien die unmittelbare Weitergabe von Flüssigkeiten direkt ins Blut des Embryo. Die energische Blutzirkulation zeigt, dass der Embryo reichlich, gewiss auf osmotischem Wege, von der Mutter mit Nährstoffen versorgt wird, wir können aber nicht sehen, wie diese die Placenta passieren. Ich glaube, dass auch hier in dem Körper des Embryo die Blutzellen eine Rolle in der Ernährung spielen (siehe die Zellen aus dem perivisceralen Sinus, Fig. 47, b—e). Man sieht sehr gut, wie sie im Stolo zirkulieren. Es scheint, dass sie von hier auch in die Kettensalpen eindringen können. Ich habe in den letzteren sehr grosse Körnerzellen gefunden (Fig. 48 a). Die Blutzirkulation bleibt in der Placenta sogar dann, wenn der Embryo den mütterlichen Körper schon verlassen hat, ununter- brochen, und wir können dann ihre allmähliche Degeneration beobachten, wobei der Blutkreislauf fürs erste erhalten bleibt. Erst nach der endgültigen Umwandlung der Placenta hört er auf. Die Degeneration der Placenta. Es ist recht interessant, das weitere Schicksal der Placenta zu verfolgen, wenn der Fötus den mütterlichen Körper bereits verlassen hat. Barrois (1) beschreibt den Degenerationsprozess der Placenta bei S. maxima folgendermassen: ihr Stiel wird immer dünner, sie selbst wird in den Körper des Embryo hineingezogen. Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 97 Sie kann sich vollständig vom Körper losreissen und liegt dann frei im Inneren des Mantels. Ohne Zweifel, meint Barrois, zerfällt sie in viele Körner und wird vom Blutstrom fortgeführt. Nach meinen Beobachtungen bei S. democratica verläuft der Prozess etwas anders. Die Degeneration vollzieht sich sehr langsam. In Salpen mit gut entwickeltem Stolo fand ich noch Überreste der Placenta in Form kleiner Anhängsel an der Bauch- seite im Mantel liegend. Am natürlichsten wäre die Annahme, die Placenta sei als Organ, das seine Funktion verloren hat, durch Phagocyten ver- niehtet worden. Doch findet nichts Ähnliches statt, ein phago- cytärer Prozess wird hier nie beobachtet. Der Fötus reisst sich leicht und rasch los, manchmal sogar bevor er ganz reif ist. Das ist verständlich, wenn wir bedenken, auf welche Art er mit der Mutter verbunden ist (Fig. 34). Dabei reissen die Wände der Placentalkammer oberhalb des den Eingang verengenden Ringes ab; die Ränder weichen auseinander, so dass der Eingang in die Placenta ganz breit wird (Fig. 24). Die Stränge des Syneytiums zerreissen und hängen frei herab. Die Zellen der Placentalkammer werden rund und rollen geradezu hinaus. Nur der Mantel hält sie zurück. Zu dieser Zeit ist er ja schon deutlich zu sehen. Das Placentaldach ist glockenförmig und weist einen charakteristischen Bau auf. Es zerfällt in einen dichteren, dem Syneytium anliegenden Teil und einen lockeren, der an den Blutsinus grenzt. Die Blutzirkulation in der Placenta bleibt sehr lange bestehen. Das Dach bildet Falten (Fig. 37). Manchmal kann man das schon sehen, während der Fötus noch an der Mutter befestigt ist. Dabei tritt das Häutchen, das zwischen dem Dache und dem Blutraume liegt, deutlich hervor. Auf Fig. 54 ist die mit Neutralrot gefärbte Placenta einer kleinen solitären Salpe abgebildet. Das ehemalige Syneytium ist jetzt rosa gefärbt, es enthält einen dunklen, kugelähnlichen Einschluss, offenbar die Überreste der Kammerzellen. Über dem Syneytium sieht man das Dach mit gefärbten Körnern. Es wölbt sich kuppelförmig nach oben vor. Durch eine punktierte Linie ist die Richtung des Blutstromes bezeichnet. Anfangs enthält das degenerierende Dach noch seine plasma- tischen Elemente: die kleinen und grossen Fettkörner, die gefärbten Bläschen und andere. Im Laufe der weiteren Veränderungen Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. 7 98 C. Saint-Hilaire: wird die Plasmaschicht dünner und der innere Bau immer weniger unterscheidbar. Es bilden sich immer mehr Falten. Die Balken des Syneytiums verschmelzen allmählich und es entsteht ein einheitliches strukturloses, feinkörniges Plasma- klümpchen, das die Glocke des Daches ausfüllt (Fig. 56). Selten finden sich Zellen in ihm, manchmal Wanderzellen, oder solche, die aus den Blutgefässen stammen. Die Körner des Syneytiums häufen sich manchmal an einer Stelle an und behalten ihre Lebenseigenschaften und die Fähigkeit, sich zu färben (Fig. 37). Die Kammerzellen fallen, wie ich schon sagte, manchmal aus der Placenta, sie können aber auch zurückbleiben, wie auf dieser Figur zu sehen ist; dann ziehen sie sich zusammen und ihr Plasma erleidet eine körnige Metamorphose. Bei Degeneration von Geweben überhaupt kann man oft eine fettige Umwandlung bemerken. In der Placenta kommt das nicht vor. Allerdings wird die degenerierende Placenta durch Osmiumsäure gefärbt, aber durch und durch, nicht die einzelnen Plasmakörner. Auf diesem Stadium spielt die Placenta offenbar nicht mehr die Rolle eines ernährenden Organs, worauf man aus ihrem ungewöhnlich langsamen Verschwinden schliessen kann. Die Salpe ernährt sich dann schon mit Hilfe ihres Darms. Trotzdem stellt die Placenta dann noch eine Anhäufung von Nährmaterial vor, wovon einige lösliche Stoffe ins Blut übergehen können. Da zwischen der Placenta der Salpen und derjenigen der Säugetiere in physiologischer Beziehung eine so grosse Ähnlich- keit vorhanden ist, kann man fragen, ob sie sich auch in morphologischen Eigenschaften gleichen. Brooks (2) verneint diese Frage. Er sagt wörtlich: „We should hardly expect fundamental similarity in structures of diverse origin. On the contrary, we might reasonably look for profound differences between the placenta of salpa and that of the mammals.“ Seiner Meinung nach besteht der Hauptunterschied darin, dass bei den Säugetieren die mütterlichen Blutgefässe in dichte Berührung mit denen des Embryo gelangen, was den Stoffwechsel zwischen ihnen erleichtert; bei den Salpen liegt zwischen der fötalen Leibeshöhle und den mütterlichen Blutgefässen eine dicke Schicht Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 99 placentaren Gewebes. Dieser Unterschied ist natürlich vorhanden, doch gibt es auch eine grosse durchaus beachtenswerte Ähnlichkeit zwischen ihnen: sowohl in dem einen, wie auch in dem anderen Organ existiert ein syncytiales Gebilde. Wenn wir uns mit der Zusammenfassung eines Spezialisten in dieser Frage, Prof. H. Strahls (15), im „Handbuch der ver- gleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbel- tiere“ bekannt machen, finden wir folgende Angaben. Das zwischen den mütterlichen und den embryonalen Blutgefässen liegende Syncytium ist bei den Säugetieren gewöhnlich. Nach den Untersuchungen von Hill bei Parameles aus den Marsupialia „verdickt sich die Uteruswand und ihr Epithel verwandelt sich in ein starkes Syneytium“. Die Kerne bilden geschlossene Gruppen. Das Syncytium ist bei den Raubtieren, den Nagetieren, den Primaten und speziell beim Menschen deutlich ausgedrückt. Es geht aller Wahrscheinlichkeit nach, wie bei Parameles, aus dem mütterlichen Epithel hervor. Duval weist diese Annahme zurück, indem er beweist, dass das letztere verschwindet, während die Neubildung aus der äusseren Schicht der Serosa hervorgeht. Jeden- falls ist diese Frage sogar für den einzelnen Fall noch nicht gelöst. Das Syneytium kann sich sowohl aus der einen, wie auch aus der anderen Schicht bilden, beides ist gleich wahrscheinlich. Wir können nur H. Strahl beistimmen, wenn er zum Schlusse sagt: „Dass Syneytien allgemein von sehr verschiedener Grund- lage aus und auf verschiedenen Wegen entstehen können, ist den neueren Untersuchungen nach anzunehmen.“ Offenbar ist das eine allgemeine Eigenschaft, die mit dem Ernährungsprozess im Zusammenhange steht. Sowohl bei den Säugetieren, wie auch bei den Salpen passieren grosse Nährstoft- mengen die Placenta. Es wäre interessant, den feineren Plasma- bau im Synceytium der Säugetiere zu untersuchen. Wahrscheinlich würden wir auch hier eine grosse Ähnlichkeit mit den Salpen finden. Nach A. Maximow entsteht das Syncytium der Säugetier- placenta durch Verschmelzung von Zellen; bei den Salpen ist dasselbe der Fall. Es ist zu bemerken, dass M. Heidenhain (4) in seinem Buche „Plasma und Zelle“ (II) drei Zellen des Deciduaepithels vom Kaninchen zeichnet, die einen Bürstensaum tragen, wie unsere Salpenplacenta. 7* 100 C. Saint-Hilaire: Ich erinnere noch an einige Fälle von Bildung eines Syn- cytiums, z. B. bei den Eiern der Fische, beim Follikelepithel auf den Eiern der Cephalopoden, beim Entoderm in den Ernährungs- individuen von Siphonophoren. Alle Fälle stehen mit verstärkter Nährstoffweitergabe im Zusammenhang. Wir können also mit Recht den Schluss ziehen, dass wir hier ein Beispiel von kon- vergenter Abhängigkeit zwischen dem Bau eines Gewebes und seinen physiologischen Funktionen vor uns haben. Spätere Unter- suchungen müssen noch feststellen, welcher Art der zwischen diesen beiden Erscheinungen existierende Zusammenhang ist. Was die physiologische Ähnlichkeit der Salpen- und der Säugetierplacenta anbetrifft, so sehen wir, dass sie viel weiter geht als man annehmen konnte. Strahl spricht von den ver- schiedenen Arten der embryonalen Ernährung bei Säugetieren und sagt folgendes: „Für den Fötus verwertbare Stoffe können geliefert werden: 1. als Iymphoides Transsudat: 2. als Sekret entweder des Ober- flächenepithels im Uterus oder der Uterindrüsen; 3. durch Zerfall mütterlichen Gewebes, und zwar solchen von a) durchwanderten Lymphzellen. b) Epithelzellen, Bindesubstanz; 4. durch Fxtra- vasierung wmütterlichen Blutes; 5. durch Osmose und Diffusion aus mütterlichen Blutgefässen.“ Die genannten Modi der Ernährung des Embryo können wir in zwei Kategorien gruppieren, nämlich: Aufnahme der Nahrung in flüssigem Zustande und als zellige Elemente. Der erste Modus ist fast für alle Gewebe des Körpers gemein, wir können ihn beiseite lassen; was aber den zweiten betrifft, so kommt er ziemlich selten vor. Ich habe diese Erscheinung speziell im Darme der Echino- dermata beobachtet und mich mit allen Hypothesen über die Bedeutung der Wanderzellen bekannt gemacht. Es ist eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung, dass die einen Zellen von anderen verschluckt werden zwecks Ernährung des ganzen Organismus. Als Beispiel können wir hierfür anführen: das Verschlucktwerden von Eizellen durch andere, die Aufnahme degenerierender Eizellen durch Follikelzellen, die Hystolyse bei der Entwicklung von Insekten, Amphibien und anderen Tieren. Doch lassen sich keine Beispiele dafür nennen, dass Wanderzellen verschluckt würden. Es wurde die Annahme ausgesprochen, die Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 101 Wanderzellen könnten im Darmepithel Nährstoffe aufnehmen und durch den Körper führen, doch hat diese Hypothese wenig für sich, denn nachgewiesenermassen dringen die Wanderzellen wohl in die Darmhöhle ein, kehren jedoch von dort nicht mehr zurück. Nun sehen wir aber, dass in zwei analogen Organen, der Säuge- tier- und der Salpenplacenta, eine derartige Zellenaufnahme im Interesse der Ernährung stattfindet. Dieses Zusammentrefien ist sehr merkwürdig. Diese allgemeinen Resultate haben mir gezeigt, wie uner- lässlich eine detaillierte Untersuchung des Baues und der Physiologie der Placenta bei anderen Salpenarten ist; wir würden dann zu viel weitgehenderen Schlüssen kommen. Ich bin über- zeugt, dass der Unterschied in Bau und Entwicklung der Placenta bei den verschiedenen Arten von Salpen nicht so bedeutend ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, und dass es gelingen muss, die Bedeutung dieser artlichen Unterschiede zu erkennen. Dazu sind neue Untersuchungen an lebendem Material nötig, und ich hoffe, in Zukunft die Möglichkeit zu haben, diese Unter- suchungen fortsetzen zu können. Bis dahin muss ich mich damit, was ich bei S. democratica ausrichten konnte, zufrieden geben und halte es für meine Pflicht, meine innigste Dankbarkeit der russischen zoologischen Station in Villafranca auszusprechen für den mir gewährten Arbeits- platz und besonders Herrn Dr. M. Dawydoff für seine mir erwiesene Aufmerksamkeit und für seine Bereitwilligkeit, mir mit Rat und Tat beizustehen. Jurjew, den 10. April 1911. Literaturverzeichnis. 1. Barrois, J.: Memoire sur les membranes embryonnaires des Salpes. Journ. de l’anatomie et phys., Vol. 17, 1881. 2. Brooks, W.: The Genus Salpa. Mem. Biol. Lab. J. Hopkins Univ., 1893. 3. Fernandez, M.: Zur mikroskopischen Anatomie des Blutgefäßsystems der Tunicaten. Jen. Zeitschr. f. Nat., Bd. 39, 1905. 4. Heidenhain, M.: Plamsa und Zelle, zweite Lief., 1910. 5. Heider: Beiträge zur Embryologie von Salpa fusiformis. Abh. Senckenb. Ges. Frankfurt, Bd. 18, 1895. Huxley: On the Anatomy of Salpa and Pirosoma. Phil. 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Schnitt durch die Placenta: mittleres Stadium; Formol 10°); Triacid; DD. 9. Querschnitt des Embryo; früheres Stadium; Flemming; Safranin- Lichtgrün; DD. 10. Die Placenta der Salpa democratica-mucronata. 103 Schnitt durch den Embryo; mittleres Stadium; Subl.-Essigsäure; Borax-Carmin; DD. Tafel VI. Eingang in die Placenta, Teil des Totalpräparates eines älteren Embryo; Osmiumsäure; DD. Totalpräparat eines Embryo ; Osmiumsäure; Venezianischer Terpen- tin; D. Dach der Placenta eines älteren Embryo; Osmiumsäure; DD. Schnitt durch die Placenta; mittleres Stadium; Flemming; 3 mm. Teil des Balkens des Syneytium der Placenta; Flemming; Imm. 2 mm. Schnitt durch das Dach; Flemming; Safranin; Imm. 2 mm. Schnitt durch die Placenta desselben Embryo; Imm. 3 mm. Zwei Zellen der Placentalkammer : Osmiumsäure ; Imm. 2 mm. Schnitt durch das Dach (schräg); Formol 10°; Eisen-Hämatoxylin Imm. 3 mm. Schnitt durch die Placenta; älteres Stadium ; Formol 10°; Eisen- Hämatoxylin. Teil desselben Präparates stark vergrössert. und 23. Zwei Schnitte eines Embryo; früheres Stadium; Flemming; Hämatoxylin; DD. Schnitt durch die Placenta einer jungen Salpa; Flemming; Eisen-Hämatoxylin. Cuticula des Daches, stark vergrössert. Tafel VI. Schritt durch die Placenta; älteres Stadium; Formol 10°o; Triacid; DD. Teil des Syneytiums; Flemming; Safranin; Imm. 2 mm. Oberflächlicher Schnitt des Synceytiums ; mittleres Stadium ; Gilson; Triacid; Imm. 2 mm. Schnitt durch das Dach; dasselbe Präparat wie Fig. 26. Dasselbe; Subl.-Essigsäure; Triacid (schwach gefärbt); Imm. 2 mm. Dasselbe; Formol 10°; Triacid; Imm. 2 mm. Dasselbe; Flemming; Safranin; Imm. 2 mm. Schnitt durch die Placenta einer solitären Salpa; Subl.-Essigsäure; Borax-Carmin; B. Schnitt durch den Eingang in die Placentalkammer; Subl.-Essig- säure; Triacid; Imm. 2 mm. Dasselbe Präparat wie Fig. 27. Totalansicht einer lebendigen Placenta; DD. Schnitt durch die Placenta einer solitären Salpa; Flemming; Triacid; DD. Sehnitt durch die Placenta; früheres Stadium; Gilson; Eosin- Methylenblau ; Imm. 3 mm. 104 G. Saint-Hilaire: Die Placenta der Salpa etc. Tafel VIII. . 39. Ausgepresste Placenta; frisch; Neutralrot; Imm. 3 mm. . 40. Teil des Syneytiums:; ausgepresst: Neutralrot; Imm. 3 mm. ', 41 und 42. Zellen zweier Placentalkammer - Schichten; Neutralrot ; Imm. 3 mm. . 43a, b. Körnerzellen aus dem Syneytium; Neutralrot; Imm. 2 mm. g. 44 a—d. Blutkörperchen aus einem jungen Embryo; Neutralrot; Imm. 2 mm. . 45 a—e. Mesenchymzellen aus dem jungen Embryo; Neutralrot ; Imm. 2 mm. ;. 46. Embryo, Totalansicht; Neutralrot; B. . 47 a—e. Blutkörperchen einer kleinen solitären Salpe; Neutralrot; Imm. 2 mm. g. 485a—e. Blutkörperchen aus dem perivisceralen Raum einer kleinen Kettensalpe; Neutralrot; Imm. 2 mm. . 49a—g. Blutkörperchen einer grossen Salpe; Neutralrot; Imm. 2 mm. '. 50 a—c. Mesenchymzellen eines grossen Embryo; Neutralrot; Imm. 2 mm. g. 51. Topographie der Wanderzellen in einem Embryo. . 52 a—e. Einige dieser Wanderzellen; Neutralrot; Imm. 2 mm. . 53a—e. Mesenchymzellen, die über dem Dache liegen; Neutralrot; Imm. 2 mm. 54. Placenta einer solitären Salpa; frisch: Neutralrot; DD. . 55. Periviscerales Mesenchym einer kleinen Kettensalpe; Neutralrot; DD. . 56. Schnitt durch die Placenta einer solitären Salpe; Subl.-Essigsäure; Borax-Carmin; B. Aus der Histologischen Abteilung der höheren medizinischen Frauenkurse zu Kiew. Zur Frage über die Bedeutung der Panethschen Zellen. Von Privatdozent Dr. K. Miram. Hierzu Tafel IX. Die Frage nach dem Vorkommen und nach der Bedeutung der Panethschen Zellen ist ungeachtet vieler zu ihrer Beant- wortung unternommener Arbeiten noch eine offene. Ich sehe hier unter Hinweis auf die Literaturzitate. von einer literarischen Einleitung ab und wende mich zur Darstellung der Versuche, die ich jüngst zur Klarstellung der Bedeutung der Panethschen Zellen unternommen habe. In vier gläserne Gefässe wurden je fünf Mäuse zu gleicher Zeit (am 14. April um 12 Uhr 30 Min.) eingesetzt und ver- schiedener Diät verschiedene Zeit lang unterworfen. Anfangs erhielten sie auch Wasser, da sie es aber nicht gerne tranken, so wurde allen das Wasser zu gleicher Zeit entzogen. — Im Glase I waren Mäuse, welche vollständiger Inanition unterworfen waren, im Glase II erhielten die Mäuse gekochtes Hühnereiweiss, im Glase III geschmolzenes Schweinefett, im Glase IV Kohlen- hydrate (Oblaten). Von diesen Mäusen starben zwei aus dem Glase II und zwei aus dem Glase III, je eine am dritten und vierten Beobachtungstage und kamen nicht zur Untersuchung. Am 15. April um 12 Uhr 30 Min. wurden nacheinander aus allen vier Gefässen je eine Maus getötet und Stücke zur Fixation entnommen. Diese Serie wird als A bezeichnet. Eine zweite Serie (B) wurde am 16. April um 11 Uhr morgens, also nach zweitägiger Diät, getötet. Serie © kam zur Untersuchung am 15. April um 10 Uhr 45 Min. Bei Serie D und E blieben nur Mäuse im Glase I und IV; von diesen kamen D am 19. April um 11 Uhr 15 Min. und E am 20. April um 10 Uhr 50 Min. zur Untersuchung. Dabei muss erwähnt werden, dass aus dem Glase I von der Serie D die Maus in extremis und die Maus E 106 K. Miram: tot untersucht wurden. — Ferner haben wir für die Gefässe II und III Kontrollversuche angestellt, nämlich für die Fettkost (III) zwei und für die Eiweisskost (II) drei Versuche: am 7. Mai um 10 Uhr 10 Min. morgens wurden zwei Mäuse in ein Gefäss ein- gesetzt und ihnen roher Schweinespeck gegeben (dieser wurde von den Mäusen besser als geschmolzenes Schweinefett gefressen). Eine von ihnen wurde am 8. Mai um 11 Uhr 45 Min., also etwa nach 24 Stunden (A!) und die andere (C!) am 10. Mai um 11 Uhr morgens (3 x 24 Stunden) getötet. Die drei Kontrollmäuse für die Eiweissdiät (II) wurden am Ss. Juni um 5 Uhr nachmittags eingesetzt und je eine nach 24, 48 und 72 Stunden getötet (Serie A', B! und C'). Als Nahrung erhielten sie ein aus Hundeblut hergestelltes, in fliessendem Wasser ausgewaschenes und bei 100° C. getrocknetes Fibrin, welches sie gern frassen. Die erwähnte Versuchsanordnung ist aus folgender Tabelle ersichtlich: _ — | - ja! - — _ Dauer der Versuche A.| 24 Stunden Pr“ = | ; — — ——| = | = = = an B. zweimal 24 Stunden = = S = —. ——— = 2 2 =: N ö — un IE) m C. | viermal 24 Stunden ae ae Aleraer £ 7 Zr Mt Er MEINE D. fünfmal 24 Stunden | er © E. sechsmal 24 Stunden Kontrollversuche: Dauer der Versuche II IBEI A!. 24 Stunden ah = 31 zweimal 24 Stunden o & Tess _— __ en, = GC! dreimal .24 Stunden es ef Sämtliche Mäuse (ausser IE) wurden durch Decapitation getötet und aus dem noch lebenswarmen Darme Stücke von 2 cm Länge, etwa 3 cm vom Magen entfernt, herausgeschnitten und in Fixierungsflüssigkeit gelegt. Die weitere Behandlung erfolgte für alle Präparate auch in gleicher Weise und die zu gleicher Zeit entnommenen Stücke wurden auch weiter zu gleicher !) Die mit * bezeichneten kamen nicht zur Untersuchung. Die Bedeutung der Panethschen Zellen. 107 Zeit behandelt. Als Fixierungsflüssigkeit diente 5proz. Formol- lösung, welcher 5 Proz. einer 1proz. Chromsäurelösung zugefügt wurde, ferner Flemmingsche Lösung und Alkohol. Für die weitere Untersuchung kamen jedoch nur die Formol-Uhromsäure-Präparate, welche mir ein sehr befriedigendes Resultat gaben, in Betracht. Die Darmstücke wurden 24 Stunden fixiert, in fliessendem Wasser acht bis zehn Stunden gespült, kamen darauf in 70° Alkohol und weiter in Alkohol von steigender Konzentration, Alkohol absolutus, Chloroform, Chloroformparaffın und Paraffın. Die 5 « dicken Schnitte würden mit destilliertem Wasser auf Deckgläschen geklebt und nach üblicher Behandlung mit Xylol, Alkohol und Wasser in Triacid (von Grübler) eine Minute lang gefärbt, im Wasser bis zum Verschwinden der für diese Farbmischung charakteristischen Ringe, welche sie beim Ablaufenlassen des Wassers vom Präparat auf Fliesspapier zurück- lassen, gespült, ferner in Alkohol absolutus bis zum Verschwinden von Farbennubecula behandelt und nach Xylol in Kanadabalsam eingebettet. Es wurden noch verschiedene andere Färbungen (Van Gieson, Hämatoxylin-Eosin, Thionin-Fuchsin, Färbungen nach Bensley und Manouelian u.a.) angewandt: doch blieben wir hauptsächlich beim Triacid nach Formol-Chromsäurefixation, was uns genügende Resultate bot und der gleichen Behandlung wegen auch genauere Schlüsse auf das Verhalten der Körnelung bei ver- ° schiedener Diät gab. I. Hungerversuche. Versuch A. Dauer der Inanition 24 Stunden. Die Krypten des Dünndarmes stellen recht grosse, öfters breite Lumina dar, welche mit hohem Epithel bekleidet sind. Zwischen grossen und breiten Zellen sind auch recht viele äusserst schmale zu verzeichnen. Die Kerne des klaren Belegeepithels sind sehr gross und hell, die des schmalen kaum zu be- merken, da diese Zellen auch verhältnismässig dunkel tingiert sind. Die Kerne der Körnchenzellen sind dagegen dunkler, teils von den Körnchen bedeckt, teils sieht man sie auch frei von denselben. Die Körnchen stellen recht grosse Gebilde dar, welche verschieden intensiv, meist aber sehr gut sich färben lassen; es finden sich unter ihnen recht grelle Körnchen. Diese sind nicht nur in den Zellen gelagert, sondern können auch freiliegend an denselben im Lumen der Krypten gefunden werden. Die Krypten sind meist leer, in diesen sieht man nur sehr wenig feinkörnige Substanz. In den hellen Belegezellen der Krypten können eventuell auch Teilungsfiguren beobachtet werden; in den Körnchenzellen sind diese nirgends zu bemerken. 108 K. Miram: Versuch B. Dauer der Inanition 2X24 Stunden. Die Panethschen Zellen sind in grosser Menge in den meisten Krypten deutlich zu sehen. Ihre Körnchen sind über die ganze Zelle zerstreut, indem sie meistenteils den Kern verdecken. Grosse Körnchen werden von hellen deutlichen Zonen umgeben. Zwischen ihnen sind auch feinere zerstreut. Die Körnchen lassen sich meist mattrötlich färben, öfters sieht man auch solche von lebhaft orangegelber Farbe. In einigen Krypten ist eine schmutzig- rötliche homogene Masse vorhanden, welche dicht an die Körnchenzellen stösst. Schmale Zellen sind oberhalb der Körnchenzellenzone zu sehen. Versuch C. Dauer der Inanition 4X 24 Stunden. Es ist auch in diesem Präparat eine grosse Anzahl der Panethschen Zellen zu finden. Die reichlichen Körnchen sind deutlich über einige Nachbar- zellen, welche keine deutlichen Grenzen aufweisen, zerstreut. Sie sind überall mattlich grün oder violett gefärbt und es kann nirgends die sonst lebhaft rote oder orangegelbe Farbe derselben gefunden werden. Unter den Panethschen Zellen sind ausserdem, freilich selten, sehr grosse und helle Gebilde zu finden, welche nur einzelne Körnchen aufweisen. Der Kern solcher bleicher Zellen ist sehr gross, füllt vollständig den Basalteil der Zelle aus, scheint arm an Chromatin zu sein, enthält aber ein deutlich ausgeprägtes Kernkörperchen. — Homogene Massen, welche im Lumen der Krypten ab und zu angetroffen werden, weisen an den Körnchenzellen kleine Klümpchen auf, welche scheinbar in unmittelbarem Zusammenhang mit den Körnchen der Zellen stehen. Der freie Rand der hellen Zellen, welcher sonst kaum markiert ist, weist einen Saum auf, der an ein schwach ausgeprägtes Bourrelet denken lässt. Ihre Kerne weisen ab und zu homogene Struktur auf und sind schmutziggrün tingiert. Die Panethschen Zellen sind auch in diesem Falle, wie gewöhnlich, nackt. Versuch D. Dauer der Inanition 5X 24 Stunden. Die Maus in extremis getötet. In diesem Präparat sind die Krypten auffallend schmal. Die Grenzen zwischen hellen Belegezellen sind kaum zu bemerken, ihre Kerne sind vollständig homogen und intensiv schmutziggrün gefärbt, was auf Pyknose der Kerne und den necrobiotischen Zustand der Zellen hinweist. In den Panethschen Zellen sind nur selten grobe Körn- chen zu sehen. Dagegen findet man in den Krypten reichliche Massen meist feiner und nur selten grobklumpiger Beschaffenheit, welche sich schmutzig violett bezw. rötlich oder orangegelb färben lassen. Versuch E. Dauer der Inanition 5!/x24 Stunden. Die Maus war am Morgen tot gefunden worden. Die Krypten sind sehr schmal. Ihre Belegezellen sind meist trüb, zum Teil vakuolisiert. Die Grenzen sind vollständig verwischt. Die Kerne sämtlicher Zellen weisen einen hohen Grad von Pyknose auf. Im Innern der Krypten ist eine fein- körnige Masse zu finden. Panethsche Zellen können nirgends angetroffen werden. Die Bedeutung der Panethschen Zellen. 109 11. Eiweisskost. Die Veränderungen der Panethschen Zellen bei Eiweisskost haben mir kein sicheres Urteil über das Verhalten der in ihnen befindlichen Körnelung gegeben. In den Präparaten von Versuchen A und B, welche dem Zeitraum von 24 und 2x 24 Stunden entstammen, findet sich eine reichliche Menge von grobkörnigen Zellen mit bedeutendem Inhalt von Körnchen in denselben. Darunter findet man auch in bedeutender Anzahl schmale Zellen, welche hauptsächlich an den Seiten, aber auch zwischen den grobkörnigen Zellen zu finden sind. Im Präparat vom Versuch © (Hühnereiweiss 4 x 24 Stunden) findet man dagegen kleinere Körnchen unregelmässiger Gestalt, welche in den Panethschen Zellen eingeschlossen sind. Mitunter können in diesen auch vakuolenartige Gebilde, welche von orangegelben Umrissen begrenzt sind, beobachtet werden. Auch im Lumen der Krypten sind kleine orange- gelbe Körnchen und Klümpchen von unregelmässiger Gestalt anzutreffen. Bei den Kontrollversuchen A!, B! und C!, welche den Zeiträumen von 24, 2x 24 und 3x 24 Stunden entstammen und bei welchen die Mäuse Hunde- blutfibrin erhielten, haben wir weder qualitative noch quantitative Unter- schiede im Verhalten der Panethschen Zellen beobachten können. Ihre Körnchen waren vorwiegend recht gross, von mattrötlicher, schmutziggrüner oder heller Farbe und homogener Beschaffenheit, an einigen Stellen mit recht deutlichem hellen Hof konturiert und füllten vollständig die Zellen aus. Auch im Lumen der Krypten konnten an den Panethschen Zellen Körnchen angetroffen werden. Schmale Zellen waren in geringer Anzahl vorhanden. III. Fettkost. Versuch A (24 Stunden Fettkost). Grobkörnige Zellen sind in reicher Anzahl zu finden. Ihre Körnchen sind sehr gut ausgeprägt und tingieren sich in verschiedene Nuancen von orangegelber, rötlicher oder grünlicher Farbe, darunter finden sich in ein- zelnen Zellen auch kleine Körnchen. Das helle Belegeepithel der Krypten ist blass, an Ausführungsgängen derselben ist der Saum recht deutlich aus- gedrückt. Versuch B (2x 24 Stunden Fettkost). Die Krypten, welche meist eine feinkörnige, rötlich-violette Masse enthalten, sind mit einem sehr hellen hohen Epithel ausgekleidet. Darunter findet man auch eine bedeutende Anzahl schmaler Zellen. Die Panethschen Zellen sind nur schwer zu finden und sind an einer sehr feinkörnigen Masse, welche am freien Ende des Epithels angesammelt ist, zu erkennen. Versuch C (4x 24 Stunden Fettkost). Dasselbe Verhalten ist auch in diesen Präparaten zu finden. Die Panethschen Zellen sind äusserst schlecht ausgeprägt, da die Körnchen in geringer Menge und von kleinen Dimensionen in ihnen enthalten sind. Es können aber auch solche Zellen gefunden werden, in denen die Körnchen auch etwas gröber, aber auch in geringer Anzahl enthalten sind. Der Zell- körper ist dabei sehr blass und der sonst kleine und kompakte Kern ist bedeutend grösser und heller tingiert. Auch hier sind schmale Zellen anzutreffene 110 K. Miram: Kontrollversuch A! (24 Stunden Fettkost). Die Krypten sind mit einem sehr hohen und blassen Belegeepithel bekleidet. Körnchenzellen sind kaum zu finden und, wenn solche im Fundus anzutreffen sind, so sind die in ihnen enthaltenen Körnchen sehr blass tingiert und in geringer Anzahl enthalten. Kontrollversuch C! (3x 24 Stunden Fettkost). Die Zellen der Krypten sind hoch, ihr Protoplasma weist eine fein- maschige Struktur auf. Die Kerne lassen sich sehr gut färben. Es sind auch in bedeutender Anzahl schmale Zellen anzutreffen. Die Panethschen Zellen sind äusserst selten anzutreffen und die in ihnen enthaltenen Körnchen sehr fein, fast staubförmig. IV. Kohlenhydratkost. Versuch A (24 Stunden Kohlenhydratkost). Panethsche Zellen sind in mässiger Anzahl anzutreffen. Ihre Körnchen sind nicht besonders gross, von orangegelber oder rötlicher Farbe; sie sind entweder über die ganze Zelle zerstreut oder öfters befinden sie sich nur in dem lumenwärts gerichteten Teile derselben. Ihre Kerne weisen das gewöhnliche Verhalten auf, d. h. sie sind dunkler als die Kerne der übrigen Belegezellen. welche hier sehr gross und hell erscheinen. Versuch B (2x 24 Stunden Kohlenhydratkost). Es sind in diesen Präparaten sehr reichliche Körnchenzellen zu finden. Die Kerne derselben enthalten ein schönes Ohromatinnetz, welches ihnen eine grosse Ähnlichkeit mit den hellen Nachbarzellen verleiht. In anderen finden sich dagegen homogene, dunkler tingierte Kerne. Diese Zellen ent- halten mehr Körnchen und sind verhältnismässig schmäler. Die Körnchen sind sehr blass, schmutziggrün oder violettrötlich gefärbt, mitunter findet man auch solche von orangegelber Farbe. Das übrige Belegeepithel weist keine Besonderheiten auf. Zwischen den hellen Zellen sind auch in bedeutender Anzahl schmale Zellen vorzufinden. Versuch © (4x 24 Stunden Kohlenhydratkost). Diese Präparate weisen keine Besonderheiten auf. Es sind auch hier sehr viele grobkörnige Zellen, welche einen reichlichen Inhalt aufweisen, zu finden. Versuch D (5x24 Stunden Kohlenhydratkost). Grobkörnige Zellen sind in grosser Anzahl vorhanden. Ihre Körnchen nehmen den ganzen Zelleib ein und sind recht gross. Sie sind bald rötlich, bald schmutziggrün, eventuell finden sich auch solche von orangegelber Farbe. Schmale Zellen sind in geringer Menge vorhanden. In den Krypten ist ab und zu eine homogene helle Masse anzutreffen, deren Provenienz nicht fest- gestellt werden kann. Die übrigen hellen Zellen weisen keine Besonder- heiten auf. Die Bedeutung der Panethschen Zellen. 11 Versuch E (6x24 Stunden Kohlenhydratkost). In den hierher gehörigen Präparaten ist eine grosse Anzahl von Körnchenzellen anzutreffen, welche nicht nur den basalen Teil der Krypten einnehmen, sondern öfters auch weit hinauf zu finden sind. Alle diese Zellen sind nebeneinander gelagert, nur selten kann man zwischen ihnen auch eine helle Zelle finden, welche keine Körnchen enthält. Die Körnchen selbst sind von bedeutenden Dimensionen und färben sich recht lebhaft rötlich. Eventuell können auch orangegelbe Körnchen, welche dabei glänzend erscheinen, angetroffen werden. In hellen Zellen sind keine Besonderheiten zu ver- zeichnen. Zusammenfassung. Fassen wir die erhaltenen Resultate kurz zusammen und vergleichen die einzelnen Serien untereinander, so sehen wir, dass nach 24 Stunden lang dauernder verschiedener Diät (Serien A) die Panethschen Zellen keine auffallenden Verschiedenheiten aufweisen. Nur nach 48 Stunden (Serien B) und später findet man bedeutende Unterschiede, welche von der Diät abhängen. Ferner müssen wir zum Schlusse kommen, dass die An- sammlung von groben Körnchen in den Panethschen Zellen nicht nur beim Hungerzustand, wie es bereits von Paneth selbst angegeben wird, stattfindet, sondern auch bei reiner Kohlenhydratnahrung beobachtet werden kann. Diese Befunde sprechen entschieden gegen die Hoppe-Seylersche Auffassung und die Beweisführung von Kultschitzky, welcher den acıdo- philen Zellen die Aufnahme von Eiweissnahrung zuschreiben wollte. Die Körnchen selbst müssen, wie es auch von den meisten Autoren angenommen wird, als ein Sekret der Zellen angesehen werden. Die Veränderungen beim Hungerzustand zeigen, dass die Zellen in einen atrophischen Zustand verfallen, nachdem sie reichliche Körnchen aufgespeichert haben. Diese schwinden, wobei ein Sekret in das Lumen ausgeschieden wird und teils die Körnchen selbst Veränderungen obliegen. Die Aufspeicherung der Körnchen kann in grösserem Maß- stabe vor sich gehen, wenn die Tiere Kohlenhydratnahrung aufnehmen, da dabei keine Atrophie des Darmes beobachtet wird und man die Tiere längere Zeit am Leben erhalten kann. (Die Mäusse fressen mit grosser Vorliebe die ihnen zugereichten Öblaten.) Die Körnchen scheinen bei Verarbeitung dieser Nahrung keine oder eine minderwertige Rolle zu spielen. Ob das Sekret, 112 K. Miram: welches dabei vollständig homogen in den Krypten zu finden ist, von den hellen Zellen oder von den Körnchenzellen abgeschieden wird, vermag ich nicht zu sagen, jedenfalls nehmen bei der Bildung desselben die Körnchen der Panethschen Zellen selbst keinen Anteil. Was die Eiweissnahrung anbetrifit, so kann ich auf Grund meiner Untersuchungen nichts Bestimmtes sagen. Bei längerer Fütterung mit Hühnereiweiss (Versuch C) schienen einige Ver- änderungen vorhanden zu sein, die Kontrollversuche mit Fibrin haben dieses aber nicht bestätigt. Bei Fettnahrung dagegen finden wir deutliche Veränderungen in den Körnchenzellen, welche sich dadurch ausprägen, dass ihre Körnchen sehr fein sind und sich in bedeutender Menge in das Lumen der Krypten ausscheiden. Der quantitative Unterschied scheint nicht Hand in Hand mit der Versuchsdauer zu gehen. Dieses mag von individuellen Eigenschaften der Tiere, aber auch von der Menge der verzehrten Nahrung abhängen. Aus diesen Versuchen geht schliesslich hervor, dass die Panethschen Zellen nicht nur für die Verarbeitung der Milch, wie es Bloch behauptet, eine bedeutende Rolle spielen können, indem sie etwa ein für die Fettverdauung nötiges Sekret ausscheiden, sondern auch beim erwachsenen Tiere, wenigstens bei einigen Tierspezies (Mäusen), lebenslang für die Aufnahme von Fett und vielleicht auch Eiweiss Bedeutung haben. Literaturverzeichnis. 1. Bizzozero, G.: Über die schlauchförmigen Drüsen des Magendarm- kanals und die Beziehung ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel der Schleimhaut. 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Färbung mit Triacid nach Formolchromsäurefixation. Abgeb. bei Zeiss’ hom. Im. 2 mm, Komp.-Ok. 4, Tbl. 160 mm. I. Hungerversuche. A. Dauer der Inanition 24 Stunden. (8% e E n 4x24 Stunden. ID) r 5 & 5x24 Stunden (in extremis getötet). IT. Fettnahrung. C©!, (Kontrollversuch) Dauer des Versuchs 3x 24 Stunden. IV. Kohlenhydratdiät. E. Versuchsdauer 6x 24 Stunden. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 8 114 Aus dem anatomischen Institut der 'veterinär-medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus unter Berücksichtigung der Ausbildung des gesamten Darmkanales. Von Veterinärarzt August Kersten. Hierzu Tafel X und 11 Textfiguren. Bei dem grossen Interesse, das die Physiologie dem Blind- darme entgegenbringt — von der klinischen Bedeutung desselben beim Menschen ganz abgesehen — ist es eigentlich auffallend, wie wenig eingehende Untersuchungen über die Entwicklungs- geschichte der Blinddärme bei den verschiedenen Tieren vorliegen. Wie erst die vergleichende Embryologie volles Licht in so manche dunkle Frage hineingebracht hat, so würden eingehende Unter- suchungen nach dieser Seite hin auch voraussichtlich nicht un- wesentlich zur Klärung der vielen Rätsel beitragen können, welche die Blinddärme heute. noch immer für uns in sich bergen. Es scheint jedoch in der verhältnismässigen Einfachheit dieses Gebildes zu wenig Anreiz zu eingehenderen Einzeluntersuchungen zu liegen. Im besonderen gilt das Gesagte auch für die Caeca vom Huhne (Gallus domesticus). Die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen über diesen Gegenstand sind nach den vorgefundenen Angaben in der Literatur augen- scheinlich sehr spärlich. Wenigstens erwähnt Maurer (17) in Hertwigs Handbuch der Entwicklungsgeschichte an der entsprechenden Stelle nur, dass beim Vogel „die Grenze des Mitteldarmes gegen den Enddarm mit der ersten Anlage der Blinddarmausbuchtungen am Ende des 4. Tages hervortritt*. Ebenso knapp sind die diesbezüglichen Angaben bei den übrigen Wirbeltier- klassen. In dem bedeutendsten Werke über die Vögel von Gadow (6) in Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreiches ist den Blinddärmen aller- dings ein besonderes Kapitel gewidmet, das aber nur die vergleichende Anatomie und Physiologie behandelt. Der entwicklungsgeschichtliche Teil des Werkes tut ihrer nur in dürftigster Kürze Erwähnung. Kurze Angaben finden sich dann noch bei Remak (19), H. Rathke (18), Seyfert (21) und Keibel (14). Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 115 Zu den eingehenderen Darstellungen gehört die Abhandlung von Goette (8), die sich zwar nur mit der Entwicklung des Darmkanales beim Hühnchen befasst, aber hinsichtlich der Caeca auch nicht über einige allgemeine Be- merkungen hinausgeht. Am ausführlichsten wird der Gegenstand in einer französischen Arbeit von Maumus behandelt, betitelt: Les Caecums des oiseaux (16). Zunächst gibt Maumus einen anscheinend sehr sorgfältigen bibliographischen Über- blick. Dann behandelt er in einem Abschnitte die Anatomie der Caeca auf Grund seiner Untersuchungen, die sich über 200 Typen erstrecken, in einem weiteren Abschnitt die Histologie und Physiologie und in einem letzten endlich die Entwicklung der Caeca bei Gallus domesticus. Wenn dies auch die eingehendste Untersuchung ist, die ich über die Caeca der Vögel finden konnte, so ist doch auch bei Maumus der entwicklungsgeschichtliche Teil bei weitem der am stiefmütterlichsten behandelte. Die erste Anlage wird nur ganz allgemein geschildert; auch enthält die Darstellung mehrfach Anschauungen, wie beispielsweise hinsichtlich der Anlage der Mesocaeca, die zu einer Prüfung aufforderten. So schien es denn nicht unangebracht, die Entwicklung der Caeca des Huhnes zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung zu machen. Um von den Form- und Lageveränderungen der Caeca eine genaue Vorstellung zu bekommen, fertigte ich nach dem Bornschen (1) Verfahren mehrere Plattenmodelle an. Da hierbei die Ausbildung der primitiven Darm- schleife sich von grossem Einflusse zeigte, wurde diese noch mitmodelliert, desgleichen die Duodenalschleife samt den angrenzenden Organanlagen. So gliedert sich der gesamte Stoff in zwei Hauptabschnitte, von denen der eine die erste Anlage der verschiedenen Darm- abschnitte behandelt, der andere die Weiterentwicklung derselben bis zur Ausbildung der bleibenden Verhältnisse. Untersuchungsmaterial. Zu meinen Untersuchungen benutzte ich ausschliesslich Eier von Gallus domesticus, der Rasse nach vorwiegend des rebhuhn- farbigen Italienerhuhnes, vereinzelt auch des weissen Wyandotte- huhnes; unter den Kücken befanden sich mehrere weisse Orpingtons. Um die Entwicklungsdauer möglichst genau bestimmen zu können, bebrütete ich die Eier selbst mit einem kleinen Brutapparat für 25 Eier — Strahlenbrüter, System Sartorius-Göttingen. Nachträglich bebrütete ich auch mehrere Gruppen von Eiern zur Nachprüfung jüngerer Stadien (bis zur Mitte des 5. Tages) mit dem zum Einbetten benutzten Instituts-Thermostaten. Mikroskopisch wurden an Schnittserien 43 Embryonen untersucht, makroskopisch bezw. mit der Lupe weitere 26 Embryonen, sowie 24 Kücken, so- dass sich meine Untersuchungen über eine Reihe von insgesamt 98 Embryonen, bezw. Kücken erstrecken. Zwischen die einzelnen Embryonen legte ich einen zeitlichen Abstand von anfänglich 5 Stunden, der mit zunehmendem Alter entsprechend vergrössert wurde. Vom 9. Tage an glaubte ich, den Abstand 8*F 116 August Kersten: auf 24 Stunden vergrössern zu dürfen. Das so erhaltene Material erwies sich zweimal als unzureichend: Einmal für die Ermittlung der ersten Anlage der Caeca, und dann noch für das Stadium der Absonderung derselben vom Darme. Zur genaueren Prüfung dieser Fragen erbrütete ich nachträglich die bereits erwähnten Embryonengruppen mit dem Thermostaten. Auf meine bei der künstlichen Brut gemachten Erfahrungen kann ich hier nicht näher eingehen, ebenso nicht auf die Frage der Variationsbreite beim Huhne. Ich möchte nur erwähnen, dass auf Grund meiner Beobachtungen auch ich mich der Ansicht Keibels anschliesse, „dass die individuelle Variation in dem Entwicklungsgrad der Organe bei Hühnerembryonen der untersuchten Stadien nicht als sehr gross erscheint ([14], S. 74)*. Im übrigen verweise ich auf Keibels Werk (14), in welchem ich ein ausgezeichnetes Hilfsmittel kennen gelernt habe. dem ich manche Anregung verdanke. Methoden. Präparation. Nach Öffnung der Eier und Entfernung des Eiweisses durch Abspülen mit warmer physiologischer Kochsalzlösung wurden die Keimscheiben in situ durch Aufträufeln der Fixationsflüssigkeit vorgehärtet, dann umschnitten und in die Fixationsflüssigkeit übertragen. Aus dieser kamen sie nach entsprechend langer Einwirkung auf 24 Stunden in Wasser, wobei sie von der Dotterhaut und anhaftenden Dotterresten befreit wurden. Ältere Embryonen wurden einfach umschnitten und gleich in die Kochsalz- lösung bezw. in die Fixationsflüssigkeit übertragen, über 10 Tage alte nach vorheriger breiter Eröffnung der Leibeshöhle. Zur makroskopischen Präpa- ration wurden die fixierten und gehärteten Embryonen 24 Stunden gewässert, mit Gelatine in der gewünschten Lage auf Objektträger aufgeklebt und dann in 70°/o Alkohol untersucht. Konservierung. Nach der von Keibel für ältere Stadien (3 bis 10 Tage) angegebenen Uhromessigsäure (Chromsäure 0,0250 100 eem, Eis- essig 3—D Tropfen) färbten sich die Schnitte infolge ungenügender Fixierung sehr schlecht. Gute Resultate lieferte dagegen das ebenfalls von Keibel angegebene Sublimat -Eisessig- Gemisch (konzentrische wässerige Sublimat- lösung 95°/o, Eisessig 5°). Am meisten befriedigte mich, namentlich auch hinsichtlich der späteren Färbbarkeit, die bekannte Zenkersche Lösung. Serien. Alle mikroskopisch untersuchten Embryonen wurden in der üblichen Weise in Paraffin eingebettet und in vollständige Querschnittserien geschnitten bei einer Schnittdicke von 10 #. Verluste durch Abfallen der Schnitte während der Färbung konnten vollkommen vermieden werden durch Überziehen der Objektträger mit Celloidin nach Apathy, wie das Richter (20) angibt. Färbung. Durchweg kam die bekannte Schnittfärbung mit Hämalaun nach P. Mayer und nachfolgender Kontrastfärbung mit Eosin in Anwendung. Vereinzelt wurde auch die Stückfärbung mit dem alkoholischen Borax-Carmin- Gemisch nach Grenacher vorgenommen, die zum Studium der Form- verhältnisse vollkommen ausreicht und sehr bequem ist, während für gleich- zeitige histologische Untersuchungen die erste Methode den Vorzug verdient. Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 0187 Zeichnungen. Um die Veränderungen am postumbilikalen Darm in den verschiedenen Stadien besser übersehen zu können, fertigte ich von allen Embryonen bis zum Ende des 5. Tages Horizontalprojektionen an. Bei der benutzten hundertfachen Vergrösserung entsprach jeder 10 « dicke Schnitt einem Millimeter. Mit dem Okularmikrometer wurden Schnitt für Schnitt die grösste Querachse des Darmes und die grösste Weite seines Lumens auf Millimeterpapier aufgezeichnet. Bei den so erhaltenen „Projektionszeichnungen“ ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie die grösste Querachse in eine Horizontalebene verlegen und dass sie nicht die stärkste Wandverdickung angeben, da diese natürlich nicht immer auf der gleichen Querschnittshöhe liegt wie die stärkste Erweiterung. Ähnlich wurde bei den Blinddärmen, deren Grösse und Krümmung eine genaue Messung in der Serie unmöglich machte, die Seitenansicht projiziert und an den so erhaltenen Zeichnungen unter Berücksichtigung der seitlichen Ausbiegungen die Länge ermittelt. Auf gleiche Weise entstand die seitliche Projektion der primitiven Darmschleife (Fig. 7). Die Situszeichnungen wurden von mir nach fixierten Embryonen in fünffacher Vergrösserung ausgeführt. Modelle. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der ausgezeichneten Modelliermethode von Born verweise ich auf Borns Schilderung (1). Ich erwähne noch, dass die Modelle zum besseren Vergleich alle in der gleichen fünfzigfachen Vergrösserung ausgeführt wurden. Die Übertragung der Umrisszeichnung geschah mit dem Zeissschen Zeichenprisma, solange es die Grösse des Objekts gestattete, andernfalls mit dem Projektionsapparat von Edinger. Das Modell zur Tafelfig. 2 wurde mit Tempera-Farben bemalt, was sich für die photographische Reproduktion jedoch nicht empfiehlt. Ir Derik Die erste Anlage der einzelnen Abschnitte des Darmkanales. 1. Entwicklung der ersten Blinddarmanlage. (Mitte des 3. bis Mitte des 4. Bruttages.) Die Angaben über den Zeitpunkt, an dem die Blinddärme sich anlegen, gehen erheblich auseinander. Die älteren Autoren setzen diesen Termin viel später an als die neueren, so dass sie die erste Anlage wohl gar nicht beobachtet haben. Deren Schilderung ist auch bei den neueren Autoren so unbestimmt, dass sich daraus nicht entnehmen lässt, ob es sich tatsächlich um die früheste Anlage handelt. Ich habe deshalb diesem Punkte besondere Aufmerksamkeit gewidmet. 118 August Kersten: Über den Zeitpunkt des ersten Auftretens der Caeca sagt Remak (19): „Am 5. Tage beginnt die Bildung der Blinddärme. Zunächst zeigt sich eine flaschenförmige Auftreibung des Hinterdarmes in der Nähe der hinteren Darmpforte. Diese Auftreibung wird bloss durch die verdickte Faserschicht erzeugt. Wenn auch der oben erwähnte dunkle Anflug des Drüsenblatts !) im übrigen Hinterdarm fehlt, macht er sich doch in der Regel innerhalb jener Auftreibung bemerklich. Demnächst sendet das Drüsenblattrohr zwei, nach rechts und links unter spitzem Winkel abgehende, dem Nabel zu- gewendete hohle kegelförmige Fortsätze in die Verdickung der Faserschicht hinein. So ist die Anlage der Blinddärme im Inneren schon vorbereitet, während äusserlich nur eine gleichmässige Anschwellung des Darmes hervortritt.“ In einer Fussnote gibt Remak dann die Beschreibung Baers, der die Blinddärme als zwei senkrecht auf dem Speisekanal aufsitzende seitliche „Ausstülpungen“ entstehen lässt, die äusserlich zwei stumpfe Höcker bilden, „durch kegelförmiges Heraustreten des Schleimblattes gegen das Gefässblatt‘“. Gadow (6) erwähnt lediglich bei Schilderung der Veränderungen vom 6. und 7. Tage am Embryo, dass „die Kropfanschwellung und die hervor- sprossenden Blinddärmchen den Hühnervogel anzeigen“. Maumus (16) schreibt es seiner Technik zu, „dass er die erste Anlage der beiden blinden Anhänge beim Hühnchen von 4 Tagen fest- stellen konnte; mit Hilfe einer guten Lupe erkennt man nach ihm die beiden kleinen Blinddarmpapillen. An der Hand von Schnittserien konnte er sich davon überzeugen, dass diese nach dem Darmlumen ausgehöhlten Sprossen nichts sind als einfache Divertikel des Darmrohres.* Trotz der vorhandenen Serien begnügt er sich mit dieser Beschreibung der ersten Anlage. Genaue Angaben über den Zeitpunkt des Auftretens der Anlagen macht dagegen Keibel (14) an Hand eines reichen Serienmaterials. Aus der kritischen Zeit — dem 4. Bruttage — berichtet er in der Normen- tafel über 32 Embryonen im Alter von 72 bis 96 Stunden. Der jüngste Embryo, bei dem er die Blinddarmanlagen verzeichnet, ist der Embryo Nr.65 von 3 T. 8 (80 Stunden) Bebrütungszeit. Als auf noch niedrigerer Entwicklungsstufe stehend sind die Anlagen bei einem Embryo Nr.59b von 3 T. 16 (88 Stunden) bezeichnet. Bei den nun folgenden elf Embryonen im Alter von 86 bis 94 Stunden sind die Anlagen noch nicht ausgebildet bei fünf Embryonen, und zwar zeigen gerade die vier ältesten dieser Reihe (Nr. 63, Nr. 67, Nr.68 und Nr. 57a) die Anlagen nicht. Vergleicht man die gesamten Angaben der Tabellen über diese vier Embryonen mit denen der weniger lang bebrüteten der gleichen Gruppe, die aber schon die Blinddarm- anlagen erkennen lassen, dann kann man für drei derselben (Nr. 63, Nr. 67 und Nr.57a) mit Bestimmtheit folgern, dass sie trotz ihrer längeren Be- brütungszeit nicht soweit in ihrer Gesamtentwicklung vorgeschritten sind wie die letzteren. Nr.68 ist zum mindesten in der Entwicklung seines Darmkanales noch etwas zurück, während der oben erwähnte Embryo ') Derselbe rührt von einer starken Ansammlung grösserer Fett- kügelchen in den Zellen des Drüsenblatts her (Remak). Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 119 Nr. 59b zweifellos in seiner gesamten Entwicklung hinter dem Embryo von 3 T. 8 steht, der die Anlagen schon zeigt und auffallend weit vor ist. Dieser Vergleich berechtigt zu dem Schlusse, dass die Verschiedenheit des Zeitpunktes für das erste Auftreten der Blinddärme wohl nicht in einer individuellen Variation zu suchen ist, wie ja die Keibelschen Tabellen eine solche überhaupt nur unbedeutend erscheinen lassen. Die besagten Verhältnisse sind vielmehr auf den bereits erwähnten Umstand zurück- zuführen, dass sich eine genaue Entwicklungsdauer auch bei Hühner- embryonen nicht ermitteln lässt. Von 96 Stunden an wurden die Blinddarm- anlagen ausnahmslos vorgefunden. Mithin ergibt sich aus der Keibelschen Normentafel, dass die Blinddarmanlagen beim Huhne etwa gegen die Mitte des 4. Bruttages in Erscheinung zu treten beginnen und am Ende dieses Tages stets deutlich ausgebildet sind. Ich glaubte, auf die Keibelschen Angaben etwas näher eingehen zu müssen, weil die Normentafel zwar in reichem Maße Befunde verzeichnet, als Tabellenwerk jedoch fast keine Schlussfolgerungen aus diesen zieht, speziell auch nicht über den erörterten Punkt. In der nun folgenden Schilderung meiner Serien war für die ein- gehaltene Reihenfolge nicht die Bebrütungsdauer massgebend, sondern die vorgefundene Entwicklungsstufe der Blinddarmanlagen. Soweit es nicht anders vermerkt ist, hält die Schilderung der jüngeren Serien die Richtung vom Schwanze zum Kopfe ein. Die jüngsten an Schnittserien untersuchten Embryonen sind 2 T. 12!) und 2 T. 18 bebrütet. Ihnen schliesst sich nach dem Grade seiner Entwicklung trotz der weit längeren Be- brütungszeit ein Embryo von 3 T.6a an. Dem ganzen Verhalten nach steht derselbe weit hinter denen der entsprechenden Be- brütungsdauer zurück, die Keibel unter Nr. 58, Nr. 58a, Nr. 59a und Nr. 62 beschreibt; er entspricht etwa einem 2 T. 20 alten Embryo der Normentafel. Dieser Embryo von 3 T.6a ist kaudal ganz gestreckt und zeigt noch einen 380 « weiten Amniosnabel. Der Schwanzdarm hat auf 200 « ein freies Lumen und nach weiteren 470 u beginnt dann schon der 3370 « weite Darmnabel. Es besteht demnach noch kein abgeschlossenes kaudales Darmrohr, sondern erst eine hintere Darmbucht, die von der peritonäo - retroperitonäalen Grenze bis zur hinteren Darmpforte 300 « lang ist. Eine tiefe kinne an ihrem Boden stellt die erste Anlage der Allantois dar. Da die Allantoisrirne mit der Darmbucht noch in weiter Ver- bindung steht, ist das Lumen derselben sehr hoch. Die Weite der Bucht beträgt kaudal 150 u, kranial 250 «. Ihre Wand ist ') 2T.12 bedeutet eine Brutdauer von 2 Tagen und 12 Stunden. 120 August Kersten: kaudal 120 « stark, geht aber bis zur hinteren Darmpforte auf 90 u zurück. Auf diesen Embryo folgt eine Gruppe im Alter von 2 T. 20 bis zu 3 T. 10 etwa in der Reihenfolge 3 T.—a, 2T. 20, 2T. 22, 3’ T7 bh, 3 T:2,3 T.1,1.3,3-T.4,3 1.28, 3: Dich 3 T.5, 3 T. 9b und 3 T. 10. Wie die Untersuchung dieser Reihe zeigt, bildet sich die Darmbucht durch Längenwachstum und fort- schreitende Verengerung des Nabels zu einem abgeschlossenen Darmrohre aus, und durch Einwachsen des Darmsattels (Fleisch- mann-Dimpfl|5]) in kaudaler Richtung wird der Allantoisgang abgetrennt und so der Kloakenraum niedriger. Gleichzeitig ver- engert sich das Lumen des Darmes in der Transversalen, und zwar wird es nicht nur relativ, sondern auch absolut enger, wie sich aus der Tabelle I ergibt. Diese Verengerung erstreckt sich — von hinten nach vorne fortschreitend — bei den jüngeren Stadien (3 T.— a, 2 T. 20, 2 T. 22, 3 T. — b und 3 T. 2) vorerst gleichmässig über den ganzen postumbilikalen Darm. Später macht sie sich jedoch nurmehr in einem hinteren und einem vorderen Abschnitte bemerkbar, während in der dazwischen gelegenen Zone die Verengerung nicht mehr oder doch nur noch unbedeutend zunimmt. Auch der Kloakenraum verengert sich, bleibt aber stets weiter als der Darm selbst. Seine dorsale Hälfte ist weit enger als die ventrale und leitet so zum Darm über, der mit dem Abgang des Allantoisstiellumens beginnt. Auf dieser Höhe wird die Verengerung des Darmrohres am stärksten, so dass dessen Lumen hier nur 20—15 u beträgt. Eine zweite Zone starker Verengerung besteht vor (kaudal von) dem Nabel, doch bleibt hier das Darmlumen mit durchschnittlich 40—30 u stets doppelt so weit wie kaudal. Unmittelbar am Nabel besteht regelmässig eine schwache Erweiterung, die zum Darmnabel überleitet. Zwischen diesen beiden Zonen stärkster Verengerung liegt ein Abschnitt, an welchem der Verengerungsprozess schon früh- zeitig zum Stillstand kommt, oder doch nurmehr in sehr geringem Grade zunimmt. Damit bleibt dieser Abschnitt den angrenzenden gegenüber weit und wird es relativ immer mehr, je stärker die Verengerung sich kaudal und kranial von ihm ausprägt. (regenüber .dem Maximum der kaudalen Verengerung verhält sich dieser mittlere Abschnitt im Durchschnitt schliesslich wie Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 121 Tabelle I. Maße zur Ausbildung der Blinddarmanlage. rg s Sr Länge d. post. Darm. bis 1 a 0 an : gl 1 ı2eo|l5 5 Wandstärke || Weite | 22 B= Ed „essloe Alter I, | des |Ssmal253881 50.058183 &8|25 BEL EI IK ERETEN AN BEE] LEE ||eesr links | rechts Lumens|@3e4|e 232 sES ses >23] 5 50 es) ı TE a2ala- r® + | © >) E Hr Par IBS = | S | | # | | | | | 11 111 70 | | | 100 110 30 | 3 5 100 30 — 350 | 570 s10 240 | 2660 1 | a 60 | | ao Ts 110 | | 132 | 90 90 70 | 110 110 50 9mro2 105. |°.110 30 = 400 610 970 | 360 || 1720 1009 45 | 9% 95 90 | | 105 100 120 | | 120 130 20 120 130 18 | | || Sun) 130 135 70 = | 200 370 680 310 || 1070 120 120 120 | | 130 130 220 | 140 140 180 | | | | | 80) E80 70 | | 16 | 110 30 1.99 Sat 80 80 45 PM 2350 540 920 380. 1661 80), | 80 65 loaler | | | 10 | 9 50 | | | 120 115 70 | 105 135 18 1:3,0 3T.3 || 100 100 55 x 130 320 800 460 || 1170 120 120 40 1:14 | | 120 120 80 | | | 65 60 170 | 105 180 25 | 105 |: 9 30 1:4,0 | | ml ee 100 | 130 380 1140 || 760 || 940 13500 0.150 55 1:55 | | | on in 18 | 110 9% 95 | | | | | | | | | 9% 85 120 | | 115 120 15 | 140 118 40 li6.0r | | 3 T. 9a 140 125 90 = | 20 >40 | 1030 || 790 740 160 153 60 1:23 | | | 150 147 40 | | | 140 130 130 | | | | | | | 100 9% 100 | | | 132° | 132 40 | | 10 | 190 15 | 105 105 22 1:60 | | 3 T. 16) 140 125 50 — 9 N EEEAIO N 21950 1540 | 1270 150 140 90 1:26 |) | | | 175 160 45 | | 155 150 35 | | 140 140 9% | | | 122 August Kersten: 4,5 :1, gegenüber dem Maximum der kranialen wie 2,5 :1. So entsteht als Resultat des gesamten Verengerungsprozesses eine Ampulle, die nach dem Gesagten ihr Zustandekommen einem aktiven Erweiterungsvorgang also nicht verdankt. Von diesem weiterbleibenden Abschnitt aus nimmt die Entwicklung der Blinddärme ihren Ausgang. Ich muss deshalb bereits in dem „Weiterbleiben“ eines begrenzten Abschnittes des postumbilikalen Darmes, in dem geschilderten passiven Zustandekommen der ampullenartigen Erweiterung den ersten Ausdruck der Entwicklung der Blinddärme erblicken. Diese beginnt somit bereits am Ende des 3. Bruttages bezw. in den ersten Stunden des 4. Tages. Die Verengerung betrifft am ganzen postumbilikalen Darme zuerst die dorsale Hälfte des Darmlumens, schreitet also am Querschnitt von oben nach unten vor. Dies ist auch an der „Blinddarmampulle“ der Fall, und da die Verengerung in der dorsalen Hälfte derselben gegenüber der ventralen nicht vollkommen zum Stillstande kommt, so ist ihr Querschnitt nur ganz zu Anfang oval: er wird dann bald birnförmig und nimmt schliesslich die Form einer bauchigen, langhalsigen Flasche an. Rkäumlich gedacht zeigt dann das im grossen ganzen spaltförmig gewordene Darmlumen an Stelle der Ampulle links und rechts eine muldenartige Ausbuchtung bis etwa zur halben Höhe der Darmwand. Von einem gewissen Zeitpunkte ab setzt an dem passiv entstandenen weiteren Abschnitte des Enddarmes eine Tendenz der Dilatation ein. und damit beginnt ein aktives Wachstum der Blinddarmanlagen. Wann der passive Vorgang als solcher aufhört, und die aktive Erweiterung beginnt, lässt sich natürlich genau nicht erkennen, da die Maße bei den verschiedenen Embryonen immer in gewissen Grenzen schwanken. Eine Zeit- lang laufen beide Vorgänge jedenfalls nebeneinander her, indem sich die Ampulle schon aktiv erweitert, während gleichzeitig die angrenzenden Abschnitte noch enger werden. Dagegen lässt sich etwas später der Beginn des aktiven Wachstums der Blinddarmanlagen bestimmt erkennen, wenn man die Wandstärke der verschiedenen Abschnitte des postumbilikalen Darmes miteinander vergleicht. Diese bewegt sich bei den jüngsten Embryonen der vorliegenden Gruppe mit geringen Schwankungen Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 123 um das gleiche Maß von etwa 120 « herum. Bald jedoch ist in dem fraglichen Bezirke eine geringe aber stetig zunehmende Verdickung der Wand zu konstatieren. In schwachem Grade ist eine solche bereits bei den Embryonen von 3 T.5, 3 T. 9b und 3 T. 10 ausgebildet, also gegen Ende des ersten Drittels des 4. Bruttages. Sehr deutlich zeigen diese Verhältnisse dagegen die etwas älteren Embryonen von 3 T. 9a und 3 T. 16. Im besonderen will ich den Embryo von 3 T. 9a schildern, da bei diesem die störenden Einflüsse, von denen weiter unten die Rede ist, am wenigsten in Erscheinung treten. Im Entwicklungsgrade schliesst dieser Embryo sich unmittelbar dem letzten der vorigen Gruppe an. Der Amniosnabel ist nunmehr ganz geschlossen ; in seinem Bereiche sind Amnion- und Chorionzellen aber noch nicht getrennt, so dass an dieser Stelle das Exocoelom fehlt. Dieses Verhalten des Amniosnabels fand ich auch noch bei den Embryonen aus der ersten Hälfte des 5. Bruttages, während die älteren der besseren Fixierung wegen ohne Embryonalhüllen verarbeitet wurden, so dass ich über die Dauer dieses Zustandes weiter nichts angeben kann. Der Darmnabel ist nur noch auf 750 u offen, und der vollkommen abgetrennte Allantoisstiel hat bereits eine stecknadelkopfgrosse Allantoisblase ausgebildet. Die Strecke vom Nabel bis zur Ablösung des Allantoisstieles misst 670 ı, bis zum Abgang des Allantoisganges 790 u. Die Länge des ganzen postumbilikalen Darmes beträgt 1030 «, wovon nur mehr 20 u retroperitonäal liegen, so dass also der Schwanzdarm bereits zurückgebildet ist. Damit entspricht der Embryo von 3 T. 9a so ziemlich den gleichaltrigen der Keibelschen Normentafel. In der Schnittserie zeigt der Darm — in kaudokranialer Richtung — gleich nach Abtrennung des Allantoisstieles einen ovalen Querschnitt mit einer grösseren Höhenachse von 293 u und einer kleineren Querachse von 245 u. Das in seiner ganzen Höhe ungefähr gleichweite Lumen bildet einen engen, senkrechten Spalt von 183 « Höhe und nur 18 « grösster Breite. Ein Mesen- terıum ist in diesem Bereiche noch nicht ausgebildet, sondern es hängt der Darm noch breit mit der Dorsalwand der Leibeshöhle zusammen. Erst weiter kranial setzt er sich schärfer von der- selben ab und kurz vor dem Darmnabel (kaudal!) besitzt er ein etwa 90 u hohes, aber noch einhalbmal so breites, d. h. ca. 140 u 124 August Kersten: dickes Gekröse. Die Darmwand wird aussen von der noch ziemlich hohen — in halber Höhe etwa 18 u starken — Splanchno- pleura überzogen, die dorsal und ventral dünner wird und ventral etwas rechts von der Medianebene von einem ziemlich starken Gefäss vorgewölbt ist. Auf dieses Gefäss werde ich weiter unten noch zurückkommen. Die innere epitheliale Auskleidung ist überall gleichmässig etwa 32 « hoch; nur ganz im oberen Spalt- winkel ist das Epithel sehr niedrig, nur S « stark. Die gesamte Darmwand ist beiderseits in halber Höhe am stärksten, und zwar links mit 116 « etwas dicker wie rechts mit 104 «. Weiter kaudal, d.h. im kranialen Bereiche der Kloake bis zur Abtrennung des Allantoisganges ist die Wand mit 122 « links und rechts gleichstark und zwar ziemlich gleichmässig in ıhrer ganzen Höhe. Dann sinkt die Wanddicke auf 104 « herab und während sie rechts bis zur äusseren Trennung des Allantoisstieles auf dieser Stärke bleibt, vergrössert sie sich links bereits und erreicht an dieser Stelle, wie schon gesagt, 116 «u. Es besteht also von der Kloake her zuerst nur eine linksseitige Verdickung, die sich auf das mittlere Drittel der Wand beschränkt, während bei den jüngeren Stadien die Wand um die ganze Erweiterung herum ziemlich gleichmässig dick war. In den folgenden 14 Schnitten wächst die Dicke der linken Wand auf 160 « an, gegenüber 134 u rechterseits. Mit 183 « erreicht die Verdiekung dann in der Folge ihre grösste Stärke, ist also bedeutender wie rechts, wo das Maximum etwa 159 u beträgt. Etwa 80 « nach dem Auftreten der linksseitigen Verdickung erweitert sich das Darm- lumen in seiner ventralen Hälfte. Auch diese Erweiterung ist zunächst nur nach links gerichtet, also deutlich einseitig, was der gerade Verlauf der rechtsseitigen Begrenzungslinie des Lumens und die Lage des ventralen Gefässes mit Bestimmtheit erkennen lassen. Etwa zehn Schnitte weiter ist die Einseitigkeit am aus- geprägtesten; die weiteste Stelle des Darmlumens misst hier 76 u. Nunmehr liegt links die grösste Wandstärke nicht mehr genau in halber Höhe, sondern mehr dorsal, vielleicht infolge einer aus der Erweiterung des Lumens resultierenden Druckwirkung. Wie bereits erwähnt, hat sich auch rechts die Wand ver- diekt, und kurz hinter (kranial!) dem letztgeschilderten Schnitte, d. h. etwa 80 bis 100 «u weiter kranial wie links, macht sich auch nach rechts die Erweiterung des Darmlumens geltend. Links Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 125 nimmt dieselbe nun langsam wieder ab. Infolgedessen kommt es dazu, dass das Darmlumen auf einer kurzen Strecke nach links und rechts gleichstark erweitert ist. Aber das Maximum der linken Ausbuchtung wird rechts doch nicht annähernd erreicht; rechts beträgt es nur 30 «, links dagegen stark 60 u. Wohl infolge des geringen Grades der rechten Ausbuchtung bleibt hier die Wand ziemlich in halber Höhe am stärksten verdickt. Nun geht auch rechts die Ausbuchtung wieder zurück, während die Wandverdickung beiderseits erst kurz vor dem Nabel sich ver- liert. Doch bleibt sie gegen den Nabel zu immer noch etwas dicker als kaudal von der Anlage, hier z. B. 140 «u. Eine hier nochmals eintretende Erweiterung leitet zum Darmnabel über. In diesem Bereiche ist die Darmwand dann wieder bedeutend dünner — acht Schnitte vor dem Darmnabel beträgt ihre Dicke nur noch 128 « — und der durch die beiderseitige Verdickung fast rund gewordene Querschnitt ist nun wieder hochgestellt oval. Die linksseitige Verdickung erstreckt sich über 600 «, die rechts- seitige über 470 u. Die linke Ausweitung ist 370 «, die rechte ungefähr 250 «u lang (Fig. 1). Der Embryo 3 T. 16 weicht von dem geschilderten Ver- halten nur unwesentlich ab. Trotz seiner längeren Bebrütungs- zeit ist er weniger weit entwickelt als der Embryo von 3 T. 12a und die entsprechenden der Keibelschen Normentafel Nr. 67a, Nr. 66a, Nr. 66b, Nr. 68a und Nr. 69a. Die Veränderungen im Gebiete der Blinddarmanlagen sind vielleicht etwas stärker, aber aus den unten ausgeführten Gründen nicht so klar zu erkennen wie bei dem Embryo von 3 T. 9a. Von den makroskopisch untersuchten Embryonen dieses ters las ber3 7 era: 19.b: und 82%:.220b)) lassen} die jüngeren noch keine Andeutung einer Caecaentwicklung mit der Lupe erkennen. Dagegen zeigt der ziemlich vorgeschrittene Embryo von 3 T. 12b bereits deutlich eine beiderseitige Auftreibung, die links etwas stärker ist und weiter kaudal reicht wie rechts. Die Erkennung dieser Veränderungen, insbesondere auch eine genaue Ausführung der erforderlichen Messungen, wird durch mancherlei Umstände erschwert. Eine sorgfältige Präparation und eine geeignete Konservierung können allerdings trotz der Zartheit des Objektes rein mechanische Defor- mationen und Schrumpfungen auf ein Minimum herabdrücken. Störend sind aber die um diese Zeit stark ausgeprägten Form- und Lageveränderungen des Embryo selbst Durch erstere — die ventrale Einkrümmung der beiden 126 August Kersten: Körperenden und die spiralige Drehung um die Längsachse — wird zwar der in Betracht kommende Körperabschnitt vom Abgang des Allantoisstieles bis zum Dottergang selbst weniger in Mitleidenschaft gezogen: Derselbe ändert nur seine Lage zu den übrigen Körperabschnitten, bleibt aber in sich gerade gestreckt, abgerechnet die in dieser Brutperiode nicht seltenen Abweichungen von der normalen Körperform. Dies zeigen auch die ent- sprechenden Fig. Nr. 22, 23 und 24 auf Taf. I der Keibelschen Normen- tafel.') Im ungünstigsten Falle kommt es dann zu Schrägschnitten, und zwar im konkreten Falle bei der transversalen Schnittrichtung zu solchen von oben nach unten oder von links nach rechts. In ersteren vergrössert sich die Höhenachse des Darmes, was jedoch für die vorliegende Untersuchung unwesentlich ist. Im anderen Falle würden die zur Ermittlung der jüngsten Veränderungen — Verdickung der Wand und Erweiterung des Lumens — wichtigen Mabe ungenau. Doch lassen sich speziell Schrägschnitte der letzten Art durch geeignete Orientierung beim Einbetten und Schneiden leicht vermeiden, wie denn die Form des Objektes z. B. durch Berücksichtigung des Auftretens der Extremitäten im Schnitte leicht eine Kontrolle der Schnittrichtung gestattet. Unangenehmer ist dagegen, dass der ventral durch Allantoisstiel und Dottergang fixierte Darm infolge dieser Veränderungen der Körperform seine Lage zu der Umgebung ändern und dabei Deformationen erfahren kann. In sehr störendem Grade kommt es zu letzteren durch die Umlagerung des Embryo auf die linke Seite. Der Darm besitzt um diese Zeit noch kein längeres plattenartiges Gekröse, das eine freie Beweglichkeit zuliesse. Seine breite und kurze dorsale Verbindung mit der Leibeshöhlen- wand und die eben erwähnte ventrale Fixierung haben zur Folge, dass der Darm mit der dorsalen Hälfte über oben nach links gezogen wird, das Lumen auf dem Querschnitt also etwa in halber Höhe abgeknickt erscheint. Dieses Verhalten wird noch verstärkt durch den Druck der Allantoisblase, die, nach rechts unter dem Embryo hervortretend, am Zustandekommen der Umlagerung zweifellos mitbeteiligt ist und auf den Darm eine der vorigen entgegen- gesetzte Druckwirkung ausübt, indem sie die ventrale Hälfte über unten nach links drängt. Der Querschnitt des Darmes wird auf diese Weise so deformiert, dass es zuweilen schwer zu entscheiden ist, ob es sich um eine rein mechanische Abbiegung nach links oder aber um eine einseitige, spalten- artige Erweiterung des Darmlumens handelt, bezw. wie weit beides neben- einander zutrifft. Von störendem Einfluss bei den jüngeren Stadien ist endlich noch der Allantoisstiel und das Verhalten der ventralen Darmgefässe, indem hierdurch eine erhebliche Formveränderung der Darmwand bedingt wird. So lässt es sich nur unter Berücksichtigung all dieser Verhältnisse entscheiden, inwieweit den geschilderten Einzelheiten eine tatsächliche Bedeutung beizumessen ist. !) Dies Verhalten gilt auch noch für fältere Embryonen. Remaks Abbildung von einem Embryo gegen Ende des 5. Bruttages ([19] Fig. 38 auf Taf. IV, ist zweifellos stark übertrieben oder nach einem abnorm gestalteten Embryo gezeichnet, bezw. hat der Embryo erst durch ungeeignete Präparation und Fixation diese Form erhalten. Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 127 Bei dem beschriebenen Embryo von 3 T. 9a sind die störenden Momente nur gering ausgebildet, so dass derselbe ein gutes Bild der frühesten aktiv entstandenen Blinddarmanlage gibt. Diese präsentiert sich demnach als eine Erweiterung der ventralen Hälfte des Lumens in einem bestimmten Abschnitte des postum- bilikalen Darmes und als eine korrespondierende Verdickung der Darmwand. Die Wandverdickung ist lediglich auf Rechnung des Mesenchyms zu setzen, da die Höhe des Epithels im Bereiche ihrer stärksten Ausbildung von 32 u auf 23,5 « gesunken ist. Auch Remak schreibt dieselbe nur dem Mesenchym zu, wie aus seiner (S. 115) zitierten Schilderung hervorgeht. Die Verdickung beschränkt sich etwa auf die halbe Höhe der Darmwand und macht sich unter der Lupe nach aussen hin nur als leichte diffuse Auftreibung des Darmrohres bemerkbar. Beiderseits beginnt sie kaudal an der Grenze zwischen Kloake und Enddarm und reicht kranial weit über die Erweiterung hinaus bis in unmittelbare Nähe des Darmnabels. Die linke Verdickung ist nicht nur in der Transversalen stärker als die rechte, sondern auch in der Longitudinalen, reicht also weiter kaudal und kranial. Mit 600 u Länge übertrifft sie die rechte um ca. 130 « (Fig. 1). Die Erweiterung bildet jederseits eine flache, muldenförmige Aus- buchtung des Darmlumens, deren grösste Tiefe entsprechend der stärksten Verdickung links weiter kaudal liegt wie rechts; auch ist sie links stärker entwickelt wie rechts und zwar ist sie sowohl tiefer als auch länger. Was die Ursache dieser schon sehr frühzeitigen Ungleichheit in der Grösse der beiden Anlagen ist, die in den folgenden Stadien noch ausgesprochener wird und erst später langsam wieder zurückgeht, konnte ich nicht ermitteln. Möglicherweise spielt die Linkslagerung des Embryo hierbei eine Rolle, indem sie vielleicht für die linke Anlage bessere Ernährungsbedingungen schafft. Die Linkslagerung soll ja auch beispielsweise die Ursache sein, dass die linke Dottervene stärker wird, während die rechte obliteriert (Gadow, S. 912). Die Abflachung des Epithels im Gebiete der stärksten Er- weiterung (von 32 u auf 23,5 «) beweist, dass diese sich bereits in aktiver Tendenz befindet; wäre das nicht der Fall, dann müsste das Epithel eher höher werden. Eine Vermehrung der Epithelzellen, die man aus dem häufigeren Vorkommen von 128 August Kersten: Mitosen oder aus einer Schichtung folgern könnte, lässt sich jedoch nicht ermitteln. Da nun in analogen Fällen Verdichtung und Verdickung eines Gewebes als Reaktion auf irgend eine Druckwirkung einsetzen, folgt aus dem erwiesenen aktiven Ver- halten der Erweiterung wie aus ihrer ganzen Entstehung über- haupt. dass in der geschilderten Anlage die Erweiterung das primäre Moment ist. Die aktive Erweiterung und damit die aktive Entwicklung der Blinddarmanlagen setzt deshalb schon im ersten Drittel des 4. Bruttages ein, weil mit Ablauf dieser Zeit bereits eine Verdickung der Wand besteht. Auffällig ist, dass die Verdickung bei den letzten Embryonen kranial bedeutend mehr über die Erweiterung hinausreicht, fast um das Dreifache. Das spricht jedenfalls für ein sehr frühzeitiges selbständiges Längenwachstum der Verdickung in kaudo-kranialer Richtung: denn es ist nicht anzunehmen, dass der die Mesenchym- vermehrung anregende Druck sich soweit über die Erweiterung hinaus geltend macht. Aus diesem Verhalten der Verdickung folgt weiterhin, dass das Mesenchym der Blinddarmanlagen zu einem grossen Teile vom Mitteldarm geliefert wird. Da nämlich nach dem weiteren Verlauf der Entwicklung nur ein kleiner Bezirk der Blinddarm- mulden zuerst in transversaler Richtung in die Verdickung hinein auswächst, ist schon jetzt der kranial von der tiefsten Stelle der Mulde gelegene Abschnitt als Mitteldarm zu bezeichnen. Mit diesem stehen die Blinddarmanlagen noch längere Zeit in breiter Verbindung, bevor sie sich durch Ausbildung der Meso- caeca (richtiger der ligg. ileo-caecalia) von diesem ablösen und selbständig weiter wachsen. 3. Entwicklung der Blinddarmwülste und erste Anlage der primitiven Darmschleife. (Mitte des 4. bis Mitte des 5. Bruttages.) In der Weiterentwicklung der Blinddarmanlagen stehen die Embryonen 4 T.—, 4T.5b, 3T.20, 3 T.12a und 4T.4 in der angeführten Reihenfolge einander ziemlich nahe. Abgesehen von dem stärkeren Wachstum namentlich in der transversalen Richtung zeigen sie einige weitere Fortschritte. Die Verdickung der Darmwand begann bislang bereits im kranialen Bereiche der Kloake. Nunmehr vergrössert sich all- Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 129 mählich der Abstand zwischen der durch die Ablösung des Allantoisstieles begrenzten Kloake und dem Kaudalende der Blinddarmanlage, und wenn dieses Ende sich auch noch nicht scharf abgrenzen lässt, so kann man nun doch schon von einem Enddarme im definitiven Sinne sprechen. Die linke Wandverdickung ist in allen diesen Stadien sowohl in der Dickenausdehnung wie auch besonders in der Länge stärker entwickelt und reicht namentlich kaudal weiter als die rechte. So beträgt beim Embryo von 3 T. 20 links das Maximum der Wandstärke etwa 250 « kranial von der Kloake 183 u, gegenüber 122 « rechterseits im gleichen Schnitt. Rechts wird das Maximum erst 220 « weiter ceranial mit 170 « erreicht. Zuerst erstreckt sich die Verdiekung ziemlich diffus über die ganze Wand und ist etwa in halber Höhe am stärksten, so dass der Querschnitt queroval wird. So zieht sie beiderseits bis zum Darmnabel hin; wenigstens misst die Querachse des Darmes unmittelbar vor (kaudal von) der Nabelöffnung 275 «u, kranial dagegen 208 u. Nur wenig kranial vom Beginn der Verdickung erweitert sich das Darmlumen in seiner ventralen Hälfte. Anfänglich handelt es sich noch wie bei den jüngsten Stadien um eine flache muldenförmige Ausbuchtung nach links und rechts gegen die untere Hälfte der Darmwand. Diese Mulde vertieft sich ın ventrolateraler Richtung allmählich zu einer Rinne, die kranial rasch ihre grösste Tiefe erreicht und von da an nabelwärts allmählich flach ausläuft (Fig. 2 und 3). Durch das Vordringen der Rinne liest in diesem Bereich die grösste Wandstärke jetzt etwas dorsolateral. Da dieses Tieferwerden nur etwa die ventrale Hälfte der Mulde — d. i. etwa den vierten Teil der Gesamthöhe des Darmlumens — betrifft, so steht die Rinne mit dem Darmlumen anfänglich in ziemlich enger Kommunikation. Links ist die Rinne auch hier immer stärker ausgebildet wie rechts, und zwar so bedeutend, dass links schon eine tiefe Rinne besteht, während rechts erst eine mehr oder minder flache Mulde angelegt ist. Daher hat es bei einigen Embryonen auf Schnitten den Anschein, als sei das untere Ende des spalt- förmigen Darmlumens einfach nach links abgeknickt. Durch die oben genannten Einwirkungen wird dieser Eindruck noch stärker. Doch lässt sich durch die Ausbildung der rechtsseitigen Erweiterung Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. I 130 August Kersten: und durch die Lage des Ventralgefässes (siehe S. 124 und 136) der Anteil dieser Einwirkungen meist genau abgrenzen. Eine Ausnahme von diesem Verhalten macht auch gegenüber den folgenden Stadien der Embryo von 4 T. 4 dieser Gruppe. insofern bei ihm Verdiekung und Rinnenbildung sowohl in der Quer- wie in der Längsachse des Darmes ganz symmetrisch ent- wickelt sind. Doch lassen das weitere Verhalten des Darmes und einige andere Momente den Schluss zu, dass es sich hier nicht nur um eine Ausnahme, sondern namentlich in bezug auf den Darm offenbar um eine Missbildung handelt. Die Ungleich- mässigkeit der Anlage bildet auf dieser Stufe die Norm. In verstärktem Grade zeigen die Embryonen 4 T. Sa, 4 T. 15 und 4 T. 13 das soeben geschilderte Verhalten. Infolge des immer tieferen Vordringens der Rinne in die Verdickung hinein ver- grössert sich diese stark, anfänglich mehr in ventrolateraler Richtung, dann aber auch dorsal, so dass der Querschnitt nun- mehr ungefähr rechteckig wird. Die Querachse der ganzen Anlage wird damit bedeutend grösser als die Höhenachse. Beim Embrvo 4 T. Sa sind die Ausmessungen z. B. folgende: Etwas kranial von der Kloake ist das Verhältnis der Höhenachse mit 213 u zur Querachse mit 306 u bereits wie 1: 1,3. Es besteht also schon hier eine Vergrösserung der @Querachse, die vorwiegend der linken, weiter kaudal reichenden Verdickung beizumessen ist. Im Bereiche der stärksten Entwicklung der Anlage verschiebt sich dieses Verhältnis mit 306 « und 538 « auf 1: 1,3. Wahr- scheinlich ist der Unterschied noch bedeutender, da die beginnende ventrale Ausbiegung des Darmrohres als Anfang der Primitiv- schleifenbildung eine schräge Schnittrichtung und damit eine Vergrösserung der gemessenen Höhenachse zur Folge hat. In diesem Bereiche beginnt bereits links die ventrolaterale Kante des Wulstes in ventraler Richtung sich auszuziehen. Die Verdiekung greift noch auf das Gebiet des Darmnabels über und erreicht damit relativ ihre grösste orale Ausdehnung. In späterer Zeit geht sie scheinbar zurück, da dann ein starkes Wachstum des Dünndarmes einsetzt, wodurch es zur Ausbildung der primitiven Darmschleife kommt. Die Verdickung setzt sich im vorliegenden Stadium weder kaudal und kranial, noch auch ventral und dorsal schärfer ab, sodass der Darm im Bereich der Blinddarmanlage diffus verdickt erscheint. Es ist dies die 131 ‘49gnapadue sUmI9RI0SHN Sap Sunppig A9P uudog A9p IST c og U] x . . mn +@ (nr. . . ‘ . un 8 {PT °.T . u n® Be ._ ZT GE GEL Oz nl ve: vol Say Serum cl. lv ve 6älre ae 2 R\ ee I ae en near ® N rs n # 5 Mrs Fee) Se S = = BS | a9 B> = a 5 - = Des See Berense.n. een Sr RES SE | Eee Se g SB 2 59 =! 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Längen- und Dickenmaße des Darmkanales nach dem Ausschlüpien. a ER 2 = = 5 ® Se Se ee 2 ee 2 ler == EEE EN 3 = = RE) 26,5 1702 0403.25 47,5 4,5 0,19 Adam 4225 34,0 N 56,0 4.5 0,16 I Ww.— 12 | 25,0 15,0 3.0 43,0 4.0 0,19 ILW.AT. 13, 420 24,5 35 70,0 5,5 0,16 a 22 er 3.0 2= 5,5 = 2 W.3T.165| 37,0 18,0 3,0 58,0 4,5 0,15 UWE A 43,0 29,0 4,0 76,0 6,5 0.17 3W.3T.15 | 37,0 25,0 3,0.) 1.1655 4.0 0,12 MW 41,5 24,0 3,5 69.0 6,5 0,19 AW.3T.15| 540 | 370 4.0... 0 0 „25 0,10 ee 31.0.2, 2150 3.5 59,507 | 2,55 0,20 5W.4T.13 | 400 23.0 4,0 670 | 50 0,15 bawaz- 75 | ‚480 20,5 4,5 Sl 0,16 6W.3T.135| 490 | 295 4,5 83,0 6.0 0,14 Ba ol 2520 59,5 5,5 11405 .1:1%5 0,20 ZWATI6| 25 | 30,5 4,25 87,5 702 | 016 8SW.3T.5| 50 | 45 5,5 120,0 12,0 0,20 9W.—6 TOD. 10.540 6,0 130,0 10,5 0,16 On 1081 .,60.0% 1,365. 45 100% 777.95 0,19 JIaW. LUTZ 755,0 0 >45,5 5.0. MrlopS 0,12 12 W.2T.6| 570 | 3,5 525 | 80 | 90 0,18 13W.3T.3| 715 56,0 5,5, aa as 0,17 15W.5T.8| 750 43,75 6,25 | 1250. 1 140 0,22 DJaWE > 8 70 50,5 9,5 1070. 160 10023 auf die Darmlänge als auf die Rumpflänge geltend macht. Die Zahlen der Tabelle III wurden mit Ausnahme der Angaben für die Duodenalschlinge am frischen Präparat gewonnen. Von Dickenmessungen der postembryonalen Objekte wurde abgesehen, da deren Wert bei der wechselnden Ausdehnung doch nur ein illusorischer ist. Immerhin gestatten die erhaltenen Verhältnis- zahlen eine annähernd richtige Vorstellung von der Schnelligkeit des Wachs- tums zu verschiedenen Zeiten. a) Die relative Länge des Gesamtdarmes. Das Verhältnis der Rumpflänge zur absoluten Darmlänge wird sich wie 1:1 stellen, solange der Darm noch vollkommen gestreckt durch die 165 August Kersten: Leibeshöhle zieht. Nach dem Seite 133 Gesagten ist das nur kurze Zeit der Fall, etwa bis zum Ende des 4. Tages. Mit 5 Tagen beträgt die relative Darmlänge 1,6 und nimmt dann bis zum 9. Tage rasch zu, wo sie gleich 3,8 ist. In diese Periode fällt die Ausbildung der Primitiv- und der Duodenal- schleife. Vom 9. bis zum 13. Tage nimmt sie fast gar nicht zu, obschon der Darm stetig, wenn auch langsamer, wächst. Nach den Maßzahlen für die Rumpflänge beruht diese Erscheinung in deren rascherer Zunahme, vielleicht infolge der Streckung des Rumpfes. Dann nimmt die absolute Darmlänge jedoch rasch zu bis auf 6,8 am 18. bis 19. Tage; es fällt in diese Periode die Bildung der zweiten und vierten Hauptschlinge und der zahlreichen sekundären Schlingen In den letzten Tagen der Brut wird die Zahl wieder etwas kleiner, was in erster Linie durch ein geringeres Längenwachstum des Darmes, in zweiter Linie durch eine Streckung des Embryo und damit eine Vergrösserung der Rumpflänge bedingt wird. Beim Ausschlüpfen beträgt die relative Darmlänge ungefähr 6,5. Da Gadow die des erwachsenen Huhnes mit 9 angibt, ist sie beim aus- geschlüpften Kücken noch nicht erreicht. Leider wurde die Rumpflänge der Kücken nicht ermittelt, da dieser Punkt von Anfang an nicht in Betracht gezogen war; ich muss mich deshalb auf die absoluten Maße des post- embryonalen Darmes beschränken. In den ersten Wochen nimmt dieser ganz bedeutend zu; so steigt seine Länge von 29,3 cm beim Ausschlüpfen auf 90,0 em in der 4. Woche, verdreifacht sich also, während die Rumpflänge das in dieser Zeit nicht tut. Es ist deshalb anzunehmen, dass die definitive relative Darmlänge bereits in den ersten Wochen nach dem Ausschlüpfen nicht nur erreicht, sondern vielleicht noch übertroffen wird. Damit würde das Wachstum des Darmes dem des Körpers vorauseilen. Gadow sagt hierüber vom Huhne, dass die relative Darmlänge beim Jungen sehr schnell zunimmt und die der Erwachsenen schon in früher Jugend erreicht (Seite 697). Die absolute Darmlänge, die Gadow mit 170 cm angibt, ist nach meinen Befunden mit 5 Monaten noch nicht ganz erreicht, was sich mit Gadows Angaben deckt. b) Die relative Länge der Üaeca. Die relative Länge der Caeca ist umgekehrt am grössten zu Beginn ihrer Entwicklung. Am Anfang des 6. Tages, d. h. mit Beginn der Ablösung, beträgt sie 0,35—0,38. Am grössten ist sie wohl zur Zeit der diffusen Anlage, da diese dann eine verhältnismässig grosse Ausdehnung hat, während der Darm um diese Zeit relativ am kürzesten ist. In der Tat stellt sich die relative Blinddarmlänge für den Anfang des 5. Tages in annähernder Berechnung auf 0,45—0,50. Mit fortschreitender Entwicklung sinkt die relative Caecalänge stetig und zu der Zeit, in der die relative Darmlänge beim Embryo am grössten ist — etwa um den 18. Tag herum — ist sie mit 0,18 für die Caeca am kleinsten. Überhaupt am niedrigsten scheint sie nach meinen Beobachtungen in der vierten Woche nach dem Ausschlüpfen zu sein, in welcher der Darm seine definitive relative Länge erreicht hat; sie geht hier auf 0,12 herab. Damit bleibt sie hinter der Mindestforderung von Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus. 169 !/; der Gesamtlänge des übrigen Darmes zurück, also unter 0,2, die Gadow für Vögel mit langen Blinddärmen verlangt, zu denen auch die Rasores zählen. Nach der vierten Woche nimmt die relative Länge langsam wieder zu. Daraus würde folgern, dass beim Huhne die Caeca erst später ihre definitive relative Länge erreichen, wie der übrige Darm, bei dem dies in der vierten Woche der Fall ist. Inwieweit das mit der Bedeutung der Caeca für die Beschaffenheit der Nahrung zu vereinbaren ist, da diese bei den Hühnern als Nestflüchtern vom ersten Tage an die gleiche bleibt, wäre noch genauer zu untersuchen. Die wesentlichsten Ergebnisse meiner Untersuchungen seien noch einmal kurz rekapituliert in Form einer Zusammenfassung. Die Anlage der Blinddärme beginnt bereits am Ende des 5. Bruttages mit dem „Weiterbleiben“ eines begrenzten Abschnittes des sich verengernden postumbilikalen Darmes, d.h. mit dem passiven Zustandekommen der „Blinddarmampulle*“. Am Anfange des 4. Tages erweitert sich die ventrale Hälfte dieses Abschnittes auch aktiv, und gleichzeitig verdickt sich die Wand der Ampulle in ihrer ganzen Höhe durch Vermehrung des Mesenchyms; die Blinddarmanlagen treten damit auch makro- skopisch in Erscheinung als eine flaschenförmige Auftreibung des Hinterdarmes. Die Verdickung der Darmwand reicht an der frühesten Anlage auffallend weit kranial — bis ums Dreifache — über die Erweiterung hinaus, so dass der mesenchymatöse Bestandteil der Caeca in erster Linie vom (zebiete des Mitteldarmes geliefert wird. Die Blinddarmanlage ist in den ersten Tagen zwar auch symmetrisch im weiteren Sinne, aber deutlich ungleichmässig, in- dem die linke Anlage erheblich grösser ist und weiter kaudal reicht als die rechte. Durch immer schärfere Abhebung der Anlagen bilden sich die „Blinddarmwülste“ aus, in die hinein das zu den „Blind- darmrinnen“ vertiefte Lumen trichterförmig vordringt; mit beginnender Sonderung der ligg. ileo-caecalia wachsen die Wülste mit Ablauf des 5. Bruttages selbständig weiter aus zu den „Blinddarmsprossen“, die von den engen „Blinddarm- kanälchen“ ausgehöhlt werden, während die rinnenartige Er- weiterung des Darmes zu deren Anfang noch eine Zeitlang als „Blinddarmkammer“ fortbesteht. 170 August Kersten: Das Auswachsen der Blinddarmsprossen wird von der Um- gebung stark beeinflusst, namentlich zu Ende des 5. Tages durch die Ausbildung der primitiven Darmschleife. Nach diesem Tage geht die Ungleichheit der Doppelanlage langsam zurück. Mit dem 13. bis 14. Tage ziehen sie gestreckt von oben nach unten, wobei ihre Enden wie ein Hirtenstab umgebogen sind und einige Tage in das Leibesnabeleoelom hineinragen. Diese Lagerung behalten sie im grossen ganzen bis zum Ende der Brut bei. Erst nach dem Ausschlüpfen nehmen die Caeca allmählich ihre definitive horizontale Lagerung ein, was mit Ablauf der zweiten Woche nach dem Ausschlüpfen erreicht wird. Vom 11. Tage an beginnt die Sonderung in das weitere distale Hauptstück und in das engere Schaltstück, und vom 16. Tage an tritt am letzteren eine Auftreibung durch die Bildung des Schliesswulstes in Erscheinung. Durch diesen wird das Schaltstück in den kurzen proximalen Hals und in den engen röhrenförmigen Teil (Zietzschmann) gegliedert. Die relative Länge der Caeca ist am grössten zum Beginne der Entwicklung; sie sinkt dann stetig und ist am 18. Bruttage am kleinsten, um welche Zeit die relative Länge des gesamten embryonalen Darmes am grössten ist. Überhaupt am niedrigsten ist sie in der vierten Woche nach dem Ausschlüpfen ; dann nimmt sie langsam wieder zu bis zur Erreichung ihrer endgültigen Länge. Die Anlage der primitiven Darmschleife beginnt um die Mitte des 5. Tages. Die Primitivschleife wird beim Huhne nur vom lleum gebildet, da der Enddarm sehr kurz bleibt und die Blinddärme sich an dem stets horizontal laufenden Endabschnitte des Ileums entwickeln. Die Primitivschleife macht eine Achsendrehung durch, die aber nicht wie beim Säuger 360° erreicht und zu einer Um- schlingung des Dünndarmanfanges durch den Enddarm führt, sondern bereits mit 180° ein Ende findet. Phylogenetisch ist sie als Vorläufer der Darmdrehung der Säuger zu betrachten. Der Grund ihrer geringeren Ausbildung liegt in der sehr geringen Länge des Enddarmes. Mit dem 13. Tage verschwindet die Primitivschleife, indem aus ihrem Anfangsteile die zweite, aus ihrem Endteile die vierte Hauptschlinge Gadows sich entwickelt, während sie selbst zur Die Entwicklung der Blinddärme bei Gallus domesticus, 171 dritten Hauptschlinge wird. Schon vom 12. Tage an beginnt die Bildung der sekundären Schlingen. Die Begrenzung des Duodenums im postembryonalen (anatomischen) Sinne erfolgt zu Ende der ersten Hälfte des 5. Bruttages durch die beginnende Einkrümmung des kranialen Darmabschnittes zur Duodenalschleife. Diese ist am 8. Tage fertig ausgebildet. Während sie erst von oben nach unten zieht, rollt sie sich am 13. Tage zu einer Spirale auf. Dann streckt sich die Schleife wieder und nimmt allmählich ihre definitive Lage ein, indem sie in einem kranial offenen Bogen kaudal zieht, der sich nach dem Ausschlüpfen immer mehr dem Boden der Leibeshöhle nähert. Vom 14. Tage an ist ihr Ende hufeisen- förmig um den Magen auf dessen linke Seite umgeschlagen. Die relative Darmlänge (also die des Gresamtdarmes) ist zu Beginn der Brut am kleinsten und nimmt dann mit wechselnder Geschwindigkeit stetig zu bis zum 18. Tage, von wo an sie wieder etwas zurückgeht. Bei dem Ausschlüpfen beträgt sie 6,5 und erreicht die definitive (Grösse 9,0 (Gadow) in den ersten Wochen nach dem Ausschlüpfen. Das Blut des postumbilicalen Darmes und der Kloake sowie der Allantoissprosse wird in den ersten Tagen durch ein Gefäss zum Herzen zurückgeführt, das an der Ventralseite des Darmes hinzieht und sich in die V. omphalo-mesenterica sin. ergiesst. Mit der Ausbildung der Umbilikalvenen verödet dieses Gefäss nach der ersten Brutwoche. Es entspricht der V. subintestinalis der Fische und kann auch als primitive Nabelvene aufgefasst werden, da es vor der Ausbildung der bleibenden Nabelvenen das Blut der Allantois zum Herzen zurückführt. Herrn Prof. Dr. Zietzschmann, in dessen Institut diese Untersuchungen ausgeführt wurden, spreche ich für die Über- weisung des Themas und seine vielseitigen Unterstützungen meinen besten Dank aus. Ebenso danke ich dem damaligen Prosektor des Institutes, Herrn Dr. Richter, für das freundschaftliche Interesse, das er stets für meine Arbeit gezeigt hat. 1) >) August Kersten: Literaturverzeichnis. . Born, G.: Rekonstruktionsmethoden. Taschenbuch der mikroskopischen Technik von Böhm und Oppel, VI. Aufl., 1908. Eberth, C.1I.: Über die Follikel in den Blinddärmen der Vögel. Würz- burger Naturwissenschaftl. Zeitschrift, II. 1861, S. 171. Ellenberger, W.: Beiträge zur Frage des Vorkommens, der anat. Verhältnisse und der physiolog. Bedeutung des Caecums, des Processus vermiformis und des cytoblastischen Gewebes in der Darmschleimhaut. Archiv für Anatomie und Physiologie, physiolog. Abtlg., 1906, S. 139. Fischel, A.: Über Variabilität und Wachstum des embryonalen Körpers. Morpholog. 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Seyfert, G.: Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und zur Ent- wicklungsgeschichte der blinden Anhänge des Darmkanales bei Kaninchen, Taube und Sperling. Inaug.-Diss., Leipzig 1897. 22. Wolff, ©. F.: Über die Bildung des Darmkanals im bebrüteten Hühnchen. Übersetzt etc. von I. F. Meckel. Halle 1812. 23. Zietzschmann, O.: Der Verdauungskanal der Vögel. Ellen- bergers Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Haustiere. III. Berlin 1911, S. 377. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X. Die Abbildungen sind alle auf photographischem Wege nach den in 50 facher Vergrösserung ausgeführten Plattenmodellen angefertigt und auf eine un- gefähr 30 fache Vergrösserung reduziert. Fig. 1. Embryo von 4 Tagen 20 Stunden. Von hinten und etwas von unten gesehen. Fig. 2. Embryo von 5 Tagen 16 Stunden. Von hinten und von rechts gesehen. Fig. 3. Embryo von 6 Tagen 16 Stunden. Von hinten gesehen. Fig. 4. Darm eines Embryo von 7 Tagen 23 Stunden. Von hinten und von links gesehen. Die Benennungen gelten für alle vier Abbildungen. Ialirn, — linke Urniere. Kar. — Keimdrüse. rel: — rechter Leberlappen. l. dors. L. = linker dorsaler Leberlappen. Dr. Mag. = Drüsenmagen. cr. Mag. = kraniales Magenende. cd. Mag. = kaudales Mgstr. — Mesogastrium. Endd. — Enddarm. 1. Caec. — linkes Caecum. abst. Prim. — absteigender Schenkel der primitiven Darmschleife. auf. Prim. — aufsteigender P s 5 Übe. — Übergangsbogen in die primitive Darmschleife. ab. Duod. = absteigender Schenkel der Duodenalschleife. auf. Duod. — aufsteigender n n Rn Sch. Duod. — Scheitel der Duodenalschleife. Do. St. — Dottersackstiel. D.N. — Ausmündung des Darmnabels. Do. B. — Dottersackbucht. 174 August Kersten: Die Entwicklung der Blinddärme etc. Tel) OmA“ IMDOSA: Ta OmVE I9Dosyvz A. Do. \. Det. ven. v. Dg. l A. omphalo-mesenterica dextra. Ar 5 n sinistra. V. R e dextra. V: 4 5 sinistra, Starker Ast am Zusammenfluss der Vv omphalo- mesentericae. Ductus venosus. ventrales Darmgefäss. Aus der Prosektur des Krankenhauses des Naphthaindustriellenverbandes in Balachany-Baku. Mikrochemische Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. Von M. Mühlmann. Hierzu Tafel XI. Bei der Verfolgung der Veränderungen, welche an der Nerven- zelle während ihres Wachstums vor sich gehen, habe ich in der vorhergehenden Untersuchung (dieses Archiv, Bd. 77 !) hauptsächlich Färbungsmethoden benutzt. Dieselben sind zwar mikrochemischer Natur, sie lassen aber wegen der komplizierten Zusammensetzung der anwendbaren Farbstoffe nur unsichere Schlüsse zu. Von einfacheren mikrochemischen Versuchen wurden nur Verdauungs- proben mit Magen- und teilweise auch mit Pancreassaft angestellt. Ich bin zwar auch auf diesem Wege zu einem ziemlich übersicht- lichen Bilde gelangt, aber weitere Studien mit den gebräuchlichen mikrochemischen Reaktionen, sowie mit einer neuen Färbungs- methode haben das Bild in viel klareres Licht gebracht. Von chemischen Reagentien verwendete ich im Anschlusse an Zaccharias: 1. Salzsäure 0,2°/o, welche Chromatin scharf hervortreten lässt, die Kerngrundmasse und das Zellprotoplasma (Plastin) dagegen zur Quellung bringt; 2. starke Salzsäurelösung, welche Chromatin auflöst, die Kerngrundmasse nicht; 3. Kali- lauge 0,5°/o, welche Chromatin und Protoplasmaplastin auflöst, Kernplastin nur in Quellung bringt; 4. 10°/o Glaubersalz-, 5. 10°/o Kochsalzlösung, welche Chromatin zur Quellung bringen, die Kerngrundmasse nicht, Albumine aussalzen lassen; 6. 1/z Jo Sodalösung, welche Chromatin zum Quellen bringt, die nach der Verdauung zurückgebliebenen Plastinreste auflöst; 7. destilliertes Wasser, welches Chromatinsubstanzen in Quellung bringt, Nucleolen- substanz nicht, Albumine auflöst; 5. Ammoniakkarmin, welches sowohl Chromatin- als auch Plastinmassen aufquellen lässt, die !) Dort auch eingehende Literatur des Gegenstandes. 176 M. Mühlmann: Nucleolensubstanz nach Carnoy und Zaccharias nicht; 9. Magen- saft verwendete ich sowohl natürlichen, Hundemagensaft, als künst- lichen; bekanntlich lässt er Ohromatinmassen unverdaut, die Proto- plasma- und Kerngrundsubstanzen dagegen bringt er zum Quellen; 10. Trypsinlösung, welche ich nach Salkowski bereitete (Trypsin 1,0, Chloroform 1,5, Aqua destill. 300,0); sie soll Chromatin- und Plastin- massen auflösen, Nucleolarsubstanz nach Schwarz zum grossen Teil unverdaut lassen. Die Untersuchung unbearbeiteter Gewebsteile gewährt grosse Vorteile, ist aber bei dem Objekt, mit welchem wir zu tun hatten, wo es auf die Veränderungen von Kern- und Nucleolenteilen ankommt, welche erst bei Ölimmersion sichtbar sind, auch von Nachteil, weil das starke Lichtbrechungsvermögen der Teile die feineren Veränderungen nicht wahrnehmen lässt und dem sub- jektiven Urteil viel Spielraum lässt. Es wurde deshalb folgender Untersuchungsweg eingeschlagen. Die in Sublimat oder Zenkerformol oder Alkohol fixierten Embryonen, Rückenmarksstücke oder Spinalganglien wurden in Paraffin eingebettet, geschnitten, die Schnitte mittels Nelkenöl- kollodium aufgeklebt. Kontrollversuche führten mich zur Über- zeugung, dass die Aufklebung der Schnitte dem Ergebnis des mikrochemischen Versuches keineswegs schadet: Nelkenöl wird bei der Entfernung des Paraffins mit entfernt und die reaktiven Flüssigkeiten dringen in die (rewebsteile ausgezeichnet ein; Glycerineiweiss taugt für die Aufklebung nicht, weil durch die Einsenkung des Präparates in Kalilauge, Magensaft, derselbe bald abgelöst wird. Der Vorteil der Untersuchung an aufgeklebten Schnitten besteht darin, dass die Ergebnisse gleichmässiger aus- fallen und die gelösten Teile die ungelösten nicht mit wegschaffen. Nachdem das Reagens auf den aufgeklebten Schnitt eine bestimmte Zeit eingewirkt hatte, wurde derselbe gewaschen und mit den meisten derselben Farben tingiert, mittels welcher das Präparat vor der Einwirkung untersucht wurde, also: mit Hämatoxylin, Triaeid- (Ehrlich-Biondi-) Mischung, Methylenazureosin (Giemsas Gemisch) und Methylgrünpyronin. Der Zweck der Färbung war nicht nur der, das Ergebnis der chemischen Wirkung dem Auge zugänglicher zu machen, sondern auch folgender. Die an- gewandten Färbemittel sind insofern von diagnostischer Bedeutung, als sie gröbere chemische Verhältnisse, wie stärkere und schwächere Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 7, Basichromatie und Oxyphilie charakterisieren: die Färbung des Präparates nach der Einwirkung der chemischen Reagentien könnte also den Zustand der basi- und oxychromatischen Zellteile und dergleichen zum Vorschein bringen. Man könnte auf diese Weise vielleicht näher zur Natur der die Zelle zusammensetzenden Sub- stanzen kommen. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Untersuchung keineswegs als erschöpfend betrachtet werden kann. Erstens haben wir es nicht mit lebenden Zellteilen zu tun, sondern mit durch Fixationsmitteln bearbeiteten: dieselben verändern wohl den ur- sprünglichen chemischen Zustand der Zellteile in hohem Grade. Die Untersuchung kann also nur einen bedingten Wert haben, insofern als sie vorwiegend zum Vergleich der Veränderungen der in bestimmter Weise durch Fixationsmittel modifizierten Zellteile in verschiedenem Alter miteinander dienstbar gemacht werden kann. Dann muss man mit der Möglichkeit rechnen, dass das Fehlen der Färbbarkeit nach der Einwirkung einer Säure oder eines Alkalis und dergleichen auf das Präparat noch keineswegs davon herzukommen braucht, dass der tinktionsfähige Teil durch das Reagens aufgelöst wurde: er könnte in einen unfärbbaren Zustand verwandelt worden sein. Findet dies bei der Einwirkung der Reagentien auf lebensfrische Teile statt, so zeigte unsere Untersuchung doch, dass bei der Einwirkung derselben auf totes, fixiertes Material die Tatsachen sich anders verhalten: die Färb- barkeit schwand an denjenigen Teilen, welche zufolge der sonstigen Reaktionen gerade einen Stoff enthalten sollten, welcher chemisch isoliert nach der Einwirkung derselben Reagentia sich gleichsam löste. Diese Tatsache gestattete uns von Auflösung der Teile nach bestimmten Reaktionen zu reden. Bezüglich der Verdauungsversuche hat sich unsere Erfahrung dahin erweitert, dass wir die Ursache der Widerspenstigkeit des Ausfalls derselben zu einem Teil erkannten. Gegenüber den sonstigen mikrochemischen Versuchen muss vor Anwendung der Verdauungsproben an fixierten Präparaten gewarnt werden: sie verhalten sich bei verschiedenem Alter der Versuchsobjekte ganz anders als nicht fixierte Präparate, und zwar wie folgt: dieselben Teile jüngerer Individuen, welche in nicht fixiertem Zustand innerhalb einer gewissen Zeit vom Magensaft noch nicht verdaut Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. 119 175 M Mühlmann: werden, werden in fixiertem Zustand in derselben Zeit verdaut; umgekehrt, Teile älterer Individuen, welche in nieht fixiertem Zustand vom Magensaft verdaut werden, werden fixiert nicht ver- daut. Die Fixierung härtet also Teile älteren Alters gegen die Verdauung ab, vermindert dagegen die Resistenz jüngerer Teile. Von neuen Farbgemischen zog ich hinzu die bialkalische Mischung von Methylgrün und Pyronin, zuerst von Ehrlich für Blut empfohlen und dann von Unna für Färbung der Gewebe angewandt. Pyronin soll namentlich ein geeignetes Reaktiv für Färbung der Nucleolen sein. Ich stellte das Gemisch in der Modifikation von Unna-Pappenheim her, setzte aber mehr Alkohol hinzu. Ich gebrauchte folgendes Gemisch: Methylgrün 0,15, Pyronin 0,25, Alkohol abs. 7,5, Glycerin 20,0, Aqua carbolisata !/» %o ad 100. Färbung 5—24 Stunden. Differenzierung in Alkohol. Man erzielt mit dieser Lösung eine prachtvolle Färbung der Nervenzelle. Das Protoplasma ist rot gefärbt. Die rote Färbung ist an Zellen von 1—5 cm grossen Rinderembryonen noch unbestimmt diffus lokalisiert, bei 7—14 cm grossen erscheint sie fleckig mit Andeutung der Nisslschen Substanz, bei grösseren Embryonen von 20 cm Länge und mehr ist die rote Farbe deutlich an den Nisslschollen lokalisiert, wogegen die Zwischen- substanz des Protoplasmas leicht rosig erscheint (Fig. 1 und 2). Die Kerngranulierung färbt sich in den jüngeren Embryonalstadien violett und grün, in den älteren und beim Erwachsenen hellrötlich, oder in einem unbestimmten Mischton, welcher nicht als spezifisch betrachtet werden kann. Die Kernkörperchen werden in ver- schiedenen Stadien ganz verschieden gefärbt. Im ersten Stadium erscheinen die meisten Nucleolen blau oder violett, also in einer Mischfarbe von rot und blau. Aber schon bei 5—6 cm langen Embryonen beginnt in den Vorderhornnervenzellen eine Ditferen- zierung in der Nucleolenfärbung einzutreten, indem der Nucleolen- körper rot, sein Rand blau oder blaugrün gefärbt wird. Mit dem Wachstum der Nervenzelle wird diese Differenz schärfer, im blaugrünen Rande kommen ebenso gefärbte Verdickungen, Knoten zum Vorschein (Fig. 1). Wir haben also hier in bezug auf die Lokalisation der Methylgrüntinktion volle Analogie mit dem Ergebnis der Triacidfärbung. Der Unterschied zwischen beiden Färbungsarten ist ausser der Affinität der roten Farbe noch der, dass bei der zweibasischen Färbung der Unterschied zwischen Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 179 Leib und Hülle der Nucleole konstanter hervortritt, das Präparat demonstrabler und die Färbung haltbarer ist. Wie bei der Triacid- färbung ist die grünblaue Nucleolenhülle mit ihren Knoten nicht während der ganzen Embryonalzeit an der Nervenzelle nachzu- weisen; in den letzten Embryonalmonaten verdünnt sie sich und verschwindet schliesslich. An den Nervenzellen des erwachsenen Rindes fehlt sie ganz und gar (Fig. 2). Die Intensität der Rot- färbung des Nucleolenleibes vermindert sich gleichfalls mit dem Alter, beim Erwachsenen ist der Nucleolus hellrot, und die stärkere Intensität der roten Farbe hält sich länger am Rande der Lipoidosomen, resp. der Vacuolen des Nucleolus. In derselben Weise wie beim Rind bekommt man dies Farbenspiel an den Nervenzellen des Menschen, von Schafen, von Kaninchen und Meerschweinchen, wobei auch hier die Gesetz- mässigkeit nachzuweisen ist, dass gleiche Difterenzierungen der Nucleolenteile nicht bei gleich alten, sondern bei gleich grossen Embryonen, resp. Tieren beobachtet werden. Das Ergebnis der mikrochemischen Untersuchungen glaube ich am zweckmässigsten skizzenweise nach Durchschnitt mitteilen zu sollen: die Schwierigkeit der Arbeit führt zu häufigem Miss- lingen, zu Verschiedenheiten, die bald mit den Umständen der Arbeit selbst in Zusammenhang stehen, bald, wie wir in der vor- hergehenden Arbeit sahen, individueller Natur zu sein scheinen, und eine Wiedergabe der Protokolle unzähliger Versuche würde nur unklar bleiben und den führenden Faden verlieren lassen. Die Versuche wurden am Rindermaterial ausgeführt. Objekt: Rückenmarksvorderhornzellen und Spinalganglienzellen. Die An- teilung in Perioden blieb dieselbe wie früher. Da, wo bei der Skizzierung der Verhältnisse kein Hinweis auf Färbung gemacht ist oder von chromatischen Teilen gesprochen wird, ist die Beobachtung an mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten gemacht. Erstes Stadium. Embryonen bis zur 8. Woche. Zellengrösse:') Durchschnitt der Spinalganglienzellen 0,009 — 0,01 mm, der Kerne 0,007 mm, der Nucleolen 0,0014 mm. Versuche an 1, 2,4 und 5 cm grossen Embryonen. Be Alle Messungen wurden an in Sublimat 15—30 Min. fixierten Präparaten ausgeführt. 12* 180 M. Mühlmann: 0,2°0 Salzsäure. 2—5 Minuten: Protoplasma nicht gelöst, Kern scharf konturiert, das chromatische Kernnetz unverändert, Kernkörperchen in derselben Anzahl (5—”7), wie im unbehandelten Präparat (normal). 3 Stunden: Kern und Nucleolen gequollen. 24 Stunden: Kern gequollen» alle Bestandteile des Protoplasmas, die Kerngranulierung und die Kern- körperchen gut erhalten und mit Hämatoxylin sowie mit Methylenazur gut färbbar. Triacid hinterlässt im Kern die grüne Farbe, im Protoplasma die rote. Methylgrünpyronin färbt das Protoplasma in derselben hellroten Farbe wie normal; im Kern wird damit alles blau gefärbt, also auch die Nucleolen, welche sonst violett erscheinen. Starke Salzsäure. 2 Stunden: Sowohl das Protoplasma als der Kern erhalten, Kerngranulierung nicht sichtbar; die erhaltenen Teile schwach färbbar. 0,5% Kalilauge. 2—5 Minuten: Protoplasma gequollen resp. aufgelöst, starke Quellung des Kernes, das chromatische Kernnetz und die Nucleolen kaum sichtbar. 3 Stunden: Starke Quellung;; alle Nucleolen ausser einem gelöst, die Kerngranulierung ist aber sichtbar und mit Hämatoxylin färbbar. 24 Stunden: Die Quellung hat etwas nachgelassen; es ist ein Kernkörperchen sichtbar, in welchem Hämatoxylin eine ganz dünne fadige Hülle färbt: ausserdem färbt Hämatoxylin einzelne Körnchen im Kerne. Im Protoplasma tingiert keine Farbe deutliche Struktur ; im Kern hinter- lassen die Farbgemische eine schwach blaue Färbung der Körnchen, eine violettrötliche der Nucleoli. 0,50 Sodalösung. 1 Stunde: Starke Quellung. 3 Stunden: Des- gleichen. 24 Stunden: Desgleichen. Hämatoxylin färbt schwach, aber alle Teile lassen sich unterscheiden. Methylgrünpyronin färbt das Protoplasma rot, die Nucleolen blau (Fig. 3). 10°%o Glaubersalzlösung. 1-—24 Stunden: Keine besonderen Veränderungen, vielleicht eine geringe Quellung. 10% Kochsalzlösung: Quellung. Destilliertes Wasser: Quellung. Künstlicher Magensaft. 1 Stunde: Protoplasma rarifiziert, fast aufgelöst, Kern gequollen. Kerngranulierung und Kernkörperchen gut erhalten. 2 Stunden: Dasselbe. 3—4 Stunden: Quellung. Hämatoxylin färbt vorzüglich alle Teile, welche es normal färbt. 6 und 24 Stunden: Proto- plasma zerflossen, Kerngerüst gleichsam ununterscheidbar, Kernkörperchen in geringer Zahl oder einzeln erhalten. Die Protoplasmareste färben sich mit Methylenazur violett, mit Methylgrünpyronin in einer unbestimmten violettbraunen Farbe (Fig. 4), das Kernkörperchen wird nach diesen Farben bläulich. Mit Triacid wird in diesen Farben gleichsam keine bestimmte Färbung erreicht. Protoplasma rötlich, Kernnetz grünlich,. Kernkörperchen ungefärbt. Das Präparat ist nach 24stündiger Behandlung oft so destruiert, dass man in den Zellen keine deutlich abgrenzbaren Teile unterscheiden kann. Die Nachfärbung, auch mit Hämatoxylin, ist nicht dauerhaft. Zu den chemischen Reaktionen könnte nnch Ammoniakkarmin gerechnet werden. Es färbt das Protoplasma undeutlich, die Kernsubstanz diffus, die Kernkörperchen gar nicht. Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 151 Ein Gemisch von Säurefuchsin und Methylenblau färbt die Kernelemente blau, das Protoplasma rot, desgleichen nach der Behandlung des Präparates mit verdünnter Salzsäure. Trypsin löste auch innerhalb von 7 Stunden nicht alle Zell- und Kernteile eines 2!/a cm grossen Embryo, in Präparaten der übrigen Embryonen löste sich das Protoplasma innerhalb von 3 Stunden, aber ein Kernkörperchen blieb sichtbar. Die erhaltenen Teile nehmen Farbe nur kaum an. Triacid hinterlässt im Nucleolo eine grüne Farbe, die aber schwer lokalisierbar ist. Bei einem 5!/. cm grossen Embryo blieb nach 3 Stunden der Nucleolarrand unverdaut, er färbte sich mit Hämatoxylin und auch mit Methylgrünpyronin blau. Zusammenfassung der Zustände einzelner Zellteile im ersten Stadium.') Tigroidsubstanz. Noch nicht unterscheidbar. Das Protoplasma wird mehr oder weniger diffus mit basischen Farben, Methylenblau oder Pyronin, tingiert. Diese Färbung lässt sich am Präparat auch nach der Behandlung desselben mit ver- dünnter Salzsäure und gewissermassen auch nach Behandlung mit Magensaft erzielen. Sie lässt im Stich nach Behandlung mit Kalilauge oder Trypsin. Kerngranulierung. Färbbar mit Methylenblau, Methyl- grün, Pyronin, also basisch, teilweise aber auch oxyphil. Unlöslich in schwacher Säure, schwacher Lauge und in Magensaft. Die oxyphile Substanz ist nach der Säureeinwirkung unfärbbar. Alle Körnchen sind nach der Kalilaugebehandlung mit Anilinfarben unfärbbar. Kernkörperchen. 5--7. Die grösseren färben sich mit Methylenblau, Pyronin und Methylgrün, die kleineren nur mit Methylenblau und oxyphil. Die grösseren sind unlöslich in Salzsäure, Kalilauge, Magensaft, Trypsin und Salzlösungen. Nach der Kalilauge nehmen sie basische Farben nicht auf. Nucleolenhülle nicht differenziert. Nucleoleninhalt nicht differenziert. Zweites Stadium. 2—3 monatliche Embryonen. Zellengrösse: Durchschnitt der Spinalganglienzelle 0,014 mm, der Kerne 0,008—0,009 mm, der Nucleolen 0,002— 0,003 mm. Versuche an 8, 11 und 14 cm grossen Embryonen. ) In den Zusammenfassungen sind auch die Verhältnisse der Färbungen unbehandelter Präparate, wie sie in der vorhergehenden Arbeit geschildert sind, berücksichtigt. 182 M. Mühlmann: 0,2°%0 Salzsäure. 2 Stunden: Alle Teile gut unterscheidbar, um ein geringes schwächer färbbar (Hämatoxylin), als in den Neurogliazellen. 24 Stunden: Hämatoxylin färbt das Protoplasma graublau, Kern scharf konturiert, enthält das granulierte Kernnetz mit knotigen Verdickungen der Maschen. 1—4 Kernkörperchen gut färbbar, die knotigen Verdickungen der Nucleolenhülle sind am Hämatoxylinpräparat besonders deutlich in den Rückenmarksnervenzellen sichtbar. Die sonstigen Färbungen zeigen keine besonderen Abweichungen vom Normalpräparat: in der Triacidlösung ist die grüne Nucleolenhülle nicht scharf genug, dagegen sehr schön im Methylgrün- präparat darstellbar, wo namentlich die Hüllenknoten in blaugrüner Farbe hervortreten; der Nucleolenkörper ist dabei wie sonst rot gefärbt. Methylen- azur färbt die Hülle nicht abgegrenzt, da die Nucleolen damit diffus gefärbt werden. Starke Salzsäure. 2 Stunden: Alle Teile erhalten, darunter auch die knotigen Verdiekungen der Nucleolenhülle, aber schwach färbbar; die Anilinfarben tingieren die Nucleolenknoten überhaupt nicht. 0,5%0 Kalilauge. 2 Stunden: Protoplasma gelöst, Kerngrenzen unterscheidbar, keine Kerngranulierung, Kernkörperchen gequollen. 24 Stunden: Protoplasma gelöst: der Kern besteht aus einem schwach wahrnehmbaren fadigen Netz mit kaum wahrnehmbaren Nucleolen. Die Unlöslichkeit der Nucleolenhülle mit ihren Verdickungen ist am besten im Methylenazur- präparate zu sehen, wo dieselben blau, während der Nucleolenkörper rot gefärbt wird (Fig. 7). Methylgrünpyronin färbt keinen Teil deutlich. Triacid färbt alles diffus schwach grün. 0,500 Soda. 2 Stunden: Quellung aller Teile, schwache Färbung der Nucleoli. 24 Stunden: Hämatoxylin färbt alle Teile wie normal. Kern- granulierung und Kernkörperchen deutlich. Die Nisslsubstanz wird sowohl von Methylenblau (Fig. 5), als von Pyronin tingiert. Die Nucleolenhüllen- knoten werden von Triacid grün, von Methylgrünpyronin nicht abgegrenzt, da der Nucleolus dabei total blau gefärbt wird. 10° Kochsalz. 2 Stunden: Quellung, schwache Färbung der Kern- granula wie des Kernkörperchens, welches besser von den Anilinfarben als vom Hämatoxylin gefärbt wird. 24 Stunden: Alle Teile erhalten, ebensogut färbbar wie im Normalpräparat. 10% Glaubersalz. Dasselbe Bild wie nach Kochsalz. Destilliertes Wasser. Desgleichen. Quellung. Magensaft. 2 Stunden: Alle Teile etwas gequollen, schwache Hämatoxylinfärbung. 4 Stunden: Protoplasma verschwommen, fast gelöst. Das Tigroidsubstanznetz in Methylenazur sehr rarifiziert, aber stets sicht- bar; Methylgrünpyronin färbt die Nisslsubstanz nicht rot, sondern unbestimmt violett. Der Kern behält manchmal seine Form, aber meistens ist er ge- quollen; darin eine schwache Andeutung eines körnigen Netzes. Die Nucleolen gequollen, gut sichtbar nach der Hämatoxylin- und Methylgrünpyronin- färbung, manchmal sind sie aufgelöst. Nach der bibasischen Färbung sind sie blau (Fig. 6). Bezüglich der Nucleolenhülle ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob sie vorhanden ist oder aufgelöst. Man sieht nämlich keine deutlichen Grenzen derselben, aber der Nucleolus enthält überall, wo er 2) Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 185 vorhanden ist, an einem Pol eine Verdickung, welche allerdings nicht so scharf abgegrenzt ist wie normal. In den Anilinfarbenpräparaten nimmt das erhaltene Kernkörperchen die basische Farbe der Hülle an, weshalb die Knoten der letzteren, welche ja von minimer Grösse sind, nicht abgegrenzt werden können. Nach der 24 stündigen Magensaftwirkung ist das Bild noch mehr verschwommen: die Nucleolen scheinen aufgelöst zu sein. Trypsinverdauung bewirkt innerhalb von 3 Stunden eine Auf- lösung der Nisslschollen und des Nucleolenkörpers; das Protoplasma und die Nucleolenhülle mit ihren Knoten bleiben unverdaut. Die letzteren färben sich mit Methylgrünpyronin blau. Ammoniakkarmin färbt diffus sowohl das Protoplasma als den Kern ohne Differenzierung der Teile. In den Vorderhornzellen schwache Nucleolenfärbung. Zusammenfassung der Zustände einzelner Zellteile im zweiten Stadium. Tigroidsubstanz. Erste Andeutung ihrer Struktur. Werden mit basischen Farbstoften, ausser dem Methylgrün, gefärbt. Unlöslich in schwacher Salzsäure und Salzlösungen, löslich in Kalilauge. Nach der Magensaftverdauung unfärbbar oder schwach färbbar sowohl mit Methylenazur als mit Pyronin. Löslich in Trypsin. Kerngranulierung. Amphophil. Unlöslich in schwachen Säuren und Salzlösungen, löslich in Ätzkali. In Trypsin nicht ganz löslich, manchmal gut erhalten. Kernkörperchen. Die Zahl der grösseren geringer. Zentralwärts amphophil, peripherisch basophil (siehe Hülle). Die pyronophile Substanz des Nucleolenkörpers ist in Säuren, Salz- lösungen, manchmal auch in Magensaft unlöslich; die eyanophile (Methylenblau aufnehmende) ist löslich nur in Ätzkali, unlöslich in Magensaft; die Oxyphilie widersteht allen diesen Reagentien. Die Nucleolen sind in Trypsin unlöslich. Man begegnet Kernen, deren Nucleolenbild und deren Reaktionen denjenigen des ersten Stadiums entsprechen. Nucleolenhülle mit ihren Knoten. Färbt sich basophil, aber nicht mit Pyronin, wenn dasselbe mit Methylgrün vermischt ist, sondern mit dem letzteren. Unlöslich in schwacher Salzsäure, Kalilauge, Soda und neutralen Salzlösungen. Nach Ätzkali wird nur von Hämatoxylin und Methylenazur, nach Soda auch von Methylgrün tingiert. Das Verhalten zu Magensaft unklar. Von Trypsin wird verdaut. Nucleoleninhalt. Wie im ersten Stadium. 184 M. Mühlmann: Drittesust adium: 3—4 Monate alte Embryonen. Zellengrösse: Durchschnitt der Spinalganglienzellen 0,015 mm, der Kerne 0,009 mm, der Nucleolen 0,003 mm. Versuche an 18, 22, 24, 25 und 30 cm grossen Embryonen. 0,2°%0 Salzsäure. 2 Stunden: Alle Kernteile in den Vorderhorn- zellen gut erhalten, in den Spinalganglien Nucleolen undeutlich. 24 Stunden: Gleiches Bild, der Nucleolenrand, besonders seine Verdickungen sind im Hämatoxylinpräparat scharf abgegrenzt. Methylenazur färbt schwach so- wohl die Niss1substanz, als die Nucleolen. Die Chromatinknoten der Nucleolenhülle bewahren ihre spezifische Färbbarkeit. Starke Salzsäure (2 Stunden), soweit das Hämatoxylinpräparat übersehen lässt, löst nicht vollständig das Protoplasma und das Kern- körperchen auf, an Stelle des letzteren sieht man einen grauen runden Fleck, von welchem allerseits Fäden hinziehen. Im Methylgrünpräparat ist das Protoplasma nicht rot, wie nach schwacher Salzsäure, sondern hell- violett oder hellblau, das Kernkörperchen ist gar nicht gefärbt. In Methylen- azureosin ist das ganze Präparat rot gefärbt, desgleichen in der Triacid- lösung. 0,5% Kalilauge. 2 Stunden: Protoplasma gelöst, Kern gequollen, Kernnetz fadig, keine Granulierung, Nucleolus und Nucleolenhüllenknoten vorhanden. 24 Stunden: Protoplasma aufgelöst. Im Kern lassen sich in einigen Präparaten die Nucleolenknoten von Hämatoxylin und Methylgrün- pyronin violett gefärbt auffinden (Fig. 8). Methylenazur färbt alles blau, Triacid lässt die Perinucleolarknoten in grüner Farbe hervortreten (Fig. 9). 0,5°%o Soda, 10°o Kochsalz, 10°/o Glaubersalzlösung, destilliertes Wasser lassen eine geringe Quellung wahrnehmen, sonst aber keine besonderen Veränderungen. Methylgrün färbt überall das Protoplasma und den Nucleolen- körper rot. Methylenazur färbt die Niss1lsubstanz nach Soda nicht, was Pyronin aber tut. Die Nucleolenrandknoten werden von Methylenazur nach der Sodalösung dank der roten Farbe des Nucleolenkörpers schön blau gefärbt, Triacid färbt die Knoten deutlich grün, sonst sind sie wohl wegen starker Quellung schwer färbbar. Magensaft. 2 Stunden: Protoplasma samt Nisslsubstanz gut ab- grenzbar, die Kerngranulierung wird schwach tingiert, der Nucleolus ist undeutlich, aber die Randverdickungen desselben sind schön zu sehen. 4 und 24 Stunden: Alle Teile im Hämatoxylinpräparat gut tingiert, bald gequollen, bald etwas geschrumpft. Die Nisslsubstanz färbt sich im Methylenazur blau, in Methylgrünpyronin unbestimmt etwa graublau, in Triaeid ist sie gar nicht sichtbar. Die Kerngranulierung nimmt in keiner Farbe deutliche Tinktion an. Das Kernkörperchen ist in Methylenazureosin rot, manchmal am Rande einen leichten blauen Saum zeigend, aber deutliche Färbung des Nucleolenrandes ist im in Sublimat fixierten nicht konstatierbar, dagegen treten die blauen Randknoten deutlich im in Spiritus fixierten Präparate hervor. Triacid zeigt keine deutliche grüne Färbung der Teile. r () Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 15 Die Wirkung des Magensaftes ist bei fixierten und unfixierten Präparaten nicht merklich verschieden; die letzteren sind stärker gequollen (Fig. 16). Trypsin. 2 Stunden: Protoplasma sichtbar, aber unfärbbar. Der Kern und das Kernkörperchen lassen sich an vielen Zellen deutlich nachweisen und von Hämatoxylin tingieren. In Ammoniakkarmin lässt sich eine schwache Färbung des Kern- körperchens nachweisen. Sonst diffuse Färbung der Teile. Zusammenfassung der Zustände einzelner Zellteile im dritten Stadium. Tigroidsubstanz. Gut differenziert. Dieselben Reak- tionen, wie im vorhergehenden Stadium; aber nach der Magen- saftwirkung von Methylenazur färbbar, von Pyronin nicht spezifisch. Nach Soda keine Färbung mit dem ersteren, spezifische Färbung mit dem zweiten. — Im Protoplasma tritt die erste geringe Lipoidkörnelung auf. Kerngranulierung. Die Amphophilie beginnt gegen die Oxyphilie zurückzutreten, aber vorhanden. Unlöslich ın schwacher Salzsäure, in Magensaft und in Salzlösungen, löslich ın Ätzkali, starker Salzsäure und Trypsin. Kernkörperchen. Durchschnittlich 1—2. Unlöslich in schwacher Salzsäure, Magensaft und in Salzlösungen, löslich in Ätzkali, starker Salzsäure und Trypsin. Nucleolenhülle und ihre Verdiekungen. Unlöslich in Salzsäure, Ätzkali (0,5°/o), Magensaft, Trypsin und Salzlösungen. Nach Kalilauge werden die Knoten nur von Hämatoxylin, nach Magen- saft schwach von Methylenazur, nach Soda von Methylgrün tingiert. Nucleoleninhalt. Auftritt von Lipoidosomen. Viertes Stadium. 5— 8 Monate alte Embryonen. Zellengrösse: Durchschnitt der Spinalganglienzellen 0,02—0,04 mm, der Kerne 0,01—0,017 mm, der Nucleolen 0,003—0,005 mm. Versuche an 35 und 70 cm grossen Embryonen. 0,2°/, Salzsäure. 2 und 24 Stunden: Alle Teile scharf abgegrenzt, darunter auch die Nucleolenrandknoten im Hämatoxylinpräparat. Die Färbung der Nisslsubstanz zeigt eine gewisse Rarifizierung derselben. Pyronin färbt sie ebensogut wie normal. Starke Salzsäure löst die gröbere Protoplasmastruktur nicht auf, aber der feinere Bau ist wegen der schwachen Färbung nicht zu eruieren, die Kerngrenzen und der Kerninhalt ist verschwommen. Das Kernkörper- chen ist aufgelöst 156 M. Mühlmann: 0.5°0 Kalilauge. 2 Stunden: Protoplasmastruktur aufgelöst, Kern gequollen, enthält ein schwaches fadiges Netz. Beim 35 cm grossen Embryo, welcher normal einen chromatischen Nucleolarrand enthält, ist derselbe grösstenteils aufgelöst, der Nucleolus selbst ist gleichsam undeutlich, beim 70 cm grossen starke Quellung, aber die Auflösung geringer. 24 Stunden: Das Protoplasma und die Kernstruktur sind nicht verschwunden, aber auch nicht färbbar,!) im Methylenazurpräparat ist das Protoplasma homogen grün, das Kernkörperchen rot und enthält mehrere blaue Fleckchen am Rande der Lipoidosomen (Fig. 10). In den Salzlösungen und im Wasser keine besonderen Ver- änderungen ausser der Quellung. Die Nisslsubstanz wird nach Glauber- salzbehandlung nicht scharf genug von Pyronin tingiert. Ebensowenig, wenn überhaupt, wird sie nach der Sodabehandlung mit Methylenazur blau gefärbt, auch Pyronin tingiert nach Soda die Nisslsubstanz wegen Quellung schlecht, immerhin besser als Methylenazur. Magensaft. 2 Stunden: Quellung, im Protoplasma Zerklüftungen, das Kernkörperchen mit den Verdickungen seines Randes ist im Häma- toxylinpräparat gut sichtbar. Vom Nucleolus zieht eine strahlenförmige Körnelung nach der Peripherie desselben hin. 4 und 24 Stunden: Die Nisslsubstanz nach Methylenazur blau, nach Methylgrünpyronin rot. Das Kernkörperchen fehlt an vielen Zellen, die Kernsubstanz ist dann fein granuliert oder homogen. Es gibt aber Zellen, wo das Kernkörperchen auf- findbar ist. Trypsin. 2 Stunden: Es lassen sich alle Teile nachweisen, das Kernkörperchen am schwächsten, aber alle haben die Färbbarkeit eingebüsst, nur am Nucleolarrand tingiert Hämatoxylin minime bogenförmige Stäbchen. Ammoniakkarmin färbt das Kernkörperchen, lässt auch die Ver- diekungen seines Randes nachweisen. Sonst wie früher. Zustände einzelner Zellteile im vierten Stadium. Tigroidsubstanz. Deutlich ausgebildet. Basophil, nur nicht viridophil. In Säuren und Magensaft unlöslich, in Kalilauge und Trypsin löslich. Nach Soda verschwindet die Cyanophilie, bleibt die Pyronophilie, aber nicht deutlich strukturiert. Nach Magensaft ist die Pyroninfärbung fast spezifisch. — Im Proto- plasma ist die Zahl der Fettkörner grösser. Kerngranulierung. Amphophil, aber die Oxyphilie ist stärker vertreten. Dieselben Reaktionen wie im dritten Stadium. Kernkörperchen. Eins, selten zwei lösen sich in keinem von uns angewandten Reagentien, ausser starker Salzsäure und teil- weise auch Magensaft. Die Cyanophilie bleibt nach Kalilauge nur um die Lipoidosomen. Im Triacidpräparat ist das Körperchen ') Mit Hämatoxylin Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 157 etwas grünlich mit der roten Farbe vermischt; die grüne Farbe fehlt aber nach den Einwirkungen der Reagentien. Die Nucleolenhülle und ihre Verdiekungen sind noch beim 35 cm grossen Embryo im Hämatoxylin- und Pyroninmethyl- grünpräparat, beim 70 cm grossen nur im Hämatoxylinpräparat zu sehen. Ihre Reaktionen beim 35 cm grossen sind dieselben wie im vorhergehenden Stadium. Nucleoleninhalt: Lipoidosomen. Deren Ränder sind in 0,5°/o Kalilauge unlöslich. Fünftes Stadium. | Fertige Frucht und erwachsenes Individuum. Zellengrösse: Durchschnitt der Spinalganglienzellen 0,05 mm, der Kerne 0,017 mm, der Nucleolen 0,005 mm. 0,2°%% Salzsäure. 2 Stunden: Alle Zellteile sind um ein geringes geschrumpft, färben sich aber ziemlich gut. Nucleolenrandknoten werden selten angetroffen und nur im Hämatoxylinpräparat. 24 Stunden: Im all- gemeinen dasselbe Bild. Die Nucleolenknoten färben sich im Hämatoxylin- präparat in Form von dünnen Stäbchen oder dünnen halbmondförmigen Figuren. Bei der Methylenazurfärbung sind die Nisslschollen verdünnt; die roten Zwischenräume sind stärker ausgesprochen als normal, die Kern- granulierung ist rot, das Kernkörperchen ist gleichfalls rot, enthält vier bis fünf blaue Kügelchen oder eckige Figürchen, die im Innern einen roten Schimmer nachweisen lassen. Triacid färbt alle Teile rot. Methylgrün- pyronin gibt gleichfalls nur rote Färbung; übrigens die Kerngranula sind ungefärbt. Starke Salzsäure. 2und 24 Stunden: Nisslschollen gelöst, Kern und Nucleolus erhalten, schwach färbbar. 0,5% Kalilauge. 2 Stunden: Nissischollen gelöst, Kern und Kern- körperchen gequollen, fast aufgelöst, die Randverdickungen des letzteren sind erhalten, verlieren aber wegen starker Quellung des Körperchens ihre regelmässige Ringform. 24 Stunden: Nisslsubstanz verschwunden, das Kernkörperchen vorhanden, die Nucleolenrandknoten färben sich nur mit Hämatoxylin. Methylenazureosin färbt den Nucleolus rot, seine Randknoten blau. Methylgrünpyronin färbt schwach selbst das Körperchen. Die Kern- granulierung ist nur nach der Hämatoxylinfärbung gut sichtbar, allerdings schwach gefärbt. 0,5°/o Soda. 2 und 24 Stunden: Die Nisslsubstanz etwas ver- schwommen, weder mit Pyronin (Fig. 11), noch mit Methylenblau (Fig. 13 und 14) spezifisch färbbar. Der Nucleolus ist nach Methylenazur blau oder enthält im roten Feld blaue Knoten. Der Nucleolenrand färbt sich nur mit Hämatoxylin. 10° Kochsalz und 10°% Glaubersalz veränderten das Präparat wenig. Dasselbe betrifft auch destilliertes Wasser. In der Glaubersalzlösung 188 M. Mühlmann: wurde mit der Methylenazureosinlösung eine Differenz in der Färbung ver- schiedener Körner des Kernes erhalten: der grosse Nucleolus ward intensiv blau, die grossen Körnchen wurden rot, die übrigen (kleineren) violett. Der Nucleolarrand wird nur von Hämatoxylin tingiert. Im allgemeinen kann man von einer gewissen Quellung der Teile in den erwähnten Flüssigkeiten, namentlich auch im destillierten Wasser reden. Magensaft. 2 und 3 Stunden: Im Protoplasma Zerklüftungen, im Kern lassen sich die Kernkörnelung und der Nucleolus unterscheiden. 4 und 24 Stunden: Die Nisslkörper färben sich mit Methylenazur, sowie mit Pyronin (Fig. 15), nicht mit Methylgrün, im Kern begegnet man selten einzelnen Körnchen, meist ist sein Inhalt in eine homogene unfärbbare Masse umgewandelt. Das Kernkörperchen wird in manchen Präparaten ganz aufgelöst, in anderen bleibt es erhalten, schwach färbbar; gelegentlich tingiert es Hämatoxylin stärker. In bezug auf die Wirkung des Magensaftes sind die Ergebnisse einstimmiger bei Verwendung unfixierter Präparate: innerhalb von 18 bis 24 Stunden geht jede Chromatiestruktur weg. An den Neuroglia- und Binde- gewebszellen lassen sich Kerne noch tingieren, auch nicht beständig, aber in den Nervenzellen ist jede Spur von Struktur innerhalb der Zellen verwischt: man sieht keine Nisslschollen, keinen Kern, keinen Nucleolus (Fig. 19), der Zellinhalt ist homogen und nimmt diffus basische Farbstoffe auf: Methylenblau (Fig. 20), schmutziges Methylgrün in der Triacidmischung (Fig. 17) und schmutzig violett in der zweibasischen Mischung (Fig. 18). Es ist also nach der Auflösungaller Teileeinnucleinhaltiger Körperunverdautgeblieben. Dagegen werden in fixierten Präparaten auch nach der 24stündigen Magensaftwirkung unversehrte Zellteile nach- gewiesen: die Nisslschollen, der Kern, das Kernkörperchen (Fig. 15). Die unverdauten basophilen Teile nehmen auch nach Sodaeinwirkung basische Farben auf, färben sich aber nicht nach 0,5° Kalilauge und starker Salzsäure. In Trypsin 2-4 Stunden unfixiert: Die Zelle ist erhalten, aber darin keine Nisslstruktur, kein Kern oder spurenweise, nur der Nucleolus ist vorhanden, aber geschrumpft. Gut lassen sich noch minime Perinucleolar- knötchen im Hämatoxylinpräparat nachweisen. Bei der Methylenazureosin- und Methylgrünpyroninfärbung erscheint dasselbe Bild, wie nach 24stündiger Magensaftverdauung des unfixierten Präparates: eine diffus körnige basische Färbung des ganzen Zelleibes, nach der Triaeidfärbung ist die Grünfärbung nicht so intensiv wie dort. Die Perinucleolarknoten sind sonst nach den Anilinfärbungen nicht vorhanden. 24 Stunden: Keine basische Färbung des Verdauungsrestes mehr, keine Nucleolen, keine Perinucleolarknoten. Die nach vierstündiger Einwirkung hinterbliebenen Verdauungsreste lösen sich in Soda nicht auf, dagegen aber in schwacher Kalilauge und in starker Salzsäure. Ammoniakkarmin färbt sowohl den Nucleolus als seine Randver- dickungen, welche etwas gequollen sind; im Protoplasma keine distinkte Struktur. Zustände einzelner Zellteile im fünften Stadium. Tigroidsubstanz. Dasselbe Verhalten, wie im vorher- gehenden Stadium, die Pyroninfärbung aus der zweibasischen Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 159 Mischung ergibt nicht dieselbe hellrote Färbung, wie in jüngeren Stadien, fällt etwas dunkler aus. Nach der Magensaftwirkung auf das fixierte Präparat bleibt sie unversehrt. Im Protoplasma anwachsende Fettpigmentkörnelung. Kerngranulierung. Die meisten Körner sind oxyphil, eine geringere Zahl basophil. Die Oxyphilie verschwindet nicht nach der Einwirkung von schwacher Salzsäure und Kalilauge, verschwindet, resp. die Körner werden aufgelöst, in Magensaft und Trypsin. Die basophilen Körner lösen sich in allen genannten Flüssigkeiten auf. Kernkörperchen. Färbt sich nicht mit Methylenblau wie früher, färbt sich mit Pyronin nicht so intensiv wie früher, färbt sich wie auch früher oxyphil. Ungelöst in schwacher Salz- säure und Kalilauge, aber nach der Kalilauge nimmt weder Methvlenblau noch Pyronin auf. Im Magensaft bald löslich, bald nicht. In Trypsin löslich. Nucleolenrand. Unlöslich in schwacher Salzsäure, Kali- lauge, Soda, Salzlösungen und Trypsin, färbt sich aber nach diesen Reagentien mit keinem Farbstoffe, ausser manchmal mit Hämatoxylin, aber nicht am ganzen Rande, sondern unterbrochen, knotenartig. In Magensaft scheint er gelöst zu werden. Nucleoleninhalt. Lipoidosomen mit cyanophilem und pyronphilem Rand, welcher in schwacher Salzsäure und Kalilauge unlöslich ist. Mit dem Fortschritt des Wachstums werden die Lipoidosomen durch Vacuolen ersetzt. Die Farbstoffreaktionen liessen uns schon in der vorher- gehenden Untersuchung einen im Wachstum der Nervenzellen sich frühzeitig einstellenden Reduktionsvorgang erkennen, der jetzt zunächst aus den Grössenmessungen der Nervenzellteile in verschiedenem Alter ersichtlich ist. Es lässt sich ein Unterschied im Wachstum der Grösse des Nervenzelleibes und des Kernes konstatieren: während der Zellenquerschnitt vom ersten bis fünften Stadium fortwährend zunimmt und sich innerhalb dieser Zeit fast verzehnfacht, nimmt der Kern ungleichmässig zu und vergrössert sich in derselben Zeit nur 2—3 Mal, der Nucleolus 3—4 Mal. Das Protoplasma zeigt also grössere Wachstums- geschwindigkeit als der Kern. Im letzteren entsteht frühzeitig 190 M. Mühlmann: ein Rückhalt im Wachstum. Wir haben darin zwei morphologisch differente Teile zu untersuchen: die Kernkörnelung und das Kernkörperchen. Die erstere zeigt bald die Eigenschaften des Nucleolenkörpers, bald der Nucleolenhülle, weshalb wir unsere Aufmerksamkeit zunächst auf diese Teile lenken. Der Nucleolarkörper. Wir haben in den früheren Studien!) kennen gelernt, dass die Nucleolen in den ersten Embryonalperioden in einer grösseren Anzahl (5—7 in einer Nervenzelle) vorhanden sind, dass sie im Laufe der Entwicklung sich allmählich an Zahl verringern und in der zweiten Hälfte der Embryonalzeit, sowie beim Erwachsenen zu einem, selten zwei, reduziert werden. In der ersten Periode liessen sie sich in basichromatische und amphophile trennen; die basichromatischen nehmen alle basischen Farbstoffe auf samt Methylgrün. die amphophilen saure und alle basichromatischen Farbstoffe ausser Methylgrün auf. Die amphophilen werden all- mählich zu Kernkörnern reduziert, die basichromatischen ver- grössern sich beträchtlich, sie stellen die eigentlichen Nucleolen dar, weshalb ich sie als Primärnucleolen bezeichnete. Die Farb- stofireaktionen derselben erfahren von der zweiten Periode an eine Differenzierung, indem um die Nucleole sich eine Schale ausbildet, welche andere Farbstoffe aufnimmt, als der Körper der Nucleole.e. Während der Entwicklung macht der neugebildete Teil des Körperchens, die Schale, einen vom Körper der Nucleole ganz verschiedenen Weg durch, weshalb ich beide gesondert betrachte. Wenn ich also im folgendem vom Kernkörperchen spreche, so ist damit sein Leib ohne Schale gemeint. Er nahm in der ersten Periode alle möglichen basischen Farbstoffe auf, jetzt nimmt er kein Methylgrün mehr auf, das letztere bleibt der Schale überlassen; er färbt sich jetzt mit Methylenblau, Pyronin, Fuchsin und mit sauren Farbstoffen. Wir haben in den früheren Studien auf Grund der Farb- stoffreaktionen samt den Verdauungsproben gleichsam festgestellt, dass die embryonalen Nucleolen der Nervenzelle nucleinhaltig sind. Die meisten übrigen chemischen Reaktionen der basi- chromatischen Nucleolen der ersten Periode entsprechen gleichfalls dem Nuclein: die Unlöslichkeit und Unquellbarkeit in schwacher Deleze: Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 1.931 Salzsäure, die Quellung in Kochsalz-, Glaubersalz- und Soda- lösung, die Löslichkeit in starker Salzsäure, die Nichtfärbbarkeit mit Ammoniakkarmin. Gegen die Nucleinnatur spricht die Un- löslichkeit wenigstens eines Nucleoli in Kalilauge und in Soda- lösung: nach Zaccharias soll nämlich Uhromatin schliesslich in Soda aufgehen. Bezüglich der Wirkung der Sodalösung muss aber darauf aufmerksam gemacht werden, dass Miescher — der Schöpfer der Nucleinlehre — in Soda „lösliches und unlösliches Nuclein“ unterscheidet. Die Unlöslichkeit unserer Nucleolen in Soda spricht also noch nicht gegen ihre nucleinige Natur: es ist möglich, dass in den Kernkörperchen „unlösliches“ Nuclein vor- handen ist. Was das Verhalten zu schwacher Kalilauge betrifft, so sehen wir, dass nach der Kalilaugebehandlung das Kernkörperchen keinen basischen Farbstoff mehr aufnimmt: der nucleinige Teil löste sich also auf, der gebliebene, gequollene entspricht dem unlöslichen Plastin. Wir haben im Nucleolus vielleicht noch mit einer Substanz zu rechnen, da er sich in Trypsin nicht auflöst: zufolge Schwarz löst Trypsin Chromatin (Nuclein) schon innerhalb 5 Minuten, Plastin ist auch darin löslich, das embryonale Nervenkern- körperchen löst sich darin auch nach 2—7 Stunden nicht auf. Die in Trypsin unverdaute Substanz bezeichnete Schwarz als Pyrenin. Indem ich im folgenden diese Bezeichnung beibehalte, möchte ich die Vermutung aussprechen, dass es sich wohl kaum um eine von den übrigen Zellsubstanzen sich wesentlich unter- scheidende Substanz handle. In dieser Hinsicht neige ich mich der Ansicht derjenigen zu, die im Pyrenin eine Modifikation des Plastins ansehen. Pyrenin gleicht sonst in allen Reaktionen dem Linin (Plastin), dessen chemische Modifikation es wohl darstellt. Die Unlöslichkeit in Trypsin ist durchaus keine genügend charakte- ristische Reaktion, welche immer einer besonderen Substanz zu- grunde liegen müsste. Wenn reines Nuclein darin auch leicht löslich ist, so muss doch auf die alten Untersuchungen von Kühne hingewiesen werden, wonach manche Kerne darin unlöslich sind. Dann möchte ich darauf hinweisen, dass die Nervenzell- substanz des erwachsenen Tieres der verdauenden Wirkung des Trypsins mehrere Stunden widersteht: dieses Phänomen gehört also nicht allein dem Nucleolarteil der Zelle, wie es für Pyrenin 192 M. Mühlmann: dargestellt wird. Wenn wir uns durch die Angaben Schwarz’ nicht binden lassen wollen, so glaube ich im Pyrenin eine atryptische Form entweder des Plastins oder des Nucleins sehen zu dürfen, da die Masse, welche die betreffende Reaktion gibt, den Gehalt sowohl von Plastin als Nuclein aufweist und nach der Trypsinwirkung Methvlenblau noch aufnehmen kann. Im Kernkörperchen der ersten Periode sind also drei Sub- stanzen vereinigt: Nuclein, Plastin und eine Modifikation derselben, Pyrenin — drei Kardinalstoffe, welche die Zelle überhaupt zu- sammensetzen. Dieser Standpunkt steht im Widerspruch mit dem schema- tischen Bauplan der Zelle, wie er von vielen Histologen geschildert wird. Einzelne Autoren mögen in bezug auf Details miteinander nicht übereinstimmen, die meisten sprechen von morphologischen Reaktionen: jedem morphologisch differenzierten Zellteil eine bestimmte Substanz zugrunde liege. Dem Protoplasma soll Plastin als Grundsubstanz dienen: das Gerüstwerk des Kernes soll aus Linin (gleichfalls Plastin) bestehen, worin Chromatin eingebettet ist; Chromatin, bestimmte morphologische farbenaufnehmende Teile, wird mit Nuclein, einer chemischen Substanz identifiziert, die Nucleolen sollen nach einem aus Pyrenin, nach dem anderen aus Nuclein, nach dem dritten aus einem Stoff für sich, aber immer ist es ein Stoff, der das Gebilde ausbauen soll, die verschiedenen darin gefundenen Salze, Metalle etc. sollen damit in Verbindung getreten sein, resp. darin eingeschlossen sein; schliesslich wäre noch auf Amphipyrenin hinzuweisen, aus welchem die Kernmembran bestände und Paralinin, welches den Kernsaft darstelle. Die Widersprüche. welche in bezug hierauf unter ver- schiedenen Forschern sich merkbar machen, haben ihren Grund nicht nur in der Schwierigkeit der Untersuchung, sondern meiner Ansicht nach im falschen Gesichtspunkt, auf welchem die Unter- suchungen basieren, einem morphologischen Bestandteil soll eine chemische Substanz das Gepräge verleihen. In verschiedensten Zellteilen, selbst in den allerkleinsten, es mögen auch Fäden sein, die erst bei Ölimmersion gefunden werden, ist die chemische Zusammensetzung wohl nicht weniger kompliziert als in einem Teil des erwachsenen Organismus; die mikrochemische Reaktion, die man im Grunde genommen doch als ziemlich grob bezeichnen muss, weil sie auf das dem Auge schier zugängliche Material Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 193 angewandt wird, und in der Tat dabei eine Summe von Sub- stanzen der Wirkung einer chemischen Substanz ausgesetzt wird, kann nur sehr approximative Schlüsse zulassen. Das ist wohl auch die Ursache, dass zuerst einstimmige Farbenreaktionen nach Vermehrung der Erfahrung vielstimmig werden. Das ist bezüglich der basischen Anilinfarbstoffe ja bekannt. Wir be- gegnen solchen Tatsachen auch bei der Untersuchung der Natur der nervösen Zellteile. In der zweiten Periode finden wir den Nucleolarkörper unlöslich in allen von uns angewandten Reagentien, ausser Trypsin. (regenüber Magensaft ist die Resistenz etwas verringert im Ver- gleich mit der ersten Periode, in vielen Präparaten ist jetzt die Nucleole gequollen, Chromatinreaktionen sind fraglich, Plastin- reaktionen fast alle vorhanden, zumal, in starker Salzsäure das Kernkörperchen erhalten blieb. Dass der Nucleolarkörper von zwei basischen Farbstoffen, Methylenblau und Pyronin, gefärbt wird, darf uns von der Diagnose Plastin nicht abhalten, denn die Unfärbbarkeit des Plastins eigentlich nur in bezug auf Hämatoxylin festgestellt ist. Die Färbbarkeit der Plastinsubstanz mit Pyronin ist schon längst festgestellt. Pappenheim hat dafür speziell die Bezeichnung Basiplastin oder Parochromatin vorgeschlagen. Richtiger wäre sie als Amphoplastin zu bezeichnen. Ich glaube immerhin, dass die gute Tinktion des Nucleolarkörpers nach der Wirkung der schwachen Salzsäure, welche denselben nicht zu merklicher Quellung bringt, sowie das schwankende Verhalten zur Magensaftwirkung und die völlige Unfärbbarkeit nach der Wirkung der starken Salzsäure ım Nucleolarkörper eine Substanz oder Substanzen ansehen lässt, welche eine Zwischen- stufe zwischen Chromatin und Plastin wohl darstellen. Die Magensaftwirkung lässt an die Existenz noch einer Substanz im Nucleolarkörper denken. Abgesehen davon, dass die nicht seltene Auflösung desselben nach einem verhältnis- mässig kurzen Aufenthalt in Magensaft sowohl gegen Uhromatin als auch gegen Plastin spricht, fällt bei der zweibasischen Färbung des verdauten, aber in der Struktur konservierten Präparates die regelmässig blaue Färbung des zuvor roten Nucleolenkörpers auı. Auch in der ersten Periode ergibt die Methylgrünpyroninfärbung nach der Magensaftwirkung eine blaue Färbung der Nucleole. Wir haben dieses Verhältnis bei der Übersicht der Verhältnisse Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1. 13 194 M. Mühlmann: der ersten Gruppe nicht berührt, weil die zuvor violette Färbung die Farbenänderung nicht so auffällig macht; in der zweiten Gruppe wandelt sich aber eine rote Farbe in eine blaue um. Es ist also die Pyronophilie durch die Verdauung entfernt worden. Da der durch die Verdauung gelöste pyronophile Körper sonst alle Eigenschaften des Plastins teilt, so wird es sich wohl um einen Eiweißstoff handeln, der den Plastineigenschaften nahe steht. Einem ähnlichen in Magensaft verdaulichen Eiweisskörper, der, wie wir sehen werden, zu den Globulinen gerechnet werden kann, werden wir später im Protoplasma begegnen. Die nach der Ver- dauung hinterbliebene blaue Färbung gehört dem unverdauten Nucleinrest. In der dritten Periode zeigt der Nucleolarkörper dieselben Reaktionen wie in der zweiten Periode, nur bezüglich der schwachen Kalilauge lässt sich ein Unterschied konstatieren, indem die Wider- standsfähigkeit gegenüber derselben zurückgegangen ist, anderer- seits ist die Unlöslichkeit in starker Salzsäure besser ausgesprochen, auch in Ammoniakkarmin lässt sich eine schwache Tinktion wahr- nehmen, welche früher nicht vorhanden war. Wir haben also wiederum dieselben Schwankungen zwischen den Chromatin- und Plastinreaktionen, welche in der zweiten Periode beobachtet werden, mit stärkerem Überwiegen der Plastinreaktionen. Bezüglich der Trypsinwirkung war die Entscheidung unsicher, eher konnte man von einer Auflösung der Nucleolarkörper nach zwei bis drei- stündiger Wirkung sprechen, und so muss der Gehalt von Pyrenin sowohl in der zweiten als in der dritten Periode als fraglich hingestellt werden. Die Magensaftwirkung lässt gleichfalls an einen Globulinkörper denken. Die vierte Periode ähnelt der dritten, die Plastinreaktionen werden aber besser ausgeprägt und in der fünften Periode sind sie allein vollends ausgeprägt: Unlöslichkeit in starken Säuren, schwachen Alkalien, Quellbarkeit in schwacher Salzsäure. Der Unterschied von gewöhnlichem Plastin besteht in schwacher Widerstandsfähigkeit gegenüber der verdauenden Wirkung des Magensaftes: die Nucleole wird verhältnismässig leicht darin aufgelöst, jedenfalls in kürzerer Zeit als es bei der Nucleole der ersten Embryonalperiode sichtbar ist. Durch diese Eigenschaft schreiten die Substanzen des Nucleolarkörpers noch weiter von den Nucleinsubstanzen weg, indem sie zu den Globulinen sich Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 195 nähern. Sie gehören jedenfalls nicht zu Albuminen, da sie ja in Wasser unlöslich und unaussalzbar sind. Bezüglich des Ver- haltens bei der Trypsinverdauung ist dasselbe zu sagen, was bezüglich der Magensaftverdauung: der Nucleolus des Erwachsenen wird leichter (früher) von Trypsin verdaut, als der Nucleolarkörper der ersten Perioden. Somit hat das Kernkörperchen, wenn wir seine Hülle aus- schliessen, während der Entwicklung folgendes Geschick erfahren: es war zuerst mit drei oder vier Bestandteilen ausgerüstet: Plastin, Nuclein, Pyrenin und Globulin, dann kam das Pyrenin weg, später Nuclein, schliesslich ist es bei Plastin oder Globulin geblieben. Gleichzeitig mit dem Rückgange der Zahl der verschiedenen Eiweißsubstanzen, welche den Nucleolarkörper ursprünglich zu- sammensetzen und namentlich in jener Periode, wo die Nuclein- reaktionen merklich zurücktreten, also in der dritten, bilden sich darin Rückbildungsprodukte in Form von Lipoidosomen, welche wir in den früheren Studien!) näher kennen gelernt haben. Sie bleiben dauernd bis in die ersten Lebensjahre, um später Vacuolen Platz zu geben. Die Nucleolarschale. Die Nucleolarschale wird von der zweiten Periode an deutlich wahrgenommen. Kommt nur den Primärnucleolen zu. Besteht aus einer fadigdünnen Haut mit Knötchenverdickungen, wird nur von basischen Farbstoffen samt Methylgrün tingiert. Ist unlöslich in schwacher und starker Salzsäure, in verdünnter Kalilauge, in Soda und den übrigen Salzlösungen, worin auch eine Quellung derselben konstatiert werden kann, in destilliertem Wasser, in Magensaft und Trypsin. Den Reaktionen nach muss sie aus Nuclein, Plastin und Pyrenin bestehen. Verändert während des embryonalen Wachstums ihren Bestand kaum merklich, nur in Ammoniakkarmin werden die Knötchen in der fünften Periode in gequollenem Zustand sichtbar, was in den früheren Perioden nicht der Fall ist; sie werden da von Ammoniakkarmin über- haupt nicht tingiert. Im einzelnen sei darauf hingewiesen, dass, obwohl der Bestand der basichromatischen Nucleole der ersten Periode sich vollends in den chromatischen Schollen des Nucleolarrandes der ) l.e. und Virchows Archiv, Bd. 202. 13% 196 M. Mühlmann: zweiten Periode bewahrt, und sein Nuclein gleichsam sodaunlöslich ist, das Verhalten zu manchen Reagentien beider nicht ganz gleich ist; so sehen wir z. B. in der zweiten Periode nicht beständig dieselbe Widerstandsfähigkeit gegen die Magensaftverdauung, wie in der ersten. Es ist in bezug auf Nuclein eigentlich nicht fest- gestellt, wie lange es im Magensaft unverdaut bleiben kann. Die Schwankungen, welche wir hier bezüglich in unseren Versuchen bekommen, brauchen also nicht die Frage nach der nucleinigen Natur des betreffenden Bestandteils ins Schwanken zu bringen; sie rufen bloss die Frage hervor, ob es in dieser Hinsicht auch nicht verschiedenartige Nucleine gibt, resp. ob neue chemische Kombinationen desselben Nucleins diese Schwankungen bewirken können. Es ist auch nicht die Möglichkeit von der Hand zu weisen, dass bei der geringen Grösse des in Betracht kommenden Objektes das Vorhandensein eines in Magensaft löslichen Körpers eine morphologisch sich kundgebendes Verschwinden der übrigen Teile beim Verdauungsversuch bewirken kann. Der zweite Unterschied zwischen den Reaktionen viridophiler Nucleolen der ersten Periode und denjenigen der Nucleolarschale der weiteren Stadien besteht darin, dass nach Kalilauge die ersteren nur saure Farbstoffe aufnehmen, die zweite aber auch mit Methylenblau gefärbt werden kann. Methylenblau als schwach basischer Farbstoff färbt überhaupt eine grössere Reihe von Substanzen, als stark basisches Methylgrün oder Pyronin: es ist also anzunehmen, dass Plastin Methylenblau aufnimmt, dass auch im Nucleolarrand ein Basiplastin vorliegt. Die Nucleolenschale macht einen ganz anderen Entwicklungs- weg durch als der Nucleolenkörper. Während der letztere im Laufe des Wachstums seinen Bestand im Sinne einer Verein- fachung seiner Konstitution fortwährend wechselt, zeigt die erstere eine ziemlich konstante Zusammensetzung. Ihre Existenz ist aber nur eine zeitweilige. Sie wird beim Rinde nur im Embryonalleben beobachtet. In den letzten Fötalmonaten beginnt sie sich gleich- mässig zu atrophieren und wenn ihr beim jungen Rind noch begegnet wird, so wird sie nur bei der Hämatoxylinfärbung in Form von ganz dünner Haut mit atrophischen Schollen, die nicht mehr die schöne Viridophilie zeigen, gefunden. Die ganz vom Nucleolarkörper verschiedene Konstitution der Nucleolenschale verleiht ihr als einem Zellteil eine gewisse Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. "97 Selbständigkeit, die auch morphologisch vorhanden ist. Bei genauer Besichtigung der Perinucleolarschollen bei einem grösseren Fötus oder beim Erwachsenen, besonders nach der Einwirkung von Soda oder destilliertem Wasser, welches sie zum Quellen bringen, kann man durch Drehung der Mikrometerschraube sich überzeugen, dass die Randknoten nicht direkt am Rande des Nucleolarkörpers, sondern etwas abseits davon, durch einen ganz geringen Zwischen- raum davon getrennt liegen. Die chromatischen Perinucleolarschollen stellen also anfangs, in der ersten Embryonalperiode, wo sie über- haupt nicht selbständig sichtbar sind, einen ingredienten Teil des Nucleolarkörpers, differenzieren sich aus demselben heraus, um schliesslich eine von ihm gewissermassen unabhängige Stellung zu nehmen. Am besten kann man sich davon bei der Einwirkung von Kalilauge überzeugen, als der Nucleolarkörper aufgelöst wird und die Schale allein da bleibt. Welche Rolle kommt diesen Chromatinschollen zu? Ver- gleichen wir sie mit dem Nucleolarkörper, so fällt zwischen ihnen der grosse Unterschied in der ganz spezifischen Verwandtschaft der Schollen zu Methylgrün, welche dem Nucleolarkörper fehlt, auf. Da der chemische Unterschied zwischen ihnen ganz vor- wiegend im allmählichen Schwinden der Nucleinreaktionen im Körper und Festbleiben derselben in den Schollen besteht, so kann man nicht umhin, die starke Verwandtschaft zu Methyl- grün eben durch den Gehalt der Perinucleolarschale an unlöslichem Nuclein zu erklären. Die Schale zeigt eine intensive Färbung eben mit derjenigen Farbe, welche Chromatin zurzeit der Voll- ziehung seiner Hauptaufgabe am intensivsten färbt — im Teilungs- moment der Zelle. Aber bei den Nervenzellen kommt es zur Teilung nicht. Die Vermehrung der Nervenzellen hält bekanntlich ziemlich früh an: man findet Teilungen daran nur im Beginn ihrer Differenzierung. In den Wachstumsumständen der Nervenzelle gibt es also Hinder- nisse, welche sie die normale Funktion einer jeden Zelle sich zu vermehren nicht ausüben lässt. Diese Umstände werden von der physikalischen Wachstumstheorie in den Ernährungsbeziehungen der Nervenzelle gesucht. Man mag die Theorie teilen oder nicht, das kann die Richtigkeit der Behauptung nicht schwanken lassen, dass in der Entwicklung des Organismus Hemmungsumstände vorhanden sein müssen, welche die Nervenzellen sich nicht ver- 198 M. Mühlmann: mehren lassen. Dass der Nervenzelle eine Neigung zur Ver- mehrung, wie jeder sonstigen Zelle, innewohnt, das zeigt eben unsere Untersuchung. Die Teilung einer Zelle beginnt damit, dass alles Chromatin derselben sich im Zentrum der Zelle zu einem Knäuel zusammenballt. In der Nervenzelle sammelt sich gleich- falls alles Chromatin, und zwar alles unlösliche Chromatin, nur nicht in eine Knäuelform, sondern in der Form von einem Peri- nucleolarring mit Perinucleolarknoten darin. Sie umgeben eine chromatinarme Masse, die sie vielleicht eben die Knäuel und die übrigen Teilungsfiguren nicht ausbilden lassen. Die Vermutung, welche Häcker u. a. über die Bedeutung der Nucleole als eines Abscheidungsproduktes machte, findet eine gewisse Bestätigung in unseren Beobachtungen, aber diese Bedeutung kommt wohl nur dem Nucleolarkörper der Nervenzelle zu, nicht der Nucleolar- schale. Aber aus der Tatsache, dass die Nucleole der Nervenzelle des erwachsenen Organismus aus nucleinlosen Massen besteht, darf noch nicht geschlossen werden, dass sie ein unorganisiertes, lebloses Produkt darstellt, wie Heidenhain meint. Die Bildung von Degenerationsprodukten darin, wie die Lipoidosomen, zeigt, dass die Nucleolen einen lebendigen Teil darstellen, aber das Leben, welches sie fristen, ist ein Dasein niederer Natur, kein progressives. Es handelt sich hier um die sehr verbreitete Form der physio- logischen Atrophie — die necrobiotische.') Die Nisslschollen. In der vorhergehenden Untersuchung sind wir zum Schluss gekommen, dass die Tigroidsubstanz eine den Nervenzellplasma- raum gleichmässig ausfüllende flüssige oder halbflüssige Masse darstellt, welche beim Absterben der Zelle erstarrt, eine klein- körnige Form annimmt und die Räume zwischen den Neuro- fibrillenbündeln ausfüllt, weshalb sie bei gewisser Behandlung ein Negativbild der Neurofibrillenstruktur liefert. Diese Vorstellung harmoniert mit allen Tatsachen, die auch von anderen Forschern (Bethe, Cajal u.a.) gesammelt sind. Bezüglich der chemischen Natur der Nisslschollen konnte ich damals auf Grund der Färbungs- und Verdauungsversuche !) Dent. med. Woch. 1900, Anat. Anz. 1901. Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 199 zu keinem bestimmten Schluss kommen. Man ist neuerdings sehr geneigt, dieselbe als eine dem Kernchromatin analoge Substanz anzusehen (Held, Scott, Holmgren u.a). Zu dieser Ver- mutung gab die Färbung der Nisslsubstanz mit basischen Farb- stoffen, die Unlöslichkeit derselben in schwacher Säure und im Magensaft, die Löslichkeit in Alkalien, der Gehalt an Eisen und Phosphor Veranlassung. Wir fanden die Nisslsubstanz in allen Stadien der Ent- wicklung färbbar mit Methylenblau und mit Pyronin und in keiner mit Methylgrün aus der Triacidmischung. Die Färbung mit den ersten zwei Farbstoffen besagt, dass die Substanz basophil ist, mit Pvronin haben wir Basiplastin färben können. Wir konnten uns bei der zweibasischen Färbung der zuvor mit Magensaft behandelten Nervenzellpräparate überzeugen, dass von Pyronin auch ein durch Magensaft verdaulicher Eiweisskörper, wahrscheinlich eine Globulinform, im Kernkörperchen gefärbt wird. Was die Nicht- färbung mit Methylgrün betrifft, so darf die bei der Nucleolen- färbung gewonnene Erfahrung uns vermuten lassen, dass in der Tigroidsubstanz wohl kein unlösliches Nuclein zu suchen wäre. Bezüglich der Intensität der Färbung mit Methylenblau und Pyronin wäre nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, dass die Methvlenblaufärbung keine besonderen Differenzen in verschiedenen Perioden zeigt, dass die Pyroninfärbung in den ersten Embrvonal- perioden reiner ist, dass also die Farbe rein rot ist, als in den Nervenzellen älterer Embryonen und beim Erwachsenen, wo sie dunkelrot, ins violette schimmernd, ist: sie ist beim letzteren auch nicht rein violett, was darauf hinweisen könnte, dass Methyl- grün dieselbe Anteilnahme an der Färbung wie Pyronin hat, sie ist nur nicht so rot wie beim Embryo, was jedenfalls darauf hinweisen könnte, dass Methylgrün beim Embryo der ersten Perioden so gut wie keine, beim älteren Embryo und dem Er- wachsenen eine gewisse Teilnahme an der Färbung hat. Was besagen die chemischen Reaktionen der Nisslsubstanz ? In den ersten Perioden: Unlöslichkeit in schwacher Salzsäure, in destilliertem Wasser, in Glaubersalz- und Kochsalzlösung, Löslich- keit in Kalilauge, starker Salzsäure und Trypsin: alles Nuclein- reaktionen. Nach der Magensaftverdauung bleibt die fleckige Färbung mit Methylenblau, wenn auch rarifiziert, erhalten, der evanophile Teil ist also ungelöst, gleichfalls entsprechend den 200 M. Mühlmann: Eigenschaften der Nucleinsubstanzen, aber mit Methylgrünpyronin erhält man nach dem Verdauungsversuch die Rotfärbung in der ersten Periode nicht deutlich genug, in der zweiten, dritten und vierten gar nicht; es kommt eine unbestimmte bräunlich-violette und gar schmutzig blaue Färbung der Nisslschollen zustande (Fig. 4 und 6); der pyronophile Teil ist also in Magensaft ver- daulich. Es ist also in den Tigroidschollen ausser Nuclein noch eine Substanz vorhanden, die pyronophil ist. Sie ist kein Plastin, da sie in starker Salzsäure löslich ist. Es ist wohl derselbe ver- dauliche Eiweisskörper, den wir auch im Nucleolarkörper gefunden haben, und den wir der Kürze halber als Neuroglobulin bezeichnen, weil er eine spezifische Färbbarkeit des Nervenzell- leibes!) hervorruft und die Eigenschaften eines Globulins hat. Schliesslich wäre noch das Verhalten der Nisslschollen der ersten Embryonalperioden zur Sodalösung zu besprechen. Sie lösen sich nämlich in Soda nicht; sowohl die Uyanophilie als die Pyronophilie bleibt erhalten. Wie verhalten sich dabei beide die Nisslschollen zusammensetzenden Substanzen? Haben wir da mit dem Miescherschen in Soda „unlöslichen“ Nuclein zu tun, oder das Nuclein, welches in den Nisslschollen steckt, dem gewöhn- lichen Nucleoalbumin gleicht und in Soda löslich ist, aber das Neuroglobulin darin unlöslich ist und darauf sowohl mit Pyronin als mit Methylenblau gleich gut gefärbt wird? Die chemischen Reaktionen der Nisslschollen im weiteren Verlauf des Wachs- tums zeigen, dass der zweite Tatbestand wohl eher Platz greift. Bei den grösseren Embryonen und beim erwachsenen Rind ändert sich das Verhalten der Nisslschollen sowohl zur Soda- einwirkung als zur Magensaftverdauung. Nach der Sodawirkung verschwindet mit dem Wachstums- fortschritt sowohl die Cyanophilie als die Pyronophilie derselben. Das ist in geringem Grade schon bei den grösseren Embryonen der dritten Periode, bei den Embryonen der vierten Periode und ganz gut beim erwachsenen Rind sichtbar. Nach der Methylen- blaufärbung hinterbleibt bei der sodierten Zelle des Erwachsenen nur noch eine geringe fibrilläre Struktur (Fig. 14). ') Damit ist nicht gesagt, dass die Färbbarkeit allein für das Nerven- zellprotoplasma spezifisch ist, wenn wir derselben auch bei gewissen Leuco- cyten und anderen Zellen begegnen. Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle, 201 Nach der Magensaftwirkung werden die Nisslschollen des Erwachsenen sowohl mit Methylenblau, als mit Methylgrünpyronin ebenso gefärbt, wie vor dem Verdauungsversuch; also die bei Embryonen unter demselben Einfluss verloren gehende spezifische Färbung mit Methylgrünpyronin kommt beim Erwachsenen wiederum zustande. Ja in den Fällen, wo eine völlige Auflösung der Nissl- struktur unter dem Einfluss sowohl der Magensaft- als der Trypsinverdauung stattfindet, die hinterbliebene homogen körnige Masse von allen basischen Farbstofien, selbst von Methylengrün aus Triacid gefärbt wird. Bei andauernd langer Fermentwicklung wird jede färbbare Masse gelöst. Ich erkläre alle diese Erscheinungen folgendermassen. Die Nisslschollen bestehen vom ersten Moment an, als ihre Struktur nur angedeutet wird, also schon im ersten Embryonalstadium aus zwei Substanzen: einem löslichen Nuclein und einem Neuroglobulin. Neuroglobulin, „lösliches“ Nuclein und „unlösliches“ Nuclein sind drei Eiweisskörper, welche in der Zusammensetzung sowohl des Protoplasmas als des Kernes der Nervenzelle eine grosse Rolle spielen, in chemischer Hinsicht nahe aneinander stehen, da ihnen eine Reihe von chemischen Reaktionen gemeinsam ist. (Gemeinsam sind ihnen das Verhalten zu Wasser, Säuren, Alkalien, Neutralsalzen und Trypsin, verschieden ist nur das Verhalten zu verdünnter Sodalösung und zur Magensaftverdauung. Sie sind unlöslich in Wasser, verdünnter Salzsäure und in Neutralsalzen, löslich in Alkalien, starker Salzsäure und Trypsin. In verdünnter Sodalösung ist Neuroglobulin und das „unlösliche“ Nuclein unlöslich, das „lösliche* Nuclein löslich. Im Magensaft sind beide Nucleine unlöslich, Neuroglobulin löslich. Alle drei haben Säureeigenschaften; das lösliche Nuclein hat mehr freie Säuregruppen, als beide andere Substanzen. Von Farbbasen nehmen alle drei Methylenblau auf, Neuroglobulin nimmt aus zweibasischer Mischung — Pvyronin, unlösliches Nuclen — Methylengrün und lösliches Nuclein nimmt beide Basen auf, zeigt aber stärkere Verwandtschaft zu Pyronin. Die stärkere Verwandtschaft des unlöslichen Nucleins zu Methylgrün bewirkt auch, dass es aus der Triacidmischung das letztere auf- nimmt, während lösliches Nuclein davon gar nicht dissoziiert wird. Die Eigenschaften des unlöslichen Nucleins haben wir bei der Untersuchung der Zusammensetzung des Kernes kennen gelernt. 202 M. Mühlmann: Das Neuroglobulin und das lösliche Nuclein sind in ver- schiedenem Alter der Nisslschollen in verschiedener Quantität darin verteilt. Im jüngeren Embryonalalter ist Neuroglobulin stärker vertreten als Nuclein, mit dem Wachstum verringert sich die Globulinmenge und wächst das Nuclein. Beim Erwachsenen ist Globulin zu einem Minimum reduziert und Nuclein vorwiegend repräsentiert wird. Ihre nahe chemische Verwandtschaft macht es sehr wahrscheinlich. dass Neuroglobulin in Nuclein übergeht. Dieser Bauplan der Nisslschollen, welchen ich auf Grund ihrer mikrochemischen Eigenschaften konstruiere, erklärt, wie mir scheint, befriedigend alle beobachteten Tatsachen. Die Schollen sind in den ersten Embryonalstadien von der zwei- basischen Färbung hellrot, röter als in den letzten Stadien und beim Erwachsenen, weil darin dort mehr pyronophilenen Globulins und beim Erwachsenen mehr Nuclein enthalten ist. Die Methylen- blaufärbung ist nach der Magensaftverdauung der jungen Schollen etwas rarifiziert, weil darin mehr Globulin, welches in Magensaft löslich ist, vorhanden ist; diese Rarifizierung fehlt unter den- selben Umständen beim Erwachsenen, weil hier mehr unverdau- lichen Nucleins vorhanden ist. Die normale Rotfärbung des Methylgrünpyronins fehlt in den jüngeren Stadien nach der Magen- saftverdauung, weil das pyronophile Globulin gelöst wird: es hinterbleibt eine unbestimmt violette Färbung des unverdaulichen Nucleins; die Färbung ist unbestimmt, weil Nuclein in diesen Stadien noch in geringer Menge vorhanden ist. Nach der Ver- dauung der Zellen Erwachsener bleibt die Färbung der Nissl- schollen in den Fällen, wo sie erhalten bleiben, unversehrt, weil das vorwiegend vertretene Nuclein unverdaut bleibt: der un- versehrte Bau der Schollen deutet wohl darauf hin, dass auch das Neuroglobulin dabei nicht verdaut ist (Wirkung der Fixierung: solche Bilder werden nur an fixierten Präparaten erhalten); wo aber, und das ist an unfixierten Präparaten der Fall, Neuroglobulin verdaut wird, das unverdaut gebliebene Nuclein zerfliesst gleich- mässig über den ganzen Zelleib und wird von allen basischen Farb- stoffen, also auch von Methylgrün aus der Triacidmischung gefärbt. Es liegt also jetzt unlösliches Nuclein vor, was auch der mit diesem Verdauungsrest angestellte Sodaversuch dartut. Somit ist lösliches Nuclein durch den Verdauungsprozess in unlösliches verwandelt worden. Es ist wohl möglich, Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 203 dass auch im Leben die Bildung des unlöslichen Nucleins aus dem löslichen vermittels eines fermentativen, hydrolytischen Vor- ganges geschieht. Nach der Sodawirkung werden die erststadigen NissIschollen von der zweibasischen Färbung rot, weil das Nuclein sich löste und das ungelöste Neuroglobulin seine Pyronophilie unangetastet äussert. Methylenblau färbt unter denselben Umständen die NissIschollen, weil damit auch das Neuroglobulin gefärbt wird. Beim Erwachsenen wird unter denselben Umständen keine Nissl- färbung erhalten, weil das jetzt überwiegende Nuclein gelöst ist und das in Soda unlösliche Neuroglobulin beim Erwachsenen all- zu gering ist, um die spezifische Färbung zu dokumentieren. Die Nisslsubstanz besteht also im Beginn ihrer Bildung aus einer nucleinarmen Masse, mit dem Wachstum vermehrt sich darin das Nuclein und beim Erwachsenen zeigen die Nissl- schollen fast ausschliesslich nucleinige Reaktionen. Das Nuclein macht also in den Nisslschollen einen dem des Kernes ganz entgegengesetzten Weg. Mit dem Wachstum der Nervenzelle verringert sich der Nucleinbestand des Kernes bis zu völligem Schwund; in den Nissilschollen bildet er sich allmählich aus. Rhode, Scott, Holmgren glauben, dass Basichromatin aus dem Kern in das Protoplasma wandert. Rhode und Holmgren glauben diese Wanderung reell gesehen zu haben, Scott meint, dass die betreffenden Bilder von Rhode und Holmgren Kunst- produkte sind, dass diese Wanderung unsichtbar ist, da sie ver- mittels der Diffusion des Chromatins im Zellkörper geschieht. Meine Untersuchungen lieferten keine Tatsachen, welche für eine solche Wanderung sprächen. Das Nuclein des Kernes ist ein anderes, als dasjenige des Protoplasmas; dort ist vorwiegend unlösliches, hier ausschliesslich lösliches Nuclein. Sollte man die Änderung der chemischen Eigenschaften des Nucleins durch den Ortswechsel erklären wollen, so muss man doch mit der Tatsache rechnen, dass das Nuclein alsdann in grösstem Maße sich im Protoplasma ansammelt, als im Kern davon vielleicht nur Spuren vorhanden sind. Ich glaube vielmehr, dass im Nervenzellprotoplasma das Nucleinmaterial sich in derselben Weise ausbildet, wie bei anderen Zellen im Kerne — auf dem Wege der Assimilation. Die Kerne der sich vermehrenden Zellen ergänzen doch den bei der Teilung 204 M. Mühlmann: verbrauchten Nucleinvorrat vermittels der Assimilation aus dem Blute. Die Nervenzellen haben, wie wir sahen, durch Wachstums- umstände diese Eigenschaft der Nucleinregeneration im Kern verloren. Diese Rolle übernahm ihr Protoplasma. Darin allein spielen sich während des Wachstums der Nervenzelle progressive Vorgänge ab. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Dieselben wurden sämtlich von Herrn Dr. Glüeckmann gezeichnet. Fig. 1. Spinalganglienzelle eines 35 cm langen Embryo. Fixierung: Sublimat 20 Minuten. Färbung: Methylgrünpyronin. Nissl1schollen rot, Kern- körnelung Zwischenfarbe, Perinucleolarschollen grünblau, Nucleolar- körper intensiv rot. Zeiss, Okul.3, Apochr. Ölimmersion 1.5 mm. Fig. 2. Vorderhornrückenmarkszelle eines erwachsenen Rindes. Fixierung: Alkohol. Färbung: Methylgrünpyronin. Alle Teile rot, die Lipoido- somen dunkel konturiert, um den Glanz hervorzuheben. Zeiss, dasselbe System. Fig. 3. Spinalganglienzellen eines 5'/. cm grossen Embryo. Fixierung: Zenkerformol 24 Stunden. Vorbehandlung mit 0.500 Soda. Färbung: Methylgrünpyronin. Protoplasma rot, Nucleolen blau, Kernkörnelung blau und rot. Zeiss, Kompens.-Okul. 6, Öl- immersion !ı2. Fig. 4. Spinalganglienzellen eines 2! cm grossen Embryo. In Sublimat 15 Minuten fixiert. Mit Magensaft 4 Stunden vorbehandelt. Mit Methylgrünpyronin gefärbt. Die Teile erhalten, eine Nucleole deutlich, alles in schmutzigem Violett, mehr ins Blaue. Leitz, Okul. 4, Ölimmersion. Fig. 5. Spinalganglienzelle eines 11 cm grossen Embryo. In Sublimat 2 Stunden fixiert. Mit 0,5°o Sodalösung 24 Stunden vorbehandelt. Mit Methylenazureosin gefärbt. Protoplasma fleckig blau auf rötlichem Boden, rote und blaue Punktierung im Kerne, blaue Nucleole. Zeiss, Kompens.-Okul. 6, Ölimmersion Yı2. Fig. 6. Vorderhornzelle von demselben Embryo. Mit Magensaft 4 Stunden vorbehandelt. Mit Methylgrünpyronin gefärbt. Blaurötliche Flecken im Protoplasma, bläuliche Perinucleolarzone. Zeiss, Okul. 3, Öl- immersion !/ıe. Fig. 7. Spinalganglien von demselben Embryo. Mit 0,5°0 Kalilauge 24 Stunden vorbehandelt. Mit Methylenazureosin gefärbt. Proto- plasma bläulich verwischt (aufgelöst), die Perinucleolarzonen er- halten, sind etwas rötlichblau gezeichnet, sind aber an vielen Präparaten rein blau, wogegen der Perinucleolarkörper rot gefärbt ist. Zeiss, Kompens.-Okul. 6, Ölimmersion !/ı2. Fig. a, Alle Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10: 16. 19. 20. Untersuchungen an der wachsenden Nervenzelle. 205 Spinalganglienzelle eines 18 cm grossen Embryo. In Sublimat 15 Minuten fixiert. Schnitte mit 0,5°0 Kalilauge 24 Stunden vorbehandelt. Mit Hansens Hämatoxylin gefärbt. Protoplasma gequollen homogen, Kern gequollen, beinahe alle Teile erhalten, die Perinucleolarknoten treten deutlich hervor. Reichert, Okul. 3, Ölimmersion Ye. Dieselbe Zelle mit Kalilauge vorbehandelt und mit Triacid gefärbt. Alle Teile gequollen ungefärbt oder unbestimmt gefärbt, mit Aus- nahme der Perinucleolarknoten, welche deutlich grün gefärbt sind. Dieselbe Vergrösserung. Vorderhornzelle eines 70 cm grossen Fötus. In Sublimat 30 Minuten fixiert. Schnitte mit Kalilauge vorbehandelt und Methylenazureosin gefärbt. Grünlichblaue gleichmässige Verfärbung des Präparates, Nucleolen rot, Lipoidosomenränder blau. Zeiss, Kompens.-Okul. 4, Apochr. Immersion 1,5 mm. Spinalganglienzelle eines erwachsenen Rindes. In Alkohol fixiert. Schnitte mit 0,5°/0 Sodalösung vorbehandelt. Mit Methylgrünpyronin gefärbt. Rötlichbraune Verfärbung des Protoplasmas ohne Nissl- schollenstruktur. Nucleolus rot, Kerne der Schwannschen Scheide blau. Zeiss, Okul. 6, Objekt DD. Dieselbe Zelle ohne Vorbehandlung. Methylgrünpyronin. Die Nissl- substanz, deren Struktur in den Spinalganglienzellen nicht deutlich genug hervortritt, ist rot gefärbt. Dieselbe Zelle sodiert mit Methylenazureosin gefärbt. Keine Nissl- färbung, welche normalerweise intensiv blau erscheint. Vorderhornzelle von demselben Rind sodiert. Derselbe Effekt. Dieselbe Zelle in Alkohol fixiert. Schnitte 24 Stunden in Magensaft. Mit Methylgrünpyronin gefärbt. Struktur und Färbeeffekt fast wie normal. Zeiss, Okul. 2, Ölimmersion !ı». Spinalganglienzelle eines 24 cm grossen Embryo. Direkt mit Magen- saft 24 Stunden behandelt. In Paraffin eingebettet. Schnitte mit Methylenazureosin gefärbt. Nisslstruktur nicht deutlich, aber gut mit Methylenblau tingiert, Nucleolen erhalten. Zeiss, Okul. 8, Apochr. Ölimmersion 1,5 Minuten. Spinalganglion eines erwachsenen Rindes. Direkt der Magensaft- wirkung innerhalb 24 Stunden ausgesetzt, eingebettet. Schnitte mit Triacidmischung gefärbt. Kern und Kernkörperchen ver- schwunden, über den ganzen Zelleib zerflossene homogenkörnige grüngefärbte Masse. Zerklüftungen. Pigmenthof gelblich. Zeiss, Kompens.-Okul. 4, Objektiv DD. Desgleichen, nur mit Methylgrünpyronin gefärbt. Nucleinmasse bläulich violett. Desgleichen, Hämatoxylinfärbung. Desgleichen, Methylenazureosinfärbung. 206 Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. Von Ivar Thulin, Assistenten des Histologischen Instituts zu Stockholm. Hierzu Tafel XI. In einem Bericht von 1910 (7) habe ich über die feinsten mikroskopisch nachweisbaren Strukturen bei der Entartung der Rumpfmuskeln bei der Metamorphose einiger Amphibien berichtet. Durch meine Studien über diese Frage wurde gezeigt, dass für die Mechanik dieses Vorganges die Körner eine grosse Rolle spielen sollten. Nach meiner Deutung dieser Strukturen sollte die auftretende Schwellung und mangelnde (Querstreifung der Säulchen gewisser (Gebiete zunächst in einer Umlagerung der Körner begründet sein. Ich war weiter imstande, von zwei Formen im Verlauf der Degeneration Kenntnis zu nehmen. Die Verschiedenheit zwischen diesen beiden ist auf das Stadium, in welchem sich die Faser befindet, wenn die Degeneration eintritt, zu beziehen. Demgemäss muss man zwischen einer Degeneration in Kontraktion und einer Degeneration in Extension unterscheiden. Dass der degenerative Prozess also in verschiedenen Stadien eintreten kann, ist ein Befund, welcher auch für diese Untersuchung von grösstem Interesse ist. Bezüglich degenerativer Prozesse der Flügelmuskelfaser der Insekten ist eine Arbeit von Janet (5, 1907) von besonderem Interesse. Sie handelt von den histolytischen Prozessen, welche die Flügelmuskeln von Lasius niger nach der Paarung erleiden. Diese Untersuchung von Janet ist jedoch von einer ganz anderen Natur als die vorliegende; auch betrachte ich die Frage der Muskeldegeneration von ganz verschiedenem Gesichtspunkte aus als Janet. Darum sind die Tatsachen, welche dieser vorgelegt hat, für meine Arbeit von geringerem Interesse. Nur in einigen Fragen berühren sich unsere Resultate. Ich werde bei der Besprechung dieser Verhältnisse näher über die Resultate Janets berichten Im übrigen aber scheint es mir, dass es hier nicht nötig ist, die recht umfangreiche Literatur betreffs der histologischen Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration 207 Veränderungen der Insektenmuskeln durchzugehen, da die Forschungen dieses Gebietes nur wenige Anknüpfungspunkte an meine Untersuchung darbieten. Als Material zu meiner Untersuchung ist ein Netzflügler, Libellula, benutzt worden. Dieses Tier wurde in der Fangbüchse von einer Raubfliege (Laphria) gestochen. Diese Raubfliege ist mit einem Gift ausgerüstet, das eine lähmende Einwirkung ausübt. Die grosse Libellula zeigte durch den Stich dieses kleinen Tieres sogleich Lähmungssymptome, welche nach Verlauf einer halben Stunde zur vollständigen Lähmung führten. Dann wurde das Tier durch Injektion einer Fixationsflüssigkeit in die Thoraxhöhle getötet. Dieses wertvolle Material wurde mir von Herrn Prof. E. Holmgren zur Verfügung gestellt; ich will bier nicht unter- lassen, ihm meinen besten Dank für sein freundliches Entgegen- kommen auszusprechen. Als einen grossen Vorzug, welchen die Bearbeitung dieses Materials besitzt, muss ich den Umstand be- trachten, dass die Muskulatur der Libellula unter normalen Umständen durch die eingehenden Untersuchungen Holmgrens genau bekannt ist. Darum war es nicht nötig, bei meiner Unter- suchung zuerst eine Studie über die Strukturen normaler Fasern zu machen. Es ist nient möglich, in meinem kurzen Bericht eine ausführliche Besprechung der Forschungen Holmgrens zu geben. Ich beschränke mich darauf, auf die Originalarbeiten Holmgrens (1, 2, 3, 4) zu verweisen. Die dort beschriebenen Tatsachen. welche für die Ausführung meines Aufsatzes besonders notwendig sind, werde ich später auseinandersetzen. Die Hervorrufung einer Degeneration der Muskeln durch ein tierisches Gift ist gewiss ein ganz seltener Vorgang. (Gewöhnlich rufen toxische Substanzen Lähmungen durch ihre spezifische Wirkung auf das Nervensystem hervor. In diesen Fällen sind keine degenerativen Wirkungen an den Muskeln zu sehen — wenigstens an den von mir untersuchten Objekten. Ich habe eine Reihe Versuche gemacht, wobei Frösche mit den verschiedensten lähmenden Giften behandelt und später unter Vergleichung mit Präparaten von Normaltieren untersucht wurden. Hierbei habe ich keine strukturellen Veränderungen der Muskeln bemerken können. Darum habe ich diesen Fall einer durch toxische Ur- sachen hervorgerufenen Muskeldegeneration als eine sehr seltene und gewiss auch sehr lehrreiche Tatsache angesehen. 208 Ivar ch ıne Unsere Kenntnis von dem normalen Leben der Muskeln wird in verschiedener Hinsicht durch das Studium gewisser pathologischer Verhältnisse gefördert. Wir können aus dem Zerfall der Muskelfasern lernen, von welchen Elementen sie auf- gebaut sind, und wir können auch Kenntnis über die grössere oder kleinere Bedeutung dieser Elemente erhalten. Während der Degenerationsprozesse wird uns auch in die Mechanik der Muskeln ein Einblick gegeben. Als Fixierungsmittel diente die Flüssigkeit von Johnson- Henneguy (Kaliumbichromat - Osmium - Platinchlorid - Eisessig), die für Studien der feineren histologischen Struktur der Musku- latur sehr geeignet ist. Die Färbungen sind teils mit Eisen- hämatoxylin nach Heidenhain, teils mit der Mitochondrien- färbung nach Benda (Alizarinsulphat-Krystallviolett) ausgeführt worden. Dabei hat sich die letztere Methode als die für diese Arbeit beste erwiesen. Durch Eisenhämatoxylin wurden wohl die Präparate sehr scharf gefärbt, sie gaben aber keine deutliche Auskunft über die fortschreitende Degeneration der Säulchen und der Sarkosomen. Dagegen zeigte sich die Bendasche Methode für diese Untersuchung sehr zweckmässig und ist, wie Holmgren gezeigt hat, als ein mikrochemisches Reagenz auf eine gewisse bei dieser Methode blaugefärbte und für die Tätigkeit der Muskeln sehr bedeutungsvolle Substanz zu betrachten. Durch die Anwendung der Bendaschen Methode war es mir möglich, das Verschwinden dieser Substanz zu verfolgen und daneben auch gute Bilder anderer Vorgänge zu erhalten. Bei der Einspritzung des Giftes, die im vorliegenden Falle in das Abdomen erfolgte, muss man wohl annehmen, dass es zuerst in die Leibeshöhle eintritt. Von dort wird es später nach den gröberen Muskelinterstitien kommen und kann da seine spezifische Wirkung an den Fasern entwickeln. Die Annahme eines solchen Verlaufs des Prozesses wird durch die morphologischen Befunde gestützt. Man findet nämlich, dass die degenerativen Prozesse zuerst die Fasern angreifen, welche an den gröberen Interstitien liegen In der Fig. 4 finden wir drei nebeneinander liegende Fasern, A, B und ©. Von diesen liegt die Faser A gegen ein grosses Interstitium und ist am meisten rückgebildet. Die Faser B Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 209 befindet sich in einem jüngeren, degenerativen Zustande, während die Faser C, welche am tiefsten in dem Faszikel liegt, nahezu normal ist. Dieses Verhalten, dass der degenerative Prozess von der Peripherie einer Faszikel nach ihrem zentralen Teil verläuft, ist ein wichtiges Zeugnis, dass es sich hier wirklich um eine Gift- wirkung handeln muss. Der eventuelle Einwand, dass diese Untersuchung nur postmortale Veränderungen berücksichtigt hat, ist schon hierdurch widerlegt. Ich habe in einigen Faszikeln einen hiervon abweichenden Verlauf wahrgenommen. Dieser war dadurch ausgezeichnet, dass sich das ganze Bündel in einer beginnenden, jedoch sehr früh- zeitigen, Degeneration befand. Es handelte sich gewiss um Fasern, die leichter die toxische Substanz aufnehmen konnten oder durch allgemeine Asphyxie eine derartige Wirkung zeigten. An den Flügelmuskelfasern von Libellula sind deutlich ein Endoplasma und ein Ektoplasma zu unterscheiden In dem Endoplasma liegen die Kerne und gewisse Körner (Endoplasma- körner nach Holmgren). Das Ektoplasma ist durch radial gestellte, lamellenähnliche Säulchen und zwischen diesen liegende Körner (Q-Körner nach Holmgren) ausgezeichnet. Bei dem Degenerationsvorgang ist die verschiedene Zurückbildung dieser beiden Teile auseinander zu halten. Ich werde hier zuerst die Degenerationsprozesse des Endoplasma näher behandeln. Die Entartung tritt — wenigstens in gewissen Stadien — frühzeitiger in dem FEndoplasma als in dem Ektoplasma ein (die nähere Beschreibung dieser Stadien wird unten gegeben). Soweit ich habe finden können, ist es eben für die Postregeneration und Regeneration bezeichnend, dass sie frühzeitig im Endoplasma beginnt. Natürlich bietet es ganz grosse Schwierigkeiten, genau zu bestimmen, in welchem Stadium eine entartete Faser steht. Doch scheint es mir, dass es möglich ist, Auskunft hierüber zu erhalten, wenn man die betreffende degenerierte Faser mit den nebenliegenden vergleicht. Bei diesem Tiere sind nämlich unter normalen Verhältnissen so gut wie sämtliche Fasern eines Bündels auf ganz demselben Stadium. Auf solche Weise habe ich ge- funden, dass eben die Fasern, die sich in Postregeneration :und Regeneration befinden, die frühzeitige Endoplasmaentartung zeigen. Dies stimmt auch damit überein, dass während der Postregene- ration und Regeneration wahrscheinlich eine Saftströmung zu dem Archiv f.mikr. Anat. Bd.79. Abt. I. 14 210 var ThmlAn® zentralen Teil der Faser eintritt und dadurch die toxischen Sub- stanzen erst da ihre degenerierenden Wirkungen ausüben können. Ich muss besonders hervorheben, dass der Degenerationsprozess bei Libellula mit dem von mir vorher bei der Metamorphose der Amphibien geschilderten darin übereinstimmt, dass die Entartung die Fasern in allen Stadien ergreifen kann. Darum erhielt die Degeneration in verschiedenen Fällen teilweise einen abweichenden Verlauf. Der Degenerationsprozess lässt sich in dem Endoplasma sowohl an einer Rückbildung der Kerne und Verschwinden der Endoplasmakörner als auch an einer Veränderung der Grund- substanz erkennen (Fig. 5). Die letztere erfährt eine bedeutende Schwellung und wird auch trüber und undurchsichtiger als unter normalen Verhält- nissen. Während unter diesen das Endoplasma etwa '/a von dem Durchmesser der Faser ausmacht, ist es in entarteten Fasern viel mächtiger entwickelt und entspricht einer Hälfte oder mehr des Faserquerschnittes. Diese Quellung und Trübung des Sarko- plasma bedeutet gewiss einen Zerfall normaler Eiweisssubstanzen. Auf diese Weise entartete Fasern unterscheiden sich schon bei schwacher Vergrösserung deutlich von den normalen (vgl. Fig. 4, B mit der fast normalen Faser Fig. 4, U). Die Entartung der Kerne tritt zuerst in einer Verdichtung des Chromatins hervor, ohne dass jedoch eine bedeutendere Schrumpfung zu sehen ist (Fig. 1, B). Auch wenn die Verdichtung soweit gediehen ist, dass der Kern völlig homogen ist, scheint die Schrumpfung keine bedeutende zu sein (Fig. 1, C). Später spaltet sich der homogen gewordene Kern in zwei oder bisweilen mehrere Teile (Fig. 1, D—E). Man könnte am besten diesen Prozess als Fragmentation bezeichnen. Ich habe besonders deutlich solche Fragmentationsprozesse wahrgenommen und will an Fig. 1, D—E, den Verlauf einer solchen anschaulich machen. Das Resultat dieser Fragmentation ist das Auftreten von gewöhnlich zwei ganz runden, gleichgrossen Kernfragmenten, die — von einer ab und zu auftretenden Vakuole abgesehen — homogen gebaut sind (Fig. 1, E, Fig. 3, 4, 5, 7, 9). Die Fragmente scheinen besonders widerstandsfähig zu sein und man findet sie unver- ändert vom Anfang der Entartung bis zur vollständigen Nekrose der Muskelsubstanz. Betreffs ihres Baues ist nur hinzuzufügen, Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 211 dass sie eine blaugefärbte Membran besitzen und dass man mit- unter in ihrem Innern eine oft grosse Vakuole sieht. Es ist ganz auffallend, dass die runden Kernfragmente immer von der- selben Grösse sind. Unter normalen Verhältnissen ist das Endoplasma in den postregenerativen und regenerativen Stadien mit blaugefärbten Körnern reichlich versehen. Eine typische Erscheinung bei der Entartung, welche mit der Trübung des Sarkoplasma und der Fragmentation der Kerne parallel verläuft, ist die Rückbildung und das Verschwinden der Endoplasmakörner. Schon frühzeitig werden die Endoplasamkörner in hohem Grade in ihrer Anzahl vermindert Man findet gewöhnlich die erhalten gebliebenen um die Kernfragmente herum gelagert. Später verschwinden sie völlig ohne etwaige Spuren zu hinterlassen. Das vollständige Verschwinden dieser Körner ist, wie ich glaube, von grosser Bedeutung für unsere Auffassung von ihrer normalen Bedeutung. Es muss gewiss so sein, dass Strukturen, die so schnell verschwinden, mehr hinfällige Bestandteile darstellen müssen. Besonders wird dies klar, wenn man den Q-Körnern des Ektoplasma Aufmerksamkeit schenkt. Diese sind bei der Ent- artung sehr widerstandskräftige Bildungen. die nur nach einer Reihe struktureller Veränderungen verschwinden. Hier finden wir also eine Stütze für die Auflassung Holmgrens, dass die Endoplasmakörner nur hinfällige Bestandteile darstellen, die (-Körner dagegen organisierte Bildungen (Organelle) sind. Wir stehen also hier vor einem pathologischen Vorgang, welcher uns gewiss sehr wichtige Auskunft über die normalen Verhältnisse der Fasern gibt. Janet hat in seiner obengenannten Untersuchung auch einige Befunde bezüglich der Kernentartung mitgeteilt. Diese stimmen jedoch nur in gewisser Hinsicht mit den hier beschriebenen überein. Die Entartung folgt in seinem Falle mehr typisch dem Verlauf einer Pyknose, wobei das Uhromatin zuerst zu homogenen Körnern verdichtet wird und wobei die Kernmembran verschwindet. In diesem Zustande wird der Kern schliesslich völlig zurück- gebildet. Das Ektoplasma ist — wie oben schon angedeutet — von Körnern und lamellenähnlichen Säulchen aufgebaut. Natürlich 14* 212 Ivar Thulin: werden in diesem wichtigsten Teil der Muskeln die interessan- testen und bedeutungsvollsten Veränderungen wahrzunehmen sein. Die oben angeführte sehr wichtige Tatsache, dass die Ent- artung in allen Stadien eintreten kann, muss einen wechselnden Verlauf des Entartungsprozesses bedingen, allerdings nur am Anfang desselben. Später vereinen sich sämtliche durch die Ver- schiedenheit der Stadien bedingten Variationen zu einem ziemlich regelmässig verlaufenden Prozess. Darin liegt also ein Unter- schied mit dem von mir beschriebenen Vorgang bei der Meta- morphose der Amphibien, wo der Unterschied zwischen den einzelnen Stadien so tief begründet war, dass zwischen einer Entartung bei Extension und einer solchen bei Kontraktion ein grundsätzlicher Unterschied während des ganzen Verlaufes bestand. Bei Libellula ist dagegen der Unterschied nur am Anfang der Entartung zu sehen, wenigstens wenn man unbedeutende Einzel- heiten nicht berücksichtigt. Schon oben habe ich auf die in verschiedenen Zeiten erfol- sende Entartung des Endoplasma hingewiesen. Ich habe weiter gezeigt, dass es besonders für die Regeneration kennzeichnend war, dass eine frühzeitige Entartung des Endoplasma auftritt. In anderen Phasen scheint dagegen der degenerative Prozess des Endoplasma und Ektoplasma mehr gleichzeitig zu verlaufen. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass in diesen Stadien der Eintritt der toxischen Substanzen viel schwieriger erfolgt. Wie bei den Amphibien scheinen auch bei Libellula die Körner eine leitende Stellung während der Entartung anzunehmen. In ihnen sieht man die ersten Zeichen einer beginnenden Ent- artung. Prinzipiell sind die Prozesse, welche die Körner in ver- schiedenen Phasen durchmachen, untereinander völlig überein- stimmend. Die vorher besprochenen Unterschiede sind darin zu suchen, dass in der Postregeneration und Regeneration die Körner gefärbt sind, in der Kontraktion und im fakultativen Stadium dagegen ungefärbt. In allen diesen Fällen ist doch das gemeinschaftliche, dass zuerst eine Schwellung und Trübung der Körner eintritt Vorher ist bei Regeneration und Postregeneration eine Abblassung der Körner vorausgegangen, eine Abblassung, die von der während des fakultativen Prozesses normal vor- kommenden darin abweicht, dass keine normalen Querscheiben zustande kommen. Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 2113 Auf Fig. 6 ist die beginnende Entartung der postregene- rativen Phase zu sehen, wo die Q-Körner mehrere Vakuolen enthalten, welche später weiter entwickelt werden und zuletzt das ganze Korn ausfüllen. Tatsache ist, dass in gewissen Bündeln die Entartung viel langsamer eintritt, als es gewöhnlich der Fall ist. Eben an solchen Bündeln ist es möglich, die entartenden Prozesse in ihren früheren Phasen besser zu studieren. Es ist nämlich möglich, hier den ganzen Verlauf der Entfärbung der @-Körner zu verfolgen. Ich habe in Fig. 5 P diese Verhältnisse anschaulich gemacht. Im Abschnitt A dieser Figur befindet sich die Faser im normalen postregenerativen Stadium. Die Körner sind völlig von der färbbaren Materie ausgefüllt. In B sieht man eine Reihe Übergangsformen von kleinen Vakuolen der Körner zu völliger Entfärbung derselben. In C finden wir zuletzt einen Teil der Faser, wo sämtliche Körner ein geschwollenes und trübes Aussehen haben und die blaugefärbte Substanz nicht mehr enthalten. Prinzipiell stimmt der Verlauf dieser Abblassung mit der von Holmgren bei dem Übergang in das fakultative Stadium beschriebenen überein. Der wichtige Unterschied dieser beiden Prozesse liegt aber darin, dass die Säulchen hier die färbbare Materie nicht aufnehmen, wie es bei dem obengenannten Stadium der Fall ist. Wohl treten am Ende dieses Prozesses querscheiben- ähnliche Bildungen auf (Fig. 3, C). Diese werden aber nicht durch das Kristallviolett sichtbar gemacht, sondern durch das ÖOsmium der Fixierungsflüssigkeit. Ein weiteres Merkmal ist in den Körnern selbst zu finden. Während diese bei der fakultativen Phase hell erscheinen (wie oben in der Fig. 3, F), sind sie bei diesem Entartungsprozesse trüb geworden. Darin liegt wahr- scheinlich eine Andeutung von Zerfall der Eiweisssubstanzen, von welchen diese Gebilde normal aufgebaut sind. Die Trübung ist sicherlich auch der erste Schritt zu der folgenden Quellung der Körner, die für den degenerativen Prozess sämtlicher Stadien bezeichnend ist. Der hier geschilderte Verlauf wird wahrscheinlich durch eine gewisse Asphyxie bedingt. In besonders schöner Weise lässt sich dies an der Fig. 6 erkennen. In dem Interstitium (I) zwischen den beiden Muskelfasern finden wir weite Tracheenröhrchen. Der Teil der Fasern, der am nächsten diesen Tracheen liegt, fällt > var Dihmllım:: sogleich durch seine dunkle Farbe auf. Bei genauerer Unter- suchung des Präparates finden wir, dass auf diesem dunklen (sebiete eine Regeneration vor sich geht, während der übrige Teil der Fasern die oben beschriebenen Entartungsbilder auf- weist Es steht ausser jedem Zweifel, dass das Vorhandensein einer Regeneration eben in diesem Gebiete auf das Vorhandensein der Tracheen zurückzuführen ist und dass nur die am nächsten zu dieser trachealen Gegend liegenden Fasern imstande sind, normale Färbbarkeit zu zeigen. Das Präparat, welches der Fig. 6 zugrunde liegt, ist nach Benda gefärbt. Hier zeigen sich in besonders hohem Grade die grossen Vorzüge von Bendas Methode Mit Eisenhäma- toxylin würde man niemals eine so scharfe mikrochemische Reaktion auf den Zustand der Muskeln erhalten. Die Methode Bendas ist, wie vorher gesagt, eine mikrochemische Reaktion auf eine gewisse für die Arbeit der Muskeln ganz notwendige Substanz. Das völlige Verschwinden dieser Substanz sowohl aus den Körnern als aus den Säulchen ist nur bei Ermüdung, Ent- artung oder damit zu vergleichenden Prozessen zu sehen. Hiermit will ich gesagt haben, dass — wenigstens am Anfang der Wirkung der toxischen Substanz — es sich um eine Asphyxie handeln muss. Die Strukturen, welche von der Fig.6 oben beschrieben worden sind, machen eine solche Annahme durchaus wahrscheinlich. In der fakultativen Phase ist die blaugefärbte Substanz in den Querscheiben vorhanden. Ihre Rückbildung ist ein bei der Entartung von den Fasern dieses Stadiums regelmässig vor- kommender Prozess, welcher als eine successive Abblassung ver- läuft. Am Ende desselben tritt eine querscheibenähnliche, osmium- gefärbte Struktur auf. Es bleibt nun von den anfänglichen Entartungsbildern nur eins, das von kontrahierten Fasern stammt, zurück. In diesen Fasern verläuft die Degeneration als ein Verschwinden der Kontraktionsstreifen und Verschmälerung der Säulchen. Es stimmen also die Verhältnisse mit den normalen, bei Rückbildung einer Kontraktion auftretenden völlig überein. Nur gesellt sich bei diesen zu den obengenannten Veränderungen der Säulchen noch ein regenerativer Prozess hinzu. Anstatt dieser Regeneration werden die hier bei Kontraktion nur als geschrumpfte Bildungen auftretenden Körner vergrössert und nehmen das Aussehen an, Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 215 welches oben als das für den Schluss der vorbereitenden Ent- artungsprozesse charakteristische geschildert worden ist. Durante scheidet die Entartung einer Muskelfaser in zwei Phasen: „la degen6rescence“ und „la regression plasmodiale et cellulaire“. Die erste sollte ein vorbereitendes Stadium vor- stellen und hauptsächlich durch eine Hyperplasie des Sarkoplasma ausgezeichnet sein. Die zweite Phase sollte in einem Zerfall der Fibrillen ihre wichtigsten Merkmale zeigen. Die von mir bisher geschilderten Prozesse sind gewiss in die „Degenerescence“ nach Durante einzuordnen. Die späteren Prozesse, welche ich unten auseinandersetzen werde, sind wiederum gewiss mit der zweiten Phase dieses Autors zu vergleichen. Die zweite Phase ist von der ersten vor allem dadurch zu unterscheiden, dass die den einzelnen Stadien zukommenden Unterschiede des Verlaufes hier verschwunden sind. Die Ent- artungsweise ist hier ein und dieselbe. Die vorkommenden Variationen sind sicherlich nur auf die Geschwindigkeit, womit die toxischen Substanzen in verschiedenen Fällen ihre Wirkungen auf die Fasern ausüben, zurückzuführen. An den Fasern, in denen die Entartung nicht einen so stürmischen Verlauf nimmt, kann man die verschiedenen Phasen des Zerfalls, sowohl diejenigen der Körner als die der Säulchen, gut studieren. In anderen Fällen dagegen, wo die Degeneration sehr rasch verläuft, ist es kaum möglich, die verschiedenen Phasen auseinander zu halten (Fig 11). Bei genauem Studium wird man jedoch finden, dass auch dabei die gewöhnliche Reihenfolge der Entartungsstadien existiert. Eine andere Frage allgemeiner Natur ist es, ob die Ent- artung der Längsrichtung der Fasern folgt oder senkrecht gegen dieselben, also quer durch die Fasern geht. Das gewöhnliche Verhältnis ist, dass die Degeneration der Längsrichtung folgt: doch findet man nicht selten Fasern (Fig. 10), wo die entartenden Prozesse einen anderen Verlauf nehmen. Hierbei sind in der Querrichtung der Fasern ganz dieselben Degenerationsstadien zu finden, welche bei der Entartung in longitudinaler Richtung auftreten. Nach dem Verlauf der bisher beschriebenen Entartung waren die Muskeln ganz bedeutend verändert. Die Körner sind geschwollen und trüb und färben sich nicht wie normal mit 216 Ivan 0chmulme Krystallviolett. Die Säulchen zeigen eine querscheibenähnliche, osmiumgefärbte Struktur. Es ist ziemlich sicher, dass — die eintretende Schwellung der Körner macht es doch wohl etwas schwierig, sich bestimmt darüber zu äussern — die entartenden Querscheiben einen Hensenschen Streifen aufweisen. Diese Querstreifung der Säulchen, welche dem Stadium zukommt, wo sie bereits ihren parallelen Verlauf zu verlieren beginnen, ist jedoch keine Andeutung dafür, auf welche Weise die Säulchen zu- letzt ihrem Zerfall entgegen gehen. Denn diese Strukturen ver- schwinden später völlig im Zusammenhang mit einem eigentüm- lichen Vorgang, welcher unten erörtert werden wird. Im Zusammenhang mit dem Auftreten der querscheiben- ähnlichen Bildungen ist, wie gesagt, eine Quellung der Körner eingetreten. Ihr Protoplasma ist von grauem Ton, welcher wahr- scheinlich von dem Osmium der Fixationsflüssigkeit bedingt ist Es handelt sich um eine Fettumwandlung des Körnerplasma, was ja auch mit einem Entartungsbild gut übereinstimmt. Eine solche Fettumwandlung der Körner habe ich (6) bei den stark ermüdeten Muskeln einer Taube gefunden. Dieses Stadium der Entartung ist auf Fig. 7 veranschaulicht. Wir sehen Reihen von so gebauten Körnern, die von den Säulchen umgeben sind. Das entartete Gewebe ist ziemlich parallelfaserig geordnet. Die Säulchen, welche dicht an den Körnern liegen, haben einen welligen Verlauf. Jedes Korn entspricht an den Säulchen einem Gebiet, welches aus zwei dunklen Segmenten besteht. Eben aus diesem Grunde bin ich zu der sicheren Auffassung gekommen, dass diese Segmente den Teilen der (Quer- scheiben an jeder Seite von Qh entsprechen. Der obengenannte wellige Verlauf, welchen die Säulchen in dem eben beschriebenen Stadium annehmen, ist in der folgenden Phase noch dentlicher zu sehen. Die Säulchen sind jetzt mehr als ein Gerüstwerk zwischen den noch wachsenden Körnern zu betrachten. Bei dieser Gelegenheit findet man immer, dass die Säulchen sehr dicht an die Körner grenzen. Man sieht niemals, dass sie völlig frei in der entarteten Masse liegen. Dabei bemerkt man, dass die vorher beschriebenen Querscheiben so dicht an der Membran der Körner liegen, dass sie nicht deutlich von- einander zu unterscheiden sind. Auf der schematischen Fig. 3 und auf Fig. 9 sind solche Körner wiedergegeben. Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 217 Die nächste Veränderung ist das Auftreten von einem blaugefärbten Körper in den Körnern, die fortwährend eine deut- liche Membran besitzen. Dieser Körper zeigt ein sehr ver- schiedenartiges Aussehen. Auf Fig. 35 sehen wir mehrere solche Körner. Sie sind mit relativ grossen runden Körperchen aus- gerüstet, welche durch Krystallviolett blaugefärbt sind. Neben diesen Körnern laufen Streifen, welche Reste der Säulchen sind. Im Gegensatz zu dem vorher geschilderten Verhältnis lassen die Säulchen hier die querscheibenähnliche Struktur, welche ihnen früher eigen war, vermissen. Dieses Verhalten ist gewiss von Bedeutung, wenn es gilt, das Auftreten des blaugefärbten Körpers der Körner näher zu motivieren. Dieser Körper ist jedoch von sehr wechselnder Natur und es ist gewiss ganz unmöglich, hier alle die Gestalten, welche diese Körper annehmen können, zu beschreiben. Ich werde nun kurz über die wichtigsten Formen der Körner dieses Zustandes berichten. Dabei handelt es sich nicht nur um eine wechselnde Form- gestaltung der Körner, sondern auch um eine Variation in der Grösse derselben. Während der anderen Phasen der Entartung haben die Körner wie normal keine Variation in der letztgenannten Hinsicht gezeigt. Mit dem Auftreten des färbbaren Gebildes in den Körnern dagegen wird die Gleichförmigkeit in der Grösse durchaus aufgehoben. Es gibt Körner, die im Verhältnis zu anderen riesenartig sind. Ein auf Fig. 9 wiedergegebenes (B) hat z. B. eine Länge von 5 « nnd eine Breite von 3,7 u; die vorher beschriebenen dagegen (Fig. 5) haben nur eine Länge von 2,3 « und eine Breite von 1,75 « und gehören doch nicht zu den kleinsten. Die Zeichnung der grossen Körner auf der Fig. 9 ist eine sehr eigentümliche und schwer zu beschreibende. Die Struktur wird jedoch wahrscheinlich von 10—15 kleinen Stäbchen hervorgerufen, die in einer gewissen Verbindung miteinander zu stehen scheinen. Diese Stäbchen sind auch in anderen Körnern zu sehen und es scheint mir, dass die wechselnde Zeichnung nur durch die verschiedene Anordnung dieser Stäbchen bedingt wird. Die runde Form der Körper ist, glaube ich, dadurch zu erklären, dass mehrere Stäbchen dicht aneinander liegen und die Farbe stark aufgenommen haben. Ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu erheben, will ich doch einige von den vorkommenden Strukturen beschreiben. Einige 218 Ivar Thulin: Körper zeigen eine deutliche Spiralform (Fig. 2, A); andere sind in Form von Streifen in wechselnder Anzahl zu sehen (Fig. 2, B). In anderen Körnern sieht man in der Mitte einen V-förmigen Streifen, gegen die Pole dagegen mehrere gerade Stäbchen (Fig. 2, C). Ich war imstande, die Wahrnehmung zu machen, dass im Anfang dieser Prozesse die blaugefärbte Materie nur als ein Streifen auftritt. Erst später traten mehrere Streifen oder Stäbchen auf, die in der verschiedensten Weise angeordnet waren und dabei die verschiedenen oben beschriebenen Strukturen her- vorrufen. Ich will zu dieser Schilderung hinzufügen, dass das grosse Korn der Fig. 9 in näherer Beziehung zu einem anderen Korn steht, ja das letztere ist wahrscheinlich nur als eine Ausstülpung des ersteren zu betrachten. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass die erwähnte Vergrösserung gewisser Körner wahrscheinlich durch eine Verschmelzung derselben zustande kommt. Auf welche Weise soll man das Auftreten dieser Strukturen in den Körnern mit fettiger Entartung erklären? Eine Andeutung zu einer solchen Erklärung liegt bereits in den oben erörterten Tatsachen. Wir haben nämlich gefunden, dass mit dem Auftreten der blaugefärbten Körper ein anderer Prozess parallel verläuft: das Verschwinden der querscheibenähnlichen Streifen der Säulchen. Weiter habe ich darauf hingewiesen, dass zuerst nur ein. später mehrere Stäbchen in den Körnern auftreten, und hier will ich hinzufügen, dass diese Stäbchen in ihrer Grösse und Form mit den genannten Querstreifen völlig übereinstimmen. Wenn man eine Erklärung des Entstehens des blaugefärbten Körpers geben soll, liegt es darum wahrscheinlich am nächsten, diese Erscheinung mit dem Verlust der Querscheiben in Zusammen- hang zu bringen. Diese Stäbchen sind wohl daher Substanzen oder organisierte Bildungen, die von den Querscheiben stammen. Hiermit ist nicht gesagt, dass es sich um einen phago- zytären Prozess handeln muss. Der weitere Verlauf dieser Ent- artung spricht nicht sicher für eine solche Deutung. Darauf, was das Aufnehmen von querscheibenähnlichen Bildungen in die Körner zu bedeuten hat, kann ich hier keine hinreichende Antwort geben. Ich bin nur imstande, morphologische Verhältnisse zu zeigen, welche dafür sprechen könnten, dass ein solcher Prozess möglicherweise vor sich gehen kann. Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 119 Das Verhalten, dass in den Körnern eine blaugefärbte Materie wieder auftritt, verdient unser Interesse in Anspruch zu nehmen. Sollte hier die spezifische blaugefärbte Materie der frischen Faser wieder auftreten? Es ist schwierig, sich darüber bestimmt zu äussern. Sicher ist jedoch, dass die Mitochondrien- färbung nach Benda nicht nur diese Substanz färbt, sondern auch andere. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass von dieser Färbung mehrere Gewebebestandsteile gefärbt werden. Darum kann man natürlich nicht ohne weiteres diese blaugefärbte Materie der entarteten Körner mit der in normalen Muskelfasern auftretenden gleichstellen. Ich denke darum — wenn ich zu der obenstehenden Hypo- these geneigt bin — nicht an die übereinstimmende Blaufärbung, sondern nur an die Übereinstimmung der Grösse dieser beiden (rebilde, sowie an das gleichzeitige Verschwinden der Querscheiben und das Auftreten der blaugefärbten Körper der Körner. Ich will nur hinzufügen, dass die Möglichkeit offen ist, dass es sich auch um Mikroorganismen handeln könnte, welche ihren Platz in Körnern genommen hätten. Etwaige Stützpunkte für eine solche Auffassung gibt es jedoch nicht. Bei diesem Zustand der Degeneration bilden die verschiedenen Entartungsprodukte eine Masse, in welcher keine longitudinale Anordnung der Elemente zu sehen ist. Man unterscheidet folgende Elemente: 1. Die Körner mit der oben beschriebenen Struktur. 2. Reste der Säulchen, welche als feine Fäden oder Bruch- stücke von solchen zwischen den Körnern verlaufen. 3. Die entarteten Kerne, die am deutlichsten hervortreten (Fig. 9). 4. Eine Grundsubstanz von grauem Ton, aus zerfallenden Eiweißsubstanzen bestehend. Nach diesem Stadium folgt die völlige Nekrose der geformten Bestandteile. Hierbei sind die Kernfragmente meistens resistent und sind auch da zu sehen, wo alle anderen Bestandteile zu einer homogenen Masse verwandelt sind. Der Übergang zur Nekrose geht sehr allmählich vor sich und die Korn- und Säulchen- reste werden dabei blasser und blasser, um zuletzt ganz zu ver- schwinden (Fig. 10). 220 Ivar Phulin: Der Entartungsprozess erfolgt nicht immer in dem lang- samen Verlauf, welcher hier beschrieben ist. In gewissen Fällen — besonders glaube ich bei Postregeneration dies gefunden zu haben — verläuft er rascher, so dass man nur mit Schwierigkeit an der (Grenze zwischen der normalen Faser und der ganz ent- arteten Masse die verschiedenen Übergangsstadien auseinander halten kann (Fig. 11). In der schematischen Abbildung, die in Fig. 3 wieder- gegeben ist, will ich den Verlauf der Entartung kurz anschaulich machen. Die Faser P ist in Postregeneration und die Faser F im fakultativen Stadium, wenn die Entartung eintritt. Ich habe diese beiden Stadien gewählt, um eine Faser mit gefärbten und eine mit ungefärbten Körnern vorzulegen. Wir finden dann, dass die Entartung nach dem vorher geschilderten Verlauf als eine Ablassung der Querscheiben und der Körner vor sich geht. Am Ende dieser beiden Prozesse zeigen die beiden von verschiedenen Stadien stammenden Fasern ganz denselben Bau. Beide haben geschwollene, fettentartete Körner und die Säulchen zeigen eine querscheibenähnliche Struktur, welche von Osmium gefärbt wird und es dürfte sich darum hier um Fettumwandlungen handeln. Die untere Faser der Fig. 3 gibt die Grenze an, wo alle die verschiedenen Stadien einen gemeinschaftlichen Verlauf annehmen. Die Körner zeigen fortwährend Osmiumreaktion und schwellen mehr und mehr an (D). Die nächste Phase (E) ist besonders durch das Auftreten eines blaugefärbten Körpers in den Körnern gekennzeichnet. Das Aussehen dieser Körper wechselt sehr, ist jedoch wahrscheinlich durch die verschiedene Anordnung stäbchenähnlicher Segmente bedingt. Im Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Körper ist die vorher beschriebene Querstreifung der Säulchen verloren gegangen. Darum scheint es nicht unmöglich, dass diese Stäbchen den Säulchen angehörende Bildungen darstellen. Zuletzt blassen die Körner mehr und mehr ab, wobei auch eine mehr intime Mischung mit den Entartungsprodukten des Endoplasma, vor allem der Kerne, eintritt. So wird die Flügelmuskelfaser zuletzt in eine Detritusmasse verwandelt. Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. 221 In anderen von mir untersuchten Gewebsteilen war es mir nicht möglich, degenerative Prozesse zu finden. Ich habe besonders meine Aufmerksamkeit auf eine eventuell stattfindende Ver- mehrung des Fettgehaltes des Corpus adiposum gelenkt, aber habe keine besondere Veränderung finden können. Auch die Skelett- muskelfasern zeigten kein Zeichen der Entartung. Es kann sich deshalb wahrscheinlich um ein Gift mit ausgeprägter Affinität zu den Flügelmuskelfasern handeln, oder es ist diese Wirkung durch die Einspritzung des Giftes in das Abdomen des Tieres hervorgerufen. Literaturverzeichnis. 1. Holmgren, E.: Über die Trophospongien quergestreifter Muskelfasern nebst Bemerkungen über den Bau dieser Fasern. Arch. f. mikr. Anat., Bde 190r. 2. Derselbe: Über die Sarkoplasmakörner quergestreifter Muskelfasern. Anat. Anz., Bd. 21, 1907. 3. Derselbe: Studien über die stofflichen Veränderungen der quergestreiften Muskelfasern. Skand. Arch. f. Phys., Bd. 21, 1908. 4. Derselbe: Untersuchungen über die morphologisch nachweisbaren stoff- lichen Umsetzungen der quergestreiften Muskelfasern. Arch. f. mikr. Anat., Bad. 75, 1910. 5. Janet, Ch.: Anatomie du corselet et histolyse des muscles vibrateurs, apres le vol nuptial, chez la reine de la fourmi (Lasius Niger), Limoges 1907. 6. Thulin, I.: Morphologische Studien über die Frage nach der Ernährung der Muskelfasern. Skand. Arch. f. Phys., Bd. 22, 1909. Derselbe: Recherches sur l’importance des mitochondries pour la meta- morphose de la queue des batraciens anoures. Bibliogr. Anat., T. 20, 1910. 1 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Fig. 1. Darstellung der Kerndegeneration. Bei A normaler Kern; B—-D — Übergangsformen: E — Schlussprodukte der Entartung Fig. Verschiedene Zeichnung der entartenden Q-Körner. Fig. 3. Schematische Darstellung der Entartung des Exoplasma.. P — Faser in Postregeneration. F — Faser in fakultativem Stadium. Unten ist der gemeinsame Schlussakt der Entartung abgebildet. Fig. 4. Längsgeschnittene Flügelmuskelfasern von Libellula. Die Faser A zeigt eine hochgradige Degeneration und die Faser B nur eine endoplasmatische. Die Faser © ist normal. Im Gebiete von J ein grosses Interstitium. > mw Ivar Thulin: Beitrag zur Frage nach der Muskeldegeneration. = Ne) 10: rel Längsgeschnittene Flügelmuskelfaser von Libellula. Endoplasma- degeneration. En entspricht das entartete Endoplasma mit Kern- fragmenten (K). Ex bezeichnet das Exoplasma. Flügelmuskelfasern von Libellula im Anfang der Entartung. Zwischen den Fasern ein Interstitium (J) mit Tracheenröhrchen. Der Teil der Faser, der am nächsten diesen Tracheen liegt, hat blaugefärbte, geflügelte Körner (Regeneration). Im übrigen befindet sich die Muskelsubstanz in einer beginnenden Entartung. Flügelmuskelfasern von Libellula. Mittleres Entartungsstadium. Die Körner sind geschwollen und etwas osmiumgefärbt. Die Säulchen zeigen eine querscheibenähnliche, osmiumgefärbte Struktur. Bei K ein Kernfragment. Bei En sieht man das entartete Endo- plasma. Bei Ex exoplasmatische Substanz. Partie einer stark degenerierten Flügelmuskelfaser von Libellula. Man sieht Körner mit rundem, blaugefärbtem Körper und Säulchen ohne Struktur in einer Grundsubstanz von entartetem Sarkoplasma. Partie einer stark degenerierten Flügelmuskelfaser von Libellula. Man sieht Körner mit blaugefärbten Körpern, Kernfragmente (K) und Säulchenreste in einer Grundsubstanz von entartetem Sarko- plasma. Bei B ein grosses blaugefärbtes Korn mit eigentümlicher Zeichnung, welches mit einem weiter nach unten liegenden in Zusammenhang zu stehen scheint Flügelmuskelfaser von Libellula. Übergang in der Querrichtung der Faser von degenerierten Körnern und Säulchen zu einer detritus- ähnlichen Masse (gegen A). Flügelmuskelfasern von Libellula. Schneller Übergang vom normalen Zustande zur Degeneration. Bei Ü intakte Fasern, bei B Übergangs- stadien und bei A Nekrose. Bei T sieht man eine längsgeschnittene Tracheenröhre. 223 Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. Br. Beiträge zur Vitalfärbung. Von Werner Schulemann. Hierzu Tafel XIII. Im Anschluss an die Untersuchungen von Goldmann über vitale Färbung (25) schien es von besonderem Interesse, Auf- klärungen über die Wirkung der von ihm verwendeten blauen Farbstoffe zu erhalten, da dieselben nach Konstitution und vitalem Verhalten gänzlich von den bisher bekannten Farben abweichen. Um über ihre Schicksale im Tierkörper Aufschlüsse zu bekommen, habe ich die Farben zunächst von einigen chemischen Gesichts- punkten aus geprüft. Meine Untersuchungen in dieser Richtung basierten zuerst auf dem Pyrrolblau und Isaminblau. Durch eine liebenswürdige mündliche Mitteilung erfuhr ich jedoch von Herrn Professor Goldmann, dass bei dem von Ehrlich angegebenen Konden- sationsprozess von Tetramethyl-diamino-benzhydrol und Pyrrol nicht die Farbe entstehen soll, deren hypothetische Konstitution sich an der gleichen Stelle (25) angegeben findet. Ferner teilte mir die Firma Cassella & Co., Frankfurt a. M., auf meine Anfrage nach der Konstitution des Isaminblaues nur mit, dass dieser Farb- stoff eine Triphenylmethansulfosäure sei. Von der gleichen Firma wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Farbe Isamin- blau und nicht Isanaminblau heisse. Dieser Name ist auf einen Druckfehler in Goldmanns Arbeiten (25, 26, 27) zurückzuführen. Ich teile daher nur die Untersuchungsergebnisse hier mit, soweit sie das Trypanblau betreffen, dessen Konstitution genau bekannt ist. Ebenso wurden fast alle Tierversuche mit diesem Farbstoff ausgeführt. Das Trypanblau entsteht aus: 1 Mol. o-Tolidin Ben; H> und X € m Ü ne Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.]I. 15 224 Werner Schulemann: 3 Mol 1- S—Amidonaphthol—3—6—-Disulfosäure OH NH» Sr Na03S| 6 3 |S0sNa ass Diazotieren des o-Tolidins gibt CNN / N Nana N— ee CH3 CH3 und dieses gekuppelt mit obigem Naphthol das NH» OH a Bo DE Se En RR Sr ie | E So: an Ne ee en 4 CH; a Trypanblau. Über die Ergebnisse der chemischen Versuche mit Trypan- blau ist wenig zu berichten. Schwache Reagentien, wie Ammoniak und verdünnte Essigsäure, sind ohne Einfluss. Stärkere Säuren (Salzsäure) geben einen in rein blauer Lösung befindlichen blauen Niederschlag, starke Kalilauge hingegen erzeugt einen violetten Niederschlag und gleichgefärbte Lösung. Da bei der intravenösen Injektion von „Pyrrolblau“ und Isaminblau Embolien auftreten, wurde auch das Verhalten der drei von Goldmann angewendeten Farben zu Eiweiss-Lösungen und zu Blutserum untersucht. Aus den oben angeführten Gründen sehe ich von der genaueren Mitteilung der Versuche mit „Pyrrol- blau“ und Isaminblau ab. Bemerkt sei nur, dass diese Farben wohl mit dem Eiweiss eine Farbeiweissverbindung bilden (siehe auch Heidenhain [28, 29]), die schwerer löslich ist als der reine Farbstoff. Bei Behandlung mit viel Wasser, Kochsalzlösung oder Serum geht der Niederschlag meist wieder ganz in Lösung. Trypanblau gibt mit Serum keine Fällung. Es steht demnach auch der Infusion des in physiologischer Kochsalzlösung gelösten Farbstoffes in eine Vene nichts im Wege. Bei grösseren Tieren wurde diese Methode daher stets angewendet, während bei [} [8) Su Beiträge zur Vitalfärbung. kleineren die Injektion intraperitoneal gemacht wurde. Zur Methodik sei noch bemerkt, dass, wie auch Bouffards Unter- suchungen (6) zeigen, ohne Schaden bedeutende Mengen Farb- lösung injiziert werden können. So habe ich Kaninchen im Ver- laufe von zwei Monaten ca. 140 cm? 1° Trypanblaulösung appli- ziert und dadurch prachtvolle Vitalfärbung erhalten. Zur Fixation verwende ich 10 °/o CH20-Lösung (also 10 Teile 40 °/o Formol und 30 Teile Wasser). Die lebenswarm eingelegten Organe bleiben 48 Stunden und länger in der Formollösung. Die Färbung ist dadurch so gut fixiert, dass die Objekte viele Wochen in Alkohol aufbewahrt werden können und auch Paraffineinbettung vorzüglich vertragen. Nur ist es nötig, sofort nach der Tötung zu fixieren, da man sich nur auf diese Weise vor Kunstprodukten sichern kann. Ich bemerke ausdrücklich, dass dies alles nur vom Trypan- blau gilt. Isaminblau wird trotz gleicher Behandlung schon vom Alkohol ausgezogen und verträgt eine Paraffineinbettung nicht. Vor dem Trypanblau hat das Isaminblau jedoch die Erzeugung gleichmässigerer Granula voraus. Nach meinen Erfahrungen ist es am besten, subkutan zu injizieren. Intravenöse Injektion ist aus den oben angeführten Gründen nicht möglich. Ebenso scheinen mir bei der intraperitonealen Anwendung der Farbe Reizungen des Peritoneums durch die entstehenden Niederschläge vorzu- kommen. Diese Fällungen müssen sich freilich auch bei der subkutanen Injektion bilden, da man nach Goldmann (25) durch gute Massage die Resorption beschleunigen und dadurch Nekrosen- bildung verhindern muss. Sie sind aber nicht so störend. Besonders empfindlich erwiesen sich mir Kaninchen und Meer- schweinchen, die oft trotz sorgfältigster Massage Nekrosen an der Injektionsstelle zeigten. Schon bei den Versuchen mit Serum war es mir aufgefallen, dass die Niederschläge je nach dem ver- wendeten Serum bald gröber, bald feiner waren. Es scheint ‚demnach eine individuell verschiedene Empfindlichkeit vorzuliegen. die vielleicht auf geringen chemischen Unterschieden der Eiweiss- körper beruht. Die Nekrosen zeigen teils Erweichung und Losstossung, wobei der Substanzverlust durch Narbengewebe ersetzt wird, teils wird die Nekrose durch gefässhaltiges Bindegewebe, das sich in Narbengewebe umwandelt, substituiert. In diesem Narbengewebe finden sich reichlich vital gefärbte Zellen, während im Gebiete der Nekrose selbst keine Granula zu bemerken sind. 15* 15) [%6) 1 Werner Schulemann: Die mit den Farben angestellten Tierversuche bestätigten in vollem Umfange die Ergebnisse Goldmanns. Über einiges Spezielle soll weiter unten berichtet werden. Nach Fischels Untersuchungen (19, 21) hat ein vital wirk- samer „basischer Farbstoff“ folgende Bedingungen zu erfüllen: 1. Er muss enthalten: a) einen Ammoniakrest — NH» oder b) einen solchen, in dem der Wasserstoff durch fette Alkoholradikale ersetzt ist, z. B. — N(CH3)s, wobei diese Radikale das Färbevermögen verstärken oder erst hervorbringen. Es darf nicht vorhanden sein: ein freier Anilinrest, wie z. B. im Anilinblau DW H | DIS BI ! UsHaN N ( OsH5 13 . Die aromatischen Bestandteile dürfen nicht nach Art der Azine aneinander gebunden sein, wo sich an einem der kuppelnden N-Atome noch ein aromatisches Alkohol- radikal findet. wie z. B. im N B% i (NH?)(CH3)H20s CsH2(CH>)(NH2) N Ze N Safranin. 0 4 UsH5 Betrachten wir die Konstitution des Trypanblaues, so finden wir, dass der Farbstoff in zwei Punkten von Fischels Bedingungen abweicht. Er besitzt nämlich zwei Hydroxylgruppen (—OH) und vier Sulfosäuregruppen (—SO;Na), erfüllt im übrigen aber alle Anforderungen. Es war nun festzustellen, welche Eigenschaften dem Trypanblau seine von den bisher verwendeten Farben gänzlich abweichende Wirkung verliehen. Ich untersuchte daher das vitale Verhalten ähnlich konstituierter Farben und suchte durch Ausschaltung verschiedener Gruppen die vital wirksame zu finden. Als solche sehe ich jetzt hauptsächlich die beiden Hydroxylgruppen an, während die Sulfosäuregruppen wohl nur für die Löslichkeits- verhältnisse der Farben in Betracht kommen. Natürlich sind die Hydroxylgruppen nicht allein wirksam, sondern auch die Kern- struktur, an der sie befestigt sind, ist von Wichtigkeit. Vital Beiträge zur Vitalfärbung. 227 wirksam im Sinne Goldmanns zeigten sich zunächst Farbstoffe der „Blaukonvention“ (siehe Georgievics [23], S. 92), von denen eine ganze Anzahl untersucht wurde. Es zeigte sich dabei, dass es gleichgültig ist, ob das die bei denNaphtholsulfosäuren kuppelnde Mittelglied Benzidin, Tolidin, Dianisidin ete. war. Als notwendige Grundlage ist also das folgende Kerngerüst anzusehen. NIT ZETTSIDDEED ZINN N 0x DENS/ SA Auf dieser Grundlage konnte nun weiter versucht werden: Ich führe hier das ebenfalls wirksame Diaminschwarz BH (Cassella) an: & ie & NH: OH re eie OH zeren x DIEBE (ß | BR A So aan u Es ist identisch mit dem Diazoschwarz BHN (Fr. Bayer) und entsteht aus 1 Mol. Benzidin, 1 Mol. 1—8— Amidonaphthol— 3—6—Disulfosäure und 1 Mol. 2—S— Amidonaphthol—6—Sulfo- säure. Hieraus ist ersichtlich, dass es gleichgültig ist, ob sich die —OH- und —NHs-Gruppe in @—«- oder «—P-Stellung zu- einander befinden. Ferner ist durch das Fehlen einer SOsNa- (sruppe keine Schädigung der vitalen Wirkung eingetreten. Weiter- hin lehrt das Dianilblau (Marke Rund B— Meister, Lucius und Brüning — aus Benzidin |[resp. Tolidin und Dianisidin] und CUhromotropsäure OH OH Ss NaOsS NaO3S So3Na | gearbeitet wurde mit Dianilblau R]), dass die Anwesenheit von — NH: unnötig ist. Unwirksam zeigte sich hingegen das Üongocorinth. CH NH; NA, CGeHsN—=NC:iH35(SosNa) | u CH; N—=NC:1H;(So;3Na) Sopran INH 228 Werner Schulemann: Es entsteht aus Tolidin, 1—Naphthylamin—4—Sulfosäure und 1— Naphthol—4—Sulfosäure. Hier ist die Zahl der —OH-Gruppen auf eine beschränkt. Es ist nur die Frage, ob nur die Zahl, oder Zahl und symmetrische Stellung dieser Gruppe notwendig ist. Infolge der Schwierigkeit, passende Farben zu den Versuchen zu finden, werden diese oft aufgehalten. Ich behalte mir jedoch ausdrücklich die weiteren Untersuchungen vor und habe auch bereits damit begonnen, das den Farben zugrunde liegende Gerüst zu verkleinern, um auf diese Weise möglichst einfache und klare Bedingungen zu schaften. Bemerken möchte ich noch, dass ich die Sulfosäuregruppen für belanglos halte. Zunächst schädigt die Reduktion derselben von vier auf zwei im Molekül nicht die vitale Wirkung. Ferner beeinflusst auch in der Färberei die SO3Na-Gruppe nur in geringem Maße den Charakter eines Farb- stoffes. Sie bedingt hingegen seine Wasserlöslichkeit ; ihr Fehlen also macht die Farbe wasserunlöslich. So ist z. B. das Dianisidin- blau von Bayer oder von Meister, Lucius und Brüning y OCH3 a (? UsHsN—=N—CiHs(OH) (£ NOCH; obwohl es sonst wirksam sein müsste, praktisch für unsere Zwecke nicht verwendbar. Ehrlich gibt hingegen an (11), dass die Einführung der SOs3Na-Gruppe in einen neurotropen Farbstoff diesen sofort seiner nervenfärbenden Eigenschaften beraubt. Ver- mutlich kommen hier auch nur veränderte Löslichkeitsbedingungen in Frage. Auch in dieser Richtung werden die Versuche fort- geführt werden. Im Vergleiche mit den von anderen vitalen Farben dar- gestellten Granula zeigt sich, dass man die gleichen Resultate nur mit gelöstem Carmin (siehe Ribbert |45] und Schlecht [49]) erhält. Auch hier ist es festgestellt, dass an Stellen, wo toxische Einwirkungen bemerkbar sind, sich keine Granula zeigen, dagegen Kernfärbung eintritt (siehe Schlecht [49]. Die gleichen Beobachtungen konnte ich an den obenerwähnten Nekrosen der Bauchdecken, wie auch an Infarkten der Froschleber machen. Nur ist die Kernfärbung eine so blass grünblaue, dass sie durch Beiträge zur Vitalfärbung. 229 jede weitere Nachfärbung verdeckt wird. Ribbert (45) hat das Auftreten von Granulis auch in den Leberzellen selbst nach mehrfach wiederholten Injektionen beobachten können. Durch Injektion von viel Trypanblau (140 cm? 1°/o Lösung in zwei Monaten) habe ich dieselben ebenfalls erhalten (siehe Fig. 10, Taf. XI). Wie ich schon hier bemerken möchte, machte sich trotz der grossen injizierten Farbmenge keine schädliche Wirkung bemerkbar. Das Tier überstand auch mehrere Operationen sehr gut und zeigte glatten Verlauf der Wundheilung. Näheres über die Granula der Leberzellen soll weiter unten bemerkt werden. Bei der Durchsicht der Literatur habe ich den Eindruck gewonnen, dass die vitalen Farben durchaus nicht in jeder Zelle die gleichen (sebilde darstellen, sondern z. B. bei der einen Zell- art präformierte (Granula, bei der anderen Plasmosomen etc. Zunächst aber möchte ich darauf hinweisen, dass wir streng zwischen vitaler und supravitaler Färbung zu unterscheiden haben. Die supravitale Färbung kann alle Zellbestandteile darstellen; z. B. gelingt mit Neutralrot nie eine vitale Färbung. Selbst bei Injektion in das lebende Tier kann man nicht von vitaler Färbung reden, da durch die grosse Giftwirkung der Farbe das Tier stets stirbt. Ebenso bleibt eine Farbspeicherung aus in der ersten Zeit der supravitalen Färbung. Dann aber tritt allmählich Färbung ein und stellt nun Gebilde dar, die sich nach anderen Methoden als chemisch ganz different erweisen. Später färbt sich auch der Zellkern. Die gleichen Erscheinungen finden wir auch bei den Versuchen Maximows (37). Auch hier tritt allmählich nach Erzeugung des Neutralrotoedems die supravitale Granulafärbung ein. Bei der supravitalen Färbung liegen also viel kompliziertere Prozesse chemischer und physikalischer Natur vor als bei der vitalen. Bei ihr haben wir es mit nekrobiotischen Vorgängen zu tun und in jedem Moment findet eine Änderung des „Milieus“ statt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet ist es nicht im Geringsten erstaunlich, dass bei supravitaler Färbung mit zwei verschiedenen Farben zuerst die eine irgendwelche Gebilde dar- stellt und aus diesen dann durch die andere Farbe scheinbar verdrängt wird (Rost |46]). Während das Ende des supravitalen Färbungsvorganges etwas Konstantes darstellt, beobachten wir während desselben nur einige nekrobiotische Vorgänge. 230 Werner Schulemann: Eine supravitale Färbung mit den drei blauen Farben Goldmanns habe ich an Menschenblut nicht erhalten können. Dagegen liess sich eine Färbung der Granula der eosinophilen Leukozyten und Myelozyten bei Rana esculenta feststellen. Durch einmalige Injektion von 2 cm? 1°/o Isaminblaulösung trat nach 36 Stunden der Tod ein. Die Fixierung wurde erst vorgenommen, als bereits aus den vital gefärbten Zellen Farbe heraus diftundiert war. Im ungefärbten, mit Formol fixierten Knochenmark vom Frosch durch gewöhnliche Färbung mit Isaminblau die eosino- philen Granula zu färben, gelingt nicht. Diese erscheinen hin- gegen als helle Lücken im blauen Protoplasma. Auf die Wert- losiekeit von Versuchen, die eine diffuse Durchtränkung der ganzen Zelle und (Gewebe zum Gegenstand haben, braucht wohl kaum hingewiesen zu werden. Diese „vitale“ Methode kann doch nur — wenn sie mit chemischen Indikatoren vorgenommen wird — zur Feststellung der allgemeinen Reaktion oder der Reaktions- änderung bei gewissen Vorgängen im Körper dienen, z. B. Fuchsin-S-Injektion zur Demonstration der Säurebildung im tätigen Muskel. Die vitale Nervenfärbung und die Versuche zur Feststellung des Sauerstoftbedürfnisses des Organismus (Ehrlich [10]) mit küpenbildenden Farbstoffen möchte ich hier nicht behandeln, da von Ehrlich hier schon bestimmte Grundlagen gefunden worden sind. Die Hauptfrage bei jeder vitalen Färbung ist nun: Was wird durch die betreffende Farbe dargestellt? Es kann sich handeln: 1. Um präformierte Gebilde, d. h. solche, die vor der Farb- injektion bereits in der Zelle vorhanden und optisch differenziert sind, so dass sie an der lebenden Zelle sicht- bar werden. 2. Um Gruppen im Protoplasma, die erst die vitale Färbung sichtbar macht. 3. Um eine Protoplasmaschädigung. Zu Gruppe 1 gehören natürlich die Stoffwechselprodukte, phagozytierten Bestandteile, Pigmente etc. Ihre Natur festzu- stellen ist direkt möglich, während die Feststellung der Eigen- schaften der zu Gruppe 2 gehörigen Gebilde viel schwieriger ist. Ein Beweis für die Behauptung. dass vorher nicht vom Protoplasma differente Gebilde dargestellt worden sind, ist hier Beiträge zur Vitalfärbung. 2831 nur negativ möglich, d. h. es ist notwendig, alle zu Gruppe 1 und 3 gehörigen (rebilde auszuschalten. Eine scharfe Grenze ist natürlich auch nicht zu ziehen. Manchmal wird wohl auch eine am Protoplasma befestigte chemische Gruppe optische Differenzen aufweisen und sie also „präformiert“ genannt werden können, obwohl sie als „Seitenkette“ des Protoplasmas natürlich der Gruppe 2 zuzuzählen ist. Ferner muss man annehmen, dass viele zu 1 gehörige Gebilde, z. B. Sekretgranula, aus Gruppe 2 entstehen. Zur 2. Gruppe gehören auch die Plasmosomen. Wie es die Untersuchungen von Arnold (1, 2, 3), Meves (39), Schultze (55) und anderen wahrscheinlich machen, sind dieses sehr reaktionsfähige Gruppen des Protoplasmas, die mit Stoften in Reaktion treten und mit diesen Sekretgranula bilden, welche ausgestossen werden. Die Plasmosomen sind daher der Mutter- boden der Sekretgranula. Im Sinne Ehrlichs heftet sich ein im Blut oder Lymphe zirkulierender Stoff oder einer, der in der sezernierenden Zelle selbst durch chemische Umsetzungen mit Hilfe anderer Protoplasmagruppen entstanden ist. mit seiner haptophoren Gruppe an den entsprechenden Rezeptor (Plasmosom) und bildet so ein Sekretgranulum.') Indem nun das Sekret aus- gestossen wird, nimmt es den bei seiner Bildung beteiligten _ Rezeptor mit, der durch einen neuen ersetzt wird (über die Seitenkettentheorie siehe Aschoffs Referat |4|). Natürlich kommen jeder Zelle ihre spezifischen Rezeptoren zu, die eine Auswahl treffen unter den ihnen dargebotenen Stoffen und nur mit den passenden in Reaktion treten. Ebenso wie bei der supravitalen Färbung das Neutralrot die verschiedensten Gebilde darstellt, scheint bei der (Grewebs- fixation mit Osmiumsäuregemischen oder bei Jodkaliummazeration eine allgemeine Rezeptorendarstellung (Plasmosomen) stattzufinden, ') Ehrlich richtet sich in seinen früheren Arbeiten gegen den Vergleich der vitalen Farben mit Toxinen etc. Es waren jedoch damals die Arbeiten Goldmanns noch nicht bekannt. Aber auch abgesehen davon, erscheint sein Einwand, dass die Farben zu leicht auswaschbar seien, als dass sie chemisch mit dem Protoplasma verbunden sein könnten, nicht stichhaltig, da wir viele Protoplasmabestandteile kennen, die ausserordentlich schwer konservierbar sind und zu deren Fixation besondere, oft sehr komplizierte Methoden ausgearbeitet wurden. Demgegenüber erscheint die Fixation in 10°o Formaldehyd sehr einfach und man erhält bei längerer Formolwirkung eine grosse Farbfestigkeit der Trypanblau-Granula. [86) os 0) 18) Werner Schulemann: gleichgültig, welcher Natur sie sind. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass alle Rezeptoren auf diese Weise dargestellt werden können oder umgekehrt auch alles mit obigen Methoden Dar- gestellte Rezeptoren sein müssen. Dass eine optische Differen- zierung stattfindet, ist gut denkbar, die Verbindung des Rezeptors mit dem Protoplasma kann keine feste sein, da er nach Sekret- bildung mit dem Sekretgranulum die Zelle verlässt. Arnold färbt vorher sichtbare Granula „vital“ mit Neutralrot und findet nach der Mazeration mit Jodkalium diese in Zusammenhang mit farblosen Gebilden. Hier sind die „vital“ gefärbten Gebilde Sekretgranula, die farblosen noch nicht verwendete Rezeptoren (Plasmosomen), die das Neutralrot in diesem Falle nicht darstellt. Nach diesen Betrachtungen wäre also die Urform aller Granula eine labile chemische Gruppe (Rezeptor) des Protoplasmas. Diese tritt nun mit irgendwelchen gelösten Stoffen in Reaktion und bildet Sekrete, Pigmente, Granula etc. Nach der Ausstossung wird der gleichfalls dadurch verloren gegangene Rezeptor wieder ersetzt. Die vitale Färbung stellt entweder Rezeptoren oder fertige (iranula dar. Meist scheint es aber, dass jeder Farbe die Dar- stellung der zu Gruppe 1 und 2 gehörigen Gebilde nebeneinander möglich ist und zwar so, dass in einer Zellart zu 1 gehörige (rebilde, in einer anderen aber zu 2 gehörige hervorgehoben werden. Infolgedessen kann nie von einer vitalen Wirkung eines Farbstoffes die Rede sein, sondern für jedes vital gefärbte Gebilde ist bei jeder Tierart, jeder Zell- kategorie und für wechselnde physiologische Zu- stände der Zelle seine Natur festzustellen. Als drittes Moment kommt noch die unter 3 aufgeführte Protoplasmaschädigung hinzu. Übt die verwendete Farbe eine toxische Wirkung aus, d. h. schädigt sie die Zelle, indem sie an Gruppen des Protoplasmas angreift, die sonst — unter physio- logischen Umständen — nicht in Aktion treten oder indem sie lebenswichtige Rezeptoren besetzt ? Für die von ihm verwendeten blauen Farben hat nun Goldmann (25) nachzuweisen gesucht, dass sie keine der zu Gruppe 1 gehörigen (rebilde darstellen. Nach den eben auf- gestellten Anforderungen muss dies für jede Granulaart gesondert geschehen. Ich kann hier daher nur von den Sternzellen der Beiträge zur Vitalfärbung. 233 Leber und den Makrophagen in den serösen Höhlen, der Milz, dem Knochenmark und den Lymphdrüsen sprechen. Für die Nebenniere, die Epithelkörper, die Hassalschen Körperchen der Thymus, ‘die Zwischenzellen des Hodens, die Hypophyse und für den Plexus chorioideus scheint eine Sekretgranulafärbung vor- zuliegen. Die Niere nimmt, wie aus den Untersuchungen von Hoeber und Königsberg (31) hervorgeht, eine Sonder- stellung ein. Auch für die Gruppe 3 führt Goldmann (25) Gegen- beweise an (S. 247). Für die oben genannten Zellen möchte ich nun folgendes hinzufügen: Bei seinen Versuchen mit Methylenblau und Neutral- rot hat Rost (46) Granula in den Erythrozyten des Frosches gefunden und sie auf eine toxische Wirkung seiner Farben zurück- geführt. Er hat endlich auch nach genügender Schädigung der Zellen Kernfärbung erhalten. Betrachten wir die Resultate mit Goldmanns Farben: Die Zellen sind ad maximum mit Granulis vollgepfropft, ohne dass je Kernfärbung bemerkbar würde. In Leberinfarkten jedoch, wo eine Zellschädigung vorlag, sind in den geschädigten Zellen nie blaue Granula enthalten, dagegen findet sich eine blassgrünblaue Kern- und Protoplasmafärbung. In den Erythrozyten waren nie (Grranula nachzuweisen. Es lag nun nahe, die vital gefärbten Zellen auf ihre normale Funktionsfähigkeit zu prüfen. Ich injizierte daher einer vital gefärbten Maus 0,5 cm? Pelikantinte intraperitoneal und konnte für die Kupfferschen Sternzellen nachweisen, dass sie die Fähigkeit zu phagozytieren nicht verloren hatten. Neben den blauen Granulis fanden sich reichliche Mengen von Tusche- körnchen im Protoplasma (siehe Fig. 1, Taf. XIII). Diese Funktion ist also nicht geschädigt. In ähnlicher Weise konnte ich noch die in der Peritoneal- höhle vorhandenen Makrophagen prüfen. Aus der Bauchhöhle einer mit Diaminschwarz vital gefärbten Maus entnahm ich eine geringe Menge Peoritonealflüssigkeit und brachte diese vermengt mit Erythrozyten vom Menschen, also artfremden, im hängenden Tropfen unter das Mikroskop. Es war nun zu beobachten, wie eine solche vital gefärbte Zelle im Verlaufe von etwa drei Stunden nicht weniger als drei Erythrozyten in sich aufnahm. Diese Be- obachtung zeigt nicht nur, dass die Fähigkeit, zu phagozytieren, 234 Werner Schulemann: durch die Vitalfärbung nicht geschädigt ist, sondern sie zeigt auch, dass die Granulationen das gleiche Aussehen in der lebenden wie in der fixierten Zelle haben. Bei der Beschreibung von Netz, Lymphdrüsen, Milz und Knochenmark werde ich auf diese Zellart noch zurückzukommen haben. Die Sternzellen haben ferner noch die Eigenschaft, Pigmente zu speichern. Arnold (2) und Schlecht (49) weisen bereits darauf hin, dass die Ablagerung vitaler Farben ganz der An- ordnung der Pigmente bei Hämosiderosis entspreche. Ich kann dies nun bestätigen, da bei der vitalen Färbung von Fröschen im Herbst, wenn diese reichlich Pigment in der Leber abgelagert haben, folgendes eintritt: Man findet keine blauen Granula in ganz pigmenterfüllten Zellen. Zellen, die nur teilweise Pigment enthalten, zeigen den pigmentfreien Teil des Protoplasmas von blauen Granulis ausgefüllt (siehe Fig. 2, 3, Taf. XII); unpigmen- tierte Zellen sind dagegen vollständig blau granuliert. Zu den Pigmentdepots in der Froschleber möchte ich noch bemerken, dass die pigmenthaltigen Zellen wohl stark hypertrophierte Endothel- zellen (Kupffersche Sternzellen) sind. Bei sehr reichlicher Zufuhr vitaler Farben nehmen diese Zellen ebenfalls stark an Volumen zu, so dass sie schliesslich vollständig das Kapillarlumen verschliessen. Ebenso wie Schmidt (zitiert bei Schlecht |49|) und Schlecht (49) habe auch ich eine „Grundlage“ für die blauen (sranula nachweisen können. Nach zu kurzer Formalinfixierung war bei einer Lymphdrüse durch Celloidineinbettung das Trypan- blau aus den Granulis ausgezogen worden. In den vorher blau granulierten Retikulumzellen fanden sich nun vakuolenartige schwach hellblau gefärbte Stellen im Protoplasma neben fein- körniger Pigmentablagerung. Dies könnte nun den Gedanken aufkommen lassen, es lägen den Granulis „präformierte“ Gebilde zugrunde. Viel einleuchtender aber ist es, dass diese „Grundlage“ als Defekt da entsteht, wo vorher die blaue Farbe sass. Dies ist nun um so wahrscheinlicher, als in den Retikulumzellen bisher noch mit keiner anderen Methode Granula dargestellt worden sind. Man kommt demnach zu dem Schlusse, dass die von Goldmann verwendeten Farben sich mit den oben näher gekennzeichneten chemischen Gruppen an Rezeptoren anlagern und sie uns sichtbar machen. Beiträge zur Vitalfärbung. 235 Sind dies nun lebenswichtige Organula der Zellen oder nicht ? Diese Frage wäre wieder nach den vorher aufgestellten Grund- sätzen von Art zu Art zu prüfen. Im allgemeinen aber lässt sich sagen, dass unter normalen Bedingungen eine Schädigung der gefärbten Tiere nicht zu beobachten war. Für manche Arten von Granulis ist ein Teil der Funktionen der ihnen zugrunde liegenden Rezeptoren wahrscheinlich zu erkennen. Die verschieden schnelle Entfernung der Farbe aus den einzelnen Zellarten deutet schon darauf hin, dass in dem einen Falle wichtigere, d. h. öfter gebrauchte Rezeptoren besetzt sind als in dem anderen. Natürlich liegt auch noch die Möglichkeit vor, dass die blaue Farbe von ihrem Rezeptor durch den besser zu ihr passenden sekret-, pigmentbildenden oder sonstigen Stoff abgedrängt wird. Es ist hier nochmals darauf hinzuweisen, dass die Vitalfärbung nicht die Phagozytose schädigt, wohl aber, wenn alle Rezeptoren durch die Verarbeitung der phagozytierten Bestandteile in Anspruch genommen sind, die Vitalfärbung ausbleibt. In der später zu beschreibenden Blutlymphdrüse bemerkt man wie bei den pigment- erfüllten Sternzellen der Leber, dass in Makrophagen, die von Erythrozyten vollständig erfüllt sind, keine Granula dargestellt werden können. Vermutlich sind hier alle Rezeptoren, die sonst die vitalen Farben aufnehmen, mit dem Verdauen der Einschlüsse beschäftigt. Ob die Pigmentablagerung durch die Vitalfärbung geschädigt wird, vermag ich nicht sicher anzugeben. Wahr- scheinlich ist auch noch, dass manche der Rezeptoren als Schutz- organula funktionieren, wie z. B. das Chorionepithel nach Gold- mann (25) und Schlecht (49) den Fötus vor dem Kontakt mit schädlichen Stoffen schützt, die in der mütterlichen Blutbahn zirkulieren. Es ergibt sich also, dass durch die verwendeten Diamin- farben (Grebilde der verschiedensten Art dargestellt werden und zwar bei Rezeptoren durch die beiden Hydroxylgruppen, mit denen sich das Farbmolekül am Protoplasma primär verankert. Wie für alle vitalen Farben ist es notwendig, die Natur jeder Granulaart festzustellen. Ferner ist auch zu beobachten, wie sich unter veränderten physiologischen bezw. pathologischen Be- dingungen die Eigenschaften der Granula ändern. Sehen wir aber ganz von der Natur der dargestellten Gebilde ab, so bleibt doch als sichere Grundlage, dass durch die von Goldmann ein- 236 Werner Schulemann: geführten Farben eine elektive Darstellung von Zellen möglich ist, die mit anderen histologischen Methoden entweder gar nicht oder nur unvollkommen erreicht werden kann. Auch gibt uns diese Art der Vitalfärbung die Möglichkeit, bis zu einem gewissen Grade Schlüsse über die Genese bestimmter Zellkategorien zu ziehen. Im Folgenden will ich noch einige neue Resultate mit dieser vitalen Färbung mitteilen. Beim Frosche findet wohl die Farbausscheidung teils durch die Haut, teils durch die Nieren statt. Die Haut weist eine Vitalfärbung teils runder, teils sehr fein verästelter Bindegewebs- zellen in den oberen Schichten des Coriums auf, während die Hautdrüsen farbfrei sind. Besonders interessant aber ist eine rötlich - violette Kern- und Protoplasmafärbung der äussersten Schiehten der Epidermis. Ebenso war zu beobachten, dass die ungefütterten Frösche aus der Kloake eine rötlich-violette Flüssig- keit entleerten, die denselben Farbenton hatte wie mit starker Kalilauge versetzte verdünnte Trypanblaulösung. Letzteres deutet bereits auf eine Farbausscheidung durch die Niere und wurde von mir an Winterfröschen (Rana esculenta) beobachtet. Die histologische Untersuchung der Nieren geschah aber erst im Mai dieses Jahres bei derselben Froschart. Hierbei zeigte es sich nun, dass eine ganz normale Farbausscheidung stattfand. Die ventral in der Niere gelegenen Nebennierenstränge waren frei von Farbe. Ebenso zeigten die Glomeruli und der Halsteil keine Farbaus- scheidung. Diese tritt erst im Abschnitt II auf und zwar bieten sich zwei verschiedene Bilder dar (über die Froschniere, vgl. Gaupp |22a]). In einigen Kanälchen sieht man in den Nieren- epithelien tiefblaue gleichmässige Granula von der Basis zur Oberfläche annähernd kettenförmig angeordnet. Sie lassen an der Basis einen schmalen Saum frei, in dem auch meist der Zellkern liegt. Ebenso erreichen die Granula nicht die Oberfläche. Hier ist ein etwas breiterer Saum farbfrei. Er sieht in meinen Präpa- raten zwar homogen aus, entspricht aber wohl dem von Nuss- baum beschriebenen Bürstenbesatz. Die FEpithelien anderer Kanälchen des gleichen Nierenkanalabschnittes zeigen blass grün- blaue Granula, die sich im allgemeinen wie die dunkelblauen verhalten. Deutlich ist zwischen ihnen mitunter gelbes fein- körniges Pigment abgelagert. Bei einigen dieser Kanälchen zeigen nun die Epithelzellen grosse runde Vakuolen, die, weit grösser DD > —1 Beiträge zur Vitalfärbung. als der Zellkern, diesen oft auf die Seite drängen. Von Gold- mann wurden diese bei der Maus als Substanzverluste bei der Ausstossung grober Granula in das Lumen der Harnkanälchen gedeutet. Es ist mir weder gelungen, Stellen zu finden, an denen gerade Ausstossung stattfindet, noch habe ich je Granula gesehen, die die gleiche (rösse wie die Vakuolen hatten. Ich bin daher geneigt, diese beim Frosch beobachteten Vakuolen als Flüssigkeits- bläschen aufzufassen. Die von Gaupp (22a) als Abschnitt III und IV bezeichneten Teile der Harnkanälchen zeigen keine Farb- ausscheidung. Wie sich dagegen das Endstück V verhält, ..kann ich nicht sagen, da es mir nicht mit Sicherheit gelang, es in den Schnitten zu identifizieren. In der Annahme aber, dass die Farbausscheidung trotz der drei so verschiedenen Bilder, die keine Übergänge zeigen, nur in Abschnitt II vorkommt. dazu veranlasst mich die Angabe Gaupps,. dass Ausscheidung von Pigmenten, Indigearmin ete. nur in Il stattfindet. Wir müssen also verschiedene physiologische Zustände histologisch auf gleicher Höhe stehender Teile der Harnkanälchen annehmen (vel. Fig. 4, Saar X). Bei der Kaninchenniere habe ich die von Goldmann be- schriebenen Farbfäden im Nierenmark nicht finden können. Dafür waren jedoch deutliche blaugranulierte Bindegewebszellen in dem interstitiellen Bindegewebe zu finden. Beim Kaninchen ist es leicht möglich, das Knochenmark zu untersuchen, da es sich durch Spaltung der höhrenknochen gewinnen lässt, ohne dass man das (rewebe zwecks Entkalkung mit Säuren behandeln muss. Zufällig ist auch bei der Heraus- nahme der Hypophyse ein Stück des umgebenden Knochens mit herausgenommen und fixiert worden. Es lassen sich hier ohne Entkalkung genügend feine Schnitte anfertigen, so dass man nicht nur die Beziehungen von Knochen zu Knochenmark gut übersehen kann, sondern man bekommt auch ein relativ fettarmes Mark zur Untersuchung. Die Beschreibung der Befunde kann nur im Zusammenhange mit den Lymphdrüsen geschehen. da die vital gefärbten Zellen des Markes in enger Beziehung zu diesen, zu der Milz und zum Netz, besonders den „taches laiteuses“ desselben stehen. Es sind im Knochenmark (untersucht wurde dieses aus dem Humerus, Femur und der Umgebung der Hypo- physe) zwei Arten vital gefärbter Zellen zu unterscheiden (Über- 238 Werner Schulemann: sichtsbild Fig. 6, Taf. XIH). Erstens findet man einige wenige Retikulumzellen mit blauen Granulis und zweitens in den Maschen des Retikulums abgerundete blaugranulierte Zellen, ohne dass sich Beziehungen zwischen diesen beiden Zellkategorien nach- weisen liessen. Meist sind diese abgerundeten Zellen dicht von groben blauen Granulis erfüllt, mitunter aber findet man auch solche, die andere Zellen phagozytiert haben (Fig. 7, Taf. XII). Der eigentliche Charakter dieser Knochenmarkszellen war bei Betrachtung des Knochenmarkes allein nicht zu erkennen. In den Lymphdrüsen des gleichen Tieres fanden sich dieselben wieder vor und zwar waren sie meist in den Sinus gelegen. Ab und zu sieht man sie aber auch in den Follikeln. Unter den unter- suchten Lymphdrüsen fand sich auch eine Blutlvmphdrüse. Hier zeigte es sich nun, dass die genannten Zellen sehr lebhaft phagozytiert hatten. Zum Bau dieser Lymphdrüsenart sei bemerkt, dass die Sinus meist von einem schwammartigen, vitalgefärbten Zellensynzytium ausgefüllt sind, in dessen Maschen sich die ver- schiedenen Zellarten, wie Makrophagen, Leukozyten, Lymphozyten, Erythrozyten etc. befinden. Die Sinus sind durch vital gefärbte „Endothelzellen“ scharf begrenzt. In den Follikeln selbst finden sich sehr wenige vital gefärbte Retikulumzellen und abgerundete Lymphzellen (Fig. 8, Taf. XIII). Von der typischen vital gefärbten Knochenmarkszelle finden sich alle Übergänge bis zu Zellen, die zweikernig sind und mitunter zehn und mehr Erythrozyten phagozytiert haben. Es war bei solchen kaum noch Protoplasma zu erkennen. Die Granulazahl in den Zellen verhält sich umge- kehrt wie die Menge der phagozytierten Substanz. Auch an den Kernen sind alle Übergänge vom grossen Lymphozytenkern zur Zwerchsackform, zum zweigelappten nur durch eine schmale Substanzbrücke verbundenen Kern bis zur vollendeten Zweiteilung desselben zu erkennen. Von Herrn Professor Goldmann auf seinen Vortrag (27) aufmerksam gemacht, suchte ich nun Zusammenhänge zwischen diesen Zellen und den Makrophagen im Netz ausfindig zu machen. Bei einem Kaninchen hatte ich während der Färbungszeit regelmässig Blutausstriche hergestellt, und in der Mehrzahl derselben finden sich diese Zellen allerdings in verschiedenen Mengen vor. Die Zellen machen durchaus den Eindruck grosser Lymphozyten und zeigen typische blaue Granula, nur phagozytiert hatten sie nicht. Ich ging nun einen Schritt Beiträge zur Vitalfärbung. 239 weiter und suchte die Zellen in der Punktionsflüssigkeit des Abdomens nachzuweisen. Wir besitzen bereits zwei Bearbeitungen der Zellformen der serösen Höhlen und ihrer Genese in den Abhandlungen von Schott (50) und Renaut (44). Es liess sich daher erwarten, dass die von ihnen beschriebenen Makrophagen mit unseren vital gefärbten Zellen identisch wären. Und dies traf in der Tat zu. Ja ich konnte nicht nur die genaue Identität aus Kern und Protoplasmastruktur feststellen, sondern auch unter dem Mikroskop direkt beobachten, wie ein solcher vital gefärbter Makrophag innerhalb drei Stunden drei Erythrozyten in sich aufnahm. (Es waren der Punktionstlüssigkeit Erythrozyten vom Menschen — also artfremde — zugesetzt worden.) Die Unter- suchung des Netzes zeigte nun, dass wohl die Hauptbildungsstätte der Makrophagen in den taches laiteuses desselben zu suchen ist. Dies zeigen sowohl die von Goldmann in Erlangen (27) demonstrierten Präparate vom Netz der Ratte, als auch meine Präparate vom Kaninchen. Meist finden sich diese Bildungsstätten in der unmittelbaren Nähe der Gefässe. Meist ziehen arterielle blutgefässe zu solchen taches laiteuses, verzweigen sich in den- selben und führen zur Vene zurück. In welch naher Beziehung diese Brutstätten zur Blutbahn stehen, ist daraus auf das deut- lichste ersichtlich (Fig. 9, Taf. XIII). Aber nicht nur in den taches laiteuses, sondern auch auf der ganzen Netzoberfläche, wie auch auf dem Peritoneum und Mesenterium findet diese Makro- phagenbildung statt. Die Beobachtungen Schotts (50) über die Makrophagen werden also durch die Vitalfärbung bestätigt. Wie die Makrophagen in die Blutbahn, Lymphdrüsen, Milz und Knochen- mark gelangen, ob direkt auf dem Blutwege oder auf dem Lymph- und Blutwege, vermag ich mit Sicherheit nicht anzugeben. Wahr- scheinlich treten sie teils direkt in die Blutbahn über, teils gelangen sie in die Lymphbahnen. Sie fanden sich jedenfalls frei im Blute. Wenn nun auch das Netz die Hauptbildungsstätte dieser Zellform darstellt, so möchte ich doch glauben, dass eine Entwicklung dieser Makrophagen auch im Knochenmark und den Lymphdrüsen stattfindet. Allerdings steht wohl die Zahl der hier gebildeten Makrophagen weit hinter derjenigen der aus dem Netz stammenden zurück. Die Milz zeigt fast dasselbe Bild wie eine Blutlymphdrüse, so dass ich von einer genaueren Beschreibung hier absehe. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. I. 16 240 Werner Schulemann: Wie aus obiger Schilderung hervorgeht, haben wir also einen besonderen Stamm von Lymphozyten vor uns, die besonders im Netz, aber wohl auch im Knochenmark und Lymphdrüsen entstehen. Es ist bis jetzt nur durch die Vitalfärbung möglich, diesen Stamm zu differenzieren. Herr Professor Goldmann gestattet mir mitzuteilen, dass diese Zellform sich nach seinen Untersuchungen bei irgend einer Irritation des Gewebes sofort in grosser Menge am Orte derselben einfindet und dort zu fixen Zellen werden kann. Die gleichen Zellen sind auch bei pathologischen Prozessen an den Lungen — in und auf diesen — in grosser Menge auf- zufinden und bedingen die tiefe Blaufärbung der Lungen. Ich habe bei einer Maus ebenso wie Goldmann (25) in einem Falle eine tiefblaue Lunge und helle Leber beobachten können. Die Lunge zeigte dicke schwartige pleuritische Auflagerungen und war von runden vital gefärbten Zellen stark infiltriert. Diese enthielten teils nur blaue Granula, teils nur dunkles Pigment, meist aber beides gleichzeitig. Sie zeigten sich in den pleuritischen Auflagerungen, in den Bronchien und besonders peribronchial, ferner in grosser Zahl in den Blutgefässen und weniger häufig im Lungenparenchym selbst. Zum Schlusse sei es mir gestattet, noch einige Organe in ihrem Verhalten zum Trypanblau zu beschreiben, die mit dieser Methode noch nicht untersucht worden sind, oder bei denen sich wesentliche Abweichungen von bisherigen Resultaten ergaben. Wie ich schon oben erwähnte, erhielt ich in einer Kaninchen- leber mit Trypanblau Granula in den Leberzellen selbst (Fig. 10, Taf. XII). Es liesse sich hier der Einwand machen, dass die Granula in den Leberzellen Kunstprodukte wären. Sie zeigen sich aber in Zellen, die mit 10°o Formaldehyd wie auch in Alkohol absolutus fixiert wurden in gleicher Weise. Nach letzterer Fixierung lässt sich auch das Glykogen neben den blauen Granulis nachweisen. Form und Verteilung der Granula in den Zellen lässt auch diese Deutung nicht zu. Die Leberzellen weisen die Farbgranula bald reichlich, bald spärlich auf und derartig ver- schieden granulierte Zellen liegen oft dicht beieinander. Auch findet man grobe und feine Granula, was der Trypanblauwirkung in der lebenden Zelle durchaus entspricht. Die Granula sind meist unregelmässig im Protoplasma zerstreut, bisweilen findet man sie aber auch perinukleär oder an der Peripherie der Leber- Beiträge zur Vitalfärbung. 241 zellen angehäuft. Stets zeigen die Leberzellen deutliche Grenzen. Das Kapillar -Endothel ist fast vollständig vital gefärbt. Die Sternzellen sind oft sehr stark mit Farbe beladen, so dass sie weit in das Lumen prominieren und dasselbe oft ganz verschlossen erscheint. Die gewöhnlichen Endothelzellen zeigen nur wenige, dicht am Kerne gelegene blaue Granula. Man gewinnt den Ein- druck, dass die Sternzellen — und zu dieser Annahme führen ja auch andere Untersuchungen (v. Kupffer [33]) — einfach ein besonderer physiologischer Zustand der Kapillarendothelien sind. Die Epithelkörper des Kaninchens (Fig. 11, Taf. XIII) zeigen in ihren Epithelzellen hellblau gefärbte, tröpfehenartige Einschlüsse. Wir haben in ihnen sehr wahrscheinlich eine Vitalfärbung des spezifischen Sekretes vor uns. Nach der Ausstossung dieser Gebilde aus der Zelle verschwindet alsbald die blaue Färbung. Im Bindegewebe sind in mässiger Anzahl die von Goldmann beschriebenen blau granulierten Bindegewebszellen zu finden. Die Hypophyse bietet in ihrem Fpithelteile fast dasselbe Bild wie die Epithelkörper. Auch hier enthalten die Epithelzellen die hellblauen, tröpfchenförmigen Granula. Das Bindegewebs- gerüst zeigt ab und zu blau granulierte Zellen. Im Hirnanteil der Hypophyse scheint nur das Trypanblau an den gleichen Stellen und in ähnlicher Form wie die eigentümlichen Pigmente der Neurohypophyse abgelagert zu sein, die nach Kohn (3la) an die Gliazellen gebunden sind. Diese Vitalfärbung der Sekretgranula in Epithelkörper und Hypophyse erinnert sehr an die Bilder, die die Nebennierenrinde darbietet. In dem gleichen Präparate findet sich, wie schon oben be- merkt, Knochen im Zusammenhange mit seiner Umgebung. Das Periost weist viele vitalgefärbte Zellen auf, und die Knochenzellen selbst zeigen mitunter deutliche blaue Granula. Am Schlusse dieser Zeilen sage ich Herrn Geheimrat Wiedersheim meinen ergebensten Dank dafür, dass ich in seinem Institute arbeiten durfte. Meinen verehrten Lehrer, Herrn Professor Keibel meines aufrichtigsten Dankes zu versichern für .das Interesse und die Förderung, die er meiner Arbeit in grösstem Maße angedeihen liess, ist mir eine angenehme Pflicht. Auch 16* 242 Werner Schulemann: Herrn Professor Goldmann danke ich ergebenst für seine liebens- würdige Anregung und sein Interesse. Für die Überlassung von Farben bin ich Herrn Professor Fromm (Freiburg i. B.), Herrn Dr. Hollborn (Leipzig) und den Firmen Leopold Cassella (Frankfurt a. M.) und Oehler (Oftenbach a. M.) zu Dank verpflichtet. Literaturverzeichnis. 1. Arnold, J.: Über vitale Granulafärbung in den Knorpelzellen, Muskel- fasern und Ganglienzellen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 55, 1900. 2. 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Die Maus wurde durch Isaminblau vitalgefärbt. Die später vor- genommene Injektion von chinesischer Tusche in die Bauchhöhle zeigt, dass die Vitalfärbung die phagozytierenden Eigenschaften der Sternzellen nicht aufhebt. Kapillare aus der Leber eines Frosches. Die von Leberzellen umgebene Kapillare zeigt eine mit Trypanblau und Pigmentkörnchen beladene Endothelzelle (Ed). Im Lumen der Kapillare ein Erythrozyt. Vital Trypanblau. Nachfärbung: Alaun- carmin. Wie Fig. 2. Der Schnitt hat eine Kapillare tangiert und zeigt eine Trypanblau und Pigment enthaltende Endothelzelle umgeben von Leberzellen. Niere vom Frosch. Übersichtsbild. Trypanblau. Nach- färbung: Alauncarmin. d — dorsal; v —= ventral: Nn = Neben- nierenstränge, die kein Trypanblau aufgenommen haben: Va = Vasa advehentes; Vr — Vasa revehentes; G — Glomerulus, von dem dorsal der zwei verschiedene physiologische Zustände zeigende Abschnitt Ila, b liegt. Ventral liest der farbfreie Kanälchen- abschnitt IV (siehe Gaupp |22a)). Niere vom Frosch. Trypanblau. Nachfärbung: Alauncarmin. Teil der Fig. 4 bei höherer Vergrösserung. Abschnitt IIa zeigt die dunkel granulierten Nierenepithelien mit den basalstehenden Kernen und dem am Lumen granulafreien Saume. Abschnitt IIb ist ein anderer physiologischer Zustand des gleichen Kanalabschnittes. Die Epithelien enthalten nur grünblaue Farbgranula, daneben aber grosse Vakuolen (V) und Pigmentkörnchen. Knochenmark vom Kaninchen. Trypanblau. Nach- färbung: Alauncarmin. Übersichtsbild. Neben den blaugefärbten deutlich hervortretenden Makrophagen sind noch einige Granula im Retikulum zu sehen. Aus der Umgebung der Hypophyse. Ein Makrophage aus dem gleichen Präparat wie Fig. 6. Der Makrophage (M) hat einen Leukozyten (L) phagozytiert. 246 Fig. 8. Fig. Fig. 10. 10 Werner Schulemann: Beiträge zur Vitalfärbung. Sinus einer Blutlymphdrüse vom Kaninchen. Trypan blau. Nachfärbung: Alauncarmin. In dem vom vitalgefärbten Endothel (Ed), das oft Pigment enthält (Ed p), umschlossenen Sinus finden sich Lymphozyten (L), Erythrozyten (E), Makrophagen mit Erythrozyten und blauen Granulis (M b) und Makrophagen mit Erythrozyten und Pigmentgranulis (M p). Tache laiteuse aus dem Netz eines Kaninchens. Trypanblau. Nachfärbung: Alauncarmin. Flächenpräparat. Zu- und abführendes Blutgefäss. Vitalfärbung der Makrophagen. Leber vom Kaninchen. Trypanblau. Nachfärbung: Alaun- carmin. Blaue Granula in den Leberzellen und vitale Färbung der Kapillarendothelien. Epithelkörper vom Kaninchen. Trypanblau Nach- färbung: Alauncarmin. Vitalgefärbte Bindegewebsgerüstzellen und Sekretgranulafärbung der Epithelzellen. 247 Aus dem anatom.-biologischen Institut der Universität Berlin. Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. Von Dr. Ihde. Hierzu 3 Textfiguren. Bevor ich mich dem eigentlichen Inhalt dieser Arbeit zu- wende, möchte ich zur Einleitung eine Übersicht über die bis- herigen Versuche, bei Vögeln rudimentäre Zahnanlagen zu finden, geben. Es gibt zwar auch in älteren Arbeiten derartige historische Einleitungen, doch habe ich sie nirgends vollständig und zuver- lässig gefunden. Im Jahr 1820 entdeckte Geoffroy St.-Hilaire bei jungen Papageien (Palaeornis torquatus) an den Schnabelrändern eigen- artige Papillen. Er untersuchte sie mikroskopisch und fand in ihnen ein Gewebe, das gallertartige Struktur hatte, und das er mit der Bindegewebspapille verglich, die bei menschlichen Embryonen des dritten Monats das Zahnbein bildet. Cuvier bestätigte die Angaben Geoffroy St--Hilaires. Die Unter- suchungen ruhten bis zum Jahre 1860, in welchem sie von Blanchard wieder aufgenommen wurden. (Die von Mayer (1) in Bonn bei Hühnerembryonen entdeckte Eischwiele wird zwar von Blanchard mit zu dem „Zahnsystem der Vögel“ gerechnet ; jedoch unterliegt es keinem Zweifel, dass dies sehr zu Unrecht geschieht und nur die Verwirrung unter den Hypothesen über die Existenz rudimentärer Zahnanlagen bei Vögeln vermehrt. Die Eischwielen stellen genetisch wie funktionell Gebilde sui generis dar und haben mit den gesuchten Anlagen eines den Sauropsiden ursprünglich zukommenden Dentingebisses nichts zu tun, weshalb ich auf dieselben in dieser Arbeit nicht näher ein- gehen will.) Blanchard (2) entkleidete die Kiefer von Nestjungen verschiedener Papageienarten ihres Hornüberzuges und fand kleine Spitzchen dem Knochen aufsitzend und teilweise von ihm um- wachsen, ohne dass er seine Entdeckung veröffentlicht hätte. Später fand er Gelegenheit, Kakaduarten und Melopsittacus zu untersuchen, und nun stand seine Überzeugung fest, echte Dentin- zähne gefunden zu haben, zumal das Innere dieser Spitzen von Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1. Url 248 Dirsichrdie: einer Art Pulpa ausgefüllt war und das vermeintliche Dentin ganz die Zahnbeinstruktur zu haben schien. Wieder ruhten die Untersuchungen hiernach fast 20 Jahre. 1879 prüfte Fraisse (3) die Entdeckung Blanchards nach und fand, dass das, was der französische Forscher für Dentin gehalten hatte, eigenartig differenziertes Horn sei. Die Dentinkanälchen wurden durch die Konturen der länglichen verhornten Zellen vorgespiegelt. Fraisse deutete an, dass die Zähne der fossilen Vögel vielleicht auch aus Horn bestanden hätten, die verkalkt und von Knochen um- wachsen seien, so dass an den versteinert aufgefundenen Exemplaren echte Dentinzähne in Alveolen vorgetäuscht würden. Diesen Ausführungen schliesst sich Braun (4) (1882) im allgemeinen an. Im Jahre 1892 stellte Röse (5) eine neue Theorie auf. Er ging von der Annahme aus, dass das Gebiss der Vögel sich wahrscheinlich soweit zurückgebildet hätte, dass es nur noch zur Anlage einer Schmelzleiste käme. Seine Untersuchungen an Embryonen von Sterna Wilsoni und Struthio camelus führten ihn zur Entdeckung einer im Querschnitte spindelförmigen Epithel- wucherung am Gaumen, in der Nähe des Kieferrandes, die er als Zahnleiste deutete. Schon vor ihm hatte Gardiner (6) beim Hühnchen eine Epithelleiste beschrieben, ohne ihre Bedeutung anzugeben. Dagegen hatte er eine beim Hühnchen aussen an der Oberfläche des Oberschnabels verlaufende Rinne als „Analogon“ (?) der Lippenfurche gedeutet, eine Annahme, die von Röse be- stätigt wurde. Soweit moderne Autoren der Frage nach rudimen- tären Zahnanlagen bei Vögeln in selbständigen Arbeiten näher getreten sind, haben sie sich darauf beschränkt, „Zahnleisten“ auf- zusuchen und zu beschreiben. So macht Frl. Albertina Carlsson (7) (1896) die Mitteilung, dass bei Sterna hirundo eine Zahnleiste vorhanden sei. Tjeenk Willink (8) fand sie bei Gallinula chloropus, Sterna hirundo und cantiaca, Haematopus ostralegus, Oedienemus crepitans und Numenius, vermisste sie hingegen bei Limosa aegocephala. 1901 beschrieb sie Abraham (9) beim Wellensittich. Daneben aber finden sich noch, besonders in Lehrbüchern, Angaben. die, wenn auch meist mit einer gewissen Vorsicht, die Behauptungen der Franzosen Blanchard und Geoffroy St.-Hilaire als bisher unwiderlegte Theorien hin- stellen. Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 249 Man ersieht aus dem Vorhergehenden, dass seit bald 100 Jahren verhältnismässig oft der Versuch gemacht worden ist, reduzierte Zahnanlagen bei Vögeln zu entdecken. Es wäre ja auch von besonderem pbylogenetischem Interesse, wenn die dahin zielenden Untersuchungen schon ein positives Resultat erbracht hätten. Aber die Theorien sind unhaltbar, die Deutungen erscheinen mehr oder minder gezwungen. Wenn wir von Geoffroy St.-Hilaire und Cuvier absehen, die damals (1820) noch nicht im Gegensatz zueinander und unter dem Einfluss des Dogmas von der Konstanz der Arten standen, so sind für die jüngeren Autoren wohl hauptsächlich descendenztheoretische Gründe die Veranlassung gewesen, der Forschung nach Zahnanlagen bei Vögeln sich zu widmen. Und hier liegt auch die Erklärung dafür, warum sie durchaus Rudimente finden wollten und angeblich auch fanden. Sie machten einfach das zu Beweisende zur Voraussetzung, und aus der Voraussetzung und ein paar nichtssagenden Scheingründen bewiesen sie. Es galt, durch das Auffinden von rudimentären Zahnanlagen den Nachweis zu führen, dass unsere recenten Vögel direkte Ab- kömmlinge der fossilen Zahnvögel sind. Hätten die neueren Forscher ihre Aufgabe mit der notwendigen Objektivität ange- fasst, so wären sie wohl auch über ein negatives Ergebnis nicht weiter verwundert gewesen. So aber urteilten sie folgender- massen: „Die recenten Vögel sind direkte Nachkommen der Zahnvögel, folglich müssen sich bei ihnen noch Zahnanlagen finden lassen. Es existieren tatsächlich Gebilde, die man so deuten kann; folglich ist die Aufgabe gelöst.“ Es wird zwar nicht direkt ausgesprochen, dass der Zweck der Untersuchungen ein phylogenetischer ist; aber wenn man bedenkt, dass zurzeit die gesamte Zoologie und zum grössten Teil auch die Entwicklungs- geschichte unter der Herrschaft der Descendenztheorie steht, so kann es nur ein phylogenetisches Interesse sein, das immer wieder Forscher veranlasst hat, nach reduzierten Zahnanlagen zu suchen. Diese spezielle Aufgabe kann nur der höheren Idee dienen, den Zwischenraum zwischen den recenten Vögeln und den uns bekannten jurassischen und cretacischen Vögeln zu über- brücken. Erst in Verbindung mit der Allgemeingut gewordenen Mutationstheorie ist das Interesse an der Auffindung von Gebiss- rudimenten bei Vögeln erklärlich. 17 250 Dr. Ihde: Man darf aber auch die Tragweite der Ergebnisse der vor- liegenden Untersuchungen nicht überschätzen. Rein wissen- schaftlichen Wert dürften sie zwar unter allen Umständen haben, indem durch sie die Frage „Sind Rudimente vorhanden oder nicht?“ gelöst wird. Für die Descendenztheorie können sie einen unbedingten Wert nur dann haben, wenn sie positiv sind, d.h. wenn tatsächlich einwandsfreie Zahnanlagen in einem bestimmten Grade der Entwicklung angetroffen werden. Das wäre dann ein Beweis dafür, dass die recenten Vögel Nachkommen zahntragender Ahnen sind. Ist hingegen das Resultat negativ, d. h. sind keine Anlagen vorhanden, so ist das durchaus kein Beweis gegen die Möglichkeit einer direkten Abstammungslinie von den Saururen und Odontornithen zu unseren recenten Vögeln hin; es zeigte nur an, dass die Reduktion des Vogelgebisses eine totale ist, so dass auch nicht die geringsten Anlagen zu finden sind. In diesem Falle gibt also die Entwicklungsgeschichte keinen Beweis für die Phylogenie; das biogenetische Grundgesetz bleibt ohne Anwendung. Die Überbrückung des Zwischenraumes zwischen der Organisation der jurassischen und cretacischen Vögel bleibt anderen Untersuchungen, und vor allem der Paläontologie vor- behalten. Um auf das paläontologische Material kurz einzugehen, so sei hier in Erinnerung gebracht, dass die uns bekannten Zahn- vögel einen Skelettbau aufweisen, der von dem der recenten Vertreter der Vogelklasse in mehreren wichtigen Punkten ab- weicht. So ist es einfach unmöglich, die fluglosen Hesperornithiden und unsere Ratiten in ein Verhältnis der Blutsverwandtschaft zu bringen. Als eifrige Verfechter dieser Ansicht seien Fürbringer (10) und Bronn (11) genannt. Archäopteryx weicht so sehr von den übrigen Vögeln ab, dass sie „für ein Reptil hätte gehalten werden können, wenn sie ohne Federn gefunden wäre“. Ob sie tat- sächlich der „Urvogel“ ist, d. h. die Stammform aller späteren Vögel, ist beinahe mehr als zweifelhaft. Es gibt eine Reihe von Forschern, die sie für den Repräsentanten eines aussterbenden Seitenzweiges halten. Bei den Ichthyornithiden liegen die Ver- hältnisse noch am günstigsten, um eine Verwandtschaft mit unseren recenten Vögeln möglich erscheinen zu lassen, beweisen lässt sie sich jedoch auch nicht. Fürbringer sagt, dass die endgültige Beantwortung dieser Frage erst zu erwarten sei, wenn Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 251 die paläontologische Lücke zwischen jurassischen und cretacischen Vögeln einerseits und recenten andererseits ausgefüllt sei. „Für die bis jetzt bekannten Zahnvögel ist der Nachweis einer direkten zu irgend welchen lebenden Vögeln führenden Abstammungslinie “ nicht erbracht.“ Es hat ja aber auch ausser den Gattungen Hesperornis und Ichthyornis in der Kreideperiode andere Vögel gegeben, von denen es zum mindesten zweifelhaft ist. ob sie Zähne besessen haben oder nicht, da nur Bruchstücke ihres Skeletts, unter denen sich zufällig kein Kiefer befindet, bekannt sind. Es erscheint mir merkwürdig, dass sich in der Umgebung der Fundstelle nicht isolierte Zähne gefunden haben, die doch sicher viel konser- vierungsfähiger sind, als das im Verhältnis zu ihnen weichere Knochenmaterial. Ich erinnere daran, dass die Zähne von Hesperornis meist einzeln verstreut ausserhalb der Kiefer auf- gefunden worden sind, und dass auch sonst gerade Zähne in grosser Anzahl als Petrefakte vorhanden sind. Natürlich genügt dieser eine Punkt nicht, nachzuweisen, dass in der Kreide zahn- lose Formen existiert haben, die als die Vorfahren unserer Vögel aufzufassen sind; dazu ist das vorhandene Material zu dürftig. Möglich wäre es immerhin, zumal in der den Vögeln verwandten Reptilienklasse, in der Kreide Formen mit völlig reduziertem Gebiss vorhanden gewesen sind. Die Schildkröten treten beispiels- weise schon um die Wende des paläzoischen zum mesozoischen Zeitalter. mit völlig oder fast völlig reduziertem Gebiss auf. Und unter den den Vögeln sehr nahe stehenden Flugsauriern finden sich sowohl bezahnte wie zahnlose Formen. Zu den letzteren gehört Pteranodon, der einen langen glatten Schnabel hatte. Nach Zittel (12) ist es wahrscheinlich, dass der Schnabel eine Hornscheide hatte. Wenn es gelänge, zahnlose oder zahntragende mesozoische Vögel aufzufinden, die ihrem Skelettbau nach recenten Formen näher stehen als Archäopteryx und Odontornithen, wäre die Phylogenie der Vogelklasse sichergestellt. So aber kann man nur sagen, dass die Abstammung unserer Vögel von den uns bekannten Zahnvögeln zweifelhaft ist. Als erschwerender Umstand kommt hinzu, dass gerade bei den Vögeln das Anpassungsvermögen an veränderte Existenz- bedingungen ein sehr grosses ist, wodurch die Aussicht auf eine einigermassen zuverlässige Genealogie bedeutend vermindert wird. |) [ub} |8s) Draihrate: Es ist ja wohl sicher, dass die ganze Vogelklasse sich von zahntragenden Sauriern abgezweigt hat. Aber je früher eine Differenzierung in bezahnte und unbezahnte Formen stattge- funden hat, um so geringer ist die Aussicht, rudimentäre Gebiss- anlagen bei den unbezahnten Abkömmlingen anzutreffen. Damit fällt der Einwand derjenigen fort, welche behaupten, dass in jedem Falle, früher oder später, die Ahnen Zähne getragen hätten, und dass daher ein bestimmtes Anrecht bestände, in der Entwicklungsgeschichte der Urenkel Anklänge an den einstigen Besitz der Vorfahren zu erwarten. Einwandfreie Zahnanlagen haben ein so typisches Aussehen, dass man sie sofort entdecken würde, falls sie vorhanden wären. Wenn man bedenkt, dass im Dienste der Entwicklungsgeschichte Embryonen der verschiedensten Vogelarten mikroskopisch unter- sucht werden, so liegt der Schluss nahe, dass der Zufall bei den Untersuchungen an vielen Hunderten von verschiedenen Arten viel eher positiven Erfolg bringen könnte, als eine spezielle Untersuchung an einer sehr beschränkten Zahl von Objekten, da es schwer sein dürfte, ausgebildete Zahnanlagen mit Zahnleiste, Zahnsäckchen usw. zu übersehen, auch wenn man nicht speziell nach diesen sucht. Es war mir daher von vornherein klar, dass meine Aufgabe darin bestände, die bestehenden Theorien einer gründlichen Nachprüfung zu unterziehen und die Verwirrung zu beseitigen, die in Betreff der angeblichen Zahnanlagen bei Vögeln existiert. Ich bringe nachstehend die Resultate meiner Unter- suchung. Als Material stand mir eine Reihe von Embryonen und Nestjungen vom Wellensittich, Melopsittacus undulatus, zur Ver- fügung, an denen sich alle in Frage kommenden Gebilde gut studieren lassen. Ich verdanke sie zum Teil der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. Poll, dem ich hierfür an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aussprechen möchte. Kritik der „Zahnpapillen“ von Geoffroy St.-Hilaire. Die Ansicht Geoffroy St.-Hilaires und Cuviers, dass die von ersterem entdeckten Papillen am Kieferrande älterer Embryonen und junger Tiere von Papageienarten Zahnanlagen seien, galt lange als erwiesene Tatsache und wird sogar noch jetzt bisweilen in wissenschaftlichen Werken erwähnt. Zwar sagt Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 253 schon Fraisse, dass diese Papillen weder Zähne noch Zahn- anlagen seien. Aber vielleicht ist gerade die Tatsache, dass er keine Gründe für seine Behauptung anführt (was übrigens auch von den späteren Forschern niemand getan hat), die Ursache, dass noch heute ab und zu von den Papillen Geoffroy St.- Hilaires als den Rudimenten einer Zahnanlage gesprocben wird. Diese Papillen sollen den Zahnkeimen entsprechen, die bei den Säugetieren vom Zahnsäckchen umhüllt sind! Für die Wahrheit dieser Behauptung ist meines Erachtens nicht einmal Wahrscheinlichkeit vorhanden, geschweige denn, dass sie sich durch Beweise stützen liesse. Schon das makroskopische Bild macht nicht den Eindruck, als ob es sich um Homologa echter Zahnbildungen handle. Der Kieferrand älterer Papagei- embryonen und eben ausgeschlüpfter Nestjungen erscheint mehr oder minder eingekerbt, so dass ein Bild entsteht, das vielleicht mit der ersten Anlage der Selachierzähne — wenigstens am Seitenrande des Oberkiefers — eine entfernte Ähnlichkeit auf- weist. Aber wir haben gar keine Anhaltspunkte dafür, anzu- nehmen, dass etwa bei den fossilen Vögeln die Zähne sich in der von den Selachiern her bekannten Art frei an der Haut- resp. Schleimhautoberfläche gebildet hätten. Wir wissen, dass bei Ichthyornis der Ersatz der Zähne von hinten nach vorn, bei Hesperornis von der Tiefe des Kiefers nach der Oberfläche zu stattgefunden hat. Bei Archäopteryx scheinen die Zähne in Alveolen gesteckt zu haben. In bezug auf den Ersatz der Zähne hat er sich wohl ebenso wie Ichthyornis verhalten. Diese Tatsache aber führt uns zu dem Schluss, dass unbedingt eine Zahn- Fig. 1. j = „Zahnkeime* im Sinne leiste vorhanden gewesen sein muss, und GeoffroySt.Hilaires. dass wir daher bei den angeblichen Ab- Schnabel von Melopsit- kömmlingen nur solche Zahnpapillen für taecus, kurz vorm Aus- schlüpfen. Länge des echt halten, die im Anschluss an eine Zahn- Öberschnabels 3 mm. leiste entstehen. Auch wenn man die Ver- wandtschaft der Zahnvögel und der recenten Vögel als unwahr- scheinlich betrachtet, muss man sein Augenmerk auf die Existenz oder Nichtexistenz der Zahnleiste richten, wenn man irgend 254 DrE.Ihde: welche Gebilde für „Zahnpapillen“ halten möchte. Denn der hohe Grad der Entwicklung der Vögel bedingt, dass auch die Zahnbildung in der für höhere Vertebraten typischen Weise geschehen müsste. Ist also aus physiologischen Gründen die Annahme ungerechtfertigt, die Papillen Geoffroy St.-Hilaires für Zahnkeime halten zu dürfen, so spricht das mikroskopisch- anatomische Bild ebenfalls gar nicht dafür. Der „noyau gelatineux“, von dem Blanchard berichtet, unterscheidet sich in keiner Weise von dem übrigen meso- dermalen Bindegewebe, abgesehen vielleicht davon, dass die NSS BERN OIETTER, Ze Fer vet Fig. 2. Schnitt durch die Zunge eines Wellensittich-Embryos mit Geoffroy St.-Hilaireschen Papillen (nur an der Spitze vorhanden). E. — Ektoderm; M. = Mesoderm; O.K. —= Öberkiefer; Z. — Zunge. Vergrösserung 1: 152. Zellen dichter angeordnet sind, was sich aber aus der Lage am Kieferrande, der stärker benutzt wird und daher reicheres Zellen- material verlangt, erklären lässt. Dass Gefässe und Nerven vor- handen sind, beweist allein noch nichts. Wir erwarten aber bei einem Zahnkeim, dass jene typischen Elemente vorhanden sind, die die Zahnbein- und Schmelzbildung bewerkstelligen. Von einem Stratum eburneum oder adamantineum ist aber auch nicht die Spur vorhanden. Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 255 Fürbringer hat eine Reihe von Laridae und Limicolae untersucht und ähnliche Papillen, die allerdings nicht so gut aus- gebildet waren wie bei den Papageien, gefunden. Auch hier konnte er nichts von zahnbein- oder schmelzbildenden Geweben entdecken. Er vermutet zwar, dass es sich dennoch um „früh- zeitig abortivierende“ Zahnanlagen handle, gibt aber zu, dass ein sicherer Beweis für seine subjektive Meinung nicht vorhanden sei. Es entsteht nun die Frage, als was die Papillen aufzufassen sind. Röse erklärt sie für „Rückbildungsprodukte der Zahnleiste“, weil er sie bei jungen Edentaten, deren Zahnleiste rückgebildet ist, angetroffen hat. Es ist nun nicht recht einzusehen, warum und wie die sich rückbildende Zahnleiste die Einkerbung des Schnabel- randes bewerkstelligen soll, ganz abgesehen davon, dass die Fxistenz einer Zahnleiste bei Vögeln mehr wie zweifelhaft ist. Einen Beweis für Röses Behauptung gibt es nicht! Auch der Versuch Gardiners, die Papillen als Produkte der Krümmung des Papageienschnabels aufzufassen, ist sicher verfehlt. Sie entstehen, bevor der Schnabel seine charakteristische Krümmung erhält, zu einer Zeit, wo ein ausgesprochenes Längen- wachstum stattfindet. Man müsste also eher erwarten, Dehnungs- vorgänge als Faltungsprozesse zu beobachten. Handelte es sich hier wirklich um Produkte der Schnabelkrümmung, so wäre es sehr merkwürdig, dass die Einfaltung auf den Schnabelrand beschränkt bleibt und nicht auch das Gaumendach sich quer faltet, wie das ja auch — allerdings wesentlich später — tat- sächlich geschieht. Und ebenso könnten ja auch im Unterkiefer keine Papillen entstehen, da er selbst beim ausgewachsenen Individuum nur wenig gekrümmt ist. Und gerade am vorderen Ende des Unterschnabels sind sie sehr zahlreich und gut ent- wickelt. Daraus geht hervor, dass eine mechanische Erklärung der Papillen ausgeschlossen ist. Man könnte daran denken, dass es sich um rudimentäre Federanlagen handle. Diese etwas gewaltsam klingende Deutung wird verständlicher, wenn man bedenkt, dass die Mundhöhlen- bekleidung ectodermalen Ursprungs ist und dass es tatsächlich Fraisse (13) gelungen ist, in der Mundhöhle von Anas boschas Federanlagen zu entdecken. Zur näheren Illustrierung dieser Tatsache führt Fraisse aus: „Unter den Bedingungen, welche die ursprüngliche Papillenbildung im Schnabel der Vögel hervor- 256 DrrTnade: riefen, scheint mir diejenige die wichtigste zu sein, dass bei dem Mangel eigentlicher Zähne die Vögel sich gewisse Hilfsmittel erwerben mussten, welche das Eindringen von Nahrung in die Rima sowie in die Choanen, oder das Zurückgleiten derselben in die vordere Mundhöhle zu verhindern imstande waren, und hierzu sind natürlich nach Analogie der sogenannten Hornzähne auf der Zunge der katzenartigen Raubtiere verhornte Papillen sehr geeignet! — Dass diese Papillen dann ursprünglich die (Gestalt der Embryonalfedern annahmen, kann allerdings wohl nur durch das Gesetz der korrelativen Entwicklung erklärt werden: aber diese Erklärung reicht meiner Ansicht nach in diesem Falle auch vollständig aus.“ — Die Verschmelzung der Federanlagen zu den Hornpapillen konnte Fraisse wegen mangelnden Materials nicht beobachten, er hält sie aber für wahrscheinlich. Dass man die Papillen am Schnabelrande junger Papageien ebenfalls als rudimentäre Federanlagen anzusprechen berechtigt ist, glaube ich nicht. Vor allem fehien die Follikel, die Fraisse in den Papillen des Zungenrandes gefunden hat. Auch die Zungen- spitze der Papageienembryonen trägt Papillen, die denen des Kieferrandes gleichen. Aber auch hier deutet nichts auf eine Beziehung zu Federanlagen hin. Der Zweck jedoch der hier besprochenen Papillen scheint mir derselbe zu sein wie bei Fraisses Federpapillen: den Mangel eines Dentingebisses durch besondere Modifikationen der Schnabel- kante auszugleichen. Dadurch entstehen scharfe Höcker, die zwar genetisch von einem echten Gebiss verschieden die Funktion eines solchen ausüben. Sie sind also echten Zahn- bildungen nicht homolog, sondern analog. Damit ist Zweck und Wesen der „Zahnpapillen“ Geoffroy St.-Hilaires festgestellt und nachgewiesen, dass sie unter keinen Umständen als rudimentäre Anlagen eines Dentingebisses zu betrachten sind. Kritik der von Blanchard beschriebenen „Dentin- zähne‘“ und der „Hornzähne‘“ Fraisses. Obwohl die dem Kieferknochen aufsitzenden Spitzchen als ein weiter fortgeschrittener Entwicklungsgrad der eben behandelten Kieferrandpapillen aufzufassen sind, möchte ich sie dennoch geson- dert für sich besprechen. Einmal aus physiologischen Gründen; Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 257 denn nicht alle Geoffroy St.-Hilaireschen Papillen wachsen sich zu solchen Zäpfchen aus (die Papillen der Zunge tun es beispielsweise nicht). Ausserdem glaubte ich auch annehmen zu dürfen, dass wenigstens bei Papageien die Kieferrandpapillen die vorstehend erläuterte Funktion hätten. Sie treten zwar auch bei anderen Vögeln auf, wie aus Fürbringers Untersuchungen hervorgeht; jedoch bleiben sie dort klein und unscheinbar, so dass man sie für einen Ersatz echter Zähne nicht halten kann. Andererseits aber behandle ich die „Zähne“ Blanchards und Fraisses aus praktischen Gründen gesondert. Die Theorien Geoffroy St.-Hilaires und Blanchard-Fraisses werden meist miteinander verwechselt, so dass ich nach Möglichkeit mich bemühe, alles zu vermeiden, was die Verwirrung vermehren könnte. Der prinzipielle Unterschied in den verschiedenen Hypo- thesen ist folgender: Geoffroy St.-Hilaire und Cuvier hielten die schon äusserlich gut wahrnehmbaren Papillen am äussersten Kieferrande für Zahnkeime. Blanchard betrachtete die dem Gaumen und den Rändern des Kieferknochens aufsitzen- den Bindegewebszapfen mit epithelialer Bekleidung als echte ausgebildete Dentinzähne. Fraisse hielt dieselben Gebilde für Hornzähne, die den Lamellen des Entenschnabels entsprechen sollten und nur durch ihre Lage unter dem Horne der Schnabelscheide von diesen unterschieden wären. Blanchard hatte also bei jungen Exemplaren verschiedener Papageienarten die Schnäbel ihrer Hornscheide entblösst und die Anwesenheit von kleinen Spitzen auf dem Kieferknochen fest- gestellt, die im Unterkiefer besonders deutlich zutage traten. Aber er wagte es nicht, sich über die Bedeutung derselben näher auszulassen, weil sie ihm zu rückgebildet erschienen. Später untersuchte er fast ausgewachsene Exemplare von Cacatua (Eolo- phus) rosea und Cacatua philippinarum in derselben Art. Jetzt stand seine Überzeugung fest, echte Dentinzähne gefunden zu haben. Die mikroskopische Untersuchung ergab folgendes Bild: Auf dem Knochen sitzend, an einigen Stellen sogar etwas von ihm umwachsen, erhoben sich bindegewebige Papillen mit Gefässen und Nerven, die offenbar der Zahnpulpa entsprachen. Diese waren von einer Substanz bedeckt, die Blanchard als Dentin ansprach, weil er die parallelen oder nur wenig divergierenden Zahnbein- kanälchen deutlich zu erkennen glaubte. Weitere Untersuchungen 258 Dr. Ihde: ergaben auch beim Wellensittich dasselbe Resultat. Blanchard teilte mit, dass man bisweilen die Zähnchen durch die sie bedeckende Hornschicht deutlich durchschimmern sehen könnte und dass man auch zu erkennen vermöchte, wie weit sie vom Knochen umwuchert seien. Seine Beobachtungen brachten Blanchard dazu, folgende Schlüsse zu formulieren: „Es bildet sich bei vielen Vögeln, erwiesenermassen bei Papageien, ein reguläres Zahnsystem, das durch seinen Bau und die Befestigung in den Kieferknochen die gewöhnlichen Merkmale der Zähne trägt. Dies System, das zuerst regulär angelegt wird, bildet sich im Fortschreiten des Alters zurück und verschwindet gänzlich in einer mehr oder minder vorgerückten Altersstufe des Tieres, infolge der Entwicklung des Knochens, der es endlich ganz bedeckt. Diese rudimentären Zähne sind vergänglich und bleiben funktionslos.“ Dass es sich hier nicht um echtes Dentin, sondern um eigenartig gestaltetes verhornendes Epithel handelt, hat schon Fraisse nachgewiesen. Es ist aber interessant, hier einige Fragen näher zu beleuchten, die Fraisse unberücksichtigt gelassen hat. Sie berühren mehr physiologische Momente, während Fraisse sich begnügt, aus dem mikroskopisch-anatomischen Bilde die Unhaltbarkeit von Blanchards Behauptungen zu beweisen. Zunächst drängt sich die Frage nach der Entstehung dieser „Zähne“ auf. Wenn wir erwarten, die typischen Stadien der Zahnbildung, Zahnleiste, Zahnpapille mit Zahnsäckchen usw. anzutreffen, so sehen wir uns in dieser Erwartung getäuscht. Das pulpenähnliche kegelförmige Gebilde entsteht, indem das Epithel auf Kosten des Mesoderms weiter wuchert und diesem seine Zapfengestalt gibt. Also auch hier ist, wie bei den Papillen Geoffroy St.-Hilaires, eine Zahnleiste nicht vorhanden. Ferner fällt uns aber auch der Mangel des Schmelzgewebes auf. An sich wäre das nicht weiter wunderbar, da auch bei den Edentaten die Schmelzbildung, soweit früh auffallende, rudimen- täre Zahnzäpfchen in Frage kommen, sehr dürftig oder sogar vollkommen aufgehoben erscheint. Aber trotzdem legt sich auch bei den Zahnlückern das schmelzbildende Gewebe an, um als formgebende Matrize zu fungieren. All diese von unzweifelhaften rudimentären Zahnanlagen bei Säugetieren her bekannten Ver- hältnisse suchen wir bei den hier besprochenen „Zahnanlagen“ Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 259 vergeblich. Auch das Cutiszäpfcehen kann nicht mit gutem Gewissen als Pulpa bezeichnet werden, da die Odontoblastenschicht über- haupt nicht vorhanden ist. Eine andere Frage, die der Erläuterung bedarf, ist die eigenartige Weise, in der die angeblichen Zähne nach ihrer Aus- bildung wieder verschwinden sollen. Blanchard behauptet, dass sie durch Umwucherung von Knochengewebe untergehen. Die Art der Zahnresorption bei den höheren Vertebraten ist bekannt. Sie geschieht durch Odontoclasten, die wegen ihrer Grösse und ihrer vielen Kerne sofort auffallen. Bei den Blanchardschen Zähnen sind sie aber nicht aufzufinden. Dass ein Gewebe, das zu 70°/o sich aus anorganischen Bestandteilen aufbaut und eine ganz typische Struktur hat, einfach durch Umwucherung durch ein anderes Gewebe resorbiert oder assi- miliert werden soll, klingt ziemlich wunderlich. Es ist klar, dass Blanchard seine Behauptung durch mikroskopische Schnitte nicht beweisen konnte, denn das älteste von ihm untersuchte Fxemplar zeigte die Verhältnisse für seine Deutung gerade am günstigsten, so dass er sich zur Veröffentlichung des Ergebnisses seiner Untersuchungen entschloss. Betrachtet man einen völlig ausgewachsenen Wellensittich, so sieht man, besonders vorn am Unterschnabel, rötliche, nach oben zu sich verjüngende Streifen durch das Horn schimmern. Es sind dies die Bindegewebskegel, die in einem früheren Stadium von Blanchard als Zahn- pulpen angesehen werden. Daraus folgt, dass die „Dentinzähne“ Blanchards überhaupt nicht rückgebildet werden, und dass die hierauf bezüglichen Angaben dieses Autors auf ganz subjektiven Vermutungen beruhen. Der Mangel an Wurzeln soll nach dem jüngeren Geoffroy St.-Hilaire kein Grund sein, den Annahmen seines Vaters ent- gegenzutreten, weil bei Fischen und manchen Reptilien, z. B. beim Chamäleon, dieses Verhalten typisch sei. Wenn man selbst die Möglichkeit einräumen wollte, wurzellose Zähne bei Vögeln finden zu Können, so müsste man doch wenigstens Zementsockel oder Bindegewebsligamente finden, die den Mangel der Befestigung in Alveolen auszugleichen imstande sind. Natürlich ist auch das Suchen hiernach bei unseren recenten Vögeln resultatlos. Ausser- dem aber hat uns das Zahnsystem der Saururen und ÖOdontor- nithen gezeigt, dass bei den Vorfahren unserer Vögel, mögen sie 260 Drsalührdie: direkte Abkömmlinge der Zahnvögel sein oder nicht, die Befestigung in Knochenrinnen oder -alveolen die Regel war. So beweisen die hier angeführten Tatsachen im Verein mit denen, die schon Fraisse vorgebracht hat, dass das von Blanchard beschriebene „systeme dentaire chez les oiseaux“ mit echten Zahnanlagen nichts zu tun hat. Fraisse hat die Resultate seiner Untersuchung in einen Vortrag zusammengefasst, den er am 13. Dezember 1879 in der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würzburg gehalten und in dem Jahresbericht dieser Gesellschaft vom Jahre 1881 veröffentlicht hat. Er hatte einen etwa 10 Tage alten Sperlingspapagei, der in schwachem Alkohol etwas maceriert war, ebenso behandelt wie Blanchard und dabei am Unterkiefer zehn, am Oberkiefer drei an der Schnabelspitze gelegener makroskopisch deutlich erkennbarer „Zähnchen“ gesehen. Das mikroskopische Bild beschreibt er folgendermassen: „Nehmen wir einen Schnitt an, der eine solche Papille des Oberschnabels genau in der Mitte getroffen hat, so sehen wir auf dem Knochen des Kiefers aufsitzend eine von vielen Blutgefässen durchzogene Papille, welche von einer Substanz überzogen ist, die man im ersten Augenblick geneigt ist für Dentin zu halten. Es zeigen sich vielfach gewundene Linien, die ziemlich parallel verlaufen, dann wieder Pünktchen, die als quergeschnittene Kanälchen gedeutet werden könnten, und schliesslich eine recht scharfe Grenze zwischen diesem Gewebe und den noch haften gebliebenen Teilen der äusseren Hornkappe. Diese Kappe gleicht ungemein dem Zahnbein eines echten Zahnes, dessen Pulpa durch die vasculäre Papille vorgetäuscht wird. Dei aufmerksamer Betrachtung erkennt man jedoch sofort die zellige Struktur und wird nun keinen Augenblick mehr zweifeln können, dass es sich um sehr merkwürdig umgewandelte Hornzellen, nicht aber um Dentinkanälchen handelt. Die Schleimschicht ist um die grossen Papillen herum zugrunde gegangen, die glatten Zellen liegen der Papille direkt an und zeigen in der Mitte einen mit Luft erfüllten Raum, der früher vom Kern eingenommen wurde. An manchen Stellen kann man bei kleineren Papillen den Übergang der Schleim- Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 261 zellen in diese lufterfüllten Zellen leicht erkennen.“ — Unter- suchungen am Wellensittich ergaben die gleichen Verhältnisse. Die Papillen legen sich im Oberkiefer breit, leistenartig an und nehmen später Zahnform an. Am vorderen Rande des Unter- kiefers bilden sich die Papillen direkt in ihrer endgültigen Form. Diese Papillen werden sehr gefässreich und bedecken sich mit Horn, das von dem übrigen Horn eigentümlich differenziert ist und, wenn das Objekt etwas maceriert ist, von der übrigen epithelialen Masse sich leicht abhebt. Nach Fraisses Ansicht liegen ähnliche Verhältnisse vor wie bei Anas, Anser und Merganser, wo auch solche Papillen, mit Horn bedeckt, als Zähne fungieren, nur mit dem Unterschiede, dass nicht eine zweite Hornschicht die Zähnchen bedeckt. Er hielt also diese Gebilde für Hornzähne und suchte diese Annahme durch Aufstellung einer wohl etwas gewagten Hypothese zu stützen. Er führte aus, dass diese Papillen nur oberflächlich zu ver- kalken brauchten, und der Knochen die Papillen nur ein wenig zu umwachsen, um echte Dentinzähne vorzutäuschen, wenn in diesem Zustande der Vogel fossil würde. Hiermit sollte sich die Tatsache decken, dass sowohl in mesozoischen Formationen als auch in der Jetztzeit Zahngebilde bei Wasser- und Kletter- vögeln vorkämen. Dem widersprechen aber mehrere Tatsachen. Erstlich zeigt die merkwürdige Art der Entstehung aieser Zähnchen, die Fraisse selbst studiert und beschrieben hat, dass wir es nicht mit Hornzähnen zu tun haben, wie sie etwa bei Cyelostomen vorkommen. Andererseits ist aber auch die Annahme, dass die fossilen Vögel Zähne aus verkalktem Horn besessen haben könnten, durch die Mitteilungen von Marsh widerlegt. Und wenn wir wirklich bei recenten Vögeln Hornzähne antreffen, so müssen wir diese als besondere Modifikationen des Horn- schnabels betrachten, der an sich eine sekundäre Gebissform darstellt, also gewissermassen als ein tertiäres Gebiss. Primäre Hornzahnbildungen kommen nur ganz niedrigen Vertebraten zu. Bei einer, wenn auch ausgestorbenen, so doch sicher hoch ent- wickelten Wirbeltiergruppe ist ein permanentes primäres Horn- gebiss ausgeschlossen. Unsere Forschungen nach Zahnanlagen haben aber auch ein ganz anderes Ziel, nämlich festzustellen, wie weit die Rückbildung des den Sauropsiden ursprünglich zukommenden Dentingebisses vor sich gegangen sei. 262 Dr. Ihde: Wenn wir nun nach den Ursachen fragen, aus denen heraus Fraisse die Kieferpapillen, wenn auch nicht gerade als echte Dentinzähne, so doch immerhin noch als Hornzähne aufgefasst hat, so ist wohl in erster Linie der Umstand in Erwägung zu ziehen, dass eine bestimnite Schicht von Zellen an der Papille haften blieb, wenn die Kappe heruntergezogen wurde. Hier ist nun aber nicht zu übersehen, dass eingestandenermassen Fraisse und vermutlich auch Blanchard maceriertes Material benutzt haben Die Hornbedeckung der Papillen ist also wahrscheinlich durch Maceration von dem übrigen Horn losgelöst worden! Merkwürdigerweise gelingt es nur bei jüngeren Tieren, eine Hornschicht auf den Papillen zu erhalten, wenn man die übrige Hornbekleidung der Kiefer herunterzieht. Bei älteren Individuen, deren Schnabel an sich fester ist, bleiben zwar auch die Papillen am Kieferknochen haften, aber die Hornlage, die bei macerierten Kiefern jüngerer Tiere sich von diesen nicht trennt, bleibt mit der übrigen Hornscheide im Zusammenhang. Die Papillen treten dann als weiche flottierende Spitzen zutage. Gardiner, der die von Fraisse und Blanchard gesehenen „Zähne“ ebenfalls gefunden hat, verfällt in den alten Fehler, die am Schnabelrande auftretenden Papillen, die Geoffroy St.-Hiläire entdeckt hat, mit denen von Blanchard zu ver- wechseln. Die Folge davon ist, dass er die Behauptungen dieses Forschers über die innige Verbindung der Papillen mit dem Kieferknochen zum Teil nicht bestätigt findet. Es drängt sich nun die Frage auf, als was die hier besprochenen Gebilde aufzufassen sind. Fraisse hält sie für regelrechte selbständige Hornzähne und setzt sie den Lamellen des Entenschnabels gleichwertig. Aber mit dieser Deutung lässt sich die merkwürdige Tatsache schlecht in Einklang bringen,dass sie zeitlebens unter der Hornkappe verborgen liegen, also funktionslos bleiben. Man müsste dann zur Erklärung auch wohl annehmen, dass der Prozess der Rückbildung des Vogelgebisses so weit fort- geschritten sei, dass sogar solche Organe, welche die Wirksamkeit des an sich schon eine sekundäre Bildung darstellenden Horn- schnabels unterstützen, also gewissermassen tertiäre Gebilde sind, in der Entwicklung des jungen Tieres nur vorübergehend angelegt wären. Aber drei Tatsachen stehen der Möglichkeit entgegen, sie als Hornzähne (im Sinne eines tertiären Produktes) zu deuten. Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 263 Erstens ist der Übergang des Hornes der „Zähne“ in das Horn des Schnabels kein schrofier. Wollte man die hier besprochenen mit Horn bedeckten Papillen als selbständige Gebilde auffassen, so müssten sie eine gewisse Abgeschlossenheit gegenüber anderen Organen, hier speziell dem Horne des Schnabels gegenüber, sich bewahrt haben. Das ist aber nicht der Fall; die Verhornung schreitet annähernd gleichmässig nach der Oberfläche des Schnabels zu fort, nur die unteren Zellreihen färben sich intensiver. Wir treffen also hier Verhältnisse, wie wir sie von der menschlichen Epidermis her kennen. Aber nirgends sewahren wir eine exakte Grenze zwischen „Hornzähnen“ und Horn der Schnabelscheide.e Fraisse nennt zwar die Grenze zwischen beiden Hornschichten „recht scharf“, gibt aber selbst zu, dass nach Abnahme der Hornkappe noch einige Zellen an der Hornbekleidung der Papillen haften blieben. Hieraus können wir wohl entnehmen, dass Fraisses Angabe mit einer gewissen Vorsicht aufzufassen ist. Aber noch ein zweiter, schon bei der Blanchardschen Theorie besprochener Umstand lässt erkennen, dass es sich hier nicht um rudimentäre Hornzähne handelt. Man müsste erwarten, dass die überflüssig gewordenen „Zähne“ in toto, d.h. mit der Bindegewebspapille einem Rückbildungs- bezw. Verwachsungs- prozess zum Opfer falien. Die Papillen bleiben jedoch während der ganzen Lebensdauer des Tieres bestehen und liegen im Grunde von ihnen gebildeter Röhrchen in der Hornsubstanz, besonders im vorderen Abschnitte der Schnäbel Bei ausge- wachsenen Exemplaren von Melopsittacus kann man die Papillen (und die von ihnen ausgehenden Kanälchen) deutlich als rötlich- braune Streifen durch das Horn hindurchschimmern sehen. Vermutlich hat Blanchard diese Papillen oder die zwischen ihnen liegenden Hornpartien gemeint, wenn er berichtet, dass die „Dentinzähne“ durch die sie bedeckende Hornschicht hindurch dentlich zu erkennen seien. Schliesslich kann man gegen Fraisses Deutung die von Gardiner entdeckte Tatsache einwenden, dass bei den Enten diese Papillen sich ebenso gut finden wie beim Huhne, Sperling, Wellensittich und den übrigen von ihm untersuchten Vogelarten, und zwar ohne Beziehung zu den Schnabellamellen, die durch Einfaltung der Schnabeloberfläche entstehen. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 18 264 Dr. Ihde: Wir sehen uns also genötigt, die Angaben Fraisses über Zweck und Wesen der Papillen für falsch zu halten. Annehmbarer erscheinen dagegen die Ausführungen Gar- diners, der die Papillen nicht nur am Schnabel, sondern auch an Hufen studiert hat. Nach ihm haben sie im Schnabel wie im Hufe dieselbe Funktion: „Bei dem Huf wird durch die Bildung neuer Hornzellen aus den Papillen und den interpapillären Räumen die Hornschicht nach vorn über die Fleischwand hinausgeschoben: auch beim Schnabel, an welchem der grösste Teil der Hornscheide hinter den Papillen liegt, bewirken sie die Bildung neuer Zellen, und schieben sie weiter nach vorn, während zugleich der dahinter liegende Teil des Hornes nachgezogen wird.“ Ich möchte noch hinzufügen, dass ursprünglich doch wohl auch eine bessere Er- nährung der noch unverhornten Epithelzellen durch die Papillen- bildung gewährleistet werden sollte. Auch am Gaumen finden sich derartige Papillen; Gardiner gibt eine Abbildung derselben bei Melopsittacus. Somit ist auch die Fraissesche Theorie über „Zähne bei Vögeln“ als unhaltbar erkannt. Die Gebilde, auf die sie sich stützt, haben weder zu echten Zahnanlagen noch zu Ersatzbildungen hierfür irgendwelche Beziehung. Kritik der Röseschen Zahnleistentheorie. Die Zahnleistentheorie ist die jüngste aller Hypothesen, die sich mit rudimentären Zahnanlagen bei Vögeln beschäftigen. Sie wurde zuerst im Jahre 1892 von Dr. Carl Röse aufgestellt, nach- dem Gardiner beim Hühnchen eine Epithelleiste am Schnabel- rande zwar gesehen, aber über ihre Bedeutung sich nicht weiter ausgelassen hatte. Röse meint zwar, dass auch Gardiner die Möglichkeit in Betracht gezogen hätte, sie als Zahnleiste auf- zufassen. Das ist aber ein Irrtum. Gardiner beschreibt eine Rinne, die am Schnabel des Hühnchens ausserhalb der Kante verläuft. Nebenher erwähnt er, dass es auch eine Epidermal- einsenkung auf dem Gaumen gäbe, die nie eine bedeutende Grösse erreiche und später ganz verschwunden sei. Nach dieser ganz beiläufigen Bemerkung fährt er in der Betrachtung der vorher beschriebenen Rinne fort. Diese solle der Lippenfurche Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 265 der Säugetiere entsprechen. Eine Zahnfurche könne es nicht sein, weil man sonst erwarten müsste, in ihr Zahnfollikel zu finden. Das Wort „Zahnleiste* erwähnt Gardiner überhaupt nicht; die von Röse so gedeutete Epitheleinsenkung ist von ihm in zwei knappen Sätzen abgetan. Röse sagte sich von vornherein, dass die Rückbildung des Vogelgebisses soweit erfolgt sei, dass es vermutlich nur noch zur Anlage einer Zahnleiste käme. — Ich möchte an dieser Stelle eine Betrachtung darüber anstellen, ob diese Meinung, die unabhängig von den sie angeblich bestätigenden Untersuchungen an Embryonen von Sterna Wilsoni als ein Vorurteil bei Röse bestand, wirklich so selbstverständlich ist, wie dieser Forscher sie darstellt. Wenn wir Säugetiergruppen untersuchen, bei denen das Gebiss sich vollständig reduziert hat, so finden wir zwar bisweilen unzweifelhaft Zahnleisten vor. Man muss dabei aber nicht übersehen, dass sich dann auch, wenn auch ganz rudimentär, Anlagen für einzelne Zähne, bisweilen nur noch in Form von kolbenförmigen Anschwellungen der Zahnleiste, vorfinden. Wo diese nicht mehr angetroffen werden, ist die Existenz wirklicher Zahnleisten äusserst fraglich, ihre Form so diffus, dass nur ihre Lage ein schwaches Argument für ihre Deutung als solche abgibt. Ausserdem aber muss man bei der Vergleichung mit Säugetieren von ganzer oder teilweiser Reduktion der Bezahnung bedenken, dass es sich hier nicht um ganze Tier- klassen handelt, für die der Zahnmangel geradezu typisch ist, sondern um Gattungen, deren einzelne Arten einen verschieden weit vorgeschrittenen Grad der Gebissrückbildung aufweisen. So liegen die Verhältnisse bei den Monotremen, den Edentaten und den Cetaceen. Oder aber bei bestimmten Tierarten sind nur gewisse Zahngruppen reduziert, wie bei vielen Ruminantien die oberen Frontzähne. Auch hier ist eine Zahnleiste im Zwischen- kiefer vorhanden, die sogar noch andeutungsweise einzelne Zahn- anlagen produziert, indem an den Stellen, an denen die rück- gebildeten Zähne bei den Vorfahren wirklich bestanden haben, die Leiste mehr oder minder deutlich anschwillt. Aber die hier angeführten Tatsachen beweisen durchaus nicht, dass auch noch bei den Vögeln Rudimente angetroffen werden müssen, bei denen die totale Reduktion des Gebisses spätestens im Eocän beendet war, die also den Zustand, in dem die rezenten zahnlosen Säuger 18* 266 Dr. Ihde: sich befinden, längst überschritten haben. Es liegt auf der Hand, dass derartige Vergleichungen und die aus ihnen gezogenen Schlüsse von äusserst zweifelhaftem Werte sind. Aber noch ein anderer Grund lässt mich bezweifeln, ob es wirklich zur Anlage einer blossen Zahnleiste kommen kann. Die Zahnleisten bleiben, wie Untersuchungen an Säugetierembryonen lehren, so lange bestehen, bis ihr Zweck, die Bildung von Zahn- keimen, erfüllt ist. Ihre Funktion ist nicht eine unmittelbare, sondern eine mittelbare. Die Zahnleiste ist zwar — immer nur für höhere Vertebraten betrachtet — das Ursprüngliche, was vorhanden sein muss, um die Existenz des zeitlich Späteren zu ermöglichen: das zeitlich Spätere aber ist das Wesentliche. Daher wird auch die Zahnleiste sofort nach erfolgter Papillenbildung zersprengt, und nur ein Teil bleibt bestehen, um die Ersatzzähne zu bilden. Auch dieser Teil verfällt der Zerklüftung, wenn seine Funktion erfüllt ist. Die Existenz der Zahnleiste ist demnach eine sehr labile und dauert nur so lange, als sich an ıhr Zähne bilden. Sie ist zwar für höhere Wirbeltiere typisch, und wir halten nur selche Zahnanlagen für echt, die im Anschluss an eine Zahnleiste entstehen. Aber trotzdem ist nicht ausser acht zu lassen, dass sie nur Mittel zum Zweck ist, und dass man ihr für das einzelne Individuum nicht den Wert zumessen kann, den das fertige Gebiss hat. Wenn auch die Zahnleiste bei der Zahnbildung höherer Vertebraten der Zeit nach das erste ist, was sich anlegt, so stellt sie — phylogenetisch betrachtet — eine sekundäre Errungenschaft dar, denn der bei niederen Wirbel- tieren in der Schleimhaut des Kiefers sich abwickelnde Prozess der Zahnbildung wird wegen Mangels an Platz in die Tiefe ver- lagert: und allein als Mittel zu diesem Zwecke dient die Zahn- leiste. Deshalb glaube ich, dass wir keine Zahnleisten mehr erwarten dürfen, wenn es im ganzen Kiefer zu keiner Zahn- papillenbildung mehr kommt. Ich komme daher, im Gegensatz zu Röse, zu dem Schlusse, dass, wenn wir rudimentäre Zahnanlagen suchen, wir unser Augen- merk auf die Existenz von Zahnpapillen richten müssen. Das hat schon Geoffroy St.-Hilaire getan; da ihm aber die Bedeutung der Zahnleiste nicht klar war, so ist er zu einem falschen Resultat gekommen. Meine Anschauung hält die Mitte zwischen der Geoffroy St.-Hilaires und der Röses. Ich Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 267 übersehe die Wichtigkeit der Zahnleiste nicht, verfalle aber auch nicht in den Fehler Röses, sie zu überschätzen. Nach dieser theoretischen Vorbetrachtung wende ich mich wieder der Kritik der Arbeiten Röses und seiner Anhänger zu. Ich habe schon gesagt, dass Röse nicht vorurteilslos ist. Die feste Zuversicht, dass Rudimente vorhanden sein müssen, ist unbegründet. Denn wenn wir selbst die recenten Vögel als direkte Nachkommen der fossilen Zahnvögel annehmen, — was man ebensogut leugnen kann — so bürgt diese Tatsache durch- aus nicht dafür, dass wir Rudimente antreffen müssen. Zum mindesten ist die Wahrscheinlichkeit hierfür nach beiden Seiten hin gleich gross. Hat doch Röse selbst in einer anderen Arbeit (14) folgende Behauptung aufgestellt: „Es gibt überhaupt kein anderes Organ im tierischen Körper, welches so schnell und viel- fach Abänderungen sowohl als auch Rückbildungen erfahren hat, wie das Zahnsystem der Vertebraten.“ — „Es müssen sich Zahnanlagen finden, weil die Ahnen Zähne besessen haben“ ist ein Aphorisma, äusserlich verständlich und einleuchtend scheinend, bei näherer Betrachtung aber eine Be- hauptung, die erst erwiesen werden muss. Und gerade dieses an sich durchaus anfechtbaren Beweisstückes bedient sich nicht nur Röse als seines Hauptargumentes, sondern auch Fräulein Albertina Carlsson, welche sagt: „Selbstverständlich ist diese Motivierung zugunsten der hier vorgetragenen Deutung dieser Eetodermwucherung als Schmelzleiste keine sehr starke. Die historischen Tatsachen zeigen die Unwahrscheinlichkeit jeder anderen Deutung.“ Skeptischer verhält sich Tjeenk Willink, der sich der Unzulänglichkeit seiner und Röses Beweise völlig bewusst ist und die Möglichkeit einer anderen Deutung durchaus in Betracht zieht und folgenden Satz ausspricht: „Ich glaube denn auch, dass die Homologie dieser Leisten mit den Zahnleisten anderer Verte- braten noch nicht sichergestellt ist.“ Ausser diesem Argument sind noch drei weitere Beweis- gründe der Kritik zu unterziehen, nämlich die Lage der Leisten, ihre Form und die von Abraham als Beweis angesehene Tat- sache, dass sie in späteren Stadien verschwunden seien. Die letztere Tatsache ist für die exakte Beweisführung absolut wertlos; sie zeigt uns wohl an, dass die Funktion des 268 Dsilhale: in Frage stehenden Gebildes bei dem ausgebildeten Individuum erlischt. Aber wenn sie uns beweisen sollte, dass hier unzweifel- haft eine Zahnanlage der kückbildung verfällt, so genügt uns nicht die blosse Tatsache des Verschwindens, sondern wir fordern den Nachweis, dass die Art der Rückbildung derjenigen entspricht, wie wir sie bei den Zahnleisten höherer Wirbeltiere genau kennen. Nun ist aber, um Röses (15) eigene Worte zu gebrauchen, „prinzipiell zwischen den Reduktionserscheinungen der Zahnleiste bei sämtlichen höheren Vertebraten kein Unterschied“. Die Zahn- leiste wird von mesodermalen Zellen durchwuchert, vom Mund- höhlenepithel abgetrennt und total zerklüftet, so dass vielfach bis ins späte Alter hinein Epithelperlen in den mesodermalen Geweben aufzufinden sind. Auch wo etwa bei den Edentaten unzweifelhafte Zahnleisten vorhanden sind — es bilden sich im hinteren Abschnitt derselben einzelne Zahnpapillen — verläuft der Rückbildungsprozess ähnlich, indem sich die Zahnleiste vom Epithel der Mundhöhle ablöst und als ein runder Strang im Mesoderm liegt, bis auch sie der bekannten Zerklüftung verfällt. Die Rückbildung der angeblichen Zahnleiste bei Vögeln aber vollzieht sich hiervon fundamental verschieden. Beim weiteren Wachstum gleichen sich die Niveauunterschiede im Epithelgewebe aus, die Furchen werden weniger tief, und schliesslich sind die „Zahnleisten“ eingeebnet. Ich möchte nach dem hier Gesagten die Rückbildung der Epithelleisten nicht nur nicht als Beweis für, sondern als einen solchen gegen die Richtigkeit von Röses Theorie betrachten. Und ähnlich ergeht es mir mit den übrigen Gründen, die Röse und seine Anhänger für ihre Theorie ins Feld führen. Was zunächst die Form der Leisten anbelangt, so genügt ein Blick auf den Querschnitt eines Schnabels, um sofort Zweifel an der Richtigkeit ihrer Deutung aufsteigen zu lassen. Sie sind vor allen Dingen im Verhältnis zu der geringen Breite des Schnabels zu breit, viel breiter als wir es beispielsweise von den Zahnleisten der Säuger her gewohnt sind. Nimmt der Schnabel an Breite zu, so werden die Leisten noch breiter und diffuser gestaltet, wie wir es in dem extremen Falle des Straussenschnabels gut beobachten können. Ihre Form ist ferner im Schnabel desselben Tieres nicht konstant, sondern ändert sich von der Spitze zur Wachshaut hin Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 269 in demselben Maße, in dem die Gestalt des Schnabels sich ver- ändert. Betrachtet man daraufhin in Röses Arbeit die Ab- bildungen, so werden die Verhältnisse ohne weiteres klar. Im vorderen Abschnitte sind die Leisten sehr viel höher als im hinteren. Nun könnte man dagegen einwenden, dass eben an der Spitze die rudimentäre Anlage sich kräftiger erhalten En. &. 20 0 dogap 002 % X Fig. 3. Gaumen eines Melopsittacus-Embryos mit Epithelleisten. K. = beginnende Verknöcherung; Ei. — Eischwiele; Ep. = Epitrichium ; ZI. — angebliche Zahnleiste; Gl. — Gaumenleisten. Vergrösserung 1:152. habe als hinten. Dagegen sprechen aber, um unter den Voraus- setzungen Röses zu urteilen, die historischen Tatsachen. Die Zahnvögel der Kreide hatten schon einen zahnlosen Zwischen- kiefer; demnach müsste man, wenn man eine direkte Abstammung unserer Vögel von den Odontornithen annimmt, im vorderen Teile des Oberschnabels schwächere Rudimente erwarten als im hinteren; die Verhältnisse liegen aber gerade umgekehrt. Dagegen war der Unterkiefer noch sehr kräftig bezahnt; trotzdem sind die „Zahnleisten“ des Unterkiefers verhältnismässig dürftig. Auch Tjeenk Willink hält die Form der fraglichen Epithel- leisten für abweichend von der Gestalt der Zahnleisten anderer 270 Dr. Ihde: Vertebraten und sagt: „Die Zahnleisten der Vögel sind sehr kräftig entwickelt, höher und breiter als man selbst für fungierende Zahnleisten erwarten sollte, jedenfalls zu hoch und zu breit für rudimentäre Organe.“ Die von diesem Autor in Betracht gezogene Deutung der Leisten will ich weiter unten besprechen. Die Lage der Epithelstränge könnte wohl im grossen und ganzen als übereinstimmend mit der der Zahnleisten anderer Vertebraten angenommen werden. Doch fehlen, um diesen Punkt mit ausreichender Beweiskraft zu versehen, die Lagebeziehungen zu Lippenwall, Kieferwall und Lippenfurche. Es sind nun nirgends Gebilde vorhanden, die man mit Lippen- oder Kieferwall identi- fizieren könnte. Dagegen existiert eine Furche, die schon Gardiner als „Analogon der Lippenfurche“ gedeutet hat Mir scheint der Ausdruck „Analogon“ falsch zu sein, da es sich doch nicht um ein Gebilde anderen Ursprungs mit gleicher Funktion handeln soll. Gardiner hat wohl „Homologon“ gemeint. Ob die Furche tatsächlich eine rudimentäre Lippenfurche ist, weiss ich nicht. Sie liegt im Oberschnabel beim Hühnchen und Papagei auswärts vom Schnabelrande und ist noch im vorgerückten Alter des Tieres nachweisbar. Die Deutung als Lippenfurche ist eine rein willkürliche und solange haltbar, als keine bessere da ist, wobei ich allerdings gestehen muss, dass mir eine bessere und wahrscheinlichere nicht bekannt ist. Irgend ein Zusammenhang zwischen „Zahnleiste“ und „Lippenfurche“ ist nicht zu ermitteln. Also auch die Beziehungen zu den Gebilden, die bei den Säugern in zeitlichem und räumlichem Zusammenhange mit der Zahnleiste auftreten. sind nicht vorhanden. Die Tatsache, dass die Epithel- leisten medial vom Schnabelrande liegen, ist ein ziemlich belang- loses Argument, zumal Tjeenk Willink nachgewiesen hat, dass die „Zahnleisten“ bei gewissen pelagischen Vögeln in der Schnabel- spitze ausserhalb der Schnabelkante verlaufen, um erst nach dem Schnabelwinkel zu nach innen umzubiegen. Ein Moment, dem ich freilich keine grosse Beweiskraft beilegen will, ist der Zeitpunkt, an dem die Leisten auftreten. 3ei den Säugetieren erscheinen die Zahnleisten ziemlich früh- zeitig; bei den Vögeln hingegen legen die Epithelleisten sich erst an, nachdem ein ziemlich bedeutender Entwicklungsgrad erreicht ist. Allerdings kann man dagegen einwenden, dass der Zeitpunkt der Anlage sich verschoben haben könnte, da es sich Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 271 um rudimentäre Gebilde handle. Weil die Möglichkeit hierfür nach beiden Seiten hin gleich gross ist, halte ich diesen Gregen- beweisgrund nicht für absolut zureichend. Er mag aber immer- hin angeführt werden und einen bescheidenen Platz neben den anderen behaupten. Was aber meiner Ansicht nach den Ausschlag gibt, Röses Ausführungen entgegenzutreten, ist der Umstand, dass gleichzeitig mit den „Zahnleisten“, medial von diesen, Leisten auftreten, die ihnen äusserst ähnlich sehen und auch ebenso verlaufen. Fräulein Albertina Carlsson hat beobachtet, dass aus diesen medialen Leisten (Gaumenleisten) die Gaumendrüsen sich entwickeln. Tjeenk Willink gibt dies für Sterna hirundo zu, bestreitet es aber für die von ihm untersuchten pelagischen Vögel, bei denen sich die Entwicklung der Gaumendrüsen ganz anders vollzieht, und zwar ohne irgend welche Beziehung zu den „Gaumenleisten“. Auch mir ist bei meinen Untersuchungen an Wellensittich- embryonen nichts aufgefallen, was die Angabe von Fräulein Carlsson bestätigen könnte.') Die „Gaumenleisten“ verhalten sich genau so wie die „Zahnleisten“, abgesehen davon, dass sie einige Schnitte später beginnen und ebenso aufhören. Sie sind oft etwas schwächer als die lateralen Leisten, an vereinzelten Stellen aber auch ein wenig stärker. Ihre Form gleicht sonst im allgemeinen der der „Zahnleisten“. Wo diese breit und hoch sind, sind auch die Gaumenleisten breit und hoch: wo die ersteren ') Die Gaumendrüsen von Melopsittacus treten gleichzeitig mit den Epithelleisten auf, jedoch weiter hinten im Öberkiefer, unweit des Schnabel- winkels. Hier finden sich lange Furchen, die quergeschnitten eine gewisse Ähnlichkeit mit den Epithelwülsten des vorderen Schnabelabschnittes auf- weisen. Es muss aber bemerkt werden, dass hier eine Verdickung des Epithels nicht eingetreten ist und dass diese Furchen mit denen in den „Zahnleisten“ und „Gaumenleisten“ nicht in Verbindung stehen. Vielleicht erklärt sich somit die Angabe Fräulein Carlssons, dass die medialen Epithelleisten Gaumendrüsenanlagen seien. Jedenfalls aber entstehen bei Melopsittacus die Gaumendrüsen dadurch, dass sich Epithel senkrecht zur Oberfläche in das Mesoderm einsenkt. Die Beobachtung Fräulein Oarlssons, dass der hintere Abschnitt der „Gaumenleisten* horizontal in das Binde- gewebe einwuchert und hohl wird, bestätigt sich nicht bei Melopsittacus- Wenn die Angaben der nordischen Forscherin auf Wahrheit beruhen, so darf man annehmen, dass die Vereinigung der „Gaumenleisten“ mit der Drüsen- bildung eine sekundäre Erwerbung ist; die eigentliche Bedeutung der Epithel- wülste liegt wohl auf anderem Gebiete. 272 Dr. Ihde: spindelförmig und flach sind, sind es die letzteren ebenso. Auch ändert sich die Form der „Gaumenleisten“ im Schnabel desselben Tieres nach den gleichen Gesetzen wie die der „Zahnleisten“. (Vergl. die beiden Schnitte Röses durch den Oberkiefer eines Embryonen von Sterna Wilsoni, Kopflänge 25 mm.) Ich wüsste nicht, warum man den medialen Epithelleisten eine andere Funktion als den lateralen zusprechen sollte. Auch im Unterkiefer kommen, allerdings seltener, ausser den „Zahn- leisten“ mediale Leisten vor, im vorderen Abschnitte ziemlich kräftig, nach dem Zungengrunde zu in demselben Maße ver- tlachend, als der ganze Schnabel im Querschnitte grösser wird. Auch hier ähneln sich die Leisten ausserordentlich. Röse misst dem Vorhandensein einer Furche, der „Zahn- furche“, in den lateralen Leisten eine besondere Bedeutung bei; die seichte Form derselben entspricht der breiten Gestalt der Leisten. Aber diese Furchen kommen, genau ebenso im Aus- sehen, auch in den übrigen Leisten der Mundhöhle der Vögel vor und bilden für mich einen Grund mehr, alle Epithelstränge hinsichtlich ihrer Bedeutung gleichwertig zu setzen. Man könnte dagegen einwenden, dass bei gewissen Vogel- arten, wie beim Strauss, die medialen Leisten fehlen. Ich möchte aber auch gleichzeitig bemerken, dass nirgends die lateralen Leisten echten Zahnleisten unähnlicher sehen als hier. Die Form der Leisten steht in Beziehung zu dem (uerschnitte des Schnabels. Je breiter der Schnabel ist, um so flacher und diffuser sind die Leisten. Tjeenk Willink glaubte voraussetzen zu dürfen. dass die Leisten in einem Abhäneigkeitsverhältnis zur Streckung des Schnabels ständen, und fand diese Meinung nicht bestätigt. Ver- gleicht man aber die von den verschiedenen Autoren gegebenen Abbildungen, so wird man die von mir behauptete Tatsache bestätigt finden. Beim Wellensittich, der einen breiten, kompakten Schnabel hat, sind die Leisten breit und flach. Wenn der Schnabel noch kräftiger wird, verflachen die Epithelstränge mehr und mehr. Auch bei den übrigen Vogelarten verschwinden sie bekanntlich, wenn der Schnabel kräftiger wird. Damit dürfte sich in Einklang bringen lassen, dass bei dem ausserordentlich breiten und starken Straussen- schnabel die medialen Leisten überhaupt nicht angelegt und die lateralen nur angedeutet werden. Über eine besondere Funktion der lateralen Leisten will ich weiter unten einiges sagen. Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 278 Auch Röse sucht die Existenz der Gaumenleisten durch Streckung des Schnabels zu erklären; Albertina Carlsson hält sie für Gaumendrüsenanlagen. Beide Deutungen sind falsch, bezw. nur bedingt richtig, wie schon Tjeenk Willink nach- gewiesen hat. Der letztgenannte Autor macht noch einen Unterschied hinsichtlich der Funktion zwischen den medialen und lateralen Leisten. Die medialen stehen nach seiner Meinung mit dem Verhornungsprozess in Verbindung, indem das Epithel zuerst in Leistenform verhornen und später konfluieren soll. Die lateralen Leisten sollen aber entweder rudimentäre Zahnleisten sein, die eine Änderung der Funktion erfahren haben, oder Neubildungen in bezug auf das Zustandekommen scharfer Schnabelränder. Ich schliesse aus den oben angeführten Tatsachen, dass alle Epithelleisten in der Mundhöhle von Vögeln hinsichtlich ihrer Hauptfunktion gleichwertig sind und nehme an, dass tatsächlich eine gewisse Beziehung zum Verhornungsprozess besteht; und zwar dürften die Leisten, in denen die Verhornung zuerst beginnt, eine grössere Festigkeit der Schnabeloberfläche während der weiter fortschreitenden Entwicklung bewirken. Wie der Zimmer- mann einem Brette ohne bedeutenden Materialverlust dadurch viel grössere Solidität verleiht, dass er parallel zur Längsachse Leisten aufnagelt, so realisiert sich dasselbe Prinzip in der Ent- wicklung des Vogelschnabels. Es ist notwendig, dass das Epithel in Leistenform verhornt, da zu dieser Zeit das Wachstum des Schnabels durchaus nicht abgeschlossen ist, und ein grosser Teil der Epithelzellen seine Lebensenergie und damit seine Teilungs- fähigkeit sich bewahren muss. Ausser dieser gemeinsamen Hauptfunktion scheinen mir aber die lateralen Leisten noch eine andere zu haben, da sie meist etwas kräftiger und zeitlich früher angelegt sind als die medialen. Auch erscheint es mir merkwürdig, dass dort, wo wegen der Breite und Stärke des Schnabels die Gaumenleisten überflüssig sind, wie beim Strauss, am Schnabelrande dennoch leichte Verdickungen auftreten. Diese Tatsache lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass die lateralen Leisten mechanischen Insulten durch embryonale Kieferbewegungen besonders stark ausgesetzt sind. Auch der durch das Vorwachsen der scharfen Kieferränder eintretenden 274 Dr. Ihde; Dehnung des Epithels wird hierdurch Rechnung getragen. So kommt es, dass der breite und kräftige Straussenschnabel keine eigentlichen Leisten hat, sondern nur am Schnabelrande einen geringen Epithelzellenwust. In demselben Sinne erkläre ich die „Zahnleisten‘‘ im Ober- kiefer von Schildkrötenembryonen. Die Vermutung, bei Schild- kröten Zahnrudimente zu finden, ist noch unbegründeter als bei den Vögeln. denn die Schildkröten treten schon im Anfang des mesozoischen Alters mit reduziertem Gebiss auf; also sogar die „historischen Tatsachen‘ fehlen, um das Suchen nach rudimentären Anlagen einigermassen erfolgreich erscheinen zu lassen. Im Oberkiefer ausgewachsener Schildkröten findet sich eine Rinne, in die der scharfe Unterkieferrand eingreift. Ich halte die von Röse (5) als Zahnleiste gedeutete Einstülpung für die erste Anlage dieser Rinne. Die Verdickung des Fpithels erklärt sich auch hier durch die verstärkte Inanspruchnahme durch Kau- bewegungen. Diese Deutung passt auch zu der Form der angeb- lichen Zahnleiste besser als die Rösesche. Mediale Gaumen- leisten bilden sich anscheinend bei Schildkröten nicht; die kräftige, gedrungene Gestalt ihres Schnabels macht auch besondere Vor- richtungen zur Solidierung desselben überflüssig. Tjeenk Willink, als der modernste der hier in Frage stehenden Autoren, ist der Deutung, die ich für die richtige halte, ziemlich nahe gekommen. Er hat es aber nicht gewagt, die Existenz von Zahnanlagen strikte zu leugnen, wohl mit Rücksicht darauf, dass von vielen modernen Autoren das Vor- handensein derselben behauptet wird. Man findet derartige Wen- dungen in der neueren Literatur sehr häufig; aber immer sind es Forscher, die Röses Ausführnngen, wohl mit Rücksicht auf seine Autorität, kritiklos hinnehmen. Niemand hat es bisher unternommen, Röses Mitteilungen nachzuprüfen und die Stich- haltigkeit seiner Gründe anzuzweifeln. Auch die Zahnpapillen von Geoffroy St.-Hilaire werden bisweilen als unwiderlegte Tatsache erwähnt und mit Blanchards .„Dentinzähnen“ verwechselt. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, die Unzulänglichkeit aller bestehenden Theorien über die Existenz von rudimentären /ahnanlagen bei Vögeln nachzuweisen. Wenn ich auch neue positive Ergebnisse durch meine Arbeit nicht erbracht habe, so glaube ich doch, dass auch die Beseitigung von negativen Werten Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln. 275 von wissenschaftlichem Interesse sei. Die Frage ist seit nunmehr 90 Jahren mit äusserst zweifelhaftem Erfolg bearbeitet worden, so dass der Schluss nahe liegt, dass ein ferneres Suchen und neue Theorien ebenfalls fruchtlos bleiben werden. Ich erfülle nunmehr die angenehme Pflicht, den Herren Professoren Dr. Poll und Dr. R. Krause für ihre bereitwillige Unterstützung, insbesondere aber Herrn Geheimen Medizinalrat Prof. Dr. Oskar Hertwig für die Anregung zu dieser Arbeit und sein liebenswürdiges Interesse an derselben meinen verbind- lichsten Dank auszusprechen. o-’u 1 Literaturverzeichnis. Mayer: Zähne im Oberschnabel von Vögeln, Krokodilen und Schild- kröten. Frorieps neue Notizen, Bd. 20. Blanchard: Observations sur le syst&me dentaire chez les oiseaux. Compt. rend. de l’Acad. Paris 1860. Fraisse: Über Zähne bei Vögeln. Verhandlungen der phys. - med. Gesellschaft in Würzburg 1881. Braun: Entwicklung vom Wellenpapagei. Arbeiten aus dem zoolog. Institut Würzburg 1882. Röse: Über die Zahnleiste und die Eischwiele der Sauropsiden. Anat. Anzeiger, Bd. 7, 1892. Gardiner: Beiträge zur Kenntnis des Epitrichiums und der Bildung des Vogelschnabels. Dissertation Leipzig 1884 und Arch. f. mikr. Anat., Bd. 24, 1884. Carlsson, A.: Über die Schmelzleiste bei Sterna hirundo. Anat. Anz., Bd. 12, 1896. Willink, Tjeenk: Die Zahnleisten und die Eischeiden bei den Vögeln. Tijdschr. Nederland. Dierk. Vereen, 1899. Abraham: Beiträge zur Entwicklung des Wellensittichs. Anat- Hefte. Arbeiten XVII, 1901. . Fürbringer: Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel. Amsterdam 1888. . Bronn: Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Zittel: Handbuch der Paläontologie. Paläozoologie, Bd. 3, München und Leipzig 1887/90. Fraisse: Embryonalfedern in der Mundhöhle der Vögel. Zoolog. Anzeiger 1881. Röse: Die Zahnentwicklung der Reptilien. Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde. April 1892. 5. Derselbe: Beiträge zur Zahnentwicklung der Edentaten. Anat. Anz,, Bd. 7, 1892. Aus dem biologischen Laboratorium der Universität Bonn. Über die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. Von H. Fischer. Hierzu Tafel XIV. Seitdem die Lehre von der inneren Sekretion auch auf das Pankreas Anwendung gefunden hat, ist mit dem Interesse für die Physiologie des Pankreas auch das für seinen anatomischen Bau wieder reger geworden, zumal Laguesse 1593 die Meinung aussprach. dass ganz bestimmte Gebilde des Pankreas, die 1369 von Langerhans entdeckten und nach ihm benannten „Langer- hansschen Inseln“, die Träger der inneren Sekretion seien. Die Lehre von der inneren Sekretion des Pankreas wird heute noch lebhaft diskutiert. Es gibt wohl kaum ein Gebiet der inneren Sekretion, auf dem die Ansichten so auseinandergehen und die Untersuchungsergebnisse der einzelnen Forscher so sehr differieren, wie bei der Lehre von der inneren Sekretion des Pankreas. Wenn schon über die Frage, ob es überhaupt eine innere Sekretion des Pankreas gibt, heute eine Einigkeit noch nicht erreicht ist, so ist diese erst recht gross bezüglich der vermutlichen Träger dieser inneren Sekretion, der Langerhansschen Inseln. Hieraus sowohl als auch aus dem Umstande, dass seit Entdeckung der Langerhansschen Inseln nunmehr 41 Jahre reichlicher Arbeit verstrichen sind, geht schon hervor. dass die Lösung der die Inseln betreffenden Fragen keine leichte ist. Zwar sind inzwischen eine Reihe von Ansichten über die Langerhansschen Inseln endgültig bei Seite gelegt, aber man darf wohl behaupten, dass heute der Kampf um dieselben noch ebenso schwer wogt wie vor etwa 30 Jahren. Es ist die physiologische Bedeutung der betreffenden Gebilde, ja sogar ihre Bedeutung unter pathologischen Verhältnissen diskutiert worden, ohne dass man sich über den anatomischen Charakter einig war. In bezug auf den anatomischen Charakter der Langerhans- schen Inseln stehen sich zurzeit zwei Hauptansichten schroff Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 277 gegenüber. Die eine geht dahin, dass die Langerhansschen Inseln selbständige Organe, Organe sui generis sind, die in das Parenchym eingeschaltet, durch eine Kapsel scharf von ihm getrennt sind, die im embryonalen Leben entstehen und zeitlebens unverändert an Zahl und Grösse bestehen bleiben. Die andere Ansicht ist die, dass die Inseln in innigstem Zusammenhang mit dem Parenchym stehen, dass sie gewissermassen — sekretorisch oder physiologisch — verändertes Parenchym sind, dass sie an Zahl und Grösse je nach den physiologischen Bedingungen wechseln und dass sie ev. imstande sind, sich in Parenchym zurückzuver- wandeln. In bezug auf das Bildungsmaterial der Inseln im embryonalen Leben gehen die Ansichten auch auseinander; dies wird später noch näher erörtert werden. Meine Untersuchungen haben sich darauf beschränkt, den anatomischen Bau und die Beziehungen der Langerhansschen Inseln zu ihrer Umgebung beim erwachsenen Tier und das Ver- halten der Inseln unter den verschiedensten Bedingungen zu untersuchen. Als Untersuchungsobjekte dienten mir in der Haupt- sache Frösche und Tritonen, doch wurde auch das Pankreas vom Meerschweinchen und der Fledermaus untersucht. Die Unter- suchungen bezogen sich zunächst auf den ‚normalen‘ Zustand der Drüse, wenn es gestattet ist, diesen Ausdruck zu gebrauchen. Ferner wurde das Pankreas untersucht nach langem Hungern, nach Fütterung nach langem Hungern und nach Exstirpation der Milz. Auch wurde das Verhalten der Drüse und der Langerhansschen Inseln nach Unterbindung der Ausführungs- gänge des Pankreas studiert. Über Regenerations- und Trans- plantationsversuche habe ich bereits berichtet. Das Material wurde lebenswarm in Flemmingscher Flüssigkeit fixiert und mit Safranın gefärbt. Nach meinen Er- fahrungen ist diese Fixierungsflüssigkeit von den gebräuchlichen die beste für Drüsen. Es ist aber gerade zum Studium der Langerhansschen Inseln und ihrer Beziehungen zum Parenchym eine gute und schonende Fixierung unerlässlich. Alkohol, Sublimat und Müllersche Flüssigkeit erwiesen sich mir zu diesem Zwecke als ganz ungeeignet. Selbst bei Flemmingscher Flüssigkeit erhält man schlechte Präparate, sobald das zu fixierende Stückchen eine bestimmte Grösse überschreitet. Ferner können selbst sehr gut fixierte Stückchen durch eine unrichtige Behandlung beim 278 H. Fischer: Einbetten oder Färben vollständig unbrauchbar werden. Auf schlechte Präparate sind sicherlich eine Menge Meinungsver- schiedenheiten über die Histologie des Pankreas zurückzuführen. Nach 24stündiger Fixierung wurden die Präparate 24 Stunden lang gewässert, in aufsteigendem Alkohol gehärtet und in Paraffın eingebettet. Als Intermedium wurde Chloroform benutzt. Die Präparate wurden in Serienschnitte von 10, 7,5 und 5 4 zerlegt und in Safranin gefärbt. I. Die Langerhansschen Inseln beim normalen Tier. Die Tiere (Frösche) wurden nachmittags gefangen und am nächsten Morgen durch Nackenschnitt getötet. Magen und Darm waren zum Teil gefüllt. Schon bei Betrachtung mit schwacher Vergrösserung lassen sich auf den mit Safranin gefärbten Schnitten die Inseln mit Leichtigkeit erkennen. Sie heben sich als helle Partien von dem dunkler gefärbten Parenchym deutlich ab. Die Form ist absolut nicht konstant, ebensowenig die Grösse. Man sieht Inseln von kreisrunder, ovaler, langgestreckter oder mehr unregelmässiger Form: ebensostark variieren sie in der Grösse. Bei schwacher Vergrösserung sieht man schon eine eigentümliche Form und Stellung der Kerne der Inselzellen. Durchzogen ist die Insel von stark dilatierten Kapillaren, die einen mehr oder weniger gewundenen Verlauf nehmen. Ferner finden sich Bindegewebs- züge in der Insel, und zwar meist derart, dass die Insel durch sie in mehrere kleine Bezirke abgeteilt wırd. Peripher setzen sich diese Bindegewebszüge ins Parenchym fort, wo sie die Tunica propria der Drüsenschläuche bilden. Bei genauerer Betrachtung von Schnitten mit stärkeren Vergrösserungen, besonders an kleineren Inseln, ergibt sich, dass die Bindegewebszüge innerhalb der Insel weiter nichts sind als die Tunica propria und das interalveoläre Bindegewebe von Drüsenschläuchen, die ganz oder zum Teil zu Inselelementen geworden sind. Auffallend und deutlich ist dies auf der in Fig. 1 abgebildeten kleineren Insel zu sehen. Hier stossen verschiedene Schläuche mit ihren blinden Enden in einer Insel zusammen. In dem im unteren Teil der Abbildung liegenden Schlauche findet man, wie die den Schlauch umgebende Binde- gewebshülle mit ihrem blinden Ende innerhalb der Insel liegt und wie dieser innerhalb der Insel gelegene Bindegewebszug sich Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 279 als Tunica propria auf den betreffenden Drüsenschlauch fortsetzt. Auffallend ist ferner die Form und die Stellung der Kerne. Diese scheinen nicht systemlos angeordnet; sie nehmen meist eine ganz bestimmte Stellung zu den vorher genannten Binde- gewebszügen ein: die meist länglich ovalen Kerne stehen mit ihrer Längsachse parallel zueinander und senkrecht zu den betreffenden Bindegewebszügen. Am meisten fällt das bei lang- gestreckten, schmalen, nur aus einigen Reihen von Zellen ge- bildeten Inseln auf. Je nach der (Grösse der Insel ist die Zahl der von den nächstliegenden Drüsenläppchen in die Insel sich fortsetzenden Bindegewebszüge verschieden; sind viele vorhanden, so gewinnt die Insel ein eigenartiges Aussehen, sie scheint aus mehreren Läppchen zu bestehen. Dort, wo die Bindegewebszüge mit ihren blinden Enden aneinanderstossen. liegt gewöhnlich ein Blutgefäss (siehe Fig. 1). Bei Betrachtung mit stärkerer Ver- grösserung ergibt sich, dass um die Inselkerne herum ein Zelleib mit nicht immer sichtbaren Zellerenzen vorhanden ist. Die Insel- zelle ist ziemlich schmal; der Kern ist entsprechend der Form der Zelle meist länglich oval: er liegt etwa in der Mitte der Zelle. Das Protoplasma ist bei der hier angewandten Fixierungs- methode meist homogen, oft fein granuliert, bei manchen Zellen sieht man auch eine gröbere Körnelung und auch eine Streifung des Protoplasmas an der Basis der Zelle. Letztere Eigentümlichkeit findet sich besonders an Zellen, die dem Parenchym benachbart liegen. Der Protoplasmagehalt der Inselzellen ist im Vergleich zu dem der Parenchymzellen geringer, so dass dadurch die Kerne innerhalb der Insel dichter beieinander stehen als im Parenchym. Hier und da fand ich mitten zwischen den Inselzellen Zellen von dunklem Aussehen, die grösser waren als die Inselzellen, die an der Basis 'gestreiftes Protoplasma trugen und die für Parenchym- zellen typische grobe Körnelung des Protoplasma zeigten; es handelt sich hier nach Charakter und Form der Zellen um typische Parenchymzellen. Solche Bilder habe ich bei Fröschen. Tritonen und jungen Meerschweinchen gefunden. Der Kern der Inselzellen unterscheidet sich von dem der Parenchymzellen zunächst durch seine länglich ovale Gestalt; dann aber erscheint er meist chromatinärmer als der Parenchymkern, wodurch er ein helleres Aussehen erlangt als die Parenchymkerne; die einzelnen Chromatin- körnchen sind kleiner und feiner verteilt wie im Kern der Archiv f. mikr. Anat. Bd. 79. Abt. 1. 19 280 H Fischer: Drüsenzellen. Ein Kernkörperchen habe ich nicht beobachten können. Was die Begrenzung der Inseln gegenüber dem Parenchym anbetrifft. so wird von manchen Autoren angegeben, dass die Insel durch eine Bindegewebshülle ringsum von dem Parenchym abgeschlossen sei. Diese Auffassung ist jedoch nicht unwider- sprochen geblieben. Für die Inseln von Rana fusca, Triton ceristatus, Triton alpestris, für die des Meerschweinchens und der Fledermaus kann ich auf das bestimmteste erklären, dass eine solche Abgrenzung nicht besteht. Zwar findet man hier und da einmal eine Insel auf kurze Strecke mit einem gebogenen Binde- gewebsstreifen gegen das Parenchym hin sich abgrenzen, es lässt sich dann aber stets nachweisen, dass derselbe sich ins Parenchym fortsetzt und hier die Begrenzung eines Drüsenschlauches bildet, dass also die Insel am Rand mit einem Drüsenläppchen abschloss. Aber es besteht nicht nur diese Bindegewebshülle um die Inseln nicht; es sind vielmehr innige Zusammenhänge und Übergänge zwischen Insel- und Parenchymgewebe vorhanden. Vincent und Thompson!) weisen darauf hin, dass besonders beim Frosch diese Übergänge sehr deutlich hervortreten. Ich kann diese Angaben aus eigener Anschauung nur bestätigen. Die genannten Autoren geben an, dass es ganz unmöglich sei, mit starker Ver- grösserung eine Grenze zwischen Insel- und Drüsengewebe fest- zustellen. Es soll damit ausgedrückt werden, dass eine scharfe Trennung, hier Inseln, hier Parenchym, nicht möglich ist; der Übergang vom Inselgewebe zum Parenchymgewebe ist vielmehr ein allmählicher. Zwischen den zentral gelegenen typischen Inselzellen und den peripher gelegenen typischen Parenchymzellen finden sich Zellen, die einen gewissen Übergangscharakter haben, die weder ausgesprochene Insel-, noch typische Parenchymzellen sind. Die am meisten peripher gelegenen dieser Übergangszellen kommen in ihrem Charakter den Parenchymzellen sehr nahe: der Zelleib ist noch granuliert, der Kern gross, rund; er enthält im Vergleich zum Inselkern noch viel Uhromatin. (Grehen wir mehr zentral zur Mitte der Insel, so verschwindet die grobe Granu- lierung des Protoplasma mehr und mehr, der Kern wird chromatin- ärmer, oval, der Protoplasmaleib schmal. Einmal fand ich inner- 2) Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie, Bd. XXIV, 1907. Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 281 halb dieser Übergangszellen eine Mitose: es handelt sich um das Stadium der Tochtersterne. Die eine Hälfte der Mitose lag peripher zwischen zwei typischen Parenchymzellen, die andere nach dem Zentrum der Insel zu innerhalb der hellen Zone der Inselzellen. Die zentralgelegenen Inselzellen ordnen sich gerne palisadenförmig, zu Säulen einem Bindegewebsstreif oder einem Blutgefäss entlang, welch letztere Eigentümlichkeit von Vincent und Thompson als der Ausdruck einer inneren Sekretion gedeutet wird. Bei den am Rand der Insel gelegenen Über- gangszellen ist dies noch nicht der Fall. Dass diese fertigen Inselzellen und die angrenzenden Parenchymzellen wirklich in der oben geschilderten Beziehung zueinander stehen, dass also eine anatomisch scharfe Grenze zwischen beiden nicht besteht, dass vielmehr der Übergang von den einen zu den anderen ein all- mählicher ist, wird dadurch ausser Zweifel gestellt, dass sowohl die fertigen Inselzellen, als auch die Übergangszellen, als auch die typischen Parenchymzellen innerhalb ein und derselben Tuniea propria eines Drüsenschlauches liegend angetroffen werden, und zwar am blinden Ende des Tubus die Inselzellen, dann ab- wärts einige Zellen vom Übergangstypus, an diese anschliessend echte Parenchymzellen. Für die Beobachtung dieser Verhältnisse ist selbstverständlich nicht jeder Schnitt durch eine Insel gleich geeignet: doch ist es nicht allzu schwer, solche Bilder in genügender Menge zu finden. Die Grösse der Inseln schwankt sehr; es gibt solche, die aus nur wenigen Inselzellen bestehen. Es finden sich ferner im Pankreasgewebe kleine, aus nur wenigen Zellen bestehende Komplexe, die nicht das helle Aussehen der Inseln haben, aber auch nicht das gewöhnliche Aussehen des Parenchyms; die Zellen haben vielmehr den vorhin beschriebenen Übergangscharakter. Bei einiger Gewöhnung des Auges ist es nicht schwer, solch eigentümlich veränderte Zellen zu finden. Diese Zellen liegen meist zweireihig und zwar mit Vorliebe an den einander sich berührenden Seiten zweier Drüsenschläuche ; zwischen den Zellen zieht dann wie ein trennender Bindegewebsstreifen die Tunica propria durch. Auch findet man vielfach die einander sich berührenden blinden Enden benachbarter Drüsenschläuche in der angegebenen Weise ver- ändert. In den Lücken, die zwischen den aneinander stossenden blinden Enden der Tubuli vorhanden sind, liegen gewöhnlich Blut- gefässe. Die von den erwähnten Übergangszellen eingenommenen 192 c DD 82 EISRITSTGHhrem: blinden Enden der Tubuli findet man auch häufig von echten Insel- zellen erfüllt, so dass eine solche Insel dann eine radiäre Streifung zeigt, da von der Mitte aus radiär die Tunicae propriae der einzelnen Drüsenschläuche zur Peripherie ziehen. Als Charakteristikum für die Langerhansschen Inseln wird die dichte Stellung der Kerne bezw. der Zellen und die reiche Gefässversorgung angesehen, die darin besteht, dass die Kapillaren stark erweitert sind und einen geschlängelten Verlauf nehmen. Man glaubt hierin einen grundlegenden Unterschied gegenüber dem Parenchym erblicken zu müssen und meint, dass schon wegen dieser Verschiedenheit die Entstehung von Inseln aus Parenchym unmöglich sei. Ich finde die dichte Stellung der Zellen der Langerhansschen Inseln und die eigentümliche Beschaffenheit der Gefässe von dem Standpunkte aus, dass sich die Inseln aus Parenchym bilden, ganz erklärlich. Wie oben geschildert, ist das Protoplasma der Inselzellen im Vergleich zu dem der Parenchymzellen vermindert; nimmt man an, dass die Inselzellen durch Verminderung des Protoplasma der Parenchym- zellen entstanden sind, so muss bei der Entstehung im Bereich der Insel eine Entspannung des (rewebes eingetreten sein. Diese gestattete den benachbarten normalen Parenchymzellen, unter denen noch der normale Gewebsdruck herrschte, sich nach der Insel zu auszudehnen, wobei die Inselzellen infolge ihres kleineren Volumens zusammenrückten. Andererseits gestattet die in der Insel eingetretene Entspannung den Kapillaren, sich unter dem Einfluss des Blutdrucks zu dilatieren. Der geschlängelte Verlauf erklärt sich so, dass das Gefäss beim Zusammenrücken der Insel- zellen diese Veränderung nicht mitmachen konnte und sich infolge- dessen in Schleifen legen musste. Aus den von Mankowsky!) abgebildeten Schnitten durch Injektionspräparate habe ich mich keineswegs überzeugen können, dass die Kapillaren in den Inseln den Charakter von Glomerulis haben; sie sind nicht zahlreicher vorhanden als im übrigen Gewebe, nur sind sie erweitert und ihr Verlauf ist mehr geschlängelt als bei den übrigen Kapillaren. Lewaschew?) führt die Erweiterung der Gefässe innerhalb der Insel, die besonders stark bei Injektion hervortritt, auf die Injektion selbst zurück, indem er annimmt, dass die injizierte !) Dieses Archiv, Bd. 59, 1901. ?) Dieses Archiv, Bd. 26, 1886. Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 233 Masse in den Inseln seitens der sie umgebenden Teile auf viel geringeren Widerstand stösst, als in anderen Teilen, dass infolge- dessen die hier verlaufenden Gefässe viel mehr erweitert werden als die Gefässe im übrigen Pankreas. Dem muss man entgegen- halten, dass auch ohne Injektion die Inselkapillaren weiter sind als die des übrigen Pankreas: andererseits muss man bedenken, dass dasselbe, was für die Injektion zutrifft, in gleicher Weise in bezug auf die Inseln auch für den Blutdruck gilt. Lewaschew!) beobachtete bei seinen Untersuchungen in Drüsenschläuchen zwischen den sezernierenden Zellen solche, die letzteren in bezug auf ihre (Grösse und ihre Form völlig gleich waren, die sich aber dadurch von ihnen unterschieden, dass sie sich den angewandten Farbstoffen gegenüber anders verhielten als die Parenchymzellen; ihr Protoplasma nahm den Farbstoff nicht auf, es erschien hell, homogen. Neben diesen vereinzelt zwischen den Drüsenzellen liegenden Zellen fand er kleine Gruppen von solchen Zellen. Er unterscheidet in solchen Gruppen zwei Formen: solche, die den vorhin beschriebenen identisch sind und solche, die kleiner sind als diese, die sich aber in ihrem sonstigen Verhalten von den grösseren in nichts unterscheiden. Auch jetzt ist in der Anordnung der Zellen die Natur des Drüsenläppchens noch deutlich zu erkennen, so lange die grösseren Zellen noch in genügender Anzahl vorhanden sind. Lewaschew sieht in dem Kleinerwerden der Zellen einen weiteren Übergang zu dem definitiven Öharakter der Inselzellen; dabei geht die Form des Drüsenläppchens immer mehr verloren, die Konturen der Zellen verschwinden grösstenteils, so dass wir schliesslich ein Gebilde vor uns haben, das sich in nichts von denjenigen unterscheidet, die Langerhans unter dem Namen Zellhäufehen beschrieben hat. Dass Lewaschew die Grenzen der Zellen allmählich ver- schwinden sah, so dass die Kerne in einer homogenen Masse von Protoplasma lagen, dürfte seinen Grund in der angewandten Fixierungsmethode haben (Sublimat und Alkohol). Sieht man doch selbst bei einem so ausgezeichneten Fixierungsmittel, wie es Flemmings oder Hermanns Flüssigkeit für Drüsen ist, die Zellerenzen der Inselzellen (bei Rana fusca und Triton alpestris und cristatus wenigstens) nur mit starker Vergrösserung deutlich und selbst hier nicht immer, besonders wenn das zu Pe: 254 H. Fischer: fixierende Stück eine bestimmte Grösse überschreitet, wie ich das selbst öfter beobachten konnte. Man kann aus den oben angeführten Worten Lewaschews daher nicht folgern, dass es sich hier nicht um wirkliche Langerhanssche Zellen handle, zumal er diese Zellen ohne nachweisbare Zellgrenzen in Inseln findet, wo die übrigen Zellen eine deutliche Grenzlinie zeigen. In einer seiner Abbildungen (Fig. 4) zeichnet Lewaschew am Rande einer Insel ausserhalb des die Insel an dieser Stelle begrenzenden Drüsenläppchens zwei Zellen, die in ihrer Form und Grösse den Parenchymzellen gleichen und auch die für diese eigentümliche Körnelung des Protoplasmas aufweisen. Offenbar gehören diese Zellen, wie auch Lewaschew meint, einem ver- änderten Drüsenläppchen an, dessen Zellen schon zum grössten Teil den Charakter der Inselzellen angenommen haben. Es ist dies eins von den „Übergangsbildern“, wie ich sie zahlreich bei Rana fusca und Tritonen gefunden habe. Die allmählichen Über- gänge von Parenchym- zu Inselzellen, wie ich sie beobachten konnte, hat Lewaschew nicht gesehen. Ich möchte auch dies auf Kosten der Art der Fixierung setzen. In den Inselzellen beobachtete Lewaschew ebenso wie Ogata!) Kernkörperchen von verschiedener Grösse. Das Kern- körperchen fand ich sehr deutlich ausgeprägt in den Parenchym- zellen des Pankreas von Tritonen, und zwar erscheint es hier neben den grossen Uhromatinbrocken des Kerns als ein homogen aussehender, runder, mit Safranin sich nur schwach graubraun färbender Körper (im Gegensatz zum Chromatin, das sich rot färbt). Solche Kernkörperchen habe ich in den Inselzellen nie gesehen. Auch über die Beteiligung des Bindegewebes an dem Bau der Langerhansschen Inseln lässt Lewaschew sich aus. Auch er findet nie zwischen den einzelnen Zellen Bindegewebe durchziehen, wohl aber bemerkt er zwischen einzelnen Gruppen von Zellen Bündel von Bindegewebsfasern, „welche die ganze Insel in einige mehr oder weniger grosse Abschnitte teilten“. Er tindet diese Bindegewebsbündel ähnlich angeordnet wie zwischen den einzelnen Läppchen der Drüse. Dass dieses Bindegewebe identisch ist mit den von mir oben beschriebenen Bindegewebs- zügen der Inseln, dürfte wohl ausser Zweifel stehen. Auch hat Lewaschew diese Züge richtig gedeutet, wenn er sie mit dem ) Archiv für Anatomie und Physiologie, Physiologische Abteilung, 1883. Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 285 Bindegewebe der normalen Drüse vergleicht. Wie ich es bei Rana fusca, Tritonen und jungen Meerschweinchen beobachtete, so sah auch Lewaschew innerhalb der Inseln hier und da Parenchymzellen, bald in grösserer Zahl zusammenhängend, bald vereinzelt. An den Kernen der Inselzellen hat Lewaschew ebensowenig wie ich etwas beobachten können, was darauf hin- wiese, dass sie zugrunde gingen. Die Untersuchungen Lewaschews stimmen darin mit meinen Beobachtungen überein, dass auch er eine Entstehung der Langerhansschen Inseln im postembryonalen Leben be- obachtete, und zwar so, dass zunächst einzelne Zellen eines Drüsen- schlauches ihren Charakter ändern, dass sich die so veränderten Zellen mehren und schliesslich ein Häuflein bilden, das sich auf Kosten der benachbarten Zellen desselben und der umliegenden Drüsenschläuche vergrössern kann und schliesslich den Charakter einer Langerhansschen Insel hat. Tschassownikow') und Mankowsky?) haben unzweifel- hafte Übergänge zwischen Parenchym und Inselgewebe gesehen. Eine bindegewebige Hülle ist um die Inseln herum nicht zu finden. Das in der Insel vorkommende Bindegewebe deutet Tschassow- nikow in derselben Weise, wie dies von mir oben geschehen ist. Tschassownikow hat zuerst in dem Protoplasma der Insel- zellen feinste Körnchen entdeckt, die sich mit Grundfarben intensiv färben, für Kernfarbstoffe aber nicht empfänglich sind. Unter ihnen findet er fast immer Zellen, deren Protoplasma doch noch eine gewisse Affinität zu Kernfarbstoffen zeigt, und er ist geneigt, solche als Übergangsstufen von Parenchymzellen zu Inselzellen anzusprechen. Ferner hat er hier und da homogene Schollen in den Inselzellen gesehen, die die Kerne als Kappe bedecken. Ob es sich hier um die von M. Nussbaum entdeckten Nebenkerne handelt, vermag ich nicht zu sagen, da Abbildungen dieser Gebilde der betreffenden Arbeit Tschassownikows nicht beigefügt sind. Ich habe diese Zellteile nie gesehen, aber auch nie Nebenkerne in den Inselzellen gefunden. Viktor Richter?) hat die Langerhansschen Inseln bei Rkana esculenta untersucht. Er findet die Inseln in der ganzen !) Dieses Archiv, Bd. 67, 1905 Ele: ») V. Richter. Uber die Struktur und die Bedeutung der Langerhans- schen Inseln im Pankreas der Amphibien. Inaugural-Dissertation, Berlin 1902. 256 H. Fischer: Drüse in wechselnder Anzahl und Grösse; auch solche, die nur aus wenigen Zellen bestehen. Er hält anscheinend auch diese kleinsten Inseln für ausgebildete, betrachtet sie nicht als Vor- stufen zu grösseren Inseln. Auch er findet bei Rana esculenta in den Inseln kleine Unterabteilungen, die gebildet werden durch feine Bindegewebszüge. Noch deutlicher sind diese bei Bufo vul- garis zu sehen. Kernkörperchen und Nebenkerne findet er in den Inselzellen nicht, ebensowenig Mitosen. In den Inseln, in denen Unterabteilungen bestehen, findet er die Kerne radiär zur Achse derselben gerichtet, ebenso wie ich es oben für Rana fusca beschrieben habe Ausführungsgänge, die er in den Inseln beobachtete, habe ich nicht gesehen. Eine Verbindung der Insel- elemente mit dem normalen Drüsengewebe oder ein Übergehen des einen (Gewebes in das andere ist nach Richter nirgends zu konstatieren. Vincent und Thompson!) haben gleichfalls die Langer- hansschen Inseln beim Frosch untersucht. Auch sie können keine Grenze zwischen Inseln und Parenchym finden, wohl aber Übergänge vom Parenchym zu dem Inselgewebe. Die beiden Forscher finden Inseln. die nur aus länglichen Zellen bestehen, und solche, in denen neben diesen länglichen Zellen polyedrische Zellen vorkommen; bei diesen ist in fast jedem Falle eine Ver- bindung zwischen Parenchym und Inselgewebe zu sehen. Vincent und Thompson weisen dann noch darauf hin, dass gewisse Säulenreihen der Inseln die Tendenz haben, sich palisadenförmig um eine grössere oder kleinere Vene anzuordnen, was sie als den anatomischen Ausdruck einer inneren Sekretion deuten. Ich habe diese Anordnung sehr oft bei Tritonen angetroffen. Die beiden Forscher sahen ferner Pankreastubuli mitten in Langerhans- schen Inseln des Pankreas von Esox lucius. II. Das Verhalten der Langerhansschen Inseln gegenüber langdauerndem Hunger und bei Fütterung nach langem Hungern. Zu diesen Versuchen wurden Frösche und Tritonen benutzt. Die Frösche (Rana fusca) hatten den Sommer hindurch in einem Kelleraquarium gehungert und waren zum Skelett abgemagert. Die Tritonen waren vier Monate ohne Futter. Die Tiere wurden a er Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 287 durch Abschneiden des Kopfes getötet, und das Pankreas, das im Vergleich zum normalen ziemlich klein war, lebenswarm herausgenommen und 24 Stunden in Flemmingscher oder Hermannscher Flüssigkeit fixiert. Die Präparate wurden, wie vorher beim normalen Tier angegeben, weiterbehandelt. Die Bilder zeigen in charakteristischer Weise den Eintluss des Hungers auf das Pankreas. Die Parenchymzellen sind klein, ebenso die Kerne. Das Protoplasma der Zelle ist im allgemeinen heller als beim normalen Pankreas. Nur an der äussersten Basis findet sich etwas dunkles Protoplasma, das sich bei stärkerer Ver- grösserung als ein feinfaseriges Netzwerk erweist und zum Teil aus spiralig gedrehten Fäden besteht, die gitterartig durchein- anderlaufen. Oberhalb des Kerns findet sich auf Flemming- präparaten ein granuliertes Protoplasma; doch haben die Granula nicht den Charakter der Granula beim verdauenden Tier: im vorliegenden Falle sind die Körnchen viel feiner und blasser. In Präparaten, die mit Hermannscher Flüssigkeit fixiert sind. findet sich an Stelle dieser Körnchen ein feinmaschiges Wabenwerk, da die Hermannsche Flüssigkeit die Körnchen gelöst hat. Auf- fallend deutlich, besonders bei Tritonen, sind die Nebenkerne der Pankreaszellen zu sehen, viel deutlicher und öfter, als mir dies beim normalen Tier möglich war. Sie zeigen sich als grosse, dunkle, meist runde, oft längliche, scharf begrenzte Masse an der Basis der Zelle unterhalb des Kerns oder auch neben dem Kern. Mit sehr starken Systemen ist in den Nebenkernen eine sehr komplizierte Struktur zu erkennen, die ich jedoch nicht genauer studiert habe. Die Langerhansschen Inseln sind zahl- reicher als beim normalen Tier, besonders die Zahl der voll- ständig ausgebildeten. Ihre Zellen stehen in bezug auf ihre Grösse zu den Parenchymzellen in demselben Verhältnis wie die Inselelemente beim normalen Tier zu den dortigen Parenchym- zellen. Sie scheinen sich unter dem Einfluss des Hungers auch verkleinert zu haben. Auch hier sind die beim normalen Tier beschriebenen Übergänge deutlich zu sehen. Ebenso findet man zwischen den Inselzellen hier und da typische Parenchymzellen liegen, gerade wie beim normalen Tier. In dem Verhalten der Blutgefässe sowie des Bindegewebes ist auch kein Unterschied zu erkennen gegenüber den Verhältnissen beim normalen Tier. Neben- kerne, die im Parenchym so deutlich sind, sind in den Inseln 288 H-Eischer: nicht zu erkennen. Die Inselkerne sind entsprechend den Paren- chymkernen verkleinert; ihr Chromatin scheint nicht verändert, ebensowenig das Protoplasma der Zellen. Der einzige wesentliche Unterschied in bezug auf die Langerhansschen Inseln beim normalen und beim Hungertier ist also der, dass nach längerem Hungern die Zahl der Langerhansschen Inseln vermehrt ist. Es interessierte mich nun, zu wissen, wie diese vermehrte Zahl der Langerhansschen Inseln sich verhalten würde, wenn solche längere Zeit dem Hunger ausgesetzten Tiere wieder ge- füttert würden. Ich habe Tritonen und Frösche, die in obiger Weise gehungert hatten, vorsichtig mit rohem Rindfleisch gefüttert. Die ersten Tiere wurden sieben Tage nach der Fütterung getötet. Tötung und Konservierung erfolgte in der oben angeführten Weise. Es konnte nach Eröffnung der Bauchhöhle der Tiere nicht festgestellt werden, ob das Pankreas sich inzwischen ver- grössert hatte. Beim Studium der Serienschnitte ergab sich, dass eigentliche, typische Langerhanssche Inseln, wie man sie beim normalen Tier zu finden gewohnt ist, kaum mehr vorhanden waren. Das einzige, was noch an die Gegenwart von Langerhans- schen Inseln erinnerte, waren vereinzelte, aus etwa 3—5 zusammen- liegenden Zellen bestehende Häufchen vom Typus der Langerhans- schen Zellen. die in der bekannten säulenartigen Form in der Nähe eines Blutgefässes angeordnet waren. Die Parenchymzellen zeigten sehr lebhafte Mitosen ; in dem, was von Langerhansschen Inseln noch übrig war, sah ich solche nie. Die Nebenkerne schienen verschwunden zu sein; doch konnte man sie stellenweise mit starken Systemen, wenn auch anscheinend in veränderter Form, wiederfinden. Die Parenchymzellen befanden sich im Stadium der Sekretion; das dunkle, streifige Protoplasma hatte wieder einen grösseren Teil der Basis der Zelle inne als beim Hungertier: die Körnchenzone war entsprechend verkleinert. In unmittelbarer Nähe der wenigen Zellen vom Typusder Langerhans- schen Inselzellen finden sich Zellen, die sich sowohl von den Insel- wie den Parenchymzellen unterscheiden. In ihrer äusseren Form kommen sie den Parenchymzellen nahe. Ihr Kern ist der typische, grosse runde, mit viel CUhromatin und einem Kern- körperchen versehene Kern der Pankreasdrüsenzellen, aber das Protoplasma entbehrt jeder Körnchenzone; der ganze Zelleib ist angefüllt mit einem feinen Gitterwerk, das aus dünnen, spiralig Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 289 gedrehten Fäden besteht. Diese Zellen fand ich nie mitten zwischen sezernierenden Parenchvymzellen, sondern stets nach aussen von den als Langerhanssche Zellen anzusprechenden Zellen, also zwischen eigentlichen Parenchymzellen und Inselzellen. In Anbetracht dessen, dass die Langerhansschen Inseln bei den nach langem Hungern gefütterten Tieren bis auf wenige Zellen verschwunden sind, glaube ich annehmen zu sollen, dass die eben beschriebenen Zellen ein Stadium der Rückbildung der Inselzellen zu Parenchvmzellen darstellen. Wo sollen die Insel- zellen geblieben sein? Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder sind sie zugrunde gegangen, oder sie haben ihren Charakter geändert. Für die erstere Möglichkeit liegt keinerlei Anhalts- punkt vor. Für die zweite scheint mir sehr die oben erwähnte eigentümliche Zellform zu sprechen. Dann untersuchte ich Tiere, die nach längerer Hungerzeit (sie hatten ebensolange gehungert wie die vorgenannten) 17 Tage gefüttert worden waren. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass wieder ausgebildete Inseln von normaler (Grösse in geringer Zahl vorhanden waren. doch blieb ihre Zahl hinter der beim normalen Tier weit zurück. Gruppen von Inselzellen, etwa 3—5, fand ich hier und dort in der Nähe eines Blutgefässes. Nach Vollendung dieser Versuche kam mir die Arbeit von Vincent und Thompson') in die Hand, die das Pankreas der verschiedensten Tiere unter ähnlichen Bedingungen untersucht haben, unter anderen auch beim Frosch. Es wurden Frösche zu Beginn und am Ende des Winterschlafes untersucht, und zwar wurde eine Vermehrung der Langerhansschen Inseln am Ende des Winterschlafes konstatiert. Dasselbe fanden die genannten Autoren bei Hunden und Vögeln nach Hungern. Es wurden bei allen Tieren, bei Hungertieren sowohl wie bei normalen, stets entsprechende Teile des Pankreas zur mikroskopischen Unter- suchung verwandt. Fütterungsversuche nach einer längeren Hungerzeit haben Vincent und Thompson nicht angestellt. Nach meinen Versuchen und nach denen von Vincent und Thompson, so weit sie den meinigen entsprechen, sind also nach längerem Hungern die Inseln an Zahl vermehrt. Bei Fütterung nach längerem Hungern wird ihre Zahl und ihre Grösse, wie sich bei meinen Experimenten ergab, zunächst be- WERT; 290 EIORl IS, cHhler!: trächtlich vermindert, um dann allmählich zur Norm zurück- zukehren. Dass die Inseln bei der Fütterung nach langem Hungern in demselben Maße wie das Tier allmählich zum „normalen“ Status zurückkehren, ist nicht weiter auffallend; haben sie sich doch unter Einwirkung der Ursache, die durch die Fütterung wieder entfernt wird, vermehrt. Auffallend ist nur, dass sie nach kurzer Einwirkung der Fütterung nach langem Hungern, wie ich es bei Tritonen beobachtete, in so enormer Weise reduziert werden, um dann bei weiterer Fütterung allmählich zur Norm zurückzukehren. Wo sind die Inseln im Beginn der Fütterung geblieben. Da keinerlei Anzeichen dafür vorhanden sind, dass sie zugrunde gingen, ich andererseits die Bildung von Inselgewebe aus Parenchymgewebe deutlich beobachten konnte, so unterliegt es für mich keinem Zweifel, dass im vorliegenden Falle die Inselzellen sich in Parenchymzellen zurückverwandelt haben, zumal ich neben den übriggebliebenen Inselzellen solche beobachtet habe, die weder Insel, noch Parenchymzellen waren, die sich viel- mehr verhielten, wie ich sie vorhin beschrieben habe. Weshalb verwandeln sich nun aber die Inselzellen so rapid in Parenchymzellen bei Fütterung nach langem Hungern. Ich denke mir dies folgendermassen. Beim Hungertier sind alle Organe mehr oder minder reduziert und in ihrer Ernährung beeinträchtigt; werden doch die zur Erhaltung des Lebens weniger wichtigen Organe zur Bestreitung der Nahrung für die lebens- wichtigen Organe herangezogen. So sieht man beim Hungertier fast alle Organe in ihrem Umfang mehr oder weniger vermindert. Auch das Pankreas macht diese Veränderungen mit, da ja seine verdauende Tätigkeit beim Hungern ausgeschaltet und zur Er- haltung des Lebens während des Hungerns nicht unbedingt erforderlich ist. Ich fand das Pankreas auch bei den Tieren, die längere Zeit gehungert hatten, stets verkleinert. Mit der Ver- minderung des Volumens ist selbstverständlich auch eine Ver- minderung der sekretionsfähigen Fläche verbunden. Füttere ich nun ein solches Tier mit einem Futter, das zu seiner Verdauung reichlich Pankreassaft braucht, so werden an das verkleinerte Pankreas ganz ungewohnte Anforderungen gestellt. Das Pankreas sucht seine Ersatzquellen heranzuziehen; es sucht durch zahl- reiche Teilungen seiner Parenchymzellen die sezernierende Ober- fläche zu vergrössern, und es sucht diese Vergrösserung der Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 291 sezernierenden Oberfläche auch durch Rückverwandlung der Langerhansschen Inseln zu Parenchym zu bewerkstelligen. Ich habe Zellteilungen im Parenchym noch 17 Tage nach der Fütterung gefunden, allerdings lange nicht so lebhaft, wie am siebten Tage nach der Fütterung; immer aber noch viel lebhafter, als im normalen Pankreas, wo ja nach der Entdeckung von M. Nussbaum!) und von Gaule?) auch mitotische Teilungen vorkommen. Mit der allmählichen Abnahme der Teilungsfiguren in den Parenchymzellen geht das Wiederauftreten von typischen Langerhansschen Inseln Hand in Hand, während sie beim Vorhandensein der vielen Mitosen in den Parenchymzellen gleich nach der Fütterung stark reduziert waren. Wenn man ja auch im allgemeinen allzu leicht geneigt sein mag, Vorgänge, die unabhängig voneinander, nebeneinander verlaufen, aufeinander zu beziehen, so glaube ich hier doch einen Zusammenhang an- nehmen zu sollen. Der erste, der die Beobachtung machte, dass während des Hungerns die Zahl der Langerhansschen Inseln im Pankreas sich vermehre, war Statkewitsch,?) und zwar sah er, dass diese neugebildeten Inseln aus Alveolen hervorgingen. Jarotzki') fand im Gegensatz zu ihm die Zahl der Inseln bei hungernden Mäusen nicht verändert. Dale?) bestätigte die Angaben Stat- kewitschs‘) für das Pankreas der Katze; Vincent und Thompson’) für Säugetiere, Vögel und Amphibien. Ich kann sie für Rana fusca und Triton cristatus und alpestris bestätigen. Nach diesen übereinstimmenden Versuchen dürfte an der Tatsache selbst kein Zweifel mehr bestehen. Lewaschew°) hat bekanntlich auch eine Neubildung, eine Vermehrung der Langerhansschen Inseln experimentell erzeugt, aber auf ganz anderem Wege. Er injizierte den Tieren Pilo- karpin zu wiederholten Malen und brachte die Drüse auf diese Weise zur Erschöpfung. Er beobachtete hierbei eine vermehrte } Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 21, 1882. ) Arch. f. Anat. u. Physiologie, Anatom. Abt., 1882. s Archiv für experim. Pathologie, Bd. 34, 1893. +) Virchows Archiv, Bd. 156, 1899. >) Phil. Trans., Ser. B, Bd. 197, London 1904. 8\]..C, ME. 1L«CH SI. @- 292 HaRSisteihrer: Bildung von Langerhansschen Inseln von einzelnen Zellen bis zur ausgebildeten Insel. Seine Resultate sind lange Zeit stark angezweifelt worden. In neuerer Zeit wurden sie von Man- kowsky') und auch von Vincent und Thompson?) bestätigt. Letztere benutzten statt des Pilokarpins, das ja für den Organis- mus ein Gift ist, einen anderen Stoff, der dieselbe Wirkung hat, das von Bayliss und Starling?) entdeckte Sekretin. Dieser Stoff wurde in Intervallen von 7, 8, 9, 10 Stunden eingespritzt. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab sich ausser den übrigen Zeichen der Erschöpfung der Drüse ein starkes Anwachsen der Langerhansschen Inseln; doch war dasselbe nie so stark ausgesprochen wie bei Hungerversuchen. Die auf diese Weise erhaltenen Inseln sind identisch mit denen durch Hunger erzielten. Vincent und Thompson) legen auf das schnelle Entstehen der Inseln infolge Einspritzung von Sekretin grossen Wert; nach ihrer Ansicht kann eine Veränderung, die unter Einwirkung eines die Tätigkeit der Drüse anregenden Mittels in so kurzer Zeit entstanden ist, nicht als eine morphogenetische gedeutet werden, sondern sie stellt eine Phase der physiologischen Tätigkeit der Drüse dar. Auch waren bei den Versuchen mit Sekretin von Vincent und Thompson?) ebenso wie bei den Versuchen Lewaschews die Übergänge zwischen Inseln und Parenchym sehr deutlich zu sehen. Laguesse hat ausser der Bildung von Inseln aus den Acini auch eine Rückverwandlung der Inseln in Acini beschrieben. Zu einem bestimmten Zeitpunkt öffnen sich die Inseln in einen Kanal und das Lumen dringt in die Insel ein. Dann lagern sich nach und nach Zymogengranula in den Zellen ab und es entsteht auf diese Weise ein neuer Acinus. Der gleiche Prozess wurde von Vincent und Thompson‘) bei Hunden beobachtet. Sie untersuchten Hunde, die nach einer bestimmten Hungerzeit wieder zu ihrem normalen Zustand zurückgekehrt waren. Zur mikro- skopischen Untersuchung wurde wiederum wie bei den früheren N (0 2 1C, ®) Journal of Physiology, Bd. 28 u. 29. 1 Er@: a Sy C. Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 293 Versuchen das Milzstück des Pankreas verwendet. Es ergab die Kleinheit und Armut an Langerhansschen Inseln, wie sie für die normale Drüse charakteristisch ist. Da keine Zerfalls- erscheinungen oder sonstige Zeichen für das Zugrundegehen der Inseln gefunden werden, so halten die beiden Forscher es für das wahrscheinlichste, dass die Inselzellen sich in Parenchymzellen verwandelt haben. In dem Pankreas einiger dieser Tiere fanden Vincent und Thompson!) sehr viele Karyokinesen in den übriggebliebenen Inseln und dem sie unmittelbar umgebenden Drüsengewebe. Auf eine Deutung dieser Erscheinung gehen sie nicht ein, sprechen sich aber dahin aus, dass eine Rückverwandlung von Inseln zu Drüsenschläuchen ganz wohl ohne ein Anwachsen der Zellenzahl gedacht werden kann. Übergänge in den Zell- charakteren bei der Rückbildung der Inseln werden von ihnen nicht erwähnt. Was die Karyokinesen bei den nach langem Hungern gefütterten Tieren anbelangt, so habe ich dieselbe, wie oben erwähnt, sehr reichlich gefunden, aber im (Gregensatz zu Vincent und Thompson?) nicht in den Inselzellen, sondern nur in den Parenchymzellen, und auch in diesen nieht nur in unmittelbarer Nähe der Inseln, sondern unregelmässig ohne bestimmte Gruppierung im ganzen Parenchym zerstreut. III. Das Verhalten der Langerhansschen Inseln nach Exstirpation der Milz. In der Diskussion zu v. Hansemanns Vortrag in der „Deutschen pathologischen Gesellschaft“ IV: „Über das Wesen der Gefässinseln des Pankreas“ finde ich eine Bemerkung Winklers, dass man „bei milzlosen Hunden, konforme Verhältnisse bezüglich der Stelle des Pankreas und bezüglich der Verdauung vorausgesetzt. eine auffallende Vermehrung der Langerhans- schen Zellgruppen“ finde. Ich habe daraufhin bei Tritonen Milz- exstirpationen vorgenommen und das Pankreas der milzlosen Tiere zu verschiedenen Zeiten untersucht. Die Operation wurde in Äthernarkose ausgeführt. Es wurde in der linken Seite ziemlich hoch nach dem Rücken zu die Bauch- höhle durch einen kleinen Schnitt eröffnet und die sofort sicht- bare Milz mit einem stumpfen Häkchen vor die Wunde gezogen. S)Alere: a et: 294 H. Fischer: Die im Mesenterium zur Milz verlaufenden Gefässe wurden um- stochen und die Gefässe jenseits der Unterbindung nach der Milz zu durchschnitten. So konnte die Milz ohne jeden Blutverlust exstirpiert werden. Haut, Muskel und Peritoneum wurden durch eine gemeinsame Naht geschlossen und die Tiere in ein steriles, mit feuchtem Fliesspapier belegtes Glasgefäss gesetzt. Hier ver- heilten die Wunden in sechs bis sieben Tagen glatt; dann wurden die Tiere ins Aquarium zurückgebracht und alle zwei Tage mit rohem Rindfleisch gefüttert. Das erste zur Untersuchung verwandte Tier hatte elf Tage post operationem gelebt. Bei Eröffnung der Bauchhöhle des Tieres fiel mir zunächst eine Eigentümlichkeit an der Leber auf. Während dieselbe für gewöhnlich bei Tritonen eine dunkelbraune bis schwarze Farbe hat, mit der sich oft ein bläulicher Ton ver- bindet, war sie hier goldgelb-bräunlich gefärbt. Von dieser gelben Untertläche hob sich ein dunkles Netzwerk von Pigment- zellen ab, das sich wie beim normalen Tier über die Leber aus- spannte, so dass dieselbe marmoriert aussah. Am Pankreas und den übrigen Bauchorganen waren Veränderungen nicht zu sehen. Es wurde ein Stückchen der Leber und das ganze Pankreas. herausgenommen und in Flemmings Flüssigkeit konserviert. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab sich, dass in den Leberzellen zahlreiche durch Osmium geschwärzte Fett- kügelchen im Protoplasma angehäuft waren. Der Kern war völlig frei. Es handelt sich also um eine fettige Degeneration oder Fettinfiltration der Leberzellen. Dadurch ist auch zweifellos die gelbe ‘Farbe der Leber bedingt. Diese Fetteinlagerung betraf ausschliesslich die Parenchymzellen der Leber, nicht die bei Tritonen reichlich vorhandenen Pigmentzellen, die ja auch bei makroskopischer Betrachtung ihre ursprüngliche dunkle Farbe behalten hatten. Im Pankreas -fanden sich ebenfalls Fettröpfehen in den Parenchymzellen, aber weit weniger wie in den Leberzellen. Ausserdem fallen viele Häufchen in die Augen, die sich durch ihr dunkleres Aussehen stark von dem Parenchym abheben. Diese Zellhäuflein sind öfter durch Zellstränge desselben Charakters miteinander verbunden und meist um eine erweiterte Kapillare oder eine kleinere Vene angeordnet. Sie bestehen aus einer Anzahl dicht nebeneinander gelegener grosser, meist runder Zell- Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien 235 kerne, die sehr viel Chromatin enthalten und dadurch dem Häuflein gegenüber dem Parenchym ein dunkleres Aussehen verleihen. Ein Protoplasmaleib lässt sich im allgemeinen um die Kerne herum nicht abgrenzen; nur um die dem normalen Parenchym benachbarten Kerne ist ein Protoplasmaleib sichtbar. Eine scharfe Grenze dieser Häuflein gegenüber dem Parenchym ist nicht vor- handen; der Übergang von den Parenchymzellen zu den die Häuflein bildenden Kernen ohne scharf zu begrenzenden Proto- plasmaleib ist ein allmählicher. Man findet den normalen Paren- chymzellen benachbart gelegene Zellen, bei denen der Proto- plasmaleib kleiner ist wie in den Parenchymzellen, die aber sonst ganz das Aussehen von Parenchymzellen haben. Neben diesen solche, die zwar noch einen Protoplasmaleib haben, wo aber die Zellgerenzen bereits verwischt sind und wo in den Kernen das Chromatin bereits dichter ist. Mehr nach dem Zentrum des Häufleins zu entbehren die Zellen des Protoplasmaleibes fast ganz: Zellgrenzen sind nicht zu sehen; der Kern hat die grosse runde (estalt der Parenchymkerne; nur ist das Chromatin dichter. Neben diesen Kernen im Innern der Häuflein finden sich solche, die eine ovale Gestalt haben. In all diesen Kernen liegt das Chromatin sehr dicht, nicht wie in den normalen Parenchym- kernen in kleineren oder grösseren Körnchen angeordnet, sondern mehr in unregelmässigen Brocken. Manchmal haben die Kerne ihre Membran verloren und die Chromatinbrocken liegen frei ohne umgebende Hülle umher, oft noch die Form der Kerne erkennen lassend. Diese Tatsache dürfte wohl dafür sprechen, dass es sich hier um regressive Vorgänge handelt. In Form und Grösse unterscheiden sich die beschriebenen (rebilde nicht von den Langerhansschen Inseln des Tritonenpankreas; nur ist ihre Zahl grösser. Normale Langerhanssche Inseln habe ich im Pankreas dieses Tieres nicht finden können. Dann untersuchte ich das Pankreas 16 Tage nach Exstirpation der Milz. Die gelbe Farbe der Leber war bei diesem Stadium noch intensiver geworden. Sonstige Veränderungen sind an dem Tier nieht wahrzunehmen. Mikroskopisch ergibt sich, dass die Leberzellen mit Fettröpfehen ganz vollgepfropft sind; vom Proto- plasma ist nichts mehr zu sehen; nur.der Kern liegt in der ganz schwarz aussehenden Zelle als ein heller Körper; er ist frei von Fett. In den Pankreaszellen sind Fettröpfehen in geringer Menge Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.]1. 20 296 H. Fischer: vorhanden. Die vorhin beschriebenen Häuflein sind noch vor- handen. Ihr Charakter hat sich jedoch im Vergleich zu dem Stadium von elf Tagen etwas geändert. Ihr Aussehen ist im Vergleich zum umgebenden Parenchym heller als bei dem Stadium von elf Tagen. Das Uhromatin der Kerne ist nicht mehr ganz so dicht und bröckelig wie bei dem vorigen Stadium; Kernstücke, wie sie elf Tage nach Exstirpation der Milz in den Häuflein sehr häufig waren, finden sich hier nur ganz selten. Im Gegensatz zu dem vorigen Stadium sind hier die Kerne mehr oval; ihre Stellung nimmt eine gewisse Regelmässigkeit an; sie sind meist in Palisaden- oder Rosettenform angeordnet. An Zahl sind diese Gebilde gleich denen vom Stadium von elf Tagen. Eine scharfe Begrenzung der Häuflein ist auch hier nicht vorhanden: es besteht ein all- mählicher Übergang zum Parenchym. In den Häuflein lassen sich oft alveoläre Unterabteilungen erkennen. Dort, wo die Alveolen mit ihren blinden Enden aneinanderstossen, sieht man gewöhnlich eine erweiterte Kapillare, in der rote Blutkörperchen liegen, so dass diese Kapillare gewissermassen den Mittelpunkt des ganzen Komplexes bildet, von dem die Alveolen radiär aus- strahlen. Die vorhin beschriebenen Häuflein kommen im Stadium von 16 Tagen in ihrem ganzen Aussehen und Aufbau den Langerhansschen Inseln im normalen Pankreas sehr nahe. Langerhanssche Inseln von normalem Aussehen habe ich auch in diesem Stadium nicht sehen können. Schliesslich untersuchte ich noch Stadien von 31 Tagen nach der Operation. Die gelbe Verfärbung der Leber ist hier bei weitem nicht mehr in dem Maße vorhanden wie in den Stadien von ll und 16 Tagen. Die Farbe der Leber ist der normalen bei- nahe gleich. Am Pankreas sind Veränderungen nicht nachzuweisen. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, dass die Fett- tröpfehen in den Leberzellen bedeutend abgenommen haben. Die Leberzellen zeigen aber sonst keinerlei degenerative Veränderungen. Im Pankreas sieht man bei schwacher Vergrösserung sehr viele helle Häufchen, die in ihrer äusseren Gestalt und Lage identisch sind mit den in den beiden vorigen Stadien beschriebenen Häuflein. Die Vermutung, dass es sich hier um normale Langerhanssche Inseln handelt, wurde durch die Untersuchung mit‘starker Vergrösserung bestätigt. Im Vergleich zu der Zahl der Langerhansschen Inseln im Pankreas unter normalen Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 237. Verhältnissen sind dieselben hier stark vermehrt. In ihrer Grösse wechseln sie sehr; es gibt kleine, nur aus zwei Zellreihen be- stehende und sehr grosse, in denen sich eine Reihe von Unter- abteilungen unterscheiden lässt. Die Anordnung der Zellen in Palisadenform ist im Vergleich zu den Stadien von 16 Tagen hier noch regelmässiger. Die Inseln unterscheiden sich überhaupt in nichts von den Inseln bei normalen Tieren. Es zeigt sich also nach Exstirpation der Milz bei Tritonen in gewissen, eng begrenzten Bezirken des Pankreas gewöhnlich um eine Vene oder Kapillare herum eine intensive Veränderung des Parenchyms derart, dass die Zellen kleiner werden, dass die Struktur des Protoplasma verloren geht, dass das Chromatin des Kerns dichter und krümelig wird, und dass die Kerne zum Teil zerfallen. Dieser Grad der Veränderungen ist mit elf Tagen erreicht. Langerhanssche Inseln von gewohntem Aussehen sind zu dieser Zeit nicht vorhanden. Ob diese in derselben Weise verändert sind wie die genannten Stellen des Parenchyms oder ob sie auf sonst irgend eine Weise zum Verschwinden ge- bracht worden sind, lässt sich nicht entscheiden. Ich halte das erstere für wahrscheinlich. Mit 16 Tagen sind die vorhin be- schriebenen Veränderungen im Rückgang begriffen, aber andere an ihre Stelle getreten. Die Verdichtung und der krümelige Charakter des Uhromatins ist nicht mehr so stark; die Kerne selbst haben aber mehr ovale Form angenommen und sich mit einer gewissen Regelmässigkeit mit ihrer Längsachse parallel zu- einander gestellt. Um die Kerne herum liegt ein Protoplasmaleib, weit kleiner als bei den Parenchymzellen. Zellerenzen sind nicht immer zu sehen. In ihrer Gestalt und Anordnung zueinander und gegenüber dem umgebenden Parenchym kommen diese Gebilde den Langerhansschen Inseln im Pankreas bereits sehr nahe. Normale Inseln haben wir wieder 31 Tage nach der Exstirpation der Milz, aber in sehr vermehrter Zahl gegenüber dem Pankreas bei normalen Tieren in demselben Verdauungszustand. In Grösse und Anordnung im ganzen Pankreas entsprechen diese Inseln den im Stadium von 16 Tagen beschriebenen Häuflein. Wir haben mithin zweifellos 31 Tage nach Exstirpation der Milz eine stark vermehrte Zahl von Langerhansschen Inseln im Pankreas von Tritonen. Ich bin der Ansicht, dass diese Vermehrung. bezw. Neubildung von Inseln in der ersten 20* 298 ERSRMESTCHhremE: Zeit nach der Exstirpation der Milz beginnt und ihren Ausdruck tindet in den bereits elf Tage nach der Exstirpation vorhandenen und vorhin beschriebenen Häuflein. Es unterliegt nach den vor- handenen Präparaten keinem Zweifel, dass sich diese Häuflein aus den Parenchymschläuchen bilden, gerade so wie ich das bei Entstehung von Inseln aus Parenchym bei Tieren, denen die Milz nicht exstirpiert war, die aber anderen Bedingungen unter- worfen waren, beschrieben habe. Das einzige, wodurch sich die Bildung der Langerhansschen Inseln aus Parenchym hier unterscheidet, ist die Intensität, der Grad der Veränderungen der Parenchymzellen. Diese intensiven Veränderungen lassen mit 16 Tagen bereits nach: die Gebilde nähern sich in ihrem Charakter bereits den normalen Langerhansschen Inseln; mit 31 Tagen ist der normale Charakter erreicht; nur finden sich die Langer- hansschen Inseln in bedeutend vermehrter Zahl. entsprechend der Zahl der Häuflein bei den Stadien von 11 und 16 Tagen. IV. Das Verhalten der Langerhansschen Inseln nach Unterbindung des Ausführungsganges. Die Frage, ob die Langerhansschen Inseln Bildungen sui generis, selbständige Teile seien, die mit dem Parenchym der Drüse in keinem Zusammenhange stehen, haben manche Forscher dadurch zu entscheiden versucht, dass sie dem Sekret des ganzen Pankreas oder eines Teiles desselben den Abfluss zu versperren suchten. Sie gingen dabei von der Überlegung aus, falls die Inseln in organischem Zusammenhang mit dem Kanalsystem der Drüse ständen und gewissermassen ein Teil dieses Kanalsystems seien, dass sich dann auch die Folgen der Sekretstauung in der- selben Weise wie auf das Parenchym, so auch auf die Inseln aus- dehnen müssten. Die Stauung des Sekrets bedingt nun erfahrungs- semäss bei langer Dauer schliesslich eine Atrophie der Drüsen- substanz. Also müssten, falls die Inseln in Zusammenhang mit dem Gangsystem der Drüse stehen, dieselben nach Unterbindung des Ausführungsganges in derselben Weise verändert werden wie die übrigen Pankreaszellen. So selbstverständlich dies scheint und so leicht der Versuch auch ausführbar erscheint, so ist doch bis heute eine Einigung über die Folgen der Unterbindung auf die Langerhansschen Inseln nicht erzielt worden. Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 299 oO Die ersten genaueren Untersuchungen über die Folgen der Unterbindung für die Langerhansschen Inseln wurden von Walther Schulze!) an Meerschweinchen ausgeführt, und zwar machte Schulze Abbindungen eines Teiles des Pankreas, indem er diesen mittels einer starken Seidenligatur abschnürte. Er kam zu dem Resultat, dass zunächst ein rapides Zugrundegehen des unter- bundenen Pankreasabschnittes mit Ausnahme der Langerhans- schen Inseln erfolgt, die ganz unverändert bleiben. Mit 40 Tagen post operationem sind nur noch wenige Reste des Pankreasdrüsen- gewebes übrig, die Inseln sind unversehrt. Mit SO Tagen nach der Unterbindung ist von dem Pankreasgewebe keine Spur mehr vorhanden, die Inseln sind noch unversehrt. Zu ähnlichen Schlüssen gelangte Ssobolew.?) Mankowsky°) gelangte auf Grund seiner an Kaninchen, Hunden und Meerschweinchen angestellten Versuche zu dem Schlusse, dass ein allmählicher Schwund der Drüsenelemente und ein Ersatz derselben durch Bindegewebe bemerkbar sei, wobei die als Langerhanssche Inseln bezeichneten Zellgruppen in gleicher Weise zugrunde gehen wie die Drüsenläppchen. v. Hansemann') führte Teilunterbindungen am Pankreas von Hunden aus. Er kann auf Grund seiner Untersuchungen die Ergebnisse Schulzes nicht anerkennen. Die Folgen der Unter- bindung zeigen sich nach v. Hansemann nur in der Nähe der Ligatur, „denn von dieser geht ein intensiver Wucherungsreiz aus, der soviel Bindegewebe entstehen lässt, dass alles Drüsen- parenchym erdrückt wird. In diesem Bindegewebe bleiben dann die Inseln oft lange erhalten; andere aber gehen auch fibrös zu- grunde. Die Voraussetzung also, worauf es ankommt, dass bei der Unterbindung die Inseln allein und sämtlich intakt übrig bleiben, kann ich nicht anerkennen“ (v. Hansemanın. |. c.). Nach Sauerbeck°) schwinden die Inseln nach Unter- bindung des Ausführungsganges gleichfalls, aber später als die Drüsenschläuche. Nach ihrem Schwinden trat Zucker im Harn auf. !) Dieses Archiv, Bd. 56, 1900. ?) Zur Morphologie des Pankreas nach Unterbindung seines Aus- führungsganges, bei Diabetes und einigen anderen Bedingungen. Inaug.- Dissert. Petersburg 1901. 3) ]. c. Sale: °) Ergebnisse von Lubarsch und Ostertag, VII. 300 Ir aRhIs cihrem.: Diese Angaben wurden von Tschassownikow!) nicht bestätigt. Sämtliche Analysen auf Zucker im Harn während der Unterbindung waren negativ. Die Zellen der Langerhansschen Inseln bleiben nach ihm erhalten, erleiden aber Veränderungen der Form und Grösse in Abhängigkeit von der Wucherung des Bindegewebes. Endlich sind neuerdings von Carraro°’) Unterbindungs- versuche am tierischen Pankreas gemacht worden. Nach ihm schwindet das Parenchym allmählich. Es wird von Bindegewebe durchsetzt und von diesem Bindegewebe werden Reste der Drüse abgeschnürt. In diesen zeigen sich vorübergehend Regenerations- erscheinungen in Form der Mitose an den Parenchymzellen. Die Langerhansschen Inseln nehmen an diesem Regenerations- vorgang in keiner Weise teil und fallen einer langsamen, all- mählichen Zerstörung anheim. 3jeim Vergleich der Untersuchungsergebnisse der einzelnen Untersucher ergibt sich, dass ein übereinstimmendes Resultat in dieser Frage keineswegs erzielt ist. Tschassownikow’°) glaubt, dass dies zum Teil an der verschiedenen Operationsmethode liege. Aber auch bei gleichem operativem Verfahren sind die Ergebnisse der einzelnen Untersucher durchaus widersprechend. Für stich- haltiger erachte ich den zweiten von Tschassownikow ange- führten Grund: die ungleiche Methode der Behandlung des Materials zum Zwecke der histologischen Untersuchung. Wenn diese schon beim normalen Organ, wie früher dargetan wurde, von ausschlaggebender Bedeutung ist, so kommt hier noch die Schwierigkeit hinzu, die durch die Unterbindung herbeigeführten pathologischen Veränderungen der Pankreaszellen richtig zu deuten und dieselben von Inselzellen zu unterscheiden. Es ist dies nach meiner Erfahrung sehr schwer, ja zeitweise unmöglich. Ich habe Unterbindungsversuche an Fröschen ausgeführt, und zwar wählte ich dieses Tier besonders aus dem Grunde, weil mir das Pankreas des Frosches aus meinen früheren Untersuchungen her genau bekannt und zugleich die Möglichkeit vorhanden ist, stets das ganze Organ zu untersuchen, was ich bei solchen Ver- suchen für wichtig halte. Ich habe zweierlei Unterbindungen !) Dieses Archiv, Bd. 67, 1905. °) Lo Sperimentale, 1909. Slulscc: Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 301 gemacht; einmal ein Stück des Pankreas durch einen Seidenfaden abgeschnürt, dann den Duetus pancreaticus abgebunden und nach Abbindung vom Darm abgetrennt. Hierbei wird, da die Gallen- gänge beim Frosch durch das Pankreas verlaufen und gemeinsam mit dem Ductus pancreaticus in den Darm einmünden, der Galle der Abfluss nach dem Darm hin versperrt. Der Einfluss der Abbindung war in beiden Fällen jenseits der Abbindungsstelle der gleiche. Ich habe das Pankreas 24, 39 und 46 Tage nach der Unter- bindung untersucht. Makroskopisch machte der abgebundene Teil stets den Eindruck, als ob er kleiner geworden sei. 24 Tage nach Abbindung eines Teiles des Pankreas beobachtete ich in der Nähe der Ligatur Bindegewebswucherung, die von den grösseren Ausführungsgängen zentrifugal sich ausbreitete. In einer gewissen Entfernung von den Ausführungsgängen war hier kein Parenchym mehr vorhanden, nur hier und da war ein kleinerer Komplex von Pankreasgewebe durch Bindegewebe abgeschnürt. Die einzelnen Zellen dieser Komplexe zeigten bereits atrophische Veränderungen. Langerhanssche Inseln waren innerhalb der zugrunde ge- gangenen Parenchymzone nicht vorhanden. In dem erhaltenen Pankreasgewebe machen sich Stauungserscheinungen bemerkbar; die Lumina sind erweitert; in den Parenchymzellen finden sich viele Mitosen. Ähnlich ist das Bild 39 Tage nach Unterbindung. Die Bindegewebszone hat sich von der Unterbindungsstelle aus weiter in das abgebundene Stück ausgedehnt: die Zahl der durch Bindegewebe abgeschnürten Pankreasabschnitte ist entsprechend grösser. In den der Unterbindungsstelle zunächst gelegenen, durch Bindegewebszüge abgeschnürten Parenchymbezirken schreiten die degenerativen Veränderungen fort: die jetzt im Bindegewebe zahlreich vorhandenen Leukozyten dringen auch in die abge- schnürten Bezirke ein, ebenso das Bindegewebe selbst. Mit 46 Tagen sind die Veränderungen nicht wesentlich fortgeschritten. Es ıst noch reichlich Parenchym, in dem sich noch viele Sekret- körnchen befinden, vorhanden. Stauungserscheinungen sind in den peripheren Teilen kaum vorhanden. Innerhalb dieses kaum veränderten Parenchyms sind auch die Langerhansschen Inseln unverändert. Die abgeschnürten Bezirke innerhalb des Binde- gewebes und das der fortschreitenden Bindegewebszone zunächst gelegene Parenchym zeigen starke Veränderungen: es ist nicht 302 H.'Eischer: möglich, innerhalb dieser veränderten Parenchymzone veränderte Drüsenläppchen von Inseln zu unterscheiden. Dass die im Binde- gewebe liegenden abgeschnürten Bezirke keine Inseln sind, zeigte sich deutlich in den früheren Stadien, wo sie bei der Abschnürung noch deutlich den Charakter des Parenchyms zeigten. Hier ist dasselbe nicht mehr zu erkennen, so stark sind auch in diesen Bezirken die degenerativen Veränderungen. Versuche über 46 Tage hinaus habe ich nicht angestellt. Es gehen somit nach Unterbindung des Ausführungsganges des Pankreas in der Nähe der Unterbindungsstelle Parenchym und Inseln zugrunde. Wie weit diese Veränderungen schliesslich das ganze Pankreasgewebe betreffen, vermag ich nicht zu sagen; hierzu wurden die Versuche nicht lang genug ausgedehnt. Meine Versuche stimmen in ihren Resultaten überein mit den Ergebnissen von Mankowsky und Carraro. Mankowsky fand in der Nähe der Ligaturen „einen allmählichen Schwund der Drüsenelemente und Ersatz derselben durch Bindegewebe, wobei die als Langerhanssche Inseln bekannten Zellengruppen in gleichem Maße mit den übrigen Drüsenläppchen zugrunde gingen“. Bei der Bindegewebswucherung in einiger Entfernung von den Ligaturen sah Mankowsky, wie „ganze Läppchen- gruppen vom übrigen Parenchym abgeschnürt werden, so dass sie an einigen Stellen ein Bild darstellen, wie es von W. Schulze in Fig. 5 und 6 aufgezeichnet ist“. Es handelt sich bei diesen Figuren von Schulze um Langerhanssche Inseln, die in dem Bindegewebe, welches das Parenchym ersetzt hat, erhalten geblieben sein sollen. Mankowsky ist der Ansicht, dass sich „auf mehr oder weniger ausgedehnten Flächen ähnliche Er- scheinungen, wie bei der Annulareirrhose der Leber“ zeigen. Er glaubt, dass diese eirrhotisch veränderten Läppchen vielfach auf den ersten Blick für Langerhanssche Inseln gehalten würden und dadurch die Ansicht zu erklären sei, dass bei Unterbindung des Ausführungsganges des Pankreas die Langerhansschen Inseln entweder gar nicht oder doch bedeutend später als das Parenchym zugrunde gingen. Ich muss nach meinen eigenen Ver- suchen der Ansicht von Mankowsky vollkommen beitreten. Ich bin auf die gesamte Literatur über das Pankreas, die Langerhansschen Inseln und deren Beziehung zur inneren Sekretion hier absichtlich nicht eingegangen, da dies viel zu weit Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 303 führen würde. Ich verweise dieserhalb auf das Referat von Heiberg in Merkel und Bonnets Ergebnissen. Wenn ich nun die Ergebnisse meiner Untersuchungen kurz zusammenfasse, so ist folgendes festzustellen. 1. Beim normalen Tier finden sich Inseln von verschiedener Grösse. Eine scharfe Abgrenzung der Inseln gegen das Parenchym ist nirgends vorhanden, viel weniger noch eine Bindegewebskapsel. Es bestehen vielmehr deutliche Übergänge zwischen Parenchym und Inselgewebe. S) 2. Die Zahl der Langerhansschen Inseln nimmt bei lang- dauerndem Hunger beträchtlich zu. Werden die langem Hunger ausgesetzten Tiere gefüttert, so nimmt in der ersten Zeit der Fütterung die Zahl der Langerhans- schen Inseln gewaltig ab, um allmählich zur Norm zurück- zukehren. ) 3. Nach Exstirpation der Milz tritt eine starke Vermehrung der Langerhansschen Inseln auf. Ob dieselbe von Dauer ist, kann ich nach meinen Versuchen nicht ent- scheiden. 4. Nach Unterbindung des Ausführungsganges oder Abbindung eines Pankreaszipfels gehen in dem abgebundenen Abschnitt Inseln und Parenchym in gleicher Weise zugrunde. Wenn man aus den geschilderten Beobachtungen einen Schluss auf das Wesen der Langerhansschen Inseln ziehen will. so ergibt sich zunächst, dass die Inseln keine an Zahl und (Grösse unveränderlichen Bestandteile des Pankreas sind: es sind vielmehr Gebilde, die in jeder Beziehung aufs engste in Zusammen- hang stehen mit der physiologischen Tätigkeit der Drüse. Je nach dem physiologischen Zustande ändert sich die Zahl der Langer- hansschen Inseln. Die Vermehrung bei veränderter Funktion der Drüse ist eine ganz plötzliche, ohne dass sich dabei in den Inselzellen Mitosen zeigen. Gerade die plötzliche Vermehrung der Inseln ohne mitotische oder amitotische Teilungen ihrer Zellen spricht, wie Bayliss und Starling dies besonders betonen, dafür, dass die vermehrte Inselbildung kein morphogenetischer, sondern ein wesentlich physiologischer Vorgang ist. Es entständen mithin die Inseln aus dem Parenchym: sie wären gewissermassen physiologisch verändertes Parenchym. 304 H. Fischer: Sollten die Inseln bei rascher Vermehrung nicht aus dem Parenchym hervorgehen, so käme als Ausgangspunkt noch die Ausführungsgangsepithelien und das Bindegewebe in Betracht. Aus beiden könnten die Inseln bei einer plötzlichen Vermehrung nur auf dem Wege der Zellteilung entstehen. Hiervon ist jedoch, wie vorhin erwähnt, nichts zu sehen, ebensowenig von einem Zusammenhang mit den Ausführungsgängen, der nachweisbar sein müsste, wenn bei plötzlicher Vermehrung der Langerhansschen Inseln dieselben von den Ausführungsgängen her entständen. Kvrle will zwar bei Regenerationsversuchen am tierischen Pankreas Inseln aus den .Ausführungsgängen haben entstehen sehen. Doch kann ich, wie ich an anderer Stelle!) ausgeführt habe, die von Kyrle als Langerhanssche Inseln gedeuteten Teile als solche nicht anerkennen. Ich selbst habe bei meinen tegenerationsversuchen nie Inselneubildungen von den Ausführungs- gängen her gesehen. Aus der Veränderlichkeit der Langerhansschen Inseln an Zahl und Grösse geht auch schon, abgesehen von dem gegen- teiligen anatomischen Befund hervor, dass sie eine Bindegewebs- hülle, die sie überall hin gegen das Parenchym hin abschliesst, nicht besitzen können. Es sprechen mithin meine Untersuchungen unbedingt gegen die Auffassung, dass die Langerhansschen Inseln Gebilde sind, die im embryonalen Leben entstehen und zeitlebens unverändert an Zahl und Grösse erhalten bleiben. Es sind vielmehr Teile des Pankreas, die sich unter verschiedenen physiologischen Bedingungen aus dem Parenchym bilden und sich in dasselbe zurückverwandeln. Ob nun die Langerhansschen Zellen während der Zeit ihres Bestehens, wie Laguesse meint, eine spezifische Tätigkeit ausüben, lässt sich durch meine Versuche nieht entscheiden. ') H. Fischer. Über Regeneration und Transplantation des Pankreas von Amphibien. Dieses Archiv, Bd. 77, 1, 1911. Die Langerhansschen Inseln im Pankreas von Amphibien. 305 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. Fig. 2. Fig. 3. Das Bild stellt eine kleinere Langerhanssche Insel von Rana fusca dar. Von allen Seiten ziehen radiär Bindegewebsbündel in die Insel hinein, die durch helleres Aussehen gekennzeichnet ist. An dem unteren, mit a bezeichneten Schlauch ist deutlich zu sehen, dass die Tunica propria des Drüsenschlauches in die Insel hinein- zieht. Ebenso setzt sich das von anderen Seiten hereinkommende Bindegewebe als Umgrenzung umliegender Schläuche fort. Von einer Bindegewebshülle um die Insel ist nichts zu sehen, vielmehr ist der Übergang zwischen Parenchym und Inselgewebe in Lage und Gestalt der Zellen ein allmählicher, wie ich dies im Text näher ausgeführt habe. Im der Mitte der Insel befindet sich dort, wo die Schläuche mit ihren blinden Enden aneinanderstossen, ein Blut- gefäss. Vergrösserung: Leitz, Immersion !ıs, Ok. 2. Von der Fledermaus (Plecotus auritus). Die Figur zeigt einen Drüsen- schlauch, bei dem die Parenchymzellen an der einen, oberen Seite unverändert erhalten sind. Auf der unteren Seite des Schlauches sind die Parenchymzellen verändert. Zellgrenzen sind nicht wahrzu- nehmen. Die Kerne haben Gestalt und Lage geändert: sie sind oval und schmal geworden ; das Chromatin ist bei weitem nicht so dicht wie in den Parenchymkernen der gegenüberliegenden Seite. Die untere Seite des Drüsenschlauches zeigt mithin Veränderungen, wie sie charakteristisch sind für die Umwandlung von Parenchym in Inselgewebe. Dass die soeben beschriebenen ovalen Zellkerne wirklich zur unteren Seite des Drüsenschlauches gehören, kann nicht bezweifelt werden. Zunächst liegen beide Teile innerhalb derselben Tunica propria. Dann geht dies auch aus folgender Über- legung hervor. Der Drüsenschlauch stellt einen Zylinder dar. Die Parenchymzellen der oberen Schlauchseite sind in ihrer ganzen Länge getroffen. Folglich muss die entgegengesetzte Seite im Schnitt liegen Diese kann aber wieder nach Lage der Tunica propria und nach Stellung der Kerne in den Parenchymzellen nur unterhalb der oberen Zellreihe liegen. Hier kommen wiederum nur die vorhin erwähnten ovalen Kerne als Äquivalent für den unteren Teil des Drüsenschlauches in Betracht. Vergrösserung: xerisısw Br Ok 3: Vom Frosch (Rana fusca). Die Abbildung zeigt einen Drüsen- schlauch, dessen blindes Ende an der Stelle liegt, wo die Parenchym- zellen mit Sekretkörnchen angefüllt sind. Dieser blinde Teil zeigt keinerlei Veränderungen. Anders ist es mit dem unteren Abschnitt des Drüsenschlauches. Hier sind die Zellen stark verändert; die Kerne weniger, das Protoplasma mehr. Die Zellgrenzen sind voll- ständig verwischt, das Protoplasma ist homogen. Die Kerne liegen nicht mehr an ihrer ursprünglichen Stelle; sie sind näher zusammen- gerückt. Die Veränderungen im unteren Abschnitt des Drüsen- 306 H. Fischer: Die Langerhansschen Inseln im Pankreas ete schlauches entsprechen den Veränderungen, die sich ausbilden bei Verwandlung von Parenchym- zu Inselgewebe. Vergrösserung : Zeiss 1,0%, 2: Vom Triton (Triton eristatus), zeigt die Veränderungen elf Tage nach Exstirpation der Milz. In einem kleinen Bezirk, dessen Mittel- punkt eine Kapillare (c) bildet, ist das Parenchym verändert in der betreffenden Art und Weise, wie ich dies im Text näher auseinander- gesetzt habe. Vergrösserung: Zeiss F., Ok 2. >07 Über den direkten Zusammenhang von Muskel- fibrillen und Sehnenfibrillen. Von Oskar Schultze (Würzburg). Hierzu Dafel XV - XV. In der folgenden Mitteilung beschreibe ich ausführlicher die von mir (16, 17) bereits kurz veröffentlichte Tatsache der innigen Kontinuität von Muskelfaser und Sehne, aus welcher sich ergibt, dass die bisher gültige, im physiologischen Sinne keines- wegs befriedigende Annahme, die Muskelfasern seien an ihren Insertions- und Ursprungsstellen mit den betreffenden binde- gewebigen Teilen nur „verklebt“, unzutreffend ist. Schon seit mehreren Jahren waren mir Bilder bekannt, welche den kon- tinuierlichen Zusammenhang von Myvofibrillen und Sehnenfibrillen als sehr wohl möglich erscheinen liessen. Die betreffenden Präparate waren mit meiner Kaliumbichromatosmiumsäurehäma- toxylinmethode gewonnen und stellten Längsschnitte von Kaul- quappenschwänzen dar, befriedigten mich aber trotz sonstiger Güte insofern nicht, als sie für diese Frage bei einer Schnittdieke von 5 «a noch zu dick waren.‘) In der Diskussion nach meinem Leip- ziger Vortrage hat Mollier bemerkt, dass er auf Grund eigener Untersuchungen zur gleichen Auffassung wie ich gelangt sei. Über das Resultat berichtete Mollier in der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München.’) ©. Maas (11, S. 144, !) Diese Präparate zeigte ich einer früheren Schülerin von mir, stud. med. Danziger (jetzt Frau Dr. Kotzenberg in Hamburg), als diese mir eine grössere Anzahl von dieselbe Frage betreffenden Präparaten, die ein Ver- wandter von ihr in dem Münchener anatomischen Institut angefertigt hatte, zur Begutachtung vorlegte. Auch diese Präparate, die, soviel ich mich erinnere, alle von erwachsenen Tritonen herrührten, befriedigten mich nicht; ich sprach mich vielmehr dahin aus, dass die Kontinuität doch nur eine scheinbare sein könne und dass es zur Klarstellung unbedingt erforderlieh sei, die Kontinuität an durch Mazerationsmittel isolierten oder an entsprechend dünnen und different gefärbten optisch isolierten Fibrillen zu demonstrieren. Eine Ver- öffentlichung seitens des genannten mir unbekannten Autors ist leider eben- sowenig als eine genauere Ausarbeitung erfolgt. ”) In den Sitzungsberichten findet sich kein entsprechender Vortrag abgedruckt. 308 Oskar Schultze: Fig, 111) gibt eine von Mollier stammende Abbildung über „Muskel- und Sehnenentwicklung“ (ohne Angabe der Herkunft des Objektes), um zu zeigen, dass im unausgebildeten Zustand Muskel- und Sehnenfaser „ohne scharfe Grenze“ ineinander über- gehen, im fertigen Zustand dagegen scharf gegeneinander ab- gegrenzt sind. Im Texte sagt Maas nach dem „Bericht“ Molliers: „Muskel- und Sehnenfaser entstehen aus einem kon- tinuierlichen Gewebe, jede Muskelfibrille geht kontinuierlich in eine Sehnenfibrille über; in einer ganzen Muskelfaser liegen aber diese Übergangsstellen zunächst nicht in gleicher Höhe, sondern in einer unregelmässig gezackten Linie. Erst mit der weiteren Ausbildung bildet sich die scharfe Grenzlinie heraus.“ Hiernach scheint Mollier in seinem ungedruckten Bericht die Kontinuität nur als eine embryonale, später schwindende geschildert zu haben. Durelı meine (noch nicht ausführlich veröffentlichten) Studien des Baues und der Histogenese der elektrischen Organe sah ich mich vor einiger Zeit zu der Untersuchung der sarkoplasmareichen Muskelfasern des Rückenflossenmuskels von Hippocampus ver- anlasst, über welche ich bei anderer (Grelegenheit berichten werde. Hierbei bemerkte ich — in der zoologischen Station zu Triest ') — sowohl an frischen als an konservierten isolierten Muskelfasern ein so klares Verhalten der Sehnenenden der Fasern, dass ich, mich der früheren Beobachtungen erinnernd, dieses zunächst genauer verfolgte und dann die Untersuchung auch auf andere Objekte ausdehnte, wo ich dann immer das gleiche Verhalten feststellen konnte. Meiner Beschreibung stelle ich zunächst eine Literaturüber- sicht voran. Kölliker hat im Jahre 1550 in seiner mikroskopischen Anatomie (Bd. 2, S. 218) eine Abbildung (Fig. 62) gegeben, welche den direkten Übergang einer Muskelfaser in ein Sehnenbündel aus dem M. intercostalis internus des Menschen zeigt. Im Text hebt er hervor, „dass keine scharfe Grenze zwischen den beiderlei Gebilden existiert“ und dass namentlich die Intercostalmuskeln ein sehr geeignetes Objekt bilden (siehe auch unter meinen eigenen Befunden). Schliesslich sagt Kölliker: „So absonderlich es auch klingen mag, so muss ich doch, soll ich den Eindruck ') Herrn Kollegen Professor Cori sage ich auch an dieser Stelle für seine stetige grosse Liebenswürdigkeit meinen wiederholten Dank. Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 30% bezeichnen, den solche Muskel- und Sehnengrenzen auf mich gemacht haben, sagen, dass es der eines kontinuierlichen Zu- sammenhanges der Muskel- und Sehnenfibrillen war, womit ich jedoch nicht geneigt bin, einen solchen Zusammenhang als wirklich und ganz bestimmt vorkommend hinzustellen.“ Dieses Verhalten gilt aber nach Kölliker nur für den Fall, dass die Muskelfaser geradlinig in die Sehne übergeht, während „in vollem (regensatze zu dem oben beschriebenen Verhalten eine scharfe Grenze zwischen Muskel und Sehne“ überall .da vorhanden ist, wo die Muskelbündel unter schiefen Winkeln an Sehnen und Aponeurosen stossen. „Soviel ist gewiss, dass überall, wo Muskel- fasern und Sehnen schief aneinander stossen, nur eine Kontiguität derselben und freie Enden der Muskelfasern sich finden, mithin bei allen halb- und ganzgefiederten Muskeln, bei denen, deren Ansatzsehnen membranös beginnen (Soleus. Gastrocnemius) und die von den Flächen, von Fascien, Knochen und Knorpeln ent- springen. Wo dagegen Aponeurosen oder Sehnen mit ihren Elementen geradlinig an Muskeln anstossen, kommt vorzugsweise ein wirklicher Übergang der Sehnenbündel in Muskelfasern vor.“ Während Kölliker hier die beiden Arten des Sehnenüberganges einfach nebeneinander verzeichnet, kommt er später, im Jahre 1867 (9, 8. 163), dahin, den geradlinigen Übergang, obwohl er ihn bei den Intercostalmuskeln noch abbildet. vornehmlich durch „die neuen Untersuchungen von Biesiadecki und Herzig“ ver- anlasst, weil er nur scheinbar sei, zu verwerfen: „und stimme ich somit bei, dass es überall nur eine Endigungsweise der Muskeln an Sehnen gibt“, nämlich die mit abgeschlossenem Sarko- lemma, eine Auffassung, die durch die Isolation der Muskelfasern mit starker Kalilösung gestützt wird. Die gleiche Anschauung spricht er noch in dem ersten Bande der 6. Auflage seines Handbuches (18559) aus. Dieser Standpunkt Köllikers wurde im Jahre 1861 wesentlich durch Weismann (21) begründet. Er prüfte die alte Reichertsche Angabe, dass zwischen dem von Reichert als „bindegewebig“ betrachteten Sarkolemm und dem Sehnengewebe Kontinuität bestehen sollte, und entschied sich auf Grund der Isolation der Fasern mit 35 prozentiger Kalilauge nach einer auf die verschiedenen Tierklassen ausgedehnten Untersuchung dahin, dass das Sarkolemm als geschlossener Schlauch das Sehnenende der Faser überzieht und eine Kontinuität mit dem Sehnengewebe 310 Oskar Schultze: nicht besteht. Die Verbindung der Faserenden mit der Sehne findet nach Weismann nur durch Verklebung vermöge einer Kittsubstanz auf zweifache Art statt, je nachdem der Faseransatz an der Sehne schief oder geradlinig erfolgt, und zwar „in der Weise, dass die einfache Verklebung da eintritt, wo Muskel- enden mit einer Sehnenfläche verbunden werden sollen, die Einhülsung des Muskelendes aber in jenen Fällen, wo die Richtung der Sehnenfaser und des Primitivbündels dieselbe ist“. Die Reiehertsche Auffassung des kontinuierlichen Übergangs des Sarkolemms in das Bindegewebe der Sehne hatte auch Leydig (10) vertreten, indem er zugleich eine Abbildung von Ixodes gab. Nach den Kölliker-Weismannschen Angaben hat man sich aber gewöhnt, auch in den Fällen geradlinigen Übergangs der Muskelfasern in die Sehnenfasern die Kontinuität als eine nur scheinbare zu bezeichnen, indem man das Sehnen- gewebe ausschliesslich als Fortsetzung des Perimysiums ansieht (siehe auch die Abbildung 294 in Freys Handbuch der Histo- logie, 5. Auflage, 1876, sowie die von Stöhr 18, Fig. 125). Im Jahre 1555 widmete Ranvier (14) der Frage von dem /usammenhang der Muskeln und Sehnen eine ausführliche Be- sprechung. Sie hat für uns hier deshalb besonderes Interesse, weil der französische Histologe auch das Verhalten in dem sarko- plasmareichen Rückentlossenmuskel von Hippocampus berücksichtigt hat. Zunächst hebt er hervor, „dass die Annahme früherer Histologen, dass die Muskelfaser und die Sehnenfaser unter sich zusammenhängen“, eine Täuschung sei. Ranvier glaubt nämlich das wahre Verhalten durch Behandlung der Muskeln mit Kalı- lauge — ähnlich wie Weismann — und mit heissem Wasser (55°) feststellen zu können. Die letztere Methode zieht er bei weitem der Kalimethode vor. Kleine Stücke des erhitzten M. gastrocne- mius wurden auf dem Objektträger so zerzupft, dass die Fasern sich isolieren, ohne sich von den Sehnenbündeln der Achillessehne zu lösen. Die kontraktile Substanz der Faser löst sich an dem Faserende innerhalb des Sarkolemmschlauches ab und retrahiert sich, so dass das Sarkolemm an dem Faserende als leerer Schlauch eine Strecke weit freiliegt (siehe Fig. 173, S. 476). An dem äussersten Ende erscheint das Sarkolemm als doppelter Kontur; an ihm haften die Sehnenfasern so innig, dass eine Trennung beider unmöglich wird. Ranvier nimmt nun einen zweifachen Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 311 Kitt an dem Faserende an: „Der eine würde die Muskelfaser mit dem Sarkolemm verbinden und sich bei einer Temperatur von 55° auflösen; der andere das Sarkolemma mit dem Becher der Sehne vereinigen und bei dieser Temperatur seine ganze Festig- keit behalten.“ Anders ausgedrückt: Die Innenfläche des Sar- kolemms ist am Sehnenende der Muskelfaser loeker mit den Mvofibrillen, die Aussenfläche fester mit den Sehnenfibrillen verkittet. Ausser der Froschmuskulatur hat Ranvier dann die Muskelfasern des Rückenflossenmuskels von Hippocampus untersucht und eine Abbildung des Sehnenendes einer Faser an einem Osmiumsäureglycerinpräparat bei 450 facher Vergrösserung (Fig. 174, S. 478) gegeben. Er beschreibt richtig, dass jede Muskel- faser ein eigenes Sehnenbündel besitzt, welches aussen an dem die Faser an ihrem Sehnenende überziehenden Sarkolemm ansetzen soll. An der schematisch gehaltenen Abbildung lässt sich manches aussetzen, wie sich aus meiner unten zu gebenden ausführlichen Beschreibung ergeben wird. Die im übrigen ja völlig richtige Angabe Ranviers, dass das Sarkolemm das Sehnenende der Muskelfaser ebenso wie die ganze Faser umhüllt, führte Ranvier, wie auch die meisten heutigen Histologen, zu dem begreiflichen Schluss, dass eine Kontinuität von Sehnenfasern und Muskelfasern unmöglich sei. Wie ich aber bereits berichtet habe und weiter unten ausführlich begründen werde, liegt die Lösung des Rätsels darin, dass das Sarkolemma am Sehnenende der Faser durch die kontinuierlich verbundenen Muskel- und Sehnenfibrillen durch- bohrt wird — ähnlich wie die Zellmembranen der Pflanzenzellen an den Tüpfeln von den Plasmodesmen durchbohrt werden. Die Ranviersche Auffassung hält immerhin noch insofern eine gewisse Beziehung der Sehnenfibrillen zu der Muskelfaser aufrecht, als sie die Sehnenelemente an der Faser sich ansetzen lässt, eine Beziehung, die in der zurzeit herrschenden Ansicht nicht zur Geltung kommt, denn nach dieser ist ja die Sehne lediglich die Fortsetzung des muskulären Bindegewebes, das ist des Perimysiums. Und doch, wie wenig befriedigend muss uns diese Angabe bzw. eine solche Einrichtung scheinen, wenn wir uns eine Vorstellung von der Kraftübertragung der Muskelfasern an dem Ursprungs- und dem Ansatzende machen wollen. So ist es auch nicht zu verwundern, dass schon mehrere Autoren für einen innigeren histologischen Zusammenhang von Muskel und Sehne Archiv f. mikr. Anrat. Bd.79. Abt. 1. ; 21 312 Oskar Schultze: eingetreten sind. Hierher gehören A. Fick, G. R Wagener und C. Golgi. A. Fick (2) gab auf Grund der einfachen Methode des Abzupfens der Muskelfasern des M. gastrocnemius vom Frosch von der Sehne im frischen oder konservierten Zustande an, dass von einer „Verklebung“ der Fasern mit der Sehne nicht die Rede sei, sondern dass sowohl bei schiefem als bei geradlinigem Über- gang der Fasern in die Sehne zu jeder Faser ein bestimmtes Sehnenbündel gehört. und dass „das einer Muskelfaser zugeord- nete Sehnenbündel in ihr Sarkolemma schlauchartig übergeht, und dass auch innerhalb dieses Schlauches noch Sehnenfäden mit den Fibrillen des Muskels im Zusammenhang stehen. Dass die letzteren Sehnenfäden sich zwischen die Fibrillen fortsetzen, mag höchst wahrscheinlich sein, ich sehe aber nicht die Möglichkeit. dafür mit dem Mikroskope einen Beweis zu führen.“ Für den M. gastroenemius der Maus und des Menschen gilt nach dem Autor dasselbe. Die Abbildungen lassen leider recht zu wünschen übrig. Vollkommen fehlen solche gleichfalls den kurzen Angaben Wageners (19). Die diesem Forscher zugeschriebene Konti- nuität von Muskel- und Sehnenfibrillen trifft zunächst, wie seine Schilderung ergibt, für Petromyzon nicht zu. Die beschriebene Kontinuität besteht nach dem Autor darin, dass die Sehnen- substanz, „ohne dass sich eine Grenze auffinden liesse, mit einem sparsam kernhaltigen, verhältnismässig weichen Protoplasma in Verbindung steht. Diese Substanz findet sich zwischen den Muskelfibrillen.“ Das heisst doch mit anderen Worten, die Sehnen- fibrillen gehen in das Sarkoplasma über. Bei Froschlarvenrumpf- muskeln und jungen Fischen „ziehen Muskelfibrillen in die Sehne hinein“. In anderen Fällen „laufen die Fibrillen, allmählich ihre Querstreifung verlierend, in der Sehne in feine, lange, kaum sichtbare Spitzen aus“. Weiterhin sagt Wagener: „Es schien sehr häufig eine einzelne Fibrille sich in eine Sehnenfibrille fort- zusetzen. Man musste der Vorstellung Raum geben, es setze sich die Fibrillenscheide des Muskelprotoplasma allein in den Sehnen- faden, aber zusammengefallen, fort. Die Sehnenfaser sei somit ein zusammengefallenes Rohr oder abgelöste Falte des dicker gewordenen, als Sehne sich fortsetzenden Sarkolemms. Ob dies der Fall war, blieb unentschieden.“ Nach diesen Angaben kann man kaum sagen, dass Wagener einen unmittelbaren Übergang Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 313 von Muskelfibrillen in Sehnenfibrillen schon vor 40 Jahren be- schrieben habe. Bezüglich des Cramptonschen Muskels im Vogelauge sagt Wagener allerdings ganz kurz: „Reisst man das Periost mit dem Muskel zusammen vom Knochenringe ab, so sieht man die Bindegewebsfäden, welche sich unmittelbar in der Nähe des Muskels befinden, direkt vom letzteren ausgehen. Es würde eine dem mikroskopischen Bilde entsprechende Aus- drucksweise sein, wenn man sagt, jede Muskelfibrille geht in eine Sehnenfibrille über.“ Interessant und jedenfalls (auch mit Rück- sicht auf die Angaben von Podwyssozki über die Endigung der Muskelfasern in der Lippenhaut des Kaninchens (13) und die Diskussionsbemerkung von A. Kohn im Anschluss an meinen Leipziger Vortrag) der Nachuntersuchung wert ist die Angabe Wageners, dass die aus der Auffaserung der verzweigten Muskeln in der Froschzunge hervorgehenden Primitivfibrillen schliesslich homogen werden bzw. „in einen Bindegewebsfaden “ übergehen. Alles in allem waren die Angaben Wageners so kurz und zum Teil so unbestimmt, dass es nicht zu verwundern ist, wenn denselben keine Beachtung geschenkt worden ist. Im Jahre 1850 berichtete Golgi (5) ohne spezielle Angabe der untersuchten Muskeln, dass zwischen Muskel- und Sehnen- gewebe innige Verbindung bestehe, derart dass die Muskelfibrillen direkt in die Sehnenfibrillen übergehen. So erkläre sich gut, dass bei dem Muskelriss der Zusammenhang von Muskel und Sehne erhalten bleibt. Golgi sieht in der fibrillären Kontinuität einen deutlichen Beweis für die fibrilläre Struktur der Muskel- faser. Auch weist er sowohl auf die nahe embryologische Ver- wandtschaft von Muskel- und Bindegewebe als auf die pathologische Bedeutung der Tatsache des genannten Zusammenhangs hin. In dieser Hinsicht ist auch die aus dem Jahre 1352 stammende Arbeit Golgis (6) von Bedeutung, worauf jedoch ausführlich einzugehen mir fern liegt. In dieser Abhandlung beschreibt der italienische Forscher an den Muskelfaserenden aus dem M. quadriceps und von der vorderen Extremität des Kaninchens einen allmählichen Übergang der Fasern in das Sehnengewebe, derart, dass die Myo- fibrillen sich kontinuierlich in die Sehnenfibrillen fortsetzen. Die Muskelfasern splittern sich an dem Sehnenende, wie das besonders in den Abbildungen auffällt, förmlich in die Sehnenfibrillen auf, wobei die Muskelfaser zunächst in eine Anzahl von Spitzen (seg- 21* 314 Oskar Schultze: menti) sich auflöst. Leider wurde das Verhalten des Sarkolemms nicht berücksichtigt. Die sämtlichen Angaben über die Kontinuität von Muskel- faser und Sehne haben keine Anerkennung gefunden, so dass wir heute in den Lehrbüchern, wesentlich auf Grund der Tatsache, dass das Sarkolemma auch das Faserende umhüllt, allgemein nur von einer Kontinuität und Verkittung der Faserenden mit der Sehne lesen. Auch haben sich die meines Wissens letzten Autoren auf unserem Gebiet, Motta-Coco und Ferlito (12), in einer allerdings wenig befriedigenden kurzen Arbeit gegen die Golgi- sche Kontinuitätslehre auf Grund der Untersuchung des M. gastro- enemius vom Frosch ausgesprochen. Eigene Beobachtungen. Hippocampus. Präpariert man zum erstenmal die Rückenflossenmuskulatur des Seepferdchens, indem man mit einer feinen, genügend starken Schere an der Basis der Flosse das Integument samt dem be- treffenden Teil des Hautskelettes, ohne die zarte Muskulatur zu verletzen, in der Weise abträgt, wie es in Fig. 1 auf der linken Seite eines Hippocampus in natürlicher Grösse dargestellt ist, so ist man erstaunt. einen im Gegensatz zu den übrigen weissen Muskeln des Tieres schön roten Muskel zu finden. Dieses Ver- halten stimmt zu dem Sarkoplasmareichtum und der starken Inanspruchnahme des Muskels. Genau genommen besteht der Muskel aus 15-20 fast zylindrischen, etwa 0,5 em langen und einige Zehntelmillimeter breiten, parallel laufenden und gut isolierbaren Finzelmuskeln, die senkrecht gegen die Flosse ziehen. Jeder Einzelmuskel geht in eine ziemlich starre Sehne über, velche zu dem entsprechenden Flossenstrahl läuft. Dabei wird die bilateral symmetrische Muskulatur in der Medianebene durch die hohen Dornfortsätze und zwischen diesen ausgespanntes festes Bindegewebe getrennt. Zum Zwecke der Konservierung habe ich niemals die zarte Muskulatur herausgeschnitten, sondern stets die obere und die untere Körperhälfte dicht an der Flosse in querer Richtung abgetrennt, dann die Muskulatur rechts und links vollständig freigelegt und von dem Bauch des Tieres den Rest bis zum Ursprung der Muskulatur abgetragen. Dieses Präparat habe ich dann (samt der Rückenflosse) in toto konserviert. Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 315 So werden die Muskeln in ihrer Lage und natürlichen Spannung erhalten und lassen sich nachher zur weiteren Untersuchung, sei es für direkte Präparation und Isolation der Fasern samt dem zugehörigen Sehnenbündel, sei es zur Gewinnung geeigneter Stückchen für die Schnittuntersuchung, unter dem Doppelmikroskop leicht weiter verarbeiten. Ich beschreibe nun zunächst das Ergebnis der direkten Präparation. Die Isolation der frischen Muskelfasern!) wit Präparier- nadeln in 0,5 proz. Kochsalzlösung unter dem Doppelmikroskop ist verhältnismässig leicht, und obwohl die Fasern das Bild beein- trächtigende Kontraktionserscheinungen zeigen, gelingt es doch, tadellose Faserenden von der Insertionssehne samt zugehöriger Sehnensubstanz zu erhalten. Man überzeugt sich bald, dass hier besonders bemerkenswerte und für die Untersuchung günstige Verhältnisse vorliegen. Bei Betrachtung der Faserenden mit der Immersionslinse kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Sehnenfibrillen direkt aus der Muskelfaser heraus- treten, um so mehr, als ein Perimysium fast fehlt und dennoch ein sehr kräftiges Sehnenfaserbündelchen an jeder einzelnen Faser haftet. Auch sieht man, dass das sehr reichliche Sarkoplasma sowohl eine starke Randschicht der Faser, als sehr breite An- sammlungen zwischen den Muskelsäulchen bildet. Die kontraktile Substanz scheint noch in der Faser aufzuhören, sodass homogene Fibrillenbündel den Endteil der Muskelfaser mit ihrem reichlichen Sarkoplasma durchsetzen, bevor sie sich zusammenlegen und meist unter Verschmälerung der Muskelfaser in das zugehörige Sehnen- bündelchen übergehen. Konserviert man ein auf die beschriebene Weise erhaltenes Flossenmuskelpräparat in I proz. möglichst kühl gehaltener Osmiumsäure 24 Stunden lang, so lässt sich leicht in Aqua destillata — immer unter dem Doppelmikroskop — die gesamte Muskulatur der einen Seite vom Ursprung lospräparieren. Dann schält man sie mit der Staarnadel von den langen Dornfortsätzen vorsichtig los, immer darauf bedacht, die Kontinuität der Muskel- bündel mit den zarten Sehnen zu erhalten und schneidet schliesslich mit feiner Schere die Sehnen dicht oberhalb der Stelle, an welcher !, Ich benutzte ausser frischem Material in Triest auch lebend von Rovigno nach Würzburg gesandte Hippocampi. 316 Oskar Schultze: sie aus den Bündeln kommen, ab. Man kann nun leicht ein ganzes Bündel (Einzelmuskel) isolieren und in Wasser auf dem Objekt- träger weiter präparieren. Man überzeugt sich ohne weiteres, wie ausserordentlich spärlich das Perimysium zwischen den Fasern ist. Es beschränkt sich an jeder Muskelfaser auf einige wenig auffallende Fasern, welche Nerven und Capillaren begleiten. Hierdurch wird das Isolieren der einzelnen Fasern, indem man einen Teil eines Bündels wählt, sehr erleichtert. Ohne Mühe kann man bei starker Vergrösserung jede Faser der Länge nach isolieren. Man erhält so die typischen Übergangsstellen jeder einzelnen Faser in ein scharf begrenztes Sehnen- bündelchen (Fig. 2). Die Isolierung wird dadurch erleichtert, dass die Fasern eine sehr günstige, nicht brüchige Konsistenz behalten haben. In der Abbildung 3 sind zwei Endstücke von Fasern bei schwacher Vergrösserung nach einem solchen Osmium- präparat (in Wasser liegend) dargestellt. Bei der gewählten Vergrösserung war die Querstreifung eben sichtbar. desgleichen die den Fibrillenbündeln entsprechende Längsstreifung. Am auf- fallendsten ist wieder der breite Sarkoplasmamantel, der an dem Ende der Faser über die etwas dunkler erscheinende kontraktile Substanz ein wenig herausragt und so eine etwas hellere Kappe darstellt. die vorn mit konvexem Rande endet. Ob das Sarkolemma in diesen Rand übergeht oder, wie es zunächst den Anschein hat, sich auf das zur Faser gehörige Sehnenbündel fortsetzt, lässt sich bei dieser Vergrösserung nicht entscheiden. Ein anderes Bild finden wir in Fig. 4 von einem mit Osmiumsäure konservierten und in destilliertem Wasser isolierten Faserende. Auf ihm fehlt jegliches Perimysium, indem das Sarkolemm die Faser aussen scharfrandig abschliesst. Und doch haftet ein kräftiges Sehnenbündel an der Faser. Das Bild passt offenbar auf den ersten Blick vortreftlich zu der Ranvierschen Darstellung des Ansatzes bzw. Ursprunges der Sehnenfasern an dem Sarkolemm. Denn dieses schliesst ja doch, wie leicht zu sehen, die Faser an ihrem Ende scharf konturiert ab, Perimysium ist nicht vorhanden, also können — so sollte man schliessen — die Sehnenfibrillen doch nur an der Aussenfläche des Sarkolemms „angekittet“ sein. Und doch ist dies eine Täuschung, wie freilich erst aufmerksame Untersuchung lehrt. Das Bild 4 entspricht nämlich immer nur der hohen oder tiefen Einstellung Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 31 des Faserendes, bei Einstellung auf die Achse aber tritt das Fibrillenbündel aus der Faser durch das Sarkolemm hindurch heraus. Dies unzweifelhaft festzustellen gelingt an isolierten Fasern, sobald sie eine für den Beobachter günstige Lage haben. Weiterhin erhält man an Faserpräparaten, die mit Osmium- säure von 0.2°/o behandelt wurden, instruktive Bilder. Die kontraktile Substanz wird in der schwächeren Osmiumsäure brüchiger und bei der Isolation der Fasern mit Nadeln unter starker Vergrösserung des Doppelmikroskops kommt es nicht selten vor, dass die Fibrillen aus der Muskelfaser herausgezerrt werden und oft recht lange, fast leere Sarkolemmschläuche in dem Präparat unter den Augen des Präparanten entstehen. Fig. 5a und b rühren von einem solchen Präparate her. Man sieht nur das Faserende dargestellt. Es besteht nunmehr aus einem nur noch reichliches kernhaltiges Sarkoplasma enthaltenden Sarkolemmschlauchende. Bei a ist dieses in hoher Einstellung gezeichnet, bei welcher das Sarkolemm scharfrandig und (scheinbar) geschlossen gegen das bei dieser hohen Einstellung verschwommen erscheinende Sehnenbündel hervortritt. Bei tieferer Einstellung der Immersion ändert sich das Bild sofort in auffallender und klarer Weise. Die Sehnenfasern treten nun scharf hervor und sind innerhalb des fast leeren Sarkolemmschlauchs eine Strecke weit deutlich zu sehen. Sie durchbohren das Sarkolemm. Wie sie sich innerhalb der Faser zu den Myofibrillen verhielten, ob sie zwischen diesen im Sarkoplasma endigten oder in diese sich direkt fortsetzten. ist freilich nicht mehr zu entscheiden; ebensowenig war dies in dem Falle der Fig. 6 von einem 14 Tage in Osmium 0,2°/o gelegenen Muskelbündel möglich, obwohl der Eindruck der ist. dass hier die in die Faser hineinlaufenden Sehnenfibrillen an den Myofibrillen in der Faser abgerissen sind. Handelte es sich in den beiden letzten Fällen schon um instruktive Mazerationsbilder, so lassen sich auf andere Weise diese noch vermehren. Legt man z. B. kleine Teile der Musku- latur mit den zugehörigen Sehnen in Chromsäure von 0,01 °/o, so kann man nach ein bis drei Wochen die Fasern leicht isolieren. Die Mazeration ist so weit vorgeschritten, dass an vielen Fasern Sarkolemm und der periphere Sarkoplasmamantel zerfallen sind und das nackte Primitivfibrillenbündel vorliegt. An den Faser- enden ist das zu der Faser gehörige Sehnenbündel oit gut 318 Oskar Schultze: erhalten und bildet auch jetzt noch ein Kontinuum mit dem Myofibrillenbündel, ein deutlicher Beweis dafür, dass von einer nennenswerten Beteiligung des Perimvsiums, das ja ebenso wie das Sarkolemm fehlt, an der Sehnenbildung hier keine Rede sein kann. Den gleichen Beweis konnte ich auf folgende Weise erreichen. Ein Flossenmuskelpräparat war 24 Stunden in Formol (1:4 Aqua destill.) und dann 12 Tage in Alkohol absol. konserviert worden. Diesem Präparat wurden entsprechend kleine geeignete Stücke entnommen und nach Auffaserung auf dem Objektträger — immer unter der Doppellupe — in Essigsäure von 20°/o eingelegt. Nach vier Tagen wurden die durch die Säure etwas aufgehellten Par- tikel auf dem Objektträger in der Säure noch weiter in die Einzelfasern gespalten. Die Essigsäurewirkung war zwar infolge der genannten Vorbehandlung gemildert, hatte jedoch das Peri- mysium, sowie bei den meisten Fasern das Sarkolemm und einen Teil des Sarkoplasmas zerstört. Das Sehnenbündel war, wenn auch etwas verquollen, deutlich erhalten geblieben. Fig. 7 ist nach einem solchen Präparat gezeichnet. Man sieht innerhalb des Faserendes, das sich durch einen bogenförmigen, vielleicht noch einem Sarkolemmrest entsprechenden Kontur von dem Sehnen- bündel abgrenzt. die durch reichliches Sarkoplasma getrennten Fibrillenbündelchen („Muskelsäulchen“, in diesem Falle sieben) mit deutlicher (Juerstreifung. Diese hört aber in einer gewissen Entfernung von dem Ende der Faser noch innerhalb derselben auf. Die Muskelsäulchen werden homogen und gehen — bei dieser Einstellung nur beiderseits, nicht in der Achse der Faser deutlich — zum Teil direkt in die welligen Fasern des Sehnenbündelchens über. Hier liess sich durch die Einstellung und leichte Rotation des Präparates um seine Längsachse mit Sicherheit erkennen, dass sämtliche Fasern des Sehnenbündels die direkten Fortsetzungen der M’uskelsäulchen waren. Die Präparation mit feinsten Nadeln erlaubt aber noch weiteres zu erkennen. Bei der Zerlegung der Muskulatur waren mir mehrfach auffallend dünne und zugleich viel sarkoplasma- ärmere Fasern aufgefallen. Ich konnte dann feststellen, dass diese Fasern ganz zarte, mit freiem Auge kaum sichtbare besondere, dicht an den Dornfortsätzen gelegene Bündelchen weniger Fasern bilden, die an der Basis der Dornfortsätze entspringend, von der übrigen Muskulatur der Rückenflosse bedeckt werden und in Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 319 ganz zarte Sehnen übergehen. Das Ende einer solchen zarten Faser ist in Fig. 8 abgebildet. Das betreffende Muskelpräparat war in Formol-Alkohol (Formol 1, Alkohol abs. 2) 24 Stunden und dann in Alkohol abs. ebenso lange zur Schnittuntersuchung eingelegt worden. Winzige Sehnenendenstücke wurden in eine Mischung von Alkohol 96°/o und Kaliumbichromat 1°/o (in Aq. dest.) für 24 Stunden (im Dunkeln) aufbewahrt und dann in einer gereiften 0,5 proz. Hämatoxvylinlösung in 70°/o Alkohol gefärbt. Die überschüssige Farbe wurde einige Stunden lang mit 70 proz. Alkohol extrahiert. Im diesem oder in einem von mir vielfach benutzten schwach lichtbrechenden Medium, das zu gleichen Teilen aus Kali aceticum, Aq. dest. und Methylalkohol besteht, lassen sich auf dem Objektträger die einzelnen Fasern an den Sehnenenden unter dem Doppelmikroskop ganz fein aufsplittern und isolieren. Hat man mit Feile und Schleifstein für feinste Spitzen an den Nadeln gesorgt, so kann man nicht nur die gewöhnlichen sarko- plasmareichen Fasern des Muskels, sondern auch die oben genannten feinsten Muskelfasern an den Selinenenden mit den Sehnenbündeln noch spalten und so die Myofibrillen bzw. Bündel von Myotibrillen isolieren. Die die Hauptmasse des Muskels bildenden dicken Fasern sind für die Gesamtbetrachtung zu dunkel gefärbt: sehr gute Bilder aber liefern — bei der Untersuchung in schwach lichtbrechenden Medien — die genannten dünnen Fasern. Die anisotrope Substanz der Faser, wie auch der Streifen 7, erscheinen tief dunkel und so ist die Methode sehr geeignet, um sich zu überzeugen, dass innerhalb der Faser nach dem Sehnenende hin (siehe Fig. 8) die Querstreifung ganz allmählich aufhört und die kontraktilen Fibrillen in homogene Fäserchen übergehen. An der dargestellten Faser war der Sarkoplasma- mantel relativ breit, während er an den meisten der dünnen Fasern nicht stärker ist als bei jeder gewöhnlichen quergestreiften Muskelfaser. So erschien an dieser Faser das Sarkolemm sehr deutlich, verlor sich aber, auf das Sehnenbündel übergehend, in so unbestimmter Weise, dass das genauere Verhalten hier nicht — wie sonst (siehe weiter unten) — erkannt werden konnte. Hat man nun, wie oben erwähnt, die in der eben beschriebenen Weise gefärbten Muskelfasern an den Sehnenenden in die Fibrillen zerteilt, so erhält man Bilder wie in Fig. 9. Schon mit starken Trockensystemen erkennt man deutlich, dass die Muskel- 320 Oskar Schult’ze: fibrillen mit den Sehnenfibrillen ein Ganzes bilden. Eine Täuschung ist hier ganz ausgeschlossen, da die Fibrillen- bündel mitten aus dem reichlichen, sie am Sehnenende der Faser umhüllenden Sarkoplasmamantel isoliert wurden, von etwaigem intermuskulärem Bindegewebe also gar keine Rede sein kann. Mit der Immersion kann man dann völlig sicher schon an diesen /upfpräparaten, also ohne Schnittuntersuchung, feststellen, dass die einzelne Myofibrille ihre Zusammensetzung aus isotropen und anisotropen Teilchen verliertundsich kontinuierlich in die Sehnenfibrille fortsetzt. So ergeben sich schon bei relativ einfacher Untersuchung bemerkenswerte Resultate. Sie werden vollständig bestätigt und er- weitert durch die Schnittuntersuchung. Als Konservierungsmittel benutzte ich eine ganze Anzahl: Osminmsäure 1°; Osmiumsäure 2°/o 3 Teile + Kaliumbichromat 2°/o 1 Teil; Formol 1:4 Aq. dest.; Formol 1:9 Aq. dest.; Formol 1 — Alk. abs. 2; Formol 20 + Kaliumbichromat 3°/o SO; Flemmings Chromosmiumessigsäure. Ich beschränke mich jedoch hier auf die Beschreibung der Herstellung weniger Präparate, das sind die- jenigen, welche mir die besten und beweisendsten Ergebnisse lieferten. In der oben (S. 319) beschriebenen Weise mit Formolalkohol, Kaliumbichromatalkohol, Hämatoxylin (Hämatein) usw. behandelte, winzige, nur wenige Zehntelmillimeter dicke und ca. 2 Milli- meter lange Stückchen der Sehnenübergänge der Muskeln, Stück- chen, die nur ca. 10—30 Faserenden enthielten, wurden nach Paraffineinbettung und genauer Orientierung entsprechend der Längsachse der Faserenden mit dem neuen P. Mayerschen Tetrander-Mikrotom in Serien von 2 « zerlegt. Unbedingt nötig ist zwar die Anfertigung von Serien nicht, aber sie ist doch sehr zu empfehlen, da man bei der Durchsicht der Serien jede Einzel- faser genau in mehreren Schnitten vor sich hat und die Rand- schnitte mit denen, welche genau der Längsachse der Faser bzw. des Sehnenbündelchens entsprechen, die natürlich die günstigsten sind, vergleichen bzw. kombinieren kann. Auch läuft man sonst (Gefahr, aus Randschnitten — ebenso wie aus ungenügend geprüften, ganzen, durch Präparation gewonnenen Faserenden (siehe oben) — falsche Schlüsse zu ziehen. Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 321 Bereits früher habe ich kurz angegeben, dass ich, um einer naturgetreuen, Zerrungen, Schrumpfungen, Zerreissungen, abnorme Spaltbildungen und dergleichen vermeidenden Paraffineinbettung ein für allemal sicher zu sein, die Objekte aus dem Alkohol von 96°/o (d. h. reinem Spiritus, also ohne Anwendung von Alkohol absolutus!) in eine Mischung von 2 Teilen Alkohol 96°/o und 1 Teil Collodium 4°/o Ph. G. IV für 24 Stunden (oder länger, je nach Grösse) in dicht verschlossener Schale übertrage. Dann kommen die Stücke in Chloroform-Cedernöl zu gleichen Teilen, wo sie bald untersinken, und hieraus sofort in das (einmal zu wechselnde und im Schmelzpunkt zu steigernde) Paratfin. Paraffin- ÖI-Mischungen einzuschalten, ist hierbei zwecklos. Diese Methode ziehe ich allen anderen, besonders den komplizierten Celloidin- Paraffin-Methoden, die ich alle ausprobiert habe, vor. Die geringe Menge Collodium im Präparat wirkt nicht störend, bzw. ist und bleibt unsichtbar, hält aber die Teile gut zusammen. Die Spiritus- eollodiumlösung muss immer ganz dünnflüssig sein und darf sich nieht durch Verdunsten eindicken. In Fig. 10 sehen wir den Längsschnitt (Dicke 2 «) durch zwei in der beschriebenen Weise behandelte Faserenden. Zwischen ihnen ist ein Stück eines zu einer benachbarten nicht getroffenen Faser gehörigen Sehnenbündels sichtbar. Der Schnitt war in Cedernöl montiert und ist bei Zeiss’ homogener Immersion 2 mm Apert 1,4 Komp.-Ok. 6 gezeichnet. An beiden Fasern sieht man das reichliche feinkörnig erscheinende, tatsächlich feintädige Sarko- plasma sowohl zwischen den Muskelsäulchen (Fibrillengruppen) der Fasern als in dicker Mantelschicht. Das betreffende Präparat, natur- getreu von unbefangenem Zeichner dargestellt, lässt jeden Zweifel an dem ganz typischen und in allen guten Präparaten immer wiederkehrenden Verhalten ausschliessen: Die Myofibrillen verlieren noch innerhalb der Muskelfaser ihre typische Struktur und gehen in die Sehnenfibrillen über. Diese liegen also zunächst noch innerhalb des Sarkoplasmas und des Sarkolemmas. Dann durch- bohren sie das Sarkolemm, um ausserhalb desselben das typische zu der betreffenden Faser gehörige Sehnenbündel zu bilden. Mit den besten Systemen lassen sich an derart dünnen Schnitten die einzelnen Muskelfibrillen optisch isolieren, so dass man die Kon- ‘) Ersparnis in Laboratorien! 322 Oskar’Schultze: tinnität jeder einzelnen Fibrille mit einer Sehnenfibrille feststellen kann. (Vergleiche auch meine frühere Abbildung Nr. 16, Taf. I, Fig. 2.) Interessante Ergebnisse hinsichtlich des färberischen Ver- haltens kann man schliesslich noch erzielen, wenn man die auf den Objektträger aufgeklebten, mit Uhromhämatoxylin vorbehandelten Schnitte mit Pikrofuchsin (nach Gieson) nachfärbt oder auch die kleinen Stücke vor dem Schneiden und Einbetten nach Vor- färben mit Chromhämatoxylin in toto mit Säurefuchsin (1: 100 Ag. dest.) nachfärbt. Ein derartig behandeltes Präparat ist in Fig. 11 abgebildet. Die Kontinuität der Myofibrillen und Sehnen- fibrillen und die Durchbohrung des Sarkolemms sind in der gleichen Weise wie in Fig. 10 deutlich zu erkennen. Zugleich sieht man, dass sich die Rotfärbung des Sehnenbündels, indem dieses sich sozusagen innerhalb der Muskelfaser auflöst, in die Muskelfaser hinein erstreckt, hier aber bis gegen die Stelle hin, an welcher die Sehnenfibrillen in die Myofibrillen übergehen, all- mählich verblasst, ein färberisches Verhalten, das wohl als ein Zeichen dafür aufgefasst werden kann, dass auch chemisch der Übergang der Myofibrille in die typische leimgebende, mit Fuchsin S stark färbbare Fibrille sich allmählich vollzieht. Durch die Färbung mit Fuchsin ist man auch imstande, das fast völlige Fehlen des Perimysiums zwischen den leicht isolierbaren Fasern und die Zugehörigkeit je eines Sehnen- bündelchens zu einer Muskelfaser ohne weiteres zu demonstrieren, wie das die Fig. 12 und 13 zeigen. Diese beiden sind Schnittserien von 10 « Dicke entnommen. Die Muskulatur war in Formol 1 Tl. zu Aqua dest. 4 Tle. einen Tag lang und dann einige Wochen in Alkohol absol. konserviert worden. Die Serie, welcher Fig. 12 entstammt, war ungefärbt aufgeklebt und mit Pikrofuchsin gefärbt worden. Der braune Ton der Muskelfasern tritt gegenüber dem roten der Sehnenbündelchen deutlich hervor. Aus der Serie habe ich hier absichtlich im Gegensatz zu dem Präparat der Fig. 13 einen insofern günstigen Schnitt ausgewählt, als an vier Muskelfaser- enden scheinbar ohne Kontinuität mit den Fasern, die Sehnen- bündel an dem Faserende bzw. an dem Sarkoiemm ‚ansetzen‘. Aber es liegen hier, wie aus der Serie leicht festzustellen war, vier Randschnitte von Muskelfasern vor. Das kann nicht genug hervorgehoben werden. Hier darf aber nicht vergessen Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 325 werden, eines Verhaltens zu gedenken, das besonders die peri- pheren Fasern der kleinen „Einzelmuskeln“ des Flossenmuskels am Übergang in die Sehne zeigen. Sowohl aus der einfachen Präparation und der Isolation der Fasern. wenn man diese unter dem Doppelmikroskop bei starker Vergrösserung um ihre Längsachse rotiert, als aus den Serien ergibt sich nämlich, dass nicht selten das Sehnenbündelchen nicht genau in der Richtung der Längs- achse aus der Faser austritt, sondern einseitig. Vielleicht ist dies aber nur ein unnatürliches, durch die Konservierung bzw. Schrumpfung bedingtes Verhalten. Im Gegensatz zu dem Randschnitt der Fig. 12 gebe ich in Fig. 13 schliesslich noch aus einer Formol-Alkohol-Serie ein Bild, in welchem in sehr günstiger Weise eine grosse Anzahl von Fasern am Sehnenübergang genau in der Längsachse getroffen sind. Das betreffende Stück war mit Boraxkarmin behufs Kern- färbung vorgefärbt und nachträglich auf dem Öbjektträger mit Pikrofuchsin nachgefärbt worden.') Auch dieses Bild dürfte die beschriebene Kontinuität von Muskelfasern und Sehnen wohl mit aller wünschenswerten Deutlichkeit beweisen. Die Befunde bei Hippocampus verlangten naturgemäss eine weitere Ausdehnung der Untersuchung. Ihr Ergebnis war, dass wir es mit einem allgemeinen Verhalten zu tun haben. Amphioxus. Die mir gerade zur Verfügung stehenden Längsschnitte entsprechender Teile von Amphioxus. welche teils von Helgoländer, teils von Neapler Material stammten und die ich für Nerven- querschnitte angefertigt hatte, lieferten kein befriedigendes Er- sebnis, vornehmlich weil sie über 5 « diek und nicht zweck- entsprechend gefärbt waren. Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Kollegen Zarnik erhielt ich dann von diesem gütigst für mich in Neapel konservierte Amphioxen verschiedener (Grösse, die ein sehr gutes Resultat ergaben. Eine Anzahl war in Formol 1 Teil und Alkohol absol. 2 Teile konserviert und nach drei Tagen in Alkohol von 96°/o übertragen worden, einige andere in Formol 1 Teil und Aqua destillata 9 Teile fixiert und mit Alkohol von 96 °/o nachbehandelt. Kleine, zwei bis drei Myomeren !) Leider war es zur Zeit der Demonstration in Leipzig schon stark absehlasst. 324 Oskar Scehultze: enthaltende, mit dem Rasiermesser abgetrennte und zugeschnittene Stücke (dieke Schnitte) der Dorsal-, Ventral- und Seitenregion wurden in sagittale und frontale Längsschnittserien zerlegt, nach- dem sie in toto gefärbt waren. Aus Alkohol von 96 °/o erfolgte Übertragung in Kaliumbichromat 2° und Alkohol 96% zu gleichen Teilen ?) im Dunkeln, dann in die oben (S. 319) genannte Hämatoxylinlösung, die mehrmals bis sie klar bleibt, gewechselt wird, dann in Alkohol 70°/o (gleichfalls zwei- bis dreimal zu wechseln) für je 24 Stunden. Will man dazu noch das Myoseptum rot färben, so legt man die Stückchen noch 24 Stunden in 1proz. Fuchsin-S-Lösung in 50proz. Alkohol, dann in Alkohol 960, Alkoholeollodium usw. (siehe oben). An den erforderlichen 2 u dünnen Schnitten kamen trotz aller Vorsicht Zerreissungen bzw. Verschiebungen beim Schneiden vor, die jedoch das Resultat nicht beeinträchtigen. Bekanntlich ist die kontraktile Masse bei dem Amphioxus sehr reichlich entwickelt und besteht fast ausschliesslich aus den Muskelsegmenten, die durch dünne Myosepten getrennt sind. In den Myomeren fehlt jegliches Bindegewebe. Wir finden ja auelı keine Muskelfasern, sondern nur zahllose, in der Richtung von vorn nach hinten laufende zierliche quergestreifte Myofibrillen. Die Myosepten sind im allgemeinen sehr feine, d. hı. sehr dünne Platten und die Querstreifung der Myofibrillen reicht in der tegel bis dicht an das Myoseptum (Fig. 14). Man kann jedoch vielfach Stellen finden, an denen eine ganz schmale Zone noch innerhalb des Segmentes beiderseits von dem Myoseptum liegt, in welcher feine, blasse und homogene Fasern in der Richtung der Myofibrillen verlaufen, um dann in das Myoseptum über- zugehen. Da zwischen den Myofibrillen solche Fasern absolut fehlen, gibt es nur die beiden Möglichkeiten, dass diese Fasern in dem Myomer frei endigen oder kontinuierlich in die Myo- fibrillen übergehen. Die Färbung mit Säurefuchsin zeigt, dass diese Fasern dieselbe Rotfärbung annehmen, wie das bindegewebige Myoseptum. Mit dieser Färbung liess sich feststellen, dass die zweite Möglich- keit die zutreffende ist. Die Myofibrillen gehen kon- tinuierlich in die Bindegewebsfibrillen des Myo- 2) Die Mischung ist anfangs trübweiss, hellt sich aber nach Schütteln sofort auf und ist jedesmal frisch zu bereiten. Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 325 septums über, um dann in dieses umzubiegen (siehe Fig. 16—18). Die für dieses Verhalten günstigsten Stellen sind die Umbiegungsstelle der dorsalen in die ventrale Hälfte des Myoseptums sowie die ventrale und die dorsale Kante desselben. An letzter Stelle kommt es sogar durch die noch innerhalb des Muskelsegmentes erfolgende Verklebung einer Anzahl von Binde- gewebsfibrillen zur Ausbildung kleiner, relativ dicker Sehnen- bündelchen (Fig. 17). Ganz abgesehen davon. dass die Kon- tinuität der beiderlei Fibrillen mit voller Deutlichkeit erkennbar wird (Fig. 18), erweist sich Amphioxus gerade dadurch als ein vortreftliches Objekt, als ja, wie gesagt, in den Myomeren gar kein Perimysium vorhanden ist. seine Beteiligung an der Mvo- septenbildung also von vornherein ausgeschlossen ist. Indem die Myosepten sich in eigenartiger (genauerer Untersuchung bedürftiger) Weise aus den in sie einstrahlenden und in sie umbiegenden Bindegewebsfibrillen aufbauen, sind sie als die Aponenrosen der Seitenstammuskeln aufzufassen. Da sie ihrer- seits kontinuierlich in das sich rechtwinklig durchkreuzende Faser- system des Koriums übergehen, erklärt sich nunmehr aus dieser Kontinuität die Wirkung der Stammuskulatur bei der pfeilschnellen Bewegung der Amphioxen viel besser, als durch die bisherige Annahme einer Verklebung oder Verkittung der kontraktilen Fibrillen mit den Myvosepten. Ganz entsprechende Befunde ergab die Untersuchung des Verhaltens der Muskelfasern an den Myvosepten im Schwanze der Larven von Amphibien. An diesem Objekt ist es leicht, genau parallel dem Faser- verlauf zu schneiden, wobei es sich empfiehlt, die nahe der Schwanz- spitze gelegenen Myomeren zu wählen, da hier die Myosepten am breitesten sind. Die Figuren 19 und 20 rühren von Larven her, welche in wässeriger 10 proz. Formollösung (d.h. 10°/» Formol und 90°/o Aq. dest.) konserviert und monatelang aufbewahrt waren. Der Erhaltungszustand der Muskelfasern war hinsichtlich des Sarkoplasmas und des Sarkolemms kein tadelloser, aber das Verhalten der Muskelfibrillen zu den Sehnenfibrillen trat klar hervor. Fig. 19 stammt von einer Larve von Rana temporaria von 1,7 em Länge. Das betreffende Stück des Schwanzes wurde aus der Formollösung in Kaliumbichromat von 2°/o, dann in 326 Oskar Schultze: Alkohol von 50°/o, die oben genannte alkoholische Hämatoxylin- lösung, Alkohol von 70°o und Alkohol von 96°/o je 24 Stunden gebracht und dann eingebettet. In gleicher Weise wurde das der Fig. 20 zugrunde liegende Präparat von einer 2,3 cm langen Pelobateslarve gewonnen. Diese Bilder genügen, um sich zu überzeugen, dass genau dasselbe Verhalten gültig ist, wie bei Hippocampus und Amphioxus, d. h. es besteht innigste Kontinuität von Muskel- und Bindegewebsfibrillen. Sie erfolgt noch inner- halb der Muskelfaser, d. h. innerhalb des Sarkolemms an dem Ende der Muskelfaser, wo zugleich eine reichlichere Sarkoplasma- Anhäufung typisch ist. Auch die Durchbohrung des Sarkolemmas liess sich mit Sicherheit beobachten. Auch an dem von dem Schwanze einer 5 em langen Triton eristatus-Larve gewonnenen Fibrillenbündel der Fig. 21 liess sich an dem 3 « dicken Schnitte der Übergang jeder der einzelnen Muskelfibrille in eine Fibrille des Mvoseptums deutlich feststellen. Das Objekt war in Formolalkohol (1:2), Alk. absol., Kaliumbichromat 1° /o — Alkohol 96 °/o ««, Häma- toxylinlösung, Alkohol 70%, 96° o, Aqua destillata, Fuchsin S 1:100 Ag. dest.. Alkohol 70° etc. je 24 Stunden behandelt worden. Der Beginn der Fuchsinfärbung der Bindegewebsfibrillen fällt (wie bei Hippocampus) auch hier nicht genau mit der Stelle zusammen, wo die (uerstreifung aussetzt. besonders gute Bilder gewann ich von der Schwanzmuskulatur eines 12,0 cm langen Siredon pisciformis. Die Konservierung erfolgte in Kalium- bichromatosmiumsäure (siehe oben). Aus dieser wurde in Alkohol von 50°/o übertragen, wonach entsprechend zugeschnittene flache, ein Mvoseptum enthaltende Stückchen direkt in die alkoholische Hämatoxylinlösung kamen und mit Alkohol von 70°/o extrahiert wurden. In Fig. 22 bis 24 sind entsprechende Längsschnitte abgebildet: Immer dasselbe Verhalten. Die Kerne zwischen den Sehnenfibrillen halte ich für die der Bildungszellen derselben, deren Protoplasma zum Teil erhalten ist. Hier ist auch — besonders in Fig. 23 — die typische Sarkoplasmastruktur (Chondriom) im Bereiche der Anhäufungen an den Faserenden schön zu sehen. Über diese berichte ich an anderer Stelle aus- führlicher. Sie unterliegt bei der Rückbildung des Schwanzes typischen, einer genauen Untersuchung bedürftigen Veränderungen. Sie sind als granuläre Metamorphose in den kurzen Schwanz- muskelfasern einer vor der Metamorphose stehenden Larve von Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 327 Rana mugiens (lebend von Berlin erhalten) erkennbar (Fig. 25 und 26). Diese kurzen, sarkoplasmareichen Fasern zeigten an günstigen Schnitten (Fig. 25) den Übergang der Muskelfibrillen- bündel in entsprechende Sehnenfibrillenbündel innerhalb des Sarkolemms an beiden Enden der Faser. Dass auch bei den Skelettmuskeln der erwachsenen Amphibien dasselbe Verhalten vorliegt, davon konnte ich mich bisher deutlich am M. gastrocnemius (plantaris longus), M. palmaris longus und den Inscriptiones tendineae des M. rectus abdominis überzeugen (Fig. 27). Bei den beiden erstgenannten Muskeln gelangt man auch auf präparatorischem Wege, durch Abfaserung, zu guten Resultaten. Da jedoch der geradlinige und der schiefe Ansatz der Muskelfasern in den beiden erstgenannten Muskeln, besonders in dem viel untersuchten M. gastrocnemius, Gegenstand einer besonderen Abhandlung sein soll, gehe ich an dieser Stelle auf dieses Verhalten nicht näher ein. Wenn ich mich auch an guten Schnitten von den drei eben genannten Muskeln über- zeugen konnte, dass die Durchbohrung des Sarkolemmas statt- tindet, so machen doch andererseits bezüglich der einheitlichen Auffassung des Verhaltens des Sarkolemms viele Bilder noch eine gewisse Schwierigkeit. Wie die Fig. 27, so ist auch die Fig. 28 von der Inscriptio tendinea des M. rectus abd. des Frosches ge- wonnen, aber die in Fig. 27 so klare Sarkoplasmaanhäufung an dem Faserende fehlt hier vollkommen. Es hängt das offenbar mit dem Fehlen der ausgesprochenen Muskelsäulchenstruktur zusammen. Auf der linken Seite der Fig. 28 ist ein Teil einer Faser dargestellt, an welchem die Kontinuität der beiderlei Fibrillen ausser Zweifel steht. Rechts ist eine sehr breite Faser derart angeschnitten, daß in der linken Hälfte der Faser das Sarkolemm scheinbar den Sehnenfibrillen als Ursprung dient (Randschnitt bzw. schiefer Schnitt des betretfenden Faserteiles), in der rechten Hälfte aber wird die Kontinuität durch die günstigere Schnitt- richtung offenbar. Auch von dem Menschen habe ich eine Anzahl Muskeln untersucht (M. recti bulbi, M. gastro- enemius und M. intercostales). Die Resultate beweisen das gleiche Verhalten, wie es geschildert wurde. Von dem M. intercostalis internus habe ich vor allem überzeugende Präparate gewonnen. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.]l. 22 328 Oskar Schultze: Eine Abbildung gab ich bereits früher (16). Hier füge ich noch eine weitere hinzu (Fig. 29). Das Verhalten des Sarkolemms bedarf auch hier noch genauerer Untersuchung. Man kann hier wohl nur von einem „Authören“ des Sarkolemms am Sehnen- übergang sprechen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das beschriebene Ver- halten, das erst durch das Studium der Histogenese genauerer Anfklärung bedarf, von grosser Bedeutung für die Kontinuitäts- lehre der Elementarteile ist. Denn es ergibt sich das bemerkens- werte Resultat, dass die quergestreiften Muskelfasern nicht mehr wie bisher als „frei“ in dem Organismus gelagerte Elemente aufgefasst werden können. Und wenn sie auch nicht unter sich — wie viele Epithelzellen und viele Bindegewebszellen — zusammenhängen, so sind sie doch durch die feste Verbindung mit den aus dem Protoplasma der Bindegewebszellen stammenden Fibrillen als innig in den Elementarverband hineingewebte Zellen aufzufassen. Literaturverzeichnis. 1. Biesiadecki. A.v. und Herzig. A.: Die verschiedenen Formen der quergestreiften Muskelfasern. Wiener Sitzungsber., Bd. 33, S. 146. 2. Fick. A.: Über die Anheftung der Muskelfasern an die Sehnen. Müllers Arch., 1856. 3. Frey. M.: Handbuch der Histologie und Histochemie 5. Auflage. 1876. 4. 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Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 329 Motta-Coco, A e Ferlito, C.: Contributo allo studio dei rapporti tra muscoli e tendini. Monitore zoologico, Vol. X, 1899, S. 71. Podwyssozki, W.: Über die Beziehungen der quergestreitten Muskeln zum Papillarkörper der Lippenhaut. Arch. f. mikr. Anat, Bd. 30, 1987. Ranvier, L.: Technisches Lehrbuch der Histologie. Übersetzt von Nicati und Wyss. Leipzig 1888. Rollet, A.: Über die Flossenmuskeln des Seepferdehens (Hippocampus antiquorum) und über Muskelstruktur im allgemeinen. Arch. f. mikr. Anat., Bd 32, 1888. Schultze, © : Über den direkten Zusammenhang von Muskeltibrillen und Sehnenfibrillen. Verh. d. phys. med. Gesellsch. zu Würzburg, N. F,, Bd. XLI, 1911. Mit 1 Tafel. Siehe auch Sitzungsber. d. phys. med. Gesellsch., 16. Februar 1911. Derselbe: Die Kontinuität der Muskelfibrillen und der Sehnenfibrillen. Verh. d. anat. Gesellsch. in Leipzig 1911, S. 65. Stöhr: Lehrbuch der Histologie. 14. Aufl., 1910. Wagener, G. 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Umrisszeichnung von Hippocampus antiquorum mit eingezeichneter linker Hälfte des aus 15-20 Einzelmuskeln bestehenden Rücken- flossenmuskels, welche nach Entfernung von Haut und Hautskelett freigelegt zu denken ist. Natürliche Grösse. 2. Nach Osmium-Konservierung am Sehnenübergang isolierte Muskel- fasern mit dem zugehörigen Sehnenbündel. Vergr. Zeiss, Komp.- Ok. 6, System a *, 4. Teilstrich. 99% Biey wa: Fig. 4. Fig. 93. Hioo. BOT: Fig. 8. iS." 9. Fig 10. Eiroelale Fig. 12. Fig. 13. Fig. Fig. 16— Bi! Fig. 20 Oskar Schultze: Zwei Muskelfaserenden mit ihrem Sehnenbündel. (Dazwischen ein Gefäss.) Osmium-Konservierung. Vergr. Komp.-Ok. 8, System AA. Muskelfaserende mit Sehnenbündel einer nach Osmiumsäure- behandlung isolierten Faser. Hohe Einstellung, Ok. 2, System D. Faserende (ohne kontraktile Substanz) nach Behandlung mit 0,2proz. Osmiumsäure. a — Hohe Einstellung; b — Einstellung auf die Längsachse. Zeiss, Komp.-Ok. 4, homog. Immers. 2 mm, Apert. 1,4. Faserende, in welchem die Muskelfibrillen von den Sehnenfibrillen abgerissen sind. Komp.-Ok. 6, System D. Ende einer mazerierten Muskelfaser mit deutlicher Kontinuität der Muskelfibrillenbündel („Muskelsäulchen“) und der Sehnenfibrillen noch innerhalb des Sarkoplasmas. Komp.-Ok. 4, homog. Immers. 2 mm, Apert. 1,4. Formol. Alkoh. abs.. Essigsäure 20%. Isoliertes Muskelfaserende mit dem kontinuierlich verbundenen Sehnenbündel. Formol-Alkohol, Alkoh. abs., Kaliumbichromat- Alkohol, Hämatoxylin. Komp.-Ok. 6, homog. Immers. 2 mm, Apert. 1,4. Übergang der Myofibrillen in die Sehnenfibrillen. Zupfpräparat nach der unter Fig. 8 angegebenen Behandlung. Komp.-Ok. 4, homog. Immers. 2 mm. Apert. 1,4. Längsschnitt zweier Faserenden. Durchbohrung des Sarkolemms durch die Sehnenfibrillen. Formol-Alkohol, Chromhämatoxylin. Zeiss, Komp.-Ok. 6, homog. Immers. 2 mm, Apert. 1,4. Längsschnitt eines Faserendes mit Übergang in das Sehnenbündel Formol-Aikohol, Chromhämatoxylin, Fuchsin S. Vergrösserung wie in Fig. 10. Vier Muskelfaserenden mit den zugehörigen Sehnenbündeln. Rand- schnitte der Fasern. Formol, Pikrofuchsin. Komp.-Ok. 4, System D. Kontinuität der Muskelfasern und Sehnenfibrillen an einem mit Formol-Alkohol, Alkoh. abs., Boraxkarmin und Pikrofuchsin be- handelten Präparat. Komp.-Ok. 4, System D. Tafel XVI. 14 und 15. Verschiedenartiges Verhalten der Myofibrillen an dem- Myoseptum von Amphioxus lanceolatus. Formol 10°, Chrom- hämatoxylin. Vergr. Zeiss, Komp -Ok. 6, homog. Immers 2 mm, Apert. 1,4. 18. Direkter Zusammenhang der Myofibrillen und Bindegewebs- fibrillen an den Myosepten von Amphioxus lanceolatus. Formol- Alkohol. Chromhämatoxylin, Säurefuchsin. Homog. Immers. 2 mm, Apert. 1,4. Fig. 16 und 17 mit Komp.-Ok. 4, Fig. 18 mit Komp.-Ok. 8. Vom Schwanze einer 1,7 cm langen Larve von Rana temporaria. Formol 10°, Chromhämatoxylin. Komp.-Ok. 6, homog. Immers. 2 mm, Apert. 1.4. Vom Schwanze einer 2,3 cm langen Pelobates-Larve. Behandlung und Vergrösserung wie bei Fig. 19. Fig. Direkter Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. 351 .21. Vom Schwanze einer 5.0 em langen Larve von Triton cristatus. Formol-Alkohol. Uhromhämatoxylin, Säurefuchsin. Vergrösserung wie bei Fig. 19. . . 22-24. Vom Schwanze eines 12,0 cm langen Siredon pisciformis. Kaliumbichromatosmiumsäure, Hämatein. Vergrösserung in Fig. 22: Leitz, Ok. 2, System 8; in Fig. 23 und 24, Zeiss, Komp.-Ok. 6, homog. Immers. 2,0 mm, Apert. 1,4. 25. Vom Schwanze einer kurz vor der Metamorphose stehenden Larve von Rana mugiens. Kaliumbichromatosmiumsäure, Hämatein. Zeiss, Komp.-Ok. 4, homog. Immers. 2,0 mm, Apert. 1,4. Tafel XVII. . 26 wie Fig. 25, doch mit Fuchsin S nachgefärbt. Fig. 27 und 28. Aus den Inscriptiones tendineae m. recti abdominis des Frosches. Formol-Alkohol, Chromhämatoxylin, Säurefuchsin. Komp.- Ok. 6, homog. Immers. 2,0 mm, Apert. 1,4. 29. Aus dem M. intercostalis internus des Menschen. Alkohol-Formol, Chromhämatoxylin, Säurefuchsin. Komp.-Ok. 4, System D. Aus dem anatom.-biologischen Institut der Universität Berlin. Über Implantation gestielter Hautlappen in das Peritonaeum unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeit einer funktionellen Anpassung der äusseren Haut. Von Dr. med Friedrich Krauss, Uharlottenbure. Hierzu Tafel XVIII und XIX. Einleitung. Das Studium der anatomisch-histologischen Veränderungen, welche die Haut erfährt, wenn wir sie veranlassen, als Ersatz einer Serosa zu funktionieren, hat sowohl theoretisches, als auch praktisches Interesse: theoretisches in bezug auf den Nach- weis einer eventuellen funktionellen Anpassung der Haut, d.h. einer eventuellen metaplastischen Umwandlung der äusseren Haut in Endothel tragendes Peritonaeum. Praktisch ist die Frage von Wichtigkeit für die operative Chirurgie, um festzustellen, inwie- weit sich die äussere Haut zum Ersatz von Defekten der Serosa eignet. Besonders bei solchen Operationen würde die Möglichkeit eines derartigen Ersatzes von grossem Werte sein, bei welchen grössere Teile des parietalen Blattes der Pleura, des Pericards, sowie der Dura mater verloren gehen und das Bestreben vor- liegen muss, die von diesen Häuten gebildeten Hohlräume in der Weise wieder herzustellen und zu verschliessen, dass den in den- selben liegenden Organen: Lunge, Herz, Gehirn ihre vollständige Bewegungsfreiheit erhalten bleibt. Bei den von Sauerbruch, Küttner u. A. bei Thorakoplastiken neuerdings angewandten Verfahren, gestielte Hautlappen mit ihrer Wundfläche auf das seröse Visceralblatt von Lunge und Herz aufzuheilen und auf diese Weise die Pleura-, resp. Perikardialhöhle zu verschliessen, kann nicht in Abrede gestellt werden, dass, trotzdem der Lappen !) Auszugsweise vorgetragen am 3. Sitzungstage des XXXIX. Kon- gresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: 1. April 1910. Über Implantation gestielter Hautlappen ete. 333 die Bewegungen des mit ihm verbundenen Organs mitmacht, doch eine gewisse Zerrung des Organs mit ihren üblen Folgen stattfinden kann. Von solehen Erwägungen ausgehend, hat nun Wullstein in den Jahren 1907 und 1908 das obige Thema bei Hunden experimentell in Angriff genommen und gestielte Hauptlappen zur Deckung von künstlich angelegten Defekten der Synovialis des Kniegelenks, der Tunica vaginalis des Hodens, Peritonaeums und der Dura mater derart umgeschlagen und implantiert, dass die Epidermis des Lappens nach der betreffenden serösen Höhle zu liegen kam. Wullstein hat nun gefunden, dass man alle genannten serösen Häute durch Einschlagen von Haut plastisch ersetzen kann und dass die äussere Haut gemäss der neuen funktionellen Beanspruchung eine entsprechende funktionelle An- passung erfährt, das heisst sie wandelt sich entsprechend ihrer Beanspruchung in Peritonaeum, Dura, Synovialis um. Die Histiogenese soll bei dieser Umwandlung eine verschiedene sein, indem die Synovialis des Kniegelenks sich anders verhält, wie die übrigen genannten Gewebe. Für das Kniegelenk gab Wullstein in seiner ersten 1907 gemachten Mitteilung an, dass die oberflächlichen Epidermisschichten vielleicht unter dem Einfluss der Synoviaflüssigkeit sich metaplastisch in Endothel umgewandelt hätten, während er später dafür hält, dass die Epidermis durch eine sich ihr auflagernde Fibrinschicht zugrunde gehe, indem das Fibrin sich organisiere und durch von der Seite her wucherndes Endothel bedeckt würde. Bei allen anderen Geweben: Peritonaeum, Dura, Tunica vaginalis propria findet nach Wullstein in den ersten Tagen ein Schwund der Epidermis voraussichtlich durch Autolyse statt, so dass die oberflächlichen Bindegewebszüge der Lederhaut frei zutage liegen. Wullstein neigt dazu, anzunehmen, dass alsdann von diesen Bindegewebszügen aus auf metaplastischem Wege sich Endothel bildet. Zu dieser Annahme fühlt er sich veranlasst hauptsächlich wegen der Kürze der Zeit (10 Tage). in welcher grosse Hautlappen in Peritonaeum umgewandelt werden, was durch Überwucherung von Endothel von der Seite her wohl kaum möglich gewesen wäre. Nur wenn das Netz mit dem Haut- lappen so verwuchs, dass es denselben brückenförmig überspannte und von der freien Bauchhöhle abschloss, kam es nach Wullstein zur Entstehung einer Dermoidcyste, und zwar nach seiner Ansicht 334 Friedrich Krauss: deshalb, weil in diesem Falle an die Haut keine funktionelle Beanspruchung als Peritonaeum mehr gestellt wurde. Es siegte dann, wie er sich ausdrückte, das Plattenepithel über das Endothel. Wullstein schliesst seine Auseinandersetzungen mit dem all- gemeinen Satze: „Wo für die Haut eine spezifische funktionelle Be- anspruchung besteht. kommt es zu einer entsprechenden spezifischen funktionellen Anpassung der Haut; wo dagegen diese funktionelle Beanspruchung fehlt, bleibt auch die funktionelle Anpassung aus.“ In den Kreisen der Anatomen haben die Wullsteinschen Ansichten über die funktionelle Anpassung der Haut auf meta- plastischem Wege gleich von Anfang an wenig Anklang gefunden und gibt Wullstein in seiner zweiten Mitteilung dem auch offen Ausdruck. Insbesondere hat Barfurth (1910) in seiner Mono- graphie über Regeneration und Transplantation in bezug auf die Wullsteinschen Versuche die Möglichkeit ausgesprochen, dass an Stelle einer Metaplasie auch eine von der Unterlage des Haut- lappens ausgehende Umwandlung stattfinden könne und dass die Wullsteinschen Experimente einer Nachprüfung bedürften. Ich habe bereits im Jahre 1909 begonnen, im hiesigen anatomisch-biologischen Institute die Wullsteinschen Versuche am Peritonaeum von Hunden und Kaninchen zu wiederholen und habe auf dem vorjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie über meine von den Wullsteinschen vielfach abweichenden Untersuchungsergebnisse in Kürze berichtet. Lexer (Jena) hat auf dem diesjährigen Chirurgenkongress sich meinen Ansichten angeschlossen. Ich gebe nunmehr in grösserer Aus- führlichkeit meine seitdem auch durch eine vermehrte Zahl von Versuchen erweiterten Anschauungen wieder. Untersuchungsmaterial und Technik. Ich verwandte zu meinen Versuchen Hunde und Kaninchen und habe mich lediglich auf das Peritonaeum beschränkt. Ich habe nur einen Versuch an der Pleura beim Kaninchen gemacht, der Erfolg war aber ein negativer. Das Tier wurde nach 14 Tagen getötet und fand sich eine Verkäsung der durch den Pneumo- thorax komprimierten Lunge und eine käsige Lungenfistel. Ich liess die operierten Tiere verschieden lange Zeit am Leben: von 3 Tagen bis zu 5 Monaten, um verschiedene Stadien des Umwandlungsprozesses der Haut zur Untersuchung zu bekommen. Über Implantation gestielter Hautlappen etc. 335 Vor der Operation wurde die Haut des Operationsgebietes mit Bariumsulfid enthaart und gründlich desinfiziert. Ich habe die Operation in der Art ausgeführt, dass ich etwas unterhalb des Proc. xyph. beginnend einen gestielten Lappen mit oberer Basis von ca. 9—10 em Länge und ca. 5 cm Breite aus der Bauchhaut bildete. Alsdann habe ich den Lappen am Stiel um- geschlagen und derart in die Bauchwand eingenäht, dass die Epidermis des Lappens nach der Bauchhöhle zu zu liegen kam. Öfters wurde vorgelagertes Netz resiziert, sowie Teile der Bauch- wand (Muskulatur und Peritonaeum) entsprechend der Grösse des Lappens entfernt. Der Lappen wurde mit Peritonaeum und an- grenzender Bauchmuskulatur vernäht, so dass die Wundränder des Lappens nach aussen zu liegen kamen. Zuletzt habe ich die äussere Haut über dem Lappen vereinigt und dabei Bedacht genommen, die Haut an der Umschlagstelle besonders gut zu vernähen und mit Jodoform zu bestäuben, um eine Infektion der Bauchhöhle zu vermeiden. Bei Hunden, welche eine dickere Muskulatur besitzen, habe ich vor der äusseren Hautnaht noch eine Muskelnaht angelegt. Im Hinblick darauf, dass es nicht gelingt, die Haut vor der Operation vollkommen keimfrei zu machen, habe ich auf die Epidermis des Lappens vor Einnähung desselben in die Bauch- wand anfangs Jodtinktur aufgestrichen in der Absicht, die ent- zündliche Infiltration des Hautlappens bei der Wundheilung zu beschränken und die Möglichkeit von Adhäsionen der Epidermis mit den Nachbarorganen der Bauchhöhle zu vermeiden. Ich machte aber entsprechend den von Rehn u.a. auf dem dies- Jährigen Chirurgenkongress gemachten Mitteilungen die Erfahrung, dass die Jodtinktur die Adhäsionen des Hautlappens begünstigte. Ich beschränkte mich alsdann darauf, die Epidermis des einzu- nähenden Hautlappens mit einer sterilen Salbe zu bestreichen, um hierdurch eine schützende Decke zu bilden und die durch die Rauhigkeit der Epidermisoberfläche begünstigte Fibrinbildung aus der Peritonealflüssigkeit zu verhindern. Am meisten bewährte ‘sich hier eine durch Erhitzen keimfrei gemachte Vaselinsalbe, welche die Adhäsionsmöglichkeit, wenn auch nicht ganz aufzuheben, so doch zu verringern schien. Der Wundverlauf war im allgemeinen ein guter. In allen Fällen blieb das an den Lappen angrenzende Peritonaeum intakt, 336 Friedrich Krauss: dagegen kam es an der äusseren Hautwunde nicht immer zu vollkommener Vereinigung. Besonders in den Fällen, wo sich eine Dermoideyste ausbildete, blieb der durch die Umschlagung des Hautlappens gebildete kleine Hautkanal öfters offen und kommunizierte mit der Oyste. Zuweilen bildeten sich Fisteln und granulierende Defekte, welche ebenfalls mit der Cyste in Ver- bindung standen, an anderen Stellen der Hautwunde. Bei den Hunden erwies es sich als notwendig, durch einen Gipsverband die Wunde vor Insulten zu schützen. Ohne solchen kam es vor, dass die Hunde am Verbande zerrten und es zu einer Retraktion des Lappens infolge Durchschneidung der Nähte kam. Drei operierte Fälle wurden hierdurch unbrauchbar. Bei zwei Fällen fand ich wenige Tage nach der Operation den ein- serollten, noch zum Teil mit den Nähten versehenen Hautlappen im oberen Wundwinkel der an dieser Stelle auseinandergewichenen Hautwunde, im dritten Falle war die Retraktion ganz allmählich erfolet und hatte sich hierbei auf der Innenfläche der Bauch- muskulatur ein neues, etwas weniger durchscheinendes und wall- artig vom übrigen abgegrenztes Peritonaeum im Bereich von 6 cm Länge und 3 cm Breite gebildet, ohne dass es zu Ver- wachsungen gekommen wäre. Protokoll der operierten Tiere (in chronologischer Reihenfolge nach der Dauer der Implantation des Haut- lappens). 1. Kaninchen von 3 Tagen, operiert am 10. Januar, getötet am 13. Januar 1910. Hautlappen vor der Einnähung mit Vaselin bestrichen. Sektion: AÄussere Hautwunde durch Nähte vereinigt von guter Be- schaffenheit. Am oberen Ende des Lappens besteht eine Verwachsung mit dem Netz, wodurch ein Abschluss an der Umschlagstelle des Haut- lappens mit der Bauchhöhle erfolgt ist. Im übrigen ist‘ der ganze Lappen mit einer zarten, leicht ablösbaren, graurötlichen Fibrinschicht bedeckt. welche nur an den Nahtstellen an der Peripherie des Lappens etwas dichter ist. Mikroskopischer Befund: Das der Epidermisfläche des Hautlappens aufgelagerte Fibrin zeigt eine verschiedene Beschaffenheit. Nach der Bauch- höhle hin hat es meist ein dichteres Gefüge, während nach der Epidermis hin ein maschiger Bau vorhanden ist. Die Maschen sind mit Rund- und Fettkörnchenzellen, sowie körnigem Fibrin angefüllt und sind zum Teil zu grossen, langgestreckten Lakunen ausgedehnt. Das Gewebe des Haut- lappens ist an manchen Stellen, besonders an den Nahtpartien, stark mit Rundzellen, zuweilen auch mit kleinen, hämorrhagischen Herden Über Implantation gestielter Hautlappen ete. ON, durchsetzt. Die Rundzellen dringen zuweilen bis unter und zwischen die Epidermiszellen. Es werden dann gelegentlich ganze Stellen der Epidermis abgehoben und verlagert (siehe Fig. 1) und sieht man dann deren Reste in Form von Hornlamellen oder Streifen aneinandergereihter Epithelien, von Rundzellen umgeben, in den Maschen des Fibrıns liegen. Auch bemerkt man öfters Nester von Rundzellen zwischen den Lamellen der Horn- schicht, während im übrigen die Epidermis intakt sein kann. In der Umgebung dieser stark veränderten Stellen sieht man zuweilen die Epidermis von normaler Beschaffenheit, aber noch häufiger, besonders dort wo das Netz adhäriert, stark gequollen und gewuchert. Die Schichten sind gegen die Norm vermehrt: oft vier bis fünf Zellreihen; die Zellen sind dabei ver- grössert und die Zwischenräume besonders zwischen den basalen Zellen ver- breitert. Die Zellwucherung geht auch auf das Epithel der Haarbälge über. Die Haare wachsen häufig in das Fibrin hinein und werden dann zuweilen auch in grösseren oder kleineren Fragmenten mitten im Fibrin zwischen Rundzellen angetroffen. Das Netz ist durch das rundzellenhaltige Fibrin locker mit der Epidermis verbunden und zeigt ebenfalls in seinen an das Fibrin grenzenden Partien kleinzellige Infiltration. 2. Kaninchen von 5 Tagen, operiert am 5. Februar, getötet am 10. Februar 1910. Hautlappen mit Vaselin bestrichen. Sektion: Äussere Bauchwunde noch durch Nähte vereinigt, intakt. Der Lappen ist im Bereich seiner oberen Hälfte an zwei Stellen mit dem Dünndarm verwachsen, an der einen Stelle in grösserer Ausdehnung. Die Oberfläche der nach der Bauchhöhle gekehrten Lappenseite ist glatt, aber weniger spiegelnd und von opaker grauweisser Färbung im Vergleich zum angrenzenden Peritonaeum. Die Nähte zwischen Hautlappen und Bauch- wand sind durch Fibrinauflagerung verdeckt. Mikroskopischer Betund: Das Gewebe des Hautlappens ist vielfach besonders in der Gegend der Nähte, sowie der Umschlagstelle des Lappens kleinzellig infiltriert. Fast überall ist der Epidermis eine Fibrinschicht von durchschnittlich !,,—1 mm Breite anfgelagert. Dieselbe zeigt schon vielfach beginnende, bindegewebige Organisation,!) besonders an den dem Darm adhärierenden Stellen in Form eines jungen, zellreichen Bindegewebes. In ihm befinden sich mehrfach kleinere und grössere, bis 2 mm breite, mit Fibrin und spärlichen Rundzellen gefüllte Hohlräume. Die Epidermis bietet ein verschiedenes Verhalten dar. Oft ist sie auf weite Strecken zerstört und grenzt das entblösste Korium dann ') Wenn hier und im Folgenden von bindegewebiger Organisation des Fibrins die Rede ist, so verstehe ich darunter, dass das neue Bindegewebe sich unter Gefässneubildung aus einem Granulationsgewebe bildet, welches von dem unter dem Fibrin gelegenen Bindegewebe, zumeist dem der Leder- haut des Lappens, seinen Ursprung nimmt und an die Stelle des durch Resorption alimählich schwindenden Fibrins tritt, nicht aber etwa, dass eine direkte Umwandlung des Fibrins in Bindegewebe stattfände in der Art, dass die Fibrinfasern zu Bindegewebstasern und die eingeschlossenen Rundzellen zu fixen Bindegewebszellen würden. 333 Friedrich Kraüss: entweder direkt an das Fibrin oder an das junge Bindegewebe der Fibrin- schicht, mit welchem es breitere oder schmälere bindegewebige Ver- wachsungen (Synechien) eingeht, oder es ist das Korium noch durch Rundzellenhaufen von der Fibrinschicht getrennt. In diesen Rundzellen- massen findet man oft noch Reste der zerstörten Epidermis in Form von Hornlamellen oder einzelnen oder zusammenhängenden Plattenepithelien. Die Haare sind häufig in die Fibrinschicht hineingewachsen und vermitteln einen gewissen Zusammenhang zwischen Korium und Fibrinschicht. An anderen Stellen der Epidermis ist die Zerstörung durch das eindringende, kleinzellige Infiltrat eine weniger intensive. Es sind eine Anzahl basaler Zellen auf der Lederhaut erhalten geblieben. Von diesen sieht man dann oft eine Wucherung ausgehen, indem neugebildete Epithelien sich von ihnen aus entlang den fibrinösen oder bindegewebigen Septen zwischen Lederhaut und organisiertem Fibrin auf die gegenüberliegende Fibrinschicht verbreiten (siehe Fig. 2). Auf diese Art bilden sich zwischen Fibrinschicht und Haut- lappen kleine, von Epithel ausgekleidete, mit Rundzellen und Epidermisresten angefüllte Hohlräume, in welche häufig Haare hinein- ragen. Wo nun die entzündliche Infiltration eine geringe ist, sind auch die Veränderungen der Epidermis weniger bedeutend. So z. B. findet man dann nur Verschmälerungen der Epidermis durch den Druck der aufliegenden Exsudatschicht oder nur vereinzelte Anhäufung von Rundzellen im Epidermis- gewebe, besonders zwischen Korium und Epidermis oder zwischen den Lamellen der Hornschicht. Hervorzuheben ist aber, dass man Stellen der Epidermisfindet, welche frei von Fibrinauflagerungen sind und eine normale Beschaffenheit besitzen. Solche Stellen können indessen auch verschieden stark gewuchert sein. Es gibt Partien, wo sieben bis acht Zellreihen, Kernteilungsfiguren in den basalen Zellen, ein breites Stratum granulosum und starke Abschuppung der Hornschicht zu sehen sind. 3. Kaninchen von 6 Tagen, operiert am 10. Dezember, getötet am 16. Dezember 1909. Hautlappen war nicht mit Salbe bestrichen. Sektion: Hautwunde noch durch Nähte vereinigt, intakt. Der Hautlappen ist in der Mitte mit dem Dünndarm und wenig Netz verwachsen. Der grössere Teil des Lappens ist frei von Verwachsung und besitzt an seiner Peritonaealfläche eine glatte, grauweisse, '/.-—1l mm breite Gewebsschicht, welche auf dem Durchschnitt meistens fest aufsitzt, an einigen Stellen aber leicht von der Unterlage sich ablöst. Mikroskopischer Befund: Die Epidermisfläche des Lappens ist durchweg von einer Fibrinschicht bedeckt, welche öfters besonders an der Verwachsungsstelle der Haut mit dem Dünndarm schon eine vor- geschrittene, bindegewebige Organisation aufweist in Form eines Jungen zellreichen, mit einzelnen Riesenzellen durchsetzten Bindegewebes. An anderen Stellen ist jedoch die bindegewebige Umwandlung des Fibrins weniger weit entwickelt und sieht man hier besonders nach der Epidermis zu noch weite langgestreckte Fibrinmaschen mit alten Blutresten, häufig Rundzellen und Epidermisschuppen enthaltendes, flüssiges Exsudat zwischen Fibrinschicht und Epidermis, hier und da auch Inseln gewucherten Platten- epithels am Rande der Fibrinschicht (siehe Fig. 3 und 4), während nach der Über Implantation gestielter Hautlappen etc. 339 Bauchhöhle zu das Gewebe feinmaschig ist, mit weit auseinander liegenden protoplasmareichen stern-, rund- und spindelförmigen Zellen, welch letztere nach der Bauchhöhle zu meist vorherrschen und dort in dichterer Anordnung an das aus platten, rundlichen Zellen bestehende Endothel angrenzen. Die Lederhaut ist nur in der Gegend der Nahtstellen noch von Rundzellen reichlicher durchsetzt. Wo das Fibrin oder das aus demselben hervorgehende Bindegewebe dichter an den Lappen grenzt. ist die Epidermis zuweilen zerstört oder nur in schmalen, von Rundzellen umgebenen Resten vorhanden, oft aber auch gewuchert und mit epithelialen, neu gebildeten Sprossen versehen, welche in das junge Bindegewebe hineinragen (siehe Fig. 5). Häufig sind auch an diesen Stellen die Mündungen der Haarbälge erweitert und ist das Epithel der letzteren gewuchert. Die Haare ragen häufig in das Fibrin oder in das aus demselben hervorgegangene Binde- gewebe hinein. In den erweitertenHaarbälgen befinden sich öfters stark gequollene, auf dem Querschnitt hantelförmige Haare mit verbreiterter Rindenschicht und verbreiterter Marksubstanz. Die zwischen den Markzellen befindliche Rindensubstanz der mehrzeiligen Konturhaare ist oft verschmälert und teilweise eingeschmolzen. In der Rindensubstanz der Haare sieht man zuweilen stark lichtbrechende Körnchen teils einzeln, teils in ausgedehnter, netzförmiger Anordnung. 4. Ziemlich grosse Hündin von” Tagen, operiert am 8. Sep- tember, getötet am 15. September 1910 Trächtig. Venen in der vorderen Bauchwand stark ausgedehnt. Milchdrüsen entleeren beim Durchschneiden der Haut reichliches Sekret. Entfernung eines grösseren Stückes Netz. Hautlappen war mit Vaselin bestrichen. Gipsverband. Sehr guter Wund- verlauf. Sektion: AÄussere Wunde vollständig verheilt bis auf den oberen Winkel an der Umschlagstelle des Lappens. Von dort gelangt die Sonde durch einen 4 cm langen Kanal nach der Bauchhöhle zu, welche aber gegen denselben durch das vorgelagerte Netz abgeschlossen ist. Das Netz ist im oberen Bereich des Lappens adhärent, desgleichen an einer kleinen Stelle die Leber und der Dünndarm. Die ganze untere Hälfte des Lappens ist frei von Verwachsungen. Nur an den Nahtstellen und auf dieselben beschränkt befindet sich ein fester, fibrinöser Belag. Fast die Hälfte der peri- tonaealen Fläche des Hautlappens zeigt unversehrte Epi- dermisbeschaffenheit. Die Epidermis ist daselbst pergamentartig weiss, ziemlich derb und frei von sichtbaren Haaren. Bei näherer Betrachtung sieht man an der Oberfläche derselben kleine polygonale Felder, welche von feinen Spalten begrenzt sind. Mikroskopischer Befund: In der Umgebung der Nahtstellen finden sich noch ziemlich starke Rundzelleninfiltrationen und einige Hämor- ıhagien. Daselbst ist auch die Epidermis teils infiltriert und abgehoben, teils mit Fibrin belegt. Der übrige grösste Teil der Epidermis ist ent- sprechend dem makroskopischen Verhalten im wesentlichen frei von Ver- änderungen. Entsprechend der beschriebenen Felderung ist die Epidermis stark gefaltet. In der Tiefe der durch die Falten gebildeten Taschen sind die Spitzen der aus den Haarbälgen ragenden Haare verborgen. Die Horn- 340 Friedrich Krauss: schicht ist breit und dicht oberhalb des Stratum granulosum beginnend stark aufgelockert, zuweilen mit einigen Rundzellen durchsetzt. Hier und da haften einigen in der Abstossung begriffenen Lamellen der Hornschicht, besonders nach den Nahtstellen zu, einige Fibrinflocken an. 5. Kaninchen von 10 Tagen, operiert am 3. september, getötet am 13, September 1209. Der Hautlappen war nicht mit Salbe bestrichen. Sektion: Vorderer Leberrand breit mit dem oberen Teil des Hautlappens verwachsen, desgleichen eine kleine Netz- partie, welche dicht vor der Leber adhäriert. Der übrige, mehr als zwei Drittel betragende Teil der peritonaealen Fläche des Hautlappens zeigt eine ziemlich glatte Oberfläche von grauweisser Färbung. Auf dem Durchschnitt sieht man hier eine ca. 1-2 mm dicke, ziemlich derbe Schicht, welche an manchen Stellen sich leicht von dem unterliegenden Hautgewebe ablöst. Zwischen dem Hautlappen und der Leber liegt eine mit breiigem Detritus gefüllte, unregelmässig gebuchtete Dermoideyste von ca. 1 cm Länge und !/s em Breite. Die Cyste, welche gegen die Bauchhöhle vollkommen abgeschlossen ist, mündet durch eine kleine erbsengrosse Fistel in der Mitte der äusseren Hautnarbe nach aussen. Mikroskopischer Befund: Das Gewebe des Hautlappens ist an manchen Stellen stark mit Rundzellen durchsetzt An diesen Stellen drängen dichte Rundzellenhaufen von der Lederhaut bis unter und zwischen die Epidermis. Letztere ist daselbst in schmalen Streifen abgehoben und fehlt auch zuweilen vollständig. Wo die kleinzellige Infiltration weniger stark ist, ist die Epidermis des Lappens gewuchert, desgleichen das Epithel der Haarbälge. Die Haare sind zuweilen gequollen mit verbreiterter Rinde und Marksubstanz. Die dem Hautgewebe aufliegende Schicht erweist sich als Fibrin, welches sich grösstenteils bereits zu jungem zell- und gefässreichem Bindegewebe organisiert hat. Am stärksten ist dieselbe an den Nahtstellen ausgebildet. Zwischen dem meist locker aufsitzenden, jungen Bindegewebe des Fibrins und dem Hautlappen befinden sich vielfach dichte Rundzellenhaufen und abgestossene Hornlamellen. Im Bindesewebe sind öfters Haare, verhornte Lamellen, ferner zahlreiche Fremd- körperriesenzellen eingeschlossen. In der Nähe der Netzadhäsion, aber ausserhalbderselben, findet sich einevonFibrınnicht bedeckte Partie des Hautlappens, deren Epidermis nicht verändertist. Die zwischen Leber und Hautlappen befindliche Dermoid- cyste zeigt einen aus Rundzellen, Haaren, Hornlamellen und Hautschuppen bestehenden Inhalt. Die Öyste ist teilweise mit mächtigem, neu gebildetem Epithel ausgekleidet, welches, wie deutlich nachweisbar ist, von der Epidermis der Umschlagstelle des Lappens aus gewuchert ist und die die Leber gegen die Haut aberenzende Fibrinschicht umsäumt. Letztere ist grösstenteils zu jungem, an Riesenzellen reichem Bindegewebe organisiert. Nur an einzelnen, gegen den Hautlappen angrenzenden Partien besteht ein viele Rundzellen enthaltendes Granulationsgewebe mit alten Blutresten. Hier ist die Epithel- umsäumung eine unvollständige oder fehlt ganz. 6. Kaninchen von 14 Tagen, operiert am 2. März, getötet am 16. März 1909. Über Implantation gestielter Hautlappen etc. 341 Der Hautlappen war mit Jodtinktur bestrichen. In der Mitte der äusseren Hautnarbe eine von trockenem, nekrotischem Schorf umgebene Fistel. Dieselbe führt zu einer unter der Leber gelegenen Dermoid- eyste, welche durch eitrig-nekrotische Prozesse inderGegend des Stiels nicht zur vollen Ausbildung gelangte. Die Leber ist stark koceidienhaltig und durch eine breite Bindegewebsschicht, welche an manchen Stellen von neu gebildetem Plattenepithel umsäumt ist, gegen die Cyste abgegrenzt. Im Üysteninhalt massenhaft Rundzellen, Hautschuppen und eine reichliche Zahl nekrotischer Muskelfasern. Von der Epidermis des Lappens ist wenig erhalten 7. Hund, gross, von 15 Tagen, operiert am 2. März, getötet am 17. März 1910. Der Lappen war mit Vaselin bestrichen. Sektion: AÄussere Hautwunde bis auf zwei feine Fistelgänge am oberen und am unteren Ende derselben vollständig geschlossen. Beide Fistelgänge führen in eine geräumige Üyste, welche sich zwischen Haut- lappen und das denselban überbrückende, ihm ringsum adhärierende Netz gebildet hat. Der Cysteusack wird durch eine strangförmige, binde- gewebige Synechie in zwei (eine grössere und eine kleinere) miteinander kommunizierende Abteilungen getrennt. Im Sack. welcher leicht klafft. mässige Menge schmierigen Dermoidinhaltes. Mikroskopischer Befund: Eine breite, mit zahlreichen kleinen Sprussen versehene epitheliale Neubildung zieht sich von der Epidermis des Hautlappens dem jungen, aus dem Fibrin organisierten Bindegewebe entlang, welches die dem Hautlappen gegenüberliegende Netzfläche bedeckt. und an der Peripherie des Lappens. sowie in der oben angeführten bindegewebigen Synechie auf die Lederhaut desselben übergeht. Die Epithelumsäumun«e ist jedoch keine kontinuierliche und häufig durch Stellen von Granu- lationsgewebe, das Haarfragmente und Blutreste enthält, unterbrochen. Riesenzellen, welche Fremdkörper einschliessen, sieht man einzeln oder in sruppen angeordnet im jungen Bindegewebe besonders nahe dem Netz. Die Epidermis des Hautlappens ist ziemlich schmal mit zahlreichen Haarbälgen, welche am neugebildeten Epithel verschwinden. 8. Mittelgrosser, schwarzer Hund von 17 Tagen, operiert am 30. Juni, getötet am 16. Juli 1910 Hautlappen ziemlich gross mit Vaselin bestrichen. Es wurde ziemlich viel von der Bauchwand entfernt. Äussere Hautwunde gespannt, wich im Bereich einer dreimarkstückgrossen Stelle bald nach der Operation auseinander. Sektion: Entsprechend der angeführten Stelle liegt ein eranu- lierender Hautdefekt. Der Hautlappen ist an seiner Epidermisfläche in grosser Ausdehnung mit dem Netz verwachsen und besitzt ausserdem eine schmale Adhäsiun mit der Milz. Mikroskopischer Befund: Die Epidermis des Lappens ist grösstenteils zerstört, war aber, wie man noch an einzelnen vor- handenen Stellen sieht, stark gewuchert und mit breiten Fortsätzen neugebildeten Epithels versehen. Das aus dem organisierten Fibrin hervorgegangene, junge Bindegewebe reicht zum Teil bis an den granu- lierenden Hautdefekt und enthält allenthalben zerstreut zahlreiche Riesen- 342 Friedrich Krauss: zellen, welche zum Teil um Haarfragmente und Ligaturreste, besonders aber um die in Form von gewundenen Hornlamellen vorhandenen Reste der alten Epidermis des Hautlappens angeordnet sind. 9. Kaninchen von 17 Tagen, operiert am 27. August, getötet am 13. September 1909. Hautlappen wurde mit Jodtinktur bestrichen. Sektion: Hautwunde vernarbt bis auf eine in der Mitte befindliche Fistel. Dieselbe führt in eine unter der Leber gelegene taubenei- grosse, mit weissem breiigem Inhalt gefüllte Dermoidcyste. Mikroskopischer Befund: Die koccidienhaltige Leber ist anfänglich dem grössten Teil des Lappens adhärent gewesen und nunmehr durch eine breite aus dem Fibrin organisierte, an Riesenzellen reiche, junge Bindegewebsschicht begrenzt. Dieselbe geht nach dem Cysteninhalt zu teils in Granulationsgewebe über, teils in ein mächtiges, vielfach Sprossen treibendes, neugebildetes Plattenepithel. Letzteres nimmt seinen Ursprung von der Epidermis der Umschlagstelle des Haut- lappens, an welche die Üyste nach vorn grenzt. Die Haut des von Rund- zellen noch stark infiltrierten Lappens ist an manchen Stellen eingeschmolzen und in den Cysteninhalt aufgegangen, meist aber ist nur die Epidermis zerstört, so dass die Lederhaut direkt oder durch Rundzellenhaufen und abgestossene Hornlamellen getrennt an das junge Bindegewebe grenzt. Im übrigen bildet meist entzündlich infiltrierte, Ligaturen enthaltende Muskulatur die Begrenzung der ÜÖyste. Der Inhalt der Cyste besteht aus massenhaften Schuppen, Rundzellen, Haaren, Ligaturfäden, sowie aus grösseren nekrotischen (sewebsteilen des Hautlappens und der Muskulatur. 10. Grosses weisses Kaninchen von 17 Tagen, operiert am 17. Juli, getötet am 3. August 1911. Hautlappen mit Vaselin bestrichen. Sektion: In der Mitte der äusseren Hautnarbe 50-Pfennigstück grosser trockener Hautschorf. Am oberen Ende Fistelöffnung. Letztere führt in eine walnussgrosse, mit weisser breiiger Masse gefüllte Dermoid- eyste. Die obere Öystenwand ist mit einer markstückgrossen Partie Blinddarm verwachsen, ferner gehen einige breite Adhäsionen zur grossen Magenkurvatur. Mikroskopischer Befund: Typischer Dermoideystenbefund. Mächtige, stark abschuppende, neugebildete Epithelschicht. Uysteninhalt von gewohnter Zusammensetzung. 11. Kaninchen von 18 Tagen, operiert am 9. März, getötet am 27. März 1911. Der Lappen war mit Vaselin bestrichen. Sektion: In der Mitte der gut vernarbten äusseren Hautwunde befindet sich eine breite Fistelöffnung, die den Eingang zu einer unterhalb der adhärenten Leber und Netz gelegenen, mit weissem, breiigem Inhalt gefüllten, walnussgrossen Dermoideyste bildet. Die Cyste ist nach der Leber und dem Netz zu durch junges Bindegewebe mit Riesen- zellen, die Fremdkörper einschliessen, abgegrenzt. seitlich stösst sie an die Ligaturstellen der Bauchmuskulatur. Hier, wo noch stark entzündliche Einschmelzung des Gewebes vorhanden ist, besteht keine scharfe Grenze. Die alte Epidermis des Lappens ist nur teilweise noch erhalten Über Implantation gestielter Hautlappen etc. 345 und ziemlich schmal. Von ihr gehen noch ansehnliche Partien neugebildeten breiten Plattenepithels zur Umsäumung des jungen Bindegewebes ab, welches aber häufig mittelst Granulationsgewebe an die Höhle grenzt. Im Uysten- inhalt liegen massenhafte Rundzellen, Detritus, Epidermis- und Ligaturreste, Haare, ferner auch grössere Partikel von nekrotischem Muskelgewebe, das von Rundzellen durchsetzt ist. 12. Kaninchen von 19 Tagen, operiert am 6. Februar, getötet am 25. Februar 1911. Der Lappen war mit Lanolin bestrichen. Äussere Hautwunde teilweise vernarbt. Im oberen Drittel eine von trockenem, nekrotischem Schorf umgebene kleine Kotfistel. Dieselbe führt zu dem an seinem schmalen, blinden Ende perforierten Wurm- fortsatz, welcher in den durch den Umschlag des Lappens gebildeten Kanal sich eingeklemmt hatte und daselbst angewachsen war. Der Haut- lappen ist ausserdem mit der Leber und dem Netz innig verwachsen und in eine breite Bindegewebsschicht verwandelt. Zwischen dieser und der nekrotischen Hautpartie befindet sich ein eitrig infiltriertes, mit der Kotfistel in Verbindung stehendes Gewebe. Mikroskopisch ist von der Epidermis des Lappens nichts mehr nachzuweisen. 13. Kaninchen von 26 Tagen. operiert am 7. Juni, getötet am 3. Juli 1911. Es war keine Salbe auf dem Hautlappen aufgetragen. Sektion: In der Mitte der äusseren Hautnarbe findet sich eine Fistel, welche mit dem durch den Umschlag gebildeten Hautkanal in Ver- bindung steht. Mehr als die obere Hälfte des Lappens ist mit der koccidien- haltigen Leber und einer kleinen Netzpartie verwachsen. Der übrige Teil der Epidermisfläche des Lappens zeigt eine glatte, grauweisse, derbe Oberfläche. Mikroskopischer Befund: Die Leber ist durch eine breite, zell- und gefässreiche Bindegewebsschicht mit der Lederhaut des Lappens ver- wachsen, desgleichen das in ihrer Nähe liegende Netz. Im übrigen Teil des Lappens ist die Bindegewebslage von neugebildetem Endothel bedeckt. An manchen Stellen sieht man im Bindegewebe noch Reste der alten Epidermis in Form von Streifen, verhornten Epithels mit schmalen, länglichen Kernen. Bei Hämatoxylin-Eosinfärbung färbt sich dieses verhornte Epithel intensiv rot. 14. Kaninchen von 34 Tagen, operiert am 4. September, getötet am 8. Oktober 1909. Hautlappen ohne Salbe. Sektion: Am oberen Ende der äusseren Hautnarbe findet sich eine breite Fistel. Dünndarm und Netz sind mit dem Hautlappen verwachsen, nur kleine Partien sind frei geblieben. Umfangreiche, unregelmässig gebuchtete Dermoideyste unterhalb der angewachsenen Organe. Mikroskopischer Befund: Die Cyste grenzt nach oben und an den Seiten teils an junges, aus dem Fibrin organisiertes Bindegewebe, teils an sehr gefässreiches, mit Rundzellen durchsetztes maschiges Fibrin. Nach vorn grenzt sie an nekrotisches Hautlappen- und Muskelgewebe und kommuniziert dort mit der oben angeführten Fistelöffnung. Die Epidermis des Lappens, welche den Boden der Üyste bildet, verhält sich normal. Das Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 23 344 Friedrich Krauss: neu gebildete Epithel ist breit, mit reicher Sprossenbildung (siehe Fig. 6). Im Cysteninhalt massenhafte Rundzellen, Detritus, Hautschuppen, Haare, die auf dem Querschnitt vielfach hantelförmig sind, Ligaturfäden, nekrotisches Muskelgewebe in grösseren und kleineren Partikeln, ferner ein grösseres Stück sequestrierter Haut des Lappens. 15. Kaninchen von 8 Wochen, operiert am 16. Oktober, getötet am 16. Dezember 1909. Hautlappen ohne Salbe. Sektion: Hautwunde allenthalben vernarbt. Mässige Ventral- hernie der oberen Bauchgegend entsprechend dem Öperationsbezirk im Durchmesser von 9 cm in Länge und Breite. Nach Abpräparierung der verdünnten Haut wölbt sich daselbst eine unregelmässig buchtige Partie vor in Form eines kleinfingerbreiten Wulstes und mehrerer kleinerer Wülste. Dieselben bilden die Wand einer unregelmässig ausgedehnten, den Bereich des ganzen Lappens einnehmenden Dermoidcyste. Dieselbe enthält einen weisslichen, breiigen, mit zahlreichen Haaren untermischten Inhalt. Die Cyste grenzt bis nahe unter das neugebildete Peritonaeum. Dasselbe ist verdickt und im Gegensatz zu dem angrenzenden, normalen mehr opak grauweiss, weniger durchscheinend und scharf von ihm abgesetzt. Nur an einer kleineren Partie im oberen Bereich des Lappens findet sich eine Verwachsung mit dem Netz, wodurch der Abschluss der Bauchhöhle nach aussen gesichert war. Mikroskopischer Befund: Die Wandung der Üyste zeigt die ausgeprägten Eigenschaften einer Dermoideyste. Infolge der vielfachen, starken Ausbuchtungen der Wandung wird ein ganzes System von kleineren UOysten und Nebencysten gebildet, welche, so viel nachweisbar ist, alle unter sich mit der grossen Cyste, oft nur durch schmale Verbindungskanäle, kommunizieren. Das neugebildete Epithel ist an manchen Stellen bis um das Zehnfache des normalen verbreitert und treibt zahlreiche Sprossen und netzförmige Züge in das anliegende Bindegewebe. Die Sprossen zeigen auf dem Querschnitt häufig zwiebelschalenartige Anordnungen der Epithelien. Das Epithel hat allenthalben, besonders dort, wo die Abschuppung in die Cystenhöhle stark ist, eine gut ausgeprägte basale Zylinderzellenschicht, deren Zellen oft Mitosen zeigen. Auch ist das Stratum granulosum an den abschuppenden Stellen sehr breit und mit reichlichen Eleidinkörnern durch- setzt. Die Wandung der Cyste ist nicht überall mit Epithel bekleidet, häufig, besonders an den nach dem Peritonaeum zu gelegenen Partien, befindet sich nur ein Granulationsgewebe. Auch trifft man im subperitonaealen Bindegewebe zuweilen ganz kleine, von geschichteten, schmalen Epithelzellen begrenzte Hohlräume. Es sind dies Endausbuchtungen grösserer Üysten- räume. Zuweilen liegen im subepithelialen Gewebe der grösseren Öysten- partien noch Anhäufungen von Rundzellen. Die alte Epidermis zeigt nur nahe dem neugebildeten Epithel leichte Wucherung, ist sonst von normaler Beschaffenheit. Der Cysteninhalt enthält zahlreiche Hautschuppen, abge- stossene, verhornte Plattenepithelien, Rundzellen, Detritus, Haare, die meist einzeilig, aber auch mehrzeilig sind. Letztere haben auf dem Querschnitt ausgesprochene Hantelform mit schmäleren Mittel- und verbreiterten Seiten- stücken. Die Marksubstanz ist häufig durch Quellung erweitert. Über Implantation gestielter Hautlappen ete. 345 16. Dogge von 3 Monaten, operiert am 2. Februar, Exeision des implantierten Hautstückes am 6. Mai 1909. Hautlappen ohne Salbe. Sektion: Die äussere Hautwunde ist geschlossen bis auf eine am oberen Ende befindliche erbsengrosse Stelle, von welcher man in einen 2 cm langen, von Epidermis ausgekleideten, blind endigenden Gang ge- langt (Umschlagstelle des Lappens). Die nach der Bauchhöhle zugekehrte Fläche des implantierten Hautlappens zeigt milchweisse, vom übrigen Peri- tonaeum deutlich abgegrenzte Peritonaealbekleidung. Im oberen Teil liegen einige erbsengrosse, durch schmalen Strang mit dem Netz in Verbindung stehende Lipome. Mikroskopischer Befund: Die alte Epidermis des Lappens zeigt sich noch grösstenteils erhalten. Zwischen ihr und dem neugebildeten Peritonealüberzug findet sich eine breite, aus jungem Bindegewebe bestehende Schicht. In ihr sind reichliche Gefässe und vereinzelte grössere Hämor- rhagien, ferner Haarfragmente und Riesenzellen, welche Fremdkörper ein- schliessen, teils einzeln, teils in Gruppen anzutreffen und durch Bindegewebs- züge abgeschlossen. Im Anschluss an den angeführten Hautkanal hat eine Neubildung von Plattenepithel von der Epidermis des implantierten Lappens stattgefunden. Dieselbe ist eine etwas unregelmässige. Nur teilweise ist es zu einem mit Haaren, Hornlamellen und Detritus erfüllten, schmalen Cystengang gekommen, im übrigen erstrecken sich unregelmässig verzweigte, zungenförmige Epithelausläufer in das neugebildete Bindegewebe. An diesen Stellen ist auch das angrenzende Bindegewebe häufig von dichtgedrängten Rundzellen durchsetzt. 17. Kaninchen von 5 Monaten, operiert am 1. Februar, getötet am 4. Juli 1910. Hautlappen mit Vaselin bestrichen. Sektion: Die ÖOperationsstelle ist durch eine sackförmige, faustgrosse Ventralhernie vorgewölbt. Eine äussere Hautnarbe ist nicht mehr sichtbar. Nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigt sich, dass der herniöse Sack an der Peritonealseite durch einen scharfen, sichelförmigen Rand von der übrigen Bauchwand abgesetzt ist. Der Durchmesser der Hernie an der durch diesen Rand umschriebenen Partie beträgt ca. 8 cm, die Dicke der Bauchwandung daselbst nur 0,6 cm. Das Peritonaeum ist im Bereich der Hernie und zuweilen noch etwas über den sichelförmigen Rand hinaus von mehr milchweisser Farbe, weniger durchscheinend als das anstossende, aber überall glatt. Oberhalb der Mitte des herniösen Sackes ist im Umkreise von 1!» cm der Dünndarm adhärent. Mikroskopischer Befund: Von dem implantierten Haut- lappen ist keine Spur mehr nachweisbar. An Stelle desselben finden sich ein aus grossen, protoplasmareichen, verzweigten Rund- und Spindelzellen gebildetes Bindegewebe, sowie einzelne grössere Lymph- räume und Blutgefässe.. Die Bauchmuskulatur ist atrophisch zugrunde gegangen. 23* 346 Friedrich Krauss: Kritische Besprechung der Operationsresultate. Die Veränderungen der in die Bauchhöhle implantierten Haut sind, wie man aus den mitgeteilten Befunden ersieht, meist schwerwiegende, indem sie für gewöhnlich zur Zerstörung der Epidermis führen. In ihren Entstehungsursachen sind sie lediglich auf die Operation und zwar zum grössten Teil auf die im Anschluss an dieselbe im Hautlappen auftretenden ent- zündlichen Prozesse, sodann aber auch auf die durch die Verwundung der Epidermis an den Wundrändern der Umschlagstelle und den Ligaturstellen erfolgende Blosslegung des Rete Malpighi zurückzuführen. Aus sich selbst heraus die anatomischen Veränderungen einzugehen und sich den ver- änderten funktionellen Verhältnissen anzupassen, besteht, wie wir weiter unten noch ausführen werden, bei der äusseren Haut jedenfalls keine Neigung. In allen Fällen wird der Hautlappen im Anschluss an den operativen Eingriff, auch wenn derselbe noch so sorgfältig unter Beobachtung genauer Äsepsis vorgenommen wurde, von einer meist ziemlich beträchtlichen entzündlichen, kleinzelligen Infiltration betroffen. Der Umstand, dass die Haut nicht vollkommen keimfrei zu machen ist, indem in den Falten und Haarfollikeln immer noch Mikroorganismen zurückbleiben, ferner die Verwundung, welche durch die Umscheidung, Ab- präparierung und Vernähung des Lappens gesetzt wird, die Manipulationen mit demselben, besonders auch die Umdrehung, welche zu einer, wenn auch geringen Zirkulationsbehinderung führt, bieten eine genügende Anzahl von Momenten dar, welche eine entzündliche Infiltration des Hautgewebes begünstigen. Ein selten ausbleibendes, und für die weiteren, in der Haut zur Entwicklung kommenden Vorgänge wichtiges Phänomen des entzündlichen Prozesses ist nun die fibrinöse Exsudation auf die Oberfläche des Hautlappens. Sie führt häufig zu Adhäsionen desselben mit den benachbarten Organen der Bauchhöhle: Netz, Darm, Leber ete. Indem die Fibrin- ausscheidung an der Peripherie des Lappens an den Nahtstellen, welche auch am stärksten von ihr betroffen werden, beginnt, breitet sie sich von dort nach der Mitte des Lappens zu weiter aus. Das an der Oberfläche zur Gerinnung kommende Exsudat kann jedoch auch unabhängig von den Ligaturstellen — an allen möglichen übrigen Stellen der Epidermis zum Vorschein kommen. Über Implantation gestielter Hautlappen etc. 347 In diesem Falle ist aber immer vorher eine Läsion derselben durch die entzündliche Infiltration vorausgegangen, zum wenigsten eine Abhebung resp. Zerstörung der Hornschicht. Es scheint nicht, dass die FExsudation durch die unversehrte Epidermis erfolgen kann. An dieser Stelle möchte ich noch bemerken, dass auch auf andere Weise Fibrinüberzüge auf der Epidermis gebildet werden können und zwar einmal aus der, wenn auch für gewöhnlich in winziger Menge vorhandenen Peritonaealflüssigkeit, welche in Berührung mit rauhen Oberflächen, wie solche die Epidermis darbietet, ihr Fibrin ausscheiden muss. Ich habe dieses Moment durch Bestreichung des Lappens mit Salbe vor der Einnähung desselben, wie schon früher erwähnt, auszuschalten gesucht. Ferner könnte auch durch leichte Nachblutung an den Nahtstellen Fibrin sich bilden. Dies wird aber immer nur in geringer Menge geschehen und sich auf die Nahtstelle beschränken. Nur in einer kleinen Zahl von Fällen habe ich beobachten können, dass die Epidermis in grösserer oder kleinerer Ausdehnung frei von fibrinöser Auflagerung blieb (siehe Fälle 2. 4, 5). An diesen Stellen war auch der entzündliche Prozess im Gewebe des Lappens geringfügig und die Epidermis selbst intakt. Der Grund. warum das Fehlen einer Fibrinauflagerung so selten zu beobachten ist, ist wohl der, dass die Epidermis, auch wenn sie mit Salbe bestrichen war, doch durch Nachwachsen der Haare und durch weitere Abschuppung die Rauhigkeit ihrer Oberfläche wieder erhält. Beim Hunde (Fall 4) waren durch starke Faltung der Haut die Haare noch in der Tiefe der Taschen geblieben und nicht an die Oberfläche gekommen, bei einem der beiden Kaninchen bot wohl die in der Nähe gelegene Netzadhäsion einen gewissen Schutz gegen die Fibrinauflagerung. Die Fibrinschicht enthält in den ersten Tagen nach der Operation gewöhnlich eine grosse Anzahl eingewanderter Rundzellen, unterliegt aber dann sehr bald — vom 5., 6. Tage an — der bindegewebigen Organisation. Frühzeitig wird das sich organisierende Fibrin vom angrenzenden Peritonaeum aus mit einem Endothelüberzug versehen, ich möchte aber wegen der Schnelligkeit dieses Vorganges es nicht für ausge- 345 Friedrich Krauss: schlossen halten, dass auch die im jungen Bindegewebe befindlichen protoplasmareichen Zellen sich an der Ausbildung des Endothels beteiligen können. Das weitere Schicksal des Hautlappens hängt nun weiter ab einmal von dem Grade der kleinzelligen Infiltration des Hautlappens und ihren Folgen auf die Epidermis und dann von der Art und Weise, wie sich das Fibrin der Epidermisfläche anlegt. Die Epidermis kann in sehr ver- schiedener Weise durch das von der Lederhaut andrängende entzündliche Intiltrat geschädigt werden. Wenn die entzündliche Infiltration eine hochgradige ist, so können die Rundzellen in grosser Anzahl in die Epidermis entweder eindringen und die- selbe zerstören oder häufiger noch dieselbe von der unterliegenden Lederhaut abheben, loslösen und nach der Fibrinschicht hin ver- drängen. Die losgelösten Teile der Epidermis: Lamellen der Hornschicht, Haare oder Epithelzellen können auch vollständig in die fibrinöse Schicht eingeschlossen werden und von Rund- zellen umgeben dort liegen bleiben. Die Epithelien gehen dann meist bald zugrunde, während die Hornlamellen, Haare oder Haarfragmente später noch längere Zeit in Begleitung von Riesen- zellen in dem sich bindegewebig organisierenden Fibrin ange- troffen werden. Letzteres aber verwächst früher oder später in grösserer oder geringerer Ausdehnung mit dem Bindegewebe der epidermisberaubten Lederhaut zu breiteren oder schmäleren Synechien. Wichtig ist nun, dass von den erhalten gebliebenen Epithel- zellen des Rete Malpighi der Epidermis eine Zellneubildung und Wucherung ausgehen kann, welche in Form von Epithelsprossen oder zungenförmigen Fortsätzen entlang den Maschen des Fibrins vesp. der bindegewebigen Synechien sich weiter verbreitet und die Tendenz hat, zur epithelialen Umsäumung von Hohlräumen zu tühren (siehe Fig. 2). Ob auch Epidermiszellen, nachdem sie durch das entzündliche Exsudat abgehoben und verdrängt wurden, in das Fibrin implantiert und dort weiter wuchern können, so dass epithelumsäumte Hohlräume entstehen, halte ich nach meinen Präparaten wohl für möglich, konnte aber mit Sicherheit diese Frage nicht entscheiden. Mit dem eben geschilderten Vorgang ist eine der verschiedenen Entstehungsursachen für die bei der Implantation der Haut so häufig vorkommenden Epithel- oder Über Implantation gestielter Hautlappen ete. 349 Dermoideysten gegeben. Letztere Bezeichnung dürfte nach dem Vorgange von Lanz vielleicht vorzuziehen sein, weil diese Uysten wenigstens in einem Teil ihrer Wandung, soweit sie der Epidermis des Lappens angehört, ein vollständiges Derma (Epidermis + Korium mit Haardrüsen) besitzen. Immer ist eine Vorbedingung für die Entstehung der Cysten eine Blosslegung der keimfähigen Zellen des Rete Malpighi. Erst dann kann die epitheliale Neu- bildung und Wucherung vor sich gehen. Dieselbe ist als eine echte Tumorbildung anzusehen, wobei das sich organisierende Fibrin mit seinen Maschen einen günstigen Boden für die Aus- breitung und Weiterentwicklung derselben abgibt. In ähnlicher Weise wie bei der entzündlichen Blosslegung des Rete Malpighi kann aber nun, um dies hier anzuschliessen, auch an anderen Stellen der Epidermis, wo dureh Verwundung die basalen Zellen der Epidermis freigelegt wurden, eine Dermoid- cyste ihren Ursprung nehmen: So besonders an der Umdrehungs- stelle des Stiels, wo die Wundränder der Haut freiliegen, weil eine Naht hier nicht möglich ist. Die von hier ausgehenden Cysten sind besonders häufig zu beobachten. Alsdann gehören auch hierher die Uysten, welche von den Nahtstellen selbst zwischen Hautlappen und Bauchwand ausgehen. In einer solchen, kleinen Cyste fand ich eine Ligatur liegen, was mir die Annahme wahrscheinlich machte, dass die epitheliale Wucherung von der Nahtstelle aus entstanden war. Alle diese Epithel- oder Dermoideysten verhalten sich im allgemeinen so, wie die von Schweninger, Kaufmann, Lanz, Ribbert, Guszmann und anderen bereits früher experimentell erzeugten Cysten. Die epitheliale Wucherung kann eine beträchtliche Breite, bis zum Zehnfachen der normalen Epidermisbreite, besitzen und auch vielfache sekundäre Sprossen in das angrenzende Bindegewebe aussenden (siehe Fig. 6). Das neugebildete Epithel hat die Eigenschaft, in den an das Binde- gewebe grenzenden Zellen auch wieder Zylinderzellen resp. Matrix- zellen zu bilden, wie sie dem Rete Malpighi zukommen. Hieraus ist erklärlich, dass, wenn solches Epithel die Cystenwand bildet, die durch Abschuppung verloren gegangenen Zellen immer wieder ersetzt werden können. Hervorzuheben ist weiter, dass die epitheliale Neubildung nicht immer den ganzen Hohlraum aus- 350 Friedrich Krauss: kleidet, sondern es können auch Teile der Wandung frei bleiben (siehe Fig. 3 und 4). An diesen ist dann ein Granu- lationsgewebe vorhanden, in welchem, wie dies auch von Ribbert angegeben wurde, besonders häufig Haarfragmente als Reste von Haaren, welche früher zur Zeit der Fibrinbildung hier hereingewachsen waren, angetroffen werden. Dieses Granulations- gewebe liefert nun andauernd reichliche Mengen von Rundzellen zum Uysteninhalt. Derselbe besteht im übrigen aus den bekannten Bestandteilen, wie sie bei Dermoideysten vorhanden sind: aus Hornschuppen, abgestossenen Epithelien, massenhaften Haaren etc. Es können aber zuweilen auch, wenn die Üysten- wand in grösserer Ausdehnung aus Granulationsgewebe besteht und die Entzündung in demselben und der Nachbarschaft eine intensivere ist, auch grössere Partien nekrotischen (Gewebes der Nachbarschaft in die Oystenhöhle ausgestossen werden. Derartig beschaffene Cysten geben weiterhin auch häufig Anlass zur Bildung von Fisteln, welche meist nach aussen im Bereich der äusseren Hautnarbe, besonders häufig aber durch den infolge der Um- drehung des Lappens gebildeten Hautkanal ausmünden, besonders, wenn letzterer nicht zum festen Verschluss gekommen war. Die im Protokoll aufgeführten Fälle enthalten mehrfache Beispiele. In dem jungen Bindegewebe. welches die Uyste umgibt. findet man und zwar oft in ziemlicher Entfernung von derselben zahlreiche Riesenzellen, die Fremdkörper: Hornlamellen, Haarfragmente oder Ligaturpartikelchen einschliessen. Sie liegen nicht nur einzeln, sondern zuweilen auch in Gruppen in alveolärer Anordnung, durch Bindegewebszüge begrenzt (Kaufmanns Riesenzellentumoren ). Im allgemeinen haben die Dermoideysten keine Neigung zur Rückbildung. Im Gegenteil, durch den Druck des Inhalts, welcher häufig auch die bindegewebigen Synechien zum Schwinden bringt, vergrössern sich zuweilen die Öysten. Wir kommen nunmehr zur Besprechung derjenigen Fälle, wo die Epidermis weniger stark durch die entzündliche Infiltration geschädigt wurde. Es kann hier häufig nur zu einer umschriebenen Anhäufung von Rundzellen zwischen den Lamellen der Hornschicht oder im subepithelialen Gewebe dicht unterhalb der basalen Epidermiszellen kommen, während im übrigen die Epidermis intakt ist. Für gewöhnlich kommt es aber in dieser relativ Über Implantation gestielter Hautlappen etc. 351 intakten Epidermis, welche in der Nachbarschaft von entzündlich alterierten Partien des Hautgewebes gelegen ist, wohl infolge einer reicheren serösen Durchtränkung seitens des entzündlichen Transsudates, zu einer Hypertrophie und Hyperplasie der Epidermis mit Vermehrung ihrer Schichten, häufigen Kern- teilungsfiguren in den Basalzellen, Vergrösserung der einzelnen Zellen mit Verbreiterung der Interstitien besonders im Rete Malpighi und starker Abschuppung der Hornschicht. Die epitheliale Wucherung setzt sich häufig auch auf die Epithelbekleidung der Haarbälge fort. Für das weitere Schicksal der Haut ist nun abgesehen von der Oystenbildung wichtig das Verhalten des sich organi- sierenden Fibrins zur Epidermis. Wir haben oben schon erwähnt, dass es zwischen der Fibrinschicht und der Lederhaut zu bindegewebigen Verwachsungen (Synechien) kommen kann. Es können aber auch Reste der intakten oder nur ihrer Horn- schicht beraubten Epidermis längere Zeit zwischen Korium und dem jungen Bindegewebe der Fibrinschicht liegen bleiben (siehe Fig. 5): mit der Zunahme der faserigen Beschaffenheit des letzteren kommt es aber nach und nach zum Schwunde der Epidermis durch Kompression und Resorption. So können umfängliche Partien der Epidermis des Lappens durch Bindegewebe ersetzt werden. Im Falle 17 ist sogar an Stelle der gesamten Epidermis Bindegewebe getreten. Möglicherweise war aber auch hier an- fänglich eine Dermoideyste entstanden, welche indessen durch die starke Dehnung des Lappens infolge der grossen Ventral- hernie später zum Schwinden kam. Weiterhin können durch die Fibrinauflagerung die Mündungen zahlreicher Haarbälge und der in sie ein- mündenden Talgdrüsen verschlossen werden. Hierdurch gelangen dieselben in vielen Fällen schon frühzeitig zur Atrophie und vollständigem Sechwund. Zuweilen aber werden die Haar- bälge und die in sie einmündenden Talgdrüsen, besonders wenn eine Verdiekung ihres Epithels vorausging, durch Stauung des Inhalts ausgedehnt. Es können auf diese Weise Retentions- cysten entstehen, welche indes meist wohl keinen grösseren Umfang annehmen und später auch meist der Schrumpfung und Verödung anheimfallen. Der vollständige epitheliale Abschluss solcher Retentionscysten kann durch epitheliale Wucherung er- 332 Eriedxrich Krauss: folgen, welche meist vom spitzen Winkel zwischen Haarbalgwand und anstossender Epidermis ausgeht. In diesen Üysten sieht man öfters durch Quellung stark verbreiterte Haare. Nicht nur die Rindensubstanz, sondern auch die Marksubstanz beteiligt sich an der Quellung. Bei mehrzeiligen Konturhaaren werden zuweilen die zwischen den Markzellen befindlichen Leisten von Rinden- substanz verschmälert und eingeschmolzen. Es entstehen hier- durch besonders beim Kaninchen interessante Bilder. Ich möchte bei dieser Gelegenheit anführen. was in den Lehrbüchern besonders auch in der Anatomie des Kaninchens von W. Krause nicht zu finden ist, dass der Querschnitt der Haare beim Kaninchen ein sehr verschiedener ist. Die ein- zeiligen Wollhaare haben einen nahezu runden (uerschnitt. Bereits bei den zweizeiligen Haaren sieht man an einer oder beiden Seiten eine mittlere Einbuchtung, welche bei den mehr- zeiligen zunimmt. Man trifft bei den Konturhaaren häufig Haare bis zu zehn Zeilen, welche öfters miteinander zusammenfliessen. Auf dem (Juerschnitt haben solche Haare eine Hantelform mit schmälerem Mittelstück und stark kolbig angeschwollenen Seiten- stücken. In den vielzeiligen Konturhaaren liegen die Markzellen nicht nur quer nebeneinander, sondern im Seitenstück auch hinter- einander. Die innere Wurzelscheide wölbt sich bei den Kontur- haaren mit breiter Huxleyscher Zellschicht in die mittlere Ein- buchtung hinein, ähnlich wie dies auch von Günther für ge- kehlte Haare anderer Tiere angegeben worden ist. Am Eingang dieses Kapitels wurde bereits darauf hinge- wiesen, dass die Epidermis sowohl frei von fibrinöser Auflagerung, als auch frei von Schädigung ihres Gewebes durch die entzündliche Infiltration bleiben kann. Es sind allerdings, wie oben bereits begründet. selten zu beobachtende Fälle, aber um so wichtiger in theoretischer Beziehung für die Beurteilung der Frage der funktionellen An- passung der äusseren Haut. Sie sind im Protokoll in Nr. 2, 4, 5 angeführt und betreffen 5. 7. 10 Tage nach der Operation getötete Tiere. Beim Hund (Fall 4) war die Epidermis ausser den in der Peripherie des Lappens gelegenen Nahtstellen und der wenig umfänglichen Verwachsungsstelle mit Leber und Darm in dem weitaus grössten Teil des Lappens intakt, bei den beiden Kaninchen nur an kleineren Partien des Lappens. Dieses Verhalten der 9%) [SS Über Implantation gestielter Hautlappen etc. Epidermis zeigt wohl, dass dort, wo keine oder nur eine geringe Schädigung derselben durch den operativen Eingriff statt hat, die- selbe sich intakt erhalten kann. Leider war es mir nicht gelungen, intakte Epidermis von Tieren zu gewinnen, bei welchen längere Zeit seit der Operation verflossen war; ich zweifle aber nicht daran, dass die Epidermis wohl auch weiterhin — ja vielleicht während der ganzen Lebenszeit der Tiere — in gleichem intaktem Zustande sich erhalten kann, falls nicht wieder neue schädigende Einflüsse auftreten: z. B. Fibrinbildung auf ihrer Oberfläche durch Wieder- rauhwerden derselben infolge von Schuppenbildung und Nachwachsen der Haare oder Ausdehnung und Schwund der Epidermis durch Ausbildung einer Ventralhernie (siehe Fall 17). Was nun die neue funktionelle Beanspruchung der in das Peritonaeum implantierten äusseren Haut betrifft, so dürfte dieselbe auch nicht eine solche Einwirkung haben, dass hierdurch eine tiefer greifende Umgestaltung ihrer hoch organisierten Struktur eintreten müsste. Das Wesentliche bei der Funktionsänderung ist doch, dass die Haut bei der Implantation in die Bauchhöhle aus dem trocknen Luftmedium in ein mehr feuchtwarmes Medium gelangt, wie es der mit geringer Menge seröser Flüssigkeit be- netzten Innenwand der Bauchhöhle eigen ist. Wenn nun auch nicht in Abrede zu stellen ist, dass der Wechsel des Mediums einen Einfluss auf die Beschaffenheit der Epidermis besitzt, so sehen wir doch, wenn wir die vergleichende Anatomie hierfür zu Rate ziehen, dass solche Einflüsse in der Tierreihe erst nach längeren Zeiträumen sich geltend machen. Im wesentlichen ist die Struktur der Haut der auf dem Lande lebenden höheren Wirbeltiere ähnlich der für das Wasser angepassten von Fischen und Amphibien, und wenn auch in der Ausbildung des Stratum corneum bei ersteren ein wesentlicher Unterschied gegeben ist, so ist doch hervorzuheben, dass bereits bei Amphibien der Vor- gang der Verhornung der obersten Epidermisschichten sich vor- bereitet und dassnach Gegenbaur sogar bei gewissen Amphibien: den Perennibranchiaten und Derotremen, trotzdem sie ‚stets im Wasser leben, dennoch das von terrestren Vorfahren erworbene Stratum corneum nicht verloren gegangen ist. Hier- aus geht wohl auch hervor, dass — ganz abgesehen von der Um- wandlung in ein endotheltragendes Peritonaeum — selbst zu der 354 Friedrich Krauss: verhältnismässig geringfügigen Abänderung des Stratum corneum schon ein langer Zeitraum erforderlich wäre. Als weitere Bei- spiele der Verträglichkeit des Plattenepithels mit einem feuchten Medium sind die Hornhaut des Auges, die Mundhöhle, die Speise- röhre, die Scheide und Blase anzuführen. Diese Teile besitzen — vom Stratum corneum abgesehen — eine der Epidermis der äusseren Haut ähnliche Plattenepithelschicht. Das bei den angeführten Versuchen zuweilen beobachtete Verhalten der Epidermis, auch in einem veränderten, feuchteren Medium intakt zu bleiben, entspricht auch den von Rählmann ausgeführten Experimenten. Rählmann gelang es, Lippen- schleimhaut auf den Boden des konjunktivalen Bindegewebes zu überpflanzen, so dass Lippenschleimhaut und Konjunktiva dicht aneinander grenzten. Nach 5 Monaten war in einem Teil der Fälle die transplantierte Lippenschleimhaut auch mikroskopisch als solche unverändert nachzuweisen, in einem anderen Teil der Fälle war das Transplantat durch Entzündung zugrunde gegangen. Ich kann auch eine mündliche Mitteilung von J. Rotter (Berlin, St. Hedwigskrankenhaus) anführen, welcher in einem Falle einen Defekt einer Gaumenspalte mit einem gestielten, am Stiele umgedrehten Lappen aus der Stirngegend deckte, so dass die Epidermisseite nach der Mundhöhle zu zu liegen kam. Nach zwei Jahren, als Rotter den Patienten wiedersah. bot der Lappen an seiner nach der Mundhöhle gekehrten Fläche ganz das Aus- sehen normaler Epidermis dar und markierte sich scharf von der Schleimhaut der Mundhöhle. Eine mikroskopische Untersuchung der implantierten Haut konnte nicht gemacht werden. Wie man aus dem bisher Gesagten ersieht, kann von einer funktionellen Anpassung der äusseren Haut an das Peritonaeum nicht die Rede sein, wenigstens nicht in dem Sinne, dass durch dieselbe veranlasst eine wesentliche Veränderung ihrer Struktur eintreten würde. Sie geht entweder Veränderungen ein, welche auf die Operation zurückzuführen sind, oder sie bleibt intakt. Hierin stehe ich in Widerspruch mit den Ansichten Wull- steins, auf die ich im folgenden nunmehr eingehen will. Aus den im einleitenden Kapitel mitgeteilten Ansichten Wullsteins geht hervor, dass es nach Wullstein wesentlich die funk- tionelle Beanspruchung ist, welche die Epidermis teils jo] | u} | Über Implantation gestielter Hautlappen ete. Br durch Fibrinauflagerung, teils durch metaplastische Prozesse in eine Serosa umwandelt. In bezug auf die Fibrinauflagerung habe ich, soweit dieselbe nicht durch Rauhigkeit der Epidermisoberfläche bedingt ist, wiederholt angeführt, dass sie entzündlicher Natur und ledig- lich Folge des operativen Eingriffs ist und dass die Haut imtakt bleiben kann, wenn die fibrinösentzündlichen Vorgänge in möglichst geringem Grade zum Ausdruck kommen. Was die Metaplasie betrifft, so möchte ich hierzu folgendes bemerken. Wenn man nach der Definition von Lubarsch unter Metaplasie den Ersatz wohldifferenzierter Struktur durch andersgeartete, ebenfalls wohldifterenzierte, von dem gleichen Mutterboden gelieferte Struktur versteht. so kommt, wie heute von den meisten Autoren: Lubarsch, Merkel, Schaffer, Schridde u.a. angenommen wird, die direkte Metaplasie in der Art, dass die neue Struktur in der alten Zelle direkt entsteht, wohl gar nicht oder doch nur höchst selten vor. Bei jugendlichen, wenig differenzierten oder niederstehenden (Geweben wäre eine solche denkbar. So habe ich in einer früheren Arbeit für die vakuolisierten Chordazellen eine direkte, chemisch- strukturelle Metaplasie in Knorpelzellen angenommen. Hier bleibt die Zelle mit ihrem Endoplasma als solche bestehen und wird zur Knorpelzelle, während durch eine Sekretion der Zelle in den Vakuoleninhalt (= Exoplasma) die chondromukoide Metamorphose eingeleitet und Knorpelgrundsubstanz gebildet wird. Bei höher organisierten Geweben dagegen ist eine direkte Metaplasie aus- geschlossen. Die in ihrer Organisation fertig ausgebildete Zelle kann nur auf dem Wege der indirekten Metaplasie sich in eine andere ähnlich differenzierte Zelle umwandeln, d.h. auf dem Wege der allmählichen Rückditferenzierung in eine indifferente Zelle, der die Ditferenzierungspotenzen der Stammeszelle wieder zufallen. In dieser Weise können z. B. die nahe verwandten Stützgewebe, sowie die Epithelgewebe ineinander übergehen. Besonders in bezug auf letztere haben die alten Ansichten von Virchow und Neumann durch die neueren Forschungen von Lubarsch und Schridde ihre Gültigkeit verloren. So kann eine Flimmerzelle sich nicht, wie Neumann dies für den embryonalen, menschlichen Ösophagus angegeben hat, ohne weiteres in eine Plattenepitheizelle umwandeln. Wallengren 356 Rir.nerdreih ak mass: hat nachgewiesen, dass sogar schon die Teilung der so hoch organisierten Flimmerzelle erst dann möglich ist, nachdem sie ihre spezifischen Attribute abgelegt hat und zu einer indifferenten Epithelzelle geworden ist. Wenn demnach die Epidermis sich in ein Endothel, welches gegenwärtig auch zu den Epithelien gerechnet wird, umwandeln soll, so müssten die oberen Schichten der Epidermis durch Ab- stossung oder Auflösung schwinden und allmählich die Abkömmlinge der basalen Zellen zu indifterenten Zellen werden, welche weiter- hin den Charakter von Endothelzellen annehmen müssten. Obwohl ich nun die Möglichkeit einer solchen Umwandlung im Laufe einer längeren Zeitperiode nicht bestreiten will, so scheint mir doch dagegen zu sprechen, dass die Epidermis nach den mitgeteilten Untersuchungsergebnissen, falls sie sonst nicht geschädigt wird, keine Neigung zu einer solchen Umwandlung besitzt, dass ferner auch die neue funktionelle Inanspruchnahme der Epidermis im Gewebsverbande des Peritonaeums keine so verschiedene von der früheren ist, um eine solch tief eingreifende Änderung ihrer Struktur hervorzurufen. Was schliesslich Wullsteins Ansichten über die Entstehung der Dermoideysten betrifft, so wird dieselbe durch meine Operations- ergebnisse widerlegt. Die Dermoideysten bilden sich nicht nur an den von Netz überbrückten Stellen des Hautlappens, sondern auch unabhängig von Netz- oder anderen Adhäsionen an frei mit der Bauchhöhle in Verbindung stehenden Partien des Hautlappens. Wenn wir die vorstehenden Mitteilungen zusammenfassen. kommen wir zu folgenden Schlussergebnissen: l. Die nach der Implantation der Haut ins Peritonaeum stattfindenden Veränderungen der Haut bestehen haupt- sächlich inder Ablagerung einer sich zu Binde- gewebe organisierenden Fibrinschicht auf die Oberfläche der Epidermis des Haut- lappens. Dieses Bindegewebe, welches von der. Seite her mit Endothelbelag versehen wird, tritt an die Stelle der auf verschiedene Weise zugrunde gehenden Epidermis. Ferner bilden sich sehr häufig auch Adhäsionen mit den benachbarten Organen der Bauchhöhle, sowie Dermoid- und Retentionsceysten mit Fistelbildung aus. Die genannten Veränderungen 9 I. = (eo) | =—ı Über Implantation gestielter Hautlappen ete. der Haut sind im wesentlichen durch die infolge der Operation herbeigeführte Verwundung der Haut speziell der Epidermis und durch die der Operation sich anschliessenden entzündlichen Vorgänge im Hautlappen bedingt, zum Teil aber auch durch die Rauhigkeiten der Epidermisoberfläche des Lappens, welche Fibrinniederschläge aus der Peritoneal- tlüssigkeit begünstigen. Unter günstigen, allerdings selten vorhandenen Be- dingungen, welche schädigende, zur Fibrinbildung auf die Oberfläche der Epidermis führende, sowie atrophierende Einwirkungen am Hautlappen fernhalten, können ein- zelne Partien der Haut als solche für längere Zeit. vermutlich auch zeitlebens, ohne wesentliche Veränderung einzugehen, im peritonaealen Gewebs- verbande erhalten bleiben. Eine funktionelle Anpassung der Haut an das Peritonaeum durch Autolyse und Metaplasie findet bei der Implantation der Haut ins Peritonaeum nicht statt. Ebensowenig ist die bindegewebige Um- wandlung der Haut durch Fibrinauflagerung und durch Endothelbekleidung dieses Bindegewebes von der Seite her als eine funktionelle Anpassung zu bezeichnen. . Die äussere Haut stellt kein geeignetes Material dar für plastischen Ersatz seröser Haut. Man hat es nicht in der Hand, Adhäsionen, Cystenbildung mit daran sich anschliessenden Fisteln zu vermeiden. Charlottenburg, im August 1911. Friedrich Krauss: Ab! [0 0) Literaturverzeichnis. Barfurth, D.: Regeneration und Transplantation in der Medizin. Jena, METSCmEer INS Gegenbaur, ©.: Vgl. Anat. d. Wirbeltiere. Leipzig 1898, Bd.I, S. 92, Günther, M.: Haarknopf und innere Wurzelscheide. In.-Diss., Berlin 1895. Guszmann, J.: Experimentelle Untersuchungen mit implantierten Haut- stücken. Virchows Archiv, Bd. 181, Heft 3. Kaufmann,E.: Über Enkatarrhaphie von Epithel. Bonn, ©. Georgi, 1884. Krauss, F.: Über die Genese des Chordaknorpels der Urodelen und die Natur des Chordagewebes. Arch. f. mikr. 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Epidermis zeigt ver- schiedenes Verhalten; zum Teil ist sie gänzlich zerstört durch das Infiltrat, zum Teil nur das Stratum corneum zerstört oder abgehoben. Auch ein Haarbalg ist durch die entzündliche Infiltration in seinem Epithel stark geschädigt. Links davon ist die Epidermis gewuchert. Der Epidermis des Lappens gegenüber liegt das Netz, an dessen Aussenfläche eine von Rund- und Fett- körnchenzellen durchsetzte Fihbrinschicht Zwischen Fibrinschicht und dem Hautlappen befindet sich ein Exsudat, in welchem sich Fibrin, Hornschuppen, Rund- und grosse Fettkörnchenzellen befinden. Heitz, Ok,3, Obj. 6. Fig. 2. 5 Tage alte Implantation vom Kaninchen Bindegewebig organisierte Fibrinschicht teilweise innig mit der Lederhaut ver- wachsen. Zwei Epithelcysten sind in der Ausbildung begriffen. Dieselbe geht aus von Zellen des Rete Malpighi, welche durch die entzündliche Infiltration blossgelest wurden uni stehen geblieben sind. Der Inhalt der kleinen Cysten besteht aus abgestossenen Epithelien, Rundzellen und Hornschuppen. Rechts von der kleineren Üyste sieht man noch gewucherte Epidermis. Brenn 2. 0k23, Ob]26- Rig.3 6 Tage alte Hautimplantatiom vom Kaninchen. Verwachsung mit dem Netz. Fibrinschicht in bindegewebiger Organi- sation begriffen. Zwischen derselben und der Epidermis abgestossene Hornschuppen, Plattenepithelien und Rundzelien. An dem der Epidermis gegenüberliegenden Rande der Fibrinschicht sieht man zwischen Stellen von Granulationsgewebe kleinere und grössere Partien neu gebildeten Plattenepithels. Stratum corneum der Lappenepidermis in starker Abschuppung be- griffen, ganz unten befindet sich ein Stück der Epidermis der äusseren Haut in der Nähe einer Nahtstelle und gewuchert. Leitz. Ok.3, Obj.3. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. DH 360 Fig. 4. Fig. Friedrich Krauss: Über Implantation ete. Ein Teil der vorigen Figur bei stärkerer Ves- grösserung. Fibrinschicht von alten Blutresten durchsetzt und gegenüber der Epidermis des Hautlappens gelegen. Die Fibrin- schicht ist nach der Bauchhöhle zu organisiert und zeigt daselbst ein an Spindel- und Rundzellen reiches junges Bindegewebe, welches nach aussen zu in ein von Rundzellen durchsetztes Granulations- gewebe übergeht. Letzteres enthält in unregelmässigen Zügen angeordnete epitheliale Fortsätze. Zwischen Fibrinschicht und Lappen liegt ein an Hornschuppen, Rund- und Fettkörnchenzellen reiches Exsudat, von welchem hier nur ein Teil zu sehen ist. Leitz, Ok. 3, hom. Immers. !ı>. 6 Tage alte Implantation vom Kaninchen. Fibrin- schicht zu zellen- und gefässreichem Bindegewebe organisiert und mit der gewucherten, der Hornschicht beraubten Epidermis verwachsen. Letztere treibt epitheliale, neu gebildete Sprossen in das junge Bindegewebe, in welchem auch noch Hornschuppen sichtbar sind. Haarbälge erweitert, enthalten gequollene Haare; die stärkeren Haare haben auf dem Querschnitt hantelförmige Figur. Im Innern und in der Umgebung der Haarbälge befinden sich noch zuweilen Rundzellen- infiltrate. Leitz, Ok. 3, Obj. 6. 34 Tage alte Implantation vom Kaninchen. Stück einer Dermoideystenwand, welche aus neu gebildetem, reichliche Sprossen treibendem Plattenepithel besteht. Die basalen Zylinderzellen desselben deutlich sichtbar. Zwischen Cystenwand und Peritonaeum gefässreiches Bindegewebe, an einzelnen Stellen noch Rundzellenhaufen enthaltend. Im Cysteninhalt Horn- schuppen, Rundzellen und Detritusmassen. Leitz, Ok. 3. Obj. 6. 361 Aus dem biologischen Laboratorium der Universität Bonn. Über Regeneration bei Planarien. Von Paul Lang. Hierzu Tafel XX und XXI und 2 Textfiguren. Inhalt: Seite Einleitung . . . BB ITUNN 1 1. T5 PS BEIBREN 01 u ehmesaliekt a TEN 32 Untersuchungsmethoden . . . . ae ET N 32 Versuche über ne londaner Heteromorphose usw 265 Einfluss des Lichtes auf die Regeneration . . . 0 Histologische Untersuchungen über Besenerntionen a LE AT nr Au NWhlindverschlüssl 4. BLNENS 240:.5, OEa 379 B» Regeneration.des; Darmes . ...... ... ..... WEISE 1 38 @SReseneration des, Nervensystemes; . u 1.2.7.2 un 22002388 D. Das Parenchym während der Regeneration . . . . 398 Histologisches und Experimentelles über Heteromorphose, gkleioren und Regenerationen an Köpfen, kurzen (Juerstücken und Schwänzen 402 A. Über Heteromorphose . . . . . ER 12.10.00 A002, BAUDerFReduktionenarr ar. a reheduktiondersAueeng 2.1. 22.0 a AS 2eneduktionderäkhapditen .. ..... . „ao, 3. Reduktion des Körperpigmentes . . „2... ..413 4. Reduktion des Darmes . . . Be . Beziehungen zwischen Reduktion nal Bedensusnen IE s4l6 N. DERSSTUN SS ee 2 Teer LS Literaturverzeichnis . he 422 Erilarung der Abbildungen 0. 2... 200 Ehe 213) Einleitung. Zwar sind im letzten Jahrzehnt recht viele histologische Arbeiten über Regeneration, und speziell auch über Regeneration bei Turbellarien erschienen; aber es ist doch noch eine ganze veihe von wichtigen Fragen offen geblieben; über andere Punkte bestehen noch lebhafte Kontroversen, so dass man auch in den neuesten Arbeiten über verschiedene Gegenstände direkt entgegen- Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.]. 25 362 Pan amie: gesetzte Ansichten vertreten findet. Es erscheint daher immer wieder lohnend, die Vorgänge bei der Regeneration histologisch zu untersuchen. Dass man ohne histologische Studien dieser Erscheinungen nicht wesentlich weiterkommen wird, beweist der Umstand, dass seit einigen Jahren sich auch die amerikanische Schule mehr und mehr diesen Untersuchungsmethoden zuge- wandt hat. Untersuchungsobjekt. Als Untersuchungsobjekt diente Planaria polychroa. Einige wenige Versuche wurden auch mit Pl. gonocephala angestellt. Es ergab sich aber bald, dass diese Form für länger andauernde Versuche weniger geeignet ist, weil sie viel mehr Aufmerksamkeit erheischt betreffs Reinigung der Gläser usw. Es hängt das offenbar damit zusammen, dass diese Art in fliessendem Wasser lebt: man müsste also die Versuchstiere in gleiche Bedingungen setzen, wollte man nicht zu viele Einbussen erleiden. Das fällt weg bei Pl. polychroa. Diese Spezies lebt in stehendem oder ganz wenig fliessendem Wasser. Man findet die Tiere meist unter abgefallenem Laub; unter Steinen habe ich sie nur äusserst selten getroffen. Die Tiere lieben reines, klares Wasser und sitzen meist an sauberen Blättern, und zwar scheinen sie dunkle Blätter zu bevorzugen. Sie sitzen stets unter den Blättern, also derart, dass die Bauchseite nach oben, die Rückenseite nach unten schaut. Der Vorteil. den diese Lebensweise den Tieren bietet, ist offensichtlich. Nicht geringeren Schutz gewährt ihnen auch ihre dunkelbraune Farbe, die in vielen Nuancierungen der Farbe der Wohnblätter angepasst ist. Hebt man die Blätter auf, so findet man die Tiere in träger Ruhe. Sobald sie aber ans Licht gezogen werden, fangen sie an zu kriechen, um eine dunkle Stelle aufzusuchen. Auf diese Verhältnisse wird bei den Regenerations- versuchen noch einmal hinzuweisen sein. Untersuchungsmethoden. Die gefangenen Tiere kamen in ein Aquarium mit reichlich Blättern und Futtertieren. Doch wurden tunlichst frisch gefangene Tiere zu den Operationen verwandt. Höchsten waren die Operations- tiere zwei Tage lang in Gefangenschaft gehalten. Dagegen wurden die operierten Tiere nicht gefüttert, und zwar aus zwei Gründen: Einmal bringen Futterfleisch und -tiere viele Infektionen mit sich Uber Regeneration bei Planarien. 3653 nnd erschweren sehr das Reinigen der Gläser. Zweitens werden die Versuchstiere dadurch sehr ungleichen Bedingungen aus- gesetzt; nicht nur weil je nach den Operationen vielen Tieren, insbesondere Köpfen und (Querstücken, der Pharynx dauernd oder zeitweise fehlt, sondern auch, weil selbst die Tiere mit Pharynx nicht alle zum Fressen kommen. Wie nämlich Lillie (30) bei einigen Süsswassertricladen und Wilhelmi (59) bei Seetricladen festgestellt haben, so konnte auch ich beobachten, dass dekapierte Tiere Futter nicht zu wittern vermögen und nur, wenn sie zu- fällig über das Futterfleisch kriechen, zum Fressen kommen; oft aber kriechen sie auch dann einfach über das Futter hinweg, ohne den Pharynx ausgestreckt zu haben. Nun waren meine Versuchstiere zum grössten Teil entweder des Kopfes oder des Pharynx beraubt. Zudem betrug bei den meisten Untersuchungen die Regenerationsdauer auch nur wenige Tage. In diesen Fällen macht sich aber ein direkter Einfluss des Hungers bei grösseren Stücken nicht bemerkbar. Bei Köpfen und kleinen (Querstücken wird das freilich wohl der Fall sein. Bei derartigen Objekten. sowie bei länger ausgedehnten Versuchen muss man dann den Einfluss des Hungers besonders berücksichtigen und zu dem Zwecke Arbeiten wie die von Schultz (50) und Stoppen- brink (55) zu Rate ziehen. Die Operationen wurden in folgender Weise vorgenommen: Das Tier kam mit der Bauchseite auf einem mit Wasser be- feuchteten Kork gelegen unter eine Stativlupe Ist das Tier zu unruhig, so entzieht man ihm Wasser: dehnt es sich nicht genügend aus, setzt man Wasser zu. Im geeigneten Moment wurde mit scharfem Messer plötzlich der Schnitt geführt. War der Schnitt in bestimmter Richtung zum Pharynx oder durch den Pharynx zu führen, so kam das Tier auf den Rücken zu liegen. Mit weichem Pinsel wurden die Stücke nach der Operation vom Kork in eine Petrischale mit Brunnenwasser abgeschwemmt. Es kamen nur ein bis höchstens zehn Tiere in eine Schale zu- sammen. Dabei kann man ohne Bedenken einen Kopf oder ein (Wuerstück zu einem geköpften Tier setzen; es ist niemals der „Kannibalismus“ vorgekommen, dass ein kopfloses Tier seinen eignen Kopf verzehrt hätte. Es erwies sich als vorteilhaft, die Schalen nicht mit Algen zu versehen; dafür wurde in der ersten Zeit nach der Operation täglich, später alle zwei Tage das Wasser 25* 564 Paul Lang: erneuert und die alten Schalen mit gesäuberten vertauscht. Um dabei jede Verletzung der Wunde oder des Regenerates zu ver- meiden, erweist sich eine Pipette als sehr geeignet, mit der man insbesondere Köpfe gut aus einem Glas ins andere bringen kann. (Juerstücke und grössere Tiere dagegen sitzen oft so fest, dass man sie zunächst mit hartem (Gegenstand lösen muss. Aquarien sowie operierte Tiere wurden zunächst in Zimmern mit gewöhnlicher Tagestemperatur aufbewahrt; dort wurde auch operiert. Bei einer Temperatur von über 20° gehen aber viele Regenerate, zumal kurze (uerstücke und Köpfe, ein. Deshalb kamen die Tiere später in einen Keller, wo auch in den heissesten Tagen die Temperatur 15° C. nicht überstieg. Hier wurden auch die Operationen ausgeführt. In der Tat nahm die Zahl der ein- gehenden Tiere ausserordentlich ab. Doch waren auch hier von Zeit zu Zeit Einbussen zu verzeichnen; dann gingen die Tiere aber reihenweise zugrunde; es handelte sich offenbar um Über- tragung einer Infektion. Die Tiere wurden meist in Sublimat abgetötet, gelegentlich auch mit Flemmingscher Flüssigkeit. Das Sublimat wird auf 60 bis 70° erhitzt. Das Tier kommt in eine flache Schale auf den Bauch zu liegen: fast alles Wasser wird abgesaugt. Dann wartet man den geeigneten Moment ab, um das Tier plötzlich mit dem heissen Sublimat zu übergiessen. Von einem günstigen Augenblick hängt ausserordentlich viel ab, besonders wo es sich um junge Regenerationsbilder handelt, da das dünne Regenerations- häutchen bei diesem Verfahren leicht reisst. Man wartet am besten mit dem Übergiessen, bis das Tier irgend eine Kontraktion ausgeführt hat. Einen Augenblick danach wird es in Ruhe bleiben; diesen muss man zum Übergiessen benutzen. Um zu starke Krümmungen zu vermeiden, wird man bei grösseren Stücken das Sublimat von oben auf das Tier giessen; Querstücke und Köpfe aber kleben nachher oft so fest am Glase, dass sie oft nicht ohne Verletzung zu lösen sind; es erweist sich daher als zweckmässig, das Sublimat von der Seite her über sie zu ergiessen, um sie so während des Abtötens loszuschwemmen. Ausserdem ist folgendes zu beachten: Will man den Re- generationskegel eines geköpften Tieres in Sagittalschnitten unter- suchen, so lässt man das Tier sich nicht ganz ausstrecken, sondern tötet es in einem Momente ab, wo das Vorderende ein wenig Über Regeneration bei Planarien. 365 abgestumpft erscheint; dann werden Sagittalschnitte fast das ganze Regenerat ziemlich senkrecht zum regenerierten Epithel treffen, während man fast nur Schrägschnitte erzielen könnte, würde man einen ganz ausgestreckten Regenerationskegel abtöten. Will man das Regenerat dagegen in @Querschnitten untersuchen, so lässt man das Tier sich ganz ausstrecken. Fast sämtliche Tiere wurden in Sagittalschnitten untersucht, die einzige Schnittrichtung, die Untersuchungen insbesondere der Epithelzellen des Regenerates gestattet, während Horizontalschnitte fast das ganze Regenerat in Schrägschnitten treffen. Eine Anzahl Tiere wurde mit Flemmingscher Lösung abgetötet. Hierbei wurden die Tiere ebenfalls in ein Gläschen gesetzt und mit der kalten Lösung plötzlich übergossen. Je nach der Grösse blieben die Regenerate 1 bis 2 Tage in der Flüssigkeit. Auch diese Methode eignet sich ganz vorzüglich sowohl für histo- logische Studien, wie für Totalpräparate; letzteres besonders, weil durch die Osmiumsäure das ganze Darmsystem ausserordentlich prägnant zum Vorschein kommt. Eingebettet wurden die Tiere in Paraffin. Die Schnittdicke war je nach dem Zweck der Untersuchung 2!/a, 5, 7!/s und 10 u; die meisten Tiere wurden in 5 « dicken Schnitten untersucht. Es wurde gefärbt mit Hämalaun und Kongorot, nur gelegentlich statt letzterem mit Eosin oder Pikrokarmin und bei Flemmingscher Abtötung mit Safranin. Die Versuche wurden ausgeführt im Mai, Juni und Juli 1911, nachdem im Sommer 1910 einige Vorversuche ohne histologische Studien gemacht worden waren. Deren Ergebnisse seien zunächst hier mitgeteilt. Versuche über Regenerationsdauer, Heteromorphose usw. Hier mögen einige mehr äussere Bedingungen und Er- scheinungen bei der Regeneration erledigt werden, ohne histo- logische Untersuchungen. Diese sollen erst später im Zusammen- hang mit den Hauptversuchen besprochen werden, weil sich dann manches ergänzen und erweitern lässt. Mit derartigen Problemen haben sich vor allem die Amerikaner beschäftigt. Auf eine Literaturübersicht kann ich verzichten, da sich eine solche bei Steinmann (51) findet. 366 Parma agıg. Es wurden zunächst die folgenden Experimente angestellt: Experimente. I. Reihe. Drei Tiere werden in der Mitte quer durch- schnitten. Eines war zuvor mit Chloroform behandelt worden, damit die Schnittlinien genauer bestimmt werden und so die Versuche gleichmässiger ausgeführt werden könnten. Dieses Tier geht nach 1 Tage ein; deshalb wird die Betäubung aufgegeben. Ein zweites Tier geht nach 4 Tagen ein. Das dritte hat nach Ss Tagen an der Vorder- und Hinterhälfte kleinen weissen Zapfen. Am 14. Tage im Schwanzstück einen Augenfleck, am 17. Tage zwei Augenflecke. Am 24. Tage hat die Vorderhälfte vollkommen Schwanz, die Hinterhälfte vollkommen Kopf regeneriert: nur das Pigment ist am Regenerat noch nicht stark ausgebildet. II. Reihe. 42 Tiere werden hinter den Augen durchschnitten. Die Entfernung der Schnittlinie von den Augen ist nicht immer Fig. 1. dieselbe, da das Tier sich bei der Operation Vorderende einer Pla stets ein wenig bewegt. In Bezug darauf narie (schematisch). ß : = = d — verschiedene Zelten die Bezeichnungen der Textfig. le Schmitebenemhinterden a) An drei Tieren wird der a-Schnitt Augen senkrecht zur ausgeführt. Die drei Köpfe und zwei Hauptachse des Tieres. Hinterstücke gehen ein. Ein Hinterstück Yon der Grösse des ab- pegeneriert nach 10 Tagen zwei Augentlecke. BESSDLLLIENEN ee b) An 34 Tieren wird der b-Schnitt stückes ist die Kopfhete- F romorphose abhängig. ausgeführt. Davon sind 25 Köpfe und zwölf Bei Schnitt a, der direkt Hinterstücke nach kürzerer oder längerer hinter den Augen ge- Zeit eingegangen (die meisten Köpfe 1 bis ae 2 2 Tage nach der Operation). Sie zeigten Schnite.dlderso geführt nichts weiter als einen weissen hegene- ist, dass die Augen in Tationskegel hinten bezw. vorn. der Mitte des abgeschn. Sechs Köpfe blieben lebend. Zwei von Kopfstückes liegen, er- ihnen werden nach 10 bezw. 16 Tagen ab- a R getötet; sie zeigen nur einen hellen, un- el sien Text, bestimmten Kegel am Hinterende Von den übrigen vier hat einer nach S Tagen einen Schwanz regeneriert; auch ein Pharynx schimmert schwach durch. Am 21. Tage ist der Pharynx deutlich zu erkennen; Nagy a Uber Regeneration bei Planarien. 367 er liegt im hinteren Viertel des Tieres. Die drei übrigen er- halten heteromorphe Köpfe: Ein Kopf hat bereits nach 11 Tagen zwei heteromorphe Augen. Von ihm ist notiert: Der Kopf scheint sich unter dem Mikroskop im Lichte auch nach hinten bewegen zu wollen. Die wirkliche Bewegung hat allerdings die „normale“ Richtung, sie scheint aber die Resultante zu sein aus der Bewegung des alten Kopfes und des heteromorphen Kopfes; denn das Tier bewegt sich sehr unsicher und langsam aus dem Beleuchtungsfeld unter dem Mikroskop weg, während nicht- heteromorphe Köpfe sehr schnell das Licht fliehen. Auch hat der heteromorphe Kopf nicht die „nachfliessende* Bewegung eines Schwanzes. Ähnliches gilt für die beiden noch übrigen Köpfe. In dem einen von ihnen erschienen am 9. Tage zwei heteromorphe Augen, in dem anderen am 13. Tage ein heteromorphes Auge. Bei den regenerierenden Hinterstücken erschienen zwei regenerierte Augen an je drei Tieren 3, 4, 5, 6 und S Tage nach der Operation, d. h. im Mittel nach 5 Tagen. Dieselbe Operation wurde an fünf Exemplaren von Pl. gono- rephala vorgenommen. Diese Form zeigte in der Regenerations- schnelligkeit keinen Unterschied von Pl. polvychroa. c) An fünf Tieren wird der e-Schnitt ausgeführt. Ein Kopf ging ein; die vier ‚übrigen regenerierten einen Schwanz mit Pharynx. Der Pharynx erschien etwa in der dritten Woche nach der Operation, und zwar auch hier im hinteren Viertel des Tieres. Die Hinterstücke regenerierten nach durchschnittlich 7 Tagen vorn zwei Augen. Resultate. Je weiter nach hinten vom Gehirn ein Querschnitt geführt wird, um so langsamer wird das Vorderende regeneriert. In dem Regenerat von dekapierten Tieren erscheinen nach 5 bis 8 Tagen wieder Augen. Bei Pl. polychroa wird schon dann sicher kein heteromorpher Kopf mehr regeneriert, wenn der Schnitt hinter den Augen so geführt ist, dass die Augen in der Mitte des Kopfstückes liegen. Dagegen wird mit Sicherheit ein heteromorpher Kopf erzielt, wenn die Augen ganz nahe der Schnittfläche liegen. In Köpfen, die einen Schwanz regenerieren, erscheint nach etwa 9 bis 15 Tagen ein Pharynx, und zwar im hinteren Viertel des Tieres. Das sind Verhältnisse, wie sie die Amerikaner im allge- meinen auch bei den von ihnen untersuchten Arten festgestellt 368 Paul Lang: haben. Doch ergibt sich auch hier wieder, dass nicht für alle Arten gilt, was für eine bewiesen ist; indem Morgan und seine Schule betretfs Schnelligkeit der Regeneration zum Teil andere Zahlen ermittelten, als wir sie bei unserer Spezies gefunden haben. Was speziell die heteromorphen Kopfregenerationen angeht, so wird später im Zusammenhang mit den histologischen Erscheinungen darüber noch einiges ausgeführt werden müssen. III. Reihe. (Experimente an schon einmal regenerierten Tieren.) a) Neun Hinterstücke, die schon zwei oder mehr Augen regeneriert haben, werden wieder hinter den Augen durch- schnitten. Die alten Regenerate waren 20 bis 40 Tage alt. Es gingen vier Hinterstücke ein. Von den übrigen fünf regenerierte eines nach 9 Tagen, die vier anderen nach 8 Tagen zwei Augen. Während also ein geköpftes normales Tier im Mittel nach 5 Tagen zwei Augen regeneriert, erhält ein zum zweiten Mal geköpftes Tier erst nach S Tagen zwei Augen. Wann die erste Operation stattgefunden hat, scheint dabei für die Schnelligkeit der Regeneration keine Roile zu spielen, jedenfalls nicht im Intervalle von 20 bis 40 Tagen; denn das eine Tier, welches am langsamsten regenerierte (9 Tage), war sogar das älteste in bezug auf die erste Operation. b) Von den schon einmal regenerierten Köpfen des vorigen Versuches (III, a) wurden fünf weiter beobachtet. Zwei davon eingen ein. Zwei regenerierten einen Schwanz; von diesen zeigte einer nach 12 Tagen einen Pharynx. Der dritte Kopf bekam nach 13 Tagen zwei schwache heteromorphe Augenflecke. Dieser Kopf zeigte insofern eine Besonderheit. als am 4. Tage nach der Operation das Augenpigment bis auf einige Körner gänzlich ge- schwunden war. Die schwarzen Körner schienen tiefer im Innern zu liegen. Nach S Tagen war wieder Pigment in den Augen erschienen. Hier sei noch ein anderer beobachteter Fall angeführt: ll. Juni. Ein normales Tier wird geköpft. 25. Juni. Das Pigment der zwei Augen scheint sich aufzu- lösen. Im linken ist nicht viel mehr davon zu sehen. 27. Juni. Das Pigment ist ganz geschwunden, während die hellen Höfe deutlich geblieben sind. 2s. Juni. Keine Spur von Pigment in den Augen zu sehen. Uber Regeneration bei Planarien. 369 29. Juni. Bei gewissen schiefen Stellungen des Kopfes schimmert im rechten Auge schwarzes Pigment durch, das weiter ventral im Körper zu liegen scheint. 30. Juni. Keine Spur Pigment gesehen. Auch die hellen Höfe scheinen undeutlicher zu werden. 2. Juli. Von den hellen Höfen nur noch wenig zu sehen. Auch ein grosser dunkler Pigmentkomplex hinter den Augen ist verschwunden. 6. Juli. Die hellen Höfe sind so schwach, dass sich kaum entscheiden lässt, wo „vorn“, „unten“, „hinten“ ist. 7. Juli. Kopf eingegangen. Ein sweiterer Fall. Ss. Juli. Ein Tier, das schon einmal vier Augen regeneriert hat, wird hinter den Augen durchschnitten. 12. Juli. Pigment ist ganz aus den Augen geschwunden bis auf etwa vier bis fünf Körnchen. Die schwarzen Punkte vor den Hauptaugen sind nicht mehr vorhanden. 14. Juli. In jedem Auge nur einen schwarzen Punkt gesehen. 19. Juli. Pigment aus dem linken Auge ganz geschwunden. 20. Juli. Eingegangen. Da ähnliche Fälle bei regenerierenden Köpfen noch mehr- fach vorkamen, glaube ich mit folgender Erklärung nicht fehl- zugehen: Das Augenpigment wird zunächst zum grössten Teile zur Ernährung des Tieres verbraucht. Später wird es im Auge wieder neu gebildet. Diese Annahme wird bestätigt und ergänzt durch die histologischen Untersuchungen derartiger regenerierender Köpfe. Das Nähere wird weiter unten mitgeteilt. Einfluss des Lichtes auf die Regeneration. In einem zusammenfassenden Werke über Regeneration verneint Morgan (42) einen Einfluss des Lichtes auf die Schnelligkeit und die Art der Regeneration. Einige andere in der Literatur zerstreute Angaben über diesen Punkt sind wenig übereinstimmend. Ich glaube aber auch annehmen zu dürfen, dass man eine derartige Frage nicht allgemein übereinstimmend wird lösen können. Sie muss vielmehr von einem weiteren (resichtspunkte aus betrachtet werden. Es ist wohl mit Gewissheit anzunehmen, dass die Tiere am besten und am schnellsten 370 Braruneilamloe regenerieren, wenn sie den ihnen günstigsten Bedingungen aus- gesetzt sind. Und die für ein Tier günstigsten Bedingungen sind im allgemeinen offenbar die, unter denen die betreffende Art in der Natur lebt. Betrachtet man nun speziell den Einfluss des Lichtes von diesem Gesichtspunkte aus, so wird man zugeben, dass er bei verschiedenen Arten ganz verschieden ausfallen muss: dass bei einigen gar kein solcher Einfluss, bei anderen ein stärkerer Einfluss zu erwarten ist: dass bei den einen Dunkelheit, bei den anderen Helligkeit die Regeneration begünstigt. Was nun unsere Spezies betrifft, so ist einleitend näher darauf hin- gewiesen worden, dass sie die Dunkelheit liebt: die Tiere sind ausserordentlich lichtscheu. Demgemäss müsste man für unsere Art folgern, dass die Regeneration schneller und besser vor sich sehen möchte, wenn die Versuchstiere im Dunkeln gehalten würden, langsamer, wenn sie im Licht regenerieren müssten. Diese Frage habe ich experimentell geprüft. Ver.susch\l. 16. Juli. Zwei Tiere, die unter denselben Bedingungen gelebt hatten, werden hinter den Augen durchschnitten; dann wird noch ein kleines Querstück abgetrennt. Ein Tier (D) wird ins Dunkle gestellt, das andere (H) in difftusem Licht gehalten. 18. Juli. D: Kopf lebt; Querstück hat vorn einen weissen Zapfen; Hinterstück: Die Wunde ist vernarbt. Das Tier hat einen Kokon abgelegt. H: Kopf eingegangen: (Juerstück eingegangen: Hinter- stück: Wunde nicht vernarbt. 19. Juli. D: Querstück hat zwei Augen regeneriert. Hinterstück hat weissen Zapfen. H: Hinterstück: Wunde nicht vernarbt. 20. Juli. D: Hinterstück hat drei Augenflecke regeneriert. H: Hinterstück kleinen weissen Kegel regeneriert. 21. Juli. D: Im Kopf sind die Augen geschwunden; hinten ist ein schwanzähnlicher Zapfen erschienen. (uerstück hat einen Schwanz regeneriert. H: Kleiner weisser Kegel regeneriert. 2. Juli. D: Kopf und Querstück sind durch Pilze (wie unter dem Mikroskop zu sehen) zugrunde gegangen. H: Hinterstück hat kleinen weissen Kegel regeneriert. ID N Uber Regeneration bei Planarien. 371 23. Juli. D: Hinterstück ebenfalls durch Pilze zugrunde gegangen. H: Hinterstück eingegangen. Versuch 1. 18. Juli. Zwei Tiere werden hinter den Augen durchschnitten. Eines (D) wird ins Dunkle gebracht, das andere (H) in diffuses Licht. 19. Juli. D: Hinterstück mit weissem Zapfen. H: Hinterstück hat nicht regeneriert. 20. Juli. D: Hinterstück hat zwei ganz feine schwarze Punkte regenerlert. H: Hinterstück hat kleinen weissen Zapfen regenerlert. 21. Juli. D: Hinterstück hat zwei Augen regeneriert; sie sind schon ziemlich gross. haben bereits Nierenform. . Hinterstück mit kleinem weissen Zapfen. : Die zwei Augen sind ausgewachsen. : Hinterstück nicht fortgeschritten. : Wie am 23. Juli. : Hinterstück eingegangen. (Die Köpfe waren nicht aufbewahrt worden.) Diese Experimente bestätigen also tatsächlich meine Ver- mutung, und wir können sagen: Bei Pl. polychroa wird die Schnelligkeit der Regeneration begünstigt. wenn man die Ver- suchstiere im Dunkeln hält, verzögert, wenn sie dem Licht aus- gesetzt sind. P. Kapterew hat für Daphnien festgestellt, dass das Augen- piement sich teilweise auflöst und schwindet, wenn die Tiere in dunklen Gefässen gehalten werden (23). Er führt diese Erscheinung auf Lichtmangel zurück, da alle anderen Bedingungen dieselben blieben. Von einer derartigen Pigmentzerstreuung bei Planarien, die im Dunkel gehalten wurden. habe ich nie etwas bemerkt. Jedenfalls kommt die oben angeführte Pigmentanflösung bei Köpfen hier nicht in Betracht, da sie auch bei solchen Exem- plaren vorkam, die im Licht regenerierten. Bei der Deutung der oben angeführten Experimente darf man eine gewisse Vorsicht nicht ausser acht lassen. Schon in der Einleitung wurde bemerkt. dass die Tiere sich fast stets in träger Ruhe befinden, wenn man Blätter, an denen sie leben. umkehrt. Sobald sie jedoch dem Lichte ausgesetzt sind, werden sie lebhaft und suchen wieder die Unterseite des Blattes zu 33 Jule 34. Juli. ROrRON BIN Paul Dame: erreichen. Man darf daher wohl annehmen, dass auch in den oben angestellten Versuchen die Tiere sich verschieden verhalten: Das Tier, das sich im Lichte befindet, wird sich längere Zeit und unruhiger bewegen als das Tier im Dunkeln. Und man könnte nun annehmen, dass diese Bewegung auf die Regeneration einen ungünstigen Einfluss ausübe. Es ist somit noch die Möglich- keit otlen, dass nicht der Lichteinfluss für die Verschiedenheit in der Regeneration in erster Linie verantwortlich gemacht werden darf, sondern der Umstand, dass das eine Tier sich lebhafter bewegte als das andere und dass dadurch die Regenerations- vorgänge hintangehalten wurden. Allerdings muss bemerkt werden, dass sich auch das Tier, welches im Licht gehalten wurde, nach einiger Zeit soweit beruhigte, dass es nicht mehr fortgesetzt in Bewegung blieb, so dass ich glaube, der obige Ausschlag der Versuche sei auf Rechnung des Lichtes zu setzen. Histologische Untersuchungen über Regeneration. A. Wundverschluss. Wird ein Tier in der Gegend zwischen Augen und Pharynx oder zwischen Pharynxtasche und Schwanzende quer durchschnitten, so findet man die Wunde nach kürzerer oder längerer Zeit wieder geschlossen. Es ist offenbar äusserst wichtig, dass möglichst schnell ein wenn auch nur provisorischer Verschluss gebildet wird, unter dessen Schutz die weiteren Vorgänge der Regeneration sicherer von statten gehen können. Dieser erste Verschluss wird in folgender Weise erreicht: Schneidet man ein Tier quer durch, so zieht sich der Schnittrand in kurzer Zeit ringsum nach innen mehr oder weniger stark ein, jedenfalls hauptsächlich unter Ein- wirkung der Ringmuskulatur in der Nähe des Schnittrandes. Schon dadurch wird die Wunde nicht unbeträchtlich verkleinert. Dass dies nicht sofort bei der Operation geschieht, zeigten Schnitte durch ein gleich nach der Operation abgetötetes Tier; hier war von einer Einwärtskrümmung des Wundrandes noch nichts zu sehen. Ist dies geschehen, so kriecht das alte Epithel rings von der Peripherie her über die Wunde. Bereits 1 Tag nach der Operation findet man gelegentlich die ganze Wunde von einem sehr feinen Epithelhäutchen bedeckt. Oft aber ist noch sehr viel später die Wunde noch weit offen. So war bei einem Versuche 3 Tage nach der Operation die Wunde noch | Uber Regeneration bei Planarien. 3 nicht geschlossen, bei einem anderen Versuche 4 Tage nach der Operation. Ein andermal war der Verschluss selbst nach 5 Tagen noch nicht erreicht. Meist fand ich jedoch nach 2 bis 3 Tagen die Wunde geschlossen. Diese weiten Schwankungen in der Schnelligkeit des Wundverschlusses sind leicht begreiflich, wenn man bedenkt, von wieviel Faktoren der Verschluss abhängt: Die Schnitte können nicht immer in derselben Höhe geführt werden; schon dadurch wird die Grösse der Wunde variiert. Ferner ist von Einfluss der Kontaktionszustand des Tieres im Moment des Schneidens: hatte sich das Tier etwas ausgestreckt, so wird die Wunde kleiner: hatte es sich zusammengezogen. wird sie grösser. Weiter wird es darauf ankommen, ob sich die Tiere nach der Operation ruhig verhalten, oder ob sie lebhaft hin- und herkriechen. Im allgemeinen ist unsere Species sehr träge, und darauf ist wohl nicht zum geringsten Teil die ausserordentliche Schnelligkeit der Regenerationsvorgänge zurückzuführen. Ein merklicher Unterschied im Verhalten bei der Operation ergibt sich je nach der Anordnung des Versuches: Schneidet man dem Tier schnell den Kopf ab, so zuckt es kaum zusammen, sondern kriecht zunächst ein wenig nach rückwärts, dann wieder voran und zwar nicht mehr in der ursprünglichen Richtung, sondern etwas nach der Seite gewandt. Schneidet man dem Tiere dageren den Schwanz ab, so zuckt es ziemlich stark zusammen und bewegt sich einige Zeit viel unruhiger als nach dem ersten Versuch. Offensichtlich ist dies darauf zurückzuführen, dass bei dem ersten Experiment das Gehirn ganz oder doch zum grössten Teil mit abgeschnitten wird, so dass also das Hinterstück hirnlos ist; beim zweiten Experiment aber bleibt das Gehirn unversehrt in dem verletzten Tier, und es kommt daher die Verletzung stark zur Empfindung. Dass nun bei einem ruhigeren Tier die Regene- ration schneller erfolgen wird, ist um so eher anzunehmen, als gerade in der ersten Zeit nach der Operation die Wunde durch heftige Bewegungen noch vergrössert werden kann. Derartige Umstände erklären hinlänelich die Verschiedenheit in der Regene- rationsdauer. Vergleichen wir die Schnelligkeit der Regeneration am Vorder- und Hinterende, so finden wir, dass die Wunde am Hinterende durchgehends schneller geschlossen wird als am Vorder- ende, obwohl die Regenerationskraft nach hinten abnimmt, wie wir noch sehen werden. Das ist darauf zurückzuführen, dass 374 Paulekane: hinten die Wunde meist kleiner ausfällt als vorn, weil das Tier nach hinten zugespitzt ist. Alle untersuchten Fälle zeigen, dass schon einige Stunden nach der Operation das dünne Regenerations- häutchen an der Peripherie der Wunde sich hinüberzulegen beginnt. So ist es bei einem Stadium von 5 bis 6 Stunden nach der Operation durch mehrere Schnitte zu verfolgen. Über die dargestellte Art des Wundverschlusses und besonders über die darauf folgende Abflachung des Epithels sind ver- schiedene, einander entgegengesetzte Ansichten in der Literatur verbreitet. Das Hinüberkriechen von alten Epithelzellen vom Wundrande her über die Wunde hat zuerst A. Peters (48) bei der Regeneration des Epithels der Cornea entdeckt. In Über- einstimmung damit hatte N. M. Stevens (52) 1901 gezeigt, dass bei Pl. Iugubris das Ektoderm zunächst von den alten Ektoderm- zellen am Rande der Schnittfläche gebildet werde. Sie vermutete, dass die spätere Verstärkung des Epithels auf Einwanderung von Mesodermzellen beruhe. Später (1907) hat sie dann (54) für Pl. simplisissima, Pl. maculata und Pl. morgani gezeigt, dass hier wirklich Parenchymzellen in das dünne Regenerationshäutchen einwandern (Fig. 2 und 3, Taf. VO). E. Schultz (49) ist der Meinung, dass das ganze regenerierende Ektoderm bei Dendro- coelum lacteum und Pl. torva direkt vom alten Körperepithel herrühre. Da er in dem Epithel niemals Kariokinesen entdecken konnte und das Verhalten der Gewebe gleich nach der Operation nicht untersuchte, ist er „geneigt anzunehmen, dass in so primitiven Geweben, wie wir sie bei Planarien finden, die mitotische Teilung nur bei der ersten Anlage von Geweben und Organen auftritt, nachher aber die Amitose für den weiteren Ausbau genügt“. Ebenso führt Bardeen (2) die Vermehrung der Ektodermzellen bei Pl. maculata auf amitotische Teilungen zurück. Nach Curtis (14) entsteht das ganze regenerierende Ektoderm aus Parenchymzellen. Steinmann (5l) 1908 endlich spricht sich über die vorliegende Frage wie folgt aus (S. 543): „Ich habe den Wundverschluss bei Procerodes segmentata und Planaria teratophila untersucht, habe aber nie Bilder gesehen, wie sie Stevens in Fig. 2 und 3, Taf. VII gibt. Bei Procerodes bleibt die Wunde ziemlich lange offen. Das Epithel zeigt oft an den Schnitträndern eigentümliche Hervorwölbungen. Noch am dritten Regenerationstage ist die Wunde nicht mit einem ausgesprochenen Epithel bedeckt. Meist Über Regeneration bei Planarien. 319 am vierten Tage zeigt sich dann eine Schicht ganz platter Zellen über der Wunde, die sich in den folgenden Tagen zum typischen Epithel umwandelt. Ob die Schicht vom anliegenden Regenerations- sewebe, das sich schon am zweiten Tage sehr deutlich zeigt, gebildet wird, oder durch eine Wucherung des angeschnittenen Epithels, kann ich nicht sagen. Eine schrittweise Umdifferenzierung von den Schnitträndern her, die für letztere Auffassung spräche, habe ich nicht beobachtet.“ Es ist ganz auffällig, wie wenig diese Angaben und Beobachtungen miteinander übereinstimmen ; hierfür ist wohl kaum die Verschiedenheit der von den einzelnen Autoren untersuchten Arten verantwortlich zu machen. Gehen wir nun zur Darstellung unserer eigenen Befunde bei Pl. polychroa über. Zunächst wollen wir beweisen, dass das dünne Epithelhäutchen, welches sich durchschnittlich am 2. bis 3. Tage nach der Operation über der Wunde ausgebildet hat, wirklich vom alten Epithel herstammt. Untersuchen wir einen Schnitt, der sagittal durch den etwa 1 Tag alten Regenerations- kegel so geführt ist, dass er dicht an der Wunde vorbeigehend das regenerierte Epithel trifft, so finden wir, dass es ein ganz feines dünnes Häutchen darstellt, das kontinuierlich dicker wird, je weiter man das Epithel auf den Schnitt peripheriewärts verfolgt. (Ganz allmählich geht es in das normale alte Epithel mit seinen zylindrischen Zellen über. Hat man ein Stadium gefunden, welches jung genug ist, so zeigt das Bild ferner, dass die Kerne sehr spärlich in dem dünnen Regenerationshäutchen verteilt sind. Diese Verhältnisse sind in Fig. 1 und 2, T. XX dargestellt. Sie entstammen einem 1 Tag alten Regenerat von einem dekapierten Tier. Man sieht in Fig. 1, dass noch kein typischer Regenerations- kegel ausgebildet ist, dass aber an dieser Stelle jedenfalls die Wunde ganz mit einem dünnen Regenerationshäutchen überzogen ist. Dies Häutchen geht, nach und nach dicker werdend, in das normale Epithel über. Die Kerne liegen hier weit auseinander, um so weiter, als sie sich von dem normalen Epithel aus der Wunde nähern. Ferner ist an den Kernen bemerkenswert, dass sie nicht rund sind wie im normalen Epithel, sondern abgeplattet erscheinen. Das ist besonders gut zu sehen in Fig. 2: sie stellt bei stärkerer Vergrösserung aus einem Schnitt von demselben Tier die Stelle dar, wo das normale Epithel in das dünne Re- generationshäutchen übergeht. Auch die Rhabditen stehen hier 376 Paul)Bbang: nicht senkrecht zur Epitheloberfläche, wie es sonst meistens der Fall ist, sondern liegen tangential und sind spärlicher. An dieser Figur sieht man auch sehr gut, wie sich die normalen zylindrischen Epithelzellen, die senkrecht auf der Basalmembran aufsitzen, über die Wunde herüberneigen und auf diese Weise ganz allmählich sich zu dem dünnen Regenerationsepithel ausziehen. Die senk- rechte Streifung der Epithelzellen geht dabei verloren. Auch die Zellgrenzen scheinen verwischt zu werden, während sie doch an der Übergangsstelle gut zu sehen sind. Das ganze Regenerations- häutchen scheint ein Syneytium darzustellen, wie auch die Fig. 6—S. 10, 12—14 zeigen. Das dünne Regenerationsepithel ist in diesen jungen Stadien fast stets ein wenig von dem Mesenchymgewebe abgehoben, wie Fig. 1 zeigt; auch das spricht gegen einen Aufbau aus Parenchymzellen. Natürlich ist auch noch keine Basalmembran ausgebildet und sind die Zellen unten nicht in Fortsätze ausgezogen wie im normalen Epithel. Die Fortsätze der alten Zellen können also aktiv aus der Basalmembran herausgezogen werden, wenn die Zellen über die Wunde hin- wandern. Offenbar müssen sie später wieder aktiv nach unten auswachsen. Fig. 7 zeigt rechts eine Zelle, die sich anschickt, sich über die Wunde zu legen und noch mit ihren Fortsätzen unten festhaftet. Derartige Bilder darf man nicht mit solchen von einwandernden Zellen verwechseln: dass diese anders aus- sehen, werden wir später sehen. Eines der wichtigsten Beweis- momente, dass wir es in dem Regenerationshäutchen mit alten Zellen zu tun haben, sind die Cilien. Wir finden stets (Fig. 1, 2, 6—8, 10, 12—16) das Regenerationshäutchen überall von Cilien bedeckt; und die können doch nicht in Zeit von wenigen Stunden schon neugebildet sein. Wir sehen aber auch, dass sie dieselbe Grösse haben wie die des normalen Epithels: weiter, dass sie spärlicher stehen als auf dem normalen Epithel. An den verschiedenen Figuren ist auch zu erkennen, dass das dünne Epithel eine Cuticula besitzt. Das Regenerationshäutchen muss also offenbar von alten Epithelzellen aufgebaut sein, die sich stark gedehnt und abgeplattet haben. Untersuchen wir nun ältere Regenerate, so gelangen wir bald zu Stadien, wo das Regenerationsepithel dieker und dicker wird. Schliesslich sehen wir, dass es die normale Höhe erreicht hat. Da inzwischen der Regenerationskegel stark gewachsen ist. {I -1 Übbr Regeneration bei Planarien. und sich ein ganzer Kopf bezw. Schwanz neu gebildet hat, muss in dem Regenerationsepithel eine starke Zellvermehrung auf irgend eine Weise stattgefunden haben. Drei Möglichkeiten stehen da offen: Vermehrung der vorhandenen Zellen durch direkte oder indirekte Teilung, oder durch Einwanderung von Parenchymzellen ins Regenerationsepithel. Sehr viele Präparate von allen Stadien, direkt nach der Operation, dann alle halbe Stunde bis 4 Stunden nach der Operation, dann alle Stunden bis zu einem Tag, dann alle Tage bis zu dem Stadium, wo das Epithel die normale Höhe erreicht hat, wurden durchgesehen; aber niemals habe ich eine Mitose im Epithel gesehen, so dass die Möglichkeit einer Ver- mehrung von alten Epithelzellen ausgeschlossen ist. Ich werde nun zeigen, dass von den anderen Möglichkeiten die zweite zweifel- haft, die dritte sicher ist. Was zunächst die Einwanderungen aus dem Parenchym- gewebe in das Epithel anlangt, so habe ich deren in den ver- schiedensten Stadien beobachtet. Die frühesten Einwanderungen fand ich einmal bei einem Regenerat von 7 Stunden. Sonst habe ich aber in so frühen Stadien niemals Einwanderungen entdecken können. Nur noch einen Fall beobachtete ich in einem 9 stündigen Regenerat, wo es sich vielleicht um eine Einwanderung handelte; doch kann ich das nicht mit Sicherheit behaupten. Erst in einem 18stündigen Regenerat traten wieder viele deutliche Ein- wanderungen auf. In einem 20stündigen Regenerat sah ıch keine, in einem 22stündigen eine Einwanderung. In einem Regenerat von einem Tage wieder keine, während sich in einem anderen eintägigen mehrere sichere Einwanderungen zeigten. Ähnlich schwankend sind diese Verhältnisse bis zu 5 Tagen. In diesem Stadium habe ich noch mehrfache Einwanderungen gesehen. Dann aber hat das Epithel die normale Höhe erreicht. In späteren Stadien habe ich denn auch keine Einwanderung mehr finden können, obwohl ich nicht bezweifle, dass sie auch später noch vereinzelt vorkommen mögen. Die meisten Ein- wanderungen treten also in jungen Stadien bis zu einem Tage auf, demnach zu einer Zeit, in der die Wunde noch offen ist. Von da ab werden sie seltener. Den histologischen Vorgang der Einwanderung zeigen die Fig. 3—11, 14 und 15. Fig. 5 entstammt einem 18 Stunden alten Regenerat. Sie zeigt, wie sich eine Zelle, die zwei Rhabditen Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1I. 26 978 Paul Lang: enthält, zwischen zwei Kerne des Epithels hineingedrängt hat. Nach unten ist sie noch -in einen langen Fortsatz ausgezogen. Dieser Fortsatz ist für solche einwandernden Zellen äusserst charakteristisch; ich beobachte ihn mit einer Ausnahme in allen Fällen. Ein wenig weiter schon ist die Einwanderung in Fig. 4, die demselben’ Regenerat entnommen ist, fortgeschritten. Auch hier dringt eine mit drei Rhabditen beladene Zelle zwischen zwei Epithelzellen ein. Ihr Fortsatz nach unten ist schon kleiner geworden. Diese Figur bringt auch ein anderes wichtiges Merk- mal der einwandernden Zellen gut zur Erscheinung: Diese Zellen sind immer dunkler gefärbt als die Epithelzellen, zwischen denen sie eindringen, so dass sie sich scharf von diesen abheben; und zwar ist sowohl Plasma wie Kern stärker gefärbt. Dies Merkmal ist unter Umständen wichtig, um solche Zellen von Epithelzellen zu unterscheiden, die sich am Rande des Regenerates über die Wunde hinneigen und dabei ihre Fortsätze aus der Basalmembran herausziehen. Fig. 5 zeigt einen Fall, wo eine Zelle in das hohe Epithel neben der Wunde eingedrungen ist. Auch sie enthält Rhabditen. Sie hat den Kern, der rechts neben ihr liegt, sichtlich zur Seite und nach oben gedrückt. Zwischen den Längsmuskeln ist eine Sekretanhäufung zu sehen, von der Sekret in das Epithel eindringt. Die Cilien zeigen oben Köpfchen von angeklebtem Sekret. Ein weiteres Stadium stellt Fig. 6 dar. Sie ist ent- nommen einem Regenerat von 2 Tagen. Hier hat der Ein- dringling die Epithelzellen endgültig auseinandergedrängt; oben hat er die Oberfläche des Epithels schon erreicht, unten steckt sein Fortsatz noch in der Basalmembran. Auch hier wieder Rhabditen und dunkle Färbung. Fig. 7 (Regenerat von 18 Stunden) gibt ein Stadium, wo die Wanderzelle bereits mit breiter Fläche an der Oberfläche Platz genommen hat. Aber sie liegt noch tiefer als die alten Epithelzellen und zeigt keine Fortsätze durch die Basalmembran, sondern ist scharf begrenzt. Der Kern ist kleiner als die anderen Epithelkerne, während selbst die Kerne im dünnen Regenerationsepithel dieselbe Grösse behalten, wie die im normalen Epithel. Der Kern ist ausserdem von oben nach unten gestreckt und liegt noch nicht in der Höhe der anderen Epithelkerne. Wichtig erscheint mir auch, dass diese Zelle noch keine Üilien besitzt, was ich mit Sicherheit feststellen konnte; es kann sich also auch nicht um eine austretende, degenerierende Uber Regeneration bei Planarien. DRS) Zelle handeln. Fast vollendet ist die Einwanderung in Fig. 8. Sie stellt das Epithel an der Wunde des Hinterendes eines 1Sstündigen Regenerates dar. Das Epithel ist hier, wie es öfters zu sein pflegt, an seiner dünnsten Stelle nach innen eingezogen. Die zweite Fpithelzelle links ist offenbar eine eben eingewanderte Zelle; denn sie ist dunkler gefärbt als die Nachbarn, der Kern ist kleiner und gestreckt. Die Zelle ist stark mit Rhabditen beladen, während alle Zellen in der Nähe dieser entbehren. Fortsätze durch die Basalmembran fehlen noch, dagegen hat sich die Zelle zur vollen Breite einer Epithelzelle ausgedehnt. Nebenan versucht eine Zelle ins Epithel einzudringen; sie hat den Kern der über ihr liegenden Zelle abgeflacht und ein wenig ein- gebuchtet. Daneben ist noch ein Ausführkanal einer Rhabditen- bildungszelle mit zwei Rhabditen dargestellt. Diese sind deshalb bemerkenswert, weil sie den erythrophilen Farbenton angenommen haben, während sämtliche anderen Rhabditen der Umgebung blau gefärbt sind; es ist das wohl auf einen verschiedenen Sekretions- zustand zurückzuführen. Die meisten einwandernden Zellen sind, wie alle bis jetzt betrachteten, mit Rhabditen beladen. Es sind also offenbar Rhabditenbilduneszellen, die einwandern. Dass die khabditen für das dünne Epithel äusserst wichtig sind, ist er- sichtlich. wenn wir annehmen, dass sie einen schützenden Schleim liefern. Daneben bekommt man aber auch Bilder zu Gesicht, wie sie in Fig. 9 und 10 wiedergegeben sind. Sie stellen zwei Stadien der Einwanderung von typischen Regenerationszellen dar. Während die meisten einwandernden Zellen viel Protoplasma besitzen, sind diese sehr klein und ausserdem an beiden Enden zugespitzt. Doch findet man derartige Stadien seltener. Fig. 10 demonstriert auch den wabigen oder maschigen Bau, den das dünne Epithel oft aufweist. Es enthält dann viele Hohlräume, und das Protoplasma ist in Strängen angeordnet. Schliesslich sei noch ein Bild einer einwandernden Zelle angeführt, wie ich es nur einmal beobachtet habe (Fig. 11). Hier zeigt die Zelle keine Fortsätze und ist auch nicht dunkler gefärbt, weist dagegen in der Mitte eine Einschnürung auf. Zwar habe ich ziemlich viele Einwanderungen beobachtet, doch nicht so viele, dass ich annehmen möchte, sie könnten wenigstens zunächst allein den ganzen Bedarf an neuen Zellen decken. Das muss ich um so mehr in Zweifel ziehen, als schon 26* 380 Paul Lane: in ganz jungen Stadien das dünne Regenerationshäutchen entweder über der ganzen Wunde oder nur stellenweise starke Kern- anhäufungen aufweist. Dies gilt beispielsweise schon von einem 13stündigen Regenerat (Fig. 12). In solch frühen Stadien habe ich aber, wie oben ausgeführt, noch nicht so zahlreiche Ein- wanderungen gesehen, dass sie derartige Kernanhäufungen er- klären könnten. Eine solche Kernanhäufung könnte man zunächst dadurch begreiflich finden, dass man annimmt, die Kerne seien von den Seiten an die eine oder andere Stelle zusammenge- wandert, was um so eher möglich wäre, als die Zellgrenzen in dem Regenerationshäutchen geschwunden sind. Aber einmal ist nicht einzusehen, welchen Zweck eine solche Kernwanderung und -anhäufung haben könnte. Dann aber müsste man offenbar Nachbarstellen finden, wo die Kerne sehr spärlich verteilt wären. Aber etwas derartiges ist relativ nur selten zu beobachten: dann sind es eben Fälle, wo das alte Epithel sich weit ausgezogen hat, wodurch die Kerne auseinandergerückt wurden. Vielmehr liegen in den meisten Fällen, wo wir es mit Kernanhäufungen an einigen Stellen zu tun haben, die Kerne über der ganzen Wunde und auch peripheriewärts von der Wunde mindestens so dicht, wie im normalen Epithel. Gelegentlich kommt es sogar vor, dass das Regenerationshäutchen überall so viele Kerne enthält. wie in Fig. 13 links, wo rechts zum Vergleich ein Stück normalen Epithels bei gleicher Vergrösserung ohne histologische Details dargestellt ist. Wenn aber diese Kerne in der Zeit von etwa 15 Stunden alle eingewandert wären, so müsste man in jedem Schnitt aus einem dieser jungen Stadien zahlreichen Ein- wanderungen begegnen: das ist jedoch nicht der Fall. Noch aus einem anderen Grunde können diese Kern- anhäufungen durch Einwanderung von Parenchymzellen nicht erklärt werden. Wie wir sahen. sind die meisten einwandernden Zellen sehr protoplasmareich und enthalten jede mehrere Rhabditen. Wo soll aber das Protoplasma in Bildern wie Fig. 6 geblieben sen? Hier liegen die Kerne dicht aneinandergedrängt ohne Protoplasma und Rhabditen. Zellgrenzen sind nieht zu sehen. Solche Kernanhäufungen bildet auch Stevens ab (54. Fig. 4, Taf. VII) und erklärt sie dadurch, dass das alte Ektoderm sich sehr schnell über der Wunde zusammendränge. Besonders häufig fand sie derartige Anhäufungen von Kernen und Zellen an der Über Regeneration bei Planarien. 381 Grenze von altem und neuem Epithel. Sie sollen grösstenteils durch Zusammenziehen bei der Fixation entstehen. Beide Er- klärungen sind für meine Bilder unzureichend; die erste, weil sich oft im Epithel nirgendwo Stellen finden, wo die Kerne spärlicher verteilt sind, als im normalen Epithel; die zweite, weil sich auch in solchen Regeneraten, wo das Regenerations- epithel sich von der Wunde abgehoben hat, also eher ausgedehnt als zusammengezogen worden ist, Kernanhäufungen finden: und eerade solche Bilder kann man oft sehen (Fig. 7, 14, 15). Es scheint also für diese Anhäufungen nur eine Erklärungs- möglichkeit übrig zu bleiben: Amitose. Und in der Tat habe ich einige Bilder gesehen, wo es sich sehr wohl um eine direkte Kernteilung handeln konnte (Fig. 17). Allerdings muss ich da- bei bemerken, dass ich so deutliche Bilder wie Fig. 17 nur sehr wenige gesehen habe. Aber dass man solche Teilungsfiguren nur sehr selten zu Gesicht bekommt, ist begreiflich, da man bei Kernanhäufungen meist nicht entscheiden kann, ob die Kerne nur übereinander liegen oder noch zusammenhängen. Anderseits lässt sich der Umstand, dass die Kerne so dicht aneinander liegen und das Epithel keine Zellgrenzen aufweist (wie in Fig. 6, 12, 15) gerade dann sehr wohl verstehen, wenn man annimmt, dass hier Amitosen stattgefunden haben. „Jedenfalls ist bei der Beurteilung derartiger Bilder einstweilen eine gewisse Zurückhaltung nicht unangebracht, da ich die Einwanderung von Parenchymzellen mit (tewissheit nachweisen konnte und man zweifeln kann, ob trotz- dem und trotz des sicheren Fehlens von indirekten Zellteilungen doch noch direkte Zellteilungen im Epithel stattfinden. B. Regeneration des Darmes. Mit der Regeneration des Darmes haben sich besonders eingehend Schultz (49), Stevens (54) Curtis (14) und Steinmann (51) beschäftigt. Wie der Vorgang des Weiter- wachsens des Darmes in das Regenerat genauer zu denken ist, darüber lässt sich Schultz nicht aus. Er sagt nur: „Im regenerierenden Vorderende wächst der Darm normal weiter, wenn auch im Wachstum ein wenig hinter der Weiterwucherung des Parenchyms zurückbleibend..... Nirgends mündet bei Regeneration irgend ein Darmast nach aussen.“ Von Interesse ist seine Beobachtung, dass die zwei hinteren Darmäste nicht getrennt 382 Paul Lang: nach hinten auswachsen, sondern nach kurzem getrennten Verlauf sich zu einem unpaaren Ast vereinigen. Bei der später erfolgenden Anlage der Geschlechtsorgane wird der unpaare Darm „gleich- sam in der Länge gespalten“. Diese Tatsache hält er für eine atavistische Erscheinung, indem er die Trieladen von den Rhab- docoelen ableitet. Auch sonst finden sich in der Literatur mehrere Angaben, nach denen bei Süsswassertricladen mehrfach bei erwachsenen Exemplaren sowohl, wie bei Embryonen Kommuni- kationen zwischen den zwei hinteren Darmästen stattfinden sollen. Bei nicht operierten erwachsenen Tieren habe ich eine solche Kommunikation niemals gefunden. Desgleichen nicht bei regene- rierenden Querstücken aus der Gegend zwischen Augen und Pharynx. Hier findet man die zwei hinteren Darmäste, die von dem vorhandenen unpaaren vorderen Ast auszuwachsen scheinen, stets getrennt. Im Gegensatz zu Schultz lassen die meisten anderen neueren Autoren den Darm durch Parenchymzellen weiterwachsen: so Stevens und besonders eingehend beschreibend Steinmann. Letzterer Autor hat auch in bezug auf die Art des Weiter- wachsens des angeschnittenen Darmes ganz eigenartige Be- obachtungen gemacht (S. 544): „Ich habe nie gesehen, dass der angeschnittene Darmteil direkt sich verlängert. Die Weiter- wucherung geht vielmehr von dem nächsten Seitenzweige aus, oder es bildet sich von selbst eine seitliche Knospe. Daher bilden sich bei einem präpharyngealen Vorderteil zwei Darmschenkel.“ Diese Beobachtung hat er nur an regenerierenden Vorderstücken gemacht. die vor dem Pharynx abgeschnitten waren. Dass hier ein derartiges Weiterwachsen des Darmes stattfindet, lässt sich, wie mir scheint, leicht daraus erklären, dass nach hinten wieder zwei Darmäste gebildet werden müssen, die den Pharynx zwischen sich fassen. Doch scheint Steinmann anzunehmen. dass auch der nach vorn auswachsende Darm sich ähnlich verhalte. Das- selbe ist ihm für die Regeneration der zwei hinteren Darmäste wahrscheinlich: „Ob meine Beobachtung, dass das Weiterwachsen des Darmes nicht direkt vom verletzten Ende aus weitergeht, sondern auf dem Umweg durch eine seitliche Knospe, auch für die paarigen Darmschenkel zutrifft, weiss ich nicht; doch scheint es mir wahrscheinlich. dass der Darm sich hier gleich verhält wie in vorderen Teilstücken, und in der Literatur finde ich keine Über Regeneration bei Planarien. 383 Beobachtungen, die einer solchen Annahme widersprächen.“ Wenn nun aber unsere oben gegebene Erklärung der Steinmannschen Beobachtung, dass das seitliche Auswachsen von zwei Darmästen lediglich dadurch bedingt wäre, dass zwei hintere Darmäste gebildet würden, zu Recht besteht, so darf diese Art des Weiter- wachsens auch nur bei solchen Regeneraten stattfinden, wo eine Erneuerung der zwei hinteren Darmäste notwendig ist, folglich nur bei präpharvngeal abgeschnittenen Vorderstücken. Ich habe nun alle anderen möglichen Schnitte geführt und niemals ein derartiges Weiterwachsen des Darmes beobachtet, wie es Steinmann angibt. Schneidet man dem Tier den Kopf ab, so wird der vordere unpaare Hauptast quer durchschnitten. Und ich konnte stets beobachten, dass dieser selbst weiterwächst. Die vordersten Darmzellen strecken sich in das Regenerat hinein aus, wie in Fig. 1 zu sehen ist. Dann legen sich viele Parenchym- zellen vorn an und werden allmählich zu Darmzellen umgewandelt, indem sie grösser werden, hellere Färbung bekommen und Vakuolen bilden, wie dies auch Steinmann S. 544 beschrieben hat. Ähnliches ergab sich, wenn der Schnitt dureh den Pharynx geführt wurde; dann wuchsen die beiden angeschnittenen Darmäste selbst weiter an der Pharynxtasche vorbei. Ebenso bei Querschnitten zwischen Pharynxtasche und Schwanz. Wenn bei all diesen Operationen ausser den Hauptdarmästen auch noch seitliche Verzweigungen angeschnitten worden waren, wie das ja sehr oft geschieht, so wuchsen auch diese weiter: aber stets wächst der Hauptast selbst auch. Diese Beobachtungen sprechen also jedenfalls für die obige Erklärung der Steinmannschen Resultate. Hier möchte ich noch erwähnen, dass ich zwar auch stets die Umwandlung von Parenchymzellen in Darmzellen verfolgen konnte, dass ich aber ausserdem einigemale in Darmzellen in dem Regenerationskegel Mitosen beobachtet habe. Ein solcher Fall ist in Fig. 16 zu sehen. Der Schnitt entstammt einem Regenerat von einem Tage. Deshalb ist die Ansammlung von Parenchymzellen noch nicht sehr mächtig. Die Darmzellen scheinen sich nach der Wunde hin gestreckt zu haben. Man sieht, dass sich vorn schon einige Regenerationszellen an den Darm angelegt haben. Sehr deutlich tritt aber auch die Mitose im Darm hervor. Jedoch habe ich derartige Bilder nur selten gesehen. Sicher 384 Paul ano“ entstammt die Hauptmasse des regenerierenden Darmes aus dem Parenchym. Auch liesse sich folgende Erklärung der wenigen Bilder, in denen eine Mitose zu sehen ist, nicht von der Hand weisen: Man könnte annehmen, es handle sich bei den Mitosen um Zellen, die zwar jetzt Darmzellen darstellen, die aber eben erst aus Parenchym- oder Regenerationszellen zu solchen geworden sind. Dann wären es also nicht alte Darmzellen, die sich teilen, und der Darm entstünde ganz aus Parenchymzellen. | Um eine grössere hegenerationsbreite des Darmes zu ge- winnen, habe ich den Operationsschnitt sagittal durch das Tier geführt. derart, dass der Darm längshalbiert wurde. Auf (Quer- schnitten sieht man dann, dass der Darm selbst nach 15 Tagen nach der Innenseite zu noch nicht ganz geschlossen ist, sondern sich stellenweise nach aussen öffnet. Doch legen sich dort überall viele Parenchymzellen an, um den Verschluss zu bewerkstelligen. Oft aber kommt der Verschluss auch so zustande, dass die alten Darmzellen sich zusammenlegen und aneinanderschliessen. Gleichzeitig hat sich dann aber eine grosse Menge Parenchym- zellen von aussen an der regenerierenden Seite so dicht an den Darm angelegt, dass man zwischen ihnen und dem Darm keine scharfe Grenze mehr erkennen kann. Zwar sind die Parenchym- zellen zunächst noch stärker gefärbt. Aber bald wird die Färbung schwächer, die Zellen werden grösser, das Plasma homogener, und wir haben einen stetigen Übergang zwischen den parenchy- matischen Regenerationszellen und den Darmzellen. Dagegen sind die Regenerationszellen von dem umgebenden Parenchym gut zu unterscheiden. Indem nun der Darm seitlich auswächst, werden auch die mit ihm kontinuierlich verbundenen Parenchymzellen auseinandergedrängt. Es treten dann Vakuolen in ihnen auf, und sie sind bald nicht mehr von typischen Darmzellen zu unter- scheiden. Schliesslich nehmen die alten und neuen Darmzellen wieder ihre normale Höhe an: die neuen Darmzellen müssen sich also zwischen die alten eingereiht haben. Von einer eigentlichen Einwanderung kann man dabei nicht sprechen, weil bei der Regeneration die alten Darmzellen nicht mehr in einer Reihe angeordnet sind, sondern sich lang ausgezogen haben. Mit ihnen haben sich dann die neuen Darmzellen sozusagen vermischt. Dass man diesen Vorgang nicht im einzelnen verfolgen kann, liegt einmal daran, dass die fraglichen Zellen schon zu Darmzellen Uber Regeneration bei Planarien. 355 geworden, also schwer von diesen zu trennen sind. Zweitens werden die Darmzellen in den Schnitten meist schräg getroffen, so dass man mehrdeutige Bilder erhält. Hier ist auch der Ort, auf eine Frage einzugehen, die bei Steinmann eine grosse holle spielt: die Ernährung des Regenerates durch die Lehnertschen „Stoffträger“. Diese Stoft- träger sind kleine, runde bis eiförmige Körper. „Sie entstehen durch Zerfall von Geweben, und sie zerfallen auch selbst wieder an Stellen, wo neue (rewebe gebildet werden... . Ihr Hauptursprungs- ort ist das Darmepithel, nächst diesem das Grund- und Muskel- gewebe” (Lehnert [29]. Steinmann glaubt nun, die Zerfall- stoffe von Hoden, Dotterstöcken usw. gelangten entweder frei oder in lebenden Zellen eingeschlossen in den Darm. In den Darmzellen oder im Darmlumen sollen sie dann zum Regenerat hin wandern. „Nicht selten findet man frei im Darmlumen Minotsche Körnerkolben mit oder ohne „Körner“. Ich halte diese (rebilde für aus Darmzellen differenzierte, mit Reserve- stoffen beladene Stofiträger.“ Im Einklang hiermit hält Stein- mann die Minotschen Körnerkolben auch im normalen Darm nicht. für Drüsen, sondern für „Transportvehikel von Stoffen“. „Daher könnte ihr massenhaftes Auftreten ebensogut eine Folge des Hungerns. der Desorganisation von Dotterstöcken usw. sein, wie ein Zeichen der Überfütterung.“ Dagegen muss ich jedoch bemerken, dass ich in mehreren Regeneraten von kurzen (uer- stücken, die etwa 3 bis 4 Wochen alt waren, nur äusserst wenige Körnerkolben im Darm gesehen habe, obwohl ausserhalb des Darmes noch genug Organe waren, die zum Transport ihrer Zerfallprodukte der Stoffträger benötigt hätten. Die Körnerkolben waren hier eben wie die übrigen Darmzellen schon grösstenteils zerfallen; demnach waren sie jedenfalls zum Transport der noch übrigen Organe nicht mehr nötig. Der Zerfall des Darmes wird bei Betrachtung der Köpfe und (Querstücke genauer besprochen. Eine Hauptstütze für seine Anschauung findet Steinmann darin, dass sich oft in der Nähe des Regenerationsgewebes und zum Teil auch in demselben Minotsche Körnerkolben finden, teils vollständig leer, teils noch mit einigen Körnern (Fig. 4, Taf. XXU). Zur Erklärung dieser Befunde sagt er dann weiter: „Sowohl am lebenden Tiere als an Quetschpräparaten und Schnitten fand ich oft den ganzen Darm leer, nur die Zone, wo der Darm 356 Paul2nang: in das Regenerat einwächst, vollgepfropft (von Körnerkolben). In späteren Regenerationsstadien allerdings findet man solche Auf- häufung selten. Wäre der Darm ein einfacher Hohlraum, so müssten sich die Nahrungsstoffe (er denkt hier an Minotsche Körnerkolben als Reservestoffbehälter) überall gleichmässig ver- teilen.“ Dafür nun, dass die Stoffträger besonders dort angehäuft seien. wo der Darm in das Regenerat hineinreiche, macht er osmotische Strömungen nach dem Regenerat hin verantwortlich: die starke Zellvermehrung des Regenerationsgewebes soll nahrungs- saugend auf die übrigen Gewebe des Körpers einwirken. Gegen diese Auffassung der Körnerkolben wendet sich Wilhelmi (S. 304). Mit A. Lang (28), Kennel (26) und Böhmig (7) hält er die Körnerkolben für Darmdrüsenzellen. Gegen Steinmann macht er darauf aufmerksam, dass dieser Autor seine Untersuchungen nur an Tieren anstellte, denen das Hinterende vor dem Pharynx abgetrennt wurde. Nun ist aber der Teil des vorderen unpaaren Darmastes, der direkt vor dem Pharynx liegt, schon beim normalen Tier am reichsten mit Körner- kolben versehen, wovon auch ich mich oft überzeugen konnte. Auf diesen Umstand hat Steinmann keine Rücksicht genommen. Ich habe nun diese Frage experimentell geprüft. Zu dem Zwecke führte ich die Operationsschnitte an verschiedenen Stellen durch das Tier, gleich hinter den Augen, in verschiedener Höhe zwischen Pharynx und Augen, direkt vor dem Pharynx (Operation Steinmanns) und durch das Hinterende des Tieres. Da muss ich nun zunächst bemerken, dass ich trotz zahlreicher Operationen niemals Minotsche Körnerkolben ausserhalb des Darmes im Regenerationsgewebe entdecken konnte, wie dies Steinmann beschreibt und abbildet. Ferner fand ich in Regeneraten, wo der Schnitt gleich hinter den Augen geführt war, niemals eine An- häufung von Körnerkolben im Darm in der Nähe des Regenerations- kegels. Sämtliche Regenerationsstadien habe ich daraufhin unter- sucht, aber weder in jungen noch in alten Regeneraten war etwas Auffälliges zu bemerken. So ist in Fig. 1 sogar nur ein Körner- kolben im Darm deutlich zu erkennen. In Fig. 16, wo der äusserste Zipfel des Darmes ins Regenerat hineinragt, ist kein einziger Körnerkolben zu sehen. Dagegen kann man in den- selben Schnitten, denen die Fig. 1 und 16 entnommen sind, und die sagittal durch das Tier geführt wurden, vor dem Pharynx Über Regeneration bei Planarien. BIST, eine bedeutende Ansammlung von Körnerkolben bemerken, gerade wie beim normalen Tier. Ganz dieselben Verhältnisse fand ich bei Regeneraten, wo der Öperationsschnitt hinter der Insertion des Pharynx in irgend welcher Höhe geführt war. Nur wenn die Tiere so operiert waren, wie sie Steinmann operiert hat, bekam ich ähnliche Bilder wie dieser Autor. Ich fand dann in der Nähe des Regenerates die stärkste Anhäufung von Körner- kolben:; begreiflicherweise, denn jetzt ging ja der Öperations- schnitt durch den Darmteil, der auch im nichtoperierten Tier die meisten Körnerkolben aufweist. Dass auch bei diesen Operationen die Körnerkolben in späteren Regenerationsstadien am regene- rierenden Ende spärlicher werden, hat zwei Gründe: Zunächst wird der vordere Darmteil wieder regeneriert; dieser hat aber auch beim nichtoperierten Tier keine aussergewöhnlich vielen Körnerkolben. In noch späteren Regenerationsstadien zerfallen die Darmzellen mehr oder weniger, wenn es sich um kleinere Stücke handelt, wie später noch genauer dargestellt wird: in diesen Fällen müssen also auch die Körnerkolben mehr und mehr schwinden. Die Steinmannschen Angaben sind demnach durchaus keine Beweise gegen die Auffassung der Körnerkolben als Darm- drüsen. Vielmehr kann man gerade auf die Verteilung der Körner- kolben in regenerierenden Tieren einen Beweis für diese Auf- fassung aufbauen: Böhmig (7) sieht in dem Umstand, dass die Körnerkolben direkt am Anfang des Darmes zahlreicher als an anderen Stellen sich vorfinden, einen Beleg dafür, dass die Nahrung sofort nach ihrem Eintritt in den Darm mit Drüsen- sekret aus ihnen versehen werde, womit die Verdauung eingeleitet würde. Nun könnte man zunächst allerdings diese Anhäufung von Körnerkolben am Anfang des Darmes auch so auffassen, dass es sich um eine starke Ansammlung von Nahrung handle, die gleich nach ihrem Eintritt in den Darm von den Darmzellen, die eben dadurch zu Körnerkolben würden, als Reservestoffe aufge- nommen würde. Diese letztere Auffassung wird jedoch dadurch hinfällig, dass man auch bei regenerierenden Tieren die nämliche Verteilung der Körnerkolben findet wie bei nicht operierten Tieren ; denn wenn die Körnerkolben Reservestoffträger wären, so müssten sie doch in dem Hungerzustand,. in dem sich die Tiere bei der Regeneration befinden, jedenfalls sicher bei solchen Tieren, 388 P-aulsDamie: denen der Pharynx abgeschnitten wurde, zu allererst verbraucht werden, ehe andere Organe angegriffen würden. Nun habe ich aber in 3 bis 4 Wochen alten Regeneraten dieselbe Verteilung der Körnerkolben vorgefunden wie beim normalen Tier, obwohl der Dotterstock meist schon stark im Zerfall begriffen war. Da die Tiere während der Regenerationszeit keine Nahrung mehr aufgenommen hatten, fällt die letzte Erklärung der Ansammlung der Körnerkolben weg. Fasst man diese Gebilde dagegen als Drüsenzellen auf, so ist es sehr verständlich, dass sie sich noch an derselben Stelle finden müssen wie vor der Operation. C. Regeneration des Nervensystems. Während Lehnert (29) und Bardeen (1) die Ansicht vertreten. das neue Nervensystem und speziell das neue Gehirn bilde sieh durch Auswachsen aus den alten durchschnittenen Nervenstämmen, glauben Flexner (16), Schultz (49) und Stevens (52), dass es aus Parenchymzellen gebildet werde. Der Ansicht letzterer Autoren muss ich mich anschliessen. Ich habe niemals eine Mitose in einer Granglienzelle entdecken können. Nicht lange Zeit nach der Operation sammelt sich vor den an- geschnittenen Nervenstümpten eine Menge typischer Regenerations- zellen an, wie Fig. 16 zeigt. Die Granglienzellkerne sind hier als grosse helle Kerne zu erkennen. Die dunkel gefärbten Regenerationszellen bilden zunächst einen guten Schutz für die Nervenfasern. Allmählich differenzieren sie sich zu Ganglien- zellen um. Oft sah ich schon nach wenigen Tagen einen zunächst noch ganz feinen Nervenstrang bis dicht an das neu gebildete Epithel herantreten. Dort bildet sich dann bald ein Nerven- plexus, der den Anschluss an den alten Nervenplexus zu erreichen sucht, der sich dicht unter der Muskulatur hin erstreckt. Sobald sich die Augen unabhängig vom Gehirn aus Parenchymzellen gebildet haben (Jaenichen [20]), wachsen ihnen Nerven entgegen und vereinigen sich mit den aus Parenchymzellen entstandenen Sinneszellen. D. Das Parenchym während der Regeneration. Das Parenchym der Planarien ist wegen seiner Bedeutung bei regenerativen Vorgängen gerade in den histologischen Arbeiten über Regeneration der Trieladen recht eingehend studiert worden. Über Regeneration bei Planarien. 359 Aus der grossen Literatur soll nur das hier angeführt werden, was von den meisten neueren Autoren so ziemlich übereinstimmend beobachtet worden ist, sowie diejenigen besonderen Auffassungen einiger Forscher, die für die Regeneration von Bedeutung sind. Nach Ansicht der meisten neueren Autoren, der auch ich mich anschliessen kann, besteht das Parenchym aus zwei Haupt- formen; erstens aus stark verästelten Zellen, die durch band- oder strangförmige Ausläufer sämtlich derart miteinander ver- bunden sind, dass sie ein unregelmässig gestaltetes Maschenwerk bilden. Dieses Maschenwerk ist bald dichter, bald weiter, ins- besondere je nach dem Raum, den die übrigen Organe (vor allem Dotterstock und Darm) einnehmen. In dem Maschenwerk liegen die runden bis elliptischen Bindegewebskerne, die einfache Chromatinkörner aufweisen. Jander (21, S. 176) und Böhmig (7,S.391) haben nachgewiesen, dass das Plasma der Zellen durch geeignete Färbemethoden von der die einzelnen Zellen verbindenden Substanz wohl zu unterscheiden ist. Auch ich konnte das an vielen Stellen beobachten. Das Plasma mit dem Kern stellt danach eine verästelte Bindegewebszelle dar; diese Zellen scheiden die sie umgebende und verbindende Substanz ab. Die Lücken des Maschenwerkes sind ausgefüllt mit einer sehr wenig färbbaren. ziemlich homogenen Substanz, die wahrscheinlich als „Perivisceralflüssigkeit“ aufzufassen ist und für die Ernährung der (rewebe sorgt. Soweit stimmen die meisten Autoren überein. Nicht so ist es bei der Deutung des zweiten Teiles des Parenchyms. Es handelt sich hierbei um Zellen, die recht ver- schieden gestaltet sein können, jedenfalls aber dadurch charakte- risiert werden, dass sie selbständiger und freier sind als die im Maschenwerk aufgehenden „Stützzellen“. Über diese Zellen be- stehen in der Literatur zwei prinzipiell entgegengesetzte An- sichten: Die Mehrzahl der Autoren hält dafür, diese Zellen seien unter dem von Keller (25, S. 354 ff.) eingeführten Namen „Stammzellen“ als eine besondere, von den verästelten Binde- gewebszellen streng zu sondernde Klasse von Bindegewebszellen aufzufassen. Wagner (55, S. 371) wies zuerst bei Mierostoma auf diese Zellen hin und nannte sie „Bildungszellen“, weil sie „entweder durch unmittelbare Umwandlung (einzellige Drüsen z. B.) oder nach vorausgegangener Vermehrung den Ausgangspunkt für die Regenerationsprozesse* bildeten. Dann beschrieb Keller (25) 390 Paulahang: die den „Bildungszellen* analogen „Stammzellen“ bei Mesostomeen: „...Ihr heller Kern besitzt ein grosses und sich stark färbendes Kernkörperehen. Der Plasmaleib ist fein granuliert und färbt sich ebenfalls stark. Die Bindegewebszellen sind in Netzform angeordnet... Diese Zellen, die ich Stammzellen nennen will, sind scharf zu unterscheiden von den verästelten Bindegewebs- zellen, welche ... die sogenannte (Grerüstsubstanz bilden“. Diese „Stammzellen“ sollen nun auch bei den Regenerationsvorgängen bei Planarien eine grosse Rolle spielen, indem sie zu Regenerations- zellen werden und nach einigen Forschern (Morgan, Stevens) zum Regenerat hin wandern. Andere Autoren (Schultz, Stoppenbrink) halten eine Wanderung dieser Zellen für un- wahrscheinlich. Über die „Stammzellen“ spricht sich Stoppen- brink (8. 511) folgendermassen aus: „Was die Natur der Stamm- zellen betrifft, so handelt es sich nicht, wie frühere Untersucher meinten, nm eine besondere zweite Form von Bindegewebszellen, sondern um völlig indifferente Zellen embryonalen Charakters, wie Keller u. a. nachgewiesen haben, eine Ansicht, die durch die neuesten Untersuchungen von Bresslau (85, S. 278) noch eine besondere Stütze erhält. Dieser macht darauf aufmerksam, dass während der Embryonalentwicklung eine auffällig lebhafte Vermehrung der Stammzellen stattfindet, die man später im ganzen Körper verteilt antrifit. Die Bedeutung dieser Stamm- zellen ist eine doppelte: sie bilden den Mutterboden für die post- embryonal entstehenden (reschlechtsorgane, und daneben fällt ihnen die Rolle zu, bei Verletzungen die etwa verloren gegangenen Körperteile zu ergänzen.“ Die Hauptvertreter einer gegenteiligen Auffassung der „Stamm- zellen“, denen auch ich mich auf Grund meiner Untersuchungen anschliessen muss, sind Steinmann (Öl, S.531f#f.) und Wilhelmi (59, S. 178 ff). Steinmann hält es nicht für klargestellt, ob die Zellen vom Typus der Stammzellen undifferenzierte Relikte aus dem embryonalen Stadium sind, oder sekundär aus den Parenchymzellen durch Verlust der Fortsätze entstanden, als eine Art ruhender Parenchymzellen angesehen werden müssen. Er fand zwischen Parenchymzellen und ruhenden „Stammzellen“ alle Übergänge und in beiden Formen Mitosen. „Bis jetzt ist ein sicherer Nachweis nicht erbracht, dass die Regenerationszelle von der Stammzelle oder von Parenchymzellen abstammt.“ Ich werde Über Regeneration bei Planarien. 391 unten versuchen, zu zeigen, dass sie von beiden gebildet werden kann. Steinmann gibt noch an, dass die „Stammzellen“ sich aus Parenchymzellen entwickeln können. Eine Wanderung von Zellen nach dem hegenerat hält er nicht für bewiesen. Wilhelmi gibt die Stammzellen gänzlich auf. „Zwischen den einzelnen Zellformen finden sich Übergänge, wie auch Curtis und Steinmann angeben. Rundliche Zellen dürften sich wohl in vielen Fällen als Querschnitte der sich so häufig findenden bipolaren Zellen deuten lassen, wodurch auch ihr verhältnismässig schmaler Plasmahof verständlich wird. Keineswegs aber möchte ich diese rundlichen Zellen als Stammzellen ansprechen.“ Wilhelmi hält alle im Parenchymgewebe liegenden Zellen mit Arn. Lang (28) für drüsige Elemente; dabei kann es sich um entstehende, rück- differenzierte oder ruhende Drüsenzellen handeln. Er präzisiert seine Auffassung in folgenden Sätzen; „Die Parenchymzellen ent- wickeln sich aus den embryonalen, syneytialen Mesodermzellen und sind also differenzierte Mesenchymzellen; sie zeigen voll- kommene Übergänge zu primitiven Mesenchymzellen, d. h. Zellen vom Typus der syneytialen, embrvonalen Mesodermzellen. Sie stellen daher den niedrigsten Grad der Differenzierung dieser Zellen dar und werden demgemäss bei Selbstteilung und Regeneration der Trieladen am leichtesten zu den das Regenerat aufbauenden primitiven Mesenchymzellen vrückgebildet. Diese primitiven Mesenchvmzellen sind den embryonalen, syneytialen Mesoderm- zellen nach Bau und Funktion gleich und sind — wie diese für den embryonalen Aufbau mesodermaler Organe — bei Regeneration, nach Selbstteilung oder Hungerzustand der Trieladen für den Wiederaufbau mesodermaler Organe omnipotent. Demnach sind alle Zellen mesenchymatischer Organe nach Rückdifferenzierung zum Wiederaufbau derselben omnipotent. Besonders differenzierte Zellen oder, besser gesagt, indifferente Zellen, die den Zweck haben, erst bei hegeneration in Funktion zu treten (das sind die „Stammzellen“ Kellers und der Autoren), existieren nicht, in den meisten Fällen dürften ruhende oder unentwickelte Drüsenzellen als Stammzellen etc. angesprochen worden sein. Das Gleiche gilt für die Anlagen postembryonal entstehender Organe (Hoden, Dotterstöcke, Ovarien). . . . Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob meine gänzliche Leugnung der Stammzellen zu Recht besteht.“ 392 Dauer ne: (iehe ich nun zur Darstellung der eigenen Befunde über, so kann ich auf eine Präzisierung meiner Auffassung der „Stamm- zellen“ verzichten, da sie im grossen und ganzen mit der Wilhelmischen Auffassung übereinstimmt, weshalb diese wörtlich angeführt wurde. Die Abweichungen von dem Wilhelmischen Standpunkte ergeben sich im Laufe der Darstellung. Ich kann daher sofort dazu übergehen, die Gründe für meine Anschauung darzulegen und insbesondere das Verhalten des Parenchyms bei der Regeneration zu beleuchten. An Regeneraten von einem Tage finden wir an der Wund- stelle bereits eine beträchtliche Ansammlung von Regenerations- zellen (Fig. 14 und 16), d.h. Zellen, die durch dunkle Färbung und meist uni- oder bipolare Gestalt charakterisiert sind und die Aufgabe haben. alle verloren gegangenen Organe wieder zu er- setzen. Es fragt sich nun, woher stammen diese hegenerations- zellen und wie kommt ihre starke Anhäufung an der Wunde in so kurzer Zeit zustande ? Um die erste Frage zu erledigen, will ich versuchen nach- zuweisen, dass die Regenerationszellen zum grössten Teile von Parenchymzellen, Drüsenzellen und Dotterstockszellen herstammen. Um die Abstammung der Regenerationszellen von Parenchym- zellen zu studieren, betrachten wir einen Schnitt durch das Parenchym nahe an der Wunde eines eintägigen Regeneranten (Fig. 18). Hier finden wir die verschiedenartigsten Zellen vor. Zunächst sehen wir bei n Zellen, die in das Maschenwerk dicht eingebettet sind, deren Plasma sich nicht immer bei jeder Färbung von der Stützsubstanz abhebt. deren Kerne einfach sind. normale Färbung aufweisen und meist Chromatinkörnehen, seltener ein Kernkörperchen besitzen. Diese Zellen bilden die Hauptmasse der Bindegewebszellen beim normalen Tier. Wir wollen sie „Stützzellen“ nennen. Sie stammen direkt von den synevtialen embryonalen Mesenchymzellen ab. Sowohl in normalen wie in regenerierenden Tieren habe ich in diesen Zellen Mitosen gesehen. Sie können sich also auch in dem engen Verbande vermehren. Doch sieht man Teilungsbilder in diesen Zellen nur selten, auch bei Regeneranten. Die meisten Mitosen kommen in den nun zu besprechenden freieren Zellen vor, Zellen, die von den Autoren, wenigstens zum Teil für Stammzellen angesehen werden. Wir sehen derartige Zellen in Fig. 18 bei s, Fig. 16 bei ü. Sie sind Über Regeneration bei Planarien. 393 fast durchweg dadurch charakterisiert, dass ihr Kern sich ausser- ordentlich stark färbt, so dass man in ihm öfters keine Struktur nachweisen kann. Dagegen fehlt ihnen eine charakteristische (Gestalt; meist sind sie wohl kreisförmig oder elliptisch: doch kommen auch alle möglichen anderen Gestalten vor; immer aber sind diese Zellen ohne Zusammenhang mit dem Maschenwerk. Es sei hier beiläufig erwähnt, dass Steinmann (51) möglicherweise derartige Zellen gelegentlich für seine „Stoffträger“ in Anspruch genommen hat. Zwischen diesen freien Zellen und den eigentlichen Parenchym- zellen finden sich nun aber alle möglichen Übergänge (ü, Fig. 22), auf Grund deren ich glaube, dass diese freien Zellen oder die sogenannten „Stammzellen“ nichts weiter sind als umgewandelte „Stützzellen“. Wir wollen diese vermeintlichen „Stammzellen“ in der folgenden Darstellung mit dem ihrer Bedeutung mehr gerecht werdenden Namen „Übergangszellen“ bezeichnen. Die Umwandlung macht sich zunächst bemerkbar in einer stärkeren Färbbarkeit von Kern und Plasma; letzteres hebt sich daher schärfer von der Stützsubstanz ab (ü:). Das Plasma sondert sich nun mehr und mehr von der Stützsubstanz und löst sich all- mählich ganz von ihr los. Dann zieht es seine Fortsätze ein. Inzwischen ist der Kern immer stärker färbbar geworden, so dass man schliesslich mitunter keine Struktur mehr in ihm erkennen kann (üe—üs). Bei ganz starker Vergrösserung können jedoch in den meisten Kernen noch gewisse klumpige oder körnige Strukturen wahrgenommen werden. In solchen Zellen sieht man nun sehr oft Übergänge zu Mitosen (m), indem der stark ge- färbte Kern sich in dicke Fäden auflöst. Bald entstehen daraus typische Teilungsbilder, wie sie in Fig. 19 dargestellt sind. Aus der Teilung werden dann zwei Regenerationszellen (r, Fig. 18) hervorgehen. Oft werden die „Übergangszellen“ auch ohne Teilung zu Regenerationszellen. Bei dieser Auffassung der Dinge wird es auch klar, weshalb die sogenannten Stammzellen bei der Regeneration eine so grosse kolle spielen und gerade hier so zahlreich auftreten; einfach deshalb, weil bei der Regeneration eine aussergewöhnlich grosse Menge embryonaler Zellen, nämlich die Regenerationszellen, beschafft werden muss, man also viele „Übergangszellen“ im Regenerate erwarten darf. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. DV =] 394 Paul amee Wenn die Zelle ü: (Fig. 18), die sich vermutlich soeben von der Stützsubstanz gelöst hat, ihre Fortsätze einzieht, so wird aus ihr sofort eine Zelle üs, eine Zellform also, die von den Autoren als „Stammzelle“ angesehen worden ist. Die sogenannte Stammzelle ist demnach nichts weiter als ein Übergangsstadium zwischen der als Stützgewebszelle differenzierten Bindegewebszelle, der „Stützzelle“*. und einer embryonalen, undifferenzierten Binde- gewebszelle, und zwar in unserem speziellen Falle, einer. Regenerationszelle; sie ist, allgemein ausgedrückt, eine „Über- gangszelle“. Für eine zweite Hauptquelle der Regenerationszellen halte ich die verschiedenen Drüsen. Dass die Rhabditenbildungszellen., die ja auch Drüsenzellen sind, aktiv an der Regeneration beteiligt sind. haben wir bei der Regeneration des Epithels bereits gesehen. Aber auch die übrigen Drüsen ergeben bei der Regeneration bemerkenswerte Bilder von Umwandlungsprozessen. Und zwar möchte ich gleich hier bemerken, dass diese Umwandlungsprozesse nicht etwa auf das regenerierende Ende des Tieres beschränkt sind, sondern dass man zu gleicher Zeit im ganzen Körper ähnliche Bilder beobachten kann. Die Umwandlungen verlaufen hier in ähnlicher Weise wie diejenigen von Stützzellen in Regenerations- zellen. Sie mögen an Hand der Fig. 20 und 21 genauer verfolgt werden. Beide Bilder stellen einen Komplex eyanophiler Schleim- drüsen aus der Nähe eines ein- bis zweitägigen Regenerations- kegels dar. Die Drüsenzellen von Fig. 20 sind ganz dunkel sefärbt und fast homogen; die Sekretkörnchen scheinen sich ver- tlüssigt zu haben. Die meisten Kerne zeigen auch hier wieder die Eigentümlichkeit, dass sie sehr gierig die Farbe aufgenommen haben. Einige Kerne (n) haben noch das normale Aussehen. Die anderen sind in Umwandlung begriffen. Wie bei den Stütz- zellen, so halte ich auch hier dafür, dass diese Zellen mit den dunklen Kernen (ü:-ı) als „Übergangszellen“ aufzufassen sind, als Zellen, die sich aus differenzierten Drüsenzellen zu unditferenzierten. embryonalen Zellen, den Regenerationszellen zurückverwandeln. Zum Teil werden sie sofort zu Regenerations- zellen, so dass also die starke Färbbarkeit des Kernes jedenfalls nicht allein auf Kosten der Vorbereitung zu einer Mitose zu setzen ist, sondern auch als ein Ausdruck der Tätigkeit des Kernes bei der Entdifferenzierung der Drüsenzelle angesehen Über Regeneration bei Planarien. 395 werden muss; so gibt sich auch hier wieder die hohe Bedeutung des Kernes für die Lebenserscheinungen der Zelle kund. Zum erössten Teil aber teilen sich diese Zellen zuerst und liefern so gleich zwei Regenerationszellen. So sehen wir denn auch in den meisten Kernen der Übergangszellen Einleitungen zu Mitosen. Das erste Anzeichen der Umwandlung ist eine stärkere Färbbarkeit des Kernes. In den Kernen von ü: ist noch so eben eine Chromatinkörnelung zu erkennen, während die Kerne von üs auch mit Zeiss, Im. 2 mm, Ok. S, durchaus homogen aussehen. Ein späteres Stadium stellen die Zellen üs dar. Hier scheimt sich der stark gefärbte Kern in einzelne Klumpen aufzulösen. In üs endlich sehen wir, wie sich diese Klumpen zu dicken Fäden umwandeln, aus denen schliesslich mitotische Figuren (m) entstehen werden. Noch deutlichere Bilder besonders von den letzten Stadien begegnen uns in Fig. 21. Hier sind dieselben Bezeichnungen gewählt wie in Fig. 20. Auch hier finden sich nur wenig normale Drüsenzellen (n). Die meisten sind in Umwandlung begriffen: und zwar sehen wir hier recht deutlich, wie sich die Kernmasse in dicke Fäden zerlegt. Diese Fäden sind teilweise noch an- einandergebacken. In den meisten dargestellten Zellen aber sind sie schon scharf voneinander zu unterscheiden. Hie und da nehmen sie eine eekrümmte Gestalt an. Wenn man diese Zellen (ü«) mit der Drüsenzelle (m), die in Mitose begriffen ist, vergleicht, so wird es begreiflich erscheinen, dass man die Zellen als in Vorbereitung zu Mitosen auffassen kann. Fig. 21 ist in der Vergrösserung Zeiss, Im. '/ıs, Ok. 1, mit dem Abbeschen Zeichenapparat gezeichnet. Bei dieser Ver- grösserung sehen aber die Kerne aller dargestellten „Übergangs- zellen“ klumpig oder homogen aus. Die dargestellte Struktur konnte erst mit Zeiss, Im. 2, Ok. 5, erkannt werden und wurde bei dieser Vergrösserung nachgetragen. Auch der Umstand, dass sich gerade in Drüsenzellen ausser- ordentlich häufig Mitosen finden, spricht für die oben dargestellte Auffassung der fraglichen Zellen. Nebenan wurde in Fig. 21 noch eine Mitose dargestellt, gleichfalls eine Drüsenzelle. Öfters sah ich auch Zellen, die als Drüsenzellen funktioniert hatten, in der Nähe von Regenerationszellen. Daneben lagen gelegentlich ähnliche Zellen in Mitose. Dass man aber direkte 27+ 396 Plane laun) 2: Übergangsbilder zwischen diesen Zellen und Regenerationszellen im allgemeinen nicht erwarten darf, ist selbstverständlich, da zwischen beide Zustände ja meist die Mitose eingeschaltet ist. Gehen wir nun zur dritten Hauptquelle der Regenerations- zellen, zu dem Dotterstock über, so finden wir hier deutlicher als bei den übrigen Organen neben der Entdifferenzierung und Umwandlung einen Zerfall von Zellen. Über den Zerfall des Dotterstockes infolge des Hungers liegt eine eingehende Arbeit von Stoppenbrink (55) vor, deren Ergebnisse Berninger (6) bestätigt hat. Was zunächst den Bau der normalen Dotterzellen anbetrifft, so konnte auch ich, wie Stoppenbrink, Fettropfen und Dotterkügelchen als zwei verschiedene Arten von Einschlüssen deutlich unterscheiden. Die Fettropfen waren verschieden gross, aber stets grösser als die Dotterkügelchen; wegen der Behand- lung meiner Präparate mit Xylol konnte ich nur sehr selten die Fettropfen wirklich beobachten; dafür trat aber der Ort, wo sie gelegen hatten, um so deutlicher hervor. Die Zahl der Dotter- kügelchen in den Dotterzellen scheint bei Pl. polychroa grösser zu sein als bei den von Stoppenbrink untersuchten Arten Pl. gonocephala und Dendr. lacteum. Dass sie, wie Stoppen- brink angibt, die Kernfärbung annehmen, habe ich niemals beobachten können. Vielmehr hatten sie bei meiner Färbung (Hämalaun-Kongorot) meist einen braunen Farbton, so dass sich der blaue Kern gut von allen anderen Bestandteilen der Zelle abhob. Bei regenerierenden und zugleich hungernden Tieren be- obachtete Stoppenbrink einen Zerfall des Dotterstockes. Und zwar fand er im Gegensatz zu Stevens (52), dass die Dotterzellen in der Nähe des Wundrandes nicht eher zerfallen als die weiter entfernt liegenden. Dieser Beobachtung muss ich beipflichten; sie entspricht ganz unseren oben erwähnten Beobachtungen bei der Entdifferenzierung der Drüsen. Meine Befunde über den Zerfall der Dotterzellen stimmen mit denen Stoppenbrinks nicht in allen Punkten überein. Das Verquellen der Dotter- kügelchen und ihr Bestreben, miteinander zu verschmelzen, konnte auch ich beobachten. Ebenso, dass die Dotterzellen sich zu grossen Tropfen umwandeln und dass diese Tropfen in kleinere Tröpfchen zerlegt werden. Letzteres ist jedoch durchaus nicht stets der Fall. Auch sind die Tröpfchen verschieden gross (Fig. 23, do). Uber Regeneration bei Planarien 397 Der wesentlichste Unterschied gegenüber den Beobachtungen Stoppenbrinks ist jedoch der, dass ich eine Einwanderung dieser Dottertröpfehen in den Darm ganz deutlich und mit voller Sicherheit beobachtet habe (Fig. 22—24). Stoppenbrink beobachtete bei Pl. gonocephala und Dendrocoelum lacteum, dass die Dottertröpfchen, in die die Dotterzellen zerlegt worden waren, an Ort und Stelle resorbiert werden. Unsere Fig. 22 zeigt nun mit aller Deutlichkeit, wie ein Dottertropfen (do) in den Darm (d) einzudringen sucht. Er hat die Membrana propria (mp) offenbar schon durchbrochen. In Fig. 23 ist nun ein Stück Darm (d) und ein Teil des an ihn angrenzenden Bindegewebes (b) dargestellt. Beide sind durch die Membrana propria (mp) des Darmes scharf voneinander getrennt. Hier sehen wir nun deutlich einen Dotter- tropfen in einer Vakuole des Darmes liegen. Ein Vergleich mit den zwischen den Maschen des Bindegewebes liegenden Dotter- tropfen lässt keinen Zweifel, dass es sich wirklich um eine Dotter- kugel handelt. Leider muss im Bilde auf die noch überzeugendere Färbung des Präparates verzichtet worden. Insbesondere unter- scheiden sich die im Darm liegenden Dottertropfen sehr scharf von den Minotschen Körnerkolben (m, Fig. 23 und 24). Da sich der Kern durch seine Färbung stets gut hervorhob, so konnte ich auch über seinen Verbleib einige Beobachtungen machen. Bei der Zerlegung der Dotterzelle in einzelne Tropfen bleibt der Kern in einem dieser Dottertropfen erhalten. Wie die übrigen, so wird auch dieser Tropfen in den Darm aufgenommen. So weist der Dottertropfen in Fig. 24 einen deutlichen Kern (k) auf: dass dieser Tropfen im Darm liegt, geht aus den Vakuolen und dem Minotschen Körnerkolben zur Genüge hervor. In Fig. 25 sehen wir in einem der im Parenchym liegenden Dotter- tropfen, dass der Kern (k) ein verzerrtes Aussehen erhalten hat. Die Chromatinkörnelung ist geschwunden. Statt ihrer weist jetzt der Kern einige dunkle Flecke oder Klumpen in seiner sonst ganz homogen aussehenden Masse auf. Der Auflösungsprozess ist noch weiter fortgeschritten in dem im Darm liegenden Dotter- tropfen. Hier hat sich der Kern (k) lang ausgezogen. Seine Membran scheint aufgelöst zu sein. Der Kern ist ganz blass geworden; nur ein paar fädige Strukturen in seinem Inneren sind etwas intensiver gefärbt. Nun wird der. Kern immer blasser und verschwindet so bald ganz, indem er sich der Dotter- >98 Brarmınanlsammıek masse, die durch Verschmelzen der Dotterkügelchen entstanden ist, beimischt. In recht vielen Regeneranten habe ich das Eindringen von Dotter in den Darm und das Vorkommen von Dotterkugeln im Darm beobachtet. Als beweisende Bilder habe ich nur solche gewählt. wo sich recht grosse und noch relativ wenig zerfallene Dotterkugeln im Darm finden, weil nur solche Kugeln auch ohne die Farbe charakteristisch genug sind, um einen Vergleich mit ähnlichen Dotterkugeln ausserhalb des Darmes zu gestatten. Um so mehr möchte ich hervorheben, dass die meisten in den Darm eindringenden Dotterkugeln viel kleiner sind als die in den Fig. 22—24 dargestellten. Zunächst zerfallen die Dotterzellen ausserhalb des Darmes in kleine Tropfen: diese dringen nun in den Darm ein. Solche Tröpfehen sind aber nicht mit genügender Sicherheit von etwaigen sonstigen Einschlüssen des Darmes zu unterscheiden, obwohl man annehmen darf, dass zunächst alle Darmeinschlüsse aufgebraucht worden sind, ehe der Zerfall der Organe einsetzt. Um so sicherer beweisen aber die auch noch recht zahlreich im Darm sich findenden grösseren Dotterkugeln das Einwandern der Dotterkugeln in den Darm. Wenn hier und in ähnlichen Fällen das Wort „Einwandern“ gebraucht wird, so soll damit nicht ohne weiteres gesagt sein. dass es sich um aktive Wanderung handle. Die meisten Dotter- kugeln stellen beim Eindringen in den Darm ja überhaupt Keine Zellen mit Plasma und Kern mehr dar. Bei ihnen wird also eine aktive Wanderung von vornherein unmöglich sein. Ob und wie diese Erscheinungen zu erklären sind, müssen weitere Unter- suchungen lehren. Auf die Steinmannsche Erklärung durch osmotische Kräfte sei hier nur als auf eine Möglichkeit hin- gewiesen. Nicht der ganze Dotterstock geht bei dem Hungerzustande während der Regeneration zugrunde. Stoppenbrink hat nach- gewiesen, dass der Dotterstock einem periodischen Zerfall unter- worfen ist im Zusammenhang mit der Periodizität der Geschlechts- tätigkeit. Der jedesmalige Wiederaufbau geschieht nach Stoppen- brink aus den „Stammzellen“, nach unserer Auffassung aus Parenchymzellen, die durch die Zwischenstadien der „Übergangs- zellen“ sich zu Dotterzellen umwandeln. Man kann in der Tat fast stets in dem Dotterstock Zellen finden, die sichtlich in Umwandlung Über Regeneration bei Planarien. 28) zu funktionierenden Zellen begriffen sind. Stoppenbrink hat diese Umwandlung im einzelnen beschrieben. In denjenigen Zellen nun, die bei Beginn des Regenerations- und Hungerzustandes in Umwandlung begriffen sind, konnte ich niemals Auflösungserscheinungen bemerken. Wenn sich die aus- gebildeten, funktionierenden Drüsenzellen auflösen, bleiben diese Zellen zurück. Sie werden zu Regenerationszellen. Auch diese Zellen haben wieder den für die „Übergangszellen“ so charak- teristisch dunkel gefärbten Kern. Wie in den Drüsenzellen, so sieht man auch in ihnen bei der Regeneration Mitosen, geradeso wie Stoppenbrink in den von ihm beschriebenen Zellen Mitosen fand, bevor sich diese vermeintlichen Stammzellen in Dotterzellen umwandelten. So ist es denn durchaus verständlich, dass man auch im normalen Tiere stets „Übergangszellen“ im Parenchym finden muss. Während die Autoren das Vorkommen von diesen ver- meintlichen Stammzellen im normalen Tier so deuten, dass sie diese Zellen als reservierte embryonale Zellen ansehen, sagen uns diese Zellen lediglich, dass auch im normalen Leben des Tieres stets Organe oder Zellen in Umwandlung begriffen sind. Das gilt nicht nur für die Dotterstöcke, sondern vor allem auch für sämtliche Drüsenzellen; sie werden von Zeit zu Zeit, da sie nicht durch das ganze Leben des Tieres funktionsfähig bleiben. entdifferenziert und durch neue Zellen ersetzt. Diese neuen Zellen waren aber nicht seit embryonaler Zeit für diese Aufgabe als embryonale „Stammzellen“ aufgespart, sondern sie entstehen aus schon differenzierten „Stützzellen“ des Parenchyms. In weit- gehendem Maße sind auch die Rhabditenbildungszellen hierher zu rechnen. Bei den ausserordentlich hohen Ansprüchen, die gerade an diese Zellart gestellt werden, müssen auch sie öfters ersetzt werden. Für die Umwandlung der Hodenzellen gilt bei der Regene- ration, die mit Hungerzustand verbunden ist, ähnliches wie für die angeführten Organe; doch habe ich keine speziellen Unter- suchungen darüber angestellt. Über die eigenartige Auffassung von der Ernährung des hegenerates, die Steinmann (51) entwickelt hat, sei hier ein Wort vergönnt. Autor glaubt, dass das Regenerat nur so ernährt werden könne, dass ihm grosse Mengen von Nahrungsstoffen direkt 400 Panulelrane zugeführt würden und sieht seine Ansicht bestätigt durch die Tatsache, dass die Organe nicht zuerst in der Nähe der Wunde zerfallen, sondern auch entfernt von ihr zur selben Zeit angegriffen werden, so dass also eine Wanderung der Zerfallsprodukte nötig erscheine. „Die Stoffe erscheinen teils frei, teils in lebenden Zellen eingeschlossen, letztere sind wohl die Stoffträger im Sinne Lehnerts und differenzieren sich aus Parenchymzellen.“ Von derartigen Gebilden habe ich niemals etwas bemerken können. (rewiss ist die Frage nach der Art und Weise und nach den Ursachen der Wanderung von Material ohne Kern und Plasma nach dem Darm ein Problem, das noch der Lösung harrt. Aber mit der Erledigung dieses Problems würde auch die ganze Frage nach der Ernährung des Regenerates erledigt sein. Eine Weiter- wanderung der Zerfallsprodukte in den Darmzellen oder im Darm- Jumen, wie Steinmann dies beschreibt, konnte ich nicht be- obachten. Vielmehr wurde stets alles, was in den Darm gelangte, in Darmvakuolen eingeschlossen und verdaut. Nun scheint aber die Steinmannsche Ansicht, dass die Nahrungsstofte, auch wenn sie in den Darm gelangt seien, in diesem mit Hilfe der „Stoft- träger“, für die er hier die Minotschen Körnerkolben in Anspruch nimmt. noch weiter wandern müssten, nicht nötig zu sein. Wenn die Stoffe einmal in den Darm gelangt sind, so scheint für die Ernährung des Regenerates auch die Annahme hinzureichen, dass die zerfallenen Organe im Darm verdaut werden. Sobald sie verdaut worden sind, werden sie, wie man. wohl annehmen darf, der Perivisceralflüssigkeit einverleibt. Diese steht aber im ganzen Körper in kontinuierlichem Zusammenhang, da sie sich durch das ganze Maschenwerk des Parenchyms. das ja alle Organe umspinnt, verbreitet. Wenn nun im Regenerat mehr Nährtlüssigkeit verbraucht wird als anderorts, so ist es einfach physikalisch wegen des überall gleichen Druckes ohne weiteres verständlich, dass immer wieder neue Perivisceraltlüssigkeit zu dem Regenerat hin nachströmen muss. Ein besonderer Transport der Nahrung nach dem Regenerat hin erscheint im Darme also überflüssig. Anders steht es mit der Wanderung der Regenerationszellen. Wenn wir die Frage beantworten wollen, wie die starke Anhäufung von Regenerationszellen an. der Wunde zustande kommt, so ist zu bedenken, dass einer Wanderung von Regenerationszellen nach Über Regeneration bei Planarien. 401 dem Regenerate durchaus keine Schwierigkeiten im Wege stehen; haben wir es hier doch mit lebenden und freien Zellen zu tun, für die man sehr gut die Tätigkeit der aktiven Ortsveränderung in Anspruch nehmen kann. Diese aktive Ortsveränderung wird noch unterstützt durch die nach dem Regenerate fortwährend gerichtete Strömung der Perivisceraltlüssigkeit, in der wir uns ja die Regenerationszellen liegend zu denken haben. Noch ein Beweismoment kommt hinzu. Einmal sehen wir im Parenchym in der Nähe der Wunde in ganz kurzer Zeit nach der Operation Mitosen auftreten. Andererseits treten jedoch auch weiter abseits von der Wunde gleichfalls viele Mitosen auf. Will man nun die Anhäufung von Regenerationszellen an der Wunde durch die zahlreichen Zellteilungen in der Nähe der Wunde erklären, so ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch weiter abseits von der Wunde eine gleiche Zellanhäufung auftreten sollte. Und doch ist z. B. in der Nähe grosser Drüsenzellkomplexe, wo doch sicher ebensoviele Mitosen sich vorfinden wie dicht an der Wunde, von einer aussergewöhnlichen Zellanhäufung durchaus nichts zu bemerken. Will man nun keine Zellwanderung annehmen, so bleibt es demnach durchaus unverständlich, wo die aus den Zell- teilungen abseits von der Wunde hervorgehenden Zellen bleiben. Nimmt man dagegen eine Wanderung dieser Zellen zum Regenerat hin an, so erklären sich diese Erscheinungen sehr einfach: Die Überproduktion an Zellen in einiger Entfernung von der Wunde tritt deshalb nicht dort selbst in die Erscheinung, weil die Zellen von dort nach dem Regenerat hin wandern. Hier verursachen sie im Verein mit den am Ort stattfindenden Teilungen die starken Anhäufungen von Regenerationszellen. Nachdem wir gesehen haben, dass die Rhabditenbildungszellen in der Tat in das Epithel einwandern, erscheint eine derartige Wanderung von Zellen auch durchaus nicht mehr unwahrscheinlich. Alles in allem erwogen, scheint mir eine Wanderung von Zellen nach dem Regenerate hin recht viel für sich zu haben, ja sie ist unabweislich. Wie die im Regenerationskegel angehäuften Regenerations- zellen zum Aufbau der verschiedenen Organe verwendet werden, wurde bereits dargestellt. Es sei hier nur noch auf die Ent- stehung der Muskulatur hingewiesen. Stevens (52) gibt in Fig. 3, Taf XVII, eine Darstellung neu entstandener Muskeln, die = (| mir nicht der Natur zu entsprechen scheint. Nach dieser Figur 402 Paulsen: zu schliessen, wird das ganze Plasma der Muskelbildungszelle zur kontraktilen Substanz. Ich habe nun in Fig. 25 neu ent- stehende Muskeln dargestellt. Man kann hier deutlich Plasma und Kern von der kontraktilen Muskelsubstanz unterscheiden. Letztere stellt sich als ein Ausscheidungsprodukt der Parenchymzelle dar. Histologisches und Experimentelles über Hetero- morphose, Reduktionen und Regeneration an Köpfen, kurzen Querabschnitten und Schwänzen. Es sind vor allem zwei Arten von Erscheinungen, die beim Studium von abgeschnittenen Köpfen, kurzen (Juerabschnitten und Schwänzen ganz besonders in die Augen fallen, 1. die Hetero- morphosen und 2. die Reduktionserscheinungen, die sich an fast allen Organsystemen des Körpers bemerkbar machen. Die ge- wöhnlichen Erscheinungen der Regeneration dagegen unterscheiden sich begreiflicherweise im allgemeinen in nichts von den früher besprochenen Regenerationen. Es wird daher im folgenden nur gelegentlich bei neuen oder abweichenden Erscheinungen darauf zurückzukommen sein. Heteromorphose und Reduktionen sollen dagegen getrennt behandelt werden. A. Über Heteromorphose. Den Begriff der Heteromorphose hat Loeb (33) 1591 ein- geführt: „Die Erscheinung, dass bei einem Tier an der Stelle eines Organs ein nach Form und Lebenserscheinungen typisch andres Organ wächst, bezeichne ich als Heteromorphose.* Van Duvne (15) beschrieb dann 1596 künstlich hervorgerufene Heteromorphosen bei Planarien. Doch machte W. Voigt (56) durch Experimente an Pl. gonocephala wahrscheinlich, dass van Duvynes Ergebnisse keine wirklichen Heteromorphosen waren. Erst T.H. Morgan (35) gelang es 1898 an Pl. maculata un- zweifelhafte Kopfheteromorphosen zu erzeugen. Von da ab liegt nun eine ganze Reihe von Beobachtungen über Heteromorphose vor, besonders auch wieder von Morgan selbst. Er stellte Heteromorphosen fest an Schwänzen und kurzen Querausschnitten bei Pl. maculata und Pl. simplieissima. Hierbei machte sich ein Unterschied zwischen den verschiedenen Arten geltend. indem die Heteromorphosen bei Pl. maculata leichter auftraten als bei Pl. simplieissima. In bezug auf diese Erscheinungen hat Morgan Über Regeneration bei Planarien. 405 verschiedene Hypothesen aufgestellt. Danach sind es vor allem zwei entgegengesetzt wirkende Faktoren, die die Heteromorphose bestimmen, die Tendenz bestimmter Körperregionen, einen Kopf bezw. Schwanz hervorzubringen und die Polarität des Stückes. Je nachdem letztere kleiner oder grösser ist als der erste Faktor, entsteht Heteromorphose oder nicht. Eine Erklärung ist damit allerdings nicht gegeben. Wie schon früher dargestellt, konnte ich bei Pl. polychroa leicht heteromorphe Köpfe herstellen, indem ich den Schnitt direkt hinter den Augen führte. Heteromorphe Augen erschienen im Durchschnitt bei abgeschnittenen Köpfen am kaudalen Ende innerhalb 9 Tagen. Sie entstehen genau in derselben Weise wie bei der Regeneration eines polaren Kopfes. Zunächst bilden einige Parenchymzellen feine Pigmentkörnchen aus, wodurch all- mählich ein Pigmentbecher aufgebaut wird. Fig. 26 zeigt einen heteromorphen Augenfleck, der von der Becherform noch nichts erkennen lässt. Dies Regenerat ist 7 Tage alt. Selten erscheinen die beiden heteromorphen Augen zu gleicher Zeit. In Fig. 27 sind schon zwei heteromorphe Augen ausgebildet. Hier ist das regenerat 11 Tage alt. Die Augen zeigen bereits die bekannte Nierenform, ein Zeichen, dass sich schon ein Pigmentbecher aus- gebildet hat. Wichtig für die Frage, ob es sich wirklich um heteromorphe Augen handle, erscheint mir der Umstand, dass die Augen genau die umgekehrte Lage wie die normalen Augen haben, wie besonders gut an den beiden linken Augen zu sehen ist. Histologisch kann man feststellen, dass diese heteromorphen Augen durchaus unabhängig sowohl von den alten Augen, wie vom Gehirn entstehen. Dass sie nicht auf abgerissene Pigment- körner der alten Augen zurückzuführen sind, wie dies öfters als Ursache der Neubildung von Nebenaugen bei Planarien angegeben worden ist, wird dadurch fraglos, dass die alten Pigmentkörner grösser und dunkler sind als die neugebildeten. Wenn auch die heteromorphen Augen im Durchschnitt nach 9 Tagen erscheinen, so ist doch die Zeit ihres Auftretens in einzelnen Fällen sehr verschieden. Von grossem Einfluss ist hierbei jedenfalls, ob der Kopf direkt hinter den Augen oder etwas weiter nach hinten zu abgeschnitten wurde. Bei einem Kopf fand ich schon 6 Tage nach der Operation zwei heteromorphe Augen mit Pigmentbechern; dies war das jüngste Stadium, in dem ich heteromorphe Augen 404 PaulLang: beobachtet habe. Dabei ist es noch von besonderem Interesse, dass die Wunde noch ziemlich weit offen stand. Wie wir oben sahen, geschieht der Wundverschluss im allgemeinen schon 3 Tage nach der Operation, gelegentlich aber auch viel später. In den ersten Tagen ist nichts wesentlich Auffälliges und Abweichendes gegenüber der polaren Regeneration zu bemerken. Auch hier sammeln sich an der Wunde viele Regenerationszellen. Der Darm wird durch Anlagerung von Parenchymzellen geschlossen, indem sich Regenerationszellen in die durch den Schnitt geschaffene Öffnung einkeilen. Der so abgeschlossene Darm grenzt sich nun gegen das Parenchym sichtlich ab und wächst dann nicht, wie bei der polaren Regeneration, weiter. Aber das erste, was sicher auf eine Heteromorphose hindeutet, ist stets das Auftreten von neuen Pigmentkörnehen mitten zwischen den Regenerationszellen in der Nähe der Wunde. Hier ist noch ein Umstand zu erwähnen, der, wie glaube, die Regeneration bei Köpfen, aber auch bei kurzen Querabschnitten und Schwänzen mitunter verhindert haben mag. Bei sämtlichen Operationen krümmen sich die beiden seitlichen Ränder der Schnittfläche nach der Mitte, d.h. der Hauptachse zu, ein wenig ein, und zwar im allgemeinen um so mehr, je kürzer das be- treffende Stück ist. Diese Verhältnisse sind in Textfig. 2 an- r Fie. 2. A—Ü — verschieden starke Einwärtskrümmung des hinteren Wundrandes von Köpfen, die hinter den Augen abgeschnitten wurden, v — regeneriertes (tewebe: D — die Wundränder haben sich vereinigt: E = konkave Krümmung der vorderen und hinteren Wundfläche eines kurzen Querausschnittes; F = Ein- wärtskrümmune der Wundfläche der hinteren Hälfte eines durchschnittenen Tieres. Über Regeneration bei Planarien. 405 gedeutet. Kurze Querabschnitte erhalten vorn und hinten eine konkave Fläche. Bei Köpfen insbesondere, die infolge der An- wesenheit des Gehirns und vielleicht auch der vorderen Drüsen- zone lebhafter sind als (Querausschnitte und Schwänze, wird die Krümmung noch dadurch begünstigt, dass die beiden hinteren seitlichen Zipfel beim Kriechen oft etwas in die Länge gezogen werden. Infolgedessen entsteht hinten eine relativ grosse Ein- buchtung. Im allgemeinen wird diese nun von den von allen Seiten herankommenden Regenerationszellen angefüllt, und es entsteht an ihrer Stelle eine helle Regenerationszone. Hier können sich dann die weiteren Vorgänge ungestört abspielen. So in dem weissen Regenerat von Fig. 27. Anders ist es aber, wenn die beiden hinteren Zipfel sich so stark medianwärts krümmen, dass sie einander berühren. Dann verwachsen sie rasch und bilden für alle Wachstumsvorgänge ein unüberwindliches Bollwerk, wahrscheinlich vor allem dank dem starken Hautmuskelschlauch. /war findet auch jetzt auf den Wundreiz hin kaudalwärts eine starke Ansammlung von Zellen statt. Aber weil für die Zellen hinten kein Platz ist, müssen sie einen anderen Ausweg suchen. Da sich nun das Tier auf der Bauchseite fortbewegt, kann die neu gebildete Gewebsmasse nur dorsal nach oben und ein wenig nach hinten gelagert werden. Dadurch bekommt der ganze Kopf eine kegelartige Form. In einigen Fällen war diese Auftreibung von Gewebe so stark, dass die Bauchseite mit in die Höhe ge- zogen wurde. Es entstand dann ein hutförmiges Gebilde mit trichterartiger ventral zugänglicher Höhlung. Ein Fortgang der Regeneration war bei diesen Köpfen und Schwänzen nicht zu bemerken. Sie wurden immer kleiner und gingen schliesslich ein. Etwas Ähnliches hat E. Schultz (49) bei der Regeneration von Dendrocoelum lacteum und bei Polycladen beobachtet. Er durchschnitt seine Tiere zwischen Pharynx und @Geschlechtsapparat und fand, dass die Regeneration der vorderen Körperhälfte bei Dendrocoelum lacteum oft ganz unterblieb, bei Polyeladen niemals eintrat, weil sich die Wundränder der durchschnittenen Exemplare von der Seite zur Mitte zusammenzogen und endlich so verwuchsen, dass das mediane Stück, das den Kopf regenerieren sollte, in die Mitte hineingezogen wurde, und hier, von Parenchym umgeben, wahrscheinlich ohne Entwicklungsreize zu erhalten, keine Organe weiter regenerierte. Bei Polycladen sah Schultz zwar noch 406 Paul Dang: eine Zellvermehrung; aber die Muskelschicht verhinderte ein weiteres Wachstum. Diese Schultzsche Hypothese wurde nun von Morgan experimentell geprüft (41). Er verhinderte das Einwärtskrümmen der Schnittränder dadurch, dass er durch zwei seitliche schräge Schnitte den Tieren eine keilförmige Wunde beibrachte. Aber auch jetzt wurde niemals ein Kopf regeneriert. Demnach kann hier die Nichtregeneration wohl nur durch innere Gründe verursacht sein. | Auch ich kann der Schultzschen Ansicht nicht beipflichten, da bei meiner Form eine derartig starke Zusammenkrümmung des Schnittrandes niemals zu bemerken war, wenn ich ein grösseres Stück regenerieren liess. Auch noch ein anderer Umstand spricht gegen Schultz. Weshalb kam diese die Weiterregeneration hemmende Einwärtskrümmung nicht auch an der vorderen Körper- hälfte vor? Hier hat Schultz niemals etwas Derartiges bemerkt, vielmehr trat die Regeneration stets ohne Zögern ein. Und doch sollte man zunächst im Gegenteil erwarten, dass sich gerade der Wundrand an der hinteren Körperhälfte noch stärker einkrümmen würde als an der vorderen, weil ich beobachtet habe, dass an Köpfen, wo also die Wunde hinten liegt, durch das Kriechen der Tiere die seitlichen Wundränder noch mehr ausgezogen werden und sieh um so besser einwärts krümmen können. Die Kritik der Schultzschen Erklärung trifft aber für die von mir beobachteten Fälle einer Hemmung der Regeneration nicht zu. denn diese Fälle bilden ja nur eine Ausnahme. Meist regenerieren die Köpfe sehr gut Schwänze oder heteromorphe Köpfe. Man könnte daher sehr wohl die theoretischen Erörterungen über Korrelation zwischen dem Wachstum des Parenchyms, der Muskelschicht und des Epithels usw., die Schultz an seine Er- klärung der Hemmung der Regeneration knüpft (S. 19), auf unsere Beobachtungen anwenden. Während es bei Pl. polychroa leicht ist, einen heteromorphen Kopf zu erzielen, wenn man den Schnitt gleich hinter den Augen führt. erhält man an kurzen (uerausschnitten niemals hetero- morphe Köpfe. Trotz vieler Versuche gelang es mir auch nicht, einen heteromorphen Schwanz zu erzeugen. Vielmehr regenerieren (uerausschnitte vorn einen Kopf und hinten einen Schwanz. Der Pharynx erscheint in Stücken aus der (regend zwischen Augen und Pharynxkammer am hinteren, in solchen aus der Gegend Über Regeneration bei Planarien. 407 hinter der Pharynxkammer am vorderen Ende. Je näher an den Augen das Stück gewesen war, um so früher regenerieren die neuen Augen; in Stücken vor dem Pharynx in 6 bis 8 Tagen, in solchen hinter dem Pharynx in 11 Tagen oder noch später. Dagegen erscheint der Pharynx in beiden Fällen ungefähr zur selben Zeit und zwar etwa gleichzeitig mit dem Auftreten der Augen in vorderen Stücken; in hinter dem Pharynx gelegenen (Juerstücken erscheint der Pharynx demnach früher als die Augen. Ebenso ist es in Schwänzen. So war bei sechs Schwänzen 7 Tage nach der Operation das Regenerat noch eine indifferente Bildung. Am 13. Tage hatten fünf einen Pharynx aber noch keine Augen regeneriert, während bei dem sechsten Schwanz auch ein Auge erschienen war. Dei einer anderen Versuchsweise hatten fünf Schwänze nach 9 Tagen alle einen Pharynx regeneriert: aber nur einer hatte ein Auge bekommen. B2 Über Reduktionen Die zweite bei kleinen regenerierenden Stücken von Pl. polychroa in die Augen fallende Erscheinung ist die Reduktion, die im ganzen Körper zu bemerken ist. Es macht sich an fast allen Organsystemen ein Zerfall einzelner Zellen oder ganzer Organe bemerkbar. Dieser Zerfall ist deshalb besonders bei kleinen regenerierenden Stücken, also Köpfen, kurzen Querausschnitten und Schwänzen so auffällig, weil erstens diese Stücke stets des Pharynx beraubt sind, also hungern müssen solange sie den Pharynx nicht wieder regeneriert haben, weil zweitens das Ver- hältnis der Wundtläche zur Grösse des Stückes viel grösser ist, als wenn man grosse Teile des Tieres regenerieren lässt, weil endlich drittens diese kleinen Stücke einen viel umfangreicheren Teil des Körpers und viel mehr Organe zu regenerieren haben als grosse regenerierende Stücke. Diese kleinen regenerierenden Stücke befinden sich offenbar in einem hochgradigen Hunger- zustande, wie auch ein Vergleich meiner Ergebnisse mit den Resultaten von Schultz (50), Stoppenbrink (55) und Ber- ninger (6), die sich speziell mit Hungererscheinungen bei Planarien beschäftigt haben, dartun wird. In vielen Punkten stimmen daher meine Befunde mit denen von Schultz, Stoppen- brink und Berninger überein: in anderen aber habe ich ab- weichende Resultate zu verzeichnen. 408 Paul Lang: ]. Reduktion der Augen- Wenn wir von der durch W. Voigt (57) und Stoppen- brink (55) hinlänglich bekannt gewordenen Grössenabnahme und Formänderung der Hungertiere absehen, so ist wohl die auf- fallendste, schon makroskopisch bemerkbare Hungererscheinung die Auflösung der Augen, insbesondere des Pigmentbechers. Sie ist schon oft bei Regenerationen der Planarien beobachtet worden, ohne dass man erkannt hat. dass es sich hier meist, wenn nicht ausschliesslich, um einen Hungerzustand handelt, in dem das Augenpigment zur Ernährung des Regeneranten aufgebraucht wird. In der Literatur sind im Gegenteil zwei andere Erklärungen dieser Erscheinung verbreitet. Man glaubt, die zerstreuten Pig- mentflecken in der Nähe der Augen entständen infolge von Ver- letzungen der alten Augen oder es handle sich dabei um Regenerationserscheinungen. So beobachtete V. H. Keiller (24) in kurzen regenerierenden Köpfen von Pl. simplieissima eine Menge Pigmentflecken. Diese täuschten oft Augen vor, wo keine waren: denn es fehlten ihnen die hellen Höfe, demnach die Seh- zellen. Keiller sagt darüber zusammenfassend: „Bei der Regeneration von Kopfstücken von PI. simpl. finden sich zer- streute Pigmentflecken im Parenchym, ähnlich den von O’Neil im Parenchym wie im Entoderm von Pl. morgani gefundenen. Diese kommen speziell in Köpfen vor, in denen es nicht zur Regeneration wahrer Augen kommt, finden sich aber auch in Köpfen mit heteromorphen Augen und in sehr kurzen Köpfen, wo sich die Pharynxbildung infolge der geringen Grösse ver- zögert.“ Keiller hält die Erscheinungen für Regenerationen. Derartige zerstreute Pigmentflecken sind in Fig. 26 und 27 zu sehen; dass es keine Regenerationen sein können, geht aus der histologischen Untersuchung ohne weiteres hervor. In Fig. 28 ist ein Schnitt durch einen derartigen Kopf, wie Fig. 26 und 27 sie zeigen, dargestellt. Man sieht auch hier, entsprechend den beiden letzteren Bildern, Gruppen von Augenpigment (zp) im Parenchym zerstreut umherliegen. Dass es aber keine Regene- rationen sein können, sondern dass es sich um Abspaltung von den alten Augen handelt, beweisen drei Momente: Erstens haben die Pigmentkörnchen genau dieselbe Grösse wie die alten Pig- mentkörner im Auge, während neu entstandene Körner viel kleiner sind. Der Schnitt stammt aus einem zweitägigen hege- Über Regeneration bei Planarien. 409 nerat, so dass also die Pigmentkörner unmöglich so stark können gewachsen sein. Auch müssten sie, wenn es neue Körner sein sollten, heller sein als die alten. Zweitens sieht man bei 1, wie sich das Pigment vom alten Auge (a) loslöst, um einen dieser Pigmentflecken zu bilden. Drittens dürfte man, wenn es sich wirklich um Regeneration handelte, solche Erscheinungen wohl auch z. B. an kurzen Querschnitten erwarten. Aber darüber liegen in der Literatur keine Angaben vor. Höchstens könnte man hier die Beobachtungen O’Neils (52) heranziehen:; diese Autorin beschreibt Umbildung von Augenpigment im Darm von kurzen (Juerausschnitten. Doch wird weiter unten (Reduktion des Körperpigmentes) wahrscheinlich gemacht. dass die Deutung dieser Pigmentflecken auf einem Irrtum beruht. Wilhelmi (59, S. 62) sagt über unseren Gegenstand folgendes: „Augenauflösungen habe ich öfters bei Seetricladen beobachtet. Dabei kann es zu einer Verteilung und haufenartigen Zusammenlagerung des Augenpigmentes, sowie zu einem völligen Schwinden desselben kommen. .... Künstlich lässt sieh die Augen- auflösung und der Augenschwund durch Verletzung des Auges erzeugen. Wenn man annehmen darf. dass bei Regenerationen nur atavistische Erscheinungen zutage treten, so könnte man vielleicht in der Augenauflösung ein Analogon der sogenannten (ehirnhofaugen der Polycladen erblicken.“ Wenn nun auch nicht seleugnet werden soll, dass durch Verletzung der Augen Auf- lösung und Pigmentzerstreuung erzielt werden kann und aueh in der Natur gelegentlich auf diese Weise erzeugt werden mag. so muss man doch bedenken, dass bei der Regeneration die Augen im allgemeinen durchaus unverletzt bleiben, da der Schnitt doch hinter den Augen geführt wird. Die obige Erklärung ist also auf Regenerate jedenfalls nicht anwendbar. Für meine Auffassung der zerstreuten Pigmentflecken in regenerierenden Köpfen als Hungererscheinungen spricht auch der Umstand. dass Schultz (50) und Berninger (6) bei Hungertieren ähnliche Beobachtungen gemacht haben, wie ich bei Regeneraten. Ersterer Autor fand, dass sich im vierten bis fünften Hungermonate der Augenbecher so einschnürte, dass der Boden des Bechers abgetrennt wird. So entsteht ein becher- förmiges Auge mit Sehzellen und eine kugelförmige, hohle, von Pigment umgebene Blase. Diese teilt sich wieder, so dass wir Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. TI. 28 410 Paule#Diang; oft vier Blasen erhalten. Nun wird der Becher immer flacher, die Kugeln werden kleiner. Nach einiger Zeit findet sich statt des Bechers nur eine Pigmentanhäufung. Die Körner zerstreuen sich ein wenig. Zuletzt schwindet auch der letzte Rest von Pigment. Wie es verschwindet und wo es hingelangt, konnte Schultz nicht beobachten. Er sagt noch: „Sind die Pigment- körner des Auges exkretorischer Natur. so hätten wir ein Bei- spiel. wie diese Körner wieder so umgesetzt werden können, dass sie zu Nahrungsstoffen werden. „Jedenfalls beansprucht dieser Zerfall des Pigments, oder wohl richtiger die Assimilation oder Resorbierung desselben. ein besonderes Interesse, da die Pigmente gewöhnlich als Endprodukte angesehen werden.“ Nun fand Berninger (6) in späteren Stadien „einzelne Pigmentkörner in den. benachbarten Darmästen, wo sie resorbiert werden, ein Vorgang, den Metschnikoff (34)... nachgewiesen hat.“ Diese Pigmentkörner im Darm glaubt Berninger mit Augenpigment identifizieren zu müssen, „da wir sonst ausser den Augen nirgends diese typischen Pigmentkörner in solcher Grösse vorfinden“. Wie wir weiter unten darlegen werden, kann sich jedoch auch das Körperpigment zu kleinen Klumpen derart zusammenballen, dass es dem Augenpigment täuschend ähnlich wird und wirklich ge- legentlich damit verwechselt worden ist. Hier sei noch die Beobachtung Berningers erwähnt, dass die Auflösung der Augen nur dann erfolgte, wenn die Hungertiere im Dunkeln gehalten wurden, während selbst in den äussersten Hungerzuständen kein Zerfall eintrat. wenn die Tiere dem Licht ausgesetzt wurden. Bei regenerierenden Tieren, die in ditfusem Sonnenlicht gehalten wurden, habe ich hingegen auch Auflösung der Augen beobachtet. Was nun die Funde von Pigment im Darm angeht, so ver- mag ich einen zwingenden Beweis dafür anzuführen, dass dies in der Tat Augenpigment ist. Ich fand nämlich in mehreren regenerierenden Köpfen, dass das aufgelöste Augenpigment in den Darm eindringt, um hier verdaut und erst auf diesem Umwege wieder dem Körper nutzbar zu werden. Fig. 28 möge dieses Eindringen des Pigmentes in den Darm demonstrieren. Sie stammt aus einem hegenerat von 3 Tagen. Das im Schnitt getroffene Auge (a) ist in zwei grosse Hälften zerlegt. Ausserdem lösen sich auf allen Seiten Pigment- Über Regeneration bei Planarien. 411 körnchen los und treten ins Parmchym über, wo sie sich zer- streuen oder zu (Gruppen (zp) zusammentreten,. um auf diese Weise die Pigmentflecken zu bilden. die in Köpfen, wie sie in den Fig. 26 und 27 dargestellt sind, makroskopisch oft schon beobachtet und in der Literatur mehrfach beschrieben worden sind. Die Hauptmasse des Pigmentes tritt jedoch in den Darm (d) über, dem das Auge jetzt dicht anliegt. Es verteilt sich nun bald im ganzen Darm, bald tritt es in den Darmvakuolen zu Gruppen (p) zusammen. Oft ballt es sich so stark zusammen, dass man es schon makroskopisch im Darm durchschimmern sieht: auch hierdurch werden neuentstandene Augen vorgetäuscht. Solche Ansammlungen von Augenpigment im Darm von regenerierenden Köpfen hat auch O’Neil bei Pl. morgani beobachtet, worüber N. M. Stevens (52, S. 365) berichtet. Wilhelmi (59) kriti- siert diese Beobachtung Stevens bezw. O’Neils wie folgt: „Ein starker Irrtum scheint mir bei den Regenerationsunter- suchungen Stevens’ unterlaufen zu sein. Verfasserin hat bei Pl. morgani im Epithel des regenerierten Darmes die Bildung von Anugenpigment beobachtet. Ich habe für diesen Befund keine andere Deutung, als dass es sich um verkannte Minotsche Körnerkolben handelt.“ Diese Kritik scheint mir jedoch nicht zuzutreffen. denn es ist zunächst doch nicht wohl möglich, Augen- piement mit Minotschen Körnerkolben zu verwechseln. Ferner hat Stevens ihre Aussagen durch Bilder (Fig. 55, 57, Taf. IX) klar genug belegt. Dagegen glaube ich auf Grund meiner Be- funde der Deutung dieser Beobachtungen durch Stevens ent- gegentreten zu wmüssen.- Zusammenfassend sagt Stevens: „Development of eve-pigment in old endoderm cells gives some support to the idea that all embryonic cells in Planaria are totipotent.“ Sie glaubt ebenso wie Keiller (24), dass diese Pigmentanhäufungsn im Darm selbst entstanden seien, jedenfalls infolge der Regeneration. Dafür sind jedoch keine Beweise vor- handen : im Gegenteil sieht man in den Zeichnungen 55 und 57 durchaus nicht. dass es sich um eine Neubildung von Pigment handelt. Ich habe oben dargetan, dass in den von mir beobach- teten Fällen das Augenpigment im Darm sicher von den alten Augen herstammt. Und ich habe solcher Bilder relativ viele gesehen. Die Zeit der Auflösung der Augen ist sehr verschieden, wahrscheinlich je nach der Ernährung des Tieres zur Zeit der 28* 412 Pa eAliamie: Operation. Das früheste Stadium, in dem ich Augenpigment im Darm beobachtet habe, war ein Regenerat von 2 Tagen. In einen drei- und einem fünftägigen Regenerate war kein Augenpigment im Darm vorhanden, wohl aber wieder in Regeneraten von 6 bis 12 Tagen. In einem Regenerat von 17 Tagen waren die Augen noch unversehrt. In Regeneraten, in denen die Augen nicht im Zerfall begriffen sind, findet sich aber auch kein Augenpigment im Darm. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf eine bemerkens- werte Beziehung zwischen dem Hungerzustand und der Regene- ration des Tieres hinweisen. Während die alten Augen auf- gelöst werden, kann man oft in denselben Köpfen zu der gleichen Zeit eine Neubildung von Augen, der heteromorphen Augen, be- obachten. Wir haben also gleichzeitig einen Auf- und Abbau gleicher Organe. Ob bei noch länger andauerndem Hunger- zustande auch diese neugebildeten Augen wieder aufgelöst und verbraucht werden. oder ob sie die Funktion und vielleicht auch Polarisierung der alten Augen für sich in Anspruch nehmen, mögen besondere Untersuchungen lehren, die ich über diesen Gegenstand anzustellen gedenke. Ähnlichen Erscheinungen werden wir auch später noch einmal begegnen. 2, Reduktion der Rhabditen, Fig. 28 zeigt neben dem Augenpigment im Darm auch noch Rhabditen (r). Zum Teil liegen sie frei in Darmvakuolen (rechts), zum Teil finden sie sich im Protoplasma der Darmzellen. In der Literatur habe ich nur zwei Angaben über das Vor- handensein von Rhabditen im Darm sefunden. Bei zwei Land- trieladen beobachtete Graff (in: Monographie der Turbellarien II, S. 115) Rhabditen im Darm, ohne eine Erklärung dafür zu finden. Dann beobachtete noch Wilhelmi (59, S. 154) bei einem Exem- plar von Procerodes ulvae „besonders im Hinterende des Körpers in beliebigen Teilen der Zellen des Darmepithels Rhabditen, ferner homogene oder körnige Sekretanhäufungen, die sich gleich den Rhabditen mit Orange G intensiv färben“. Dieser Autor nimmt an. dass es sich hier ım eine sekundäre, anormale Einwanderung in den Darm handle. Eine nähere Erklärung für diese anormale Einwanderung gibt auch Wilhelmi nicht. Ich fasse auch diese Erscheinung als Hungererscheinung auf. Dass die Rhabditen, die ich sehr häufig im Darm gefunden Über Regeneration bei Planarien. 415 habe, wirklich von aussen dorthinein gelangen und nicht etwa im Darm selbst gebildet werden, dafür habe ich mehrere be- weisende Präparate vorzulegen. In diesen kann man deutlich genug sehen, dass die Rhabditen aus dem Parenchym in den Darm eindringen. Die Rhabditenbildungszellen gehen dabei nicht mit in den Darm über. Man findet auch die Rhabditen niemals mit Kernen zusammen in den Darmvakuolen. Sie liegen vielmehr stets allein entweder einzeln oder zu mehreren zusammen. Gleich nach ihrem Eintritt in den Darm haben sie noch das Aussehen wie in den Bildungszellen und im Epithel. Bald aber verquellen sie und zerfallen allmählich. Diese Rhabditen fand ich nicht so vereinzelt und selten wie die beiden oben genannten Autoren. sondern in fast allen regenerierenden Köpfen und Querausschnitten und zwar oft recht zahlreich. Seltener fand ich auch Rhabditen im Darm von grösseren regenerierenden Stücken. Dann waren es aber stets ältere Regenerate, die längere Zeit gehungert hatten. Daher nehme ich keinen Anstand, diese Erscheinung des Eindringens von Rhabditen in den Darm auf Rechnung des Hungers zu setzen. Dadurch finden auch, wie mir scheint, die beiden angeführten Literaturangaben eine hinreichende Erklärung. Öfters habe ich auch eine Art Drüsensekret im Darm gefunden, ferner auch „homogene oder körnige Sekretanhäufungen“. Auch das gibt der Vermutung Raum, dass sich das Beobachtungstier Wilhelmis in emem ähnlichen Zustand befunden haben mag wie meine Regeneranten. Vielleicht würde für diese Erscheinungen eine ähnliche Erklärung heranzuziehen sein wie für das Eindringen von Rhabditen in den Darm, zumal mit Rücksicht auf die nahe Verwandtschaft zwischen Rhabditen und jenem Drüsensekret. Doch habe ich diesen Punkt vorläufig nicht weiter verfolgt. 3. Reduktion des Körperpigsmentes. Wenn man gesehen hat. dass das Augenpigment in den Darm eindringt, so kann es kaum noch wundernehmen, dass auch das Körperpigment den gleichen Weg „wandert“. Ich habe in recht vielen regenerierenden Köpfen und Querstücken dieses Eindringen von Körperpigment in den Darm verfolgen können. So beobachtete ich in einem zweitägigen Regenerate eines Kopfes Körperpigment im Parenchym zwischen Epithel und Darm sowie im Darm selbst. Ähnlich in einem sechstägigen Kopfregenerat. 414 Paul Uamie: Ebenso fand ich in Querstücken, deren Regenerate 7 bis 23 Tage alt waren, im Darm manchmal mehr, manchmal weniger Körper- pigment. Einmal sah ich auch Körperpigment in das Lumen des neugebildeten Pharynx eindringen. Das im Darm liegende Körperpigment ist oft von Augen- pigment nicht gut zu unterscheiden. Um zu beweisen, dass es sich in den angeführten Fällen wirklich um Körperpigment im Darm und auf dem Wege zum Darm handelt, werde ich nach- folgend die Beobachtungen an einem 23tägigen Regenerate eines kurzen (Juerausschnittes mitteilen. Auf der Bauchseite ist das Pigment bereits ganz geschwunden, während es auf der Rückenseite noch teilweise vorhanden ist. Daher sieht man hier auch die grünlich-braunen Körner, die in anderen Präparaten über und unter dem Darm in verschiedenen Höhen zwischen Darm und Pigmentschicht zu finden sind. nur von der Rückenseite aus in den Darm eindringen. Zum Teil haben die Körner im Darm genau dieselbe Färbung wie die Pigmentkörner unter dem Epithel: doch sind sie meist grösser als diese. Dieser (Grössenunterschied erklärt sich leicht, wenn wir das Pigment in den verschiedenen Stadien seiner „Wanderung“ in den Darm beobachten. Wir finden dann, dass sich die Pigmentkörner unter dem Epithel zu kleinen Kugeln zusammengruppieren, und dass diese Kügelchen dem Darm näher rücken, um schliesslich in den- selben einzudringen. Oft zerstreut sich auch das Pigment aus der Pigmentschicht tiefer ins Parenchym und bildet hier die kleinen Ballen. Diese kann man sowohl im Parenchym wie im Darm mitunter leicht mit Augenpigment verwechseln. Was diese Körner aber jedesmal von Augenpigment unterscheidet, sind neben den geschilderten Übergängen zwischen diesen Körnern und den Pigmentkörnchen unter dem Epithel folgende Beobachtungen: Diese Körner sind meist so gross, dass sie nur von einem aus- gewachsenen Auge herstammen könnten, also nicht neu gebildet sein können: denn sie finden sich auch in ganz jungen Regeneraten. Ein altes Auge war aber in den (@uerstücken nicht vorhanden. Ferner sind diese Körner meist auch nicht so homogen, sondern zeigen bei genauer Untersuchung eine Zusammensetzung aus kleineren Körnchen. Wenn sie mitunter die dunklere Färbung des Augenpigmentes angenommen haben, so kommt das daher. dass die Pigmentkörnchen fest zusammengebacken sind. Über Regeneration bei Planarien. 415 Nach dem Gesagten ist nun auch wohl die Vermutung berechtigt, dass die von O’Neil als Augenpigment im Darm von regenerierenden Querstücken beschriebenen Gebilde zusammen- geballtes Körperpigment gewesen sind. Während ich doch in den meisten regenerierenden Köpfen Augenpigment nachweisen konnte, habe ich solches in Querstücken niemals gesehen. Dagegen fand sich wohl in Köpfen gelegentlich neben dem Augenpigment im Darm auch Körperpigment und konnte dann durch Vergleich der Färbung und Struktur beide Pigmentarten meist wohl voneinander unterschieden werden. 4. Reduktion des Darmes, Die Reduktion des Darmes zeigt am deutlichsten, dass der Zustand der Regeneration einem Hungerzustande überaus ähnlich ist. Schultz (50) hat für Hungertiere genaue Angaben über diesen Punkt gemacht. . Dieser Autor beobachtete bei Dendro- coelum lacteum ein allmähliches Schwinden der Zelleinschlüsse des Darmes. Das Plasma wird homogener und beginnt sich auf- zulösen. Die Zellgrenzen schwinden und es entsteht ein fädiges, mageres Syneytium, das bald das ganze Darmlumen infolge Zu- sammenfliessens gegenüberliegender Darmzellen ausfüllt. Die Kerne vergrössern sich. Es ist, als ob der Kernsaft zunimmt und das Kerngerüst auftreibt. Zuletzt wird das Gerüst auf einer Seite gleichsam aufgelöst. Trotz des grossen Materialschwundes konnte Schultz stets noch einen Wandbeleg von einigen dünnen Zellen mit Kernen im Darm finden. Stoppenbrink (55) hat ebenfalls Dendrocoelum lacteum untersucht, hat aber nichts finden können. was den Beobachtungen Schultz’ entsprochen hätte: er stellte nur eine Grössenabnahme der Darmzeilen fest. Des- gleichen bei Planaria gonocephala. Für regenerierende Köpfe und kurze Querstücke von Plan. polychroa kann ich dagegen den Schultzschen Angaben fast Wort für Wort beistimmen. Doch scheint die Reihenfolge der Reduktionen der verschiedenen Organe bei Hungertieren eine andere zu sein als bei Regeneranten. Nach Schultz machen sich die ersten Degenerationserscheinungen überhaupt an den Darmzellen bemerkbar, während ich fand, dass bei regenerierenden Köpfen und @Querausschnitten der Zerfall von Augen, Körper- pigment, Rhabditenzellen und Dotterstöcken dem des Darmes vor- ausgeht. Der Darm beginnt am Ende der 3. Woche zu zerfallen. 416 Pawl Twng: Das erste, was ich an dem Darm bemerken konnte, schien mir eine Verschmelzung seiner Zellen zu sein. Das Protoplasma dehnt sich nach dem Lumen zu aus, und in den engeren Darm- zipfeln verschmelzen die gegenüberliegenden wie auch die neben- einanderliegenden Zellen. Gleichzeitig treten Kerne mit dem Plasma ins Lumen hinein. Das Plasma wird dann körnig und fädig und zerfällt. Das ganze Darmlumen, das durch den Zerfall der hohen Zellen nun viel grösser geworden ist, fand ich bei einem Regenerat von 21 Tagen angefüllt mit einer netzartigen, vielfach zerrissenen, körnigen Masse. In dieser liegen ziemlich viele Kerne verstreut, die offenbar aus dem ehemaligen Darm- epithel herstammen. Auch Rhabditen finden sich darin, allerdings nur vereinzelt, da sie grösstenteils schon früher verdaut worden sind. Dasselbe eilt für das Körperpigment. Das Darmlumen ist jetzt von einer ganz dünnen Zellage ausgekleidet. da einige Darmepithelzellen nicht aufgelöst worden sind, sondern sich stark abgeflacht haben. In diesem dünnen Darmepithel findet man hie und da noch eine leere Vakuole und sehr wenige Minotsche Körnerkolben. Auch im Darmlumen sah ich ein paarmal Körner- kolben in Auflösung. Zwischen den Darmästen schwindet das Parenchym immer mehr, so dass die Zweige des Darmes schliesslich direkt an- einanderstossen. Da nun ihr Epithel ganz dünn ist. sind oft zwei Lumina nur durch eine feine Membran getrennt; diese reisst endlich hier und dort. so dass schliesslich der ganze Darm einen grossen Hohlraum darstellt, zumal da in den kurzen Stücken nicht viele Darmäste vorhanden sind. Der Zusammenfluss der Darm- äste wird noch am längsten dort aufgehalten, wo das zwischen- liegende Parenchym von Muskeln durchsetzt wird, bis schliesslich auch diese weichen müssen. Berninger (6) hat die Bildung von Anastomosen der Darmverzweigungen untereinander nie be- obachtet. Die Auflösung der Kerne fand ich genau mit der Schultzschen Darstellung übereinstimmend. Die Gewebsmasse im Darmlumen bleibt nun nicht im Zusammenhang mit den dünnen Darmzellen, sondern löst sich nach und nach überall los. 0. Beziehungen zwischen Reduktion und Regeneration. Hier sollen Reduktion und Regeneration noch einmal im Zusammenhang betrachtet werden. Schon bei Besprechung des Über Regeneration bei Planarien. 417 Zerfalls der Augen wurde darauf aufmerksam gemacht, dass neben diesem Zerfall gleichzeitig eine Neubildung von Augen einhergeht. Ein ähnliches Verhältnis begegnet uns auch bei den übrigen Regenerations- und Zerfallserscheinungen. Während der Darm zerfällt. wird gleichzeitig ein Pharynx aufgebaut, und wenn auch der ganze Darm auf ein dünnes Häutchen zusammengeschrumpft ist, bleibt doch der neugebildete Pharynx noch lange Zeit unversehrt. Wie Schultz (50), Stevens (52) und Stoppenbrink (55) hervorheben, macht sich bei Hungertieren. also auch bei Regene- ranten, ein bedeutsamer Unterschied in der Zeit des Zerfalls der einzelnen Organe und Organsysteme bemerkbar. Dieser Unter- schied trat auch bei den Köpfen und Querstücken deutlich hervor. Ausser den oben angeführten Reduktionserscheinungen, von denen die des Darmes am spätesten bemerkbar wird, findet man naclı kurzer Zeit schon einen lebhaften Zerfall des Dotterstockes. Dieser Zerfall verläuft hie rin derselben Weise, wie oben Seite 396 ff. von grösseren Stücken dargestellt worden ist; nur ist er an den kleinen Stücken in kürzerer Zeit erledigt. Schon in der 1. Woche wird der ganze Dotterstock in Kugeln aufgelöst. In der 2. oder 3. Woche verschwindet er gänzlich. Auch das Parenchym nimmt ab. Trotzdem fanden sich im Parenchym ausserordentlich viele Mitosen und auch hier wieder besonders häufig in Drüsenzellen. Die Muskulatur habe ich dagegen noch in der 4. Woche fast sanz intakt gefunden. Ebenso ist das Exkretionssystem in der 4. Woche noch unversehrt. ja es hat sogar vorn und hinten regeneriert. Man findet sowohl dorsal wie ventral Aufknäuelungen im alten Gewebe und im Regenerat.: Von den Genitalorganen konnte ich schon in der 2. Woche weder Hoden noch Vasa deferentia mehr nachweisen; in hegeneraten der 4. Woche habe ich auch die Ovidukte nicht mehr auffinden können. Über das Ovar habe ich noch keine Beobachtungen angestellt. Überhaupt möchte ich mir alles Nähere über die Regeneration der Geschlechts- drüsen für eine besondere Untersuchung vorbehalten. Schultz (49) hat wahrscheinlich gemacht, dass die Hoden aus Parenchymzellen regeneriert werden, während er die Regeneration der Ovarien nicht studiert zu haben scheint. Ferner fanden Schultz (bei Dendrocoelum lacteum) und Stoppenbrink (55) (bei Pl. gono- cephala), dass die Geschlechtsdrüsen bei Hungertieren von allen Teilen des Genitalapparates am längsten verschont bleiben. Erst 418 Paul Lang: kurz vor dem Hungertode verschwinden auch sie, und zwar voll- ständig. Darin liegt ein wichtiger Unterschied gegenüber dem Verhalten bei den Wirbeltieren. M. Nussbaum (45 und 46) und sein Schüler Heidkamp (15) haben gezeigt, dass bei Wirbel- tieren nach langem Hungern die reifen Samenfäden und Eier zugrunde gehen, während Oogonien und Spermatogonien erhalten bleiben: von diesen geht bei erfolgender Fütterung die Regene- ration wieder aus. Bei hungernden Planarien dagegen gehen alle Anlagen der Geschlechtsprodukte zugrunde: hier müsste somit die Regeneration der Geschlechtszellen von Parenchymzellen ihren Ausgang nehmen, wenn die Tiere von neuem gefüttert werden, oder wenn ein Teil ohne Geschlechtsdrüsen zur vollen Regeneration gebracht wird. Am auffälligsten ist das Verhalten des Nervensystems. Wie Stevens (S. 404) und Stoppenbrink (5. 501), so konnte auch ich beim Nervensystem noch in der 4. Woche keine Zerfallserscheinung wahrnehmen. Um so bemerkens- werter ist die ausserordentlich starke Regeneration desselben. In 3 Wochen war ein vollkommen neues Gehirn regeneriert worden. ‚Jederseits geht vorn ein Nerv ans Epithel heran, unter dem sich ein Nervenplexus gebildet hat. Obwohl die Not im ganzen Organismus aufs höchste gestiegen ist, legen sich vorn ans Gehirn Regenerationszellen in reicher Fülle an, um für dessen weiteren Ausbau zu sorgen. Hier ist keine Spur von Auflösung zu bemerken. Die Zellen haben hier das typisch dunkle Aus- sehen von Regenerationszellen. Über dem Gehirn haben sich sogar zwei Augen mit Sehzellen ausgebildet.) Wir finden also bei den gesamten Reduktions- und Regenerationserscheinungen, dass diejenigen Organe verschont bleiben bezw. gefördert werden, die entweder zum Leben unbedingt nötig sind, oder die eine Vorbedingung für die Beseitigung des Hungerzustandes bedeuten: so insbesondere das Nervensystem, die Muskulatur und der Pharynx. Zusammenfassung. 1. Je weiter nach hinten der Querschnitt geführt wird, um so langsamer wird das Vorderende regeneriert. Im Regenerat von dekapierten Tieren erscheinen nach 5 bis S Tagen Augen. !) Ältere Stadien, wo evt. neue Nervi optici sich bildeten, stehen mir bis jetzt nicht zur Verfügung, doch zweifle ich nicht, dass auch die Ver- bindung der Augen mit dem Gehirn hergestellt wird. Über Regeneration bei Planarien. 419 2. Bei Pl. polychroa wird ein heteromorpher Kopf mit Sicherheit nur dann erzielt, wenn die Augen ganz nahe der Schnittfläche (hinter der Mitte des abgeschnittenen Kopfstückes) liegen. Querschnitte erhalten keine heteromorphen Köpfe. 3. Bei Pl. polychroa wird die Schnelligkeit der Regeneration begünstigt, wenn man die Versuchstiere im Dunkeln hält, ver- zögert, wenn sie dem Licht ausgesetzt sind. 4. Ein provisorischer Wundverschluss wird dadurch erreicht, dass das alte Epithel sich vom Wundrande her über die Wunde hin auszieht und in der Mitte derselben zusammenschliesst. Der weitere Ausbau dieses dünnen Epithels geschieht sicher durch einwandernde Parenchymzellen. Ob daneben noch amitotische Teilungen in dem dünnen Epithel vorkommen, ist nicht mit gleicher Sicherheit nachzuweisen, obwohl die Bilder dafür sprechen. Die einwandernden Zellen sind meist Rhabditenbildungszellen, seltener Regenerationszellen. 5. Die Regeneration des Darmes geht so vor sich, dass die angeschnittenen Hauptdarmäste weiterwachsen. Werden auch Nebenäste angeschnitten, so regenerieren auch diese. Die Stein- mannsche Beobachtung, dass nicht der Hauptast, sondern nur zwei seitliche Nebenäste weiterwachsen, gilt höchstens nur da, wo eine Erneuerung der zwei hinteren Darmäste notwendig ist, also bei der Regeneration präpharyngeal abgeschnittener Stücke. 6. Die Darmregeneration erfolgt durch Parenchymzellen, die sich an die Darmzellen anlagern oder zwischen sie ein- geschoben werden. 7. Die Minotschen Körnerkolben haben bei regenerierenden Tieren dieselbe Verteilung wie bei normalen Tieren. Sie sind nicht im Sinne Steinmanns als Stofiträger aufzufassen; viel- mehr sprechen auch die Regenerationsvorgänge dafür, dass sie Darmdrüsen darstellen. 8. Es gibt im Parenchym der Trieladen keine embryonalen, zum Ersatz und Wiederaufbau von Organen im normalen Leben sowie bei der Regeneration reservierten „Stammzellen“. Die sogenannten „Stammzellen“ sind „Übergangszellen“, d. h. Zellen, die in Umwandlung begriffen sind. Diese Umwandlung kann eine zweifache sein, eine Entdifferenzierung differenzierter Zellen („Stütz- zellen“, Drüsenzellen, Dotterstockszellen, Hodenzellen) zu Zellen von indifferentem, embryonalen Typus (Regenerationszellen), oder 420 Paul Lang: eine Umdifferenzierung differenzierter Zellen (z. B. Stützzellen) zu /.ellen von anderer Differenzierung (z. B. Dotterstockszellen). Daher müssen die „Übergangszellen“ besonders zahlreich bei der Regene- ration auftreten, dürfen aber auch im normalen Leben nicht fehlen. Bevor sie sich zu Regenerationszellen umwandeln, findet man in ihnen häufig Vorbereitungen zu Mitosen und mitotische Teilungen. 9. Die Regenerationszellen stammen in der Mehrzahl von Stützzellen, Drüsenzellen und Dotterstockszellen ab. 10. Bei der mit Hungerzustand verbundenen Regeneration zerfallen mit Ausnahme des Nervensystems und. soweit meine Erfahrung reicht, auch der Muskeln und des Exkretionssystems die Zellen der funktionierenden Organe zum grössten Teil und gelangen in den Darm, wo sie verdaut werden: so z. B. die aus- gebildeten Dotterstockszellen. 11. Eine Weiterwanderung der Zertallsprodukte von Organen mittels „Stoffträger“ (Steinmann) im Darm nach dem Regenerate hin findet nicht statt. 12. Die Wanderung von hRegenerationszellen nach dem Regenerate ist sehr wahrscheinlich. 13. Heteromorphe Augen entstehen in derselben Weise wie polar regenerierende Augen aus Parenchymzellen und unabhängig vom Gehirn. 14. Die Regeneration kann bei Köpfen, kurzen Querstücken und Schwänzen gelegentlich ohne innere Ursachen dadurch ver- hindert werden. dass der Wundrand sich über der Wunde zu- sammenkrümmt und so für die Weiterentwicklung des Regenerates ein unüberwindliches Hindernis darstellt. 15. Regenerierende Köpfe, kurze Querabschnitte und Schwänze betinden sich in einem hochgradigen Hungerzustande. 16. In den ersten Wochen nach der Operation beginnen die alten Augen in regenerierenden Köpfen zu zerfallen, indem der Pigmentbecher sich auflöst. Die Pigmentkörner dringen in das Parenchym und in den Darm ein, wo sie verdaut werden. In dem Parenchvm treten sie öfters zu Gruppen zusammen: dadurch kommen die „zerstreuten Pigmentflecke“ bei regenerierenden Köpfen zustande. Diese sind demnach weder auf Verletzung der Augen zurückzuführen, noch als Regenerationen zu betrachten, sondern lediglich als Reduktions- und Resorptionserscheinungen infolge des Hungerzustandes bei der Regeneration. Über Regeneration bei Planarien. 421 17. Infolge des Hungerzustandes dringen bei kleinen regene- rierenden Stücken auch Rhabditen und Körperpigment in den Darm ein, wo sie aufgelöst werden. Das gelegentliche Vorkommen von Rhabditen im Darm von normalen Tieren ist wahrscheinlich auf Hunger als Ursache zurückzuführen. Das Körperpigment täuscht mitunter Augenpigment im Darm vor; damit finden wahrscheinlich die Beobachtungen O’Neils über Vorkommen von Augenpigment in regenerierenden (Juerabschnitten, die keine Augen besassen, eine Erklärung. 18. Bei kurzen regenerierenden Stücken zerfällt in der 9. bis 3. Woche der Darm durch Auflösung von Plasma und Kernen. Das Parenchym zwischen den Darmästen schwindet. die Äste verschmelzen durch Auflösung der Zwischenwände, so dass schliesslich der Darm einen grossen Hohlraum darstellt. Dieser Hohlraum ist mit einem Rest stark abgeflachter und ausgedehnter Epithelzellen ausgekleidet. 19. Neben dem Zerfall der alten Augen in regenerierenden Köpfen geht gleichzeitig Neubildung von heteromorphen Augen einher. Somit gibt es eine Zeitlang sicher nur ein Paar, die bisher „heteromorph“ genannten Augen. Wie sich die Teile später verhalten, ob sich an Stelle der alten Augen neue Augen bilden, oder ob bei fortdauerndem Hungerzustande auch die schon ent- standenen heteromorphen Augen wieder zugrunde gehen, bedarf noch eingehenderer Feststellung. 20. Trotzdem der Darm grossenteils zerfällt, wird doch ein neuer Pharynx regeneriert. 21. Exkretionsgefäßsystem. Muskulatur und Nervensystem bleiben nicht nur vor dem Zerfall verschont, sondern regenerieren auch noch abgeschnittene Teile. Insbesondere regeneriert sich im Verlauf der Längsnervenstämme an (Juerausschnitten ein neues Gehirn. Bei den gesamten Reduktionen und Regenerationen werden diejenigen Organe verschont bezw. gefördert. die ent- weder zum Leben des Individuums unbedingt nötig sind, oder die eine Vorbedingung für die Beseitigung des Hungerzustandes bedeuten, insbesondere Pharynx und Nervensystem. =] 9. 12. 138 14. 22 Paul Lang: Literaturverzeichnis.') Bardeen, Oh. R.: The Function of the Brain in Planaria maculata. Americ. 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Der Schnitt geht dicht an der Wunde vorbei. Zeiss, Im. '/ıs, Ok. 1. 3—6. Sagittalschnitte durch das Epithel in der Nähe der Wunde. Rhabditenzellen dringen aus dem Mesoderm in das Epithel ein. Fig. 3 stammt aus einem Regenerat von 1 Tag, Fig. 4 und 5 von 18 Stunden, Fig. 6 von 33 Stunden. In Fig. 3 unter dem Epithel Sekretanhäufung. In Fig. 6 links starke Kernanhäufung im Epithel. Zeiss, Im. !Jıs, Ok. 1. Sagittalschnitt durch das Epithel der Wunde. Die Wunde ist noch nicht ganz geschlossen. Links ins Epithel eindringende Rhabditen- zelle. Unter der Wunde Regenerationszellen. Regenerat von 18 Stunden. Zeiss, Im. !ıs, Ok. 1. Sagittalschnitt durch das Epithel in der Nähe der Wunde. Links ist eine Rhabditenzelle ins Epithel eingedrungen. In der Mitte eindringende Zelle. Daneben Ausführungsgang einer Rhabditen- bildungszelle mit Rhabditen. Regenerat von 18 Stunden. Zeiss, Im. is, Ol Epithel in der Nähe der Wunde. Rhabditenzelle ist ins Epithel eingedrungen. Regenerationszelle versucht sich ebenfalls hinein- zubohren. Regenerat von 42 Stunden. Zeiss, Im. !/ıs, Ok. 1. Epithel über der Wunde eines 33 stündigen Regenerates. Es zeigt maschigen oder wabigen Bau. Eine Regenerationszelle dringt in das Epithel ein. Zeiss, Im. !/ıs, Ok. 1. Epithel nicht weit von dem Regenerationskegel eines Regenerates von 3 Tage und 18 Stunden. Eine Zelle dringt aus dem Mesoderm, wo sie eine Höhle zurücklässt, ins Epithel ein. Oben Rhabditen in Auflösung. Zeiss, Im. !ıs, Ok. 1. ig. 12 und 13. Epithel über der Wunde zeigt Kernanhäufung. In Bio.1a zum Vergleich daneben ein Stück normalen Epithels bei gleicher Vergrösserung nur in Umrissen. Fig. 12 Regeneration von 1 Tag, Fig. 13 von 1 Tag und 18 Stunden. Zeiss, Im. !/ıs, Ok. 1. 14 und 15. Epithel am Rande der Wunde. Rhabditenzellen wandern ins Epithel ein. Unter dem Epithel Regenerationszellen. Regenerat von 1 Tag. Zeiss, Im. !jıs, Ok. 1. Sagittalschnitt durch die Wunde eines 15 stündigen Regenerates. d — Darm mit Mitose, n — Gehirn, reg — Regenerationszellen, ü — Übergangszellen. Zeiss, Im. !ıs, Ok. 2. An die Wunde angrenzendes Epithel mit Amitose. Regenerat von 22 Stunden. Zeiss, Im. !/ıs, Ok. 1. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. 29 426 Fig. 18. Fig. Fig. Fig. 19. 20. Paul Lang: Über Regeneration bei Planarien. Schnitt durch das Parenchym eines 1 Tag alten Regenerates in der Nähe der Wunde am Vorderende n —= „Stückzellen“, die grösste Masse des normalen Epithels ausmachend; st — Stütz- substanz, von den Stützzellen ausgeschieden; ü ı— — „Übergangs- zellen“, die im Begriffe sind, aus Stückzellen zu Regenerations- zellen zu werden: sı=a — Formen von „Übergangszellen“, die von den Autoren als „Stammzellen“ ausgegeben worden sind; m — „Über- gangszellen* in Vorbereitung zu Mitosen; r — 2 Regenerations- zellen, die wahrscheinlich aus der Teilung einer „Übergangszelle“ hervorgegangen sind. Zeiss, Im. 2. Ok. 6. Mitosen aus der Nähe des Regenerates. Zeiss, Im. 2, Ok. 8. Komplex von Drüsenzellen aus seinem Regenerat von 1 Tage. Die Drüsenzellen sind in Umwandlung zu Regenerationszellen be- oriffen. n — normale Drüsenzellen; ü:ı— — „Übergangszellen‘; m — Drüsenzelle in Mitose. Zeiss, Im. !/ıs, Ok 1. Wie Fig. 20. Zeigt deutlichere Übergänge zu mitotischen Figuren in den „Übergangszellen“. Zeiss, Im. !ıs, Ok.1. Die isolierte Mitose, Ok. 2. Schnitt durch ein Stück Darm aus einem regenerierenden Quer- abschnitt. d = Darm: m = Minotscher Körnerkolben; mp —= Membrana propria;: do = Dotterkugel, im Begriffe in den Darm einzudringen. Zeiss, Im. 2, Ok. 6. Schnitt durch ein Stück Darm (d), der durch die Membrana propria (mp) scharf von einem Stück angrenzenden Parenchyms (b) getrennt ist. In einer Vakuole des Darmes liegt ein Dottertropfen (do), dessen Kern (k) in Auflösung begriffen ist. In den Lücken des Parenchyms mehrere Dottertropfen (dk — Dotterkörner, f — Fett- tropfen); m = Minotscher Körnerkolben, schräg angeschnitten ; rh — aufgelöste Rhabditen im Darm. Zeiss, Im. 2, Ok. 6 Ein Stück Darm aus einem Regenerat von 2—3 Tagen. In einer Vakuole des Darmes liegt eine Dotterkugel (do) mit dentlichem Kern (k); m = Minotscher Körnerkolben. Zeiss, Im. 2, Ok. 8. Aus Parenchymzellen regenerierende Dorsoventralmuskeln. Das Plasma der Zelle hebt sich von der kontraktilen Substanz scharf ab. Zeiss, Im. 2, Ok. 6. Regenerat von 7 Tagen an einem Kopf. Unten rechts ein hetero- morpher Augenfleck. Oben links ein Nebenauge und zerstreute Pigmentflecke. Zeiss, A, Ok.1. Regenerat von 11 Tagen an einem Kopf. Unten zwei hetero- morphe Augen. Oben zerstreute Pigmentflecke und links ein Neben- auge. Zeiss, A, Ok. 2 Sagittalschnitt durch einen Kopf mit Regenerat von 2 Tagen. a — Auge in Zerfall begriffen; d—= Darm; p = Augenpigment im Darm; r — Rhabditen im Darm; 1 = Pigment löst sich vom Auge; zp — zerstreute Pigmentflecke. Zeiss, A, Ok. 1. 427 Die Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. Erster Teil: Entwicklung der Siebbeinmuscheln bei Säugetieren. Von Karl Peter, Greifswald. Hierzu Tafel XXII und XXIII und 8 Textfiguren. Inhalt: te Einleitung, Material. .: ... ee AO Erster Teil: Entwicklung der Snbeinmischeln be San ne ‚430 I, Beschreibung der Stadien. . . . . 430 1. Die Entstehung des ersten Binnen ven Kaninchen ... 430 2. Die Entstehung des zweiten Ethmoturbinale . . . ..... 440 3. Die Entstehung des dritten Ethmoturbinale. .. . . ... 446 4. Die Entstehung des vierten Ethmoturbinale. . ........447 MIeRrsebnisserund: Rolgerungen '. „N... m Ra) ft. Ausammenfassung der Ergebnisse . ... .1) Samen 277450 2. Bestimmung des Begriffs „Ethmoturbinale® ... . . 2... 452 3. Ort der Entstehung der Ethmoturbinalien . ........453 4. Morphologische Bedeutung der Ethmoidalregion . . . 012,5 404 5. Ursache der septalen Entstehung der en 150,456 6. Zahl der Ethmoturbinalien bei den Säugetieren . . ..... 457 Anhang: Die Bildung des hinteren Nasenblindsackes . . . . ...... 460 Biourenerklaruney rm re Ne las er a a A6il Einleitung, Material. In einem zusammenfassenden Referat „Entwicklung des Geruchsorgans“ in Merkel-Bonnets Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. XX, habe ich erörtert, was uns von der Entwicklung dieses Sinnesorgans bekannt und was noch zu erforschen ist; des letzteren gibt es nun noch genug. Speziell für die Säugetiere ist eine genaue Durcharbeitung dieses Gebietes sehr erwünscht. Herrschen doch bezüglich der Zahl und Homo- logie ihrer Nasenmuscheln sehr widersprechende Ansichten, und es hat sich herausgestellt, dass allein auf entwicklungsgeschicht- licher Basis eine Lösung dieser Fragen zu erwarten ist. So ist der Begriff „Ethmoturbinale“ streng entwicklungsgeschicht- Zn 428 Karl Peter: lich zu fassen, will man nicht Gefahr laufen, Gebilde, die ein- ander nicht entsprechen, für homolog anzusehen. Das wird auch die vorliegende Arbeit wieder beweisen. Der Entwicklung dieser Siebbeinmuscheln, der Ethmotur- binalien, sind die folgenden Zeilen hauptsächlich gewidmet; doch werden auch andere noch nicht oder nicht genügend bekannte Verhältnisse, die an dem zur Untersuchung herangezogenen Material studiert werden können, nicht vernachlässigt werden. Besonders ist die Entwicklung der Siebbeinmuscheln des Menschen von neuem in Angriff zu nehmen. Ich habe seit langem Modelle des Geruchsorgans menschlicher Embryonen an- gefertigt und besitze deren jetzt eine für jüngere Stadien wohl vollständig zu nennende Reihe. Aber klar ist die Genese der Ethmoturbinalia an ihnen nicht zu erkennen. Es darf dies nicht wundernehmen, wenn man bedenkt, dass gerade die Siebbein- gegend der menschlichen Nase ausserordentlich rudimentär ist, und dass diese Rückbildung auch ihren Einfluss auf die frühen Embryonalstadien ausüben wird. Es bedurfte daher vorerst einer Feststellung des Bildungs- modus der Siebbeinmuscheln makrosmatischer Säuger; der in voller Entfaltung befindliche Apparat wird auch in seiner Ent- wicklung unveränderte, „typische“ Verhältnisse zeigen und so die veränderte Genese des Organs beim Menschen verstehen lassen. Dieser Aufgabe ist der vorliegende erste Teil meiner Unter- suchungen gewidmet; ein zweiter bringt dann die entsprechenden Bilder vom Menschen. Die Anlage und Entwicklung der Ethmoturbinalien kann allein durch Modelle klargestellt werden; das blosse Studieren der Serien reicht nicht dazu aus. Besonders beim Menschen, für den immer nur einzelne, noch dazu in verschiedenen Richtungen geschnittene Embryonen zur Verfügung stehen können, ist es ohne eine plastische Vorstellung ganz unmöglich, ein Stadium mit einem früheren oder späteren zu verknüpfen. Daraus ergibt sich die Not- wendigkeit, eine grosse Anzahl von Plattenmodellen zu verfertigen. Diese Modelle müssen nun auch noch in einer bestimmten Weise hergestellt sein. Wir sind ja zwar gewöhnt, die Nasen- höhle von innen zu betrachten und laterale und septale Wand getrennt voneinander zu studieren. Für spätere Entwicklungs- stadien, wenn die Grenze zwischen diesen beiden Wänden end- Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 429 gültig festgelegt ist, sind Bilder von der Innenseite auch völlig ausreichend, um das Wachstum der Muscheln darzustellen. Aber gerade die Genese der Siebbeinmuscheln, die ja septalen Ur- sprungs sind und erst im Verlaufe ihrer Entwicklung auf die laterale Seite rücken, kann unmöglich auf diesem Wege erkannt werden. Wo sollte man die Grenze zwischen den beiden Wänden des Geruchsorgans legen? Wenn an den primären Trennungs- first — dann fehlen eben anfangs die Ethmoturbinalien an der lateralen Seite; wenn an die spätere Umschlagslinie — dann ver- decken die noch septalen Ethmoturbinalien einen Teil der Seiten- wand. So fremd uns auch anfangs die Modelle anmuten, so müssen wir doch, wie dies auch früher geschehen ist, die Epithelsäcke modellieren, an denen man alle Wände von der Mesodermseite her mit ihren Umschlagsstellen studieren kann. Auch für spätere Studien sind solche Ansichten notwendig, um die Bildung der pneumatischen Räume zu erkennen, die ebenfalls von innen her nicht genügend verfolgt werden kann. Beim Menschen habe ich meist beide Geruchsorgane rekon- struiert, und zwar das linke als Epithelsack, während ich am rechten Epithel und Bindegewebe im Zusammenhang gelassen, dafür aber den Hohlraum ausgespart habe, so dass laterale und mediale Wand von innen her betrachtet werden können. Mein Material ist nur zum kleinen Teil eigenes; zum grossen Teil verdanke ich die Möglichkeit, diese Arbeit auszuführen, anderen. So stellte mir Herr Privatdozent Dr. Geberg in Kasan Serien von Kaninchenembryonen zur Verfügung, Herr Prof. Stöhr Material von Didelphys. Auch durfte ich die grosse Zahl von Serien durch Mäuseembryonen, die Herrn Prof. Kallius gehört, zur Untersuchung benutzen. Die menschlichen Embryonenserien verdanke ich der Freundlichkeit von Herrn Geheimrat Hertwig in Berlin, Prof. Keibel in Freiburg, Prof. Kallius in Greifswald und Prof. Hammar, Upsala. Allen diesen Herren schulde ich meinen herzlichsten Dank für ihre Freundlichkeit und Bereitwilligkeit. Diese Arbeit besteht also, wie gesagt, aus zwei Hauptteilen: im ersten wird die Muschelentwicklung bei Säugetieren dargestellt, im zweiten später folgenden die des Menschen. Genaueres Ein- gehen auf die Literatur kann ich mir dabei ersparen, da ich die in Betracht kommenden Arbeiten in meinem Referat eingehend besprochen habe. 430 KanlıBerter: Erster Teil: Entwicklung der Siebbeinmuscheln bei Säugetieren. I. Beschreibung der Stadien. Für die früheste Entwicklung des Muschelapparates habe ich ausschliesslich das Kaninchen benutzt; ein fehlendes Zwischen- stadium wurde durch ein Modell vom Riechorgan eines Mäuse- embryo ersetzt. Um die Zahl der Ethmoturbinalien festzustellen, wurden Schwein, Rind und Opossum in den Bereich der Unter- suchungsobjekte einbezogen. Die Entwicklung der einzelnen Ethmoturbinalien wird am besten gesondert besprochen, da jedes — von den drei ersten wenigstens — seine Besonderheiten darbietet und ihre Anlage nacheinander erfolgt. 1. Die Entstehung des ersten Ethmoturbinale beim Kaninchen. Um die Anlage des ersten Ethmoturbinale zu studieren, muss der ganze Geruchssack rekonstruiert und betrachtet werden. Bei der Beschreibung dieser Modelie können gleichzeitig andere Verhältnisse mit berührt werden, die zu dem speziellen Thema nicht in Beziehung stehen: ich meine die Bildung des hinteren Blindsacks der Nase und die Anlage des Jakobsonschen Organs. Bezüglich des ersten Punktes hatte ich schon früher durch zahlen- mässige Angaben das Wachstum des Blindsackes durch Verwachsung der Ränder der Riechgrube bewiesen, aber angesichts der ent- gegengesetzten, durch keine einwandfreie Tatsachen gestützten Angaben Pohlmanns, eines Schülers von Fleischmann, wird es nicht unangebracht sein, diese Verhältnisse im Bilde vorzuführen. Zur Demonstration der Entstehung des ersten Ethmo- turbinale dienen sechs Modelle, Kaninchenembryonen von 3.1. 3,4, 3,9, 4,2, 4,5 und 4,5 mm Kopflänge entnommen; das erste zeigt das Organ noch vor der Entstehung des ersten Ethmo- turbinale, das letzte dieses bereits allseitig gut abgegrenzt. Das erste Modell I (Kaninchen, Kopflänge 3,1 mm) ist in Fig. 1a, Taf. XXII, von aussen und in Fig. Ib von innen, und zwar von der medialen Seite, dargestellt. In der Aussenansicht Fig. la ist durch eine gestrichelte Linie die Grenze des Sinnesepithels angegeben, und man erkennt, Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 431 dass sein grösster Teil (seine ganze Längsausdehnung beträgt 0,5 mm) noch frei an der Oberfläche des Kopfes liegt; nach der Mittellinie zu läuft es flach aus, ebenso nach der Kopfspitze; im mittleren Teil zeigt sich auch als seichte rundliche Delle die Anlage des Jakobsonschen Organs. Dagegen biegt der laterale Rand scharf nach dorsal um in einen seitlich dorsal schauenden Sack, und auch nach der Mundbucht zu ist ein seichter Recessus gebildet, an dessen Bildung sich seitlich allein der Oberkiefer- fortsatz beteiligt; der nur erst unscharf von ihm abgesetzte seitliche Nasenfortsatz liegt durchaus noch im Bereich des offenen Teils der Grube. Die Ausdehnung dieser Einstülpungen zeigt Fig. 1b. Der hintere, nach der Mundbucht gerichtete Sack ist noch sehr kurz; seinen Bezirk grenzt die punktierte Linie ab; er beträgt in der Länge 0.05 mm, während auf die äussere Öffnung 0,46 mm kommen. Auch die fast in der ganzen Länge des Organs erfolgte dorso-lateral gerichtete Einsenkung ist noch nicht sehr hoch. Das Jakobsonsche Organ springt als kugelige Erhabenheit vor. Das wichtigste ist nun, dass die ausgedehnte mediale Wand der seichten tiechgrube absolut glatt ist, keinerlei Relief aufweist; die Längsleiste, die spätere Stadien an derselben tragen, ist noch in keiner Weise angedeutet. Es / N handelt sich hier nicht um einen N tvekonstruktionsfehler;; die erste | Q Anlage einer Biegung wäre aller- | Mu dings schwer plastisch herauszu- | arbeiten und würde beim Glätten \ / \ : des Modells sehr leicht ausge- N glichen und verwischt werden; N \ aber auch die Serie lässt nirgends OU re eine derartige Differenzierung Fig. I. Mn erkennen, die mediane Wand Schnitt durch den hinteren Teil des Ge- der Riechgrube verläuft durch- ruchsorgans eines Kaninchenembryos a ae wu Leu gebe in Textfig. I eine Agur ! krnai einen Pfeil a mit dem Zeichenapparat ent- worfene Skizze eines Schnittes durch den Teil des Organs, an welchem sich später die Knickung sehr deutlich hervorhebt. Die 432 Karl Peter: Lage des Schnittes ist in Fig. 1b durch einen Pfeil markiert. Die septale Wand ist vollständig glatt, ohne irgend welche Knickung. Wir haben also in diesem "Stadium eine nur in ihrem lateralen Teil und auch dort noch nicht sehr tief dorsalwärts eingesenkte Riechgrube, deren septale Wand völlig glatt verläuft und noch keine Andeutung der späteren Abknickung zur Bildung der Ethmoturbinalien bietet. Das zweite Modell (Fig. 2a und b), einem Kaninchen- embryo von 3,4 mm Kopflänge angehörend, zeigt die Entwicklung des Geruchsorgans bereits in wichtigen Punkten fortgeschritten. Einmal lehrt die Aussenseite (Fig. 2a), dass die Grube nicht mehr in so weiter Ausdehnung frei vorliegt; sie ist in querer Richtung beträchtlich schmäler geworden; dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Teile der septalen Wand in die Grube einbezogen worden sind. Den Beweis dafür liefert das Jakobsonsche Organ, das, jetzt schon rinnenförmig und nicht mehr dellenförmig geworden, infolge Einsenkung seiner vorher nur abgebogenen kaudalen Partie, bedeutend weiter an die seitliche Umbiegungsfalte des Blindsackes herangerückt ist. Teilweise beruht dieses Schmälerwerden aber auch auf einer Aufwulstung der medialen Umgrenzung des Organs. Spitzen- wärts überragt das Sinnesepithel — wie stets ist seine Grenze durch eine gestrichelte Linie angegeben — die scharf begrenzte Einsenkung, während es am anderen Ende sich in den hinteren Blindsack verliert. Dieser Blindsack hat sich beträchtlich vertieft, resp. ist von 0,05 auf 0,16 mm angewachsen. Seine Ausdehnung zeigt die Verbindung mit dem Öberflächenepithel an, in der Abbildung eine gestrichelte Linie. Er befindet sich auch hier noch durch- aus zwischen Oberkieferfortsatz und mittlerem Nasenfortsatz; der seitliche Nasenfortsatz, schon etwas schärfer vom Oberkiefer- fortsatz abgesetzt, begrenzt noch die offene Grube, die 0,45 mm lang ist; das ganze Organ ist auf 0,6 mm angewachsen, wovon 0,55 mm auf den eingestülpten Sack entfallen, während 0,05 mm auf den flachen, spitzenwärts weiter vorragenden Teil zu rechnen sind. Etwas reicher ist das Relief der Innenseite (Fig. 2b). Auch hier tritt uns das Jakobsonsche Organ als langgestreckter, breiter Wulst entgegen. Nach der Kopfspitze zu ist der ganze Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 433 Riechsack schärfer abgegrenzt, seine Höhe hat beträchtlich zu- genommen. Der hintere Blindsack scheint nicht gewachsen zu sein, doch scheint dies nur, da seine Wand ventral mit dem Ober- flächenepithel zusammenhängt; seine wahre Ausdehnung deutet die gestrichelte Linie an, — er ist also weit tiefer geworden. Was nun das Wichtigste ist, das ist die flache Längs- leiste, die sich in den hinteren zwei Dritteilen des Riechsackes erhebt. Ich nenne sie, da sie die Ethmoturbinalien entstehen lässt, Ethmoturbinalleiste. Nach vorn läuft sie unmerklich auf die etwas eingesunkene Wand aus, etwa in der Hälfte der Höhe zwischen First und Jakobsonschem Organ. Dann erhebt sie sich ein wenig, so dass der über ihr liegende Teil etwas mehr seitlich abgebogen ist, während der ventrale senkrecht abfällt. Auch hier soll eine Skizze (Textfig. II) diese Abknickung aut dem Schnitt wiedergeben. Nach hinten verliert sich die Leiste auf dem dicker werdenden und nach der Mitte zu etwas ausgebauchten Blindsack. Auch von aussen ist diese Bildung am Modell / \ \ als seichte Furche zu erkennen; in / \ Fig. 2a ist sie durch den Schatten | Rue “ allerdings völlig verdeckt. | | \ \ N Als wichtigste Neubildung | | | R N treffen wir in diesem Stadium \ ) L Ss S auf eine Leiste der septalen IE RN WanddesRiechsackes, dieden I dorsalen Abschnitt etwasseit- sr lich abknickt. Sie ist vorn und / hinten nicht scharf begrenzt, reicht Sur aber etwa von der Mitte der Länge des Fig. II. Jakobsonschen Organs bis auf das Schnitt durch den hinteren kaudale aufgewulstete Blindsackende. Teil des Geruchsorgans eines Das nächste Stadium (Kopf- a er Re: länge 3,9 mm), in Fig. 3a und b ab- Die Dt . ee a gebildet, zeigt das Organ bezüglich Tafelfıg. 2b durch einen Pfeil der eben besprochenen Veränderungen angegeben. EL — Ethmo- weiter gebildet, so dass die Be- turbinalleiste, JO = Jakobson- schreibung kürzer gefasst werden kann. sches Organ. Die Ansicht der Aussenseite 3a hat scheinbar ganz andere Formen angenommen, ist aber leicht auf das vorige Bild 434 Karl Peter: (Fig. 2a) zurückzuführen. Der äussere Eingang in das Riech- organ ist jetzt ringsum scharf begrenzt; nur spitzenwärts über- ragt das Sinnesepithel die auch hier scharf umbiegende Grenzfalte der Grube; medial ist die Aufwulstung des medialen Nasenfort- satzes weiter gediehen. Der ganze Eingang hat in allen Richtungen an Ausdehnung abgenommen; er ist viel schmäler geworden, kürzer (er beträgt nur noch 0,34 mm von 0,6 Gesamtlänge des Organs). Das Jakobsonsche Organ, noch vollständig sichtbar, aber weit in die Tiefe gelagert, hat sich mehr eingegraben und besonders nach hinten zu scharf begrenzt. Der hintere Blindsack ist beträchtlich länger geworden (0.27 mm). An seiner seitlichen Begrenzung nimmt jetzt auch neben dem Öberkieferfortsatz der laterale Nasenfortsatz teil, — ein einwandfreier Beweis dafür, dass die Bildung des Blindsackes durch Verwachsung des hinteren Abschnittes des Riechsackes vor sich geht. Die Innenansicht (Fig.3b) zeigt das ganze Geruchsorgan viel besser ausgeprägt als die früheren Stadien; es hebt sich aus der bedeckenden Haut ringsum scharf ab und ist viel höher geworden. Die vordere Kuppel ist tiefer geworden, und das Jakobsonsche Organ hat zwar nicht an Länge zugenommen, (sie beträgt in diesem und im vorigen Modell 0,25 mm), wohl aber an Tiefe und Klarheit der Begrenzung; nach hinten schliesst es plötzlich steil ab und geht vorn in die gerundete Kuppel über. Die vordere Grenze des hinteren Blindsackes, in der Figur wieder durch die gestrichelte Linie wiedergegeben, reicht bereits an seinen hinteren Rand heran. Der Blindsack steht in ganzer Länge noch mit dem Öberflächenepithel durch eine hohe Epithel- falte in Zusammenhang; eine Durchbrechung der Lamelle und damit Anlage des primitiven Gaumens hat noch nicht statt- gefunden. Die Knickung der medialen Wand ist viel kräftiger geworden; die Ethmoturbinalleiste springt viel schärfer vor, so dass das Organ hier ziemlich breit wird. Der dorsale Teil gelangt so in eine immer mehr quere Lage und ein Schnitt durch diese Gegend (Textfig. III) zeigt den Querschnitt des Organs dreieckig: eine laterale, eine mediale Wand und ein Dach. Das Modell lehrt nun klar, dass dieses Dach in diesem Stadium noch völlig zur septalen Wand gehört, denn der First, Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 435 die Umbiegung beider Wände, läuft ununterbrochen vom Vorder- bis zum Hinterende des Organs, die Leiste dagegen verliert sich vorn und hinten in der septalen Wand. Vorn entspringt sie ziemlich unvermittelt in der Mitte der Höhe des Nasensackes, hinten geht sie, breiter werdend, in das Kuppelende des Blind- sackes auf. Das Vorderende befindet sich nach wie vor über dem Kaudalende des Jakobson- schen Organs, sie ist also nicht Er weiter vorgewachsen und er- scheint gleich anfangs in ihrer ganzen Länge. Inmeiner früheren Arbeit glaubte ich auf Grund des Durchmusterns der Schnitt- BR serien ein Nachvornwachsen der \ N a El Leiste annehmen zu müssen ; die SE Modelle haben mich indes ge- N lehrt, dass dies nicht der Fall ist. N \ | Unser drittes Modell Sl besitzt alsoeine schärfere Abknickung der oberen kn une Er Hälfte derseptalen Wand Schnitt durch ame Teil des Ge- in ihrem kaudalen Teil. ruchsorgans eines Kaninchenembryos Ein viertes Modell von 3,9 mm Kopflänge. 67 mal vergr. (Kaninchenembryo von 4,2 mm Die Lage des Schnittes ist in Tafel- Kopflänge) zeigt Deere figur 5 durchge nen Pfeil auzsecbn. EL = Ethmoturbinalleiste. Wachstumsvorgänge. Die äussere Nasenöffnung (Fig. 4a) ist jetzt ganz eng und schlitzförmig geworden und lässt keine Einzelheiten des Inneren mehr erkennen; das Jakobsonsche Organ ist dem Blick völlig entrückt. Auch die Länge der Öffnung hat von 0,34 auf 0,31 mm abgenommen, während der Blindsack auf 0,33 mm angewachsen ist. An seiner Bildung beteiligt sich in grösserer Ausdehnung der seitliche Nasenfortsatz. Die Epithellamelle, die ihn mit dem Oberftlächenepithel in Verbindung setzt, ist am vordersten Teil des Blindsackes auf eine kurze Strecke unterbrochen. In der Innenansicht (Fig. 4b) sehen wir hier ein ovales Loch. das durch Mesenchym ausgefüllt wird: Die Bildung des primitiven Gaumens hat begonnen. Die Vordergrenze des Blindsackes reicht jetzt bereits, wie dieselbe Figur lehrt, über das Hinter- 436 Karl Peter: ende des Jakobsonschen Organs heraus. Dieses ist noch schärfer abgehoben als im dritten Modell, aber nicht in die Länge gewachsen; es ist ebenfalls 0,25 mm lang. Die Knickungsleiste auf der septalen Wand zeigt dieselbe Ausdehnung wie früher: vorn erhebt sie sich unvermittelt aus der Mitte der Höhe der Epithelwand, hinten geht sie ver- breitert in die Xuppel des Blindsackes auf. Das „Dach“ der Nasenhöhle ist aber viel mehr quer gestellt und zeigt nicht mehr die sanfte Rundung, sondern einen scharfen Knick nach dem Inneren des Riechsackes, der aussen als scharfe Rinne erscheint, so dass in den Teilen, in denen die Knickungsleiste deutlich hervortritt, das Dach in zwei in stumpfem Winkel zu- einander stehende Teile zerfällt. Die Hauptveränderung bei diesem Modell besteht also in einem stärkeren Hervortreten der Ethmoturbinalleiste und in einer scharfen Knickung des durch sie abgetrennten Nasendaches. Im folgenden können wir uns auf die weiteren Umbildungen dieses Nasendaches beschränken und die Verhältnisse der äusseren Nasenöffnung und die auf weiterem Einreissen der Epithellamelle am hinteren Blindsack beruhende Verlängerung des primitiven Gaumens vernachlässigen: zur Festlegung der für uns wichtigen Punkte betrefts der Entstehung des hinteren Blindsackes genügen die im vorigen enthaltenen Angaben. Im nächsten Modell stossen wir auf wichtige Ver- änderungen. Es ist demselben Embryo (Kopflänge 4,5 mm) entnommen, wie das erste Modell meiner früheren Arbeit, ich habe aber die hintere Hälfte des Nasensackes nochmals bei höherer Vergrösserung rekonstruiert, um recht genau die all- mähliche Umbildung der späteren Ethmoidalregion studieren zu können. Fig. 5 zeigt das Organ von hinten gesehen. Links wulstet sich das schon teilweise abgeschnürte Hinterende des Jakobson- schen Organs vor; den Hauptteil des Bildes nimmt aber das „Dach“ der Nasenhöhle ein, das jetzt eine ganz andere Lage erhalten hat: es sieht nicht mehr nach medial, sondern rein nach hinten. Die Veränderungen, die dieses Verhältnis zustande gebracht haben, müssen jetzt genauer betrachtet werden. Wir erkennen da sofort links die früher septal gelegene Ethmoturbinalleiste, die sich schon im vorigen Stadium Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 437 schärfer herausgehoben hatte, dadurch dass das Dach eine winkelige Einknickung erhalten hatte. Diese Einknickung hat sich be- deutend vertieft und bildet diese Falte zu einer gut ausgeprägten Tasche um, deren Querschnitt ihre beiden Wände nicht mehr im rechten Winkel zueinander gestellt, sondern eng U-förmig einander parallel zeigt. Gleichzeitig ist diese Tasche erheblich weiter nach hinten vorgewachsen, reicht weiter kaudal als der First des Riechorgans und verdeckt daher, von der medialen Seite betrachtet — das lässt auch die Fig. 5 erkennen — die oberen hinteren Teile der septalen Wand, eben das Dach, das bisher in dieser Ansicht noch in ganzer Ausdehnung sichtbar war, völlig. Von medial gesehen erscheint der First dieser Ethmoturbinal- tasche also als direkte Fortsetzung der Umschlagsstelle der beiden Wände des Riechorgans, aber eben nur in dieser Ansicht, denn unsere Abbildung lehrt, dass die Tasche noch keine scharfe Abgrenzung nach hinten und nach vorn erhalten hat. Kaudal- wärts setzt sie sich in die hintere Kuppel des Blindsackes fort, die mit einem kegelförmigen Vorsprung (dem Hinterende der unteren Begrenzungsleiste der Maxilloturbinale) seitlich ausladet, und nach vorn endet sie noch auf der allerdings stark aus- gebuchteten septalen Wand; der eigentliche First des Riechorgans läuft seinen früheren Weg weiter und trifft sich mit dem des Ethmoturbinalsackes in dem erwähnten seitlichen kegelförmigen Vorsprung. Durch das energische Nachhintenwachsen des Ethmoturbinal- sackes ist das Dach also bereits teilweise von der septalen Wand abgeschnitten und ist besser von lateral zu übersehen. Diese Zugehörigkeit zur seitlichen Nasenwand wird noch deutlicher durch ein Seitwärtsschieben des eigentlichen Nasenfirstes in seinem hinteren Teil; das Dach hat nämlich ganz bedeutend an Breite zugenommen, und da der Ethmoidalsack durchaus in der Ver- längerung der septalen Wand liegt, so muss die laterale seitlich ausweichen. In der Mitte des Daches findet man eine gut umerenzte Vertiefung, die dem mittleren Teil der nach vorn und hinten flach verlaufenden Knickungsfurche entspricht. Nach innen zu wölbt sich entsprechend eine kegelföürmige Erhabenheit vor: es ist dies die erste Anlage des ersten Ethmoturbinale. 435 Karl Peter: In diesem Stadium ist also das Dach der Nasenhöhle schon nach der lateralen Seite abgeknickt, aber noch nicht scharf von der septalen abgesetzt; eine Einsenkung auf ihm ist die erste Anlage des ersten Ethmoturbinale. Bedeutend weiter differenziert zeigt sich das Geruchsorgan eines Kaninchenembryo, dessen Kopflänge ebenfalls 4,5 mm beträgt (Geberg, Serie I). Der Riechsack ist viel länger geworden, Maxillo- und Nasoturbinale stellen gut abgegrenzte Wülste dar, das Jakobsonsche Organ hat sich stark verlängert, ebenso die Membrana bucconasalis, die im hinteren Abschnitt bereits ein- zureissen beginnt. Ich gebe von dem Modell dieses Riechsackes zwei Abbildungen, eine von hinten (Fig. 6a), entsprechend der Ansicht Fig. 5, und eine von der Seite (Fig. 6b). Die erste Figur (6a) zeigt immer grössere Komplikationen in dem hinteren Abschnitt des Riechsackes. Der Ethmoturbinal- sack ist noch weiter nach hinten gewachsen, und das Dach ist jetzt allseitig scharf begrenzt. Der First des Sackes, der früher nach vorn sich in der septalen Wand des Riechorgans verlor, setzt sich jetzt in eine Leiste fort, die sich ihrerseits mit dem Umbiegungsrand der lateralen und septalen Nasenwand vereinigt. Das Septum, an dieser Stelle schon im früheren Stadium -ausgebuchtet, hat sich jetzt hier eingeknickt, so dass sein oberer Abschnitt in rechtem Winkel zum unteren steht, und der Umschlagsrand der beiden Nasenwände setzt sich direkt durch diese Leiste in die Ethmoturbinaltasche, die früher nur als Leiste am Septum erschien, fort; die Richtung des Firstes bleibt fast die gleiche, während seine ursprüngliche Verlängerung jetzt stark seitlich abweicht. Somit ist der zur Bildung der Ethmoturbinalien benutzte Teil des Septums nach vorn zu scharf ab- geschieden. Auch nach hinten erkennt man eine deutliche Grenze; der Sack hat sich gut herausgearbeitet und isoliert sich von dem kegelförmigen Fortsatz an der Umbiegungskante. Die früher noch seichte Grube am Dach hat sich bedeutend vertieft. Eine oval begrenzte kegelförmige Vertiefung reicht ziemlich weit nach vorn vor: ihr entspricht innen das erste Ethmoturbinale. Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 439 Die Seitenansicht Fig. 6b zeigt das energische kaudal- wärts gerichtete Wachstum des Ethmoturbinalsackes, wogegen die eigentliche Umbiegungskante zurückbleibt. Aber auch an ihr ist eine Differenzierung eingetreten: während ihr Rand früher gleichmässig gerundet war, trägt er jetzt in der Mitte eine Ein- kerbung, die einen oberen dickeren und einen schmäleren unteren Vorsprung abscheidet, der sich noch scharf gegen den kegel- förmigen Fortsatz absetzt. Gegen den oberen Teil endet scharf abgebogen das Nasoturbinale, auf den unteren läuft allmählich abgeflacht das Maxilloturbinale aus. Damit ist die Abgrenzung des Daches der Nasen- höhle vollendet und die Bildung des ersten Ethmo- turbinale im Prinzip erkannt. Für die weiteren Um- bildungsprozesse verweise ich auf meine frühere Arbeit und besonders auf die Modelle Fig. 2 und 3. Allerdings muss ich noch mit einigen Worten das erstgenannte Modell, einem Kaninchen- embryo von 6,5 mm Kopflänge angehörend, mit unserem letzt- beschriebenen verknüpfen. Zum Vergleich habe ich seine Seiten- ansicht nochmals neben Fig. 6 als Fig. 7a auf Taf. XXII kopiert und die Innenansicht in Fig. 7b wiederholt. Wichtig ist die immer tiefere Einsenkung des ersten Ethmo- turbinale und die tiefe Absetzung des Ethmoturbinalsackes, den ein scharfer Graben von den seitlichen Aussackungen trennt. Diese sind beide weit kaudal vorgewachsen, so dass sie hinten jetzt in gleicher Höhe mit dem Ethmoturbinalsack stehen; der obere ist kegelförmig und dick, der untere. der den kegelförmigen Fortsatz in sich einbezogen hat — das lehren mich Serien von Zwischenstadien — scharfrandig. Weitere Differenzierungen im Bereich des ersten Ethmo- turbinale bestehen in einer sekundären Längsspaltung, so dass es in zwei hiechwülste zerfällt — das sind leicht zu beobachtende Veränderungen ohne prinzipielle Bedeutung. Hier kam es nur darauf an, recht exakt Ort und Art der Entstehung des ersten Ethmoturbinale zu verfolgen, und da hat uns die wohl lückenlos zu nennende Reihe unserer Modelle gelehrt, dass es sich durch Abknickung des hinteren oberen Teiles der septalen Wand des Riechsackes entwickelt, also in der Tat eine ursprünglich septale Muschel ist, die erst sekundär auf die laterale Seite gedrängt wird, 440 Karl Peter: 2. Die Entstehung des zweiten Ethmoturbinale. Die Anlage des zweiten Ethmoturbinale fällt beim Kaninchen in ziemlich späte Zeit: noch unser sechstes Modell zeigt keine Spur desselben: der Ethmoturbinalsack endet mit zwar nicht scharfem First, aber ohne jede Verbreiterung. Diese Art der Umbiegung ist auch nur durch das hohe Sinnesepithel bedingt; das Lumen spitzt sich nach dem Ende scharf zu. Dagegen scheint sich die Bildung dieser zweiten Siebbein- muschel sehr schnell einzuleiten, denn schon bei dem siebenten in Fig. 7 wiedergegebenen Modell ist das kaudale Ende des Ethmoturbinalsackes in zwei Taschen ausgezogen, die eine Rinne (ET) zwischen sich fassen; ins Lumen schiebt sich ein kleiner Vorsprung ein, eben daszweite Ethmoturbinale. Das Bild gleicht völlig in kleinem Maßstabe dem, wie es z. B. Modell V (Fig. 5) von der Entwicklung der ersten Muschel zeigte. Es fragt sich nun, ob diese Bildung auf die gleiche Weise erfolgte. Es ist kaum möglich, diese Frage zu entscheiden, da die geeigneten Zwischenstadien recht schwer zu beschaffen sind. Vom Kaninchen steht mir keines zur Verfügung, und nur unter dem reichen Material von Mäuseembryonen, die mir Herr Professor Kallius freundlichst zur Durchsicht überliess, fanden sich geeignete Objekte. Freilich benutze ich dieses Material insofern ungern, als die Entwicklung des Geruchsorgans bei der Maus erhebliche Verschiedenheiten von der beim Kaninchen aufweist, und es daher nur mit Reserve möglich ist, die hier erhobenen Befunde auf das andere Tier zu übertragen. Es wäre sehr interessant, eine Paralleluntersuchung der Entstehung der Muscheln bei der Maus mit Hilfe von Modellen anzustellen. So geht, um die Hauptabweichung gleich zu erwähnen, die Anlage der zweiten Siebbeinmuschel bei der Maus in einem weit früheren Stadium vor sich als beim Kaninchen; noch bevor irgend welche Differenzierungen im Mesoderm, die zur Bildung der knor- peligen Nasenkapsel führen sollten, sich eingeleitet haben, trifft man die erste Anlage dieser Muschel — beim Kaninchen zeigt schon die Serie, die zum Aufbau von Modell Fig. 6 (keine Anlage dieser Muschel) benutzt wurde, eine deutliche, wenn auch noch nicht scharf begrenzte Mesenchymverdickung an den betreffenden Stellen. Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 441 Hieraus ergeben sich für die Maus eine Reihe von Eigen- tümlichkeiten. Die beiden Riechorgane stehen noch weit von- einander, durch eine breite Scheidewand getrennt, und das erste Ethmoturbinale sinkt eben ins Lumen ein, wenn die Bildung des zweiten einsetzt. Der Ethmoturbinalsack wird also auch noch nicht nach hinten, wie beim Kaninchen in den betreffenden Stadien, sondern mehr nach der Seite zu gerichtet sein, wo sich noch reichlich Platz findet. Ich gebe erst die Abbildung (Fig. 8) eines Modells des hinteren Teiles des Riechsackes von einem Mäuseembryo von etwa 23 mm Steißscheitellänge; es ist von medial dargestellt und verlangt einige Worte zur Orientierung wegen des fremden Aussehens. Das Organ steht am Hinterende mit dem Epithel der Mund- bucht in Verbindung, die Membrana bucconasalis ist bereits ge- rissen. Während die nach der Stelle der primitiven Choane herablaufende Epithelduplikatur bei dem Kaninchen eine ziemlich erhebliche Längenausdehnung besitzt (Fig. 6), ist sie bei der Maus auffallend kurz, — dies lehren auch die übrigen Serien. Weiterhin stossen wir ventral auf ein bekanntes Gebilde: das Jakobsonsche Organ, das sich scharf aus der septalen Wand herausschnürt. Der Ethmoidalsack befindet sich auffallend weit ventral; er wird von dem eigentlichen First des Nasensackes hoch überragt, so dass die Medialansicht einen grossen Teil der Einbuchtung des ersten Ethmoturbinale zeigt, das noch ziemlich gerundet völlig dem Septum angehört. Der Ethmoturbinalsack springt zwar kräftig vor, läuft aber nach vorn auf die Nasen- wand aus, so dass die erste Siebbeinmuschel noch keine scharfe vordere Grenze besitzt. Trotz dieses noch etwas frühen Verhaltens (es entspricht etwa dem Kaninchenmodell V) hat sich der First des Ethmoidal- sackes bereits stark abgeflacht zur Bildung des zweiten Ethmo- turbinale. Allerdings ist noch keine Einsenkung zu erkennen; es handelt sich erst um eine Abplattung, die sich nach vorn allmählich verliert und nach hinten ohne Grenze auf der Kuppel des Nasensackes verstreicht. Sie sieht medialwärts und etwas nach hinten. Von einem ein wenig jüngeren Stadium (etwa der gleichen Grösse) bilde ich nur einen Schnitt in Umrissen ab, der den Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. 30 442 Karl Peter: Ethmoidalsack (ES) am First stark verbreitert und eben erst abgeplattet zeigt (Textfig. IV). Das erste Ethmoturbinale springt schon ins Lumen vor, und es macht den Eindruck, als ob nur ein Teil des Nasendaches für dasselbe aufgebraucht würde, Fig. IV. Schnitt durch den hinteren Teil des Riechorgans eines Mäuseembryo von etwa 23 mm Steißscheitellänge. 67 mal vergr. ETı = erstes Ethmoturbinale, ES = Ethmoturbinalsack. während der mediale Abschnitt für die späteren Muscheln reser- viert bliebe. Ich vermag es mangels geeigneter Stadien nicht zu entscheiden, ob diese Vermutung zu Recht besteht, noch weniger natürlich auszusagen, ob es sich im Falle der Bestätigung um einen primären oder sekundären Prozess handelt. Beim Kaninchen ist es sicher nicht der Fall, und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die fast gleichzeitige Entwicklung der beiden Muscheln bei der Maus die Klarheit des Bildes trübt, indem die Ethmoturbinalleiste sich bereits abflacht, bevor das erste Turbinale abgegliedert ist. Die Leiste ist bei der Maus auch in frühen Stadien nie so scharf vortretend wie bei unserem Objekt. Alles was wir von der Entwicklung des zweiten Ethmo- turbinale (wenigstens für das Kaninchen) erkennen können, ist Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 443 also das, dass der First des Ethmoturbinalsackes sich abflacht und dass auf dieser Ebene eine Furche entsteht, die als Muschel ins Lumen hinter der ersten Siebbeinmuschel vorspringt. Wie diese Abplattung vor sich geht, das lehren uns diese Präparate nicht. Ich erwähnte schon im Referat, dass dies auf dreierlei Weise geschehen kann: die Kante kann sich abtlachen und beide Seitenfurchen sich neubilden; oder die primäre Furche bleibt und die neue, die den Muschelwulst herausschneidet, kann medial oder lateral auftreten. Zur Entscheidung dieser Frage reicht, wie gesagt, dieses Material nicht aus. Wır finden aber den gleichen Prozess ander- wärts sich so häufig wiederholen, dass dort seine Entwicklung gut verfolgt werden kann: nämlich bei der Bildung der Conchae obtectae oder Ektoturbinalia Paullis. Die’ Furchen zwischen den primären Ethmoturbinalien wachsen bekanntlich weit seitlich vor, besonders die vor der ersten dieser Muscheln. Hier treffen wir wieder auf schmale Säcke mit scharfem First, der sich abflacht und wieder einfurcht. Ich glaube doch, dass wir diesen Vorgang mit der Bildung der primären Ethmoturbinalien vergleichen und daselbst also den gleichen Entstehungsmodus annehmen können. Die schon erwähnten drei Serien durch die Nasengegend von Schweineembryonen von 10, 13 und 15 mm Kopflänge illustrieren diesen Vorgang sehr gut. In Textfig. V a—c ist von ihnen ein Schnitt durch den Sack zwischen Ethmoturbinale I und II skizziert. In Fig. Va finden wir das jüngste Stadium: die Furche ist selbst schmal, hat sich aber nach ihrem Ende zu in zwei Zipfel a und b ausgezogen und wird durch eine platte Ebene geschlossen. Die beiden Umbiegungsstellen sind sehr scharf. Mitosen finden sich am Grund dieser Spalten und stets dem Lumen zugekehrt. In Textfig. Vb sehen wir diese Furche erheblich verlängert und ihre früher spitzen Ausläufer a und b kolbig angeschwollen. Die Mitosen finden sich noch längs der ganzen inneren Umbiegungsstelle. Wenn sich dieses Wachstums- zentrum teilt und die beiden Eckpunkte von den Kernteilungen bevorzugt werden, so kommt ein Bild zustande, wie es die Textfig. Va vom Grund der ganzen Furche zeigt. In der Tat findet man bei derartigen Schnitten die Mitosen wieder in den scharfen Ausläufern der Rinnen. 30* 444 Kam Bleitier.: Wachsen nun diese beiden sekundären Furchen gleichmässig, während die Zwischenpartie im Wachstum zurückbleibt, so wird ein Wulst abgeschnürt, der vom Grund des primären Sackes von en} I = Fig. Vd. Fig. Ve. a, b und ce Schnitte durch die Tasche zwischen erstem und zweitem Ethmo- turbinale von Schweinsembryonen von 10, 13 und 15 mm Kopflänge. Die spitzen Enden a, b der Tasche in Va verbreiten sich in Vb und lassen in Ve wieder Muscheln aus sich hervorgehen. ETı = erstes Ethmoturbinale, ETpn = zweites Ethmoturbinale. 67 mal vergr. d und e Schemata zur Veranschaulichung eines ungleichen Wachstums der Teilfurchen a und b. Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 445 gleich tiefen sekundären Taschen begrenzt ins Lumen vorragt, wie in Textfig. Vc die Muscheln zwischen a’ und a’ oder zwischen b’ und b’‘. Zeigt dagegen eines der sekundären Wachstumszentren eine besonders grosse Energie, so bleibt die andere Furche in ihrer Tiefe zurück und wird so scheinbar einer der beiden Wände angegliedert, wie ich es in Textfig. Vd und e schematisch wieder- gegeben habe, wobei d ein weiteres Stadium darstellt als e. In Vd überragt das Wachstum der Furche a, in e das von b. Es kann also durch den gleichen Vorgang — Teilung der einheit- lichen Wachstumszentren und gleiche oder ungleiche Intensität der sekundären — ein herausgeschnürter Wulst entweder am Boden der Primärfurche, in der Fortsetzung seiner ursprünglichen Richtung, liegen bleiben, oder er kann früher oder später auf eine der beiden Seiten geschoben werden. Und das sind die- selben Bilder, die wir bei der Entwicklung der Ethmoturbinalien vom zweiten an finden. Übrigens zeigt die Textfig. V deutlich, dass es sich bei der Bildung dieser Conchae obtectae oder Ektoturbinalien keines- wegs um ein aktives Einwachsen der Muscheln handeln kann; die erhebliche Verlängerung der primären und später der sekun- dären Furchen lässt den Abschnürungsprozess, der allein dabei in Wirksamkeit tritt, klar erkennen. Nun zurück zum zweiten Ethmoturbinale ! Die Hilfsbilder lehren, dass der ursprünglich scharf zu- laufende Ethmoturbinalsack an seinem First verbreitert, abgeplattet und eingestülpt wird, und die beiden sekundären Taschen wachsen anfangs gleichmässig schnell, so dass die neugebildete Muschel direkt von hinten ins Lumen sieht, später wird die seitliche Tasche allerdings erheblich von der produktiveren medialen über- holt, und das zweite Ethmoturbinale wird der seitlichen Nasen- wand zuerteilt. Die Entwicklung des zweiten Ethmoturbinale ist also anders als die des ersten; bei diesem entsteht die später weit produktivere Ethmoidalleiste an der flachen, bereits gebildeten septalen Wand des Riechsackes und schiebt durch energischeres Wachstum den über ihr befindlichen Teil seitwärts, beim zweiten dagegen tritt an dem scharfen First durch Teilung des Wachstumszentrums eine Ab- plattung auf, die zwei Muscheln abgeschnürt hat. 446 Karl Peter: Wollte man die beiden Vorgänge miteinander in Parallele setzen, so müsste man sich denken, dass beim Einwachsen der Riech- platte zur Riechgrube sich das Wachstumszentrum am First des Sackes teilt, dass das eine (an der Stelle der späteren Ethmo- turbinalleiste) vorerst latent bleibt und erst später in Erscheinung tritt; doch erscheint mir eine derartige Erklärung gekünstelt. Zusammenfassend können wir also sagen: Das zweite Ethmoturbinale entwickelt sich auf anderem Wege alsdaserste: der Ethmoturbinalsack wird an seinem blinden Endeabgeplattet und durch stärkeres Wachs- tum der beiden seitlichen Taschen wird der mittlere Teil der Platte zur Muschel abgeschnürt, die, an- fangs direkt von hinten entspringend, durch über- wiegendes Wachstum der medialen Rinne der seit- lichen Nasenwand angegliedert wird. 3. Die Entstehung des dritten Ethmoturbinale. Bis zur ersten Anlage der dritten Ethmoidalmuschel vergeht wieder eine ziemlich lange Zeit; die zweite ist bereits der seitlichen Nasenwand zugeteilt und der mediale Sack weiter nach hinten gewachsen, ehe eine Veränderung an seinem blinden Ende bemerkbar wird. Bei einem Kaninchenembryo von 11 mm Kopflänge ist dieses aber schon zur Bildung des dritten Turbinale abgeftlacht. Ein Modell dieses Stadiums ist in Fig. 9a von aussen und hinten gegeben. Man erkennt an ihm eine breite Abplattung des Firstes des Nasensackes ohne eine deutliche Einsenkung. Die Betrachtung vom Lumen aus (Fig. 9b) zeigt aber den Boden des Ethmoturbinalsackes schon in zwei sekundäre Rinnen gegliedert, und ein flacher Wulst schaut zwischen diesen in eben derselben Weise ins Innere hinein, wie im Modell Fig. 7 b das zweite Ethmo- turbinale. Das dritte ist also schon angelegt und entwickelt sich in der gleichen Weise weiter, wie seine Vorgänger. Wenn der Prozess der Abschnürung der Muschel also völlig der gleiche ist wie bei der zweiten Siebbeinmuschel, so ist die Stellung der dritten doch eine andere. Die zur Muschel- bildung führende Abplattung sah (beim Kaninchen) für das zweite Ethmoturbinale direkt nach hinten; die des dritten dagegen ist schon vom ersten Beginn lateral gelegen. Den Grund für diese Veränderung müssen wir in dem den Riechsack umgebenden Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 447 Mesoderm suchen. Während die Nasenkapsel bei der Anlage des zweiten Ethmoturbinale zwar schon als dichteres Gewebe angedeutet, aber noch nicht scharf begrenzt ist, besteht sie bei der Genese des dritten bereits aus wohlgebildetem Knorpel, ist gut abgegrenzt und gestattet daher keine sekundären Lage- verschiebungen mehr. Ferner drängt das sehr schmal gewordene Septum die mediale Ausbuchtung weiter lateral. Im Stadium der Fig. 7 bog sich die mittlere Nasenwand in ihrem hinteren Teil noch nach medial, und in der Verlängerung des primären Ethmoturbinalsackes lag die im Abschnüren begriffene Muschel, die sich also rein kaudal anheften konnte. Jetzt dagegen muss die septale Wand ihre Richtung beibehalten. Bei der Teilung ihres hinteren Wachstumszentrums behält also das mediale seine Lage in der Verlängerung des Septum, während das seit- liche sofort eine laterale Lage einnimmt, so dass die neue Muschel gleich von Anfang an der seitlichen Wand angehört, also ein Vorgang, wie ihn Textfig. Vd veranschaulicht. Die Differenz in der Entstehung des zweiten und dritten Ethmoturbinale ist demnach gering und ohne Schwierigkeit auf die Differenzierung der knorpeligen Nasenkapsel zurückzuführen. Das dritte Ethmoturbinale entsteht also beim Kaninchen in gleicher Weise wie das zweite; ein geringer und durch die Wachstumsverhältnisse leicht zuerklärender Unterschied besteht nur darin, dass es gleich von Anfang an der lateralen Nasen- wand zuerteilt wird. 4. Die Entstehung des vierten Ethmoturbinale. Kaninchen und Maus besitzen im erwachsenen Zustande nur drei Ethmoturbinalia, und ich vermisse auch in späteren Stadien Spuren eines vierten. Dagegen verfügt das Schwein über mehrere, und bei Schweineembryonen ist daher die Genese der vierten und fünften Muschel gut zu verfolgen. Da ist zuerst zu bemerken, dass sich die dritte Siebbein- muschel genau so anlegt wie beim Kaninchen; die Serie durch den Schweineembryo von 11 mm Kopflänge zeigt den flachen Wulst der Muschel, die auch schon seitlich gelegen ist. Während aber nun beim Kaninchen der mediale Ethmo- turbinalsack seine Produktivität einstellt und keine weiteren Turbi- 448 Karl Peter: nalia mehr abschnürt, wächst er beim Schwein weiter nach hinten und gliedert weitere Muscheln ab. So entsteht ein viertes Ethmoturbinale in ganz der gleichen Weise wie die zwei vorigen. Natürlich ist es ebenfalls bereits von Beginn an seitlich gelagert. Fig. 10 gibt den Ethmoidalteil des epithelialen Nasen- sackes der zweiten Serie (Kopflänge 15 mm) wieder, der neben den komplizierten Wachstumsvorgängen im Bereich der früheren Ethmoidalfalten (besonders natürlich der ersten) und einer sekun- dären Aussackung an der hinteren Wand des ersten Ethmoturbinale, die mit dem zweiten Blindsack dorsal zusammenhängt, die erste Anlage der vierten Siebbeinmuschel erkennen lässt: sie ist von aussen gesehen eine flache seichte Einsenkung des hinteren Nasen- blindsackendes, von innen (Fig. 10b) wölbt sie sich nur schwach hinter ihren grösseren Vorgängerinnen vor. In der dritten Serie (Kopflänge 13 mm) findet man diese Muschel schon schärfer abgeschnürt, und ganz in gleicher Weise hat sich hinter ihr eine fünfte angelegt. Wir erkennen also aus diesen Serien, dass sich beim Schwein hinter den ersten drei Ethmoturbinalien noch zwei weitere selbständig anlegen, dass diese also nicht auf Teilungen der schon vorhandenen Muscheln, sondern durchaus als Neubildungen auftreten. Was ihre Entstehung anlangt, so gleicht sie vollkommen der der dritten; bei der Bildung der Ethmoturbinalia vom zweiten an spielen sich die gleichen Bildungsvorgänge ab. Eine grosse Reihe von Säugern trägt nun vier Ethmo- turbinalien. Man kann also die Frage aufwerfen, ob die letzte, vierte Muschel auch bei diesen ebenso angelegt wird wie die dritte. Ich habe diese Frage beim Rind und bei Didelphys untersucht. Beim Rind ist das vierte Ethmoturbinale das letzte in der Reihe und bleibt sehr klein, wie Paullis Zeichnungen, Taf. XIII, Fig. 13 und 14, zeigen; in seinen Diagrammen erscheint diese Muschel viel zu gross. Das fragliche Gebilde legt sich erst sehr spät an, so spät, dass die Nasenhöhle schon als ausgebildet betrachtet werden kann, so dass man nicht mehr den embryonalen Entstehungs- modus rein erwarten darf. Rindsembryonen von 23, 55, ja von 90 mm Kopflänge lassen noch nichts von einem vierten Ethmoturbinale erkennen; auf Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 449 Schnitten, wie man sie nach Paullis Vorgang sehr zweckmässig der Siebplatte parallel anlegt, endet die Nasenhöhle nach hinten gerundet, aber glatt; der letzte Vorsprung ist die dritte Siebbein- muschel. Erst ein neugeborenes Kalb besitzt hinter diesem einen ganz niedrigen, im Schnitt etwa halbkugeligen Vorsprung, der natürlich auch viel kürzer ist als die anderen Muscheln. Beim neu- geborenen Schaf, das ja noch im ausgewachsenen Zustand nur ein sehr schwaches Ethmoturbinale IV besitzt, vermisse ich es noch völlig. Sicherlich geht seine Entwicklung mit dem Wachstum der Nasenhöhle Hand in Hand, und es wird gerade so herausgeschnürt, wie die sich später anlegende Ektoturbinalia (Paulli). Welche Wand dazu benutzt wird, ist nicht mehr zu erkennen, spielt auch keine Rolle mehr, da beide jetzt in flachem Bogen ineinander übergehen. Paulli verlegt in seinen Zeichnungen bei der Kuh die Ansatzstelle des fünften Ethmoturbinale an das Septum, wo es auch entstanden sein kann. Während bei den Wiederkäuern die Existenz eines vierten Ethmoturbinale unbestritten ist, bestehen Meinungsverschieden- heiten für die Beutler. Paulli schreibt ihnen vier Siebbein- muscheln zu, Blendinger dagegen nur drei, indem er die zweite als „Epiturbinale* nach seiner Nomenklatur bezeichnet, d.h. als zum ersten Ethmoturbinale gehörig, von dem es den durch eine sekundäre Furche abgeschnürten hinteren Riechwulst bildete. Es wäre interessant, hier durch entwicklungsgeschichtliche Nachprüfung Klarheit zu schaffen. Mir liegen fünf Serien durch Köpfe von Embryonen einer unbestimmten Didelphysart von 3,1 bis 5,6 mm Kopflänge vor. Das Material wurde uns seiner Zeit von Herrn Professor Goette- Strassburg freundlichst überlassen. Die Schnittserien und Modelle verfertigte Herr Stabsveterinärarzt Schmid, der unter meiner Leitungin Würzburg die Nasenentwicklung bei dieser interessanten Form bearbeiten wollte, leider aber die Untersuchung nicht zu Ende führte. Herr Professor Stöhr hatte die Freundlichkeit, mir das ganze Material zu übersenden, wofür ich ihm auch hier herzlich danke. Angefertigt wurden zwei Plattenmodelle der jüngsten Stadien von 3,1 und 3,5 mm Kopflänge. Das ältere Modell trägt schon vier Siebbeinmuscheln, das jüngere deren erst drei, und zwar fehlt bei ihm die hinterste, die bei dem grösseren Embryo erst 450 Karl'’Peter: als kleine Einfaltung erscheint; hier endet der Riechsack noch als flache Tasche. Dagegen sind bei beiden die drei vorderen Ethmoturbinalia gebildet. Leider ist gerade bei dem jüngsten Embryo .der Er- haltungszustand nicht tadellos und das Riechepithel streckenweise gefaltet, so dass die feineren Verhältnisse an dem als Epithelsack hergestellten Modell nicht gut zu erkennen sind. Immerhin sieht man, besonders an dem Modell, bei dem das Sinnesepithel nicht mit aufgenommen ist, dass der Sack, der zwischen den beiden ersten Wülsten seitlich ausladet, ebenso tief ist wie der nächst- folgende; im zweiten Modell ist er sogar weiter differenziert und zerfällt in eine vordere und eine hintere Tasche. Dies spricht mir doch dafür, dass wir es hier mit einer Hauptfurche zu tun haben, und dass der zweite Muschelwulst als echtes, zweites Ethmoturbinale aufzufassen ist. Freilich wird der strenge Beweis erst durch Untersuchung noch jüngerer Stadien gebracht werden können; ich zweifle aber nicht, dass diese die Selbständigkeit des betreffenden Wulstes bestätigen wird; wiegt ja auch die entgegengesetzte Ansicht Blendingers nicht allzu schwer, da er für alle Säuger drei Ethmoturbinalia annahm, und von dieser Voraussetzung ausgehend das zweite bei Didelphys als Teil des ersten betrachtete, während wir die selbständige Anlage einer grösseren Zahl beweisen konnten und so an einer die Dreizahl übersteigenden Anzahl nicht Anstand nehmen. Auch in anderer Hinsicht würde eine genaue Bearbeitung der Entwicklung der Beuteltiernase, die in einigen Punkten ihre eigenen Wege geht, von grossem Interesse sein. II. Ergebnisse und Folgerungen. 1. Zusammenfassung der Ergebnisse. Im folgenden soll noch einmal die Anlage und Ausbildung der Ethmoturbinalien zusammengestellt werden, wie sie sich beim Kaninchen und beim Schwein findet. Auf der anfangs völlig glatten medialen Wand des noch nicht tief eingesenkten Riechgrübchens (Fig. 1), die noch zum grossen Teil offen zu Tage tritt, legt sich bald eine niedrige Knickungs- leiste an, die, anfangs vorn flach auslaufend und hinten in die dickere Kuppel des Nasensackes allmählich übergehend, den Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 451 oberen hinteren Teil der medialen Wand abtrennt (Fig. 2), der später zur Bildung der ersten Siebbeinmuschel Verwendung findet. Aus diesem Grunde und ferner weil die Leiste, später zum Sack sich ausziehend, die folgenden Ethmoturbinalien aus sich hervor- gehen lässt, nenne ich sie Ethmoturbinalleiste, wie die spätere Bildung Ethmoturbinalsack oder Ethmoturbinaltasche. Diese Leiste erhebt sich immer mehr (Fig. 3, 4) und über- holt im Wachstum den First des Nasensackes. Spät erst erhält sie eine hintere (Fig. 6) und eine vordere Abgrenzung, indem sie nicht mehr auf der septalen Nasenwand selbst ein Ende findet, sondern (Fig. 6) sich bis an den First des Nasensackes selbst fortsetzt und als die eigentliche Verlängerung desselben erscheint. Dies wird noch durch die Umbildungen im Bereich der von dieser Leiste abgegrenzten Partie verstärkt. Diese senkt sich nämlich ein. indem eine von vorn nach hinten laufende Furche sie in zwei Flächen gliedert. Gleichzeitig wird sie durch das erwähnte energischere Wachstum des Ethmoturbinalsackes aus der Ebene der übrigen medialen Wand abgelenkt und gelangt in eine quere Lage, den Riechsack hinten als Dach abschliessend (Fig. 5). Von der Furche auf ihr senkt sich besonders der mittlere Teil ein (Fig. 5, 6) und springt innen als Ethmoturbinale I vor. Während der weiteren Ausbildung dieser Muschel wächst der Ethmoturbinalsack weiter nach hinten. Sein hinterer First, anfangs scharf umbiegend, flacht sich ab; dies geschieht, wie man an der Bildung ähnlich sich entwickelnder Nebenmuscheln verfolgen kann, durch Teilung des Wachstumszentrums und Zurück- bleiben der zwischen den sekundären Zentren gelegenen Partie. Diese letztere bleibt dann eingesenkt und erscheint als Ethmo- turbinale II (Fig. 7). In ähnlicher Weise legt sich noch eine dritte Siebbein- muschel an, nur dass sie schon anfangs ihre Basis nicht nach hinten hat, sondern sofort lateral erscheint, da eine festere Knorpel- kapsel sekundäre Verlagerungen unmöglich macht. Beim Kaninchen hat damit die Bildung von Ethmoturbinalien ihr Ende erreicht. Beim Schwein dagegen bleibt der Ethmo- turbinalsack produktiv und schnürt eine vierte, eine fünfte Muschel ab, in ganz der gleichen Weise, wie es bei der dritten beim Kaninchen geschah. 452 Karl Peter: Auch beim Rind entsteht spät ein viertes kleines Ethmo- turbinale; bei Didelphys tritt es gleichfalls auf, da die vier Wülste im Inneren des Nasensackes wohl als gleichwertige Gebilde anzusehen sind. 2. Bestimmung des Begriffs „Ethmoturbinale“. Unsere Ausführungen haben erwiesen, dass die Ethmo- turbinalien einzeln, der Reihe nach selbständig ent- stehen, und zwar aus ursprünglich septalen Teilen des Riechsackes. Entweder liegen sie erst medial und werden dann auf die Seite herübergeklappt (Ethmoturbinale I), oder sie nehmen im Beginn eine hintere (Ethmoturbinale II), oder gleich eine seitliche Lage ein (Ethmoturbinale III und folgende). Diese Selbständigkeit der Anlage ist meines Erachtens das Wesentliche für den Begriff „Ethmoturbinale“. Sie fällt wohl meist mit der Selbständigkeit der Siebbeinmuscheln bei er- wachsenen Tieren zusammen, die Paulli zu der Definition ver- anlasste: ein Ethmoturbinale bildet eine von der Siebplatte selbständig entspringende Basallamelle; doch können die ursprüng- lichen Verhältnisse auch durch spätere Entwicklungsvorgänge verschleiert werden. Entweder kann nämlich eine zwischen zwei Muscheln befindliche Tasche im Wachstum zurückbleiben, während die vor und hinter ihnen gelegenen tiefer einschneiden: dann sitzen die beiden Wülste auf gemeinsamer Basis an der Seiten- wand, und bei der Verknöcherung können sie von einer Basal- lamelle entspringen; die genetisch selbständigen Ethmoturbinalien werden dann vergleichend anatomisch zu einer Einheit: oder umgekehrt, es kann eine Nebenfurche auf einem Muschelwulst sich so tief einsenken, dass sie die Muschel in zwei Teile zerlegt, von denen jeder seine eigene Basallamelle erhält: dann ist ein genetisch einheitliches Ethmoturbinale in zwei nach vergleichend anatomischen Gesichtspunkten selbständige Siebbeinmuscheln ge- spalten. Man sieht, dass die ersten Entwicklungsvorgänge in diesen Fällen die gleichen sind, dass diese Gleichheit aber später nicht stets erkannt werden kann, indem die Selbständigkeit der Ent- stehung eines Muschelwulstes vorgetäuscht oder verwischt werden kann. Das prinzipiell wichtige ist demnach die erste Entstehung. Die späteren Befunde, hauptsächlich das Verhalten des Skeletts, Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 4593 können sekundärer Natur sein und sind dann für eine Homo- logisierung nicht zu verwenden. Somit bestätigt sich völlig die schon in meinem Referat er- hobene Forderung, den Begriff Ethmoturbinale genetisch zu fassen. Nur auf diesem Wege sind wir imstande, einwandfrei Homologien zu ziehen. In zweifelhaften Fällen wird unsere Definition also den Ausschlag geben können. So ist z. B. die Entscheidung über die Frage, ob die Ziege nur drei oder wie die übrigen Wieder- käuer, vier Siebbeinmuscheln trägt, nur auf entwicklungs- geschichtliche Untersuchung hin zu fällen: legen sich ihrer nur drei an, so ist die Teilungsfurche an der letzten sehr tief und scheidet zwei Riechwülste voneinander; entsteht der letzte Wulst aber selbständig, so ist er eben als Ethmoturbinale aufzufassen und homolog dem gleichen Gebilde der anderen Wiederkäuer, wenn er auch nicht so tief vom dritten abgefurcht war, dass er auf einer eigenen Basallamelle stehen könnte. Freilich ist die embryologische Bestimmung des Wertes einer Nasenmuschel weit schwieriger als die vergleichend ana- tomische und dürfte aus Mangel an geeigneten Stadien oft un- möglich sein. Trotzdem müssen wir an der genetischen Definition fest- halten: Ein Ethmoturbinale ist ein selbständig aus ursprünglich septalen Partien des Nasensackes herausgeschnittener Wulst; nach der Reihenfolge ihrer Entstehung richtet sich die Homologie. 3. Ort der Entstehung der Ethmoturbinalien. Wenn wir die Modelle I bis IV zurückverfolgen, so können wir auf dem noch flachen Septum des ersten den Teil bestimmen, der später durch Abknickung die Ethmoturbinalien zu liefern bestimmt ist. In Textfig. VI, einer Umrißskizze der Fig. Ib, ist dies durch eine gestrichelte Linie geschehen. Diese verläuft bogenförmig mit ventral gerichteter Konvexität; sie beginnt am First des Riechsackes etwas vor der Hälfte seiner Länge. steigt steil herab und zieht dann nach hinten und etwas nach ventral gerichtet dem hinteren Blindsack zu. Es handelt sich also um den hinteren dorsalen Teil des Geruchssackes, der zu den Siebbeinmuscheln Verwendung findet. 454 KarlrPretirer:: Zu beachten ist, dass dieser Bezirk nicht sofort in ganzer Ausdehnung aus der septalen Wand herausgeschnitten wird; erst wird die ventrale Begrenzung festgelegt und erst viel später erfolgt der Abschluss nach hinten und nach vorn (Fig. 6). Der septale Ursprung der Ethmo- turbinalien dürfte so für das Kaninchen völlig sichergestellt sein; so merkwürdig die auch klingen mag, es entwickelt sich die ganze Ethmoidalgegend, also bei einigen Tieren fast die gesamte hintere Hälfte der Seitenwand, aus der mittleren Wand des Nasensackes. Fig. VI. 4. Morphologische Bedeutung der Umrißskizze der Tafel- Ethmoidalregion. figur 1b. Auf der septalen . } . . £ b ımoidalregion kommt bekannt- Wand der Riechgrube ist alu Sr en iehr nue den Säugern zu; sie fehlt den Linie der Bezirk abge- Vögeln und Reptilien. Wollen wir nun grenzt, der zur Bildung untersuchen, welcher Teil des Nasensackes der Ethmoturbinalien ver- der Sauropsiden zu dieser Neubildung ver- menie mad wendet wurde, so gehen wir am besten von einem Vergleich mit dem Riechorgan der Reptilien aus, das die ein- fachsten Verhältnisse aufweist. Dies hatte auch Beecker getan und betrachtete die in Rede stehende Gegend als entstanden durch eine komplizierte Entfaltung des kaudalen Blindendes des Nasen- schlauches, seines „Antorbitalraumes“. Ich erwähnte schon früher, dass Beeckers Modell eines 5,2 em langen Embryo von Platy- dactylus, bei dem das Organ bereits in der Hauptsache angelegt und die Knorpelkapsel vollständig ist, einem Stadium entnommen ist, das zu alt ist, um diese Frage zu entscheiden. Man muss auf jüngere Stadien zurückgehen. Da haben wir einmal an unserem ersten Modell gesehen, welcher Teil der noch ebenen septalen Wand zur Bildung der Ethmoturbinalia Verwendung findet; in Fig. VI ist der Bezirk durch eine gestrichelte Linie abgegrenzt. Sodann habe ich früher schon (1900, Fig. 1 und 2) den Riechsack eines Eidechsenembryos von 4 mm Länge (Normen- tafel Nr. 100) rekonstruiert und abgebildet, der einen Vergleich wohl gestattet. Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 455 In Textfig. VII habe ich das Modell in Umrissen skizziert, und zwar in gleicher Weise, wie es für das Kaninchen geschehen ist, von innen medial gesehen. Dieses Geruchsorgan des Eidechsenembryos unterscheidet sich von dem aus des Kaninchens hauptsächlich in einem Punkt, der das abweichende Aussehen bedingt: nach vorn zu hebt es sich hoch hervor und flacht sich nach hinten zu bedeutend ab. Der Riechsack des Kaninchens verhielt sich ja gerade umge- ! Be kehrt, er ist vorn niedrig und 7 ernebt sich hinten. Vergleichen | | wir nun mit der Abbildung \ a des Eidechsenriechsackes Text- figur VII etwa unsere Skizze Fe IT 7 Textfig. VI von dem jüngsten Modell, so finden wir, dass ge- | rade der Teil des letzteren, den die gestrichelte Linie abtrennt, Fig. VII. dem Reptil fehlt. Denken wir Umribskizze des Riechsackes eines di Bezirk Forts Eidechsenembryo von 53 Ursegmenten a SEITEN 250 (Normentafel Nr. 100), des Vergleichs bekommt das Gebilde ganz das mit Textfig. VII wegen Umkehrung Aussehen des Riechsackes der der Originalfigur (1900, Fig. 2). Etwa Eidechse. Die Kaninchen- Ol verer. un oe embryonen besitzen dem- al nach schon in frühen Stadien einen Teil des Riech- sackes, den die Eidechse nicht hat und ddiesist eben die spätere Ethmoturbinalgegend. Diese entwickelt sich nicht durch Umbildung bereits bei Reptilien vorhandener Teile, sondern ist als Neubildung in der Klasse der Säugetiere anzusehen. Man kann also zu dem Schluss gelangen, dass die hintere obere Kante des Riechsackes der Reptilien bei den Säugern produktiv tätig wird und die Ethmoturbinalien bildet. Ob aus dieser Gegend sich der „Antorbitalraum“ Fleischmanns ent- wickelt, ist wahrscheinlich, kann aber nur durch eine Reihe von Modellen erwiesen werden, die noch nicht vorliegen. Jedenfalls fällt die Differenzierung auf ein weit früheres Entwicklungs- stadium, so dass man m. E. nicht zu dem Ausspruch berechtigt ist, dass der „Antorbitalraum“ die Siebbeinmuscheln liefert: denn in dem frühen Stadium ist von einem solchen noch keine Rede. 456 Karl Peter: Nun nimmt an diesem Wachstum aber nicht nur die septale, sondern auch die laterale Wand Anteil, und es fragt sich, zu was für Bildungen dieses Plus, das die Säugernase der Reptiliennase gegenüber aufweist, verwandt wird. Verfolgen wir diese Gegend der seitlichen Nasenwand in unseren Modellen schrittweise weiter, so erkennen wir als ihre Differenzierungen die Conchae obtectae und den Sinus maxillaris (die den Reptilien gleichfalls fehlen), sowie der hintere Teil des Nasoturbinale und des Maxilloturbinale. In Fig. 6b ist dieser Bezirk durch eine punktierte Linie be- zeichnet. Dass beide laterale Muscheln diesen Zuwachs bei den Säugern erhalten, wird nicht wundernehmen, wenn man ihre Länge vergleicht mit den kurzen homologen Gebilden der Sauro- psiden. 5. Ursache der septalen Entstehung der Ethmoturbinalien. Eine andere Frage ist die, weshalb das Material für die später an der seitlichen Nasenwand haftenden Ethmoturbinalien nicht direkt dieser entnommen wird, sondern der septalen, so dass der in extenso beschriebene Umklappmechanismus nötig wird. Ich denke mir, dass dies auf der Lagerung und (Gestalt der Riechgrube in frühen Embryonalstadien beruht. In sehr jungen Stadien müssen sich diese wichtigen Differenzierungen an- legen. da sie hauptsächlich das Organ des Riechsinnes, eines der stets frühzeitig in Erscheinung tretenden Sinnesorgane, darstellen. In dieser Zeit füllt das Gehirn fast allein den Kopf aus, Meso- derm ist noch in geringem Grade entwickelt, eine Schnauzenfalte noch kaum gebildet. Sollen sich nun — man kann sich dies an einem (Querschnitt verdeutlichen — seitlich am Kopf gelegene Sinnesepithelverdiekungen nach der Dorsalseite zu vertiefen, so kann dies nur in dem engen Raum zwischen Epithel und Gehirn geschehen, und zwar im dorsalen Teil der Platte, da bei einer Vertiefung ihrer ventralen Partien die dorsalen Teile des Sinnes- epithels von der Grube abgeschlossen würden. Die Folge wird sein, dass die laterale Wand der engen Grube viel kürzer ist als die mediale, die sich noch weit freiliegend am Kopf ventral herabzieht, wie es in Fig. 1a zu sehen ist. Infolgedessen ist diese septale Wand viel länger als die seitliche, und es bleibt auch dorsal vom Jakobsonschen Organ noch reichlich Platz frei zur Bildung anderer Differenzierungen — eben der Ethmoturbi- Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 497 nalien, während die kürzere seitliche Wand vollständig für Maxillo- und Nasoturbinale, die aber erst in späterer Zeit auftreten, auf- gebraucht wird. Vielleicht kommt für die Ermöglichung einer frühen Aus- bildung der septalen Wand noch in Betracht, dass sie nahe dem (Gehirn günstige Ernährungs- und Wachstumsbedingungen findet, während diese in dem schmalen engen Lappen, der von der lateralen Wand und der Haut gebildet wird, nicht so günstig sei dürften. Dass die septal angelegten Siebbeinmuscheln nicht an der Scheidewand bleiben können, hängt mit der späteren Schmalheit dieses Septum zusammen, an dem keine umfänglicheren Blindsäcke Platz finden können. Es ist dies ein Erklärungsversuch für die auffallende Tat- sache des Überwanderns septaler Teile auf die seitliche Nasen- wand, ein Versuch, der die Frage zur Diskussion bringen möchte und sie nicht definitiv zu lösen wagt. 6. Zahl der Ethmoturbinalien bei den Säugetieren. Auch der Frage nach der Anzahl der Ethmoturbinalien gingen die vorliegenden Untersuchungen nach; es handelt sich um das Auffinden eines Grundtypus der Säugetiernase, wie ihn Schwalbe, Zuckerkandl, Paulli und Fleisch- mann-Blendinger angenommen hatten. Von den neueren Untersuchern spricht Paulli von vier, Blendinger von drei Ethmoturbinalien als Grundlage. Beide glauben, dass eine grössere Zahl durch Spaltung dieser ursprünglichen entstünde. Da hat unser Modell des Schweineembryos (Fig. 9) deutlich gezeigt, dass hinter dem dritten Ethmoturbinale sich noch ein viertes in genau der gleichen Weise wie seine Vorgänger anlegen kann, ja die Serie des älteren Embryo zeigte ein fünftes ebenso entstanden. Es ist somit erwiesen, dass sich selb- ständig mehr als drei oder vier Ethmoturbinalien herausschnüren können. Dennhart hat mit seinem Satz: „dieselben entwickeln sich alle selbständig in derselben Weise in gleichmässiger Reihenfolge“ völlig Recht. Nun fragt es sich, ob wir etwa fünf Siebbeinmuscheln als Grundtypus ansehen müssen und die Ethmoidalgegenden mit weniger Muscheln als durch Reduktion entstanden zu denken haben. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1. 31 458 Kearl@Bretieir: Von vornherein erscheint diese letzte Annahme unwahr- scheinlich, finden sich doch bei den meisten Säugern drei oder vier Ethmoturbinalien, und unter den zahlreichen Familien mit nur drei trifft man auf Formen mit ausgezeichnetem Riechvermögen, bei denen in dieser Hinsicht keine Reduktion zu erwarten ist. Ich habe dies aber auch verfolgt und habe weder beim Kaninchen noch bei der Maus irgend welche Spuren Fig. VII. Schnitt durch den Riechsack einerfastausgetragenen Maus (Nr. 62) parallel der Sieb- platte. 33 mal vergr. ET’, ı1, 111 = erstes bis drittes Ethmoturbinale, X = Ab- plattung am Übergang von lateraler zu medialer Wand. eines Rudimentes einer vierten Ethmoturbinale gefunden. Speziell für die Maus habe ich eine grosse Anzahl von Serien (meist Herrn Prof. Kallius gehörig) und Köpfen unter- sucht ohne ein Anzeichen einer rück- gebildeten vierten Muschel anzutreffen. Die Nasenhöhle erweitert sich auch in ihren hinteren Partien, und die vorher scharfe Umbiegungskante von medialer zu lateraler Wand rundet sich ab. In zwei Fällen fand ich auf eine kurze Strecke diese Umbiegung in zwei Kanten zugeschärft, so dass die dritte Siebbein- muschel sich scharf geknickt von der Wand abhob und ein kleines Dach die Vermittlung zwischen den beiden Seiten bildete; aber nie war eine Einragung zu entdecken, und auch jene Abflachung möchte ich nicht als erste Phase einer Abgliederung eines neuen Wulstes be- trachten. In beiden beobachteten Fällen waren die freien Epithelseiten des Riech- epithels auch anderweitig mit scharfen Ecken versehen, so dass dieses Verhalten vielleicht auf Rechnung der Fixierung zu setzen ist; und dann ist die Fläche viel zu klein und schmal, um als Anlage auch nur eines Ethmoturbinalrudimentes zu dienen; in Textfig. VIII sieht man bei X die fragliche Stelle wiedergegeben. Ich glaube also nicht, dass man die Formen der Säuger mit drei Ethmoturbinalien im allgemeinen Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 459 als rückgebildete auffassen darf. Als unmöglich will ich natürlich nicht hinstellen, dass sich nicht eine oder die andere Art in dieser Weise verhält, doch verlangt dies erst embryo- logische Prüfung. Auch will ich nicht überhaupt das Vorkommen von rudimentären Formen leugnen; die einfach gebaute Nase des mikrosmatischen Menschen ist sicher aus einer komplizierteren hervorgegangen, deren Muschelapparat reicher ausgebildet war. Fassen wir also die Arten mit drei Ethmoturbinalien nicht als zurückgebildete auf, betrachten wir sie ebenso wie die mit zahlreicheren Wülsten als am Ende einer progressiven Entwicklung stehend, so können wir allerdings einen für alle Säuger semeinsamen Typus der Ethmoidalgegend, von dem sich alle die verschiedenen Formen ableiten liessen, nicht aufstellen ; man müsste soviel Typen unterscheiden, als Zahlen von Ethmoidal- muscheln gefunden werden. Ich bestätige damit die in meinem Referat aufgestellte Vermutung, nach der wir uns die Ausbildung der Siebbeingegend, dieser Neubildung in der Säugetierklasse, in folgender Weise zu denken haben: Am Septum des Riechgrübchens tritt eine Furche auf, die den oberen hinteren Abschnitt dieser Wand abschnürt, der das erste Ethmoturbinale bildet. Die Furche aber bleibt produktiv „und lässt eine zweite, eine dritte Siebbeinmuschel entstehen. Damit bleibt dieser Vorgang bei den meisten Säugern stehen, hört vielleicht bei einigen schon früher auf, kann aber noch weitere Wülste herausschneiden“. Man verzichtet damit auf einen gemeinsamen Typus, eine Grundzahl für die Ethmoturbinalien gibt es nicht. Wir bedürfen derselben auch gar nicht, wenn man bedenkt, dass wir bei der Ethmoturbinalgegend eine relativ junge Erwerbung im Wirbeltier- stamm vor uns haben, deren Ausbildung gleich von Anfang an verschiedene Wege eingeschlagen haben kann. So möchte ich meine Ansicht von der Bedeutung der Sieb- beingegend der Säuger in folgende Worte zusammenfassen : Die Ethmoturbinalgegend der Säuger ist eine neue Erwerbung dieses Tierstammes und entsteht durch Auswachsen des hinteren oberen Teils der septalen Wand des Riechgrübchens. Das Prinzip der weiteren Differenzierungist dann stets das gleiche: es werden durch Furchen nach innen vorspringende als 460 Karl Peter: Wülste, die Ethmoturbinalien, abgeschnürt; neue sekundäre Furchen können diese primären Muscheln teilen oder zwischen ihnen neue einschieben, die aber nur selten von innen her sichtbar werden. Die Zahl der primären Ethmoturbinalien ist beiden ein- zelnen Formen der Säuger verschieden; ein gemein- samer Grundtypus, von dem sich alle Erscheinungs- formen ableiten liessen, lässt sich nicht aufstellen. Anhang. Die Bildung des hinteren Nasenblindsackes. Unbestritten war lange die durch Zahlenangaben erhärtete Ansicht, dass die Bildung des hinteren Blindsackes mit einer Verkürzung der äusseren Nasenöffnung Hand in Hand gehe und durch Verschmelzung der seitlichen Ränder der Riechgrube von hinten her erfolge. Nur Pohlmann leugnete neuerdings diese Verwachsung, sprach „den Rand des Riechfeldes als Anlage des definitiven Nasenloches“ an und nahm an, „dass an seiner gegen das künftige Munddach gekehrten Seite eine stärkere Anhäufung von Ektodermzellen geschehe, welche mit dem Wachstum sowohl der Nasentasche als der Gesichts- und Mundwand in einen Epithel- streifen... . ausgezogen werde.“ Nun wächst aber das ganze Riech- organ anfangs nur sehr wenig in die Länge, während der Blind- sack sehr schnell an Länge zunimmt und die äussere Nasenöffnung gar an Ausdehnung einbüsst — der deutlichste Beweis für eine Verwachsung der Seitenränder der Riechgrube zum hinteren Blind- sack. Ich gebe nochmals zusammenstellend die Zahlen in Milli- metern, wie ich sie an den vier ersten Modellen finde; sie weichen zum Teil von früher veröffentlichten ab, die ich den Serien ent- nommen habe. Modell Ganzes Hinterer Äussere Jakobsonsches Nr. Riechorgan Blindsack Nasenöffnung Organ 1 0,5 0,05 0,46 0,20 2 0,6 0.16 0,45 0,25 3 0,6 0,27 0,34 0,25 4 0,64 0.33 0,31 0,25 Eine klarere Sprache können Zahlen wohl nicht reden! Unsere Abbildungen führen diese Verhältnisse dann noch bildlich vor. Die Aussenansichten zeigen gut die Verkürzung Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 461 der äusseren Nasenöffnung und die Verlängerung des Blindsackes, der, anfangs nur im Bereich des Oberkieferfortsatzes gelegen, allmählich in den des seitlichen Nasenfortsatzes übergreift. Auch die Innenseite lehrt sein Vorwachsen; anfangs weit vom Hinter- ende des Jakobsonschen Organs entfernt, rückt er bis über das Hinterende dieses Organs nach vorn. Ich glaube, hier zeugen Tatsachen deutlich genug für die Entstehung des hinteren Blindsackes durch Verwachsung der Ränder des Riechgrübchens und man kann Pohlmanns Idee ruhigen Gewissens ad acta legen. Nur noch ein Wort über die Bedenken des Autors dieser unserer Auffassung gegenüber. Pohlmann vermisst Gesichts- spalten, die ihm allein ein Verwachsen erklären könnten. Solche Spalten existieren natürlich beim Säugetier nicht, das weiss man seit langem. Aber es liegt doch meines Erachtens gar keine Schwierigkeit darin, sich vorzustellen, dass die hinteren Teile der Seitenränder der Riechgrube z. B. in Fig. 2a sich nähern, nicht sofort in ganzer Ausdehnung, sondern nur jeweils die kaudalsten Enden, und miteinander sofort verkleben, ohne eine Spalte zwischen sich zu fassen; Annäherung und Verklebung gehen in gleichem Tempo miteinander, und so könnte die jeweilige hintere Begrenzung der äusseren Nasenöffnung gerundet bleiben, wie sie in Fig. 1—3 in der Tat ist. Ich sehe also keinen Grund ein, von der alten wohlbewährten Anschauung abzugehen, dass der hintere Blindsack des Geruchsorgans bei Säugetierembryonen durch Vor- wachsung der Ränder der Riechgrube entsteht. Greifswald, den 1. November 1911. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXII und XXIII. Fig. 1. Riechsack eines Kaninchenembryo von 3,1 mm Kopflänge, la von aussen, Lb von innen (d. h. von der Mesodermseite) und medial. 50 mal vergrössert. Die Grenze des Sinnesepithels ist in Fig. 1a durch eine gestrichelte Linie angedeutet; es liegt noch zum grossen Teil frei zu Tage, da die Einsenkung noch nicht sehr tief ist; auch das Jakobsonsche Organ ist als Grube frei sichtbar. Die mediale Wand des Riechsackes ist noch ganz glatt. In 1b ist die Ausdehnung des hinteren Blindsackes durch eine gestrichelte Linie angegeben. Der Pfeil gibt die Lage des in Textfig. I skizzierten Schnittes an. Fig. os KamilmBietien: Riechsack eines Kaninchenembryo von 3,4 mm Kopflänge, 2a von aussen, 2b von innen und medial. 50 mal vergrössert. Die Grenze des Sinnesepithels und die Ausdehnung des hinteren Blindsackes ist in Fig. 2a durch eine gestrichelte Linie angegeben. Der Eingang in das Geruchsorgan ist viel schmäler geworden, das Jakobsonsche Organ, jetzt eine Rinne, rückt in den Riechsack. In 2b gibt die gestrichelte Linie die vordere Grenze des hinteren Blindsackes an, der Pfeil die Lage des Schnittes Textfig. II. Die Ethmoturbinalleiste ist dorsal von dem langgestreckten Jakobson- schen Organ aufgetreten. Riechsack eines Kaninchenembryo von 3,9 mm Kopflänge, 3a von aussen, 3b von innen und medial. 50mal vergrössert. In Fig. 3a ist die Grenze des Sinnesepithels und die Ausdehnung des hinteren Blindsackes, in dessen Bereich schon der seitliche Nasenfortsatz reicht, durch eine gestrichelte Linie angegeben. Der Eingang in das Geruchsorgan ist ringsum scharf begrenzt und viel kleiner geworden; das Jakobsonsche Organ liegt schon im Nasensack drin. In Fig. 3b gibt die gestrichelte Linie das vordere Ende des hinteren Blindsackes an, der Pfeil die Lage des Schnittes Textfig. IH. Ethmoturbinalleiste und Jakobsonsches Organ haben sich schärfer herausgehoben. Riechsack eines Kaninchenembryo von 4,2 mm Kopflänge, 4a von aussen, 4b von innen und medial. 50mal vergrössert. Grenze des Sinnesepithels und Ausdehnung des hinteren Blindsackes in 4a, vordere Grenze des letzteren in 4b durch gestrichelte Linien an- gegeben. Eingang in die Riechgrube schlitzförmig; der seitliche Nasenfortsatz liegt zum grossen Teil im Bereich des hinteren Blind- sackes. Jakobsonsches Organ von aussen nicht mehr sichtbar, aber (4b) schärfer abgehoben, ebenso die Ethmoturbinalleiste. Primitiver Gaumen als kleine Durchbrechung der Haftfalte des hinteren Blindsackes in Fig. 4b sichtbar, in 4a durch die Unter- brechung der Haftlinie des hinteren Blindsackes angedeutet. Riechsack eines Kaninchenembryo von 4,5 mm Kopflänge von hinten gesehen. 50mal vergrössert. Die Ethmoturbinalleiste (links) ist zur Tasche ausgewachsen und ragt am weitesten nach hinten vor. Das Dach ist breiter geworden und zeigt in seiner Mitte als Vertiefung die Andeutung des ersten Ethmoturbinale. Das Organ steht nur noch hinten mit dem Epithel der Mundhöhle in Verbindung. Riechsack eines Kaninchenembryo von 4,5 mm Kopflänge von hinten (6a, 50 mal vergrössert) und von lateral (6b, 30mal vergrössert). Das Dach der Nasenhöhle hat eine vordere und hintere Abgrenzung erhalten, der First des Riechsackes setzt sich jetzt in die Ethmo- turbinaltasche fort. Die Vertiefung des ersten Ethmoturbinale hat bedeutend zugenommen. Fig. 6b zeigt das starke nach hinten Ragen des Ethmoturbinalsackes. das Naso- und Maxilloturbinale. Die Linie gibt den Bereich der seitlichen Nasenwand an, der dem Anteil der Ethmoturbinalien an der septalen entspricht. Entwicklung der Nasenmuscheln bei Mensch und Säugetieren. 463 =] Fig. Riechsack eines Kaninchenembryo von 6,5 mm Kopflänge a von der Seite. 40 mal vergrössert. b von innen nach Wegnahme des oberen Teils der septalen Wand. 30 mal vergrössert. Kopie von Fig. 2a und b der Arbeit von 1902. AJO — Öffnung des Jakobson- schen Organs. AN — äussere Nasenöffnung; Ch = primitive Choane; ETı, ıı = erstes, zweites Ethmoturbinale; JO — Jakobson- sches Organ; MT = Maxilloturbinale; NT = Nasoturbinale; SND = seitliche Nasendrüse. Fig. 8. Modell des hinteren Teiles des Riechsackes eines Mäuseembryo von 23 mm Steißscheitellänge (Xı). 50mal vergrössert. Der Ethmo- turbinalsack ist bereits zur Bildung der zweiten Siebbeinmuschel abgeflacht. ETı = erstes, ETır = zweites Ethmoturbinale; JO = Jakobsonsches Organ. Fig. 9. Modell des blinden Hinterendes des Ethmoidalsackes von einem Kaninchenembryo von 11 mm Kopflänge. 9a von aussen, lateral, 9b die Seitenwand vom Inneren der Nasenhöhle In 9b ist zur Orientierung der Kontur des Organs nach vorn weitergeführt worden unter Benutzung der Fig. 3a der Arbeit von 1902. Es ist also von dem ersten Ethmoturbinale, das bereits durch eine Furche geteilt erscheint, nur der hintere obere Teil ins Modell aufgenommen, von den Ethmoturbinalien oder Conchae obtectae ebenfalls nur der hintere Abschnitt; Ethmoturbinale II und III sind vollständig. Co = Üonchae obtectae; ETı_ımı = erstes bis drittes Ethmo- turbinale; MT = Maxilloturbinale;: NT = Nasoturbinale. Fig. 10. Laterale Wand der Nasenhöhle eines Schweinsembryo von 13 mm Kopflänge, a von aussen, b von innen. 20 mal vergrössert. ETı-ıv — erstes bis viertes Ethmoturbinale. Die zitierte Literatur wird am Schluss des zweiten Teiles zusammengestellt. Drüsenstudien.') IV. Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung der Augenhöhlendrüsen. Von N. Loewenthal a. 0. Professor der Histologie an der Universität Lausanne. Hierzu Tafel XXIV und XXV. In diesem Aufsatze mögen die ersten Entwicklungsstadien, soweit mir solche zugänglich waren, von folgenden Augenhöhlen- drüsen behandelt werden: 1. Die Tränendrüse. 2. Die Glandula infraorbitalis. 3. Die Gl. orbitalis externa s. adparotidea. 4. Die Hardersche Drüse und 5. Die Niekhautdrüse. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollen die unter 2 und 3 gebrauchten Benennungen näher definiert werden. Unter dem Namen Glandula infraorbitalis verstehen wir nicht die verschiedenen Drüsen, die zwar den Boden der Augen- höhle erreichen, aber in die Mundhöhle münden, wie z. B. die Infraorbitalis des Kaninchens im Sinne von W. Krause, oder die sogenannte Gl. orbitalis s. zygomatica des Hundes, sondern eine Drüse, die teils nach innen, teils nach oben von dem Joch- bogen liegt und in den hinteren (äusseren) Teil des Konjunktival- sackes mündet. Unter der Benennung Gl. orbitalis externa ist die Drüse zu verstehen, die, meinen schon älteren Befunden gemäss,?) der Ohrspeicheldrüse zwar anliegt, in Wirklichkeit aber ebenfalls eine Augenhöhlendrüse darstellt. Die weiter oben aufgezählten Drüsen können in zwei Gruppen eingeteilt werden: I. Drüsen, die der Region des hinteren (äusseren) Augenwinkels zugeordnet sind. 2. Drüsen, die der Region des vorderen (inneren) Augenwinkels zugeordnet sind. Fangen wir zuerst mit der ersten Gruppe an. !) Drüsenstudien. I. DieHardersche Drüse in: Intern. Monats- schrift f. Anat. und Physiol. 13, 1836; II. Die Gl. infraorbitalis u. s. w. in: Arch. f£. mikroskopische Anatomie, 56, 1900. a III. Die Unterkieferdrüse u. s. w. ibid., 71, 1908. ?) Vorläufige Mitteilung schon in: Journal de ’Anatomie et de la Physiologie 1899, dann Drüsenstudien I. Drüsenstudien. 465 Erste Drüsengruppe. Tränendrüse, Infraorbitalis und Orbitalis externa. Wie erwähnt, wird hier nur von der Entwickelung dieser Drüsen die Rede sein. Was das Verhalten dieser Drüsen, und namentlich der Infraorbitalis und Orbitalis externa, beim Er- wachsenen anlangt, so verweise ich auf meine unlängst veröffent- lichten Mitteilungen in Bibliographie anatomique, XVII und XIX, 1909, die ich als bekannt voraussetze. Auch in betreff der Entwicklung dieser Drüsen hat mehreres in den soeben zitierten Mitteilungen schon Erwähnung gefunden. Kaninchen. Beim Embryo von 13 mm, S.-Stl. (Scheitelsteisslinie in gerader Richtung gemessen) ist überhaupt noch keine von den Augenhöhlendrüsen angelegt Embryonen von 16—18 mm. In dieser Periode bilden sich die Anlagen der Tränendrüse und der Infraorbitalis, doch hat es sich herausgestellt, dass diese Drüsen nicht gleichzeitig erscheinen, und dass die Entwicklung der Infraorbitalis der- jenigen der Tränendrüse etwas vorangeht. Dieses bemerkenswerte Ergebnis, das ich in einer von meinen vorigen Mitteilungen kurz angegeben habe, wird wohl einer eingehenden Erläuterung wert sein. Die Entwicklung der in Rede stehenden Drüsen kann sowohl an Frontalschnitten, als Sagittalschnitten ermittelt werden. Ich habe zuerst die Frontalschnittrichtung versucht Es hat sich aber herausgestellt, dass diese Schnittrichtung, wie sehr sie auch für vorgeschrittenere Stadien anzuraten sei, für das Stadium des ersten Auftretens der Tränendrüse und der Infraorbitalis nicht besonders zweckmässig sich erweist. Besserere und sicherere Resultate in betreff der zeitlichen Unterschiede in der Ent- wicklung der genannten Drüsen liefern uns Sagittalschnitte, vorausgesetzt, dass die Schnitte fein sind und in lückenloser Reihe aufeinanderfolgen. Embryo von 16 mm S.-Stl. In diesem Zeitalter findet man schon eine unzweideutige Anlage der Gl. infraorbitalis, während die Anlage der Tränendrüse mit Sicherheit noch nicht zu er- kennen ist. An Sagittalschnitten gestalten sich die fraglichen Verhältnisse in folgender Weise (Fig. 1 und 2): 466 N. Loewenthal: In der Gegend des hinteren Augenwinkels nimmt das Epithel, welches die innere Fläche der Augenlidwülste überkleidet, an Dicke zu. Während man ausserhalb dieser Gegend an der inneren Augenlidfläche meist nur zwei Zellschichten am Epithel erkennt (gegen den freien Rand hin allerdings mehr), wird das Epithel in der Nähe des Augenwinkels drei- bis vierschichtig, und am Augen- winkel selbst, in der Rinne des Konjunktivalsackes, mehrschichtig. Von dieser Epithelleiste sprossen die Anlagen der Infra- orbitalis und der Lacrymalis hervor. Man kann diese Leiste in zwei Abteilungen einteilen: eine obere (also oberwärts der Augen- lidkommissur gerichtete) und eine untere. Von dieser letzteren geht die Anlage der Infraorbitalis ab; von der oberen Abteilung entspringt etwas später die Anlage der Tränendrüse. Verfolgt man nun die Abänderungen an der hinteren Kon- junktivalrinne, wie sie sich an den immer mehr nach hinten sich folgenden Schnitten darstellen, so findet man, dass die Rinne endlich schwindet, und dass an der Stelle der hintersten Region der Konjunktivalbucht, ein warzenförmiger Epithelwulst zurück- bleibt (Fig. 1). Dem unteren hinteren Teil derselben sitzt nun eine intensiver gefärbte Epithelknospe an, die als die erste An- lage der Gl. infraorbitalis zu deuten ist. Das umgebende embryonale Bindegewebe unterscheidet sich durch den grösseren Reichtum an Kernen, dichtere Beschaffen- heit und intensivere Färbung. Die obere Abteilung der Epithelleiste erscheint nun als von der unteren vollständig losgelöst. Die hintere Fläche derselben ist nicht glatt umrandet, sondern erscheint etwas wellig. Bei schwacher Vergrösserung glaubt man in dieser Epithelplatte ein etwas dunkleres Pünktchen zu erkennen, bei stärkerer Ver- srösserung aber wird diese Wahrnehmung unsicher. Von einer differenzierten Drüsenanlage ist also in dieser Epithelplatte noch nichts Sicheres zu finden. Nach oben hin geht das Epithel der Fpithelplatte in die epitheliale Bekleidung des Konjunktival- sackes über. Noch mehr nach hinten findet man die Epithelknospe, welche die Anlage der Infraorbitalis darstellt, von der warzen- förmigen epithelialen Unterlage losgelöst und mit einem helleren Hofe umgeben (Fig. 2). Man kann sich noch überzeugen, dass die Konturen des erwähnten hellen Hofes denjenigen des warzen- Drüsenstudien. 467 förmigen Epithelhügels in der vorigen Figur entsprechen. Wie vorher, ist das umgebende bindegewebige Stroma durch den Kernreichtum schon bei schwachen Vergrösserungen leicht zu erkennen. Die obere Abteilung der vorhergenannten Epithelleiste ist nun als solche geschwunden. Noch einen Schnitt weiter nach hinten schwindet auch die Anlage der Infraorbitalis. Bei Embryonen von 17—18S mm S.-Stl. finden wir die Anlage der Infraorbitalis stärker entwickelt, und ausserdem noch eine neue Epithelausstülpung, welche die Anlage der Tränen- drüse darstellt (vergl. Fig. 3, die sich aber auf eine noch mehr nach hinten folgende Ebene bezieht). Wie beim jüngeren Embryo finden wir auch hier am hinteren Augenwinkel, im Grunde der Konjunktivalrinne, die vorher be- schriebene Epithelleiste mit deren zwei Abteilungen, der oberen und der unteren, die zwar aneinanderstossen, aber durch eine Einkerbung getrennt sind. An der oberen Abteilung der Epithelleiste erkennt man insbesondere zwei nach hinten gerichtete wulstförmige Erhaben- heiten, von denen die untere dicker und auch besser umgrenzt erscheint als die obere. Doch erreicht auch diese letztere nicht die Höhe der hügelförmigen Ausstülpung, die, wie wir es im vorigen Falle gesehen haben, der Anlage der Infraorbitalis entspricht. An den folgenden Schnitten finden wir die zwei beschriebenen Abteilungen der Epithelleiste von dem umgebenden Konjunktival- epithel abgeschnürt und von embryonalem Bindegewebe umgeben. Man erkennt ohne Schwierigkeit, dass die untere warzenförmige Epithelknospe (G. inf., Fig. 3) der analogen Ausstülpung auf Fig. 1 entspricht, nur erscheint sie von dem noch sichtbaren Reste der Epithelleiste besser abgeschnürt als im vorigen Falle. Diese jetzt deutlich gestielte Epithelknospe entspricht, wie gesagt, der Anlage der Infraorbitalis. Nun kommt in diesem Falle noch eine andere Drüsenanlage hinzu, die wir in dem vorher geschilderten Embryonalstadium noch vermissen; es ist die Anlage der Tränendrüse (G. 1. auf Fig. 5), die sich von der oberen Abteilung der Epithelleiste abschnürt. Dieser Teil der Epithelleiste erscheint nun ebenfalls von embryo- 468 N. Loewenthal: nalem Bindegewebe umgeben und ist sowohl von der Anlage der Infraorbitalis, als vom Konjunktivalepithel getrennt. Man erkennt noch an diesem Teil der Epithelleiste die zwei aufeinanderfolgenden Erhabenheiten und insbesondere die untere knopfförmige Aus- stülpung. Diese letztere entspricht der Anlage der Tränen- druser(G.1.). An einem folgenden Schnitte (Fig. 4) finden wir in der Tat diese Epithelknospe vollständig abgeschnürt, ein rundliches Knöpfchen bildend. Der übrige Teil der Epithelleiste ist ge- schwunden. Dementsprechend erscheint nun auch die Anlage der Infraorbitalis vollständig abgeschnürt; sie ist ansehnlich grösser als die Anlage der Lacrymalis. Schon in dem folgenden Schnitte ist die Lacrymalisanlage geschwunden, während die Anlage der Infraorbitalis noch ein paar Schnitte weiter zu verfolgen ist. Es ergibt sich somit aus den auseinandergesetzten Befunden, dass beim Kaninchen ein zeitlicher Unterschied in betreff der Entwicklung der Tränendrüse und der Infraorbitalis, und zwar zugunsten der letzteren, sich wahrnehmen lässt. Ich kann somit meine früheren Angaben (in: Bibliogr. anatomique, XIX, 1909, p. 104), die sich aber auf Frontalschnitte stützten, in vollem Maße bestätigen. An die damalige Beschreibung, sowie an die Frontalschnitt- richtung überhaupt, habe ich noch einige Bemerkungen anzu- knüpfen. Bei dieser Schnittrichtung ist es nicht unwesentlich, in betrefft' der topographischen Verhältnisse zwischen reinen Frontalschnitten und mehr oder weniger schrägen Frontalschnitten zu unterscheiden. Sind die Schnitte durch die Augenhöhle schräg von oben-vorn nach unten-hinten geführt worden, so wird man in den Ebenen, die sich dem hinteren Augenwinkel nähern, einen grösseren Teil des Augapfels finden, als bei rein vertikaler Schnittführung. Die auf die Anlage der Infraorbitalis beim Kaninchen sich beziehende Fig. | in meiner soeben zitierten Mitteilung entspricht gerade den Verhältnissen, die man bei schräger Schnittrichtung zu sehen bekommt. In der damals untersuchten Schnittserie von einem Kaninchenembryo von etwa 15 mm S.-Stl. war die Anlage der Tränendrüse noch nicht zu erkennen, während ich nun, bei sagittaler Schnittrichtung, schon bei Stadien von 17—18 mm S.-Stl. die Anlage dieser Drüse er- Drüsenstudien. 469 kennen konnte. Diese allerdings nur geringe Abweichung (bis etwa 1 mm Körperlänge) lässt sich wohl durch den Umstand erklären, dass derselben Körperlänge nicht immer genau dieselbe Entwicklungsstufe entspricht. Durch die vorstehende Beschreibung haben wir folgende Sätze dargelegt: 1. Dass die allererste Anlage der Tränendrüse beim Kaninchen nur in Einzahl auftritt und 2., dass die Anlage der Infraorbitalis, ebenfalls nur in Einzahl vertreten, etwas früher auftritt und von Anfang an grösser ist als die Anlage der Lacrymalis. Embryo von 29 mm S.-Stl. In diesem Alter haben die Drüsenanlagen der Infraorbitalis und der Tränendrüse ansehnlich an Länge zugenommen. Auch kann man ausserdem zwischen einem Ausführgange und einem Drüsenkörper unterscheiden. Frontalschnitte sind in diesem Falle recht gut geeignet, um den Sachverhalt aufzuklären (Fig. 5 und 6). Die Anlage der Infraorbitalis ist ansehnlich grösser als diejenige der Tränendrüse. Der Ausführgang mündet etwas nach hinten und unten von dem hinteren Augenlidwinkel. Es handelt sich eigentlich noch nicht um einen Ausführgang in vollem Sinne des Wortes, denn ein deutliches und gut umgrenztes Lumen ist noch nicht zu erkennen. Es handelt sich vielmehr um einen Fpithelstrang, in welchem aber Andeutungen einer Lichtung auftreten, die sich zu feinen, auf dem Querschnitt kreisrund erscheinenden Lücken zwischen den Epithelzellen gestalten. Die äussere Zellschicht dieses Epithelstranges unterscheidet sich durch die prismatische Form und die regelmässig randständige Anordnung der Zellen, während im Innern des Stranges die Zellen vielmehr durch- einandergeworfen erscheinen. Karyokinetische Figuren sind durch- aus keine Seltenheit. Von seiner Ursprungsstelle ausgehend, sieht man den Gang eine ganze Strecke weit nach hinten ziehen, dann biegt er plötzlich nach unten um und verschmilzt mit dem eigentlichen Drüsenkörper. Derselbe gestaltet sich zu einem soliden, nach dem freien Ende hin keulenförmigen und buckeligen Epithel- strange, dessen Dicke diejenige des Ausführganges bedeutend übertrifft. Gang und Drüsenkörper sind noch ungeteilt. Am Drüsenkörper unterscheidet man aber wulstförmige Erhabenheiten, die durch nicht besonders tief eindringende Einkerbungen getrennt 470 N. Loewenthal: sind. Von einer Einteilung in Läppchen ist noch nichts zu sehen. Der angeschwollene Endteil des Drüsenkörpers ist nach unten- innen gerichtet und ragt in ein verhältnismässig reichlich ent- wickeltes Stroma von fötalem Bindegewebe hinein. Dieses letztere ist schon reichlich vaskularisiert und bildet eine gut umgrenzte Insel, die in bemerkenswerter Weise den epithelialen Anteil des Drüsenkörpers nach innen und oben zu ansehnlich überragt. Es kann somit von einer epithelialen und einer mesenchymatösen Anlage der Drüse die Rede sein. An der Anlage der Tränendrüse ist die Differenzierung in einen Ausführgang und einen Drüsenkörper weniger ausgesprochen als an der Infraorbitalis. Der Drüsengang der Tränendrüse mündet etwas mehr nach hinten als derjenige der Infraorbitalis, und ausserdem nach oben von der Ebene der hinteren Lidkommissur, so dass an Frontalschnitten, die den Ursprung des Ganges der Tränendrüse zeigen, der Gang der Infraorbitalis schon nach hinten von seiner Abgangsstelle getroffen wird (Fig. 5). Der Gang der Tränendrüse wendet sich in seinem ferneren Verlaufe nach hinten und nach oben und geht ohne scharfe Grenze in den Drüsenkörper über, der sich nur durch seine beträchtlichere Dicke und die Änderung der Verlaufsrichtung von der Anlage des Ausführganges unterscheidet. Der Drüsengang ist noch nicht ausgebildet. Nur an der Ursprungsstelle desselben sieht man ganz vereinzelte hell erscheinende Lücken zwischen den Epithel- zellen auftreten. An seinem hinteren blind endigenden Segmente fängt der Gang an Windungen einzugehen, bleibt aber ungeteilt. Eine besser umgrenzte und an Kernen reichere Schicht von fötalem Bindegewebe ist auch hier zu erkennen. Fernere Entwicklungsstadien bis zur Geburt waren mir leider nicht zugänglich. Über die Anordnung der Drüsen beim neugeborenen und erwachsenen Tier habe ich in meinen vorigen Mitteilungen be- richtet (Bibliogr. Anatomique, XVIII, p. 257), und es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle auf diesen Gegenstand zurückzukommen, weil es hier vor allem auf die embryonalen Anlagen der genannten Drüsen ankommt. Ich möchte nur noch daran erinnern, dass beim neugeborenen Tier, ausser der eigent- lichen (orbitalen) Tränendrüse, noch ein anderes kleineres, nach unten von derselben liegendes Drüschen (accessorische Tränen- Drüsenstudien. Anl drüse) sich vorfindet. Diese letztere ist mit einem besonderen Gange ausgestattet, der nach unten von dem Gange der Haupt- tränendrüse verläuft. Und so ist es auch beim Erwachsenen. Es bleibt noch zu bestimmen, in welcher embryonalen Periode die Bildung der accessorischen Tränendrüse stattfindet. Was die Infraorbitalis anlangt, so mündet diese Drüse auch beim Neugeborenen (und beim Erwachsenen) mit einem einzigen Gange. Es kommen also für diese Drüse keine neuen von dem Epithelium des Konjunktivalsackes sich abschnürenden Drüsenanlagen hinzu (wohl aber accessorische, dem Ausführgange selbst zugeordnete Drüschen). Meerschweinchen. Von dieser Tierart habe ich Embryonen von 18 mm S.-Stl., von 44 mm S.-Stl. und von 11,5 cm (von der Schnauze bis zur Schwanz- wurzel), und zwar in allen Fällen an Frontalschnitten untersucht. Embryo von 15 mm. Im Bereiche des hinteren Augen- winkels nähern sich die vorspringenden Wülste der Augenlider immer mehr und verschmelzen endlich zusammen. Der von nun an auch nach aussen ahgeschlossene Konjunktivalsack erscheint auf dem Querschnitt als ein seitwärts stark abgeplattetes, läng- liches Säckchen, das im Anfang einen Spaltraum einschliesst. Noch weiter nach hinten (temporalwärts), schwindet der erwähnte Spaltraum, und man findet anstatt des Konjunktivalsäckchens eine epitheliale Leiste, aus welcher die Anlagen der Infraorbitalis und der Tränendrüse entspringen (Fig. 7). Man sieht zuerst an der Epithelleiste eine Einschnürung auftreten. Der obere Teil nimmt rasch an Höhe ab, während die Einschnürung noch deut- licher hervortritt, so dass man bald an der Epithelleiste einen kleineren oberen und einen dickeren unteren Teil wahrnimmt. In den nach hinten folgenden Schnitten schnürt sich der obere Teil vollständig von dem unteren ab. Der obere abgerundete Teil entspricht der Anlage der Tränendrüse (G.].), der untere etwa eiförmig angeschwollene Teil entspricht der Anlage der Infraorbitalis (G. inf.) Noch weiter nach hinten schwindet zuerst die Anlage der Tränendrüse ohne Veränderungen einzugehen, während die Anlage der Infraorbitalis noch etwas mehr anschwillt und eine nach unten gerichtete Knospe treibt. Endlich schwindet auch diese, ohne fernere Umbildungen durchzumachen. 472 N. Loewenthal: Wir sehen somit, dass beim Meerschweinchen die Anlagen der Infraorbitalis und der Tränendrüse zuerst aneinanderhaften und nur etwas weiter nach hinten sich voneinander trennen. Dass diese Deutung der Verhältnisse die richtige ist, dies wird in vollem Maße durch die Untersuchung vorgerückterer Stadien erwiesen. Embryo von 44 mm S.-Stl. In diesem Alter finden wir die beiden Drüsenanlagen weit mehr entwickelt, wobei nament- lich die viel grössere räumliche Entfaltung der Infraorbitalis im Vergleich zu der Tränendrüse sofort auffällt. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Drüsenanlagen bei der Mündung am hintersten Teile des Konjunktivalsackes. Man findet in dieser Gegend zwei dicht aneinanderhaftende Gänge, von denen der obere etwas kleiner erscheint als der untere (Fig. S). Nur eine kurze Strecke weit behalten die Gänge dieselbe Lage. Bald entfernen sie sich voneinander, wobei der untere Gang rasch nach unten umbiegt, um zu dem Drüsenkörper der Infraorbitalis sich zu begeben (Fig. 9). Schon am Eintritt in die Drüse gibt der Ausführgang einige dichotomisch ange- ordnete Äste ab. (Teilungen erster Ordnung.) Dieselben gehen weitere Verzweigungen ein, zweiter und auch dritter Ordnung. Die Endzweigchen mit den ihnen zugeordneten Seiten- und End- knospen weisen eine typisch traubenförmige Anordnung auf. Häufig sind die Endknospen gabelförmig zu zwei angeordnet. Der Ausführgang und seine Verästelungen sind schon aus- gehöhlt, während an den Drüsenknospen, lateralen oder terminalen, ein Lumen noch nicht wahrzunehmen ist. Das bindegewebige Stroma ist reichlich entwickelt. Es ent- hält verzweigte Zellen, deren scheinbar anastomosierende Fort- sätze rundlich-ovale Maschen umgrenzen. Die geschilderte Drüsenanlage ist von dem Unterhautgewebe durch eine zwar dünne, aber kompaktere bindegewebige Schicht getrennt, die eine Art Kapsel bildet. In derselben verlaufen zahlreiche Gefässzweige, die auch in den Drüsenkörper hinein- dringen. Mit ihrer tiefen Fläche tritt die Drüse zu dem Museulus temporalis und ganz nach unten zu dem Arcus zygomaticus in Beziehung. Der untere Rand der Drüse reicht fast bis zu der Ebene des Ausführganges der Öhrspeicheldrüse heran. Nach oben hin ist die Drüse von dem Augapfel durch eine besonders Drüsenstudien. 473 lockere und Spalträume enthaltende Schicht von embryonalem Bindegewebe getrennt. Gehen wir nun zu der Anlage der Tränendrüse über. Nachdem der Gang derselben von demjenigen der Infraorbitalis sich losgetrennt hat, zieht er zuerst nach hinten, biegt sich dann nach oben um. Von dieser Stelle ab fängt der Gang an Ver- ästelungen einzugehen, die ihrerseits Drüsenknospen treiben. Es entsteht somit ein kompakteres Drüsenläppchen, dessen Abgrenzung gegen die Infraorbitalis in den hinteren Ebenen durchaus nicht scharf erscheint, indem die Drüsenkörner dieser Drüsen ganz nahe aneinandertreten. Die Anlage der Tränendrüse nimmt ein viel kleineres Feld ein, als diejenige der Infraorbitalis. Vergleichen wir nun die geschilderten Verhältnisse mit den- jenigen, die wir beim Embryo von 18 mm finden, so lassen sich die Resultate recht gut vereinigen. Wir sahen in der Tat, dass in dem vorher beschriebenen Stadium, die Anlagen der genannten Drüsen bei ihrer Bildungsstelle aneinanderhaften, und dass sie sich nach hinten zu voneinander abschnüren. Diesen Sachverhalt finden wir in seinen Grundzügen noch beim Embryo von 44 mm wieder, obwohl die Drüsenanlagen in der Entwicklung weit mehr vorgerückt sind. Die Gänge der Tränendrüse und der Infra- orbitalis sind nämlich bei der Mündung dicht aneinandergereiht, trennen sich aber bald voneinander und begeben sich zu den Drüsen- anlagen, die zwar ganz nahe beieinanderliegen, aber dennoch als solche noch zu unterscheiden sind. In noch vorgerückteren Stadien wird die Verschmelzung der genannten Drüsen noch voll- ständiger. Embryo von 11,5 cm (bis zur Schwanzwurzel gemessen). Von dem hinteren Teil des Konjunktivalsackes ausgehend, findet man an demselben nur einen einzigen Gang, der nach hinten und etwas nach unten von der Gegend der hinteren Kommissur der Augenlider mündet (Fig. 10). Dieser Gang zieht nach unten und verliert sich in der Gl. infraorbitalis. Das Drüsenparenchym zeigt schon im allgemeinen die Anordnung, die man in der fertigen Drüse findet. Der Drüsenkörper ist in Läppchen ver- schiedener Ordnung eingeteilt, die von bindegewebigen Scheiden getrennt sind. In denselben verlaufen die Verzweigungen des Ausführganges und die begleitenden Gefässe und Nerven. Das interstitielle Bindegewebe hat nun, im Vergleich zu der Ent- Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 32 474 N. Loewenthal: wicklung der Drüsenteile, in sehr bedeutendem Maße abge- nommen, indem die Interstitien zwischen den drüsigen Teilen nun beträchtlich schmäler geworden sind. Die primären Drüsen- läppchen bestehen aus dicht aneinandergereihten Alveolen, deren Beschaffenheit derjenigen der fertigen Drüse ähnlich ist. Verfolgt man nun die Beziehungen der Infraorbitalis zu der Tränendrüse, so findet man, dass in den mehr nach vorn gerichteten (uerebenen die Tränendrüse eine ganz abgesonderte Einheit zu bilden scheint. Untersucht man aber die Umbildung des (@uerschnittsbildes an den immer mehr nach hinten sich folgenden Schnitten, so sieht man, dass immer neue Läppchen zwischen der Infraorbitalis und der Tränendrüse die hintere Fläche der Augenhöhle entlang auftreten und dass endlich beide Drüsenkomplexe zu einem einzigen Drüsenkörper verschmelzen. Es wird wenigstens unmöglich, eine Grenzlinie zwischen beiden Drüsen zu erkennen. Es bleibt uns noch übrig, zu erörtern, wo die Ausführwege des oberen Drüsensegmentes, welches entwicklungsgeschichtlich der Tränendrüse entspricht, ihre Mündungsstelle finden. Die Untersuchung von Serienschnitten ermöglicht eine ganz sichere Beantwortung dieser Frage. Die fraglichen Ausführgänge öffnen sich in einen Zweig des Ganges, der in die Infraorbitalis ein- dringt, so dass der Ausführgang, den wir am hinteren Teil des Konjunktivalsackes münden sahen, als der gemeinschaftliche Gang sowohl der Infraorbitalis, als der Tränendrüse zu deuten ist. Es ergibt sich aus den beschriebenen Beobachtungen, in Übereinstimmung mit meinen früheren Angaben (Bibl. ana- tomique, XVIII, 1909), dass zwischen dem Kaninchen und dem Meerschweinchen ein wesentlicher Unterschied in betreff der An- ordnung und der Entwicklung der Infraorbitalis und der Tränen- drüse vorhanden ist. Während beim Kaninchen die Anlagen dieser Drüsen von Anfang an vollständig getrennt sind und auch getrennt bleiben, verschmelzen dieselben immer mehr im Laufe der Entwicklung, so dass es endlich zur Bildung einer gemein- schaftlichen Drüse kommt, die mit einem einzigen Gange mündet. DasStudium der Entwickelungsvorgänge ermöglicht uns das Ver- ständnis des bemerkenswerten Vorganges, infolgedessen zwei sonst getrennte Drüsenanlagen eine einheitliche Drüse bilden können. Drüsenstudien. 475 Wir gehen nun zu einigen anderen Nagetieren über, bei welchen man die eigentliche Tränendrüse vermisst, daher aber eine andere Orbitaldrüse, die der Ohrspeicheldrüse, anliegt, und der wir die Benennung Gl. orbitalis externa, auch Nebenohr- speicheldrüse, beigelegt haben. Maus. Von dieser Art, und namentlich der weissen Maus, waren mir Embryonen von 20 mm 8.-Stl. zugänglich. In diesem Falle habe ich die Untersuchung der Drüsenanlagen an Sagittalschnitten vorgenommen. Im Bereiche des hinteren Augenwinkels findet man einen Ausführgang, der etwas nach unten von der Ebene des genannten Augenwinkels in den Konjunktivalsack sich öffnet (Fig. 11). Dieser Endgang hat je nach der Stelle eine Dicke von 60—67 «. Nach einem Verlaufe von etwa 0,3 mm geht von diesem Gange ein Seitenast ab, der zu einer Drüsenknospe führt. Während der Endgang schon ausgehöhlt ist, kann man in der Seitenknospe eine Lichtung noch nicht wahrnehmen. Dieser blind endigende Seitenast ist samt der Knospe nur 145—148 u lang. Von seiner Abgangsstelle zieht er nach vorn -unten, eine leichte Kurve um die untere Fläche des Augapfels beschreibend. Der Gang und die Seitenknospe sind in eine kompaktere Schicht von embryonalem Bindegewebe eingebettet. Dieser Seitenauswuchs ist als eine sehr junge Anlage der Infraorbitalis zu deuten. Diese Deutung stützt sich auf mehrere Gründe, wie namentlich die Anordnung und die Beziehungen dieser Drüse beim erwachsenen Tier, sowie auch bei anderen verwandten Arten, wie die Wühlmaus und die Ratte, wovon mehr weiter unten. Betrachten wir nun den ferneren Verlauf des Ganges, nach dem stattgefundenen Abgange des Seitenastes, der für die Anlage der Infraorbitalis bestimmt ist. Der fragliche Gang zieht dann direkt nach hinten und unten, streift den Musculus temporalis, von welchem er nur durch eine dünne bindegewebige Lage ge- trennt bleibt, kreuzt ferner den hintersten Teil des Jochbogens und zieht endlich, in eine lockere Schicht von subkutanem Binde- gewebe eingebettet, in der Richtung nach der äusseren Orbital- drüse, in welche er schliesslich eindringt (Fig. 12, D.). 32* 476 N. Loewenthal: Das Drüschen selbst (G.o.e) liegt oberhalb der Ohrspeichel- drüse und nach vorn von der Ohrmuschel, wo es ein ziemlich gut umgrenztes Feld einnimmt. Das bindegewebige Stroma unter- scheidet sich schon bei schwacher Vergrösserung durch die inten- sivere Färbung und die kompaktere Beschaffenheit von dem umgebenden subkutanen Bindegewebe. Im Innern der Drüsen- anlage findet man eine Anzahl von gewundenen buckeligen Drüsen- gängen, die mit keulenförmigen Drüsenknospen zusammenhängen. Bis an die Grenze des Drüsenparenchyms weist der Ausführgang ein deutliches Lumen auf. An den Gängen, die im Innern des Drüsenkörpers verlaufen, ist in den meisten Fällen ein Lumen noch nicht wahrzunehmen. Wir finden somit beim Mäuseembryo von 20 mm S.-Stl. in Verbindung mit der Bindehaut an der Gegend des hinteren Augen- winkels einen einzigen Gang, der mit zwei Drüsenanlagen zu- sammenhängt: Die eine, viel vorgerücktere Anlage entspricht der äusseren Orbitaldrüse; die andere, nur noch im Stadium von einer soliden Knospe angelegt, entspricht nach unserer Deutung der Anlage der Infraorbitalis. Von der Anlage der Tränendrüse ist nichts zu finden. Dieser Sachverhalt ist in vollem Einklange mit meinen früheren am erwachsenen Tier beschriebenen Beobachtungen. Die Untersuchung der Entwicklungsvorgänge ermöglicht noch etwas weiter zu gehen und den Schluss zu ziehen, dass die Infra- orbitalis durch Knospung von dem Gange der äusseren Orbital- dräse entsteht. Folglich ist man berechtigt, die Gl. orbitalis externa als die primäre, die Infraorbitalis als die sekundäre Drüsenformation zu deuten. Weder mehr, noch weniger vorgeschrittene Entwicklungs- stadien waren mir zugänglich. Wühlmaus. x Embryo von 265 mm S.-Stl. Die Anordnung der Drüsen, die dem hinteren Augenwinkel zugeordnet sind, habe ich an Frontalschnritten untersucht. Wie bei der Maus, geht auch hier von dem hinteren Blind- sacke der Konjunktiva, kaum nach unten von der Ebene des hinteren Augenwinkels, nur ein einziger verhältnismässig weiter Gang ab. Er zieht ferner, im Anfange fast dieselbe Lage bei- Drüsenstudien. ANTEN behaltend, nach hinten. Etwas abweichend von dem Sachverhalte bei der weissen Maus, bleibt der genannte Gang eine ganze Strecke weit unverzweigt. Man findet dennoch, obwohl mehr nach hinten als bei der Maus, in Verbindung mit der unteren Fläche dieses Ganges eine einfache, solide, blind endigende Knospe, die nach unten gerichtet ist. Es ist dabei zu bemerken, dass während auf der einen Seite nur eine einzige Drüsenanlage vor- handen ist, auf der anderen Seite zwei analog beschaffene Epithel- knospen sich bilden. Die eine wie die andere ist nach unten gerichtet. Noch weiter nach hinten, in der Nähe der Ebene des Unter- kiefergelenkes, teilt sich der Gang in zwei Hauptäste, die in den Drüsenkörper eindringen. Der untere Ast ist reichlicher ver- zweigt als der obere. Wie leicht einzusehen ist, entspricht dieses Drüschen seiner Lage nach oberhalb der Speicheldrüse und nach unten von der Ohrmuschel der Gl. orbitalis externa. Was nun die Deutung der Epithelknospen, die von dem Ausführungsgange der äusseren Orbitaldrüse entspringen, so ist sie komplizierter, als in betreff der Knospe, die wir bei der Maus beschrieben haben, und zwar aus folgenden Gründen: Wir sahen nämlich, dass bei der Wühlmaus die fraglichen Knospen weit mehr nach hinten auftreten, als bei der Maus, und dass die Zahl derselben Abweichungen zu unterliegen scheint. Es kommt ferner noch der Umstand hinzu, dass beim Wühlmausembryo von 26,5 mm die Knospen noch zu klein sind, um genügenden Auf- schluss über ihr ferneres Schicksal zu erlauben. Eins ist ganz ausser Zweifel, dass nämlich die fraglichen Epithelausstülpungen als Anlage der Tränendrüse nicht gedeutet werden können, erstens weil sie zu weit nach hinten von dem Konjunktivalsack entspringen und zweitens, weil sie nach unten und nicht nach oben gerichtet sind. Ist die Deutung der in Rede stehenden Epithelknospen als einer Anlage der Tränendrüse schon von vornherein ausge- schlossen, so hat die Deutung derselben als einer Anlage der Infraorbitalis einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad für sich. Um die Frage in definitiver Weise entscheiden zu können, müsste man vorgerücktere Stadien untersuchen; leider waren mir solche nicbt zugänglich. Die weiter oben erwähnten Abweichungen in betreff der Lage der von dem Gange der äusseren Orbitaldrüse 478 N. Loewenthal: entspringenden Epithelknospen im Vergleich zu dem Sachverhalte bei der weissen Maus lassen sich aber noch recht gut mit der Lage der Infraorbitalis beim erwachsenen Tier vereinigen. Meinen früheren Mitteilungen gemäss (in: Bibliogr. Anatomique, XIX, fasc. 2, p. 103) zeigt die Anordnung dieser Drüse bei der er- wachsenen Wühlmaus einige Abweichungen im Vergleich zu der Maus und der Ratte, indem die Läppchen der Infraorbitalis an der unteren Kante des Ausführganges der äusseren Orbitaldrüse aufeinanderfolgen und besonders nach hinten verschoben sind. Ich suchte diese Eigentümlichkeit dadurch zu erklären, dass bei der Wühlmaus die Har dersche Drüse besonders weit nach unten und hinten sich erstreckt. Es wird wohl kein reiner Zufall sein, wenn auch im embryonalen Zustande, wie wir es jetzt erkannt haben, die von dem Gange der Gl. orbitalis externa sich ab- schnürenden Drüsenanlagen besonders weit nach hinten auftreten. Ferner möchte ich noch an eine andere bei der Wühlmaus sich vorfindende Eigentümlichkeit erinnern, dass nämlich bei dieser Art der Ausführgang der äusseren Orbitaldrüse noch ausserhalb des Drüsenparenchyms von Drüsenläppchen begleitet wird. Wenn also unsere Deutung der Knospen, die zuerst von dem Gange der äusseren Orbitaldrüse sich abschnüren, die richtige ist, wie es allem Anscheine nach zu sein scheint, so folgt daraus, dass auch bei der Wühlmaus die Infraorbitalis durch Knospung vom Gange der äusseren Orbitaldrüse entspringt. Weisse Ratte. Von dieser Gattung waren mir keine Embryonalstadien zu- gänglich. Wir werden uns daher bei derselben nicht länger aufhalten. Indem ich in betreff der Anordnung der Drüsen und der Ausführgänge, die mit dem hinteren Konjunktivalsack in Zusammenhang stehen, beim neugeborenen und erwachsenen Tier auf meine vorigen Mitteilungen verweise, hebe ich an dieser Stelle nur die allgemeinen Schlussfolgerungen hervor, um zwischen: der Ratte und anderen Arten einen Vergleich ziehen zu können. Wie Maus und Wühlmaus hat auch die Ratte keine eigentliche Tränendrüse, aber eine äussere Orbitaldrüse und eine Infraorbitalis. Diesen beiden räumlich vollständig ge- trennten Drüsen entspricht auch bei der Ratte ein einziger Endgang. Drüsenstudien. 479 Rind. Untersuchungsmaterial: Embryonen oder Föten von 26,5 mm S.-Stl., von S cm und 20 cm. Das Studium der Entwicklungsgeschichte erweist auf das Bestimmteste, dass dem Rind ausser der Tränendrüse noch eine wahre Infraorbitalis, die am unteren Teil des hinteren Konjunk- tivalsackes mündet, zukommt. Über das erste Auftreten dieser Drüsen beim Rindsembryo kann ich wegen Mangel an passenden Entwicklungsstadien nichts Bestimmtes angeben. In der Em- bryologie von v. Kölliker (französ. Auflage, Reinwald, 1882) finden wir eine Figur, die sich auf die Anlage der Tränendrüse beim Rindsembryo von 3,5 cm beruft (Fig. 427 auf Seite 713 des soeben zitierten Werkes), und zwar auf einem Horizontal- schnitte. Ob nur diese einzige oder noch andere Anlagen in diesem Stadium vorhanden waren, ist im Texte nicht angegeben. Die veranschaulichte Drüsenanlage kann sich wohl nicht auf das allerjüngste Entwicklungsstadium der Tränendrüse beziehen, denn sie ist schon von ansehnlicher Länge und weist ein Lumen auf. Nach Falchi') tritt die erste Anlage des Sinus, von welchem sich die Tränendrüse abschnürt, beim Rindsembryo von 2 cm auf. Doch scheint es dabei nicht auf die Anlage der Tränendrüse selbst, sondern nur auf diejenige des Sinus der Conjunctiva, von der sich die eigentliche Drüsenanlage abschnürt („rudiment de la conjonctive du sinus donnant l’origine a la glande lacrymale“). Eine andere Arbeit desselben Autors (in: Annal. di Ottalm. 34, 1905, fase. 11—12) war mir leider nicht zugänglich. Ich selbst habe einen Rindsembryo von 26,5 mm, also ein Stadium, das zwischen den soeben angeführten von v. Kölliker und von Falchi fällt, untersucht. Es hat sich aber dabei herausgestellt, dass die gewählte, stark schräge, der horizontalen sich nähernde Schnittrichtung für die Beurteilung einiger Angelegenheiten nicht günstig ist. Es wird nämlich bei dieser Schnittrichtung nicht leicht sich zu orientieren über die Lage der noch sehr jungen Drüsenanlagen in bezug auf die Region des Augenwinkels, weil dieselbe bei dem noch weit geöffneten Auge und noch wenig ausgebildeten Augenlidern mit Genauigkeit schwer zu bestimmen ist. Was nun den tatsächlichen Befund anbelangt, so findet man 5) Sur le developpement de la glande lacrymale. Archivesitaliennes de Biologie, XLIV, 1905. 480 N. Loewenthal: im Bereiche des hinteren Augenwinkels bei dem erwähnten Embryo von 26,5 mm zwei aufeinander folgende Drüsenanlagen. Sie gestalten sich als solide Epithelknospen, die vom Epithel der Bindehaut entspringen, und demselben mit einem etwas verjüngten Stiele aufsitzen. Die eine Anlage ist etwas grösser als die andere. Weil aber, wie gesagt, die Lage derselben in betreff des hinteren Augenwinkels genau nicht festzustellen war, so ist es nicht möglich, die Frage, ob nur die eine von den erwähnten Anlagen, oder beide der Tränendrüse zuzurechnen seien, bestimmt zu beantworten. Beim Embryo von 8 cm S.-Stl. gestalten sich die Verhält- nisse, und zwar an Frontalschnitten, in ganz unzweideutiger Weise. Im Bereiche des hinteren Augenwinkels finden wir zwei räumlich getrennte Drüsenanlagen, von denen die eine der oberen Hälfte des hinteren Konjunktivalsaches, die andere der unteren Hälfte des- selben zugeordnet ist. Die obere Anlage entspricht der Tränendrüse, die untere der Gl. infraorbitalis. Im Gegensatze zum Kaninchen und Meerschweinchen ist beim Rind die Anlage der Tränendrüse ansehnlich grösser als diejenige der Infraorbitalis. Während die erste im angegebenen Älter mit sechs bis sieben Gängen ver- sehen ist, führt die andere nur zwei Gänge. Die Ausführgänge sind an beiden Drüsenanlagen ausgehöhlt. An den Verästelungen der Gänge (und namentlich an der Tränendrüse) ist die Aus- höhlung auffallend ungleich, indem das Lumen bald ganz eng, bald sogar noch weiter als an den Endgängen erscheint. Die Verzweigungsart ist häufig dichotomisch, kann auch trichotomisch sein; im letzteren Falle gehen drei Aste ganz nahe beieinander ab. Die von den Verästelungen der Gänge abgehenden Knospen können in Seiten- und Endknospen eingeteilt werden. Zweigeteilte Knospen sind nicht selten wahrzunehmen. Die Knospen sind teils ganz solid, teils ausgehöhlt; in letzterem Falle ist das Lumen sehr eng, während das Epithel eine dickere Schicht bildet als am zuführenden Zweige selbst. Das Gangsystem der Infraorbitalis ist weit weniger entfaltet als dasjenige der Tränendrüse; der Verteilungstypus unterscheidet sich nicht in merkbarer Weise von demjenigen des Gangsystems der Tränendrüse. Die bindegewebige Anlage der Drüse ist noch reichlich ent- wickelt, indem die Verästelungen der Gänge samt den Knospen durch noch breite Interstitien getrennt sind. Drüsenstudien. 481 Nach hinten zu nähern sich die beiden Drüsenanlagen aneinander. Die gegenseitige Lage der Tränendrüse und der Infraorbi- talis habe ich in meinen früheren Mitteilungen veranschaulicht (Bibl. anatom., XIX, Fig. 2 auf Seite 107 und Fig. 3 auf Seite 307). Schaf. Das Schaf unterscheidet sich vom Rind vor allem durch den Mangel einer wahren Infraorbitalis, aber auch durch die Zahl und Anordnung der Tränendrüsenanlagen. Folgende Stadien waren mir zugänglich: Ein Embryo von 7,5 cm S.-Stl., ferner Föten von 27 und 56 cm totaler Länge. Embryo von 7,5 cm S.-Stl. (Frontalschnittserie). Man findet hier im Zusammenhang mit dem hinteren Kon- junktivalsack nur eine Drüse, die Tränendrüse. In betreff der Zahl der Tränendrüsenanlagen ist ein Unterschied zwischen der einen und der anderen Seite wahrzunehmen. Auf der einen Seite findet man nach hinten und nach oben von der hinteren Kommissur der Augenlider zuerst zwei über- einanderliegende Gänge, von denen der obere kaum eine Schnitt- dicke mehr nach hinten mündet. Beide Gänge sind ausgehöhlt. Noch mehr nach hinten stülpt sich von dem hintersten Teil des Konjunktivalsackes ein dritter Gang aus, der nach unten von den vorigen liegt. Dieser zuletzt genannte Gang ist aber nur an einer winzigen Zahl von Schnitten zu verfolgen, wo er dann blind endet. Wie es vorgeschrittenere Stadien wahrscheinlich machen, handelt es sich um eine noch ungenügend entwickelte dritte Drüsenanlage. Die zwei anderen Gänge können bis zu der Anlage des Drüsenkörpers selbst verfolgt werden. Der Drüsenkörper er- scheint an Frontalschnitten als seitwärts sehr abgeplattet, aber in die Höhe gezogen. Der obere Gang geht früher Verzweigungen ein als der untere. Im Drüsenkörper findet man in frontaler Richtung langgestreckte Gänge, die allerdings zum Teil schon ausgehöhlt sind, zum Teil aber ein regelmässig beschaffenes Lumen noch nicht erkennen lassen. Die denselben ansitzenden Seiten- und Endknospen sind noch solid. Das bindegewebige Stroma bildet ebenfalls eine in die Höhe gezogene, seitwärts stark abgeplattete Platte, die durch die intensivere Färbung und 482 N. Loewenthal: dichtere Anordnung der Kerne von dem umgebenden viel lockeren fötalen Bindegewebe sich abhebt. Auf der anderen Kopfseite findet man einen ausgehöhlten Gang, der bis in den Drüsenkörper zieht, und ausserdem noch die Anlage eines zweiten Ganges, die aber schon nach zwei bis drei Schnitten blind endet und noch nicht ausgehöhlt ist. Diese Anlage liegt oberhalb des Ganges, der, wie gesagt, in den Drüsen- körper zieht. Der dritte Gang ist-an dieser Seite gar nicht angelegt. Wir sehen somit, dass die Anlage der Tränendrüse etwas abweichend in betreff der Zahl der angelegten Ausführgänge sich gestalten kann. Die Deutung der angelegten, aber nach kurzem Verlaufe blind endigenden und noch nicht ausgehöhlten Gänge hängt natürlich von der Anordnung der Drüsenanlage in vorgerückteren Stadien ab. Über die Anlage der Tränendrüse beim Fötus von 27 mm totaler Länge habe ich in meinen vorigen Mitteilungen berichtet und diese in einer Figur veranschaulicht.') Wir können uns daher, an dieser Stelle, nur mit der Wieder- gabe der Schlussfolgerungen begnügen. In diesem Falle gingen im ganzen, von der oberen Hälfte des hinteren Konjunktivalsackes, vier Gänge ab, von denen aber nur zwei bis zu der orbitalen Tränendrüse zu verfolgen waren. Die anderen zwei Gänge endeten in viel kleineren accessorischen Drüsenanlagen. Die Lage dieser accessorischen Drüsenanlagen kann von Seite zu Seite Abweichungen unterworfen sein, indem z. B. auf einer Seite beide Drüschenanlagen die obere Spitze des Konjunk- tivalsackes überschreiten, während auf der anderen Seite eines der Drüschen in der Seitenwand desselben stecken bleibt. Wenn wir nun den Befund an diesem 27 cm langen Fötus mit demjenigen an der vorher erwähnten Frucht von 12 cm totaler Lange vergleichen, so finden wir in beiden Fällen übereinstimmend, dass zwei Gänge bis in den Körper der Tränendrüse verfolgt werden konnten (nur auf einer Seite bei dem 12 cm langen Fötus), während von den Gängen der accessorischen Drüschen nur ein einziger beim jüngeren Fötus vertreten war und zwar noch im ) Biblio gr. anatomique, XIX, S. 303, Fig. 2. Drüsenstudien. 483 Stadium von solider Knospe. Man ist berechtigt, daraus zu schliessen, dass beim Fötus von 12 cm die in Rede stehenden accessorischen Drüschen noch nicht genügend ausgebildet sind. Wir sahen übrigens, dass beim Kaninchen ebenfalls die Anlage der accessorischen Tränendrüse später sich bildet als die Haupt- anlage der Tränendrüse. Wie weiter oben angegeben wurde, ist die Zahl der Gänge an der Anlage der Tränendrüse beim Rindsembryo ansehnlich grösser als beim Schaf. In betreff der Zahl der Ausführgänge an der Tränendrüse beim erwachsenen Schaf finden wir in der klassischen Anatomie von Sappey angegeben, dass diese Drüse mit zwei Gängen mündet.!) Diese Angabe lässt sich mit unseren Befunden in embryonalen Stadien recht gut vereinigen; nur scheint das Vor- kommen von noch zwei anderen Gängen und accessorischen Drüsenanlagen nicht genügend bekannt zu sein. Betonen wir nochmals den Umstand, dass in überein- stimmender Weise bei den untersuchten Schafsembryonen von 12, 27 und 56 cm totaler Länge keine von der unteren Region des hinteren Konjunktivalsackes entspringenden Drüsenanlagen zu finden waren; dass also dem Schaf, im Gegensatze zum Rind, die Anlage einer wahren Infraorbitalis fehlt. An einem viel jüngeren Embryo von 533 mm (S.-Stl.) glaubte ich im Anfange eine solche Anlage erkannt zu haben. Wie ich es aber schon selbst berichtigt habe (vergl. Bibliogr. anatom., XIX, p. 301), hat sich diese Angabe als eine irrtümliche erwiesen. Man findet zwar beim Schafsembryo eine Drüsenanlage, die in die Bodenregion der Augenhöhle hineinragt, sie mündet aber in die Mundhöhle. Diese Drüse wird wohl der Infraorbitalis der älteren Anatomen entsprechen. Über die Anordnung dieser Drüsenanlage beim Schafsembryo von 20 cm findet man Angaben in einer neueren Arbeit von Lafite-Dupont.’) Diese Drüsenanlage kann man schon recht gut beim Schafs- embryo von 12 cm totaler Länge erkennen, und obwohl wir uns mit den Drüsen, die zu der Mundhöhle gehören, in dieser Arbeit !) Trait& d’Anatomie descriptive, 1877, T. III, S. 734. ?) La glande sous-orbitaire et la boule graisseuse de Bichat, in: Bibliogr.anatomique, VIII, 1900. 484 N. Loewenthal: nicht zu beschäftigen haben, werden einige Bemerkungen über diese, sozusagen buccale Infraorbitalis nicht überflüssig sein. Diese Drüsenanlage zeigt sich beim Schafsembryo von 12 cm totaler Länge an den Frontalschnitten, die von der mittleren Region der Augenhöhle an nach vorn folgen. Nach unten von dem Augapfel findet man in der fraglichen Gegend eine Anzahl von Drüsengängen, die von reichlich entwickeltem fötalem Binde- gewebe umgeben sind. Die fragliche Anlage samt dem umgebenden Bindegewebe nimmt den Raum ein, der zwischen dem Muse. pteryogoideus internus nach innen, dem Unterkiefer und dem Jochbogen nach aussen, eingeschlossen ist. Von hier aus sieht man die Drüsengänge schräg nach unten, innen und vorn bis in die hintere-obere Bucht der Mundhöhle ziehen (nach hinten von dem Alveolarteil des Oberkiefers). In der Nähe des Randes der Mundhöhle gesellen sich zu den von oben her absteigenden Gängen eine Reihe von anderen Gängen, so dass es gerechtfertigt erscheint, zwischen einem oberen infraorbitalen und einem unteren buccalen Drüsenkonglomerate zu unterscheiden. Diese in die Mundhöhle mündende infraorbitale Drüsen- anlage kann man augenscheinlich. der sogenannten Infraorbitalis des Kaninchens (W. Krause), die ebenfalls in die Mundhöhle mündet, an die Seite stellen. Schwein. Untersuchungsmaterial: Embryonen von etwa 3 und 7—8 cm S.-Stl. An Embryonen unter 3 cm waren noch keine Drüsenanlagen ım Bereiche der hinteren Konjunktivaleinstülpung zu finden. Am Embryo von 7—85 cm findet man an der Anlage der Tränendrüse, meinen früheren Angaben gemäss, vier bis fünf (änge, die aber nicht alle die Anlage des Drüsenkörpers erreichen. Einige von denselben enden blind und ohne Verästelungen ein- zugehen schon unweit von dem Ursprunge. Es kommen auch Abweichungen je nach der Seite vor. Der unterste Gang ent- springt in einer Ebene, die nach hinten zu diejenige des hinteren Augenwinkels verlängert (oder sogar ein wenig nach unten). Die Zahl der Endgänge der Tränendrüsenanlage ist aber individuellen Abweichungen unterworfen. So fanden sich z. B. bei einem S—9 cm langen Schweinsembryo auf einer Seite nur Drüsenstudien. 485 drei Gänge, auf der anderen noch weniger. Man würde vielleicht nicht erwarten, so wesentliche Abweichungen zu finden. $ Im schon recht gut umgrenzten Drüsenkörper findet man eine Anzahl von Gängen, die in Verästelung und Knospung be- griffen sind. Die Gänge sind noch nicht in allen Segmenten deutlich ausgehöhlt, die Knospen sind grösstenteils noch solid. Eine andere dem hinteren Konjunktivalsack zugeordnete und zwar von der unteren Hälfte desselben entspringende, der Infraorbitalis homologe Drüse war hier nicht zu finden. Zweite Drüsengruppe. 'Hardersche Drüse. Nickhautdrüse. Kaninchen. I. Hardersche Drüse. An Embryonen von 16 mm (S.-Stl.) war noch keine sichere Anlage dieser Drüse zu erkennen. Bei Embryonen von 17—18 mm gestaltet sich die Anlage der Harderschen Drüse als eine solide Knospe, die vom Epithel der unteren Region der Rinne, die den Augapfel von der Anlage des dritten Augenlides trennt, entspringt und sich nach innen einstülpt (analog der Anlage, die in der auf das Schwein sich beziehenden Fig 14 veranschaulicht ist). Um diese Lage der An- lage der Harderschen zu erkennen, müssen die Sehnitte in rein frontaler Richtung orientiert werden. Embryo von 295 mm. Frontalschnitte geben ein recht an- schauliches Bild von der Anlage der Harderschen Drüse (Fig. 13). Man kann nun zwischen einem Ausführgang und einem Drüsen- körper unterscheiden. In analoger Weise, wie in dem erwähnten jüngeren Stadium, sieht man den Gang in der Rinne zwischen der unteren Fläche des Augapfels und der embryonalen Nickhaut münden. In denselben Ebenen sieht man nach unten von dem dritten Augenlide den Tränengang (D.n.1.). Der relativ weite Gang der Harderschen Drüse zieht ferner die untere Fläche des Augapfels entlang und biegt sich nach oben um, indem er: in den Drüsenkörper eintritt. An der Mündungsstelle selbst und noch etwas weiter nach innen ist der Gang schon ausgehöhlt, geht aber bald in einen soliden Strang über, der in den Drüsen- körper sich fortsetzt. Der Drüsenkörper bildet auf dem (Querschnitt eine etwa halbmondförmige Platte, die von einem reichlich entwickelten 456 N. Loewenthal: Gefässgeflechte umgeben ist. Das bindegewebige Stroma der Drüsenanlage unterscheidet sich durch die dichtere Anordnung der verzweigten Zellen. Wie aus der Zeichnung zu ersehen ist, füllt der epitheliale Teil der Drüsenanlage bei weitem nicht die ganze Fläche des bindegewebigen Anteils derselben. Wie schon weiter oben erwähnt wurde, geht der Ausführgang der Drüse am Eintritt in den Drüsenkörper in einen dicken soliden Epithelstrang über, der bald sehr anschwillt und eine buckelige Gestaltung annimmt. Der Strang teilt sich nun gabelig in zwei Äste, einen unteren und einen oberen (Teilung erster Ordnung). Jeder von diesen Ästen, und besnoders der untere, treibt knollenförmig angeschwollene Knospen resp. Ausstülpungen, wobei auch Andeutungen einer Zwei- teilung wahrzunehmen sind; zu vollen Teilungen zweiter Ordnung kommt es aber noch nicht. II. Niekhautdrüse. Von dieser Drüse ist beim Embryo von 29,5 mm noch keine Anlage zu finden. Die Bildung der- selben fällt also im Vergleich zu der Harderschen Drüse in eine spätere Periode. Zwischenstadien bis zur Geburt waren mir aber nicht zugänglich. Beim neugeborenen Tier erweist sich die Nickhautdrüse als ein Konglomerat von mehreren Drüsen- anlagen, die einzeln an der inneren (dem Augapfel zugewendeten) Fläche des dritten Augenlides münden. Die Anlage der Nick- hautdrüse ist von derjenigen der Harderschen Drüse räumlich getrennt, indem die erstere den Bereich des dritten Augenlides nicht überschreitet. Aber auch in betreff des feineren Baues ist der Unterschied zwischen diesen Drüsen schon mit Deutlichkeit zu erkennen (Alveoli mit engem Lumen in der Niekhautdrüse; acınös erweiterte Schläuche in der Harderschen Drüse). Auch die Knorpelplatte der Nickhaut ist schon gebildet. Die folgenden Nagerarten haben überhaupt keine Nickhaut- drüse, so dass wir nur die Hardersche Drüse zu berücksichtigen haben werden. In betreff der Maus ist hervorzuheben, dass einigen Hand- büchern gemäss, wie z. B. in dem neuerdings erschienenen Hand- buche von Prenant und Bouin!), dieser Tierart im Gegensatze zu der Ratte eine Nickhautdrüse zukomme. Ich muss gestehen, !) Traite d’Histologie, T. II, 1911, p. 889. Drüsenstudien. 487 dass ich diese Angabe nicht bestätigen kann. Sowohl bei der gewöhnlichen Maus, als bei der weissen Maus konnte ich in der eigentlichen Nickhaut keine Drüsen auffinden, wohl aber eine Knorpelplatte. Meerschweinchen. Embryo von 18 mm S.-Stl. Die Anlage der Harder- schen Drüse ist nicht nur mit Sicherheit zu erkennen, sondern sie fängt schon an die ersten Differenzierungen einzugehen. Die allererste Anlage dieser Drüse ist also in ein noch jüngeres Stadium zu verlegen. Von der Mündung am Konjunktivalepithel ausgehend, gelangt der Gang an die innere Seite des Augapfels, wo er ansehnlich anschwillt und eine buckelige Gestaltung an- nimmt, wobei eine gut angedeutete Tendenz zur Zweiteilung schon wahrzunehmen ist. Der buckelige solide Strang lässt sich noch eine Strecke weit verfolgen, wo er blind endet. Zu betonen ist der Umstand, dass bei schräger frontaler Schnittrichtung (von oben-vorn nach unten-hinten) der Gang an der oberen-inneren Seite des Augapfels zu liegen scheint. Diese Eigentümlichkeit findet ihre Erklärung in dem Umstande, dass die im Präparate als nach oben gerichtet erscheinende Fläche des Augapfels in Wirklichkeit der vorderen Fläche entspricht. Embryo von 44mm S.-Stl. Die Entwicklung der Harder- schen Drüse ist weit mehr vorgeschritten. Die Drüsenanlage hat einen sichelförmigen Querschnitt und umringelt die innere Fläche des Augapfels. Auch hier gilt die Bemerkung, die wir in betreft des jüngeren Stadiums weiter oben gemacht haben, dass nämlich an schrägen Frontalschnitten der Ausführgang von oben her den Augapfel zu umgürteln scheint, um an dessen innere Seite zu treten. Der verhältnismässig weite Ausführgang teilt sich ferner in zwei Hauptäste, von denen der eine nach oben, der andere nach unten zieht. Jeder von denselben treibt trauben- förmige Verästelungen. Die Drüsenknospen sind beerenförmig angeschwollen. Weisse Maus. Embryo von 20 mm S.-Stl. Die Anlage der Harderschen Drüse ist schon nicht in der allereinfachsten Entwicklungsstufe, die folglich in eine frühere Periode fällt. Man erkennt an der Drüsenanlage einen Ausführgang und einen Drüsenkörper. Wie Sagittalschnitte erweisen, entspricht die Mündungsstelle des 488 N. Loewenthal: Ganges nicht der untersten Horizontalebene des Augapfels, sondern einer Ebene, die etwa der mittleren Region derselben entspricht. Die embryonale Anlage des Knorpels der Nickhaut ist schon ge- bildet und liegt ganz nach oben von der Mündungsstelle des Ausführganges der Harderschen Drüse. Was vielleicht uner- wartet erscheint, ist der Umstand, dass die Anlage des Nickhaut- knorpels dem Niveau der oberen Hälfte des Augapfels entspricht. Der schon ausgehöhlte Endgang sendet zwei Hauptäste, die nach oben und unten ziehen. Andere Äste begeben sich nach innen. Die Äste gehen in dicke buckelige Stränge über, die nur teil- weise ausgehöhlt sind und in reichlicher Knospung begriffen sind. Auch Teilungen zweiter Ordnung sind schon wahrzunehmen. Die Drüsenanlage hat einen sichelförmigen Querschnitt und entspricht der ganzen Höhe der vorderen-inneren Seite des Augapfels. Vorgerücktere Stadien waren mir nicht zugänglich. Wühlmaus. Embryo von 29,5 mm S.-Stl. Ander Anlage der Harder- schen Drüse erkennt man schon einen Ausführgang und einen Drüsenkörper. Am Ausführgang fällt der weite Diameter auf. Die Lichtung ist scharf gezeichnet. An reinen Frontalschnitten findet man den Gang an der unteren Fläche des vordersten Teiles des Augapfels, während die schon ziemlich grosse Anlage der Nickhaut nach oben gerichtet ist. Der Ausführgang wendet sich ferner, einen leichten Bogen beschreibend, nach innen-oben und kommt an die innere Fläche des Augapfels zu liegen. Er teilt sich ferner in zwei Hauptäste, die ihrerseits Teilungen ein- gehen. Auch hier bildet der Drüsenkörper eine auf dem Quer- schnitt sichelföürmig gestaltete Platte, die sich zwischen den Augapfel und die äussere knorpelige Wandung der Nasenhöhle erstreckt. Der epitheliale Anteil der Drüsenanlage besteht aus dicken und knotigen Strängen, die nur stellenweise Andeutungen eines Lumens aufweisen und keulenförmige Knospen treiben. In der Nickhaut war eine knorpelige Anlage mit Sicherheit noch nicht zu erkennen. Fügen wir noch hinzu, dass beim er- wachsenen Tier die Nickhaut wohl eine Knorpelplatte, aber keine Drüsenteile enthält. Schwein. I. Hardersche Drüse. Beim Embryo von 3 cm S.-Stl. kann man die Anlage dieser Drüse schon’erkennen. Sie ist nur Drüsenstudien. 489 noch als eine knopfförmige Epithelknospe angedeutet, die an Frontalebenen durch das vorderste Ende des Augapfels auftritt und von dem Epithel der Furche, die zwischen dem Augapfel und der embryonalen Anlage der Nickhaut eingestülpt ist (vorderer Konjunktivalsack), entspringt (Fig. 14). An reinen Frontalschnitten findet man die betreffende Knospe an der unteren Seite des Aug- apfels. Die Anlage der Nickhaut bildet eine noch wenig vor- springende Falte. In derselben Frontalebene sieht man auch den Schnitt des Tränenganges. Embryo von 7—8 cm. An der Harderschen Drüse erkennt man nun einen relativ langen und unverzweigten Aus- führgang und einen Drüsenkörper. Der letztere ist von der An- lage der Nickhautdrüse und des Nickhautknorpels räumlich getrennt, und zwar nach innen gerichtet, wo er zwischen der Niekhautdrüse, dem Augapfel und der inneren Wand der Orbita seine Lage hat (Fig. 15). Nach unten von der Harderschen Drüse findet man den Muscul. obliquus inferior. Charakteristisch ist noch für diese Drüse, dass sie von einem weiten Blutsinus umgeben ist, in welchem aber feine Trabekel ausgespannt sind. Der Ausführgang verläuft am unteren Rande der Nickhaut, tritt endlich durch dieselbe hindurch und mündet an deren innerer (dem Auge zugewendeter) Fläche. Der Ausführgang zeigt sich an den mehr nach hinten folgenden Frontalschnitten durch die Niekhaut (nach hinten von der Ebene der Fig. 15). Il. Niekhautdrüse. Beim Embryo von etwa 3 cm ver- misst man noch die Anlage dieser Drüse. Beim Embryo von 7—8cm S.-Stl. erweist sich die Nickhaut- drüse als aus einigen gesonderten und getrennt mündenden Anlagen bestehend. Die Zahl derselben kann auf fünf steigen. Ob die Zahl derselben immer dieselbe sei, muss ich dahingestellt lassen, denn es sollte ein grösseres Material untersucht werden. Sahen wir doch in betreff der Tränendrüse derselben Tierart, dass die Zahl der Drüsenanlagen eine wechselnde sein kann, sogar von Seite zu Seite, Die erwähnten Anlagen der Nickhautdrüse liegen über- einander von oben nach unten und verlaufen in der Richtung der Breite der Nickhaut. Die obere (dem oberen Rand der Nickhaut sich nähernde) Anlage scheint die kleinste zu sein. Der Ausführgang der Harderschen Drüse liegt nach unten von der untersten Drüsenanlage der Nickhaut. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 33 490 N. Loewenthal: An jeder Drüsenanlage erkennt man einen schon ausgehöhlten Ausführgang, der an der inneren Nickhautfläche mündet. Im ferneren Verlaufe, eine Strecke weit von der Mündung, ist der Gang mit länglichen, etwa flaschenförmigen Seitensprossen besetzt, und an den vorgeschritteneren Drüsenanlagen teilt sich der Gang in zwei Äste (Teilung erster Ordnung). Jeder von denselben ist seinerseits mit Seitenknospen besetzt. Die Knospen sind häufig in Zweiteilung begriffen. Die Knorpelplatte ist schon angelegt. Es wird wohl nicht überflüssig sein, die Zahl der Drüsen- anlagen der Nickhaut im embryonalen Stadium mit der Zahl der Ausführgänge an der Nickhautdrüse des erwachsenen Tieres zu vergleichen. In meinen älteren Arbeiten ') über diesen Gegenstand habe ich an der erwachsenen Drüse vier Endgänge beschrieben. Miessner (1892) hat die Zahl derselben auf zwei bis drei ge- schätzt. Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich, kann sich diese Drüse aus fünf embryonalen Anlagen zusammensetzen. Rind. Die embryonalen Verhältnisse beim Rind erwecken ein besonderes Interesse, weil man bei dieser Tierart im Zusammen- hange mit der Niekhaut einen abgesonderten Drüsenteil findet, der von Peters als eine Hardersche Drüse gedeutet wurde. Fangen wir mit der Nieckhautdrüse an. 3eim Embryo von 25 mm S.-Stl. ist noch keine Anlage einer Nickhautdrüse zu finden. Embryo von S cm S.-Stl. In diesem Stadium findet man vier getrennte Anlagen der Nickhautdrüse, die aber in der Entwicklung nicht gleich vorgeschritten sind. Wie bei den weiter oben beschriebenen Arten, entspringen die Anlagen der Nickhaut- drüse von dem Konjunktivalepithel, an der inneren Fläche der Nickhautanlage bis zum Grund der Furche, die den Augapfel von der Nickhaut trennt. Die Anlagen folgen sich von oben- vorn nach unten-hinten. Die oberste (auch vorderste) Anlage ist die am wenigsten vorgeschrittene und kann sogar leicht übersehen werden. Sie erscheint als eine kleine solide Epithel- einstülpung, die noch nicht genügend abgeschnürt ist. ", Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., XIII, 1396. Drüsenstudien. 491 Die zweite Anlage ist schon mehr in die Länge gezogen und bildet einen etwas gekrümmten soliden Epithelstrang, der noch keine Verästelungen eingeht. Die dritte Anlage ist noch mehr differenziert und besteht aus einem längeren Gange, der an seinem Endteil eine kleine Anzahl von noch nicht ausgehöhlten Knospen treibt. Die vierte, zugleich die unterste und hinterste Anlage ist auch die grösste; sie erstreckt sich auch am meisten von unten her nach innen-oben, den Augapfel umbiegend. Der dickere Ausführgang mündet nicht im Grunde der Furche zwischen Aug- apfel und Nickhaut, sondern etwas höher oben an der inneren Fläche der letzteren. Der Ausführgang geht einige Teilungen ein (erster Ordnung) und die Ästchen sind mit gestielten Knospen besetzt. Bei der gewählten Schnittrichtung findet man die er- wähnte Drüsenanlage nach unten von der Knorpelanlage, während die anderen zwei Drüsenanlagen oberhalb des Knorpels ihre Lage haben. Ausser den erwähnten Nickhautdrüsenanlagen findet man noch bei demselben Embryo einen FEpithelgang, der nach aussen von der Nickhaut, in der Rinne zwischen derselben und dem unteren Augenlide, mündet. (Derselbe Gang, aber bei einem älteren Fötus, ist in der Fig. 16, bei D, abgebildet.) Der Gang verläuft ferner nach unten und hinten und endet bald blind, so dass die Deutung desselben durchaus rätselhaft bleibt. Dem auseinandergesetzten Sachverhalte gemäss ist es nicht leicht, die Frage zu beantworten, ob die beschriebene unterste Drüsenanlage an der Nickhaut der eigentlichen Harderschen Drüse entspricht oder nicht. Wenn irgend eine von den be- schriebenen Drüsenanlagen der Harderschen Drüse überhaupt entspricht, so kann es nur die unterste sein. Denn sie ist nicht nur die grösste, sondern sie überragt nach innen die übrigen Drüsenanlagen. Man vermisst aber in dem beschriebenen Ent- wicklungsstadium ein sicheres und entscheidendes Merkmal, um diese Möglichkeit als eine Tatsache hinstellen zu können. Der Unterschied in betreff der topographischen Lage der Nickhaut- drüse und der Harderschen Drüse, wie man es z. B. beim Schwein sieht, tritt in dem fraglichen embryonalen Stadium beim Rind bei weitem nicht so klar zutage. Jüngere Stadien, die vielleicht einen wesentlichen Unterschied in betreff des zeitlichen 33* 492 N. Loewenthal: Auftretens der untersten und grössten Drüsenanlage der Nickhaut im Vergleich zu den übrigen zu erkennen ermöglichten, waren mir leider nicht zugänglich. Ich konnte hingegen einen älteren Embryo untersuchen, an welchem man eine befriedigendere Auf- klärung dieser Frage gewinnen kann. Embryo von 14,5 cm totaler Länge. Die Nickhaut hat an Breite und Länge zugenommen; dementsprechend hat auch der Knorpel an Ausdehnung und Dicke zugenommen. Wie aus (Juerschnitten ersichtlich ist, hat man an der Nickhaut zwischen einem freien Randteil und einem basalen tiefen Teil zu unterscheiden (Fig. 16). Der Knorpel und die Nickhautdrüse liegen an dem basalen Teil der Nickhaut und dringen von dort aus in die Tiefe nach unten von dem Augapfel. Wie in dem vorher beschriebenen Stadium, setzt sich die Nickhautdrüse auch jetzt aus vier Anlagen zusammen, die von vorn und oben nach hinten und unten aufeinanderfolgen. Auch hier ist die unterste Drüsenanlage (die vierte) die grösste und am meisten nach innen und hinten sich erstreckende. Von den Verästelungen dieser Drüsenanlagen, und namentlich der dritten, senken sich nur wenige in den Knorpel hinein; die meisten ziehen weiter nach innen und hinten, die Knorpelplatte entlang und gelangen in eine bindegewebige Schicht nach unten von dem Augapfel, wo sie von Gefäßschlingen umsponnen werden. Was die unterste (auch hinterste) Drüsenanlage insbesondere anlangt, so geht ihr Ausführgang durch eine Einkerbung der Knorpelplatte hindurch, um weiter nach innen und hinten zu ziehen. Verfolgt man den vollständig Kanalisierten Gang von seiner Mündung her in der Bucht zwischen Nickhaut und Aug- apfel, so findet man, dass schon eine kurze Strecke weiterhin von dem Gange einige Äste unter spitzen Winkeln sich abzweigen. Dieser Drüsenteil entspricht der knorpeligen Lage der Nickhaut (Drüsenteil I an der Fig. 16). Nur ist der Knorpel in dieser Ebene schon geschwunden; man findet denselben in mehr nach vorn gelegenen Ebenen. Der Ausführgang zieht aber noch weiter nach innen-hinten, um dort in einen noch ansehnlichen Drüsen- teil aufzugehen (Teil II an der Fig. 16). Das Verbindungsstück zwischen beiden Drüsenteilen ist in der Figur nicht zu sehen, weil die letztere nur auf eine Ebene sich bezieht. In den frag- lichen Drüsenteil II dringt auch in den mehr nach vorn fallenden Drüsenstudien. 493 Ebenen kein Knorpel hinein. Dieser Drüsenteil ist ziemlich gut abgegrenzt und von einem reichlich entwickelten Gefässnetze umgeben. Die drüsigen Teile in dieser Region bestehen aus Ästehen, die aus den Verzweigungen des Drüsenganges hervor- gegangen sind. Dieses zum grossen Teil schon ausgehöhlte Gangwerk ist mit beerenförmig oder keulenförmig erweiterten Seiten- und Endknospen besetzt. An denselben sind meist nur Andeutungen eines Lumens wahrzunehmen, oder das Lumen schwindet schon am Eingangsteile der Knospen. Kehren wir nun wieder zur Deutung dieses Drüsenteiles zurück. Wie bekannt, findet man beim erwachsenen Tier am tiefen Fnde des Knorpels der Nickhaut, mit derselben durch Binde- gewebe verbunden, einen kleinen, scheinbar gesonderten und beweglichen Drüsenteil, der nach Peters der Harderschen Drüse entsprechen soll. Diesem Lappen entspricht, demselben Autor zufolge, ein besonderer Ausführgang, und zwar der mittlere, von welchem aus die Drüse injiziert werden kann. Die embryonalen Verhältnisse erweisen in der Tat, dass von den Drüsenanlagen der Nickhaut eine, und zwar die unterste, durch ihre besondere Ausdehnung sich unterscheidet, und dass in einem vorgerückteren Stadium an dieser Anlage zwei Teile zu erkennen sind, von denen der hintere den knorpeligen Teil der Niekhaut besonders weit nach innen und hinten überragt. Ge- wissen Merkmalen gemäss ist dieser Drüsenteil mit der Harder- schen Drüse vergleichbar, wie z. B. die besondere Ausdehnung desselben nach hinten und innen und das Vorkommen in seiner Nähe von einem reichlich entwickelten Gefässnetze. Was die feinere Struktur anlangt, so ist dieselbe in den untersuchten Ent- wicklungsstadien noch nicht genügend differenziert, um einen Entscheid zu erlauben. Es ist aber kaum möglich, die fragliche Drüsenanlage, in ihrer Gesamtheit, als das Homologen der Harderschen Drüse aufzufassen, und zwar aus folgenden Gründen: Vergleicht man die Anordnung dieser Drüsenanlage beim Rindsembryo mit derjenigen der Harderschen Drüse bei anderen Tierarten, wie z. B. beim Schwein, so treten die Unterschiede klar zutage. Wir sehen in letzterem Falle, dass der Gang der Harderschen Drüse keine Zweige an die Nickhaut abgibt 494 N. Loewenthal: und nur in der von der Nickhaut räumlich gesonderten Drüse sich verzweigt. Dasselbe Verhältnis findet man auch beim Kaninchen, wo ebenfalls beide Drüsen vorhanden sind, sowie noch beim Meerschweinchen, bei der Wühlmaus u. a., wenn auch bei diesen letzteren Tierarten keine Nickhautdrüse vorhanden ist. Anders gestalten sich die Verhältnisse beim Rindsembryo. Wir sahen, dass bei demselben der Ausführgang schon ganz in der Nähe der Mündung einige Zweige entsendet, deren Knospen dem Nick- hautknorpel anliegen, wenn auch der Gang noch weiterhin zieht, um in einen besonderen Teil zu enden. Dieser Unterschied lässt sich mit der Deutung der ge- samten fraglichen Drüsenanlage als einer Harderschen Drüse kaum vereinigen. Es bleibt aber noch die Möglichkeit über, dass die frag- liche Drüsenanlage aus der Verschmelzung der Anlagen der Nick- hautdrüse und der Harderschen Drüse entstanden sei. Diese Auffassung scheint dem tatsächlichen Sachverhalte am besten zu entsprechen. Noch auf einen anderen, das erwachsene Tier betreffenden Punkt müssen wir zurückkommen, und namentlich auf die Zahl der Ausführgänge an der erwachsenen Nickhautdrüse. In meinen älteren Mitteilungen schloss ich auf drei an der tiefen Nickhaut- fläche mündende Gänge, während wir nun in embryonalen Stadien vier Anlagen an der Nickhautdrüse erkannt haben, wobei aller- dings der unterste Gang, wenn auch nicht ausschliesslich, für den weiter oben besprochenen gesonderten Drüsenteil bestimmt ist. Schaf. Die erste Anlage der Nickhautdrüse glaube ich in das Stadium von 35 mm S.-Stl. verlegen zu können. Bei einem unter- suchten Embryo waren an der tiefen (inneren) Fläche der Nickhaut zwei bis drei knopfförmige solide Einstülpungen des Epithels zu erkennen, die aber nicht alle gleich gross waren. Die binde- gewebige embryonale Lage unterschied sich an der betreffenden Stelle durch den grösseren Reichtum und dichtere Anordnung der zelligen Elemente. An einem älteren Embryo von 12 cm totaler Länge ge- stalten sich die ansehnlich mehr angewachsenen Anlagen der Nickhautdrüse zu länglichen knotigen Fpithelsträngen, die noch Drüsenstudien. 495 keine Verzweigungen eingehen. Von solchen Strängen erkennt man allerdings zwei längere und einen kürzeren. Vielleicht ist noch eine ganz kleine, knopfförmige Anlage vorhanden. Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen. Betrachten wir zunächst die Drüsen, die dem hinteren Konjunktivalsacke zugeordnet sind, so ergibt sich, dass die Unter- scheidung zwischen einer Gl. infraorbitalis, die der Augenhöhle angehört und einer anderen Infraorbitalis, die in die Mundhöhle mündet — der Infraorbitalis der älteren Anatomen !) — auch aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen völlig berechtigt ist. Die Gl. infraorbitalis, als wahre Augenhöhlendrüse betrachtet, wie wir eine solche bei einer Reihe von Säugetieren, so bei Nagern (Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte, Maus, Wühlmaus), Wiederkäuern (Rind) und Insektivoren (Igel) finden, entwickelt sich in der Tat als eine Einstülpung des Epithels an der unteren Hälfte des hinteren (äusseren) Konjunktivalsackes. Solcher Ein- stülpungen findet man beim Kaninchen nur eine, beim Rind eine bis zwei. Die Einstülpung hat im Anfange kein Lumen. Das- selbe bildet sich nur später und zwar von der Mündung aus. Die Einstülpung geht ferner eine Reihe von Umbildungen ein, die in ihren Hauptzügen denjenigen, die man an den Drüsen von tubulo-acinösem Typus überhaupt kennt, ähnlich sind. Das Gang- werk, welches aus der Verästelung der primären Einstülpung ent- steht, gestaltet sich zu einer Reihe von verzweigten Strängen, die sich zu Röhren aushöhlen, während die Seiten- und End- knospen eine beerenförmige oder keulenförmige Gestaltung haben. Es hat sich ferner herausgestellt, dass in betreff der Infra- orbitalis einige bemerkenswerte Modalitäten vorkommen. Die Anlage dieser Drüse kann direkt von dem Konjunktival- epithel entspringen, wie beim Kaninchen und Rind. Für das Kaninchen konnte festgestellt werden, dass die Anlage der Infra- orbitalis sogar etwas früher entsteht, als diejenige der Tränen- drüse; auch ist sie von Anfang an grösser als die letztere. Doch ') Auch in dem neuesten Handbuch der vergleichenden mikroskop. Anatomie der Haustiere von Prof. W. Ellenberger (1911, Band IN) ist unter den Benennungen Gl. infraorbitalis, orbitalis und zygomatica nur die buccale Infraorbitalis verstanden. 496 N. Loewenthal: will ich diesen Befund durchaus nicht verallgemeinern, indem mir geeignete, auf andere Tierarten sich beziehende Entwicklungs- stadien nicht zugänglich waren. Beim Rind, im Gegenteil, über- trifft die Anlage der Tränendrüse diejenige der Infraorbitalis. Eine bemerkenswerte Abweichung in betreff der Beziehungen der Infraorbitalis zu der Tränendrüse findet man beim Meer- schweinchen. Die Anlage der Infraorbitalis ist zwar im Anfange getrennt von der viel kleineren Anlage der Lacrymalis in den distalen Teilen: die beiden Anlagen verschmelzen aber bei der Mündung, so dass schliesslich ein einziger gemeinschaftlicher Gang entsteht. Wir haben hier ein Beispiel der Verschmelzung im Laufe der embryonalen Entwicklung von zwei Drüsenanlagen zu einer gemeinschaftlichen Drüse. Bei anderen Arten entspringt die Infraorbitalis nicht direkt von dem Konjunktivalepithel, sondern sie schnürt sich von dem Gange einer anderen Drüse ab, der äusseren Orbitaldrüse, die bei der Ohrspeicheldrüse ihre Lage hat. Diese Verhältnisse finden wir gewiss bei der Maus und der Wühlmaus, bei welchen Arten wir die betreffenden Entwicklungsstadien untersuchen konnten (weisse Maus von 20 mm S.-Stl.. Wühlmaus von 26,5 mm). Höchstwahrscheinlich gilt dieser Schluss auch für die Ratte, doch waren mir von dieser Art keine embryonalen Stadien zu- gänglich. Nur eins können wir behaupten, bei dem neugeborenen, sowie bei dem erwachsenen Tier münden beide Drüsen mit einem gemeinschaftlichen Gange. Die äussere Orbitaldrüse ist somit eine Drüse, deren erste Entwicklung in eine frühere embryonale Periode fällt, als die- jenige der Infraorbitalis. Und es kommt ferner die Tatsache hinzu, dass denselben Arten, sowohl im erwachsenen als im embryonalen Zustande, die eigentliche Tränendrüse fehlt; es war wenigstens von derselben bei Ratte, Maus und Wühlmaus nichts zu finden. In dem neueren Lehrbuche der Histologie von Professor N. Kultschitzky') finden wir die Angabe, dass auch die Gattung Spalax mit einer Gland. lacrymalis praeparotidea ver- sehen ist. Augenscheinlich entspricht diese Drüse unserer Glandula orbitalis externa (oder Nebenohrspeicheldrüse). !) Grundriss der Histologie (russisch), 1909. Charkow. Drüsenstudien. 49T Die schon in meiner ersten Mitteilung über die Infraorbi- talis') geäusserte Folgerung, dass nämlich die Drüsen der Augen- höhle einer Revision bedürfen, findet somit ihre volle Berechtigung. Die Untersuchungen in dieser Richtung haben zur Aufdeckung von zwei neuen Drüsen geführt, der Gl. infraorbitalis, als Augen- höhlendrüse angesehen (von Lor°) „glande lacrymale inferieure“, untere Lacrymalis, benannt), und der Gl. orbitalis externa (s. adparotidea). (sehen wir nun zu der anderen Drüsengruppe über, zu der- jenigen nämlich. die dem vorderen (inneren) Konjunktivalsacke zugeordnet ist. Die Hardersche Drüse ist nach den Speicheldrüsen eine von den Drüsen, deren erste Anlage in einer verhältnismässig frühen embryonalen Periode auftritt: Beim Schwein ist diese Drüsenanlage im Stadium von etwa 30 mm S.-Stl. zu erkennen; beim Kaninchen an Embryonen von 17 mm. Beim Meer- schweinchenembryo von 18 mm ist die Anlage der Harderschen Drüse schon nicht in der einfachsten Entwickelungsstufe; die allererste Anlage derselben fällt somit in ein noch früheres Zeit- alter. Bei der weissen Maus von 20 mm (S.-Stl.), bei der Wühl- maus von 29,5 mm findet man die Hardersche Drüse schon in einem vorgeschritteneren Stadium (Verästelungen und Knospungen ). Bei allen zur Untersuchung gelangten Arten sieht man die Hardersche Drüse aus einer einzigen embryonalen Anlage hervorgehen, dementsprechend mündet diese Drüse im erwachsenen Zustande bei denselben Arten mit einem einzigen Gange. (Maus, Wühlmaus, Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Schwein und Igel.) Die erste Anlage der Harderschen Drüse erscheint als eine am Konjunktivalepithel sich einstülpende Knospe ohne Lichtung (allerdings beim Kaninchen und Schwein, wo die jüngsten Stadien beobachtet werden konnten). Die Aushöhlung schreitet von der Mündungsstelle her. Bei der Wühlmaus zeichnet sich der Gang der embryonalen Drüse durch seine besondere Weite aus. Es ist gewiss nicht ohne Interesse, das zeitliche Auftreten der Harderschen Drüse mit demjenigen der Drüsen am hinteren !, Zur Kenntnis der Gl. infraorbitalis einiger Säugetiere in: Anatom. Anzeiger X, 1894. :) Notes anatomiques sur les glandes de l’orbite in: Journal de l’Anat. et d.l. Physiol. 1898. 498 N. Loewenthal: Konjunktivalsack zu vergleichen. Das Material, das mir zugänglich war, war leider etwas zu spärlich, um diese Frage in befriedigender Weise beantworten zu können. Im Vergleich zuerst zu der Gl. infraorbitalis schreitet die Entwicklung der Harderschen Drüse entschieden voran bei der weissen Maus und der Wühlmaus. Im Zeitalter, als die Infra- orbitalis noch als eine einfache Knospe ohne Lichtung erscheint, (z. B. in der Fig. 11), findet man in der Harderschen Drüse bei demselben Embryo schon Verästelungen allerdings zweiter Ordnung. Beim Kaninchen sind die Verhältnisse nicht so klar. Dem weiter oben Beschriebenen gemäss, scheint ein wesentlicher Unterschied in betreff des Zeitalters der ersten Bildung der An- lagen der genannten Drüsen bei dieser Tierart nicht zu bestehen. Beim Embryo von 17 mm S.-Stl. sind beide Anlagen vorhanden. Vergleicht man den Zustand der Drüsen in einem vorgerückteren Stadium, z. B. beim Kaninchenembryo von 29 mm, so scheint die Hardersche Drüse etwas mehr ausgebildet zu sein, als die Infra- orbitalis, wie man es aus den Fig. 5 und 6 einerseits (Entwicklung der Infraorbitalis) und der Fig. 15 andererseits (Hardersche Drüse) ersieht; denn die Anlage der Harderschen Drüse ist schon in Teilung begriffen, während diejenige der Infraorbitalis noch einfach ist. Beim Meerschweinchen sind beide Anlagen beim Embryo von 18 mm vorhanden; die Anlage der Harderschen Drüse scheint aber voluminöser zu sein, als diejenige der Infraorbitalis. Jüngere Stadien waren mir aber nicht zugänglich. Im Vergleich zu der Entwicklungszeit der Tränendrüse findet man, dass beim Kaninchenembryo von 17—-18 mm die Anlage der Harderschen Drüse, in den untersuchten Fällen wenigstens, schon erkannt werden konnte; während die Anlage der Tränendrüse bald schon zu erkennen war, bald noch nicht. Beim Meerschweinchenembryo von IS mm S.-Stl. war die Anlage der Harderschen Drüse nicht nur grösser, sondern auch etwas mehr vorgeschritten, als diejenige der Lacrymalis. Beim Schweinsembryo von etwa 3 cm S.-stl. war die Anlage der Harderschen Drüse schon zu erkennen (Fig. 14), während diejenige der Tränendrüse noch nicht aufzufinden war. Die Bildung der Harderschen Drüse scheint hier derjenigen der Lacrymalis vorauszugehen. Drüsenstudien. 499 Die Niekhautdrüse, endlich, entwickelt sich später als die Hardersche bei den Arten, die mit diesen beiden Drüsen ausgestattet sind, wie beim Kaninchen und beim Schwein. Die Niekhautdrüse bildet sich auf Kosten von einigen embryonalen Anlagen nicht nur bei den soeben erwähnten Arten, sondern auch beim Kalb und Schaf. Die Zahl derselben kann beim Schwein auf fünf, beim Rind auf vier steigen. Die Existenz einer durchaus getrennten Harderschen Drüse beim Rind können wir aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen kaum annehmen. Eine Anlage, wie wir eine solche z. B. beim Schwein finden, vermissen wir beim Rind. Der Gang, der zu dem hintersten Drüsensegmente gelangt, gibt auch Zweige an die Nickhautdrüse ab. Die sogenannte Hardersche Drüse des Rindes könnte somit kaum anders, als einer vereinigten Anlage von Niekhautdrüse und Harderscher Drüse entsprechen. Aus den beschriebenen entwicklungsgeschichtlichen Be- funden ergeben sich noch einige Schlüsse in betreff der Drüsen- entwicklung im allgemeinen. Wir sehen zuerst, dass es angemessen erscheint, zwischen zusammengesetzten Drüsen, die aus einer einzelnen embryonalen Anlage entstehen, und Drüsen, die aus einigen oder mehreren Anlagen sich zusammensetzen, zu unterscheiden. So sehen wir, dass die äussere Orbitaldrüse und die Hardersche Drüse, wie noch die Infraorbitalis des Kaninchens und des Meerschweinchens, aus einer einzigen embryonalen Anlage entstehen, während die Tränendrüse und die Nickhautdrüse bei vielen Arten auf Kosten von einigen oder mehreren isoliert auftretenden Anlagen sich bilden. Es wird daher nicht überflüssig sein, diesen entwicklungs- geschichtlichen Unterschieden Rechnung zu tragen und dieselben in geeigneten Benennungen auszudrücken. Man kennt allerdings die Benennung „conglomerierte“ Drüsen, doch liegt bis jetzt dieser Benennung kein entwicklungsgeschichtliches Kriterium zu- grunde. Die Autoren, die diese Benennung in der neueren Zeit besonders hervorgehoben haben, wie z.B. Renaut, der die adenologische Terminologie von Malpighi besonders in Vorder- grund bringt („Glandulae conglomeratae“, glandes conglomerees), gebrauchen aber diesen Ausdruck nur im Sinne eines Drüsentypus, der sich aus Drüsenkörnern und Drüsenläppchen verschiedener 300 N. Loewenthal: Ordnung zusammensetzt, im Sinne also einer zusammengesetzten Drüse. So lesen wir bei Renaut:!) „Lorsque les glandes aci- neuses conglomerent, pour former une glande composce d’un grand nombre de sacs scereteurs dont le produit de la sceretion doit etre deverse sur un point unique d’une muqueuse, on voit apparaitre les canaux diftereneies et arborises qui sont caracte- ristiques de la glande rac&meuse ou en grappe proprement dite“. Ein neuer und zwar entwicklungsgeschichtlicher, auf die Ent- stehung aus einer einzigen, oder aus mehreren embryonalen An- lagen fussender Begriff ist darin noch nicht enthalten. Renaut betont sogar den Umstand, dass in den conglomerierten Drüsen die Drüsenabsonderung an einem einzigen Punkt der Schleimhaut- oberfläche ausgeschieden wird: folglich handelt es sich um zu- sammengesetzte Drüsen, die mit einem einzigen Gange münden. Man könnte aber auch in vielleicht zutreffenderer Weise die ältere Benennung von conglomerierten Drüsen in einem engeren Sinne gebrauchen, und zwar um Drüsen, die sich auf Kosten von mehreren embryonalen Anlagen aufbauen, zu bezeichnen. Es ist dabei noch zu bemerken, dass dieselbe Drüse, die bei mehreren Arten aus einigen embryonalen Anlagen entsteht, bei anderen Arten aus nur einer einzigen Anlage entstehen kann. Ein solches Beispiel finden wir an der Tränendrüse. Die Augenhöhlendrüsen bieten uns ferner ein merkwürdiges Beispiel von vorkommender Konfluenz im Laufe der Entwicklung der Gänge von sonst, bei anderen Tierarten, getrennt mündenden Drüsen zu einem gemeinschaftlichen Gange, wie wir es für die Tränendrüse und die Infraorbitalis beim Meerschweinchen finden. Wie seltsam dieses Verhältnis auch erscheinen mag, handelt es sich um eine durchaus sichergestellte Tatsache. An den Augenhöhlendrüsen finden wir ferner noch einen anderen nicht minder bemerkenswerten Vorgang, dass nämlich von zwei nicht nur räumlich getrennten, sondern sogar weit von- einander entfernt liegenden Drüsen die eine Drüse vom Gange der anderen durch Ausstülpung und Knospung sich bildet. Ein Beispiel bieten uns die äussere Orbitaldrüse und die Infraorbitalis der weissen Maus und der Wühlmaus. ') Renaut. Traite d’Histologie pratique, T. II, Fasc. I, 1897, p. 110. Drüsenstudien. : 501 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV u. XXV. Die Fig. 1—6 beziehen sich auf die Entwicklung der Infraorbitalis und der Tränendrüse beim Kaninchen. Die Drüsenanlagen ausgenommen, sind von den anderen Teilen nur die Konturen eingezeichnet. Fig. 1 und 2. Zwei aufeinanderfolgende Sagittalschnitte durch die Augen- höhle von einem Embryo von 16 mm S8.-Stl. Fig. 3 und 4. Ebensolche Schnitte von einem Embryo von 17 mm. (remein- schaftliche Bezeichnungen: G.1l. = Tränendrüse; G. infr. — Gl. infraorbitalis; St. c. = Bindegewebige Anlage der zuletztgenannten Drüse; V. = Gefässe; P. s. und P. i. — Oberes und unteres Augen- lid; F. p. = Anlagen der Haarbälge; Oc. — Auge; L. = Linse. Fig. 5 und 6. Dieselben Drüsenanlagen auf Frontalschnitten durch einen Embryo von 29,5 mm S.-Stl. Die Ebene der Fig. 6 fällt etwas mehr nach hinten. Gemeinsame Bezeichnungen: @.1., G. infr., St. c., Oe. und V. wie oben. S.c.p. — Hinterster Teil des Konjunktival- sackes; D. — Gang der Infraorbitalis. In der Fig. 6 sieht man die Verbindung des Ganges mit dem Drüsenkörper. F. = Furche, die der Verlängerung des hinteren Augenwinkels entspricht; M. oc. = Augenmuskeln; Car. OÖ. — Knorpelige obere Wand der Augenhöhle; M. inf. — Unterkiefer samt den umgebenden Muskeln; Cut. —= Hautschicht. Die Fig. ”—10 beziehen sich auf die Entwicklung der Infraorbitalis und der Tränendrüse beim Meerschweinchen. Fig. 7, 7a und 7b. Nach Frontalschnitten durch einen Embryo von 18 mm S.-Stl. G.1. und G. infr. wie in den vorigen Figuren. Fig. 8. Aus einem Frontalschnitte durch einen Embryo von 44 mm S8.-Stl. nach hinten von dem hinteren Augenwinkel. D. L. — Infr. = An- einanderhaftende Gänge der Anlage der Tränendrüse und derjenigen der Infraorbitalis etwas nach hinten von deren Mündung am hinteren Konjunktivalsacke; G. infr. — Teilschnitt der Gl. infraorbitalis (vergl. die folgende Figur); Oc. — Hinterer Teil des Augapfels; Os. Or. = In Entwicklung begriffene knöcherne obere und mediale Wand der Augenhöhle; L.o.e. —= Ligamentum orbitale externum (vergl. Fig. 9); St. m. — Muskelschicht an der tiefen Seite der Hautdecke; Cut. = Hautschicht und die Anlagen anderer Haut- teile; V. = Gefässe; F. — Furche, die den hinteren Augenwinkel nach hinten fortsetzt. Fig. 9. Aus einem Frontalschnitte durch denselben Embryo, noch mehr nach hinten. D.1. — Gang der Tränendrüse; D. infr. = Gang der Infraorbitalis; G. infr. — Drüsenkörper der Gl. infraorbitalis; Art.t.m. — Unterkiefergelenk. Fig. 10. Teil eines Frontalschnittes durch den hinteren Teil des Konjunk- tivalsackes. Meerschweinchenfötus von 17 cm totaler Länge. S. c.p. = Hinterer Teil des Konjunktivalsackes; D. — Gemein- samer Gang der Infraorbitalis und der Tränendrüse; Gl. p. = Ver- N. Loewenthal: zweigte palpebrale Drüsen oberhalb und unterhalb der Ebene der hinteren Lidkommissur; F. wie in Fig. 8; St.m. — Muskelschicht an der tiefen Hautlage. Die Fig. 11 und 12 beziehen sich auf die Entwicklung der Gl. infra- orbitalis und der äusseren Orbitaldrüse bei der weissen Maus. Embryo von 20 mm $8.-Stl. Sagittalschnitte. Bio allt Fig. 12. - Bıosnld. G.infr. — Anlage der Infraorbitalis als Seitenknospe des Ganges der Gl. orbitalis externa; Oc. und L. — Auge und Linse; Ps. und Pi. = Oberes und unteres Augenlid: Os. Or. — In Verknöcherung begriffene äussere Wand der Augenhöhle; A. z. — Arcus zygo- maticus; M. = Muskel. Der Oberfläche nahe gelegene Sagittalebene im Bereiche der Ohr- speicheldrüse, der äusseren Orbitaldrüse und des äusseren Ohrganges. Gl. p. = Ohrspeicheldrüse; Gl. orb. e. — Äussere Orbitaldrüse, nach oben von der vorigen; D. — Ausführgang derselben, der am hinteren Teil des Konjunktivalsackes mündet; A. e. = Wurzelgegend des äusseren Ohres; M. = Muskeln nach vorn von dem äusseren Ohre; Cut. = Hautschicht (stark gefaltet); St. m. = Muskelschicht an der tiefen Lage der Haut; L. ad. = Fettläppchen. Zur Entwicklung der Harderschen Drüse beim Kaninchenembryo von 29,5 mm 8.-Stl. Teil eines Frontalschnittes durch den vorderen Teil der Augenhöhle. Gl. H. = Anlage der Harderschen Drüse; D. — Gang derselben; St.c. = Bindegewebige Anlage derselben und Gefässnetz (nach aussen); N. = Nickhaut; P.s. und P.i. = Oberes und unteres Augenlid; D.n. 1. = Tränengang; Oc. — Aug- apfel; M.o.i. und M. o.s. — Muse. obliquus super. und obl. infer.; Car. — Knorpelige obere und innere Wand der Augenhöhle; Os. — In Verknöcherung begriffener Teil derselben. Die Fig. 14 und 15 beziehen sich auf die Entwicklung der Harder- schen und der Nickhautdrüse beim Schwein. Fig. 14. Teil eines Frontalschnittes durch die vordere Region der Augen- höhle. Schweinsembryo von etwa 30 mm S.-Stl. Gl. Hrd. = Anlage der Harderschen Drüse; N. = Anlage der Nickhaut; Oc. = Vorderster Teil des Augapfels; P. s. und P. i. — Oberes und unteres Augenlid; Oar. und Os. = Knorpel und Knochen (in Entwicklung begriffen) am Schädel; Cav.nas. — Teile der Nasenhöhle; M. — Muskel. Teil eines Frontalschnittes durch die vordere Region der Augen- höhle. Schweinsfötus von etwa 8 cm S.-Stl. Gl.H. — Hardersche Drüse samt dem umgebenden Blutsinus; Gl. nic. — Anlage der Nickhautdrüse. Von den drei sichtbaren Anlagen ist nur die mittlere bei der Mündung getroffen. N. — Nickhaut; Car. N. — Anlage des Knorpels der Niekhaut; P.s. und P.i. — Oberes und unteres Augenlid (zusammengeklebt); St. m. = Muskelschicht der- selben; D.n.1l. = Tränengang; Oc. wie in den vorigen Figuren; M. ob. s. und M. o. i. = Oberer und unterer Muse. obliquus; Os. — Knöcherne obere Wand der Augenhöhle. Fig. 16. Drüsenstudien. 503 Zur Entwicklung der Niekhautdrüse bei einem Rindsembryo von 14,5 cm totaler Länge. N. — Nickhaut (freier Teil); P.i. = Innerer anschliessender Teil des unteren Augenlides; ©. = Hornhaut; Pr.c. = Ciliarfortsätze; Scl. — Sclera; Gl.n. = Nickhautdrüse. Man sieht insbesondere die hinterste (vierte) Anlage derselben und deren zwei Abteilungen I und II. Der Teil I enthält den Ausführ- gang und einige Seitenäste desselben. Der Teil II ist von Gefäss- schnitten (V) umgeben. D. = Epithelgang von unbekannter Herkuntt (näheres im Text). 504 Über das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. Ein zweiter Beitrag zur Stammesgeschichte der Arachnoiden. Von B. Haller. Hierzu Tafel XXVI und 3 Textfiguren. In einer unlängst im selben Bande dieses Archivs erschienenen Abhandlung (4) zeigte ich, dass die Atmungsorgane, speziell die sogenannten Lungen der Arachnoiden nicht wie die Ray- Lankestersche Theorie (7) verlangt, von den Kiemen des Limulus ableitbar seien, sondern dass vielmehr jene Organe aus Tracheenbüscheln sich entfaltet haben, wie dies schon Leuckart behauptet hatte. Soweit habe ich mit anderen die Berechtigung der Ableitung der Arachnoiden von Xyphosuren abgesprochen. Doch obgleich bei der Beurteilung phyletischer Fragen der Arach- noiden die Atmungsorgane in erster Linie dazu berufen sind, ein entscheidendes Wort abzugeben, müssen daneben auch andere Organsysteme in Betracht kommen. Dies war ja schon Ray- Lankester (8) in seiner zweiten diesbezüglichen Abhandlung klar, obgleich in jener Schrift Konvergentes phyletische Bewertung erfuhr. Seit Viallanes (9) wissen wir, dass die pilzhutförmigen Körper, die Globuli, im Cerebralganglion bei Limulus eine so hohe Entfaltung erfahren haben, ein so mächtiges Faltensystem darstellen. wie sie unter den Gliedertieren, bei denen sie sich eben finden, selbst denjenigen unter ihnen, welche die höchste Entfaltung dieser Hirnteile infolge ihrer hohen Intelligenz erfahren haben, den Hymenopteren und unter diesen selbst bei der Hornisse nicht erreicht ist. Sollte also jene Verwandtschaft zwischen Limulus und den Skorpionen — trotz des Gegenbeweises durch das Verhalten der Atmungsorgane — doch bestehen, so müssten letztere entweder eine gleich hohe Entfaltung ihrer Globuli aufweisen wie Limulus, oder im Falle bei den Skorpionen irgend aus einem Grunde ein Rückbildungsprozess jener Hirnteile eingetreten wäre, müssten hierfür die Strukturverhältnisse einstehen. Für einen solchen Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 505 tückbildungsprozess liegt allerdings gar kein Grund vor, denn wo bei Tracheaten oder Branchiaten ein Rücktritt der Globuli sich zeigt, handelt es sich stets um die Folgen starken Parasitismus ihrer Träger, oder um die Kompensation durch die mächtig ent- falteten Komplexaugen und ihrer Ganglien. Es müsste also bei dieser Fragestellung gezeigt werden, dass entweder die Skorpione einen diesbezüglichen Rückbildungs- weg durchmachten, oder sie bezüglich der Entfaltung der Globuli dem Limulus mehr oder weniger gleichgestellt sind. Es könnte ja dann dieser Prozess sich auf Skorpione beschränken (?) und würden dann Araneen bezüglich der Globuli immerhin noch eine hohe Stellung einnehmen. Es war somit diese Fragestellung, welche vorliegende kleine Schrift veranlasste, allein bei der grossen Unkenntnis der ge- samten Verhältnisse des Zentralnervensystems der höheren Arach- noiden — denn ausser der Beschreibung Börners über jenes der Pedipalpen (1) und die recht kurze Janecks (5) über jenes der Spinnen, ist in der Literatur nichts vorhanden — war es geboten, auch das gesamte Zentralnervensystem einigermassen zu berück- sichtigen. Dabei lag es mir fern, eine ausführliche Verfolgung dieses Themas vorzunehmen. Für die Spinnen begnügte ich mich fast ausschliesslich mit den Verhältnissen der grosses Material bietenden Kreuzspinne, da ja das Zentralnervensystem unter den Spinnen doch nur untergeordnete, ganz unwesentliche Unterschiede aufweist. Von Skorpionen untersuchte ich aus gleichem Grunde — und da mir auch kein weiteres Material zur Verfügung stand — Scorpio europaeus. Dabei musste in beiden Fällen der Topographie halber das (Grefässsystem einigermassen berücksichtigt werden. A. Scorpio europaeus. Bekanntlich besteht das Zentralnervensystem des Skorpions aus einem konzentrierten Abschnitt im cephalothorakalen Teil des Körpers, der aus fünf miteinander engverschmolzenen Gang- lienpaaren, entsprechend den fünf Beinpaaren (Kieferfuss mit- gerechnet) und dem Supraösophagealganglion oder dem Gehirn besteht. Das Bauchmark verlängert sich dann als Ganglienkette in das Abdomen; dieser Teil des Zentralnervensystems bleibt in vorliegender Schrift unberücksichtigt. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1. 34 506 B. Haller: Die beiden Cerebralganglien (Textfig. 1 A, Cg) sind zwar dorsalwärts gewölbt, so dass die Paarigkeit des Gehirns sofort erkenntlich ist, allein die beiden Hälften sind medianwärts miteinander so eng verwachsen, dass eine (Querverbindung unter ihnen äusserlich nicht erkenntlich ist (Textfig. 2). Sie sind jedes für sich mit dem Bauchmark (Textfig. 1 A, bm) eng verbunden, so den Ösophagus umgreifend, doch ist auch diese Verbindung keine rein kommissurale mehr, da sie bei der grossen Konzentration des vorderen Abschnitts vom Zentralnervensystem, von einer viel- schichtigen Ganglienzellage überzogen ist. An dem oralwärtigen Teil dieser Verbindung zeigt sich eine gangliöse Verdickung (g), aus der ein starker Nerv entspringt, welcher in senkrechter Lage am oralen Rande des Gehirns jederseits hinaufzieht, um sich dann am dorsalen Rande des Gehirns in zwei Äste zu teilen. Der eine (on) Ast gelangt in die Oberlippe, wie das periphere Verhalten dieses Nervens schon Newport (6) richtig dar- Big:zl. Scorpio europaeus. A. Das cephalothorakale Zentralnervensystem von der rechten Seite, samt dem Darm (d) und seinem Blutgefässsystem. ao = Aorta, dg == Dorsalgefäss des Gehirns ; da = dorsale Arterie ; Cg— Cerabralganglion ; opm — Optici der Medianaugen ; opl = desgleichen der Lateralaugen ; on —= Öber- lippennerv; g == dessen Ganglion; bm== vorderes, bm’— ein Teil des hinteren Bauchmarkes:; kfn = Kieferfussnerv ; 1—4 — die Nerven der vier übrigen Bein- paare. B. Querschnitt durch das vordere Bauchmark (bm), um das Verhalten der Dorsalarterie zu zeigen. d— Darm; ao — Aorta. Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 50T gestellt hatte, der andere ist der Nerv der Seitenaugen (op. ]). Dieser letzte Nerv entspringt indessen, wie wir bei der Spinne sehen werden, nicht aus jenem (Granglion (g), dieses gehört viel- mehr nur dem Öberlippennerv an, sondern aus der lateralen Hälfte des Gehirns. Verglichen mit den Tracheaten wäre der Oberlippennerv der Lage seines Ganglions nach mit dem An- tennalnerven gleichstellbar. Aus dem dorsalen Teil des Cerebralganglions entspringt bloss der Opticus der Mittelaugen, welche somit mit den Ocelli der Tracheaten homolog sind. Der Nerv teilt sich alsbald in einen vorderen (op. m) und einen hinteren Ast (op. m‘). Das somit eng mit dem Gehirn verbundene Bauchmark (bm) beginnt mit einem mächtigen, nach oralwärts zu gerichteten, seinem freien Ende zu zuspitzenden Ganglion, aus dem der Kieferfussnerv an seinem zugespitzten Ende hervorgeht (kfn). Es ist dies das erste Bauchmarksganglion, jenes des Kieferfusses. Mit ihm unkenntlich verwachsen ist das zweite Bauchmarksganglion, aus dem der Nerv (1) des ersten Schreitfusses heraustritt. Die anderen drei Ganglien, die der übrigen Schreitfüsse (2—4), sind zwar mit dem des ersten Schreitfusses sowie unter sich ja auch eng ver- wachsen, doch jedesmal durch laterale Eindrücke einander gegen- über begrenzt. Aus dem hinteren Ende des letzten Ganglions (4) setzt sich das übrige Bauchmark, jenes des Abdomens (bm’) fort. Die beiden Seitenhälften des cephalothorakalen Bauchmarkes sind miteinander bis zur Unkenntlichkeit ihrer Grenzen von aussen verwachsen und nur ventralwärts findet sich zwischen den beiden Hälften eine ganz flache Längsrinne (Fig. 1 B, bm), in welcher die Bauchmarksvene verläuft. Auf der dorsalen Fläche des cephalothorakalen Bauchmarkes, dieselbe fast ganz zudeckend, befindet sich die Bauchmarksarterie (Textfig. 1. da). Sie gibt in jede gangliöse Verdickung dieses Bauchmarksabschnittes, und somit auch für jene des Kieferfusses, je zwei laterale und einen medianen Ast ab (B). Diese verzweigen sich im Bauchmark und bilden dort ein weites grobes Gefässnetz, das sich mit Ästen der ventralwärts gelegenen Bauchmarksvene verbindet. Somit befindet sich im Bauchmarke des Skorpions, wie auch in jenem derjenigen Spinnen, die keinen tracheesierten Öephalothorax haben (4), ein in gewissem Grade geschlossenes (refässsystem, dessen Wände freilich durchlöchert sein werden. 34* 508 Be Harlem: Ein ventraler Ast der Aorta (A. ao) gabelt sich dem Darme fest aufliegend über dem cephalothorakalen Bauchmark in zwei Äste, von denen jeder lateral am Darme herabziehend, sich hinter den Üerebralganglien auffallend erweitert (Textfig. 1 A,; 3 da). Aus jeder dieser Erweiterungen, die nach unten zum Bauchmark ziehen, um dort sich zur beschriebenen Bauchmarksarterie zu vereinigen, geht ein unterer Ast von hinten in das jederseitige Cerebralganglion (Textfig. 3). Ein oberer Ast zieht am hinteren Rande jedes Cerebralganglions nach oben, etwas mit dem ander- seitigen Aste medianwärts zu konvergierend. Angelangt auf der dorsalen Seite des (Gehirns, vereinigen sich die beiderseitigen Äste und dieser unpaare Ast (dg), an der medianen Grenze der beiden Gehirnhälften gelegen (Textfig. 2, dg), stellt die dorsale (sehirnarterie vor. = day Fu SEIEESGESERIN VE = S & EN 2 Seorpio europ. Querschnitt durch das Gehirn, die beiden vorderen Globuli vpk treffend; dg — Dorsalarterie ; opm — Opticus der Medianaugen: d = Darm, r = laterale Ganglienzellage. Hier möchte ich nun einiges über den Bau des Gehirns mitteilen, da es uns ja in erster Linie hier auf das Verhalten der Globuli oder pilzhutförmigen Körper ankommt. Die ganze Ganglienzellage des Gehirns besteht aus gleich- grossen kleinen Zellen (Textfigg. 2, 3), unter denen sich keine grossen Elemente befinden, wie in dem Bauchmarke die grossen Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 509 motorischen Zellen es sind. Von dieser Struktur machen nur je zwei Stellen in jeder Gehirnhälfte eine Ausnahme. Es sind das je zwei ovale Stellen (auf Textfig. 1 A eingezeichnet) auf der dorsalen Seite jeder Gehirnhälfte, hinter dem Nerven der Scheitel- augen. Diese hintereinander gelegenen Stellen berühren sich nicht. Wie ich noch nachträglich erwähnen will, ist die dorsale Fläche jeder der beiden Gehirnhälften nicht etwa eine der dorsalen Körperoberfläche parallele, sondern ein von vorne nach hinten und unten zu geneigte, wobei in der Längsmitte eine (Quermulde sich befindet (Textfig. 3). Durch letztere wird jede Gehirnhälfte in ein vorderes und ein hinteres Stück abgeteilt. Das vordere Stück ist das grössere und endet in einen nach vorne zu gerichteten Hügel, den Apex. Jene zwei Stellen nun in jeder Gehirnhälfte, die ich als verschieden von der übrigen Ganglienzellenrinde gebaut be- schrieben habe, liegen nun so, dass die vordere in der hinteren Hälfte des vorderen Hirnabschnittes (Fig. 3, vpk), die hintere (hpk) in der vorderen des hinteren Hirnabschnittes Platz findet. Median- wärts berühren sich die Paare dieser Stellen nicht, sondern liegt auch zwischen dem vorderen Paar (Textfig. 2, vpk), eine nach innen zu vorspringende Zellenlage der Ganglienzellrinde, über welcher die dorsale Gehirnarterie (de) hinwegzieht. Die bezeichneten Stellen sind linsenförmig und bestehen aus kleineren Ganglienzellen als die übrige Hirnrinde und ihre Kerne färben sich intensiver, denn während die des übrigen (Gehirns sich mit Alaunkarmin nur dunkelrosa färben, werden diese Zellenkerne tief rotviolett. Es sind kompakte Zellmassen, ohne dass diese Nerven- kerne in ihrer Mitte Faserwerk als Markmasse auf- weisen würden, denn eine solche fehlt ihnen vollständig. Es sind diese Kerne die pilzhutförmigen Körper oder Globuli der Skorpione. Dies geht schon daraus hervor, dass sie gerade so wie jene der übrigen Arthropoden je einen nervenfaserigen Stiel (Textfig. 3 st, st‘) in das Innere des Gehirns entsenden. Es besitzt somit der Skorpion vier Globuli in seinem Gehirn, ein vorderes und ein hinteres Paar, doch stehen diese Globuli auf einer sehr niedrigen Stufe ihrer Ent- faltung, sie haben sich eben geschieden aus der übrigen Hirnrinde und sind bezüglich ihrer Ent- 510 B. Haller: faltung auf etwa gleicher Stufe mit jenen der Myria- poden, wie ich sie seinerzeit beschrieb (2), wenngleich eine dorsale Lage auch schon errungen wurde. Sie besitzen gleich wie Fig. 3. Scorpio europ. Sagittalschnitt durch das Gehirn, die beiden Globuli (vpk, hpk) treffend. st‘ = deren vorderer und hinterer Stiel; ve — vordere, he = hintere Kommissur; da = dorsale Bauchmarkarterie, d = Darm; bm — Bauchmark. jene der Myriapoden noch keine Markmasse, und es konnte infolge ihrer geringen Ausdehnung auch zu keinen Faltungen in ihnen kommen. B. Spinne. Über das Zentralnervensystem der Spinnen, deren äussere Form als stark konzentriert schon von altersher bekannt ist, besitzen wir nur eine kurze Mitteilung von Janeck (5). Nach diesem Autor „sind an dem Gehirne vorn zwei Vor- wölbungen, die den Cheliceren zukommen, darüber liegen die breit bis zu den vier grossen Stirnaugen vorspringenden Sehlappen.“ 3esondere Strukturen hat in der Ganglienschichte Janeck nicht gefunden, „mit Ausnahme einiger Verdickungen vorn im Gehirn, Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. all die man als pilzhutförmige Körper deuten könnte.“ Vier Lappen- bildungen kennzeichnen das Bauchmark der Lycosa amentata nach Janeck „von denen die vier vorderen den (Grangbeinen entsprechen und dementsprechend auch die Nervatur für jene (Gliedmaßen abgeben.“ Die Nerven des mittleren hinteren Lappenpaares vereinigen sich ausserdem, soweit sie nicht in die Beine gelangen, jederseits zu einem starken Strange, der in subepithelialer Lage in das Abdomen gelangt. Meine Untersuchungen beziehen sich auf Epeira und weichen von den Ergebnissen meines Vorgängers so ziemlich ab. Es liegen die beiden Cerebralganglien (Fig. 1, (g) gleich wie bei dem Skorpion fest aneinander, da gleich wie dort auch hier sie miteinander innig verwachsen sind, allein ihre dorsale Fläche ist nun nicht mehr nach unten und hinten zu geneigt, sondern ist parallel zur dorsalen Körperoberfläche. An der Seitenfläche jeder der beiden Gehirnhälften zeigen sich je zwei hintereinander gelegene Protuberanzen, die bei Lycosa Janeck irrtümlich für Sehganglien hielt. Dies sind sie aber nicht und es verlässt das Cerebralganglion der Optikus für die mittleren jederseits zweier Augen der Epeira (op, m) dorsalst und zwischen den beiden Protuberanzen. Er teilt sich sofort in je zwei Äste. Während die hintere Seite der Ganglien allmählich und ohne irgend- welche Abgrenzung in das Verbindungsstück mit dem Bauchmark übergeht und steil abfällt, zeigen die Cerebralganglien an der vorderen Seite dem Verbindungsstück gegenüber durch eine quere Einkerbung eine äussere Begrenzung. Dabei kommt äusserlich ein Ganglion für den Oberlippennerv (on) nicht zur Geltung, wie bei dem Skorpion. Diesem Nerven nach innen lagert der Nerv der Seitenaugen (op, 1) fest an. Sein Ursprungsgebiet ist auch hier median von jenem Nerven gelegen (Fig. 2, op, ]). Das Bauchmark ist gedrungener als der vordere Bauch- marksabschnitt des Skorpions und entsprechend auch höher. Fünf Ganglien bilden es, wobei das letzte (Fig. 1) durch eine horizontale Einkerbung in eine obere (5) und untere (4) Hälfte ge- gliedert wird. Das erste Ganglion ist jenes des Cheliceren-Nerven (kfg). Dem Umstand, dass die Chelicere eben nicht jene Mächtig- keit aufweist wie der starke Scheerenfuss des Skorpions, ist es zuzuschreiben, dass auch das Ganglion nicht jenen Umfang besitzt als dort. Er ragt nicht weit nach vorne wie dort, und 512 B. Haller: überragt das Ganglion des ersten Schreitfusses (1) nicht, sondern ist gleich jenem abgerundet. So sehen auch die übrigen vier Ganglien aus, die einander gegenüber durch seichte Furchen begrenzt sind. Das Verhalten des austretenden Nerven ausserhalb des Ganglions habe ich nicht verfolgt und verweise diesbezüglich auf die ausführliche Darstellung Börners (1) bei den Pedipalpen. Vom letzten Ganglion, das ja nun etwas anderes ist wie jenes der Skorpione, da es ja auch das ganze Abdominalmark in sich fasst, treten ausser dem vierten Fussnerven (4) noch die zwei mächtigen übereinander gelegenen Abdominalnerven ab. Der Bau des Bauchmarkes der Spinne, sowie auch des Skorpions, entspricht im wesentlichen jenem Verhalten. das ich für das Bauchmark des Käfers und auch des Regenwurms fest- gestellt habe (3), d. h. ventralwärts liegt eine hohe Ganglienzell- lage, dorsal liegen aber nur spärliche Ganglienzellen (Fig. 4). Auch die Neuroglia spielt jene wichtige Rolle, die ich schon zweimal (2, 3) für das Zentralnervensystem der Tracheaten geschildert habe. Sie bildet eine äussere Neurogliahülle um das Zentralnervensystem, deren Elemente bei jenen Spinnen, wie u. a. die Dysderiden sind und bei denen das Bauchmark direkt dem Integumente der ventralen Körperseite anliegt, wie ich schon kurz geschildert habe (4) mit den Epithelzellen durch Fortsätze direkt zusammenhängt. Diese äussere Hülle sendet nun zahlreiche Fortsätze in die Ganglienzellage, die sich zwischen den Zellen verästeln und so ein Netzwerk bilden, zwischen dessen Maschen die Ganglienzellen liegen. In den Knotenpunkten des Netzes, doch nicht in allen, liegen stark chromophile Zellkerne. Dieses Netz verdichtet sich zwischen der Ganglienzellage und der Markmasse abermals zu einer lockeren, vielfach durchbrochenen Hülle (Fig. 2, 3, 4), von welcher Fortsätze in die Markmasse eindringen, denn auch dort fehlt das kernhaltige Neuroglianetz nicht. Wichtig ist es aber, dass die geschilderte innere Neurogliahülle zwischen Gang- lienzellage und Markmasse nach innen zu Fortsätze entsendet, welche um jedes Ganglion herum (Fig. 2, s) eine lockere Hülle bilden. Diese reicht aber nicht in das dorsale Gebiet des Bauch- markes. Dort treten vielmehr einzelne feinere Fortsätze aus der dorsalen Neurogliahülle in das Mark, dort ein weitmaschiges Netzwerk bildend (Fig. 2, 3, 4 y). Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 513 Auf ein weiteres Verhalten der Neuroglia bei den Spinnen und dem Skorpion, worauf ich schon kurz hingewiesen (4), möchte ich hier aber noch einmal aufmerksam machen. Man sieht dort, wo Gefässe mit ihren Ästen in das Zentralnervensystem ein- dringen (Fig. 7, g), dass die Wände jener, die wie ein Platten- epithel aussehen, durch Fortsätze direkt mit dem Neuroglianetz des Zentralnervensystems (bm) zusammenhängen. Mit anderen Worten, die Gefässwände werden durch die Verdichtung eines den ganzen Körper durchsetzenden, netzartig zusammenhängenden Stützgewebes (Grobben) gebildet, welches je nach Bedürfnis einer grossen Vascularisation infolge des Rücktritts oder der Nichtentfaltung eines diffusen Tracheensystems einem grösseren Reichtum von Verästelungen des Blutgefässsystems Vorschub leistet. Bei den Skorpionen, bei denen die primärsten Tracheen- bündel sich zu sogenannten Lungen entfaltet haben und da- durch die Atmungsorgane eine strenge Lokalisation erfahren, ist das (refäßsystem im Zentralinervensystem wenigstens soweit geschlossen, als das immerhin grobe Gefässnetz aus der dorsal gelegenen Arterie in jenes der ventral gelegenen Vene direkt übergeht. Bei den Spinnen zeigen sich dann sehr verschiedene Grade der peripheren Gefässentfaltung, je nachdem, ob die Tracheesierung der Gewebe — hier insbesondere des Zentralnervensystems — eine höhere (Epiblemum u. a.), oder höchste (Dysderiden u. a) ist oder völlig schwindet, wie bei Epeira. Ich verweise diesbezüglich auf meine erste Mitteilung über Arachnoiden (4). In der Ganglienzellage des Bauchmarkes befinden sich Nervenzellen von sehr verschiedener Grösse, kleine bis sehr grosse. Je kleiner eine Ganglienzelle der Spinnen ist — dies gilt auch für den Skorpion — ist sie um so chromophiler, wo- durch die grossen Zellen in der stark tingierten Zellage durch ihre blasse Färbung auffallen. Die grössten Zellen liegen in jedem Ganglion, wie im Bauchmark überhaupt, an den Ab- gangsstellen der Nerven, aber hier stets medianwärts (Fig. 3, 4). Es zeigen sich da jedesmal zwei Gruppen solcher grossen Elemente, eine mediale (m) und eine laterale (m‘). Es sind das grosse motorische Zellen — die grössten fand ich beim Skorpion im Ganglion des Kieferfusses —, die peripheren Fasern zum Ursprung dienen. Aus der lateralen Gruppe treten solche Fasern 514 B. Haller: direkt in die Nervenwurzel ein und sind somit solche Fasern ungekreuzte, nur für die gleiche Seitenhälfte bestimmt. Doch kann diese Zelleruppe auch gekreuzte Fasern, also für die andere Körperhälfte abgeben (Fig. 4). Die innere Gruppe der grossen (ranglienzellen gibt nur gekreuzte Fasern ab, gleichgültig ob diese zuvor zu Längsfasern werden oder nicht. Soweit die Faserbündel nicht direkt in die anliegende Nervenwurzel derselben Seitenhälfte eindringen, ziehen sie nach oben und verbinden sich dann. nach innen biegend, arkaden- törmig. Dadurch kommt die dorsalwärts lagernde Querkommissur des Bauchmarkes zustande (Fig. 4, vbs), doch schliesst sich dieser dorsalst noch eine andere Ergänzung (v) an, die anderer Her- kunft ist. Es umfasst diese Arkade dann medianwärts ein den beiden Bauchmarkshälften gemeinsames Gebiet, das medianwärts in jedem Ganglion durch das senkrecht gestellte Gefäss durchsetzt wird, welches die Bauchmarksvene (g‘) mit der dorsal gelegenen Arterie (Textfig. 1 B) verbindet. Rechts und links liegen diesem Gefäss je drei Längsbündel übereinander an (Fig. 4, lb). Diese kommen dadurch zustande, dass entsprechende Nervenbündel aus den Arkadensäulen in sie einbiegen. Auswärts von diesem durch die Arkaden umfassten medianen und unpaaren motorischen Gebiet des Bauchmarkes befindet sich in jedem Ganglienpaar je ein laterales, rein sensorisches Gebiet (a), das somit durch die jeweilige Nervenwurzel und der Arkadensäulen be- grenzt wird. Über den Ursprung der Nerven, sowie den Zusammenhang zwischen dem motorischen und dem sensorischen Bauchmarks- gebiet habe ich nun durch die vitale Methylenblaufärbung bei Epeira wenigstens einiges festgestellt, das ich, ohne dabei an eine vollständige Erledigung der Frage zu glauben, hier mit- teilen will. In die Arkaden hinauf ziehen auch Fortsätze von Ganglien- zellen (Fig. 4 links, schwarz), die dann oben an der Biegung angelangt. sich in zwei Äste teilen. Der gleichseitige Ast wird zu einer Wurzelfaser für den abgehenden Nerven und biegt in in die gleichseitige Nervenwurzel ein. Der innere Ast durch- setzt die Kommissur, gibt einen Nebenast in das Netzwerk der anderseitigen Hälfte des motorischen Gebietes ab und verästelt sich dann in dem sensorischen Gebiet. Doch können Nebenäste Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 515 des Hauptfortsatzes der Zellen auch auf derselben Seite andere Nebenäste und zwar sowohl in das motorische als auch in das sensorische Gebiet abgeben. Hauptfortsätze anderer Zellen (Fig. 4 rechts, schwarz) ge- langen durch die Arkadensäule in die Arkaden, noch auf der gleichen Seitenhälfte des Bauchmarkes sich teilend. Der Neben- ast gelangt zur Auflösung in das gleichseitige sensorische Gebiet, wobei schon früher vom Hauptfortsatz ein Ästchen in dem gleichseitigen motorischen Gebiet sich auflöst. Die Fortsetzung des Fortsatzes aber durchsetzt die Kommissur und gelangt dann als Wurzelfaser in die Wurzel des anderseitigen Nerven. Das Verhalten anderer aus der Nervenwurzel stammenden Fasern bezieht sich auf einen indirekten Ursprung, auf einen solchen aus dem zentralen Nervennetz. Es sind das Fasern (Fig. 4 rechts), die entweder sich in dem sensorischen Gebiet der- selben Seitenhälfte auflösen oder zuvor die Kommissur passierend, dies erst auf der anderseitigen Markhälfte tun. Ich habe erwähnt, dass der dorsalste Teil der Querkom- missur (v) sich anders bildet. In jenem dorsalen Teil des Bauch- markes (Fig. 2, 3, 4, y), den ich als sehr ganglienzellenarm und hauptsächlich aus einem gröberen Neuroglianetze bestehend, schilderte, befinden sich grosse multipolare Zellen, von denen aber ein Teil zweifellos der Neuroglia angehört. Andere sind ziemlich grosse Ganglienzellen, die sich mit dem grössten Teil ihrer Fortsätze dortselbst auflösen, öfter aber einen längeren Fortsatz durch die Kommissur in die anderseitige Bauchmarks- hälfte entsenden. Diese Fasern lösen sich dort im gleichen dorsalen Gebiete auf (Fig. 4 rechts, schwarz). Solche Zellen stehen aber auch mit dem sensorischen Gebiet der gleichen Markhälfte durch kräftigere Fortsätze in Zusammenhang. Da in diesem dorsalen Gebiet sich auch periphere Fasern (Fig. 4 rechts) auflösen, so ist dieses Gebiet als ein sensorisches Dorsalgebiet des Bauchmarkes zu betrachten. Bezüglich der Längsbahnen des Bauchmarkes steht mir nur ein Befund zur Verfügung. Ich fand da Längsfasern aus einem vorderen Ganglion, im abgebildeten Falle aus dem Gang- lion der Cheliceren (Fig. 2, kfg) entspringend, welche das gesamte Bauchmark durchsetzen und in jedes Ganglion je einen Netz- fortsatz abgeben. Hier handelt es sich somit um lange Bahnen, 516 BSEkalller.: die alle Ganglien mit dem ersten in Zusammenhang setzen. Solche Verbindungen können aus allen Ganglien abgehen (bei z). Jene Stelle des Zentralnervensystems, welche jederseits den Ösophagus umgreifend die Kommissuralfasern zwischen Bauch- mark und den Cerebralganglien in sich fasst, enthält jederseits die äusserlich nicht wahrnehmbaren Ganglien des Oberlippen- nerven. Während dann an diesen lateralen Stellen (Fig. 3, r) in der Ganglienzellage sich auch grosse motorische Zellen befinden, fehlen solche in der vorderen (Fig. 2, r) und hinteren Seite (r‘) dieses den Ösophagus umgreifenden Abschnittes. So verhält sich mit Ausnahme der Globuli die Zellage des GCerebralgang- lions (Fig. 2, 3 Cg) auch, denn es bilden sie nur fest anein- andergefügte, gleich grosse aber kleinere Zellen. Innerhalb des Ganglion befindet sich, wie ja auch bei anderen Tracheaten (aber auch bei Branchiaten), eine Vorder- (ve) und eine Hinter- kommissur (he). Hinter letzterer und teilweise durch dieselbe hindurch treten Fasern des lateralen Optieus (op. l) nach oben zu in das jederseitige Cerebralganglion, ohne, dass in diesen — gerade so wie bei dem Skorpion — irgend eine Stelle als Op- tieusganglion sich erweisen würde, denn was Janeck als solche bei Lycosa amentata zu deuten glaubte, jene auch von mir bei Epeira gesehenen Protuberanzen entsprechen entschieden keinen solchen. Vielmehr werden diese, die beim Skorpion fehlen, zum Teil wenigstens durch die mächtiger entfalteten Globuli ver- ursacht. Denn auch die Spinne besitzt in jeder Cerebralganglion- hälfte je zwei Globuli, einen vorderen und einen hinteren. Infolge ihrer viel mächtigeren Entfaltung als bei dem Skorpion nehmen aber diese Intelligenzsphären mehr Platz ein als dort und sind nun in die vordere (Fig. 1, vpk) beziehentlich hintere Ecke (hpk) des Ganglions verschoben worden. Während dann die hinteren dieser nicht vorspringen, wölben sich die vorderen hügelförmig am Apex vor (Fig. 5). Sie haben jetzt aber auch keine medianwärtige Lage mehr, sondern sind ganz lateralwärts zu gerückt (Fig. 2, hpk). Alles dies sind die Folgen höherer Entfaltung als bei dem Skorpion, denn erreichen die Globuli der Spinne auch lange nicht jenen hohen Grad als bei den Hymenopteren, geschweige denn bei Limulus, so stehen sie doch etwa auf jener der Orthopteren und haben sich somit von der niederen Stufe der Entfaltung der Myriapoden und Skorpione weit entfernt. Ko fear a | Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. Sie bestehen aus einer mehrschichtigen kortikalen Ganglien- zellage, welche einen ansehnlichen Markkern umgibt, allein nicht allseitig, denn der apikale Teil des Globulus bleibt stets frei von einem Überzug der Ganglienzellschichte (Fig. 2, 5). Der mächtige Stiel (Fig. 3, st) senkt sich tief in den Markteil des jederseitigen Cerebralganglions ein, ohne dass die jeweiligen beiden Stiele medianwärts sich berühren würden. Die Ganglienzellschichte der Globuli wird von kleinen, fest beisammen liegenden Zellen gebildet, wie überall wo Globuli sich finden. Diese fest beisammen liegenden Zellen stehen unter- einander aber in vielfacher Verbindung, wie ich dies für die Tracheaten schon vor Jahren gezeigt habe (2) und nun auch für die Spinne an zwei Stellen der Rinde (Fig. 6, schwarz) nach vitaler Methylenblaufärbung eingetragen habe. An dem faserigen Kern lassen sich zwei Teile unterscheiden: der Apex (ap) und der übrige Kernstiel. Im Apex selbst findet sich eigentlich nur ein starkes, sehr feinfaseriges Nervenfaserbündel, das hier nach oben ziehend, nach einer Schlingenbildung (f) sich wieder in den übrigen Markteil zurückbegibt und von diesem aus dann als der Stiel (st) in die Fasermasse des Gehirns sich versenkt. Der übrige Faserteil des Globulus wird peripherwärts durch ähnliche Glomeruli (gl und Fig. 5) gebildet, wie wir sie im An- tennalganglion besonders der Tracheaten ausführlicher kennen. Der übrige Kernteil, der innere nämlich, wird durch ein feines Nervennetz, aber auch durch gliöse Septen (Fig. 6, nl) gebildet, die oft die ganze Fasermasse durchziehen und vielfach durch ansehnliche Elemente gebildet werden. Diese Glomeruli sind bei den übrigen Arthropoden unbekannt. Sie kommen auf folgende Weise zustande. Es ent- senden Gruppen fest beisammen liegender Ganglienzellen in der Globulusrinde — und hierdurch erscheint diese einigermassen gegliedert — gemeinsame Bündel (Fig. 5), die direkt auf irgend einen der zahlreichen Glomeruli gerichtet sind und diesen erreichend, sich in ihn versenken. Auf Methylenblaupräparaten sieht man dann, dass die einzelnen Fasern des Bündels, kräftigere Fortsätze je einer Zelle (Fig. 6) sind die bis zu dem betreffenden Glomerulus hin zahlreiche Nebenästchen abgeben und sich dann ausserhalb der Glomeruli in das Nervennetz des Globulus (m) auf- lösen. Der Hauptfortsatz mit mehreren, ja vielen seinesgleichen, 5l [0 0) ) Beibabler: erreicht aber den Glomerulus. Bei der verhältnismässig geringen Zahl dieser ist aber ausgeschlossen die Möglichkeit, dass sämtliche Ganglienzellen der Globulusrinde einen solchen Hauptfortsatz be- sässen, vielmehr — wie ich es seinerzeit für die Insekten gezeigt habe (2) — sind viele unter diesen Zellen nur solche, die sich mit benachbarten ihresgleichen durch Fortsätze (Interzellular- brücken) verbinden. Ich bin aber nicht in der Lage, auch nur annähernd die Zahl jener Zellen anzugeben, die mit einem Hauptfortsatze versehen, durch diesen mit einem Glomerulus sich verbinden. Nur das glaube ich, dass in Anbetracht der verschiedenen — die Differenz ist nicht gross — Grösse der (lomeruli nicht immer dieselbe Zahl von Zellen jedem Glomerulus angehört. Nachdem jene Fortsätze den Glomerulus erreicht haben, lösen sie sich dort in ein korbförmiges gröberes Netz auf, aus dessen Maschen wieder aus dem Glomerulus abziehende Nervenfasern entstehen (Fig. 6, gl‘, gl). Diese Nervenfasern, nun in Bündeln vereinigt, bilden die Schlinge (f) im Apex und nachdem sie sich zu einem gemeinsamen Bündel zusammengetan, verlassen sie als Stiel des Globulus (st) diesen. Ob innerhalb des Glomerulus jede Nervenfaser oder Gang- lienzellfortsatz sein eigenes eingeschaltenes Netz, also Neben- glomerulus im Hauptglomerulus besitzt, vermag ich nicht zu unterscheiden, obgleich es öfter den Anschein hat, wie wenn dem so wäre. Jedenfalls sind diese eingeschobenen Netze oder Neben- glomeruli, mögen sie nun in Einzel- oder gemeinsamen Glomerulus sein, dazu angetan sein, die Stromstärke in der leitenden Faser durch Resistenz zu mehren. Ich erinnere nur an die Tatsache, dass wenigstens (2) bei manchen Myriapoden, der einfache Globulus- stiel schraubenförmige Windungen eingeht, die in Ermangelung von (Glomeruli dasselbe bezwecken werden. Es treten aber mit dem Stiel auch solche Fasern in den Kernteil des Globulus, die sich gleich in demselben auflösen ohne mit Ganglienzellen dort oder den Glomeruli irgend in eine nähere — unvermittelte — Beziehung zu treten. Es sind das Fasern, die aus oft weiten Nervengebieten hierher in den Globulus gelangen also globipetal leitende Elemente (n). Ob ich sämtliche Verbindungen der Globusstiele ermittelt habe, wäre zu bezweifeln, ich beschränke mich darum nur darauf, was ich bestimmt erkennen konnte. Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 519 Aus dem Stiel des Globulus treten Fasern in das Schlund- kommissurenbündel (Fig. 3 rot), die entweder auf derselben Seiten- hälfte im Bauchmark oberhalb der ventralen Ganglienzellage sich verästeln oder durch die Bauchmarkkommissur hindurchziehend, an gleicher Stelle der anderen Seite enden. Andererseits kommen kollaterale Äste sensibler peripherer Nervenfasern (rechts) bis in den gleichseitigen Stiel und geraten mit diesem entweder in den gleichseitigen Globulus oder treten durch eine dorsalwärtige, sehr geringe Kommissur unter der Ganglienzellschichte der dorsalen Verebralganglienseite hinüber in den anderseitigen Globulus. Durch diese Kommissur hindurch treten aber auch — wie ein- gezeichnet — Fasern aus dem anderseitigen Globulus in den betreffenden Globulus. Nebenbei möchte ich bemerken, dass oberhalb jener er- wähnten Kommissur, zwischen ihr und der Ganglienzellage des Gehirns eine schmale Lage von Fasermasse sich findet (cg), welche ihrer Lage nach nur als die Vorstufe des Zentralganglions der Tracheaten gelten könnte. Zu einer Einwanderung von Ganglienzellen aus der darüber gelegenen Zellage ist es aber nicht gekommen. Eine Verbindung der Globuli mit Fortsätzen von motorischen Ganglienzellen des Bauchmarkes besteht gleichfalls, allein mir ist nur der folgende Fall bekannt geworden. Es entsandte eine Ganglienzelle des Bauchmarks durch das gleichseitige Schlund- kommissurenbündel einen langen Fortsatz nach oben (Fig. 3, links). Dieser Fortsatz liess einen Nebenast in die vordere Cerebral- kommissur (ve), einen anderen in die Fasermasse des Gehirns gelangen und begab sich dann durch den Stiel des gleichseitigen Globulus in denselben. Festgestellt wäre somit, dass die Globuli der beiden Seiten- hälften nicht nur untereinander, sondern auch mit motorischen und sensorischen Bauchmarkbezirken in Verbindung stehen und zwar mit ersteren sowohl durch globulipetal als durch globuli- fugal leitende Fasern. Verbindungen der dorsalen Üerebralganglienzellage mit motorischen Bauchmarkbezirken sah ich auch (Fig. 3, rechts). Hier handelt es sich wohl um die Bezirke der mittleren Ocellen. 520 B. Haller: Das Wesentlichste was in vorliegender Schrift über die Globuli der Spinne festgestellt werden konnte, ist somit, dass diese eine weit höhere Stufe der Entfaltung erreicht haben als jene der Skorpione, sie dürften diesbezüg- lich mit den Örthopteren sich messen oder denen doch gleichkommen. Die Differenz zwischen dem Entwicklungs- grad der Globuli der Skorpione und der Spinnen ist so gross, wie jene zwischen dem der Myriapoden und niederster Hexapoden einerseits und etwa der Orthopteren andererseits. Und dies ist das Hauptergebnis vorliegender Studie, woran ich nun den Vergleich der Entfaltung der Limulusglobuli mit jenen der Skorpione und Spinnen anknüpfen will, wobei ich auf das völlig verschiedene Verhalten des gesamten Nervensystems von Limulus gleich jetzt schon hinweisen möchte. Hierbei halte ich mich an die Angaben Viallanes (9), welche ausführlicher als diejenigen Bouviers, diese vielfach bestätigen und erweitern. Es besteht das Zentralnervensystem von Limulus aus einem Supraösophageal-Ganglion, dem Gehirn also und dem langen Bauchmark, das aus vielen (Ganglienpaaren besteht, die durch (Juerkommissuren miteinander zusammenhängen. Hierbei zeigt das vordere Bauchmarkende eine selbständige Konzentration drei paarer Ganglien, wie denn überall bei Branchiaten und Tracheaten, aber nirgends bei Arachnoiden, wie ich dies gleich hervorheben möchte. Die Konzentration des vorderen Bauchmarkes zu einem solchen Stücke, wie es die Skorpionen aufweisen und in welches bei der Spinne auch das Abdominalmark mit einbezogen war, kam es hier also nicht. Der Nerv der Cheliceren entspringt aus dem vordersten Ende des Bauchmarkes, das bereits zum Subösophageal - Bezirk gehört. Eine Homologisierung der Cheliceren mit Antennen wäre somit, wie ich bemerken möchte, auch hier ausgeschlossen. An dem Gehirn des Limulus fallen die sehr umfangreichen Globuli, die „corps pedoncoles“ auf, die auch Viallanes in gleicher Weise auffasst. Über sie berichtet unser Autor, dass sie eine verzweigte Form hätten und weiter, dass: „l’extremite inferieur de la tige senfonce dans la substance du lobe protoccerebral correspondant; l’extrömite su- perieure se divise dichotomiquemente en un grand nombres des branches. Ces derniers, qui se terminent par des extremites arrondies, sont formees d’une substance ponctude a trame tres Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 521 fine, et entierment revetues par des noyaux ganglionnaires, semblables a ceux qui revetent les corps pedoncules des Insectes. Les corps peduncules sont plus developpes chez le Limule que chez aucun autre Arthropode; ils enveloppent la totalite du cerveau, en ne laissent libre qu’une partie des ganglions optiques et ocellaires; leur volume est considerable, et a eux seuls il eonstituent presque toute la masse ceerebral.“ (l.e. pag. 416, 417). ') Hiermit beenüge ich mich, denn es wurde nicht nur der grosse Unterschied im gesamten Zentralnervensystem des Limulus und der Skorpione gezeigt, sondern auch weiter oben darauf hingewiesen, dass bei diesen und den Spinnen ein Homologon der Tracheatenantenne in den sog. Oberlippenfortsätzen besteht. Hauptsächlich ist es aber das Verhalten der Globuli, welches ein Ableiten der Skorpione von Limulus auch bezüglich des Zentralnervensystems illusorisch macht. Denn wäre dem so, und stünde der Limulus irgend in einer Beziehung zu Vorgängern der Skorpione, so müssten diese doch die mächtige Entfaltung der Globuli geerbt haben oder mindestens höher entfaltete Globuli besitzen, als die niedersten Articulaten. Dem ist aber nicht so, denn siestehen diesbezüglich auf jener niedrigen Stufe, der gegenüber jene der Spinnen als jüngerer Formen des Stammes, eine höhere Entfaltung aufweist. Der Einwand aber, dass bei den Skorpionen sich möglicher- weise diesbezüglich um Rückbildungserscheinungen handeln würde — wohl ein schwaches Argument — wird dadurch zunichte, dass hier weder Parasitismus noch irgend eine ersetzende Ein- richtung zur Hand ist. So einen Ersatz habe ich bekanntlich in den höheren Komplexaugen bei den Tracheaten festgestellt. Auch nach Vollendung dieser Studie bleibe ich somit bei meiner Aussage in meiner früheren Arbeit über die Atmungs- organe der Arachnoiden. Diese lautet: „Büschelförmige Tracheen- paare in gleichmässiger Anordnung im segmentiertem Körper der Arachnoidenvorfahren, wofür chilopode Myriapoden noch Zustände aufweisen — ohne als Arachnoidenahnen zu gelten — waren '!) Hätte Viallanes die diesbezüglichen Verhältnisse bei den Skor- pionen und Spinnen gekannt, so hätte er sich kaum dazu hinreissen lassen. den Limulus im Ray-Lankesterschen Sinne den Cheliceraten einzuyer- leiben. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.]. 35 529 B. Haller: die Anfangsstufen, von wo aus mit der Umformung des Körpers viele Tracheen-Paare zugrunde gingen, mindestens vier, wofür die Skorpione eintreten, sich aber erhielten. Welche Paare diese in jedem Arachnoidenfalle nach der Segmentreihe sind, entzieht sich heute der Beurteilung. Von diesen vier Paaren erhielten sich im besten Falle bei der weiteren Phvlogenese aber nur drei, denn bei Milben sowohl als bei den Phalangiden sind im höchsten Falle nur zwei Paare nachweisbar. Dabei erhöht sich selbst bei der höchsten Verzweigung dieser Tracheen im Gregensatze zu den Tracheaten (Myriapoden und Hexapoden) die feste Tendenz der Isolierung nicht nur der einzelnen Tracheen derselben Seite voneinander, sondern auch die von jenen auf der anderen Körper- hälfte. Wir kennen nur eine Querverbindung, eben im Vorder- tracheensystem der Spinnen, die aber als sekundär erworben und nicht als ererbt zu betrachten ist. Entweder entfalteten sich alle gebliebenen Tracheenpaare zu Lungen (Skorpione) oder nur zwei oder sogar bloss ein Paar oder gar keines (Caponiden). Bei der Entfaltung von vier Lungen wurde das dritte Tracheen- paar aufgehoben, die Lungen ersetzen das übrige, oder aber es erhält sich ausser einem Lungenpaar bei den Spinnen noch ein Tracheenpaar. Aber auch dafür haben wir ja Beispiele, dass auch bei einem Lungenpaar alles übrige von Atmungs- organen in Wegfall gerät wie bei einem Teil der Pedipalpen. bei einem anderen Teil der Arachnoiden gelangt es aber gar nicht zur Lungenentfaltung. Ein völliges Schwinden konzen- trierter Atmungsorgane ist aber ein Zustand, der mit Ausnahme der Chordaten — da bei Salamandrina und Spelerpiden der Kopf- darm und Ösophagus noch auch Atmungsorgan ist — sich bei allen Bilaterienabteilungen einstellen kann.“ Heidelberg, im November 1911. Das Zentralnervensystem des Skorpions und der Spinnen. 523 Literaturverzeichnis. 1. Börner, ©.: Zur Kenntnis der Pedipalpen. Zoologica, Bd. XVII, 1904. 2. Haller, B.: Über den allgemeinen Bauplan des Tracheatensyncerebrums. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXV. 3. Derselbe: Über das Bauchmark. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss., Bd. XNLVI. 4. Derselbe: Über die Atmungsorgane der Arachnoiden. Ein Beitrag zur Stammesgeschichte dieser Tiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXXIX, Abt. I. 5. Janeck, R.: Das Gehirn und Bauchmark der Spinnen. Verhandl. d. Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. 82. Versammlung. Königsberg 1910. 6. Newport, G.: On the structure, relation and developement of the nerous and eirculatory systems in Myriapoda and macrourons Arachnida. Philos. Transact., 1843. 7. Ray-Lankester, E.: Limulus an Arachnid. Quart. Journ. for Mikrosk. Se.,. V. XXIII, 1880. 8. Derselbe: The Structure and Ulassifiecation of the Arachnoida. Ebendort, V. XLVIII, 1905. 9. Viallanes,M.H.: Centres nerveux et les organes des sens des animaux articul&es. Ann. Sc. nat., Ser. VII, T. XIV, 18922. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI. Allgemeine Bezeichnungen: Üg — Üerebralganglion. 1—4 = die vier Fussganglien. vpk = vorderer pilzhutförmiger 5 — letztes Bauchmarkganglion. Körper oder Globulus. un — unterer Abdominal-Nerven- hpk — hinterer pilzhutförmiger strang. Körper oder Globulus. on —= oberer Abdominal-Nerven- st = deren Stiel. strang. op, m — Opticus der Medianaugen. lb = Längsbündel. op = jener der Lateralaugen. a — Lateralgebiet. on — Oberlippennerv. g — Dorsalgebiet. ve = vorderes Kommissuren- mr — motorisches Gebiet. system. vbs = Querkommissur. he = hinteres Kommissuren- & — Bauchmarkarterien. system. g' — (ventrale) Bauchmarkvene. Bm — Bauchmark. de Darm. Kfg — Kieferfussganglion. oe — Ösophagus. Kfn — Kieferfussnerv. Auf allen Figuren handelt es sich um mit Alaunkarmin tingierte Schnitte bei Epeira diadema, in die aber einiges aus vitalen Methylen- färbungen eingetragen ward. ss (1 B. Haller: Das Zentralnervensystem des Skorpions ete. Das ganze Zentralnervensystem von der rechten Seite. Aus dem Körper herausgeschältes Totalpräparat. Sagittaler Längsschnitt, die Globuli treffend. Querschnitt, die hinteren Globuli treffend, durch Gehirn und Bauchmark. Querschnitt durch das dritte Bauchmarkganglion, die abgehenden Nerven treffend. Schräg von vorne nach hinten gerichteter Querschnitt durch die vorderen Globuli. Querschnitt durch den linken vorderen Globulus. Gl = Glomeruli; rd = Rinde; m = Mark; ap = Apex; nl = neurogliales Septum. Epiblemum salticum. Ein Stück aus einem sagittalen Längsschnitte. d = Darm; g = Gefäss; bm = Bauchmark. Aus dem anatomischen Institut der k. tierärztlichen Hochschule München. (Prof. Dr. Stoss.) Untersuchungen über die Haut des Schweines. Von Dr. Eduard Kränzle. Hierzu Tafel XXVII, XXVIII und 5 Textfiguren. Die Haut des Schweines ist mikroskopisch von der der übrigen Haustiere so sehr verschieden, dass ihre histologische Untersuchung besonders in vergleichender Hinsicht sehr nahe liegt und als eine sehr dankbare Arbeit erscheint. Wenn trotzdem erst im Jahre 1896 durch Flatten diese Aufgabe zu lösen gesucht wurde, während die Körperbedeckungen der übrigen Haustiere schon lange eingehend untersucht waren, so liegt der Grund hierfür wohl hauptsächlich in den technischen Schwierig- keiten, die die Schweinehaut der Untersuchung bietet. — Bei der Nachuntersuchung der Angaben Flattens am hiesigen anatomischen Institut ergab sich, dass, abgesehen von einzelnen Irrtümern, mancherlei Eigentümlichkeiten unberücksichtigt blieben, so dass eine nochmalige Inangriffnahme des Themas notwendig erschien. Es wurde diese Arbeit bereits vor sieben Jahren be- sonnen, konnte aber durch persönliche Abhaltung leider erst jetzt vollendet werden. Technik. Das Untersuchungsmaterial wurde zum Teil lebenswarm in die Fixierungsflüssigkeiten eingelegt; zum Teil wurde es er- kalteten, verwiesenen Kadavern entnommen. Zur Orientierung leistete die (refrierschnittmethode grosse Dienste. Weitaus die meisten Präparate wurden nach der Paraffinschnittmethode her- gestellt. Nur sehr umfangreiche Objekte, die aus topographischen Rkücksichten nicht verkleinert werden sollten, wurden in Celloidin eingebettet. Als Fixierungstlüssigkeit kamen 4°/o Formalin für Gefrierschnittpräparate, ferner Sublimatlösungen (Rabl, Kaiser), Müllersche Flüssigkeit und allmähliche Alkoholhärtung in An- wendung. Als Färbemittel dienten hauptsächlich Boraxcarmin mit oder ohne Pikroindigearmin-Nachfärbung (Calleja), Hämalaun Archiv f. ınikr. Anat. Bd.79. Abt.I. 36 526 Eduard Kränzle: mit Eosinnachfärbung nach Stöhr. In einigen Fällen Eisen- laaun-Hämatoxylin nach Heidenhain mit Pikrin-Säurefuchsin- Nachfärbung (van Gieson); endlich Thionin und in einzelnen Fällen, wo es sich um die Durchsichtigkeit dicker Schnitte handelte, Alauncarmin. Fast immer kam die Stückfärbung in Anwendung. Nicht selten mussten aber die mit Glycerineiweiss auf dem Objektträger fixierten Schnitte nachgefärbt werden, da das dichtgefügte Corium sich häufig nur oberflächlich tingiert. Dies tritt in Hämalaun immer ein, wenn die Objekte vor der Färbung nicht gründlich gewässert wurden. Die Präparate sind dem absoluten Alkohol, dem Toluol, dem nicht über 55° Ü. warmen, flüssigen Paraffın nur so lange auszusetzen, als zu ihrer vollständigen Entwässerung bezw. Durchtränkung unbedingt nötig ist, da sie sonst ihre Schneid- barkeit vollständig verlieren. Um dieser Bedingung zu ent- sprechen, sind möglichst kleine Stücke zu verwenden. Zum Schneiden wurde meist ein grosses Schlittenmikrotom mit einem kräftigen Messer benützt. Auf die Beschaffenheit desselben ist bei Anfertigung von Hautschnitten besonders (Gewicht zu legen. Nach langen, ver- geblichen Versuchen mit den verschiedensten Messern und Mikro- tomen, gleich dicke Serienschnitte von mindestens 10 « durch in Paraffin eingebettete Hautstücke eines erwachsenen Schweines anzufertigen, wurde dieses Ziel endlich mittels eines eigens kon- struierten, von der Firma Katsch in München angefertigten Messers erreicht. Dasselbe hat eine Grösse von 150 :25 mm, eine Rücken- stärke von 9 mm. Die Schneidfacetten, besonders die untere, sind kaum merklich konkav. Am eingespannten Messer steigt die untere Schneidfacette gegen die Schnittebene um ca. 13° an. Für die Messerstellung wurde meist ein Winkel von 45° gewählt. Die Literatur über die Haut im allgemeinen sowie über die einzelnen Hautorgane findet sich in der Arbeit über die Schweinehaut von Flatten chronologisch zusammengestellt. Es soll deshalb von einer Aufführung derselben hier Abstand ge- nommen werden; ebenso von den Angaben der verschiedenen Forschungsergebnisse, die zum Teil allgemein anerkannt, zum Teil endgültig widerlegt sind. Die bei der Beurteilung der eigenen Untersuchungsresultate in Frage kommenden Kontroversen werden in der Ausführung Berücksichtigung finden. Untersuchungen über die Haut des Schweines. DT Eigene Untersuchungen. Die Dicke der Cutis — Corium und Epithel — des Schweines übertrifft durchaus nicht die der anderen Haustiere in dem Grade, als die Beschaffenheit der Haut des lebenden Tieres vermuten lässt. Die die Bildung feiner Falten vollständig ausschliessende Rigidität liegt nicht so sehr in der Beschaffenheit des Coriums als vielmehr der Subcutis begründet. Diese, unter normalen Ver- hältnissen stets stark verfettet, den festgefügten Speck darstellend, geht mit kräftigen Faserzügen, die durch zwischengelagerte Fett- träubchen gespannt sind, in die Lederhaut über. Sie ermöglicht deshalb nicht wie bei anderen Tieren eine starke Verschiebbarkeit der Haut auf der Unterlage und ist auch nicht so leicht wie bei anderen Tieren von der Lederhaut zu trennen. Bei gemästeten Tieren greift die Verfettung auch auf die tieferen Schichten der Lederhaut über, wie aus Längsschnitten deutlich zu ersehen ist, wo Grund der Haarbälge und Schweissdrüsen ganz in Fett ein- gebettet sind. Dies macht eine scharfe Abgrenzung der Lederhaut von der Unterhaut fast unmöglich, und erklärt die verschiedenen Resultate, welche Messungen der Haut verschiedener Autoren ergeben. Bezüglich eines Vergleiches der Lederhautdicke des Schweines mit der anderer Tiere sei nur erwähnt, dass die Dicke der Haut eines Schafbockes in der Nackengegend mit 3 mm die des Wild- schweines an der gleichen Körperstelle (2,72 mm nach Flatten) noch übertrifft. Von einer Zusammenstellung der Dickenausmaße der Haut verschiedener Schweinerassen und verschiedener Körper- regionen desselben Tieres, die zum Teil mittels Schubmaßes, zum Teil mittels Okularmikrometers an verschieden gehärteten Schnitt- präparaten, zum Teil endlich durch Messung von Zeichnungen mit dem Hisschen Embryograph ausgeführt wurden, wird hier abgesehen. Sie sind durchwegs grösser als die von Flatten angegebenen. Unter der Voraussetzung, dass die Maße Flattens an gleichmässig vorbereitetem Material ausgeführt wurden, besitzen sie einen relativen Wert. (renaue Angaben über die Vornahme der Messungen hielt der Autor für überflüssig. Ich möchte für künftige Messungen folgendes Verfahren in Vorschlag bringen: Vorsichtig, ohne Zerrung herausgeschnittene Hautstücke werden mittels Gefriermikrotom in ziemlich dicke Schnitte (50—100 u) zerlegt, diese mit Anilinfarbe leicht gefärbt 36* 528 Eduard Kränzle: und unter Zusatz physiol. Kochsalzlösung bei sehr schwacher Ver- grösserung mittels Okularmikrometer gemessen. Die Zahlen der Millimeter sind auf höchstens zwei Dezimalstellen abzurunden. In der Ledertechnik werden die Diekenmasse der einzelnen Hautregionen mittels Greifzirkels festgestellt. Dies ist bei der Festigkeit der gegerbten Haut ein einwandfreies Verfahren. Über den Verlauf der Faserbündel des Coriums gibt Flatten nur unbestimmte Angaben. Von einem deutlich entwickelten Papillarkörper kann nach Flatten „nicht gesprochen werden“ und damit soll wohl auch das Stratum papillare negiert sein. Dieses Stratum papillare, auf welches zuerst von Kölliker, später von Bonnet aufmerksam gemacht wurde, findet sich auch, wo ein Papillarkörper tatsächlich nicht vorhanden ist, welch letzteres für das Schwein am wenigsten zutrifft. Beim Schwein hat es von den Papillentälern aus gemessen eine Dicke von 50—60 u und hebt sich durch die mehr homogene Struktur und sattere Abtönung von der tieferen Coriumschicht deutlich ab (Taf. XXVII, Fig. 1). Ein bestimmtes System des Faserverlaufes ist nicht eruierbar; an Gefässen finden sich nur präcapilläre Arterien und Capillaren. Das Verhalten des elastischen Gewebes wird später berücksichtigt. Diese Schicht ist es auch, die an den zu Leder verarbeiteten Häuten die Glätte der „Narbenseite*“ und Undurchlässigkeit für Wasser bedingt. Das Schweineleder zeichnet sich unter allen anderen Ledersorten durch die vorzügliche Beschaffenheit seiner Narben- seite aus, vermöge deren es zur Anfertigung von Gegenständen geeignet ist, die ständigen Reibungen ausgesetzt sind, z. B. Sättel. Nach vorstehender Erörterung und vor allem aus vergleichend- anatomischen Rücksichten dürfte es angezeigt sein, die fragliche Schicht nicht mehr als Stratum papillare, sondern als Stratum superficiale zu bezeichnen. Dass von ihr event. vorhandene Papillen gebildet werden, liegt auf der Hand. Die beiden folgenden Schichten: Stratum intermedium und stratum reticulare (Bonnet) sind histologisch durchaus nicht so verschieden, dass sich ihre Benennung darauf begründen liesse. Ein ca. 3 mm dickes Stück Haut aus der Rückengegend eines Landschweines wurde in ca. 180 Flächenschnitte zerlegt und diese lediglich mit einem Plasmafarbstoff, nämlich mit Säurefuchsin- Pikrinsäure nach van Gieson, gefärbt. Das Tier war an Rotlauf Untersuchungen über die Haut des Schweines. 529 verendet. Die einzelnen intensiv rot gefärbten Faserbündel sind durch hellgelb gefärbte dichtgedrängte Blutkörperchen voneinander getrennt. Es zeigt sich hier, wie an der photographischen Wieder- gabe eines ganz oberflächlichen Schnittes (Schnitt 8), also sicher das Stratum intermedium, zu sehen ist (Taf. XXVII, Fig. 2), ein ausgesprochen netzförmiges Gefüge der Bindegewebsbündel und zwar tritt hier wie an den tieferen und tiefsten Schnitten die „Strohteller- struktur“, mit welcher Bezeichnung Bonnet sein Stratum retieulare sehr treffend charakterisiert, schön hervor. Weitaus die meisten Faserbündel verlaufen parallel zur Oberfläche der Haut und nur wenige schräg ansteigend, um wahrscheinlich alsbald wieder in horizontalen Verlauf überzugehen. Das ist auch leicht begreitlich, denn in der Dickendimension wird die Haut nie auf Zugfestigkeit beansprucht, wohl aber in der Flächenausdehnung. Nach Flatten „lässt sich nur in den tieferen Cutisschichten eine in den Haupt- zügen parallele Anordnung zur Hautoberfläche nicht verkennen, während die mehr verfeinerten und geglätteten Faserbündel der intermediären Schicht in mehr schiefer Richtung nach oben ver- laufen“. Es lässt sich hierin deutlich eine durch die übliche unpassende Bezeichnung der Strata verursachte Befangenheit des Autors bei der Beschreibung der einzelnen Schichten erkennen. Das Stratum reticulare Bonnets ist lediglich etwas lockerer gefügt als das höher gelegene Stratum intermedium, ohne sich irgendwie von diesem abzugrenzen. Es dürfte sich deshalb empfehlen, das Corium in ein Stratum superficiale, intermedium und profundum einzuteilen. Um die Frage zu entscheiden, ob, abgesehen vom Planum rostrale, tatsächlich ein Papillarkörper nicht vorhanden sei, wie von sämtlichen Autoren angegeben wird, wurde eine Paraffın- schnittserie von 5 4 Schnittdicke bei 100facher Vergrösserung mittels Zeichenapparats nach Greil auf 0,5 mm dicke Wachs- platten gezeichnet und so die Coriumoberfläche zu modellieren gesucht. Abgesehen von der eminenten Schwierigkeit, die Paraffin- behandlung so durchzuführen, dass tatsächlich eine lückenlose Serie gleich dieker Schnitte angefertigt werden kann, war es bei der Feinheit der zu modellierenden Details nicht möglich, ein befriedigendes Resultat zu erzielen. Die geringsten Verzerrungen der Schnitte während des Schneidens oder Aufklebens machen das richtige Aneinanderfügen der Wachsausschnitte unmöglich. [eb | © = Eduard Kränzle: Nun versuchte ich die von Blaschko eingeführte, von Philippson 1889 verbesserte Methode zur „Herstellung von Flächenbildern der Oberhaut und der Lederhaut“. Nachdem auch Loewy Untersuchungen nach dieser Methode über die menschliche Lederhaut angestellt hat, veröffentlichte Brandt (Unna) eine Untersuchung über das Leistensystem der Haut des chinesischen, sogenannten nackten Hundes, dessen Haut makroskopisch der des Menschen am meisten ähnelt. Die zu untersuchenden frischen Hautstücke werden vorsichtig rasiert, ohne die Epidermis zu lädieren, in !/s—'/4°/o Essigsäure gelegt. Wir nehmen eine 0,5°/ Lösung der 80°/o Essigsäure. Hier verbleiben sie 2—6 Tage lang, für die Schweinehaut war stets die längere Frist erforderlich, bis sich eben die Oberhaut von der Lederhaut in toto ablösen lässt. In vielen Fällen ging das zusammenhängende Stratum corneum aber nicht die gesamte Epidermis herunter. Die abgezogene Epidermis wird zunächst in 90°/o Alkohol ausgebreitet, um die Färbung zu erleichtern und das nachträgliche Aufrollen zu verhindern, dann in die Tinktionsflüssigkeit gebracht. Ich verwandte Boraxcarmin oder Hämalaun. Nach entsprechender Nachbehandlung wurden die 1—3 gem grossen Stücke unter Benützung eines Glasdiaphragmas so in Canadabalsam eingebettet, dass die Coriumseite der Epidermis nach aufwärts gekehrt ist. Die so erhaltenen Präparate (vgl. Taf. XXVII, Fig.3—5) bieten als Negativ des Coriums eine reiche Oberflächenmodellierung, die besonders bei Betrachtung mit dem binoculären Mikroskop plastisch hervortritt. Die Leisten zeigen häufig eine hellere Mittellinie, welche beiderseits von einem dunkleren Saum begrenzt wird, eine Erscheinung, welche damit zusammenhängt, dass das durchfallende Licht in der Mitte der Leiste eine weniger dicke Epithelschicht durchsetzt als an den Rändern. Bei auffallendem Lichte fehlt diese Erscheinung. Die hellen Felder zwischen den sich kreuzenden Leisten entsprechen den von den Coriumpapillen eingenommenen Räumen. Sie erscheinen bei durchfallendem Lichte hell, weil die supra- papilläre Epidermis meist viel schwächer ist als die interpapilläre. Aus der Art der Begrenzung der Räume lässt sich ein Schluss auf die Richtung der Papillen ziehen. Bei binoculärer Betrachtung treten die Formverhältnisse der Hohlräume ohne weiteres hervor. Untersuchungen über die Haut des Schweines. 531 Häufig bilden die Leisten eigentümliche scharf begrenzte Figuren, die ich mit Brandt als Convolute bezeichnen möchte. Die in die trichterförmige Haarbalgmündung sich fortsetzende, in die äussere Wurzelscheide übergehende Epidermis zieht sich mehr oder weniger weit aus dem Corium heraus und erscheint als schräg gestellter Hohlzylinder, der sich an seiner Basis kegelförmig ver- breitert. In seiner Nähe findet sich stets die Epithelauskleidung einer Knäueldrüsenmündung, ausgezeichnet durch ihren dünnen (Querschnitt, der sich basal stark trichterig erweitert, und durch die Öffnung in der Rißstelle. An der Basis ist meist ein heller Punkt sichtbar. Er entspricht der oberflächlichen Mündung des Lumens, welche durch die Epithelwand bei durchfallendem Lichte hindurchschimmert. Neben den Leisten findet sich meist ein anderes System von Wällen, in deren Bereich die Leisten modifiziert erscheinen. Sie entsprechen den Knickungs- und Spannungsfurchen des Coriums, dessen Entstehung auf Muskelwirkung zurückzuführen ist (mensch- liche Hohlhand). Wenn nun schon die richtige Deutung des mikroskopischen Präparates eine gewisse Übung erheischt, so tritt im Vergleich zu gewöhnlichen Schnittbildern eine besondere Schwierigkeit in der zeichnerischen Wiedergabe der Flächenmodellierung hervor, die in den bisherigen Darstellungen (Brandt, Loewy) nicht über- wunden wurde. Von den zahlreich angefertigten photographischen Aufnahmen entsprachen nur wenige den zu stellenden Anforderungen bezüglich Plastizität. Sie fehlt den Abbildungen Loewys vollständig. Ich beginne die Beschreibung mit den unbehaarten Hautpartien. Der Ballen des Schweinefusses und die zwischen den Klauen und über den Ballen befindliche unbehaarte Haut zeigen einen Papillarkörper, der dem der Sohlen- und Zehenballen des Hundes, wie ihn Brandt beschreibt und abbildet, sehr ähnlich ist. Die einzelnen kegelförmigen oder eigentlich pyramidenförmigen Papillen sind im Präparat (Taf. XXVII, Fig. 3) durch helle Hohlräume ersetzt, welche schräg zur Oberfläche der Haut nach abwärts ziehen. Zwischen ihnen tritt die sich einsenkende Epidermis als dunkel gefärbte Leiste hervor, welche an der distalen Peripherie der Papillenbasen scharf, an der proximalen unscharf begrenzt wird. Von letzterem Rande erstrecken sich sekundäre Leisten in die Lumina hinein, durch welche die äusseren Flächen der nach abwärts gerichteten Papillen weiter zerklüftet werden. Die Papillenbasen haben 100-150 # im Durchmesser. Die Leisten sind ca. 40 „ breit. Sie bilden verschieden gestaltete Polygone, indem sie baumartig auseinandergehend von anderen Systemen durchkreuzt werden. q 532 Eduard Kränzle: Oft bilden sie dabei zirkulär angeordnete Zentren. Zu sogenannten Üon- voluten (Brandt) zusammengeschobene Leisten finden sich in der fraglichen Übergangszone nicht vor. Unabhängig von dem erwähnten System laufen makroskopisch sichtbare, sich durchkreuzende „Knickungsfurchen“ über die Bildfläche. In ihrem Bereich sind die Epithelleisten bedeutend breiter und die durch sie eingeschlossenen Papillenräume entsprechend kleiner. Sohlen- ballenwärts wird das ganze Leistensystem bedeutend stärker und grob- maschiger, die sekundären Leisten treten scharf hervor. (Gegen die behaarte Haut hin ist das umgekehrte der Fall. Die Leisten verlieren sich, radiär an die äusseren Wurzelscheiden und an die Drüsentrichter herantretend. Letztere finden sich im stumpfen Winkel der Wurzelscheiden zur inneren Epidermis- fläche. Frei, nicht neben Haarbälgen mündende Schweissdrüsen finden sich nicht vor. Die behaarte Haut an den Extremitätenenden zeigt somit einen Papillarkörper, der kontinuierlich in den des Sohlencoriums übergeht. An der Rüsselscheibe — Planum rostale — wurde der Papillarkörper schon von früheren Autoren festgestellt. Form und Anordnung der Papillen und ihr Verhältnis zu den Sinushaaren und den Glandulae rostrales wurde aber bislang nicht berücksichtigt. Auf der ganzen Rüsselscheibe bis gegen den aufgeworfenen Rand hin lassen sich in Abständen bis 1.5 mm kurze Borsten — Sinushaare — wahrnehmen, die sich über das Niveau der Epidermis nicht merklich erheben, da sie einer ständigen Abreibung ausgesetzt sind. Die von der Chorionseite betrachteten Haarbalstrichter (Taf. XXVII, Fig. 4) zeigen dicht gedrängte, schmale, nach aussen immer breiter werdende und weiter gestellte zirkuläre Epithelleisten, die durch Queräste verbunden sind. Die äusseren Zirkulärleisten umkreisen, sich gabelig teilend, benachbarte Balg- mündungen. Kleinere Sekundärleisten, die in die meist vier- oder dreieckigen hellen Felder zwischen den Hauptleisten hineinragen, sind überall deutlich sichtbar. Die Papillen sind an der Basis ausgesprochen kantig und gerieft, spitzenwärts werden sie rundlich, wie aus Flächenschnitten durch die Rüssel- scheibe deutlich hervorgeht. Zwischen den, in Parallelreihen gestellten Haar- bälgen finden sich die Mündungen der Glandulae rostrales und zwar ziemlich in der Mitte zwischen je vier Haarbälgen, häufig jedoch einen Platz frei- lassend. Sie senken sich dabei nicht in eine Epithelleiste ein (wie Fig. 7 der Flattenschen Arbeit zeigt), sondern ziehen in der Mitte einer Papille zur Oberfläche. Die Epithelleisten sind bezüglich ihrer Anordnung von den Haar- bälgen abhängig, aber in keiner Weise von den Drüsenmündungen. Das Ganze erweckt den Eindruck, als ob die Papillen durch Einsenkung von Epithelleisten entstanden wären und nicht umgekehrt die Epithelleisten eine notwendige Bildung der vorhandenen Papillen wären. Die Unterlippe trägt an ihrer Aussenseite ebenfalls Sinushaare in geringer Anzahl; dazwischen zahlreiche Haare verschiedener Dicke bis zu einer Feinheit von ca. 25 «. Die untere Epidermisfläche zeigt ein zierliches Leistennetz, dessen Hauptzüge radiär von den sehr verschieden grossen Haarbälgen auslaufen. Freie Drüsenmündungen scheinen auch hier vorhanden zu sein; sie sind aber sehr schwer von den Wurzelscheiden feinster Haare zu unterscheiden. Die Epithelleisten verhalten sich zu ihnen wie zu den Haarbälgen. Die Papillen sind, wie ein Vergleich mit Längsschnitten ergibt, -99 Untersuchungen über die Haut des Schweines. 959 nur eineinhalb- bis zweimal so hoch als sie an der Basis breit sind und nicht zugespitzt, sondern kuppelförmig abgerundet. Hauerfurche. Schon an 12—13 cm langen, 60 Tage alten Schweine- feten macht sich am Oberlippenrand, mehr dem Mundwinkel zu gelegen, eine winkelige Ausbiegung bemerkbar. Bei erwachsenen Tieren hat sie den Zweck, dem Hauer des Unterkiefers Raum zu schaffen und besitzt hier eine Länge von ca.5 cm und eine Breite von ca. 3 cm. Die abgezogene Epidermis zeigt ein Coriumnegativ, welches dem der haarlosen Zwischenklauenhaut ganz ähnlich ist, nur viel feiner gebaut. Zwischen den grossen, 180—200 u betragenden Hohlzylindern der äusseren Wurzelscheiden, neben welchen stets je eine lange Drüsenmündung sich befindet, finden sich 60—70 u dicke Epithelröhren, die als freie Drüsenmündungen anzusprechen sind. Die Haupt- leisten sind um beide Gebilde radiär angeordnet. Die innere Fläche der Ohrmuschel zeigt im Flächenbild der Epidermis feine Haarbälge mit Drüsenmündungen und ein System flacher, breiter Leisten von ähnlicher Anordnung wie vorstehend beschrieben. Sekun- däre Leisten treten zahlreich und deutlich hervor. Zwischen den Haarbälgen finden sich freie Drüsenmündungen, die sich oft aus zwei oder drei Gängen zusammensetzen. Um diese sind die Hauptleisten radiär angeordnet oder auch nicht. Im Kehlgang ist die radiäre Anordnung der Hauptleisten deutlich erkennbar, aber weniger ausgeprägt. Es tritt vielmehr eine longi-tudinale, naso-caudale Anordnung derselben in den Vordergrund. Sehr häufig sind eigentümliche Convolute von ca. 400 u Durchmesser, in welchen eine Ringleiste ein radiär gebautes Zentrum umgibt. Zahlreiche freie Drüsen- mündungen sitzen breiten Hauptleisten auf oder werden radiär von solchen umgeben. Ausserdem erheben sich von vielen Leisten „Epithelzapfen‘, die kein Lumen zu besitzen scheinen; ihre Länge ist an den Flächenbildern schwer feststellbar, vielleicht 50—100 «. Endlich finden sich zahlreiche, ebenfalls radiär zu den Haarbälgen angeordnete Knickungsfurchen. Von den zahlreichen Präparaten, die von der Kopfhaut angefertigt wurden, seien hier noch die der Stirnhaut besonders erwähnt. Die Epithelleisten ver- laufen ebenfalls zu den Wurzelscheiden radiär, doch nur in nächster Nähe derselben. Durch seitliche Abbiegung wird diese Anordnung bald verwischt. Die Basen der Coriunpapillen sind auch hier drei-, vier- oder fünfeckig. Zahlreiche Knickungsfurchen, in deren Verlauf die Epithelleisten ganz abgeflacht und deshalb undeutlich sind, bilden eine Art Quadratur, in deren Kreuzungswinkeln meist Haarbälge liegen. Typische Schweissdrüsen- mündungen von bedeutender Länge, unverästelt, von einem geringsten Durch- messer von 18 u, finden sich überall zerstreut. Ein ganz ähnliches Bild zeigt die Epidermis der Unter-Brust. Die Hauptepithelleisten haben Längsrichtung, die radiäre Anordnung ist deshalb verwischt. Die freien Drüsenmündungen stehen auf den Epithel- leisten oder es laufen mehrere solche an der Drüsenmündung zusammen. Epithelzapfen ohne Öffnung, deren Höhe ich auf 100 « schätze, sind zahl- reich. Die Convolute haben einen Durchmesser von 500-600 ., sind meist rund oder etwas oval, in der Mitte findet sich meist eine kleine helle Stelle 534 Eduard Kränzle: von ca. 30 « Durchmesser. Auf 1 cm? Epidermis wurde mit Hilfe eines selbstgemachten Zählers nach Art des Thomaschen Blutkörperzählers 20 Haare mit Schweissdrüsen, 18 Epithelzapfen, 10 freie Schweissdrüsen und 5 Convolute gezählt. Ähnliche Resultate gaben Zählungen an anderen Hautstellen. In der Bauchregion findet sich keine wesentliche Abweichung des Flächenbildes der Epidermis von dem der Unterbrust, dagegen ist in der Dammgegend die radiäre Anordnung der Hauptleisten um die Haar- bälge noch mehr verwischt. Das ganze stellt mehr ein gleichmässiges Reticulum von feinerem Bau dar. Die Vertiefungen sind besser ausgeprägt. Wir haben also in dieser Region höhere und schmälere Papillen, die schräg zur Hautoberfläche verlaufen. Letzteres ist aus der Art der Begrenzung ihrer Basen zu schliessen und tritt bei Betrachtung mit dem binoculären Mikroskop deutlich hervor. Die Knickungsfurchen treten als hohe Wälle auf, in deren Bereich die Epidermis sehr dünn ist, die Leisten somit abgeflacht erscheinen. Epithelzapfen finden sich häufig. Die Epidermis der Schulter ist sehr reich an Epithelzapfen: manchmal finden sich zwei selbst drei dicht nebeneinander; dagegen sind freie Drüsenmündungen nur sehr vereinzelt zu finden. Die Convolute sind gross und zahlreich, die Papillenlöcher verlaufen schräg zur Hautfläche. Am Rücken ist die radiäre Anordnung der Leisten auch wieder nur in nächster Umgebung der Haarbälge deutlich. Hier sind sie auch am stärksten, indem sie sich nach aussen etwas abflachen. Man könnte zwischen Haupt- und Nebenleisten unterscheiden, indem erstere mehr longitudinal verlaufend auf längere Strecken hin zu verfolgen sind. Die Convolute sind deutlich ausgeprägt; Epithelzapfen sind in grosser Zahl vorhanden, dagegen nur wenig freie Drüsenmündungen. Die Papillenlöcher, durch starke sekun- däre Leisten eingekerbt, sind ausgesprochen polyedrisch und nicht sehr tief (Taf. XXVII, Fig. 5). In der Umgebung der Schwanzwurzel sind die freien Drüsen- mündungen äusserst zahlreich. Zwischen zwei Haarbälgen mit dazugehörigen Schweissdrüsen finden sich nicht selten zwei bis drei freie Drüsenmündungen. Einige besitzen eine Länge bis zu 900 u, sie haben sich also durch das ganze ÜÖorium herausziehen lassen. Es gelingt auch bei stärkerer Ver- grösserung den zweischichtigen Epithelbelag zu unterscheiden. Aus vorstehenden Untersuchungen ergaben sich folgende neue Tatsachen. Das Schwein besitzt einen so ausgezeichneten Papillarkörper auf der ganzen Oberfläche seines Coriums, wie er bislang bei keinem Säugetier, auch nicht beim Menschen beschrieben wurde. Die Papillen sind an manchen Stellen spitz kegelförmig, meist aber breit und mehr abgerundet, stets aber scharf begrenzt. Sie gehen nicht, wie aus den Abbildungen Brandts für den chinesischen Hund und Loewys für den Menschen hervorgeht, mehr oder weniger Leisten bildend ineinander über. Untersuchungen über die Haut des Schweines. OR) Flatten schreibt: „Dass diese Erhöhungen und Ver- tiefungen des Coriums keineswegs als Papillarkörper oder Äqui- valent eines solchen gedeutet werden können, erhellt aus dem Umstand, dass dieselben von der Epidermis nicht ausgeglichen, sondern von dem freien Rande derselben als genau entsprechende Hebungen und Senkungen wiedergegeben werden.“ Dieses Ver- hältnis finde ich an keinem meiner zahlreichen (über 1200) Schnitte bestätigt. Die Epidermis füllt vielmehr die Täler zwischen den Papillen aus und zeigt, je nachdem sie über oder zwischen den Papillen gemessen wird, eine Dickendifferenz von 50—150 u. Aber selbst wenn es nicht so wäre, ist nicht einzusehen, warum dann die Coriumerhebungen nicht als Papillen anzusprechen wären. Das Schwein besitzt nicht nur an den besonderen Haut- drüsenorganen, sondern an den verschiedensten Körperstellen, besonders aber am Rücken und an der Kruppe freie Schweiss- drüsen, deren Entstehung nicht auf Haaranlagen zurückgeführt werden kann, da die, eine freie Schweissdrüse umgebenden Haar- bälge mit je einer zugehörigen Drüsenmündung ausgestattet sind (Taf. XXVL, Fig. 5). Es finden sich ferner zahlreiche Epithelzapfen vor. In Flattens Arbeit finden sie keine Erwähnung, nur Eggeling beschreibt ähnliche Gebilde in seiner Arbeit über die Temporal- drüse des Elephanten. Endlich ist der zahlreichen typisch gebauten Convolute zu gedenken. ‚ All diese Funde verdanke ich der Blaschkoschen Methode, die für jede histologische Hautuntersuchung als unentbehrlich zu erachten ist. Untersucht man die Coriumpapillen auf Längsschnitten, so fällt ein Kernreichtum auf, wie er sich in den Coriumpapillen anderer Tiere nicht findet. Ich vermutete ein dichtes Gefäss- netz und injizierte deshalb ein Ferkel mit Carmingelatine und ebenso als Vergleichsobjekte Hautpartien vom Pferd und Hund (Art. facialis). Ein auffälliger Unterschied im Capillarnetz des Schweines im Vergleich zu anderen Tieren war nicht feststellbar. Die Capillaren scheinen beim Schwein etwas stärker zu sein; doch kann das verschiedene Alter der Tiere, der Injektionsdruck u. dgl. solche kleine Differenzen verursachen. Ich fand also die Vermutung nicht bestätigt, dass die Haut des Schweines ganz 530 Eduard Kränzle: besonders gut vaskularisiert sei, eine Vermutung, die noch unter- stützt wurde durch die oft beobachtete dunkelrote Färbung der Haut bei Zirkulationsstörung, durch die hochgradige capilläre Diapedese bei Rotlauf und Pseudorotlauf, endlich durch die Er- wägung, dass der Gefässreichtum des Coriums die durch den Fettreichtum der Unterhaut verminderte Wärmeabgabe kompen- sieren helfe. Auch Versuche, einen besonderen Nervenreichtum, eventuell besondere Endapparate im Bereich der Convolute durch Methylen- blaufärbungen von Schnitten, die mittels Doppelmesser angefertigt wurden, sowie durch vitale Injektionen 2°/oo Methylenblaulösung 6, 3, 1, !/& h. vor der Tötung und Fixation der Schnitte mit molybdänsaurem Ammonium hatten keinen Erfolg. Bei Wieder- holung dieser kostspieligen und zeitraubenden Versuche wäre besonders darauf zu achten, dass die Injektionstlüssigkeit das Corium selbst imbibiert. Zur Ermittlung des Verhaltens der elastischen Fasern im Corinm wurden Hautschnitte aus verschiedenen Regionen der Unnaschen Coceinbehandlung unterworfen. Hierbei sei hervor- gehoben, dass Grefrierschnitte von frischen, nicht mit Alkohol oder Formalin vorbehandelten Objekten ausgezeichnete Präparate liefern, in welchen selbst die feinsten elastischen Fasern dunkel weinrot gefärbt sind. Die aus Flächen- und Längsschnitten der Schweinehaut bestehenden Präparate wurden mit ebensolchen der Pferde und Rindshaut verglichen. Die Haarbälge bilden beim Schwein nicht wie bei Mensch, Pferd. Rind und anderen Säugern die Ausgangsstellen der Faser- netze. Bei letzteren scheint an Orceinpräparaten der ganze Haar- bale aus dichtverfilzten elastischen Fasern zu bestehen. Von hier aus strahlen die sich verästelnden Fasern zum Teil einzeln, zum Teil in Bündeln radiär aus, um ein Netzwerk zu bilden, das um so dichter ist, je dichter die Haarbälge gelagert sind. Im oberen Abschnitt der Lederhaut sind die Fasern feiner und das Netzwerk erscheint weitmaschiger. Beim Schwein ist ein Zusammendrängen von elastischem Gewebe im und um den Haarbalg nicht festzustellen. Die collagenen Faserzüge des Haarbalges sind an den Orcceinpräparaten deutlich sichtbar. Dagegen finden sich im Stratum intermedium meist schräg, in der Richtung der Haarbälge, ansteigende Bündel Untersuchungen über die Haut des Schweines. 5831 elastischer Fasern von 500—1000 u Länge und ca. 50 « Breite, von denen starke, sich im weiteren Verlauf verästelnde Fasern ausstrahlen. Auch kleinere Zentralstellen sind zahlreich vor- handen, die fast den Eindruck einer grossen, sich auffasernden Zelle machen. Stoss!) erwähnt ein solches Verhalten elastischer Faserzentren im Aryknorpel des Pferdes. Im Stratum superficiale findet sich ein feinstes mehr senkrecht ansteigendes Faserwerk. Im ganzen betrachtet, ist das elastische Faserwerk der Haut des Schweines viel weniger entwickelt wie das des Pferdes und Rindes und hat nur geringe Beziehungen zu den Haarbälgen. Die Epidermis im allgemeinen ist durch ein gut entwickeltes Stratum corneum ausgezeichnet. Es zeigt ca. 30 «u Dicke, ist oberflächlich dicht gefügt, in den tieferen Schichten lockerer. Ein Stratum lucidum ist nur in wenigen Präparaten zu unter- scheiden; dagegen ist überall, sofern die Vorbehandlung nicht eine Auflösung des Keratohyalins zur Folge hatte, ein deutliches, aus einer Zellage bestehendes Stratum granulosum vorhanden. Bei anderen Tieren, besonders Carnivoren, wird diese Schicht häufig vermisst und Maurer nimmt deshalb an, dass bei manchen Tieren der Verhornungsprozess und die damit parallel laufende Keratohyalinbildung einer gewissen Periodizität unterworfen sei. Beim Schwein würden sich also ständig Epithelzellen in dieser Übergangsphase befinden. Das Stratum spinosum erscheint an 5 « dicken Schnitten, die mit Heidenhainschem Eisenalaunhämatoxylin tingiert sind, aus drei bis vier Zellagen bestehend. Zwischen den Zellen finden sich nur schmale Intercellularspalten. Das Stratum eylindrieum zeigt nichts besonderes. Im Vergleich zu anderen Haustieren ist besonders die Dicke des Stratum corneum hervorzuheben, die die des Pferdes oder Rindes um das Zwei- bis Dreifache übertrifft. Ohne auf die in Flattens Arbeit beschriebenen und aus den histologischen Lehrbüchern hinlänglich bekannten Eigentümlich- keiten der Schweinehaare, vulgo Borsten, im allgemeinen einzugehen, seien hier nur abweichende und ergänzende Befunde hervorgehoben. Die Angaben Flattens über die Form und Lagerung der Cutieulazellen konnte ich trotz genauester Nachuntersuchung nicht bestätigt finden. '), Stoss: 20. Versammlung der anat. Gesellschaft in Rostock. 538 Eduard Kränzle: Während bei Haaren anderer Tiere die Cuticula eine kaum messbare Dicke besitzt, ist sie bei einer mittleren Schweineborste von ca. 250 «u Durchmesser 6—8 u stark. Die sich dachziegelig deckenden Zellen überlagern sich in acht- bis zehnfacher Schicht. Von vorspringenden Rändern ist absolut nichts zu sehen. Nur gegen die sich spaltende Spitze hin treten am optischen Längsschnitt Randzacken auf, die aber sicher nicht einzelnen Cutieulazellen entsprechen. Die Grenzlinien der Cutieulazellen sind an ausgekochten Borsten nach Glycerinzusatz vorübergehend deutlich zu sehen. Sie verlaufen viel dichter gedrängt als bei Haaren anderer Tiere und fast senkrecht zur Grenzlinie des Haares, also nicht spiralig ansteigend in einem Winkel von 25—30° (Flatten). Die Cuticula der Borsten ist somit sehr dicht gefügt und sehr stark. Glanz, Politurfähigkeit, Resistenz gegen Verwitterung und andere Einflüsse sind darauf zurückzuführen. Über die Verhältnisse von Mark- und Rindensubstanz diffe- rieren die Angaben der Autoren in auffallender Weise. Nach Eble sind alle Borsten an ihrem freien Ende gespalten. Die Rindensubstanz besteht nach ihm aus einer unbestimmten Anzahl (gewiss mehr als 20) von feinen Röhren, die in ihrem Innern das Mark enthalten; die Borste spaltet sich nie in so viele Teile, als sie Röhren besitzt. (Gurlt behauptet, das untere, einfache Mark teile sich an der Spitze in so viele Äste, als die Borste in Äste geteilt sei, so dass jedes wieder aus Rinden- und Marksubstanz bestehe. An den Borsten junger Tiere sei die Spitze nicht geteilt. Waldeyer fand, entgegen den Gurltschen Angaben, dass nur die proximalen Teile der Schweineborsten Wurzelmark in wechselnder Entwicklung, aber kein Schaftmark besitzen. Harms bestreitet das Vorhandensein von Markzellen, also eines Markstranges überhaupt; der dunkle Axenstreifen entstehe erst später, und lediglich durch Zerklüftung der axialen Rindenzellen. Marks hat schon in den fetalen Haaren des Schweines, Rindes und Pferdes Mark vorgefunden. Nach seinen Angaben nimmt beim Schwein der Markzylinder sein Ende ein wenig über der Oberfläche der Epidermis. Nathusius schreibt der Schweineborste einen unter- brochenen. d. h. bald auf kürzeren, bald auf längeren Strecken Untersuchungen über die Haut des Schweines. 559 des Haares vorhandenen Markstrang zu, ohne seine Beschaftenheit näher zu schildern. Während also nach Gurlt der Markstrang vollständig ist und bis zur Spitze geht, nach Nathusius unterbrochen ist, nach Waldeyer fehlt, und nach Harms der eventuell vor- handene dunkle Axenstreifen nicht als Markstrang zu deuten ist, fand Flatten in allen Borsten einen mehr oder weniger deutlich ausgesprochenen Markzylinder, der immer Luft enthielt. Diese Kontroversen erklären sich vielleicht aus der Tatsache, dass nicht mehr lufthaltiges Mark sich viel weniger scharf von der Rindensubstanz der Borste abhebt als bei anderen Haaren. Um die Form des Markstranges fest- zustellen, wurden Borsten in sehr hartes Paraffın eingebettet und in Querschnitte zerlegt. Wie aus Textfig. 1 hervorgeht, ist der Markquerschnitt unregelmässig sternförmig; häufig sind periphere Ab- schnitte vollständig isoliert. et Diese eigentümliche Form des Mark- Fig. 1. stranges erklärt sich aus der Form der Querschnitt durch ur Papillen. Diese stellen meist Papillae Se er cula:; die einzelnen Zellagen eo,mpesit.a.e ‚dar, „Dier-Mantelläche pr nnnen durch eine feine einer solchen Papille zeigt regelmässige Straffierung zum Ausdruck. Längswülste, die in besondere Papillen- b = Rindenschicht. c = spitzen auslaufen. Zwischen diesen und Mark. Vergr. 1:200. i : i Borstenstärke 200 u. der ziemlich lang auslaufenden Haupt- spitze erheben sich in radiärer Anordnung weitere Papillenspitzen, so dass 12 bis 18 Spitzen gezählt werden können. Es war, um die wirkliche Form der Papille zu eruieren, unbedingt notwendig, ein Plattenmodell anzufertigen (Textfig. 2, 10 « dicke Schnitte wurden bei 250facher Vergrösserung auf 2,5 mm dicke Wachsplatten gezeichnet. Zeichenapparat Zeiss nach Greil). Bei zahlreichen Papillen fanden sich die sekundären Spitzen zusammengedrängt, so dass sie an nicht ganz dünnen Schnitten den Eindruck einer einfachen Papille machten. Neben den zusammengesetzten Papillen finden sich zahlreiche wirklich einfache. Daraus erklärt sich, dass Flatten trotz seiner Untersuchung der die Papille überziehenden Glashaut, die nur 540 Eduard Kränzle: an den feinsten Paraffinschnitten möglich ist, die zusammen- gesetzte Papille nicht erwähnt. An feinen Schnitten sind senkrecht verlaufende, in die sekundären Papillen sich fortsetzende Faserbündel von zirkulär verlaufenden, nur im Papillenkörper gelegenen und erstere durch- flechtende deutlich zu unterscheiden. Der von Flatten erwähnte Zellenreichtum ist auf ein dichtes Capillarnetz zurückzuführen. Den Saftgehalt möchte ich aus tingierten Schnitten nicht beurteilen. Dass das Vorhandensein und die Formverhältnisse des Markstranges nicht lediglich auf die Formverhält- nisse der Papille zurückzuführen sind, geht schon aus der Tatsache hervor, dass einige Zeit vor dem Haarausfall kein Mark mehr gebildet wird. Wie auch Flatten erwähnt, besitzen aus- gewachsene Borsten in ihrem proxi- malen Teil kein Mark. Die Sinus- a borsten besitzen die schönsten und Fig. 2. grössten zusammengesetzten Papillen, Papilla composita nach einem sind aber marklos. uenzall BL Dagegen muss die Eigentümlich- ee keit der ausgewachsenen Borsten, an ihrer natürlichen Spitze in drei bis sieben und mehr Äste zu zersplittern, unbedingt auf den Bau der Papille zurückgeführt werden. Das Gefüge der verhornten Rindenzellen ist weniger homogen als bei Haaren, die sich über einer einfachen Papille entwickelt haben. Dies dürfte der Teilung der Spitze Vorschub leisten (die Neigung zur Spaltung der Spitze ist auch an ganz gesunden Menschenhaaren zu beobachten). Die in Flattens Arbeit befindliche Abbildung einer gespaltenen Wildschweinborste (Fig. 3) entspricht den wirk- lichen Verhältnissen nicht, wohl aber der irrigen Anschauung Gurlts, dass jeder Spaltteil aus einem zentral verlaufenden Markstrang bestehe, der von Rindensubstanz gleichmässig um- geben sei. Untersuchungen über die Haut des Schweines. 54l An jeder Borste lässt sich bei schwacher Vergrösserung feststellen, dass die Teilspitzen nach aussen aus mehr oder weniger zersplitterter Rindensubstanz, nach innen aus Markstrang- fragmenten besteht. Das mehrzeilige Mark nimmt annähernd ein Drittel des Borstendurchmessers in Anspruch, gegen die sich teilende Spitze hin verbreitert es sich auf Kosten der Rinden- schicht bedeutend (Textfig. 3). Die Sinushaare sind marklos und an der Spitze nicht Mu, geteilt, trotzdem sie .\| durchwegs zusammen- | gesetzten Papillen auf- An sitzen. Die Cuticula zeigt spitzenwärts | immer näher bei- ‚| sammen liegende Ab- 7 sätze im Bereich deren | eine Absplitterung der ll, Zellen auftritt (Text- u | figur 4). Der Spitzen- ' } abschnitt eines Sinus- N | haares erinnert an I) einen Schachtelhalm- | stiel. An den Absätzen | '.. 1 scheint ein Abbrechen ea der Haarspitzen leicht | | ul aufzutreten. r Flatten glaubte feststellen zu können, Fig. 4. 2 i '5 * dass sich Luft nur Spitze einer : : SEAT zwischen den einzelnen Sinusborste. Zellen befinde, nicht (Geteilte Spitze einer Schweins- { 7 \ aber in letztere eindringe. Er borste. Über dem lufthaltigen (schwarzen) Mark sind Cuti- schloss dies aus der Art und Weise culazellen eingezeichnet. Das der Verdrängung der Luft durch nn zugesetztes Wasser und des Wieder- der Teilung. a i 1 ne eintritts der Luft bei Abdünstung des Wassers. Ich führte dieselben Versuche an frischen und ausgekochten Borsten mit Wasser, Farbstofflösungen, Alkohol, ätherischen Ölen und Glycerin aus und kam zu der Überzeugung, Archiv f. mikr. Anrat. Bd.79. Abt. I. 37 542 Eduard Kränzle: dass die Luft intracellulär sich befindet. Die Luft tritt als kleinere und grössere Bläschen ruckweise in die Hohlräume des Markes ein. Diese Hohlräume sind durch häutige Zwischenwände voneinander getrennt. Diese Hohlräume entsprechen der Grösse, Form und Anordnung nach ganz den protoplasmatischen Mark- zellen im Bereich der Borstenwurzel. Es liegt somit keine Be- rechtigung vor, diese Räume als Intracellularräume und die sie trennenden Scheidewände als die geschrumpften Zellen anzusprechen. Das Pigment der Borsten ist bei manchen Schweinen diffus in der Rindenschicht verteilt und lässt diese gleichmässig gelblich bis schwarzbraun erscheinen, bei anderen tritt es feinkörnig und tief schwarz auf. Übergehend zu dem im Corium gelegenen Teil des Haares sei bezüglich der einfachen Papille noch erwähnt, dass ihre Form der der menschlichen Kopfhaut sehr ähnelt. Die Spitze ist etwas länger ausgezogen. Dass die Glashaut auch die Papille überzieht, dürfte einem Zweifel nicht unterliegen, dass sie aber gerade hier leicht dar- stellbar ist, wie Flatten behauptet, muss ich entschieden ver- neinen. Während sie sich im Bereich des Haarbalges mit Säure- fuchsin leuchtend rot färbt, erscheint sie über der Papille nur als scharfe Grenzlinie gegen den epithelhaltigen Überzug. Dagegen beobachtet man nicht selten eine Loslösung der Matrixzellen der Haarzwiebel von der Papille und infolgedessen einen hellen Spalt- raum zwischen Papille und Haarzwiebel. Zur Beurteilung des Verhaltens der Zellschichten der Haar- wurzel und der Wurzelscheiden wurden bereits vorhandene und zum Teil neu angefertigte Präparate von Haustieren und vom Menschen zum Vergleich herangezogen. Im grossen ganzen konnte eine auffällige Übereinstimmung bei allen untersuchten Säugern konstatiert werden (vgl. Taf. XXVIL, Fig. 6). An guten Schnitten durch stark pigmentierte Haare lässt sich die Lage der Matrixzellen der einzelnen Haarabschnitte gut feststellen. Man sieht daraus, dass die Markzellen nicht lediglich über der Papillenspitze produziert werden, sondern eventuell von der ganzen oberen Papillenfläche bis zur stärksten seitlichen Ausbuchtung hin. Auch die Abgrenzung der Rindenmatrixzellen zu jenen der Haarcuticula, welch letztere stets unpigmentiert sind, ist deutlich feststellbar. Mark- und Rindenzellen zeigen Untersuchungen über die Haut des Schweines. 545 beim Schwein keinerlei Besonderheiten. Die Haarecuticulazellen sind sehr hoch (Mensch 15 u, Schwein 36 «). Sie stehen im Bereich der Papillenspitze in einem weiten Winkel (ca. 60— 70°) zur Haarachse, der distal immer kleiner wird. Durch diese Ver- schiebung der Zellen zueinander nimmt die Breite der Cuticula bis zur Verhornungszone der Haarzellen rasch ab. Die chromatinreichen Kerne liegen in der Mitte der Zylinder- zellen ; sie werden bis zur Verhornungszone, die sich an Präparaten, die mit Stöhrschem Eosin nachgefärbt sind, durch ein leuchtendes Rot auszeichnet, stäbchenförmig und schwinden alsbald vollständig. Die Cuticula ist dann auf ihre definitive Breite von ca. 3—5 u reduziert. Der Haareuticula liegen nach aussen die Scheidencuticula- zellen an. Sie sind kubisch und besitzen kleine runde scharf begrenzte helle Sterne. Der Kernmembran liegt meist ein Nucleolus an. In doppelter Papillenhöhe werden sie strichförmig und schwinden alsbald vollständig. Ein sperrzahnähnliches Inein- andergreifen der vorspringenden Zellränder beider Cuticulae, wie dies besonders beim Rinde gut zu beobachten ist, konnte ich beim Schwein nie sehen. An den Präparaten ist meist ein Spalt- raum zwischen beiden Schichten zu bemerken. Die nun folgende Huxleysche Schicht ist beim Schwein mächtiger als bei anderen Säugern. (Brusthaar des Menschen 15 u, Schwein 40 u.) Bis zur Verhornungszone des Haares (zwei- bis dreifache Papillen- höhe) lassen sich deutlich drei bis vier Reihen abgerundeter viereckiger Zellen mit grossen Kernen unterscheiden. Die Zell- leiber sind, gleich den Markzellen, mit Keratohyalinklumpen angefüllt. Etwas über der Verhornungszone des Haares wird diese Schicht ganz homogen und nimmt dabei an Breite bedeutend ab. Mit Hämalaun tingiert sie sich schwach bläulich im Gegen- satz zur nächsten Schicht der Haarscheide, der Henleschen Schicht, die sich ganz dunkel färbt. Diese besteht aus schmalen Zellen mit stäbchenförmigen Kernen, die bald verschwinden. Sie verhornt schon im Bereich der Papille ohne Keratohyalinbildung wie die Rindenzellen des Haares. (Nachweis der Verhornungs- region durch die Grammsche Färbung nach Ernst.) Die äussere Wurzelscheide besteht bis zum Verhornungsniveau des Haares aus einer einzelligen Lage platter Zellen mit schmalen Kernen, die bei der Feinheit der Glashaut in dieser Region selbst in 37% 44 Eduard Kränzle: dünnen Schnitten von den nächstliegenden Bindegewebskernen des Haarbalges schwer zu unterscheiden sind. Trotzdem diese Verhältnisse beim Menschen ganz ähnlich wie beim Schweine sind, finden sie sich in keinem Lehrbuch berücksichtigt. In den Abbildungen aber ist gerade diese Region so schematisiert, dass die tatsächlichen Verhältnisse nur schwer darauf zu be- ziehen sind. Wo nun Haar und Haarscheide durch Verhornung an Umfang abnehmen, kommt die äussere Wurzelscheide zur Entwicklung. Man sieht ein sehr regelmässig gebautes, der Glashaut auf- sitzendes Stratum eylindriecum. Diesem folgt das aus sechs bis zehn Zellschiehten bestehende Stratum spinosum, dessen innerste Zellkerne insoweit Kernschwund aufweisen, als das Chromatin zu einem napfförmigen Gebilde verdichtet, an der Wand der sonst leeren Kernhöhle liegt. Sehr häufig und zwar meist in jüngeren Haaren mit gut entwickeltem Wurzelmark vermisste ich diese Erscheinung. Die Kerne erschienen nur etwas mehr verdichtet. Ich glaube deshalb, diese Erscheinung mit verminderter Ernährung des (Gesamthaarbalges also mit bevorstehendem Haarausfall in Zusammenhang bringen zu dürfen. Die eigentliche äussere Wurzelscheide endet unter der Talgdrüsenmündung. Hier tritt Verhornung der sich nach aufwärts schiebenden Stachelzellen ein und ich fand nicht nur beim Schwein, sondern bei allen untersuchten Säugern, unter der Talgdrüsenmündung eine Schicht zusammen- geschobenen, vollständig verhornten Epithels. Dieses Stratum corneum der äusseren Wurzelscheide ist von der distalgelegenen Epidermis des Haarbalgtrichters meist durch eine scharfe Ring- kerbe abgegrenzt. Die Epidermis des Haarbalgtrichters verhält sich bezüglich ihrer Verhornungszonen wie die Oberflächenepidermis. Häufig ist ein Stratum granulosum deutlich zu sehen. Sie besitzt aber nur eine geringe Dicke. weshalb sich über der Talgdrüsen- mündung der bindegewebige Haarbalg bedeutend verengt, um sich alsbald trichterförmig zu öffnen. Eine beetartige Ausbuchtung des Haarbalges zur Aufnahme der Vollwurzel konnte ich nirgends finden, dagegen fand ich an Haarbälgen älterer Schweine oft mehrere wellige Ausbuchtungen. Die Vollwurzel eines Kolbenhaares liegt in der Achse des Haar- balges unter der Talgdrüsenmündung. Der sich regenerierende Untersuchungen über die Haut des Schweines. 545 Haarbalgabschnitt mit dem eventuell vorhandenen Scheidenhaar steht zum Kolbenhaar in einem stumpfen Winkel. Die Musculi arrectores sind durchweg gut entwickelt, wenn sie auch beim Hausschwein bei weitem nicht die Stärke wie beim Wildschwein erreichen, wo sie 150—400 u und darüber stark sind. (Der in Flattens Abbildung dargestellte Arrector hat einen falschen Verlauf!) Die Talgdrüsen zeigen im allgemeinen eine mehr lang- gestreckte Form (Taf. XXVL, Fig. 1g). Sie sind häufig aus- gesprochen keulenförmig und liegen dem Haarbalg dicht an. An einzelnen noch zu besprechenden Körperstellen zeigen sich zahl- reiche alveoläre Ausbuchtungen. Dies gilt auch für das Wildschwein und eine ganz auffällig starke Entwicklung der Talgdrüsen des Wildschweines, wie Flatten behauptet, kann ich ebensowenig be- stätigen, wie das gänzliche Fehlen der Talgdrüsen beim englischen Edelschwein. Das mir zur Verfügung gestandene Hautstück eines solchen Schweines zeigte an den sehr spärlich vorhandenen Haar- bälgen durchwegs rundliche Talgdrüsen. Die Schweissdrüsen sind beim Hausschwein durchwegs gut entwickelt und bilden wie beim Menschen und Pferd mehr oder weniger umfangreiche Knäuel, deren Formverhältnisse von der Umgebung abhängig sind. Es lassen sich ungezwungen drei Hauptgruppen von Schweissdrüsen unterscheiden, nämlich: 1. weit- kalibrige, dicht geknäulte, zwischen den einzelnen Windungen sind nur spärliche Bindegewebsfasern ; 2. engkalibrige, locker geknäulte, bei welchen zwischen den Windungen reichliche Bindegewebsmassen sich befinden; 3. besonders modifizierte als Hautdrüsenorgane (Rüsselscheibe, Kehlwarze, Nabelbeutel, Carpaldrüsen, Reservoir- drüsen). Abgesehen hiervon lassen sich alle Schweissdrüsen beim Schwein einteilen in freie und zu Haarbälgen gehörige. Beim Menschen sind freie Schweissdrüsen über den ganzen Körper verbreitet. Ihre Entwicklung geht nach Stöhr nur aus- nahmsweise von der Haaranlage aus. Bei den Tieren dagegen sind die Schweissdrüsen bis auf die Hautdrüsenorgane mit den Haaren gepaart. Nach Stöhr gehört zu jedem Haar (Ausnahme: Sinushaare) eine Schweissdrüse und ihre Entwicklung geht durch- wegs von den Haaranlagen aus. Für das Schwein wurden weder von Marks noch von Flatten noch von einem anderen Autor freie Schweissdrüsen nachgewiesen. Flatten sagt (8. 42): „Die 546 Eduard Kränzle: Mündung liegt entweder im oberen Drittel des Haarbalges (falsch) oder erfolgt zwischen je zwei Papillen frei an der Hautoberfläche, wie dies besonders schön an der Rüsselscheibe zutage tritt.“ Das angeführte Beispiel der Rüsselscheibe ist nicht zulässig, denn erstens finden sich hier keine gewöhnlichen Haare, sondern nur Sinushaare, die überhaupt keine Schweissdrüsen besitzen, sondern nur Talgdrüsen, zweitens sind die Glandulae rostrales sehr modi- fizierte Schweissdrüsen, deren Verhalten nicht als Beispiel für die Schweissdrüsen im allgemeinen angeführt werden kann; endlich sei noch erwähnt, dass, wie aus Taf. XXVIL, Fig. 4 deutlich hervorgeht und wie auch in Schnittbildern zu sehen ist, die Glandulae rostrales nicht „zwischen je zwei Papillen“, sondern mitten durch eine Papille endigen. Der einwandfreie Nachweis freier Schweissdrüsen lässt sich nur durch Serienschnitte erbringen, die bislang von der Schweinehaut aus naheliegenden Gründen nicht ausgeführt wurden, oder durch die Blaschkosche Methode. Durch letztere ist auch leicht Aufschluss über die Zahl der freien Schweissdrüsen zu gewinnen. Ich fand, wie bereits erwähnt, zirka zehn freie Drüsenmündungen neben zwanzig zu einem Haarbalg gehörigen auf einem (Quadratzentimeter Rückenhaut eines Landschweines. Über die Einzelheiten des Baues der Schweissdrüsen sagt Flatten: „Der Ausführungsgang beginnt an dem Drüsenknäuel mit derselben Weite, wie sie in der Drüse selbst vorhanden ist“ (Abgrenzung?): „Er schlängelt sich in der Nähe der Drüse noch vielfach im Zickzack hin und her. Erst beim Eintritt in das festgefügte Gewebe der Cutis erweitert sich der Ausführungs- gang“ (das Gegenteil ist doch natürlicher) „und verläuft dann in gerader Richtung der Hautoberfläche zu* (er soll doch in das obere Drittel des Haarbalges münden). Ich zweifle daran, ob Flatten einen Exkretionsgang gesehen hat. In Fig. 5 hätte er eingezeichnet werden können. Die dichtgefügten Knäuel sind meist oval, horizontal oder schwach schräg gestellt, liegen an der Grenze zwischen Corium und Subeutis oder vollständig in einer der beiden Schichten. Liegen sie in der fettreichen Sub- cutis, so erscheinen die Windungen mehr aufgelockert. Ihre Grösse schwankt von 0,2—1,5 mm. Der Sekretionstubulus hat eine Weite von 60—70 u und lässt die Eigenmuskulatur gut erkennen. Das Drüsenepithel besteht meist aus niederen, fast plattenförmigen, polygonalen Zellen mit grossen Kernen, so dass Untersuchungen über die Haut des Schweines. 547 das Lumen sehr weit erscheint. Der Exkretionsgang ist ca. 25 bis 30 «u stark. sein Lumen nur 10 «. In der trichterigen Mündung beschreibt das engbleibende Lumen zunächst einige korkzieherartige Windungen, um dann gestreckt zu enden. Die das Lumen begrenzenden Zellen zeigen hier meist Keratohyalin- einlagerungen. Eine ganz eigentümliche Erscheinung ist die Verästelung des Sekretrohres. Dieselbe ist an ca. 50 « dicken Schnitten leicht zn sehen. Es wurde auch ein Plattenmodell eines Drüsen- knäuels bei 250facher Vergrösserung hergestellt, an welchem die Art der Windungen und Verästelungen deutlich hervortritt. Die Hauptwindungen verlaufen zirkulär uud zentripetal mit auf- und absteigenden Nebenwindungen. Die Verästelungen sind dichotom und die Seitenäste sind verschieden lang, oft nur 100 u. Am Modell sind fünf Verästelungen festzustellen. Von einem Bakonierschwein wurden verschiedene Stellen der Bauchhaut geschnitten. Es fanden sich überall sehr gut entwickelte Schweissdrüsen, ein fast 1 mm starkes Drüsenstratum in der bei dieser Rasse deutlich charakterisierten Grenzschicht zwischen Corium und Subeutis bildend. Die Sekretionstubuli haben Querschnitte von 120— 180 u, sie erscheinen nicht rundlich, sondern stark verbogen. In der verfetteten Subeutis finden sich häufig lockere Drüsenknäuel, deren Tubuli ca. 70 u stark sind. Von drei Wildschweinen !) wurden die verschiedensten Haut- partien auf Schweissdrüsen untersucht. Dieselben wurden nie vermisst, wenn auch oft schwer aufgebunden. Der Sekretions- knäuel bildet nur wenig lockere Windungen und liegt ganz in der Subeutis. Muskelfasern des 300—400 u starken Arrector pili treten nicht an ihn heran. Der Tubulusqauerschnitt beträgt höchstens 60 «u. Das Epithel ist mehr zylindrisch, Die Meinung Flattens, dass die Wildschweine keine Schweissdrüsen besässen, ist somit als eine irrige zu bezeichnen. In nachfolgendem soll die Beschaffenheit des Integumentes einzelner Körperstellen besonders besprochen werden. ‘) Drei Wildschweinfrischlinge verdanke ich der freundlichen Ver- mittlung des Herrn Hofstabsveterinär Wille in München; eine Anzahl in Spiritus konservierte Hautstücke von Bakonierschweinen Herrn Doz. Dr. Zimmermann in Budapest. Beiden Herren spreche ich hier meinen ver- bindlichsten Dank aus. 548 Eduard Kränzle: Die Rüsselscheibe des Schweines wurde von Kormann 1905 eingehend beschrieben. Das Vorhandensein von Sinushaaren wird aber hierbei nicht erwähnt. Es heisst nur S. 35 „durch das Vor- handensein kurzer, dicker Haare und durch ihre Beweglichkeit unterscheidet sich die Rüsselscheibe des Schweines vom Planum nasolabiale des Rindes“. (Gerade die zahlreichen regelmässig verteilten Sinushaare mit ihren starken, zur inneren Balglage ziehenden Nervenbündeln charakterisieren die Rüsselscheibe als ein vorzügliches Tastorgan. Diese Vernachlässigung der Sinus- haare rächt sich bei Beurteilung der Flächenschnitte, indem die Balgmündung eines Sinushaares, Kormanns Fig. llla, als Mündung eines Drüsenausführungsganges erachtet wird. Die wirklichen Drüsenmündungen, die, wie Fig. 4, Taf. X\XVII vor- liegender Arbeit zeigt, nicht kreisförmig von den Papillen umlagert sind, sondern sich in der Mitte einer Papille vorfinden, wurden ganz übersehen. Die Glandulae rostrales, deren Exkretions- wie Sekretions- gänge zahlreiche Teilungen aufweisen, sind als modifizierte Knäuel- drüsen zu erachten. Der histologischen Darlegung Kormanns pflichte ich vollständig bei, nicht aber seiner Deutung der sub- epithelialen langgestreckten Zellen der Sekrettubuli. Kormann sagt S. 68 „Ein Muskelschlauch, wie er bei den Schweissdrüsen zwischen Membrana propria und Adventitia gelegen ist,') liess sich trotz mehrfacher Untersuchung entsprechend gefärbter Präparate nicht finden. An der Basis der Epithelzellen bemerkte ich, zwischen letztere und die bindegewebige Adventitia eingelagert, langgestreckte Zellen, welche zweifellos mit Korbzellen (Basal- zellen) zu identifizieren und nicht mit Muskelzellen zu verwechseln sind“. Abgesehen von dem spärlichen Auftreten dieser Zellen gelang es mir auch nicht durch Färbung nach van Gieson den muskulären Charakter dieser Zellen nachzuweisen und trotzdem möchte ich sie als zurückgebildete Muskelzellen erachten. In manchen Fällen entspricht Form und Lagerung des Kernes ganz den Muskelkernen gewöhnlicher Schweissdrüsen. Ferner: Das Epithel der Exkretionsgänge beschreibt auch Kormann als zwei- schichtig. An meinen Präparaten sind beide Lagen deutlich zu unterscheiden. Dasselbe ist bei den gewöhnlichen Schweissgängen !) Soll doch wohl heissen „zwischen der Membrana propria und dem Drüsenepithel“. Vel.v. Kölliker, 6. Aufl. Untersuchungen über die Haut des Schweines. 549 der Fall. v. Kölliker erklärt die tiefere Epithelschicht als modifizierte Muskelzellage; eine noch nicht widerlegte Auffassung. Darnach scheint es mir nicht berechtigt, den länglichen sub- epithelialen Zellen der Sekretgänge den muskulären Charakter abzusprechen. An den Lippen des Schweines bildet die Umschlagstelle des Integuments nicht die Grenze zwischen Haut und Schleim- haut wie bei den übrigen Haustieren. Es setzt sich vielmehr die behaarte Haut 1—2 cm weit auf die Vorhoffläche der Lippe fort, um dann erst ziemlich scharf in die Lippenschleimhaut mit hohem Papillarkörper und unverhorntem Epithel überzugehen. Die Oberlippe zeigt im allgemeinen ein von quergestreiften Muskelfasern durchsetztes Corium, grosse Schweissdrüsenknäuel mit weiten Lumina und niederem Epithel. Die Talgdrüsen um- lagern als traubige Uonglomerate die Haarbälge. Am Lippenrand sind Schweiss- und Talgdrüsen auffallend stark entwickelt. Im Bereich der Hauerfurche (Fig. 18) ist die „Pars cutanea interna“ nach aussen gekehrt und in der proximalen Hälfte (Fig. 18a) durch grossen Drüsenreichtum ausgezeichnet. Bei einem aus- gewachsenen Eber zeigt das Stratum glandulosum eine Länge von fast 2 cm und eine Breite von '/s em. Im Innern der traubigen Talgdrüsen findet sich stets ein kleiner Haarbalg eingebettet. Die etwas tiefer liegenden Schweissdrüsen bilden 2—3 mm grosse Knäuel. Die distale Hälfte der Hauerfurche (Taf. XXVII, Fig. 7) ist haar- und drüsenlos und erst an der äusseren Um- schlagstelle (c) finden sich wieder zahlreiche Haare, darunter viele Sinushaare und mässig grosse Drüsen. Bau und Anordnung der Drüsen lassen die Hauerfurche als ein besonderes Hautdrüsen- organ erscheinen. Hinter der Hauerfurche findet sich meist eine flache Erhebung von 10-Pfennig-Stückgrösse, in deren Mitte ein sehr grosser Sinusbalg eingepflanzt ist. Starke Nerven und zahl- reiche quergestreifte Muskelfasern treten an ihn heran. An der Unterlippe lassen sich die quergestreiften Muskel- fasern bis zu den Coriumpapillen verfolgen; dafür fehlen vegetative Muskelfasern vollständig. Sinushaare mit zusammengesetzten Papillen sind häufig. Talg- und Schweissdrüsen, besonders letztere, sind gut entwickelt. Die „Zona cutanea interna“ reicht I—2 cm vom Lippenrand nach einwärts. Sie besitzt kleine kaum 1 mm lange Haarbälge mit Talgdrüsen. Schweissdrüsen fehlen voll- 550 Eduard Kränzle: ständig. Nach Zander, Krokow und Unna finden sich auch im Lippenrot des Menschen Talgdrüsen, jedoch ohne Haarbälge; wohl der einzige Fall wirklich freier Talgdrüsen. Sie kommen bei 30°/o Menschen vor, haben eventuell eine Grösse, dass sie makroskopisch sichtbar sind und entwickeln sich nach Zander erst zur Zeit der Pupertät. Stirn- und Scheitelgegend zeigen ein starkes Corium und gut entwickelte Drüsen. Am Ohrgrund ist das Corium stark verfettet und die locker gewundenen Drüsenschläuche sind ganz in Fett eingebettet. In der Nackengegend ist abgesehen von der Dicke des Coriums die Stärke der Arrectores und die Entwicklung der Talgdrüsen erwähnenswert. Diese umgeben die drei Haarbälge einer Gruppe allseitig und sind an den Schnitten mit freiem Auge sichtbar. Die Schweissdrüsen sind mässig stark. Das Wesentlichste des Kehlganges sind gut entwickelte 0,5—0,7 mm grosse dicht gefügte Drüsenknäuel und kleine Talg- drüsen. Die Kehlwarze stellt eine linsen- bis haselnussgrosse Hautwarze im Kehlgang dar, die annähernd in einer Querebene durch die Maulwinkel gelegen ist. Sechs bis zehn starke Sinus- borsten entspringen auf ihrer Oberfläche. Die Sinusbälge sind ca. 5—7 mm lang und 2—3 mm breit und besitzen relativ starke und zahlreiche Talgdrüsen. Starke Nervenfasern durchbohren die äussere Balglage, um in der inneren Balglage sich zu verästeln. Die Schweissdrüsen sind sehr verschieden gross, zum Teil frei- mündend. Die Kehlwarze steht unzweifelhaft im Dienste des Hautsinnes. Wallenberg bezeichnet die Kehlwarze als Glandula mentalis, was durch die Hautdrüsen, die hier keine stärkere Entwicklung zeigen als in der übrigen Regio mentalis, nicht gerechtfertigt ist. Drüsenläppchen von 3—4 mm Länge und 2 mm Breite habe ich nirgends gesehen. Die Prominenz der Kehlwarze wird lediglich durch die eingelagerten grossen Sinushaarbälge bedingt. Ebenso- wenig konnte ich feststellen, dass Sinushaare im Mündungstrichter der Drüsen stünden. Zu Sinushaaren gehören überhaupt keine Schweissdrüsen (Bonnet, Stöhr). Eingelagertes Iymphatisches (rewebe habe ich niemals in der Kehlwarze gefunden. Nach der Abbildung Wallenbergs (Anat. Anz., Bd. 37, S. 420) zu urteilen, handelt es sich um Anschnittbilder von Sinushaarbälgen! Bi | U — Untersuchungen über die Haut des Schweines. Rücken- und Seitenbrust zeigen mehr oder weniger langgestreckte, nur am Grunde buchtige Talgdrüsen. Ebenso sind die Schweissdrüsen durchwegs nur mässig entwickelt. Das Drüsenepithel ist bei älteren Schweinen durchwegs hoch, zylindrisch; die Drüsenmuskulatur sehr deutlich. Die Haarpapillen sind meist zusammengesetzt. Die Seitenbrustwand zeigt keine wesentlichen Ab- weichungen. — Inden Achselhöhlen ist eine Vermehrung der Schweissdrüsen nicht zu konstatieren. Die Subeutis ist fettarm. Unterbrust und Bauch: Bei mässiger Entwicklung der Schweissdrüsen sind die Talgdrüsen sehr reduziert. Sie stellen kurze, dünne Schläuche dar, deren Lumina nur von einer Reihe verfetteter Zellen eingenommen wird. An den Extremitäten sind die Schweissdrüsen gut, die Talgdrüsen aber ebenfalls sehr schwach entwickelt. Am Meta- carpus und Metatarsus stellen sie nur kleine halbkugelige oder kurzröhrige Ausbuchtungen der Haarbälge dar, welche leicht zu übersehen sind. Die CGarpaldrüsen kennzeichnen sich äusserlich durch Hauteinstülpungen an der medialen Seite des Uarpalgelenkes und des Metacarpus. Es sind meist vier bis fünf (zwei bis zehn) mit Sekret verstopfte Öffnungen, welche eine Weite von 1-2 mm und eine Tiefe von 5—10 mm aufweisen. Präpariert man die Haut dieser Region vorsichtig ab. so findet man an der Unter- seite des Coriums eine scharf begrenzte 5—10 cm lange, 1—2 cm breite und 5—5 mm dicke gelblichweisse Drüsenmasse. Auf Querschnitten durch vorerwähnte Einstülpungen findet man die Haut haarlos, das Corium etwas dünner als in der nächsten Umgebung und mit einem hohen spitz kegelförmigen Papillarkörper versehen, über welchem sich die verhornten Epidermiszellen auftürmen. Die dicht gedrängten Drüsenlappen unter dem Corium zeigen 30—40 u starke Sekretröhren mit kubischem Epithel und sekreterfülltem Lumen. Subepitheliale Muskelzellen sind vereinzelt nachzuweisen, während sie an den umliegenden bedeutend weiteren Schweissdrüsen leicht zu sehen sind. Sie scheinen also an diesen modifizierten Schweissdrüsen in Rückbildung zu sein. Die Ausführungsgänge sind entgegen dem Verhalten der gewöhnlichen Schweissdrüsen (10—15 u) weiter als die Sekretröhren (ca. 45 «) und durchdringen das Corium der 552 Eduard Kränzle: Säckchen in geschlängeltem Verlauf. In einzelnen Fällen waren starke Erweiterungen (bis 180 «) der Exkretionsröhren innerhalb der Drüsenläppchen zu beobachten. Wallenberg findet Sinushaare am „Carpalorgan“, die ich vermisse und bringt letzteres mit dem Carpalballen der Katze in phylogenetischen Zusammenhang. Dies erinnert an Roger, welcher die Kastanien des Pferdes von den Carpaldrüsen der Suiden ableitet. Im dorsalen Abschnitt der Zwischenklauenhaut finden sich stark entwickelte kleinkalibrige Knäueldrüsen, die jedoch keine zusammenhängende Drüsenmasse bilden (den Klauensäckchen vieler Wiederkäuer homologe Gebilde). Bezüglich des Baues des Nabelbeutels, Bursa praeputialis, können die Untersuchungen ODehmkes, sowie die Angaben in Ellenbergers Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie bestätigt werden. Während die Haut des Orificiums reich ist an grossen Talg- und Schweissdrüsen, ist der eigentliche Beutel vollständig drüsen- los. Die papillentragende Propria enthält zahlreiche mehr oder weniger scharf begrenzte Lymphfollikel, deren auswandernde Lymphocyten umfangreiche Epithelabhebungen bedingen. Die Vulva ist charakterisiert durch feine Haare, schwer nachweisbare Talgdrüsen, aber zahlreiche kleinere Schweissdrüsen- knäuel, welche im Corium gelegen sind. Am Damm ist die Behaarung sehr spärlich. In der Subeutis liegen grosse Drüsen- knäuel, die grösstenteils frei münden. Zum Schluss soll noch das Analintegument eine besondere Berücksichtigung finden. Es wurde unter Zugrundelegung der Arbeit von K. W. Zimmermann „Untersuchungen des Analinte- gumentes des Hundes“ untersucht. Beim Hund lässt sich die den After umgebende Haut in eine Zona cutanea externa und in eine Zona cutanea interna unterscheiden, welch letztere nur feine Härchen, aber grosse Talg- und Schweissdrüsen besitzt, die sich ihrer Form nach bereits den Circumanaldrüsen nähern. Beim Schwein stellt die Zona cutanea interna eine sehr schmale aber scharf begrenzte Zone dar (Textfig. 5i), in welcher Haare und Drüsen vollständig fehlen. Das Epithel zeigt ein gut entwickeltes Stratum corneum. In der Zona cutanea externa (Textfig. 5e) sind feine Haare mit sehr reduzierten Talgdrüsen, aber gut entwickelten Untersuchungen über die Haut des Schweines. 553 Schweissdrüsen, die ganz im Corium liegen. Die durch die Linia anocutanea (Textfig. 5a) von der Zona cutanea interna getrennte Analschleimhaut (Textfig. 5c) besitzt mehrschichtiges unverhorntes Epithel. Sie zerfällt wie beim Hund in eine Zona intermedia und eine Zona columnaris. Der Schweineafter erscheint in dorso-ventraler Richtung etwas zusammengedrückt, so dass man eine Ober- und Unter- lippe unterscheiden kann. Letztere zeigt fünf, erstere zirka dreizehn er unverstreichbare Längsfalten — E AG EN ; Columnen — die caudal bogig N ineinander übergehen, wobei sie seichte Taschen — Valvulea Glissonii hom. — bilden. Auch beim Hund zeigt die dor- sale Hälfte zahlreichere Columnen als die ventrale. Die Taschen sind aber tiefer und durch sekundäre „Sinuositäten“ ausgezeichnet (vid. Zimmermann, Fig. 5). In diese münden grosse verästelte, tubu- löse Drüsen, mit spindelfürmig erweiterten Ausführungsgängen. Hermann bezeichnete sie als Circumanaldrüsen. Diese Bezeich- Analintegument des Schweines nung hat sich eingebürgert, obwohl dorsal aufgeschnitten. a — Linea sie zur Verwechslung mit den anocutanea, b = Linea anorectalis, grossen Talgdrüsen derZona cutanea : sn interna führen muss. Zimmer- os inteina. mann bezeichnete sie deshalb als Reservoirdrüsen. In der Propria der Sinuositäten, sowie der Valvulea selbst, dicht unter dem Epithel liegen zahlreiche Solitär- follikel. beim Schwein sind die Sinuositäten weniger tief und nicht ästig, aber ebenso wie die stark erweiterten, mit mehrschichtigem Plattenepithel ausgekleideten Ausführungsgänge der Reservoir- drüsen von dichtgedrängten, also konglobierten Follikeln umlagert (Taf. XXVIIL, Fig. Se, d). Die einzelnen Knoten, die bei Häma- launfärbung makroskopisch gut sichtbar sind, liegen zum Teil d A 554 Eduard Kränzle: oberflächlich, zum Teil zwischen den Muskelbündeln des Sphincter anı und haben eine Länge von ca. 5 mm, eine Breite von 2—3 mm. Die Bezeichnung „Aftermandel“* ist für diese Gebilde beim Schwein in noch höherem Grade gerechtfertigt als beim Hund, da, wie in den Mandeln der Maulhöhle die Follikel nicht einzeln, sondern dichtgedrängt liegen. Ganz nahe der scharf markierten Linea anorectalis (Text- figur 5b), aber noch im Bereich des mehrschichtigen Plattenepithels, finden sich oberflächlich gelegene Kruppen von Follikeln, in welche sich verästelte, tubulöse Drüsen ausbreiten, deren Epithel mit dem der Lieberkühnschen Drüsen vollständig übereinstimmt (Taf. XXVIIL, Fig. Sb). Das Zylinderepithel endigt an der Drüsen- mündung. Es sind dies erratische Lieberkühnsche Drüsen, welche Hermann beim Menschen beschreibt, welche aber Zimmermann an keinem seiner zahlreich untersuchten Hunde- after nachweisen konnte. Aber auch noch proximal der Linea anorectalis finden sich in der Propria der Mastdarmschleimhaut Gruppen dichtgedrängter Follikel, in welche eine oder mehrere Lieberkühnsche Drüsen stark verästelt eingewachsen sind, die Stelle eines Foramen coecum vertretend (Taf. X\XVII, Fig. 9). Die Anlhäufung von Iymphatischem Gewebe am Anfang und Ende des Digestionstractus stellt eine eigentümliche Erscheinung dar, die in physiologischer Hinsicht noch nicht erklärt ist. Zusammenfassung. l. Die Einteilung des Coriums in ein Stratum papillare, intermedium und retieulare ist für die vergleichende Histologie unzweckmässig. 2. Messungen einzelner Hautabschnitte haben nur dann ver- gleichend histologischen Wert, wenn sie an ungehärtetem Material vorgenommen wurden. S%) Das Schwein besitzt auf der ganzen Coriumoberfläche einen gut ausgeprägten Papillarkörper. 4. Das Schwein besitzt zahlreiche freie, nicht zu Haarbälgen gehörige Schweissdrüsen. 5. Das Schwein besitzt wie der Mensch in der Lippenschleim- haut grosse Talgdrüsen, in welchen aber feinste Härchen nachweisbar sind. [1 | g: 10. 12: or (Sr a Untersuchungen über die Haut des Schweines. 6. Die Behauptung Flattens, dass das Wildschwein keine Schweissdrüsen, das englische Schwein keine Talgdrüsen besitze, ist falsch. 7. Hauerfurche und Kehlwarze sind besondere Hautdrüsen- beziehungsweise Sinnesorgane. (0 6) Der Schweineafter ist nach dem Typus des Menschen- und Hundeafters gebaut. Er ist ausgezeichnet durch erratische Lieberkühnsche Drüsen und zahlreiche konglobierte Lymphfollikel (Aftermandel) in der Zona annalıs. | Literaturverzeichnis. Auburtin, G.: Das Vorkommen von Kolbenhaaren und die Ver- änderungen derselben beim Haarwiederersatz. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 47, S. 472, 1896. Apolant: Über den Verhornungsprozess. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 57, S. 766, 1901. Backmund, K.: Entwicklung der Haare und Schweissdrüsen der Katze. Inaug.-Dissert., Wiesbaden 1904. Bonnet, R.: Grundriss der Entwicklungsgeschichte der Haussäuge- tiere. Berlin 1891. Derselbe: Haut und Anhänge Ellenbergers vergleichende Histo- logie der Haussäugetiere. Berlin 1887. Brandt, H.: Das Leistensystem der Oberhaut beim Hunde. Monatsh. f. prakt. Dermatologie, Bd. 21, S. 465, 1895. v. 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Epidermis des Ballens des Schweinefusses, Übergangsregion zur behaarten Haut; Ansicht der Coriumfläche. Vergrösserung 1:50. Neben den drei Haarbalgmündungen finden sich Schweissdrüsen- mündungen. Epidermis der Rüsselscheibe. Ansicht der Öoriumfläche. Zwischen den vier Mündungen von Sinushaarbälgen finden sich die Endstücke der Ausführungsgänge der Glandulae rostrales. Vergrösserung 1: 25. Epidermis aus der Regio sacralis; ein Convolut, zwei Haarbälge mit Drüsenmündungen, eine freie Drüsenmündung und sieben Zapfen zeigend (gezeichnet mit Abbeschen Zeichenapparat Seibert I, Oc. 2, Tub. 135). Balg mit Borstenwurzel eines jungen Schweines. Zur Darstellung der Breitenverhältnisse der einzelnen Schichten. a) Äussere Wurzel- scheide. In doppelter Papillenhöhe geht sie in eine einzige Zellage über; ihre Verhornungszone liegt dicht unter der Talgdrüsenmündung; b) innere Wurzelscheide; die innere sie begrenzende Linie stellt die Scheidencuticula, die äussere die Henlesche Schicht dar; beide gehen nach abwärts in Zellreihen über: c) Haarrinde; d) Haarmark: über der Papille sind zwischen den keratohyalinhaltigen Markzellen Rindenzellenstreifen deutlich zu unterscheiden; e) Haarcuticulazellen; f) Papille; &) Verhornungszone des Haares; h) Talgdrüse; i) Schweiss- drüse; an einzelnen Windungen sind Teilungen sichtbar: in die trichterige Mündung des Excretionsganges erstreckt sich das Stratum granulosum der Epidermis; K) Arrector pili (Vergrösserung 1:60, gezeichnet mit Universalapparat Edinger von Leitz) Querschnitt durch die Hauerfurche. a) proximaler, drüsenreicher, b) distaler, drüsenloser Abschnitt; c) äusserer, d) innerer Umschlag- rand; e) Talgdrüsen; f) Knäueldrüsen. Längsschnitt senkrecht zur Linea anorectalis. a) Propria der Anal- schleimhaut, oberflächlich ein unverhorntes mehrschichtiges Platten- epithel; b) verästelte erratische Lieberkühnsche Drüse in eine Gruppe von Lymphfollikeln eingewachsen; die Muscularis mucosea ist hier unterbrochen; c) erweiterter Ausführungsgang einer Reservoir- drüse (Cicumanaldrüse, Hermann), in der Umgebung zahlreiche Lymphfollikel (d); e) eine „Sinuosität“ (For. coecum) mit Lymph- follikeln; f) verästelte Lieberkühnsche Drüse im Bereich der Rectalschleimhaut; h) Sphincter ani. Photographische Wiedergabe der Partie Fig. St. 38* 560 Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. IV. Über die Histogenese der Thymus bei Amphibien. Von Dr. Alexander Maximow, Professor der Histologie und Embryologie an der Kaiserlichen Medizinischen Militär-Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XNXIX - XXXL 1. Einleitung und Literatur. Trotz der grossen Anzahl der in der letzten Zeit auf die . Erforschung der Morphologie der Thymus gerichteten Arbeiten eilt die Histogenese dieses rätselhaften Organs für die meisten Forscher noch immer als unaufgeklärt und zwar gerade in ihrem Kardinalpunkt — in der Frage, woher die sogenannten kleinen runden Thymusrindenzellen stammen, die den gewöhnlichen kleinen Lymphozyten des Blutes so ausserordentlich ähnlich sind und was für eine morphologische Bedeutung ihnen zuzuschreiben ist. Dass das Retikulum der Rinde und die epitheloiden Elemente des Markes direkt vom Entoderm der ursprünglichen Thymus- anlage abstammen, wird jetzt wohl schon ziemlich allgemein angenommen. Die Diskussion läuft heutzutage bekanntlich auf die folgenden zwei Möglichkeiten hinaus: entweder sind die kleinen Thymus- rindenzellen durch fortgesetzte Wucherung verkleinerte, also in besonderer Weise veränderte Iymphozytenähnliche Epithelzellen, oder es sind gewöhnliche, mit den entsprechenden Zellen im Blute und in der Lymphe identische Lymphozyten, die in die entodermale Epithelanlage der T’hymus von aussen, aus dem umgebenden Mesenchym, einwandern und sich hier weiter ver- mehren und entwickeln. Die erste Anschauungsweise ist hauptsächlich von Stöhr (14) begründet worden und kann momentan als die herrschende bezeichnet werden, zumal sie auch in den meisten neueren Lehr- büchern vertreten wird. Die kleinen Thymusrindenzellen sind nach Stöhr verkleinerte, modifizierte, Lymphozyten nur äusserlich ähnliche Epithelzellen, die aber mit den echten Lymphozyten Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 561 eigentlich nichts zu tun haben und aus der Thymus niemals in das Blut oder die Lymphe übertreten, sich vielmehr unter Umständen wieder in grosse epitheliale Elemente zurückverwandeln können. Die ältere Vorstellung (Prenant, Beard) von einer richtigen Transformation des Epithels in echte Iymphoide Zellen findet in der Lehre Stöhrs keinen Platz mehr. Die zweite Vorstellung von den Thymusrindenzellen als von richtigen, in das Entodermepithel der ursprünglichen Thymus- anlage von aussen her eingedrungenen Lymphozyten ist besonders durch Hammar und seine Schule begründet worden. Er wies in mehreren Arbeiten (siehe Literatur in 2) auf die morphologische und biologische Übereinstimmung der intra- und extrathymischen Lymphozyten hin, auf die nach der Röntgen- und Hungerinvolution des Organs erfolgende Regeneration, die unter dem Bilde einer echten Infiltration mit Lymphozyten erfolgt, auf das Fehlen jeder Beweise für die Entstehung der Lymphozyten aus den Epithel- zellen usw. Im Jahre 1909 glaube ich (10) eine Reihe von direkten Beweisen zu Gunsten dieser Hammarschen Lehre von der Histogenese der Thymus bei den Säugetieren in meiner Thymus- arbeit zuerst geliefert zu haben. Durch Anwendung einer zweck- mässigen Technik war es mir gelungen, den ganzen Prozess der Infiltration der entodermalen epithelialen Thymusanlage durch Lymphozyten Schritt für Schritt zu verfolgen und die damals noch vorhandene Lücke in der Deweisführung Hammars auf diese Weise auszufüllen. Es liess sich ohne besondere Schwierig- keit an günstigen Objekten (z. B. Kaninchenthymus) feststellen, dass die Lymphozyten schon in sehr frühen Stadien in der nächsten Umgebung der noch rein epithelialen Thymusanlage durch Abrundung einzelner gewöhnlicher Mesenchymzellen ent- stehen und dass sie sofort nach ihrer Entstehung durch amöboide Bewegung in das Epithel einwandern. Sie schieben die Epithel- zellen auseinander, verwandeln sie zu einem Retikulum und ver- mehren sich selbst auf diesem für sie, wie es scheint, äusserst günstigen Nährboden so stark, dass schliesslich zwischen den Epithelzellen massenhafte kleine Thymusrindenzellen, richtige kleine Lymphozyten entstehen, die dann auch wieder aus dem Organ in das Blut und die Lymphe übertreten können, wie diesin dem Iymphoiden Gewebe mit den gewöhnlichen Lymphozyten geschieht. 562 Alexander Maximow: Die Literatur der Frage an dieser Stelle ausführlicher zu besprechen, wäre vollkommen überflüssig. Ich verweise auf die den (Gegenstand erschöpfend behandelnde kritische Literatur- zusammenstellung von Hammar (2). Auch in meiner genannten Arbeit (10) findet sich eine kleine Übersicht des damaligen Tat- bestandes der Thymusliteratur. Das Erscheinen meiner Arbeit über die Säugerthymus und des genannten Berichtes von Hammar hat nun Stöhr die Veranlassung gegeben, zur Frage der Thymushistogenese in einem polemischen Artikel von neuem Stellung zu nehmen (15). (Gegen Hammar hebt er hervor, dass die Teleostierthymus, in welcher Hammar eine sehr deutliche Infiltration mit Lympho- zyten gefunden hatte, ein sehr ungünstiges Objekt sei. Die Identität der Thymusrindenzellen und der echten Lymphozyten findet er durch Hammar nicht bewiesen, weil z. B. die Beweg- lichkeit an und für sich keine spezifische Eigenschaft der Lympho- zyten zu sein braucht und die morphologischen Eigenschaften der Lymphozyten andererseits nicht genügend charakteristisch er- scheinen. Durch das Studium des Regenerationsprozesses nach der Hunger- und Röntgeninvolution sei nach Stöhr auch nicht viel gewonnen, da die Thymus überhaupt äusserst starken indivi- duellen Schwankungen unterliege und man von einer spezifischen Wirkung der Strahlen auf die Lymphozyten nicht reden könne. (regen meine objektiven Befunde, gegen meine Präparate, Zeichnungen und meine Beschreibung der histologischen Bilder hat Stöhr nichts einzuwenden und er anerkennt und bestätigt sie vollständig. Er gibt auch zu (15, S. 120), dass bisher so viele Untersucher die von mir nachgewiesenen Einwanderungs- bilder von Lymphozyten aus dem Grunde nicht gefunden haben, weil sie Einwanderung kleinzelliger ILymphozyten in Massen von der nächstliegenden Umgebung direkt in die Rindenpartie der Thymus zu sehen erwarteten, während in Wirklichkeit, wie ich es eben gezeigt habe, grosse Lymphozyten und zwar meistens in die vertieften Stellen der Thymusoberfläche eindringen. Stöhr hält also diese Tatsache der Einwanderung der Lympho- zyten an und für sich für feststehend. Mit meiner Deutung der objektiven Befunde kann er sich hingegen nicht einverstanden erklären. Die den Hauptinhalt meiner Arbeit ausmachende genaue Schilderung der allmählichen Verwandlung der ein- Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 565 gsewanderten grossen Lymphozyten unter Wucherung in die kleinen Thymusrindenlymphozyten lässt er unberücksichtigt, hält diese Schilderung für eine Deutung und schlägt vor, sie fallen zu lassen (15, S. 123). Stöhr beruft sich auf seine früheren Untersuchungen über die Thymusentwicklung bei Hyla (14). Dass hier die Thymus- rindenzellen in loco entstehen und keine eingewanderten Elemente des Mesenchyms, sondern autochthone Epithelzellen sind, scheint für ihn bei der äusserst günstigen, zellarmen Beschaffenheit des Mesenchyms, die die Untersuchung sehr erleichtert, festzustehen. Da nun die Thymushistogenese in ihren Hauptzügen bei allen Vertebraten die gleiche sein müsse, so folgert Stöhr daraus, dass auch bei den Säugetieren, trotz meiner das (Gegenteil beweisenden Beobachtungen, derselbe Sachverhalt existiere. „Die Einwanderung der Lymphozyten (15, S. 125) in die Thymus ist ein für den Aufbau der Thymus unwesentlicher Vorgang. Er fehlt vis zur Differenzierung in Mark und Rinde völlig bei Hyla. Auch die Rindensubstanz von Säugetieren entwickelt sich autochthon aus Epithelzellen; dieser Prozess kann durch die früh einsetzende Einwanderung echter Lymphozyten mehr oder weniger verdunkelt werden“ und weiter „die Thymusrindenzellen sind Epithelzellen und bleiben es bis zum Ende. Ihre kleinen Elemente sehen zwar den echten Lymphozyten sehr ähnlich, ihre Ent- wicklung aber und ihre ganze Lebensgeschichte zeigt, dass sie mit diesen nichts zu tun haben.“ Stöhr leugnet ferner auch den von Hammar und seiner Schule und von mir beobachteten Austritt der kleinen Lympho- zyten aus der Thymus in die Lymphe und in das Blut. Die Thymus sei keine Quelle von jungen Lymphozyten. Es mag noch notiert werden, dass Stöhr zur Erklärung des von mir angeblich begangenen Fehlers die von mir selbst beschriebenen „dunklen Epithelzellen“ heranzieht. Ich glaubte diese Epithelzellen von den verschiedenen Entwicklungsstadien der Lymphozyten in meiner Beschreibung scharf genug getrennt zu haben. Stöhr erblickt jedoch gerade in ihnen eine Stütze für seine Anschauung, die gesuchte Übergangsform von den gewöhnlichen Epithelzellen zu den Thymusrindenzellen. Ich glaube, dass ein Jeder mit mir Stöhr darin Recht geben wird. dass die Thymushistogenese in ihren Grundsätzen, 564 Alexander Maximow: also vor allem einerseits in der Entstehung des Retikulums der Rinde und der Zellmasse des Markes, andererseits in der Ent- stehung der Thymusrindenzellen bei allen Vertrebraten in gleicher Weise verlaufen müsse. Als ich nun mit meiner Arbeit über die Thymushistogenese bei den Säugern fertig war, schien es mir naheliegend, ähnliche Untersuchungen mit Hilfe derselben Technik auch an anderen Vertebratenklassen zu unternehmen. Die von mir bei den Säugetieren gewonnenen Resultate schienen mir und scheinen es mir auch jetzt, auch nach der Kritik von Stöhr, für diese Tierklasse die schwebende morphologische Frage end- gültig gelöst zu haben. Um so verlockender war es, den Sach- verhalt bei den Amphibien und Selachiern zu prüfen, von welchen ja bis in die letzte Zeit gerade das Gegenteil berichtet wird. Der erwähnte polemische Artikel von Stöhr bestärkte mich in meinem Entschluss. Nach der Schilderung von Stöhr sollte ja die Thymus der Amphibien gerade ein ganz besonders günstiges Objekt für histogenetische Untersuchungen sein. Ich hatte also schon seit langer Zeit begonnen, entsprechendes Amphibien- und Selachiermaterial zu sammeln und zu verarbeiten. Meine Untersuchungen haben wich auch schon in relativ kurzer Zeit zu ganz unzweideutigen Resultaten geführt, da die Schwierig- keiten, die dabei zu überwinden waren, sich als viel geringfügiger erwiesen, als ich es vorher erwartet hatte. Ich hatte es im Sinn, in der vorjährigen Anatomenversammlung in Leipzig einen Vortrag darüber zu halten und diesbezügliche Präparate zu demonstrieren, äussere Umstände haben mich aber an der Ausführung dieser meiner Absicht verhindert und so übergebe ich die Resultate meiner Untersuchungen an Amphibien in der vorliegenden Arbeit der Öffentlichkeit. Die Arbeit über die Selachierthymus wird bald nachfolgen. Es mögen hier die wichtigsten neuesten Arbeiten noch Erwähnung finden, die sich speziell mit der Entwicklung der Thymus bei den Amphibien befassen: Die Organogenese der Thymus ist bei den verschiedenen Amphibien oftmals Gegenstand von Spezialuntersuchungen gewesen und kann heutzutage als mehr oder weniger festgestellt gelten. Bei Gymnophionen (Hypogeophis) fand Marcus (6) 4 Thymusknospen, die aus der 2 —5. Schlundtasche entstehen. An der 1. und 6. Schlundtasche bilden sich ebenfalls Zellwucherungen, sie bilden sich aber wieder zurück. Nach Ablösung von der Darmwand wachsen die Thymusknoten rasch an und dies Wachstum dauert bis zum Ende der larvalen Entwicklung, also Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 565 bis zum Verlust der Kiemen fort. Die einzelnen Knoten nähern sich bald einander und werden nur durch dünne Bindegewebssepten abgegrenzt. Über die Organogenese der Thymus bei den Urodelen gab die im Jahre 1888 erschienene Arbeit von Maurer (7) zuerst genauere Aufschlüsse. Bei eben ausgeschlüpften. ” mm langen Larven von Siredon fand Maurer entsprechend den 5 Schlundspalten fünf solide Epithelknospen, welche von der dorsalen Schlundwand ausgehend, in das dorsal davon liegende Binde- gewebe einragen. Auch ihre enge Beziehung zu den Ganglien der Gehirn- nerven war Maurer nicht entgangen. Nach seinen ursprünglichen Angaben sollte die erste Thymusknospe dem Ganglion Gasseri, die zweite dem Ganglion des Facialis, die dritte dem Ganglion des Glossopharyngeus und die beiden letzten dem Vagusganglion dicht anlagern. Die Berührung ist eine so intime, dass es schwer fällt, die Epithelzellen von den Ganglienzellen zu unterscheiden. Die Thymusknospen schnüren sich nun rasch von dem Epithel der Schlundspalten ab und erscheinen dann auch von den entsprechenden Ganglien durch eine scharfe Grenze geschieden, eine weitere progressive Entwicklung machen jedoch nur die 3., 4. und 5. Knospe durch, während die zwei ersten schon bei Larven von 13,5 mm vollständig rückgebildet sind, ohne eine Spur zu hinterlassen. Maurer untersuchte zwar die weiteren Entwicklungs- stadien bei Siredon nicht mehr, er vermutet aber, dass die bleibende Thymus durch Verschmelzung aus den genannten drei hinteren Thymusknospen ent- steht, weshalb sie auch später meist dreilappig erscheint. In seiner Arbeit über das Skelett und die Muskulatur der Kiemen- region bei Urodelen behandelt Drüner (1) auch die Frage der Entwicklung der Thymus und bestimmt besonders genau die topographischen Verhältnisse. Er findet, ebenso wie Maurer, bei Siredon fünf Thymusknospen als Aus- wüchse der dorsalen Seiten der Schlundspalten, zur Thymus entwickeln sich nur die drei hinteren, während die zwei ersten bald verschwinden. Alle Knospen sollen nach Drüner nicht nur aus entodermalen, sondern zum Teil auch aus ektodermalen Zellen der epithelialen Auskleidung der Schlundspalten bestehen. Er bestätigt den engen Zusammenhang der Knospen mit den Ganglien der Gehirnnerven, korrigiert aber die diesbezüglichen Angaben Maurers in dem Sinne, dass die 1. Thymusknospe nicht dem Ganglion Gasseri, sondern dem Ganglion des Facialis, die 2. nicht dem Ganglion des Facialis, sondern dem Ganglion des Glossopharyngeus und die 3. und 4. dem Ganglion des Vagus oder vielmehr den aus demselben heraustretenden 2. und 3. Kiemenbogennerven lateral anliegen sollen. Die genannten Ganglien der Gehirnnerven sollen bei ihrem Wachstum ihr ‚Zellenmaterial zum Teil aus den mit den entodermalen Thymusknospen verbundenen ektodermalen Zell- knoten beziehen und letztere auf diese Weise aufbrauchen, zum Teil auch aus den entodermalen Anlagen selbst. Die zur Thymus 5 gehörige und dicht neben ihr liegende ektodermale Zellmasse bildet einen längeren ektodermalen Zellstrang, der nach oral bis zum Vagusganglion zu verfolgen ist, kaudal mit der Epidermis der 5. Schlundtasche zusammenhängt. In seiner neuesten Abhandlung über die Schlundspaltenderivate im Hertwigschen Handbuch der Embryologie bestätigt Maurer (8) die 566 Alexander Maximow: geschilderte Entstehungsweise der Thymus bei den Urodelen und speziell auch die engen Beziehungen der Thymusknospen zu den Ganglien des Facialis, Glossopharyngeus und Vagus. Im Gegensatz zu allen diesen Angaben soll nach Livini (4) bei Salamandrina die bleibende Thymus einzig und allein aus der dorsalen Epithelwand der 5. Schlundspalte entstehen. Die aus der 2. und 3. Spalte entstehenden Knospen bilden sich wieder zurück. Was die Anurenthymus anbetrifft, so hatten schon Goette und später de Meuron (12) ihre Entstehung aus dem Epithel der dorsalen Partie der 2. Schlundtasche festgestellt. Maurer (7) machte darüber genauere Angaben. Bei 6 mm langen Froschlarven erscheint die Thymus als eine solide Epithel- knospe an der dorsalen Schlundwand, entsprechend der 2. Schlundspalte. Sie liest vor dem Gehörbläschen zwischen Zungenbein und dem 1. wahren Kiemen- bogen. Bei 12 mm langen Larven ist diese Knospe abgeschnürt. Es soll sich zugleich auch eine schwächere Knospe an der 1. Schlundspalte entwickeln, die aber bald wieder verschwindet. An den drei hinteren Schlundspalten sieht man zuerst keine Knospen, gegen Ende des Larvenlebens aber treten auch hier an der dorsalen Wand der äusseren Kiemenhöhle Epithelverdiekungen auf, welche von Iymphoiden Zellen durchsetzt werden und nach Obliteration der Kiemenhöhle unter der Haut des Halses liegen bleiben. Die bleibende Thymusknospe der 2. Spalte liegt nach Maurer weit lateralwärts am Facialisganglion. Drüner (1) macht auch einige Angaben über die Thymusentwicklung bei Anuren an der Hand von Bufopräparaten. Er bestätigt hier das Auf- treten von zwei Zellwucherungen am dorsalen Pharynxepithel entsprechend der 1. und 2. Schlundspalte, das rasche Schwinden der ersten und die weitere Entwicklung der zweiten zur Thymus. Diese Thymusknospe ist nach Drüner auch bei den Anuren kaudal mit dem Glossopharyngeus- ganglion eng verbunden, während der aus dem Ganglion nach vorn abgehende 9. Nerv an der Knospe lateral vorbeiläuft. Die Verschiedenheit in den topographischen Verhältnissen der Thymus- anlagen zu den Gehirnnerven bei den Urodelen und Anuren hängt nach Drüner von der bei den Anuren schon frühzeitig erfolgenden Verschiebung der Anlagen nach oral ab, während die ursprünglichen, bei Anuren und Urodelen gemein- samen Verhältnisse bei den Urodelen auch später unverändert bestehen bleiben. In Betreff der Organogenese der Anurenthymus bestätigt Stöhr (14) in seiner Arbeit ebenfalls das Auftreten von zwei Knospen an der dorsalen lateralen Pharynxwand bei .Hyla, entsprechend der 1. und 2. Schlundspalte. Während die erste Knospe bald verstreicht, entwickelt sich die zweite zur Thymus. Über die embryonale Histogenese der Thymus ist gerade bei den Amphibien recht wenig bekannt und die vorhandenen spärlichen Angaben erweisen sich, wie wir weiter unten sehen werden, zum grössten Teil (ausser Mietens 13) als unzutreffend. Die ältesten Angaben rühren von Maurer (7) her. Beim Frosch besteht nach ihm die Thymusknospe zuerst aus gewöhnlichen entodermalen Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 567 Pharynxepithelzellen. Nach der Abschnürung wird sie von verästelten Binde- gewebszellen durchsetzt, die also in ihr Inneres eindringen, während die Epithelzellen zwischen ihnen in den Maschen des auf diese Weise entstandenen (bindegewebigen) Retikulums liegen bleiben. Ausserdem dringen aber, eben- falls aus dem Bindegewebe, auch kleine Rundzellen ein. Später erleiden die grossen Epithelzellen mancherlei Veränderungen — Verwandlung in Hassal- sche (einzellige) Körper, Bildung von Zysten usw. Obzwar also Maurer in dieser seiner ersten Arbeit dem Thymusretikulum eine bindegewebige Herkunft zuschreibt, spricht er andererseits doch sehr deutlich und entschieden von einer Invasion der epithelialen Thymusanlage durch bindegewebige Elemente. Noch entschiedener vertritt die Anschauung vom Gewebe der Frosch- thymus als von einem Mischgewebe ver Eecke (16), dessen Arbeit mir leider unzugänglich geblieben ist. Die Epithelzellen der ursprünglichen Anlage bilden sich nicht zu Lymphozyten um, diese kommen vielmehr von aussen und schieben die Epithelzellen auseinander ; es entsteht auf diese Weise ein „Iymphotheliales* Gewebe. In ganz andere Bahnen ist die Lehre von der Histogenese der Thymus bei den Amphibien durch Stöhr (14) gelenkt. worden. Er hat vor allem (contra Beard) bewiesen, dass die ersten Leukozyten im Körper der Hyla- larve ohne jede Beteiligung der Thymus entstehen; sie werden hauptsächlich in der Vorniere, ausserdem aber auch an anderen Orten im Körper gefunden und zeigen keinerlei Beziehungen zur Thymus. Die Thymusknospe besteht zuerst ausschliesslich aus einförmigen, dichtgedrängten, sich mitotisch ver- mehrenden Epithelzellen. Diese rein epitheliale Thymus wird bei 8,6 mm langen Larven vaskularisiert, wobei die Gefässe tief in die Epithelmasse eindringen. Schon in dieser Beziehung weichen also diese Angaben von denen Maurers ab, der beim Frosch zuerst nur Bindegewebszellen und erst viel später (Grefässe einwuchern sah. Bei 15 mm langen Hylalarven ist in der Thymus nach Stöhr schon Mark ;und Rinde zu unterscheiden. Die Rinde enthält jetzt viele kleine und einzelne grosse Zellen, das Mark gerade umgekehrt. Die Frage des Ursprungs der kleinen Zellen beantwortet Stöhr in sehr entschiedener Weise — sie entstehen in loco durch vielfach wieder- holte Teilung der Epithelzellen der Thymus. Die kleinen Thymuszellen sind also keine Lymphozyten, sondern verkleinerte Epithelzellen. Es wandern ebensowenig Leukozyten in die Thymus hinein, wie etwas von den klein- kernigen Zellen die Thymus verlässt. Im Gegensatz dazu hat Stöhr bei der Rückbildung der inneren Kiemen, die bei Hyla sehr früh einsetzt, eine intensive echte Einwanderung von Leukozyten ins Epithel gesehen. Maurer hat sich später (8) von seiner früheren Anschauung los- gesagt und ist auf die Seite Stöhrs getreten. Er drückt sich allerdings mit gewisser Reserve aus und hält den epithelialen Ursprung der kleinen Thymusrindenzellen doch noch nicht für vollkommen feststehend. Marcus (5, 6) hingegen, der in seiner Arbeit über die Gymnophionen unter anderem auch die Histogenese der Thymus bei Hypogeophis behandelt, nimmt in der genannten Beziehung einen ganz bestimmten Standpunkt ein, 565 Alexander Maximow: indem er die kleinen Thymusrindenzellen wie Stöhr direkt aus dem ento- dermalen Epithel der Thymusknospen hervorgehen lässt. Dies Epithel hat zuerst sehr grosse Kerne und fängt nach der erfolgten Abschnürung der Knospen an, so rasch zu wuchern, dass die Zellen sich bald verkleinern und besonders das Protoplasma bis auf einen kaum sichtbaren Saum reduziert wird. Es wird dabei also nach der Vorstellung von Marcus infolge ununter- brochener Funktion, ununterbrochener assimilatorischer Tätigkeit die normale Kernplasmarelation der Epithelzellen stark zugunsten des Kernes in abnormer Weise verändert und solche rasch gewucherte Zellen verfallen bald der „Depression“. Die in Depression geratenen Zellen können sich noch ein paarmal teilen, sie zeigen dann aber nur mehr pathologische Kernteilungs- figuren. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen alle Zellen in der Thymus nach Marcus gleichartig sein — nach Erscheinen der pathologischen Mitosen trifft man hingegen „plötzlich“ zwei Arten von Zellen — ausser den kleinen Zellen auch wieder grosse „epitheloide* Elemente, welche dadurch aus den kleinen, in Depressionszustand befindlichen Zellen entstehen sollen, dass die Uhromosomen der Kerne der letzteren zwar noch in Teilungswachstum ein- treten, sich aber nicht mehr spalten können, so dass Doppelkerne entstehen. Diese grossen Kerne sind also wieder Abkömmlinge der kleinen Thymus- zellen, entstanden durch unvollständige Kernteilung. Sie entsprechen natur- gemäss den Retikulum- oder Markzellen der anderen Autoren. Die diplo- karyotischen Kerne suchen die normale Kernplasmarelation wieder herzustellen, indem sie das überschüssige Chromatin in das Protoplasma in Form sogenannter Chromidien ausscheiden. Zum Teil können die grossen Zellen zu Riesenzellen verschmelzen — dies soll ein weiterer Beweis sein für den Depressions- zustand, in dem sich die Zellen befinden. Es werden auch andere Degene- rationsbilder in den grossen Zellen beschrieben — Bildung Hassalscher Körper usw.; aus ihnen entstehen angeblich sogar eosinophil gekörnte Zellen. In betreff der Entstehung der kleinen Thymusrindenzellen stellt sich also Marcus, wie man sieht, vollkommen auf die Seite Stöhrs; er weicht von ihm aber in der wichtigen Beziehung ab, dass nach ihm, wie er aus- drücklich hervorhebt, in der Entwicklung der Thymus ein bestimmtes Stadium existiert, in welchem sämtliche Zellen Iymphoiden Charakter haben, worauf dann auf die beschriebene Weise plötzlich die grossen Zellen des Markes und des Rindenretikulums entstehen, während nach Stöhr diese zwei Zellarten sich von Anfang an aus dem ursprünglichen gewöhnlichen Entodermepithel durch in verschiedener Richtung verlaufende Entwicklung und Differenzierung herausbilden. Sowohl Einwanderung von Zellen in die Thymusanlage, als auch Aus- wanderung von Zellen aus derselben leugnet Marcus entschieden. Nach ihm sollen aber) auch überhaupt, solange das Tier wächst, also bis zu 24 cm Körperlänge, kein Bindegewebe und sogar keine Gefässe (wieder contra Stöhr) ins Innere der T'hymus eindringen — eine Behauptung, die, wie man schon im voraus einsehen kann, keineswegs zutrifft. Nach dem Erscheinen meiner oben zitierten Arbeit, durch welche die bindegewebige Abstammung der kleinen Thymusrindenzellen als echter Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 569 Lymphozyten für die Säugetiere festgestellt wurde, hat Mietens (13) bei seinen Untersuchungen über die Entstehung der weissen Blutkörperchen bei Bufo ganz ähnliche Beobachtungen auch an der Thymus dieses anuren Amphibiums gemacht. Bei Larven von 10 mm schnürt sich die aus dotter- und pigmentreichen Zellen bestehende Thymusknospe bereits ab; in dem die Anlage umgebenden Bindegewebe befinden sich schon einzelne Wanderzellen: einige liegen der Knospe eng an, andere sieht man mitten im Parenchym eingebettet. Nach Mietens steht es ausser jedem Zweifel, dass diese Wanderzellen von aussen in die Thymus gelangt sind. Sie entstehen ausserhalb derselben durch Abrundung von Mesenchymzellen und wandern in die Epithel- knospe ein. Nach Abschnürung der Thymusknospe folgt rege Zellvermehrung, so dass sich das Knötchen rasch vergrössert. Zugleich dringen Gefässe und Bindegewebe ein. Bei Larven von 14-15 mm wird der Höhepunkt der Differenzierung bereits erreicht und man kann im Zentrum blass- und gross- kerniges Mark und an der Peripherie eine dunkle und kleinkernige Rinden- zone unterscheiden. Mietens nimmt eine auch weiter noch lange fortdauernde Ein- wanderung neuer Lymphozyten in die Thymus an; in den späteren Stadien sieht man auch zahlreiche azidophile Leukozytenformen mit polymorphem Kern und azidophil granulierte Zellen, die Mietens für Phagozyten hält, welche sich mit Zerfallsmaterial beladen und als Granulozyten die Thymus verlassen. Wie man sieht, hat Mietens meine Befunde bei den Säugetieren auch bei den Anuren vollkommen bestätigt gefunden. Während ich aber bei den Säugetieren, ebenso wie Hammar, keinerlei Veranlassung sah, die Lymphozyten der Thymus von den übrigen Lymphozyten im Körper zu unterscheiden und in späteren Stadien sogar eine Ausschwemmung der intra- thymischen kleinen Lymphozyten in die Lymph- und Blutbahn annehme, scheint Mietens in dieser Beziehung anderer Meinung zu sein. Die in die Thymusrinde eingewanderten Zellen sollen bei Bufo eine stufenweise Ent- fernung vom Habitus der Lymphozyten zeigen und sich sogar Epithelzellen nähern können; die Kerne erhalten ein helleres Aussehen, der Zelleib verliert die scharfen Umrisse und die dunkle Tinktion. Eine Produktion von Leukozyten findet in der Thymus allem Anscheine nach normalerweise nicht statt. Mietens findet im Gegenteil zahlreiche Degenerationsformen der Epithelzellen und der eingewanderten Zellen in Gestalt tingibler Klümpchen. Über die Veränderungen des Epithels der Thymus und über das epitheliale Retikulum macht Mietens keine näheren Angaben. Wie man sieht, sind die in der Literatur vorhandenen Angaben über die Thymushistogenese bei den Anuren und Gymnophionen sehr widersprechend. Über die Urodelen ist überhaupt nichts bekannt.') ', Anmerkung bei der Korrektur. Die inzwischen erschienene Arbeit von Dustin „Le thymus de l’Axolotl“ (Arch. d. Biol., T. 26, 1911) konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. Dass ich mit der vom Ver- fasser behaupteten bindegewebigen Abstammung der epitheloiden Markzellen nicht einverstanden sein kann, erhellt aus der Schilderung meiner Befunde. 570 Alexander Maximow: 2. Material und Methodik. Mein Material zur vorliegenden Untersuchung bestand aus einer ununterbrochenen Reihe von Entwicklungsstadien von Siredon pisciformis und Rana temporaria, angefangen mit dem Stadium der Keimblätterbildung und abgeschlossen mit wohlausgebildeten Larven von 46 mm Länge beim Axolotl und mit jungen, eben erst metamorphosierten Fröschchen bei Rana. Die histologische Technik war die übliche, wie ich sie bei meinen früheren Untersuchungen gewöhnlich gebraucht habe (11). Sämtliche Larven wurden mit Zenker-Formol fixiert, die grösseren selbstverständlich immer nach sorgfältiger Aufschneidung der vorderen Körperwand, eventuell auch der Kiemenhöhlendecke. Eingebettet wurde das ganze Material in Zelloidin, in lückenlose Serien von 6-10 „ Dicke, meist quer, geschnitten und auf Objektträgern angeklebt. Gefärbt wurde mit Eosin-Azur, wobei die Mischung von Eosin, Wasser und Azur meistens im Verhältnis von 16:80:8 gebraucht wurde. Das Färbungsresultat (nach Zenker-Formol-Fixierung und Zelloidin- einbettung) ist gerade bei Amphibien sehr schön und hebt in zweckmässiger Weise die verschiedenen Zellbestandteile in verschiedenen distinkten erellen Farbentönen hervor. Die Dotterteilchen, die eosinophilen Körner sind grell rot (vgl. Taf. XXIX—XXXTJ), das Oxychromatin, die Nervenfasern hellrosa, das Basichromatin dunkelblau, die Nukleolensubstanz violett. Besonders schön hebt sich das basophile, dunkelblaue Protoplasma der ersten Iymphozytoiden Wanderzellen von dem ganz hellen Protoplasma der gewöhnlichen Mesenchym- zellen und der Epithelzellen ab — ein Umstand von grösster Wichtigkeit, weil gerade dieser Färbungseffekt es hauptsächlich ermöglicht, die Lympho- zyten von den Epithelien scharf zu unterscheiden. 3. Siredon pisciformis. Die histologischen Verhältnisse der Thymus bei Axolotllarven haben sich als aussergewöhnlich günstige erwiesen. Ausser der bekannten Grösse der Zellen werden hier die Epithelzellen einer-, die Bindegewebs- und Wanderzellen andererseits durch die von mir gebrauchte Technik so vorzüglich fixiert und färberisch so scharf differenziert, dass die Verfolgung der Schicksale und der Wechselbeziehungen der einen sowie der anderen gar keine Schwierigkeiten bereitet und die Frage der Histogenese der Thymus dadurch bei diesem Objekt, wie ich glaube, mit Leichtigkeit und vollkommen einwandsfrei und endgültig gelöst wird. I. Der rein epitheliale Zustand der Thymusanlagen. In rein epithelialem Zustande bleiben die Thymusanlagen beim Axolot]) nur sehr kurze Zeit, eigentlich nur bis zum Moment der Abschnürung vom Pharynxepithel. Der Beschreibung dieser frühen Entwicklungsstadien will ich zwei Larven zugrunde legen, eine von 7,5 und eine von 9 mm Länge. Dil —ı — Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. Bei der Larve von 7,5 mm Länge stellt die erste Thymus- knospe einen ziemlich breiten Höcker am lateralen Rand der dorsalen Epithelauskleidung der Pharynxwand, entsprechend der I. Schlundspalte vor. Ihre dorsal gerichtete Konvexität trägt eine besondere, dunklere Zellgruppe, die Thymus ectodermalis von Drüner und ist durch dieselbe mit dem dorsal davon befindlichen Ganglion des Facialis eng verbunden Die der 2. Schlundspalte (der 1. richtigen Kiemenspalte) entsprechende 2. Thymusknospe ist etwas kleiner, als die erste und erscheint vom Pharynxepithel schon etwas schärfer durch eine Furche abgegrenzt. Sie liegt ventral von der kaudalen Hälfte des Gehör- bläschens und trägt ebenfalls dorsal und kaudal eine dunkel aussehende Zellgruppe, die sich weiter in einen kurzen Zellstrang fortsetzt, der sich seinerseits mit dem weiter kaudal gelegenen Ganglion des Glossopharyngeus innig verbindet. Die Thymus- knospe der 3. Schlundspalte liegt, wie schon Maurer (7) angibt, in gleichem Querschnitt mit dem vorderen Ende des Herzschlauches. Sie ist wieder etwas grösser, als die zweite und trägt die ersten Spuren beginnender Abschnürung von der dorsalen Pharynxwand. Auch hier findet man in ihrer kaudalen Fortsetzung einen dunkleren Zellstrang, der unmittelbar zum Ganglion vagi herüberleitet. Die 4. Knospe sieht der 3. sehr ähnlich aus und erscheint dorsal mit dem Vagusganglion ziemlich eng verbunden, wobei man auch hier zwischen dem Ganglion und ihrem Epithel eine dunkle Zell- gruppe erblickt. Die Topographie der 4. Knospe entspricht voll- kommen der ın der älteren Arbeit von Maurer (7) angeführten Zeichnung Fig. 31 auf Taf. XII. Was endlich die 5. Knospe anbelangt, so ist sie in diesem Stadium von der entodermalen Epithellamelle der 5. Schlundspalte noch nicht abgegrenzt In dem vorliegenden Stadium sind fast alle Zellen der Axolotllarve mit sehr zahlreichen grossen Dotterkörnchen dicht erfüllt. In besonders hohem Grade bezieht sich dies gerade auf das entodermale Epithel des Pharynx und der Thymusanlagen selbst, deren Zellen alle gleichartig sind und sich von den Pharynxepithelien durch nichts unterscheiden. Vom eigentlichen Protoplasma ist hier fast nichts zu sehen, die Zellgrenzen sind nicht zu definieren. Die Zelleiber sind über und über von grell- rot gefärbten, rundlichen, verschieden grossen Dotterschollen Hi Alexander Maximow: erfüllt. zwischen welchen man noch zahlreiche dunkelbraune Pigmentkörnchen einzeln und in Häufchen zerstreut liegen sieht. In der scheinbar einheitlichen Masse des dottererfüllten Proto- plasmas sieht man Kerne zerstreut, die den einzelnen recht umfangreichen Zellterritorien entsprechen. Sie erscheinen durch die Dotterkörner stark deformiert, eingedrückt, eckig, oft abge- plattet oder in die Länge gezogen. Ihre innere Struktur bietet nichts Besonderes und unterscheidet sich nicht von der Kern- struktur in den meisten anderen (reweben zu dieser Zeit, aus- genommen einige besonders früh differenzierte Elemente, wie die Kerne der jungen Nervenzellen der Gehirnganglien, die Kerne einiger Muskelanlagen usw. Im Kerninnern sind kleinere und grössere eckige blaue Chromatinkörnchen verteilt, dazwischen liegen staubförmige, feinste, manchmal reihen- und netzartig angeordnete, basi- und oxychromatische Körnchen, ausserdem sieht man im Kern gewöhnlich zwei oder noch mehr violett gefärbte Nukleolen von mittlerer Grösse. Im Pharynxepithel triftt man überall mitotische Figuren dieser Kerne, in den Thymusknospen sind sie hingegen äusserst selten. Die Lage und die Form der Mitosen erscheinen auch durch die mechanische Wirkung der Dotterkörner beeinflusst. Sehr häufig findet man in dem beschriebenen Epithel Degenerationserscheinungen, von denen einzelne Kerne betroffen werden — die Chromatinkörnchen sintern in einem solchen Fall unter Schrumpfung des ganzen Kernes zu dunkelblauen netz- artigen (rebilden zusammen, die sich den freien Räumen zwischen den roten Dotterkörnchen anpassen. An anderen Stellen sieht man als Kernüberreste kleine, homogene, basichromatische, eckige oder runde Schollen. Vom Mesenchym ist das Epithel überall, auch im Bereich der Thymusknospen deutlich abgegrenzt, obwohl eine eigentliche Membrana propria fehlt. Ebenso ist das Epithel der Thymus- knospen auch von den erwähnten dunklen Zellanhäufungen (der Drünerschen Thymus ectodermalis) meistens deutlich abgegrenzt. Während das Thymusepithel voll von Dotterplättchen ist, bestehen die fraglichen dunkelgefärbten Zellgruppen aus dichtgedrängten Elementen mit rundlichen, ovalen, oft abgeplatteten oder faltigen Kernen und mit sehr spärlichen kleinen Dotterkörnchen und ziemlich reichlichem Pigment im schmalen Protoplasma; gerade Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 575 dadurch fallen diese Zellgruppen schon unter schwacher Ver- grösserung im Vergleich mit den roten Massen des Entoderm- epithels als dunkelblau gefärbte Herde auf. Ob diese Zellan- sammlungen wirklich dem Ektoderm entstammen, wie es Drüner will, vermag ich nicht anzugeben; jedenfalls hängen sie alle unmittelbar oder durch einen kürzeren oder längeren Zellstrang mit der Masse der betreffenden Gehirnganglien zusammen und sind von deren Zellen nicht scharf abzugrenzen. Das Mesenchym der Kiemenbogenregion und auch der anderen Körperstellen hat in diesem Stadium ein sehr gleich- förmiges Aussehen. Wanderzellen scheinen noch vollständig zu fehlen. Es ist nur eine Zellart vorhanden — die gewöhnliche, eckige oder spindlige, verästelte indifferente Mesenchymzelle, deren spärliches Protoplasma mit grossen Dotterkörnchen beladen ist und auch zahlreiche Pigmentkörnchen enthält, zum Teil gleich- mässig verteilte, zum Teil in Form eines scharf begrenzten dichten rundlichen Haufens. Die runden oder ovalen Kerne erscheinen auch hier durch die Dotterkörnchen oft deformiert:; ihre innere Struktur unterscheidet sich nicht von der oben beschriebenen in den Epithelkernen. Alle Mesenchymzellen sind miteinander durch Ausläufer zu einem kontinuierlichen Netzwerk verbunden. Zwischen ihnen sieht man je nach der Körperstelle grössere oder kleinere, von einer homogenen hellen Zwischensubstanz eingenommene /wischenräume. Auch in den Mesenchymzellen sieht man überall Mitosen; hin und wieder, wenn auch viel seltener, als im Epithel, finden sich degenerative Erscheinungen. An vielen Stellen, besonders unter der Epidermis, aber auch gerade an der Oberfläche der epithelialen Thymusknospen, sieht man schon jetzt einzelne dotterbeladene Mesenchymzellen, die sich in verästelte Pigmentzellen verwandeln. Dort, wo später Knorpel entsteht, sieht man die Mesen- chymzellen sich verkleinern, besonders dicht aneinanderlagern und eckige Formen annehmen, wobei im Protoplasma die Dotterkörnchen rasch aufgebraucht werden und zwischen den Zelleibern stärker lichtbrechende homogene Zwischensubstanz entsteht. Die Endothelien der Blutgefässe sind von den gewöhnlichen Mesenchymzellen durch ihre innere Struktur nicht zu unterscheiden und sind ebenfalls dicht erfüllt mit Dotterschollen und feinen Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. I. 39 574 Alexander Maximow: Pigmentkörnchen. Die grossen, kugeligen Blutzellen zeichnen sich in gleicher Weise durch Dotterreichtum aus. Bei der Larve von 9 mm Länge erscheint die erste Thymus- knospe mit dem Pharynxepithel noch ziemlich breit verbunden, sie ist noch ziemlich gross, scharf begrenzt und liegt mit ihrer Konvexität dem Facialisganglion an; die frühere dunkle Zellmasse an ihrer Konvexität zwischen Thymusepithel und Ganglion ist verschwunden, vom letzteren also restlos aufgebraucht worden. Die 2. Thymus stellt ein in demselben Querschnitt mit der hintersten Peripherie des (Gehörbläschens liegendes, sehr kleines, vom Pharynx ganz abgeschnürtes Knötchen vor, welches nur aus einigen lose zusammenhängenden dotterreichen Epithelzellen besteht. Das Ganglion des Glossopharyngeus liegt jetzt ziemlich weit von ihr entfernt. Von der früheren mit Thymus 2 verbundenen dunkien Epithelmasse ist keine Spur mehr vorhanden Die 3. Knospe ist bereits vollkommen von dem Pharynxepithel abgeschnürt und stellt eine frei im Mesenchym liegende längliche Epithelinsel vor. Unmittelbar kaudal von ihr verläuft der 2. Kiemen- bogennerv. Auch hier ist der dunkle Epithelzellenstrang ver- schwunden. Die 4. Knospe liegt ziemlich nahe von der 3. kaudalwärts und hängt noch mit dem Pharynxepithel durch einen langen Stiel zusammen; kaudal von ihr, zwischen ihr und dem 3. Kiemen- bogennerv, erblickt man noch Reste des dunklen Epithelherdes. Die 5. Knospe ist mit der Epithellamelle der 5 Schlandspalte noch eng verbunden und stellt eine dorsal gerichtete keulenartige Verdiekung derselben vor. Unmittelbar medial von ihr tritt jetzt der von Drüner beschriebene dunkle dotterlose Epithelstrang sehr deutlich hervor; oral kann er bis zum Vagusganglion verfolgt werden, kaudal geht er in die Epidermis über. Zytologisch hat sich im Vergleich mit dem früher besprochenen Stadium auch manches geändert. Am wenigsten bezieht sich dies allerdings auf das Epithel der Pharynxwand und speziell der Thymusanlage Nach wie vor behält es die massigen, dicht gelagerten Dotterkörner, die Zellgrenzen sind gar nicht zu unter- scheiden, die Kerne erscheinen womöglich noch stärker von den Dotterteilchen zusammengepresst und deformiert. In der 1. Thymus- knospe besonders zahlreich, in den anderen Knospen seltener, finden sich die oben beschriebenen Degenerationsbilder der Epithel- Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 575 ( kerne, zum Teil netzartige blaue Uhromatinreste zwischen den Dotterkörnern, zum Teil basichromatische Hohlkugeln mit oxy- chromatischem Inhalt. Die früheren dotterarmen, dunklen, aus dichtgedrängten Kernen bestehenden Epithelherde (die Thymus ectodermalis von Drüner) sind jetzt, wie gesagt, nur an Thymus 4 und 5 noch zu sehen; sie sind stets von dem dotterhaltigen Epithel der Thymus scharf abgegrenzt; von den Zellen der ent- sprechenden Ganglien sind sie hingegen, besonders an Thymus 4, ' nur mit Mühe abzugrenzen. Das Mesenchym ist an den meisten Stellen lockerer, seine Zellen viel ärmer an Dotter geworden; meistens sind es jetzt schon gewöhnliche stern- oder spindelförmige Elemente mit spär- lichem Protoplasma, welches feine Pigmentkörnchen und nur Reste von Dotter enthält oder auch schon ganz pigment- und dotterfrei erscheint; hin und wieder sieht man Vakuolen im Protoplasma. Stellenweise kommen aber doch noch einzelne sehr dotterreiche Zellen vor. Recht zahlreich sind junge, verästelte, noch körnchen- arme Pigmentzellen. Wanderzellen fehlen hingegen noch fast voll- ständig. In der ganzen Serie habe ich nur ein paar davon gefunden. Im Bereich des Hyoidbogens und der Kiemenbogen ist jetzt schon junger Knorpel entstanden. Seine diehtgedrängten Zellen sind klein, rundlich oder eckig, enthalten fast gar keinen Dotter mehr und sind von einander durch regelmässige Schichten homogener Zwischensubstanz abgegrenzt. Die Blutkörperchen in den Gefässen erscheinen schon mehr oder weniger oval und abgeplattet; in ihrem Protoplasma sind die Dotterkörnchen recht spärlich geworden, dafür sieht man aber zahlreiche Vakuolen und Pigmentkörnchen. Die Abgrenzung der rein epithelialen, sehr dotterreichen Thymusknospen vom Mesenchym ist jetzt noch schärfer, als vorher. Man merkt wohl, dass die Mesenchymzellen sich oft der Oberfläche der Knospen tangential anlagern:; der Thymus 3 und 4 lagern sich speziell auch einige junge Pigmentzellen halbmondförmig an. II. Das erste Auftreten einer zweiten Zellart — der grossen Lymphozyten in den Thymusanlagen. Stadien von 9,5 11.5:mm Länge. Diese Stadien sind die wichtigsten für die Histogenese der Thymus. Der rein epitheliale Zustand der Thymusanlagen geht DIE 576 Alexander Maximow: viel früher verloren, als man es nach den bisher vorliegenden Arbeiten hätte glauben können und zwar geschieht dies schonbei Larven von 95 mm. In den Thymusknospen treten plötzlich neue, von den Epithelzellen ganz verschiedene Elemente auf, deren Zahl sich dann zum Stadium von Il mm und weiter beträchtlich vergrössert. Bei einer Larve von 91/2—10 mm Länge erscheint die Thymus I noch als ziemlich grosse Epithelinsel, ventral vom “vorderen Teil des Gehörbläschens, zwischen dem (uadratknorpel und dem Facialısganglion. Sie war in einem solchen Fall auf neun aufeinanderfolgenden Schnitten von 8 u Dicke zu sehen und war hier sogar noch mittelst eines dünnen Stiels mit dem Pharynxepithel verbunden. Bei Larven von 10,5—11 mm Länge erscheint sie schon abgeschnürt, ihre Grenzen werden sehr unregelmässig, sie verkleinert sich rasch, kann nur mehr auf 2—3 aufeinanderfolgenden Schnitten gefunden werden und ist bei Larven von 11,5 mm ganz verschwunden. Die 2. Thymusknospe befindet sich bei einer Larve von 9,5—10 mm ventral vom hintersten Abschnitt des Gehörbläschens, lateral vom Ganglion des Glossopharyngeus und stellt nur ein kleines Häufchen grosser dotterhaltiger Epithelzellen vor. Bei einer Larve von 10,5 mm unterscheidet man noch oral vom Nervus glossopharyngeus ein paar dotterhaltige zerfallende Zellen. Bei älteren Larven sind sie nicht mehr vorhanden. Die Thymus 5 und 4 stellen bei einer Larve von 9,5 mm zwei hintereinander gelegene, annähernd kugelige Epithelinseln vor, die lateral, ziemlich weit vom Ganglion vagi, dorsal von dem lateralen Rand der dorsalen Schlundwand, sehr nahe an ihrem Epithel liegen und dorsal und lateral von unter der Epidermis gelegenen Muskeln (wahrscheinlich den M. levatores arcuum branchialium) flankiert werden. Die Thymus 3 ist auf fünf Schnitten von 8 « Dicke, die Thymus 4 auf sechs solchen Schnitten zu verfolgen, der Zwischenraum zwischen beiden nimmt 12 Schnitte ein. Die Lage dieser beiden Thymusknospen, vor allem die Ent- fernung von einander und auch ihre Grösse wechseln übrigens bedeutend von Fall zu Fall und können sogar bei ein und dem- selben Tier an den beiden Seiten verschieden sein: nicht selten liegen die beiden Knospen sehr nahe beisammen. Bei Larven von 11—11,5 mm sind diese Inseln manchmal schon auf je 7—9 Schnitten von 3 « zu sehen; ihre Lage behalten sie unverändert. mr Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 571 Die Thymus 5 bleibt in ihrer Entwicklung im Vergleich mit der 3. und 4. etwas zurück. Bei einer Larve von 9,5 mm ist sie noch sehr klein, nimmt vier Schnitte von 8 « ein, ist aber schon abgeschnürt und liegt dorsal an der 5. Schlundspalte; medial liegt ihr der schon oben erwähnte, von Drüner beschriebene dunkle Epithelstrang an, der oral in das Vagusganglion übergeht, kaudal sich mit der Epidermis im Gebiete der Plica omobranchialis (Drüner) verbindet. Auch bei Larven von 10 - 11,5 mm erscheint die Thymus 5 nicht viel grösser. Sie liegt immer ziemlich weit nach hinten von der Thymus 4. Die histologischen Erscheinungen sind in der Thymus1 und 2 von denen in den übrigen Anlagen grundverschieden. Während sich die letzteren progressiv entwickeln, findet man schon bei9mm langen Larven die 1. und 2. Thymusanlage in voller Degeneration begriffen. Allerdings gibt es auch hier wieder individuelle Schwankungen, die die mitunter auffallend lange Persistenz der 1. und 2. Thymus erklären. Die dotterbeladenen Epithelzellen der 1. und 2. Thymus- anlage verlieren ihren innigen Zusammenhang miteinander, die Epithelinsel wird aufgelockert und zerfällt oft in einen losen Haufen grosser, kugeliger Elemente. Die Kerne werden zwischen den groben Dotterkörnchen förmlich zerquetscht, verwandeln sich in zackige dünne Streifen, ihre Membran löst sich auf und das Ohromatin fliesst zwischen den Dotterkörnchen zu runden oder zu eckigen Schollen oder zu feinen netzartigen Figuren zusammen. Manchmal sieht man auch wieder die schon oben erwähnten hohlen basichromatischen dunkelblauen Kugeln mit oxychromatischem, rotgefärbtem Inhalt. Das Protoplasma, welches die Dotterkörnchen zusammenhält, zerfliesst, die Dotterkörnchen zerfallen ebenfalls und man bekommt schliesslich frei in den (Gewebsspalten des Mesenchyms zerstreute, grössere oder kleinere Häufchen von Dotterteilchen, mit dunklen zerfallenden Chromatinschollen. Diese Reste schmelzen rasch ein und werden vielleicht zum Teil von den benachbarten Mesenchymzellen phagozytiert, so dass sie, wie gesagt, bald spurlos verschwinden. Der weiter unten beschriebene Prozess der Lymphozyten- immigration kann in der Thymus 1 und 2 nur äusserst selten konstatiert werden. Die 3., 4. und 5. Thymusknospen bestehen, wie wir gesehen haben, am Anfang ihrer Entwicklung aus denselben dotterreichen 578 Alexander Maximow: Zellen, wie das ganze Pharynxepithel. Nachdem sich die Knospen abgeschnürt haben, sieht man aber im Folgenden, dass der histologische Charakter des Thymusepithels und des Pharvnx- epithels bald sehr verschieden wird. Was das Pharynxepithel betrifft, so sind schon bei 10,5 mm langen Larven die Dotterkörnchen darin viel spärlicher als früher und die Zellen selbst sind infolge rascher Wucherung kleiner geworden; ihre Grenzen sind viel deutlicher. Es ist jetzt ein gewöhnliches 2—3schichtiges, aus sehr unregelmässig-polyedrischen Zellen bestehendes Epithel, mit Kernen von sehr verschiedener Grösse und sehr unregelmässiger Form. Bei 11 mm langen Larven ist die äussere Form der Epithelzellen gleichmässiger geworden, streckenweise sind sie ganz dotterfrei und enthalten in ihrem Protoplasma nur Vakuolen und Häufchen von Pigment. 3ei Larven von 11,5 mm ist das Epithel fast durchweg dotterfrei. Die Epithelzellen der Thymusknospen bewahren hingegen das ursprüngliche Aussehen viel länger (Fig. 1—11 Ep, Epk). Die Wucherung verläuft hier zunächst sehr träge, Mitosen sind vorerst nur äusserst selten zu finden. Zellgrenzen sind nicht zu unterscheiden und die ganze Knospe sieht wie eine einheitliche Protoplasmamasse aus, die durch und durch mit groben, ver- schieden grossen Dotterkörnchen erfüllt ist, zwischen denen eckige, stark deformierte, blasse Kerne zusammengepresst liegen (Fig. 1—11 Epk). Die Kerne werden mit der Zeit noch etwas heller, besonders im Vergleich mit den Kernen der Mesenchym- zellen, weil ihre Ohromatinteilchen feiner und spärlicher werden und auch die Nukleolen an Grösse abnehmen. Die Kernmembran ist äusserst zart und ihre Konturen sind zwischen den Dotter- körnchen nicht überall genau zu definieren. Zwischen den letzteren liegen einzeln oder in Häufchen Pigmentkörnchen zer- streut. Eine Membrana propria fehlt an der Oberfläche der Thymusknospen vollständig — man sieht hier keine scharfe 3egrenzungslinie. Dass die Epithelzellen jeder membranartigen Abgrenzung von seiten des Bindegewebes entbehren, wird noch dadurch bewiesen, dass die Oberfläche der Anlagen oft höcker- artige Auswüchse erhält und dass neben der Epithelinsel oft einzelne abgetrennte dotterreiche Epithelzellen frei im Binde- gewebe liegen bleiben (Fig. 6 und 7). Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 579 Die früher beschriebenen Degenerationserscheinungen trifft man auch jetzt im Epithel der drei letzten Thymusanlagen; zwischen den roten Dotterkörnern liegen dunkelblaue Chromatin- schollen, Hohlkugeln oder auch Chromatinnetze zerstreut (Fig. 1, 3,6, 7 und 9 x). Sie sind jedenfalls sogar häufiger zu sehen, als Mitosen, was eine weitere Erklärung für das zuerst so lang- same Wachstum der Anlagen abgibt. Bei Larven von 11—11,5 mm kann von weiteren Verände- rungen des Thymusepithels die allmähliche Verkleinerung und Abnahme der Dotterkörnchen vermerkt werden. Infolge des Dotterschwundes bekommen die Epithelkerne eine glatte Ober- fläche und rücken dichter aneinander (Fig. S und 11 Epk). Bevor ich zur Beschreibung der Lymphozyteninvasion in der 3., 4. und 5. Thymus übergehe, muss ich noch einiges über die Beschaffenheit des Mesenchyms in den uns jetzt interessierenden Stadien sagen. Die gewöhnlichen fixen, mit Ausläufern versehenen. stern- oder spindelförmigen Mesenchvmzellen (Fig. 1—11 Mz) erscheinen jetzt zum grössten Teil dotterfrei. Das Protoplasma enthält statt dessen oft helle Vakuolen, während die Pigmentkörnchen noch lange erhalten bleiben und sich mit der Zeit meistens zu einem scharf umschriebenen, dunklen Häufchen ansammeln (Fig. 3 Mz). Die Zellen runden sich während der Mitose, wie gewöhnlich, etwas ab. Das Gefüge des Mesenchyms wird an den meisten Stellen lockerer, die Zellen entfernen sich weiter voneinander, bekommen längere Ausläufer. Dies alles wechselt jedoch sehr je nach Ort und Stelle und sogar bei Larven von 11,5 mm Länge findet man an manchen Orten noch immer dichtes Mesenchym mit noch immer dotterhaltigen Zellen. Die Endothelzellen der Gefässe haben bei 9,5 mm langen Larven die Dotterkörnchen meistens auch schon verloren, nur hin und wieder triftt man noch rote Körner in der Gefässwand (Fig. 1, 3 und 4 Ed). Bei 11,5 mm langen Larven sind die Endo- thelien überall dotterfrei. Desgleichen verlieren auch die Erythro- zyten in diesen Stadien die letzten Spuren von Dotter, während feine Pigmentkörnchen viel länger bleiben (Fig. 1 und 2 Eız). Das Knorpelgewebe ist im Kiemenskelett voll entwickelt, die blasigen grossen Zellen erscheinen von reichlicher, metachro- matisch gefärbter Zwischensubstanz umringt. 550 Alexander Maximow: Überall im Mesenchym und besonders an der unteren Fläche der Epidermis, an der Oberfläche verschiedener Organe, so z B. der Ganglien, der Blutgefässe und mit besonderer Vorliebe gerade an der Oberfläche der Thymusinseln bilden sich schöne weit- verzweigte Pigmentzellen heraus (Fig. 5 und 9 Pg). Neben dem blassen, chromatinarmen Kern derselben bleiben meistens noch lange dichte Häufchen von Dotterkörnern liegen. Die kugeligen Thymusinseln erscheinen im Schnitt sehr oft von solchen Pigment- zellen umsäumt. Beim Studium des Mesenchyms bei Larven von 95 mm Länge bemerkt man nun, dass an sehr vielen Stellen, besonders gerade im Kopf, in der Umgebung des Gehirns und der Gehirn- ganglien, am Epithel der dorsalen Schlundwand plötzlich zahlreiche amöboide Wanderzellen auftauchen. Sie entstehen im Mesenchym- gewebe selbst durch Einziehung der Ausläufer, Abrundung und Isolierung der gewöhnlichen fixen Zellen (Fig. I—4 Mza). Das Protoplasma dieser immer sehr grossen, kugeligen, oft zuerst ein- seitig noch mit Ausläufern versehenen Zellen erscheint scharf umschrieben, bildet Pseudopodien und zeichnet sich durch starke Basophilie aus, färbt sich also mit Eosin-Azur dunkelblau (Fig. 1 bis 11 Lmz, Lma). Von Dotterkörnchen ist in diesen Zellen in weitaus den meisten Fällen nichts zu sehen: in den seltenen Fällen, wo solche doch vorhanden sind, sieht man nur ein oder zwei Dotterteilchen, dann aber meistens gerade besonders umfangreiche (Fig. 3—5 Mza, Fig. 9 Lmz‘). Oft sieht man im Protoplasma helle Vakuolen und Pigmentkörnchen, manchmal sogar grosse dichte Pigmenthaufen (Fig. 1 Mza, Fig. 2 Lma, Fig. 8 Lmz). In den meisten Fällen ist der Protoplasmamantel, der den Kern umeibt, sehr dünn, so dass der letztere mitunter fast nackt erscheint (Fig. 9 Lma). Der Kern zeichnet sich durch einen scharfen, dunklen Kontur aus, die Chromatinteilchen in seinem Innern werden etwas gröber, die Nukleolen vergrössern sich ebenfalls und die Membran bildet Falten, welche tief in das Kerninnere einschneiden. Diese ersten Wanderzellen entsprechen histologisch den sogenannten „grossen Lymphozyten“ und ihre Entstehung im Mesenchym der Axolotllarve ist derselbe Prozess, den meine früheren Untersuchungen (9) auch bei Säugetierembryonen bekannt gemacht haben. Ebenso wie dort will ich diese Zellen . sl © Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. auch hier kurzweg „Lymphozyten“ nennen. Ich weiss recht wohl, dass dieser Name von vielen beanstandet werden wird: auch Stöhr (15) hat ja gerade gegen diese meine Benennung der in der Säugerthymus erscheinenden Zellen protestiert und behauptet, ich hätte dadurch etwas vorweggenommen, was ich erst vorher hätte beweisen sollen. Aber ich will mich an dieser Stelle nicht wieder in Diskussionen über die hämatologische Terminologie vertiefen; ich selbst weiss einfach keinen besseren Namen für die fraglichen Zellen. Es sind indifferente, isolierte, amöboide Mesenchymzellen, die ersten einfachsten Leukozyten der Amphibien- larve und in diesem weitesten Sinne will ich diesen von mir (und ebenso z. B. auch von Weidenreich) gebrauchten Namen „Lymphozyt“ verstanden wissen. Dass diese Zellen nicht, wie Stöhr (14) glaubte, der sie auch bei Hyla gesehen hatte, alle aus der Vorniere (angeblich aus dem Venenendothel) stammen und von da aus erst in das übrige Körpermesenchym gelangen, das ist bei den Axolotllarven ohne weiteres klar — denn hier gibt es in der Vorniere in den betreffenden Stadien fast gar keine Lymphozyten, während sie im Kopfmesenchym schon recht häufig anzutreffen sind. Sehr bald nach ihrem ersten Erscheinen im Mesenchym gelangen die beschriebenen grossen Lymphozyten auch in das Blut und man sieht sie in den (Gefässen zwischen den Erythro- zyten, vorerst allerdings nur in sehr spärlicher Anzahl liegen. Im Mesenchym selbst wächst die Zahl der Lymphozyten sehr rasch, so dass sie bei Larven von 10—11 mm schon recht häufig sind. Vom ersten Moment ihrer Entstehung an trifft man in ihnen auch Mitosen. Wie ich es für die Säugetiere gezeigt habe (9), sind dort die ersten Wanderzellen, die Lymphozyten, nach ihrem histologischen Aussehen selbst meistens sehr polymorph. Hier, bei den Amphibien, sind sie viel gleichartiger, erscheinen fast immer als typische „grosse Lymphozyten“ in hämatologischem Sinn. Aber, wie bei den Säugetieren gleich schon in den frühesten Stadien auch (Granulozyten gebildet werden, so erscheinen auch hier sehr bald, schon bei Larven von 10 mm und je später, je zahlreicher, ausserdem noch anders geartete Wanderzellen, die aus denselben Lymphozyten durch differenzierende Entwicklung entstehen — es sind die ersten Spezialleukozyten der Axolotl, die bekanntlich 52 i Alexander Maximow: or keine distinkte Körnung enthalten, sondern sich in reifem Zustande nur durch einen zerschnürten polymorphen Kern und durch azidophiles Plasma auszeichnen (Fig. 19). Die erste Entstehung dieser Zellen wird dadurch gekennzeichnet, dass in einzelnen Lymphozyten eine Abnahme der Basophilie im Protoplasma ein- tritt, das letztere einen rosa Farbenton annimmt, der Kern chromatinreich wird und Einschnürungen bekommt. Für die vorliegende Untersuchung ist es wichtig, dass die be- schriebenen Lymphozyten besonders zahlreich gerade in der nächsten Umgebung der Thymusinseln, besonders der 3. und 4. entstehen, zum Teil durch Abrundung derjenigen Mesenchymzellen, die der Oberfläche des dotterreichen Thymusepithels unmittelbar anliegen. (Fig. 1—11). Ich wiederhole hier das, was ich schon in meiner Arbeit über die Säugerthymus (10) gesagt habe und was seither Mietens (13) auch für Bufo bestätigt hat — man gewinnt den Eindruck, dass die Epithelien auf die benachbarten Mesenchym- zellen einen besonderen Reiz ausüben, deren Abrundung und Mobilwerden veranlassen und dass sie die auf solche Weise ent- standenen Wanderzellen weiterhin durch besondere, positiv chemotaktische Stoffe anlocken. Wenn man eine Serie durchmustert und bei der Stelle anlangt. wo die 3. oder 4. Thymusanlage erscheinen soll, wird die Aufmerksamkeit sofort dadurch gefesselt, dass noch bevor die grellroten dottererfüllten Epithelzellenkörper in den Schnitt kommen, mehrere grosse, dunkelblaue Lymphozyten getroffen werden. Man sieht nun, wie sich diese grossen, amöboiden Zellen der Obertläche der dotterhaltigen Epithelzellen eng anlagern und manchmal dabei sogar abplatten. Man sieht ferner, wie das basophile Protoplasma in die augenscheinlich sehr weiche und lockere Epithelmasse zuerst sehr dünne und spitze, kurze, später längere, breite Pseudopodien eindringen lässt (Fig. 2, 3, 4 Lma), wie die dotterreichen Zelleiber der Epithelzellen auseinander- geschoben werden und wie sich dann allmählich die ganze Wander- zelle zwischen die Epithelzellen hineinzwängt, wobei ihr Kern meistens auch vorübergehend in entsprechender Weise deformiert wird, sich in einen spitzen Zipfel auszieht (Fig. 4 und 9 Lma) oder sich als Ganzes wurstförmig verlängert (Fig. 5 und 11 Lma). In einigen Fällen vollzieht sich die Einwanderung in der Weise, Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. . 5853 dass der Lymphozyt sich an der Oberfläche des Epithels zuerst eine Vertiefung gräbt und sich in diese Grube versenkt (Fig. 11 Lma); die zuerst an der Thymusoberfläche buckelförmig hervor- ragende Zelle wird dann in die Thymusmasse einbezogen und nimmt mit ihrem Zelleib an der Begrenzung der äusseren Ober- fläche der Thymus teil. Es sind überhaupt überall die klassischsten Bilder der Immigration amöboider Zellen vorhanden. Nachdem der Lymphozyt in das Innere der Epithelinsel eingedrungen ist, nimmt er hier meist wieder die gewöhnliche kugelige Gestalt an (Fig. 3 Lmz‘), seltener bleibt er in die Länge ausgezogen (Fig. 2 und 5 Lma) und in diesem Fall muss man annehmen, dass er sich den Weg zwischen den Epithelzellen weiter bahnt. Sehr oft erscheint die eingedrungene Wanderzelle von dem Epithel sofort durch einen schmalen hellen Spaltraum abgegrenzt (Fig. 2, 5, 11 Lma). Jedenfalls sind hier die eingedrungenen Lymphozyten von den Epithelzellen in allen Fällen ohne Ausnahme ohne jede Mühe zu unterscheiden. Ausser dem ganz anders beschaffenen Kern wird dies vor allem durch das scharf umschriebene, meist ganz dotterfreie und immer tief blau gefärbte Protoplasma der ein- gewanderten Zelle ermöglicht. In den uns jetzt interessierenden Stadien ist die Zahl der eingewanderten Lymphozyten in der Thymusanlage noch sehr gering. Die Thymusanlagen sind ja selbst noch so klein, dass man die Zellen, aus denen sie zusammengesetzt sind, an den paar aufeinanderfolgenden Schnitten leicht zählen kann, und die grossen dazwischen befindlichen basophilen Lymphozyten sind auch ganz bequem einzeln zu bestimmen und zu zählen. Ich führe als Beispiel die rechte 5. Thymus einer Larve von 10 mm an, die sich in der 8 « dieken Serie auf sieben Schnitte verteilte. Alle diese aufeinanderfolgenden Schnitte durch die Thymus mit den umgebenden Zellen sind auf den Fig 1—7 mit der grössten Genauigkeit abgebildet, so dass man hier einen vollständigen Überblick über alle in der betreffenden Anlage zurzeit überhaupt vorhandenen Elemente hat. Es ist unnötig, jede von diesen Figuren einzeln zu be- schreiben. Die Epithelzellen mit den roten Dotterteilchen und den Pigmentkörnchen stellen einen ovalen Haufen vor (Fig. 2—5), 584 Alexander Maximow: an welchem von der einen (dorsalen) Seite eine Blutkapillare (Fig. 1- 5 L) vorbeizieht. Der kaudale Abschnitt der Insel zer- fällt in zwei Zellgruppen (Fig. 6), von welchen im letzten Schnitt nur die eine noch getroffen ist (Fig. 7), An den umgebenden, netzartig verbundenen Mesenchymzellen (Fig. 1—7 Mz) sieht man die teilweise Verwandlung in Lymphozyten (Fig. 1—5 Mza). Die zum Teil Pigment (Fig. 1 Mza, Fig. 2 Lma, Fig. 8 Lmz) oder seltener auch Dotter enthaltenden Lymphozyten, die sich, ebenso wie die Epithelzellen, auch meistens auf je zwei Schnitte ver- teilen, liegen zum Teil noch draussen. an der Oberfläche des Epithels (Fig. 1-4 Lma), zum Teil sind sie schon mehr oder weniger tief eingedrungen (Fig. 2 und 5 Lma). An einer von diesen Zellen merkt man im Protoplasma die ersten Spuren einer besonderen azidophilen Körnung (Fig. 5 Lma), die in späteren Stadien in den grossen Lymphozyten noch viel häufiger auftritt (siehe weiter unten). Der beschriebene Einwanderungsprozess der grossen Lympho- zyten in die epithelialen Thymusknospen unterliegt, was die Zeit seines Auftretens für jede einzelne Thymusknospe betrifft, bedeutenden individuellen Schwankungen. Bei der Larve z. B., welcher die auf den Fig. 1—7 abgebildete rechte Thymus 3 gehörte, war an der linken Thymus 3 noch nirgends Immigration von Lymphozyten zu sehen, obwohl sich in der nächsten Umgebung der Anlage mehrere Lymphozyten befanden. In der Thymus 4 fängt der Prozess im allgemeinen zu gleicher Zeit an, wie in Thvmus 5. Was hingegen die Thymus 5 betrifft, so fängt hier auch die Lymphozyteninvasion, entsprechend der allgemeinen Verspätung in der Entwicklung und dem zuerst noch viel kleineren Umfang der Knospe, später an; zum erstenmal sah ich Lympho- zyten in der 5. Thymus bei einer Larve von 11 mm. Aber auch hier waren es nur einzelne Zellen, in der rechten und der linken Thymus 5 je zwei Lymphozyten; bei einer Larve von 11,5 mm war die linke Thymus 5 noch vollständig frei von Lymphozyten, die rechte enthielt einen. Die Zahl der eingewanderten Lymphozyten nimmt rasch zu und bei einer Larve von 11,5 mm findet man sie in der 3. oder 4. Thymus schon viel zahlreicher, als bei der 9,5 mm langen Larve. An einem Querschnitt der 4. Thymus sehe ich hier z. B. 5—6 Lymphozyten. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 585 Diese Vermehrung der intrathymischen Lymphozyten hängt aber zuerst nicht etwa von der Wucherung der eingewanderten Zellen ab — Mitosen der intrathymischen Lymphozyten sind in der ersten Zeit nicht zu finden — sondern vor allem von der fortgesetzten Einwanderung immer neuer Zellen. Zu den Thymus- anlagen wandern Lymphozyten auch aus entfernteren Mesenchym- bezirken herbei und sammeln sich in ihrer nächsten Umgebung in kleinen Gruppen an. Auch in den Epithelzellen der Thymus sind ja in diesen frühen Stadien Mitosen, wie oben gesagt, kaum vorhanden. Die beschriebene Lymphozyteninvasion ist die Haupt- erscheinung der ganzen Histogenese der Thymus Aus diesem Grunde habe ich das Hauptaugenmerk gerade darauf gerichtet, und diese Erscheinung möglichst ausführlich zu beschreiben und abzubilden versucht. Sobald die ersten grossen Lymphozyten in der bisher noch rein epithelialen Thymusanlage erscheinen, sind eo ipso gleich zwei verschiedene Zellarten gegeben, die im Folgenden ihre weitere Entwicklung in innigster Nachbarschaft und unter wechselseitigem Einfluss durchmachen und dadurch ist der Schlüssel zum Verständnis der ganzen weiteren morpho- logischen Entwicklung des rätselhaften Organs gegeben. Die Lymphozyten werden von den Epithelzellen angelockt, finden zwischen ihnen sehr günstige Existenzbedingungen und entwickeln sich weiter. Die Epithelzellen bleiben als das form- sebende Gewebe des Organs bestehen und liefern später das Thymusretikulum. Stöhr (14) hatte seinerzeit richtig erkannt, dass schon von den frühesten Stadien an in der Thymus zwei Zellarten auf- treten, aus denen dann parallel einerseits die kleinen Rindenzellen, andererseits die grossen Markzellen und das Retikulum entstehen; nur stellte er sich den. Prozess als eine in zwei verschiedenen Richtungen unter Wucherung verlaufende Differenzierung einer einzigen epithelialen Stammzelle vor. Demgegenüber befindet sich Marcus (5, 6) entschieden im Unrecht, wenn er bei den Amphibien zuerst alle Thymuszellen zu kleinen Iymphoiden Elementen werden und dann erst aus diesen zum Teil wieder grosse epitheloide Zellen entstehen lässt. Stöhr hatte weiter vollständig Recht. wenn er behauptete, diese Art der Entstehung der beiden Hauptzellenarten der Thymus 586 Alexander Maximow: müsse bei allen Vertebraten auf prinzipiell dieselbe Weise erfolgen. In der Tat — was ich bei den Säugetieren früher gefunden habe, das hat sich jetzt in noch klarerer Weise auch für die Amphibien bestätigen lassen. Das Wesen der Übereinstimmung hat sich aber in einem der Stöhrschen Auffassung gerade entgegengesetzten Sinne offenbart. Gerade das Objekt, wo sich Stöhr mit seiner epithelialen Entstehung der Thymusrindenzellen am sichersten fühlte, so sicher, dass er von hier aus meine an Säugetieren erhobenen Befunde von vornherein für unwahrscheinlich erklären zu können glaubte — die Amphibien — hat sich als das bequemste und passendste Objekt zur Demonstrierung des Gegenteils, der mesenchymatischen Abstammung dieser Elemente herausgestellt. Allerdings muss man wieder zugeben, dass Stöhr seine Unter- suchungen an den Anuren gemacht hatte und dass diese letzteren, wie ich es noch weiter unten erörtern werde, viel weniger günstige Verhältnisse bieten. Aber die Hauptursache, warum Stöhr seinerzeit zu falschen Resultaten gekommen war, muss jedenfalls in der von ihm gebrauchten Untersuchungstechnik gesucht werden. Es ist ja ohne weiteres klar, dass die nach der Eosin-Azur- Färbung so klar hervortretenden Unterschiede zwischen den Epithelzellen und den Lymphozyten bei einer gewöhnlichen Eosin- Hämatoxylin-Färbung ganz verwischt worden wären, so dass sogar das Auffinden der ersten grossen Lymphozyten ausserordentlich erschwert wäre. Durch diese Anwendung unzweckmässiger Methoden erklärt sich auch der Umstand, dass die meisten Autoren überhaupt den Zeitpunkt des ersten Auftretens der Lymphozyten in der Thymus auf viel spätere Stadien verlegen, als es ın Wirklichkeit der Fall ist. Auch Stöhr (15) behauptet ja, die Lymphozytenimmigration, die er neuerdings in gewissem Grade anerkannt hat, fange bei Hyla erst an, wenn bereits Scheidung in Mark und Rinde vorhanden ist. Bei gewöhnlicher Hämatoxylin- oder Karminfärbung bemerkt man eben die Lymphozyten zwischen den diehtgedrängten Epithelkernen in der Thymus erst dann, wenn sie sich durch ihren viel geringeren Umfang und durch ihren kleinen dunklen Kern von den Fpithelien scharf unter- scheiden, also wenn sie schon den Charakter der kleinen Lympho- zyten angenommen haben — und dies geschieht in der Tat erst viel später, wenn die eigentliche Entstehung der eigentümlichen histologischen Struktur der Thymus schon längst der Vergangenheit Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 587 angehört. Durch diese alte Gewohnheit, gleich nach sogenannten „kleinen Lymphozyten® zu suchen, wenn von einer Invasion der epithelialen Thymusanlage durch Lymphozyten die Rede ist, erklärt es sich auch zum Teil, dass Stöhr bei Hyla nichts Ähnliches hatte finden können, denn die „kleinen Lymphozyten“ können natürlich nicht in die Thymusanlage einwandern. weil sie in den Stadien, wo der Prozess stattfindet, noch gar nicht existieren und erst viel später, ganz allmählich, und zwar fast ausschliesslich innerhalb der Thymus selbst aus den „grossen Lymphozyten“ gebildet werden. Für den, der die Histogenese der Thymus und überhaupt die Histogenese des Mesenchyms bei Säugetieren kennt. bietet auch überhaupt die Tatsache nichts Befremdendes, dass bei der Thymusinvasion bei den Amphibien nur sogenannte „grosse Lymphozyten“ eine Rolle spielen. Auch dort, bei den Säugetieren haben ja die ersten freien mesen- chymatischen Wanderzellen, die überall im Körper entstehen und die in die epitheliale Thymusanlage eindringen, zum grössten Teil den Charakter grosser Lymphozyten, da ja die kleinen auch erst in viel späteren Stadien, durch langdauernde Wucherung der grossen entstehen. Allzu skeptisch veranlagte Kritiker könnten weiter vielleicht einwenden, dass durch die von mir beim Axlotl eben beschriebenen Bilder nur das Vorhandensein von zwei Zellarten in der Thymus- anlage bewiesen sei, dass man aber nicht wissen könne, ob diese dunklen basophilen Zellen tatsächlich aus dem Mesenchym ein- gewandert seien und nicht vielmehr den Epithelzellen selbst entstammen. Denn am lebenden Objekt kann man die Sache ja nicht direkt demonstrieren. Demgegenüber muss man jedoch beachten, dass die Epithelzellen der Thymusanlage ein überaus gleichmässiges typisches Aussehen haben und dass die anderen, die neuen Zellen in der Thymusanlage ganz plötzlich auftreten, ohne dass man an den Epithelzellen auch nur eine Spur von Strukturveränderungen wahrnehmen könnte. Hier gibt es nicht einmal die bei den Säugetieren oft störend wirkenden sogenannten „dunklen“ Epithelzellen. Die neuen Zellen treten ferner, noch bevor sie innerhalb der Thymusanlage erscheinen, ausser- halb derselben, überall im Mesenchym auf: man kann hier ihre Entstehung aus den gewöhnlichen fixen Mesenchymzellen durch alle möglichen Übergangsformen beweisen und ausserdem sind 588 Alexander Maximow: ja die Immigrationsbilder schon an und für sich so unzweideutig, dass ein Zweifel an der Zugehörigkeit der Zellen zum Mesenchym und an ihrer wahren Lymphozytennatur eigentlich gar nicht auf- kommen kann. Andererseits fehlen, wie gesagt, jegliche Über- gangsformen von den dotterbeladenen Epithelzellen zu den amö- boiden basophilen Lymphozyten vollständig. Als Resultat der bisherigen Feststellungen können wir also behaupten, dass die bleibenden Thymusanlagen bei Axolotllarven von 9,5 mm Länge an aus zwei distinkten Zellarten bestehen, aus den ursprünglichen dotterreichen Epithelzellen und aus zwischen dieselben aus dem umgebenden Mesenchym eingewanderten, grossen, amöboiden Lymphozyten, deren Zahl sich rasch weiter vergrössert durch fortgesetzte Einwanderung neuer Exemplare. Die Aufgabe der folgenden Schilderung wird sein, die weiteren Schicksale der beiden Zellarten zu verfolgen und vor allem zu beweisen, dass, während die Epithelzellen sich allmählich in ein epitheliales Retikulum umwandeln, die eingewanderten grossen Lymphozyten mit der Zeit die typischen kleinen dunkelkernigen Thymusrindenzellen, die T'hymuslymphozyten erzeugen. Bei der Kritik meiner Befunde bei den Säugern hat nämlich Stöhr gerade darauf hingewiesen, dass, wenn sogar eine Einwanderung einzelner grosser Lymphozyten in die Epithelanlage in den früheren Stadien auch vorkäme, die Bedeutung dieses Prozesses für die Bildung der schliesslichen Thymusrindenzellen, der kleinen Thymus- Ivmphozyten und die Entstehung der letzteren aus den früheren grossen Lymphozyten doch noch nicht bewiesen sei, sondern bloss eine Deutung vorstelle. II. Fortdauernde Einwanderung von Lymphozyten und ihreWucherungin den Thymusanlagen. Bildung eines epithelialen Retikulums. Vergrösserung der Thymusanlagen und beginnende Lappung. Larven von 11,5—16 mm Länge. Die erste und zweite Thymusanlage sind in diesen Stadien bereits spurlos verschwunden. Bei Larven von 11,5—12 mm Länge liegt die Thvmus 3 hinter dem Gehörorgan, lateral von dem Glossopharyngeus- und Vagusganglion, gleich dorsal vom Epithel des lateralen Teils der dorsalen Schlundwand. Die Thymus 4 liegt gewöhnlich dicht Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 589 daneben in kaudaler Richtung, der Abstand zwischen den beiden wechselt jedoch bedeutend von Fall zu Fall. Die Thymus 5 befindet sich hart medial am dorsalen Ende des 4. Kiemenbogen- knorpels in einem ziemlich engen Raum zwischen ihm, der dorsalen Epidermis und einem medial gelegenen Muskel (wahrscheinlich dem M. dorsolaryngeus). Alle drei Thymusanlagen haben im Schnitt zuerst meist eine ovale Form, wobei die 3. und 4. Thymus die 5. beträchtlich an Grösse übertreffen. Die absoluten Grössen unterliegen allerdings starken individuellen Schwankungen. Die 3. Thymus mass z. B. bei einer Larve von 11,5 mm 45x81 u, bei einer anderen von 13 mm 50x57 «, die 4. Thymus im ersten Fall 60 ><77 u, im zweiten 5055 «, während die 5. Thymus im ersten Fall 30x59 « und im zweiten 54x72 u gross war. Bei Larven von 14—16 mm bemerkt man ein besonders vasches Wachstum aller drei Anlagen, wobei sie mehr oder weniger regelmässige Kugelform annehmen; die 5. Thymus nähert sich dabei in der Grösse der 3. und 4. etwas mehr; die 3. Thymus hatte z. B. in einem solchen Fall bei einer Larve von 15,5 mm 135 « im Durchmesser, die 4. Thymus 136 «, die 5. Thymus 94 u. Der Epithelstrang (Drüners Thymus ectodermalis) neben der Thymus 5 liess sich noch bei Larven von 15,5 mm Länge (auf der einen Seite) feststellen. Bei Larven von 15,5 mm weisen die Thymus 3 und 4 schon eine deutlich beginnende Lappung auf — sie bekommen an der Oberfläche buckelförmige Auswüchse. Die Epithelzellen der Thymusanlagen verlieren während der uns jetzt interessierenden Stadien ihren Dotter fast vollständig (Fig. 12—14 und 18). Die Dotterkörner werden kleiner, sammeln sich dabei meistens in kleinen Häufchen an und schmelzen ein. Ihre Zahl und Grösse werden immer geringer, bis man bei einer Larve von 14 mm in der 3. und 4. Thymus nur mehr Spuren von Dotter in Form kleiner elliptischer oder spindelförmiger Körper erblickt (Fig. 18 D), die dann bei einer 15,5 mm langen Larve gänzlich verschwinden. Die Thymus 5 büsst ihren Dotter noch früher ein (Fig. 15). Als Folge des Dotterschwundes ist zunächst die Glättung der Oberfläche der Epithelzellenkerne zu verzeichnen, deren Membran jetzt nicht mehr durch die Dotterschollen eingedrückt wird. Die Kerne rücken ferner näher aneinander und können Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.L 40 590 Alexander Maximow: sich dabei gegenseitig abplatten; dies geschieht besonders deutlich in Thymus 5, wo die Epithelkerne auf dem Querschnitt manchmal radiär um das Zentrum herum angeordnet erscheinen. Die Struktur der Epithelkerne bleibt die frühere — sehr feine, oft netzartig verbundene Chromatinkörnchen, relativ viel Oxychromatin, 1—2 mittelgrosse Nukleolen. Zwischen den Kernen bleiben die Pigmentkörnchen noch während sehr langer Zeit liegen. Ihre Zahl verkleinert sich sehr allmählich und sie sammeln sich typischerweise zu kleinen, scharf umschriebenen, dunklen Häufchen (Fig. 12—14 und 18) an, die sogar noch dann bleiben, wenn das Epithel durch die Lymphozyteninvasion bereits in ein Retikulum verwandelt ist und erst sehr spät vollständig verschwinden. Der in den vorhergehenden Stadien angebahnte Prozess der Lymphozytenimmigration in die epithelialen Thymusanlagen setzt sich jetzt in sehr intensiver Weise fort. In dem die Anlagen umgebenden Mesenchym sieht man fortwährend Abrundung und Mobilwerden immer neuer Mesenchymzellen (Fig. 12 und 13 Mza); in den letzteren findet man zwar oft Mitosen, diese Vermehrung kann aber augenscheinlich den an der Verwandlung in Lymphozyten erlittenen Verlust nicht sofort und vollständig decken und so sehen wir, dass das Mesenchym in der Umgebung der 3. und 4. Thymus- anlage schliesslich sehr zellarm werden kann; die spindel- und sternförmigen Mesenchymzellen sind dann von einander durch weite Strecken strukturloser, halbflüssiger Zwischensubstanz getrennt. Unmittelbar an der Obertläche der Thymus bleiben meistens einige wenige kleine Mesenchymzellen (Fig. 14 Mza, Fig. 15 Mz) dem Epithel platt angedrückt liegen, die sich gerade mit besonderer Vorliebe in Lymphozyten verwandeln. Ausserdem erscheinen die Thymusanlagen auch jetzt sehr oft von ein paar stark verzweigten, dem Epithel auch eng anliegenden, zum Teil noch immer dotterhaltigen Pigmentzellen umsäumt (Fig. 12, 13 Pg). In den vorliegenden Stadien gibt es in der Umgebung der "Thymusanlagen, besonders der 3. und 4. immer sehr zahlreiche, wenn auch sehr ungleichmässig verteilte Lymphozyten (Fig. 12—14 und 18). Sie haben ihr Aussehen im Vergleich mit den früher beschriebenen Stadien nicht verändert; Dotterkörner sind in ihnen jetzt niemals mehr zu sehen. Sie erscheinen bei den Amphibien im histologischen Sinne viel gleichartiger, als bei den Säugetieren und entsprechen fast stets genau der Definition des histologischen Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 591 Begriffes „grosser Lymphozyt“. Bloss der Grad der Basophilie des Protoplasmas wechselt etwas von Zelle zu Zelle und ferner bemerkt man bei einigen Lymphozyten im Protoplasma eine feine, spärliche, nach Eosin-Azur rote Körnung (Fig. 12 Mza), die aber nach meinem Dafürhalten nichts Konstantes vorstellt und jeden- falls nichts Gemeinsames hat mit den später auftretenden ver- schiedenen anderen Einschlüssen, u. a. auch mit der spezifischen eosinophilen Körnung. In den frei in der Umgebung der Thymus im zellarmen Mesenchym umherkriechenden Lymphozyten findet man sehr oft Mitosen. Die Zahl der perithymischen Lymphozyten vergrössert sich also auch auf diese Weise. In noch grösserer Anzahl, als früher, sammeln sich die Lymphozyten an der Oberfläche des Thymusepithels an (Fig. 18 I,ma) und dringen hier mittelst amöboider Bewegungen, oft scharenweise, zwischen die Epithelzellen hinein. Beim Hindurch- treten durch die äussere Epithelschicht schnüren sie sich oft zwerchsackförmig ein (Fig. 15 Lma):; wenn die Lymphozvten scharenweise eindringen, lockern sie die Grenzschicht des Epithel- gewebes vollständig auf (Fig. 18). Die Bilder sind so überzeugend und namentlich der histologische Unterschied zwischen Epithel- zellen und Lymphozyten so in die Augen fallend, dass an der strengen histogenetischen Scheidung der beiden Zellarten gar kein Zweifel aufkommen kann. Man sieht keine Spur von Übergangsformen zwischen der einen und der anderen. Die weiter unten beschriebenen Mitosen im Epithel und in den Lymphozyten sind in der ersten Zeit noch relativ selten und die Lymphozyten erscheinen zwischen den Epithelzellen als etwas den letzteren vollkommen Fremdes. Dass es sich hier ferner nicht um einen umgekehrten Vor- gang, nicht um eine Auswanderung von etwa in der Thymus entstandenen Lymphozyten in das Bindegewebe handeln kann, wird durch die schrittweise Verfolgung der verschiedenen Stadien des Prozesses ebenfalls ganz unumstösslich bewiesen. Die intra- thymischen Lymphozyten tauchen ja erst nach dem Erscheinen der extrathymischen auf, zuerst immer als einzelne, von den Epithelzellen scharf verschiedene Elemente. In der Thymus sind dabei nirgends Anzeichen ihrer Entstehung aus dem Epithel zu sehen, im umgebenden Mesenchym hingegen kann man das Mobil- werden der Mesenchymzellen überall mit Leichtigkeit beobachten. 40* [u | de) [86) Alexander Maximow: Durch die einwandernden Lymphozyten wird das Protoplasma der Epithelzellen auseinander geschoben, die Kerne zur Seite gedrängt oder auch eingedrückt und deformiert (Fig. 12—15 und 18 Epk). An der Oberfläche des Epithels und in dessen Innern entstehen auf diese Weise geräumige Höhlen, worin die Lympho- zyten liegen, wobei das dunkle basophile Protoplasma der letzteren von dem viel helleren Protoplasma der Epithelzellen meistens durch deutliche Spalträume getrennt erscheint. Die Epithelzellen (Fig. 12—15 und 18 Epk), deren Grenzen früher, in der einheitlichen dottererfüllten Protoplasmamasse ganz unsichtbar waren, werden auf diese Weise zum Teil voneinander getrennt und bekommen das Aussehen von sternförmigen, mit- einander gerüst- oder netzartig verbundenen Zellen. Es entsteht, gerade wie bei der Histogenese der Säugerthymus, ein epitheliales Thymusretikulum aus dickeren und dünneren, zu einem zusammen- hängenden Gerüst oder Netzwerk verbundenen protoplasmatischen Lamellen mit fein retikulärem Bau und schwacher Basophilie. In den Kreuzungsstellen der Lamellen sieht man grössere, eckige Protoplasmaanhäufungen mit Kernen — das sind eben die stern- förmigen epithelialen Retikulumzeilen. Dass übrigens die Ein- teilung des Epithels in einzelne Zellen nicht vollkommen ist und dass es mehr oder weniger synzytialen Uharakter behält, wird ausser dem direkten Zusammenhang der protoplasmatischen Ausläufer der Zellen dadurch bewiesen, dass man sehr oft zu zweien und zu dreien zusammengetretene und eng verbundene Kerne sieht. An der äussersten Peripherie der Thymusanlage bleibt trotz der fortwährenden Einwanderung zahlreicher Lymphozyten eine zusammenhängende Protoplasmaschicht bestehen, mit eingestreuten Epithelkernen (Fig. 18 Epa). Diese letzteren haben hier im optischen Durchschnitt meistens eine dreieckige Form, indem die eine, längere, gerade Seite des Dreiecks der äusseren Grenze des Organs entspricht, die beiden anderen, nach innen gekehrten, konkaven Seiten von benachbarten Lymphozyten eingedrückt erscheinen. Wenn im Folgenden die Epithelzellenkerne zwischen den sich immer zahlreicher anhäufenden Lymphozyten ganz zurück- treten und verdeckt werden, bleiben diese peripherischen Epithel- zellenkerne doch sehr deutlich. Sie entsprechen der ganz ähn- lichen epithelialen Randschicht in der Säugerthymus Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 593 Das Protoplasma der Epithelzellen ist augenscheinlich eine weiche, plastische und zugleich vielleicht kontraktile Substanz. Das retikuläre Aussehen des Gewebes ist bedingt nur durch das Eindringen der grossen amöboiden Lymphozyten; wo diese letzteren sich entfernen, wie z. B. nachher bei Entstehung des Markes (siehe weiter unten), dort schliessen sich hinter ihnen die Lücken im Epithel wieder vollständig, bis hierher eventuell neue Wander- zellen eindringen. Sehr wichtig ist die Frage der Vermehrung der beiden Komponenten der Thymus, der Epithelzellen und der Lymphozyten. Auf einer angeblichen besonderen differenzierenden Wucherungsart der ersteren wurde ja bekanntlich die epithelogene Theorie der Entstehung der kleinen Thymusrindenzellen von Stöhr konstruiert. Die wuchernden Epithelzellen sollten in den späteren Generationen immer kleiner werden und sich schliesslich in freie, dunkelkernige Iymphozytenähnliche Zellen verwandeln. Marcus hat darin sogar einen neuen Beweis für die Richtigkeit der Kernplasma- theorie finden wollen und für die Thymuszelle einen eigenen, sehr komplizierten Lebenslauf konstruiert. Gerade in der Thymus der Amphibien, bei Hypogeophis will er ein sehr günstiges Objekt gefunden haben und er beschreibt besondere pathologische Mitosen, die von einem besonderen Depressionszustand der Epithelzellen mit gestörter Kernplasmarelation abhängen sollen. Die Autoren, die die Thymusrindenzellen aus den Epithel- zellen ableiten und jede Immigration leugnen (Marcus) oder sie für minimal und unwichtig (Stöhr) erklären, nehmen also an, dass schon vor dem Auftreten einer zweiten Zellart, also in der ursprünglichen, noch rein epithelialen Thymus in den Epithel- zellen ein starker Wucherungsprozess anfängt. Es fragt sich nun — ist diese Voraussetzung richtig und kann wirklich eine solche starke Wucherung vor dem Auftreten der zweiten Zellart Kon- statiert werden oder nicht” Die Antwort muss entschieden negativ lauten. Wenn bei den Säugetieren die Epithelwucherung schon von Anfang an bedeutend ist und man viele Mitosen auch schon vor dem Erscheinen der ersten Lymphozyten findet, so ist der Axolotl auch in dieser Beziehung ein günstigeres Objekt — hier fängt nämlich die Wucherung der Thymusepithelien relativ sehr spät an oder vielmehr — die neuen Zellen, die Lymphozyten, erscheinen viel früher — zu einer Zeit, wo man in den Thymus- 594 Alexander Maximow: anlagen überhaupt noch fast gar keine Mitosen, weder im Epithel, noch in den plötzlich auftauchenden neuen Zellen sieht. Es ist also klar, dass diese neue Zellart unmöglich durch Wucherung entstanden sein kann. Sie entsteht auf andere Weise, sie kommt von aussen und alle Etappen dieser extrathymischen Entwicklung und der Einwanderung in die epitheliale Thymusanlage stellen nicht bloss Deutungen vor, die nach Ausschluss anderer Möglich- keiten allein in Betracht kommen können, sondern eine ganze Reihe von ohne weiteres sichtbaren histologischen Bildern, also direkte Beweise. Da die Thymusepithelien zuerst sich nur sehr selten teilen und da zu gleicher Zeit auch der Dotter allmählich aufgebraucht wird, so bleiben die Thymusknospen während ziemlich langer Zeit klein, ohne sich bedeutend zu vergrössern. Wenn sie doch an Grösse etwas zunehmen, so geschieht dies hauptsächlich auf Kosten der einwandernden Lymphozyten. Eine nennenswerte Wucherung fängt erst bei Larven von 12 mm Länge an, wenn in allen bleibenden Thymusanlagen schon vollkommen deutlich zwei distinkte Zellarten existieren — die Epithelzellen und die zwischen ihnen steckenden Lymphozyten. Dementsprechend finden wir denn auch immer zwei Arten von Mitosen — die einen gehören den Epithelzellen, die anderen den Lvmphozyten. Solange das Epithelprotoplasma noch viel Dotter enthält, sind die dann noch seltenen Epithelmitosen gerade an den Dotter- körnchen im Protoplasma zu erkennen (Fig. 10, 13 und 14 Ep‘), während die Lymphozyten, wie oben erwähnt, nur höchst selten ein paar Dotterkörnchen führen. Wenn der Dotter geschwunden ist, zeichnen sie sich dadurch aus, dass der zur Kernfigur gehörige Zellkörper keine deutlichen, scharfen Grenzen aufweist, sondern mit den Protoplasmasträngen des inzwischen entstandenen Epithel- retikulums durch Ausläufer unmittelbar zusammenhängt (Fig. 16, 18 und 23 Ep‘). Die Mitosen der Lymphozyten (Fig. 12—14, 16 und 23 Lmz‘) sind sehr charakteristisch und sehen ganz gleich aus, ob sich die Zelle noch im Mesenchym, oder schon in der Thymus befindet. Der Zellkörper, der (wie auch sonst in den grossen Lymphozyten, z. B. in der Area vasculosa der Säuger) für die Zeit der Mitose die starke Basophilie vorübergehend einbüsst, ist kugelig, scharf Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 595 umschrieben und vom epithelialen Retikulumprotoplasma meist durch einen hellen Spaltraum getrennt. Die Chromosomen in den Epithelzellen und den Lymphozyten bieten in den jüngeren Stadien, wo die Lymphozyten noch durchwegs gross sind, keine greifbaren Verschiedenheiten. Es entsprechen also zwei distinkten Zellarten zwei Mitosen- arten, die nebeneinander selbständig verlaufen. Von den beiden Arten ist weder die eine, noch die andere als pathologisch zu bezeichnen, sondern es sind ganz gewöhnliche, banale karyo- kinetische Figuren; abnorme Zellteilungen habe ich in der Thymus überhaupt auch bei den Amphibien ebensowenig wie bei den Säugern finden können. Die Mitosen der Epithelzellen sind im allgemeinen viel seltener, als die Mitosen der Lymphozyten. Dadurch erklärt es sich, dass schon bei Larven von 15,5 mm die Epithelzellen zwischen den dichten Mengen dunkelblauer, grosser, runder Lymphozyten ganz in den Hintergrund treten. Bis zum Stadium von 15,5 mm Länge vergrössert sich die Zahl der intrathymischen Lymphozyten zum Teil durch Ein- wanderung neuer Zellen, zum Teil durch Wucherung der schon vorhandenen ganz bedeutend. Vorläufig sind es aber noch immer „grosse Lymphozyten“. Nur einige wenige Exemplare (Fig. 18) werden etwas kleiner und bekommen allmählich dunklere Kerne mit gröberen Chromatinteilchen, während sich die Nukleolen verkleinern. Schon bei Larven von 10 mm Länge haben wir in dem die Thymusanlage umgebenden Mesenchym und auch sonst im Körper aus den indifferenten Lymphozyten azidophile (ungranulierte) Spezialgranulozyten entstehen sehen. Bei Larven von 14—15.5 mm werden sie noch viel zahlreicher, besonders gerade in der Umgebung der Thymus. Man sieht hier zahlreiche Übergänge von gewöhnlichen basophilen Lymphozyten zu Spezialmyelozyten mit dunkelblauem ovalem Kern und reichlichem retikulärem azıdophilem Protoplasma und weiter zu mehr oder weniger typischen reifen Spezialleukozyten mit polymorphem, zerschnürtem Kern und rosafarbenem, stark amöboidem Protoplasma, welches oft noch besonders zahlreiche Pigmentkörnchen enthält (Fig. 19). Ausser diesen Zellen bemerkt man bei Larven von 13 mm, noch mehr bei etwas älteren, 14—15,5 mm langen, in dem 596 Alexander Maximow: perithymischen Bindegewebe noch andere, die ebenfalls aus den Lymphozyten durch differenzierende Entwicklung entstehen. Es sind amöboide Zellen (Fig. 20), die in allen Beziehungen, auch in bezug auf das basophile Protoplasma, den gewöhnlichen grossen Lymphozyten ähnlich bleiben, aber in ihrem Protoplasma grobe azidophile Körner enthalten. Man kann in der Umgebung der Thymusanlagen diese Verwandlung der Lymphozyten Schritt für Schritt verfolgen. Im dunkelblauen Protoplasma der letzteren tauchen zuerst spärliche, dann etwas zahlreichere runde, glänzende Tropfen oder Körner auf, die sich rasch vergrössern und recht bedeutende Dimensionen erreichen können. Sie unterscheiden sich von den Dotterteilchen durch ihre regelmässige sphärische Form, dunklere rote Farbe und stärkeren Glanz. Ihre Zahl in der Zelle bleibt stets beschränkt. Ich habe es noch nicht entscheiden können, ob diese Zellen mit groben azidophilen Sphären zu den richtigen eosinophilen Leukozyten des Axolotl in irgend welcher genetischer Beziehung stehen. Sie können sich jedenfalls selbständig vermehren, wie die Mitosen in ihnen beweisen (Fig. 21). Für uns haben sie jetzt insofern Bedeutung, als sie in etwas späteren Stadien schliesslich auch in die Thymus zusammen mit den azidophilen Leukozyten gelangen können. IV. Die Ausbildung kleiner Lymphozyten. Einwachsen von Bindegewebssepten und Kapillaren in die Thymus. Entstehung von Marksubstanz. Larven von 17—25 mm Länge. In diesen spätesten von mir untersuchten Stadien gewinnen alle drei Thymusanlagen weiter an Grösse. Die Thymus 5 bleibt aber doch immer kleiner, als die Thymus 3 und 4. Während diese beiden letzteren meist annähernd kugelig erscheinen, hat die 5. Thymus im Durchschnitt eine ovale Form. Bei einer Larve von 17 mm Länge war die linke 5. Thymus 220 «, die 4. Thymus 148 u im Durchmesser gross, die 5. Thymus 136 x 87 u. Bei einer Larve von 25 mm mass die linke 3. Thymus 245x185 u, die linke 4. Thymus 240 >< 185 u, die linke 5. Thymus 262 x 147 u. Die Thymus 3 liegt jetzt lateral vom hintersten Teil der knorpeligen Kapsel des Labyrinths, hart am Knorpel. Die Thymus 4 rückt sehr nahe an sie heran, so dass die beiden oft an ein Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 597 und demselben Querschnitt nebeneinander getroffen erscheinen. In einigen Fällen wollte es mir überhaupt nicht mehr gelingen, an den (uerschnittserien die Thymus 3 von der Thymus 4 deutlich abzugrenzen. Die 5. Thymus liegt immer in ziemlich weitem Abstande kaudalwärts. Das Bindegewebe, welches die Thymusanlagen umgibt, erscheint jetzt meistens sehr zellarm, mit spärlichen, weit von- einander liegenden gewöhnlichen Bindegewebszellen und reich- licher homogener halbflüssiger Zwischensubstanz. in welcher bald feine Fäserchen auftreten. Die Endothelwand der hier verlaufenden grösseren Blutgefässe und die Nerven erscheinen oft mit grossen, verästelten Pigmentzellen bekleidet. In der nächsten Umgebung der Thymus sieht man noch immer herumwandernde und wuchernde grosse und mittlere Lymphozyten, ihre Zahl wird aber mit der Zeit immer spärlicher. Unmittelbar an der Oberfläche des Organs bemerkt man stets kleine, spindlige, ausgezogene Mesenchymzellen (Fig. 16, 22, 23 Mz), die sich zum Teil unter Wucherung noch weiter in Lymphozyten verwandeln. Ausser den Lymphozyten bemerkt man im peri- thymischen Bindegewebe die schon oben beschriebenen Lymphozyten mit azidophilen Kugeln (Fig. 16 t) und azidophile Spezialgranu- lozyten (Fig. 17 Lkz). Es ist unzweifelhaft, dass der Prozess der Einwanderung neuer Lymphozyten noch lange fortdauern kann, bei Larven von 17, 18 und 19 mm Länge sieht man ganz deutlich die ent- sprechenden Bilder. Ausser den Lymphozyten sieht man jetzt auch die Zellen mit den azidophilen Kugeln (Fig. 16 t) und die azidophilen Spezialgranulozyten in die Thymus einwandern. Sie sind alle zwischen den Elementen derselben mit Leichtigkeit an ihren typischen Merkmalen zu erkennen. Besonders die azidophilen Spezialleukozyten mit polymorphem Kern (Fig. 17, 18 Lkz) gehören zu den häufigen Vorkommnissen in der Thymus. Die Zellen beider Art scheinen in der Thymus ohne weitere Veränderungen liegen zu bleiben. Zum Teil wandern die grobgranulierten Zellen und azidophilen Spezialleukozyten schon als solche ein — nachdem sie schon im perithymischem (Gewebe aus den indifferenten Lymphozyten entstanden sind. Oder es kann auch vorkommen, dass ein in die Thymus eingewanderter Lymphozyt die entsprechende Veränderung nachträglich durchmacht und sich also erst in der 598 Alexander Maximow: Thymus selbst mit azidophilen Kugeln bereichert oder zu einem azidophilen Myelozyten und Leukozyten wird. Die Zahl dieser speziell differenzierten Zellen in der Thymus ist übrigens niemals besonders gross. Bei den ältesten von mir untersuchten, 25 mm langen Larven erschien der Einwanderungsprozess aber doch an den meisten Stellen bereits erloschen. Die äussere Oberfläche der Thymus wies keinerlei Ansammlungen amöboider Zellen mehr auf, sondern erschien im Präparat als glatte Linie, die das überaus kernreiche, dunkle Gewebe des Organs von dem ganz zellarmen umgebenden Bindegewebe scharf abgrenzte. Obwohl also die Einwanderung neuer Lymphozyten allmählich erlischt, vergrössern sich die Thymusanlagen sehr rasch und ihr (rewebe wird immer zell- und kernreicher und dichter. Dies hängt vor allem von der sehr intensiven Wucherung ab, die die eingewanderten intrathymischen Lymphozyten betrifft. Die Zahl der Mitosen in ihnen (Fig. 16, 17, 23 Lmz‘) wächst bedeutend, man findet in jedem Schnitt durch die Thymusanlage mehrere davon und die Lymphozyten werden schliesslich so zahlreich, dass sie eng aneinander zu liegen kommen und sich gegenseitig abplatten, wobei die Kerne oft polyedrisch werden oder in die Länge gezogen und zusammengedrückt erscheinen. Die Lamellen des epithelialen Retikulums mit seinen Kernen werden von den Lymphozyten fast ganz verdeckt, die Maschen werden hingegen immer weiter und weiter ausgedehnt und die Epithelkerne rücken weiter voneinander, so dass sie nur hier und da zwischen den dunklen Lymphozyten als helle, eckige, zusammengedrückte Körper hervortreten (Fig. 16, 22, 23 Epk). An der äussersten Peripherie, an der freien Oberfläche der Thymus, bleibt die epitheliale Grenz- schicht mit ihren meist dreieckigen, hier ziemlich dicht beieinander liegenden Kernen unverändert bestehen (Epa). Die intensive Wucherung der Lymphozyten offenbart sich, wie gesagt, mikroskopisch in den sehr zahlreichen Lymphozyten- mitosen; diese letzteren sind, ebenso wie früher, durch die scharf umschriebenen, von hellen feinen Spalten umgebenen Zell- körper zur Genüge charakterisiert (Fig. 16, 23 Lmz‘). Die Epithelzellen vermehren sich zu gleicher Zeit ebenfalls, wenn auch viel langsamer. Die ihnen gehörenden Mitosen sind jetzt bei dem überaus dichten Gefüge des Gewebes im Inneren Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 599 des Organs schwer zu identifizieren. Dies gelingt aber mit Leichtigkeit für die Epithelzellen, die die äussere Begrenzungs- schicht zusammensetzen (Fig. 23 Ep‘). Infolge der starken Wucherung der Lymphozyten sieht man auch bei den Amphibien, ebenso wie ich es bei den Säugetieren beschrieben habe, in der Thymus in allmählich immer wachsenden Mengen kleinere Lymphozytenformen entstehen. Mit jeder folgenden Generation wird ein Teil der Lymphozyten kleiner, der Kern bekommt näher beisammen liegende, dunklere und gröbere Chromatinteilchen, die Nukleolen werden mehr und mehr verdeckt, der Kern färbt sich ebenfalls dunkler. Schliesslich entstehen typische kleine Lymphozyten mit sehr dunklem, chromatinreichem, oft gefaltetem Kern mit minimalem Protoplasmasaum — die richtigen kleinen Thymusrindenzellen (Fig. 22 klm). Nach der vorhergehenden Beschreibung halte ich es jetzt nicht mehr für nötig, die Entstehung dieser kleinen Lymphozyten aus den früheren grossen noch extra zu beweisen Dies ist keine Deutung, sondern eine ganz selbstverständliche, direkt sichtbare Tatsache. Mit den grossen Lymphozyten, die ja auch später zwischen den kleinen überall noch lange massenhaft liegen bleiben (Fig. 16, 17, 22, 23 Lmz‘), sind die letzteren durch eine ganze Reihe der gewöhnlichsten allbekannten Übergangsformen, sogenannten Mesolymphozyten (Fig. 22 mLm), verbunden, während sich die Epithelzellen im Laufe des ganzen Prozesses passiv verhalten, unverändert bleiben und in jedem beliebigen Stadium als solche klar zu demonstrieren sind. Wie es auch sonst, auch in anderen blutbildenden Organen und auch bei anderen Tieren, z. B. bei den Säugern der Fall ist, sind die kleinen, dunkelkernigen Lymphozyten der mitotischen Teilung vorerst nicht mehr fähig. Sie behalten aber selbst- verständlich die Fähigkeit der amöboiden Bewegung, was unter anderem auch durch die ziemlich oft vorkommenden Permigrations- bilder bewiesen wird (Fig. 22 2). In den meisten Stellen hat das Gewebe der Thymusinseln ein so dichtes Gefüge, dass zwischen den Lymphozyten und dem Epithelretikulum freie Räume kaum übrig bleiben. In anderen Stellen füllen sich aber die Maschen des Epithelretikulums mit Flüssigkeit und die grossen und kleinen Lymphozyten scheinen dann in diesen Maschen frei zu schwimmen. Diese Erscheinung 600 Alexander Maximow: kann bei der angewandten Technik kaum als Resultat einer Schrumpfung des Gewebes angesehen werden. Es ist natürlich noch die Möglichkeit zu erwägen, ob nicht in diesen Stadien, wo in der Thymus schon massenhaft richtige kleine Lymphozyten existieren, solche kleine Lymphozyten aus der Thymus zurück ins Bindegewebe und weiter in das Blut und die Lymphe gelangen könnten. Bei den Säugetieren kommt solches tatsächlich vor und ist in den späteren Stadien der Histogenese von mir bewiesen worden; Hammar hat ferner bei der Involution der Amphibienthymus ein massenhaftes Austreten von Lymphozyten aus ihrem Gewebe beobachtet. Man findet nun auch beim Axolotl tatsächlich Bilder, die dafür sprechen können. Hin und wieder bemerkt man nämlich schon in den Stadien, wo die kleinen Lymphozyten in der Thymus eben erst entstehen, Durchwanderung einzelner kleiner Lymphozyten durch die epitheliale Grenzschicht (Fig. 22 z); manchmal sind es sogar kleine Gruppen solcher Lymphozyten. Da nun im peri- thymischen Bindegewebe von Anfang an keine kleinen Lymphozyten existieren, die letzteren vielmehr nur in der T'hymus selbst aus den grossen Lymphozyten durch Wucherung entstehen, so kann der umgekehrte Prozess, nämlich die Einwanderung der kleinen Lymphozyten aus dem Bindegewebe in die Thymus schwerlich angenommen werden. Es wird sich wohl eher gerade um Aus- wanderung handeln. In den von mir untersuchten Stadien ist diese Auswanderung jedenfalls, wenn sie auch vorkommt, minimal. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass diese Erscheinung sich in den späteren Stadien viel stärker entwickelt. Schon im vorhergehenden Abschnitt, bei Larven von 15,5 mm, habe ich der beginnenden Lappung der 3. und 4. Thymusanlagen Erwähnung getan. Bei Larven von 17—25 mm entwickelt sich der dort schon angebahnte Vorgang weiter. An der Oberfläche der kugeligen Thymus erscheinen deutliche, immer tiefer einschneidende Furchen, die die höckerartigen Aus- wüchse des Gewebes von einander trennen. An der äusseren Öffnung dieser Furchen sieht man stets einzelne gewöhnliche, von Fäserchen begleitete Bindegewebszellen und Lymphozyten, die bei der Bildung der Furchen in dieselben mit einbezogen werden und auf solche Weise dünne, schmale Bindegewebsstreifen bilden, die mehr oder weniger tief in das Innere der Thymus einschneiden. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 601 Man muss dabei natürlich nicht so sehr an ein aktives Eindringen des Bindegewebes in das Thymusgewebe denken, als vielmehr an ein passives Hineinziehen zwischen den sich höckerartig vor- wölbenden Teilen der Thymusoberfläche. Auf ganz ähnliche Weise entstehen die Lappen und die Bindegewebssepten auch in der Säugerthymus, nur ist die Zahl der Septen beim Axolotl anfangs viel geringer und die Septen viel dünner, so dass die regelmässig kugelige äussere Form der Thymusanlage viel länger gewahrt bleibt. Die Bindegewebssepten bestehen aber nicht nur aus Binde- gewebszellen, Lymphozyten und Fasern. Unmittelbar an der Oberfläche des Organs bildet sich schon früher allmählich ein System von Kapillaren aus und beim Entstehen der Septen sieht man schon bei 17,5 mm langen Larven auf dieselbe beschriebene Weise auch feine Blutkapillaren. tief in das Innere der Thymus eindringen. Es beginnt also die Vaskularisation des Organs. Meistens sind die Septen so dünn und enthalten so wenig Fasern und Zellen, dass die Kapillaren unmittelbar an das Epithelretikulum und an die intrathymischen Lymphozyten zu grenzen scheinen. Manchmal wird aber die Kapillare von einem breiteren oder engeren Streifen faseriger Bindegewebssubstanz mit ein paar kleinen unscheinbaren Bindegewebszellen begleitet. Einmal habe ich tief im Innern der Thymus eine zusammen mit einer Kapillare eingedrungene verästelte Pigmentzelle gefunden. Endlich kann in einigen seltenen Fällen eine Kapillarschlinge, die sich in die Thymus einsenkt, von einer dicken Schicht Bindegewebe begleitet sein und dann erhält der Rand des Thymusquerschnittes an der entsprechenden Stelle eine tiefe Einstülpung, so dass das Organ ein hufeisenförmiges Aussehen annimmt. Die in die Thymus eingedrungenen Kapillarschlingen können wahrscheinlich auch neue Zweige bilden und so sehen wir oft mitten im Thymusgewebe, vornehmlich in den zentralen Teilen des Organs, Kapillarenquerschnitte scheinbar ohne jeden Zusammen- hang mit den extrathymischen Kapillaren liegen. Zugleich mit der Ausbildung der kleinen Lymphozyten, zugleich mit der beschriebenen Entstehung der Bindegewebssepten und intrathymischen Kapillaren werden auch die ersten Spuren der Marksubstanz angelegt. Zuerst bemerkt man dies bei Larven von 17 mm Länge. Bei meiner ältesten Larve von 25 mm ist 602 Alexander Maximow: das Mark schon sehr deutlich und enthält bereits, besonders in Thymus 5, gut ausgebildete Zysten. Auch in bezug auf die Entstehungsart des Markes habe ich in der Urodelenthymus im Prinzip dieselben Befunde gemacht, wie bei den Säugern. Die ersten Spuren des Markes entstehen dadurch, dass im Inneren der Thymus, in kleinen, umschriebenen Bezirken, an ein paar Stellen die Epithelzellen des Retikulums gruppenweise zu hypertrophieren anfangen (Fig. 22 Epk‘). Die Kerne schwellen bedeutend an und wenn sie sich schon früher von den Lymphozyten durch ihr helleres Aussehen unterscheiden liessen, so behalten sie jetzt nur mehr sehr spärliche, feine, runde Basichromatin- körner. Der Grundton, in dem sich der Kern färbt, wird rosa und auf diesem rosa Grund treten zwischen den Chromatinkörnchen einige sehr grosse violette Nukleolen hervor. Dass diese Kerne keineswegs degenerieren, wird durch die in ihnen nicht allzu selten angetroffenen schönen grossen Mitosen bewiesen. Das Protoplasma dieser Epithelzellen hypertrophiert ebenfalls, bildet breite, verzweigte, mit den benachbarten Zellen anastomo- sierende Streifen und erhält einen besonders lockeren, retikulären Bau mit zahlreichen Vakuolen und eine besondere Fähigkeit, sich ebenso wie die Kerne mit Eosin-Azur rosa zu färben (Fig. 22 Ep). Da die hypertrophischen Zellen schon früher durch Ausläufer miteinander verbunden waren, so sind die Grenzen zwischen ihnen auch jetzt, bei ihrem Zusammenrücken, meistens ganz undeutlich und es entstehen auf diese Weise synzytienartige Gebilde. Aus dem Bereich der hypertrophischen Epithelzellen entfernen sich die meisten Lymphozyten; es bleiben nur einige wenige, vor- nehmlich kleine zurück und die grossen Zellkörper treten dann um so deutlicher als helle Inseln in dem dunklen. dichten Thymusgewebe hervor. Die Entstehung der beschriebenen, aus hypertrophischen Epithelzellen bestehenden Inseln fällt zeitlich mit dem Eindringen von Bindegewebssepten und Gefässen in die Thymus zusammen. Es scheint sich dabei nicht nur um eine zufällige Erscheinung zu handeln. Die Markinseln entstehen nämlich immer zuerst gerade dort, wo in die Tnymusmasse Kapillaren führende Binde- gewebssepten von aussen her eingedrungen sind, gerade an den tiefsten Stellen dieser Septen. Die Blutkapillaren grenzen dabei Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 603 mit ihrem Endothel oft unmittelbar an die grossen hellkernigen Epithelzellen, sie scheinen von diesen geradezu umringt. Es ist demnach möglich, dass die Hypertrophie der Epithelzellen, die zur Markbildung führt, eben durch die einwuchernden Gefässe erst ausgelöst wird. Auf die beschriebene Weise gelangen die ersten Gefässe der Thymus durch die Septen sofort zur Marksubstanz, während die peripherischen Schichten, die sich zur Rinde aus- bilden, vorläufig gefässlos bleiben. In dem spätesten von mir untersuchten Stadium, bei einer Larve von 25 mm Länge, sind die hellen Markinseln noch nicht gross, eben in der Ausbildung begriften. Immerhin lassen sich in ihnen schon jetzt Gebilde konstatieren, die für die Marksubstanz der ausgebildeten Thymus gerade bei den Ampnibien so charak- teristisch sind — ich habe hier die Epithelzysten im Sinn. In der 5. und 4. Thymus sieht man in den Markinseln die Entstehung einiger zentraler runder Höhlen. Sie gehen aus einigen von den vielen Lücken hervor, die sich zwischen den Zellkörpern der hypertrophischen Epithelzellen befinden und die ringsumher gelegenen Fpithelkerne fangen bereits an, sich radiär um die Höhlen zu orientieren. In der Thymus 5 bildet sich eine regel- rechte Zyste schon viel früher aus, ich fand sie schon bei Larven von 20 mm, aber merkwürdigerweise immer nur auf der einen, linken oder rechten Seite. Im Inneren des Organs befindet sich hier ein grosses kugeliges Gebilde mit einer regelmässig-sphärischen, von klarer Flüssigkeit erfüllten zentralen Höhle. Die Wand der Höhle wird von sehr grossen, regelmässig angeordneten zylin- drischen Epithelzellen ausgekleidet, deren zum Lumen gekehrte Abschnitte aus dichtem basophilem Protoplasma bestehen, während sich zwischen diesem letzteren und dem Kern eine stark vakuo- lisierte Protoplasmazone befindet. Die basalen Teile der Zelle stehen in direkter Verbindung mit dem Retikulum der Rinden- substanz. Diese letztere hat das gewöhnliche Aussehen, ist durch und durch mit grossen und kleinen Lymphozyten aufs dichteste erfüllt und bildet eine regelmässige, dunkle, die Markinsel um- hüllende Schicht. Die späteren Entwicklungsstadien der Thymus beim Axolotl boten für mich kein Interesse mehr und ich habe sie deswegen nicht speziell untersucht. Die von mir beschriebenen Stadien 604 Alexander Maximow: geben bereits, wie wir sehen, eine vollständige und erschöpfende Aufklärung über alle wichtigen Fragen der Thymushistogenese — über den Ursprung und die Verwandlungen der T'hymusrindenzellen, der Lymphozyten, über die Entstehung und weiteren Schicksale des Retikulums, über die Entstehung der Marksubstanz und der Rinde und über die Lappung und Vaskularisation des Organs. 4. Rana temporaria. Der Frosch ist ein für die Erforschung der Histogenese der Thymus nicht günstiges Objekt. Trotzdem habe ich die beim Axolotl gefundenen Verhältnisse auch hier bestätigen können. Auch hier entstehen im Mesenchym in der Umgebung der einzigen bleibenden, der zweiten Schlundtasche angehörenden, zuerst rein epithelialen Thymusknospe durch Abrundung und Isolierung der gewöhnlichen Mesenchymzellen amöboide Iymphozytoide Wander- zellen, die in die epitheliale Thymusanlage mittelst aktiver Bewegungen einwandern, hier stark zu wuchern anfangen und schliesslich die gewöhnlichen kleinen Thymusiymphozyten erzeugen, während die Epithelzellen auseinandergeschoben werden und sich zwischen den wuchernden Lymphozyten in ein epitheliales Retikulum verwandeln. Das Mark entsteht nachträglich auch in der gewöhn- lichen Weise, durch inselförmige Hypertrophie eines Teils der epithelialen Retikulumzellen. 3ei einer Froschlarve von 9 mm Länge erscheint die Thymus als eine noch rein epitheliale Knospe, die vom lateralen Teil der dorsalen entodermalen Schlundwand, entsprechend der 2. Schlund- tasche dorsalwärts auswächst und vom Schlundepithel noch nicht abgeschnürt ist. Die sie zusammensetzenden Zellen gleichen vollkommen den Schlundepithelien, besitzen ein stark basophiles, nach Eosin-Azur dunkelblaues Protoplasma mit reichlichen Pigment- körnchen und grosse, ovale, orangerot gefärbte Dotterteilchen, während der Kern sehr wenig Basichromatin in Form von spär- lichen feinen Körnchen enthält, im übrigen rosa gefärbt erscheint und in der Mitte einen grossen runden Nukleolus einschliesst. Die spindel- und sternförmigen Zeilen des umgebenden Mesenchyms sind ebenfalls mit Dotter und Pigment erfüllt. Wenn sie sich abrunden und in Wanderzellen verwandeln, entstehen amöboide grosse Lymphozyten mit stark basophilem Plasma, welches mehrere grosse Dotterkörner und reichlich Pigment Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 605 enthält. Der Kern ist chromatinarm und enthält in seiner Mitte ein grosses, ovales oder rundes Kernkörperchen. Ganz ähnliche Lymphozyten sieht man zu gleicher Zeit auch zwischen den Kanälchen der Vorniere. Ebenso, wie beim Axolotl, sammeln sich die Lymphozyten an der Oberfläche der Thymusanlage an und platten sich hier zum Teil ab. Bei einer Larve von 10 mm ist die jetzt schon ganz abgeschnürte Thymus von zahlreichen solchen Lymphozyten umringt. Sie dringen zwischen die Epithelzellen ein und bahnen sich den Weg bis ins Innere der epithelialen Thymusknospe. Wenn man mit den schönen und klaren Bildern, die beim Axolotl zu finden sind, vertraut ist, lassen sich auch beim Frosch alle Phasen des beschriebenen Prozesses leicht verfolgen. Die Klarheit der histologischen Bilder ist hier aber bei weitem nicht so vollkommen, wie dort. Dies hängt in erster Linie davon ab, dass hier der histologische Oharakter der Thymusepithelzellen und der Lymphozyten in den meisten Beziehungen übereinstimmt. Während beim Axolotl die Lymphozyten durch ihr tiefblaues Protoplasma sofort zwischen den mit leuchtend roten Dotterkörnchen erfüllten Epithelzellen auffallen, ist hier das Protoplasma beider Zellarten basophil und blaugefärbt und sowohl die Epithelzellen als auch die Lymphozyten führen in gleicher Weise dieselben Dotterkörnchen. Weiter sehen auch die Kerne in den einen und den anderen äusserst ähnlich aus, da überall in der Mitte des Kernraumes in gleicher Weise ein grosser Nukleolus hervortritt. Ausserdem sind die Zellen im allgemeinen viel kleiner und speziell in der Thymus schon von Anfang "an so dicht gelagert, dass die Unterscheidung der lLymphozyten und der Epithelzellen dadurch noch bedeutend erschwert wird. bei Larven von 11—12 mm dauert die Immigration der Lymphozyten immer weiter fort und die Thymus wächst zusehends. Zum Teil hängt dieses Wachstum auch von der schon jetzt bedeutenden Wucherung der beiden Zellarten ab — man findet Mitosen sowohl in den Lymphozyten, als auch in den Epithelzellen. Beim Frosch bemerkt man ferner schon in diesen frühen Stadien eine sehr deutliche Entwicklung von Bindegewebssepten, die in das Organ tief einschneiden und es in Septen teilen also viel früher, als beim Axolotl. Archiv f.mikr. Anat. Bd.7.. Abt. 1. 41 606 Alexander Maximow: Be: Larven von 13 mm hat die Thymus schon bedeutend an Grösse gewonnen; die Immigration neuer Lymphozyten von aussen dauert zwar fort, aber nur in sehr beschränktem Grade; auch hat die Zahl der extrathymischen Lymphozyten bedeutend abgenommen. Tief im Innern des Organs sieht man schon Blut- kapillaren. Das Gewebe hat jetzt eine viel deutlichere Struktur erworben Das Protoplasma der Epithelzellen hat nämlich seine ursprüngliche Basophilie verloren, Dotter ist nicht mehr vorhanden und das feine rosafarbene Fpithelretikulum mit den hellen Kernen tritt jetzt sehr deutlich hervor. Die Iymphozyten haben sich sehr stark vermehrt, zeichnen sich nach wie vor durch deutliche Basophilie des Protoplasmas aus und sind zum grössten Teil schon kleiner geworden. Die Unterscheidung der beiden Zellarten bietet in diesem Stadium also auch beim Frosch gar keine Schwierigkeiten mehr. Meine Resultate bei den Anuren stimmen, wie man sieht, fast vollkommen überein mit den oben zitierten Angaben von Mietens (15). Das einzige, worin Mietens meiner Meinung nach nicht Recht haben kann, ist seine schon oben zitierte Behauptung, die Lymphozyten der Thymus wären anders geartet, als die gewöhnlichen Lymphozyten des Blutes und der Lymphe. Ich finde auf Grund der geschilderten Tatsachen im Gegenteil, dass sie in jeder Beziehung diesen letzteren entsprechen und wir wissen ja. wie schon erwähnt, aus den Untersuchungen von Hammar, dass sie, ebenso wie bei den Säugetieren, aus der Thymus in das Blut und in die Lymphe tatsächlich in Massen übertreten können. Die weiteren Entwicklungsstadien der Froschthymus brauche ich hier nicht mehr zu beschreiben. Sie bieten nichts wesentlich Neues. Bei Larven von 20 mm sieht man im stark vergrösserten Organ sehr viele Inseln hypertrophischer Retikulumzellen — be- ginnende Markbildung. 5. Schluss. Auf Grund meiner Untersuchungen der Histogenese der Thymus bei den Amphibien, vornehmlich beim Axolotl, komme ich also zu folgenden Schlüssen. Die Hammarsche Lehre von der epithelialen Natur des tetikulums der Rinde und der grossen Zellen des Markes und Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 607 von der echten Lymphozytennatur der kleinen Thymusrindenzellen, von ihrer Abstammung aus dem Mesenchym ist die einzig richtige. So wie ich es früher für die Säugetiere bewiesen habe, so liess sich auch bei den Amphibien mit Leichtigkeit feststellen, dass in die zuerst rein epitheliale Thymusanlage schon in sehr frühen Stadien echte Lymphozyten, indifferente mesenchymatischeWander- zellen eindringen. Sie entstehen im perithymischen Mesenchym durch Abrundung und Isolierung der gewöhnlichen embryonalen Mesenchymzellen, ebenso wie es auch im Mesenchym der ver- schiedenen anderen Körperstellen geschieht. Sie werden wahr- scheinlich durch einen besonderen, von den Epithelzellen der Thymusanlage ausgehenden Reiz angelockt, umlagern die Anlage einzeln und scharenweise und wandern mittelst aktiver amöboider Bewegungen in die Anlage zwischen ihre Epithelzellen ein. Die Epithelzellen verhalten sich dabei völlig passiv, gehen aber nicht zugrunde. Die eingewanderten Lymphozyten finden zwischen ihnen sicherlich sehr günstige Existenzbedingungen und fangen sofort nach der Immigration stark zu wuchern an. Ihre Zahl vergrössert sich auf diese Weise fortwährend, ausserdem kommen aus dem Bindegewebe noch immer neue Lymphozyten heran und die Epithelzellen werden allmählich immer mehr und mehr auseinandergeschoben, zusammengedrückt und verwandeln sich in ein epitheliales Retikulum, in dessen Maschen die Lympho- zyten liegen. Die Epithelzellen wuchern ebenfalls, aber in schwächerem Grade, als die ILymphozyten. An der Oberfläche des Organs bildet das Retikulum von Anfang an eine festere, zusammen- hängende Lage von Epithelkernen mit dazugehörigem Protoplasma. Bei der Vergrösserung der Thymus entstehen an ihrer Ober- fläche Höcker, zwischen welchen Bindegewebssepten tief in das Organ einschneiden. Zusammen mit dem Bindegewebe dringen auf dieselbe Weise auch Blutgefässe in die Thymus ein. Sobald Blutgefässe in die Tiefe der Thymus eingedrungen sind, beginnt in ihrer Nähe die Ausbildung der Marksubstanz — sie entsteht dadurch, dass die schmächtigen zusammengedrückten Epithelzellen des Retikulums hypertrophieren, grosse blasse Kerne und reichliches Protoplasma bekommen und oft synzytienartige Massen bilden, während die Lymphozyten sich aus diesen Bezirken entfernen. 41* 608 Alexander Maximow: In den peripberischen Schichten des Organs bleibt das epitheliale Retikulum unverändert zwischen den Massen wuchernder Lymphozyten liegen. Die Lymphozyten werden in den folgenden (senerationen immer kleiner und nähern sich schliesslich voll- kommen dem Typus der echten kleinen Lymphozyten — auf diese Weise entsteht die Rinde mit den zahllosen Mengen der sogenannten kleinen Thymusrindenzellen. Die letzteren sind also echte Lymphozyten, die sich von den kleinen Lymphozyten im ivmphoiden Gewebe und im Blut durch nichts unterscheiden. Da folglich in der Thymus der Säugetiere und Amphibien und aller Wirbeltiere überhaupt echte kleine Lymphozyten erzeugt werden und von hier aus wohl sicherlich auch in die Lymphe und in das Blut gelangen, kann die Thymus in diesem speziellen Sinn als blutbildendes Organ aufgefasst werden. Die Figentümlichkeit der Thymus in morphologischer Beziehung liegt nur darin, dass hier zwei Gewebe, die sonst immer streng geschieden erscheinen, Epithel und Mesenchym, sich innig durchwachsen. Amöboide, indifferente Mesenchymzellen, Lymphozyten, nisten sich zwischen den entodermalen Epithelzellen ein und entfalten hier eine ausser- gewöhnliche Vermehrungstätigkeit. Wenn wir. die sonst bekannten histologischen und histo- genetischen Tatsachen näher prüfen, werden wir bald finden, dass diese Beziehungen der wanderndenMesenchymzellen zum Epithel und speziell gerade zum entodermalen Epithel gar nicht so vereinzelt dastehen, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Es ist ja schon seit langem bekannt, dass z. B. an vielen Stellen der Darmwand das Epithel regelmässig von ganzen Scharen amöboider Lymphozyten infiltriert wird — so geschieht es in den Tonsillen, im Bereich der Iymphoiden Gebilde in der Darmwand. Speziell bei den anuren Amphibien gibt es ferner sogenannte Kiemenreste, die sich ebenfalls aus Epithelmassen zusammensetzen, die von zahl- reichen Iymphoiden Wanderzellen infiltriert erscheinen. Endlich ist erst vor kurzem von Jolly (3) für die Bursa Fabricii der Vögel bewiesen worden, dass auch hier die Sache sich ganz ähnlich verhält, wie in der Thymus — in die epitheliale, aus dem Kloakenepithel stammende Anlage dringen von aussen, aus dem umgebenden Mesenchym, Iymphoide Zellen, Lymphozyten ein, die in loco aus den sternförmigen Mesenchymzellen entstehen. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 609 Die Epithelzellen werden auseinandergeschoben, bekommen zum Teil eine sternförmige Gestalt und liefern auch hier ein epitheliales Retikulum. In den Maschen des Retikulums wuchern die Lympho- zyten weiter und geben zahllosen typischen kleinen Lymphozyten Ursprung. Es resultiert daraus eine so grosse Ähnlichkeit der Bursa Fabrieii mit der Thymus, eine so vollkommene histogenetische Übereinstimmung, dass Jolly sich veranlasst sah, die Bursa Fabricii als eine kloakale Thymus zu bezeichnen. Der auf den ersten Blick so sonderbar erscheinende Bau der Thymus stellt also gar nichts Aussergewöhnliches vor. Das eigentümliche Verhältnis des Epithels zu den Lymphozyten wider- holt sich an vielen Stellen des Wirbeltierkörpers. Was dies Ver- hältnis der beiden Zellarten für eine physiologische Bedeutung hat — das entzieht sich allerdings vorläufig unserem Verständnis. Literaturverzeichnis. 1. Drüner, L.: Studien zur Anatomie der Zungenbein-, Kiemenbogen- und Kehlkopfmuskulatur der Urodelen. II. Teil. Zool. Jahrb.. Abt. t. Anat. u. Ontog. d. Tiere, Bd. 19, 1904. 2. Hammar, J. A.: Fünfzig Jahre Thymusforschung. Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. v. Merkel u. Bonnet, Bd. 19, 1909. Jolly, J.: Histogenese des follicules de la bourse de Fabricius. Compt. rend. de la societ& de biologie, T. 70, 1911, Nr. 11, 8. 422. 4. Livini, F.: ÖOrgani del sistema timo-tiroideo nella Salamandrina per- spieillata. Archivio italiano di Anatomia e di embriologia, Vol. 1, 1902. Marcus, H.: Über die Thymus. Lebenslauf einer Thymuszelle. Anat. Anz., Ergänzungsheft z. 30. Bd., Verh. d. Anat. Gesellsch. auf d. 21. Vers. in Würzburg, 1907. 6. Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der Gymnophionen. I. Über das Schlundspaltengebiet. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 71, 1908. Maurer, Fr.: Schilddrüse, Thymus und Kiemenreste der Amphibien. Morph. Jahrb., Bd. 13, 1888. 5. Derselbe: Die Entwicklung des Darmsystems. I. Die Kiemenspalten und ihre Derivate. Handbuch der vergl. und exp. Entwicklungslehre der Wirbeltiere von OÖ. Hertwig, Jena 1906. 9. Maximow, A.: Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. I. Die frühesten Entwicklungsstadien ete. Arch, f. mikr. Anat., Bd. 73, 1909. 10. Derselbe: Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. II. Über die Histogenese der Thymus bei Säugetieren. Arch.f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909. 11. Derselbe: Über zweckmässige Methoden usw. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk., Bd. 26, 1909. &s (Sit SQ 610 Alexander Maximow: 12. De Meuron: Developpement du thymus et de la glande thyroide. Arch. des sc. phys. et naturelles. T. 15, 1886. 13. Mietens,. H.: Entstehung der weissen Blutkörperchen und der Milz bei Bufo vulgaris. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaften, Bd. 46, 1910. le oe, Jens Über die Natur der Thymus-Elemente. Anat. Hefte, Bd. 31, 1906. 15. Derselbe: Über die Abstammung der kleinen Thymusrindenzellen. Anat. Hefte, Bd. 41, 1910. 16. Ver Eecke: Structure et moditications fonctionelles du thymus de le grenonille. Bulletin de l’Acad. Royal de Medecine de Belgique, 1899. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX—XXXI Ausführliche Erklärung im Text. Sämtliche Figuren wurden mit Hilfe des Abbeschen Zeichenapparates auf der Höhe des Mikroskoptisches entworfen, mit Hom. Imm. Apochr. 2,0 mm, Ap. 1.40 und Komp.-Okular 6. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: D = Dotterkörner; Ed = Endothel der Blutgefässe; Ep = Protoplasma des epithelialen Thymus- retikulums; Ep‘ —= Epithelmitosen: Epa = äussere epitheliale Randschicht der Thymus: Epk =- Epithelkerne; Epk‘ — hypertrophische Epithelkerne; Erz — Erythrozyten: klm — kleine Lymphozyten; L = Lumen eines Blut- getässes; Lkz = azidophile Spezialleukozyten; Lmz = grosse basophile Lymphozyten; Lmz' — dieselben innerhalb der Thymus: Lmz'' = ihre Mitosen; Lma = Lymphozyt in die Thymus einwandernd; m Lm = mittelgrosse Lymphozyten; Mz — Mesenchymzellen; Mza — Mesenchymzellen im Zustande der Kontraktion und Verwandlung in bewegliche Elemente: Pg —= Pigment- zellen; t = Wanderzellen mit groben azidophilen Sphären; x = Reste degene- vierter Epithelzellenkerne. Allen Abbildungen liegen mit Eosin-Azur gefärbte Zelloidinschnitt- präparate von mit Zenker-Formol fixierten Axolotllarven zugrunde. Tafel XXIX. Fig. 1—7. Abbildungen von sieben aufeinanderfolgenden Serienschnitten durch die ganze rechte Thymus 3 einer Siredonlarve von 10 mm. In die dottererfüllte Epithelmasse wandern mehrere im umgebenden Mesen- chym entstandene Lymphozyten ein. Fig. 8. Rechte Thymus 3 einer Larve von 11mm. Die Thymus umsäumt von einer verästelten Pigmentzelle (Pg); zwei Lymphozyten draussen (Lmz), ein bereits im Inneren der Anlage (Lmz‘). Fig. 9. Linke Thymus 4 einer Larve von 9,5 mm. Ein grosser Lymphozyt (Lma) im Moment der Immigration, ein andererer (Lmz'), mit einer grossen Dotterscholle im Protoplasma, bereits drin. Fig. 10. Eine Epithelzellenmitose (Dyspirem) aus der rechten 'Thymus 3 einer Larve von 11,5 mm. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 611 Tafel XXX. Fig. 11. Rechte Thymus 3 einer Larve von 10,5 mm. Einwanderung eines grossen Lymphozyten (Lma). Fig. 12—14. Drei aufeinanderfolgende Serienschnitte durch die linke Thymus 3 einer Larve von 13 mm. Im Epithel (E) allmählicher Schwund des Dotters, das Pigment sammelt sich zu Häufchen. Im umgebenden Mesenchym fortdauernde Verwandlung fixer Mesenchymzellen in Lymphozyten (Mza):; in den betreffenden Zellen der Fig. 12 eine feine rote Körnung im Protoplasma. Lmz’ = Dyspirem eines intrathymischen grossen Lymphozyten; Ep' — Spirem eines Epithel- kernes. Fig. 15. Linke Thymus 5 einer Larve von 12 mm. Dotterarme, epithel- kernreiche Anlage mit Lymphozytenimmigration. Fig. 16. Teil eines Querschnittes durch die rechte Thymus einer Larve von 17 mm. Epithel- (Ep‘) und Lymphozytenmitosen (Lmz‘). Ein- gewanderte Zelle mit groben azidophilen Sphären (t); t rechts unten — kernloses Abschnitzel einer solchen Zelle ausserhalb der Thymus. Fig. 17. Peripherischer Teil eines Querschnittes durch die rechte Thymus 3 einer Larve von 17,5 mm. Azidophile Spezialleukozyten (Lkz) ausserhalb und innerhalb der Thymus. Fig. 18. Rechte Thymus 3 einer Larve von 14 mm. Starke Lymphozyten- invasion. Im Epithelprotoplasma der Dotter bis auf spärliche Reste (D) geschwunden. Fig. 19—21. Drei Zellen aus dem perithymischen Bindegewebe einer Larve von 17 mm. Tafel XXX1. Fig. 22. Peripherischer Teil eines Querschnittes durch die rechte Thymus 3 einer Larve von 25 mm. Epithelretikulum (Ep, Epk) mit Rand- schicht (Epa) und zahlreiche grosse (Lmz‘), mittlere (m Lm) und kleine (klm) Lymphozyten scharf zu unterscheiden. In der Mitte entstehende Marksubstanz — grosse Epithelkerne (Epk‘) und azi- dophiles epitheliales Protoplasma (Ep); z = Permigration eines kleinen Lymphozyten durch die Randschicht. Fig. 23. Eine andere Stelle aus der Randschicht derselben Thymus. Epithel- (Ep‘) und Lymphozytenmitose (Lmz''). 612 Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes und des Schnabels beim Hühnchen. Von B. Rosenstadt. Hierzu Tafel XXXII. Bei meinen Untersuchungen über das Epitrichium beim Hühnchen ') wurde meine Aufmerksamkeit auf ein embryonales (rebilde gelenkt, welches in Form eines kleinen Höckers dem Vorderende des Schnabels aufsitzt. Es ist das der sogenannte Eizahn, der zur Sprengung der Eischale beim Ausschlüpfen des Hühnchens dienen soll. Yarell?) (1826) soll der erste gewesen sein, der dieses Organs Erwähnung tut und den Zweck desselben angibt. Im Jahre 1841 beschreibt Mayer?) am Oberschnabel zwei nebeneinander liegende hellgelbe Kristalle oder Zähne, die sich gegen den 15. Tag der Bebrütung ausbilden, um dann einige Tage nach dem Ausschlüpfen des Embryos zusammen mit der sich abschuppenden Haut abgeworfen zu werden. Die einzigen etwas ausführlicheren Angaben rühren von Gardiner*) her. Zwischen dem 6.—7. Tag der Entwicklung beobachtete er den Eizahn als eine opake Erhebung, die aus teils runden, teils birnförmigen Zellen zusammengesetzt ist. Im Protoplasma derselben sind lichtbrechende Körnchen wahrnehmbar, von denen sich manche nach Behandlung mit Säuren auflösen, wobei Luftbläschen auftreten. Die Undurchsichtigkeit der Zellen bleibt trotzdem bestehen und dürfte durch unlösliche Körnchen unbekannter Natur bedingt sein. Sehr bald sind die Kerne schwer zu erkennen, wobei die Zellen entweder miteinander zusammen- ', B.Rosenstadt: Über das Epitrichium beim Hühnchen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 49. °) Yarell: On the small horny appendage to the upper mandible in very young chickens. Zoolog. Journ., 1826. ®») Mayer: Zähne im Oberschnabel bei Vögeln etc. Frorieps Notizen, Bd. 20, Nr. 423. +) Gardiner: Beiträge zur Kenntnis des Epitrichiums des Vogel- schnabels. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 24. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 615 wachsen, oder so eng aneinander rücken, dass die Konturen der- selben verschwinden. Ausser Gardiner haben sich noch Röse!) und Sluiter?) mit dem Eizahn beschäftigt; es ist ihnen aber, wie wir weiter unten noch sehen werden, nicht gelungen, mehr Aufschluss über den Bau und Histogenese dieses Organs zu geben als Gardiner. Mit Rücksicht auf die spärlichen und ganz unzulänglichen Literaturangaben hielt ich es für angezeigt, die Untersuchung dieses Organs an der Hand eines embryologischen Materials vor- zunehmen. Es stellte sich aber bald die Notwendigkeit heraus, auch die Hornbildung des Schnabels in den Bereich der Unter- suchung zu ziehen, da über dies die histogenetischen Vorgänge bei derselben noch von keiner Seite in Angriff genommen wurden. Einige Tage nachdem das Geruchgrübchen beim Hühnchen angelegt wird, beobachten wir den sich entwickelnden Schnabel in Form eines kleinen Höckers. Wenn wir denselben etwa am 7.—8. Tag der Bebrütung bei Lupenvergrösserung betrachten, so fällt uns am Vorderende desselben ein kleiner rundlicher Fleck auf, der sich durch seine grauweisse Farbe von dem um- gebenden (sewebe deutlich abhebt. In dem Maße als der Schnabel in den weiteren Entwicklungsstadien sich verlängert, wird dieser Fleck grösser und fängt an über das Niveau des Schnabels hinaus- zuragen. Etwa am 11. Entwicklungstag sehen wir auf dem letzten Drittel des Schnabels ein weisses hartes Körperchen, welches sich wie eine Stecknadelspitze anfühlt. In den weiteren Entwicklungs- stadien wird dasselbe successive grösser und am 18. Bebrütungstag findet man schon ein höckerartiges (Gebilde, welches mit einer zu beiden Seiten des Schnabels sich erstreckenden Basis dem letzteren an der bezeichneten Stelle aufsitzt. Dasselbe stellt den sogenannten Eizahn dar, der beim Ausschlüpfen des Hühnchens entweder noch persistiert, oder bereits abgeworfen ist. ') Röse: Über die Zahnleiste und Eischwiele der Sauropsiden. Anat. Anzeiger, Bd. VII. Derselbe: Über die Zahnentwieklung bei Reptilien. Deutsche Monats- schrift für Zahnheilkunde, 1892. 2) SIuiter: Über den Eizahn und Eischwiele einiger Reptilien. Morphologisches Jahrbuch, Bd. 20. 614 B. Rosenstadt: Vor allem wollen wir den Bau dieses Organs, wie wir ihn in den letzten Tagen der Bebrütung finden, näher untersuchen. Mit Rücksicht darauf, dass der Eizahn sehr hart ist und sich deswegen Schnitte nicht so leicht anfertigen lassen, habe ich die Fixierung desselben entweder in der Zenkerschen Flüssig- keit oder in einem von mir empfohlenen Gemisch, bestehend aus 3 V. konzentrierter Sublimatlösung und 1 V. Perenvyischer Flüssigkeit vorgenommen.') Beim raschen Alkoholwechsel und nach Einbettung in ziemlich hartes Paraffin lassen sich brauch- bare Schnitte anfertigen. Leider geben sie uns über das in Rede stehende Organ nicht den geringsten Aufschluss. Man erhält ein ganz ungleichmässiges Bild: stellenweise sieht man eine nahezu strukturlose Masse, in der sich gar keine Zellgrenzen wahrnehmen lassen und nur die eingestreuten Kerne resp. Kernhöhlen auf die Zellnatur dieses (sewebes hinweisen, stellenweise wiederum sieht man regelmässig oder unregelmässig abgegrenzte Zellen, die von- einander durch schmale Interzellularräume getrennt sind, in welchen sich mit aller Sicherheit kurze Brückenfasern nachweisen lassen (Fig. 1, 3). Im Gegensatz zu Gardiner und in Übereinstimmung mit Röse?°) war ich nicht imstande, nach Einwirkung von Säuren irgend welche Gasbläschenbildung zu beobachten, so dass von einer Kalkablagerung keine Rede sein kann. Unsere Aufgabe war nun, Schritt für Schritt die histologischen Vorgänge zu verfolgen, die zu der geschilderten Veränderung des (rewebes geführt haben. Zu diesem Zweck wollen wir von einem frühen Stadium, etwa vom 7.—8. Entwicklungstag, ausgehen, in welchem die Zellen des Schnabels und der Eizahnanlage noch einfachere Verhältnisse aufweisen. Untersuchen wir zunächst die hintere Partie des Schnabels, vom 7.—8. Bebrütungstag, so findet man noch wenige teils runde, teils polygonale Zellen, in welchen kleine Keratohyalinkörner hie und da aufzutreten beginnen. In den Schnitten, die gegen das Vorderende des Schnabels geführt werden, ändert sich insofern das Bild, als wir zwischen den keratohyalinhaltigen Zellen resp. ') B. Rosenstadt: Beiträge zur Kenntnis des Baues der Augen bei den Dekapoden. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 47. ») Rösel.c. 8. 757, Anat. Anzeiger. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 615 dem Epitrichium und dem übrigen Rete. gewissermaßen wie ein- geschoben, eine anfangs noch geringe Gruppe von Zellen bemerken, die durch ihre längliche birnförmige Form und durch ihre eigen- tümliche grauweisse Verfärbung besonders auffällt (Fig. 6, Zf). Schon in den ungefärbten Präparaten sieht man, dass die Ver- färbung durch dicke Fasern verursacht wird, die im Protoplasma in grösserer Zahl auftreten. Wendet man die Kromaversche Modifikation der Weigertschen Fibrinfärbemethode an, so sieht man, wenn man namentlich in der von mir!) angegebenen Weise differenziert, schon in der hinteren Partie des Schnabels, sowohl in den Zellen des Str. evlindricum, als auch in den nachfolgenden Zellagen in geringer Zahl feine Fasern auftreten (Fig. 2), die auch in den Epitrichialzellen, wie ich das schon früher angegeben habe,?) nachzuweisen sind. Die Veränderungen, die die Zellen in der vorderen Partie des Schnabels erleiden, beruhen eben nur darauf, dass die Fasern an Zahl und Stärke bedeutend zunehmen. Und zwar tritt das in einer nahezu ceireumsceripten Gruppe von den bereits erwähnten birnförmigen Zellen auf, die die Eizahn- anlagen bilden, und die somit nichts anderes als einen Teil des Rete Malpighii darstellen (Fig. 6, Zf). In den weiteren Entwicklungsstadien wird die Eizahnanlage successive grösser, wächst wie ein Keil in das Epitrichium hinein, welches sich an dieser Stelle allmählich verdünnt. Untersuchen wir das Vorderende des Schnabels am 11.— 12. Tag der Bebrütung, so findet man schon das Epitrichium von der Eizahnanlage an einer Stelle ganz durchbrochen. Während in den ersten von uns untersuchten Stadien die stärkeren Fasern in grösserer Zahl erst am Vorderende des Schnabels zu finden waren, treten sie in den weiteren Entwicklungs- stadien schon in der hinteren Partie auf. Also von hinten nach vorne nehmen die Fasern an Zahl und Stärke bedeutend zu und zwar auf Kosten der Interfibrillar- substanz, die dadurch immer geringer wird (Fig. 3, 4, 5). In den Zellen. in welchen die Fasern quer getroffen sind, tritt das Verhältnis zwischen beiden sehr deutlich zutage (Fig. 4. 5, Q). Man findet dann in grösserer oder geringerer Zahl intensiv violett ') B. Rosenstadt: Über die Protoplasmafasern in den Epidermis- zellen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 75. S. 661. ») B. Rosenstadt: Über das Epitrichium. Dieses Archiv, Bd. 49. 616 B. Rosenstadt: gefärbte Körperchen von rundlicher oder länglicher Form, die wie von einem hellvioletten Hof umgeben erscheinen. Diese Körperchen sind es, die Gardiner als glänzende Körnchen, deren Natur ihm unbekannt geblieben ist, beschreibt. Sie fallen allerdings schon in den ungefärbten Präparaten auf, so dass ich sie selbst eine Zeitlang für besondere Bildungen zu halten geneigt war. Es lässt sich aber sehr leicht nachweisen, dass wir es hier lediglich mit quer getroffenen Fasern zu tun haben, und zwar, wie tinktorielle und chemische Versuche ergeben, mit denselben, die man in verhornenden Epidermiszellen stets findet. Es ist daher nicht zutreffend, wenn Röse!) annimmt, dass die ver- meintlichen Körperchen eigenartige verhornte Partikel des Proto- plasmas darstellen und ganz verfehlt ist es, wenn sie Sluiter?) als Keratohyalinkörner bezeichnen will. Die Vermehrung der Fasern schreitet nun weiter vor sich, und zwar derart, dass man stellenweise wie auf eine dickfaserige Masse stösst, deren Zellnatur nur durch die eingelagerten Kerne kenntlich ist. Und etwa am 12.—15. Bebrütungstag hat auch die Faserbildung ihren Höhepunkt erreicht, dabei ist von der Interfibrillarsubstanz nur äusserst wenig zurückgeblieben (Fig. 5). Das ganze Protoplasma ist, ich möchte sagen, in die Faserbildung aufgegangen. Während das vor sich geht, platten sich die Zellen nicht ab, sondern bewahren ihre ursprüng- liche längliche Form. Diese Erscheinung dürfte darauf zurück- zuführen sein, dass die lebhafte Faserbildung den Zellen gegen Zug- und Druckwirkung eine grössere Widerstandsfähigkeit ver- leiht und das um so mehr, als gleichzeitig auch eine chemische Veränderung mit den Fasern selbst vor sich zu gehen scheint. Setzt man nämlich Zellen, in welchen die Faserbildung vor- geschritten ist, der Wirkung einer künstlichen Verdauungstlüssigkeit aus, so lässt sich allerdings erst nach längerer Zeit eine Verdauung derselben herbeiführen. Dank dem Umstand, dass hier die Fasern so zahlreich auf- treten, konnte ihr Verlauf in ausgezeichneter Weise studiert werden. Man findet: 1. longitudinale Fasern, die vom proximalen zum distalen Ende verlaufen. DSRIOISIEN AG: 2, Sluiter|.c. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 6317 2%. transversale Fasern, die rechts und links von jeder Zelle abgeben, und 3. perpendikuläre Fasern, die vom Str. eylindrieum gegen das Str. corneum verlaufen. Also der Grundtypus des Faserverlaufes, den ich früher angegeben habe, konnte auch hier festgestellt werden. Gleichzeitig gewann ich wieder die Überzeugung, dass Unnas!) Versuch, eine Zellmembran auf Kosten des Interzellularraumes zu konstruieren, ganz unhaltbar ist. Nähern wir uns etwa dem letzten Drittel des Schnabels bei Embrvonen vom 11.— 12. Bebrütungstag, so stossen wir wiederum auf ganz eigenartige Verhältnisse, die uns über das weitere Schicksal der Fasern Aufschluss zu geben geeignet sind. In einer Zone zwischen dem mächtig entwickelten Epitrichium, dessen Zellen mit Keratohyalin vollgepfropft sind, und denjenigen Zellen, in welchen die Faserbildung ihren Höhepunkt erreicht hat, finden wir eine anfangs noch schmale unregelmässig begrenzte Partie, welche vollständig die Struktur des fertigen Eizahnes aufweist (Fig. 6). Untersuchen wir noch ältere Stadien (13., 14. Bebrütungs- tag), so sehen wir, dass diese Partie successive grösser wird, bis sie endlich das Epitrichium ganz durchbricht. Wir werden gleich sehen, in welcher Weise diese Partie zustande kommt. Mit der Erreichung des Höhepunktes der Faserbildung sind die Zellen der Eizahnanlage zu einem gewissen Abschluss gelangt. Von da ab gehen sie einen weiteren degenerativen Prozess ein. Die Feststellung desselben wird ausserordentlich dadurch erleichtert, dass die Zellen ihre ursprüngliche Form bewahren, so dass man in die Vorgänge, die sich in denselben abspielen, einen klaren Einblick gewinnen kann. Aber auch durch ein zweites sehr wichtiges Moment wird das begünstigt. Bei den Säugetieren und Menschen wird die Aufdeckung der Vorgänge, die die Stachelzellen bis zu ihrer Verhornung erleiden, durch das Dazwischentreten des Str. granulosum, in dessen Zellen sich in geringerer oder grösserer Menge Keratohyalin ablagert, ausserordentlich erschwert. Beim Eizahn und Schnabel dagegen kommt das Str. granulosum resp. das Epitrichium mit seiner grossen Keratohyalinmenge gar ') Unna: Eine neue Darstellung der Epithelfasern. Unnas Monats- hefte f. prakt. Dermatologie. Bd. 37. 618 B. Rosenstadt: nicht in Betracht, da der ganze Prozess unter denselben vor sich geht. Die ersten Veränderungen, die die Zellen beim degenerativen Prozess erleiden, bestehen darin, dass die Fasern anfangen mit- einander successive zu verschmelzen, und zwar geschieht das zunächst an der Peripherie der Zellen, woraus eine ziemlich dicke, lichtbrechende Membran resultiert. Von hier aus geht der Prozess weiter nach innen bis zur Kernhöhle vor sich und man findet dann als ein Übergangsstadium Zellen, wie sie in Fig. 7, Uez abgebildet sind, und in welchen ein Teil der Fasern miteinander schon verschmolzen ist, während die übrigen noch distinkt nach- weisbar sind. Als Endresultat dieses Prozesses erhalten wir Zellen. in welchen die Fasern von der Peripherie bis zur Kern- höhle derart miteinander verschmelzen. dass sie nicht mehr nach- weisbar sind (Fig. 7, Vfz). Das ganze auf diese Weise veränderte Protoplasma umgibt wie eine solide Masse den Kern resp. die Kernhöhle. Offenbar deswegen nalım Gardiner an, dass sich die Zellwände bis zu solchem Grade verdieken, dass es scheint, als ob die Zellen von einer sehr starken Zwischensubstanz umgeben wären. Von einer Verdickung kann aber da ebensowenig die Rede sein. wie von einer hornähnlichen Zwischensubstanz, die nach Röse die Zellen umgibt. Bei der Weigert-Kromayerschen Färbung nehmen die Zellen einen dunkelvioletten Ton an, gewissermassen die Summe der Farbe der einzelnen Fasern. Mit der geschilderten Veränderung ist aber der degenerative Prozess noch nicht abgeschlossen. Er schreitet nun weiter und äussert sich zunächst darin, dass das Protoplasma anfängt seine Affinität zu Methylviolett zu ändern: in den nach Weigert-Kromayer behandelten Präparaten nimmt es einen rötlich-violetten Ton an. Offenbar dürfte dieser Prozess auf eine chemische Veränderung der Zelle zurück- zuführen sein, die gleichzeitig mit der Verschmelzung der Fasern entstanden ist und die es endlich bewirkt, dass die Affinität zum Methylviolett vollständig verloren geht (Fig. 7, Vhz). Das Protoplasma erscheint jetzt grau mit einem violetten Stich. Selbstverständlich darfdieser Farben- umschlag unter keinen Umständen als einKriterium für die Art des chemischen Prozesses verwendet werden. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes etec. 619 Zur Vervollständigung des Bildes, welches uns die Histogenese des Eizahnes bietet, wollen wir noch das Verhalten der Inter- zellularräume, der Interzellularbrücken und der Kerne während derVeränderungen, die das Protoplasma erleidet, näher untersuchen. Während der beständigen Vermehrung der Fasern und nach- träglichen Verschmelzung derselben sind die Interzellularräume deutlich sichtbar und die Brücken vollständig erhalten. Aber auch während der weiteren histochemischen Veränderung schwinden sie nicht. In den Trockenpräparaten jedoch sind die Brücken, die sich allerdings schon stark verkürzt haben, nicht immer deutlich zu sehen. Das dürfte einerseits auf die besonderen Liehtbrechungsverhältnisse in den Trockenpräparaten, andererseits darauf zurückzuführen sein, dass die Brücken durch die Verhornung sich auch optisch stark verändert haben. Untersucht man aber isolierte Zellgruppen oder Schnitte in dünner Glyzerinlösung, so lassen sich die Brücken an der Oberfläche der Zellen in Form von ganz kurzen Stacheln aufs deutlichste nachweisen (Fig.S). Nach Vollendung des ganzen histochemischen Prozesses verwachsen stellenweise die Zellen ganz miteinander, so dass weder Interzellularräume noch Brücken zu finden sind (Fig. 1). Es geschieht das aber ganz unregelmässig, so dass man neben solchen Partien auch Stellen findet, in welchen die Zellen voneinander durch distinkte Interzellularräume getrennt sind. Für dieses Verhalten liess sich gar keine Gesetzmässigkeit feststellen. Das scheint ganz individuellen Schwankungen zu unterliegen, da ich das bei verschiedenen Individuen verschieden fand. Das Verhalten des Kernes während des ganzen Prozesses gestaltet sich folgendermassen : Zur Zeit der Faserbildung zeigt der Kern anfangs eine vollständig normale Beschaffenheit, d. h. er unterscheidet sich nicht im geringsten von den übrigen Zellen des Rete Malpighii. Hat aber die Faserbildung ihren Höhepunkt erreicht, so erleidet der Kern eine Veränderung, die darin besteht, dass er etwas kleiner, kompakter wird und den Kernfarbstofft viel intensiver aufnimmt. Gleichzeitig zieht er sich von der Kernwandung zurück, so dass eine Kernhöhle entsteht, die keineswegs etwa auf die Wirkung von Konservierungsflüssigkeiten zurückzuführen ist, da in den übrigen noch unveränderten Zellen des Rete Malpighii eine Kernhöhle nicht nachweisbar ist. Während der Verschmelzung 620 BeRosenstadt: der Fasern erleidet der Kern keine weiteren Veränderungen, nur die Wand der Kernhöhle wird ausserordentlich dick. Setzt man nun Zellen, in welchen der Farbenumschlag vor sich ging, der künstlichen Verdauung aus, so bleiben sie selbst nach vielen Tagen!) vollständig unverändert. Dieser Befund zusammen mit einer Reihe mikrochemischer Versuche, die ich mit den Zellen angestellt habe, ergibt, dass der Eizahn ein Horngebilde darstellt. Die Zellen desselben bieten aber insofern eine wichtige Eigentümlichkeit, dass nicht nur ihr Mantel, sondern das ganze Proto- plasma samt dem Kern und den Brücken der Ver- hornung unterliegen. Wenden wir uns jetzt zur Histogenese des Hornüberzugs des Oberschnabels. Während man etwa am 11. Bebrütungstag die äussere Partie des Eizahnes schon vollständig verhornt findet, ist am Schnabel noch keine Spur davon zu sehen. Unter der Eizahn- anlage befindet sich eine relativ geringe Anzahl polygonaler Zellen mit spärlichen Fasern. Zu den Seiten, an das stark entwickelte Epitrichium angrenzend, findet man ebenfalls eine noch geringe Anzahl von Zellen, die entsprechend der Konfiguration des Schnabels mehr in die Breite gezogen sind. wodurch die beginnende Abplattung angedeutet wird. Die Zahl der Fasern ist auch hier eine sehr spärliche. (Fig. 9). Entsprechend dem Wachstum des Schnabels von hinten nach vorne nimmt in den folgenden Stadien die Zahl der Zellreihen von hinten nach vorne successive zu. dabei geht die Abplattung der Zellen in der seitlichen Partie derjenigen der mittleren stets voraus. Am 14. Bebrütungstag findet man in der vorderen seit- lichen Partie eine starke Abplattung der Zellen, die an Schnitten als spindelförmige Gebilde erscheinen, in den mittleren dagegen ist sie noch schwach ausgesprochen. In den weiteren Stadien mit zunehmender Abplattung der Zellen stellt sich auch successive der Verhornungsprozess ein und zwar wiederum in der vorderen seitlichen Partie früher als in der mittleren. ', Es empfiehlt sich, jeden Tag die Verdauungstlüssigkeit zu wechseln, da sie oft sehr rasch ihre Wirkung verliert. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 621 Am 17. Entwicklungstag ist die vordere seitliche Partie des Schnabels schon vollständig verhornt, während in der mittleren der Prozess schon stark vorgeschritten ist. Am 18.—19. Tag der Entwicklung ist der Verhornungs- prozess sowohl in der seitlichen, als auch in der mittleren Partie ganz abgeschlossen. An Schnitten findet man schmale Spindeln, die miteinander zu schmäleren und breiteren Streifen verwachsen, die voneinander durch Interzellularräume getrennt sind (Fig. 11). Die Vorgänge, die sich bei der Verhornung abspielen, gestalten sich folgendermassen: Wie ich bereits angegeben habe, ist die Zahl der Fasern am 11. Entwicklungstag eine ziemlich spärliche. Man findet im Protoplasma eine nahezu gleichmässige Verteilung der gleich dünnen Fasern, die voneinander durch die deutlich sichtbare Interfibrillarsubstanz getrennt sind. In den weiteren Entwicklungs- stadien vermehrt sich die Zahl der Fasern, wobei die in der Peripherie verlaufenden successive dicker werden. Während aber in den Zellen der Eizahnanlage, die im Verlaufe des ganzen Ver- hornungsprozesses ihre ursprüngliche Form bewahren, die Faser- bildung ungehindert fortschreiten kann, bis das ganze Protoplasma in dicke Fasern sich umgewandelt hat, wird hier der Vermehrung der Fasern durch die frühzeitige Abplattung der Zellen eine Schranke gesetzt. Aus der Art und Weise der Abplattung lässt sich das leicht verständlich machen. Bei der Abplattung einer Epidermiszelle wird ihr Höhendurchmesser auf ein Minimum reduziert, so dass die Zelle gezwungen ist, sich nach anderen Richtungen auszubreiten. Dadurch werden die Zellwände be- deutend dünner, d.h. das Protoplasma wird in einer dünneren Schicht ausgebreitet. Aus der letzteren kann sich infolgedessen keine grössere Anzahl besonders starker Fasern bilden, weil einfach das Material dazu fehlt. Wenn wir Zellen untersuchen, deren Abplattung stark vorgeschritten ist, so finden wir in der Mitte den abgeplatteten Kern resp. Kernhöhle und an der Peripherie die stärkeren Fasern, die miteinander zu verschmelzen beginnen, wodurch die Zellwand verdickt erscheint (Fig. 9, 10). In dem übrig gebliebenen schmalen Protoplasmarest zwischen letzterer und der Kernhöhle sehen wir die wenigen dünnen Fasern, die ebenfalls miteinander verschmelzen. Der Verschmelzungsprozess Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt. 1. 423 622 B. Rosenstadt: geht also auch hier von der Peripherie gegen die Kernhöhle vor sich. Als Endresultat des ganzen Prozesses erhalten wir an Schnitten spindelförmige Gebilde, deren verdickte Wände derart aufeinander liegen, dass zwischen beiden nur stellenweise ein wie eine kurze Linie aussehender Zwischenraum zurückbleibt. Diese Linie ist aber nichts anderes als der Schnitt durch den stark abgeplatteten Kern resp. Kernhöhle (Fig. 11). Setzt man derart veränderte Zellen der Wirkung einer künstlichen Verdauungs- tlüssigkeit aus, so bleiben sie selbst nach tagelangem Verweilen in derselben vollständig unverändert. Vergleichen wir jetzt die Vorgänge bei der Verhornung des Eizahnes mit denjenigen des Oberschnabels, so ergeben sich zwischen beiden Unter- schiede nur quantitativer Natur. Denn hier wie dort wird das gesamte Protoplasma in Fasern umgewandelt, die mit- einander vollständig verschmelzen, woraus die Verhornung der gesamten Zelle resultiert. Hier wird aber die Zelle zu einem relativ dünnen Hornplättchen, dort zu einem grösseren Horn- gebilde. Dass es tatsächlich der Abplattung der Zelle zuzuschreiben ist, dass sich die Fasern nur in beschränktem Maße bilden können, beweist noch zur Genüge folgender Umstand: In der sogenannten Lippenfurche des Schnabels, die durch eine Einstülpung des Epithels in die Cutis entsteht, bildet die Keimschicht eine grössere (Gruppe von teils runden, teils polygonalen Zellen, die, da sie keinem Druck ausgesetzt sind, keiner Abplattung unterliegen. In diesen Zellen sehen wir, allerdings bedeutend später als in der Eizahnanlage, eine ungehinderte Faserbildung vor sich gehen, bis das ganze Protoplasma in besonders dicke Fasern umgewandelt ist. Es erfolgt hierauf eine Verschmelzung sämtlicher Fasern und eine Verhornung der Zelle in ihrer ursprünglichen Form. Zur Ergänzung derjenigen Befunde, die ich soeben über die Verhornung des Oberschnabels mitgeteilt habe, wollen wir noch den Bau des fertigen Schnabels untersuchen. Es kommt mir hauptsächlich darauf an, wie die Oberfläche der Hornzelle beschaffen ist und in welcher Weise die letzteren miteinander in Verbindung stehen, da uns die Literatur über diese Punkte ein vollständig unklares Bild bietet. Schnitte von verhornten Gebilden, die ja an und für sich ziemlich lichtbrechend sind, lassen sich bekanntlich in Trocken- Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes etc. 623 präparaten wegen des stark lichtbrechenden Mediums, in dem sie sich befinden, ziemlich schwer untersuchen. Es entgehen oft dadurch manche wichtige Eigentümlichkeiten, oder man wird zu unrichtigen Deutungen gedrängt. Ich habe versucht dem in der Weise aus dem Weg zu gehen, dass ich zur Kontrolle die Schnitte entweder in Wasser oder in stark verdünntem Glyzerin untersuchte. Wenn man nicht mit allzu dicken Schnitten arbeitet, erhält man sehr instruktive Bilder. An unseren Objekten lässt sich folgendes feststellen: Man sieht schmale übereinander geschichtete, nahezu wellenförmige Streifen, die durch Vereinigung einzelner Spindeln entstanden sind. Manchmal verschmelzen miteinander eine Reihe übereinander gelagerter Spindeln und auf den ersten Blick macht es den Eindruck, als ob in dieser Partie dicke Fasern verlaufen würden. Bei näherer Untersuchung sieht man jedoch, dass die vermeint- lichen Fasern nichts anderes als die Konturen der einzelnen Spindeln darstellen (Fig. 11). Die einzelnen Streifen oder Lamellen sind voneinander durch schmale, lichte Zwischenräume getrennt, die Weidenreich!) in der gesamten Oberhaut mit Ausnahme derjenigen von Vola manus und Planta pedis beobachtet und als Interlamellarräume bezeichnet hat. Weidenreich scheint aber dieselben als ver- schieden von den Interzellularräumen zu betrachten, da er angibt, dass die letzteren nicht mehr nachweisbar sind, so dass die Zellen miteinander vollständig verkleben. Indessen sind die Interlamellar- räume tatsächlich nichts anderes als Interzellularräume zwischen den übereinander geschichteten Zellagen. Weshalb sie zurück- bleiben, die seitlichen dagegen oft nicht mehr nachweisbar sind, lässt sich aus der Art und Weise, in welcher die Abplattung der Zellen vor sich geht, ganz gut erklären. Denken wir uns eine Reihe nebeneinander liegender Epidermis- zellen, die voneinander und von den oberen und unteren Zellen durch Interzellularräume getrennt sind. In dem Moment, als die Abplattung vor sich geht, sinkt selbstverständlich der Höhen- durchmesser der Zellen und somit auch derjenige der seitlichen Interzellularräume. Durch die Abplattung werden die Zellen gezwungen, sich nach anderen Richtungen auszubreiten. Hätten ') Weidenreich: Über Bau und Verhornung der menschlichen Ober- haut. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 56, S. 209. 42* 624 BRostenstadt: sie genügend Raum oder stünden ihnen keine anderen Zellen im Wege, so würden die stark abgeplatteten, dünnen Ränder jeder Zelle dicht aneinanderstossen. Es käme dabei entweder zur Verklebung der Zellen miteinander, oder es bliebe zwischen denselben ein flacher Interzellularraum zurück. Für eine derartige Ausbreitung der Zellen ist aber nicht genügend Raum da und überdies stehen dem hinderlich die anderen Zellen im Weg, die sich bei der Abplattung ebenfalls ausbreiten müssen. Die Aus- breitung wird dennoch dadurch ermöglicht, dass sich die dünnen Zellwände zwischen zwei übereinander gelegene Zellen schieben, wie dies in Figur 10, 11, 13 dargestellt ist. Dadurch schwinden die seitlichen Interzellularräume und nur diejenigen, die die oberen Zellen von den unteren trennen, bleiben erhalten. Es kommt aber nicht selten vor, dass auch die Lamellen dennoch miteinander verwachsen und dann bemerkt man nur stellenweise Teile eines Interzellularraumes. Eine besondere Kittsubstanz, die H. Rabl!) in den Interzellularräumen, allerdings ohne stichhaltige Argumente, angenommen hat, konnte ich aber ebensowenig wie Weidenreich’) nachweisen. Aber Rabl scheint sie selbst nicht mehr aufrecht zu erhalten, da er derselben in Mraceks Handbuch keine Erwähnung tut. Dagegen muss ich H. Rabls Angabe, dass in den Inter- zellularräumen stellenweise Brückenfasern vorkommen, vollauf bestätigen und dahin ergänzen. dass sie sowohl in der Oberhaut als auch im Schnabel mit der grössten Regelmässigkeit nach- zuweisen sind. Es ist daher unzutreffend, wenn Weidenreich sie in der Vola manus und Planta pedis ganz vermisst. In Schnitten sind sie wegen der starken Lichtbrechungsverhältnisse und dadurch, dass sie mit der Änderung ihrer chemischen Beschaffenheit den Farbstoff nicht mehr aufnehmen, allerdings nicht immer nachweisbar. Wichtige Aufschlüsse bietet uns auch die Untersuchung frischen Gewebes. Mit dem Scalpell schabe ich einige Partikelchen vom Schnabel ab und suspendiere sie in physiologischer Kochsalzlösung. Wenn ') H. Rabl: Untersuchungen über die menschliche Oberhaut ete. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 48. ?) Weidenreich I. c. S. 19. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes etc. 625 man die Hornsubstanz mit der letzteren gut vermengt, so erhält man eine grosse Menge teils einzelner, teils zusammenhängender Zellen, die ausgezeichnete Bilder liefern. Man findet ganz flache, ziemlich grosse Zellen von runder oder mehr wenig eckiger Form, die mitunter S—10 Druckfacetten aufweisen, obwohl die Zellen von Haus aus etwa fünf- bis sechseckig sind. Das erklärt sich dadurch, dass die Zellen durch ihre Abplattung mit einer grösseren Anzahl von Zellen in Kontakt treten. Die Zellwände sind ziemlich dick und stark lichtbrechend.. Wenn man eine derartige Zelle von der Fläche aus betrachtet, so erhält man ein ausserordentlich ungleichmässiges Bild (Fig. 12). Auf der Oberfläche mancher Druckfacette findet man mitunter ziemlich viele, scheinbar lange Fasern, die sich aber bei näherer Untersuchung als kurze Fasern erweisen, die wie die Ruderplättchen bei Ütenophoren über- einander gelagert sind. In manchen Stellen der Zelloberfläche tindet man Gruppen von besonders kurzen Fäserchen, in manchen wiederum Punkte, die wie von einem Hof umgeben erscheinen; es sind das Bilder, die quergetroffene Fasern oder optische Quer- schnitte von solchen bieten. Wenn es gelingt, durch Verschiebung des Deckgläschens die Zelle hin und her zu bewegen, so erhält man ein vollständiges Bild von der Beschaffenheit der Zelloberfläche. Hervorheben möchte ich noch, dass es mir nicht ein einziges Mal gelungen ist, „Knötchen“ an diesen Fasern nachzuweisen. Versuchen wir jetzt unsere Beobachtungen mit denjenigen, die uns die Literatur bietet, in Einklang zu bringen, so ergeben sich dabei manche Schwierigkeiten. Diese sind aber, wie wir sehen werden, nur darauf zurückzuführen, dass wir in den Angaben der Autoren manchen Unklarheiten oder nicht ganz zutreffenden Deutungen und endlich auch nicht ganz richtigen Beobachtungen begegnen. In einer Reihe von Arbeiten hat Unna!) zuerst nachgewiesen, dass die Stacheln der Stachelzellen bei ', Unna: Beiträge zur Histologie und Entwicklungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 12, 1876. Derselbe: Anatomie der Haut in Ziemssens Handbuch, Bd. 14, Erste Hälfte, 1882. Derselbe: Hornschicht und Verhornung. Monatshefte für praktische Dermatologie, 1888. Derselbe: Über das Wesen der normalen und pathol. Verhornung. Ebenda, 1897. 626 B. Rosenstadt: der Verhornung nicht verschwinden, sondern im geschrumpften und verhornten Zustand an der Oberfläche der Hornzellen persistieren und die letzteren miteinander verbinden. Um dieses „Relief“ näher zu untersuchen, haben im Unna- schen Laboratorium Rausch und Me Leod Hornzellen mit Säuren und Alkalien mazeriert und mit polychromem Methylenblau gefärbt. Während Rausch!) ganz verschiedene Arten von Horn- zellen fand, von denen er drei Typen anführt, fand Me Leod?) „ein ganzes Chaos verschieden gefärbter Zellen“, von welchen er wiederum fünf Typen aufzählt. Die Rauschschen Punkte und die Ernstschen Keratingranula sind miteinander identisch und stellen reduzierte Stacheln dar. Es lässt sich aber sehr leicht nachweisen, dass Rausch und Mc Leod einfach durch die Mazeration entstandene Artefakte gefärbt haben. Selbstverständlich geben dieselben, je nach dem Zustand der Mazeration, ein verschiedenes Farbenbild und daher die verschiedenen Hornzellen. Es mag ja sein, dass unter den gefärbten Punkten reduzierte Stacheln sich befinden, dass aber auch Niederschläge als solche bezeichnet worden sind, das steht ausser jedem Zweifel und darin stimme ich mit Weidenreich vollständig überein. Aus demselben Laboratorium erschien vor kurzem eine Arbeit von Bergmann’), nach welchem die gefärbte Punktierung (Rausch) nicht das Wesen eines Reliefs besitzt, sondern nur die äusserste Zone einer Punktierung darstellt, die durch die ganze Dicke des Zelleibes hindurchgeht; sie ist somit nur der Ausdruck einer Differenzierung des Zelleninhaltes. Obwohl sich H. Rabl mit den von uns aufgeworfenen Fragen eingehend beschäftigt hat, ist es ihm nicht gelungen, ein richtiges Bild von der Oberfläche der Hornzellen zu geben. Er beobachtete an frischen abgeschabten oder isolierten Zellen der Fusssohle, dass ihre Oberfläche mit „Streifen und Punkten“ oder mit „Leistehen“ besetzt ist, die man auch an mit Verdauungsflüssigkeit !), Rausch: Tinktorielle Verschiedenheiten und Relief der Hornzellen. Monatshefte, Bd. 24. ?), Me Leod: Beiträge zur Kenntnis der normalen Hornzellen. Monatshefte, Bd. 28. ®) Bergmann: Das Relief von Rausch im Lichte der neuen Horn- forschungen betrachtet. Unnas Monatshefte, Bd. 49, 1909. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes etc. 627 behandelten Zellen findet. Werin unter „Streifen“ und „Leistehen“ Fasern zu verstehen sind, hätten wir allerdings Angaben, die sich mit meinen Beobachtungen decken. Aber netzförmige Ver- bindungen der Leistchen, von welchen Rabl spricht, habe ich niemals beobachtet. Aber auch solche Bilder, die Rabl in Fig. 13 darstellt, sind mir noch niemals untergekommen. Rabl scheint dabei folgenden Täuschungen unterlegen zu sein. Bekommt man nämlich den optischen Querschnitt der kurzen Fasern zu Gesicht, so macht es den Eindruck, als ob sie von einem Hof umgeben wären. Hat man nun mehrere solche Bilder beisammen, so können sie allerdings leicht den Eindruck hervorrufen, als ob Netze vor- liegen würden. Durch entsprechende Einstellung oder Umlagerung der Zelle lässt sich sofort die Täuschung beseitigen. Von seinen früheren Darstellungen ganz verschieden sind die Angaben Rabls in Mradeks Handbuch bezüglich des Baues der Hornzellen nach der Verdauung. Er findet die Horn- membranen eng und fein gefaltet und man hat sich die Fältchen aus der Confluenz der in Reihen stehenden Stacheln entstanden zu denken. Mir ist es niemals gelungen, solche Fältchen zu beobachten. Es könnte sich hier vielleicht um folgendes handeln: Zwischen den Fasern an der Oberfläche der Hornzellen befinden sich ganz schmale Zwischenräume, die anders das Licht brechen. Wenn man nun an einer Stelle mehrere Fasern beisammen hat, so macht es den Eindruck, als ob die Stelle gefaltet wäre. Vielleicht hat Rabl ähnliche Bilder gesehen. Was eigentlich kabl an der Oberfläche der Hornzellen beobachtet hat, scheint ihm nicht klar geworden zu sein. Obwohl er selbst angibt, dass die Hornmembranen nach der Verdauung wie im frischen Zustand eine feinfaserige und feinkörnige Struktur aufweisen, also (Gebilde, die verhornt sein müssen, berichtete er wieder später, dass es ihm nicht gelungen ist, an verdauten Schnitten Stacheln zu sehen und meint, dass sich die Hornmembran auf die Ver- bindungsfasern fortsetzen müsste, wenn Unnas Lehre zu Recht bestehen sollte. Die Angaben von Weidenreich sind leider ebensowenig geeignet, uns eine richtige Vorstellung von der Zellobertläche und von der Verbindung der Hornzellen untereinander zu geben. Die Hornzellen der Vola manus und Planta pedis, die durch Interzellularräume voneinander getrennt sind, zeigen nach ihm 625 B. Rosenstadt: eigentümliche Gabelungen und Fortsätze, die in die Nachbarzellen eingreifen und an ihrer Oberfläche sind sie mit kleinen, dicht nebeneinander stehenden Zähnchen bedeckt. Das feste Gefüge der Hornzellen wird nicht durch Verbindungsfäden oder durch eine Kittsubstanz, sondern durch das eigentümliche Ineinandergreifen der Zellen bedingt. Von den Brückenfasern bleiben in der Horn- schicht nur die „Knötchen“ zurück, die in der Mitte zerreissen und sich zu „Zähnchen“ umbilden. Es ist mir eigentlich nicht ganz verständlich, in welcher Weise das feste Gefüge zustande kommen kann, nachdem die Zellen durch deutliche Interzellularräume voneinander getrennt sind und Brückenfasern fehlen. Es ist mir ferner auch nicht ganz klar, welche Rolle die „Zähnchen“ hier spielen, da sie bald ineinander greifen, bald einander gegenüber stehen. Wenn sie zur Verbindung der Zellen untereinander dienen sollten, so hätten dies doch die nicht zerrissenen „Knötchen“ viel besser besorgt. Aber schon die Erklärung, die Weidenreich für die Entstehung der Zähnchen gibt, scheint mir ganz unhaltbar zu sein. Ich will hier von meinem Standpunkt, dass die Knötchen keinen integrierenden Bestandteil der Brücken bilden, ganz absehen, ich möchte nur folgendes hervorheben. Durch die Druckwirkung, durch welche die Abplattung zustande kommt, zeigen die Zellen die Tendenz mehr aneinander zu rücken. Weidenreich führt ja selbst an, dass die Interzellularräume schon im Str. granulosum anfangen sich einzuengen, wodurch auch die Brückenfasern kürzer werden. Es fragt sich nun, welche Kräfte bewirken es, dass trotz der erwähnten Tendenz der Zellen dieKnötchen dennoch gerade in der Mitte zerreissen können!? Aber abgesehen davon kommt es auch niemals vor, dass die Brücken ganz schwinden. Die vermeintlichen Knötchen sind eben nichts anderes als die kurzen Brückenfasern, die Weidenreich als solche nicht erkannt hat. Um das Bild, welches wir von der Oberfläche der Hornzellen entworfen haben, zu verstehen, müssen wir uns nur folgendes in Erinnerung bringen: Wenn wir eine noch unveränderte Epidermis- zelle vor uns haben. so treten aus sämtlichen Flächen derselben Fasern aus und ein, d.h. die austretenden Fasern setzen sich durch die Brücken, die ja nichts anderes als Fortsetzungen der intrazellulären Fasern sind, in eine Anzahl von Nachbarzellen Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes etc. 629 fort. Das sieht man auch ganz deutlich an Schnitten. Isoliert man solche Zellen, so findet man die teils abgerissenen, teils intakten Brücken auf allen Flächen derselben. Platten sich die Zellen ab, wodurch eine Verschiebung derselben gegen die Nachbar- zellen stattfindet, so werden allerdings die seitlichen Interzellular- räume, wie ich bereits hervorgehoben habe, stark reduziert und damit auch eventuell die zugehörigen Brückenfasern. Aber durch den stark abgeplatteten und verdünnten Zellrand, der sich zwischen zwei andere Zellen schiebt, können ja wieder Fasern austreten und sich mit den Nachbarzellen verbinden, was auch, wie es sich nachweisen lässt, tatsächlich geschieht. Untersuchen wir des weiteren eine Zellgruppe, in welcher die äusseren Fasern anfangen miteinander zu verschmelzen, oder, wo sie bereits verschmolzen sind, und vergleichen wir die Oberfläche derselben mit derjenigen der unveränderten Zellen, so erhalten wir in beiden genau dieselben Bilder. Es ist auch gar kein Grund. vorhanden, weshalb die Brücken verschwinden sollten. Wären sie in den Verschmelzungs- prozess mit einbezogen, so müssten die Zellen durch die Zug- wirkung derart nahe aneinander rücken, dass keine Interzellular- räume mehr geblieben wären. Wenn wir nun auch an der Oberfläche der verhornten Zellen genau dieselben Bilder zu Gesicht bekommen, wie wir sie bei noch unveränderten Zellen beobachtet haben, so lässt die Identität beider gar keinen Zweifel mehr aufkommen. Es ergibt sich somit, dass die Verbindung der verhornten Zellen des Oberschnabels genau in derselben Weise vor sich geht wie in den noch unveränderten Zellen. Die Brücken ändern nur ihre chemische Beschaffenheit, indem sie ebenfalls verhornen. Hornzellen die ich 4—5 Tage in einer kräftigen Verdauungsflüssigkeit suspendiert habe, zeigten vollständig unveränderte Brücken. Wir sehen somit, dass ganz klar zutage liegende Verhältnisse teils durch unzutrefiende Deutungen, teils durch nicht ganz ein- wandfreie Beobachtungen zu Problemen erhoben worden sind, deren Lösung, ich möchte sagen, von vornherein gegeben war. 630 Berkrorscenis biandite Untersuchen wir jetzt noch die Vorgänge, die sich bei der Verhornung des Gaumens abspielen. Vor allem muss ich bemerken, dass die Angabe Göpperts.') dass auch hier eine Epitrichialschicht vorkommt, nicht zutreffend ist und dass ich in keiner Zellage in allen untersuchten Stadien Keratohyalin nachweisen konnte. Im grossen Ganzen ist hier die Zellwucherung eine ziemlich geringe. Die Zelle selbst ist kleiner als am Oberschnabel und der Verhornungsprozess gelıt viel langsamer von statten. Es resultiert daraus eine Hornschicht, die bedeutend dünner ist als am Oberschnabel. Am 10.—11. Entwiceklungstag finden wir auf dem Gaumen im ganzen 2—3 Zellreihen und in den weiteren Entwicklungs- stadien kommt es nur zu einer mässigen Vermehrung derselben, wobei sich die äusseren Zellen anfangen abzuplatten. Am 15. Entwicklungstag sind sämtliche Zellen bereits stark abgeplattet. Wenn wir dieselben an Längs- und (@uerschnitten untersuchen, so finden wir spindelförmige Gebilde, die bedeutend kleiner sind und viel dünnere Wandungen aufweisen als beim Oberschnabel (Fig. 13). Die Veränderungen, die die Zellen bei der Verhornung erleiden, stimmen im grossen Ganzen mit denjenigen überein, die wir bis jetzt kennen gelernt haben. Der Unterschied ist wiederum nur quantitativer Natur. Am 10.—11. Entwicklungstag ist die Zahl der Fasern noch eine sehr spärliche und erfährt während der weiteren Entwicklung keine nennenswerte Vermehrung, dabei kommt es niemals zur 3ildung stärkerer Fasern. Die Fasern verschmelzen nun mit- einander vollständig, woraus die Verhornung der ganzen Zelle resultiert, die freilich nur ein Hornplättchen darstellt, das bedeutend dünner ist als diejenige des Oberschnabels. An der Oberfläche derselben sehen wir in spärlicher Zahl Brückenfasern, durch welche die Zellen miteinander in Verbindung stehen. Es bleibt uns noch übrig, der Verhornung des Schnabel- randes Erwähnung zu tun, da er mit dem übrigen Schnabel während der Entwicklung zunächst kein Kontinuum bildet. Etwa am 11.—12. Tag der Entwicklung sehen wir an der Stelle des Schnabelrandes, wo das Epitrichium aufhört und wo !), Göppert inHertwigs Handbuch der Entwicklungslehre, II. Bd., 1.Teil2872 Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 631 sich eine Einstülpung befindet, die von Gardiner und Rose als Rudiment einer Lippenfurche gedeutet wurde, eine grössere Gruppe von Zellen, die ventralwärts wiederum durch eine zweite Einstülpung begrenzt wird, die Röse als Rudiment einer Zahn - leiste deutet. Die ganze Randpartie macht den Eindruck, als ob sie vom Schnabel gewissermassen abgeschnürt wäre. Sie ent- behrt des Epitrichiums und des Keratohyalins und besteht aus mässig grossen polygonalen Zellen, in welchen sich nur in spär- licher Zahl ziemlich feine Protoplasmafasern nachweisen lassen. Bis zum 14.—15. Entwicklungstag sehen wir an diesen gar keine Veränderungen, wodurch sie sich von den übrigen Zellen des Oberschnabels merklich abheben. Erst etwa am 16. Entwicklungs- tag treten in den äusseren Zellen die ersten Veränderungen auf. Sie bestehen zunächst darin, dass-sich die Wandungen anfangen zu falten, als ob sie in das Lumen der Zelle einsinken würden. Dieser Prozess führt nun dahin, dass wir etwa am 18. Entwicklungs- tag Zellen erhalten, in welchen die obere Wand der unteren dicht anliegt und die ganze Partie den Eindruck macht, als ob sie aus parallel verlaufenden wellenförmigen Fasern bestehen würde. Die Verschmelzung der spärlichen Fasern führt auch hier zur Bildung eines äusserst dünnen Hornplättchens, an dessen Oberfläche wiederum kurze Brückenfasern zu finden sind. Die sogenannte Lippenfurche, die sich zwischen Schnabel- körper und Schnabelrand einschiebt, verschwindet im Laufe der Entwicklung. Es bildet sich nämlich vom Boden der Einstülpung aus eine grössere (Gruppe von ziemlich grossen polygonalen Zellen, die. da sie keiner Druckwirkung ausgesetzt sind, sich nicht abplatten und, wie bereits erwähnt, unter Bildung zahlreicher dicker Fasern total verhornen. Diese Zellgruppe vereinigt sich mit dem Schnabelkörper und Schnabelrand und stellt dadurch das Kontinuum zwischen beiden wieder her. Die histologischen Vorgänge am Unterschnabel stimmen im grossen (ranzen mit denjenigen überein, die wir am Oberschnabel kennen gelernt haben. Es besteht nur ein zeitlicher Unterschied, indem das Wachstum und die Verhornung etwas später einsetzen; ausserdem kommt es hier nicht zur Bildung eines Eizahnes. Es treten aber hier manche Eigentümlichkeiten auf, die ich hervor- 632 B. Rosenstadt: heben möchte, da sie mir für die morphologische Beurteilung des Eizahnes manche Bedeutung zu haben scheinen. Etwa am 11. Entwicklungstag sehen wir in der mittleren Partie des Rete unter dem schon stark entwickelten Epitrichium eine Gruppe von polygonalen Zellen, in welchen ziemlich viele dicke Fasern auftreten. Am 13. Bebrütungstag ist die Vermehrung der Fasern bedeutend vorgeschritten, und in manchen Zellen sind sie miteinander schon verschmolzen. Am 14.—15. Entwicklungstag sehen wir in der mittleren Partie des Unterschnabels eine grössere Gruppe von Zellen, die ihre ursprüngliche Form bewahren und die schon vollständig verhornt sind, ähnlich wie wir das im Ei- zahn kennen gelernt haben (Fig. 14). Diese Zellgruppe dehnt sich in einem dünnen Streifen auf beide Seiten des Unterschnabels aus. Zu einem weiteren Wachstum desselben kommt es nicht. sie wird vielmehr, ohne sich an der Bildung des Unterschnabels irgendwie zu beteiligen, ganz abgestossen. Mit Rücksicht auf diesen Umstand und mit Rücksicht auf den Ort dieser Zellbildung und die Art der Verhornung glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass wir es hier mit einer rudimentären Eizahn- anlage zu tun haben, die nicht mehr zur vollen Entwicklung gelangt. Unter dieser Anlage geht nun die Verhornung des Unterschnabels von statten. Wir haben bis jetzt gesehen, dass bei allen untersuchten Objekten die ganzeZelle samt dem KernderVerhornung unterliegt. Die Produkte der Verhornung zeigen aber bei verschiedenen Objekten eine gewisse Variabilität: so wandelt sich die Zelle der Eizahnanlage in ein kompaktes, sehr hartes Horn- gebilde um, die Zelle des Ober- und Unterschnabels jedoch in dickere und dünnere Hornplättchen. Was ist nun die Ursache, dass die Verhornung in von Haus aus gleich gebauten Zellen in verschiedener Weise zum Ausdruck kommt? Dass ein gewisser Konnex zwischen der Faser- und Hornmenge besteht, konnte schon aus der bisherigen Darstellung konkludiert werden. Um aber dieser Konklusion eine sichere Basis zu geben, müssen wir vor allem die Bedeutung der Fasern beim Verhornungs- prozess feststellen, denn es könnte sich schliesslich nur um neben- Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 635 einhergehende Erscheinungen handeln, die für den Verhornungs- prozess ganz irrelevant sind, ähnlich wie dies mit dem Keratohyalin oder Eleidin der Fall ist. Ich habe in einer früheren Arbeit darauf hingewiesen, ') dass ich der Ansicht von Flemming, Kromayer, Rabl und Herxheimer, nach welcher die Protoplasmafasern als echtes Protoplasma im Kupferschen Sinne aufzufassen sind, nicht beipflichten kann. Mit Rücksicht auf das Verhalten der Fasern Farbstoffen gegenüber und hauptsächlich mit Rücksicht darauf, dass sie die Tendenz haben, sich auf Kosten des Protoplasmas beständig zu vermehren, nahm ich an, dass wir es hier mit 3ildungen sui generis, die vom Protoplasma produziert werden. zu tun haben. Ich kann noch jetzt hinzufügen, dass sie sich auch in chemischer Beziehung vom eigentlichen Protoplasma unterscheiden, indem sie sich beiAnwendung künstlicherV erdauungs- Hüssigkeiten bedeutend resistenter erweisen als das Protoplasma und zwar schon zu einer Zeit, wo sie sich nur einige Zellreihen vom Str. eylindricum entfernt befinden, also wo sie sich erst zu vermehren anfangen. Gewiss hat Kromayer Recht, wenn er meint, dass die physiologische Bedeutung der Fasern darin besteht, dass sie den Epidermiszellen eine gewisse Zug- und Druckfestigkeit ver- leihen. Aber damit ist ihre Bedeutung bei weitem noch nicht erschöpft. Wenn ich die Art und Weise in Betracht ziehe, in welcher die Fasern in verschiedenen verhornenden (rebilden auf- zutreten pflegen, so muss ich in ihnen in erster Linie ein wichtiges Stadium erblicken, das die Epidermis- zelle auf dem Wege zur Verhornung durchlaufen muss. Wir haben gesehen, dass in den Zellen des Eizahnes die Fasern sich beständig vermehren bis das ganze Protoplasma zu ihrer Bildung aufgebraucht worden ist. Wir erhalten dadurch ein Stadium, welches Waldeyer?°) zuerst in den Rindenzellen des Haares beschrieben hat. Der histochemische Prozess der Ver- hornung war aber erst dann vollendet, wenn die Fasern mit- einander verschmolzen sind. !) Dieses Archiv, Bd. 75. ?, Waldeyer: Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde. Festgabe für Henle 1882. 634 B. Rosenstadt: In den Zellen des Oberschnabels wiederum sehen wir, wahr- scheinlich durch die frühzeitige Abplattung, eine viel geringere Faserproduktion als im Eizahn: auch hier verschmelzen sie mit- einander, und es resultiert aber daraus ein viel schwächeres Horngebilde. Eine noch stärkere Abplattung und eine noch geringere Faserbildung sehen wir am Gaumen und dementsprechend entsteht hier ein noch schwächeres Horngebilde. Das Auftreten der Fasern in verhornenden Gebilden kann also nicht bloss als eine nebeneinhergehende Erscheinung auf- sefasst werden. Die Fasern beteiligen sich nicht an der Horn- bildung nur deswegen, weil sie da sind. Wir sehen vielmehr, dass ein bestimmtes gesetzmässiges Verhältnis zwischen der Menge der Fasern und der Menge der Hornsubstanz ersteht. Je mehr die Zelle imstande ist Fasern zu produzieren, desto mehr Hornsubstanz bildet sich und darin muss ich Apolant,') der bei der Histogenese des Schweinehufs in zu- treffender Weise das Verhältnis zwischen Faser- und Hornbildung festgestellt hat, nur Recht geben. Die bei der Untersuchung des Schnabels erzielten Resultate lehren uns nicht nur, dass das Auftreten und die Vermehrung der Fasern ein wichtiges Stadium bildet, welches die verhornende Epidermiszelle durchlaufen muss, sondern es dürfte sich aus ihnen noch ein zweiter wichtiger Satz ableiten lassen und der darin besteht. dass das Protoplasma ohne Faserbildung nicht imstande ist zu verhornen. Es bleibt uns noch übrig, der morphologischen Bedeutung des Eizahnes Erwähnung zu tun. Dass wir es hier mit keinem Zahn zu tun haben, ist evident. Dieses Gebilde steht während seiner ganzen Entwicklung mit dem Bindegewebe in gar keiner Verbindung. Wir sehen vielmehr ein epitheliales Gebilde aus einem anderen gewissermassen sich herausdifferenzieren. Die Bezeichnung desselben als „Eizahn“ ist sicher ganz unzutreffend. Aber wir gewinnen durchaus nicht . mehr, wenn wir es mit Sluiter als Eihöcker und nach Röse als Eischwiele bezeichnen. ', Apolant: Uber den Verhornungsprozess. Dieses Archiv, Bd. 5%. Untersuchungen über die Histogenese des Eizahnes ete. 635 Bei Reptilien soll der Eizahn nach vorliegenden Angaben tatsächlich ein zahnähnliches Gebilde darstellen. Vielleicht stand auch beim Hühnchen der Eizahn ursprünglich mit dem Binde- gewebe in Verbindung, die sich später zurückgebildet hat. Aller- dings ist dies eine Vermutung, für die ich gar keine Beweise zu erbringen vermag. Dass es sich hier um ein embryonales Gebilde handelt, dem jede physiologische Bedeutung bereits abgeht, scheint festzustehen. Ich konnte mich wenigstens niemals davon über- zeugen, dass der Eizahn beim Ausschlüpfen des Hühnchens irgend welche Dienste leisten würde. Wir müssen also in ihm eher ein rudimentäres Organ erblicken. Vielleicht darf folgende Auffassung von der Bedeutung desselben eine grössere Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Wir haben gesehen, dass der Eizahn durch die Art und Weise seiner Entwicklung ein überaus hartes (Grebilde darstellt, in welchem die einzelnen Elemente, die sich nicht abplatten, sondern ihre ursprüngliche Form bewahren, viel mehr Hornsubstanz produ- zieren, als wir das bei den Zellen des Schnabels gefunden haben. Diese Art der Verhornung dürfte jedenfalls als eine primäre angesehen werden, im Gegensatz zu jener, bei der die verhornenden Elemente in abgeplattetem Zustand sich anordnen, was sicherlich auch zweckmässiger erscheint, da dadurch eine grössere Hornfläche erzielt werden kann. Aber noch in einer anderen Beziehung müssen wir die Hornbildung des Schnabels als eine sekundäre bezeichnen. Während wir schon am 10.—11. Tag der Entwicklung die äussere Partie der Eizahnanlage als vollständig verhornt finden, ist am übrigen Schnabel noch keine Spur davon zu sehen. Die Verhornung des letzteren beginnt vielmehr erst zu einer Zeit, wo der Eizahn vollständig ausgebildet ist. Am Unterschnabel kommt kein Ei- zahn mehr zur Entwicklung. Die Zellen der rudimentären Anlage verhalten sich jedoch genau so wie die des Eizahnes. Sie ver- hornen in unveränderter Form, und zwar schon zu einer Zeit, wo wir am Unterschnabel noch gar keine verhornten Elemente finden. Es dürfte vielleicht die Annahme nicht von der Hand zu weisen sein, dass der Eizahn ein phylogenetisch älteres Organ darstellt, welches vielleicht eine Zeitlang die einzige Bewaftnung des Kiefers bildete. 656 1a, , nl. Fig. 2. Fig.3. Rie., A: Eig, ©. Fig. 6. Ko. r7. Fig. 8. iz Fig. 10. Fig 11: Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. B. Rosenstadt: Untersuchungen über die Histogenese ete. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. Ein Querschnitt durch den Eizahn eines Hühnchens vom 21. Ent- wicklungstag. Reichert, Immers. '/ı2, Ok. 3. Zellen aus einem Schnitt durch die hintere Partie des Schnabels vom 7.—8. Tag der Entwicklung. Reichert, Immers. !ıa, Komp.-Ok. 8. Zellen aus einem Schnitt” durch die hintere Partie des Schnabels vom 10. Tag der Entwicklung. Dieselbe Vergrösserung. Zellen aus einem Schnitt durch die hintere Partie des Schnabels vom 12. Tag der Entwicklung. Dieselbe Vergrösserung. Zellen aus einem Schnitt durch die vordere Partie des Schnabels. Dasselbe Stadium. Qf — quergetroffene Fasern. Dieselbe Ver- grösserung. Querschnitt durch die vordere Partie des Schnabels vom 11.—12. Tag der Entwicklung. Ept = Epitrichialschicht; Ez — Partie des Eizahnes: Zf — Zellen der Eizahnanlage; Lf = Lippenfurche; Zl = Zahnleiste. Schwache Vergrösserung. Zellen des Eizahnes in verschiedenen Stadien der Hornbildung — aus einem Schnitt durch die vordere Partie des Schnabels vom 11.—12. Entwicklungstag. Uez — Übergangszellen, in welchen die Fasern teils miteinander vollständig verschmolzen, teils noch distinkt nachweisbar sind. Vfz — Zellen, in welchen die Fasern miteinander vollständig verschmolzen sind. Vhz = Zellen, in welchen bereits der Farbenumschlag vor sich ging. Immers. '/ı2, Komp.-Ok. 8. Vollständig verhornte Zellen des Eizahnes vom 15. Tag der Ent- wicklung. Die Zellen sind voneinander durch Interzellularräume getrennt, in welchen deutlich Brücken zu sehen sind. Reichert, Immers. !/ız, Ok. 3. Zellen der seitlichen Partie des Schnabels vom 12. Entwicklungs- tag. Reichert, Immers. !/ı, Komp.-Ok. 8. Zellen aus der mittleren Partie des Schnabels vom 15. Tag der Entwicklung. Dieselbe Vergrösserung. Zellen aus einem Schnitt durch den fertigen Schnabel. Dieselbe Vergrösserung. Isolierte Hornzellen des Schnabels. Zeiss. Apochr., Immers. 3,0 mm, Apert. 1,30, Komp.-Ok. 8. Zellen des Gaumens vom 15. Tag der Entwicklung. Reichert, Immers. !/ıs, Komp.-Ok. 8. Zellen des Unterschnabels vom 15. Tag der Entwicklung. Kh —= Keratohyalin; Vhz — verhornte Zellen der rudimentären Eizahn- anlage. Reichert, Immers. !ır, Ok. 3. 637 Nachschrift. Von Prof. N. Loewenthal. Erst nach Absendung des Manuskriptes des vorhergehenden !) Aufsatzes habe ich von einer Notiz von Prof. N. Kultschitzky,?) die unlängst in dem 78. Bande dieses Archives erschienen ist, Kenntnis genommen. In dieser Mitteilung beansprucht Prof. Kultschitzky für sich allein die Priorität der Entdeckung der Drüse, von welcher schon in meinen früheren Arbeiten eingehend die Rede war, und die er unter dem Namen Glandula lacrimalis praeparotidea (meine Glandula orbitalis externa, orbitale Neben- ohrspeicheldrüse) beschreibt. Seinen jetzigen Angaben zufolge hat Prof. Kultschitzky über diese Drüse zum ersten Male in der Gesellsch. f. wiss. Medizin und Hvgiene in deren Sitzung vom 4. November 1598, einen Vortrag gehalten. Man möchte jedoch wissen, wann und wo dieser Vortrag veröffentlicht war. Auch mag die blosse Anführung des Titels desselben etwas ungenügend erscheinen. Zwar hat Prof. Kultschitzky die eingehendere Beschreibung der Drüse auf längere Zeit verschoben; er wollte aber zuerst über die historische Seite der Frage ins reine kommen, weil es ihm unglaublich schien, dass eine so bedeutende Tatsache bis jetzt unbekannt bleiben konnte. Nur jetzt, nach elfjährigem Schweigen, hat sich Prof. Kultschitzky entschliessen können, seine Prioritätsrechte geltend zu machen. Meinen in dem 56. Bande dieses Archives erschienenen Aufsatz (schon damals mit erläuternder Tafel) verlegt er (irrtümlicherweise?) in das Jahr 1901, obwohl diese Arbeit schon im Jahre 1900 erschienen ist. Die Mitteilung („A propos des glandes infra-orbitaires“), in welcher ich in vor- läufiger Weise über die fragliche Drüse berichtet habe, erschien im 1. Heft (Januar-Februar) des Journal de l’Anatomie et de la Physiologie für 1599 und war gewiss schon im November 1898 in den Händen der Redaktion, etwa zur Zeit also, in welche Prof. Kultschitzky seinen Vortrag verlegt, ohne, wie gesagt, anzugeben, wann dieser Vortrag gedruckt erschien. In seinem Lehrbuche von 1909 (russisch) ist von Prioritätsfragen noch keine \) In Arch. f. mikr. Anat., Bd. «9, H. 3, Abt. 1. °) Biologische Notizen: I. Glandula lacrimalis praeparotidea bei einigen Nagetieren. Festschrift für W. Waldeyer, 1911, S. 232-234. Archiv f. mikr. Anat. Bd.79. Abt.1. 43 638 N. Loewenthal: Rede. Unter solchen Umständen wird es mir gewiss nicht schwer sein, die volle Unabhängigkeit meiner Untersuchungen zu be- gründen. Wie ich es schon an mehreren Stellen erörtert habe, bin ich durch meine noch früheren Untersuchungen über die Glandula infraorbitalis zur Aufdeckung der orbitalen Nebenohr- speicheldrüse geführt worden. Was nun die tatsächlichen Befunde von Prof. Kultschitzky anlangt, soweit sich dieselben aus seiner letzten, allerdings nur aphoristisch gefassten Notiz erfolgern, so ist zu betonen, dass auch in derselben die verwickelte Frage von den Beziehungen der Ausführwege der Glandula praeparotidea zu denjenigen der Glandula infraorbitalis ganz unerörtert bleibt, während diese Frage schon in meinem Aufsatze von 1900 genügende Aufklärung ge- funden hat. Die Ansicht ferner von Prof. Kultschitzky, dass die Glandula praeparotidea der Ratte sich nur ganz unwesentlich von der eigentlichen Tränendrüse anderer Tiere unterscheidet, kann ich voll nicht teilen. Die zuerst genannte Drüse, soweit sie sich auf die weisse Ratte bezieht, unterscheidet sich von der letzteren durch einige wesentliche Merkmale, über die ich eben- falls schon berichtet habe (vgl. hierüber meine Aufsätze im Arch. f. mikr. Anat., Bd. 56, 1900, S. 543 und Bd. 71, 1908, $. 643). Prof. Kultschitzky stellt übrigens eingehendere Mitteilungen in Aussicht. Aus dem anat.-hist. Laboratorium der Universität St. Petersburg (Vorstand: Prof. A.S Dosiel). Noch einmal über den Bau der markhaltigen Nervenifaser. Von A. Nemiloff Assistenten am anat.-hist. Laboratorium der Universität St. Petersburg. Im Bd. 77 des Archives für mikroskopische Anatomie hat der französische Histologe J. Nageotte („Betrachtungen über den tatsächlichen Bau und die künstlich hervorgerufenen Defor- mationen der markhaltigen Nervenfaser“) seine Untersuchungen über den Bau der markhaltigen Nervenfaser, die bis dahin in verschiedenen kleineren Abhandlungen verstreut waren, zusammen- gefasst, sie durch ein sehr anschauliches Schema illustriert und ausserdem in einer Reihe von Kapiteln seine Ansichten über die verschiedenen morphologischen Eigentümlichkeiten der markhaltigen Nervenfaser formuliert. Da meine Beobachtungen und Ansichten, welche in meinen Abhandlungen „Einige Beobachtungen über den Bau des Nerven- gewebes bei Ganoiden und Knochenfischen“, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72, 1908, und „Über die Beziehung der sogenannten ‚Zellen der Schwannschen Scheide‘ zum Myelin in den Nervenfasern von Säugetieren“, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76, 1910, niedergelegt sind, scharf von den Ansichten und Beobachtungen Nageottes abweichen, so will ich meine Ansichten über einige der morpho- logischen Details der Nervenfasern, welche dieser Forscher be- schrieben hat, hier bestimmter formulieren. Nochmals in dieser Frage das Wort zu ergreifen, nachdem meine Beobachtungen bereits genügend dargestellt worden sind, dazu veranlasst mich der Umstand, dass Nageotte an verschiedenen Stellen seiner Abhandlung meine Beobachtungen erwähnt und sogar am Anfange derselben mir den Vorwurf macht, dass ich den Versuch mache, das Interesse für „Artefakte“ wieder wachzurufen, welche nach Nageotte bereits längst in Ruhe gelassen worden seien. Zunächst hält Nageotte die Bilder nicht für beweiskräftig, welche vermittelst Ehrlichs Verfahren der Nervenfärbung mit 43* 640 HENKE mallortite: Methylenblau erhalten werden und glaubt, dass eine Entscheidung nur auf Grund von Untersuchungen der Nervenfaser intra vitam in irgend einer adaequaten Flüssigkeit (Humor aqueus, Blut- serum, 1°/o Kochsalzlösung, Lösung von zitronensaurem Natron von gleichem osmotischen Drucke usw.) gefällt werden könne. Es kann natürlich nicht geleugnet werden, dass die Untersuchung eines histologischen Elementes intra vitam durchaus wünschens- wert ist. Die Notwendigkeit veranlasst jedoch, im Falle eine Untersuchung intra vitam versagt, seine Zuflucht zu Reaktiven zu nehmen. Meine Untersuchungen habe ich zunächst auch an frischen Nervenfasern in isotonischer Kochsalzlösung angestellt, doch haben diese Untersuchungen hinsichtlich einer Klärung des feineren Baues derselben nichts ergeben. Nach einer aufmerk- samen Durchsicht der Arbeit von Nageotte gelange ich zur Überzeugung, dass auch ihm die Untersuchung der frischen Faser nur sehr wenig hinsichtlich einer Klarstellung der feineren Struktur der Faser ergeben hat: einen derartigen Eindruck machen auf mich wenigstens die Mikrophotogramme Nageottes, welche frische Nervenfasern darstellen; so viel ich mich auch bemühte, so konnte ich dennoch auf ihnen weder die Schichtung des Markes, noch den Bau der Ranvierschen Schnürringe, noch überhaupt irgend etwas mit genügender Denutlichkeit unterscheiden, was im- stande wäre, die an fixierten Präparaten erhaltenen Bilder ins richtige Licht zu stellen oder dieselben richtig deuten zu lassen. Ich glaube, dass jeder unparteiische Leser, der sich die Mühe nimmt. die Fig. 1—14 der Taf. XI und die Photogramme a und b der Textfig. 2 in der Arbeit Nageottes durchzusehen, mit mir einverstanden sein wird. Ausserdem glaube ich nicht, dass die unmittelbare Untersuchung der frischen ungefärbten Faser viel Nutzen bringen könnte, zumal hier noch das Mark vorhanden ist. d. h. eine Substanz, welche sich optisch durch eine starke Lichtbrechung auszeichnet. Das in der Markscheide vorhandene protoplasmatische Gerüst kann an einem ungefärbten Präparate nicht sichtbar sein, gerade wegen der starken Lichtbrechung des Markes. Der beträchtliche Glanz desselben löscht vollkommen das Bild des Protoplasmanetzes aus, wie in der Fettzelle der hohe Glanz des Fettropfens das Bild des Kernes, bei ungünstiger Lage des letzteren, selbst bei starker Färbung desselben mit Hämatoxylin, völlig auslöscht. Nageotte ist daher vollkommen Über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. 641 im Unrecht, wenn er behauptet, dass, falls das von mir be- schriebene Protoplasmagerüst tatsächlich bestände, es nichts leichter wäre, als das Gerüst in der lebenden Faser zu sehen „wegen des enormen Brechungsunterschiedes, der zwischen dem Protoplasma und dem Myelin besteht“. Nicht infolge der Feinheit der Trabekel, sondern infolge der starken Lichtbrechung ist das protoplasmatische Gerüst unsichtbar. Ein Unterschied in der Lichtbrechung garantiert noch durchaus nicht, dass ein Gebilde ungefärbt sichtbar sein wird. Der Brechungsunterschied zwischen dem Marke und den sogenannten Kernen der Schwannschen Scheide oder der Markzellen nach meiner Bezeichnung ist gross, nichtsdestoweniger sind diese nicht sichtbar an einer ungefärbten markhaltigen Faser, ausser in den Fällen, wenn sie zum Beobachter in der Seitenansicht gelegen sind. Auf frischen Präparaten kann nach Nageotte, worauf er besonderes Gewicht legt, festgestellt werden, dass 1. der Achsen- zylinder eine beträchtliche Dicke erlangt im Vergleich zu dem Zellfortsatz, aus dem er hervorgeht und dass 2. die Markscheide in der Dicke kaum '/s, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sogar '/a, Y/;s und 's und noch weniger des Durchmessers des Achsenzylinders beträgt. Mit dieser Beobachtung J. Nageottes kann ich mich in keinem Falle einverstanden erklären. Ich glaube, dass auf einer frischen Faser die Dicke des Achsenzylinders nicht bestimmt werden kann, da letzterer durch die stark lichtbrechende Schicht der Marksubstanz, die ihn in Form eines zylindrischen Mantels um- gibt, betrachtet wird. Die Markscheide verzerrt optisch das Bild des Achsenzylinders vollkommen und um eine richtige Vorstellung von dem Durchmesser dieses Gebildes zu erhalten, muss zunächst der in optischer Hinsicht schädigende Einfluss des Markes be- seitigt werden. Dieses wird nur durch die Färbung und Fixierung erreicht. Auf ungefärbten und nicht irgendwie behandelten Fasern wird der Achsenzylinder stets breiter erscheinen als er es tatsächlich ist; nur an den Ranvierschen Schnürringen, wo das Mark fehlt, kann die Dicke des Achsenzylinders erkannt werden. Noch mehr verzerrt wird das Bild des Achsenzylinders in dem Falle, wenn es nicht vollkommen parallel dem Objektträger aufliegt, sondern zu demselben mehr oder weniger geneigt ist. Selbst nach einem Druck auf das Deckglas (was Nageotte vermied) sind die 642 A. Nemiloff: Nervenfasern nicht in einer Ebene angeordnet, sondern ihre Längsachse ist fast nie parallel der Oberfläche des Objektträgers und des Deckglases. Nageotte hat bei seinen Untersuchungen nur deswegen so dicke Achsenzylinder erhalten, weil er die erwähnte „optische Täuschung“ ausser acht gelassen hat, in die wir bei Untersuchung der frischen markhaltigen Faser verfallen. Auch sonst darf die Bedeutung der intravitalen Untersuchung nicht überschätzt werden, und müssen wir stets die Betrachtungen beachten, die Apathy in seiner „Mikrotechnik“ entwickelt hat hinsichtlich der Zuverlässigkeit der optischen Bilder, die bei der Untersuchung lebender ungefärbter histologischer Elemente in einem Medium von geringer Lichtbrechung erhalten werden. Unter diesen Bedingungen werden, wie Apathy gezeigt hat, vorwiegend Refraktionsbilder erhalten, die nicht besonders zuver- lässig sind und deren Charakter stark schwanken kann in Ab- hängigkeit von verschiedenen Nebenumständen, wie Brechung des Mediums, Richtung des auffallenden Lichtstrahles usw. Dies veranlasst mich auch, nachdem ich mich mit der Arbeit Nageottes bekannt gemacht habe, bei meiner früheren Ansicht zu verharren, dass nämlich die natürliche Dicke des Achsenzylinders auf seinem Gesamtverlauf die gleiche, wie an den Stellen der Ranvierschen Schnürringe auf frischen Präparaten ist. Eine gleiche Dicke hat der Achsenzylinder auch in den mit Methylenblau gefärbten und in molybdänsaurem Ammon fixierten Nervenfasern. Desgleichen kann ich mich nicht einverstanden erklären mit der von Nageotte verteidigten Ansicht über die Schichtung des Markes, welcher Struktur dieser Forscher eine besondere Bedeutung zuerkennt. Sowohl an vollkommen frischen isolierten Nerven- fasern, als auch an in Methylenblau fixierten ist keinerlei ge- schichtete Struktur zu erkennen. Bisweilen ist sie jedoch an absterbenden Fasern sichtbar, sowie an Fasern, die mit doppelt- chromsaurem Kali und Essigsäure, mit Flemmings Gemisch und mit einigen anderen Verfahren behandelt worden sind. Wie es auf Querschnitten deutlich zu erkennen ist, so sind in der- artigen Fällen die Nervenfasern stark verändert; besonders scharf treten diese Veränderungen am Achsenzylinder hervor, der auf derartigen Präparaten unregelmässig sternförmig erscheint; wenn Über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. 643 nun ein verhältnismässig resistentes Gebilde, wie der Achsenzylinder, vollkommen entstellt sich darstellt, so ist es schwer zu erwarten, dass auch die Markscheide im ursprünglichen Zustande verbleibt. Tatsächlich ist ihr Aussehen ein durchaus anderes als nach Methylenblaufärbung, sie offenbart in einigen Fällen eine mehr oder weniger deutliche konzentrische Schichtung und ausserdem eine Reihe von radiären Trabekeln, welche die konzentrischen Kreise verbinden. Sowohl die radiären Trabekeln als auch die Kreise selber sind miteinander verbunden und weisen den gleichen Charakter auf, d. h. beide stellen das in gewissem Maße deformierte Protoplasmagerüst der Markzelle dar. Nageotte hält die radiären Trabekeln für besondere protoplasmatische (Gebilde, die sich un- mittelbar auf den Achsenzylinder fortsetzen und zahlreiche Chon- driomiten der Markscheide enthalten, während die konzentrischen Ringe den Ausdruck der Markscheidenschichtung darstellen. Mir scheint es, dass derartige Bilder nur den Beweis dafür ergeben, dass bei einer gewissen Bearbeitung das Gerüst der Markscheide deformiert wird und den Eindruck eines „Baumstammes“ oder eines „Spinngewebes“ gewährt. Diese Bilder jedoch für einen Zerfall des Markes in Schichten anzuerkennen und auf ihnen die Annahme einer Schichtenstruktur desselben zu begründen, wie es Nageotte tut, liegt kein Recht vor. Die Bilder der „spinn- gewebigen“ Anordnung des protoplasmatischen Grerüstes sind jedoch die einzigen reellen Bilder, auf die Nageotte seine Ansichten über die Schichtung der Markscheide stützt. Obgleich er selber anerkennt, dass dieser Zerfall in Schichten ein Kunstprodukt ist, so glaubt er dennoch, dass das doppeltchromsaure Kali mit Essigsäure zu wenig Schichten der Markscheide offenbart und dass tatsächlich die Zahl derselben viel grösser ist. Weiterhin verlässt Nageotte vollkommen den Boden der unmittelbaren Beobachtung und behauptet, dass die Markscheide nach Art eines Kondensors konstruiert ist, dass sie eigentlich einen flüssigen Krystall darstellt usw. Alle diese Betrachtungen und Annahmen wären sehr interessant, wenn sie sich auf streng feststehende Tatsachen stützen würden, wenn sie Hand in Hand mit unmittel- baren Beobachtungen gingen, was jedoch leider nicht der Fall ist. Ich denke, dass jedermann mit mir einverstanden sein wird, dass es zu gewagt ist, sich für die Deutung der physikalischen Natur der Markscheide auf einen derartigen Versuch, wie das 644 A. Nemiloff: Ausgiessen der alkoholischen Lösung des Markes in Wasser, zu stützen. Die Betrachtungen über die Schichtung der Markscheide hat Nageotte nötig, um das von ihm unlängst entdeckte Kunst- produkt „Double bracelet epineux“ zu erklären. Dieses (rebilde auf Präparaten, die mit doppeltchromsaurem Kali behandelt und nach Altmann gefärbt worden waren, liegt an den Stellen der Rhanvierschen Schnürringe und besteht, nach der Beschreibung von Nageotte: 1. aus einer kontinuierlichen zylindrischen Scheide, die den Achsenzylinder an den Stellen der Ranvierschen Schnür- ringe umgibt und von ihm „eylindre de renforcement de la gaine du eylindreaxe“ benannt worden ist: 2. aus einer Reihe abgerundeter Kämme zu je fünf oder sechs für jede Hälfte und 3. aus Stacheln, die diesen Kämmen aufsitzen. Letztere ist Nageotte geneigt für Kunstprodukte zu halten und erkennt sie bloss für den Aus- druck einer von den benachbarten abweichenden Substanz an. Hinsichtlich der zylindrischen Scheide und der Kämme zweifelt er nicht, dass sie tatsächlich vorhanden sind und nimmt an, dass das „Double bracelet“ den Kontakt zwischen zwei interannulären Segmenten verwirklicht. „Hätte Nemiloff“, schreibt Nageotte, „das von mir angegebene Verfahren angewandt, so hätte er sicher nicht so leichthin behauptet, dass sie durch ich weiss nicht welches Artefakt entstehen.“ Ich hatte es durchaus nicht nötig, das von Nageotte vor- geschlagene Verfahren anzuwenden, da die von ihm beschriebenen (rebilde auch an Methylenblaupräparaten sichtbar sind (conf. meine Fig. 2, 4, 8, 9 und 10, Taf. XVI im Bd. LXXVI d. Arch. f. mikr. Anat.). Nageotte selber gibt zu, dass dieses Verfahren sehr demonstrative Bilder der „Doubles bracelets epineux* gewährt. Die Methylenblaupräparate geben jedoch mehr als die mit doppelt- chromsaurem Kali behandelten Präparate. Bei Durchsicht einer grösseren Anzahl von Fasern, die mit Methylenblau gefärbt worden sind, kann eine Reihe von Übergangsformen dieser „Doubles bracelets“ zu Fasern normaler Struktur, wie sie von mir in meinen Arbeiten beschrieben wurden, festgestellt werden. An den Stellen dor Ranvierschen Schnürringe ist eine hohle ring- förmige Verdickung des Neurilemms vorhanden (der sogenannte Zwischenring), welche sich sehr leicht mit Methylenblau und Silber färbt und welche es mir auch gelungen ist, auf Schnitten Über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. 645 zu erhalten.‘) Bei der Betrachtung einer grossen Anzahl mark- haltiger Fasern, die in Methylenblau gefärbt worden sind, können die verschiedensten Bilder einer Quellung und des Durchreissens dieses Ringes beobachtet werden. Diese Bilder können leicht miteinander in Zusammenhang gebracht werden und bestätigen noch einmal, dass im gegebenen Falle tatsächlich ein Hohlgebilde vorliegt. Der Hohlring enthält in grösseren oder geringeren Mengen eine in Methylenblau und mit Silber sich intensiv färbende Substanz. Auf einigen Fasern erscheint dieser Ring fast kollabiert und komprimiert, in welchem Falle Bilder erhalten werden, die an die „Zwischenscheibe“ der Autoren erinnern. In anderen Fällen ist der Ring mehr oder weniger gequollen; je nach dem Grade der Quellung erscheinen die Ringe von verschiedener Dicke. Da Nageotte selber anerkennt, dass „die Reinheit der Linien und die Beständigkeit der Form“ eines Gebildes sichere Kriterien bei Beurteilung „der Treue der erhaltenen Bilder“ sind, so kann ich auf die grosse Beständigkeit dieser Gebilde auf den Präparaten sowie auf die bemerkenswerte Regelmässigkeit der Form dieser Ringe als auf Kennzeichen hinweisen, welche ausser anderen es hindern, sie den Kunstprodukten zuzurechnen. Es ist natürlich schwer anzugeben, welcher Zustand und welche Dicke des Zwischen- ringes als der normale bezeichnet werden muss. Nicht aus- geschlossen ist ausserdem die Möglichkeit, dass bei verschiedenen physiologischen Zuständen auch die Dieke des Ringes eine ver- schiedene ist. und dass deswegen auch diese verschiedenen Quellungsgrade normal sein können. | Meiner Meinung nach unterliegt es jedoch keinem Zweifel, dass, da dieser Ring bisweilen durchrissen erscheint, und da die verschiedenen Zerreissungsbilder ohne Mühe in Zusammenhang gebracht werden und aus dem Bilde des intakten Ringes abgeleitet werden können, derartige Zerreissungsbilder durchaus als Kunst- produkte beurteilt werden müssen. Grewöhnlich reisst die äussere Seite des Ringes ein, während die innere auf dem Achsenzylinder verbleibt und denselben in Form einer kontinuierlichen zylin- drischen Scheide umgibt, welche Nageotte für ein normales Gebilde erklärt und sie als „cylindre de renforcement de la gaine du cylindreaxe“ bezeichnet. Die Ränder der zerrissenen äusseren ı) Fig, 24, Taf. XXXI, Bd. 72, Arch. f. mikr. Anat., 1908. 646 A. Nemiloff: Wand des Zwischenringes schmiegen sich beim Durchreissen an den Anfangsteil beider interannulärer Segmente und sammeln sich hier bisweilen in Form von Ringfalten oder Kämmen an. Die Balken des protoplasmatischen Gerüstes, welches von den Fortsätzen der Markscheidenzellen gebildet wird, erstrecken sich bis an den Zwischenring. Da dieses protoplasmatische Gerüst sich in Methvlenblau schwerer färbt als der Zwischenring, so wird häufig folgendes Bild erhalten: der von der Aussenseite ein- gerissene Zwischenring ist in Methylenblau gefärbt, während von dem protoplasmatischen Gerüst nur einzelne Ästchen in den Anfangsteilen der interannulären Segmente tingiert sind. In diesem Falle wird das Bild erhalten, welches Nageotte als „Doubles bracelets &pineux“ bezeichnet. Diese (rebilde stellen somit meiner Meinung nach Kunstprodukte dar und entstehen einerseits infolge des Zerreissens eines Zwischenringes und Um- wandlung desselben in eine zylindrische Scheide, die den Achsen- zylinder umgibt, andererseits jedoch infolge einer unvollständigen Färbung des protoplasmatischen Gerüstes, das sich nur auf einer kurzen Strecke in der Nähe der Einschnürung selber färbt und sich als vom Zwischenring abgehende Stacheln darstellt. Eine der wichtigsten Seiten der Frage über die Struktur der markhaltigen Faser ist ferner die Klarstellung des Gerüstes der Markscheide. Wie meine Beobachtungen, deren Kontrolle infolge der angegebenen technischen Hinweise nicht schwer ist, an Methylenblaupräparaten gezeigt haben, wird das gesamte (rerüst der Markscheide des interannulären Segmentes von den Verzweigungen einer Zelle gebildet, welche der Schwannschen Scheide von Innen anliegt und irrtümlich als „Zelle der Schwann- schen Scheide“ bezeichnet wird. Wie meine Beobachtungen sowohl an normalen Nervenfasern als auch an solchen, in welchen der Achsenzylinder bei der Zubereitung des Präparates disloziert worden ist, gezeigt haben, verbindet sich das protoplasmatische (serüst niemals unmittelbar mit dem Achsenzylinder. Nageotte ist damit einverstanden, dass in der Markscheide ein protoplasmatisches Gerüst vorhanden ist, er stellt jedoch das- selbe nicht mit den Zellen der Schwannschen Scheide in Ver- bindung, sondern mit dem Achsenzylinder, in dessen Substanz die Trabekeln übergehen sollen. Die Trabekeln sind demnach nach Nageotte Seitenäste des Achsenzylinders. Was veranlasst ihn Über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. 647 zu dieser Ansicht? Zunächst, so sonderbar es auch auf den ersten Blick erscheinen mag, legten Nageotte diesen Gedanken die Bilder des Achsenzylinders nahe, in denen derselbe durch den Einfluss von Reagentien geschrumpft ist und auf dem Querschnitt sternförmig wird. Dann kann deutlich wahrgenommen werden, dass eine derartige regelmässige und konstante Deformation des Achsenzylinders von der Anspannung desselben durch die radiären Trabekeln resp. Seitenäste des Achsenzylinders bedingt wird. Mir scheint es, dass zum Beweise einer derartig wichtigen Frage, wie des Zusammenhanges des Markgerüstes mit dem Achsenzylinder, die Bilder einer schlecht fixierten Faser kaum eine ernste ent- scheidende Bedeutung haben können. Ein derartiges sternförmiges Aussehen erhält der Achsenzylinder nur nach einer ungeeigneten Bearbeitung. Bei einer guten Fixierung ist der Achsenzylinder auf dem Querschnitt vollkommen rund, wobei durch eine passende Färbung der Achsenzylinder ohne besondere Mühe recht scharf von dem protoplasmatischen Gerüst abgesondert werden kann. Ich spreche nicht von der Methylenblaufärbung, bei deren Anwendung unzweifelhafte Beweise des Fehlens eines unmittelbaren Zusammen- hanges zwischen dem Achsenzylinder und dem Protoplasmagerüst erhalten werden; es genügt hierzu bereits die Färbung des im Chrom- essigsäuregemisch fixierten Nervenquerschnittes mit Bordeaux R und Hämatoxylin nach Heidenhain. Die Trabekeln des proto- plasmatischen Gerüstes nehmen alsdann eine charakteristische schokoladenbraune Färbung an, während der Achsenzylinder eine braune oder sogar rötliche Färbung erhält. Dieses Verhalten weist bereits auf eine verschiedene Natur derselben hin. Ausser- dem gelingt es jedoch selbst bei einer sehr sorgfältigen Unter- suchung derartiger Querschnitte nicht, jemals einen unmittelbaren Zusammenhang des Achsenzylinders mit dem schwammigen Gerüst festzustellen. Ein zweiter Beweis für den Zusammenhang des Achsen- zylinders mit dem protoplasmatischen Gerüst ist nach der Ansicht Nageottes die Anwesenheit gleicher Chondriomiten in beiden (rebilden. Auch dieser Beweis scheint mir nicht besonders über- zeugend, auch Nageotte selber hält ihn augenscheinlich nicht für unanfechtbar, da er ihn mit einem gewissen Vorbehalt gibt. Zunächst ist es durchaus nicht bewiesen, dass die in Rede stehenden Gebilde tatsächlich Chondriomiten sind, da sie von Essigsäure 645 A. Nemiloff: nicht angegriffen werden, während die Chondriomiten der Nerven- zellen, wie es Nageotte selber beobachtet hat, von Essigsäure verändert werden. In der Frage über die Chondriomiten ist überhaupt grosse Vorsicht erforderlich, da kein strenges Kriterium vorhanden ist, um ein Gebilde als Chondriomiten zu bezeichnen. Nageotte gelang es nicht nur nicht, die Herkunft und die Rolle derselben klarzustellen (was einiges Licht auf diese rätselhaften (rebilde werfen könnte), sondern gibt auch keinen anderen Beweis für die mitochondriale Natur derselben als seine eigene Über- zeugung. Nageotte hat diese Stäbchen mit vier verschiedenen Methoden nachgewisen, hätte er sie jedoch auch mit zehnfach so vielen Metlioden nachgewiesen, so wäre auch dann bei der Kompliziertheit des nicht festgestellten chemischen Bestandes des Markes die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass diese „Chon- driomiten“ irgendwelche Zerfallsprodukte des Markes sind, denen eine tiefere morphologische Bedeutung abgeht. In jedem Falle kann die Anwesenheit derartiger gefärbter Stäbchen nicht als Beweis dienen dafür, dass die Trabekeln des protoplasmatischen (serüstes Seitenäste des Achsenzylinders darstellen. Auf Grund des Unterschiedes derselben Chondriosomen, deren Natur mehr als verdächtig ist, und der Chondriosomen der Schwann- schen Zellen zweifelt Nageotte an dem Zusammenhange der Schwannschen Zellen mit dem Neurokeratingerüst und erklärt die von mir erhaltenen Bilder nur dadurch, dass die Schwannsche Zellen mit dem protoplasmatischen Gerüst mitgefärbt sind. „Daraus“, schreibt er, „dass zwei einander eng sich anschmiegende Substanzen in gewissen Farblösungen zusammen gefärbt werden können, darf man nicht den Schluss ziehen. dass sie ein und dasselbe Ganze bilden. Durch ein anderes Verfahren könnte man sie vielleicht einzeln färben.“ Den Zusammenhang der Schwannschen Zellen mit dem protoplasmatischen resp. Neurokeratingerüst der mark- haltigen Faser ist mir gelungen mit verschiedenen Methoden festzustellen, und nicht allein vermittelst des Methylenblau- verfahrens.. Wenn bei Anwendung anderer Verfahren man an- nehmen kann, dass die Elemente dermassen intensiv tingiert sind. dass die Grenze zwischen Schwannschen Zellen und dem protoplasmatischen Gerüst einfach maskiert ist, so ist ein der- artiger Skeptizismus in bezug auf Präparate, die in Methylenblau gefärbt sind, durchaus nicht am Platze. Die nach diesem Ver- Über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. 649 fahren behandelten Präparate ergeben dermassen deutliche Bilder, dass an ihrer Zuverlässigkeit keine Zweifel aufkommen. Selbst bei der Betrachtung mit starkem apochromatischem Immersions- system (Zeiss, homog. Immers. 1,5 mm, Apert. 1,50) lässt sich nirgends irgendwelche Diskontinuität in diesem Gerüste nach- weisen. Falls in der „Schwannschen Zelle“ Fibrillen sichtbar sind, so sind sie es auch in den Trabekeln des protoplasmatischen (rerüstes. Hat das Protoplasma der „Schwannschen Zelle“ einen körnigen Bau, so wird dieselbe Körnelung auch in dem Gerüst der markhaltigen Faser gefunden. Wird eine Nervenzelle mit Methylenblau gefärbt, so zweifeln wir doch nicht daran, dass die Dendriten und der Neurit von der Nervenzelle entspringen. Im äussersten Falle genügt eine Kontrolle mit dem Immersionssystem. Warum soll denn im gegebenen Falle an dem Vorhandensein eines unmittelbaren Zusammenhanges gezweifelt werden? Zugegeben sogar, dass bei der Methylenblaufärbung Irrtümer, wie sie Nageotte annimmt, möglich sind, so könnten doch derartige Trugbilder nicht die allgemeine Regel darstellen, sondern nur zufällige sein (z. B. bei einer sehr intensiven Färbung). Bei der grossen Anzahl der von mir verschiedenen Tieren entnommenen Fasern wird jedoch stets das gleiche Resultat erhalten; kein einziges Präparat konnte hierbei in dem von Nageotte gewünschten Sinne gedeutet werden. Wenn es auch Nageotte gelang, bei Anwendung einiger Unter- suchungsmethoden die Nervenfaser dermassen zu deformieren, dass dieser Zusammenhang schwand, so beweist dieses noch nicht, dass er es durchaus mit dem tatsächlichen Bau zu tun gehabt hatte. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit des mikroskopischen Bildes ist jedenfalls das Methylenblauverfahren den recht groben, von Nageotte angewandten Methoden vorzuziehen. Die zweite Frage, in der ich mit Nageotte nicht über- einstimmen kann, ist die Frage, wo sich das Mark befindet. Nach meinen Beobachtungen, die an Fasern angestellt waren, welche entweder vollkommen vom Mark befreit waren, oder in welchen das Mark nur teilweise extrahiert war, schloss ich mich der unter den Histologen allgemein verbreiteten Ansicht an, dass das Mark in den Hohlräumen des Neurokeratin- resp. protoplasma- tischen Gerüstes eingeschlossen ist. Nageotte findet. dass eine derartige Entscheidung der Frage „zu einfach“ sei und spricht die Meinung aus, dass das Mark in den Trabekeln selber gelegen 650 A. Nemiloff: Über den Bau der markhaltigen Nervenfaser. ist, in den Hohlräumen dagegen findet sich eine Osmiumsäure reduzierende Substanz, die schwach lichtbrechend ist. Diese Sub- stanz bestimmt Nageotte nicht näher und bringt auch keine Beweise zugunsten seiner Annahme an, ausser dem Hinweis, dass andererseits es schwer ist, die Konstanz der Richtung der Polarisationsachsen zu erklären. Diese Ansicht Nageottes muss daher als eine einfache Annahme angesehen werden, mit der zuerst zu rechnen sein wird, wenn man sichere Beweise zugunsten derselben erbringen wird. Ich will hier nicht einige nebensächliche Meinungsverschieden- heiten zwischen Nageotte und mir, sowie die Gedanken seiner Arbeit, mit denen ich durchaus nicht einverstanden bin, berühren. Ich habe nur zur Feder gegriffen, um einige Grundfragen, im denen ich mit Nageotte durchaus nicht einverstanden bin, schärfer hervorzuheben. Ich will auch nicht die Frage entscheiden, welches von beiden Strukturschemata, das von Nageotte oder das meinige, mehr dem tatsächlichen Bau der markhaltigen Faser entspricht. Ich erlaube mir nur zu hoffen, dass künftige Forschungen klar erweisen werden, wer im Recht war, Nageotte oder ich. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. LXXIX Abt. 1. ‚Archiv Kmikroskon. Anatomie BA.LXNIN, AbL.I. rchiv Kmikroskon.Anatomie h TEN Werner u Hinten Frankart UM. un Archiv Emikroskop. Anatomie Ba.uXMN, Abt. UMHlN B.Haller gez Werner u Hinter, Frankfurt MM TER Werner ı1 Minten Frankfurt ME, p= Irchiv Emikroskon. Anatomie Ba.LXXIX, AbKI. 4 Archür fmikroskop. Anatomie. Bd.LXN, Abtı, Werner u Winter, Franklurt®M Ri ‚Archiv f'mikroskop. Anatomie BALAXIX, Abt. Taf. Werner u. Winter, Frankfurt® Archiv [mikroskop. Anatomie BALXMN, Abt 1. KLHIIINIIEN TINTE m Werser a.Winter, Frankfar£® HM. Fa ıE ‚Archiv Lmikroskon. Anatomie. Bd.LXXX, Abt. Tat vm Pr z L.2 a 3 SE vr er! e (2 Bl B} 20 > RT, OD 51 ae 0 EN SP. te 6 Tarnera inter Frankhurtait: TafX. Archiv Emikroskon. Anatomie Ba.LXXIN, Abt 1. u. Winter, Frankfurt M. Werner Archiv f. mikroskop. Anatomie. Ba. LXXINX, Abt, T, Dr. Mag. | l. dors. L. | \ cr. Mag. | S S (6) l ab. Duod. S | Be un N N < = = I Y S S ® Q EN \ N 3% auf. Prim. . N "I u ns S en 1.Urn &n "S Q 5 SD N m N u ' N 5 N % Do. 4A. Det. ven. #25 Sch. Duod. auf. Prim.- D 2. Do. AN /. Do. Il ab. Prim. auf. Prim. N S (6) N l. Urn Endd. Zn on e_Do. SL. Doppeltonlichtdruck von Herrm. Hadorff & Co., Berlin. Archiv £mikroskon Anatomie BALXXIX AbEI Arch Kmikroskon. Anatomie ba.LXNIX, Abt.1. EoeeTTe Pe 6-*) {) EIEL Abe Men ee 5068 nr SIR ILL 2 aD IOE SL NeNeN arner u. Winter Frankfurt. Archiv Kmikroskon. Analomie. Ba.LXXN, AbLL. x = E u 3 gr F % ie . g gene $ “= d r 3 Ps a FR „R % g ne F er er Bf 2 7 o,j8e ? 9 ge + ni a Re 2.2 BB uen “Qf® g° ed . ® © ee »* a 1 ‘® 3 a B Se a» 8% en. 3 ee 5 es “ r Som» sd © PN ® #5 8 K BC Bet 1 a 8 Fa 99 wen ee ee 9° 23 u & (7%) 9) ans 989° : @ T 7 Rx Pr: W " & @ RN he BL Se 8 oe ® FOR e® ®& re ® © So Werner u Winter Frankfurt“ M. VIE » Kıt. ‚Irchiv Emikroskop. Anatomie BALNNN, Abtı. Archiv Emikroskon. Anatomie BA.LXNIX, AbLU. Taf XV. arte Zr a nn een res Werner u. Winter, Frankfurt®M. Archiv KEmikroskon. Anatomie BA.IXXN, Abt. 220) _c AbLI. y al, Archiv Emikroskon. Anatomie ba. HIRIHRIHIHINSUNN En 9777 Hit R SEE Archiv Emikroskop. Anatomie BA.LXMA, AbL1. u Taf XVII. N D Bu; a a - Taf X. AbLI. Archiv £nukroskon. Anatomie BALXX ter Fran} er u. Wint Versor Ta7; \ = n N PN | i h ‚Jh Ö Kur N ’ a RN ; a < du Wu RR Taslin.atr F f 2 vi h Ani I a jr Par] CU GT In" h u Dan ALLE) Archiv £ mikroskon. 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