ne So f ya! LAK ML ee Pe NT SLR A) RN KUN) S S. Ne: HA N TRRDUEUN Ki Hate GN a Bi TR vr hy e4 v IN N N IN N Su) ) “ \ AR er BaIN TEWR Mon SON ir A " INA NN u h \ N Di 0 TREO NISORNN en si Y aan) h INN R j Fun AUIKIN N ER DU nr f BUN NIE NRERRD ER N DERR, DEU BRNO PUAAUTRN Mh NEAR Dry BOTEN OR BONES ORLEANS ROH UN N KH u N N un 1 ; \ HIZURBRN " u " ana N en N?) M MAN - Y N Di SON (N Al BR Mu AN | N u A N eh 2 RLOR IS \ EN KAyOt an N j' Nie A In AU h N vi BR in! AN KORAN \ VNGERRRFNRA. 0 SS NE, “ d Al KR r ; u ee % In UNE Ba Hau AR RD gr Mala z L AHA Fe a ARCHIV +. für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung, für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererhungslehre herausgegeben von O0. Hertwig und W. Waldeyer in Berlin Dreiundachtzigster Band Mit 39 Tafeln und 139 Textfiguren BONN Verlag von Friedrich Cohen 1913 anoig REITEN ar ARter rt Be we 4 = ee RT SD Na sr AR IT z ee | a Inhalt. Abteilungl. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 22. Sept. 1913. Untersuchungen über die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnen- fibrillen. Von Dr. Tiberius P&terfi. (Aus dem I. Anatomischen Institut der königl. ung. Universität in Budapest. [Vorstand: Professor Dr. M. v. Lenhosse&k.]) Hierzu Tafel I—III und 13 Textfiguren ; Die Entwicklung des EL Erd yore erhlsktletts von Peiruen fluviatilis, Von Alban Schalk, Mainz a. Rh. Hierzu Tafel IV und 34 Textfiguren Die zentralen Sinnesorgane bei ron Een D. Odessa. Hierzu Tafel V und VI N Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe And Beer Von Joseph Schleidt. (Aus dem Histologischen Institut in Wien.) Hierzu Tafel VII : Der mikrochemische Nachweis der Persisilane a ade eenegdase in tierischen Geweben. Von Dr. Richard Fischel, Bad Hall. (Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik der deutschen Universität in Prag. [Vorstand Prof. ©. Kreibich)) n Drittes Heft. Ausgegeben am 25. Oktober 1913. Über Mitochondrien (Chondriokonten) und mitochondriale Stränge (= sog. Eberthsche intrazelluläre Gebilde) in den Epidermiszellen der Anurenlarven nebst Bemerkungen über die Frage der Epidermis- Outisgrenze. Von Sakae Saguchi. (Aus dem Anatomischen Institut zu Kanazawa, Japan.) Hierzu Tafel VIII—XII und 5 Texifiomen. ...... EEE PR HRETEN TORE, ME Untersuchungen über Blut und Erenche v1. Über Blutmastzellen. Von Dr. Alexander Maximow, Prof. der Histologie und Embryologie an der Kaiserlichen Medizinischen Militär-Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XIII und XIV : Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L., und Aler das Phänomen der momentanen Ballung und Ausbreitung ihres Pigmentes. Nach Beobachtungen an der lebenden Zelle. Von Prof. Dr. med. et phil. E. Ballowitz, Direktor des Anatomischen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster i. W. Hierzu Tafel XV und XVI. Über die Bildung von Leukozyten in der an und Bechen Thymus des erwachsenen Organismus. Von Paul Weill. XI. Fortsetzung der „Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe“. Von Franz Weidenreich. (Aus dem Anatomischen Institut in Strassburg.) Hierzu Tafel XVII und XVIII ae Seite 43 68 118 130 ID Hm |] 290 IV Seite Plasmafibrillen und Chondriokonten in den Stäbchenepithelien der Niere. Von Dr. A.N. Mislawsky aus Kazan. (Aus der Anatomischen Anstalt zu Tübingen.) Hierzu Tarelexprsr 7 ee ee Viertes Heft. Ausgegeben am 8. Dezember 1913. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. Von Dr. L. Gräper, erster Assistent am Anatomischen Institut Breslau. Hierzu 18 Textfiguren . . . 3 Über die Entstehung der es eeheetften Muskalsuh ba En ie Forelle, Beiträge zur Teilkörpertheorie II. Von Martin Heidenhain (Tübingen). (Aus der Anat. Anstalt zu Tübingen.) Hierzu Tadel RR UN ee ee N Abteilung I. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 22. Sept. 1913. Seite Die Oogenese des Zoogonus mirus Lss. Von Dr. F. Wassermann, Assistent am Anatomischen Institut München. (Aus dem Anat., Institut München. [Direktor Prof. Dr. J. Rückert.]) Hierzu Tafel I-IV und 43 Textfiguren . .. 1 Die Entwicklung von Forelleneiern nach Betzuchime‘ iR ee bestrahlten Samenfäden. Von Karl Oppermann. Hierzu Tafel. NIE und-10 Dextnguren.. . 0. 0.0 2 Drittes Heft. Ausgegeben am 25. Oktober 1913. Über die Spermio- und Oogenese der Sclerostomum-Arten des Pferdes unter besonderer Berücksichtigung der Heterochromosomen- forschung. Von Kurt Kühtz. (Aus dem Biologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel VIIIT—X und 8 Textfiguren 191 Viertes Heft. Ausgegeben am 8. Dezember 1913. Beeinflussung der männlichen Keimzellen durch chemische Stoffe. Von Günther und Paula Hertwig. (Aus dem Anat.-biologischen Institut zu Berlin und der Zoologischen Station zu Neapel.) Hierzu Tafel XI, XII und 6 Textfiguren . . .. 267 Die Entwicklung von Forelleneiern nach Bean ii Fade bestrahlten Samenfäden. II. Teil. Das Verhalten des Radium- chromatins während der ersten Teilungsstadien. Von Dr. Karl Oppermann. Hierzu Tafel XIII und 2 Textfiguren . . . . 307 Die Samenbildung bei den Enten. Von Karl Schöneberg. (Aus dem Anatomisch-biologischen Institut der Berliner Universität.) Hierzu? Tatel XIV INIE: 2... 220.00 22 eh Literarisch-kritische Rundschau: Hartog, Mathematics and Mitosis 370 ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererbungslehre herausgegeben von O0. Hertwig und W. Waldeyer in Berlin Dreiundachtzigster Band I. Abteilung Mit 22 Tafeln und 70 Textfiguren BONN Verlag von Friedrich Cohen 1913 Pa a) Dt MU nn ur Y, ne; + AR f FRE Mana an R ". j E | A es M\ BEE BENDESETERN u Rn re r Be ne kan einide ai er, | Pe. ir ! “ Aus, Ip Beau. BA In n . | ae en ae u B g b IS yore Br x j Sue Re Dan 8 b j SURBER.: - ee ur 207 4 ee Inhalt. Abteilung. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 22. Sept. 1913. Untersuchungen über die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnen- fibrillen. Von Dr. Tiberius P&terfi. (Aus dem I. Anatomischen Institut der königl. ung. Universität in Budapest. [Vorstand: Professor Dr. M. v. Lenhossek.])) Hierzu Tafel I-III und 13 Textfiguren EN an ee ae Die Entwicklung des Cranial- und Visceralskeletts von Petromyzon fluviatilis. Von Alban Schalk, Mainz a. Rh. Hierzu Tafel IV und 34 Textfiguren : NE A N > 0 Die zentralen Sinnesorgane bei Pottomyz, zon. Von D. Tretjakoff, Odessa. Hierzu Tafel V und VI Er wi; Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. Von Joseph Schleidt. (Aus dem Histologischen Institut in Wien.) Hierzu Tafel VII Ä Der mikrochemische Nachweis der Perry die und Beaudoerdase in tierischen Geweben. Von Dr. Richard Fischel, Bad Hall. (Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik der deutschen Universität in Prag. [Vorstand Prof. ©. Kreibich)) Drittes Heft. Ausgegeben am 25. Oktober 1913. Über Mitochondrien (Chondriokonten) und mitochondriale Stränge (= sog. Eberthsche intrazelluläre Gebilde) in den Epidermiszellen der Anurenlarven nebst Bemerkungen über die Frage der Epidermis- Uutisgrenze. Von Sakae Saguchi. (Aus dem Anatomischen Institut zu Kanazawa, Japan.) Hierzu Tafel VIII—XI und 5 Textfiguren re Untersuchungen über Blut dl Bindegewebe VI. Über Blutmastzellen. Von Dr. Alexander Maximow, Prof. der Histologie und Embryologie an der Kaiserlichen Medizinischen Militär-Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XIII und XIV i Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L., und über das Phänomen der momentanen Ballung und Ausbreitung ihres Pigmentes. Nach Beobachtungen an der lebenden Zelle. Von Prof. Dr. med. et phil. E. Ballowitz, Direktor des Anatomischen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster i. W. Hierzu Tafel XV und XVI. Über die Bildung von Leukozyten in der Menaehnehen und erische n Thymus des erwachsenen Organismus. Von Paul Weill. XI. Fortsetzung der „Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden Organe“. Von Franz Weidenreich. (Aus dem Anatomischen Institut in Strassburg.) Hierzu Tafel XVII und XVII Seite 65 118 130 177 247 20 305 IV . 1 Seite Plasmafibrillen und Chondriokonten in den Stäbchenepithelien der Niere. Von Dr. A.N. Mislawsky aus Kazan. (Aus der Anatomischen Anstalt zu 'Tübingen.) Hierzu TateleXıx 7 er ae Viertes Heft. Ausgegeben am 8. Dezember 1913. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. Von Dr, L. Gräper, erster Assistent am Anatomischen Institut Breslau. Hierzu 18 Texthigürent Syn ar rer A ee aa Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz bei der Forelle. Beiträge zur Teilkörpertheorie II. Von Martin Heidenhain (Tübingen). (Aus der Anat. Anstalt zu Tübingen.) Hierzu 3 )- Tafel XX— XXI. 427 Aus dem I. Anatomischen Institut der königl. ung. Universität in Budapest. (Vorstand Prof. Dr. M. v. Lenhosse6k.) Untersuchungen über die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehneniibrillen. Von Dr. Tiberius Peterfi, Assistenten des Institutes. Hierzu Tafel I—III und 13 Textfiguren. Auf der 25. Versammlung der Anatomischen Gesellschaft in Leipzig ım Jahre 1911 hat OÖ. Schultze in seinem Vortrage über „Die Kontinuität der Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen“ die Behauptung aufgestellt, dass die Myofibrillen der quer- gestreiften Muskelfasern sich unmittelbar in die Sehnenfibrillen fortsetzen, so zwar, dass zwischen den kontraktilen Fibrillen und den kollagenen Fibrillen keine scharfe Grenze zu konstatieren ist. Ausführlich publizierte er seinen diesbezüglichen Vortrag im 79. Band des Archivs für mikroskopische Anatomie unter dem Titel „Über den direkten Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnen- fibrillen“ und gelangt auf Grund seiner aus den Muskeln von Hippocampus, Amphioxus und Amphibienlarven gewonnenen Präpa- rate zu folgenden Schlüssen: 1. Die Myofibrillen setzen sich ohne jede besondere Kitt- substanz unmittelbar in die Sehnenfibrillen fort. 2. Die kontraktile Substanz wandelt sich ohne scharfe Grenze in das kollagene Gewebe um (die Querstreifung verwischt sich allmählich und die Färbung der Myofibrillen geht unmerklich in die der Kollagen- fasern über). 3. Am Ende der Muskelfaser durchbohren die zu Sehnenfibrillen umgewandelten Muskelfibrillen das Sarkolemm und verlassen so die Muskelfaser. In der Diskussion zum Vortrag OÖ. Schultzes bestätigten fast ausnahmslos die verschiedensten Forscher (v. Froriep, Maurer, Held, Strahl, Roux, Fick, Mollier, Emmel) die Behauptungen desselben und unterstützten seine Angaben mit ihren eigenen Beobachtungen. So hebt Maurer hervor, dass er die von Schultze beschriebenen Muskel-Sehnenübergänge bei sämtlichen Vertebraten beobachten konnte. Archiv f.mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 1 [86] Iıhreri ws Beterisıe Held unterstützt und belegt mit entwicklungsgeschichtlichen ‚Beobachtungen die Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen. Im Sinne dieses Autors unterscheiden wir Sehnenfibrillen rein myo- blastischer Genese und solche, die aus dem Perimysium hervor- gehen. In der Entwicklung der Myofibrillen mit myoblastischer Herkunft beschreibt er drei Stadien. Im ersten Stadium finden sich noch keine Fibrillen im Myoblast, doch zwischen den Myo- blasten sind Plasmodesmosen (Primärsehnen) sichtbar. Im zweiten Stadium kommen quergestreifte Fibrillen im Myoblast zur Ent- wicklung und setzen sich dieselben in Fäserchen ohne Quer- streifung fort, die alsdann gegen die Plasmodesmosen auswachsen. Im dritten Stadium wachsen die ungestreiften Verlängerungen der Myofibrillen ganz in die Plasmodesmosen ein, die wiederum ihren ursprünglichen plasmatischen Charakter verlieren und fester werdend eine Bindegewebsfärbung darbieten. Roux hob die Beobachtung hervor, dass in der Rücken- muskulatur eines kyphotischen Menschen die Muskeltibrillen nach- träglich sich (infolge Selbstregulierung der Länge des Muskels) in Sehnenfibrillen umwandeln. Es wäre somit möglich, dass die Muskelfibrillen direkt in Sehnenfibrillen übergehen. Mollier gelangte auf Grund seiner eigenen Untersuchungen zur gleichen Auffassung betreffs der Kontinuität der Muskel- und Sehnenfibrillen wie O. Schultze. Emmel bestätigte die Angaben Schultzes mit der Be- obachtung, dass er bei eigenen Untersuchungen der Muskulatur der wirbellosen Tiere, insbesondere an der Muskelregeneration der Crustaceen, die Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen kon- statieren konnte. In der Diskussion gaben der entgegengesetzten Auffassung nur M. Heidenhain und von Ebner mehr oder minder Aus- druck. Heidenhain betonte, dass er wohl an seinen aus Amphibienlarven gewonnenen Präparaten ebenfalls die unge- streiften Enden der quergestreiften Fibrillen sah, vermag aber dieselben, wie er dies in seinem Buche „Plasma und Zelle“ ab- bildete und beschrieb, nicht als Sehnenfibrillen zu bezeichnen, da in denselben Kontraktionswellen entstehen und sie daher ofienbar kontraktiler Natur seien. Diese ungestreiften Enden hat er als denjenigen Teil der Fibrillen angesehen, vermöge dessen das Längenwachstum der Faser vor sich geht. Da ferner die am Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. B) Ende der Muskelfaser sichtbaren Kontraktionswellen am Sarkolemm mit scharfer Grenze abschneiden, wäre es möglich, bei Beobachtung dieser Kontraktionswellen die Muskelsubstanz genau vom Binde- gewebe abzusondern. v. Ebner erinnert daran, dass die bisherige sich wesentlich auf die mit starker Kalilauge isolierten Präparate stützende An- schauung nur schwer mit der direkten Kontinuität der Muskel- und Sehnenfibrillen in Einklang zu bringen ist. Nach der Arbeit Schultzes erschien alsbald die ähnliche Mitteilung W. Loginows, betitelt: „Zur Frage von dem Zusammen- hang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen“* (Arch. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. 1912, HI—IV, 171—1S6). Auch diese Unter- suchungen gingen aus dem Würzburger Anatomischen Institut hervor. Der Autor studierte mit der Technik Schultzes an den Muskeln des Hasen, des Pferdes, Kalbes und Menschen die Beziehungen der Muskel- und Sehnenfibrillen. Der Autor sagt wört- lich folgendes: „Nach den Untersuchungen von OÖ. Schultze blieb nur übrig, diese Tatsache auch an den Muskeln anderer Tiere wahrzunehmen und zwar hauptsächlich dort, wo die Muskelfasern schräg an die Sehnen oder Fascien herantreten, wie es ja bei den gefiederten Muskeln der Fall ist.“ Er machte daher einesteils diejenigen Muskeln zum (Gregenstande seiner Untersuchung, die sich gerade in die Sehne fortsetzen, andererseits diejenigen, bei welchen die Muskelfasern schief der Sehne anhaften. In jedem Falle fand er mit den Beobachtungen Schultzes übereinstimmende Bilder, die Myofibrillen setzen sich überall, daher auch in den schief anhaftenden Muskelfasern, unmittelbar in die Sehnenfibrillen fort. Er bestätigte die allgemeine Gültigkeit der Schultzeschen Anschauung auch dadurch, dass er die verzweigten Muskel- fasern des retrolingualen Lymphsackes des Frosches untersuchte und auf Grund elastischer Färbung (Chromhämatoxylin-Orcein) konstatierte, dass sich hier die Myofibrillen in elastische Fasern fortsetzen. Diese Frage, auf deren Wichtigkeit schon Kohn auf der Leipziger Versammlung hinwies, löste Loginow vollkommen im Sinne der Auffassung Schultzes. Die wertvollen und gründ- lichen Untersuchungen Loginows ergänzen und bestätigen ganz entschieden die Behauptungen O. Schultzes. Aus all dem geht hervor, dass seit dem Vortrage und der Publikation Schultzes die in dieser Frage sich äussernden 12 4 Tiberius Pe&terfi: Histologen fast ausnahmslos die Theorie akzeptierten und ihrerseits mit neueren Untersuchungen bekräftigten. Die Erklärung dieses Erfolges liegt einesteils in der Natur des aufgeworfenen Problems, andererseits in der überzeugenden Kraft der Präparate Schultzes. Die Frage selbst zählte, wie gemeiniglich bekannt, zu den unge- lösten Problemen der Histologie. Selbst im Trait&e d’Histologie von Prenant-Bouin-Maillard (1911) finden wir über diese Frage nur folgendes erwähnt: „La fibre musculaire se prolonge par un tout petit tendon elementaire ..... Le mode d’union de la fibre musculaire avec ce tendon e&l&mentaire n’est pas encore parfaitment dlueide. On peut dire que ce petit tendon est le prolongement du tissu conjonctif endomysial et peut-etre aussi du sarcolemme qui entourent la fibre musculaire* (T. I, 9.335). In welcher Verbindung die Muskelfaser mit der Sehnenfaser stehe, ob die Sehnenfibrillen Fortsetzungen der Myofibrillen seien, wie dies vor Schultze von Fick, Wegener und Golgi be- hauptet wurde, oder ob die Sehnenfibrillen aus dem Perimysium resp. Endomysium ihren Ursprung nehmen, wie dies auf Grund der Untersuchungen von Kölliker, Biesiadecki und Herzig durch Weismann und Ranvier allgemein verkündet wurde: diese Frage wurde bis Schultze, trotz der einschlägigen vielen Untersuchungen, nicht in dem Maße der notwendigen eingehenden und modernen mikrotechnischen Bearbeitung teilhaftig, wie es die Entscheidung derselben erheischt. In einer Frage, bei welcher die Beziehungen einer hart an der Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit stehenden Muskelfibrille zu den Sehnenfibrillen in Betracht kommen, können mit starker Lauge oder Säure be- handelte, ungefärbte oder undifferenziert gefärbte, isolierte Präpa- rate keine beweisende Kraft haben. Trat im Präparate der Zusammenhang zwischen Myofibrillen und Sehnenfibrillen nicht deutlich hervor, so konnten die Anhänger der Kontinuitätslehre mit Fug und Recht einwenden, dass dies nur eine Folge der roheren Präpariermethode sei. Wurde andererseits die Muskelfaser in engem Zusammenhange mit der Sehnenfibrille isoliert, so konnten die Gegner der Kontinuitätslehre stets den Einwand erheben, dass dieser Zusammenhang nur ein scheinbarer sei, indem die Sehnenfibrillen nicht aus der Muskelfaser ihren Ursprung nehmen, vielmehr oberhalb derselben am Sarkolemm liegen. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 9) Es ist das Verdienst OÖ. Schultzes, dieses minutiös feine histologische Problem mit der der Subtilität der Frage angemessenen modernen Technik und eingehenden Genauigkeit kritisch beleuchtet zu haben. Mit gutem Rechte konnte Loginow behaupten, dass: „Nach den Untersuchungen von O. Schultze bekam die Frage von der Kontinuität zwischen Muskel und Sehne einen festeren Boden.“ Er demonstrierte an 2 « dicken Schnittserien, an ent- sprechend fixiertem Material und scharf gefärbten Präparaten, dass die Myofibrillen sich direkt in die Sehnenfibrillen fortsetzen. Es erscheint daher nur verständlich, dass ein grosser Teil der Forscher sich eher der Erklärung zuwandte, welche sie an mit moderner Technik gemachten deutlichen Präparaten ablesen konnten, als der alten Auffassung, die auf mit obsoleter Technik gemachten Schnitten basierte und eher hypothetischer Natur war. Auch ich vermag durch besondere Gefälligkeit des Herrn Prof. O. Schultze nach persönlicher Einsichtnahme zu bestätigen, dass seine Präparate mit überzeugender Kraft und in klarer Weise die aus denselben gefolgerten Tatsachen demonstrieren und dass die nach denselben angefertigten Abbildungen in künst- lerischer Weise lehrreich und naturgetreu erscheinen. Ein wesentlicher Mangel der Schultzeschen Untersuchungen springt aber sofort nach Durchsicht der Arbeit in die Augen, dass er nämlich seine ganze Theorie aus ungefärbten oder mit nicht ent- sprechend differenzierender Färbung tingierten Präparaten ableitet. Trotz der Osmium-, Kalibichromat - Ösmium-, Formol - Alkohol- fixierungen, der Einbettung in Paraftin-Collodium, der 2 « dicken Schnittserien, kurz sämtlicher technischer Errungenschaften, die der bisherigen mit Kalilauge, heissem Wasser und Ranvier- schem Alkohol arbeitenden Technik gegenüber einen grossen Fortschritt bedeuten, spielen in den Untersuchungen Schultzes noch immer die isolierten, ungefärbten Präparate eine allzu grosse Rolle. Wohl ergänzt er die hieraus gefolgerten Beobachtungen auch durch die Untersuchung von Schnittpräparaten, die letzteren sind aber nur mit Ohromhämatoxylin oder Uhromhämatoxylin-Fuchsin S, beziehungsweise mit Van Gieson gefärbt. Loginow unter- suchte schon vorwiegend Schnittpräparate, die er aber auch nur mit Schultzeschem Chromhämatoxylin-Fuchsin S oder mit Van Gieson-Färbung behandelte. (Lediglich bei der Färbung der ver- b Tiberius Peterfti: zweigten Muskelfasern des retrolingualen Lymphsackes benutzte er eine gut differenzierende Färbung, die mit Chromhämatoxylin-Orcein, worauf ich übrigens später zurückkommen will.) Dieses Färbungs- verfahren ist wohl, wie ich im Nachstehenden beweisen will, gerade zur Demonstration der Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen ganz besonders geeignet, kann aber trotzdem keineswegs als elektive Färbung bezeichnet werden. Das Chromhämatoxylin selbst färbt die Mvofibrillen ebenso wie die Sehnenfibrillen, höchstens mit dem Unterschiede, dass es an den Myvofibrillen auch die Q- und Z- Streifen dunkelblau zu tingieren imstande ist. Andererseits ist auch das Fuchsin S nicht als spezifisches Färbemittel für Binde- sewebe zu bezeichnen, wiewohl es am intensivsten die Kollagen- fasern rot färbt. Als nicht spezifisch muss die Färbung deshalb bezeichnet werden: 1. da sie die Mvyvofibrillen ebenfalls färbt, 2. weil sie eine diffuse Tinktion zur Folge hat. So vermögen wir daher die Tatsache, dass bei der Färbung mit Fuchsin S die rote Tinktion der Kollagenfasern diffus auch auf die Myofibrillen übergreift, viel einfacher so zu erklären, dass die Färbung mit Fuchsin S nicht genügend differenziert, als mit der Annahme, dass die Myofibrillen an dieser Stelle zu kollagenen Fibrillen sich umwandeln. Mit einem Worte, weder das Chrom- hämatoxylin, noch das Fuchsin S sind jene mikrotechnischen Reagentien, mit Hilfe welcher man die Kontinuität der Myofibrillen und Sehnentibrillen, die Beziehungen derselben zueinander in einer keinen Zweifel zulassenden Art erklären könnte. Zur definitiven Entscheidung dieser Frage sind Präparate nötig, in welchen einesteils die Myotibrillen, andererseits das Sarkolemm und die Sehnentibrillen scharf und elektiv gefärbt sind. Ich habe mir daher zur Aufgabe gemacht, die Untersuchungn Schultzes mit spezifischen, elektiven Bindegewebs - Färbungen nachzuprüfen. Im Sommer des Vorjahres fand ich in Tübingen bei Prof. Heidenhain, im Anatomischen Institut, reichlich Gelegenheit, mir eine Technik anzueignen, die es mir ermöglichte, einerseits die Myofibrillen, andererseits die Bindewebsfibrillen selbst bei stärkster Vergrösserung scharf mit verschiedener Färbung zu untersuchen. Wenn ich nunmehr im Nachstehenden über diese meine Untersuchungen Bericht erstatte, halte ich es für meine angenehme Ptlicht, Herrn Prof. von Froriep, der mir zur Arbeit in seinem Institute bereitwilligst Gelegenheit gab und Herrn —] Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. Prof. M. Heidenhain, der mich in sein ausgezeichnetes mikro- technisches Verfahren einweihte, meinen ergebenen Dank zu sagen. Material und Technik der Untersuchungen. Meine Untersuchungen machte ich an Amphibienlarven (Salamandra atr., mac., Triton) und an Muskeln von Fröschen und Mäusen (palmare und plantare Muskeln, M. gastrocnemius). Die Amphibienlarven fixierte ich im sanzen und bettete dieselben entweder im ganzen ein, oder benutzte nur das Schweifende (3 « dicke Serien sind fast unmöglich aus der ganzen Larve zu gewinnen). Zu ihrer Fixierung verwandte ich 1,5°o Trichloressigsäure und Sublimattrichloressigsäure („Subtrie“ M. Heidenhains.') Einen Teil der Tritonlarven erhielt ich bereits fixiert und in toto mit Boraxkarmin tingiert. Die Muskeln von Frosch und Maus untersuchte ich in dreifacher Weise: 1. in frischem Zustande, 2. an isolierten und gefärbten Präparaten, 3. an fixiertem und eingebettetem Material. Zur Isolierung brachte ich zweierlei Verfahren in Anwendung: 1. Der Angabe Schultzes gemäss habe ich kleine Muskel-Sehnen- stücke in Formol- Alkohol (1 Teil Formol — 2 Teile absol. Alkohol) durch 24 Stunden fixiert, nachher mit Chromhämatoxylin gefärbt (nach Schultze), später die Färbung in mehrfach gewechseltem 70°0 Alkohol differenziert. Hierauf kam das Material in 1° Fuchsin S (Rubin) durch 24 Stunden zu liegen und nachher wurde es in 96°o und absoluten Alkohol gebracht und in Xylol eingelegt.?) Die Muskelfasern habe ich in Xylol unter mikroskopischer Kontrolle isoliert. In Xylol können wir ebenso bequem und mit Erfolg die Isolierung durchführen, wie in 70°/o Alkohol oder im Gemisch von essigsaurem Kali, destilliertem Wasser und Methylalkohol, überdies haben wir den grossen Vor- teil, dass wir das so vorbehandelte Präparat in Kanadabalsam einschliessen können. 2. Im Sinne v. Frorieps habe ich in 2,5 °0 salieylsaurem Alkohol isoliert. Die Muskeln verblieben zwei bis vier Wochen in der isolierenden Flüssigkeit, nachher durch 24 Stunden in Leitungswasser, alsbald in ein bis zwei Stunden aufgekochtem Wasser und schliesslich wurden die so behandelten Fasern in 10°/o Alkohol eingelegt. Zur Färbung benutzte ich diluierte Lösungen von Hämatein und Fuchsin S. Die im Groben zerfaserten Fasern legte ich auf je 24 Stunden in den Farbstoff ein. nach der Färbung hingegen brachte ich sie nach einer Alkoholserie in Xylol; die Isolierung nahm ich in Xylol vor und schloss die Präparate in Kanadabalsam ein. Die Behandlung des fixierten und eingebetteten Materials geschah in folgender Weise: a) Zu jeder Untersuchung wählte ich paarige Muskeln (von der Extremität der rechten und linken Seite), so dass ich den einen Muskel z. B. !, „Subtrie* enthält 9 gr Sublimat, 2 gr Trichloressigsäure, 1 cem Eisessig in 100 cem physiol. Kochsalzlösung. 2) Die genaue Beschreibung der Behandlungsmethode siehe im Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. 79, S. 319. fo) WnpleriusmPreiteritie: den Palmaris longus der linken Seite nach Schultze, den anderen z.B. den Palmaris longus der rechten Seite mit anderen fixierenden Mitteln be- handeln konnte. Von den fixierenden Mitteln Schultzes bediente ich mich vorwiegend des Formol-Alkohols (1 Teil Formol + 2 Teile absol. Alkohol). Ebenso behandelte ich das zur Einbettung bestimmte Material bis zur Xylol- anwendung, wie die zur Isolierung bestimmten Fasern. Nach dem Xylol bettete ich entweder in hartes Paraffın, oder in das Schultzesche Kollodiumparaffin ein. (Beim letzteren Verfahren führte ich aber das Material nicht bis zum Xylol, sondern, wie dies Schultze vorschreibt. behandelte es mit 96°/o Alkohol, Kollodiumalkohol, alsdann mit einem Gemenge von Chloroform- Zedernöl und legte es schliesslich in 48° ©. und 58° ©. warmes Paraffin ein.!) b) Zur Fixation des nicht nach Schultze behandelten Materiales brachte ich in Anwendung: Konzentr. Sublimat, 10°/o Formalin, Formalin- essigsäure (10°/o Formalin, 5° Essigsäure), Formolakohol (1 Teil Formol — 2 Teile absol. Alkohol), schliesslich Zenkersche und Regaudsche Lösung. Die Fixierung geschah in zweierlei Art, je nachdem ich in Kontraktion befind- liche oder erschlaffte Muskeln untersuchen wollte. Im ersten Falle fixierte ich unmittelbar nach dem Verenden des Tieres, im zweiten erst 1'/a—3 Stunden nach dem Tode. In beiden Fällen habe ich die Muskeln nach ihrer Fixierung an ihrer Ursprungs- und Anheftungsstelle mit der ganzen Extremität zusammen fixiert und das zur Einbettung gelangende Stück in 96°/o Alkohol aus- präpariert. Zur Einbettung benutzte ich auch hier hartes Paraffın, Collodiumparaffin und ausserdem die Apäthysche doppelte Einbettung.’) Dünnere Schnitt- präparate als 3 „ konnte ich bei keinerlei Einbettung erreichen. Von den Amphibienlarven erwiesen sich am instruktivsten die 5—6 „ dicken Schnitt- präparate, von den Frosch- und Mausmuskeln gelangen die 3—4 „ dicken Serien am besten. Bei dem nach Schultze präparierten und in Collodium- paraffın eingebetteten Materiale erreichte ich wohl auch 2 „ dünne Schnitte, diese konnte ich aber weit weniger verwenden als die 3 oder 4 « dicken Präparate. Die bei der Färbung der Schnitte benutzten Methoden waren die folgenden: 1. Azokarmin-Mallorysche Färbung. Behandlung mit 0,2% wässerigem Azokarmin, destilliertem Wasser, 1°/o Phosphormolybdänsäure, Mallory, destill. Wasser, 96°/o und absol. Alkohol, Xylol. Die Muskelfasern färben sich orangerot, das Sarkolemm und die Bindegewebsfasern ultra- marinblau, die Kerne dagegen karminrot. Die Q-Streifen sind von roter, die Z-Streifen von blauer Farbe. 2. NeutraleFärbungen nachM.Heidenhain. Die Färbungs- methoden, die Heidenhain als „neutrale Färbungen“ bezeichnete und ins- besondere zum Nachweise der Schaltstücke der Herzmuskulatur, oder zur ?) Siehe Zeitschrift für wissenschaftl. Mikroskopie, Bd. 29, Heft 4, S. 468 — 472. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. b) Inversionsfärbung der quergestreiften Muskulatur in Verwendung zog,') bewährten sich ganz ausgezeichnet auch bei der elektiven Färbung der Myo- fibrillen und Sehnenfibrillen. Gemeinschaftlicher Vorteil sämtlicher von mir angewandten Methoden ist, dass die Muskelsubstanz von der Bindegewebs- substanz durch die Färbung scharf abzugrenzen ist und dass die Färbung, wie ich dies an den Präparaten Heidenhains erfuhr, selbst nach Jahren nicht verblasst. a) Eärbungsmit-Brillantschwarz-Toluidinhlau- Safranin (Öhromotrop oder Azokarmin), 1°o Brillantschwarz (durch !/a—1 Stunde), 1°/oo Toluidinblau-destill. Wasser, Lösung von schwachem !/a—1°/oo Phenolsafranin (resp. Chromotrop oder Azokarmin), solange, bis die Färbung sich differenziert, destill. Wasser, 96° und absol. Alkohol, Xylol. Die Myofibrillen färben sich rot (je nachdem wir Safranin, Chromotrop oder Azokarmin benutzen: rosenrot, gelblichrot oder karminrot), die Binde- gewebsfasern, das Sarkolemm und das Kernchromatin dunkelblau, die achro- matischen Nukleoli rot. Die Färbung ist der Azokarmin-Malloryschen Tinktion sehr ähnlich, ihr Vorteil der letzteren gegenüber ist aber, dass die Binde- gewebsfasern, namentlich die allerfeinsten Fäserchen, intensiver und aus- gesprochener blaugefärbt sind, als in den mit Mallory gefärbten Präparaten. b) Thiazinbraun-Toluidinblaufärbung. 1°/o Thiazinbraun (bei 35—40° erwärmt '/—2 Stunden), destill. Wasser, 1”/oo Toluidinblau, Differenzierung in Methylalkohol, absol. Alkohol, Xylol. Die Muskelfibrillen sind gelber Farbe, die Bindegewebsfasern und das Sarkolemm brauner, die Kerne stahlblauer Farbe. 3. Färbung mit Hämatein°)-Pikro-Nigrosin („Blauschwarz B*) nach M. Heidenhain. Mit Hämatein (Apäthysches Hämatein IA oder Delafieldsches Hämatoxylin) die Kerne gefärbt, legnen wir die Schnitte durch 5-—-10 Minuten in Pikro - Nigrosin (letzteres besteht aus 1 gr „Blau- schwarz B“ + 400 ccm gesättigter Pikrinsäure — 80 cem Methylalkohol + 320 ccm destill. Wasser). Nach der Färbung: Destill. Wasser, 96°/o und absol. Alkohol, Xyol. Die Muskelfasern färben sich gelb, das Bindegewebe und das Sarkolemm blau, die Kerne stahlblau. 4. Färbung mit Eisenhämatoxylin-Thiazinrot nach M. Heidenhain. 2!/, Eisensulfat 24 Stunden, !/2°%o Hämatoxylin-Tinktur 24 Stunden, destill. Wasser, Differenzierung in 2!/2°/o Eisensulfat, Leitungs- wasser, "/a°/o Thiazinrot in wässeriger Lösung, destill. Wasser, 96° 0 und absol. Alkohol, Xylol. Dieser Färbung bediente ich mich vorwiegend bei der Unter- suchung des Schwindens resp. des Verblassens der Querstreifung. Die Myo- fibrillen färben sich dunkelblau, das Bindegewebe und Sarkolemm lebhaft rot, die Q-Streifen und das Kernchromatin dagegen schwarz. !) Siehe M. Heidenhain: „Über die zweckmässige Verwendung des Kongo und anderer Amidoazokörper, sowie über neue Neutralfarben“ (Zeit- schrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. 20, S. 183). ?) Das mit Boraxkarmin in toto gefärbte Material habe ich auch meist mit diesem färberischen Verfahren behandelt. In diesem Falle färbten sich natürlich die Kerne rot. 10 Tiberius Pe&terfi: Ich muss noch bemerken, dass ich die bei der Prüfung dieser Frage so wichtige Vanadiumhämatoxylinfärbung wegen der Schwierigkeiten der Bereitung der Lösung nicht versuchen konnte. Aus besonderer Gefälligkeit Prof. Heidenhains habe ich jedoch seine mit Vanadiumhämatoxylin ge- färbten Salamander - Larvenschnitte untersuchen können, ja im glücklichen Besitze zweier solcher prächtiger Präparate konnte ich selbst Abbildungen über dieselben anfertigen. Die Vanadium-Hämatoxylin-Färbung — wenigstens nach den Heiden- hainschen Präparaten beurteilt — bietet entschieden die allerschärfsten und am besten differenzierten Bilder dar. Das Sarkolemm und die Bindegewebs- fasern sind koloristisch haarscharf differenzierbar von der blassgelben Muskel- substanz. Ergebnis meiner Untersuchungen. A. Frische und ungefärbt isolierte Präparate. Sowohl bei den frisch untersuchten, wie an den in schwacher Osmiumlösung fixierten und ungefärbt isolierten Fasern überzeugte ich mich alsbald, dass derartige Präparate bei der Entscheidung der Frage nicht in Betracht kommen können. Schon bei Trocken- linsen mittlerer Vergrösserung ist das mikroskopische Bild so dunkel, dass in demselben von einer genaueren Untersuchung feinerer Strukturen, z. B. über die Lage des Sarkolemms, über die Beziehungen der Myofibrillen und Sehnenfibrillen zueinander, keine Rede sein kann. Ahnen kann man noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass diese Fädchen hier Myofibrillen darstellen, jene aber Bindegewebsfäserchen sind, doch bestimmt beschreiben können wir selbst diese verhältnismässig gröberen Verhältnisse nicht. Nebstbei ist selbst das Wahrgenommene nicht optisch verlässlich. Derlei ungefärbte und in einem schwach lichtbrechenden Medium, bei stark verengtem Diaphragma untersuchte Präparate geben aus- schliesslich Refraktions- und Diffraktionsbilder. Es ist wohl über- flüssig, an dieser Stelle des Näheren zu motivieren, dass solche reine Refraktions- und Diffraktionsbilder überhaupt nicht ver- lässlich sind, wenn von derartigen an der Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit stehenden feinen Strukturen und deren Lage, Dicke und Form die Rede ist. Ich finde daher kaum etwas Bemerkenswertes über meine derartigen Untersuchungen hervorzuheben. Zwei Tatsachen konnte ich jedoch schon in diesen meinen Präparaten konstatieren: 1. Dass die Muskelfaser mit der Sehne faktisch in sehr engem Konnexe steht. 2. Dass die Übergangsstelle der Muskelfaser und der Sehne immer dunkler und verwaschener erscheint, als die Muskelfaser Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 11 oder die Sehne selbst. Ich empfing den Eindruck, als ob an dieser Stelle das Ende der Muskelfaser durch irgend ein dichtes Netz dicker und widerstandsfähiger gemacht würde. B. Isolierte und gefärbte Präparate. Auch mit den nach Schultze in Formolalkohol isolierten, mit Chrom- hämatoxylin-Rubin gefärbten und nach v. Froriep in salieylsaurem Alkohol isolierten, mit Hämatein-Rubin gefärbten Präparaten konnte ich kein grösseres Resultat erreichen. Ich darf wohl hervorheben, dass meine Präparate als isolierte Präparate genügend gelungen sind. Sie haben aber den grossen Übelstand, dass sie gerade beim Übergang der Muskelfasern in die Sehne den Dienst ver- sagen. (Gerade an der allerwichtigsten Stelle ist die Lage der Fibrillen, ihr Verlauf und ihre gegenseitigen Be- ziehungen zueinander nicht mit ent- sprechender Schärfe und Bestimmtheit wahrnehmbar. Gleichgültig ob ich Chromhämatoxylin allein oder Häma- tein, ferner auch Doppelfärbung an- wandte, stets färbte sich die Muskel- Sehnengrenze dunkler, was die Unter- scheidung der Muskel- und Sehnen- fibrillen sehr erschwerte. Die Erklärung dieser Erscheinung fand ich darin, dass an dieser Stelle ein sehr dichtes Binde- gewebsnetz die Muskelfaser einhüllt. An jeder Faser, die mir in Kontinuität mit der Sehne zu isolieren gelang, fand ich, dass das Ende der Muskelfaser Fig. 1. teils durch abgerissene, teils durch mit Schema einer isolierten Muskel- der Sehne zusammenhängende Fäser- A eree St £ i OÖ = vordere, U =. hintere chen bedeckt ist, welche die Faser mit Operfläche: m — Myofibrille: einem unregelmässig angeordneten, f= Bindegewebsfibrille; E — doch stets sehr dichten Netze um- optische Ebene; d— die stark geben. Da wir aber an isolierten eingestellte Partie der f-Fibrille Präparaten die Faser in ihrer Plasti- " aagantischen Ibene IM, zität untersuchen, projizieren wir die ihre Obertläche bedeckenden Bindegewebsfibrillen auf die Muskelfibrillen. Das Schema Abb. I veranschaulicht dieses Phänomen. 12 Tiberius Pe&terfi: Die Muskelfaser ist an demselben von der Seite aus betrachtet sichtbar. An beiden Oberflächen (O und U, vordere oder rück- wärtige, obere oder untere Oberfläche) schmiegt sich je eine Fibrille des bindegewebigen Netzes (f-f) der Muskelfaser an. (remäss der Gestalt des Faserendes konvergieren diese Fibrillen nach abwärts und vereinigen sich zu einer Sehnenfaser. Wenn ich diese Faser mit ihrer Oberfläche OÖ nach oben untersuche und das Bild derart scharf einstelle, dass die Querstreifung der M-Muskel- fibrille scharf sichtbar wird (in der E-Ebene), so wird nun die d-Partie der f-Fibrille ebenfalls scharf eingestellt und erscheint förmlich als Fortsetzung der Muskelfibrille, der übrige, nicht scharf eingestellte Teil projiziert sich aber allmählich verwischt auf die Myofibrille. Auch aus diesem Schema erhellt, wie leicht das mikroskopische Bild der isolierten Faser hinsichtlich des Zu- sammenhanges der Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen zu groben Täuschungen Anlass geben kann. Nehmen wir noch hinzu, dass im Präparate nicht nur eine Fibrille, sondern ein dichtes Netz derselben vorhanden ist, dass daher die bindegewebigen Fibrillen sich miteinander verweben, ineinander übergreifen, sich gegen- seitig decken, so wird es nach meinem Dafürhalten verständlich, dass aus einem solchen Präparate über die Beziehungen der Muskel- und Sehnenfibrillen — namentlich bei nicht genügend scharfer und elektiver Färbung — kein pünktlicher und verläss- licher Aufschluss zu erhalten ist. Aus den isolierten Präparaten vermögen wir daher nur mit möglicher und wahrscheinlicher (Genauigkeit etwas herauszulesen. Es besteht kein Zweifel, dass derlei Präparate in einer bestimmten Richtung unsere Untersuchung zu ergänzen imstande sind, so z. B. erlauben sie zu konstatieren, dass das Ende der Muskelfaser von einem reichen bindegewebigen Netz bedeckt ist. Sobald aber von feineren Verhältnissen die Rede ist, lassen sie einen breiten Spielraum zu subjektiven An- nahmen frei, das mikroskopische Bild erlaubt sozusagen willkür- liche Annahmen und ändert sich der Dialektik des Untersuchers gemäss, nicht aber nach den Strukturen seines Inhaltes. C. Untersuchung der Schnittpräparate. Verläss- liches Prüfungsmaterial zur Untersuchung der Beziehungen der Muskel- und Sehnenfibrillen fand ich in entsprechend dünnen und mit passend elektiven Färbungen hergestellten Schnittpräparaten. Anlangend die Dicke der Schnitte, glaube ich, dass es nicht gerade Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 11635 notwendig ist, uns an 2 « dicke Präparate zu binden. Brauchbar sind allenfalls nur dünne Schnittpräparate (2—7 u), damit die Färbung gut differenzierend, das Bild selbst bei stärkster Ver- grösserung gut beleuchtbar und die Lage der einzelnen Linien genau zu bestimmen sei. Diesen Bedingungen entsprechen, der Natur des Materiales gemäss, verschieden dicke Schnitte. So erwiesen sich von den Amphibienlarven 3 « dicke Schnittserien um nichts besser, als die Schnittpräparate von einer Dicke von 5—6 u. Andererseits sind bei der Maus, bei welcher die Muskel- fibrillen sehr dicht nebeneinander und übereinander liegen, nur sehr dünne Schnittpräparate zur Untersuchung geeignet. Auch hier ist nicht unbedingt die von Schultze vorgeschriebene Dicke von 2 «a notwendig, einfach deshalb nicht, weil in einem 4—5 u dicken Schnittpräparate die Durchschnitte der Muskelfasern nicht gleichmässig dick sind. Die Dicke des Durchschnittes ist nicht notwendigerweise adäquat der Dicke der in demselben befindlichen Muskelfasern, da dieselben nicht in einer Ebene liegen und des- halb in dünnerer oder dickerer Menge in die Schnittebene zu liegen kommen. Sehr dünne Schnitte sind nicht nur deshalb nicht angezeigt, weil ihre Darstellung übermässig viel Mühe oder eventuell ein besonderes Instrument (Mayersches Tetraeder- mikrotom) beansprucht, sondern in erster Linie deshalb, weil sie für die Entscheidung unserer Frage nicht genügend orientieren. Es ist unbedingt notwendig, dass man konstatieren kann, was an der Oberfläche der Muskelfaser liegt, was in deren Innerm ist und inwiefern das mikroskopische Bild durch die die Ober- fläche bedeckenden Strukturen, worauf schon die isolierten Präpa- rate unsere Aufmerksamkeit lenkten, beeinflusst wird. An isolierten Fasern, an welchen die Muskelfaser in ihrer Plastizität untersucht werden kann, gelang es aus den oben geschilderten Gründen nicht, diese Fragen zu entscheiden. Andererseits leiden die Schultze- schen 2 « dicken Schnitte am entgegengesetzten Fehler, sie sind nämlich übermässig dünn. An derlei 2 « dicken Schnittpräparaten ist es schwer kontrollierbar, ob ein Punkt nicht eventuell Quer- schnitt eines Fäserchens ist, ob eine Faser, die mit der Myofibrille verschmilzt, bei höherer oder tieferer Einstellung sich nicht gegen eine Myofibrille neigt, mit einem Worte, bei so dünnen Schnitt- präparaten können wir die wahre plastische Form und räumliche Einrichtung der Strukturen nur schwer und unvollständig rekon- 14 Tiberius P&6terfi: struieren, selbst beim Vorhandensein von lückenlosen Schnittserien. Die für die Untersuchung geeignetste Dicke der Schnitte müssen wir daher zwischen der Dicke der isolierten Fasern und der der 2 u dünnen Schnittpräparate finden. Allenfalls sind dünne Schnitte notwendig, wegen der Reinheit der Färbung und Schärfe der Bilder, doch benötigen wir keineswegs die allerdünnsten Schnitte. Nun will ich auf die Beschreibung der aus der Untersuchung meiner Schnittpräparate gewonnenen Resultate übergehen. Meine Beobachtungen teile ich in drei Gruppen. In die erste Gruppe gehören jene, die für die Kontinuität der Myo-Sehnenfibrillen zu sprechen scheinen. Der zweiten Gruppe reihe ich jene ein, die ganz entschieden gegen die Kontinuität der Muskel-Sehnen- fibrillen sprechen. Die dritte Gruppe endlich wird von jenen Fällen gebildet, die bei oberflächlicher Untersuchung für die Kon- tinuität, bei eindringlicher Prüfung hingegen gegen die Kontinuität beweisen. IE Für die Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen sprachen entschieden diejenigen Präparate, die ich nach der Schultze- schen Technik hergestellt habe. Diese mit Formol- Alkohol fixierten, mit Chromhämatoxylin-Rubin gefärbten, 2 « dicken Schnitte gaben die gleichen Bilder, wie sie Schultze und Loginow beschreiben. Die Fig. 1 stellt eine nach Schultze behandelte Muskel- faser vor. Am Ende der Muskelfaser fehlt das Sarkolemm und die Muskelfibrillen oder Fibrillenbündel scheinen sich unmittelbar in die welligen Sehnenfibrillen fortzusetzen. Ir Demgegenüber widerspricht ganz entschieden der Theorie Schultzes der grösste Teil der mit elektiver Bindegewebs- färbung behandelten Präparate. Am schönsten konnte ich an der Muskulatur der Amphibienlarven, aber ganz gut auch an den Muskelfasern des Frosches und der Maus folgendes beobachten: I. dass das Ende der Muskelfaser vom Sarkolemm begrenzt wird; 3. dass das Sarkolemm immer ebenso gefärbt erscheint wie die bindegewebigen Fädchen; 3. dass aus dem Sarkolemm binde- gewebige Fibrillen entstehen, welche ein Netz oder ein Getlechte bilden und am Ende der Muskelfaser sich in Sehnenbündel fort- Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 15 setzen. In den meisten Fällen vermochte ich genau festzustellen, dass die Sehnenfasern nicht aus dem Innern der Muskelfasern, sondern nur aus dem Sarkolemm entspringen. Wohl ist es wahr, dass in den meisten Fällen das Sarkolemm, insbesondere in der wenig Perimysium enthaltenden Muskulatur am Ende der Muskel- faser ausserordentlich dünn und eben deshalb nur mit spezi- fischer Färbung (Vanadium - Hämatoxylin, Mallory, „neutrale“ Färbungen) nachweisbar ist; bei guter Fixation und entsprechender Färbung jedoch ist dasselbe in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise scharf und in nicht unterbrochenem Zustande nachweisbar. Die Figuren 2, 3, 5, 6, 9, 10, 11 und 15 veranschaulichen an verschiedenem Material, bei verschiedener Färbung derlei durch das Sarkolemm scharf abgegrenzte Endigungen der Muskelfaser. Als typisch bezeichne ich die in den Fig. 2 und 3 sicht- baren Muskelendigungen. Diese fand ich regelmässig am häufigsten in den am besten fixierten, am genauesten geschnittenen und gefärbten Schnitten und am gleichmässigsten erschlafften Fasern und deswegen ist nach meinem Dafürhalten die Endigung der Muskelfaser und deren Verbindung mit den Sehnenfibrillen an in vollkommenem Ruhezustande befindlicher, normal gestalteter Muskelfaser nach einwandfreier technischer Bearbeitung so be- schaffen, wie in diesen Bildern dargestellt. Ill. Des öfteren finden wir jedoch vom typischen abweichende Faserendigungen, an welchen entweder das Sarkolemm fehlt oder, wenn am Ende der Muskelfaser das Sarkolemm auch vorhanden ist, dieses scheinbar durchbohrt wird und die Muskelfibrillen in Sehnen- fibrillen sich fortzusetzen scheinen. Den Mangel des Sarkolemms können wir allenfalls mit einem Kunstfehler erklären. Zu be- schuldigen ist entweder die Fixierung oder die Färbung, eventuell die Schnittführung, wenn am mikroskopischen Bilde das Sarkolemm fehlt. Die scheinbare Kontinuität der Myofibrillen und Sehnen- fibrillen zwingt aber zu einer gründlicheren Überlegung, denn entweder liegt hier im Sinne Schultzes eine wirkliche Kon- tinuität der Muskel- und Sehnenfibrillen vor, und müssen wir dann erklären, wie es möglich ist, dass bei dem allergrössten Teil der Muskelfasern die Myotibrillen von den Sehnenfibrillen durch das Sarkolemm abgegrenzt werden, in Ausnahmsfällen aber die Myo- 16 Tiberius P&terfi: fibrillen unmittelbar in die Sehnenfibrillen sich fortsetzen, oder müssen wir nur eine scheinbare Kontinuität annehmen und die Gründe aufdecken, welche diesen scheinbaren Zusammenhang hervorrufen. In der Fig. 4 bilde ich die Muskelfaser einer Salamander- larve ab, welche, von der elektiven Bindegewebsfärbung abgesehen, ungefähr dieselben Verhältnisse darbietet, wie ein nach Schultze gefärbtes Präparat. Am Ende der Muskelfaser ist kein Sarkolemm sichtbar und die Muskelsäulen setzen sich unmittelbar in Sehnen- fibrillen (a, b, ec, d) fort. Auch das ist zu beobachten, dass dieser Übergang stufenweise vor sich geht. Die Querstreifung verblasst gegen das Ende der Muskelfaser, um alsbald vollständig auf- zuhören, und diese der (Querstreifung entbehrenden Partien setzen sich ohne sichtbare Grenze in die Sehnenfibrillen fort. Dement- sprechend geht die gelblichrote Farbe der Muskelsubstanz in braunviolette über und verschmilzt immer mehr mit der charak- teristischen blauen Farbe der Bindegewebsfasern. Dieser scheinbare Beweis der Kontinuität bietet jedoch sofort ein anderes Bild dar, wenn ich das Präparat schon nur bei einer !/2 u tieferen oder höheren Einstellung prüfe. In Fig. 4a habe ich dieselbe Faser bei einer beiläufig !/2 « tieferen Einstellung abgezeichnet. Hierbei ist mit voller Bestimmtheit zu konstatieren, dass die Sehnenfibrillen a, b, ec, d nicht aus den Muskelsäulen, sondern aus dem an der Oberfläche der Muskelfaser liegenden Netze ihren Ursprung nehmen. Hieraus und aus ähnlichen anderen Fällen ging hervor, dass, insofern bei einer bestimmten Einstellung die Muskelfibrillen in Sehnenfibrillen sich fortzusetzen scheinen, wir stets durch eine tiefere oder höhere Einstellung das die Ober- fläche bedeckende Netz suchen müssen, aus dem die Sehnenfibrillen ihren Ursprung nehmen. Und faktisch finden wir in sehr vielen Fällen dieses Netz, wie dies die Fig. 4 und 4a zeigen. Das allmähliche, stufenweise Schwinden der Querstreifung, die Ver- schmelzung der Farbe der Myofibrillen mit der der Sehnenfibrillen ist ebenfalls nur eine Folge der nicht entsprechenden Einstellung. Die Muskelfaser erscheint in 4—5 u dicken Schnittpräparaten (wie in den Fig. 4 und 4a) noch ziemlich plastisch und an ihrem Ende um vieles dünner und schmäler als oberhalb des Endes. Das Faserende ist daher scharf nur bei tieferer Einstellung zu untersuchen, der oberhalb des Endes befindliche Teil ist dicker Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 17 und beansprucht eine höhere Einstellung. Wenn ich nunmehr das Präparat derart einstelle, dass die Muskelsäulen und die (Juerstreifung schärfer in die Erscheinung treten sollen, so stelle ich meist den oberhalb des Endes befindlichen Teil ein (Fig. 4) und so kommt das kegelförmig sich verengende Endstück nicht genau in die optische Bildfläche zu liegen. Deshalb sehen wir an dieser Stelle die Sehnenfibrillen mit den Muskelfibrillen ver- schmolzen und so entsteht das Bild, als ob die Farbe der Muskel- substanz mit der Farbe des Bindegewebes allmählich verschmelzen und die Querstreifung stufenweise aufhören würde.') Einen anderen Fall der scheinbaren Kontinuität der Muskel- und Sehnenfibrillen stelle ich in der Fig. 7 dar. Es ist dies ein 3 a dicker Schnitt einer Froschmuskelfaser, fixiert in Formol- Alkohol, gefärbt mit Azokarmin-Mallory. Am Ende der Muskel- faser finden wir kein Sarkolemm (wenigstens bei erster Betrachtung nicht). Das ganze Bild entspricht jenen Illustrationen, die Schultze und Loginow zur Erweisung der Kontinuität bei ihren mit Chromhämatoxylin-Rubin gefärbten Präparaten lieferten. Die Muskelsäulen endigen tiefer oder höher und aus jeder entspringt eine bindegewebige Fibrille, die in das massive Bindegewebe der Sehne, mit diesem verschmelzend, übergeht. Es ist zu konsta- tieren, dass diese Sehnenfibrillen nicht genau aus dem Ende der Muskelsäulen, sondern eher aus deren Seiten ihren Ursprung nehmen, oder richtiger erweckt es den Anschein, als ob eine ') Das Verblassen und Schwinden der Querstreifung ist an den End- abschnitten der Muskelfibrillen tatsächlich wahrnehmbar und dieses Phänomen hat Heidenhain im „Plasma und Zelle“, Bd. II, ausführlich beschrieben und durch die Abbildungen 393 und 394 dargestellt. Der Schwund der Querstreifung und die Partien ohne Querstreifung haben aber keine Be- ziehung zu den Sehnenfibrillen, sondern spielen, wie dies Heidenhain an- nimmt, wahrscheinlich beim Längenwachstum der kontraktilen Substanz eine Rolle. Während meiner Untersuchungen wandte ich dem Aufhören der (Querstreifung meine besondere Aufmerksamkeit zu und fand, dass dieses Vorkommnis selbst an den benachbarten Muskelfibrillen ein und desselben Präparates differiert. An sehr vielen Fasern sind die Fibrillen bis zum Sarkolemm quergestreift (Fig. 5), an anderen finden wir verhältnismässig lange Endpartien ohne Querstreifung (Fig. 6). Bereits aus dieser Tatsache muss ich den Schluss ziehen, dass die ungestreifte oder gestreifte Be- schaffenheit des Fibrillenendes von physiologischen oder embryologischen Faktoren abhängig ist, keinesfalls wohnt ihr aber jene Bedeutung inne, die ihr Schultze zuschreibt. Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.1. 2 15 Mi bre rius/ Peters: feine Bindegewebsmembran das Ende der Muskelsäule handschuh- fingerartig bedecken würde und die Sehnenfibrille eine Fortsetzung derselben wäre. In diesem Falle mussten wir vor allem aufklären, ob die Sehnenfibrillen tatsächlich aus den Muskelsäulen ihren Ursprung nehmen, oder ob wir auch hier nur eine Projektion auf die Muskel- säulen seitens der oberhalb oder unterhalb derselben liegenden Fibrillen vor uns haben. Diese Frage vermögen wir rasch zu entscheiden. Diese Bindegewebsfibrillen kommen tatsächlich mit den Enden der Muskelsäulen in eine optische Ebene zu liegen. Bei höherer oder tieferer Einstellung konnten wir auch hier an der Muskel- faser oberflächlich gelagerte Fädchen beobachten, diese waren aber in keiner nachweisbaren Verbindung mit den abgezeichneten Sehnenfibrillen. Es handelt sich daher hier nicht um einen ähnlichen Fall scheinbarer Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen, wie bei der in den Abb. 4 und 4a dargestellten Faser, denn die Bindegewebs- fibrillen liegen hier tatsächlich in der Muskelfaser, eng neben den Muskelsäulen. Anlangend die Ursache des Sarkolemmangels stand die Annahme auch hier am nächsten, dass die Behandlung an ihrem Fehlen die Schuld trägt. Das Material wurde in Formol- alkohol (1 Teil Formol + 2 Teile Alkohol) fixiert; dieses hat als Fixierungsmittel den Nachteil, eine starke Schrumpfung zu be- wirken. Nicht nur an dieser Faser, sondern am ganzen Präparate, an den Zellkernen, am Sarkoplasma, Perimysium, mit einem Worte überall, fiel die ausgesprochene Schrumpfung auf. Demgegenüber bot der gleiche Froschmuskel (M. palmaris longus) der entgegen- gesetzten Seite, mit Regaudscher Lösung behandelt, bei der- selben Dicke und Färbung der Schnitte ein wesentlich anderes Bild dar. Den Unterschied stellt die Fig. Ss dar. Diese mittelst „Regaud“ fixierte Muskelfaser endigt ebenso spitz, wie die Faser der Fig. 7, ja selbst ihre Lage ist übereinstimmend, da bei beiden die kompakten Bündel der Sehne gerade neben dem Ende der Faser verlaufen. Es fällt aber auf, dass die Muskelfasern kompakter, die Muskelsäulen gerader, paralleler nebeneinander liegend sind, und so weist das mikroskopische Bild dieser Faser, wie des ganzen Präparates auf eine viel entsprechendere Fixierung hin, als das der in Formolalkohol fixierten Präparate. Und an derart fixierten Präparaten — wie dies auch die Fig. S zeigt — ist das Sarkolemm Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Schnenfibrillen. 19 am Ende der Muskelfasern mit entsprechenden Färbungen fast immer scharf nachzuweisen. Nicht nur in diesem Falle, sondern fast immer im Laufe meiner Untersuchungen erfuhr ich, dass während bei dem Gre- brauche der eine starke Schrumpfung bewirkenden Fixierungs- mittel, so in erster Linie der von Schultze und Loginow mit Vorliebe benutzten starken Formol- und Formolalkohol- fixierung, das Sarkolemm an den Enden der Muskelfasern oft fehlt, ist nach Gebrauch der von mir verlässlicher gefundenen „sSubtrie“, Zenker- und Regaudschen Lösungen bei ent- sprechender Färbung fast bei jeder Muskelfaser am Ende der- selben das ununterbrochene Sarkolemm nachweisbar. Auf Grund dieser Überlegung muss ich daher auch an der Muskelfaser in Fig. 7 das Schwinden des Sarkolemms der stark schrumpfenden Wirkung des Fixationsmittels zuschreiben. Wiewohl ich den Mangel des Sarkolemms in dieser Weise ursächlich erklären kann, habe ich die Frage, ob die in der Fig. 7 und 8 sichtbare Kontinuität der Myofibrillen und Sehnenfibrillen eine tatsächliche oder nur scheinbare, eine auf optische, physio- logische oder technische Gründe zurückführbare Erscheinung sei, überhaupt noch keiner Besprechung unterzogen. Dass hier keine solche optische Täuschung obwalten kann, wie im Falle der Fig. 4 und 4a, habe ich oben bereits erwähnt. Was aber die mikro- technischen Ursachen betrifft, ist es wohl wahr, dass die Faser der Fig. 7 nicht verlässlich fixiert ist, die unmittelbare Verbindung der Muskelsäulen und Selhnenfibrillen ist aber überhaupt nicht in Zusammenhang zu bringen mit der Art der Fixation, denn an der Muskelfaser der besser fixierten Fig. S sind trotz der scharfen Sarkolemmgrenze auch an der Seite der Muskelsäulen, innen in der Muskelfaser feine bindegewebige Fibrillen sichtbar, die wie von hier ausgehend und das Sarkolemm durchbohrend. sich in Sehnenfibrillen fortsetzen. Die allereinfachste Erklärung dieses Bildes würde tatsächlich durch die Schultzesche Theorie er- möglicht werden. Dieser Erklärung aber widerspricht nicht nur der Umstand, dass in diesem Falle zwei Arten des Ursprunges der Sehnenfibrillen anzunehmen wären, sondern in erster Linie die Tatsache, dass bei eingehender Untersuchung Verhältnisse im Präparate selber zu finden sind, die sich mit der Theorie Schultzes nicht decken, vielmehr derselben geradezu zuwiderlaufen. 9% “ 20 Tiberius P6terfi: Wenn wir die Fig. S aufmerksam betrachten, können wir konstatieren, dass jene Bindegewebsfibrillen, welche von den Muskel- säulen zu entspringen scheinen und die ich der Kürze halber in der Folge als interkolumnäre Fäserchen ') bezeichnen will, eine verschiedene Länge und Dicke aufweisen und in verschiedener Beziehung zu den unter dem Ende der Muskelfaser liegenden Sehnenfibrillen stehen. Wenn sie tatsächlich aus Myofibrillen ent- springende Sehnenfibrillen wären, wie erklärt es sich, dass einzelne (?, x) tief in der Muskelfaser und gleich als starke, dicke Fibrillen entstehen, während andere (c, d) sehr kurze feine Fibrillen sind. Wir können auch ersehen, dass die interkolumnäre Fibrille « in der Muskelfaser spitz beginnt und durch das Sarkolemm unmittel- bar in eine Sehnenfibrille sich fortsetzt. Die Fibrillen $ und y nehmen dagegen mit abgestumpftem Ende ihren Ursprung und setzen sich nicht in je eine Sehnenfibrille, sondern in je einen Knäuel von Sehnenfibrillen fort. Bei den Myvofibrillenbündeln e und d hin- gegen besteht überhaupt kein regelmässiger Zusammenhang zwischen den interkolumnären Fasern und den Sehnenfibrillen. Stellen- weise sind die Sehnenfibrillen unmittelbare Fortsetzungen der inter- kolumnären Fädchen (d), an anderen Stellen dagegen nehmen sie zwischen den interkolumnären Fädchen, am Sarkolemm ihren Ursprung. Die Ursache der Differenzen zwischen den interkolumnären Fäserchen liegt darin, dass die (Gebilde, welche im mikroskopischen Bilde wegen ihrer ähnlichen Form und Färbung als einförmige, gleichgestaltete Fädchen erscheinen und die ich deshalb gemein- schaftlich „interkolumnäre Fibrillen“ bezeichnete, in Wirklichkeit (rebilde verschiedener Abstammung und Bedeutung sind. So kann man vom «-Fädchen nachweisen, dass dieses die projizierte Partie einer unter der Muskelfaser liegenden bindegewebigen Fibrille in die Muskelfaser ist. Bei tieferer Einstellung ist es an der Ober- fläche der Muskelfaser in ein bindegewebiges Netz zu verfolgen; die mit ihm in Verbindung stehende Sehnenfibrille stellt tatsäch- lich eine Fortsetzung desselben dar. Die interkolumnären Fibrillen $# und y besitzen schon eine ganz andere Bedeutung. Dieselben sind nämlich nichts anderes !) Interkolumnär nenne ich sie deshalb, weil sie tatsächlich nicht an das Ende der Muskelsäulen, sondern an die Seite derselben und zwischen die Muskelsäulen zu liegen kommen. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 21 als die zwischen die Muskelsäulen oder Myofibrillenbündel ein- gekeilten Falten des Sarkolemms. Am Ende der Muskelfaser endigen die Muskelsäulen nicht in einer Linie: Das Muskelsäulenbündel a endigt höher, b tiefer, c am tiefsten, d viel höher und e am allerhöchsten. Das b-Bündel entfernte sich ausserdem sowohl vom a-, als vom e-Bündel. Dem- entsprechend stülpt sich nun das Sarkolemm, das eng das Ende der Muskelsäulen bedeckt, sowohl zwischen die Bündel a und b. als b und ce ein und auf diese Weise entstehen Sarkolemm- dupplikaturen oder Falten, welche die gegenüberliegenden Seiten der Muskelsäulen oder Myofibrillenbündel bedecken. Diese Er- scheinung können wir auch an anderen Muskelfasern häufig beobachten und entstehen derlei Sarkolemmfalten immer infolge der Zickzackform der Muskelendigung. Das Schema Fig. II erklärt die Entstehung dieser Sarkolemm- Einstülpungen. In der Faser A liegen die in A B verschiedener Höhe endigenden Muskelsäulen in ziemlich grosser Entfernung (t) voneinander, so dass vom Ende der einen Muskelsäule zum Ende der anderen die Ein- Ai A stülpung (r) des Sarkolemms ganz gut zu verfolgen ist. Sobald aber diese Entfernung zwischen den Muskelsäulen eine minimale wird, sehen wir die Einstülpungsfalte des Sarkolemms nicht als Dupplikatur, sondern in Gestalt einer dicken Fibrille, wie dies die Muskelfaser B demonstriert. Diesem Schema ent- sprechende Verhältnisse finden wir ae BE, auch in der Abb.S. Die Entfernung Br en ie z l ‚wischenraum; r — Einstülpungs- zwischen den Bündeln b und e ist en des Sarkolemme gross genug dazu, um eine Be- obachtung der Umbiegung des Sarkolemms vom Bündel b auf c zu ermöglichen. Zwischen den Bündeln a und b ist die Entfernung um vieles geringer, nebstbei ist an einem Punkte das Sarkolemm von der Seite des a-Bündels, am anderen Punkte vom b-Bündel LRSLESSEEREN 15 2 Tiberius P&terfi: losgelöst, so dass hier die zwei Lamellen der Sarkolemmfalte verklebt sind und im mikroskopischen Bilde als dicke Fibrille in die Erscheinung treten. In der Fig. 15 ist an einer Muskel- faser der Maus ebenfalls eine solche Sarkolemm-Einstülpung bei a, sehr gut wahrnehmbar. Wir sehen daher, dass die sog. interkolumnären Fibrillen, welche den Anschein der Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen erwecken, teils an der Oberfläche der Faser liegende projizierte Bindegewebsfibrillen, teils Sarkolemmeinstülpungen sind. Hiermit haben wir aber noch immer nicht die Frage vollständig gelöst, denn es existieren immer noch interkolumnäre Fibrilien, für die weder die eine, noch die andere Erklärung zutrifft. Derlei Fibrillen sind die in Fig. Ss am Ende der Myofibrillen c, d und e liegenden kurzen Fibrillen und die Fibrille d. Auch von diesen könnten wir annehmen, dass sie ebenfalls Sarkolemm- Einstülpungen sind. Ganz entschieden kann nämlich konstatiert werden, dass diese sämtlichen Fibrillen mit dem Sarkolemm in engem Zusammenhange stehen. Trotzdem gibt der Umstand zu denken, dass hier zwischen den Enden der Muskelsäulen nicht so eine Differenz besteht und keine solche Entfernung zwischen den einzelnen Muskelsäulen vorhanden ist, die die Einstülpungen des Sarkolemms verständlich machen würde. Schon bei oberflächlicher Betrachtung ist die Ähnlichkeit zwischen den Einstülpungen und den sog. Festonen an dieser Stelle auffallend. F Wie bekannt, entstehen die Festone an kontrahierten Muskel- fasern dadurch, dass das Sarkolemm bei den Grundmembranen (Krausesche Membran, Telophragma) fixiert ist, und während zwischen diesen das Sarkolemm dem Drucke der sich verkürzenden Muskelfaser nachgibt und sich vorwölbt, springt es an den fixierten Punkten ein wenig nach innen vor. Betrachten wir nunmehr, ob nicht etwa am Ende der Muskelfaser solche strukturelle Be- dingungen und physiologische Verhältnisse obwalten, die derlei festonartige Einstülpungen des Sarkolemms hervorrufen können. Am Ende der Muskelfaser haftet das Sarkolemm nur den Enden der Muskelsäulen oder Myofibrillen und der interfibrillären Substanz an. Dem Sarkolemm aber liegt, wie ich dies bisher schon oft hervorhob und in der Folge noch ausführlicher beweisen werde, ein sehr dichtes Bindegewebsnetz an. Dieses Netz hängt DD wo Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. sehr innig mit dem Sarkolemm zusammen, so dass ich wohl die Behauptung aufstellen kann, dass das, was wir an den Präparaten als Sarkolemm bezeichnen, eigentlich in den meisten Fällen nichts anderes ist, als ein Durchschnitt dieses dichten Bindegewebsnetzes. In der „Internationalen Monatsschrift für Anatomie und Physio- logie“, Bd. 29, tritt Bruno Griesmann in seiner Arbeit „Über die fibrilläre Struktur des Sarkolemms“ mit überzeugenden Gründen für die fibrilläre Struktur des Sarkolemms ein, die auch Pappen- heim nachgewiesen hat. Griesmann weist mit spezifischen, besonderen Färbungen (nach Woronin und Traina) nach, dass das was v. Froriep für eine Hyalinmembran und die Mehrzahl der Lehrbücher für eine Zellmembran oder ein basalmembranartiges Gebilde hält, in Wirklichkeit aus einem dichten Netze von binde- gewebigen Fibrillen besteht. Auf Grund meiner eigenen Beobachtungen teile ich Voll- kommen die Auffassung Griesmanns. Tatsächlich fand ich überall im Sarkolemm ein sehr dichtes Bindegewebsnetz, welches aber an und für sich noch nicht das Sarkolemma selbst ist. Die Maschen des Netzes werden von einer sehr feinen, mit Azokarmin-Mallory blassblau sich färbenden strukturlosen Grundsubstanz ausgefüllt und deshalb bin ich der Meinung, dass das Sarkolemm aus zwei Bestandteilen besteht, und zwar aus einer homogenen, hyalinen Membran (die eventuell einer Zellhaut oder einer Basalmembran entspricht) und aus einem dichten bindegewebigen Netze. Für unsere gegenwärtige Untersuchung ist es von nebensächlicher Bedeutung, ob die Bindegewebsfasern sich aus der hyalinen Mem- bran herausdifferenzieren, oder aus dem Perimysium in das Sarko- lemm einwachsen. Tatsache ist, dass das Netz aus fädenartigen Bindegewebsfibrillen besteht, die sich an der Seite der Muskel- faser in Perimysiumfasern, am Ende der Muskelfaser aber in Sehnenfibrillen fortsetzen. | Ich muss noch hervorheben, dass zwischen den Fibrillen des Sarkolemm - Netzes ein wesentlicher Unterschied besteht. Ein grosser Teil derselben ist sehr fein, an der Grenze der mikro- skopischen Sichtbarkeit stehend; diese Fädchen tingieren sich sehr blass, bilden ein sehr dichtes Netz und gehören am innigsten dem Sarkolemm an. (Wahrscheinlich wurden diese von Pappen- heim und Griesmann als fibrilläre Struktur des Sarkolemms beschrieben und abgebildet.) Zwischen diesen und wahrscheinlich 24 Rabe rmusiPetleriti: oberhalb derselben liegen dickere, sich schärfer färbende binde- gewebige Fibrillen. Auch diese sind innig mit dem Sarkolemm verwachsen, kommen in geringerer Anzahl vor und bilden ein weitmaschigeres Netz. Vorwiegend diese dickeren Fibrillen setzen sich in das Perimysium oder in die Sehnenfibrillen fort, während die Fäden des feineren Netzes sich eher auf die Ober- fläche der Muskelfaser beschränken (siehe die Fig. III. IV, V, VL v2). Die fibrilläre Struktur des Sarkolemms oder, genauer aus- gedrückt, das Vorhandensein des bindegewebigen Netzes des Sarkolemms, hat entscheidende Bedeutung bei der Erklärung der Kontinuität der Muskelfasern und Sehnenfibrillen. Sie gewährt eine natürliche und ungezwungene Erklärung über den Ursprung der Sehnenfibrillen und über den innigen Zusammenhang zwischen Muskelfaser und Sehnen, und erklärt einheitlich jene Bilder, an denen zwischen Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen kein Zusammen- Fig. II. Fig. V. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 25 w Fig. VI. Fig. HI—VII. Das Sarkolemm-Netz. Fig. IIH—V. Tangential getroffene Sarkolemm-Partien am Rande der Muskel- fasern. Fig. VI. Sarkolemm am Ende einer stark geschrumpften Muskelfaser. Fig. VII. Ein von der Muskelfaser abgerissene und auf seine Fläche ge- wendete Sarkolemmpartie. S = Grundsubstanz, f — feineres, F —= gröberes Fibrillennetz, M —= Muskelfaser, N — Kern. hang sichtbar ist, und jene, an denen eine scheinbare Kontinuität wahrnehmbar ist. Wir kehren nunmehr zur Fig. S zurück, an der wir die Natur der auf den Territorien e, d und e befindlichen interkolumnären Fibrillen bislang noch nicht bestimmt haben. Ausgehend von der Ähnlichkeit, die zwischen dem Verlauf des das Ende der Muskelfaser bedeckenden Sarkolemm und den sog. Festonen wahrzunehmen ist, haben wir die Frage aufgeworfen, ob auch am Ende der Muskelfaser derlei, durch die Funktion der Muskelfaser hervor- 26 Tiberius P&terfi: serufene Sarkolemm -Einstülpungen oder Hervorwölbungen ent- stehen können, wie die Festone. Zur Entwicklung von solchen festonartigen Gebilden sind zwei Faktoren notwendig: 1. dass das Sarkolemm stellenweise fixiert sei, 2. dass die Muskelfaser von innen einen Druck auf das Sarkolemm ausübe. Im bindegewebigen Netz des Sarkolemms fand ich den Faktor. der am Ende der Muskelfaser das Sarkolemm wenigstens in einem bestimmten Grade stellenweise fixiert. Die starken Fibrillen dieses bindegewebigen Netzes umgeben nämlich das Sarkolemm wie mittelst Klammern, welch letztere steifer, fester und weniger dilatierbar sind, als die übrigen Teile des Sarko- lemms. Kontrahiert sich. verkürzt und verdickt sich die Muskel- faser, so wird das Sarkolemm entsprechend der Dickenzunahme erweitert und ausgespannt. An den Punkten jedoch, wo es kräftigere Bindegewebsfasern niederdrücken, kann das Sarkolemm mit der Verdiekung der Muskelfaser nicht Schritt halten, nicht in entsprechender Weise sich dilatieren und stülpt sich obertläch- licher oder tiefer in die Muskelfaser ein, und zwar stets zwischen den Muskelsäulen. Auch dem wohnt ein natürlicher Grund inne. Die Muskelsäulen, insbesondere die in Kontraktion befindlichen, sind kompaktere Gebilde, als dass das Sarkolemm sich in die- selben einstülpen könnte: das Sarkoplasma resp. die interfibrilläre Substanz dagegen entfaltet überhaupt keinen Widerstand und so dringt das Sarkolemm an Stelle des allergeringsten Widerstandes ein. Die ganze Erscheinung vergegenwärtigen wir uns in der Weise am leichtesten, wenn wir eine mit einem Gitter umsponnene dünnwandige Gummiblase stark aufblasen, wobei wir beobachten können, dass die Teile des Gitters tatsächlich in die Wand des stark sich ausspannenden Balls eindringen. Wiewohl dieses Phänomen mit dem physiologischen Zustande der Muskelfaser in innigem Zusammenhange steht, können wir trotz- dem nicht einfach den Satz aufstellen, dass an jeder in Kontraktion befindlichen Faser Sarkolemmeinstülpungen entstehen und anderer- seits an erschlafften Fasern solche nicht in die Erscheinung treten. Nach den oben über die Sarkolemmeinstülpungen gemachten Behauptungen sollten einesteils derlei Einstülpungen nur an kontra- hierten Muskeln sich entwickeln, andererseits sollten dieselben um so ausgeprägter sein, je kräftiger sich der Muskel kontrahiert. Dieser Folgerung widersprechen aber die Tatsachen. Gerade an Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnentibrillen. 27 den am kräftigsten kontrahierten Muskelenden finden wir keine Einstülpungen, während an erschlafften oder fast erschlafften Muskeln sehr starke Einstülpungen wahrnehmbar sind. Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen, müssen wir gesondert die am Ende des vollkommen kontrahierten Muskels sichtbaren Ver- hältnisse zum Gegenstand einer Untersuchung machen und separat die erschlafitten Muskeln, denn schon an dieser Stelle muss ich vorwegnehmen, dass andere Faktoren bei den Sarkolemmein- stülpungen des kontrahierten und andere bei den erschlafften Fibrillen eine Rolle spielen. Sehr treffend wies Heidenhain auf dem Leipziger Kongresse darauf hin, dass wir bei Erörterung der Frage der Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen jenen Muskelfasern besondere Auf- merksamkeit zuzuwenden haben, bei welchen die Kontraktionswelle gerade auf das Ende der Muskelfaser zu liegen kommt. In derlei Fasern, wie dies die Abbildung 9 zeigt, grenzt des Sarkolemm scharf das Ende der Muskelfaser ab und scheidet die Muskel- fibrillen von den Sehnenfibrillen. Entsprechend der Kontraktion ist das Ende der Muskelfaser stark verdickt, weitet sich am Durch- schnitte trichterförmig aus, doch befinden sich an demselben keine interkolumnären Fäden oder Sarkolemm-Einstülpungen. Bei etwas höherer Einstellung ist auch hier das Sarkolemm-Netz sehr gut wahrnehmbar. Ähnliche Bilder sehen wir in den Fig. 10 und 11 mit den am Ende der Muskelfaser befindlichen Kontraktionswellen. In allen drei Fällen ist das Ende der Muskelfaser verbreitert. verdickt. das Sarkolemm haftet dem Ende der Muskelfaser glatt. ohne jede Einstülpung an. Die erläuterten Tatsachen führen zu folgenden Schlüssen. Das Bindegewebsnetz des Sarkolemms vermag zweifelsohne der Volumszunahme der Muskelfaser gegenüber einen Widerstand zu entfalten, der Grad dieser Resistenz kann aber nicht so gross sein, dass die am Höhepunkte der Kontraktion befindliche Muskel- faser diesen nicht besiegen könnte. Ich halte dafür, dass sich die Bindegewebsfibrillen wohl schwerer ausdehnen, als die mit Fibrillen nicht bedeckten Sarkolemmterritorien, die Kraft der vollständigen Kontraktion dilatiert jedoch schliesslich auch diese in ent- sprechender Weise. Diesem Umstande schreibe ich zu, dass in den auf den Fig. 9, 10 und 11 dargestellten Fällen. wobei der Höhepunkt der Kontraktion gerade auf das Ende der Muskelfaser 0) 2 iinplerransapleitieirita: ( zu liegen kommt, keine Sarkolemm-Einstülpungen sichtbar sind. Auch einen anderen wichtigen Umstand dürfen wir nicht ausser Acht lassen. Das Ende der in Kontraktion befindlichen Muskel- faser, wenn die Kontraktionswelle gerade auf dasselbe zu liegen kommt, verdickt sich stark und rundet sich dementsprechend stark ab. Hierbei dilatiert sich, spreizt sich auch das die Ober- fläche bedeckende Sarkolemm-Netz und die einzelnen Fibrillen des Netzes liegen mit den Muskelfibrillen nicht so parallel, wie am spitzen, dünnen, konischen Ende einer erschlafften Faser (siehe Fig. VIII). Wenn wir aus einer solchen verdiekten und A B Fig. VII. Verhältnis des Sarkolemm-Netzes zu den Myofibrillen in kontrahiertem und erschlafftem Zustande (schematisch. A = kontrahierte, B — erschlaffte Muskelfaser, f — Fibrillen des Sarkolemm-Netzes. abgerundet endigenden Muskelfaser ein dünnes Schnittpräparat bereiten, werden wir die das Ende der Muskelfaser bedeckenden Fibrillen nicht tangential treffen, wie im Falle einer erschlafften Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 29 konisch endigenden Muskelfaser, sondern quer, und so wird im mikroskopischen Bilde die Lage der Bindegewebsfibrillen höchstens durch sehr kurze Fädchen oder durch punktartige Verdickungen des Sarkolemms angedeutet sein (siehe Fig. 12). Wenn wir am Ende der erschlafften Fasern die Spuren der Einstülpungen suchen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir an den vollkommen und gleichmässig erschlafften Fasern dieselben nicht finden. In den Fig. 2 und 3 habe ich zwei solche Fasern zur Abbildung gebracht, an welchen ich weder Kontraktionswellen noch Kontraktionsstreifen wahrnehmen konnte. Das Sarkolemm ist auch hier eine zusammenhängende, scharfe Linie, die nirgends zwischen die Muskelsäulen eindringt. Dieses Bild entspricht dem. was wir über die Entstehung der Sarkolemm-Einstülpungen an- nahmen. Da keine Kontraktion besteht, spannt sich das Sarko- lemm nicht aus und es ist keine (Gelegenheit zum Eindringen in die Muskelfaser gegeben. Dieses Bild der erschlafften Faser ist jedoch eine ziemlich seltene Erscheinung. An den meisten erschlafften Muskelfasern finden wir eine scheinbare Muskel- sehnen-Kontinuität, welche auch hier teils durch auf die Muskel- säulen projizierte Bindegewebsfibrillen, teils durch Sarkolemm- Einstülpungen vorgetäuscht wird. Nach dem über die Verdickung des Endes der Muskelfaser Erörterten (siehe Fig. VIII) ist es leicht verständlich, dass in der erschlafften Muskelfaser gerade das entgegengesetzte Phänomen in die Erscheinung tritt. Das Ende der erschlaftten Faser ist meist spitz, kegelförmig, oder wenn auch nicht so beschaffen, ist es allenfalls sehr dünn, und infolgedessen verlaufen die die Ober- fläche bedeckenden feinen Bindegewebsfibrillen sehr steil. fast parallel mit den Muskelfibrillen, andererseits kommen sie am Ende der Faser so nahe zu den Muskelfibrillen zu liegen, dass wir die zwischen denselben liegenden Niveauunterschiede in vielen Fällen gar nicht wahrnehmen. Die Erschlaffung stellt daher günstige Verhältnisse für die Projektion der Sarkolemmfibrillen auf die Muskelfibrillen dar (siehe Fig. 13). Die Einstülpungen des Sarkolemms können übrigens auch am Ende erschlaffter Fasern entstehen, doch aus ganz anderer Ursache, wie an der kontrahierten Fibrille. Für ihre Entwicklung erscheint es am Wichtigsten, dass die Myofibrillen meist nicht auf einmal, oder nicht gleichmässig erschlaffen. Während in der 30 pe nis nPplektremitı: vollständig und gleichmässig erschlafften Faser — wie dies aus den Abbildungen 2 und 3 erhellt — die Myofibrillen im grossen und ganzen gleichmässig lang sind, oder wenigstens ein stufen- weise auftretender Übergang zwischen der Länge der äusseren und der der dazwischenliegenden Fibrillen besteht, endigen die Myofibrillen in den meisten in Erschlaffung befindlichen oder nicht gleichmässig erschlafften Fasern bald höher, bald tiefer. Bei der Erschlaftung dehnen sich die A B Fibrillen zu ihrer ursprüng- ANNE SUNG: nn lichen Länge aus. Dement- NR | \ sprechend schieben sie das BREnEER HH Sarkolemm, das bei der Kon- Li a il te traktion mit dem Ende der LErt | — HH Muskelfaser zusammen sich Bu 8 proximalwärts kontrahierte - HH und ausgespannt war, distal- wärts vor sich her. Wenn nun einzelne Myofibrillen vorher sich dilatieren und sich stärker strecken als die neben ihnen liegenden, so wird der Verlauf des Sarkolemms eine Zickzacklinie zeigen. Hierbei dürfen wir nicht vergessen, Fig. IX. dass das Sarkolemm stellen- Entstehung der Sarkolemm-Binstülpungen weise durch die bindege- infolge ungleichmässiger Erschlaffung der > nes Muskelfibrillen (schematisch. A = die webigen Fibrillen klammer- kontrahierte, B= die erschlaffte Muskel- Attig umgeben, niederge- faser: m, m,, m,, m, — Myofibrillen; drückt ist. Diese durch das s —= Sarkolemm; f = die durch die Binde- Sarkolemm - Netz niederge- gewebsfibrillen des Sarkolemms nieder- drückten Stellen werden der ie u ee Längenzunahme der Muskel- fibrillen gegenüber einen gleichen Widerstand entfalten, wie der Zunahme des Dieken- durchmessers gegenüber und so werden zwischen den in ver- schiedenen Stufen der Erschlaffung befindlichen und verschieden langen Myofibrillen Sarkolemm - Einstülpungen entstehen (siehe Fig. IX). Im Wesen spielen somit auch bei der Erschlaffung die- selben Faktoren, das heisst der Widerstand des Sarkolemm-Netzes Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 31 und die innere Spannkraft der Muskelfaser eine Rolle bei der Entstehung der Sarkolemm-Falten, wie bei der Kontraktion. nur mit dem Unterschiede, dass bei der Erschlaffung der innere Druck Folge der Längenzunahme der Muskelfaser, resp. der Ausdehnung derselben, bei der Kontraktion hingegen Konsequenz der Dicken- zunahme ist. Auf Grund des Entwickelten glaube ich klargelegt zu haben, dass während im Stadium der vollständigen Kontraktion und Erschlaffung am Ende der Muskelfaser keine Sarkolemmein- stülpungen entstehen, können wir zwischen beiden Stadien, d.h. an der noch nicht gleichmässig erschlafften oder noch nicht auf dem Höhepunkt der Kontraktion angelangten Muskelfaser am Ende desselben ausgesprochene Sarkolemmeinstülpungen beobachten. Diesen Satz beweisen die Abbildungen X, XI, XII und XIII. An Rig: X. Fig. XI. Fig. XI. Fig. XIII. Fig. X—-XIH. Salamander-Muskelfaser-Endigungen in verschiedenen Stadien der Kontraktion. Fig. X. Ungleichmässig erschlaffte Muskelfaser. Fig. XI. Muskelfaser mit schwach ausgeprägter Kontraktionswelle. Fig. XII. Muskelfaser mit. stärker ausgeprägter Kontraktionswelle Fig. XIII. Endigung der Muskeltfaser, am Höhepunkte der Kontraktion befindlich. F — Sarkolemm - Einstülpungen: M = in verschiedener Höhe endigende Myofibrillenbündel: K, —= in schwächerer, K, — in stärkerer, K, = auf dem 3 Höhepunkte der Kontraktion befindliche Kontraktionswelle; Sp = Sarkoplasma diesen können wir nebeneinander vier verschiedene Grade der Kon- traktion beobachten. am Ende der Muskelfaser einer Salamander- larve vom erschlaftten. doch noch nicht gleichmässig relaxierten 32 Tiberius P6terfi: Oo Muskelende (Fig. X) bis zur am Höhepunkte der Kontraktion befindlichen Muskelfaser. Wir können ersehen, dass je mehr sich die Kontraktion ihrem Höhepunkte nähert, um so mehr Fibrillen in einer und derselben Linie endigen, um so dicker und abge- rundeter das Ende der Muskelfaser sein wird und um so weniger interkolumnäre Fasern zwischen den Muselfibrillen liegen werden. Alles in allem können wir über die scheinbare Kontinuität der Muskel-Sehnentibrillen konstatieren, dass eine solche unter ver- schiedenen Umständen und aus differenten Ursachen vorgetäuscht werden kann. Im gegebenen Falle daher, in welchem das mikro- skopische Bild eine scheinbare Kontinuität der Muskel - Sehnen- fibrillen zeigt, dürfen wir nicht einseitig nur eine bestimmte Erklärung annehmen und diese den Tatsachen aufoktrovieren, wir müssen vielmehr verschiedene Möglichkeiten vor Augen halten und einesteils aus der Form des Endes der Muskelfaser und der Ober- tlächenstruktur des Faserendes, andererseits aus dem physio- logischen Zustande der Faser in jedem einzelnen Falle die Erklärung schöpfen. Zwei Faktoren haben aber in jedem Falle eine entscheidende Rolle: das Sarkolemm-Netz und der physiologische Zustand der Muskelfaser. Wenn der physiologische Zustand der Muskelfaser ein derartiger ist, dass das Sarkolemm-Netz zwischen die Muskel- fibrillen sich einbiegt, so rufen Sarkolemm - Einstülpungen die scheinbare Kontinuität der Muskel - Sehnenfibrillen hervor. Es kann aber das gleiche Bild entstehen auch obne Einwärtswendung des Sarkolemms, wenn nämlich das Ende der Muskelfaser so dünn ist, dass die Fibrillen des Sarkolemm-Netzes auf die Myofibrillen sich projizieren und die zwischen ihnen liegenden minimalen Niveaudifferenzen nicht zu beurteilen sind. Mit einem Worte, wenn wir uns vergegenwärtigen, in welch variabler Weise die Kontraktion und Erschlaffung der Muskelfaser die Form der Ober- fläche und des Endes der Faser zu modifizieren imstande ist, wieweit durch dieselbe die Oberflächenspannung beeinflusst wird; andererseits, wenn wir erwägen, welch verschiedene Lage und Spannung das Sarkolemm-Netz besitzen kann, so können wir aus diesen beiden Faktoren die differenten Bilder der scheinbaren Kontinuität zwischen Muskel- und Sehnenfibrillen erklären. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 3 In Nachstehendem will ich noch an der Hand einiger Bei- spiele demonstrieren, dass die Kontinuität der Muskel- und Sehnenfibrillen nur eine scheinbare ist, und wo dieselbe in die Erscheinung tritt, sie durch Einstülpungen des Sarkolemm-Netzes oder durch Projizierung von Bindegewebsfibrillen auf die Muskel- fibrillen vorgetäuscht wird. In Fig. 14 demonstriere ich eine mit Vanadium - Häma- toxylin gefärbte Salamander-Muskelfaser. Das Schnittpräparat war 5 «a dick, und bei allerschärfster Einstellung (wobei die Muskelfibrillen und die Querstreifung gut sichtbar waren) fand ich das hier abgezeichnete Bild. Das Ende der Faser ist ein wenig abgerundet, die Muskelsäulen endigen nicht ganz in einer Linie, und zwischen ihnen liegen kürzere oder längere inter- kolumnäre Fasern, die unmittelbar in Sehnenfibrillen ihre Fort- setzung finden. Mit einem Worte, wir haben es hier mit einem ausgeprägten Falle einer scheinbaren Muskel-Sehnen-Kontinuität zu tun. Diese Faser habe ich alsdann bei verschiedener Einstellung graphisch rekonstruiert (Fig. 15). Die Einstellungsebenen habe ich mit den an der Mikrometerschraube des grossen Zeissschen Statives befindlichen Zahlen bezeichnet. So fand ich die allerhöchste optische Ebene bei 3!/., dann zeichnete ich die bei 4!/e, 6, 7, Ss, 9, 10 und 11 eingestellten Ebenen übereinander, bis ich bei 11 die Grenze der Penetrationsfähigkeit des Mikroskops erreichte. Aus dieser Rekonstruktion überzeugte ich mich klar und deutlich darüber, dass die Oberfläche der Muskelfaser von dicken Binde- gewebsfibrillen bedeckt ist, welche das Ende der Faser mit einem dichten Netze umgeben. Es genügt, von der Fig. 14 auf die Fig. 15 einen Blick zu werfen, und sofort fällt es auf, dass die scheinbaren Muskel-Sehnenfibrillen nichts anderes darstellen, als die Durchschnitte der Fibrillen des Sarkolemm-Netzes, die die Oberfläche der Muskelsäulen bedecken und wahrscheinlich sich zwischen dieselben einstülpen. Dass dieses Sarkolemm-Netz auch mit dem Perimysium zusammenhängt, können wir aus dem die Muskelfaser quer überbrückenden R-R-Bündel ersehen. Auf dieses quer liegende Bündel mache ich auch deshalb aufmerksam, da gerade an diesem wahrnehmbar ist, wie sehr die auf der Ober- fläche liegenden Fibrillen auch das tiefer eingestellte Bild der Muskelfaser zu beeinflussen imstande sind, andererseits ist gerade Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 3 34 Tiberius P&terfi: hier auch ersichtlich, dass während der Kontraktion die schwerer sich dilatierenden Bindegewebsfasern in die an Dicke zunehmende Muskelsubstanz eindringen können. In der Fig. 14 liegt auf der linken Seite eine Kontraktions- welle, die in eigentümlicher Weise sich nur auf die halbe Seite der Muskelfaser beschränkt, gegen die rechte Seite und nach abwärts endigt sie mit einer scharfen Linie. Die Fig. 15 gibt auch hierfür eine Erklärung. Die Kontraktionswelle kommt gerade auf das Gebiet zu liegen, wo die starken Querfibrillen des R-R-Bündels mit den Längsfibrillen anastomosieren. Die Kontraktionswelle kann sich nur auf der linken Seite oberhalb des R-Bündels ent- wiekeln, denn hier ist ein freies, fibrillenloses Territorium, nach abwärts und gegen die rechte Seite setzen die starken Binde- gewebsfibrillen einen Widerstand, die hierselbst nicht nur die Vorwölbung der Muskelfaser erschweren, sondern während der Kontraktion in die Muskelfaser selbst eindringen. So tritt am mikroskopischen Bilde die eigentümliche Form der Kontraktions- welle in die Erscheinung, und so entstehen die scheinbaren Kon- tinuitäten der Muskel-Sehnentibrillen. (regen die Annahme einer direkten Kontinuität der Muskel- fibrillen und Sehnenfibrillen liefert einen anderen schlagenden Beweis die Fig. 16. Am Ende dieser 3 « dicken, mit Azo- karmin - Mallory gefärbten Muskelfaser sind scheinbare Ver- bindungen bei a und b sichtbar. Diese blauen Fädchen hören alsbald auf, weiter oben aber treten sie an der Seite derselben Muskelsäulen wieder bei A und B hervor. Die Erklärung dieses Bildes liegt darin. dass A und a, B und b die Durchschnitte derselben oberflächlich liegenden Fasern sind, die bei A und a, B und b tiefer in die Muskelfaser eindrangen und so in die Ebene des Schnittes gelangten. Aus ähnlichen Gründen finden wir oft bindegewebige Fädchen, verhältnismässig weit entfernt vom Ende der Muskelfaser, die im gleichen Verhältnis mit den Muskelfibrillen stehen, wie die Fibrillen a, b, A und B der Fig. 16. Derlei interkolumnäre Fädchen erreichen überhaupt nicht das Ende der Muskelfaser und sind demgemäss in die Sehnentfibrillen nicht zu verfolgen. So sind an der Fig. 17 bei k mehrere solcher Fibrillen zwischen den Myofibrillen sichtbar. Nachdem k eine kleine Kontraktionswelle darstellt, ist dieses Bild unserer An- nahme gemäss so zu deuten, dass die Fädchen des Sarkolemm- Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. Br netzes in die Kontraktionsstelle eindrangen und auf diese Weise an dieser Stelle und nur hier in den Schnitt gerieten. Schliesslich liefert einen interessanten Gegenbeweis bezüglich der Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrille auch die Fig. 18. Hier brachte ich den Rand eines mit Azokarmin -Mallory gefärbten Froschmuskels zur Abbildung. Stark blau gefärbt in der Faser sind die Grundmembranen und gut sichtbar ist es, wie an den Endpunkten dieser Membranen das Sarkolemm Festone bildet, zwischen den Festonen aber, förmlich als Fortsetzung der Grund- membranen, perimysiale, bindegewebige Fasern entspringen. Wenden wir dieses Bild derart, dass die perimysialen Fädchen nach abwärts sehen, so erhalten wir ein Ebenbild, wie im Falle der scheinbaren Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen am Ende der Muskelfaser, nur mit dem einzigen Unterschiede, dass an Stelle der Sarkolemm- einstülpungen hier Festone entstanden und dass die bindegewebigen Fädchen nicht als unmittelbare Fortsetzung der Muskelfibrillen, sondern der Grundmembranen erscheinen. Es ist wohl überflüssig, näher zu beweisen, dass die Fasern des Perimysiums nicht aus den Grundmembranen entstehen, und dass auch diese Kontinuität, die so auffallend der von Schultze und Loginow beschriebenen Kontinuität ähnlich erscheint, nur eine scheinbare ist. Auch hier, wie am Ende der Muskelfaser, rufen dieselben Fibrillen des Sarko- lemmnetzes dieses Phänomen hervor, welche sich am Rande der Faser in das Perimysium fortsetzen; da sie gerade am Rande der Muskel- faser der Anheftungsstelle der Grundmembranen stärker anhaften, sind sie an diesen Punkten von den Grundmembranen optisch nicht isolierbar. Zusammenfassung. Das Resultat meiner Untersuchungen kann ich im folgenden zusammenfassen: 1. An den mit elektiven Bindegewebsfärbungen tingierten Präparaten sehen wir an den meisten Muskelfasern des Ende der Faser von einem nicht unterbrochenen Sarkolemm begrenzt. . Das Sarkolemm besteht aus einer Hyalinmembran (oder Grundsubstanz) und aus einem Netze feinerer und dickerer Bindegewebstibrillen. 3. Die Sehnenfibrillen nehmen ihren Ursprung aus den Binde- gewebsfibrillen des Sarkolemms. 86) 36 Tiberius P&terfi: 4. Der Anschein einer Kontinuität der Muskel - Sehnenfibrillen kann entstehen: a) wenn das Ende der Muskelfaser nicht entsprechend einstellbar ist und die Sarkolemmfibrillen in die Muskel- faser projiziert werden. wenn das Ende der Muskelfaser sich so verdünnt und zuspitzt. dass die auf seiner Oberfläche befindlichen Bindegewebsfibrillen von den Endstücken der Myo- fibrillen optisch nicht zu isolieren sind. c) wenn das Ende der Muskelfaser von unregelmässig gelappter Form ist und entsprechend den in ver- schiedener Höhe endigenden Bündeln von Muskelfibrillen das Sarkolemm einen Zickzack-Verlauf darbietet. d) wenn während der Kontraktion der Muskelfaser das durch das bindegewebige Netz niedergedrückte Sarko- lemm in die Muskelfaser eindringt. e) wenn während der Erschlaffung der Muskelfaser die sich in verschiedenem Maße ausdehnenden Myofibrillen stellenweise das Sarkolemm vor sich herschieben und ausweiten. h — Woran liegt es, dass das Ergebnis meiner Untersuchungen so schnurstracks den Beobachtungen von Schultze und Loginow zuwiderläuft ? Nach meinem Dafürhalten liegt der Grund hierfür in erster Linie in der von diesen Forschern angewandten Technik, welche geeignet ist, die zweierlei Fibrillen in unmittelbarer Kontinuität erscheinen zu lassen. Die Schultzesche Technik, die auch Loginow befolgte, ist in allen ihren Einzelheiten so ausgearbeitet, dass die mit derselben gewonnenen Präparate in scharfer Weise und mit überzeugender Kraft die Theorie der Kontinuität erweisen müssen. Vielleicht nicht geflissentlich, doch immerhin zweckmässig ist in dieser Technik alles vereint, was die Darstellung der scheinbaren Kontinuität erleichtert und die richtige Erkennung der Lage der Bindegewebsfibrillen zu erschweren imstande ist. Den grössten Teil der Untersuchungen hat Schultze an isolierten, teils ungefärbten, teils mit Chromhämatoxylin (eventuell mit Rubin) gefärbten Präparaten durchgeführt. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 3 Über diese Präparate äusserte ich mich bereits vorher, dass ihnen keine beweisende Kraft zukommt. In der Theorie Schultzes spielen aber gerade diese Präparate eine wichtige Rolle und mit Recht, denn gerade an solchen plastischen Fasern, an denen das Sarkolemm-Netz in seiner vollständigen Dichtigkeit sichtbar ist, insbesondere an ungefärbten oder nicht genügend differenziert gefärbten Präparaten sehen die Verhältnisse in der Tat täuschend so aus, als würden die mit den Myofibrillen parallelen Fädchen des Netzes mit den Myofibrillen in Zusammenhang stehen. Bei den Untersuchungen der Schnitte bediente sich Schultze des 1lproz. und 2proz. Osmiums, eines Gemenges von 2proz. Osmium und 2proz. bichromsaurem Kalium, des 10 proz. und 25proz. Formols, Formolalkohols (1 Teil Formol + 2 Teile Alkohol), eines Gemenges von Formol und 3proz. doppelchrom- saurem Kalium und der Flemmingschen Lösung. Auch Loginow benutzte einen Teil dieser Fixierungsmittel. Diese sind aber, mit Ausnahme der Flemmingschen Lösung, samt und sonders starke Schrumpfung bewirkende Lösungen, die eben ihrer starken Schrumpfwirkung wegen sehr geeignet sind zur Hervorhebung der Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen. Die Schrumpfwirkung macht sich einesteils auf die Bindegewebsfibrillen, anderseits auf die Form des Endes der Muskelfaser geltend, und die Folge hiervon ist, dass die Fädchen des Sarkolemm-Netzes noch mehr neben die Muskelfibrillen zu liegen kommen, so dass bei der Schrumpfung des ohnedies schmalen Faserendes der Niveauunter- schied der zweierlei Fädchen überhaupt nicht zu konstatieren ist. Nebstbei reisst das sehr dünne Sarkolemm leicht ab, insbesondere wenn die Muskelfibrillen nicht gleichmässig schrumpfen. Welche grosse Rolle tatsächlich den stark schrumpfenden Fixierungs- mitteln in der Theorie Schultzes zukommt, beweist, dass Schultze und Loginow gerade den die grösste Schrumpfung bewirkenden Formolalkohol als das geeignetste Fixiermittel her- vorheben, dagegen geben sie nach Anwendung des weniger schrumpfenden und verlässlicher fixierenden doppelchromsauren Kalium-Formols oder der Flemmingschen Lösung über ihre Präparate weder eine Beschreibung, noch bieten sie irgend eine Zeichnung über solche. Für Schnittprüfungen halten sie nur sehr dünne, 2 « dicke Präparate für geeignet. Von ihrem Standpunkte aus betrachtet, 38 Tiberius Pe&terfi: ist dies ein sehr natürliches Postulat, wie ich dies bereits oben erwähnt habe. Bei einer so minimalen Dicke vermag man die durchschnittenen Fäden des am Ende der Muskelfaser den Muskel- fibrillen sich anschmiegenden Sarcolemm-Netzes nicht auf die Faseroberfläche zu verfolgen. Schliesslich ist die stärkste Waffe dieser Technik das färbe- rische Verfahren. Die Schultzesche Chromhämatoxylin-Färbung, kombiniert mit Rubin oder Van Gieson, gewährt klare, gefällige Bilder; als elektive Färbung ist sie hinsichtlich der in Frage kommenden Sache aber keineswegs zu bezeichnen. Das Chrom- hämatoxylin färbt ebenso die Myofibrillen, wie das Bindegewebe, das Rubin hingegen färbt diffus und greift auch auf die Muskel- fibrillen über. Bei einer solchen Färbung ist es nur natürlich, dass wir vergeblich eine scharfe Grenze zwischen Bindegewebe und Muskelsubstanz suchen. Rein von der Differenzierung der Rubin- färbung hängt es ab, ob auch an den Sehnenfibrillen eher die Farbe des Chromhämatoxylins zur Geltung kommt, oder die rote Farbe des Rubins auch auf die Muskelfibrillen übergreift. In beiden Fällen ist sie eine sehr geeignete Färbung dazu, um den Anschein einer allmählich auftretenden Verschmelzung der Farbe der zweierlei Fibrillen und so der Kontinuität der beiden Fibrillen- arten hervorzurufen.!) !) Die Chromhämatoxylin-Orceinfärbung, mit welcher Loginow die Beziehungen zwischen elastischen Sehnenfibrillen und Myofibrillen studierte, ist von einem ganz anderen Gesichtspunkte zu betrachten. Es ist dies eine tatsächlich verlässliche, elektive Färbung. Leider habe ich beim Erscheinen der Abhandlung Loginows meine Untersuchungen bereits beendigt gehabt und konnte diese elastische Färbung nicht versuchen. Da man aber an jedem anderen Muskel die Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrille widerlegen kann, erscheint es mir unwahrscheinlich, gerade an den Muskeln der retro- lingualen Lymphtasche des Frosches eine unmittelbare Verbindung zwischen den beiderlei Fibrillen zu finden. Dies ist um so unwahrscheinlicher, da an der Abbildung (Fig. 9) Loginows deutlich ersichtlich ist, einerseits dass die elastischen Fibrillen nicht vom Ende der Myofibrillen, sondern zwischen denselben hervorgehen, andererseits, dass sie auch von der Seite und Ober- fläche der Muskelfaser entspringen, was übrigens Loginow selber kon- zediert. Bedenken wir noch überdies, dass das Präparat eine ausgespannte Membran ist, die wir in ihrer ganzen Dicke untersuchen müssen und in welcher oberhalb und unterhalb der Muskelfasern ein dichtes Netz von elastischen Fasern liegt, so können wir trotz der elektiven Färbung die be- weisende Kraft dieses Präparates anzweifeln. Es hängt nämlich vollständig von subjektiven Faktoren ab, wenn wir die die Oberfläche der Muskelfaser bedeckenden und auf die Muskelfaser unbedingt sich projizierenden elastischen Fasern mit den Myofibrillen in Verbindung bringen. Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 39 Neben einer solchen Fixierung, Schnittdicke und Färbung ist es noch für die Technik Schultzes und Loginows sehr charakteristisch, dass sie nur vollständig erschlaffte Muskeln der Untersuchung unterziehen. Loginow fixiert !/» bis 1 Stunde nach dem Tode, Schultze tut dessen wohl keine besondere Erwähnung, doch ist es mir aus seiner mündlichen Mitteilung bekannt, dass er ebenfalls nur 1 bis 2 Stunden nach dem Tode fixiert. In dieser Weise können sie die im Momente des Todes oder nach demselben auftretenden Kontraktionen allerdings aus- schalten, doch vermögen sie die Kontraktilität und Irritabilität des Muskels nicht zum Schwinden zu bringen. Denn. wie ich dies an meinem eigenen Materiale erfuhr, kann man Kontraktions- erscheinungen auch an den 1!/s bis 2 Stunden p. mortem fixierten Froschmuskelfasern beobachten. Ob diese Kontraktionswellen auf noch nicht vollkommen erschlaffte Fasern hindeuten, oder, was mir plausibler erscheint, der Reaktion der noch kontraktilen und irritabilen Faser entsprechen, welche Reaktion durch die Einwirkung des Fixiermittels ausgelöst wurde — dies konnte ich nicht ein- wandfrei entscheiden. Es ist allenfalls konstatierbar, dass, obwohl äusserlich an 1 bis 2 Stunden nach dem Tode fixierten Fasern keine starke Kontraktion mehr sichtbar ist, wir trotzdem an ihnen mehr oder minder ausgeprägte Kontraktionswellen finden. Diese sind aber, wie wir dies oben sahen, für die Entstehung der schein- baren Muskel-Sehnenfibrillen-Kontinuität gerade die am meisten geeigneten Stellen. Andererseits ist das Ende dieser erschlafften Fasern sehr dünn, die Muskelfibrillen endigen in ihnen meistens in verschiedener Höhe und deshalb zeigt das Sarkolemm hier einen Zickzackverlauf, die Fibrillen des Sarkolemm-Netzes liegen aber zu den Muskelfibrillen parallel und schmiegen sich denselben dicht an. Wenn wir nun in diesem Zustande die Muskelfasern noch mit starke Schrumpfung bewirkenden Fixations - Mitteln fixieren und mit nicht elektiver Färbung tingieren, so ist es nur natürlich, dass wir derlei überzeugende Bilder über die Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen erhalten, wie sie sowohl die Abbildungen Schultzes als Loginows, wie meine eigenen nach Schultze behandelten Präparate darbieten. Meine übrigen mit anderen Fixiermitteln und Färbungen behandelten, anderem physiologischen Zustande entnommenen Präparate belehrten mich aber, dass diese Bilder nur die Folge 40 Tiberius P&terfi: der speziellen und einseitigen Technik Schultzes sind. Die ganze Theorie Schultzes ist nur mit dieser Technik zu stützen ; sobald wir die Fixiermittel anders wählen, verlässlicher differen- zierende Färbungen in Anwendung bringen, entfernen wir uns immer mehr von dieser Theorie. Die Beziehung des Endes der Fasern zu den Sehnenfibrillen erscheint alsdann nicht mehr so leicht im Sinne der Theorie der Kontinuität erklärt, ja an nur verhältnismässig wenig Fasern finden wir eine scheinbare Kontinuität zwischen den Myofibrillen und Sehnenfibrillen. Wenn wir in verschiedenem physiologischen Zustande befindliche Muskel- fasern vergleichen, womöglich nicht Schrumpfung bewirkende Fixier- mittel und scharf differenzierende Färbungen anwenden, ferner nicht übermässig dicke und übermässig dünne Schnitte benützen, so vermögen wir auch betreff dieser scheinbaren Kontinuität der Muskel-Sehnenfibrillen in jedem einzelnen Falle zu konstatieren, dass die Sehnenfibrillen auch hier aus dem Bindegewebsnetz des Sarkolemms ihren Ursprung nehmen und nur wegen der besonderen Form der Faserendigung oder wegen der Sarkolemm-Einstülpung so dicht neben die Myofibrillen zu liegen kommen. Literaturverzeichnis. 1. v. Froriep, A.: Über das Sarkolemm und die Muskelkerne. Arch. f. Anat. u. phys. Anat., Abt. 1878. Griesmann, Br.: Über die fibrilläre Struktur des Sarkolemms. Inter- nationale Monatsschr. f. Anat. u. Phys., XXIX. 3. Heidenhain, M.: Plasma und Zelle, 1911. 4. Loginow, W.: Zur Frage von dem Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. Arch. f. Anat. u. Entwicklungsgesch., 1912. 5. Prenant, A,Bouin,P.und Mailland,L.: Traite d’Histologie, 1911. 6. Schultze, ©.: Über den direkten Zusammenhang von Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. Arch. f. mikr. Anat., 79. Bd. 7. Derselbe: Die Kontinuität der Muskelfibrillen und Sehnenfibrillen. Verh. d. Anat. Gesellsch. a. d. 25. Vers. in Leipzig. Anat. Anz., XXXII. Bd,, Ergänzungsheft. [IS m S Mn Die Beziehungen der Myofibrillen zu den Sehnenfibrillen. 41 Allgemeine Bezeichnungen: — Myofibrillen. Bdn = Kern der Bindegewebs- — Sarkolemm. zellen. — Kern der Muskelfaser. K = Kontraktionswelle. T = Sehne. Alle Abbildungen sind mit dem Zeissschen Zeichenapparat bei einer Tubus- länge von 140 mm, 2 cm unterhalb des Objekttisches, von dem Verfasser selbst entworfen. Vergrösserung: Zeiss, Komp.-Ok. 8, apochrom. homog. Kia. Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 4a. Fig. 5 Fig. 6 Fig. 7 Fig. 8 Hig. 9 Fig. 10 Fig. 11 Fig. 12 Immers. 1,5 mm, Apert. 1,3. Tafel I. Muskelfaser des Frosches, Formol-Alkohol, Chromhämatoxylin-Rubin. Muskelfaser einer Salamanderlarve mit konischem Faserende. Sub- limat-Trichloressigsäure, Azokarmin-Mallory. Muskelfaser von der Salamanderlarve mit stumpfem Faserende. Behandlung wie bei Fig. 2. Muskelfaser von der Salamanderlarve, auf die Myofibrillen und auf die Querstreifung scharf eingestellt. Behandlung wie bei Fig. 2. a, b, c, d,e — Bindegewebsfibrillen. Dieselbe Muskelfaser bei einer ungefähr '/» „ höheren Einstellung. Tafel II. Muskelfaser von der Salamanderlarve. Sublimat-Trichloressigsäure, Eisenhämatoxylin (nach M. Heidenhain), Thiazinrot. Ms — Myoseptum; Sp — Sarkoplasma. Muskelfaser von der Salamanderlarve. Behandlung wie bei Fig. 5. Muskelfaser des Frosches. Formol-Alkohol, Azokarmin-Mallory. Muskelfaser des Frosches. Regaud, Azokarmin-Mallory. a, b, c, d, e= Bündel von Myofibrillen; «, 3, 7, d = inter- kolumnäre Fädchen. Muskelfaserende in vollständiger Kontraktion (Salamanderlarve). Sublimat-Trichloressigsäure, Azokarmin-Mallory. . Muskelfaserende mit einer starken Kontraktionswelle. Sublimat- Trichloressigsäure, Vanadiumhämatoxylin (Präparat von ‚Professor M. Heidenhain). Muskelfaserende in kontrahiertem Zustande (Frosch). Regaud, Azokarmin-Mallory. Tafel III. Muskelfaserende in kontrahiertem Zustande (Salamanderlarve). Sublimat-Trichloressigsäure, Vanadiumhämatoxylin (Präparat von Professor M. Heidenhain). a, b, c, d= Durchschnitte des Sarkolemmnetzes. Fig. Fig. Fig. Fig. Tiberius P&eterfi: Die Beziehungen der Myofibrillen ete. >43 . 14. 15. 16. 17. 18. Muskelfaserende vollständig erschlafft. Behandlung wie bei Fig. 12. a — eine Fibrille des Sarkolemmnetzes, auf die Muskelfibrillen projiziert. Muskelfaser von der Salamanderlarve. Sublimat-Trichloressigsäure, Vanadiumhämatoxylin (Präparat von Professor M. Heidenhain). Dieselbe Muskelfaser graphisch rekonstruiert. Muskelfaser von der Maus. Formol-Essigsäure, Azokarmin-Mallory. Muskelfaser von der Maus. Behandlung wie bei Fig. 16. Der Rand einer Muskelfaser (Frosch). Regaud, Azokarmin-Mallory. Z —= Grundmembran (Telophragma); P — perimysiale Binde- gewebsfibrillen ; f = Fibrillen des Sarkolemmnetzes; x — diejenigen Stellen, wo die Fibrillen des Sarkolemms an den Endigungen der Grundmembranen haften. 43 Die Entwicklung des Cranial- und Visceralskeletts von Petromyzon fluviatilis. Von Alban Schalk, Mainz a. Rh. Hierzu Tafel IV und 34 Textfiguren. Inhalt: Seite 1 Einen es Bel rege RE |’ II. Bildungsgewebe für Cranial- und Visceralskelett . . ...... 44 II. Die Entwicklung der cranialen Teile des Skeletts . .. .....4 IRRsemenskeletb iv. el er er a ra aaa 49 a), Ursprung der Branchiodermis. „7. 2 „2 uns. n., 49 b) Die Entwicklung des Kiemenskeletts . . . 22.2.2... 54 V. Verbindung zwischen Cranial- und Visceralskelett . . . . ... 60 DEIESVETSTEICHBE TER IE ET AN EEE GB I. Einleitung. Die Entwicklung von Teilen des Schädels und Visceralskeletts von Ammocoetes war schon oft der (regenstand von grösseren und kleineren Arbeiten. Eine zusammenhängende Darstellung aller knorpeligen Skeletteile des Ammocoetes wurde aber meines Wissens noch nicht gegeben. Aber auch zwischen den Angaben der ein- zelnen Autoren, die sich mit jenen Dingen eingehender beschäftigt haben, liegen in mancher Hinsicht so beträchtliche Gegensätze vor, dass es nicht unwichtig erschien, die strittigen Punkte neu zu untersuchen. Indem ich dieser, mir gestellten Aufgabe nach kam, ergaben sich daneben auch ganz neue Befunde. Meine Unter- suchungen beschränkten sich fast ausnahmslos auf Ammocoeten von Petromyzon fluviatilis, im Gegensatz zu den meisten Autoren, die Petromyzon Planeri für ihre Arbeiten benutzt haben. Ein Unterschied zwischen Petromyzon fluviatilis und Petromyzon Planeri besteht aber nur in der Grösse der Larven. Leider konnte ich Untersuchungen über die Metamorphose von Ammocoetes in Petromyzon nur in sehr beschränktem Maße vornehmen, da mir nur ein Tier mit fast beendeter Metamorphose zur Verfügung stand und es ausgeschlossen ist, brauchbares Material in grösserer 44 Alban Schalk: Menge zu beschaffen. Die bei meiner Arbeit benutzten Ammocoeten von Petromyzon fluviatilis wurden im Zoologischen Institut der Universität Strassburg aus dort besamten Eiern gezogen. Zur Verfügung standen mir Larven vom eben befruchteten Ei, bis zur Grösse von über 1 cm. Grössere Stadien waren nur sehr wenige vorhanden. Konserviert wurden die Tiere mit dem Pikrin- säuregemisch nach Brasil: 1 acid. pier., 15 acid. acet., 60 Formol, 150 alc. S0°"/o. Da die grosse Anzahl der Dotterplättchen der jungen Tiere die Objekte bei langem Verweilen im Thermostaten spröde und das Schneiden fast unmöglich macht, erhielt ich erst brauchbare Schnittserien, nachdem ich die Überführung von Xylol in Paraffin bis auf !/s Stunde, bei mehrfach gewechseltem Paraflin, beschränkt hatte. Durchweg wurde Schnittfärbung angewandt. Die jüngeren Tiere, etwa bis 2 mm Länge, wurden mit Magnesia- karmin, Pikramminsäure, Chromotrop gefärbt. Die Vorteile dieser Methode sind gross. Während gewöhnliches Boraxkarmin, Heidenhainsche und Delafieldsche Hämatoxyline die Dotter- plättchen stark mitfärben, so dass die Kerne vollständig überdeckt sind, erhält man mit Magnesiakarmin eine reine Kernfärbung. Der Dotter wird durch Pikramminsäure gelb gefärbt. Scharfe Zellerenzen wurden mit Chromotrop erzielt, was bei jüngeren Stadien von grossem Vorteile ist. Ältere Ammocoeten wurden mit Boraxkarmin, Bismarckbraun, Bleu de Lyon behandelt. Zieht man bei der Behandlung Bismarckbraun in geeigneter Weise aus, so erhält man Bilder, bei denen nur die Knorpel und Schleim- knorpel braun tingiert erscheinen. — Sollten in vorliegender Arbeit irgend welche befriedigende Resultate vorliegen, so verdanke ich dies in erster Linie meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Goette, der durch seine stete Unterstützung mit Rat und Tat in hohem Maße zum Gelingen meiner Aufgabe beitrug. Ich spreche ihm daher an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aus. II. Bildungsgewebe für Cranial- und Visceralskelett. Der allgemein gültigen Ansicht von der Entstehung des ge- samten Kopf- und Visceralskeletts aus mesodermalem Mesenchym trat zum ersten Male J. B. Platt (1394) entgegen, die für Necturus lateralis nachwies, dass die Mesenchymmassen, aus denen sich die Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 49 knorpeligen Visceralbogen differenzieren, ektodermaler Herkunft sind. Zu denselben Resultaten gelangten von Kupffer (1595) für Petromyzon Planeri, Dohrn (1902) für die Selachier und Brauer (1904) für Hypogeophis. Von der ektodermalen Her- kunft des hier in Betracht kommenden Mesenchyms bin auch ich überzeugt, trotzdem ich die von oben genannten Autoren als Bildungsstätte jenes Mesenchyms angegebenen Teile der Epidermis als solche nicht anerkennen kann. Ich beginne mit der Entwicklung der neuralen Teile des Schädels von Ammocoetes fluviatilis. III. Die Entwicklung der cranialen Teile des Skeletts. Die ersten Anlagen von Teilen des primordialen Craniums treten bei Ammocoetes zu einer Zeit auf, wo die knorpeligen Stäbe des Visceralskeletts schon in Entwicklung begriffen sind. Während es sich beim Visceralskelett, wie oben erwähnt, um Gebilde des Ektoderms handelt, sind die knorpeligen Gebilde des neuralen Primordialeraniums durchaus Abkömmlinge des Meso- derms, und zwar beteiligen sich an der Bildung der Trabekel und Parachordalia die ersten Sklerotome, das sind mesenchymatische Zellmassen, die von den Ursegmenten aus seitlich neben der Chorda heraufwuchern. Der Ansicht von Koltzoff und Platt, dass die am weitesten kopfwärts liegenden Teile der Trabekel sich aus ektodermalen Derivaten formen sollten, kann ich nicht zustimmen, da die im parachordalen Gewebe entstehenden hinteren Teile der Trabekel und Parachordalia successive kopfwärts aus- wachsen und nicht durch Hinzukommen neuer Teile zu ihrer späteren Form gelangen. Zuerst bilden sich neutral vom Gehirn zu beiden Seiten der Ohorda durch Verdichtung der Mesodermzellen die gemeinsame Anlage der Parachordalia und Trabekel. Severtzoff lässt Parachordalia und Trabekel getrennt entstehen. Nach ihm ver- wachsen die an die Uhorda herantretenden Trabekel mit der- selben, vermittels kleiner Knorpel, die er vordere Parachordalia nennt. Dieser Ansicht von der Bildung der Trabekel und Parachordalia kann ich mich nicht anschliessen. Wie ich aus meinen Präparaten erkennen kann, haben Parachordalia und Trabekel eine gemeinschaftliche Anlage und von einer Trennung kann nicht die Rede sein. Schon prochondral entstehen in der 46 Alban Schalk: Umgebung der Chorda durch Verdichtung der mesodermalen Mesenchymzellen einheitliche Leisten, die vor den Gehörkapseln nach vorn sich erstrecken (siehe Fig. 1). Auch ihre Verknorpelung vollzieht sich einheitlich. Dabei kapseln sich die Zellen in der von Schaffer (25) beschriebenen Weise ein (siehe Fig. 2). Vorn endigen die Trabekel zuerst frei, vereinigen sich aber, indem sie die Hypo- physe umgreifen, vor der- selben zu der sogenannten Trabekularplatte. Die Verknorpelung der Ohrkapsel wurde von Parker (21) und anderen Autoren Fig. 1. Ammocoetes von etwa 6 mm Länge. stp = Gemeinsame Anlage der Trabekel und Parachordalia. genau beschrieben, und ich habe ihrer Darstellung nichts hinzu- zufügen. Anfangs durch einen Zwischenraum von den Para- chordalia getrennt, verwachsen die Ohrkapseln im Laufe ihrer Entwicklung mit den Parachordalia. Durch die Fenestra acustica der Knorpelkapsel tritt der Acustico-Facialis in das Labyrinth ein. Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 47 Der Facialis verlässt aber die Ohrkapsel wieder durch ein an ihrem Boden gelegenes Foramen. Aber auch hinter den ÖOhrkapseln treten bei Ammocoetes Gebilde auf, die man noch dem neuralen Schädel zurechnen muss. Es handelt sich hier um die zuerst von Sewertzoff (26) beschriebenen hinteren Parachordalia. Er beschreibt zwei läng- liche Knorpelplatten, die sich nach ihm aus Sklerotomgewebe in der Umgebung der Chorda in ähnlicher Weise differenzieren, wie es später mit den Wirbelbogen der Fall ist. Sie liegen nach Sewertzoff an der Chorda epachsial, das heisst dorsal von der Achse der Chorda. Diese beiden Gebilde bezeichnet er als hintere Parachordalia und homologisiert sie mit den gleichnamigen (zebilden der Gnathostomen. Weitere Angaben über die hinteren Parachordalia und ihre Verbindung mit dem Kiemenskelett finden sich in Abschnitt V. Am neuralen Primordialeranium von Ammo- coetes ist es ausser den Trabekeln, Parachordalia und Labyrinth- blase, nur noch die unpaare Nasenkapsel, die eine Verknorpelung erfährt. Die Entwicklung der Nasenkapsel wurde, soviel mir bekannt ist, noch von niemand beschrieben. Die Nasenkapsel entsteht um das Geruchsorgan herum, in dem zwischen Vorderhirn und Geruchsorgan befindlichen Mesenchym. Die erste vorknorpelige Anlage hat die Gestalt eines lateinischen „u“ und ist so gelagert, nn Bio73. Medianschnitt durch den Kopf eines Ammocoetes. an—='Anlage des Knorpel der Nasenkapsel. dass der Bogen sich über und hinter dem Geruchsorgan befindet (Fig. 3) und die beiden Äste an seinen beiden Seiten herab- reichen. In Fig. 5 sind die beiden seitlichen Aste der larvalen 48 Alban Schalk: Nasenkapsel dargestellt; die Verknorpelung hat soeben begonnen. Fig. 3 und 4 geben ein Übersichtsbild und eine Vergrösserung eines (Juerschnittsbildes des dorsalen medianen Bogens der Nasen- kapsel wieder. Die Mesenchymzellen fangen gerade an sich zu ans 7 IN Fig. 5a. Knorpel zu verdichten. Die anfangs einfache „u“-förmige Nasen- kapsel nimmt im Verlaufe ihrer Entwicklung eine mehr nach vorn ausgebogene Form an, die sie bis zur Metamorphose beibehält (Fig. 6). Fig. 7a—f, Taf. IV sollen die vor- liegenden Verhältnisse in mehreren Bildern einer Front- abschnittserie eines etwa 2,5 cm langen Ammocoeten @” klarlegen. Mit der Trabekularplatte, also der Ver- Fig.6. bindung der beiden Trabekel vor der Hypophysis, hängt die Nasenkapsel bei Ammocoetes knorpelig nicht zu- sammen. Man findet aber bei älteren Am- mocoeten zwischen der Nasenkapsel und der Trabekularplatte eine Schleimknorpel- masse eingelagert (Fig. 8). Ebenso wie die Ohrkapseln ent- Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 49 wickelt sich auch die Nasenkapsel unabhängig von den übrigen Skeletteilen des Kopfes. Bis zur Metamorphose hat die Nasen- kapsel die oben beschriebene Gestalt. Ihre Umbildung zur fertigen Nasenkapsel des Petromyzon geht aber nicht in der Weise vor sich (Känsche [12]), dass sie im Perichondrium nach vorn, hinten und seitlich auswächst und so allmählich das Geruchsorgan einhüllt. Die die larvale Nasenkapsel zum fertigen Zustande er- gänzenden vorderen und oberen Teile der fertigen fast halbkugel- förmigen Nasenkapsel entstehen vielmehr selbständig im Peri- chondrium und verschmelzen erst dann mit den vorhandenen Teilen zu einem einheitlichen Ganzen. Diese Vorgänge vollziehen sich erst während der letzten Stadien der Metamorphose, zu einer Zeit, wo das übrige knorpelige Skelett schon vollständig vor- handen ist. In Fig. 9a—g, Taf. IV sind mehrere Bilder der in Meta- morphose befindlichen Nasenkapsel wiedergegeben. Die mit roter Farbe versehenen Teile sind Knorpel der larvalen Nasenkapsel, die blauen Teile geben die neu sich bildenden Stücke wieder. IV. Kiemenskelett. Dohrn beschreibt in seiner V. Studie die Entstehung des Visceralskeletts von Petromyzon Planeri. Er spricht dort Seite 152 von den mesodermalen Visceralbogen und gibt als ihre innere Begrenzung das Entoderm der beiden sie begrenzenden Kiemen- taschen, als äussere Begrenzung das einschichtige Ektoderm an; ausserdem spricht er von Mesodermzellen rund um die Visceral- bogen herum. Seite 183 schreibt Dohrn: „Gleichzeitig differenziert sich aus dem Mesodermgewebe des Bogens, aussen von der parietalen Schicht, zwischen ihr und der vorhergehenden Kiemen- spaltenwandung, der zu dem Bogen gehörige Knorpel. Es ist schwer, etwas anderes zu sagen, als dass sich eine Anzahl Mesoderm- zellen zusammentun, eine auf dem Querschnitt runde Kontur erlangen und von nun an als Knorpel erkennbar werden.“ Dohrn spricht also den Kiemenknorpeln eine rein mesodermale Ab- stammung zu. v. Kupffer (17) hat nun zuerst die Auffassung Dohrns von der mesodermalen Entstehung der Visceralknorpel zurückgewiesen und erklärt, dass sich die Kiemenknorpel von Ammozoetes aus Derivaten des Ektoderms entwickelten. Ich kann mich voll und ganz der Auffassung von Kupffers an- schliessen, wenn ich auch seine Beschreibung vom Ursprunge jener Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.1. 4 50 Alban Schalk: aus dem Ektoderm stammenden Derivate, in denen sich der Knorpel bildet, nicht bestätigen kann. v. Kupffer fand schon bei jungen Ammocoeten eine zweite tiefere Epidermisschicht, die sich in der Branchialregion von der Höhe des Trigeminus den ganzen Kiemendarm entiang zwischen Ektoderm und Mesoderm hinzieht. Sie setzt sich aus einer Lage zylindrischer Zellen zusammen, die senkrecht zur Oberfläche stehen aber keinen engeren Zusammenhang unter sich und mit der Epidermis haben. Durch die sich ausstülpenden Kiemen- taschen wird diese Schicht in einzelne Abschnitte zerlegt, so dass jedem Kiemenbogen ein Streifen dieser Schicht zukommt (Fig. 10). v. Kupffer nannte diese Schicht, da er sie bei der Bildung von Nerven beteiligt glaubte, zuerst Neurodermis, später gab er ihr den Namen Branchiodermis. Durch J. B. Platt wurde der Namen Mesekto- derm eingeführt, ein Namen, den ich aus Gründen, die weiter unten zu erl- sehen sind, nicht beibehalten werde. Ich spreche also von einer Branchio- dermis und verstehe darunter nur die einschichtige Zellenlage, wie oben be- schrieben. Bei der Frage nach der Ab- stammung der Branchiodermis stehen sich vor allem zwei Ansichten gegen- über: v. Kupffer einerseits lässt die Branchiodermis durch Auswanderung von Zellen der Epidermis aus den ventralen Fig. 10. Horizontalschnitt Teilen des Kopfes entstehen. Platt, eines Ammocoetes von Koltzoff, Dohrn und andere glauben Dr an nee in Zellen der Ganglienleiste, die durch Proliferation in die Branchialregion gelangen, die Elemente der Branchiodermis erblicken zu können. Ich beginne mit der Arbeit v. Kupffers (17). Nach ihm verdickt sich die Epidermis der Ventralseite des Kopfes von Ammocoetes in einem Stadium, wo die Seitenlinie sich als ein einspringender Wulst der Epidermis auszuprägen beginnt. Durch den gesteigerten Seitendruck der lebhaft durch Längsteilung proliferierenden Zellen verschieben diese sich gegeneinander, und einzelne Zellen treten aus, die bei Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 5l fortgesetzter Teilung schliesslich eine kontinuierliche Lage bilden und wie eine Grundschicht der Epidermis erscheinen. Dieser Auffassung v. Kupffers kann ich mich nicht anschliessen. Einmal kann ich mir nicht vorstellen, wie sich eine doch relativ mächtige Schicht wie die Branchiodermis aus einzelnen hier und da aus- wandernden Zellen entwickeln soll, dann glaube ich, dass es sich hier um Zellen handelt, die infolge der bei der Behandlung der Ammocoeten unausbleiblichen künstlich hervorgerufenen Druck- differenzen und der damit verbundenen Schrumpfung aus dem Verbande der Epidermis hinausgepresst worden sind. Ich glaube das um so mehr behaupten zu können, da ich bei einzelnen meiner eigenen Schnittserien Stellen der Epidermis finde, bei denen Zellen nicht nur nach innen, sondern nach auch aussen auszutreten scheinen. Die zweite Ansicht von der Entstehung der Branchiodermis wird, wie schon oben kurz angegeben, haupt- sächlich von Dohrn, Koltzoff und Platt vertreten. Schon Kastschenko (13) und später Platt (22—24) suchten nach- zuweisen, dass die von der Ganglienleiste proliferierenden Zellen ausser zu Nerven und Ganglien auch zur Bildung von Mesenchym Verwendung fänden. Nach Platt und Koltzoff sollen alle Zellen der Ganglienleiste, die nichts mit der Bildung der Ganglien zu tun haben, von ihrer dorsalen Ursprungsstelle in die ventrale Kopfgegend auswandern, um sich dort mit Zellen, Zellgruppen und Streifchen von Zellen zu vermischen, die sich von der inneren Seite des Ektoderms abgespalten haben. Alle diese Zellen. die Ganglienleiste mit einbegriften, fasst Platt unter dem gemein- samen Namen Mesektoderm zusammen. Aus diesem Mesektoderm sollen sich, wenn man Platt glauben wollte, Kiemen- und Kiefer- knorpel und Bindegewebe entwickeln. Alle diese Zellen, sowohl die vom Nervenrohr proliferierenden, als auch die vom seitlichen Ektoderm sich abspaltenden, haben, wie ich Koltzoff zugeben muss, Undeutlichkeit ihrer Umrisse, Dotterkörnerarmut und vor allem gleiche Färbbarkeit gemein, so dass es wenigstens bei Petromyzon fast unmöglich ist, sie voneinander zu unterscheiden. Trotzdem aber ist ein Unterschied vorhanden, die vom Gehirn kommenden Zellen werden zur Bildung der Nerven und Ganglien, und die vom Ektoderm sich abspaltenden Zellmassen zur Bildung der Branchiodermis verwandt, eine Tatsache, die weiter unten näher begründet wird. Ich behalte den v. Kupffer eingeführten 4* 92 Alban Schalk: Namen Branchiodermis bei und spreche nicht von Mesektoderm, weil Platt und mit ihr andere Autoren unter Mesektoderm alle vom Nervenrohr proliferierenden und die vom äusseren Ektoderm stammenden Zellen zusammenfasst, es sich aber nur um gewisse, lediglich vom äusseren Ektoderm sich abspaltende Zellmassen handelt. Leider ist es mir nicht mög- lich, jene Fragen vollständig zu lösen. Einmal ist es nicht meine Aufgabe, jene Fragen zu untersuchen, dann aber, und das ist der Hauptgrund, kann man bei Petromyzon die hier in Betracht kommenden, vom Nervenrohr und äusseren Ektoderm stammenden Zellen so schwer unterscheiden, dass eine be- friedigende Lösung fast unmöglich ist. Fig. 11. Fig. 12. Bei Petromyzon geben Frontalschnitte Bilder, an denen wenigstens einiges abzulesen ist. Die jüngsten Ammocoeten, die hier Ver- Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 593 wendung fanden, waren ungefähr vom 10. Tage nach der Be- fruchtung, was aber nicht viel sagen will, da die verschiedenen Temperaturen des die Larven umgebenden Mediums beschleunigend oder verzögernd auf ihre Entwicklung einwirken. Es handelt sich hier um Tiere, bei denen der Kopf soeben anfängt sich ab- zuheben. Etwa in der Höhe der Chorda lösen sich am Auge anfangend den ganzen Kiemendarm entlang mehr oder weniger mächtige Zellgruppen vom äusseren Ektoderm ab, wandern ventral- wärts und gelangen zwischen Ekto- und Mesoderm. Während bei ganz jungen Tieren dieses Auswandern von Zellen mehr an einem einzigen Streifen vor sich geht, der sich vom Auge an über die ganze Länge des Kiemendarms erstreckt, konzentrieren sich die Abscheidungen der die Branchiodermis bildenden Zellen bei etwas weiter vorgeschrittenen Ammocoeten mehr und mehr auf einzelne Stellen dieses Streifens, so dass sie den Plakoden (Nervenanlagen) v. Kupffers nahe kommen. Fig. 11, 12 und 15 Fig. 15b. geben im Übersichtsbilde und in vergrössertem Maßstabe einen Teil jener langen leistenförmigen Plakoden des Ektoderms wieder, von der sich lebhaft Zellen abspalten. um sowohl nach vorn und hinten, besonders aber ventralwärts zu wandern, wie auf ventral folgenden Schnitten derselben Serie zu konstatieren ist. Auf den dorsal folgenden Schnitten desselben Präparates ist von einer Abspaltung keine Spur mehr zu merken. Ganz besonders lebhaft ist die Ablösung bei etwas älteren Tieren im Bereiche des gemein- 54 Alban Schalk: samen Trigeminus- Ganglions (Fig. 13 und 14). Wie ich aus Präparaten von Goette weiss, liegen bei Siredon vor dem Ohr zwei ST Fig. 14. Fig. 13. Ammocoetes von 3,4 mm Länge. Ammocoetos von 3,+ mm. bd — Branchiodermis. solcher Plakoden, hinter dem Ohr eine kleine und eine grössere; bei Petromyzon ist aber die hintere grössere Plakode in mehrere kleinere Plakoden zerlegt (Fig. 16). Aus dieser zuerst einheitlich angelegten, später aber sich sondernden Plakode der Epidermis stammen also die ventralwärts wandernden Zellen, die die Branchiodermis zusammensetzen. Schon bei Ammocoeten, die nicht ganz 4 mm Länge haben, findet Kupffer die ersten Anfänge der Knorpel in leistenförmigen Ver- dickungen der Branchiodermis, hart hinter dem lateralen, die Epidermis tangierenden Teil jeder Kiementasche. An der medial ge- richteten Kante der Leiste zeigt sich auf Frontalschnitten die Anlage des Knorpels als kreisförmiger Durchschnitt einer Portion dicht aneinander geschmiegter Zellen der Branchio- dermis. Bei seiner Beschreibung der Knorpel- bildung hat v. Kupffer, wie mir scheint Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 95 einen wichtigen Faktor übersehen. Nach meinen Präparaten wird die Bildung der Knorpelspangen durch eine Verdickung des Ektoderms hart hinter jeder Kiementasche eingeleitet. In Fig. 17 ist ein Frontalschnitt eines Embryos mit sechs Kiemen- taschen, die hyomandibulare eingerechnet, wiedergegeben. Da die Knorpelbildung successive von vorn nach hinten fortschreitet, ist erst die Epidermis der vorderen Kiementaschen verdickt. Wenn nun auch jene kleinen Plakoden möglicherweise an der Bil- dung der Branchialnerven Anteil haben, so glaube ich doch behaupten zu können, dass ein Teil der aus jenen Epidermisplakoden auswandern- den Zellen bei der Bildung der Kiemen- knorpel verwandt werden. Erst nach- dem nämlich die in Frage kommenden E DD, IBogik7: Ammocoetes von 3,7 mm Länge. Fig. 18. Die Plakoden der Epidermis sind Ammocoetes von 4 mm Länge. schratfiert. 1. Kiemenbogen. Zellen angefangen haben, aus der Epidermis herauszutreten, tritt auch in benachbarten Teilen der Branchiodermis Zellvermehrung ein. Die aus dem Ektoderm und der Branchiodermis stammenden Teile vermischen sich, und es entsteht so die von Kupffer be- schriebene leistenförmige Verdickung der Branchiodermis. Man kann daran nicht mehr feststellen, welche Zellen ursprünglich dem Ektoderm und welche der Branchiodermis angehört haben. 56 Alban Schalk: In Fig. 15 ist das Auswandern der Zellen aus der Epidermis und die Vermischung mit Teilen der Branchiodermis im Gange. Die Knorpelbildung beginnt am ersten Kiemenbogen nach hinten fortschreitend. In Fig. 19 ist der Frontalschnitt eines Ammocoeten Fig. 19. Ammocoetes von 43 mm Länge. ka = Kiemenknorpelanlage. > wiedergegeben, bei dem alle Kiemen- taschen entwickelt sind. Die Knorpel- bildung ist im 1.—4. Kiemenbogen im Gange, und der spätere Knorpel schon als dunklere Masse in den am weitesten gegen die Muskelschläuche vorgestülpten Teilen der Branchiodermis zu erkennen. Am 6.—8. Bogen ist eine Knorpelbildung noch nicht zu erkennen, ebenso fehlt dem Hyoidbogen eine solche. Fig. 19 entspricht ungefähr Fig. 1 der Figuren von Kupffers (17). Ist die Knorpel- anlageaus dem Verbande mit der Branchio- dermis herausgetreten, so rückt sie, wie es Dohrn (4) beschreibt, gegen den bei der Bildung der Kiementaschen aus dem ursprünglichen Mesoderm abgeschnürten Muskelschlauch jedes Visceralbogens vor. Waren die Muskelschläuche ursprünglich drehrunde Gebilde. so haben sie sich im Laufe ihrer Entwicklung abgeplattet und gegen den Kiemendarm zu geknickt. An der Knickungsstelle teilt sich der Muskel- schlauch in eine innere (Adduktoren-) und in eine äussere (Constriktoren-) Partie, zwischen beide schiebt sich die Knorpelanlage ein. Der in Höhe der späteren Kiemen- spalten entstandene Knorpel wächst nun kontinuierlich dorsal (gegen die Chorda) und ventral vor. So entstehen jederseits die sieben Skelettspangen der Kiemenbogen, von den Autoren Querstäbe genannt. Die ursprünglich geraden Spangen machen im Verlaufe ihrer Ent- wicklung mehrfache Biegungen, so dass sie bald lateralwärts, bald visceralwärts von der Muskulatur zu liegen kommen: Im Hyoid- (ab; | Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. bogen bildet sich gewöhnlich eine Spange nicht aus. Aber schon Schaffer fand bei einem Ammocoeten von 9 cm Länge das Rudiment eines achten Querstabes an der vorderen Grenze der ersten mit Kiemen ausgestatteten Kiementasche und schloss daraus, dass kopfwärts von der ersten Kiementasche der aus- gebildeten Larve auch eine S. beziehungs- weise wirklich 1. Kiementasche oder das Rudiment einer solchen gesucht werden müsse. Hätte Schaffer (25) zu seinen Untersuchungen auch jüngere Larven heran- gezogen, so hätte er ohne weiteres fest- stellen können, dass eine S. Kiementasche vor dem Hyoidbogen vorhanden ist, die sich aber bald zurückbildet und keine Kiemen entwickelt. Aber auch ich fand bei einem Ammocoeten von 5,5 mm Länge die knorpelige Anlage eines 8. (uerstabes (Fig. 20b). In Fig. 20a gebe ich die auf die Medianebene projizierten Verhältnisse wieder. Auch bei meinen Präparaten ent- spricht der Abstand dieser 8. oder besser 1. Skelettspange von den übrigen Stäben dem Abstande dieser unter sich. Unter normalen Verhältnissen findet man an der Stelle dieser S. Spange eine Schleimknorpel- bildung, die erst während der Metamor- Fig. 20b. phose in Hyalinknorpel umgewandelt wird Ammocoetes von 5,5 mm und dann das sogenannte Extrahyale bildet. LENEe Die ventralen und dorsalen Enden der sechs hinteren Quer- stäbe biegen sich nun kopfwärts um (Fig. 21). Dorsal verbinden Fig. 20a. 58 Alban Schalk: sich die umgebogenen Enden schon prochondral mit parachordalen Längsleisten, die sich in dem um die Chorda befindlichen meso- dermalen Bindegewebe differenzieren. Die Verknorpelung geht von den (Juerspangen aus und schreitet in den parachordalen NIE er» ! LO BL I: "& N Längsleisten kopf- und kaudalwärts fort, so dass hammerförmige (Gebilde entstehen. Schliesslich vereinigen sich die Parachordalia bei Larven von etwa 1-cm Länge zu einheitlichen Gebilden, denen Schaffer (25) den Namen „subchordale Längsstäbe“* gegeben hat. Mit der Chorda sind die subchordalen Längsstäbe nicht direkt verbunden. Es ist vielmehr zwischen Knorpel und Elastica stets ein vom Perichondrium angefüllter Raum vorhanden. In Fig. 22 ist die Anlage einer jener parachordalen Längsleisten Fig. 22. Ammocoetes von 6 mm Länge. dargestellt. Die Stelle, an der sich der Querstab mit dem Para- chordale verbindet, ist nur schwach angedeutet. Die ganze An- Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 59 lage ist spindelförmig. Fig. 23 zeiet die Verschmelzung des (Querstabes mit den Längsleisten und die fortschreitende Ver- knorpelung. Wie schon angedeutet, biegen sich die ventralen Enden der sechs hinteren Querstäbe kopfwärts um, wachsen aus und vereinigen sich bald zu den „ventralen Längsstäben“, wie sie Schaffer bezeichnet hat. Eine den dorsalen parachordalen Längsleisten ähnliche Anlage ist ventral nicht vorhanden. In Fig. 2 ist der nach vorn umgebogene ventrale Teil eines Querstabes dargestellt. Die links in der Figur sichtbaren Knorpelzellen stammen von dem nächsten kaudalwärts gelegenen (uerstabe, Fig. 24. dessen nach vorn umgebogenes und ausgewachsenes Ende sich mit dem ventralen Ende des vorderen (Querstabes zum ventralen Längsstab vereinigt hat. Die ursprünglich geraden ventralen Längsstäbe biegen sich von der.5. Kiementasche an nach vorn 60 Alban Schalk: immer weiter auseinander, um die immer mächtiger werdende Thyreoidea aufzunehmen. Beiderseits bilden die ventralen Längs- stäbe weiterhin sechs medianwärts gerichtete Ausbiegungen und zwar immer zwischen zwei benachbarten Querstäben. Die gegen- überliegenden Bogen der ventralen Längsstäbe, die hinter der Thyreoidea, also unter der 5., 6. und 7. Kiementasche liegen, verwachsen miteinander. Dass es sich dabei um eine echte Ver- wachsung handelt (Schaffer), kann ich bestätigen. Diese teil- weise Verwachsung der beiden ventralen Längsstäbe beginnt schon bei Ammocoeten von nicht ganz 1 cm Länge. Die ursprünglich trotz mancher Biegungen fast in einer Quer- ebene liegenden sieben (Wuerspangen entwickeln bald dorsal und ventral von den äusseren Öffnungen der Kiementaschen kopfwärts gerichtete longitudinale knorpelige Fortsätze. Während die unteren Fortsätze je den vorderen Querstab erreichen und so den von Schaffer benannten „hypotremalen Längsstab“ bilden, endigen die über den Kiemenöftnungen gelegenen Fortsätze frei, ohne die vorderen Bogen zu er- reichen. Der sogenannte „epitremale Längs- stab“ Schaffers ist also kein einheitliches Gebilde Auch der erste Querstab bildet je einen hypo- und epitremalen Fortsatz, die ursprünglich frei enden (Fig. 25), sich 3 aber bald zu einer 0 Knorpelschlinge ver- einigen, indem sie das erste Kiemenloch um- greifen. Fig. 26 gibt die etwas unregelmässig ausgefallene Verwachsungsstelle der beiden in Frage kommenden Längsauswüchse wieder. Der hier abgebildete Ammocoetes war etwa S mm lang. Fig. 25. V. Verbindung zwischen Cranial- und Visceralskelett. Branchiale I und hintere Parachordalia vermitteln die Ver- bindung zwischen Kopf- und Kiemenskelett. Über die Art und Weise, wie diese Verbindung stattfindet, sind die Autoren nicht einig. Schon im Vorknorpelstadium kommt eine Verbindung der hinteren Parachordalia mit den kopfwärts umgebogenen Enden Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 61 der ersten Querstäbe des Visceralskeletts zustande. Diese Ver- bindung erfolgt nach Severstoff (26) dadurch. dass die proxi- malen Enden der Querstäbe den kaudalen Enden der hinteren Parachordalia anwachsen. Schaffer dagegen schildert das Zu- standekommen der Verbindung zwischen Branchiale I und dem neuralen Cranium anders. Nach ihm wächst das umgebogene Ende des ersten Querstabes kopfwärts aus und verbindet sich mit den kaudalen Enden des Schädelbalkens. Teilweise haben beide Autoren recht. Nach meinen Beobachtungen legen sich die hinteren Para- chordalia getrennt von den Branchialia I an, aber schon pronchon- dral verwachsen diese Parachordalia mit den von unten an sie heranwachsenden Enden der ersten (Querstäbe. Die proximalen Enden der Querstäbe biegen sich kopfwärts um, wachsen kopf- wärts noch etwas weiter und verlieren sich schliesslich. So ist es erklärlich, dass hintere Parachordalia und Branchialia I eine Strecke weit untereinander verlaufen. Diese Verhältnisse sind in Fig. 27—31 dargestellt. Fig. 27 und 25 sind zwei aufeinander folgende Schnitte einer Frontalserie eines Ammocoetes. In Fig. 27 soll das hintere Parachordale dargestellt sein, während Fig. 25 das darunter liegende nach vorn umgebogene Ende von Branchiale I zeigen soll. 62 Alban Schalk: In Fig. 29 sieht man das in Verknorpelung begriffene hintere Parachordale. Fig. 30 gibt dagegen beide in Betracht kommende Anlagen wieder. Mehr dorsal und epachsial liegt das hintere Parachordale, darunter das proximale Ende von Branchiale I. Der Schnitt ist an der Stelle geführt, wo Branchiale I und Parachordale zusammentreften, liegt also etwas mehr kaudalwärts als der ın Fig. 29 abgebildete Querschnitt. Fig. 31 endlich zeigt die Verhältnisse von Fig. 28, nur in vergrössertem Maßstabe. Der in Fig. 31 abgebildete Schnitt ist etwa in Höhe a/b geführt, wie aus Fig. 30a zu ersehen ist. Schon die Lageanordnung der Knorpelzellen lässt deutlich er- kennen, dass es sich hier um zwei getrennte Dinge handelt. SE IS Fig. 30a. Fig 30b. Während die geldrollenförmig aufeinander sitzenden zylindrischen Zellen von Branchiale I mit ihren Breitseiten senkrecht zur Streich- richtung des Knorpelstabes angeordnet sind, haben sich die Zellen der hinteren Parachordalia mit ihren Breitseiten an die Chorda Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 63 angelegt und beweisen, dass es sich um parachordale Anlagen handelt. Die Anordnung der Zellen der Branchialia ist auch ın Fig. 21 deutlich zu erkennen. . Noch einen wichtigen Unterschied zwischen subehordalen Längsstäben und hinteren Parachordalia muss ich hier erwähnen. Während nämlich die subchordalen Längsstäbe von der Chorda durch Perichondrium getrennt sind, lagern sich die hinteren Parachordalia so eng der Elastica an, dass diese als Grenzschicht des Knorpels erscheint. Dasselbe Verhalten zeigen auch die Trabekel. Auch aus diesem Grunde muss man notwendigerweise die hinteren Parachordalia dem neuralen Uranium zusprechen. Im Laufe der Entwicklung verbinden sich hintere Para- chordalia und Trabekel und bilden dann den knorpeligen Boden des chordaien Schädelabschnittes. Auch mit der knorpeligen Labyrinthblase, und zwar mit deren medial ventralem Rande, ver- bindet sich das Parachordale eine Strecke weit. VI. Vergleiche. Eine wichtige Tatsache ergibt sich aus den vorliegenden Untersuchungen. Ist man von der Gleichartigkeit der histio- genetischen Prozesse überzeugt, so schliesst man mit Recht, dass das Visceralskelett, das für Uyclostomen, Teleostier, Urodelen und Gymnophionen als ein äusseres nachgewiesen wurde, auch bei den Vertretern der übrigen Klassen der Wirbeltiere ein äusseres sein muss. Ist dieses aber richtig, so kann man diese Tatsache als Beweis gegen die von Gegenbaur (30) ins Leben 64 AR ame Sierhranlik gerufene und von seiner Schule weiter ausgebaute Kiemenbogen- theorie verwerten. Nach dieser Theorie soll der Urtypus des Skeletts der paarigen Gliedmaßen der Wirbeltiere von dem Kiemenskelett abzuleiten sein. Dieses älteste Extremitätenskelett soll sich in der Flosse der fossilen Pleuracanthiden zeigen und sich noch heute bei Ceratodus forsteri erhalten haben. Bedeutendere Umbildungen führten von hier zur Entwicklung des Skeletts der fünffingrigen oder pentadaktylen Extremität (Chiropterygium) der auf dem Lande lebenden Wirbeltiere. Die neuesten Unter- suchungen auf diesem Gebiete stammen von Braus (28, 29), der auch an der Abstammung des Extremitätenskeletts von Kiemenbogen festhält. Einer der wichtigsten Einwände gegen die Kiemenbogentheorie des Extremitätenskeletts stammt von Dohrn (5). Trotzdem nun die Einwände Dohrns von der grössten Wichtigkeit sind, behandelt Braus Dohrns Unter- suchungen nur in einer kurzen Anmerkung Seite 416 (29). Er schreibt dort: „Dohrn hat in seiner neuesten Studie (Mitt. d. St. Neapel, 1902) die Mitteilung gemacht, dass sich die Visceral- bogen aus dem Ektoderm entwickelten. Es wäre dies eine Be- stätigung der bisher vereinzelten Angaben von J. Platt und anderen, welche ebenfalls eine derartige Herkunft gesehen zu haben glaubten. Bei den Extremitätenbogen hält dagegen Dohrn an der bisherigen Ansicht fest, dass sie mesodermal angelegt werden. Dieser histiogenetische Unterschied erscheint dem Autor gross genug, um a priori jede Vergleichbarkeit der beiderlei Skelettelemente auszuschliessen. Ich will hier nicht darauf ein- gehen, dass ähnliche Angaben einer Herleitung von Skelettbildnern aus dem Ektoderm bisher bei der Nachprüfung als tatsächlich unrichtig erwiesen wurden.“ Soweit Braus. Vor allem ist es bewiesene Tatsache, dass sich Teile des Skeletts aus dem Ekto- derm bilden, auch meine Untersuchungen bestätigen die dies- bezüglichen Angaben. Dann ist es mir nicht bekannt, dass eine „genaue“ Nachprüfung die Untersuchungen über die ektodermale Herkunft des Kiemenknorpels als unrichtig erwiesen hätte. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die von Kupffer angestellten dies- bezüglichen Untersuchungen wurden von Dohrn, Koltzoff, Platt u. a. bestätigt. Auch ich kann nur die Richtigkeit der Resultate jener Untersuchungen anerkennen. Die Kiemenknorpel sind also ektodermale Gebilde. Andererseits steht es fest, dass Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 65 die Extremitätenbögen mesodermal angelegt werden. Da man nun schlechterdings Gebilde, die einerseits ektodermal entstehen, andererseits mesodermalen Ursprung haben, nicht als homodynam bezeichnen kann, so halte ich auch jede Vergleichbarkeit zwischen Kiemen- und Extremitätenskelett von vornherein für ausge- schlossen. Noch eine andere Tatsache ergibt sich aus den vorliegenden Untersuchungen. Wie oben gezeigt wurde, haben die kranialen Teile des Skeletts mesodermalen, das Visceralskelett aber ekto- dermalen Ursprung. Ein Vergleich zwischen beiden, wie es viel- fach geschehen ist, ist also ebenfalls ausgeschlossen, und man kann mit vollem Recht das Visceralskelett dem Skelett des neuralen Craniums als genetisch verschiedenartig gegenüberstellen. Literaturverzeichnis. 1. Brauer, Aug.: Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung und Anatomie der Gymnophionen. IV. Die Entwicklung der beiden Trigeminusganglien. Zool. Jahrb., Suppl.- Bd. VII, 1904 (Festschr. z. 70. Geburtst. des Herrn Geh.-Rats Prof. Dr. August Weismann in Freiburg i. B.). Bujor, Paul: Öontribution a l’&tude de la Metamorphose de ’Ammo- coetes branchiales en Petromyzon Planeri. These pres. A la faculte des Sciences de l’Universit€ de Geneve. Extr. de la Revue biologique du nord de la France, T. III, 1891. 3. Corning: Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 4. 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Derselbe: Über die Entwicklung des Kiemenskeletts von Ammocoetes und die organogene Bestimmung des Exoderms. Verh. d. Anat. Ges. a. d. 9. Vers. in Basel. Ergänzungsheft z. Bd. X d. Anat. Anz., 1895. Müller, Johannes: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden der Oyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. Erster Teil: Osteologie und Myologie. Abh. d. Berliner Akad. d. Wiss. (Phys.-math. Abt.), Jahrg. 1834, Berlin 1835. Nestler, Karl: Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. Arch. f. Naturgesch., Jahrg. 56, Bd. I, 1890. Neumeyer, L.: Zur vergleichenden Anatomie des Kopfskeletts von Petromyzon Planeri und Myxine glutinosa. Münchener med. Abh., 7. Reihe, H..7, 1898. . Parker, W. K.: On the skeleton of the Marsipobranchfishes. Philos. Transact. of the Roy. Soc. of London. For the Year 1883. . Platt, Julia: Ontogenetische Differenzierung des Ektoderms in Nec- turus. Arch. f. mikr. Anat., 43. Bd., 1894. 3. 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Gegenbaur, Ü.: Das Cranial- und Visceralskelett von Petromyzon fluviatilis. 67 Derselbe: Tatsächliches aus der Entwicklung des Extremitätenskeletts Zugleich ein Beitrag zur Entwicklungs- geschichte des Skeletts der Pinnae und der Visceralbogen. Denkschriften, XI. Bd. 1904, Festschr. Ernst Haeckel. Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere mit Berück- Jenaische sichtigung der Wirbellosen, Bd. I, Leipzig 1898. hb Figurenerklärung. Allgemein gültige Bezeichnungen: Aorta. Aortenbogen. Alisphenoid. Anlage der Knorpel der Nasenkapsel. Auge. Branchiodermis. Branchiodermis in Bildung begriffen. Knorpel der Nasenkapsel. Branchiale (Kiemenspange). Hirn. Cornu trabee. Chorda. Darm. Drüsen des Geruchsorgans. epitremaler Fortsatz. Epithel des Geruchsorgans. Epidermis. Geruchsorgan. Ganglien. Gehörorgan. Gaumensegel. Gemeinsame Anlage der Trabekel u. Parchordalia. Hyoidbogen. hf hp hy ka kb kd kk Hypotremaler Fortsatz. Hintere Parachordalia. Hypophysis. Kiemenknorpelanlage. Kiemenbogen. Kiemendarm. Kiemenspangen (Querstäbe). Muskeln. Mundbucht. Mesenchym. Muskelplatte der Visceral- bogen. Falten der Riechschleimhaut. — Nasengaumengang. Nasenrohr. Parachordalia. Plakode der Branchiodermis. parachordaler Leisten. subehordaler Längsstab. Schleimknorpel. Somit. Trabekel. Trabekularplatte. ventraler Längsstab. Kiementaschen 1—8. In Fig. 9 bedeuten „rot“ die larvalen, „blau“ die ergänzenden Teile der knorpeligen Nasenkapsel. 68 Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. Von D. Tretiakoff, Odessa. Hierzu Tafel V und VI. Einleitung und Methode. Bei Amphioxus und bei den Tunikaten sind einige Sinnes- organe im zentralen Nervensystem eingeschlossen, die, im Gegen- satz zu den peripherischen Sinnesorganen, „zentrale Sinnesorgane“ darstellen. Man hat bis jetzt diesen Gegensatz zwischen den zentralen und peripheren Sinnesorganen niemals in einer Kon- sequenten Weise durchgeführt, denn man glaubte, dass die zentralen Sinnesorgane vielleicht in einer sehr nahen genetischen Beziehung zu den peripheren Sinnesorganen der Vertebraten standen und dass die Reize für diese Organe jedenfalls von aussen, von der Peripherie des Körpers her, an sie gelangten. Es ist aber in letzter Zeit sehr wahrscheinlich gemacht worden, dass auch bei den Vertebraten im zentralen Nervensystem Sinnesorgane vorhanden sind, welche für keine äusseren Reize oder für diese doch nur auf indirektem Wege erreichbar sind und aus diesem Grunde, meiner Meinung nach, wirklich die Bezeichnung „zentrale Sinnesorgane“ verdienen, wobei jedoch diese Bezeichnung nur ein ausschliesslich topo- graphisches Merkmal der fraglichen Organe ausdrücken soll. Solche zentralen Sinnesorgane fand ich nun ausgezeichnet aus- gebildet bei Petromyzon fluviatilis. Ich möchte vor allem darauf hinweisen, dass die aus Sinnes- zellen bestehenden zentralen Sinnesorgane eine sehr wichtige theoretische Bedeutung in der Frage über die Phylogenie des zentralen Nervensystems bei den Vertebraten haben. H.E. Ziegler (58) hat in seinem „Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschichte der niederen Wirbeltiere“ schon gesagt, dass der in der Ontogenese hervortretende topographische Zusammenhang des Blastoporus mit der Medullarplatte auf ihre enge phylogenetische Beziehung hinweisen könne und dass zur Zeit, als der Blastoporus bei den Wirbellosen Mund war, die Medullarplatte eine Flimmer- rinne darstellte, welche zum Mund führte, ähnlich dem Flimmer- streifen, welcher an der ventralen Seite der Trochophora von Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 69 Anneliden und Mollusken verläuft. „Nachdem der Neuralkanal seine Verbindung mit dem Darm verloren hatte, hatte vielleicht das Epithel des Zentralkanals noch lange Zeit die Funktion eines Sinnesepitbels, bis im weiteren Gange der Stammesentwicklung auch der Verschluss des vorderen Neuroporus erfolgte.“ Ich will aber die Angaben anderer Forscher, welche die Voraussetzung von Ziegler weiter zu entwickeln und zu modi- fizieren versuchten, hier nicht sammeln: es genügt zu sagen, dass die Medullarplatte der Urvertebraten immer noch als eine Sinnesepithelplatte aufgefasst wird. Ich glaube in dieser Arbeit zeigen zu können, dass diese Auffassung nicht nur embryologisch, sondern auch vergleichend-anatomisch berechtigt ist. Im Rückenmark von Ammocoetes hat Kolmer (32) bereits kleine unipolare Zellen beschrieben, die er als Übergangsformen von Ependymzellen zu Nervenzellen bezeichnet hat. In meiner Arbeit über das Nervensystem von Ammocoetes (53) widmete ich diesen Zellen auch einige Bemerkungen, indem ich der Ansicht von Kolmer im allgemeinen zustimmte. Ich versuchte nur die Äusserungen von Kolmer über die Bedeutung dieser Zellen, die ich vorläufig als „intraependymale Zellen“ bezeichnen möchte, in einigen Punkten zu korrigieren, da nach meiner Meinung diese intraependymalen Zellen keine Übergangsformen von Ependym- zellen zu Nervenzellen darstellen, wie Kolmer meinte, sondern sie sind überhaupt nur wenig differenzierte Nervenzellen, welche sich aus den Neuroblasten umgeformt haben. Die vorliegende Untersuchung beweist, dass ich in dieser Beziehung näher an der Wahrheit war, als Kolmer. Zu der Beschreibung von Kolmer konnte ich damals noch hinzufügen, dass die intraependymalen Zellen eigentlich nicht unipolar, wie Kolmer behauptete, sondern wenigstens bipolar sind. Die fragliche Zelle wird nämlich ausser mit einem peripheren, verzweigten Fortsatz noch mit einem kurzen, zwischen den Ependymzellen bis zur Lichtung des Zentralkanals vordringenden Fortsatze versehen. Da ich die intraependymalen Zellen nur bei den kleinsten unter den von mir untersuchten Ammocoeten angetroffen hatte, nahm ich die Zellen für die Anfangs- stadien der Differenzierung der kleinen Nervenzellen an und dachte dabei, dass diese Zellen später ihre Verbindung mit dem Ependym aufgeben und ihr Zentralfortsatz sich in einen gewöhn- lichen Dendriten umwandele. 70 D. Tretjakoff: Während ich früher (55) die intraependymalen Zellen im Rückenmark nur bei ganz kleinen Larven fand, hatte ich sie im Übergangsgebiet des Rückenmarks in die Medulla oblongata auch bei grossen. 15—18 cm langen Ammocoeten mit Methylenblau gefärbt und auf der Fig. 25, Taf. XXXI (54), abgebildet. „Wahr- scheinlich“, schrieb ich bei dieser Gelegenheit, „stellen derartige Zellen auch hier nur Entwicklungsstadien typischer Nerven- zellen dar.“ Bei der Untersuchung des Rückenmarks des erwachsenen Fisches konnte ich in den letzten Jahren mich überzeugen, dass die intraependymalen Zellen auch beim Neunauge, und noch besser als beim Ammocoetes. differenziert sind. Deswegen unternahm ich eine neue Untersuchung des Rückenmarks von Ammocoetes und von Petromyzon fluviatilis. um die Sache mit Hilfe möglichst verschiedenartiger Methoden in endgültiger Weise aufzuklären. Die intravitale Färbung des Rückenmarks mit Hilfe von Methylenblau geschah auch diesmal genau wie früher (53). Ich brauche nur zu bemerken, dass die intraependymalen Zellen mit diesem Farbstoff nur sehr schwer und spät färbbar sind, viel schwerer, als die übrigen, unzweifelhaften Nerven- zellen des Rückenmarks. Die intraependymalen Zellen werden nur in den letzten Momenten der Färbungszeit gut gefärbt, also nur 2 bis 3 Stunden nach Anfang der Färbung. Man muss den frischen Schnitt durch das Rückenmark mit einem grossen Tropfen der Farblösung völlig bedecken; dadurch werden die übrigen Nervenzellen meistens diffus und undeutlich gefärbt, die intra- ependymalen Zellen lassen sich jedoch desto sicherer färben. Um Querschnitte des Rückenmarks zu bekommen, muss man das (lebende) Tier in Stücke zer- schneiden, dann jedes Stück mit dem Rasiermesser nach der Längsachse der Chorda frontal zerspalten und nur die dorsale Hälfte aus freier Hand schneiden. Wegen der angeführten Besonderheit der Färbung der intraependy- malen Zellen konnte ich sie früher bei grossen Ammocoeten im Rückenmark nicht finden, da für die Färbung der übrigen Elemente nur eine kleine Menge des Farbstoffes notwendig war und die Färbung nicht eine so lange Zeit dauerte. Jetzt aber, nach der von mir beim Neunauge gewonnenen Erfahrung, finde ich die betreffenden Zellen bei Ammocoeten jeder Grösse bezw. jeden Alters ebenso konstant, wie beim erwachsenen Tier (Fig. 2 und 3, Taf. V). In allerletzter Zeit gelang es mir durch eine kleine Veränderung des Silberverfahrens von Ramön y Cajal die intraependymalen Zellen aus- gezeichnet auch durch Silberimprägnation zu färben, und zwar noch besser als durch Methylenblau. Ich liess kleine Stückchen des Rückenmarks samt seinen Hüllen, den umgebenden Muskeln und dem entsprechenden Chordastück in einem Gemisch von Alkohol und Ammoniak (5 Tropfen auf 100 Alkohol) 48 Stunden liegen, dann behandelte ich die Objekte mit 2'/2°o Silbernitrat- . lösung bei einer Temperatur von 36° 5—6 Tage lang. Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. zig Besonders günstig erwies sich in einer ganz unerwarteten Weise die Behandlung nach Golgi (1908) zur Färbung der Binnennetze. Ich versuchte sie auch zur Färbung des Binnennetzes in den Nervenzellen des Rückenmarks bei den Neunaugen anzuwenden. Zu meiner Überraschung erhielt ich jedes- mal, wenn ich die Stücke nicht zu lange in der Silberlösung liegen gelassen hatte, anstatt des Binnennetzes eine ausgezeichnete Färbung der Neuro- fibrillen in allen Nervenzellen des Rückenmarks; die Färbung war an Schärfe und Schönheit der Bilder, im Vergleich mit der Färbung nach R.y Cajal und Bielschowsky, ganz prachtvoll. In den Spinalganglienzellen färbte sich auf denselben Präparaten das Binnennetz mitunter nicht minder gut wie die Neurofibrillen in den Nervenzellen des Rückenmarks. Auf diesen Golgi-Präparaten waren die Neurofibrillen in den intra- ependymalen bipolaren Zellen ebenfalls so gut gefärbt, dass ich mich in der folgenden Beschreibung hauptsächlich auf solche Golgi- Präparate stützen werde. Selbstverständlich ist, dass andere Methoden hier auch ihre Anwendung gefunden haben. Das Sinnesorgan des Rückenmarks. Auf gut fixierten Präparaten sieht man bei jeder nicht spezifischen Färbung, die nur deutliche Zellgrenzen liefert, dass das Ependym des Rückenmarks beim Neunauge ein ganz anderes Bild liefert, als man es nach den schematischen Beschreibungen der meisten Lehrbücher erwarten sollte. Es fehlt erstens die scharfe äussere Grenze des Ependyms. Die Kerne in den Ependym- zellen liegen nicht in einer Reihe, sondern in regellos verschiedener Entfernung von der inneren Oberfläche der Ependymschicht. Die Ependymzellen sind verschieden lang und je nach der Länge und der Färbung des Protoplasmas lassen sich zwei Arten der Ependym- zellen unterscheiden. Die Zellen der einen Art sind immer dunkel, intensiv gefärbt; diese sind auch von äusserst variabler Grösse. Andere Zellen mit einem helleren Protoplasma sind kürzer und im allgemeinen alle von derselben Länge. Ihre Kerne sind rund oder leicht oval, wie die der Zellen der ersten Art, sie sind aber viel reicher an Basi- chromatin. Die Zellen sind nach innen etwas verbreitert und bilden mit ihren inneren Oberflächen die scharfe und glatte Begrenzung des Zentralkanals. Sie tragen keine Cilien, eine Cutieula ist nicht sicher nachweisbar; Kittleisten sind ebenfalls nur undeutlich differenziert. Die dunkleren Zellen sind mit einem sphärischen Kern mit deutlichem Kernkörperchen versehen. Der Kern liegt in der 72 D. Tretjiakoff: äusseren Hälfte oder am äussersten Ende der Zelle, welche dadurch an diesem Ende angeschwollen erscheint und weiter peripherie- wärts spitz ausläuft. In der Richtung gegen die Lichtung des Zentralkanals verschmälert sich das Ende der Zelle und tritt zwischen den Kuppen der helleren Zellen in die Lichtung hinein. Im Zentralkanal schwillt das Ende der Zelle zu einem Knopfe an, welcher in das Lumen des Kanals hervorragt. An Querschnitten des Rückenmarks erscheinen regelmässig fünf bis acht von solchen Knöpfen. Früher nahm ich diese Gebilde für die zusammen- geklebten Cilien, aber nach sorgfältiger Kontrolle und der Durch- musterung vieler Präparate bin ich jetzt überzeugt, dass normal immer nur abgerundete Knöpfchen vorhanden sind; sie können aber wegen der ungeeigneten Fixation das Aussehen zusammen- geklebter Cilien annehmen. Die Form und Grösse der Knöpfe gelingt es nicht immer gut zu beobachten, da die cerebrospinale Flüssigkeit meistens einen körnigen Niederschlag bildet, welcher die Knöpfe fast ganz maskieren kann. Die Kerne dieser Zellen sind sehr empfindlich gegen einige Fixationsflüssigkeiten. nach deren Wirkung sie immer zusammen- geschrumpft erscheinen. In dieser Beziehung unterscheiden sie sich von den Kernen der hellen Zellen, welche auf solchen Präparaten ihre normale Form gut beibehalten. Nach dem Silberverfahren von R. y Cajal wird das Kernkörperchen in den dunklen Zellen sehr intensiv schwarz gefärbt, was von argentophilen Granula (R. y Cajal) herrührt. Da ich zur Fixierung meistens dünne Scheiben, welche mit dem Rasiermesser aus dem frisch getöteten Tier geschnitten waren, anwendete, fehlte immer in solchen Scheiben der Reissnersche Faden. Er ist aber stets vorhanden, wenn zur Fixierung grössere Stücke verwendet werden. Es ist also sicher, dass der Reissner- sche Faden beim Schneiden mit dem Rasiermesser aus den dünnen Scheiben ausgepresst oder ausgezogen wird. Die dunklen und hellen Zellen sind nicht gleichmässig ange- ordnet. An den Querschnitten sind dorsal und ventral in den Stellen, welche dem dorsalen und ventralen Ependymkeil ent- sprechen, meistens nur helle Zellen vorhanden. Sie unterscheiden sich hier deutlich von den dunklen Zellen, dank ihrem schmalen, verhältnismässig chromatinarmen Kern. Die Kerne liegen auch in diesen Zellgruppen, welche manchmal den echten Ependymkeil wi Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. bilden, in verschiedener Entfernung vom Zentralkanal. Die dunklen Zellen liegen lateral an den Seiten des Kanals dicht nebenein- ander, so dass auf 10 « dicken Schnitten die zwischen diesen Zellen liegenden hellen Zellen schwer zu unterscheiden sind. Auf dünneren Querschnitten werden die dunklen Zellen durch höchstens drei helle Zellen voneinander abgetrennt. Wenn mit Hilfe irgend eines Färbungsverfahrens die peripheren Fortsätze der Ependymzellen gefärbt werden, dann kann man solche Fort- sätze nur bei den hellen Zellen feststellen. Der intensiv sich färbende Faden, welcher im peripheren Fortsatze eingeschlossen wird, endigt aber nicht am äusseren Ende der Zelle, sondern setzt sich durch die ganze Zelle bis zur inneren Oberfläche fort und endigt hier innerhalb der Zelle. In dieser Beziehung scheint es zulässig zu sein, dieses Verhalten des Fadens mit den Ver- hältnissen bei anderen Tieren zu vergleichen. Nach den Angaben von Studnidka (50) ist bei den Fischen (Anarrhichas lupus, Orthagoriscus mola und Lophius piscatorius) ein ähnlicher Verlauf des Fadens des peripheren Fortsatzes vor- handen und bei Lophius gerade im Rückenmark. Die Ependym- fasern verlaufen hier durch den peripheren Fortsatz der Zelle in den eigentlichen Zellkörper hinein und lassen sich in demselben ganz bequem bis zur fraglichen Cuticula, an die sie sich, wie es scheint, ansetzen, verfolgen. Im Innern der Zelle stellen sie eine gerade Linie dar. Nun sagt Studnitka: „Man kann hier endlich auch darauf aufmerksam machen, dass auch in den weichen Körpern der Ependymzellen der Gehirnventrikel von Petromyzon einzelne längs verlaufende Fasern zu sehen sind. Auch bei Amphioxus konnte E. Müller sehen. dass die Ependymfasern an der Seite der Zelle bis zum Zentralkanal verlaufen.“ Bei Petromyzon sind keine solchen Fasern vorhanden, soviel ich sehen konnte, obgleich auch im Protoplasma der betreffenden Zellen mit Hilfe der Eisenhämatoxylinmethode einige Fibrillen zu differenzieren waren. Diese Fibrillen sind aber nicht geradlinig und in keiner Weise so scharf wie in den hellen Zellen begrenzt. Wenn man nach Beobachtung der nicht spezifisch, aber gut gefärbten Schnitte Methylenblaupräparate (nach der vitalen Färbung) betrachtet, dann kann man sich sofort überzeugen, dass die dunklen Zellen nach ihrer Lage, ihrer Form und anderen Ver- hältnissen vollkommen den mit Methylenblau gefärbten (Fig. 2 und 14 D. Tretjakoff: 3, Taf. V) bipolaren intraependymalen Zellen entsprechen. Auf Methylenblaupräparaten sind alle oben angeführten Merkmale der dunklen Zellen vorhanden, der Endknopf, der Kern, das innere verjüngte Ende und die periphere Verdickung des äusseren Endes — alles ist vorhanden, und ausserdem sieht man auf den Methylen- blaupräparaten noch mehr: vom peripheren zugespitzten Ende der Zelle entspringt der Fortsatz, welcher in die graue Substanz (wenn von einer solchen im Rückenmark von Petromyzon zu sprechen ist) eintritt, variköse Endästchen abgibt und sich im Geflecht der Ästehen anderer Nervenzellen des Rückenmarks ver- liert. Soviel ich sehen konnte, verlaufen die Verästelungen der bipolaren Ependymzellen nicht zu weit vom Zentralkanal, sie er- reichen aber meistens das Gebiet der grossen effektorischen Nervenzellen des Rückenmarks. Es ist sicher, dass solche intraependymalen Zellen Nerven- zellen sind. Sie sind nicht nur bei Ammocoetes, sondern auch bei Petromyzon vorhanden, und es liegt kein Grund vor, diese Zellen für noch nicht differenzierte Zellen resp. noch nicht diffe- renzierte Nervenzellen zu halten. Es ist jedenfalls sicher, dass neben dem Ependym kleine uni- und bipolare Nervenzellen liegen; sie sind aber, nach meiner Meinung, schon gut differenzierte Zellen aus der Gruppe der amakrinen Zellen des Rückenmarks (siehe meine Arbeit 53). Die bipolaren intraependymalen Zellen muss man, nach meiner Meinung, als solche betrachten, die ganz eigenartig differenziert sind und ihre eigene Aufgabe haben. Studnidka (50) huldigte in seiner Arbeit über das Ependym der Ansicht, dass die Ependymzellen auch im differenzierten Nervensystem noch Neuroglia und Nervenzellen produzieren könnten. Was die Übergangsformen der Ependymzellen zu Neu- rogliazellen betrifft, so will ich in keiner Weise die Ausführungen Studnitkas bestreiten. Seine Angaben zugunsten der Ent- wicklung der Nervenzellen aus den Ependymzellen betrachte ich aber ebenso misstrauisch, wie die ähnlichen Angaben von Kolmer (32), von welchen schon oben die Rede war. Ich betone jedoch ganz ausdrücklich, dass ich die bipolaren intraependymalen Zellen schon von Haus aus für in besonderer Weise differenzierte Zellen halte, welche eine selbständige Rolle im Rückenmark spielen. Vor wenigen Jahren würde es ganz ketzerisch geklungen haben, wenn man sagte, dass die intraependymalen Zellen des | (| Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. Rückenmarks von Petromyzon rezeptorische Sinneszellen dar- stellten. Gerade in letzter Zeit sammelte man jedoch Beob- achtungen, welche unzweideutig beweisen, dass im Ependym der Gehirnhöhlen wirklich Zellen vorkommen, die den peripherischen Sinneszellen homolog sind. So schreibt in dieser Beziehung Studniöka in einer neuen Arbeit (51) über die Tatsache, dass schon die Hesseschen und die Josephschen photorezeptorischen Zellen im Rückenmark von Ammocoetes ganz deutlich beweisen können, dass Sinnesorgane im Innern der Üerebrospinalröhre vorhanden sind: „Bei den Elementen der Üerebrospinalröhre muss man doch dieselbe Grundeigenschaft des Protoplasmas voraussetzen, wie man sie beim aussen bleibenden Teile des Ekto- derms anerkennt, infolge welcher Eigenschaft sich einzelne Zellen desselben in Sinneszellen und ganze Gruppen derselben in Sinnes- organe umwandeln können. Vor allem ist es im Gebiete der Cerebrospinalröhre das Ependym, dessen innerste auch in vielen anderen Rücksichten dem äusseren Kktoderm sehr ähnliche Schicht, welche hier in Betracht kommt. Im Ependym und durch Umbildung seiner Elemente entstehen die Sinneszellen der Parietal- organe, jene des Infundibularorgans, ihnen entspricht ihrer Lage nach die lichtempfindende Schicht der Seitenaugen. Jedenfalls entstehen auch die Hesseschen Photorezeptoren im Ependym, und diejenigen, die Joseph von Amphioxus beschrieben hat, sind ihm wenigstens nicht ganz fremd. Auch die bisher nicht genau bekannten Sinneszellen des Reissnerschen Apparates der Verte- braten wird man unter den Ependymzellen suchen müssen.“ Dank dem freundlichen Entgegenkommen Studnickas konnte ich auch sein Referat über diese Ependym-Sinnes-Örgane (52) einsehen; die von ihm gegebene Zusammenstellung der Literatur liefert deutliche Beweise, dass die oben zitierte Voraus- setzung durchaus berechtigt ist. Leider sind diese Angaben nicht vollständig; so bleiben Gemelli (15), Johnston (bei Petromyzon) (24) und Tretjakoff (54) über die infundibulären Zellen in diesem Referat unberücksichtigt. Diese Angaben sind aber voll- ständiger und beweiskräftiger, als diejenigen von Boecke (4), welche allein im Referat Erwähnung gefunden hatten. Ich möchte deswegen die Zusammenstellung von Stud- ni@cka vervollständigen und zu der Beschreibung, welche ich über die infundibulären Zellen beim Ammocoetes im Jahre 1909 76 D. Tre jyak oft: (54) lieferte, jetzt die Schilderung von ähnlichen Zellen bei Petro- myzon hinzufügen. Das infundibuläre Sinnesorgan. Soviel ich mich überzeugen konnte, sind Zellen von der Art der infundibulären Zellen bei Ammocoetes und bei Petromyzon nicht nur im hypothalamischen Gebiet, sondern auch im Recessus praeopticus vorhanden. Diese Zellen sind bei Ammocoetes, nach meinen früheren Beobachtungen (54), nicht intra-, sondern haupt- sächlich extraependymal gelegen und nur ihre zentralen Fortsätze sind intraependymal eingeschlossen. Der Zellkörper liegt also ausserhalb des Ependyms und durch diese Körper wird eine besondere Schicht neben der Ependymschicht gebildet, welche von dem Ependym durch eine schmale molekuläre, fein punktierte Schicht abgetrennt wird. Die Zellen sind bipolar. Der zentrale Fortsatz dringt zwischen den Ependymzellen hindurch und setzt sich bis an das Lumen der Gehirnhöhle fort. Er tritt sogar zwischen den inneren Enden der Ependymzellen in das Lumen hinein und endigt in demselben mit einer knopfförmigen Verdickung, Endknopf. Einige Zellen liegen weiter vom Ependym ab, sie senden aber in dasselbe einen sehr feinen zentralen Fortsatz hinein. Es ist nicht zu zweifeln, dass dieser Fortsatz dem zentralen Fortsatz entspricht, welcher bei den von mir oben beschriebenen intraependymalen bipolaren Zellen des Rückenmarks in dem Zentral- kanal ebenfalls mit einem Endknopf endigt. Die lateralen Fort- sätze der infundibulären Zellen nehmen gleich am Zellkörper den Charakter der Endfäden an und verflechten sich mit den Bahnen, welche aus dem Hypothalamus hinzukommen. Ich brauche hier nur auf die wertvolle Abhandlung von Johnston (23) über das Gehirn von Acipenser zu verweisen. Der Verfasser fand nämlich im hypothalamischen Gebiet die Nervenzellen von ganz demselben Aussehen, wie sie später von ihm und von mir in demselben Gebiet bei Ammocoetes und bei Petromyzon beobachtet wurden. In den Lobi inferiores bei Acipenser sah Johnston die fraglichen Zellen in der ganzen Aus- dehnung dieses Gebietes von derselben Gestalt. „The cell bodies are ovoid, fusiform, pear-shaped or nearly cubical. A single large dendrite arises from the periferal end or apex of the cell and divides into several branches which diverge as they approach 2 Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 7% the ectal surface.“ „The neurite usually arises from the base of the large dendrite or from the basal part of one of its branches, occasionally from the cell body.“ Über die zentralen Fortsätze der Zellen verliert der Verfasser hier kein Wort; man sieht solche Fortsätze an den beigegebenen Mikrophotographien auch nicht. Im Corpus mamillare bildet er ähnliche Zellen ab und beschreibt bei ihnen auch einen zentralen Fortsatz mit dem Endknopf. Über die Bedeutung dieser Zellen wird nicht diskutiert, wohl aber über die Bedeutung der eigentümlichen Zellen im Saccus vasculosus von Acipenser, welche mit Borsten an ihrem inneren Ende versehen sind und, als echte Sinneszellen, den langen Neu- riten in das zentrale Nervensystem entsenden. Diese Zellen färben sich (bei Amiurus), nach den Angaben von Johnston, auch mit Methylenblau. Der Verfasser neigt zu der Auffassung, dass diese Zellen im Saccus rezeptorische Nervenelemente sind. Die Beobachtungen von Johnston über die rezeptorischen Zellen im Saccus waren von technischer Seite noch nicht so beweiskräftig, dass sie ohne weiteres verwertet werden könnten. Und in meiner russischen Monographie über das Nervensystem von Ammocoetes (55) habe ich der Beschreibung von den infun- dibulären Zellen noch einige allgemein-theoretische Betrachtungen zugefügt. welche in meiner deutschen Publikation fehlen. Ich schrieb nämlich, dass ich über die Bedeutung des hypothalamischen, besonders aber des infundibulären Gebietes eine andere Ansicht, als die von Johnston ausgesprochene, für möglich hielte. Johnston hat nämlich auch im Infundibulum ebenso wie im Recessus praeopticus bei der Lamprete ähnliche Zellen mit dem intraependymalen zen- tralen Fortsatz gefunden, wie im Corpus mammillare bei Acipenser. Er betrachtet das infundibuläre “ebiet als eine hypertrophierte ventrale Partie des Zwischenhirns, welche in das kommissurale und assoziative Zentrum verwandelt wurde. Nach meiner Meinung entsprechen das Infundibulum und der Recessus praeopticus nach ihrem Bau und ihrer Entstehung der frontalen Naht der Medullar- röhre und deswegen gehören sie eher dem dorsalen und nicht dem ventralen Gebiet des Gehirnes an. Die infundibulären Zellen. welche in beiden Gebieten vorkommen, zeigen jedenfalls eine sehr bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Sinneszellen des genetisch eng mit der dorsalen Naht der Cerebralröhre verbundenen olfak- torischen Organes. Sie erinnern auch an die bipolaren Zellen 78 D. Tretjakoff: der Netzhaut der seitlichen Augen, besonders wenn wir zum Vergleich die bipolaren Zellen der Netzhaut bei Petromyzon berücksichtigen wollen; zu demselben Typus gehören auch die rezeptorischen Zellen im Pineal- und Parapinealauge bei den Cyelostomen, so dass überhaupt die infundibulären Zellen dieselben Elemente darstellen, welche in den Derivaten des dorsalen Gebietes der Üerebralröhre vorkommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Infundibulum bei Petromyzon ebenfalls wie die dorsale Naht phylogenetisch von der Zone entstammt, welche in der medullären Platte sich un- mittelbar in das Hautepithel forsetzte. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung des Nervensystems lieferten die Sinneszellen dieser Zone das Material zum Aufbau der Pineal- und Parapinealaugen, während viele von den Sinneszellen sich in die intraependymalen Sinneszellen umwandelten und ein Teil dieser Zellen sich als die Netzhaut der seitlichen Augen differenzierte. Im Recessus praeopticus und im Infundibulum bei Ammocoetes bewahren die intraependymalen Zellen, obgleich ihr Körper schon ausserhalb des Ependyms gelagert ist, vollkommen den primitiven Charakter und stellen einen Apparat dar, welcher als ein Sinnesorgan des inneren Hohlraums des primitiven Vertebratengehirns angesehen werden kann. Kappers (31) spricht sich in seiner Untersuchung über das Gehirn der Knochenganoiden in ähnlicher Weise aus; er gründet seine Ansichten auf das Vorhandensein der gut entwickelten Tractus sacei vasculosi. „Ich möchte“, sagt er, „die Saccusverbindungen etwas eingehender be- sprechen ... Es scheint also zweifellos, dass wir, wenigstens der Haupt- sache nach, vermutlich aber ganz, es mit einer sensiblen sensorischen Bahn zu tun haben.“ Boecke (2) fand bei der Untersuchung der Infundibularregion bei Muraena-Embryonen Zellen, welche nicht anders zu deuten sind, als Sinnes- zellen. Bei anderen Fischen erhalten wir, wie an der Hand der Angaben von Gemelli (15), Johnston (23) und Anderer ersichtlich ist, die infundibulären Zellen von typischem Aussehen, wie bei Acipenser und Öyclostomen, die in- fundibulären Zellen bei den Embryonen von Muraena gehören aber zur Kategorie der Sinneszellen des Saccus vasculosus. Ich glaube aber, dass diese beiden Zellarten untereinander nahe verwandt sind, und dass die Unter- suchungen über die Sinneszellen im Saccus eine grosse Bedeutung für das Verständnis der infundibulären Zellen haben. Kappers äussert sich über die Bedeutung des Saccus in folgender Weise: „Die Frage ist, von welcher Natur ist dieses Sinnesorgan ? Seine grosse Oberfläche, seine Lage inmitten der Cerebrospinal- und Subduralflüssigkeit Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. ea) lassen vermuten, dass es mit der Empfindung des Druckes dieser Flüssigkeit zu tun haben kann.“ Da bei Selachiern, welche keine Schwimmblase, somit auch kein Webersches Organ haben, dessen Wirkungen durch die Sinnesepithelien des Labyrinthes perzipiert werden, auch der grösste Saccus und die grössten Saccusnerven vorhanden sind, so vermutet Kappers, dass bei diesen Fischen die mächtige Entfaltung des Saceus eine kompensatorische Bildung sei. Den grössten Tractus sacei vasculosi hat er bei Hexanchus gefunden. „Im Saccus hat bisher niemand die Sinneszellen gesehen“, schrieb ich in meiner russischen Monographie (55), da ich die Angaben von Johnston für nicht beweisend betrachtete. Jetzt aber, nach den Untersuchungen von Dammerman (6), muss ich diese Behauptung für unrichtig erklären. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung meiner russischen Arbeit über das Nervensystem von Ammocoetes hat K.W.Dammerman das Vor- handensein von Sinneszellen im Saccus vasculosus der Fische nachgewiesen und dadurch die Angaben von Johnston über solche Zellen im Saceus vasculosus von Acipenser bestätigt. Dammerman verfolgte die Sinneszellen im Saccus bei vielen Fischen und lieferte die Beobachtungen, welche für die Auffassung der infundibulären Zellen unentbehrlich sind. Um aber die Bedeutung dieser Beobachtungen zu verstehen, muss man zunächst die morphologischen Beziehungen zwischen dem Infundibulum und dem Saccus bei Petromyzon feststellen. Bela Haller (17) sagte im Jahre 1896, dass ein Saccus vasculosus den Petromyzonten vollständig fehlt. Johnston betrachtet als einen solchen den dünnen epithelialen Boden des Hypothalamus (24). Schilling (46) berichtet ebenfalls. dass bei Petromyzon der Recessus infundibuli sich nach unten und hinten in eine epitheliale Ausbuchtung fortsetzt, welche sich noch in die knorpelige Schädelkapsel hinein erstreckt und als Vorstufe des Saccus vasculosus angesehen werden darf, „obwohl der Name hier kaum am Platze ist, da die reiche Vaskularisation, welche dieses Organ bei den höheren Fischen hat, hier noch, soweit ich sehe, fehlt“. Bei Ammocoetes fand ich die Verhältnisse des Hypothalamus fast genau in der Form, wie sie von Schilling geschildert worden sind. Den beiden letzten Forschern folgend, bezeichnete ich die entsprechende rein epitheliale Platte am Boden des Hypothalamus als ein Saccusrudiment und habe die Endigungen der Nervenfasern zwischen den Ependymzellen der Platte nachgewiesen (53). Wollen wir aber jetzt das Infundibulum von Petromyzon mit seinen Sinneszellen unter dem Lichte der Untersuchungen von Dammerman an- sehen, so kann ich wohl zugeben, dass ein Organ mit den von Dammerman genau beschriebenen Krönchenzellen bei Petromyzon wie bei Ammocoetes fehlt. Mit dieser Erkenntnis ist aber die Frage über die Beziehungen zwischen dem Saccus der Fische und dem Infundibulum der Öyclostomen noch lange nicht gelöst. Dammerman (6) hat im Saccus der Fische die bemerkenswerten Zellen gefunden, welche er „Krönchenzellen“ genannt hatte. Das innere Ende dieser Zelle ist mit den gestielten Anschwellungen versehen, welche an der Kuppe der Zelle ein Krönchen zusammenstellen. Mittelst der Ss0 D,+Viveitglaikiodt tz: Silberimprägnation und der Neurofibrillenfärbung vermag er die von den äusseren Enden der Zellen entspringenden Nervenfasern nachzuweisen, welche im Gehirn die entsprechenden Tractus zusammensetzen. Deswegen fasst er die morphologische und physiologische Bedeutung des Saccus in folgender Weise auf: „Der Saccus vasculosus der Fische ist ein Gehirnteil, welcher sich entwickelt als Ausbuchtung der hinteren epithelialen Infundibularwand. Eine sackartige Ausstülpung schiebt sich hier nach hinten unter der Gehirn- basis gegen die Chordaspitze. Frühzeitig wandeln sich in diesem Organ die Gehirnwandzellen in eigenartige, für den Saccus vasculosus charakteristische Ganglienzellen — die Krönchenzellen — um. Die einfachen, mehr oder weniger kubischen oder platten Zellen des Epithels mit nur einigen wenigen Flimmern auf ihrer Oberfläche werden dann zu runden bauschigen Sinneszellen mit grossen Kernen.“ Die übrigen Zellen der Saccuswand werden zu Stützzellen. Die grossen Zellen strecken ihre inneren Enden als kleine runde Köpfchen ins Innere des Saceus. Ihre Härchen verdicken sich allmählich, werden anfangs keilförmig und zuletzt gestielt. Der Vermehrung der Haare ist eine Vermehrung der Basalkörperchen vorausgegangen, da jedes Körnchen mit dem entsprechenden Basalkörnchen im Zusammenhang steht. Dammerman vergleicht die Körnchen mit den Stiften der Hörzellen und findet hier eine gewisse Ähn- lichkeit. Er hat nach den Körnchenzellen auch in anderen Teilen des Gehirns gesucht, aber umsonst; ausserhalb des Saccus sind sie nicht vorhanden. Weiter beweist Dammerman, dass der echte Saccus nur den Fischen eigen ist, bei den übrigen Wirbeltieren existiert nur ein auch bei den Fischen vor- kommender Recessus posterior infundibuli. Schön ausgebildet, falten- und blutreich ist das Organ, nach den Untersuchungen von Dammerman, bei den Selachiern und den meisten Seeteleostiern, am grössten bei den Tiefseefischen, weniger vollkommen bei den Flussbewohnern; bei den im seichten Wasser lebenden Fischen ver- schwindet es fast vollständig. AÄusserst früh entsteht es ganz fertig und funktionsfähig bei vielen pelagischen Larven der Fische. Nach der Meinung von Dammerman liegt im Saccus ein Apparat für die Messung des Blutdruckes oder vielleicht für die Analyse der chemischen Zusammensetzung des Blutes. Wenn die grossen Gefässe, die den Saccus umgeben, strotzend mit Blut gefüllt werden, treten die Epithelien der Saccuswände nahe heran und der Inhalt des Saccus setzt die Krönchen in Bewegung. In solcher Weise kann die Änderung des Blutdruckes mechanisch perzipiert werden. Man könnte auch denken, nach der Voraussetzung von Dammerman, dass die Reizung der Krönchen durch die Ände- rung der osmotischen Verhältnisse des Blutes hervorgerufen werden könnte. Vermittelst des Blutes kann vielleicht der Sacceus vasculosus durch die Änderungen gereizt werden, welche in den Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. sl Bluteigenschaften durch die Wirkung der Tiefe vorkommen. Mit der Tiefe nimmt ja der Wasserdruck und der Druck, unter welchem die Gaslösungen sich befinden, zu. Mit dem erhöhten Druck und der niederen Temperatur der Wassertiefe nimmt die Konzen- tration des Sauerstoffes zu. Auf diesem Wege mag vielleicht der Saccus vasculosus ein Organ sein, welches die Sauerstoffkonzen- tration des Wassers zu prüfen weiss, und auf diese Weise könnte der Fisch auch imstande sein, die ilım zusagende Tiefe des Wassers aufzufinden. Deswegen nennt Dammerman den Saccus ein Tiefeorgan oder „benthisches“ Organ. Bis zu diesem Punkt möchte ich dem Verfasser zustimmen. Ich führe hier seine Erörterungen eingehend mit der Absicht an, sie auch bei der Auffassung der Rolle des Infundibulum bei Petro- myzon zu verwerten. Ich möchte aber die Bemerkung zulassen, dass die technische Seite der sonst tüchtigen Untersuchung für das geschulte Auge nicht auf der entsprechenden Höhe zu stehen scheint. Und wenn der Verfasser ein benthisches Organ auch bei Amphioxus und bei den Tunikaten in dem von Boecke (3, 4) beschriebenen Infundibularorgan des ersteren und in der längst bekannten Flimmergrube der letzteren sieht, so geht er sicher zu weit. Boecke (4) hat nämlich gefunden, dass das infundibular- organ bei der Larve von Amphioxus eine unsymmetrische Lage hat und erst bei dem erwachsenen Tier die ventrale symmetrische Platte darstellt. Nach der Meinung von Boecke weist dieser Entwicklungsgang auf die primäre paarige Anlage des Organs hin. Wenn wir also diese paarige Anlage in ihrem Verhalten zur Gehirnwand uns vorstellen wollen, so werden wir genau das- selbe Bild wie im Infundibulum von Petromyzon sehen. Mit dem Saecus vasculosus ist aber das Infundibularorgan von Amphioxus schwer zu homologisieren. Nach der Darlegung von Dammer- man muss man die Flimmergrube bei den Tunikaten auch dem Infundibularorgan homolog halten; einem Untersucher (Hunter) ist es gelungen, die Flimmerzellen mit den von ihnen ent- springenden Nervenfasern mit Methylenblau zu färben. Bei den Larven wird die Flimmergrube frühzeitig in der Form einer Aus- stülpung des Gehirns angelegt und bricht erst später und sekundär in die Mundhöhle durch. Ich glaube, dass ebenso wie das Auge von Aseidienlarven nach Froriep nur einen Überrest der paar Archiv f. mikr. Anat. ’Bd.83. Abt. 1. 6 82 D. Tretjakatt: seitlichen Augen darstellt, die unpaare Flimmergrube wie das Infundibularorgan von Amphioxus bei eingehender Untersuchung nur als ein Überrest der paarigen Anlage erscheinen wird. Da wir das Infundibulum als ein weiter verbreitetes Organ, als der Saccus ist, auffassen müssen, so kann das Infundibularorgan wahr- scheinlich im Gegensatz zum Saccus ein Gebilde von einer noch grösseren und allgemeineren Bedeutung sein. Ich halte deswegen die Flimmergrube der Tunikaten und das Infundibularorgan von Amphioxus dem Saccus der Fische nicht homolog. Wollen wir jetzt das Infundibulum von Petromyzon mit seinen Sinneszellen im Licht der Untersuchungen von Dammer- man ansehen. Ich kann auch zugeben, dass der echte Saccus, ein benthisches Organ mit den Krönchenzellen und den zuge- hörenden Blutgefässen, dem Petromyzon und dem Ammocoetes fehlt. Der von Dammerman angezeigte Processus posterior infundibuli, wie überhaupt die ventrale ependymale Platte des Infundibulum, ist jedoch keine indifferente Verschlussplatte, sondern, wie ich seinerzeit (54) nachgewiesen hatte, sind zwischen den Ependymzellen hier reichliche Nervenendigungen eingeschlossen. Ich finde aber hier in den Ependymzellen keine Merkmale einer sekretorischen Tätigkeit; die meisten Ependymzellen sind hier Flimmerzellen. Im Grunde muss man diesen Nervenendigungen irgendwelche rezeptorische Funktion zuschreiben, und die von mir und anderen beschriebene Bahn, Traetus sacci vasculosi, stellt bei Petromyzon, wie dieselbe Bahn bei anderen Fischen mit dem typisch entwickelten Saccus, eine rezeptorische Bahn dar. Daher meine ich, dass man von einem Rudiment oder einem Homologon des Saccus in der Form der ventralen Ependymplatte des Infundibulum auch beim Petromyzon sprechen könne. In dieser Beziehung scheinen Johnston und Schilling das richtigere als Bela Haller getroffen zu haben. Dammerman sagt jedenfalls, dass er beim Petromyzon den von Johnston entdeckten Tractus thalamo-saccularis nicht finden konnte. Ich finde auch, dass die bezüglichen Angaben von Johnston nicht richtig sind und dass die Nervenfasern des Saccusrudimentes von den Nervenzellen des Lobus mamillaris und Lobus lateralis infundibuli entspringen und von da aus in das Ependym des Saccus hineintreten (54). Um diese Fasern von den echten im Saccus selber entstehenden Tractus sacci vasculosi Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 83 zu unterscheiden, wäre es vielleicht besser, die betreffenden Fasern bei Petromyzon als Tractus infundibulo-sacceularis zu benennen. Ausser der rezeptorischen Bahn findet Dammerman bei Fischen noch eine zweite effektorische Bahn, den Tractus thalamo- saceularis (Johnston). Diese Bahn zieht unter den Mamillar- höhlungen her und senkt sich in den Saccus ein: „Die vielen hier durcheinander ziehenden Fasern, in Schnitten nach Golgi-Cajal angefertigt, sind nahezu unentwirrbar, aber doch lässt es sich erkennen, wie einige in den Saccus entsendet werden und hier unter seinem Epithel endigen und, wie wir später noch besser sehen werden, die Blutgefässe umspinnen. Niemals sah ich eine solche Faser an einer Stelle endigen. Auch gehen sie alle unten durch den Boden der Mamillaria nach vorn und können bis in die Nähe der Decussatio optica beobachtet werden.“ Obgleich Dammerman (6) diese Bahn bei den Teleostiern und bei den Selachiern gefunden hatte, bezweifle ich aber immer noch seine Angabe, dass die Endverästelungen der Fasern dieser Bahn für die Blutgefässe bestimmt seien. Wer mit dem Golgi- Verfahren lange gearbeitet hat, der weiss, wie unsicher manch- mal die Bilder sind, wenn die tief geschwärzten Fasern anein- anderliegen und wie leicht eine Kontinuität da zu sehen ist, wo sie sicher nicht existieren kann. Auch in den Bildern von Dammerman sehe ich keine Belege für die Richtigkeit seiner Auffassung; hier ist eine wechselnde, stets sich kontrollierende Methodik erforderlich, um zu beweisen, dass die sympathischen Fasern der Blutgefässe nicht mit den Fasern des Traetus thalamo- saccularis mitgefärbt werden. Ist meine Vermutung, dass hier wirklich diese Mitfärbung stattgefunden hatte, richtig, dann kann ich behaupten, dass der Tractus thalamo-saceularis bei Fischen den von mir genau verfolgten Traetus infundibulo -saccularis von Ammocoetes darstellt. Dadurch verliert die Behauptung Dammermans, dass die Blutgefässe des Saccus in einer ganz extraordinären Weise innerviert würden, ihren die Lehre von der Innervation der Blutgefässe bedrohenden Sinn. Ich glaube, dass neuere Untersuchungen des Saccus bei Fischen noch viele inter- essante und unvorhersehbare Sachen liefern werden, aber nur nicht solche, gut begründete Lehren umstürzende von Dammerman; nur dürfen die Methoden nicht einseitig sein! Aus allem oben 6* 54 D. Trietgakıoft: Gesagten folgt jedoch ganz sicher, dass ein Sinnesorgan des Infundibulum etwas anderes als ein Sinnesorgan des Saccus dar- stellen wird. Bei Petromyzon fehlt das Sinnesorgan des Saccus, das des Infundibulum ist aber, nach meinen Beobachtungen, gut entwickelt. Da dieses Organ bei Petromyzon in den seitlichen Flächen des infundibulären Raumes eingeschlossen ist, kann man von einem paarigen Organ sprechen, und in dieser Beziehung zeigt nach meiner Meinung dieses Organ eine unzweifelhafte Homologie mit dem Infundibularorgan von Amphioxus. Ob die Flimmergrube der Tunikaten diesem paarigen Infundibularorgan oder dem Saccus entspricht, lasse ich dahingestellt. Nach dem Gesagten halte ich die Infundibularzellen für ganz selbständige Strukturelemente, welche den funktionellen Arten der Nervenzellen des Gehirns gleichwertig sind. Es ist dabei nicht zu vergessen, dass schon bei den Ascidienlarven ausser den äusseren die inneren Sinneszellen im Gehirn entwickelt werden und zu solchen Elementen die Sehzellen und die die Oszillationen der Otolithen perzipierenden Zellen gehören. Die Beweise des genetischen Zusammenhangs dieser und jener Zellen (also der inneren Sinneszellen bei Petromyzon und bei den Tunikaten) müssen die Sache künftiger Untersuchungen sein. Da die infundibuläre Gegend nach meiner Auffassung der dorsal- frontalen Naht entspricht, ist es interessant, dass Kowalewsky die Otolithenzellen der Ascidienlarven dem dorsalen Gebiet der Gehirnblase zuzählt (37). Um diese Annäherung an die Verhältnisse bei den Tunikaten verständlicher zu machen, will ich hier meine Ansichten über die Morphologie des Nervensystems bei den Vertebraten wiederholen. Diese Ansichten wurden zum erstenmal in meiner russisch ge- schriebenen Monographie über das Nervensystem von Ammocoetes dargelegt. Theorie der Archimedulla. K.E.von Baer nahm als das vordere Ende des Gehirns die Hypophysis an ; dieser Ansicht hatten sich viele andere Forscher angeschlossen, His und Kupffer änderten aber diese Auffassung in einer verschiedenen Weise. Kupffer (34), dem auch Burkhardt und L. Neumayer folgten, findet das vordere Ende des Nervenrohres im Recessus neuroporicus. Die Lamina terminalis stammt, nach seiner Meinung, Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 8) von der vorderen Naht der Hirnröhre. Wenn wir die Hissche Verteilung der Wand der Nervenröhre in die longitudinalen Zonen annehmen wollen, müssen die ventralen Hisschen Zonen, nach dem Schema von Kupffer, bis zum unteren Rand der Lamina terminalis reichen, oder sich auf den Recessus neuro- porieus stützen. J. Platt, Nealund Sterzi berührten ebenfalls diese Frage nach dem vorderen Ende der Gehirnröhre, ihre Schlüsse unterscheiden sich aber fast nicht von denen von Kupffer. So sagt auch Johnston in seiner Arbeit: „The Central nervous system of vertebrates (28)“: „anterior end of the brain and head fall together at the lower border of the neuropore, where the ectoderm, entoderm and brain come into contact as in selachians (Platt) and amphibians.“ Nach den Angaben von His (21) gehört der Recessus neuro- poricus dem dorsalen Teil des Gehirnrohres an: also nicht dem Recessus, sondern einer von His angenommenen basilaren Achse des Gehirns kommt die grössere Bedeutung für die Bestimmung des vorderen Endes des Gehirnrohres zu. Die basilare Achse bestimmt das vordere Ende der Medullarplatte und die Grenze zwischen den ventralen und den lateralen Zonen des Nerven- rohres; sie reicht an die vordere Wand des Recessus opticus gerade vor dem Chiasma opticum. Im Grunde genommen und ungeachtet der verschiedenen Ansichten über die Bedeutung der Kupfferschen zentralen Achse und der Hisschen Basilarachse, zeigen beide berühmten Morphologen die vordere Grenze des ventralen Gebietes des primitiven Nervenrohres ungefähr an derselben Stelle. Das Gebiet des Infundibulum, des Recessus opticus und des Uhiasma gehören, nach ihren Angaben, zu den ursprünglich ventralen Gebilden. Sie machen damit jedenfalls einen Schritt weiter, um das von Baer gegebene Schema der drei primitiven Gehirnbläschen zu modifizieren und das Telencephalon der Baseler Nomenklatur nicht für eine terminale, sondern für eine dorsale Bildung, für eine Wucherung der dorsalen Zone des Nervenrohres anzuerkennen. Soweit ich mir vorstellen kann, hat die Frage über das vordere Ende keine bloss formale, sondern reelle Bedeutung für die Morphologie des Gehirns in dem Falle, wenn wir im differenzierten Vertebratengehirn nach einer Marke für das vordere -Ende der in dieses Gehirn eingeschlossenen Medullarplatte suchen, welche nach 56 DNA KoAT: den geläufigen Anschauungen dem primitiven zentralen Nerven- system der Provertebraten entspricht. Aber die medulläre Platte gibt den Ursprung nicht nur dem Gehirn, sondern auch dem Rücken- mark, aus diesem Grunde muss man bei der Diskussion über das vordere Ende des Gehirns auch die Beziehungen zwischen Gehirn und Rückenmark berücksichtigen. Ich möchte hier die Auf- merksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die Homologie des Gehirns und des Rückenmarks zu den am wenigsten bearbeiteten Fragen gehört. Und die Mehrzahl der Forscher berücksichtigte meistens lieber die Verschiedenheiten als die Übereinstimmungen im Bau des Gehirns und des Rückenmarks. Es konnte nicht anders sein, da man nur die äussere, und nicht die innere Morpho- logie des Gehirns studiert hatte. Erst die Entdeckungen der rudimentären Nerven des Vorder- und Mittelhirns gaben die Ver- anlassung zu einer eingehenden Vergleichung des Rückenmarks und des Gehirns. Das klar bewusste Bestreben zu einer solchen Vergleichung treffen wir schon bei Gegenbaur (16), aber er kam zu keinem bestimmten Schlusse, indem er sagt: „Bei exklusiv ontogenetischer Behandlung dieser Frage muss man annehmen, dass das Rücken- mark phyletisch einer successiven Sprossung aus dem Urhirn ent- sprang. Dann schwände für das zentrale Nervensystem die sonst so tief begründete Verknüpfung mit den Tunikaten und es wäre schwer zu verstehen, wie in der Struktur von Gehirn und Rücken- mark eine Art von prinzipieller Verschiedenheit (Verteilung von grauer und weisser Substanz) zur Ausprägung gelang.“ (Hand- buch, Bd. I, 1878, Seite 729.) Den ersten bedeutenden Schritt in dieser Richtung hat Johnston (27) getan. Die hauptsächlich von ihm durchdachte Theorie der funktionellen Zonen des Nervensystems vermutet das. Vorhandensein gleicher struktureller Elemente im Gehirn und im Rückenmark. Johnston aber fühlte sich in erster Zeit etwas unbefriedigt mit dem von ihm vorgeschlagenen System dieser strukturellen Elemente und konnte eigentlich kaum die Struktur des Rückenmarks im Gehirn wiederfinden. Nur im Hinterhirn findet er die von ihm angenommenen funktionellen Zonen, vorn vom Nachhirn gibt es schon keine motorische und sensorisch-viscerale Zone. Die Müllerschen Zellen betrachtet er als einen somatisch- effektorischen Apparat und meint, dass die Wirkung dieses Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 87 Apparates durch die Dendriten sich im Zwischenhirn geltend mache. Modifizierte Reste der somatisch-rezeptorischen Zone findet der Verfasser im Tecetum opticum und im Bulbus olfactorius; Commissura ansulata und ihre Fortsetzung — Commissura post- optica — sind, nach seiner Meinung, der ventralen Kommissur des Rückenmarks homolog. Die dorsalen Kommissuren sind im Gehirn Gebilde sui generis, da das Vorderhirn wahrscheinlich eine Ausstülpung der Anlage ist, welche sich früher entwickelte, als das übrige Nervenrohr seinen typischen Bau angenommen hatte. In späteren Arbeiten hat Johnston (29) seine Ansichten etwas verändert. Die Entdeckung des Vorhandenseins des Nervus terminalis bei den Vertebraten (29) hat ihm dazu verholfen, seine funktiönellen Zonen auch im Vorderhirn zu finden. Das Zentrum des Nervus terminalis ist ein somatisch -sensorisches Zentrum, während das Zentrum des Ölfactorius einen visceral-sensorischen Charakter hat. Dadurch wird das Telencephalon zu einem kom- pletten Hirnsegment im Sinne von His, nur ist der basale Teil dieses Segmentes wegen des Fortfalles motorischer Kerne und anderer Strukturen in seinem Umfang reduziert. Bei der Rück- bildung des Nervus terminalis entwickelt sich das somatisch- rezeptorische Zentrum zur Neocortex. Bei dieser Deutung des Telencephalon bleibt, nach meiner Meinung, hypothetisch und unbegründet die Behauptung, dass beim telencephalischen Segment die motorischen Zonen in irgend einer Zeit vorhanden waren und dass das olfaktorische Zentrum ein visceral-sensorisches darstellt. Die rezeptorischen Zellen des Olfaktorius sind den somatisch -rezeptorischen Zellen der Haut der Wirbellosen so ähnlich, dass sie für eine visceral-sensorische Komponente zu halten kein Grund vorliegt. In dieser Beziehung möchte ich auf die Worte von Burckhardt (5) verweisen: „Die Übertragung metamer-theoretischer Spekulation durch die Nervenwurzeln auf das Gehirn erweist sich schon angesichts des wirklichen Baues des Trigeminofacialis-Komplexes am Erwachsenen und angesichts des transitorischen Charakters der Neuromerie als fruchtlos “ Wenn dieses scharfe Urteil aus der Erkenntnis der Un- möglichkeit, die periphere Verteilung der Nerven in eine Harmonie mit der inneren Struktur des Gehirnrohres zu bringen, entstanden 88 DT retjakotr: ist, so konnte ich zeigen (54), dass auch die feinere Struktur des Gehirns keinen Anlass zu metamer-theoretischen Spekulationen geben kann. Aber Johnston veröffentlicht, ohne seine Angaben durch verbesserte und vielseitigere Untersuchungsverfahren zu bekräftigen, eine Polemik (27) gegen meine Angaben. Das ist der leichteste Weg eines Widerlegungsversuchs! In seiner Deutung des Telencephalon als eines Hirnsegmentes lässt Johnston eine grössere Rolle dem (rebilde, welches in der Morphologie des Gehirns seit Burekhardt und Kupffer (35) als eine sehr wichtige Grenzmarke betrachtet wird. Aber gerade in letzter Zeit (1908) kommen Angaben gegen den übertriebenen morphologischen Wert des Velum transversum. Fanny Fuchs (14) bemerkte nämlich, dass von den Reptilien ab aufwärts bis zu den Säugern kein sicheres Homologon des Velum transversum vor- handen ist. „Es wird sich daher empfehlen, diese unsichere Grenzmarke ganz aufzugeben“ (Fanny Fuchs [14], S. 599). Und speziell vom Velum bei Selachiern bemerkt F. Fuchs, dass es durchaus nicht ohne weiteres homolog mit dem ist, was bei Teleostiern mit dem gleichen Namen belegt wird. „Es wird sich empfehlen, den Namen „Velum transversum“ für die Duplikatur des dünnen Zwischenhirndaches bei Selachiern beizubehalten, da es hier eine deutliche Grenze zwischen Telencephalon und Dien- cephalon abgibt. Die ebenso genannte Duplikatur bei den Teleostiern darf aber dann nicht so genannt werden. Sie hat auch gar keinen Grenzwert.“ Schliesslich sagt Johnston selber in seiner grossen Sammel- arbeit über die Morphologie des Zentralnervensystems: „The value of the transverse segmentation in the interpretation of the nervous system has been greatly overestimated ..... The trans- verse segments are completely overschadowed in importance by the longitudinal divisions . . .“ (27, S. 21). Sein verdienstvoller Landsmann, Herrick (19), äussert sich in ähnlicher Weise, jedoch greift Johnston jetzt bei der Beurteilung der Morphologie des Telencephalon zu den metamer-theoretischen Spekulationen zurück. Dadurch wird aber die Frage über das vordere Ende der primitiven Medullarplatte um kein Haar weiter gegenüber den Erörterungen von His und Kupffer geführt, wenigstens tat- sächlich wird damit nichts Neues gegeben. Jetzt aber sind von Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 89 anderer Seite Tatsachen bekannt geworden, welche uns die Möglichkeit geben, die Ansichten von His und Kupffer kritisch zu betrachten. So findet Fanny Fuchs in ihrer gründlichen Untersuchung, dass die Stelle wechselt, wo der Neuroporus liegt, und dass sie niemals an der Vorderseite des Gehirns, sondern immer an seiner Oberseite liegt (14, S. 565). Die embryologischen Untersuchungen, welche gerade über das Gehirn von Petromyzon ausgeführt worden sind, veranlassten Koltzoff (35), die Ansicht von Baer wieder zu beleben und für das vordere Ende des primitiven Vertebratengehirns das infundibuläre Gebiet anzunehmen. Dieses (Grebiet entspricht, nach seinen Beobachtungen, am besten dem vorderen Ende des Nerven- rohres. Koltzott vermochte nämlich die Abspaltung des vorderen Endes des Gehirnrohres vom Ektoderm bei Ammocoetes schritt- weise zu verfolgen und die Beziehungen des Infundibulum zum präoralen Darm klarzustellen. Nach ihm ist der Neuroporus kein Endpunkt des Nervenrohres, sondern muss als die Stelle betrachtet werden, wo das Nervensystem sich am spätesten vom Ektoderm ablöst. Der Recessus opticus gehört, nach seinen An- gaben, zu den dorsalen Gebilden oder zum Dach des Nerven- rohres und auf späteren Stadien dient die Spitze des Trichters als Grenzmarke zwischen dem Boden und dem Dach des Nervenrohres. Der Boden liegt dabei der Chorda, das Dach dem Ektoderm an. Kürzlich widmete Hatschek (18) der betreffenden Frage eine spezielle Untersuchung, in welcher er die Verwandlungen des vorderen Endes des Nervenrohres im Zusammenhange mit der Entwicklung des vorderen Kopfabschnittes betrachtet. Das Objekt ist wieder Petromyzon. Nach der Auffassung Hatscheks, wird das ursprüngliche Vorderende des Vertebratenkopfes durch sekundär vorgeschobene Auswucherungen überragt, zu denen das Gehirn, die Augen und die Geruchsgrube mit angrenzendem Ektoderm gehören. Das primäre Vorderende des Wirbeltierkopfes liegt nicht in der Schnauze, sondern hinten an der Schädelbasis ; es wird durch die Hypophysenecke des Ektoderms gekennzeichnet. Hatschek verwirft entschieden die Auffassung von Kupffer über die Bedeutung des Neuroporus für die Frage vom vorderen Ende des Gehirnrohres und meint, dass der Neuroporus der Uranioten dem von Amphioxus gar nicht homolog sei. Das Vorderende des ursprünglichen Gehirnrohres wird durch den 90 Dal netsako BT; primitiven Vorderwall des Medullarrohres, die „Basilarlippe“ dargestellt, an ihrer Basis lagert sich die Basilarecke als das Vorderende der primitiven Hirnbasis, oberhalb von ihr liegt der Vorderrand des terminalen Neuroporus, als das Vorderende des primitiven Hirndaches. Die Lamina terminalis gehört jedenfalls dem primitiven Hirndach an. Auf Grund meiner histologischen Beobachtungen über das Nervensystem von Ammocoetes (54) halte ich die Ansichten von Koltzoff und Hatschek für gut begründet. Die Besonder- heiten des feineren Baues des (Gehirns zeigen, nach meiner Meinung, ganz deutlich, dass die ventrale, effektorische Zone der ursprünglichen Medullarplatte resp. des Nervenrohres nur bis zum Tubereulum posterius gelangt, welches hinter dem Infun- dibulum emporragt. Vor dem Infundibulum und sogar vor dem Tuberceulum finden sich keine primären effektorischen Elemente mehr, dieses Gebiet ist ausschliesslich für die rezeptorischen und assoziativen Funktionen bestimmt. Über die hintere Wand des Infundibulum und über die Mamillaria kann ich noch nicht bestimmt sagen, ob hier die effektorischen Elemente niemals existierten; jedenfalls halte ich dieses Gebiet ebenfalls für ein Gebiet der frontalen Gehirnnaht, in welchem also efiektorische Elemente kaum irgendwann vorhanden waren. Nach meiner Auf- fassung wird die Fähigkeit des Infundibulum, Aussackungen in der Form des Saccus vasculosus zu bilden, recht verständlich, da solche Ausstülpungen an die frontalen und dorsalen Chorioidal- säcke erinnern und zu den dorsalen Pineal- und Parapinealsinnes- organen sich differenzieren. Im ganzen Nervenrohr sind solche Ausstülpungen überwiegend an der Stelle der dorsalen Naht vor- handen, deswegen ist es ganz konsequent, zu denken, dass im Gehirn keine Ausnahme von diesem morphologischen Prinzip vorkomme. Ich denke auch, dass die Auffassung der Morphologie des Infundibularorgans bei Amphioxus, welche Boecke in seiner Arbeit (4) lieferte, zugunsten meiner Meinung spricht. Gegen Kupffer hält Boecke das Infundibularorgan bei Ammocoetes nicht für ein Homologon des Tuberculum posterius, sondern für das des Saceus vasculosus. Wenn ich mir gestatte, die Ansicht von Boecke in der Weise zu modifizieren, dass ich behaupte, das Infundibularorgan von Ampbhioxus sei ein ursprünglich paariges Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. an Organ, dem Infundibularorgan anderer Kranioten homolog, so wird die ganze Sache auch im Gehirn von Amphioxus in guten Zusammenklang mit den Verhältnissen der Kranioten gestellt. Dadurch scheint mir das Eintreten des N. terminalis bei Dipnoern in die Gehirnsubstanz am vorderen Ende des Recessus praeopticus (Pineus, 4!) weniger auffallend, als man im ersten Augenblick meinen könnte. Das Chiasma opticum bewahrt auch den Zu- sammenhang mit den ursprünglich dorsalen Gebieten, obgleich es jetzt an der ventralen Seite des Gehirns liegt. In dieser Beziehung ist das Chiasma und überhaupt der Sehnerv eine rein dorsale Bildung und bewahrt seine ursprüngliche Topographie, indem er mit der Gegend der dorsalen resp. frontalen Naht. des primitiven Gehirnrohres sich verbindet. Es gibt, nach meiner Meinung, keinen Grund, wie übrigens auch Vialleton (56) in seinem Lehrbuch hervorgehoben hat, zu einer so gewagten Hypothese zu greifen, welche von Schimkewitsch (47) neulich ausgedacht wurde. Schimkewitsch sagt, dass in derselben Weise, wie alle übrigen Gehirnnerven (ausser den Nerven der unpaaren Augen) sich nach unten verlagern, die Sehnerven noch stärker nach unten verlagert werden. Diese Verlagerung geht, nach seiner Annahme, so weit, dass der linke Sehnerv auf die rechte Seite, der rechte auf die linke Seite übertreten. Somit stelle das Chiasma eine Folge der fortgesetzten Verlagerung der Sehnerven, welche vielleicht auch mit der Verlagerung der Augen auf die Seitenfläche des Körpers sich verbindet, dar. Diese ganz doktrinäre Hypothese (und von solchen wimmelt das Lehrbuch von Schimkewitsch) hat keine tatsächlichen Belege und gründet sich nur auf die Annahme, dass die Ver- lagerung der Gehirnnerven nach unten eine allgemeine Erscheinung sei. Schimkewitsch hat ganz vergessen, dass der Trochlearis nicht nach unten, sondern nach oben verlagert wird. Nun hatten meine Untersuchungen und die Arbeiten von Kappers deutlich gezeigt, dass sogar bei den starken Verlagerungen der intracere- bralen Kerne die Wurzeln derselben in topographischer Beziehung äusserst konservativ sind. Wenn eine Verlagerung der Wurzeln vorkommt, so ist diese keine aktive, sondern eine passive, wegen des Wachstums der angrenzenden Gehirnteile. Dieses Wachstum ist eine allgemeine Eigenschaft des Gehirns, nicht aber die sup- ponierte Verlagerung der Nervenwurzeln nach unten. Nach 92 Det akort: meiner Meinung kann man die Ausbildung des Chiasma sich sehr bequem als eine Kommissurenbildung vorstellen, und solche Kom- missuren in der dorsalen Naht sind die Commissura anterior und C. posterior. Streng genommen ist das Chiasma eine intrazentrale Kommissur, da die Netzhäute der lateralen Augen vorgeschobene Gehirnteile sind. Übrigens hat schon Van Wijhe (57) den ur- sprünglich dorsalen Charakter der Sehnerven angenommen, und Froriep (15) hat in letzter Zeit diese dorsale Provenienz des seitlichen Auges ausdrücklich betont. Nun glaube ich, dass die Begriffe der funktionellen Struk- turen des Nervenrohres bei Ammocoetes, welche ich in meiner Arbeit über das Gehirn dieses Tieres durchforscht hatte, mit den genetischen Betrachtungen von Koltzoffund Hatscheck ganz gut übereinstimmen. Ich finde nämlich in den Wänden des Nervenrohres folgende longitudinale funktionelle Zonen: effek- torische Zone, Assoziationszone und Koordinations- zone. Wenn es aber bei manchen Vertebraten eine Verteilung in somatischen und visceralen Zonen gibt, so ist diese Verteilung eine sekundäre Erscheinung und greift in den primitiven drei- zonalen Plan nicht störend ein; sie ist aber im Gehirn von Ammocoetes nicht durchzuführen. Die Zonen gibt es jedenfalls nur im Gehirn — im Rückenmark von Ammocoetes sind keine Zonen, sondern nur die entsprechenden Zellentypen vorhanden; damit wird aber die Homologie der feineren Struktur des Rücken- marks und des Gehirns nicht aufgehoben. In dieser Beziehung geben die effektorischen Zellen die sichersten Beweise und, dank ihrem Vorkommen im Hinter- und im Mittelhirn, erscheint kein Zweifel in der Homologie dieser Abteilungen mit dem Rückenmark. Ich nehme gegen Edinger an, dass die Müller schen Zellen bei Petromyzon vielleicht direkt effektorisch sind. Wenn aber Edinger recht hat und diese Zellen Assoziationszellen sind, so gehören sie funktionell der motorischen Zone an, wie sich dies in der Medulla oblongata recht deutlich äussert. Deswegen kann man behaupten, dass die effektorische Zone bis zum Infundibulum sich fortsetzt. Alles, was nach vorn vom Tubereulum posterius und Infundibulum liest, gehört der Assoziationszone an. Durch die Untersuchung der infundibulären Zellen im Gehirn von Petromyzon finde ich die oben angeführte Auffassung des Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 93 Grundbaues des Gehirns bestätigt. Das Gebiet des Infundibulum gehört nicht nur zu keiner der genannten drei Zonen, es bildet vielmehr eine neue und selbständige Zone oder, besser zu sagen, ein zentrales Sinnesorgan. Mit den Strukturen des Rücken- marks hat das Gebiet des Infundibulum jedenfalls den allgemeinen Bestandteil — die Sinneszellen — gemein; aber das Vorhandensein solcher Zellen kann uns in keiner Weise zu der Annahme be- rechtigen, dass das Gebiet des Infundibulum aus einem Segment der primitiven Medullarplatte hervorgegangen sei. Der allgemeine Bau, die Typen der Nervenelemente, ihre gegenseitigen Beziehungen und teilweise ihre Mikro-Topographie im Rückenmark erhalten, nach meinen früheren Beobachtungen, bei Petromyzon gleiche Züge im Rückenmark ebenso wie im Gehirn bis in das Mittelhirn. Aus diesem Grunde bilden das Rückenmark, das Hinter- und Mittelhirn, nach meiner Meinung, einen ursprünglichen Abschnitt des Zentralnervensystems der Vertebraten, und ich habe vorgeschlagen, diesen Abschnitt eine Archimedulla zu nennen (54). Das Zwischenhirn und das Vorderhirn sind erst aus der dorsalen Zone des vorderen Endes der Archimedulla entstanden und, im Gegensatz zu derselben, können sie als das „Archencephalon“ bezeichnet werden. Das Archencephalon von Kupffer (34) nimmt auch das Vorderhirn und das Zwischenhirn ein, dem Mittelhirn und dem Hinterhirn gibt Kupffer zum Unterschied vom Rückenmark die Bezeichnung „Deuterencephalon“. Meine Bezeichnungen haben einen etwas anderen Sinn. Soviel ich die „Morphogenie* von Kupffer überdenken kann, äussern sich in ihr zwei Eintlüsse. Von einer Seite zieht bei der Untersuchung der ÖOntogenese des Nervensystems bei Vertebraten das Gehirn durch seine Umwandlungen die Aufmerk- samkeit des Forschers im grösseren Grade an und liefert dadurch die Veranlassung, das Rückenmark als die einfache Ausstülpung des Gehirns zu betrachten. Daher wurde von Kupffer die Entwicklung des Rückenmarks nur in ganz allgemeinen Zügen beschrieben. Von der anderen Seite bewahrt das Baer sche Schema der drei primitiven Gehirnbläschen bei Kupffer eine besondere Sympathie zum vorderen Bläschen, welches dem Gehirn von Amphioxus entsprechen soll und den Ausgangspunkt ganzer Klassifikation bildet. 94 D. Tretjakoff: Indem ich das Nervenrohr in die Archimedulla und das Archencephalon teile, habe ich die Absicht, den ungleichen Wert der drei Baerschen primären Gehirnbläschen zu betonen. Burckhardt (5) in seinem revolutionären Eifer nennt diese Bläschen von Baer nicht anders, als „ein unheilvolles Schema“, an- statt dessen er die Hissche Wachstumsphysiologie des embryonalen Gehirns als Grundlage der Lehre vom Wachstum und von der Morphologie des Kopfes und Gehirns ansehen möchte (5, S. 253). Dadurch wirft Burckhardt auf die grossen Entdeckungen Baers einen ganz unverdienten Schatten. Gleich wie F. Fuchs (14) möchte ich einwenden, dass Baer die drei Gehirnbläschen nur als eine Tatsache, als Ergebnis der Beobachtung beschrieben hatte. In die Theorie hat diese Beobachtung sich nur in den Schriften der Nachfolger von Baer eingeschlichen. Das vordere Gehirnbläschen gehört, nach meiner Auffassung, auf Grund seiner funktionellen Elemente zum Archencephalon und stellt im Vergleich mit dem mittleren und dem hinteren Bläschen nur eine Ausstülpung des mittleren Bläschens vor. In der Phylogenie des Gehirns können wir mit Recht die drei Gehirnbläschen unberücksichtigt lassen und das Nervensystem der Vertebraten direkt mit dem zentralen Nervensystem von Amphioxus und der Ascidienlarven vergleichen. Bei diesem Vergleich sieht man sofort, dass bei diesen Tieren das vordere Bläschen im Zusammenhang mit den originellen Sinnesorganen, wie das zentrale Auge und das Otolithenorgan versehen ist, welche dem Archencephalon der Vertebraten viel- leicht ganz fremd sind. Deswegen muss man vorsichtig auch bei diesem Vergleich sein und das Sinnesbläschen von Amphioxus oder der Aseidienlarven nicht ohne weiteres vollständig homolog dem Archencephalon der Vertebraten halten. Der Begriff der Archimedulla scheint mir auch in dieser Beziehung sehr bequem zu sein. Damit wird gesagt, dass im Nervenrohr von Amphioxus und von Vertebraten ein homologer Teil, die Archimedulla, existiert, welcher aber bei ersterem ebenso wie bei letzteren durch sekundäre Umwandlungen vervollständigt wird. Die Fragen der Morphologie des Gehirns und Kopfes werden durch den geschichtlichen Gang der Untersuchungen so eng mit- einander verbunden, dass die Änderungen der Ansichten in einem Gebiet unbedingt die Änderungen auch im anderen hervorrufen. Meine Teilung des Nervenrohres in die Archimedulla und das Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 95 Archencephalon entspricht der Teilung des Schädels in die chordale und die prächordale Partie (Gegenbaur, Stöhr). Ich halte also nach dem oben Gesagten den Saccus vasculosus, das Infundibulum und den Recessus praeopticus als der dorso- frontalen Naht des primitiven Nervenrohres angehörig und den anderen, die Sinneszellen enthaltenden Organen der dorso-frontalen Naht verwandt. Zu solchen Organen gehören allererst die Parietal- organe. Studnicka hat in seiner neuesten Arbeit (51) ganz richtig bemerkt, dass die Parietalorgane, welche man bei den üblichen genetischen Betrachtungen zu wenig berücksichtigt hat, in Wirklichkeit die wichtigen Beweise in diesen Fragen zu liefern imstande sind. Nach den Angaben dieses hervorragenden Kenners der Parietalorgane sind ihre primitiven Formen bei den Verte- braten vorhanden, die sich nur als eine sackförmige Ausstülpung der dorsalen Gehirnwand zeigen und in ihrem Ependym überall zwischen den typischen Ependymzellen Sinneszellen eingeschlossen haben. Es ist, nach meiner Meinung, sehr wahrscheinlich, dass die fronto-dorsale Naht eine par excellence die Sinneszellen pro- duzierende Stelle ist. Diese Tatsache kann aber ein neues Licht in die Frage der Morphologie der parietalen Organe, speziell in der Frage nach der ursprünglichen Paarigkeit des Pineal- und Parapinealauges werfen. Locy (38) hat die Ansicht ausgesprochen, dass die augenähnlichen Parietalorgane ursprünglich paarig waren, und viele andere Untersucher hatten die wenigstens rudimentären Reste dieser Paarigkeit sogar durch heroische Mittel aufzufinden gesucht. So untersuchte Hill (20) 600 Hühnchenembryonen, um nur bei zweien von diesen Embryonen die Paarigkeit der Anlage der Epiphyse zu entdecken. Es ist aber, nach meiner Meinung, noch lange nicht bewiesen, dass die so selten vorkommende Paarigkeit der Anlage und andere vermeintliche Zeichen derselben einen Atavismus und keine Mutation darstellen. Nach meiner Auffassung brauchen diese Organe, als Ausstülpungen der fronto - dorsalen Naht, nicht unbedingt paarig zu entstehen, und wenn die Paarigkeit wie im Infundibularorgan oder in den Mamillarkörpern vorhanden ist, so spricht diese Paarigkeit in keiner Weise für die Homo- logie der Parietalorgane mit den seitlichen Augen. Näheres über die diesbezüglichen Tatsachen hoffe ich in nächster Zeit zu liefern. 96 D.ATretiako Lt: Die infundibulären Zellen. Um den Vergleich der von mir beobachteten infundibulären Zellen von Petromyzon mit denen der anderen Tiere durchzuführen, werde ich zunächst die Angaben von Boecke (4) über die Zellen des Infundibularorgans von Amphioxus eingehender besprechen. Die Zellen des Infundibularorgans zeichnen sich beim Amphioxus schon dadurch aus, dass ihre langen Cilien nach hinten gerichtet sind, im Gegensatz zu den übrigen Zellen des Ependyms der Gehirnblase, welche nach vorn gerichtete Cilien haben. Bei erwachsenen Tieren ebenso wie bei Larven kann man nur eine Art von Zellen sehen: alle diese Zellen sind mit kleinen, kugel- runden Kernen versehen und zylinderförmig. Im hellen, fein- körnigen Protoplasma dieser Zellen ist eine dicke, gerade in der Längsachse verlaufende Neurofibrille sichtbar, welche von der Oberfläche des zentralen Endes der Zelle bis nahe an den Kern verfolgt werden konnte. Bei ausgewachsenen Tieren konnte be- merkt werden, dass vom oberen knopfförmigen Ende der Neuro- fibrille zwei äusserst dünne Fädchen abgehen, von welchen jedes in eine Cilie übergeht. Jede Zelle hat zwei Cilien. Den Verlauf der Neurofibrille,. nachdem sie den Zellkörper verlassen hatte, konnte Boecke nicht weiter verfolgen. Die Angaben von Johnston habe ich schon früher an- geführt. Sie beruhen nur auf Golgipräparaten und enthalten keine Hinweise über das Verhalten der Neurofibrillen. Die infundi- bulären Zellen im Gehirn von Petromyzon unterscheiden sich, nach meinen Beobachtungen, von denselben bei Ammocoetes (54) ausser durch die Grösse noch durch einige andere Merkmale. Ihre Körper bleiben bei Petromyzon meistens ganz ausserhalb der Ependymschicht, so dass nur der zentrale Fortsatz der Sinnes- zelle zwischen den Ependymzellen bis in die Lichtung des infundi- bulären Hohlraums verläuft. Dieser Fortsatz endigt im infundi- bulären Hohlraum zwischen den Cilien der typischen Ependymzellen mit einem viel deutlicheren Endknopf als bei Ammocoetes, welcher dazu noch sehr mannigfaltig gestaltet ist. Die Cilien sind am Knopf im eigentlichen Sinne des Wortes nicht vorhanden. Der peripherische Fortsatz nimmt schon neben dem Zell- körper (Taf. V, Fig. 1) die Gestalt eines feinen Fäserchens an und teilt sich sogleich in die Endäste oder nimmt selber das Aussehen eines Endästchens an, wird varikös und verläuft als Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. Sl solches eine lange Strecke. Dadurch unterscheiden sich diese Sinneszellen z. B. von den olfaktorischen Sinneszellen, bei welchen immer ein peripherischer Fortsatz des Zelleibes deutlich vom eigentlichen Nervenfortsatz abgegrenzt wird. Die Schicht der infundibulären Sinneszellen wird von der Schicht der Ependymzellen durch eine feinfaserige Lamelle abge- trennt. Aus einem Grunde, welchen ich gleich zeigen werde, nenne ich diese Lamelle das innere Geflecht (Fig. 5, Taf. V), da nach aussen von der Schicht der Sinneszellen eine äussere feinfaserige Lage, das äussere Geflecht, vorhanden ist. Es lassen sich wohl Zellen verschiedener Gestalt beobachten. Ich möchte jedoch nicht sagen, dass dadurch sich verschiedene Zell- typen äussern, da vorläufig diesen Gestalten der Zellen keine funktionelle Bedeutung zuzuschreiben möglich ist, ich will aber diese Formen beschreiben, um ein vollständiges morphologisches Bild der Infundibularzellen vom Petromyzon zu liefern. Am häufigsten treffe ich die einfachen bipolaren Zellen mit verschiedenartig gestalteten Zellkörper (Fig. 4, Taf. V) und mit kleinem Endknopf. Die zentralen Fortsätze dieser Zellen brauchen nicht immer ganz senkrecht zur Ependymoberfläche zu ziehen, sondern können auch schief zu derselben stehen. Meistenteils sind die zentralen Fortsätze glatt, in anderen Fällen sieht man auf ihnen Varikositäten und spindelförmige Verdickungen (Fig. 6a, ar. VW). Neben den bipolaren Zellen sind auch die multipolaren recht häufig. Die Vermehrung der. Zahl der Fortsätze betrifft aber nicht den zentralen Fortsatz, sondern äussert sich ausschliesslich nur in den peripheren Fortsätzen. Diese Vermehrung der Fort- sätze steigt sogar bis zu drei Fortsätzen auf (Fig. 8, Taf. V), was durch die gleichzeitige Teilung der peripheren Fortsätze die Gestalt der Zellen sehr dem allgemeinen Typus der kleinen Zellen der Gehirnwand von Petromyzon nähert. Weitere Variationen werden dadurch hervorgerufen, dass die Ansatzpunkte der beiden Fortsätze am Zellkörper näher aneinanderrücken, so dass der Zellkörper als eine seitliche Hervor- ragung (Fig. 4b, Taf. V) an der Nervenfaser zu liegen scheint. Manchmal geht die Veränderung noch weiter, in demselben Sinn, wie die Umwandlung der ursprünglich bipolaren Spinalganglien- zellen zu den pseudounipolaren Zellen sich vollzieht. Daher treten Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt. I. 7 98 D. Tretjakoff: auch unter den infundibulären Zellen pseudounipolare Zellen auf (Fig. 6b, Taf. V). Die grösste Mannigfaltigkeit zeigt jedenfalls das Endstück des zentralen Fortsatzes (Fig. 5, Taf. V), welches zwischen den Ependymzellen eingeschlossen ist. Bei vielen Zellen konnte ich bemerken, dass gerade unterhalb resp. ausserhalb der Ependym- schicht vom zentralen Fortsatz feine variköse Kollateralen ent- springen, welche, sich teilend, in der oben erwähnten inneren Schicht der Punktsubstanz sich verbreiten. Diese Kollateralen bilden in derselben Schicht einen Plexus, weshalb ich diese Schicht (Fig. 5Pe, Taf. V) auch als „inneres Geflecht“ bezeichnet habe. Das eigentliche Endstück kann in vielen Fällen nicht dicker und ebenso glatt wie überhaupt der zentrale Fortsatz sein. In anderen Fällen ist er in einer verschiedenen Weise verdickt und mit einem dicken Endknopf versehen (Fig. 5, Taf. V). Die Ver- diekung kann in der Form einiger grossen Knötchen oder spindel- förmiger und birnförmiger, sogar keulenförmiger Anschwellungen entstehen, manchmal ist die Anschwellung so mächtig, dass sie wie ein Zellkörper aussieht. Der Endknopf kann die direkte Fortsetzung der Anschwellung des Endstücks sein (Fig. 12 und 13, Taf. V) oder er ist ganz selbständig, und das Endstück verschmälert sich vor dem End- stück bis zum äussersten Grade (Fig. 11, Taf. V). Nach einer nicht zu intensiven Methylenblaufärbung gelingt es die Neurofibrillen in den infundibulären Zellen ganz deutlich zu unterscheiden. Diese Fibrillen bilden ein Netz, welches in den diekeren Abschnitten der Fortsätze nach aussen und zentral- wärts vom Kern (Fig. 17, Taf. V) sehr dicht ist, an den Seiten des Kerns aber werden die Abschnitte des Netzes nur durch wenige Fibrillen und Fibrillenbündel miteinander verbunden. Dieses Ver- halten ist ganz typisch. Im zentralen Fortsatz verschmelzen die Fibrillen zu einem Faden, welcher bis in das Endstück des Fortsatzes verläuft. Was aber das Schicksal des Fadens im End- stück und im Endknopf betrifft, so lassen sich in dieser Beziehung verschiedene Möglichkeiten beobachten. Im einfachsten Fall entbündeln sich im Endknopf und in den Verdiekungen des Endstückes (Fig. 13, Taf. V) die Neuro- fibrillen und bilden im Endknopf ein Endnetz. Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 29 In anderen Zellen liegt im Endknopf oder schon im Endstück eine Ansammlung von sehr intensiv tingierbaren Mikrosomen, welche das Verhalten der Neurofibrillen im Endstück ganz ver- decken (Fig. 15 und 17, Taf. V). Wieder in anderen Zellen treten die Neurofibrillen aus dem Endknopf ins Freie und endigen zwischen den Cilien der Ependymzellen in der Form winziger, meist am Ende verdickter Fäserchen (Fig. 16, Taf. V). Manch- mal entsteht dadurch das Bild einer Krönchenzelle, welche von Dammerman im Saccus vasculosus beschrieben wurden, aber die Verteilung der gestielten Körnchen erreicht bei den von mir untersuchten Zellen niemals die Regelmässigkeit der Krönchen- zellen aus dem Saccus. Die längeren, aber ebenfalls feinsten Fäserchen, welche die unmittelbaren Fortsetzungen der Neuro- fibrillen zu sein scheinen. können auch nicht vom Endknopf, sondern schon vom Endstück unterhalb des Endknopfes entspringen (Fig. 15, Taf. V) und zwischen den Ependymzellen verlaufen. Als seltenere Zellarten erscheinen die infundibulären Zellen, bei welchen der zentrale Fortsatz das Ependym nicht erreicht, sondern in der Schicht des inneren Geflechts sich in dieses umbiegt und mit den Kollateralen der zentralen Fortsätze anderer Zellen sich verflicht. Noch andere Zellen haben keinen zentralen Fortsatz, sondern sind echt unipolar, sie liegen aber ganz dicht unter dem inneren Geflecht nnd manchmal sogar im Geflecht unter dem Ependym (Fig. 6c, Taf. V). In der äusseren Schicht der Punktsubstanz sind neben dem Lager der Sinneszellen andere bi- und multipolare Zellen mit dem ebenso, wie die Sinneszellen, verhältnismässig kleinen Zell- körper verstreut. Ihre Neuriten, die sich eigentlich ebensowenig von den Dendriten unterscheiden, wie überall bei den kleinen Zellen des Nervensystems von Petromyzon, schliessen sich den Neuriten der Sinneszellen an und bilden mit ihnen zusammen die efferenten Bahnen des Infundibulum. Ich hatte auch die Infundi- bularzellen in den Gehirnen von anderen Vertebraten mit Methylen- blau zu färben versucht und erhielt von Emys caspica ebenso instruktive Präparate wie von Petromyzon. Auch bei dieser Schildkröte haben die infundibulären Zellen das Aussehen typischer Sinneszellen und sind meistens bipolar, mit einem zentralen und einem peripheren Fortsatz versehen. Der zentrale Fortsatz erscheint aber nicht so plötzlich verdünnt wie bei Petromyzon, Ir 100 D: Tresjakoft: sondern verschmälert sich meistens nur allmählich, und das End- stück unterscheidet sich sehr scharf durch seinen Farbenton. Der periphere Fortsatz verhält sich ähnlich wie bei Petromyzon. Leider hatte ich bisher, aus Mangel an Material, das Verhalten der Sinneszellen zu den typischen Ependymzellen nicht verfolgt. Der Endknopf ist an den infundibulären Zellen der Schildkröte nicht vorhanden. Es häufen sich also die Angaben über die zentralen Sinnes- zellen, welche die zentralen Sinnesorgane zusammenstellen, in recht bedeutendem Maße, und es ist nicht zu zweifeln, dass bei speziellen Untersuchungen über diese Zellen noch ganz ungeahnte Vorrichtungen im Nervensystem der Wirbeltiere entdeckt werden können. Die Sinneszellen des Rückenmarks. Die Sinneszellen des Rückenmarks von Petromyzon stehen sicherlich in keiner genetischen Beziehung zur dorsalen Naht des Nervenrohres. Sie scheinen aber zu bedeuten, dass der ent- sprechende Teil der Archimedulla sein ursprüngliches, ektoder- males Gepräge besser bewahrt hatte, als der Kopfteil der Archi- medulla, wo in den Gehirnhöhlen die genannten Zellen bis zum Gebiet des Infundibulum fehlen. Sie fehlen hier aber nicht ganz, sie sind vorhanden, jedoch so verändert, dass man sie nur als ein Überbleibsel des einmal höher entwickelten Apparates sich vorstellen kann. Ich meine damit die Sinneszellen im Gebiet des Calamus (Fig. 18, Taf. V). Auf Schnitten durch die Rautengrube im Gebiet des Calamus finde ich im Ependym neben der medianen Rinne zwei symmetrisch liegende Zellen, die genau so aussehen, wie die intraependymalen Zellen im Rückenmark. Es ist auch sehr leicht, die zwei Reihen dieser Zellen bei Stückfärbung des Gehirns mit Methylenblau zu beobachten, nur muss man das Objekt lange und intensiv färben. Jede Zelle der Calamusreihe hat dieselbe Grösse und sie gleichen sich auch genau in der Form. Von den Sinneszellen des Rückenmarks unterscheiden sich die Calamuszellen durch die grosse Endverbreitung, welche dem Endknopf jener entspricht. In dieser Beziehung scheinen die Calamuszellen eine Stellung zwischen den Sinneszellen des Rückenmarks und den infundibulären Zellen einzunehmen. Sehr charakteristisch ist für diese Zellen, dass ihr zentrales Endstück Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 101 häufig geknickt ist, so dass dessen Endverbreitung nach der Seite oder nach unten gerichtet wird. Soviel ich an Methylenblau- präparaten der Medulla oblongata sehen kann, setzen sich die beiden Reihen der zu beiden Seiten der Medianrinne liegenden Calamuszellen bis in die Gegend der Acustieuskerne fort. Die peripheren Fortsätze der Zellen vermochte ich nicht mit Sicherheit zu verfolgen, da sie bei der Stückfärbung nur schwer darstellbar sind. Ich möchte sogar wegen dieses Mangels die Calamuszellen noch unter Frage lassen, da ich ihre nervöse Natur nur auf Grund der ihnen eigenen mit den Sinneszellen gleichen Merk- male vermute. Falls sie wirklich nervöse resp. Sinneszellen sind, bin ich berechtigt, die ganze Archimedulla in erster Linie als eine Sinnesepithelplatte anzusehen. Die nervöse Natur der bipolaren intraependymalen Zellen des hückenmarks wird am deutlichsten durch das Verhalten ihrer peripheren Fortsätze gekennzeichnet. Ich wenigstens halte dieses Verhalten neben der spezifischen Färbung mit Methylenblau für genügend, um diese Zellen als nervöse Elemente anzuerkennen; die Silberimprägnation ergab mir noch weiteres. Feine Schnitte, mit dem Silberverfahren behandelt, zeigen an den intraependymalen Sinneszellen dieselbe innere Struktur wie die unzweifelhaften Nervenzellen. Solche Präparate haben den Vorteil, dass alle übrigen nervösen Elemente in gleicher Weise wie die Sinnes- zellen gefärbt werden, so dass man leicht Vergleiche der Nerven- zellen mit den Sinneszellen anstellen kann: sie sind auch sehr bequem für das Studium der Form und Grössenverhältnisse der Sinneszellen. Sehr instruktiv sind in dieser Beziehung Längsschnitte des rückenmarks (Fig. 20, Taf. VI). Man sieht an diesen, dass die Sinneszellen nicht genau senkrecht zur Längsachse des Rücken- marks gestellt sind, wie es nach den Querschnitten der Fall zu sein scheint (Fig. 19, Taf. VI). Die kürzesten Sinneszellen liegen fast vollkommen in der Schicht der typischen Ependymzellen. Sie haben birnförmige Gestalt (Fig. 19, Taf. VI), indem das zentrale Stück in der Richtung gegen den Zentralkanal sich verschmälert und in den Endknopf ohne oder nur mit leichter Anschwellung übergeht. Im Körper der Zellen ist ein dichtes Neurofibrillennetz vorhanden. Nach dem Verlauf der Neurofibrillen kann man zwei Arten von kurzen 102 D. Dretgakott: Zellen unterscheiden. Bei der einen Art ist das Netz haupt- sächlich im inneren Teile der Zelle entwickelt, im äusseren Gebiet neben dem Kern verlaufen nur spärliche Neurofibrillen. Die Maschen des Netzes sind der Querachse nach ausgezogen (Fig. 20, Taf. VI) und gelangen nicht in das Endstück und den Endknopf. Im letzteren sieht man bei diesen Zellen nur einige mehr oder minder intensiv gefärbte Mikrosomen. In der dünnen Proto- plasmaschicht an den Seitenflächen des Kerns verlaufen einige Fibrillen, welche sich meistens wieder zentralwärts umbiegen und zum gemeinsamen Netz zurückkehren. Eine Neurofibrille läuft in den peripheren Fortsatz hinein. In den Zellen der anderen Art sind die Maschen des Neuro- fibrillennetzes längs gerichtet, und die Endösen dringen bis in den Endknopf vor (Fig. 21, Taf. VI). Ferner findet man meistens auch an den Seitenflächen des Kerns reichliche Neurofibrillen, die schliesslich zu einer feinsten Neurofibrille des peripheren Fortsatzes verschmelzen. Manchmal zeichnen sich diese Zellen besonders durch einen grossen Reichtum an Neurofibrillen aus (Fig. 22, Taf. VI), und gerade bei dieser Fülle und Dichtigkeit des Neurofibrillennetzes sieht man oft im Endknopf keine einzige Fibrille, keine Öse. Es scheint sogar, dass die Fibrillen hier frei endigen; in anderen Fällen bemerkt man, dass im Endstück des peripheren Fortsatzes der Zelle die Endösen spitz auslaufen, so dass hier keine freien Neurofibrillen, sondern zusammengedrückte Maschen des Netzes vorhanden sind. Wieder bei anderen Zellen sind im Endknopf in Silber geschwärzte Mikrosomen zu sehen. Wenn die Fibrillen spärlicher sind, wie es bei manchen Zellen der Fall ist, so ist die interfibrilläre Substanz gut zu erkennen (Fig. 24, Taf. VI). Sie erscheint ganz homogen, und nur im Endknopf sind die argentophilen Mikrosomen zu bemerken, oder diese fehlen, und man sieht dort nur eine Endöse. Manch- mal sind die Mikrosomen dicht nebeneinander und reihenweise gelagert, so dass sie eine Endöse vortäuschen können (Fig. 23, Taf. VD. Bei den kurzen Zellen kommen Formen vor. die sich wie Übergänge vom bipolaren zum pseudounipolaren Typus ausnehmen. Dies spricht sich in der Weise aus, dass das Kerngebiet des Körpers seitlich an der Längsachse der Zelle liegt; es scheint dann der periphere Fortsatz (Fig. 25, Taf. VI) die unmittelbare Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 105 Fortsetzung des zentralen Fortsatzes zu sein. Manchmal ist der seitlich hervorspringende Teil des Zellkörpers mit einem kurzen Fortsatz versehen (Fig.-26, Taf. VI). Diese Abweichungen von der streng bipolaren Form erinnern an die ähnlichen Abweichungen bei den infundibulären Sinneszellen. Schon bei den kurzen Zellen kann man bemerken, dass bei einem nicht zu dichten Neurofibrillennetz eine Fibrille ausser- ordentlich dick ist und meistens nur diese Fibrille am längsten im zentralen Fortsatz (Fig. 25, Taf. VI) verläuft. Man kann diese dicke Fibrille als „Hauptfibrille“ bezeichnen. Nun ist diese Haupt- fibrille in den längeren Sinneszellen besonders häufig zu sehen. In den Zeilen mittlerer Grösse (Fig. 27, 28, Taf. VI) sehen wir wieder das Neurofibrillennetz entweder hauptsächlich in der zentralen Partie der Zelle (Fig. 28, Taf. VI) oder im ganzen Zell- körper gleichmässig verteilt (Fig. 29, Taf. VD); im letzten Falle sind einige Fibrillen dicker als die meisten übrigen. Die langen Sinneszellen besitzen fast ohne Ausnahme ein spärliches Neurofibrillennetz. Die Endschlingen sind hier im Endknopf auch vorhanden (Fig. 30 und 31, Taf. VI), ebenso wie die scheinbar frei endigenden Fibrillen (Fig. 32 und 33, Taf. VI). Die Fibrillen im zentralen Fortsatz der Zelle verschmelzen mit- unter zu einer einzigen, welche im weiteren Verlauf sich wieder in zwei oder drei Fibrillen auflösen kann. Die Mikrosomen im Endknopf der langen Sinneszellen sind viel seltener als in den kurzen Zellen zu sehen. Was die Verteilung der Fibrillen im Zelleib betrifft, so sind auch hier Zellen mit dem Fibrillennetz im inneren Teil und Zellen mit dem Fibrillennetz um den Kern vorhanden (Fig. 30 und 32, Taf. VI). Nach Durchmusterung von Hunderten von Sinneszellen habe ich den Eindruck, als ob die Dichtigkeit des Fibrillennetzes im Gegensatz zur Länge der Zelle stehe, und je länger die Zelle, desto spärlicher das Fibrillennetz sei. In allen Typen der Sinneszellen nimmt der Kern den breitesten, äussersten Teil der Zelle ein, welcher sich peripherie- wärts rasch verjüngt und zuspitzt, indem er in den Nervenfort- satz übergeht. Die Neurofibrillen schmiegen sich eng an die Kernmembran an, und selbst bei einem dichten Neurofibrillennetz tritt der Kern ohne jede Färbung scharf hervor. Die langen Sinneszellen sind drei- bis fünfmal so lang wie die typischen 104 D. Tretjakoff: Ependymzellen, sie liegen also mit dem grössten Teil ihres Körpers ausserhalb der Ependymschicht und sind in dieser Beziehung den infundibulären Sinneszellen sehr ähnlich. Nach dem oben Gesagten rekapituliere ich, dass die Ver- teilung der Neurofibrillen besonders verschiedenartig im Gebiet des Kerns ist. Meistens sammeln sich die Neurofibrillen an den Seitenflächen des Kerns in ein, zwei oder mehrere Bündel, welche in der dünnsten Schicht des Protoplasmas zwischen der Oberfläche des Zellkörpers und der Kernmembran peripheriewärts verlaufen und im zugespitzten äussersten Abschnitt der Zelle in die Fibrille bezw. in das dünne Fibrillenbündel des Nervenfortsatzes über- gehen. Und wenn im Gebiet des Kerns auch ein dichteres Fibrillennetz vorhanden ist, so liegen die Fibrillen am häufigsten doch nur an einer Seite des Kerns, so dass auch in diesem Falle ein grosser Teil der Kernmembran von den Fibrillen nicht be- deckt ist. Nach meinen Befunden ergibt sich, dass bei Petromyzon Sinneszellen aller Typen sich überall im Ependym des Zentral- kanals von der Medulla oblongata bis zum Schwanz finden. Sie bilden auf der ganzen Strecke eine zusammenhängende zylindrische Schicht um den Zentralkanal. Sonach setzen die Sinneszellen des Rückenmarks eine mächtige perzipierende Oberfläche zusammen und stellen wahrscheinlich ein Sinnesorgan dar, welches, nach seiner Ausdehnung und nach der strengen morphologischen Difte- renzierung seiner Elemente zu schliessen, sicherlich für die Funktionen des Rückenmarks bei Petromyzon nicht minder wichtig ist, als die effektorischen oder assoziativen Zellen desselben. Die Nervenfortsätze der Sinneszellen verhalten sich nicht wie die Dendriten der übrigen Nervenzellen, sie laufen nicht bis zur Oberfläche des Rückenmarks und nehmen keinen Anteil an der Bildung des supramedullären Nervengeflechtes. Sie bilden überhaupt keine Geflechte, da sie sehr schwach verästelt sind, und sich zwischen den Nervenzellen des Rückenmarks verlieren. Ich bin überzeugt, dass solche Sinneszellen auch bei anderen Vertebraten im Rückenmark vorkommen. Beim Amphioxus fand Edinger im Ependym des Kopfabschnittes der Nervenröhre bipolare Zellen (11), welche durch Silber sich schwarz färben; der periphere Fortsatz der Zelle setzt sich in eine Faser fort, welehe in die äussere Nervenfaserschicht übergeht. Es ist für Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 105 mich besonders wichtig, dass auch im Rückenmark von Amphioxus Edinger ähnliche bipolare Zellen bemerkt und abgebildet hat. Zwar haben schon Retzius und Johnston (25) dieselben Zellen gefunden und sie für Ursprungszellen sensibler Wurzel- fasern angenommen, jedoch halte ich diese Annahme für wenig bewiesen. Nach den Beobachtungen von Dogiel(10) kann man denken, dass die Fasern der sensiblen Wurzeln beim Amphioxus eher von den peripheren epidermalen Sinneszellen und von den durch Dogiel entdeckten Spinalganglienzellen entspringen. In seiner Beschreibung sagt er, dass die peripheren Sinneszellen im Haut- epithel von Amphioxus, wahrscheinlich auf dem ganzen Körper verstreut sind. „Ungeachtet mancher Schwierigkeiten“, sagt Dogiel, „gelang es mir doch an einigen Präparaten deutlich wahrzunehmen, dass die zentralen Fortsätze der genannten (epidermalen) Sinneszellen durch die homogene subepitheliale Schicht hindurchtreten und in Gestalt feiner varicöser Fäden sich unmittelbar den Nervenästchen zugesellen.“ Man muss also diesen Angaben zufolge anerkennen, dass aus der gesamten Haut eine grosse Anzahl von Nervenfasern ins Rückenmark von Amphioxus eintritt, welche gar keinen Ursprung im Rückenmark selber haben. Dadurch ist die Ansicht von Retzius, dass die Fasern der dorsalen Wurzeln von den kleinen bipolaren Zellen des Rückenmarks entstammen, kaum mehr haltbar. Dogiel hat weiter auch echte Spinalganglienzellen bei Amphioxus gefunden und sehr wahrscheinlich gemacht, dass die sogenannten Zellen von Quatrefages in den Ästen des ersten und zweiten Nervenpaares auch den Spinalganglienzellen homolog sind. Ich hatte Gelegenheit, die Präparate von Dogiel persönlich zu studieren und möchte sagen, dass Dogiel entschieden die Richtig- keit seiner Auffassung betonen könnte. Nun hat Joseph (30) gut begründete Beweise geliefert, dass die von Dogiel nachgewiesenen Sinneszellen in der Haut von Amphioxus sehr verbreitet sind und sogar den Metapleural- falten nicht fehlen. Ihre zarten Plasmastränge gehen bis in die Cutis, stellen also wieder Nervenfasern dar. Ich kann hier vorläufig hinzufügen, dass ich bei Petromyzon auch die epidermoidalen Sinneszellen (die Zellen von Tomaselli) mit Methylenblau färben konnte und ihre Verbreitung in der 106 D. Tretjakotk: ganzen Haut nachgewiesen habe. Also auch in dieser Beziehung steht Petromyzon dem Amphioxus sehr nahe und es ist vielleicht ganz richtig, anzunehmen, dass die intraependymalen bipolaren Zellen des Rückenmarks von Amphioxus ebenfalls zentrale Sinnes- zellen sind. Die Funktion des Reissnerschen Fadens. Die Funktion des intramedullären Sinnesapparates erhellt von selbst, wenn wir dem Vorhandensein des Reissnerschen Fadens im Zentralkanal des Rückenmarks von Petromyzon unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Leider ist die Frage nach der Prä- existenz des Reissnerschen Fadens immer noch eine der am wenigsten aufgeklärten Fragen der Neurologie. Der von Reissner (42) im Jahre 1860 entdeckte und von Kutschin (36) nochmals im Jahre 1865 beschriebene Faden im Zentralkanal des Rücken- marks von Petromyzon wurde später als Artefakt angesehen (Stieda, 48); so betrachten das Gebilde wohl die meisten der gegenwärtigen Neurologen. Edinger in seinen Vorlesungen (12, Bd. II, S. 32) sagt: „Fast niemals findet man den Hohlraum ganz leer und oft kann man sich überzeugen, dass die gerinselartigen Bildungen, welche ihn erfüllen (Reissnerscher Faden der Fische), durch feine Fäden mit der Epitheloberfläche zusammenhängen‘. Kolmer (32), welcher das Rückenmark von Ammocoetes in letzter Zeit speziell und gewissenhaft untersucht hat, hält den Reissnerschen Faden für das Sekretionsprodukt der Ependymzellen. Anderer Meinung ist Sargent (44). Er hat sein Material mit den verschiedenartigsten Methoden fixiert und das Vorhandensein des Reissner- schen Fadens nicht nur bei Fischen, sondern auch bei anderen Vertebraten (Necturus, Alligator, Columba und Mus) nachgewiesen. Nach der Beschreibung von Sargent (4) liegt der Reissnersche Faden im Querschnitt des Rückenmarks neben dem Zentrum des Zentralkanals und ist auf dünnen Schnitten hier nur schwer zu finden. Er stellt nur einen Punkt dar, welcher sich von den lose im Zentralkanal liegenden Körnchen durch nichts unterscheidet. Bei einigen Fischen ist sein Durchmesser bis 10 „, bei den meisten nur 2 „. Im Falle eines dicken Fadens (bei Cynoscion) kann man an ihm einige färberische Unterschiede beobachten — die axiale Substanz färbt sich nämlich intensiv mit Kongorot und erscheint granular, die periphere Schicht nimmt Hämatoxylinfärbung an. Diese Schicht wird von Sargent als „dark staining sheath“ bezeichnet. In einigen Fällen entspringen vom Reissnerschen Faden dünne Fortsätze, welche zur Peripherie des Kanals sich begeben. Der Reissnersche Faden läuft, nach den Beobachtungen von Sargent, in der ganzen Länge des Zentralkanals des Rückenmarks bis an das vordere Ende des Tecetum opticum. Kaudalwärts zieht der Faden bis an das hinterste Ende des Rückenmarks, soweit, wie überhaupt der Zentralkanal noch sichtbar Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 107 bleibt. Der Durchmesser des Fadens nimmt dabei nur sehr wenig ab. Normal sieht der Faden ganz geradlinig aus, hin und wieder wird ein wellen- förmiger Verlauf bemerkbar, was bedeuten soll, dass normal der Faden straff gespannt sei. Auch fand Sargent, dass der Faden im vierten Ventrikel geknäuelt verlief; demnach schreibt er dem Faden eine hohe Elastizität zu, wofür auch spricht, dass der geknäuelte Faden doppelt so dick ist, wie der ungeknäuelte. Den Verlauf des Fadens im Gehirn fand Sargent bei allen von ihm untersuchten Tieren als den gleichen. Im vierten Ventrikel liegt der Faden näher am Dache des Ventrikels und setzt sich in dem engen Durchgang unter den Lobi vagi (bei Teleostiern) in den Aquaeduetus Sylvii fort; von da aus tritt er in den dritten Ventrikel hinein, wo er wiederum sich an das Dach hält und zwischen den paarigen Ausstülpungen des Tectum opticum liegt. Am vorderen Ende des Ventrikels läuft der Faden bis zur Kommissur, um hier (nach Sargent) in die Gehirn- substanz einzutreten. Nun behauptet Sargent, dass der Reissnersche Faden nervöser Natur sei und eine lange Nervenbahn darstelle, welche dazu bestimmt sei, optische Erregungen sofort den motorischen Zentren des Rückenmarks zu vermitteln (45). Zu dieser Annahme gelangte er durch Beobachtungen bei Fischen, bei welchen der Faden experimentell unterbrochen wurde. Sargent meint, dass der Faden aus feinen Nervenfasern und einer Hülle besteht; die Nervenfasern sollen aus Nervenzellen des Dachkerns entspringen, in den Zentralkanal des Rückenmarks eintreten und hier sich mit anderen Nerven- fasern verbinden, welche aus motorischen Zellen des Sinus terminalis (terminal canal cells) hervorgehen. Studnicka (49) lieferte gleichfalls sichere Belege für die präformierte Existenz des Reissnerschen Fadens, verwirft aber seine nervöse Natur und betrachtet ihn als eine durch Sekretion entstandene Substanz. Er vergleicht sogar dieses Gebilde mit dem sogenannten Kristallstiel des Magendivertikels der Lamellenbranchiaten. V.Horsley (22) und Mc. Nalty haben den Reissnerschen Faden im Rückenmark der Makaken gefunden und einige physiologische Schluss- folgerungen gezogen. Sie haben bestätigt, dass bei einer Läsion des Fadens keine Erscheinungen sich zeigen, welche auf eine nervöse Natur des Fadens hindeuten. Ayers (1) berichtet über das Vorkommen des Fadens im Gehirn von Bdellostoma, nachdem schon Sanders (43) ihn im Gehirn bei Myxine gefunden hatte. Die Angaben von Ayers über die vermutliche Funktion des Fadens sind weniger bestimmt, als die Ansichten der vorhin angeführten Untersucher. Eine ganz andere Beleuchtung gewinnt der Reissnersche Faden wie in morphologischer, so auch in physiologischer Beziehung in den Arbeiten von Dendy und Nicholls (8, 9). Dendy (7, 9) hat festgestellt, dass der Ependymbezirk, bis zu welchem der Reissnersche Faden gelangt und welcher unter der Commissura posterior liegt, bei allen Vertebraten einen besonderen Bau zeigt und die besondere Bezeichnung „subkommissurales Organ“ verdient. Dieses subkommissurale Organ kommt ebenso wie der 108 D. Tretjakoff: Reissnersche Faden bei allen Gruppen der Vertebraten vor — von den Cyelostomen bis zu den Säugern und Primaten: „I suggested some years ago“, sagt Dendy: „befor the connection of this structure with Reissners fibre was known, that it might aid in the circulation of the cerebrospinal fluid, by means of cilia, which I thought I had detected on the epithelial cells. Whether this be so or not, I now think that the ependymal Groove may have another, and perhaps more important function as an intracerebral sense-organ.” Auf Grund seiner Beobachtungen spricht Dendy (8) die Vermutung aus, dass der Reissnersche Faden und die subkommissurale Grube Teile eines Apparates darstellen, welcher die Biegungen des Körpers kontrollieren solle. Wegen der Elastizität des Reissnerschen Fadens muss jede Flexion des Körpers den Spannungszustand des Fadens ändern und dadurch die ependymalen Zellen der subkommissuralen Grube auf mechanischem Wege erregen. Zwischen den Ependymzellen der Grube sind vielleicht, nach der Voraussetzuug von Dendy, Sinneszellen vorhanden, welche diese Er- regungen den in der Tiefe der Gehirnsubstanz liegenden Nervenzellen über- mitteln. Jede Änderung der Haltung des Körpers wird in solcher Weise rein reflektorisch registriert und reguliert. Dendy vergleicht diese ver- mutliche Tätigkeit dieses hypothetischen Apparates mit der Funktion der halbkreisförmigen Kanäle des Gehörapparates. Der Mensch hat, nach den Angaben von Dendy (9), nur eine sehr rudimentäre subkommissurale Grube, der Schimpanse nimmt in dieser Be- ziehung eine intermediäre Stellung zwischen Menschen und geschwänzten Affen wie Macacus ein. Mensch und Schimpanse haben auch keinen Reissnerschen Faden. Diese Verhältnisse stellt der Verfasser in Zusammenhang mit dem Fehlen des Schwanzes und dem aufrechten Gang des Menschen; der auf- rechte Gang soll die Koordinationsverhältnisse in radikaler Weise ändern. Dendy glaubt jedoch, dass neben der angegebenen Funktion die subkommissurale Grube auch anderen Zwecken dienen könne, so zum Beispiel der Zirkulation der intracerebralen Flüssigkeit, wenigstens bei Ammocoetes. Die Ansicht Dendys wurde von Nicholls (40) auf experimentellem Wege teilweise bestätigt. Nicholls lenkte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass am hinteren Ende des Rückenmarks der Reissnersche Faden bei Fischen eigentlich im Gebiet des Filum terminale liege, wo Nerven- zellen in der Wand des Rückenmarks noch nicht vorhanden sind. Deswegen werde der Reissnersche Faden bei einer Durchschneidung dieser Stelle des Rückenmarks in bequemer Weise, ohne die Nervenfasern oder die Nerven- zellen zu zerstören, unterbrochen werden können. Nicholls durchtrennte nun diese Stelle und fand Störungen in der Haltung der Versuchstiere. Später gleichen sich, wie man wohl annehmen darf, infolge der Regeneration des Fadens diese Störungen wieder aus. Diese wichtigen Schlussfolgerungen wurden von Nicholls durch die mikroskopische Untersuchung bestätigt, welche auch manches merkwürdige Detail über den Reissnerschen Faden lieferte. So berichtet er über die Befestigung des Fadens im Ventriculus terminalis, dass hier der Faden mit Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 109 einer Masse (terminal plug) verschmilzt, welche einen konischen Vorsprung bildet. Der strukturlose Faden umfasst die Kuppe dieser Verdickung mit einer trompetenförmigen Erweiterung und sendet vielleicht einige befestigende Fibrillen zu der hinteren Wand des Ventrikels. Nach der Meinung von Nicholls dient eine solche Befestigung zur Sicherung der elastischen Spannung des Fadens. Die konische Verdiekung geht unmittelbar in ein fibrilläres Bindegewebe über, so dass man annehmen muss, dass diese Ver- dickung ebenfalls eine Art Bindegewebe darstellt. Bei der Entwicklung des Fadens zieht derselbe das Bindegewebe allmählich in den Ventriculus terminalis hinein. Nicholls berichtet ferner von geknäuelten Massen, welche manchmal im Ventrieulus terminalis neben dem normal gespannten Faden vorkommen. Er vermutet, dass diese Massen Reste eines einmal im Laufe des Lebens zerrissenen Fadens darstellen, welcher nachher wieder regeneriert wurde. Bei meinen Untersuchungen über das Gehirn und Rückenmark der Uycelostomen habe ich viele Beobachtungen auch über den Reissnerschen Faden gesammelt. Ich hatte aber früher diese Beobachtungen nicht veröffentlicht, da ich von Anfang an überzeugt war, dass der Reissnersche Faden kein Nervenfaserbündel dar- stelle, da ich niemals eine spezifische Färbung des Fadens erzielen konnte. Vom präformierten Vorhandensein des Fadens konnte ich aber mich vielfach überzeugen, da man bei der Färbung der frischen Längsschnitte des Rückenmarks mit Methylenblau leicht den Reissnerschen Faden sehen kann. Ich kann mich entschieden den Angaben Sargents und besonders denen von Dendy und Nicholls anschliessen. Ich möchte daher, obwohl ich mit anderen Untersuchungsmethoden arbeitete, keine weitere Beschreibung des Fadens geben. Ich meine aber, dass der Reissnersche Faden die gesuchte Erklärung für das Vorkommen der bipolaren Sinnes- zellen im Ependym des Zentralkanals am besten liefere. Nehmen wir an, dass der strafie Faden bei den Biegungen des Rücken- marks einfach auf die Endknöpfe der Sinneszellen drückt, dann wird der Sinn des ganzen Organs verständlich. Es wird nämlich dadurch verständlich, warum die Sinnes- zellen im Rückenmark keine Cilien, sondern Endknöpfe tragen, welche hier wie elektrische Druckknöpfe die Erregung vermitteln. Es wird auch durch meine Annahme verständlich, warum die Sinneszellen im Rückenmark hauptsächlich an den Seitenflächen des Kanals liegen, während sie dorsal und ventral recht selten sind. Im Leben des Tieres sind die seitlichen Biegungen des Körpers viel wichtigere Bewegungen und häufiger vorkommende als 110 D. Driet1akorf1: die dorsalen und ventralen Biegungen. In der subkommissuralen Grube konnte ich bisher keine Sinneszellen finden; ich glaube deswegen, dass in diesem Punkt die Theorie von Dendy und Nicholls falsch ist. Die subkommissurale Grube ist, nach meiner Meinung, nur bestimmt für die vordere Anheftung des Reissner- schen Fadens, und, wie schon Sargent zeigte, für die Entwicklung des Fadens. Sargent zeigte nämlich, dass der Faden noch im embryonalen oder larvalen Leben als ein Bündel von feinen, cilienähnlichen Fortsätzen der Zellen der subkommissuralen Grube entsteht und in das Rückenmark hineinwächst. Die Calamusreihen der Sinneszellen berühren sich wohl kaum mit dem Reissnerschen Faden, obgleich im allgemeinen betrachtet die Berührung bei starker dorsalwärts gerichteter Biegung des Körpers in der Gegend der Medulla oblongata gut möglich ist. Nach dem Vorhandensein der grossen Endknöpfe schliesse ich aber, dass diese Zellen eher für die Wahrnehmung der Zirkulation oder des Drucks der intracerebralen Flüssigkeit, wie die infundibulären Zellen mit ihrem manchmal sehr grossen Endknopf, bestimmt sind. Zum Schluss werde ich versuchen, das schematische Bild der Zusammensetzung der nervösen Elemente des Rückenmarks von Petromyzon zu konstruieren. Nach meinen früheren Angaben und nach der vorliegenden Untersuchung sind im Rückenmark von Petromyzon folgende Nervenelemente vorhanden (Fig. 34, Taf. V]): 1. Sensible bipolare intraependymale Zellen (A), 2. effek- torische Zellen (B), 3. kommissurale Zellen (C), 4. dorsale Zellen (nicht eingezeichnet); 5. amakrine Koordinationszellen (D). Nach der Fig. 34, Taf. VI, zu urteilen, liegt bei solcher Auffassung im Rückenmark des Petromyzon dasselbe Bild der Konstruktion des zentralen Nervensystems vor, welches wir eigent- lich schon von den Üoelenteraten angefangen bei vielen Wirbel- losen kennen. Ich sagte oben, dass Dendy die Funktion des Reissnerschen Fadens mit derselben der Otolithen vergleicht. Ich meine, dass der Vergleich wirklich ganz gut passt und dass hier keine blosse Analogie vorhanden ist. Bei den Ascidienlarven ist das statische Organ in der Tat im Gehirn eingeschlossen und entsteht nach den Angaben von Kowalewsky (37) an der dorsalen Wand des Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 111 Gehirns. Leider ist dieses Organ der Ascidienlarven bis jetzt nur ungenügend bekannt. Nach dem aber, was wir von ihm wissen, steht nichts im Wege, dieses Organ mit dem Reissnerschen Faden zu vergleichen. Der Fortsatz der Otolithenzelle mit dem in ihm eingeschlossenen Otolithen und einer Pigmentkappe ist ebenso ein exoplasmatisches Gebilde wie der Reissnersche Faden. Man kann wohl nicht sagen, dass der Reissnersche Faden von der Otolithenzelle entstammt, ich glaube dagegen, dass bei den Prochordaten überhaupt ein statisches Organ im Innern des Nervensystems vorhanden war und von diesem Organ durch die im Laufe der Phylogenese stattgefundenen Um- wandlungen die Otolithenzelle der Ascidienlarven und der Reissnersche Faden differenziert wurden. Nach den Angaben von Kupffer erregen die Bewegungen des Otolithen die starren Stiftchen der Zellen der Crista acustica der Ascidienlarve. Es scheint also, dass im Nervensystem der Ascidienlarve eine ganz ähnliche Vorrichtung vorhanden ist, wie im Rückenmark von Petromyzon. Wenn wir weiter noch den Sinneskörper der Ctenophoren mit dem vorausgesetzten Sinnesorgan der Prochordaten in Ver- gleichung ziehen wollen, so werden wir im Sinneskörper der Ctenophoren gerade beide Elemente, welche gesondert bei Petro- myzon und bei den Ascidienlarven vorkommen, treffen. Im Sinneskörper der Ctenophoren unterscheidet man das Sinnespolster, welches sicher aus den Sinneszellen besteht, vier auf diesem Polster hervorragende S-förmig gekrümmte Federn, welche ebenso wie der Reissnersche Faden aus den zusammen- gebundenen Cilien bestehen, und den Otolithenhaufen. Denken wir aber daran, dass die Otolithen in den Zellen des Polsters entstehen und erst später nach aussen ausgestossen werden, so können wir uns die Möglichkeit vorstellen, dass der Otolith, wie bei Ascidienlarven, dauernd in der Zelle stecken bleibt. Obgleich die Tatsachen in dieser Beziehung zu dürftig sind, um die von mir vermutete Zusammengehörigkeit der erwähnten drei Sinnesorgane zu einer vollkommen ausgearbeiteten Hypothese zu erheben, so kann ich doch nicht verhehlen, dass mir diese Meinung sehr plausibel zu sein scheint. Der Reissnersche Faden ist dabei, wenn nicht einfach homolog, doch in einer ähn- 112 D. Tretjakoff: lichen Weise entstanden und tätig wie die Otolithenfeder der Ötenophoren. Ich möchte schliesslich noch einmal auf die Funktion und Morphologie des Keissnerschen Fadens die Aufmerksamkeit der Neurologen richten, da wir in diesem Gebiet von planmässigen Untersuchungen wahrscheinlich noch neue und sehr wichtige Entdeckungen erwarten dürfen. Literaturverzeichnis. 1. Ayers, H.: The ventricular Fibres of the Brain of Myxinoids. Anat. Anz., Bd. 32, 1908. 2. Boecke, J.: Die Bedeutung des Infundibulums in der Entwicklung der Knochenfische. 3. 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N —= äusserer Fortsatz der Zelle, welcher un- mittelbar in den Nervenfortsatz n sich umwandelt; v = Verästelungen des Nervenfortsatzes in der äusseren Schicht der Wand des Infun- dibulum (im äusseren Geflecht). Vergrösserung 430 mal. Kurze Sinneszelle aus dem Rückenmark von Ammocoetes Z — zentraler Fortsatz. Vergrösserung 1500 mal. Lange Sinneszelle aus dem Rückenmark von Ammocoetes. Ver- grösserung 1500 mal. Infundibuläre Zellen von Petromyzon. Horizontaler Schnitt des Gehirns von Petromyzon. a — typische bipolare Zelle; b — Zelle, welche sich dem pseudounipolaren Typus nähert; ce — Zelle, bei welcher eine Kollaterale des zentralen Fortsatzes sich zur Bildung des Plexus subependymalis begibt; d = multipolare Zelle; g — Zelle, bei welcher eine Kollaterale des Nervenfortsatzes im Plexus subependymalis endet; f = Zelle, deren zentraler Fortsatz voll- ständig sich dem Plexus subependymalis anschliesst. Vergrösserung 430 mal. Infundibuläre Zellen auf dem horizontalen Schnitt durch das Gehirn von Petromyzon. Komplizierte Endknöpfe und Plexus subepen- dymalis (inneres Geflecht). Ep = Schicht der Ependymzellen; Pe = subependymales Geflecht. Vergrösserung 430 mal. Infundibuläre Zellen aus einem dicken horizontalen Schnitt durch das Gehirn von Petromyzon. Wegen der schiefen Lage der Schichten im Verhältnis zur Oberfläche des Schnittes war es notwendig, die Zellen aus den verschiedenen Ebenen zeichnerisch in die Ebene der Abbildung zusammenzubringen. a — Zelle mit dem varikösen zentralen Fortsatz; b — pseudounipolare Zelle; ce — Zelle (wahr- scheinlich unipolare), welche keinen zentralen Fortsatz hat und unmittelbar neben den Ependymzellen liegt. Vergrösserung 430 mal. Isoliert gezeichnete infundibuläre Zelle aus dem kranialen Gebiet des Infundibulum von Petromyzon. N = äusserer Fortsatz; Z — zentraler Fortsatz mit einer Kollaterale, welche in den Plexus subependymalis hineintritt. Vergrösserung 430 mal. Infundibuläre multipolare Zelle mit vielen äusseren Fortsätzen. Vergrösserung 430 mal. Fig. 9—16. Varianten der Endknöpfe der infundibulären Zellen von Petro- 2 17. myzon. Nur die zentralen Fortsätze sind abgebildet, der Zellkörper wurde weggelassen. f — seitliche Ästchen. Vergrösserung 430 mal. Neurofibrilläres Netz in der infundibulären Zelle von Petromyzon. M = mikrosomale Anhäufung; N = Kern, Vergrösserung 1500 mal. + 116 D. Tretjakoft: Fig. 18. Sinneszellen neben der medianen Rinne des Calamusgebietes der Rautengrube von Petromyzon. Totales Präparat. Vergrösserung 270 mal. Sämtliche Zeichnungen dieser Tafel sind Präparaten des Gehirns und des Rückenmarks von Ammocoetes und Petromyzon fluviatilis entnommen. Die Präparate sind intra vitam mit Methylenblau gefärbt worden. Tafel VI. Fig. 19. Frontaler Querschnitt des Rückenmarks von Petromyzon. D = dorsaler Ependymkeil; E — Ependymzellen; J — Sinneszellen ; V = ventraler Ependymkeil; Z = Zentralkanal. Vergrösserung 300 mal. Fig. 20. Horizontaler Längsschnitt des Rückenmarks von Petromyzon. R= Reissnerscher Faden; S = Sinneszellen; H = Hohlraum des Zentralkanals. Vergrösserung 300 mal. Fig. 21. Sinneszelle aus dem Rückenmark von Petromyzon. Kleinere Art mit den quergelagerten Neurofibrillen. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 22. Sinneszelle kleinerer Art mit längsverlaufenden Neurofibrillen. Ver- grösserung 1500 mal. Fig. 23. Sinneszelle mit gleichmässig verteilten Neurofibrillen, die ein Netz mit fast gleich breiten Schlingen bilden. Im Endknopf sind die argentophilen Körnchen sichtbar. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 24. Sinneszelle mit einer neurofibrillären Schlinge im Endknopf. Ver- grösserung 1500 mal. Fig. 25. Sinneszelle mit unregelmässigem bipolarem Körper. Im Neuro- fibrillennetz ist eine dickere Hauptfibrille sichtbar, die auch weiter bis zum Endknopf reicht. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 26. Sinneszelle seltener Art mit dem lateral und unterhalb des Zell- kernes gelagerten Abschnitt des neurofibrillären Netzes. Ausser dem Nervenfortsatz ist noch ein kurzer seitlicher Fortsatz vor- handen. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 27. Sinneszelle mit reichem Neurofibrillennetz, welches auch den Kern allseitig und vollständig umhüllt. Im Endknopf sind die argento- philen Mikrosomen vorhanden. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 28. Sinneszelle mit einem nur oberhalb des Kernes gelagerten Netz von Neurofibrillen, welche auch in den Endknopf hineintreten. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 29. Sinneszelle grösserer Art mit einem dünnen zentralen Fortsatz und einem gleichmässigen Neurofibrillennetz. Vergrösserung 1500 mal. Fig. 30. Sinneszelle grösserer Art mit einem dünnen zentralen Fortsatz und einem spärlichen Neurofibrillennetz mit der Endschlinge im Endknopf. Vergrösserung 1500 mal, Fig. 31. Sinneszelle grösserer Art mit einer terminalen Neurofibrillenschlinge, welche nicht im Endknopf, sondern unterhalb derselben endet. Ver- grösserung 1500 mal. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Die zentralen Sinnesorgane bei Petromyzon. 117 Sinneszelle derselben Art mit einer Hauptfibrille im Neurofibrillen netz. Vergrösserung 1500 mal. Sinneszelle mit einer Hauptfibrille im zentralen Fortsatz, welche aber in ihrem Verlauf sich mehrmals entbündelt. Vergrösserung 1500 mal. Schema der gegenseitigen Beziehungen der nervösen Elemente des Rückenmarks bei Petromyzon. A = Sinneszellen; B = effektorische Zellen; © — assoziative Kommissurenzellen ; D — amakrine Zellen; n — Neurit; Z = Zentralkanal. 118 Aus dem Histologischen Institut in Wien. Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. Von Joseph Schleidt. Seinem verehrten Lehrer Herrn Hofrat v. Ebner anlässlich des Rücktrittes vom Lehramte zugeeignet. Hierzu Tafel VII. Noch vor verhältnismässig kurzer Zeit ging die allgemeine Meinung dahin, dass Reptilienschuppe und Feder homologe Gebilde seien. Die Embryonaldune wurde gewöhnlich als Bindeglied auf- gefasst. Da der gegenwärtige Stand der Frage „Feder und Schuppe“ nicht allgemein bekannt sein dürfte, sei es mir erlaubt, zunächst kurz darüber zu berichten. Ich erwähne natürlich von den vielen Arbeiten nur diejenigen, die sich mit der Homologie von Schuppe und Feder befassen. Und auch von diesen will ich nur je ein paar Worte sagen, da ich ja auf die meisten derselben im Verlauf der Arbeit zurückkomme. Auf Vollständigkeit macht diese Literatur- übersicht keinen Anspruch. Die älteren Arbeiten befassen sich ausschliesslich mit der Anatomie und Entwicklung der Feder; ich erwähne da nur Remaks Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbeltiere (1855) und Pernitza „Bau und Entwicklung des Erstlingsgefieders, beobachtet am Hühnchen“ (Sitzungsber. d. Wiener Akademie, 1871). Kerbert (1876, Über die Haut der Reptilien und anderer Wirbeltiere. Arch. f. mikr. Anat. XIII) weist auf die Ähnlichkeit der Feder und Schuppe in der Entwicklung hin. Als Zwischenglied zwischen der Schuppe und der entwickelten Feder führt er die Pinguinfeder an, von der er eine eingehende Beschreibung gibt. Den Umstand, dass sich Federn auf den Laufschuppen finden, scheint er nicht gekannt zu haben, er erwähnt nichts davon. Er hält Feder, Reptilien- und Laufschuppe für homolog. Jeffries (1884, The Epidermal system of birds, Proc. Boston Soe. nat. hist., Vol. 22) beschreibt die Haut der erwachsenen Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. 119 Tiere und dann ihre Entwicklung, dann die Entwicklung der Federn und Laufschuppen. Er beschreibt das Vorkommen von Federn auf Laufschuppen und hält daher letztere für nichthomolog den Reptilienschuppen. Klee (1886, Bau und Entwicklung der Feder, Hallesche Zeitschr. f. Naturw., Bd. 59) hält Haar, Feder und Schuppe für Faltenbildungen des Rete Malpighii, die sich nach der Seite vor- buchten, wo der geringste Widerstand ist, also bei jungen Stadien nach aussen, bei älteren nach innen; so erklärt er die zapfen- förmige Haaranlage. Schuppe und Feder hält er für homolog. „Die Ähnlichkeit zwischen Schuppe und Feder, die sich z. B. an den Flügeln von Aptenodytes einander sehr nähern, ist so gross, dass, wenn die Ähnlichkeit des Knochenbaues der Reptilien und Vögel sowie ausgestorbene Formen ....... unbekannt wären, die Entwicklungsgeschichte aus beiden Epidermisgebilden nahe ver- wandtschaftliche Beziehungen folgern müsste.“ Davies (1889, Die Entwicklung der Feder und ihre Be- ziehungen zu anderen Integumentgebilden, Morph. Jahrb., Bd. 15) hält den Besitz von kleinen Federn auf dem Lauf und auf der oberen Fläche und den Seiten der Zehen für den primären Zustand. Die Federn wurden rudimentär und verschwanden; an ihre Stelle traten Schuppen und Schilder, die ihren Ursprung als Verdiekungen der Haut um die Ansatzstelle der Feder nahmen. Ficalbi (1891, Sulla architettura istologica di alcuni peli degli ucelli con consideratione sulla filogenia dei peli e delle penne, Atti. della soc. Toscana d. sc. natur. memor. Vol. 11) schliesst sich der Ansicht, dass die Federn von den Schuppen abzuleiten seien, im Prinzip an. Er leitet sie aber nicht direkt von den „squame rettiliane“, sondern von primären „produzioni rilevate“ der Reptilien- haut ab, die sich nach der einen Richtung hin zu Schuppen, nach der anderen zu Federn und Haaren entwickelt hätten. Als Über- sang führt er den Bruststachel von Meleagris gallopavo an. (radow (1891, In Bronns Klassen und Ordnungen, Leipzig) vergleicht die Schuppen mit wachsenden Federn und beschreibt an der Laufbekleidung der Ratiten alle Übergänge von der Schuppe zur Feder. Er hält also Feder, Reptilien- und Lauf- schuppe für homolog. Maurer (1895, Die Epidermis und ihre Abkömmlinge, Leipzig) erwähnt den Umstand, dass sich auf Laufschuppen Federn 120 Joseph Schleidt: finden, zweifelt aber daran, dass die Laufschuppen den Reptilien- schuppen homolog seien. Keibel (1896, Ontogenie und Phylogenie von Haar und Feder, Ergebn. der Anat. u. Entwicklungsg., 5. Bd.) erklärt, „bei dem Verhalten der Federanlagen auf den Laufschuppen Bedenken zu tragen, Feder und Schuppe vollkommen zu homologisieren“. Er betrachtet „die Feder als homolog einem besonders aus- gebildeten Teil einer Schuppe, nicht der ganzen Schuppe“. Oppenheimer (1896, Über eigentümliche Organe in der Haut einiger Reptilien, Morphol. Arbeiten, 5. Bd.) beschrieb bei Hatteria an den Schuppen des Lippenrandes „punktförmige Flecken“. An der Stelle der Flecken beschreibt das Bindegewebe einen naclı unten konvexen Bogen, in welchem ein dichter Haufen von Binde- gewebszellen liegt. Das Stratum Malpighii zeigt über dem Zentrum dieses Zellhaufens eine einfache Lage von Zylinderzellen, über der Peripherie kubische Zellen. Das stratum corneum ist etwas bräun- lich verfärbt. Ähnliche Organe fand Oppenheimer bei Orocodilus porosus und Alligator sclerops. Gegenbaur (1898, Vergleichende Anatomie der Wirbel- tiere, I. Bd.) hält Feder und Schuppe für homologe Gebilde. Krause (1902, Entwicklung der Haut und ihrer Nebenorgane in Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre, Jena) leitet die Federn von Reptilienschuppen ab, nicht aber die Laufschuppen, da diese Federn tragen können, „und eine Feder nicht auf der anderen wachsen“ könne. Krause unterscheidet mithin „primäre Schuppen“ und „sekundär gebildete Laufschuppen“. Wiedersheim (1909, Einführung in die vergl. Anat., Jena) hält Schuppen und Federn für homologe Bildungen. Grobben (1910, Lehrb. d. Zoologie, Marburg) hält Schuppe und Feder für homolog. R. Hertwig (1912, Lehrb. d. Zoologie, Jena) fasst die Feder als einen „langen Hornauswuchs der Haut“ auf, „welcher auf einer Papille der Lederhaut sich entwickelt hat und von der Oberfläche aus eine Strecke weit in die Lederhaut eingesenkt worden ist, eine Auffassung, die vollkommen der Entwicklung der Feder entspricht und ihre Gleichartigkeit mit den Schuppen der Reptilien dartut“. Schaub (1912, Die Nestdunen der Vögel und ihre Bedeutung für die Phylogenie der Feder, Verh. d. naturforsch. Ges. in Basel, 23. Bd.) gibt eine Abbildung einer Puderdune von Rhinochetus Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. 121 jubatus, der zwei Neoptile aufsitzen. Die Neoptile ist also eine Spitze der ersten Federgeneration, keine eigene Federgeneration und kann daher auf keinen Fall als Zwischenglied zwischen Schuppe und Feder aufgefasst werden. Da die Meinungen der Autoren über die phylogenetische Bedeutung der Embryonaldune auseinandergehen, schien es mir notwendig, auch diese in den Kreis meiner Betrachtungen zu ziehen. Diese Mitteilung soll sich ausschliesslich mit dem Ver- hältnis zwischen Schuppe und Embryonaldune befassen. Einer der wichtigsten Gründe, die gegen die Homologie von Schuppe und Feder sprechen, scheint mir die Tatsache zu sein, dass sich auf den Laufschuppen mancher Vögel Federn finden. Sind nun die Laufschuppen der Vögel den Reptilienschuppen homolog, so können die Federn unmöglich den Reptilienschuppen entsprechen. Es handelt sich also darum, die Homologie der Lauf- und Reptilienschuppen aus der Ähnlichkeit der Entwicklung nachzuweisen. Gleichzeitig war ich bestrebt, die Beziehungen zwischen Schuppen und Federn zu studieren. Zu diesem Zwecke habe ich Schnittserien von jüngeren Hühnchen und Ringelnatterembryonen, sowie Serien von Längs- und Querschnitten durch die Läufe älterer Hühnchenembryonen angefertigt. Zur Fixierung verwendete ich Pikrin-Sublimat. Ich habe mich dabei teils der Celloidin-, teils der Paraffinmethode bedient. Zur Färbung wurde meist Hämatoxylin und Eosin verwendet. Ausserdem habe ich Serien von Hühnerembryonen und Schnitte von einem Amselembryo benutzt, welche Herr Prof. Hochstetter mir freundlich überliess, wofür ich ihm auch hier ergebenst danke. An diesem Materiale habe ich die erste Anlage von Reptilien- schuppe, Laufschuppe und Feder verglichen. Der erste, der die Entwicklung der Reptilienschuppe aus- führlich beschrieb, war Conrad Kerbert. In engem Anschluss an ihn möchte ich dieselbe kurz skizzieren. Er geht von der Einteilung und Entwicklungsperioden aus, die Rathke!) aufgestellt hat. I. Periode: Von der Befruchtung des Eies bis zum Er- scheinen sämtlicher Kiemenspalten und Schluss des Darmnabels. II. Periode: Bis zum völligen Schluss der Kiemenspalten. N) Entwicklungsgeschichte der Natter, Königsberg 1839. 122 Joseph Schleidt: III. Periode: Bis zur Färbung der Hautbedeckung. IV. Periode: Bis zum Abstreifen der Eihüllen. Zur Zeit der IlI. Periode ist bei Tropidonotus natrix die Epidermis zweischichtig. „Die obere Schicht besteht aus platten Zellen (Epitrichialschicht), die untere aus zylindrischen, deren ovale Kerne senkrecht zur Oberfläche gestellt sind (Schleimschicht). Unter der unteren Zellenlage sieht man die erste Anlage der Cutis. In dieser Entwicklungsperiode ist die Cutis noch voll- kommen flach, ohne Papillen.“ Im Anfang der III. Periode begegnen wir den ersten Papillen. „Es sind kleine Höckerchen, entstanden durch partielle Wucherung des unter der Epidermis liegenden Bindegewebes. Die Epidermis ist im allgemeinen noch beschaffen wie in der II. Periode, nur zeigen sich an den Erhebungen zwischen Epitrichial- und Schleim- schicht einige runde Zellen, die durch Querteilung der darunter liegenden zylindrischen Zellen der Schleimschicht entstanden sind.“ Den Erhebungen entsprechend finden wir eine Anhäufung von Bindegewebszellen. Das spricht wohl dafür, dass die Outis an der Bildung der Papille sich aktiv beteiligt. Eine Abgrenzung der Papille von der Umgebung konnte ich in diesem Stadium in Gegensatz zuKerbert nicht wahrnehmen. Im Gegenteil scheinen mir die Papillen eine „ondulazione in toto“ (Ficalbi) zu bilden, entsprechend den tubercolini Ficalbis.') Auch der Ansicht Kerberts, dass diese Papillen radiär symmetrisch seien und eine Zeitlang so weiterwachsen, kann ich mich nicht anschliessen. An den von mir beobachteten Stadien konnte ich am Sagittalschnitt durch den Embryo überall eine kraniale längere, sanfter ansteigende und eine kaudale kurze, steil abfallende Seite erkennen. Die oben beschriebene Zellwucherung der Epidermis findet sich zuerst in der kranialen, erst später auch in der kaudalen Hälfte der Papille (Abb. 1, 2). Auch die Entwicklung der Laufschuppen der Vögel hat zuerst Kerbert eingehend beschrieben. Ich will wieder an seine Be- funde anknüpfen. Die Epidermis am Lauf eines Hühnchenembryos ') Ficalbi (1891) bezeichnet als einfachste „produzione rilevata della pelle dei rettili“ das „tubercolino“. Er beschreibt dasselbe wie folgt: „piccolo rilievo dermoepidermico, che si impianta sul piano cutaneo alla costituzione del quale il derma prende solo parte come protuberanza della parte super- ficiale e in correspondenza del quale la epidermide si ingrossa alquanto .. .“ Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. 123 von 7d ist zweischichtig, bestehend aus einer zylindrischen Schleim- schicht und einer aus platten Zellen bestehenden Epitrichialschicht. Die Cutis zeigt noch keinerlei Erhebungen. Später bilden sich zwischen diesen beiden Lagen runde Zellen, welche durch Teilung aus der Schleimschicht hervorgegangen sind. Am 11. Tage sehen wir die ersten Papillen, Anlagen der künftigen Schuppen. Sie sind ziemlich flach und nicht, wie Kerbert sie beschreibt, radiär, sondern bilateral symmetrisch, indem sie im Längsschnitt ein Drei- eck geben, dessen proximaler Schenkel länger ist als der distale. Auch die Epidermis beteiligt sich lebhaft an dem Vorgang durch Zellvermehrung, die an der proximalen Hälfte der Papille stärker ist. Der bilateral-symmetrische Charakter der Papille wird in den späteren Stadien immer deutlicher, bis schliesslich die Papille umbiegt und man dann eine obere und untere Schuppenfläche unter- scheiden kann (Abb. 4). Jeffries (1884) macht Kerbert den Vorwurf, er habe nur Längsschnitte von Hühnchenläufen untersucht und keine Querschnitte; sonst hätte er sehen müssen, dass die Gebilde am Hühnchenlauf keine wahren Schuppen, sondern Falten (folds or flaps) seien. Betrachten wir jedoch die Querschnitte genauer, so können wir an jungen Stadien, etwa 12d, an einigen Stellen eine deutliche Verdiekung der Epidermis wahrnehmen (Abb.3). Der Höcker der Cutis ist infolge der starken Krümmung nicht wahrzunehmen. Schon am 14. Tage zeigt auch der Quer- schnitt deutliche Erhebungen der Cutis, über welchen ihrerseits die Epidermis verdickt ist. Die Laufschuppen des Hühnchens entwickeln sich also nicht als Falten, wie Jeffries meint, sondern verhalten sich in ihrer ersten Anlage wie die Reptilien- schuppen. Es erübrigt noch, die Entwicklung der Embryonaldunen zu skizzieren. Ich will hier den klassischen Untersuchungen Davies, der Tauben- und Hühnchenempryonen untersuchte, folgen. Zur Zeit der Federentwicklung besteht auch hier die Epidermis wieder aus zwei Lagen, der aus Zylinderzellen bestehenden Schleimschicht und der Epitrichialschicht aus platten Zellen. An einem 7tägigen Hühnchenembryo sieht man am Rücken in der Cutis in regel- mässigen Abständen voneinander Gruppen von Bindegewebszellen. Über diesen Zellgruppen ist die Epidermis verdickt (Abb. 5, 6). Nach Davies nehmen beide Schichten der Epidermis an der Zellwucherung teil. Mir schien es jedoch, als ob es sich bloss 124 Joseph Schleidt: um eine Neubildung von Zellen in der Schleimschicht handelte.') Schon zu dieser Zeit bildet der Zellhaufen in der Üutis eine kleine bilateral-symmetrische Papille mit einer kranialen sanft an- steigenden und einer kaudalen etwas steiler abfallenden Seite. Die Epidermisverdickung finden wir an der kranialen Seite. Eine „runde Warze“, wie Davies sie beschreibt, worunter er wohl eine radiär-symmetrische Papille versteht, konnte ich nie beob- achten. Diese Papillen sind nicht scharf begrenzt und bilden wie die Schuppenanlagen eine „ondulazione in toto“. Die Papille wächst nun und ihre Neigung nach rückwärts wird immer deut- licher. War bei der ersten Anlage der Papille die Epidermis- wucherung fast nur an der kranialen Seite zu sehen, finden wir in diesem etwas älteren Stadium (Hühnchenembryo von 8d, Abb. 7) die Epidermis auch an der Spitze und an der kaudalen steil ab- fallenden Seite verdickt; an der letzteren sogar am stärksten. In einigen Fällen konnte ich sogar eine Trennung der beiden Epidermisverdickungen wahrnehmen, so dass man die eine ver- diekte Stelle der Epidermis an der kranialen Seite der Papille und davon durch eine Stelle weniger verdickter Epidermis getrennt die Verdiekung an der Spitze und der kaudalen Seite des Höcker- chens sieht. Ausserdem finden wir eine bedeutende Zellwucherung in der Cutis, die so stark ist, dass bei schwacher Vergrösserung die Cutis an der Spitze der Papille einem adenoiden Gewebe ähnlich sieht. Durch diese beiden Momente, die Zellwucherung an der Spitze und der kaudalen Seite des Höckerchens, sowie durch die viel stärkere Zellwucherung in der Cutis ist der erste Unterschied zwischen Schuppen- und Federanlage gegeben. An noch etwas älteren Stadien (an einem Hühnchenembryo von 8d 20h) konnte ich beobachten, dass an der nach rückwärts geneigten Spitze der Papille der Krümmungsradius ein kleinerer ist als in den übrigen Partien des Höckerchens, so dass es fast den Anschein hat, als wenn auf dem ersten Wärzchen sich ein zweites, nun wirklich rundes, etablieren wollte (Abb. 9); denn man kann es sowohl im Längs- als auch im Querschnitt als Halbkreis wahr- ') Davies findet, dass die an den übrigen Stellen der Epidermis ganz platten Zellen der Epitrichialschicht über den Papillen höher, kubischer werden. Ich halte diese Erscheinung, die ich auch beobachten konnte, für eine Folge eines Schrägschnittes. Es ist ja sehr leicht möglich, dass ein Sehnitt die übrige Epidermis normal trifft, die Papille aber schräg. Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. 125 nehmen. Ich werde am Schluss der Abhandlung auf diese Ver- hältnisse noch zurückkommen. An noch älteren Stadien (9d alter Hühnchenembryo) kann man in regelmässigen Abständen voneinander stehende Papillen sehen, die sich sehr scharf von der Umgebung abheben und nach rückwärts geneigt sind (Abb. 13). Der Zwischenraum zwischen zwei solchen Wärzchen ist bedeutend grösser als der Durchmesser der Basis eines solchen. Diese Papillen gleichen in ihrer Grösse und ihrem Krümmungsradius annähernd den Spitzen der oben beschriebenen Höckerchen. Über ihnen ist die Epidermis ziemlich gleichmässig verdickt. In der Cutis sieht man eine Zellwucherung, die sich aber nicht allein auf die Papille, sondern auch auf die unmittelbare Umgebung derselben erstreckt. In der Cutis sieht man in jeder Papille schon in diesem Stadium eine Kapillare. An Querschnitten durch Hühnchenembryonen von diesem Alter kann man zuweilen sehen, dass diese Wärzchen an der Kuppe von sanften Höckerchen sitzen, welche ineinander übergehen (Abb. 11). Zuweilen sieht man auch an Längsschnitten solche Bilder; die oft schon ziemlich lange Papille hebt sich dann, ihrer nach hinten gerichteten Stellung entsprechend, an der kaudalen Seite scharf, an der kranialen Seite hingegen nur wenig von der sanften Erhebung, der sie aufsitzt, ab (Abb. 10). Ich möchte jetzt das Verhalten der Federanlagen am Lauf vom Hühnchen beschreiben, an der Stelle, wo die Federbekleidung aufhört und die Schuppen beginnen. Dies ist in der Gegend des Tarsus. Man sieht an 11—12d alten Embryonen am oberen und mittleren Teil der Tibia Federwärzchen ungefähr in dem Ent- wicklungsstadium, wie wir sie am Dorsum eines Y9tägigen Embryos finden. Am untersten Teil der Tibia sehen wir gewöhnlich Schuppenanlagen, die sich von denen am Metatarsus auf den ersten blick durch reichlichere Zellwucherung in der Cutis unter- scheiden. Ferner sieht man nicht selten an diesen Schuppen- anlagen eine scharfe, nach unten gerichtete Spitze. Sie gleichen jenen Gebilden am Dorsum des 8d 20h alten Embryos, welche ich oben beschrieben habe. In anderen Fällen wieder sieht man runde Federwärzchen auf ganz flachen Erhebungen aufsitzen (Abb. 12). Ob aus diesen Gebilden Federn oder Schuppen oder federntragende Schuppen werden, ist natürlich schwer zu ent- scheiden. 126 Joseph Schleidt: Wir wollen uns nun den federntragenden Schuppen zu- wenden. Es ist schon lange bekannt, dass auf den Laufschuppen mancher Vögel (Taube, Strauss) regelmässig Federn sich finden. Auch beim Hühnchen kann man das zuweilen beobachten. Abb. 14 zeigt den Lauf eines 14d alten Hühnchenembryos. Wir sehen an der medialen Seite des Laufes Erhebungen, welche in Längsreihen angeordnet sind, die Anlagen der Schuppen und Schilder. Diese Gebilde stehen dicht nebeneinander, sind nur durch eine seichte Furche getrennt und gehen so förmlich ineinander über; sie bilden eine „ondulazione in toto“. Letzteres Verhalten ist besonders an den Phalangen der Zehen deutlich. An der lateralen Seite des Laufes sehen wir lange Zapfen, deren Spitze zumeist umgebogen ist. Solche Gebilde finden wir am Rücken von 10d oder l11d alten Hühnchenembryonen. An der dorsalen Seite des abgebildeten Laufes sehen wir am oberen Teil kleine radiär symmetrische Erhebungen, welche nicht wie die Schuppenanlagen ineinander übergehen, sondern immer in Abständen stehen, die grösser sind als der Durch- messer der Papille. Diese Gebilde sind verschieden gross und wir finden Übergänge vom kleinen Wärzchen bis zum langen Zapfen. Am unteren Teil der dorsalen Seite des Laufknochens sowie an der Streckseite der Zehen sehen wir in Längsreihen angeordnete Schuppen, von denen jede an der Umschlagstelle ein kleines Wärzchen trägt, das den eben beschriebenen Feder- anlagen gleicht und in Anbetracht des Umstandes, dass Federn auf den Laufschuppen vorkommen, als solche gedeutet werden darf. Wir sehen alle Übergänge: im oberen Teil eine kaum ausgeprägte Schuppenanlage mit einer deutlichen Federpapille, im unteren und mittleren Teil des Laufknochens gut ausgebildete Schuppenanlagen mit einer kleinen Spitze an der Umschlagstelle. Davies hat diese Tatsache — Federn auf der Schuppe — zuerst bei Tauben beschrieben und abgebildet. Er deutet es dahin, dass die Schuppen. auf denen die Federn stehen, wall- artige Erhebungen um die Federn sind. Maurer erwähnt ebenfalls diese Verhältnisse am Vogel- lauf und erwähnt folgende Erklärungsmöglichkeiten: 1. Es können die Laufschuppen nicht homolog den Reptilienschuppen sein, sondern Neuerwerbungen der Vögel. 2. Es können die Laufschuppen „durch Konkreszenz entstanden sein, so dass eine Vogellaufschuppe einem Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. 127 Komplex von Reptilienschuppen homolog wäre. Von solchen wäre dann eine als Feder weiter differenziert worden.“ Davies Annahme, dass es sich um eine wallartige Bildung handle, erscheint nach Betrachtung der embryonalen Verhältnisse kaum wahrscheinlich. Ebenso die Vermutung Maurers, die Laufschuppen könnten durch Konkreszenz entstanden sein. Bezüglich der Annahme, die Laufschuppen seien Neu- erwerbungen der Vögel, wird man wohl zugeben müssen, dass bei der Übereinstimmung in der Entwicklung ihre Homologie mit den Reptilienschuppen ebenso wahrscheinlich, ist wie die zwischen Feder und Schuppe. Ich möchte aber noch ein Beispiel anführen, das zeigt, dass Schuppenanlagen nicht bloss an den Läufen der Vögel vorkommen. Abb. 15 zeigt die obere Extremität eines Amselembryo. Wir sehen an der ulnaren Seite in Längsreihen angeordnete faltenartige Fr- hebungen der Haut. Auf der Umschlagstelle einer jeden Falte bemerkt man ein langes fadenförmiges Gebilde, unzweifelhaft die künftigen Embryonaldunen. An der radialen Seite kann man ebenfalls in einer Reihe hintereinander stehende (uerringe be- obachten, die aber noch keine Faltung zeigen. Auch an diesen Ringen sieht man an der Stelle der höchsten Erhebung je ein feines Wärzchen, ähnlich denen an anderen Körperteilen des Embryos, wo das Federkleid noch wenig entwickelt ist. Diese Gebilde als Schrumpfung aufzufassen, ist nicht gut möglich; einmal ist ihre Anordnung eine zu regelmässige und ausserdem wäre es wohl ein merkwürdiger Zufall, dass dort, wo die Federn bereits ziemlich entwickelt sind. sich Falten finden, dort, wo die Federanlagen noch jünger, nur Ringe zu sehen sind. Es wäre eher anzunehmen, dass die zartere Haut der radialen Seite stärker geschrumpft wäre. Zusammenfassung. Obige Untersuchungen ergeben nun folgendes: 1. Die Laufschuppen des Hühnchens entwickeln sich nicht, wie Jeffries meint, als Falten, sondern verhalten’ sich in ihrer ersten Anlage wie die Reptilienschuppe. 2. Am Rumpfe der Ringelnatter, am Rumpfe des Hühnchens und an den Läufen des Hühnchens entwickeln sich sehr ähnliche Gebilde, kleine Höckerchen, die vom Anfange 128 Joseph Schleidt: an bilateral-symmetrisch sind, indem sie am Rumpf kaudal- wärts, an den Extremitäten distalwärts steiler abfallen. Sie bestehen aus einer Zellwucherung der Cutis und einer Zellwucherung der Epidermis; letztere ist nicht an der Spitze der Papillen am dicksten, sondern an der längeren (kranialen bezw. proximalen) Fläche des Höckerchens. Diese Höckerchen gehen ohne scharfe Grenze ineinander über; sie bilden eine „ondulazione in toto“. 3. Wo Federn zur Anlage kommen, sieht man am 2. Tag ihres Bestandes an der Spitze und der steil abfallenden Seite der Papille eine Wucherung der Epidermis, später sieht man die Spitze des Höckerchens scharf hervortreten. Noch später sieht man die einzelnen Federanlagen in grossen Abständen voneinander als zirkumskripte Papillen. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die zuerst auf- getretene „ondulazione in toto“ rückgebildet hat und nur die Spitze der ursprünglichen Wärzchen geblieben ist, um sich nun weiter zu entwickeln. 4. Der Lauf des Hühnchenembryo und die obere Extremität des Amselembryos zeigen, dass sich auf Schuppen Embryonal- dunen finden. Wir finden an diesen beiden Embryonen alle Übergänge von dem Stadium, wo auf einem flachen Höckerchen ein kleines spitzeres aufsitzt, id est, wo der Krümmungsradius der Spitze grösser ist als der der Peripherie, bis zu dem Stadium, wo wir deutlicher um- schriebene Wärzchen finden, die auf gut ausgebildeten Schuppen stehen. 5. Möchte ich noch darauf hinweisen, dass Oppenheimer (1896) Organe auf den Schuppen am Lippenrande von Hatteria punctata beschrieben hat, die bis zu einem gewissen (rad den ersten Federanlagen (Epidermisverdickung, Zell- vermehrung in der Cutis) gleichen. Es kommen also auch an Reptilienschuppen Differenzierungen vor. Ich habe diese Punkte zusammengestellt, weil sie mir gegen die Homologie von Reptilienschuppe und Embryonaldune zu sprechen scheinen. Die Dunenanlagen können in einem sehr frühen Stadium als besondere Differenzierungen auf Schuppen- anlagen erkannt werden. In dieser Meinung werde ich durch eine vor kurzem erschienene Arbeit von Schaub bestärkt, Über Frühstadien der Entwicklung von Schuppe und Feder. 129 welcher an reichem Material nachweist, dass die Embryonaldunen keine eigene Federgeneration, sondern bloss die Spitzen der bleibenden Federn sind, dass also eine Homologie zwischen Schuppe, Embryonaldune und definitiver Feder nicht besteht. Es gebricht mir derzeit an Material, seine Untersuchungen nach- zuprüfen. Aus demselben Grund muss ich eine Vergleichung der definitiven Feder und Laufschuppe bis auf weiteres verschieben. Diese Arbeit wurde im Embryologischen Institut in Wien unter der Leitung Prof. Rabls begonnen und im Histologischen Institut in Wien vollendet. Es ist mir ein Bedürfnis, Herrn Hofrat von Ebner und Herrn Prof. H. Rabl für ihre freundliche An- teilnahme und Hilfe, die sie meiner Arbeit angedeihen liessen, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Die Abb. 1—14 wurden im Histologischen Institut in Wien mit der mikro- photographischen Camera von Reichert nach mikroskopischen Präparaten hergestellt. Die Präparate der Abb. 7 und 12 verdanke ich der Liebenswürdig- keit Herrn Professor Hochstetters. Die Herstellung der Photographien übernahm mein Freund stud. med. Alfred Wiesenthal, dem ich hierfür meinen Dank ausspreche. Die Abb. 14 und 15 wurden von Herrn H. Dümler hergestellt. Abkürzungen, die alle Abbildungen betreffen: er kranialerca — kaudal; pr — proximal- dr distal Abb. 1. Embryo von Tropidonotus natrix, Bauchregion, sagittal. Abb. 2. Embryo von Tropidonotus natrix quer. Abb. 3. Lauf eines Hühnchenembryo von 124 quer. Abb. 4. Lauf eines Hühnchenembryo von 13d längs. Abb. 5. Hühnchenembryo von 7d längs, Rücken. Abb. 6. Hühnchenembryo von 11,53 mm Kopflänge quer, Rücken. Abb. 7. Hühnchenembryo von 8d längs, Rücken. Abb. 8. Hühnchenembryo von 8d längs, Rücken. Abb. 9. Hühnchenembryo von 8d 20h längs, Rücken. Abb. 10. Hühnerembryo von 9d längs, Rücken. Abb. 11. Hühnerembryo von 15 mm Kopflänge quer. Abb.12. Hühnerembryo von 12d Lauf (humerus) längs. Abb. 13. Hühnerembryo von 9d längs, untere Partie des Rückens. Abb. 14. Hühnchenembryo von 14d Lauf. Abb. 15. Amselembryo, obere Extremität. Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt. 1 9 130 Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik der deutschen Universität in Prag. (Vorstand Prof. ©. Kreibich.) Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase und Pseudoperoxydase in tierischen Geweben. Von Dr. Richard Fischel, Bad Hall. Die seinerzeit mitgeteilte Methode des mikrochemischen Per- oxydasenachweises mittels benzidinmonosulfosauren Natrons und H>0:s wurde durch die mit der Zeit zunehmende Unwirksamkeit des Präparates ungünstig beeinflusst. Da ich gezwungen war, durch längere Zeit meine Arbeit zu unterbrechen, suchte Kreibich ein konstant wirkendes Präparat zu erzielen, das sich aber schon dadurch wesentlich von dem meinigen unterschied, dass es mit diesem nicht gelang, die Zellkerne zur Reaktion zu bringen. So habe ich mich der Aufgabe unterzogen, an die Vervollkommnung der ersten von mir angegebenen Reaktion zu schreiten, zumal ein Präparat von der ursprünglichen Zusammensetzung, wie es seinerzeit vom Laboratorium Adler in Karlsbad geliefert wurde, nicht mehr zu beschaffen war.') Über den histochemischen Nachweis der Peroxydase konnte ich in der Literatur keine Angaben finden, will man nicht den schüchternen Versuch Zuckerkandls, Colostrum und die Leuko- zyten des Harnsediments mit Guajakollösung und Wasserstoff- superoxyd zu färben, dafür gelten lassen. Bezüglich der chemischen Literatur sei auf Batelli und Sterns erschöpfendes Referat in den Ergebnissen der Physiologie 1912 hingewiesen. I. Methodisches. Nach Rücksprache mit Herrn Dr. OÖ. Adler, dem ich für seine freundliche Beratung zu grossem Danke verpflichtet bin, habe ich das Tolidin in Verwendung gezogen, das dem Benzidin mit einer Empfindlichkeitsgrenze von 0,001°/o auf Blut bezogen gegenüber, bloss mit 0,05, 0,25°/o in O. und P. Adlers Unter- ı) Die ausführliche Mitteilung ist aus diesem Grunde unterblieben. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase ete. 151 suchungsreihe figuriert. Es handelt sich um das Ortho-Tolidin, also 4,4° Diamino- 3,3’ Dimethyl-biphenyl. NH < R > >> NH» R\ IE CH; CH; Da es in Wasser schwer löslich ist, habe ich meine Ver- suche anfänglich mit einer Lösung: 0,1 Tolidin in 1 cm? Alkohol und 9 cm? Wasser begonnen, während Unna eine lprozentige alkoholische Benzidinlösung zu seinen Versuchen verwendet. Sehr bald aber konnte ich mich überzeugen, dass beim Kochen von Tolidin und Benzidin genügende Mengen in die wässerige Lösung übergehen, um mit H202 farbkräftige Peroxy- dasereaktionen zu geben. Mit wässerigen Benzidinlösungen ist ja Madelung der quantitative Nachweis der Peroxydase gelungen. Man fügt zu 10 cm” Wasser bezw. physiologischer Kochsalz- lösung 0,01 gr Tolidin (bezw. Benzidin), kocht auf, filtriert und setzt dem Filtrat H>»O02 (Merksches Perhydrol) in verschiedenen Verdünnungen zu. Wir bereiteten gewöhnlich drei Konzentrationen: Nr. 1. 0,1 cm? HsO> werden mit 10 cm? HsO verdünnt, davon 0,01 em? in 10 em? Tolidinlösung gebracht, also 0,00003 gr H>0> in 10 em? Tolidinlösung. Nr. 2. 0,01 cm? HsO: in 10 cm? Tolidin, also 0,003 ger H>0> in 10 cm? Tolidinlösung. 0,5 em 1 cm? ,H>0> in 10 em Tohdım sa1505.0,15 bezw. 0,3 gr H202 in 10 cm? Tolidinlösung, wobei die Variationen ja in den Protokollen vermerkt werden sollen. Die Lösung bleibt nach Zusatz schwacher H>0s-Konzen- tration farblos, erst nach Zusatz von 0,3 gr H302 bekommt sie nach kurzer Zeit einen gelblichen Stich. 2 = 8%) IL. Die Reaktion an feingranulierten Leukozyten. Legt man einen lufttrockenen Aufstrich von Gonorrhoeeiter in ein mit der Lösung 2 gefülltes Schälchen, so sieht man, wenn man unter dem Mikroskope bei schwacher Vergrösserung das Deckglas noch im Schälchen betrachtet, Blaufärbung der Kerne auftreten, dem sich nach einiger Zeit eine Braunfärbung des Leukozytenleibes (siehe später) anschliesst. Aufsteigende Gasperlen 9% 132 Richard Fischel: versperren die Übersicht des Präparates. Die Reaktions- flüssigkeit bleibt vollständig farblos. Versuch I. Gonorrhoedeckglasaufstrich, lufttrocken, wird mit folgenden Lösungen beschickt: a) Zur heiss gesättigten wird die Keine O-entwicklung. Makro- Tolidinlösung (s. oben) obige H,O,- skopisch: blassblaue Färbung. 10 cm? VerdünnungNr.1 Mikroskopisch: Granula zugefügt blassbräunliche Färbung an- gedeutet.!) b) Zur heiss gesättigten wird H,0:- Mässige O-entwicklung. Makro- Tolidinlösung (s. oben) Konzentration skopisch erscheint der Auf- 10 cm? zugefügt Nr. 2 strich blau. Mikroskopisch: Flüchtige, rasch vorüber- gehende Färbung der Kerne, Braunfärbung der Granula, Intergranularsubstanz un- gefärbt. c) Zur heiss gesättigten wird H,O, Sehr starke Gasblasenentwick- Tolidinlösung (s. oben) 0,2 cm? zugefügt lung. Makroskopisch nicht 10 cm? INr23 intensiver als b gefärbt. Mikroskopisch durchwegs wesentlich schwächere Fär- bung als bei b. Im histologischen Bilde stehen die braunen Granula zu den blauen Kernen in schönem Kontrast. Doch dauert die Kern- färbung nicht länger als 15 Minuten an, während die Braun- färbung der Granula, wenn das Präparat vor Austrocknung geschützt wird, sich noch nach Stunden nachweisen lässt. Immer geht‘ die Färbung der, Kermer der os Granula voraus. Was die Stärke der Farbe betrifft, so zeigt sich bei b ein Optimum, bei a und c, also bei schwächerer und stärkerer Wasserstoffsuperoxydkonzentration, eine Abschwächung der Farbintensität. Die Schnelligkeit des Eintritts der Reaktion lässt sich schwierig ermitteln, da die durch die Katalase reichlich ent- wickelten Gasblasen und der durch sie gebildete Schaumüberzug eine genaue Beobachtung verhindern (bei b und ec). Mit Be- 1) Ob nicht eine flüchtige Färbung der Kerne stattgefunden hat, kann ich nicht ausschliessen. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 133 stimmtheit lässt sich aber konstatieren, dass bei b die Reaktion rascher eintritt als bei a. Die untere Grenze der H>0s-Verdünnung, bei der sich noch eine positive Reaktion erzielen lässt, haben wir in einem Falle unternommen. Versuch II. Zur 5 cm? gesättigten 3 Millionstel Gramm H,0,-Zusatz ergab einen wässerigen Tolidinlösung positiven Erfolg, 300 Millionstel Gramm H,0,- Zusatz einen negativen Erfolg. Die Lösung des Tolidins ist auf Lackmus und Phenolphtalein ohne Einwirkung; chemisch hat es basischen Charakter, da es mit Säuren Salze bildet. Es gibt nun Präparate, die auf Zusatz von H>02 in schwächster Verdünnung Nr. 1 nicht reagierten, bei Zusatz eines Tropfens Oxalsäure ins Schälchen sofort blaue Kern- reaktion geben. Versuch III. Systematisch ausgeführte Versuche ergaben: a) Zu 10 cm? einer ge- Oxalsäure Kerne der fein granulierten sättigten wässerigen n/10 0,1 cm? Leukozyten blau, viel länger Tolidinlösung, der beständig als ohne Säure- 0,01 cm? H,O, zuge- zusatz, Granula gelblich bis fügt sind braun, in der einzelnen Zelle von verschiedener Intensität. In den Epithelzellen Chro- matin und Kernkörperchen blau, Plasma blau. b) Zu 10 cm? einer ge- Oxalsäure Kerne blau, Plasma und sättigten wässerigen n/10 1 cm? Granulanicht gefärbt, Tolidinlösung. der Kerne nach ca. 5 Minuten 0,01 cm? H,O, zuge- entfärbt. fügt sind c) Zu 10 cm? einer ge- ohne In den fein granulierten Leuko- sättigten wässerigen Oxalsäurezusatz zyten blaue Kerne, rasch Tolidinlösung, der sich blauend, Granula braun, 0,01 cm? H,O, zuge- stärker braun als bei a. fügt sind Die Reaktionsflüssigkeit ist bei a und ce nicht gefärbt, bei b tritt eine Spur von Blaufärbung auf, die aber mit der Intensität der Kernfärbung nicht vergleichbar ist. Schon in meiner ersten Mitteilung hatte ich darauf hin- gewiesen, dass das Einblasen von Atemluft in die Reaktions- tlüssigkeit (benzidin-monosulfosaurem Na) eine wesentliche Ver- stärkung der Farbintensität ergab. 134 Richard Fischel: Versuch IVA. Tolidin gesättigte wässerige In das Schälchen Atemluft Färbung sehr Lösung — H,O, - Konzen- eingeblasen. flüchtig. tration Nr. 1 Tolidin gesättigte wässerige Kontrolle: ohne Durch- farblos negativ. Lösung — H,O, - Konzen- blasen von Atemluft. tration Nr. 1 Madelung konnte zeigen, dass das unter CO,-Einleiten ausgefällte Benzidinblau ziemlich genau die doppelte Menge dessen beträgt, das ohne CO,-Einleiten ausfällt, so dass wir uns veranlasst sehen, aus einer Flasche (CaCO, — HCI) CO, in die Flüssigkeit einzuleiten. Versuch IVB. a) Tolidin gesättigte ohne CO, Leukozytengranula braun, Kerne wässerige Lösung nicht gefärbt. dazu H,0,-Konzen- CO, 1 Minute Kerne blau, Leukozytengranula tration Nr.1. durchgeleitet braun. CO, 5 Minuten Kerne intensiv blau, Plasma der durchgeleitet Leukozyten schwach bläulich, Schleimfäden blau. Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass ein mässiger Säure- zusatz (Oxalsäure bezw. CO») die besten Resultate gibt. Blaufärbung der Kerne, Braunfärbung der Granula. Bei neutraler Lösung färben sich bloss die Granula (eventuell die Kerne sehr flüchtig), bei grösseren Säuremengen bloss die Kerne blau, zuweilen auch das Plasma der Leukozyten diffus. Es ist klar, dass dem COs-Zusatz die genaue quantitative Abmessung abgeht, doch lernt man sehr bald die Zeit kennen, um die entsprechenden kleinen Mengen zur blossen Ansäuerung für Kern- und Granulareaktion, die grösseren Mengen zur Erzielung blosser Kern- eventuell Plasmareaktion abschätzen zu können. Versuch V. a) Zur 10 em? gesättigten Zusatz von Bloss Braunfärbung der Gra- wässerigen Tolidinlös. n/s NaOH 0,1 nula. Kerne ungefärbt. + H,0, 0,01 b) Zur 10 cm? gesättigten Zusatz von Granula goldbraun. Kerne un- wässerigen Tolidinlös.. n!ı NaOH 0,3 gefärbt. Nachfärbung mit — H,O, 0,01 Methylenazur: Kerne hell- violett, Gran. grünlichbraun. Weiterer Alkalizusatz verhindert die Kernfärbung vollständig. Kontrollversuche mit Tolidin bezw. Benzidinlösung mit und ohne Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 135 Säurezusatz ergeben, dass die darin befindlichen Gewebsaufstriche sich nicht verändern, ebenso zeigt das System Tolidinlösung + H>0: + C0> ; C00H \ COOH dem Ausgangspräparat höchstens einen leicht gelblichen oder violetten Stich. Es handelt sich also sicher um eine Reaktion, die durch Hinzufügung des H>»0» zur Tolidinlösung — Gewebe hervorgerufen wird, durch eine Oxydation des Tolidins durch aktiven Sauerstoff um den Nachweis einer Peroxydase. oder auch nach 24stündigem Stehen je nach Es war nun natürlich geboten, den Einfluss hoher Temperaturen auf dieses endozelluläre Ferment!) zu studieren, um so mehr als ja Winkler für die Oxydase der Leukozytengranula, ich für die Peroxydase, den Nachweis erbracht habe, dass Kochen der Prä- parate die Wirksamkeit der Enzyme zerstört. Versuch VI. Gonorrhoetrockenaufstrich: !/ı Stunde in kochendem Wasser belassen. a) Zur 10 cm? gesättigten 0,05 cm? einer Keine Färbung trotz Hinzu- Tolidinlösung wässerig Lösungvon 0,01H,0, fügung zweier Tropfen zu 10,0 Aqua dest. n/so Oxalsäure. b) Zur 10° cm gesättigten H,0, 0,01 ’em?. Keine Färbung trotz CO,- Tolidinlösung wässerig Durchleitung. c) Zur 10 cm’ gesättigten 0,27cm® H,O, —- Bloss die Kerne gefärbt. Tolidinlösung wässerig Granula vollständig un- gefärbt Da die Katalase durch 100' vernichtet wird, keine Gasblasenentwicklung. Während also in diesem Falle erst bei ce Kernfärbung eintrat, verfügen wir über Präparate, bei denen a versagte. aber Konzentration b schon positive Reaktion ergab. i Aus dem Versuche ergibt sich, dass die Granulaperoxydase durch Kochen vernichtet wird, die Kernperoxydase widersteht, aber höherer H»0-Konzentrationen zur Hervorrufung der Reaktion bedarf. !) Der Ausdruck endozelluläre Enzyme oder Fermente wird in der Arbeit angewendet, ohne dass damit eine Stellungnahme für oder gegen die Fermentnatur genommen wird. 136 Richard Fischel: Versuch VII. Trockene Erhitzung: Die Deckglasaufstriche werden dureh 20 Minuten auf 110—120° im Trockenkasten erhitzt. a) Zu 10 cm? gesättigter 0,05 cm? einer Reaktion negativ. wässeriger Tolidinlös. Verdünnung von werden zugefügt 0,01 cm? H,O, zu 10 cm? H,O b) Zu 10 cm? gesättigter 0,01 em® H,O, Prachtvolle Blaufärbung der wässeriger Tolidinlös. Kerne im ganzen Präparat. werden zugefügt Keine Granulafärbung. c) Zu 10 cm? gesättigter 0,15 cm? H,O, Kerne sowohl der Leukozyten wässeriger Tolidinlös. alsEpithelienprachtvollblau. werden zugefügt Gonococcen blau. Doch haben wir eine grosse Zahl von Präparaten beobachtet, bei denen trockene Hitze unter obengenannten Bedingungen die Granulaperoxydase nicht vollständig zerstörte. Versuch VIII. Gonorrhoedeckglasaufstrich. Erhitzung auf 170° durch !/ı Stunde. Zu gesättigter wässeriger H,O, 0,01 cem® Deutliche Färbung der Leuko- Tolidinlösung 10 cm? zytenkerne. Granula un- gefärbt; rote Blutkörperchen im Präparat sehr spärlich, srünlich gefärbt, in ihrer Um- gebung die Leukozytenkerne stärker gefärbt. Zu gesättigter wässeriger H,0, 0,2 cem® Verstärkung der Färbung durch Tolidinlösung 10 cm? einige Tropfen n/ı0 Oxalsäure. Keine Färbung der Leuko- zytenkerne, dagegen die spär- lichen roten Blutkörperchen grünlichgelb, und in der nächsten Umgebung die Leukozytenkerne blau (ca. 3—4 umliegende Leukozyten betreffend). Erhitzung der Aufstrichpräparate auf 150° durch eine halbe Stunde ergab vollständige Reaktionslosigkeit der Kerne, also Ver- nichtung der Peroxydase. Die roten Blutkörperchen aber reagieren noch deutlich durch Farbenumschlag. Aus diesen Versuchen folgt, dass trockene Erhitzung erst bei Temperaturen von über 120° die Granulaperoxydase abtötet, die Kernperoxydase Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase ete. 137 erst bei 180° bei halbstündiger Erhitzung, während die Hämo- globinperoxydase selbst dieser Temperatureinwirkung gegenüber sich resistent erweist. Da nun die Hb-Peroxydase aus diesem Grunde von Buck- master als Pseudoperoxydase bezeichnet wird. so möchte ich für die Kernperoxydase den gleichen Namen in Beschlag nehmen, zum Unterschied von der thermolabilen Granulaperoxydase. Dar- über wird übrigens noch später im Zusammenhange gesprochen werden. Aus Versuch VIII geht aber noch hervor, dass auch nach Zerstörung der Katalase ein Optimum der H>0>-Konzentration für die Kernreaktion besteht, da bei 0,2 cm? H2O02 Zusatz die Reaktion nicht mehr zustande kommt. Bei 0,01 cm? H»O0> zu 10,0 Tolidin- lösung Blaufärbung der Kerne eintritt. Ich habe unter ganz gleichen Bedingungen die Tolidin- Versuche mit Benzidin wiederholt, mit dem Kahlbaumschen Präparat, das für Blutuntersuchungen verwendet wird und sich durch chemische Reinheit auszeichnet. Versuch IX. a) Gesättigte wäss. 0,05 cm?einer n/ıwOxal- Ein Teil der polymorphen Lösungv.Benzidin Verdünnung säure Leukozyten zeigt blaue Kahlbaum von 0,01 cm® 1Tropfen Granula, ein Teil braune, 10 cm? H>0>2 zu ein Teil braune und dazu 10 cm?Wasser blaue Granula in einer dazu Zelle. Kern nicht gefärbt. b) Gesättigte wäss. 0,01cm?’ H,O, n/ıoOxal- Blaue Kerne, braune Gra- Lösungv.Benzidin säure nula, sehr distinkt. Kahlbaum 1 Tropfen 10 cm? dazu c) Gesättigte wäss 0,2cm?H,0, n/oOxal- Wesentlich schwächere Fär- Lösungv.Benzidin säure bung der Kerne und Kahlbaum 1 Tropfen Granula. Kernfärbung 10 cm* sehr flüchtig. dazu Während wir in den Jlufttrockenen Tolidinpräparaten die Granula braun gefärbt fanden, fiel uns hier das gleichzeitige Vor- kommen von braun- und blaugranulierten Gruppen und Zellen mit gemischtfarbigen Granulis auf, doch liess sich die Blau- färbung der Granula auch nicht in allen Präparaten erhalten, es 138 Richard Fischel: gab, Präparate die den Tolidinpräparaten vollständig glichen. Nach Madelung kann das Benzidinblau nur bei sauerer Reaktion des Mediums bestehen, so dass am Ende die Azidität oder Basizität der (Gewebe als die Ursache für die Verschiedenheit der Granula- färbung angesehen werden konnte. Weitere Untersuchungen müssen hier Klarheit schaften. Möglicherweise handelt es sich um die Bildung des braunen Dichlorimids (Madelung, S. 212). Im allgemeinen hatte ich den Eindruck, dass die Benzidin- präparate farbschwächer sind als die Tolidinpräparate, was sich wahrscheinlich aus der besseren Löslichkeit des Tolidins in Wasser erklärt. Die Widerstandsfähigkeit gegen Gifte habe ich an Leukozyten nicht geprüft und nur vom praktischen Standpunkt aus die Fixation in Alkohol, Formalin und Osmiumsäure mit befriedigendem Erfolg versucht. Äther-Alkohol und das lipoidlösende Aceton liess ich auf die lufttrockenen Aufstriche eine Stunde, bzw. letzteres mehrere Stunden, einwirken, ohne dass die Reaktion eine merkliche Ein- busse erlitten hätte. Vielleicht lässt sich durch Verfolgung des mikrochemischen Weges die Vernonsche Theorie von dem innigen Zusammenhalt der Oxygenase und der Peroxydaseenzyme genauer erforschen. Versuch X. Fixation,in.absol Alkohol; durch 1’ Stunde Gonorrhoeaufstrich. Ges. Tolidinlösung 0,01 cm’ H,O, — 1Tr.n/o Kerne blau, Granula braun, 10 cm’ Oxalsäure Gonococcen blau, Lympho- dazu zyten:Kern und Leibblau. Ges. Tolidinlösung 0,2 cm?H,0, —+1Tr.nıo Färbung der Kerne viel 10 cm? Oxalsäure schwächer. dazu Formalinfixation. Fixiert wurde mittels Formalindämpfen !/—8 Stunden lang. Danach wurden die Präparate noch einige Stunden an der Luft be- lassen, da sofortige Reaktionsvornahme oft schwächere Farbresultate ergab. Die Granula erscheinen blassgelb, die Kerne blassblau. Die Granula der eosinophilen färben sich dunkler (wie bei allen bisherigen Reaktionen am lufttrockenen Aufstrich). Kerne der Epithelien blau, Ver- stärkung der Färbung durch Hinzufügung von 1 Tropfen Oxalsäure. Schon in ‚der ersten Arbeit habe ich darauf hingewiesen, dass schwache Säuerung des Alkohols für die Reaktion von Vor- teil ist. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 139 Der braune Farbstoff der Granula ist in absolutem Alkohol selbst bei 12stündigem Aufenthalte nicht löslich, sei es, dass Lufttrocknung, sei es, dass Formalinfixation vorausgegangen war. Nach Verschwinden der Kernbläuung kann ein neuerliches Eintragen in die Reaktionsflüssigkeit dieselbe wieder hervorrufen. Buboeiter habe ich nur in einem Falle untersucht. Die Granula der Eiterkörperchen zeigten abgeschwächte Reaktion, die Kerne waren entweder blassblau oder bräunlich. Letztere Be- obachtung haben wir an frischem Gonorrhoeeiter nie gemacht. III. Blut. Froschblutaufstrich in Formalindämpfen durch 16 Stunden fixiert. a) Gesättigte wässerige 0,1 cm? Keine deutliche Reaktion Tolidinlösung 10 cm? einer Verdünnung weder am Zelleib noch dazu vonO0,01cm?H,O,auf an den Kernen. 10-,cm2) H,O b) Gesättigte wässerige 0,01 ’em? H,O, Blaufärbung des Kern- Tolidinlösung 10 cm? chromatins. Hb. grünlich- dazu gelb. c) Gesättigte wässerige x 1 Reaktion die gleiche wie Tolidinlösung 10 cm? 0,15 cm’ H,O, in b, auch nach 5 Minuten dazu bleiben die roten Blut- körperchen intakt. Die überstehende Flüssigkeit in a, b und ce nicht gefärbt. Mehrere Tage alte Trockenpräparate werden durch !, Stunde auf 130° erhitzt. a) Ges. wässerige 0,01 cm’ H,O, Hb. hat einen bräunlichen Tolidinlösung Stich, der Kern nicht 10 cm? gefärbt. dazu b) Ges. wässerige 0,01 cm? H,O, —.n/ıo Blaufärbung der Kerne und Tolidinlösung Oxalsäure des Hb. 10 cm? 0. cm: dazu ce) Ges. wässerige 0,01 cm? H,O, + nu An einzelnen Stellen noch Tolidinlösung Oxalsäure intensivere Färbung als 10 em? 1,0 cm? bei b, Präparate können dazu aber nur Sekunden in der Flüssigkeit belassen werden, da Tolidinblau in Lösung geht. 140 Richard Fischel: Es ergibt sich also aus Versuch XI, dass Kerne (Kernchromatin) und Hb. erst bei einer höheren Wasserstoffsuperoxydkonzentration Peroxydasereaktion geben als die Leukozytengranula, gegen eine Temperatureinwirkung von 130° resistent sind. Oxalsäure in ge- ringer Menge die P.-Reaktion verstärkt. dass aber bei stärkerem Oxolsäure-Zusatz Tolidinblau in Lösung geht. Versuch XI. Menschenblutaufstrich über Nacht Formalindämpfen ausgesetzt. a) Gesättigte wässerige 0,1 em? einer Die Flüssigkeit bleibt unver- Tolidinlösung 10 cm? Verdünnung ändert, nicht gefärbt. dazu von 0,01 cm? Rote Blutkörperchen zeigen H,0, zu 10,0 höchstens einen Stich ins Wasser Grünliche. Die weissen Blut- körperchen zeigen Blaufär- bung der Kerne. b) Gesättigte wässerige 0,01 cm? H,O, Schon makroskopisch in kurzer Tolidinlösung 10 cm? Zeit grün. Nach längerer dazu Zeit nimmt die über dem Aufstrich stehende Flüssig- keit einen grünlichen Stichan. c) Gesättigte wässerige 0,15 cm? H,O, Rote Blutkörperchen grün, Tolidinlösung 10 cm? Kerne der weissen Blut- dazu körperchen blau. Stärkere O-Entwicklung. Es treten blaue Niederschläge im Prä- parate auf, Kerne der Leuko- zyten blau. Man sieht also, dass bei schwächster Konzentration des H20: keine oder eine minimale Reaktion des Hb. eintritt, und erst bei stärkerer Konzentration (in unserem Falle bei 0,01 zu 10,0 T.) die roten Blutkörperchen mit Grünfärbung reagieren. Mit Zu- nahme der H>0>»-Konzentration kommt es zu einer Lösung des Oxydationsproduktes des Tolidins und des Hb. Die Kerne der weissen Blutkörperchen reagieren bereits bei Nr. 1, also der stärksten H>0>-Verdünnung. Als Resultat mehrfacher Untersuchungen kann ich mitteilen, dass auch die Granula der Leukozyten sich in vielen Fällen bräunlich färben, zuweilen auch blau, dass die Kernfärbung vergänglich war, so dass manchmal schon bei dem Wechsel der Linsen von schwacher Vergrösserung zur Immersionslinse die Färbung verschwunden war. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 141 Warum sich aber in dem einzelnen Fall die Granula färben, im anderen (wie im beigegebenen Protokoll) dies nicht der Fall ist, kann ich vorläufig nicht erklären. Die Resultate mit Osmiumdampffixation ähneln im grossen und ganzen den mit Formalindämpfen erhaltenen. Neuerliche Versuche bestätigen die Widerstandsfähigkeit des Hb. hohen Temperaturen gegenüber, wie es in Versuch VIII ja schon einwandsfrei erwiesen wurde. 150 °—160° erhitzte Blut- aufstriche (leider ist die Dauer der Erhitzung nicht notiert) liessen die Kernreaktion der weissen Blutkörperchen vermissen, die roten Blutkörperchen zeigten diese in unverändertem Maße. Auffallend rasch tritt insbesondere bei grösseren Dosen von H>0; ein Braunwerden der Erythrozyten auf. (Über die Ver- änderungen des Benzidinblaues siehe Madelung, S. 212.) Bisher war immer nur von Aufstrichen, die meist 24 Stunden lufttrocken blieben, die Rede; es musste noch der Einfluss der Reaktion auf das supravitale Gewebe festgestellt werden. Das Trippersekret wurde direkt aus der Harnröhre des Kranken (unbehandelte akute Gonorrhoe) mittels einer Platinöse auf ein Deckglas gebracht, rasch fein verteilt, mit der Reaktions- tlüssigkeit gemengt und im hohl geschliffenen Objektträger untersucht. Versuch XII. Gesättigte Tolidinlösung 1—2 Tropfen Makroskopisch sofortiges Blau- in phys. NaÜl-Lösung von einer werden des Aufstriches. US En Verdünnung Kerne der Leukozyten blau, Gra- dazu von 0,10 cm? nula braun. An den Epithelien Perhydrol zu die Kernkörperchen intensiv 107cm>H,0, blau, Kerne leicht bläulich. Plasma nicht gefärbt. Ein- schlüsse im’ Plasma derselben braun. Nach einem halbstündigen Aufenthalt im Brutschrank waren die Kerne entfärbt, die L.-Granula noch braun. Viel schwieriger gestaltet sich die Methode im frischen Blute. Man muss hier, um die weissen Blutelemente zur Reaktion zu bringen, mit dem H>0>-Zusatz sehr vorsichtig sein (0,1 em? H30s auf 10,0 phys. NaUl-Lösung, davon 0,01 zu 10 cm? Tolidinlösung in phys. NaC]). Die roten Blutkörperchen blieben in dieser Lösung längere Zeit unverändert, allerdings konnte ich weder an den Leukozyten 142 Richard Fischel: noch an den Blutplättchen irgend welche Färbungserscheinungen wahrnehmen. Die Granula der polymorphkernigen Leukozyten fanden sich in lebhafter Bewegung. Die Versuche werden übrigens systematisch angestellt werden. Es fällt hier der Unterschied zwischen dem sofortigen Ge- lingen der Probe im Trippereiter, das Misslingen im Blute auf. Möglicherweise waren die Zellen im Trippereiter bereits abge- storben oder im Absterben begriffen, die Zellen des Blutes noch in voller Vitalität, vielleicht liegt es an der ungleichmässigen Mischung im zweiten Falle. Es ist vorläufig unmöglich alle in Betracht kommenden Momente anzuführen. Bei der Wiederholung der Versuche soll alkoholische Tolidin- lösung auf das Deckglas gestrichen, nach dem Verdunsten mit Blut beschickt und die entsprechende Verdünnung von H2O2 in phys. NaCl-Lösung hinzugefügt werden. Als wichtiges Ergebnis möchte ich auf die Braunfärbung der Epithelzelleinschlüsse neben Blaufärbung des Kernes bei Gonorrhoeaufstrichen hinweisen. Von pathologischen Blutbefunden standen mir nur einige Deckglaspräparate vom Blute eines Leukaemikers zur Verfügung. Die positive Reaktion lässt die Brauchbarkeit der Methode er- kennen. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei bloss überdie ein- getretene Braunfärbung der (Granula der neutrophilen Leuko- zyten, der Myelozyten, Dunkelbraunfärbung der eosinophilen Körnelung berichtet. Nach CO2-Durchleitung die entsprechenden 3efunde. Interessant war es, dass nach 24 stündiger Formalin- fixation (Tolidin mit schwacher COs-Durchleitung) Blaufärbung der Granula auftrat. Möglich, dass die Blaufärbung der Granula nach Formalin- fixation darauf zurückzuführen ist, dass durch die in den Granulis vorhandene Peroxydase Formaldehyd in Ameisensäure übergeführt wird, die sauere Reaktion die Bildung des Tolidinblaues bedingt. IV. Gewebsaufstriche: Milz, Leber. Die in meiner seinerzeitigen Mitteilung zur Kenntnis ge- brachten Resultate waren durchwegs an Gewebsaufstrichen gemacht worden. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 145 Bei den ungranulierten Leukozyten (Lymphozyten) zeigte sich um den Zellkern ein olivgrüner Ring, der als Peroxydase- reaktion des Zelleibs angesprochen werden musste und zum Unter- schied von der Granulaperoxydase der feingranulierten Leukozyten erst bei einer höheren H>O>-Konzentration mit dem damals in Verwendung stehenden benzidinmonosulfosaueren Na eintrat. Auch die neue Tolidinreaktion hat die Bestätigung der oben erwähnten Befunde gebracht, zu denen sich noch eine positive Kernreaktion gesellte, die sich auf das Kernchromatin lokalisierte, indem die Leibeshülle bald nur einige blaue Chromatinbröckelchen, bald ein dichtes Gewirre blauer Aggregate umgibt. Versuch XIV. Meerschweinchenmilz: Trockenaufstrich.!) Gesättigte Tolidinlösung in 0,1 cm? einer Leukozytengranula blau. Kern phys. NaCl-Lösung 10 cm? Verdünnung von nicht gefärbt. Lymphozyten dazu 0,02 cm? H,O, zu nicht gefärbt. Rote Blut- 10 cm? Wasser körperchen nicht gefärbt. Gesättigte Tolidinlösung in 0,01 cm? H,O, Lymphozytenleib und Kern phys. NaCl-Lösung 10 cm? blau, rote Blutkörperchen dazu teilweise bereits blau. Durch die Lösungen wurde weniger als 1 Minute in langsamem Strom 00, durchgeleitet. Versuch XVA. Leberaufstrich von einer weissen Maus. «) Supravital sofort nach der Tötung; trotz verschiedener H,0,-Kon- zentrationen, kürzerer oder längerer CO,-Durchströmung, Reaktion durchaus negativ. #) Dieselben Aufstriche durch 24 Stunden lufttrocken. Reaktions- flüssigkeiten : unter gleichen Bedingungen wie oben. Reaktion durch- aus negativ. y) In Formalindämpfen durch 24 Stunden fixierte Präparate. Mit den gleichen Reaktionsflüssigkeiten wie bei ” behandelt. Reaktion durchaus negativ. Versuch XVEB. Leberaufstrich einer weissen Maus. «) Gleich post mortem supravital. Mit denselben Flüssigkeits- konzentrationen wie bei XVA, „. Reaktion durchaus negativ. #) Gefrierschnitte sofort angefertigt. In einem grossen Teil der Läppchen die Leberzellkerne blau. Reaktion positiv. ı) Die Schnittfläche der Milz bezw. Leber wird über den Objektträger gestrichen, der Aufstrich durch 24 Stunden an der Luft getrocknet. 144 Richard Fischel: ’) Trockenaufstrich sofort in siedendes Wasser durch eine Minute eingetragen. Reaktion durchaus negativ. ö) Nachmittags der Trockenaufstrich in siedendes Wasser eingetragen. Prachtvolle Blaufärbung der Leberzellenkerne, distinkt sich vom ungefärbten Plasma abhebend. Reaktion durchaus positiv. In den Protokollen meiner ersten Mitteilung fand ich bereits die auffallende Tatsache, dass sich Leber verschiedener Herkunft der Reaktion gegenüber bald positiv, bald negativ verhält. Mir scheinen die Befunde von grosser Wichtigkeit, weil sie beweisen, dass aus einer negativen Peroxydasereaktion nicht auf das Fehlen von Peroxydase geschlossen werden darf. Man könnte die Katalase, die ja in der Leber so ausserordentlich reichlich vorhanden ist, als Grund für die Reaktionshemmung ansehen, weil der gekochte Leberaufstrich positiv reagierte. Da aber Gefrierschnitte des frischen Organs, die Katalase durch die reichliche Gasentwicklung erkennen lassen, blaue Kernfärbung zeigten, so werden andere Momente, die uns vorläufig unbekannt sind, für das Versagen verantwortlich zu machen sein. In den Protokollen der ersten Arbeit ist über den positiven Ausfall der Reaktion an dem Leberaufstrich eines 3 cm langen Schweinsembryos berichtet. Zu 0,5 cm? wässeriger Lösung von monobenzidinsulfosauerem Na wurden 0,5 cm? einer 3°/o H»O>-Lösung zugefügt. Die Kerne der Leberzellen färbten sich blau, während das Chromatin der roten Blutkörperchen versagte. Also schon im embryonalen Leben lässt sich m den Zell- kernen Pseudoperoxydase nachweisen. V. Gefrierschnitte. Um die Gewebe in ihrem natürlichen Zusammenhang zu studieren, wurden anfänglich Gefrierschnitte von Organen eben getöteter Tiere angefertigt. Da es sich bald herausstellte, dass auch 48stündige Konservierung (auf Eis) der Reaktion keinen Eintrag machte, wurden auch Gewebsstücke 48 Stunden post mortem verwendet. Unna rät für seine Rongalitweissreaktion die Organe, um sie schnittfähiger zu gestalten, für kurze Zeit in destilliertes Wasser zu legen. Ich habe dies nur ausnahmsweise getan, da ich einen Verlust von Peroxydase fürchtete. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 145 Ausserdem wurden (ewebsstückchen S—48 Stunden in 5—10°/s Formalinlösung fixiert und dann geschnitten. Um uns über die Hitzebeständigkeit der Peroxydase zu über- zeugen, haben wir Organstückchen gekocht, dann vereist und in Schnitte zerlegt. Ich kann das Verfahren als vorbereitende Operation für Anfertigung von Gefrierschnitten überhaupt aufs beste empfehlen. Die Organe sind fast so gut oder so gut schneidbar als nach Formalinfixation und nehmen Farbe ungleich besser auf als formalinfixiertes Gewebe. Um alle äusseren Einflüsse auszuschalten, die die Eindeutig- keit des Resultates hätten gefährden können, wurde der Gefrier- schnitt anfänglich (Organe frisch getöteter Tiere) mit Glasnadeln (Eisenreaktion) direkt vom Mikrotommesser in das Schälchen mit Reaktionsflüssigkeit gebracht. Das Resultat wird aber nicht be- einflusst, wenn man ihn mit gewöhnlichen Stahlnadeln behandelt und in dest. Wasser oder phys. NaCl-Lösung sich ausbreiten lässt. Die Schnitte können bei schwacher Vergrösserung im Schälchen in der Reaktionsflüssigkeit mikroskopiert werden. Zur Beobachtung mit starken Vergrösserungen werden sie auf einen Objektträger nach kurzem Abspülen mit dest. Wasser oder phys. NaÜl-Lösung (blosses Durchziehen) gebracht. Wir haben oft in einem Tropfen der Reaktionsflüssigkeit selbst untersucht und nur ausnahmsweise eine Färbung derselben, wenn sie nach 10 Minuten mit Filtrierpapier abgetupft wurde, konstatieren können. Über Unnas Methode der Celloidineinbettung der Gefrier- schnitte besitze ich keine Erfahrung. Versuch XVIA. Niere, Meerschweinchen. Vormittag durch Entblutung getötet. Mittag auf Eis. Nachmittag 5 Uhr geschnitten. a) Tolidin gesättigte 0,02 cm? einer Schnitt langsam an einzelnen wässerige Lösung Verdünnung punktförmigen Stellen der Rinde 10 cm? von 0,2 cm? sich bläuend. dazu H,O, zu Im Schälchen mikroskopiert: Bloss 10 cm? H,O die Glomerulusepithelien gefärbt, so dass die Glomeruli als blaue Kreise ausdemübrigen ungefärbten Gewebe heraustreten. Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt. I. 10 146 Richard Fischel: b) Tolidin gesättigte 0,25 cm? einer Der eingetragene Schnitt wird so- wässerige Lösung Verdünnung fort gebläut. Kerne der geraden 10 cm? von 0,2 cm? Harnkanälchen blau, auch in dazu H,0, zu ihren Rindenanteilen. Kerne 10 cm? H,O der gewundenen Harnkanälchen schwächer blau, das Plasma der- selben bräunt sich allmählich. Erst mehrere Minuten, nach- dem der Schnitt seine inten- sivste Färbung angenommen hat, fängt die Flüssigkeit an sich leicht blau zu färben. c) Tolidin gesättigte 0,3 cm? H,0, Unter starker O-Entwicklung Bläu- wässerige Lösung ung des Schnittes wie bei b. 10 cm? Keine stärkere Färbung. Wegen dazu der aus Luftblasen bestehenden ihn überdeckenden Schaumlage ist die Untersuchung der Details des Schnittes sehr erschwert. Versuch XVIB. Ein Teil der Niere von XVIA in kochendes Wasser eingetragen, durch !/ı Stunde darin belassen. Die Reaktionsflüssigkeiten wie beiXVIA, a, bund ce. a) Viel später als im vorhergehenden Versuch färben sich die Glomerulus- epithelien, einzelne Bindegewebs- und Endothelzellen. b) Färbung der Kerne der geraden Harnkanälchen. Bräunliche Färbung der roten Blutkörperchen. G Prachtvolle Färbung der Kerne der geraden Harnkanälchen, schwächere der gewundenen. Bräunliche Färbung der roten Blutkörperchen. Die Reaktion geht ohne jede Gasentwicklung vor sich. Die Flüssigkeit bleibt während der ganzen Zeit der Reaktion vollständig ungefärbt. Selbst ®/;stündiges Kochen hat keine Abschwächung der Reaktion zur Folge. Versuch XVIC. Ein Stückchen der Niere von A und B durch 4 Stunden in 10°o Formalin. a) Färbung wie bei A. b) » ERDE 11193. c) Am stärksten gefärbt, rote Blutkörperchen braun, Glomeruluskerne blau. An den Epithelien der geraden Harnkanälchen sind Kerne und Plasma schwach gefärbt. Die Färbung hat einen diffusen Charakter, nicht so distinkt wie in den gekochten Präparaten. O-Entwicklung geringer als bei A. Die gleichen Resultate erhielt ich an Maus- und Kaninchen- niere. Besonders instruktiv an ersterer, wo sich Übersichtsschnitte - Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 147 sehr leicht gewinnen lassen und wo bei mittlerer H20s-Konzen- tration sich zuerst und intensiv das Mark färbt, später erst die Rinde. Aus diesen Versuchen ergibt sich: Selbst ?/ı stündiges Kochen vernichtet die Kernreaktion nicht, ja hat sogar keine Abschwächung derselben zur Folge. Die Reaktionsflüssigkeit bleibt ungefärbt, sei es, dass die Gewebsschnitte in dieselbe eingetragen werden, oder mit derselben auf den Objektträger überschichtet werden, während die Schnitte selbst Blaufärbung annehmen. Erst bei höherer Konzentration der H»O0>-Lösung tritt nach mehreren Minuten leichte Verfärbung der Reaktionsflüssigkeit auf, doch meist erst, nachdem das Gewebe bereits die Farbreaktion gegeben hat. In diesem Falle darf das Ergebnis der Reaktion nicht in positivem Sinne verwertet werden, da sich doch die Gefahr einer blassen Färbung des Schnittes nicht vermeiden lässt. Die Stärke der H>20>-Konzentration hat einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Reaktion. Bei schwächster Konzentration reagieren bloss die Glomerulusepithelien und Endothelien der Gefässe, bei steigender die Epithelien der Harnkanälchen, ihr Plasma, die roten Blutkörperchen etc. Versuch XVID. Von November bis zum 9. März in Formalin gelegene Nierenschnitte zeigen mit Tolidin 10,0 in phys. NaQl-Lösung H,O, 0,3 cm? scharfe Kern- reaktion. Also auch mindestens 3 monatlicher Aufenthalt in Formalinlösung vernichtet die Kernreaktion der Niere nicht. Gasentwicklung fand nicht mehr statt. Somit wurde die Katalase durch die lange Formalinkonservierung vernichtet. Versuch XVIIA. Leber vom Meerschweinchen 24 Stunden auf Eis aufbewahrt. a) Tolidin gesättigte wäss. 0,1 cm? einer Trotz längerem Aufenthalte Lösung 10 cm? Verdünnung von im Schälchen nicht gefärbt. dazu 0,02 cm? H,O, zu ZurKontrolleverwen- 10 cm? Wasser detes Leukozytenprä- parat positiv. b) Tolidin gesättigte wäss. 0,02 cm? H,O, Bei schwacher Vergrösserung Lösung 10 cm? im Schälchen: Kerne der dazu Leberzellen blau. Bei starker Vergrösserung am Objekt- träger: Chromatin und Kern- körperchen blau, allerdings nur in einzelnen Läppchen nachweisbar. 10* 148 Richard Fischel: ce) Tolidin gesättigte wäss. 0,15 cm? H»z02 Dieselben Verhältnisse wie bei Lösung 10 cm? b, nur rascher eintretende dazu Färbung. Bei b und ce zeigt das Endothel der Blutgefässe blaue Kerne, bei b und c starkes Schäumen. Besonders bei ce rasches Umschlagen der Blaufärbungin Braun, so dass eine Trennung zwischen Kern und Plasma, welch letzteres ebenfalls braun wird, erschwert ist. Versuch XVIIB. Ein Stück von derselben Leber gekocht, mit den gleichen Reaktionslösungen wie bei A behandelt. a) Keine Reaktion wie bei Aa. b) Schwächere Färbung der Kerne als bei Ab. c) Färbung der Kerne früher als bei Bb. Plasma der Leberzellen grünlich, Plasma der Gallengangsepithelien blau; bei a und b rote Blutkörperchen nicht gefärbt, bei ce zeigen sie einen grünlichen Stich. Dieselben Reaktionsverhältnisse haben wir an der Leber vom Kaninchen erhoben. Bei 30stündiger Formalinfixation der Leber- stücke kommt es zu einer diffusen nicht mehr aufs Chromatin beschränkten Färbung der Kerne; in einzelnen Fällen ist das Plasma nicht gefärbt. Als Repräsentanten der Kaltblütler wählten wir den Frosch. An seiner Leber lässt sich in der Peroxydasereaktion keine Ab- weichung von der Leber des Warmblütlers erkennen. Die braun gewordenen Schnitte wurden wieder in das System Tolidin + H20> zurückgebracht. Es trat eine neuerliche Blaufärbung der Kerne auf, die zu dem gebräunten Plasma in scharfem Kontraste steht. Im ganzen bestätigen die an der Leber gewonnenen Resultate die Erfahrungen, die wir an den Nierenschnitten gesammelt haben: Widerstand der Kernpseudoperoxydase gegenüber hohen Temperaturen, die erst auf höhere H>0>2-Konzentration eintretende Kern- und Plasmareaktion. Gekochte Präparate reagieren bei gleicher H>0>-Reaktion etwas schwächer als nicht gekochte. Er- höhung des Hs0s-(Quantums bringt schönere Bilder als bei nicht erhitzten Präparaten. Bei negativem Ausfall der Probe ist die Reaktionsflüssigkeit mit Leukozytenaufstrichen (Gonorrhoe) auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 149 Versuch XVIII. Submaxillaris vom Kaninchen. 10 Minutenin kochendem Wasser belassen. a) Tolidin,wässerige gesätt. 0,1 cm? einer Auch nach längerem Verweilen Lösung 10 cm? Verdünnung von der Schnitte in der Lösung dazu 0,02 cm? H,O, zu bloss die Endothelkerne blau. 10 cm? Wasser b) Tolidin, wäss. 0,01 cm? H,0, In den Drüsenepithelien ist in einigen sesätt. Lösung Zellen das Chromatin blau gefärbt, in 10 cm? anderen der Kern diffus blau. In den dazu Ausführungsgängen sieht man die zentralen blauen Kerne in braunem Plasma liegen. c) Tolidin, wäss. 0,15 cm? H,O, Rascherer Eintritt der Färbung als bei b. gesätt.Lösung Die Färbung ist intensiver, aber nicht so 10 cm? distinkt wie bei b. Schon im Schälchen dazu treten bei schwacher Vergrösserung die braunenBänderderAusführungs- gänge mit den blauen zentral- gelegenen Kernen merklich hervor. Die Braunfärbung des Protoplasmas betrifft wie feine Ringelchen aussehende Granula. Formalinfixierte Präparate gaben so ziemlich mit den eben erwähnten übereinstimmende Resultate, sie schienen sich länger blau zu erhalten. Wie wir schon an der Leber sahen, war bei nicht gekochtem Gewebe nur eine ungleichmässig über die Läpp- chen verteilte Reaktion zu erzielen. Nach vorherigem Kochen der Submaxillaris trat auch bei dieser eine ausnahmslos alle Läppcehen betreffende Reaktion auf. An der Parotis wiederholten sich die an der Submaxillaris erhobenen Befunde: Blaufärbung der Drüsenepithelkerne, Braunfärbung der Plasma- granula der Ausführungsgänge und Blaufärbung der in der Zell- mitte gelegenen Kerne. | Auch am Duodenum des Meerschweinchens (gekocht) werden die Kerne der Lieberkühnschen Drüsen blau, ebenso die Kerne der glatten Muskulatur, des Bindegewebes und der Endothelien, während an den Brunnerschen Drüsen in den wenigen von mir untersuchten Präparaten nur Kern-, aber keine Granulareaktion erkennbar ist. 150 Richard Fischel: Versuch XIXA. Nebenniere eines Kaninchens durch 36 Stunden in 5% Formalin fixiert. a) Tolidin gesättigte wäss. 0,05 cm? Keine Farbreaktion. Leuko- Lösung 10 cm? einerVerdünnung zytenaufstrich positiv. dazu von 0,02 H,O, zu 10,0 Wasser b) Tolidin gesättigte wäss. 0,01 cm? H,O, Schon makroskopisch färbt sich Lösung 10 cm? zuerst das Mark und zwar dazu intensiver blau als die Rinde. Mikroskopisch: Insbesondere die Kernkörperchen derMark- zellen blau, das Plasma bläu- lich, rote Blutkörperchen bräunlich. c) Tolidin gesättigte wäss. 0,15 cm? H,O, Gleiches Verhalten wie bei b. Lösung 10 cm? Nur früher eintretende Fär- dazu bung. Grünfärbung des Plas- mas der Kerne der Zona fasciculata. Versuch XIXB. Ein Stück der Nebenniere gekocht: Reaktionsflüssigkeit des vorigen Versuches. Deutliche distinkte Kern- chromatinfärbung, insbesondere der pigmentierten Zellen .der Zona reticularis. Versuch XX. Uterus des Kaninchens, der Reaktion unterworfen, ergab: Blaufärbung der Kerne der glatten Muskulatur, des Bindegewebes, der Schleimhaut. Benzidin in wässeriger Lösung als Reaktionsmittel an Stelle des Tolidins zeigte makroskopisch und mikroskopisch schwächere Färbung und raschere Farbenänderung nach Braun, Umstände, die zugunsten des Tolidins in die Wagschale fallen. Versuch XXIA. Was die quergestreifte Muskulatur betrifft, so zeigt die Untersuchung des Herzens der Maus: sofort nach der Tötung vereist und geschnitten. a) Tolidin gesättigte 0,01 cm? einer Keine sichtbare O-Entwicklung. wässerige Lösung Verdünnung von Blaufärbung der Muskelkerne, 10,0 cm? dazu 0,01 cm? H,O, der Bindegewebs- und Endothel- zu 10 cm? H,O kerne. b) Tolidin gesättigte 0,01 cm? H,O, Starke O-Entwicklung, färberisch, wässerige Lösung gl. Verh. wie bei a. 10,0 cm? dazu Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 1:53 Versuch XXIB. Am gekochten Organ: Mit Lösung a durch 10 Minuten keine Reaktion. Erst nach einer viertel Stunde Blaufärbung; mit Lösung b schönere Färbungsverhältnisse wie bei Ab an dem nicht gekochten Präparat. Gleichmässige Färbung der Muskelkerne und Grünfärbung der Muskelfasern. Es zeigt sich hier bei einem sehr geringen H>0>-Gehalt Pseudoperoxydasereaktion der Herzmuskelfasernkerne. Das Plasma der quergestreiften willkürlichen Muskulatur und ihre Kerne (Proc. xyphoides, Trachea) färben sich grünlich bezw. blau. Es wäre interessant, systematisch zu untersuchen, ob der Herzmuskel nicht bei geringerer H20» reagiert als die willkürliche Muskulatur, was wir leider unterlassen haben. Bezüglich der Lokalisation der Peroxydase im Knorpel bringt Unnas Mitteilung keine vollständige Klarheit. Seite 9!) heisst es, dass „die blaue Farbe an den Kernen der Mastzellen und dem Knorpel haftete“. Seite 10 an Celloidin eingebetteten Gefrierschnitten: „Auch hier zeigte sich eine äusserst regelmässige, schön blaue Kern- färbung, so dann eine Färbung der Mastzellen (blauschwarz) und des Knorpels (violett)“. Seite 17 derselben Mitteilung: „die sekun- dären Sauerstofforte dagegen (Protoplasma, Knorpelgrundsubstanz, Muskeln, Kollagen) geben keine Peroxydasereaktion“. Ist Seite 9 und 10 nur der Kern der Knorpelzellen gemeint? Violett. meta- chromatisch färbt sich aber in unseren Versuchen die Knorpel- grundsubstanz. Versuch XXI. Im folgenden teilen wir einen Versuch an der Trachea eines Kaninchens, 41 Stunden auf Eis konserviert, mit: a) Tolidin gesättigte 0,1 cm? einer Schöne Blaufärbung der Knorpel- wässerige Lösung Verdünnung von grundsubstanz besonders um die 10 cm? 0,05 cm? H,O, Knorpelkapsel. dazu zu 10 cm? H,O b) Tolidin gesättigte 0,05 cm? H,O, Kern in einzelnen Knorpelzellen wässerige Lösung gefärbt. Fettkügelchen in den 10 cm? Knorpelzellen nicht gefärbt. dazu c) Tolidin gesättigte 0,15 cm? H,O, Die Konzentration des H,O, macht wässerige Lösung keinen wesentlichen Unterschied 10 cm? in der Knorpelfärbung. dazu ') Dermatol. Wochenschr., 1912, Nr. 1. 152 Richard Fischel: Bei der mit gleichen H,0,-Konzentrationen behandelten '!/, Stunde gekochten Trachea bleiben Knorpelzellen und Grundsubstanz mit Tolidin- und Benzidinlösung ungefärbt. In Formalin fixierten Trachealschnitten färbt sich die Knorpelgrund- substanz nur an beiden Enden der Knorpelplatte, Kerne der Knorpelzellen schwach blau. In Meerschweinchentrachea (gekocht) nur am Rande des Knorpels, (ungekocht metachromatisch bis zu orange) hellblau. Die angrenzende Schild- drüse zeigt prachtvolle grünliche Kernfärbung (in gekochtem Zustande) der Schilddrüsenepithelien. An der Mausschnauze zeigt sich das dünne Netz der Knorpelgrund- substanz um die weiten Knorpelkapseln violett gefärbt (nicht gekocht). Die Lunge des Kaninchens zeigte bei der schwächsten H,O,-Konzen- tration a bereits Blaufärbung der Kerne der Lungenalveolarepithelien, des Bindegewebes. Leukozytenkerne blau und Granula braun. Die roten Blut- körperchen blieben ungefärbt. Von pathologischen Bildungen haben wir nur einen Plattenepithelkrebs untersucht (Formalinfixation). Die Basalzellen erscheinen diffus gefärbt, an den zentral gelegenen Zellen reagierte das Kernkörperchen positiv. Um nicht zu weitläufig zu werden, begnüge ich mich mit der Mitteilung der bisherigen Protokolle; die Untersuchungen hatten ja vor allem den Zweck, uns über die Brauchbarkeit und Sicherheit der Methode zu orientieren. Ist sie auch für die Gefrierschnitte zweifellos erwiesen, so müsste, sollte die Reaktion für exakte pathologisch-anatomische und normal histologische Untersuchungen allgemeine Anwendung finden, die Darstellung der Reaktion an Paraffinschnitten gezeigt werden. VI. Paraffinschnitte. Da die Fixation in Alkohol ohne Einfluss auf die Peroxydase der (Gewebe war, hohe Temperaturen nur die Granulaperoxydase der Leukozyten, nicht aber die Kernpseudoperoxydase vernichteten, so war für die Frage der Paraffineinbettung die Verträglichkeit von Xylol-Alkohol und Xylol, der längere Aufenthalt der Gewebs- stückchen im Paraffinschrank bei 56° entscheidend. Tatsächlich sind diese Faktoren ohne Einfluss auf die Pseudoperoxydasenreaktion. Die Behandlung der Gewebsstückchen bis zur Paraffinauf- bettung des Blockes war die übliche. Die Schnitte wurden auf dem Objektträger in 50°/o Alkohol unter mässigem Erwärmen gestreckt. je ou 2 Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase ete. Die Reaktionsflüssigkeit wurde entweder auf die aufgeklebten durch Xylol, Alkohol und Wasser gezogenen Schnitte geträufelt, oder die mit den Schnitten beschickten Objektträger in ein mit der Reaktionsflüssigkeit gefülltes Standglas gebracht. Für Paraffinschnitte muss die H»0>-Konzentration allerdings kräftiger gewählt werden, und so wurde gewöhnlich 0,1 cm? bis 1 em? H>0> (Perhydrol) zu 10 cm? wässriger Tolidinlösung zugesetzt. 002 wurde bald längere (5— 10 Minuten) bald kürzere Zeit (nicht ganz 1 Minute) in langsamem Strom durch die Reaktions- flüssigkeit geleitet, da ja hier Einführung quantativer Verhält- nisse auf grosse Schwierigkeiten stösst. Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu erwähnen, dass wie bei den vorhergehenden Ver- suchen strenge darauf geachtet wurde, dass die den Schnitt überschichtende Flüssigkeit farblos bleibe, da bei Färbung der- selben eine blasse Färbung des Schnittes sich nicht ausschliessen lässt, nur in ungefärbt bleibender Reaktionsflüssig- keit aber von einer mit Sicherheit eingetretenen Farbreaktion die Rede sein kann. Der Rückgang des Präparates durch Alkohol und Xylol ist womöglich zu vermeiden, da Alkohol-Xylol schon nach einer halben Minute den blauen Farbstoff ausziehen. Ich habe mich daher auf eine Trocknung der Schnitte durch vorsichtiges Aufdrücken von schwedischem Filtrierpapier beschränkt, und nachdem dieselben auf diese Weise wasserfrei geworden waren, sie in neutralem Canadabalsam unter dem Deckglas beobachtet. Unter Umständen kann man die Präparate, wenn sie mit Filtrierpapier getrocknet sind, rasch zur Aufhellung durch Alkohol und Xylol ziehen; dauert dieser Vorgang nur eine Sekunde, so wird die Färbung des Präparates nur wenig beeinflusst. Leider ist die Farbe der Präparate nicht haltbar. Das Blau schlägt in Braun um; doch gab es Schnitte (Milz) die bis zu S Tage ihre Farbe bewahrten. Innerhalb 24 Stunden pflegt die Färbung sich nur unwesentlich abzuschwächen. Farbkräftigere Bilder erhält man, wenn man sich der Schälchenmethode (Unna, Fick), anstatt der Aufklebe- methode bei Behandlung der Paraffinschnitte bedient. Zu ihrer Übung gehört allerdings bei dünnen Schnitten längeres Ein- arbeiten. 154 Richard Fischel: Versuch XXIIIA. Rückenmark einer jungen Katze. Alkoholfixation. Im bläschenförmigen Kerne der Ganglienzellen der Nukleolus intensiv blau, das spärliche Chromatingerüst schwächer gefärbt. Nisslgranula blau, auch die kleineren Granula, die sich in die Ganglionfortsätze erstrecken. Chromatin der Gliazellen gefärbt. Versuch XXIIIB. Grosshirnrinde derselben Katze. Die kleinen und grossen Pyramidenzellen zeigen bezüglich der Kern- färbung die gleichen Verhältnisse wie oben. Bemerkt sei noch, dass in Formalin fixiertes Rückenmark (4 Wochen) bloss Reaktion der Blutgefässendothelien ergab, und von diesen aus eine Diffusion des Farbstoffes in die Umgebung mit Färbung (nicht Farb- reaktion) der dem Gefäss knapp anliegenden Zellen. Versuch XXIV. Cornea, Katze gekocht, 1 cm? Hz0>-Zusatz + "ıstündige UO02-Leitung. Farbreaktion nicht allein auf das Chromatin der Epithelzellen be- schränkt, sondern diffuser über den ganzen Kern. Hornhautkörperchen zeigen bläuliche Kerne. In einem anderen Falle ergab Cornea (Alkoholfixation, mit Tolidin- H,O, ohne CO,-Durchleitung) negative Resultate. Mit Gefrierschnitten (allerdings ohne COs-Durchleitung oder Säurezusatz) hatten wir immer negative Resultate. Die diffuse Färbung der Epithelien an den Paraffinschnitten hängt möglicher- weise mit der zu starken Säuerung der Reaktionstlüssigkeit zusammen. Der positive Ausfall an den Corneaepithelien scheint mir deshalb von Bedeutung, weil es sich um ein hämoglobinfreies Organ handelt, wovon später noch im Zusammenhange die Rede sein wird. Versuch XXVA. Mausschnauze. Tolidin 10,0. 0,1 cm? H202 + CO». In die Augen springend sind die schön sattblau gefärbten Granula der Mastzellen, bei denen in einer grossen Zahl die Kerne als helle Lücken ausgespart erscheinen. An der Basalzellenschicht der Epidermis ist das Kern- chromatingerüst stärker gefärbt als im Stratum Malpighii. Das Plasma zeigt leicht bläulichen Ton. Haare, Epidermis ungefärbt. In der äusseren und inneren Haarwurzelscheide ist das Chromatin der Epithelien gebläut. Quer- gestreifte Muskulatur: Muskelsubstanz bläulich, Kern blau, in anderen Präparaten ist die Muskelsubstanz braun. — O1 or Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. Versuch XXVB. Mausschnauze gekocht. a) Tolidin +. n/ı Oxalsäure Mastzellen bei schwacher Vergrösserung + H,0, 1,0 cm? durch ihre blaue Farbe hervortretend, im dunkelblau granulierten Leib der ungefärbte ausgesparte Kern. Kern der Epithelien der Epidermis, der Bindegewebszellen blassblau, so dass ein schön kontrastierendes Bild entsteht. b) Tolidin —-.n/io Oxalsäure Keine Färbung überhaupt. Nachheriger + H,0, 2 cm? Zusatz von Tolidin H,O, —+ CO, ohne Oxalsäurezusatz ergibt elektive Färb- ung der Mastzellen. Diese allerdings blassblau. ec) Tolidin —.n/s Oxalsäure Fast elektive Färbung der Mastzellen, =E.#E,0, 1!i. cm? sonst einzelne, nur schwach gefärbte Zellen noch sichtbar. Gleiche Verhältnisse wie bei Versuch XXVA erhielten wir auch an Gefrierschnitten, wobei nach einminutigem Kochen der Schnitte in destil- liertem Wasser die Mastzellengranula ihre Reaktionsfähigkeit beibehielten. Es ergibt sich also der wichtige Befund, dass die Granula der Gewebsmastzellen eine hitzebeständige Peroxy- dase, also eine Pseudoperoxydase enthalten, welche bei sauerer Reaktion, bei der die übrigen Gewebe nicht mehr reagieren, noch Blaufärbung mit dem System Tolidin-Wasserstoft- superoxyd zeigen. Zum Schiusse noch ein Protokoll über Milz und Lymphdrüse. Versuch XXVIl. Die Schnitte gekochter, dann in Alkohol gehärteter Milz der Maus sind schon makroskopisch intensiver gefärbt als die des frischen nicht gekochten, aber sonst gleich behandelten Organs. Bei schwacher Vergrösserung repräsentieren sich die Malpighi- schen Knötchen als helle Kreise, deren Peripherie aus vom Zentrum zum Rande an Farbenintensität zunehmenden Lymphozyten besteht, so dass ein allmählicher Übergang vom farblosen zentral gelegenen zum peripher ge- lagerten normal reagierenden Lymphkörperchen zu konstatieren ist. In den Leukozyten ist teils nur der Leib, teils der Kern, teils Kern und Leib gefärbt, wobei der Kern je nach seinem Chromatingehalt bald eine gefüllte blaue Scheibe, bald ein feines blaues Netz darstellt. In den Riesenzellen das Plasma blassblau, Kerne blau. An formalinfixierten Gefrierschnitten der Milz der gleiche Befund (siehe Kap. IV). 156 Richard Fischel: Versuch XXVI. Lymphdrüse aus dem Pancreas aselli einer jungen Katze. Hier sind es die um die Lymphsinus und Trabekel gelagerten Lymphozyten, die die in den Lymphfollikeln befindlichen an Farbstärke weit übertreffen, so dass letztere blass, erstere stärker gefärbt erscheinen. Werden im Schnitt die Keimzentren getroffen, so fallen die Zellen derselben durch intensive Dunkel- blaufärbung auf; sie stellen die stärkst gefärbten Zellen des Schnittes dar. Ahnlich verhalten sich die Lymphdrüsen aus der Achselhöhle des Menschen, von dem Lungenhilus eines Pferdes, in welch letzterem aller- dings Keimzentren nicht getroffen waren. An einer atrophierenden Thymus (Hund) zeigten die Kerne der die Läppchen trennenden Bindegewebszellen positive Reaktion, im Gegensatze zu den Lymphozyten der Läppchen. Greifen wir aus den Befunden das Wesentliche heraus, so ist dies: die Reaktionslosigkeit der Milzfollikel, die Intensität der Reaktion an den Keimzentren der Lymphfollikel. Es braucht wohl nicht erst darauf hingewiesen werden, dass die Malpighischen Knötchen basische Farbstoffe reichlich aufnehmen (siehe Fig. 95 in Krause „Kursus der normalen Histologie“, Taf. 35) und die Keimzentren sich schlechter färben (Ebner, Kölliker). Ich habe mich auch in diesem Abschnitt nur auf die Wieder- gabe von Protokollen beschränkt, die geeignet sind, den Wert der Methode zu beleuchten. Von Detailarbeit habe ich mich vorläufig ferngehalten. VII. Reaktionsbedingungen. Wollen wir uns über die Reaktionsprodukte klar werden, so müssen wir auf die Untersuchungen Willstätter und Schlenks und Madelungs Bezug nehmen. Dieser stellte fest (S. 211), dass die blauen durch Oxydation des Benzidins gebildeten Sub- stanzen nicht die sehr unbeständige chinoide Base, das Dipheno- chinon-diimin sei, sondern, dass es sich um Farbsalze Dipheno- chinon - diimoniumsalze, bezw. chinhydronartige Verbindungen derselben mit Benzidin, die er unter dem handlichen Namen Benzidinblau zusammenfasst handle. Tolidin, das methyliirtes Benzidin darstellt, wird ähnliche Verhältnisse geben, so dass wir in Analogie die Oxydationsprodukte als Tolidinblau bezeichnen können. Madelung studierte die Bedingungen der Aktivierung des H>03 durch Blut (Hämoglobin) und Peroxydase (Malzextrakt). Bei vollständigem Fehlen von Säure oder Salz findet keine Oxydation des Benzidins statt. Aber nur Spuren von Säure (verdünnte Essig- _ >} | — Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase ete. säure, CO2) sind hinreichend, um intensive Färbung hervorzurufen. Grössere Mengen von Säuren, insbesondere Mineralsäuren, ver- hindern die Reaktion. Aus den vorangegangenen Beispielen geht hervor, dass auch histologisch der Zusatz von geringen Mengen Oxalsäure oder CO: (eventuell Weinsäure oder andere organische Säuren, die zu ver- suchen wären) eine negative Reaktion in eine positive verwandeln kann, aber wie wir uns oft überzeugten, genügte ein Tropfen verdünnter Salzsäure, um die Reaktion zu vernichten. Nach Madelung (S. 223) ist die Bildungsgeschwindigkeit des Benzidinblaues in den ersten Minuten recht erheblich, wird nach kurzer Zeit nur noch ziemlich geringfügig, so dass nach 10 Minuten die chemische Bestimmung ausgeführt werden Kann. Vom histologischen Standpunkt sehen wir, dass in Leukozyten- granulis und supravitalem (rewebe die Reaktion ausserordentlich rasch verläuft und bald das Maximum der Färbung erreicht wird, in gekochtem Gewebe und Paraffinschnitten langsamer abläuft und einen höheren H>0>-Zusatz erfordert. Auch die Angabe Madelungs, dass das unter COs-Durch- leitung ausgefällte Benzidinblau die doppelte Menge dessen beträgt, die ohne Kohlensäure ausfällt, findet in histologischer Beziehung, soweit dies möglich ist, eine Bestätigung, da durch CO nicht nur die Reaktion erst in Gang kommen kann, sondern auch die Farb- intensität im Vergleich zur Reaktion mit ungesäuerter Flüssigkeit schon dem blossen Auge auffallen muss. Das Optimum des NaCl-Gehaltes der Reaktionsflüssigkeit ist bei 1°/o vielleicht schon überschritten. Diese von Madelung aufgestellte Grenze liegt über der für unsere Zwecke in Betracht kommenden, da die phys. Lösungen 0,9 und 0,65 °/o Na0l enthalten. Wohl wird bei 1°/o Salzgehalt die Löslichkeit des Benzidinblaues fast vollkommen unterdrückt, allerdings aber nur bei Abwesen- heit grösserer Mengen kolloidaler Substanz, durch welche die Abscheidung in kristallinischer, unlöslicher Form behindert wird. (serade der Umstand, dass bei histologischen Versuchen das Tolidin- bezw. Benzidinblau nicht kristallinisch ausfällt, ermöglicht erst die Reaktion. Die Frage, ein wie grosser Teil des H>03 bei Überschuss von Blut im Sinne der Oxydation des Benzidins wirksam ist, be- antwortet Madelung dahin, dass °/s des anwesenden OÖ in diesem 158 Richard Fischel: Sinne ausgenutzt sind, also höchstens '/s durch Katalasewirkung zersetzt sein kann. Bei Abwesenheit von CO» kann nur die Hälfte des H20> aktiviert werden. Ich habe durch das Kochen der Gewebe die Katalase ganz ausgeschaltet, und, wenigstens was die Pseudoperoxydase betrifft, stets gefunden, dass die Reaktion in gekochtem Gewebe stärker ausfällt. Da aber auch an Paraffinschnitten an gekochtem und nicht gekochtem (rewebe die Reaktion zugunsten des ersteren ausfällt, so können hier noch andere Umstände mitspielen. Um bei der Untersuchung supravitaler Organe die auch schon mechanisch störende O-Entwicklung durch Katalase (die die Besichtigung der Schnitte verhindernde Schaumschichte) zu beseitigen, wollte ich das von Batelli und Stern empfohlene Äthylhydroperoxyd in Verwendung ziehen, das durch Katalase nicht zerstört wird, musste aber wegen der mit seiner Herstellung verbundenen Explosionsgefahr davon absehen. Ich möchte hier nicht unterlassen, auf den Gegensatz zwischen dem Versagen der Reaktion bei Gewebsaufstrichen und dem posi- tiven Ausfall an Gefrierschnitten desselben (Gewebsstückes hin- zuweisen. Welche besonderen Momente beim negativen Ausfall der Reaktion in Betracht kommen können, geht aus den Unter- suchungen über die Jodwasserstoffperoxydase hervor. v. Cyhlarz und v. Fürth beobachteten, dass Hb in Gegenwart von H»0> die Oxydation des JH nicht bewirkt, was Madelung durch die unverzügliche Bindung des in Freiheit gesetzten J erklärt. Woltf und Stöcklin sind der Ansicht, dass das Hb sich bei der Oxy- dation des JH indifferent verhalte, weil es durch die gleichzeitig anwesende Essigsäure inaktiv wird. Ersetzt man die Essigsäure durch Natriumphosphat, so fällt die Reaktion stark positiv aus. Nach Batelli und Stern wird die Oxydation des JH durch das Blut durch die gleichzeitig anwesende Katalase verhindert; verwendet man Äthylhydroperoxyd statt H202, so kommt es zu energischer Oxydation des JH. Können also so verschiedene Faktoren hemmend auf die Reaktion einwirken, durch Erkenntnis und Beseitigung derselben die Reaktion positiv gestaltet werden, so ist vor (Greneralisierung negativer Befunde weitgehendste Vorsicht geboten. Aus den chemischen Untersuchungen geht hervor, dass für die Peroxydasewirkung ein Temperaturoptimum besteht. Ich muss Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 159 mich darauf beschränken zu konstatieren, dass leicht erwärmte Lösungen (Filtrat der zum Sieden erhitzten Lösung des Tolidins) eine Reaktionsbeschleunigung im Vergleiche zu Lösungen von Zimmertemperatur bedingten. Der Widerstandsfähigkeit der Peroxydase gegen autolytische Prozesse (48 Stunden langes Konservieren auf Eis) wurde bereits in Kapitel V gedacht. VIII. Die mikrochemische Lokalisation. 1. Ist durch den Umstand, dass die Reaktionsflüssigkeit voll- ständig ungefärbt bleibt, während der Aufstrich oder der Schnitt eine an Intensität zunehmende Bläuung zeigen, mit absoluter Sicherheit bewiesen, dass das Gewebe selbst die Aktivierung des H>0> und die Oxydation des Tolidins zu Tolidinblau besorgt, so erhebt sich die Frage, ob die gefärbten Stellen wirklich Sitz der Reaktion sind, oder ob es sich nur um Lokalisation des Farb- stoffs durch die Affinitätsverhältnisse des Gewebes zu demselben (Adsorption) handelt. Schon bei der Winklerschen Reaktion vertrat Dietrich die letztere Anschauung und schrieb den Lipoidkörpern der Granula die Fähigkeit zu, Indophenolblau zu fixieren, ohne dass den Granulis mit zwingender Notwendigkeit auch die Fähigkeit, den Farbstoff zu oxydieren zugeschrieben werden muss. — Für den ersten Standpunkt scheinen mir Versuche an den bis 130° erhitzten gonorrhoischen Leukozytenaufstrichen beweisend. Während nach minimalem Säurezusatz zur Reaktionsflüssig- keit sich der Kern an nicht erhitzten zuerst bläulich, dann die Granula braun färben, ist bei 130° die Granulareaktion vernichtet, während die Kernreaktion fortbesteht. Wäre die Granulareaktion bloss eine Folge der durch die Kernreaktion angeregten Tolidin- oxydation, dann müsste sie auch jetzt noch eintreten, zumal. der Kern der Leukozyten sich noch intensiver färbt als vor der Temepraturerhöhung. Unverständlich wäre es auch, warum sich die Milzfollikel (Kap. VI) nicht färben sollten, während sie sich mit basischen Farben, wie wir uns selbst überzeugen konnten (Methylenblau), intensiver färben als die Umgebung. Ein anderer Umstand, der in Erwägung gezogen werden muss, ist die Möglichkeit einer Hb-Durchtränkung des Gewebes, 160 Richard Fischel: so dass nicht die maskierte Eisenverbindung des Chromatins (siehe später), sondern das durch irgendwelche Manipulation in Lösung gegangene und vom Kern aufgenommene (Gefrieren und Wieder- auftauen am Mikrotom ete.) Hb zur Ursache der Reaktion wird. Versuche an einem hämoglobinfreien Organ, der Cornea, beweisen, dass diese Annahme nicht zu Recht besteht. Wohl kommt es besonders an Formalinpräparaten (z. B. an Hoden, Rückenmark) vor, dass Endothelien und rote Blutkörperchen sich allein färben und von diesen aus blaue Höfe ausstrahlen und die umgebenden Gewebe in das Bereich der Färbung ziehen. Auch an normal reagierenden Schnitten zeigt sich hier und da besonders die direkte Nachbarschaft der roten Blutkörperchen intensiver gefärbt als die übrigen Gewebe; doch sind derartige Präparate sofort zu erkennen und zu verwerfen, da an gelungenen Präparaten die Farbreaktion bloss auf Chromatin, Kernsubstanz oder Zelleib beschränkt ist, wobei keinerlei Diffusion des Farbstoffes zulässig ist. Dass das Hämoglobin, das ja erst von einer gewissen H20.- Konzentration ab reagiert (mit Blaufärbung), den Anstoss zur Tolidinoxydation gebe und erst durch diese die blaue Färbung des Chromatins zustande käme, widerlegt sich am besten durch die Versuche, nach welchen an formalinfixierten Präparaten (z. B. Blutaufstrichen) die Kernperoxydase der Leukozyten bereits reagiert, während die roten Blutkörperchen in ihrer blassen Eigenfarbe er- scheinen. Wollte man aber annehmen, dass z. B. bei den Eiterzellen schon im Organismus im Eiterserum Spuren von Hb in Lösung sich befinden, die vom Kernchromatin adsorbiert werden und auf diese Weise eine positive Kernreaktion ergeben, so spräche das für die Methode, die ja nur den Zweck hat, die Peroxydase im allgemeinen, also auch die Pseudoperoxydase des Hb nach- zuweisen. Aufgabe der experimentellen Histologie wäre es dann, unzweideutige Bedingungen und einwandfreies Material für diese Methode zu schaffen. In der hämoglobinfreien Cornea besitzen wir es. — 2. Übersehen wir nun die Lokalisation der Reaktion auf Grund der bisherigen Ergebnisse, so finden wir, dass aus- nahmslos alle Kerne, ihr Nucleolus und das Chromatin positiv mit Blaufärbung reagieren. — Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase ete. 161 Wohl kommt es vor, dass bei supravitaler Reaktion keine Kernreaktion eintritt, doch habe ich zu wiederholten Malen darauf hingewiesen, dass negative Befunde nicht entscheiden und diesen absolut beweisende positive Befunde gegenüber stehen. Was nun die Plasmareaktion betrifft, so sind es vor allem die Granula der feingranulierten Leukozyten (neutrophilen), der grobgranulierten (eosinophilen), die Granula der Gewebsmastzellen, die das Interesse wachrufen. Erstere färben sich für gewöhnlich in lufttrockenen Aufstrichen bräunlich bezw. dunkelbraun, die basophilen Gewebszellen blau. Es reagieren die Nisslschollen, das Plasma der quergestreiften Muskulatur, der Ausführungsgänge der Speicheldrüsen (braun), der Leberepitbelien, der Zellen, der Zona fasciculata der Nebenniere, der Zelleib der roten Blut- körperchen etc. Die Knorpelgrundsubstanz reagiert oft mit metachromatischer Färbung. — Es fehlte mir an Zeit, gerade der interessanten Plasma- reaktion und den Bedingungen ihres Auftretens die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. es handelt sich bloss um vorläufige Feststellungen, die hoffentlich den Ausgang für weitere Unter- suchungsreihen bilden werden. Der Versuch, die erklärende Grundlage für die Reaktion zu schaffen, muss sich auf Mac Callums Arbeiten über den mikrochemischen Nachweis des Eisens und seine Lokalisation stützen. Er konnte mittels seiner Ammoniumsulfidglyzerin-Methode den Nachweis erbringen, dass alles Chromatin der untersuchten Zellarten pflanzlichen und tierischen Ursprungs die Reaktion auf maskiertes Eisen gab, d.h. auf fest gebundenes Fe zum Unter- schied von den anorganischen Verbindungen des Metalls. Das aufgedeckte Eisen konnte nicht vom Hb stammen, da Hb in Pflanzenzellen nicht gefunden wird. die Kerne frei von Hb und Hämatin sind, an denen z. B. das Üornealepithel, die Epidermiszellen der menschlichen Haut und die kristallinische Knorpelzelle eine Reaktion gab, die ebenso deutlich wie die in anderen Zellen ist (S. 583). Da komplexe Eisenverbindungen unter bestimmten Bedingungen Peroxydasereaktion geben, diese im Chromatin von Mac Callum nachgewiesen wurden, so liegt der Schluss sehr nahe, dass mit allergrösster Wahrscheinlichkeit das maskierte Eisen des Chro- Archiv f. mikr. Anat. Bd.8S3. Abt.l. la! 162 Richard Fischel: matins als Erreger der Peroxydasereaktion zu gelten hat. Eine wesentliche Ergänzung dieser Folgerung bildet der Nachweis komplexer Eisenverbindungen im Plasma der Zellen; soll es sich doch sogar an der Bildung der Fermente der Speichel- drüsen, Pankreas, Magen und Lieberkühnschen Drüsen be- teiligen. Hier müssen besondere Untersuchungen mit meiner Peroxydasereaktion einsetzen. Die oxyphilen Granula bei Katze und Frosch enthalten nach Mac Kenzic maskiertes Eisen, Scott glaubt, dass während der Entwicklung der Ganglienzellen das Material für die Nissischollen aus der maskierten Eisenverbindung des Kerns geliefert wird. Auch im Cystoplasma der Protozoen findet sich Fe in der festgebundenen Form. Als weiteren Beweis, dass der Peroxydase im allgemeinen eine Eisenverbindung zugrunde liegt, kann die Annahme Madelungs gelten: Man kann mit Sicherheit sagen, dass. wo immer eine Oxydase oder Peroxydase Benzidinblaubildung verursacht, dies jedenfalls nicht durch einen allenfalls vorhandenen Mangangehalt erklärt werden kann, da Mangansalze nur bei schwach alkalischer Reaktion wirksam sind, „alkalische Reaktion“ aber Benzidinblaubildung ausschliesst. Die einzigen sekretorischen Zellen, welche in ihrem Cyto- plasma kein mikrochemisches Eisen enthalten, sind die Nerven- röhrehen. Auch dieser Mac Uallumsche Befund braucht ver- gleichende Untersuchungen zwischen Peroxydase- und Eisen- reaktion. Und auch die Tatsache, dass zweiwertiges Eisen in wässeriger und kolloidaler Lösung unter bestimmten Bedingungen mit H>0s Verbindungen von hohem Oxydationspotential eingeht, sei hier hervorgehoben, um so mehr, als sich weitgehende Ähnlichkeiten mit tierischen und pflanzlichen Peroxydasen was Temperatur und Einfluss an H+* und OH betrifft (Wolf und Stoecking, F.Röhmann und T. Shmamine) finden. Aber auch durch indirekte Beweisführung kann die Wichtigkeit des Eisens für die Peroxydase dargetan werden. Hämatoporphyrin, das eisenfreie Spaltprodukt des Hb, besitzt keine Oxydations- wirkung (Moitessier). Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 163 IX. Die Rongalitweissreaktion. Pseudooxydase. Es war naheliegend, sich bei der innigen Beziehung zwischen Peroxydaseorten zu den Sauerstofforten!) Unnas mit der Rongalit- weissreaktion zu beschäftigen, um so mehr, als mir eine kritische Beurteilung der Methode notwendig schien, deren Aufgabe es sein muss, die Grenzen ihrer Brauchbarkeit festzustellen. 1. Die Fragestellung lautet: Was leistete Unnas RW- Methode? ?) 2. Besteht das von Unna aufgestellte Gesetz von einem Ausschluss der Sauerstofi- und Reduktionsorte wirklich zu Recht? . Welches sind die Beziehungen zwischen der inden Ge- weben nachgewiesenen Pseudoperoxydase zu den Sauer- stofforten Unnas? 1. Vor allem sei in aller Kürze das Wesen der Methode mitgeteilt. Methvlenblau wird durch Rongalit zur Leukobase reduziert. In dieses Reduktionsprodukt Leukomethylenblau oder RW I wird der Gefrierschnitt eingetragen, 1—5 Minuten darin belassen, dann durch rasches Schwenken im Wasser (mehrmaliger Wasserwechsel durch Einbringen in verschiedene Schälchen) vom überschüssigen Rongalit befreit, dann 15—20 Minuten auf dem Objektträger oder im Leitungswasser gelassen, bis sie die maximale Blaufärbung erreicht haben (Unna und Golodetz, Monatshefte für prakt. Dermatol. 1910, Bd. 50, S. 451, Arch. f. mikr. Anatomie, S. 35, Bd. 75). Während nun in der ersten Abhandlung noch von einer Vernichtung der Sauerstofforte durch Hitze (Kochen) die Rede ist, diese also als Oxydase bezeichnet werden (Arch. f. mikr. Anatomie, 4. Zeile, S. 35), so werden in der zweiten Abhandlung (Dermatol. W., Bd. 54, S. 14) die Sauerstofiorte durch hitzebeständige mineralische Katalysatoren repräsentiert, der Gedanke an eine Oxydase also fallen gelassen. Den die Reaktion vernichtenden Einfluss des Üelloidin- verfahrens gelingt es Unna durch Darstellung eines RW II > ı) Siehe Überschrift des Kapitels D, S.129 in Ehrlichs „Sauerstoff- bedürfnis des Organismus“. ”) RW — die von Unna gebrauchte Abkürzung für Rongalitweiss — werde ich ebenfalls verwenden. 14* 164 Richard Fischel: (Medizin. Kl. 1912, Nr. 23) zu beseitigen. Blau 1900 (Gallocyanin) wird durch Rongalit in Reduktion erhalten. In dieser Abhandlung wird bereits das Färbeergebnis als Resultante zweier Affinitäten angesehen, der Affinität der Leukobase zu dem Gewebsbestandteil und der Affinität des Sauerstoffes in demselben zur Leukobase. Ein einfacher Versuch soll eine weitläufige Kritik ersetzen. Ein Stückchen „aschenfreies“ Filtrierpapier zur quantitativen chemischen Analyse aus der Fabrik Max Dreverhoffs in Dresden ca. 2 mm? wird in RW I und RW II gelegt und genau nach Unnas Vorschrift behandelt. Schon nach 5 Minuten (mit destilliertem Wasser benetzt auf den Objektträger gelegt) deutliche Blaufärbung, die in 10 Minuten sehr ausgesprochen ist, also in der Hälfte der vom Autor für die zu prüfenden Objekte gegebenen Blaufärbungsfrist. Mikroskopisch: jede einzelne Cellulosefaser diffus gebläut. Wenn man bedenkt, dass in dem ganzen Filter 0,00001 gr Asche vorhanden sind, in dem kleinen zur Reaktion verwendeten Teil 0,000002 gr Asche, in dieser doch nur der kleinste Teil Kationen, so muss man, will man auch hier von katalysierenden Substanzen reden, verzweifeln, einen Stoff zu finden, der nicht katalysieren würde. Was Unnas Methode fehlt, ist die Kontrolle. Fände sich ein Stoff, der zu Methylenblau Affinität besitzt, die RW-Reaktion nicht gäbe, würde dieser stets als Kontrolle dienen können, voraus- gesetzt, dass zu dieser angesäuertes Methylenblau verwendet wird. Mir ist ein solcher nicht begegnet. Liegt es beim Filtrierpapierversuch nicht näher, an eine durch die feine Oberflächenverteilung bedingte Luftoxydation zu denken, ohne Zuhilfenahme aller katalytischen Faktoren ? Ein wie mir aber scheint wichtiger Unterschied zwischen der Filtrierpapierleukobasenoxydation und Schnitten frischer Organe (Leber, Niere) lässt sich aber leicht konstatieren: die Schnellig- keit des Eintritts der Färbung bei letzteren. In der Beschleunigung der Oxydation der Leukobase durch die katalysierende Eigenschaft gewisser Verbindungen (maskiertes Eisen Mac Callums, eisenhaltige Nucleoproteide Spitzers), die der Luftsauerstoff bewirkt, könnte das brauchbare Prinzip bei der RW-Methode gesucht werden. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 165 Also nochmals wiederholt: Aufstellung einer Kontrolle, scharfe Ausarbeitung des Prinzips der Beschleunigung durch die katalv- satorisch wirkenden Faktoren könnten möglicherweise der RW- Methode einen entsprechenden Wert sichern. 2. Nach Unna lassen sich die Gewebe in zwei Gruppen teilen, je nachdem in ihnen die Reduktionsorte und Sauerstoff- orte völlig getrennt, oder zum Teil oder ganz zusammenfallen. Zu ersteren rechnet er die Muskelsubstanz im allgemeinen, die Nerven, die Hornschicht, die roten Blutkörperchen (einfache konstante Reduktionsorte), die Kerne und Mastzellen als konstante Sauerstofforte. Die Muskelsubstanz und die roten Blutkörperchen geben nun eine deutliche Pseudoperoxydasenreaktion, die Horn- schicht (Wolle) eine deutliche RW-Reaktion und ebenso der Achsenzylinder der Nerven (Kreibich, Berl. kl. W., 1913). Gerade die Wolle aber zeigt. dass eine Substanz, die Methylerün intensiv reduziert und sich mit diesem nicht färbt, doch methylenblauaffin sein kann, und daher die RW- Reaktion gibt. (Unna, Die Bedeutung des Sauerstofis in der Färberei, S. 17 und 18.) Diese ganze Gruppe der konstanten Reduktionsorte wird also nach den obigen Ausführungen aus dem System entfallen müssen, da die Peroxydaseorte nach den theoretischen Auseinander- setzungen Unnas zu den Sauerstoftorten gehören. leukozytengranula sind nach den Winklerschen und meinen Untersuchungen sicher der Sitz oxydativer Synthese und der Aktivierung des H>02-Sauerstoffs. Gerade sie sind meiner Meinung nach Sauerstofforte, par excellence, wenn dieser Ausdruck seine Bedeutung behalten sollte. Und doch zeigen sie nach allen drei Reduktionsmethoden deutliche reduzierende Eigenschaften im Trockenaufstrich. Nimmt man nun dazu, dass Unna in seiner letzten Mitteilung (Medizin. Kl.!) das Affinitätsprinzip dafür ver- antwortlich macht, dass die Granula der Leukozyten mit RW I und II nicht reagieren, so ist damit auch eine Bresche in das stolze Gebäude der Oxypolarität von ihm selbst geschlagen, da ja die RW-Reaktion bestimmt war, die Oxydationsorte aufzudecken. !) Damit kontrastiert die S. 4, Dermatol. Wochenschr., Bd. 54, gegebene Mitteilung, dass Leukozytengranulation und das Granulaplasma in „diesen“ Untersuchungen sich sehr reich an OÖ erwiesen. 166 Richard Fischel: 3. Sollte Unnas Methode RW I und II sich derart ver- bessern lassen, dass sie einwandsfreie Resultate gibt, oder durch neue Methoden die mikrochemische Lokalisation der hitzebeständigen Oxydase ermöglicht werden, da möchte ich für diese in Analogie zur Pseudoperoxydase den Ausdruck Pseudooxydase vorschlagen. Das gemeinschaftliche Vorkommen der Oxydase und Peroxy- dase (Leukozytengranula) lässt es vermuten, dass auch Pseudooxy- dase und Pseudoperoxydase zusammen vorkommen und so gewinnen einzelne von Unnas Befunden sehr an Wahrscheinlichkeit, da sie die Lokalisation der „Pseudooxydase“ gestatten, ohne dass es möglich wäre, wegen Mangelhaftigkeit der RW-Methode Sicherheit und genaue Abgrenzung zu geben. Es wird eben die kom- plexe Eisenverbindung sowohl als Pseudooxydase als auchals Pseudoperoxydase wirken können, eine Ansicht, zu der Untersuchungen Madelungs eine chemische Grundlage geben. Damit würde der allgemein gehaltene unklare Ausdruck „Sauerstofforte“ sich erübrigen. Jedenfalls ist aber die Darstellung der Leukofarbstoffe durch Rongalitreduzierung eine dankenswerte Bereicherung der histo- logischen Technik, wenn sie auch in der von Unna gedachten Richtung noch keinen vollkommenen Erfolg aufzuweisen haben. Die erste Frucht ist Kreibichs Färbung der marklosen Nervenfasern. X. Einfluss der ultravioletten Strahlen auf die Pseudoperoxydase. Der logischen Folge nach hätte dieser Abschnitt schon nach dem VI. Kapitel erscheinen müssen, doch musste die Besprechung der RW-Reaktion vorangehen, um an die Beringschen mit RW erhobenen Befunde anknüpfen zu können. Kreibich hat mikrochemisch die Vernichtung der Oxydase und Peroxydase durch ultraviolettes Licht mittels dimethyl- paraphenylendiamin-« Naphtol-Reaktion einerseits und der benzidin- monosulfosauere nNa-H20>-Reaktion andererseits nachgewiesen. Nach einviertel- bis einhalbstündiger Bestrahlung je nach der Stärke der Quarzlampe war eine Reaktion nicht mehr zu erzielen. Gefriermikrotomschnitte konnten wegen ihrer ungleich- mässigen Dicke und der Gefahr der Eintrocknung die Verlässlich- keit des Resultates in Frage stellen. Erst Paraffinschnitte, deren Gleichmässigkeit und Dünne einerseits, deren leichte Befestigung Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 167 an der Lampe andererseits einwandfreie Erfolge versprachen, ermöglichten es, den Einfluss des ultravioletten Lichtes auf die Pseudoperoxydase zu studieren. Versuche nach dieser Richtung liegen meines Wissens noch nicht vor. Fr. Bering und H. Mayer bedienten sich der RW-Methode Unnas, um die Schädigung der Peroxydase durch Licht nach- zuweisen, mit Beziehung auf Unnas Mitteilung, dass Oxydase und Peroxydaseorte zusammenfallen. Ein derartiger Schluss ist auf Grund der obigen Auseinandersetzungen nicht gestattet, da wir es Ja in Gewebsschnitten nur mit Pseudoperoxydase zu tun haben. Es ist Bering strenge genommen nur erlaubt, auf Grund der bloss makroskopisch konstatierten nach ein- bis eineinhalbstündiger Bestrahlung auftretenden Abschwächung der Färbbarkeit nach RW-Einwirkung auf eine Abschwächung der Funktion der Pseudo- oxydase, welchen Ausdruck ich nach obigen Auseinandersetzungen verwende. zu schliessen. Eine Peroxydase, die durch Hitze- einwirkung zerstörbar ist, kommt nach meinen bisherigen Ver- suchen den Leukozytengranulis zu. Und diese dürften die Ab- schwächung der Färbbarkeit bei Betrachtung der Schnitte mit blossem Auge nicht veranlasst haben. Vorausgesetzt, dass die Pseudooxydaseorte (Sauerstoftorte Unnas) sich zum Teil wenigstens (für das Kernchromatin nicht unwahrscheinlich) mit absoluter Sicherheit feststellen lassen, dann können Berings Untersuchungen in diesem Sinne gedeutet werden. Zu meinen Untersuchungen wurden ca. 6—S u dicke Schnitte auf die beiden Enden des Objektträgers mit 50°/o Alkohol in der üblichen Weise aufgeklebt, dann ein Schnitt mit Stanniol umhüllt, und der Objektträger mit Heftpflasterstreifen an das Fenster der (Juarzlampe befestigt, so dass der eine mit Stanniol nicht be- deckte Schnitt dem Weisslicht derselben ausgesetzt, der andere aber durch Stanniol vor den Strahlen geschützt war. Bestrahlungs- dauer ein bis zwei Stunden. In allen Fällen zeigte essich, dass die Pseudoper- oxydasereaktion des Kerns nach Bestrahlung im Ver- gleich zum Kontrollschnitt wesentlich abgeschwächt war. Auch trat die Bläuung in bestrahlten Präparaten später auf (Mausschnauze, Niere, Nebenniere). Über die Veränderungen des Plasmas werde ich an anderer Stelle berichten (Nısslschollen, Granula der Mastzellen). 168 Richard Fischel: Gleiche Veränderungen an den Kernen erzielte ich an Trockenaufstrichen von roten Blutkörperchen. Über die stärkere Färbbarkeit ihres Leibes mit Eosin nach 1—2stündiger Quarzlampenbestrahlung, die herabgesetzte Färb- barkeit ihres Kerns für Hämatoxylin wird nach Abschluss der Versuche an anderer Stelle berichtet werden. Auffallend war mir auch die Erscheinung, dass auf der bestrahlten Hälfte des Froschblutpräparates (auch an Menschen- blutpräparaten) die roten Blutkörperchen sofort durch die Bestrahlung fixiert erscheinen, während die unbe- strahlten sich in den Färbeflüssigkeiten auflösten. Es würde den Rahmen dieser nur den intrazellularen oxy- dativen Enzymen gewidmeten Arbeit überschreiten, sollte auf diesen Punkt hier näher eingegangen werden. Es scheint, als ob die ultravioletten Strahlen die Eisen- verbindung, die sehr wahrscheinlich zur Pseudooxydase und Pseudoperoxydase in engster Beziehung stehen, zersetzten und so die Färbbarkeit schädigten. Der Nachweis anorganischen Eisens nach 2stündiger Bestrahlung ist nicht gelungen. Die Verlängerung der Bestrahlungszeit ist in Aussicht ge- nommen. Blausäure 1: 1000 hatte eher einen fördernden, Cyan- kali 1:10000 keinen hemmenden Einfluss auf die Reaktion an (Gewebsmastzellen. Die Braunfärbung der Mastzellengranula im letzteren Falle erklärt sich durch die alkalische Reaktion der Oyanverbindung. XI. Die erste Peroxydasereaktion. Wenn ich nun auf meine ersten Angaben zurückschaue, auf das als Reagens empfohlene benzidinmonosulfosauere Na + H»0> und Kreibichs Modifikationen der Reaktionsflüssigkeit, und die damit gewonnenen Resultate, so ergeben sich kleine Differenzen, die der Überprüfung bedürfen. Kreibich konnte im Gegensatz zu mir mit seiner Modi- fikation weder eine Kernreaktion, noch eine Reaktion des Lympho- zytenleibes, noch eine Färbung der Gewebsmastzellen ') nachweisen. Kreibich hat aber mit verändertem Reagens gearbeitet, da das zuerst von mir benutzte nicht wieder zu erlangen war. Sein !) Diese habe ich jetzt erst mit Hilfe der Tolidinmethode nachgewiesen. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 169 Reagens enthielt reine Salzsäure- (in Alkohol) und Benzidinzusatz. Die von ihm hergestellten mikroskopischen Aufstrichpräparate sind im Gegensatze zur jetzigen Methode haltbar. Aus meinen systematischen jetzigen Versuchen geht deutlich hervor, welchen Einfluss Säueren, z. B. die Oxalsäure und die schon bei der ersten Methode benutzte CO> auf den Ausfall der Reaktion hat. Ver- suche nach dieser Richtung sollen fortgesetzt werden. Ich möchte daher, da mein erstes Präparat nicht mehr hergestellt wird, unter- scheiden: a) die Reaktion mit monobenzidinsulfosauerem Natron — Benzidin — alkohol. HUl + H>20: (Fischel, Kreibich) für hämatologische Untersuchungen geeignet (Laboratorium Adler in Karlsbad); b) Tolidinreaktion (Fischel) für Untersuchung der (rewebe und hämatologische Zwecke. Noch muss ich eines gegensätzlichen Befundes erwähnen zwischen meiner ersten Mitteilung und dieser Arbeit. An Leberaufstrichtrockenpräparaten war nach dem Kochen die Reaktion mit monobenzidinsulfosauerem Na — H>0s nicht mehr nachweisbar, so dass ich glaubte, es in den Kernen mit einer hitzeunbeständigen Peroxydase zu tun zu haben. Wenn man bedenkt, dass Trockenaufstriche an und für sich unregelmässige Resultate geben (Kap. IV) und in Betracht zieht, dass bei Gefrier- schnitten z. B. nach dem Kochen ein höherer H>0.-Zusatz zur Hervorrufung eines positiven Resultates notwendig ist, so mögen diese Umstände vielleicht dazu beigetragen haben, zu dieser jetzt als Fehlmeinung erkannten Anschauung zu gelangen. Auch muss hier noch auf einen Umstand hingewiesen werden. Auf die Zersetzlichkeit des damaligen Präparates. Da die Unter- suchungen an an hohen Temperaturen ausgesetzten Gewebsauf- strichen gegen das Ende der ersten Arbeit fielen, so mag das farbschwächere Präparat an dem schwerer reagierenden gekochten (ewebe weniger wirksam gewesen sein. XII. Einteilung der intrazellulären Oxydations- fermente. Um die bisherigen Resultate der mikrochemischen Forschung der Oxydationsfermente überhaupt zu übersehen und meine Resul- tate zu diesen in Beziehung zu bringen, wird sich am besten die Klassifizierung dieser Enzyme empfehlen. 170 Wir haben gesehen, BößeihrawldeBusteihresie: dass die Peroxydase der einzelnen (sewebselemente auf Temperatureinflüsse verschieden reagiert. Einwirkung. Leukozytengranulaperoxydase wird durch Kochen zerstört. Trockene Hitze wirkt abschwächend, bei 130° zerstörend. Die Peroxydase des Chromatins der Leukozyten ist gegen Kochen resistent, ebenso die Chromatin der übrigen (tewebe. Trockene Hitze von 160 °—180° zerstört sie bei längerer Die Peroxydase des Hämoglobins wird auch durch diese Temperaturen nicht vernichtet. an. Aber auch bezüglich der Quantität des H>O>-Zusatzes sind uns Differenzen der einzelnen Gewebselemente aufgefallen. Die Peroxydase der Leukozytengranula begnügt sich schon mit einem Minimum von H2Os2. (sramm.) Die Kernperoxydase spricht erst bei höherer Konzentration (Hunderttausendstel bis millionstel Die Hämoglobinperoxydase bei noch höheren Konzentrationen, denn oft sind die Kerne schon gefärbt, die roten Blutkörperchen ungefärbt. (renaue Zahlenangaben lassen sich hier schwer beibringen, da sich der Einzelfall verschieden verhält. Die vorläufige Einteilung, die nur mikrochemischen Zwecken auf Grund des vorliegenden Materials dienen soll, würde sich folgendermassen gestalten: Oxydase: . Plasmagranula Oxydase (Gierke) ausserordentlich empfindlich gegen Formol Autolvse, Alkalien ete. . Leukozytengranulaoxydase (Winkler), Speicheldrüsen- granulaoxydase (Schultze) resistenter gegen Formol, Autolyse. Bei 100° zerstörbar (kochen). Pseudooxydase (Fischel- Unna) gegen 100° (kochen) resistent. Kern und Plasma. Peroxydase: . Leukozytengranulaperoxy- dase (Fischel) bei 100° (kochen) zerstörbar. .Chromatin-Plasm3- pseudoperoxydase gegen Kochen 100° resistent; bei 180° Trockenhitze vernichtet (Fischel). Hämoglobinpsendoperoxydase (Buckmaster) gegen Trockenhitze 150° resistent. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 171 Diese Einteilung hat nur einen provisorischen Wert, und kann durch genaue Durcharbeitung (Temperatureinwirkung etc.) gewiss erweitert werden. Neue Methoden werden unsere Kenntnis gewiss erweitern. Insbesondere aber sei Madelungs einheitliche Auffassung der Peroxydasen hervorgehoben; da sich ja auch ın unseren Versuchen nur graduelle Verschiedenheiten bezüglich der Temperaturresistenz und H>03-Zusatz ergeben haben, Differenzen, die durch die Labilität der eisenhaltigen Komplexe erklärt werden könnten. Doch ist es immerhin denkbar, dass andere Stoffe mit wechselnder reversibler Oxydationsstufe solchen Peroxydasen als Basis zugrunde liegen. Wir können daher dem Eisen mit allergrösster Wahrschein- lichkeit, nicht aber mit absoluter Sicherheit eine Rolle bei den „fermentativen“ Oxydationen zuschreiben. XIII. Technische Bemerkungen. Die bereits erwähnten unliebsamen Erfahrungen, die ich mit dem benzidinmonosulfosaueren Natron gemacht habe, veranlassten mich, mir Tolidin ausser von Merk noch von Kahlbaum zu verschaffen. Letzterer sandte ein Präparat „Orthotolidin käuf- lich“, das sich äusserlich vom ersten Merkschen Präparate unter- scheidet; es ist gröber geballt, hat einen Stich ins Rötliche. Doch gibt es ganz brauchbare Resultate. Da ich aber einmal von Merk ein weniger geeignetes Tolidin-Präparat bezog, so hat dieser auf mein Ersuchen ein Präparat: Tolidin für histo- logische Zwecke hergestellt, das von konstanter Zusammen- setzung ist und nach der von mir vorgenommenen Prüfung alle Bedingungen der Reaktion erfüllt. Was die Haltbarkeit des Präparates betrifft, so hat eine mit UO2 versetzte heiss gesättigte wässerige Lösung noch nach 3 Monaten gute Resultate ergeben. Mit dem am 7. Oktober 1912 eingesandten Tolidinpulver war am 27. März 1913 eine einwand- freie Leukozytenreaktion zu erzielen. Tolidin in NaCl-Lösung (oder wässeriger Lösung) mit COs und mit HsO02 versetzt konnte von uns probeweise noch nach 3—4 Tagen mit Erfolg verwendet werden;') jedoch rate ich zu wissenschaftlichen Untersuchungen stets frisch angefertigte !) in offener Epronette aufbewahrt. 172 Richard Fischel: Lösungen zu benützen. Länger als 24 Stunden alte Lösungen habe ich nur ausnahmsweise benutzt. Dass die Pseudoperoxydase bei Leukozytenpräparaten (Auf- strich gonorrhoischen Sekretes) in Formalindämpfen (im Exikator) sich monatelang hält, aber auch bloss lufttrocken bei vor Staub und Licht geschützter Aufbewahrung (Kap. X), war vorauszusetzen. In Alkohol konserviertes Gewebe dürfte durch mehrere Jahre seine Reaktionsfähigkeit behalten. So hat ein Stück eines Granu- loms eines Myeosis fungoides nach 20 jähriger Aufbewahrung in Alkohol positive Pseudoperoxydasen-Reaktion gegeben. Empfehlenswert ist es, wie wir schon betont, zur Sicherheit bei negativer Gewebsreaktion Gonorrhoeaufstriche als Kontrolle vorrätig zu haben. Diese haben mir nie versagt. Die Verwendbarkeit der Methode ergibt sich von selbst. Da sich von den braunen Granulis die blauen Gonococcen (gekochte Präparate) sehr schön abheben, so ist die Frage einer neuen Methode zum (Gonococcennachweis in Betracht zu ziehen. Noch halte ich es für notwendig, mit einigen Worten auf die O. und R. Adlersche Benzidinblutreaktion einzugehen. Da Kern und unter Umständen Plasma der Gewebszellen ebenso wie Blut Pseudoperoxydasenreaktion geben, so erhebt sich die Frage, ob das Kernchromatin nicht auch bei der Adlerschen Reaktion einen positiven Blutnachweis vortäuschen könnte. Ich brauche aber hier nur auf die Arbeit von Bardachzi hinzuweisen, der bei der Ausführung der Benzidinprobe im Stuhl sich bei zahl- reichen vergleichenden Bestimmungen überzeugen konnte, dass die unter gleichen Kautelen vorgenonimene Reaktion beim (re- sunden negativ ausfiel. Damit scheint für klinische Verhältnisse erwiesen, dass die Kern- und Plasmapseudoperoxydase, die von den Darm- epithelien der unteren Darmabschnitte stammen könnte, die Adlersche Blutprobe nicht beeinflusst. XIV. Ergebnisse. Mit Hilfe des Systems Tolidin H2O> (bezw. Benzidin) ist in den neutrophilen Granulationen durch Braunfärbung der Granula das Vorhandensein einer bei 100° zerstörbaren Peroxydase zu er- bringen. In gleicher Weise an der Gruppe der myeloiden Zellen: an den eosinophilen und Myelozyten. Der mikrochemische Nachweis der Peroxydase etc. 173 In den Kernen der Gewebszellen liessen sich meist auf das Chromatin und das Kernkörperchen beschränkte Reaktion durch Blaufärbung nachweisen. Die Peroxydase (Pseudoperoxydase) ist gegen Kochen resistent. Auch in den Granulis der Gewebsmastzellen, dem Plasma der Lymphozyten, Plasma der drüsigen Epithelien, der Drüsen- ausführungsgänge, der Knorpelgrundsubstanz und der Nisslschollen ist eine gegen Kochen resistente Peroxydase auffindbar. Zum Unterschied der im Hämoglobin nachweisbaren Hämo- globinpseudoperoxydase wäre die Peroxydase des Chromatins und Plasmas als Chromatin bezw. Plasmapseudoperoxydase zu be- zeichnen. Die Reaktion des Systems muss eine Spur sauer sein, die Abstufung der Acidität bezw. Neutralisierung und Alkalisierung hat verschiedene Resultate zur Folge und ist bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu berücksichtigen. Auch die Variierung der Hs0s-Konzentration ist von be- deutendem Eintluss auf die Reaktion und bei wissenschaftlicher Zellforschung nicht zu unterlassen. Die Reaktion lässt sich auch an Paraffinschnitten durch- zuführen. Vielleicht gelingt es auch durch entsprechende Regelung der Temperatur des Paraffinofens und kurzem Aufenthalt in dem- selben die gegen hohe Temperaturen (trockene Erhitzung bis 130 °) wenig empfindliche Peroxydase der Granula von Leukozyten auch in Paraffinschnitten zu erhalten. Katalase ist unter Umständen noch in Paraffinschnitten nachweisbar. Ultraviolette Strahlen schwächen die Pseudoperoxydase- reaktion des Kernes bei längerer Einwirkung wesentlich ab. Blausäure (1:1000) und Cyankali (1,0 :10000) vernichten die Pseudoperoxydase nicht. Der negative Ausfall am Trocken- präparat oder Gefrierschnitt an supravitalem Gewebe darf nicht als beweisend angesehen werden, da uns noch unbekannte hemmende Einflüsse sie verhindern können. Kerne embryonalen (sewebes (Leber) reagieren positiv. Soll die Rongalitweissmethode wissenschaftlich einwandfreie tesultate geben, bedarf sie einer Verbesserung. Die durch sie mit grösster Wahrscheinlichkeit in dem Kern nachgewiesene hitzebeständige „Oxydase“ ist als Pseudooxydase analog der Pseudoperoxydase zu bezeichnen. 174 Richard Fischel: Komplexe Eisenverbindungen spielen bei der Wirkung der intrazellulären oxydativen Fermente mit grösster Wahrscheinlich- keit eine bedeutende Rolle. oO 18. 19. Literaturverzeichnis. Adler, O. und R.: Über das Verhalten gewisser organischer Ver- bindungen gegenüber Blut. Zeitschr. f. phys. Chemie, 1904, Bd. XLI, S. 59. Batelliund Stern: Die Oxydationsfermente. Erg. d. Phys., 12. Jahrg., 1312, 3298: Dieselben: Über die Peroxydasen der Tiergewebe. Biochem. Zeitschr., 1908, 13. Bd., S. 44. Bardachzi: Zur Untersuchung des Stuhles auf occ. Blutungen. Wiener med. Wochenschr., 1912, Nr. 41. Bering,Fr.und Mayer, H.: Experimentelle Studien über die Wirkung des Lichtes. Strahlentherapie, 1912, Bd. I, H. 4, S. 411. 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ES KARSTEN ei 7 III. Untersuchungsmaterial und een a a Band DR A LE Bee a 57 SR) IV. Eigene Beobachtungen . . . . 186 1. Mitochondrien bezw. Chondriokenten i in den allen und larvalen Epidermiszellen vor dem Erscheinen der sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde... . . 156 2. Die Entstehung der mitochondrialen Stränge (— der sog. Eberthschen intrazellulären Gebilde) . ........ 19 AMMBTStTESEStadLUmM“., ra ee ee el B-#Zweites’ Stadium) 115 1, OA ERENTO 3. Beschreibung über die mitochondrialen Stränge in den Epidermiszellen an den verschiedenalterigen Larven . . . 198 Aal &eemikanesvibärren; 0. RAN RATE IRRE E98 B32lcmolanperlarvens rn. Meer FA 206 CI 257CmAlange Barven irn 208 D. Larven, an denen die hinteren Extremiti iten gut ent- wiekeltasındasss use. . ...210 E. Larven, an denen die en Brennen ach im Kiemensack verborgen, doch dem Durchbruch nahe sind . F. Verhalten der serondrislen Stränge Dei der Mitose G. Kritische Bemerkungen $ 4. Über die Frage der Epidermis-C utiserenze : A. Eigene Beobachtungen B. Literatur und kritische nein V. Zusammenfassung VI. Literaturverzeichnis VII. Figurenerklärung DD D DD DD u SE EL SE SE Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.]l. 12 1785 Sakae Saguchi: I. Einleitung. Die eigentümliche, fädige Substanz in den Epidermiszellen der Anurenlarven, die von Mitrophanow nach dem Namen ihres ersten Entdeckers die Eberthschen intrazellulären Gebilde genannt wurde, ist das Problem von vielfachen Kontroversen geworden, die auch heute noch keineswegs als erledigt gelten können. Sowohl ihrer Form wie besonders ihrer Bedeutung nach herrschen Meinungsverschiedenheiten unter den Autoren, die diese (Gebilde beobachteten. Dies dürfte wohl die Folge davon sein, dass die einzelnen Autoren verschiedene Entwicklungsstufen der Larven untersuchten und dass die Methoden, besonders die Färbungs- verfahren, die dafür angewandt wurden, zu dürftige waren. um die Sache definitiv zu entscheiden. Ich hoffe, dass ich in der vorliegenden Untersuchung, in der die Gebilde von ihrem ersten Erscheinen bis zum Verschwinden verfolgt, und für deren Dar- stellung, glaube ich, noch bessere Färbungsmethoden angewandt wurden, als es bisher geschehen war, bessere Aufschlüsse geben kann. Auch wurde die Frage über die Epidermis-Cutisgrenze hierbei berücksichtigt, deren entwicklungsgeschichtliche Aufklärung für das Problem der Verbindung zwischen Epidermis und Cutis von grösster Bedeutung Ist. II. Historische Übersicht der Angaben, die bisher über die sog. Eberthschen intrazellulären Gebilde und ähnliche Zellstrukturen gemacht wurden. Zuerst fand Eberth (3) im Jahre 1866 in den Zellen der unteren Epidermislage von jungen Fröschen eigentümliche, glänzende Körper; er schreibt darüber folgendes: „Die Zellen der unteren Epidermislage, die meist von keulenförmiger Gestalt sind und mit ihren spitzen Enden der Cutis auf- sitzen, enthalten sehr sonderbare und bis jetzt nirgends beschriebene Gebilde. Sie sind nur dieser Zellschicht eigen und finden sich nie in dem äusseren Stratum. Diese Körper bestehen aus einer glänzenden, homogenen, colloid- ähnlichen, von Reagentien schwer angreifbaren, ziemlich festen Substanz. Sie ist ein Abscheidungsprodukt des Zellprotoplasmas, das meist in der Umgebung des Kernes zuerst auftritt: Die Gestalt, unter der diese Masse erscheint, ist bald die feiner, leicht gebogener Spindeln in einfacher oder mehrfacher Zahl, bald die von Stäben, dann wieder die von geschlossenen oder offenen runden und länglichen Ringen und grösseren kugeligen Ballen. Statt dieser findet man auch häufig stärkere einfache Fäden mit peitschen- förmigem Anhang oder mehrfach geteilte, gewundene und verschlungene feinere und gröbere Fäden. An vielen dieser Körper erkennt man eine hellere, Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 179 stärker lichtbrechende Rinde und eine weniger glänzende Achsenschicht. Andere scheinen wieder aus feinen, leicht geschlängelten Fibrillen zu be- stehen und zerfasern sich gegen das äussere Ende.“ Das erste Erscheinen dieser Körper beobachtete er an Froschlarven von 3\/a cm Länge. Sie fanden sich auf der ganzen Haut, am reichlichsten am Vorderleib. Das weitere Schicksal dieser Gebilde konnte er indessen nur unvollständig erforschen. Nur soviel sagt er, dass er diese Gebilde bei erwachsenen Tieren vollständig vermisst; bei ganz kleinen Fröschen fand er sie vereinzelt. Die Frage nach der Bedeutung dieser Gebilde musste er un- beantwortet lassen. Bloss vermutet er, dass es sich um verwandte Bildungen, wie sie in der Haut von Petromyzon vorkommen, handele. Viel später sind die gleichen Gebilde von Leydig (12) beobachtet worden. Nach seiner Angabe sind diese Gebilde „in aller mannigfaltigster Weise geschlungen und gewunden, dabei von verschiedener Dicke; oftmals teilen sie sich gegen den Fuss der Zelle zu und lösen sich in Büschel feinster Fäserchen auf. In den meisten Fällen überschreiten die Fäden den Saum der Zelle nicht; doch lassen sich auch Zellen ins Auge fassen, wo der Faden eine Strecke weiter hervorsteht. Haben die Fäden eine gewisse Dicke, so erweisen sie sich bei näherem Zusehen als eine Vereinigung feinster Fäserchen.“ Nach ihm scheinen die Fäden in einem besonderen Raum der Zelle, in einem Sekretbläschen zu entstehen. Er ist der Meinung, dass diese Ge- bilde mit den in der Epidermis der Reptilien vorkommenden Klümpchen von unregelmässiger Gestalt und mattglänzendem Aussehen oder mit dem stark lichtbrechenden, bröckeligen und krümeligen Inhalt von einigen Epithelien der Schleimkanäle des Kaulbarsches, ferner noch mit den Epithelzellen des Fisches Myxine verwandt sein könnten. Ja er geht sogar noch weiter; er vergleicht die fraglichen Gebilde mit den Byssusfäden der Gastropoden oder den Nesselfäden der Zoophyten und bezeichnet die sie enthaltenden Zellen der Froschlarven als „Byssuszellen“. Nach seiner Meinung müssten also diese Zellen die Bedeutung von einzelligen Drüsen haben, die ein stark ätzendes Sekret auf die Hautoberfläche abscheiden. Einige Jahre später beobachtete Pfitzner (20) ähnliche Gebilde eben- falls in den Epidermiszellen der Froschlarven, und zwar nicht nur in den Basalzellen, sondern auch in den oberflächlichen Zellen. Nach seiner Be- schreibung, welcher die durch die Goldmethode erhaltenen Resultate zugrunde liegen, verlaufen die Fäden — so nannte er diese Gebilde — entweder annähernd gestreckt oder biegen dicht an der oberen Zellgrenze um, um sich wieder mehr der Basis zu nähern; ja sie können dann noch eine zweite Krümmung erleiden, so dass das Endstück wieder nach oben gerichtet ist, Der Faden endet mit einer leichten knopfförmigen Anschwellung, während er bis dahin eine gleichmässige Dicke und drehrunde Gestalt besitzt. Im Gegensatz zu den oben genannten Autoren hält Pfitzner die Fäden merkwürdigerweise für Nervenendigungen, von denen jede Zelle mit zwei Ästen versorgt wird. Er glaubte sie bei günstigen Fällen durch das Korium ins Unterhautbindegewebe, ja sogar bis zur markhaltigen Nervenfaser verfolgt zu haben. 12* 150 Sakae Saguchi: Canini (1), der sich, wie Pfitzner, der Goldmethode bediente. erkennt in der tieferen Lage der Epidermis des Froschlarvenschwanzes die von Pfitzner beschriebenen Gebilde wieder; doch konnte er die Regel- mässigkeit, die Pfitzner über die Form und Zahl jener Gebilde angibt, nicht finden. „Ich bemerkte“, sagt er, „zwar auch einzelne Zellen, in denen die Gebilde ungefähr der Pfitznerschen Beschreibung entsprechen, aber in der ungeheueren Mehrzahl tun sie nicht so.“ Nach ihm müssen diese Gebilde sehr verschiedentliche und verwickelte Formen haben, so dass Worte nicht genügen, um von diesen bizarren Formen einen Begriff zu geben. Er seinerseits drückt die Meinung aus, dass seine Präparate der Zeichnung Eberths am nächsten stehen. Obgleich dieser Autor fand, dass die feinen Fäden, von dem breiten, die ganze Basis der Zelle einnehmenden Fuss der Gebilde angefangen, durch das Korium hindurchtreten, sich unterhalb desselben in zwei oder drei Äste teilen und auf diese Weise einen Plexus bilden, wagte er auf Grund solcher Befunde doch nicht, den Fäden die nervöse Natur beizumessen, wie dies Pfitzner tat. In den ergänzenden Bemerkungen zu vorstehender Arbeit Caninis suchte J. Gaule (1) diese Gebilde mit den peripheren Nervenfasern in Ver- bindung zu setzen. Er geht von der bekannten Hypothese Hensens über die Entwicklung der peripheren Nerven aus und glaubt, dass ein sekundärer Nervenplexus, der aus dem Nervengitter Eberths hervorgegangen ist, jene Fäden, die nach Caninı von den Füssen der intrazellulären Gebilde aus- gehen und das Korium durchsetzen. aufnimmt, und dass die Ästchen, welche die Fäden an ihren unteren Enden abgeben, eben einen Teil des sekundären Plexus darstellen. Damit wäre der Gesamtverlauf der Nerven bis zu den intrazellulären Gebilden verständlich ; doch ist ihm vor allem nicht klar, „ob alle Nerven in die intrazellulären Gebilde übergehen“, ebenso ist ihm ungewiss, „ob sie in denselben wirklich enden und nicht vielleicht nur hindurchgehen ?* Ja, er setzt sogar hinzu: „Was die Hauptsache ist, die Erkenntnis der Be- deutung der intrazellulären Gebilde scheint mir noch keineswegs gefördert“. Mitrophanow (18) widerlegt die Behauptungen Pfitzners und Caninis über die nervöse Natur der intrazellulären Gebilde. Da er durch die Goldchlorid-Ameisensäuremethode den subeutanen Nervenplexus und im Zusammenhang mit ihm die interepithelialen Nervenendigungen mit End- knöpfchen elektiv zu färben vermochte, dagegen die intrazellulären Gebilde farblos bleiben sah, so ist er der Meinung, dass das Bild, das Pfitzner für die Nervenendigungen hält, durch die ungenügende Methode verursacht wäre, und dass die Fäden, die Oanini beschreibt, nichts anderes als senkrechte Fasern der Basalmembran seien. Was ferner die Resultate seiner Untersuchung über diese Gebilde be- trifft, so findet er sie im grossen und ganzen in Übereinstimmung mit der Beschreibung von Eberth. Wie die Befunde aber zu deuten seien, weiss er nicht. Nur fügt er hinzu: „Gewiss haben wir es hier mit einem von den rätselhaften Gebilden, von welchen auch Leydig spricht, und welche in anderen Fällen unter verschiedenen Namen (Nebenkern, Dotterkern usw.) beschrieben worden sind, zu tun“. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 181 Kölliker (8) fand ebenfalls an den Batrachierlarven die uns inter- essierenden Gebilde und behauptet auf das bestimmteste, dass die von Pfitzner beschriebenen Formen nur für ganz vereinzelte Fälle passen; dagegen hält er die von Eberth abgebildeten Formen für gewöhnlich, und fand er sogar in der Rumpfgegend noch verwickeltere Formen. Iu betreff ihrer Bedeutung spricht er nichts anderes aus, als dass „dieselben einen eigentümlich geformten Zellinhalt von unbekannter chemischer Beschaffenheit und Funktion darstellen“ Frenkel (5) hält wie Pfitzner die intrazellulären Gebilde für die Nervenendigungen; doch nimmt er in betreff der Entstehungsweise derselben eine ganz besondere Stellung ein. Da in der Epidermis der Froschlarven (er untersuchte Rana esculenta und temporaria), meint er, zweierlei Vorgänge nebeneinander verlaufen: einerseits die Zellen fortwährend aus dem Organismus durch Abstossung entfernt und andererseits neue Zellen gebildet werden, so müssen bei diesem Neubildungs- und Untergangsvorgang die Zellen von innen nach aussen sich verschieben und dabei eine gewisse Umbildung der Zellkerne vor sich gehen. So sagt er: „Mit dieser Umbildung des Kernes steht die Verschiedenheit der Figuren im Zusammenhang, so dass die ver- schiedenen Figuren als verschiedene Stadien der Umbildung einer Grundfigur erscheinen. Umbildung der Zelle, Umbildung des Kernes und Umbildung der Figur sind Teile eines und desselben Vorganges.“ Weiter heisst es: „... in einem gewissen Lebensstadium des Kernes entwickelt sich die Differenzierung der Randschichten desselben zu kugeligen aneinander liegenden Körpern. Diese Randschicht ist das spätere intrazelluläre Gebilde. Indem sie sich chemisch verändert, nimmt sie immer mehr die Reaktion der erwähnten Gebilde an, trennt sich von dem Rest des Kernes und gleicht dann durchaus in ihrem Verhalten denjenigen Figuren, die wir in einem gewissen Zustand mit Nerven in Berührung gefunden haben. Die intrazellulären Gebilde sind also nicht von Anfang an in der Zelle vorhanden, sie entstehen aus dem Kern, und sie entstehen, wenn dieser Kern sich umbildet, wenn mit dem Wachstum eine Vermehrung der Zellen und Zellschichten eintritt.“ Um die Frage: „Was ist aber der Sinn einer solchen Differenzierung und Abtrennung der Randschicht des Kernes zu einem besonderen Gebilde?* zu beantworten, musste er zunächst Gewicht auf die Tatsache legen, dass die Gebilde mit den Nerven in Zusammenhang stehen. Und er ist der Meinung, dass die Zelle als Ganzes mit dem Nerven zusammenhänge. als Elementarorganismus, in den nicht ein anderer hineinragt wie mit einem Haken, um ihn zu dirigieren, Aber wenn die Zelle eben ein partielles Absterben erleidet, wie es nach seiner Ansicht bei der Organisations- und Lageveränderung der Zelle vorkommt, da sondern sich in ihr bestimmte Substanzen aus, die zu dem Nerven in besondere Beziehung treten, und die Ansammlung dieser Substanzen bildet eben das intrazelluläre Gebilde; durch diese Gebilde werden die Zellen, die nach oben sich verlagert haben, mit dem von diesen Zellen weit entfernten Nervenplexus verbunden, und weiterhin können diese Gebilde selbst zu Nerven sich umbilden. In einer in demselben Jahre erschienenen Arbeit beschreibt Macallum (14), dass die Eberthschen Figuren nicht nur in den Basalzellen, sondern 182 Sakae Saguchi: auch in den darauf liegenden Zellen vorkommen können. Die in der Erlicki- schen Flüssigkeit fixierten und mit Nigrosin vorbehandelten Schnitte färbte er mit Safranin; dadurch gelang es ihm, die inter- und intrazellulären Nerven- endigungen gleichzeitig mit den Eberthschen Figuren zu tingieren. Er erwähnt auf Seite 61: „If sections stained with nigrosine are treated with a safranine-solution in the manner already indicated, it will be seen in a large number of cases that one or more red fibrils run to the axis of a figure oft Eberth, which retains its deep stain. If a figure coils around a nucleus, a red fibril will be found to traverse the course of the coil. Most of these fibrils terminate in minute knoblike swellings within the body of the figure itself, or in one of its finer divisions.“ Was die Bedeutung der Eberthschen Gebilde, die er als „sheaths for intracellular nerve terminations“ betrachtet» angeht, so äussert er die folgende Meinung: „... the cells of the inter- mediate and basal layers of the epithelium undergo vital processus much greater than those of the superfical layers or than those of the epithelium of the adult, ... and they almost wholly disappear when the vital energie of the cells containing them are spent, as, for example, at the commencement of resorption of the tail. Do these fact point to the supposition that the figures of Eberth protect the intracellular nerve fibrils from the vital processus, assimilatory or otherweis, of the vigorous cell?“ Cohn (2) entdeckte gelegentlich die den Eberthschen Gebilden ähnlichen Fasern in der untersten Zellschicht der Proteusepidermis, die mit Eisenhämatoxylin behandelt war. Die Fasern stellen rippenartige Ver- diekungen dar, die der Grenzschicht der untersten Epithelzellen in ähnlicher Weise eingelagert sind wie die Langerhansschen Netze der Leydig- schen Zellen. Maurer (15) erwähnt in seiner Monographie nur kurz diese „eigen- tümliche fadenartige Bildung“ und bemerkt, dass sie in keiner Weise mit den Korbzellen der niederen Wirbeltiere (Ammocoetes) sich vergleichen lassen. Mit den intensiven Teilungsvorgängen, die an den sie enthaltenden, glashell erscheinenden Zellen auftreten, verschwinden die spiraligen Fäden im Zell- körper und kommen auch später nicht mehr in irgend welchen Epidermis- zellen zum Vorschein. Bei der Untersuchung über die Zellverbindungen bemerkten Schuberg (26) wie Cohn in den basalen Epidermiszellen des Proteus, die nicht zu den Leydigschen Zellen umgewandelt waren, eigentümliche Einlagerungen, die den von mehreren Autoren beschriebenen Eberthschen Gebilden zu entsprechen scheinen. Nach seiner Beschreibung erfüllen sie „die basale Hälfte der Zellen fast vollständig, umfassen becherförmig den nach aussen von ihnen liegenden Kern und sind gegen das Corium zu meistens in mehrere zugespitzte Fortsätze geteilt, welche sich fast bis in die äussersten Spitzen der in das Corium sich einsenkenden Fortsätze der Zellen selbst erstrecken können“. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass diese Gebilde eine Art Stützelement für das weiche Protoplasma der basalen Epidermiszellen dar- stellen. Dabei betont er ausdrücklich, dass „die Eberthschen Gebilde der Epidermiszellen die Grenze des Coriums nicht erreichen und dass daher eine Verbindung der elastischen Fasern mit diesen Elementen ausgeschlossen ist“. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 183 Neuerdings hat Studni@ka (28) in seiner monographischen Arbeit über die Epidermis der Vertebraten die hier in Frage stehenden Gebilde bei den von ihm untersuchten Anurenlarven gefunden. Er beschreibt sie als „dicke, an Eisenhämatoxylinpräparaten durch ihre dunkle Färbung besonders auffallend hervortretende Fibrillenzüge, die immer in gewisser Entfernung von der minimal dünnen Zellmembran im Innern des locker, und zwar etwas retikulär gebauten Protoplasmas verlaufen und sich dabei immer auf den Bereich einer einzelnen Zelle beschränken. Mit ihrem einen Ende befestigen sich die Fibrillenbündel im Niveau der Basalfläche der Zelle an das Corium, sie umschreiben im Innern der Zelle eine Schlinge und endigen mehr oder weniger deutlich (ob alle von ihnen, kann ich nicht entscheiden) wieder an der Basalfläche der Zelle Fast immer kommen in einer Zelle mehrere solche Bündel, manchmal ... sogar eine grosse Menge von solchen vor“. Auch schreibt er: „Die Fibrillenbündel ... spalten sich in dünne Äste und ver- flecehten sich auf mannigfaltige Weise, wobei sie ihre Selbständigkeit ziemlich zu bewahren suchen. Die einzelnen Fibrillenbündel setzen sich mit kegel- förmig verbreiteten Enden, in denen sich die Elementarfibrillen etwas von- einander entfernen, an der Basalfläche der Zelle an.“ Über die Rolle, die diese Gebilde spielen sollen, spricht er sich dahin aus. dass es sich sicher um Tonofibrillen handelt, die nur zur Befestigung der einzelnen Basalzellen dienen, weil diese Fibrillengerüste nirgends unter- einander sich verbinden. Es dient nach seiner Ansicht dazu, das Corium, das gerade im larvalen Zustande dieses Tieres minimal dick ist, auf irgend welche Weise in seiner Funktion zu stärken. In neuester Zeit hat Loewenthal (13) ähnliche Gebilde in der Schwanzepidermis von 3,8 cm langen Larven gefunden, die in Sublimat- Eisessig fixiert und in toto mit Hämalaun und Eosin vorgefärbt wurden. Nach seiner Beschreibung fehlen diese Gebilde nur an den oberflächlichsten Zellen der zwei- oder dreischichtigen Epidermis. Sie bestehen „aus einer Reihe von scharf gezeichneten Fäden, die mit Eosin zwar nicht besonders intensiv, aber deutlich genug sich färben. Sie haben eine relativ beträchtliche Dicke und eine ganz homogene Beschaffenheit. Von Granulis ist an denselben auch mit Immersionssystemen nichts zu entdecken. Die Konturen der Fäden sind glatt. Bei der Dicke und der vielmehr losen Anordnung derselben können diese Fäden mit dem, was man sonst unter der fadenförmigen Struktur des Protoplasmas (im Sinne Flemmings) versteht, nicht ver- wechselt werden.“ Je nachdem die Zellformen der Basalschicht verschieden sind, weicht auch die Anordnung der Gebilde voneinander ab. In den keulenförmigen Zellen mit dem nach oben zugekehrten Kopf findet er ausser den geschlängelt oder gewunden nach der Längsrichtung hinziehenden, oft büschelförmig oder parallel nebeneinander angeordneten Fäden noch andere, eine quere Richtung annehmende und mit den vorigen also sich nahezu rechtwinklig kreuzende Fäden, die bald in der unmittelbaren Nähe des Kernes, bald in einiger Ent- fernung von demselben gelegen sind. In den anderen, pyramidenförmigen Zellen, die mit der Basis auf der Cutis ruhen, verlaufen die Fäden „haupt- sächlich in der Längsrichtung von dem unteren Zellende nach dem oberen hin 154 Sakae Saguchi: und häufig leicht bogenförmig konvergierend. Die Windungen und Schlingen an den Fäden sind in diesen Zellen weit weniger entwickelt als in den zuerst beschriebenen Zellen. Die Fäden überschreiten in ihrem Verlaufe die Höhe des Kernes und können bis zu dem peripheren Zellende verfolgt werden. In denselben, aber breiteren Zellen wird nicht selten beobachtet, dass die Fäden in der peripheren Zellfläche bogenförmig gewunden in querer Richtung ver- laufen.“ In den Zellen der dritten Art, die zwischen den Basalzellen und den oberflächlichen Zellen eingeschoben sind, haben die Fäden „hauptsächlich eine wellenförmig konzentrische Anordnung um den Kern herum“. Über die Bedeutung und weiteren Schicksale der Gebilde spricht er nichts aus. Es ist ihm unwahrscheinlich, dass die fraglichen Gebilde mit den Nervenenden oder mit den Fadenstrukturen in den Epidermiszellen von Petromyzonten: ferner mit den Mitochondrien in eine Reihe zu stellen seien. Schliesslich sei hier bemerkt, dass Eberth und Müller (4) diese Gebilde mit dem im Pankreas des Salamanders zwischen dem Kern und der Basalmembran vorkommenden sogenannten Nebenkern vergleichen, wie auch Nussbaum (19) dies getan hat. Aus der oben angeführten literarischen Übersicht geht hervor, dass in bezug auf die Deutung der zuerst von Eberth gefundenen, dann von mehreren Seiten vielfach erwähnten so- genannten Eberthschen intrazellulären (Gebilde Meinungsver- schiedenheiten vorliegen. Die Autoren, wie Eberth, Mitrophanow. Kölliker, Maurer und Loewenthal, lassen ihre Bedeutung unentschieden, während Leydig die Fäden zur Sekretion in Beziehung zu bringen sucht. Die anderen Autoren, wie Pfitzner, Canini, Gaule, Frenkel und Macallum, halten die Gebilde für Nerven- endigungen; es wurde diese Ansicht abgeleitet von der bekannten Theorie Hensens über die Entwicklung der peripheren Nerven, die darin besteht, dass jede periphere Nervenfaser die Verbindung zweier Zellen des Hornblattes darstellt, wovon die eine an der Peripherie, die andere im Zentralnervensystem gelegen ist. Die oben genannten Autoren nahmen diese Theorie Hensens auf und wurden demzufolge gezwungen, in den Epidermiszellen die Nervenendigungen herauszufinden. Sie haben dann ihre Aufmerk- samkeit auf die Eberthschen intrazellulären Gebilde gerichtet und glauben, dass sie intrazelluläre Nervenendigungen seien. Eine ganz andere Stellung nehmen die Vermutungen Cohns, Schubergs und Studnickas ein; sie glauben, dass die Gebilde eine Art Stützelement für das weiche Protoplasma darstellen oder das in den Amphibienlarven relativ dünne Corium in irgend einer Weise stützen; ja Studni@ka nimmt sogar an, dass die Uber Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 155 Eberthschen intrazellulären Gebilde Tonofibrillen (Protoplasma- fasern) darstellen, die „in ihrem Vorkommen nur auf einzelne Zellen“ beschränkt sind. III. Untersuchungsmaterial und -technik. Das Material, das mir zur Verfügung stand, waren haupt- sächlich die Larven von Rhacophorus. Die Länge der jüngsten Larven beträgt 9 mm: in den ältesten. die ich untersuchte, waren die vorderen Extremitäten noch in dem Kiemensack verborgen, doch dem Durchbruch sehr nahe. Ausserdem wurden die Larven von Rana esculenta nebenbei benützt. besonders in ihrem jüngsten Entwicklungsstadium. Ich muss gestehen, dass ich an den Rhaco- phoruslarven bessere Resultate erzielt habe als an den Ranalarven. Auch habe ich in diesem Stadium hauptsächlich die Haut der Bauchseite berücksichtigt, in der die oft störend wirkenden Chromatophoren ganz fehlen oder nur vereinzelt vorhanden sind. Als Fixierungsmittel habe ich in erster Linie das von Meves modifizierte Flemmingsche starke Gemisch gebraucht, das be- steht aus: !/sproz. Chromsäure mit Zusatz von 1°/o Kochsalz 15 cem 2 proz. Osmiumsäure . es ge A Dre AEREN Eisessig . . . ERNANNT 3—4 Tropfen Auch ie ni Se re und ar ers angewandt. Die mit Mevesschem Gemisch und Sublimat fixierten Schnitte färbte ich vor allem mit Eisenhämatoxylin, mit oder olıne Nach- färbung durch Plasmafarbstofte, wie Eosin, Säurefuchsin ete. Die Mitochondrien bezw. Chondriokonten und mitochondrialen Stränge (sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde) treten dabei deutlich hervor; doch stehen die mit Sublimat-Eisessig fixierten Schnitte in den Einzelheiten den mit dem Mevesschen Gemisch vorbehandelten bedeutend nach: ebenso habe ich mit der Benda- schen Methode für Mitochondrien schlechtere Resultate erhalten. Einen anderen Teil der Schnitte habe ich mit dem gewöhn- lichen Alaunhämatoxylin und Eosin, und besonders nach der Kromayerschen Methode gefärbt, welch letztere selır schöne tesultate liefert, weil es gewisse, durch die Mevessche Methode oder andere Plasmafärbungen nicht tingierte Gebilde deutlich hervortreten liess. 186 Sakae Saguchi: IV. Eigene Beobachtungen. l. Mitochondrien bezw. Chondriokonten in den embryonalen und larvalen Epidermiszellen vor dem Erscheinen der sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde. Die Epidermis besteht aus zwei Zellenlagen, die am Kopf und Rücken (Fig. 1) hoch, an der Bauchseite (Fig. 2) und am Schwanz niedrig sind. Die Basalmembran (ec), auf der die basalen Zellen ruhen, ist dünn und strukturlos: sie scheint am Schwanz noch zu fehlen, wenigstens ist sie nie deutlich zu sehen. Die Zellen der basalen Reihe weisen entweder flache oder hohe fünf- eckige Formen auf und sitzen mit deren breiter Basis der Basal- membran auf. Der Kern ist gross, meist rundlich, blasig auf- getrieben; er nimmt in der Mitte der Zellen relativ grössere Dimensionen an. Er hat ein oder zwei rundliche, grössere Kern- körperchen und viele zerstreut liegende Körnchen, die nichts anderes als die Knotenpunkte der sehr dünnen Kerngerüste sind. Der Kernsaft nimmt den Farbstoff nur wenig auf. Die Dotter- kügelchen, die in diesem Stadium noch reichlich vorhanden sind, stellen bald grössere, bald kleinere Kugeln dar, die an einigen Stellen durch Haufen von kleinsten Kügelchen repräsentiert sind. Die Zellen der oberflächlichen Lage haben meist abgeplattete Form und füllen die Täler, die zwischen den oberen Enden der basalen Zellen gebildet werden, aus, so dass zwischen beiden Schichten eine ziekzackförmige Linie entsteht. Die Beschaffenheit der abgeplatteten Kerne und der Kernkörperchen ist wie die der basalen Zellen. Die Dotterkügelchen sind meist an den beiden Enden des Kernes gelegen. Die Zellen der beiden Schichten sind durch die Interzellular- brücken, welche die Interzellularräume überbrücken, miteinander verbunden, und die letzteren sind ihrerseits durch die Kittsubstanz, die zwischen den oberen Teilen der oberflächlichen Zellen ein- gelagert und durch Eisenhämatoxylin schwarz färbbar ist, von der Aussenwelt ganz geschieden. Was die Mitochondrien bezw. die Chondriokonten der basalen Zellen betrifft, so erscheinen sie als vielfach geknickte Fäden, die ihren Hauptzügen nach von der Basalmembran gegen die Oberfläche gerichtet sind (Fig. 1 und 4). Sie sind entweder korkzieherförmig oder ziekzackartig oder bogenförmig geknickt; Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 157 unter ihnen kommen auch zuweilen die ziemlich geraden vor. Wenn sie korkzieherförmig verlaufen, so erscheinen sie beim Ein- stellen in irgend einer Ebene als Körnchenreihen. Bewegt man den Fokus mit Hilfe der Mikrometerschraube auf- und abwärts, so überzeugt man sich bald, dass die Körnchenreihen in Wirklich- keit geknickte Fäden sind (Fig. 5 und 6). In einzelnen Fällen, wie dies aus der Fig. 3 zu ersehen ist, erscheinen aber die Fäden doch wirklich als Reihen von Körnchen. Solche Körnchenreihen, die durch Vereinigung der Körnchen mit den dünneren oder dickeren blass gefärbten Zwischengliedern entstanden sind, kommen bisweilen selbständig vor, wie es in einer der Basalzellen in der Fig. 3 gezeigt ist. In anderen Fällen sind die Körnchenreihen mit den Chondriokonten verbunden, so dass die Enden der letzteren allmählich in die ersteren übergehen (Fig. 3 und 11). Diese letztere Erscheinung ist in dem oberen Teil der oberflächlichen Zellen besonders ausgeprägt (Fig. 3). Die geknickten Fäden umfassen den Kern, der verhältnis- mässig gross ist, korbartig. Die dünne Rindenschicht der Zellen, die in die Interzellularbrücken direkt übergeht, und auch die letzteren selbst sind ganz frei von Chondriokonten. Geht der Schnitt durch die Mitte des Kernes, so sieht man bisweilen Fäden, die über oder unter dem Kern horizontal verlaufen und nachher in der vertikalen Richtung sich umbiegen (Fig. 1 und 4). Geht dagegen der Schnitt durch die Oberfläche der Zelle, in der der Zellkern nicht sichtbar ist, so kann man den ganzen Verlauf der Fäden gut übersehen. In solchen Zellen (Fig. 1, 5 und 6) sieht man leicht, dass die Fäden von der Basalmembran gegen die Ober- fläche unter mehrfacher Knickung sich hinziehen; dabei bemerkt man sehr deutlich, dass die Fäden nirgends miteinander sich ver- binden oder sich teilen, sondern stets individualisiert verlaufen ; was Anastomosenbildung zu sein scheint, beruht in Wirklichkeit nur auf einer Übereinanderkreuzung der Fäden. Wenn auch die Fäden vielfache Knickungen erfahren, so ist ihre Hauptrichtung, wie oben angedeutet wurde, nach oben gerichtet (Fig. 4—6). Die nach oben aufsteigenden Fäden biegen sich oft in der Höhe des oberen Endes des Kernes nach innen um, so dass sie über den Kern horizontal verlaufen, wie es Fig. 4 ganz klar zeigt. In den oberflächlichen Zellen, soweit sie zu den kubischen gehören, zeigen die Fäden dieselbe Anordnung wie in den basalen: 188 Sakae Saguchi: doch lassen sich hier Besonderheiten erkennen, derart, dass die ab- steigenden Fäden oft in die aufsteigenden übergehen, wodurch unter dem Kern Schlingen gebildet werden (Fig. S), und dass die Chondrio- konten zwischen dem Kern und der freien Oberfläche einen dichten unentwirrbaren Knäuel bilden (Fig. 1, 3. 7 und 8). Im allgemeinen haben die Chondriokonten der oberflächlichen Zellen einen unregel- mässigeren Verlauf und sind ein wenig dicker als die der basalen. In den platten basalen Zellen (Fig. 2) sind die Chondrio- konten als unregelmässige Fäden in den beiden Seiten des Kernes gelegen; von dort aus können einige über und unter dem Kern horizontal verlaufende Fäden ausgehen. Dies gilt auch von den oberflächlichen platten Zellen (Fig. 2). mit dem Unterschied, dass hier in der oberflächlichen Hälfte der Zellen stets mehr Fäden angesammelt sind als anderswo. Die Länge der Chondriokonten ist in unserem Fall meist bedeutend. so dass oft die Fäden, die von einem Ende der Zell- basis ihren Anfang genommen haben, neben dem Kern vorbei aufsteigend, über den Kern eine Strecke weit horizontal ver- laufen können, wie die Fig. 4 es zeigt. Ausser solchen kontinuier- lichen langen Fäden sieht man auch relativ kürzere; unter diesen letzteren sind wahrscheinlich auch durchgeschnittene Stückchen der langen Fäden enthalten. Demzufolge müssen solche kürzeren Fäden häufig vorkommen in den Fällen, wo der Schnitt durch die Mitte des Zellkernes gegangen ist. Tatsächlich ist dies Ver- halten in unserer Fig. 1 deutlich zu beobachten. Unter den basalen Zellen zeigen einige, die tangential angeschnitten sind, recht lange Fäden, während andere, die durch die Mitte des Zellkernes ge- schnitten sind, viel kürzere, oft punktförmig erscheinende Mito- chondrien in sich einschliessen. Übrigens fiel es mir oft wegen des fast unentwirrbaren Verlaufes der Fäden sehr schwer, die freien Enden der längeren, ja sogar kürzeren Fäden deutlich zu bemerken. Zuweilen scheint das Ende eines Fadens in das eines anderen überzugehen. Selbst jene punktförmigen Mitochondrien gehen oft, wenn man die Mikrometerschraube bewegt, in die anderen Fäden über, oder verlieren sich aus der Schnittebene, um wahrscheinlich mit den Fäden der nächsten Schnitte sich zu verbinden. Die selbständigen Körnchen kommen in unseren Präparaten nicht häufig vor, wie auch Meves (17) in den Zellen des Ekto- derms des Hühnerembryos dies erwähnt hat. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 159 Bei der Mitose lassen die Chondriokonten ihrer Dicke und Länge nach keine bemerkenswerte Veränderung erkennen. Von dem Knäuelstadium bis zum Beginn des Stadiums der Tochter- sterne umgeben sie die Mitosenfigur korbartig und behalten wie vorher ihren stark geschlängelten Verlauf bei (Fig. 9—12). Fig. 9b wurde in der Ebene des Knäuels gezeichnet; hier sieht man kurz geschnittene Fäden um den Knäuel. Wenn man nun den Fokus nach oben verschiebt, so gehen die im ersteren Fall kurz er- schienenen Fäden allmählich zu längeren, mehrfach geknickten Fäden über, die über dem Knäuel gelegen sind (Fig. 9a). In den oberflächlichen Zellen bleibt auch die obere Anhäufung von Chondriokonten noch bestehen (Fig. 12), wie es in dem Ruhe- stadium der Fall war. Zwischen den Chromatinschleifen sind keine Chondriokonten zu sehen. Wenn die Tochtersterne mehr und mehr voneinander sich entfernen, so dringen die Chondrio- konten erst jetzt zwischen die beiden Kerne ein (Fig. 13 und 14). Zur Zeit, wo der Zelleib sich abzuschnüren beginnt, werden oft einige Chondriokonten in diesem verschmälerten Teil so an- geordnet, dass sie nach der Richtung der Zugwirkung von einem Kern nach dem anderen durch die Abschnürungsstelle sich hin- ziehen (Fig. 15—17); doch kommen auch andere Fäden vor, die diese Richtung nicht annehmen, sondern vielmehr mit ihr einen gewissen Winkel bilden (Fig. 15 und 16). Nach der Vollendung der Zellteilung sieht man nicht mehr die Chondriokonten, welche die beiden Tochterzellen miteinander verbinden (Fig. 15 und 19); ob sie vielleicht in das Zellinnere sich zurückgezogen oder nur an dieser Stelle ihre Färbbarkeit verloren haben, muss ich un- beantwortet lassen. Aus der Literatur über die Mitochondrien bezw. Chondrio- konten der Epidermiszellen der Amphibienlarven gehe ich noch auf die Arbeit von Meves (16) und Samssonow (23) ein; beide beziehen sich auf die Urodelenlarven. | Meves (16) fand in den Epithelzellen der Kiemenblätter und der Schwanzflossen von Salamanderlarven sehr feine, kurze, wellig verlaufende Fädchen, die in der Nachbarschaft des Kernes, besonders derjenigen Seite desselben, die der Epitheloberfläche zugekehrt ist, stark angehäuft sind. Er vergleicht diese mito- chondrialen Fädchen mit den von Flemming in frischen Epithel- zellen beobachteten Fäden und hält die Bütschlische Kritik: 190 Sakae Saguchi: „Gekräusel von welligen Fäserchen ohne deutliche netzige Ver- bindungen“, für ganz zutreffend. An demselben Objekt wie Flemming und Meves hat Samssonow (23) auch in den Epithelzellen „teils Körnchen, teils kürzere oder längere wellige Fäden“ gesehen. An den Anurenlarven, wie aus meinen oben angeführten Beobachtungen sich ergibt, erscheinen die Mitochondrien nicht als kurze, sondern im Gegenteil zu den von Meves beobachteten als recht lange Fäden. Doch stimmt seine Angabe mit der meinigen darin überein, dass die wellig verlaufenden Fäden meist in der Nachbarschaft des Kernes gelegen sind, und dass, dies ist besonders wichtig, die Fäden trotz ihrer Knäuelbildung niemals netzige Verbindung eingehen, wie ich oben ausführlich beschrieben habe. Auch hat Meves richtig bemerkt, dass die Fäden be- sonders in der oberflächlichen Seite des Kernes angehäuft liegen; dies entspricht in unserem Fall jenem über dem Kern gelegenen Fadenknäuel, das meistenteils durch Umbiegung der neben dem Kern aufsteigenden gebildet ist, wie dies besonders in den ober- flächlichen Zellen deutlich ausgeprägt ist. Auch kommen unter den Chondriokonten vereinzelt die Körnchenreihen, d.h. die Mitochondrien vor. Ob die Chondrio- konten, die in unserem Fall recht lang sind, aus der Verschmelzung der Körner hervorgegangen sind, kann ich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Allerdings sieht man, dass die jüngeren Zellen, wie die an den Flossensäumen, mehr mit solehen Körnchenreihen besetzt sind als die älteren; ın gewissem Alter der Zellen er- scheinen wieder die Körnchenreihen. die durch das Zergliedern der Chondriokonten gebildet zu werden scheinen, in ausgedehntem Maße und treten zu gewissen zellulären Bildungen in Beziehung, wie ich nächstmals darüber zu berichten Gelegenheit haben werde. Aus diesem Umstand kann man schliessen, dass die Mitochondrien bezw. Chondriokonten keine funktionelle, unveränderliche Zell- struktur darstellen, sondern während der Lebensdauer der Zellen vielfach sich umgestalten können, je nach den Bedingungen, denen die Zellen ausgesetzt sind. Die embryonalen und larvalen Epidermiszellen enthalten bis zum gewissen Alter der Larven als einziges Morphoplasma der- selben nur Mitochondrien bezw. Chondriokonten und nichts mehr. Dies kann man dadurch beweisen. dass, wenn die Chondrio- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 197 konten zu den Bündeln verklebt werden, wie ich weiter unten genauer schildern werde, in dem zwischen solchen Bündeln ge- legenen Raum keine Struktur sich mehr erkennen lässt, so dass es homogen erscheint. Zuletzt sei hier bemerkt, dass die Chondriokonten bei der Mitose keine bestimmte Anordnung erfahren, wie es Meves (17) auch in den Zellen des Hühnerembrvos im Gegensatz zu den Spermatozyten erster Ordnung wirbelloser Tiere beschrieben hat. 2. Die Entstehung der mitochondrialen Stränge (= der sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde der Autoren). Im folgenden beschränke ich mich auf die Schilderung der basalen Zellen, wäbrend ich von den oberflächlichen Zellen einst- weilen absehe. A. Erstes Stadium. In diesem Stadium wird die Anordnung der Chondriokonten in den basalen Zellen, die im vorigen Stadium sehr verwickelt und oft unentwirrbar erschienen war, immer deutlicher in der Weise, dass sie von der Cutis gegen die Oberfläche der Zelle sich in einem fast vertikal gestellten, leicht welligen, oft fast parallelen Verlauf hinauf ziehen (Fig. 21— 24). Was die oberen Enden der so gestellten Chondriokonten betrifft, so passt hier auch die Angabe, die ich im vorigen Kapitel über sie machte: sie enden hier entweder frei oder gehen in einen Bogen, der über dem Kern gelegen ist, direkt über. Ihre unteren Enden scheinen die Cutis zu erreichen, wie aus den Fig. 21-23 und 25 ersichtlich ist. In günstigen Fällen bemerkt man, dass mit ihren unteren Enden die senkrecht gestellten Chondriokonten in solche, die an der basalen Fläche der Zellen horizontal verlaufen, ununterbrochen übergehen (Fig. 22). Die Zellen, welche die eben erwähnte Anordnung der Fäden zeigen, haben kubische oder zylindrische Form, färben sich dunkler und enthalten oft verschlungene Chondriokonten, die zwischen den mehr gestreckten Fäden sich befinden. Die Streekung der Fäden tritt in allen Zellen der basalen Reihe nicht gleichmässig auf, sondern in den verschiedenen Zellen ist das Auftreten solcher Anordnung der Chondriokonten zeitlich sehr verschieden, so dass die letzteren, während sie in den einen 192 Sakae Saguchi: Zellen diese Umordnung erfahren, in den anderen noch auf ihrer ursprünglichen Form mit dem sehr verwickelten Verlauf beharren. Diese zeitliche Verschiedenheit in der Entwicklung der Zellen der basalen Reihe hat eine sehr wichtige Bedeutung für die Auf- gabe der Zellen bei der Schichtenbildung der Epidermis und für die Frage über die Epidermis-Cutisgrenze, worauf ich später ein- gehen werde. B. Zweites Stadium. Der Zustand der oben geschilderten Streckung der Chondrio- konten dauert vielleicht nur kurze Zeit; schnell darauf folgt die „Verklebung“ derselben. Doch setzt in den meisten Fällen der Streckungs- und Verklebungsprozess der Chondriokonten fast gleich- zeitig ein, so dass der erstere Prozess von dem letzteren nur schwer auseinander zu halten ist. Durch die Verklebung der einzelnen CUhondriokonten ent- stehen dort dünne, wellig verlaufende, nach oben immer schmäler werdende primäre „mitochondriale Stränge“, wie ich sie nennen möchte (Fig. 23— 26). In Anbetracht der Kleinheit der Chondriokonten ist es schwer, zu sehen, wie die Verklebung sich vollzieht, und wo dieser Prozess zuerst einsetzt. Allerdings be- merkt man, dass jeder primäre mitochondriale Strang in seinem unteren Ende, wo er die Cutis berührt, mit einigen Fibrillen fächerförmig auseinanderweicht, so dass dadurch der mitochon- driale Strang in seine Bestandteile, d. h. in die Chondriokonten zerlegt wird (Fig. 24—26). Diese fächerförmige Ausbreitung weist darauf hin, dass die unteren Enden der Chondriokonten relativ fest der Cutis anhaften bleiben und dadurch hier dem Verklebungsprozess einen gewissen Widerstand leisten. Die Stränge steigen in welligem, beinahe parallelem Verlauf gegen das oberflächliche Ende der Zelle, wo sie sich allmählich verschmälern. Da die sich verbindenden Chondriokonten in ihrer Länge nicht gleich sind, sondern auf ihrem Wege nach dem ober- flächlichen Teil der Zelle in verschiedener Entfernung von der Cutis enden, so müssen durch ihre Verklebung die nach oben sich allmählich verschmälernden Stränge entstehen. Die meisten Fäden biegen mit ihren oberen Enden nach innen um, um frei zu endigen. Den bogenförmigen Strang, der die oberen Enden der vertikal gestellten Stränge untereinander verbindet, sieht man in diesem Stadium nur selten (Fig. 25). Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 195 Doch bemerkt man oft, dass der Strang einen Ast abgibt, der schräg nach oben ziehend einem anderen Strang sich anschliesst, um daselbst weiter zu ziehen (Fig. 23). In der Folgezeit (Fig. 27”—35) werden die primär verklebten mitochondrialen Stränge immer dicker. Dieses Dickerwerden ist dadurch herbeigeführt worden, dass sie sich mit ihren Genossen wieder verkleben und dass sie selbst immer mehr anwachsen. Diese Verklebung scheint zunächst in den oberen Teilen der primär entstandenen Stränge aufzutreten (Fig. 26) und gegen die Cutis vorzuschreiten, wo die Stränge in einer gewissen Entfernung von der Cutis wieder in einzelne Chondriokonten auseinander weichen, um den Kegel zu bilden, der jetzt sowohl in der Breite wie in der Höhe sich mehr als vorher ausdehnt (Fig. 31—34). Je dicker der Strang wird, desto grösser wird der Konus, desto geringer wird auch die Zahl der Stränge in einer Zelle. Die Stränge haben leicht welligen Verlauf und sind ihrer Hauptrichtung nach stets vertikal gestellt; der letztere Umstand ist wichtig für den Unterschied zum nächstfolgenden Stadium, wo die Stränge meist schief, ja sogar horizontal verlaufen. Das Verhalten der oberen Enden der Stränge ist jetzt deutlich zu sehen. In dem einen Fall biegen sich die oberen Enden nach innen um und scheinen frei zu endigen (Fig. 32 und 33); in dem anderen Fall, wie besonders in den tangential ausgeschnittenen Zellen gut zu sehen ist, geht der Strang, einen Bogen um- schreibend, in das obere Ende des anderen über (Fig. 30); in noch einem anderen Fall teilt sich das obere Ende in zwei gleiche oder ungleiche Äste, von denen entweder beide den Bogen bildend in die oberen Enden der anderen Stränge übergehen (Fig. 29), oder nur der eine Ast denselben Weg nimmt, während der andere schräg nach oben ziehend dem anderen Strang sich spitzwinklig zugesellt, um mit dem letzteren weiter zu ziehen (Fig. 28). Sicherlich sind diese bogenförmigen Stränge von jenen früher besprochenen bogenförmig über den Kern verlaufenden Chondrio- konten abzuleiten, durch deren Verklebung sie entstehen. Auf diese bogenförmigen Stränge lege ich deswegen ein grosses Gewicht, weil sie bei den weiterfolgenden Stadien noch bestehen bleiben und auf weiteren Entwicklungsstufen der Stränge nie zu fehlen scheinen. Der Modus dieser sekundären Verklebung ist sehr mannigfaltig, so dass die dadurch entstandenen sekundären Stränge Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 13 194 Sakae Saguchi: verschiedene Formen aufweisen: in dem einen Fall haben die gebildeten Stränge ungefähr gleichmässige Dicke (Fig. 32); in dem anderen besitzen einige Stränge bedeutendere Dicke, während die anderen noch auf dem Zustand der primären Stränge beharren (Fig. 30). In den beiden Fällen können die Stränge durch den Bogen oder den schräg verlaufenden Verbindungsstrang mit- einander verbunden sein oder nicht. Wenn Dotterkügelchen in diesem Stadium noch übrig ge- blieben sind, so können sie als ein Hindernis bei dem Verklebungs- prozess des Stranges wirken, so dass der Strang mit seinen Fibrillen ein Dotterkügelchen zwischen sich umfasst, wie es die Fig. 35 zeigt. Die Zellen, welche die oben erwähnten Besonderheiten auf- weisen, haben meist beinahe kubische Form; ihr Protoplasma färbt sich im allgemeinen dunkel wie das der Zellen des ersten Stadiums; doch in den Zellen, die in ihrer Entwicklung dem nächst zu schildernden Stadium sehr nahe stehen, ist der basale Teil derselben ein wenig heller als der obere Teil. Er enthält noch Reste von primären Strängen, die sich noch nicht zu den sekundären vereinigt haben, und eine gewisse Menge von Körnchen oder feinfaseriger Substanz, die besonders in der oberflächlichen Hälfte der Zelle angehäuft sind und die dunklere Färbung dieser Stelle bedingen. In dem anderen Fall findet man anstatt dieser feinfaserigen Substanz oft gut erkennbare geknickte Chondrio- konten (Fig. 35). Der Kern, der, wie in dem vorigen Stadium, ziemlich gross und rundlich ist, hat seine Lage meist in der Mitte der Zelle und ist von den mitochondrialen Strängen. um- schlossen. Wie oben geschildert wurde, nehmen die Mitochondrien bezw. Chondriokonten der basalen Epidermiszellen der Anurenlarven in gewissem Alter derselben (schon bei 1,4 cm langen Larven) einen mehr gestreckten Verlauf, so dass sie sich gegen die Hautoberfläche vertikal orientieren. In der Folgezeit verkleben diese orientierten Ohondriokonten mehr und mehr, wie wir es schon präzisiert haben. Ich habe das Wort „Verklebung“ absichtlich gewählt und oft gebraucht, und jetzt auch muss ich ausdrücklich betonen, dass es sich hier keinesfalls um direkte Verbindung oder Verschmelzung, sondern um dichte Nebeneinanderreihung der Chondriokonten handelt. Zum Beweis für die letztere Annahme führe ich folgende Punkte an: erstens sieht man schon in dem ersten, noch deut- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 195 licher in dem zweiten Stadium der mitochondrialen Strangbildung, wie das untere Ende der Stränge in seine Bestandteile, d. h. in die einzelnen Chondriokonten zerlegt wird; dabei bemerkt man, dass der Konus der primären Stränge, der verklebten Zahl der Chondriokonten gemäss, nur aus einigen Fäden besteht, während der sekundäre Strang, der ziemlich dick ist, einen grösseren Konus aufweist, so dass auseinander weichende Fäden in grösserer Zahl vorhanden sind. Auch ist jener schräg verlaufende Verbindungs- strang keinesfalls eine Verbindung im strengen Sinne des Wortes, sondern nur eine Verklebung, so dass die mit einem Strang ver- klebt verlaufenden Fäden von ihm getrennt, selbständig geworden sind und dann einem anderen Strang sich anschliessen, um mit ihm sich verklebend weiter zu ziehen. Dann kann man in dem ziemlich dicken Strang direkt beobachten, dass er feine Strichelungen zeigt, die nichts anderes als die verklebten Chondriokonten selbst sein können. Endlich ist es wichtig zu sehen, dass der Strang sowie die Spitze des Konus in der Endphase des zweiten Stadiums wegen der später zu schildernden Ursache oft nach der Seite sich neigen kann. so dass das gleichschenkelige Dreieck des früheren Konus sich jetzt mehr dem rechtwinkligen nähert, wie die Text- figuren 1 und 2 es zeigen. Da bei dieser Formänderung des Fig. 1. Fig. 2. Konus die der Senkrechten näher liegenden Chondriokonten immer kürzer sind als die an die Hypothenuse grenzenden, so muss man annehmen, dass die Chondriokonten, die den Strang zusammen- setzen, bei diesem Prozess sich nebeneinander verschoben haben. Diese Verschiebung der Chondriokonten, scheint mir, muss ein wichtiger Beweis dafür sein, dass die Chondriokonten bei der Strangbildung niemals miteinander verschmelzen, sondern nur verklebt sind. 13* 196 Sakae Saguchi: Aus den oben angeführten Tatsachen geht hervor, dass die Stränge, wenn sie auch oft von einer homogenen Masse gebildet zu werden scheinen, wie von mehreren Autoren angenommen worden ist, in Wirklichkeit eine Metastruktur besitzen. Über die Ursache, welche die Verklebung der Chondrio- konten veranlasst, kann ich nichts Bestimmtes aussagen. Da die Stränge, wie ich weiter unten schildern werde, zu den verschiedenen Zellstrukturen oder den Ausscheidungsprodukten im weiteren Sinne umgewandelt werden können und nach ihrer färberischen Reaktion sich nicht anders verhalten als die Mitochondrien bezw. Chondrio- konten selbst, so kann man mit Recht annehmen, dass die Stränge nur verklebte Mitochondrien, bezw. Chondriokonten sind. Warum haben sich nun die Chondriokonten zu dem Bündel verklebt? Warum können sie nicht einzeln getrennt geblieben sein? Um auf diese Frage eine Antwort zu geben, muss man zuerst die weiteren Schicksale der verklebten Stränge betrachten. In den Epidermiszellen der Anurenlarven, so viel ich aus meinen Be- obachtungen schliessen kann, beteiligen sich die mitochondrialen Stränge einerseits an der Bildung des einen Teiles der Cutis und der Tonofibrillen, andererseits lösen sie sich auf gewissen Ent- wicklungsstufen der Tiere entweder auf oder werden zugunsten der bald erscheinenden Chondriokonten zerlegt. Diese verschieden- artige Umwandlung der mitochondrialen Stränge in der weiteren Entwicklung der Larven weist darauf hin, dass sie keine fertige, funktionelle, bleibende Zellstruktur, sondern vielmehr „das den Difterenzierungsprozessen zugrunde liegende materielle Substrat darstellen, welches in den spezifischen Substanzen der verschiedenen Gewebe different wird“, wie Meves (17) sich hinsichtlich der Chondriokonten ausgedrückt hat. Wie später geschildert werden wird, sieht man in den basalen Epidermiszellen anfangs noch keine fertigen Gebilde, die als Stütz- elemente bezeichnet werden können. Erst in einem gewissen Larvalstadium, wo die hinteren Extremitäten gut entwickelt sind, erscheint in der Peripherie der Epidermiszellen (an der Bauch- haut) eine dünne, mit Säurefuchsin sich rot färbende Membran, die nichts anderes als der erste Anfang des Exoplasmas sein kann. Dieses Exoplasma müsste, wie auch Studnicka (25) annimmt, ausschliesslich aus Tonofibrillen bestehen und daher für die Be- festigung der Epidermiszellen eine wichtige Rolle spielen. Von - Uber Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 197 dem Stadium, wo die mitochondrialen Stränge erst zu entstehen beginnen, bis zum Stadium, wo die Exoplasmabildung einsetzt, dauert es nicht weniger als einen Monat. Während dieser recht langen Zeitdauer entbehren die Epidermiszellen der Stützelemente. Da die Larven schon früh im Wasser sich bewegen und dadurch ihre Epidermis gewissen Zug- und Druckverhältnissen ausgesetzt wird, so müssten die geknickten Chondriokonten der Spannung der Epidermiszellen gemäss orientiert werden. Die im Zellplasma orientierten Fäden verkleben leicht miteinander, so dass die mito- chondrialen Stränge entstehen, die nichts anderes als die von mehreren Autoren oft beschriebenen, doch in ihrer Natur bis jetzt rätselhaft gebliebenen sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde sind und dem weit vorgeschrittenen Stadium unserer sekundären Stränge entsprechen. Einmal gebildet, richtet sich die Anordnung der Stränge nach der Form und Lage der sie enthaltenden Zellen, so dass verschiedentliche Formen entstehen, die seit langer Zeit oft be- schrieben wurden und die auch ich in meinen Tafeln abbilde. Mit der Strangbildung werden die Chondriokonten, die in den basalen Zellen der larvalen Epidermis nur ein einziges Form- gebilde darstellen und nichts anderes als die Filarmasse Flemmings sind, wie es Meves und Samssonow schon behauptet haben, und worin auch ich mich ihnen anschliessen möchte, allmählich ver- braucht bis zum fast vollständigen Schwund, wie später geschildert werden wird. Die Zellen erscheinen dann heller, wasserklar, haben keine Struktur. In solchem weich aussehenden, resistenzlosen Zellplasma dürften wohl die mitochondrialen Stränge als Stütz- gerüst dienen: doch möchte ich behaupten, dass sie nicht gebildet wurden, um die relativ weichen Epidermiszellen dieser Tiere zu befestigen, sondern dass umgekehrt dass Weichwerden der Zellen als Folge der mitochondrialen Strangbildung betrachtet werden muss. Mit dem Erscheinen des Exoplasmas werden die mito- chondrialen Stränge immer schmäler und verschwinden zuletzt. Dieser Umstand lässt sich dadurch erklären, dass einerseits ein Teil der mitochondrialen Stränge zur Exoplasmabildung verbraucht, und andererseits ein gewisser Teil derselben zu Chondriokonten zerlegt wird, weil hier, wo das Exoplasma für die Befestigung der Epidermiszellen gebildet ist, jene Stränge, die in gewissem Sinne als Stützgerüst gedient hatten, nicht mehr gebraucht werden. 198 Sakae Saguchi: Wenn ich meine Meinung kurz zusammenfasse, so stellen die mitochondrialen Stränge (d. h. die sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde der Autoren) verklebte Chondriokonten dar, die nach der Form und Lage der sie enthaltenden Zellen sehr verschiedentliche Anordnung zeigen. Über die Ursache soleher Strangbildung liegt die Vermutung nahe, dass die Epidermiszellen schon früh, ehe die Tonotibrillen gebildet worden sind, den Zug- und Druckverhältnissen ausgesetzt werden, welche die Orientierung der Uhondriokonten zur Folge haben. Diese orientierten Chondrio- konten verkleben mehr und mehr miteinander, so dass die mito- chondrialen Stränge entstehen. Mit dieser Strangbildung wird das einzige Morphoplasma der Epidermiszellen im larvalen Stadium, d.h. die Chondriokonten selbst allmählich verbraucht; die Zellen werden homogen, weich. so dass sie die gebildeten Stränge als Stützgerüst für sich zu Hilfe ziehen müssen. 3. Beschreibung der mitochondrialen Stränge in den Epidermiszellen anden verschiedenalterigen Larven. A. 1,4 cm lange Larven. Ich sehe mich genötigt. zur Beschreibung dieses Stadiums zuerst die Hautstelle, die pigmentfrei ist (z. B. die Bauchhaut), zu wählen. Die Epidermis besteht aus zwei Lagen von Zellen: der basalen und der oberflächlichen; von der Beschreibung der letzteren sehe ich hier ab. — Man kann drei Arten von basalen Zellen je nach ihrer Form und naeclı der verschiedenen Entwicklungsstufe der mitochondrialen Stränge, die in ihnen eingeschlossen sind, unterscheiden. Die Zellen der ersten Art (Fig. 20 I, Fig. 24—26 und 58) weisen meist die Form eines Kegels auf, der mit der mehr oder weniger verbreiterten Basis auf der Cutis liegt. Sie enthalten meist vertikal verlaufende feine mitochondriale Stränge in dem primären Stadium der Verklebung. Diese verlaufen fast parallel zueinander und sind dicht unter der Oberfläche der Zellen gelegen, wie Fig. 20 I und 58 und besonders Fig. 59b I, wo die Zellen quer geschnitten sind, es deutlich zeigen. Sie erreichen unten die Cutis, während sie oben über dem Kern allmählich ver- schwinden. Was diesen Zellen eigentümlich ist, ist jenes Ge- bilde, das auf der Cutis dicht anliegend, die basale Fläche der Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 1939 Zellen umsäumt. Die Natur und das weitere Schicksal desselben werde ich im Kapitel über die Frage der Epidermis-Öntisgrenze genauer behandeln. Die Zellen dieser Art sind dunkler gefärbt, enthalten oft kurzstäbige oder längere fädige Mitochondrien. Der Kern ist meist gross, rundlich oder in der vertikalen Richtung länglich, beansprucht für sich eine grössere Dimension des Zelleibes. Die Zellen der zweiten Art (Fig. 20 II und 27—35) haben kubische oder fünfeckige Form, ruhen mit der Basis auf der Cutis. Die mitochondrialen Stränge dieser Zellen stellen das zweite Stadium der Strangbildung dar, worüber schon oben genauer gesprochen wurde. In der basalen Fläche sieht man zuweilen jenes oben angedeutete Gebilde, das hier sehr dünn, oft fast nicht zu bemerken ist, und daraufliegende horizontal verlaufende mitochondriale Stränge, die häufig in die vertikal gestellten umbiegen. Die Zellen sind dunkler gefärbt, doch heller als die der ersten Art. Sie enthalten körnige Einschlüsse, die um den Kern sich anhäufen und nichts anderes als geknickte Chondriokonten sind. Der Kern ist gross und rundlich, füllt den grösseren Teil des Zelleibes aus, färbt sich heller als das Protoplasma. Die Zellen der dritten Art (Fig. 20 III, III‘ und 36—57) sind dadurch ausgezeichnet, dass sie deutliche mitochondriale Stränge enthalten. Diese Stränge unterscheiden sich auf den ersten Blick von den schon beschriebenen dadurch, dass die Bündel meist dicker sind als die sekundären und dass die Richtung derselben, wenn auch nicht in allen Fällen, meist eine schräge ist, während die sekundären Stränge vertikal verlaufen, wie schon oben gezeigt wurde: also haben die früheren sekundären Stränge jetzt eine gewisse Umordnung erfahren. In vertikalen Schnitten der Haut finden sich stranghaltige Zellen in zwei verschiedenen Formen. In einem Fall treten die Zellen in grossen, mehr in querer Richtung sich ausdehnenden rechteckigen Formen auf (Fig. 20 III und 36—55), während sie in dem anderen Fall von kleiner Kegelform sind mit nach oben gekehrter Basis und nach unten, gegen die Cutis gerichteter Spitze (Fig. 20 III’ und 56 und 57). Diese beiden Bilder stellen nicht zwei Arten der Zellen dar, sondern sind dieselben Zellen, die je nach der Schnittrichtung sich so verschiedentlich verhalten. 200 Sakaec Saguchi: Dies kann man leicht dadurch beweisen, dass, wenn man nach dem Einstellen auf irgend eine kegelförmige Zelle den Fokus mit Hilfe der Mikrometerschraube auf- und abwärts bewegt, oft die Kegelform in die rechteckige übergeht. Dem Gesagten zufolge weisen die Zellen, die mit deutlichen Strängen durchsetzt sind, die Form eines grösseren, länglichen, mit seiner Kante nach unten gegen die Cutis zugekehrten Keiles auf. Wenn der Schnitt parallel zu der breiteren Fläche dieser keil- förmigen Zellen geht, so erhält man rechteckige Form. Werden dagegen die Zellen senkrecht zu ihrer Längsachse geschnitten, so tritt die kegelförmige Zelle auf, die mit ihrer Spitze die Cutis berührt. Der in dem oberen Teil der Zelle verschobene Kern hat abgeplattete und längliche Form. Die Zellen der dritten Art zeigen, wie oben angedeutet wurde, deutliche mitochondriale Stränge, in denen die Verklebung jetzt noch mehr vorgeschritten ist als vorher. Die Form und Anordnung der Stränge ist sehr mannigfaltig und es würde eine unnütze Arbeit sein, dies einzeln zu schildern. Daher sei es angezeigt, nur die Typen, unter denen diese mannigfaltigen Figuren gruppiert werden können, hier zu beschreiben. I. Typus (Fig. 36—40). In diesem Typus sind die gesamten sekundären Stränge zu einem Bündel verklebt; demzufolge ent- steht dort ein grosser Kegel, der mit der Basis auf der ganzen oder fast ganzen Basalfläche der Zellen sitzt, während seine Spitze seitlich von dem Kern abgelenkt ist; der Kegel ähnelt jetzt dem rechtwinkligen Dreieck (Fig. 36— 38), so dass das unter dem Kern schräg verlaufende Bündel die Hypotenuse desselben bildet. Die Chondriokonten, die den Kegel zusammensetzen, sind entweder gleichmässig verteilt (Fig. 37), oder in mehrere kleine Bündel getrennt (Fig. 36 und 35—40). Die Spitze der Kegel setzt sich meist in einen dünnen Strang fort, der sich bald unseren Augen entzieht (Fig. 36) oder über den Kern eine Strecke weit verläuft, um dann zu verschwinden (Fig. 37). In einem anderen Fall kann man oft sehen, dass der über den Kern verlaufende dünne Strang an dem anderen Pol des Kernes ununterbrochen in einen vertikal verlaufenden, ebenfalls dünnen Strang übergeht, um wieder die Cutis zu erreichen (Fig. 33 —40); dadurch wird jener Bogen ge- bildet, der schon bei der sekundären Strangbildung uns bekannt ist. Ausserdem sieht man oft von dem Strang dünne geknickte Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 201 Fäden ausgehen und in das in diesem Stadium um den Kern sich anhäufende Fadenknäuel übergehen, das nichts anderes als der Rest der geknickten Chondriokonten selbst ist (Fig. 39). II. Typus (Fig. 41—43). Hier haben die sekundären Stränge sich zu zwei fast gleich grossen Kegeln vereinigt, deren Spitzen entweder zu beiden Seiten des Kernes (Fig. 41 und 42a) oder auf einer und derselben Seite desselben gelegen sind (Fig. 42 b). Das obere Ende des Kegels ist meist einwärts umgebogen, endet über dem Kern frei (Fig. 42a) oder ist durch einen (Fig. 41) oder zwei (Fig. 43) Bogen mit dem Ende des anderen verbunden. Solche Verbindungsfäden verlaufen meist über den Kern, in einzelnen Fällen um den Kern. Ill. Typus. In diesem sind mehrere (drei und mehr) gleich oder ungleich grosse Kegel vorhanden, deren Spitzen, wie in dem oben geschilderten, entweder frei enden oder durch einen dünnen Strang, der um den Kern einen Halbkreis bildet, mit- einander verbunden sind (Fig. 44). Dieser Typus ist nicht häufig zu sehen. IV. Typus. Bei den drei oben genannten Typen können die Stränge unschwer auf die sekundären Stränge zurückgeführt werden, von denen die ersteren abgeleitet wurden. Werden die sekundären mitochondrialen Stränge zu zwei gleich oder ungleich grossen Strängen mit oder ohne Erhaltung der bogenförmigen Stränge vereinigt. so entstehen der zweite Typus und ein Teil des ersten. Werden dagegen die sekundären Stränge nicht mehr vereinigt, sondern die sie enthaltenden Zellen in demselben Zu- stand der Verklebung sich weiter entwickeln, so entsteht der dritte Typus, bei dem die früheren bogenförmigen Stränge zu einem den Kern umkreisenden Faden sich umgewandelt haben. Dem oben angeführten gegenüber ist der vierte Typus der am meisten entwickelte. Allerdings bezieht sich dieser Typus auf die oben geschilderten drei Typen, von denen er als abgeleitet zu betrachten ist. Es handelt sich hier vor allem um die Bildung des Bogens, der den Kern von unten umfasst. Dieser Bogen steht zu jenem Bogen, der von den bogenförmigen Fäden der sekundären Stränge hervorgegangen und über dem Kern gelegen ist, in keiner Bezieliung; doch der letztere kann durch das Zugesellen der Stränge, die sonst den gleich zu schildernden Bogen bilden, ver- stärkt werden. 202 Sakae Saguchi: Den Anfang dieser Bogenbildung zeigt die Fig. 45. Auf dieser Figur sieht man, dass die einander gegenüber stehenden Seiten der Kegel durch einen dünnen Strang (B), der anfangs aus einigen Chondriokonten zu bestehen scheint, miteinander ver- bunden sind. Die beiden Enden dieses Verbindungsstranges gehen ununterbrochen in die Chondriokonten, die den Rand des Konus besäumen, über, um mit dem Hauptteil des Konus gegen die Spitze desselben zu ziehen. Dieser zuerst dünne Verbindungsstrang wächst mehr und mehr durch das Zugesellen weiterer Fäden zu einem starken Bündel heran (Fig. 46 und 47), während die früheren breiten Kegel immer mehr sich reduzieren, so dass sie oft durch sehr dünne Stränge repräsentiert werden (Fig. 48). Doch in recht vielen Fällen behalten die Kegel trotz der starken Bogenbildung mehr oder weniger ihre ursprüngliche Ausdehnung bei (Fig. 47). Ferner sieht man oft oben genannte Bogenbildung in den Zellen, welche die Stränge des dritten Typus in sich einschliessen, wie Fig. 49 und 50 B es zeigen. In den einzelnen Fällen, wo ein die ganze Zellbasis einnehmender Konus vorhanden ist, sieht man oft, dass von dem oberen Rand des Konus ein Strang entspringt, der nach oben verlaufend entweder frei endet (Fig. 51 B) oder mit dem von der anderen Seite des Kernes kommenden zugespitzten Ende des Konus über dem Kern zum Bogen sich vereinigt (Fig. 52 und 53 B). Das untere Ende des betreffenden Stranges, wo es mit dem Konus sich verbindet, biegt sich um, um, den oberen Rand des Konus besäumend, gegen die Spitze desselben zu ziehen (Fig. 51—53). In solchen Zellen, die quer zu ihrer Längsachse geschnitten sind, also kegelförmige Gestalt mit nach unten zugekehrter Spitze aufweisen (Fig. 20 III’ und Fig. 56, 57), sieht man den Kegel nicht in seiner ganzen Ausdehnung, sondern nur seine Kante, so dass der Strang in der Form einer einfachen Spindel (Fig. 56) oder einer Gabel (Fig. 57) erscheint. Die oben geschilderten vier Typen stellen die Vertreter der in den Epidermiszellen der dritten Art vorhandenen mitochon- drialen Stränge dar, die, wenn sie auch so verwickelt sind, dass sie oft fast unlösbar erscheinen, auf einen von ihnen zurückgeführt werden können. Worauf beruht nun diese Umordnung der mitochondrialen Stränge? Wie sind sie von den schon früher geschilderten sekun- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 205 dären Strängen, die den senkrechten, miteinander fast parallelen Verlauf gezeigt haben, abgeleitet ? Um die Ursache dieser Umordnung zu erforschen, würde es nötig sein, die Formänderung der die sekundären Stränge ent- haltenden Zellen in der weiteren Entwicklung der Larven zu berücksichtigen. Die Formänderung der basalen Epidermiszellen besteht darin, dass die eine Zelle in ihrem basalen Teil allmählich verschmälert wird, während die andere. benachbarte Zelle, die der oben- genannten ersten Art angehört, ihre Basis mehr und mehr ver- breitert. Diese Verschmälerung der Basis vollzieht sich nicht nach allen Seiten des Raumes, sondern von den einander gegen- überliegenden Seiten, während sie in den anderen Richtungen nicht stattfindet. Als Folge solcher Verschmälerung entsteht eine an einen Keil erinnernde Zelle, die mit ihrer Kante der Cutis an- haftet, wie schon oben beschrieben wurde. Es sei hier bemerkt, dass die Kante nicht immer geradlinig oder bogenförmig, sondern häufig drei-, vier- oder fünfstrahlig ist, so dass eine solche keil- förmige Zelle nicht nur durch zwei, sondern durch drei, vier oder fünf Zellen hindurch gedrängt wird. Die Zelle ist auch länglicher geworden als vorher, wo sie sekundäre Stränge gezeigt hat. Dieses Verhältnis kann man gut übersehen, wenn man Flächenschnitte anfertigt. An solchen Schnitten (Fig. 59 a) wird man beobachten, dass die längliche, hellerscheinende, mit deutlichen Strängen be- setzte Zelle (III) zwischen den dunkler gefärbten Zellen (I), die dem ersten Typus angehören, eingelagert ist. Wenn man nun den Fokus mit Hilfe der Mikrometerschraube nach unten bewegt, so wird man sich bald davon überzeugen, dass die beim höheren Einstellen relativ breit gewesene Zelle der dritten Art dabei immer schmäler wird, während die benachbarten dunkleren Zellen ihre Basis verbreiterten (Fig. 59 b I), so dass zuletzt drei-, vier-. oder fünfstrahlige Linien entstehen, an denen das untere Ende des Konus der Cutis anhaftet (Fig. 59 b Ill ts‘). Als Folge der oben genannten Verschmälerung des basalen Teiles muss natürlich eine Verlagerung und Abplattung des Kernes herbeigeführt werden. Auf die verschiedene Wachstumsenergie der basalen Epider- miszellen, als deren Teilerscheinung vielleicht das Breiterwerden der Basis der einen Zellen und die Verschmälerung der anderen 204 Sakae Saguchi: zu betrachten wäre, hier einzugehen, wird zu weit führen. Ich beschränke mich nur auf eine Hervorhebung des ursächlichen Moments, das wahrscheinlich mechanisch wirken muss. Mit dem Vorschreiten der Strangbildung werden die Chon- driokonten mehr und mehr zu Bündeln vereinigt. Dieser Prozess ist in dem basalen Teil der Zelle ausgesprochen, so dass zuletzt zwischen den Strängen kein Morphoplasma mehr vorhanden ist. Es erscheint jetzt hier homogen, entbehrt der Stützgerüste der Zelle, wenn es auch von den mitochondrialen Strängen durchsetzt ist. Da die letzteren wellig verlaufen und einen gewissen Spiel- raum haben, um gespannt zu werden, so würden sie selbst in diesem Fall gegen den Seitendruck keinen Widerstand leisten. Dieser Umstand muss sicher eine wichtige Ursache der Ver- schmälerung des basalen Teiles sein. 3 Mit dieser Verschmälerung des basalen Teiles der betreffen- den Zellen setzt auch in ihrer inneren Struktur, in den Chondrio- konten bezw. in den mitochondrialen Strängen eine gewisse Umordnung ein. Wie oben schon gezeigt wurde, umfassen die sekundären mitochondrialen Stränge, die vertikal verlaufen, in dem peripheren Teil der Zelle den Kern, wie Fig. 27—34 und Fig. 59 UI, in welch letzterer die Zelle der zweiten Art quer ge- schnitten ist, es deutlich zeigen. Wird nun diese Zelle von den einander gegenüberliegenden Seiten gedrückt, so müssen die mitochondrialen Stränge von dieser gedrückten Stelle nach den nicht gedrückten Seiten abgelenkt und dort miteinander verklebt werden. Da die Zahl der nach beiden Seiten abgelenkten Stränge verschieden sein kann, so entstehen die in Fig. 36—43 abgebildeten verschiedenen Möglichkeiten. Auch bleiben bei dieser Strangbildung ein, zuweilen zwei Bogen, die schon bei der sekundären Strang- bildung vorhanden waren, über dem Kern erhalten (Fig. 35 — 43). Jetzt muss man daran denken, dass mit der Verschmälerung des basalen Teiles die basale Fläche der Zelle immer kleiner wird. Durch diese Verkleinerung der basalen Fläche müssen folglich die unteren Enden der Stränge in einigen Stellen von der Cutis abgetrennt und frei werden. Diese abgehobenen Chondriokonten verkleben mit den noch in Verbindung mit der Cutis stehenden Strängen, so dass die letzteren immer dicker werden. Ausser diesem Modus der Verklebung gibt es noch andere. Wenn nun die Chondriokonten, die mediale Ränder der zwei einander gegen- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 205 überstehenden Kegel besäumen, abgehoben werden, so tritt der oben genannte Strang auf, der die medialen Ränder miteinander verbindet (Fig. 45—50B). Dieser Verbindungsstrang ist anfangs sehr dünn; er wird durch Zugesellen der neu frei werdenden Chondriokonten immer dicker, so dass zuletzt der mächtige Bogen- strang, der den Kern von unten umfasst, gebildet wird (Fig. 47 und 48B). Dieser Bogen bildet mit jenem Bogen, der schon bei der sekundären Strangbildung entstanden, noch in diesem Stadium bestehen bleibt und über dem Kern verläuft, einen Kreis um den Kern (Fig. 48). Wenn in dem anderen Fall, wo nur ein Kegel mit breiter Basis vorhanden ist, die Abhebung der Chondriokonten an einer Seite des Kegels vor sich geht, so werden die frei gewordenen Chondriokonten nach oben umgeschlagen. so dass die Spitze nach der Oberfläche zugekehrt ist (Fig. 51B und 52B). Dieser umgeschlagene Strang kann nachher an der Bildung des Ringes sich beteiligen (Fig. 52 und 53B). Aus der oben angeführten Darstellung geht hervor, dass bei der Verschmälerung der Zellbasis, die durch den Druck benachı- barter Zellen herbeigeführt wird, in den betreffenden Zellen zwei wichtige Vorgänge in die Erscheinung treten, nämlich: die Ver- schiebung der sekundären Stränge und die Abhebung des einen Teiles des Konus. Beide Vorgänge ziehen ja den Verklebungs- prozess nach sich. Diese Verklebungen zusammen möchte ich „tertiäre Verklebung“ nennen. Da beide Vorgänge in mannigfaltiger Weise kombiniert werden können, so entstehen die verschiedenartigsten, oft verwickelten, mitochondrialen Stränge (Fig. 36—57). Ich kehre nun zu der Beschreibung des Protoplasmas der Zellen der dritten Art zurück. Wie oben geschildert wurde, wird das Zellinnere mit der tertiären Verklebung immer klarer, strukturlos; nur findet man um den Kern, der nach der oberflächlichen Seite der Zelle sich verlagert hat, ein sehr verwickelites Knäuel von geknickten Chondriokonten. In dieses Knäuel gehen oft die Chondriokonten über, die von den mitochondrialen Strängen sich abgetrennt haben (Fig. 39, 54 und 55). Es ist wahrscheinlich. dass das Knänel in seinem Hauptteil die Enden der Stränge oder der abgetrennten Uhondriokonten derselben darstellt. Die hier gegebene Schilderung passt auf den grössten Teil der Rumpfgegend von 1,4 cm langen Larven; wenn man gegen 206 Sakae Saguchi: den Schwanz vorschreitet, so sieht man, dass die mit deutlichen Strängen versehenen Zellen sich immer mehr vermindern und dass dagegen die Zellen, die primäre und sekundäre, ja sogar gestreckte Chondriokonten in sich einschliessen, sich vermehren. In dem Schwanz sind die Zellen der dritten Art, die zerstreut unter den anderen liegen, nur auf die dem Schwanzmuskel ent- sprechenden Hautstellen beschränkt. In den dorsalen und ventralen Flossensäumen sind sie nicht entwickelt, ebenso nicht in der Horn- haut und in der Umgebung der Ausmündungsstelle der Kiemenhöhle. B. 2 cm lange Larven. Die Epidermis (Fig. 70) besteht wie im vorigen Stadium aus zwei Lagen von Zellen. In der basalen Reihe erkennt man unschwer zwei Arten von Zellen. Die Zellen der ersten Art (Fig. 701, I’ und Fig. 75) stimmen ihrer Form nach mit denen der ersten Art des vorigen Stadiums ganz überein: sie stellen die Form der abgestumpften Pyramide dar, die mit ihrer Basis auf der Cutis sitzt. Sie weisen in der Peripherie derselben, wie schon früher gezeigt wurde, wellige, miteinander annähernd parallel nach oben ziehende, relativ dickere, doch schwach färbbare, sekundäre mitochondriale Stränge auf, die oft in ihrem Verlauf durch schräg aufsteigende Seitenäste miteinander verbunden sein können. Die periphere Lage der Stränge kann man gut übersehen, wenn man tangentiale Schnitte der Epidermis anfertigt. An solchen Präparaten bemerkt man deutlich, dass quergeschnittene Stränge als rundliche oder längliche Punkte oder als kleine Plättehen unter der Oberfläche der Zelle sich befinden. Die Stränge verschmälern sich gegen das obere Ende der Zelle allmählich und dort über dem Kern verbinden sie sich miteinander zur Bogenbildung (Fig. 79). Das untere Ende des Stranges wird allmählich dicker, teilt sich dann meist in mehrere kleinere Stränge, die mehr oder weniger voneinander sich entfernend, nach unten verlaufen. Diese kleinsten Stränge weichen ihrerseits in Fibrillen auseinander, durchsetzen die später zu schildernde homogene Basalschicht, die hier etwas dicker geworden ist als vorher, und erreichen zuletzt die Cutis (Fig 78). Solches Verhalten ist in den Fig. SO und 81 gut zu sehen, wo die Zellen quer geschnitten sind und daher die (Querschnitte der Stränge als kleine Plättchen sichtbar sind, die Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 207 nach unten gegen den äussersten Rand der Basis in feinste Fibrillen zerfallen. Diese die homogene Basalschicht durchsetzenden Fibrillen, die als Chondriokonten zu deuten sind und durch Mitochondrien- färbung gut, doch blasser sich färben, sind wie die Stränge selbst in dem peripheren Teil der homogenen Basalschicht gelegen. Auch liegen auf der oberen Fläche der letzteren dünne oder diekere, meist geschlängelte mitochondriale Stränge (Fig. 70T’, SO und S1), worauf ich später noch einmal zurückkomme. Das Protoplasma färbt sich dunkler als das der gleich unten zu schildernden Zellen, enthält längere oder kürzere Chondrio- konten, die in der Zelle überall verteilt sind. Der Kern ist gross, nach der vertikalen Richtung länglich. hat seine Lage in der Mitte der Zelle. Die Zellen der zweiten Art (Fig. 70II, II‘ und Fig. 71 —77) verhalten sich der Form nach wie die der dritten Art des vorigen Stadiums: sie haben eine keilförmige Gestalt mit nach unten zugekehrten Kanten. Es entstehen daher je nach der Schnitt- richtung zwei verschiedene Formen, von denen die eine (Fig. 70 1I’ und Fig. 75—77) kegelförmig mit nach unten gerichteter Spitze und die andere rechteckig ist (Fig. 7OII und Fig. 71— 74); dieses Rechteck ist jedoch jetzt in den meisten Fällen in der Quer- richtung schmäler geworden, besonders in seinem unteren Teil, und hat zugleich an Höhe ein wenig zugenommen, so dass es jetzt mehr dem Viereck mit der verschmälerten Basis sich nähert (Fig. 72— 74). Wir unterscheiden der Form und Anordnung nach zwei Typen der mitochondrialen Stränge, die nur schwer auf den vierten Typus des vorigen Stadiums zurückgeführt werden können. Der erste Typus in diesem Stadium stimmt im wesentlichen mit dem vierten Typus des vorigen Stadiums überein: die Zellen haben einen den Kern von unten umfassenden, dickeren, quer- gestellten Strang, dessen beide Enden neben dem Kern aufsteigend, entweder irei enden oder, wie dies in den meisten Zellen der Fall ist, über dem Kern durch einen meist dünnen Faden zu einem Ring geschlossen werden, der den Kern umkreist. Von dem unteren dickeren Teil des Ringes gehen nach unten gegen die Cutis mehrere geschlängelte, dünnere und dickere mitochondriale Stränge, die entweder annähernd vertikal oder schief verlaufen und mit dem Kegel an der Uutis haften. In diesem Typus 208 Sakae Saguchi: kommen recht verwickelte Formen der Stränge vor, die durch die nachträgliche Abhebung der Chondriokonten und die Ver- klebung derselben zu den anderen Strängen entstanden sind (Fig. 74). Der zweite Typus (Fig. 71—75) ist dadurch ausgezeichnet, dass der schon oben mehrfach geschilderte Ring, der den Kern umkreist, jetzt unter den Kern zu liegen kommt, so dass er von unten her den letzteren aufnimmt. Von diesem Ring erheben sich oft einige dünne mitochondriale Stränge, die mit leicht welligem Verlauf nach oben ziehen und neben oder über dem Kern in Haufen von Mitochondrien bezw. Chondriokonten, die den Kern umgeben, sich verlieren (Fig. 72 und 75). Diese Stränge sind sicher von den Chondriokonten abgeleitet, die nach- träglich von der Uutis abgehoben und in dem Zellplasma frei geworden sind. Ausser diesen zwei Haupttypen kommen in diesem Larval- stadium noch andere relativ einfachere und noch verwickeltere Formen vor, auf deren einzelne Beschreibung ich hier ver- ziehten kann. Das Protoplasma der Zellen der zweiten Art ist ganz homogen, wasserklar wie in dem vorigen Stadium: nur kommen um den Kern relativ dickere, doch blasser gefärbte Chondriokonten vor, Körnchenreihen. ja sogar Körner selbst, die oft weintrauben- artig sich anhäufen (Fig. 71—74). Die Pigmentkörner sind auch jetzt zu bemerken (Pk.). C. 4,5 em lange Larven. Wie im vorigen Stadium besteht die Epidermis (Fig. 85) aus zwei Schichten. Die basale Schicht weist zwei Arten von Zellen auf, die jetzt sowohl an Breite wie an Höhe stark zuge- nommen haben. Die Zellen der ersten Art (Fig. 85 I, I‘), die pyramiden- förmig sind, zeigen aufsteigende, gegen das obere Ende der Zelle allmählich konvergierende, oft durch schräge Stränge miteinander verbundene, wellig verlaufende, mitochondriale Stränge. Die oberen Enden der Stränge sind über dem Kern miteinander ver- bunden, so dass dort oft eine netzartige Figur entsteht (Fig. 92), die auf dem vertikalen Schnitt der Epidermis bogenförmig erscheint (Fig. S5 I, I). Wie schon erwähnt wurde, weichen die unteren Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 209 Enden der Stränge in feinste Fibrillen auseinander, welche die homogene Basalschicht in ihrem peripheren Rand durchsetzend die Cutis erreichen (Fig. S5 I). Auf der dicker gewordenen homogenen Basalschicht liegen horizontal gestellte, schlängelnd verlaufende Stränge, die jetzt in ihrem Wachstum den Höhepunkt erreichen (Fig. 55 I’ hs und Fig. 93 hs). Das Zellplasma ist klar, enthält kürzere oder längere Chondriokonten, die meist geknickt sind (Fig. 85 IT). Betreffs der Lage und Form des Kernes gilt hier wieder die von 2 cm langen Larven gegebene Beschreibung. Die Form und Anordnung der mitochondrialen Stränge der anderen Zellen (Fig. S5 II und Fig. S6—91), die ihrer Form nach den Zellen der zweiten Art des vorigen Stadiums ähnlich sich verhalten, sind sehr verwickelt geworden. Doch lassen sich diese verschlungenen Stränge von den Strängen der Zellen der zweiten Art des vorigen Stadiums direkt ableiten, indem sie in zwei Eigentüm- lichkeiten von den letzteren sich unterscheiden. Erstens sind die Stränge, die dieker geworden sind als früher, in der aller- mannigfaltigsten Weise gewunden, so dass sie einen mehrmaligen Umweg in der Zelle beschreiben. Trotz dieses Umweges behalten die Stränge den schon früher geschilderten Ring bei, der sich durch genaues Verfolgen aus dem Gewirr der Stränge unschwer herausfinden lässt. Dieser sehr verwickelte Verlauf der Stränge ist durch mächtiges Längenwachstum der Chondriokonten bedingt, das in diesem Stadium deutlich einsetzt. Da das Längenwachstum der Stränge im Vergleich mit dem Zellwachstum schneller vor sich gehen wird, so müssen die länger gewordenen Stränge im relativ engen Raum sich zu winden gezwungen sein. Die zweite Eigentümlichkeit dieses Stadiums besteht darin, dass die schon früher vorhandenen, von dem Ring nach oben ziehenden, um den Kern sich verlierenden, dünnen Stränge jetzt deutlich hervortreten und sich über dem Kern untereinander verbinden. Diese aufsteigenden Stränge, die in der Regel in Mehrzahl (2—4) vorhanden sind, entspringen meist von dem Ring, seltener von den Strängen, die von dem Ring nach unten ziehen (Fig. 90). Der Zelleib ist wie früher ganz klar; nur um den Kern findet man einige körnige Einschlüsse, die nichts anderes als ge- knickte Chondriokonten selbst sind. Archiv f. mikr. Anrat. Bd.83. Abt. TI. 14 210 Sakwe/ssgwcht: Wie man aus den Fig. 85—91 ersieht, haben die mito- chondrialen Stränge jetzt in ihrer Entwicklung den Höhepunkt erreicht, sowohl an Länge wie an Dicke. Von nun an werden sie immer schmäler und verschwinden zuletzt, wie ich im folgenden schildern werde. D. Larven, an denen die hinteren Extremitäten gut entwickelt sind. Dieses Stadium ist dadurch ausgezeichnet, dass die mito- chondrialen Stränge an einigen Stellen die Färbbarkeit für die spezifische Mitochondrienmethode verlieren und dass die keulen- förmigen Epidermiszellen, die mit der Spitze der Cutis anhaften, mehr und mehr nach aussen verschoben werden, so dass die an- fangs noch zweischichtig bleibende Epidermis zuletzt in die drei- schichtige übergeht. Wir betrachten zunächst den aus zwei Schichten bestehenden Teil der Epidermis in diesem Larvenstadium (Fig. 94). Die pyramidenförmigen. mit der Basis auf der Cutis sitzenden Zellen weichen ihrer Form nach von denen des vorigen Stadiums nicht wesentlich ab (Fig. 94 I). Die mitochondrialen Stränge, die diese Zellen enthalten, stellen, wenn man die Präparate nur mit der Mitochondrienmethode ohne nachfolgende Plasmafärbung behandelt, bunt erscheinende, oft diskontinuierliche, meist in der mittleren Partie der Zelle deutlich bemerkbare Streifen dar: also haben die früheren mitochondrialen Stränge in ihrem oberen Teil, wo die sich konvergierenden Stränge miteinander verbunden sind, und in ihrem unteren Ende, wo die Stränge an der homogenen Basalschicht haften, ihre Färbbarkeit gegen Eisenhämatoxylin ver- loren. Färbt man dagegen die Schnitte, die vorher mit Eisen- hämatoxylin behandelt waren, mit den gewöhnlichen Plasmafarb- stoften, wie Eosin, Säurefuchsin ete. (Fig. 94), oder besonders nach der Kromayerschen Methode für Protoplasmafasern, so treten die an Eisenhämatoxylin-Präparaten farblos oder höchstens blass- grau erschienenen Teile der Stränge deutlich hervor, so dass wir dadurch dasselbe Bild, das die Zellen des vorigen Stadiums gezeigt hatten, wieder vor unseren Augen haben. An solchen doppelt gefärbten Präparaten sieht man, dass die mitochondrialen Stränge an den mit Säurefuchsin gefärbten Strängen haften, so dass die letzteren gewissermassen das. Skelett für die ersteren bilden Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 211 (Fig. 94 I). Die übrig gebliebenen Chondriokonten der Stränge stellen entweder relativ lange Fäden oder nur punktierte Linien dar. Auf der homogenen Basalschicht, die in diesem Stadium noch recht dick ist, liegen keine mitochondrialen Stränge mehr. Das Zellprotoplasma’* ist klar und enthält um den grösseren Kern Mitochondrien oder kürzere oder längere geknickte Chon- driokonten. Die anderen keulenförmigen Zellen (Fig. 94 IT), deren Spitze nach unten zugekehrt ist, sind jetzt bedeutend in die Länge aus- gezogen, so dass das oberflächliche Ende derselben die obere Spitze der pyramidenförmigen Zellen weit überragt. Da der Kern bei diesem Längenwachstum nach dem oberen dickeren Ende der Zellen verlagert wird, so erscheint die Epidermis bei oberflächlicher Betrachtung aus drei Zellenlagen zu bestehen: doch ist dies in Wirklichkeit noch nicht der Fall, wie aus Fig. 94 ersichtlich ist. Die Stränge haben in der unteren Hälfte dieser Zellen meist zu einem dickeren Strang sich vereinigt. Er haftet mit seinem unteren Ende an der Cutis, steigt von dort gestreckt nach oben und zerfällt unter dem Kern in einige Stränge, die den Kern umkreisen. Auch können neben solchen typischen Formen noch andere verwickeltere vorkommen. Dem Gesagten zufolge verhalten sich die Form und An- ordnung der Stränge von den in dem früheren Stadium be- schriebenen sehr verschiedenartig. Diese Umordnung ist sicher durch die Verlängerung der Zellen in vertikaler Richtung und die Verschmälerung der Basis derselben von allen Seiten bedingt. Durch die Verschmälerung werden alle Stränge, die im vorigen Stadium in Mehrzahl vorhanden waren, zu einem dicken Bündel vereinigt, das noch an der ÜCutis haften bleibt. Dies ist der Befund an den Präparaten, die mit den Plasmafarbstoffen oder nach Kromayer behandelt wurden. Färbt man dagegen nur mit Eisenhämatoxylin, so sind der obere Teil des dickeren Stranges und die den Kern umkreisenden dickeren Stränge schwarz gefärbt, so dass diese Teile mitochondriale Reaktion aufweisen (Fig. 94 II). Das Zellplasma ist ganz klar; nur zeigt es um den Kern kürzere oder längere geknickte Chondriokonten. 2. In dem folgenden Stadium (Fig. 95) wird die untere Hälfte der keulenförmigen Zellen immer mehr verschmälert, so dass schliesslich die nach aussen verlagerte runde Zelle nur durch 14* 212 Sakae Saguchi: einen dünnen Stiel in Verbindung mit der Cutis bleibt. In diesem Stiel verlaufen ein oder zwei dünne Stränge, die mit Eisenhäma- toxylin nicht mehr färbbar sind, nach oben, um in die nahe dem Kern befindlichen, relativ dickeren Stränge. die noch Mitochondrien- veaktion aufweisen, überzugehen (Fie. 95 II). In den anderen Stellen der Epidermis sieht man zwischen der basalen und der oberflächlichen Schicht eine neue Schicht entstehen, deren Zellen einen mit Eisenhämatoxylin nur teilweise färbbaren, doch mit Säurefuchsin ete. gut erkennbaren Ring ent- halten (Fig. 95 11‘). Diese Zellen sind dadurch entstanden. dass die oben beschriebenen keulenförmigen Zellen (II) nach oben verschoben werden, indem ihr Stiel von der Cutis sich abtrennt. Mit dieser Abtrennung des Stieles verlieren auch die Stränge ihre Verbindung mit der Cutis, werden nach oben abgehoben und verkleben mit dem um den Kern gelegenen Teil der Stränge zu einem Ring, der den Kern umkreist. Fig. 95 II’ zeigt eine Übergangsform zu solcher Ringbildung. Doch ist zu bemerken, dass die Abtrennung des Stieles von der Cutis nicht in allen Zellen sich vollzieht, sondern dass es Zellen gibt, welche diese Verbindung lange bewahren. Sowohl die Stränge, die sich mit der Cutis verbinden, wie der Ring färben sich mit Eisenhämatoxylin nur stellenweise ; in ihrer Hauptmasse zeigen sie diese Farbenreaktion nicht, doch lassen sie sich mit Plasmastoften gut färben, wie schon oben beschrieben wurde. Was ausserdem in diesem Larvenstadium eigentümlich ist, ist das Auftreten der sehr dünnen Zellmembran, die mit Säure- fuchsin rot färbbar ist, wie Fig. 94 und 95 es zeigen. E. Larven, an denen die vorderen Extremitäten noch in dem Kiemensack verborgen, doch dem Durchbruch sehr nahe sind. In diesem Alter der Larven ist die Epidermis der Bauchseite drei- bis fünfschichtig geworden (Fig. 96 und 97). Die Zellen der basalen Reihe haben meist eine nach vertikaler Richtung ausge- zogene, pyramidale Form. Zwischen denselben sieht man zuweilen jene keulenförmigen Zellen, die ebenfalls sich verlängert haben (Fig. 97 II). Die der basalen Reihe nächstfolgende Schicht weist meist spindelförmige oder längliche Zellen auf, die nach oben allmählich in die rundlichen Zellen übergehen, während die ober- tlächlichsten Zellen kubische Gestalt haben. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 213 Werden die Schnitte aus diesem Stadium mit der Kro- mayerschen Methode behandelt (Fig. 97), so bemerkt man so- wohl in den basalen, wie, wenn auch nicht häufiger, in den darauf- folgenden Zellen mit Grentianaviolett gut färbbare Fäden. In den basalen, lang ausgezogenen pyramidalen Zellen (Fig. 97 I) kommen zwei, drei oder mehrere dünne Fäden vor, die mit ihrem leicht welligen Verlauf fast vertikal gestellt sind. Sie nehmen unten mit kleinen konisch ausgebreiteten Enden, die an der Cutis haften und an denen einzelne Fibrillen zu bemerken sind, ihren Anfang, verlaufen, den länglichen Kern umfassend, nach oben, um dort, sich allmählich verdünnend, entweder frei zu enden oder über dem Kern einen Bogen zu bilden. Solche Verbindungen der Fäden können auch in ihrem Verlauf vorkommen (Fig. 97 T’). Diese Fäden stammen sicher von jenen früheren, die mito- chondriale Reaktion nicht mehr aufweisenden Strängen, indem die letzteren immer mehr sich verdünnen und in vertikaler Richtung ausgezogen werden. Ebenfalls enthält die keulenförmige Zelle (II) einen solchen Faden, der durch den Stiel nach oben ziehend oft in zwei oder mehrere Fäden sich teilt, die den Kern umfassen (Fig. 97). In der darauffolgenden Schicht kommen zuweilen Zellen. die den Ring enthalten, vor (Fig. 97 III). Färbt man nun die Schnitte aus demselben Stadium nur mit Eisenhämatoxylin, so erhält man das Bild, das Fig. 96 zeigt. In dieser Figur sind jene Fäden, die mit der Kromayerschen Methode färbbar sind, nicht sichtbar, sondern sind die Zellen sowohl der basalen, wie der darauffolgenden Schichten mit reich- licher Menge von geknickten Chondriokonten ausgefüllt. In den länglichen Zellen der basalen oder anderen Schichten stellen die Chondriokonten meist längere, in sehr verwickelter Weise geknickte Fäden dar, die oft um den Kern nach der vertikalen Richtung orientiert sind. Sie häufen sich an dem oberen und unteren Ende des Kernes stark an, so dass dort ein fast unentwirrbares Knäuel gebildet wird. In den rundlichen Zellen der oberen Schichten ist die Anhäufung der Chondriokonten meist an der oberflächlichen Seite des Kernes gelegen, wo sie den letzteren kappenartig bedeckt (Fig. 96). Es muss auch hier be- merkt werden, dass die Ohondriokonten meist bedeutende Länge haben, wie dies vor dem Erscheinen der mitochondrialen Stränge 214 Sakae Saguchi: der Fall war. Wenn man den Fokus in irgend einer Ebene der Schnitte einstellt, so hat es oft den Anschein, als ob hier nur Körnchen vorlägen. Bewegt man den Fokus mit Hilfe der Mikro- meterschraube auf- und abwärts, so wird man sich bald davon überzeugen, dass, was früher als Körnchen erschienen war, nichts änderes als die in sehr verwickelter Weise geknickten Chondrio- konten selbst sind. Die erst im vorigen Stadium erschienene sehr dünne Zell- membran hat in diesem Stadium sowohl in den basalen wie in den darauffolgenden Zellen an Dicke zugenommen (Fig. 96 und 97). In dieser peripheren Schicht der Zelle, im Exoplasma, sind keine Chondriokonten zu bemerken, vielmehr sind die letzteren auf den inneren helleren, weich erscheinenden Teil der Zelle, das Endo- plasma, beschränkt. In den zwei zuletzt beschriebenen Larvenstadien sieht man als bemerkenswertes Vorkommnis, dass die mitochondrialen Stränge mehr und mehr ihre spezifische Reaktion gegen Eisenhämatoxylin verlieren, während sie mit den Plasmafarbstoften, wie Säurefuchsin, Eosin ete. oder noch besser mit der Kromayerschen Methode dargestellt werden können. Aus diesem Umstand kann man schliessen, dass die mitochondrialen Stränge jetzt ihre chemische Eigenschaft verändert und zu den tinktoriell ganz anderen Strängen sich umgewandelt haben, indem sie anfangs noch ihre frühere Form und Anordnung ziemlich lang zu bewahren suchen, um dann mehr und mehr sich zu verdünnen. Worauf beruht nun diese chemische Umänderung der Stränge? Ich bin jetzt nicht in der Lage, diese Frage definitiv zu entscheiden. Nur möchte ich soviel bemerken, dass diese dünner gewordenen Stränge (Fig. 97) mit den Tonofibrillen keinesfalls zu vergleichen wären. Zu dieser Annahme führt erstens die Tatsache, dass die Form und Dicke dieser Fäden ganz anders sich verhalten als Tonofibrillen ; sie sind in ihrem ganzen Verlauf nicht gleichmässig, das untere Ende derselben ist mehr oder weniger dicker als das obere. Zweitens kommt in den Fäden die untere konische Ausbreitung, welche in einzelne Fibrillen zerfällt, vor. Diese Fäden schwinden nachher allmählich. Ob sie hier auf- gelöst oder zu anderen Gebilden verwandelt werden, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Es liegt die Vermutung nahe, dass sie vielleicht in die einzelnen Fibrillen, aus denen sie zu- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 215 sammengesetzt sind, zerfallen und in die oberflächliche Schicht der Zellen, das Exoplasma aufgenommen, und zu eigentlichen Tonofibrillen umgewandelt werden. Besonders bemerkt zu werden verdient, dass die unteren Enden der einzelnen Fibrillen in die Cutis sich fortsetzen und fest mit den Bindegewebsfibrillen sich verbinden, wieich später im Kapitel über die Frage der Epidermis- Cutisgrenze eingehend behandeln werde. Durch diese feste Ver- bindung gewinnen die Fäden an Bedeutung; indem sie in Tono- fibrillen sich umwandeln, übernehmen sie die Funktion, die basalen Epidermiszellen mit der Cutis in feste Verbindung zu bringen; daher müssten diese Fäden als die Vorläufer der Fibrillen, die von Kromayer als „Haftfasern“ bezeichnet wurden, betrachtet werden. Gewiss wird ein Teil der mitochondrialen Stränge nach ihrer Umwandlung der chemischen Beschaffenheit in den Zellen aufge- löst. Was in dem Stadium, wo die Auflösung der Stränge voll- zogen wird, auffallend ist, ist das massenhafte Auftreten der langen, geknickten Chondriokonten. Die letzteren vermehren sich immer mehr, in demselben Masse, als die Fäden sich verdünnen, als ob die ersteren auf Kosten der letzteren gebildet werden. Fast gleichzeitig mit dem Verdünnen der Stränge und dem Auftreten der geknickten Chondriokonten beginnt die periphere Schicht der Zellen eine festere Beschaffenheit anzunehmen und ist zuerst als sehr dünne Membran, die mit Säurefuchsin rot färbbar ist, wahrzunehmen. Diese membranöse Schicht, die hier als Zell- membran zu deuten wäre, verdickt sich immer mehr, während das innere, heller scheinende weiche Protoplasma, das Endoplasma, mehr und mehr verdrängt wird. Diese Exoplasmabildung ist nach Studnidtka (28) nichts anderes als Tonofibrillenbildung in der Zellperipherie, die in dem Ende des larvalen Stadiums Schritt für Schritt vor sich geht. Wie diese Exoplasmabildung geschieht, muss eine schwierige Frage sein. Da die larvalen Epidermiszellen. wie es schon früher bemerkt wurde, als einziges Morphoplasma derselben nur die Mitochondrien bezw. Chondriokonten in sich einschliessen, und diese letzteren von einem gewissen Larvalstadium an zu den Bündeln, d. h. zu den mitochondrialen Strängen verklebt werden, so muss man annehmen, dass das Exoplasma auf Kosten der Chondriokonten, welche die Stränge zusammensetzen, gebildet würde. Es ist daher wahrscheinlich, dass ein Teil der chemisch 216 Sakae Saguchi: veränderten Fibrillen von den Strängen mehr und mehr abgetrennt und nach der Zellperipherie verschoben wird, um an der Bildung der Zellhaut, des Exoplasmas, sich zu beteiligen. Durch diese Exoplasmabildung haben die Fpidermiszellen ihr definitives Stützgerüst erhalten: daher sind die mitochondrialen Stränge, die bisher in gewissem Sinne als Stützelemente gedient hatten, nicht mehr nötig und demzufolge kann ein Teil derselben, der nicht in das Exoplasma aufgenommen worden ist, in den Zellen aufgelöst werden. Mit dieser Auflösung der Stränge treten ungeheuere Mengen von geknickten Chondriokonten auf, die auf das Endoplasma beschränkt sind und später zur Bildung des Exoplasmas, das noch verdickt werden muss, beitragen. F. Verhalten der mitochondrialen Stränge bei der Mitose. In der Beschreibung der Mitose in den mit den mitochon- drialen Strängen besetzten Zellen beschränke ich mich auf die Epidermis der 1,4 cm langen Larven, an denen Mitosen am regesten und am häufigsten vorkommen. Bei der Mitose der Zellen der dritten Art (Fig. 60—69) in der basalen Epidermisschicht von 1,4 cm langen Larven wandert der Kern, der bei den ruhenden Zellen ganz in dem oberfläch- lichen Teil der Zellen gelegen ist, schon in dem Vorbereitungs- stadium mehr oder weniger gegen die Uutis herunter, so dass dadurch die tertiären mitochondrialen Stränge, wenn solche unter dem Kern vorhanden sind, etwas nach unten gedrückt werden (Fig. 60—62). Während dieser Vorbereitung der Kernteilung zerstreuen sich die geknickten Uhondriokonten, die im Ruhestadium dicht um den Kern angesammelt waren, nach allen Seiten, so dass dadurch ihre Individualität deutlicher erkennbar ist (Fig. 60— 62). Die Aquatorialplatte ist in diesem Stadium der Larven stets in der vertikalen Ebene eingestellt (Fig. 61), so dass geteilte Zellen nach beiden Seiten verschoben werden. Mit dem Vorschreiten der Abschnürung der Zelle werden alle mitochondrialen Stränge, welche die Zellen quer durchziehen, nach und nach zusammengedrängt (Fig. 64), bis zuletzt in der Einschnürungsstelle nur ein einziger dickerer oder dünnerer Strang, der mit einer dünnen Plasmaschicht überzogen ist und die Stränge der beiden getrennten Zellen miteinander verbindet, übrig bleibt (Fig. 66 und 67). Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 217 Nach der vollständigen Teilung des Zelleibes kann der Strang, der beide geteilte Zellen miteinander verbindet, merk- würdigerweise lange Zeit übrig bleiben, wie Fig. 65 dies zeigt. Ich habe sogar einen solchen Faden in einem Stadium gesehen, wo der geteilte Kern in der Anaphase schon die Netzstruktur des ruhenden Kernes gezeigt hat (Fig. 69). Da bei den ruhenden Zellen keine die Zellen untereinander verbindenden Stränge gefunden werden, so sind da zwei Möglichkeiten über die Schicksale des Ver- bindungsfadens; entweder bleibt er in der weiteren Zellgeneration als solcher bestehen. indem er nur seine Färbbarkeit gegen Eisen- hämatoxylin verliert, oder er wird in das Zellinnere wieder zurück- gezogen. Welche von diesen Möglichkeiten der Wirklichkeit ent- spricht, kann ich einstweilen nicht mit Sicherheit entscheiden. Auch das Verhalten der zerstreuten Chondriokonten bei der Mitose der die Stränge enthaltenden Zellen ist dasselbe, wie ich es früher bei der Mitose der nur die Chondriokonten in sich ein- schliessenden Zellen beschrieben habe. Wie sich aus dieser Beschreibung und den Abbildungen er- gibt, erfahren die mitochondrialen Stränge bei der Mitose keine bestimmte Veränderung, Umordnung ete. Sie verhalten sich hierbei nur passiv. G. Kritische Bemerkungen. Wie schon oben auseinandergesetzt wurde, enthalten die Epidermiszellen der Batrachierlarven von einem frühen Ent- wicklungsstadium bis zu einer gewissen Larvenperiode eigentümlich sich verhaltende, intrazelluläre Gebilde, die zuerst von Eberth beobachtet und dann von mehreren Autoren nachuntersucht, doch sowohl ihrer Form wie ihrer Deutung nach sehr verschiedentlich beurteilt worden sind. Ich bin der Meinung, dass trotz dieser Meinungsverschiedenheiten die intrazellulären Gebilde, von denen die einzelnen Autoren schreiben, mit meinen mitochondrialen Strängen derselben Reihe angehören. wie ich weiter unten genauer schildern werde Was zunächst die Art und Weise wie den Zeitpunkt der Entstehung dieser Gebilde anbetrifft, so bin ich der Ansicht, dass sie schon in der früheren Larvenperiode (früher als 1,4 em lange Larven) mit der primären Verklebung der Chondriokonten in den Epidermiszellen erscheinen. Doch wurden sie in dem Stadium der primären und sekundären Verklebung bis jetzt von niemand be- 218 Sakae Saguchi: obachtet: es muss dies daran liegen, dass die Autoren, die sich mit den fraglichen Zelleinschlüssen beschäftigt haben, keine spezifischen Färbungsmethoden für sie anwandten, und zwar haben sie meist sich entweder nur der Zerzupfungsmethode oder der einfachen Färbungsverfahren bedient. Zweitens haben sie die jüngste Periode der Larven nicht untersucht, wo die primäre, die sekundäre, ja sogar die tertiäre Verklebung vollzogen werden. Drittens sind die primären Bündel und die jüngste Stufe der sekundären sehr fein und treten selbst durch die spezifische Mitochondrienmethode oft nicht so deutlich hervor, wie man die tertiären Bündel schon durch die einfachen Färbungsmethoden, z. B. Eosinfärbung, deutlich genug beobachten kann, wie die ver- schiedenen Autoren dies getan haben. Eberth (3) fand die intrazellulären Gebilde erst an Froschlarven von 3!» cm. Nach ihm sind ihre jüngsten Entwicklungsstufen „schmale Spindeln von ca. 0,001 mm Durchmesser und 0,021 mm Länge“. Auch schreibt er, „sie sind nichts anderes als ein Abscheidungsprodukt des Zellprotoplasmas, das meist in der Umgebung des Kerns zuerst auftritt“. Er hat vielleicht mitochondriale Stränge im Stadium der tertiären Verklebung gesehen, wo oft schmale spindelförmige Stränge vorkommen können; doch entgingen ihm die feinen, gegen die Cutis auseinanderweichenden Fibrillen, welche die Stränge nach unten abgeben. Auch ergibt sich aus seinen Fig. 10 und 11, dass die kurze Spindeln enthaltenden Zellen von keulenförmiger Gestalt sind. In den Zellen von solcher Gestalt pflegen nach meiner Beobachtung nur tertiäre Stränge enthalten zu sein, wie ich früher präzisiert habe. Leydig (12), der die Gebilde zur Sekretion in Beziehung zu bringen sucht, beschreibt nur, dass „derselbe in einem besonderen hellen Raum der Zelle, in einem. Sekretbläschen entstehe‘“. Frenkel (5) ist besonders auf die Frage der Entstehungsart der intrazellulären Gebilde, die er mit dem Erneuerungs- und Untergangsvorgang der Epidermiszellen in Beziehung bringt, näher eingegangen. Er gibt an, dass die Gebilde in einem ganz frühen Stadium der Larven vermisst werden und dass erst in einem weit vorgerückten Entwicklungsstadium die Zell- kerne sich in ihrer Randschicht zu kugeligen, aneinander liegenden Körpern differenzieren, die den inneren blasser gefärbten Rest des Kernes, von dem sie ziemlich scharf abgegrenzt sind, kappenartig umgeben und mit Alaunhämatoxylin intensiv violett gefärbt sind. Indem diese kugelige Rand- schicht sich chemisch verändert, nimmt sie immer mehr die Reaktion der intrazellulären Gebilde an, trennt sich von dem Rest des Kernes ab und gleicht dann durchaus in ihrem Verhalten den typischen intrazellulären (rebilden. Also seien nach ihm diese Gebilde nicht von Anfang an in der Zelle vorhanden, sondern entstehen erst aus dem Kern, wenn der letztere mit der Verschiebung der Epidermiszellen eine gewisse Umbildung er- fahren hat. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 219 Die von Frenkel angegebene Entstehungsweise der intra- zellulären Gebilde muss auf Grund meiner Untersuchungen zurück- gewiesen werden. Vor allem ist es mir nicht begreiflich, was die aus Kügelchen bestehende Schicht von Frenkel bedeutet. Soviel aus meinen Untersuchungen, die an Alaunhämatoxylin- und Eisen- hämatoxylin-Präparaten gemacht wurden, sich ergibt, konnte ich niemals solche Haufen von Körnchen in dem Kern beobachten. Zwar hat der Kern ausser einem oder zwei grösseren Kern- körperchen zerstreut liegende Körnchen, die nichts anderes als die Knotenpunkte der sehr dünnen Kerngerüste sind. Solche Körnchen kommen auch unter der Kernmembran dicht ihr anliegend vor, doch bilden sie niemals dichte Reihen, sondern sind stets weit voneinander getrennt. Wie früher angedeutet wurde, kommen in einem gewissen Entwicklungsstadium der Larven um den Kern zwei Arten von Körnchen vor: die einen sind Pigmentkörnchen, die meist in der oberflächlichen Seite des Kerns liegen und zum Haufen sich an- sammeln können. Die anderen sind kugelige Körnchen, die in Reihen oder in weintraubenartigen Anhäufungen auftreten und mit der Mitochondriamethodesich gut färben lassen (s. Fig. 71—77). Diese Körnchen können, wenn man Flächenschnitte, wie sie Frenkel vor sich hatte, untersucht, leicht die Täuschung hervor- rufen, als ob sie im Innern des Kernes gelegen wären. Was die Struktur der intrazellulären Gebilde betrifft, so habe ich schon gezeigt, dass sie aus feinen Fibrillen, d.h. aus gestreckten Chondriokonten bestehen, durch deren Verklebung sie gebildet werden. Wo der Verklebungsprozess einem gewissen Widerstand begegnet, wie z. B. in der Nähe der Cutis, bleiben die Fibrillen lange Zeit unverklebt, so dass hier ihre Individualität gut zu übersehen ist. Auch lässt der Strang vielfach eine feine Streifung erkennen, die auf seine Zusammensetzung aus Chondrio- konten hindeutet, wie ich früher geschildert habe. Drei Ansichten bestehen über die Struktur dieser Gebilde. Mehrere Autoren, wie Eberth, Pfitzner, Canini, Kölliker, Loewenthal schreiben ihnen eine homogene Beschaffenheit zu. Eberth (3) beschreibt, dass diese Gebilde „aus einer glänzenden, homogenen, kolloidähnlichen, von Reagentien schwer angreifbaren, ziemlich festen Substanz“ bestehen. Nach ihm lassen sich in vielen dieser Körper eine hellere stärker lichtbrechende Rinde und eine weniger glänzende Achsen- schicht unterscheiden, während andere aus den feinen leicht geschlängelten 220 Sakae Saguchi: Fibrillen, die sich gegen die äusseren Enden zerfasern, zu bestehen scheinen, so dass er für einen Teil der Gebilde den fibrillären Bau anerkennt Pfitzner (20) gibt wie Eberth die Gebilde als „glänzende, stark lichthrechende Fasern“ an, die mit Safranin sich deutlich rot färben lassen. Nach Loewenthal (13) stellen die fraglichen Gebilde „eine ganz homogene Beschaffenheit“ dar. „Von Granulis“, fügt er hinzu, „ist an den- selben auch mit Immersionssystemen nichts zu entdecken. Die Konturen der Fäden sind glatt. .... = Aus den Abbildungen Caninis (1) und Köllikers (8) ergibt es sich, dass diese Autoren nur ganz homogene Bildungen gesehen haben, wenn sie auch darüber nichts beschreiben. Die Homogenität, die ich in meiner Untersuchung nicht bestätigen kann, ist wahrscheinlich durch die von den oben genannten Autoren angewandte Methode zu erklären. Eberth hat die mit Silbersalpeter oder Chlorgold behandelte Haut zer- zupft. Pfitzner und Canini haben das in Chromsäure fixierte oder mit Goldchlorid vorbehandelte Objekt mit Safranin gefärbt. Loewenthal bediente sich der Hämalaun- und Eosinfärbung, während Kölliker frisch untersuchte. Durch solche einfache Methoden lässt sich die fibrilläre Struktur der intrazellulären (Gebilde nicht deutlich beobachten. Auch habe ich versuchsweise die Schnitte mit Eosin oder Safranin behandelt und dadurch nur rotgefärbte Gebilde erhalten, die in ihrem Innern keine Struktur erkennen liessen, wie dies die Autoren beschrieben und auch abgebildet haben. Macallum (14) hat gefunden. dass durch die Achse der mit Nigrosin schwarz färbbaren Eberthschen Gebilde in den meisten Fällen eine oder mehrere mit Safranin rot gefärbte Fäden verlaufen, die er für Nervenendigungen hält. Auch diese Sonderung in einen zentralen und einen peri- pheren Teil scheint mir auf ungenügender Färbung oder miss- lungener Entfärbung zu beruhen. Macallum selbst gibt an, dass „the method of staining there fibrils is not always successful. Nigrosine stains the figure of Eberth, while safranine attacks the fibrils. If, however, the section to be stained be left in the safranine solution too long, the figures take up the colour and have now a dull red tint. On che other hand, there is always great difficulty in preventing all the safranine from being extracted with absolute alcohol“. Wie aus diesem Satz hervorgeht, entfärbt sich der mit Nigrosin gefärbte Schnitt teilweise in der Safranin- lösung und wird dabei durch letztere doppelt gefärbt, so dass Uber Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 221 „a dull red tint“ entsteht. Wird dagegen der mit Nigrosin ge- färbte Schnitt, ehe er in der Safraninlösung entfärbt wurde, aus der letzteren herausgezogen und in absolutem Alkohol mässig differenziert, so dass in solchem doppelt gefärbten Schnitt das Safranin aus der Peripherie der intrazellulären Gebilde allmählich ausgezogen wird, bis zuletzt die Färbung nur in der Achse der (ebilde übrig bleibt. während Nigrosin sich dabei nicht entfärbt, so entstehen die von Macallum beschriebenen schwarz gefärbten Eberthschen Figuren mit den ihre Achse durchziehenden, mit Safranin rot gefärbten Fäden, die fälschlicherweise von ihm für Nervenendigungen gehalten wurden. Meinen Beobachtungen am nächsten stehen die Beschreibungen Leydigs und Studnickas. Leydig (12) beschreibt: „Haben die Fäden eine gewisse Dicke, so erweisen sie sich bei näherem Zusehen als eine Ver- einigung feinster Fäserchen“. Dann fügt er hinzu, dass die Gebilde oft gegen den Fuss der Zelle sich teilen und sich in Büschel feinster Fäserchen auflösen. Studnicka (28), der sich des Eisenhämatoxylins bediente, gibt die intrazellulären Gebilde als Fibrillenbündel an, die „sich mit kegelförmig verbreiterten Enden, in denen sich die Elementar- fibrillen etwas voneinander entfernen, an der Basalfläche der Zellen ansetzen“. Die Beschreibungen, die Cohn (2) und Schuberg (26) über ähnliche Gebilde von der Proteusepidermis angeben, lassen sich mit den an Anurenlarven gefundenen nicht direkt vergleichen, so dass ich auf sie nicht näher einzugehen brauche. Wie schon oben angedeutet wurde, sind die Angaben über die Form und Anordnung der intrazellulären Gebilde, von denen die Autoren berichten, sehr verschiedenartig, als ob sie ganz verschiedene Dinge vor Augen gehabt hätten. Dies muss erstens dem Umstand zugeschrieben werden, dass die Objekte, welche die einzelnen Autoren untersuchten, sich auf verschiedenen Ent- wicklungsstadien befanden. Zweitens sind die von ihnen ange- wandten Methoden, wie besonders das Färbungsverfahren, mannig- faltig und zum Teil ungenügend, so dass dasselbe Ding ein verschiedenes Aussehen gewinnen musste. In der Literatur gibt es keine Angabe über die Gebilde, die meinen primären Strängen zu entsprechen scheinen. DD 18%) [86) Sakae Saguchi: Nach Eberth (3) haben die Gebilde bald die Gestalt von feinen oder gröberen Spindeln, die in Einzahl oder Mehrzahl in den Zellen vorhanden sind, bald die von Stäbchen oder verschieden dicken Fäden mit peitschen- förmigem Anhang, dann wieder die von geschlossenen oder offenen Ringen. Er untersuchte das Larvenstadium, wo die basalen Epidermiszellen meist von keulenförmiger Gestalt und mit ihrer Spitze nach unten gegen die Cutis zugekehrt sind. Aus dieser Beschreibung und seinen Figuren kann man schliessen, dass er ein recht spätes Stadium (3'/s em lange Larve!), das etwa meinen Fig. 94 und 95 entspricht, untersucht hat. Zwar hat er auf seinen Tafeln drei Arten von Zellen abgebildet, nämlich: keulenförmige (Fig. 10, 11, 16—19, 21, 24 und 25), rundliche (Fig. 12 A) und pyramiden- förmige Zellen mit der nach oben zugekehrten Spitze (Fig. 14 B, 22 A und 23). Vergleicht man seine Figuren mit den meinigen (Fig. 94 und 95), so wird man leicht die von ihm abgebildeten Zellen darin wiederfinden. Seine keulen- förmigen, die Spitze nach unten zugekehrten Zellen entsprechen der Zelle II in Fig. 94 und 95, wo die Gebilde in ihrem gröberen Umriss, wie Eberth angibt, Spindeln, Stäbchen etc. darstellen. Auch seine Fig. 14 B, 22 A und 23 gleichen der Zelle I. Was die von ihm abgebildeten, mit dem Ring versehenen Zellen anbetrifft. so stellen sie sicher von der Cutis abgetrennte und nach oben verschobene Zellen dar, die auf Fig. 95 II von mir dargestellt sind. Die Ähnlichkeit der Gebilde liegt nur in ihrem gröberen Umriss; dünne Fäden und feinere Struktur hat er nicht abgebildet. Canini (1) erwähnt „eine Art Krater, in dessen Höhlung der Kern zur Hälfte liegt, während von dem Rande dieses Kraters ein Reif sich erhebt, welcher sich über den Kern legt, oder eine Anzahl Spangen, die eine Art Krone bilden ...“ Auch schreibt er: „In den anderen Fällen steht ein aufrechter Ring in den Zellen, in dessen Höhlung der Kern steckt, oder es erhalten sich zwei konische Gebilde, welche über dem Kern zusammenlaufen wie ein Torbogen“. Nach dieser Beschreibung hat er vielleicht das Bild gesehen, das ich in meinen Fig. 41, 42, 45—48 abbilde. Obwohl er selbst angibt, dass seine Zeichnungen der Eberthschen am nächsten stehen, scheint es mir jedoch, nach seiner Beschreibung und Abbildung zu beurteilen, dass er ein noch früheres Stadium als das von Eberth beschriebene unter- sucht hat, das vielmehr meiner Fig. 70 entspricht. Wenn man Mitrophanows (18) Zeichnung mit der Caninischen vergleicht, so springt es sofort in die Augen, dass sie miteinander grosse Ähnlichkeit haben, wenn auch er, wie Canini, die von Eberth angegebenen Formverschiedenheiten annimmt. Kölliker (8), der auch die von Eberth abgebildeten Formen für ganz gewöhnlich hält, fand ferner in der Epidermis der Rumpfgegend „viel verwickeltere, in denen der Kern der betreffenden Zellen von einem ge- schlossenen fischreusenähnlichen Korbe von 15— 20 Stäben umfasst wird“. Diese Zellen, die er auf seinen Fig. 11e, c‘ zeichnet, wenn sie auch etwas schemati- siert sind, scheinen den Zellen zu entsprechen, die auf den Eberth’schen Fig.14B und 23, sowie auf meinen Fig. 70I, 78, 94 und 951 dargestellt sind. Es handelt sich hier um Basalzellen, die fast vertikal gestellte, palisadenartig angeordnete mitochondriale Stränge in sich einschliessen. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 223 Frenkel (5) bildet die Epidermis in ihrem zwei- und dreischichtigen Stadium ab. Die Gebilde, die auf seinen Fig. 1 und 2 gezeigt sind, weisen viel verwickeltere Formen auf, als es seine Vorgänger abgebildet haben. Ihrer Anordnung nach haben die von ihm gezeichneten Gebilde mit meinen Fig. 85 II und 86—90 grosse Ähnlichkeit, die aus der Epidermis von 4,5 cm langen Larven entnommen wurden. Als einen besonderen Typus beschreibt er in jungen Larven glänzend rote Körner um den Kern, die „entweder isoliert sind, oder untereinander durch Fäden oder eine homogene Substanz in Verbindung stehen“. Solche Formen habe ich nie beobachtet; vielleicht hat Frenkel dabei Mitochondrien gesehen, die entweder als isolierte Körnchen oder als Körnchenreihen oder -gruppen auftreten, wie aus Fig. 72 bis 77 ersichtlich ist. Macallum (14) fand dieEberthschen Gebilde in allen Reihen der Epidermis mit Ausnahme der oberflächlichsten; am meisten sind sie in den Basalzellen entwickelt, wenn die Epidermis vier- oder fünfschichtig geworden ist. Die Formen der Gebilde stehen nach seinen Beschreibungen und Ab- bildungen (Fig. 1 und 2) den von Eberth beschriebenen sehr nahe, so dass er fast gleiche Larvenstadien wie Eberth untersucht hat. Er bildet die Gebilde entweder als Pyramidenform oder als lange Stäbe ab, die oft den Kern in sich einschliessen, dann wieder als Ring, der um den Kern gelagert ist. Das ganze Bild stimmt mit meinen Fig. 9, 95 und 97 gut überein. Seine pyramidenförmigen Gebilde entsprechen den Gebilden, die in den Zellen I meiner Figuren enthalten sind, während die langen Stäbe, die oft in ihrem oberen Ende den Kern umgeben, den in den keulenförmigen Zellen (II) ent- haltenen Strängen, die ihre Verbindung mit der Cutis noch behalten (Fig. 75 und 95 II) gleichzusetzen sind. Wenn die Verbindung der Gebilde mit der Cutis verloren geht und die Zellen nach oben verschoben werden, so kommen rundliche Zellen mit ringförmigen Gebilden zustande, wie Macallum auch solche abgebildet hat. Ausserdem fand er durch die Achse der Gebilde ver- laufende Fäden, die er für Nervenendigungen hält. Dass diese wahrscheinlich durch die ungenügende Färbung und unzweckmässige Entfärbung der Schnitte hervorgerufen worden sind, habe ich früher gezeigt. Studnilka (28) hat bei Bombinator „dicke, unten kegelförmig ver- breiterte Fibrillenbündel, die sich im oberen Teil der Zelle einfach umbiegen‘, beobachtet; bei Hyla sind nach ihm die Fibrillenbündel besonders auf den Basalabschnitt der Zelle beschränkt, und in dem oberen Teil, wo auch der Zellkern liegt, steigen nur verhältnismässig dünne, fadenförmig sich ver- zweigende Bündel, von denen man dort immer mehrere beobachten kann. Diese Formen der Fibrillenbündel sieht man auch unter anderen in meinen Fig. 42a und 54, wo die Stränge mit der kegelförmigen Ausbreitung nach oben zu sich verdünnend, in einen oder einige dünne Fäden übergehen. „Die schönsten Fibrillenbündel“ hat er bei Pelobateslarven beobachtet, wo „in den Basalzellen auffallend dicke Bündel, welche, ohne sich zu verdünnen, bis in den obersten Teil der Zellen reichen, so dass der Zellkern inmitten des auf diese Weise entstandenen Gerüstes zu liegen kommt“. Auf seiner Fig. 71 bildet er zwei Basalzellen von Pelobateslarven ab, von denen die rechte, in der mehrere Fibrillenbündel fast vertikal nach oben verlaufen, meiner Fig. 70 I 224 Sakae Saguchi: gleicht, während die linke Zelle, die ein grosses kegelförmiges Bündel ent- hält, der Fig. 39 ähnlich ist. Aus seinen Beschreibungen und Abbildungen geht hervor, dass er ein recht frühes Stadium untersucht hat, das dem Stadium von 1,4 cm langen Larven von Rhacophorus entspricht. Doch hat er gestreckte Chondriokonten und primäre mitochondriale Stränge nicht beobachtet, ebensowenig das spätere Stadium, das durch Ringbildung um oder unter dem Kern sich auszeichnet. Loewenthal (13) hat zwei Arten von Zellen: die pyramidenförmigen und die keulenförmigen mit nach unten zugekehrter Spitze, nämlich die beiden Zellarten, die von einem gewissen Larvalstadium an in der Basal- schicht zu unterscheiden sind, richtig erkannt. In den oben bauchig erweiterten Zellen findet er büschelförmig aufsteigende, gewundene Fadenkomplexe, die meist unter dem Kern gelegen sind. Ausser diesen längsverlaufenden Fäden finden sich unter dem Kern quer verlaufende, die oft in der Längsrichtung sich umbiegen. In den anderen pyramidenförmigen Zellen, die zwischen den oben beschriebenen gelegen sind, verlaufen die Gebilde mit weniger deutlichen Windungen nach oben konvergierend. Die oberen Enden der Gebilde über- schreiten die Höhe des Kernes und gehen oft in die über dem Kern gelegenen bogenförmigen Fäden über. Diese beiden Zellarten und die in denselben enthaltenen Gebilde sind in meinen Fig. 70 und 85 (I, IT’, II) wiederzufinden, und zwar in noch detaillierterer Weise. Auch fand er in den Zellen, die zwischen den basalen und oberflächlichen gelesen sind, Fäden, die haupt- sächlich eine konzentrische Anordnung um den Kern aufweisen. Am meisten unterscheiden sich meine Beobachtungen von dem Befunde Pfitzners (20. Pfitzner gibt an, dass die basalen Epidermiszellen je zwei mit Safranin rot färbbare Fasern enthalten, die von unten her in die Zelle eintreten und in ihrem Verlauf fast gleichmässige Dicke haben. Diese Fasern können in den Zellen einige Windungen beschreiben und endigen stets mit einem Knöpfchen. Solche Regelmässigkeit ihrer Zahl und Anordnung habe ich in der grossen Anzahl von Präparaten nie gefunden, wie auch Mitrophanow, Kölliker, Loewenthal u. a. sich in diesem Sinne ausdrücken. Ich bin der Meinung, dass solche Fasern, die Pfitzner für die Nervenendigungen hält, sicher identische Gebilde mit den mitochondrialen Strängen darstellen. die durch das ungenügende Färbungsverfahren nicht in ihrer vollen Ausdehnung, sondern nur in Bruchstücken gefärbt wurden. Was das Endköpfchen, das Pfitzner (20), Canini (1) und Frenkel(5) in dem freien Ende der Gebilde immer gefunden haben, anbetrifft, so liegt hier sicher eine optische Täuschung vor. Wenn die Stränge an irgend einer Stelle ihres Verlaufes sich so umbiegen, dass umgebogene Fäden in die optische Achse zu liegen kommen, so erscheint diese Stelle, welche sich durch intensive Färbung und stärkere Lichtbrechung auszeichnet, wie ver- dickt, als ob hier ein Knöpfchen vorläge. Betreffs der Beziehung des unteren Endes der Gebilde zu der Cutis bin ich der Meinung, dass die Stränge, wie ich später genauer zeigen werde, in die Cutis eindringen, und zwar in der Weise, dass sie bezw. die Fibrillen derselben, indem sie ihre Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 225 chemische Beschaftenheit ändern, ununterbrochen in die Binde- gewebsfibrillen der Cutis übergehen. Diese Annahme der direkten Verbindung der (Gebilde mit der Cutis wird erst begreiflich sein, wenn man die Entwicklungsgeschichte der Cutis genauer verfolgt. Ich werde auf diese Frage später noch einmal zurückkommen. Eberth (3) ist der Ansicht, dass „besonders die längeren fadenförmigen Körper das verschmälerte untere Ende der sie umschliessenden Zellen durchbrechen, nachdem vorher die Rinden- schicht der letzteren resorbiert wurde .... Faltet man die mit der Epidermis noch überkleidete Cutis, so sieht man die Zellen kappenförmig über die eingeschlossenen Körper gestülpt, die sehr konstant mit verbreiterten Füssen und zwar ziemlich fest der Cutis aufsitzen“. Zwar haftet, wie Eberth richtig angibt, das untere Ende der Gebilde ziemlich fest an der Cutis, doch diese Verbindung vollzieht sich nicht sekundär, sondern nach meinen Untersuchungen schon früh in dem Stadium der primären mito- chondrialen Stränge Das von ihm beschriebene Hervortreten des unteren Endes der Gebilde von den Zellen ist sicher Kunst- produkt, wenn er selbst es auch in Abrede stellt. Auch habe ich ein solches Bild oftmals gesehen, wenn die Epidermis durch die Messerschneide von der Cutis abgehoben wird. In solchen Fällen tritt das untere Ende der Gebilde, das meist der Cutis anhaften bleibt, von den Zellen mehr oder weniger hervor, ja zuweilen sieht man sogar, dass das ganze Gebilde aus den letzteren heraus- gezogen und zu einem ziemlich langen Strang gestreckt wird. Falls der Schnitt gut gelingt, sieht man solche Bilder nirgends. Auch fand Leydig (12) ein solches Hervortreten der Gebilde in wenigen Fällen; „in den meisten Fällen“, sagt er, „über- schreiten die Fäden den Rahmen der Zelle nicht“. Studnicka (28) bespricht nur, dass die Fibrillenbündel mit ihrem einen Ende sich im Niveau der Basalfläche der Zelle an der Uutis befestigen. | Die Autoren, welche die intrazellulären Gebilde für die Nervenendigungen halten — ich nenne Pfitzner, Canini, Gaule und Macallum — nehmen die Verbindung der Gebilde mit den Nerven an. Pfitzner (20) beschreibt: „Aus diesem Unterhautbinde- gewebe sieht man glänzende, stark lichtbrechende Fasern an das Corium herantreten; sie verlaufen häufig anfangs noch parallel Archiv f.mikr. Anat. Bd.83. Abt. I. 15 226 Sakae Saguchi: der Oberfläche und biegen dann gegen dieselbe um, um mehr oder minder senkrecht das Corium zu durchsetzen und in die Epithellage einzutreten, wo sie teils in den Basalzellen, teils, indem sie zwischen diesen Zellen aufwärts steigen, in den obersten Zellen endigen. Sowohl im Unterhautbindegewebe wie im Corium, bisweilen auch noch in der Epidermis, sieht man sie dichotomische Teilungen eingehen, ohne merklich an Durchmesser zu verlieren und ohne besondere Erscheinungen, wie Verdickungen oder Ein- schnürungen, aufzuweisen.“ Es liegt hier gewiss ein Fehler in der Technik der Schnitt- anfertigung vor. Wie ich oben bemerkt habe, werden durch die Abhebung der Epidermis von der Cutis, was zuweilen vorkommt, die intrazellulären Gebilde aus der Zelle herausgezogen. Und dabei kann ihr unteres Ende entweder an der Cutis haften bleiben oder von der letzteren sich ganz abtrennen. Wenn in dem letzteren Fall die abgehobenen Fasern sich wieder auf die Cutis legen, so würde das Bild, das Pfitzner auf seiner Fig. 2 abbildet, zustande kommen. Dasselbe gilt auch von der ver- meintlichen Nervenfaser, die Macallum (14) auf seiner Fig. 1 n‘ abbildet. Ferner hat Pfitzner an den mit Safranin gefärbten Präparaten, bei denen, nach seiner Angabe, wegen der Einbettung in Dammarlack die Fortsetzung der Fasern im Corium und Unter- hautbindegewebe nicht zu verfolgen ist, gesehen, dass es bisweilen den Anschein gewinnt, „als sei die Faser an der Basis zu einer schwimmhautartigen Membran aufgelöst“. Er hat solche Stellen genauer untersucht und glaubt, sich davon überzeugt zu haben, dass hier eine optische Täuschung vorliegt. Nach meiner Meinung stellt dagegen eine solche schwimmhautartige Stelle die konische Ausbreitung des unteren Endes der intrazellulären Gebilde dar, welche auch Canini, Leydig, Studnitka und ich beschrieben und abgebildet haben, so dass, was von Pfitzner als optische Täuschung bezeichnet wurde, vielmehr dem wirklichen Verhältnis entspricht. Auch hat Canini (1) gesehen, dass von der Basis der Ge- bilde. die er ziemlich naturtreu wiedergibt, feine Fäserchen durch die Outis senkrecht absteigen, um das Unterhautbindegewebe zu erreichen. Er hält es für wahrscheinlich, dass diese Fäserchen die Nervenendigungen darstellen. Ich möchte auch hier die Ein- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 227 wendung machen, dass diese Fasern mit den Nerven nichts zu tun haben, sondern nichts anderes als die die Cutis durchsetzenden Bindegewebsfasern oder Fortsätze der Bindegewebszellen sind, welche, wie schon Schuberg (25, 26) gezeigt hat, erst sekundär mit den Epidermiszellen sich verbinden. Dass über die Bedeutung der intrazellulären Gebilde die Meinungen der Autoren auseinandergehen, wurde früher kurz erwähnt. Wie bekannt, erklären Pfitzner (20), Canini (Il), Gaule (20), Frenkel (5) und Macallum (14) die intra- zellulären Gebilde für die Nervenendigungen. Ich will mich hier nicht auf die Frage über die Nervenendigungen einlassen; nur muss ich soviel bemerken, dass die Annahme der Nervennatur der fraglichen Gebilde um so mehr auf sehr schwachen Füssen steht, als einerseits von mehreren Seiten wiederholt gezeigt worden ist, dass nicht nur in der Amphibienepidermis, sondern auch in der Epidermis der anderen Tiere, besonders der Säugetiere, die inter- zelluläre Nervenendigung als einziger Modus vorkommt und dass andererseits von mir der Nachweis geführt wurde, dass die sogen. Eberthschen intrazellulären Gebilde, die bis dato rätsel- haft geblieben sind, nichts anderes als verklebte Mitochondrien bezw. Chondriokonten in den Epidermiszellen sind und dass sie niemals mit den Nerven sich verbinden. Leydig (12) hat die (Gebilde mit den Byssusfäden der Gastropoden verglichen und meint, dass die Bildung der intra- zellulären Gebilde als eine Art sekretorischen Prozesses aufzu- fassen sei. Er schreibt: „Hier bei den Batrachiern — kann man sich vorstellen — übernimmt zur Zeit des Larvenlebens, in welchem noch nicht Hautdrüsen aufgetreten sind, die einfach flächenhaft ausgebreitete Oberhaut die Ausscheidung der Byssusfäden. Später nach der Finsenkung der Oberhaut zu Hautdrüsen geht von letzteren die Absonderung des klebrigen Saftes aus, ohne aber selbst noch fädige Teile zu entwickeln.“ Auch ist eine solche An- nahme der Beziehung der Gebilde zur Sekretion auf Grund meiner Untersuchungen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Ich weiss wohl, dass, wie von mehreren Autoren in neuester Zeit zugegeben worden ist, die Mitochondrien bezw. Chondriokonten zur Sekretion der Zellen eine gewisse Beziehung haben; doch kommen in den basalen Epidermiszellen, welche die fraglichen Gebilde enthalten, niemals 15* 228 Sakae Saguchi: Vorgänge vor, die als sekretorisch angesehen werden könnten. Vielmehr übernehmen andere Zellen die Sekretion, die in dem Larvenstadium vor dem Auftreten der eigentlichen Drüsen voll- zogen werden muss; darüber werde ich in der nächsten Arbeit (renaueres berichten. Endlich muss die Annahme Studnictkas (28) über die Rolle, welche die intrazellulären Gebilde zu spielen haben, hier berücksichtigt werden. Er sagt: „Es handelt sich sicher um Tonofibrillen, doch diese können nur zur Festigung der einzelnen Basalzellen, nicht dagegen des Epidermisgewebes als eines Ganzen, dienen. ı% “ Ausserdem ist es ihm nicht begreiflich, wozu die so dünne Epidermis ein so festes Stützgerüst brauchen sollte. Die einzige Erklärung, die ihm annehmbar erscheint, ist die, dass „sie in gewissem Sinne das Corium, welches gerade bei diesen Tieren im larvalen Zustande minimal dick ist, auf irgend welche Weise in seiner Funktion stärken“. Ich habe früher dargetan, dass die Stränge, wie die Entwicklungsgeschichte derselben zeigt, von den gekniekten Chondriokonten in den Epidermiszellen gebildet wurden und bis zu einer gewissen Larvenperiode niemals ihre färberische Reaktion für die Mitochondrienmethode geändert haben. Da die Mitochondrien bezw. Chondriokonten mit den Tono- fibrillen keine identischen Gebilde sind, so ist der erste Teil seines Aufsatzes hinfällig. Was den zweiten Teil seiner Beschreibung anbetrifft, so hat er gewisse Berechtigung insofern, als die intra- zellulären Gebilde festere Beschaffenheit haben und daher als (rerüst für die basalen Epidermiszellen dienen können. Da jedoch diese Gebilde nur verklebte Chondriokonten darstellen, so ist ihre Befestigung nur von transitorischer Art, wie ich früher gezeigt habe. Bekanntlich verschwinden die intrazellulären Gebilde am Ende des larvalen Lebens gänzlich. Wie sie sich bei dem Ver- schwinden verhalten, ist bis dato wenig beachtet worden. P-fitzner (20) sagt nur, dass sie mit der Häutung des Tieres verschwinden müssen, weil sie ohne die Zelle nicht fortexistieren können. Auch Eberth (3) spricht sich in demselben Sinn wie Pfitzner aus. Nach Studnicka (28) ist esnicht anders möglich, als dass die intrazellulären Gebilde „in das am Ende der Larvalzeit entstehende Exoplasma der Zelle aufgenommen werden, wo sie infolge teil- Uber Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 229 weiser Maskierung weniger deutlich sind als früher in seinem Endoplasma. Ein Teil von ihnen löst sich jedenfalls auf und es entstehen neue Fibrillen in der gewöhnlichen Anordnung an der Stelle der alten Fibrillenbündel“. Diese Vermutung Studnickas möchte ich für berechtigt halten. Zwar löst sich ein Teil der mitochondrialen Stränge auf, nachdem sie ihre färberische Reaktion geändert haben. Die übrig gebliebenen, chemisch veränderten Fäden dagegen werden wahrscheinlich, wie Studnicka auch an- nimmt, ins Exoplasma aufgenommen, wo sie als Tonofibrillen weiter existieren können, Besondere Beachtung verdienen die Fäden in den basalen Zellen, weil sie, wie später geschildert werden wird, mit der Cutis sich verbinden und als „Haftfasern“ Kromayers zu der Befestigung der basalen Zellen, ja sogar der ganzen Epidermis dienen. 4. Über die Frage der Epidermis-Cutisgrenze. A. Eigene Beobachtungen. Wie früher gezeigt wurde, ist die Epidermis schon an 9 mm langen Larven (Fig. 1—3) durch eine sehr dünne homogene Schicht, die sog. Basalmembran, unten scharf begrenzt. An der Unter- fläche dieser Membran liegen flache, grosse, oft mit Dotterkügelchen besetzte Bindegewebszellen, die in Flächenansicht durch reichliche Fortsätze sich auszeichnen. Die basalen Epidermiszellen sitzen mit der flachen Basis an dieser Membran fest. Wie schon bemerkt wurde, enthalten sie ausser den um den Kern aufsteigenden Chondriokonten noch horizontal verlaufende, die zwischen dem Kern und der Basalmembran gelegen sind, wie Fig. 1—4 es zeigen. Dass diese horizontal gestellten Chondriokonten oft in der verti- kalen Richtung sich umbiegen, wurde schon früher geschildert. An den 1,4 em langen Larven (Fig. 20) hat die Dicke der Basalmembran bedeutend zugenommen, so dass sie etwa ein Drittel der Höhe der basalen Zellen beträgt. Sie ist jetzt nicht mehr homogen, sondern es sind in ihr zwei Schichten zu unterscheiden. Die untere Schicht färbt sich mit Eisenhämatoxylin blasser und zeigt deutlich sichtbare, doch sehr feine Fibrillen, die zueinander parallel verlaufen. Auf dieser Schicht zeigt die Basalmembran — es wäre besser, sie Cutisanlage zu nennen — eine in demselben Präparat dunkler sich färbende Schicht, die durch das dichte Zusammenlaufen der sie zusammensetzenden Fibrillen homogen 230 Sakae Saguchi: erscheint. Unter der aus zwei Schichten bestehenden Uutisanlage liegen flache Bindegewebszellen, wie es früher der Fall war. Dass in den basalen Epidermiszellen, die mit der ebenen Basis auf der Cutisanlage sitzen, in dieser Larvenzeit drei Arten von Zellen zu unterscheiden sind, ist schon früher beschrieben worden. In den Zellen der ersten Art (Fig. 20 I und 58), welche die Form der abgestumpften Pyramide zeigen, sieht man eine sehr dünne Schicht, die der Cutisanlage als Saum dicht anliegt. Der Saum besteht aus einer homogenen, stark lichtbrechenden Substanz; er bricht das Licht stärker als das unter ihm gelegene Bindegewebe der Cutis und färbt sich mit Eisenhämatoxylin dunkler, mit Säurefuchsin, Eosin ete. mehr rötlich als das Binde- gewebe und das Zellplasma selbst. Er ist in diesem Stadium der Larven noch dünn: seine glatte untere Fläche ist von der Cutis ziemlich scharf begrenzt. Bei der Abtrennung der Zellen durch die Messersehneide trennen sich die Zellen meist an der unteren Fläche dieses Saumes von der Cutis ab, so dass sie an den Zellen haften bleibt. Auf der oberen Fläche des Saumes, welche ich kurzweg die homogene Basalschicht nennen will, sieht man an vertikalen Schnitten der Epidermis einige wellig verlaufende, mitochondriale Stränge (Fig. 58). An tangentialen Schnitten der Epidermis bemerkt man, dass die horizontal verlaufenden Stränge ein Netz bilden, dessen Maschen polygonal sind (Fig. 59b 1 hs). In der Peripherie dieser Zellen (vergl. auch Fig. 58) verlaufen ganz dünne, vertikal gestellte. mitochondriale Stränge, die, nach unten den äussersten Rand der homogenen Basalschicht durch- setzend, die Cutis erreichen. Ausserdem sieht man an diesen Flächenschnitten (Fig. 59 a und b), wie früher gezeigt wurde, dass die mit der homogenen Basalschicht versehenen Zellen ihre Basaltlächen so ausgebreitet haben, dass zwischen ihnen (I) nur minimale Lücken übrig bleiben, in denen das untere Ende der mitochondrialen Stränge von den Zellen der dritten Art an der Cutis haftet (Fig. 59b III ts‘). Die Zellen der zweiten Art‘ (Fig. 27—35), die ihre Basis mehr und mehr verschmälern, haben nur eine dünne, oft fast unmerkbare homogene Basalschicht. Wenn man solche Zellen an Flächenschnitten betrachtet (Fig. 59 a und b II), so haben sie in der Zellperipherie diekere Bündel, die weniger zahlreich Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 231 sind als die der ersten Zellen. Verfolgt man solche vertikal gestellten sekundären Stränge gegen die Basis, so wird man sich bald davon überzeugen, dass sie nach innen sich umbiegen und in das oben beschriebene, auf der homogenen Basalschicht gelegene Netz von mitochondrialen Strängen übergehen (Fig. 59 b, II). Mit der Verschmälerung der Basis derartiger Zellen werden, wie früher geschildert wurde, die auf der homogenen Basalschicht gelegenen mitochondrialen Stränge mehr und mehr von ihrer Unterlage abgehoben und mit dem Vorschreiten solchen Prozesses zur Bildung der tertiären mitochondrialen Stränge verwandt. Nach meiner Ansicht leiten sich die Zellen der ersten Art nicht von den Zellen der zweiten Art ab, ebensowenig in umge- kehrter Weise. Vielmehr haben beide Zellen gemeinsame Ur- sprungszellen. Als solche muss man jene Zellen betrachten, die gestreckte Chondriokonten oder primäre Bündel in ihrem Beginn der Verklebung enthalten (Fig. 21—26). In solchen Zellen sieht man deutlich genug, dass sie in der basalen Fläche, wo sie die Cutis berührt, eine sehe dünne homogene Schicht berühren, die als der erste Anfang der späteren dickeren homogenen Basal- schicht angesehen werden kann. Mit der Entwicklung gehen diese Zellen nach zwei Richtungen auseinander, indem einerseits sie sich zu den Zellen mit breiter Basis differenzieren, andererseits zu den Zellen, die von den ersteren immer mehr verdrängt werden. Während dieser Differenzierung nach den zwei Richtungen werden die primären und sekundären Strangbildungen sowohl in der verti- kalen wie der horizontalen Richtung Schritt für Schritt vollzogen. In der horizontalen Richtung werden die Chondriokonten, die unter dem Kern horizontal verlaufen, nach und nach verklebt, und wird zuletzt jenes Flechtwerk, das man auf der Basalfläche der Zellen sieht, gebildet (Fig. 59b Ihs); bei der Verklebung wird dieses Flechtwerk nicht selbständig gebildet, sondern stets im Zusammen- hang mit den vertikal gestellten Strängen, so dass der ununter- brochene Übergang beider Stränge zustande kommt. An dem Flächenpräparate sieht man diesen Übergang deutlich an den Zellen, die ihre Basis zu verschmälern beginnen (Fig. 59b ID). In den Zellen mit breiter Basis (Fig. 59a und b I) kann man den direkten Übergang der vertikalen Stränge zu den hori- zontalen nicht sehen, ebensowenig lässt sich in diesem Stadium die Beziehung zwischen beiden Strängen mit Sicherheit entscheiden. 232 Sakae Saguchi: An den 2 cm langen Larven (Fig. 70) nimmt die Cutis noch mehr an Dicke zu. Sie zeigt in ihrer ganzen Dicke feine fibrilläre Streifung; von dem im vorigen Stadium sichtbar gewesenen oberen dichteren, dunkler färbbaren Teil derselben ist nichts zu bemerken. Die Zellen der ersten Art (Fig. 70 I, I‘ und 78), die wie früher pyramidenförmige Gestalt zeigen und jetzt deutliche mitochon- driale Stränge erkennen lassen, sitzen auf jener homogenen Basal- schicht auf, die jetzt dicker geworden ist als früher. Die untere glatte Fläche der homogenen Basalschicht wölbt sich oft gegen die Cutis vor, während ihre obere unebene Fläche deutlich sicht- bare mitochondriale Stränge trägt. Das auf der homogenen Basalschicht gelegene Netz hat jetzt eine gewisse Umordnung erfahren, so dass es nach der Form der Zellbasis ver- schiedenartig orientiert ist (Fig. SO und S]). Wenn die Basis längliche Form aufweist, so verlaufen die Stränge hauptsächlich der Länge nach (Fig. 81). Hat dagegen die Zeilbasis dreieckige Form, so orientieren sie sich in den drei Richtungen, die mit den Seiten des Dreiecks parallel gestellt sind (Fig. SO). Auch ist in diesem Stadium deutlich zu sehen, dass die Enden der hori- zontal gestellten Stränge gegen die Peripherie der Basis in Fibrillen zerfallen. Diese letzteren vereinigen sich mit den ebenfalls aus- einander weichenden unteren Enden der vertikal gestellten Stränge in dem oberen Rand der homogenen Basalschicht, um dann zusammen die letztere durchsetzend, die Cutis zu erreichen (Fig. SO und 81). Um die Entstehung dieser bemerkenswerten Anordnung der Fibrillen zu verstehen, müssen wir zu dem vorigen Stadium (1,4 em lange Larven) zurückkehren. Wie schon gezeigt wurde, ist in den noch nicht ihre Basis verbreiternden Zellen der Über- BE RR u I er Fig. 3. Fig. 4. sang der vertikalen Chondriokonten zu den horizontalen direkt zu beobachten (vergleiche auch Textfig. 3). Wenn nun die Zell- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 239 basis sich zu verbreitern beginnt, so müssen die Stränge an dem äussersten Rande der Basis eine Knickung erfahren, so dass jetzt die spitzwinklige Umbiegung zustande kommt, wie es die schematische Textfig. 4 veranschaulicht. Mit dem Vorschreiten der Ver- breiterung der Zellbasis nähern sieh beide Teile der umgebogenen Stränge immer mehr, um zuletzt miteinander zu verkleben (Textfig. 5), so dass jetzt die Bilder, die Fig. SO und 81 zeigen, verständlich werden. An den 4,5 cm langen Larven (Fig. 85) ist die Cutis, die von unten mit den Bindegewebszellen besetzt ist, noch dicker ge- worden als früher. Die dicke, eb meist gegen die Cutis sich stark | vorwölbendehomogene Basalschicht, sowie die auf ihr gelegenen hori- zontal gestellten Stränge (Fig. 93) haben jetzt den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Ebensogut ist zu sehen, dass die unteren Enden der vertikalen Stränge in einzelne Fibrillen zerfallen und die homogene Basalschieht durch- setzen (Fig. 85 I, T’). Auf Fig. 94, die von den in ihrer Entwicklung noch weiter vorgeschrittenen Larven entstammt, ist die homogene Basalschicht, die hier mit Säurefuchsin rot gefärbt ist, wohl zu sehen, doch von den auf ihr gelegenen Strängen bemerkt man nichts mehr. Indem nächsten Stadium (Fig. 95) ist die Basalschicht un- deutlich geworden; sie sieht wie der vereinigte Saum der unteren verbreiterten Enden der vertikal gestellten Stränge aus, die jetzt ihre färberische Reaktion verändert haben. In dem folgenden Stadium verschwindet die Basalschicht vollständig (Fig. 96 und 97); doch ist zu bemerken, dass das unter Endee der vertikalen Stränge, die mit der Kromavyerschen Methode gut färbbar sind, mit den auseinander weichenden Fibrillen an der Cutis haften, wovon schon früher die Rede war (Fig. 97). Die Bindegewebszellen dringen zum erstenmal in das Korium ein (Fig. 96). Was bedeutet nun die homogene Basalschicht mit den darauf- gelegenen Strängen? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst bedenken, woraus die Basalschicht entsteht. Nach meiner 234 Sakae Saguchi: Ansicht ist sie sicher ein Produkt der basalen Epidermiszellen. Dass sie den letzteren angehört, ist schon dadurch zu beweisen, dass sie bei der Zerreissung der basalen Zellen durch die Messer- schneide meist an denselben haften bleibt, und auch dadurch, dass sie bei der Mitose in ihrer Mitte halbiert wird und in die Tochterzellen übergeht (Fig. S2 und S4). Die homogene Basalschicht ist schon früher in den Zellen, die gestreckte Uhondriokonten aufweisen, vorhanden und nimmt immer mehr an Dicke zu, so dass sie an 4,5 cm langen Larven bedeutende Dicke erreicht. Mit dieser Zunahme der Dicke hält das Wachstum das darauf- gelegenen, horizontal gestellten, mitochondrialen Stränge gleichen Schritt. Nach dem Verschwinden der letzteren bleibt die homogene Basalschicht noch bestehen, um dann gänzlich zu verschwinden. Also entsteht diese Schicht in einem Entwicklungsstadium, wo vielleicht die Strangbildung schon begonnen hat, und verschwindet, wenn die Stränge verschwinden. Es wäre nun nicht fernliegend anzunehmen, dass diese Schicht auf Kosten der horizontal ge- stellten mitochondrialen Stränge entstehe. Die Stränge verlieren ihre spezifische Reaktion für die Mitochondrienmethode und bilden sich zu der homogenen Basalschicht um, die mit Säurefuchsin, Eosin etc. gut färbbar ist. Wozu wird dann weiter die homogene Basalschicht ver- braucht? Es lassen sich zwei Annahmen über ihr Schicksal machen ; zuerst kann man vermuten, dass sie sich auflöst und verschwindet. Mit dieser Vermutung muss gerechnet werden, so lange nicht die Umbildung der Basalschicht in andere Gebilde mit Sicherheit nachgewiesen ist. Die andere Möglichkeit ist die, dass die Basal- schicht unten die Bindegewebsfibrillen abscheidet. Um diese letztere Annahme wahrscheinlich zu machen, führe ich folgende Punkte an: 1. Wie früher geschildert wurde, gehen die basalen Epidermis- zellen in ihrer Beziehung zur Cutis nach den zwei ganz ver- schiedenen Richtungen auseinander. Die einen Zellen verbreitern ihre Basis und bilden die homogene Basalschicht mit den darauf- liegenden Strängen. Die anderen Zellen werden von den oben- genannten mehr und mehr nach oben gedrängt, so dass zuletzt ihre verschmälerte Basis nur durch den linienartigen Fuss mit der Cutis verbunden bleibt. Dieser Prozess geht in einem viel früheren Larvenstadium (schon vor dem Stadium der Larven von Uber Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 235 1,4 cm Länge) ziemlich schnell vor sich, so dass Übergangsformen nicht häufig zu beobachten sind. Wenn man Flächenschnitte an- fertigt, so sieht man leicht, dass die Zellen an dem Rand der verbreiterten Basis sich fast miteinander berühren; nur bleiben dazwischen minimale Spalten übrig, die für die anderen ver- drängten Zellen als Anheftungsstelle an der Cutis dienen (Fig. 59 b, III ts’). Aus diesem Umstand kann man mit Wahrscheinlichkeit schliessen, dass die mit der homogenen Basalschicht versehenen Zellen eine gewisse Beziehung zur Cutis haben. 2. Das untere Ende der mitochondrialen Stränge, welche die keulenförmigen Zellen mit der nach unten zugekehrten Spitze in sich einschliessen, ist, wie schon erwähnt wurde, ziemlich fest mit der Cutis verbunden, so dass bei einem Abreissen der Zellen durch den Schnitt die Stränge oft aus den Zellen herausgezogen werden und der Cutis anhaften bleiben. Wie kann man diese feste Verbindung der Stränge mit der Cutis deuten? Ich habe oben geschildert, dass die in Verschmälerung der Basis begriffenen Zellen eine dünne homogene Basalschicht und daraufliegende mitochondriale Stränge aufweisen. Mit dem Fortschreiten der Verschmälerung werden einerseits die Stränge von der Unterlage abgehoben und andererseits wird die homogene Basalschicht in die Cutis aufgenommen. Da die homogene Basalschicht auf Kosten der horizontal gestellten Stränge gebildet wird und die letzteren ihrerseits mit den vertikal gestellten in ununterbrochener Ver- bindung stehen, so muss zwischen den letzteren und der Basal- schicht eine direkte Verbindung der Substanz vorhanden sein. Diese Verbindung bleibt selbst in dem Falle, wo die homogene Basalschicht sich in die Cutis umgewandelt hat, noch bestehen, so dass die mitochondrialen Stränge, bezw. ihre Fibrillen ins Bindegewebe der Cutis sich direkt fortsetzen. Diese Annahme gilt für die Zellen mit breiter Basis. Den peripheren Teil der homogenen Basalschieht dieser Zellen durch- setzen die unteren Enden der vertikal gestellten Stränge. Bei der Umwandlung der homogenen Basalschicht in Bindegewebe werden die unteren Enden der vertikal gestellten Stränge eben- falls in die Uutis mit aufgenommen. Wenn nun, wie ich früher geschildert habe, ein Teil der Tonofibrillen von den vertikal gestellten, mitochondrialen Strängen sich ableiten lässt, so gewinnt die Verbindung derselben mit der 1) © on Sakae Saguchi: Cutis an Bedeutung. Diese Verbindungsfibrillen dienen als „Haft- fasern“ Kromavyers, um die Basalzellen mit der Cutis zu ver- binden und weiter die ganze Epidermis vor der Ablösung zu schützen. Die von vielen Seiten oft behandelten, doch in ihrer Bedeutung noch nicht endgültig aufgeklärten sogenannten Herx- heimerschen Spiralen sind wahrscheinlich Fasern, durch welche die nach oben verschobenen Zellen ihre Verbindung mit der Outis bewahren (siehe Fig. 97 ID) 3. In einem gewissen Larvenstadium (Fig. 70) lassen sich in der Cutisanlage zwei in ihrem Aussehen verschiedene Schichten unterscheiden. Die untere Schicht färbt sich blasser und zeigt einen deutlich fibrillären Bau, während die obere, an die Epi- dermis angrenzende Schicht eine dichtere, mehr homogene Be- schaftenheit hat, so dass sie durch Farbstoffe dunkler gefärbt ist. Es liegt der Gedanke nahe, dass, wie auch Maurer (15) gezeigt hat, die obere mehr homogene Schicht eine jüngere Entwicklungs- stufe darstellt als die untere fibrilläre. Diese Verschiedenheit in der Struktur wäre erst erklärlich, wenn man annimmt, dass die larvale Cutis, wenigstens ein Teil derselben, von den basalen Epidermiszellen gebildet wird. 4. Die larvale Cutis hat zuerst keine Zellen, erst in einer ziemlich vorgeschrittenen Larvenzeit (Fig. 96) schieben die unter der Cutis gelegenen Bindegewebszellen ihre Fortsätze in sie hinein, bis dann die Zellen selbst nachfolgen, wie auch Schuberg (25, 26) annimmt. Wie kann man sich diese sekundäre Einwanderung der Zellen, die wahrscheinlich für die Ernährung der Bindegewebs- fibrillen bestimmt ist, erklären? Wenn die ganze larvale Cutis nur von seiten der Bindegewebszellen gebildet wird, so würde eine bestimmte Anzahl von Zellen, die ihrerseits Bindegewebs- fibrillen produziert haben, von Anfang an in der Cutis übrig bleiben, um die gebildeten Fibrillen zu ernähren, ohne dass eine sekundäre Einwanderung erforderlich wäre. Doch ist dies nicht der Fall. Die Einwanderung der Zellen wäre somit für die Er- nährung von solchen Teilen der Cutis nötig, die von den basalen Epidermiszellen gebildet wurden. Fast gleichzeitig mit dieser Einwanderung der Bindegewebszellen hört dann, wie ich annehme, die Produktion der Bindegewebsfibrillen von seiten der Epi- dermiszellen auf und wird dann die Zunahme der Cutis nur durch die Bindegewebszellen herbeigeführt. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge etc. 237 B. Literatur und kritische Bemerkungen. Die jetzt vorherrschende Ansicht über die Entwicklung der Cutis ist, dass sie nur von den Bindegewebszellen gebildet wird. So nehmen für die Amphibienlarven Remak (21), Goette (7), Torök (29), Rabl, Schuberg (27) u. a. an. Maurer (15) hat in seiner Monographie die Entwicklungsgeschichte der Cutis von Rana temporaria berührt. An den Larven, an denen die inneren Kiemen sich ausgebildet haben, lagern sich grosse, flach ausgebreitete Bindegewebszellen mit verästelten Fortsätzen der Basalfläche der Epidermis an; unter der letzteren ist noch keine Spur einer Stützlamelle nachzuweisen. Erst an den Larven, an denen eben die hinteren Extremitäten als kleine Höckerchen äusserlich sichtbar sind, tritt eine feine, aber deutlich konturierte Lamelle auf, die sich der Basalfläche des Ektoderms dicht anschliesst und unten von den Bindegewebszellen besetzt ist. In diesem Stadium sind nach Maurer in den basalen Epidermiszellen zwei Arten von Zellen zu unter- scheiden: die meisten Zellen stellen grosse, kubische, mit körnigem Plasma versehene Gebilde dar, die mit ihrer breiten Basis auf dem Korium glatt aufsitzen. Zwischen diesen Zellen kommen zerstreut mit ihrer Spitze gegen das Korium zugekehrte, birnenförmige, glashell erscheinende, die eigentüm- lichen Spiralfäden in sich einschliessende Zellen vor, die mit den von ihrer Spitze nach unten ausgehenden Plasmafäden das Korium durchsetzen. „Diese Zellen“, sagt er, „sind insofern schon an der Bildung der ersten Korium- lamelle beteiligt, als sie in diese hinein feinste Fortsätze entsenden, die sich wie Interzellularstrukturen verhalten.“ Er ist ausserdem der Meinung, dass die Lederhaut nicht ganz gleichmässig, sondern unter der Epidermis homogen und dunkler gefärbt ist, während die tieferen Schichten blasser gefärbt und fibrillär umgewandelt sind, so dass die tieferen Lagen offenbar die älteren, die oberflächlichen die zuletzt gebildeten Teile des Koriums sind. „Dies weist darauf hin“, schreibt er dann, „dass an der Basis der Epidermis eine fortwährende Neubildung von Koriumsubstanz stattfindet, die, wenn man sie von Zellen ableitet, was wohl das einzig Verständliche ist, nur von den basalen Epidermiszellen gebildet sein kann.“ Diese Angabe Maurers stimmt im grossen und ganzen mit der meinigen überein, die ich von 1,4 cm langen Larven gemacht habe. Maurer hat richtig bemerkt, dass in der basalen Epidermisreihe zwei Arten von Zellen zu unterscheiden sind, und dass die birnenförmigen Zellen Spiralfäden enthalten, die offenbar meinen mitochondrialen Strängen entsprechen. Als Beweis der Beteiligung der Epidermiszellen an der Coriumbildung gibt er nur an, dass die oben beschriebenen birnenförmigen Zellen die Plasmafäden in das Corium senden. Dieses Verhalten konnte ich, wie schon gezeigt wurde, in meinen Präparaten nicht finden, wenn auch die Verbindung der unteren Enden der mitochondrialen 238 Sakae Saguchi: Stränge mit dem Bindegewebe annehmbar ist. Von der homogenen Basalschicht, die bei der Cutisbildung eine grosse Rolle spielt, erwähnt er nichts. Was die obere, homogen erscheinende Schicht der Cutisanlage anbetrifft, so stimmt meine Annahme mit der seinigen darin ganz überein, dass sie als zuletzt gebildeter Teil der Cutis aufzufassen sei. An zwei Monate alten menschlichen Embryonen beschreibt Kölliker (9) ein zartes, strukturloses, zwischen Epidermis und Cutis gelegenes Häutchen, das leicht Falten bildet, nicht elastisch ist und ganz an die Linsenkapsel erinnert. Ob dieses Häutchen zur Cutis oder zur Epidermis gehört, konnte er nicht entscheiden. Er sagt: „Ich für mich rechne es genetisch zur letzteren, obschon es fast sicher ist, dass dasselbe später mehr mit dem Corium verschmilzt; ich betrachte es als eine Art Ausscheidungsprodukt der Öberhautzellen .. .* Nach Retterer (22) entsteht und erneuert sich die ganze Haut von den Zellen der unteren Reihe des Rete Malpighi. Sie vermehren sich und geben das Zellmaterial sowohl nach oben für die Epidermis, um die durch Abschuppung verloren gehenden Zellen zu ersetzen, wie nach unten, um zu den Bindegewebszellen sich umzuwandeln. Auch hält er, wie Kölliker, die Basalmembran für das Produkt, das zwischen der Epidermis und der Cutis von der ersteren gebildet wird. Krauss (10) hat sich eingehend mit dem Zusammenhang zwischen der Epidermis und dem Oorium bei Reptilien beschäftigt und auch dabei die Entwicklung des Corium berücksichtigt. Nach seiner Beschreibung drängen sich die stark vermehrten basalen Epidermiszellen gegen die Lederhaut vor. Dadurch entsteht dort die netzförmige Protoplasmamasse, die zwischen der Epidermis und dem Oorium gelesen. allmählich ohne scharfe Grenze in letzteres übergeht; in dieser Protoplasmamasse differenziert sich das dichtere Binde- gewebe. Nach Krauss ist daher die Verzahnung der Outis mit der Epidermis als partielle, im Zusammenhang mit dem Bindegewebe der Cutis stehende Collagenbildung in dem basalen Protoplasmagebiet der Epidermiszellen aufzufassen. Auch stehen die Epithelfasern mit subepithelial gelegenen Binde- gewebsfasern in innigem Zusammenhang. Das Vordringen der basalen Epidermiszellen in die Cutis, wie es Retterer und Krauss behaupten, kommt bei den Anurenlarven, soviel ich habe wahrnehmen können, nicht vor. Bis zu einer gewissen Entwicklungsstufe der Larven grenzen die basalen Zellen mit flacher Basis gegen die Cutisanlage stets scharf ab, wie es auch Schuberg, Studnicka u.a. angeben. Die Verbindung zwischen den basalen Epidermis- und den Cutis- zellen wird, wie auch Schuberg (25, 26) annimmt, erst sekundär gebildet, und da liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass dieser Zusammenhang, wie Maurer behauptet, auf die genetische Be- Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 239 ziehung zwischen beiden Zellarten hindeute und dass die Korium- zellen aus dem Epidermisverband ausgetretene Epithelzellen dar- stellen. Dessenungeachtet stimmt meine Annahme mit den Be- schreibungen Retterers und Krauss, darin überein, dass die basalen Epidermiszellen an der Cutisbildung teilnehmen. Doch gehe ich nicht soweit, dass die ganze Cutis von den Epidermis- zellen gebildet werde Die Beteiligung der Epidermis an der Cutisbildung würde nur dafür nötig sein, dass die Epidermiszellen mit der Cutis in fester Verbindung stehen müssen und nichts weiter. Das Vorkommen der Verbindung der Epidermiszellen mit der Cutis durch Protoplasmafasern beim erwachsenen Tiere. von dem auch Kromayer (11) spricht, wird erst verständlich, wenn man die Entwicklungsgeschichte des (rrenzgebietes zwischen beiden Greweben untersucht. Wie oben geschildert wurde, kommen in den basalen Epidermiszellen vertikal und horizontal gestellte mitochondriale Stränge vor, welch beide miteinander verbunden sind. Die horizontal gestellten bilden sich zur homogenen Basal- schicht und weiter zur oberflächlichsten Schicht der Cutis um, während die vertikalen, wenigstens ein Teil derselben, sich in Tonofibrillen differenzieren. V. Zusammenfassung. 1. Die Chondriosomen der Epidermiszellen der Batrachier- larven stellen vor dem Erscheinen der sogenannten Eberthschen intrazellulären Gebilde meist Fäden, die Chondriokonten von Meves dar, die, obwohl sie in sehr verwickelter Weise geknickt sind, doch ihrer Hauptrichtung nach vertikal gestellt sind. Die Körnchen, Mitochondrien und die Körnchenreihen, Chondriomiten, kommen nicht häufig vor. Was in den meisten Fällen wie Körnchen aus- sieht, sind bei näherem Zusehen Chondriokonten, durch die wegen ihrer verwickelten Knickung Körnchenreihen nur vorgetäuscht werden. 2. Bis zu einer gewissen Entwicklungsstufe der Larven stellen die Mitochondrien bezw. Chondriokonten nur ein einziges Morpho- plasma der embryonalen und Jarvalen Epidermiszellen dar, das nichts anderes als die Filarmasse Flemmings sein kann. 3. In einer gewissen Larvenzeit strecken sich die ge- kniekten Chondriokonten der basalen Epidermiszellen und orien- 240 Sakae Saguchi: tieren sich nach der vertikalen und horizontalen Richtung. Diese Prozesse werden wahrscheinlich dadurch verursacht, dass die Epidermiszellen, die noch keine Tonofibrillen zu differenzieren vermögen. sehr frühzeitig gewissen Zug- und Druckverhältnissen ausgesetzt werden. 4. Fast gleichzeitig mit dieser Streckung der Chondriokonten setzen Verklebungen derselben ein, so dass dadurch zuerst aus einigen Chondriokonten bestehende, vertikal gestellte Bündel, primäre mitochondriale Stränge, die in die in derselben Weise gebildeten, auf der Zellbasis gelegenen, horizontal ver- laufenden Stränge ununterbrochen übergehen. Diese primären Stränge verkleben weiter miteinander zu noch diekeren Bündeln, zu sekundären mitochondrialen Strängen, die oben bogenförmig ineinander übergehen, während die untere Fort- setzung zu den horizontalen Strängen noch deutlicher wird. 5. Von den 1,4 cm langen Larven an lassen sich in der basalen Epidermisreihe zwei Arten von Zellen unterscheiden. Die einen Zellen werden an ihrer Basis von den anderen benachbarten Zellen, die ihre Basis mehr und mehr verbreitern, in die Höhe gedrängt, so dass die ersteren nur mit einer zugeschärften Kante, die entweder geradlinig oder drei-, vier- oder fünfstrahlig ist, der Cutis anhaften bleiben. Mit dieser Formänderung der Zellen erleiden die mitochondrialen Stränge eine gewisse Umordnung. In den pyramidenförmigen Zellen mit nach oben zugekehrter Spitze sind die vertikal verlaufenden mitochondrialen Stränge ausschliesslich in der Zellperipherie gelegen, so dass sie hier ein rippenartiges Gerüst bilden. Die oberen Enden der Stränge ver- binden sich über dem Kern miteinander, während die unteren Enden den peripheren Teil der homogenen Basalschicht durch- setzend die Cutis erreichen. Die mitochondrialen Stränge der anderen Zellen weichen mit der Verschmälerung der Basis meist nach den beiden Seiten des Kernes auseinander, wo sie zu mehr oder weniger dickeren Bündeln verklebt werden. Eine andere Folge der Verschmälerung der Basis besteht darin, dass die auf der Zellbasis gelegenen, horizontal verlaufenden Stränge mehr und mehr von ihrer Unterlage abgehoben werden, und dass diese freigewordenen Stränge mit den anderen wieder sich verkleben, so dass dadurch häufig ein den Kern umkreisender Ring gebildet wird. Diese beiden Verklebungen zusammen möchte ich tertiäre Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 241 Verklebung nennen. Ausser dieser gewöhnlichen Form der Verklebung kommen noch andere sehr verwickelte vor. Jetzt ist es zu dem Stadium gekommen, wo mehrere Autoren ihre sogenannten Ebertlischen intrazellulären Gebilde, die nichts anderes als die mitochondriaien Stränge selbst sein können, ge- funden haben. 6. Bei der Zellteilung erfahren weder Uhondriokonten noch mitochondriale Stränge eine bestimmte Anordnung. Die Ver- lagerung, die sie dabei erleiden, ist nur passiv. 7. Die mitochondrialen Stränge verlieren in der späteren Larvenperiode mehr und mehr ihre färberiscbe Reaktion gegen die Mitochondrienmethode; doch lassen sie sich mit Eosin, Säure- fuchsin etc. oder noch besser mit der Kromayerschen Methode gut färben. Die in ihren chemischen Eigenschaften veränderten Gebilde, die noch anfangs dieselbe Form und Anordnung zeigen, wie die mitochondrialen Stränge selbst, werden immer dünner. Es ist wahrscheinlich, dass ein Teil derselben in den Zellen auf- gelöst wird, während ein anderer in dem inzwischen entstehenden Exoplasma aufgenommen wird und als Tonofibrillen weiter exi- stieren kann. S. Mit dem Schmälerwerden der mit der Kromayerschen Methode deutlich färbbaren Stränge nehmen die in den Zellen gelegenen, geknickten Chondriokonten immer mehr an Zahl zu und häufen sich um den Kern in ungeheuerer Masse an, als ob sie auf Kosten der aufgelösten Stränge gebildet würden. 9. Fast gleichzeitig mit der Streckung der Chondriokonten erscheint in der Basis der Zellen eine dünne homogene Basal- schicht, die zwischen den horizontal gestellten Strängen und der Cutisanlage, doch im Bereiche der Epidermiszellen gelegen ist. Diese homogene Basalschicht ist im weiteren Entwicklungs- stadium nur auf die pyramidenförmigen Zellen beschränkt und nimmt an Dicke um so mehr zu, als die darauf gelegenen horizontalen mitochondrialen Stränge dicker werden. Die ge- nannte Schicht verschwindet, nachdem die darauf gelegenen Stränge sich schon lange unseren Augen entzogen haben. Es ist wahrscheinlich, dass die horizontal gestellten Stränge zur homogenen Basalschicht sich umbilden und dass die letztere ihrerseits sich weiter zum Bindegewebe der Cutis differenziert. Da die horizontal gelegenen Stränge in die vertikal verlaufenden Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 16 242 Sakae Saguch?: ununterbrochen übergehen, und die letzteren, wenigstens teilweise, in weiterer Entwicklung zu Tonofibrillen sich umwandeln, so lässt sich annehmen, dass beim erwachsenen Tier die Tonofibrillen mit dem Bindegewebe der Lederhaut in unmittelbarer Verbindung stehen. Herrn Prof. Dr. Jiro Kaneko, meinem hochverehrten Chef und Lehrer. spreche ich für sein beständiges, liebenswürdiges Interesse an dieser Arbeit meinen verbindlichsten Dank aus. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. B. Adachi (Kyoto), Herrn Dr. K. Okajima (Kyoto) und Herrn T. Nakano (Kanazawa) für ihre freundliche Unterstützung. Literaturverzeichnis. 1. 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Allgemein gültige Bezeichnungen: B = Der von der Unterlage abgehobene mitochondriale Strang, der an der Bildung des den Kern von unten umfassenden Bogens sich beteiligt. Bz — Bindegewebszelle. GC — Qutis. Chp = Chromatophoren. Dk — Dotterkügelchen. hb — Homogene Basalschicht. hs — Horizontal gestellte mitochondriale Stränge Pk — Pigmentkörnchen. vs — Vertikal gestellte mitochondriale Stränge. Tafel VIII. Fig. 1 und 2. Schnitt der Haut einer 9 mm langen Rhacophoruslarve. Fig. 1: aus der Rückenhaut; Fig. 2: aus der Bauchhaut. Fig. 3. Schnitt der Rückenhaut einer 1,53 cm langen Ranalarve. Fig. 4 Basalzelle aus der Rückenhaut einer Rhacophoruslarve (9 mm Länge). Fig. 5 und 6. Basalzellen aus der Rückenhaut der Ranalarve (1,3 m Länge). 7 und 8. Oberflächliche Zellen aus der Rückenhaut der Rhacophorus- larve (9 mm Länge). Fig. 9—19. Verschiedene Stadien der Mitose. Fig. 9a: Basalzelle einer 1,3 em langen Ranalarve, in der Ebene des Knäuels gezeichnet, l: dieselbe Zelle bei der höheren Einstellung; Fig. 1I—19: Zellen aus 9 mm langen Rhacophoruslarven; Fig. 10, 12—14, 16—19: Basalzellen; Fig. 10 und 15: oberflächliche Zellen. Tafel IX. Fig. 20. Schnitt aus der Bauchhaut einer 1,4 cm langen Rhacophoruslarve. I: Zelle der ersten Art; II: Zelle der zweiten Art; III und III: Zellen der dritten Art; III: zur Längsachse der Zelle parallel: Ill: zu derselben quer geschnitten. Fig. 20—58. Basalzellen aus den 1,4 cm langen Rhacophoruslarven. Fig. 21 bis 23: Zellen mit gestreckten Chondriokonten; Fig. 24—26: Zellen mit primären mitochondrialen Strängen; Fig. 27—355: Zellen mit Fig. Fig. ig. 70. 5. Über Mitochondrien und mitochondriale Stränge ete. 245 sekundären mitochondrialen Strängen; Fig. 36—37: Zellen mit tertiären mitochondrialen Strängen ; Fig. 36—55: von der breiteren Fläche der Zelle; Fig. 56 und 57: von der schmalen Seite derselben gesehen; Fig 58: Zelle der ersten Art mit der dünnen homogenen Basalschicht. Tafel X. Tangentialschnitt der Epidermis einer 1,4 em langen Rhacophorus- larve, gezeichnet in höherer (a) und tieferer Einstellung (b). I: Querschnitt von Zellen der ersten Art mit sekundären mito- chondrialen Strängen in der Zellperipherie; Il: Querschnitt von Zellen der zweiten Art mit sekundären mitochondrialen Strängen in der Zellperipherie; III: Querschnitt von Zellen der dritten Art mit tertiären rmitochondrialen Strängen (ts) in der Zellmitte; III ts’: drei-, vier- oder fünfstrahlige Anheftungslinie. der tertiären Stränge an der Cutis. . 60—69. Basalzellen mit mitochondrialen Strängen in den verschiedenen Stadien der Mitose. Aus 1,4 cm langen Rhacophoruslarven. Schnitt aus der Bauchhaut einer 2 cm langen Rhacophoruslarve. I, I’: Zellen der ersten Art, die entweder in der Oberfläche der Zelle (I) oder in der Ebene des Kernes (I‘) geschnitten sind; II. II’: Zellen der zweiten Art, die entweder parallel (II) oder quer (Il') zur Längsachse der Zelle geschnitten sind. . 71—74. Basalzellen der zweiten Art mit tertiären mitochondrialen Strängen, von der breiten Fläche der Zellen gesehen. Aus der 2 cm langen Rhacophoruslarve. Tafel XI. . 75—84. Basalzellen aus der 2cm langen Rhacophoruslarve Fig. 75— 77: Zellen der zweiten Art, von der schmalen Seite der Zellen gesehen ; Fig. 78: Zelle der ersten Art mit der homogenen Basalschicht, von der Oberfläche der Zelle gesehen; Fig. 79: Zwei Zellen der ersten Art, von oben gesehen, wo die oberen Enden der aufsteigenden Stränge miteinander verbunden sind; Fig. 80 und 81: Zellen der ersten Art, die quer geschnitten sind. Horizontal gestellte mito- chondriale Stränge (hs) und untere Enden der vertikal gestellten (vs) gut zu sehen: Fig. 82—84: Zellen der ersten Art in der Mitose Schnitt aus der Bauchhaut einer 4,5 em langen Rhacophoruslarve. I, I und II, II’: gleichbedeutet wie in Fig. 70. 86 -91. Basalzellen der zweiten Art aus der 4,5 cm langen Rhacophorus- 93. larve. Von der breiten Fläche (Fig. 86—90) und von der schmalen Seite der Zelle beobachtend (Fig. 91). Zellen der ersten Art, von oben beobachtet. Netzbildung der oberen Enden der vertikal gestellten Stränge Aus der 4,5 cm langen Rhacophoruslarve. Zellen der ersten Art, die quer geschnitten sind. Horizontal ge- stellte mitochondriale Stränge (hs) und untere Enden der vertikal gestellten (vs) gut zu sehen. Aus der 4,5 cm langen Rhacophoruslarve. 246 Sakae Saguchi: Über Mitochondrien etc. Tafel XII. Fig. 94 und 95. Schnitt aus der Bauchhaut einer Rhacophoruslarve, an der ig. 96. 8. 97. die hinteren Extremitäten gut entwickelt sind. I: Zellen der ersten Art; Il: Zellen der zweiten Art, die mehr und mehr ihren Stiel verschmälern (Il'), bis sie zuletzt ganz von der Cutis sich abtrennen (11°). Eisenhämatoxylin mit Säurefuchsin-Nachfärbung. Schnitt aus der Bauchhaut einer Rhacophoruslarve, an der die vorderen Extremitäten gut entwickelt, doch noch im Kiemensack verborgen sind. Eisenhämatoxylin. Schnitt aus demselben Stück wie Fig. 96. I, I’: Lang ausgezogene pyramidenförmige Basalzellen; IT: Keulenförmige Zelle. Basalzellen haben dünne, mit der Kromayerschen Methode gut färbbare Fäden. In den Zellen der oberen Reihe kommen oft mit dem iing versehene Zellen (III) vor. 247 Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. VI. Über Blutmastzellen. Von Dr. Alexander Maximow, Professor der Histologie und Embryologie an der Kaiserlichen Medizinischen Militär-Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XIII und XIV. Ehrlich (3, 4) hat bekanntlich bei seinen farbenanalytischen Untersuchungen unter den gekörnten Leukozyten des Blutes von Anfang an eine besondere Zellart, die sogen. basophil gekörnten (y) Zellen oder Mastzellen unterschieden. Er fand sie aber ausser im Blute auch im Bindegewebe. Dadurch zerfiel der Begriff der Mastzellen nach dem Ort ihres Vorkommens sofort in zwei besondere neue Begriffe — die bindegewebigen oder histiogenen Mastzellen und die hämatogenen Mastzellen, oder, wie sie heute genannt werden, die Mastleukozyten. Ehrlich selbst hat aller- dings zwischen den beiden genannten Arten noch keine deut- lichen Unterschiede angegeben. Mit der Zeit ist es jedoch in der Wissenschaft zu einer immer schärferen Scheidung der einen von der anderen gekommen. Die Bindegewebsmastzellen stellen bekanntlich eine von den übrigen Elementen des Bindegewebes scharf abstechende, gut charakterisierte und selbständige Zellart vor; in ihrem Proto- plasma enthalten sie Körnchen, welche sich mit basischen Anilin- farben metachromatisch färben. Bei den verschiedenen Tierarten verhalten sie sich, was Zahl, äussere Form, Körnchenreichtum usw. anbelangt, oft etwas abweichend; ihre Grundeigenschaften bleiben aber doch überall gleich und machen sie stets deutlich erkennbar. Die Blutmastzellen, die Mastleukozyten, sollten nach Ehrlich eine besondere Art der Granulozyten vorstellen; ihr Protoplasma enthält auch basophile und metachromatische Körner, diese letzteren weichen aber in vielen Beziehungen von der Körnung der histio- genen Mastzellen ab. Ehrlich hat sich selbst über den Ursprung der Mastleukozyten nicht näher geäussert. Wenn sie aber wirklich richtige Granulozyten mit besonderer, spezifischer Körnung sind, 248 Alexander Maximow: so müssen sie offenbar, ebenso wie die Spezialzellen und die eosinophilen Leukozyten, von besonderen spezifischen Jugend- formen, entsprechenden Myelozyten abstammen. Und in der Tat sind solche Mastmyelozyten von vielen Autoren beobachtet worden und dieser Begriff hat sich in der Wissenschaft bis jetzt neben den Begriffen des spezialgekörnten und des eosinophilgekörnten Myelozyten zu behaupten gewusst. Auch die Mastmyelozyten gehören zum myeloiden Gewebe und werden normalerweise im Knochenmark beschrieben. Die genetischen Beziehungen der Gewebsmastzellen und der Blutmastzellen zueinander und ebenso ihre embryonale Entwicklung wurden bis vor kurzem wenig beachtet. Von einzelnen Autoren wird sogar noch jetzt die scharfe Abgrenzung der beiden Zellarten selbst in vollständig ditferenziertem Zustande überhaupt geleugnet. Die meisten Autoren beschreiben sie aber, wie gesagt, als zwei unabhängige Zellarten. ich selbst habe in meinen neueren hämatologischen Arbeiten mehrere Male die Frage der Mastzellen behandelt. Zunächst habe ich (11) die Mastzellen des Bindegewebes bei verschiedenen Tieren ausführlich beschrieben und bewiesen, dass sie einerseits, entgegen den unzutreffenden Angaben von Schreiber und Neumann, scharf zu trennen sind von den Ranvierschen Klasmatozyten, meinen ruhenden Wanderzellen, andererseits aber auch, wenigstens im erwachsenen Organismus, streng unterschieden werden müssen von den im Blute als eine besondere granulierte Leukozytenart kreisenden Mastzellen, den Mastleukozyten. Diese histiogenen Mastzellen haben bei einer jeden Tierart ihre eigenen spezifischen Merkmale. Schwach entwickelt und spärlich beim Kaninchen, sehr zahlreich, gross und granulareich bei Ratte und Maus, stark ver- zweigt und mit langen fadenförmigen Ausläufern versehen bei den urodelen Amphibien (10), bieten sie auf den ersten Blick ein ziemlich buntes Bild dar, ihre charakteristische Grundeigenschaft bleibt aber dabei trotzdem immer dieselbe — das Protoplasma ist stets erfüllt von Körnchen, die sich mit basischen Farben in typischer Weise metachromatisch färben und dieses konstante Vorkommen solcher Granula im Zelleib ist die notwendige, aber auch genügende Bedingung für die Identifizierung emer Zelle des Bindegewebes als Mastzelle. Der Kern ist meistens relativ kiein, einfach rund oder oval. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 249 Die Mastleukozyten des Blutes habe ich (11) einer parallelen Untersuchung unterworfen und gefunden, dass sie bei den meisten Tieren, speziell bei den Säugern, im erwachsenen Organismus deutliche Unterschiede im Vergleich mit den Gewebsmastzellen darbieten. Sie stellen eine besondere Art der granulierten Leuko- zyten vor und besitzen dementsprechende Eigenschaften. Sie sind meistens viel kleiner als die (rewebsmastzellen, rund. beweglich, der Kern erscheint zerschnürt und polymorph. Der Zelleib ent- hält wohl auch basophil metachromatische Körner, diese letzteren sind aber mit den Körnern der Gewebsmastzellen nicht identisch, sondern unterscheiden sich von ihnen nach ihrer (rrösse, Form, Wasserlöslichkeit, tinktoriellen Eigenschaften usw. Bei einigen Tieren, z.B. beim Kaninchen, kann man im Bindegewebe neben den Gewebsmastzellen sehr oft auch herumwandernde emigrierte Mastleukozyten antreffen und die beiden Zellarten dann an Ort und Stelle miteinander vergleichen. Über die embryonale Entstehung der histiogenen und hämatogenen Mastzellen habe ich zuerst genauere Angaben gemacht (15). Die histiogenen entstehen im Mesenchym aus einem Teil der ubiquitären indifferenten histiogenen Wanderzellen durch allmähliche Ausarbeitung metachromatischer Granula im Zelleib. Weiterhin können sie sich schon im granulareichen Zustande selbständig dureh Mitose vermehren. Meine histogenetischen Unter- suchungen am Knochenmark gestatteten im speziellen einen Ein- blick in die Beziehungen zwischen den histiogenen und den hämatogenen Mastzellen (14). Bei einigen Tieren, 7. B. dem Meer- schweinchen, entstehen die beiden Arten sofort als ganz ver- schiedene Zellformen Zuerst tauchten hier bei Embryonen be- stimmter Grösse typische Gewebsmastzellen auf, durch Ausarbeitung von Körnern in den Iymphozytoiden Wanderzellen überall ım Bindegewebe. In späteren Stadien entstehen im Knochenmark, ebenfalls aus den Iymphozytoiden Wanderzellen, ganz anders geartete basophil gekörnte Zellen — die Mastmyelozyten und Mastlenkozyten. Bei anderen Tieren, z. B. beim Kaninchen, liegen die Verhältnisse insofern anders, als hier umgekehrt zuerst überall im Mesenchym Zellen vom Charakter der Mastmyelozyten ent- stehen, während typische Gewebsmastzellen erst viel später auf- treten. Hier könnte man eventuell, wenigstens für den Embryo, an eine gemeinsame basophil-metachromatisch granulierte Vorstufe 250 Alexander Maximow: der histiogenen und hämatogenen Mastzellen denken. Bei den niederen Wirbeltieren scheinen nach meinen Untersuchungen am Axolotl (10) noch viel innigere Beziehungen zwischen den beiden Mastzellenarten zu existieren. Wenigstens habe ich hier bei ent- zündlicher Neubildung von Bindegewebe im Granulationsgewebe deutliche Anzeichen einer Verwandlung emigrierter Mastleukozyten in fixe, gestreckte und verzweigte Gewebsmastzellen beobachten können. Diese schärfere Abgrenzung des Begriffes der Mastzellen, vor allem ihre Scheidung von den Klasmatozyten oder ruhenden Wanderzellen und die Unterscheidung zwischen histiogenen und hämatogenen Mastzellen erscheint heutzutage in der Wissenschaft ziemlich allgemein anerkannt. So vertritt Weidenreich ın seiner Spezialarbeit über die basophil gekörnten Zellen im Blut und Bindegewebe und in seinem gross angelegten Werke über die Leukozyten einen ganz ähnlichen Standpunkt (21, 22). Bei den erwachsenen Säugetieren hält er, ebenso wie ich, die histiogenen Mastzellen und die Blutmastzellen für zwei verschieden differenzierte Formen, da lediglich der gleiche Färbungscharakter ihrer sonst ungleichen Granula auch angesichts der anderen abweichenden Merkmale nicht rechtfertige, die Zellen als morphologisch gleich- artig zu betrachten (22, S. 169). Was jedoch die niederen Wirbel- tiere anbetrifft, so kommt auch er zum Schluss, dass im Gegen- satz zu den Säugern hier .die Mastzellen des Blutes und des Bindegewebes gleichwertige Elemente sind, deren verschiedene Er- scheinungsform durch die Änderung der Umgebung bedingt ist. Schon früher hatten ferner auch Michaelis und Pappen- heim ebenfalls die Unterschiede zwischen den histiogenen und hämatogenen Mastzellen betont. Nach einigen Äusserungen Pappenheims aus dem Jahre 1904 (16, S. 165, 405) sollten sogar insofern grundlegende Verschiedenheiten herrschen, als nur die histiogenen, sessilen und mobilen Mastzellen eine spezifische echte Körnung aufweisen, während die hämatogenen Mastzellen über- haupt keine echte Körnung besitzen, sondern nur chemisch ver- ändertes Lymphozytenspongioplasma. Die Scheidung der beiden Mastzellenarten hält Pappenheim auch in einer Reihe von Publikationen neueren Datums aufrecht (16a). Doch scheint er jetzt seine weiter unten näher erörterte Anschauung über die degenerative Natur der Granula in den Mastleukozyten auch auf Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 251 die Körnung der histiogenen Mastzellen ausgedehnt zu haben (17, S. 456). Auch im bekannten Buch von Nägeli (15, S. 212) werden die beiden genannten Mastzellenarten scharf unterschieden. Unter den neueren Autoren scheint mir Türk (20, Teil I, 1. H., S. 303) der einzige zu sein, der den Unterschied zwischen den Gewebs- und Blutmastzellen bei den Säugetieren und dem Menschen nicht anerkennen will. Beide sollen im wesentlichen die gleichen Zellen sein. In diesem Umstand, dass nämlich Zellen, die als ein Glied der Granulozytenreihe einen konstanten, wenn auch spärlichen Bestandteil des myeloiden Gewebes ausmachen, auch ausserhalb des letzteren überall im Bindegewebe vorkommen, erblickt Türk sogar einen besonderen Beweis dafür, dass das mveloide Gewebe nicht als scharf abgegrenztes Ganzes im Or- ganismus angesehen werden darf. Uns interessieren hier vor allem die hämatogenen Mast- zellen, die Mastleukozyten. Ehrlich erblickte in ihnen, wie gesagt, eine besondere Art von echten Granulozyten, also spezifisch in einer bestimmten Richtung differenzierte Zellen und ihre Granula sollten ebenso wie die eosinophilen oder die Spezialgranula das Produkt einer aktiven sekretorischen Tätigkeit des Zellprotoplasmas sein. Auf Grund meiner eigenen früheren Untersuchungen (11, 13, 14), die mit Methoden ausgeführt wurden, welche den besonderen Eigenschaften der Mastzellenkörner Rechnung tragen, habe ich keinerlei Veranlassung gefunden, diese Grundthesen irgendwie zu verändern. Die allgemeinen Eigenschaften der im Blute kreisenden reifen Mastleukozyten, ihre Kernbeschaffenheit, der Charakter ihrer Granulation konnten durchaus denselben Eigenschaften der anderen beiden Granulozytenarten an die Seite gestellt werden; degenerative Erscheinungen habe ich an ihnen niemals bemerken können. Um ihre Entwicklungsgeschichte möglichst klarzustellen, habe ich auch ihren vermutlichen Ur- sprungsort, das Knochenmark, genau untersucht — es fanden sich hier auch in der Tat entsprechende Jugendformen mit ein- heitlichem, rundem, ovalem oder nierenförmigem Kern und mit ganz ähnlichen, oft noch recht spärlichen Körnchen im Protoplasma — also typische „Mastmyelozyten“, die ebenfalls den strengsten Vergleich mit echten eosinophilen oder spezialgranulierten Mye- lozyten aushielten. Ich habe ferner beim Embryo neben jungen Myelozyten der anderen zwei Arten auch Mastmyelozyten und 2 Alexander Maximoy: Mastleukozyten im Mesenchym und im Knochenmark auf ganz ähnliche Weise sofort als typische, leicht erkennbare Zellform aus indifferenten Iymphoiden Elementen entstehen sehen. Dasselbe konstatierte ich beim Studium der experimentellen heterotopen Entwicklung des myeloiden (rewebes im erwachsenen Organismus — beim Kaninchen in der Niere nach Unterbindung der Blut- gefässe; auch hier konnte man neben eosinophilen und pseudo- eosinophilen Myelozyten aus denselben indifferenten Iymphozytoiden Wanderzellen auch Mastmyelozyten und Mastleukozyten entstehen sehen. Ja noch mehr — ich habe sowohl im embryonalen Knochen- mark, als auch bei der postfötalen heterotopen Histogenese des mye- loiden (Gewebes in der Kaninchenniere zahlreiche Mitosen in bereits granulareichen Mastmyelozyten gefunden und sie ausführlich be- schrieben und abgebildet. Alle diese Tatsachen betrachtete ich, wie ich glaube mit gutem Recht, als ganz zwingende Beweise dafür, dass die Blutmastzellen eine besondere, spezifisch differen- zierte Zellart vorstellen, mit Fähigkeit zu homoplastischer mito- tischer Wucherung im jugendlichen Myelozytenzustand und zur Reifung unter Granulavermehrung und Kernzerschnürung, eine Zellart, die somit in allen Beziehungen den anderen beiden Granulozytenarten ebenbürtig erscheint. Unter den neueren Hämatologen finden sich indessen nur wenige Autoren, die sich in der eben angeschnittenen Frage des Charakters, des Wesens und der Bedeutung der Blutmastzellen auf denselben Standpunkt stellen, wie ich. So hatte vor allem Türk schon früher (20. I. Teil) und wieder erst vor kurzem (20, 11. Teil) seinen diesbezüglichen Standpunkt dahin präzisiert, dass er die Körnung der Blutmastzellen für ein ebenso spezi- fisches Stoffwechselprodukt des Zellprotoplasmas betrachte, wie die eosinophile und speziale. Die Körnung sei ebenso regel- mässig und scharf und die angeblichen, von anderen Autoren beschriebenen Verklumpungen der Körner, Vakuolen usw. wären bloss die Folge unzweckmässiger, die Granulation zerstörender Methoden, also Artefakte. Nägeli (15) nennt ebenfalls die Blutmastzellen mit polymorphem Kern eine reife, vollentwickelte, in ihrer Entwicklung abgeschlossene Zellspezies und hält ihre Körnung für eine wahre, endogene, der neutro- und eosinophilen analoge Endlich äussert sich auch Ferrata in seiner neuen Monographie über die Morphologie des Blutes (4a) und in einer Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 253 anderen, zusammen mit Golinelli (5) verfassten Arbeit in dem- selben Sinne. Er findet unter anderem auch bei vitaler Färbung keine Anzeichen von degenerativen Veränderungen in den normalen Blutmastzellen und beschreibt sie als eine besondere Art echter Granulozyten. Im Gegensatz zu der angeführten Anschauung über das Wesen und die morphologische Bedeutung der Blutmastzellen hat sich allmählich eine andere Lehre entwickelt, die diesen Elementen einen ganz anderen Platz unter den Zellformen des Blutes zuweist. Als Hauptvertreter dieser Lehre kann Pappen- heim (zum Teil auch Weidenreich) bezeichnet werden. Pappenheim hatte schon früher, z. B. im Jahre 1904 (16, S. 165 und 405), mehrmals darauf hingewiesen, dass sich die Körnung der Blutmastzellen in vielen Hinsichten von den Körnungen der übrigen granulierten Leukozyten unterscheide; sie soll nicht so gleichmässig und scharf begrenzt sein, sondern aus kleineren und grösseren, oft grobklumpigen Körnchen bestehen, unregelmässig verteilt sein und oft wie zusammengelaufene tropfige Schmelze aussehen. Nach weiteren Feststellungen Pappenheims (16a, 17) soll sie keine echte spezifische Körnung im Sinne der eosinophilen, also ein plastisches Difterenzierungsprodukt des Zell- leibes vorstellen, sondern eher eine blosse chemische Umwandlung und Verklumpung des Spongioplasmas selbst, also gewissermassen ein Degenerationsprodukt. Nach den Färbungsreaktionen der Mastkörner glaubt Pappenheim sie als mukoides Degenerations- produkt des Spongioplasmas bezeichnen zu können. Dieser Degene- rationsprozess soll Iymphoide Zellen verschiedenster Art befallen können und dadurch erkläre sich das Auftreten der Mastkörner in Zellen von sehr verschiedener Grösse, mit verschiedenem Kern, selbst in Plasmazellen (Plasmamastzellen) oder in anderen Granulo- zyten; dadurch sollen sich endlich die Blutmastzellen, im Gegen- satz zu den je nach der Tierart variablen «- und Spezialzellen, ganz wie die Iymphoiden Zellen, in genau der gleichen Formation konstant bei allen Wirbeltierklassen finden. Weidenreich (21, 22) beschreibt im normalen mensch- lichen Blute die Mastleukozyten als Zellen mit im allgemeinen „kompaktem“, d. h. annähernd rundlichem Kern, der aber oft ein wenig gestreckt oder eingebuchtet ist oder endlich auch zu einer ganz unregelmässigen Lappenbildung und Segmentierung neigt, 254 Alexander Maximow: die sich aber von der der beiden anderen granulierten Leuko- zytenarten charakteristisch unterscheidet. Bei Leukämie wird der Kern noch viel polymorpher. Die Körnchen im Protoplasma variieren stark in Grösse und Zahl, auch die Form zeigt grosse Differenzen, insofern runde mit länglichen und eckigen Körnern abwechseln. Die Muzinnatur der Granula hält Weidenreich für unbewiesen. Da nun Weidenreich in keinem menschlichen Mastleukozyt Zentralkörper darstellen konnte, die Veränderung der Kernform und die Körnchenbildung den Charakter sehr un- regelmässiger Prozesse tragen und auch sonst Anzeichen degene- rativer Zellprozesse, wie z. B. Vakuolisation des Protoplasmas, existieren, glaubt er die Mastleukozyten des Menschen als degene- rierende Zellen deuten zu müssen, als Lymphozyten bezw. mono- nukleäre Leukozyten, die einer besonderen degenerativen Um- wandlung unterworfen sind, welche sich in einer ausserordentlich unregelmässigen Fragmentierung des Kernes und im Auftreten basophiler Körnchen und Vakuolen ım Plasma äussert. Die baso- phile Körnung soll dabei als Produkt der Kernumformung ent- stehen durch Abgabe chromatischer Kernsubstanz in Form von Knospen in das Zellplasma. Da die Mastleukozyten des Menschen blosse degenerierende Elemente sind, die aus ungranulierten Iymphozytären Formen in der Zirkulation, zum Teil vielleicht auch in den Blutorganen gebildet werden, so leugnet Weidenreich hier naturgemäss auch die Existenz besonderer Mastmyelozyten und die Herkunft der Mastmyelozyten aus dem Knochenmark. Indessen will Weidenreich diese beim Menschen erhobenen Befunde keineswegs verallgemeinern. Im Gegenteil, er konstatiert selbst, dass bei einem Säugetier. welches er in dieser Richtung genauer untersuchte, nämlich beim Meerschweinchen, die Mast- leukozyten doch den Charakter richtiger Granulozyten mit spezi- fischer, der eosinophilen und amphophilen ebenbürtiger basophiler Körnung und typischem polymorphem Kern besitzen. Hier soll es dementsprechend im Knochenmark auch besondere, selbständiger Vermehrung fähige Mastmyelozyten geben, wie sie schon vorher von Jolly (6, 7) und mir (11) beschrieben worden waren. Weidenreich kommt folglich zum Schluss, dass jedenfalls nicht alle als Blutmastzellen beschriebenen Leukozyten morpho- logisch gleichwertige Elemente sind; man soll zwei Typen der- selben unterscheiden. Als Repräsentanten können dienen Typus DD or (eo Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. Mensch und Typus Meerschweinchen; der erste stellt bloss in besonderer Weise degenerierende Lymphozyten vor, der zweite. Granulozyten mit spezifischer echter Körnung. Ich möchte an dieser Stelle noch Pröscher (19) zitieren. Er berichtet über seine am Kaninchenblut gewonnenen Befunde und hält die hämatogene Mastzellenkörnung bei diesem Tier nicht für eine echte Körnung, sondern, im Anschluss an Pappenheim, für das Produkt einer mukoiden Degeneration des Zelleibes ge- wisser Lymphozyten und Iymphoider ungekörnter einkerniger Leukozyten. Obwohl er im Knochenmark basophile Myelozyten findet, hält er ihren Übergang ins Blut doch für ausgeschlossen und erklärt die Blutmastzellen für innerhalb der Blutbahn durch einen degenerativen Prozess aus den hämatischen Lymphozyten entstandene Elemente. Merkwürdigerweise betont er ausdrücklich, alle Mastleukozyten beim Kaninchen seien rundkernig (vergl. weiter unten). Die neueste Entwicklungsphase der geschilderten Richtung im Studium der Mastleukozyten wird durch eine Reihe von Arbeiten gekennzeichnet, die unlängst von Pappenheim und seinen Schülern Benacchio, Kardos und Szeesi veröffentlicht worden sind. Benacchio (1) stellte sich zur Aufgabe, zu entscheiden, ob im Knochenmark beim Kaninchen und Meerschweinchen wirklich echte Mastzellen in Form von Mastmyelozyten vorkommen. Bei beiden Tieren fand er im Knochenmark einkernige Zellen mit groben basophilen Körnern. Er hält sie aber doch nicht für Mastmyelozyten und zwar aus folgenden Gründen. Erstens sollen sich die (Granula nicht nur mit basischen Farben, sondern auch mit einigen sauren (Indulin) färben und auch sonst in manchen Beziehungen anders reagieren, als es für die richtigen Mastzellen- körner angenommen wird. Ferner fand er eosinophile Myelozyten, die zwischen den eosinophilen Körnern dieselben basophil-meta- chromatischen Granula enthielten und überhaupt alle Übergänge von den basophilen Granulationen zu den echten eosinophilen mit allmählichem Schwund der Basophilie. Endlich konnte er auch bei den Spezialmyelozyten ganz ähnliche Verhältnisse konstatieren, nämlich allmähliche Reifung einer ursprünglich sehr feinen basophil- metachromatischen Körnung zu reifer pseudoeosinophiler. Die genannten basophil-gekörnten Zellen stellen nach Benacchio folglich keineswegs Mastmyelozyten vor, sondern bloss unreife, 256 Alexander Maximow: unreifkörnige eosinophile Zellen, resp. Spezialzellen. Er behauptet zum Schluss kategorisch, dass im normalen Knochenmarkparenehym beim Kaninchen und Meerschweinchen keine Mastzellen existieren. Kardos’ Arbeit (8) lehnt sich unmittelbar an die von Benacchio an, sie behandelt auch das Knochenmark derselben zwei Tierarten, bloss wurden nicht Deckglaspräparate, sondern Schnitte untersucht. Auch er negiert vollkommen das Vorkommen von Mastzellen und überhaupt von basophilen Zellkörnungen im Knochenmark; sogar die an Deckglaspräparaten basophil er- scheinenden Jugendformen der eosinophilen und pseudoeosinophilen Granula erweisen sich im Schnitt nicht basophil, sondern nur schwächer oxyphil. Pappenheim und Szecsi (15) bestätigen die früheren Angaben Pröschers, dass beim Kaninchen normalerweise im Blute Mastzellen ziemlich reichlich vorkommen und zwar einfach- kernige schmalleibige von Iymphozytiformem Habitus. Bei Saponin- vergiftung wurden diese einkernigen Mastzellen aber ausser- ordentlich spärlich und es traten an ihre Stelle unreife spezial- körnige f-amphooxyphile Zellen mit Granulis, in welchen die basophile Quote noch deutlich überwog und welche deswegen als basophile Körnchen imponierten. Die jüngsten Zellen dieser Art hatten einen ungeteilten Kern und ausschliesslich nur basophile Primitivgranula. Auf Grund dieser und der anderen, oben zitierten Beobach- tungen kommt Pappenheim neuerdings (1, 15) zu einer ganz besonderen Anschauung über die Blutmastzellen. Er unterscheidet (abgesehen von den Gewebsmastzellen) erstens „echte, eigentliche“ und zweitens „unechte, uneigentliche“ Blutmastzellen. Die ersten, die echten, kommen normalerweise im Blute des Menschen und des Kaninchens vor und sollen als mukoid degenerierte Lymphoidzellen angesehen werden; sie sind einfach- kernig, entstehen in der Blutbahn, im zirkulierenden Blute selbst, haben keine myelozytenähnliche Jugendform im myeloiden Gewebe und sind also keineswegs als richtige Granulozyten zu betrachten: ihre Körnung soll ein blosses Verklumpungsprodukt von mukoid degeneriertem Spongioplasma sein, in das azurophile Chromidien (aus dem Kern) mit eingetreten sind. Die unechten Mastzellen, die normalerweise z. B. im Meerschweinchenblute zirkulieren, unter den angegebenen pathologischen Bedingungen aber auch beim Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 257 Kaninchen in der Zirkulation auftreten, sollen nicht, wie Weiden- reich annimmt, echte Granulozyten mit spezifischer basophiler Körnung sein, sondern bloss abortive, unfertig ausgebildete, oxy- phile oder spezialgranulierte gekörnte Leukozyten, vielleicht auch reife Granulozyten mit „basophiler“ Degeneration reifer Körner. Endlich soll nach Pappenheim eine Kombination der beiden genannten Möglichkeiten der Blutmastzellenbildung möglich sein, wenn nämlich in Zellen, welche eosinophile oder speziale Granula ausarbeiten, mukoide Degeneration eintritt. Ich befinde mich schon lange im Besitz von Tatsachen, welche sich mit der erörterten modernsten Lehre von den Blut- mastzellen, die, wie es scheint, auch schon im Begriffe steht, eine herrschende Stellung in der Wissenschaft einzunehmen, in keiner Weise vereinigen lassen, ihr vielmehr in schroffster Weise widersprechen. Ein bedeutender Teil dieser Befunde ist auch schon, wie oben angegeben, publiziert worden, allerdings in Arbeiten. die zwar hämatologischen Inhalts waren, deren Titel sich aber nicht speziell auf die Mastzellenfrage bezog. Vielleicht ist dadurch ‘die eigentümliche Tatsache zu erklären, dass in den Arbeiten von Benacchio, Kardos, Pappenheim und Szeesi und anderen meine positiven und ziemlich eingehenden Angaben über die selbständige embryonale und postfötale Ent- wicklung der Blutmastzellen, über das konstante Vorkommen von Mastmyelozyten im Knochenmark verschiedener Säugetiere, sogar über Mitosen in diesen Zellen und ihre Verwandlung in typische polymorphkernige basophile Leukozyten — lauter Beweise für die spezifische, gesetzmässige Entwicklungsart und die Lebens- fähigkeit der Blutmastzellen — ganz und gar totgeschwiegen werden. Ich hatte seinerzeit auch Gelegenheit, die verschiedenen Zellformen des Knochenmarks beim Kaninchen und Meer- schweinchen an Schnitten und Deckglaspräparaten miteinander zu vergleichen und die gegenseitigen Beziehungen der eosino- philen, spezialen und basophilen Körnchen genau zu untersuchen. Ich habe auch die basophilen Vorstufen der oxyphilen Granula gesehen, sie aber von den basophilen Granulationen streng ge- schieden. Da ich es nun zu glauben wage, dass die Frage der Blut- mastzellen momentan einen falschen Weg einzuschlagen droht, so möchte ich in der vorliegenden Arbeit die früher mir schon be- Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt. I. b7, 258 Alexander Maximow: kannt gewesenen Tatsachen und einige neu hinzugekommene Befunde in zusammenhängender Weise neu darlegen; es geschieht dies in der Hoffnung, die Sachlage etwas zu klären und zu ver- einfachen und die ganze Frage vielleicht doch noch in eine andere Richtung zu lenken. Es gilt vor allem folgende Fragen zu entscheiden: 1. Gibt es tatsächlich zwei Arten von Mastzellen, histiogene und hämatogene und in welchen genetischen Beziehungen stehen sie zueinander? Können sie nur in ihrem ausgereiften Zustande unterschieden werden und haben sie postembryonal oder embryonal eine gemeinsame Stammform, oder entstehen sie überall von Anfang an als zwei ganz getrennte Zellstämme? Für die Ent- scheidung dieser Frage sind naturgemäss embryologische und eventuell auch experimentelle Untersuchungen massgebend. Des- wegen wird diese Frage an dieser Stelle vorläufig nicht endgültig entschieden werden können. 2. Stellen die Blutmastzellen eine einheitliche Zellgruppe bei den verschiedenen Säugetieren vor oder können unter ihnen verschiedene Typen unterschieden werden ? 3. Sind die Blutmastzellen eine besondere, spezifisch und gesetzmässig differenzierte Granulozytenart des myeloiden Ge- webes oder sind sie bloss besondere Entwicklungsstadien anderer Granulozytenarten? Stehen sie überhaupt in irgendwelchen gene- tischen Beziehungen zu den letzteren oder nicht? Gibt es in den blutbildenden Organen, speziell im Knochenmark, besondere selb- ständige Mastmyelozyten oder nicht? 4. Stellen die Blutmastzellen und ihre eventuellen Jugend- formen Elemente mit Anzeichen degenerativer Veränderungen vor, oder sind sie, ebenso wie die anderen Granulozyten, spezifisch und gesetzmässig entwickelte, in den Jugendformen sogar wuche- rungsfähige Elemente ? Material und Methoden. Ich studierte die Blutmastzellen im zirkulierenden Blute und an ihrem Entstehungsorte, im Knochenmark, beim Menschen in verschiedenem Alter und bei Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte und Hund. Ausserdem habe ich schon früher Erfahrungen mit dem Igel, der Katze und der Maus ge- macht, worüber ich seinerzeit bereits berichtet habe. Ich untersuchte erstens das normale zirkulierende Blut, von welchem ich in der üblichen Weise trockene und feucht fixierte Abstrichpräparate auf Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 259 Deckgläschen machte, und zweitens das Knochenmark. Zur Gewinnung des letzteren gebrauchte ich beim Menschen ganz frische, lebenswarme Rippen- stücke, die bei Empyemoperationen reseziert wurden. Die Stücke wurden im Schraubstock eingeklemmt und das Mark aus einer frisch angelegten Sägefläche ausgepresst. Bei den genannten Tieren, erwachsenen und neu- geborenen, wurde sofort nach der Tötung die Markhöhle des Oberschenkels geöffnet. Vom Mark wurden Abstrich- und Abklatschpräparate auf Deck- gläschen gemacht. Schnitte waren diesmal für meine Zwecke unnötig, da ich ja nur zytologische Verhältnisse, also einzelne Zellen studieren wollte. Übrigens habe ich früher schon mehrere Male auch an Schnittpräparaten des Markes gewonnene Resultate über Mastleukozyten publiziert. Was nun die weitere Behandlung der Deckglaspräparate betrifft, so muss ich vor allem hervorheben, dass für zytologische Studien, die sich nicht nur auf die färberische Darstellung der Leukozytengranula beziehen, sondern auch über die Natur der anderen Zellbestandteile Aufschluss geben wollen, die in den Kliniken so beliebten trockenen Ausstrichpräparate ganz untauglich sind. Jedenfalls darf man sich nicht auf sie allein beschränken, da man sonst Gefahr läuft, zu den gröbsten Trugschlüssen zu gelangen. Ich wieder- hole dies hier noch einmal, wie ich mich darüber auch schon früher an anderen Stellen viele Male geäussert habe, allerdings, wie es scheint, ohne grossen Erfolg. Ich bin der Überzeugung, dass nur feucht fixierte Präparate ein Eindringen in die feineren Strukturdetails der Zellen gestatten, namentlich was den Kerncharakter betrifft. Wenn trockene Blutpräparate manchmal noch mehr oder weniger gut erhaltene Reste von Zellstrukturen zeigen und vom gewohnheitsmässigen Standpunkt „schön“ genannt werden können, so bieten Trockenpräparate vom Knochenmark jedenfalls immer das Bild einer solchen Zerstörung dar, zeigen so verzerrte und plattgedrückte Zelleichen, dass man sich nur wundern muss, warum diese barbarische Methode bis jetzt noch überall der in der Handhabung nicht weniger bequemen und schnellen und dabei ausserordentlich zuverlässigen feuchten Fixierung von Deckglas- präparaten vorgezogen wird. Dies ist entschieden zu bedauern, und ich bin sicher, dass manche vom biologischen Standpunkt vollständig irrige Auf- fassung von hämatologischen Dingen aus der Wissenschaft sofort verschwinden würde, wenn man sich nur die Mühe geben würde, nicht nur die allein selig machende Trockenmethode, sondern auch andere zweckmässigere Verfahren zu gebrauchen. Was die Fixierungsmittel anbelangt, so erheischt die besondere Natur der Mastzellengranula in dieser Beziehung ganz spezielle Methoden und Vorsichtsmassregeln. Es ist schon längst bekannt (Michaelis, Wolff, Maximow), dass die Substanz der Mastzellengranula wasserlöslich ist. Diese Löslichkeit wechselt zwar in ihrem Grade bedeutend, je nach der Tier- spezies und je nach der Mastzellenart, sie ist aber stets vorhanden und gehört zweifellos zu den typischen Merkmalen der Mastzellenkörnung. Um so merkwürdiger ist es nun, dass trotz dieser allgemein bekannten Eigen- schaft der Mastzellenkörnung gerade die neuesten Autoren, die über die Mastzellen geschrieben haben, bei der Wahl ihrer Methodik diesen Umstand gar nicht zu berücksichtigen schienen. So haben Benacchio und Pappen- 17 260 Alexander Maximow: heim und Sz@csi gewöhnliche Trockenpräparate von Blut und Knochen- mark angefertigt und diese dann mit May-Grünwald und Giemsa nach Pappenheim gefärbt; ebenso bearbeitet auch Kardos seine Schnitt- präparate ausnahmslos mit Wasser und wässerigen Lösungen. Es steht für mich aber zweifellos fest, dass gerade in diesem kleinen Umstand die Haupt- ursache dessen liegt, dass die verschiedenen Untersucher zu so verschiedenen Ergebnissen in betreff der Mastzellen kommen. Wie Michaelis und ich selbst schon früher angegeben haben, ist es unbedingt nötig, die frischen Gewebselemente mit absolutem Alkohol zu fixieren. Weiterhin ist es notwendig, auch die Farblösungen mit nicht zu schwachem Alkohol herzustellen. Gewiss kann man oft bei dieser oder jener Tierart histiogene oder hämatogene Mastzellen auch nach der Fixierung und Färbung mit wässerigen Lösungen finden, wenn ihre Granula in Wasser eben nur schwer löslich sind; um aber gewiss zu sein, dass in der Tat alle überhaupt vorhandenen basophil granulierten Elemente färberisch dargestellt sind oder, bei ihrem Fehlen im Präp.rat, dass solche Elemente im lebenden Objekt wirklich nicht vorhanden waren, müssen Wasser und wässerige Lösungen unbedingt sorgfältigst ver- mieden werden. Am besten bringt man das Präparat überhaupt von Anfang bis zu Ende nicht nur nicht mit Wasser, sondern auch nicht mit Alkohol unter 75° in Berührung. Selbst eine kurze Einwirkung wässeriger Farb- lösungen nach Alkoholfixierung kann die Gestalt der Granula stark verändern und sie verklumpen lassen. Auf Grund des Gesagten habe ich es mir angelegen sein lassen, eine Untersuchungsmethodik zu wählen, die absolute Garantie für die intakte Erhaltung der Mastzellengranula während der ganzen Prozedur bis zum Ein- schluss des Präparates in Kanadabalsam gewährleisten würde. Ein Teil der Deckglaspräparate wurde nach der gewöhnlichen Methode getrocknet und weiter behandelt. Die meisten wurden aber sofort nach der Ausbreitung der Blut- oder Markschicht, also noch feucht, in die Fixierungs- flüssigkeit getan. Als solche wurde vor allem absoluter Alkohol (A) ge- braucht. Man taucht die Gläschen mit der mit. Gewebe beschickten Oberfläche nach oben in die Flüssigkeit ein und lässt sie am Boden des Schälchens liegen. Sie können darin bis zur Färbung, ohne Schaden zu nehmen, mehrere Tage bleiben. Ausserdem wurde stets eine Anzahl Deckglaspräparate auch mit Zenker-Formol (ZF) fixiert — in diesem Fall lässt man sie mit der Gewebsschicht nach unten auf der Flüssigkeit schwimmen. Die Fixierung mit ZF dauert bloss 10—15 Minuten, worauf man die Gläschen für 24 Stunden auf mehrfach gewechseltem destillierten Wasser schwimmen lässt. Dann kommen die Gläschen in 50° Alkohol. der mit Tinetura Jodi etwas gelb ge- färbt ist, schliesslich werden sie bis zur Färbung in reinem 75° Alkohol aut bewahrt. Zur Färbung der Alkoholpräparate gebrauchte ich in erster Linie, wie auch früher (11), konzentrierte alkoholische Thioninlösung Th), bloss löste ich die Farbe jetzt nicht in 50°, sondern in 75° Alkohol, um jede Lösungs- möglichkeit der Mastgranula mit Sicherheit auszuschliessen. Da die einfache alkoholische Thioninlösung die Kerne relativ schwach färbt, habe ich sie Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 261 stets in etwas alkalisiertem Zustande gebraucht — zwei Tropfen einer 2proz. Lösung von Natrium carbonicum auf 10 ccm der alkoholischen Stamm- lösung. Nach dem Alkalisieren muss die Lösung 24 Stunden stehen, da sich während dieser Zeit ein Niederschlag bildet ; nach dieser Frist ist sie gebrauchs- fähig für 2— 3 Wochen, muss aber vor der Anwendung jedesmal filtriert werden. In der Farblösung bleiben die Präparate 10—20 Minuten; sie werden mit abso- lutem Alkohol differenziert und durch Xylol in Xylo!balsam eingeschlossen. Ausser der Thioninfärbung kann man an den mit A fixierten Deckglas- präparaten eine schr deutliche Färbung der Mastzellengranula auch mittelst derMay-Grünwald-Lösung (MGr) erzielen; um aber wiederum die Granula nicht aufzulösen, ist es notwendig, die Lösung nicht mit dem gleichen Volumen Wasser zu verdünnen, sondern auf zwei Teile der Stammlösung nur einen Teil Wasser zu nehmen; darin bleiben die Gläschen eine halbe Stunde, werden nachher mit Alkohol differenziert und in Balsam eingeschlossen. Die mit ZF fixierten Deckelaspräparate wurden mit Eosin-Azur nach Nocht (EAz) oder mit Giemsa gefärbt. Die Trockenpräparate wurden in der verschiedensten Weise gefärbt — mit alkoholischer Thioninlösung, mit May-Grünwald-Giemsa nach Pappenheim usw. Mensch. Bihut: Im Blute des normalen Menschen sind bekanntlich Mast- leukozyten selten. Immerhin findet man in einem jeden Deck- glaspräparat bei sorgfältigem Suchen stets ein paar davon. Nach dem oben Gesagten konnte man schon im voraus erwarten, dass die unzweideutigsten Bilder an feucht fixierten A'Th-Präparaten erzielt werden würden. Und in der Tat haben in diesen letzteren die Mastleukozyten ein so typisches Aussehen, dass sie trotz ihrer Spärlichkeit sofort erkannt werden können. Je nach der Dicke der Blutschicht erscheinen alle Leuko- zyten mehr oder weniger abgeplattet. Wenn die Schicht relativ dick ist, behalten die Leukozyten im Präparat ihre kugelige Form annähernd unverändert. An solchen Stellen erscheinen die Mastleukozyten als relativ kleine kugelige Zellen. Sie sind sofort kenntlich an der dunkelvioletten Körnung, die ihr Protoplasma erfüllt (Fig. 1). Die Körnchen sind ziemlich grob, liegen dicht beieinander, der Kern schimmert zwischen ihnen nur undeutlich hindurch; man erkennt immerhin, dass er aus einzelnen kugeligen Abschnitten besteht. In den dünneren Stellen erscheinen die mehr abgeplatteten Mastleukozyten etwas grösser (Fig. 2). Hier erblickt man deutlich das blassblaue, anscheinend vollständig homogene, keine Vakuolen enthaltende Protoplasma und in ihm die dunkel- 262 Alexander Maximow: violetten Körnchen. Es ist zweifellos richtig. dass sie von nicht ganz gleichmässiger Grösse sind (Weidenreich). Meistens findet man in ein und derselben Zelle gröbere und feinere Körner und viel seltener Zellen mit fast gleichmässig grossen, in diesen Fällen meist etwas feineren Körnchen. Diese Unterschiede der einzelnen Fälle sind aber jedenfalls durch alle möglichen Über- gangsformen verbunden und haben keine Bedeutung; die spezi- fische basophile Substanz kann eben unterschiedslos in feineren und gröberen Körnchen auftreten. Jedenfalls finde ich nach der genannten Bearbeitung alle Körnchen in den Mastleukozyten stets vollkommen regelmässig rund. Von Verklumpungserscheinungen, Vakuolisierung usw. fehlt jede Spur. Der Kern der menschlichen Blutmastzellen ist stets poly- morph. Er erscheint in mehrere, meist drei- oder vierteilige, kugelige oder ovale Abschnitte zerschnürt, die miteinander durch dünnere, manchmal fadenförmige Brücken zusammenhängen. Wenn die Zelle kontrahiert und kugelig erscheint, überlagern sich die Abschnitte so, dass eine kompakte Kernform vorgetäuscht wird und man die einzelnen bläschenförmigen Teile nur undeutlich unterscheiden kann (Fig. 1). Die innere Kernstruktur bietet mit ihrem Gerüstwerk nichts Besonderes dar. Sie erscheint jedenfalls lockerer und heller (Fig. 2, 20—24), als in den Kernen der neutro- philen Leukozyten (Fig. 29). Ich muss noch hervorheben, dass sämtliche Mastleukozyten, abgesehen von ihrer etwas feineren oder etwas gröberen Körnung, ein ganz stereotypes, gleichmässiges und charakteristisches Aussehen besitzen, ebenso wie die neutro- philen und eosinophilen Leukozyten. Wenn wir jetzt die Bilder vergleichen, die die Mastleuko- zyten nach anderen Bearbeitungen darbieten, so finden wir sofort grosse Abweichungen von dem oben beschriebenen Bilde. Am ähnlichsten sehen die Mastleukozyten noch an mit AMGr be- arbeiteten Deckglaspräparaten aus (Fig. 3). Der Kern färbt sich dabei sehr blass und in einem himmelblauen Ton (der auf der Tafel der Reproduktionsschwierigkeiten wegen nicht genau wieder- gegeben wurde). Die Körnchen sehen aber schon etwas verändert aus: ein Teil von ihnen, besonders die grösseren, erscheint deutlich gequollen, manche weisen eckige Umrisse auf. Sie sind hier nicht rotviolett, sondern dunkelblauviolett gefärbt, was auf der Tafel auch nicht berücksichtigt werden konnte. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 263 An feucht mit ZF fixierten, mit EAz gefärbten Blutpräparaten ist es nicht gut möglich, die Mastleukozyten zu identifizieren, da die Granula meist restlos aufgelöst sind; man kann sie nur ver- mutungsweise in einzelnen Zellen mit vakuolisiertem Protoplasma erkennen. An Trockenpräparaten, die zuerst mit der MGr-Stammlösung 3 Minuten lang fixiert und nachher nach Zusatz von ein Drittel Volumen Wasser zu derselben Lösung 10 Minuten lang gefärbt wurden, erscheinen die Mastleukozyten stark verändert (Fig. 4). Der Kern hat die für Trockenpräparate typische verschwommene innere Struktur und unscharfe Konture. Die Körner sind fast sämtlich deformiert und erscheinen eckig, stäbchenförmig oder kommaförmig gekrümmt. Nach gewöhnlicher MGr-Giemsa- Färbung nach Pappenheim ist die Zerstörung noch augen- fälliger (Fig. 5): in der Mitte des Zellkörpers sieht man den undeutlich begrenzten violetten Kern, während das Protoplasma stark vakuolisiert erscheint; von den Körnern erblickt man nur unscharf begrenzte unförmliche Überreste, die das Aussehen von eckigen, zum Teil verklumpten Flecken haben. Es braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden, dass den tatsächlichen Verhältnissen nur die an ATh-Präparaten erhaltenen Mastleukozytenbilder entsprechen. Hier sehen wir sie als sehr charakteristische, ganz einförmige Zellen mit einem immer poly- morphen Kern und mit scharf begrenzten, kugeligen Körnern im Protoplasma, die den Zelleib ziemlich gleichmässig und in be- deutender Zahl erfüllen. Die nach anderen Methoden auftretenden Bilder sind sämtlich mehr oder weniger stark ausgeprägte Artefakte. | Es erhellt aus der angeführten Beschreibung, dass wir, soweit man nach der Blutuntersuchung allein urteilen darf, keinen genügenden Grund haben, die Mastleukozyten des Menschen als den anderen granulierten Leukozyten nicht ebenbürtige Zellen, etwa als degenerierende Lymphozyten, zu betrachten. Sie bieten keine Anzeichen von Degeneration dar, ihr Kern ist immer in seiner eigenen typischen Art polymorph, die Körnung ist ebenso spezifisch ausgebildet und scharf begrenzt, wie die beiden anderen Körnungen. Die Mastleukozyten des Menschen stellen eine echte, mit einer besonderen spezifischen Granulation ausgestattete Leuko- zytenart vor. 264 Alexander Maximow: Von den Beschreibungen anderer Autoren deckt sich die meinige vollkommen mit der von Türk (20), Nägeli (15) und Ferrata (4a, 5). Auch sie halten die Mastleukozyten, wie ge- sagt, für richtige, spezifische Granulozyten mit gleichmässiger, scharf begrenzter Körnung und erklären die abweichenden An- gaben anderer Autoren auch als das Resultat einer unzweck- mässigen Methodik. Ferrata und Golinelli (5) haben speziell auch durch vitale Färbung bewiesen, dass die eben angeführte Beschreibung den tatsächlichen intravitalen Verhältnissen ent- spricht. Die abweichenden Resultate der anderen Forscher glaube ich sämtlich dadurch erklären zu müssen, dass sie wässerige Lösungen zum Fixieren oder zum Färben gebraucht haben und ausserdem in den meisten Fällen Trockenpräparate untersuchten. Die von Weidenreich (21, 22) gegebenen Bilder nähern sich entschieden noch am meisten der Wirklichkeit; doch auch hier wird sich wahrscheinlich ein Teil der Körnchen aufgelöst haben, weshalb ihre Zahl viel kleiner ist, als nach ATh und die ge- bliebenen Granula ausserdem zum Teil deformiert erscheinen. Die Kernabschnitte sind durch das Austrocknen zum Teil ge- schrumpft, zum Teil mit den Körnchen verklumpt und dadurch sind vermutlich die fingerförmigen Fortsätze am Kern entstanden, die Weidenreich an eine Entstehung der Körner aus der Kernsubstanz denken liessen. In Wirklichkeit gelingt es jedoch an feucht fixierten ATh-Präparaten, wie ich es oben beschrieben habe, nicht, irgendwelche Beziehungen zwischen Kern und Granu- lationen zu konstatieren; selbst die Färbung der beiden erscheint ja z. B. nach AMGr total verschieden — der Kern hell und himmelblau, die Körner alle gleichmässig dunkelblauviolett. Die Bilder der Mastleukozyten in Pappenheims Atlas (17) stellen sicherlich stark lädierte Zellen vor, deren Protoplasma infolge der Auflösung der Granula von Vakuolen durchsetzt erscheint, zwischen welchen nur mehr Spuren der metachromatisch-baso- philen Substanz übriggeblieben sind. Auch sind die Umrisse des Kernes meistens ganz undeutlich, z. B. auf Taf. 29, Proto- typ 48. Das krasseste Beispiel der zerstörenden Wirkung des Eintrocknens und der nachherigen Behandlung der Mastleuko- zyten des Menschen mit wässerigen Lösungen finde ich im Werke von v. Decastello und Krjukoff (2, Taf. II, Fig. 20); es ist Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 265 mir völlig unverständlich, wie man auf Grund solcher Artefakte gröbster Art neue Theorien über einen besonderen „faserigen“ Aufbau von Kern und Protoplasma konstruieren kann. Dass die beschriebenen, im normalen Blute kreisenden Mast- leukozyten beim Menschen eine ganz andere Zellart sind, als die gewöhnlichen Gewebsmastzellen, wie man sie z. B. in jedem beliebigen, mit alkoholischer Thioninlösung gefärbten Schnitt von einem mit Alkohol fixierten Stückchen Menschenhaut sehen kann, ist zweifellos. Da die (Gewebsmastzellen auch im Knochenmark beim Menschen vorhanden sind, werde ich sie bei der Besprechung der Knochenmarkbefunde näher beschreiben. Knochenmark. An mit ATh behandelten Deckglaspräparaten vom Rippen- mark des Menschen erblickt man sofort Zellen, die sich von den übrigen durch die Anwesenheit von basophilen, metachromatischen, dunkelrotviolett gefärbten Körnchen im Protoplasma unterscheiden. Diese Färbung ist so scharf, dass man die Zellen schon bei schwacher Vergrösserung erkennt. Ebenso deutlich treten diese basophil gekörnten Zellen auch an mit Alkohol fixierten und mit MGr gefärbten Präparaten hervor, wo die Granula dunkelblau- violett erscheinen. Da jedoch hier die Kerne einen nur sehr blassen himmelblauen Ton und keine deutlichen Umrisse haben, sind ATh-Präparate in jeder Beziehung vorzuziehen. Der folgenden Beschreibung liegen deswegen ATh-Präparate zugrunde. Im menschlichen Knochenmark sind die basophil gekörnten Zellen im allgemeinen selten, viel spärlicher, als die eosinophilen und besonders die neutrophilen Granulozyten. Merkwürdig ist die individuelle Schwankung ihrer Zahl. Während die letzt- genannten zwei Arten in allen Fällen in ziemlich gleichen Mengen getroffen werden, sind die basophilen Granulozyten in dem einen Fall selten, in dem anderen bedeutend zahlreicher. Dies wird wahrscheinlich durch ihre ungleichmässige Verteilung im Mark- gewebe zu erklären sein. Die weitaus grösste Mehrzahl der basophil gekörnten Zellen gehört zum Typus der Blutmastzellen. Unter ihnen finden wir in der Tat vor allem dieselben reifen Mastleukozyten, wie ich sie soeben im zirkulierenden Blute beschrieben habe; oft erscheint das Protoplasma dieser Zellen 366 Alexander Maximow: hier mit solchen Auswüchsen versehen, dass man sich des Gredankens der amöboiden Bewegung nicht erwehren kann (Fig. 20—24). Ferner sind aber überall auch ein- oder kompaktkernige Zellen zerstreut, die im Protoplasma dieselbe basophil-metachro- matische Körnung führen. Die Substanz der letzteren sieht überall gleich aus, auch variiert die Grösse der Körner nur inner- halb verhältnismässig enger Grenzen. Im übrigen bieten jedoch diese Zellen ein sehr verschiedenartiges Aussehen dar (Fig. 6—17). 3ei der Beschreibung gehe ich von Zellen aus, die noch sehr wenig Körnchen enthalten. Hier findet man erstens relativ grosse Zellen mit grossem, rundem, meistens einseitig etwas eingedrücktem oder mehr oder weniger tief eingekerbtem Kern (Fig. 6, 7, 8). Innerhalb des Kernes sieht man ausser einigen Nukleolen, die mitunter auch einen Stich ins Violette zeigen, ein sehr lockeres, zartes (Gerüst mit spärlichen eckigen Chromatinteilchen. Der ganze Kern er- scheint meistens deutlich heller, als der Kern der anderen Granulo- zyten. Das Protoplasma ist äusserst zart und so hell, dass man seine Umrisse nur mit Mühe bestimmen kann. Eine sichtbare innere Struktur besitzt es in der Regel nicht, selten tritt eine lockere netzartige Zeichnung hervor. In der Mehrzahl der Fälle sammelt sich das Protoplasma an der einen Seite des Kernes, gewöhnlich an der Einkerbung, in Form einer kleinen Anschwel- lung an. Seltener bildet es einen ganz gleichmässigen, schmalen, kaum sichtbaren oder etwas breiteren Saum. Im Protoplasma sieht man dunkelrotviolett gefärbte, scharf hervortretende Körnchen liegen; sie sind noch sehr spärlich und häufen sich in der Regel in der breiteren Plasmaansammlung an der eingekerbten Kernseite an (Fig. 6, 9); seltener sind sie gleich- mässig im dünnen, den Kern umgebenden Saum verteilt. Die Körnchen sind stets regelmässig rund, kugelförmig, scharf be- grenzt; nirgends sieht man eckige oder verklumpte Formen. Ihre Grösse ist hingegen verschieden. Von den kleinsten, die an der Grenze des Sichtbaren stehen, gibt es alle Übergänge zu schon ziemlich groben Körnern (Fig. 8, 11). Immerhin wird von den letzteren der Umfang der eosinophilen Körner nur selten erreicht. Von diesen grossen Zellen gibt es alle Übergänge zu kleineren, mit der gleichen, ebenfalls sehr spärlichen Körnung Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 267 (Fig. 9—11): solche kleinere Zellen können einen hellen Kern und einen relativ breiten Plasmasaum besitzen, oder einen etwas dunkleren Kern und einen kaum sichtbaren schmalen Protoplasma- saum. Im letzten Fall treten an dem Kern meistens tiefe Falten der Membran hervor. Es ist über alle Zweifel erhaben, dass wir es hier mit Ivmphoiden Zellen zu tun haben, in deren Protoplasma eine spezifische, basophil-metachromatische Substanz in Körnchenform ausgearbeitet wird. Die Zahl der Körnchen nimmt allmählich zu und von den beschriebenen Zellen gibt es infolgedessen eine ununterbrochene Reihe fliessender Übergangsformen zu schon reichlicher granulierten einkernigen Zellen (Fig. 12—15). Die absolute Grösse dieser körnchenreicheren Zellen, die relative Grösse von Kern und Plasma, die äussere Form des Kernes wechseln erheblich. Am häufigsten sind Zellen von mittlerer Grösse zu treffen (Fig. 14, 15), die im Durchschnitt kleiner sind, als die eosinophilen und neutrophilen Myelozyten. Der Kern ist nierenförmig oder erhält zahlreiche breite buckelförmige Vor- sprünge an der Oberfläche, seine innere Struktur bleibt ziemlich unverändert und er behält das helle Aussehen. Die Körner bilden auch jetzt meistens eine dem Kern nur einseitig anliegende, im optischen Querschnitt sichelförmige, dichte Ansammlung; auch jetzt sind sie stets scharf gefärbt, regelmässig rund, aber von un- gleicher Grösse. So reichlich wie in den eosinophilen und neutro- philen Myelozyten sammelt sich die Körnung in den basophil granulierten Zellen niemals an. Von den beschriebenen Elementen gibt es nun ferner alle Übergänge zu den typischen, reifen, oben beschriebenen Mast- leukozyten. Man sieht, wie in den kleineren Formen der reichlich granulierten Zellen (Fig. 15, 19) der Kern allmählich immer tiefere und tiefere Falten bekommt und wie auf diese Weise aus einer kompaktkernigen Zelle eine polymorphkernige reife Blutmastzelle, ein Mastleukozyt, entsteht. Als was sind nun die beschriebenen einfachkernigen basophil granulierten Zellen im menschlichen Knochenmark zu betrachten ? Es kann kein Zweifel darüber herrschen, dass sie die Jugend- formen der Mastleukozyten des Blutes sind. Sie zeigen eine all- mähliche Ausarbeitung einer spezifischen Körnung in ihrem Plasma und verwandeln sich nachträglich unter progressierender Kern- 268 Alexander Maximow: polymorphose in reife polymorphkernige Mastleukozyten, die ins Blut übertreten. Sie müssen folglich als die Myelozyten der Mastleukozyten bezeichnet werden, als Mastmyelozyten. Dass es ganz selbständige, spezifische Zellen sind, die schon vom Moment des ersten Auftretens der basophilen Körnung in ihrem Plasma an den Weg einer irreversiblen, typischen, pro- gressiven Entwicklung betreten, wird durch den Vergleich mit den anderen im Präparat vorhandenen Granulozytenarten deutlich bewiesen. Bei allen Färbungen, wo die basophilen Granula im Präparat überhaupt erhalten bleiben. kann keine Rede davon sein, sie in genetische Beziehungen zu den eosinophilen oder neutrophilen Mvelozyten zu bringen. An ATh-Präparaten tritt dies ebenso deutlich hervor, wie an AMGr-Präparaten. Nach ATh erscheinen die reifen neutrophilen Granula blassgrau gefärbt (Fig. 29); die jüngsten neutrophilen Granula in den neutrophilen Myelozyten färben sich in ihrer basophilen Quote etwas dunkler (Fig. 28); sie haben aber jedenfalls nicht die entfernteste Ähn- lichkeit mit den Mastkörnern, und Übergangsformen zwischen den beiden Granulaarten gibt es nicht. Die reifen eosinophilen Granula färben sich nach ATh grün (Fig. 25, 26). In den jungen eosino- philen Myelozyten erscheint nun ein Teil dieser Granula, die bekanntlich zuerst basophil sind und erst allmählich zur vollen Oxyphilie ausreifen, deutlich blau und zwischen den blauen und den grünen sieht man alle Übergänge (Fig. 27). Aber diese primitiven blauen Granula in den jungen eosinophilen Mvelozyten sind niemals metachromatisch und können ebenfalls in keiner Weise Veranlassung geben, sie mit den Mastkörnern zu verwechseln. Gleich beim ersten Auftreten der Körnchen im Plasma der Mastmyelozyten gibt ihre Substanz sofort schon die spezifische Farbreaktion in typischer Weise. Eine von manchen Autoren angenommene ametachromatische basophile Vorstufe der Mast- körnung habe ich beim Menschen, ebenso übrigens wie bei den anderen untersuchten Säugetieren, nicht gefunden. Infolgedessen erscheinen die Mastgranulozyten bei geeigneten Fixierungs- und Färbungsmethoden als eine von Anfang an noch viel schärfer und spezifischer gesonderte Zellart, als die eosinophilen und neutrophilen, deren Granulasubstanz ja selbst noch erst allmäh- lich vom basophilen Primitivzustand an zu dem reifen oxy- Tesp. neutrophilen heranreifen muss. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 269 Es folgt aus der angeführten Beschreibung, dass im nor- malen Knochenmark des erwachsenen Menschen fortwährend Mast- myelozyten aus indifferenten, Iymphoiden, ungekörnten Zellen (Lymphozyten) durch heteroplastische Entwieklung entstehen, die ihren sichtbaren Ausdruck in dem Auftreten der spezifischen Körnung im Protoplasma findet. Aus den Mastmyelozyten ent- stehen ihrerseits Mastleukozyten, die in das Blut übertreten. Einen degenerativen Charakter hat diese Entwicklung sicher nicht — man findet wenigstens keinerlei Andeutungen, die dafür sprechen würden. Die neutrophilen und eosinophilen Granulozyten regenerieren sich beim normalen erwachsenen Menschen bekanntlich in der Hauptsache auf homoplastischem Wege, indem die bereits körnchen- reichen Myelozyten mitotisch wuchern. Nun erschien es mir als eine sehr wichtige Aufgabe, auch für die Masteranulozyten das- selbe nachzuweisen. Besonders wichtig war es deswegen, weil ja nach der heutzutage herrschenden Anschauungsweise der ganze Zelltypus der Blutmastzellen einen degenerierenden Zellstamm vorstellen soll. Gelänge es, Mitosen in den oben beschriebenen Mastmyelozyten beim Menschen nachzuweisen, wie ich es schon früher für das Kaninchen getan habe, dann wäre ja die Kette der Beweise für die richtige Myelozytennatur derselben und für die Spezifität der Blutmastzellen geschlossen und andererseits die degenerative Theorie endgültig abgetan. Nun sind ja, wie gesagt, die basophilen Granulozyten im menschlichen Knochenmark selten; es hat mich viel Mühe und Zeit gekostet, den eben erwähnten Beweis zu erbringen. Schliess- lich ist es mir aber doch gelungen. Ich fand mehrere ganz unzweifelhafte Mitosen in Mastmyelozyten im Knochenmark des erwachsenen Menschen und stelle zwei davon bildlich dar — ein Spirem (Fig. 16) und einen Mutterstern (Fig. 17). Dieser positive, unanfechtbare, bis jetzt noch von Niemandem gelieferte Beweis macht, wie ich glaube, jede weitere Diskussion über den degene- rativen Charakter der Blutmastzellen gegenstandslos. Die Mast- myelozyten und Mastleukozyten sind mit genau so gutem Rechte als eine besondere Granulozytenart mit spezifischer Entwicklung zu bezeichnen, wie die eosinophilen und neutrophilen Zellen; die Art und Weise ihrer Entstehung und Reifung ist genau die- selbe, wie bei diesen letzteren. [8W) I =>) Alexander Maximow: Ausser den beschriebenen Blutmastzellen, den Mastmyelo- zyten und Mastleukozyten, findet man an Deckglaspräparaten vom menschlichen Knochenmark noch andere basophil gekörnte Zellen. Sie wären auf den ersten Blick geeignet, den geschilderten klaren und einfachen Entwicklungsprozess der Mastmyelozyten etwas zu komplizieren; bei genauerem Zusehen erweisen sie sich jedoch als ganz besondere Zellen — es sind nämlich dieselben histioiden oder (ewebsmastzellen, wie man sie überall im Binde- gewebe treften kann. Sie sind fast stets bedeutend grösser, als die Blutmastzellen und zeichnen sich namentlich durch ein reich- liches Protoplasma aus, während der helle, blasse Kern immer rund oder oval ist und meistens keine Falten an der Membran besitzt (Fig. 30—32). Das Protoplasma ist stets durch und durch, viel gleichmässiger und dichter, als bei den Blutmastzellen, mit basophil-metachromatischen Körnchen erfüllt; diese letzteren sind im Gegensatz zu den Blutmastzellen alle von gleicher Grösse und färben sich in einem etwas anderen, nach ATh mehr bräun- lichen Ton. Dass Mastzellen von histiogenem Typus, gewöhnliche Gewebs- mastzellen. im Knochenmark neben Blutmastzellen vorkommen, ist eine schon längst bekannte Tatsache (Maximow, Pappen- heim), und hier, wo die beiden Typen nebeneinander liegen, sind sie besonders leicht auseinander zu halten. Wie Pappenheim dies schon öfters angegeben hat, zeichnen sich beim Menschen die (rewebsmastzellen in der Tat durch feinere und gleichmässigere, die Blutmastzellen durch gröbere und weniger gleichmässige Körnung aus. Das gilt aber bloss für den Menschen und kann nicht als eine allgemeine Eigenschaft angesehen werden, denn bei Tieren kann es sich in dieser Beziehung gerade umgekehrt verhalten. Jedenfalls sind die Grewebsmastzellen ebenso lebensfähige, nicht degenerierende Elemente, wie die Blutmastzellen. Wie sie sich im erwachsenen Organismus regenerieren, ob durch hetero- plastische Entwicklung aus Iymphoiden Zellen, durch Ausarbeitung von Körnchen, ob durch selbständige mitotische Vermehrung, bleibt bekanntlich eine noch unentschiedene Frage. Im Knochen- mark des erwachsenen Menschen habe ich weder für den einen, noch für den anderen Regenerationsmodus Beweise finden können. Speziell waren hier Mitosen in den Gewebsmastzellen nicht zu Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 271 konstatieren, was übrigens auch nicht wundernehmen kann, wo diese Elemente ja noch viel spärlicher sind als die Blutmastzellen. Auch muss ich speziell hervorheben, dass im Knochenmark des erwachsenen Menschen keinerlei Beziehungen zwischen den beiden Mastzellenarten zutage treten — sie verhalten sich zueinander wie zwei ganz selbständige Zellstämme. Kaninchen. Blut. Das Blut des Kaninchens ist bekanntlich ziemlich reich an Mastleukozyten; sie sind hier schon längst von mehreren Autoren beschrieben worden, unter anderen habe auch ich selbst gerade für das Kaninchen ziemlich ausführliche Schilderungen dieser Zellart gegeben (11, S. 707; 9, S. 328; 12, S. 156). Wie an einem ATh-Deckglaspräparat vom Kaninchenblut sofort zu sehen ist, stellen die Mastleukozyten eine von den übrigen Granulozyten scharf abgegrenzte, sehr typische Zellart vor. Der Kern hat das Aussehen eines ziemlich langen, unregel- mässig geknickten und zerschnürten, wurstförmigen, an den Enden meist keulenförmig aufgetriebenen Schlauches; in seinem Innern sieht man ein blasses lockeres Gerüst (Fig. 40, 41). Das überaus zarte und helle Protoplasma ist dicht mit metachromatisch-baso- philen, rotvioletten Körnchen erfüllt, die von ziemlich gleich- mässiger Grösse und im allgemeinen etwas feiner sind als beim Menschen. Während, wie ich es früher beschrieben habe, in mit Alkohol fixierten Schnittpräparaten, infolge des langsamen Ein- dringens des Alkohols in die Gewebsstückchen, die Granula oft deformiert und die Kerne infolge von Imbibition mit der Granula- substanz oft selbst diffus metachromatisch gefärbt erscheinen, wobei einzelne Körnchen an der Kernmembran fest kleben bleiben, sind solche Artefakte an mit Alkohol feucht fixierten Deckglas- präparaten niemals vorhanden. Der Kern ist hier in der ge- wöhnlichen Weise scharf konturiert, die Granula sämtlich regel- mässig rund, tief gefärbt und scharf begrenzt. Die Substanz der Granula der Mastleukozyten (und auch der Gewebsmast- zellen) beim Kaninchen ist eben in ganz ausserordentlichem (srade wasserlöslich. Es ist eigentümlich, dass Pröscher in seiner oben zitierten, im Jahre 1909 erschienenen Arbeit (19) die Mastleukozyten des 272 Alexander Maximow: Kaninchens sämtlich als mononukleär, dabei ohne typisch aus- gebildete (Granula, sondern mit ungleichmässiger, verklumpter Körnung versehen beschreibt, wo doch schon damals in der Literatur genaue Beschreibungen derselben Elemente existierten, die den Sachverhalt ganz anders schilderten. Ihm scheinen im speziellen meine Arbeiten vollständig unbekannt geblieben zu sein. Es ist natürlich ohne weiteres klar und wird auch durch Pröschers eigene Abbildungen bewiesen, dass die grundfalschen Resultate, zu denen er kommt, der von ilım gebrauchten unzweck- mässigen Methodik zu verdanken sind, der schon oben kritisch besprochenen Trockenmethode mit nachfolgender Färbung in wässerigen Farbflotten. Es ist aber sehr zu bedauern, dass solche Angaben, wie die von Pröscher, indem sie den Ein- druck von Gründlichkeit machen, zur Grundlage für die weitere Entwicklung und Stärkung falscher Lehren werden können, in diesem Fall der Lehre, dass die Mastleukozyten innerhalb der Blutbahn degenerierende Lymphozyten vorstellen. So nimmt z. B. auch Pappenheim (1, 18) die Angaben Pröschers über die normalen Mastleukozyten des Kaninchens als etwas Feststehendes hin und erblickt gerade in dem angeblichen Iymphozytiformen Charakter dieser Zellen eine besondere Stütze für die degene- rative Theorie. Er selbst hat allerdings in ganz richtiger Weise beim Kaninchen im Blute nur polymorphkernige Mastleukozyten gefunden, sieht sich aber genötigt, diesen Befund als etwas Pathologisches, durch Saponinvergiftung Bedingtes aufzufassen. Die Untersuchung des Kaninchenblutes mittelst zweck- mässiger Methoden zeigt also, dass es hier zahlreiche typische polymorphkernige granulierte Leukozyten mit spezifischer meta- chromatisch-basophiler Körnung gibt, die durchaus den Eindruck von echten, den eosinophilen und pseudoeosinophilen ebenbürtigen (sranulozyten machen und ihrem ganzen Habitus nach den Mast- leukozyten des Menschen entsprechen. Auf die scharfe Sonderung der beschriebenen Blutmastzellen, der Mastleukozyten, von den Gewebsmastzellen beim Kaninchen habe ich schon früher hingewiesen (11). Meine damaligen Aus- führungen halte ich auch jetzt in allen Details aufrecht und brauche mich hier nicht ausführlich damit zu beschäftigen. (rerade das Kaninchen bietet, wie gesagt, die beste Möglichkeit, die beiden Mastzellenarten deutlich zu unterscheiden — es genügt co» Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 2 dazu, ein paar mit ATh behandelte Hautschnitte zu untersuchen: hier findet man stets Gewebsmastzellen und herumwandernde Mastleukozyten nebeneinander und kann sich von der grund- sätzlichen Verschiedenheit beider Zellarten sofort überzeugen. Knochenmark. Die Verhältnisse im Kaninchenmark sind für uns von be- sonderer Wichtiekeit, da ja die oben zitierten Autoren. Benacchio (1), Kardos (S), Pappenheim und Sze&esi (18) gerade hier den Hauptbeweis für die Nichtanerkennung der Blutmastzellen als echter, spezifischer Granulozyten gefunden zu haben glauben. Ihre Schlussfolgerungen gipfeln in der These — im Kaninchen- knochenmark gibt es nicht nur keine besonderen Mastmyelozyten, sondern überhaupt keine Mastzellen. Die vorhandenen Zellen mit basophilen Granulationen, die Blutmastzellen vortäuschen. sind in Wirklichkeit blosse Jugendformen der eosinophilen und pseudoeosinophilen Myelozyten, deren Granula in ihrem primitiven Zustande basophil reagieren, um später allmählich die basophile (uote einzubüssen und zu rein oxyphilen heranzureifen. Bei Saponinvergiftung beim Kaninchen sollen nach Pappenheim und Szecsi (15) solche Jugendformen von Spezialmyelozyten mit noch basophiler Körnung auch ins Blut übertreten können. Die im Blute vorhandenen echten Mastleukozyten werden also gar nicht im Mark gebildet, haben mit den basophilen Zellen des letzteren gar nichts zu schaffen, sondern entstehen in der Blutbahn selbst durch mukoide Degeneration Iymphoider Zellen. Wenn man Trockenpräparate vom Kaninchenmark in der Weise herstellt. wie es Benacchio (1) getan hat und wie ich es nachgeprüft habe, nämlich zuerst ein kleines Stückchen davon in einem Tropfen physiologischer Kochsalzlösung auf dem Deck- gläschen mit dem Messer haschiert, mit der Kante eines anderen Deckgläschens darüberstreicht und das ganze dann trocknen lässt, um es nachträglich noch mit wässerigen Farblösungen zu bear- beiten, dann bekommt man im Präparat allerdings keine Mast- zellen mehr — aus dem einfachen Grund, weil ihre Granula dabei alle zerstört und aufgelöst werden. Übrigens sehen dabei auch die meisten übrigen Zellen stark lädiert aus. Ein grosser Teil von ihnen ist zerstört und die freigewordenen eosinophilen und »seudoeosinophilen Granula bedecken das ganze Gesichtsfeld. Wenn > Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 18 2714 Alexander Maximow: man aber ein gewöhnliches Trockenpräparat auf etwas schonendere Art und Weise, nämlich einfach durch Berühren des Glases mit einer frischen Schnittfläche des Markgewebes herstellt und es in der gewöhnlichen Weise mit MGr und Giemsa nach Pappen- heim färbt, so erblickt man trotz dieses im gegebenen Falle ganz unzweckmässigen Verfahrens doch viele Zellen mit dunkel- rotvioletten Körnern, die sich ganz scharf von den pseudoeosino- philen und eosinophilen unterscheiden und unbedingt als spezi- fische basophile Granula angesprochen werden müssen. Für ge- nauere Feststellungen. für zytologische Untersuchungen, sind Trockenpräparate, wie gesagt, unbrauchbar, zumal gerade beim Kaninchen dabei ein grosser Teil der basophilen Körner auf- gelöst wird. Man sieht an ihnen aber doch, dass es auch hier besondere basophile Granulozyten geben muss. Die wirkliche Menge der letzteren, ihre richtige Struktur und ihre Beziehungen zu den anderen Zellen können an feuchtfixierten A-Präparaten ohne jede Mühe klargestellt werden. An A Th-Präparaten findet man im Kaninchenknochenmark sehr zahlreiche Zellen, die, ebenso wie beim Menschen, schon bei schwacher Vergrösserung sofort in die Augen fallen, dank der grellrotviolett gefärbten Körnung, die sie in ihrem Protoplasma führen. Zum Teil sind es dieselben polymorphkernigen Mastleuko- zyten, die ich soeben im Blute beschrieben habe (Fig. 40, 41). Die meisten stellen aber rund- oder kompaktkernige Zellen vor (Fig. 33— 38). Ihre Grösse ist verschieden. Die meisten haben den Um- fang von grossen Lymphozyten (Fig. 33, 35, 36): andere sehen wie kleine Lymphozyten aus, ausserdem gibt es Mittelformen (Fig. 34). Der Kern ist rund, oval. leicht nierenförmig, oder ein- seitig scharf eingekerbt und gefaltet; in seinem Inneren sieht man ein unregelmässiges, ziemlich helles Gerüst mit kleinen eckigen Chromatinteilchen. Die Nukleolen treten nach ATh nieht deutlich hervor. Die Granula befinden sich im Protoplasma dieser grossen oder kleinen Zellen in sehr verschiedener Menge; in den einen Fällen sehr spärlich (Fig. 33, 34), stellen sie in anderen eine dichte Masse vor (Fig. 35, 36, 38). Bei ihrem ersten Auftreten in der Zelle bilden die Körnchen, ebenso wie beim Menschen, kaum Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 275 sichtbare Spuren, später entsteht ein kleines, einseitig gelegenes Häufchen, im folgenden wächst ihre Zahl und sie verteilen sich über weitere Plasmabezirke, doch bleibt die Verteilung (im Gegen- satz zu den Gewebsmastzellen) immer ungleichmässig und meistens ausgesprochen einseitig. Was die Grösse der Granula betrifft, so treten sie zuerst in Form feinster Pünktchen auf (Fig. 34), um dann rasch die definitive, ziemlich gleichmässige Grösse zu erreichen. Zellen mit einzelnen aussergewöhnlich groben Körnchen sind selten (Fig. 36). Von den geschilderten, meistens grossen rundkernigen Zellen, in deren Protoplasma basophile Granula ausgearbeitet werden, gibt es eine ununterbrochene Reihe fliessender Übergangsformen zu den oben beschriebenen reifen polymorphkernigen Mastleu- kozyten, in deren Zelleib die Körner schon in dichten Massen liegen (Fig. 39—41). Diese Übergangsformen zeigen eine immer stärker und stärker hervortretende Kernzerschnürung. Bei Färbung der mit Alkohol feucht fixierten Deckglas- präparate mit MGr in der oben angegebenen Weise bekommt man von den beschriebenen Blutmastzellen ganz ähnliche Bilder, wie beim Menschen bei derselben Methode — ebenfalls äusserst scharf hervortretende, dunkelblauviolette Körnchen und blass- himmelblaue Kerne. Da hier die pseudoeosinophilen und eosino- philen Granula rot gefärbt aussehen, offenbart sich der streng spezifische Charakter der basophilen Körnung in noch deutlicherer Weise. An mit ZFEAz bearbeiteten Deckglaspräparaten wechseln die Resultate von Fall zu Fall, wahrscheinlich je nach der Dauer der Fixierung usw. In dem einen Fall sind hier die meisten Granula aufgelöst und unsichtbar, in dem anderen sind sie deut- lich erhalten und violett gefärbt. Die beschriebenen basophil granulierten Zellen im Kaninchen- mark sind mir seit langer Zeit bekannt und ich habe sie auch schon mehrmals beschrieben, ihre Entwicklung, selbst die embryo- nale, studiert und ihre Beziehungen zu den im Blute kreisenden Mastleukozyten erörtert. Leider scheinen aber diese meine Angaben, wie gesagt, wenig beachtet worden zu sein; bei Benacchio (1) finde ich sie z. B. überhaupt nicht erwähnt und doch glaube ich, dass es für des genannten Autors eigene Auffassung der Blutmastzellenfrage sehr vorteilhaft gewesen wäre, 15* 276 Alexander Maximow: wenn er sie gekannt hätte und in der Lage gewesen wäre, seine negativen Resultate mit den meinigen positiven zu vergleichen. Vielleicht würde er dann nicht in so apodiktischer Weise ver- kündet haben, dass es im Kaninchenknochenmark keine Mast- myelozyten und überhaupt keine Mastzellen gibt. Denn was sind die beschriebenen Zellen in Wirklichkeit anders als Mastzellen und die rundkernigen unter ihnen anders als Mastmvelozyten ? Benacchio findet in seinen Präparaten basophil gekörnte Zellen, hält sie aber bloss für Jugendformen der eosinophilen und pseudoeosinophilen Myvelozyten. Es soll ein allmählicher Übergang der basophilen Granula in oxyphile, eine Reifung mit Verlust der primitiven Basophilie zu konstatieren sein. Anderer- seits sollen Übergänge der grobkörnigen, einkernigen, angeb- lichen Mastmyelozyten zu polynukleären Mastleukozyten fehlen. Drittens sollen wichtige färberische und sonstige Differenzen zwischen den basophil granulierten Zellen und wahren Mastzellen bestehen. Diese drei Feststellungen sollen etwas näher geprüft werden. Dass eosinophile und pseudoeosinophile Körnchen in den jüngsten entsprechenden Myelozyten eine basophile Quote ent- halten, ist eine sehr alte Erfahrung und ebenso ist es längst bekannt, dass dies gerade beim Kaninchen besonders deutlich hervortritt. Darüber haben Pappenheim, ich, Blumenthal und andere schon oft berichtet. Speziell findet man hier in den jüngsten pseudoeosinophilen Myelozyten noch eine besondere, ziemlich reichliche (vielleicht der Azurkörnung nahestehende) primitive Granulation, die mit der Ausreifung der Spezialkörnung allmählich verschwindet (Blumenthal, Maximow). Sie tritt an ATh-Schnittpräparaten vom Mark meistens sehr deutlich hervor, an ATh-Deckglaspräparaten ist sie weniger deutlich. Haben aber diese basophilen primitiven Vorkörnungen etwas zu tun mit der Mastzellenkörnung ? Schon die flüchtigste Unter- suchung eines beliebigen Präparates, wo ausser den eosinophilen und pseudoeosinophilen Körnern auch die Mastzellenkörnung fixiert und gefärbt, also sichtbar ist, lässt uns diese Frage mit einem entschiedenen Nein beantworten. Die pseudoeosinophilen Granula des Kaninchens erscheinen in ihrem Jugendstadium an AT'h-Deckelaspräparaten nur ganz blass tingiert und erinnern sehr an die neutrophile Körnung der Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 277 Myelozyten des Menschen. Die eosinophilen Granula, die sonst grün gefärbt erscheinen, nehmen in ihrem jüngsten Zustand einen deutlichen blauen Ton an; von diesen blauen, aber niemals metachromatischen Körnern sieht man in ein und derselben Zelle alle Übergänge zu den reifen, grünen (Fig. 42). Die oben beschriebene Mastkörnung hat aber nicht die ent- fernteste Ähnlichkeit mit diesen Jugendformen der beiden anderen Granulaarten. Metachromatisch-basophile Granula kommen speziell in den eosinophilen Myvelozyten niemals vor. Umgekehrt habe ich auch niemals eine Mastzelle gesehen, in welcher man Körnchen vom Aussehen der pseudoeosinophilen oder eosinophilen finden könnte. Die Mastgranula treten nur in vorher granulalosen Ivmphoiden Zellen und zwar sofort mit allen ihren typischen spezifischen Eigenschaften ausgestattet auf und nehmen dann nur an Zahl zu, bis Mastmyelozyten mit reichlicher Körnung entstehen. Dass Benacchio in seinen Präparaten echte Mastzellen nicht sah, sondern bloss die basophilen Primitivstadien der eosinophilen und pseudoeosinophilen Elemente, will ich ihm gerne glauben: der Grund dafür lag aber in seiner Methodik. Wie beim Menschen, so findet man also auch beim Kaninchen und in noch viel grösserer Menge im Mark eine besondere Zellart mit einer ganz spezifischen, ihr allein zukommenden, basophil- metachromatisch reagierenden Körnung, die der eosinophilen und pseudoeosinophilen vollkommen ebenbürtig erscheint, von Ihnen aber ganz unabhängig ist. Da Benacchio, wie gesagt, die echten Mastzellen in seinen Präparaten zum grössten Teil sicher selbst zerstörte, kann es nicht wundernehmen, dass er keine Übergänge von den Mast- myelozyten zu polymorphkernigen Mastleukozyten findet. In Wirklichkeit ist aber gerade das Kaninchenmark das günstigste Objekt zur Demonstrierung der ganzen Entwicklungsreihe . von den einkernigen, jungen, mit Spuren von Mastkörnung versehenen Mastmyelozyten bis zum dicht granulierten polymorphkernigen reifen Mastleukozyt. Dies ist in der Wissenschaft sogar schon lange vor Erscheinen der Arbeiten von Benacchio und Kardos bekannt gewesen. Wenn wir jetzt die angeblichen prinzipiellen Differenzen zwischen den basophil granulierten Zellen des Kaninchenmarks und den wahren Mastzellen prüfen, so erweist sich auch in dieser 278 Alexander Maximow: Beziehung die Beweisführung Benacchios als vollständig un- zutreffend. Er zählt sechs „Kriterien“ auf, die angeblich für die Erkennung der richtigen Mastzellenkörner feststehen sollen. Unter ihnen legt er den stärksten Nachdruck auf die Unfähigkeit dieser letzteren sich mit sauren Farbstoffen zu färben, auf ihre strenge Monobasophilie. Da nun die in seinen Präparaten vom Kaninchen- knochenmark vorhandenen basophilen Körner sich auch mit dem Indulin des Triglyzeringemisches tingieren liessen, so konnten sie eben deswegen keine Mastzellen sein. Wie ich bereits bewiesen zu haben glaube, konnten in den Präparaten von Benacchio die echten Mastzellenkörner über- haupt nicht erhalten geblieben sein, sondern sie waren sicherlich zum grössten Teil aufgelöst. Folglich kann man es auch ruhig zugeben, dass in der Tat die übrig gebliebenen basophilen Granula bloss Jugendformen der eosinophilen oder pseudoeosino- philen Körner waren und als solche auch indulinophil reagierten. Die echten Mastgranula im Kaninchenmark färben sich nicht mit Indulin. Aber selbst abgesehen davon, selbst zugegeben, dass sie sich mit Indulin färben würden, halte ich es überhaupt nicht für statthaft, den Begriff der Mastzellen so willkürlich einzu- schränken, wie es Benacchio tut und die Mastzellennatur irgendwelcher mit metachromatisch-basophil reagierenden Körnern versehenen Zellen nur deswegen zu leugnen, weil diese Körner sich einigen speziellen, ganz willkürlich ausgewählten Reaktionen gegenüber, die an den Körnern anderer Mastzellen gelingen, ab- lehnend verhalten. Als Mastzelle hat ja Ehrlich eine Zelle bezeichnet, die im Protoplasma als ständige und ausschliessliche Einschlüsse metachromatisch-basophile Körner führt. Wenn man im myeloiden (rewebe Zellen findet, die dieser einzigen Bedingung genügen und dabei von den anderen zwei bekannten Granulo- zytenarten vollkommen unabhängig sind, so müssen sie eben notwendigerweise als Mastzellen bezeichnet werden, ob die von Benacchio angegebenen Kriterien, wie z. B. Nichtfärbbarkeit in Methylgrün, Färbbarkeit in Rhodamin-S, Grobkörnigkeit usw. zu ihnen passen oder nicht. Wie für die Mastmyelozyten im Knochenmark des Menschen, so muss jetzt endlich auch für dieselben Zellen beim Kaninchen der Regenerationsmodus festgestellt werden. Dass sie in der gleichen Weise wie beim Menschen auf heteroplastische Weise Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 279 fortwährend neu entstehen, durch Ausarbeitung der spezifischen Granula in vorher ungranulierten, Iymphoiden Zellen, ist auf Grund der beschriebenen Bilder eine sichergestellte Tatsache. Was es für Iymphoide Zellen sind, die sich auf solche Weise in Mastmyelozyten verwandeln, ist wieder eine Frage für sich, die vorläufig von verschiedenen Autoren je nach ihrem mono- oder polvphyletischen Standpunkte in verschiedenem Sinne entschieden worden wäre. Aber ausserdem regenerieren sich die Mastmyelo- zyten auch auf homoplastischem Wege, durch karyokinetische Zellteilung in bereits körnchenreichem Zustande. Wenn die Mast- myelozytenmitosen beim Menschen eine Seltenheit waren, so sind sie im Kaninchenknochenmark, entsprechend der grösseren Zahl der Blutmastzellen, viel zahlreicher und ziemlich leicht zu finden (Fig. 37). Ich habe übrigens, wie gesagt, Mastmyelozytenmitosen beim Kaninchen schon früher ausführlich beschrieben und ab- gebildet (12). Von einer degenerativen mukoiden Verwandlung lympho- zytoider Zellen im zirkulierenden Blut zu Mastleukozyten kann folglich keine Rede sein. Auch beim Kaninchen sind die Mast- leukozyten eine echte spezifische Granulozytenart, die sich in gewöhnlicher Weise im Knochenmark aus besonderen Myelozyten entwickelt. Im banalen Bindegewebe des Kaninchens sind, wie ich es seinerzeit beschrieben habe (11), histiogene Mastzellen im allge- meinen recht spärlich. Kein Wunder also, dass sie im Knochen- mark noch viel seltener sind. Immerhin habe ich auch hier ein paar solche Zellen doch konstatieren können. Sie sehen, wie die Fig. 43 zeigt, ganz anders aus, als die Blutmastzellen und können mit ihnen nicht verwechselt werden. In den histiogenen Mast- zellen ist die Körnung weniger regelmässig verteilt und die Körnchen sind von ziemlich verschiedener Grösse. Hier herrschen also in dieser Beziehung im Vergleich mit dem Menschen gerade umgekehrte Verhältnisse. Meerschweinchen. Blut. Im Blute des Meerschweinchens sind Mastleukozyten längst bekannt und von Jolly (6, 7), mir (11, 14) und Weiden- reich (21, 22) in ganz entsprechender Weise beschrieben worden. 280 Alexander Maximow: Hier werden sie auch von Weidenreich als spezifische, echte (rranulozyten anerkannt. Der Kern ist polvmorph zerschnürt (Fig. 47) und besteht meistens aus drei rundlichen Abschnitten, die miteinander durch dünne, manchmal fadenförmige Brücken zusammenhängen. In seinem Inneren tritt ein deutlich entwickeltes netzartiges (Gerüst hervor. Die Granula haben beim Meer- schweinchen ein sehr typisches Aussehen — sie sind sehr gross, selbst grösser als die eosinophilen Körner, von ovaler Form, schwach lichtbrechend und färben sich an A’Th-Präparaten nicht so dunkelrotviolett, wie bei den anderen Tieren, sondern in einem helleren, braunvioletten Ton; an AMGr-Präparaten erscheinen sie blassblauviolett. Die von Weidenreich beschriebenen Zentral- körper kann man an solchen Präparaten natürlich nicht sehen. Eine sehr wichtige Eigenschaft der Granula der Mastleukozyten beim Meerschweinchen ist ihre relativ sehr geringe Wasserlöslich- keit. Dadurch wird es ermöglicht, sie auch an Präparaten dar- zustellen, die mit wässerigen Fixierungsmitteln oder Farblösungen bearbeitet worden sind. Die Gewebsmastzellen des Meerschweinchens sind von mir früher genauer beschrieben worden. Sie haben gar keine Ähnlich- keit mit den Blutmastzellen und wenn sie schon bei den meisten anderen Tieren von diesen letzteren stets scharf unterschieden werden können, so steigert sich dieser Unterschied gerade beim Meerschweinchen bis zum höchsten Grade. Knochenmark. Im Knochenmark des Meerschweinchens sind die Blutmast- zellen ungefähr ebenso zahlreich, wie beim Kaninchen. Dank der ganz besonderen, von der gewöhnlichen abweichenden Be- schaftenheit ihrer Granula, besonders dank der Widerstandsfähig- keit derselben den wässerigen Lösungen gegenüber, bietet ihr Studium hier gar keine Schwierigkeiten dar. Sie sind hier nicht nur nach ATh oder AMGr, sondern auch nach ZF-Fixierung und EAz-Färbung und sogar an gewöhnlichen, nach Pappenheim mit MGr und Giemsa gefärbten Trockenpräparaten sofort zu erkennen und unterscheiden sich so ausserordentlich scharf von len übrigen Granulozyten, dass es mir ganz unverständlich vor- kommt, wie Benacchio und Kardos gerade beim Meer- schweinchen ihre Existenz vollständig leugnen können. .. . Q Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 281 Ihre Färbung nach ATh und AMGr habe ich bereits er- wähnt. Nach ZFEAz sind sie ebenso blassblauviolett, wie nach AMGr. An trockenen, nach Pappenheim gefärbten Präparaten haben sie einen sehr schönen, saftigen rotvioletten Ton. Die meisten Blutmastzellen im Mark haben dicke, wurst- förmige, verschiedenartig geknickte, verbogene Kerne, die etwa dem Typus der sogenannten Metamyelozyten entsprechen. Überall sieht man diese Kerne sich in die noch mehr zerschnürten der reifen, ins Blut übertretenden Mastleukozyten verwandeln. Die übrigen stellen meistens sehr grosse Zellen mit rundem oder ovalem oder nierenförmigem, fast immer exzentrischem Kerne vor (Fig. 44—46) — dies sind die schon längst von Jolly und mir beschriebenen Mastmyelozyten; mit den er- wähnten Mastmetamyelozyten sind sie ebenfalls durch alle mög- lichen Übergänge verbunden. Sie enthalten eine wechselnde An- zahl von Körnern. Man findet Zellen mit eben erst beginnender Ausarbeitung der Granulation (Fig. 44) — in dem blassen Proto- plasma erscheinen zuerst feinste runde Körnchen, dann wachsen sie bedeutend an und nehmen dabei zum Teil sofort, zum Teil erst später eine ovale Form an. Ihre typischen, oben angegebenen Farbreaktionen sind jedoch von Anfang an vorhanden, so dass die Substanz der Körnchen selbst keiner Reifung unterliegt, ebenso wie wir es auch beim Menschen und beim Kaninchen gesehen haben. Indem sich die Zahl der Granula allmählich vergrössert und die einzelnen Körner an Umfang gewinnen, erhält man schliesslich grosse, oft riesige Myelozyten mit umfangreichem, fein netzartig gebautem, exzentrisch gelegenem Kern und mit reichlichen, grossen, runden oder ovalen Körnchen im breiten Protoplasmasaum (Fig. 45). Mit der pseudoeosinophilen (amphophilen) und eosinophilen Körnung haben die beschriebenen Mastgranula nichts zu schaften. Die Blutmastzellen sind von den anderen Granulozyten aufs schärfste schon vom ersten Auftreten der Granula an geschieden. Die basophilen Jugendformen der eosinophilen und spezialen Körnchen haben auch beim Meerschweinchen ein ganz anderes Aussehen und von ihnen ist dasselbe zu sagen, was ich oben für das Kaninchen angegeben habe. Ich betone noch einmal, dass (dies beim Meerschweinchen in der schönsten Weise sogar an den gewöhnlichen, nach Pappenheim gefärbten Trockenpräparaten 282 Alexander Maximow: hervortritt. Zwischen den Blutmastzellen mit ihren groben Körnern und den anderen Granulozyten fehlen Übergangsformen vollständig. Eher hätte man hier in den Trockenpräparaten die tief rotviolett gefärbten Mastzellengranula noch mit den in allen Ivmphoiden Zellen reichlich vorhandenen Azurkörnchen ver- wechseln oder in genetische Beziehungen bringen können. Aber die Azurgranula sind fein, staubförmig und purpurfarben, während die Mastzellengranula sich schon gleich bei ihrem ersten Auf- treten in der Zelle durch ihre Grobkörnigkeit und die dunklere rotviolette Färbung verraten. An den feucht fixierten Präparaten, wo die Azurkörnung fehlt, fällt auch dieser komplizierende Um- stand weg. Mitosen sind in den Mastmyelozyten beim Meerschweinchen eine noch gewöhnlichere Erscheinung als beim Kaninchen. Man findet sie meistens in den grossen Zellen, deren Protoplasma mit den spezifischen Körnchen schon dicht erfüllt ist (Fig. 46). Diese Mitosen sind auch schon von Jolly (6, 7) gesehen worden. Histiogene Mastzellen habe ich im Meerschweinchenmark früher (11) gar nicht finden können. Jetzt, bei sorgfältigster Durchmusterung neuer zahlreicher Präparate, finde ich sie doch, zwar sehr selten, aber immerhin in jedem Deckglaspräparat ein paar: sie sind, wie gesagt, in ihrem Aussehen und speziell in ihrer Körnung von den beschriebenen Blutmastzellen so grund- verschieden, dass eine Verwechslung der beiden Arten nicht möglich ist. An ATh-Präparaten (Fig. 48) erscheinen sie als ziem- lich unregelmässig begrenzte, oft in die Länge gezogene Zellen, deren Grösse stark variiert, dem Unfang der grössten Mastmyelo- zyten aber meistens nachsteht. Das Protoplasma ist durch und durch aufs dichteste mit sehr feinen, runden Körnchen erfüllt, die eine kräftig rotviolette, metachromatische Färbung besitzen und viel greller und dunkler gefärbt erscheinen, als die groben (sranula der Blutmastzellen. Der rundliche oder ovale Kern liegt meistens exzentrisch, ist hell und enthält in seinem Inneren mehrere eckige Uhromatinteilchen. Mitosen habe ich in diesen (rewebsmastzellen im Mark nicht gefunden, ebenso habe ich auch granulaarme Jugendformen derselben nicht mit Sicherheit konsta- tieren können; es kommen wohl Exemplare vor, die um den runden Kern herum einen nur schmalen Plasmasaum aufweisen, dieser letztere erscheint jedoch immer schon mit Körnchen dicht erfüllt. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 285 Auch beim Meerschweinchen kann man folglich im Knochen- mark zwei Mastzellenarten unterscheiden. Die eine entspricht in jeder Beziehung den banalen ubiquitären Mastzellen des Binde- gewebes, die andere stellt eine besondere, spezifische Granulo- zytenart vor und bietet eine ununterbrochene progressive Ent- wicklungsreihe dar von jungen, noch granulaarmen, aus Iymphoiden Elementen eben erst entstandenen Mastmyelozytenformen bis zu reifen, polymorphkernigen Mastleukozyten, die ins Blut abgegeben werden. Weisse Ratte. Wie ich schon früher angegeben habe (11) und auch jetzt bestätigen kann, gelingt es im Rattenblut an ATh-Deckglas- präparaten nicht, Mastleukozyten zu finden. Im Knochenmark sieht man basophil gekörnte Zellen in grossen Mengen, das sind aber fast sämtlich Elemente, die in allen Beziehungen, ausser der Grösse, den banalen Gewebsmastzellen, wie man sie überall im Bindegewebe der Ratte findet, entsprechen. Sie sind von sehr verschiedener Grösse (Fig. 50, 51), das Protoplasma ist aber stets aufs dichteste mit groben, dunkelrotvioletten Körnchen erfüllt, die so nahe beisammen liegen, dass der ganze Zellkörper meistens den Eindruck einer dunklen, ganz undurchsichtigen körnigen Kugel macht, an deren Peripherie der halbkugelförmige Kern einseitig hervorragt. In den kleineren Exemplaren (Fig. 50) scheint die Anordnung der Körner mitunter etwas lockerer zu sein. Der Kern nimmt jedenfalls immer eine ausgesprochene exzentrische periphere Lage ein. Nun findet man aber im Mark ausser diesen unzweifelhaften Gewebsmastzellen, wie man ganz ähnliche auch z. B. in den Lymphknoten und in der Peritonealflüssigkeit hat, auch noch andere Mastzellen, die sofort den Eindruck von hämatogenen machen — es sind grössere und kleinere Zellen (Fig. 51, 52), mit blassem rundem Kern und mit mehr oder weniger zahlreichen, nicht sehr dicht gelagerten Körnchen, die feiner sind als in den (rewebs- mastzellen und heller rotviolett gefärbt erscheinen. Äusserst selten trifft man Übergänge von solchen Mastmyelozyten zu polymorphkernigen Zellen mit denselben Körnchen, die folglich als Mastleukozyten bezeichnet werden können. Bei der Ratte, bei welcher die Gewebsmastzellen überall so ausserordentlich zahlreich und stark entwickelt erscheinen, sind also Blutmastzellen 254 Alexander Maximow: eine äusserst seltene Erscheinung. Jedenfalls sind sie aber auch hier vollkommen unabhängig von den anderen Granulozyten. Was liingegen ihre Beziehungen zu den (Gewebsmastzellen betrifit, so muss zugegeben werden, dass mitunter Zellen vorkommen, die man nicht mit Sicherheit dem einen oder dem anderen Typus der Mastzellen zurechnen kann (Fig. 53, 54). Ob dies als Beweis einer tatsächlichen Zusammengehörigkeit beider Typen im Sinne der Entwicklung aus einer gemeinsamen primitiven Stammform aufgefasst werden kann, wage ich nicht zu entscheiden. Hund. Im Blute des erwachsenen Hundes habe ich schon früher (11) spärliche typische polymorphkernige Mastleukozyten beschrieben. Im Blute eines 2 Monate alten Hündchens, welches ich jetzt untersucht habe, vermisse ich sie, dies wird jedoch vermutlich nur von der grossen Seltenheit dieser Zellart hier abhängen. Im Iinochenmark fehlen Gewebsmastzellen vollständig, wenigstens an Deckglaspräparaten, es sind aber stets in wechselnder, meist spärlicher Anzahl basophil gekörnte Elemente zu finden, die ganz den Eindruck von Blutmastzellen machen und denselben Zellen beim Kaninchen besonders ähnlich aussehen; sie sind jedoch beim Hunde viel spärlicher vertreten. Auch hier haben sie jedenfalls nichts zu tun mit den eosinophilen und, spezialen Granulozyten. Sie stellen zum Teil grosse oder kleinere Mastmyelozyten vor (Fig. 55, 56), mit spärlicher oder reichlicher Körnung, zum Teil sind es typische kleine, reife, polymorphkernige Mastleukozyten (Fig. 57, 58); die Körnung ist sehr fein, gleichmässig und färbt sich in einem besonders hellen Rotviolett. Sie bildet meistens ein kleines, scharf begrenztes, dichtes Häufchen an der einen Seite des Kernes; wenn der Kern eine tiefe einseitige Einschnürung erhält, kommt das Häufchen gerade in die Einbuchtung desselben zu liegen (Fig. 58), oder es umgibt den Kern gürtelförmig (Fig. 57). Zwischen den Mastmyelozyten und den Mastleukozyten findet man eine ununterbrochene Reihe von Übergangsformen. Schluss. Die Schlußsätze der vorliegenden Arbeit müssen als Antwort auf die oben formulierten Fragen erscheinen. 1. Bei den Säugetieren gibt es zwei Arten von Mastzellen, histiogene und hämatogene, Gewebsmastzellen und Blutmastzellen. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 285 Obwohl den beiden Typen als die am meisten charakteristische Eigenschaft metachromatisch-basophile Granula im Protoplasma eigen sind, müssen sie im erwachsenen Organismus voneinander doch auf Grund einer ganzen Reihe von bestimmten Merkmalen scharf unterschieden werden; diese Merkmale beziehen sich aut (Grösse, Form, Kernbeschaffenheit, den spezielleren Charakter der Körnung und auf die Entwicklungsart selbst. Je nach der Tierart bietet jeder Typus wiederum Verschiedenheiten dar, sowohl was histologisches Aussehen und Charakter der Körnung, als auch die Häufigkeit und Verteilung im Organismus betrifft. Bei jeder einzelnen Tierart aber ist eine weitere Teilung der zwei Typen unzulässig und speziell kann man unter den Gewebsmastzellen keine besonderen Unterarten unterscheiden. Wie alle gekörnten Zellen des Blutes und Bindegewebes entstehen auch die’ Mastzellen beider Typen ursprünglich, beim Embryo, immer aus indifterenten Ivmphozytoiden Vorstufen. Wie dies im Speziellen geschieht, ob die beiden Typen zuerst eine gemeinsame primitive, granulierte Stammform haben oder gleich als isolierte Zellstämme entstehen, erscheint noch nicht genügend aufgeklärt. Obwohl ich selbst darüber schon früher einiges berichtet habe (11, S. 706, 13, S. 624, 14. S. 63), sind meine dies- bezüglichen embryologischen Arbeiten vorläufig noch nicht abge- schlossen, dem früher Gesagten habe ich nichts hinzuzufügen und ich enthalte mich infolgedessen eines endgültigen Urteils in dieser Beziehung. Jedenfalls stellen aber die beiden Mastzellenarten im erwachsenen Organismus zwei ganz unabhängige Zellstämme vor, die in keinen genetischen Beziehungen mehr zueinander stehen; auch ist eine gemeinsame Stammzelle für die beiden hier nicht vorhanden. Nur bei der Ratte findet man im Knochenmark etwas zweifelhafte Zwischenformen zwischen jungen Gewebsmast- zellen und Mastmyelozyten. Bei allen anderen untersuchten Tieren springen die jeweiligen von Art zu Art verschiedenen Unterschiede der beiden Zellarten schon in deren jüngstem Zu- stande an in zweckmässiger Weise hergestellten Präparaten so deutlich in die Augen, dass es darüber keine geteilte Meinung geben kann. Gerade das Knochenmark ist für diese Feststellung besonders günstig, weil hier bei den meisten Tieren sowohl (rewebsmastzellen als auch Blutmastzellen in verschiedenen Ent- wicklungsstadien dicht nebeneinander gelagert zu finden sind. 286 Alexander Maximow: Was hingegen die niederen Wirbeltiere betrifft, speziell die urodelen Amphibien, so liegt hier die Sache wahrscheinlich etwas anders. Hier scheinen viel engere Beziehungen zwischen den histiogenen und hämatogenen Mastzellen auch im erwachsenen Organismus zu bestehen; ich habe seinerzeit Beobachtungen mit- geteilt (10), nach welchen sich beim Axolotl ausgewanderte Mast- leukozyten in fixe Gewebsmastzellen verwandeln; auch Weiden- reich (22) vertritt dieselbe Meinung und identifiziert sogar bei den Amphibien die beiden Mastzellenarten miteinander. 2. Je nach der Tierart bieten die Blutmastzellen gewisse bestimmte Verschiedenheiten dar. Es wäre also verfehlt, sich auf eine angebliche absolute, artspezifische Unterschiede aus- schliessende Gleichartigkeit der Blutmastzellen bei allen Tier- klassen zu berufen (Pappenheim), um ihren Charakter als mukoid degenerierter Lymphozyten zu beweisen. Andererseits ist es jedoch sicher, dass sich diese Verschiedenheiten bloss auf nebensächliche, äussere Merkmale beziehen und dass es auf Grund derselben nicht möglich ist, verschiedene Typen von Mastleuko- zyten zu unterscheiden. Die biologischen Grundeigenschaften und die morphologische Bedeutung der Mastleukozyten bei ver- schiedenen Säugetieren und beim Menschen sind überall gleich. 3. Beim Vergleich der Blutmastzellen mit den anderen Granulozytenarten des Blutes stellt es sich heraus — wieder vorausgesetzt, dass zweckmässige, die Mastkörnung nicht alte- rierende Methoden angewandt werden — dass sie von allen anderen körnigen Zellen vollständig scharf geschieden sind. Sie haben nichts zu tun weder mit Spezialgranulozyten, noch mit den eosinophilen Zellen und stehen mit ihnen in keinerlei genetischem Zusammenhang, ausser der prinzipiell ja ganz ähnlichen Entstehung aus vermutlich gleichartigen indifferenten Iymphoiden Elementen. Die Blutmastzellen sind beim Menschen und allen unter- suchten Säugetieren, entsprechend der ursprünglichen Ehrlich- schen Anschauung, eine ‘besondere Granulozytenart mit ganz selbständiger Entwicklung und spezifischer, ihr allein eigener, basophil-metachromatischer, als Sekretionsprodukt des Proto- plasmas aufzufassender Körnung; diese Granulozytenart steht den beiden anderen Granulozytenarten vollkommen ebenbürtig zur Seite. Ebenso wie die eosinophilen oder spezialgranulierten Leukozyten, besitzen auch die Mastleukozyten im Knochenmark Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 287 eine besondere Jugendform, echte, wucherungsfähige Mastmyelo- zyten, die auch im erwachsenen Organismus heteroplastisch durch Ausarbeitung der spezifischen Körnung im Plasma aus indifferenten Iymphoiden Zellen neu entstehen können. Aus diesen Mastmyelo- zyten gehen in der gewöhnlichen Weise, unter Anhäufung der Körner und progressierender Kernpolvmorphose, die reifen Mast- leukozyten hervor, die in das Blut übertreten, während die Mast- myelozyten normalerweise sämtlich im Knochenmark verbleiben. Die Annahme von Benacchio, Kardos, Pappenheim uud Szecsi, dass echte Mastmyelozyten beim Kaninchen und Meerschweinchen im Knochenmark fehlen und dass die dort vor- handenen basophil gekörnten Zellen bloss unreife eosinophile oder pseudoeosinophile Myelozyten sind, deren Körnung noch eine be- deutende basophile Quote enthält, entspricht nicht den Tatsachen. In Präparaten, wo die Mastkörnung ungelöst erhalten geblieben ist und zweckmässig gefärbt erscheint, fehlen Übergangsformen zwischen ihr und den anderen Granulaarten. 4. Aus dem Angeführten folgt weiter, dass die Blutmast- zellen, die Mastleukozyten und Mastmyelozyten, nirgends, bei keiner von den untersuchten Säugerarten als degenerierende Elemente angesehen werden können. Gewiss ist es sehr wohl möglich, dass bei Degeneration verschiedener Zellen in deren Protoplasma ein metachromatisch-basophil reagierendes Zerfallsprodukt in Granula- form auftreten kann. Es gibt sogar in der Literatur einige ent- sprechende Angaben (9). Solche Zellen wären indessen jedenfalls nicht als Mastzellen zu bezeichnen, ebenso, wie es nicht angeht, pigmentierte atrophische Zellen Pigmentzellen zu nennen. Die Mastleukozyten entstehen nicht im zirkulierenden Blut durch besondere degenerative Veränderung der Lymphozyten, sondern im Knochenmark, aus besonderen Mastmyelozyten. In ihrem reifen Zustande, als Mastleukozyten, sind sie der Wucherung gewiss nicht mehr fähig — diese Eigenschaft teilen sie mit den anderen beiden Arten der reifen granulierten Leukozyten. Normaler- weise können an ihnen Anzeichen von Degeneration niemals kon- statiert werden; die von vielen Autoren beschriebenen Vakuolen und dergleichen stellen Kunstprodukte vor. Ihre Jugendformen, die Mastmyelozyten, sind, ebenso wie die eosinophilen und spezial- granulierten Myelozyten, wucherungsfähige Zellen, wie Mitosen in ihnen beweisen. 6. 115) Alexander Maximow: Literaturverzeichnis. Benacchio, Giovanni Battista: Gibt es bei Meerschweinchen und Kaninchen Mastmyelozyten und stammen die basophilgekörnten Blut- mastzellen aus dem Knochenmark? Fol. hämat., I. Teil: Archiv, Bd. XI, Hs2190r v. Decastello undKrjukoff, A.: Untersuchungen über die Struktur der Blutzellen. Wien, Urban & Schwarzenberg, 1911. Ehrlich: Farbenanalytische Untersuchungen zur Histologie und Klinik des Blutes. Berlin 1591. Ehrlich und Lazarus: Die Anaemie. Wien, Hölder, 1898. .Ferrata: Morfologia del sangue normale e patologico. Milano 1912. Ferrata e Golinelli: Sui leucociti a granulazioni basofile. Folia clinica, chimica e microscopica, 1910. Jolly: Recherches sur la division indirecte des cellules Iymphatiques etc, Archives d’Anat. mierose., T. 3. 15899 — 1900. Jolly et Acuna: Les leucocytes du sang chez les embryons des mammiferes. Arch. d’Anat. mierose., T. 7, 1905. Kardos: Über die Entstehung der Blutmastzellen aus dem Knochen- mark. Fol. hämatol., I. Teil: Archiv, Bd. XI, H. 2, 1911. Maximow: Beiträge zur Histologie der eiterigen Entzündung. Zieglers Beiträge, Bd. 38, 1909. Derseibe: Über entzündliche Bindegewebs-Neubildung beim Axolotl. Zieglers Beiträge, Bd. 39, 1906. Derselbe: Über die Zellformen des lockeren Bindegewebes. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 67, 1906. 2. Derselbe: Experimentelle Untersuchungen zur postfötalen Histogenese des myeloiden Gewebes. Zieglers Beiträge, Bd. 41, 1907. Derselbe: Über die Entwicklung der Blut- und Bindegewebszellen beim Säugetierembryo. Fol. hämat., Bd. IV, 1907. Derselbe: Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. III. Die embryo- nale Histogenese des Knochenmarks der Säugetiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76, 1910. Nägeli: Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. Leipzig 1912. Pappenheim: Eine Reihe von Notizen hämatologischen Inhalts in Fol. hämat., Bd. I, 1904. Derselbe: Über Mastzellen. Fol. hämat., Bd. V, 1908. Derselbe: Atlas der menschlichen Blutzellen. Jena 1905—1912. Pappenheim und Sze&csi: Hämozytologische Beobachtungen bei experimenteller Saponinvergiftung der Kaninchen. Fol. hämat., I. Teil: Archiv, „Bd. XTIT, HB... 1912, Pröscher: Über experimentelle basophile Leukozytose beim Kaninchen. Fol. hämat., Bd. VII, H. 2, 1909. Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 289 Türk: Vorlesungen über klinische Hämatologie. Wien, Teil I, 1904, Teil II, 1. Hälfte, 1912. Weidenreich: Zur Kenntnis der Zellen mit basophilen Granulationen im Blut und Bindegewebe. Fol. hämat.. Bd. V, 1908. Derselbe: Die Leukozyten und verwandte Zellformen. Wiesbaden 1911. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIII und XIV. Ausführliche Erklärung im Text. Sämtliche Figuren sind hergestellt worden mit Hilfe des Abbeschen Zeichen- app arates, unter Benutzung des Zeissschen Apochr. 2,0 mm, Ap. 1,40 und des Kompensationsokulars Nr. 12, auf der Höhe des Objekttisches. Allen Figuren, ausser Fig. 3, 4 und 5, liegen feucht mit Alkohol fixierte und mit alkoholischer Thioninlösung gefärbte Deckglaspräparate zugrunde. Tafel XII. ». 1—5. Mastleukozyten aus normalem Menschenblut nach verschiedener Bearbeitung. Fig. 1 und 2 nach ATh: Fig. 3 nach AMGr; Fig. 4 Trockenpräparat, gefärbt mit MGr; Fig.5 Trockenpräparat, gefärbt nach Pappenheim. &. 6—17. Körnchenarme und körnchenreichere Mastmyelozyten aus dem Knochenmark des Menschen, davon zwei (16 und 17) in Mitose. . 15 und 19. Ubergangsformen von Mastmyelozyten zu Mastleukozyten aus dem Knochenmark des Menschen. g. 20—24. Mastleukozyten aus dem Knochenmark des Menschen. g. 25—27. Eosinophile Myelozyten aus dem Knochenmark des Menschen. . 28 und 29. Neutrophiler Myelozyt und Leukozyt aus dem Knochenmark des Menschen. .. 30—32. Histiogene Mastzellen aus dem Knochenmark des Menschen. g. 33— 38. Mastmyelozyten aus dem Knochenmark des Kaninchens, davon eine Zelle (37) in Mitose. . 39-41. Mastleukozyten aus dem Knochenmark des Kaninchens. g. 42. Eosinophiler Myelozyt aus dem Knochenmark des Kaninchens. Fig. 43. Histiogene Mastzelle aus dem Knochenmark des Kaninchens. Tafel XIV. Fig. 44-46. Mastmyelozyten aus dem Knochenmark des Meerschweinchens, davon einer in Mitose (46). Fig. 47. Mastleukozyt aus dem Knochenmark des Meerschweinchens. Fig. 48. Histiogene Mastzelle aus dem Knochenmark des Meerschweinchens. Fig. 49 und 50. Histiogene Mastzellen aus dem Knochenmark der Ratte. Fig. 51 und 52. Mastmyelozyten aus dem Knochenmark der Ratte. Fig. 53 und 54. Zwischenformen (?) aus dem Knochenmark der Ratte. Fig. 55 und 56. Mastmyelozyten aus dem Knochenmark des Hundes. Fig. 57 und 58. Mastleukozyten aus dem Knochenmark des Hundes. Archiv f. mikr. Anat. Bd.S3. Abt. I. 19 290 Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L., und über das Phänomen der momentanen Ballung und Ausbreitung ihres Pigmentes. Nach Beobachtungen an der lebenden Zelle. Von Professor Dr. med. et phil. E Ballowitz, Direktor des Anat. Instituts der Westfälisch. Wilhelms-Universität Münster i.W, Hierzu Tafel XV und XVI. Der Farbenwechsel der Seebarbe, Mullus L., eines im Mittelmeer sehr verbreiteten und geschätzten Speisefisches, war schon den alten Römern bekannt. Wie Plinius berichtet, war es bei den Römern der Kaiserzeit „während ihrer Gastmahle ein beliebter Zeitvertreib, lebende Exemplare von Mullus zu Tisch zu bringen und in warmem Wasser abzutöten, da die Damen sich an dem schönen Farbenspiel, welches die Tiere beim Sterben zeigen, ergötzten“.') Auch bei einem kürzlichen Besuche Pompejis sah ich in den dortigen Wandgemälden mehrfach ziemlich naturgetreue Darstellungen von Mullus in der charakteristischen roten Ver- färbung. Der Farbenwechsel von Mullus besteht darin, dass der Rücken des vorher einfach grünlich und silberfarbig erscheinenden Fisches sich rötlich färbt und an den Seiten grosse, schöne, hell- ziegelrote, mehr oder weniger zusammenfliessende Flecken und Streifen auftreten. Um den Farbenwechsel von Mullus und dessen Ursachen zu studieren, reiste ich im Frühling des vorigen (1912) und dieses (1913) Jahres an das Mittelmeer. Die Beschaffung des lebens- frischen Untersuchungsmaterials ist trotz der Häufigkeit des Fisches nicht leicht, da die Tiere sehr zart und empfindlich sind, beim Fange meist sterben und nur schwer in der Gefangenschaft !) Zitiert nach G. van Rynberk, Über den durch Chromatophoren bedingten Farbenwechsel der Tiere (sog. chromatische Hautfunktion). Ergeb- nisse der Physiologie, herausgegeben von L. Asher undK.Spiro, V. Jahr- gang, Wiesbaden 1906. Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L. 291 einige Zeit am Leben erhalten werden können. Es gelang mir während eines Studienaufenthaltes am Ozeanographischen Institut in Monaco im März und April vorigen Jahres nicht, die er- forderliche Anzahl lebender Mulli zu erhalten. Im April dieses Jahres ging ich daher an die Zoologische Station nach Neapel, in welcher mir das gewünschte Untersuchungsmaterial sehr reich- lich geliefert wurde. Gerne ergreife ich die Gelegenheit, den Herren der Zoologischen Station, vor allem Herrn Professor Dr. Dohrn, Herrn Dr. Rauther, Herrn Dr. Gross und Herrn Dr. Cerruti für die liebenswürdige Unterstützung, die sie meinen Arbeiten haben zuteil werden lassen, meinen herzlichen Dank auszusprechen. Die der Abhandlung auf Taf. XV und XVI beigefügten Ab- bildungen sind nach dem lebenden Objekt in Neapel gezeichnet worden. Die Herstellung der Zeichnungen wurde dadurch nicht unerheblich erschwert, dass die CUhromatophoren, wie wir hören werden, sich ständig und schnell veränderten. Die sich rot verfärbende Haut von Mullus ist, besonders an den Seiten, ziemlich dick und reich an Guanin, infolgedessen wenig durchsichtig und für die Untersuchung des frischen Objektes bei Immersions-Vergrösserung nicht geeignet. Infolgedessen verfiel ich darauf, die dünnen äusseren Wandungen der Schuppentaschen für die Untersuchung zu verwenden. Die dünnen Schuppen sind relativ gross, stecken tief in Schuppentaschen und lassen sich sehr leicht daraus ablösen. Bei der Präparation verfuhr ich folgendermassen. Der lebende Fisch wurde in einem feuchten Tuche an Kopf und Schwanz von einem Assistenten festgehalten. Von dem so fixierten Rücken des Fisches entfernte ich an einer Stelle vorsichtig mit Erhaltung der Schuppentaschen mehrere Schuppen, was sehr leicht ausführbar ist. Alsdann fasste ich mit einer feinen Pinzette die dünne Aussenwand einer Schuppentasche und schnitt sie senkrecht zur Längsachse des Fisches dicht an der Körperoberfläche quer ab. Eine Anzahl solcher abgeschnittener Wandungen kamen in einen Tropfen physiologischer (0,75 proz.) Kochsalzlösung, wurden darin schnell ausgebreitet und mit einem Deckgläschen bedeckt, dessen Ränder einen abschliessenden Wachs- ring erhielten. Das Präparat war alsdann für die Beobachtung hergerichtet und musste sogleich untersucht werden, weil die Chromatophoren darin nur kurze Zeit, 5—15 Minuten, seltener 19* 299 E. Ballowitz: etwas länger, am Leben blieben. Die abgeschnittenen Wandungen erwiesen sich als ein ganz ausgezeichnetes Studienobjekt, da die Hautstückchen sehr dünn und völlig durchsichtig sind; auch liegen in ihnen die Chromatophoren nur in einer Schicht und isoliert voneinander. Der für den Versuch benutzte Fisch stirbt gewöhnlich während der Operation. Da sich herausstellte, dass die Chromato- phoren sich nach dem Tode des Tieres bald veränderten, musste für eine jede Beobachtung ein neuer lebender Fisch genommen werden. Untersucht wurden die beiden Arten Mullus barbatus L. und M. surmuletus L. Da ihre Erythrophoren sich nieht voneinander unterscheiden, ist in der folgenden Beschreibung auch kein Unter- schied zwischen den Farbzellen der beiden Arten gemacht worden. In der abgeschnittenen Wandung der Schuppentasche finden sich sternförmige, mit zahlreichen, schmalen Fortsätzen versehene Melanophoren, grössere, besonders bei Mullus surmuletus oft netz- förmig verbundene, mit Guaninkristallen erfüllte Iridocyten, ferner Xanthophoren und Erythrophoren :; die letzteren liegen entweder isoliert oder dicht an einem lridoeyten resp. einem Iridocyten- haufen. Von diesen Farbzellen sollen uns hier nur die Erythrophoren beschäftigen, da diese in mehrfacher Beziehung von den gewöhn- lichen Rotzellen anderer Knochenfische abweichen und dadurch ein besonderes Interesse beanspruchen. Ich will zunächst ihre äussere Form und innere Zusammen- setzung beschreiben und alsdann ihre eigenartigen Bewegungs- erscheinungen schildern. Die Erythrophoren von Mullus sind relativ kleine, sehr zierliche, stark abgeplattete, dünne Farbstoftzellen, welche in der Lederhaut parallel der Hautoberfläche ausgebreitet sind. Alle Figuren der beiden Tafeln sind bei der gleichen, sehr starken, etwa 2000fachen Vergrösserung mit der Zeissschen homogenen Immersion 1,5 mm, Apert. 1,3, Kompensations-Okular Nr. 12 gezeichnet; als Lichtquelle diente durch eine Glaskugel konzentriertes Auerlicht. Ich unterscheide, wie an den Chromatophoren der Knochen- fische überhaupt, so auch an diesen Rotzellen nach der Verteilung des Pigmentes in der lebenden Zelle die beiden Extreme des völlig Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L. 293 ausgebreiteten und des völlig zusammengeballten Pigmentes: zwischen diesen beiden Extremen treten dann die zahlreichen Phasen der unvollständigen Pigmentausbreitung auf. Auch hier macht nur das Pigment die Form der Farbzelle sichtbar; das pigmentlose Protoplasma, in welchem sich das Pigment bewegt, ist so zart und durchsichtig, dass es an der lebenden Zelle so ohne weiteres nicht gesehen werden Kann und völlig unsichtbar bleibt. Die Fig. 1—3 der Taf. XV und Fig. 9a der Taf. XVI stellen Erythrophoren mit völlig ausgebreitetem Pigment dar. Von einer kleinen zentralen Scheibe strahlen in einer Ebene ausgebreitete, ausgesprochen keilförmige Fortsätze aus. Die Zahl dieser Fortsätze ist verschieden, meist nur gering, jedenfalls niemals sehr gross, bis zu einem Dutzend und nur selten ein wenig mehr. In den Fig. 1—3 sind es fünf, in Fig. 9a sechs keilförmige Strahlen. In Fig. 4 zählt man deren zehn, in den Fig. 10—13 der Taf. XVI neun bis elf. In der Nähe der zentralen Scheibe liegen die Fortsätze, wenn sie in dieser grösseren Zahl vorhanden sind, mit ihren Rändern oft so dicht aneinander, dass man sie nur schwer abgrenzen kann. Fig. 10, 11 und 14. Auch die Breite der Strahlen ist verschieden; manche sind sehr breit (Fig. 1—3), andere an demselben Stern ziemlich schmal (Fig. 10, 11 und 12). In der Mitte der Scheibe macht sich der stets sehr deutliche Sphärenfleck geltend. Dieser ist meist verhältnismässig gross, varliert aber in seiner (srösse, wie die Figuren mit ausgebreitetem Pigment erkennen lassen. Greewöhnlich zeigt er eine deutliche eelbliche Färbung, bisweilen erscheint er aber auch farblos. Pigmentkörnchen fehlen in ihm oder sind doch nur spärlich vor- handen. Bei einem Individuum fand ich in vielen Erythrophoren im Zentrum des hellen Fleckes eine kleine. isoliert liegende An- häufung von roten Pigmentkörnchen, wie es auch bei den schwarzen Pigmentzellen mancher Fische nicht selten ist und bei den letzteren schon von anderen Autoren gesehen wurde. Ist das Pigment ausgebreitet, so fällt der durch seine eigen- artige Lage ausgezeichnete Kern auf. Da ist zunächst hervorzu- heben, dass jede Rotzelle stets nur einen einzigen Kern besitzt; unter den Tausenden dieser Mullus-Zellen, welche mir zu Gesicht kamen, habe ich nur ein einziges Mal eine mit zwei Kernen an- getroffen. Die Einzahl des Kernes in diesen Polzellen ist sehr merkwürdig, wenn man bedenkt, dass die Melanophoren der 294 E. Ballowitz: Knochenfische gewöhnlich zwei Kerne, nicht selten mehrere, be- sitzen; nur ausnahmsweise sind mir bei manchen Fischen Schwarz- zellen vorgekommen, welche konstant nur einen Kern aufwiesen. Sodann ist die Lage des Kernes in den Mulluszellen sehr eigenartig. Der Kern befindet sich nämlich nicht, wie sonst bei den Chromatophoren, in der Nachbarschaft der Zellmitte, sondern ist stets in einem Fortsatz gelegen und hier sehr weit gegen die Peripherie vorgeschoben. Man trifft ihn stets in der äusseren Hälfte eines breiteren, keilförmigen Fortsatzes und in der Nähe von dessen freiem äusserem Rande an. Wie die Figuren 1—3 und 9a zeigen, ist er bei völlig ausgebreitetem Pigment rings herum von letzterem umgeben, die Pigmentzone, welche ihn von dem freien, äusseren Rande des Fortsatzes trennt, ist nur schmal. Zieht sich das Pigment zentralwärts zurück, so werden zuerst der äussere Kernrand, alsdann seine Seitenränder und schliess- lich der innere Rand pigmentfrei, worauf ich bei Besprechung der Bewegungserscheinungen noch zurückkommen werde. Ist der Kern von Pigment umflossen, so erscheint er als kreisrunde oder auch ein wenig längliche, ausgesparte, helle Stelle, bewahrt diese Form aber auch, wenn das Pigment ganz aus seiner Nähe gewichen ist. Kernkörperchen und Andeutungen der Kernstruktur lassen sich in ihm erkennen, sind aber in den Zeichnungen nicht wiedergegeben. Die Grösse des Kernes variiert in den einzelnen Erythrophoren etwas und ist im Vergleich mit der ganzen Zelle beträchtlich. Die Pigmentkörnchen zeichnen sich durch ihre zarte rote Farbe aus, welche den Zellen bei ausgebreitetem Pigment die schöne, hellziegelrote Färbung verleihen, welche in den Figuren der beiden Tafeln möglichst naturgetreu wiedergegeben wurde. Die diffuse gelblichrote Färbung, welche in den Figuren zwischen den Körnchen sichtbar ist, wird durch die durchschimmernden Körnchen oberflächlicher und tieferer Lagen bedingt. Ist das Pigment zusammengeballt, so wird die Färbung dunkler, inten- siver und nähert sich mehr dem Braunrot. Fig. 5—8 der Taf. XV und Fig. 9e und 17—21 der Taf. XVI. Das Pigment gehört zu den Fettfarbstoffen (Lipochromen) und lässt sich daher leicht extrahieren; behandelt man Haut- stückchen mit absolutem Alkohol, so verschwindet es aus den Präparaten vollständig. Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L. 295 Die roten Farbstoftkörnchen sind sehr klein und anscheinend von kugeliger Gestalt. Ihre Grösse variiert etwas. Nicht selten trifft man in manchen Zellen besonders grosse rote Kügelchen an, die aber stets nur spärlich bleiben und auch in ihrer Grösse verschieden sind. Fig. 9, 14 und 15 der Taf. XV1. Das Auffälligste und ganz Regelmässige an diesen Körnchen ist ihre strenge Anordnung in vom Zentrum gegen die Peripherie ausstrahlenden, radiären Reihen, welche an jeder lebenden Zelle und in ihr fast an jeder Stelle auf das deutlichste hervortritt. Nur wenn das Pigment maximal ausgebreitet ist, kann an der äusseren Peripherie der breiten Enden der keilförmigen Fortsätze eine leichte Anhäufung der Körnchen auftreten. Fig. 1—3 der Dar. XV ‚und Fig. 9a. Die einzelnen roten Pigmentkörnchen lassen sich nur unter- scheiden und voneinander abgrenzen, wenn das Pigment aus- gebreitet ist. Hat sich die Körnchenmasse dagegen zentralwärts vollständig zusammengeballt, so liegen,die Körnchen so dicht an- einander, dass eine deutliche Unterscheidung nicht mehr mög- lich ist. Im Zustande der maximalen Ballung ist die konzentrierte Pigmentmasse nun sehr viel kleiner als bei völlig ausgebreitetem Pigment und stellt eine kleine, meist kreisrund oder annähernd kreisrund begrenzte Scheibe dar, deren beide Flächen konvex gewölbt sind. Der Rand der Scheibe tritt sehr dunkel und stark lichtbrechend hervor und ist oft ein wenig unregelmässig. Fig. 6—S auf Taf. XV und Fig. 19 der Taf. XVI. Auch die Grösse dieser Scheiben ist verschieden, wie die Grösse der Zellen selbst. In der Mitte einer jeden Scheibe bleibt nun stets bei mitt- lerer Einstellung der Sphärenfleck sichtbar und erscheint als zentraler Fleck von gelblich roter Farbe, die aber wesentlich heller bleibt als die Färbung der Pigmentscheibe selbst. Wie die Fig. 5—8 der Taf. XV und Fig. 9d und e sowie Fig. 17—19 der Taf. XVI am besten illustrieren, sind Grösse, Form und Aus- sehen des Sphärenfleckes sehr verschieden, während seine Be- grenzung meist ziemlich scharf ausgeprägt ist. Stellt man die Pigmentscheibe oberflächlich ein, so erscheinen zuerst dunkle Punkte, welche sich in die Tiefe gegen die ‘Sphäre hin verfolgen lassen, und die ich geneigt bin, für von dem Zentrum zur Oberfläche der Scheibe verlaufende Protoplasmazüge 296 E. Ballowitz: zu halten. Bei mittlerer Einstellung der Scheibe erkennt man dann zahlreiche dunklere und hellere, meist grobkörnig aussehende Streifen und Linien, welche von der Sphäre gegen die Peripherie hin radiär ausstrahlen; mithin ist auch in dem zusammengeballten Pigment noch eine radiäre Struktur nachweisbar. Fig. 5—8 der Taf. XV und Fig. Je, 17—19 der Taf. XVI. Diese radiäre Zeich- nung der Scheiben verschwindet aber alsbald nach dem Absterben der Zellen. Entnimmt man die Präparate Fischen, welche schon seit einigen Stunden tot sind, so zeigen die zusammengeballten Pigmentmassen meist das Aussehen der Fig. 20 und 21. Die Pigmentmasse ist verklumpt, sieht mehr gleichmässig aus und besitzt oft eine unregelmässige, stark lichtbrechende Begrenzung. Die Sphäre ist in diesen Zellen noch deutlicher als vorher und präsentiert sich als zentraler, heller, lochartiger Fleck, so dass die Pigmentmasse die Form eines Ringes darbietet. An den abgestorbenen Erythrophoren mit ausgebreitetem Pigment fiel mir auf, dass einige Zeit nach dem Tode in ihnen nicht selten eine lebhafte Brownsche Molekularbewegung zur Beobachtung kam. Die Bewegungserscheinungen an diesen Pigment- zellen gleichen im allgemeinen denjenigen, welche ich bei den Melanophoren beobachtet und in kinematographischen Aufnahmen auf der Versammlung der Anatomischen Gesellschaft in Greifs- wald!) kürzlich vorgeführt habe, nur mit dem Unterschiede, dass die Totalkontraktionen des Protoplasmas, welche zur Ausbreitung und Ballung der Pigmentkörnchen führen, noch weit schneller und lebhafter erfolgten als bei den Schwarzzellen. Beobachtet man in den nach dem oben angegebenen Ver- fahren hergestellten Präparaten die lebenden Rotzellen, so ist man überrascht von dem anziehenden, eigenartigen Schauspiel, welches die Pigmentverschiebungen dieser Erythrophoren darbieten. Die ganze ausgebreitete Pigmentmasse zieht sich plötzlich zu der 2) Siche E. Ballowitz: Über chromatische Organe, schwarz-rote Doppelzellen und andere eigenartige Chromatophorenvereinigungen, über Chromatophorenfragmentation und über den feineren Bau des Protoplasmas der Farbstoffzellen. Mit Demonstrationen und kinematographischer Vor- führung der Pigmentströmung. Vortrag, gehalten auf der 27. Versammlung der Anatomischen Gesellschaft am 25.—29. Mai 1913 in Greifswald. Ver- handlungen der Anatomischen Gesellschaft auf der 27. Versammlung in Greifs- wald. G. Fischer, Jena 1913. Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L. 297 kleinen intensiv roten Scheibe zusammen, die sich dann wieder fast unmittelbar darauf zu dem schönen Pigmentstern ausbreitet. Alsbald erfolgt wieder eine Zusammenballung mit anschliessender Ausbreitung und so fort. Diese fast rhythmischen Bewegungen der Ausbreitung und Ballung vollziehen sich äusserst schnell, momentan. Das Schauspiel erinnerte mich etwas an die rhyth- mische Ausdehnung und Zusammenziehung der Umbrella einer schwimmenden Meduse, doch erfolgen die Chromatophorenbewe- gungen noch schneller und präziser. Alsbald kommt es in dem unter Beobachtung bleibenden Präparat nicht mehr zu einer maximalen Ausbreitung des Pigmentes, die Sterne werden bei der Diastole kleiner und kleiner, bis schliesslich nur am Rande der Pigmentscheibe noch Pigmentreihen hervorschiessen. Schliess- lich unterbleibt auch das, und die Pigmentscheibe beharrt im Zustande der Ballung; das war in den Präparaten meist nach 5 bis höchstens 15 Minuten der Fall. Im Zustande der maxi- malen Ballung stirbt auch hier gewöhnlich die Zelle ab. Die vhythmische Bewegung wird aber nicht immer und auch nicht in der gleichen Intensität angetroffen. Es kommt auch nicht selten vor, dass die Erythrophoren stellenweise in den Präparaten längere Zeit im Zustande des ganz oder unvollständig ausgebreiteten Pigmentes beharren; schliesslich gehen sie aber doch in die Systole über. Auf die Bewegungserscheinungen an diesen im Zu- stande des vollständig oder unvollständig ausgebreiteten Pigmentes beharrenden Farbzellen werde ich unten noch zurückkommen. Wie betont, erfolgen alle diese Totalbewegungen der Zelle ausserordentlich schnell, momentan. Man gewinnt fast den Ein- druck wie bei muskulären, auf Zusammenziehung kontraktiler Fibrillen beruhenden Bewegungen. Überhaupt könnte ein Beob- achter beim ersten Anblick dieser Bewegungen zur Ansicht kommen, dass der Körper dieser Chromatophorenzelle mit der Begrenzung der Pigmentmasse zusammenfiele, und dass die Ballung des Pigmentes durch die Kontraktion der Gesamtzelle verursacht würde, während bei der Ausbreitung des Pigmentes pseudo- podienartige breite Zellfortsätze ausgestreckt würden. Man sieht eben nur die Pigmentmasse und ihre wie Kontraktionen impo- nierenden Formveränderungen. Hiergegen liesse sich aber sofort einwenden, dass meines Wissens keine Zelle eines Gewebes bekannt ist, die imstande 298 E. Ballowitz: wäre, so breite und so zahlreiche Pseudopodien so ausserordent- lich schnell auszustrecken und aus sich gewissermassen heraus- zuschiessen. Aber auch hiervon abgesehen, lässt sich die obige Ansicht sehr leicht und schlagend durch direkte Beobachtung des leben- den Objektes widerlegen. Hierbei kommen mehrere für die Physiologie und Histologie dieser Zellen wichtige Momente in Betracht. Zunächst ist mir bis jetzt keine Farbstoffzelle vorgekommen, welche zur Entscheidung der Frage, ob das Pigment bei seiner Ausbreitung stets wieder an denselben Ort zurücktritt, so ge- eignet wäre als diese Mulluszelle. Da das Pigment sich schnell und rhythmisch zusammenballt und wieder ausdehnt, lässt sich an diesen Erythrophoren auf das genaueste und leichteste unter dem Mikroskop feststellen, dass die Form der pigmenterfüllten Zelle bei der jedesmaligen Pigmentausbreitung stets dieselbe bleibt, und das Pigment jedesmal an seinen früheren Ort wieder zurück- kehrt. In den Fig. 9a—e sind die einzelnen Phasen von der maximalen Pigmentausbreitung bis zur totaien Ballung nach dem Leben gezeichnet. Diese Figuren blieben bei allen diastolischen Ausbreitungen des Pigmentes stets dieselben. Wenn man von 9e bis 9a die Figuren zurückverfolet, so erhält man damit auch die Phasen der jedesmaligen Pigmentausbreitung. Sodann lässt sich am Kern hinsichtlich seiner Lage eine sehr wichtige Tatsache feststellen, die bei der Beobachtung des lebenden Objektes sofort in die Augen springt. Oben wurde des Näheren ausgeführt, dass der verhältnis- mässig grosse Kern stets in Einzahl vorhanden ist und eine ganz peripherische Lage im äusseren Teile eines keilförmigen Fortsatzes aufweist. Diese Lage behält der Kern nun in allen Phasen der Pigmentverschiebung ohne Veränderung bei. Ist das Pıgment maximal oder nahezu maximal ausgebreitet, so wird der Kern ringsherum von den Pigmentkörnchen umgeben, die sich in seiner unmittelbaren Nähe nicht selten etwas anstauen und anhäufen. Fig. 1—3 der Taf. XV, Fig. 9a, 12 und 13 der Taf. XVI. Strömt die Pigmentmasse zentralwärts zurück, so werden zuerst der äussere Kernrand (Fig. 4, 9b, 13 und 15) und sodann auch seine Seitenränder (Fig. 9e und 14) von Pigmentkörnchen entblösst. Dann ist nur noch der innere, der Zellmitte zuge- Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L. 299 wandte Rand des Kernes in Kontakt mit der Pigmentmasse des Fortsatzes. Fig. 9e und 14. Weicht das Pigment bei der be- ginnenden Zusammenballung alsdann noch weiter zentralwärts zurück, so tritt der Kern vollständig ausser Berührung mit der Pigmentmasse und ist alsbald weit davon getrennt. Fig. 9d und 9e. Er erscheint alsdann als deutlich sichtbare, zart begrenzte, kreisrunde oder ein wenig elliptische Scheibe und bewahrt genau den Platz, den er vorher inne hatte. Der Kern wird also nicht im geringsten durch die schnellen Pigmentverschiebungen in seiner Lage und auch in seiner Form beeinflusst. Man sieht daher an diesem günstigen Objekt an einer jeden zusammen- geballten Pigmentscheibe in einiger Entfernung von ihr den zu- gehörigen Erythrophorenkern. Infolge seiner peripherischen Lage in dem Erythrophoren liegt er dabei in ziemlicher Entfernung von der Pigmentscheibe, die Entfernung kann fast das Ausmass des Durchmessers des Kernes erreichen. Auch erscheint alsdann der Kern bisweilen so gross, ja noch etwas grösser als die zu- sammengeballte Pigmentscheibe selbst, wenngleich die letztere in den meisten Zellen wesentlich grösser als der Kern bleibt. In den Figuren 9d, 9e und 18 ist der vom Pigment völlig ent- blösste, liegen gebliebene Kern als zart begrenzter Kreis ge- zeichnet. An den übrigen Figuren mit zusammengeballtem Pig- ment und zwar in Fig. 5—8, 17 und 19—21, war er gleichfalls in der Nachbarschaft der Scheiben vorhanden, wurde aber der Raumersparnis wegen auf den Tafeln nicht angegeben. Dehnt sich das Pigment alsdann wieder aus, so umbranden gewisser- massen die Pigmentkörnchen den liegengebliebenen Kern und machen ihn als hellen, ausgesparten Fleck wieder deutlich sicht- bar. Man kann sich dies in den Phasen der Fig. 9 veranschau- lichen, wenn man die Phasen rückwärts von 9e bis 9a verfolgt. Mehrmals habe ich gesehen, dass die Pigmentmasse bei beginnender Zusammenballung sich in dem kernhaltigen Fortsatz am längsten erhielt und aus ihm zuletzt austrat, als würde durch die Anwesenheit des Kernes ein gewisses Hemmnis ge- gegeben. Fig. 16 der Taf. XVI illustriert diese Erscheinung. In Fig. 11 ist das nicht maximal ausgebreitete Pigment schon von dem Kern ganz zurückgewichen, der in der Nähe der Pigmentscheibe sichtbare Kern ist in dieser Figur aber nicht gezeichnet worden. 300 E Ballowitz: An diesen Mulluszellen ist mithin noch viel schöner und leichter festzustellen, dass die Chromatophorenkerne bei den Pigmentverschiebungen an ihrem Platze unverändert liegen bleiben, als ich es bei den Melanophoren an anderer Stelle!) kürzlich nachweisen konnte. Wie ich dort ausführte, ist es selbstver- ständlich, dass die Kerne bei zusammengeballtem Pigment nicht völlig frei im (rewebe liegen können, sondern von dem Chroma- tophorenprotoplasma umgeben sein müssen. Dass dem so ist, lässt sich direkt beobachten. Die kernhaltigen Figuren mit aus- gebreitetem Pigment in Fig. 1—4, 9a—9c, 10 und 12—16 sind bei mittlerer Einstellung der Zellen gezeichnet, so dass der Kern in ihnen als pigmentfreier Fleck erscheint. Stellt man in diesen Präparaten aber die obere oder die untere Oberfläche des ab- geplatteten Kernes ein, so sieht man, dass auch diese von Körnchenreihen des sich ausbreitenden Pigmentes bedeckt sind, der Kern mithin ringsherum im pigmenthaltigen Chromatophoren- protoplasma liegen muss. Die roten Mulluszellen sind nach obigem ein ausserordent- lich geeignetes und überzeugendes Objekt, um schon an der lebenden Zelle die Formbeständigkeit des Chromatophorenproto- plasmas nachzuweisen und festzustellen, dass die Formverände- rungen der Pigmentmassen durch Verschiebungen des Pigmentes, durch ein Aus- und Zurückströmen der Pigmentkörnchen in den liegenbleibenden Zellfortsätzen hervorgerufen werden. Die Art der Pigmentverschiebung und der Strömung der Pigmentkörnchen ist nun eine so eigenartige und ganz typische, dass sie die wichtigsten Schlüsse auf die feinste innere Zusammen- setzung des Protoplasmas dieser Erythrophoren zulässt. Wie ein Blick auf alle nach dem Leben gezeichneten Erythro- phoren mit ausgebreitetem Pigment auf den beiden Tafeln zeigt, sind die Pigmentkörnchen in streng radiären Reihen angeordnet, die von der Gegend der Sphäre gegen die Peripherie der Fortsätze ausstrahlen. In diesen radiären Reihen findet auch die zentrifugale und zentripetale Bewegung der Körnchen statt. Am lebhaftesten ') E. Ballowitz, Das Verhalten der Zellkerne bei der Pigment- strömung in den Melanophoren der Knochenfische. (Nach Beobachtungen am lebenden Objekt.) Biolog. Centralblatt, Bd. XXXII, Nr. 5, 20. Mai 1913. Vgl. auch meine Mitteilung über das Verhalten des Zellkerns bei der Pigment- strömung in den Erythrophoren der Knochenfische. Nach Beobachtungen an der lebenden Mulluszelle. Biolog. Centralblatt, Bd. NXXIIL, 1913, Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe. Mullus L. 301 ist diese Bewegung in dem Moment, wenn die Pigmentmasse aus dem zusammengeballten Zustande in die Fortsätze übertritt und beginnt, sich auszubreiten. Infolge der lebhaften Bewegung scheinen die Körnchen dann förmlich durcheinander zu wirbeln. wie die Flocken eines Schneegestöbers. Wenn man aber näher hinsieht, so ist auch hier die radiäre Richtung der Bewegung zu erkennen. Ein anderes eigenartiges Phänomen, welches ich als „Körnchen- tanz“ oder „Kugelspiel“ schon bei den Melanophoren!) beschrieben habe, kommt auch bei diesen Erythrophoren an den peripherischen Enden der Fortsätze bei nicht maximal ausgebreitetem Pigment regelmässig zur Beobachtung. In den Figuren der Tafeln stellt man fest, dass die Seiten- ränder der pigmenthaitigen Fortsätze stets geradlinig erscheinen. Dagegen fehlt bei nicht vollständig expandiertem Pigment den peripherischen Enden der Fortsätze die Begrenzung. Statt dessen schnellen hier beständig Pigmentkörnchen und Stücke von Körnchen- reihen, bisweilen auch ganze Körnchenreihen, hervor, kehren zurück, kommen wieder und so fort, so dass hier ein immer- währendes förmliches Jonglieren der roten Körnchen statt hat. Dieses Jonglieren der Körnchen spielt sich aber stets — wohl- gemerkt! — in radiärer Richtung ab. In den Fig. 9b, 9e und 10 - 16 sind diese im Leben vor- schnellenden Körnchen und Körnchenreihen angegeben, und ist ihre radiäre Anordnung sehr auffällige. Auch aus der zusammen- geballten Scheibe kurz vor der totalen Zusammenballung schiessen oft noch Körnchen und Körnchenreihen in radiärer Richtung hervor. Vgl. Fig. 5-8 auf Taf. XV, Fig. 9d und 16 auf Taf. XVI. Ist dagegen das Pigment maximal ausgebreitet, wie in den Fig. 1—3 und 9a, so fehlt der Körnchentanz. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass bei ausgebreitetem Pigment die Körnchenmasse sich in einer beständigen lebhaften ') Vgl.E. Ballowitz, Über chromatische Organe, schwarzrote Doppel- zellen und andere eigenartige Öhromatophorenvereinigungen, über Ohromato- phorenfragmentation und über den feineren Bau des Protoplasmas der Farb- stoffzellen, mit Demonstrationen und kinematographischer Vorführung der Pigmentströmung. Vortrag, gehalten auf der 27. Versammlung der Ana- tomischen Gesellschaft zu Greifswald 10.—13. Mai 1913. Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft. G. Fischer, Jena 1913. 302 E. Ballowitz: Bewegung befindet, welche ich bei den Melanophoren schon näher beschrieben habe. Die roten Körnchen bewegen sich auch hier beständig zuckend und ruckend in radiären Reihen, wobei die einen Reihen in zentrifugaler, die anderen in zentripetaler Richtung strömen; doch kann sich die Bewegungsrichtung auch ändern und ist an keine bestimmten Reihen gebunden. Diese strömende Bewegung ist in gleicher Weise auch in den Erythro- phoren vorhanden, deren Pigment wie in den Fig. 1-3 und 9a maximal ausgebreitet ist. Ein Ruhestadium für die Körnchen besteht also in diesen Phasen hier ebensowenig wie bei den Melanophoren. Alle diese eigenartigen Bewegungsphänomene kann ich nur dadurch erklären, dass das Protoplasma dieser Chromatophoren mit sehr zahlreichen, feinsten, radiär verlaufenden Kanälchen versehen ist, deren zarte, dünne, protoplasmatische Wandung lebhaft kontraktil ist; auch ist die erschlaffte Wandung der Kanälchen dehnbar, da, wie die Fig. 9a—d und 14 zeigen, auch gröbere Körnchen die Kanälchen passieren. Durch die Kontraktion dieses Wandungsprotoplasmas werden die Körnchenströmungen hervorgerufen. Zieht sich das Gesamtprotoplasma der Fortsätze von der Peripherie aus zentralwärts der Quere nach zusammen, so wird die Pigmentmasse in den Radiärkanälchen zentralwärts getrieben und erfüllt die Hohlräume der dann erschlaffenden zentralen Scheibe, so dass die Ballung des Pigmentes erfolgt. Kontrahiert sich die Protoplasmamasse der Scheibe, so erschlaffen die Fortsätze und die Pigmentkörnchen strömen mit Gewalt in den Radiärkanälchen gegen die Peripherie. Bleiben die peripherischen Enden der Fortsätze kontrahiert oder genügt bei erlahmender Bewegung der zentrale Druck nicht mehr, um die Körnchen ganz an die Peripherie zu treiben, so entsteht an den peripherischen Enden der „Körnchentanz“, das radiäre Jonglieren der Körnchen in den Radiärkanälchen. Bei völlig ausgebreitetem Pigment muss dagegen der Körnchentanz fehlen, wie es in der Tat der Fall ist, da alsdann die Kanälchen erfüllt sind und kein Platz zum Hervorschnellen in ihnen mehr vorhanden ist. Diese Beobachtungen an den interessanten Erythrophoren von Mullus bestätigen mithin durchaus meine Anschauungen über den feineren Aufbau des Chromatophorenplasmas und die Mechanik der Körnchenströmung in ihm, Anschauungen, welche ich schon Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L. 303 in meinen früheren Chromatophoren-Arbeiten entwickelt habe und auf welche ich daher hier verweisen will.!) Es sei nur noch erwähnt, dass es mir noch nicht gelungen ist, an den pigmentlos gewordenen Fortsätzen dieser Mulluszellen die Kanälchenwandungen in ganzer Ausdehnung zu erkennen. Mein Aufenthalt in Neapel war dieses Mal zu kurz, um nach dieser Richtung hin noch eingehendere Studien nach verschiedenen Methoden anstellen zu können. Es sei nur noch betont, dass ich an dem frischen Objekt alsbald nach der Zusammenballung und dem Absterben der Zellen in dem Präparat des öfteren einige derbe, schmale, radiäre Streifen wahrnahm, welche in der Richtung der Fortsätze von der Pigmentscheibe ausstrahlten. Diese radiären Streifen schienen der Begrenzung der Fortsätze zu entsprechen, doch war es mir noch nicht möglich, die Bedeutung dieser Streifen mit Sicherheit festzustellen. Bei genauer Einstellung der meist nur spärlichen Pigment- reihen, welche an der oberen und unteren Fläche des Kernes über letzteren in radiärer Richtung hinweggleiten, habe ich oft den bestimmten Eindruck erhalten, dass äusserst feine Linien über den Kern radiär hinwegziehen und schmale, helle Räume begrenzen, die etwa die Breite der Pigmentkörnchen haben, und in denen die Körnchen strömen. Dies schien mir der optische Ausdruck der Kanälchenstruktur des Protoplasmas zu sein. Ig= 5) Vol. E.Ballowitz: Die chromatischen Organe in der Haut von Trachinus vipera Cuv. Ein Beitrag zur Kenntnis der Chromatophoren- vereinigungen bei Knochenfischen. Mit Taf. XIV—XVII. Zeitschrift für wiss. Zool., Bd. CIV, 1913. Derselbe, Uber chromatische Organe in der Haut von Knochenfischen. Mit 15 mikrophotographischen Abbildungen. Anat. Anz., Bd. XLII, Nr. 7/8, 1912. Derselbe: Uber schwarz - rote und sternförmige Farbzellenkombinationen in der Haut von Gobiiden. Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der Chromatophoren und Chromatophoren-Vereinigungen bei Knochenfischen. Mit 25 Textfiguren und 5 Tafeln. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. CVI, 1913. Derselbe: Uber schwarz-rote Doppelzellen und andere eigen- artige Vereinigungen heterochromer Farbstoffzellen bei Knochenfischen. Mit 29 mikrophotographischen Abbildungen. Anat. Anz., Bd. XLIV, Nr.5, 1913. Derselbe: Uber chromatische Organe, schwarz-rote Doppelzellen und andere eigenartige Chromatophoren-Vereinigungen, über Öhromatophorenfragmentation und über den feineren Bau des Protoplasmas der Farbstoffzellen. Mit Demonstrationen und kinematographischer Vorführung der Pigmentströmung. Vortrag, gehalten auf der 27. Versammlung der Anatomischen Gesellschaft am 25.—29. Mai 1913 in Greifswald. Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft auf der 27. Versammlung in Greifswald. G. Fischer, Jena 1913. 304 E Ballowitz: Über Erythrophoren in der Haut ete. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XV1I. Vorbemerkungen. Die sämtlichen Figuren stellen Erythrophoren aus der Rückenhaut der See- barbe, Mullus barbatus L. und Mullus surmuletus L., dar und wurden nach dem lebensfrischen Objekt an der Zoologischen Station in Neapel bei stärkster ca. 2000 facher Vergrösserung (Zeisssche homogene Immersion 1,5, Apert. 1,3, Fig. Fig. Fig. ; Fig. Kompensations-Okular Nr. 12) gezeichnet. Tafel XV. g. 1-3. Drei Erythrophoren in Diastole, d. h. mit völlig ausgebreitetem Pigment. Der einfache, peripher in einem Fortsatz gelegene Kern erscheint bei mittlerer Einstellung als ausgesparter, heller Fleck. Das Pigment beginnt sich zentralwärts zurückzuziehen; der Kern ist nur noch an den Seiten und zentralwärts vom Pigment um- flossen. 5—8. Fünf Erythrophoren in Systole mit fast vollständig zusammen- geballtem Pigment; am Rande schnellen noch vereinzelte Körnchen und Körnchenreihen in radiärer Richtung hervor. Die helle zentrale Sphäre zeigt ein verschiedenes Aussehen. Tafel XVI . 9a-—e. Derselbe Erythrophor in den verschiedenen Phasen der Aus- breitung und Zusammenballung des Pigmentes. Ausser den kleinen Pigmentkörnchen sind in der Zelle noch mehrere grössere, kugelige, rotbraune Pigmentkörner vorhanden. Der Kern ist bei ausgebreitetem Pigment (Fig. 9a—c) als helle, ausgesparte Stelle, bei zusammen- geballtem Pigment (Fig. 9d und e) als zart begrenzter Kreis sehr deutlich sichtbar und behält bei allen Ausdehnungs- und Ballungs- zuständen des Pigmentes stets die gleiche, unveränderte Lage bei. 10—15. Sechs Erythrophoren in verschiedenen Ausbreitungszuständen des Pigmentes. In Fig. 12 und 13 ist der Kern noch völlig vom Pigment umgeben, in Fig. 10, 14 und 15 nur noch zum Teil. In Fig. 11 hat sich das Pigment bereits völlig aus der Umgebung des Kernes zentralwärts zurückgezogen. 16. Erythrophor mit beginnender Ballung des Pigmentes, während noch zahlreiche Pigmentkörnchenreihen am Rande hervorschnellen und den Kern noch umflossen haben. 17-19. Zentrale in Systole befindliche, d. h. zusammengeballte Pigment- masse von drei verschieden grossen Erythrophoren. In Fig. 18 ist der zugehörige, in seiner Lage erhaltene, in grösserer Entfernung von der Pigmentscheibe befindliche Zellkern sichtbar. 20 und 21. Zentrale, zusammengeballte, nach dem Absterben bereits veränderte Pigmentmasse aus der Haut eines seit 3 Stunden toten Fisches. Aus dem Anatomischen Institut in Strassburg. Über die Bildung von Leukozyten in der mensch- lichen und tierischen Thymus des erwachsenen Organismus. Von Paul Weill. XI. Fortsetzung der ‚Studien über das Blut und die blut- bildenden und -zerstörenden Organe“. Von Franz Weidenreich. Mit Tafel XVII und XVII. Bei den vielen und umfangreichen Untersuchungen, die in den letzten Jahren der Genese, dem Bau und der Funktion der Thymus gewidmet waren, ist man im allgemeinen ziemlich acht- los an den granulierten Zellen der Thymus vorbeigegangen. Man begnügte sich — mit wenigen Ausnahmen — ihr Vorhandensein zu registrieren, ohne aber ihrer Bedeutung für die Beurteilung des Thymus-Problems gerecht zu werden. Dabei haben im wesent- lichen nur die eosinophil granulierten Zellen, seitdem Schaffer die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt hatte, einige Beachtung ge- funden, ohne dass man jedoch zu einer einheitlichen Auffassung ihrer Natur gelangt wäre; die basophil granulierten Elemente sind erst im letzten Jahre von Barbano etwas berücksichtigt worden, und die Anwesenheit neutrophil granulierter Zellen beim Menschen ist mit Ausnahme einer gelegentlichen Bemerkung Ghikas völlig unbekannt geblieben. Und doch ist gerade bei der Entscheidung der strittigen Frage nach der Natur der kleinen Thymuszellen und dem Iymphoiden Charakter der Thymusrinde das Vorkommen solcher Elemente von Belang, die nach ihrer gesamten Erscheinungsform den Leukozyten zuzuzählen sind. Andererseits war zu hoffen, dass eine genauere Untersuchung dieser granulierten Elemente der Thymus vor allem in Rücksicht auf ihre Herkunft und Genese weitere Aufschlüsse bringen könnte Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 20 306 Paul Weill: über die Bildung granulierter Leukozyten in Organen von rein Iymphoidem Zellcharakter. !) Material und Untersuchungsmethoden. Zu unseren Untersuchungen wählten wir zunächst die Thymus ausgewachsener Ratten, weil diese Tiere in der Morpho- logie ihrer Leukozyten Besonderheiten zeigen, die diese von allen ähnlichen Zellen leicht zu unterscheiden gestatten. Die weissen Blutkörperchen sind hier nämlich durch charakteristische Ring- kerne ausgezeichnet. Die Thymen dieser Tiere wurden in der Hellyschen Modifikation der Zenkerschen Fixierungsflüssig- keit 2 Stunden lang bei 37° fixiert und in Paraffın eingebettet. Die Schnittdicke betrug 5 - 6 u. Ausserdem haben wirmenschliches Material zu unter- suchen Gelegenheit gehabt und zwar standen uns vier Thymen von Erwachsenen zur Verfügung. Die erste stammte von einem 17 jährigen jungen Arbeiter, der von einer Notbrücke herab ins Wasser fiel und ertrank. Die Thymus wurde 1 Stunde p. m. in „Zenkerformol“ bei 37° eingelegt. Die zweite Thymus rührte von einem 37 jährigen, gut genährten Manne her, der hingerichtet worden war. Die Fixation erfolgte '/ı Stunde nach dem Tode ebenfalls in „Zenkerformol“*. Die dritte war die eines 19 jährigen Hingerichteten, die ebenfalls sofort nach dem Tode in Zenkerscher Flüssigkeit fixiert wurde. Sie wurde aus dem älteren Material- bestande des Institutes entnommen. Die vierte endlich stammte von einem l5jährigen Jungen, der bei Bedienung einer Maschine tötlich verunglückte; die Thymus wurde etwa 5 Stunden nach dem Tode fixiert. Dass wir es im 2. und 3. Falle sicher nicht mit Organen krankhaft veränderter Individuen zu tun hatten, ergibt sich aus dem Befunde der übrigen Organe, die ebenfalls eingelegt und zur Kontrolle untersucht wurden. Sie erwiesen sich insgesamt als normal. Von dem 1. und 4. Falle stand uns nur die Thymus zur Verfügung, eine Erkrankung bestand aber auch hier nicht. Das menschliche Material wurde ebenso wie das tierische weiter- !) Vorliegende Untersuchungen waren der Gegenstand eines Vortrags, den Herr Prof. Weidenreich auf der Versammlung deutscher Natur- forscher und Ärzte in Münster i. W. (1912) hielt und in der Münchner Mediz. Wochenschr., 1912. Nr. 48, veröffentlichte. Über die Bildung von Leukozyten etc. 307 behandelt und in Paraffin eingebettet. Die Schnittdicke war meist 5 u. Von Färbungsmethoden wurden angewandt: 1. Hämalaun-Eosin; durch diese Färbung gewinnt man besonders gute Übersichtsbilder; auch ist sie zur Sichtbarmachung eosinophiler Zellen sehr geeignet. 2. Triaeidfärbung nach Ehrlich. Die Färbungsdauer betrug bei unverdünnter Farblösung 15 Minuten, die Entwässe- rung geschah in Aceton. 3. Giemsa-Färbung für Romanowsky-Färbung. Die Färbung wurde nach den Angaben Schriddes (2 Tropfen Farbe auf I ccm dest. Wasser) ausgeführt; die Färbungsdauer betrug 20 Minuten, die Schnitte wurden danach in Wasser kurz abgewaschen und in Aceton entwässert. Diese Methode bringt besonders die eosinophilen und neutrophilen Leukozyten-Granula schön zur Darstellung, lässt aber auch Plasma- und Mastzellen gut hervortreten. 4. Methylgrün-Pyroninfärbung nach Pappen- heim. Pyronin 35 Teile und Methylgrün 15 Teile wurden frisch zusammengegossen; mit der Mischung wurde 3 Minuten lang gefärbt. Danach wurden die Schnitte in Wasser ausgewaschen und in Aceton kurz entwässert. Die Methode diente speziell zur Darstellung der basophilen Zelien, d. h. der kleinen und grossen Lymphozyten, der Plasma- und Mastzellen. Literatur. Da Hammar (09b) in seinem vorzüglichen Sammelreferat: „DO Jahre Thymusforschung“ eine ausführliche Darlegung der Thymusfrage erst vor kurzem gegeben hat, dürfte eine allzu ein- gehende Berücksichtigung der Literatur an dieser Stelle wohl unnötig erscheinen. Nach der älteren Anschauung sah man in der Thymus einfach eine sich frühzeitig zurückbildende Lymphdrüse. Nachdem aber Koelliker und Stieda den Beweis geliefert hatten, dass die Thymus dem Schlundspaltenepithel entstamme, liess sich diese Lymphdrüsennatur schwer mit der herrschenden Lehre von der Spezifität der Keimblätter in Einklang bringen. örst die Untersuchungen Hammars (05, 07, 08, 09a) und seiner Schüler brachten die Frage nach der morphologischen Stellung der Thymus erneut in Fluss. Nach Hammar gelangen 20* 308 Paul Weill: in die ursprüngliche epitheliale Anlage mesenchymatöse, Iymphoide Elemente hinein. Die Epithelzellen der primären Anlage sowie ihre Abkömmlinge würden nur zu einem Gerüst, in dessen Maschen die einwandernden Leukozyten sich festsetzten und so die Rinde (Ihymusrindenzellen) bildeten, während in dem übrigen Gebiet, dem Mark, die Iymphoiden Zellen völlig oder fast völlig fehlten. Jene Rindenzellen seien daher echte Lymphozyten. Durch das Eindringen solcher Iymphoider Elemente erfahre die Thymus eine weitgehende gewebliche Umwandlung und erwerbe zum Teil leukozytären Charakter. In ihrem schematischen Aufbau sei sie freilich nicht direkt mit anderem Iymphoiden Gewebe vergleichbar, aber nach der Art ihrer Zellprodukte müsse sie ihm sicher bei- gezählt werden. Auch in bezug auf die Frage nach dem Zeitpunkte der Involution der Thymus hat Hammar (05, 06) in einer Reihe von Untersuchungen mit den älteren Anschauungen von dem Schwunde des Organs gebrochen. Er zeigte, dass die Thymus viel länger, als man bisher annahm, persistiere, dass beim normalen, gut genährten Individuum noch bis in die vierziger Jahre ein produktives Organ vorhanden sei. das erst von dieser Zeit an eine fortschreitende Verödung seines Parenchyms erleide. Den Höhepunkt der Entwicklung der Thymus verlegt Hammar in die Pubertätsperiode, wo früher die Thymus schon als nicht mehr funktionierend angesehen wurde. Einen ganz anderen Standpunkt in bezug auf die Beurteilung der Thymuselemente nimmt Stöhr (05, 06, 10) ein. Nach ihm sind die „kleinen Thymuszellen“ Abkömmlinge der ursprünglichen epithelialen Anlage, also echte Epithelzellen. Sie sähen zwar in ihrem morphologischen Habitus den Lymphozyten des gewöhnlichen Iymphozytären Gewebes sehr ähnlich, könnten aber eben wegen ihrer epithelialen Abkunft nicht mit ihnen identisch sein. Die Einwanderung von Lymphozyten in die Thymus wird von Stöhr bestätigt (10), dieser Vorgang sei jedoch für das Verständnis der Funktion des Organs ein ganz unwesentlicher Punkt; die Rinden- substanz bei den Säugetieren entwickle sich vielmehr autochthon aus Epithelzellen, ein Prozess, der durch die früh einsetzende Einwanderung echter Lymphozyten mehr oder weniger verdunkelt werden könne. Auch gibt Stöhr zu, dass die Thymus Lymph- gefässe enthalte und dass dadurch Leukozyten zugeführt werden Über die Bildung von Leukozyten etc. 309 könnten, allein er erblickt darin keinen Beweis, dass Leukozyten auch im Organe selbst produziert würden. In einer späteren Arbeit hebt Hammar (07) im Gegensatz zu den Stöhrschen Ausführungen nochmals hervor, dass die kleinen Thymuszellen gerade in ihren morphologischen und biologischen Merkmalen mit denjenigen Zellen übereinstimmen, die man an anderen Orten des tierischen Körpers als typische Lymphozyten bezeichnet: sie besitzen wie die Blutlymphozyten basophiles Protoplasma, sind amöboid beweglich und stimmen auch darin mit den Lymphozyten überein, dass sie durch Röntgen- bestrahlung zerstört werden und verschwinden, wodurch eine epitheliale Randschicht hervortrete. Einen wesentlichen Fortschritt in der Thymusfrage brachten nun in der Folge die jetzt abgeschlossen vorliegenden Arbeiten Maximows über die Histogenese der Thymus. Bei allen von ihm untersuchten Tierklassen, den Säugetieren (09), Amphibien (12a), sowie Selachiern (12b), stellte Maximow eine völlige Übereinstimmung in der Entwicklung der Thymus fest. Es wandern nämlich nach ihm schon sehr früh in die epitheliale Anlage amöboid bewegliche Zellen ein, die mit den grossen Iymphozytären Zellen jener Entwicklungsperiode durchaus identisch sind. Diese Elemente sind mesenchymatösen Ursprungs. „Kleine Lymphozyten“ sind zu dieser Zeit in der Thymus noch nicht festzustellen, wie sie auch im übrigen Organismus noch nicht angetroffen werden. In der späteren Entwicklung werden in der Thymus wie auch sonst diese grossen Iymphozytären Elemente die Mutterzellen der kleinen Lymphozyten. Die Iymphoiden Elemente bilden im wesentlichen die Rindenschicht und vermehren sich selbständig weiter. Da die so gebildeten Zellen in die Zirkulation und in das Bindegewebe gelangen, so unterscheidet sich die Thymus ihren Produkten nach nicht von anderen Organen mit Iymphozytärem Charakter. In bezug auf ihre embryonale Entstehung nimmt sie freilich eine ganz besondere Stellung ein, weil sie gebildet wird aus der innigen Durchwachsung zweier sich sonst fremder Elemente, den Epithelzellen und den Mesenchym- zellen. Auf dem gleichen Standpunkt steht auch Jolly (13) in seiner neuesten Publikation, die eine Zusammenstellung aller jener Organe und Gewebe aufweist, welche auf dieselbe Art und Weise entstanden sind. 310 Paul Weill: Schon früher hatten einzelne Autoren behauptet, dass ein srundsätzlicher Unterschied zwischen den Zellen des Marks und denjenigen der Rinde bestehe, weil nämlich erstere sich haupt- sächlich aus epithelialen Elementen zusammensetzten, während die Thymusrindenzellen Elemente Iymphozytärer Natur seien. Auf Grund morphologischer und physiologischer Vergleiche schliesst Laurell auf die Identität der kleinen Thymuszellen und Lymphozyten. Ein Unterschied besteht nach seiner Ansicht nur darin, dass die Thymusiymphozyten etwa 0,5 « kleiner seien als die des Blutes und des Iymphoiden Gewebes Sobald sie einmal die Rinde verlassen hätten, erreichten sie jedoch die gleiche Durchschnittsgrösse wie die an anderen Orten gebildeten Iyvmphozytären Elemente. Eine gewisse Rolle als blutbildendes Organ spielt die Thymus auch nach der Ansicht von Letulle und Nattan-Larrier, sowie Roger und Ghika; ebenso weist Ver-Eecke nach, dass eine völlige Übereinstimmung in der Form und Bewegungsfähigkeit zwischen Thymusiymphozyten und den Zellen anderer Iymphatischer Gewebe bestehe. Er hält es für sicher, dass die Thymus wie die Milz und die Lymphdrüsen als Iymphopoietisches Organ angesehen werden muss, während Watney (82) dies nur als wahrscheinlich erklärt. Affanassiew und v. Braunschweig bestreiten zwar nicht, dass die Thymus ein Iymphozytäres Organ sei, aber nach ihrer Ansicht soll sie nur während des intrauterinen Lebens funktionieren. Wieder eine andere Auffassung vertritt Mietens (OS, 10). Die mesenchymatöse Abkunft der Thymusrindenzellen hält er für gewiss, aber nach seiner Auffassung sollen sich diese in das Epithel eingewanderten Elemente immer mehr vom Habitus der Lympho- zyten entfernen und schliesslich nicht mehr von der grossen Masse der Thymuszellen unterscheidbar sein. Die Stöhrsche Ansicht vom epithelialen Ursprung der kleinen T'hymuszellen vertreten ÖÜheval, Dustin (09, 11) und Marcus (08), letzterer jedoch mit der Abweichung, dass sich die Epithelzellen der fertig entwickelten Thymus durch unvoll- ständige Kernteilung der kleinen Thymuszellen bilden. Auch Basch, Fritsche, de Meuron stehen auf dem Standpunkt Stöhrs. Eine Kombination der im vorhergehenden entwickelten Anschauungen vertritt vor allem Schaffer (Schaffer und Rabl Über die Bildung von Leukozyten etc. Se [U9a, b]), er nimmt an, dass sämtliche Thymuszellen epithelialen Ursprungs seien, hält aber zu gleicher Zeit die Rindenelemente der Thymus für Lymphozyten. Es vermögen also nach ihm echte Epithelzellen in Elemente von Iymphoidem Zellcharakter über- zugehen. Zu diesem Ergebnis kommt er auf Grund seines Studiums der Rückbildungserscheinungen der Brustthymus des Maulwurfs. Der Schwund der Thymusanlage wird hier nämlich hanptsächlich durch eine Auswanderung der kleinen Rindenzellen verursacht. Dieser Umstand „würde aber auch gegen eine kurz vorher stattgehabte Einwanderung der kleinen Rundzellen und für ihre autochthone Entstehung aus den Epithelzellen sprechen‘. Die Halsthymus des Maulwurfs zeigt in diesem Stadium „ein so überwiegend Iymphoides Aussehen, ein solches Zurücktreten der epithelialen Elemente, dass man bei Vergleich der Masse an epithelialer Anlage beim 16 mm langen Embryo eine Umwandlung eines guten Teiles der letzteren in Lymphozyten für sehr wahr- scheinlich halten muss“ Diese Umwandlung ist auch nach Maurer'(88, 02), Prenant (94), Ghika, Bell, Mageniı, © Schultze, Fox, Rabl und Saint-Remy et Prenant wahrscheinlich. Auch Retterer steht auf dem gleichen Stand- punkt, aber nach ihm besitzen die Thymusrindenzellen einen ganz anderen morphologischen Wert als die Iymphoiden Zellen meso- dermaler Abkunft. Ausser den „kleinen Rindenzellen“ enthält die Thymus aber noch andere, besondere Zellelemente, von denen namentlich die eosinophil granulierten in der Literatur öfters Erwähnung fanden Schaffer (91) und v. Braunschweig haben ihr Vorkommen gleichzeitig, der eine in der menschlichen Thymus. der andere bei der Ratte, zum ersten Male festgestellt. Aus der Darstellung, die Watney (78) schon früher von seinen „granular cells“ gegeben hat, geht nicht mit Klarheit hervor, ob darunter wirklich eosinophile Zellen zu verstehen sind. Die Auffassung von der Entstehung und Bedeutung dieser Zellen variiert in der Folge beträchtlich. Nach Hammar (05) sind sie ganz zufällige Bestandteile der Thymus, auch Bell (06) und v.Ebner registrieren lediglich ihr Vorkommen. Von grösserer Wichtigkeit erscheinen sie dagegen Schaffer (Schaffer und kabl [V9|). Nach seiner Auffassung entstehen sie aus gewöhn- lichen Tbymuszellen durch Aufnahme eosinophiler Körnchen. Ihre 312 Paul Weill: Menge sei abhängig vom Involutionszustande des Organs, und zwar nehme ihre Zahl bei der Involution zu, bei rasch ein- setzendem Involutionsprozesse träten sie besonders reichlich auf. Aus der Tatsache, dass sie in der vollvegetierenden Thymus fast ganz fehlen, ebenso in dem am stärksten involvierten Organ, zieht er den Schluss, „dass sie mit der Fertschaffung epithelialer Zerfallsprodukte in Zusammenhang stehen“. Nicht alle eosino- philen Körnerzellen betrachtet Schaffer aber als gleichwertig. Solche „Phagozyten“ seien nur jene Elemente „mit groben, oft unregelmässigen Körnern oder manchmal auch Kügelchen“. Körnchen, die in Grösse wie in Färbbarkeit genau mit den Granulationen der eosinophilen Zellen übereinstimmen, beobachtete er auch in freiem Zustande massenhaft in der Umgebung jener Elemente. Ihr Auftreten bringt er mit der Thymusinvolution in Zusammenhang. Die eosinophilen Körnerzellen erklärt er also als gewöhnliche Thymuszellen, welche diese mit Eosin färbbaren Körnchen aufgenommen hätten. Auf denselben Standpunkt stellt sich Levin. Auch er lässt diese Zellen durch Aufnahme von Granulationen aus Thymuszellen hervorgehen. Auf die Identität der eosinophilen Zellen mit den eosinophilen Leukozyten der Milz und des Knochenmarks macht Ghika aufmerksam. Er hat sie bei menschlichen Embryonen von 4 Wochen sowie von 5 Monaten beobachtet. Sie liegen nach ihm an der Peripherie der Läppchen, besonders in der Umgebung der Gefässe und dringen mit diesen zwischen die Follikel vor. In der Thymus der erwachsenen Ratte sah er sie ebenfalls. Von der Tatsache ausgehend, dass diese Zellen bei Infektionen sich enorm vermehren und dabei zahlreiche Mitosen auftreten, erklärt Ghika die Thymus als ein Organ, das — wenn auch nur zeit- weise — hämatopoietische Funktion annehmen könne. Nach Barbano sind die eosinophilen Zellen „als Thymus- zellen zu betrachten, die sich in besonderer Weise differenziert haben“. Von den echten polymorphkernigen eosinophilen Leuko- zyten unterschieden sie sich nach ihm durch ihre ausserordentlich verschiedenen Dimensionen, durch ihre Granulationen, „die feiner, dichter, zarter und quantitativ unbeständiger sind als die der eosinophilen vielkernigen Elemente“. Die einzige Identität, die festzustellen wäre, sei die „chromatische Reaktion“ ihrer Kerne. „Die eosinophilen Elemente der Thymus“, führt Barbano aus, Über die Bildung von Leukozyten etc. al „sind alle einkernig, der Kern liegt fast immer in der Mitte der Zelle und weist nur hier und da eine leicht exzentrische Lage auf, meist ist er kreisrund, zuweilen zweilappig und erscheint in bezug auf seine Dimensionen und das strassenartige Aussehen seiner chromatischen Zeichnung identisch mit dem Kern der kleinen Thymuszellen, mit denen sowohl die eosinophilen Zellen, die längs der Follikelränder zerstreut liegen, wie auch die eosino- philen Zellen, die die perivaskulären Herde bilden, ganz bestimmt in einer Ursprungsbeziehung stehen. Ich stütze diese Ansicht jedoch nicht allein auf die morphologischen Eigentümlichkeiten des Kernes, denn sieht man aufmerksamer zu, so wird man tat- sächlich entdecken, dass viele dieser Zellen... nach und nach sich mit feinsten punktähnlichen Körnchen füllen, während ihr Protoplasma immer reichlicher wird und so schliesslich in einigen Elementen ziemlich bedeutende Dimensionen erlangt, die dann eine grosse Ähnlichkeit mit den wahren eosinophilen Markzellen bekommen. Meine Präparate sprechen eine zu deutliche Sprache, indem sie mir die verschiedenen Übergangsformen von einer Zell- form zur anderen darbieten, als dass ich in bezug auf den histo- logischen Ursprung der eosinophilen Zellen der Thymus noch irgend einen Zweifel haben könnte: sie sind nichts anderes als derartig differenzierte Thymuszellen“. Auf einem anderen Standpunkte steht Schridde (11a). Er betrachtet die eosinophilen Zellen der Thymus als echte Leukozyten, die aber aus dem Blute eingewandert seien. Gegen ihre autochthone Bildungsweise spricht nach ihm, „dass sie durch- weg aus gelappt-kernigen Leukozyten bestehen, dass man diese Zellen... stets auch in den Blutgefässen nachweisen kann und dass es ferner gelingt, die gleichen Zellen auch auf der Durch- wanderung durch die Gefässe festzustellen“. Ausserdem spreche die Tatsache dagegen, dass die Zellen nur vorhanden sind bei gleichzeitiger Ausbildung des Rindenparenchyms. Was die Art ihres Vorkommens betrifft, so kommt Schridde zu dem Ergebnis, dass es zwei Arten von Menschen gäbe: solche, bei denen die eosinophilen Zellen im 12. Jahre verschwinden und auch die Thymus ihre Funktion einstellt und solche, wo die Thymus zeit- lebens funktioniert und auch weiterhin eosinophile Zellen enthalte. Von der Vogelthymus sagt Lewis, dass ihre eosinophilen Zellen Leukozyten seien, die eingewandert wären und augen- 314 Paul Weill: scheinliche Zeichen der Degeneration aufwiesen. Bei hatten- embryonen hat Maximow (09) in der Thymus Myelozyten be- obachtet, die zum Teil nach Eosin-Azur rote Granulationen enthielten. Er erklärt sie als „dieselben primitiven Leukozyten, wie sie auch sonst an vielen Stellen des Körpermesenchyms aus den Iymphozytoiden Wanderzellen entstehen“. Beim Axolotl hat er im perithymischen Bindegewebe die gleiche Entstehungsart beobachtet, er identifiziert diese Elemente hier aber nicht mit Sicherheit mit den richtigen acidophilen Leukozyten dieser Tiere. Mit diesen zusammen könnten sie schliesslich in die Thymus gelangen. Die Möglichkeit, dass innerhalb der Thymus ein Lymphozyt durch Aufnahme von eosinophilen Granulationen zu einem acidophilen Myelozyten und Leukozyten werden könne, gibt Maximow ebenfalls zu. Als „Nebenbefund“ erwähnt Sultan das Vorkommen eosino- philer Zellen in der Thymus eines 2 monatlichen Kindes und eines Embryos von 5 Monaten, ohne weiter auf ihre Natur ein- zugehen. Bei einem 20 cm langen Fötus beobachtet Tuve zwei Arten von eosinophilen Zellen innerhalb der Rinde wie des Marks, sowie an der Grenze zwischen beiden. Er findet „Zellen mit hellem, grossem, bläschenförmigem Kern bis zu solchen, die kleinen Lymphozyten gleichen“. Mitosen hat er häufig konstatiert. In einzelnen Zellen stellt er fest, dass sie nur zum Teil mit eosinophilen Körnchen erfüllt sind. Solche Formen beschreibt auch Markus (07), bei Gymnophionen hat er alle Übergänge beobachtet von der Zelle, an deren Peripherie sich vereinzelte eosinophile Brocken finden, bis zu den Elementen, deren Proto- plasma ganz mit solchen Körnern erfüllt ist. In diesen eosino- philen Zellen sieht Markus im Zustande der Depression befind- liche Thymuselemente, die diese Eigenschaft mit den echten eosinophilen Leukozyten teilen. Eine Identität beider Formen bestände aber nicht. In der pathologisch veränderten Thymus konstatieren Roger etGhika das Vorkommen von mono- und polynukleären eosinophilen Leukoeyten; Dudgeon (05) beschreibt für die Gravesche Krankheit (Graves’ Disease) in der vergrösserten Thymus der Kinder vier Arten von eosinophilen Zellen und zwar solche mit dunklen, mit hellen sowie mit Übergangskernen und endlich die echten polymorphkernigen eosinophilen Blutzellen. Über die Bildung von Leukozyten ete. 315 Zur Entscheidung der Frage, ob wir in den kleinen Thymus- zellen wirklich Iymphoide Elemente vor uns haben, sind diejenigen Befunde von besonderer Wichtigkeit, die für eine weitere Diffe- renzierungsmöglichkeit dieser Zellen sprechen. So hat Barbano darauf aufmerksam gemacht, dass in der Thymus des Menschen Plasmazellen vorkommen; sie entstünden hier aus den Rinden- zellen dadurch. „dass die Protoplasmen dieser Zellen reichlicher werden und weniger intensiv färbbar“. Vor allem aber ist es Schaffer (08), der in der Thymus der weissen Ratte das reich- liche Vorkommen von Plasmazellen beschreibt, die aus einer Umwandlung der Thymuszellen hervorgehen. Er erblickt in diesem Befunde einen sicheren Beweis für den Iymphozytären Charakter der kleinen Rindenzellen und bringt das Auftreten der Plasma- zellen in Verbindung „mit der Fortschaffung des bei der Thymus- involution so reichlich auftretenden Zelldetritus“. In geringerer Menge fanden sie sich auch bei der Maus, dem Hunde und dem Menschen. Bei der Involution der Maulwurfsthymus kommen, wie Schaffer und Rab (09) festgestellt haben, die Plasmazellen in reichlicher Menge vor. Sie entstehen hier durch Hypertrophie der kleinen Rindenzellen, welche Tatsachen für die Autoren der sicherste Beweis für die Lymphozytennatur dieser Elemente sind, „seien sie nun epithelialen oder mesodermalen Ursprungs“. Andere Umwandlungsformen, welche die Thymuszelle ein- gehen könnte und die für ihren Iymphozytären Charakter sprächen, wären neutrophile Leukozyten und Mastzellen, über deren Vor- kommen aber erst spärliche Angaben vorliegen: Ghika erwähnt mono- und polynukleäre neutrophile Elemente sowie Mastzellen, die Roger-Ghika auch in der pathologisch veränderten Thymus konstatierten. Ferner fand Maximow (09) bei einem Rattenembryo von 19 mm polvmorphkernige Zellen, deren Protoplasma nach Eosin-Azur-Färbung keine Granulationen erkennen liess und die er als spezialgranulierte Leukozyten an- sieht. Endlich schildert Barbano Zellen, deren „Protoplasma von Körnchen, die mit Pyronin oder Neutralrot gefärbt, eine mehr oder weniger glänzende rote Farbe annehmen, so voll- gestopft ist, dass sie den Kern vollständig oder fast vollständig verdecken, der sich übrigens morphologisch genau so darbietet, wie der der kleinen Thymuszellen“. In ihnen sieht er das „letzte definitive Bild, auf das die eosinophilen Zellen nach langsamer, 316 Paul Weill: gradweiser Veränderung in der Reaktion ihrer Körnchen hinaus- kommen“. Befundbeschreibung. 1: SBuastıre: a) Eosinophile Zellen. Um zunächst die Frage zu entscheiden, ob die eosinophilen Zellen der Thymus wirklich typische Leukozyten sind, wie sie sich im Knochenmark, im Blute oder sonst im Organismus finden, haben wir die Ratte als Untersuchungsobjekt gewählt, weil gerade dieses Tier charakteristische Besonderheiten in der Morphologie seiner leukozytären Blutelemente zeigt. Es ist nämlich schon lange bekannt, dass die Kerne der eosinophilen Leukozyten der Ratte geschlossene Ringe darstellen. So beschreiben Kanthack und Hardy ihre Kerne als rund „with a large hole in the centre“. Ebenso spricht Hirschfeld von „geschlossenen Ringkernen“; und Jolly (00) bezeichnet sie als „arrondi ou ovalaire, r@niforme, troue ou annulaire, quelquefois en bissac ou form& en deux noyaux“. Maximow (06) schildert den Kern als einen dicken, ringförmigen Strang, der sehr oft im Blutpräparat die Form einer 8 annähme. Damit stimmen die Beobachtungen Weidenreichs (USb) überein: „Die Kerne sind ausgesprochene Ringkerne, im Zentrum des Ringes liegt scheinbar der Zentralkörper. Die Kernmasse, die den Ring bildet, ist bald breiter, bald schmäler, der vom Kern umgrenzte Protoplasmateil ist entsprechend grösser oder kleiner. Der Ring ist aber nicht immer absolut kreisföürmig; er kann mehr Dreieckform zeigen oder in die Länge gezogen sein; nicht selten beschreibt die Kernmasse eine Achter-Tour. Im ganzen ist der Kern überall von gleicher Breite... . . die Konturen sind im allgemeinen regelmässig.“ Die Ringform dieser Kerne ermöglicht also die Differentialdiagnose zwischen den Leukozyten der Ratte und anderen, ähnlich granulierten Körperzellen, weil eben nur jene diese merkwürdige Kernform besitzen. In jedem Schnitt durch die Thymus erwachsener Ratten findet man nun in wechselnder Zahl Zellen, die bei Färbung mit Hämalaun-Eosin oder der Giemsaschen Lösung typische eosino- phile Granulationen aufweisen. Was den Ort ihres Vorkommens betrifft, so finden sie sich meistens in der Rindenzone und zwar Über die Bildung von Leukozyten etc. SAT an der Peripherie der Läppchen, dann aber auch an der Grenze zwischen Rinde und Mark, sowie sehr oft in dem die Läppchen umgebenden Bindegewebe. Im eigentlichen Marke kommen sie ebenfalls, jedoch ziemlich selten vor. Die Zellen liegen entweder einzeln oder aber meist in Haufen beieinander und zwar in Form von Strängen (Fig. 1), die sich in mehr oder weniger langen Streifen zwischen die anderen Thymuszellen einbetten, oder in Form unregelmässiger Herde (Fig. 2). Häufig, aber nicht immer, trifft man sie in der Nachbarschaft von Gefässen. Das Protoplasma der Zellen ist reichlich und zeigt keine auffallenden Besonderheiten in seinem Färbungscharakter. Die Granulationen liegen ziemlich dicht und füllen den Zelleib voll- ständig aus. Seltener sind solche Zellen, in denen die Granula in der Nähe des Kerns eine Stelle freilassen, die dann wie eine Art Vakuole erscheint. Formen, wie sie Tuve, Marcus (OS), Barbano beobachtet haben, wo die Zellen nur an der Peripherie Körnchen enthalten oder nur zum Teil mit ihnen angefüllt sind, haben wir bei der Ratte nicht auffinden können. Die Körnchen färben sich mit sauren Farbstoffen, Eosin z. B., leuchtend rot und erscheinen in Form kleiner, regelmässig konturierter, meist gleich grosser kugeliger Gebilde. Besonderes Interesse bietet der Kern. Er liegt meist exzentrisch (Fig. 3 emy), kann aber auch, besonders wenn das Protoplasma weniger reich entwickelt ist, die Mitte der Zelle einnehmen. Sehr viele Formen weisen einen runden bezw. kugeligen (Fig. 1 emy) oder auch mehr ovalen Kern (Fig. 2 emyı, 5 emy) auf. Nukleolen finden sich meist (Fig. 3 emy), fehlen aber auch sehr oft. Der Chromatingehalt dieser Kerne ist verhältnismässig gering; darum erscheinen sie ziemlich blass und hell. Das Chromatin ist entweder in ziemlich ungleichmässigen Schollen über den ganzen Kern verteilt (Fig. 1 emyı) oder bildet ein zierliches Netzwerk dünner Fäden (Fig. 3 emy). Ausser diesen hellen, bläschenförmigen Kernen trifft man aber noch solche, die in ihrem Chromatingehait bedeutende Abweichungen zeigen. Ihre Kernsubstanz färbt sich nämlich im ganzen infolge ihres ver- mehrten Gehaltes an chromatischen Bestandteilen wesentlich dunkler (Fig. 1 emy2); dazu kommt noch, dass diese Kerne stärker mit chromatischen Schollen angefüllt sind. Zwischen solchen extremen Kernformen, den hellen, chromatinarmen und den 318 Ian Nfennlle dunklen, chromatinreicheren Kernen findet man alle Übergänge. Eine sehr charakteristische Erscheinung stellen solche Kerne dar. die in ihrem Zentrum einen hellen, nukleolenartigen, scharf begrenzten runden Fleck aufweisen (Fig. 1 emya, emys:; 2 emye). Mit Kernfarbstoffen sind diese Flecken nicht tingibel, wohl aber färben sie sich im Tone des Zellprotoplasmas, bei Eosinfärbung z. B. schwach rosa. Die Betrachtung solcher Kernbilder von der Seite (Fig. 1 emya) ergibt, dass es sich hierbei um Einstülpungen des Protoplasmas nach der Kernmitte zu handelt, die von oben gesehen wie ein ausgestanztes Loch erscheinen. Es handelt sich also um eine lochförmige Durchbrechung des Kernes, wodurch er aus seiner ursprünglichen kugeligen Form in eine mehr oder weniger weite Ringform übergeführt wird. Neben Kernformen, in denen diese Lochbildung kaum angedeutet erscheint (Fig. 1, 2 emy2) trifft man dementsprechend auch solche mit viel grösseren Löchern (Fig. 1 el). Die ausgebildeten Ringkerne zeigen natürlich von der Seite gesehen oder im Durchschnitt biskuitähnliche Form (Fig. 4 el), die erst in der Bildung begriffenen, lediglich ein- gestülpten Kerne charakteristische Nierenformen (Fig. 1 emya). Welcher Natur sind nun diese Zellelemente? Vergleicht man die zuletzt beschriebenen Zellformen mit ihren typischen Ring- kernen mit den Zellen des Rattenblutes, so ergibt sich eine völlige Identität zwischen ihnen und den eosinophilen Leukozyten. Neben dem Ringkern, der in Grösse, Lagerung und Form, sowie in der Struktur und der Menge seines Chromatins mit den Kernen jener Leukozyten völlig übereinstimmt, sind es auch die Granulationen selbst. die in ihren morphologischen Merk- malen und in ihrer Farbenaffinität keinerlei Unterschiede gegenüber der Körnelung der eosinophilen Leukozyten erkennen lassen. Man braucht nur in der Thymus selbst die eosinophilen Leuko- zyten, die innerhalb der Blutgefässe liegen, mit den im Gewebe gefundenen, oben beschriebenen Formen zu vergleichen, um diese Übereinstimmug feststellen zu können. Wenn wir andererseits die eosinophilen Zellen, die grosse, kugelige, helle oder dunkle Kerne enthalten, mit den in den blutbildenden Organen, besonders im Knochenmark vorkommenden Elementen vergleichen, so ergibt sich ohne weiteres, dass jene Zellen der Thymusals typische eosinophile „Myelozyten“ aufzufassen sind. Über die Bildung von Leukozyten etc. 319 Weiterhin folgt aus unseren Befunden, dass zwischen diesen als Myelozyten zu bezeichnenden Elementen und denen vom Typus der eosinophilen Leukozyten in der Thymus selbst genetische Beziehungen bestehen. Denn neben den Formen mit ausgebildetem Ringkern (Fig. 1 el) trifft man Elemente, die erst eine Andeutung des „Lochkernes“ zeigen ‘Fig. | emye, emys). Diese Formen leiten wieder zu den myelozytären Elementen mit kugeligem Kern über. Auf dem Wege der Umbildung des Kerns wandeln sich also in der Thymus die Myelozyten in typische „polymorphkernige“ eosinophile Leukozyten um. Dabei bleibt das Protoplasma sowohl wie die Granulierung unverändert. Innerhalb der Herde eosinophiler Zellen oder auch vereinzelt findet man nun aber auch die eosinophil granulierten Elemente in mitotischer Teilung. Ihr Protoplasma ist dabei wie das Plasma der anderen acidophilen Elemente mit eosinophilen IXörnchen vollgepfropft. Und zwar werden alle Stadien der Mitose angetroffen, von denen wir uns hier mit der Wiedergabe eines Monasters (Fig. 1 m, 2 m), sowie eines Diasters (Fig. 4 m) be- gnügen. Die Kernbilder sind so deutlich und charakteristisch, dass an ihrer mitotischen Natur nicht zu zweifeln ist. Dabei sind die Mitosen keineswegs selten, sondern unter Umständen sogar ein verhältnismässig häufiger Befund. Damit ist also bewiesen, dass in der Thymus eine Vermehrung der eosinophilen Elemente durch mitotische Kern- teilung statthat. b) Spezialleukozyten. Ausser diesen eosinophil granulierten Zellen findet sich in der Thymus nun noch eine andere Art von Elementen, die eben- falls gruppenweise auftreten. Diese Zellen liegen gleichfalls in kleineren Häufehen im Gebiet der Thymusrinde und bevorzugen, wie es scheint, auch hier die äusserste Zone gegen das Binde- gewebe hin (Fig. 6, 7). Durch ihren grösseren Umfang unter- scheiden sie sich ohne weiteres von den umliegenden Thymus- zellen. Ihre Kerne sind sehr gross (Fig. 6, 7 smy2) und nehmen eine ausgesprochen zentrale Lage ein Meist scheinen sie von der Fläche gesehen kreisrund (Fig. 6 smya, 5), in der Kantenansicht nierenförmig (Fig. 6 smya). Ihr Gehalt an Chromatin ist meist gering. Besonders charakterisiert sind aber diese Kernelemente dadurch, dass sich genau in der Mitte — bei der Betrachtung von 320 Paul Weill: der Fläche her — ein scharf begrenzter kreisrunder, nukleolen- artiger Fleck findet (Fig. 6 smy2, s; 7 smyı, :), der sich bei Giemsa-Färbung blassrot tingiert; in der Seitenansicht des Kernes (Fig. 6 smya; 7 smys) erscheint der Fleck als eine zentrale Eindellung bezw. als Durchbohrung des Kernes. Es besteht also kein Zweifel, dass hier genau die gleichen Verhält- nisse vorliegen wie bei den eosinophilen Zellen, d.h. dass die Kerne in der ausgeprägten Form Loch- bezw. Ringkerne dar- stellen. Neben solchen Ringkernen, in denen die Höhlung noch sehr klein erscheint (Fig. 7 smyı), finden sich grössere, in denen die Höhlung den Kern durchsetzt (Fig. 7 smys). Diese aus- gesprochenen Ringkerne leiten über zu anderen Kernformen, die gleichfalls in derselben Zellgruppe angetroffen werden, nämlich zu stark segmentierten und kleineren Kernen, die im ganzen von der Fläche gesehen noch die Ringform beibehalten (Fig. 6 slı), oder aber bei stärker vorgeschrittener Segmentierung aus einem un- regelmässigen Haufen von Kernfragmenten zu bestehen scheinen (Fig. 6 sle). Abgesehen von dem Verhalten des Protoplasmas unterscheiden sich dadurch diese Zellformen von den Kernen der eosinophilen Elemente, bei denen der Ring stets unsegmentiert nachweisbar bleibt. Sehr eigentümlich ist das Verhalten des Protoplasmas bei diesen Zellen. Bei den ausgesprochenen Ringkernen umgibt es den Kern als schmalen, homogenen, deutlich basophilen Saum von gleicher Breite (Fig. 6 smye,s; 7 smyı, 2), färbt sich also bei Giemsa-Färbung in einem blauen Tone. Die zentrale Plasma- depression dagegen zeigt bei dieser Färbung, wie schon hervor- gehoben, eine rötliche Tinktion, also acidophilen Charakter, was besonders auch bei der Kantenansicht des Kernes in die Augen fällt (Fig. 6 smy«4; 7 smys, a). Mit der zunehmenden Kernsegmen- tierung nimmt die Basophilie des Protoplasmas ab und die Acido- philie zu, so dass die Zellen mit den oben geschilderten Kern- fragmenten im ganzen einen roten Ton annehmen (Fig. 6 slı, 2)- (Granulationen konnten in diesen Zellen mit den angewandten Fixations- und Färbungsmethoden nicht nachgewiesen werden. Fragt man nun, welcher Natur diese Zellen sind, so scheint es nicht zweifelhaft, dass es sich hierbei um Spezialleuko- zyten der Ratte handelt. Dafür sprechen vor allem auch hier die Ringkerne, die gerade in ihrer Fortbildung zu segmen- Über die Bildung von Leukozyten etc. 321 tierten Formen ein Charakteristikum dieser Leukozyten darstellen, worauf Hirschfeld, Maximow (06), Weidenreich (UV8b) aufmerksam gemacht haben. Dass Granulationen mit den an- gewandten Methoden nicht nachzuweisen sind, steht mit den Erfahrungen über diese Elemente bei der Ratte durchaus im Einklang, da es bisher nur gelang, sie an Ausstrichpräparaten des Blutes — und auch hier nicht konstant — zur Darstellung zu bringen, nicht aber an Schnittpräparaten. Ein Vergleich zwischen den Formen des Blutes mit segmen- tierten.Ringkernen und den Elementen des Thymusgewebes ergibt ihre völlige Übereinstimmung, und eine Kontrolle des Knochen- marks zeigt, dass die sogenannten Myelozyten der Spezialleuko- zyten in ihren Kernformen mit den grossen Elementen der Thymus, in denen die zentrale Durchlochung des Kernes eben aufzutreten beginnt, in allen Punkten identisch sind. Genau wie im Knochenmark, bestehen also auch in der Thymus alle Über- gänge zwischen den Myelozyten und den „polymorph- kernigen“ Spezialleukozyten. Die Zellen mit Myelozyten- typus (Fig. 6 smyı) wandeln sich auch hier in Formen mit exquisiten, zunächst noch kompakten Ringkernen (Fig. 6 smye; 7 smy2) um, die dann ihrerseits wieder zu solchen mit fragmen- tierten Kernen (Fig. 6 slı, 2) werden. Was das Vorkommen von Mitosen in diesen Zellen inner- halb des Thymusgewebes angeht, so ist diese Frage hier schwer entscheidbar. Zwar finden sich in der Zellgruppe der Spezial- leukozyten häufig Kernteilungsfiguren, die dem allgemeinen Zell- habitus nach den Spezialleukozyten angehören dürften. Da aber hier die Granulationen fehlen und die für die Identifizierung charakteristische Ringform des Kernes im Stadium der Mitose selbstverständlich keinerlei Anhaltspunkte geben kann, so lassen sich diese mitotischen Figuren in ihrer Zugehörigkeit nicht sicher und in eindeutiger Weise bestimmen. | c) Mastzellen. Die bei der Ratte so häufigen Mastzellen fanden sich lediglich im Bindegewebe, niemals dagegen im eigentlichen Rinden- gebiet der Thymus. d) Plasmazellen. Ausser den eosinophilen und Spezialleukozyten trifft man in der Thymusrinde noch besondere Elemente, die sich durch Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.L 21 322 Paul Weill: charakteristische Merkmale von den umgebenden Thymuszellen leicht unterscheiden lassen. Dieselbei: sind im ailgemeinen bei der Ratte nicht sehr reichlich vertreten, finden sich aber, wo sie vorkommen, meist in grösseren Herden vereinigt (Fig. 8). Ver- einzelt sind sie seltener, werden aber doch ab und zu ange- troffen (Fig. 6 pz). Sie liegen besonders in der äussersten Rinden- zone, vielfach auf dieselbe allein beschränkt. Sie stellen grosse, protoplasmareiche Zellen dar, die im allgemeinen runde Form aufweisen und nur dort, wo sie in Haufen beisammen liegen, durch die gegenseitige Abplattung polyedrische Form annehmen (Fig. 8). Charakteristisch für diese Zellelemente ist das Proto- plasma; es zeichnet sich neben seiner Reichlichkeit vor allem durch seine starke Basophilie aus und färbt sich dementsprechend bei Pappenheim scher Methylgrün-Pyronin-Färbung leuchtend rot (Fig. 8), bei Giemsa- Färbung tiefblau (Fig. 6 pz.) Es ist undeutlich und oft verwaschen granuliert, ohne dass sich irgend- welche distinktere Einlagerungen erkennen liessen. Eine besondere Differenzierung findet sich aber fast regelmässig; alle diese Zellen zeigen nämlich in ihrer typischen Ausbildung ein helles, rundes, ziemlich gut begrenztes Feld, das unmittelbar neben dem Kern gelagert ist und sich durch seine geringe Farbenaffinität scharf von dem umgebenden Protoplasma abhebt (Fig. 5 pz; 6 pz). Der Kern der Zellen ist verhältnismässig klein, meist kreisrund, seltener oval und gewöhnlich exzentrisch gelagert. Meistens ist nur ein Kern vorhanden, jedoch kommen auch Zellen vor, welche zwei gleich grosse Kerne enthalten (Fig. 8). In den meisten Zellen zeigt der Kern eine charakteristische Anordnung der Chromatins, das dann in keilförmigen Schollen rings um die Kernmembran angeordnet erscheint (Fig. 8 pzı-5; 6 pz.) und dem Kern damit das Aussehen eines sogenannten „Radkernes“ gibt. Durch diese typische Kernform, das Vorhandensein jenes hellen Fleckes im Protoplasma, der konstant unmittelbar neben dem Kerne liegt, sowie endlich durch das reichliche, stark basophile Protoplasma werden diese Zellelemente als typische Plasmazellen bestimmt und zwar solche vom Marschalkoschen Typus. Neben diesen charakteristischen Formen mit den genannten typischen Merk- malen trifft man aber noch in der gleichen Zellgruppe sehr oft solche Elemente, die eines dieser Charakteristika vermissen lassen oder wenigstens in nicht so ausgesprochenem Maße zeigen Über die Bildung von Leukozyten etc. 323 (Fig. S brz ı, 2), und diese wieder leiten über zu kleinen proto- plasmaarmen basophilen Zellen, die sich in nichts von den ge- wöhnlichen Thymusrindenzellen unterscheiden. e) Thymusrindenzellen. Die Rinde der Thymus wird in der Hauptsache von kleinen, runden Zellen gebildet — „kleine Thymuszellen“ (Stöhr), „IThymus- rundzellen“ (Maurer, Schaffer) — die in grossen Mengen dicht beieinander liegen und, nur von kleinen Zwischenräumen unterbrochen, das ganze hindengebiet erfüllen. Nach aussen setzen sie sich mit scharfer Grenze gegen das interlobuläre Bindegewebe ab (Fig. 4, 6, 7), im Mark sind sie nur vereinzelt nachweisbar; die Grenze gegenüber den Markzellen ist meist gleichfalls eine ziemlich scharfe. Die charakteristischen Rinden- zellen sind kleine Elemente von kugeliger (Fig. 6 rzı), seltener ellipsoider Gestalt (Fig. 6 rz2), in denen vor allem das Grössen- verhältnis zwischen Kern und Plasma auffällt. Das Plasma ist stets in nur geringer Menge vorhanden und umgibt den Kern als schmalen, oft kaum sichtbaren Saum. Mit Methylgrün- Pyronin-Färbung tingiert es sich hellrosa (Fig. 8 rz), mit Giemsa- Gemisch blau (Fig. 6 rz; 7 rz), ist also in bezug auf seine Farben- affınität deutlich basophil. Einlagerungen in das Protoplasma sind mit den üblichen Färbemethoden nicht nachweisbar. Der Kern liegt stets zentral und nimmt den grössten Teil der Zelle ein. Seine Form ist im allgemeinen rund, doch kommen auch ovale und leicht eingebuchtete Kerne vor. Mit basischen Farbstoffen nimmt die ganze Kernmasse einen sehr dunklen Farbenton an; die eigentliche chromatische Substanz erscheint dicht gedrängt in Form grober Schollen, die sehr häufig keilförmig der Kern- membran aufsitzen und dadurch den Eindruck eines „Radkernes“ hervorrufen, wie es für manche kleine Lymphozytenformen und speziell für Plasmazellen charakteristisch ist. Ein deutlich aus- gebildeter oder wenigstens grösserer Nukleolus liess sich mit den angewandten Methoden in den kleinen Rindenzellen nicht mit Bestimmtheit nachweisen. Neben diesen kleinen Elementen finden sich nun aber in der Rinde der Thymus auch noch grössere Formen, die jedoch zahlenmässig gegen jene zurücktreten (Fig. 1, 4, 5, 7 rzg). Sie liegen meist einzeln, seltener in kleinen Gruppen beisammen 21* 324 Paul Weill: und zwischen den kleinen Formen zerstreut. Wie bei diesen er- scheint der Kern im Verhältnis zur Masse des Protoplasmas sehr gross, so dass die Gesamtgrösse der Zelle im wesentlichen durch das Volumen des Kernes bedingt wird. Das Plasma bildet auch hier nur einen schmalen Saum, der den Kern allseitig umgibt, und ist schwach basophil; Granulationen liessen sich nicht nach- weisen. Einen nicht seltenen Befund stellen kleine protoplas- matische Abschnürungen dar, die sich vom Rande der Zelle in Form kugeliger Gebilde von wechselnder Grösse ablösen (Fig. 5 rzg) und dann als freie Gebilde zwischen den Zellen liegen bleiben (Fig. 5 fp). Der Kern dieser Zellen ist meistens rund, oft aber auch länglich oder oval. Er liegt im allgemeinen in der Mitte der Zelle, die er fast ganz erfüllt. Im Gegensatz zu den kleinen Rindenzellen färbt sich der Kern mit basischen Farbstoffen in seiner Gesamtheit viel weniger intensiv (cf. Fig. 5 rzgı mit rz). Die chromatische Substanz ist in Form feiner Bröckel oder Fäden über den ganzen Kern zerteilt. Nukleolen kommen vor (Fig.5 rzge), fehlen aber sehr häufig. Neben diesen grösseren Rindenzellen finden sich aber nun noch in wechselnder Zahl und ziemlich zerstreut ganz grosse Formen (Fig. 3 rzg, 5 rzgs, 6 rzg), die sich von den eben be- schriebenen nur dadurch unterscheiden, dass ihr Kern ein beträcht- liches Volumen erreicht, während das Plasma im Verhältnis nur wenig vermehrt ist. Den kleinen Thymuszellen gegenüber er- scheinen sie als grosskernige, chromatinarme Zellen. Mit den Zellen des Markes haben diese Elemente nur die Kerngrösse gemein, unterscheiden sich aber von ihnen wesentlich durch den schmalen, basophilen Protoplasmasaum und die Anordnung des CUhromatins. Wesentlich ist, dass die beschriebenen kleinen und grossen Formen der Rindenzellen durch kontinuierliche Übergänge mit- einander verbunden erscheinen. Wie schon Schedel beschrieben hat, sind Mitosen in den Rindenzellen der Thymus ein überaus häufiger Befund. Sie liegen zumeist vereinzelt, umgeben von Thymusrindenzellen mit ruhendem Kerne, ohne dass sich eine bestimmte Vorliebe in der Lokalisation nachweisen liesse. Der Grösse nach werden sie in allen be- schriebenen Formen der Rindenzellen angetroffen, also sowohl in den kleinen wie in den grossen Elementen. Dass die Mitosen Über die Bildung von Leukozyten etc. 325 wirklich den Thymusrindenzellen angehören, geht daraus hervor, dass sie frei im Gewebe liegen und die gleiche basophile Farben- affınität zeigen wie jene. Ohne uns nun hier in eine eingehende kritische Erörterung der in der Literatur niedergelegten Ansichten über die eigent- liche Natur der Thymusrindenzellen einlassen zu wollen, mag zunächst nur betont werden, dass wir in ihnen typische Lympho- zyten sehen. Dafür spricht ihr ganzer morphologischer Habitus sowie auch besonders die beschriebenen Grössenvariationen: die kleinen Zellen mit schmalem, basophilem Plasmaleib und dunklem, chromatischem Kern, der sehr oft eine typische Radstruktur auf- weist, entsprechen durchaus den „kleinen Lymphozyten“ des Blutes und des Iymphoiden Gewebes; während die grösseren Elemente mit den lockerer strukturierten Kernen als mittelgrosse Lymphozyten und die ganz grossen Elemente als „grosse Lympho- zyten“ zu betrachten sind. Dafür sprechen neben dem Verhalten des Kernes und seiner Chromatinanordnung vor allem auch jene Ab- schnürungserscheinungen basophiler Plasmateilchen (Fig. 5), wie sie Downey und Weidenreich an den Lymphozyten des typischen Iymphoiden Gewebes beschrieben und abgebildet (Fig. 21) haben. Die Tatsache, dass in der Thymus eine mitotische Ver- mehrung der Rindenelemente stattfindet, liess daran denken, nach keimzentrenähnlichen Bildungen wie in den Lymphdrüsen zu suchen. Jedoch liessen sich solche lokale Anhäufungen von Mitosen niemals nachweisen. Wir werden auf diese Frage noch später zurückkommen und dann auch noch näher zu untersuchen haben, in welcher Beziehung die Rindenzellen zu den typischen Plasmazellen und den oben beschriebenen granulierten Leuko- zyten, speziell den Myelozyten, stehen. II. Mensch. Die von uns untersuchten Thymen rührten von vier ver- schiedenen Individuen her, von denen drei (15, 17 und 19 Jahre) junge Individuen waren, und eines älter (37 Jahre) war. Alle waren völlig gesund und in bestem Ernährungszustande. Der 19- und 37 jährige waren hingerichtet worden, der 15- und 17 jährige plötzlich verunglückt. Den Altersverhältnissen entsprechend war der Involutionszustand der vier Thymen nach den von Hammar (06) festgestellten Tatsachen verschieden ausgebildet. 326 Paul Weill: Die Thymus des 15- und 17jährigen zeigt ein vollvege- tierendes Organ. Mark und Rinde bilden zusammenhängende, rundliche Läppcehen, die sich scharf von dem umgebenden Binde- gewebe abheben. Fett findet sich kaum. Rinde und Mark selbst sind deutlich voneinander getrennt; die Rindenzone ist sehr gut ausgebildet und nimmt etwa die Hälfte des ganzen Parenchyms ein. Die Hassalschen Körperchen sind gross und auffallend zahl- reich. Die Thymusrindenzellen finden sich sehr häufig in Mitose. Schon etwas verschieden hiervon ist das Bild, das die Thymus des 19 jährigen darbietet. Das eigentliche Thymusgewebe hat an Ausdehnung abgenommen und erscheint in Form zu- sammenhängender schmaler Stränge oder Inseln, die alle noch aus der scharf voneinander getrennten Mark- und Rindensubstanz bestehen. Die letztere ist reichlich vorhanden und zeigt dasselbe Verhältnis zum Mark wie die Thymus des 17 jährigen. Entsprechend dem teilweisen Schwunde des Parenchyms ist dagegen hier das Fettgewebe in reichlichem Maße entwickelt und nimmt einen breiten Raum zwischen den einzelnen Läppchen ein. Hassalsche Körperchen sind in grosser Zahl vorhanden und fallen häufig durch ihre beträchtlichen Dimensionen auf. Dass die Rinde auch hier neue Zellen bildet, folgt aus dem Befund zahlreicher Mitosen. Den am weitesten vorgeschrittenen Involutionszustand weist die Thymus des 37 jährigen auf. Das Parenchym ist in einzelne Inseln und schmale Stränge aufgelöst, die zum Teil ihren Zu- sammenhang völlig verloren zu haben scheinen oder wenigstens nur noch durch schmale Substanz-Brücken miteinander verbunden sind. Die grösseren Thymusreste lassen eine deutliche Trennung von Rinde und Mark erkennen; anders die kleinen Gewebsinseln: sie bestehen oft nur aus Rindensubstanz ohne eine Spur von Mark, welches seinerseits wieder ohne Beteiligung von Rinden- elementen grössere isolierte Haufen oder Stränge bilden kann. Die Zahl der Hassalschen Körperchen ist auch hier eine hohe und ihre Grösse meist eine beträchtliche. Die Rindenzellen zeigen zahlreiche Mitosen. Die Reste des Thymusgewebes sind durch grosse Massen von Fettgewebe voneinander getrennt. a) Eosinophile Zellen. In jedem Schnitt der untersuchten Thymen finden sich eosinophil granulierte Zellen, bald mehr, bald weniger an der Über die Bildung von Leukozyten etc. 327 Zahl; bald liegen sie mitten im Rindengebiet, bald an dessen Rande, wo sie besonders die in das Binde- oder Fettgewebe weit vorspringenden Buckel zu bevorzugen scheinen, oder aber an der Grenze von Rinde und Mark, seltener im Mark selbst. Man trifft sie entweder vereinzelt (Fig. 11 m) oder zu kleinen Herden ver- einigt (Fig. 9). Die Zellen sind grosse Gebilde und übertreffen an Umfang die gewöhnlichen kleinen Thymuszellen beträchtlich; sie sind im allgemeinen rund, zeigen aber gelegentlich Fortsatz- bildungen (Fig. 10°), die auf amöboide Bewegung hindeuten. Der Plasmaleib, der sich sehr schwach basophil färbt, ist mit groben, runden, glänzenden Körnern erfüllt, die sich mit Eosin intensiv rot tingieren. Die Grösse der Granula unterliegt in den einzeinen Zellen nur geringen Schwankungen. Sie nehmen den ganzen Zelleib ein bis auf eine in der Nähe des Kernes befindliche Stelle (Fig. 10°), die dem Mikrozentrum entspricht und wohl stets von Granulationen frei bleibt. Bei gut gelungener Färbung lassen die Körner eine deutliche färberische Sonderung erkennen und zwar so, dass jedes Korn eine intensiver gefärbte periphere Zone aufweist (Fig. 10°). In bezug auf den meist exzentrisch gelagerten Kern lassen sich kompaktkernige und gelapptkernige Formen unterscheiden. Erstere zeigen entweder einen verhältnismässig grossen kugeligen, manchmal auch ovalen Kern (Fig. 9 emy, 10°) oder einen ziemlich kleinen, gleichgestalteten Kern (Fig. 9 emyı, 10°). Im ersteren Falle färbt sich die Kernmasse im ganzen nur unwesentlich und das Chromatin scheint in Form meist feiner Bröckel oder Fäden im Kern zerteilt. Die kleinen Kerne dagegen zeigen eine dunkle (esamtfärbung, und das Chromatin ist mehr in groben Schollen konzentriert, wobei es gelegentlich Andeutungen einer Radstruktur erkennen lässt (Fig. 10°). Zwischen diesen beiden Typen finden sich jedoch alle Übergänge; auf ihre Bedeutung wird noch zurück- zukommen sein. Die Zellen mit kompaktem kugeligen bezw. ovalem Kern leiten zu solehen über, deren Kern nierenförmig gestaltet ist, also eine Eindellung erfahren hat (Fig. 9 elı), und diese wieder zu Zellen mit zweigelappten Kernen ‚Fig. 9 el2). Die beiden meist gleich grossen Fragmente sind im letzteren Falle dureh einen dünnen chromatischen Faden verbunden, so dass der Kern in typischer Zwerchsackform (el2) erscheint. Auch Zellen mit zwei völlig getrennten Kernfragmenten kommen vor. 323 Paul Weill: Aber noch ein anderer wesentlicher Befund lässt sich an den eosinophilen Zellen der Thymus erheben, Meist mehr ver- einzelt, seltener inmitten eines grösseren Herdes liegend, findet man typische Mitosen, von denen wir eine besonders charak- teristische im Monasterstadium hier wiedergeben (Fig. 11 m). Der Grösse der Zelle nach, sowie der der Chromosomen handelt es sich hierbei um eine Teilung der oben geschilderten grösseren Form der eosinophilen Zelle. Dass aber auch in den kleineren Typen Mitosen vorkommen, zeigt Fig. 10°; hier sind nur die Chromosomen kürzer und dicker, so dass die Kernfigur mehr einen verklumpten Eindruck macht. Die Mitosen der eosinophilen Zellen sind immerhin ein verhältnismässig seltener Befund. Welcher Natur sind nun die eosinophilen Zellen der Thymus? Zur Beurteilung dieser Frage geben die Elemente mit den gelappten Kernen den besten Anhaltspunkt; denn es unterliegt für sie keinem Zweifel, dass sie mit den gewöhnlichen eosinophilen Leukozyten des strömenden Blutes identisch sind, für die die „Zwerchsackform“ des Kernes ein wesentliches Charak- teristikum darstellt. Aber auch die Granulationen selbt stimmen nicht nur in Form, Grösse und Farbenaffinität mit denen jener Leukozyten überein, sondern sie zeigen auch eine Eigenart, die schon Ehrlich als bezeichnend für die Granula der eosinophilen Blutelemente beschrieben hat, nämlich die oben geschilderte Differenzierung in eine hellere zentrale Partie und eine dunklere Randzone (Fig. 10°). Nun sind aber die gelapptkernigen Formen durch alle Übergänge mit den kompaktkernigen Ele- menten verbunden. Diese letzteren stimmen aber in allen ihren morphologischen Merkmalen vollständig mit den soge- nannten mononukleären eosinophilen Leukozyten des Knochen- marks, den eosinophilen Myelozyten, überein; speziell gilt das für die grossen Formen, wie wir sie in Fig. 9 emy und besonders Fig. 10° hier wiedergegeben haben. Auf die Bedeutung der kleineren dunkelkernigen Elemente werden wir noch zu sprechen kommen. Es ergibt sich also, dass die eosinophilen Zellen der Thymus typische Leukozyten sind, und dass sie je nach ihrer Kernform den typischen kompaktkernigen Myelozytendes Knochenmarks oder den gelapptkernigen „polynukleären" Elementen des Blutes entsprechen. ; Über die Bildung von Leukozyten etc. 329 b) Neutrophile Leukozyten. Ausser den eosinophil granulierten Elementen findet sich in der menschlichen Thymus noch eine andere Art granulierter Zellen, die im allgemeinen ebenso häufig, meist aber in grösseren Gruppen und Herden (Fig. 12, 15) vorkommt. Sie liegen wie die eosinophil granulierten fast stets im Gebiet der Rinde, wo sie die äusserste Zone bevorzugen und hier sehr oft eine reihen- artige Anordnung zeigen (Fig. 12). Es sind grosse Zellen mit reichlichem, schwach basophilem Protoplasma, das häufig pseudo- podienartige Fortsatzbildungen erkennen lässt (Fig. 13 smyı, »), was auf eine lebhafte amöboide Bewegung hindeutet. In der wuhe nehmen die Zellen mehr abgerundete Formen an (Fig. 12 smysH10 1,73): Der Zelleib enthält zahlreiche feinste Granulationen, die bei (Gsiemsa-Färbung den charakteristischen blauvioletten Farbenton der neutrophilen Leukozytenkörnelung annehmen (Fig. 101,2,12,13). Die Granula erscheinen als feine staubförmige Gebilde mit ziemlich regelmässigen runden Konturen. Von den eosinophilen unter- scheiden sie sich, abgesehen von der Farbendifferenz, besonders dadurch, dass sie um ein beträchtliches feiner sind; auch liegen sie im allgemeinen lockerer als die acidophilen Granula, füllen aber den Zelleib ziemlich vollständig aus und lassen hier nur in der Nähe des Kernes eine helle, oft undeutlich begrenzte Stelle frei, die dem Mikrozentrum entspricht (Fig. 13 smyı). Der meist exzentrisch gelagerte Kern zeigt dieselben Form- und Strukturverschiedenheiten, wie sie für die eosinophilen Elemente geschildert wurden, d. h. man trifft sowohl kugelige, kompaktkernige Elemente. wie solche mit gelapptem, segmentiertem Kern. Im ersteren Falle lassen sich wieder zwei Typen unterscheiden, nämlich Zellen mit einem grossen bläschenförmigen Kerne (Fig. 10°: 13 smyı, 2), der in seiner Gesamtheit nur wenig Farbe annimmt und in dem die chromatische Substanz in Gestalt feiner Bröckel oder Fäden verteilt erscheint, und Zellen mit einem kleinen Kern (Fig. 10!, 13 smys), der sich im ganzen dunkel tingiert und gröbere Uhromatinschollen enthält, die nicht selten die Andeutung der „Radstruktur“ zeigen. Eine scharfe Trennung zwischen diesen beiden Kerntypen ist jedoch nicht vorhanden, vielmehr lassen sich alle Übergänge sowohl in bezug auf die Kerngrösse wie in Färbung und Chromatingehalt nachweisen (Fig. 13 smy a). 330 Paul Weill: Die gelappten Kerne, von denen wir eine Anzahl in Fig. 12 (slı-s) wiedergegeben haben, zeigen die charakteristischen Be- sonderheiten der Kerne der neutrophilen Leukozyten des mensch- lichen Blutes, d. h. die Kernmasse ist in meist drei ungleichmässig grosse rundliche Stücke segmentiert, die in der Regel wohl stets durch dünne chromatische Fäden miteinander zusammenhängen. Doch finden sich auch deutlich völlig fragmentierte Kerne. Zwischen den Zellen mit gelappten Kernen und denen mit kugeligen trifft man auch hier alle Übergänge, d. h. Zellen, deren Kerne längsoval oder nierenförmig gestaltet oder tief eingebuchtet sind (Fig. 12 sl). Ebenso wie die eosinophilen Elemente, nur sehr viel häufiger, zeigen auch die neutrophilen Formen innerhalb des Thymusgewebes typische Mitosen. Diese liegen oft vereinzelt mitten unter den Rindenzellen (Fig. 14 m)!), oft aber auch innerhalb eines Herdes gleichgranulierter Zellen (Fig. 12 m). Über die Natur dieser granulierten Zellformen kann ein Zweifel nicht bestehen. Grösse, Form sowie der Färbungscharakter der Granula weisen auf die neutrophilen Leukozyten des Blutes und der blutbildenden Organe hin, die, wie Kontroll- präparate der Milz und ein Vergleich mit den entsprechenden Formen innerhalb der Blutgefässe beweisen, in allen Punkten mit ihnen übereinstimmen. Vor allem aber wird diese Identität mit durch die Kernform erwiesen, die speziell in den gelappten Typen — wie schon oben bei der Beschreibung hervor- gehoben wurde — durchaus den feingranulierten Leukozyten des Blutes entsprechen. Was die Zellen mit den kompakten kugeligen Kernen angeht, so haben wir es in ihnen mit typischen „mononukleären“ Formen zu tun, wie sie vor allem im Knochenmark und der Milz angetroffen werden, also mit charak- teristischen neutrophilen Myelozyten (cf. besonders Fig. 10°), die innerhalb der Thymus selbst auf dem Wege der Kernumformung in die gelapptkernigen Elemente übergehen. c) Mastzellen. Eine dritte Art der in der menschlichen Thymus vor- kommenden granulierten Elemente stellen die Zellen mit baso- !) In der Reproduktion (Taf. XVIII) ist die Granulation zu rot wieder- gegeben. Über die Bildung von Leukozyten etc. 331 philen Granulationen dar. Diese finden sich im ausgebildeten Zustande vorwiegend in der äusseren Rindenzone und besonders im interlobulären Bindegewebe. Im Gegensatze zu den anderen granulierten Zellen sind sie nie zu Gruppen vereint, sondern kommen immer nur vereinzelt vor, stellen aber einen ziemlich häufigen Befund dar. In voller Ausbildung sind es grosse, lang- gestreckte Zellen mit wenig seitlichen Fortsätzen. Die Granula dieser Zellen färben sich bei Methylgrün-Pyronin-Färbung leuchtend rot, bei Giemsa- Färbung dunkelblau-violett. sind also ausgesprochen basophil und deutlich metachromatisch. Sie erfüllen dichtgedrängt den ganzen Plasmaleib, so dass der Kern von ihnen oft völlig verdeckt wird. Die Grösse der meist etwas unregelmässig konturierten Granula wechselt; neben ganz feinen trifft man in derselben Zelle auch grosse Körner, die beinahe die Dimensionen der acidophilen Granula erreichen. Manche Zellformen enthalten nur sehr spärlich Granulationen (Fig. 16mz ı-ı). Diese liegen dann meist mehr in der Peripherie des Plasmas in sehr ungleichmässiger Verteilung. Im Gegensatz zu den stark granulierten Zellen finden sich diese Formen meist im Innern des Rindengebietes selbst. Der Kern der basophil granulierten Zellen färbt sich metachromatisch, d. h. nach Giemsa-Färbung in demselben Farbenton wie die Granula, also dunkelblau-violett und hebt sich dadurch ohne weiteres von den Kernen der umgebenden Rinden- zellen ab (Fig. 16mz). Er liegt zentral und ist stets rundlich oder längsoval, nie gelappt. Auch an ihm sind zwei Typen zu unterscheiden; in einem Falle sind die Kerne gross und lang- gestreckt und zeigen nur feine Chromatinbröckel, die mehr über den ganzen Kern gleichmässig verteilt sind (Fig. 10°, 16 mz«); im anderen Fall ist der Kern mehr rund und die chromatische Substanz sitzt in Form grober keilförmiger Schollen der Kern- membran an, so dass oft die typische Struktur des „Radkernes“ erscheint (Fig. 16 mzı-2). Mitosen haben wir niemals in diesen Zellen feststellen können. Über die Natur dieser Thymuselemente kann gleichfalls kein Zweifel bestehen. Alle ihre charakteristischen Merkmale weisen darauf hin, dass wir es hier mit Mastzellen zu tun haben, wie sie im Bindegewebe des Menschen vorkommen und zwar nicht nur mit fertig ausgebildeten Zellen, sondern auch mit solchen, die erst in der Bildung begriffen sind. 332 Paul Weill: d) Plasmazellen. Einen weiteren Befund in der Thymusrinde stellen Elemente dar, die durch die besonders starke Basophilie ihres Protoplasmas ausgezeichnet sind. Sie finden sich sehr häufig in der Rinde zerstreut und bilden oft grössere Herde. In ihrer typischen Aus- bildung stellen sie ziemlich grosse Zellen dar mit reichlichem Protoplasma, das.sich nach Pappenheimscher Methylgrün- Pyronin-Färbung intensiv färbt und verschwommen granuliert erscheint. Neben dem Kern ist sehr oft noch ein heller Fleck, eine „Vakuole“, vorhanden. Die Kerne dieser Elemente zeigen fast durchgehend die „Radkernstruktur“ mit oft kleineren, oft grösseren Abweichungen. Es ist wohl nicht zweifelhaft, dass diese Zellformen in ihrer typischen Ausbildung mit ihrem stark basophilen Plasma, dem Radkern und der „Vakuole“ neben dem Kern nichts anderes als Plasmazellen sind, deren Vorkommen in der Thymus schon von Schaffer (08), Barbano u. a. beschrieben ist. Dass zwischen den Plasmazellen und Mastzellen engere Be- ziehungen bestehen, ist schon länger behauptet, besonders aber von Downey erwiesen worden. Auch in der menschlichen Thymus finden sich unzweideutige Belege hierfür. Man findet nämlich nicht selten mitten in den Rindenzellen plasmareiche Formen (Fig. 15a), die ein stark basophiles Plasma besitzen, in dem auch die sog. „Vakuole* nicht fehlt, die aber in ihrem Zelleib mehr oder weniger zahlreich deutliche basophile Granula enthalten, also als „Plasmamastzellen“ zu bezeichnen sind. e) Rindenzellen. Die eigentlichen „Rindenzellen“ der Thymus sind kleine runde Elemente mit einem sehr grossen Kern und einem nur schmalen Plasmasaum. In den Fig. 9, 11—16 sind sie überall mit zur Darstellung gebracht. Der Kern ist zentral gelegen, entweder rund oder mehr oval und färbt sich in der Regel mit Kernfarbstoffen im ganzen ziemlich dunkel; das Chromatin bildet grobe Schollen, die eine ausgesprochene Neigung haben, sich an der Kernmembran fest- zusetzen, so dass oft deutliche „Radkernstrukturen“ entstehen (ei..Kıe 9rz, 10672) Über die Bildung von Leukozyten etc. 2338 Im Gegensatz dazu stehen die grösseren Rindenzellen, die an Zahl den kleineren nachstehen, aber in allen Fällen unter diesen zerstreut angetroffen werden; sie sind besonders in den Fig. 12, 15 und 16 wiedergegeben. Ihr Kern ist gross, meist von kugeliger Form und erscheint infolge seines verhältnismässig geringen Gehaltes an chromatischer Substanz ziemlich hell gefärbt; das CUhromatin ist in feiner Form über den ganzen Kern verteilt (ef. Fig. 15 rzg, 16 rzg). Zwischen den gross- und kleinkernigen Formen finden sich alle Übergänge und zwar sowohl in bezug auf die Grösse des Kernes wie auch auf das Verhalten des Uhromatins Ausser diesen Thymusrindenzellen mit ruhenden Kernen trifft man noch sehr häufig in allen untersuchten Thymen Zellen, die sich in Mitose befinden. Die Teilungsfiguren liegen vereinzelt innerhalb der Rinde und sind in dieser ziemlich regelmässig ver- teilt, alle Stadien der Karyokinese sind nachweisbar. Nach der jeweiligen Menge des Protoplasmas und der Grösse desselben im ganzen gehören sie sowohl den kleinen wie den grossen Formen der Rindenzellen an. Was nun die Natur der Thymusrindenzellen angeht, so stimmen sie in allen ihren morphologischen Merkmalen auch beim Menschen vollständig mit den Iymphoiden Elementen des Iymphozytären Gewebes überein, so dass wir, ebenso wie wir oben schon für die Ratte hervorgehoben haben, auch in den tindenzellen des Menschen typische Lymphozyten sehen müssen. Wir werden auf diese Frage noch eingehender zurück- kommen. Kritische Erörterung unserer Befunde. Die hier mitgeteilten Resultate unserer Untersuchungen an menschlichem Material stützen und ergänzen die Ergebnisse, zu denen wir bei der Untersuchung der Rattenthymus gekommen sind. in allen Punkten; sowohl bei der Ratte wie beim Menschen finden sich in der Thymus granulierte Leukozyten bezw. die ihnen entsprechenden Blutelemente, sowie Iymphozytäre und deren Umbildungsformen. Was nun zunächst die eosinophilen Zellen angeht, die von vielen Autoren für besondere granulierte Thymuszellen ge- halten oder ihrer Natur nach wenigstens von manchen für zweifel- 334 Paul Weill: haft erklärt wurden, so konnten wir nachweisen, dass es sich hierbei um typische eosinophile Leukozyten handelt, als die sie auch Schridde (l1la, b) ohne Bedenken gedeutet hat. Hierfür sprechen abgesehen von dem völlig übereinstimmenden Habitus der Granula und ihrem Färbungscharakter vor allem die Kernformen: bei der Ratte der für die eosinophilen Leukozyten charakteristische unsegmentierte Ringkern, beim Menschen die Z/werchsackform. Ausser der sicheren Konstatierung dieser Identität konnten wir aber auch zeigen, dass die eosinophilen Leukozyten in der Thymus selbst gebildet werden. Auf diese Tatsache haben schon frühere Autoren, besonders Schaffer (91, 93), dann auch Mietens (08, 10) und Marcus (07, 08) aufmerksam gemacht; nur hielten sie die eosinophil granulierten Elemente für besondere Thymuszellen. Zugunsten eines autochthonen Entstehens innerhalb des Thymusgewebes sprechen zwei Tatsachen, nämlich einmal das Vorkommen typischer „mononukleärer“ Formen, der sog. Myelo- zyten, und zweitens der Nachweis mitotischer Teilungsfiguren in den eosinophil granulierten Elementen. Stellt man sich auf den Standpunkt Ehrlichs und seiner Anhänger, dass nur das Knochenmark die Bildungsstätte der eosinophilen Leukozyten sei, wo sie durch Kernumformung aus den ausschliesslich auf das Mark beschränkten eosinophilen Myelozyten hervorgingen und zu den gelapptkernigen Formen des strömenden Blutes würden, so genügt schon der Nachweis, dass mononukleäre Formen in der Thymus vorkommen, um die Unmöglichkeit der Einwanderung aus dem Knochenmark darzutun. Schridde (lla) leugnet dem- gemäss auch, dass im ausserembryonalen Leben solche Elemente in der Thymus sich fänden; die eosinophilen Leukozyten be- ständen hier „durchweg“ aus gelapptkernigen Formen. Dem- gegenüber hat schon Barbano, der allerdings in der Deutung der Natur der granulierten Zellen nicht ganz frei von Wider- sprüchen ist, indem er sie bald für Leukozyten, bald für be- sondere Thymuselemente erklärt, darauf aufmerksam gemacht, dass die einkernigen Formen weitaus überwiegen. Auch Hart, der sich in neuerer Zeit eingehender mit dieser Frage beschäftigte, betont, „dass die an Myelozyten erinnernden einkernigen Elemente doch etwas häufiger vorzukommen scheinen, als Schridde an- nimmt“. Demgegenüber ist es belanglos, dass dieser Autor ihre Über die Bildung von Leukozyten etc. 335 Anwesenheit in der Thymus dadurch zu deuten sucht, dass er — allerdings ohne irgend einen Beweis hierfür zu erbringen — an eine „Ausschwemmung der ein- und rundkernigen Eosinophilen aus dem Knochenmark“ glaubt und dabei offenbar übersieht, dass doch nach der Ehrlichschen Lehre das Vorkommen ein- oder rundkerniger Eosinophiler in der Zirkulation unter normalen Um- ständen und im extraembryonalen Leben strikte geleugenet wird. Nach unseren Untersuchungen unterliegt es keinem Zweifel, und die hier wiedergegebenen Abbildungen bilden einen einwand- freien Beleg hierfür, dass die „mononukleären“ eosinophilen Leukozyten sowohl in der Thymus der Ratte, als auch in der des normalen erwachsenen Menschen (cf. Fig. 1, 2, 3, 9, 105) ein ausserordentlich häufiger Befund sind; in jedem Herd werden sie in Menge angetroffen und an manchen Stellen über- wiegen sie an Zahl beträchtlich über die gelapptkernigen Formen. Wir haben an einer Reihe von Schnitten durch die Thymus ver- schiedener Individuen Zählungen vorgenommen, die ergeben haben, dass die typischen mononukleären Elemente oft weit mehr als die Hälfte sämtlicher eosinophiler Leukozyten ausmachen (Fig. 9), wenn auch an anderen Stellen ihr Prozentsatz wieder geringer sein kann; jedoch müssen wir betonen, dass wir sie niemals voll- ständig vermissten und dass auch noch beim 37 jährigen Menschen ihre Zahl im Durchschnitte mindestens 35°/o betrug. Dass die Ein- bezw. Rundkernigkeit dieser Elemente nur vorgetäuscht sein könnte und dass es sich dabei vielmehr um angeschnittene Zellen oder degenerierende und zusammengeflossene Kerne handle, Ein- wände, wie sie gelegentlich vorgebracht werden, bedarf nach den wiedergegebenen Abbildungen wohl keiner besonderen Wider- legung. Aber abgesehen hiervon wird die autochthone Ent- stehung der eosinophilen Leukozyten in der Thymus mit absoluter Bestimmtheit durch den Nachweis ihrer mitotischen Teilung erbracht. Bei der Ratte sind die Mitosen ein verhältnismässig häufiger Befund (cf. Fig. 1, 2, 4m) und finden sich ebensowohl bei jüngeren wie bei älteren aus- gewachsenen Tieren; beim Menschen werden die Kernteilungs- figuren seltener angetroffen. kommen aber noch beim 37 jährigen Individuum (Fig. 11) vor — ältere Thymen standen uns bis jetzt in geeignetem Fixationszustande leider nicht zur Verfügung. Wir 336 Paul Weill: sind also zu dem Schlusse berechtigt, dass die eosinophilen Leuko- zyten jedenfalls auf dem Wege mitotischer Teilung aus den in der Thymus vorhandenen mononukleären Elementen hervorgehen. Woher diese letzteren wieder ihren Ursprung nehmen, ist eine Frage, die weiter unten im Zusammenhang erörtert werden soll. War, wie aus der Literaturübersicht hervorgeht, das Auf- treten eosinophil granulierter Elemente in der normalen Thymus schon lange bekannt, so muss es um so mehr verwundern, dass das Vorkommen neutrophil granulierter Leukozyten, bezw. der sogenannten Spezialleukozyten, fast so gut wie ganz — nur Ghika erwähnt sie als pathologische Erscheinung beim Menschen und Maximow (09) bei Rattenembryonen — unbekannt geblieben ist. Und doch stellen sie, speziell beim erwachsenen Menschen (von 15—37 jährigen von uns konstatiert) einen regel- mässigen und unter Umständen sehr häufigen Befund dar. Dass es sich bei diesen Formen wirklich auch um jene Blut- elemente handelt, folgt aus dem morphologischen Verhalten der Granula und ihrer Farbenaffinität, bezw. aus ihren charakteristi- schen Kernformen ohne weiteres (Fig. 6, 12). Was aber diesen Befunden ihre besondere Bedeutung verleiht, ist die Tatsache, dass ebenso wie bei den eosinophilgranulierten Elementen die typischen ein- oder rundkernigen, „nononukleären“ Formen, die sogenannten Myelozyten, einen ausserordentlich hohen Prozentsatz darstellen, ja in manchen Herden findet man überhaupt keine oder nur sehr vereinzelt gelapptkernige Formen (Fig. 15). Dass es sich auch hier nicht etwa um ange- schnittene oder degenerierende Elemente handelt, lehrt ein Blick auf unsere Abbildungen (Fig. 10 ı,2; 12;15) so deutlich, dass wir uns eine besondere Beweisführung ersparen können. Damit wird aber auch für diese Zellen der unumstössliche Beweis er- bracht, dass sie nicht ausden Blutgefässen indie Thymus eingewandert sein können — denn nach der Ehrlichschen Lehre kommen unter normalen Verhältnissen im extrauterinen Leben im strömenden Blut ausschliesslich gelapptkernige, „poly- morphkernige“ Leukozyten dieser Art vor —, sondern in der Thymus selbst entstanden sein müssen. Diese Annahme wird dadurch zur Gewissheit, dass auch in diesen Elementen Mitosen ohne Rücksicht auf das Alter der Individuen angetroffen werden und zwar sehr viel häufiger als bei den eosinophilen Leukozyten Über die Bildung von Leukozyten ete. 337 (Fig. 12 m; 14); freilich liess sich, wie schon oben bei der Befund- beschreibung hervorgehoben wurde, der sichere Nachweis der Kernteilungsfiguren in diesem Falle nur für den Menschen er- bringen: denn bei der Ratte entbehren die Spezialleukozyten der Granula — wenigstens bei den von uns angewandten Fixations- und Färbungsmethoden —, so dass die Identifizierung der sich teilenden Zellen hier auf Schwierigkeiten stösst. Wir dürfen also jedenfalls soviel sagen, dass beim Menschen die neutro- philen Leukozyten in der Thymus selbst aus den vorhandenen „mononukleären“ Elementen auf dem Wege der mitotischen Teilung hervorgehen. Auch hier wird noch später zu untersuchen sein, woher wieder diese Ausgangs- formen ihren Ursprung nehmen. Die Mastzellen stellen nach unseren Befunden gleichfalls bei Ratte und Mensch einen konstanten Zellbestandteil der Thymus dar. Bei der Ratte gelang es uns allerdings nicht, sie trotz des Reichtums an diesen Elementen im Thymusgewebe selbst nachzuweisen; sie scheinen sich vielmehr bei diesem Tier ausschliesslich in ihrem Vorkommen auf das interlobuläre Binde- gewebe zu beschränken. Dagegen findet man sie beim Menschen im Rindengebiet mitten unter den Thymuszellen (Fig. 15, 16). Da die eigentlichen Mastzellen im strömenden Blute fehlen und die Formen des Bindegewebes durchweg ungelappte Kerne be- sitzen, so versagt hier das für den Nachweis ihrer Entstehung bei den anderen granulierten Elementen angewandte Kriterium der Kernform. Trotzdem lässt sich auch für diese basophil ge- körnten Zellen zeigen, dass sie an Ort und Stelle gebildet werden. Dafür spricht einmal, dass die mit Granula voll- gepfropften Formen im Bindegewebe angetroffen werden, während die mit spärlichen Körnern, also die eben in der Ausarbeitung ihrer charakteristischen Plasmabestandteile befindlichen Zellen (Fig. 16), in der Rinde selbst liegen; dafür spricht ferner der Umstand, dass man nicht selten solche Elemente findet (Fig. 15), die nur zum Theil Granula enthalten, während der Rest ihres Plasmaleibes und auch ihr Kern den Charakter typischer Plasma- zellen aufweist. Da Mitosen niemals angetroffen wurden, so müssen die Mastzellen im vorliegenden Falle direkt aus ungranulierten Formen hervorgehen; die Natur dieser Ursprungselemente soll später ihre Erörterung finden. Hier sei vorerst nur noch soviel Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt. I. 22 338 Paul Weill: hervorgehoben, dass wir Downeys Befund über die Entstehung der Mastzellen aus Plasmazellen in Katzen-Lymphdrüsen für die menschliche Thymus durchaus bestätigen können. Für die Annahme Barbanos, dass die Zellen mit baso- philen Granula aus umgewandelten Eosinophilen durch Änderung des Färbungscharakters der Granula hervorgehen, fanden wir keinerlei Anhaltspunkt; auch konnten wir aus der Beschreibung dieses Autors nicht bestimmt entnehmen, ob er mit den von ihm geschilderten basophil granulierten Elementen die in der Thymus stets vorkommenden Mastzellen meint, wofür seine Ab- bildungen zu sprechen scheinen, oder nicht. Die Anwesenheit von Plasmazellen in der Thymus konnten wir gleichfalls bestätigen und zwar sowohl für die Thymus der Ratte wie für die des Menschen. Es handelt sich hierbei nicht nur um die bekannten Formen des Marschalkoschen Typus, sondern auch um solche Elemente, die in ihrem Kerncharakter sich den verschiedenen Formen der Lymphozyten des Iymphoiden (sewebes nähern und die nach Weidenreich (09) wegen ihrer Plasmabeschaffenheit alle den Plasmazellen zuzurechnen sind (Fig. 5). Dass es sich hierbei wirklich um echte Plasmazellen handelt, ist nach der oben gegebenen ausführlichen Beschreibung nicht im geringsten zweifelhaft: es erscheint uns darum völlig unverständlich, wie Hart die „angeblich“ beschriebenen Plasma- zellen der Thymus für „epitheliale Retikulumzellen“ erklären kann. Dass die Plasmazelleninder Thymus selbstentstehen, geht daraus hervor, dass man alle nur möglichen Übergänge zwischen ihnen und solchen Zellen findet, die ihren sonstigen morphologischen Charakteren nach als gewöhnliche Lymphozyten aufgefasst werden müssen (cf. Fig. 5 und 8), eine Tatsache, die auch schon von Schaffer (05) festgestellt und in gleichem Sinne gedeutet wurde. Mitotische Teilungen der Plasmazellen konnten wir hier dagegen niemals nachweisen. Bevor wir nun die Beziehungen der granulierten Thymus- elemente und der Plasmazellen zu den eigentlichen Zellformen der Rinde erörtern, müssen wir auf die Frage nach der Natur der Rindenzellen näher eingehen. Dabei kann die rein genetische Frage nach ihrer Herkunft und ihrem ersten Auftreten in der Thymus ausser Betracht bleiben. Da wir uns im wesentlichen wenigstens nur auf das Studium der Verhält- Über die Bildung von Leukozyten ete. 339 nisse des erwachsenen Organismus beschränkten, vermögen wir zu diesem Problem auf Grund eigener Beobachtungen keine Stellung zu nehmen. Wir haben bereits oben bei der Befund- beschreibung eine eingehende Schilderung des morphologischen Charakters der Rindenzellen gegeben und dabei die Aufmerksam- keit auf die bisher nur wenig beachtete Tatsache gelenkt, dass man in Wirklichkeit zwei Typen unterscheiden könne, eine kleinere und eine erössere Zellform, die sich im Volumen und der Struktur des Kernes voneinander — wenigstens in ihrer typischen Ausbildung — unterscheiden, aber gleichwohl durch kontinuierliche Übergänge verbunden sind. Beide Typen stimmen in allen ihren Merkmalen vollständig mit den gewöhn- lichen Lymphozytenformen des Iymphoiden Gewebes überein, so dass wir unbedingt auf die Seite der Autoren treten, die in diesen Rindenzellen nichts anderes als echte Lymphozyten sehen, mit denen sie nach den Untersuchungen Hammars und seiner Schüler auch in ihrem biologischen Ver- halten durchaus übereinstimmen. Besonders möchten wir auf Grund unserer Untersuchungen zugunsten einer derartigen Identifizierung noch anführen, dass die gleiche Formenreihe, wie sie sich in Gestalt der kleineren, mittleren und grossen Lympho- zyten im Iymphoiden Gewebe findet, auch in der 'Thymusrinde angetroffen wird und dass ebenso wie bei jenen eine Abschnürung kleinster peripherer basophiler Protoplasmateile zu konstatieren ist (Fig. 5). Irgendwelche morphologischen Merkmale, die gegen eine derartige Identität sprechen, konnten von uns nicht gesehen werden und sind auch in neuerer Zeit nicht bekannt geworden. Der einzige angebliche Unterschied, der von Schridde (11b) hervorgehoben wird und in dem Fehlen der Alitmann- Schriddeschen Granula in den Rindenzellen im Gegensatz zu ihrer Anwesenheit in den Lymphozyten bestehen soll, ist schon durch den inzwischen von den verschiedensten Seiten geführten ein- wandfreien Nachweis hinfällig geworden, dass diese Granulationen den Charakter von Mitochondrien haben und, wie schon Schaffer (10) und Hammar (07) betonten, eine Bedeutung im Sinne einer Artdiagnostik überhaupt nicht beanspruchen können ; mit dem neuer- dings durch Pappenheimer geführten Nachweis, dass die Körne- lung entgegen Schriddes Angaben auch in den kleinen Thymus- zellen vorkommt, ist jener Einwand vollends hinfällig geworden. 22* 340 Paul Weill: Von den Autoren, die den Iymphoiden Charakter der Thymus- rindenzellen in Abrede stellen, wird meistens auch darauf hin- gewiesen, dass die Thymusrinde nicht nach Art eines Iymphoiden Gewebes gebaut sei, dass ihr Keimzentren und vor allem auch Lymphgefässe fehlten, Einwände, die besonders Schridde (11b) hervorhebt. Was zunächst die Keimzentren an- geht, so ist richtig, dass die Rinde niemals derartige Bildungen zeigt, allein sie entbehrt darum, wie in der Befundbeschreibung eingehend erörtert wurde, keineswegs der teilungsreifen grösseren Formen (cf. Fig. 3, 5, 6, 13 rzg) und Mitosen sind in allen Fällen ein recht häufiger Befund. Wie schon Weidenreich (09) aus- führte, sind aber die Keimzentren durchaus keine charakteristische Besonderheit des Iymphoiden Gewebes. wo sie nur bei sehr leb- hafter Zellproliferation und an bestimmten Örtlichkeiten vor- kommen, aber ebenso häufig vermisst werden; speziell in den normalen Iymphoiden Infiltrationen des Bindegewebes, wie z. B. im Netz, werden sie kaum angetroffen. Die Keimzentren sind also Differenzierungen einer bestimmten Gewebsformation, sagen aber über den Zellcharakter selbst nichts aus. Ihr Fehlen beweist höchstens, dass die Thymus nicht nach dem Typus der Lymph- drüsen gebaut ist, was durchaus nicht bestritten wird. Die Frage nach den Lymphgefässen der Thymus ist schon oft Gegenstand der Erörterung gewesen; wenn in der Tat in der Thymus Iymphozytäre Elemente produziert werden, so müsste bei der Grösse des Organs namentlich im Zustande voller Aktivität eine starke Ausfuhr dieser Zellen erwartet werden, die auf dem Wege der wegführenden Lymphbahnen die Thymus ver- lassen. Nun bestreitet Schridde (11b), dass die Thymus über- haupt derartige Lymphegefässe besitze. Dem stehen zunächst die Angaben Hammars, Maximows (09) und Schaffers (Schaffer und Rabl) entgegen, die bei Säugern an Schnitt- präparaten die Existenz von Lymphgefässen nachweisen konnten; auch Stöhr (06) beschreibt solche Bahnen in der Amphibien- thymus. Beim Menschen haben Matsunaga und Severeanu mit Hilfe des Injektionsverfahrens das Vorkommen von Lymph- gefässen sichergestellt; allein die von dem ersteren Autor be- schriebenen Lymphwege des eigentlichen Thymusparenchyms sind nach seinen eigenen Angaben so enge Spalten, dass er sie nicht als Abfuhrwege für Lymphzellen anzusprechen wagt, und Severeanu Über die Bildung von Leukozyten etc. 341 hat eine genauere mikroskopische Untersuchung nicht vorgenommen. Wir haben nun, um diese Frage zu klären, eine grosse Anzahl von Serienschnitten der menschlichen Thymus durchmustert und konnten zunächst feststellen, dass weitere undengere Lymph- gefässe im interlobulären Bindegewebe der Thymus neben den Blutgefässen verlaufen und meist strotzend mit typischen Lymphozyten angefüllt sind. Wir geben in Fig. 17 ein derartiges Bild wieder; zwischen zwei Läppchen, deren äusserste Rindenzone (rz) dargestellt ist, findet sich ein breiter Zug interlobulären Bindegewebes, in dem eine weite Vene (v) verläuft, die einzelne rote Blutkörperchen und geronnenes Plasma enthält; in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ist im Schrägschnitt ein gleichfalls ziemlich weites (Grefäss (lg) mit einfacher endothe- lialer Auskleidung getroffen, das mit Lymphozyten voll gefüllt ist; über seine Lymphgefässnatur kann ein Zweifel nicht bestehen. Wie die Verfolgung durch die Schnittserie zeigte, enthält es nirgends rote Blutkörperchen, nur ab und zu finden sich ver- einzelte eosinophille Leukozyten mit Zwerchsack-Kernen. Damit ist erwiesen, dass diemenschlicheThymusLymphgefässe besitzt, die Lymphzellen enthalten. Nicht ganz so ein- fach ist die Frage, in welcher Beziehung diese Lymphgefässe zum Rindengebiet aer Ihymus stehen: an uninjizierten Präparaten — leider standen uns bisher nur solche zur Verfügung — lassen sich die immer enger werdenden und sich verteilenden Lymph- bahnen bis unmittelbar an die Oberfläche der Rinde verfolgen: aber ein direktes Eintreten in das Gewebe haben wir nicht mit Sicherheit beobachten können. Trotzdem halten wir für gewiss, dass diese hÄymphgefässe als Abfuhrwege der Rinden- elemente funktionieren. Ihr Inhalt stimmt nämlich so voll- ständig mit den Rindenzellen überein (ef. Fig. 17), dass man sehr oft im Zweifel ist, ob man nun wirklich ein Gefäss oder einen Tangentialschnitt durch die Rindenzone eines angrenzenden Läppchens vor sich hat, ein Zweifel, der bei Verfolgung der Schnittserie natürlich sofort behoben wird. Ausserdem ist zu beachten, dass das interlobuläre Gewebe, in dem jene Bahnen verlaufen, stellenweise so von kleinen Zellen infiltriert ist, dass eine Abgrenzung nach der Rindenzone zur Unmöglichkeit wird. Noch auf einen Punkt sei die Aufmerksamkeit gelenkt! Wir wissen, dass es Iymphoid funktionierende Organe gibt, die der 342 Paul Weill: abführenden Lymphgefässe entbehren; so ist es bei der mensch- lichen Milz, bei der die Vene die in ihr produzierten Leukozyten der allgemeinen Blutzirkulation zuführt. Es scheint nun manches dafür zu sprechen, dass auch in der Thymus die Venen eine ähnliche Funktion besitzen und dass die Thymusrindenzellen, d. h. die Lymphozyten, in die Blutkapillaren einwandern und von da durch die Venen weiter befördert werden. Da wir keine Injektionspräparate hatten, konnten wir hierüber zu einer sicheren Entscheidung nicht gelangen, halten aber den geschilderten Modus für sehr wahrscheinlich. Alle die bisher entwickelten Gründe veranlassen uns, die Rindenzellen für echte Lymphozyten zu halten. Dazu kommen aber noch weitere wesentliche Moznente. Schon Schaffer (08) hat darauf hingewiesen, dass das Vor- kommen von typischen Plasmazellen in der Thymus und der Nachweis ihrer Entstehung an Ort und Stelle aus gewöhnlichen Rindenelementen ihn veranlassen, in diesen Zellen ohne Rücksicht auf ihre allenfallsige Genese echte Lymphozyten zu sehen. Wir haben schon oben hervorgehoben, dass wir Schaffers Befunde vollständig zu bestätigen in der Lage sind: es lässt sich in der Tat unschwer zeigen, dass zwischen den Plasmazellen und den tindenzellen sowohl in bezug auf das Plasma wie auf Kernform und Kernstruktur alle Übergänge existieren (ef. Fig. 8); speziell die Radkernstruktur ist eine Eigentümlichkeit, die bei den Rindenzellen weit verbreitet ist (ef. Befundbeschreibung). Aber diese Möglichkeit der Weiterdifferenzierung der Rindenzellen ist nicht nur in der Richtung der Plasmazellen gegeben, sondern erstreckt sich auch, wie wir zeigen werden, auf alle oben beschriebenen granulierten Zellformen, die in der Thymus vorkommen. Wir haben schon auf die nahen Beziehungen der Plasmazellen zu den Mastzellen hingewiesen und gezeigt, dass in Elementen vom Plasmazellen- typus basophile Granula auftreten Solche Formen liegen stets ganz vereinzelt mitten in der T’'hymusrinde von gewöhnlichen Rindenzellen allseitig umgeben (Fig. 15 a, b); man sieht dabei, wie einzelne tindenzellen (Fig. 15b rechte Hälfte) bei Beibehaltung ihrer Kernform und Kernstruktur ihren Plasmasaum vergrössern, wie die Basophilie Hand in Hand damit zunimmt und schliesslich Granula auftreten; der Kern kann dabei (Fig. 15) seine Struktur Über die Bildung von Leukozyten ete. 343 so vollständig erhalten, dass er sich in nichts von dem der Nachbarzellen unterscheidet. Auch bei der direkten Mastzellen- bildung ist das Verhalten der Kerne besonders bemerkenswert (Fig. 16 mz), abgesehen von dem metachromatischen Charakter, der mit der Ausarbeitung der Granula auftritt, zeigt er in Grösse. Form und Chromatinstruktur eine so auffallende Übereinstimmung mit den Kernen der Nachbarzellen (cf. Fig. 16 mz mit den übrigen wiedergegebenen Kernen), dass ein Zweifel über die Artgleichheit und die Genese nicht bestehen kann. Dabei ist bemerkenswert, dass auch die grösseren Kernformen der Thymusrindenzellen ihr Analogon in den Mastzellenkernen finden (Fig. 10°). Doch auch für die eosinophilen und neutrophilen Leukozyten bezw. Spezialleukozyten lässt sich der Nachweis erbringen, dass sie in der Thymusrinde aus ungranu- lierten Elementen hervorgehen und dass ihre Mutter- formen die Rindenzellen selbst sind. Es wurde wiederholt bei der Befundbeschreibung hervorgehoben, dass überall mono- nukleäre Formen, also „Myelozyten“., angetroffen werden und dass man den Kernen nach zwei Typen von solchen unterscheiden könne, nämlich grosskernige und kleinkernige. Er lässt sich nun zeigen, dass diese beiden Typen durchaus den geschilderten extremen Typen der Rindenzellen entsprechen. In Fig. 3 sind zwei eosinophile Myelozyten (emy) wiedergegeben, die dem grosskernigen Typus angehören und von kleinen Rindenzellen umgeben sind. Daneben aber finden sich grosse Elemente (rzg). die in ihrem ganzen Habitus, speziell in dem des Kernes, sich in nichts von jenen Myelozyten unterscheiden, nur dass sie eben der Granula entbehren. In Fig. 1 (Ratte) sind eine ganze Anzahl der grösseren hindenzellen mitgezeichnet (rzg', die sich von den dunkleren kleineren (rz) sehr deutlich abheben und im Aussehen ihres Kernes mit dem der Myelozyten (emyı) vollständig über- einstimmen Fig. 9 stellt die gleichen Verhältnisse aus der mensch- lichen Thymus dar; im Gebiet der wiedergegebenen Stelle ist besonders charakteristisch die vollkommene Identität zwischen den kleinen Rindenzellen, d. h. ihrem Kernhabitus (rzı) und den Kernen der eosinophilen Myelozyten (emyı), die hier den kleinen dunklen Typus zeigen. Wir glauben, dass die hier reproduzierten Abbildungen, die sich leicht hätten vermehren lassen, genügen, um diesen Übergang zwischen den Thymusrindenzellen und den 344 Paul Weill: eosinophilen Mvelozyten zu demonstrieren. Es wurde schon oben hervorgehoben, dass auch andere Autoren, so besonders Marcus, Schaffer und Mietens, die eosinophilen Elemente wie die Plasmazellen direkt von den Thymuszellen ableiten; wir befinden uns also hierbei in völliger Übereinstimmung mit diesen Autoren. Mietens und Schaffer geben auch an, dass die eosinophilen Granula auf dem Wege der Phagozytose von den Rindenzellen aufgenommen werden; wir wollen hier auf diese Frage nicht näher eingehen, weil sie ausserhalb des Rahmens unserer Erörterung liegt. Jedenfalls sprechen jene Angaben völlig zugunsten der von uns vertretenen Auffassung. Was für die eosinophilen Elemente gilt, gilt aber auch in dem gleichen Umfang für die neutrophilen. Auch hier lassen sich beim Menschen alle Übergänge zwischen den Mye- lozytenformen und den Rindenzellen unschwer nachweisen. In der von uns wiedergegebenen Fig. 13 sind einige dieser letzteren zur Darstellung gebracht; die Rindenzelle rzgı hat durchaus denselben Kerncharakter wie der Myelozyt smy> und die Rindenzelle rz wie die Myelozyten smys und smy«a. Vielleicht noch deutlicher und überzeugender sind die Verhältnisse bei der Ratte; in Fig. 7 ist eine Gruppe von Myelozyten der Spezialleuko- zyten smyı (siehe oben Befundbeschreibung) wiedergegeben, die einerseits Übergänge zu den Formen (smye-+) mit ausgesprochenen Lochkernen zeigen, andererseits zu den grösseren Rindenzellen(rzg): die letztere weist genau denselben Kernhabitus auf wie die Zelle smyı, bei der eben die charakteristische Lochkernbildung einsetzt, die zu den Formen smyz überleitet. Auch in der Fig. 6 springt die grosse Übereinstimmung zwischen den Kernen der Myelozyten- typen smyı-> und der der gr’ossen Rindenzellen rzg in die Augen. Auf Grund all dieser Befunde kommen wir demnach zu dem Resultat, dass nieht nur die Plasmazellen aus den Thymusrindenzellenhervorgehen, sondern auch die granulierten Leukozytenformen: die eosinophilen, neutro- philen bezw. Spezial-Leukozyten und die Mastzellen, von denen die beiden ersteren nach ihrer granulären Differenzierung sich durch mitotische Teilung innerhalb der Thymus weiter vermehren. Diese Tatsachen gewähren nun aber wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung sowohl des Leukozyten- wie auch des Thymus- problems, zwei Fragen, auf die wir noch näher einzugehen haben. Über die Bildung von Leukozyten etc. 345 Die lokale Entstehung der granulierten Leukozyten. Nach der von Ehrlich und seinen Anhängern vertretenen Auffassung, die unter den neueren Autoren namentlich in Naegeli und Schridde ihre Verteidiger findet, entstehen die granulierten Leukozyten — beim Menschen also besonders die eosinophilen und neutrophilen — unter normalen Verhältnissen und im post- fetalen Leben, ausschliesslich im Knochenmark. wo sie einerseits durch mitotische Teilung aus den dort stets vorhandenen sogenannten mononukleären Formen, den Myelozyten, hervorgingen, andererseits ausbesonderen ungranulierten Knochenmarkselementen, den sogenannten Myeloblasten auf dem Wege einer granulären Differenzierung entstünden. In das zirkulierende Blut sollen nach dieser Annahme nur die gelapptkernigen („polymorphkernigen“ ) teilungsunfähigen Leukozyten gelangen, die sich noch innerhalb des Knochenmarks aus den Myelozyten durch Kernumformung bilden würden. Eine sogenannte lokale Entstehung der granulierten Blutelemente innerhalb eines anderen Organs wäre danach un- möglich; wo sich diese Formen ausserhalb der Zirkulation im Gewebe fänden, könnten sie nur durch Auswanderung aus den Blutgefässen dahin gelangt sein, ohne aber die Möglichkeit zur Produktion neuer Elemente zu besitzen. Dementsprechend leugnen die Anhänger dieser Theorie stets das normäle Vorkommen mononukleärer, d. h. teilungsfähiger Elemente sowohl in der Zirkulation wie im Gewebe und bemühen sich, wenn solche dort beschrieben werden, sie als Degenerationsformen gelapptkerniger Zellen hinzustellen oder als Zellstücke. bei denen die übrigen Teile mit den anderen Kernfragmenten durch das Mikrotommesser bis auf eines weegeschnitten worden seien, wodurch eine „mono- nukleäre“ Zelle vorgetäuscht würde. Vollständig in diesem Sinne deutet denn auch Schridde (11a) die eosinophilen Leukozyten der Thymus; nur im fetalen Leben sollen sich hier wie auch sonst Myelozyten finden, im erwachsenen Organismus dagegen „durchweg“ gelapptkernige Formen; da zudem eosinophile Elemente in den Blutgefässen und in der Gefässwand selbst nachweisbar seien, wären sie sicher von da in das Thymusgewebe eingewandert und also ursprünglich im Knochenmark gebildet. Dass Hart, wenn er auch Schridde gegenüber das Vorkommen mononukleärer Formen behauptet, sich doch in denselben Gedankengängen bewegt, wurde schon « 346 Paul Weill: oben hervorgehoben. Demgegenüber verweisen wir auf unsere eingehend geschilderten Befunde, die zeigen, dass im völlig aus- gewachsenen Organismus sowohl beim Tier (Ratte) wie beim Menschen in der Thymus mononukleäre, d.h. teilungs- fähige Leukozyten und zwar nicht nur eosinophile, sondern auch neutrophile (bezw. Spezialleukozyten) ein normales Vor- kommnis sind und dass sie nicht nur vereinzelt angetroffen werden, sondern in verhältnismässig grossen Herden auftreten (Fig. 1, 9, 13), so dass in einzelnen Schnitten weit über die Hälfte aller granulierten Leukozyten ihren Typus zeigen können. Dass es sich aber hierbei wirklich um teilungsfähige Formen handelt, die nicht nur morphologisch, sondern eben auch funktionell den entsprechenden Knochenmarkselementen gleichwertig sind, geht aus dem Befund typischer Mitosen in beiden Leuko- zytenarten (Fig. 1, 2, 11, 12, 14 m) in der einwandfreiesten Weise hervor. Diesen Tatsachen gegenüber versagen alle oben skizzierten Einwände; es stimmt eben nicht, wenn Schridde behauptet, dass nur gelapptkernige Formen in der Thymus angetroffen würden; und dass hier nicht von Degenerationsformen oder an- geschnittenen Zellen gesprochen werden kann, bedarf keiner besonderen Hervorhebung (cf. die typischen Myelozyten der Fig. 3, 10 und 15). Der Nachweis der mitotischen Teilung sichert den Beweis, dass diese granulierten Zellformen in der Thymus selbst entstehen, also autochthone Bildungen sind, und damit die Erkenntnis, dass diese Elemente auch ausserhalb des Knochenmarks gebildet werden können, also nicht durch (ie Blutgefässe von dort aus eingeschwemmt sein müssen. Wenn Schridde in der Thymus am fixierten Präparat eosinophile Leukozyten in der (Gefässwand sah, so folgt daraus natürlich keineswegs, dass es sich um eine Auswanderung in das um- liegende Gewebe handeln muss, da ja die Migration ebensogut in das Gefäss hinein gerichtet sein konnte. Nun ist ja bekannt und wird auch speziell von Schridde hervorgehoben, dass im fetalen Leben fast überall im Gewebe, also ausserhalb des Knochenmarks, Blutbildungszellen, d.h. auch Myelozyten, vorkommen, und man könnte versucht sein, unsere Befunde so zu deuten, dass es sich hier um jugendliche Individuen handelt, in denen sich dieses Bildungsgewebe erhalten hat. Für die Ratten sind wir nicht in der Lage, ein bestimmtes Alter zu Über die Bildung von Leukozyten ete. 347 nennen, aber wir nahmen zu unseren Untersuchungen absichtlich völlig ausgewachsene Tiere, darunter auch solche, die trächtig waren. Das menschliche Material stammt, wie angegeben, von 15-, 17-, 19- und 37 jährigen Individuen, es liess sich aber keines- wegs konstatieren, dass das Auftreten der Myelozytenherde oder der Mitosen dem Alter entsprechend abnimmt — die Mitosen in Fig. 11 und 14 sind der Thymus des 57 jährigen entnommen — aber selbst wenn dem so wäre, so würde damit für jene Be- weisführung nicht viel gewonnen sein, denn dann hätte sich eben herausgestellt, dass sich im postfetalen Leben das leukozyten- bildende Gewebe in der Thymus jedenfalls beim Menschen bis zu einem Alter von gegen 40 Jahren erhält, während es z. B. in dem Diaphysenmark der Röhrenknochen um diese Zeit schon längst geschwunden ist. Ein zweiter Einwand, der von den Gegnern der lokalen Entstehung zu erwarten sein dürfte und der auch bereits von Schridde Weidenreich gegenüber in der Diskussion zu seinem Vortrag (12) gemacht wurde, besteht darin. den nor- malen Charakter der vorliegenden Befunde und die Regelmässig- keit inres Vorkommens anzuzweifeln; es könnte sich um zufällige Befunde bei „anämischen“ oder sonst blutkranken Individuen handeln. Dass das für unser Tiermaterial nicht zutreffen kann, bedarf keiner besonderen Beweisführung. Aber auch für das menschliche Material sind diese Bedenken abzuweisen. Die beiden 19- bezw. 37 jährigen Hingerichteten waren zuvor von den Ge- fängnisärzten beobachtet worden, völlig gesund und sehr gut genährt: die Sektion ergab keinerlei Anhaltspunkte für irgend eine Erkrankung und ausserdem standen uns sämtliche Organe zur mikroskopischen Untersuchung zur Verfügung; in keinem — auch nicht in den speziellen Blutorganen — waren abnorme Ver- änderungen konstatierbar. Die beiden 15- und 17 jährigen Ver- unglückten wurden mitten in ihrer normalen Arbeitstätigkeit von einem gewaltsamen Tode betroffen, also auch hier keinerlei Voraus- setzung für eine Erkrankung des hämatopoietischen Apparates. Dass aber auch von zufälligen Befunden keine Rede sein kann, folgt — abgesehen davon, dass doch auch ein solcher Zufall sehr merkwürdig wäre aus der Tatsache, dass wir eben in allen menschlichen Thymen gesunder Individuen, die unmittelbar nach dem Tode zur Untersuchung gelangen konnten, Myelozyten und 348 Paul Weill: Mitosen auffanden, und dass wir bisher schon über vier Fälle ver- fügen; da ferner die Ratte sich hierin genau so verhält wie der Mensch, und nach den Angaben Schaffers auch bei dem Maulwurf die gleichen Verhältnisse vorzuliegen scheinen, kann es sich nur um eine allgemeine Erscheinung handeln und nicht um vereinzelte rätselhafte Zufallsbefunde. Eine zweite wesentliche Frage ist nun die nach der eigentlichen Herkunft der teilungsreifen Myelo- zytenformen. Steht man auf dem Standpunkt der Ehrlich- schen Lehre, dass im postfetalen Leben im zirkulierenden Blute nur fortpflanzungsunfäbige gelapptkernige Formen kreisen, während die Myelozyten ausschliesslich auf das Knochenmark beschränkt sind, so kann man jene Elemente der Thymus logischerweise auch nicht als „Ausschwemmungsprodukte“ des Knochenmarks ansehen, die sich im Gewebe der Thymus festgesetzt haben. Es bleiben dann nur die beiden Möglichkeiten: einmal, dass die Myelozyten aus der embryonalen Zeit her — und für diese Lebens- periode wird ja das Vorkommen von Myelozyten in der Thymus auch von Schridde (l1la) zugegeben — in der Thymus sich proliferationsfähig (wenigstens bis in das mittlere menschliche Lebensalter) erhalten, oder aber dass sie aus ungranulierten Formen sich dort selbständig entwickeln. Aber beide Eventualitäten wären eben unvereinbar mit der Lehre von der ausschliesslichen Bildung im Knochenmark. Dazu kommt aber noch ein bedeutungs- volles Moment. In den meisten Fällen, wo man unter normalen Verhältnissen die Bildung granulierter Leukozyten in Organen oder Geweben beobachtete, und stets im embryonalen Leben handelt es sich gleichzeitig um eine allgemeine Blutbildung, d.h. auch um eine Entstehung roter Blutkörperchen, was ja gerade für das Knochenmark und das sogenannte „myeloide“ Gewebe charakteristisch ist. In der Thymus dagegen gelang es nun in keinem der von uns untersuchten Fälle irgendwelche Anhaltspunkte für die gleichzeitige Bildung roter Blut- körperchen zu finden. Schaffer (93) will zwar früher an Ausstrichpräparaten kernhaltige rote Blutkörperchen in der Thymus nachgewiesen haben, aber an Schnitten — und das ist in diesem. Fall sicher die einwandfreiere Methode — sind sie bisher noch nicht beobachtet worden, und Hammar (U) bestreitet auch ihr Vorkommen ausdrücklich. Beim erwachsenen Menschen und Über die Bildung von Leukozyten ete. 349 ebenso bei der Ratte fehlen sie jedenfalls; da auch die charak- teristischen Riesenzellen des Knochenmarks vermisst werden und auch sonst der ewebscharakter der Thymus ein durchaus anderer ist als der des Markes, kann von einem angeschwemmten „myeloiden“ (sewebe ebensowenig die Rede sein, wie etwa von einem aus- schliesslichen isolierten Überbleibsel aus der Embryonalzeit. Wer den Standpunkt vertritt, dass die Myelozyten nur auf dem Wege mitotischer Teilung sich vermehren und nur einmal im embryonalen Leben differenziert werden, ist jedenfalls ge- zwungen, ein Kreisen dieser Elemente im Blutstrom anzunehmen. Dass das letztere im Gegensatz zu der Ehrlichschen Lehre der Fall ist, hat Weidenreich (O8b) auch für den Menschen gezeigt. Aber wenn dem so ist, haben die Myelozyten eben erst recht ubiquitären Charakter und sind also nicht auf das Knochen- mark beschränkt, und ebensowenig kann dann dieses (Gewebe der primäre Ursprungsherd sein, weil ja schon im embryonalen Leben der ubiquitäre Charakter herrscht und das Mark hier erst sekundär Sitz der Blutbildung wird. Von welcher Seite man also auch das Problem betrachten mag, man kommt immer wieder zu dem Ergebnis, dass es sich um eine autochthone, also lokale Entstehung in der Thymus handeln muss. Nun haben wir aber oben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Myelozyten sich nicht nur durch Teilung in der Thymus vermehren, sondern dass sie auch aus ungranu- lierten Elementen ihren Ursprung nehmen. Das würde in völligem Einklang stehen mit der auch von Naegeli und Schridde als richtig anerkannten und von Weidenreich, Pappenheim u. a. vertretenen Lehre, dass die granulierten Leukozyten während des ganzen Lebens hindurch aus ungranu- lierten Formen hervorgehen. Nur sehen Naegeli, Schridde u.a. in diesen granulafreien Mutterelementen spezifische Knochen- markszellen, die sie als „Myeloblasten“ bezeichnen, während sie nach Weidenreich, Maximow u.a. und zum Teil auch nach Pappenheim den Iymphozytären Formen des Iymphoiden Ge- webes morphologisch und funktionell gleichwertig sind. Überall in der Thymusrinde, wo Myelozyten auftreten, kommen, wie wir zeigten, auch solche granulafreien Formen vor, die in ihren morphologischen Merkmalen durchaus jenen Zellen des Knochen- marks entsprechen; wir verweisen hier nur auf die Fig. 3 rzg 350 Paul Weill: und !ärzg. Nach der Naegeli-Schriddeschen Nomenklatur wären diese Elemente als „Myeloblasten“ zu bezeichnen. Die gleiche Frage, die wir oben schon für die Herkunft der Myelo- zyten in der Thymus erörterten, gilt dann aber auch für diese Formen. Stellt man sich auf den Naegeli-Schriddeschen Standpunkt, so müssten sie als charakteristische und ausschliess- liche Bestandteile des „myeloiden“ Gewebes unter normalen Ver- hältnissen gleichfalls auf das Knochenmark beschränkt bleiben, könnten also in der Thymus überhaupt nicht vorkommen. Wir verweisen demgegenüber auf unsere oben gegebene Erörterung. Erkennt man aber im Gegensatz hierzu auch dem rein Iymphoiden (Gewebe und seinen Zellen die Fähigkeit zu, unter gewissen Um- ständen sich zu granulierten Elementen zu differenzieren, dann macht bei dem anerkannten ubiquitären Charakter der ver- schiedenen Lymphozytentypen die Erklärung ihres Auftretens in der Thymus keinerlei Schwierigkeit. Wir haben bisher absichtlich nur von den eosinophilen und neutrophilen Elementen gesprochen und die Frage der Plasma- zellen und Mastzellen zunächst in diesem Zusammenhang un- berücksichtigt gelassen. Von beiden Zellarten aber konnten wir oben ausführlich nachweisen, dass sie in der Thymus selbst ihren Ursprung nehmen und zwar aus solchen Formen, die in ihrem morphologischen Gesamthabitus sich in nichts von den kleinen Thymuszellen unterscheiden. Indem diese Elemente ihre Proto- plasmamasse vergrössern, gehen sie entweder unter gleichzeitiger Umformung ihrer Kernstruktur in typische Plasmazellen über (Fig. 8), oder durch die Ausarbeitung basophiler Granula werden sie entweder direkt oder erst auf dem Umwege über den Plasma- zellentypus zu Mastzellen (Fig. 15, 16), Zusammenhänge, auf die Downey die Aufmerksamkeit richtete. Dass die Plasmazellen nun aber umgewandelte Lymphozyten sind, wird heute von nie- mand mehr bestritten, während allerdings über die Ableitung der Mastzellen noch keine einheitliche Auffassung sich durch- setzen konnte. Soviel aber steht fest und wird auch von den meisten Autoren anerkannt, dass die eigentlichen Mastzellen — basophil granulierte Elemente des Bindegewebes — nicht aus- schliesslich im Knochenmark entstehen, sondern „lokal“ aus Zellen von lymphozytärem Habitus. Es wurde schon oben darauf hin- gewiesen, dass Schaffer (08) die Tatsache, dass die kleinen Über die Bildung von Leukozyten etc. 351 Thymuszellen sich in Plasmazellen umwandeln, für ausschlag- sebend hält, um diese Thymuszellen für Lymphozyten zu er- klären — ohne Rücksicht auf ihre Genese. Wir schliessen uns hierin Schaffer vollständig an: die Thymusrindenzellen sind echte Lymphozyten, die zu Plasmazellen und nach unseren Unter- suchungen auch zu Mastzellen werden können. Dass die gleichen Formen auch die Fähigkeit besitzen, in der Thymus eosinophile und neutrophile Leukozyten zu bilden, wurde bereits eingehend erörtert. Es ist hier unnötig, alle die Beweise nochmals anzu- führen, die Weidenreich (11) für die Differenzierungsfähigkeit der echten Iymphozytären Elemente beigebracht und zusammen- gestellt hat. Nach Weidenreichs Auffassung sind gerade auch die sogenannten kleinen Formen, die „Lymphozyten“ der Ehrlich- schen Nomenklatur, imstande, durch Ausarbeitung bezw. Auf- nahme von Granulationen zu granulierten Leukozyten zu werden; diese Formen lassen dann noch im granulierten Zustande die typische Struktur und Grösse des Lymphozytenkernes erkennen; es sei hier nur auf die entsprechenden Abbildungen Weiden- reichs (11; Taf. A/B, Fig. 4h) verwiesen. Auch unsere Unter- suchungen bringen hierfür weitere Belege. Auf die Plasmazellen (Fig. 8) und Mastzellen (Fig. 15 und 16) sei hierbei nochmals auf- merksam gemacht ; bei einem Vergleich der Mastzellen in Fig. 15 und speziell in Fig. 16 mzı-s mit den umliegenden Thymus- rindenzellen, d.h. Lymphozyten, fällt die gleiche Grösse und Struktur der Kerne ohne weiteres auf. Aber auch bei den eosinophilen und neutrophilen Elementen zeigt sich die gleiche Erscheinung. Wir geben in Fig. 10 (1—5) einzelne Typen dieser Zellen wieder, die wir aufs Geradewohl aus den Zellherden herausgegriften haben; die Zelle 1 der Fig. 10 und ebenso die Zelle 3 zeigen in ihrem charakteristischen Kernhabitus die „kleine“ Lymphozytenform als Ausgangselement an, was übrigens auch noch in der Gesamtgrösse der Zelle zum Ausdruck kommt. Neben diesen kleinen Myelozytentypen, die von den kleinen Zellen der Thymusrinde ihren Ausgang nehmen, findet man aber ebenso häufig grosse Formen, die in der (Gesamtgrösse der Zelle, in der Grösse des Kernes und der mehr lockeren Anordnung ihres Chromatingerüstes an die typischen Myelozyten des Knochenmarks erinnern. Diese Elemente sind gleichfalls vielfach in den Übersichtsbildern hier wiedergegeben Paul Weill: ws db} | [8%6) worden; zum besseren Vergleich mit den kleinen Typen haben wir sie in Fig. 10 diesen gegenübergestellt: die Zelle 2 ist wie Zelle 1 ein neutrophiler Myelozyt, die Zelle 5 wie 3 ein eosino- philer und die Zelle 6 eine grosskernige Mastzelle. Nach Weiden- reichs Auffassung, die wir auch hier bestätigt finden, gehen diese grossen Formen entweder direkt aus den entsprechenden oben geschilderten grösseren Thymusrindenzellen hervor, die eben den grösseren Lymphozytentypen entsprechen, oder sie wachsen aus den kleineren Elementen heran. Beide Formen sind aber mito- tischer Teilung fähig, wenn auch die von uns gefundenen Mitosen der eosinophilen und neutrophilen Elemente (cf. Fig. 1, 2, 4, 12, 14) weitaus überwiegend den grossen Formen angehören. Dass auch die kleinen Mitosen zeigen können. beweist die Zelle 4 der Fig. 10. Gerade dieses Verhalten scheint uns wieder ein weiterer Beweis für die Ableitung der granulierten Elemente aus ungranulierten Iympho- zytären Formen zu sein, die in der Grösse beträchtlich variieren können und dann besondere Typen, die „kleinen“, „grossen“ und mittelgrossen Lymphozyten unterscheiden lassen. Die Umbildung der lymphozytären Elemente ingranulierte kann von jedemdieser !ypenihren Ausgangnehmen; „die Fähig- keit, Granula im Plasma auszuarbeiten oder aufzunehmen“, sagt Weidenreich (11, S. 307), „ist an keine bestimmte Erscheinungs- form der Lymphozyten gebunden“; sowohl die grossen wie die kleinen so entstehenden „Myelozyten“ werden durch Kernumwandlung zu den gewöhnlichen gelapptkernigen Leukozyten des strömenden Blutes. Aus unseren Untersuchungen geht also hervor, dass die Thymusrindenzellen echte Lymphozyten sind und wie diese die Fähigkeit besitzen, sich zu Plasmazellen und granulierten Leukozyten — eosinophile und neutro- phile sowie Mastzellen — zu differenzieren. Diese Um- formung geht in der Thymus selbst vor sich und zwar noch im erwachsenen Organismus, wenn das eigentliche Thymus- gewebe schon deutliche regressive Erscheinungen zeigt. In welchem Alter sie endet, konnten wir wegen Mangel geeigneten Materials bis jetzt nicht entscheiden. Sowohl die eosinophilen wie die neutrophilen Elemente vermehren sich ausserdem noch, ebenso wie im Knochenmark, durch mitotische Teilung. Darnach ist man also völlig berechtigt, die Thymus den leukozytenbildenden Organen einzureihen. Über die Bildung von Leukozyten ete. 353 Der Gewebscharakter der Thymus. Die ältere Auffassung hat die Thymus als eine Lymphdrüse bezeichnet. Wir wissen heute, dass weder ihre Entwicklung noch ihr Bau ein derartiges Rubrizieren rechtfertigt, sondern dass man sie in nahe Beziehungen zu bringen hat zu anderen Iymphoiden Formationen des Organismus, die mit dem Fpithelgewebe eine nähere Verbindung eingehen. Die Thymus entsteht beim Menschen und vielen Säugetieren hauptsächlich und in der Regel aus dem Epithel des ventralen Abschnittes der dritten Schlundtasche, doch können auch bei manchen Säugetieren noch die vierte oder auch die zweite sich mitbeteiligen. Nach Hammar (05, 07) und Maximow (09; 12a, b) wandern in diese epitheliale Anlage frühzeitig Iymphozytäre Elemente ein, die den epithelialen Anteil zu einer Art Stroma auflockern und sich innerhalb desselben selbständig weiter vermehren; so wird die Thymus zu einem Iympho-epithelialen Organ. Schon früher hat Grün- wald auf die Analogie aufmerksam gemacht, die die Thymus ihrer Entwicklung nach mit der Tonsille zeigt; dieses Organ gehört nach Hammar (03) und Grünwald in seiner Anlage dem ventralen Abschnitt der zweiten Schlundtasche an; auch hier wird das Epithel durch einwandernde Iymphozytäre Elemente — wenn auch nicht in dem Umfange wie bei der Thymus -- auf- gelockert und infiltriert und zu einem besonderen Organ mit Iymphoidem Charakter umgewandelt. Berücksichtigt man, dass bei niederen Wirbeltieren die Thymus in ihrer Anlage aus dem Epithel sämtlicher Kiemenspalten hervorgeht, so wird die gene- tische Beziehung zwischen Thymus und Tonsille noch deutlicher. In neuester Zeit hat Jolly (13) eine Zusammenstellung all der Iympho-epithelialen Gewebsdifferenzierungen und Organe gegeben, die sich im Darmtraktus nachweisen lassen; danach zeigt die Thymus die stärkste Iymphoide Durchwachsung und die. be- deutendste Sonderung und Verlagerung in bezug zu ihrem ur- sprünglichen epithelialen Mutterboden. Für die Frage nach der besonderen Natur der Thymus- rindenzellen, namentlich in Rücksicht auf die Möglichkeit ihrer granulären Differenzierung, sind diese Zusammenhänge von hervor- ragender Bedeutung. Einmal folgt daraus der rein Iymphoide Charakter des entsprechenden Thymusgewebes und macht den Einwand hinfällig, dass granulozytenbildendes Gewebe Archiv f.mikr. Anat. Bd.83. Abt.1. 23 354 Paul Weill: stets „myeloiden“ Charakter habe; dann aber werfen sie auch ein Licht auf die Art der Leukozytenproduktion in den Tonsillen. in denen nach Weidenreich (08a) innerhalb des rein Iym- phoiden (Gewebes echte neutrophil granulierte Leukozyten gebildet werden, die das Epithel durchwandernd in Form der sogenannten Speichelkörperchen im Speichel auftreten. Der Umfang, in dem sich die Thymus an der Leukozyten- produktion des Gesamtkörpers beteiligt, ist natürlich im einzelnen schwer festzustellen. Dass der Anteil an der Bildung der Lympho- zyten ein beträchtlicher ist, folgt aus der Masse des Organs und den strotzend gefüllten Lymphgefässen. Die Zahl der eosinophilen Leukozyten, die von der Thymus aus in den Körper gelangen, variiert ziemlich beträchtlich, aber das gilt nicht nur für die Thymus, sondern auch für die anderen Organe und Gewebe, in denen diese Zellen gebildet werden; im Knochenmark z. B., das nach der Ehrlichschen Annahme der alleinige Bildungsherd dieser Zellen sein soll, trifft man unter Umständen die eosino- philen Leukozyten sehr zahlreich, und in anderen Fällen hat man Mühe, überhaupt welche aufzufinden. Das gleiche gilt auch für die neutrophilen Leukozyten der Thymus und die Mastzellen. Die Thymus ist also jedenfalls in die Zahl der Organe einzureihen, die noch im erwachsenen Organismus granulierte Leukozyten produzieren. Herrn Professor Schwalbe danke ich verbindlichst für die Überlassung der Hilfsmittel des Anatomischen Instituts und ebenso Herrn Professor Weidenreich für die Anregung zu der vorliegenden Arbeit und für seine Unterstützung bei ihrer Ausführung. Über die Bildung von Leukozyten etc. 355 Literaturverzeichnis. Affanassiew., B., 1877: Weitere Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Thymus und die Winterschlafdrüse der Säugetiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 14. Barbano, C., 1912: Die normale Involution der Thymus. 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Die Zeichnungen sind durchweg auf ÖObjekttischhöhe aufge- nommen, wo nicht anders vermerkt: mit Zeiss Apochr. 2 mm und Ok. 8. el = eosinophiler Leukozyt. rz — Thymusrindenzelle. emy — eosinophiler Myelozyt. rzg — grössere Thymusrindenzelle m = Mitose. sl = Spezial-Leukozyt. mz — Mastzelle. smy — Spezial-Myelozyt. pz — Plasmazaelle. Tafel XVII. Fig. 1. Herd eosinophiler Leukozyten in der Rinde der Ratte. HE, Ok. 6. Big, -2. ‚Dasselbe. °G. Fig. 3. Eosinophile Myelozyten und umgebende Zellen aus der Rinde — Ratte. HE. Fig. 4. Eosinophile Leukozyten (Mitose) in der Rinde — Ratte. HE. Fig. 5. Thymusrindenzellen mit stark basophilem Plasma und Abschnürungen — Ratte. MP. Fig. 6. Spezial-Leukozyten in verschiedenen Stadien der Kernumbildung aus der Rinde — Ratte. G. Fig. 7. Spezial-Leukozyten (Myelozyten-Typus) in der Rinde — Ratte. G. Fig. 8. Herd von Plasmazellen aus der Rinde — Ratte. MP. Fig Herd eosinophiler Leukozyten aus dem Rindengebiet der mensch- lichen Thymus — 17 jähriger Verunglückter. G, Ok. 6. Fig. 10. Typen einzelner Myelozyten aus der menschlichen Thymus. G. 1 — kleiner neutrophiler Myelozyt von 17 jährigem Verunglückten ; 2 — grosser neutrophiler Myelozyt von 17 jährigem Verunglückten ; 3 — kleiner eosinophiler Myelozyt von 19 jährigem Hingerichteten; 4 — das gleiche in Mitose von 19jährigem Hingerichteten ; 5 — grosser eosinophiler Myelozyt von 37 jährigem Hingerichteten ; 6 — Mastzelle von 17 jährigem Verunglückten. Tafel XVII. Fig. 11. Mitose eines eosinophilen Leukozyten aus der Thymus eines 37- jährigen Hingerichteten. G.!) Fig. 12. Herd neutrophiler Leukozyten im Randgebiet der Thymusrinde vom 37 jährigen Hingerichteten. G, Ok. 6. Fig. 13. Herd neutrophiler Myelozyten in der Rinde (Markgrenze) — 17- = jähriger Verunglückter. G. Die Granula sind in der Reproduktion zu rot ausgefallen. Paul Weill: Über die Bildung von Leukozyten etc. Mitose eines neutrophilen Leukozyten in der Rinde — 37 jähriger Hingerichteter. G. Mastzellen in der Entwicklung aus dem Rindengebiet — 37 jähriger Hingerichteter. MP. Desgleichen vom 17 jährigen Verunglückten. G. Lymphgefäss im interlobulären Bindegewebe der Thymus — 17jähriger Verunglückter. HE, Apochr. 4 mm, Okul 6; lg = Lymph- gefäss; v —= Vene. 361 Aus der Anatomischen Anstalt zu Tübingen. Plasmafibrillen und Chondriokonten in den Stäbchenepithelien der Niere.‘ Von Dr. A. N. Mislawsky aus Kazan. Hierzu Tafel XIX. Die von Meves (07, 085) am jungen Hühnerembryo aus- geführten Untersuchungen stellten die Gegenwart fädiger Formen der Chondriosomen in den Zellen sämtlicher drei Keimblätter fest. Diese Untersuchungen gaben den Anstoss zu einer Revision der Lehre von den fibrillären Differenzierungen des Protoplasmas ; es erschienen im Laufe des letztverflossenen Dezenniums eine grössere Reihe von Arbeiten, welche sich teils damit beschäftigten, die direkte Identität des fädigen Uytomitoms mit der Summe der Chondriokonten darzutun, zum anderen Teile aber, wie bei den Muskel- und Nervenfibrillen, die genetische Ableitung der betreffenden faserförmigen Differenzierungen von den Chondrio- konten der Embryonalzellen annehmbar zu machen. Meves (07, 10) prüfte das Chondriom an den nämlichen Objekten, die seinerzeit Flemming als Substrat seiner klassischen Theorie der Filarstruktur gedient hatten.’) Hierbei gewann der Autor die bestimmte Überzeugung, dass die von Flemming in der lebenden Zelle beobachteten Fädchen nichts anderes sind, als die jetzt sogenannten Uhondriokonten. Früher bereits waren M. et P. Bouin (05) zu dem Ergebnisse gelangt, dass die in den serösen Speicheldrüsenzellen mehrfach beschriebenen fibrillären Gebilde („ergastoplasme* Garniers, „Basalfilamente“ nach Solger) ebenfalls einen mitochondrialen Charakter besitzen (eine Ansicht, welcher nachträglich auch der Begründer der Ergastoplasmatheorie, Prenant [10], sich anschloss). Zu einer !) Eingereicht bei mir im Februar 1913. M. Heidenhain. ?) Ruhende Knorpelzellen, sternförmige, verästelte Bindegewebszellen, Epithelzellen der Schwanzflosse und der Kiemen von der Salamanderlarve, Leberzellen des Frosches, Lymph- und Wanderzellen usw. 362 A. N. Mislawsky: ähnlichen Schlussfolgerung kommt Champy (09, 11, siehe auch Hoven [12]) hinsichtlich der Faserstruktur des basalen Teiles der Pankreaszelle und ebenso beurteilt er auch die von M. Heidenhain in den Darmepithelzellen des Frosches be- schriebenen Fibrillen. Ein gleiches Los traf die seit R Heiden- hains Zeiten bekannte Stäbehenstruktur des Epithels der Nieren- kanälchen und die analogen Strukturen der Pflügerschen Speichelröhren. In den genannten Epithelien wurde zuerst von Benda (03), darauf von Policard (05 Iund II, 10), Champy (09), O.Schultze (11, Niere), Regaud et Mawas (09, Speichel- röhren) die Anwesenheit zahlreicher, parallel gelagerter Chondrio- konten nachgewiesen und die Ansicht adoptiert. dass sie es sind, durch deren Gegenwart die in Frage stehende charakteristische streifige Struktur bedingt wird. Was die zweite Gruppe der oben von mir erwähnten Unter- suchungen betrifft, d. h. diejenigen, welche den histogenetischen Konnex gewisser faseriger Plasmastrukturen mit den Elementen des embryonalen Chondrioms festzustellen suchen, so verweisen wir beispielsweise auf die Arbeiten von Meves (07), Duesberg (10) und Schockaert (09) über die Myogenese, welche die mito- chondriale Herkunft der Myofibriilen befürworten, und ebenso auf die Arbeit Hovens (10) über die erste Entstehung der Neuro- fibrillen. Danach sind die Vertreter der in Rede stehenden Ideen- richtung geneigt, fast !) sämtliche fibrillären Differenzierungsformen des Protoplasmas, alles, was Flemming als Substrat für dessen Filarmasse gedient hatte, entweder mit dem Mitochondrialapparate zu identifizieren oder ihren Ursprung von einer Metamorphose desselben abzuleiten. Ein besonderes Interesse beanspruchen aus diesem Grunde einige bis jetzt noch vereinzelt dastehende Be- obachtungen, denen zufolge gelegentlich in ein und derselben Zelle gleichzeitig ein reichlich entwickeltes mitochondriales System und neben diesem eine ganz bestimmt ausgeprägte, präformierte Faserstruktur des Plasmas wahrgenommen wird. Wie erwähnt, ist die Zahl dieser Beobachtungen bis jetzt eine noch sehr spärliche. So gelang es Regaud et Mawas ') Als zweifellos filare Plasmastruktur, unabhängig vom Chondriom, betrachtet Meves nur die Fäden der mitotischen Spindel und die Pol- strahlungen sich teilender Zellen (Meves [07]). Plasmafibrillen und Chondriokenten etc. 363 (09) im Gegensatze zu M. et P. Bouin, sich davon zu über- zeugen, dass in den serösen Zellen der Speicheldrüsen neben unzweifelhaften Elementen des Chondrioms und unabhängig von denselben ein besonderes System charakteristischer fädiger Gebilde existiert; diese letzteren werden von den Autoren mit dem „Ergastoplasma“ von Garnier identifiziert. Hier möchte ich auch erwähnen, dass Perroncito (11) in den Geschlechtszellen bei Paludina vivipara gleichzeitig mit den Chondriosomen einen scharf individualisierten, netzig fibrillären Apparat, den Apparato reticolare von Golgi, darstellen konnte. Ich selbst habe in dem Leibe der Pankreaszellen des Kaninchens (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 81, 1915) eine deutlich ausgeprägte fibrilläre Plasmastruktur aufgefunden, welche sich neben den Chondriokonten demonstrieren lässt und mit denselben nichts gemein hat. In der vorliegenden kleinen Mitteilung möchte ich fest- stellen, dass in den Stäbchenepithelien der Niere neben und zwischen den Chondriokonten und diesen parallel gelagert be- sondere Plasmafibrillen in grosser Zahl sich finden; demnach könnte man die für die genannten Epithelien so charakteristische Streifung mit demselben Rechte auf die erwähnte plasmatische Fibrillärstruktur beziehen, während man zurzeit fast allgemein glaubt, dass die fragliche Streifung lediglich durch die Chondrio- konten bedingt wird. Als Untersuchungsobjekte dienten mir hauptsächlich jene Stäbchenepithelien der Froschniere (Rana fusca), welche durch das Fehlen des Bürstenbesatzes sich näher charakterisieren (Ab- schnitt IV der Harnkanälchen nach Gaupps Nomenklatur).') Das Chondriom dieser Epithelien ist seinerzeit sehr aus- führlich von Policard (10) bei Rana temporaria und neuestens auch von Levi (12) bei Geotriton fuscus studiert worden, wobei die Darstellungen dieser beiden Autoren sich in den Hauptzügen decken. Nach Policard besteht das Chondriom an dem ge- dachten Orte aus einer Summe feiner, spezifisch nach Benda sich färbender Fädchen, welche nie miteinander anastomosieren und stets in ihrer ganzen Ausdehnung durch eine gewisse Menge Protoplasmas voneinander geschieden werden; diese Fädchen ') Auch an Säugetieren wurden Untersuchungen von mir ausgeführt und die hierbei erhaltenen Resultate decken sich im allgemeinen mit den oben referierten Befunden beim Frosch. 364 A. N. Mislawsky: ziehen parallel miteinander dahin und durchsetzen die Zelle ent- sprechend ihrer Höhenausdehnung von ihrer Basis angefangen bis zur „Membrana tectoria“ ; diese Fädchen sind ferner nach Polieard zu besonderen Bündelehen zusammengelagert, deren Querdurchschnitte (an Tangentialschnitten der Harnkanälchen) den Eindruck Gohnheimscher Felder erwecken. Besonders bemerkenswert ist, dass, wie der Autor feststellte, nach einer bestimmten Fixierung, welche das Chondriom erfahrungsgemäss nicht zu konservieren pflegt, die Streifung des Epithels im IV. Abschnitte dennoch deutlich erhalten blieb (Plasmafibrillen! d. Ref.) und sich in sauren Anilinfarben darstellen liess, während dagegen in den Epithelien der anderen Abschnitte (wie z. B. des zweiten) von der Streifung keine Spur übrig geblieben war; zur Erklärung dieser Erscheinung fand sich der Autor gezwungen, eine besondere Resistenzfähigkeit des Chondrioms der Drüsenzellen des IV. Abschnittes anzunehmen.!) Ich gehe nun zu meinen eigenen Untersuchungen über. Vor allem ein paar Worte über die Technik. Die dem lebenden Frosche entnömmene Niere wurde frisch in Stückchen zerteilt und einige derselben in solche Mischungen gebracht, welche die Elemente des Chondrioms gut konservieren; andere wurden gleich- zeitig mit Flüssigkeiten behandelt, die zwar die Zellstruktur im allgemeinen gut fixieren, die Chondriosomen jedoch auflösen. Zu dem erstgenannten Zwecke bediente ich mich hauptsächlich einer bereits früher von mir (11) beschriebenen Mischung, deren Zu- sammensetzung die folgende ist: Sol. Kalibichrom. 3°%/ — 80,0; Formalini 20,0; Ac. osmic. 2% — 2,5. Die auf solche Art fixierten Stücke wurden weiterhin nach Regaud chromiert. vecht gute Resultate erhielt ich gleichfalls mit Maximows Gemisch, obwohl diese Fixierung im ganzen unsicher ist und ausserdem auch auf die nachfolgende Färbung ungünstig wirkt. Behufs Fixierung der Stückchen der zweitgenannten Gruppe (mit Auflösung der Chondriosomen) blieb ich schliesslich bei der Formol-Zenker-Mischung (Zenkers Flüssigkeit 95 Teile; Formalin 10 Teile) stehen; diese Lösung fixiert die Epithelien der Harnkanälchen vortrefflich, doch bewirkt sie dank dem grossen Essigsäuregehalt eine vollständige Auflösung der Chondriosomen. ') Vergl. Regaudet Mawas (09) — über die Resistenzfähigkeit der Chondriosomen im Epithel der Pflügerschen Röhren gegen Essigsäure. Plasmafibrillen und Chondriokonten etc. 365 Nach beendeter Fixierung wurden die Stückchen sämtlich in Wasser ausgewaschen und wie gewöhnlich in Paraffın eingebettet (Schnittdieke nicht über 4 «). Zur Demonstration der Chondrio- somen in den Präparaten der ersten Gruppe wurden die Schnitte nach Benda oder aber nach M. Heidenhains Eisenhämatoxylin- methode gefärbt. Was die Präparate aus dem Zenker-Formol- (Gemisch betrifft, so färbte ich dieselben vorwiegend in Eisen- hämatoxylin, bisweilen unter Nachfärbung in Chromotrop, Benzo- purpurin und anderen ähnlich gearteten alkohollöslichen Farbstoffen (nach M. Heidenhain): sollte die Abwesenheit der Chondrio- somen festgestellt werden, so wurde auch hier nach Benda gefärbt. Ich gehe nun zu meinen Beobachtungen über. Die Präparate mit Darstellung des Chondrioms zeigten letzteres in prächtiger Weise in sämtlichen Abschnitten der Harnkanälchen. Was ins- besondere den uns interessierenden IV. Abschnitt betrifft, so stimmen meine Beobachtungen im allgemeinen mit den soeben zitierten Beschreibungen Policards überein, wie man an meinen Fig. 1 und 3 hinlänglich erkennen kann. Indes muss ich hier einen überaus wichtigen Punkt hervorheben, der dem genannten Autor entgangen ist: an allen meinen Präparaten!) fand ich, dass die Chondriokonten mit ihrem Basalteile nie bis an die Membranapropriades Harnkanälchens (bezw. die untere (renzschicht der Zelle) heranreichten, so dass in dem basalen Teile des Zellkörpers stets eine mehr oder weniger schmale, chondriosomenfreie Zone konstatiert werden konnte (Fig. 1); in dem distalen Teile der Zelle, unmittelbar unter der Membrana tectoria,) kam gleichfalls eine schmale Zone zur Be- obachtung, die keine Chondriosomen enthielt.) Wenn ich jetzt zu den Details übergehe, so ist zu notieren, dass an meinem Objekte weder eine chondriosomenfreie Zone in der Nachbarschaft des Kernes, wie sie Policard beschreibt, noch eine von dem- selben Autor beschriebene bündelförmige Anordnung der Chondrio- konten konstatiert werden konnte: an meinen Präparaten (Fig. 1 ') Die besagte Erscheinung habe ich desgleichen auch in den Epithelien der Tub. renales contorti der Maus beobachtet. °) Nach Policards Nomenklatur. ®) In den Abbildungen Levis (12) tritt bei Geotriton fuscus ein dem beschriebenen ähnliches Verhalten der Öhondriokonten ungemein deutlich hervor. 366 A. N. Mislawsky: und 3) waren die Öhondriokonten mehr oder weniger gleichmässig über das ganze Zellprotoplasma hin verteilt und stimmen daher meine Beobachtungen in dieser Beziehung mehr mit denen von Levi (12) bei Geotriton überein. Ferner kamen gelegentlich autolytische Veränderungen des Chondrioms (im Epithel des IV. Abschnittes des Harnkanälchens) zum Vorschein, und zwar in Gestalt einer Fragmentierung der Chondriokonten; diese schreibe ich jedoch meinerseits lediglich der Einwirkung der fixierenden Reagentien zu. In ihren Konturen zeigten die Öhondriokonten an gut fixierten Präparaten stets einen etwas welligen Verlauf; mit- unter, obschon nur in seltenen Fällen, waren diese welligen Windungen sehr scharf ausgeprägt. Schliesslich bestätige ich die Beobachtung Policards, dass bei diesem Objekte weder Anastomosen zwischen den einzelnen Chondriokonten noch auch freie Verzweigungen derselben vorkommen. Ein durchaus anderes Bild boten die Präparate dar, welche in Formol-Zenker fixiert und darauf sei es gleichfalls nach Benda oder aber in Eisenhämatoxylin oder endlich in Delafields Hämatoxylin gefärbt und mit einer sauren Anilinfarbe nach- behandelt worden waren. Vor allem fiel hier die gänzliche Ab- wesenheit der Öhondriosomen in den Epithelzellen sämtlicher Absehnitte der Harnkanälchen ins Auge. So erschien beispiels- weise das Protoplasma der Epithelien des I. Abschnittes, bei wohl erhaltenem Bürstenbesatze, homogen, etwas vakuolisiert und ent- hielt nur eine spärliche Menge typischer Sekretgranula. Was den IV. Abschnitt anbelangt, so kennzeichneten sich die Durchschnitte desselben im Präparate in auffälliger Weise durch die deutlich ausgesprochene Streifung seiner Epithelbekleidung. Bei der Unter- suchung solcher Präparate mit Hilfe sehr starker Vergrösserungen (Zeiss, Apochr. 3,0 mm, Ap. 1,40, Komp.-Ok. 18) konnte ich mich überzeugen (siehe Fig. 2, 2a und 4), dass diese deutlich sichtbare Streifung der Anwesenheit sehr feiner protoplasmatischer Fibrillen ihren Ursprung verdankt; diese Fibrillen sind in alizarin- saurem Natron nach Benda, sowie in sauren Anilinfarben gut tingierbar und nehmen in Eisenhämatoxylin eine hellgraue Nuance an. Sehr charakteristisch für diese Fäserchen ist, dass die- selbenanderZellbasis selbst, in unmittelbarer Nähe der Membrana propria des Kanälchens, also wohlan Plasmafibrillen und Chondriokonten ete. 367 der äusseren Grenzschicht der Zelle, beginnen und nachdem sie ähnlich wie die Chondriokonten den Zellkörper vertikal aufsteigend durchsetzt haben, dicht unter dessen Membrana tectoria enden. Diese Fibrillärstruktur erscheint ausserordentlich viel zarter als die oben von uns beschriebene durch die Chondrio- konten bedingte Streifung, und es scheint, dass ihre Fäserchen im Vergleich mit letzteren weniger gut individualisiert sind: häufig anastomosieren sie miteinander an der Zellbasis und treten in ihrem weiteren Verlaufe zu Bündeln zusammen. An Schnitten, welche die Wand des Kanälchens tangential (Fig. 4) getroffen haben, stossen wir auf eine Erscheinung, wie sie bereits von Zimmermann (98) an einer ganzen Reihe drüsiger Organe, sowie auch von M. Heidenhain (11) an der Niere der Maus beobachtet worden ist: anstatt punktförmiger Querschnitte der einzelnen Filamente trefien wir auf eine Streifung des Zell- protoplasmas. In unserem Falle (Fig. 4) zeigte sich diese Streifung nicht streng in irgend einer bestimmten Richtung orientiert, wie man dies aus unserer Abbildung ersehen kann, obgleich ihr eine gewisse Tendenz innewohnt, sich mehr oder weniger parallel zur Querrichtung des Kanals einzustellen. Diese Erscheinung zwingt uns, in Übereinstimmung mit M. Heiden- hain, eine lamelläre Anordnung der soeben von uns beschriebenen Protoplasmafilamente anzunehmen. im allgemeinen zeigen die Zellen an den von uns zuletzt beschriebenen Präparaten gleichsam einen lockeren Bau, ein Umstand, der uns durchaus erklärlich erscheint, wenn wir be- denken, welch eine grosse Menge Zellsubstanz mit der Lösung des Uhondrioms aus der Zelle geschwunden ist. Vergleichen wir nun die soeben beschriebenen Plasmafibrillen des IV. Abschnittes der Harnkanälchen mit den ebendort befind- lichen Chondriokonten, so kommen wir alsbald zur Überzeugung, dass von einer Identität der beiden Faserarten nicht die Rede sein kann: dagegen sprechen erstlich ihre morphologischen Be- sonderheiten, zweitens ihr sehr verschiedenes Verhalten gegen- über fixierenden und färbenden Agentien und drittens — was die Hauptsache ist — die besondere Differenz in der topo- graphischen Anordnung der beiden Faserarten innerhalb des Territoriums der Zelle. Denn die Chondriokonten sind in das Zellplasma eingelagert und berühren die basale Grenzschicht 368 A. N. Mislawsky: nicht, während die Plasmafibrillen letztere erreichen und mit ihr untrennbar verschmelzen. Danach müssen wir also konstatieren, dass in den „Stäbchenepithelien“ der Niere zwei voneinander gänzlich verschiedene fibrilläre Struktursysteme vorhanden sind, deren Elemente parallel zueinander gestellt sind. In Fig. 5 gebe ich ein Schema des gegenseitigen Verhaltens dieser beiden Struk- turen in der Weise, wie ich es mir auf Grund meiner oben dar- gelegten Beobachtungen vorstelle: aus dem Schema ist ersichtlich. dass die Chondriokonten zwischen den von uns beschriebenen Protoplasmafilamenten liegen können und dass sie also eine inter- filare Lage einnehmen.') Wenden wir uns nochmals zu den literarischen Daten, so muss darauf hingewiesen werden, dass die von mir im Epithel des IV. Abschnittes der Harnkanälchen beim Frosch beschriebene fibrilläre Protoplasmastruktur vollständig der Beschreibung ent- spricht, welche M. Heidenhain für die Stäbchenstruktur des Epithels der gewundenen Nierenkanälchen der Maus gegeben hat. Ebenso wie wir in unserem Falle, hat auch M. Heidenhain feinste Fäserchen beobachtet, welche eine lamelläre Anordnung zeigten und mit ihrem distalen Ende direkt an der Zellbasis begannen; hierbei sind seiner Beschreibung zufolge „dickere Stäbe wahrscheinlich immer Bündel von feineren Plasmafasern‘“. Der Autor benutzte, wie auch ich, stark essigsäurehaltige Fixierungs- mittel und dies ermöglichte, dank der Auflösung der Chon- driokonten, eine isolierte Darstellung der fibrillären Proto- plasmastruktur. Es ist bemerkenswert, dass man trotz dessen an der Zeichnung von M. Heidenhain (Fig. 626, Plasma und Zelle II) deutlich die chondriomfreie basale Zone des Zellkörpers an einer lichteren Färbung erkennen kann. Vor Abschluss meines Aufsatzes möchte ich noch wenige Worte über einige andere Strukturdetails der Nierenzellen des Frosches beifügen. Fast an allen meinen in Zenker-Formol fixierten Präparaten gelang es mir, gut gefärbte Zentralkörperchen | 9 Vergl. die interfilare Lagerung der Chondriosomen in den quer- gestreiften und glatten Muskelfasern, in den Achsenzylinderfortsätzen der Nervenzellen, in den Leukozyten nach Meves etc. Die Bezeichnung „Filar- masse“ wurde etwa von 1890 an nach dem Vorgange von M. Heidenhain fast überall auf die Summe der primären Plasmafilamente angewendet, während Meves neuerdings den Nachweis geführt hat, dass Flemming ursprünglich (1882) damit die fadenförmigen Chondriosomen meinte. Plasmafibrillen und Chondriokonten etc. 369 in den Epithelzellen des IV. Abschnittes der Harnkanälchen zu beobachten. Diese Gebilde erschienen grösstenteils in Gestalt von Diplosomen und nahmen stets eine sehr oberflächliche Lage unmittelbar unter der Membrana tectoria ein, wie es zuerst von Zimmermann (später von M. Heidenhain, Meves u.a.) beschrieben worden ist. In manchen Fällen gelang es mir sogar, die ebenfalls von Zimmermann bei Säugetieren und von Meves') bei Salamandra beschriebene Zentralgeissel zu Gesicht zu bekommen; dieselbe nahm sich wie ein kurzes Härchen aus, welches von dem Zentralkörper ausging. Angesichts dieses Befundes hielt ich mich für berechtigt, das soeben genannte Gebilde in das von mir entworfene Schema einer Zelle des IV. Abschnittes mit aufzunehmen (Fig. 5). Die nämlichen Gebilde traf ich oft in den Epithelzellen des V. Abschnittes der Harn- kanälchen an und wie im ersteren Falle war auch hier die Zentralgeissel relativ sehr kurz und unterschied sich dadurch von den langen Geisseln, die Meves bei Salamandra beschrieben hat. Vorliegende Arbeit ist im Sommer 1912 in dem mikro- skopischen Laboratorium des Anatomischen Institutes zu Tübingen ausgeführt worden. Es bleibt mir noch übrig, Herrn Professor Dr. M. Heidenhain für die freundliche Anleitung bei dieser Arbeit, sowie Herrn Professor Dr. v. Froriep, dem Leiter der Tübinger Anatomischen Anstalt, für die bereitwillige Gewährung aller Mittel meinen besten Dank zu sagen. Literaturverzeichnis. Benda: Die Mitochondria des Nierenepithels. Verh. d. Anat. Ges., 1903. Bouin, M. et P.: Ergastoplasme et mitochondries dans les cellules glan- dulaires sereuses. ©. R.d.S.B., 1905. Champy, Chr.: A propos des mitochondries des cellules glandulaires et des cellules rönales.. C.R.d.S. B., 1909. Derselbe: Recherches sur l’absorption intestinal et le röle des mitochondries dans l’absorption et la seeretion. Arch. d’Anat. microsce., 1911. Duesberg, J.: Les chondriosomes des cellules embryonnaires du poulet et leur röle dans la genese des myofibrilles ete. Arch. f. Zellforsch., 1910. Gaupp: Anatomie des Frosches. Bd. III, 1904. Heidenhain, M.: Plasma und Zelle. II. Lieferung, 1911. Hoven, H.: Sur l’histogenese du syst&me nerveux peripherique chez le poulet et sur le röle des chondriosomes dans la neurofibrillation. Arch.d. Biol., 1910. ') Zitiert nach M. Heidenhain. Archiv f.mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 24 370 A. N. Mislawsky: Plasmafibrillen und Chondriokonten etc. Derselbe: Contribution & l’&tude du fonctionnement des cellules glandulaires. Le röle du chondriome etc. Arch. f. Zellforsch., 1912. Levi, @.: J condriosomi nelle cellule secernenti. Anat. Anz., 1912. Meves, Fr.: Über Mitochondrien bezw. Chondriokonten in den Zellen junger Embryonen. Anat. Anz., 1907 (a). Derselbe: Die Chondriokonten in ihrem Verhältnis zur Filarmasse Flemmings. Anat. Anaz., 1907 (b). Derselbe: Die Chondriosomen als Träger erblicher Anlagen. Arch. f. mikr. Anat., 1908. Derselbe: Zur Einigung zwischen Faden- und Granulalehre des Protoplasma. Arch. f. mikr. Anat., 1910. Mislawsky, A. N.: Beiträge zur Morphologie der Drüsenzelle. Anat. Anz., 1911. Perroncito: Beiträge zur Biologie der Zelle. Arch. f. mikr. Anat., 1911, Policard: Sur les formations mitochondriales du rein des Vertebres C.R. d. 8. B., 1905 (a). Derselbe: Sur la striation basale des cellules du canalicule contourne du rein des Mammiferes.. C.R.d.S.B., 1905 (b). Derselbe: Contribution a l’&tude du mecanisme de la secretion urinaire etc. Arch. d’Anat. mier., 1910. Prenant: Les mitochondries et l’ergastoplasme. J. d’Anat. et de Phys , 1910. Schultze, ©.: Über die Genese der Granula in den Drüsenzellen. Anat. Anz., 1911. Zimmermann: Beiträge zur Kenntnis einiger Drüsen und Epithelien. Arch. f. mikr. Anat., 1898. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. Fig. 1. Querschnitt eines Nierenkanälchens (IV. Abschnitt) des Frosches. Chondriom des Nierenepithels. Zeiss Apochr. 3 mm, Apert. 1,40, Komp.-Okul. 18. Fixierung: Sal. Kal. bichr. 3 °/o — 80°, Formalin 20°, Ac. osinic. 2°/ — 2° Färbung nach Benda. Fig. 2a. Querschnitt eines Nierenkanälchens (IV. Abschnitt) des Frosches. Protoplasmafilamente des Nierenepithels. Vergrösserung wie vorher. Fixierung: Zenkersche Lösung 90°, Formalin 10° Färbung mit Eisenhämatoxylin nach M. Heidenhain. Fig. 2b. Desgleichen, eine andere Stelle bei geringerer Vergrösserung. Fig. 3. Tangentialschnitt des Nierenkanälchens (IV. Abschnitt) des Frosches. OUhondriokonten im Querschnitt. Vergrösserung wie vorher. Fixierung und Färbung wie bei Fig. 1. Fig. 4. Tangentialschnitt eines Nierenkanälchens des Frosches (IV. Abschnitt). Lamelläre Anordnung der Protoplasmafilamente. Vergrösserung wie vorher. Fixierung und Färbung wie bei Fig. 3. Fig. 5. Schema des Baues der Nierenepithelzelle aus dem IV. Abschnitt des Nierenkanälchens vom Frosch, um die interfilare Anordnung der Chondriokonten zu zeigen. a1 Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. Von Dr. L. Gräper erster Assistent am Anatomischen Institut Breslau. Hierzu 18 Textfiguren. Schon Karl Ernst von Baer schreibt in seiner Ent- wicklungsgeschichte der Tiere, die im Jahre 1528 erschienen ist, über die dritte, später das verlängerte Mark bildende Höhlung des Hirnrohres des Hühnchens am zweiten Tage der Bebrütung: „Diese letzte Zelle hat selbst wieder geschlängelte Wandungen, so dass man in ihr eine gewisse Unbestimmtheit der Bildung, oder eine Neigung, in mehrere Zellen zu zerfallen, erkennt. Besonders ist eine Einschnürung ziemlich deutlich, welche den Raum in eine vordere kürzere rundliche und eine hintere längere engere Ab- teilung einigermassen trennt.“ Es handelt sich hier zweifellos — wenn wir die Neuromeren des Rautenhirns nach von Kupffer und damit das Kleinhirnneuromer als erstes zählen — um die Furche hinter dem zweiten Trigeminusneuromer. Dabei sei gleich erwähnt, dass die erste auffällige Furche am Hinterhirn der Vögel nicht mit der ersten auffälligen Furche am Hinterhirn der Fische übereinstimmt; denn diese liegt zwischen Kleinhirn und Trigeminus- neuromer. Am dritten Bebrütungstage beschreibt von Baer noch Einschnürungen am verlängerten Marke, während er sie am vierten Bebrütungstage offenbar nicht mehr hat erkennen können. Statt dessen schreibt er, und darauf müssen wir unten zurück- kommen: „So wie schon im Rückenmarke der untere Strang jeder Seite deutlicher ist, so ist die Fortsetzung desselben im Hirn als ein erhabener Strang noch viel kenntlicher. Diesen Strang sieht man, obgleich seitlich immer in die Seitenwand übergehend, deutlich auf dem Boden der vierten Hirnhöhle und der Sylvischen Höhle bis in die dritte Hirnhöhle verlaufen.“ Kurz erwähnen will ich nur. dass schon von Baer Segmente im Vorder- und Mittelhirn beobachtet hat. Remak (1850), dessen Figuren von Hühnchen des ersten und zweiten Bebrütungstages wohl nicht in allen Punkten unsere Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 25 372 2 Gwäper: Zustimmung finden können, bildet an einem Hühnchen um die Mitte des dritten Bebrütungstages am verlängerten Mark die Neuromeren ab. Er gibt ihre Zahl auf fünf bis sechs an, hält sie für quadratisch und Urwirbeln — natürlich bei Betrachtung des ganzen Embryo — sehr ähnlich. Er betont, dass sie zwar später mit den Hirnnerven verwachsen, aber ihrer Lage mach weder diesen noch den Schlundbogen entsprechen. Sie verschwinden allmählich von hinten nach vorn und sind am fünften Tage nicht mehr nachzuweisen. Ihre Bedeutung ist Remak unbekannt. Dem Literaturberichtt von Kupffers entnehme ich die Angabe, dass Dursy 1869 in seiner Entwicklungsgeschichte des Kopfes einen Medianschnitt (?) eines Rindsembryo mit sechs falten- artigen Vorsprüngen in der Rautengrube zeichnet, diese auch in der Tafelerklärung kurz erwähnt, aber im Text nicht näher darauf eingeht. Dohrn kannte 1875 das Vorhandensein von acht bis neun Segmenten in der Gegend des vierten Ventrikels bei Wirbeltier- embryonen. Er erwähnt sie aber nur kurz bei einem Knochenfisch- embryo in seiner Schrift über den Ursprung der Wirbeltiere, um darauf hinzuweisen, dass man es mit einem in Segmente ge- gliederten Geschöpf zu tun habe, das einem Insektenembryo ver- gleichbar sei. Die späteren Arbeiten Dohrns beschäftigen sich mehr mit der Metamerie des Kopfes und der peripheren Kopfnerven. Nur aus einer werde ich später einige Punkte herausgreifen. Mihalkovics beschreibt 1877 fünf bis sechs Falten im Hinter- und Nachhirn des Hühnchens und Kaninchens, die sich gleichzeitig mit der Krümmung des Hirnrohres bilden. Er spricht ihnen keinen segmentalen Wert zu, sondern hält sie für mechanische Bildungen des schnell wachsenden und sich krümmenden Hirn- rohres. Bei etwas älteren Embryonen — Kaninchen von 12 mm — sollen sie geschwunden sein. Erst in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fand die Faltenbildung am Boden der Rautengrube nähere Beachtung. Ja sie scheint in dieser Zeit sogar Zeitweise in den Vordergrund des Interesses gerückt zu sein. 1885 machte ©. Rabl eine kurze Mitteilung über eine Beobachtung aus dem Herbst 1854. Hiernach weist das Nach- hirn von Hühnchenembryonen von der 50. bis 90. Brütestunde und vielleicht auch später eine unzweifelhafte Segmentierung auf Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 375 in Form von Faltenbildung mit denselben Eigentümlichkeiten, die später das Rückenmark erkennen lässt. Die Zahl der Falten gibt er auf sieben bis acht an und hält möglicherweise dafür die Entwick- lung der spinalen Hirnnerven für massgebend. Eines von den anfangs gleichen Segmenten erhält später eine sehr ansehnliche Länge. Er glaubt, dass dieser Befund für die Auffassung des Hirnes und die Bestimmung der Zahl der spinalen Hirnnerven von grosser Wichtigkeit sei und erwartet ähnliche Befunde bei allen Uranioten, wofür auch Angaben von Balfour und Rusconi sprächen. Im übrigen Teile des Gehirns leugnet er das Vorhanden- sein von Segmenten. Rabl hatte offenbar noch keine Kenntnis von der kurz vorher — 1884 — im Recueil zoologique Suisse erschienenen sehr ausführlichen und für die uns hier interessierenden Fragen grundlegenden Arbeit Beranecks: „Sur le developpement des neris craniaux chez les l&ezards“. Schon die beigegebenen Tafel- figuren machen einen sehr guten Eindruck und man kann an ihnen bereits mehr sehen, als später von Orr bei seinen Charakteristika der Neuromeren angegeben ist. So sind z. B. nicht nur die äusseren und inneren Konturen der Neuromeren angegeben, wie bei späteren Untersuchern überall, sondern es ist eine kernreiche Zone scharf von einer äusseren, kernarmen Zone getrennt gezeichnet. Darauf lege ich besonderen Wert, weil gerade jene kernreiche Zone das Formgebende der Neuromeren ist und durch die äussere kernarme Zone die Segmentierung immer mehr verwischt wird, je massiger jene wird, das heisst, je älter die Embryonen werden. Auch die Aufsichtzeichnung der Rautengrube ist wichtig, weil hier die Neuromeren nicht als reine quere Falten gezeichnet sind. Er beschreibt sie als fünf Paare (2.—6. nach von Kupffer) streng symmetrischer Falten (replis medullaires), die sowohl an frischen, wie auch an konservierten Embryonen sichtbar sind. Man kann diese Falten mit ihren scharf bestimmten Charakteristika nicht mit den von Kölliker am Vorderhirn beschriebenen vergleichen, die beim Schluss des Hirnrohres erscheinen und variabel und accidentell sind. Der innere Teil dieser Teilstücke ist von medullären Zellen erfüllt, während der äussere durch eine Lage von Nervenfasern gebildet wird. Beraneck gibt zum ersten Male den Zusammenhang der Hirnnerven mit seinen „replis meuullaires* an: Das erste Paar 25* 374 L. Gräper: hat Beziehung zum Trigeminus, das dritte zum Facialis und Akustikus. Vom Glossopharyngeus sagt er nur, dass er etwas unterhalb des Gehörbläschens — soll wohl heissen hinter ihm — entspringt. Eine bestimmte Neuromerenbeziehung gibt er nicht an. Später dehnte Beraneck seine Untersuchungen auch auf das Hühnchen aus und beschäftigte sich spezieller mit den replis medullaires. Er hat sie beobachtet zwischen 35 und 100 Be- brütungsstunden. Am leichtesten sind sie zwischen der 46. und 70. Bebrütungsstunde zu beobachten. Sie sind schon bald nach dem Schluss des Medullarrohres mit 35 Stunden deutlich und verschwinden mit 100 Stunden fast vollständig. Der Trigeminus steht in Beziehung zum ersten (zweiten nach von Kupffer) und einem Teile des zweiten, der Facialis und Akustikus zum dritten (vierten nach von Kupffer), der Glossopharyngeus zum fünften (sechsten nach von Kupffer). An dem vierten (fünften nach von Kupffer) liegt die Gehörblase an und die Wurzeln des Abducens nehmen ihren Ursprung aus ihm. In bezug auf diese Verhältnisse besteht eine völlige Übereinstimmung zwischen Vögeln und Reptilien. Dieselben Falten hat er bei jungen Triton- und Elasmobranchierembryonen beobachtet. Er unterscheidet „le corps de repli* und eine „portion radiculaire“. Die ersteren sollen mit den nachbarlichen dicht zusammenhängen, die letzteren durch kleine Spalten getrennt sein. Die ihm unwichtig erscheinende Beschreibung der Stadien von 85 bis 100 Brütestunden wollen wir genauer betrachten: Das Hinterhirn (Rautenhirn) hat sich stark verbreitert und ver- hältnismässig verkürzt: „Ces modifications dans la forme et les dimensions de la troisieme vesicule eerebrale ont pour resultat non seulement de rejeter toujours plus ses replis sur les cötes de la region cephalique, mais encore de les serrer les uns contre les autres et d’amener ainsi entre eux une fusion partielle“. Die Falten sollen sich ventral noch ein wenig erhalten haben, während dorsal jede Spur der Scheidung verschwunden ist. Am Anfang des fünften Tages sieht man nur noch in der Höhe des Zusammnehanges mit den Nerven eine leichte Wellenlinie. 1584 beschrieb von Kupffer an achtzehn bis zwanzig Tage alten Forellenembryonen fünf Paare von Metameren der Medulla oblongata. 1885 beschäftigt er sich als erster mit der soge- nannten „primären Metamerie‘‘ des Neuralrohres. Er erwähnt Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 375 die bisher bekannte sekundäre und fügt noch einige Beobachtungen am Stichling, an der Forelle und an ca. drei Wochen alten Menschen hinzu. Dann beschreibt er die primäre Metamerie an seinen beiden Eiern von Salamandra atra, eine Beobachtung, die viel umstritten und auch von von Kupffer selbst trotz eifrigen Suchens — wie er in seinen späteren Veröffentlichungen schreibt — nicht ein zweites Mal gemacht werden konnte. Die Meinung Frorieps hierüber ist weiter unten angeführt. von Kupffer selbst hat über die Beziehungen seiner „primären Metamerie‘“ zur sekundären Neuromerie seine Ansicht gewechselt. Während er in seiner ersten Veröffentlichung die acht primären Metameren dem Hinter- und Mittelhirn zurechnet, lässt er sie später dem Vorder- und Mittelhirn angehören. Orrs Ausführungen über Eidechsenentwicklung 1857 sind deshalb historisch wichtig, weil er den Namen „Neuromer“ geprägt hat und zwar deshalb, weil ihm die von von Kupffer gewählte Bezeichnung „Medullarfalte“ Verwirrung zu stiften geeignet schien. Orr gibt aber auch zum ersten Male bestimmte histologische Charakteristika der Neuromeren: Jedes Neuromer ist von dem anstossenden durch eine äussere, dorsoventrale Einschnürung und einen entsprechenden inneren dorsoventralen Grat geschieden. Es stellt einen schmalen Ausschnitt eines Ringes dar, und die länglichen Zellen sind radiär zur inneren, bogenförmigen Oberfläche des Neuromers angeordnet. Die Kerne stehen näher der äusseren Oberfläche und nähern sich der inneren Oberfläche nur in der Nähe der Grenzgrate. Die Zellen des einen Neuromeres ver- mischen sich nicht mit denen des benachbarten, so dass der Anschein einer Septumbildung erweckt wird. Da aber die Segmente des übrigen Hirns diese Charakteristika nicht haben, so mag er sie nicht als „Neuromeren“ gelten lassen. Wir werden weiter unten sehen, dass diese „Charakteristika“ der Neuromeren auch im Rautenhirn nur einem bestimmten Entwicklungsstadium und in diesem wieder nur einer ganz bestimmten Schnittrichtung, und Schnitthöhe zukommen. Orr findet im verlängerten Mark fünf solche strenge Neuromeren von gleicher Längenausdehnung. Aus dem vordersten (dem zweiten nach von Kupffer) entspringt der Trigeminus, aus dem zweiten (dritten nach von Kupffer) später ventral der Abducens, aus dem dritten (vierten nach von Kupffer) dorsal Facialis und Akustikus. Dem vierten 376 1. GraperT: (von Kupffers fünften) liegt die Gehörblase an, also, meint er, gehöre ursprünglich der Akustikus ihm an. Dem fünften (von Kupffers sechsten) entspringt dorsal der Glossopharyngeus. Nach hinten von diesem Neuromer liegt noch eine ähnliche, nach hinten gegen das Rückenmark aber nicht charakteristisch abge- erenzte Ausbuchtung, die er, weil sie dorsal dem Vagus zum Vorsprung dient, auch als Neuromer bezeichnen möchte. Nach vorn vom Trigeminusneuromer beschreibt er eines von der drei- fachen Länge der übrigen. Hoffmann beschreibt 1889 sieben Segmente am Nach- und Hinterhirn von Reptilienembryonen. Es entspringen aus dem zweiten der Trigeminus, aus dem dritten — scheinbar bei allen Wirbeltieren — kein Nerv, aus dem vierten der Acusticofacialis, dem fünften liegt die Ohrblase an, aus dem sechsten entspringt der Glossopharyngeus und aus dem siebenten der Accessorio-vagus. 1859 sah Platt bei Lachsembryonen fünf Neuromeren. Mit dem vordersten hing der Trigeminus, mit dem dritten das Ganglion des Facialis und Akustikus zusammen, während der Glossopharyngeus dicht hinter dem Gehörbläschen herauskam. Das dritte Neuromer (vierte nach von Kupffer) soll schmäler sein als die Nachbarn. Sie beobachtete beim jungen Hühnchen. dass der Trigeminus nicht aus der Konvexität eines Neuromers, sondern aus der Konkavität zwischen zwei Neuromeren — des zweiten und dritten nach von Kupffer — entspringt. Sie glaubt also, dass er nicht von einem Neuromer, sondern von einem inneren Medullargrat („medullary ridge“) entspringt. Sie nimmt solche Ursprünge daher auch für Facialis, Akustikus und Glossopharyngeus an und zeichnet entsprechend auch die Ursprünge der Nerven aus den Neuromerenzwischenräumen. (Ähnlich auch die Spinalnerven.) 1889 soll Prenant fünf Neuromeren im Hinterhirn des Schweines beschrieben haben. Die Arbeit war jedoch an der in der Literatur angegebenen Stelle nicht zu finden. In der XV. Studie 1890 sagt Dohrn, dass das Wurzel- gebiet des Abducens sehr bereit ist, etwa drei bis vier Spinal- nerven entsprechend. Die Augenmuskelnerven entstehen bei Selachiern später als die anderen Hirnnerven. Dohrn hält es nicht für unmöglich, dass Vorder- und Seitenhornnerven dasselbe seien. u | Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 3 1891 untersuchte Mc. Clure, nachdem er im Jahre 1889 eine kurze Mitteilung im Zoologischen Anzeiger gemacht hatte, die Neuromeren an Amblystoma, Anolis und Hühnchen. Wenn auch seine Präparate nach den Abbildungen technisch nicht sehr vollkommen gewesen zu sein scheinen, so ist doch die Zusammen- stellung der Vertreter dreier verschiedener Tierklassen interessant. Nach Me. Glure fehlt bei Amblystoma das dritte Neuromer, das er Abducensneuromer nennt, obwohl er den Abducens nicht mit einem bestimmten Neuromer in Verbindung zu bringen vermag und nur sagt, dass er seinen Ursprung zwischen Trigeminus und Facialis haben müsse. Trigeminus- und Vagusneuromer hält er für länger als die übrigen. Er glaubt, dass das erste und dritte Neuromer — Zählung nach von Kupffer — früher mit sensiblen Nerven zusammengehangen habe. Der Abducens sei vielleicht ein ventraler motorischer Nerv zum Facialis oder Akustikus, und letzterer sei ursprünglich wohl mit dem auf das Facialisneuromer folgenden verbunden gewesen, weshalb er dieses auch als Akustikusneuromer bezeichnet. Ausserdem versucht er zu zeigen, dass die von Orr für die Nachhirnneuromeren angegebenen Charakteristika auch für die Neuromeren des Rückenmarkes gelten, die intersomitisch seien. Waters findet 1891 beim Kabeljau sechs, bei Amblystoma fünf Hinterhirnneuromeren, wie Mc. Clure. Nur glaubt er mit grösserer bestimmtheit sagen zu können, dass der Abducens aus dem zweiten Neuromer — drittes nach von Kupffer — ent- springt. Diese kurze Mitteilung scheint auf nicht sehr exakten Untersuchungen zu beruhen. Zimmermann gab auf der Anatomenversammlung in München 1891 eine sehr beachtenswerte Tabelle über die Zu- sammenhänge der Hirnnerven mit den Neuromeren, von der ich den uns interessierenden Teil wiedergebe unter Beifügung der von Kupfferschen Zählweise. (Kleinhirnneuromer eins, Tri- geminusneuromer zwei USW.) Er erwähnt, dass sich die Trigeminusplatte in ihrer ersten Entwicklungsstufe fast über den ganzen primären dritten Hirn- rohrabschnitt erstreckt, sich jedoch allmählich verschmälert, so dass sich sehr bald der Trigeminus nur auf das achte Encephalomeı (zweites nach von Kupffer) beschränkt. Sekundär soll er auch auf das anfangs völlig nervenlose neunte Encephalomer (drittes Neuromer) überwandern (Mustellus). Eigentümliche Anschauungen 378 L. Gräper: Neuro- Encephalo- | 'enzahl } | | ee eh | dorsale Wurzel | laterale Wurzel | ventrale Wurzel nach von | pri. |sekun- | | Kupffer | märe | däre | | | 6 | a Ar | Si . | Ele a | N. _ Trochlearis? 2 8 Trigeminus | Trigeminus sensibler Teil |motorischer Teil 2% 3 4 q e = = 4 5 10 | Urfacialis (sen- vorhanden sibler Teil) und (hier sollte wohl Akustikus stehen: moto- | n rischer Facialis) B) 1246 11 | Akustikusgang- | geht durch das _Abducens | lion (steht in Zu-innere Knie des sammenhang mit Facialis in diesen Facialis) über 6 il 12 Glossopharyn- vorhanden | vorhanden, | geus | geht hinter P (sensibler Teil) dem Glosso- | = | pharyngeus | 5 | dorsalwärts = 7 ee 13 Urvagus steckt grössten- = (sensibler Teil) teils im | vorhanden, | = Accessorius | geht hinter 2 | dem Vagus | © | F zZ dorsalwärts ) entwickelt er über das elfte Encephalomer (fünftes Neuromer nach von Kupffer). Er meint, dass das Akustikusganglion von dem Gehörbläschen an der Vereinigung mit demselben ge- hindert werde und sich deshalb dem Facialis anschlösse. Er betont mit Bestimmtheit den Zusammenhang des Abducens mit diesem Neuromer, der sich erst später rostralwärts verschöbe. Er erwähnt auch — und dieselbe Beobachtung "habe ich ohne Kenntnis seiner Schrift gemacht — dass sich bei Säugern regel- mässig Arterienäste zwischen den Encephalomeren finden. Auf der Anatomenversammlung des Jahres 1892 wurde viel von der Metamerie des Wirbeltierkopfes gesprochen und dabei Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 379 mancherlei über die segmentale Bedeutung der Hirnnerven ge- sagt. Ich möchte aber alle die Vorträge und Arbeiten, auch aus anderen Jahren, die sich mit der Metamerie des Kopfes im all- gemeinen befassen, von dieser Literaturbesprechung ausschliessen, hauptsächlich, weil in ihnen der Neuromeren wenig oder gar nicht gedacht wird und meist nur die peripheren Äste der Hirnnerven eingehender gewürdigt sind, andererseits aber, weil es mir scheint, als wenn man den Neuromeren, soweit man sie beachtet, keinen morphologischen Wert beigemessen und sie dem aufgestellten Schema der Kopfneuromeren einzuzwängen versucht hat. Deshalb bestrebe ich mich, in der vorliegenden Abhandlung ein reines Tatsachenmaterial zu geben, ohne mich auf theoretische Reflexionen über die Metamerie des Wirbeltierkopfes einzulassen. Nur ein Punkt aus Hatscheks Vortrag 1392 sei erwähnt: „Der Abducens wird als die erste ventrale Wurzel gelten, die zum Facialis ge- hört. Diese durch Gegenbaur begründete Auffassung gewinnt hier noch neue Stützen.“ In derselben Versammlung sprach Froriep: „Zur Frage der sogenannten Neuromerie“. Er führt an, dass er im voraus- gegangenen Jahre Maulwurfembryonen demonstriert habe, die eine solche Neuromerie zeigten. Nach genauerem Studium sei er jedoch von seiner Ansicht, dass darin ein Rest primitiver Gliederung des Hirnrohres zum Ausdruck käme, zurückgekommen, weil diese Einschnürungen erst verhältnismässig spät aufträten, um bald wieder zu verschwinden. Über die Hinterhirnfalten sagt er nicht viel Neues: es bestehen sieben. Die erste entspricht dem Kleinhirn, an der zweiten entspringt der Trigeminus und greift auf die dritte über. An der vierten entspringt der Akustiko- Facialis. Der fünften liegt die Gehörblase an; zur sechsten steht der Glossopharyngeus, zur siebenten und letzten der Vagus in Beziehung. Diese Beziehungen erscheinen ihm aber nicht so innig, dass Nerv und Neuromer ein einheitliches Organ bilden müssten; denn die Nerven, besonders Trigeminus und Facialis, griffen über das (rebiet der ihnen zugehörigen Falten hinaus und seien in ihren Beziehungen zu ihnen durchaus nicht so konstant, wie es zu erwarten wäre, wenn hier primäre Glieder des Nervensystems vorlägen. Es mache vielmehr den Eindruck, als ob das Vor- handensein und die Lage der Nerven allerdings die Lage der Falten bestimme, als ob aber das Zustandekommen der Falten 380 L. Gräper: selbst eine passiv-mechanische Erscheinung wäre, verursacht durch das rasche Längenwachstum im engen Raume. Deshalb hält er die rasch vorübergehenden Segmentierungen für morphogenetisch unwesentliche Erscheinungen. Dieser Vermutung möchte ich auf das Bestimmteste ent- gegentreten. Die Neuromeren sind früher da. als die Nerven, auch dürfte sonst dort, wo kein Nerv vorhanden ist, vor allem beim dritten Neuromer, niemals ein typisches Neuromer gebildet werden. Auch spricht ganz besonders dagegen, dass eine sicher rein mechanisch entstandene Falte, wie die tiefe dorsal ein- schneidende Brückenkrümmungsfalte, nach meinen unten ange- führten Beobachtungen nicht mit einer Neuromerenfalte zusammen- fällt, sondern mehrere derselben kreuzt. Immerhin ist in Frorieps Vortrag deshalb ein grosser Fortschritt zu sehen, weil er nicht nur den äusserlichen Zusammenhang der Nerven mit den Neu- romeren registriert und diesen für nebensächlich hält, sondern vielmehr nach dem inneren Zusammenhange fragt, ohne freilich eine befriedigende Antwort geben zu können. Im zweiten Teil seines Vortrages sucht er die von von Kupffer als „primäre Neuromerie“ bei Salamandra atra beschriebene Erscheinung durch Abdruck der Urwirbelreihe auf die Medullarplatte zu erklären. Die Arbeiten von Locy kommen für uns nur wenig in Betracht. Er versucht die sekundäre Neuromerie, die wenigstens für das Rautenhirn allgemein anerkannt ist, auf eine primäre Metamerie zurückzuführen. Es mögen zu diesen Untersuchungen wohl die Beobachtungen von Kupffers den Anlass gegeben haben. Er zeichnet junge Embryonen von Acanthias, Amblystoma und auch schon ein Hühnchen, bei denen an den eben abge- hobenen Medullarwülsten eine durchgehende, regelmässige Seg- mentierung besonders des Randes der Wülste zu sehen ist. Neal hat die Resultate von Locy an Acanthias und Torpedo, und zwar an einer sehr grossen Zahl von Embryonen, nachgeprüft und ändert 1897 seine anfangs Locy günstige An- sicht in das Gegenteil, weil er die beschriebenen Einschnürungen nie symmetrisch hat wahrnehmen können, ähnlich wie Eyceles- hymer bei Amblystoma, der sie für Kunstprodukte hält. Er kennt sieben Encephalomeren. Die Verschiedenheit des Ursprunges des Abducens, bei Hühnchen, Schwein und Necturus aus dem Encephalomer 6, bei Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 381 Acanthias aus Encephalomer 7 lässt ihn glauben, dass kein genetischer Unterschied zwischen der präotischen und post- otischen Region bestehe. Seine 1896 gegebene Tabelle über die Beziehung der Hirnnerven zu den Encephalomeren, Kiemenbögen und Kiemenspalten korrigiert und erweitert er im folgenden Jahre. Seine Tabellen haben mir als Grundlage zu der weiter unten gebrachten Tabelle über die Nervenbeziehungen zu den Neuromeren gedient. Bemerkenswert ist, dass er den Trigeminus als den dorsalen Nerv dreier Neuromeren betrachtet. Er hat die Frage nach den Neuromeren und ihren Beziehungen — von denen wir hier nur die Nervenbeziehungen wiedergeben — in recht gründlicher Weise bei Acanthias behandelt und besonders die Segmentierung der Ganglienleiste in jungen Stadien studiert. Nicht recht begründet erscheint mir der ausserordentliche Um- fang seines Encephalomers 3, zu dem das Trigeminusneuromer und das Kleinhirnneuromer gerechnet wird, obgleich Neal eme scharfe Grenze zwischen diesen beiden zeichnet. aber keine scharfe Grenze zwischen seinen Encephalomeren 2 und 3 angibt. Be- sonderen Wert legt er auf seine Beobachtung, dass der Glosso- pharyngeus primär nur mit der Encephalomere 6 — Neu- romer 5 nach von Kupffer — zusammenhängt und sich dann später durch das Dazwischendrängen des (rehörbläschens nach Encephalomere 7 — Neuromer 6 nach von Kupffer — ver- schiebt. Er bestreitet jedes andere spätere Auswachsen von Nerven — wie es z.B. Hoffmann behauptet. Neals Beob- achtungen dürfen jedoch für die Nervenbeziehungen zu den Neu- romeren deshalb nicht allzu hoch angeschlagen werden, weil er in erster Linie die Entwicklung der Ganglienleiste verfolgt hat, deren Segmentierung nur undeutlich ist und in der — wie er selbst weiss — Zellen mit nicht nervöser Funktion reichlich ent- halten sind. Hill beschreibt 1900 in einer Doktordissertation die primäre Neuromerie bei Lachs und Hühnchen und zeichnet kontinuierliche Übergänge von der primären zur sekundären Neuromerie. Seine überraschenden und bisher wohl von niemand bestätigten Zeich- nungen sind in die neueren Lehr- und Handbücher übergegangen. Während ich nie Bilder mit bilateral symmetrischer Segmentation in jungen Stadien gesehen habe, wie sie Hill vom Hühnchen zur Zeit des Auftretens des ersten Urwirbels zeichnet, ist an seinen 382 L. Gräper: Zeichnungen des Hühnchens von der 36. bis 43. Bebrütungsstunde eine Eigentümlickeit des Facialisneuromers dargestellt, die ich auch an den Säugetierembryonen gefunden habe, die Hill aber im Text nirgends erwähnt. Das vierte Neuromer — bei Hill das neunte — ist nämlich ventral sehr breit, so dass die beiden nachbarlichen wie Keile an ihm sitzen. Über die Nervenbeziehungen sagt Hill nichts Neues. Die Segmentalnatur des Kopfes hält er für erwiesen und allgemein anerkannt. In einem 1903 gehaltenen Vortrage zeigte Neumayer ein Modell eines 4 mm langen Schafembryos mit 6 Neuromeren im Nachhirn. Auf seiner Abbildung sieht man deutlich, dass schon in diesem Stadium die Furchen zwischen den Neuromeren nicht parallel sind, sondern dorsalwärts konvergieren. Seine theoretischen Ausführungen, die sich zum grossen Teil auf die vorderen Teile des Hirns erstrecken, kommen für die gegenwärtige Abhandlung nicht in Betracht. Lewis beschreibt 1903 bei einem 12 mm langen Schweine- embryo drei Neuromeren und erwähnt, dass er bei einem 9 mm langen Schweinembryo fünf sehr distinkte gesehen habe. 1905 beschreibt Gage einen menschlichen Embryo, der mir aber nach den zahlreichen, tiefen Falten, die das Modell am Hirnrohr zeigt, keineswegs einwandfrei frisch gewesen zu sein scheint. Sie beschreibt neun Oblongata-Falten, von denen die beiden letzten nur den dorsalen Teil einnehmen. Die Nerven- beziehungen sind wie üblich angegeben: die zweite hängt mit dem Trigeminus, die dritte mit keiner Struktur, die vierte mit Facialis und Akustikus zusammen, die fünfte soll bei Amblvstoma rudimentär sein, die sechste gibt den Glossopharyngeus, die siebente den Vagus ab. In Kollmanns Handatlas der Entwicklungsgeschichte 1907 sind die Neuromeren des Rautenhirns in mehreren Figuren dar- gestellt, besonders in Fig. 633 von einer Eidechse und in Fig. 634 von einem Schaf von vier Millimeter Länge. Kollmann zeichnet bei einem 10,2 mm langen Menschenembryo einen die Grund- und Flügelplatte schneidenden Suleus limitans, in dessen unmittelbarer Nähe der Ursprungskern des Vago-Accessorius liegen soll, während der Hypoglossus ventral austritt. Tandler und Kantor zählen 1907 beim Gecko sechs interneuromerale Furchen und sieben Neuromeren, von denen das Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 383 letzte nach hinten nicht abgrenzbar ist. Am zweiten entspringt der Trigeminus, am vierten der Akustiko-Facialis, am sechsten der Glossopharyngeus und am siebenten der Vagus. In einem etwas späteren Stadium sind die Neuromeren grösstenteils verschwunden. In seiner Beschreibung eines menschlichen Embryo von zirka 7 mm grösster Länge erwähnt Elze 1907 sechs Neu- romeren des Rautenhirns und eine Grube dahinter, die vielleicht als siebentes aufgefasst werden müsse. Über die Nervenbeziehungen äussert er sich nicht, weil bei seiner Färbung die Fasern im Hirn- rohr nicht verfolgt werden konnten. 1907 untersuchte Meek die Neuromeren und ihre Nerven- beziehung bei der Möwe. Die Resultate sind im wesentlichen die gleichen, die er 1909 bei Acanthias wiederum fand: er beschreibt drei Prosomeren, zwei Mesomeren und dreizehn (!) Rhombomeren. Mit der zweiten Rhombomere hängt der Trigeminus, mit der vierten der Akustikus und Facialis, mit der fünften und sechsten der Abducens, mit der siebenten der Glossopharyngeus, mit der achten der Vagus zusammen. Letztere beiden sollen durch die sich über zwei Segmente erstreckende Gehörblase um ein Segment nach hinten verschoben sein. Schon 1907 bringt er eine Tabelle der „wahrscheinlichen“ Nervenbeziehungen, die deswegen be- merkenswert ist, weil er danach für den Trigeminus und Facialis eine Polymerie anzunehmen scheint, die meinen tatsächlichen Befunden ähnelt. Ich habe Möwe nicht auf Neuromeren untersucht, aber die oben angegebenen Nervenbeziehungen erscheinen mir nach meinen Untersuchungen an Huhn und Säugetieren nicht sehr wahrscheinlich. Filatoff (1908) schlägt sich bei Betrachtung der morpho- logischen Bedeutung der Neuromeren weder auf die Seite von Froriep und Mihalkovies, die sie als mechanische, morpho- logisch unwichtige Bildungen ansehen, noch auf die Seite der übrigen Forscher — besonders Neal und Koltzoff — die in der Faltenbildung des Gehirns einen Hinweis auf die ursprüngliche Metamerie desselben zu erblicken suchen, sondern erwägt die „Möglichkeit, in denselben einen Embryonalprozess zu erblicken, welchem, ohne dass er eine Nachwirkung eines vormals vorhandenen Zustandes repräsentiert, doch auch eine morphologische Bedeutung zukommen kann, wenn er das Auftreten irgendwelcher anatomischer Merkmale hervorruft“. 354 D-Gräper: Eigenartig erscheint in seiner Arbeit, dass er Muskel und Nerv bei Emys immer aus einer gemeinsamen mesodermalen Anlage entstehen lässt. Filatoff glaubt die Entstehung der Falten im Nervensystem und die der Falten, welche der Somitenbildung vorangehen, auf die gleichen mechanischen Kräfte zurückführen zu müssen (rasche Zellvermehrung). Dass diese Falten sich nun im Mesoderm zu Somiten umwandeln, im Nervensystem aber verschwinden, versucht er dadurch zu erklären, dass beim Mesoderm die Raumbeschränkung weiterhin zunimmt, das Nervenrohr aber durch seine Achsen- krümmung Raum gewinnt. Als Beweis für diese Theorie führt er einen abnormen Embryo an, der im ganzen verkürzt, und bei dem die Krümmung des Hirnrohres gering ist, und dessen Nervensystem abgeschlossene Hohlräume gebildet hat, die er den Somiten ver- gleicht. Ich möchte diesen Embryo als Beweis nicht anerkennen, da abgestorbene Embryonen oft sehr starke Vertiefungen von Falten im Nervensystem — Vorder-, Mittel- und Hinterhirn — zeigen, ohne sonst falsche äussere Proportionen zu haben. Vielleicht handelt es sich auch hier um einen solchen abgestorbenen Embryo. Die besten Angaben über die hier zu besprechenden Ver- hältnisse finden wir in der Arbeit von Streeter 1911 über die Entwicklung des Nervensystems in Keibel und Malls Handbuch der Entwicklungsgeschichte. Dort ist die Ansicht der Rautengrube eines einen Monat alten menschlichen Embryo nach einem Modell gegeben. Die Neuromeren sind sehr scharf ausgeprägt. Im Schema ist ferner die Lage der Kerne zu den Gruben angegeben: zwischen a und b — zwei und drei nach von Kupffer — Trigeminus und zwar seitlich, unter ce — vier — Facialis, unter d — fünf — Abducens, unter e — sechs — Glossopharyngeus, unter f — sieben — Vagus. Die Neuroblastennester sollen in der Mantelschicht liegen. In Wort und Bild wird auch die Lage der Kerne beschrieben und zwar bei menschlichen Embryonen von ca. 10 mm grösster Länge. Die motorischen Nerven werden in zwei Gruppen geteilt: 1. somatisch-motorische (alias Vorder- hornnerven) Okulomotorius, Trochlearis, Abducens, Hypoglossus, 3. visceral- motorische (alias Seitenhornnerven), Trigeminus, Facialis, Glossopharyngeus, Vagus, Accessorius. Erstere sollen ihre Kerne nahe der Mittellinie in dem ventralen Teil der Mantel- schicht haben, und letztere in einer Neuroblastensäule entspringen, Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 385 die dorsolateral von jenen in der Mantelschicht liegt. Ich werde weiter unten zeigen, dass dies unzutreffend ist, zum mindesten aber kein primäres Verhalten darstellt. Auch kann ich es nicht für berechtigt halten, dem Trigeminus eine Sonderstellung unter den „visceral-motorischen“ Nerven deswegen anzuweisen, weil sein IKern mehr lateral unmittelbar neben den eintretenden sensorischen Fasern läge. Dass man einen solchen Kern auch beim Facialis (His jun.) findet, ist nicht erwähnt und nur ein kurzer Hinweis auf die beim Erwachsenen zu findenden dorsalen Kerne des Glosso- pharyngeus und Vagus gegeben. Unter Zugrundelegung einer von Neal aufgestellten Tabelle gebe ich im folgenden eine Übersicht über die von den einzelnen Autoren angegebene Neuromerenzahl: vH#|me)nm| ® | |ganzen Säugetiere. 1842 Bischoff Hund — = 6 1869 Dursy Rind -- 322 6 1877 Mihalkovices Kaninchen 5—6 1886 von Kupffer Schaf, Maus, Mensch | — — b 1889 Prenant Schwein — — 5 1891 Zimmermann Kaninchen 2 3 8 3 1892 Froriep Maulwurf 2 3 7 12 1895 Broman Mensch — — 7 1903 Lewis Schwein 9 mm — — 5 1903 2 Schwein 12 mm — _ 3 1903 Neumayer Schaf — — 6 1905 Gage Mensch — — 9 1907 Elze 5 — _ 6 1907 Kollmann Schaf — — 5 (7) 1911 Streeter Mensch = _ 6 Vögel. | 1855 Remak Huhn — — 5—6 1877 Mihalkovies > — — || 5—6 1855 Rabl R 6—7 1887 Beraneck 4 2 1 6 9 1889 Platt ö 1 1 6 8 1890 Me. Olure k 2 2 6 10 1891 Zimmermann x 2 3 8 15 1900 Hill n 3 2 6 11 1907 Meek Möwe 3 2 15 18 386 El Gräper: V.H M.H IEIRIEIE Bet Reptilien. 1884 Beraneck Eidechse e — 5 1887 Orr c 2 1 6 9 1885 Eidechse und Hoffmann } — = 7 1889 Ringelnatter 1890 Mc. Clure Eidechse 2 2 6 10 1891 Clarke Alligator — ze) D 1892 Herrick Schlange — — || 5—7 1907 | Tandler & Kantor Gecko ._ . 7 1907 Kollmann Eidechse — EIS, Amphibien. 1875 Goette Bombinator _ ? 1886 (93) von Kupffer Salamander B) 3 ? 8 1590 Me. Clure Axolotl 2 2 5 9 1891 Waters E 3 2 B) 10 1892 Froriep Salamander — — - 4 1892 B Triton — — = 5 1892 Wiedersheim Salamandrinen ? ? ? ? Fische 1875 Dohrn Knochenfische _ — 18-9 1884/85 von Kupffer = _ 3 5 1887 Scott Petromyzon == 3 5 1889 Platt Lachs — — 5 1891 Waters Kabeljau 3 2 6 11 1891 Zimmermann Acanthias 2 3 8 18, 1893 von Kupffer Stör 5 3 5 13 1854 = Ammocoetes — 3 = 1894 Locy Squalus 3 2 6 ih! 1895 2 B 3 2 6 (8) |14—15 1900 Hill Lachs 3 2 6 11 1909 Meek Acanthias 3 2 13 18 Gleichfalls unter Zugrundelegung, Korrektur und Erweiterung einer Tabelle von Neal gebe ich eine Übersicht der von den Autoren angegebenen Nervenbeziehungen der Encephalomeren: KT IA IIA A yosuaW 19999138 | TI6T >= I0OJUeM go KL IIIA nIIA A 0999 | pun TojpumL | 2061 IA IA IH "ıyu9A Ba or 6061 > DE a EN EN IIA AA AM II ) 9MOM LOGT Re OR IIIA U IIA A yosuom oder) | CO6I 5) SEA IITA U IIA A un ‘uyny IIEH | 0061 SD ) f) "T3uU9A S IA IA IA ANGE] SIT ‚ıquea ) opedıo, = X XT IIA 7yoF ZENER ea | au 1 OSyaapIH IQ | 2881 XI TA mAmmA| A |A ALU I uyn NOO9URIIT | 2881 ax 2 er A sqoapıd yO9WLIIE || P881 DRElBE 27,29 g v ee Eıe Tiere : LIOUTWUNUFUOUBOS uaryaoygury | -[O4gIN | -19pIoA us —————————————————————————————————————— 26 IE Bd. 83. Abt. Archiv f. mikr. Anat. 388 N GEADET Da ich die Nervenbeziehungen der Neuromeren hauptsächlich auf Grund des Faserverlaufes innerhalb des Hirnrohres unter- sucht habe, macht sich hier auch eine Besprechung der Arbeiten von W. His nötig, der zwar Neuromeren nicht kannte, sich aber wohl als erster und einzig in Frage kommender Untersucher mit der Differenzierung des Hirnrohres befasst hat und Schemata über die Verteilung der Neuroblasten bei Embryonen gegeben hat. Er kennt eine „Gliederung des Medullarrohres in Längs- zonen“, und eine „Schichtensonderung in den Wandungen des Markrohres“, während er niemals Neuromeren beschreibt.!) Beim Menschen beschreibt er die Schichtensonderung von der vierten Woche ab, und zwar unterscheidet er zwei kernhaltige Haupt- schichten, die Innenplatte oder Matrix und die Mantelschicht, und eine kernfreie Randschicht, den sogenannten Randschleier. Die Innenplatte enthält dicht gedrängte radiär gestellte Kerne und zu innerst Keimzellen; sie ist die Bildungsschicht der nach aussen von ihr folgenden Gewebslagen. Die Mantelschicht ist locker gefügt, und frühzeitig treten in ihr tangential gerichtete Neuroblasten auf. Dass His die Neuromeren nicht beachtet hat, liegt zum Teil vielleicht daran, dass er hauptsächlich Querschnitte untersucht hat. Durch mündliche Überlieferung ist mir bekannt, dass er ähnliche Gebilde wohl gesehen, aber immer für akzidentell und unwichtig, wenn nicht für Kunstprodukte der Fixierung ge- halten hat. Zum Teil scheint er mir sogar aus Schrägschnitten der Neuromeren des Rautenhirns die Längsgliederung des Hirn- rohres in dieser Gegend abgeleitet zu haben. Er lässt nämlich im Querschnitt die Seitenwände des Hirnrohres bei einem jungen Embryo durch eine innere Längsfurche in eine Grund- und eine Flügelplatte geschieden sein. Man wende mir nicht ein, dass His seine „Grund- und Flügelplatte* nur für das Rückenmarkrohr angegeben habe. Er hat ihre Existenz unter anderem auf den Anatomenversammlungen 1888 und 1859 wiederholt auch für die Rautengrube in Anspruch genommen. Auch von Baer beschreibt beim Hühnchen einen unteren erhabenen Strang am Hirnrohr, der mit der Hisschen Grundplatte vergleichbar wäre. Beim Modellieren des Rautenhirns bei einer Anzahl jüngerer Säugetierembryonen fiel mir nun auf, dass eine solche Längs- !) Meines Wissens erwähnt His nur einmal kurz ein System schräger Falten 1891. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 359 falte niemals herauskam, während auf den Querschnitten manch- mal tatsächlich Ähnliches sichtbar war. Der scheinbare Wider- spruch erklärt sich aus folgendem: Die Neuromeren des Rauten- hirns verlaufen bei Embryonen dieses Alters nicht rein in der Querrichtung, sondern die ersten etwas schräg von hinten oben aussen nach vorn unten innen, die hinteren von aussen oben vorn nach innen unten hinten, so dass reine (Querschnitte die Neuromeren schräg durchschneiden. Durch eine leichte Neigung der Schnittrichtung kann diese Erscheinung noch zunehmen. Noch auffallender wird dies, wenn man anstatt der inneren oder äusseren Oberfläche des Hirnrohres die Oberfläche der kernreichen Zone — der Innenplatte nach His — modelliert, wie ich das mehrfach getan habe. Als Textfig. 1 gebe ich eine Skizze von dem Modell der Innenplatte eines Schafembryo von etwa 9 mm Länge im Bereiche der Rautengrube von der linken Seite gesehen. Die Lage der als Textfigur wiedergegebenen Schnitte ist darin angedeutet. Textfig. 2 stellt eine Skizze des an der bezeichneten Stelle hin- durchgelegten Schnittes dar, der zwischen einer sehr schönen „Grund- und Flügelplatte‘‘ eine scharfe Grenze zeigt, die aber ledig- lich ein schräggeschnittenes sogenanntes Neuromerenseptum- ist, und zwar zwischen Neuromer 1 und 2. Dem Septum entspricht — und zwar überall — an der Innenfläche des Hirnrohres der inter- neuromerale Grat. Nach oben von diesem Grat liegt das Klein- hirnneuromer (N 1), nach unten das Trigeminusneuromer (N 2). Geht man in der Serie nach hinten, so rückt das Septum und mit ihm der interneuromerale Grat immer mehr dorsalwärts. Der Anschnitt von Neuromer 1 verkleinert sich, der von Neu- romer 2 vergrössert sich immer mehr, und plötzlich — noch bevor ersteres verschwunden ist — tritt ventral ein neues Septum und mit ihm ein neues Neuromer (N 3) auf, so dass man in dem in Textfig. 3 skizzierten Schnitte sogar drei Neuromeren angeschnitten sieht. Das Septum zwischen N 1 und N 2 verflacht sich dorsal- wärts mehr und mehr, so dass es bald nicht mehr wahrnehmbar ist, und in Textfig. 4 ist nur noch Neuromer 2 und 3 zu sehen, die scheinbar wieder eine deutliche Grund- und Flügelplatte dar- stellen. Beim weiteren Verfolgen der Serie nach rückwärts rückt wieder das Septum dorsalwärts und Neuromer 4 vergrössert sich immer mehr auf Kosten von N 3, und es folgen eine grössere Anzahl Schnitte, die, wie der in Textfig. 5 abgebildete, nur durch 26* 390 L. Gräper: ein Neuromer (N 4) gehen. Hier ist von Grund- und Flügel- platte nichts zu sehen, und am Modell sehe ich, dass alle Neu- romeren mit Ausnahme des fünften ein ganz ähnliches Schnitt- bild zeigen würden, wenn man jedes in der Richtung der es ge 34 si Fig. 1. Fig. 2. begrenzenden Neuromerensepten schneiden würde. Nur liegt beim Facialisneuromer (N 4) die schärfste Ausbuchtung weiter ventral als bei N 3, und bei diesem wieder weiter ventral als beim Trigeminusneuromer (N 2) und beim Kleinhirnneuromer noch weiter dorsal. Neuromer 5 ist das einzige, an dem sich eine deutliche horizontale Falte an der Innenplatte und an der inneren Oberfläche des Hirnrohres geltend macht. Sie entspricht dem hier schon stark entwickelten Tractus solitarius, der an der äusseren Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 391 Oberfläche keine Falte aufwirft, vielleicht weil ihn hier die dem Neuromer 5 dicht anliegende (rehörblase daran hindert. Am Leipziger Institut hatte ich die günstige Gelegenheit, die Originalschnitte zu den Zeichnungen der Querschnitte durch den Embryo a zu sehen, an dem jene Grund- und Flügelplatte des Hirnrohres zuerst beschrieben sind. Es handelt sich hier um ziemlich dicke Scheiben durch die Nachhirngegend eines Menschenembryo von 9 mm (?) Länge. Gefärbt ist nur die äussere und innere Oberfläche des Hirnrohres. Die Konturen der vorderen Schnittfläche weichen an jedem Schnitt stark von denen der hinteren Schnittfläche ab und mit dem binokularen Mikroskop sieht man deutlich die Neuromerenfalten schräg durch die Schnitt- scheibe ziehen. Die Zeichnungen von His stellen eine Summation der beiden Schnittflächen dar. Fig. 6. Ob His das Wesen seines Fehlers später eingesehen hat, ist mir nicht recht klar geworden. Jedenfalls aber scheint ihn seine eigene Einteilung später nicht mehr befriedigt zu haben ; denn er schreibt in der in seinem Todesjahr 1904 erschienenen grossen Schrift: „Die Seitenwandungen zerfallen in eine ventrale und dorsale Hälfte. Für das Rückenmark reichen diese Be- zeichnungen aus, beim Gehirn dagegen treten Verschiebungen ein, welche es wünschbar machen, Ausdrücke zu besitzen, die unabhängig von den Beziehungen zu Rücken und Bauch sind. Ich habe seiner Zeit die Ausdrücke Grundplatte und Flügelplatte vorgeschlagen, die mir selber indessen nur ein Notbehelf gewesen sind, und die ich gern gegen bessere vertauschen werde. Vielleicht erweisen sich die Bezeichnungen eines epencephalen und hypence- 392 L. Gräper: phalen Bezirkes als brauchbar.“ Ob die Einteilung in Grund- und Flügelplatte auch für spätere Stadien und im Rückenmark keine Geltung hat, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich keine speziellen Untersuchungen darüber gemacht habe. Ich möchte aber die Beobachtung von Bolk registrieren, der eine Segmentation in der dorsalen Hälfte des Rückenmarkes beschreibt, die His nicht kannte. Vielleicht kann auch hier diese Quersegmentierung der Anlass zu der Hisschen Längseinteilung gewesen sein. Schliesslich besteht ja auch die Möglichkeit, dass bei menschlichen Embryonen in einem bestimmten kurzdauernden Stadium auch eine schnell verschwindende Längsteilung in Hirn und Rücken- marksrohr sichtbar ist, die bei den Tieren nicht deutlich ist. Durch Zufall bin ich jetzt in den Besitz eines menschlichen Embryo von 9 mm Länge gekommen, von dem ich Aufschluss über diese Verhältnisse zu erhalten hoffe. Die gänzliche Nichtbeachtung der Neuromeren durch W. His, obgleich die vordersten z. B. in seiner Fig. 35, S. 57, 1904 deutlich erkennbar sind, muss um so mehr wundernehmen, als er ein so hervorragendes Formvorstellungs- vermögen besass, wie ja aus seinen Rekonstruktionen hervorgeht. Sein Gehirnprofil mit eingezeichneten Neuroblasten ist für uns sehr interessant, wenn ich auch nach den Silberpräparaten vieles anders zeichnen möchte. Im folgenden sei kurz herausgegriffen. was His bei einem menschlichen Embryo von vier Wochen über die Kerne und den Austritt der Hirnnerven im Rhombencephalon sagt: der Hypoglossuskern ist gross, mit Zellen durchsetzt, die ihre Fasern in die vordere Kommissur senden. Dorsalwärts liegen Neuroblasten der Accessoriusreihe. Kommt man von hinten her näher an die Gehörblase, so sieht man nach unten sich zuspitzende Neuroblasten des Facialis. Der Facialiskern reicht bis über den rostralen Rand der Gehörblase hinaus. Dann folgt dicht unter der Oberfläche der ziemlich kompakte Abducenskern und jenseits davon das breite Bündel des austretenden Nervus facialis. Auch die Strecke bis zum motorischen Hauptkern des Trigeminus ent- hält Neuroblasten, deren Zugehörigkeit His nicht bestimmen konnte. Der motorische Hauptkern des Trigeminus ist ein Seitenhornkern, der dicht an der Oberfläche liegt. Die Zellen der Vorderhornzone entsenden ihre Fasern medianwärts. Viele derselben sind schräg angeschnitten und daher nicht weiter ver- folgbar. Die Strecke zwischen Trigeminusaustritt und dem Beginn Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 395 des Isthmus bot His keine eindeutigen Bilder, wohl deshalb, weil seine Serie hier wegen der Krümmung des Hirnes keine reinen (Juerschnitte ergab und wahrscheinlich auch die Radix mesence- phalica das Bild komplizierte. Wichtig ist mir aber, dass His in dieser Gegend Neuroblasten mit weit nach hinten gerichteten Fortsätzen zeichnet. Er äussert auch, dass ein Teil der Zellen wahrscheinlich der absteigenden Trigeminuswurzel angehöre. Bisher sind also die Neuromeren des Rautenhirns nur ge- wissermassen auf äussere morphologische Eigenschaften hin unter- sucht worden und nur Orr und Beraneck haben auf die Kernverteilung in ihnen geachtet. Nirgends findet sich eine Angabe, dass sie anfangs anders aussehen als später, und es wird nur ganz allgemein erwähnt, dass sie sehr bald verschwinden. Über die Nervenbeziehungen ist sehr viel geschrieben, und doch sind sie wenig genau untersucht worden. Das zeigen die ver- schiedenen Resultate und unter anderem auch die Tatsache, dass erst sehr spät Angaben über den Zusammenhang des Abducens mit einem bestimmten Neuromer zu finden sind und dass diese Angaben sehr schwanken. Meist ist nur die Lage der Austritts- oder Eintrittsstelle des Nerven beschrieben, nur Neal versucht auf einem anderen, aber keineswegs einwandfreien Wege, nämlich durch das Studium der Entwicklung der Ganglienleiste, den Zu- sammenhang zu klären, und nur im Handbuch von Keibel und Mall finden sich Angaben über die Lage der Kerne zu den Neuromeren. Niemand hat versucht, an Spezialpräparaten den Verlauf der Fasern innerhalb des Hirnrohres bis zu ihren Ur- sprungskernen zu verfolgen und danach zu bestimmen, zu welchen Neuromeren die Hirnnerven gehören. Auch ich habe anfangs eine grössere Anzahl von Hühnchen- embryonen mit Kernfärbung hauptsächlich in Sagittal- und Horizontalschnittserien untersucht, doch musste ich bald einsehen, dass damit nichts Neues zu erreichen war. Daher ging ich bald dazu über, Serien durch Embryonen herzustellen, die mit Silber- reduktionsmethoden nach Cajal, Bielschovsky, Paton und Modifikationen von ihnen behandelt waren und Nervenfaserfärbung, zum Teil auch Neuroblastenfärbung zeigten. Untersucht wurden Hühnchen, Schwein, Schaf, Kaninchen, Acanthias und Torpedo. Am klarsten erschienen die Verhältnisse bei den Säugetieren, die jedoch in richtigen Entwicklungsstadien, in geeigneter Fixierung 394 L. Gräper: und genügender Anzahl nur schwer beschafft werden konnten. Trotzdem werden im folgenden in erster Linie die Resultate bei Schwein und Schaf berücksichtigt werden. Von einer Anzahl dieser Serien wurden Plattenmodelle hergestellt. Während diese Silberreduktionspräparate zum Studium der Nervenbeziehungen der Rhombomeren verwendet wurden, stellte ich mir für das Studium der weiteren morphologischen Entwicklung der Rhombo- meren sagittale Üelloidinserien mit Richtlinie durch Köpfe von Schweineembryonen bis zur Länge von 65 mm her. Die linke Hälfte der Höhlung der Rautengrube wurde dann mit der Platten- methode derart modelliert, dass gewissermassen ein vergrösserter Ausguss der linken Hälfte des vierten Ventrikels entstand, an dem die Neuromeren als vorstehende Wülste, bezw. Leisten zu sehen waren. Auf die Schilderung der Entwicklung der Neuromeren von ihren ersten Anfängen her möchte ich hier schon deshalb ver- zichten, um mich nicht auf eine weitläufige Diskussion der „primären“ Neuromerie und ihres Zusammenhanges mit der klassischen sekundären Neuromerie einlassen zu müssen. Meine Schilderungen beginnen daher mit Stadien, bei denen für die Neuromeren etwa die von Orr gegebenen Charakteristika gelten, das heisst, wo sie an der Innenfläche der Rautengrube durch ein- gesenkte, ungefähr quer stehende, muldenförmige Gruben dar- gestellt sind, die voneinander durch niedrige Leisten getrennt sind. Orr spricht von einem scheinbaren Septum, das man unwillkürlich dadurch zu sehen glaubt, dass die Kerne der Zellen der benachbarten Neuromeren zwar dicht an die geradlinige Grenze heranrücken, aber nie über sie hinweggreifen. Dass diese Grenze nicht nur eine optische ist, kann man aus folgender Tat- sache ersehen : Die Schnitte durch Embryonen mit Silberreduktions- färbung sind wegen der Sprödigkeit des Materials leicht zer- reisslich. und wenn man sie nach der japanischen Methode mit Wasser aufklebt, so zerreissen sie leicht, wenn sie etwas zu stark erwärmt werden, und die kleinen Risslinien liegen — besonders bei Schnitten, die horizontal, parallel der Bodenfläche der Rauten- grube angelegt sind, — mit grosser Regelmässigkeit in den Neuromerengrenzen und gehen mitten durch den inneren Grenz- grat. Wäre längs des scheinbaren Septums das Gewebe nicht von bedeutend geringerer Festigkeit als innerhalb der Neuromeren, Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 395 sondern gleich dicht, so dürfte die Risslinie nicht den Grat unter- teilen, sondern müsste in einer Einsenkung enden. Diese Tat- sache spricht meines Erachtens dafür, dass die Neuromeren morphologische Individuen sind, wie etwa die Urwirbel, und nicht durch Wachstum im engen Raum entstandene Falten einer homo- genen Rohrwandung. Gegen letztere Annahme sprechen auch die Angaben Hills, dass die inneren Grate beim Hühnchen anfangs innere Furchen sind, was ich ohne Nachuntersuchung nicht be- zweifeln möchte, zumal in manchen Zeichnungen späterer Unter- sucher, z. B. Neals, besonders bei Reptilienembryonen inter- neuromerale Furchen an der Innenwand des Rautenhirns zu sehen sind. Dass die Kerne in der Nähe des „Septums“ sich dem Lumen des Ventrikels mehr nähern sollen, als in der Mitte der einzelnen Teilstücke, kann ich nicht bestätigen und glaube Bilder, die dies Verhalten zeigen, teils für Schrägschnitte halten zu müssen, teils ist die helle Zone durch eine Anhäufung der sogenannten Hisschen Keimzellen hervorgerufen. Hier finden sich eine Menge von Teilungsfiguren, und zwar in jedem Schnitt von 10 « und in jeder Neuromereneinsenkung eine grössere Anzahl, oft mehr als 20. Weniger dicht liegen die Mitosen in der Nähe der inneren Leisten. Während so die Zellvermehrung an der Innenfläche der Neuromeren stattfindet, geht an ihrer äusseren Oberfläche die Differenzierung vor sich. Es bildet sich um die kernreiche eine schmale, kernarme Zone aus, und mit dem Fortschreiten dieser Bildung gleichen sich die anfangs sehr tiefen äusseren interneuromeralen Furchen immer mehr aus. Schon vor dem ersten Auftreten jener kernarmen Zone lassen sich Nervenfasern an der Oberfläche der kernreichen Zone — Matrix nach His — mit Silbermethoden darstellen. Die differen- zierte Zone nimmt nun sehr rasch zu, so dass an der äusseren Oberfläche des Hirnrohres bald von den Neuromeren nichts mehr zu sehen ist und nur noch die Stellen des Eintrittes bezw. Aus- trittes der grossen Nerven als Hügel die Lage der Neuromeren erkennen lassen. Während dieser Vorgänge sind in die äusseren interneuromeralen Falten Gefässe gelangt, die von der Nerven- faserzone eingeschlossen werden. Dies ist bei Säugetierembryonen regelmässig, bei Embryonen von Hühnchen nicht mit gleicher Konstanz nachzuweisen. Derartige Gefässe wurden schon von Zimmermann beobachtet. Ob sie segmentalen Wert haben, 396 L. Gräper: ist zweifelhaft, da man an Embryonen in jede Falte des Gehirns Gefässe sich einsenken sieht. Über die Angabe von Miss Platt, dass man die Hirnnerven an Präparaten mit Kernfärbung interneuromeral austreten sehen soll, muss ich mich nach meinen mit Boraxkarmin gefärbten Präparaten von Hühnerembryonen vom Anfang des 3. Tages sehr wundern. In ihnen scheint der Austritt des Trigeminus und Facialis streng auf je ein Neuromer beschränkt und dasselbe glaube ich auch an mit Silber imprägnierten Hühnchenembryonen dieses Alters zu sehen. Leider ist es mir auch an diesen Präpa- raten bisher noch nicht gelungen, Genaueres über die Kreuzung der motorischen Fasern zu sehen, da schon die ersten auftretenden Fasern beim Huhn zum Teil ventral kreuzen, und zwar meist schräg über die Breite eines Neuromers hinweg, so dass eine Identi- fizierung der Fasern und eine Unterscheidung zwischen motorischen und anderen unmöglich ist. Ich will den Faserverlauf zunächst bei Hühnerembryonen beschreiben, bei denen sich eben die Linsengrube eingesenkt hat und noch weit offen ist. Wenn ich im folgenden gerade auf die zentrifugalen (motorischen, sekretorischen usw.) Fasern der Hirnnerven besonderen Wert lege, so hat das seinen Grund darin, dass ich glaube, aus ihnen die Neuromeren- beziehungen der Nerven ableiten zu können. Die sensorischen Fasern sind dazu ungeeignet; denn in das Hirnrohr eingetreten, wenden sie sich sofort in die Längsstränge, in denen eine Ver- folgung unmöglich ist und auch zwecklos wäre, da der Achsen- zylinderfortsatz ja das bewegliche Element des Neurons ist. Er läuft zu den Kernen, die weit entfernt liegen und ganz ver- schiedenen Querschnittshöhen angehören. Anders die motorische Wurzel des Nerven: ihre Ursprungskerne dürften kaum grösseren Verschiebungen in der Längsrichtung des Hirnrohres unterliegen. Die Lage der Kerne zu den Neuromeren kann man also be- stimmen, ja, die Kerne sind aus den Neuromeren entstanden. Wenn nun Fasern aus solchen Kernen, also motorische oder allgemein zentrifugale Fasern, in einen Hirnnerv austreten, so kann man daran seine Neuromerenbeziehung feststellen. Deshalb sind in der vorliegenden Arbeit nur die zentrifugalen Fasern oder die, welche ich für solche halten muss, berücksichtigt. An Horizontalschnitten — als solche sollen im folgenden immer Schnitte bezeichnet werden, die annähernd parallel mit © Ne) —I Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. dem Boden der Rautengrube laufen und die Neuromeren bilateral symmetrisch und ungefähr quer durchschneiden — durch die untere Hälfte des Hirnrohres (die hypencephale Region nach His) eines Hühnchens im erwähnten Stadium sieht man in der präotischen Region nur an der Oberfläche der Neuromeren 2 und 4 je eine Anzahl tief braunschwarz gefärbter Nervenfasern quergeschnitten, die also längs dieser Neuromeren von ventral nach dorsal laufen, während in den Neuromeren 3 und 5 keine Fasern und in 1 nur weiter dorsal ganz wenige Fasern zu erkennen sind, die vielleicht auf einem wenig früheren Stadium auch nicht vorhanden sein würden. Inder postotischen Region finden sich in Neuromer 6 eine Anzahl Fasern, von denen einige in den Glossopharyngeus austreten. Das siebente Neuromer hat ebenfalls derartige Fasern, die kaudal- wärts ohne scharfe Grenze immer weniger werden. Dafür sieht man hier zahlreiche ventral gelegene Längsfasern. Die ersten ventral kreuzenden Fasern sehe ich zwischen Neuromer 6 und 7 und zwar schräg von Neuromer 6 nach Neuromer 7 der anderen Seite laufend mit Wachstumskölbehen versehen. Ich gehe wohl nicht zu weit fehl, wenn ich annehme, dass jene eben angeführten Fasern, die gerade an denjenigen Neuromeren zu finden sind, an denen die Nerven anliegen, zu diesen Nerven gehören und wahrscheinlich ihre zentrifugalen Fasern sind. (Derartige zentri- fugale Fasern, die sehr früh auftreten und von den ventromedial gelegenen Neuroblasten an der Oberfläche der Neuromeren dorsal- wärts zur Austrittsstelle des Nerven laufen, sollen im folgenden als „Primärfasern“ bezeichnet werden.) Dabei muss ich allerdings erwähnen, dass beim Trigeminus die Zahl der Fasern von ventral nach der Austrittsstelle zuzunehmen scheint, was wohl damit zusammenhängt, dass die Neuroblasten sich auf diese Strecke verteilen. Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Professor Held durfte ich eines seiner Präparate sehen,') bei dem die Neuroblasten der Portio minor des Trigeminus teils dicht an der Austrittsstelle, teils etwas davon entfernt liegen; aber man sieht ausserdem von ventromedial her viele Faserzüge kommen, die nach der Austrittsstelle umbiegen. Wenn man diese auch nicht vom Neuroblasten bis in den Nerv hinaus an einem Schnitt ver- !) Das Präparat stammt von einer Gans, die bedeutend weiter ent- wickelt war. Das Linsenbläschen ist völlig geschlossen und vom Ektoderm getrennt. 398 IL: Gräper: folgen kann, so ist doch anzunehmen, dass es sich, wenigstens bei einem Teil von ihnen, um zentrifugale Fasern handelt, deren Kerne ventromedial liegen. Die Kerne der übrigen seitwärts aus- tretenden zentrifugalen Nerven liegen zweifellos sämtlich ventro- medial. Trotzdem bieten Querschnitte durch das Facialisgebiet in meinen Präparaten junger Hühnchen kein wesentlich anderes Bild, als solche durch das Trigeminusgebiet, wenn auch in jenen die Fasern zahlreicher sind, entsprechend dem starken motorischen Nerven. Der Trigeminuskern scheint mir also keine prinzipielle, sondern nur eine graduelle Sonderstellung einzunehmen. Seine Neuroblasten liegen nur nicht ausschliesslich ventromedial, sondern zum Teil bis zur Austrittsstelle verteilt. Aber selbst das scheint kein dem Trigeminus allein zukommendes Charakteristikum zu sein; denn an der 1889 veröffentlichten Beobachtung von His jun., der mit aller Bestimmtheit bei einem menschlichen Embryo von 4 Wochen eine Anzahl von Neuroblasten dieht an der Aus- trittsstelle des Facialis sah, ist wohl nicht zu zweifeln. Die auffallendsten Nervengebilde in dem besprochenen Stadium sind zahlreiche grosse Neuroblasten, die sich über das ganze Z/wischenhirn erstrecken und mit ihren Spitzen schräg nach hinten unten gerichtet sind. Aus ihnen gehen Nervenfasern hervor, die sich ventral an der Grenze zwischen Diencephalon und Mesen- cephalon zu einem Bündel sammeln. Dieses Bündel läuft ventral der Mittellinie angenähert an der Oberfläche des Hirnrohres hin und zwar längs der Zone, in der die motorischen Kerne auftreten. Es ist mit Sicherheit bis zum zweiten Neuromer zu verfolgen, aber da noch weiter hinten an der entsprechenden Stelle Längs- fasern zu sehen sind, möchte ich eine Fortsetzung des Bündels, vielleicht durch Fortsätze von weiteren, über die Neuromeren verbreiteten Neuroblasten ergänzt, annehmen. Diese absteigende Bahn tritt noch deutlicher an wenig älteren Embryonen — auch mit noch offener Linsengrube — in Erscheinung. Es ist schwer, über die Bedeutung dieser absteigenden Bahn etwas zu sagen; aus ihrem sehr frühen Auftreten kann man wohl mit Recht schliessen, dass sie einige Wichtigkeit hat. Thalamospinale und thalamo- bulbäre Bahnen sind aufsteigende, kommen also nicht in Betracht. Die Radix mesencephalica liegt weiter hinten im Mittellirn und dorsal, und eine so hochgradige Verschiebung nach hinten wird im Laufe der Entwicklung wohl nicht stattfinden können. Die Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 399 einzige bekannte Bahn, die in Frage käme, wäre das Längsbündel des zentralen Höhlengraues (Schütz), das seinen Ursprung an im Thalamus und Hypothalamus verteilten Zellen hat. Auch die oben beschriebenen an den Neuromeren ventro- dorsal laufenden Fasern werden in den besprochenen Stadien viel zahlreicher. Allerdings bleiben sie nicht mehr rein auf diejenigen Neuromeren beschränkt, mit denen die seitlichen zentrifugalen Nerven zusammenhängen, sondern sie treten — wenn auch spär- licher — auch in den Neuromeren 1, 3 und 5 auf. Ich halte auch einen grossen Teil dieser Fasern, die His an späteren Stadien als Bogenfasern bezeichnet, für zentrifugal, — um den Ausdruck „motorisch“ zu vermeiden. Der Grund dafür wird bei Besprechung späterer Stadien ersichtlich. Für diese Stadien stehen mir nun Säugetierembryonen zur Verfügung. Zunächst möchte ich, um die Anordnung der zu besprechenden Gebilde im Quer- schnitt zu zeigen, noch einmal auf die Querschnittsserie durch einen ca. 9 mm langen Schafembryo zurückkommen, an dem ich oben gelegentlich der Erörterung über die Hissche Längs- einteilung die Formverhältnisse der Neuromeren dargestellt habe (Textfig. 1—6, S. 390 f.). Zur weiteren Charakterisierung des Embryo mag dienen, dass die Linsengrube eben durch einen Zellpfropf ge- schlossen und noch innig mit dem Ektoderm verbunden ist. Der Ductus endolymphaticus ist angedeutet. Die kernreiche Zone, welche die eigentlichen Neuromeren darstellt. die Hissche Matrix oder Innenplatte, ist schraffiert dargestellt. Die Nervenfasern sind dar- gestellt, soweit sie schwarz gefärbt waren, und die Anhäufungen von schwarzgefärbten Neuroblasten sind durch kleine Kreise schematisiert, deren jeder eine Mehrheit von Neuroblasten vor- stellen soll. Diese Neuroblastenanhäufungen sieht man nun an allen Schnitten an derselben Stelle und zwar bilateral symmetrisch an der Oberfläche der Neuromeren, und zwar ventralmedial, der Mittellinie dort angenähert, wo später die ventralen Kommissuren- fasern kreuzen. Am Modell der Innenplatte stellt sich die Neuro- blastenansammlung als eine mehr oder minder hervorragende, flache Leiste dar, die in der ganzen Länge des Rautenhirns ventral nahe und parallel der Mittelebene hinläuft. Sie ist nicht unterbrochen und scheint keine den Neuromeren vergleichbaren Segmente zu haben, wenn sie auch in ihrer Stärke sehr wechselt. So ist sie z. B. im Facialisgebiet sehr dick und senkt sich tief 400 L. @eäper: in das entsprechende Neuromer ein, während sie im Trigeminus- gebiet stellenweise nur eine einfache Schicht von Neuroblasten an der ventralen Oberfläche der Neuromeren bildet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieser ununterbrochene Neuro- blastenstrang die erste Anlage der motorischen Kernmassen dar- stellt und zwar sowohl der sogenannten Vorderhorn- als auch Seitenhornkerne. Ich will für diesen Strang den Ausdruck „primäre motorische Kernsäule“ gebrauchen. Bei dem ca. 9 mm langen Schafembryo sind im Gebiet des Neuromers 1 noch keine Neuroblasten gefärbt und erst im Gebiete des Trochlearis sieht man an ganz vereinzelten Neuroblasten An- deutung von Färbung. Es sind im eigentlichen Hirngebiet über- haupt nur die motorischen Neuroblasten des seitlichen gemischten Systems mit Silber tingiert, während die Augenmuskelkerne, Okulomotorius, Trochlearis und Abducens noch nicht gefärbt sind und die Hypoglossuszellen erst teilweise Imprägnation zeigen. Dabei kann ich mit Bestimmtheit angeben, dass die Hypoglossus- zellen dorsolateral von den Accessoriuszellen liegen und dass die Fasern beider Nerven sich beinahe rechtwinklig kreuzen. Dieser Befund weicht von dem von His erhobenen ab, der an eosin- gefärbten Präparaten vom Menschen am Ende des ersten Monates die Accessoriuszellen dorsal von dem Hypoglossuskern liegen sah. Ich will damit nicht sagen, dass beide Befunde unvereinbar seien. Aus meinen Beobachtungen geht hervor, dass die Kerne der seitlich austretenden Nerven früher entwickelt sind als die der rein motorischen Nerven und eine ganz ventromedial gelegene Säule darstellen, ferner dass die Differenzierung neuer Kerne immer an der Oberfläche der Matrix vor sich geht. Diese müssen also primär stets dorsal und lateral von ersteren liegen und können erst sekundär eine andere Lage einnehmen. So ist es möglich, dass — in einem im Vergleich zum 9 mm langen Schafembryo etwas älteren Stadium — am Ende des ersten Schwangerschaftsmonates beim Menschen die Hypoglossuszellen ventral gerückt sind. Schon jetzt sei gesagt, dass auch der Abducenskern dorsolateral von dem Facialiskern liegt und dass die Kerne des Okulomotorius und Trochlearis weiter lateral liegen, als man die oben beschriebene Kernsäule der seitlich austretenden Nerven erwarten würde, wenn es an diesen Stellen solche gäbe. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 401 Während also im Neuromer 1 Neuroblasten noch nicht er- kennbar sind, werden sie, sobald man in das Gebiet des zweiten Neuromers kommt, in der Gegend der primären Kernsäule als eine einschichtige Auflage auf die Ventralseite der Matrix sichtbar (Textfig. 2). Die Fortsätze der Neuroblasten sind zur Hauptsache lateralwärts gerichtet, und eine Anzahl Primärfasern ziehen dorsalwärts an der Oberfläche der Innenplatte hin, sich innerhalb des unteren Drittels des Hirnrohres haltend. In dem interneuromeralen Septum — in der Figur schräg geschnitten — liegen locker verteilte Zellen, an denen keine Differenzierung wahrnehmbar ist. Sie haben sich von der Ober- fläche des Neuromerenkernes — wenn man die Innenplatte der Neuromeren so bezeichnen will — losgelöst. Die Stelle ihrer stärksten Anhäufung habe ich in den Figuren punktiert umzogen. Bis in ihre Nähe sieht man Nervenfasern angeschnitten und zwar je höher man kommt, desto kürzer abgeschnitten als Ausdruck dafür, dass die ventral noch ziemlich in der Querschnittsebene liegenden Fasern immer mehr in die Längsrichtung umbiegen, je mehr sie dorsalwärts gelangen. Sie streben der Austrittsstelle des Trigeminus zu. Wenn diese auch über eine gewisse Strecke ausgedehnt ist, so tritt doch in ihrer Nähe eine beträchtliche Verdichtung der Fasern ein, und da auch hier undifferenzierte Zellen liegen und die Fasern fast rechtwinklig scharf umbiegen, wird leicht der Eindruck eines motorischen Kernes erweckt. Mir ist es aber an diesem Stadium nicht gelungen, auch nur einen Neuroblasten in der Nähe der Austritts- stelle des motorischen Trigeminus mit Sicherheit festzustellen. Allerdings muss ich erwähnen, dass meine Schnitte ausanderen Gründen ziemlich dick waren (10 «). Dagegen sehe ich einige verstreute Neuroblasten in dem interneuromeralen Septum °/3 zwischen primärer Kernsäule und Austrittsstelle der Portio minor. Sie sind in der Textfig. 3 durch je zwei kleine Kreise auf jeder Seite versinnbildlicht. Es macht den Eindruck, als wenn auch diese Neuroblasten ursprünglich in der primären Kernsäule gelegen hätten und erst sekundär dorsolateralwärts gerückt seien. Stellenweise wird das Bild durch gerade hier eintretende Gefässe getrübt. Der Schnitt zeigt reichliche Nerven- fasern, wie überall, wo ein Septum in seinem untersten Teile angeschnitten ist. Dieser Erscheinung werden wir auch auf 402 I. Gräpeer; Horizontal- und Sagittalschnitten begegnen. Es legen sich nämlich die Mehrzahl der längs der Oberfläche der Innenplatte verlaufenden Fasern wohl aus mechanischen Gründen in die Septen ein. Auf dem Schnitt sind drei Neuromeren 1 bis 3 und seitlich vom Hirnrohr die beiden Trigeminusganglien in grosser Ausdehnung angeschnitten. Auch die Portio minor sieht man auf eine grössere Strecke. Textfig. 4 stellt einen etwas weiter hinten gelegenen Schnitt dar, der nur noch Neuromer 2 und 3 trifit. Man sieht einige wahrscheinlich schon aus Neuromer 3 stammende Fasern dicht an der Austrittsstelle, nachdem sie scharf in diese Richtung umgebogen sind. Das ist ungefähr die Stelle, wo später der klassische motorische Kern des Trigeminus liegt. Ferner sieht man ventral einige Fasern, die aus spärlichen Neuroblasten des dritten Neuromers stammen und sich noch dem Trigeminus an- schliessen. Geht man in der Serie weiter nach hinten, so kann man stets noch — wenn auch spärlich — Neuroblasten und der Aus- trittsstelle des motorischen Trigeminus zustrebende Fasern im Gebiete des dritten Neuromers sehen. Gefärbte ventral kreuzende Fasern finde ich weder hier noch weiter vorn. Weiter nach hinten folgen Schnitte, die dorsal das Neuromer 3 und ventral das Neuromer 4 treffen. Letzteres, das Facialis- neuromer, ist ventral sehr breit, wie man aus der Textfig. 1 ersehen kann. Die primäre Kernsäule ist in ihrem Bereiche sehr mächtig, auf dem Querschnitt oft kreisförmig. Zahlreiche Primär- fasern gehen von ihr dorsolateralwärts zur Austrittsstelle des Facialis. Von der Abbildung eines derartigen Schnittes habe ich abgesehen. Die Textfig. 5 zeigt einen Querschnitt, der nur das Facialisneuromer 4 trifft. Die Ganglienmasse des Akustiko- Facialis ist von vorn her eben angeschnitten, und einzelne Facialis- fasern sind ausserhalb des Hirnrohres sichtbar. Textfig. 6 zeigt einen Schnitt, der zwischen Gehörbläschen und Akustiko-Facialis hindurchgeht und jenes vorn, diesen hinten im Querschnitt trifft. Dorsal ist schon Neuromer 5, ventral noch Neuromer 4 mit der mächtigen primären Kernsäule angeschnitten. Einzelne Primärfasern des Facialis sind sichtbar. Weiter hinten liegende Schnitte habe ich nicht mehr ab- gebildet. Die primäre Kernsäule behält ihre Stärke mit geringen Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 403 Schwankungen bei und ändert nur ihre Querschnittsform, die, je weiter man nach hinten kommt, mehr und mehr die Gestalt einer liegenden Ellipse annimmt. Auf der ganzen Strecke bis in das Hypoglossusgebiet hinunter verlaufen von ihr kontinuierlich dorso- lateralwärts Primärfasern, die sich der Reihenfolge nach dem Facialis, dem Glossopharyngeus, dem Vagus und dem Accessorius anschliessen. Jedoch sind die Grenzen zwischen den einzelnen Nervengebieten nicht genau festzustellen. Erst mit dem Auf- treten der Hypoglossusfasern wird das Bild wesentlich anders dadurch. dass ein anders gearteter Faserzug hinzukommt. Wie schon oben kurz erwähnt war, bilden die ersten Hypoglossus- zellen den dorsolateralsten, später auftretenden Teil der primären Kernsäule, und während die seitlich austretenden zentrifugalen Nerven — hier Vagus bezw. Accessorius — dorsolateralwärts an der Oberfläche der Innenplatte hinlaufen, durchkreuzen die Hypo- glossusfasern dieselben fast rechtwinklig und gelangen auf einem kurzen Wege an die Oberfläche des Hirnrohres (siehe auch Fig. 13). Nunmehr bespreche ich eine Horizontalschnittserie der Rautengrube eines Schafembryo von 13 mm Länge. Das Linsen- bläschen ist vom Ektoderm völlig abgelöst. Wir verfolgen die Serie von ventral nach dorsal. Zuerst wird das Facialisneuromer 4 an- geschnitten. Man sieht dicht gedrängte, aber nicht sehr starke Fasern ventral die Mittelebene kreuzen. Wenig höher ist eine dünne Schicht von intensiv gefärbten Nervenfasern angeschnitten, die die primäre Kernsäule unten und lateral rinnenförmig ein- hüllt. In ihr verlaufen die Fasern in den verschiedensten Rich- tungen. Ausser zahlreichen Längsfasern, die bei dieser Schnitt- richtung natürlich die auffallendsten sind, wenden sich viele Fasern ventralwärts, um auf die Gegenseite zu ziehen. Andere Fasern — und das sind für uns die wichtigeren, — wenden sich zwar an- fangs auch ventral, biegen dann aber scharf um und ziehen an der Oberfläche der primären motorischen Kernsäule dorsalwärts, indem sie aus dieser immer neue Fasern erhalten. Deshalb er- scheinen die primären zentrifugalen Fasern, — denn um solche handelt es sich hier, — auf den Horizontalschnitten als eine von der Kernsäule deutlich gesonderte Schicht. Der Anschnitt der Kernsäule wird immer grösser und es ist auffällig, dass die grosse Mehrzahl der Neuroblasten, — beinahe alle, — im hinteren Teil des vierten und im fünften Neuromer mit ihren Fortsätzen nach Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 27 404 DL. Gräper:; vorn gerichtet ist. Bei den Primärfasern macht sich auch bereits eine Konvergenz nach aussen zu bemerkbar. Die höchstgelegenen Neuroblasten in der primären Kernsäule sind wieder quer zur Längsachse orientiert und gehen direkt in Primärfasern über. Das gleiche gilt für fast alle die weniger zahlreichen Neuro- blasten des dritten Neuromers. Textfig. 7 stellt einen Schnitt dar. der die primäre Kernsäule im Gebiete des zweiten Neuromers querschräg und im Gebiete des fünften Neuromers längsschräg trifft. Hier liegt die Hauptmasse der Neuroblasten mit den Fort- sätzen proximalwärts, wie schon oben erwähnt, was in der Figur, ohne den (sesamteindruck zu verwischen, nicht zum Ausdruck zu bringen war. Die Fasern dieser Zellen schliessen sich den aus- tretenden Facialisfasern an. Es fragt sich nur, zu welchem Neu- romer diese Zellen zu rechnen sind. In der vorliegenden Serie und in Sagittalschnittserien von 1/—1S mm langen Schweine- Embryonen wird man sie unbedenklich dem fünften Neuromer zuweisen und auch am Modell der Innenplatte erscheint es so. Wenn man aber das Modell der Innenplatte des 9 mm langen Schafembryo (Textfig. 1) betrachtet und die grosse ventrale Breite des Facialisneuromers 4 in Rücksicht zieht, so kann man die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass die Verbreiterung sich bis in dieses Gebiet erstreckt. Der kleinere Teil der Neuro- blasten steht senkrecht zur Längsachse der Kernsäule. Aus ihnen stammen einesteils Primärfasern, die sich dem Facialis anschliessen, anderenteils austretende Abducensfasern, die in Textfig. 7 reichlich zu sehen sind. Intensiv gefärbte, ventral kreuzende Fasern sind weder vorn noch hinten vorhanden. Im Gebiete der Neuromeren 3 und 4 geht der Schnitt dorsal von der Kernsäule, und es fällt sofort der Unterschied in der Anzahl der Primärfasern im Gebiete von N. 3 undN.4 auf. Während im ersteren die Fasern nur einzeln oder in Bündeln bis zu fünf Stück liegen, sind die Bündel im Gebiete des vierten Neuromers viel stärker, bis zu zehn und mehr Fasern, und stehen auch dichter. Es sind, wie die römische VII in der Figur andeutet, Facialisfasern, während ich zu jenen eine römische V mit dem arabischen Index 3 gesetzt habe (Vs), als Ausdruck dafür, dass es sich — wenigstens bei der Mehrzahl — um zentrifugale Fasern des Trigeminus handelt, die aus dem Gebiete des Neuromers 3 stammen. Ein grosser Teil dieser Fasern erreicht wenige Schnitte dorsalwärts seinen höchsten Punkt, biegt um und Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 405 Fig. 9. Fig. 7—9. Horizontalschnitte durch den Kopf eines Schafembryo. Silber- imprägnation. Arabische Ziffern — Neuromerennummern; Römische Ziffern — Hirnnerven; G — Gehörbläschen; G mit römischen Ziffern — Ganglion. 27* 406 L. Gräper: tritt als gesondertes Bündel in die Portio minor aus. Dieses Bündel ist auch ausserhalb des Hirnrohres (absteigend) in der Textfig. 7 zu sehen und gleichfalls mit V3 bezeichnet; die übrigen austretenden oder ausgetretenen Bündel des motorischen Trige- minus entstammen der primären Kernsäule im Gebiet des Neu- romer 2, von der ein Teil links angeschnitten ist. Sehr schwierig ist zu entscheiden, ob auch die ventralen Partien des ersten Neuromers an den motorischen Trigeminus Fasern abgeben, wie überhaupt die Abgrenzung des Neuromers nach vorn mir zur Zeit noch deswegen Schwierigkeiten macht, weil durch die starke Isthmuskrünnmung Grenzen vorgetäuscht werden können. Die Zahl der Neuroblasten im Gebiete des ersten Neuromers ist sehr gering, aber doch ist in diesem Stadium eine ununterbrochene Kernsäule bis zum Okulomotorius vorhanden. Im Gebiete des vierten Neuromers sieht man. in Textfig. 7 den Austritt des Facialis in dicken, kompakten Bündeln. Der Biegungsscheitel dieser Bündel liegt in den nächsthöheren Schnitten in der kernarmen Zone. Ausserdem liegt der Medialseite des Ganglion acusticum beiderseits ein mit VIIs bezeichnetes Bündel an, das deswegen in der Figur so stark erscheint, weil es schräg geschnitten und nicht sehr dicht gefügt ist. Sein Biegungsscheitel innerhalb des Hirnrohres und seine Austrittsstelle liegen sehr viel weiter dorsal als diejenigen des übrigen Facialis, aber ventral von den sensiblen Wurzeln, und seine Fasern stammen aus dem fünften Neuromer und dem Anfangsteil des sechsten. Auch an einer Sagittalschnittserie konnte ich Fasern davon bis in die Gegend des Glossopharyngeus — Anfang des sechsten Neuromers — erkennen. Vermutlich handelt es sich um den zentrifugalen Teil des Nervus intermedius. Besonders hervorgehoben zu werden verdient noch ein schmales, aber sehr dichtes und intensiv ge- färbtes Bündel, das medial von der Gehörblase liegt (IX5). Es tritt zwischen dem fünften und sechsten Neuromer aus und ent- stammt wahrscheinlich, nach der Faserrichtung zu schliessen, dem fünften. Eigentümlich ist es, dass es zwar dicht vor den anderen Glossopharyngeusfasern austritt, sich aber von ihnen wieder ent- fernt und zwischen Gehörblase und Hirn ventralwärts zieht. Hierdurch wird seine Sonderstellung bekundet. Erst ventral vom Gehörbläschen zieht es im Bogen nach hinten, um sich mit dem Glossopharyngeus zu vereinigen. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 407 Ich will kurz erwähnen, dass Shipley undauch von Kupffer zwischen Facialis und Glossopharyngeus einen schwachen, primi- tiven Akustikus (bei Petromyzon) gefunden haben, der bald ver- schwand, und dass Hoffmann bei Acanthias von 32 bis 35 Ur- wirbeln einen neuen Nervenauswuchs zwischen Facialis und (rlossopharyngeus fand, den er für rudimentär hielt. Möglicher- weise handelt es sich auch hier um eine derartige Glossopharyngeus- wurzel. Ihr Verschwinden könnte man vermutungsweise damit erklären, dass sie in den Glossopharyngeus einbezogen wird, was durchaus möglich ist, da in meinem Präparat die Insel, die sie mit dem Glossopharyngeus bildet, nur indifferentes mesenchymatöses (rewebe enthält. Die übrigen Gebilde ausserhalb des Hinterhirnes in Textfig. 7 bedürfen wohl kaum der Erklärung. Links ist das Mittelhirn mit den vordersten austretenden Fasern des Okulo- motorius angeschnitten. Ein wenig weiter hinten ist der Nervus oculomotorius quer getroffen. Hinten geht der Schnitt ein wenig schräg durch den kaudalsten Teil der Medulla oblongata mit dem Kerne des Hypoglossus und des seitlichen gemischten Systems. Im übrigen sind die Hirnnerven überall durch römische, die Rhombomeren durch arabische Ziffern kenntlich gemacht. Ein G vor der römischen Zahl bedeutet das Ganglion des betreffenden Nerven. Die Textfig. S stellt einen weiter dorsal gelegenen Schnitt dar. Getroffen sind die Neuromeren 2 bis 7. Die primäre Kern- säule ist angeschnitten, vorn im Gebiete des zweiten Neuromers beinahe quer und hinten im Gebiete des siebenten Neuromers längs schräg. An erster Stelle sieht man zahlreiche Primärfasern, die zur Austrittsstelle des Trigeminus hinziehen. Etwas lateral sieht man gleichfalls ein starkes Bündel angeschnitten, das aus weiter proximal gelegenen und daher erst in den höheren Schnitten sichtbaren Zellen der primären Kernsäule — vielleicht aus dem (Gebiete des ersten Neuromers — stammt und einige Schnitte tiefer in ein Nervenfaserknäuel hineingeht, welches die Lage des klassischen Trigeminuskernes hat. Jedoch sind in meinem Präparat zwischen den starken Faserbündeln Neuroblasten nicht sicher zu erkennen. Das kann einerseits daran liegen, dass die Färbung unvollständig sein kann, was ich aber nicht annehmen möchte, weil in allen anderen motorischen Hirnnervenkernen die Neuro- blasten sehr intensiv gefärbt sind; zweitens daran, dass gefärbte 408 b. Gräper: und zu ihrer Längsachse quergeschnittene Neuroblasten zwischen den sehr starken Nervenfasersträngen der Beobachtung in einem 10 « dicken Schnitt entgehen können; drittens daran, dass sie an dieser Stelle noch nicht oder überhaupt noch nicht vorhanden sind. Eine Entscheidung hierüber kann ich nicht treffen und möchte nur mit Vorbehalt meine Vermutung wiederholen, dass der klassische Trigeminuskern sich aus Zellen zusammensetzt, die anfangs weiter ventro-medial gelegen haben und sich erst sekundär um die Austrittsstelle des Nerven sammeln. Erwähnen werde ich diese und eine andere Möglichkeit noch bei Besprechung einer Serie durch einen ca. 16 mm langen Schafembryo, bei dem auch der von His jun. beim Menschen entdeckte Austrittskern des Facialis zu sehen ist. Von der Stelle des klassischen motorischen Trigeminuskernes zieht, der Krümmung des Hirnrohres folgend, ein Längsfasersystem, annähernd immer in der gleichen Entfernung von der primären Kernsäule bleibend, kranialwärts. In diesem Längsfasersystem liegen Zellen verstreut, die sich als Neuroblasten an einem späteren Stadium herausgestellt haben. Vermutlich handelt es sich hier um die Radix mesencephalica des Trigeminus. Auf die betreffende Stelle im Schnitt weist ein Pfeil mit der Bezeichnung Rm hin. Im dritten Neuromer sieht man in Textfig. S an der Ober- fläche der Innenplatte keine Primärfasern mehr, weil der Schnitt dorsal von ihrem Scheitelpunkt liegt. An der Oberfläche des Hirnrohres sind hier schon der sensible Längsstrang und die Eintrittsstellen der sensiblen Trigeminus- und Akustiko-Facialis- wurzeln angeschnitten. Im Gebiete des vierten Neuromers, also etwas weiter ventral, sind noch einzelne Fasern, und zwar je weiter dorsal, desto weiter lateralwärts angeschnitten, deren Ver- lauf dem der primären motorischen Bündel ähnelt, doch kann es sich auch um sensible Fasern oder kurze Bahnen handeln, da ihr Krümmungsscheitel dorsal von den sicher zentrifugalen Fasern liegt. Im Gebiete von Neuromer 5 sehen wir in Textfig. 5 auf der rechten Körperseite an der Oberfläche der Innenplatte Primär- fasern sich zu Bündeln sammeln und austreten. Es ist dies das locker gefügte Bündel des Facialis, das wir bereits in Textfig. 7 ausserhalb des Hirnrohres dem Facialis angelagert sahen (VII5). Hier geht der Schnitt also gerade durch den Krümmungsscheitel dieses Bündels. Zwischen Gehörbläschen und Hirn ist wieder der Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 409 aus dem fünften Neuromer kommende Anteil des Glossopharyngeus (IX;) als einzelner Nerv sichtbar. Im Gebiet des sechsten Neuro- mers sind zahlreiche Primärfasern vorhanden, die zum grössten Teil in den Glossopharyngeus eintreten, auf der linken Körper- seite, wo der Schnitt ein wenig weiter dorsal liegt, schon stark der Oberfläche zustrebend und ein in Beziehung zu den motorischen Nerven stehendes Längsfasersystem kreuzend. Im siebenten Neuromer geht der Schnitt längs schräg durch die primäre Kernsäule. Die hier entspringenden zentrifugalen Fasern gehen aufsteigend zum Vagus. Die Textfig. 9 stellt die linke Hälfte eines weiter dorsal gelegenen Schnittes dar. Die primäre Kernsäule ist getroffen ım (ebiete des Mittelhirns (Okulomotoriuskern) ungefähr in der (segend zwischen erstem und zweitem Neuromer und rückwärts vom siebenten Neuromer auf einer grösseren: Strecke. Die in der Gegend zwischen erstem und zweitem Neuromer gelegenen Neuroblasten senden ihre Primärfasern zum motorischen Trige- minus, ihre Fortsetzung und Austrittsstelle liegt wegen der Brückenkrümmung auf einem tieferen Schnitt. An der mit Rm? bezeichneten Stelle ist ein Längsfaserzug mit Zelleneinlagerung zu sehen, der bis zur Stelle des dorsalen (klassischen) Trigeminus- kernes hinzieht und vielleicht die Radix mesencephalica darstellt. Im Gebiete der Neuromeren 3 bis 5 sind keine motorischen Fasern mehr sichtbar. Zwischen Neuromer 5 und 6 sieht man den Krümmungsscheitel von zentrifugalen Faserbündeln. Das proximale mit VII; bezeichnete wendet sich nach vorn, um an der in Textfig. 8 bezeichneten Stelle das Hirnrohr zu verlassen und sich dem Facialis anzuschliessen. Es handelt sich wahr- scheinliich um den sekretorischen Teil des Intermedius. Das vorderste der mit IX bezeichneten Bündel ist jenes sich durch seinen isolierten Verlauf zwischen Hirnrohr und Gehörbläschen auszeichnende Bündel, das schon auf den Textfig. 7 und S sichtbar ist (IX;) und sich erst ventralwärts von der Gehörblase mit dem (Grlossopharyngeus vereinigt. Im übrigen sieht man aus dem Neuromer 6 zahlreiche Nervenfasern des (rlossopharyngeus aus- treten. Im Gebiete des Neuromers 7 sind dorsalwärtsziehende Fasern des Vagus reichlich angeschnitten. Dahinter folgt der gemeinsame Kern des Vagus und Hypoglossus, und zwar dort, wo er am meisten dorsal angeschnitten ist — im Schnitte vorn —, 410 L. Gräper: am breitesten, weil dort die dorsolateral liegenden Hypoglossus- zellen mit getroffen sind, während weiter hinten nur die untersten Zellen des Vagus angeschnitten sind. Noch weiter hinten wird das Bild komplizierter, weil es wegen der Nackenkrümmung einen kontinuierlichen Übergang von einem Horizontalschnitt zu einem schrägen Querschnitt darstellt. Eine ununterbrochene Reihe von kurz abgeschnittenen Primärfaserbündeln läuft von den medialen Zellen der primären motorischen Kernsäule schräg nach dorsal zur Austrittsstelle des motorischen Vagus bezw. Accessorius, während eine Anzahl dünnerer Faserbündel jene Reihe durchkreuzt und der Austrittsstelle des Hypoglossus zustrebt. Der Vergleich mit den weniger schräg liegenden Schnitten der Textfig. 7 und 8 wird das Bild verständlich erscheinen lassen. Im idealen Querschnitt würden sowohl die Hypoglossus- als auch die Vagusfasern bis zum Austritt längs getroffen sein, ähnlich wie es im Schema Textfig. 14 dargestellt ist. Eine weitere Horizontalschnittserie durch den Kopf eines etwa 16 mm langen Schafembryo zeigt auch sehr klare Neuro- blasten und Nervenfaserbilder. Von dieser Serie habe ich auch ein Modell der Innenplatte ete. angefertigt, von dessen Beschreibung ich hier absehen will. Im allgemeinen lässt sich an dieser Serie alles bestätigen, was von der eben besprochenen gesagt war. Nur das isolierte Glossopharyngeusbündel IX; habe ich an ihr nicht auffinden können. Es ist wahrscheinlich schon in den Glosso- pharyngeus aufgenommen worden. Der grösseren Länge des Embryo entsprechend, ist er überall weiter entwickelt, und auch die Zahl der Neuroblasten hat zugenommen. Sie nehmen einen immer breiteren Raum an der Oberfläche der Neuromeren ein, besonders im Gebiete der somatisch-motorischen Nerven, und während in den jüngsten Stadien die Fasern der somatisch- motorischen und visceral-motorischen Nerven sich durchkreuzten und ihre Kernmassen nebeneinander lagen, scheint sich schon jetzt eine Sonderung anzubahnen, indem zum Beispiel der Hypo- glossus- und Vagoaccessoriuskern eine gemeinsame durchmischte Masse bilden, die von in zwei verschiedenen Richtungen laufenden Fasern durchzogen wird. Es scheint, als wenn sich die Neuro- blasten in der Richtung des Faserverlaufes ihrer Kerne verschöben. (seht diese Verschiebung noch weiter, so muss schliesslich eine Aufhebung der Faserdurchkreuzung und eine völlige lsolierung Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 411 und Umlagerung der Kerne resultieren in der Art, dass der anfangs lateral gelegene somatisch-motorische Kern hauptsächlich ventral und etwas lateral rückt, während der anfangs medial gelegene visceral-motorische Kern dorsolateralwärts gelangt. Der innigen Durchkreuzung der Fasern folgend, müssen auch die Kerne sich gegenseitig durchwandern. Schliesslich liegt dann der viscero- motorische Kern dorsolateral zu dem somatomotorischen Kern, wie es His angibt und wie es in der Arbeit von Streeter im Keibei-Mallschen Handbuch gezeichnet ist. Dieses Verhalten kann aber nur sekundär sein und kommt nur späteren Stadien zu. Beim Abducens und Facialis findet eine derartige Um- lagerung nicht statt, denn es bestand auch anfangs nur eine minimale Faserdurchkreuzung. Doch davon soll weiter unten die Rede sein. In diesem Stadium sind nun im Gebiete des Facialis, Tri- geminus und Glossopharyngeus in der Nähe der Austrittsstellen eine Menge von Zellen zu sehen. Beim Facialis ist leicht wahr- zunehmen, dass sie von der ventralen Oberfläche der Innenplatte stammen und zwischen den Facialisbündeln sich dieht gedrängt dorsolateralwärts verschieben. Es ist wahrscheinlich, dass diese Zellen keine Neuroblasten sind und auch keine werden. Wenig weiter dorsalwärts differenzieren sich aber grössere Mengen von Neuroblasten aus der Oberfläche der Innenplatte. Ein Teil von ihnen ist mit der Spitze nach unten gerichtet, wie es His zeichnet, andere nach hinten, wieder andere mit der Spitze lateralwärts, und es macht stellenweise den Eindruck, als ob es sich um zentri- fugale Fasern handelte, die in die dorsale Wurzel, z. B. in den Akustikus, hineingehen, so wenig wahrscheinlich es mir ist. Der ganze mit Spongioblasten und Nervenfasern untermischte Zell- komplex ist wenig scharf abgegrenzt, hat sich aber von der Innenplatte losgelöst bis auf die Stellen, an denen die Neuromeren am stärksten hervorragen. Er stellt eine dorsale Kernsäule dar, die sich in der gleichen Niveauhöhe parallel der Hirnachse vom Anfangsteil des Vagus nach vorn mindestens bis zum Isthmus und Anfangsteil des Mittelhirns verfolgen lässt. Man kann zweifeln, ob man den klassischen dorsalen Trigeminuskern und den von His junior entdeckten dorsalen accessorischen Facialis- kern zu dieser dorsalen Kernsäule rechnen darf oder ob man annehmen muss, dass jene aus der primären motorischen Kernsäule "JIOISTYEWIUIS F91o] [eye] AONOM OT SIT TOygu auogajoggım aop TT ‘Sg “uogeusyadurisgpig wm gT— ZI U0A oAıqwaauraypg soul Jdoy up ypanp ayyuyospeggiueg 412 L. Gräper: oder von der Oberfläche der Neuromeren stammen und erst sekundär durch Wanderung in der Richtung ihrer Fasern in die Nähe der Austrittsstelle gelangt sind. Mit Wahrscheinlichkeit kann man aber annehmen, dass diese dorsale Kernsäule nach "II pun Of rg Er ‘OL 314 Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 415 vorn vom Trigeminus die Radix mesencephalica dieses Nerven enthält. Jedenfalls ist ihre Zusammensetzung eine weit kompli- ziertere, als die der primären motorischen Kernsäule, und vielleicht entstammt ihr auch der Nucleus dentatus des Kleinhirns. "LE STA 414 L. Gräper: Sagittalschnitte sind für das Studium des Faserverlaufes der motorischen Hirnnerven im allgemeinen ungünstig, da fast alle motorischen Fasern mehr oder weniger quer getroffen werden. Hingegen stellen sie die Lage der Neuromeren gut dar, und die Nervenbeziehungen treten manchmal mit schematischer Klarheit hervor. Die Textfig. 10 und 11 stellen zwei leicht schematisierte Sagittalschnitte durch einen 17—18S mm langen Schweineembryo dar. Textfig. 11 liegt der Mittellinie etwas näher, geht durch die Kerne des Okulomotorius und Trochlearis und trifft die lateralsten Zellen des Facialis und des Glossopharyngeuskernes. Textfig. 10 liegt weiter lateral und trifft die lateralsten Zellen des Okulomotorius und des Abducens, die im Präparat schlecht ge- färbt sind. In diesem Schnitt sind die Neuromeren 1—5 als flache Gruben am Boden der Rautengrube zu sehen. An der Oberfläche der Innenplatte erscheint die Nervenverteilung auf diesem Schnitte fast rein metamer. In Neuromer 2 sieht man eine dünne Lage von Nervenfasern, die dem Trigeminus zustreben, Fasern, die nicht dem klassischen dorsalen Trigeminuskern entstammen können, sondern aus der primären motorischen Kernsäule kommen. Ferner sieht man in Neuromer 4 dicke Faserbündel des Facialis und in Neuromer 5 Faserzüge des Abducens, die sich der Oberfläche des Hirnrohres nähern und einzelne Zellen enthalten. Dabei muss ich betonen, dass die Abducensfasern streng auf Neuromer 5 beschränkt sind, und dass ich weder vorn noch hinten ausserhalb dieses Neuromers Abducensfasern sah. Nach hinten von diesem Neuromer ist eine Masse in den verschiedensten Richtungen ver- laufender Fasern angeschnitten. Noch weiter hinten sieht man die beiden kontinuierlichen Reihen der zentrifugalen Vagus- und Hypoglossusfasern. Am Isthmus sind Trochlearisfasern und sie senkrecht kreuzende Fasern — vielleicht der Radix mesencephalica — zu sehen. Sucht man nun die Oberfläche der Innenplatte genauer ab, so bemerkt man ausser den beschriebenen rein metamer gelagerten zentrifugalen Fasern des Trigeminus, Facialıs und Abducens noch andere quergetroffene Fasern. So liegt der vorderen Hälfte des dritten Neuromers eine Anzahl Bündelchen an, die sich dem Trigeminus lateralwärts anschliessen. Auch ım sechsten Neuromer sieht man an der Oberfläche der Innenplatte eine Reihe schwarz gefärbter Fasern quer geschnitten. Es handelt sich hier um Fasern, die denselben Verlauf haben, wie die Primär- Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 415 fasern, die aus der primären motorischen Kernsäule stammen, und deren Typus die Facialisfasern darstellen. Es ist natürlich nicht möglich, jede dieser einzeln liegenden Fasern vom Kern bis zum Austritt mit Sicherheit zu verfolgen. Aber durch das Studium meiner in den verschiedensten Richtungen angelegten Serien halte ich mich für berechtigt, die Mehrzahl von ihnen für zentrifugale Fasern zu erklären, die aus der primären motorischen Säule stammen und sich dem Facialis anschliessen. Sie bilden dann jenes Bündel, das wir schon bei Besprechung der Horizontal- schnittserien (Textfig. 7—9) kennen lernten und mit VII; be- zeichnet haben. Man kann es auch in dieser Sagittalschnittserie verfolgen, wenn man die Serie von lateral nach medial durchgeht. Man sieht dann dorsal von der Hauptmasse des motorischen Facialis ein kleines, aber dichtes Bündel aus dem Hirnrohr von hinten her heraustreten, das sich durch seine dunkele Farbe scharf von den Fasern der Umgebung abhebt, obgleich diese eine wenig verschiedene Richtung haben. Auf jedem weiter medial gelegenen Schnitte rückt dieses Bündel etwas nach hinten und wird immer schwächer, bis man es in der Nähe des Glosso- pharyngeusgebietes — zwischen fünftem und sechstem Neuromer — nicht mehr verfolgen kann. Es wird das Bündel eben von einzelnen aus dem fünften und Anfang des sechsten Neuromers dorsolateralwärts ziehenden Fasern gebildet, die nach vorn um- biegen und immer mehr solcher Fasern aufnehmen. Erwähnen möchte ich, dass ich dieses Bündel, welches ich für den zentri- fugalen Intermedius halte, zuerst an dieser Sagittalserie gefunden habe und seine Existenz erst später auf den Horizontalschnitten, wo es viel leichter verfolgbar ist, bestätigt habe. Nun wollen wir in Textfig. 11 einen etwas weiter medial gelegenen Schnitt betrachten. Neuromer 2 bis 5 sind als Gruben sichtbar, wobei die Breite des vierten (Facialis-) Neuromers auf- fällt. Neuromer 6 ist an der Oberfläche der Innenplatte erkennbar. Der Schnitt liegt dicht medial von dem Abducenskern, so dass im Gebiete des fünften Neuromers von diesem Nerven nichts mehr zu sehen ist. Dagegen ist die primäre motorische Kernsäule in ihren lateralsten Teilen im Gebiete des vierten und sechsten Neuromers angeschnitten. Dass im Mittelhirn der Okulomotorius- und Trochleariskern getroffen ist, liegt daran, dass der Schnitt hier etwas weiter lateralwärts liegt. Punktiert ist ein Stück der 416 L. Gräper: Kontur eines weiter medial gelegenen Schnittes angegeben, der, wie seine Nachbarn, zwei kleine Einsenkungen in der Gegend der Kerne des Okulomotorius und Trochlearis zeigt. Im Gebiete des zweiten und dritten Neuromers sieht man Primärfasern des Trigeminus. Im Gebiete des vierten Neuromers liegen die Primär- fasern des Facialis zwischen den Neuroblasten und fallen daher nicht auf. Im Gebiete des fünften und sechsten Neuromers ist nun ein starkes Längsfasersystem angeschnitten, und das ist der Grund für die Auswahl dieses Schnittes. Dieses kurze Längs- fasersystem entstammt der primären motorischen Kernsäule des fünften und sechsten Neuromers und liegt ihr lateral dicht an. Im Neuromer 6 sind schon in diesem Schnitte Neuroblasten zu sehen, die kranialwärts gerichtet sind und ihre Fortsätze in jenes Fasersystem senden, das nur im Gebiete der Neuromeren 4 bis 6 vorhanden und im Gebiete des fünften am stärksten ist. Es treten eben die meisten der aus der Kernsäule des fünften und Fig. 12. Querschnitt durch den Kopf eines Schweineembryo von ca. 14 mm. Silberimprägnation. sechsten Neuromers kommenden zentrifugalen Fasern nicht nach Art der Primärfasern aus, sondern ziehen längs der primären Kernsäule zwischen ihr und dem Abducenskern bis in das Gebiet Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 417 des vierten Neuromers, um sich hier dessen Primärfasern anzu- schliessen und im Facialis auszutreten. Zur näheren Bestimmung der Lage dieses Bündels gebe ich in Textfig. 12 einen Querschnitt durch einen etwa 14 mm langen Schweineembryo. Der Schnitt geht durch die vordere Hälfte der (Gehörblase. Ausserhalb des Hirnrohres ist der Facialis und das Akustikusganglion angeschnitten. Man sieht jederseits medial vom Abducenskern, dessen Neuroblasten nicht gefärbt sind, dicht neben dem Sulcus medianus ein ovales Feld, das medial aus dicht stehenden Neuroblasten, lateral aus dicht gedrängten querge- schnittenen Nervenfasern besteht. Weiter rückwärts im Gebiete des sechsten Neuromers wird dieses Feld, das dort etwas kleiner ist, fast nur von Neuroblasten eingenommen, während weiter vorn im Gebiete des vierten Neuromers, wo die mächtigen Facialis- bündel dorsolateralwärts ziehen, die laterale Fasermasse plötzlich aufhört. Damit ist es sicher erwiesen, dass es sich um eine Strecke der motorischen Facialiswurzel handelt, die nahe der Mittelebene und ihr parallel medial vom Abducenskern von hinten nach vorn zieht, plötzlich scharf umbiegt und nach der Austritts- stelle des Facialis zu zieht. Es hat also schon in den frühen embryonalen Stadien der Facialis die gleiche Verlaufsweise, die er ja auch beim Erwachsenen im inneren Knie zeigt. Ich habe auch eine Anzahl älterer Embryonen mit Silber imprägniert und in Schnittserien zerlegt, ohne dass sich aus ihnen etwas Neues für die Nervenbeziehungen der Neuromeren ergeben hätte. Auch werden die @Querschnitt- und Horizontal- schnittserien wegen der sehr scharfen Brückenkrümmung ohne Modelle schwerer zu beurteilen, und nur die Sagittalschnitte sind einigermassen brauchbar. Die motorischen Nerven und ihre Kerne treten immer mehr zurück, da sich die übrige Masse der Medulla oblongata stark vermehrt. Da es sich aber in dieser Abhandlung hauptsächlich um die Neuromeren handelt, will ich die weitere Entwicklung der moto- rischen Nervenbahnen hier nicht behandeln und auch meine An- sicht über die retrograde Wanderung des Facialiskernes, wie sie in dem Keibel-Mallschen Handbuch von Streeter dargestellt ist, nicht aussprechen. Ich will vielmehr das, was wir über die Entwicklung der motorischen Hirnnerven und ihre Neuromeren- beziehungen gefunden haben, kurz zusammenfassen, um dann noch 418 L. Gräper: einige Worte über das fernere morphologische Verhalten der Neuromeren und der Brückenkrümmungsfalte anzufügen. Die motorischen Hirnnerven entstehen sehr frühzeitig aus der primären motorischen Kernsäule, einem kontinuierlichen, in seiner Mächtigkeit schwankenden, aber nicht deutlich segmen- tierten Strang von Neuroblasten, welcher ventral nahe der Mittel- linie an der Oberfläche der Innenplatte liegt. Zuerst entstehen die visceralmotorischen Nerven Facialis, Trigeminus, Vagus und Accessorius, die sogenannten Seitenhorn- nerven, deren Ursprungszellen primär am weitesten ventromedial liegen. Ihre Fasern, Primärfasern, ziehen von der primären motorischen Kernsäule dorsolateralwärts an der Oberfläche der Innenplatte hin, um etwas dorsal von der Austrittsstelle scharf umzubiegen und das Hirnrohr zu verlassen. Wesentlich später entstehen der Reihe nach Hypoglossus, Okulomotorius, Trochlearis und Abducens, die somatisch-moto- rischen oder sogenannten Vorderhornnerven, deren Ursprungs- zellen anfangs dorsolateral von denen der erstgenannten liegen und dort, wo diese nicht vorhanden sind (Okulomotorius und Trochlearis), weiter von der Mittellinie entfernt sind, als man den visceralmotorischen Kern erwarten würde, wenn er vVOo!- handen wäre. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 13. Schema des Ursprungs der viscaralmotorischen Nerven (v) in medial gelegenen Neuroblasten und der somatisch - motorischen (s) in lateral gelegenen Neuroblasten der primären motorischen Kernsäule. Fig. 14. Schema des Faserverlaufes an ungefähr derselben Stelle wie Fig. 13 (gemischter Vago-accessorius-Hypoglossus-Kern) in einem älteren Stadium. Wo beide Nervengattungen nebeneinander vorkommen, durch- kreuzen sich ihre Fasern primär oder der visceralmotorische Nerv macht einen Umweg wie ein Teil des Facialis. Die Neuroblasten können sich in der Richtung ihrer Fasern verschieben, und so Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 419 kann sekundär der somatisch-motorische Nervenkern ventralwärts rücken. Auch visceralmotorische Neuroblasten können sich in der Richtung der Fasern verschieben. Vielleicht entsteht auf diese Weise der klassische dorsale Trigeminuskern. Noch später treten dorsale Kerne in der Nähe der Austrittsstelle der visceralmoto- rischen Nerven auf, die gleichfalls zentrifugale Fasern zu ent- senden scheinen. Ob der klassische Trigeminuskern und der von His jun. entdeckte accessorische Facialiskern aus diesen dorsalen Kernen entstammen oder in der vorher erwähnten Weise, ist fraglich. Über die einzelnen Nerven ist folgendes zu sagen: der Trigeminus bezieht ausser Fasern aus dem dorsalen Kern reich- liche Primärfasern aus der motorischen Kernsäule im Gebiete des zweiten und dritten Neuromers; ob auch das Gebiet des ersten Neuromers beteiligt ist, war nicht zu entscheiden. Möglicher- weise bezieht er auch zentrifugale Fasern aus einem mit Neuro- blasten durchsetzten von vorn kommenden Längsstrang, der wahrscheinlich die Radix mesencephalica darstellt. Der Austritt des Trigeminus erfolgt im zweiten Neuromer. Der Faeialis setzt sich aus drei verschiedenen Fasergruppen zusammen: 1. aus Primärfasern des vierten Neuromers; 2. aus Fasern eines kurzen, der primären Kernsäule des fünften, zum Teil auch des vierten und sechsten Neuromers lateral anliegenden Längsbündels, das seine Fasern aus der primären Kernsäule des sechsten und fünften Neuromers erhält und in der Gegend des vierten Neuromers scharf in die Richtung der Primärfasern um- biegt (inneres Knie des Facialis); 3. aus Primärfasern des fünften und Anfang des sechsten Neuromers, die sich zu einem dorsal vom eigentlichen Facialis austretenden Bündel sammeln (zentri- fugaler Intermedius?). Der Austritt des Facialis erfolgt im vierten Neuromer. Der Glossopharyngeus entsteht aus Primärfasern des sechsten Neuromers. In einem Falle wurde ein zwischen fünftem und sechstem Neuromer herauskommendes Bündel gefunden, das wenigstens zum Teil aus dem fünften Neuromer zu stammen schien und sich erst unterhalb des Gehörbläschens mit dem Glossopharyngeus ver- einigte. Der Glossopharyngeus tritt im sechsten Neuromer aus. Der Vagus entsteht aus Primärfasern des siebenten Neuromers und der folgenden Hirnstrecke. Der Accessorius ist im Ursprungs- gebiet von ihm nicht zu unterscheiden. Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I, 8 420 L. Gräper: Von den somatisch-motorischen Nerven haben Okulomotorius und Trochlearis keine Beziehungen zu den Neuromeren des Rauten- hirns, höchstens könnte der Trochlearis zum ersten gehören, doch lässt sich hierüber noch nichts entscheiden, da die vordere Grenze des ersten Neuromers zurzeit noch nicht bestimmt ist. Der Abducens war bei dem von mir untersuchten Material in Ursprung und Austritt streng auf das fünfte Neuromer be- schränkt. Der Hypoglossus hat seinen Ursprung in dem hinteren, unsegmentierten Hirnteile. Im folgenden will ich noch den Modus des Verschwindens der Neuromeren beschreiben.. Für diesen Zweck habe ich eine ganze Anzahl von Schweine- embryoköpfen in Celloidin eingebettet und in Sagittalschnittserien mit Kichtlinien zerlegt. Von den acht geeignetsten Serien, Embryonen von 15, 17, 191/e, 22!/2, 25, 30, 35 und 65 mm Länge, wurden Plattenmodelle in 53facher Vergrösserung hergestellt. Da aber die Brückenkrümmung in späteren Stadien so stark ist, und die Kleinhirnwülste sich weit über die Rautengrube nach hinten überneigen, ist der Einblick im die Rautengrube bei Modellen, die das Hirnrohr im Positiv wiedergeben, beschränkt, und es ist kein freier Überblick über die Neuromeren möglich. Daher entschloss ich mich, den Ventrikelhohlraum als Masse zu modellieren und zwar immer die linke Hälfte, so dass meine Modelle gewissermassen einen vergrösserten Ausguss des Ventrikels darstellen und zwar dessen linke Hälfte.') Die Textfig. 15—1S sind Umrisszeichnungen nach Photo- graphien der ersten vier Modelle von unten und der linken Seite und etwas von hinten gesehen. Dabei ist zu bemerken, dass auch der Sulcus medianus an den Stellen, wo er klafft, dar- gestellt ist, während dort, wo sich beide Seiten berühren, natürlich der Ausguss fehlt. Um die Bilder leichter verständlich zu machen, ist der Ausguss des Sulcus medianus schraffiert. Die Wellen- linien 1—7 deuten den Verlauf der Neuromeren in ihrer tiefsten Einsenkung an: die Linien laufen also über die Buckel und Grate ') Ich habe auch von anderen Serien Ventrikelausgussmodelle her- gestellt, doch möchte ich diese hier ausschalten, da sie zum Teil von silber- imprägnierten Embryonen kommen, die doch beträchtlich schrumpfen und ihre Form verändern. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 421 des Ausgusses. Dort, wo die Neuromeren am tiefsten, die Modell- grate also am höchsten und schmalsten sind, sind die Linien verdickt gezeichnet. Die gestrichelten Linien in den Textfig. 15 und 16 verbinden entsprechende Punkte der einzelnen Neuromeren- linien. Die gezähnten Linien in den Textfiguren deuten die Lage der Taenien an, an denen die Hirnwandung in die Tela chorioidea des vierten Ventrikels übergeht. Betrachten wir zunächst einmal die allgemeinen Wachstums- verhältnisse: Beim Wachstum von Stadium 15 mm (Textfig. 15) auf Stadium 17 mm (Textfig. 16) haben alle Maße des Ausgusses ziemlich gleichmässig zugenommen. Die Brückenkrümmung ist im zweiten Bilde wenig stärker als im ersten. Der Rauminhalt des Ventrikels hat also bedeutend zugenommen und stellt in diesem Stadium ein erstes Maximum dar. Beim Fortschreiten zum Stadium 19'/s mm (Textfig. 17) nimmt die Brückenkrümmung so stark zu, dass der vordere Teil des Bodens der Rautengrube dem hinteren Teil im spitzen Winkel gegenüber steht. Dadurch wird der Rauminhalt der Rautengrube auf ein Minimum herab- gedrückt, obgleich ihre Breite gewachsen ist. Dieses Minimum dauert aber nur kurze Zeit an; denn mit dem raschen Breiter- werden des Rhombencephalons wächst auch der Ausguss des Ventrikels, so dass bei Stadium 22!/2 mm (Textfig. 15) das frühere Maximum schon wieder ungefähr erreicht ist. Ohne seine all- gemeine Form nunmehr sehr stark zu verändern, nimmt der Ventrikel stetig an Raum zu, doch werden durch das mächtige Wachstum der Hirnmassen nicht nur die Neuromerenfalten, sondern bei Embryonen über 60 mm auch die der Brücken- krümmung im Lumen entsprechende Falte und zum Teil der Suleus medianus ausgeglichen. Letztere beiden Falten verschwinden aber nicht wie die Neuromeren durch Seichterwerden, sondern durch Annäherung und Verschmelzung der Wände von unten her, bis die letzte Einsenkung der trichterförmigen Brückenfalte sich abflacht. Zu dieser Zeit ist auch ein weit ausladender und ventralwärts sich erstreckender Recessus lateralis vorhanden. Zur Besprechung der Neuromeren kehren wir zum Stadium 15 mm (Textfig. 15) zurück. Hier und im nächsten Stadium ist im Verlauf der Neuromeren ein gewisser Parallelismus zu be- merken, der besonders auffällig wird, wenn man die Skizzen um 90° dreht, so dass die Modelle aufrecht stehen und ihre Längs- 28* 422 L. Gräper: achsen mit der des Beschauers gleichlaufen. Jedes Neuromer verläuft in einer mehrfach geschwungenen Wellenlinie, deren am meisten charakteristische Ausbuchtungen ich an korrespondierenden Punkten durch eine unterbrochene Linie verbunden habe. Ver- lateral (links) hinten medial Fig. 15. Stadium 15 mm. folgen wir die Neuromeren vom Sulcus medianus lateralwärts, so verlaufen sie zunächst eine Strecke mehr oder weniger gestreckt oder etwas nach hinten konvex. Dann folgt eine Konvexität nach vorn (Linie a), dann eine solche nach hinten und unten (Linie b), dann eine zweite flache Konvexität nach vorn und eine nach hinten, worauf bei Neuromer 1 noch eine dritte nach vorn kommt. lateral (links) hinten medial Fig. 16. Stadium 17 mm. Beachten wir nun die Lage der tiefsten Einsenkung in jedem Neuromer bezw. der stärksten Vorwölbung des Ausgusses, die ich an den Skizzen durch Verstärkung der Linien dargestellt habe, so fällt sofort auf, dass diese nicht an korrespondierenden Stellen der Neuromeren liegt, sondern, wenn man von Neuromer 1 nach 5 vorschreitet, immer mehr medial rückt. Beim Stadium 15 mm ist das noch nicht so auffällig, wie bei Stadium 17 mm. Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. 423 Hier liegt die stärkste Ausbuchtung des ersten Neuromers in der dritten Konvexität nach vorn, die des zweiten Neuromers zwischen dieser und der zweiten Konvexität nach vorn, die des dritten Neuromers in letzterer, die des vierten in Linie b und lateral (links) ' vorn hinten medial Fig. 17. Stadium 19'/» mm. die des fünften in Linie a. Es ist also die grösste Ausbuchtung von Neuromer zu Neuromer gewissermassen um eine halbe Wellen- länge verschoben. Der Grund für dieses gewiss eigenartige Verhalten wird bei Betrachtung der Textfig. 17 (Stadium 19'/s mm) ersichtlich. lateral (links) Se ‚ hinten medial Fig. 18. Stadium 22!/» mm. Durch die scharfe Brückenkrümmung sind die Neuromeren, während sie im übrigen recht abgeflacht sind, an den Stellen ihrer stärksten Ausbuchtung zu tiefen, schmalen Spalten geworden, die im Aus- guss sich als scharfe Grate darstellen. Es haben sich nun von 424 L. Gräper: den in der Figur dick ausgezogenen Graten das mediale Ende des vorderen und das laterale des nachfolgenden jedesmal einander genähert, und sie zeigen das Bestreben, sich zu. einem gemein- samen Grat zu vereinigen. Dass sie ursprünglich verschieden gerichteten Konvexitäten der Neuromeren angehörten, kann man noch daran erkennen, dass der Grat des zweiten und vierten Neuromers mehr in der Querrichtung, der des dritten und fünften etwas schräger steht. In Textfig. 18 (Stadium 22'/2 mm) ist der gemeinsame Grat einheitlich geworden, und nur an den geringen Hervorragungen kann man die Anteile der einzelnen Neuromeren erkennen. Dieser Grat ist Ausguss der tiefen Furche, die durch die Brückenkrümmung am Boden der Rautengrube gebildet wird. Aus meiner Modellreihe geht also die überraschende Tatsache hervor, dass beim Schwein die Neuromeren 2, 3, 4 und — wenn auch weniger deutlich — die Neuromeren 1 und 5 sich an der 3ildung der Brückenkrümmungsfurche beteiligen. Diese über- kreuzt also die genannten Neuromeren. Man denke sich eine derartige Linie an einem jungen Embryo, an dem eben die Neu- romeren aufgetreten sind, eingezeichnet, sie würde gegen die Längsachse nur wenig geneigt sein. An den Textfig. 17 und 15 ist hinter dem Recessus lateralis eine am Modell vorhandene sehr tiefe Grube schraffiert ange- deutet. Es ist dies die Stelle, wo sich der Rand des Rhombence- phalons medialwärts umschlägt und die Taenie entsprechend ver- lagert. (Abgeschlossen am 1. April 1913.) NSS [Ss} [eb Die Rhombomeren und ihre Nervenbeziehungen. Literaturverzeichnis. v. Baer: Entwicklungsgeschichte der Tiere, 1828. Remak: Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbeltiere, 1850. Dursy: Entwicklungsgeschichte des Kopfes, 1869. Dohrn: Der Ursprung der Wirbeltiere und das Prinzip des Funktions- wechsels. Leipzig 1875. Derselbe: Studien zur Urgeschichte. XV. Mitteil. d. Zool, Station Neapel, Bd. 9, 1890. Mihalcovies: Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Leipzig 1877. B&äraneck: Recherches sur le d&veloppement des nerfs craniaux chez les lezards. Recueil zool. Suisse, 1884, Bd. 1. Derselbe: Etudes sur les replis medullaires du poulet. Recueil zool. Suisse, 1887, Bd. IV. ©. Rabl: Bemerkungen über die Segmentation des Hirnes. Zool. Anz., 1885. v. Kupffer: Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern. III. Arch. f. Anat., 1884. Derselbe: Primäre Metamerie des Neuralrohres der Vertebraten. Sitz.-Ber. d. math.-phys. Kl., Akademie München 1885. 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Seit dem Jahre 1899 bin ich mit einer Reihe von Arbeiten über den quergestreiften Muskel hervorgetreten, welche den Zweck verfolgten, zu zeigen, dass die genaue Untersuchung dieses Übjektes von hervorragender Bedeutung für die Plasmalehre ist. Meine letzte Bearbeitung des Gegenstandes, welche in dem zweiten Bande von „Plasma und Zelle“ enthalten ist, gibt das vorläufige Resultat jahrzehntelanger Bestrebungen und kann mit Fug und Recht als eine völlige Neudarstellung der Muskellehre auf veränderter Basis gelten. Den Ausgang aller meiner Untersuchungen bildete die Er- kenntnis, dass im Muskel die kontraktile Substanz, das spezifische Muskelprotoplasma, streng nach den Dimensionen des Raumes orientiert ist, entsprechend der rein dimensionalen Funktion des Muskels, und dass demzufolge bei einem solchen Objekte auch die allgemeinen Formen der Organisation und des Wachstums leichter verfolgbar sein müssten. In dieser meiner Auffassung der Dinge habe ich mich nicht beirren lassen, obwohl vielleicht bis zum heutigen Tage noch einige Gelehrte daran festhalten, dass die kontraktile Masse des Muskels das Resultat einer ganz besonderen Umsetzung des Zellplasmas sei. Jedoch dies ist nicht der Fall, denn an der kontraktilen Substanz sind alle allgemeinen Eigenschaften des Plasmas nachweisbar, nämlich ausser der Kon- traktilität die Erregbarkeit, die Leitungsfähigkeit, die Atmung bezw. die Vorgänge der Oxydation verbunden mit Wärmebildung, der Umsatz potentieller in kinetische Energie, sowie schliesslich auch die Form der Vermehrung der spezifischen Strukturelemente ı) Mit Unterstützung der Königl. Württembergischen Staatsregierung und der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. (Der erste Beitrag bezieht sich auf die Darmzotten. Siehe Anat. Anz., Bd. 40, 1911.) 428 Martin Heidenhain: durch Teilung, letzteres ähnlich wie bei den Chromosomen, den Zentren etc. Infolge der dimensionalen Orientierung des Muskelproto- plasmas lassen sich hier nun gerade die Form, das Wachstum und die Vermehrung der lebendigen Substanz in sehr genauer Weise eruieren. Dies ist der Grund, warum ich den Gegenstand auch weiterhin nicht ausser acht gelassen habe und zur Bestätigung der früheren Resultate mit neuen Mitteilungen über die Entwick- lung der Muskelfibrillen bei der Forelle hervortrete.') Meine Untersuchungen gehen in diesem Falle von den älteren Arbeiten Maurers aus, welcher 1894 und später (siehe die Literatur in „Plasma und Zelle“) den Nachweis führte, dass bei den Cypri- noiden die gesamten Fibrillen der Muskelfaser aus der Teilung einer erstmals angelegten Einzelfibrille hervorgehen. Hierbei beobachtete er, wie die ersten Teilprodukte der Mutterfibrille sich zu einer hohlen Röhre zusammenlegen, welche durch weitere Fibrillenspaltung allmählich an Querschnitt gewinnt; erst später erscheinen auch im Inneren der Röhre Fibrillen, wodurch mit der Zeit ein solides Bündel entsteht. Alle diese Momente der Entwicklung wiederholen sich in der nämlichen Weise bei der Entstehung der Muskulatur der Forelle, so dass meine Untersuchungen die Ergebnisse Maurers in den Grundzügen bestätigen. Es hat sich jedoch weiterhin gezeigt, dass das von mir gewählte Objekt bei einer Bearbeitung im Sinne der Plasmalehre über die ursprünglichen Beobachtungen Maurers hinaus eine Reihe wertvoller Daten liefert, welche theoretisch von hohem Interesse sind. Um die in Betracht kommen- den Probleme näher zu charakterisieren, erlaube ich mir meine bisherigen die Fibrillenstruktur des Muskels betreffenden Ergeb- nisse, welche sich auf meine vorausgegangenen früheren Unter- suchungen sowie auf die Durchsicht fast der gesamten Literatur stützen, in der nachfolgenden Aufrechnung kurz zu rekapitulieren 1) Die vorliegende Arbeit war schon Ende 1911 samt den Abbildungen fertiggestellt. Die Publikation ist bisher unterblieben, weil ich hoffte, dass die theoretische Fassung des Tatsachenmaterials sich noch präziser würde gestalten lassen. Vergleiche auch den Demonstrationsbericht in den Verhandl. der Anat. Ges. von 1911 Seite 217. Den wesentlichen Inhalt meiner Arbeit habe ich ferner bereits auf dem Anatomen-Kongress zu München 1912 mit- geteilt. Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 429 (vergl. die Darstellung in „Plasma und Zelle“, besonders auch S. 640 ff.). 1. Bei der Beobachtung in situ zeigt sich, dass die histo- logischen oder besser: empirischen Fibrillen, das sind die- jenigen kleinsten Längselemente, welche optisch kontrollierbar sind und in sich nicht weiter auflösbar, also homogen erscheinen, eine sehr verschiedene Dicke und eine sehr verschiedene Quer- schnittsform besitzen. Die Muskelfaser der Wirbeltiere zeigt meist feinere, die der Insekten meist gröbere Fibrillen. Doch wechseln Kaliber und Querschnittsform auch innerhalb derselben Faser oft in erheblichem Grade. Diese Eigenschaften weisen darauf hin, dass die empirischen Fibrillen in Wahrheit keineswegs einfache, schlechthin „elementare“ Fäserchen, sondern etwas in verschiedenen Verhältnissen Zusammengesetztes sind. 2. Bei manchen Geschöpfen, besonders den Insekten, findet man in den Muskelprimitivbündeln als kontraktilen Bestand- teil homogene faserförmige Gebilde von bedeutender Breite, welche bei den einen Objekten rundlich, bei anderen flach band- förmig gestaltet und radiär gestellt sind. Da diese Gebilde der Grössenordnung nach sich in auffallender Weise von den gewöhn- lich vorkommenden feineren Muskelfibrillen unterscheiden, so hat man sie als „Säulchen“ bezeichnet (Flügelmuskulatur der Insekten), um der Tatsache Ausdruck zu geben, dass sie dem Querschnitte nach den Fibrillenbündeln oder Säulchen anderer Objekte gleich- kommen. Diese Namengebung ist in gewissem Grade berechtigt, doch ist zu berücksichtigen, dass der Natur der Sache nach zwischen den feineren im engeren Sinne sogenannten Fibrillen und den gröberen homogenen Fasern oder Säulchen der Autoren ein unmerklicher Übergang statthat. Auf jeden Fall erhellt aus diesen Tatsachen, dass der Begriff der Fibrille relativer Natur ist und keineswegs in absoluter Weise einen bestimmten Elementar- bestandteil der kontraktilen Masse charakterisiert. 3. Die Muskelfibrillen feinster Art, z. B. bei Säugern, zeigen einen Durchmesser von ca. 0,2—0,25 «. Dies ist kein ob- jektiver Wert, vielmehr bedeutet er nur den unteren mikro- skopischen Grenzwert der Unterscheidbarkeit der Dimensionen (M. Heidenhain). Es könnten wohl noch feinere Fibrillen in den Muskelfasern wirklich vorkommen, jedoch würden solche Fibrillen auch von unseren besten Systemen immer 430 Martin Heidenhain: nur in der Dicke des Grenzwertes von 0,2—0,25 u, also in Zer- streuungskreisen, abgebildet werden. 4. Der Versuch der manuellen Aufspaltung der gröberen Fibrillen gelingt meist leicht und führt bestenfalls zu Spaltungs- produkten von ausserordentlicher Feinheit; jedoch kann man auf diese Weise naturgemäss immer nur bis zu dem eben bezeichneten Grenzwerte von 0,2—0,25 «u gelangen. 5. Aus den Muskelübrillen gehen durch sukzessive Längs- teilung bezw. durch Assimilation, Wachstum und innere Sonderung Fibrillenbündel hervor, das sind die „Säulchen“ der gewöhnlichen Terminologie. Letztere wiederum gliedern sich bei einigen besonders lehrreichen Objekten unter Vermehrung ihrer Längselemente in deutliche Säulehengruppen, wobei jedes erstmals vorhandene Säulchen, indem es entsprechenden Umfang gewinnt, allmählich in ein zusammengesetztes Säulchen oberer Ordnung übergeht usf. Auf diese Weise entwickeln sich die von mir so genannten Schachtel- systeme mit Säulchen primärer, sekundärer, tertiärer Ordnung usf. 6. Die morphologischen Tatsachen sowohl wie die eben berührten entwicklungsgeschichtlichen Erfahrungen sprechen dafür, dass die empirischen Fibrillen eine „metafibrilläre“ Struktur besitzen, d. h. dass sie in Wahrheit Bündel noch feinerer Fibrillen sind, deren Abstände durch das Mikroskop nicht mehr zur Erscheinung gebracht werden. Eventueil könnte der (Querschnitt der histologischen oder empirischen Fibrille in seinem metamikroskopischen Gefüge von gleicher Qualität sein, wie der Querschnitt des Primitivbündels (M. Heidenhain, 1899). 7. Die empirischen Fibrillen verschiedenen Kalibers und die Säulchen der verschiedenen Ordnungen lassen sich in eine aufsteigende natürliche Reihe zusammensetzen, deren einzelne Glieder sämtlich als Histomeren oder Teilkörper angesehen werden können. Derartige Reihen, die auch bei gänzlich anders gearteten Objekten der mikroskopischen Anatomie sich nachweisen lassen, nenne ich homologe oder homöotypische Reihen, weil die höheren Glieder solcher Reihen sich aus feineren Bestandteilen zusammensetzen, die unter- einander von gleicher Art oder einander homolog sind. In diesen Reihenbildungen kommt der natürliche Gang der Entwicklung sowohl wie die Struktur der fertigen Gebilde zum deutlichen Ausdruck. Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 431 8. Eine derartige homologe Reihe ändert an keiner Stelle ihres Verlaufes sprungweise ihren Charakter. Der Beginn der Reihe der Fibrillen und Säulchen liegt praktisch bei einem Anfangsgliede, welches dem Kaliber nach genau dem Grenzwerte der Leistungsfähigkeit unserer besten Linsen entspricht. Theo- retisch müssen wir schliessen, dass die Reihe, wenn wir ihr in der Richtung der abnehmenden Grössen folgen, ohne Änderung ihres Charakters auf das metamikroskopische Gebiet übergeht und dass ihr wahrer Anfang bei einem Querschnittselemente oder Teilkörper letzter Ordnung liegt, welcher identisch ist mit jenen „kleinsten lebenden Teilen“, von denen in der gesamten Biologie so häufig die Rede gewesen ist. Diese Teilkörper letzter Ordnung, von denen wir annehmen können, dass sie sich in der Längenrichtung der Faser in irgend einer Art zu „Metafibrillen“ anordnen, haben wir unsererseits als „Protomeren“ bezeichnet (zuerst in „Plasma und Zelle“, B:31,135 99). Die besprochene Reihenbildung gestattet demgemäss den Übergang zu einer Theorie der Elementarorganisation der quer- gestreiften Masse. Dieses Ergebnis ist von allgemeinem Interesse, da Reihenbildungen ähnlicher Art auch bei anderen Objekten der Histologie auftreten und zwar auf dem Gebiete der Zellen- und Plasmalehre sowohl wie auf dem Gebiete der zusammen- gesetzten vielzelligen Organe (vergl. M. Heidenhain, Über Zwillings-, Drillings- und Vierlingsbildungen der Dünndarmzotten etc., Anat. Anz., Bd. 40, 1911; mein Referat zu München 1912 gab eine vorläufige Übersicht über die Theorie der Reihen). 9. Die kleinsten Lebenseinheiten oder Protomeren (Plasomen bei Wiesner) sind durch die Eigenschaft der spontanen Teilungs- fähigkeit einstweilen genügend charakterisiert. Nehmen wir an, dass wir die Protomeren auf irgend eine Weise, auf physikalischem oder chemischem Wege, noch weiterhin zerlegen könnten, so würden die Teilstücke nur noch Trümmer des Protoplasmas sein. Wir rechnen somit die spontane Teilungsfähigkeit zu den primitiven Lebenseigen- schaften und behaupten (mit Wiesner), dass dieselbe in der lebendigen Substanz eine untere Grenze haben müsse, welche bei den kleinsten Lebenseinheiten liegt. In obigem haben wir betreffs der kontraktilen Masse die- jenigen Folgerungen näher berücksichtigt, welche für unseren 432 Martin Heidenhain: gegenwärtigen Zweck näher in Betracht kommen. Die ausführ- liche Begründung haben wir a. a. OÖ. gegeben (Plasma und Zelle, besonders S. 577—596, S. 640—658). Wir halten es nun für zweckmässig, wenn der Leser, nachdem seiner Aufmerksamkeit durch unsere theoretische Einleitung eine gewisse allgemeine Richtung erteilt worden ist, von dem speziellen Inhalte derselben zunächst gänzlich abstrahiert und einstweilen das in nachfolgendem vorgelegte empirische Material in allen seinen Einzelheiten zu erfassen und zu würdigen versucht. Nach unserer Meinung ist es nämlich möglich, unsere gesamte theoretische Auffassung der kontraktilen Substanz aus diesem Materiale von neuem in ein- wandfreier Weise abzuleiten. Technik. Ich benutzte ausschliesslich Serien dureh junge Forellen- larven, welche mit Trichloressigsäure fixiert und mit Eisenhäma- toxylin gefärbt wurden. Das Sarkoplasma zeigte sich nicht hin- reichend gut konserviert, aber die Präparate hatten den Vorzug, dass die kontraktile Substanz sich durch eine sorgfältig geleitete Differenzierung in ausgezeichneter Weise zur Anschauung bringen liess, was in gleicher Weise für Längs- und Querschnitte Geltung hatte. In vorliegender Abhandlung bespreche ich jedoch nur die Querschnittsbilder, da die Längsansichten keine neuen Resultate ergeben haben, auch für meinen gegenwärtigen Zweck weniger ergiebig sind.!) Leider stellte es sich heraus, dass durch den Druck des Messers beim Schneiden die Präparate oft mehr oder weniger beschädigt werden, so dass zur Erforschung der feineren und feinsten Strukturverhältnisse die benutzbaren Schnitte der Serien sehr gut ausgesucht werden mussten. Bei bestmöglicher Erhaltung der gegenseitigen Lagerung der Querschnittselemente kommen jedoch ungemein feine Bilder zum Vorschein, welche die Anwendung der höchsten Vergrösserungen gestatten, so dass ') Nach jahrelangen Erfahrungen kann ich versichern, dass die Trichloressigsäure für die Muskelfibrillen und deren Querstreifung ein ganz vorzügliches Konservierungsmittel ist. Daher zeigten sich auch an den Längsschnittbildern der Forellenlarven in sehr schöner Weise die ungestreiften wachsenden Enden der Muskelfasern, wie ich sie vom Triton in „Plasma und Zelle“ II, S. 666, abgebildet habe. Über „Die Trichloressigsäure als Fixierungsmittel“ siehe meinen Artikel in der Zeitschr. f. wiss. Mikr., Bd XXII, 1905, S. 321— 324. Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 433 es möglich war, die Mehrzahl der Abbildungen bei einer Ver- grösserung von 3500 anzufertigen. Dies war nötig, weil die der Arbeit beigegebenen Zeichnungen einen leichten Überblick über den behandelten Gegenstand erlauben sollten und der Leser nicht gezwungen werden darf, die Figuren mit Mühe durchzuarbeiten. Im übrigen hat Herr H. Dettelbacher, Universitätszeichner hierselbst, die Zeichnungen zu meiner völligen Zufriedenheit, sehr geschickt und genau ausgeführt. Beobachtungen. Wir beginnen die Betrachtung mit einem mittleren Ent- wicklungsstadium, wie es Fig. Ila und b, Taf. XX, zeigt. Das Ge- sichtsfeld, welches diese Stelle enthält, wurde auf der Anatomen- versammlung zu Leipzig (1911) demonstriert. Man gewahrt in dieser Figur die Querschnitte zweier breiter und einer schmalen Faser (letztere bei ec). Besonders die ersten beiden lassen in prachtvoller Weise die von Maurer erwähnten in Röhrenform zusammenge- ordneten kontraktilen Längselemente erkennen. Diese treten in unserem Falle unter dem Bilde radial gestellter Bänder auf, welche der Grössenordnung nach zweifellos in die Kategorie der Muskel- säulchen hinein gehören, obwohl sie homogen aussehen. Da sie Maurer bei seinem Objekte als Fibrillen bezeichnen konnte, so erkennt man hier wiederum, dass der Begriff der Muskelfibrille relativer Natur ist. Es gibt eben Objekte, bei denen die zuerst angelegten feinen Fibrillen allmählich an Umfang zunehmen und sich zu derben kontraktilen Fasern entwickeln, welche mikro- skopisch immer noch homogen erscheinen; diese werden dann, wie oben schon erwähnt, von den Autoren als Säulchen bezeichnet, weil sie der Grössenordnung nach den Fibrillenbündeln anderer Objekte entsprechen. Im übrigen ist bekannt, dass bei Wirbel- tieren und Wirbellosen radial gestellte Fibrillenplatten ein über- aus häufiges Vorkommnis sind. Meiner Erinnerung nach habe ich bei unserem Objekte gelegentlich Andeutungen einer fibrillären Struktur der radialen Platten gesehen. Überschaut man unsere Abbildungen etwa von Fig. 5 an, so überzeugt man sich leicht, dass die radial gestellten Säulchen sich durch Spaltung vermehren, wodurch die Muskel- zylinder allmählich an Querschnitt zunehmen; dabei wachsen die Säulchen gleichzeitig in radialer Richtung, so dass sie, im An- 434 Martin Heidenhain: fange wenigstens, sich erheblich verbreitern und bald in die Gestalt flacher Bänder übergehen, während ihre Dicke ziemlich konstant bleibt (Taf. XXI). Es ist also durch unsere Beobachtungen erwiesen, dass diese Art von Säulchen Teilkörper oder Histo- meren einer niederen Ordnung sind. Die genaue Durchmusterung der Präparate zeigt sofort alle möglichen Teilungsformen der radialen Bänder. Ihre Spaltung beginnt naturgemäss peripheriewärts in der äusseren Mantelfläche der kontraktilen Röhre und schreitet von dort in der Richtung nach einwärts fort. Diese Form der Spaltung erklärt sich leicht aus den gegebenen Raumverhältnissen (vergl. die Abbildungen). Denn während der Entwicklung nimmt der äussere Umfang des kontraktilen Ringes in relativ stärkerem Grade zu als der innere. Daher haben in der Richtung nach aussen mehr radiale Platten nebeneinander Platz als in der Richtung nach innen und so sieht man viele derselben peripherwärts sich teilen. Nur in äusserst seltenen Fällen findet man (Fig. 10 links), dass die Spaltung umgekehrt, von innen nach aussen, geht. Es kann dies nur vor- kommen, wenn die innere Lichtung der kontraktilen Röhre nicht rundlich, sondern stark abgeplattet ist und demzufolge die ge- gebenen Raumverhältnisse nicht mehr die typischen sind. Aus der Vergleichung vieler Teilungsbilder geht sehr deutlich hervor, dass die Spaltungen anfangs schneller, später langsamer vorwärts schreiten, so dass viele auf dem Querschnitte Y- oder V-förmige Kombinationen der Bänder auftreten, welche sicherlich wenigstens zum Teil von längerem Bestande sind. Denn es ist ganz offenbar, dass viele dieser Figuren in radialer Richtung niemals völlig durchgespalten werden, so dass eine zweite, eine dritte, ja selbst eine vierte Teilung von der Peripherie her be- ginnen kann, ohne dass die erste vollendet ist. Unsere Figuren zeigen sehr mannigfache Beispiele dieser Art. Auf diese Weise bilden sich Säulchenkombinationen höherer Ordnung, welche mehr- fach verästigte Querschnittsfiguren liefern. Zwei-, drei-, vierteilige Figuren sind häufig, noch höhere Kombinationen selten. Die Fibrillen, Säulchen und Säulchenkombinationen lassen sich in eines vom Feineren zum Gröberen aufsteigende natürliche Reihe ordnen, welche nach unserer Ausdrucksweise als eine homo- loge oder homöotypische Reihe zu bezeichnen ist. Die sämtlichen Glieder dieser Reihe sind Histomeren, welche der weiteren Teilung Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 435 oder Aufspaltung in irgend einer Weise fähig sind. Die späteren Glieder der Reihe verhalten sich zu den früheren wie Systeme zusammengesetzter Art zu den einfachen Bildungen gleicher Qualität, aus deren Kombination sie hervorgingen. Das Mittel der Kombination ist der Vorgang der unvollkommenen Spaltung. Ausser den einfachen Fibrillen und Säulchen, die eventuell dem Kaliber nach geordnet in den Anfang der Reihe zu setzen wären, kommen unter den dickeren Fasern zwei-, drei-, vier- bis acht- mal eingespaltene Säulchen vor (siehe Fig. 13 links unten), welche von relativ längerer Dauer sind und in gleicher Ordnung das Ende der Reihe bilden würden. Diese in sich gespaltenen Säulchen- systeme sind nun freilich bei der Forelle blosse Entwicklungs- zustände und demgemäss schliesslich doch nur von vorüber- gehender Art. Allein es wäre sehr wohl möglich, dass die gleichen Formen gelegentlich auch als definitive Strukturen vor- kommen. Beispielsweise ist bei den Insekten der radiäre Bau der Muskelfasern etwas ganz Gewöhnliches; auch Gruppierungen mit radial gestellten bandartigen Muskelsäulchen kommen in diesem Kreise häufig vor, z. B. bei der Libelle nach Holmgren. Es liegt daher die Möglichkeit vor, dass bei Objekten dieser Art zusammengesetzte Säulchensysteme auffindbar sein werden. !) Bei der Forelle hingegen schwinden schliesslich die beschriebenen komplexen Säulchenbildungen wiederum, indem der Zusammen- hang der Tochterplatten durch Abspaltung längs der inneren Kante des Systems aufgehoben wird. Es mag daher auffallend erscheinen, wenn wir auf das vorübergehende Vorkommen der kombinierten Säulchensysteme so viel Wert legen; jedoch geht eben unsere Meinung dahin, dass wir in diesem Falle eine ent- wieklungsphysiologische Erscheinung vontypischer Art vor uns haben. Denn die Natur bedient sich überall, in allen Ordnungen der Histomeren (unter anderem) des Mittels der unvollkommenen Teilung, um dadurch zu komplexen Formwerten von höherer Ordnung zu kommen. Diese Vorgänge spielen sich freilich unter sehr verschiedenen Bildern ab. Wenn z. B. eine Zelle zu mehreren Malen hintereinander die mitotischen — oder amitotischen — Veränderungen erleidet, ohne dass es zu äusseren Teilungen kommt, so entstehen dadurch typische Formen 1) Seitdem dieses niedergeschrieben wurde, habe ich die Thoraxmusku- latur der Libelle näher untersucht und werde darüber später berichten. Archiv f. mikr. Anat. Bd.83. Abt.I. 29 436 Martin Heidenhain: von höherer Ordnung, z. B. Megakaryozyten, Ostoklasten, Muskel- fasern usw. Letztere sind die „höheren Homologen“ der einfachen Formwerte, aus denen sie hervorgingen. Nach dieser theoretischen Abschweifung kehren wir nunmehr zur Betrachtung unseres Objektes zurück. Nachdem die in Fig.5—11 sichtbaren Muskelzylinder eine Zeitlang stetig gewachsen sind, lenkt der Entwicklungsprozess in eine andere Richtung ein. Der innere Hohlraum beginnt sich (früher oder später) mit Fibrillen bezw. Säulchen zu füllen, welche vom inneren Rande der Bänder und Bandsysteme her abgespalten werden (Fig. 12—15, Taf. XXI und XXII). Die abgespaltenen Teile zeigen in meinen Präparaten äusserst unregelmässige Querschnittsfiguren. Man findet teils sehr feine Fibrillen, teils alle Übergänge zu gröberen Fasern, welche nach der üblichen Anschauung in die Grössenordnung der Säulchen hineinfallen würden. Man findet ferner der Form nach rundliche, eckige, bandartige und besonders auch winkelförmige Quer- schnitte. Letztere sind nichts anderes als die von den beschriebenen Säulchensystemen abgespaltenen inneren Winkel, durch deren Abtrennung die bis dahin zusammenhängenden Tochtersäulchen voneinander isoliert werden. Jedenfalls zeigt sich auch hier wiederum, dass die histologischen oder „empirischen“ Fibrillen keineswegs bestimmte Querschnittselemente sind, sondern dass sie alsBildungen vorgestellt werden müssen, welche in verschiedenen Verhältnissen zusammengesetzt sind. Daher muss ihnen eine „metafibrilläre“ Struktur zuerkannt werden, wie ich dies seit 1899 vielfach dargelegt habe. Durchmustert man unsere Abbildungen (Fie. 12 ff.), so be- merkt man, dass die nach einwärts abgegliederten Produkte der Spaltung vielfach noch durch Fäden mit den Randsäulchen zu- sammenhängen. Auf diese Weise wird der ursprüngliche Verband der Teile unschwer erkennbar und man gewahrt, dass gelegent- lich die inneren Säulchen und die radialen Platten der Peripherie einander reihenweise gegenüberstehen (z.B. in Fig. 14 oben). Diese Verhältnisse einer regelmässigen Zusammenordnung würden wahr- scheinlich bei absoluter Erhaltung der Topographie der Teile (oder bei günstigeren Objekten) noch besser zum Vorschein kommen. Im einzelnen mache ich noch darauf aufmerksam, dass gelegentlich auch die inneren winkelförmigen Säulchen mit den ihnen ursprünglich zu- gehörigen der Peripherie in losem Zusammenhange gefunden werden. Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 487 Die Entwicklung der Muskelfaser schreitet in der Folgezeit in gleichem Sinne weiter fort. Die im Inneren des Muskel- zylinders gelegenen Fibrillen und Säulchen nehmen an Zahl immer mehr zu, und zwar teils durch Selbstteilung, teils durch fortgesetzte Abspaltung von der Peripherie her. Dadurch werden die band- förmigen Säulchen der Rindenschicht allmählich immer kleiner; ob sie nun in dieser Form gänzlich verschwinden oder sich Reste davon für die Dauer erhalten, kann ich nach dem mir vorliegenden Materiale einstweilen nicht beurteilen. Noch zwei Umstände verdienen Erwähnung. Erstlich finde ich lateralwärts unter der Körperoberfläche des Tieres eine Schicht von Muskelfasern, bei welcher das Stadium der Hohl- zylinder nicht vorkommt. Die Fasern werden an dieser Stelle vielmehr von vornherein solide angelegt. Zweitens finde ich zahlreiche Fasern, bei denen der Ring der radialen Säulchen an einer oder mehreren Stellen nach einwärts eingebrochen ist (Fig. 16, ebenso in Fig. 14 und 15). Die der Unterbrechungs- stelle benachbarten Enden des Ringes pflegen sich in der Richtung nach einwärts umzubiegen, so dass der Querschnitt der Faser nach einiger Zeit an Stelle eines kontraktilen Ringes bandartige, an den Enden umgerollte, spiralige oder wurmartige Figuren aufweist. Auf diese Weise kommt eine in den einzelnen Fällen wechselnde, besondere Zerklüftung der Fasermasse zustande (Fig. 16), Anordnungen, welche sehr lebhaft an die Abbildungen erinnern, welche Rollett von den Muskeln des Seepferdchens gegeben hat (siehe „Plasma und Zelle“ II, S. 629). Diese Art der Zerteilung der Hohlzylinder ist sicherlich eine gelegentliche Folge der Druckspannung, welche durch die fortgesetzte Spaltung der radial gestellten, bandförmigen Säulchen erzeugt wird. Im übrigen haben diese Vorgänge keinerlei prinzipielle Bedeutung, vielmehr sind sie lediglich als belanglose Übergangszustände aufzufassen, welche auf den Endeffekt der Entwicklung keinerlei Einfluss haben. Wir gehen nunmehr auf die frühesten Stadien der Ent- wicklung zurück und erheben die Frage, wie jene ringförmigen Anordnungen der Säulchen entstehen, die wir in vorstehendem ausführlich besprochen haben. Hierbei kommen wir auf sehr 29* 438 Martin Heidenhain: feine Verhältnisse der Struktur und es ist dringend notwendig, dass wir uns zuvor davon Rechenschaft geben, wie sich die Ver- hältnisse des mikroskopischen Bildes an der Grenze der optischen Leistungsfähigkeit des Instrumentes gestalten werden. Wie von mir zu wiederholten Malen (seit 1899) in verschiedenen Schriften hervorgehoben wurde, liegt die untere Grenze für die Unter- scheidbarkeit der Dimensionen bei 0,2—0,25 «u. Prüfen wir daraufhin unsere Abbildungen, welche (mit Ausnahme der Fig. 16) bei einer Vergrösserung von 3835 (Zeiss 2 mm, Ok. Nr. 18) mittelst des Abbeschen Apparates aufgenommen wurden, so bedeutet für diese der Millimeter der Zeichnung eine Ausdehnung von 0,263 «. Wir stehen mithin bei dieser Vergrösserung nahe an jener Grenze, wo die Ausmessungen der mikroskopischen Dinge und ihre Abstände noch einigermassen richtig wahrgenommen werden. Die mikroskopischen Strukturen treten bei einer so hohen Vergrösserung, selbst wenn sie äusserst scharf ausgefärbt sind, in Zerstreuungskreisen auf; dies pflegt die photographische Platte mit rücksichtsloser Treue zu zeigen. Es ist jedoch eine praktische Erfahrung der Mikroskopie, dass unser Auge die Konturen schärfer aufzufassen pflegt als sie wirklich sind, ein Umstand, der nach meiner Meinung eine besondere Begründung in der Physiologie der Gesichtswahrnehmungen haben muss. Jedoch unser Auge vermag in Wahrheit die objektive Leistung des Mikroskops nicht zu verbessern. Werden daher die Abstände der Fibrillen (Säulchen) geringer als 0,2 «, so fangen die Zerstreuungskreise, welche von benachbarten Strukturelementen ausgehen, an, sich zu decken. Die Strukturen erscheinen nun nicht mehr auf klarem, sondern auf gefärbtem Grunde. Oder wir können auch sagen: Je mehr sich nach abwärts von der kritischen Grenze die Strukturelemente einander nähern, desto weniger Licht dringt zwischen ihnen hin- durch. desto mehr verschmelzen sie miteinander. Wenn wir also beispielsweise auf einer Strecke von 0,5 « zwei scharf gefärbte Körper von 0,2 « Durchmesser haben, so wird die optische Trennung der letzteren bereits erheblich erschwert sein. Sind die beiden gedachten Körper von rundem Querschnitte, so liegt immerhin der günstigste Fall vor; denn seitlich von der Ver- bindungslinie ihrer beiden Mittelpunkte erweitert sich ihr Abstand sofort in bedeutendem Grade. Daher werden kügelchenartige Gebilde, z. B. Zentriolen, selbst bei sehr starker Annäherung, von Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 439 uns immerhin noch gut erkannt und voneinander getrennt. — Nach diesen Vorbemerkungen können wir zur Betrachtung unseres Objektes übergehen. Die gesamte fibrilläre Masse der Muskelfaser leitet sich bei der Forelle, wie dies Maurer zuerst für die Knochenfische gezeigt hat, von einer einzigen Fibrille ab, welche im Sarkoplasma der embryonalen Faser neben dem Kern in die Erscheinung tritt (Fig. 1a, rechts neben dem Kern). Da die in Röhrenform angeordneten Säulchen der späteren Stadien ein Differenzierungsprodukt dieser Fibrille sind, so versteht sich leicht, dass im vorliegenden Falle die Muskelkerne immer ausserhalb der kontraktilen Masse liegen, also ganz anders als bei den Säugern, wo die Kerne zunächst innerhalb der röhrigen Fibrillen- scheide zu liegen kommen. Bei der Forelle besitzt die primäre Fibrille anfangs ein sehr geringes Kaliber und misst in Fig. 1a 0,5 u: es begreift sich leicht. nach unseren vorstehenden Aus- einandersetzungen, dass im Inneren der Fibrille keinerlei Strukturen wahrnehmbar sein können, auch wenn solche vorhanden sein sollten. Diese erste Fibrille geht durch Wachstum und Differenzierung in die Form eines Röhrchens über (Fig. Ib, 2a und b), dessen Wand zunächst homogen, später (auf dem Querschnitte) undeut- lich geknotet erscheint. Der Zeitpunkt, an welchem die innere Lichtung auftritt, variiert erheblich, doch ist ihr frühes Auftreten ein ganz gewöhnlicher Fall und ich lege diesen meiner Dar- stellung zugrunde, weil er in theoretischer Hinsicht besser ver- wertbar ist. Die Lichtung erscheint anfänglich nur in Form einer zentralen Aufhellung des Fibrillenquerschnittes, wie in Fig. 16 zu sehen ist. Der Durchmesser des Gebildes beträgt nunmehr 0,8 u und es ist klar, dass die durchsichtige Stelle im Inneren allein schon aus optischen Gründen weder sehr hell, noch sehr scharf begrenzt sein kann, da die am inneren Kontur auftretenden Zerstreuungskreise notwendigerweise die Klarheit des Bildes in starkem Grade beeinflussen müssen. Ausserdem ist so gut wie sicher, dass das Röhrchen anfänglich eine ziemlich stark färbbare Substanz enthält. Dem Kaliber nach können wir die röhrige Faser nunmehr ein Säulchen nennen. Nimmt dasselbe an Quer- schnitt zu (Fig. 2a und b), so tritt allmählich eine schärfere Begrenzung des Lumens auf, während gleichzeitig an der soliden Wandschichte eine undeutliche Knotung hervorzutreten pflegt, 440 Martin Heidenhain: welche zweifellos auf eine fibrilläre Zusammensetzung des Zylinders bezogen werden muss (Fig. 2b)!). Bei noch stärkerer Er- weiterung des Querschnittes fällt der Ringin Tochter- säulchen auseinander (Fig. 3 und 4), welche das Bild der späteren Stadien in nuce wiederholen (vergl. Fig. I1c). Diese Säulchen sind also ihrer Entstehung nach in Form eines Zylinders angeordnet und erscheinen von Anfang an in radialer Richtung verbreitert. Diese ihre radiale Ausdehnung ist jedoch zunächst nicht so stark ausgesprochen wie später, weswegen auch die Bandform der älteren Säulchen an ihnen einstweilen nicht so deutlich hervortritt. Dahingegen zeigen sie nach meiner Wahır- nehmung von Anfang an, also sobald sie irgend erkennbar werden, die bekannten Spaltungserscheinungen (Fig. 3). Diese Stadien des Auseinanderfalls der Primärfibrille sind naturgemäss schwer verfolebar, weil die Tochtersäulchen bei ihrem ersten Auftreten im kritischen Abstande von etwa 0,2 u befindlich sind. Ausserdem ist offenbar, dass zwischen den Säulchen, wie schon vorher in der zentralen Lichtung des Röhrchens, anfäng- lich eine färbbare Grundmasse vorhanden ist, die das mikroskopische Bild verdunkelt. Diese Grundmasse ist zuweilen noch auf den mittleren Stadien der Entwicklung (wie bei Fig. 11a) zwischen den Muskelbändern nachweisbar, jedoch alsdann von ungemein zarter Beschaffenheit. Theoretisches. Unsere Erfahrungen an dem vorstehend geschilderten Objekte und unsere Abbildungen stellen zunächst die folgenden Punkte klar. Sie lehren: 1. Dass in unserem Falle die sämtlichen Querschnitte kontraktiler Fäserchen, kleinere wie grössere, völlig homogen erscheinen, wobei die feinsten im Kaliber dem kritischen Grenz- werte nahe kommen (vergl. auch Fig. 15), während die grössten sich als zusammengesetzte Säulchensysteme darstellen. 2. Dass zwischen allen diesen Faserbildungen zahllose Über- gangsformen existieren und dass sie sämtlich durch Teilung, bezw. differenziatorische Zerlegung sich vermehren, wobei die komplexen höheren Kombinationen nachgewiesenermassen durch !, Vergleichsweise sei erwähnt, dass Rollett von Hydrophilus piceus röhrenförmige Muskelsäulchen beschreibt. Denkschr. d. Königl. Akad. d. Wiss. mat.-nat. Kl., LI. Bd., I. Abt., Taf. I, Fig. 3; dazu Text, S. 9 f. Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 44] unvollkommene Teilung der niederen Formwerte entstehen. Alle diese Formen bilden somit eine natür- liche Teilkörperreihe. 3. Dass das untere Ende dieser Reihe, oder sagen wir: ihr Beginn, zweifellos auf metamikroskopischem Gebiete liegt, weil nämlich a) oberhalb der kritischen Schwelle, bei welcher die mikroskopischen Strukturen auflösbar werden, auf frühen und mittleren Stadien der Entwicklung (anfangend von Fig. 5) der ringförmige Querschnitt des kontraktilen Zylinders nachweislich durch radiale Spaltung seiner Elemente fortdauernd an Durchmesser zunimmt und weil unterhalb derselben Schwelle (Fig. 1 und 2) die erstmals angelegte Solitärfibrille durch blosses Dicken- wachstum ebenfalls einen ringförmigen Querschnitt liefert, welcher unmerklich sich erweitert, bis die Struktur die Schwelle der Wahrnehmbarkeit überschreitet und der Ring in seine Einzelelemente auseinanderfällt. Wir schliessen demgemäss von der oberen Strecke der Reihe, welche in sich optisch different ist, auf die untere Strecke derselben Reihe, bei welcher die optische Differenzierung un- möglich ist; zwischen beiden Strecken liegt lediglich die arte- fizielle Schwelle des Instrumentes. An dieser Stelle machen wir ausdrücklich darauf aufmerksam; dass wir hier nicht etwa die Form des Analogieschlusses benutzen. Denn beim Analogieschlusse geht man sprungweise von einem Objekte auf ein anderes über; wir hingegen bleiben bei dem nämlichen Objekte, dessen allmähliche Veränderung in der Zeit wir verfolgen. Das mikro- skopische Bild ändert freilich seinen Charakter beim Übergang von Fig. 2b zu Fig. 3, allein wegen der besonderen Gründe, die lediglich in der Physik des Instrumentes liegen, können wir nur eine stetige Entwicklung der erstmals angelegten Fibrillen an- erkennen, also eine Entwicklung, welche dauernd in den näm- lichen Formen sich vollzieht. Die Primärfibrille wird daher im Prinzip die nämliche Struktur besitzen wie die zusammengesetzten Muskelzylinder der Fig. 3, 4 usf.; sie wird aus einer Summe von metafibrillären Elementen bestehen, aus deren radialer Spaltung der homogene Hohlzylinder der unmittelbar folgenden Stadien in kontinuierlichem Zuge hervorgeht. Und wiederum b 442 Martin Heidenhain: müssen die bandförmigen Säulchen der späteren Stadien ebenfalls die gleiche metafibrilläre Struktur besitzen, denn letztere ist die materielle Voraussetzung dafür, dass die Säulchen grund- sätzlich zu jeder Zeit, also bei beliebiger Grösse und Form des Querschnittes, der freiwilligen Längs- spaltung fähig sind, und zwar sowohl in radialer, wie (späterhin bei der definitiven Aufspaltung der Säulchen und Säulchengruppen) paratangentialer Richtung. Wird nun die Existenz teilungsfähiger Metafibrillen zugegeben, so ist es wiederum eine selbstverständliche Forderung, dass diese Art des freiwilligen Teilungsvermögens, welche dem biologischen Wesen nach den Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung analog ist, in der Richtung des Kleinen ein Ende haben muss. So gelangt man dazu, mit vollkommener Sicherheit auf die Existenz kleinster teilungsfähiger Einheiten oder Protomeren zu schliessen, deren weitere künstliche Aufspaltung nur noch Trümmer des Protoplasmas liefert. Diese - Schlussfolge trifft wiederum mit unseren allgemeinsten Erfahrungen über das Plasma als Träger desLebens zusammen. Diese Erfahrungen gehen nach drei Richtungen. Erstlich hat sich aus experimentellen Untersuchungen längst ergeben, dass nicht die Zelle der Träger des physischen Lebens ist, sondern dass das Leben jedem kleinsten überhaupt als lebend zu bezeichnenden Teile inhäriert (vergl. „Plasma und Zelle“, Bd. I, S. 56—58). Ich erinnere daran, dass abgebrochene Cilien noch Bewegungen zeigen; wo aber Bewegung ist, da ist Erregbarkeit, Leitungsfähigkeit, Atmung, Wärmebildung, Umsatz potentieller in kinetische Energie usf. — kurz: da sind alle primitiven Lebenserscheinungen vorhanden. Das Leben einer abgebrochenen Cilie ist jedoch nicht entlehnt oder erborgt von der Zelle, wie manche Gelehrte meinen, denn ein erborgtes, ein- geblasenes oder eingehauchtes Leben gibt es nicht; vielmehr ist das physische Leben eines derartigen kleinen isolierten Teiles ebenso aktiv wie das Leben überhaupt. Im Verhältnis zu den kleinsten Lebenseinheiten, von denen die Rede war, ist die Cilie freilich immer noch ein riesiger Körper; allein die kleinsten lebendigen Teile sind in bezug auf die Aktivierung des Lebens- prozesses gewissermassen von gleicher Qualität wie die ganze Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 443 Cilie und, hätten wir die äusseren Mittel einer zureichenden Beobachtung, so würden wir zweifellos die typischen Lebenseigen- schaften auch noch an den allerkleinsten Plasmateilchen kon- trollieren können. — Zu diesen gehört aber unter anderem auch die Möglichkeit der Fortpflanzung oder Übertragung des Lebens durch Teilung. Remak hat als erster den biologischen Er- fahrungssatz „omne vivum ex vivo“ auf ein gewebliches System, die Gewebezelle, übertragen. Die neueren Erfahrungen haben aber gezeigt, dass auch die sämtlichen in der Zelle ent- haltenen und zu ihrem Bestande gehörigen Organellen ebenso wie diese selbst durch Teilung sich fortpflanzen (ausser dem Kern und den Chromosomen auch die Zentren, Zentriolen, Chlorophyll- körper, Muskelfibrillen ete.) und so ist der Remaksche Satz gleichsam auf immer kleinere Zellbestandteile zurückverlegt worden. Es ist daher nur richtig, zu schliessen, dass die Teilbarkeit aller sichtbaren Zellorganellen in letzter Linie auf der spontanen Teilungsfähigkeit der kleinsten Lebenseinheiten beruht. Wir können also die vorstehende Auseinandersetzung kurz zusammen- fassen und sagen: weil das Plasma als solches der Herd desLebens ist, d.h. eines aktiven Prozesses, der auf Selbsterhaltung geht, so muss es dem Satze, dass Leben immer nur vom Leben stammt, unterliegen, und es muss durch innere Teilungsakte, welche an den kleinsten Lebenseinheiten sich vollziehen, sich der Masse nach fortpflanzen. Zweitens hat man seit langem die Erfahrung gemacht, dass innerhalb des Zelleibes einzelne kleine Teile degenerativ absterben und sequestriert werden können. Diese Tatsache deutet unmittelbar darauf hin, dass die kleinsten Teile des Plasmas begrenzte, in biomechanischem Sinne „selbstlebende“ Körperchen sind; erst durch ihre Existenz wird die Erscheinung des begrenzten Plasmatodes erklärlich. Wir haben hier müutatis mutandis genau die nämlichen Erscheinungen wie bei der Zelle selbst, welche im Verhältnis zu den kleinsten lebenden Teilen ein Histomer oberer Ordnung ist. Jedes Histomer !) unterliegt zunächst seinen eigenen inneren physiologischen Bedingungen und Gesetzen, von denen Leben und Tod, funktionelle und formative Eigenschaften, der Akt der Selbstteilung usf. ab- ) Die Terminologie vergl. in „Plasma und Zelle“ I, S. 100. 444 Martin Heidenhain: hängen. Wie nun bei der Zelle das Leben ein aktiver Prozess ist, der auf Selbstunterhaltung geht, und wie sie andererseits einer Summe von Regulationen oberer Ordnung unter- liegt, die aus der Verfassung der Gewebe, der Organe, des Körperganzen herrühren, so geht auch das Leben des Protomers in seinem eigenen Bereiche zunächst auf Selbstunter- haltung, während es andererseits von den engen Bedingungen der Umgebung, im besonderen von der natürlichen Verfassung des übergeordneten Systems abhängig ist. Die Störung oder Aufhebung der mit dieser Verfassung verbundenen Regulationen kann Krankheit und Tod nach sich ziehen, ebensogut wie eine primäre Insuffizienz des Lebensprozesses im kleinsten Teilkörper selbst. Drittens lehrt die Erfahrung, dass innerhalb des Plasma- leibes der Zellen häufig unter unseren Augen ausscheinbar homogenen Massen besondere, gut sichtbare Differenzierungen entstehen. Diese Vorgänge haben ihre materielle Grundlage darin, dass die lebendige Masse überall aus kleinsten lebenden Teilen diskreter Art besteht, welche sich momentan zu neuen Strukturen zu- sammenfügen können. Auf diese Weise entstehen viele innere und äussere Zellorganellen binnen kurzem unter dem Auge des Beobachters, wie z. B. Polstrahlen und andere Plasmafaserungen, Cilien, fadenartige Pseudopodien usf. Das gemeinschaftliche aller dieser Bildungen ist, dass es sich um linienhafte Organellen handelt; der Prozess der Organisation erfolgt in solchen Fällen längs einer bestimmten Strukturachse. Soll z. B. eine Polstrahlung innerhalb einer scheinbar homogenen Plasmamasse sich entwickeln, so setzt dies voraus, dass die lebende Substanz aus einer Summe diskreter Teilchen besteht, welche sich nach den Dimensionen des Raumes, hier in radialer Richtung, zu orientieren und aneinander- zufügen vermögen. Die Vorgänge dieser Art bezeichnete ich als Epanorthose. Man kommt mithin bei Betrachtung der ein- fachsten formativen Prozesse ohne weiteres zu dem Schlusse auf die wahre und wirkliche Existenz der kleinsten Lebenseinheiten, welche aus anderen Gründen als Teilkörper letzter Ordnung sich be- stimmen lassen. Den Erscheinungen der Epanorthose entsprechen auf der anderen Seite die Erscheinungen der Einschmelzung oder Katachonie. Denn gerade so, wie viele Strukturen unter Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 445 unseren Augen sich bilden, so schwinden sie auch wieder, oft binnen kürzester Frist, durch innere Auflösung in ihre Bestandteile. Nun wird niemand annehmen wollen, dass beispielsweise beim Schwinden einer Polstrahlung die plasmatische Substanz als solche zertrümmert wird. Vielmehr kann man nur folgern, dass die Strahlen in sich zusammenfallen, indem die in ihnen befindlichen kleinsten lebenden Teile aus ihrem Verbande sich lösen, gegen- einander beweglich und für andere Zwecke des Zellebens wiederum verwertbar werden (über Epanorthose und Katachonie vergl. „Plasma und Zelle“ II, S. 977, S. 98Sff., S. 1090ff., S. 1098 ff.). Fassen wir das Letztgesagte kurz zusammen, so ist also unser Gedankengang der folgende gewesen. Die Entwicklung der kontraktilen Fasermasse geht bei der Forelle in jedem Myoblasten je von einer Primitivfibrille aus, welche auf dem Wege der Assimilation, des Wachstums und der inneren bezw. äusseren sukzessiven Teilung eine grosse Nachkommenschaft diverser Fibrillen, Säulchen und Säulchensysteme liefert. Diese bilden eine natürliche homologe oder besser homöotypische Teil- körperreihe, welche stetiger Natur ist und deren Beginn dem- gemäss auf metamikroskopischem Gebiete, bei den kleinsten Metafibrillen bezw. deren Querschnittselementen, den kleinsten Teilkörpern oder Protomeren, liegen muss. Die metafibrilläre bezw. Protomerenstruktur aller Fibrillen, Säulchen und Säulchen- systeme geht auch daraus hervor, dass sie alle ohne Ausnahme bei jeder Form des (Querschnittes teilbar sind, und zwar in radialer Richtung ebenso wie in der Richtung parallel zu den Tangenten des Muskelzylinders. Diese spezifische Form der Teil- barkeit, welche den Akten der ungeschlechtlichen Fortpflanzung analog ist, muss in der Richtung des Kleinen ein Ende haben und die kleinste teilbare Lebenseinheit bezeichnen wir als Protomer. Auf diese Weise kommen wir zu einer wahren Theorie der Elementarorganisation der kontraktilen Substanz. Die auf solche Weise gewonnene Anschauung über die Zusammensetzung der lebendigen Masse stimmt ferner mit unseren allgemeinsten Erfahrungen über das Plasma als Träger des Lebens überein. Denn jedes kleinste Plasmapartikelchen ist ein aktiver Herd des Lebens und zum Leben gehört auch die Fortpflanzung oder dauernde Überlieferung desselben durch Teilungsakte (omne vivum ex vivo etc.).. Anscheinend homogene Plasmamassen wachsen 446 Martin Heidenhain: demgemäss auf dem Wege innerer Teilungen. Dieser Charakter der lebendigen Substanz als einer in sich zusammenhängenden Protomerenmasse wird auch erwiesen durch die Erscheinungen des begrenzten Plasmotodes, des plasmatischen Aufbaues oder der Epanorthose und des Abbaues oder der Katachonie. Im übrigen ist unsere Theorie der Elementarorganisation nicht bloss aus der Struktur des Muskels, sondern auch bei vielen anderen Objekten in gleicher Weise ableitbar. (Nähere Ausführungen hierüber in den verschiedenen Kapiteln von „Plasma und Zelle“.) Durch sie werden die veralteten Plasmatheorien von Bütschli, Flemming und Altmann vollständig überflüssig; vor den letzteren hat sie den Vorzug, dass sie nichts anderes ist als eine blosse Ausweitung oder Vertiefung der Theorie der Organisation des tierischen Körpers überhaupt, denn meine Plasmatheorie oder Theorie der Elementar- organisation ist nur ein einzelner Abschnitt der Teilkörpertheorie, welche besagt, dass die Natur überall teilbare Formwerte niederer Ordnung zu abermals teilbaren Formwerten höherer Ordnung zu- sammensetzt, woraus sich natürliche Reihen mit wachsender Grösse der Glieder ergeben, welche auf makroskopischem Felde endigen. Hierbei ist es eine Frage von nebensächlicher Bedeutung, ob die gemeinten Teilkörpersysteme efiektiv oder nur in der Anlage teilbar sind, wie die Extremität in den Versuchen von Braus. Die Form der Teilkörperreihen wird in der einzelnen Fällen eine sehr verschiedene sein. Wächst z. B. eine Zelle durch innere Teilungen, so werden sich die Glieder der Reihe zueinander verhalten wie die natürlichen Vielfachen des Grundwertes, denn der sukzessiven Vermehrung des Kerns entspricht nach der R. Hertwigschen Regel auch eine proportionale Vermehrung der Plasmamasse. Die Glieder einer derartigen Reihe, welche sich somit zueinander verhalten wie die Zahlen der natürlichen Zahlenreihe, habe ich als Monomeren, Dimeren, Trimeren und so fort bezeichnet. Es ist nun offenbar, dass diese Bezeichnungen, welche von mir zuerst auf die natürliche Folge der einfachen und zusammengesetzten Dünndarmzotten angewendet wurden, auf die Glieder in der Reihe der Fibrillen, Säulchen und Säulchen- systeme nicht mehr anwendbar sind, denn, wie schon hervor- gehoben wurde, sind die hier besprochenen fibrillären Elemente bei jeder Form und Grösse ihres Querschnittes durch Spaltung vermehrbar. Jedoch der scheinbare Widerspruch mit der in Über die Entstehung der quergestreiften Muskelsubstanz ete. 447 unserem Beispiel als wachsend angenommenen Zelle löst sich, wenn wir für erwiesen annehmen, dass das dem Grundwert ent- sprechende teilbare Anfangsglied in der Reihe der kontraktilen Fäserchen eine kleinste Metafibrille ist. Dann würde jedes ein- zelne Glied der Reihe ein bestimmtes Vielfaches eines meta- fibrillären Formelementes sein. Den vorstehenden theoretischen Ausführungen wird man den Vorwurf machen, dass ich allzu sehr ins Detail gegangen bin. Indessen wird immerwährend übersehen, dass unsere gegenwärtige deskriptive Histologie in nicht minderem Grade von theoretischen Vorstellungen durchärungen ist, welche, weil anerkannt, für selbst- verständlich genommen werden, obwohl sie zum grösseren Teile vollständig veraltet sind. Die Zellen als „Bausteine“ der Gewebe, die Theorie vom Zellenstaate, die Zelle als Träger des Lebens, die Interzellularsubstanzen als träge, inerte Massen, — das sind Grundvorstellungen, welche fast ausnahmslos allen bisherigen Arbeiten der wissenschaftlichen Anatomie zur Grundlage dienten. Sollten diese Vorstellungen jedesmal von neuem abgeleitet, ja nur verteidigt werden, so würden die histologischen Arbeiten überall von theoretischen Besprechungen durchsetzt sein müssen. Nur der Umstand, dass die in Rede stehenden populären Hypo- thesen überall bekannt und anerkannt sind, ermöglicht es, ihre ständige Wiederholung und erneute Begründung zu unterdrücken. Dadurch erhalten dann die deskriptiven Schilderungen in den morphologischen Arbeiten wie durch stillschweigende Vereinbarung ihre unerlässliche Grundlage. Sollte jene allgemeine Theorie der Organisation, welche ich seit mehr als 10 Jahren zu entwickeln unablässig bemüht bin, sich späterhin allgemeiner Beistimmung erfreuen, so würde die jedesmalige Wiederholung des theoretischen Beiwerkes entbehrlich sein und man würde eine unübersehbare "Zahl deskriptiver Daten von einem einheitlichen Standpunkte aus erfassen können. Archiv f'mikroskon. Anatomie Bd LXXXIT, AbtI. Tafll. Werner u.Winter, Frankfurt“M. Archiv fmikroskon. Anatomie Ba.LXXX, Abt n “ “-...... ® pHRIER Be) a M:. Ss ö ana, %os,, “eos LITT Te ri22877 u " — aa Taf. 1. Q vl Ü------- QM. Frankfurt Werner uWinter, ‚Archiv fmikroskop Anatomie Bd.LXXXMT, Abt.1. 15 6.28,9,10,.1 4-1 IWAY 46-14 77 -------628,9 V ++ --- 6,2 8,9 un 32,48 6.78.91014-—--— — 4 r Bun hi 22 ] \ ae | j 3Ve 678901” 3%” 628,910 "398,4Ve N4Ye Taf ız. »M Winter, Frankfurt Werner ım Archiv £mikroskon. Anatomie Ba.LXXNM, Abt. Archiv Kmikroskop. Anatomie Ba.LXXXI, AbLI. Werner u Winter Frankfurt YM. Archiv. Emikroskop. Anatomie BA.LXNNIN, AbtI. Tuk v1, BE EZB ALERT 2 2AE Da J o Werner u. Winter, Frankfiure®M. "a Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. LXXXII, Abt. 1. Tafel VI. Archiv Emikroskop Anatomie ba. IXXXHT., AbEL Ku£ VL. e Sr \ RN . T [ ED —_ MP, o —EDP-Z i a eh 2 | £ 2 Re , ei N 7 = 1 j\ N a — .. I I er E; Ä BE NE = 3 PS LIE RR LIE BE Te ” xr a IR FR, = 2 u - us \ GE a e 73 a (? se a n u I0 [Zu Sf wo NN rg a £ Be, ie er : — - 4 rn a” » ., nk Archiv KEmikroskop Anatomie Ba.IXXXT. , Abt.1. laß IX. | an er er ehe Archiv Emikroskop Anatomie Ba.LXXXHL., Abt.1. Taf X. Werner u Winter, Franklin ®M. Taf Al. Archiv Emikroskop Anatomie Ba. XXX. , AbEI. NL DIAS 1 N NOVERTL LTE u su > a Archiv Fmikroskon. Anatomie BA.LXYMIL, Abt.1. u", Taf Xxm. er Taf X. ] Archiv Fmikroskon. Anatomie Ba.LXXMII AbLI Taf XIV. I = =. = 17U / »fmikroskon.. { A Ir Ar „ort nn» [1 . " . 2 HSchlick nach. dem Leben gez. Taf XV ‚Archiv {mikroskon. Anatomie Bd.LXXXHI, Abt I. | Taf. XVI. u; Ne ZITRE ’ r2g Werner u Winter, Frankfurt &M. Archiv f'mikroskon. Anatomie. Bd.LXXXT, Abt. 1. Taf: XVII. 5 11 12 SMY---------+ l Werner u.Winter, Frankfürt®M. Archiv £mikroskop. Anatomie BA.LXXXIIL, Abt I. Taf RX SQ fe) oO — m a) = u iS rS - > 5 SQ ER ur I > ® EN I 2Q 267 — a rn > SQ i a Fr Fa S SA eis gä ® Pi Gar, I K EN DE s# ai > 2 S ) a >90 7 — > Q 4 "Du S = SS Y N um Via. Z RS > SE; RN Me IE \ ZZ N Un NS | SV Archiv F mikroskop Anatomie Ba.LXXXRT, Abt.1 Taf XXM. | / ss! II, | N En Taf xXXm. Archiv Fmikroskop Anatomie Bd. LXXXHT, Abt]. —f. / Sy Du Ny ar z ET a ER S ns R; 7 zen WG ERS vr ik Aktw 27 N} “ — am. = 7, u, Nun, syn = nis E- 2 = a5 N vv ZEN = -__.' en N FANSNSNZ, Zr N Zu 2 Se ES ARM NAÄRNS > 5) nh 0,7 Y = NZ x & &: N, Siam = % I AN En RAR Ta. "Te Fr Zr ae & AUNN v2 ey, "u KERIEE ER) ‘ ae 2, > : — ZUR. = a ct, Eee Re Hr h Rh He EN) DH ET PRUH 5 Kb 1; N | RE “ or) RN) 2) ü BR Yin m) HA & JURSRND Ye „ a Arsen nd RL TISRLRE N ENDETE VL RN N r au DA WAT! N Wi N ae ur ca { IBAN STERN INA \GENNN. 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