0“ aueh ..% “ns 4, u \ seen 0i RE “re EEE DR te EN EEE LIE HE DENE ER “ ae ai I Cr ER) a Er) % « ri WAL, en es TH EI TS ET TNTE . “ 99 rn, 4,% ’ es - ( A ROM) ) rate ur, 4? »% $ „4 PEN MICH) .. ’4 Te “, f it s i “ . SH * FICK, . * f EN a a r ® ARE arte, “ ”. se WR # Pr « } . ” - I DE DE SE DE DR “ RL . ser rs Se CHE IL, Se BL " “ LE hf 4 RR FE ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererhungslehre herausgegeben von O. Hertwig und W. von Waldeyer-Hartz in Berlin Neunzigster Band IL. Abteilung Mit 2 Tafeln und 33 Textfiguren nn Nr Tee BONN Verlag von Friedrich Cohen 1918 Inhalt. Abteilung I. Drittes Heft. Ausgegeben am 30. November 1917. Seite Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. Eine historische Studie als Abschluss eigener Forschung. Von Oskar Hertwig. Hierzu DIWERESEHIR OD ee a a pe ui Tee RR ee 1 Viertes Heft. Ausgegeben am 30. April 1918. Über die Samenkörper der Libellen. I. Die Spermien und Spermiozeugmen der Aeschniden. Von E. Ballowitz in Münster i. W. Hierzu area undeEl und32Texthgurenn. cr 21.0. vater 19 633% Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. Eine historische Studie als Abschluss eigener Forschung. Von Oskar Hertwig. Hierzu 25 Textfiguren. Inhaltsverzeichnis. Einleitung . ! I. Zur Geschichte dor tler Sun seit 1870. Die erste Periode A Zur Geschichte der Kame Sr . Zur Geschichte des Befruchtungsprozesses 3, Zur Geschichte des Kernteilungsprozesses Zusammenfassung . 2 Die zweite Periode (neue akeckneen 3 4 1. Fortschritte in der Erforschung der Kandkmese 2. Fortschritte in der Erforschung der Eireife und Bemrhrng II. Zur Geschichte der führenden Theorien und Hypothesen . 2 Die Kernidioplasmatheorie . . Das Reduktionsproblem . a) Das Reduktionsproblem En Ed van a de Hypothese des Zellenhermaphroditismus b) Das Reduktionsproblem und Weismanns Ahnen. plasmatheorie . c) Das Reduktionsproblem ni fe Verhtinug Mer a mierung der Erbmasse (Hertwig) . 3. Meine Stellung zur Annahme einer Pelsıstenz der hedimbe somen . Anmerkungen Literaturverzeichnis Archiv f.mikr. Anat. Bd. 9%. Abt. II. 1 > Oskar Hertwie: Einleitung. Als der berühmte belgische Zoologe Ed. van Beneden 1910 starb. hinterliess er ein schon 1901 hinterlegtes Testa- ment, in welchem er den Wunsch ausgesprochen hat, dass seine Freunde Flemming und C. Rabl eine kritische Analyse seines wissenschaftlichen Lebenswerkes verfassen und in einer deutschen Zeitschrift veröffentlichen möchten. Da auch Flemming bei der Testamentseröffnung nicht mehr lebte, entschloss sich Rabl, die Aufgabe allein zu übernehmen. So entstand seine 1915 er- schienene und im Archiv für mikrosk. Anatomie (Abteilung II für Zeugungs- und Vererbungslehre) veröffentlichte, umfangreiche Abhandlung: Eduard van Beneden und der gegenwärtige Stand der wichtigsten von ihm behandelten Probleme. Ihr Stu- dium rief bald in mir den Entschluss zu der vorliegenden Schrift wach. Denn unter den von van Beneden behandelten Pro- blemen steht weit obenan das Problem der Zeugung und Ver- erbung. Dasselbe berührt meine eigene wissenschaftliche Tätigkeit auf das unmittelbarste. Wenn irgendwo, so glaube ich hier aus reichster eigener Erfahrung und aus persönlicher Teilnahme an der Frörterung aller hier zusammentreffenden und sich verknüpfenden wissenschaftlichen Fragen sprechen zu können. Als Nächstbetei- ligter aber scheint mir das Bild, welches Rabl von der Anteil- nahme van Benedens am Zeugungsproblem entwirft, einseitig ausgefallen zu sein und einer auf den literarischen Dokumenten beruhenden Ergänzung zu bedürfen, sofern man auch in der Geschichte der Wissenschaften auf eine Darstellung der wirklichen Zusammenhänge einigen Wert legt. Karl Rabl ist bei seiner Darstellung (1915 1. c.) nicht unbeeinflusst geblieben von der Situation, in welche er durch den testamentarisch ausgesprochenen Wunsch seines Freundes, eine kritische Analyse seines wissenschaftlichen Lebenswerks zu verfassen, versetzt war. Zum kritischen Richter berufen, war er, wie mir scheint, vor eine nicht leicht zu bewältigende Aufgabe gestellt, die besondere Schwierigkeiten noch insofern bot, als manche der beteiligten Personen am Leben waren. Hatte sich doch van Beneden bei seinen wissenschaftlichen Untersuchungen in zahlreiche, von ihm selbst meist be- sonnene Prioritätsstreitigkeiten verwickelt. Daher machte sich Rabl bei der Übernahme der Aufgabe zugleich auch zum Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. B) Testamentsvollstrecker in den von van Beneden veranlassten Prioritätsfragen, die auf diese Weise auch nach dem Tode ihres Urhebers wieder neues Leben erhielten. Rabl hat bei der Beurteilung derselben einen möglichst objektiven Stand- punkt einzunehmen versucht. Wenn ich dies gleich anerkennend hervorhebe, will ich damit nicht sagen, dass es ihm auch wirklich überall gelungen ist. Die unangenehme Seite der ihm über- wiesenen undankbaren Aufgabe hat Rabl gelegentlich auch selbst gefühlt. Als er das Thema der van Benedenschen Prioritätsstreitigkeiten in einem Anhang (S. 90—100) behandelte, hat er in der Einleitung bemerkt: „Leider muss ich noch einige Prioritätsfragen besprechen. Van Beneden war ein Mann von ausgesprochenem Rechtsgefühl, zugleich aber auch von grosser Empfindlichkeit in Prioritätsfragen. Daher konnte es nicht aus- bleiben, dass er sich wiederholt in Prioritätsstreitigkeiten ver- wickelte. Ja, ich könnte leicht zeigen, dass er die Vermeidung weiteren Streites in manchen Fällen nur dem Umstande zu ver- danken hatte, dass die oft recht derb Angegriffenen den Angriff nicht erwiderten. Man mag ja über Prioritätsfragen verschiedener Meinung sein. Auf keinen Fall wird man es einem Forscher, der mit Eifer und Fleiss gearbeitet und dabei neue Tatsachen, oft Tatsachen von grosser allgemeiner Bedeutung gefunden hat, übelnehmen dürfen, wenn er auf sein geistiges Eigentum stolz ist und dasselbe mit aller Entschiedenheit verteidigt. Wie sehr Männer, wie Goethe oder Schopenhauer, an deren Geistes- und Charaktergrösse wohl niemand zu zweifeln wagen wird, auf die Wahrung ihrer Priorität bedacht waren, ist allgemein bekannt. Es ist durchaus ungerecht, die Namen der Männer, welche grosse Wahrheiten gefunden oder Entdeckungen gemacht haben, im Ver- gessenheit geraten zu lassen ; noch viel ungerechter aber ist es, andere, etwa gar auf deren eigene Versicherung hin und ohne nähere Prüfung, für die Urheber jener Wahrheiten und Ent- deckungen auszugeben“. Das von Rabl in seinem letzten Satz betonte Gerechtig- keitsgefühl billige ich vollkommen und habe für dasselbe um so mehr Verständnis, als ich selbst auf diesem Gebiet Erfahrungen zu sammeln Gelegenheit gehabt habe. Gleichwohl habe ich in einer 40 jährigen Tätigkeit, in der ich vor und gleichzeitig mit van Beneden einen massgebenden Einfluss auf den gegen- ı* 4 Oskar Hertwig: wärtigen Stand unserer Kenntnisse von der Zeugungs- und Ver- erbungslehre durch zahlreiche mikroskopische und experimentelle Arbeiten ausgeübt zu haben glaube, es stets vermieden — und zwar mit Absicht und oft nicht ohne Zurückhaltung — mich in unerfreuliche Prioritätsstreitigkeiten hineinziehen zu lassen. Meist mit neuen Aufgaben beschäftigt, habe ich mich in einigen Fällen (8841. c. S. 19, 189071. €.8. 87,99) 1898) Bd. 18.297) darıız beschränkt, den in den Dokumenten der Literatur gegebenen Tat- sachenbestand noch einmal zusammenzustellen und aus ihm das nach meinem Urteil sachgemässe Ergebnis zu ziehen. Und so werde ich es auch jetzt halten. Da ich meine Arbeit auf diesem Gebiet als abgeschlossen betrachte, werde ich in einem Rückblick auf die Reihe meiner hierher gehörigen Abhandlungen zu zeigen versuchen, inwieweit sie Bausteine für das gegen- wärtige Gebäude der Zeugungs- und Vererbungslehre geliefert, wo sie auf Abwege geführt und wo sie einen Fortschritt angebahnt haben, welche Stellung sie zu den Arbeiten der konkurrierenden, mit gleichen Aufgaben beschäftigten Forscher einnehmen und in- wieweit sie von diesen durch neue Tatsachen und Ideen gefördert worden sind. Wenn ich mir den Zustand der mikroskopischen Anatomie vor 50 Jahren in das Gedächtnis zurückrufe, so lag das Studium der feineren Organisation der Zelle damals noch sehr darnieder: auch waren die hierfür erforderlichen Untersuchungsmethoden noch wenig ausgebildet. Auf die Wirkung der Reagentien bei der Fixation, auf die vorteilhafte Handhabung von Farbstoften zur Unterscheidung und Hervorhebung mikroskopischer Struk- turen-begann man eben erst zu achten, lernte ihren Wert zur Erreichung wissenschaftlicher Resultate erst allmählich erkennen und schätzen. Physiologen und Histologen richteten bei der Untersuchung pflanzlicher und tierischer Zellen ihr Interesse fast ausschliesslich teils auf die mikroskopischen Formveränderungen und die Lebenseigenschaften des Protoplasmas, teils auf die bei der Gewebebildung von ihm erzeugten Protoplasmaprodukte. Vom Kern wusste man nicht viel mehr, als dass er in den meisten Zellen als ein kleines Bläschen vorgefunden wird und von einer auffällig gleichartigen Form ist; man machte sich aber im allge- meinen wenig Gedanken darüber, was für eine Rolle er im Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. #) Lebensprozess der Zelle spielt, oder begnügte sich mit leichthin aufgeworfenen Hypotbesen. Zwar hatten schon Schleiden und Schwann einmal den Kern zum Mittelpunkt der Zellbil- dung in der Lehre von der Öytogenesis zu machen gesucht, doch waren ihre Beobachtungen und die aus ihnen gezogenen Schluss- folgerungen so irrtümlich, dass ihre Widerlegung mit Recht zu den wichtigeren Fortschritten in der Geschichte der Zellentheorie gerechnet wird. Waren doch Schleiden und Schwann durch sie zu der Lehre von „der freien Zellbildung* geführt worden, zu der Vorstellung, dass die pflanzlichen und tierischen Elementar- teile sich wie Kristalle in einer Mutterlauge, so aus einem Hlüssigen unorganisierten Bildungsstoft, aus einem (ytoblastem, teils im Innern schon bestehender Zellen, teils ausserhalb derselben, z. B. in den Interzellularsubstanzen und in den Flüssigkeiten des Körpers entwickeln sollten. Demgegenüber war durch die Aufstellung des Grundsatzes „Omnis cellula e cellula* schon ein wichtiger Fortschritt erzielt worden. Doch blieb die Rolle des Kerns bei der Zellteilung auch jetzt noch lange Zeit eine unge- klärte, da es an einwandfreien Beobachtungen fehlte. Während manche Forscher eine Teilung des Kerns durch Zerschnürung in zwei Tochterkerne vor der Zellteilung annahmen, lehrten andere wiederum mit nicht minderer Entschiedenheit, dass vor jeder Zellteilung eine Kernauflösung oder eine Karyolyse, wie sie Auerbach nannte, stattfände, und dass sich erst später in jeder Tochterzelle wieder ein Kernbläschen ganz von neuem im Protoplasma bilde. Derselbe Streit herrschte über das Schicksal des Keim- bläschens im Ei. Angesehene Forscher behaupteten auf Grund lückenhafter Beobachtungen, die dem wahren, erst später ent- deckten Tatbestand nicht entsprachen, seinen Fortbestand bis zum Beginn des Furchungsprozesses: die Mehrzahl aber war. durch ihre Studien an anderen Objekten geleitet. der festen Ansicht, dass es vor der Befruchtung entweder durch Kernauflösung im Dotter als morphologisches Gebilde zu Grunde gehe, oder dass es durch Ausstossung aus dem Eiinhalt ganz entfernt werde. Das Ei, so lehrte man, sollte vor Beginn seiner Entwicklung ein kernloses Stadium durchmachen. Häckel bezeichnete dasselbe als Monerula und suchte es auf Grund seiner Rekapitulations- theorie. des biogenetischen Grundgesetzes, als einen Rückschlag 6 Oskar Hertwig: zur einfachen Urform des Lebens, der Monere, zu erklären (Anthropogenie 1874, S. 141). „Hier wollen wir“, lautet sein Ausspruch, der lange Zeit für weite Kreise massgebend gewesen ist (l. e. S. 142), „nur einstweilen die höchst merkwürdige Tat- sache betonen. dass in der Keimesgeschichte ebenso wie in der Stammesgeschichte der Tierorganismus seine Entwicklung als strukturloses Schleimkügelehen beginnt. Auch der Organismus des Menschen und der höheren Tiere existiert kurze Zeit hindurch in dieser denkbar einfachsten Form, und seine individuelle Ent- wicklung nimmt von dieser einfachsten Form ihren Ausgang. Dass unser ganzer Körper in diesem Stadium wirklich eine ganz gleichartige und strukturlose Masse. eine weiche Protoplasmakugel ohne Kern darstellt. ist nach den genauesten Untersuchungen der neuesten Zeit nicht mehr zu bezweifeln. Das ganze hoftnungs- volle Menschenkind ist jetzt weiter nichts als ein einfaches Kügelchen von Urschleim“. „In dieser strukturlosen Proto- plasmakugel bildet sich nach kurzer Zeit von neuem ein Zellen- kern.“ Um eine Vorstellung von dem Tiefstand unseres Wissens über die mikroskopischen Veränderungen des Eies vor und während der Befruchtung zu bekommen, ist es lehrreich, sich zu vergegen- wärtigen, dass selbst in dem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte (1861) von Kölliker, aus welchem meine Altersgenossen ihre ersten Kenntnisse über das Gesamtgebiet der Entwicklung ge- schöpft haben, überhaupt kein besonderer Abschnitt den ersten fundamentalen Vorgängen über Reifung und Befruchtung des Eies zuteil geworden ist. In wenigen Sätzen wird die Angelegenheit erledigt durch die Angaben, dass die Eier der Säugetiere gewöhnlich im Eileiter befruchtet werden, wo man in ihrer Zona pellueida häufig Samenfäden ansitzen sieht, dass das Keimbläschen und der Keimfleck als erste Folge der Befruchtung schwinden und dass nach einiger Zeit sich wieder von neuem der Kern der ersten Furchungs- kugel ausbilde. Bei Erwähnung der Richtungskörperchen (1861. S. 30) wird von ihnen nur bemerkt, dass sie von manchen Forschern für Abkömmlinge des Keimflecks, von andern für Inhaltsteile des Keimbläschens und wieder von andern für losgelöste Teile der mehr flüssigen Substanz des Dotters gehalten werden. Noch in der zweiten, fast ganz umgearbeiteten und viel umfangreicher gewordenen Ausgabe des Lehrbuchs aus dem Jahre 1579 finden | Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. sich fast unverändert die entsprechenden Angaben, und erst in einem Zusatz am Schluss des Werks ist nachträglich noch ein kurzer Bericht über die seit 1575 erschienenen Arbeiten über 3efruchtung (S. 1005—1008) aufgenommen; er wird mit der Bemerkung eingeleitet: „Seit dem Erscheinen der ersten Abteilung dieses Werkes sind zahlreiche Beobachtungen über die Vorgänge im reifen Ei vor und nach der Befruchtung veröffentlicht worden, durch welche unsere Anschauungen über diese Erscheinungen eine gänzliche Umgestaltung erfahren haben.“ Nicht viel besser als um die Morphologie stand es in der damaligen Zeit um die Physiologie der Zeugung und Vererbung. Sie bildete ein vernachlässigtes und im Rückstand gebliebenes Kapitel, während zur selben Zeit auf anderen Gebieten, in der Lehre von den Sinnesorganen, von der Ernährung. von der Sekretion und Exkretion, der Blutzirkulation ete., schon ein erfolgreicher Fortschritt, eine Vervollkommnung der Untersuchungsmethoden und eine schärfere Erfassung der zu lösenden wissenschaftlichen Aufgaben Platz gegriffen hatte. Unter der Herrschaft einer chemisch-physikalischen. auf vielen Forschungsgebieten äusserst erfolgreichen Richtung und infolge des Versagens der mikroskopischen Forschung glaubte man damals wohl fast allgemein. dass das Wesen der Be- fruchtung in einem chemischen Prozess besteht, sei es, dass die Samenfäden eine befruchtende Substanz mit der Oberfläche des Eies in Berührung bringen (Kontakttheorie von Bischoff), sei es, dass sie in den Dotter in grösserer Anzahl hineindringen, sich in ihm auflösen und mit ihm chemisch vermischen. Die am Anfang der achtziger Jahre herrschende Auffassung gibt W. Wundt in seinem Lehrbuch der Physiologie (1573 S. 250) wieder, wenn er schreibt: „Die wesentliche Be- dingung der Befruchtung ist höchst wahrscheinlich das Eindringen der Samenkörperchen in den Eiinhalt, das in den verschiedensten Wirbeltierklassen nachgewiesen werden konnte. Nachdem die Samenkörperchen in das Ei eingedrungen sind, verlieren sie sehr schnell ihre Beweglichkeit und lösen sich im Dotter auf. Eine Theorie oder auch nur irgend begründete Hypothese über die Natur der Vorgänge, durch welche die Samenelemente nach ihrem Eindringen in den Dotter in diesem den Entwicklungsprozess anregen, besitzen wir nicht.“ 8 Oskar Hertwig: Ähnlich lautet das Ergebnis, welches J. Sachs für das Pflanzenreich zieht. „Nach dem gegenwärtigen Stand der Beobach- tungen“, bemerkt er in seinem Lehrbuch der Botanik (1874, S. 871—872), darf man annehmen, dass die Befruchtung immer in einer Vermischung der befruchtenden Substanz der männlichen Zelle mit dem Protoplasma der weiblichen besteht: bei der Konjugation ist die Vermischung durch die Verschmelzung beider Zellen gegeben; bei der Befruchtung der Oedogonien und Vaucherien wurde von Pringsheim das Eindringen des Spermatozoids in das Protoplasma der Eizelle und seine Auflösung in diesem beobachtet.“ Zur besseren Orientierung über die seit 1870 erzielten Fortschritte auf dem Gebiet der Zeugungs- und Vererbungslehre scheint es mir zweckmässig, zwei Perioden zu unterscheiden. Die erste verschafft uns die mikroskopischen Grundlagen unserer gegenwärtigen Kenntnis von der Reifung und Befruchtung des Eies und von der Kernteilung. In der zweiten Periode werden durch Entdeckung neuer besonders geeigneter Beobachtungsobjekte (Salamanderlarven, Eier von Ascaris megalocephala) tiefere Einblicke in viele feinere Vorgänge der Karyokinese, der Reifung der Geschlechtsprodukte und des Befruchtungsprozesses gewonnen. Gleichzeitig aber wird durch das Bestreben, die auf mikroskopischem (Gebiet aufgefundenen Tatsachen theoretisch zu erklären, namentlich aber durch Versuche, sie für das Problem der Vererbung nutzbar zu machen, eine spekulative Richtung der Forschung wachgerufen, welche zur Aufstellung von verschiedenen und sich zum Teil widersprechenden Hypothesen geführt hat. Daher habe ich auch an den geschichtlichen Abschnitt, welcher die in der zweiten Periode gemachten Entdeckungen neuer Tatsachen be- handelt, noch einen besonderen Abschnitt über die Geschichte der führenden Hypothesen angeschlossen. I. Zur Geschichte der Entdeckungen seit 1870. Die’ erste Periode, Die Forschungsperiode, die zu unserer gegenwärtigen Kenntnis der Befruchtung, Vererbung und Kernteilung geführt hat, beginnt mit dem Anfang der achtziger Jahre: sie wird von Schneider, Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. I Bütschli, Auerbach und Strasburger eröffnet durch die Entdeckung einiger neuer interessanter und wichtiger Tatsachen, deren Bedeutung indessen von ihnen zuerst noch verkannt wurde. A. Schneider entdeckte an sich teilenden Eiern von Plathelminthen (Mesostomum) wichtige Stadien der Karvokinese. Er beobachtete, dass der Kern seine Kontur verliert und sich in einen Haufen feiner, lockig ge- krümmter, nur auf Zusatz von Essigsäure sichtbar werdender BIS Fäden umwandelt“, die in der Aquatorialebene „eine Rosette“ bilden (Fig. la und b); er sah dann bei beginnender Zweiteilung sich Fyä us die Stränge so anordnen, dass ein ah) Teil nach dem einen Pol, der andere nach dem anderen sich Fir. 1. Ziehen (ig. 1eund.d) und schliess- Sommerei von Mesh nen Ehren- lich in eine Tochterzelle gelangt, pergii in 4 Furchungsstadien a, b, wo wieder ein bläschenförmiger, c und d nach A. Schneider. mit Granulationen gefüllter Kern seitliche, b polare Ansicht der an seine Stelle tritt. Schneider Kernfigur, c späteres Stadium in erblickt in seinen Be chenden N ne i Durchschnürung des Eies mit der einen schon längst erwünschten Auf- Teilung der Kernfigur. (1873, 1. c. schluss über die Zellteilung; er Taf. V, Fig. 5b-e.) spricht von „einer umständlichen Metamorphose, welche der Kern (resp. Keimbläschen) hierbei eingehen kann“ und vermutet, „dass diese Metamorphose sehr wahrscheinlich immer dann eintritt, wenn der Kern scheinbar verschwindet.“ (1873, I. ce. S. 113—115.) Schneiders kurze, aber wichtige Mitteilung blieb jahrelang so gut wie unbeachtet, da sie in einer Arbeit über Systematik und Anatomie der Plathel- minthen und in den wenig verbreiteten Berichten der Ober- hessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde veröffentlicht wurde; so hat sie erst spät die ihr gebührende Anerkennung gefunden. Bütschli (1873 und 1875) und Auerbach (1574) sahen fast zu gleicher Zeit, wie im befruchteten, angeblich kernlos gewordenen Ei von Würmern und Mollusken sich zwei neue Kerne ce d 10 Oskar Hertwig: allmählich bilden und bald untereinander verschmelzen. Ferner beobachteten Bütschli und Strasburger an mehreren ge- eigneten Objekten die Umwandlung des bläschenförmigen Kernes in eine Kernspindel und eröffneten so die Reihe der ergebnis- reichen Untersuchungen über tierische und pflanzliche Karyo- kinese auf neuer Grundlage. Noch bevor indessen ihre ausführ- lichen und mit Abbildungen versehenen Schriften (Strasburger: Über Zellbildung und Zellteilung 1875, Bütschli: Über die ersten Entwicklungserscheinungen der Eizelle, die Zellteilung etc. 1576) veröffentlicht worden waren, hatte ich im März, April und Mai 1575 unabhängig von ihnen und ohne Kenntnis ihrer Arbeiten meine Untersuchungen über die Bildung, Befruchtung und Teilung des tierischen Eies begonnen. Ihre Veröffentlichung erfolgte noch im Herbst 1875, sowohl als Habilitationsschrift. als auch im ersten Band des von Gegenbaur neubegründeten morphologischen Jahrbuchs. Der Wunsch, mich mit den Veränderungen des Kerns im Ei am Anfang seiner Entwicklung zu beschäftigen, war in mir durch das Studium von Auerbachs Untersuchungen (1874. Heft 2) wachgerufen worden, wie ich schon 1875 (l. c. S. 348) hervor- gehoben habe. Seine Ausführung aber wurde durch einen glück- lichen Zufall. wie er zuweilen in das menschliche Schicksal bestimmend eingreift, ermöglicht. Am Ende des Wintersemesters wurde ich durch raschen Entschluss veranlasst, meine Assistenten- stelle am Anatomischen Institut in Bonn niederzulegen und an einer zoologischen Forschungsreise teilzunehmen, welche Häckel und mein Bruder nach Korsika anzutreten im Begriffe waren. In Ajaccio bot sich mir für meine Zwecke ein vorzüglich geeignetes Untersuchungsmaterial in den Eiern des am Mittelmeer überall leicht erhältlichen Seeigels, Toxopneustes lividus, dar. Er ist seitdem ein Lieblingsobjekt für zahlreiche Forscher geworden, welche sich mit den ersten Entwicklungsprozessen des Eies beschäftigen wollen, geeignet nicht allein für mikroskopische Studien, sondern ebenso, und vielleicht noch mehr, für Experimente zur Beantwortung physiologischer Fragen der verschiedensten Art. Daher ist auch über das Seeigelei eine so umfangreiche Literatur entstanden, dass sie sich nach 40 Jahren schon schwer be- wältigen lässt. Die in Ajaccio von mir begonnenen Untersuchungen wurden Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 14 Ende April und während des ganzen Mai in Villafranca bei Nizza fortgesetzt, wohin mein Bruder und ich mich noch begaben, als Professor Häckel zur Eröffnung des Sommersemesters von Korsika nach Jena zurückkehrte. In Villafranca, wo wir vom frühen Morgen bis zur Dämmerung an das Mikroskop gebannt waren — mein Bruder mit seinen Untersuchungen über Radio- larien, ich mit dem Seeigelei beschäftigt — glückte mir dann auch die erste Entdeckung des Befruchtungsvorganges am lebenden Ei und die genauere Feststellung seines Verlaufes an konservierten und mit Karmin gefärbten Präparaten. Indem ich die Konser- vierung von befruchteten Eiern in kleinen Zwischenräumen bis zur Vierteilung vornabhm, erhielt ich zugleich Serien von einem Untersuchungsmaterial, welches ich, zu Präparaten verarbeitet, auch noch nach meiner Rückkehr nach Jena zu weiteren Studien benutzen konnte. Die verschiedenen Aufgaben, welche damals beim Studium der ersten Entwicklungsprozesse des Eies noch ihrer Lösung harrten, nahm ich gleich in ihrem ganzen Umfang in Angriff und teilte daher bei der schriftlichen Ausarbeitung der Er- gebnisse meine Abhandlung in drei Abschnitte ein, welche ich auch meiner jetzigen historisch kritischen Besprechung zu Grunde legen werde. Von ihnen handelt der erste: „über das Eierstocksei und die Umwandlung desselben in das reife befruchtungsfähige Ei“, der zweite: „über die Eibefruchtung“ und der dritte: „über die Eifurchung“. 1. Zur Geschichte der Eireifung. Auf manchen Umwegen und nach einer Reihe von Missgriften ist der wahre Sachverhalt über die Eireife erst allmählich ermittelt worden. Auch ich wurde zuerst auf einen durch die Natur des Untersuchungsobjekts veranlassten Abweg geführt. Bei Durchmusterung von vielen hunderten von Eiern, teils aus dem Ovarium, teils im reifen und befruchtungsfähigen Zustand nach der Ablage, fand ich nie ein kernloses Stadium, dagegen zwei auftällig verschiedene Formen des Kerns (Fig. 2), entweder ein grosses Keimbläschen mit einem einzigen Keimfleck (Fig. 2a), oder an seiner Statt, wenn die Eier zur Befruchtung reif waren, ein viel- mals kleineres homogenes Gebilde, das ich Eikern nannte (Fig. 2b). Durch die Erwägungen geleitet, dass ein kernloses Stadium 12 Oskar Hertwig: des Eies niemals beobachtet werden kann, dass der Eikern dieselbe Grösse wie der Keimfleck besitzt und sich wie dieser nach Fixation mit Osmiumsäure in Karmin färbt, dass ich endlich bei Durch- musterung vieler Eierstockseier zuweilen Befunde erhielt, die ich als Übergangsbilder glaubte deuten zu können, sprach ich als Ergebnis meiner Untersuchungen über die Eireife die Ver- mutung aus, dass der Eikern, der aus dem Keimbläschen frei gewordene oder ausgewanderte Keimfleck sei, während alle übrigen Bestandteile desselben (Membran, Kernnetz, Kernsaft) aufgelöst werden. Die an meinem Untersuchungsobjekt gewonnene Hypothese verallgemeinernd, stellte ich unter den Thesen, die der Habilitations- schrift nach akademischem, in Jena herrschendem Brauch bei- gefügt und verteidigt wurden, als dritte die These auf: „Die Eizelle durchläuft in ihrer Entwicklung kein Monerenstadium.“ Zu dieser Annahme, durch welche ich in einen Gegensatz zu der damals unter den Biologen vorherrschenden Ansicht trat, wurde ich auch durch die Erwägung veranlasst, dass ein im Vergleich zum Keimbläschen so verschwindend kleines (Gebilde, wie der Eikern, ohne Anwendung von Kernfarbstoffen selbst in kleinen Eiern leicht zu übersehen, in sehr grossen Eiern aber überhaupt nicht nachzuweisen ist. Ferner wurde ich durch die im zweiten und dritten Abschnitt meiner Untersuchung gewonnenen Ergebnisse in meinem Standpunkt noch besonders bestärkt. In seiner Entwicklungsgeschichte des Menschen (1861, S. 32) hat Kölliker bei Besprechung der ersten Stadien die Alternative aufgestellt: „Wäre der Kern der ersten Furchungskugel in der Tat nichts anderes als das Keimbläschen oder der Kern der Eizelle, a Fig. 2. b Unreifes Seeigelei mit Keimbläschen aus dem Eierstock, reifes Ei mit Eikern nach O0. Hertwigs Originalfiguren auf °/ı verkleinert. Aus 0. Hertwig 1879 Lac Targus: Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 13 so ergäbe sich ein vollständiger Zusammenhang aller zusammen- gehörenden Generationen und wären nicht bloss die Zellen des Embryo Abkömmlinge der Eizelle, sondern auch alle Kerne des- selben Nachkommen des Kerns derselben. Im andern Falle dagegen fände eine Unterbrechung der Generationen mit Bezug auf die Kerne statt, und wäre jedes Individuum wenigstens in dieser Beziehung vom mütterlichen Organismus unabhängig.“ Bei Prüfung aller Beobachtungstatsachen entschied sich Kölliker selbst für die zweite Alternative. Dagegen war ich schon damals vom Gegenteil, von dem ununterbrochenen Zusammenhang der Kerngenerationen im Entwicklungsprozess und von der Gültigkeit des jetzt allgemein als gültig anerkannten Satzes „Omnis nucleus e nucleo* fest überzeugt. Hierzu trug nicht wenig auch die Ansicht bei, die mein Bruder und ich uns über das Wesen des Kerns gebildet hatten, und die mein Bruder bald darauf in seinen „Beiträgen zu einer einheitlichen Auffassung der ver- schiedenen Kernformen“ (1876) ausgesprochen hat. Wie bei der Zelle (Cellula) hielten wir auch bei ihrem Kern (Nukleus) nicht die Bläschenform, sondern die in ihr enthaltene, vom Protoplasma verschiedene Substanz für das Wesentliche. Wir nannten sie Kernsubstanz oder Nuklein und unterschieden sie vom Protoplasma durch ihre mikrochemischen Reaktionen, besonders durch ihr Ver- halten gegenüber Farbstoffen, „unter denen die gebräuchlichsten, das Karmin und das Hämatoxylin, bei richtiger Anwendung die Kernsubstanz ausserordentlich viel rascher und intensiver imbibieren, als das umgebende Protoplasma“ (l. ec. S. 70). Daher erblickte ich auch im dritten Abschnitt meiner Abhandlung in dem dort beschriebenen Verhalten des Kernes bei der Zellteilung keine Karyolyse, sondern nur eine Kernmetamorphose, beruhend auf eigentümlichen Umlagerungen ihrer Kernsubstanzen. Nachdem jetzt 40 Jahre verflossen sind, kann das Endurteil in dieser Angelegenheit wohl keinem Zweifel unterliegen. Meine Ansicht. dass bei der Eireife die Kontinuität der Kerngenerationen keine Unterbrechung erleidet. und dass das Ei zu keiner Zeit ein Monerenstadium durchläuft, hat sich als durchaus richtig erwiesen, falsch dagegen war die durch irrige Verknüpfung von Beobachtungen gewonnene Vermutung, dass während der Eireife der Eikern direkt vom Keimfleck des Keimbläschens, nach Auflösung aller übrigen Bestandteile desselben, abstammt. Es war ein Trug- 14 Oskar Hertwig: schluss, zu dem die Verhältnisse beim Seeigelei wohl leicht ver- leiden konnten. Hatte doch, wie ich selbst nachträglich bei der schriftlichen Ausarbeitung meiner Untersuchungen beim Studium der einschlägigen Literatur fand, kein geringerer als K. E. v. Baer es ebenso für sehr wahrscheinlich gehalten, dass der Kern im reifen Seeigelei aus dem Keimfleck des Keimbläschens hervorgeht. Auch noch andere Forscher sind bei Eiern aus verschiedenen Tierklassen, ohne dass einer vom andern wusste, auf denselben Gedanken gekommen, so Derbes bei Echinodermen, Leydig bei Piscicola, Bischoff beim Kaninchen, P. E. Müller bei der Siphonophore Hippopodius. Und auch Fol wirft bei der Beschreibung der ersten Entwicklung eines Meduseneies (Geryonia) die Frage auf: „Es wäre interessant zu wissen, ob der Kern des befruchteten Eies vom Kern oder vom Kernkörperchen des unbefruchteten abstammt, oder ob diese Gebilde bei der Be- fruchtung verschwinden, um einer Neubildung Platz zu machen ?* Auch die Forscher, welche sich um dieselbe Zeit mit der Frage der Eireife beschäftigten, van Beneden, Bütschli und Strasburger, gerieten auf Abwege, auf die sie durch ihr gewähltes Studienobjekt und ihre Untersuchungstechnik geführt wurden, wohl das beste Zeichen für die Schwierigkeiten, mit denen gerade dieses Problem damals noch umgeben war. E. van Beneden hat die ersten Entwicklungsstadien des Eies bei Säugetieren (Kaninchen und Fledermaus) (1875) und auch an lebenden Seesterneiern (1876) untersucht. Die an diesen Objekten gebildeten und sehr deutlich hervortretenden Richtungs- körper suchte er mit der Rückbildung des Keimbläschens in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. Durch Kombination der Befunde, die er an konservierten, verschieden alten Kaninchen- eiern machte, glaubte er schliessen zu müssen, erstens, dass der erste Richtungskörper aus dem Keimfleck (corps oder plaque nucleo- laire) entsteht und aus dem an die Oberfläche des Eies gewanderten Keimbläschen in den perivitellinen Raum ausgestossen wird, zweitens, dass der zweite Richtungskörper vom ersten substantiell verschieden ist, da er sich nicht wie dieser mit Pikrokarmin färbt; er wird daher vom Nukleoplasma und den Pseudonukleolen des Keimbläschens abgeleitet, welche zu einem „corps nucleo- plasmique“ verschmolzen, etwas später gleichfalls aus dem Ei heraus- befördert werden: Zuletzt lässt van Beneden auch den Rest Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 15 des Keimbläschens, indem er sich mit der Rindenschicht des Eies vermischt, verschwinden und auf diesem Wege das Ei infolge der Reife, die sich unabhängig von der Befruchtung und vor ihr vollzieht, vollständig kernlos werden. „L’oeuf redevient“ lautet das zusammenfassende Endurteil (1875 1. ec. S. 692) „un cytode et merite le nom de Monerula qui a et@ donnd par Häckel a l’oeuf depourvu de sa vesicule germinative.“ In einer zweiten vorläufigen Mitteilung, die durch das Er- scheinen meiner Abhandlung veranlasst und sofort nach der ersten veröffentlicht wurde (1876 Il. c.) wiederholt van Beneden teils die oben besprochenen Ergebnisse, teils ergänzt er sie durch Untersuchungen, die im April 1574 an lebenden Eiern einer Seesternart (Asteracanthion rubens) angestellt, ihm ein gleiches Ergebnis wie die Säugetiereier geliefert hatten. (Man beachte hierzu auch Anmerkung 1 am Schlusse dieser Schrift, Seite 143.) Eine bevorzugte Stellung in der Geschichte der Eireifung nimmt Bütschli durch seine Untersuchungen ein. Denn wenn er damals auch bei der Formulierung seiner Gesamtergebnisse in denselben Irrtum wie van Beneden, Auerbach und Strasburger verfiel, so entdeckte er doch bei Behandlung der lebenden Objekte mit Essigsäure zwei wichtige Tatsachen, durch welche die Frage nach der Eireifung aus dem Bereich der Hypothese wieder auf das Gebiet des Tatsächlichen zurück- geführt wurde. Erstens beobachtete er, dass aus dem Keimbläschen sich eine Kernspindel von derselben Art bildet, wie er sie an verschiedenen Objekten auch bei der Teilung des Zellkerns und bei Umwandlung des Nebenkernes der Infusorien aufgefunden hatte. In seiner ersten Mitteilung liess er sie anfangs im Cueullanusei wahrscheinlich aus dem Keimfleck, später aber in seiner Hauptabhandlung aus einer Metamorphose des ganzen Keimbläschens entstehen. Zweitens konnte er feststellen, dass die Spindel, indem sie an die Oberfläche des Eies rückt, bei der Bildung der Richtungskörper in hervorragender Weise beteiligt ist (Fig. 3a). Dagegen iırte er bei der Deutung und Erklärung dieser Prozesse, teils weil seine Beobachtungen noch unvollständig und nur teilweise richtig waren, teils weil falsche Erwägungen allgemeiner Art ihm das richtige Verständnis erschwerten und ihn auf Abwege führten. Denn wie van Beneden, Fol und 16 Oskar Hertwig: wohl alle Forscher der damaligen Zeit erblickte er in den Rich- tungskörperchen Substanzen, die aus dem Ei als etwas Unbrauch- bares ausgestossen werden. In seiner Abhandlung (1876) und auch noch in einem Anhang, welchen er‘ ihr zur Besprechung meiner 1875 erschienenen Untersuchungen über das Ei von Toxo- pneustes hinzugefügt hat (S. 220—240), erklärt er (8. 224): „Nach den von mir mitgeteilten Beobachtungen kann es nicht mehr im geringsten zweifelhaft sein, dass bei den untersuchten Objekten (Würmern, Mollusken) der Eikern — so bezeichnet Bütschli öfters auch das Keimbläschen — nach seiner spindel- förmigen Metamorphose aus dem Dotter hinausgetrieben wird (Fig. 3b und Fig. 4). Aus meinen Beobachtungen muss ich diesen Schluss ziehen und zwar finde ich in demselben keinen Anhalts- punkt zur Annahme, dass diese Ausstossung keine vollständige sei und dass ein Teil des Kerns im Dotter zurückbleibe.“ Zwei Seiten später (S. 226) nimmt Bütschli indessen Gelegenheit, diesen Ausspruch noch durch den Satz einzuschränken: „Wiewohl meine Beobachtungen mich zu dem Schlusse führten, dass das Keimbläschen in den von mir untersuchten Eiern gänzlich. eliminiert wird, so habe ich dennoch kein Bedenken, auch die Möglichkeit zuzugestehen, dass in gewissen Fällen nur ein Teil © a Fig. 3. b Erste Entwicklungsvorgänge im Ei von Nephelis vulgaris nach Bütschli, 1876 1. e., Taf. I, Fig. 2 u. 3. a Austritt des Eikerns (resp. des Keim- bläschens, das zur Kernspindel umgewandelt ist): ein exzentrisch, ziemlich nahe der Dotteroberfläche gelegener Zentralhof mit Strahlung ist entstanden. b Die Ausstossung des Eikerns ist vollendet, der neu entstandene Zentralhof samt der Strahlung ist in das Zentrum des Dotters gerückt, und zwei junge Kernchen haben sich gebildet. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 127 desselben diesem Schicksal unterliege, der im Dotter bleibende Rest hingegen als Kern weiter fungiere.“ Aber auch diese für möglich erklärte Ausnahme wird wieder in Frage gestellt durch eine noch bei der Lesung des Korrekturbogens hinzugefügte Anmer- kung, die durch das Erscheinen von van Benedens Mitteilung über Asteracanthion veranlasst wurde: „Ich muss hervorheben, dass dieselbe die Tragweite der Hertwigschen Mitteilungen be- denklich erschüttert.“ Bei der Ausstossung aus dem Ei lässt Bütschli das zur Spindel umgewandelte Keimbläschen sich ein oder zweimal einschnüren und dadurch die Form der Richtungskörperchen annehmen, die sich in der Zahl von zwei oder drei, durch einen feinen Stiel verbunden, zwischen Ei und Dotterhaut finden (Fig. 3 u. 4). Da durch die Ausstossung des Keimbläschens das Ei vorübergehend RN kernlos geworden ist, sieht sich Bütschli vor die Frage nach der Neu- bildung des Eikerns gestellt. Er lässt auf Grund seiner Ermittelungen „die Neubildung immer mit einem sehr hellen, Bed nahezu homogen erscheinenden Proto- gi von N auri- plasma in Zusammenhang stehen, welches cularis nach Bütschli sich unterhalb der Austrittsstelle der 1876 1. ce. Taf. IV, Fig. 6. Richtungsbläschen an der Oberfläche des Pie Richtungsbläschen sind Dotters anhäuft“ und das Zentrum einer en Dotterstrahlung bildet (Fig. 4 u. Fig. 3b). anzahl kleiner Kernchen In ihm treten mehrere Kernchen als kleine neu entstanden. Vakuolen oder Bläschen auf, die allmäh- lich grösser werden und sich durch Verschmelzung zum Kern der ersten Furchungskugel vereinigen. Das homogene Protoplasma kann sich entweder an einer oder mehreren Stellen der Dotter- oberfläche bilden und dementsprechend können sich auch die neuen Kerne entweder an sehr verschiedenen Stellen (Nema- toden, Hirudineen) (Fig. 3b) oder dicht beieinander (Limnaeus, Phallusia) bilden (Fig. 4) (1876, S. 179). Im Gegensatz zu dem von mir eingenommenen Standpunkt erblickt daher Bütschli in seinen ersten Abhandlungen „in den Zellkernen Gebilde, die nicht wie die Zellen nachweislich stets von ihresgleichen abstammen, sondern welche sich in vielen Fällen als etwas völlig neues bilden“ (l. ec. S. 207). Nach seiner Ansicht, Archiv f.mikr. Anat. Bd. 9%. Abt. Il. 2 18 Oskar Hertwig: die durch seine Stellung zur chemisch-physikalischen Theorie seiner Zeit mitbestimmt ist, „wird überhaupt der Begriff des Kerns und damit seine Bedeutung für das gesamte Zellenleben erst dann eine sichere und feste Gestalt annehmen, wenn es gelingt, die chemisch-physikalischen Bedingungen seiner Entstehung und damit auch seine Natur genau festzustellen. Rein morphologische Be- trachtungsweise ist hier nicht mehr zulässig und wird nichts Neues zu Tage fördern.“ (l.c. S. 197.) Weniger glücklich als Bütschli ist Strasburger (1875) bei seiner Untersuchung über die ersten Stadien der Entwicklung des Phallusiaeies gewesen. Den zwei wichtigen Fragen der Rück- bildung oder Metamorphose des Keimbläschens und der Bildung der Richtungskörper ist er nicht näher getreten. Denn der erste Prozess spielt sich hier schon innerhalb des Ovariums ab: Strasburger aber beginnt seine Beobachtung erst mit der Befruchtung des reifen Eies. Er erklärt das Ei für kernlos, da von dem ursprünglichen Kern in ihm auch nicht die Spur mehr zu erkennen sei (18751. c. S. 189). Die Befruchtung lässt er die Bildung eines neuen Zell- kernes, aber erst etwa zwei Stunden nach der Vermischung der beiden Geschlechtsprodukte, zur Folge haben (S. 192). Den neuen Kern leitet er von der Hautschicht des befruchteten Eies ab, worunter er die oberflächlichste, mehr oder minder körnchenfreie Rinde im Gegensatz zu dem übrigen körnchenreichen Dotter versteht (l. ec. S. 190— 193). In der Hautschicht wird nämlich eine kreisförmig umschriebene und von einer Strahlenfigur umgebene TORE Anschwellung wahrnehmbar; sie stülpt sich a & N als Sack nach innen ein (Fig. 5), trennt sich Ban ‘von der übrigen Hautschicht ab und wandert in das Zentrum des Dotters, dessen neuer ' Kern sie wird. Während der Wanderung taucht in der hellen Substanz eine kleine Vakuole auf, zuweilen auch deren zwei. Indem dann Fig. 5. die Vakuole sich vergrössert und ein oder Anlage und Wande- zwei Kernkörperchen erhält, bildet schliess- rung des Kerns im J]ich die eigentliche Kernmasse oder die ur- befruchteten Ei von sppüngliche Rindenschicht des Eies nur noch men die Kernwandung. Wie aus dieser Beschrei- 1875 lc. Taf. vır. bung klar hervorgeht und wie auch von Fig. 5). Bütschli (1876, 1. c. S. 182) gleich bemerkt Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 19 worden ist, hat Strasburger „bei Phallusia den Kernhof, das helle Protoplasma. in welchem die jungen Kernchen entstehen, für den eigentlichen Kern gehalten, die jungen Kerne selbst jedoch für Vakuolen innerhalb des vermeintlichen Kerns erklärt, die schliesslich den letzteren ganz ausfüllten. Dieser Kernhof aber. der ohne bestimmte Grenzen in das umgebende Protoplasma über- geht, kann unmöglich als Kern betrachtet werden.“ (Bütschli, 1876, 1. c. S. 182.) In denselben Irrtum ist Strasburger auch in seiner Beschreibung der Kernteilungsfiguren während des Furchungsprozesses verfallen. Strasburger hat bald darauf, schon in der 1876 ver- anstalteten zweiten Neuausgabe seines Buches über Zellbildung, seine Darstellung von der Kernlosigkeit und von der Neubildung des Kerns in den reifen Eiern von Phallusia fallen lassen. Er selbst schreibt hierüber: „Die Hertwigsche Publikation ver- anlasste mich, die betreffenden Eier auf dem mir fraglich ge- wordenen Punkt nochmals vorzunehmen; ich behandelte zu diesem Zwecke meine Alkohol-Präparate nach dem Hertwigschen Vor- bilde mit Osmiumsäure und Bealeschem Karmin, dann ausser- dem mit Glyzerin und Karbolsäure, und das Resultat war, dass sich auch in ihnen ein Eikern fand, der dem von Hertwig beobachteten durchaus entsprach.“ Indem er die von mir ver- mutete Abkunft vom Keimfleck verwirft, neigt er mehr der An- sicht zu, „dass ein Teil des alten Keimbläschens stets im tierischen Ei verbleibt“ (1876, 1.c.S. 304). Doch hat er nicht versucht, eigens auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen bei Phallusia oder einem andern Objekt vorzunehmen. Die Einwürfe von Strasburger und v. Beneden gegen meine Ableitung des Eikerns, vor allen Dingen aber die interessante Entdeckung Bütschlis von der Umwandlung des Keimbläschens in eine Spindel und von ihrer Verwendung bei der Bildung der Richtungskörper veranlassten mich zu einer Ausdehnung meiner Untersuchungen auf eine grosse Anzahl von Tieren aus den ver- schiedensten Klassen des Tierreichs. Schon im Jahre 1876 konnte ich eine zweite Abhandlung veröffentlichen, in welcher ich mich mit der Reifung und Befruchtung des Eies von Hirudineen und von Rana fusca beschäftigte. Das erste Objekt hatte ich im Hinblick auf die oben erwähnten, ganz neuen interessanten Be- funde von Bütschli, das zweite aber in der Absicht gewählt, 2%* 20 Oskar Hertwieg: an Eiern von Tieren, die wie Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel ein Riesenkeimbläschen mit sehr vielen Keimflecken besitzen, die Frage nach dem Schwund desselben und einem etwaigen Zu- sammenhang mit der Neubildung des Eikerns zu prüfen. Hatten doch Goette und Bambeke gerade bei Amphibien, Oellacher bei Fischen und Vögeln einen vollständigen Untergang des Keimbläschens beschrieben und zwar auf Grund von Befunden, die sie mit der modernen Methode der Schnittechnik erhalten hatten. Da bei Nephelis die Eier in den frisch abgelegten Kokons bereits die Spindel gebildet haben, muss ihre Entstehung aus dem Keimbläschen noch im Eierstock selbst vor sich gehen. Also suchte ich sie dort zu verfolgen und wählte zu dem Zweck den Eierstock von Haemopis, der sich leichter präparieren lässt. Wie Fig. 6a. Fig. 6b. —__ 8 ©” Drei Stadien (a—c) aus der ersten Ent- > wicklung des Eies von Nephelis nach ; ©. Hertwig 1876 1. e.: a Tat Hokez bu.c Taf. II Pige.2u3: a ?/ı Stunde nach der Eiablage. Abschnürung des ersten Richtungskörpers b 2!/2 Stunden nach der Ablage. Abschnü- rung des zweiten Richtungskörpers. Der- selbe enthält eine Spindelhälfte, die andere Hälfte mit ihrem Strahlenkranz liegt in der - Eiperipherie. Das isolierte Strahlensystem Fig. 6c. ist in das Zentrum des Eies gerückt. c 2°/ı Stunden nach Ablage. Im zweiten Richtungskörper und an der Eiperipherie ist ein Haufen kleiner Vakuolen aus der Verdichtungszone jeder Spindelhälfte entstanden. Ebenso ist eine kleine Kernvakuole im Mittelpunkt des isolierten Strahlensystems bemerkbar. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 21 aus einer Reihe von Übergangsbildern zu erkennen ist, wandelt sich jedenfalls das Keimbläschen nicht als Ganzes, wie Anfangs Bütschli beschrieben hatte, in eine Kernspindel um. vielmehr wird seine Membran aufgelöst und der Kernsaft mit dem Dotter vermischt: gleichzeitig aber entsteht an der Stelle, wo es schwindet, aus einzelnen seiner Bestandteile eine erheblich kleinere Spindel. Später wandert diese an die Oberfläche des Dotters, wo sie stets gegenüber der Anheftungsstelle des Eies am strangförmigen Ovarium aufgefunden wird. Ihre Rolle bei der alsbald beginnenden Bildung der Riehtungskörper studierte ich sowohl am lebenden Objekt, als auch an konserviertem Material (1. Behandlung mit 1° Essigsäure, absol. Alkohol und Aufhellung in Glyzerin, 2. Osmiumsäure, Bealeschem Karmin und Glyzerin). Ich er- weiterte und berichtigte die Angaben von Bütschli dahin, dass bei ihrer Bildung, wie es schon Robin beschrieben hatte, auch das Protoplasma des Eies sehr wesentlich beteiligt ist, indem es sich zu einem kleinen Hügel emporwölbt, in welchen die Richtungsspindel zur Hälfte mit aufgenommen wird (Fig. 6a). Ich stellte fest, dass gleichzeitig die in der Mitte der Spindel gelegene Scheibe oder Platte von Körnchen (den jetzigen Chromosomen), die ich von der färbbaren und verdichteten Kernsubstanz ableitete, sich in zwei Scheiben von Körnchen trennt, die gegen das Ende der Spindel auseinanderweichen. Ich zeigte, dass der Protoplasma- hügel sich abschnürt und die Hälfte der Spindel mit einer der beiden Körnchenscheiben (die Tochterchromosomen der gegen- wärtigen Terminologie) in sich aufnimmt, während die andere Spindelhälfte in der Eirinde zurückbleibt und sich bald wieder zu einer zweiten Richtungsspindel mit zwei Protoplasmastrahlungen an ihren Enden ergänzt (Fig. 6b). Darauf entsteht in genau der- selben Weise wie das erste das zweite Richtungskörperchen. Auch hier teilt sich wieder die mittlere Körnchenplatte in die zwei Tochterplatten, von denen die periphere in den zweiten Richtungs- körper aufgenommen wird, die zentrale in der Eirinde zurückbleibt (Fig. 6c). Sowohl in den beiden Richtungskörperchen, wie in der Eirinde wandeln sich die drei Körnchenplatten in bläschen- förmige Kerne um, in der Weise, dass die einzelnen Körnchen (die Tochterchromosomen) durch Imbibition mit Kernsaft zu kleinen Vakuolen anschwellen, die später untereinander ver- schmelzen (Fig. 6.c). IV WW Oskar Hertwig: Gestützt auf diese an Nepheliseiern gemachten Beobachtungen fasste ich das allgemeine Ergebnis dahin zusammen, „dass die 3ildung eines jeden Richtungskörpers nach Art der Zellteilung erfolgt. Wenn wir hierzu noch weiter in Be- tracht ziehen, dass die Teilprodukte von so ungleicher Grösse sind, dann werden wir den Prozess genauer als Zellknospung bezeichnen müssen.“ (1876, l. c. 5.28.) Nur ein Punkt. der die Bildung der zweiten Spindel betrifft, war mir noch unklar geblieben. „Nach dem gewöhnlichen Teilungsverlauf“, bemerkte ich in meiner zweiten Abhandlung „müsste die Spindelhälfte, welche nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers in der Dotter- rinde zurückbleibt (Fig. 6a), sich zunächst zu einem homogenen Zellkern umbilden, und dieser erst müsste wieder sich strecken und zur zweiten Spindel (Fig. 6b) werden, welche sich bei der Entstehung des anderen Richtungskörpers beteiligt. Ich habe auch Präparate erhalten, welche mir für einen solchen Vorgang zu sprechen schienen: Präparate, an denen die Körnchen der im Fi gebliebenen Spindelhälfte sich mit Kernsaft etwas imbibiert hatten und kleine Vakuolen bildeten. Da ich indessen die übrigen Zwischenstadien nicht aufgefunden habe, so kann ich die andere Möglichkeit, dass vielleicht die Spindelhälfte auf direktem Wege zur zweiten Spindel sich ergänzt, nicht ganz von der Hand weisen. An Objekten, die eine kontinuierliche Beobachtung gestatten, wird sich dieser zweifelhafte Punkt leicht entscheiden lassen.“ (]. ce. S. 27.) Ein solches Objekt lieferte mir auch bald darauf das Ei des Seesterns (Asteracanthion): seine Untersuchung, die mir durch die entgegengesetzten Angaben van Benedens besonders erwünscht war, wurde mir noch in demselben Jahr durch einen Winter- aufenthalt in Messina (1876 bis Ostern 1877) ermöglicht. Ich konnte jetzt bei Asteracanthion, wie ich in meiner dritten, noch 1877 veröffentlichten Abhandlung berichtet habe (l. ec. S. 156): „vom Schwund des Keimbläschens bis zur Bildung des Furchungs- kerns Schritt für Schritt alle Veränderungen am lebenden Ei verfolgen und durch Behandlung mit verschiedenen Reagentien die einzelnen Stadien fixieren und genauer untersuchen, wie es mir in keinem anderen Falle möglich war. Ich habe daher hier die vollständigste Umwandlungsreihe erhalten.“ Bei ihrem Studium konnte ich feststellen, dass nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers die im Ei zurückgebliebene Hälfte der Strahlen- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 23 figur sich direkt „im Laufe einer viertel Stunde wieder zu einer Doppelstrahlung umwandelt“, dass sich in derselben Weise wie der erste so auch der zweite Richtungskörper bildet und dass wieder von der Doppelstrahlung die zentrale Hälfte in der Dotterrinde zurückbleibt. Durch Fixation der lebend beobachteten Eier auf den geeigneten Stadien und durch Färbung mit Karmin konnte ich an einer fortlaufenden Präparatenserie ermitteln, dass wie bei Nephelis die mittlere Körnerzone in der Spindel jedesmal während der hügelförmigen Hervorwölbung des Protoplasmas sich in zwei Zonen von färbbaren Nukleinkörnchen (Chromosomen der gegen- wärtigen Terminologie) teilt, dass „diese auseinanderrücken und auf die beiden Teilprodukte sich verteilen (Fig. 7a—c). Man erhält daher zuletzt drei Körnchenzonen, je eine in den beiden Richtungskörpern und eine dritte in der Dotterrinde. Diese letztere gibt die Grundlage ab, aus der sich der Eikern entwickelt“, und zwar so, dass sich die einzelnen Körnchen (Chromosomen) mit Kernsaft reichlich imbibieren und zu Vakuolen werden, die schliesslich während ihrer Vergrösserung zu einer einzigen Kern- blase verschmelzen (l. ec. S. 166). Durch Behandlung mit Osmium- säure, Färbung mit Bealeschem Karmin und Aufhellung durch Salzsäureglyzerin führte ich, wie schon früher bei Nephelis, so auch bei Asteracanthion und anderen Objekten (Mytilus) den Beweis, dass die in der Spindel sichtbaren Körnchen aus verdichteter Kernsubstanz oder Nuklein bestehen, welchem Flemming später den jetzt allgemein eingebürgerten Namen Chromatin gegeben hat. Auch habe ich an den oben aufgeführten Objekten die Verteilung dieses „Uhromatins“ zuerst in vollkommen zutreffender Weise für die Eireife festgestellt. Man vergleiche ausser den schon angeführten Stellen auch Abhandl. III (l. c., 1878, S. 202). Eio7. Bildung des zweiten Richtungskörpers und des Eikerns von Asteracanthion nach Oskar Hertwig, 1877, III. Abhandl., Taf. VIII Fig. 10—12. 24 Oskar Hertwie: wo es heisst: „Während das Protoplasma sich fast vollkommen entfärbt, bleiben die Verdichtungszonen dunkel gefärbt, so dass sie mit ausserordentlicher Deutlichkeit zu erkennen sind. So findet man nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers zwei Kreise von fünf bis sieben aus Kernsubstanz bestehenden Kügelchen (Chromosomen), den einen Kreis in der Mitte des Richtungs- körpers, den zweiten unter ihm in der Eirinde (Taf. X, Fig. 5). Nach der Abschnürung des zweiten Richtungskörpers ist die Kernsubstanz dann weiter in drei untereinander liegende Teile gesondert (Taf. X, Fig. 3).“ Bei meinen in Messina ausgeführten, auf viele Tierklassen sich erstreckenden Untersuchungen über Eireife hatte ich auch Gelegenheit, den Trugschluss aufzuklären, zu dem mich das Ei von Toxopneustes verleitet hatte. Wie es in meiner aus Messina Febr. 1877 datierten vorläufigen Mitteilung heisst (1577 b, l.c. S. 275), veranlassten mich „die bei Asteracanthion erhaltenen Ergebnisse, die Umwandlung des Eierstockseies bei den Seeigeln noch einmal zu untersuchen. Auch jetzt glückte es mir nicht, weder an ab- gelegten Eiern eine Spur von Richtungskörpern zu entdecken, noch bei Zerzupfung des Ovariums und Durchmusterung zahlreicher Präparate zwischen unreifen und reifen Eiern Entwicklungszustände wie bei Asteracanthion aufzufinden. Ich stellte daher den Versuch an, ob nicht vielleicht auch bei den Seeigeln der Reife nahestehende Eier sich weiter entwickeln, wenn sie in das Meerwasser gebracht werden. Ich legte Ovarienstücke in ein Uhrschälehen und durch- musterte bei schwacher Vergrösserung nach einiger Zeit von den ausgetretenen Eiern diejenigen, welche noch ein Keimbläschen besassen. Der Versuch glückte. Bei einer Anzahl von Eiern trat in der Tat eine Weiterentwicklung ein. Indem ich nun solche Objekte isolierte, wurde es mir möglich, bei Sphaerechinus brevispinosus sowohl am lebenden Ei die Umwandlung auf dem Objektträger zu verfolgen, als auch einige Entwicklungszustände mit Reagentien zu fixieren, und ich kann den Nachweis führen, dass mir bei meinem früheren Untersuchungsverfahren wichtige Umbildungsstadien nicht zur Beobachtung gekommen sind und dass die von mir früher als wahrscheinlich hingestellte Deutung eine verfehlte ist.“ Denn die Eireife vollzieht sich bei den See- igeln in ganz der gleichen Weise wie bei Asteracanthion. Ihre Richtungskörper waren von mir, wie auch von allen anderen Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 25 Forschern (C. E. von Baer, Derbes etc.), übersehen worden, weil sie sich schon im Eierstock bilden und nach ihrer Hervor- knospung mit dem Ei in keinem Zusammenhang bleiben, sondern in die umgebende Ovarialflüssigkeit geraten. Der schwierigste Punkt bei der Untersuchung der Eireife ist onne Frage die Entstehung der ersten Richtungsspindel aus dem Keimbläschen. Auch hier gelang es mir während meiner weitergeführten, auf ein grösseres Material ausgedehnten Studien, noch genauere Einblicke, als es bei Nephelis möglich war, in den genetischen Zusammenhang. zwischen den beiden Kerngebilden zu gewinnen, besonders bei Asteracanthion, bei Pterotrachea und bei Phyllirho6. Asteracanthion ist ja für unsere Frage insofern ein ganz vorzügliches Objekt, als sich hier am lebenden, im Meerwasser isolierten Ei die Umwandlung in verhältnismässig kurzer Zeit vollzieht und daher die einzelnen Stadien in lücken- loser Serie nach Fixation und Benutzung von Kernfarbstoffen genau untersucht werden können. Wie sich auf diese Weise feststellen liess, bildet sich die Richtungsspindel an einer kleinen, der Oberfläche des Eies zugekehrten Stelle des Keimbläschens, an welcher eine kleine Strahlung im angrenzenden Protoplasma auftaucht. Nach ihr wandern ausserordentlich geringe Mengen von Kernbestandteilen hin, unter ihnen auch solche vom Keimfleck. der hier aus zwei chemisch verschiedenen Substanzen besteht; sie nehmen am Aufbau der allmählich deutlicher werdenden Zentral- spindel Teil, während die Hauptmasse des Keimbläschens und ein Teil der Macula germinativa teils zerfällt, teils sich ganz auflöst, allmählich im Dotter verteilt und spurlos verschwindet. Ähnliche Bilder, wie ich sie in den Fig. 1, 3, 4, 13 und 18 auf Taf. VIII meiner Abhandlung gegeben habe, sind später auch von Hartmann und von Retzius, von diesem an Schnitt- präparaten, die mit den besten Färbungsmethoden behandelt und mit den stärksten Immersionssystemen beobachtet wurden, gleich- falls beschrieben worden. Einen ebenso schlagenden Beweis für den genetischen Zusammenhang zwischen Keimbläschen und Richtungsspindel fand ich gleichzeitig während meines Aufenthalts in Messina an den Eiern von Pterotrachea und Phyllirho&. Denn in dieser Abteilung der Mollusken entsteht die Richtungsspindel im Innern des noch wohl erhaltenen Keimbläschens zur Zeit, wo die Eier einzeln, 26 Oskar Hertwig: aber zu langen Gallertschnüren untereinander verbunden, abgelegt werden. Die Spindel (Fig. 5) entspricht hier in ihrer Länge dem Durchmesser des verhältnismässig kleinen Keimbläschens, sie stösst daher mit ihren Enden an die Kernmembran an, die an diesen Stellen zuerst aufgelöst wird, und verbindet sich hier mit zwei Strahlenfiguren, die im angrenzenden Protoplasma entstehen. Wie die Spindelfasern können daher auch die färbbaren Körner in ihrer Mitte (die Chromosomen) nur aus dem Inhalt des Keim- bläschens hervorgegangen sein, während die Strahlungen dem Protoplasma angehören. Im Hinblick auf derartig beweisende Bilder schien mir ein Zweifel am nukleären Ursprung der Spindel ausgeschlossen zu sein. Durch Auflösung des bei ihrer Bildung nicht verwandten Hauptteils des Keimbläschens kommt die Richtungsspindel direkt in den Dotter zu liegen (Fig. Sb), steigt dann nach seinem animalen Pol empor und gibt hier zur Knospung der Polzellen den Anstoss. [0.e) er a Fig. Keimbläschen aus dem frisch abgelegten Ei von Pterotrachea, Essigsäure- präp. nach O. Hertwig, III. Abhandl., Tafel XI, Fig. 1u.3. a Im Keimbläschen hat sich ein faseriger, spindelförmiger Körper gebildet, um dessen Enden das angrenzende Protoplasma strahlig angeordnet ist. b Ein auf a folgendes Stadium, auf welchem die Richtungsspindel durch Auflösung der Membran des Keimbläschens frei geworden ist. Obwohl ich jetzt auf der einen Seite die Ableitung des Eikerns vom Keimfleck als eine falsche Deutung der bei Toxo- pneustes gemachten Beobachtungen aufgeben musste, war ich trotzdem durch meine erneuten und erweiterten Untersuchungen auf der anderen Seite in den Stand gesetzt, das von mir be- hauptete Prinzip der Kontinuität der Kerngenerationen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern auch durch sichere Beobachtungen beweisen zu können. „Wir erhalten“, hob ich in verschiedenen Publikationen zusammenfassend hervor, „das wichtige Resultat. [86) u | Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. dass vom Keimbläschen bis zum Furchungskern ein ununter- brochener Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kerngene- rationen herrscht.“ (II. Abhandl. S. 30.) Durch meine Untersuchungen an den Vertretern der ver- schiedensten Tierabteilungen (Echinodermen |Seesterne, Seeigel|, Würmer [Nephelis, Sagitta], Coelenteraten [Medusen, Syphono- phoren], Mollusken [Tellina, Pterotrachea, Phyllirho@] etc.) und durch das Studium der einschlägigen Literatur belehrt, glaubte ich nunmehr annehmen zu dürfen, dass auch in der Ent- stehung der Polzellen durch Zellenknospung sich eine allgemeine Übereinstimmung im Tierreich würde nachweisen lassen. (Siehe Anmerkung 2 auf S. 144.) Auch machte ich schon damals auf die auffällige und, wie sich später zeigte, physiologisch wichtige Tatsache aufmerksam, dass zwischen der Bildung der ersten und der zweiten Polzelle das einer gewöhnlichen Karyokinese stets folgende bläschenförmige Ruhestadium ausfällt und dass die im Ei zurückgebliebene halbe Kernspindel sich auf direktem Weg in die zweite volle Richtungs- spindel umwandelt. Mit der in Fluss gebrachten Frage der Eireifung waren zu derselben Zeit auch Bütschli und Fol beschäftigt. Bütschli veränderte seine noch in den Studien 1876 festgehaltene Ansicht. Bei der Molluske Neritina wandte er zur Untersuchung der Richtungskörperchen jetzt auch Färbemittel an, und zwar Beale- sches Karmin mit nachfolgender Entfärbung durch Salzsäure- glyzerin. Auf diesem Weg konnte er jetzt gleichfalls feststellen, dass „die Richtungsbläschen von Neritina nicht allein aus Kern- substanz bestehen, sondern als kleine, aus Protoplasma und Kern bestehende Zellen aufzufassen sind.“ (1877, l. e. S. 235.) Seine frühere entgegengesetzte Deutung führte er teils auf den Einfluss von Öllachers Lehre, teils auf die Vernachlässigung guter Färbungs- methoden zurück und knüpfte hieran die Hoffnung, dass durch weitere Beobachtungen die Frage der Richtungsbläschen ihrer definitiven Lösung entgegengehen werde.“ (Siehe Anmerkung 5 auf S. 144.) Fol hat in seinen ersten Arbeiten von den Veränderungen am Kern, also von der eigentlichen Karyokinese, nichts wahr- genommen und sein Interesse nur den begleitenden Strahlungs- figuren im Protoplasma, sowohl am lebenden Objekt. als auch 28 Oskar Hertwige: nach Behandlung mit Essigsäure, zugewandt. Auf Grund seiner Beschreibung des Furchungsprozesses des Kies der Meduse Geryonia (1873) nimmt er die Priorität für die Entdeckung der Protoplasma- strahlung für sich in Anspruch, indem er bemerkt (1376, Hetero- poden, S. 8): „Personne n’a vu et compris avant moi ces ctoiles chez aucun &lement cellulaire vegetal ni animal.“ Hieraus ergibt sich von selbst die Stellung, die Fol in der Bibliographie zu seiner grossen Arbeit (1879, l. c. S. 67) ganz richtig in den Sätzen charakterisiert: „Le corps fusiforme n’a pas attire mon attention, de meme que les &toiles ont echapp& a Bütschli; chacun de nous a vu une moitie des phenomenes, et nos deux observations se completent l’une l’autre.“ In seinen Abhandlungen über Geryonia (1873), über Ptero- poden (1875) und Heteropoden (1876) lässt Fol das Ei kernlos sein und ebenso bei jeder Zellteilung wieder kernlos werden. Hierbei gehen jeder Kernneubildung im Ei Protoplasmastrahlungen, „etoiles mol&culaires“, voraus, deren Mittelpunkt als ein Attraktions- zentrum (centre d’attraction) gedeutet wird. Zwei nebeneinander gelegene Protoplasmastrahlungen, wie sie im Laufe jeder Kern- und Zellteilung bei tierischen Eiern auftreten, nennt Fol einen „Amphiaster“ („Doppelstern, Doppelstrahlung“*). Sein Standpunkt bietet daher viel Ahnlichkeit mit demjenigen von Auerbach. (Siehe Anmerkung 4 auf S. 145.) Als später Fol mit der Entdeckung der Spindelfigur durch Bütschli bekannt geworden war, suchte er sie in seiner Ab- handlung über Heteropoden (1876) aus seinen Protoplasmastrah- lungen zu erklären. Die Spindelfasern hielt er für nichts anderes, als dickere Protoplasmafäden der Strahlenfigur (Heteropoden S. 8), („filaments de sarcode“), und auch die an ihnen beobachteten Körner aus Chromatin erklärte er nur für Varikositäten dieser Fäden, welche keinerlei Beziehung zu den Nukleolen des Kerns haben. Er schlug vor, alle diese Teile mit dem Namen des Forschers, welcher sie entdeckt hat, als „Filaments et renflements de Bütschli“ (1376, Heterop. S. 38) zu bezeichnen. Auch die Richtungskörper liess Fol, sowohl in seiner Ptero- podenarbeit (1875), als auch später in der Abhandlung über Hetero- poden, aus den Strahlenfiguren entstehen, die im Ei vor und während ihrer Bildung auftreten. Eine Doppelstrahlung, welcher die von ihm übersehene Richtungsspindel zugrunde liegt, be- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre 29 zeichnete er als einen „Amphiaster de rebut“. (Vergleiche hierzu auch Anmerkung 5 auf S. 145.) Einen besseren Einblick in die Rolle, welche der Kern bei der Richtungskörperbildung spielt, hat Fol erst durch weitere Untersuchungen gewonnen, die er in Messina in den Frühjahren 1876 und 1877 an den Eiern verschiedener pelagischer Meertiere (Asterias, Toxopneustes, Pterotrachea, Sagitta) ausgeführt und in seinem grossen 1879 erschienenen Werk veröffentlicht hat. Dasselbe reiht sich durch seine Ausdehnung auf viele Abteilungen des Tier- reichs, ferner durch die Sorgfalt der Beobachtungen und durch die zahlreichen, auf zehn Tafeln zusammengestellten mustergültigen Figuren ebenbürtig an die wenige Jahre zuvor erschienenen Werke von Strasburger (1875) und Bütschli (1876) an. Indessen waren die grundlegenden Entdeckungen, von denen Fol eine auf eigene Untersuchungen gegründete, vorzügliche, zusammen- fassende Darstellung gibt, schon mehr oder minder geraume Zeit vor seiner Veröffentlichung von anderen Forschern gemacht und von ihm teils nur bestätigt, teils auch in mehreren Punkten erweitert worden. Dementsprechend hat auch Fol selbst in seinem Vorwort bemerkt: „Bien qu’une grande partie des resultats que jobtins, ne soit plus nouvelle pour la science, gräce surtout aux publieations de Bütschli und de O. Hertwig, je crois qu'il ne sera pas inutile de les fair connaitre en entier. Ils jetteront, je Tespere, de la lumiere sur quelques points discutes et feront eonnaitre, ou tout au moins entrevoir, un nouvel ordre de faits.“ (1879, 1. c. S. 2.) (Vergleiche hierzu auch Anmerkung 6a, S. 145.) Was den Reifeprozess des Eies betrifft, so kommt Fol jetzt zu genau denselben Ergebnissen, zu denen ich auf Grund meiner vorausgegangenen Untersuchungen am Ei von Nephelis gelangt war. Indem er die Beobachtung des lebenden Objekts jetzt auch durch Untersuchung der einzelnen Stadien mit Reagentien (Osmiumsäure, Pikrinsäure), mit Farbstoffen (Karmin, Pikrokarmin) und durch Aufhellung in Glyzerin ergänzte, überzeugte er sich, dass in den Protoplasmastrahlungen, seinem Amphiaster, eine Kern- teilungsfigur, die Kernspindel mit ihren chromatischen Körnern, eingeschlossen ist und einen Kernteilungsprozess durchmacht, aus dem dann auch der Eikern hervorgeht. Fols Untersuchungsobjekte sind die Eier von Asterias glac., von Toxopneustes, von Pterotrachea, von Sagitta, auf die sich 30 Oskar Hertwig: auch seine Abbildungen beziehen. Dasselbe Material diente gleich- zeitig auch mir zum Gegenstand von Studien, die ich im Herbst 1876 in Messina begann und während eines sechsmonatlichen mit meinem Bruder daselbst genommenen Aufenthaltes zu Ende führte. Damals lernte ich zum ersten Male auch Herrn Fol kennen, der gegen Ende des Jahres 1576 mit seiner Familie in Messina zur Aus- führung eines gleichen Arbeitsprogramms eintraf. Da jeder von seinen eigenen Arbeiten in Anspruch genommen war, sahen wir uns nur selten und gelegentlich. So sind damals in Messina zwei Paralleluntersuchungen, die zu ähnlichen Ergebnissen in sehr er- freulicher Weise geführt haben, ganz unabhängig voneinander entstanden. Da meine Resultate mit Abbildungen in meiner dritten Abhandlung (1877) früher veröffentlicht wurden, hatte Fol in seinem 1879 erschienenen Werk noch Gelegenheit, in einem Nachtrag (supplöment bibliographique) auf sie einzugehen und hervorzuheben: „La maturation de l’oeuf pondus, la formation des globules polaires, la naissance du noyau femelle sont deerits en somme d’une maniere conforme a mes propres observations.“ (l.e. S. 257.) Ich füge noch hinzu, dass auch die Entstehung der Richtungsspindel im Innern des Keimbläschens von Pterotrachea noch vor seiner Auflösung von Fol beobachtet und mit ähnlichen Abbildungen (18791. c. Taf. VIII, Fig. 13—18), wie ich sie schon früher gegeben habe (1878, II. Abhandl. 1. c. Taf. XI, Fig. 1, 3), belegt wurde. 2. Zur Geschichte des Befruchtungsprozesses. Dass für die Entwicklung des Eies, von den Fällen der Parthenogenese abgesehen, die Einwirkung von Samenfäden unbedingt erforderlich ist, galt nach den Experimenten von Spallanzani, Leuckart u.a. als eine ausgemachte Tatsache in der Wissenschaft. In welcher Weise aber der Samenfaden befruchtet, blieb bis zum Jahre 1875 unbekannt. Denn die direkte mikroskopische Beobachtung des Vorgangs, welche allein hier hätte Klarheit schaffen können, hatte trotz vielfacher Bemühungen zu keinem Ergebnis geführt. Allerdings hatten einzelne Forscher sich die Samenfäden an der Oberfläche des Eies und seiner Hüllen ansetzen sehen, andere hatten sie in dem perivitellinen Raum zwischen Dotter und Eihaut in grosser Zahl beobachtet oder hatten auch berichtet, dass sie im Dotter selbst einmal einen eingedrungenen Samenfaden aufgefunden hätten. Damit aber war Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. ol [e} ? die kardinale Frage, was aus dem Samenfaden bei der Befruchtung wird. noch nicht beantwortet. Eine ausführliche Zusammenstellung der hierauf bezüglichen Literatur findet der Leser sowohl in meiner ersten Abhandlung 1875 (1. e.. S. 390— 398), als auch besonders in Fols Monographie (1579). Wie ich am Schluss meiner Übersicht erklärte (S. 397): „Keiner der angeführten Forscher hat die weiteren Schicksale eines in den Dotter eingedrungenen Samenkörpers richtig beobachtet“, so bemerkte Fol gleichfalls in seiner Einleitung: „Malheureusement l’observation (directe de la fecondation) n’a guere et& faite jusqu’a ces tout derniers temps. Üette assertion &tonnera peut-etre le leeteur; j’cprouvais en tous cas une profonde surprise, lorsqu’apres avoir parcouru consciencieusement la bibliographie, je dus me convaincere que les idees, qui ont cours a cet egard dans la science. ne sont pas fonddes sur des observations bien satisfaisantes.“ Ein Fortschritt in dieser Beziehung wurde auch erschwert durch das in der Wissenschaft herrschende Dogma, dass die Be- fruchtung ein chemisch-physikalischer Prozess sei, dass entweder die Samenfäden als Träger einer entwicklungserregenden, katalytisch wirkenden Substanz durch Kontakt befruchten (Bischoff u. a.), oder dass sie einzeln oder in grösserer Zahl mit der Dotterober- fläche verschmelzen, sich auflösen und ihre Substanz mit dem Eiinhalt vermischen. Auch Bütschli, Auerbach, van Beneden und Strasburger standen noch auf diesem Standpunkt und wurden wohl aus diesem Grund an der richtigen Deutung einiger, später noch zu besprechender Erscheinungen verhindert. Damit eine Entdeckung gelingt, kommt es viel auf die geeignete, oft vom Zufall bestimmte Wahl eines dem betreffenden Zweck dienlichen Untersuchungsobjektes an. Mir glückte es bei meinem Aufenthalt am Meer im Frühjahr 1875 ein solches in den Eiern des Toxopneustes lividus zu finden. „L’espece choisie pour ces observations“ — bemerkt Fol, der meinem Beispiel folgend bald nach mir das gleiche Objekt für seine Befruchtungs- studien gewählt hat — „le Toxopneustes lividus, est du reste admirablement propice a ce genre d’etudes.“ (1879, 1. c., S. 154.) Mehrere grosse Vorzüge, wie sie selten nebeneinander gefunden werden, vereinigen sich bei ihm. Einmal ist es eine Tierspezies, die einen grossen Teil des Jahres reife Geschlechtsprodukte in ungeheuren Mengen liefert 32 Oskar Hertwig: und zugleich in jedem Ort an der Meeresküste leicht zu erhalten ist. Männliche und weibliche Organe sind auf verschiedene In- dividuen getrennt; eine künstliche Befruchtung kann daher leicht ausgeführt werden, und ihre Vornahme wird noch dadurch be- sonders begünstigt. dass sowohl die reifen Eier wie die reifen Samenfäden in einer Weise, wie es bei sehr wenigen Objekten der Fall ist, mehrere Stunden im Seewasser verweilen können, ohne ihre normale Beschaffenheit und ihre Befruchtungsfähigkeit zu verlieren. Ferner sind die Eier klein, membranlos und wegen ihres feinkörnigen Dotters sehr durchsichtig, so dass sie mit den stärksten Vergrösserungen nach allen Richtungen auch während des Lebens durchmustert werden können. Sie sind leicht zu konservieren, mit Reagentien und Farbstoffen zu behandeln, durch welche auch färbbare Teilchen von der Grösse eines Bakterium sich auf das deutlichste sichtbar machen lassen. Da das Eimaterial in grosser Menge zur Verfügung steht, kann es auch zur Paraflin- einbettung benutzt und in feinste Serienschnitte zerlegt werden. Wegen dieser zahlreichen Vorzüge, wie sie selten vereint vor- kommen, ist das Echinodermenei, nachdem ich die Aufmerksamkeit auf dasselbe gelenkt habe, ein Lieblingsobjekt nicht nur für mikroskopische Untersuchungen der ersten Entwicklungsvorgänge, besonders des Befruchtungsprozesses, sondern auch für die ver- schiedenartigsten biologischen Experimente geworden. Die Befruchtung des Seeigeleies beginnt fast unmittelbar nach der Vermischung mit der Samenflüssigkeit und hat ihren Abschluss schon etwa nach einer Viertelstunde gefunden. Man muss daher nicht nur rasch arbeiten, sondern auch von Anfang an darüber orientiert sein, an welchen Erscheinungen man die Be- fruchtung erkennen kann. Denn wenn auch die Eier klein sind, so kann der Beobachter bei starken Vergrösserungen, die unbe- dingt erforderlich sind, nur einen sehr kleinen Bezirk von der Oberfläche und vom Inhalt des Eies bei scharfer Einstellung über- blicken. Unter den zahlreichen Samenfäden, die sich ringsum an die Oberfläche ansetzen, erhält er ein scharfes Bild natürlich auch nur von der kleinen Zahl, die sich in der Ebene der schärfsten Einstellung des Linsensystems befinden. Daraus erklärt es sich, dass bei Beginn meiner Studien, trotzdem ich mich über den Verlauf der Befruchtung unterrichten wollte, mein Bemühen ohne Erfolg blieb. Über die Ursache meines ersten Misserfolges habe Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 33 ich mich in meiner ersten Abhandlung in folgender Weise aus- gesprochen : „Oftmals habe ich Spermatozoen, welche mit der Spitze ihres Kopfes der Eihülle ansassen, längere Zeit verfolgt, ohne je einen Fortschritt in ihrem Vorwärtsdringen bemerken zu können. Die unausgesetzte Beobachtung der an der Eihaut anhaftenden Sper- matozoen hat mich am Anfang meiner Untersuchungen eine Anzahl Vorgänge ganz übersehen lassen, die bald nach der Vermischung der Geschlechtsprodukte sich im Eidotter abspielen. «.erade diese Vorgänge aber sind es, die uns einen tieferen Einblick in den Befruchtungsakt gestatten. Einmal auf dieselben aufmerksam geworden, gelang es mir später, sie an jedem Ei, auf welches ich meine Aufmerksamkeit richtete, zu verfolgen, so dass meine Mit- teilungen über diesen Gegenstand sich nicht auf vereinzelte und zufällige, sondern auf zahlreich angestellte Beobachtungen stützen. Fig. 9 a—e. Stadien vom Befruchtungsprozess von Toxopneustes lividus nach OÖ. Hertwig (1875, 1. c. Taf. XI, Fig. 7, 8, 10, 13, 14). a, b, c am lebenden Ei beobachtet. d,e Nach Behandlung mit Osmiumsäure und Färbung in Bealeschem Karmin. au. b 5 Minuten nach der Befruchtung. Einwandern des Spermakerns. c 10 Minuten nach der Befruchtung. Ei- und Spermakern berühren sich. d 5 Minuten, e 10 Minuten nach der Befruchtung. Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt. II. 3 34 Oskar Hertwiege: Da das von mir benutzte Untersuchungsobjekt so leicht zu er- langen und bequem zu handhaben ist, so wird jeder am Meer sich aufhaltende Forscher selbst sich von dem Vorgang der Be- fruchtung, wie ich ihn jetzt schildern werde, überzeugen können, obne auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Beobachtung zu stossen.“ (1875, S. 379.) Wenige Minuten nach Vornahme der Besamung bemerkte ich an dem lebenden Ei „ganz nahe an seiner Oberfläche eine kleine helle Stelle. aus welcher die Körnchen verschwunden sind“ und in deren Umgebung sich immer schärfer eine ausser- ordentlich charakteristische Strahlenfigur ausbildet (Fig. 9a—c). Bald konnte ich in dieser bei aufmerksamer Betrachtung noch ein kleines homogenes Körperchen von fast der gleichen Licht- brechung wie das umgebende Protoplasma erkennen. Von ihm sah ich einige Male „noch eine zarte Linie bis zur Eiperipherie reichen und sich hier in ein kurzes feines Fädchen verlängern, welches in den freien Raum zwischen Dotter und Eimembran hinein- ragte.“ Bei ununterbrochener Beobachtung desselben Eies wurde ich dann, wie es in meiner Abhandlung beisst, durch ein inter- essantes Phänomen gefesselt. Während die Strahlenfigur gleich nach ihrer ersten Entstehung an Ausbreitung rasch zunimmt, beginnt sie „mit deutlich wahrnehmbarer Geschwindigkeit sich von der Eiperipherie zu entfernen, in der Richtung nach dem Eikern weiter in den Dotter einzudringen, am Kern endlich an- zulangen und sich von einer Seite an ihn anzulegen“. Auch der Eikern verändert langsam seinen Ort. „Das Resultat dieser Vorgänge ist, dass beide Körper sich treffen entweder in der Eimitte oder wenigstens in ihrer Nähe.“ Hier werden sie jetzt zusammen von der Protoplasmastrahlung eingeschlossen, die so lange sich weiter ausbreitet, bis sie die ganze Dottermasse in ihren Bereich gezogen hat (Fig. 9c). „Die Erscheinungen vom Auftauchen des kleinen hellen Flecks an der Eiperipherie bis zu seiner völligen Annäherung an den Eikern haben sich in einem Zeitraum von etwa fünf Minuten vollzogen (1375, l. ec. S. 381). „Um von den hier vorgetragenen Verhältnissen eine noch sicherere Vorstellung zu gewinnen, brachte ich Reagentien in Anwendung, von denen mir mit Meerwasser verdünnte '/ı0°/oOsmium- säure (2—5 Minuten) und nachfolgende Färbung mit Bealeschem Karmin die besten Ergebnisse lieferte.“ Bei diesem Verfahren Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 35 gerinnt der Dotter ganz homogen und wird nur sehr wenig ge- schwärzt. Durch ein baldiges Einlegen in Bealesches Karmin wird einerseits die bei Osmiumanwendung sonst eintretende Nachı- dunkelung der Eier vermieden, andererseits werden die Kerne rot imbibiert, während der Dotter nur sehr geringe Färbung annimmt und daher vollkommen durchsichtig bleibt. Auf diesem Wege konnte ich mir Färbungsbilder von überzeugender Klarheit verschaffen“ und ermitteln, dass auch der in der Strahlenfigur gelegene kleinere Körper sich in Karmin wie der Eikern dunkelrot färbt (Fig. 9d und e). Ich schloss hieraus, dass er auch aus Kernsubstanz besteht, dass sich mithin in der Eizelle zwei Kerne, ein grösserer und ein kleinerer, befinden. Da sich dann weiter durch die Färbungsmethode auch die Ver-. schmelzung der aufeinander zugewanderten Kerne erweisen liess, ergab sich für mieh „die wichtige Tatsache, dass der unmittelbar vor der Furchung in der Eizelle vorhandene Kern, um welchen die Dotterkörnchen in Radien angeordnet sind, aus der Kopulation zweier Kerne (Fig. 9e) hervorgegangen ist“ (1875, l. c. S. 383). Zur Deutung der so bemerkenswerten Erscheinungen über- gehend, die ich bei unzähligen, in mehreren Wochen täglich aus- geführten Befruchtungen an vielen hundert Eiern stets in genau der gleichen Weise beobachten konnte, bemerkte ich in meiner ersten Abhandlung: „Schon der Umstand, dass alle die besprochenen Veränderungen mit Konstanz fünf bis zehn Minuten nach der Ver- mischung der Geschlechtsprodukte in fast allen Eiern auftreten, lässt den sicheren Schluss zu, dass wir es mit einem durch die Befruchtung hervorgerufenen Vorgang zu tun haben. Da ich nun sogar in einigen Fällen von dem an der Eioberfläche gelegenen kleinen Kern eine zarte Linie nach der Dotterperipherie habe verlaufen und sich über dieselbe in ein kleines Fädchen verlängern sehen, so trage ich nicht das geringste Bedenken, die ganze Erscheinung direkt von dem Eindringen eines Spermatozoon in den Dotter abzuleiten. Der in den homogenen Plasmaansammlungen liegende kleine Kern ist alsdann der Kopf oder der Kern des eingedrungenen Spermatozoon. Zum Unterschied von dem Eikern werde ich daher denselben auch fortan nach seiner Abstammung als Spermakern (oder Samenkern) bezeichnen® (l. c. S. 384). Die Strahlenfigur, welche sich unmittelbar nach dem Eindringen um den Kopf des Samenfadens 3*+ 36 Oskar Hertwig: bildet, erklärte ich aus einer Reizung, die er auf das Ei ausübt. Der Samenkern schien mir auf das homogene Protoplasma im Dotter eine Anziehung auszuüben und so als Attraktionszentrum zu wirken. Vom Schwanz des Samentierchens aber sprach ich die Vermutung aus, dass er entweder unmittelbar beim Eindringen in den Dotter oder während der nachfolgenden Wanderung auf- gelöst werde. Meine am Seeigelei gemachte Entdeckung bezeichnete ich als einen tieferen Einblick in das Wesen der Be- truchtung (S. 386). Denn „wenn man früher die Befruchtung einfach auf eine Kopulation zweier Zellen zurückführte, so haben wir jetzt erkannt, dass der wichtigste Vorgang hierbei die Verschmelzung der beiden Zellkerne ist.“ Daher stellte ich auch in meiner Habilitationsschrift als erste These den Satz auf: „Die Befruchtung beruht auf der Verschmelzung von geschlechtlich differenzierten Zellkernen.“ In meiner Darstellung des Befruchtungsprozesses befand sich noch eine Lücke, auf welche ich in meiner Abhandlung aufmerksam zu machen nicht unterlassen habe. Ich habe damals den Akt des Eindringens eines Spermatozoon in den Dotter nicht unmittelbar beobachtet. Mit Recht konnte ich aber wohl die Bemerkung hinzu- fügen, dass diese Lücke gegen die von mir gegebene Deutung nicht schwer in die Wagschale fällt (l. c. S. 384). Denn es sei mir nur nicht geglückt, „unter den vielen am Ei haftenden Spermatozoen gerade im geeigneten Moment auf den glück- lichen Eindringling das Mikroskop einzustellen; erst durch die Veränderungen, die er im Ei hervorrief, wurde ich auf den Ort des Eintritts aufmerksam gemacht“ (S. 385). Daher habe ich auch in meiner ersten und den beiden nachfolgenden Schriften meine Theorie der Befruchtung, dass ein Samenfaden in das Ei eindringt und sein Kopf zu einem Samenkern wird, der mit dem Eikern kopuliert, nicht als eine Hypothese, sondern als das Er- gebnis wirklich beobachteter Tatsachen behandelt. Hierbei konnte ich mich sowohl auf einen experimentellen als auf einen mikro- skopischen Beweis stützen. Der erstere lehrt, dass jede künstlich ausgeführte Besamung an allen für derartige Beobachtungen geeigneten Eiern das Auftreten einer einzigen Strahlenfigur in der Dotterrinde in ebenso sicherer Weise wie der Blitz den Donner zur unmittelbaren Folge hat. Der mikroskopisch an Osmiumkarmin- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 37 präparaten geführte Beweis aber lässt erkennen, dass die Proto- plasmastrahlung durch ein kleines Körperchen hervorgerufen wird, welches etwa die Grösse und Form und die gleiche Färbbarkeit in Karmin wie die Köpfe der an der Dotterhaut sitzenden Samen- fäden besitzt, mithin aus Kernsubstanz besteht, sich durch Imbibition mit Saft allmählich vergrössert und zu einem bläschen- förmigen Kern umwandelt. Nach meiner Entdeckung beim Seeigel lag es nahe, dass ich das Auftreten zweier Kerne und ihre Verschmelzung, welche schon vor mir Warneck, Bütschli und Auerbach bei Mollusken und Würmern beobachtet hatten, jetzt gleichfalls mit dem Befruchtungsprozess in Zusammenhang brachte und wie bei Toxo- pneustes erklärte. Ausserdem aber war ich in den Jahren 1876 und 1877 selbst weiter bemüht, die allgemeine Gültigkeit der Entdeckung für das ganze Tierreich durch ausgedehntere Unter- suchungen zu erweisen. Zu dem Zwecke studierte ich die Eireife und den Befruchtungsprozess bei Nephelis und bei Amphibien, beim Seestern. bei Sagitta, bei verschiedenen Abteilungen der Mollusken. wie bei Tellina, Cardium, Mytilus — bei Tiedemannia und Cymbulia —, bei Pterotrachea und Phyllirhoe. Überall fand ich dasselbe Ergebnis mit einigen Variationen, von denen die bei Cymbulia und Tiedemannia sowie bei Rana fusca beobachteten das meiste Interesse besitzen. In den Eiern von Oymbulia und Tiedemannia (Fig. 10a und b) sah ich bald nach der Befruchtung .) L E 8 a Fig. 10. b Eier von Tiedemannia Neap. Nach dem lebenden Objekt gezeichnet. Nach 0. Hertwig. a Ein Stück vom animalen Pol, in welchem Ei- und Samen- kern (e und s) eben als kleine Vakuolen bemerkt werden. Vom Samenkern geht ein feiner Faden (f) aus (III. Abhandl., Taf. XI, Fig. 9). b Das ganze Ei mit konjugiertem Ei- und Samenkern. Von diesem geht ein vielfach gewundener feiner Faden (f) aus (Taf. XI, Fig. 5). 38 Oskar Hertwig: bei Beobachtung des lebenden Objektes von dem als kleines Bläschen eben sichtbar werdenden Samenkern einen sehr langen, in viele Windungen gelegten, gut erhaltenen Geisselfaden aus- gehen, aus dem protoplasmatischen in den dotterhaltigen Abschnitt des Eies eintreten und sich hier zwischen den grossen Dotter- kugeln der Wahrnehmung entziehen. „Es scheint mir“, bemerkte ich damals in meiner dritten Abhandlung (1878, l. c. S. 206), für den im befruchteten Ei entdeckten Faden „keine andere Erklärung möglich zu sein, als dass er der Geisselfaden des in das Ei eingedrungenen Spermatozoon ist. Hierfür spricht auch die Untersuchung reifer Spermatozoen aus der Samenblase. Dieselben sind von ganz ausserordentlicher Länge, so dass sie bei starker Vergrösserung zahlreiche Gesichtsfelder einnehmen. Sie gleichen hierin dem vielfach geschlängelten Faden im Ei“. So habe ich den ersten Fall beschrieben, den Kostanecki (1896 1. c.) bei einer anderen Molluskenart bestätigt und ebenfalls abgebildet hat, dass ein Samenfaden, der den Durchmesser des Eies an Länge vielmals übertrifft, vollständig in das Ei eindringt und sich im Protoplasma bis über die Zweiteilung hinaus erhält. während aus seinem Kopf der Samenkern entsteht. Eine entsprechende Entdeckung ist bei Ascaris megalocephala erst sechs Jahre später durch Schneider, Nussbaum und van Beneden gemacht worden. Die andere von mir bei den Amphibien beobachtete Eigen- tümlichkeit des Befruchtungsprozesses (Fig. 11a und b) hängt mit der Pigmentierung des animalen Eipoles zusammen. Schon 1576 war von van Bambeke gefunden worden, dass infolge der Besamung eine kleine Grube, das ‚‚trou vitellin“, in der Pigment- yinde des animalen Poles auftritt und dass an Schnittpräparaten eine kleine Pigmentstrasse von ihr ausgeht, in deren erweitertem Ende ein heller Raum mit einem kleinen, nukleolusartigen Gebilde eingeschlossen ist. Mit Recht hat van Bambeke damals das „trou vitellin“ und die Pigmentstrasse auf das Eindringen eines Samenfadens in den Dotter zurückgeführt; infolge meiner Ent- deckung des Befruchtungsprozesses beim Seeigel hat er dann die terminale Erweiterung der Pigmentstrasse der von der Oberfläche einwandernden Strahlenfigur des Seeigeleies und das nukleolus- artige Gebilde darin dem Spermakern verglichen; doch hält er es bei seinem Untersuchungsobjekt im Anschluss an die damals herrschende Meinung für das Wahrscheinlichste, dass der Samen- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 39 faden in der Pigmentstrasse sich bald ganz auflöst und mit dem umgebenden Protoplasma vermischt, dass daher der Furchungskern später neu gebildet wird. Hier konnte meine Untersuchung (II. Ab- handl.1.c.S. 44)ergänzend und berichtigend eingreifen; denn ich wies nach, dass am Ende der Pigmentstrasse, die den Weg des eingedrunge- a Fig. 11. b Ausschnitte aus dem Ei von Rana fusca von OÖ. Hertwig. a 1 Stunde nach der Befruchtung mit der Pigmentstrasse, an deren Ende der Samenkern liegt (II. Abhandl. 1. c. Taf. IV, Fig. 2). b 2 Stunden nach der Befruchtung. Am Ende der tiefer eingedrungenen Pigmentstrasse liegt neben dem grösser gewordenen Samenkern ein gleich grosser Eikern (Taf. IV, Fig. 5). nen Samenfadens bezeichnet (Fig. 11a), nicht nur ein deutlicher. bläschenförmiger Samenkern liegt, sondern auch als solcher erhalten bleibt, sich allmählich stark vergrössert und auf einen zweiten, gleichgrossen Kern zuwandert, der in einiger Entfernung von ihm und ohne Pigmenthülle im Dotter gefunden wird. Auch hier ver- binden sich schliesslich Eikern und Samenkern miteinander (Fig. 11b) und verschmelzen. Die Abstammung des Eikerns aus dem Inhalt des Keimbläschens, die ich vermutete, konnte damals von mir wegen der grossen Schwierigkeiten der Untersuchung noch nicht nachgewiesen werden; erst viel später ist auch dieser Punkt zugleich mit der Entdeckung der Richtungskörper bei den Amphibien durch die vortrefflichen Untersuchungen von Oskar Schulze, Fick, Carnoy und Lebrun aufgeklärt worden. (Siehe auch Anmerkung 2 auf Seite 144.) Wie schon früher (S. 36) erwähnt, enthielt meine Entdeckung des Befruchtungsprozesses noch eine Lücke, die beseitigt werden musste, um den höchsten Grad der Sicherheit zu erlangen, wie ihn die Naturwissenschaft anstrebt. Der unmittelbare Akt. des Ein- dringens einesSamenfadens.in dasEi war selbst noch nicht beobachtet worden. Es ist das besondere Verdienst von Fol, ein Jahr nach Veröffentlichung meiner Entdeckung und im Anschluss an dieselbe, 40 Oskar Hertwig: durch eine vorzügliche Untersuchung die Beweiskette an diesem Punkte geschlossen zu haben (siehe Anmerkung 6b). Seine Unter- suchungsobjekte waren die von mir benutzten, Toxopneustes liv. und Asterias gläc. Mit Nachdruck betont Fol die Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte, um sein Ziel zu erreichen: „La difficulte, bemerkt er, „que j’eprouvai ä voir directement sous le microscope la r&eunion du zoosperme a l’ovule, dans des conditions normales, fut si grande que je ne pus y reussir qu’apres des mois d’efforts infructueux. Aussi ne puis-je m’etonner beaucoup lorsque je m’apercois par une etude soigneuse de toute la bibliographie du sujet, qu’a une ou deux exceptions pres — et ces exceptions memes sont douteuses, personne n’a encore observe avant moi cette penetration physiologique chez aucun animal.“ (1879, 1. ec. S. 87, 88.) Um zum Ziel zu ge- langen. findet er den Gebrauch eines von ihm konstruierten Kompressoriums für unerlässlich. Auf die untere Platte desselben brachte er einen verdünnten Samentropfen, auf die gegenüber gelegene Stelle an der unteren Fläche der oberen Platte einen Tropfen Meerwasser mit Eiern. Durch Annäherung der beiden Glasplättchen führte er die Vermischung der Eier und Samenfäden herbei und konnte mit diesem Hilfsmittel bei sofort einsetzender Beobachtung (Fig. 12a—c) das fast unmittelbar nach der Ver- mischung erfolgende Eindringen eines Samenfadens in das Ei verfolgen, die Bildung eines cöne d’attraction oder, wie ich ihn später nannte, eines Empfangshügels an der Stelle, wo sich ein Samenfaden dem Ei am nächsten genähert hat, das Einbohren Fig. 12 a—c. Kleinere Abschnitte von Eiern von Asterias glacialis. Nach Fol. (1877, Commencement de l’henogenie Fig. 14, 16, 18.) a, b, ce drei verschiedene Stadien vom Eindringen eines Samenfadens in das Ei. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 41 des Kopfes, die Abhebung einer Membran, welche zuerst an der Eintrittsstelle erfolgt und sich rasch über die ganze Oberfläche des Dotters ausdehnt (Fig. 12e). Die Entstehung der Strahlenfigur in der Eirinde, ihre Ver- grösserung und Wanderung bis zum Eikern behandelt Fol weniger ausführlich; die von mir hierüber gegebene Darstellung bezeichnet er als „un expose coneis, clair et parfaitement exact“. (1879 1. c. S. 155.) Auch er behandelt die verschiedenen Stadien der Befruchtung mit Reagentien (Essigsäure, Osmiumsäure und Beale- schem Karmin) und weist mit ihrer Hilfe als Mittelpunkt der Strahlung ein kleines, färbbares Körperchen auf, von dem er bemerkt: „C'est le corps (S. 101) du zoosperme facile- ment reconnaissable a la teinte foncee que lui a donnee lecarmin;la comparaisondecetelementmäle avec ceux qui se trouvent en grand nombre dans la preparation, autour desoeufs, nelaisse aucun doute sur la nature; car l’aspect de tous est identique, Sil’on pouvaitencoreconserverquelque incertitude, elle sevanouirait a l’aspect de la queue dont ce corps conique est surmont6 et qui est tres visible tant que la preparation n’est pas trop ancienne.“ Fol gebührt die Priorität, das Eindringen des Samenfadens in das Ei, die Bildung des Empfängnishügels. die Abhebung der Membrana vitellina auf das Genaueste verfolgt zu haben, und zwar an einem Objekt, an welchem die Beobachtung dieses Anfangsstadiums der Befruchtung als eine recht schwierige be- zeichnet werden kann. Wenige Jahre später sind wir in den Eiern von Ascaris megalocephala mit einem sehr viel günstigeren Objekt bekannt geworden; das Eindringen des Samenkörpers in das Ei ist hier so leicht zu verfolgen, dass ich es im embryo- logischen Unterricht schon oft an Kurspräparaten den Studenten habe demonstrieren können. Wenn Fol in der Beobachtung des Tatsächlichen im all- gemeinen zu denselben Ergebnissen wie ich in meinen drei Abhandlungen gelangt ist und zugleich eine Lücke in der Be- schreibung des Eindringens des Samenfadens in das Ei ausgefüllt hat, so ist er in der Erklärung des Befruchtungsprozesses und in dem Versuch eine Theorie der Befruchtung aus seinen Beobach- tungen abzuleiten, zu einem anderen Endergebnis gelangt. 42 Oskar Hertwig: Während durch alle meine über einen längeren Zeitraum aus- gedehnten Untersuchungen wie ein roter Faden das Bemühen hindurchläuft, eine Kontinuität der Kerngenerationen von Zelle zu Zelle nachzuweisen und das Wesen der Befruchtung in einer Vereinigung zweier Kerne zu erblicken, von denen der eine von mütterlicher, der andere von väterlicher Seite herrührt, weswegen ich sie auch als Ei- und Samenkern benannte, wird Fol von dem Bestreben geleitet, die Protoplasmastrahlungen, seine centres d’attraction, zum Mittelpunkt seiner Theorie zu machen und kein Gewicht auf die Kontinuität der Kerngene- rationen zu legen. Indem er die schon früher erschienenen Angaben von Kölliker, Schweiger-Seidel und La Valette, nach denen der Kopf des Samenfadens aus dem Kern einer Samen- bildungszelle entsteht, nicht berücksichtigt, glaubt er aus neueren Untersuchungen schliessen zu müssen, dass der Kern der Samen- mutterzelle in die Zusammensetzung des Samenfadens nicht mit eingeht, dass dieser daher aus Zellprotoplasma nach Ausschluss der Kernsubstanz gebildet wird (1879, 1. e. S. 251). Von dem Kern, der in der vom eingedrungenen Samenfaden hervorgerufenen Strahlung beobachtet wird, erklärt er, dass er aus einer Ver- mischung vom Spermakopf. mit dem homogenen Protoplasma (sarcode vitellaire) im Strahlenzentrum entsteht. „Ce pronucleus, qui a tous les characteres d’un veritable novau, est donc form‘ par TYalliance de deux protoplasmes qui n’ont subi aucun melange avec la substance de noyaux preformes. Le pronucl&eus mäle ne descend ä aucun titre, pas m&me en partie, d’un noyau plus ancien; il est de formation nouvelle.“ (S. 252.) Aus der Verschmelzung von Samenprotoplasma mit Dotterprotoplasma entstehe ein Kern- körper, welcher eine Menge von Eigenschaften besitze, die dem isolierten Samenfaden fehlen. (S. 261.) Vom Eikern gibt Fol zwar zu, dass er von einem Rest der Substanz des Keimbläschens, welche bei der Bildung des zweiten Richtungskörpers in der Eirinde zurückbleibt, anfänglich abstammt, fügt aber hinzu, dass die Menge dieser Substanz sehr klein ist und sich erst durch Auf- nahme von homogenem Protoplasma (sarcode vitellin) aus dem Zentrum der Strahlung erheblich vergrössert. „Bref, le pronucl&us femelle est un alliage d’une tr&s petite quantit& de substance derivee de la vesicule germinative avec une grande quantite de Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 43 protoplasme eellullaire.“ Überhaupt lässt Fol bei jeder Zellteilung die Tochterkerne nur zum kleineren Teil vom alten Kern, in der Hauptmasse aber vom homogenen Protoplasma der Strahlen- figur ihren Ursprung nehmen. Indem in dieser Weise Fol bemüht ist, das Protoplasma zur Grundlage auch für die Erklärung der Befruchtung und der Kernteilung zu machen, schliesst er seine Abhandlung mit einer „Theorie &lectrolytique des mouvements protoplasmiques“, auf welche einzugehen ausserhalb meiner Aufgabe liegt. Die von Fol eingeschlagene Richtung zur Erklärung des Befruchtungsprozesses hat keine Nachfolger gefunden. Da es sich bei biologischen Theorien meist um die Zu- sammenfassung vieler Tatsachen unter einen einheitlichen Gesichts- punkt handelt, kann es nicht überraschen und spricht nur für die Wichtigkeit des Gegenstandes, dass von einigen Seiten Prioritätsansprüche geltend gemacht worden sind. Sie wurden in der Hauptsache darauf begründet, dass vor Beginn der Ent- wicklung im befruchteten Ei zwei oder mehr Zellkerne und eine Verschmelzung derselben in verschiedenen Tierabteilungen schon vor meiner Abhandlung über Toxopneustes beobachtet worden waren, so schon von Warneck (1850) bei Mollusken, von Bütschli bei verschiedenen Wirbellosen, von Auerbach bei Ascaris nigrovenosa, von van Beneden bei Säugetieren. An der Richtigkeit der Beobachtungen selbst. auf die schon früher hingewiesen wurde, ist nicht zu zweifeln; um aber hierauf einen Prioritätsanspruch auf eine Befruchtungstheorie begründen zu können, kommt es doch vor allen Dingen darauf an, inwieweit und in welcher Weise die in Frage kommenden Forscher überhaupt die beobachteten Erscheinungen mit der Befruchtung in Zusam- menhang gebracht und zu ihrer Erklärung benutzt haben. Das in der Literatur vorliegende Aktenmaterial gestattet eine klare Antwort hierauf zu geben: Warneck scheidet von vornherein aus der Erörterung aus. Denn man kann höchstens, wenn wir uns einem Urteil von Fol an- schliessen wollen, von ihm sagen: „S’il n’a pas compris la signification veritable de ces noyaux par rapport a la fecondation, il est tout au moins le premier observateur qui les ait vus; sa description ren- ferme tout ce qu’il est possible de voir sans l’aide des r6actifs chez des oeufs mediocrement favorables* (Fol 1879, ]. e. S. 131.) 44 Oskar Hertwige: Bütschli, der die Verschmelzung von Kernen im lebenden Ei am häufigsten und bei verschiedenen Tieren beobachtet hat, kommt im vierten Kapitel seines Buches, das seine „allgemeinen Betrachtungen und Rückblicke“ gibt. zu dem Endergebnis, dass der Kern der ersten Furchungskugel durch eine Neubildung ent- steht und zwar aus ganz minutiösen, eben noch bemerkbaren Anfängen (1876, 1. c. 5.179. Man beachte ferner die Anmerkung 7, S. 146 dieser Schrift). Im übrigen hat sich Bütschli selbst noch in einem An- hang seines 1876 herausgegebenen Werkes (l. c. S. 225) zu meiner ersten Abhandlung, da sie schon Ende 1875 erschienen war, in folgenden Sätzen geäussert: Ich komme nun zu dem wichtigsten Abschnitt der Hertwigschen Arbeit, nämlich dem eigentlichen Akt der Befruchtung. — Wie man aus dem betreffenden Kapitel meiner Abhandlung, das ohne Kenntnis der bezüglichen Arbeiten Strasburgers und Hertwigs.gesehrieben worden ist, ersehen haben wird, hatte ich mir auch schon die Frage aufgeworfen, ob nicht die sich neubildenden Kerne der ersten Furchungskugel von dem Kern des Spermatozoon abzuleiten seien, und die Ver- gleiche, welche sich in dieser Hinsicht zwischen dem Befruchtungs- vorgang und dem Konjugationsprozess der Infusorien ziehen liessen, waren nicht ungeeignet, die Frage in bejahendem Sinne zu ent- scheiden.“ „Es fehlte jedoch meiner in dieser Arbeit vermutungs- weise ausgesprochenen Ansicht über die Schicksale des oder der Spermatozoen die tatsächliche Begründung, welche nun durch Hertwigs Untersuchung in einer Weise gegeben wurde, die, wenn auch noch nicht vollkommene Sicherheit, so doch sehr grosse Wahr- scheinlichkeit besitzt. Ich halte es daher für nahezu sicher er- wiesen, dass, nach dem Verschmelzen des oder der Spermatozoen mit der Eizelle, der Spermakern eine Weiterbildung erfährt und zu der Bildung des ersten Furchungskerns beiträgt: in welcher Weise dies geschieht. wird nun der Gegenstand unserer weiteren Betrachtung sein müssen. Hertwig fällt hinsichtlich des Nachweises dieses Vorganges alles Verdienst zu, welches demjenigen allein gebührt, der einen Vor- gang zum ersten Mal wirklich nachweist, gegenüber denjenigen, die ihn vermutungsweise, als wahrschein- liches Produkt blosser Überlegung, erschlosssen haben.‘ .(l..e. 8.225) | Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 45 Auch nach Kenntnisnahme meiner Toxopneustes-Abhandlung bemerkt Bütschli von den beiden Kernen, welche er zuerst in dem Ei kleiner, freilebender Nematoden entstehen sah, dass sie, wie auch Auerbach bestätigte, nicht die geringste Differenz zeigen und in ganz gleicher Weise entstehen. „Es liege also vorerst gar keine Berechtigung vor, im Sinne Hertwigs den einen derselben als Eikern, den anderen als Kern des Spermatozoon zu deuten.“ (l. c. S. 228.) Auch Auerbach ist nicht auf diese Deutung gekommen, obwohl er eine vorzügliche Beschreibung von dem ersten Auf- treten der beiden Kerne, von ihrer Wanderung und Verschmelzung im Ei von Ascaris nigrovenosa (1874) gegeben hat. Als Vertreter der Karyolvse lässt er eine Zeitlang das reife Ei vor Beginn der Ontogenese kernlos sein. Über die Neuentstehung der beiden Kerne, die an den entgegengesetzten Polen des langgestreckten Eies vor sich geht, macht er die Bemerkung: „Das Material des einen Polarkernes stammt aus der vorderen Eihälfte, an welcher die befruchtenden Zoospermien eingedrungen waren; — der andere Kern stammt aus der hinteren, in jeder Beziehung weniger gut bedachten Eihälfte“ Durch ihre Ver- schmelzung lässt Auerbach diese Differenzen ausgeglichen werden und bemerkt hierzu: „Nach dieser Auffassung ist das Bedürfnis zu diesem ganzen Komplex von Leistungen wesentlich durch diebesondereBeschaffenheit der befruchteten Nema- todeneier bedingt, nämlich durch ihre längliche Gestalt und durch die eigentümlichen Verhältnisse beim Befruchtungsakte, indem sie, durch einen engen Kanal sich durchzwängend, zunächst nur ihre vordere Polargegend den Zoospermien darbieten.“ Auerbach fasst daher den von ihm beobachteten Prozess nicht als einen allgemeinen, für das ganze Tierreich gültigen auf, son- dern sieht in ihm nur einen einzelnen Spezialfall des von ihm untersuchten Nematodeneies. (Zur Prioritätsfrage verweise ich auch auf Anmerkung S auf S. 147.) Da Strasburger zuerst den Nachweis geführt hat, dass auch im Pflanzenreich bei einigen von ihm untersuchten Arten der Befruchtungsprozess in gleicher Weise wie im Tierreich auf der Vereinigung des Eikerns mit einem durch den Pollenschlauch ein- geführten Samenkern beruht. sei noch in einigen Sätzen auf das Verhältnis von seinen und meinen Untersuchungen ein- 46 Oskar Hertwig: gegangen. In seinem berühmten 1375 erschienenen Werk über Zellbildung und Zellteilung, welches für die Karyokinese im Pflanzenreich grundlegend ist, hat Strasburger das Problem der Befruchtung noch nicht berührt. Erst nachdem meine Abhandlung 1875 erschienen war, hat er seiner ein Jahr später veranstalteten zweiten Auflage (1576) ein besonderes Kapitel: Die Befruchtungsvorgänge und ihr Verhältnis zur Zellbildung und Zellteilung, hinzugefügt. Seine Ansichten haben im Laufe der Jahre mehrfach ge- wechselt. Von den neuen Untersuchungen auf tierischem Gebiet durch schriftlichen und mündlichen Verkehr mit Bütschli und mit mir unterrichtet (Näheres in Anmerkung 9, S. 147), hat er auf der Naturforscherversammlung in Graz (September 1875) zwei Vorträge „über Vorgänge bei der Befruchtung“ in der botanischen und in der zoologischen Sektion gehalten und in ihnen eine ver- mittelnde Stellung zwischen Bütschli und mir eingenommen. (Vergleiche Anmerkung 10, S. 147.) Bald darauf hat Strasburger in der zweiten Auflage seines Werkes (1876) seine ursprünglichen Angaben über die ersten Entwicklungsvorgänge im Ascidienei berichtigt, nachdem er seine Alkoholpräparate nach meiner Methode noch mit Osmiumsäure und Bealeschem Karmin nachbehandelte (1576, 1. ce. S. 302). Das Vorhandensein eines Eikerns konnte jetzt noch nachgewiesen und hierauf die Vermutung ausgesprochen werden, dass ein Teil des alten Keimbläschens stets im tierischen Ei verbleibt (S. 301). Auch der 1Yg2—2 Stunden nach der künstlichen Vermischung der Geschlechtsprodukte auftretende Spermakern wurde jetzt auf- gefunden (S. 306). Während so Strasburger auf der einen Seite meine das Seeigelei betreffenden Angaben bestätigte, glaubte er auf der anderen Seite nicht, „dass es bei der Befruchtung auf den Kern des Spermatozoiden als solchen ankommt, vielmehr nur auf die Substanz desselben.“ „Für Phallusia hält er es (im Gegensatz zu der von mir gegebenen Darstellung) für durchaus denkbar, dass die Substanz der Spermatozoiden durch die Eihülle diffundiere und in den Dotter eindringend sich zum Sperma- kern sammle, was hier an der Stelle, wo der Eikern liegt, zu geschehen hätte.“ (l. c. S. 307.) Infolgedessen erklärte er sich auch mit van Benedens Darstellung der Befruchtung bei Säuge- tieren insofern einverstanden, dass es bei der Befruchtung „nicht Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 47 um die Kerne der Spermatozoiden als morphologische Elemente, sondern um die Substanz dieser Kerne als physiologisches Element zu tun sei.“ Analoge Vorgänge bei den Pflanzen glaubt er für diese Auffassung ins Feld führen zu können. Denn in das kern- haltige Ei der Farne werde der ganze Körper des Spermatozoiden aufgenommen; dieses Spermatozoid selbst enthalte aber sicher keinen Kern. Bei der Kiefer und der Fichte könne die Be- fruchtung unmöglich anders als durch Diffusion vor sich gehen (ec. S.308). Zu einer längeren Erörterung nötigt mich leider die Stellung van Benedens zum Befruchtungsproblem. Der von mir wegen seiner Verdienste hochgeschätzte belgische Forscher hat unmittelbar hintereinander im Dezember 1575 und im Januar 1576 zwei vor- läufige Mitteilungen, in denen er auch auf den Befruchtungsprozess im Säugetierei eingeht, in den Sitzungsberichten der belgischen Akademie veröftentlicht. Auf Grund derselben hat er acht Jahre später in seinen 1884 erschienenen Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecondation etc. mir gegenüber sehr ungerechtfertigte Prioritätsansprüche geltend gemacht, auf die auch K. Rabl in seiner jüngsten Schrift zurückgekommen ist. Van Benedens Worte lauten: „En &tablissant que les deux &lements nucleaires different entre eux par leurs caracteres aussi bien que par leur origine et par leur lieu de formation, en exprimant l’idee que le pronucleus central est un &lement ovulaire, l’autre un derive des zoospermes, j’ai donne, et cela avant que le travail de OÖ. Hertwig ait paru, l’interpretation universellement admise aujourd’hui de la signification des pronucleus.“ „La plupart des auteurs recents attribuent exclusivement ä OÖ. Hertwig la theorie actuellement admise de la fecondation. On ne rend pas justicee a Bütschli et sans vouloir enlever aHertwig rien de ce qui lui appartient, je tiens ä revendiquer en partie pour Bütschli (man vergleiche hierzu S. 44 und Anmerkung 7), en partie pour moi-meme, la part, fort inegale d’ailleurs, qui nous revient ä l’un et ä l’autre.‘ Zunächst wäre zu bemerken, dass van Benedens Aussage: er habe die Erklärung über die Bedeutung der beiden Pronuclei schon gegeben, bevor die Arbeit von O. Hertwig erschienen sei, auf einem leicht nachweisbaren Irrtum beruht. Denn er selbst hat uns, was später seinem Gedächtnis ganz entschwunden sein muss, mitgeteilt: „Au moment oü je terminais la redaction 48 Oskar Hertwig: de ma communication preliminaire sur la maturation de l’oeuf, la fecondation et le developpement du Lapin paraissait en Allemagne un important travail de M. O. Hertwig sur la formation, la fecon- dation et la division de l’oeuf d’un echinoderme“ (van Beneden. 1876, I. c. S. 39). Also war van Beneden schon bei der Redaktion seiner ersten vorläufigen Mitteilung in der Lage, sich auch mit dem Inhalt meiner im November erschienenen Habili- tationsschrift bekannt zu machen. (Anmerkung 1lla, S. 148.) Wenn hierdurch die Prioritätsfrage wenigstens in formaler Hinsicht entschieden ist, lege ich doch den grösseren Wert auf die Feststellung auch der sachlichen Verhältnisse. Und in dieser Be- ziehung besteht doch in fundamentalen Dingen ein sehr grosser Unterschied zwischen dem, was ich am Toxopneustes-Ei ermittelt habe, und den Befunden, die van Beneden am Kaninchenei gemacht hat, und der Deutung, die er ihnen damals glaubte geben zu können. In seiner ersten von den beiden oben erwähnten, nach Kenntnis meiner Schrift abgefassten, vorläufigen Mitteilungen lässt van Beneden das Ei kernlos werden und nennt es eine Monerula (1875, l.c. S. 692). An etwa hundert Eiern, die er unter den Augen hatte, sah er zahlreiche tote Samenfäden, teils in der Zona pellucida, teils in dem perivitellinen Raum, aber er konnte trotz aller Bemühungen niemals ein Spermatozoon im Innern des Dotters selbst nachweisen und glaubte daher, dass die Befruchtung im Wesentlichen in der Verschmelzung von Samensubstanz mit der oberflächlichen Lage der Dotterkugel bestehe (8. 695). In befruchteten Eiern hat van Beneden, wie schon Bütschli und Auerbach, auf die er verweist, öfters zwei Kerne auffinden können. Dieselben hatte er schon mehrere Jahre früher einige Male beobachtet, aber in seiner preisgekrönten Schrift (1870) von ihnen angenommen, dass sie durch Teilung des Keimbläschens, an dessen Fortbestand er damals noclı glaubte, entstanden und daher dem ersten Stadium des Furchungsprozesses hinzuzurechnen seien. Diese Ansicht berichtigte er jetzt dahin, dass beide Kerne Neubildungen sind und dass der eine von ihnen an der Oberfläche, der andere im Zentrum des Eies entsteht. Er unterschied sie daher als Pro- nucleus peripherique und Pronucleus central (1875, 1. c. S. 697). Da später nur ein einziger Kern vorhanden ist, leitete van Beneden Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 49 ihn aus ihrer Vereinigung ab, obwohl er eine solche im Unter- schied zu Bütschli, Auerbach und mir selbst nicht beobachtet hat; er liess es daher auch unentschieden, ob der auf späteren Stadien vorgefundene einfache Kern sich durch die Verschmelzung der beiden Pronuclei bildet, oder ob sich der eine von ihnen auf Kosten der Substanz des andern entwickelt (S. 699). In diesen Beobachtungen bestätigte er für das Säugetierei, was vor ihm schon Bütschli, Auerbach und ich auf Grund zusammen- hängender und daher überzeugender Beobachtungen an lebenden Eiern entdeckt hatten. Van Beneden knüpfte zum Schluss an die mitgeteilten Befunde lediglich noch eine Vermutung an, auf die er später seinen Prioritätsanspruch begründet hat: „Il resulte de ce qui precede que le premier noyau de l’embryon se developpe aux depens de deux pronuclei, l’un peripherique qui derive de la couche superficielle d’oeuf, l’autre form& au milieu de la masse centrale du vitellus. Comme j’ai etabli que les spermatozoides s’accolent aA la surface du vitellus pour se confondre avec la couche superficielle du globe, il me parait probable que le pro- nucleus superficiel se forme au moins partiellement aux d@pens de la substance spermatique. Si comme je le pense, le pronueleus central se constitue exclusivement d’el&ments fournis par l’oeuf. le premier noyau de l’embryon serait le resultat de l’union d’el&ments mäles et femelles. J’&nonce cette derniere idee comme une simple hypothese, comme une inter- pr&etation que l’on peut ou non accepter“ (S. 700). Seine zweite Mitteilung hat van Beneden nur einige Wochen später als die erste sofort in der nächsten Januarsitzung der belgischen Akademie erscheinen lassen. Da sie durch meine Abhandlung veranlasst worden ist, beschäftigte er sich in ihr fast ausschliesslich mit meinen Ergebnissen, von denen er nachzuweisen versuchte, dass sie teils in wesentlichen Punkten auf Irrtümern beruhen, teils in der Beantwortung ‚gewisser Fragen von höchster Bedeutung‘‘ mit dem Inhalt seiner ersten vorläufigen Mitteilung Übereinstimmung zeigen. Zu den Irrtümern rechnete er meine Behauptung, dass das Ei kein Monerenstadium durchläuft. Zum Beweis des Gegenteils veröffentlichte er jetzt schon früher ausge- führte Untersuchungen über die Reifung des Seesterneies und wieder- holte, wenigstens an drei verschiedenen Stellen (1876, 1. c. S. 40, Archiv f.mikr. Anat. Bd.%. Abt. II. 4 50 Oskar Hertwig: 43 und 75) die Behauptung, dass nach seiner Untersuchung von Säugetier- und Seesterneiern kein genetischer Zusammenhang zwischen dem zentralen Pronucleus (dem Eikern Hertwigs) und dem Keimbläschen oder irgend einem seiner Teile bestehe und dass der nach der Befruchtung auftretende zentrale Pronucleus ein ganz neugebildetes Element sei. Ebenso suchte er meine Angabe, dass der Kopf des eingedrungenen Samenfadens zum Spermakern werde, zu widerlegen; denn was ich als solchen bezeichne, sei nur ein später entstandener Nukleolus, während der ihn umschliessende körnchenfreie Hof der Strahlungs- figur der wirkliche Kern sei und seinem peripheren Pronukleus entspräche. Da jetzt meine Lehre von der Kontinuität der Kern- generationen und meine Beobachtungen, auf die ich sie begründet habe, von der Wissenschaft als die richtigen allgemein anerkannt worden sind. erübrigt es sich, hierüber noch ein Wort zu ver- lieren. Somit wende ich mich zu den angeblichen Punkten der Übereinstimmung, oder dem. was van Beneden als die identische Lösung gewisser Fragen von kapitaler Bedeutung bezeichnet. Van Beneden fasst sie dahin zusammen (1876, 1. ec. S.43 und 82): „Nous avons reconnu, l’un et l’autre, que le noyau du premier globe de segmentation appel& par moi premier noyau embryonnaire, par Hertwig noyau de segmentation, se d&veloppe aux depens de deux elements nucleaires apres que ceux-ci se sont rejoints et accoles au centre du vitellus. Nous avons admis, l’un et l’autre, que la formation du premier noyau embryonnaire est le resultat de l’union d’un element mäle et d’un element femelle et quoique je n’aie pas prononc‘e le mot conjugaison pour exprimer le fait qui caracterise essentiellement la formation du premier noyau, l’idee n’en existait pas moins dans mon esprit.‘ Und zum Schluss wiederholt van Beneden nach ausführlicher Auf- klärung meiner Irrtümer (S.43—82) noch einmal zusammenfassend: „Mais quoiqu’il en soit des divergences d’opinions qui existent entre M. Hertwig et moi sur certains faits etudies par nous et sur l’interpretation qu’il convient de leur donner, il reste etabli que travaillant indöpendamment l’un et l’autre, lui le developpement d’un Echinoderme, moi l’ontogenie du Lapin, nous sommes arrives aux m&mes conclusions sur les points suivants: 1° Immediatement apres la fecondation il existe dans l’oeuf deux Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. öl elements nucleaires differents: Tun superficiel et peripherique, l’autre central; 2° le premier noyau embryonnaire rösulte de l’union de ces deux pronuclei; 3° ce premier noyau est le produit d’une veritable conjugaison entre un el&ment mäle (pronucleus peripherique) et un &löment femelle (pronucleus central)“ (S. 82). In dieser Zusammenfassung von van Beneden liegt eine vollständige Verschleierung des historischen Verlaufs vor, wie sich unsere Einsicht in den Befruchtungsprozess wirklich ent- wickelt hat. Die Verschmelzung zweier ursprünglich getrennt auftretender Kerne in der Eizelle haben zuerst Bütschli und Auerbach nach dem Vorgang von Warneck bei Nematoden beobachtet. Hierfür kommt ihnen allein die Priorität zu. Dass aber diese beiden Kerne und in welcher Weise sie mit dem Befruchtungs- prozess in Beziehung stehen, habe ich zuerst und kein anderer vor mir erkannt. Denn der Eikern ist schon vor der Befruchtung im Ei bei Toxopneustes vorhanden und daher auch, abgesehen von seiner Abstammung vom Keimbläschen, ohne Frage von mütterlicher Herkunft. Wenn ich mich auch in seiner Ableitung vom IXeimfleck des sich auflösenden Keimbläschens in meiner ersten Abhandlung geirrt habe, so habe ich doch schon ein Jahr darauf bei Nephelis den richtigen genetischen Zusammenhang erkannt, indem ich ihn bei der Bildung des zweiten Richtungs- körpers von der Chromosomengruppe der im Ei zurückbleibenden Spindelhälfte ableitete. Von dem zweiten, erst infolge der Be- fruchtung auftretenden Kern aber führte ich als erster den Nachweis, dass er von einem in das Ei eindringenden Samenfaden abstammt und zwar von seinem Kopf, der die Kernsubstanz seiner Bildungszelle enthält. Somit habe ich als erster auf Grund wirklich beobachteter Verhältnisse, welche die Kontinuität der Kerngene- rationen sowohl in weiblicher, wie in männlicher Linie lehrten, den zentralen und den peripheren Kern als Ei- und Samenkern bezeichnet und an ihre Verschmelzung die Theorie geknüpft, dass das Wesen der Befruchtung auf der Verschmelzung (Kopulation) zweier Zellkerne beruht, von denen der eine mütterlicher, der andere ‚väterlicher Herkunft ist. Zu dieser Auffassung war ich durch‘die von mir aufgefundenen Tatsachen vollkommen berechtigt. Sie war eine kurze Formulierung derselben. Worin besteht nun, frage ich, die von van Beneden 4* 3) Oskar Hertwig: behauptete „Übereinstimmung in der identischen Lösung gewisser Fragen von kapitaler Bedeutung“? Van Beneden stellt die von mir nachgewiesene Kontinuität der Kerngenerationen nach beiden Richtungen in Abrede und entzieht damit meiner Lehre ihre Grundlage und ihre Pointe, indem er die des Keimbläschens behauptet und auch die Samenfäden bei der Berührung mit der Eioberfläche sich auflösen und nur ihre aufgelöste Substanz sich mit dem Dotter vermischen lässt. Wenn er gleichwohl glaubt, die Vermutung aussprechen zu dürfen, dass ein Gegensatz zwischen dem zentralen und dem peripheren Kern bestehen könne, dass dieser vielleicht von der gelösten sperma- tischen Substanz, jener vom Eiinhalt sich ableiten und daher als männliches und als weibliches Element unterscheiden lasse, so hat er damit nur eine Vermutung geäussert, für welche sich ein Beweis mit den heutigen mikroskopischen und chemischen Hilfsmitteln der Wissenschaft überhaupt nicht führen lässt. Denn nach Unterbrechung des morphologischen Zusammen- hangs lässt sich mit chemischen Methoden nicht mehr feststellen, ob von den miteinander gemisch- ten Substanzen die eine mütterlichen oder väter- lichen Ursprungs ist. Zurzeit ist unsere chemische Wissen- schaft, mag man ihre Leistungsmöglichkeiten so hoch schätzen wie man will, noch nicht in der Lage, dass sie ein männliches von einem weiblichen Eiweiss voneinander unterscheiden kann. So verliert denn meine auf dem Nachweis eines morphologischen Zusammenhangs begründete Lehre auf der von van Beneden angenommenen chemischen Basis überhaupt Sinn und Bedeutung. Allerlei unbeweis- baren Vermutungen ist dann Tür und Tor geöffnet. Man kann ebensogut vermuten, dass jeder der beiden Kerne von vornherein ein (zemisch von weiblicher und männlicher Substanz, wie dass der zentrale Kern die ganze männliche und der periphere die ganze weibliche Substanz enthält. Eine Widerlegung auf chemischem Wege ist weder im einen, noch im anderen Fall möglich. — Van Beneden selbst hat in seiner ersten Mitteilung es als wahrscheinlich erklärt, dass der periphere Kern sich wenigstens teilweise auf Kosten der spermatischen Substanz bilde, also nur teilweise männlich sei; (il me parait probable que le pronucleus superficiel se forme au moins partiellement aux depens Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 93 de la substance spermatique). Aber ebensogut ist die umgekehrte Vermutung möglich, dass der zentrale Kern ganz oder teilweise die männliche Substanz birgt. Zwar wird eine solche Vermutung wohl von jedem, der eine Vermischung der aufgelösten Spermasubstanz mit der Dotterrinde annimmt, für die am wenigsten wahrscheinliche gehalten werden; und doch lässt sich aus den Ergebnissen der vergleichenden Morphologie beweisen, dass gerade dieser vom chemisch-physikalischen Standpunkt unwahrscheinliche Fall im Tierreich am weitesten verbreitet ist, nämlich überall da, wo die Befruchtung vor und während der Bildung der Richtungskörper erfolgt. Denn dann ist das Sperma- tozoon, wie uns Asteracanthion, Nephelis, Sagitta, viele Mollusken, Ascaris megalocephala etc. lehren, schon mehr oder weniger weit in das Innere des Eies eingedrungen, während die Polzellen noch an der Oberfläche entstehen. Wenn unter diesen Verhält- nissen Ei- und Samenkern anschwellen und als Bläschen sichtbar werden. findet sich der Samenkern schon mehr zentral, während der aus dem Rest der zweiten Richtungsspindel abstammende Eikern unmittelbar unter der Oberfläche des Dotters gelegen ist. (Man vergleiche die Fig. 3 und 6.) Im Vergleich zum See- igelei (Fig. 9) sind dieRollen geradezu umgetauscht, der periphere Pronukleus ist hier der Eikern, der zentrale Pronukleus der Samenkern, und es muss der erstere nach einwärts wandern, um diesen zu treffen. Wenn bei derartigen Fällen ein Unkundiger wetten wollte, dass der in der Peripherie sichtbar werdende Kern aus spermatischer Substanz bestände, weil dort eine Vermischung mit den aufgelösten Samen- fäden stattgefunden habe, so würde er Einsatz und Wette verloren haben. Bei der Begründung seiner Priorität hat van Beneden das ihm verborgen gebliebene Missgeschick gehabt, die Säugetiere studiert zu haben, beidenen nach den Angaben verschiedener Forscher die Befruchtung des Eies noch vor der Bildung der zweiten Polzelle erfolgt. Daher werden auch bei ihnen die Verhältnisse gerade umge- kehrt wie bei Toxopneustes liegen und den bei Nephelis, bei Sagitta, bei Nematoden etc. beobachteten entsprechen; also wird hier der periphere Pronukleus der an der Austrittsstelle der zweiten Polzelle entstehende Eikern sein, der zentrale Pronukleus aber wird von dem schon tiefer in den Dotter eingedrungenen Samen- 54 Oskar Hertwig: faden abstammen, dessen Kopf sich erst längere Zeit nach seinem Eindringen in einen bläschenförmigen Kern umwandelt. Die Bezeichnung „männlicher und weiblicher Kern“ müssen bei den Säugetieren gerade in wmgekehrter Riebtung als es van Beneden in seiner völligen Un- kenntnisder wirklichen Vorgänge vermutet hat, für den peripheren und den zentralen Pronukleus ge- seben werden. Schon Fol hat einen derartigen Irrtum in der Deutung der beiden Kerne durch van Beneden für wahrscheinlich ge- halten, indem er hierzu bemerkt (1879, 1. c.S. 159): „L’origine de ce noyau a la peripherie, au point d’ou les globules polaires se detachent, a completement &chappe a son observation. L’on ne peut des lors pas etre parfaitement sür que ce qu’il deerit comme le pronuel&eus peripherique, ne corresponde pas, pour quelques uns de ces cas, au pronucleus femelle en voie de formation.“ In seiner Schrift für van Beneden berührt auch Rabl (1915, 1. c.S. 43) die uns hier beschäftigende Streitfrage und hebt als nicht uninteressant hervor, dass van Beneden in Beziehung auf die Theorie der Befruchtung sehr energisch Prioritätsansprüche gegen O0. Hertwig erhoben habe. Er entschuldigt sein Vor- gehen damit, dass man damals nicht so scharf wie heute zwischen der morphologischen und der chemischen Seite der Frage unter- schieden habe. Denn wäre er sich dieses Unterschiedes klar bewusst gewesen, so „hätte er unmöglich seine Prioritätsansprüche so formulieren dürfen, wie es tatsächlich von ihm geschehen ist“. Denn während meine Theorie der Befruchtung als eine morpho- logische, müsse seine als eine chemische bezeichnet werden. Mit dieser von Rabl aufgestellten Formel eines Ver- gleichs ist der von van Beneden in leichtfertiger Weise provozierte Prioritätsanspruch nicht gelöst; denn er bleibt auch bei der Auffassung der Befruchtung als eines chemischen Prozesses nicht minder ungerechtfertigt. Wenn wir auf Grund der vorausgeschickten Aufnahme der Tatsachen und ihrer Er- läuterung jetzt das Resume ziehen, so ergibt sich: 1. Van Beneden gründet seine Priorität auf eine vor- läufige Mitteilung, bei deren Schlussredaktion er bereits meine Abhandlung mit der von mir scharf formulierten Befruchtungs- theorie nach seiner eigenen Angabe in Händen hatte. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 1) 2. In dieser vorläufigen Mitteilung verwertet er eine Reihe von Vermutungen in einem drei Zeilen umfassenden Satz zu einer Hypothese, zu deren Aufstellung ihm jede Unterlage fehlte; daher er denn auch gleichsam entschuldigend hinzufügt: J’enonce cette derniere id&e comme une simple hypothese, comme une interpretation que l’out peut on non accepter. 3. In einer zweiten, schon nach Monatsfrist nachfolgenden Schrift macht sich van Beneden zur Hauptaufgabe, wichtige Ergebnisse meiner Abhandlung als falsch oder unzuverlässig hin- zustellen und sie zu diskreditieren, hebt aber zugleich bei dieser Gelegenheit auch hervor, dass obwohl er in seiner ersten Mitteilung das Wort Konjugation für die Vereinigung des männlichen und des weiblichen Kerns nicht ausgesprochen habe, die Idee davon nichtsdestoweniger schon in seinem Geiste existiert habe. 4. Wie seitdem über jeden Zweifel festgestellt ist, sind die von van Beneden in seinen beiden Schriften geäusserten An- sichten und Vermutungen zum grössten Teil falsch. Falsch ist, dass das Keimbläschen bei der Reifung des Eies sich vollständig auflöst und das Ei kernlos wird; falsch ist, dass die Samenfäden, in Mehrzahl befruchten, sich auflösen und in der Dotterrinde chemisch verteilen. 5. Selbst wenn die Vermutung van Benedens richtig wäre, dass sich der periphere Vorkern aus der in der Rinde verteilten spermatischen Substanz, der zentrale Vorkern aus Dotterbestand- teilen neu bilde, so würde ein wissenschaftlicher Beweis zurzeit hierfür nicht zu erbringen sein, da die Chemie nicht über Mittel verfügt, um weibliche und männliche Eiweisskörper zu unter- scheiden. 6. Die Befruchtungstheorie, dass der Furchungskern aus der Konjugation eines Ei- und eines Samenkerns oder eines Kerns mütterlicher und väterlicher Herkunft entsteht, lässt sich nur vom morphologischen Standpunkt aus, wie es durch meine Unter- suchungen geschehen ist, als richtig beweisen und erhält nur dadurch überhaupt erst einen wissenschaftlichen Wert. 7. Wenn endlich van Beneden bei den Säugetieren den peripher und den zentral als Bläschen entstehenden Kern als Samenkern und als Eikern bezeichnet, so hat er, verleitet durch meine Beobachtungen am Seeigelei, wo die Verhältnisse anders als beim Kaninchenei liegen, aller Voraussicht nach darin ebenfalls 96 Oskar Hertwig: geirrt und die Bedeutung der beiden Kerne vertauscht. Denn bei den Eiern, die vor beendeter Bildung der Polzellen befruchtet werden, entsteht der Eikern erst einige Zeit nach der Befruchtung unter der Austrittsstelle der zweiten Polzelle als peripherer Pronukleus, der befruchtende Samenfaden aber hat inzwischen Zeit gehabt, ohne sich erst stark zu verändern, tiefer in das Ei einzudringen und wird dann erst als zentraler Pronukleus leichter wahrnehmbar. 3. Zur Geschichte des Kernteilungsprozesses (der Karyokinese). Es wird gegenwärtig für jeden Biologen überraschend sein, dass das genauere Studium der Zell- und Kernteilung erst spät durch die mikroskopische Forschung in Angriff genommen worden ist, und dass Strukturen, von denen man mit den damaligen Hilfsmitteln der Mikroskopie schon mancherlei ohne Schwierigkeit hätte feststellen können, dennoch so lange Zeit vollständig über- sehen wurden. Die entgegengesetzten Behauptungen, auf der einen Seite die Behauptung, dass bei jeder Zellteilung der alte Kern zunächst aufgelöst wird und darauf zwei neue Kerne im Protoplasma sebildet werden, auf der anderen Seite die Behauptung, dass der Kern erhalten bleibt und durch einfache Zerschnürung sich in zwei Tochterkerne teilt, hätten doch, so sollte man meinen, Anreiz genug sein müssen, den Streitfall durch gründliche und aus- gedehnte Untersuchungen zu entscheiden. Ein wirklicher Fort- schritt trat indessen erst im Jahrzehnt von 1870 bis 1880 ein und wurde jetzt plötzlich von mehreren unabhängig voneinander arbeitenden Forschern gleichzeitig herbeigeführt. Er begann damit, dass man mit den Strahlungserscheinungen im Protoplasma, welche den Kernteilungsprozess, namentlich bei tierischen Eizellen be- gleiten, genauer bekannt wurde. Obwohl Strahlungen schon früher von verschiedenen Forschern (C.E. v. Baer, Derbes, Kowalevsky) beschrieben worden waren, so haben doch erst Fol und Auerbach dieselben zum Gegenstand eines genaueren Studiums gemacht, der eine bei seinen Untersuchungen der ersten Entwicklungsstadien der Eier von Geryonia (1873), von Pteropoden und Heteropoden, der andere in seiner Arbeit über das Ei von Ascaris nigrovenosa (1874). Fol nannte die an zwei entgegengesetzten Polen des bläschenförmigen Kerns auftretende Strahlung einen Stern oder Aster und beide in ihrer vollen Ausbildung zusammen einen Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 97 Doppelstern oder Amphiaster (Fig. 15b); den Mittelpunkt eines jeden Strahlensystems betrachtete er als ein Attraktionszentrum. Vollkommen zutreffend ist auch jetzt noch die mit vorzüglichen Abbildungen versehene, von Auerbach (1574) gelieferte Be- schreibung der allmählich auftretenden, sich bis zu einem Höhe- punkt steigernden und dann wieder abschwellenden Protoplasma- strahlungen bei der Furchung von Ascaris nigrovenosa. Indessen versucht Auerbach, abweichend von Fol, das eigentümliche Phänomen auf Diffusionsströme zurückzuführen, die sich vom bläschenförmigen Kern bei seiner Auflösung in den Dotter ergiessen. a Fig. 13. b a Frisch abgelegtes Ei von Cymbulia, mit Essigsäure behandelt, im Augenblick, wo der erste Richtungskörper (x) ausgestossen wird. Unter ihm ist ein Attraktionszentrum oder ein Molekularstern (centre d’une £toile mol6culaire) zu sehen. b Ei von Cymbulia, bei beginnender Teilung mit Essigsäure be- handelt, zeigt das Auftreten der molekularen Strahlungen (Ampbhiaster). + Demarkationslinie zwischen den Territorien der beiden Strahlungen. Nach Fol (1875, 1. c. Taf. VIII, Fig. 1 u. 5). Da am lebenden Ei, an dem die Strahlungserscheinungen sehr deutlich hervortreten, der Kern allmählich undeutlich wird und bald spurlos verschwunden ist (Fig. 13 b), und da nach einiger Zeit zwei neue bläschenförmige Kerne an zwei getrennten Stellen des Amphiasters erst klein, dann allmählich grösser werdend, wieder zum Vorschein kommen, so lag die Annalıme einer Kernauflösung oder Karyolyse, wie sie Auerbach nannte, sehr nahe; sie entsprach ja auch in jeder Beziehung den während des Lebens wirklich beobachteten Verhältnissen. Die Annahme irrte nur dadurch, dass „viele Vorgänge bei der Beobachtung des lebenden Objektes, wie ich in meiner Abhandlung 1875 bemerkte, sich der Wahrnehmung deswegen entziehen, weil auf gewissen Entwicklungs- stadien der Kern und die ihn zunächst umgebenden Dotterteile von so gleichartiger Lichtbrechung werden, dass sie selbst mit re) 95 Oskar Hertwig: guten Mikroskopen nicht mehr unterschieden werden können.“ Hier ist es denn geboten,‘ fügte ich hinzu, „die in der mikro- skopischen Technik gebräuchlichen Reagentien bei der Unter- suchung mit zu Hilfe zu ziehen. Durch sie allein können wir die im frischen Zustande nicht mehr wahrnehmbaren Verschiedenheiten zwischen dem Kern und der ihn umgebenden Substanz künstlich steigern und für unser Auge wieder erkennbar machen, indem wir entweder durch Säuren die Eiweisskörper zur Gerinnung bringen oder ihre verschiedene Imbibitionsfähigkeit in Färbungs- flüssigkeiten zu ihrer Unterscheidung benutzen“ (1575, 1. c. S. 399). Diesen Weg schlugen fast gleichzeitig und unabhängig von- einander Schneider, Bütschli, Strasburger und ich ein und lieferten den Beweis, dass der Kern nicht durch Auflösung verschwindet, sondern nur sehr eigentümliche Metamorphosen eingeht, die ihn vorübergehend am lebenden Objekt unsichtbar machen. Schneiders Beobachtungen an Mesostomum (1873) wurden früher besprochen (S. 9). Ohne diese Abhandlung zu kennen, veröffentlichte Bütschli (1873—1875) in einigen vor- läufigen Mitteilungen seine Entdeckung der Spindelfigur in einigen tierischen Zellen; bald darauf erschien das klassische Buch von Strasburger über Zellbildung und Zellteilung im Sommer 1875, ausgezeichnet durch den Reichtum von sorgfältigen Beobachtungen an den verschiedensten pflanzlichen Zellen, wie Eiern, Pollen- mutterzellen und vegetativen Zellen von Phanerogamen und Kryptogamen, von niederen Algen (Spirogyra usw.) und Pilzen. Wenige Monate später folgte dann meine Abhandlung über das Seeigelei (Herbst 1875). Zuletzt wurde im Laufe des Jahres 1876 das schon durch vorläufige Mitteilungen angekündigte, grund- legende Werk von Bütschli herausgegeben. Die Priorität, die Spindelfiguren mit der Mittelplatte und den beiden Seitenplatten zuerst entdeckt zu haben, gebührt Bütschli für das Tierreich, Strasburger für das Pflanzen- reich, doch kann ich für meine Untersuchungen in Anspruch nehmen, dass sie noch vor dem Erscheinen von Strasburgers 3uch und ohne Kenntnis von seinen und Bütschlis Ergebnissen ausgeführt wurden und auch einige, über sie hinausgehende Entdeckungen geliefert haben. Die von Schneider, Bütschli, Strasburger und mir gemachten Beobachtungen haben die erste wichtige Grundlage für Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 59 die moderne Lehre von der Karyokinese geschaffen; sie lassen sich kurz in folgende Punkte zusammenfassen: Das Undeutlichwerden und Verschwinden des Kerns zur Zeit, wo sich an zwei Polen desselben zwei Strahlenfiguren in dem ihn einhüllenden Proto- plasma schärfer zu entwickeln beginnen, beruht auf einer eigen- tümlichen Metamorphose, durch die er sich zu einer Spindel umwandelt (Fig. 14, 15). Die Kernspindel, die bei Pflanzen und Tieren in ihrer Form einige Verschiedenheiten (z. B. Tonnengestalt bei Spirogyra) aufweist und schon bei Infusorien während ihrer Konjugation von Bütschli beobachtet worden war, setzt sich aus parallelen Fasern zusammen, die sich im lebenden Zustand vom umgebenden Protoplasma nicht unterscheiden lassen. In ihrer Mitte sind sie zu dunklen Körnern oder Stäbchen angeschwollen, denen Fol, ihrem Entdecker zu Ehren, den Namen „Renflements de Bütschli“ in seinen Schriften gegeben hat. Ihre Gesamtheit wird von Strasburger und Bütschli als Kernplatte bezeichnet und von ihnen angegeben, dass sie an manchen Objekten (in den embryonalen roten Blutkörperchen vom Hühnchen, in den Pollen- mutterzellen von Allium) untereinander verschmolzen sind. Die Spindelfigur mit ihren Körnern wurde von ihnen durch Behandlung der Präparate mit Reagentien, von dem einen durch absoluten Alkohol und Aufhellung in Glyzerin, von dem andern durch 1°/o Essigsäure sichtbar gemacht. Ich selbst habe mich zu ihrer Fun wu Zweigeteiltes Ei von Toxopneustes in Vorbereitung zur Vierteilung. Chrom- säure-Karmin-Präparate nach O. Hert- Fig. 14. wig. In jede Eihälfte ist ein ver- Ei von Nephelis. Nach Bütschli. schiedenes Stadium der Kernteilung, in Ausgebildete Kernspindel, schon die eine Hälfte eine Spindel mit mittlerer mit geteilter Kernplatte, deren Kermplatte, in die andere eine Spindel Hälften in die Spindelenden ge- wit den zwei Seitenplatten eingezeichnet rückt sind (Bütschli, 18%, Hertwig, 1875, Taf. XII, Fig. 24). Taf. I, Fig. 11). 60 Oskar Hertwig: Darstellung zum ersten Mal der Färbungsmethode bedient und zwar mit Boraxkarmin nach vorausgegangener Konser- vierung der Eier mit 1°/o Chromsäure oder Osmiumsäure, einem Reagens, das von Max Schultze eingeführt, wegen seiner vielen Vorzüge im Bonner anatomischen Institut damals viel verwendet wurde. Der hierauf bezügliche Passus meiner Abhandlung lautet (1875, 1. c. 8. 408): „Auf einem noch etwas weiter vorgerückten Stadium lässt der verdickte mittlere Teil der Spindel eine Anzahl dunkler geronnener, in Karmin stark gefärbter Fäden oder Stäbchen erkennen, welche parallel zu seiner Längsachse angeordnet sind (Fig. 15 oben). Wenn man nun das Präparat so wendet, dass die Spitze der Spindel nach oben sieht, so erblickt man bei Einstellung des Mikroskops auf die Mitte derselben einen kreisförmigen Haufen dunkelrot gefärbter Körner. Diese sind die optischen Durchschnitte der Stäbchen. Wie die stärkere Färbung in Karmin lehrt, bestehen die Stäbchen aus verdichteter Kernsubstanz.“ In der färbbaren Kernsubstanz oder dem Nuklein erblickten schon damals mein Bruder (1876 1. c.) und ich den wesentlichen Bestandteil des Kerns, durch den er sich vom Protoplasma unter- scheidet, und in der Färbbarkeit das wichtigste Mittel, ihn in der Zelle kenntlich zu machen. Später hat dann Flemming das durch seine Färbbarkeit ausgezeichnete Nuklein, das er eine Zeit- lang auch mit diesem Namen bezeichnete, in Chromatin umgetauft und Waldeyer (1888, 1. c. S. 27) hat den aus Chromatin bestehenden Stäbehen den Namen Chromosomen gegeben. Auch auf die von Bütschli, Strasburger und mir entdeckten Bestandteile der karyokinetischen Figur würde diese Namengebung schon damals anwendbar und zutreffend gewesen sein. Anstatt Kernplatte (Strasburger, Bütschli) nannte ich den so eigen- artig differenzierten, aus färbbaren Stäbchen zusammengesetzten Teil der Kernspindel ihre mittlere Verdichtungszone. Obwohl dieser Name sich in der Literatur nicht eingebürgert hat, drückt er doch ganz richtig eine für die Karyokinese sehr charakteristische Eigenschaft der chromatischen Substanz aus, die ja im ruhenden Kern überall verteilt sich bei fortschreitender Kernteilung nicht nur auf die Mitte der Spindel zu den Chromo- somen konzentriert, sondern diese selbst werden, wie die späteren Untersuchungen Flemmings und anderer gelehrt haben, durch Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 61 zunehmende Verkürzung dicker, kompakter und in demselben Maße stärker färbbar, zugleich aber auch im Farbbild am besten wahrnehmbar. In der Tat hat also das Chromatin in der Kern- platte, die dem Mutterstern von Flemming entspricht, eine wirkliche und sehr auffällige Verdichtung erfahren. Der weitere Verlauf der Karvokinese vollzieht sich dann nach der Darstellung von Bütschli (Fig. 14) und Strasburger in der Weise, dass die Kernplatte sich gleichsam in zwei Hälften spaltet (Strasburger, 1875,1.e.S. 211) und dass diese langsam bis in die Enden der Spindel auseinander rücken. Hierbei wird ein Teil der Substanz der ursprünglichen mittleren Platte in die sogenannten Kernfäden (l. c. S. 212) auseinander gezogen und dadurch noch eine Verbindung zwischen den Körnern der beiden Seitenplatten hergestellt {l.c. S. 212). Ähnliche Befunde habe ich am Seeigelei erhalten (Fig. 15 unten), aber in etwas abweichender Weise beschrieben. Die Spindei bezeichnete ich von jetzt ab, da sie sich sehr verlängert und auch in ihrer Form etwas verändert hat, als Kernband, welchen Ausdruck auch Bütschli auf späteren Stadien als bezeichnender gefunden und gebraucht hat. Wie die Kernplatte lasse ich die mittlere Verdichtungszone sich in zwei seitliche Hälften teilen und auseinander rücken. Diese repräsentieren sich, vom Ende des senkrecht gestellten Bandes aus gesehen, wie es auf S.409 (l.c.) heisst, „als zwei in einiger Entfernung übereinander gelegene Körnerkreise‘“, die an Karmin- Osmiumpräparaten ebenfalls dunkelrot gefärbt sind. Auf diesem Stadium konnte ich aber auch noch auf zwei wichtige Strukturverhältnisse der karyokinetischen Figur auf- merksam machen, auf Verhältnisse, die von Bütschli und Strasburger nicht beachtet waren, dann aber auch von Fol in gleicher Weise beschrieben wurden und jetzt als allgemein giltig festgestellt sind. Das eine Verhältnis betrifft die Seiten- platten. Bei ihrem Auseinanderrücken entlang den Fasern nehmen sie nicht das Ende der Spindel ein, wie es Bütschli und Stras- burger ursprünglich beschrieben haben, sondern kommen schon in einiger Entfernung-vor ihm zu ihrer Ruhelage (Fig. 15 unten). Diese entspricht am Amphiaster oder an der Hantelfigur der lebenden Eizelle der Stelle, wo der Stiel der Hantel in die homogene Mittelpartie der Strahlung übergeht. Hier entsteht denn auch gegen Ende der Teilung der Eizelle wieder der bläschenförmige 62 Oskar Hertwig: Tochterkern, wie es schon Auerbach beim lebenden Objekt ganz richtig beobachtet und beschrieben hat. Über die Entstehung der bläschenförmigen Tochterkerne aus der karyokinetischen Figur sind die älteren Forscher in manchen Einzelheiten zu verschiedenen Ansichten gelangt, stimmen aber darin überein, dass die Seitenplatten oder die seitlichen Ver- dichtungszonen die Grundlage für sie abgeben. Bütschli und ich lassen die chromatischen Körner sich durch Aufnahme von Kernsaft vergrössern und dadurch schon an der lebenden Zelle als helle Vakuolen sichtbar werden. Durch ihre noch weitere Vergrösserung und nachfolgende Verschmelzung entsteht allmählich der bläschenförmige Tochterkern, der somit wesentlich ein Produkt der in zwei Hälften geteilten chromatischen Kernsubstanz_ ist. Dagegen lässt Strasburger das im Strahlenzentrum des Amphiaster eingeschlossene, homogene Protoplasma, in welches er auch die Entstehung der Tochterkerne eine Zeitlang hineinverlegte, ausser der Kernplatte mitbeteiligt sein. Hierin stimmte ihm dann später auch Fol (1879, l.c.) bei, der ja schon früher, als er nur die Strahlungserscheinungen im Protoplasma kannte, sich die Tochterkerne aus den centres d’attraction neu bilden liess. Um nun seinen alten Standpunkt mit den neuen, durch Reagentien- behandlung und Färbung gewonnenen Erfahrungen zu vereinen, nahm er eine Entstehung der Tochterkerne aus zwei Quellen an. Einen Teil leitete er, wie Bütschli und ich, von der Substanz des alten Kerns, von den Bütschlischen Körnern ab, den zweiten Teil aber liess er das im Mittelpunkt jeder Amphiasterstrahlung gelegene Protoplasma (amas sarcodique de l’aster, 1. c. S. 263) liefern. Seine Aufnahme in den alten Kernbestandteil geschieht nicht auf dem Wege der Ernährung, sondern durch Beimischung (alliage, 1. c. S. 263). Im Hinblick darauf, dass sich das Ende der Spindel noch über die Seitenplatten oder über die Stellen, wo schliesslich die beiden Tochterkerne entstehen, eine Strecke weit bis in die Mitte der beiden Protoplasmastrahlungen fortsetzt, habe ich an der karyokinetischen Figur auf der Höhe ihrer Ausbildung fünf Ab- schnitte unterschieden (1875, l.c. 8. 409): 1. die beiden Ver- dichtungszonen (seitliche Kernplatte Strasburgers, Tochtersterne Flemmings); 2. das Mittelstäck oder die Verbindungsfäden Strasburgers und 3. die beiden Endstücke, die bis ins Strahlen- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 63 zentrum hineinragen. An diesen wurden auch schon damals von mir und Fol die kleinen Körperchen, die jetzt als Zentrosomen eine so wichtige Rolle spielen, beobachtet, beschrieben und ab- gebildet. „Die Spitze der Spindel“, heisst es in meiner ersten Abhandlung (1875, S.408), „nimmt gerade die Mitte der körnchen- freien Stelle ein und tritt als ein besonders deutlich erkennbares, dunkles, geronnenes Korn hervor“ (Fig. 15 oben). Auch die Streckung des Zentrosoms auf dem Hantelstadium, wie sie später von Boveri genauer untersucht und als Übergang zur Teilung gedeutet worden ist, habe ich ebenfalls gesehen (Fig. 15 unten), wie aus den Fig. 23, 24, 23b meiner Abhandlung (1875, 1. c.) und dem dazugehörigen Text (siehe Anmerkung 11b) hervorgeht. Ebenso hat Fol in seiner Monographie die jetzt als Zentro- somen bezeichneten Körperchen in vielen seiner Figuren, die nach Osmiumkarmin- oder Pikrokarminpräparaten gezeichnet wurden. deutlich abgebildet (1879,1.c. Taf. VII, Fig. 3, 4, 5, 6 und 10 ac usw.) und als „corpuscule central de l’aster* an sehr vielen Stellen BamesurBextes. (18793 rc. 83171 175,178 18054191, 223) beschrieben. Am Schluss der Zellteilung lässt er sie in die jungen Tochterkerne mit aufgenommen werden (siehe Anmerkung 12). In seiner Bibliographie geht Fol auch auf die Körperchen ein, die ich noch an Osmiumpräparaten an den Enden der Spindel in der Mitte der Strahlung gefunden und abgebildet habe, und identifiziert sie mit seinen Beobachtungen, indem er von meinen Figuren sagt: „Le corpuscule de l’extr&mit‘ du fuseau repond A ce qui jJai nomme le corpuscule central de l’aster“ (1879, l.c. 8.223). Auf diese Strukturverhältnisse bin ich etwas ausführlicher eingegangen, weil sie in Schriften, die sich mit der Geschichte des Kernteilungsprozesses beschäftigen, ganz in Vergessenheit geraten sind. (Vergleiche Anmerkung 13. Seite 149.) Zusammenfassung. Wie aus unserer kritisch-historischen Untersuchung hervor- geht, war auf einem Gebiet der mikroskopischen Anatomie, das lange Zeit fast ganz brach gelegen hatte, plötzlich eine sehr rege und erfolgreiche Forschertätigkeit wachgerufen worden; durch sie wurde in wenigen Jahren eine sichere Grundlage für die Lehre der Kernteilung, der Eireifung und des Befruchtungsprozesses gelegt. Unter den neuen Errungenschaften sind folgende für die allgemeine Biologie die wichtigsten: 64 Oskar Hertwig: 1. Bei der Teilung der Zelle findet keine Karyolyse sondern eine eigentümliche Kernmetamorphose, eine Karyokinese, statt. Denn der bläschenförmige Kern des Ruhezustandes wandelt sich in eine faserige Spindel um, in deren Mitte sich die färbbare Kernsubstanz als eine Scheibe von Körnchen oder Stäbchen ansammelt und die Kernplatte (Mittelplatte oder mittlere Ver- dichtungszone) bildet. Durch Teilung der Mittelplatte werden zwei Seitenplatten gebildet, die bis auf eine geringe Entfernung vom Ende der Spindel auseinanderweichen und das Material liefern, aus dem sich die neuen bläschenförmigen Kerne der beiden Tochterzellen herleiten. Bei den Embryonalzellen tierischer Eier finden sich an den Enden der Spindel kleinste, an Osmiumkarmin- präparaten besonders deutlich wahrnehmbare Körperchen, die das Zentrum der auffälligen, im Laufe der Karyokinese verschieden stark ausgeprägten Strahlenfiguren im Protoplasma einnehmen und später Zentrosomen genannt worden sind. Zwei Strahlen- figuren bilden zusammen einen Amphiaster. 2. Beim Reifeprozess des Eies entsteht aus Bestandteilen des Keimbläschens die Richtungsspindel, die sich an der Entwicklung der zwei Richtungskörperchen beteiligt. Diese bilden sich aus dem Ei auf dem Wege der Zellteilung, die wegen der ausserordentlich ungleichen Grösse ihrer Teilprodukte besser als eine Zellknospung bezeichnet wird. Bei der letzten Teilung bleibt die zentrale Hälfte der zweiten Richtungsspindel in der Eirinde zurück und lässt hier aus der färbbaren Substanz ihrer seitlichen Körnerplatte den Kern des reifen, zur Befruchtung jetzt vorbereiteten Eies oder den Eikern hervorgehen. Die Richtungskörperchen sind wirkliche. rudimentäre, am animalen Pol gelegene Polzellen. 3. In der Entwicklung des Eies besteht zu keiner Zeit ein kernloses oder ein Monerula-Stadium. Das Gesetz der Kontinuität der Kerngenerationen ist erstens durch die Entstehung des Ei- kerns infolge der Eireifung aus dem Inhalt des Keimbläschens. zweitens durch die Herkunft des Kopfes des Samenfadens vom Kern der Spermatide (La Valette), drittens durch die Wider- legung der Karyolyse durch die Metamorphose des Kerns bei der Teilung schon fest begründet worden. Omnis nucleus e nucleo. 4. Die Befruchtung erfolgt unter normalen Verhältnissen durch das Eindringen eines einzigen Spermatozoon in den Dotter. Der wesentliche Vorgang hierbei ist die Umwandlung seines aus Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 65 der Kernsubstanz der Spermatide gebildeten Kopfes in einen bläschenförmigen Samenkern und seine Kopulation und Ver- schmelzung mit dem Eikern. Samen- und Eikern liefern zusammen den Furchungskern, von welchem die zahllosen Kerngenerationen des sich entwickelnden Eies in ununterbrochener Kontinuität abstammen. Von dem Anteil der verschiedenen, auf den vorhergehenden Blättern genannten Forscher und vondem historischen Zusammenhang der Entdeckungen und der Deutungen der neu beobachteten Tat- sachen glaube ich den richtigen Nachweis durch das Studium der einschlägigen Literatur geliefert zu haben. Die zweite Periode. (Neue Entdeckungen.) Es ist in hohem Grade erfreulich zu verfolgen, wie auf der in der ersten Periode geschaffenen Grundlage jetzt zahlreiche neue Fortschritte, zum Teil von grosser Tragweite, fast Schlag auf Schlag einander folgen. Ein rühmlicher Wetteifer beginnt auf allen drei der oben besprochenen Forschungsgebiete, auf dem Gebiet der Karyokinese, der Reifung der Greschlechtsprodukte und der Befruch- tung. Eine Zeitlang tritt hierbei das Studium der Karvokinese in den Vordergrund. Flemming, Retzius, Rabl, van Beneden, denen sich eine rasch anwachsende Zahl von Forschern auf tierischem und botanischem Gebiet anschliesst, liefern ausgezeichnete Untersuchungen, die eine vervollkommnetere Beherrschung der mi- kroskopischen Methoden leicht erkennen lassen. 1. Fortschritte in der Erforschung der Karyokinese. Eine Zeitlang hat auf diesem Gebiet Flemming, dessen erste bahnbrechende Arbeiten sich in den Jahren 1879, 1880, 1882 rasch aufeinander folgten, die Führung übernommen. Auch die von ihm erzielten Fortschritte sind nicht zum wenigsten durch eine bessere Methode und durch die Wahl eines geeigneten Objektes ermöglicht worden. Flemming hat nicht nur die Einwirkung verschiedener heagentien (Essigsäure, Chromsäure, Pikrinsäure, Osmiumsäure, chromsaure Salze und ihre Gemische) auf die Struktur der Zelle und besonders ihres Kerns zum Gegenstand kritischer Studien Archiv f mikr. Anat. Bd. 90. Abt.1II. 5 66 Oskar Hertwig: gemacht, sondern auch die Kernfärbemethoden, die Verwertung von Hämatoxylin und Anilinfarben, wie Safranın, zu einem höheren (rad der Vollendung als vor ihm gebracht; er hat dadurch von dem Verhalten der färbbaren Kernsubstanz auf den einzelnen Teilungsstadien Bilder von so überraschender Schärfe gewonnen, dass sie damals alles Vorangegangene weit übertrafen. Der Ersatz der Einbettung in Glyzerin durch Kanadabalsam und Damarlack und die Verwendung des Abbeschen Beobachtungsapparates beim Studium des farbigen Kernbildes haben ebenfalls zum Fortschritt das ihrige beigetragen. Nicht minder aber verdankt Flemming seine Ergebnisse auch der Gunst des von ihm gewählten und seitdem immer und immer wieder studierten Untersuchungsobjektes, das eine wertvolle Ergänzung zu den Objekten der vorausgegangenen Periode bildet, nämlich den Gewebszellen von Salamanderlarven. Bei den früher untersuchten Teilstadien der Eier wirbelloser Tiere sind die chromatischen Kernfiguren sehr klein und ausserdem in eine dicke Hülle von Protoplasma eingeschlossen, welches die Anwendung von Farbstoffen zur Erzielung scharf ausgeprägter Farbbilder sehr erschwert. Bei den Gewebszellen der Salamanderlarven dagegen zeichnen sich die chromatischen Kernfiguren infolge des Chromatin- reichtums ihrer grossen Kerne durch aussergewöhnliche Grösse aus, zugleich sind sie an geeigneten dünnen Teilen des Körpers (wie Kiemenblättchen, Flossensaum) in den protoplasmaarmen Epithel- und Bindegewebszellen durch Färbung so deutlich zu machen, dass sich viele neue Tatsachen, welche früher der Beobachtung ent- gangen waren, jetzt genau und leicht ermitteln liessen. Der Fortschritt, den Flemmings Arbeiten bewirkt haben, beruht im wesentlichen auf einer genauen Feststellung der komplizierten Metamorphosenreihe, welche die chroma- tische Substanz während der Karyokinese vom Mutterkern beginnend bis zur Vollendung der neuen Tochterkerne durchläuft und welche sich in der von ihm erreichten Vollständigkeit nur an einem so vorzüglich geeigneten Objekt wie die Salamanderlarve er- kennen liess. Flemming zeigte mit seiner verbesserten elektiven Färbetechnik, wie das Chromatin im ruhenden Kern in feinen und gröberen Körnchen auf einem Gerüst nicht färbbarer Fäden verteilt ist, zuweilen auch dickere Netzknoten bildet und sich ın der Art der Färbung von den echten Nukleolen unterscheidet. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 67 Es gelang ihm zu verfolgen, wie die ursprünglich getrennten Uhromatinkörnchen sich im Vorstadium einer beginnenden Karyo- kinese zu einem oder wie sich später richtiger herausstellte, zu mehreren feinen, geschlängelten Fäden verbinden. Aus dem Knäuel- stadium leitete er durch Übergänge die wichtige chromatische Figur ab, welche in der ersten von mir unterschiedenen Periode Kernplatte oder Verdichtungszone, jetzt aber Äquatorialplatte und wieder später Mutterstern (Monaster) bezeichnet wurde. Die früher als Körner und Stäbchen (Hertwig) beschriebenen Ele- mente erwiesen sich ihm als u-förmig zusammengebogene Fäden, die von Waldeyer mit dem jetzt gebräuchlichen Namen „Uhromo- somen“, von mir auch Kernsegmente benannt wurden. Sie liefern zusammen, wie alle chromatischen Figuren der Salamanderkerne während der Karyokinese, so regelmässige und zierliche, von Flemming genau erforschte Bilder, dass sie als Ausdruck einer auffällig gesetzmässigen Struktur ein allgemeines Aufsehen und Interesse bei ihrem ersten Bekanntwerden hervorriefen. Als die weitaus wichtigste Errungenschaft dieser muster- haften mikroskopischen Untersuchungen ist ohne Frage die schon 1879 von Flemming entdeckte Tatsache anzusehen, dass die chromatischen Fäden „sich der Länge nach halbieren“ (1879, 12 e. 82 379) Taf! XV), Fig. 9, 10,'11).. Gleich in seiner ersten Mitteilung hat Flemming in „der Längsspaltung“ einen typischen Vorgang (l. ec. S. 379) und „ein wesentliches, konstant durchlaufenes Stadium“ erblickt, und mit Recht bemerkt, dass „vor ihm von einer derartigen Spaltung der Fäden bisher kein Untersucher der Kernteilung etwas mitgeteilt habe“. Aller- dings hat Flemming selbst aus seiner Entdeckung noch nicht die so naheliegende und theoretisch so wichtige Folgerung ge- zogen, dass durch die Längsspaltung der im Mutterstern vereinten Fäden das chromatische Material für die beiden Tochtersterne (Seitenplatten) und in weiterer Folge für die beiden Tochter- kerne voneinander gesondert werde. Aber er hat schon 1879 an diese Möglichkeit nicht nur gedacht, sondern sie auch reiflich erwogen, indem er die Frage aufwarf (l.c. S. 384): „Was bedeutet die Längsspaltung der Fäden überhaupt? Als ich sie auffand, habe ich zunächst daran gedacht, dass sie vielleicht ein Homologon, wenn auch in sehr abweichender Form, der Zweiteilung darstellen könne, welche nach Strasburgers, Bütschlis und O. Hertwigs 5»* 65 Oskar Hertwig: Befunden die Elemente der „Kernplatte“ in den betreffenden Zellen eingehen: dass die eine Längshälfte jedes Fadens in die eine. die andere in die andere Hälfte der Kernfigur, resp. in je einen künftigen Teilkern hineinrücken könnte.“ „Ich habe diese Hypothese hier angeführt, weil mir die Längsspaltung der Fäden doch zu merk- würdig erscheint, als dass man nicht versuchen sollte, sich Ge- danken darüber zu machen. Einstweilen werfe ich sie aber als eine reine Möglichkeit hin, ohne dafür irgendwie präokkupiert zu sein.“ Auch in seiner zweiten Mitteilung aus dem Jahre 1580 geht Flemming noch einmal auf die Längsspaltung der Fäden ein, die er seitdem an vielen Zellarten von Salamandra als konstantes Phänomen der Kernteilung beobachtet hat; obwohl er ein Kunstprodukt für ausgeschlossen hält, gibt er doch auch jetzt noch seine Meinung dahin ab: „die Längsspaltung ist mir in ihrer Bedeutung ebenso vollkommen rätselhaft geblieben wie früher“ (1880, 1.c.S. 211). Auch in seinem zusammenfassenden Werk über Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung 1882 hat er seinen Standpunkt in dieser Frage, die er wieder erörtert, nicht geändert. Die von manchen Forschern, unter ihnen auch von Stras- burger, anfangs angezweifelte Längsspaltung der Fäden erlangte rasch allgemeine Anerkennung. G. Retzius beobachtete sie in seinen Studien über Zellteilung (1551) bei Tritonlarven, schloss sich aber auch der Ansicht von Flemming darin an, „dass noch keine direkten Beweise dafür vorliegen, dass. die zwei Zwillings- fäden jedes Mutterfadens nach den beiden entgegengesetzten Zentren sich trennen und ziehen lassen“. Andere Bestätigungen folgten; zugleich ergab sich jetzt die Beantwortung der von Flemming wiederholt aufgeworfenen Frage, welche zu entscheiden er und Retzius wohl durch ihre grosse Gewissenhaftigkeit und Bedenklichkeit, aus einer Reihe fixierter Stadien wichtige Schlüsse auf den ihnen zugrunde liegenden Vorgang zu ziehen, verhindert wurden. Denn wenn die Zell- und Kernteilung im Ganzen auf einer Halbierung in zwei einander gleichartige Hälften besteht, so konnte es wohl aller Wahrscheinlichkeit nach bei der Längs- spaltung der Fäden sich auch um nichts anderes in bezug auf die chromatische Substanz handeln. Schon in der ersten Forschungs- periode haben Bütschli, Strasburger, Hertwig, Fol die beiden Seitenplatten durch Spaltung der Mittelplatte und durch Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 69 Auseinanderweichen der beiden Hälften entstehen lassen. Daher lag von jetzt ab die Entscheidung, wie C. Rabl (1915, 1. ec. S. 94) mit vollem Recht sich ausdrückt, „sozusagen in der Luft“, nach- dem einmal die nicht leicht zu beobachtende Längsspaltung der Chromosomen als ein gesetzmässiger Vorgang in der Karyokinese durch Flemming und Retzius nachgewiesen worden war. Die Entscheidung wurde auch unmittelbar darauf im Jahre 1883 von mehreren Forschern herbeigeführt, die gleichzeitig und unabhängig voneinander an verschiedenen Objekten arbeiteten, von Heuser. Guignard, Rabl, van Beneden, Nussbaum. Und noch vor ihnen entschied sich Roux, ohne eigene Unter- suchungen gemacht zu haben, aus rein theoretischen Gründen für Flemmings zweifelhaft gelassene Hypothese in seiner gedanken- reichen. kleinen Schrift: „Über die Bedeutung der Kernteilungs- figuren. eine hypotbetische Erörterung.“ (1883.) Von mechanischen Betrachtungen und von den Angaben Pfitzners (1882, 1. c. S. 290) ausgehend. nach denen der Chromatinfaden aus aneinandergereiltten Körnern zusammen- gesetzt ist, glaubt Roux sich zu der Annalıme berechtigt, dass das Chromatin eine aus qualitativ sehr verschiedenen Stoften zusammengesetzte Substanz und in dem Kerngemisch auf zahl- reiche verschiedene Kügelchen in der Art der von Pfitzner beobachteten (Gebilde gesondert ist. Die Aufgabe, eine solche Substanz in zwei gleichartige Hälften zu teilen, ist dann technisch zu lösen, wenn die qualitativ verschiedenen Körner sich zu einem feinen Faden, wie es im Knäuelstadium geschieht, in einer einfachen Reihe aneinander fügen und sich in der Mitte der Kernteilungsfigur als Fadenschleifen zum Mutterstern anordnen. Nach solehen Vorbereitungen muss eine Verteilung der qualitativ sehr verschiedenartigen Kernsubstanzteilchen in zwei gleiche Hälften erfolgen, wenn die Mutterkörner sieh in Tochterkörner zerlegen und eine Längsspaltung des Fadens hervorrufen und wenn beide Hälften noch durch geeignete Vorrichtungen nach entgegenge- setzten Richtungen auseinander entfernt werden. Den Zweck der Ikarvokinese fasst daher Roux kurz dahin zusammen: „Die Kernteilungsfiguren sind Mechanismen, welche es ermöglichen. den Kern nicht bloss seiner Masse, sondern auch der Masse und 3eschaftenheit seiner einzelnen Qualitäten nach zu teilen. Der wesentliche Kernteilungsvorgang ist die Teilung der Mutterkörner, 70 Oskar Hertwig: alle übrigen Vorgänge haben den Zweck, von den durch diese Teilung entstandenen Tochterkörnern desselben Mutterkorns immer je eines in das Zentrum der einen, das andere in das Zentrum der anderen Tochterzelle sicher überzuführen.“ Roux setzt also bei seiner hypothetischen Erklärung als notwendig voraus, dass an die Längsspaltung der Fäden eine Verteilung ihrer Spalt- hälften auf die beiden Tochterzellen sich anschliessen muss, ein Vorgang, den auch schon Flemming und Retzius als möglichen Fall besprochen hatten, aber als einen hypothetischen behandeln mussten, da sie ihn durch ihre Beobachtungen nicht glaubten entscheiden zu können. Aber auch bei Roux handelt es sich nur um das Schlussglied in einer Kette von Hypothesen. wie er ja auch ganz richtig seine kleine Schrift als eine hypothe- tische Erörterung bezeichnet. Das letzte Wort hatte auch jetzt noch die Beobachtung zu sprechen; diese fiel denn alsbald, wie bei der ganzen Sachlage zu erwarten war, zugunsten der schon mehrfach geäusserten und sehr naheliegenden Vermutung aus. Auf botanischem Gebiet brachte die Untersuchung des Wandbelegs von Fritillaria, eines sehr geeigneten und damals viel studierten Objekts, die Lösung der Frage: „Im August dieses Jahres (1883)“, schreibt Strasburger in seinen Kontroversen der indirekten Kernteilung (l.c. S. 255), „teilte mir Emil Heuser mit, dass er die Längsspaltung der Kernsegmente an mehreren Präparaten gesehen und konstatiert habe, dass die Längshälften jedes Segments sich auf verschiedene Tochterkerne verteilen. Er zeigte mir seine Zeichnungen der diesbezüglichen Zustände, die in der Tat mit Evidenz seine Behauptung stützten“. Heuser veröffentlichte seine Entdeckung noch am Anfang des Jahres 1554 im fünften Band des Botanischen Zentralblattes. Vor Ausgabe des betreffenden Heftes war aber auch schon eine vorläufige Mitteilung von Guignard in der Septembernummer der Comptes rendus (1883) erschienen, in welcher von einer Verdoppelung der Kernsegmente durch Längsspaltung bei Fritillaria berichtet und hierzu weiter bemerkt wird: „Jede Hälfte der Segmente, welche an der Bildung der beiden 'Tochterkerne sich beteiligen sollen, wendet das eine ihrer mehr oder weniger umgebogenen Enden oder den Winkel, den ibre beiden Schenkel bilden, falls die Krümmung in der Mitte erfolgt, nach der Richtung der Pole, welche zwei neue Attraktionszentren darstellen, um welche die Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 71 verdoppelten Segmente eine strahlige Anordnung annehmen.“ Bei einer Nachuntersuchung an demselben Material hat Strasburger, welcher eine Zeitlang gegen die Längsspaltung der Kernsegmente Zweifel ausgesprochen hatte, noch im Jahre 1884 die Angaben von Heuser und Guignard in seinen Kontroversen der indirekten Kernteilung vollauf bestätigen können. In ähnlicher Weise fand zu derselben Zeit eine mehrfache selbständige Entdeckung der Verteilung der Tochterschleifen bei tierischen Zellen von Rabl, van Beneden und Nussbaum statt. Am 20. September 1383 hielt C. Rabl, wieer zur Klar- stellung der Greschichte dieser Entdeckung selbst berichtet, auf der Naturforscherversammlung in Freiburg i. B. einen Vortrag über Zellteilung, in welchem er seine Beobachtungen am Sala- mander und Proteus mitteilte und seine Präparate demonstrierte.“ Er war bei seinen Untersuchungen, die erst später im Morpho- logischen Jahrbuch (1885) ausführlich veröffentlicht wurden, zu demselben Resultate wie Heuser und ganz unabhängig von ihm gelangt. Van Beneden stellte den Sachverhalt an den Eiern von Ascaris megalocephala in erschöpfender Genauigkeit vollständig klar. An seinem aussergewöhnlich günstigen Studienobjekt, das nur vier auffallend grosse Chromosomen besitzt, konnte er die Längs- spaltung der Mutterfäden und das allmählich in entgegengesetzten Richtungen erfolgende Auseinanderweichen der Tochterfäden sowie ihre Verteilung auf die beiden Zellhälften (1884, 1. c. Taf. XIXter, Fig. 4, 5, 7—10) sehr viel leichter als bei Fritillaria und Salamandra mit ihrer hohen Zahl sehr viel kleinerer Chromosomen feststellen. „C'est cette simplicite relative“, bemerkt daher mit Recht van Beneden in bezug auf diesen Punkt (l. c. 1884, Separat- a b c Fig. 16. Schematische Darstellung der Längsspaltung der Mutterchromosomen in 2 Tochterchromosomen und ihre Verteilung auf 2 Tochterzellen. Nach van Beneden und Neyt (1887, 1.c. Taf. VI, Fig. 7, S, 10). 12 Oskar Hertwig: ausgabe, S. 328): „qui m’a permis de trancher positivement ce point si important pour l’histoire de la division indirecte des cellules.“ Van Benedens berühmte Untersuchung ist im Früh- jahr 1554 erschienen. Einige Wochen vorher aber hatte schon Nussbaum über das gleiche Untersuchungsobjekt eine Ab- handlung veröftentlicht, nachdem er im Jahre 1883 eine vorläufige Mitteilung in den Sitzungsberichten der Niederrheinischen (Gesellschaft Auch Nussbaum beschreibt und bildet von Asc. megaloc. (Fig. 17a) mit nur vier Chromosomen ab (1884,.1. ce. Taf. X, Fig. 43, 45,47): Über ihr Verhalten im weiteren Ver- lauf der Karyokinese (Fig. 17b) spricht er sich zwar kurz, aber in einer Weise aus, die sich auch nur im Sinne der von van Beneden viel genauer ausgeführten und be- gegeben hatte. den Mutterstern gründeten 1aay, 307% a Ei von Ascaris megalocephala mit 4 nach aussen offenen Schenkel- paaren der Fadenfigur. Nach Nussbaum (1884, Taf.X, Fig. 43). b Ei von Ascaris megalocephala im Beginn der ersten Durch- furchung, nach M. Nussbaum. Es haben sich die dicken Fäden der Fig. 17a gespalten und so umgelagert, dass die offenen Seiten der Schenkelpaare in den beiden Kernhälften einander zugekehrt sind. Die zwei unteren Schenkel- paare lassen sich bei anderer Lagerung des Eies ebenfalls in 4 auflösen (1884. Taf. X, Fig. 46). Botaniker Guignard in Darstellung verstehen lässt. (Vergleiche Anmerkung 14.) Auf die Geschichte der Längsspaltung der Chromosomen und der Verteilung ihrer Spalt- hälften auf zwei Tochterkerne bin ich ausführlicher deswegen ein- gegangen, weil van Beneden auch aus diesem Anlass mit dem einen erbitterten Prioritätsstreit ver- wickelt worden ist, der nach dem Urteil von Rabl (1915, 1. ce. S. 92) „einen recht unerquicklichen Eindruck macht“. Van Beneden musste dabei erfahren, dass die Botanische Gesellschaft von Frankreich ihm die Aufnahme eines gegen Guignard gerichteten Artikels in ihre Berichte verweigerte mit der Motivierung, dass er „une communication blessante pour un de ses membres“ sei (van Beneden 1889, l. ec. S. 488 und 495). Nach den oben mitgeteilten historischen Tatsachen wird sich jeder sein eigenes Urteil auch in dieser Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 75 Angelegenheit bilden können. (Man vergleiche hierzu auch Rabl 1915, 1. c.S. 92—94, dessen Ausführung ich vollständig beistimme.) Als einen zweiten grossen Fortschritt betrachte ich die Ermittelung des Zahlengesetzes der Chromosomen. Schon Flemming (1582. 1. c. S. 51 und 52) hat sich bei seinen Untersuchungen bemüht, die genaue Zahl der Chromosomen in den Kernfiguren von Salamandra zu bestimmen. In drei Fällen fand er mit Sicherheit 24 Elemente, in 20 andern konnte er dagegen ihre Zahl nur auf 17—22 schätzen. Trotz dieser ungleich- artigen Ergebnisse scheint ihm „immerhin der Befund vorläufig bemerkenswert, schon um zu zeigen, wieviel sich mit den Kernen von Salamandra machen lässt“. Wie er indessen etwas später in seinem Hauptwerk (1582) erwähnt, hat er schon bald die Hoftinung auf das Vorhandensein eines Zahlengesetzes und damit auch „das zeitraubende Zählen aufgegeben, weil er von vornherein salı, dass es sich um ein ganz durchgehendes Zahlengesetz nicht handeln kann“. Denn nicht nur sei bei den Hodenzellen von Salamandra die Zahl der Schleifen bedeutend geringer als bei den Hautepitliel- und Bindesubstanzzellen, sondern es seien auch bei verschiedenen Tier- und Pflanzenarten die Zahlenver- hältnisse sehr verschieden. Auch Strasburger hat viele Zählungen der chromatischen Elemente ausgeführt (1882, 1. e. S. 494 und 504) und bei den Liliaceen die Zahl 12 vorherrschend gefunden, bei Funkia mehr als 24, bei einer Amarvllidee S und bei Psilotum sogar etwa 140. Mit grösseren Hoffnungen auf Erfolg nahm Rabl die Be- mühungen Flemmings wieder auf. Nach seinen Bestimmungen hält er die Zahl 24 für die Epithel- und Bindegewebszellen der Salamanderlarven für konstant. Um eine Gesetzmässigkeit in den Zahlen zu finden, sei es „nicht erlaubt, die Zellen und Gewebe weit. voneinander stehender Tierkreise miteinander zu vergleichen‘. Auch habe man sich „mit Rücksicht auf die Frage. ob die Schleifenzahl konstant sei, jedesmal an ganz bestimmte Zellen zu halten. und in dieser Beziehung spricht Rabl die Überzeugung aus, dass für jede Zellenart ein ganz bestimmtes Zahlengesetz existiert. „So bin ich“, fährt er fort (1885, 1. c. S. 250), „aus den oben angeführten Gründen überzeugt, dass in den Epidermiszellen der Salamanderlarve ganz konstant 24 Schleifen auftreten, dass ferner diese Zahl auch für die Bindegewebszellen 4 Oskar Hertwig: gilt und dass endlich in den Hodenepithelien die Schleifenzahl stets eine geringere, aber gleichfalls ganz konstante ist. Bei anderen Tieren kann und wird die Zahl eine grössere oder kleinere sein. Aber ich bin zu sehr von der (resetzmässigkeit aller, auch der unscheinbarsten Vorgänge überzeugt, als dass ich glauben könnte, die Schleifenzahl könne bei ein und demselben Tiere und ein und demselben Gewebe einem Wechsel unterworfen sein.“ In dieser Bestimmtheit und Klarheit hat vor Rabl kein anderer Forscher sich über das Zahlengesetz der Chromo- somen ausgesprochen und es als notwendig gefordert. Seine Richtigkeit konnte allerdings erst durch viel umfassendere Unter- suchungsreihen, als sie damals vorlagen, bewiesen werden, wie es in der Folge durch die Zusammenarbeit zahlreicher Forscher geschehen ist. Auch gewann das Gesetz noch vor dem Erscheinen von Rabls Abhandlung (1855) eine viel bessere Grundlage, als Nussbaum und van Beneden in den Blastomeren und Ur- geschlechtszellen von Ascaris megalocephala bivalens den Mutter- stern regelmässig nur aus vier Chromosomen, deren Zählung nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitet, zusammengesetzt fanden. Vor allen Dingen aber wurde jetzt durch van Benedens wich- tigste Entdeckung, auf deren (Geschichte ich später noch aus- führlicher zurückkommen werde, die geringere Zahl der Chromo- somen in der letzten Generation der Geschlechtsprodukte, wie in den Hodenzellen, durch welche Flemming wohl hauptsächlich in der Annahme einer konstanten Chromosomenzahl irre gemacht worden war, vollständig aufgeklärt: denn ihm gelang der Nach- weis, dass die Kerne der reifen Geschlechtszellen nur halb so viel Chromosomen als die (rewebszellen besitzen. Van Beneden muss daher unter den Forschern, welche das Zahlengesetz der Chromosomen begründet haben, mit in erster Reihe genannt werden. Die Art seiner Anteilnahme bleibt aber besser einer späteren Stelle vorbehalten, an der wir uns im Zusammenhang mit den Fortschritten beschäftigen werden, welche durch van Benedens Untersuchungen über Ascaris megalocephala veran- lasst worden sind. Mit der Geschichte der Chromosomen und mit dem Nachweis eines Zahlengesetzes derselben steht in engem Zusammenhang eine Frage, welche bis in die Gegenwart die Forscher viel beschäftigt und zu Kontroversen geführt hat; es ist dies die Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 75 Hypothese von der Kontinuitätoder Persistenz der Chro- mosomen, oder wie ich sie zu nennen vorgeschlagen habe 1890,17 e2 52104) die Hypothese von der Chro- mosomenindividualität. Eine klare Fassung hat dieselbe zuerst durch ©. Rabl in derselben Abhandlung, die vom Zahlen- gesetz handelt, erhalten (1885, 1. c. S. 322—328). In einem Rückblick auf seine Beobachtungen will er noch den Versuch machen, „alle die verschiedenen Kernformen auf ein gemeinsames Schema zurückzuführen“. Er nimmt an, dass die Kernfäden, die am Schluss einer Teilung in die ruhenden Kerne eintreten, und die Fäden, die aus ihm bei einer erneuten Teilung wieder hervor- gehen, ein und dieselben Gebilde sind. „Niemand“, meint er, „werde annehmen wollen, dass die Fäden im Mutterknäuel anschiessen, wie die Kristalle in einer Mutterlauge, oder dass, beim Übergang des Tochterknäuels zur Ruhe, die Fäden sich vollständig auflösen oder in Stücke zerfallen.“ Das zeitweilige Verschwinden der Chromosomen im ruhenden Kernnetz glaubt er in der Weise erklären zu können, dass dieselben bei dem Wieder- aufbau des Tochterkerns „seitliche Sprossen treiben, welche ihrer- seits selbst wieder Fortsätze aussenden können, und dass längs dieser Sprossen und Fortsätze sich wieder die chromatische Substanz mehr gleichmässig durch den ganzen Kern verteilt“ (l. c. S. 324). (Fig. 18.) Den umgekehrten Prozess lässt Rabl beim Beginn einer Karyokinese stattfinden; auf vorgebildeten Bahnen strömt dann die chromatische Substanz in die primären Kernfäden und baut dadurch in der einfachsten Weise den Mutterknäuel wieder auf. Zugunsten seiner Hypothese verwertet Rabl die von Fig. 18. Schema eines ruhenden Kernes zur Erläuterung der Persistenz der Chromo- somen nach K. Rabl. a von der Seite, b vom Polfeld gesehen. In der linken Kernhälfte sind nur die primären Kernfäden gezeichnet, in der rechten das Kernnetz (Rabl, 1915, 1. c. Fig. 3, Seite 106). 76 Oskar Hertwig: ihm gemachte Entdeckung eines Polfeldes und eines Gegenpol- feldes am bläschenförmigen Kern. Nach jenem sind alle Kern- schleifen mit ihren Umbiegungsstellen, nach diesem mit ihren freien Fadenenden gesetzmässig orientiert. „Die Teilung der chromatischen Substanz des Kerns“, schliesst Rab seine Erörterung (l.c. S. 324), „ist also in letzter Instanz auf eine Längsspaltung der Knäuelfäden zurückzuführen, und ich kann mir — voraus- gesetzt, dass meine Hypothese des Zellkerns richtig ist — keinen einfacheren Modus der Kernteilung denken, als den, welchen wir tatsächlich beobachten.“ Auch über die Hypothese der Chromosomenkontinuität ist zwischen Rabl, Boveri und van Beneden ein Prioritätsstreit entstanden. Indem Rabl in seiner Schrift über Eduard van Beneden (1915, I. c. S. 100-109) denselben ausführlich bespricht, gibt er am Schluss seiner Erörterung mit aller Ent- schiedenheit die Erklärung ab: „Die Theorie oder Hypothese der Chromosomenkontinuität nehme ich als mein ausschliesslich geistiges Eigentum in Anspruch und teile mich weder mit Boveri, noch mit irgend einem anderen in die Priorität derselben.“ Was Boveri betrifft, so liegt der Sachverhalt sehr einfach und klar. Man muss ©. Rabl darin vollkommen Recht geben, dass vor einem Areopag über Prioritätsfragen Boveri seine Ansprüche nicht würde mit Erfolg verfechten können, da er erst mehrere Jahre nach Rabl und in voller Kenntnis seiner Abhand- lung (1884) überhaupt erst begonnen hat, sich gleichfalls über die „Chromosomen-Individualität“ auszusprechen (1387 und 1855): er hat sich dabei auch ursprünglich seinem Vorgänger im wesent- lichen angeschlossen. (Siehe Anmerkung 15 auf S. 150.) Schwieriger ist es, die Stellung van Benedens zur Lehre von der Kontinuität der Chromosomen in bezug auf die Priorität zu präzisieren. (Man vergleiche hierüber die Anmerkung 16 und spätere Abschnitte, in denen die Entdeckungen und Ansichten van Benedens noch eingehender erörtert werden.) Bei Besprechung der Fortschritte, die in der Erkenntnis der Karyokinese während der zweiten Periode erzielt worden sind, ist bis jetzt von der Kernspindel und den beiden Protoplasma- strahlungen an ihren Enden, den Attraktionszentren, nicht die tede gewesen. Es liegt dies daran, dass das Interesse der Kern- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. IM forscher vorübergehend fast ganz durch das Studium der chro- matischen Kernfigur absorbiert wurde. Dies gilt namentlich von Flemming. In seiner ersten grundlegenden Untersuchung (18791. e.) hat dieser nichts von Spindelfasern, nichts von Zentral- körperchen, nichts von Protoplasmastrahlungen in seinen zahl- reichen Kernteilungsfiguren abgebildet und auch im Text aus- drücklich hervorgehoben: „Bei Salamandra ist bei den schärfsten Tinktionen, wo die Kernfigur leuchtend gefärbt ist. nichts von solchen Dingen zu sehen.“ „So lange aber dieselben nicht demon- striert sind, muss für mich ein Zweifel bestehen, ob alle diese Dinge als wesentlich für eine Zellteilung anzusehen sind.“ (1879, 1. c. S. 420.) Er findet es zwar für „durchaus erklärlich, dass man (in der ersten Periode der Kernforschung) gerade „die Kernspindel“ als allgemein und besonders wesentlich bei der Zell- teilung hingestellt hat. — Die Erfahrungen bei den tierischen (rewebszellen scheinen ihm aber zu lehren, „dass es bei einer Zell- teilung auch ohnedem abgehen kann.“ (1879, 1.c.8.419.) Flemming hat damals die genannten Strukturen nicht beachtet, weil sie bei (rewebszellen von Salamanderlarven überhaupt wenig ausgeprägt und bei Anwendung „reiner“ Kernfärbemittel, bei Aufhellung in 3jalsam und beim Arbeiten mit weiter Blende des Beleuchtungs- apparates kaum oder gar nicht zu sehen sind. Schon nach kurzer Zeit hat indessen Flemming seine erste Ansicht geändert. Nachdem er die Spindelfigur bei Pflanzen- zellen und bei Seeigeleiern selbst studiert und auch die Zentral- körperchen an einem Präparat von Fol aus eigener An- schauung kennen gelernt hatte, überzeugte er sich, dass ent- sprechende Strukturen auch an Gewebszellen von Salamandra etc. vorhanden sind. Er wurde dadurch veranlasst, zwei Substanzen im Kern als Chromatin und Achromatin (1880, l. ec. S. 158) und dementsprechend bei der Teilung auch eine chromatische und eine achromatische Kernfigur zu unterscheiden. Wenn die Tatsachen, auf Grund deren dies geschah, auch nicht neue waren, so war jedenfalls die Unterscheidung eine recht zweckmässige und hat zur leichteren Beschreibung und zum besseren Verständnis der Kernfiguren mit beigetragen. Auch werden von jetzt ab die chromatische und achromatische Kernfigur von Flemming in seine Definition der Karyokinese (1582, Zellsubstanz etc. S. 194) mit aufgenommen. u | n Oskar Hertwig: Vorübergehend geriet die Lehre von der Kernspindel auf Abwege, als van Beneden und Neyt (1887 1. c.) die Behaup- tung aussprachen, dass die Spindel entgegen den Angaben der Forscher, die sie entdeckt hatten, sich aus zwei polaren Hälften oder aus zwei Kegeln von Fasern zusammensetzen soll. die sich mit ihrem einen Ende an das Zentrosom, mit ihrem anderen an eine chromatische Schleife anheften. In jeder Halbspindel sahen sie mithin nichts anderes, als nur einen besonders differenzierten Teil der protoplasmatischen Sternfigur, welcher sich nur durch eine etwas grössere Dicke der Fasern vor den übrigen aus- zeichnet. Indem ferner die Fasern mit quergestreiften Muskelfibrillen verglichen wurden (1. c.S. 67) und ihnen Kontraktilität zugeschrieben wurde, deutete van Beneden die zwei Sternfiguren mit den Spindelhälften gleichsam als eine Art von radiärem Muskelsystem (une sorte de systeme musculaire radiaire), in welchem das Zen- trosom die Rolle eines Insertionsorgans spielt. Die Spindelfasern liess er wie aktive Zugstränge wirken, die durch ihre Verkürzung die Tochterchromosomen nach den beiden Attraktionszentren hin- ziehen. Die achromatische Kernfigur erschien ihm also als ein Mechanismus, welcher derZellteilung dient, wie unser Muskelsystem der Lokomotion (1887, l. c. S. 51—54, 60, 66—68). Boveri (1888) hat sich gleichfalls zugunsten dieser Auffassung ausge- sprochen. Es liegt ausserhalb meiner Aufgabe. hier auf die von mir nicht geteilte Hypothese des Teilungsmechanismus von Kern und Zelle einzugehen; nur das eine sei festgestellt, dass man, belehrt durch verbesserte Darstellungs- und Färbungsmethoden, auf die ursprüngliche Auffassung der Spindel als eines einheitlichen, von den Protoplasmastrahlen auch stofflich verschiedenen Gebildes wieder zurückgekommen ist. Dasselbe wird zum Unterschied von der Darstellung van Benedens und Boveris häufig auch als „Zentralspindel“ bezeichnet; diese ist aber nichts anderes als die Kernspindel in der älteren Literatur. Der Zusatz „Zentral“ ist ein überflüssiger, da es ausser der von Bütschli, Strasburger und mir unterschiedenen Spindel eine andere nicht gibt. Indessen ist auch auf dem Gebiete der achromatischen Kernfiguren ein wichtiger Fortschritt in der zweiten Forschungs- periode erzielt worden. Er betrifft das jetzt als Zentrosom be- kannte Gebilde. Wie schon früher nachgewiesen ist (S. 63), Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 18! wurde dasselbe schon 1575 von mir an Osmiumkarminpräparaten beschrieben und abgebildet, und von Fol, der meine Befunde bestätigte, „corpuseule central de l’aster“ genannt. 1876 be- obachtete es van Beneden in Dicyemideneiern, bildete es aber weniger deutlich als seine Vorgänger ab, da die Dieyemidenzellen und ihre Kerne sehr klein sind; er bezeichnete es als corpuscule polaire. Auch für das Studium dieser Gebilde sind die Furchungs- stadien der Eier von Ascaris megalocephala vorzüglich geeignete Objekte. Denn hier sind die Zentralkörperchen erheblich grösser als anderswo; sie sind auch leichter als gewöhnlich zu färben: mit Malachitgrün (van Beneden), mit Säurefuchsin (0. Hertwig), mit Eisenhämatoxylin (Heidenhain). Diesem Umstand haben wir eine wichtige Entdeckung über die Vermehrung der Zentralkörperchen durch Teilung zu ver- danken. Boveri und van Beneden, zwei gleich geübte und scharfsinnige Forscher, mit dem Studium desselben Gegenstandes beschäftigt, sind gleichzeitig zu entsprechenden Ergebnissen gelangt. Boveri hat seine erste kurze vorläufige Mitteilung ohne Figuren drei Monate vor van Beneden und Neyt veröffentlicht, diese wiederum gaben einen ausführlicheren und zugleich mit Abbildungen versehenen Bericht. Von beiden Seiten wurde festgestellt, dass die Zentralkörperchen nach der Teilung der ersten Embryvonalzellen ausserhalb desKernsim Protoplasma bestehen bleiben und sich hier bald durch Selbstteilung (Fig. 19a) zu vermehren beginnen, indem ein jedes sich streckt, in der Mitte ein- H Fig. 19. h schnürt und in zwei Tochterkörper- che Darstellung dee chen zerfällt, zwischen denen sichdie meilung der Zentrosomen nach Spindel für die nächste Kernteilung van Beneden und Neyt (1887, ausbildet (Fig. 19b. Boveri & Anfangsstadium der Teilung, gab jetzt dem Zentralkörperchen b) nach vollendeter Teilung, l2c: r TER, Taf. II, Fig. 13 u. 14). den sich rasch einbürgernden Namen „Zentrosom“ und der es einhüllenden homogenen Proto- plasmakugel den Namen „Archoplasma“. Van Beneden wiederum verallgemeinerte seine Entdeckung und gab ihr eine grössere wissen- schaftliche Tragweite durch Verbindung mit einer Theorie, die ich mit seinen eigenen Worten wiedergebe: „Nous sommes donc autorises a penser que la sphere attractive avec son corpuscule s0 Oskar Hertwig: central constitue un organe permanent, non seulement pour les premiers blastomeres, mais pour toute cellule; qu’elle constitue un organe de la cellule au m&me titre que le noyau lui-meme; que tout corpuscule central derive d’un corpuscule anterieur; que toute sphere procede d’une sphere anterieure, et que la division de la sphere precede celle du noyau cellulaire*“. „I est clair que la cause immediate de la division cellulaire ne reside pas dans le noyau, mais bien en dehors du noyau, et specialement dans le corpuscule central des spheres.“ Die von den beiden Forschern gleichzeitig gemachte Ent- deckung der Teilbarkeit der Zentrosomen führte in der Folge leider auch wieder zu einem wenig erfreulichen Prioritätsstreit, ob- wohl der Sachverhalt hierzu eigentlich keinen Anlass geboten hätte. (Das Nähere hierüber findet man in Anmerkung 17 auf S. 152.) Wenn wir zum Schluss noch die Ergebnisse der ersten und der zweiten Periode in der Erforschung der Karvokinese mit- einander vergleichen, so wird man finden, dass die dort gelegten Grundlagen sich in der Folgezeit bewährt haben, wenn sie auch nach verschiedenen Richtungen weiter und reicher ausgebaut worden sind. Unter dem ersten Eindruck der an Salamander- zellen gewonnenen Bilder dachte man in dieser Beziehung vielfach anders, besonders Flemming selbst, der im zweiten Teil seiner Beiträge (1880, 1. ec. S. 193, 194) often erklärt: „Nach den ersten Arbeiten von Bütschli, Strasburger und OÖ. Hertwig schien sich ein Schema (für die Karyokinese) ziemlich einfach zu ergeben: man kannte nur die Kernplatten und Kernspindeln, man glaubte sonach zu haben: eine längsfaserige Differenzierung des Kerninhalts, darin eine Anhäufung von Körnern im Äquator, eine Teilung dieser Körner und ein Abrücken ihrer Hälften gegen die Pole. — Nach den neueren Arbeiten über Tierzellenteilungen ist dies Schema nicht mehr zu halten; zum mindesten nicht als Allgemein- gültiges. Es ist ohne Erläuterung klar, dass die Knäuel- und Sternformen gar nicht darin unterzubringen sind. — Bei solcher Sachlage muss man eben fast von vorn anfangen“. — Von dieser Stellungnahme ist Flemming wohl später selbst zurückgekommen, nachdem er Strukturen, die er bei Salamander- zellen anfangs übersehen hatte, Spindel und Zentrosomen, durch Verbesserung seiner Färbungsmethoden auch hier nachweisen konnte. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. sl Bei einem historischen vergleichenden Rückblick ist vielmehr festzustellen, dass alle typischen und wesentlichen Bestandteile und Stadien der karyokinetischen Figuren schon in der ersten Periode richtig entdeckt waren: die aus Fasern zusammengesetzte Spindel, die aus Nuklein- oder Chromatinkörnern aufgebaute Äquatorialplatte und ihre Spaltung in zwei Seitenplatten, welche auf den Spindelfasern auseinanderweichen und ihre Ruhelage in einigem Abstand von den Spindelenden finden; ferner die Entstehung der Tochterkerne aus den chromatischen Elementen der Seiten- platten; endlich die Ausbildung der Strahlenfiguren im Protoplasma (Aster und Amphiaster) und das ihnen zum Mittelpunkt dienende Pol- oder Zentralkörperchen. Wie wir jetzt wissen, gleichen bei den meisten Pflanzen und Tieren (bei Wirbellosen. bei den kleinkernigen Embryonal- und Gewebszellen der Fische, Vögel und Säugetiere), sogar die kleinen Kernteilungsfiguren mit ihren zahlreichen, kurzen Chromosomen, zumal, wenn sie nicht mit den allerstärksten Vergrösserungen betrachtet werden, mehr den älteren Abbildungen, als den Kernteilungsfiguren von Salamandra und Ascaris mit ihren aussergewöhnlich grossen schleifenförmigen Elementen. Auf der anderen Seite ist trotzdem die Kenntnis der Karyo- kinese während der zweiten von mir unterschiedenen Periode nach allen Richtungen noch sehr vertieft und gefördert worden. Die Technik des Konservierens und der Gewinnung scharfer Farb- bilder machte grosse Fortschritte, ebenso unsere Unterscheidung der verschiedenen Kernsubstanzen, ferner die Trennung der karyo- kinetischen Figur in einen chromatischen und achromatischen Bestandteil. Neu entdeckt wurde das schon im bläschenförmigen Kern sich ausbildende Knäuelstadium von Flemming, d.h. die Anordnung der im Kernraum zerstreuten Chromatinkörnchen zu einigen langen, feingewundenen Fäden: die starke Verkürzung derselben zu den stark färbbaren, schleifenförmigen Chromosomen. Aber am wichtigsten sind drei Entdeckungen: 1. Das Zahlengesetz der Chromosomen. 2. die Längsspaltung der Chromosomen des Muttersterns und die Verteilung ihrer Tochterhälften in entgegen- gesetzten Richtungen, 3. die Vermehrung der Zentrosome durch Teilung und die hierauf sieh stützende Deutung derselben als selbständige Zellorgane. Endlich wurde noch durch Einführung einer besonderen griechischen Terminologie (Chromosomen resp. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. I. 6 82 Oskar Hertwig: Kernsegmente, Zentrosomen resp. Zentralkörperchen) eine gewisse Selbständigkeit der einzelnen Bestandteile der Kernfiguren schärfer zum Ausdruck gebracht. 2. Fortschritte in der Erforschung der Eireife und Befruchtung. Die Fortschritte auf dem Gebiet der Eireife und Befruch- tung hängen auf das innigste mit dem tieferen Einblick zusammen, den man in das Wesen der Karyokinese, besonders in das Zahlen- gesetz und in die Längsspaltung der Chromosomen inzwischen gewonnen hatte. Daher tritt jetzt auch ein Untersuchungsobjekt, das durch die Grösse und geringe Zahl der Chromosomen wie kein anderes ausgezeichnet ist, eine Zeitlang ganz in den Vordergrund des Interesses. Es sind dies die Geschlechts- produkte von Ascaris megalocephala. Nachdem diese schon früher mehrfach untersucht worden waren, wird jetzt aufs neue die Auf- merksamkeit auf sie durch drei Arbeiten gelenkt, die Schneider, Nussbaum und van Beneden unabhängig voneinander be- gonnen und in den Jahren 1883 und 1884 veröffentlicht haben. A. Schneider hatte sich in seinem Buch: „Das Ei und seine Befruchtung“ (1883) eine gross angelegte Aufgabe gestellt, indem er nicht nur mehrere Nematoden, unter ihnen Ascaris megaloc., sondern auch Echinodermen (Seesterne und Seeigel) und Plattwürmer (Mesostomum, Nephelis, Aulostoma, Piseicola) auf ihre ersten Entwicklungsvorgänge untersuchte; aber er blieb hinter seinem Ziel so weit zurück, dass seine Ergebnisse einen grossen Rückschritt gegenüber den Errungenschaften seiner Vorgänger bezeichnen. Denn ungenaue und falsche Beobachtungen, verkehrte Deutungen und Urteile werden von ihm zur vermeintlichen Widerlegung schon wohl begründeter und allgemein anerkannter Entdeckungen verwertet. So konnte gleich 1854 van Beneden es mit Recht „als wahrhaft unbegreiflich bezeichnen, dass mit einem. so günstigen Material Schneider nicht die falsche Richtung des von ihm eingeschlagenen Weges erkannt hat“ (1884, l. c. S. 408). Indessen hebt sich von den zahlreichen Irrtümern, auf die einzugehen kein Interesse vorliegt, doch vorteilhaft eine gute Beobachtung Schneiders über die Befruchtung von Ascaris ab: denn er sah und beschrieb ganz richtig das Anheften eines Samenkörpers an das Ei, sein allmähliches Eindringen und seine längere Zeit dauernde Erhaltung im Dotter im unveränderten Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 83 Zustand und gab hiervon zutreffende Abbildungen; doch kam er zuletzt auch hier wieder zu dem falschen Resultat, dass der Samenkörper sich ganz auflöst und dass die später zu beobachtenden zwei Kerne durch Teilung des Keimbläschens entstanden sind. Vorteilhaft von Schneiders Werk hebt sich die an- spruchslosere Untersuchung von M. Nussbaum ab. Dieser liess noch vor der Veröffentlichung von van Benedens Buch eine Mitteilung im Sommer 1883 in den Sitzungsberichten der Niederrheinischen Gesellschaft und bald darauf die mit Tafeln aus- ausgestattete Abhandlung Anfang 1384 erscheinen. (Anmerkung 15.) Er wies nach, dass bei der Vermehrung der Oogonien und Sperma- togonien, sowie bei der Teilung des befruchteten Eies nur vier grosse, schleifenförmige Chromosomen in den Embryonalzellen gebildet werden (Fig. 17a), dass das Ei nur durch einen einzigen Samenkörper befruchtet wird, den er auf allen Phasen des Ein- dringens und im Ei verfolgen konnte, dass ferner aus dem Keim- bläschen eine Spindel entsteht, die durch ihre Teilung zwei Richtungskörper und den Eikern liefert und dass neben diesem sich ein zweiter bläschenförmiger Kern entwickelt, der dem ein- gedrungenen Samenkörper entstammt. Nussbaum nannte diese beiden Kerne Eikern und Samenkern, indem er sich meiner Darstellung der Eireifung und Befruchtung anschloss. Nussbaums verdienstliche Abhandlung wird allerdings von van Benedens gleich nachfolgenden Untersuchungen noch weit übertroffen. Wie van Beneden seinen Gegenstand ohne Frage viel intensiver als Nussbaum beobachtet und durchdacht hat, so hat er auch dementsprechend wichtigere Ergebnisse gewonnen; vor allen Dingen aber hat er die Befruchtungslehre durch zwei neue glänzende Entdeckungen ganz wesentlich gefördert. Diese wurden ihm ermöglicht teils durch die inzwischen erfolgten Fort- schritte auf dem Grebiet der Karyokinese, teils durch die schon betonte aussergewöhnliche Gunst seines Beobachtungsobjektes, das ausser den genannten auch noch den Vorzug darbietet, dass sich Ei- und Samenkern längere Zeit getrennt nebeneinander erhalten. Gerade infolge ihres Getrenntbleibens aber konnte van Beneden tiefere Einblicke, wie sie keinem seiner Vorgänger möglich gewesen waren, in die feinere Zusammensetzung der beiden Kerne gewinnen: er konnte nachweisen, — was ich als die erste seiner beiden Entdeckungen bezeichne — dass jeder 6* [0 6) 4 Oskar Hertwig: Pronukleus sich aus zwei chromatischen Elementen entwickelt. der eine aus der chromatischen Substanz der im Ei zurück- bleibenden Hälfte der zweiten Richtungsspindel, der andere aus dem eingedrungenen Samenkörper. In jedem verteilt sich das Chromatin vorübergehend in einem Netzwerk, sammelt sich aber nach einiger Zeit wieder, noch während die Pronuklei bläschen- förmig bleiben, in zwei Schleifen. Also besitzt das befruchtete Ei zwei Chromosomen weiblicher und zwei Chromosomen männ- licher Herkunft. Diese treten alsbald nach Auflösung der Kern- blasen zum Mutterstern der ersten Teilspindel zusammen. Dadurch. dass sie sich später der Länge nach spalten (vgl. S. 71) und nach den Spindelpolen auseinanderweichen, erhält bei der Teilung des Eies jede Hälfte vier Tochterchromosomen, von denen zwei vom Eikern, zwei vom Samenkern abstammen. Van Beneden knüpft hieran die Hypothese, dass, wie die vier Chromosomen in den beiden ersten Embryonalzellen bis zur Bildung der beiden bläschenförmigen Tochterkerne getrennt bleiben. sie auch in diesen sich nicht vermischen und ebenso im ganzen weiteren Verlauf der Entwicklung. Er nennt diesen Zustand einen Hermaphroditis- mus der Zelle (1884 I. c. S. 313) und sucht die auf den ersten Blick fremdartig anmutende Ansicht wahrscheinlich zu machen durch einen Hinweis auf die Protozoen und Protophyten, die ihrer Mehrzahl nach Hermaphroditen sind (Konjugation der Infusorien. Nach der Auffassung van Benedens sind also infolge der Befruchtung die Kerne aller Zellen hermaphrodit. „Les cellules des tissus“, heisst es auf Seite 404, „partagent ce caractere avec les protozoaires etles protophytes.“ Die hier kurz besprochene, durch van Beneden neu entdeckte Tatsache ist von fundamentaler Wichtigkeit, wenn sie auch mit einer Hypothese verknüpft ist, die wir später als unbegründet werden zurückweisen müssen. Nicht minder grundlegend ist seine zweite Entdeckung, aber auch hier mit der oben gemachten Einschränkung. Sie gibt uns den ersten Einblick in eigentümliche, wichtige Verhältnisse der chro- matischen Substanz bei der Ei- und Samenbildung. Wenn nämlich infolge der Befruchtung die als hermaphrodit bezeichneten Kerne aller Zellen bei Ascaris meg. vier Chromosomen besitzen, dagegen der männliche und der weibliche Vorkern nur ihrer zwei, so liegt die Frage nahe, wie ist dieser Zustand der verringerten Chromo- somenzahl entstanden. Indem van Beneden sie aufwarf, glaubte Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 85 er die Erklärung bei einem eingehenden Studium der Ei- und Samenbildung in einem Vorgang gefunden zu haben, den er öfters als Reduktion bezeichnethat. Er ist dadurch der Begründer der Lehre vom Reduktionsprozess geworden. Was zunächst die Vogenese betrifft, so verwarf van Beneden den von mir gelieferten Nachweis, dass die beiden Richtungs- körper kleine rudimentäre Zellen sind und dass der zu ihrer Bildung führende Prozess mit seinen eigentümlichen Kernfiguren einer Karvokinese entspricht. Er erblickte vielmehr in den Richtungskörpern ausgestossene Kernteile des Keimbläschens, wenigstens bei den von ihm untersuchten Eiern von Ascaris megalocephala. Indem er so an seiner älteren, schon besprochenen irrigen Ansicht (S. 14) teilweise festhielt, bat er sie jetzt, ge- stützt auf bessere Beobachtungen, in eine neue Form gebracht. Nach seiner Darstellung, die ich kurz wiedergebe, ist das Chromatin des Keimbläschens auf zwei nebeneinander gelegene Scheiben verteilt. von denen eine jede aus vier Kügelchen zusammengesetzt ist; sie wird im Ganzen dem Keimfleck verglichen. Sie ist von einer homogenen Substanz umgeben, dem Protohyalosoma. Dieses kommt mit seinen beiden Chromatinscheiben nach der Auflösung der Membran des Keimbläschens in den Dotter zu liegen, nimmt eine faserige Beschaffenheit an, rückt an die Oberfläche des Eies und bildet hier anstatt einer typischen Spindel eine y-förmige Figur. Der erste Richtungskörper entsteht auch nicht durch eine Zellteilung irgendwelcher Art, sondern durch „eine wirkliche Ausstossung aus einer Art von Öffnung“. (Vergleiche Anmerkung 19a auf S. 157.) Ausgestossen wird die Hälfte von jeder chromatischen Scheibe und die Hälfte des faserig differenzierten Prothyalosoma. Dieses teilt sich, wenn man es einer Kernspindel vergleichen will. nicht quer zu seiner Längsachse, sondern tangential. (Anmerkung 19b.) Die im Ei zurückgebliebene Hälfte des Prothya- losoma wird jetzt Deuthyalosoma genannt und enthält die Hälfte. jeder Scheibe. Aus ihm entsteht dann in derselben Weise wie der erste der zweite Richtungskörper. Es wird wieder die Hälfte sowohl vom Deuthyalosoma wie von jeder der beiden chromatischen Scheiben ausgestossen, während die andere Hälfte im Ei zurückbleibt und das Material für den Eikern liefert. Die Zellnatur der Richtungs- körperchen wird aus zwei Gründen entschieden bestritten, 1. weil sie kein Protoplasma enthalten, sondern nur aus ausgestossener Kern- 56 Oskar Hertwig: substanz (Prothyalosoma und Chromatin) bestehen sollen (1. c.S. 394), 2. weil der von mir an anderen Objekten als typische Karyokinese beschriebene Prozess nur eine Pseudokaryokinese mit tangentialer Halbierung der y-Figur sei. Der Zweck der Aus- stossung von Kernteilen aber wird in einer Art Reinigung des Eies erblickt. (Siehe Anmerkung 19c.) Worin liegt nun trotz der verschiedenen Irrtümer der durch van Beneden auch hier herbeigeführte Fortschritt? Er beruht wieder auf dem tiefern Einblick, der durch ihn in die Zusammen- setzung und Verteilung der chromatischen Substanz dank der erheblichen Grösse ihrer Elemente bei der Ovogenese gewonnen wurde. Denn die vier Stücke, aus denen sich jede der chroma- tischen Scheiben der ersten Ypsilonfigur aufbaut, verteilen sich bei der Ausstossung des ersten Richtungskörpers zu gleichen Hälften auf diesen und das Ei. In derselben Weise werden die im Ei zurückgebliebenen zwei Gruppen von je zwei Elementen wieder auf den zweiten Richtungskörper und den weiblichen Vorkern verteilt, so dass seine chromatische Substanz auf ein Viertel der ursprünglich im Keimbläschen enthaltenen reduziert ist. (Siehe Anmerkung 19d.) Diese wichtige Entdeckung von bleibendem Wert verwendete van Beneden zu einer minder wertvollen Hypothese, die man als einen weiteren Ausbau seiner schon früher besprochenen Hypothese vom Hermaphroditismus der Zellen kennzeichnen kann. Er folgerte nämlich so: Wie bei Ascaris alle Gewebszellen, die infolge der Befruchtung zwei männliche und zwei weibliche Chro- mosomen erhalten haben, hermaphrodit sind, so gilt dies auch noch von den unreifen, weiblichen und männlichen Geschlechts- zellen. Sie müssen daher erst noch durch irgend einen Vorgang rein weiblich oder rein männlich werden, oder wie es van Beneden ausdrückte, sich in eine gonocyte femelle (l. ec. S. 311) und in eine gonocyte mäle umwandeln. Dies geschieht im einen Fall durch die Eireife, im andern durch die Samenreife. Bei der Eireife werden durch die Ausstossung der beiden Richtungskörper die männlichen Bestandteile der ursprünglich hermaphroditen Zelle wieder entfernt, zum Beispiel also die männlichen Chromatin- schleifen, die bei der Befruchtung durch den Samenkörper ins Ei eingeführt und von Zelle zu Zelle durch Teilung übertragen worden sind. Der Eikern ist infolgedessen nur noch ein halber Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 87 oder reduzierter, ein eingeschlechtlich (unisexu&) gewordener Kern (deminoyau) (l. ec. 5. 401) und wird Pronukleus oder Vorkern ge- nannt. Das Ei aber hat erst von jetzt ab durch die Ausstossung der Richtungskörper seinen weiblichen Geschlechtscharakter er- halten und ist zur gonocyte femelle geworden (l. c. S. 395) (An- merkung 19e), und ebenso sind, von diesem physiologischen Gesichts- punkt aus betrachtet, die Richtungskörperchen nichts anderes als die aus dem Ei entfernten männlichen Elemente des ursprünglich hermaphroditen Keimbläschens (l. ce. S. 395). (Anmerkung 19 e.) Eireifung und Befruchtung stehen hierdurch in einem engen Zu- sammenhang in der Weise, dass die dort eingetretene Reduktion wieder einen Ersatz durch die Befruchtung findet. Somit gibt jetzt van Beneden von der Befruchtung folgende Definition (l. e. S. 401): „Fecondation consiste dans la transformation du gonocyte femelle dans une cellule complete (hermaphrodite), dans le remplacement des elements expulses par des el&ments nouveaux apportes par le zoosperme.“ (Anmerkung 19f.) Durch sie wird gleichsam das Ei wieder belebt und mit der ganzen Energie ver- sehen, die für seine Umwandlung in ein den Eltern gleiches Individuum notwendig ist (l. ec. S. 311). Es war nur folgerichtig von van Beneden gedacht, als er vermutete, dass ein der Bildung der Richtungskörperchen ent- sprechender Vorgang auch während der Samenbildung stattfinden müsse, dass die Mutterzellen der Samenfäden, da sie gleich dem unreifen Ei hermaphrodite Kerne besitzen, sich durch irgend einen Prozess der weiblichen Kernschleifen entledigen müssen, um zu einer männlichen Geschlechtszelle (gonocyte mäle oder Samenfaden) zu werden, der der weiblichen Geschlechtszelle (gonoeyte femelle oder Reifei) identisch ist. Um den Nachweis für die Richtigkeit seiner Vermutung zu führen, unternahm van Beneden gemeinsam mit Julin das Studium der Spermatogenese bei Ascaris megalocephala und ver- öffentlichte seine Beobachtungen schon im Jahre 1884, kurze Zeit nach der Herausgabe seiner „Recherches“ in einer vorläufigen Mitteilung ohne Abbildungen. Dieselbe trägt in jeder Beziehung den Charakter einer vorläufigen und unfertigen Arbeit. Denn durch seine als Leitmotiv vorausgefasste Hypothese verführt, benutzte van Beneden richtige Beobachtungen mit falschen kombiniert zu einer Reihe verfehlter Deutungen. Er suchte tete) Oskar Hertwig: nach ausgestossenen Teilen und glaubte sie auch gefunden zu haben; nur waren es nicht diejenigen Elemente, welche wirklich den Richtungskörperchen des Eies entsprachen; denn den wirklichen Prozess, unter dem sich die Reduktion in der Spermatogenese vollzieht, hat er vollständig übersehen. In ihrer Schrift, deren Inhalt ich kurz wiedergebe, haben van Beneden und Julin eine Nomenklatur angewandt, welche von der üblichen durch La Valette begründeten, auch von Nussbaum beibehaltenen und jetzt allgemein eingebürgerten abweicht, so dass man bei der Lektüre sich vor Verwechslungen hüten muss. Denn die Spermatogonien nannten sie spermatomeres, die Spermatozyten dagegen spermatogonies und die Spermatiden schliesslich spermatocytes. Sie verurteilten daher auch Nussbaums richtige Namengebung als einen offenbaren Irrtum (erreur manifeste). Um Verwechslungen vorzubeugen, werde ich mich in meiner Darstellung der Lehre van Benedens der jetzt üblichen Namen bedienen. Im Anfangsteil der Hodenröhre (Region formative) beobachtete van Beneden zahlreiche Teilungen der Spermatogonien und unter ihnen besonders häufig das schon vor ihm durch Nussbaum beschriebene Spindelstadium mit vier grossen Chromatinschleifen. Ausserdem aber entdeckte er als erster in den Lücken zwischen den Spermatogonien hie und da auch noch vereinzelte, sehr viel kleinere Körperchen, die aus einem Klümpchen Chromatin und einer dünnen Hülle achromatischer Substanz bestehen. Er nannte sie „globules residuels“ und deutete sie fälschlicherweise als Gebilde, die den Richtungskörperchen der Eier gleichwertig seien, wie er es nach der Hypothese des Zellenhermaphroditismus und der Ausstossung ja im voraus erwartet hatte. Für diese Erklärung schien ihm zu sprechen, dass er zuweilen unter den Spermato- gonien mit Muttersternen anstatt der üblichen vier nur zwei oder drei Kernschleifen zählen konnte. Auf dieser Grundlage entstand dann der Lehrsatz: „Nous incelinons a croire que chaque spermato- mere (spermatogonie) expulse successivement apres avoir subi une metamorphose caryocinetique deux globules residuels. Le noyau reduit, ä la suite de cette expulsion, ne renferme plus aue deux anses chromatiques* (l. ec. S. 15). „L’anse chromatique rejet6e est invariablement entouree d’une couche de substance hyaline qui parait deriver du corps achromatique du noyau. Cette Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. sg expulsion parait se faire dans le plan “quatorial. Tant par leur eonstitution que par leur genese les globules rösiduels rappellent les globules polaires de l’oeuf* (l. c. S. 15). Wie wenig indessen die Beobachtungsgrundlagen für diese Schlussfolgerungen wirk- lich beweisend waren, geht aus einer einschränkenden Be- merkung hervor, die etwas später van Beneden und Julin noch machten. „Nos observations sur l'origine des corpuscules rösiduels et sur la multiplication des spermatogonies ne sont cependant pas suffisantes pour nous permettre de nous prononcer definitivement sur ces points“. Im weiteren Verlauf der Samenentwicklung glaubte nun aber van Beneden noch eine Beobachtung gemacht zu haben, welche ihm für die Richtigkeit seiner Reduktionshypothese ganz offenbar zu sprechen schien. Beim Studium der Spermatozyten, ehe sie durch zweimalige Teilung die vier Spermatiden entstehen lassen, fand er in ihren bläschenförmigen Kernen bei der Vor- bereitung zur Karyokinese anstatt vier Chromosomen nur zwei eigentümlich geformte Chromatinkörper. Es sind das die Gebilde, die wir jetzt Vierergruppen nennen. Er beschrieb sie als pyramides quadrilateres tronquees (l. ec. S. 20) und liess sie den primären Kernschleifen eines sich teilenden Kerns entsprechen. Da es aber ihrer anstatt vier nur zwei sind, erkannte er auch hierin wieder einen Hinweis auf die vorausgegangene Reduktion. (Vergleiche Anmerkung 20.) In seinen zwei Schriften aus dem Jahre 1884 hat sich übrigens van Beneden für die Annahme einer doppelten Reduktion bei der Reifung der weiblichen und der männlichen Keimzellen ausgesprochen. Ebenso wie für den Kern, nahm er auch für das Protoplasma eine Ausstossung bestimmter Bestand- teile und einen entsprechenden Ersatz durch neue an; mit der „nuklearen“ verband er also — wenn auch mehr vermutungsweise — noch eine „protoplasmatische Ersatztheorie“. Es geht dies nicht nur aus der von mir in Anmerkung 21 gegebenen Dar- stellung. sondern auch aus den beiden, die Ansicht van Bene- dens kurz zusammenfassenden Aussprüchen hervor, auf die schon C. Rabl (1916, l. ec. S. 74) die Aufmerksamkeit gelenkt hat: „Le fait, qu’une partie du protoplasme ovulaire est expulsee, en meme temps que les residus nucl&aires que nous appelons globules polaires, permet de supposer que le spermatozoide fournit, lors 90 Oskar Hertwig: de la fecondation de l’oeuf, non seulement un element nucleaire, le pronucleus mäle, mais aussi des &l&öments protoplasmiques destines a remplacer les substances perivitellines. Il est certain que le zoosperme apporte dans le vitellus non seulement un noyau, mais aussi du protoplasme. Rien n’autorise a affirmer que le röle du protoplasme spermatique est secondaire dans la fecondation“ (1884, l. c. S. 397). Eine Ergänzung hierzu bildet eine zweite Stelle (l. e. S. 404): „La fecondation implique essentiellement une substitution, c’est a dire le remplace- ment d’une partie de la vesicule germinative par des elements nucleaires provenant du zoosperme et peut @tre aussi d’une portion du protoplasme ovulaire (substances perivitellines) par du proto- plasme spermatique“. Wie in unserer historischen Darstellung voll anerkannt worden ist, hat van Beneden in seinen drei Abhandlungen über Ascaris einen sehr bedeutenden Fortschritt, sowohl in der Lehre von der Befruchtung, wie in der Lehre von der Ei- und Samenreife herbeigeführt durch mehrere glänzende Entdeckungen, deren Be- deutung schon von mir hervorgehoben und auch früher anerkannt worden ist. Aber das Wertvolle findet sich in seinen Arbeiten mit vielerlei falschen Beobachtungen, mit ungerechtfertigten Deutungen und mit allgemeinen Hypothesen verbunden, welche als verfehlte und zum Teil sogar als Rückschritte hinter das bereits Erworbene bezeichnet werden müssen. Die Berichtigung und Klarstellung dieser Irrtümer erfolgte denn auch sehr bald durch Nachuntersuchungen an demselben Objekt, an dem sie entstanden waren. Denn mit vollem Recht wurde jetzt während längerer Zeit Ascaris megalocephala von zahlreichen Forschern, von Zacharias, Carnoy, Gehuchten, Kultschitzki, Boveri, von mir, von Brauer u. a. wegen seiner günstigen Eigenschaften bevorzugt. Zuerst ist hier auf die Reihe von Untersuchungen einzu- gellen,. die Boveri schon drei Jahre nach van Benedens erster Abhandlung unter dem gemeinsamen Titel: „Zellstudien“ herausgegeben hat. Wenn dieselben.auch zunächst vorwiegend Nachuntersuchungen sind, so trat Boveri doch mit ihnen durch die Genauigkeit und kritische Beurteilung der gesammelten Be- obachtungen, durch die Zuverlässigkeit seiner vorzüglichen Ab- bildungen seinem Vorgänger ebenbürtig an die Seite. Während Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 91 er die oben aufgeführten wichtigen Entdeckungen, die van Beneden als erster gemacht hat, bestätigte, deckte er anderer- seits zugleich einige seiner Fehler auf; er erkannte, dass die Figuren und Beschreibungen van Benedens sich auf zwei verschiedene Varietäten von Ascaris beziehen, von deren Vor- handensein ich mich gleich darauf (1390) ebenfalls überzeugte und die ich als univalens und bivalens benannt habe. Merkwürdiger- weise war der belgische Forscher über diesenPunkt ganz mit Still- schweigen hinweggegangen, obwohl die Bilder der Kernfiguren bei beiden Varietäten sehr verschieden aussehen und von ihm auch beobachtet und abgebildet worden sind. Ferner hat Boveri die Erklärung van Benedens von der Genese der Richtungs- körperchen durch Ausstossung von Kernteilen (Chromatinstäbchen, Prot- und Deuthyalosoma) als einen Irrtum, der zum Teil durch das Studium pathologischer Kernteilungsfiguren entstanden ist, zurückgewiesen und die Richtigkeit der älteren Beobachtungen auch für dieses neue Objekt bestätigt. In einem Punkt blieb indessen Boveri im Unklaren und liess sich auf einen Abweg verleiten. Es betrifft das Verständnis der im Keimbläschen und im Kern der Spermatozyten vor Beginn der letzten Teilperiode beobachteten Chromatinkörper, die man jetzt Vierergruppen (Tetraden) nennt. Schon van Beneden hatte sich durch die verschiedene Deutung, die er ihnen in seiner Darstellung der Eireife und Spermiogenese gab, in einen Widerspruch verwickelt, den er selbst nicht einmal bemerkt hat. Denn im Keimbläschen liess er durch sie die gesamte Chromatinmenge repräsentiert, und diese erst später durch die Ausstossung der zwei Richtungskörper reduziert werden: im Kern der Spermatozyte dagegen deutete er die dort beschriebenen Vierergruppen (pyra- mides quadrilateres), als bereits reduzierte Gebilde, da seiner Meinung nach ja schon zwei Chromatinschleifen als corps residuels auf einem viel früheren Stadium ausgestossen worden sind. Zu einem anderen Ergebnis als van Beneden kam wieder Boveri, was das Verhalten des Keimbläschens betrifft. Er fasste nämlich eine jede im Kern der Keimzellen auftretende vierteilige Chromatinportion (Tetrade) als ein chromatisches Element auf und hielt es für gleichwertig den Bildungen, welche bei Beginn einer Karyokinese als Chromosome, als Kernsegmente, Schleifen. Stäbchen etc. bekannt sind und „durch ihre Teilung in zwei 92 OaHertwig: Hälften die Bausteine für die Tochterkerne liefern“ (1887, I, l. ec. S. 14). Da nun die Zahl dieser Elemente nur die Hälfte von der Zahl beträgt, die man nach der Teilung aller anderen Zellen der betreffenden Tierart erwarten sollte. nahm er an, dass schon vor der Bildung der Richtungskörper die Chromosomen im Keim- bläschen in reduzierter Zahl zum Vorschein kommen; er ver- mutete, dass die Reduktion sich durch Atrophie der halben Zahl von Chromosomen während der Ausbildung des Keim- bläschens vollzieht, und hielt für derartig degenerierte Chromo- somen zwei kleine, kuglige, intensiv färbbare Körperchen, welche er im Keimbläschen neben den beiden vierteiligen, für die erste Richtungs- spindel bestimmten chromatischen Elementen vorfand und welche er später auf eine ihm noch unbekannte Weise verschwinden sah. Auf die zwei Arbeiten Boveris folgte im Jahre 1857 die dritte Abhandlung von van Beneden und Neyt über Ascaris, die schon früher gelegentlich mit erwähnten Nouvelles recherches etc. In ihnen hielt van Beneden an seiner alten Auffassung, dass die Richtungskörperchen keine Zellen sind und dass ihre Bildung nicht auf dem Wege der Karyokinese erfolgt, mit Entschiedenheit fest (l. e. S. 17), allerdings aus teilweise anderen Gründen als ursprünglich. Seinen Gedankengang hat er jetzt in wenigen Sätzen so zusammengefasst : „Uhaque fois qu’une cellule de l’Ascaris se divise, on constate dans la plaque equatoriale de la figure dicentrique l’existence de quatre anses chromatiques, et les noyaux derives se constituent aux depens de quatre anses secondaires. La division karyokinetique n’a donc pas pour effet de reduire le nombre des &löments chromatiques du noyau, mais seulement de dedoubler ces elements. Au contraire, la genese des globules polaires a pour r6sultat de reduire de moitie le nombre des elöments chromatiques du noyau ovulaire. Le noyau ovulaire, aprös le rejet des globules polaires, n’est plus qu’un demi noyau. Ce fait capital, &etabli pour la premiere fois dans le mömoire sur la maturation de l’oeuf et la fecondation chez l’ascaris, montre a l’evidence qu’il existe une difference radicale entre une division cellulaire et la formation des globules polaires.“ Da ausserdem van Beneden auch meine Befruchtungs- theorie durch seine eigene, mit einigen anderen Ideen verbundene Theorie ersetzen wollte, so benutzte ich bei meiner 1888 erfolgten Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 93 Berufung und Übersiedelung nach Berlin sofort die sich mir hier darbietende, günstige Gelegenheit, die Keimbildung bei Ascaris megalocephala zu untersuchen in der Absicht, mir an einem so überaus geeigneten Objekt ein eigenes Urteil über verschiedene noch strittig gebliebene Fragen zu bilden. In Berlin konnte ich, was in Jena nicht möglich war, vom grossen Pferdeschlachthof fast jeder Zeit frisches Material für Studienzwecke erhalten. Schon 1890 veröffentlichte ich meine Ergebnisse unter dem Titel: „Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden, Eine Grund- lage für zelluläre Streitfragen“. Beim Studium dieses Themas lernte ich ausser den schon früher aufgeführten noch einen anderen unschätzbaren Vorteil von Ascaris kennen, der darin besteht. „dass in der Samenröhre alle Entwicklungsstadien von der einfachsten Ursamenzelle bis zum ausgebildeten Samenkörper ohne Lücke aufeinander folgen. Man ist hier nie in Verlegenheit über die Reihenfolge, in welcher sich die einzelnen Stadien an- einander schliessen müssen, und wenn man Geduld und Ausdauer zur Beobachtung mitbringt, kann man sich bis ins kleinste Detail über die Veränderungen unterrichten, welche Zelle und Zellkern in den verschiedenen Phasen der Samenbildung erleiden.“ (1890, 10182) Durch eine fast lückenlose Untersuchung gelang es mir denn auch an diesem Objekt bis ins Einzelne den Vergleich zwischen den einander entsprechenden Stadien der Ei- und Samen- reife durchzuführen, die Irrtümer von van Beneden aufzu- klären und ein Schema aufzu- stellen, welches jetzt allgemein an- genommen ist. Ich wies nach, dass die von van Beneden entdeckten Zwischenkörperchen in der Keim- zone der Hodenröhre (Fig. 20) nicht ausgestossene Chromatin- Fig. 20. schleifen sind, dass sie auch nicht Zwischenkörperchen (corps resi- den Richtungskörperchen ent- duels, verkümmerte Spermato- sprechen ‚können, schon aus dem gonien) aus verschiedenen Ab- einfachen Grund, weil sie ‘eben- schnitten, der, Hodenröhre, Nach : : E Age O0. Hertwig (1890, 1. c. Taf. II, so in der Keimzone der Eiröhre Fig. 35). a, b Zwischenkörperchen aufgefunden werden. Aber auch „usderTeilzone;c,dausderWachs- hiervon abgesehen. können sie tumszone; e, f aus der Teilzone. 34 Oskar Hertwig: in keiner Beziehung zu einer Reduktion des Chromatins stehen, da der Reduktionsprozess erst auf einem viel späteren Stadium der Ei- und Samenbildung, nämlich im dritten Abschnitt der Keimdrüsen, in ihrer Reifezone, stattfindet. Ich deutete daher die Zwischenkörperchen der Nematoden (Fig. 20) als rudimentär gewordene weibliche und männliche Keimzellen, wie sie auch bei anderen Tieren von mehreren Forschern (Flemming) beschrieben worden sind. Gleichzeitig und unabhängig von mir wurden Corps residuels auch von Lameere und von Boveri in der Keimzone des Eierstocks von Ascaris aufgefunden und daraus gleichfalls der Schluss gezogen. dass sie nicht den Richtungskörperchen entsprechen können. Zweitens entdeckte ich als erster den wirklichen Reduktions- vorgang in der Spermiogenese von Ascaris, der von van Beneden und Julin ganz übersehen worden war. Denn wie die Ver- gleichung der entsprechenden Abschnitte der männlichen und der weiblichen Geschlechtsorgane mir in voller Klarheit lehrte, ist die Spermatozyte gleichwertig oder homolog dem unreifen Ei mit Keimbläschen, der Ovozyte. Ihre Übereinstimmung schien mir, von anderen Punkten abgesehen, allein schon daraus hervorzu- gehen, dass in den Kernen von beiden der eigentümliche Chromatin- körper auftaucht, den man jetzt Vierergruppe nennt, und zwar einer bei Ascaris megal.-univalens, zwei bei A. m. bivalens. Weder in dem Keimbläschen, wie es Boveri annahm, noch in dem Spermatozytenkern, wie es van Beneden und Julin behaup- teten, konnte schon eine Reduktion nach meiner Ansicht statt- gefunden haben; sie konnte vielmehr nicht früher als beim Abschluss der Ovo- und Spermiogenese erfolgen, bei jener durch die Bildung der zwei Polzellen, bei dieser durch die Teilung der Spermatozyte in vier Spermatiden. Denn durch genaues Studium der bei Ascaris lückenlos aneinander gereihten Stadien gelang es mir zum ersten Mal festzustellen. dass bei den ohne Unterbrechung sich folgenden zwei Teilungen der Spermatozyte die vier Ele- mente jeder Vierergruppe des Kerns genau in derselben Weise verteilt werden, wie bei der Entstehung der: zwei Polzellen aus dem Ei. Wenn nämlich die Kernspindel der Spermatozyte sich gebildet hat, trennen sich die vier Elemente jeder Tetrade in zwei auseinanderweichende Tochtergruppen von zwei zu einem Paar (Dyade) vereinten Elementen, je eine Gruppe für eine der beiden Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 95 Präspermatiden, die aus der Teilung hervorgehen. Diese schicken sich sofort unter Überspringung des bläschenförmigen Ruhe- stadiums zur nächsten Teilung an, indem wieder eine Spindel entsteht. in deren Mitte die Zweiergruppen ihren Platz nehmen und alsbald sich in ihre auseinanderweichenden, einfachen Elemente trennen. Infolgedessen erhält jetzt jede Spermatide nur ein Element von jeder der ursprünglichen Vierergruppen der Spermatozyte, also nur ein Viertel der gesamten ursprünglichen Uhromatinmasse, genau so, wie es bei der Bildung der Polzellen geschieht. Hiermit war in der Spermiogenese ein Vorgang, welcher der Reduktion in der Ovogenese vollkommen gleichwertig ist, auf das genaueste nachgewiesen. Die Vergleichung der einander entsprechenden Zellgenerationen ergab sich nun von selbst. Denn wie leicht zu sehen, entspricht die Spermatocyte dem unreifen Ei, der Ovozyte. Die durch Teilung entstandenen zwei Präspermatiden entsprechen dem Ei und der ersten Polzelle; die vier Spermatiden aber sind gleichwertig dem Reifei. der zweiten Polzelle und den beiden Tochterzellen, die sich durch eine nochmalige Teilung der ersten Polzelle bei den meisten Tieren bilden. Daher haben die Richtungskörper den morphologischen Wert rudimentärer Eizellen. (1890, 1. c. S. 61—71.) Kurz vor dem Erscheinen meiner Arbeit war schon Platner, ein talentvoller Forscher, dessen wissenschaftliche Tätigkeit leider ein frühes Ende fand, durch Untersuchungen an Schmetterlingen und Mollusken zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. Er erkannte, dass die Spermatozyten den Eiern und die zwei Tei- lungen, welche sie noch eingehen, denen der beiden Richtungs- spindeln entsprechen, dass in beiden Fällen eine Reduktion der chromatischen Substanz stattfindet, indem die zweite Teilung ohne eingeschaltetes Ruhestadium sofort an die vorhergehende sich anschliesst (1889b, 1. c. S. 139, 144). Platners Beweis- führung an den kleinen, mit zahlreichen Chromosomen ausge- statteten Spermatozyten von Paludina, Helix und Limax agrestis ist indessen keine lückenlose; die Darstellung, nur auf wenige Abbildungen gestützt, ist sehr kurz gefasst und wirkt daher nicht so überzeugend, wie es die Wichtigkeit des Gegenstandes erfordert. Den bei Ascaris bis ins kleinste durchgeführten Vergleich und die aus ihm gewonnene Tatsache, dass die vier Samenzellen 96 Oskar Hertwig: (Spermatiden) dem Reifei mit seinen drei Richtungskörperchen entsprechen, benutzte ich als eine durchschlagende Widerlegung des bis zuletzt von van Beneden verteidigten Irrtums, dass die Richtungskörperchen keine Zellen seien. Denn wollte man letzteres zugeben, dann müsste man folgerichtig zu der Ansicht kommen, dass auch die vier Samenzellen, die sich in die Sperma- tozoen umwandeln, keine Zellen mehr sind, ebensowenig wie das Reifei, welches ja einer Samenzelle gleichwertig ist und von welchem dann bei der Entwicklung alle nachfolgenden Zellgene- rationen wieder abstammen. Ebenso wandte ich mich in Billigung der schon von Boveri gegebenen Beweisführung gegen die ebenso zäh festgehaltene Behauptung van Benedens. dass die Vorgänge am Kern bei der Eireife keiner Karyokinese entsprächen, sondern als Pseudokaryokinese zu bezeichnen seien. In voller Anerkennung der Unterschiede, welche in der Bildung der Vierer- gruppen und in dem Ausfall des bläschenförmigen Ruhestadiums zwischen den beiden Reifeteilungen bestehen, sind die Merk- male, die mit dem Ablauf einer Kernteilung übereinstimmen — die Ausbildung einer Kernspindel mit ihren Protoplasmastrahlen (also eines Amphiasters. Fol), die Bildung von Chromosomen, ihre Anordnung in der Spindelmitte und ihre Verteilung auf zwei sich trennende Gruppen — so überwiegend, dass mir jeder triftige Grund zu fehlen scheint, den Vorgang nicht als Kernteilung ansehen zu wollen. Ich bin auf diesen Punkt nur deswegen noch einmal einge- gangen, weil Rabl in seiner Abhandlung aus dem Jahre 1915 den Ansichten van Benedens in dieser Angelegenheit wenigstens halb beipflichtet. Zwar gibt er, gestützt auf eigene Untersuchungen (1915. 1. e. S. 111) zu, dass die erste Richtungsteilung ganz dem Verlauf einer typischen Mitose entspricht. Denn er findet, dass sich vor Beginn derselben die chromatische Substanz des Keimbläschens zu einem Knäuel mit längsgespaltenen chromatischen Elementen und deutlichem Polfeld anordnet und dass sich auf der ersten Richtungs- spindel die Spalthälften eines jeden Uhromosoms nach den Polen der Figur zu trennen. Der zweiten Reifeteilung aber spricht Rabl den Charakter einer wirklichen Mitose aus dem einzigen Grund ab, weil sich die beiden Elemente jeder Dyade nicht wieder der Länge nach spalten, sondern als solche unverändert nach entgegengesetzter Richtung, wie es auch sonst die Spalthälften Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. a7 tun, auseinanderweichen. Indem er Boveri bekämpft, wendet er sich an ihn mit der Frage (l. c. S. 128): „Wäre es nicht richtiger gewesen, einfach zu sagen, die zweite Richtungsteilung sei keine Mitose, sie sei ein Vorgang, der mit einer wirklichen, typischen Mitose nur eine gewisse äussere Ähnlichkeit hat? Die zweite Mitose sei also, kurz gesagt, als Pseudomitose oder Pseudo- karyokinese zu bezeichnen, um den von van Beneden ge- brauchten Ausdruck zu benutzen? Freilich würde sich Boveri mit einem solchen Eingeständnis der Auffassung van Benedens, die er doch im Jahre 1887 so heftig und entschieden bekämpft hatte, genähert haben“. Wie ich schon auf Seite 91 näher begründet habe, hat Boveri eine Reihe falscher Beobachtungen und durch sie ver- anlasster Deutungen van Benedens richtig gestellt und mit dem schon früher an anderen Objekten durch mich, Fol und andere Forscher ermittelten Sachverhalt in Einklang gebracht. Die Richtigkeit der Ansicht, dass die Richtungskörper ebenso wie die Spermatiden Zellen sind und durch Zellenbildung entstehen, habe ich durch meinen Vergleich der Ei- und Samenbildung der Nematoden noch mehr erhärtet. Wenn Rabl den Standpunkt van Benedens für die erste Richtungsteilung aufgibt, warum nicht auch für die zweite? Dieselbe gleicht doch in ihrem ganzen Verlauf, zumal bei Echinodermen, Mollusken und den meisten Tierklassen, äusserlich der ersten zum Verwechseln, und sie bietet auch sonst alle wesentlichen Merkmale der indirekten Kernteilung dar, mit der einzigen Ausnahme, dass die Längsspaltung der Chromosomen infolge des Ausfalls des bläschenförmigen Ruhe- stadiums des Kerns unterbleibt und daher die Chromosomen von der vorausgegangenen Teilung noch einmal zu gleichen Hälften ver- teilt werden. Wird diesem einzigen, wenn auch wichtigen Unter- schied, den ich schon in meinen ersten Abhandlungen bei Astera- canthion und anderen Objekten feststellen konnte, nicht durch die Einführung des Begriffes „Reduktionsteilung“ vollkommen und in bester Weise Rechnung getragen? Ich glaube ja! Nach dieser Darlegung der Unterschiede, die zwischen van Beneden und mir in den Beobachtungen und Deutungen über den Reduktionsprozess bei der Ovo- und Spermiogenese bestehen, kann ich dem summarischen Urteil Rabls über die Verdienste, die sich van Beneden durch seine Schrift „La spermatogendse Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.II. 7 95 Oskar Hertwig: chez l’Ascaride“ erworben hat, nicht beipflichten. Rabl (1915, l. e. S. 75—76) teilt dem belgischen Forscher mehr zu, als ihm in Wirklichkeit zukommt, sowohl was die Richtigkeit der Beobachtungen und ihrer Deutungen, als auch die leitende Gesamt- idee betrifft. Allerdings hat van Beneden, von seiner Lehre des Hermaphroditismus der Zellkerne und von der durch ihn ent- deckten Tatsache ausgehend, dass der Samenkern bei Asc. meg. bivalens nur zwei Chromosomen besitzt, folgerichtig die Ansicht aus- gesprochen, dass auch das Spermatozoon eine reduzierte Zelle sei, und hat sich daher bemüht, einen Reduktionsprozess in der Spermiogenese aufzufinden. Dies Verdienst soll ihm in keiner Weise bestritten werden. Bei der Ausführung seines Versuches aber ist er in jeder Beziehung gescheitert, wie ich schon 1890 und jetzt wieder in der mir aufgedrungenen historischen Dar- stellung auseinandergesetzt habe. Auch hat van Beneden in seiner Schrift überhaupt nicht versucht, einen Parallelismus zwischen Ei- und Samenreifung von Stadium zu Stadium durch- zuführen, wie es von mir bei Ascaris und teilweise auch von Platner an anderen Objekten geschehen ist. Hätte er wirklich einen kritischen Vergleich angestellt, dann hätte er auch auf seinen Irrtum aufmerksam werden müssen, in den Corps residuels etwas den Richtungskörperchen Vergleichbares entdeckt zu haben. Da- gegen hat sich der von mir 1890 bis ins einzelne genau durch- geführte Vergleich zwischen Ovo- und Spermiogenese bei Ascaris und der hierbei ermittelte Parallelismus in der Folgezeit in jedem Punkte als richtig erwiesen: das Schema, welches ich in einer Zusammenstellung von Figuren später zur Veranschaulichung des Parallelismus in meinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte gegeben habe (Fig. 21), entspricht noch heute dem Sachverhalt, den alle mit Spermiogenese seitdem beschäftigten Forscher be- stätigt haben. Auch Boveri hat die von mir ermittelten Tat- sachen zu einem recht brauchbaren Schema benutzt, welches in viele Lehrbücher Eingang gefunden hat und in solchen auch von mir öfters reproduziert worden ist. In meiner historischen Darstellung ist schliesslich noch ein Verhältnis zu erörtern, welches damals den Forschern grosse Schwierigkeiten bereitet hat und auch jetzt noch nicht nach allen Richtungen aufgeklärt ist, trotzdem es zur Grundlage für weit- tragende Hypothesen benutzt worden ist. Es handelt sich um Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 99 Erstes Stadium. 0! und 0°. Oozyte erster Ordnung mit 2X4 Chromo- somen. $% 52 T Ci > f 72) S! und S°’. Spermatozyte IN > L erster Ordnung mit 2x4 Chromosomen. Zweites Stadium. 03 und 0%. Ovozyte zweiter Ordnung und erste Polzelle. Jede mit 2x 2Chromosomen. S®und.S*. 2Spermatozyten zweiter Ordnung (Präsper- matiden).. Jede mit 2x2 Chromosomen. Drittes Stadium. eık 0 und 0%. Reifei und 3 Pol- zellen. Jede Zelle mit2 Chro- mosomen. 5° und S®. 4 Spermatiden. Jede mit 2 Chromosomen. 6 4 - - Ar, & ® S” Reifer Samenkörper mit 2 Chromosomen. Fig. 21. Schema zum Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. (Nach O. Hertwig.) 0:—-0° sind sechs aufeinanderfolgende Stadien aus dem Reifeprozess des Eies. Unter jedem derselben ist das entsprechende Stadium aus der Spermio- genese S!—,8% dargestellt. O0! Ovozyte erster Ordnung mit Keimbläschen, in welchem das Chromatin auf acht zu zwei Vierergruppen (Tetraden) ver- bundenen Chromosomen verteilt ist: S! Spermatozyte erster Ordnung mit entsprechender Anordnung der acht Chromosomen; 0° Ovozyte mit der aus dem Keimbläschen entstandenen Kernspindel (Polspindel) mit 2 x 4 Chromo- 7* 100 Oskar Hertwig: somen; ‚S? Spermatozyte mit Kernspindel mit 2 x 4 Chromosomen; 0° Ovo- zyte zweiter Ordnung mit der ersten Polzelle. Bei der Kernteilung hat jede Tochterzelle 2X 2 Chromosomen erhalten, die paarweise (Dyaden) verbunden sind; ‚S? Teilung der Spermatozyte in zwei Präspermatiden mit 2 x 2 Chromo- somen; O* Ovozyte zweiter Ordnung in Vorbereitung zu einer zweiten Teilung (zweite Polspindel); S* Vorbereitung der Präspermatiden zu einer zweiten Teilung; 0° Reifei mit zweiter Polzelle (p»2°); erste Polzelle in zwei Tochterzellen geteilt (p2? u. pz*); jede der vier Zellen enthält nur zwei einzelne Chromosomen; S? die zwei Präspermatiden sind in vier Sperma- tiden geteilt, von denen jede ebenfalls nur zwei einzelne Chromosomen ent- hält; 0% Reifei mit Eikern und drei Polzellen ; ‚S* die vier Spermatiden haben sich voneinander getrennt; ‚S” aus der Spermatide entstandener Samenkörper mit Kern und Glanzkörper; ? Tetrade, Vierergruppe der Chromosomen; sp! erste Teilspindel der Ovozyte und Spermatozyte; d Dyade, Zweiergruppe der Chromosomen; sp® zweite Teilspindel der Ovozyte und Spermatozyte zweiter Ordnung (Präspermatide); 92! erste Polzelle; »z” zweite Polzelle; pz° und pz* aus Polzelle ' entstandene zwei Tochterzellen; eök Eikern; s/ Samenkern: g Glanzkörper der Spermatosomen. die Entstehung und Bedeutung der sogenannten Vierergruppen, die zuerst bei Ascaris und später bei zahlreichen anderen Objekten beobachtet wurden, und wahrscheinlich sogar sich auf einem be- stimmten Stadium in der Reifung der Geschlechtsprodukte über- all finden werden. Das Auftreten von Vierergruppen in den Kernen der Ovo- zyten und Spermatozyten und der Umstand, dass ihre Zahl stets nur die Hälfte der Chromosomenzahl beträgt, die sich im Mutter- stern von sich teilenden Gewebszellen findet, ist etwas so Eigen- artiges, dass es die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich ziehen und zu Erklärungsversuchen anregen musste. Während van Beneden sich über diesen Punkt nicht genauer aussprach, sind seine Nachfolger zu verschiedenen Deutungen gelangt. Carnoy (La cellule 1886, 1887) und van Gehuchten (1887, 1. c. S. 753 und 756) erblickten in den Stäbchen jeder Vierergruppe selbständige Elemente oder, wie wir jetzt sagen würden, Chromo- somen, die sich nach ihrer Entstehung aus dem Kernfaden durch Querteilung immer zu vier zusammengeordnet haben. Boveri dagegen deutete jede Vierergruppe als ein einheitliches Chromosoma, das durch doppelte Spaltung vierteilig geworden ist (1890, Heft 3, S. 52), so dass schon im Keimbläschen die „Tochter- und Enkelelemente vorbereitet sind, welche durch die beiden nun folgenden Teilungen voneinander getrennt werden.“ Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 101 Infolge dessen hielt er die im Keimbläschen auf- tretende Zahl der Chromosomen schon auf die Hälfte reduziert und konnte in der Bildung der Richtungskörper keinen Reduktionsprozess mehr erblicken. Aus diesem Grund erschien es ihm auch „nicht verständlich, wie Platner dazu kommt, zu behaupten, dass durch die Bildung des zweiten Richtungskörpers eine Reduktion der Chromosomen auf die Hälfte ihrer Zahl zustande kommt“ (1890, Heft 3, S. 62). „Noch viel weniger aber verstehe ich“, fügt Boveri hinzu, „wie Platner mich selbst als Gewährsmann für diese Behauptung anführen kann, nachdem ich doch gerade das Gegenteil als ein Hauptergebnis meiner Unter" suchungen über Eireifung betrachte und dies mehrfach und, wie mir scheint. deutlich genug zum Ausdruck gebracht habe“. Und zum zweitenmal bemerkt er: „Der Sinn des Platnerschen Ausspruchs bleibt mir einstweilen dunkel“ (S. 65). Auf Grund meines Vergleichs der Ei- und Samenbildung bei Nematoden war ich gezwungen, auch dieser Auffassung von Boveri entgegenzutreten. Denn ich verlegte den Zeitpunkt, in dem die Zahl der Chromosomen und die Masse des Chromatins auf die Hälfte eines Normalkerns herabgesetzt wird, bei der Ovogenese in die zweite Richtungsteilung und bei der Spermio- genese in die Teilung der Präspermatiden in die Spermatiden, wie es ja jetzt auch allgemein gelehrt wird (1890, l. c. S. 69). Im ganzen Verlauf der Ei- und Samenbildung konnte ich auf keinem früheren Stadium auch nur die geringste Andeutung einer Reduktion wahrnehmen, weder eine Ausstossung von Kernschleifen nach van Beneden (vgl. S. 85—90), noch eine Atrophie von Chromosomen nach Boveri (vgl. S. 90—92). Daher schloss ich, dass in den Kernen der Ovozyten (Keimbläschen) und der Spermato- zyten de Chromatinmasse gleich gross wie in jedem andern Kern vor der Teilung, aber in etwas ab- weichender Weise für den Teilungsprozess vor- bereitet ist (1890, 1. ec. S. 67—73). (Siehe auch Anmer- kung 22a.) Somit löst sich das neue Problem in die Frage auf, wie wird am Ende der Wachstumsperiode von Ovozyte und Sperma- tozyte die Chromatinmasse für die zwei letzten Teilungen vor- bereitet, wie entsteht vor allen Dingen die merkwürdige Vierer- 102 Oskar Hertwig: gruppe? Diese konnte ich nicht wie Boveri u. a. als ein ein- ziges, nur vierteilig gewordenes Chromosom deuten, sondern sah in Ihm eine Gruppe von vier selbständigen Chromosomen, die durch achromatische Substanz (Linin) zu einem Bündel vereinigt sind. Indem ich die Entstehung der Bündel möglichst weit rück- wärts verfolgte, fand ich, dass sie durch Verkürzung langer, feiner, schon teilweise durch Linin verbundener Chromatinfäden entstehen (Fig. 22a, b, c.).. (Anmerkung 22b.) nn Fig. 22. Spermatozyten von Ascaris megalocephala biyal. aus dem Anfang der Teil- zone mit drei Stadien aus der Bildung der Vierergruppe. (Nach O. Hert- wig 1890, 1. c. Taf. II. Fig. 8, 10, 18.) a Zwei Gruppen von langen Chroma- tinfäden, die in der Mitte eng zusammenliegen, durch Linin verbunden, während ihre freien Enden auseinanderweichen. b Die Fäden sind mehr verkürzt. c Zwei Vierergruppen von kurzen gebogenen Chromosomen. In b und e sind ein resp. zwei Zentrosomen aufgetreten. Auf jüngeren Stadien untersucht, verlieren die Fäden die glatte Beschaffenheit ihrer Oberfläche und sind öfters paarweise, nur durch eine feine Linie getrennt. parallel zusammengeordnet (Fig. 23b). Daher hielt ich es für sehr wahrscheinlich, dass diese Fadenpaare in gleicher Weise, wie es zuvor schon Flemming für die Spermatozyten des Landsalamanders beschrieben hatte, durch eine sehr frühzeitig erfolgte Längsspaltung eines zuvor ein- fachen Mutterfadens gebildet worden sind (1890 1. c. S. 65). Ich er- wog bei dieser Gelegenheit die Frage, ob der Mutterfaden sich nur einmal oder zweimal seiner Länge nach spaltet, da durch die zweite Annahme sich das Zustandekommen einer Vierergruppe auch würde erklären lassen (S. 65). Eine bestimmte Antwort auf diese Frage konnte ich jedoch damals nicht geben, da die Bilder Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 103 auf jüngeren Stadien immer undeutlicher wurden und nicht mehr zu entwirren waren, zumal jetzt das Fadenwerk sich an einer Stelle der Kernmembran zu einem Knäuel oder einem dichten Klumpen zusammendrängt (l.c.S.65, 21 und 23) (Fig. 23a). Daher schloss ich meine Nachforschungen und meine Erwägungen über die YN 2 - n Aararor « 7 . su Entstehung einer „Vierergruppe DB San mit der Bemerkung ab (l. c. te ee S. 67): „Wie man aus vorstehenden 2 Fig. 23. h Betrachtungen ersehen haben wird, „ Kern einer Spermatozyte aus sind viele Möglichkeiten vorhanden, der Wachstumszone. Die chroma- wie sich die Verhältnisse würden tische Substanz ist an einer Stelle erklären lassen. Sache der Be- der Kernmembran zu einem obachtung ist es, unter diesen une ar er En den Fäden zusammengedrängt Möglichkeiten die richtige heraus- Stadium der Synapsis). b Spä- zufinden. Am richtigen Objekt teres Stadium, auf welchem aus und mit geeigneten Methoden dem Klumpen vorragende, paar- wird sich die Angelegenheit ge- weise verbundene Chromatinfäden lem Miete der ‚Beoh: zu sehen sind. (Aus 0. Hertwig, = 1890, 1. c. Taf. II, Fig. 31 und 30.) achtung entscheiden lassen“. In der Folgezeit ist dies auch geschehen. Schon 1896 wurde das von mir beobachtete und nicht mehr genauer analysierte Stadium, in welchem das chromatische feine Fadenwerk zu einem Klumpen an einer Stelle der Kernmembran zusammengedrängt ist, von Moore in einer Arbeit über die Spermatogenese der Selachier als Synapsis benannt. Seitdem hat sich durch das Zusammenwirken vieler Forscher, die den noch dunkel gebliebenen Sachverhalt zum besonderen Gegenstand mühsamer Untersuchungen machten, die Auffassung mehr und mehr Bahn gebrochen, dass im Synapsisstadium und im Anschluss an dasselbe ursprünglich getrennte Chromatinfäden sich paarweise nähern und parallel aneinanderlegen. Man hat diesen Vorgang vielfach als eine Art von Konjugation von einander entsprechenden Chromosomen väter- licher und mütterlicher Abstammung gedeutet. Eine Vierergruppe aber kommt dadurch zustande, dass ausserdem noch jeder der Paarlinge eine Längsspaltung in zwei Tochterchromosomen erfährt. „Die Vorbereitung der chromatischen Substanz für den Teilungs- prozess“ am Ende der Oo- und Spermiogenese zeigt also nach dem Stand unserer heutigen Kenntnisse zwei Besonderheiten: 104 Oskar Hertwig: einmal tritt die Längsspaltung der Mutterchromosomen in zwei Tochterchromosomen, wie zuerst Flemming bei der Spermio- genese von Salamandra beobachtet hat, sehr frühzeitig noch im bläschenförmigen Kern ein, zweitens aber legen sich je zwei längs- gespaltene Chromosomen, was sonst nirgends vorkommt, zu einer Gruppe aneinander und werden durch Linin verbunden. Auf die Geschichte dieses schwierigen, noch keineswegs abgeschlossenen Kapitels, mit dem sich die Forschung erst in den letzten 20 Jahren beschäftigt hat, noch näher einzugehen, liegt ausserhalb der Aufgabe, die ich mir gestellt habe. II. Geschichte der führenden Theorien und Hypothesen. (Mein Anteil und meine Stellung zu denselben.) l. Die Kernidioplasmatheorie. Von Erwägungen geleitet, deren Vorgeschichte auf ältere Arbeiten zurückführt, veröffentlichte Nägeli 1884 in seinem letzten grossen Werk eine Theorie vom Idioplasma als dem Träger der erblichen Anlagen. Er ging hierbei von dem Grundsatz aus, dass „die Kinder im allgemeinen gleich viel vom Vater wie von der Mutter erben“ (l. c. $. 109), und dass die Übertragung der Eigenschaften durch die Substanz der weiblichen und der männlichen Keimzellen geschieht. Für diese nahm er eine ihnen eigentümliche spezifische Organisation an, für welche er eine Mizellarhypothese aufstellte. Gelöste Stoffe können seiner Ansicht nach nicht Träger von bestimmten erblichen Eigenschaften sein (S. 111). Denn es sei beim Menschen „für die eigenartige Entwicklung vollkommen gleichgiltig, woher das Eiweiss, durch welches das Kind wächst, stammt, ob von der Mutter, von der Amme, von der Kuhmilch oder vom Kindermehl, wiewohl diese Nahrungsmittel wegen ihrer Mischung mehr oder weniger zuträglich sein können“. Hieraus und aus anderen Erwägungen zog Nägeli den Schluss, „dass der befruchtende Stoff niemals in der indifferenten Form der Lösung (wie so oft für die phanerogamischen Pflanzen angenommen wurde) eindringen kann“ (S. 112). Da nun aber Ei und Samenfaden als zwei im wesent- lichen gleichartige Potenzen bei der Übertragung erblicher Eigenschaften auf das aus ihnen entstehende Kind anzusehen Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 105 sind, so verlangt ihre so ausserordentlich verschiedene Grösse eine Erklärung. Nägeli suchte eine solche in seiner Idio- plasmatheorie zu geben, indem er in den beiderlei Keim- zellen zwei verschiedene Arten von Zellsubstanzen unterschied, eine Art, welche in ihnen in gleichen Mengen vorhanden und Träger der erblichen Eigenschaften ist, und eine zweite Art, welche zwar im Ei in grosser Masse angehäuft ist, dem Samen- faden aber ganz oder so gut wie ganz fehlt und welche vor- zugsweise den Ernährungsprozessen dient. Die eine bezeichnete er als Idioplasma, die zweite als Ernährungsplasma und begründete die Notwendigkeit ihrer Unterscheidung in folgender Weise (l. ce. S. 27): „Ich habe beide als verschieden angegeben, weil mir dies der einfachste und natürlichste Weg scheint, um die ungleichen Beziehungen der Plasmasubstanzen zu den erblichen Anlagen zu begreifen, wie sie bei der geschlechtlichen Fortpflanzung deutlich werden. An die befruchtete und entwicklungsfähige Eizelle hat die Mutter hundert- oder tausendmal mehr Plasma- substanzen, in denselben aber keinen grösseren Anteil an erblichen Eigenschaften geliefert, als der Vater. Wenn das unbefruchtete Ei ganz aus Idioplasma bestände, so würde man nicht begreifen, warum es nicht entsprechend seiner Masse in dem Kinde wirksam wäre, warum dieses nicht immer in ganz überwiegendem Grade der Mutter ähnlich würde.“ Die Idioplasmatheorie trägt einen rein spekulativen Charakter. Denn Nägeli hat überhaupt nicht die Frage erwogen, ob sich vielleicht in der Zelle die beiden Substanzen, welche als Idioplasma und welche als gewöhnliches Ernährungsplasma zu bezeichnen sind, unterscheiden lassen. Er hielt es nur für eine „kaum von der Hand zu weisende Annahme (S. 41), dass das Idioplasma durch den ganzen Organismus als zusammenhängendes Netz ausgespannt sei; dasselbe wird in den Zellen selbst“, führte er weiter aus, „je nach der Beschaffenheit derselben eine verschiedene Gestalt annnehmen, in den grösseren Pflanzenzellen aber gewöhnlich innerhalb der Membran die Oberfläche überziehen, ferner auch häufig durch den Zellraum verlaufen und besonders auch im Kern zusammengedrängt sein! Der in Pflanzenzellen so häufig . vorkommenden netzförmigen Anordnung des Plasmas und der netzförmigen Beschaffenheit der Kernsubstanz liegt wahrscheinlich das Idioplasmanetz zugrunde“ (S. 41). 106 Oskar Hertwig: An dem rein spekulativen Charakter der Idioplasmatheorie liegt es, dass sie eine sehr verschiedene Beurteilung in der Wissenschaft erfahren hat, hier als völlig unbrauchbar, wie vom Botaniker Sachs, in schärfsten Ausdrücken abgelehnt, dort wegen ihrer fruchtbaren Gesichtspunkte und als logische Gedankenarbeit beifällig aufgenommen und als geeignete Grundlage für wissen- schaftliche Untersuchungen anerkannt wurde. Von dem ideen- reichen Buch angeregt, versuchte ich, gleich nach seinem Erscheinen. den fruchtbaren Gedanken der Idioplasmatheorie mit meinen durch das Studium des Befruchtungsprozesses gewonnenen Erfahrungen in Verbindung zu setzen. Es geschah in meiner ebenfalls schon 1884 erschienenen Schrift: „Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung“. Gleich - zeitig und unabhängig von mir hat Strasburger in demselben Jahr einen ähnlichen Versuch gemacht in seiner grösseren Ab- handlung: „Neue Untersuchungen über den Befruchtungsprozess bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung“. Gleich in der Einleitung zu meiner Schrift hob ich als ihr Leitmotiv hervor, dass meine Befruchtungstheorie in der ihr 1875 gegebenen Fassung, wenn sie weiter durchgeführt wird, auch noch eine Vererbungstheorie in sich einschliesse. Denn der von mir als These aufgestellte Satz: Die Befruchtung beruht auf der Verschmelzung von Ei- und Samenkern, „schliesse zweierlei Behauptungen in sich ein, erstens dass die Kernsubstanz, und nicht das Protoplasma der befruchtende Stoff ist und zweitens, dass die Kernsubstanz als ein geformter, organisierter Bestandteil zur Wirkung kommt, dass mithin die Befruchtung ein morpho- logischer, der Beobachtung direkt zugänglicher Vorgang ist. Da nun mit der Befruchtung die Übertragung der Eigenschaften des Vaters auf das aus dem Ei entstehende Tier notwendig verknüpft ist, lässt sich aus der aufgestellten Theorie noch die weitere, nahe- liegende Folgerung ziehen, dass die Kernsubstanzen zugleich die Träger der erblichen Eigenschaften sind, welche von den Eltern auf ihre Nachkommen vererbt werden®.(l. e. 8.1). Nach Beweisen für diese Auffassung suchend, nahm ich den von Nägeli zuerst klar ausgesprochenen Grundsatz an, dass Samenfaden und Ei trotz ihrer oft gewaltigen Grössenunterschiede Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 107 in bezug auf ihre erblichen Eigenschaften zwei wesentlich gleiche Potenzen sind, dass man daher, um ihre Grössenunterschiede zu erklären, zwei Substanzen von ungleichem Wert für den Ver- erbungsprozess unterscheiden müsse, eine als Erbmasse wirksame und im Ei und Samenfaden in gleicher (Quantität vorhandene Substanz, das Idioplasma von Nägeli, und eine zweite, nicht idioplasmatische Substanz, deren Anhäufung im Ei seine ausser- gewöhnliche Grösse veranlasst hat. Ich suchte nachzuweisen, dass in der Tat beim Studium des Befruchtungsprozesses organisierte Gebilde beobachtet werden, welche der theoretischen Forderung einer „Aquivalenz der wirksamen Keimstoffe“, wie ich das Nägelische Vererbungsaxiom nannte, vollkommen ge- nügen, nämlich die sich verbindenden Kerne der männlichen und der weiblichen Keimzellen. Die Grössenunterschiede, die beide beim Beginn der Befruchtung zuweilen darbieten, erklärte ich dadurch, dass der Samenkern aus einer festeren Kernsubstanz besteht. die nur eine geringe Menge von Kernsaft aus dem Proto- plasma aufzunehmen braucht, um dasselbe Volumen wie der Eikern zu erreichen. Hatte ich doch bei Asteracanthion (1878, Beiträge III, l. ec. S. 171 und 1884, 1. ec. S. 13) den experimentellen Beweis führen können, dass sich die Grösse des Samenkerns durch den Zeitpunkt der Befruchtung beeinflussen lässt und dass der Samenkern, abweichend von dem Befund beim Seeigel, zu der Grösse des Eikerns anschwillt, wenn der Samenfaden schon vor der Bildung der Richtungskörper in das Ei eindringt. Besonders aber erblickte ich eine Bestätigung der Äquivalenz von Ei- und Samenkern in der kurz vor dem Erscheinen meiner Schrift ver- öffentlichten, wichtigen Entdeckung van Benedens, dass aus dem Chromatin von Ei- und Samenkern sich je zwei gleichgrosse Chromosomen bilden, sich zu gleichen Teilen am Aufbau des Muttersterns der ersten Furchungsspindel beteiligen und dann nach ihrer Längsspaltung in Tochterchromosomen auch zu gleichen Hälften auf die beiden Tochterzellen und weiter wahrscheinlich auf die Nachkommen derselben überliefert werden. Daher hielt ich es „zum wenigsten auch für sehr wahrscheinlich, dass das Nuklein (Chromatin) die Substanz ist, welche nicht allein befruchtet, sondern auch die Eigenschaften vererbt und als solche dem Idio- plasma Nägelis entspricht“ (1854, 1. ec. S. 15). Als ein zweites Moment zugunsten meiner Auffassung be- 108 Oskar Hertwig: trachtete ich das von mir und Fol zuerst ermittelte Gesetz, dass „die normale Befruchtung, welche eine regelmässige Ent- wicklung anregt, stets nur durch ein einziges Spermatozoon ausgeführt wird“ (1884, l. c. S. 14). Auf Grund meiner schon seit 1875 gesammelten Erfah- rungen stimmte ich ferner mit Nägeli, Hensen und Anderen auch in der für das Wesen der Vererbung grundlegenden Ansicht überein, für welche ich durch wirkliche Beobachtungen zuerst die Beweise beigebracht hatte, „dass die Befruchtung nicht nur ein chemisch-physikalischer Vorgang, wie die Physiologen meist anzunehmen pflegten, sondern gleichzeitig auch ein morpho- logischer Vorgang ist, insofern ein geformter Kern- teil desSpermatozoon in das Ei eingeführt wird, um sich mit einem geformten Kernteil des letzteren zu verbinden“ (1884, 1. c. S. 16). Und so fasste ich denn meine Ansicht von der Bedeutung der Kernsubstanzen in den Satz zusammen (l. c. S. 27): „Als die An- lagen von komplizierter molekularer Struktur, welche die mütter- lichen und väterlichen Eigenschaften übertragen, können wir die Kerne betrachten, welche in den Geschlechtsprodukten sich als die einzigen einander äquivalenten Teile ergeben, und an welchen wir bei dem Befruchtungsakt allein ausserordentlich bedeutsame Vorgänge beobachten“. Zugunsten dieser Auffassung suchte ich auch die Tatsachen der Karyokinese zu verwerten, indem ich mich ganz den Anschauungen anschloss, welche Roux ein Jahr zuvor (1883) in seiner wohl durchdachten, schon auf Seite 69 be- sprochenen Schrift entwickelt hatte. Auch Roux hat daraus, dass dem Protoplasma kompliziertere Einrichtungen zur Teilung fehlen, gefolgert, wie ich meine mit Recht, „dass der Zellenleib in viel höherem Maße durch Wiederholung gleich beschaffener Teile gebildet wird als der Kern“ und „dass für die Entwicklung des Embryo sowie vielleicht auch für das Regenerationsvermögen der niederen Tiere der Kern wichtiger ist als der Zellenleib, eine Folgerung, welche in vollkommener Übereinstimmung mit den neueren Ergebnissen über den Vorgang der Befruchtung steht“. Zu derselben Zeit hat sich Strasburger, wohl ebenfalls durch das neuerschienene Buch von Nägeli bestimmt, auf dessen Gedanken er sich häufig in zustimmender Weise bezieht, für die Kernidioplasmatheorie ausgesprochen. Er gab jetzt einen Teil Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 109 seiner früher geäusserten Ansichten auf: 1. dass die Befruchtungs- stoffe in gelöster Form wirken (1876, 1. c. S. 308), 2. dass das Wesen der Befruchtung in der Vereinigung der gleichartigen Stoffe zweier Zellen, also sowohl zweier Protoplasmen, als auch zweier Kerne bestehe; dagegen stellte er jetzt, durch seine erneuten Unter- suchungen über die Befruchtung bei Koniferen veranlasst, die Lehre auf, dass „von dem väterlichen Organismus nur ein Sperma- kern in das Ei eingeführt zu werden braucht und oft auch allein nur eingeführt wird“. „Da das Kind somit nur durch Vermittlung des Zellkerns die Eigenschaften von dem Vater erbt, so müssen auch in den Eigenschaften der Zellkerne die spezifischen Charaktere der Organismen begründet sein“ (1884, 1. c. S. 104). (Vergleiche Anmerkung 23.) In einem Punkt wich aber Strasburger von meiner Dar- stellung ab. Indem er am Kernfaden färbbare Mikrosomen und farbloses Nukleohyaloplasma unterschied, wollte er nur dieses als „aktives Gestaltungsplasma“ ansehen und dem Nägelischen Idio- plasma entsprechen lassen (1584, S. 106). Auch nahm er ausser dem Nukleoidioplasma noch ein im Zelleib verbreitetes Idioplasma zweiten Ranges an, das er als Zytoidioplasma bezeichnete (S. 110). Wenn schon hierdurch seine der Kernidioplasmatheorie gegebene Fassung an Konsequenz verliert, so hat er neue Schwierigkeiten ihr auch noch insofern geschaffen, als er sehr angreifbare Hypo- thesen in sie hineingeflochten hat, auf die ich erst später bei Besprechung der Geschichte vom Ahnenplasma eingehen werde. Die von mir und Strasburger zuerst durchgeführten Versuche, die Entdeckungen, die auf dem Gebiet der Befruchtung und Karyokinese gemacht worden waren, mit dem Problem der Vererbung und besonders mit der von Nägeli aufgestellten Idio- plasmalehre zu verknüpfen, fanden sofort nach ihrer Veröffentlichung lebhafte Zustimmung von vielen Seiten. Ohne auf seine Vor- gänger Bezug zu nehmen, sprach sich Kölliker in einer kurzen Mitteilung „Über die Bedeutung der Zellkerne für die Vorgänge der Vererbung“ zugunsten einer solchen Annahme aus. Van Beneden nahm auch bei dieser Frage nachträglich in seinen 1887 erschienenen Nouvelles recherches wieder Anlass, im Hinblick auf seine 1884 veröffentlichte Abhandlung über Ascaris megalo- cephala eine Art von Prioritätsanspruch für die Lehre, dass die Kerne Träger der Erbmasse seien, zu erheben. (Anmerkung 24.) 110 Oskar Hertwig: Unter allen Forschern ist aber niemand mehr als Weismann in seiner Forschungsriehtung durch die Kernidioplasmatheorie beeinflusst worden. Hier fand sein für eine spekulative Natur- betrachtung sehr empfänglicher Sinn einen fruchtbaren Boden. Schon 1883 hatte sich Weismann mit der Vererbungsfrage beschäftigt und war zur Überzeugung gekommen, dass die Literatur- angaben über die Vererbung neu erworbener Eigenschaften auf die Nachkommen sehr unglaubwürdig seien, und dass überhaupt der Vorgang der Übertragung von solchen auf die Keimzellen und durch diese auf das Kind naturwissenschaftlich kaum vor- zustellen sei. Dagegen hielt er das Vererbungsproblem für sehr vereinfacht und unserem Verständnis näher gerückt durch die Annahme, dass von der Keimsubstanz, aus welcher sich ein neues Individuum entwickelt, ein Teil unverbraucht und unverändert bleibt und wieder zur Grundlage für die nächste Generation und so fort für alle folgenden Generationen wird. Weismann nannte den Vor- gang, dass während der Entwicklung sich ein Teil des „Keimplasma“ unverändert erhält und eine Rolle bei der Vererbung spielt, „die Kontinuität des Keimplasmas“ (1885). Schon vor ihm hatten in England Galton, der Autor von der Lehre vom „Stirp“, und in Deutschland Jäger und Nussbaum (18841. c.) ähnliche Gedanken ausgesprochen. Besonders Nussbaum hatte auf Grund verschiedener Beobachtungen die einst mit grossem Beifall aufgenommene Theorie vertreten, dass schon früh die Geschlechts- zellen für die nächste Generation sich von dem Zellenmaterial des gefurchten Eies abtrennen und dass von da an, wie er sich bildlich ausdrückte, „die Konti des Individuums und der Art völlig getrennt sind“. Wie er, nimmt auch Weismann einen scharfen Gegensatz zwischen den Keimzellen und der übrigen Gesamtheit aller Körperzellen, dem „Soma“ an und lässt „die Keimzellen aufeinanderfolgender Generationen sich ähnlich ver- halten, wie eine Generationsfolge von Einzelligen, welche durch fortgesetzte Teilungen auseinander hervorgehen“ (1885 1. c. S. 10); aber er betrachtet hierbei nicht die ganze Keimzelle als das Wesentliche, was von einer zur nächsten Generation direkt und unverändert übergeht, sondern nur einen Teil von ihr, das Keim- plasma, welches schon alle Anlagen für die Ausbildung eines neuen Geschöpfes der gleichen Art in sich vereinigt. Auf der „Keim- bahn“, wie er sich ausdrückt, wird es von Zelle zu Zelle über- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 111 tragen, bis es sich wieder vom Soma ablöst und zum Ausgangs- punkt eines neuen Individuums wird. In diese Vorstellungsreihen von Weismann fielen wie zündende Funken die Lehre Nägelis vom Idioplasma und namentlich die durch mich und Strasburger herbeigeführte Umwandlung derselben in eine Kernidioplasmatheorie. Während Weismann in seinen früheren Schriften, wie er selbst bemerkt (1885 l. ec. S. 13), „nur einfach von Keimplasma gesprochen hat, ohne sich näher darüber auszulassen, in welchem Teil der Zelle dieser Träger der spezifischen Natur der Art und des Individuums zu suchen ist“, sprach er sich jetzt auch entschieden für die An- sicht aus, dass „nur die Kernsubstanz Träger der Vererbungs- tendenzen sein kann“, dass also auch die Substanz, die er bisher Keimplasma nannte, in den Kernen der Keimzellen lokalisiert ist (Anmerkung 25). Indem er aber die Lehre vom Idioplasma und ihre Übertragung auf die Kernsubstanzen annahm, wandelte er beide in einer Reihe von Schriften mehr und mehr zu einem eigenartigen Hypothesengebäude um, welches von den durch Nägeli und mich vertretenen Ansichten sehr wesentlich abweicht; er passte sie eben seinen schon früher von anderen Gesichts- punkten aus entwickelten Ansichten an, die er teils beibehielt, teils änderte und fortbildete, bis schliesslich als Abschluss seiner Richtung die Schriften über das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung (1892) und über Germinalselektion (1896) entstanden. Weismanns Idioplasma, von ihm gewöhnlich als Keimplasma bezeichnet, wurde jetzt etwas vollständig anderes, als was Nägeli und ich unter diesem Begriff verstanden. Dies zeigt sich namentlich in zwei Richtungen. Die eine Richtung betrifft die Verbreitung des Idioplasma im Organismus. Nägeli liess das einer Spezies eigentümliche Idioplasma durch alle Teile des Körpers als ein unsichtbares Netzwerk von mizellaren Strängen zwischen den nichtidioplasmatischen Substanzen (dem Ernährungsplasma und seinen Differenzierungsprodukten) verbreitet sein. Und ebenso vertrat ich in prinzipieller Übereinstimmung hiermit die An- schauung, dass das Kernidioplasma des befruchteten Eies auf alle von ihm abstammenden Zellen durch erbgleiche Teilung über- tragen werde, und dass diese auch dann im Besitz ihres gemein- samen Erbes bleiben, wenn sie im Laufe der Ontogenese durch Übernahme bestimmter Funktionen sich in verschiedene Organe 112 Oskar Hertwig: und Gewebe differenzieren. Weismann dagegen entwickelte die vollständig entgegengesetzte Ansicht, dass nur der Kern des befruchteten Eies den gesamten Anlagekomplex der Art besitzt, dass dann aber während des Furchungsprozesses eine Trennung in die beiden oben erwähnten Konten erfolgt. Auf dem einen Konto, der Keimbahn, wird das volle Keimplasma von Zelle zu Zelle übertragen, bis es als Bestandteil von Ei und Samenfaden einer nächsten Generation zur Grundlage für die Entwicklung eines neuen Organismus dient. Auf dem anderen Konto aber wird das Keimplasma bei der Kernteilung in seine einzelnen An- lagen immer weiter zerlegt und auf die Kerne der somatischen Zellen verteilt, welche sich erst infolgedessen zu den verschiedenen Geweben und Organen differenzieren. Weismann unterschied daher jetzt abweichend von Nägeli und mir zwei Arten von Idioplasma, resp. von Kernplasma, das eigentliche Idioplasma oder Keimplasma, den gesamten Anlagekomplex zur Erhaltung der Art, und das histogene Kernplasma, welches durch Zerlegung aus ersterem entstanden, nur noch Bruchteile von ihm enthält. Demgemäss nahm er auch zwei Arten von Kernteilungen an, deren eine er als erbgleiche oder integrelle, die andere als erb- ungleiche oder differentielle bezeichnete. Die zweite Abweichung von Nägeli und von mir betrifft die Annahme von besonderen Ahnenplasmen in der Zusammensetzung des Idioplasma einer Art. Schon Strasburger (1884) war als erster auf diesen Gedanken verfallen; Weismann hat ihn dann weiter ausgebaut (1887). Beide gingen von der allgemein be- kannten Vererbungsregel der Tierzüchter aus, welche auch Galton als Grundlage seiner Theorie benutzt und in einem Schema, das ich in meinem kürzlich erschienenen Buch: „Das Werden der Organismen“ in Fig. 36 reproduziert habe, graphisch anschaulich zu machen versucht hat. Wie nun der Züchter früher lehrte und zum Teil auch jetzt noch lehrt, dass das Kind zur Hälfte mütterliches, zur Hälfte väterliches Blut enthält, dass sich väter- liches und mütterliches Blut wieder ebenso zusammensetzt und, dass daher der Enkel von seinen zwei väterlichen und zwei mütterlichen Grosseltern je ein Achtel Blut als Erbe in sich trägt und dass in diesem Verhältnis der Erbanteil von jeder älteren Ahnengeneration weiter zu berechnen ist, so wurde jetzt auch für das Idioplasma (resp. Keimplasma) eine entsprechende Rech- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. k13 nung aufgemacht. Strasburger (18841. c.S. 143, 144) spricht es offen aus, dass in dem sich zur Karyokinese vorbereitenden Kern der Keimzelle sein Chromatinfaden aus grösseren und kleineren Abschnitten zusammengesetzt sei, die in den angegebenen Grössenproportionen von den Idioplasmen der vorausgegangenen Ahnengenerationen abstammen und dass, „je älter die Generation, um so kleiner die Abschnitte ausfallen, die im Kernfaden ver- treten sind“. Daher könne von den Vorfahren in der zwanzig- sten Generation ihr Anteil in dem Kernfaden kaum ein Millionstel betragen. „Die Zusammensetzung des Kernfadens aus Stücken, welche verschiedenen Generationen des betreffenden Organismus entstammen, machen ihn“ — wie Strasburger sich ausdrückt — „zum Wächter über die spezifischen Eigenschaften der Organismen besonders geeignet“ (l. c. S. 145). Auch Weismann (1887, S. 30—35) bekennt sich zu dieser Hypothese und veranschaulicht sie durch untenstehendes Schema (Fig. 24), über dessen Bedeutung die beigefügte Erklärung Auskunft gibt. Er nimmt demnach an (l. ce. S. 31), „dass das Keimplasma der vierten Generation aus 16, das- jenige der zehnten Generation schon aus 1024 verschiedenen Ahnenplasmen, das der n‘®" schon aus n? zusammengesetzt sein müsse“. „Schon in der zehnten Generation also würde jedes einzelne Ahnenplasma nur noch den 1024ten Teil der Gesamt- masse des in einer einzelnen Keimzelle enthaltenen Keimplasmas bilden können.“ „Bei Fortsetzung dieses Teilungsprozesses aber müsse ein Zeitpunkt kommen, von dem ab eine weitere Halbierung nicht mehr möglich sei, weil eben Einheiten ihrem Begriff nach nicht mehr teilbar sind, d. h. nicht mehr teilbar. ohne ihre Natur als Vererbungssubstanz zu verlieren.“ Weismann sah hierin mit Recht eine Schwierigkeit in der Vorstellbarkeit des Ahnenplasma, glaubte aber eine Hilfshypothese gefunden zu haben, welche diese Schwierigkeit beseitigt und welche im nächsten Ab- schnitt über das Reduktionsproblem von mir noch besprochen werden wird. Durch die Annahme von Ahnenplasmen, welche Strasburger und Weismann in Anlehnung an den Vorstellungskreis von Galton und von manchen Tierzüchtern für erforderlich hielten, ist das Kernidioplasma ein ausserordentlich kompliziertes Mosaik- werk geworden, zusammengesetzt aus zahllosen, ihrer Natur nach Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. II. 8 114 Oskar Hertwig: unteilbaren und mit anderen nicht mischbaren Einheiten, den Ahnenplasmen, von denen jedes wieder zusammengesetzt ist aus zahlreichen Anlagen, die zur Hervorbringung eines vollständigen Individuums notwendig sind (Hertwig, 1893, Zelle I, 1. c. S. 282). Der Fassung, welche Weismann der Kernidioplasmatheorie gegeben hat, bin ich in einer Reihe von Schriften (1890) ent- gegengetreten; denn ich erblickte in ihr einen Abweg, der die ganze Lehre durch die Unzahl unbegründeter, von Weismann aufgestellter Hilfshypothesen in Misskredit zu bringen drohte. Schon bei der Erörterung zellulärer Streitfragen in meinem „Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden“ (1890) Vater Mutter Kind Gen. I, : cr Gen. II Gen. III Gen. IV Das Schema von Weismann zeigt die Zunahme der Ahnenplasmen in vier aufeinanderfolgenden Generationen (I—IV). Links sind die Keimplasmen von Vater und Mutter in jeder Generation, rechts das durch ihre Vereinigung entstandene Keimplasma des Kindes dargestellt. Wenn dieses in der Gene- ration I nur aus zwei Ahnenplasmen, ist es in Generation II aus vier, in Generation III aus acht, in Generation IV aus 16 Ahnenplasmen zusammen- gesetzt, deren Verschiedenheit in den Kernfäden durch besondere Abzeichen kenntlich gemacht ist. Aus Weismann (1887). Über die Zahl der Richtungskörper S. 32, Fig. 1. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 115 habe ich auf den Gegensatz hingewiesen, der in den ersten hierher gehörigen Schriften Weismanns hervortrat, indem ich bemerkte: „Als ich den Kern wegen seines Verhaltens beim Befruchtungsprozess als den Träger der Vererbungssubstanzen erklärte, sah ich einen grossen Vorzug dieser Theorie gerade darin, dass der Kern eine Substanz ist, die in derselben Form und Beschaffenheit in jeder Zelle wiederkehrt, eine Substanz, die den gröberen Vorgängen des Stoffwechsels durch ihren Ein- schluss in ein besonderes Bläschen mehr entzogen ist, eine Substanz, die durch einen komplizierten Teilungsprozess, wie es scheint, in gleicher Menge von der Mutterzelle auf die Tochterzellen aus- geteilt wird und keine Differenzierung eingeht. Wie Nägeli sein hypothetisches Idioplasma durch den ganzen Körper als (rerüstwerk verbreitet sein lässt, so erhält nach meiner Theorie auch jede Zelle des Körpers als Abkömmling des Eies Erbmasse in ihrem Kern, während die spezifischen Leistungen an die Ent- wicklung der Plasmaprodukte gebunden sind. Durch den Besitz dieser Erbmasse trägt jede Zeile die Möglichkeit in sich, unter geeigneten Bedingungen das Ganze aus sich zu reproduzieren. Daraus lässt sich eine Fülle von Erscheinungen der Zeugung und Regeneration erklären. Weismann hat diesen Vorzug beseitigt, indem er die von Strasburger und mir unabhängig und in etwas verschiedener Weise begründete Vererbungstheorie kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung auf seine Keimplasmatheorie übertragen hat, die von ganz anderen Gesichtspunkten aus (Reflexionen über die Unsterblichkeit der Infusorien und Fort- pflanzungszellen) entstanden ist usw.“ (l. ce. S. 99). Hiervon abgesehen, trennte mich von Weismann auch die ungehemmte Art der Spekulation, mit welcher er seine Lehre auszubauen versuchte. Nicht genug mit seiner einen inneren Widerspruch enthaltenden Annahme eines vollen und eines zer- legten Idioplasmas, mit seiner Annahme einer grossen Serie von Ahnenplasmen, die er „Ide“ nannte, unterschied er im „Id“ auch ‚noch Systeme von zahlreichen untergeordneten Erbeinheiten als Determinanten und Biophoren und verarbeitete sie zu seiner Keim- plasmaarchitektur. Je mehr diese Weismannsche Naturphilo- sophie in manchen Kreisen Anklang fand, habe ich ihr gegenüber in meinen Schriften immer wieder von neuem die Schwierigkeiten betont. die dem Naturforscher der Begriff „einer erblichen Anlage“ S*+ 116 Oskar Hertwig: bereitet, besonders wenn er ihn von morphologischen Gesichts- punkten aus zu bearbeiten versucht. Ich habe stets darauf hin- gewiesen, „dass man in der Vererbungslehre mit dem Wort ‚An- lage‘ doch nicht mehr als die unbekannte, in der Beschaffenheit der Erbmasse gelegene Ursache oder den unbekannten Grund für eine Erscheinung bezeichnet, welche im Verlauf des Ent- wicklungsprozesses in einer bestimmten Organisation des Ent- wicklungsproduktes mit Gesetzmässigkeit zutage tritt. So be- rechtigt es nun auch auf der einen Seite zu sein scheint, den unbekannten Grund in der materiellen Beschaffenheit der Erbmasse zu suchen, so willkürlich und darum fehlerhaft würde es sein, zu glauben, dass er dann nur auf der Anwesenheit eines be- stimmten materiellen Teilchens, eines besonderen Bio- blasten oder Determinanten etc. beruhen könne; kann er doch ebenspgut «1. in dem, was man als die Konfiguration des materiellen Systems oder einzelner seiner zusammengesetzten Teile bezeichnen kann, gegeben sein.“ „Für tiefere Einblicke auf diesem Gebiete fehlen dem Biologen leider noch die dem Vor- gehen des Chemikers entsprechenden und gleichwertigen Methoden exakterer Forschung etc. Ersinnen lassen sich aber solche schwierigen Verhältnisse stofflicher Organisation nicht, wie es Weismann in seiner Architektur des Keimplasmas versucht hat.“ Es liegt ausserhalb der Aufgabe meiner vorliegenden Schrift, auf die weitere Geschichte der Kernidioplasmatheorie einzugehen. Denn diese hängt mit vielen Kardinalfragen der Biologie (mit Präformation und Epigenese, mit den Ergebnissen der Mendel- forschung und Erblichkeit etc.) so innig zusammen, dass fast das ganze Gebiet der allgemeinen Biologie gestreift werden müsste. Ich begnüge mich daher, auf einige meiner Schriften zu ver- weisen, in denen ich auch die historische Entwicklung vieler Fragen erörtert und einen grossen Teil der Literatur zusammen- gestellt habe: 1. auf die verschiedenen Auflagen der „Allgemeinen Biologie* (1906, 1909, 1912), 2. „Zeit- und Streitfragen der Bio-- logie“ (Heft 1, 1894), 3. „Der Kampf um Kernfragen der Entwick- lungs- und Vererbungslehre“ (1909, S. 16), 4. „Das Werden der Organismen, eine Widerlegung von Darwins Zufallstheorie“ 1916. Kap. XII. „Der gegenwärtige Stand des Vererbungsproblems“ (besonders S. 555 — 566). Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. EV 2. Das Reduktionsproblem. Die Geschichte des Reduktionsproblems ist ein interessanter Fall, um an ihm zu zeigen, wie auch scheinbar Geringfügiges einen grossen Wert in der Wissenschaft gewinnen kann. Als Carus 1824 bei einer Molluskenart Limnaeus zuerst die Richtungs- körper entdeckte, konnte er nicht ahnen, in wie hohem Maße diese unscheinbaren Gebilde noch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen werden und welche grosse theoretische Bedeutung sie einst für die Lehre von der Zeugung und Vererbung gewinnen würden. Ihre weite Verbreitung im Tierreich wurde allmählich durch Dumortier, dem älteren J. v. Beneden, v. Kölliker, Fr. Müller, Quatrefages, Warneck, Rathke, Loven, Gegenbaur, Frey, Robin, Barry, Bischoff u. a. nach- gewiesen, aber ihre Entstehung und Bedeutung blieb jahrzehnte- lang unbekannt. Während sie Rathke für bedeutungslose, aus dem Dotter ausgepresste Kügelchen hielt, glaubte sie Loven für den ausgestossenen Keimfleck des der Auflösung verfallenden Keimbläschens deuten zu müssen. Fr. Müller gab ihnen zuerst den noch jetzt oft gebrauchten Namen Richtungsbläschen, da er sie immer am animalen Pol des Eies, an der Stelle, wo bei der ersten Teilung die Furchenbildung beginnt, auftreten sah. Einen erheblichen Fortschritt führten Robin, Fol und Bütschli herbei: Robin gab nach Beobachtung am lebenden Ei eine sehr genaue Beschreibung, wie sich die Körperchen, die er „globules polaires“ nannte, vom Dotter abschnüren, in der Art, wie sich am Insektenei die Blastodermzellen bilden; Fol beobachtete die Strahlenfigur im Dotter des Pteropodeneies an der Austrittsstelle des Kügelchens, für das er den Namen corpuscule exceröte oder de rebut am geeignetsten hielt, weil es ganz und gar keine Rolle in der Entwicklung zu spielen habe; Bütschli bahnte gleich- zeitig einen neuen Fortschritt an durch seine wichtige Entdeckung der Richtungsspindel, verfiel aber hierbei in den Irrtum, dass sie durch Umwandlung des ganzen Keimbläschens entstanden sei und dass dieses in der Spindelform aus dem Ei ausgestossen und dabei zu den Richtungskörperchen werde, indem es sich ein- bis zweimal einschnüre (vgl. S. 15). An Bütschlis Untersuchungen anknüpfend entdeckte ich zuerst, dass die Richtungskörperchen sich aus Protoplasma und Kern zusammensetzen, also kleine Zellen sind, die durch Zell- 115 Oskar Hertwig: knospung entstehen, dass ferner die Spindel Bütschlis nur aus einem kleinen Teil der Substanz des Keimbläschens, das selbst der Auflösung verfällt, gebildet wird und sich in der für jede Karyokinese charakteristischen Weise bei der ersten und zweiten Zellenknospung beteiligt (vgl. S. 20— 27). Zugleich stellte ich auch die beiden fundamentalen Tatsachen fest: 1. dass zwischen der Ab- schnürung der ersten und der zweiten Polzelle das bläschenförmige Ruhestadium ausfällt, und 2. dass von der im Dotter zurück- gebliebenen Hälfte der zweiten Richtungsspindel der Eikern abstammt. Die Zellnatur der Richtungskörperchen wurde jetzt, trotz des Widerspruchs von van Beneden, fast allgemein an- erkannt von Giard, Bütschli, Whitman, Mark, Trinchese, Nussbaum, Boveri u.a. Mark und Boveri nannten jetzt die Polzellen rudimentär gewordene Eier. Ein neuer fundamentaler Fortschritt in der Richtungskörper- frage wurde durch die seit 1583 beginnenden Untersuchungen an Ascaris megalocephala, diesem ungemein günstigen Studien- objekt, hervorgerufen. Ed. van Beneden entdeckte 1884, wie auf S. 85 besprochen worden ist, den Reduktionsprozess, indem er nachwies, dass Eikern und Samenkern nur die halbe Zahl der Chromosomen von der nach dem Zahlengesetz zu erwartenden Zahl besitzen. Da er zugleich die Frage nach dem Grunde für diese auffällige Erscheinung aufwarf, führte er das seitdem viel erörterte Reduktionsproblem in die Wissenschaft ein. Seitdem sind drei verschiedene Hypothesen zur Erklärung desselben aufgestellt worden: 1. die Hypothese des Zellenhermaphroditismus (van Beneden), die Hypothese von der Reduktion der Ahnenplasmen (Weismann), 3. die Hypothese von der Reduktion als einer Ein- richtung zur Verhütung einer Summierung der Erb- massen. [S6} a) Das Reduktionsproblem und E. van Benedens Hypothese des Zellenhermaphroditismus. Ed. van Beneden geht von der Ansicht aus, die in etwas anderer Weise schon früher von Sedgwick Minot, Bal- four u.a. ausgesprochen worden war, dass die Gewebszellen als hermaphrodit oder zweigeschlechtlich zu bezeichnen sind, weil Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 119 ihre Kerne und vielleicht auch ihr Protoplasma aus einem männ- lichen und einem weiblichen Bestandteil zusammengesetzt sind (1884, 1. c. S. 313 u. 395) (pourvu de deux &leöments nucl6aires a caracteres sexuels differents |l. ec. S. 400]). Wenn auch auf den ersten Blick der Begriff des Zellenhermaphroditismus — fügt van Beneden zur Erläuterung hinzu — fremdartig erscheinen möge, so verliere er doch sehr viel von seiner Unwahrscheinlich- keit, wenn man sich erinnere, dass die Mehrzahl der Protozoen und Protophyten offenbar geschlechtlich sind. So seien die Vorti- cellen, ehe sie sich in eine Makro- und eine Mikrospore teilen, Hermaphroditen und würden auch wieder zu solchen nach der Befruchtung der Makro- durch die Mikrosporen. Die Mehrzahl der Infusorien aber verhalte sich während der Konjugation offen- bar wie wahre Hermaphroditen (l. c. S. 314). Von solchen Ideen erfüllt, erklärt er in der schon früher geschilderten Weise die Reduktion der Eizelle durch Ausstossung ihrer männlichen Chromosomen als Richtungskörper und nimmt einen entsprechenden Vorgang für die Samenzelle durch Aus- stossung ihrer weiblichen Kernbestandteile an. Darum erblickt er auch das Wesen der Befruchtung in einem Wiederersatz (rem- placement) der ausgestossenen männlichen Chromosomen durch solche einer anderen Samenzelle, da auf diesem Wege das reduzierte und entwicklungsunfähig gewordene Ei wieder verjüngt, herm- aphrodit und entwicklungsfähig werde. Während noch 1884 van Beneden auch eine Reduktion und einen Ersatz protoplasmatischer Bestandteile ausser solchen des Kerns als wahrscheinlich angenom- men hatte, änderte er in seiner zweiten Abhandlung aus dem Jahre 1887 seine Ansichten in diesem Punkte und beschränkte jetzt die Reduktion und den Ersatz nur auf die Kernsubstanz. In direktem Gegensatz zu früheren Äusserungen (vgl. S. 89) erklärt er (1887, l.c. S. 24): „Il resulte avec une absolue certitude de l’&tude des l’Ascaris, que le corps protoplasmique du Spermatozoide degenere et n’intervient pas dans l’edification du corps protoplasmique de la premiere cellule embryonnaire, que le noyau du zoosperme est le seul element paternel fourni a l’oeuf fecond&e“. In diesem Meinungswechsel macht sich der Einfluss der 1884 von mir auf- gestellten und von vielen Forschern beifällig aufgenommenen Theorie geltend, dass in den Kernen das vererbende Prinzip zu suchen sei (Kernidioplasmatheorie). 120 Oskar Hertwig: In seinem grossen Referat über Karyokinese und Befruchtung hat Waldeyer die oben skizzierte Lehre van Benedens als die „nukleäre Ersatztheorie“ (1888, l. c. S. 107) und ebenso hat er ihn als „den tatsächlichen Begründer der Lehre vom Zellenhermaphroditismus bezeichnet, da er ihr durch seine Beobachtungen für die doppelgeschlechtliche Natur der beiden ersten Furchungszellen eine feste Unterlage gegeben habe“. Van Benedens nukleare Ersatztheorie hat indessen nur eine kurze Lebensdauer gehabt. Denn sie geriet auf der einen Seite mit den Tatsachen in Widerspruch, die teils schon beobachtet waren, teils als neue Entdeckungen bald noch hinzukamen; auf der anderen Seite liessen sie sich nicht mit den Anschauungen ver- einigen, zu denen die Betrachtung der geschlechtlichen Zeugung vom Standpunkt des Vererbungsproblems führte. Gestützt auf Tatsachen habe ich die nukleare Ersatztheorie und die Lehre vom Zellenhermaphroditismus schon 1890 in meinem Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden bekämpft, indem ich die Ergebnisse des Vergleichs als Grundlage für eine Erörterung zellulärer Streitfragen benutzte. Ich gebe meine da- malige kurz gefasste Beweisführung im Wortlaut wieder. Sie entspricht auch heute noch meinen gegenwärtigen Ansichten (1890 1. c. S. 82—84): „Am besten lässt sich an den Richtungs- körpern zeigen, wie die Lehre von dem Hermaphroditismus des Kerns und von der Ausstossung weiblicher, resp. männlicher Ele- mente nicht durchführbar ist. Nach van Beneden ist von den chromatischen Elementen des Kerns die Hälfte männlich, die Hälfte weiblich. Das Keimbläschen des Eies vor der Reife ent- hält nun acht Chromosomen, von denen demnach vier männlich, vier weiblich sein müssten. Die ersteren müssten nach van Beneden in Form von Richtungskörpern ausgestossen werden. Schon Carnoy hat gegen diese Hypothese den sehr richtigen Einwurf erhoben, dass mit den Richtungskörpern sechs chroma- tische Elemente entfernt und somit nur zwei im Ei zurückbehalten werden. Van Beneden müsste daher entweder annehmen, dass drei Viertel der chromatischen Substanz im Keimbläschen männlich und nur ein Viertel weiblich ist, was seiner Ausgangshypothese zuwider laufen würde, oder er müsste annehmen, dass durch die Richtungskörper auch die Hälfte der weiblichen Chromosomen mit entfernt würde.“ Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 121 „Ein zweiter Einwurf ist, dass es sich bei der Bildung der Richtungskörper, wie schon früher nachgewiesen wurde, nicht um eine Ausstossung von Kernteilen, sondern um Zellteilungen oder richtiger um Zellknospungen handelt. Am meisten aber scheint mir folgende Beweisführung der Ersatzhypothese und der Lehre vom Hermaphroditismus des Zellkerns den Boden zu ent- ziehen: Samenmutterzellen (Spermatozyten) und unreife Eizellen (Ovozyten) sind homologe Gebilde. Die einen wie die anderen enthalten bei Ascaris megalocephala bivalens acht chromatische Elemente. Wenn von diesen in dem Ei vier weiblich und vier männlich sind, so muss das gleiche auch für die Samenmutter- zelle gelten. Da nun hier die acht chromatischen Elemente durch zwei sich folgende Teilungen auf vier Samenkörper verteilt werden, so ist hierdurch über allen Zweifel festgestellt, dass, sie bei der Befruchtung alle in gleicher Weise wirken und dass daher eine Einteilung in weibliche und männliche Elemente nicht statthaft ist. Wenn aber die acht chromatischen Elemente der Samen- mutterzelle in keinem geschlechtlichen Gegensatz zueinander stehen, so kann das auch bei den entsprechenden Elementen des Eies nicht der Fall sein. Mit anderen Worten: es gibt im Kern keine männlichen Chromosomen. Die Richtungskörper, weit entfernt, die ausgestossenen männlichen Elemente des Eies zu sein, sind nichts anderes als rudimentäre Eizellen.“ Von meinem Standpunkt aus, der von dem durch van Beneden vertretenen so völlig verschieden ist, musste ich mich folgerichtig auch gegen die von ihm gebrauchte Terminologie: „männlicher und weiblicher Vorkern (Pronukleus)“ aussprechen ; denn hiermit sollte ja ausgedrückt werden, dass sie keine Voll- kerne sind, da sie nur die Hälfte der Eigenschaften und Bestand- teile eines solchen haben, wie ihnen denn auch die Fähigkeit der Teilung abgesprochen wurde. Dass das letztere keineswegs der Fall ist, hatten mein Bruder und ich durch ein Experiment (1890, 1. c. S. 85) gezeigt, indem wir kernlose Bruchstücke von Seeigeleiern, die man durch Schütteln erhalten kann, mit Samen befruchteten. Wir konnten dann vom eingedrungenen Samen- faden feststellen, dass sein Kern sich in eine kleine, typisch gebaute Spindel umwandelt und in zwei bläschenförmige Kerne teilt, dass überhaupt die so neubekernten Eibruchstücke durch 122 Oskar Hertwig: wiederholte Furchung zu einem Haufen vieler kleiner Embryonal- zellen werden. Daher empfahl ich angesichts dieser Tatsachen, die Namen „weiblicher und männlicher Vorkern“ ganz fallen zu lassen und nur von einem Eikern und einem Samenkern zu sprechen. Es würde dies auch nur der wissenschaftlichen Sitte entsprechen, da letztere Bezeichnungen den beiden Kernen von mir schon gleich bei meiner Entdeckung des Befruchtungsprozesses gegeben worden sind und daher auch gegenüber den Namen van Benedens die Priorität besitzen. Zugleich aber gab ich bei der Bezeichnung „Ei- und Samenkern“ auch noch die aus- drückliche Erklärung ab (1890, l. ec. S. 85), „dass die Annahme einer geschlechtlichen Differenz der Kerne in diesen Worten nicht ausgedrückt ist; denn Eikern bezeichnet nicht mehr und nicht minder als den Kern, der dem Ei angehört, und Samenkern den Kern, der vom Samenelement abstammt. Der eine ist der Träger der Erbmasse des weiblichen Organismus, der andere der Träger der Erbmasse des männlichen Organismus. Diese Auf- fassung schliesst nicht die andere Auffassung mit ein, dass Ei- und Samenkern selbst in einem geschlechtlichen Gegensatz zueinander stehen.“ Wie durch die richtige Auslegung der Tatsachen, wird van Benedens Lehre vom Zellenhermaphroditismus und seine nukleare Ersatztheorie auch auf Grund allgemeiner Erwägungen über das Wesen der Geschlechtlichkeit und der Erblichkeit wider- legt. Hier zeigt sich so recht, wie durch die Hereinziehung des Erblichkeitsproblems die ganze Befruchtungslehre vertieft worden ist. Der richtige Weg der Betrachtung ist bereits von Nägeli, der sich auch hierbei wieder als logischer Denker bewährt, ein- geschlagen worden, als er bemerkte (1884, l.c. S. 211), „dass alle geschlechtlichen Eigentümlichkeiten der Mutter ebensogut durch den Sohn als durch die Tochter, alle geschlechtlichen Eigentümlichkeiten des Vaters ebensogut durch die Tochter als durch den Sohn auf die Enkel übergehen“. Unter Hinweis auf diesen Ausspruch von Nägeli sprach sich auch Strasburger in dem gleichen Sinne aus, „dass nicht die spezifisch männlichen Eigenschaften nur in den vom Vater, die spezifisch weiblichen Eigenschaften in den von der Mutter stammenden Zellkernen vertreten seien“, dass vielmehr sowohl der Spermakern wie der Eikern die Eigenschaften, die zur Ausbildung der beiden Ge- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 125 schlechter notwendig sind, vereinigt“ (1884, l. c. S. 154, 155). Ebenso hielt Weismann die Ersatztheorie widerlegt, „da nach- weislich von der Eizelle auch männliche, wie von der Spermazelle auch weibliche Eigenschaften vererbt werden, daher beide Keim- plasmen geschlechtlich indifferent sind“ (1885, 1. ce. S. 73). Indem ich mich auf denselben durch die Logik der Vererbungs- tatsachen geforderten Standpunkt stellte, habe ich schon in der ersten Auflage meines Lehrbuchs der Entwicklungsgeschichte 1886 den (regensatz in der verschiedenen Ausbildung der männlichen und weiblichen Geschlechtszellen nach dem Prinzip der Arbeitsteilung und histologischen Differenzierung erklärt (l. c. S. 17 und 15) und dieses Thema noch einmal in meinem Vergleich der Ei- und Samenbildung (1890, S. 114—117) unter der Überschrift „Über die Bedeutung der Befruchtung und der geschlechtlichen Diffe- renzierung“ ausführlicher besprochen. Am erschöpfendsten aber habe ich später meine Ansichten in meinen Grundzügen der allgemeinen Anatomie und Physiologie (1893) im VII. Kapitel (S. 218—233) dargelegt. Ich gebe aus ihm zur Bezeichnung meines Standpunktes einige der wichtigsten Stellen wieder: „Die Lehre vom Hermaphroditismus des Kerns und die mit ihr zusammen- hängende Ersatztheorie lässt sich bei genauerer Prüfung nicht aufrecht erhalten“ (221). „Es gibt keine spezifisch weiblichen und keine spezifisch männlichen Befruchtungsstoffe. Die zum Befruchtungsprozess zusammentreftenden Kernsubstanzen sind nur insofern verschieden, als sie von zwei verschiedenen Individuen abstammen.“ „Die Ausdrücke männliche und weibliche Geschlechts- zellen, männliche und weibliche Kerne bezeichnen keinen im Wesen der Zeugung begründeten Gegensatz, sie beziehen sich vielmehr nur auf sekundär entstandene Verschiedenheiten unter- geordneter Art ..... Denn sagen wir es gleich, was später noch genauer zu erweisen Ist: Die Ausbildung zweier verschiedener (seschlechter ist nicht die Ursache der geschlechtlichen Zeugung; das ursächliche Verhältnis ist ein umgekehrtes. Alle Geschlechts- differenzen, wenn wir sie bis zu ihren Wurzeln zurückverfolgen, sind entstanden, weil die Verbindung zweier Individuen einer Art, die ursprünglich gleichartig und daher geschlechtslos sind, für die Erhaltung des Lebensprozesses Vorteile darbietet; ohne Ausnahme dienen sie nur dem einen Zweck, überhaupt die Vereinigung zweier Zellen zu ermöglichen; nur deswegen haben 124 Oskar Hertwig: sich die Gegensätze, welche man als weiblich und als männlich bezeichnet, herausgebildet.“ „Bei der Befruchtung kommen zwei Momente in Betracht, die miteinander konkurrieren und in einem Gegensatz zuein- ander stehen. Erstens ist es von Nutzen, wenn die Kernsubstanzen zweier Zellen gemischt werden; die Zellen müssen daher in der Lage sein, sich aufzusuchen und zu verbinden. Zweitens aber ist die Befruchtung auch der Ausgangspunkt für einen neuen Ent- wicklungsprozess und für einen neuen Zyklus von Zellteilungen ; insofern ist es nicht minder von Nutzen, wenn gleich von Anfang an viel entwicklungsfähige Substanz vorhanden ist, welche nicht erst auf dem zeitraubenden Umweg der Ernährung herbeigeschaftt zu werden braucht.“ „So konkurrieren zwei Momente miteinander, von denen das eine die Zelle beweglich und aktiv, das andere dagegen unbeweglich und passiv zu machen sucht. Die Natur hat beide Zwecke erreicht, indem sie Eigenschaften, die ihrer Natur nach in einem Zellkörper unvereinbar, weil gegensätzlich zueinander sind, nach dem Prinzip der Arbeitsteilung auf die beiden zum Befruchtungsakt verbundenen Zellen verteilt hat. Sie hat die eine Zelle aktiv und befruchtend, das heisst männlich, die andere dagegen passiv und empfangend, das heisst weiblich gemacht.“ „Von den so geschlechtlich differenzierten Zellelementen können wir die Ausdrücke „männlich und weiblich“ auf die in ihnen enthaltenen Kerne übertragen, auch wenn dieselben an Masse und Qualität ihrer Substanz einander äquivalent sind. Nur dürfen wir unter der Bezeichnung männlicher und weiblicher Kern nichts anderes verstehen, als einen Kern, der von einer männlichen oder einer weiblichen Zelle abstammt.“ (Anmerkung 26.) Als Stütze für seine Lehre vom Zellenhermaphroditismus hat van Beneden sich auf die Protophyten und besonders auf die Vorticellen, die sich in Makro- und Mikrosporen teilen, be- rufen. Indessen mit Unrecht. Denn bald darauf wurden die 3efruchtungserscheinungen der Infusorien durch die 1889 gleich- zeitig erschienenen, ausgezeichneten Untersuchungen von meinem Bruder und von Maupas aufgeklärt. Beide lehnten hierbei die Lehre vom Zellenhermaphroditismusab. „Bei den meisten Infusorien, bemerkt mein Bruder, „kopulieren weder sexuell differenzierte Kerne, noch auch Kerne sexuell differenzierter Tiere, sondern gleichwertige Kerne, welche in gleichwertigen, aber unabhängig Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 125 voneinander entwickelten Tieren entstanden sind“. Ebenso spricht sich Maupas dahin aus: „Les differences appel&es sexuelles, portent sur des faits et des ph@nomenes purement accessoires de la fecondation. La fecondation consiste uniquement dans la r&union et la copulation de deux noyaux semblables et “quivalents, mais provenants de deux cellules distinctes.“ b) Das Reduktionsproblem und Weismanns Ahnen- plasmatheorie. In der Erklärung der Richtungskörper hat Weismann seine Ansichten mehrmals gewechselt. Seine in der Kontinuität des Keimplasma 1885 aufgestellte Hypothese ergänzte er schon 1887 durch eine zweite Hilfshypothese, und auch diese hat er wieder in einer seiner letzten Schriften 1913 aufgeben oder wenigstens von Grund aus umändern müssen. Wie schon auf Seite 110—116 besprochen wurde, waren Weismann und ich zu einer ganz ver- schiedenen Auffassung vom Kernidioplasma gekommen. Weis- mann nahm ein solches nur in einem kleinen Teil der vom be- fruchteten Ei abstammenden Zellengenerationen an, aus dem schliesslich wieder Keimzellen hervorgehen. Diese allein liess er mit der vollen Erbmasse ausgerüstet sein, dagegen alle zu Ge- weben differenzierten oder somatischen Zellen je nach ihrer Diffe- renzierung eine besondere Art vonhistogenem Kernplasma besitzen. Da nun aber auch Ei- und Samenzellen vor der Be- fruchtung ebenfalls für besondere Aufgaben differenzierte Zellen sind, hielt Weismann für sie ausser ihrem Gehalt an Keim- plasma noch eine Beigabe von histogenem Kernplasma für erforderlich und meinte, dass diese Beigabe vor der Be- fruchtung durch Kern- und Zellteilung entfernt werden müsse, damit das Keimplasma überhaupt zu seiner vollen Wirkung kommen könne (l. c. S. 72). Von solchen Spekulationen geleitet, glaubte Weismann als eine Ausstossung des histogenen Kern- plasmas aus dem Ei die Bildung der beiden Richtungskörper deuten zu können, und zwar seien zwei sukzessive Teilungen hierfür erforderlich, weil das histogene Kernplasma wahrschein- lich voluminöser als das Keimplasma sei; auch vermutete er — was übrigens van Beneden schon direkt nachzuweisen versucht hatte — einen entsprechenden Vorgang für die Samenzellen. Auf seine Erklärung der Entfernung histogenen Kernplasmas 126 Oskar Hertwig: durch die Richtungskörper legte Weismann einen grossen Wert, weil seine Theorie von der Kontinuität des Keimplasma an der Annahme einer Vereinigung von zwei Nukleoplasmen verschiedener Qualität in einem und demselben Kern geradezu hänge. Jetzt sah er schon diese Annahme durch die Ausstossung der Richtungs- körper, wenn sie in seinem Sinne verstanden werde, „gewisser- maßen ad oculos demonstriert“ (1885, 1. c. S. 74). Aber schon 1887 hatte sich die Situation verändert. Weis- mann hatte, wie gleichzeitig auch Bloehmann, beobachtet, dass während sonst überall zwei Richtungskörper entstehen, bei par- thenogenetischen Eiern (Daphniden) nur ein solcher gebildet wird. Er zog jetzt hieraus den Schluss, dass zur Ausstossung des histogenen Kernplasma ein Richtungskörper, nämlich der erste, vollkommen genüge; also müsse der zweite eine andere Bedeutung haben und diese bestehe offenbar darin, dass er eine Reduktion des Keimplasmas selbst auf die Hälfte bewirke (1887, 1. c. S. 14). Dass aber eine solche bei der geschlechtlichen Zeugung notwendiger- weise habe einmal eintreten müssen, folgerte er — im Gegensatz zu der von van Beneden schon 1884 aufgestellten „nukleären Ersatztheorie“ — aus seiner auf Seite 112 besprochenen Ahnen- plasmatheorie. — Denn es müsse der bei jeder neuen (reneration sich wiederholende Teilungsprozess der Ahnenplasmen schliesslich zu so kleinen Stoffeinheiten führen, dass „sie nicht mehr teilbar sind, ohne ihre Natur als Vererbungssubstanz zu verlieren“ (1887, l.c.S. 31). Weismann suchte dies durch das auf S. 114 wiedergegebene Schema (Fig. 24) anschaulich zu machen. „In (eneration I ist väterliches und mütterliches Keimplasma noch völlig homogen und enthält noch keine differenten Vererbungs- qualitäten; das Keimplasma des Kindes aber enthält zu gleichen Teilen zwei Arten von Keimplasma. In der zweiten (Generation vereinigt sich dieses kindliche Keimplasma mit einem von andern Eltern abstammenden, aber ebenfalls nur aus zwei Ahnenplasmen zusammengesetzten Keimplasma und die daraus hervorgehende dritte Generation beherbergt nun in ihren Keimzellen vier ver- schiedene Keimplasmen usw. Das Schema reicht nur bis zum Kind der vierten Generation, dessen Keimzellen also 16 ver- schiedene Ahnenplasmen enthalten. Wenn wir uns aber vorstellen, die Keimplasmen-Einheiten seien so gross, dass nur 16 in dem Kernfaden Platz hätten, dann würde also die Grenze der Teilbar- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 127 keit mit der fünften Generation schon erreicht sein und eine weitere Halbierung der Ahnenplasmen wäre unmöglich“ (1887, lc. 8..31,%32). Da nun alle heute lebenden Arten jedenfalls schon so viele verschiedene Ahnenkeimplasmen einschliessen, als sie überhaupt zu bergen fähig sind, knüpfte Weismann an diesen Umstand „die Frage, wie denn nun heute die geschlechtliche Fortpflanzung vor sich gehen kann, ohne dass die Masse des Keimplasmas, welche zu einer Keimzelle gehört, sich mit jeder neuen (reneration verdoppelt?“ Und er gab hierauf die Antwort: „durch eine in jeder Generation sich wiederholende Reduktion der Zahl der Ahnenplasmen. Das muss so sein.“ (l. e. S. 33.) Die Reduktion aber liess er bei dem Reifeprozess der weiblichen und der männ- lichen Keimzellen stattfinden, ehe sie sich zu einer neuen Einheit durch den Befruchtungsakt verbinden; also bei der Eizelle durch Abscheidung des zweiten Richtungskörperchen, durch welches so viel Ahnenplasma entfernt, als durch die Befruchtung wieder ein- geführt wird. Infolgedessen unterschied Weismann von der gewöhnlichen Karyokinese, durch welche die Mutterchromosomen durch Längsspaltung in zwei Tochterchromosomen geteilt werden, eine zweite Art, bei welcher die Mutterchromosomen im Aquator der Spindel ungespalten sich in zwei Gruppen sondern, so dass jeder Tochterkern nur die Hälfte der Gesamtzahl des Mutterkerns erhält. Die erste nannte er Äquationsteilung, die zweite Reduktionsteilung (Il. c. S. 35, 36). Auf diesem Wege glaubte Weismann die von van Beneden entdeckte Reduktion der Chromosomen- zahl bei Ascaris megalocephala besser als durch die nukleare Ersatztheorie desselben Forschers erklären zu können. Die vier Schleifen des ersten Richtungs- körpers deutete er in der ursprünglichen Weise als das ausge- stossene histogene Kernplasma, in der Ausstossung des zweiten Richtungskörpers dagegen erblickte er eine Reduktionsteilung, durch welche die Hälfte der verschiedenen Ahnenkeimplasmen in Gestalt von zwei Kernschleifen ausgestossen wird (l. c. 5. 39). Wie bei seiner früheren Beweisführung hielt Weismann auch bei dieser „die theoretische Forderung einer bei jeder (reneration sich wieder- holenden Reduktion der Ahnenplasmen für so sicher begründet, dass die Vorgänge. durch welche dieselbe bewirkt 128 Oskar Hertwig: wird, gefunden werden müssen, wenn sie auch in den bis jetzt be- kannten Tatsachen noch nicht enthalten sein sollten“ (l. c. S. 41). Weismanns Erklärung des Reduktionsprozesses durch die Ahnenplasmatheorie habe ich ebenso wie van Benedens nukleare Ersatztheorie von Anfang an für einen Missgriff gehalten ; wie zum erstenmal in meinem Vergleich der Ei- und Samen- bildung (1890), so habe ich mich auch bei anderen (Gelegenheiten (1594 und 1909) und in den verschiedenen Auflagen meiner Allge- meinen Biologie (1906, 1909, 1912) gegen sie ausgesprochen. Mein Bestreben war, sie durch eine einfachere, weniger spekulative und hypothetische Erklärungsweise, von welcher der nächste Abschnitt handelt, zu ersetzen. c) Das Reduktionsproblem und die Verhütung der Summierung der Erbmasse (Hertwig). Eine viel einfachere Erklärung als Weismann hat schon Nägeli gegeben, dem überhaupt das Verdienst gebührt, das durch die Vereinigung zweier Idioplasmen entstehende Problem bei seinen theoretischen Erörterungen zuerst erkannt und einen Versuch zu seiner Erklärung gemacht zu haben. „Wenn bei jeder Fortpflanzung durch Befruchtung“, bemerkte er (1884, 1. c. S. 224), „das Volumen des irgendwie beschaffenen Idioplasmas sich verdoppelte, so würden nach nicht sehr zahlreichen Gene- rationen die Idioplasmakörper so sehr anwachsen, dass sie selbst einzeln nicht mehr in einem Spermatozoid Platz fänden. Es ist also durchaus notwendig, dass bei der digenen Fortpflanzung die Vereinigung der elterlichen Idioplasmakörper erfolge, ohne eine den vereinigten Massen entsprechende, dauernde Vergrösserung dieser materiellen Systeme zu verursachen“. Nägeli suchte diese Schwierigkeit durch die Annahme zu beseitigen, dass das Idioplasma aus Strängen bestehe, die er in besonderer Weise so miteinander verschmelzen lässt, dass der Querschnitt des Ver- schmelzungsproduktes derselbe wie im einfachen Faden bleibt, dagegen eine Zunahme in der Länge erfolgt. Hierbei nimmt er eine Durchdringung oder Vermischung der Micellen an und zwar in der Weise, dass die entsprechenden väterlichen und mütter- lichen Anlagen sich aneinander lagern. Auf einem gleichen Boden wie Nägeli stehend, habe ich die Ahnenplasmatheorie von Weismann mit ihren Konsequenzen Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 129 als eine überflüssige Komplikation der Frage in meinem Vergleich der Ei- und Samenbildung (1590) und ebenso später abgelehnt. Ich bin dabei von der einfachen Erwägung ausgegangen, dass sich die vom Vater und die von der Mutter ererbte Masse aus wesentlich denselben Anlagen zusammensetzt, da sich die Eltern im Vergleich zu der Übereinstimmung ihrer Gesamtorganisation doch jedenfalls voneinander nur durch geringfügige Differenzen unterscheiden und dass dasselbe von den elterlichen Erbmassen im Vergleich zu den Erbmassen ihrer Vorfahrenreihe gilt (1390, l. ec. S. 110). Ich habe es als nicht unwahrscheinlich bezeichnet, dass gleiche Anlagen väterlicher und mütterlicher Herkunft sich durch Verlagerung und Mischung enger aneinander schliessen und durch gegenseitige Beeinflussuug eine Mittelform bilden werden. Daher könne man jetzt nicht mehr sagen, diese Kern- hälfte sei väterlich und jene sei mütterlich, vielmehr sei jetzt aus väterlicher und aus mütterlicher Kernmasse ein Neues ent- standen, ein Mittelding von beiden, die kindliche Kernmasse. In meiner Allgemeinen Biologie (1893, Bd. I, S. 283) habe ich sie daher auch geradezu eine „Mischanlage“ genannt. Schon vor mir war zur Erklärung der Erblichkeit eine gleiche Ansicht von Hensen (1885) in die Worte gefasst worden: „Von den Eltern gehen allerdings Formen und Massen auf das Kind über, aber sehr bald schwinden die Massen vollkommen dahin und werden durch die vom Kinde gebildeten Massen ersetzt. Vollkommen schwinden die Massen deshalb, weil die Anfangs- masse verschwindend klein ist gegen die im Verlauf der Ent- wicklung sich bildende Masse und weil diese Massen, soweit sie wirksam sind, einen Stoffwechsel, also partielle Verbrennung er- leiden“. „Die Form nur bleibt bestehen.“ „Die Zeugungsmasse des Sohnes ist also nicht Erbmasse des Vaters und der Mutter, sondern seine eigene Erbmasse, allerdings eingefügt in die ver- erbten Formen.“ Auf diesem Wege war der gordische Knoten, den Weismann durch seine Annahme einer Summierung zahlreicher Ahnenplasmen und einer periodischen Reduktion derselben künstlich geschürzt hatte, in einfacher Weise wieder gelöst worden. Vom theore- tischen Standpunkt aus betrachtet, muss jetzt die Frage lauten: „Wie wird durch die bei jeder Zeugung erfolgende Ver- bindung zweier Idioplasmen eine Summierung derselben in der Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt. II. 9 130 Oskar Hertwig: (senerationenfolge verhütet? Die Antwort darauf kann unter Zugrundelegung der beobachteten Tatsachen bei dem Reifeprozess der Keimzellen nur lauten: weil das väterliche und das mütter- liche Idioplasma kurz vor der Befruchtung ein jedes in zwei Hälften geteilt wird; teilbar aber muss ein jedes seiner Entstehung nach sein, da es, aus zwei gleichartigen Anlagekomplexen der Eltern hervorgegangen, alle Anlagen, die zur Hervorbringung eines vollständigen Entwicklungsproduktes erforderlich sind, wenigstens in doppelter Zahl enthält. Noch präziser lässt sich die Frage und Antwort bei Annahme der Kernidioplasmatheorie formulieren. Die Frage lautet dann: Durch welchen Vorgang wird die Masse des Chromatins und die Zahl der Chromosomen, obwohl eine Verdoppelung der genannten Teile durch die Befruchtung und hierbei stattfindende Verbindung zweier Kerne erwartet werden müsste, trotzdem auf der gleichen Höhe erhalten, wie es das empirisch ermittelte Zahlengesetz der Chromosomen für jede Tier- und Pflanzenspezies verlangt ? Die Antwort auf diese Frage fasste ich 1890 (l. e. S. 112 und 126) und in den verschiedenen Auflagen meiner Entwicklungs- geschichte und Allgemeinen Biologie dabin zusammen: „Der Sum- mation des Chromatins, welche durch Verschmelzung zweier Kerne bei der Befruchtung erfolgen müsste, wird im Leben der Zelle durch einen entgegengesetzten Vorgang, durch eine Reduktion, entgegengewirkt. Sie erfolgt bei der Reifung der Geschlechts- produkte, für welche uns ein Verständnis erst dadurch, dass wir sie zum Befruchtungsprozess in ursächliche Beziehung setzen, eröffnet wird. Eine Reduktion wird in einfachster Weise dadurch erreicht, dass dieselbe Kernmasse, welche sonst durch eine einzige Teilung auf zwei Zellen verteilt worden wäre, hier durch zwei ohne Pause aufeinander folgende Teilungen auf vier Zellen ver- teilt wird. Die Kernmasse der Samen- und der Eimutterzelle (Spermatozyte und Ovozyte) wird anstatt halbiert, geviertelt, die Summe der chromatischen Elemente durch die zweite Teilung auf die Hälfte der Normalzahl herabgesetzt. Das Ruhestadium zwischen zwei Teilungen fällt weg, damit sich die chromatische Substanz nicht wieder auf dem Wege der Ernährung ergänzen kann. Alle vier von der Samenmutterzelle abstammenden Samenzellen erhalten gleichwertige Erbmasse und ebenso das Ei und die drei Richtungskörper, welche rudimentäre Eizellen sind“ (1890, 1. c. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 151 S. 113). „Ei- und Samenkern sind durch die Reduktion in bezug auf die Masse des Chromatins und die Zahl der Chromosomen gleichsam Halbkerne, die durch Verschmelzung wieder zu einem Vollkern, dem Keimkern, werden“. „Die Annahmen von van Beneden, Weismann und Boveri kommen in Wegfall, die Ausstossung männlicher und weiblicher Kernfäden, die Ausstossung von Ahnenplasmen, die Atrophie chromatischer Elemente.“ Auch deutete ich schon 1890 den Weg an, auf welchem vielleicht noch ein weiterer Einblick in das Wesen des Reduktions- prozesses zu gewinnen sei, indem ich sagte: „Das letzte Teil- stadium der Geschlechtsprodukte hat also den Charakter eines Vorbereitungsprozesses für den Befruchtungsakt. Dieser Vor- bereitungsprozess beginnt sich sogar schon am bläschenförmigen Kern der Samen- und Eimutterzelle geltend zu machen, da hier bereits die chromatischen Elemente (als Vierergruppen) für die zwei einander folgenden Teilungen angelegt werden. Durch ein genaueres Studium der Art und Weise, wie dies geschieht, kann vielleicht in Zukunft noch eine Vertiefung unserer Kenntnisse von dem Wesen des ganzen Vorbereitungsprozesses herbeigeführt werden“ (1890, ]l. c. S. 127). Diesen Auseinandersetzungen entsprechend, hat auch die Erklärung der Parthenogenese von Weismann und mir eine verschiedene Fassung erhalten. Nach Weismann „tritt Par- thenogenese ein, wenn die ganze Summe der von den Eltern er- erbten Ahnen-Idioplasmen im Kern der Eizelle verharrt“* (1887, l. ec. S. 74). Nach meiner Fassung dagegen „hat bei Eiern, die zu parthenogenetischer Entwicklung bestimmt sind, eine Reduktion der Kernmasse, die ja eine nachfolgende Befruchtung zur Voraus- setzung hat, keinen Zweck mehr. Daher unterbleibt bei ihnen die Bildung des zweiten Richtungskörpers, durch welche sonst die Reduktion bewirkt wird, entweder ganz (gewöhnlicher Vor- gang bei der Parthenogenese), oder es legt sich noch die zweite Richtungsspindel an, zwei Kerne entstehen aus ihr. verschmelzen aber nachträglich untereinander (wie ich bei Asteracanthion, Boveri bei Ascaris beobachtet hatte). So wird der Vorbereitungs- prozess für die Befruchtung wieder rückgängig gemacht. (Über- gang zu parthenogenetischer Entwicklungsweise.) Endlich scheint es auch möglich zu sein, dass Eier, die nach Bildung zweier 9* 132 Oskar Hertwig: Richtungskörper reduzierte Kerne enthalten, sich doch noch par- thenogenetisch weiter entwickeln können (Blochmann, Platner), da das Teilvermögen der Kerne nach einer statt- gefundenen Reduktionsteilung nicht gänzlich auf- gehoben ist, wie am schlagendsten die Experimente mit den Samenkernen lehren“ (1890, l. ce. S. 127). Man beachte den Unterschied in den von Weismann und von mir befolgeten Methoden bei der Erklärung des Reduktions- problems. Meine Erklärung beschränkt sich auf die Chromatin- masse und auf die Zahl der Uhromosomen, also auf Verhältnisse, welche wirklich Gegenstand mikroskopischer Untersuchungen sein können. Insofern kann meine Erklärung als quantitative Reduktion bezeichnet werden. Sie ist der einfachste Ausdruck für wirklich beobachtete Tatsachen. Weismanns Erklärung dagegen beruht auf einer mikroskopisch nicht zu beweisenden Hypothese, nämlich auf der Zusammensetzung des Keimplasmas aus einer Garnitur unsichtbarer Ahnenplasmen und auf Entfernung einer Anzahl derselben, wobei die entfernten Ahnenplasmen in jedem einzelnen Fall qualitativ verschieden ausfallen. Infolge- dessen erblickte ja Weismann in seiner „Germinalselektion“ eine Aufgabe der Reduktion auch darin, geringfügige Unterschiede zwischen den Keimzellen eines Individuums hervorzubringen und so durch nachfolgende Amphimixis ein vielfach variierendes Aus- gangsmaterial für Naturzüchtung zu liefern. Seine Hypothese ist daher eine solche der qualitativen Reduktion. Bei der Erklärung des ersten Richtungskörpers war schon nach derselben Methode von Weismann verfahren worden. Denn auch die Ausscheidung des histogenen Kernplasmas geht von der An- nahme qualitativer, durch Beobachtung nicht nachweisbarer Unterschiede in der Zusammensetzung der chromatischen Kern- substanz aus. Solche Annahmen entziehen sich dem Forschungs- bereich des Morphologen, „da Anlagen im Idioplasma“ mikroskopisch nicht sichtbar zu machen sind. Es gibt indessen einen Weg, auf welchem sich die Hypothese qualitativer Unterschiede in einer ent- wiecklungsfähigen Substanz zuweilen beweisen oder widerlegen lässt. Dieser Weg ist die entwicklungs- geschichtliche Analyse und das in geeigneten Fällen an- gestellte Experiment; durch die Prüfung der Frage, was aus Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 135 der betreffenden Substanz bei der Entwicklung wird, ist eine ge- nauere Ermittelung ihrer Qualitäten in das Bereich der Möglichkeit gerückt. In dieser Weise glaube ich schon 1890 die Hypothese Weismanns von der Ausstossung histogenen Kernplasmas durch den ersten Richtungskörper widerlegt zu haben. Ich gebe die Beweisführung aus meinem Vergleich der Ei- und Samen- bildung bei Nematoden wörtlich wieder: „Wir haben gesehen, dass im Keimbläschen des Eies acht chromatische Elemente (in zwei Vierergruppen angeordnet) angelegt werden, die genau in der- selben Weise entstehen, dieselbe Grösse und chemische Zusammen- setzung zeigen. Nach Weismann sind diese chromatischen Elemente ihrer Natur nach verschieden; diejenigen, welche dem ersten Richtungskörper durch die erste Zellteilung zugewiesen werden, sollen einen einfacheren molekularen Aufbau besitzen, aus sterblicher somatischer Substanz bestehen und nur fähig sein, bestimmte Vorgänge im Zellkörper zu beherrschen, ein anderer Teil aber soll echtes unsterbliches Keimplasma von komplizierterer Molekularstruktur sein und die Anlagen für eine neue Embryonal- entwicklung einschliessen. Die von Weismann angegebenen Unterschiede entziehen sich jeder Wahrnehmung. Wenn von ihm gesagt werden sollte, welches von den acht Elementen im Keimbläschen nur diese oder jene Substanz besitzt, so würde er nicht in der Lage sein, diese Aufgabe zu lösen. Und ebenso kann er von keinem Kern in keinem Gewebe sagen, was ist histogenes Kernplasma und was ist Kernkeimplasma. Es sind eben nicht aus Erfahrung und auf Grund von Beobachtungen gewonnene Begrifte, sondern sie sind auf dem Boden reiner Spekulation gewachsen. Es ist nicht leicht, durch Tatsachen solche Spekulationen zu widerlegen. Hier ist es zufälligerweise möglich.“ „Die Samenmutterzelle (Spermatozyte) schliesst in ihrem bläschenförmigen Kern, genau wie das Keimbläschen des Eies, acht chromatische Elemente ein. Diese müssen alle in gleicher Weise aus Kernkeimplasma zusammengesetzt sein, da durch die folgenden zwei Teilungen je zwei auf je einen der vier Samen- körper, die aus der Samenmutterzelle entstehen, übertragen werden. Denn es wird wohl niemand die Annahme machen wollen, dass von den Samenkörpern nur die Hälfte Keimplasma 134 Oskar Hertwig: besitzt und somit als Befruchtungskörper wirken kann, die andere Hälfte aber das histogene Plasma erhalten hat und darum zur Befruchtung nicht dienen kann .... — — Nun haben wir früher durch Vergleichung festgestellt, dass die Richtungskörper in genau derselben Weise wie die Samentochter- und Samenenkel- zellen (Präspermatiden und Spermatiden) gebildet werden und dass vier aus einer Mutterzelle entstandene Samenkörper dem Ei mit den drei Richtungskörpern entsprechen. Folglich schliessen wir, dass auch die Richtungskörper, der erste so gut wie der zweite, Kernkeimplasma führen und dass die Annahme, das erste Richtungskörperchen diene zur Entfernung von ovogener histo- gener Kernsubstanz, keine Berechtigung hat. Wie Weismanns Hypothese über die Bedeutung des ersten Richtungskörpers durch Vergleichung von Beobachtungs- reihen, so kann jetzt auch seine der Ahnenplasmatheorie ent- nommene Erklärung des zweiten Richtungskörpers durch die experimentellen Ergebnisse der Mendelforschung noch besser als durch meine theoretischen Einwendungen als widerlegt gelten. Nach der Lehre von Mendel und seiner Schule sind in der befruchteten Keimzelle die väterliche und die mütterliche Erbmasse zu einer gemischten Anlage vereint, derart, dass von den korrespondierenden väterlichen und mütterlichen Genen „Merkmalspaare“ (Paarlinge, Allelomorphs) gebildet werden. Bei der Erzeugung neuer Keimzellen für die nächstfolgende Generation werden die zu Merkmalspaaren verbundenen Gene wieder von- einander getrennt (Mendels Spaltungsregel. Da ferner die (Gene im Idioplasma eine gewisse Selbständigkeit besitzen, werden sie auf die reifen weiblichen, resp. männlichen Keimzellen in gleichen Zahlenverhältnissen, aber in verschiedenen Kombi- nationen der heterozygoten Merkmale verteilt. (1. Gesetz der Un- abhängigkeit und 2. Gesetz der Mischbarkeit der erblichen An- lagen.) — Durch die genaue Analyse der erblichen Eigenschaften eines Bastards durch das Studium seiner Nachkommen während mehrerer reingezüchteter Generationen ist also experimentell festgestellt, dass die in einem elterlichen Idio- plasma vereinten Anlagen keine untrennbare Ein- heit, also kein „Id“ bilden, wie es in der Ahnen- plasmatheorie von Weismann heisst, sondern dass sie wegen einer gewissen, ihnen zukommenden Unabhängigkeit und . DY= Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 135 Mischbarkeit ausgetauscht und neu kombiniert werden können. Mit dieser Erkenntnis ist sowohl Galtons Lehre vom Ahnenerbe, als auch Weismanns Hypothese, dass das Keimplasma aus zahllosen Ahnenplasmen oder Iden aufgebaut sei, hinfällig ge- worden. Dagegen hat die von Nägeli, Hensen, mir u.a. vertretene Auffassung ihre experimentelle Stütze gefunden. Weismann hat dies später auch selbst erkannt; anstatt aber seine Ahnenplasmatheorie nun durch eine offene Erklärung auf- zugeben, hat er sie in seinen Vorträgen über Deszendenz- theorie (1. Auflage, 1902. 3. Auflage, 1913) allmählich einer teilweisen Veränderung unterzogen, allerdings so, dass sie zuletzt so gut wie aufgehoben war und nur dem Namen nach noch be- stehen blieb. In der ersten Auflage (1902) versuchte Weismann seine alte Lehre noch teilweise aufrecht zu erhalten (Bd. I, S. 381, 382). Er gab ein in Fig. 25 reproduziertes Schema zur Ver- anschaulichung der Wirkung der Amphimixis auf die Zusammen- setzung des Keimplasmas aus verschiedenartigen Ahnenplasmen oder Iden, von denen jedes alle Anlagen zu einem vollständigen Individuum in sich begreift. Für das Schema hat er das Stadium der Äquatorialplatte einer Kernspindel mit ihren in einem Kranz angeordneten Iden gewählt, da nach seiner Ansicht ein Id in vielen Fällen morphologisch einem Chromosom entspricht. Um anschaulich zu machen, wie eine Zusammensetzung des Keim- plasmas aus mehreren individuell verschiedenen Iden allmählich durch geschlechtliche Fortpflanzung entstehen kann, machte er die Annahme, „es gäbe noch keine Amphimixis, und wir könnten ihre Einführung in die ÖOrganismenwelt miterleben, die Ver- erbungssubstanz der bisher lebenden und durch Teilung sich fortpflanzenden Wesen bestände aus mehr oder minder zahlreichen, aber untereinander gleichen Chromosomen oder Iden, deren Zahl z.B. 16 betrage. Wenn nun zum erstenmal Amphimixis statt- fände, und zwar so wie heute, d.h. nach Reduktion der Iden-Zahl auf die Hälfte, so würden sich also in der ersten Amphimixis acht väterliche mit acht mütterlichen Iden zum Keimplasma des neuen Wesens vereinigen, wie dies in Fig. 25 A durch einen Kreis von Kügelchen angedeutet ist, von denen als Zeichen ihrer Ver- schiedenheit zehn weiss und zehn schwarz angegeben sind. Wenn nun zwei Wesen dieser (sreneration mit zwei Idarten sich wieder 136 Oskar Hertwig: in Amphimixis verbinden nach vorhergegangener Reduktion der Ide, so erhalten wir die Fig. B, in welcher links vom Strich die väterlichen Ide (p J), rechts davon die mütterlichen sich be- finden (m J), während jeder Halbkreis wieder von zweierlei Id- arten, den grosselterlichen, zusammengesetzt ist (p’J und p*J', m?J und m?J'). Die Figuren C und D veranschaulichen die zwei folgenden Generationen, in welchen die Zahl der identischen Ide jedesmal um die Hälfte abnimmt, weil wieder acht fremde Ide beigemischt werden; in C sind nur je zwei Ide noch identisch, in D aber sind alle Ide individuell verschieden, weil sie von verschiedenen Ahnen derselben Art abstammen.“ So betrachtete Weismann bei Artemia salina, das 168 kleine Chromosomen besitzt, jedes derselben als Id, als „eine biologische Einheit von Ahnenplasma*“. Fig. 25. Schema zur Veranschaulichung der Wirkung der Amphimixis auf die Zu- sammensetzung des Keimplasmas aus verschiedenartigen Ahnenplasmen oder Iden nach Weismann (Vorträge über Deszendenztheorie, I. Aufl., Bd. I, S. 380, Fig. 87). A—D die Ide des Keimplasmas von 4 sich folgenden Generationen, A aus nur 2 Arten von Iden bestehend, B aus 4, C aus 8, D aus 16 Arten; 9J und »2./ väterliche und mütterliche Ide, p°./ gross- väterliche, p°-J urgrossväterliche, p*.J ururgrossväterliche Ide. Die Zeichen in den Iden deuten ihre individuell verschiedene Natur an. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 18% Trotzdem begann sich schon jetzt ein Wandel in den An- sichten von Weismann anzubahnen, wie sich aus der Definition erkennen lässt, die er im XXII. Vortrag (S. 43) den Begriffen Id und Ahnenplasma gab, wenn er bemerkte: „Ich habe die Ide früher Ahnenplasmen genannt, und der Name trifft auch insofern zu, als ja bei jeder Befruchtung die gleiche Anzahl Ide vom Vater und von der Mutter her in der Eizelle vereinigt werden, somit also das Kind aus den Iden seiner beiden nächsten „Ahnen“ aufgebaut wird. Da nun aber die Ide der Eltern von denen der Grosseltern herrühren, diese wieder von denen der Urgrosseltern, so sind die Ide in der Tat Idioplasmen der Ahnen.“ „Man hat indessen den Ausdruck vielfach dahin missverstanden, als sollte damit gesagt sein, dass die Ide für alle Zeiten un- verändert den Charakter des betreffenden Ahn beibehalten ete. Auch ist es ja klar, dass, wenn wir einmal ganz absehen von einer möglichen Abänderung der Ide. ein jedes derselben nicht nur einem, sondern einer langen Reihe von Vorfahren angehört und bei deren Bildung mitgespielt haben muss, dass es also schon deshalb nicht das Idioplasma eines be- stimmten Ahnen ist, sondern nur Ahnenplasma im allgemeinen Sinn. In diesem Sinn könnte man die Bezeich- nung für das Id ganz wohl beibehalten.“ Hier möchte es wohl erlaubt sein, die Frage aufzuwerfen, ob „Ahnenplasma im allgemeinen Sinn“ nicht schliesslich dasselbe wie Erbmasse oder Idioplasma bedeutet und ob Weismann seine ursprüngliche Lehre nicht schon bereits verlassen hat? Hierüber gibt uns seine dritte Auflage noch einen besseren Aufschluss. In derselben versuchte Weismann sich mit den Ergebnissen der Mendelforschung abzufinden, zu deren Besprechung er ein be- sonderes Kapitel (XXII) neu eingeschoben hat. Er hat jetzt das Schema, Fig. 25, über die Vermehrung der Ahnenplasmen mit dem dazugehörigen Text weggelassen; anstatt durch die Ahnenplasma- theorie versuchte er jetzt die Mendelschen Gesetze vom Boden der Determinantenlehre aus zu erklären (1913, Bd. II, S. 40). Auf Grund der so vollzogenen Neuorientierung warf er abermals die Frage auf, ob wir nach dieser Erfahrung die Bezeichnung „Ide“ beibehalten können. Nach seiner früheren Definition würde nur eine vollständige Gruppe aller Determinanten des Organismus ein Id heissen. —.... Es scheint ihm jetzt besser, die Definition 138 Oskar Hertwig: selbst dahin zu erweitern, dass wir unter Iden allgemein die selbständigen, in sich geschlossenen Determinanten- gruppen verstehen, mögen sie nun die ganze Erb- masse der Art in sich einschliessen, oder nur einen Teil davon“ (1913, Bd. II. S. 47). Je nachdem das eine oder andere der Fall ist, unterscheidet Weismann „Vollide“ und „lLeilide“. Teilide z. B. sind Determinantengruppen für das Geschlecht oder für das Entoderm, oder für das Nervensystem. Noch mehr aber, als durch diese und ähnliche Abänderungen seiner ursprünglichen Lehre wird die Ahnenplasmatheorie preis- gegeben durch die Erklärung (l. c. Bd. II, S. 60): „Ich habe früher die Ide als Ahnenplasma bezeichnet; man könnte auch die Determinanten so nennen; genau genommen aber gibt es in den heutigen Organismen keine grosselter- lichen oder irgendwie noch ältere Ahnenplasmen. — Eine Determinante des Grosselters stammt von einer solchen des Urgrosselters her, diese von einer des Urahns ete. — Omne determinans e determinante*“. „Aber die Determinanten können sich vermehren oder verändern, gerade wie die Biophoren, und dar- auf beruht die phyletische Entwicklung der Organismenwelt“ (S.60). Aus solchen hier und dort eingestreuten Bemerkungen hat sich Weismann dem von Nägeli, Hensen und mir ver- tretenen Standpunkt immer mehr genähert. Die Begriffe Idanten, Ide (Vollide und Teilide), da sie ihre ur- sprüngliche Definition verloren haben, sind damit auch entbehrlich geworden. Das Wort „Determinant“ aber ist besser durch das althergebrachte Wort „Anlage“ oder nach der Terminologie von Johannsen durch das Wort Gen zu ersetzen, und da die Forschung erst kaum begonnen hat, den Versuch zu machen, in das Wesen der „Anlagen“ oder „(rene“ durch experimentelle Untersuchungen einzudringen, ist vollends die Zeit noch nicht gekommen, sich über die „Architektur des Keim- plasma“ oder des Idioplasma eine bestimmte Vorstellung zu bilden. 3. Meine Stellung zur Annahme einer Persistenz der Chromosomen. Zu gewissen Zeiten sieht man im Leben der Zelle, besonders aber während ihrer Teilung, sehr eigentümliche Strukturen auf- treten, wie Spindelfasern, Zentrosomen, Protoplasmastrahlen, Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 139 Chromatinfäden in bestimmter Zahl und Anordnung. Wie sie in bestimmten Perioden für bestimmte Aufgaben entstanden sind, so beginnen sie, nachdem sie meist eine Reihe von Metamorphosen durchlaufen haben, ihre charakteristische Form zu verlieren und neuen, anders gearteten Strukturen Platz zu machen. Viele Forscher sind durch die gewiss wundervolle Gesetzmässig- keit der verschwindenden und nach einiger Zeit genau ebenso wieder auftauchenden Strukturen veranlasst worden, eine Kontinuität oder Persistenz derselben anzunehmen, auch auf solchen Stadien, wo ein Beweis hierfür nicht zu führen ist. Namentlich ist eine Persistenz auch während des Ruhestadiums des Kerns für die Chromosomen, den wichtig- sten Bildungen während der Karyokinese, von K. Rabl, von van Beneden. Boveri und vielen anderen Forschern behauptet worden. Der Begründer und energischste Verfechter der Chromo- somenpersistenz, K. Rabl, hält es für nicht denkbar, dass in der ruhenden Zelle keine Spur von der Anordnung in Chromo- somen mehr vorhanden sein sollte, indem er bemerkt: „Niemand wird annehmen wollen, dass die Fäden im Mutterknäuel an- schiessen, wie die Kristalle in einer Mutterlauge, oder dass beim Übergang des Tochterknäuels zur Ruhe die Fäden sich vollständig auflösen und in Stücke zerfallen“ (1915, 1. e. S. 105). Die Theorie der Chromosomen-Kontinuität oder Individualität hat zu vielen Kontroversen geführt, die auch jetzt noch fortbe- stehen und nicht leicht auszugleichen sind. Hierauf will ich jedoch nicht näher eingehen, sondern nur meine Stellung kurz darlegen, die ich zur Frage der Persistenz gewisser Zellstrukturen, besonders aber der Chromosomen eingenommen habe und auch jetzt noch glaube einnehmen zu müssen. In vielen Fällen kann zunächst als sicher angenommen werden, dass Strukturen in der lebenden Zelle schwinden und nach einiger Zeit sich in derselben Form wieder neu bilden. Die Kerne gehen als bläschenförmige Zellorgane während der Karyokinese zugrunde, wobei einzelne strukturierte Bestandteile, wie die Membran und die Nukleolen, zerfallen, eventuell ganz aufgelöst werden und der Kernsaft sich im Protoplasma ver- teilt. Die Tochterkerne werden dann aus den umgelagerten Be- standteilen des alten Kerns unter Bezug von neuen Teilen aus dem umgebenden Protoplasma zur Bildung einer Kernmembran 140 Oskar Hertwig: und Kernsaft neu aufgebaut. Wie ferner ebensowenig in Zweifel gezogen werden kann, entstehen bei der Karyokinese verschiedene fädige Strukturen durch Umbildung aus andersartig angeordneter Substanz, die achromatischen Spindelfasern und die radiär um die Pole angeordneten Protoplasmafibrillen, die am Beginn einer Karyokinese auf die allernächste Umgebung der Zentrosomen beschränkt, sich auf immer weitere Bezirke des Zellkörpers durch Verlängerung ausdehnen. In besonders überzeugender Weise aber lehren die so formenreichen und dabei doch streng gesetz- mässigen pathologischen Kernteilungen, dass die allerkomplizier- testen Strukturbilder aus vorher in anderer Form vorhandenen Bestandteilen der Zelle durch Umwandlung hervorgehen; ich meine die Triaster, Tetraster und Polyaster. In ihnen treten Protoplasmastrahlen, Spindelfasern in den allerverschiedensten Gruppierungen auf, die lediglich durch die abnormen Bedingungen hervorgerufen sind, und ebenso sind dementsprechend die Chromo- somen in drei, vier und mehr Muttersternen (Äquatorialplatten) und doch nach einer gewissen Regel verteilt. In dieser allgemeinen Metamorphose der Kernsubstanzen wird von vielen Forschern für die Chromosomen eine Art Aus- nahmestellung gelehrt; es wird ihnen eine Persistenz im ruhenden Kern zugeschrieben auch auf Stadien, wo man bei sorgfältigstem Studium nur ein feines, achromatisches Netzwerk mit zahlreichen, aufgelagerten kleinsten Chromatinkörnchen und eventuell einzelnen grösseren kompakten Uhromatinkörpern nachweisen kann, oder wo im Kopf der Samenfäden nur eine dichte, homogen erscheinende chromatische Substanz zu erkennen ist. Unter diesen Verhältnissen ist die Frage berechtigt: Ist die Annahme der Persistenz der Chromosomen, für deren Vorhandensein im ruhenden Kern jeden- falls die Beobachtungstatsachen nicht sprechen, aus logischen Gründen geboten? Ich glaube die Frage verneinen zu müssen, da die Chromosomenbildung sich auch in anderer Weise, die dem Verlauf der Erscheinungen besser entspricht, erklären lässt. Gewiss ist es der Ausdruck einer grossen Gesetzmässigkeit, wenn bei einer Pflanzen- und Tierart in jeder Karyokinese immer wieder dieselbe Zahl von Chromosomen, in derselben Form und Anordnung aus dem ruhenden Kern hervorgeht. Ist es aber nicht zum mindesten eine ebenso grosse, wenn nicht noch grössere und schwerer zu verstehende Gesetzmässigkeit, wenn bei einer Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 14 Pflanzenart, um ein schon von Fick (1907, 1. ec. S. 55) gewähltes Beispiel zu gebrauchen, aus einer jüngsten, noch ganz ungeformten Blütenanlage von wenigen embryonalen Zellen, schliesslich Pollen- fäden, gefärbte Blumen- und grüne Hüllblätter in festen Zahlen- verhältnissen und in ihren für die Spezies charakteristischen Formen das eine wie das andere Mal entstehen? Wie man hier zu keiner Präformation, so braucht man auch dort zu keiner Persistenz der Chromosomen aus logischen Gründen seine Zuflucht zu nehmen, um die Gesetzmässigkeit zu erklären. Ausserdem möchte ich den Anhängern der Persistenz noch folgendes zu erwägen geben. Bei Ascaris megalocephala bivalens kommen in den Spermatogonien und Ovogonien, im befruchteten Ei und in den Embryonalzellen der Keimbahn nur vier Chromosomen von ganz aussergewöhnlicher Grösse vor. Durch den als Chromatin- diminuition bekannten Prozess entstehen dann aber während der Furchung bläschenförmige Kerne, die bei jeder Karyokinese nicht wieder Spindeln mit den vier typischen grossen Uhromosomen, sondern ebenso gesetzmässig Spindeln mit sehr viel kleineren und zahlreicheren Chromosomen bilden. Infolgedessen ist man übereingekommen, die vier grossen Chromosomen als Sammel- chromosomen zu benennen. Man fasst sie also jetzt als zu- sammengesetzte Elemente auf, die aus der Vereinigung von zahlreichen kleineren zustande gekommen sind. Es liegt der Gedanke nahe, dass, wie die Sammelchromosomen von Ascaris, sich überhaupt die Chromosomen aus dem ruhenden Kern durch Sammlung von kleinen Chromatinteilchen oder Chromatin- einheiten aufbauen, die im ruhenden Kern auf dem achromati- schen Gerüst verteilt gefunden werden. Die eben näher begründete Stellung habe ich gegenüber den Vertretern der Kontinuitäts- und Individualitätshypothese der Chromosomen schon 1890 (l. ec. S. 104—109) eingenommen. „Durch die Individualitätshypothese“ — schrieb ich — „werden die Erscheinungen der Kernteilung nicht verständlicher gemacht, als es durch manche andere Annahme geschehen kann. Die fädige Struktur tritt nicht allein an den Chromosomen, sondern fast an allen Substanzen ein, die bei dem komplizierten Prozess beteiligt sind ete. In unseren Augen sind alle diese Strukturen vorüber- gehend bei der Kernteilung unter dem Einfluss der dann in Wirksamkeit tretenden Kräfte hervorgerufen worden. — — Es 142 Oskar Hertwig: ist eine beliebte Vorstellung, dass die chromatische Substanz in morphologischer Hinsicht aus zahlreichen Pfitznerschen Körnern (Chromomeren) aufgebaut sei. Nehmen wir an, dass diese Teilchen Polarität erhalten, wenn Kräfte, die im Ruhezustand des Kerns latent waren, bei Beginn der Teilung in Wirkung treten, dann scheint es mir recht gut verständlich zu werden, dass die an- genommenen morphologischen Einheiten der Kernsubstanz, die Körner, sich in Reihen hintereinander anordneten etc. Eine weitere Verfolgung dieser Annahme führte zu einer weiteren, nicht unwichtigen Konsequenz. Bei der Längsspaltung der Fäden nämlich müssen die Mutterkörner in Tochterkörner zerlegt werden, die sich in absolut gleichem Verhältnis auf die Tochterkerne in der von Roux geforderten Weise verteilen. So würde ge- nau dasselbe Endresultat wie durch die Lehre von der Indivi- dualität der Chromosomen, erreicht werden, dass bei jeder Teilung die mütterliche und die väterliche Erbmasse in gleichen Mengen- verhältnissen und Qualitäten auf alle Tochterkerne verteilt wird. Und trotzdem ist eine Vermischung und Verlagerung der Mutter- körner nicht ausgeschlossen, wie bei der Individualitätshypothese.“ „In gleicher Weise hat sich schon Hensen geäussert: Für den Fall, dass bei der Zerstreuung und nachfolgenden Sammlung der Kernfäden die einzelnen Körner, resp. deren wesentliche Grund- substanz als solche bestehen bleiben, würde, ganz einerlei, wie immer sich die vom Ei und Samen herstammenden Körner an- einander anordnen, in jeder Zelle des Körpers noch der Träger der Vererbung beider Eltern in gleichem Maße mit mathematischer Notwendigkeit vorhanden sein müssen.“ Die Kontinuität der Chromosomen bekämpfend, hat R. Fick zuerst im Jahre 1899 (l. c. S. 70, auch 1907, l.c. S. 114—117) sich eines recht anschaulichen Beispiels bedient. Er vergleicht die Chromosomen mit Kompagnien von Soldaten, die nur im Dienst zur Erfüllung besonderer Aufgaben zum Kompagnieverband zusammentreten und sich in Reih und Glied sammeln, nach er- füllter Aufgabe sich aber wieder zerstreuen. Er hat daher die der Persistenz der Chromosomen entgegengesetzte Ansicht nicht unpassend als Manövrierhypothese (Fick, 1907,1. ec. S. 114) bezeichnet. Hier ist auch die Möglichkeit gegeben, dass die Elemente der verschiedenen Kompagnieen bei ihrer Auflösung sich vermischen und dann bei einer neuen Sammlung zu taktischen Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 143 Verbänden nicht immer genau dieselben Mannschaften wieder zusammentreten, sondern ein Austausch einzelner Elemente zwischen der einen und der anderen Kompagnie stattfindet. Die von Mendel aufgestellten Regeln der Unabhängigkeit der Merkmale, ihre Mischbarkeit und Vereinigung zu neuen Kombinationen würde sich hiermit in bester Harmonie befinden, dagegen würde die Theorie der Persistenz der Chromosomen Hilfshypothesen erfordern, wie sie für das Synapsisstadium auch aufgestellt worden sind: die Kopulation homologer mütterlicher und väterlicher Chromosomen und ein zwischen ihnen stattfindender Austausch von Anlagen. Den hier berührten Verhältnissen Rechnung tragend, hat Boveri seine Theorie der Chromosomenindividualität in einer Schrift aus dem Jahre 1907 so wesentlich geändert, dass man sich fragen muss, ob er nicht richtiger gehandelt hätte, sie ganz fallen zu lassen. Ursprünglich stellte er sich ohne Zweifel ganz auf den Standpunkt von Rabl, wie dieser mit Recht bemerkt hat (1915, 1. ec. S. 102). Boveri war also ein Anhänger der Persistenz der Chromosomen und insofern bezeichnete er sie als selbständige Individuen im Organismus der Zelle. — Dass er dann später eine Persistenz im Sinne von Rabl nicht mehr an- nahm oder jedenfalls über diesen Punkt sehr zweifelhaft geworden war, wurde schon bei früherer Gelegenheit und aus anderem Anlass auf S. 76 und in Anmerkung 15 (S. 150) nachgewiesen. Anmerkungen. Anmerkung 1 zu Seite 15. Bei Asteracanthion, einem sehr günstigen Untersuchungsobjekt, glaubte van Beneden den Zerfall des Keimflecks in kleine Stücke, ferner die voll- ständige Auflösung desselben ebenso wie der Pseudonukleolen und des Corps nucleoplasmique im Kernsaft, zuletzt die Auflösung des ganzen Keimbläschens im Dotter sicher festgestellt zu haben. Auch die hiermit zusammenhängende Entstehung der Richtungskörperchen und das Erscheinen eines neuen Kerns vor der ersten Furchung hatte er am lebenden Objekt beobachtet, aber nicht ermitteln können, weder wie sich die Richtungskörperchen bilden, noch wie der erste Kern des Embryo entsteht (1876, 1. c. S. 75). Doch spricht er auch jetzt für Säugetiere und Echinodermen als seine feste Überzeugung aus (l. c. S. 40): „Il ne peut y avoir, chez le lapin, aucun lieu genetique entre la vesicule germinative ou l’une de ses parties et le noyau em- 144 Oskar Hertwig: bryonnaire qui apparait dans l’oeuf apr&s la fecondation.“ Und später, die Ergebnisse am Asteracanthion-Ei mit einschliessend, wiederholt er (l. e. S. 75): „Chez le lapin comme chez l’&toile de mer la vesicule germinative disparait en tant qu’el&ment morphologique ; aucune partie form6e de la vesicule ger- minative n’existe plus dans l’oeuf au moment oü l’on voit apparaitre le premier noyau embryonnaire; aucun lien genetique ne peutdonc exister entre la vesicule germinative ou l’une de ses par- tieset le premiernoyau del’embryon.“ Anmerkung 2 zu Seite 27. Einer derartigen Verallgemeinerung bereiteten allerdings noch die Eier der Fische, der Amphibien, der Reptilien und Vögel mit ihren riesen- grossen und zahlreiche Keimflecke bergenden Keimbläschen grosse Schwierig- keiten. Wenn ich auch an Schnitten, die ich durch das abgelegte Froschei mit freihändiger Messerführung anfertigte, einen kleinen Eikern nach vollständigem Schwund des Keimbläschens nachweisen konnte, so blieben mir doch, ebenso wie anderen Forschern auf diesem Gebiet, Oellacher, Bambeke, Götte, die schwer zu erkennenden Veränderungen verborgen, die auch hier zur Entstehung einer Richtungsspindel und zur Hervorknospung zweier Polzellen führen. Erst nachdem die Zerlegung grösserer Eier in lückenlose, feine Serienschnitte durch Einführung der Paraffintechnik und der Mikrotome ermöglicht und die Färbemethode weiter verbessert worden waren, haben Oskar Schultze, Rückert, Born, Fick, Carnoy und Lebrun es durch ihre vorzüglichen Arbeiten ermöglicht, auch diese schwierigen Objekte dem allgemeinen Schema einzuordnen. Anmerkung 3 zu Seite 27. Zu dem Ergebnis meiner inzwischen erschienenen zweiten Abhandlung über Nephelis erklärt Bütschli seine Zustimmung in einer Anmerkung, die er seinem Manuskript noch vor der Drucklegung beifügen konnte und die ich im Wortlaut wiedergebe: „Kaum hatte ich die obigen Zeilen niedergeschrieben, so wurde auch die oben ausgesprochene Hoffnung durch die in diesen Tagen erschienene schöne Untersuchung Oskar Hertwigs über die ersten Entwicklungs- vorgänge bei Nephelis erfüllt. Hertwig hat die, in den obigen Zeilen von mir über die Bedeutung der Richtungsbläschen ausgesprochenen Vermutungen durch seine Untersuchungen vollkommen sicher nachgewiesen, und dadurch die von mir früherhin über die Bedeutung und das Wesen dieser Körperchen geäusserte Ansicht in dem Sinne korrigiert, zu dem auch ich durch die ge- schilderten Erfahrungen bei Neritina gelangt bin. Da ich nun ganz unab- hängig gleichfalls meine frühere Anschauung in gleicher Richtung korrigiert habe und die Abfassung obiger Zeilen schon geschah, bevor die Hertwigsche Arbeit erschien, so habe ich dieselben gerade so stehen lassen, wie ich dieselben ursprünglich niederschrieb. Wie gesagt, schliesse ich mich 0. Hertwig völlig an, was die Entstehung und das Wesen der Richtungs- bläschen bei den Hirudineen und Gastropoden betrifft“ (1877, 1. c. S. 236). Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 145 Anmerkung 4 zu Seite 28. Als Belegstellen für Fols Ansichten in den Jahren 1875 und 1876 zitiere ich: „Avant chaque segmentation le nucleus disparait pour &tre rem- plac& par deux &toiles mol6&culaires qui prennent naissance dans son interieur. Le centre de chacune de ces 6&toiles peut ätre consider comme un centre d’attraction. Apres la segmentation un nucl&us reparait au milieu de chaque etoile“ (1875, Pteropoden, S. 198). Und was die Kernlosigkeit des Eies vor und nach der Bildung der Richtungskörperchen betrifft, so heisst es: „Le nucl&us avait deja disparu chez tous les oeufs que j’ai observes pour reparaitre avant et apres la sortie des corpuscules de rebut.“ (Heteropoden, 8.7.) Oder: „C’est donc une erreur complete que de croire que le nucl&us de l’ovule persiste et donne naissance par sa division aux noyaux des spherules de segmentation. Non seulement le noyau disparait avant chaque segmentation, mais encore il se fusionne deux fois avec le protoplasme en- vironnant, et s’individualise deux fois avant la premiere segmentation.“ Anmerkung 5 zu Seite 29. In seiner Bibliographie aus dem Jahre 1879 (l. c. S. 83) hebt Fol als maßgebend für seinen in der Heteropodenarbeit eingenommenen Standpunkt folgende Stelle aus ihr hervor: „Le vitellus possede apres la fecondation un noyau central dont l’origine est encore inconnue. Aux deux cötes oppos6es de ce nucleus apparaissent des centres d’attraction d’oü partent des fila- ments sarcodiques dispos6s en @toiles. Les plus gros de ces fila- ments s’etendent dans l’intörieur du nucl&us d’un centre d’attraction a l’autre centre... L’un des centres se rapproche de la surface du vitellus et l’autre le suit, quoique plus lentement. Le centre qui se trouve le plus pres de la surface sort du vitellus sous forme de globule, extrainant avec lui une partie de ce que je crois &tre la substance du noyau primitif. Puis le centre, qui est rest dans l’interieur du vitellus, se divise ä nouveau et sa moiti6 p£ri- pherique sort du vitellus de la m&me maniere pour former le second corpus- ceule de rebut ... . L’etoile restde dans le vitellus reprend ensuite la forme d’un noyau avec son nucl6eole et va se reunir A un second noyau, qui s’est form&e au milieu du protoplasme pres du pol oppos@ ou pöle nutritif du vitellus.“ (Heteropoden, S. 40.) In den Figuren, welche Fol seiner Ptero- podenarbeit auf zehn Tafeln beigefügt hat, sind einzig und allein die Proto- plasmastrahlungen, sehr fein ausgeführt, abgebildet. In der Abhandlung über Heteropoden findet sich auch nur eine Zeichnung von einemlebenden Ei von Pterotrochea zur Zeit der Abtrennung des zweiten Richtungskörpers. Sie lässt dementsprechend auch nur wenig feineres Detail erkennen. Anmerkung 6a zu Seite 29. Dem Schluss seines Werkes hat Folnoch im Hinblick auf die vor und während der Drucklegung erschienenen Untersuchungen einen umfangreichen bibliographischen Nachtrag hinzugefügt und zur Begründung desselben be- merkt (1879,1.c.S. 279): „Les etudes que je fis en d@cembre 1876, janvier et fevrier 1877 amenerent des r&sultats importants qui, en modifiant mes opinions, m’obligerent & remanier complötement une partie de mon manuscript. La Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. II. 10 146 Oskar Hertwig: publication du me&moire actuel, qui &tait 6erit au printemps de l’an 1877, ayant ete retardie au delä de toute attente par les lenteurs de la gravure et de l’impression, j’aurais pu encore faire subir ä ce travail un second remaniement pour tenir compte des m&moires nombreux et importants qui ont paru dans l’intervalle.... Je me suis done deeide & laisser mon manuscript sans changements et ä donner les explications n&cessaires ä mesure que je comparerai mes r6sultats avec ceux d’auteurs plus r¢s.“ Anmerkung 6b zu Seite 40. Das Verhältnis von Fols Untersuchung zu der meinigen geht deutlich aus den Sätzen hervor, mit denen er in seiner vorläufigen Mitteilung (Commen- cement de l’henogenie 1877, ]. c. S. 455) seine Beschreibung des von ihm beobachteten Befruchtungsprozesses einleitet: „Un pas tres-important vient d’etre fait dans la connaissance de ce phenom£ne primordial. OÖ. Hertwig a montre, dans son beau travail sur le premier developpement de l’oursin, que le spermatozoaire penetre dans l’oeuf et entre dans la composition du noyau de l’oeuf feconde. J’ai r&pete les observations du savant allemand et puis en garantir l’exactitude A quelques details pres qui ressortiront de ma propre description.“ Anmerkung 7 zu Seite 44. Zur Kennzeichnung von Bütschlis Standpunkt verweise ich noch auf folgende Aussprüche: „Soweit ich es zu ermitteln vermochte (1876, 1. e. S. 179), steht die Neubildung der Kerne immer mit einem sehr hellen, nahezu homogen erscheinenden Protoplasma im Zusammenhang, welches sich unterhalb der Austrittsstelle der Richtungsbläschen an der „Oberfläche des Dotters anhäuft“ oder weit entfernt von ihrer Austrittsstelle im körnigen Dotter selbst, wie bei Nephelis. Innerhalb dieses Protoplasmas, das gewöhnlich das Zentrum einer Dotterstrahlung ist, „bilden sich nun die neuen Kerne entweder an sehr verschiedenen Stellen der Dotteroberfläche (kleine Nema- toden und auch Cucullanus) oder dicht beiemander (Limnaeus, wahrscheinlich auch Succinea).“ Bütschli zog aus seinen Betrachtungen noch den Schluss, dass der von ihm beschriebene „Prozess der Kernneubildung der ersten Furchungskugel ein in der Tierwelt sehr verbreiteter, möglicherweise an be- fruchteten Eiern ganz allgemeiner ist.“ Auch die Frage, ob diese Erscheinungen mit der Befruchtung zusammenhängen können, hatte Bütschli erwogen und seiner Ansicht in zwei kurzen Äusserungen Ausdruck gegeben. 1875 (l.c. 8.210) glaubte er nach seinen Untersuchungen am befruchteten Eivon Nema- toden und Schnecken wohl einigen Grund zu dem Ausspruch zu haben, dass das Wesentliche der Befruchtung in der Entfernung des alten und der Neubildung eines neuen Nukleolus, in welchen Bestandteile des Spermatozoon eingingen, liege. (1876, 1. ec. S.109). Zu der kurz zuvor erschienenen Theorie van Benedens vom geschlechtlichen Gegensatz des äusseren und des inneren Keimblattes, bemerkte er: „Das Wesen der Befruchtung ist in einer ganz anderen Richtung zu suchen. Meine Untersuchungen jüngster Zeit sind wesentlich dazu geeignet, meine schon vermutungsweise geäusserte Ansicht, dasses sich dabei um eine gänzliche oder teilweise Erneuerung des Kerns der Eizelle handele, mehr zu befestigen“. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 141 Anmerkung 8 zu Seite 45. Bei dieser Sachlage lässt es sich nicht rechtfertigen, wenn Born vom 2. Heft der organologischen Studien Auerbachs bemerkt (1898, 1. c. S. 261): „Dieser Beitrag hat der modernen Lehre von der Befruchtung ihr erstes dauerndes Fundament geliefert: es sollte nie ver- gessen werden, dass dieses Verdienst durchaus Auerbach zugehört.“ Born übersieht hier zweierlei: erstens, dass schon Warneck und vor allen Dingen Bütschli das Entstehen und die Verschmelzung zweier Kerne im befruchteten Ei vor Auerbach beobachtet und beschrieben haben und zweitens, dass Auerbach bei einer Besprechung meiner Ab- handlung in der Literaturzeitung selbst den Unterschied zwischen seiner und meiner Abhandlung angedeutet hat. Er sagt: „Besonders eigentümlich ist das Resultat des Abschnittes II. Diese Beobachtungen entsprechen, wie Verfasser hervorhebt, betreffs der Konjugation zweier selbständig entstandener Kerne im Ei, denjenigen des Referenten, weichen jedoch darin ab, dass er sie nicht als Neubildungen betrachtet, sondern vielmehr in dem einen einen morphologischen Rest des Keimbläschens, in dem anderen einen solchen der Spermazelle sieht. Es ist offenbar, dass falls diese — in Weiter- entwicklung der Ergebnisse des Referenten — vom Verfasser ge- wonnenen Resultate sich bestätigen sollten, damit ein neues Licht auf den Befruchtungsvorgang fiele, als dessen Endziel sich demnach eine Kopulation der Kerne einer mäÄnn- lichen und einer weiblichen Sexualzelle herausstellen würde.“ Wie am Schluss seiner Besprechung Auerbach noch erklärt, kann er meine in Abschnitt II und III entwickelten Ansichten nicht mit neueren Beobachtungen in Einklang bringen. (Jenaer Literaturzeitung 1876, 8. 107.) Die Stellung Auerbachs zu meiner Befruchtungstheorie dürfte nach diesen Hinweisen wohl genügend aufgeklärt sein. Anmerkung 9 zu Seite 46. Ich verweise auf Strasburgers Vorwort vom März 1876 zur zweiten Auflage seines Zellbuchs, wo es heisst: „Die nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches erschienenen Arbeiten von F ol über die Entwicklung der Pteropoden, von OÖ. Hertwig über Bildung, Befruchtung und Teilung des Eies von Toxopneustes lividus, sowie weitere briefliche und mündliche Mitteilungen des Herrn Dr. Bütschli, sind nicht ohne Einfluss auf den Inhalt einzelner Kapitel geblieben, wie man das an den betreffenden Stellen stets eingehend erörtert finden wird“. Ferner verweise ich auf Strasburgers Bemerkung auf Seite 223: „O. Hertwig hat die Seeigeleier auch künstlich und zwar nach einer vorzüglichen Methode, mit Ösmiumsäure und Bealeschem Karmin behandelt und dabei sehr instruktive Präparate erhalten, wie ich das nach eigner eingehender Ansichtsnahme derselben bezeugen kann.“ Anmerkung 10 zu Seite 46. Genaueres ist über den Vortrag Strasburgers nicht veröffentlicht worden, ausser den kurzen Sitzungsberichten. In dem einen heisst es: „Der 10* 148 Oskar Hertwie: Vortragende sucht nachzuweisen, dass die Vorgänge der Befruchtung im Tier- und Pflanzenreich übereinstimmend verlaufen und darauf beruhen, dass sie, nachdem ein sich eigentümlich differenzierender Teil des Kern- („Keim- bläschen“-) Inhalts zuvor ausgestossen wurde, ein neuer, dem befruchtenden Stoffe entstammender Kern in das Ei eingeführt wird.“ (l. c.S. 100.) Der Bericht in der zoologischen Sektion hat eine noch etwas unbestimmtere Fassung erhalten. „Die im Tier- und Pflanzenreich identisch verlaufenden . Befruchtungsvorgänge sollen darauf beruhen, dass ein dem Befruchtungsstoffe entstammender Zellkern, respektive wo kein Zellkern individualisiert wird, eine demselben entsprechende Substanz in das Ei eingeführt wird. Dieser Neubildung geht vor oder während des Befruchtungsvorgangs die Beseitigung des alten Zellkerns mit Ausstossung sich eigentümlich differenzierender Substanzteile, respektive die Ausstossung den Zellkern vertretender Masse voraus“ (l. c. S. 150). Anmerkung 1lla zu Seite 48. In diesem Zusammenhang scheint mir auch die folgende, sonst un- ‘verständliche Bemerkung van Benedens ihre Erklärung zu finden: „Je pourrai faire paraitre prochainement un memoire “tendu accompagne de nombreuses planches, sur les pr@miers phenomenes embryonnaires du lapin. Diverses raisons m’engagent & donner des & pr6sent un resum& de mes recherches. (1875, 1. c. S. 689.) Anmerkung 11b zu Seite 63. Ich führe hierfür die folgenden zwei Belegstellen an (1875, 1. e. S. 409 und 410): „1. Die Enden des Kernbandes weichen bis in die Mitte der beiden Sonnen und erscheinen hier, da sie sich in Osmiumsäure stärker schwärzen und in Karmin sich tiefer imbibieren, als dunkle, scharf begrenzte Streifen.“ Und von dem Stadium kurz vor der Zweiteilung heisst es: 2. „Das Ende des Bandes ist etwas verbreitert und seine Ecken sind in zwei Spitzen ausgezogen, welche wieder als dunklere Körner aus der hellen Figur hervorleuchten“. Man vergleiche zu diesen Beschreibungen die solche Stadien darstellenden Figuren 30, 31 und 32 auf Tafel III oder die Figuren 45, 49, 50 auf Tafel IV von Boveris Zentrosomenarbeit. Zuweilen habe ich an einzelnen Karmin-OÖsmiumpräparaten, die ich als weniger gelungen bezeichnete, auch nur die Kernenden und die seitlichen Verdichtungszonen wahrnehmen können, „indem die zwischen ihnen liegenden Abschnitte durch ihre Färbung sich nicht genug von der Umgebung abhoben“. Ein derartiges Präparat hat Flemming, der es von Fol geschenkt erhielt, in Fig. 30, Taf. II im dritten Teil seiner Beiträge abgebildet und in der zugehörigen Erklärung bemerkt: „Die Polarkörper sind recht deutlich, eines scheint aus mehreren zu bestehen. Die achromatischen Fäden sind hier nicht gut erkennbar“ (1882, 1. ce. S. 40). Anmerkung 12 zu Seite 63. Ich gebe hierfür zwei Belegstellen wieder: „Les corps du centre de l’aster paraissent, dans l’acide osmique, assez homogenes et de petites dimensions. Places d’abord au centre de l’aster (Pl. VII, Fig. 6ac), ils se Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 149 rapprochent ensuite des jeunes noyaux (Fig. 7ac) auxquels ils finiront par se r&unir“ (l. e. S. 180), Und ebenso Seite 191: „Le corpuscule central de laster a disparu, sans doute par absorption dans le noyau.“ Anmerkung 13 zu Seite 63. In dem Handbuch über Plasma und Zelle hat Heidenhain ein aus- führliches Kapitel der Geschichte der Zentren gewidmet. Er führt hier (l. c. 1907, S. 217), „wie auch bisher allgemein angenommen worden sei, Ed. van Beneden als den ersten Entdecker der zellulären Zentren auf“ und be- zieht sich hierbei auf seine Beschreibung einer Spindelfigur in seinen 1876 veröffentlichten Untersuchungen über Diey@miden. Die Stelle lautet: „Il apparait aux deux pöles du noyau un corpuscule refringent (corpuscule polaire), autour duquel s’accumulent des granulations trös-fins. Ces deux pöles se differencient en un disque polaire granuleux, dans lequel vont se perdre par leurs extremites les fibrilles meridionnes.* (1876, 1. ce. S. 49.) Alsdann geht Heidenhain auf Flemming als auf den Forscher ein, welcher im Jahre 1882 die Polkörperchen zuerst etwas genauer besprochen und auch abgebildet habe. Flemming hat nämlich in dem dritten Teil seiner Untersuchungen an jedem Pol der Spindel von Salamanderzellen an guten Safraninpräparaten ein früher von ihm übersehenes „mattglänzendes Körperchen fast ohne Spur von Färbung“ beschrieben und von ihm bemerkt (l. ce. 8. 49), dass es „offenbar das Äquivalent der Polarkörperchen sei, welche H. Fol an Eizellen bekannt gemacht hat“. Auch bildet er ein von Fol erhaltenes Osmiumkarminpräparat vom Hantelstadium des Seeigeleies ab (l. ec. Fig. 30 und S. 40), welches die Polkörperchen sehr viel deutlicher als sein Salamanderpräparat zeigt. 1882 bezieht sich also Flemming, ohne van Beneden zu erwähnen, direkt auf Fol, als seinen Vorgänger, wie dieser sich wieder auf die von mir gegebene Beschreibung und auf die Figuren in meiner ersten Abhandlung beruft. Daher muss ich es für mich inAnspruch nehmen,dieZentrosomenandenPolenderkaryo- kinetischen Figuren 1875 zuerst gesehen, alskörperlicheEle- mente wiederholt beschrieben undinvielenFigurenaufver. schiedenen Stadien abgebildet zu haben, wenn ich ihnen auch nicht den jetzt gebräuchlichen Namen gegeben undsie nicht als selbständige Zellorgane indem Sinn gedeutet habe, wie es später van Beneden und Boveri getan und dadurchin ihrer Erkenntnis einen neuen Fortschritt herbeigeführt haben. Wenn van Beneden jetzt gewöhnlich in der Literatur, wie von Heidenhain u. a., als der Entdecker der Zentrosomen aufgeführt wird, so scheint mir dies durch eine Äusserung von van Beneden in seinen Recherches (1884, 1. c. S. 331) und in seiner mit Neyt 1887 herausgegebenen Abhandlung verursacht zu sein. 1884 bemerkt van Beneden: „J’ai le premier signal& l’existence dans certaines cellules (oeufs des Diey@mides en segmentation) au centre de chaque £toile, d’un petit corpusceule et je lui a; donn€ le nom de ‚corpuscule polaire‘.“ Er wiederholt es 1887 im $ III seiner Schrift, der vom Ursprung der Spheres attractives von Ascaris handelt (1887, 150 Oskar Hertwig: l. ce. S. 50): „I est facile de voir aussi, qu’un corpuscule teinte en vert clair siege ä chacune des extr&mites du fuseau; c’est le corpuscule polaire que l’un de nous a le premier signal& dans les cellules en voie de division mitosique (1).* Hier verweist er auch wieder in einer Anmerkung auf seine „Recherches sur les Dicy&mides, Bull. Acad. roy. Belg. 1874*, begeht aber in diesem Zitat einen Irrtum, der auch in Rabls Schrift (1915, 1. c. S. 87, An- merkung 1) wiederkehrt, indem er die Jahreszahl 1874 angibt, während die Diey&midenarbeit erst in der Julisitzung 1876 der belgischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt und im 7. Heft der Berichte gedruckt worden ist. In den Nouvelles recherches von 1887 bemerkt dann auch noch van Beneden (S. 52), dass man die „corpuscules polaires“ besser „corpuscules centraux“, also mit einem Namen bezeichnen sollte, den schon Fol für die zentral gelegenen Körperchen der Strahlenfiguren gebraucht hat, die ich 1875 als erster beschrieben und abgebildet habe. Anmerkung 14 zu S. 72. Nussbaum sagt (. c. S. 170) über die Spaltung und Verteilung der Chromosomen: „Die Schenkelpaare (des Chromosoms) sind flache Bogen mit der Öffnung nach der Peripherie der Spindel gestellt (Fig. 43). Man ist gezwungen anzunehmen, dass bei den weiteren Umbildungen die Fadenschenkel der Kernfigur der Länge nach gespalten werden und von der Mitte der Spindel zuerst an die Aussenfläche und schliesslich an die Pole derselben wandern. Für die Spaltung spricht die Dickenabnahme der Fäden, die in ursprünglicher Länge in der Vierzahl später an beiden Polen der Spindel gelagert sind. Die Wanderung über die Aussenfläche der Spindel kann an den Präparaten demonstriert werden.“ ete. Die Ausführung hierzu gibt die Erklärung von Fig. 46, in welcher sich die dicken Fäden der Fig. 43 ge- spalten und so umgelagert haben, dass die offenen Seiten der Schenkelpaare in den beiden Kernhälften einander zugekehrt sind. Anmerkung 15 zu S. 76. In der Einleitung zum zweiten Heft seiner Zellstudien (1888, 1. c. S. 5) beruft sich Boveri direkt auf die „mit bewunderungswürdiger Ausdauer und Beobachtungskraft angestellten Untersuchungen“ von Rabl und er erblickt die Bedeutung seiner Befunde in der durch ihn „eröffneten Wahr- scheinlichkeit, dass die chromatischen Elemente selbständige Individuen sind, die diese Selbständigkeit auch im ruhenden Kern bewahren‘. Ohne Frage baut hier Boveri nur auf der von Rabl bereits gelegten Grundlage fort, doch geht er in einem Punkt etwas weiter als sein Vorgänger, indem er bemerkt, es werde durch die Individualitätshypothese eine gewisse Aussicht für die Berechtigung der Idee eröffnet, „dass die Zelle selbst wiederum aus noch elementareren Organismen zusammengesetzt sein könne, die sich zu ihr verhalten, wie sie selbst zum Metazoenleib“ (1888, l.c. 8.5 und 6). Bei dieser Meinung handelt es sich aber um eine zweite Hypothese, die zu der ersten noch hinzugefügt wird und die zurzeit sich überhaupt nicht zum Gegenstand von Forschungen verwerten lässt, ebenso- wenig wie Altmanns Hypothese, dass die Granula Elementarorganismen Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 151 seien, durch deren Zusammenfügung die Zelle einmal entstanden sei. Mit ihr beschäftigt sich im übrigen Boveri selbst nicht weiter, dagegen hat er sich scharfsinnig bemüht, die Rablsche Hypothese „auf zweierlei Wegen zu erweisen“, wie er selbst sagt (1888, 1. c. S. 5), „einmal in der von Rabl vorgezeichneten Richtung durch die Vergleichung des entstehenden mit dem zur Teilung sich anschickenden Kern, zweitens durch die Verfolgung des Schicksals von chromatischen Elementen, welche infolge von Verschleppung oder sonstwie als überzählige einem Kern zuteil geworden sind.“ So hat denn Boveri bei jeder sich bietenden Gelegenheit (1880, 1. ec. S. 145— 154) ohne Frage zur Stütze und Popularisierung der Hypothese von der Persistenz der Chromosomen durch seine Arbeiten viel beigetragen, was auch von Rabls Seite gewiss zugegeben und anerkannt werden wird. Im Laufe seiner späteren Untersuchungen hat allerdings Boveri seinen Standpunkt in der Lehre von der Persistenz der Chromosomen so geändert, dass er wohl berechtigt war, seine neue Individualitätstheorie, wenn man sie als solche jetzt überhaupt noch bezeichnen kann, als verschieden von der Rablschen Strukturtheorie anzusehen. Denn jetzt erklärt er „das Fortbestehen einer bestimmten Anordnung im ruhenden Kern für gleich- gültig“ ; er will durch seine Individualitätstheorie „nur eine Identität jedes neuen Chromosoma mit einem alten in irgend einem Sinn behaupten. (Heft 6, 1907, S. 229.) Sie lasse ausser der speziellen Vorstellung von Rabl, für die auch er sich zuerst allein ausgesprochen hatte, noch manche andere Möglichkeiten zu, wie dievon Hertwig ausgesprochene Ansicht, dass ein Chromosom aus noch kleineren Elementen aufgebaut sei, die sich zu gewissen Zeiten voneinander trennen und zu anderen wieder neu vereinigen können. Sie umfasse daher zugleich die Ficksche Manövrierhypothese (. c. S. 230). Durch diesen Ausspruch nähert sich Boveri dem von mir (1890 1. ce.) und von Fick (1899, 1907) vertretenen Standpunkt; er gibt also seine Indivi- dualitätshypothese in ihrer alten Fassung auf und reformiert sie so wesentlich, dass sie der Rablschen Strukturtheorie nicht mehr entspricht. Der Prioritäts- konflikt mit Rabl würde nicht haben entstehen können, wenn Boveri sich über die Änderung seines ursprünglichen Standpunktes deutlicher ausge- sprochen und nicht versucht hätte, unter dem gemeinsamen Namen „Indi- vidualitätshypothese“ doch wohl heterogene Vorstellungen zu vereinigen. Anmerkung 16 zu Seite 76. Van Beneden macht in seinen Briefen an Rabl und Fick ohne Frage Prioritätsrechte für sich geltend, wenn er schreibt, 1. an Rabl: „Je pense done, que vous m’accordez trop peu, quand vous &crivez dans votre manuscrit: ‚Die Ansicht, dass die Zahl der Chromosomen konstant bleibt, wurde schon von van Beneden ausgesprochen.‘ J’ai fait plus que de con- stater la constance du nombre; j’ai pense que la cause de cette constance pouvait &tre la continuite, dans le sens rappel@ plus haut. — Je vous de- manderai du vouloir bien relire les pages citees plus haut de mon m&moire de 1884 et je pense que vous reconnaitrez que jai vu loin que la constation de la constance du nombre des chromosomes.*“ 2. An Fick: „Vous y trouverez tr&es clairement exprim& l’idee de la continuit& des chromosomes 152 Oskar Hertwig: qui se degage de tous les faits observes par moi. J’estime que e’est absolu- ment A tort que Boveri revendique la paternite.* In der Tat hat van Beneden Aussprüche getan, die sich in dem Sinne einer Kontinuität der Chromosomen auffassen lassen, wie folgende: „Il y a des raisons de croire que m&me dans ces noyaux la chromatine mäle reste distincte de la chroma- tine femelle* (l. ec. S. 404). „Les elements d’origine mäle et femelle ne se confondent pas en un noyau de segmentation et peut-etre restent ils distincts dans tous les noyaux d£rives“ (S. 404). Van Beneden hat auch in ähn- licher Weise wie Boveri versucht, die Kontinuität während des Ruhe- stadiums des Kerns nachzuweisen, ist aber hierbei weder zu einem ent- scheidenden noch auch günstigen Ergebnis gekommen. Denn er schreibt (1887, 1. c. 8. 48, 49): „I resulte clairement de nos observations, que les anses chromatiques aux depens desquelles s’edifi& un noyau, ne se retrouvent pas comme telles dans les anses chromatiques qui se formeront, au moment de la division subsequente aux depens de ce noyau, etc. Si nous designons par a, b, c, d les quatre anses d’un dyaster, le noyau au repos, form&e aux depens de ces anses, peut-tre repr@sent6 par la formule ab, cd. Si nous appelons m, n, p, q les anses chromatiques qui se formeront aux depens de ce noyau, au moment de la division subsdäquente, m n’est pas egal aa, nä& b,,p & «© et qy® d, mais m =. ab,ın = 1/atah, PI=rlpred 7 Tale Daraus geht jedenfalls hervor, dass van Beneden nicht eine Persistenz der Chromosomen in der von Rabl zuerst scharf formulierten Theorie an- nimmt. Das ist auch das Urteil von Rabl selbst. Man vergleiche hierüber auch Hertwig (1890, 1. c. S. 104—105) und K. Rabl (1915, 1. ec. 84—87, 100—109). Anmerkung 17 zu Seite 80. Zu dem Prioritätsstreit — Boveri, van Beneden, Rabl — über die Entdeckung der Teilbarkeit der Zentrosomen und ihre Bedeutung, lasse ich noch eine genauere Darstellung der Sachlage in einer Anmerkung folgen. Am 3. Mai 1887 berichtete Boveri in der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München über „Die Befruchtung der Eier von Ascaris megalocephala“ und verschickte die Abzüge des kurzen, ohne Figuren ge- druckten Berichtes Anfang August auch an E. van Beneden. Wie hierin kurz mitgeteilt wird (S. 78), konnte Boveri die Bildung der ersten Spindel auf sehr frühe Anfänge zurückverfolgen, auf eine Zeit, wo Ei- und Samenkern noch nebeneinander im Ei liegen. Er fand im Mittelpunkt einer grob granulierten Protoplasmaanhäufung ein kleines, stark lichtbrechendes, „von einem hellen Hof umgebenes Korn“ ; etwas später erkannte er „statt des einen Korns deren zwei, anfangs sehr nahe beieinander“, konnte aber nicht entscheiden, ob die zwei „aus dem einen durch Teilung entstanden sind“. „Die beiden Körner“, fährt Boveri fort, „sind die Polkörperchen der ersten Furchungsspindel. Sie rücken immer weiter auseinander, wobei sie an Grösse beträchtlich zunehmen. Indem sich die Protoplasmaanhäufung um ein jedes als Zentrum kuglig abzurunden sucht, nimmt sie bei grösserer Entfernung der Polkörperchen voneinander allmählich Hantelform an. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 153 Schliesslich erfolgt eine völlige Durchschnürung und wir haben nun im Ei zwei gleichgrosse, scharf begrenzte, gleichmässig granulierte Kugeln, jede mit einem stark aufgequollenen Polkörperchen als Zentrum.“ Zum Schluss der Mitteilung erwähnt Boveri noch ausserdem (8. 79), dass nach der ersten Teilung des Eies „das Polkörperchen persistiert und fügt hinzu: „ich habe dreimal beobachtet, dass die Polkörperchen der nächsten Spindel aus diesem einen durch Teilung hervorgehen‘. Wie nicht zu verwundern, sondern als etwas Natürliches eher von vornherein zu erwarten ist, war gleichzeitig van Beneden zu entsprechen- den Ergebnissen gelangt, da er dasselbe Objekt mit ähnlichen Reagentien und Färbemethoden von neuem zum Gegenstand gründlicher Untersuchungen gemacht hat. Nachdem er schon brieflich und mündlich an Flemming, Weismann und andere einige Ergebnisse mitgeteilt hatte, reichte er seine mit Neyt ausgeführten Nouvelles Recherches am 6. August 1887 der belgi- schen Akademie als Communication preliminaire mit sechs Tafeln ein, liess aber ausserdem noch, wohl durch den inzwischen erhaltenen Separatabdruck von Boveri veranlasst, im Moniteur belge vom 20. August eine kurze Zu- sammenfassung der Ergebnisse in mehreren Paragraphen erscheinen, von denen Rabl (1915. S. 78 u. 79) einen Abdruck gegeben hat. Der Moniteur- bericht beginnt mit den Worten: „Les auteurs sont arrives & des resultats nouveaux, completement inattendus, en ce qui concerne l’origine et la destinde des spheres attractives et des corpuscules polaires qui siegent au centre de ces spheres.“ Die wesentlichen, uns hier interessierenden Ergebnisse lassen sich kurz dahin zusammenfassen, dass im Ei mit zwei netzförmigen Pronuklei, wie es auch schon Bo veri berichtet hatte, die beiden Sphären gleichzeitig nachweisbar sind, dass sie später mehr zusammenrücken und die Pole der „dizentrischen Figur“ werden, indem sie zwischen sich den grössten Teil der achromatischen Spindel und um sich je eine Strahlenfigur (aster) entstehen lassen. Während die Strahlenfigur, auf protoplasmatischer Grundlage gebildet, eine vorübergehende (&ph&m£re) Struktur ist, stellen die beiden Sphären, welche den zentralen Partien der Sterne entsprechen, im Gegenteil permanente Organe der Zelle dar, welche auch nach dem Schwund der Strahlenfigur fortbestehen bleiben. Das in der Sphäre eingeschlossene Zentralkörperchen wird auf dem Dyasterstadium der Karyokinese stabförmig, schnürt sich ein und teilt sich in zwei Körperchen. Von diesen heisst es dann weiter: Ceux-ci deviennent les centres de deux spheres nouvelles adjacentes entre elles et situces d'un m&me cöte du noyau dans la cellule au repos; les deux spheres derivees proviennent de la division de la sphere anterieure. Lorsque la cellule se pr&pare de nouveau ä sa division, les spheres filles s’ecartent l’une de l’autre, gagnent deux points opposees du noyau, donnent naissance ä une nouvelle figure dicentrique et determinent la division de la cellule suivant un plan perpendiculaire au plan de s¶tion des cellules meres.“ Auf diese Feststellungen gründet dann van Beneden die Theorie, die ich nach der Fassung in den Nouvelles recherches (1887, 1. c. S. 67) schon im Haupttext (S. 79) wiedergegeben habe. Boveris ausführliche Abhandlung erschien erst ein wenig später als vanBenedens Nouvelles recherches (1887), als zweites Heft der Zellstudien 154 Oskar Hertwig: (1888). Sie steht durch die Genauigkeit und Gründlichkeit der mitgeteilten Beobachtungen und durch die Vorzüglichkeit der Figuren, was die uns hier beschäftigenden Verhältnisse betrifft, in keiner Beziehung hinter der Schrift von van Beneden und Neyt zurück. Wie der Text, ergibt auch ein Vergleich der zahlreichen Abbildungen hier und dort eine weitreichende Übereinstimmung. Diese wird auch von beiden Seiten als ein Beweis für die Zuverlässigkeit ihrer Untersuchungen mit Recht hervorgehoben. Van Beneden, im Besitz des Münchener Vortrags vom Mai. hatte noch Gelegen- heit, seinen Nouvelles Recherches ein kurzes Postskriptum (S. 76-78) hinzuzufügen, in welchem er auf die übereinstimmenden Beobachtungen von Dr. Boveri hinweist und sich auch besonders über die Punkte, die später zum Gegenstand des Prioritätsstreites geworden sind, in folgenden Schlußsätzen ausspricht: „De plus, plusieurs des faits relat&s ci-dessus, en ce quiconcernel’origine, ladestinde des spheres attractives etnotamment la division descorpuscules centraux, ont 6&t& observes par M. le Dr. Boveri. C'est une grande satisfaction pour nous de constater, que cette de&couverte a &t& faiteen möme tempsquepar nous m@mes, parunobservateurtravail- lant d’une manitre tout ä fait ind&ependante, et c’est avec une vive impatience que nous attendons la publication de l’ouvrage in extenso et des planches que M. le De Boveri nous fait esp6erer et dont il annonce l’apparition prochaine*“. Ebenso betont Boveri in seiner, die vorläufige Mitteilung näher ausführenden und ergänzenden Abhandlung die vollkommene Übereinstim- mung der beiderseitigen Resultate in den Hauptpunkten (l. e. S. 60 u. 167) und als solche besonders, dass das Zentrosoma ausserhalb des Kerns bestehen bleibt, dass es sich nach einiger Zeit teilt. dass die beiden Hälften sich voneinander entfernen und dementsprechend eineStreckung und schliessliche Teilung der Archoplasmakugel (sph&re attractive) eintritt“ (8. 167). Die tägliche Erfahrung lehrt, wie leicht eine bestehende Harmonie zwischen zwei Forschern, die sich mit demselben Problem, zumal an dem gleichen Objekt, beschäftigen, auf die Dauer nicht Stand hält und wie geringe Anlässe genügen, Konflikte und Prioritätsstreite hervorzurufen. 1901 (l. ce. S. 86) beschwert sich Boveri, dass in der Literatur von Anfang bis in die neueste Zeit eine Anzahl von Forschern, welche über diese Frage schreiben, von einem Anteil seinerseits, trotz Kenntnis seiner Arbeiten, gar nicht zu wissen scheinen; besonders aber führt er als neuen Beleg hierfür eine Be- merkung von Flemming in der Berliner Klinischen Wochenschrift 1890, betreffend die Zentrosomen an: „Entdeckt von E.van Beneden 1875—76; alsbald bestätigt von Boveri“. 1905 richtet Boveri im Anatomischen An- zeiger (Bd. 27, S. 222) eine Anfrage an Herrn und Frau Dr. Schreiner wegen ihrer Angabe: „van Beneden lieferte im Jahre 1887 die erste Schilderung der Teilung der Zentralkörperchen der Blastomeren von Ascaris“. 17 (S. 29) wendet er sich gegen Rabl, der in seinem Vortrag über organ- bildende Substanzen (1906, S. 63) wieder nur „van Beneden als den Be- gründer der Lehre von der Kontinuität der Zentrosomen“ genannt habe. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 155 Aber auch van Beneden hat in der Zwischenzeit seinen ursprüng- lichen, auf S. 154 dargelegten Standpunkt geändert, wie sein an Rab1 (1909) gerichteter und von diesem veröffentlichter Brief (Rabl, 1915, 1. c. S. 96-100) durch die Bemerkung lehrt: „Si donc la conception de la continuite du corpuscule central et l’id&e qu’il constitue un organe permanent de la cellule se trouvait formulde dans cette notice Boveri pouvait legitimement soutenir que la d&couverte a et€ faite ind&pendamment l’un de l’autre par lui et par moi. Mais en realit€e qu’y a-t-il dans cette brochure ? Cette seule et unique phrase: ‚Ich habe dreimal beobachtet, dass die Polkörperchen der nächsten Spindel aus diesem einen durch Teilung hervorgehen“. Rien n’indique que Boveri a vue la portee de ce fait, rien qui autorise & penser qu’il a vu dans le corpuscule polair ni un organe cytocentral, ni un organe permanent de la cellule“. Und nun vergleiche man hiermit den auf S. 154 wieder- gegebenen und durch Sperrschrift hervorgehobenen Ausspruch aus dem Jahre 1887, der doch wesentlich verschieden lautet und in einem scharfen Gegen- satz zu dem Urteil aus dem Jahre 1909 steht. Für den, der sich durch diese bedauernswerten, persönlichen Streitig- keiten nicht beirren lässt, kann ein gerechtes, historisches Urteil wohl nicht anders lauten, als dass Boveri und van Beneden gleichzeitig und unab- hängig voneinander die Vermehrung der Zentrosomen durch Teilung und ihr selbständiges Auftreten ausserhalb des Zellkerns bei Ascaris megaloce- phala entdeckt haben und sich daher in dieses Verdienst teilen. Dabei be- stehen allerdings zwischen beiden auch Unterschiede. Van Beneden hat seine Entdeckung, ohne den Versuch einer näheren Begründung zu geben, zu der Hypothese verallgemeinert, dass das Zentrosom ein permanentes Organ in jeder Zelle in derselben Weise wie der Zellkern sei. Boveri lässt das in dem befruchteten Ei zuerst zu beobachtende Zentrosoma vom Samenkörper geliefert werden (1888, 1. ec. S. 167) und von ihm durch Teilung die gleich- namigen Gebilde der späteren Teilprodukte abstammen. Er begründet hierauf eine Befruchtungshypothese, die er schon in einer vorläufigen Mit- teilung (20. Dez. 1857) andeutet und später ausführlicher entwickelt. Er hat ferner in seiner Abhandlung der Substanz der Attraktionssphäre den Namen Archoplasma (1588, 1. c. S. 62) und dem in ihr eingeschlossenen Zentralkörperchen den seitdem eingebürgerten Namen „Zentrosom“ ge- gegeben (1888, 1. c. S. 68). Im Anschluss an den Prioritätsstreit sei schliesslich auch noch auf vier Punkte hingewiesen, die bei einer historischen Würdigung der Zentro- somenfrage nicht übersehen werden sollten. 1. Die Entdeckungen von van Beneden und Boveri fügen sieh an eine Reihe schon früher gemachter Beobachtungen und durch sie veranlasster Reflexionen an. Das an der Grenze des mikroskopisch Wahrnehmbaren liegende, mit Farbstoffen erkennbar werdende Körperchen wird doch nur dadurch zu einem Zentrosom, dass es entweder schon der Mittelpunkt einer Strahlungsfigur ist, oder eine solche in seiner Umgebung vorübergehend hervorrufen kann. Ein anderes charakte- ristisches Merkmal als dieses gibt es nicht. Dadurch hängt die Lehre von den Zentrosomen mit der Lehre von den Attraktionszentren oder der Strahlenfiguren (Aster) zusammen, die schon eine wichtige Rolle in den 156 Oskar Hertwig: älteren Abhandlungen von Fol, Bütschli, Auerbach, ©. Hertwig spielen. Von Fol und mir wurden, abgesehen von der Kernteilung, auch schon im Protoplasma selbständig auftretende Strahlensysteme beobachtet , so die einfache Strahlung beim Eindringen eines Samenfadens in das Ei oder zahlreichere Spermazentren, wie sie von Fol genannt wurden, bei der Mehrfachbefruchtung. Ferner wurde schon 1576 ein einzelnes Strahlen- system, das im Dotter nahe der Membran des Keimbläschens auftritt und ihre Auflösung einleitet, von mir und Fol bei der Reifung des Asteracanthion- eies beschrieben. Sowohl von diesem einfachen Ovozentrum, wie vom einfachen Spermazentrum wurde eine Verdoppelung der Zentren, die Verwandlung in einen Amphiaster und die Entstehung einer allmählich sich vergrössernden Spindel zwischen den beiden Strahlensystemen festgestellt. (Zum Beispiel vom Ovozentrum am Keimbläschen bei Asteracanthion, vom Spermazentrum bei der Befruchtung kernloser Dotterstücke und bei der Polyspermie.) 2. Zweitens sollte man auch nicht aus dem Auge verlieren, dass wir trotz der Zentrosomenlehre wohl kaum behaupten dürfen, eine irgendwie begründete Vorstellung von den Kräften, die in der Reihenfolge der achroma- tischen Figuren einen für uns sichtbaren Ausdruck finden, bis jetzt gewonnen zu haben. Man erinnere sich an die verschiedenen sich widersprechenden Erklärungsversuche, an die Erklärung durch Diffusionsströme (Auerbach), an die oft angestellten Vergleiche mit magnetischen Figuren und an den Gedanken, vielleicht in dieser Richtung einmal zu einem Verständnis zu gelangen, an Fols theorie electrolytique des mouvements protoplasmiques; ferner an die von van Beneden aufgestellte und von Boveri ängenom- mene Theorie kontraktiler Fibrillen, die an den Zentrosomen einen Stütz- punkt finden. 3. Nicht minder herrscht über die Natur der Zentrosomen, trotz der umfangreichen Literatur, die über sie entstanden ist, noch manches Dunkel. Auch bei Anwendung der gleichen Technik hat es bis jetzt noch nicht gelingen wollen, Zentrosomen in den Zellen der Phanerogamen weder während der Ruhe des Kerns, noch während der Karyokinese nachzuweisen. Durch chemische Reizstoffe sind ferner zahlreiche Strahlenfiguren, in denen Zentro- somen ebenfalls vermisst werden, in Eizellen experimentell hervorgerufen worden. Endlich hat der Nachweis eines noch kleineren Zentriols im Zentro- som nur Schwierigkeiten mit sich gebracht schon durch die hieraus ent- standene Unsicherheit, ob man in manchen Fällen das Zentralkörperchen als Zentrosom oder als Zentriol deuten soll. 4. Der Theorie, dass das Zentrosom ein dem Kern gleichwertiges, selb- ständiges, nie fehlendes Organ der Zelle sei, lässt sich entgegenhalten, dass es, abgesehen von den phanerogamen Pflanzen, auch in tierischen Zellen nicht überall während der Ruhe aufzufinden ist, dass ferner auch in grösserer Zahl Beobachtungen vorliegen, nach denen das Zentrosom bei einzelligen Organismen dem Kern als Inhaltsbestandteil (nucl&ole centrosom) angehört und dass ein Austritt desselben aus dem bläschenförmigen Kern bei Beginn der Karyokinese auch für tierische Zellen hie und da beschrieben worden ist. So scheint in vielen Richtungen noch Vorsicht in der Behandlung der Zentro- Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 157 somenfrage geboten; auch ist zu beachten, dass die fraglichen Körnchen über- haupt an der Grenze des mikroskopisch Erkennbaren stehen. Anmerkung 18 zu Seite 83. Nussbaums vorläufige Mitteilung geht zeitlich der Veröffentlichung van Benedens voraus. Ich glaube dies umsomehr betonen zu müssen, als diese verdienstlichen Untersuchungen von van Beneden sowohl 1884 wie 1887 in seinen Publikationen mit Stillschweigen übergangen und auch sonst wenig berücksichtigt worden sind. Nur Flemming hebt in seiner Besprechung des Buches von van Beneden (1885, 1. ce. S. 176) die Priorität Nussbaums in vielen Dingen unter Bezugnahme auf seine vorläufige Mitteilung vom August 1883 hervor. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht zu verkennen, dass die drei fast gleichzeitig hintereinander veröffentlichten Untersuchungen von Schneider, Nussbaum und van Beneden unabhängig an demselben Gegenstand ausgeführt worden sind und dass eine nachweisbare Beeinflussung des einen vom anderen hierbei nicht stattgefunden hat. Anmerkung 19 zu Seite 85. gibt einige Belegstellen zu meiner Darstellung aus der Abhandlung van Benedens (1884) wörtlich wieder: 19a. „Veritable expulsion du globule polaire par une sorte d’orifice, par une döchirure eirculaire du centre de disque.“ (l. c. S. 230.) 19b. „Ce n’est pas l’un des pöles du fuseau qui est &liminee, mais dans le plan &quatorial que se fait l’&limination.“ (l. c. S. 228.) 19e. „Cette expulsion ne peut-etre concue que comme une €puration.“ (E4154287.) 19d. „Sans jamais se confondre ces disques fournissent chacun une portion de leur substance & chacun des globules polaires et ils se retrou- vent, r&duits au quart, dans les amas chromatiques du pronucleus femelle.“ (1. c. S. 287.) 19e. „Le charactere sexuel femelle de l’oeuf prend naissance seulement apres l’expulsion des globules polaires; dans la fecondation les @l&ments mäles de 'l’oeuf sont remplaces par des @l&ments nouveaux apportes par le zoosperme“ (l. c. 8. 395). — „Pendant sa maturation il rejette ses @löments mäles.“ (l. ce. S. 39). 19f. In einer Parallelstelle hierzu heisst es: „Je pense que la fecon- dation consiste essentiellement dans l’achövement du gonocyte femelle et sa transformation en une cellule, c’est A dire dans le remplacement des elements expulses par des &l&ments nouveaux apportes par le zoosperme.“ (l. c. 8. 402). Anmerkung 20 zu Seite 89. Durch seine falsche Deutung und Kombination wird van Beneden zu der Erklärung veranlasst: „On est autoris6 ä penser que la reduction du nombre des segments de quatre A deux et leur forme si particuliere ont leur raison d’etre dans l’expulsion d’une partie de la chromatine nucl&aire lors de la formation des corpuscules r&siduels.“ An der Richtigkeit dieser An- sicht wird auch noch in den mit Neyt 1887 herausgegebenen Nouvellcs 158 Oskar Hertwig: recherches festgehalten (l. c. S. 18): „Tandis que dans les spermatomeres en cinese la plaque &quatoriale se constitue de quatre anses chromatiques, identiques & celles que l’on observe dans un blastomere en voie de division, dans les spermatogonies l’on ne trouve plus, au stade de la metaphase, que deux @l&ments chromatiques primaires, et il en est de m&me dans les sperma- tocytes et par cons&quent dans les spermatozoides.“ Anmerkung 21 zu Seite 89. Als eine protoplasmatische Reduktion des Eies deutet van Beneden die bei der Befruchtung erfolgende Ausstossung der perivitellinen Substanz (l. e. S. 311— 313). Für die Samenkörper aber nimmt er einen entsprechenden Prozess in der Abstossung des Zytophors an, die bei der Umwandlung der Spermatiden zu den Spermatozoen zu beobachten ist. Es bleiben nämlich infolge des Vorhandenseins einer Rhachis, welche für die Nematoden so charakte- ristisch ist, die vier durch doppelte Teilung einer Spermatozyte entstandenen Spermatiden eine Zeitlang noch durch kurze, protoplasmatische Stiele mit- einander verbunden und erzeugen so ein Gebilde, das van Beneden eine Spermatogemme (Fig. 26a) genannt hat. Die Verbindungsstiele beschreibt er als ceytophore und substance cytophorale. Wenn dann später die reifenden Samenkörper sich ven ihren Stielen ablösen, deutet er die Substanz des Zytophors (Fig. 26b) als ein von ihnen ausge- stossenes Zellprodukt und den Vorgang als eine zweite protoplasmatische Reduktion. Er a Fig. 26. b a) Vier Spermatiden zu einer Spermatogemme durch den Uytophor vereint. Nach van Beneden (1884, 1. c. Tafel XIXter, Fig.19). Der Cytophor besteht aus vier einzelnen Teilen. b) Vier von den Sperma- tiden abgelöste Samen- zellenträger (Öytophor) aus dem Anfang des Samen- leiters. Nach Hertwig (1890 1. c. Taf. III, Fig. 35). meint, wie sich das hermaphrodite Ei durch die Ausstossung der Richtungskörperchen und der perivitellinen Substanz seiner männlichen Be- standteile, so müsse auch die hermaphrodite Samenzelle sich durch eine doppelte Reduktion, die bei ihr auf zwei Stadien der Entwicklung erfolgt (Spermatogenese 1884, 1. ce. S. 33), der weiblichen Bestandteile von Kern und Proto- plasma entledigen; erst dadurch seien beide eingeschlechtlich (unisexuell) und befruch- tungsreif geworden (gonocyte femelle und gono- cyte mäle). Seiner Theorie der Befruchtung gibt daher van Beneden auch die erweiterte Fassung: „La f&econdation implique essentiellement une substitution, c’est & dire le remplacement d’une partie de la v6sicule germinative par des elements nucl&aires provenant du zoosperme, et peut-“tre aussi d’une portion du protoplasme ovulaire (sub- stances p£rivitellines) par du protoplasme spermatique (l. c. S. 404). Anmerkung 22a zu Seite 100. Es ist daher nicht richtig und das Gegenteil des historischen Sach- verhaltes, wenn Boveri 1904 in seinen Ergebnissen über die Konstitution der chromatischen Substanz des Zellkerns mich zum Teilhaber seiner Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 159 ursprünglichen falschen Deutung des ganzen Reduktions- vorganges macht, indem er erklärt: „Für Ascaris megalocephala, von wo die ganze Frage ihren Ausgang nahm, ist meine Auffassung, dass in den ÖOozyten und Spermatozyten erster Ordnung aus dem ruhenden Kern die reduzierte Zahl von Elementen hervorgeht, die dann eine zweimalige Längs- spaltung erleiden, durch OÖ. Hertwig und A. Brauer noch weiter be- kräftigt worden“ (1904, 1. ec. S. 77). Wie unrichtig diese Behauptung für meine Person ist, geht sowohl aus meiner schon vorausgehenden, als der noch folgenden historischen Darstellung des Inhalts meiner Abhandlung aus dem Jahre 1890 hervor. Nur über die Vorgeschichte der vier zu einem Bündel vereinten Uhromosomen konnte ich damals zu keinem abschliessenden Urteil kommen (l. ec. S. 64—66), weil an diesem Punkt meine Beobachtungen nicht ausreichten. Anmerkung 22b zu Seite 102. Brauer (1893 1. c.) hält meine in den Figuren 22a, b, c wieder- gegebenen Bilder für nicht normal: er führt das Auseinanderbiegen der Enden der vier Chromatinfäden einer Gruppe auf Verzerrungen zurück, die durch die Art der Konservierung entstanden und durch Kontraktion der sich ansetzenden Lininfäden zu erklären seien (l. c. S. 172, 173). — Wie mir scheint, hat sich Brauer hierbei durch die zwar damals noch diskutable, jetzt aber allgemein aufgegebene, von ihm vertretene Ansicht bestimmen lassen, dass jede Vierergruppe ein einziges, zweimal der Länge nach ge- spaltenes Chromosom sei. Wir wissen jetzt, dass das Synapsisstadium die Erklärung liefert, dass ferner nach der Synapsis die vier Chromosomen sich je nach der Tierspezies in der verschiedensten Weise, zuweilen sogar zu Ringen, zusammengruppieren. — Tretjakoff, der 1905 zum dritten Mal die Spermatogenese von Asc. meg. mit allen Kautelen guter Konser- vierung untersucht hat, bestätigt denn auch die Bilder, in denen auf frühen Stadien die längsgespaltenen Chromosomen mit ihren häufig verdickten Enden y-förmig auseinanderweichen (Seite 402). Bei Ascaris meg. univa- lens bezeichnet er die betreffenden, sehr verschiedenen Chromatinfiguren „als Variationen einer Hauptform, die durch vier aus einem Zentrum aus- gehende Bälkchen von annähernd gleicher Länge und Dicke charakterisiert wird. Dabei ist jedes Bälkchen der Länge nach in zwei Fäden gespalten, die nicht selten am Ende desselben auseinandergehen, so dass eine Bildung mit vielen Ausläufern entsteht (l. ce. S. 393). Für die Verschiedenheit in der Darstellung zwischen Brauer und mir aber gibt Tretjakoff folgende Erklärung (S. 398): „Während OÖ. Hertwig die Anfangsstadien der Chromosomenentwicklung nur in allgemeinen Zügen behandelt. da er das Hauptgewicht auf die vollständig entwickelten Chromosomen als Resultat aller Veränderungen legt, dabei jenem Stadium die Aufmerksamkeit schenkt, in dem die Enden der paarigen Fäden auseinander- weichen, widmet im Gegenteil A. Brauer seine besondere Aufmerksamkeit denjenigen Stadien, wo die Längsspaltung auf den Plan tritt und illustriert dieselben durch eine grosse Anzahl von entsprechenden Zeichnungen.“ Figuren, welche meinen Fig. 22a, b, c entsprechen, geben Brauer, l. c. Taf. XI, 160 Oskar Hertwig: Fig. 105, 106, 107 und Tretjakoff, l.c. Taf. XXII, Fig. 20, 37—39 und Taf. XXII, Fig. 93—98. Anmerkung 23 zu Seite 109. Bezeichnend für den neuen Standpunkt Strasburgers sind auch folgende zwei Sätze: 1. „Der Träger der erblichen Eigenschaften ist eben der Zellkern und sein festes Gefüge, wie auch sein komplizierter Teilungsvorgang folgen aus dieser Funktion“ (l. ec. S. 110). 2. „Die gleiche Beteiligung des Vaters und der Mutter an den Eigenschaften der Kinder fordert die Ver- einigung gleicher Substanzmassen“ (8. 111). Anmerkung 24 zu Seite 109. In seinen 1887 erschienenen Nouvelles recherches bemerkt van Beneden zur Frage der Erblichkeit durch die Kerne (I. c. S. 24): „Si l’on rapproche l’un de l’autre ces trois faits: 1° le fait bien connu que le des- cendent h£rite, a &galit& de titres et par parts 6gales, des characteres pater- nels et de characteres maternels, qu’il tient &galement du pere et de la mere; 2° le fait, resultant avec une absolue certitude de l’&tude du d&öveloppement de l’Ascaris, que le corps protoplasmique du spermatozoide degenere et nintervient pas dans l’edification du corps protoplasmique de la premiere cellule embryonnaire, que le noyau du zoosperme est le seul &l&ment paternel fourni & l’oeuf feconde; 3° que les noyaux des deux premiers blastomöres et tous les noyaux subsöquents se constituent aux döpens de quatre anses chromatiques semblables entre elles, dont deux paternelles et deux mater- nelles, on en arrive & cette double conelusion: 1° que le noyau est le support exclusif des proprietes hereditaires et l’organe direceteur du developpement. de la forme et de la fonction; et 2° que l’heredit6 se concoit, chez les etres les plus compliques, au m&me titre et de la m@me maniere que chez les Protozoaires qui se multiplient par division. La premiere de ces con- clusions a &t& surtout miseenlumitre,apr&slapublication de nos recherches sur la f&condation chez l’Ascaris, par Strasburger, par O. Hertwig, par Weismann et par Kölliker.* (L. ce. S. 24.) In dieser kurzen, aber inhaltsreichen Bemerkung aus der vorläufigen Mitteilung von van Beneden und Neyt sind zwei Punkte richtig zu stellen: Der eine betrifft den Anlass für die 1884 aufgestellte Kernidio- plasmatheorie. Hier kann es nicht zweifelhaft sein, dass ich zur Abfassung meiner Schrift durch Nägelis neuerschienenes Werk mit seinen Erörte- rungen über Erblichkeit und Idioplasma veranlasst worden bin; und auch bei Strasburger scheint mir dies der Fall gewesen zu sein. Kölliker, Weismann und andere griffen dann erst nachträglich in die Diskussion ein. Für niemand aber war es, wie ich in der Einleitung meiner Schrift bemerkte, damals näherliegend, die Idioplasmalehre auf die Kernsubstanzen zu übertragen, als für mich, der ich als das Wesen der Befruchtung die Verschmelzung von Ei- und Samenkern schon 1875 bezeichnet, die Kontinuität der Kerngenerationen in der Oogenese nachgewiesen und als allgemeines Gesetz für die Zellvermehrung überhaupt gelehrt habe. Mit Recht hat daher auch Rabl bei Besprechung der oben aufgeführten Sätze van Benedens bemerkt (l. c. 8. 81): „Übrigens glaube ich, dass die erwähnten Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 161 Autoren weniger durch die Untersuchungen van Benedens, die doch die Möglichkeit einer Teilnahme des Protoplasmas (man vergl. hierüber S. 89) keineswegs bestimmt ausschliessen, als durch ihre eigenen Untersuchungen, namentlich aber durch diejenigen OÖ. Hertwigs, haben leiten lassen.“ Dass ich dabei auch die wichtige Entdeckung van Benedens von der Verteilung der zwei väterlichen und der zwei mütterlichen Chromosomen bei der Zellteilung von Ascaris zugunsten der Kernidioplasmatheorie nach Gebühr verwertet habe, war die Folge meiner schon vorher durch andere Umstände bestimmten Stellung zum Befruchtungs- und Vererbungsproblem, nicht aber die Veranlassung zu derselben. Van Beneden selbst — und das ist der zweite Punkt, den ich noch hervorheben will — hat in seinen Recherches aus dem Jahre 1884 das Problem der Erblichkeit durch die Zellkerne mit keinem Wort berührt. Auch hielt er es damals noch für wahrscheinlich, dass ausser dem Kern auch das Protoplasma des Samenkörpers bei der Befruchtung beteiligt ist (l. ec. S. 397, 404). Beweis hierfür ist sein kategorischer Ausspruch: „Il est certain, que le zoosperme apporte dans le vitellus non seulement un noyau, mais aussi du protoplasme. Rien n’autorise & affirmer que le röle du protoplasme spermatique est secondaire dans la f&Econda- tion (8. 397).* Erst drei Jahre später hat van Beneden seinen Standpunkt in dieser Frage verändert, indem er unter Berichtigung seiner älteren Angabe das Protoplasma des Samenkörpers im Ei degenerieren liess und hieraus den Schluss zog, dass der Samenkern die einzige väterliche Mitgift und daher der ausschliessliche Träger der vererbbaren Eigenschaften ist. Rabl, der selbst ein Gegner der Kernidioplasmatheorie ist, erblickt hierineinensachlich nichtbegründeten Meinungsumschwung und sucht ihn dadurch zu erklären, dass sich hier van Beneden von den von ihm zitierten Autoren habe ins Schlepptau nehmen lassen (1915, 1. e. S. Si). Ebenso hat Weismann in zutreffender Weise hervor- gehoben, dass van Beneden zwar durch seine Entdeckungen mit eine Basis für die Theorie der Vererbung durch die Zellkerne gelegt, aber selbst diese Konsequenzen nicht gezogen habe (1885. Die Kontinuität ete. 8. 18 und 19). In der Tat hatte ja auch damals und später van Beneden sich von der Frage der Vererbung durch die Richtung seiner Spekulationen ablenken lassen, indem er die von ihm entdeckten Vorgänge mit dem Sexuali- tätsproblem und einem angeblichen Hermaphroditismus der Kerne in Ver- bindung brachte und durch seine verfehlte Ersatztheorie zu erklären suchte. Doch diese wird uns erst an anderer Stelle (S. 118) noch beschäftigen. Anmerkung 25 zu Seite 111. In den letzten Auflagen meiner Allgemeinen Biologie habe ich im Kap. XXXI eine kurze historische Besprechung der wichtigsten Vererbungs- theorien gegeben und dabei bemerkt: Im Jahre 1884 veröffentlichten gleichzeitig und unabhängig voneinander Oskar Hertwig und Ed. Strasburger zwei Schriften über Befruchtung und Vererbung: 1. Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung; 2. neue Unter- Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. II. al 162 Oskar Hertwig: suchungen über den Befruchtungsprozess bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Anknüpfend an ihre früheren Untersuchungen des Befruchtungsprozesses und an das kurz vorher erschienene Werk von Nägeli kamen beide zu dem Ergebnis, dass die Kerne, welche bei der Befruchtung allein eine Rolle spielen, die Träger der erblichen Eigenschaften sind, daher das Idioplasma von Nägeli beherbergen“ etc. „In seiner ein Jahr später (1885) erschienenen Schrift: „Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung“ trat Weismann der Ansicht bei, dass die Kernsubstanz das Idioplasma sei, baute aber im übrigen in der von Galton eingeschlagenen Richtung weiter“ ete. — „Durch die Weismannsche Kontinuitätslehre war die Nägelische Vorstellung vom Idioplasma in ihren wesentlichen Grundzügen preisgegeben und der Gegensatz der Ansichten, welcher bei den nachfolgenden polemischen Erörterungen eine so grosse Rolle gespielt hat, festgestellt“. Gegen diese Darstellung der Geschichte der Kernidioplasmatheorie hat Weismann in einer Anmerkung zur Ill. Auflage seiner „Vorträge“ 1913, 1. c. S. 285 eine verspätete Verwahrung eingelegt, als ob sie nicht den Tatsachen entspreche. „Ich kann“, erklärt er, „nicht wohl auf das Verdienst verzichten, eine der wichtigsten Entdeckungen unserer Zeit auf eigenen Wegen und gänzlich unabhängig von Strasburger, wievon OÖ. Hertwig, gemacht zu haben, eine Erkenntnis, welche zudem die Grundlage meiner ganzen Keimplasmatheorie bildet‘. Als Beweis der Selbständigkeit seiner Entdeckung führt er seine Schrift aus dem Jahre 1885: Die Kontinuität des Keimplasma etc. an und bemerkt hierzu: „Wenn dieselbe einige Monate später erschienen ist, als die beiden betreffenden Schriften von Strasburger und OÖ. Hertwig, so hat dies seinen Grund in Verhältnissen, die ich jetzt nicht berühren will“. Unter Hinweis auf die Reihe seiner zu verschiedenen Zeiten veröffentlichten Schriften über Vererbung und verwandte Fragen meint Weismann ferner, „wäre es seltsam gewesen, wenn ich selbst an dem wichtigsten dieser Probleme achtlos vorbeigegangen sein sollte, der Lokalisation der Vererbungs- substanz in den Chromosomen. Was ist nicht alles aus dieser Erkenntnis gefolgt!“ Meine von Weismann beanstandete historische Darstellung muss ich voll und ganz aufrecht erhalten. Nach den genaueren Angaben, die mir auf eine Anfrage von G. Fischers Verlag gemacht worden sind, ist Strasburgers „Neue Untersuchungen etc.‘ im November 1884, meine Schrift: „Das Problem der Befruchtung ete.‘“ im Dezember 1884 als Sonder- ausgabe erschienen und zugleich auch, wie bei vielen meiner in Fischers Verlag erschienenen biologischen Abhandlungen in der ‚„Jenaischen Zeitschrift‘ abgedruckt worden, deren betreffendes Heft im Februar 1885 zur Ausgabe gelangte. Weismann dagegen hat seine Schrift: „Die Kontinuität des Keimplasma etc.“ erst sieben Monate später, im Juli 1885, veröffentlicht und zugleich in ihr sich an verschiedenen Stellen über Strasburgers und meine Ansichten über die Kernidioplasmatheorie, zum Teil auch in ab- weichender Weise, geäussert. Das ist der Tatbestand. Dagegen entzieht es sich meiner Kenntnis natürlich vollständig, auf welchen Wegen Weismann zu seinen theoretischen, uns hier interessierenden Vorstellungen gelangt ist, Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 163 inwieweit er insbesondere von Nägeli, von Strasburger und von mir be- einflusst worden ist. Ein Ausgangspunkt bildet jedenfalls Galtons Lehre vom stirp und Nussbaums ähnliche Hypothese, wodurch er zur Leugnung der Vererbung erworbener Eigenschaften in verhängnisvoller Weise veranlasst wurde. Nicht unerwähnt mag es aber bleiben, da es ebenfalls zu dem Tatsachenmaterial in unserer Frage gehört, dass Weismann selbst, im Gegensatz zu Strasburger und mir, zu der Entdeckung der grundlegen- den Tatsachen, auf denen die Kernidioplasmatheorie fusst, zur Entdeckung des Befruchtungsprozesses, der Kontinuität der Kerngenerationen, der Karyokinese durch eigene Beobachtungen keinen Beitrag geliefert hat. Anmerkung 26 zu Seite 124. In meiner Abhandlung aus dem Jahre 1875, aus einer Zeit, wo die Befruchtungsprozesse der Infusorien nur unvollkommen bekannt waren, bin ich auf Grund ungenügender Kenntnis des wirklichen Sachverhaltes verleitet worden, in einer Anmerkung auf Seite 40 den Haupt- und Nebenkern der Infusorien oder, wie es damals gewöhnlich hiess, ihren Nukleus und Nukeolus dem Ei und Spermakern der befruchteten Eizelle zu vergleichen und die unrichtige Ansicht zu äussern: „Von diesem Gesichtspunkt aus können dann die Infusorien als hermaphrodite, einzellige Organismen aufgefasst werden, insofern bei ihnen die geschlechtliche Differenzierung der Kernsubstanz, die bei anderen Organismen sich in zwei getrennten Zellen vollzogen hat, in einer Zelle eingetreten ist.“ Ich habe aber dieser unklaren Vorstellung damals keine weiteren Folgen gegeben und habe den Trugschluss bald auch als solchen erkannt (1886, 1890.) Literaturverzeichnis. Auerbach, L., 1874a: Organologische Studien, 1. Heft, Breslau. Derselbe, 1874b: Organologische Studien, 2. Heft, Breslau. Derselbe, 1876: Jenaer Literaturzeitung, 1876, Nr. 7, Seite 107. van Bambeke, Ch., 8. Januar 1876: Recherches sur l’embryologie des Batra- ciens. — 1. Oeuf mür non feconde. — 2. Oeuf f&conde. Bulletins de l’Acad. Roy. des sciences de Belgique. Bruxelles 1876. Seance du 8 janvier 1876. van Beneden, Ed. 1870: Recherches sur la composition et la signi- fication de l’oeuf. Bruxelles. Derselbe, 4. Dezember 1875: La maturation de l’oeuf, la fecondation et les premieres phases du d&eveloppement embryonnaire des mammiferes d’apres des recherches faites chez le lapin. Bulletins de l’Acad. Roy. des sciences de Belgique. Bruxelles 1875. S&ance du 4 decembre. Nr. 12. Derselbe, 8. Januar 1876a: Contributions ä l’histoire de la vesicule germina- tive et du premier noyau embryonnaire. Ebenda 1876. Seance du 5 janvier 1876. 11% 164 Oskar Hertwig: Derselbe, 1876b: Recherches sur les Diey&mides ete. Bull. de l’Acad. Roy. de Belg., 2 ser., t. 42, 1876. Derselbe, 1884: Recherches sur la maturation de l’oeuf, la f6condation et la division cellulaire. 1884.') Derselbe und Ch. Julin, 1884: La spermatogenese chez l’Ascaride me&galo- cephale. Bull. d. l’Acad. Roy. de Belg., 3 ser., t. VII, No. 4, 1884. Derselbe und A. Neyt, 1887: Nouvelles recherches sur la f&condation et la division mitosique chez l’ascaride m6galoc6phale. Bull. d. l’Acad. Roy. de Belg., 3 ser., t. XIV, No. 8, 1887. Derselbe, 1889: Monsieur Guignard et la decouverte de la division longi- tudinale des anses chromatiques. Archives de Biologie, t. IX, 1889. Born,G., 1895: Leopold Auerbach f. Anatomischer Anzeiger, Bd. XIV, 1898, Seite 257. Boveri, Th., 1887 a: Zellen-Studien, Heft 1. Die Bildung der Richtungs- körper bei Ascaris megalocephala und Asc. lumbrie. Jena 1887. Derselbe, 3. Mai 1887b: Über die Befruchtung der Eier von Ascaris megalo- cephala. Gesellschaft für Morphologie und Physiolog zu München, Bd. III, Heft 2. Derselbe, 20. Dezember 1887c: Über den Anteil des Spermatozoon an der Teilung des Eies. Gesellsch. f. Morph. u. Phys. zu München. Derselbe, 1888: Zellen-Studien, Heft 2. Die Befruchtung und Teilung des Eies von Ascaris megalocephala. Jena 1888. Derselbe, 1890: Desgl., Heft 3. Über das Verhalten der chromatischen Kern- substanz bei der Bildung der Richtungskörper und bei der Befruch- tung. Derselbe, 1901: Desgl., Heft 4. Über die Natur der Zentrosomen. Derselbe, 1904: Ergebnisse über die Konstitution der chromatischen Substanz des Zellkerns. Derselbe, 1907: Zellen-Studien, Heft 6. Die Entwicklung dispermer See- igeleier. Ein Beitrag zur Befruchtungslehre und zur Theorie des Kerns. S. 29, 228 etc. Brauer, Aug.. 1893: Zur Kenntnis der Spermatogenese von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 42. Bütschli, O., 1873: Beiträge zur Kenntnis der freilebenden Nematoden. Nov. Acta Ac. Cs. Leop., Bd. 36. '), Anmerkung: Diese als besonderes Werk im Buchhandel erschienene Monographie van Benedens ist die Vereinigung von zwei Abhandlungen, die im Archives de Biologie, Bd.IV, 1833, veröffentlicht wurden : a) L’appareil sex.femelle de l’Ascaride megalocephale, Seite 95—142; b) Recherches sur la maturation de l’oeuf et la fecondation, Seite 265—640. Obwohl der Band IV des Archives erst im Jahre 1884 verausgabt worden ist, trägt er die Jahreszahl 1883, und ebenso ist die im April 1884 erschienene Monographie ein Jahr voraus- datiert. Aus diesem Grund hat ©. Rabl (1915, 1. c. S. 11) in seinem Ver- zeichnis aller Schriften van Benedens sowohl den vierten Archivband als auch die Monographie unter der Jahreszahl 1884 aufgeführt und dies Ver- fahren auf Seite 45 seiner Abhandlung (1915, 1. c.) näher begründet. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 165 Derselbe, 1875b: Vorläufige Mitteilungen über Untersuchungen betreffend die ersten Entwicklungsvorgänge im befruchteten Ei von Nematoden und Schnecken. Zeitschrift f. wiss. Zool., Bd. 25, 1875. Derselbe, 1875b: Vorläufige Mitteilung einiger Resultate von Studien über die Konjugation der Infusorien und die Zellteilung. Ebenda, Bd. 25, 1875. Derselbe, 1876: Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zellteilung und die Konjugation der Infusorien. Abhandl. der Senckenberg. Naturf. Gesellschaft, Bd. X. Frankfurt a. M. Derselbe, 1877: Entwicklungsgeschichtliche Beiträge. Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie, Bd. XXIX. Derselbe. 1885: Gedanken über die morphol. Bedeutung der sogenannten Richtungskörperchen. Biolog. Zentralbl., Bd. IV, 1885. Carnoy, J. B.: La ceytodieröse de l’oeuf: La vesicule germinative et les globules polaires de l’Ascaris megalocephala. La cellule. Tome II. Fick, R., 1899: Mitteilungen über die Eireifung bei Amphibien. Verhandl. der Anat. Gesellsch. 1899. Derselbe, 1907 a: Betrachtungen über die Chromosomen, ihre Individualität, Reduktion und Vererbung. Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abt. Derselbe, 1907b: Über die Vererbungssubstanz. Ebenda. Derselbe 1907c: Vererbungsfragen, Reduktions- und Chromosomenhypothesen, Bastardregeln. Merkel-Bonnets Ergebnisse, Bd. XVI, 1906. Flemming, W., 1879: Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebens- erscheinungen. I. Teil eingereicht 17. September 1878. Arch. für mikrosk. Anatomie, Bd. XVI, 1879. Derselbe, 1880: II. Teil, eingereicht Dezember 1879. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XVIII, 1880. Derselbe, 1882 a: III. Teil, Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XX, 1882. Derselbe, 1882 b: Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung. Leipzig 1882. Derselbe, 1884: Über Bauverhältnisse, Befruchtung und erste Teilung der tierischen Eizelle. Biolog. Zentralbl., Bd. III, 1883/84, Nr. 21 und 22. Derselbe, 1886: Besprechung von van Benedens Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecondation ete. Biolog. Zentralbl., Bd. V, 1885/86. Fol, Herm., 1873: Die erste Entwicklung des Geryonideneies. Jenaische Zeitschrift, Bd. 7. Derselbe, 1875: Etudes sur le develop. des Mollusques. I. Sur le develop. des Pteropodes. Derselbe, September 1876: II. Sur le d&velop. des Heteropodes. Derselbe. 1877: Sur le commencement de l’henogenie chez divers. animaux. Archives des sciences phys. et nat. J. 58. Geneve 1877. Derselbe, 1879: Recherches sur la f&condation et le commencement de l’heno- genie chez divers animaux. Genöve, Separatausgabe aus den: Me- moires de la Soci6et& de physique et d’histoire naturelle de Gen£&ve, t. XXVI. van Gehuchten, A., 1887: Nouvelles observations sur la vesicule ger- minative et les globules polaires de l’ascaris megaloc. Anatom. Anz., II. Jahrg., S. 751 bis 760, 1887. 166 Oskar Hertwig: Giard, A., 1877: Note sur les premiers phenomenes du d@veloppement de l’oursin (Echinus miliaris). Comptes rendus, t. LXXXIV, Nr. 15. Guignard, Leon, 1883: Comptes rendus, 10. September 1883. Derselbe, 1887: Quelques remarques & propos d’un r£cent travail de M. M. van Beneden et Ad. Neyt sur l’Ascaris megalocephala. Societe botanique de France, 25. Nov. 1887. Haeckel, E., 1874: Anthropogenie. Heidenhain, M., 1907: Plasma und Zelle, Bd. I, Seite 217—231. Hensen, V., 1885: Die Grundlagen der Vererbung nach dem gegenwärtigen Wissenskreis. Landwirtschaftl. Jahrbücher, Bd. XIV, 1885. Hertwig, Oskar, 1875: Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Teilung des tierischen Eies. 1. Abhandlung. Morph. Jahrbuch, Bd. I (August 1875 eingereicht). Auch selbständig als Habilitations- schrift Oktober 1875 erschienen. Derselbe, 1877a: 2. Abhandlung. Morphol. Jahrbuch, Bd. III (eingereicht Sept. 1876). Derselbe, 1877b: Weitere Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Teilung des tierischen Eies (eingereicht Februar 1877). Derselbe, 1878: 3. Abhandlung. Morphol. Jahrbuch, Bd. IV (eingereicht Mai 1877). Derselbe, 1884: Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung. Jenaische Zeitschr., Bd. XVIIL (N. F. Bd.XTJ). (Die Abhandlung ist auch als selbständige Schrift in Fischers Verlag im Dezember 1884 erschienen.) Derselbe, 1890: Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Eine Grundlage für zelluläre Streitfragen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 36. Derselbe, 1893: Die Zelle und die Gewebe. Bd. I, 1893. Derselbe, 1894: Zeit- und Streitfragen der Biologie. Heft 1. Präformation oder Epigenese. Derselbe, 1898: Die Zelle und die Gewebe. Bd. II, 1898. Derselbe, 1909: Der Kampf um Kernfragen der Entwicklungs- und Ver- erbungslehre. Hertwig, R., 1876: Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der ver- schiedenen Kernformen. Morphol. Jahrb., Bd. II, 1876. 2. Dez. 1875 eingereicht. Derselbe, 1888: Über die Gleichwertigkeit der Geschlechtskerne bei den Seeigeln. Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morph. u. Phys. in München, Bd. IV. Derselbe, 1889: Über die Konjugation der Infusorien. Abhandl. d. bayr. Akad. d. Wissensch., II. Kl., Bd. XVII, 1889. Heuser, E., 1884: Beobachtungen über Zellkernteilung. Botanisches Zentral- blatt 1884. Kölliker, Th, 1861: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. Akademische Vorträge, Leipzig 1861. Derselbe, 1879: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. Zweite, ganz umgearbeitete Auflage, 1879. Derselbe, 1885: Die Bedeutung der Zellkerne für die Vorgänge der Ver- erbung. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. XLII, 1885. Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. 167 v. Kostanecki und A. Wierzejski, 1896: Über das Verhalten der so- genannten chromatischen Substanz im befruchteten Ei. Nach Beob- achtungen an Physa fontinalis. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 47, 1896. Kultschitzky, 1888: Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalo- cephala. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 31, S. 567. Lameere, Aug.: La reduction karyogamique dans l’ovogenese. Bull. de l’acad. de Belgique, 3me ser., t. XVIII, 1889. Maupas, 1889: Le rajeunissement karyogamique chez les cili&s. Archives de Zool. experim., 2 ser., Bd. VII. Nussbaum, Mor., 1880: Zur Differenzierung des Geschlechts im Tierreich. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XVIII, 1880. Derselbe, 1883: Über Befruchtung. Vorläufige Mitteilung. Sitzungsber. d. niederrhein. Ges. f. Nat. u. Heilk., Aug. 1883. Derselbe, 1884: Über die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung;; ein Beitrag zur Lehre der Vererbung. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 23, 1884. von Nägeli, C., 1884: Mechanisch-physiologische Theorie der Abstam- mungslehre. Pfitzner, Wilh., 1882: Über den feineren Bau der bei der Zellteilung auftretenden fadenförmigen Differenzierungen des Zellkerns. Morphol. Jahrb., Bd. 7, 1882. Platner, Gust., 1886: Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grund- lage für eine Theorie der Zellteilung. Internat. Monatsschr. f. Anat. und Histol., Bd. III, Heft 10. Derselbe, 1889a: Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Teilungserschei- nungen. 1. Zellteilung und Samenbildung in der Zwitterdrüse von Limax agrestis. 2. Samenbildung und Zellteilung bei Paludina vivipara und Helix pomatia. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 33, Seite 125—144. Derselbe, 1889b: 5. Samenbildung und Zellteilung im Hoden der Schmetter- linge. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 33, Seite 192—213. Rabl, Karl, 1885: Über Zellteilung. Morphol. Jahrbuch, Bd. X, Seite 214. Derselbe, 1915: Edouard van Beneden und der gegenwärtige Stand der wichtigsten von ihm behandelten Probleme. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 88. Retzius, G., 1881: Studien über Zellteilung. Biologische Untersuchungen, Stockholm 1881. Robin, Charles, 1862: M&moire sur les globules polaires de l’ovule. Journal de la physiologie de ’homme et des animaux, t. V. Derselbe, 1876: Me&moire sur le developement embryogenique des hirudines. Memoires de l’academie des sciences de l’institut de France, t. XL, Paris. Roux, W., 1883: Über die Bedeutung der Kernteilungsfiguren. Eine hypo- thetische Erörterung. Leipzig 1883. Schneider, A., 1873: Untersuchungen über Plathelminthen. Vierzehnter Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Giessen. Derselbe, 1880: Über Befruchtung. Zoolog. Anz., 29. Mai 1880. Derselbe, 1883: Das Ei und seine Befruchtung. Breslau 1883. 165 Oskar Hertwig: Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. Derselbe, 1884: Zoologische Beiträge 1 und 2. Breslau 1884. Strasburger, Ed., 1875a: Über Zellbildung und Zellteilung. Jena. Derselbe, 1875b: Über Vorgänge bei der Befruchtung. Tageblatt der 48. Ver- samml. deutsch. Naturforsch. u. Ärzte in Graz, 18.—24. Sept. 1875. V. Sekt. f. Botanik und Pflanzenphys. S. 100, VI. Sekt. f. Zoologie S. 150. Derselbe, 1876: Über Zellbildung und Zellteilung. 2. Aufl. Nebst Unter- suchungen über Befruchtung. Derselbe, 1878: Über Befruchtung und Zellteilung. Jena. Derselbe, 1884a: Die Kontroversen der indirekten Kernteilung. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XXIII. Derselbe, 1884b: Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Jena. (Im November 1884 verausgabt.) Tretjakoff. D., 1905: Die Spermatogenese bei Ascaris megalocephala. Arch. f. mikroskop. Anatomie, Bd. 65. Waldeyer, W., 1888: Über Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 32. Weismann, Aug., 1883: Über die Vererbung. Ein Vortrag. Jena. Derselbe, 1885: Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung. (Im Juli 1885 verausgabt.) Derselbe, 1887: Über die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung. Jena. Derselbe, 1892: Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung. Jena 1892. Derselbe, 1896: Über Germinalselection. Derselbe, 1902: Vorträge über Descendenztheorie, Bd. I u. I, I. Aufl. Derselbe, 1913: Dasselbe. III. Aufl. 169 Über die Samenkörper der Libellen. I. Die Spermien und Spermiozeugmen der Aeschniden. Von E. Ballowitz in Münster i. W. Hierzu Tafel I und II und 8 Textfiguren. Über die Samenkörper der Libellen ist bisher wenig bekannt geworden. Nur G. Retzius!) hat in neuerer Zeit im 14. Bande seiner „Biologischen Untersuchungen“ einige Beobachtungen ver- öffentlicht, welche er seiner Angabe nach an drei Arten, nämlich Aeschna grandis, Lestes sponsa und „einer kleinen Libellula“, gemacht und auf Tafel XXI des genannten Bandes in mehreren Figuren illustriert hat. In einer im 36. Bande des „Biologischen Centralblattes“ von mir erschienenen vorläufigen Mitteilung ?) konnte ich indessen schon darauf hinweisen, dass die Bestimmung der von G. Retzius untersuchten Libellen keine richtige gewesen ist. Insbesondere hat ihm keine Aeschnide zur Untersuchung vorgelegen. Die Figuren 10—19 der genannten Tafel, welche von ihm der Aeschna grandis zugeschrieben werden, stammen unzweifelhaft von irgend einer Spezies der Gattung Libellula. Ebensowenig ist es zutreffend, dass die in den Figuren 1—5 dargestellten Spermien von einer Art der Gattung Libellula herrühren, vielmehr zeigen sie die typische Form und Struktur der Agrioniden und sind wahrscheinlich einer der zahlreichen Arten der Gattung Agrion entnommen. In Verfolg meiner früheren Studien über die Samenkörper der Insekten”) habe ich in den letzten Jahren auch die Sper- ') G. Retzius, Biologische Untersuchungen. Neue Folge, Bd. XIV 1909, Tafel XXI. °) E. Ballowitz, Spermiozeugmen bei Libellen. Mit 13 Textfiguren. Biologisches Centralblatt, Bd. XXXVI, Nr. 5, 20. Mai 1916. ®) Vgl. E. Ballowitz, Zur Lehre von der Struktur der Sperma- tozoen. Anatomischer Anzeiger, Jahrg. I, 1886, Nr. 14. Derselbe, Unter- suchungen über die Struktur der Spermatozoen, zugleich ein Beitrag zur Lehre vom feineren Bau der kontraktilen Elemente. Die Spermatozoen der Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. II. 12 170 E. Ballowitz: mien der Libellen einer eingehenden und sehr ausgedehnten Untersuchung unterzogen. Ich konnte fast alle nordwestdeutschen Gattungen und zahlreiche Arten in vielen Exemplaren zer- gliedern. Dieses Material war nicht so leicht zu beschaffen, da viele Libellen bekanntlich äusserst gewandte und schnelle Flieger sind und daher nur schwer gefangen werden können. Auch sind für diese Studien nur frisch gefangene Tiere verwendbar, welche lebend in das Laboratorium geliefert werden müssen und erst kurz vor der Untersuchung getötet werden. Die Samenkörper wurden meist den Ductus deferentes der reifen Männchen, bisweilen auch den befruchteten Weibchen entnommen. Die zu ihrer Untersuchung angewandten Methoden sind die gleichen wie bei meinen früheren Arbeiten; ich verweise mit Bezug darauf auf die oben angeführten Veröffentlichungen von mir. Meine Untersuchungen führten zunächst zu dem interessanten Resultat, dass jede der drei Unterfamilien der Libellen (Aeschniden, Agrioniden, Libelluliden) eine besondere, für sie charakteristische Spermienform besitzt; bei den Aeschniden, und zwar nur bei diesen, wurden ausserdem noch sehr eigenartige Spermiozeugmen von mir aufgefunden. Ich will daher die Form und Struktur der Samenkörper nach den Familien gesondert beschreiben und mit den Aeschniden in dieser Abhandlung beginnen. Von diesen wurden die folgenden Gattungen und Arten von mir berücksichtigt: Anax formosus Linden Aeschna grandis L. eyanea Müll. = pratensis Müll. Gomphus pulchellus Selys. » Insekten. I. Colevpteren. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 50, 18%. Derselbe, Die Doppelspermatozoen der Dytisciden. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 60. Derselbe, Zu der Mitteilung des Herrn Professor L. Auer- bach in Breslau über „Merkwürdige Vorgänge am Sperma von Dyticus marginalis.“ Anat. Anzeiger, VIII. Jahrg., 1893. Derselbe, Über eigenartige, spiralig strukturierte Spermien mit apyrenem und eupyrenem Kopf bei Insekten. Archiv f. Zellforschung, Bd. XII, 1914. Derselbe, Die Spermien der Haarmücken, Bibionidae. Ein Beitrag zur Kenntnis der Samenkörper der Dipteren. Archiv f. Zellforschung, Bd. XIV, 1916. Derselbe, Die Spermien der Stubenfliege. Archiv f. Zellforschung, Bd. XIV, Heft 3, 1916. Über die Samenkörper der Libellen. 171 Die Bestimmung nahm ich nach Tümpels Monographie ') über die Geradflügler Mitteleuropas vor. A. Form und Struktur der Samenkörper. Die Samenkörper der Aeschniden sind im Vergleich mit den meist sehr langen Spermien anderer Insekten klein und stellen kurze, feine Fäden dar, wie die Figuren 1—3 der Tafel I zeigen. Fig. 1 stammt von Aeschna grandis L., Fig. 2 von Anax formosus Linden und Fig. 3 von Gomphus pulchellus Selys. Diese Figuren sind in demselben Grössenverhältnis gezeichnet, wie die Abbildungen meiner früheren Arbeiten über Insektenspermien; ein jeder Teil- strich des Winkelschen Okular-Mikrometers Nr. 2, mit welchem die Objekte mit Winkels homogener Immersion !/sı (Tubus nicht ausgezogen) gemessen wurden, und bei welchem dann jeder Teil- strich = 0,001 mm wirklicher Objektgrösse beträgt, wurde in der Zeichnung gleich 1 mm gesetzt. Die längsten traf ich bei Aeschna (Fig. 1), die kürzesten bei Gomphus (Fig. 3) an. Bei Aeschna grandis L. betrug ihre Länge 0,1 mm, bei Anax 0,075 mm, bei.Gomphus pulchellus selys 0,05 mm; bei einer anderen Gomphus- art waren sie etwas länger. Jedes Spermium besteht aus einem Kopf und einer Geissel. Der Kopf besitzt bei Aeschna und Anax die Form einer langen, feinen, ziemlich starren Nadel mit fein ausgezogener Spitze. (Siehe die Figuren der Tafel I von Aeschna und Anax). In frischem Zustande färbt er sich mit Gentianaviolett intensiv; lässt man die Präparate aber unter dem Deckglase nach Anlegung eines Wachsringes einige Zeit, etwa 24 Stunden, liegen, so entfärbt sich der Kopf vollständig; nur die äusserste Spitze bleibt dunkel- violett und stellt das Spitzenstück des Kopfes dar. (Fig. 4 und 5 bei Sp.) An dem letzteren sind bisweilen zwei Absätze angedeutet, wie die etwas stärker vergrössert gezeichnete Figur 4 erkennen lässt. Das Spitzenstück wird in solchen Präparaten auch nach vorheriger Fixierung durch Osmiumsäuredämpfe regelmässig deutlich. Färbt man Präparate, welche ohne Fixierung einige Zeit in physiologischer Kochsalzlösung unter dem Deckglase gelegen hatten, nachträglich mit Gentianaviolett, so nimmt der Kopf eine dunkelviolette Färbung an, während das Spitzenstück heller bleibt. (Fig. 6—S der Tafel I bei Sp.) Dasselbe tritt auch in mit Gentiana- ') Dr. R. Tümpel, Die Geradflügler Mitteleuropas. Gotha 1908. 172 E. Ballowitz: violett tingierten Deckglastrockenpräparaten ein. (Fig.10 und 11 der Tafel I bei Sp.) Dies gilt für die Gattungen Aeschna und Ananx. Die Geissel ist bei diesen Gattungen nur wenig länger als der Kopf, bei den von mir untersuchten Arten etwa 1'/a bis 2 mal so lang. Nach hinten schärft sie sich fein zu, ohne dass. ein Endstück deutlich abgesetzt erscheint. Durch Mazeration in Kochsalzlösungen unter dem Deckglase zerfällt sie sehr leicht. nicht selten der ganzen Länge nach, in Fasern, welche in ihr parallel nebeneinander angeordnet sind. Häufig ist der Zerfall in zwei Fasern, von denen die eine dünner und heller gefärbt als die andere erscheint. (Fig. 6 der Tafel I.) Noch häufiger: zerlegt sich die Geissel in drei Fasern, wobei sich die dickere.. dunkler gefärbte Faser in zwei gleich dicke spaltet; die letzteren bleiben aber noch dieker und dunkler gefärbt als die zuerst sich lösende feine Faser. Bei Anax (Fig. S und 9) sind diese Unter- schiede der drei Fasern oft nicht so deutlich. An der dünnen Faser lässt sich nun in den Mazerationen leicht eine weitere Struktur nachweisen, insofern, als diese Faser sehr oft in feinste Elementarfibrillen zerlegt ist: ich zählte 6—7 Fibrillen. Der fibrilläre Zerfall kann an jeder Stelle der dünnen Faser eintreten, die Fibrillen durchsetzen die Faser ihrer ganzen Länge nach. An den beiden dunkleren Fasern konnte eine weitere Zusammensetzung nicht erkannt werden. Die Figur 7 der Tafel I zeigt diesen fibrillären Zerfall bei Aeschna grandis L.; hier hat sich die dickere, dunkle Faser auch in zwei gleichdicke Fasern gespalten. Auch bei Anax formosus Linden wurde der fibrilläre Zerfall der einen Geisselfaser sehr oft beobachtet. (Fig. 8 der: Tafel 1.) Bisweilen werden auch zwischen den drei Hauptfasern isolierte Fibrillen angetroffen, welche jedenfalls wohl von der helleren Hauptfaser stammen und sich von ihr abgelöst haben. Es gelang mir nun, an der Geissel bei Aeschna und Anax noch. eine weitere Differenzierung nachzuweisen, der ich einige Wichtig- keit beilegen möchte. Ich fand nämlich an ihr dieht hinter dem Kopfe einen sehr deutlich abgesetzten Abschnitt auf, welcher die- grösste Ähnlichkeit mit dem sogenannten „Verbindungsstück* der Spermien anderer Tiere, z. B. der Säugetiere, hat. In den Figuren 10 und 11 ist dieser nur kurze Abschnitt bei V unter starker Immersionsvergrösserung dargestellt. Er erscheint in Über die Samenkörper der Libellen. 173 ‚diesen Figuren, welche nach mit Gentianaviolett tingierten Deckglastrockenpräparaten gezeichnet sind, etwas dunkler gefärbt als die intakte Geissel und etwas helier als der Kopf. An den letzteren stösst sein vorderes Ende, während das hintere Ende quer abgestutzt und von der übrigen Geissel scharf abgesetzt erscheint. Ich habe dieses „Verbindungsstück“ zuerst in mit (Gentianaviolett nicht zu stark gefärbten Deckglastrockenpräparaten aufgefunden. In den frisch mit Gentianaviolett gefärbten feuchten Präparaten ist es gewöhnlich nicht unterscheidbar, da es sich alsdann ebenso intensiv tingiert wie die übrige Geissel, und der hinteren Grenze keine Einkerbung entspricht. Doch fällt hier schon auf, dass die Spaltung der Geissel nicht bis zum hinteren Kopfende erfolgt, sondern in einiger Entfernung davon, entsprechend der hinteren Grenze des „Verbindungsstückes“, aufhört. Hiervon erhielt ich auch einige Male sehr überzeugende Bilder an isolierten Geisseln, wie Fig. 9 der Tafel I illustriert. Die Geissel ist hier dicht hinter dem Kopfe abgebrochen und in ihre drei vollständig voneinander getrennten Fasern zerfallen. Der Zerfall hat aber am hinteren Ende des „Verbindungsstückes“ (bei V der Figur) halt gemacht, so dass dieses intakt geblieben ist und sehr deut- lich hervortritt. Bekamntlich ist ein deutlich abgesetztes „Verbindungsstück* an den Insektenspermien bisher noch nicht beobachtet worden. Andeutungen davon!) sind nur selten, fast immer ist keine Spur davon wahrnehmbar. 'Selbstverständlich muss es der spermiogenetischen Forschung überlassen bleiben, festzustellen, ob es sich hier in der Tat um ein „Verbindungsstück“ handelt, und welchen Anteil daran auch die Zentriolen haben. Unter diesem ausdrücklichen Vorbehalt habe ich diesen Abschnitt, den ich bei Anax sowohl wie bei allen von mir untersuchten Aeschnaarten gleich deutlich ausgebildet antraf, als „Verbindungsstück“ bezeichnet. Etwas anders als bei Aeschna und Anax verhalten sich die Spermien, sowohl was den Kopf als auch die Geissel anbetrifft, bei der Gattung Gomphus. (Fig. 12—1S der Tafel Il.) Fig. 12 zeigt ein ganzes, unversehrtes Spermium von “omphus pulchellus Selys nach Fixierung durch Osmiumsäure- ') Z. B. bei Gryllus; vgl. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie, Bd. XI, Heft 5, 1894, Seite 10. 174 E. Ballowitz: dämpfe und Färbung mit Gentianaviolett. Der Kopf hat sich nach einigem Liegen unter dem Deckglase wieder entfärbt und ist ganz hell geworden. Ein Spitzenstück ist hier kaum an- gedeutet. In solchen Präparaten sah ich nur die äusserste Kopfspitze punktartig dunkel gefärbt. In Präparaten, welche einige Zeit unter dem Deckglase in physiologischer Kochsalzlösung gelegen hatten und dann gefärbt wurden, war an der Kopfspitze nicht die geringste Differenzierung wahrzunehmen. (Fig. 15—17.) In den Kochsalzpräparaten quillt nun der hintere Teil des Kopfes sehr leicht und schwillt blasenartig an, so dass der ganze Kopf dadurch ein eigenartiges Aussehen erhält. (Fig. 14—17.) Auch sah ich einige Male diesen noch ungequollenen hinteren Kopfteil intensiv gefärbt und scharf abgegrenzt, während der vordere grössere Abschnitt hell geblieben war. (Fig. 13.) Dieser Befund, zusammengehalten mit den Figuren 14—17, könnte die Vermutung nahe legen, dass der ganze vordere, nicht quellende Kopfteil einem Spitzenstück entspräche und nur der quellbare Teil den eigentlichen chromatinhaltigen Kopf darstellte. Diese Vermutung wird aber widerlegt durch die Ergebnisse der Färbung mit Alaunkarmin und Hämatoxylin, wobei sich der ganze Kopf in beiden Abschnitten intensiv färbt, also chromatinhaltig ist. Die Textfiguren 6—S zeigen in Schnittbildern den ganzen nadelföürmigen Kopf von Gomphus mit Hämatoxylin intensiv dunkel tingiert. Was die Geissel anbetrifit, so weist sie die gleichen Zerfall- bilder auf, wie bei Aeschna und Anax. In der Figur 12 ist die Geissel noch intakt. Ihr hinteres Ende ist bei Gomphus etwas länger fein ausgezogen, ein deutlich abgesetztes Endstück ist aber auch hier nicht zu unterscheiden. Die Fig. 13—15 zeigen die Geissel in zwei ungleich dicke Fasern zerlegt, von denen die dünnere etwas länger ist als die andere und wohl die erwähnte fein aus- gezogene Geisselspitze allein bildet. Diese Teilung der Geissel in zwei Fasern tritt sehr leicht ein. In Fig. 16 beginnt die dickere Faser an ihrem hinteren Ende in zwei gleich lange, fein zugespitzte Teilfasern zu zerfallen, die in der Figur 17 in ganzer Länge von einander getrennt sind. Die Fig. 17 lässt schliesslich noch den fibrillären Zerfall der feinen Faser erkennen, wie er auch bei Gomphus oft beobachtet wurde. Während in dem Geisselzerfall die Gomphusspermien denen Über die Samenkörper der Libellen. ih7i) von Aeschna und Anax gleichen, zeigt die Insertion der Geissel auffällige Unterschiede. Das vordere (Geisselende ist nämlich nicht quer abgeschnitten, wie bei den übrigen Aeschniden, sondern schräg und ist so dem entsprechend abgeschrägten hinteren Kopf- ende angeheftet. (Fig. 12 und 13.) Ist der hintere Kopfabschnitt gequollen und aufgehellt, während die Geissel ihre intensive Färbung beibehalten hat, so erkennt man auf das deutlichste, dass sich das vordere Geisselende in eine feine, stiftartige Spitze auszieht, welche dem Kopfrande eingefügt ist und sich an ihm eine kurze Strecke hochzieht. Die Figuren 14, 15 und 17 der Tafel I, sowie die Textfigur 1 zeigen die Spitze in verschiedener Lage des Kopfes. In den Figuren 14 und 17 der Tafel und in Textfigur 1 liegt sie am einen Kopfrande, in Fig. 15 blickt man schräg auf sie. Nachdem ich bei Aeschna und Anax einen dem „Verbindungs- stück“ ähnlichen Abschnitt aufgefunden hatte, suchte ich natur- semäss auch bei Gomphus danach. In den gewöhnlichen feuchten, mit Grentianaviolett intensiv gefärbten Präparaten war aber nichts davon zu sehen. Erst in guten Deckglastrockenpräparaten, die nicht zu stark mit Gentianaviolett tingiert waren, entdeckte ich einen sehr deutlich unterscheidbaren, differenten Abschnitt, der vielleicht eine Art Verbindungsstück darstellt. In den Figuren 14 und 18 ist es bei V abgebildet. Fig. 14 zeigt den vorderen Teil eines Spermiums aus einem mit Gentianaviolett gefärbten Deckglastrockenpräparat. Das vordere Geisselende ist sehr dunkel gefärbt und fällt dadurch sofort auf, während der Kopf und die übrige Geissel nur blauviolett erscheinen. Vorne setzt es sich von dem hellen Kopfe scharf ab, hinten dagegen ist es nicht scharf abgegrenzt, sondern geht vielmehr unter Verschmälerung allmählig in die dunklere, dickere Teilfaser der Geissel über. Die dünnere, helle Geisselteilfaser dagegen ist unvermittelt gegenüber der dunkleren Faser dem Verbindungsstück angeheftet und lässt sich nicht in das letztere hinein verfolgen. In der Textfigur 1 erkennt man, dass die Spaltung der Geissel in die beiden Teilfasern stets am hinteren Ende des Verbindungs- stückes halt macht. Die Figur 15 der Tafel I führt den vorderen Teil einer Geissel bei noch stärkerer Immersionsvergrösserung vor, deren zugehöriger Kopf völlig aufgelöst und verschwunden ist, wie es in nicht durch Osmiumsäure fixierten Deckglastrocken- präparaten nicht selten vorkommt. Man erkennt deutlich die 176 E. Ballowitz: Gestalt des intensiv tingierten „Verbindungsstückes“, die Zu- schärfung seines vorderen Endes und das Verhalten des hinteren Endes zu den beiden Teilfasern. Das Fehlen der hinteren scharfen Aberenzung unterscheidet es besonders von demjenigen bei Aeschna und Anax. Tan rn 1} Sn N ErTE Toner, al Fig. 1. Spermium von Gomphus ‚pulchellus Selys. Der hintere Teil des Kopfes ist Die Geissel ist bis an das „Verbindungsstück“ in blasenartig gequollen. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, zwei ungleieh dicke Fasern zerlegt. Kompensationsokular Nr. 12. Über die Samenkörper der Libellen. 1 Das Vorhandensein eines einem „Verbindungsstück“* ähnlichen Abschnittes charakterisiert also ganz besonders die Spermien der Aeschniden. Im übrigen stimmt ihre Geisselstruktur im wesent- lichen mit den Befunden überein, die ich auch bei anderen Insekten erhielt. z. B. bei den Haarmücken (Bibioniden) !) und der Stuben- tliege?). Auch bei diesen Insekten konnte ich eine Zusammen- setzung aus drei ungleich dicken Fasern und einen fibrillären Zerfall der dünneren Faser nachweisen. Das Gleiche zeigen auch nach meinen früheren Untersuchungen ?) die Spermien mancher Coleopteren. z. B. von Hydrophilus, wenn auch bei vielen Coleopteren die Geisselstruktur durch die Ausbildung einer Stützfaser und durch das Auftreten einer Wimpelfaser und besonders isolierbarer Fibrillen noch verwickelter wird. B. Form und Struktur der Spermiozeugmen. Wie ich in meiner vorläufigen Mitteilung‘) schon kurz mit- geteilt habe, fand ich bei allen von mir untersuchten Aeschniden ausnahmslos eigenartige Spermiozeugmen auf, wie ich in meinen früheren Arbeiten °) die Vereinigung zahlreicher Spermien zu frei beweglichen Körpern genannt habe. Bei den beiden anderen Libellen-Familien konnte ich sie dagegen nicht beobachten. Sie kommen nur bei den männlichen Tieren vor. Legt man die Ductus deferentes einer reifen männlichen Aeschnide frei und betrachtet sie mit einer Lupe, so sieht man durch die dünne Wandung der Gänge zahlreiche kleine, weissliche Punkte hindurchschimmern. Zerzupft man ein Stück des Aus- führungsganges in phvsiologischer Kochsalzlösung auf dem Objekt- ') E. Ballowitz, Die Spermien der Haarmücken, Bibionidae. Ein Beitrag zur Kenntnis der Samenkörper der Dipteren. Mit einer Tafel und 17 Textfiguren. Archiv für Zellforschung, Bd. 14, 1916, Heft 3. ?) E. Ballowitz, Die Spermien der Stubenfliege. Mit einer Tafel. Archiv für Zellforschung, Bd. 14, 1916, Heft 3. ») Vergl.E. Ballowitz, Untersuchungen über die Struktur der Sper- matozoen, zugleich ein Beitrag zur Lehre vom feineren Bau der kontraktilen Elemente. Die Spermatozoen der Insekten. I. Coleopteren. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 50, 1890. Derselbe, Die Doppelspermatozoen der Dytisciden. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 60. *)E. Ballowitz, Spermiozeugmen bei Libellen. Biologisches Central- blatt, Bd. XXXVI, Nr. 5, 20. Mai 1916. el. €. 178 E. Ballowitz: träger, so kann man diese Pünktchen und Körnchen. welche zahl- reich in der Flüssigkeit herumschwimmen, schon mit. blossem Auge deutlich erkennen. Stellt man diese Körper unter dem Mikroskop bei schwacher Vergrösserung, etwa bei Leitz Objektiv III und Okular III, ein, so erhält man Bilder, wie sie in den Figuren 19— 21 auf Tafel I dargestellt sind. Fig. 20 und 21 stammen von Aeschna cyanea Müll.. Fig. 19 von Gomphus pulchellus Selys. Die Figuren 19 und 20 sind Flächenansichten und zeigen radartig . ausgebreitete Bildungen von kreisförmiger, selten etwas länglicher Begrenzung. Die Mitte erscheint bei tieferer Einstellung meist hell und wird von einem breiten, dunkleren Ringe umgeben. Die Figuren 23—30 der Tafel II und die Textfigur 2 sind gleichfalls Fig. 2. Spermiozeugma von Aeschna grandis L., von der Fläche gesehen, lebensfrisch in physiologischer Kochsalzlösung untersucht. Leitz Objektiv VII, Okular III. Über die Samenkörper der Libellen. 179 Flächenansichten bei stärkerer Vergrösserung und verschieden tiefer Einstellung. In. den mit einem Deckgläschen bedeckten mikroskopischen Präparaten lagern sich diese Spermiozeugmen alsbald so, dass ihre grössten Oberflächen parallel den Glasflächen gestellt sind und man nur die geschilderte Kreisform sieht. Untersucht man die Bildungen aber in Kantenstellung, wie sie in der Figur 21 bei schwacher Vergrösserung und in den Fig. 23 und 24 der Tafel I, sowie in den Textfiguren 3—5 bei stärkerer Vergrösserung abgebildet sind, so stellt man fest, dass die Körper mehr oder weniger abgeplattet sind. Die abgerundeten Ränder und die eine Oberfläche erscheinen konvex; hier ragen überall die Geisselenden der zahlreichen den Körper zusammensetzenden Spermien hervor und sind lebensfrisch in lebhaft schlagender, wogender Bewegung begriffen. Die entgegengesetzte, in den Zeichnungen untere Ober- fläche ist eingedrückt, konkav. Aus ihrer Mitte ragt gewöhnlich Fig. 3 und 4. Zwei Spermiozeugmen von Aeschna cyanea, nach Fixierung durch Osmium- säuredämpfe, von der Kante gesehen. Leitz Objektiv VII, Okular III. 150 E. Ballowitz: ein stielartiger, abgerundeter, breiter Fortsatz hervor, gleich dem Stiel eines Blumenstrausses. Dieser Fortsatz kann verschieden lang sein und beeinflusst dadurch die Form der Spermiozeugmen. Wird er länger, so ähneln die von der Kante gesehenen Spermio- zeugmen mehr einem Blumenkorbe (Fig. 23 der Tafel T) oder auch einem Blumenstrausse (Fig. 24 der Tafel I, Textfigur 3 und 5). Der Stiel kann aber auch fehlen, wofür die Figur 22 der Tafel I und die Textfigur 7 Beispiele liefern. Die Form dieser Spermio- zeugmen ist also etwas verschieden. Auch ihre Grösse schwankt etwas, zwischen 0.09—0,2 mm. Die sehr zahlreichen Spermien werden nun zu diesen eigen- artigen Spermiozeugmen ge- wöhnlich vereinigt und zu- sammengehalten durch eine Haft- substanz von hellglänzendem oder auch etwas körnigem Aus- sehen, die sich mit Gentiana- violett und Eosin intensiv färbt. Sie erinnert mich ihrem Aus- sehen nach ‘an die Klebesub- stanz, welche bei den Dytis- ciden die Köpfe je zweier Spermien zu den von mir be- ee Fig. 5. .. schriebenen Doppelspermien !) en a Hk verbindet. Bei. den Libele säuredämpfe, Kalium aceticum. Leitz stellt diese Haftsubstanz eine Objektiv VII, Okular II. Platte dar, in deren einer Fläche die Spitzen der Spermienköpfe senkrecht eingebohrt stecken, wie die Nadeln in einem Nadelkissen. Fig. 31 der Tafel II illustriert dies in anschaulicher Weise. Die Ab- bildung führt den mittleren Teil eines radförmigen Spermiozeugmas bei starker Immersionsvergrösserung im optischen Durchschnitt vor. Der helle, an der unteren Seite offene Streifen ist die Haftsubstanz, in deren konvexer Oberfläche die Köpfe der zahl- reichen Samenkörper stecken. Bei den korb- und straussartigen Spermiozeugmen ist die Form der Haftplatte einfach. Bei den radförmigen ohne ausge- ') Vergl. E. Ballowitz, Die Doppelspermatozoen der Dytisciden. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. 60. Über die Samenkörper der Libellen. 181 bildeten Stiel dagegen erscheint die Platte oft mehr oder weniger gebogen; die Biegung kann recht beträchtlich sein. (Fig. 22 und 25 der Tafel I, Fig. 31 der Tafel II, Textfiguren 6 und 7.) Der Höhlung dieser gebogenen Platte entspricht bei den Flächen- ansichten in tiefer Einstellung die helle Mitte. (Vergleiche die Fig. 19 und 20 der Tafel I, Fig. 27 der Tafel II und die Text- figuren 2 und 8.) Auch der eigentümliche Kreis der Fig. 30 der Tafel II, welche bei tiefer Einstellung gezeichnet ist. wird durch die gebogene Platte der Haftsubstanz hervorgerufen. Die letztere erscheint bei dieser tiefen Einstellung der Flächenansichten gewöhnlich nicht vollkommen geschlossen ringförmig (Textfigur 8), sondern meist an einer Stelle unterbrochen, vgl. Fig. 22 und 25 der Tafel I, Fig. 31 der Tafel 11. Bisweilen fehlt die Haftsubstanz, besonders an den strauss- förmigen Spermiozeugmen oder ist nur undeutlich wahrzunehmen. (Fig. 24 auf Tafel I und Textfigur 5.) Jedenfalls löst sie sich auch leicht auf und gibt dadurch die Spermien frei. So erklärt sich, dass die Spermiozeugmen nur bei den Männchen gefunden werden, nicht aber bei den befruchteten Weibchen, bei denen ich nur isolierte Spermien oder höchstens Bruchstücke der Spermio- zeugmen feststellte. Das war auch schon der Fall bei einer weib- lichen Aeschna grandis L., die in der Kopulation gefangen war und mehrere Stunden darauf untersucht wurde. Sehr instruktiv sind auch mit Hämatoxylin gefärbte Schnitt- bilder durch die Spermiozeugmen, wie sie die Textfiguren 6—8 Fig. 6 und 7. Aus einem mit Hämatoxylin gefärbten Schnittpräparat von durch Zenkersche Flüssigkeit fixiertem Material. Senkrecht zu den beiden Flächen gefallene Durchschnitte durch zwei Spermiozeugmen von Gomphus pulchellus Selys. Man sieht die Haftsubstanz, die darin steckenden, intensiv gefärbten Köpfe und die helleren Geisseln der Spermien. Leitz Objektiv VII, Okular III. 182 E. Ballowitz: vorführen. Es wurden dazu mit Eisessig-Sublimat und mit Zenkerscher Lösung fixierte Ausführungsgänge frisch getöteter Exemplare von Aeschna und Gomphus genommen. In den Figuren 6 und 7 ist der Schnitt senkrecht zur Oberfläche, in der Figur 8 parallel der Oberfläche gefallen. Man erkennt drei Zonen. Zu äusserst liegen die heller gefärbten, hin und her gebogenen Spermiengeisseln. Alsdann folgt die breite, sehr auffällige Zone der intensiv dunkel violett tingierten Spermienköpfe. Zu innerst liegt dann der schmale Streifen der Haftsubstanz, die in Figur 8 ringförmig geschlossen erscheint. Es wurde schon erwähnt, dass sich diese Haftsubstanz in den Schnitten mit Eosin intensiv rot färbt. Die gleiche intensive Färbung nimmt auch eine zwischen den Spermiozeugmen im Ductus deferens reichlich vorhandene, unregel- mässig geronnene Zwischensubstanz an. Was die Entwicklung der Spermiozeugmen anbetrifft, so konnte ich in Serienschnitten durch den Hoden und den’ Ductus deferens feststellen, dass die sämtlichen Spermatiden einer Spermiozyste sich zu je einem Spermiozeugma zusammenlegen, so dass aus einer Zyste stets je ein Spermiozeugma hervorgeht. Fig. 8. Aus einem mit Hämatoxylin gefärbten Schnittpräparat von durch Zenkersche Flüssigkeit fixiertem Material. Parallel den beiden Flächen gefallener Durch- schnitt durch ein Spermiozeugma von Gomphus pulchellus Selys. Man sieht die helle Haftsubstanz, die darin steckenden, intensiv gefärbten Köpfe und die helleren Geisseln der Spermien. Leitz Objektiv VII, Okular III. Über die Samenkörper der Libellen. 183 Die Haftsubstanz ist dabei schon innerhalb der Zyste an dem Spermiozeugma ausgebildet. Mit Bezug auf die Stellung, welche senliesslich diese Spermio- zeugmen der Libellen unter den ähnlichen, bei anderen Insekten vorkommenden Bildungen einnehmen, verweise ich auf meinen zitierten, im „Biologischen Centralblatt“ ') erschienenen Aufsatz, in welchem ich hierüber schon nähere Ausführungen gemacht habe. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I und Il. (Tafel 1.) Die Figuren 1—3 sind in demselben Grössenverhältnis gezeichnet, wie die Abbildungen meiner zitierten früheren Arbeiten über Insektenspermien; ein jeder Teilstrich des Winkelschen Okularmikrometers Nr. 2, mit welchem die Objekte mit Winkels homogener Immersion 1:24 (Tubus nicht ausge- zogen) gemessen wurden, und bei welchem dann jeder Teilstrich — 0,001 mm wirklicher Objektgrösse beträgt, wurde in der Zeichnung gleich 1 mm gesetzt. Alle anderen Spermienzeichnungen der Tafel I und II sind in wesentlich grösserem Mafßstabe dargestellt worden. Fig. 1. Ganzes Spermium von Aeschna grandis L. Osmiumsäuredämpfe, Gentianaviolett. Fig. 2. Ganzes Spermium von Anax formosus Linden. Osmiumsäuredämpfe, g pP Gentianaviolett. Fig. 3. Ganzes Spermium von Gomphus pulchellus Selys. Osmiumsäure- dämpfe, Gentianaviolett. Fig. 4. Vorderer Teil des Samenkörpers von Aeschna grandis L. Sp. dunkel gefärbtes Spitzenstück an dem farblos gewordenen Kopf. Osmium- säuredämpfe, Gentianaviolett; das Präparat hatte 24 Stunden unter dem Deckglase gelegen. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensat.-Okular Nr. 12. Ganzes Spermium von Aeschna grandis L. Sp. dunkel gefärbtes Spitzenstück an dem farblos gewordenen Kopf. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensations-Okular Nr. 8. Behandlung wie bei Fig. 4. Fig. 6 und 7. Zwei Spermien von Aeschna grandis L. aus Mazerationspräpa- raten, welche einige Zeit in physiologischer Kochsalzlösung unter dem Deckglase gelegen und alsdann mit Gentianaviolett gefärbt waren. Sp. helles, kleines Spitzenstück an dem dunkel gefärbten Kopf. In Fig. 6 ist die Geissel ihrer ganzen Länge nach in zwei ungleiche Fasern gespalten, eine dickere, dunkel gefärbte und eine helle, dünnere. In Fig. 7 ist die dünnere, helle Faser in Fibrillen zerfällt, während die dickere Faser in zwei Teilfasern gespalten ist. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensations-Okular Nr. 8. 2 es for! Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. E. Ballowitz: Ein Spermium von Anax formosus Linden. Helles kleines Spitzen- stück an dem dunkel gefärbten Kopf. Die Geissel ist ihrer Länge nach in drei parallel nebeneinander liegende Fasern zerlegt. Die eine Faser davon ist fibrillär zerfallen. Behandlung und Färbung wie bei den Figuren 6 und 7. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensations-Okular Nr. 8. Isolierte Spermium-Geissel von Anax formosus Linden. V der vordere, deutlich abgesetzte, einem „Verbindungsstück“ ähnliche Abschnitt der (eissel, bis zu welchem diese in drei Fasern zerfallen ist. Behandlung, Färbung und Vergrösserung wie in der Figur 8. Vorderer Teil eines Spermiums von Aeschna grandis L. Sp. helles, kurzes Spitzenstück an dem dunkel gefärbten Kopf. V sehr deutlich abgegrenzter, einem „Verbindungsstück“ ähnlicher, vorderer Ab- schnitt der Geissel. Aus einem mit Gentianaviolett gefärbten Deckglastrockenpräparat. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensations-Okular Nr. 12. Vorderer Teil eines Spermiums von Aeschna grandis. V sehr deutlich abgegrenzter, einem „Verbindungsstück * ähnlicher, vorderer Abschnitt der Geissel. Aus einem mit Gentianaviolett gefärbten Deckglastrockenpräparat. Vergrösserung wie bei Fig. 10. 12 bis 15 von der Gattung Gomphus. 12. 13. 14. Ein ganzes intaktes Spermium von Gomphus nach Fixierung mit ÖOsmiumsäuredämpfen und Färbung mit Gentianaviolett. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensations-Okular Nr. 12. Ganzes Spermium von Gomphus pulchellus Selys. Der hintere Teil des Kopfes hat sich mit Gentianaviolett dunkel gefärbt. Die Geissel ist in zwei ungleiche Fasern zerfallen, von denen die dünnere länger ist als die dickere. Aus einem Mazerations-Präparat, welches mehrere Tage in physiologischer Kochsalzlösung unter dem Deck- glase gelegen hatte. Vergrösserung wie in der Fig. 12. Vorderer Teil eines Spermiums von Gomphus pulchellus Selys. Der hintere Teil des Kopfes ist gequollen. Bei V der intensiv gefärbte, einem „Verbindungsstück* ähnliche, vordere Abschnitt der Geissel. Aus einem mit Gentianaviolett gefärbten Deckglas- trockenpräparat. Vergrösserung wie in der Figur 12. . 15—17. Ganze Spermien von Gomphus pulchellus Selys, aus Mazerations- Präparaten, welche in physiologischer Kochsalzlösung mehrere Tage unter dem Deckglase gelesen hatten und mit Gentianaviolett gefärbt waren. Vergrösserung wie in der Figur 12. Der hintere Teil des Kopfes ist blasenartig gequollen. In den Figuren 15 und 16 ist die Geissel in zwei ungleiche Fasern zerspalten, von denen die eine etwas dünner und länger ist als die andere; in Fig. 16 ist auch das hintere Ende der dickeren Faser in zwei Teilfasern aus- einander gegangen. In der Fig. 17 ist die Teilung der dickeren Faser vollständig geworden und zeigt dann noch die fibrilläre Struktur der dünneren Faser. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Über die Samenkörper der Libellen. 155 18. Vorderes Ende einer isolierten Geissel, deren Kopf aufgelöst ist. Gomphus pulchellus Selys. V der intensiv gefärbte, einem „Verbindungsstück“ ähnliche, vordere Abschnitt der Geissel, hinter welchem die letztere sich in die beiden ungleichen Fasern zerlegt, Aus einem mit Gentianaviolett tingierten Deckglastrockenpräparat. Etwas stärker vergrössert als die vorigen Figuren. Zeiss homo- gene Immersion 1,5 mm, Kompensations-Okular Nr. 18, ige. 19—21. Lebensfrisch in physiologischer Kochsalzlösung untersuchte Spermiozeugmen bei schwacher Vergrösserung, Leitz Objektiv 3 Okular III, Tubus ausgezogen. In den Figuren 19 und 20 sind die Spermiozeugmen von der Fläche, in Fig. 21 von der Kante gesehen. Fig. 20 und 21 stammen aus dem Ductus deferens von Aeschna cyanea Müll, Fig. 19 von Gomphus pulchellus Selys. 22. Spermiozeugma aus dem Ductus deferens von Gomphus pulchellus Selys, frisch in physiologischer Kochsalzlösung untersucht, bei tiefer Einstellung im optischen Durchschnitt. Man sieht die helle, platten- artige Haftsubstanz, in welcher die Spermiumköpfe stecken. Zeiss Apochromat Obj. 8 mm, Kompensations-Okular Nr. 12. 23. Blumenkorbartiges Spermiozeugma von Anax formosus Linden, von der Kante gesehen, aus dem Ductus deferens von Anax formosus. Zeiss Apochromat Objektiv 8 mm, Kompensations-Okular Nr. 12. 24. Straussförmiges Spermiozeugma aus dem Ductus deferens von Aeschna grandis L., von der Kante gesehen, frisch in physiologischer Kochsalzlösung untersucht. Leitz Obj. 7, Okular III. . 25. Spermiozeugma aus dem Ductus deferens von Gomphus pulchellus Selys. Wie Fig. 22. Tafel II. 26. Ein von der konvexen Fläche gesehenes, lebensfrisch in physiolo- gischer Kochsalzlösung untersuchtes Spermiozeugma aus dem Ductus deferens von Aeschna pratensis Müll., bei mehr oberflächlicher Einstellung. Leitz Objektiv VII, Okular II. 27. Desgleichen von Gomphus pulchellus Selys, bei etwas tieferer Einstellung. Leitz Objektiv VII, Okular III, Tubus ausgezogen. 28-30. Drei frisch in physiologischer Kochsalzlösung untersuchte Spermiozeugmen aus dem Ductus deferens von Anax formosus Linden, von der konvexen Fläche gesehen. 28 und 29 bei mehr oberflächlicher, Fig. 30 bei tiefer Einstellung. Zeiss Apochromat Obj. 8 mm, Kompensations-Okular Nr. 12, 31. Mittlerer Teil eines Spermiozeugmas von Gomphus pulchellus Selys, im optischen Durchschnitt gesehen. Man erkennt die helle Haft- substanz, in welcher die Kopfspitzen stecken, wie die Nadeln in einem Nadelkissen. Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompen- sations-Okular Nr. 12. 3 FE T ‚e BREN® uk tod aan = Fo ltuht SR CAR SR alle? rate ee a N la: RR Hack und ae TO EHANSBUN ee SER Air ee, AT re et BR ER NT, ee Nmanır 2 RE ie RR Re N en 2 RA BR PIERRE: TR | AB: 0 1 RR NERRBLTERT Rare u Er: BTECHEL il. ee RER “ air wi * BL VE >... 0 we Le BE Pa kupik On Ban t VE ARE ER ee ES een: e BEE rl si NR TE A Er Te OST CANNELEN N. 1 AL EZUT at ER RISIKEN SRARER ’ bie c a er Au Ge! j 4 vi: ERBE BEALESITRTEF TAN P RR 2 Re 1944 ER Tara j Pe AlBaEr ih? slahier N rs TREE Kuladı ae RAN ae: 5 | RER ENT, SVRRSSRRGEERR WOHLE RE YET BER HR AR Klar. RE ” FERN hi Rt EISEN, Rn ide MANS ae 138 N E38; PS NDR IBEEH BNCNENN > N KERZE TEQN “RR : A ae Bes are ONE ee ’ ut, Krimi HER FEN art RT: ra N a q . IPE FIR SET Ey, g TE Me RN TER a ER I ET La f N N ee nl a Bi NUT REN el Ne RESTE oe RR TE N nen ach Ba FD ie IRSR AI, BALL Mh 11a 173 {u da: \ l (u h2 Ale Ve tif hipthn PR ü Eu ER 1, Pa rk a ERST N Ar DERTITERIP RN He ee hj IME. Air 33 TA SE In ma N nd Yy Taigalı IIY: Ade DEZE Re" +1 NE ai NE, EI, TIER! N na öl abge N an Bee Er Saft Ay u 1 R) als vn j eu ende j T Pr FE £ | ENLH ans SRAR Mor ET Be En ri A 4 TE WR RR WGY yo Mr 3 VER LTIR KEITH Srshl Mr Abe ER y 9 ‚Mrit 4 tr Aa ax EHRE N er Ka HD ANA Al Th Li Da Asien Kyb Kara ei a Tee DR ev; ih Ba: er Mar I 125 u Mitarb Me ee? Du» un ae Maren ’ } N a. N MET i = TER a = & » v Fi hun ls { Hi ’ ‚Mm L m . f p 5 Archiv Emikroskop Anatomie Ba_NXC, AbLH. TOR Anatomie BA_NC, AbEI. kop. Archiv Emikros Werner tu. Hinter, Frankfurt 9 DE DE DE Du De A DE DE HE Zu PIESCHEIEN DENE EHEN ME HE Er ee Eu Du ... Anna + FF E RTL 4. DEREK DENIM IE a ee ie EEE DENE NE DENE HE NH EZ EZ etz ae a * a ee ee ee ee ie E37 . Dunn ERICH IE NE) NEED EC HEIL IHN, “nr nn EURER KEKK NN “ Kemer Ku HH ee u a ER Ka EI Hi - RT DU RT Se re er EEE NEM. A „nn nm en „ob h* s uw hn ann ne - ne eure - DI BEI HE Erw 3c Pur) ee Ze 2 BEE ie 5 “nn. “.r “nen nn nn A re 2 Beh AA a» TEEN + FicWwng “ = ae ee ee“ „ fs KUH ENNCHE NH > ben a in a hr ee I a ia ei “rn hr FL De 5 LEHE UWE KE "# Ay } IT .. EEK arurs J nee j ng ee a ne EN EFT W, Bere x 25 “+ n % De + +» a u a N} ee . FUKENREHENK UL HNKENTT + IE “rn E rs -—.- RE Eh er on. , 4 26) +”% es ces) - rn. EEE HE ac HH . ”r ENT