Kat ui & < ut IK Eu 23 BER PK Kerr Re I I 262 N + “ > ER “. - PEN ee were, Te wur « 10% ? tal 2 i * RR .. : 44 rate ar RE KT BR im us LE HL u. “. Du MU Ey & ERLLE ETTLTTET 24 AN Fr E leisteten ee » rate , ee HIER EEE A RS : , RERELTER X ER N RN i , . warten et y Er + . " Ei + ao by 78, : 4 » e Met dad ‚ . ee "+ u “ua ... )) . UELI EN) r f “ “ TEN N, OL 7 raus ") > er £ 5% “ nr 042404 te v. , > “ Ss ar Se * ee Ä . Katz ß A, N 2 MORE 4 , EHE r 4.6 . [3 “08 Pan nr} r & > @, . [) eR,8, CHE, . EEE) MRS ' RZ N 4,0. % “ - > Po * +. ..- te & “ Y. A 97,9, er} PN K : f ve ne, { / gr Ä MH m ER ae “, er s ee, RERSECE LER IE = + $ .>. F} a. EEE 1% Ken, rar % LE ILHL, eetatt Ex. 6 . ot, nr. I DE FR ED EEE; “is “eo (} .. ” er s re - “ IH “ie e nu 2 i + 2 IE [2 ® Pi er 5 Best « e> . Beh ”. ” Be HH) ' Cu TG en a5 . “4 “un ne EIER MICHEL . ” 0° re 4 £ > 4 sure 1 ’ . AN n . . en vor “ . viertes - N OLE RLHLEEE N LER re DRAG nr . I er nu . Sa PA 7 ARCHIV für Mikroskopische Anatomie I. Abteilung für vergleichende und experimentelle Histologie und Entwicklungsgeschichte II. Abteilung für Zeugungs- und Vererhungslehre herausgegeben von 0. Hertwig und W. von Waldeyer-Hartz in Berlin Zweiundneunzigster Band II. Abteilung Mit 7 Tafeln und 21 Textfiguren — En BONN Verlag von Friedrich Cohen 1919 Inhalt. Abteilung I. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 22. November 1918. Seite Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. Von Dr. S. Gut- herz, Berlin. Hierzu Tafel I und II und 1 Textfigur Die Plastosomentheorie der Vererbung. Eine Antwort auf verschiedene Einwände Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu 18 Text- EN TR ER Re PN PL A ER N EEETDIE N TTECHE DER Die Entwicklung des Eierstockeies der Dohle (Colaeus monedula). Ein Beitrag zur Frage nach den physiologischerweise im Ovar statt- findenden Rückbildungsvorgängen. Von Dr. H. Stieve. (Aus dem Anatomischen Institut der Universität München. Direktor: Geheimrat Professor Dr. J. Rückert.) Hierzu Tafel II—VII BRAD Texiteuren! Sans ne te Ä IG3y4 2 41 137 a +, Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. . Von Dr. S. Gutherz, Berlin. Hierzu Tafel I und II und 1 Textfigur. Inhalt: Seite SO TILENTTNE a a Pe u Er EEE 37 EEE BETEN ji Beobachtungen am Ovar der Jugendform von Diestrammena marmorata 7 Beobachtungen am Ovar der jungen Hauskatze... .. 2.2.2.2... .14 BE RERLAchbng nn A Et ren urn En rENerzeichiiisal ses: er a ae ar DE ala. uote )36 BEREIE TEE UaUnE Se EM RN ET ae ne 32 lan. 39 Einleitung. Die von M. Nussbaum 1879 begründete Lehre vom Ur- sprung der tierischen Keimzellen hat seitdem ein breites tat- sächliches Fundament gewonnen und dementsprechend eine reiche Literatur gezeitigt. Doch sind auch jetzt noch, wie es bei einem so grossen und technisch vielfach schwierig zu erforschenden Gebiet verständlich ist, manche einschlägige Fragen unbearbeitet oder strittig. Einen Beitrag in letzterer Richtung bietet die vorliegende Mitteilung. Sie ist das Nebenprodukt nach anderen Gesichtspunkten unternommener Untersuchungen, die mich zu- fällig an Objekte führten, bei denen namhafte Autoren in bezug auf die Keimzellenbildung zu sehr auffälligen Ergebnissen gelangt sind. Deren Nachprüfung und eventuelle Berichtigung erschien mir wünschenswert. In Parenthese eine geschichtliche Bemerkung! Wiewohl v. Waldeyer- Hartz in seiner bekannten zusammenfassenden Darstellung unseres Wissens von den Geschlechtszellen (51, S. 400 ff.) das Verdienst Nussbaums um die Frage nach dem Ursprung der tierischen Keimzellen voll gewürdigt hat, ist es noch immer nicht allgemein anerkannt. Das erklärt sich leicht daraus, dass der Nussbaumschen Lehre, die er 1880 eingehender darstellte und zu einer Vererbungstheorie ergänzte, sehr bald (1883, 1885) die ihr in ihrer Grundlage wesensverwandte Weismannsche Keimplasmatheorie folgte. Seitdem wird Nussbaum in der Regel mit Galton, G. Jaeger, Rauber u.a. als Vorläufer Weismanns aufgeführt. Hier muss jedoch scharf zwischen Theorie und Tatsachenforschung unterschieden werden. Als Theoretiker werden wir Nussbaum mit Recht einen Vorläufer Weismanns nennen, da erst letzterer die beiden gemeinsamen Grundgedanken zu einem um- Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. II. 1 2 Dr. S. Gutherz: fassenden Lehrgebäude ausgestaltete und so einen tiefgehenden Einfluss auf die zeitgenössische Biologie übte. Nussbaum war indessen, wie v. Waldeyer- Hartz hervorhebt, der erste, der auf Grund eigener tatsächlicher Befunde. die bei niederen Vertebraten (Frosch, Forelle) ein sehr frühzeitiges Auftreten selbständiger Keimzellen erwiesen und ihre höchstwahrscheinliche Rück- führung auf unveränderte Furchungszellen, insbesondere bei Rana fusca, gestatteten, zwischen „Geschlechtszellen“ (als dem kontinuierlichen Grund- stock der Generationenreihe) und dem Zellenmaterial des Individuums unter- schied. Wenn Metschnikoff bereits 1866 bei Insekten die Keimdrüsen (Aphiden) oder nur die in ihnen enthaltenen Ei- und Nährzellen (Cecido- myiden) von bestimmten Furchungszellen abzuleiten vermochte und Grobben 1879, ungefähr gleichzeitig mit Nussbaums erster ge- nauerer Publikation, den gleichen Nachweis für die Keimdrüsen eines Phyllopoden führte, so waren damit zweifellos Feststellungen von ausser- ordentlicher Wichtigkeit gegeben. Doch sahen jene Forscher in ihren Befunden nur Besonderheiten, die mit der pädogenetischen bezw. parthenogenetischen Fortpflanzungsweise ihrer Untersuchungsobjekte in Zusammenhang ständen, während Nussbaum die allgemeinere Bedeutung seiner an bisexuellen Organismen gemachten Beobachtungen erkannte und so bewusst eine neue Arbeitsrichtung inaugurierte. Es scheint mir daher eine Forderung der Gerechtigkeit, Nussbaum als den Begründer dieses Forschungszweiges zu betrachten, den man heute die (morphologische) Keimbahnforschung zu nennen pflegt. Ehe wir uns unserem spezielleren Thema zuwenden, sei zunächst der Frage nach der Bedeutung des frühzeitigen Auf- tretens morphologisch !) charakterisierter Keimzellen in der Onto- genese und der sich anschliessenden nach dem Werte einer Keim- bahnforschung ?) eine kurze Betrachtung gewidmet. Nussbaum (1850) stellte einen prinzipiellen Gegensatz zwischen „Geschlechts- !) Der Ausdruck „morphologisch“ ist hier nicht so gemeint, dass es sich stets um zytologisch bereits differenzierte Genitalzellen handeln müsse. Vielmehr scheint es sich, wie Heymons (18) für die Arthropoden hervor- hebt, bei einer so frühzeitigen Differenzierung um einen sekundären Prozess zu handeln, da die Sonderung der Genitalzellen zum Beispiel bei manchen Insekten erst im Coelomsäckchen, bei anderen bereits im Beginn der Furchung erfolgt. Doch auch im ersten Fall kann man die Keimzellen auf bestimmte, am Hinterende des Eies ganz im Beginn der Entwicklung sich absondernde Zellengruppen zurückführen, was sogar bei Scolopendra (Heymons [18]) gelingt, wo die Keimzellen erst in der Genitalröhre aus „Genitalepithelzellen‘‘, Elementen, die teils zu Follikel-, teils zu Geschlechts- zellen werden, hervorgehen. Fehlt hier die frühzeitige zytologische Diffe- renzierung, so werden wir gleichwohl von einer morphologischen Keimbahn reden dürfen. ?) Vergl. hierzu v. Waldeyer-Hartz (51,S.404f.) und v. Beren- berg-Gossler (]). Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 3 zellen“ und Körperzellen auf: die ersteren, vom sich furchenden Ei durch einfache additionelle Teilung stammend, sollten allein Träger der vollen Vererbungstendenz sein, die letzteren hingegen, entsprechend der histologischen Arbeitsteilung, eine Einbusse an Potenzen erleiden und zwar auf dem Wege difierenzierender oder, wie man jetzt meist sagt, erbungleicher Zellteilung. Nussbaum wurde also durch seine Beobachtungen zu weittragenden vererbungs- theoretischen Folgerungen geführt. Weismann löst die sehr ähn- lichen Überlegungen, die den Ausgangspunkt seiner Keimplasma- theorie bilden, von der tatsächlichen Basis ab, indem er sie, ohne Rücksicht auf morphologische Befunde, für das gesamte Tier- und Pflanzenreich verallgemeinert; jedoch erblickt auch er wie seine Schule in den mikroskopischen Beobachtungen eine wertvolle Stütze der Theorie. Die evolutionistisch orientierten Nussbaum- Weismannschen Gedankengänge können heute nicht mehr den Unterbau einer ganzen Vererbungstheorie bilden, es handelt sich nur noch darum, ob sie sich der — abgesehen von der neovita- listischen Betrachtungsweise — zur Geltung gelangten mehr epigenetischen Richtung der Vererbungslehre einordnen lassen, die ihren prägnantesten Ausdruck in OÖ. Hertwigs Theorie der Biogenesis gefunden hat. Einen derartigen vermittelnden Stand- punkt hat Nussbaum in seinen späteren Schriften zum gleichen Thema (vgl. 36a, 36b) eingenommen, indem er Pflanzen und niedere, mit bedeutendem Regulationsvermögen begabte Tiere ausdrücklich von seiner Theorie ausschloss und diese erst von einer gewissen tierischen Organisationsstufe an, bei der mit der höheren Differenzierung der Gewebe besondere „Geschlechts- zellen“ auftreten, gelten liess. Damit war seine Anschauung, zumal sie nicht so scharf ins einzelne durchgeführt ist wie die Weismannsche und daher dem epigenetischen Geschehen auch für die höheren Tiere weit mehr Spielraum lässt, den Ergebnissen moderner biologischer Forschung angepasst, allerdings unter Verzicht auf ein einheitliches Erklärungsprinzip. Ohne an dieser Stelle in die Behandlung vererbungstheoretischer Fragen näher eintreten zu können, möchte ich die Annahme erbungleicher Zell- teilung während des ontogenetischen und verwandter Prozesse !), !) Dass auf Grund der Mendelschen Regeln beim sogenannten Reduktionsprozess in der Oo- und Spermiogenese eine erbungleiche Teilung wohl allgemein angenommen wird, braucht nur angedeutet zu werden. Hier 1% 4 Dr-S. Gutherz: wenn auch für zurzeit nicht direkt widerlegbar, so doch für unwahr- scheinlich erklären und von einer Verwertung der Tatsachen der Keimbahnforschung in dieser Richtung Abstand nehmen. Selbst wenn man diesen Standpunkt vertritt, bildet die Keimbahn- forschung immer noch ein sehr bedeutsames Kapitel der modernen Biologie. Einmal ist es, rein deskriptiv betrachtet, von hohem Interesse, den allerersten Ursprung der für den Organismus so wichtigen Fortpflanzungselemente möglichst genau zu ermitteln. Hieran schliessen sich vergleichend-morphologische Gesichts- punkte, deren wohl wichtigstes Ergebnis die von Nussbaum aufgestellte Homologie der männlichen und weiblichen Zeugungs- zellen ist, auf die er wiederum seine noch heute sehr bedeutsame Theorie der Sexualität gründete (35, S. 113). Sodann liegt ein entwicklungsphysiologisches Problem besonderer Art vor. Zwar hat O0. Hertwig (16,8. 550) erklärt, man könne mit demselben Recht wie eine Keimbahn eine Drüsen-, eine Muskel-, eine Ganglienzellen- und allerhand andere Zellbahnen unterscheiden, da sich ja letzten Endes alle Zellformen auf die Eizelle als ihren Ausgangspunkt zurückführen lassen, und Eigenmann (7), der einzige Autor, dem es bei einem Wirbeltier, einem Teleostier, gelang, die Genitalzellen durch direkte Beobachtung von Furchungszellen abzuleiten, hat in ähnlicher Weise den von ihm aufgefundenen Ent- wicklungsvorgang als einen histogenetischen Prozess wie jeden anderen aufgefasst. In der Tat ist eine solche Ansicht ebensowenig widerlegbar, wie die ihr extrem gegenüberstehende Deutung Nuss- baums. Wir bewegen uns hier eben auf einem Gebiet, das zurzeit einer unmittelbaren Erforschung noch kaum zugänglich ist. Doch scheint mir zur Erklärung des so frühzeitigen Auftretens der Ur- genitalzellen und besonders ihrer erst sekundär erfolgenden Ein- wanderungin die eigentliche Geschlechtsdrüsenanlage (Arthropoden, Vertebraten) eine Hypothese erlaubt, die etwa die Mitte zwischen den beiden genannten Ansichten hält: ich meine diejenige C. Rabls (40, S. 30), wonach bei der Reifung des Eies und der damit verbundenen Ansammlung von Dotter- und anderen für die Entwicklung notwendigen Substanzen ein Bezirk unver- handelt es sich aber um einen Vorgang ganz besonderer Art, der nichts mit dem individuellen Entwicklungsprozess zu tun hat. Ebensowenig lässt die vielleicht hierhergehörige heterokinetische Teilung der Geschlechts- chromosomen eine Verallgemeinerung zu. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 5 änderten Protoplasmas der jungen Eizelle erhalten bleibe und dann bei der Entwicklung des Eies nur auf eine bestimmte Zellenfolge, eben die Genitalzellen, übertragen werde. Allerdings möchte ich nicht wie Rabl einer bestimmten Zusammensetzung des Zellprotoplasmas einen entscheidenden Einfluss auf die Ver- erbung einräumen, vielmehr seine „organbildenden“ Substanzen mit OÖ. Hertwig nur als auslösende innere Faktoren der wesentlich vom Zellkern geleiteten Ontogenese auffassen und in dem ange- nommenen Erhaltenbleiben des einmal vorhandenen Protoplasmas gewissermassen ein mit der höheren Differenzierung des Orga- nismus erworbenes konservatives, ökonomisches Prinzip erblicken. In den Fällen, wo die Urgeschlechtszellen zwar frühzeitig, aber erst nach der Keimblattbildung oder anfangs bereits durch ihre Gruppierung, aber noch nicht zytologisch differenziert auftreten, werden wir die Hilfsannahme machen müssen, dass der Chemismus dieser Zellen bereits vor ihrer strukturellen Erkennbarkeit ein besonderer gegenüber den umgebenden Zellen sei. Die „Spezifität“ der Geschlechtszellen wäre demnach lediglich der Ausdruck dafür, dass bei zahlreichen, meist höher differenzierten Metazoen die Keimzellen nur im nahen Anschluss an die befruchtete bzw. parthenogenetisch sich entwickelnde Eizelle gebildet werden können. So aufgefasst, liesse sich die Sonderstellung der Ge- schlechtszellen, als ein wichtiger Spezialfall des allgemeinen Determinierungsproblems, sehr wohl der Hertwigschen Theorie der Biogenesis einordnen. Ferner ist die Keimbahnforschung auch von vererbungstheoretischer Bedeutung, wenn wir auch diese ihre Seite anders auflassen als Nussbaum und nach ihm Weismann: es scheint uns für phylogenetische Betrachtungen nicht unwesentlich, ob ein sehr frühes Embryonalstadium bereits spezifische Keimzellen besitzt oder nicht ; im ersteren Fall werden wir ein besonderes Empfangsorgan für äussere oder innere die Vererbung beeinflussende Reize annehmen dürfen und damit vielleicht eine höhere Empfänglichkeit für derartige Reize. Den hohen Wert, mit dem die Plastizität embryonaler Stadien in stammes- geschichtliche Ableitungen einzustellen ist, haben von neueren AutorenM. Nussbaum (36) und kürzlichO.Hert wig (16, S. 269) betont. Diese Betrachtung würde allerdings nicht zutreffen, wenn die Erfahrungen Towers (48) über das auf ihre Wachstums- und Reifungsperiode beschränkte „sensible“ Stadium der Keim- 6 Dr. S. Gutherz: zellen bei Käfern sich allgemein bestätigen würden, was erst der Feststellung bedarf. Endlich sei auf die von einigen Autoren erwähnte Möglichkeit hingewiesen, versprengte Urgenitalzellen als Mutterzellen für Teratome aufzufassen. Wie aus dem Gesagten bereits hervorgeht, besteht das Wesen der Nussbaumschen Lehre nicht nur in dem Nachweis sehr frühzeitig auftretender Keimzellen, die tatsächlich oder hypothetisch auf Furchungszellen zurückgeführt wurden, sondern auch in dem Postulat, dass ausschliesslich aus diesen zuerst ge- bildeten Zellen alle späteren Keimzellen hervorgehen und niemals einen Zuwachs aus andersartigem Zellenmaterial erfahren oder gar später durch andere Elemente verdrängt werden). Während über den ersten Punkt bereits eine weitgehende Übereinstimmung der Autoren erzielt ist, bestehen über den zweiten noch zahlreiche Kontroversen. Man darf sogar sagen, dass gegenwärtig für ge- wisse Objekte die Erforschung der Entstehung der Keimzellen in einer mehr oder minder weit entwickelten Geschlechtsdrüse neben dem Studium der embryonalen Vorgänge eine erhöhte Be- deutung gewonnen hat. So ist für die Wirbeltiere und den Menschen das frühzeitige Auftreten isolierter (reschlechtszellen im Embryo fast allgemein anerkannt und der Streit dreht sich im wesentlichen darum, ob diese Zellen nicht später wieder schwinden und in der Geschlechtsdrüse durch Neubildung aus dem ') Dagegen widerspricht dem Nussbaumschen Prinzip nicht die Feststellung, dass aus den Urgeschlechtszellen vermöge ihrer Totipotenz auch einseitig differenzierte Hilfszellen des Geschlechtsapparates hervorgehen (vgl. S. 8). Wenn daher v. Berenberg-Gossler (3) auf Grund von Beobachtungen an Eidechsenembryonen zu einer wahrscheinlichen Ablehnung der Nussbaumschen Lehre für die Vertebraten gelangt, indem er die von ihm beschriebenen „entodermalen Wanderzellen“, die den Urgeschlechts- zellen der Autoren gleichen, zur Bildung des Wolff’schen Ganges beitragen lässt und ihnen daher einen spezifischen Charakter abspricht, so scheint er mir nicht genügend die Möglichkeit erwogen zu haben, dass hier aus den ursprünglichen Genitalzellen neben den endgültigen Fortpflanzungszellen aus- schliesslich genitale Hilfszellen hervorgehen könnten. Aber selbst die Um- bildung von Genitalzellen zu Körperzellen mit beliebiger Funktion würde schliesslich das Nussbaumsche Prinzip nicht ohne weiteres aufheben, und so wäre auch das weit verbreitete Vorkommen der entodermalen Wander- zellen in der Blutbahn des Entenembryos (v. Berenberg), deren Schicksal noch nicht festgestellt ist, von vornherein nicht unvereinbar mit der Ge- schlechtszellennatur jener Elemente. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 7 Coelomepithel ersetzt werden '!). In diesem Sinne hat Felix (8) treffend von primären und sekundären Genitalzellen gesprochen. Ein ähnliches Problem besteht auch für die Insekten, wenngleich es hier bisher noch nicht in dieser Weise formuliert wurde. Die letzte Betrachtung leitet uns zu unserem eigentlichen Thema über. Beobachtungen am Ovar der Jugendform von Diestrammena marmorata. Wie stark gerade für die Klasse der Insekten die Über- zeugung von der Spezifität der Keimzellen ins Bewusstsein der Forscher gedrungen ist, zeigt der Versuch Janets (21), einen Vergleich zwischen dem Soma des Insekts und dem pflanzlichen Sporophyten einerseits und zwischen der Keimdrüse des Insekts und dem pflanzlichen Gametophyten andererseits durchzuführen: die sich bei manchen Insektengruppen bereits im Beginn der Blastodermbildung ablösenden und schliesslich in das Innere des embryonalen Soma einwandernden Sexualzellen werden hierbei mit pflanzlichen Sporen verglichen ?), ein Vergleich, den der Ver- fasser allerdings später (1913) mit Recht als nur physiologisch, nicht morphologisch zutreffend bezeichnet. In der Tat ist das Vorkommen frühzeitiger Sonderung der Geschlechtszellen, wie Philiptschenko (39) hervorhob, für alle grösseren Ordnungen !) Eine besondere Schwierigkeit besteht für die Gattung Rana. Für die Männchen, die sich bei Rana esculenta zu 100°/ aus überreifen Eiern — also unter abnormen Bedingungen — entwickeln, hat Kuschakewitsch (25) beschrieben, dass ihre Keimzellen ausschliesslich vom Peritonealepithel oder vom Axialmesenchym abstammen. Hier hat infolge der experimentellen An- ordnung entweder eine Verschiebung der keimzellenbildenden Faktoren auf andere Teile des sich entwickelnden Embryos stattgefunden oder es sind sonst latente Potenzen geweckt worden, was der Nussbaumschen Lehre widersprechen würde. Wenn dagegen Kuschakewitsch auch für die normale Entwicklung neben einer frühzeitigen Bildung von Keimzellen aus dem sekundären Entoderm dieselbe Entstehung der Keimzellen wie bei der Spätbefruchtungsreihe zulässt, so scheint mir das noch der Nachprüfung zu bedürfen, da Witschi (56) neuerdings für Rana fusca, das klassische Objekt Nussbaums, die Spezifität der Keimzellen bestätigt. Auch für die aus überreifen Eiern entstehenden Individuen wäre wohl eine Nachuntersuchung darüber wünschenswert, ob wirklich neben dem Peritonealepithel das Mesen- chymgewebe Genitalzellen den Ursprung geben kann. 2) Dasselbe Bild hat Soyer (46) gebraucht. (6) Dr. S. Gutherz: von Insekten in wenigstens einem oder mehreren Fällen nach- gewiesen; bei Käfern wurde sogar ein bestimmter, strukturell charakterisierter Bezirk des noch ungefurchten Eies experimen- tell als notwendige Bedingung für die Entstehung von Genital- zellen erkannt (Hegner [15]). Unentschieden bleibt es da- gegen bei Insekten, was aus den ursprünglichen Genitalzellen schliesslich hervorgeht, ob, um das uns hier allein interessierende Ovar heranzuziehen, nur Eizellen und Nährzellen, die nichts anderes als abortive Eizellen darstellen, oder auch die übrigen Zellenarten der Eiröhre: Epithelzellen und Endfadenzellen. Selbst im letzteren Falle, wenn also zwischen eigentlichen Geschlechtszellen und Körperzellen eine grössere Übergangs- gruppe eingeschaltet wäre (vgl. S. 6, Anm. 1), ist die Nuss- baumsche Lehre nicht als erschüttert zu betrachten. Ich bin geneigt, den ersteren Fall als den allgemeiner verbreiteten zu betrachten. Doch haben auch neuere Autoren sich mehr oder minder deutlich für die zweite Möglichkeit ausgesprochen. So hat Grünberg (13) in seiner sorgfältigen Studie an Lepidopteren den Ursprung der im Bau den Genitalzellenkernen sehr ähnlichen „kleinen Kerne“ der frühen Geschlechtsdrüse, aus denen das Epithel des Eiröhrenstiels und sekundär die Follikelzellen hervor- gehen, unentschieden gelassen, und Marshall (29, 30) tritt bei einem Hymenopteron und einer Phryganide auf Grund seiner Beobachtungen an Embryonen und jungen Larven für die ge- meinsame Abstammung aller Zellenarten des Ovars ein: Soyer(46) geht sogar so weit, die einheitliche Entstehung der Elemente des Endfadens und der Endkammer des Insektenovars für das häufigere Vorkommnis zu erklären. In derartigen Fällen wird die Frage nach der Entstehung der Geschlechtszellen im ausgebildeten Ovar zu einer solchen von mehr untergeordneter Bedeutung. Anders dort, wo im Laufe der Embryonalentwicklung die Genitalzellen mit mesodermalen Elementen in Verbindung treten, aus welch letzteren allein später Endfaden- und Epithelzellen des Ovars hervorgehen, wie dies in besonders klarer Weise die grund- legenden Untersuchungen von Heymons (17) an Dermapteren und ÖOrthopteren, sowie diejenigen von Saling (44) am Mehl- käfer gezeigt haben. Wird hier in der entwickelten Geschlechts- drüse die Entstehung von Genitalzellen aus anders geartetem Zellenmaterial behauptet, so kann es sich nur um Bildung von Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 9 sekundären Genitalzellen im Sinne von Felix!) handeln, damit würde aber das Nussbaumsche Prinzip durchbrochen. Es er- wächst daher die Pflicht, solche Angaben sorgfältig zu prüfen. Halten sie dem nicht stand, so darf die Nussbaumsche Theorie für die Insekten als endgültig bewiesen gelten. Vorstehende Betrachtungen waren erforderlich, um zu den Ergebnissen Vejdovskys (50, S. 91ff.) am Ovar von Diestram- mena marmorata die richtige Stellung zu gewinnen. Unser Autor gelangt zu einer Angabe der letzterwähnten Art, indem er im Ovar dieser Locustide die Geschlechtszellen aus Endfadenzellen hervorgehen lässt. Im einzelnen soll das so geschehen, dass in der an die Endkammer der Ovarialröhre sich ansetzenden ver- breiterten Basis des Endfadens mitotische Zellteilung erfolgt und die so entstandenen Zellen — unter Ausschaltung eines eigent- lichen Oogonienstadiums — sich zu Oozyten ausbilden. Die Oogonien wären mit anderen Worten, ohne als solche kenntlich zu sein, unter den Zellen der Endfadenbasis zu suchen, denn die End- fadenbasis gibt nach Vejdovsky, da er allein an dieser Stelle, nicht aber im übrigen Endfaden oder in der Endkammer, Mitosen vorfindet, auch neuen Endfadenzellen und den Epithelzellen der Endkammer den Ursprung. Grossen Wert legt Vejdovsky auf die zytologischen Prozesse, die sich nach seiner Darstellung bei der Herausbildung der OÖozyte aus der Endfadenzelle abspielen und die er als „Pseudoprophase“ charakterisiert. Er fügt damit zwischen letzte Oogonientelophase und Leptotaenstadium der Oozyte ein neues Stadium, das er auch als erste „Synaptozyten- periode“ bezeichnet. Vejdovsky ist geneigt, einen derartigen Modus der Eibildung, der nach unserer obigen Darstellung nur als eine sekundäre oder akzessorische Genitalzellenbildung aus Endfadenelementen zu betrachten wäre ?), bei Insekten, insbe- sondere Orthopteren, für weit verbreitet zu halten. Dem stehen indessen die Angaben in der Literatur entgegen. Wenn nämlich unser Autor aus Buchners (5) Abbildungen der Oogenese von !) Genauer würde man hier von akzessorischen Geschlechtszellen sprechen, da die primären Elemente weiter bestehen und nur einen Zuwachs, keinen Ersatz erfahren würden. ?) Vejdovsky selbst freilich glaubt, indem er die so überaus klaren embryologischen Beobachtungen von Heymons u.a. gleichwohl umzudeuten versucht, in dem Endfaden die alleinige Quelle der Genitalzellen erblicken zu dürfen. 10 Dr. S. Gutherz: Grylius campestris auf ähnliche Verhältnisse wie bei Diestrammena schliesst, so ist er einem Irrtum verfallen. Buchner bildet vielmehr morphologisch wohlcharakterisierte Oogonien ab, und diese Oogonien sind weder mit Epithel- noch mit Endfadenzellen durch Übergänge verbunden. Auch sei erwähnt, dass ich 1908 (14a) für Gryllus domesticus das besonders klare Hervortreten des Oogonienlagers im Ovar der Jugendform betont habe. Für dieses Objekt kommt die Vejdovskysche Ansicht keinesfalls in Betracht). Dass ich sie auch für Diestrammena?) nicht annehmen kann, möchte ich an der Hand der beigegebenen Abbildungen (Tafel IT) erläutern und sodann erst gewisse Einzelheiten der Vejdovskyschen Darstellung näher betrachten. Unsere Ab- bildungen beziehen sich sämtlich auf das Ovar der Jugendform von mittlerer Grösse (Fixation: Carnoys Gemisch, Färbung: Eisen- hämatoxylin nach Heidenhain sowie Biondische Lösung) und dürften dem von Vejdovsky untersuchten Stadium sehr nahe stehen. Figur 1b zeigt uns einen etwas schrägen Schnitt durch die Endkammer des Ovars, die dementsprechend nicht in Zu- sammenhang mit dem Endfaden getroffen ist. An der Spitze der Endkammer liegt eine typische Mitose im Anaphasenstadium. Die beträchtlich grosse Zelle (Og) ist bei der Schnittdieke von 5 u nur zum Teil im Schnitt enthalten, die ergänzenden Figuren 1a und lc geben die in den Nachbarschnitten enthaltenen Teile der Zelle wieder; die Kombination der drei Schnitte zeigt uns die deutlichen Polstrahlungen mit je einem Zentrosom. Unter der beschriebenen Zelle liegen drei zum Teil grössere Zellen, die sich leicht als Oozyten im sogenannten Pachytaenstadium erkennen lassen, unter ihnen wiederum zwei schon im Wachstum weit vorgeschrittene Oozyten mit grossem, bläschenförmigen Kern. ') Auch die Berufung auf MeGills (31) Befunde an Libellenovarien trifft nicht zu, da nach der eigenen Angabe der Autorin die typischen Oogonienmitosen in ihren Abbildungen nur deshalb fehlen, weil ein zu spätes Entwicklungsstadium des Ovars konserviert wurde. Verfasserin war ferner schon wegen dieser Seltenheit der Oogonien in ihren Präparaten nicht in der Lage, einen Übergang zwischen Endfadenelementen und Oogonien exakt zu ermitteln. } °”) Die mir vorliegende Spezies, aus Japan in deutsche Gewächshäuser eingeschleppt, wurde nach Brunner v. Wattenwyls Monographie der Stenopelmatiden (Wien 1888) als Diestrammena marmorata de Haan be- stimmt, ist sonach mit der von Vejdovsky untersuchten Art identisch. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 11 Aus dieser Schilderung ergibt sich ohne weiteres, dass die oben beschriebene in Mitose begrifiene Zelle eine typische Oogonie ist. Es ist auch nicht schwer, die zu solcher Mitose gehörigen Ruhestadien aufzufinden, wie uns Figur 2 und 3 zeigen, die zugleich, besonders deutlich Figur 3, den Übergang zum End- faden demonstrieren. Figur 2 zeigt in ihrer unteren Hälfte zwei Oozyten des Pachytaenstadiums und eine dritte solche Zelle im Anschnitt. Die obere Hälfte der Figur wird von einer Gruppe kleinerer Kerne eingenommen, in deren Mitte ein grösserer, von einem schmalen, aber deutlich abgegrenzten Plasmahof um- gebener Kern (Og) liegt. Die kleineren Kerne sind als zu End- faden- bzw. Epithelzellen gehörig zu betrachten, die zentral gelegene Zelle als Oogonie; deren Kern unterscheidet sich von den umliegenden durch das feiner verteilte Chromatin. Figur 3 zeigt uns am unteren Ende drei Oogonien. welche sich in mehr oder weniger weit vorgeschrittener Prophase befinden. in einem der Oogonienkerne (Og‘) sind die Chromosomen bereits deutlich kondensiert. Über den Oogonien liegen die grobscholliges Chromatin aufweisenden Endfadenkerne, zunächst in doppelter, dann in einfacher Reihe; ihre Grösse wechselt, erreicht aber mitunter fast oder ganz diejenige derOogonienkerne. In Figur 4 sehen wir zwei Oogonien im Ruhestadium, deren Kerne durch schwach angedeutete Lappung ausgezeichnet sind, ein Befund, den wir öfter antreffen, wie auch Figur 2 (Og) etwas Ähnliches zeigt. In Figur 5 endlich bilde ich die Mitose (em) einer mittelgrossen Endfadenzelle inmitten des Endfadens ab, einmal zum Grössen- vergleich mit der Oogonienmitose in Figur 1, sodann, um das Vorkommen von Mitosen in grösserer Entfernung von der End- kammer zu demonstrieren. Bemerkenswert ist hier das auch von anderen Autoren hervorgehobene Vorhandensein einer deutlichen Zellgrenze inmitten des im übrigen synzytial gebauten Endfadens. Übergangsbilder zwischen Endfadenkernen und Oogonien habe ich niemals mit irgendwelcher Sicherheit wahrnehmen können. Wohl kann bei der verglichen mit anderen Orthopteren, z. B. Grylliden, sehr bedeutenden relativen Grösse der Endfadenkerne !) gelegentlich ein Zweifel auftauchen, ob ein Kern als Endfaden- !) Auf die bedeutende absolute Grösse der Diestrammena-Zellen wird noch weiter unten hingewiesen; die Endfadenkerne sind ausserdem noch durch bedeutende relative Grösse vor den übrigen Zellen des Ovars, 112 Dr. S. Gutherz: oder Oogonienkern zu betrachten sei. Aber damit liegt noch kein Grund vor, die Selbständigkeit der Oogonien in Frage zu ziehen. Als Nebenbefund, der in keiner Beziehung zu unserem Thema steht, sei die auffallende, sich bei Biondi-Färbung ergebende Nukleolenarmut des Ovars von Diestrammena verzeichnet: in den Endfadenkernen sowie in Epithel- und Follikelzellenkernen sind nur sehr kleine, ohne spezifische Färbung kaum erkennbare echte (rotgefärbte) Nukleolen nachweisbar, die daher in unseren Figuren, bei Heidenhain-Färbung, nicht hervortreten; auch in den Oogonien sind nur kleine, wenig in die Augen fallende echte Nukleolen aufzufinden, während Chromatinnukleolen (basophile) ganz zu fehlen scheinen. Wie wenig die Nukleolenverhältnisse mit der systematischen Stellung einer Spezies zu tun haben, zeigt, dass Buchner (6) bei einer Troglophilus- Spezies, also ebenfalls einer Stenopelmatide, grosse Chromatinnukleolen in der Oogonie beschreibt. Wann bei Diestrammena der grosse Nukleolus der schon beträchtlich gewachsenen Oozyte (des auf unserer Fig. 1b unten dar- gestellten Stadiums, wo der in Frage stehende Nukleolus nicht mit im Schnitt getroffen ist), dessen fädige Struktur Vejdovsky zur Annahme der so- genannten zweiten Synapsis der Chromosomen geführt hat, entsteht, wurde von mir nicht untersucht; dieser Nukleolus zeigt bei der Biondi- Methode azidophile (rötliche oder orange) Färbung und nimmt nicht Methylgrün an, wie man nach Vejdovskys Deutung erwarten sollte. Nach Darlegung unserer Befunde können wir zu Vejdovskys Beweisführung Stellung nehmen. Vejdovsky lässt die distalsten Kerne des Endfadens durch allmähliche Übergänge, die er nicht im einzelnen schildert. zu einem Stadium heranwachsen, das ziemlich gut unserem Ruhestadium der Oogonie entspricht, ohne dass allerdings der charakteristischen Lappung des Kernes ge- dacht wird. Einen Übergang zwischen Endfaden- und Oogonien- kernen können wir indessen nicht bestätigen. Überhaupt ist den sogenannten Übergangsbildern der Histologen, falls sie nicht durch eine deutliche Bilderreihe belegt sind, kein hervorragender Wert beizulegen, wenn man bedenkt, wie stark hier Zufällig- keiten in der Grösse, Lagerung, Fixation usw. der Zellen eine Täuschungsquelle bilden können. Ein weit wichtigeres Argument Vejdovskys liegt in der Angabe, dass er niemals eine reguläre insbesondere den Epithelzellen, ausgezeichnet. In der zahlreiche Insekten verschiedenster Ordnungen behandelnden Darstellung von Gross (12) findet sich kein Fall, wo die Endfadenkerne wesentlich oder überhaupt grösser sind wie die Epithelkerne, dagegen mitunter das Umgekehrte. Das Verhalten von Diestrammena scheint also ein exzeptionelles zu sein. Man möchte vermuten, dass hier die Endfadenkerne schon frühzeitig durch Grösserwerden sich von den Epithelkernen differenziert haben und auf dem uns vorliegenden Stadium kaum mehr durch genetische Beziehungen mit ihnen verknüpft sind. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 13 Mitose der nach seiner Ansicht aus den Endfadenzellen durch Wachstum hervorgegangenen Zellen, also unserer Oogonien, beobachten konnte. Traf dies zu, so musste, falls überhaupt die Oogenese in Gang bleiben sollte, eine Neubildung von Keimzellen mit Sicherheit aus anders geartetem Zellenmaterial, also den End- faden- oder Epithelzellen, erfolgen. Unser Nachweis typischer Öogonienmitosen widerlegt Vejdovskys Argument und bringt zugleich eine Deutung des merkwürdigen pseudoprophasischen Stadiums, mit dem er die Synaptozytenperiode beginnen lässt und dem er — als einer vergeblichen Anstrengung zur Zell- teilung — grossen Wert für die Deutung des synaptischen Pro- zesses als Überwindung eines Depressionsstadiums der Zelle bei- legt. Nach meiner Überzeugung handelt es sich hier um wirk- liche prophasische Prozesse, die Vejdovsky nur deshalb nicht richtig deutete, weil es ihm nicht gelang, das zugehörige aus- gebildete Mitosestadium aufzufinden, und es fragt sich nur noch, wie unserem Autor dieses Stadium entgehen konnte. Auch hierfür findet sich eine befriedigende Erklärung und zwar in der für Diestrammena charakteristischen ausserordentlichen Zellengrösse. Diese bewirkt, dass es besonders im Ovar, das ja eine weit ge- ringere Zellproliferation aufweist wie der Hoden, nicht leicht ist, alle Stadien aufzufinden. Denn da die einzelne Zelle sehr gross ist, müsste auch das gesamte Organ sehr gross sein, sollte es alle Stadien enthalten: tatsächlich ist aber z. B. der Hoden von Diestrammena eher kleiner als der von Gryllus, dessen Zellen- grösse weit geringer ist. So erklärt sich die nur beschränkte Ausdehnung des Keimlagers im Ovar von Diestrammena und da- mit der Irrtum Vejdovskys. Da die Zahl der Nachkommen bei unserer Spezies nach meinen Beobachtungen sicher eine recht grosse ist, so ist anzunehmen, dass trotz der geringeren Zahl von Zellen nicht weniger fertige Geschlechtsprodukte gebildet werden wie bei kleinzelligeren Formen, dass somit die Ent- wicklungsprozesse und die Zellteilungen besonders rasch ablaufen, und dies wird leicht verständlich, wenn man bedenkt, dass die Tiere in sehr hoher Temperatur leben (in Orchideenhäusern). Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich aus unserer Be- schreibung und Diskussion die Selbständigkeit der Keim- zellen von Diestrammena, insbesondere ihre Unab- hängigkeit vom Endfaden, ergibt. 14 Dr. S. Gutherz: Beobachtungen am Ovar der jungen Hauskatze. Wir wenden uns zu einem zweiten Objekt, der Hauskatze. Auch hier ist es, um das uns interessierende Problem genau zu präzisieren, notwendig, eine kurze Skizze des gegenwärtigen Forschungsstandes zu entwerfen. Noch 1903 hat sich v. Waldeyer-Hartz (öl, S. 239) über die Frage nach dem Vorkommen Nussbaum scher „Geschlechtszellen“ bei den Säugern sehr zurückhaltend. wie folgt, ausgesprochen: „Alle Autoren leiten ohne Ausnahme die Ureier vom Keimepithel ab: die Frage, ob beim Menschen und bei den Säugetieren nicht auch besondere ‚Geschlechtszellen‘ vorhanden wären, die sich zu den Ursamenzellen einerseits, zu den Ureiern andererseits fort- entwickelten, ist bis jetzt kaum berührt worden: jedenfalls liegen noch keine Befunde und speziell hierauf gerichtete Untersuchungen vor.“ Inzwischen ist die Forschung weitergeschritten. Den gelegentlichen Befunden vereinzelter ausserhalb der Genitalregion gelegener, als Geschlechtszellen imponierender Zellen (Paladino [38], Nagel [33], v. Waldeyer-Hartz [51, S. 356], ist der systematische Nachweis von primären, erst später in die Geschlechts- drüsenanlage einwandernden Genitalzellen bei Säugetieren (Rubaschkin [42, 43], Fuss [11]) und dem Menschen (Fuss) gefolgt. Doch ist hier, wie bei den Amnioten überhaupt, die Kontinuität dieser primären Zellen mit den endgültigen Geschlechtsprodukten, noch gar die alleinige Herkunft der letzteren von den ersteren, zurzeit keineswegs sicher erwiesen. Die anfänglich in der jungen Geschlechtsdrüse durch ihre Grösse und Kernstruktur ausser- ordentlich charakteristischen primären Genitalzellen verschwinden nämlich nach Angabe der meisten Autoren allmählich, so dass auf einem bestimmten Stadium das Parenchym anscheinend nur noch aus einem einheitlichen Zell- typus, den Epithelzellen, aufgebaut ist. Zwar glaubt Rubaschkin (43) auch dann noch auf Grund seiner Untersuchungen am Meerschweinchen in der Gestalt ihrer Mitochondria oder Plastosomen (Körnerform) ein zuverlässiges Erkennungsmittel der Genitalzellen zu besitzen und auf diese Weise die primären Genitalzellen als alleinige Quelle aller späteren Genitalzellen bei den Säugetieren proklamieren zu können. Doch haben eine Reihe von Autoren (Levi [28], v. Berenberg-Gossler [2], Firket [10]) gewichtige Bedenken gegen seine Beweisführung erhoben, da andere Objekte durchaus nicht stets körnige Plastosomen in den Genitalzellen zeigen, anderseits somatische Zellen solche besitzen können. Bei dieser Lage der Dinge, die unten noch näher erörtert werden soll, erscheint die Ansicht v. Winiwarters und Sainmonts (55) bemerkenswert, wonach bei der Katze die grossen hellen, in der frühen Ovarialentwicklung auf- tretenden Zellen nicht in die Genitalzellenreihe gehören sollen, sondern als zeitweise hypertrophierte Elemente zu betrachten wären. Auf Grund dieser Ansicht lehnen v. Winiwarter und Sainmont das Vorkommen primärer Genitalzellen bei den Säugern überhaupt ab und suchen die Befunde anderer Autoren in ihrem Sinne umzudeuten. Was führte sie zu ihrer Auffassung? Die bei etwa 33 Tage alten Katzen-Embryonen — Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 15 nach der Schilderung unserer Autoren — in den Marksträngen und im Keimepithel auftretenden grossen Zellen sind nach 5 Tagen aus dem Keimepithel verschwunden und beginnen in den Marksträngen nach ungefähr 12 Tagen zu verschwinden, ein Prozess, der nach weiteren 3 bis 5 Tagen bis auf sehr seltene Ausnahmen vollendet ist. Dass die grossen Zellen in- folge von Degeneration zugrunde gingen, ist nicht anzunehmen, da ver- änderte Formen sowohl im Keimepithel wie in den Marksträngen nur ausser- ordentlich selten zu finden sind, während das ziemlich rasche Verschwinden aller dieser Zellen durch Degeneration notwendig eine Menge von veränderten Zellenbildern herbeiführen müsste. v. Winiwarter und Sainmont werden so zu der Hypothese geführt, dass diese Elemente eine vorübergehend hypertrophierte Form der gewöhnlichen Markstrangzellen darstellten ; ihr Verschwinden sei die Folge ihrer Rückkehr zur gewöhnlichen Form, die Ur- sache dieser Hypertrophie bleibe problematisch. Eine Stütze ihrer Auffassung erblicken die Verfasser in der Beobachtung, dass gleichzeitig mit den „grossen Zellen“ auch die gewöhnlichen Strangzellen an Volumen abnehmen; es sei fast sicher, dass auch sie an der vorübergehenden Hypertrophie teil- nähmen. Nach v. Winiwarter und Sainmont existiert niemals ein morphologisches Band zwischen den grossen Zellen und den Oozyten, die sich später in den Marksträngen differenzieren, ebensowenig zwischen jenen und den ÖOozyten der primitiven Rindenzone (Pflügersche Schläuche). Der letztere Punkt erscheint mir allerdings nicht ganz sicher erwiesen. Beim 33 Tage alten Embryo sehen wir die grossen Zellen im Keimepithel er- scheinen, gleichzeitig beginnt die erste Bildung der Rindenstränge oder Pflügerschen Schläuche; doch sollen die grossen Zellen stets an der Stelle, wo sich die jungen Rindenstränge bilden, einem bestimmten, von den Ver- fassern genau bezeichneten Punkt an der Peripherie des Övars, bereits fehlen. Schon beim 34 Tage alten Embryo werden echte Keimzellen (‚„noyaux poussieroides‘) in den Rindensträngen beschrieben. Die wenigstens teilweise Kontinuität zwischen diesen Keimzellen und den „grossen Zellen“ scheint mir nun keineswegs ausgeschlossen, wenn man die sehr häufigen individuellen Entwicklungsschwankungen in Betracht zieht, die auch v. Winiwarter und Sainmont hervorheben und die bei so naher zeitlicher Koinzidenz von Entwicklungsprozessen deren Deutung sehr erschweren können. Doch lege ich auf diesen Punkt keinen zu grossen Wert, da bei der Katze — wenigstens für gewisse Zellfolgen — später die sichtbare morphologische Kontinuität sicher durchbrochen wird. Hierauf sowie auf die Möglichkeit, trotzdem die Befunde im Sinne der Nussbaumschen Lehre zu interpre- tieren, soll weiter unten eingegangen werden. Die Angaben v. Winiwarters und Sainmonts, wonach die „grossen Zellen“ erst nach der Differenzierung der weiblichen Keimdrüse auftreten sollen, sind von Rubaschkin (42) beim gleichen Objekt dahin ergänzt worden, dass bereits im Stadium der indifferenten Keimdrüse typische Urgeschlechtszellen zu beobachten sind, die er sogar noch auf extraregionäre Genitalzellen zurückzuführen vermochte. Da ferner nach den Abbildungen v. Winiwarters und Sainmonts eine ausserordentliche Ähnlichkeit zwischen echten Keimzellen („noyaux deutobroques“) und den sogenannten grossen Zellen besteht, so bin ich mit Rubaschkin ge- 16 Dr. S. Gutherz: neigt, die letzteren als primäre Genitalzellen anzusprechen. Übrigens würde selbst ein völliges Zugrundegehen der grossen Zellen, das die Verfasser ja nicht annehmen, durchaus nicht ihre Geschlechtszellennatur widerlegen. So hat kürzlich Firket (10) gezeigt, dass beim Huhn die primären Geschlechts- zellen, die sich aus gewissen Besonderheiten ihres Verhaltens hier mit grosser Sicherheit als solche erkennen lassen, zum grössten Teil, vielleicht sogar ganz der Degeneration verfallen; er erblickt in ihnen sozusagen eine phylo- genetische Reminiszenz, während ihre Funktion von neugebildeten, aus dem Coelomepithel stammenden Genitalzellen übernommen werde. Ein weit wich- tigerer Grund als die von v. Winiwarter und Sainmont angeführten gegen die Geschlechtszellennatur der „grossen Zellen“ der Katze und ähn- licher Zellen der übrigen Säugetiere scheint mir in der von diesen Autoren gemachten Angabe zu liegen, dass bei den oogenetischen Prozessen der Katze sowohl in den Mark- und Rindensträngen als auch im Keimepithel ein morpho- logisch als solches erkennbares Oogonienstadium vermisst werde; die Oogonien seien vielmehr unter den Epithelzellen zu suchen, also nicht von künftigen Follikelzellen zu unterscheiden. Trifft diese Behauptung zu, welche v. Wini- wart:«rs frühere Befunde beim Kaninchen (53) bestätigen würde, so wird es it 'shem Maße unwahrscheinlich, dass vor der eigentlichen Eibildung als solche erkennbare Urgeschlechtszellen oder Ureier auftreten sollten, es müsste denn die eigentliche Oogenese prinzipiell anders verlaufen, als die primäre Oogenese, wie ich hier die Gesamtheit aller an den primären (weiblichen) Genitalzellen!) sich abspielenden Prozesse — bis zu ihrem eventuellen Ein- münden in die eigentliche (sekundäre) Oogenese — bezeichnen möchte. Das von v. Winiwarter für die Säugetiere aufgestellte Oogonienproblem, welches wir im folgenden bei der Katze näher untersuchen wollen, spielt aber nicht nur in die Frage nach dem Geltungsbereich der Nussbaumschen (zeschlechtszellenlehre hinein, sondern beansprucht auch für sich selbst Beachtung. Es kann nicht gleichgültig sein, ob die höchst entwickelten Orga- nismen in bezug auf ein wichtiges Stadium der Eibildung auf das gleiche Niveau mit Spongien oder Hydroidpolypen gestellt werden sollen, bei denen die Oozyte direkt aus einer indifferenten Zelle hervorgeht. Auch müsste es befremden, wenn es nicht ge- lingen würde, ein Homologon zu den morphologisch wohlcharak- terisierten Ursamenzellen oder Spermiogonien der Säuger in der entsprechenden weiblichen Zellenfolge aufzufinden. R. Vander Stricht (49) hat die Angaben v. Winiwarters und Sainmonts !) Hierbei wird stillschweigend angenommen, dass bei den Säugern das Geschlecht bereits im Beginn der Entwicklung bestimmt wird. Andern- falls hätte es keinen Sinn, von männlichen oder weiblichen primären Genital- zellen zu reden. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 17 über die Oogonien der Katze in einer vornehmlich mit der Dotterbildung sich befassenden Abhandlung kurz bestätigt, v. Winiwarter ist am embryonalen menschlichen Ovar zu der gleichen Auffassung gelangt. Das sind weitere Gründe, die mich veranlassen, die Oogonienfrage einer erneuten Bearbeitung zu unterziehen '). Die uns zu Gebote stehenden Ovarien der Katze stammten in einem Exemplar vom neugeborenen Tier (Fixation: Carnoys Gemisch), in neun Exemplaren vom drei Wochen alten Tier (Fixation: Carnoys Gemisch, Flemmings starkes Gemisch, dasselbe modifiziert nach Meves, Bouinsche Flüssigkeit u. a.; Einbettung in Paraffın, Schnittdicke 5 und 10 a; Färbung für die Zwecke der vorliegenden Mitteilung: Eisenhämatoxylin nach Heidenhain, Brasilin?). Dieses Untersuchungsmaterial war unter Gesichtspunkten gesammelt worden, die erst in ner späteren Publikation berücksichtigt werden sollen. Es weicht aber für die Behandlung der Oogonienfrage vollkommen aus und gestattet noch, jüngste zytologische Stadien der eigentlichen Oogenese zu untersuchen: dagegen fallen die primären Genital- zellen nicht mehr in den Bereich unseres Materials. Die folgende Beschreibung bezieht sich hauptsächlich auf das drei Wochen alte Ovar. Zur allgemeinen Orientierung sei hier nur bemerkt, dass auf diesem Entwicklungsstadium, das der klassischen Beschreibung der Keimschläuche durch Pflüger zugrunde gelegen hat, das Keimepithel einschichtig erscheint und da, wo es nicht mit Keimschläuchen oder Rindensträngen ?) in Zusammenhang steht, !) Von Autoren, die bei höheren Tieren den Modus der direkten Oozyten- bildung aus indifferenten Zellen beschreiben, sind nur noch Vejdovsky, dessen Ansicht wir für Diestrammena im vorhergehenden Abschnitt unserer Mitteilung widerlegt haben, und Marshall (29,30) zu nennen. Firket (10) nimmt für die Oogenese des Huhnes eine Zwischenstellung ein. Wenn ich seine Darstellung richtig verstehe, so sollen hier die Oozyten der Markstränge direkt aus Epithel- zellen hervorgehen, während er für die Rindenstränge die von d’Hollander (19) beschriebenen charakteristischen Oogonienstadien bestätigt. ?) Die Konservierung und Einbettung der Präparate erfolgte 1912 während einer Assistententätigkeit am biologischen Laboratorium der Universität Bonn. Die zur Untersuchung verwendeten Tiere waren in gutem, zum Teil in vorzüglichem Ernährungszustande, worauf besonders geachtet wurde. ®) Die Ausdrücke „Keimschlauch“ und „Rindenstrang“ werden im folgenden als gleichbedeutend verwendet. Archiv f.mikr. Anat. Bd.9. Abt. II 2 18 Dr. S. Gutherz: scharf durch das bindegewebige Stroma abgegrenzt wird; lebhafte Neubildung von Rindensträngen ist noch im Gange, die sich zwischen die zugespitzten Anfangsstücke der älteren Stränge in die Tiefe schieben. Das Ovar der neugeborenen Katze wird gelegentlich zum Vergleich herangezogen werden: hier ist das Keimepithel vielfach zweischichtig und steht noch in grösserer Ausdehnung mit den Keimschläuchen in Verbindung. Im übrigen sei auf die instruktiven Abbildungen von v. Köllikers (24) vom Ovar der neugeborenen Katze und auf die wichtige, zahl- reiche embryonale und nachembryonale Entwicklungsstadien um- fassende Abhandlung v. Winiwarters und Sainmonts (55) hingewiesen. Obgleich von den meisten Untersuchern der Säugetier- oogenese die Entstehung jugendlicher Keimzellen aus Epithel- zellen angegeben wird, halte ich es nicht für unwichtig, diese Angabe, welche zunächst der Nussbaumschen Theorie strikt zu widersprechen scheint, nochmals kurz zu bestätigen. Dass Keimzellen sich aus Epithelzellen entwickeln, legt bereits ein Vergleich zwischen dem Keimepithel des drei Wochen alten und dem des neugeborenen Tieres nahe‘. Während sich in dem ersteren vielfach grosse Zellen von offenbarem Geschlechtszellen- charakter auffinden lassen (Tafel II, Figur 13, 14, 15), konnte ich bei letzterem diese grossen Elemente garnicht auffinden, sie sind also aller Wahrscheinlichkeit nach aus Epithelzellen entstanden, was die genauere Untersuchung denn auch lehrt. Besonders einfach gestaltet sich der Nachweis der frühesten Keimzellen- bildung da, wo er nach dem von Bühler (4) beim neugeborenen Kaninchen beschriebenen Modus verläuft: es finden sich in dem im übrigen einschichtigen Keimepithel zwei übereinander gelagerte Zellen, die durch eine senkrecht zur freien Eierstocksoberfläche gerichtete Mitose entstanden zu denken sind; indem die basal gelegene Zelle stärker heranwächst und dadurch die apikale Zelle abplattet, charakterisiert sie sich als junge Eizelle. In Figur 8 bis 10 gebe ich entsprechende Bilder von der Katze (Figur 9 vom neugeborenen Tier, daher kleinere Zellen zeigend). Figur 10 stellt ein etwas fortgeschrittenes Stadium dar, in welchem die apikale Zelle sich bereits wiederum geteilt hat; sie gibt den 2) Alle folgenden Angaben beziehen sich auf die drei Wochen alte Katze, falls nicht ausdrücklich anderes bemerkt wird. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 19 künftigen Follikelzellen der ihr zugeordneten jungen Eizelle den Ursprung. Senkrecht zur freien Oberfläche stehende Mitosen konnte ich im Keimepithel nur sehr selten auffinden, das hat aber nichts Auffälliges, da Mitosen im Keimepithel überhaupt nur sehr spärlich zu bemerken sind. Ich bin mit Bühler der Ansicht, dass die beiden übereinanderliegenden Zellen durch eine Mitose. der sehr bald ein Difterenzierungsprozess folgt, entstanden sind. und glaube nicht. dass die eigentümliche Anordnung der beiden Zellen durch Umlagerung zweier zuvor nebeneinander- liegenden Elemente zustande gekommen sein könnte. Die charakteristischen Doppelzellen, welche ich im folgenden kurz als Bühlersche Zellen bezeichnen möchte, finden sich nicht nur im Keimepithel, sondern mitunter auch im Anfang von in Bildung begriftenen Keimschläuchen: meist aber scheint die basale Zelle sich schon im Keimepithel zu bedeutenderer Grösse heranzubilden. Die von Bühler geschilderten Zellen sind merkwürdigerweise in der Literatur über die Eientwicklung der Säugetiere, soweit mir bekannt, nicht wieder ausdrücklich beschrieben worden. Sie stellen zwar nicht den einzigen Weg der frühesten Eibildung dar. aber sie besitzen doch, wie wir später sehen werden, ein besonderes Interesse für die Frage nach dem Ursprung der Keimzellen. Einen anderen Modus der Eibildung im Keimepithel zeigen uns Figur 6 und 7: hier finden sich einzelne Zellen mit etwas grösserem hellerem Kern, von denen die eine (Figur 7) den Kern der Nachbarzelle in charakteristischer Weise keilförmig abgeplattet hat. Endlich lassen sich in den Keimschläuchen deutliche Übergänge zwischen den Epithelzellen und den grösseren Elementen von offenbarem Geschlechtszellencharakter leicht demonstrieren. Solche Bilder finden sich nicht selten bei der drei Wochen alten Katze, besonders schön aber beim neugeborenen Tier. Ich verweise in dieser Beziehung auf Figur 16, wo wir den Übergang von der Epithelzelle (ep) zur ausgebildeten typischen Vogonie (Og) gut studieren können. Bei der neugeborenen Katze!) 1) v. Kölliker (23) hat im Keimepithel einer neugeborenen Katze Ureier, d.h. grosse Zellen von Sexualcharakter, beschrieben. Es handelt sich hierbei wohl um einen Fall besonders weit vorgeschrittener individueller Ent- wicklung, da v. Winiwarter und Sainmont sowie der Verfasser auf jenem Stadium diesen Befund noch nicht erheben konnten. Bei der acht Tage alten Katze hat H. Rabl (41) Ureier im Keimepithel beschrieben, beim 1—2 Tage alten Tier Loewenthal (28a). ES [1 20 Dr. S. Gutherz: fehlen, wie bereits erwähnt, die grossen Zellen von Geschlechts- zellencharakter und die Bühlerschen Zellen sind wesentlich seltener zu bemerken als beim drei Wochen alten Tier: ich vermute, dass die letzteren in jüngeren Entwicklungsstadien garnicht mehr aufzufinden sein werden. Aus v. Winiwarters und Sainmonts Darstellung ist das nicht mit Sicherheit zu entnehmen, da sie von ihnen weder in diesen noch in den späteren Stadien erwähnt werden. Ich fasse dementsprechend den Ei- bildungsprozess im Oberflächenepithel des Säugetierovars als etwas Sekundäres auf: mit der fortschreitenden Entwicklung ist eine Beschleunigung des Prozesses eingetreten, indem die Epithel- zelle. während sie sich noch im eigentlichen Epitlielverbande befindet. bereits zur Weiterbildung schreitet. Dadurch, dass der oogenetische Prozess die Oberfläche des Ovars ergreift, enthüllt das Oberflächenepithel seine Natur als wirkliches Keimepithel besonders sinnfällig, wenn dieselbe auch bereits indirekt durch die noch im Gange begriftene Einwucherung von Rindensträngen bewiesen wird. v. Winiwarter und Sainmont machen sogar die Angabe, dass bei der 4'/g Monate alten Katze alle Derivate der Rindenstränge durch Degeneration geschwunden seien und nun die definitive Rindenzone des Ovars durch völlige Neubildung aus dem Keimepithel entstehe, eine Angabe, welche zwar von Kingsbury (22) bezweifelt, dagegen von Rubaschkin (43) kurz bestätigt wurde. v. Winiwarter (54) vermutet für das menschliche Ovar einen ähnlichen Prozess,wobei die Neubildung aus dem Keimepithel in die Vorbereitungszeit der Pubertät anzusetzen wäre. Unsere Beobachtungen an der Katze sowie die sich ihnen anreihenden Literaturangaben stehen in starkem Gegensatz zu der Auffassung einiger Autoren, welche dem Oberflächenepithel des Säugetierovars jede Fähigkeit zur Eibildung abzusprechen geneigt sind. Wenn Skrobansky (45) von dem 11 em langen Schweineembryo angibt, „dass man bereits in diesem Alter nicht mehr von einer Bildung von Oogonien im Keimepithel sprechen kann“, so darf diese Beobachtung nicht verallgemeinert werden !). Mcellroy (32) ist sicher im Irrtum, wenn sie beim 17 Tage und beim 4 Wochen alten Kätzchen das Öberflächenepithel '!) Wie ich nachträglich finde, hat Loewenthal (28a, S. 365) sogar noch für den 15 cm langen Schweineembryo Ureier im Keimepithel beschrieben. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 21 durchweg aus unveränderten Epithelzellen zusammengesetzt sein lässt und ihm eine blosse Schutzfunktion zuzuerteilen geneigt ist. Die basale Bühlersche Zelle bezw. beliebige Epithelzellen der Öberflächenschicht oder der Rindenstränge gehen bei ihrer Entwicklung zur Genitalzelle in einen Zellentypus über, wie er in Figur 12 und 13 dargestellt ist. Es handelt sich um Zellen von schon bedeutender Grösse, mit rundlichem oder ovalem grossen Kern. Der Kern ist von einem weitmaschigen achromatischen Retikulum erfüllt, dem feinere oder gröbere Chromatinpartikel- chen aufgelagert erscheinen; meist zentral liegt ein volu- minöser echter Nukleolus, die Retikulumfäden haben die aus- gesprochene Tendenz, sich auf diesen Nukleolus hin zu orientieren. Der beschriebene Kerntypus findet sich im Oberflächenepithel sowie in den peripherischen Partien der Keimschläuche. Die in Figur 11 abgebildete, bereits von einem Kranz follikelartig an- geordneter Epithelzellen umgebene Zelle von Genitalcharakter zeigt in ihrem Kern schon eine deutliche Annäherung an den eben geschilderten Kerntypus; gewöhnlich finden sich aber bei so kleinen Kernen noch Übergangsbilder, wie solche für das Ovar der neugeborenen Katze in Figur 16 dargestellt sind. Es sei hier gleich allgemein bemerkt, dass für die von uns untersuchten Stadien des Katzenovars, insbesondere beim 3 Wochen alten Tier. eine strenge Beziehung zwischen Kerngrösse und Entwicklungs- grad der Genitalzellen überhaupt nicht besteht. — Sind die Zellen vom eben beschriebenen Typus Ureier bzw. Oogonien, d. h. noch der Vermehrung durch Teilung fähig oder sind sie bereits in die Wachstumsperiode eingetreten, also Oozyten, wie es der Ansicht v. Winiwarters und Sainmonts entsprechen würde? Es lässt sich leicht beweisen, dass das erstere der Fall ist. Figur 15 zeigt uns eine derartige Zelle im Keimepithel in früher Prophase, Fig. 14 in voller Metaphase. Der Gedanke, dass die hier abgebildeten Zellen etwa indifferente Keimepithelzellen wären, kann bei ihrer Grösse wohl nicht im entferntesten ent- stehen, ebensowenig dürfte die Möglichkeit in Frage kommen, dass es sich um degenerative Vorgänge handeln könne. Letzteres wird durch die zahlreichen ganz normalen mitotischen Prozesse an ebenso grossen oder gelegentlich sogar noch grösseren Zellen im Bereich der Rindenstränge vollends ausgeschlossen. Ich leugne nicht das Vorkommen abnormer Mitosen, wie Triaster, Tetraster, 2 Dr. S. Gutherz: Karyomerie u. a., aber diese Vorgänge überschreiten nicht das Maß dessen, was wir von degenerativen Prozessen an den Ruhe- kernen beobachten, und es geht keinesfalls an, jede Mitose einer grösseren Zelle von Genitalcharakter als Degenerations- phänomen zu betrachten, wie es v. Winiwarter (53) für die Oogenese des Kaninchens getan hat. Figur 17a zeigt uns aus dem peripherischen Bezirk eines Rindenstranges vier Zellen in mehr oder minder weit vorgeschrittener Prophase, die ein durchaus klares und normales Bild darbieten. Figur 17a führt uns zugleich zu einem zweiten Kerntypus, der aus dem ersten hervorgegangen und mit ihm durch ganz allmähliche Übergänge verbunden ist: wir sehen bei Og einen nur angeschnittenen Ruhekern, dessen Hauptteil mit dem voluminösen Nukleolus auf Fig. 17b wieder- gegeben ist. Der Fortschritt gegenüber dem vorigen Stadium besteht darin, dass sich die nach dem Nukleolus zentrierten Fäden stärker herausdifferenziert haben und chromatinreicher geworden sind; die Querverbindungen der Fäden sind zum grossen Teil aufgehoben, öfter finden sich dicht unter der Kernmembran kürzere oder längere parallel zu ihr verlaufende Fädchen oder Schlingen, wodurch die Kernperipherie chromatinreicher erscheint. Dieses eigentümliche Kernbild entspricht dem deutobrochen Kern- typuıs v. Winiwarters und Sainmonts. Man wäre auf den ersten Anblick hin geneigt, es der Prophase nahezustellen, dagegen spricht aber entschieden das gegenüber der Zahl der Mitosen ausserordentlich viel häufigere Bild dieses Kerntypus. Auch diese Kerne sind nach meiner Überzeugung noch der Teilung fähig und müssen als solche von Vogonien betrachtet werden. Zwar ist dies nicht so unmittelbar zu beweisen wie bei der erst beschriebenen Zellform, denn man wird es einer Prophase nicht ohne weiteres ansehen können, ob sie dem ersten oder zweiten Kerntypus an- gehört, zumal diese Kerne sozusagen immer schon auf dem Sprunge zur Prophase stehen und dadurch schwer als wirklich prophasisch zu erkennen sein werden. Doch gelang es mir in einigen Fällen sichere Prophasen aufzufinden, deren Chromosomen noch eine deutliche radiäre Anordnung um den Nukleolus zeigten, was mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den zweiten Kerntypus hinweist. Mehr Wert möchte ich bei meiner Beweisführung auf die topographischen Beziehungen zwischen diesen Kernformen und den Mitosen legen, die häufig, wie bereits aus Figur 17 Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 23 hervorgeht, sehr enge sind. Vielfach findet sich ausschliesslich der besprochene Kerntypus im peripherischen Teil der Keim- schläuche, während der erste Typus nicht mehr aufzufinden ist. In solchen Fällen, in denen Mitosen nicht weniger zahlreich sind, wird man sie naturgemäss auf den zweiten Kerntypus zurück- führen müssen. Ferner zeigen sich Mitosen auch unterhalb der Kerne der zweiten Art, selbst neben weiter vorgeschrittenen Kernstadien, wie etwa Synapsisbildern, in Gebieten, wo Zellen der ersten Form niemals angetroffen werden. Es hat mir lange Mühe gemacht, über die Kernformen ins Klare zu kommen, welche v. Winiwarter und Sainmont als „noyaux poussieroides“ beschrieben haben und als jüngstes Stadium der Oozyten betrachten, dem sich, durch Übergänge verbunden, die „deutobrochen Kerne“ angliedern; dieselben sollen durch ihr staubförmig verteiltes Chromatin, äusserst geringe Färbbarkeit und durch ihr Vorkommen in der Peripherie des Ovars charakte- risiert werden. Ich suchte lange vergeblich nach ihnen und glaubte schliessiich. sie in Zellen gefunden zu haben, die sich, allerdings wenig häufig, meist gruppenweise im peripherischen Teil von Keimschläuchen, selten auch im Keimepithel auffinden lassen. Dieselben sind durch ein äusserst feines achromatisches Netzwerk, mit feinsten Chromatinpartikelchen beladen, aus- gezeichnet (Fig. 20); sie besitzen einen verhältnismässig kleinen Nukleolus, neben dem sich meist grössere oder kleinere Chromatin- brocken vorfinden.!) Diese Kerne stellen indessen, wie ich bald erkannte und wie ihr seltenes Vorkommen bereits nahe legt, kein selbständiges Stadium dar, sie sind vielmehr das letzte Glied der telophasischen Prozesse, die sich an Zellen des ersten und zweiten Typus abspielen; dies zeigen uns Übergangsbilder zwischen den vermeintlichen „Staubkernen“ und sicheren späten Telophasen, wie sie in Figur 18 und 19 dargestellt sind. In Figur 20 sehen wir im Kern der rechts gelegenen Zelle, wie sich die Fäden !) Ganz ähnliche Bilder vom gleichen Objekt hatte bereits Loewenthal (28a, S. 370, Fig. 5 und S. 373) vor Augen. Er wusste ihnen jedoch keine sichere Deutung zu geben und nahm die oft sehr unregelmässig gestalteten Chromatinkörper irrtümlich für eigenartige Funktionsstadien des Nukleolus. Die sonstigen Angaben desselben Autors über den Nukleolus im „Urei‘ der Katze berühren unseren Gegenstand nicht, da sie sich in der Hauptsache erst auf das heute als Oozyte bezeichnete Stadium, insbesondere die Synapsis, beziehen. 24 Dr. S. Gutherz: bereits auf den Nukleolus zentrieren und so der Übergang zum fertigen Kern gewonnen wird. Die wirkliche Aufklärung über die Staubkerne v. Winiwarters und Sainmonts erhielt ich auf ganz anderem Wege. Ich fand nämlich in einem Ovar, das mit Flemmings starkem Gemisch in der Modifikation vonMeves (mit vermindertem Essigsäurezusatz) fixiert war, Bilder, die voll- kommen identisch mit den von v. Winiwarter und Sainmont beschriebenen waren (Fig. 21). Diese Kerne befanden sich nur im peripherischen Teile von Ovarialquerschnitten und zwar in einer Zone, die im ganzen das deutliche Bild der „Überfixation“ mit Osmiumsäure und dementsprechend stark herabgesetzte Färb- barkeit aufwies (vgl. hierzu v. Tellyesniczky [47]. Merk- würdigerweise hatte die Laune des Fixationsmittels andere Teile derselben Schnitte nicht in der gleichen Weise betroffen, sondern „normal“ fixiert. Figur 23 zeigt aus einer Partie der letzteren Art desselben Schnittes wie in Figur 21 einen Kern vom zweiten Typus, der in seiner Lage im Keimschlauch genau dem in Figur 21 abgebildeten Staubkern entspricht. Das Ovar der anderen Seite desselben Tieres war in Carnoyscher Flüssigkeit fixiert und zeigte durchweg Kerne von typischer Struktur, wie einen solchen Fig. 24 darstellt. Mitunter zeigen die überfixierten Oogonien- kerne auch ein etwas anderes Bild, nämlich gröbere Granulierung (Fig. 22). Ich bin der Ansicht, dass die von v. Winiwarter und Sainmont beschriebenen „noyaux poussieroides“ nichts anderes als derartige durch starke Osmiumwirkung überfixierte Zellkerne sind. Dafür spricht, dass jene Autoren sich ausschlies- lich der Flemmingschen Flüssigkeit als Fixationsmittel bedient haben, sowie der Umstand, dass sie die Staubkerne nur in peri- pherischen Partien des Ovars auffanden. In ihren Präparaten dürfte die überfixierende Wirkung der Osmiumsäure nicht so weitgehend gewesen sein wie bei unseren oben beschriebenen Schnitten des nach Meves fixierten Ovars, wo an gewissen Stellen sämtliche Oogonien homogenisiert erschienen. So kamen v. Winiwarter und Sainmont zu der Vorstellung, dass die Staubkerne ein reguläres Vorstadium ihrer deutobrochen Kerne, d.h. der Oogonien vom zweiten Typus darstellten. Auffallen muss zwar die Regelmässigkeit, mit der v. Winiwarter und Sainmont ihre Staubkerne beschreiben, während sie in unseren Präparaten nur an bestimmten Stellen des ÖOvars ausgeprägt Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 25 © hervortreten, und die Kerne in unseren Flemmingpräparaten zwar vielfach homogener erscheinen, aber nicht gerade den aus- gesprochenen Staubtypus darbieten. Dies dürfte sich vielleicht durch irgendwelche von v. Winiwarter und Sainmont an- gewandte Prozeduren bei der Fixation, z. B. die Lagerung des Objektes im Fixationsmittel oder die Quantität der Fixierungs- tlüssigkeit erklären. Die Frage, ob das mehr homogene Bild der Natur näher steht als das strukturierte, wie z.B. v. Tellyes- niczky meint, kann uns hier nicht beschäftigen; es kommt uns lediglich darauf an, nachzuweisen, dass ein besonderes Stadium vom Typus der Staubkerne bei der Katze nicht existiert. Eine kurze Bemerkung fordert noch die Angabe v. Winiwarters und Sainmonts, dass sie in den „Staubkernen“ und den „deuto- brochen“* Kernen, um hier von späteren Stadien abzusehen, stets zwei Nukleolen angetroffen hätten. Diesen Befund kann ich nicht bestätigen. Ich finde nur gelegentlich in den Oogonien beider Typen statt eines zwei, dann meist kleinere Nukleolen. Mit dieser Feststellung entfällt auch die Annahme v. Winiwarters und Sainmonts, dass der eine der Nukleolen ein Gebilde besonderer Art, ein Heterochromosom, sei. Auf letzteren Punkt beabsichtige ich in einer späteren Publikation zurückzukommen. Den Oogonien vom zweiten Typus gliedert sich als nächstes Stadium eine Zellform an, deren Kern einen weiteren Differen- zierungsschnitt zeigt: der Kernraum ist noch leerer geworden, wenige sehr in die Augen springende Chromatinfäden laufen von der Peripherie in radialer Richtung auf den Nukleolus zu, die Querverbindungen der Fäden sind ganz aufgehoben, die Peripherie des Kernes erscheint noch chromatinreicher wie im vorigen Stadium. Die Zellen dieser Art (Fig. 25) haben, verglichen mit den grössten der Oogonien vom zweiten Typus, bedeutend an Grösse zugenommen. Es handelt sich hier zweifellos um Oozyten. Indem die Oogonie vom zweiten Typus ganz allmählich in die eben beschriebene Oozyte übergeht, ist es klar, dass man es einer Zelle nicht ohne weiteres ansehen kann, ob sie noch eine der- artige Oogonie, also der Teilung fähig ist oder bereits die Be- stimmung in sich trägt, in die Wachstumsperiode einzutreten und so zur Oozyte zu werden. Auch die topographischen Verhältnisse der Zellen lassen uns hier ganz im Stich, da keineswegs die verschiedenen Stadien sich regelmässig nacheinander, von der 26 Dr. S. Gutherz: Peripherie nach dem Zentrum zu geordnet, in den Keimschläuchen vorfinden. Beispielsweise kann man mitunter Synapsisstadien oberhalb von jüngeren Oozytenstadien oder Oogonien antreffen. Solche Unregelmässigkeiten scheinen sich mir, abgesehen davon, dass offenbar auch in späteren Entwicklungsstadien von Keim- schläuchen noch Epithelzellen die Entwicklung zur Keimzelle aufnehmen können, am besten damit zu.erklären, dass die Ver- mehrungszahl bei den einzelnen Oogonien eine verschiedene ist. Keimepithel Primäre Genitalzelle Oogonie I Oogonie II Vocyte Figur 1. Schema der jüngsten Stadien der sekundären oder eigent- lichen Oogenese bei der Hauskatze. Mit gestrichelten Linien sind die hypothetischen Beziehungen zur primären Oogenese bezeichnet. Eine einfache Verbindungslinie zwischen zwei Zellen bedeutet das Hervorgehen der zweiten aus der ersten durch Wachstum und Differenzierung, eine mit Kernspindel versehene Verbindungslinie zeigt die Einschaltung einer oder mehrerer Mitosen an. Der Dotterkernapparat ist nach R. Vander Stricht in das Schema aufgenommen. Im Keimepithel neben indifferenten Elementen auch Bühlersche Zellen. Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 27 Eine Bestätigung findet diese Annahme durch die Beobachtung, dass mitunter schon weit vorgeschrittene Entwicklungsstadien (selbst Leptotaenstadien) im Keimschlauch bis ins Oberflächen- epithel hineinreichen können, wie auch H. Rabl [41] angibt. Sind die Oogoniengenerationen zahlreicher, so wird das OVozytenstadium erst später, d.h. weiter unten im Keimschlauch erreicht werden, wie im umgekehrten Falle. Es wäre auch denkbar, dass eine Oogonie vom zweiten Typus oder sogar eine ganz junge OVogonie, wie es Skrobansky nach seinen Beobachtungen am Schwein für möglich hält, gelegentlich, ohne sich mehr zu teilen, direkt in die Oozyte übergeht. Eine genaue Feststellung dieser Ver- hältnisse stösst aber wegen der Schwierigkeiten der Seriierung auf unüberwindliche Hindernisse. In nebenstehendem Schema (Textfig. 1) sind unsere Er- gebnisse am Katzenovar zusammengefasst. Das Keimepithel soll in demselben die Gesamtheit der in der Oberflächenschicht wie in den Rindensträngen vorhandenen zur Oogenese befähigten Epithelzellen repräsentieren. Durch gestrichelte Linien sind die hypothetischen Beziehungen zur primären Oogenese hergestellt, auf welche weiter unten noch genauer eingegangen wird. Hier sei nur bemerkt, dass von der primären Genitalzelle oder „Ge- schlechtszelle* im Sinne Nussbaums zwei Wege zur Oogonie denkbar sind, von denen der eine direkt ist, der andere über die indifferente Epithelzelle führt. Die im Schema gegebene Grössendifferenz zwischen der Oogonie vom ersten und derjenigen vom zweiten Typus stellt nur einen Durchschnittswert dar; wie bereits angeführt, schwanken die Grössen der verschiedenen Zellstadien in sehr weiten Grenzen. Die im Keimepithel anzu- treffenden Oogonien vom ersten Typus sind z. B. häufig grösser als die im oberen Abschnitt von Rindensträngen gelegenen Oogonien erster bzw. zweiter Ordnung, was auf eine Abnahme der Zellerösse infolge rascher Zellteilung hindeutet. Eine ähnliche Beobachtung über die Abnahme der Oogoniengrösse im Laufe der Entwicklung machte Skrobansky beim Schwein. Um die Charakterisierung der Oogonien abzurunden, habe ich den Dotterkernapparat (Dotterkern nebst Dotternkernlager), dem ich keine besondere Untersuchung gewidmet habe, nach den Angaben von R. Vander Stricht (1911, 49) in das Schema mit aufge- nommen. Vander Stricht bezeichnet zwar unsere Oogonien 28 Dr. S. Gutherz: als Oozyten, aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dass er in diesem Punkt demselben Irrtum verfallen ist wie v. Winiwarter und Sainmont. Dass die Oogonien der Katze bereits einen wohl ausgebildeten Dotterkernapparat besitzen, kann nicht auffallen, nachdem d’Hollander (19) diese Bildung in den Oogonien des Huhnes in ausgezeichneter Klarheit nachgewiesen hat. Eine Be- handlung gewisser nomenklatorischer Fragen lässt sich passend hier anschliessen. Dürfen wir die basale Bühlersche Zelle sowie die anderen ersten Entwicklungsschritte der Epithelzelle zur Oogonie als Ureier bezeichnen? Die Antwort hängt ganz von dem Standpunkt ab, welchen man zur Nussbaumschen Theorie einnimmt. Lässt man die ÖOogonien gewissermassen epigenetisch aus beliebigen Epithelzellen hervorgehen, so wird man ihre ersten Entwicklungsstadien passend als Ureier be- zeichnen; auch wird man dann von „zenitaloiden Zellen“ im Sinne von Felix (9) reden dürfen. Anders, wenn die Entstehung der Oogonien aus bestimmten, sozusagen präformierten Zellen angenommen wird: dann werden wir besser von jungen Oogonien sprechen und den Ausdruck „Ureier* für die primären Genital- zellen der sich eben zum Eierstock differenzierenden Geschlechts- drüsenanlage reservieren. Ferner erhebt sich die Frage, ob die von v. Winiwarter vorgeschlagene Bezeichnung „deutobrocher Kern“, welche vielfach in die Literatur Eingang gefunden hat, nach unseren Ergebnissen noch zutreffend ist. Die Bezeichnung „deutobroch“ hat v. Winiwarter zuerst beim Kaninchen (53) angewandt und zwar für eine Zellform, die er ausschliesslich als junge Oozyte deutete, während es sich nach meiner Überzeugung dabei auch um Oogonien handelt. Die Bezeichnung hatte hier einen guten morphologischen Sinn, indem die betreffenden Kerne gegenüber den indifferenten Epithelkernen, den sogen. „proto- brochen“ Kernen, aus denen sie hervorgehen, eine Vergröberung ihres Retikulums, also ein „Netzwerk zweiten Grades“, aufweisen. Ganz anders bei der Katze. Hier wendet v. Winiwarter die Bezeichnung „deutobroch “ auf unsere Oogonien vom zweiten Typus an, auf die aber, wie er selbst hervorhebt, jene Bezeichnung nicht mehr passt, da sie kein Kernretikulum mehr besitzen. Die Be- zeichnung würde allenfalls für unsere Oogonien vom ersten Typus zutreffen, welche ungefähr mit v. Winiwarters Staubkernen zusammenfallen. Wie der Fall der Katze zeigt, lässt sich die Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 29 Kernstruktur der betreffenden Stadien bei den Säugern nicht durch einen einheitlichen Terminus ein für allemal charakterisieren, muss vielmehr von Fall zu Fall von neuem beschrieben werden. Hat so der Ausdruck „deutobroch“ mit der fortschreitenden Kenntnis seinen ursprünglichen Sinn und damit den beschreibenden Wert verloren, so spricht noch ein zweites gegen seine Anwendung. Die von v. Winiwarter geschaffenen Bezeichnungen: „deuto- broch“, „leptotän“, „synaptän“, „pachytän“ usw., von denen sich die letzteren mit Recht eingebürgert haben, sollten die ver- schiedenen, kontinuierlich ineinander übergehenden Kernformen ein und derselben Zellgeneration, der Oozyte, charakterisieren. Indem nach unseren Ergebnissen die „deutobrochen“ Kerne zum Teil in Oogonien, zum Teil in jungen Oozyten vorkommen, ist die Kontinuität durchbrochen, und es würde durch die Bezeichnung „deutobroch“ künstlich eine Einheit geschaffen, die die Klarheit der Beschreibung gefährden dürfte. Aus den angeführten Gründen erlaube ich mir den Vorschlag, den Ausdruck „deutobroche Kerne“ fallen zu lassen und statt dessen von Oogonien und jungen Oozyten zu sprechen. Natürlich wäre damit auch die Bezeichnung „proto- broch“ für die indifferenten Epithelzellenkerne aufzugeben. Anhangsweise möchte ich über gelegentliche Beobachtungen berichten, die noch keine sichere Deutung zulassen. Mehrfach fanden sich im Eierstock der drei Wochen alten Katze inmitten oder in der Tiefe von Keimschläuchen auffällige Ansammlungen von Epithelkernen des Übergangstypus. Handelt es sich hier um eine verspätete Neubildung von Ureiern oder Oogonien in grossem Stil oder liegt etwas anderes vor? Lane-Claypon (26) hat eine sehr merkwürdige Ansicht über die Entstehung der Follikelepithel- und inter- stitiellen Zellen im Säugetierovar (Kaninchen) aufgestellt: sie sollen durch rückläufige Entwicklung aus Zellen, die bereits den Weg zur Eibildung ein- geschlagen haben, also aus Oogonien in unserem Sinne, hervorgehen. MclIlroy (32) lässt die Follikelepithelzellen zum Teil nach demselben Modus entstehen. Wahrscheinlich sind die Autorinnen durch ähnliche Be- funde, wie die eben mitgeteilten, zu ihrer Auffassung geführt worden. Ich habe auch Kerne vom zweiten Oogonientypus gesehen, die kaum grösser als benachbarte indifferente Epithelkerne waren. Sollte hier wirklich ein rückläufiger Prozess stattfinden? Ich glaube, dass die Annahme eines so komplizierten und anscheinend ganz unnötigen Vorganges erst auf Grund zwingender Tatsachen gemacht werden sollte, und habe meine Beobachtungen nur angeführt, um zu zeigen, dass es im Säugerovar noch histogenetische Probleme zu lösen gibt. Natürlich bedürfte es dazu eines grösseren Materials von Ovarien aus verschiedenen Entwicklungsstadien. — Sodann fand ich mitunter Metaphasen von Oogonien, in denen die Chromosomen auffallend häufig paar- weise, mit den Enden einander zugewandt, zusammenlagen, wobei die ge- 30 Dr. S. Gutherz: paarten Chromosomen entweder ungefähr gleich gross oder von verschiedener Grösse waren; in einem solchen Falle konnte ich mindestens 43 Chromosomen zählen, während deren Normalzahl nach v. Winiwarter und Sainmont ungefähr 36 betragen soll. Vielleicht handelt es sich hier um den Zerfall oder die Entstehung von „Sammelchromosomen“ und liesse sich auf diesem Wege eine Erklärung für die starken Schwankungen der Chromosomenzahl bei den Säugern (so auch beim Menschen nach Wieman [52a]) anbahnen. Nach Darlegung unserer Befunde an der Katze sei noch auf zwei Punkte in der Arbeit v. Winiwarters und Sainmonts etwas näher eingegangen, aus denen wir eine Bekräftigung unserer Auffassung zu gewinnen in der Lage sind. Vor allem geht aus den Abbildungen der Autoren hervor, dass sie offenbar typische Öogonienmitosen vor Augen hatten, die sie freilich ganz anders deuteten. Die auf Taf. \V, Fig. 6 und 7, ihrer Arbeit abgebildeten Zellen in Prophase sind verglichen mit der auf Fig. 2 abgebildeten Zelle mit protobrochem Kern von so riesigen Dimensionen, dass eine Identifizierung der beiden Zellarten, wie sie der Auffassung v. Winiwarters und Sainmonts entspricht und in ihrer Darstellung auch geschieht, völlig ausgeschlossen erscheint: die Verfasser haben hier ohne Zweifel Zellen von ähnlicher Art wie auf unserer Fig. 17a abgebildet und so gewissermassen wider ihren Willen den Beweis für das Vorkommen typischer, durch Teilung sich fortptlanzender Oogonien geliefert. Auch die Meta- phasen der Fig. 13 und 14 beiv. Winiwarter und Sainmont, sowie einige andere Zellteilungsbilder derselben Tafel gehören nach meiner Ansicht zu echten Oogonien. Ferner ist die Un- sicherheit bemerkenswert, mit der v. Winiwarter und Sainmont sich über die von ihnen angenommene Oozytennatur ihrer „Staub- kerne“ aussprechen, die ungefähr mit unseren Öogonien vom zweiten Typus zusammenfallen: sie erklären sich ausserstande, zu entscheiden, ob es sich hier um Oogonien oder Oozyten handle und können nur sehr schwache Gründe für ihre Ansicht anführen. Ich verzichte darauf, auf diese Gründe, sowie auf diejenigen für ihre Annahme der „deutobrochen“ Zellen als Oozyten genauer einzugehen : das hier Anzuführende ergibt sich im wesentlichen bereits aus unserer obigen Darstellung. Wenn auch die Erfahrungen am Katzenovar bereits eine deutliche Sprache reden, erscheint es mir in dem Bestreben, das Öogonienproblem bei den Säugern womöglich einer endgültigen Lösung zuzuführen, nicht überflüssig, die Angaben in der Literatur Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 31 einer kurzen Besprechung zu unterziehen, zumal v. Winiwarter und Sainmont noch 1909 keine sichere Beschreibung von typischen Oogonien bei Säugern anzuerkennen geneigt sind. Konnte man, um von älteren Angaben abzusehen, gegenüber Bühlers (1894) Befunden von nur spärlichen Oogonienmitosen beim neugeborenen Kaninchen noch mit der Möglichkeit eines patho- logischen Vorkommnisses rechnen, so war bereits H. Rabls (1597) Schilderung zahlreicher typischer Oogonienmitosen bei der 8 Tage alten Katze geeignet, jeden Zweifel zu zerstreuen !). Wendeier (1599) hat aus dem embryonalen menschlichen Ovar oftenbare Vogonienprophasen abgebildet (52,8. 28, Fig. 15 Illu. IV), die er freilich, da ihm ausgebildete Mitosen nicht zu Gesicht kamen. bereits ins Stadium der Oozyte stellte. Hierher gehören ferner die Angaben v. Köllikers (1399) über Teilungsvorgänge an den Ureiern der neugeborenen Katze. Es bedurfte der genauen, viele Stadien umfassenden Abhandlung v. Winiwarters (1900) über das Kaninchenovar und der ihr innewohnenden Autorität, um unter diesen Umständen nochmals das Oogonienproblem aufzurollen. Die gleichzeitig erscheinenden Mitteilungen von Gurwitsch (14, Meerschweinchen) und Holmgren (20, Katze) seien nur genannt und der Überzeugung Ausdruck gegeben, dass auch diese Autoren wirkliche Oogonien vor Augen hatten. Etwas eingehender muss ich mich dagegen mit den Angaben Skrobanskys (45) in seiner sorgfältigen Abhandlung über die Eierstocksentwicklung beim Schwein befassen, da v. Winiwarter und Sainmont besonders diesem Autor nicht gerecht geworden sind. Nach v. Winiwarter und Sainmont soll Skrobansky anfangs die „deutobrochen Kerne“, d. h. die Oogonien in seinem Sinne, mit den von jenen Autoren bei der Katze beschriebenen „grossen Zellen“ der Markstränge konfundiert haben; die von Skrobansky geschilderten Mitosen bezögen sich daher auf einen anderen, nicht in die Genitalreihe gehörenden Zellentypus. Dieser Einwand ist ganz hinfällig, da Skrobansky einmal seine ÖOogonien auch in den früheren Stadien der Ovarialentwicklung vorzugsweise in der Rindenschicht findet, vor allem aber bei älteren Embryonen (bis zu 12cm Länge), wo die eigentliche Oogenese bereits !) Erst nachträglich wurde mir bekannt, dass Loewenthal schon 1888 gelegentlich „zahlreiche in mitotischem Zustande sich befindende Ureier“ der 1—2 Tage alten Katze erwähnt (28a, S. 366). 32 Dr. S. Gutherz: im Gange ist, besonders zahlreiche Mitosen dieser Zellen beschreibt. Skrobansky mag in einer Abbildung (45, Tafel XXVII. Fig. 3), wie v. Winiwarter und Sainmont meinen, das Pachytän- stadium einer Oozyte mit der Prophase einer Vogonie verwechselt haben. Dafür hat er so viele absolut einwandfreie Mitosestadien der Oogonien, bei denen er das besonders charakteristische weite Auseinanderweichen der Tochtersterne hervorhebt, beschrieben und abgebildet, dass ein solches Versehen das Hauptresultat nicht beeinflussen kann. Endlich haben Lane-Claypon (1905, Kaninchen) und MelIlroy (1910, Hund) Oogonienmitosen be- schrieben und zum Teil auch abgebildet. Dabei bezeichnen die Verfasserinnen die in Frage stehenden Zellen als „deutobroche Zellen“ bzw. primäre Oozyten. Man sieht hier gut, zu welch verwirrender Nomenklatur die Beibehaltung der Bezeichnung „deutobroch“* führen kann. Auf Grund der Ergebnisse bei der Katze und der angeführten Literaturangaben glaube ich zu dem Ausspruch berechtigt zu sein, dass bei den Säugern all- gemein typische, morphologisch gut charakterisierte Oogonien vorkommen, die sich in einer, was gleich- falls allgemein gelten dürfte, nicht fest fixierten Gene- rTationenzahl zwischen indifferente FEpithelzelle und Oozyte einschieben. Kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Darstellung. der Frage nach dem Vorkommen Nussbaumscher Geschlechtszellen bei den Säugern, insbesondere der Katze, zurück! Unser Nach- weis typischer, sich durch Teilung vermehrender Oogonien beim letzteren Tier bedeutet eine wesentliche Stütze für die Auffassung der beim gleichen Objekt von v. Winiwarter und Sainmont in der frühen Ovarialentwicklung beschriebenen „grossen Zellen“ als primärer Genitalzellen, eine Auffassung, zu der wir nach den ergänzenden Befunden Rubaschkins (42) in der noch indiffe- renten Geschlechtsdrüsenanlage der Katze bereits geneigt waren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Teil der Oogonien, wie im Schema (Textfigur 1) angedeutet, sich direkt auf primäre Genital- zellen zurückführt, da, wie oben mitgeteilt, nach v. Winiwarter und Sainmont die letzten „grossen Zellen“ zeitlich sehr nahe mit den ersten in den Rindensträngen auftretenden Oogonien zusammentreffen. Wenn Felix (9) meint, dass bei den Amnioten allgemein die primären Genitalzellen der frühen Geschlechts- Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 33 drüsenanlage bis zum Beginn der eigentlichen Oogenese völlig verschwinden, so trifit das nach den Beobachtungen anderer Autoren, wie Skrobansky und Firket, nicht genau zu, da diese nur eine Abnahme ihrer Zahl beobachtet haben. Andererseits haben wir Schritt für Schritt die Entstehung der Oogonien aus morphologisch in- differenten Epithelzellen verfolgen können, und wir wollen nun auf die schon mehrfach berührte Frage etwas näher eingehen, wie sich derartige Befunde mit der Lehre von der Spezifität der Keimzellen in Einklang bringen lassen. Betreten wir hiermit ein noch durchaus hypothetisches Ge- biet, so lässt sich dies vielleicht damit entschuldigen, dass so gewisse Richtlinien für die künftige Forschung sich ergeben. Vorerst müssen wir aber auf den Versuch Rubaschkins (43) zurückkommen, sich bei den Säugern der Plastosomen als „Keim- bahnführer“* zu bedienen und damit das, was nach unserer Über- zeugung nur Gegenstand der Hypothese sein kann, aufs Gebiet der Tatsachenforschung hinüberzuspielen. Ich habe den bereits erwähnten Bedenken anderer Autoren gegenüber der Methodik Rubaschkins noch zwei weitere anzufügen, deren eines sich auf das Vorkommen der Bühlerschen Zellen im Säugetierovar gründet: nach Rubaschkins Auffassung (siehe oben S. 14) müssten hier die aus einer Stammzelle hervorgehenden beiden Zellen, die basale und apikale, verschieden gestaltete Plastosomen besitzen, damit würden aber die letzteren ihren Wert als Kriterium für die Abstammung einer Zelle einbüssen und unser Autor wäre, um seinen Standpunkt einigermassen zu wahren, zu der Hilfsannahme genötigt, die Stammzelle habe körnige Plasto- somen besessen, die in der Basalzelle beibehalten, in der Apikal- zelle aber in die Fadenform übergegangen seien. Bei unseren noch nicht weitgehenden Erfahrungen in der jungen Plastosomen- forschung halte ich es aber im Gegenteil — und damit gelangen wir zu einem zweiten Bedenken — durchaus für möglich, dass aus einer mit fädigen Plastosomen versehenen Zelle, in unserem Falle einer Epithelzelle, eine solche mit körnigen Plastosomen, d. h. eine junge Oogonie, hervorgehen könnte, wenn auch ge- wöhnlich in der Embryonalentwicklung der Prozess umgekehrt zu verlaufen scheint. Dann wäre möglicherweise Rubaschkins Auffassung der mit körnigen Plastosomen versehenen Zellen Archiv f.mikr. Anat. Bd.92. Abt. II. 3 34 Dr. S. Gutherz: als Genitalzellen durchaus zutreffend, es könnten sich aber zum Teil darunter solche Zellen befinden, die eben erst aus der Fadenform die Körnerform entwickelt haben. Rubaschkins Plastosomenbefunde sind also keineswegs eindeutig. Seine Ar- beiten bringen aber eine andere Beobachtung, die mir für die uns beschäftigende Frage sehr wichtig erscheint, nämlich den Nach- weis, dass die primären Genitalzellen in der jungen Geschlechts- drüse im Verlaufe von Zellteilungen ganz allmählich an Grösse abnehmen und sich eine gut zu verfolgende Übergangsreihe in bezug auf Kerngrösse und -struktur von ihnen-bis zur Epithelzelle darstellen lässt. Hierher gehören auch ähnliche, zwar nicht so genau durchgeführte Beobachtungen am Schweineembryo von Fuss (11), der aus ihnen auf eine schubweise Vermehrung der Genitalzellen schliesst, mit der ihr zeitweises Unkenntlichwerden verbunden sei. So liegt bereits ein, wenn auch noch kleines, tatsächliches Material für eine Hypothese vor, mit der man ein vorübergehendes Verschwinden der primären Genitalzellen und ihr scheinbares Neuentstehen aus indifferenten Epithelzellen im Sinne Nuss- baums verständlich machen könnte. Die künftige Forschung wird, wenn sie die Frage nach dem Vorkommen spezifischer Ge- schlechtszellen bei den Amnioten ganz zum Austrage bringen will, möglichst dicht aufeinander folgende Stadien untersuchen müssen, um so nach genauem, zahlenmässigem Nachweis von Mitosen eventuell den Verbleib der morphologisch nicht mehr erkennbaren Genitalzellen sicher zu ermitteln. Vielleicht genügen schon jetzt manche Angaben in der Literatur auch strengeren Anforderungen, wie die Untersuchungen Skrobanskys am Schwein und Firkets am Huhn, welche bei Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse der verschiedenen Zellen und ihrer eventuellen Mitosen das Hervorgehen von Keimzellen aus wirklich indifferenten Epithelzellen sicher zu erweisen scheinen, aber man hat das Gefühl, dass bei der Wichtigkeit des Problems auch hier eine erneute Bearbeitung mit noch umfassenderer Stadienzahl am Platze wäre, die durch Aufdeckung bisher vielleicht entgangener Mitosen zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führen könnte. Eine kurze Bemerkung noch zu der Frage, welche Aufgabe den hypothetischen „Geschlechtszellen“ bei den Säugern zufalle, ob sie nur die endgültigen Fortpflanzungselemente oder auch genitale Hilfszellen hervorbringen könnten. Auch hier geben die Bühler- Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. 90 schen Zellen einen Anhaltspunkt. Sie zeigen, dass die strenge genetische Trennung zwischen Genital- und Follikelzellen, wie sie z.B. Rubaschkin postuliert, jedenfalls nicht allgemein an- zunehmen ist. — Eine andere Hypothese hat v. Waldeyer- Hartz schon 1903 (51, S. 404) ausgesprochen, in der der Grund- gedanke der ersterörterten Hypothese bereits mitenthalten und bis zu seiner letzten Konsequenz durchdacht war: hier wird an- genommen, die „Geschlechtszellen“ könnten durch wiederholte Teilung sich soweit in der Form abändern, dass sie von den späteren Keimepithelzellen sich im Äusseren nicht unterschieden und diese selbst aus ihnen hervorgingen ; das Keimepithel wäre dann ein Produkt der primären Genitalzellen. Damit wären in der Tat alle Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt, jede Ent- wicklungsmöglichkeit der Genitalzelle zur Epithelzelle und um- gekehrt vorgesehen und die Keimepithellehre v. Waldeyers mit der Nussbaumschen Lehre in völligen Einklang gebracht. Aber natürlich bedarf es erst besonderer, auf diesen Punkt gerichteter Untersuchung, um hier über eine blosse Hypothese hinaus zu kommen. Schlussbetrachtung. Mit unserer oben gegebenen Berichtigung von Befunden Vejdovskys sowie v. Winiwarters und Sainmonts sind zwei wichtige Einwände gegen die Nussbaumsche Geschlechts- zellenlehre zurückgewiesen. Das darf uns aber nicht hindern, anzuerkennen, dass die strikte Durchführung des Nussbaum - schen Prinzips bei den Säugern und wohl bei den Amnioten über- haupt bisher auf bedeutende Schwierigkeiten stösst. Zweifellos ist mit dem Nachweis primärer Genitalzellen ein neues, sehr bemerkenswertes Moment auch für diese Organismen aufgedeckt worden. aber es kann erst eine Aufgabe künftiger Forschung sein. endgültig festzustellen, welche Bedeutung dieser Fund für die eigentliche Oogenese und Spermiogenese besitzt. Zurzeit muss nach meiner Überzeugung bei gewissenhafter Abwägung aller mir bekannten Daten der Literatur bei den Amnioten die Annahme eines echten Keimepithels im Sinne v. Waldeyers neben den primären Genitalzellen für ebensogut, wenn nicht besser, begründet gelten, wie die Geschlechtszellenlehre in ihrer strengen Form. Nichts lag Nussbaum ferner als die Ver- 3* 36 Dr. S. Gutherz: allgemeinerung von Ergebnissen, die nuran bestimmten Organismen- gruppen gewonnen waren. Wir werden daher seinem Andenken am meisten dienen, wenn wir die Geschlechtszellenlehre, sobald sie den Tatsachen nicht mehr genügen sollte, unbedenklich einer Umbildung unterziehen. Am nächsten liegt der Anschluss an die von Hatschek, Bergh, E. Meyer begründete. von A. Lang in einen grösseren Zusammenhang eingeordnete und ausgebaute Gonocoeltheorie, da auch hier den Keimzellen eine, zwar nicht so ausgesprochene, Sonderstellung zuerkannt wird. Weitere Betrachtungen würden uns zurzeit ganz in hypothetisches Gebiet führen und damit den Rahmen der vorliegenden Mitteilung überschreiten. Ich schliesse daher mit einem Satze Langs (27, S. 175), in dem er eine Versöhnung der Geschlechtszellenlehre mit der Gonocoeltheorie anbahnt: „Im Ganzen aber will es mir scheinen, dass die Tatsache der frühzeitigen Sonderung der Keim- zellen sich sehr wohl mit der Gonocoeltheorie verträgt, die ja gerade die Keimzellen als die ältesten Gebilde des Metazoen- körpers darstellt, von denen aus in der tierischen Reihe immer neue Evolutionen von sich dem Soma beigesellenden Elementen stattgefunden haben“. Literaturverzeichnis. 1. Berenberg-Gossler, H.v.: Geschlechtszellen und Körperzellen im Tierreich. Jena 1912. Zugleich H. 19 d. Samml. anatom. u. physiol. Vortr. u. Aufs., herausg. von E. Gaupp u. W. 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Erklärung der Figuren auf Tafel I und II. Sämtliche Figuren wurden bei Zeiss’ Apochromat-Immersion 2 mm, Kompens.-Okular 8 in der Höhe des Objekttisches gezeichnet; Vergr. 1500. Die Figuren auf Taf. I wurden bei der Reproduktion auf °s verkleinert. Abkürzungen: b — basale Bühlersche Zelle — junge Oogonie oder Urei, em — Endfadenzelle in Mitose, ep = Epithelzelle, og — junge Oogonie oder Urei, Og — Oogonie. Tafel 1. Alle Figuren beziehen sich auf das Ovar der Jugendform von Diestram- mena marmorata. Fixation: Carnoysche Flüssigkeit; Färbung: Eisen- hämatoxylin nach Heidenhain. Fig. 1. b: Schrägschnitt durch die Endkammer. a und c stellen die in den beiden Nachbarschnitten getroffenen Teile der Zelle Og dar. 40 Dr. S. Gutherz: Zur Lehre vom Ursprung der tierischen Keimzellen. Fig. 2. Oberster Teil der Endkammer im Zusammenhang mit dem End- fadenbeginn. Fig. 3. Endfaden beim Übergang in die Endkammer. 4. Zwei Oogonien vom obersten Teil der Endkammer. Mitose einer Endfadenzelle inmitten des Endfadens. , Tafel II. Die Figuren sind dem Ovar der drei Wochen alten Katze entnommen, wenn nicht anderes bemerkt, und wurden, mit den besonders bezeichneten Ausnahmen, in Carnoyscher Flüssigkeit fixiert und mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain gefärbt. Die dem Keimepithel entnommenen Abbildungen wurden sämtlich so orientiert, dass die freie Oberfläche des Epithels nach oben gewandt ist. Fig. 6 und 7. Jüngste Oogonien oder Ureier im Keimepithel. Fig. 8 und 9. Bühlersche Zellen im Keimepithel (Fig. 9 vom neugeborenen Tier; der Nukleolus der basalen Zelle ist beim Schneiden des Präparats künstlich verlagert). Fig. 10. Bühlersche Zellen mit zweigeteilter Apikalzelle. Fig. 11. Junge Oogonie oder Urei im Keimepithel. Fig. 12. Oogonien vom ersten Typus im Keimepithel. Fig. 13. Oogonie vom ersten Typus im Keimepithel, gefärbt mit Brasilin. Fig. 14. Äquatorialplatte einer ÖOogonienmitose im Keimepithel. Infolge Schrägschnittes sind nur 30 Chromosomen getroffen (Normalzahl ungefähr 36). Fig. 15. a: Oogonie vom ersten Typus (Og) im Keimepithel, in früher Pro- phase begriffen, gefärbt mit Brasilin. b: der Kern derselben Zelle in gleicher Orientierung aus dem folgenden Schnitt der Serie. Fig. 16. Aus dem peripherischen Bezirk eines Rindenstranges der neu- geborenen Katze, Übergangsbilder zwischen Epithelzelle und Oogonie; links die Stelle des Keimepithels. Fig. 17. a: Oogonienprophasen aus dem peripherischen Teil eines Rinden- stranges (links die Stelle des Keimepithels); bei Og eine ange- schnittene Oogonie vom zweiten Typus, deren Kern in b aus dem Nachbarschnitt ergänzt ist. Fig. 185 und 19. Oogonien in später Telephase, Figur 18 von der neu- geborenen Katze, Figur 19 gefärbt mit Brasilin. Fig. 20. Oogonien, sich an das vorige Stadium anschliessend, gefärbt mit Brasilin. Fig. 21 und 22. Oogonien, das Bild der „Überfixation“ mit Osmiumsäure darbietend. Fixation: Flemmingsche Flüssigkeit, modifiziert nach Meves. Fig. 23 und 24. Oogonien vom zweiten Typus von demselben Individuum wie die vorigen Bilder, aus entsprechenden Bezirken der Rindenstränge; Fig. 23 aus einem normal fixierten Teil desselben Präparates wie das vorige, Fig. 24 vom Ovar der anderen Seite desselben Tieres, fixiert mit Carnoy scher Flüssigkeit. Fig. 25. Junge Oozyte. 65] ver 00 ST) 41 Die Plastosomentheorie der Vererbung. Eine Antwort auf verschiedene Einwände. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu 18 Textfiguren. Einteilung. Seite I. Einleitung. Pfeffers Anschauung vom Aufbau des Protoplasmas und vom „Keimplasma“ und die Plastosomenlehre . .. . 41 II. Die Plastosomen und ihre Beziehungen zur Vererbung in er Bıteratur bis’ zum, Jahre 1910. 2 0a. % 46 III. Bemerkungen zu Schreiners Übersicht über die Enwickluhe und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von den Plasma- BETHRTHTEN a el dern ns DO IV. Zum Verhalten der elosoen bei Ider Herrn Nachträge und Erwiderungen ENSCHTISEUNGMENATITO EN areas erbeten 1103 Ser hallısın und MyEilus .. nen a Zeus are nee ya ene he u 188 3. Echinus a) Ausführung der Hypothese, welche ich 1912 an das Verhalten der männlichen plastosomatischen Substanz bei der Befruchtung des Seeigeleies geknüpft habe. . 92 b) Die an meiner Seeigelhypothese (1912) geübten Kritiken 115 4. Vesperugo und Cavia ..... a a se deine, 7128 BEE ERTULgerZEICHTIS ee re. ec 129 I. Einleitung. Pfeffers Anschauung vom Bau des Protoplasmas und vom „Keimplasma“ und die Plastosomenlehre. Die Lehre, dass der Kern der alleinige Vererbungsträger sei, ist von Anfang an auf Widerspruch gestossen. In der Tat muss dem Protoplasma eine wichtige, wenn nicht die Hauptrolle bei der Vererbung zukommen, weil alle formative Tätigkeit in erster Linie von ihm abhängig ist, wenn sie auch, wie Pfeffer (1897, S. 47) sagt, „von dem Kerne wesentlich mitbestimmt wird“. Pfeffer setzt im $ 9 seines Handbuchs der Pflanzen- physiologie (1897—1904) in meisterhafter Weise auseinander, dass 42 Friedrich Meves: „Wachsen und Gestalten nur in stetigem Zusammenwirken von Zellkern und Zytoplasma zu Stande kommt“; „demgemäss ist die Existenz und der spezifische Charakter der Art (und somit die spezifische Ontogenese) nicht einseitig im Kerne oder im Zytoplasma, sondern in der Vereinigung beider begründet“. „Damit in allen Nachkommen die elterlichen Eigenschaften wiederkehren, müssen notwendig“, sagt Pfeffer (1897, S. 39). „die für die spezifische Organisation massgebenden Organe und Organelemente, so gut wie der ganze Protoplast, von ihresgleichen abstammen, also durch selbsttätige Teilung sich vermehren“. Die Organe und Organelemente des Protoplasten zerfallen nach Pfeffer in sichtbare und unsichtbare. Der pflanzliche Protoplast schliesst neben dem Zellkern, einem „Organ von genereller Bedeutung“, zunächst andere nachweisbare distinkte Organe ein, welche Pfeffer als Plastiden zusammenfassen will. Dahin gehören in erster Linie die mit speziellen Funktionen be- trauten Chromatophoren. Ausser diesen erkennt man im Zyto- plasma „häufig und oft in grosser Zahl winzige Körper“ (Pfeffer will sie ohne jede morphologische oder physiologische Voraus- setzung Kleinkörper, Mikrosomen, nennen), „die teilweise wohl leblose Substanz, teilweise aber lebendige Plastiden sind“ (S. 36). „Die Organe und Strukturelemente des Protoplasten er- reichen aber sicher nur zum Teil die zu optischer Wahrnehm- barkeit notwendige (Grösse . .“ „Alle Erwägungen über die dem Auge unzugängliche Struktur führen unvermeidlich zu dem Schlusse, dass die lebendige Substanz aus winzigen Organen und Organelementen zusammengefügt sein muss, die sich, analog wie die sichtbaren lebendigen Teile, durch selbsttätiges Ernähren, Wachsen und Teilen erhalten und vermehren. Der Annahme derartiger lebendiger Elemente begegnen wir denn auch in allen Hypothesen, gleichviel ob sie mit Rücksicht auf die Erhaltung der Artcharaktere in allem Wechsel oder im Anschluss an den sicht- baren Bau eine Vorstellung über die unsichtbare Struktur erstreben“ (S. 41). „Die Auffassungen differieren dem Wesen nach haupt- sächlich darin, dass von Darwin, de Vries, Weismann u.a. ebensoviel spezifizierte Pangene (Biophoren, physiologische Ein- heiten, Keimchen, Determinanten) angenommen werden, als es besondere Organe und Eigenschaften des Organismus gibt, während Nägeli, O. Hertwig u. a. mit einer begrenzteren Zahl von Die Plastosomentheorie der Vererbung. 43 Pangenen auskommen, durch deren verschiedenartige Vereinigung (direkt oder nach Formierung von Systemen höherer Ordnung) die mannigfachen Konstellationen und Leistungen erzielt werden“ (1904, S. 233). Meine eigene Auffassung geht demgegenüber dahin, dass das Protoplasma wenigstens derembryonalen tierischen Zellen neben dem Kern und den Zentriolen nur eine einzige Sorte einfachster oder Grundelemente beherbergt, welche sich im allgemeinen innerhalb des Bereichs der mikroskopischen Wahrnehmung halten: es sind die von mir so genannten Chondriosomen oder Plastosomen, welche mit den Fila Flemmings von 1882 und den Granula von Altmann identisch sind. Wenn Pfeffer demnach fordert, dass die Zellkerne und Plastiden sowohl, als auch die kleinsten und nicht mehr sicht- baren physiologischen Einheiten oder Pangene von ihresgleichen abstammen, also durch selbsttätige Teilung sich vermehren, damit in allen Nachkommen die elterlichen Eigenschaften sich wieder- holen, so vereinfacht sich diese Forderung für mich dahin, dass Kerne, Zentriolen und Plastosomen „sich durch Deszendenz er- halten“ müssen. „Die lebendige Substanz“, sagt Pfeffer weiter (1897, S. 42), „ist also in letzter Instanz ein Aggregat von Pangenen, und Ver- änderungen und Transformationen, die sich in jener abspielen, dürften auch einzelne oder zahlreiche der physiologischen Ein- heiten (Pangene) betreffen. Dazu gehört u. a., dass also Pangene unter Umständen im Dienste des Ganzen zur Konstruktion an sich nicht lebendiger Organe Verwendung finden “ In entsprechender Weise bin ich schon 1908 bezüglich der Plastosomen zu der Anschauung gekommen, dass sie das materi- elle Substrat für die verschiedensten Differenzierungen bilden, welche im Lauf der Ontogenese auftreten. Untersucht man einen Längsschnitt durch eine ältere ergrünte Luftwurzel von Hartwegia comosa (Chlorophytum Stern- bergianum), so findet man in denjenigen Meristemzellen, welche am Scheitel des Vegetationspunktes gelegen sind, zahlreiche Plasto- somen in Gestalt langer und feiner Fäden. Diese Fäden oder Plastokonten lassen nun in denjenigen Zellen, welche sich weiter nach rückwärts anschliessen, die verschiedensten Gebilde aus sich hervorgehen. In den Zellen der primären Rinde und in den 44 Friedrich Meves: Parenchymzellen des Zentralzylinders wandeln sie sich in Chloro- plasten um. In denjenigen Zellen des Zentralzylinders, aus welchen sich die Gefässe entwickeln, sowie in den Zellen der Gefässbündel- scheide, erzeugen sie in sich direkt Stärke. Plastochondrien, welche durch eine Fragmentierung der Plastokonten entstehen, beteiligen sich in den Mutterzellen der Gefässe an der Ausbildung der Ver- dickungsleisten der Zellwand. In anderen Meristemzellen des Zentralzylinders, aus denen Siebröhren hervorgehen, erfahren die Plastokonten eine Metamorphose zu Sekretkörnern (vgl. Meves 1916, 2, 1917 und 1918). Müssen wir nun etwa im Hinblick auf die Verschiedenheit der aus den Plastosomen hervorgehenden Differenzierungsprodukte verschiedene Arten von Plastosomen annehmen? Abgesehen davon, dass zwischen den Plastosomen, welche sich in den embryonalen Zellen finden, keine Unterschiede irgend welcher Art festzustellen sind, spricht folgendes dagegen: Die embryonalen Zellen lassen sich in zahlreichen Fällen auf experi- mentellem Wege als gleich befähigt erweisen. Bleiben wir auf botanischem Gebiet, so liefert eine embryonale Zelle (oder ein embryonaler Zellkomplex), die sich unter bestimmten Bedingungen mit Sicherheit zu einem Gefässbündelelement (oder einer Wurzel) entwickelt, unter veränderten Bedingungen eine Epidermiszelle (oder einen Spross ete.). Wie die ganzen Zellen, so werden nun aber auch die in ihnen enthaltenen Plastosomen unter veränderten Bedingungen eine andere Ausbildung erfahren ; daraus ergibt sich, dass sie ursprünglich gleichartig sein müssen. In Fragen der Erblichkeit kommt man nach Pfeffer (1897, S. 49) auf dem Wege der Abstraktion ohne jede Hypothese auf eine „Masse, die potentiell das Ganze in sich trägt“ und als Erb- masse, Idioplasma, Keimplasma, embryonale Substanz bezeichnet werden mag. Pfeffer erklärt, dass dieses Keimplasma „zu ver- schiedenen Zielen und Zwecken ausgenutzt und umgestaltet wird und damit bedingungsweise oder gänzlich die bisherige repro- duktive Fähigkeit einbüsst“ und widerspricht der „dualistischen Auffassung“ Weismanns, welcher zwei verschiedene Plasma- massen annimmt, von denen die eine die Art zu erhalten, die andere die Arbeit des Wachsens auszuführen habe. Meinerseits bin ich der Ansicht, dass die Erbmasse (bezw. der protoplasmatische Anteil derselben) durch die Plastosomen Die Plastosomentheorie der Vererbung. 45 repräsentiert wird, in denen alle Eigentümlichkeiten der Art (bezw. des Protoplasmas der Art) potentiell enthalten sind (vgl. Meves 1908, S. 848). Die Beobachtung lehrt, wie gesagt, dass diese Plastosomen „allseitig befähigte“ Elemente darstellen, welche im Lauf der ontogenetischen Entwicklung zu den ver- schiedensten strukturellen und stofflichen „Neuformationen“ ver- braucht werden!). Somit kann man auf Grund meiner Befunde mit Recht den Satz aufstellen (Pfeffer 1904, S. 235), „dass Präformation (Evolution) und Epigenesis zusammengreifen, dass also die Ontogenese, um mit Driesch zu reden, eine epigene- tische Evolution darstellt“. Wie man sieht, stimmen die Schlussfolgerungen, welche sich für Pfeffer aus einem „Überblick über die Gesamtheit der formativen Prozesse“ ergeben haben, in vieler Beziehung mit den Anschauungen überein, zu welchen ich durch das Studium der Plastosomen gelangt bin. Lidfors (1915, S. 252) sagt dem grossen Pflanzenphysio- logen nach, dass seine „Weissagungen“ in zahlreichen Fällen in Erfüllung gegangen seien. Jedenfalls hat Pfeffer mit seinem Ausspruch (1897, S. 47) Recht behalten, dass es „aller Wahr- scheinlichkeit nach auch nicht an Theorien fehlen würde, welche dem Zytoplasma die Herrscherrolle (bei der Vererbung) zuweisen, wenn es fernerhin gelingen sollte, in diesem auffällige Gestaltungen zu erspähen, die sich sicherlich im Zytoplasma abspielen, in welchem sich ebenfalls die physiologischen Einheiten selbsttätig vermehren“. Dass der Vorgang der Vererbung unter der Annahme eines fortbildungsfähigen protoplasmatischen Idioplasmas, wie es nach meiner Ansicht in den Plastosomen vorliegt, ganz ausserordentlich an Anschaulichkeit gewinnt, habe ich schon 1908 ausgeführt; es sei gestattet, dies an einem speziellen Beispiel zu erläutern. !) Die Umwandlung der Plastosomen im Lauf der Entwicklung er- scheint mir als der wichtigste Teil desjenigen Vorgangs, welchen man als „Inkrustation“ (Hensen, Goebel) bezeichnet hat. Nach meinem Dafürhalten sind nur solche Zellen (Pflanzenzellen) befähigt, zum embryonalen Zustand und zu embryonaler Tätigkeit zurückzukehren, in welchen sich Plastosomen intakt erhalten haben (vgl. Meves 1917, S. 311). 46 Friedrich Meves: Bei Zugrundelegung der OÖ. Hertwig-Strasburgerschen Lehre kann man die Erscheinung, dass bei Kreuzung einer rot- und einer weissblühenden Pflanze die Blumen des Bastards eine intermediäre blassrote Färbung aufweisen. nur unter der Voraus- setzung verstehen (vgl. de Vries 1889), dass die Chromoplasten oder Anthozyanpigmente ihre Eigenschaften vom Kern mitgeteilt bekommen haben; man muss eine dynamische oder enzymatische Wirkung des Kerns auf das Zytoplasma heranziehen, oder zu der Hypothese greifen, dass die im Kern enthaltenen stofilichen Träger der erblichen Anlagen (Pangene, de Vries) vom Kern an das Zytoplasma abgegeben werden. Heute wissen wir nun, dass die Uhromoplasten und Antho- zyanpigmente der Pflanzen ebenso wie die Pigmentkörner der Tiere Umwandlungsprodukte von Plastosomen sind. Die eben angeführten Annahmen werden daher überflüssig, die Tatsache, dass die Blüten der Bastardpflanze blassrot sind, gewinnt eine viel befriedigendere Erklärung, sobald wir uns vorstellen dürfen. dass männliche Plastosomen sich dem Protoplasma der Eizelle beimischen und sich mit den hier vorhandenen weiblichen Plasto- somen vereinigen. II. Die Plastosomen und ihre Beziehungen zur Ver- erbung in der Literatur bis zum Jahre 1910. Ausser Pfeffer haben noch zahlreiche andere Forscher die Forderung vertreten, dass neben dem Kern das Protoplasma bei der Vererbung beteiligt sein müsse. Speziell die Plastosomen sind aber bis zum Jahre 1910 nur selten mit diesem Problem in Verbindung gebracht worden. Zuerst geschah dies wohl durch Flemming, der 1832 in seinem Buch „Zellsubstanz, Kern und Zellteilung“ die „allgemeine Tragweite“, welche die „Arbeitsergebnisse über den Bau der Zell- substanz“ haben und „die Hoffnungen, welche sich an sie knüpfen“, erörtert und als eines der wichtigsten Arbeitsziele eine „wirkliche Morphologie der Vererbung“ bezeichnet hat. „Wäre das Protoplasma“, schreibt er S. 70, „in sich gleichartig be- schaffen, wie ein Kristall, wie es einmal hiess, so hätten wir wenig Aus- sicht, auf optischem Wege dem Verständnis seiner Lebenserscheinungen näher zu kommen. Hat es aber in sich einen differenten Bau, so ist diese Hoffnung selbstverständlich gegeben .... Wenn, um nur ein wichtigstes Die Plastosomentheorie der Vererbung. 47 Beispiel zu nennen, das Protoplasma der Eizelle nichts als eine morphologisch- homogene Masse wäre mit eingestreuten Dotterkörnern, oder gar eine Flüssig- keit, wie man es allen Ernstes noch in neuerer Zeit genannt hat, so müssten wir alle Antwort auf die Frage nach den Entwicklungsbedingungen, die das Ei mitbringt, der Chemie überlassen. Hat aber die Substanz der Eizelle einen Bau, kann dieser und die Beschaffenheit der Fäden in bestimmten Bezirken des Zellkörpers verschieden sein, so kann darin auch eine Grund- lage der Entwicklungsprädestination gesucht werden, in der sich das eine Ei von dem anderen unterscheidet; und dieses Suchen wird möglich sein mit dem Mikroskop — bis wie weit, kann niemand sagen, aber sein Ziel ist nichts Geringeres, als eine wirkliche Morphologie der Ver- erbung. Dass man eine solche jemals auf diesem optischen Wege fertig stellen wird, muss uns heute wohl unmöglich oder unfasslich erscheinen. Dass aber jeder Schritt zu ihr hin des Weges wert ist, wird wohl nicht geleugnet werden.“ Altmann hat 1890 die Theorie von der Kontinuität der Plastosomen aufgestellt und ihr in seinem Satz „omne granulum e granulo“ prägnanten Ausdruck verliehen. Dabei bat er wohl zweifellos, wie ich mit Miescher!) annehme, dessen Worte ich 1912, 2, S. 81 angeführt habe, auch an eine „Immanenz“ der Granula in Zeugung und Entwicklung gedacht, hat aber diesen Gedanken allerdings nirgends direkt ausgesprochen. Delage sagt daher in seinem 1895 erschienenen Buch L’heredite (5. 503) nicht mit Unrecht: „Altmann, apres ötre arrive ä cette conclusion que ses bioblastes sont les facteurs des propri6t6s de l’orga- nisme, s’arr&te brusquement sans chercher & voir si des facteurs ainsi constitues permettent d’expliquer les phenomenes biologiques. Il se contente de presenter sous une forme concrete les unites hypothötiques des autres auteurs; de dire a Spencer, a Haeckel, ä de Vries, & Hertwig, a Wiesner ete.: Voila vos unites physiologiques, vos plastidules, vos gemmules, vos micelles, vos pangenes, vos idioblastes, vos plasomes, etc.; ils ne sont point ce que vous avez imagine, ce ne sont que de petits appa- reils doucs de proprietes chimiques definies. — Cela est fort bien, mais il faudrait montrer qu’ainsi constitues, ils conservent les proprietes gräce auxquelles ces particules hypothetiques expliquaient plus ou moins les phe- nom£enes de la vie. Altmann ne saurait pretendre avoir si rigoureusement demontr& que les granules sont les facteurs des proprietes organiques qu’il soit dispense de s’inquieter des consöquences de sa conclusion. Il devait done montrer comment ses bioblastes s’accommoderaient avec les problemes de l’heredite, de l’ontogenese, de la variation, de l’adaptation, ete. Il s’est born€ & tracer quelques lineaments de la phylogenese primitive. Ce n'est point assez, car il y a dans l’application des bioblastes ä certains problömes des difficultes tres graves.“ !) Brief an His vom 6. August 189. 48 Friedrich Meves: L. und R. Zoja haben 1891 in einer Abhandlung, die an schwer zugänglicher Stelle erschienen und daher wohl wenig be- kannt geworden ist, die Altmannschen Bioblasten, welche von ihnen Plastidulen genannt werden, bei zahlreichen Protozoen und in den verschiedensten Zellarten nahezu aller Metazoengruppen nachgewiesen. Sie fanden sie auch in männlichen und weiblichen Geschlechtszellen, darunter Spermien und Eiern von Ascaris megalocephala, und konstatierten, dass bei der Befruchtung dieses Tieres die Plastidulen des Spermiums sich mit denjenigen des Eies vermengen. Der letzteren Beobachtung haben die Gebrüder Zoja aber keinerlei theoretische Bedeutung beigelegt. R. Zoja hat 1896 in sehr ausführlicher Weise auf mehr als 100 Druckseiten den damaligen Stand der Befruchtungsstudien auseinandergesetzt, ist jedoch mit keinem einzigen Wort auf den von seinem Bruder und ihm beschriebenen Befund bei der Befruchtung des Ascarisejes zurückgekommen; vielmehr hat er S. 17 direkt ausgesprochen, dass das Protoplasma des Spermiums bei der Vererbung keine Rolle zu spielen und, auch bei Ascaris, vom Eikörper resorbiert zu werden scheine: „Anche negli spermatozoi privi di coda (Ascaris) il protoplasma che € in quantitä piuttosto rilevante fa l’impressione di disaggregarsi ed essere assorbito dal vitello.“ Delage (1895, S. 502—505) hat bei Besprechung der Altmannschen Granulalehre geprüft, was Altmann selbst (s. oben) unterlassen hatte, wie sich die „Bioblasten“ zu dem Vererbungsproblem stellen‘), und dabei, in einer Anmerkung zu dem letzten Satz des auf S. 47 angeführten Abschnitts, eine Ver- einigung zwischen väterlichen und mütterlichen Körnern gefordert. Es heisst daselbst mit Bezug auf die „Bioblasten“ folgendermassen: „Le nombre de leurs varietes doit &tre tres considerable dans un organisme complique. Leur taille cependant n’est jamais tr&s petite puis- qu’elle reste toujours dans les limites de la visibilite. On comprendrait ä la rigueur que le nombre necessaire puisse trouver place dans l’euf. Mais dans le spermatozoide, cette difficult& se complique d’une autre. Ü’est surtout, on peut dire c’est exclusivement, dans le cyto- plasma que l’on trouve des granules. Ceux du noyau sont fortement douteux et Altmann lui-möme en parle avec beaucoup moins d’assurance que de ceux du corps cellulaire. Or le spermatozoide est presque entierement form& ı) Die Befunde der Gebrüder Zoja am Ascarisei werden von Delage nicht erwähnt. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 49 de substance nucl&aire. La portion cytoplasmique, que peut-Ötre il renferme en lui, est de volume si minime qu’elle ne pourrait donner asile qu’äa des particules de taille extrömement inferieure & celle des granules, partant in- visibles, et par suite hypothetiques, ce qui leur öte le principal m£rite des granules. Mais admettons que les bioblastes ultramieroscopiques, admis par une induction fondee sur les bioblastes visibles, puissent donner au spermatozoide les proprietes necessaires. Admettons que ces bioblastes spermatiques ultra- mieroscopiques grossissent ensuite dans l’euf fecond& et deviennent des granules ordinaires. Le protoplasma de l’embryon contiendra done deux bioblastes de chaque esp&ce, un paternel et un maternel, qui pourraient, ä la rigueur, ex- pliquer la forme mixte des caracteres exprimes. Mais il est &vident que le nombre des bioblastes ne saurait doubler ainsi a chaque generation et qu’un phenom£ne de reduction doit se produire sous une forme quelconque. La division r@ductrice ne peut l’expliquer, car elle ne pourrait qu’&liminer une moiti& des bioblastes paternels et maternels, et il arriverait certainement que ceux de la m&me sorte se trouveraient souvent expulses des deux cötes a la fois et manqueraient dans le produit. On ne peut quiimaginer, apr&sla f&condation,une fusion de deux bioblastes en un!). Or Altmann n’a jamais signal& de phenomene de ce genre et siil l’ad- mettait ce ne pourrait &tre qu’hypothetiquement. L’idee qu'il se fait de la nature des bioblastes n’est pas conciliable avec cette hypothese. Deux sphe- rules formees seulement de substance chimique peuvent se fusionner lors- qu’elles sont petites et grossir ensuite seulement autant qu’eüt fait une seule. Mais les bioblastes sont, d’apres lui, des sortes de cristaux organiques, en tout cas des agregats doues d’une structure qui intervient dans leurs proprietes. En ce cas, ils ne peuvent que se juxtaposer, et, au bout d’un nombre suffisant de gen6rations, il n’y a plus place pour le grand nombre qui doit se trouver dans un seul granule ... Admettons qu’Altmann ou quelque autre soit en tat de r&pondre ä toutes ces objections, il est &vident qu’il ne saurait le faire sans faire intervenir des hypothöses et c’est la seulement ce que nous voulons d&montrer pour le moment.“ Bei Aufstellung seiner eigenen Vererbungstheorie (S. 747 u. folg.) ist Delage nun aber auf die Altmannschen Granula nicht wieder zurückgekommen. Zwar sagt er S. 748: „C'est evidemment la structure du protoplasma qui doit servir de point de depart puisqu’elle est la raison mecanique des phenomenes qu’il s’agit d’expliquer.....“ Jedoch definiert er das Proto- plasma als eine sehr komplexe chemische Substanz, welche wesentlich aus Eiweißstoffen zusammengesetzt ist, die zum Teil miteinander vermischt sind, zum Teil als abgesonderte Körper !) Von mir gesperrt. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 92. Abt. I. 4 50 Friedrich Meves: existieren; besondere Lebenseinheiten („parties, dont l’arrangement produit la vie“) sind nach ihm nicht anzunehmen. „Naegeli et ceux qui l’ont suivi ont fait une &uvre vaine lorsqu’ils ont invent& des facteurs de proprietes elementaires sous le pretexte quil serait impossible aux matieres albumineuses, malgr&e la richesse de leurs varietes, de fournir assez de combinaisons differentes pour expliquer la diversit@ infinie des cellules“; und weiter: „si la chose peut s’expliquer par les pangenes, biophores ou autres facteurs materiels elementaires quelconques, elle le peut aussi sans eux.“ „Les microsomes“, heisst es in der An- merkung 1 zu S. 750, „sont certainement des agregats superieurs aux molecules chimiques, mais leur röle est probl&matique, et les fibrilles sont de vrais organes d’un ordre plus &leve encore.“ Benda (1898, 1899, 1905) hat geglaubt, in den von ihm so genannten Mitochondrien ein neues „Zellorgan“ entdeckt zu haben, welchem er eine „spezifische Funktion“ zuschrieb: und zwar meinte er, dass es mit den motorischen Leistungen der Zelle in einem prinzipiellen Zusammenhang stände. Daneben hat Benda (1903, S. 780) „noch eine andere physiologische Er- wägung“ angestellt, von der er hoffte, dass sie zur Verfolgung anregen würde. „Die chondriogene Hülle“, sagt er, „liegt stets in dem Abschnitt der Spermie, welcher unzweifelhaft bei der Befruchtung mit in das Ei dringt. Bei der Ascarisspermie ist höchstwahrscheinlich der gestreifte Abschnitt, der voran in das Ei wandert, chondriogener Abkunft. Nach den Beobachtungen R. Ficks am Axolotl, L. Michaelis’ am Triton, van der Strichts bei der Fledermaus, Henkings bei Insekten, v. Kostaneckis bei Physa treten die Geisselabschnitte, die den chondriogenen Mantel besitzen, mit in die Sphärenstrahlung. In den Blastomeren von Triton .... habe ich reichliche Mengen von Mitochondrien gefunden, aber es ist mir noch nicht gelungen, den entscheidenden Augenblick der Spermienumbildung abzufassen. Trotzdem ist mit Bestimmtheit vorauszusagen, dass die Mitochondrien, ebenso wie sie individualisiert die Mitosen überdauern, auch als indivi- dualisierte Bestandteile der männlichen Geschlechtszelle innerhalb der weiblichen wiedererscheinen und an der Befruchtung teil- nehmen werden. Diese Feststellung, die mir als das dringendste Postulat erscheint, würde den Schlußstein in der Kennzeichnung der Mitochondrien als Zellorgan abgeben und einem dem Zell- Die Plastosomentheorie der Vererbung. bi leib angehörenden Bestandteil die Rolle eines der Faktoren der Vererbung vindizieren, da das Vorhandensein der gleichen Gebilde in den weiblichen Geschlechtszellen von mir bereits unzweifelhaft beobachtet ist.“ Ich selbst habe von Anfang an, zuerst 1899, S. 387, die motorische Bedeutung der „Mitochondrien“ bestritten, ohne damals und in den nächstfolgenden Jahren bis 1907 etwas Besseres an die Stelle dieser Hypothese setzen zu können. Die „andere physiologische Erwägung“ Bendas aus dem Jahre 1903, auf Grund deren er für die Mitochondrien „die Rolle eines der Faktoren der Vererbung“ in Anspruch nahm, ist bis 1907 weder von mir noch von irgend jemand sonst erörtert worden. Bis zu diesem Jahre teilte ich die Meinung, dass die „Mitochondrien“ neuentdeckte Zellbestandteile seien. Alsdann trat aber in meiner Auffassung dieser Gebilde eine fundamentale Wandlung ein. Es gelang mir (1907, 2 und 5) teils körnige, teils fädige Plastosomen bezw. Chondriosomen (Plastochondrien und Plastokonten bezw. Mitochondrien und Chondriokonten) bei jungen Embryonen von Huhn und Säugetieren ausnahmslos in sämtlichen Zellen aufzufinden und den Nachweis zu führen, dass die Plastokonten oder Chondriokonten den Fila Flemmings von 1882 entsprechen. 1908, S. 833 stellte ich ferner die Be- hauptung auf, dass die Mitochondrien und Chondriokonten mit den Körnern und Fäden Altmanns identisch sind, und gewann die Überzeugung, dass die Chondriosomen oder Plastosomen das materielle Substrat für die verschiedensten Differenzierungen bilden, welche im Lauf der Ontogenese auftreten. Hauptsächlich auf Grund dieser Erkenntnisse und der schon von Benda hervor- gehobenen Tatsache, dass die Plastosomen sowohl am Spermium als auch im Ei vorhanden sind, habe ich dann die genannten Elemente als Träger der spezifischen zu vererbenden Protoplasma- struktur oder als protoplasmatisches Idioplasma angesprochen‘). Damit war ich zu einer Anschauung gelangt, die von der- jenigen Bendas völlig verschieden war. Benda hatte erklärt: Die Mitochondrien sind mit motorischen Funktionen betraut. Lässt sich zeigen, dass sie an der Befruchtung beteiligt sind, so !) Schon 1907, 2, S. 405406 hatte ich für wahrscheinlich erklärt, dass die Mitochondrien und Chondriokonten der embryonalen Zellen direkt teils von der männlichen, teils von der weiblichen Geschlechtszelle abstammen. 4* 52 Friedrich Meves: würde diese Feststellung den Schlußstein in der Kennzeichnung der Mitochondrien als eines besonderen Zellorgans abgeben und „einem dem Zelleib angehörenden Bestandteil die Rolle eines der Faktoren der Vererbung vindizieren“. Ich fasste dagegen diese Gebilde von 1908 an als eine primitive (indifferente, neutrale) oder Anlagesubstanz auf, „die im Lauf der Entwicklung die ver- schiedensten Differenzierungen epigenetisch ausbildet, wobei sie die elterlichen Eigenschaften in die Erscheinung treten lässt“. Es ist daher nicht zutreffend, wenn z. B. Retzius (1914, S. 208) sagt, dass es eine „ursprünglich schon von Benda stammende Lehre“ sei, dass die Mitochondrien „die Vererbungs- substanz des Protoplamas darstellen“; oder wenn Duesberg (1915, S. 64) schreibt: „Benda, puis Meves, ont admis que la partie de l’idioplasma localisee dans le protoplasma est repre- sentce par les chondriosomes“; denn dadurch wird Benda eine Erkenntnis zugeschrieben, welche er nicht besessen hat. Ein „motorisches Organ des Zelleibes“ könnte doch nur einen sehr kleinen Teil der Erbmasse und niemals das gesamte im Protoplasma iokalisierte Idioplasma repräsentieren. Benda hat aber sogar noch ganz neuerdings (1914, S. 32) die Hypothese von der motorischen Funktion der „Mitochondrien“ aufrecht er- halten, wenn er nunmehr auch zugibt, dass sie die funktionelle Bedeutung dieser Gebilde „wahrscheinlich nicht erschöpft“. Retzius kommt 1909 im Vorwort zum XIV. Band seiner Biologischen Untersuchungen auf die Bedeutung zu sprechen, welche ich (1907—1908) „im Anschluss an Äusserungen von Benda“ den Mitochondrien oder v. Brunnschen Körnern zuge- wiesen hätte, indem ich sie als Träger erblicher Anlagen an- sprach, und erklärt, dass auch ihm eine derartige Aufgabe der v. Brunnschen Körner schon lange vorgeschwebt habe, obwohl er die eigentlichen Beweise dafür noch nicht zu gewinnen ver- mochte. In einer Abhandlung, welche schon lange fertig lag, aber erst im I. Bande des zur Säkularfeier der schwedischen Gesellschaft der Ärzte am 25. Oktober 1908 veröffentlichten Fest- bandes der Zeitschrift „Hygiea“ erschien, habe er folgendes ge- äussert: „Man ist immer mehr zu der Ansicht gelangt, dass nicht nur der Kern (der Spermienkopf) die erblichen Anlagen enthält, sondern dass auch andere Teile bei der Befruchtung von Be- deutung sind. Vor allem sind die Zentralkörper und die Hülle Die Plastosomentheorie der Vererbung. 53 des Verbindungsstücks, welche letztere den sog. Nebenkern ent- hält, dabei beteiligt. Der Nebenkern entspricht aber besonders der Spiralfaser, resp. den v. Brunnschen Körnern. Die Substanz dieser Körner hat nach allem, was wir jetzt verstehen können, bei dem Befruchtungsakte eine Rolle zu spielen; es bleibt aber v. a. der experimentellen Methode noch offen, diese wichtige Frage genauer zu beantworten, was natürlich grosse Schwierig- keiten darbietet.“ Im Schlusskapitel desselben Bandes XIV der Biologischen Unter- suchungen betont Retzius dann aber, dass es in Anbetracht der biologisch ausserordentlich wichtigen Frage, welche hier vorliegt, von grösster Wichtig- keit sei, auf dem Wege zur Wahrheit nur ganz vorsichtig vorzuschreiten. Die „sicheren Beweise“ dafür, dass, wie ich (Meves, 1907) für wahr- scheinlich erklärt hätte, die Chondriokonten in den Zellen der Embryonen „direkt teils von der männlichen, teils von der weiblichen Geschlechtszelle abstammen“, lägen noch nicht vor: „denn sich in derselben Weise färbende Körner und Fäden sind ja vor dem Befruchtungsakte in beiden diesen Zellenarten vorhanden, und es lässt sich denken, dass die eine Art dieser Elemente, z.B. die aus der männlichen Zelle abstammenden, bei dem fraglichen Akte nicht wirksam sind oder gar untergehen. Und wenn auch diese beiden Körnchenarten den Akt überleben, so ist dadurch nicht sicher bewiesen, dass sie die Träger erblicher Anlagen in echt biologischem Sinne sind. Die sich färbenden feinen Körner und Fäden, die Chondriosomen, scheinen nach den neueren Befunden in den meisten Geweben vorzukommen und nach- weisbar zu sein; sie können sogar ein konstanter oder beinahe konstanter Bestandteil der Protoplasmasubstanz an sich sein, welcher natürlich jedenfalls eine grosse Bedeutung hat, aber deshalb nicht mit aller Sicherheit der Träger der eigentlichen erblichen Anlagen ist. Vor allem aber haben wir noch keine Sicherheit dafür, dass alle diese, nach einer oder einigen Methoden sich färbenden Körnchen einer und derselben Art von Elementarbestandteilen entsprechen und angehören. Körnchen verschiedener Art können sich durch eine gewisse Methode in gleicher Weise färben lassen.“ „Wenn ich nun“, fährt Retzius fort, „diese Bedenken hinsichtlich der Schlussfolgerungen ausspreche, so ist es in keinem Falle meine Absicht, die interessanten histologischen Befunde von Benda und Meves in Abrede zu stellen. Im Gegenteil stelle ich sie sehr hoch und hoffe, dass dieselben wichtige Impulse zu neuen Forschungen auf dem fundamental wichtigen Gebiete der Prozesse der Befruchtung und Vererbung geben werden.“ Auf der Suche nach geeigneten Objekten, an welchen sich die Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung tatsächlich zeigen liesse, stiess ich im Frühjahr des Jahres 1910 auf die oben erwähnte, völlig vergessene Abhandlung von L. und R. Zoja. Die Angaben der italienischen Autoren, dass die Plastidulen des Spermiums sich bei Ascaris mit denjenigen des Eies vermengen, 54 Friedrich Meves: war für mich die Veranlassung, die Befruchtung dieses Tieres mit den Plastosomenmethoden zu studieren, von denen sich die Altmannsche, welche die Gebrüder Zoja bereits angewandt hatten, als die für das genannte Objekt am meisten geeignete erwies. Es gelang mir sofort (1910, 2) auf Grund von Präparaten, die zunächst allerdings noch zu wünschen übrig liessen, die Tat- sache, dass bei der Befruchtung des Ascariseies eine Aussaat männlicher Plastochondrien stattfindet, zu bestätigen. Ich habe darüber in einer vorläufigen Mitteilung (1910, 2) kurz berichtet und auf die von L. und R. Zoja nicht gewürdigte Bedeutung des Befundes hingewiesen. Meine ausführliche Arbeit folgte im Jahre 1911. Später habe ich dann noch bei verschiedenen anderen Tieren, bei Echinus (1911—1912), Phallusia (1913), Filaria (1915) und Mvtilus (1915) die Beteiligung der männlichen Plastosomen bei der Befruchtung studiert"). Schliesslich sei an dieser Stelle nochmals festgestellt (vgl. auch Meves 1916, 1, S. 615), dass die Untersuchungen von Kostanecki und Wierzejski (1896), durch welche nach C. Rabl (1915) „auf die Bedeutung des durch das Mittelstück des Spermatozoons eingeführten Protoplasmas hingewiesen wurde“, mit den meinigen keine Berührungspunkte haben. Was Kostanecki und Wierzejski am Physaspermium als Mittel- oder Verbindungsstück beschreiben, ist eine „hellere, homogene“, zwischen Kopf und Geissel eingeschaltete Partie, welche das „Zentrosom“ enthalten und im übrigen aus „Protoplasma‘ gebildet sein soll, das „aus der achro- matischen Figur der letzten Mitose der Spermatozyten stammt“ und die Anlage der im Ei auftretenden „Spermastrahlung‘‘ repräsentiert. Nach dem Eindringen des Samenfadens in das Ei quillt dieses Mittelstück auf und „weist von da ab ganz deutlich seine typisch radiäre Anordnung auf“; „die hieraus entstehende Strahlung‘‘ wächst auf Kosten des Eiprotoplasmas, welches von ihr assimiliert wird. Während Boveri nun meint, dass „das Befruchtende am Spermatozoon das Zentrosoma“ sei (unter Befruchtung versteht Boveri die „Anregung zur Entwicklung“), glauben Kostanecki und Wierzejski, ‚dass für die Befruchtung, für die Anregung des Eies zur Teilung die Einführung des Verbindungsstückes des Spermatozoons, welches das um das Zentrosoma gruppierte Protoplasma desselben enthält, notwendig ist“ (S. 375). !) Anmerkung bei der Korrektur. Während des Drucks der vorliegenden Abhandlung erschien ferner (in Bd. 50, 1918, des Anatom. Anzeigers) eine vor- läufige Mitteilung von mir über die Befruchtung des Eies von Oxyuris ambigua unter dem Titel: ‚‚Eine neue Stütze für die Plastosomentheorie der Vererbung.“ Die Plastosomentheorie der Vererbung. 55 Wie man sieht, handelt es sich hier weniger um Beobachtungen (soweit von solchen die Rede sein kann, sind sie grösstenteils unzutreffend), als vielmehr um eigenartige und jedenfalls irrtümliche Spekulationen. Auf. die durch das Spermium eingeführte plastosomatische Substanz haben die Angaben von Kostanecki und Wierzejski keinen Bezug. Die Plastosomen dürften am Physaspermium in Form eines den Achsenfaden des Schwanzes umgebenden Mantels angeordnet sein. Der gesamte Spermien- schwanz soll aber nach Kostanecki und Wierzejski (8. 337) der Resorption seitens des Eiprotoplasmas anheimfallen. III. Bemerkungen zu Schreiners (1916) Übersicht über die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von den Plasmastrukturen. Bevor ich dazu übergehe, meine Beobachtungen und Schlüsse bezüglich der Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung und Vererbung gegen Einwände zu verteidigen, möchte ich ver- schiedene Punkte einer historischen Übersicht berichtigen, welche Schreiner kürzlich (1916, in einer Abhandlung über den feineren Bau der Haut von Myxine glutinosa) über die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von den Plasma- strukturen gegeben hat. Nachdem Schreiner zunächst die Flemmingsche Filar- theorie erwähnt hat, welche auf die Zellforschung der letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts einen mächtigen Einfluss aus- geübt habe, führt er die Granulatheorie an, als deren Urheber mit vollem Recht Altmann genannt werde. „Inder Altmann- schen Granulalehre“, sagt er, „finden wir die Ergebnisse aus- gedehnter Untersuchungen, die mit einer bewundernswerten Ge- nauigkeit und einer überlegenen Technik ausgeführt sind. mit den weitgehendsten theoretischen Spekulationen vereinigt.“ Die Technik wird allerdings gleich darauf „einseitig“ und die theo- retischen Spekulationen werden „leicht angreifbar“ genannt. Daraus erklärt sich nach Schreiner wohl der Widerspruch, den die Lehre Altmanns bei ihrem Erscheinen erregte und das Misstrauen, womit seine Befunde fast von allen Seiten empfangen wurden. „Der bleibende Wert derselben hat sich jedoch in den 25 Jahren, die jetzt seit der Veröffentlichung des Sammelwerks Altmanns verflossen sind, in immer klarerer Weise kundgegeben. Ja, wir dürfen wohl sagen, dass die Untersuchungen Altmanns nach Abschälungihres spekulativ-theoretischen Anhangs nie mit grösserem 56 Friedrich Meves: Interesse betrachtet worden sind und nie einen ehrenvolleren Platz in der zytologischen Forschung eingenommen haben als in unseren Tagen. Was hierzu vor allem beigetragen hat, ist das Hervorblühen eines neuen Sprosses auf dem Stamm der Zell- forschung, der sogenannten Mitochondrienforschung.“ Sehreiner konstatiert weiter, dass ursprünglich von zahl- reichen Forschern wie auch von mir angenommen wurde, dass die Mitochondrien neuentdeckte Zellbestandteile seien, und bemerkt sodann sehr richtig, die Feststellung, dass die von Benda mittels einer neuen Methode zur Darstellung gebrachten Körnchen mit den von Flemming in lebenden Zellen gesehenen Fäden sowie mit den fuchsinophilen Körnchen und Fäden von Altmann identisch sind, müsse „als eine für die Klärung der Frage nach den Plasmastrukturen sehr wertvolle Bereicherung unserer Kennt- nisse betrachtet werden.“ In der Tat kann heute weder die Filar- noch die Granula- lehre mehr Gültigkeit beanspruchen, sondern nur diejenige Ver- einigung beider, welche in der Theorie der Chondriosomen oder Plastosomen vorliegt. Schreiner (S. 87) behauptet nun aber, dass die Identität der Mitochondrien mit den Altmannschen Granula und Fila „fast gleichzeitig“ mit mir auch von Regaud und seinem Mit- arbeiter Mawas mit aller wünschenswerten Klarheit hervor- gehoben worden sei, und zitiert aus einer Arbeit der genannten Autoren über Protoplasmastruktur in Drüsenzellen (1909) folgenden Passus, welcher sich in einer Anmerkung auf S. 1 des Separatabdruckes findet: „Il y a cependant un auteur dont il est necessaire de mettre le nom au debut de cet article: c’est Alt- mann (Die Elementarorganismen, 2me edit., 1894). Les fila- ments et les granules qu'il a decerits et figures dans les glandes salivaires correspondent tres exactement aux chondriosomes. La comparaison des stades successifs de la secretion dans la parotide du chat pilocarpinis& lui a montre la participation directe des filaments et granules A la formation des grains. Les nom- breux faits qu’il a su observer dans beaucoup de tissus et d’or- ganes doivent le faire considerer non point seulement comme un precurseur, mais comme l’auteur veritable de la decouverte des chondriosomes: car des noms nouveaux, quelque me£ritoires qu'ils soient, ne remplacent point des faits.“ Die Plastosomentheorie der Vererbung. 57 Hierzu möchte ich bemerken, dass zwischen dem Er- scheinen meiner Abhandlung (1908), in welcher ich die Identi- tät der Mitochondrien mit den Altmannschen Granulis be- hauptet habe, und derjenigen von Regaud und Mawas (1909) ca. °/Ja Jahr dazwischen liegen müssen. Das Heft dieser Zeit- schrift, welches meine Arbeit enthält, ist nämlich am 24. Oktober 1908 ausgegeben; die Mitteilung von Regaud und Mawas wurde am 5. April 1909 auf der Versammlung der französischen Ana- tomischen Gesellschaft in Nancy vorgetragen. Es kann also keine Rede davon sein, dass die beiden französischen Autoren „fast gleichzeitig“ mit mir die Identität der Mitochondrien und der Altmannschen Granula hervorgehoben hätten. Ich glaube vielmehr annehmen zu dürfen, dass Regaud und Mawas bei der Niederschrift der in einer Anmerkung untergebrachten Sätze, welche Schreiner anführt, durch meine Arbeit (1908) beein- flusst gewesen sind. Jedenfalls ist in verschiedenen, die Mito- chondrien behandelnden Mitteilungen von Regaud aus dem Jahre 1908, von denen die letzten im Dezember 1908 in der Pariser Societ& de Biologie vorgetragen sind, nirgends ein Hin- weis auf Altmann zu finden. Es liegt mir ferner völlig fern, die Verdienste Altmanns, welchen ich zuerst allgemeinere Anerkennung verschafft habe, nachträglich schmälern zu wollen. Dass Altmann aber, wie Regaud und Mawas schreiben, „l’auteur veritable de la decou- verte des chondriosomes“ sei, kann man wirklich nicht behaupten : denn es kann nicht zweifelhaft sein, dass diese Entdeckung Flemming zukommt, dessen Fila von 1876—82 mit Plasto- konten identisch sind. Wenn man Flemming den Vorwurf machen kann, dass er der Fadenform als solcher eine prinzipielle Bedeutung zugeschrieben hat, welche sie nicht besitzt, so hat Altmann nicht minder irrtümlich den Hauptnachdruck auf die Körnerform gelegt. Und wenn Flemming die Fäden der Strahlungen und Gerüste mit Plastokonten zusammengeworfen hat, so hat Altmann mehrfach Kunstprodukte als Plastochondrien beschrieben (vergl. Meves, 1910, S. 652). Beide Forscher aber sind von der fundamentalen Bedeutung der von ihnen beschrie- benen Zellstrukturen durchdrungen gewesen. Ausser von Flemming (1876—1882) sind Plastosomen ferner schon vor Altmann (1890) von A. v. Brunn (1884) 58 Friedrich Meves: und v. la Valette St. George (1885—86), auf botanischem Gebiet von Strasburger (1884), Pfeffer (1886), Berthold (1886), Wigand (1887), Zacharias (1888) u. a. beschrieben worden. Altmann hat aber unter anderem das unleugbare Verdienst, eine ausgezeichnete und originelle Methode zur Darstellung der Plastosomen in Schnittpräparaten angegeben zu haben. Diese Methode, welche die erste gewesen ist, durch welche die Plasto- somen uns besser zugänglich gemacht wurden, soll man nicht herabzusetzen versuchen, indem man sie als „einseitig“ quali- fiziert. Einseitigkeit kann in diesem Fall überhaupt kein Vor- wurf sein; denn das Bestreben des Mikroskopikers geht doch gerade dahin, die Strukturelemente, auf welche es ihm ankommt, möglichst isoliert zur Darstellung zu bringen, so dass sie von allen anderen, mit denen man sie verwechseln könnte, unterschieden sind. Schreiner erklärt nun ferner, die Theorie von der Kon- tinuität der Plastosomen, deren Richtigkeit er bestreitet, „nach ihren Begründern als die Benda-Mevessche“ bezeichnen zu wollen. Dazu ist aber zu bemerken, dass Altmann bereits 1890 den Satz „omne granulum e granulo“ aufgestellt hat; und auch die Tatsache, deren Entdeckung von Schreiner Benda zu- geschrieben wird, „dass die Plasmakörnchen die Mitosen über- dauern“, ist Altmann sicher nicht unbekannt gewesen; jeden- falls ist sie, wenn nicht schon 1890 von ihm, so doch 1891 von L. und R. Zoja festgestellt worden, wovon sich Schreiner durch einen Blick auf Fig. 28 und 29 der Zojaschen Abhand- lung (1891) überzeugen kann. Richtig ist allerdings, dass Altmann später von seiner ur- sprünglichen Annahme abgekommen und zu dem Resultat gelangt ist, dass die Intergranular- oder Grundsubstanz der „wesent- liche Bestandteil, die Matrix des übrigen“ sei. Ferner kann man in der Tat wohl sagen, dass die Kontinuität der Plastosomen durch die neueren Untersuchungen von Benda, mir selbst, Duesberg u. a. erst definitiv bewiesen worden ist. Wenn Schreiner die „theoretischen Spekulationen“ Alt- manns als „leicht angreifbar“ bezeichnet, so meint er damit wohl einmal die in ähnlicher Weise auch von mir vertretene Auf- fassung Altmanns, dass die Plastosomen die Grundeinheiten des Protoplasmas sind, und weiter die Hypothese Altmanns, dass Die Plastosomentheorie der Vererbung. 59 die Zelle als eine Kolonie oder als ein symbiotisches Aggregat von „Bioblasten“ anzusehen sei. Dieser letzteren Anschauung habe ich meinerseits zwar ebenfalls noch 1917, S. 298, ohne Gründe anzugeben, widersprochen, muss aber heute bekennen, dass ich ernstliche Einwände dagegen nicht vorzubringen weiss, wenn ich auch die Beweise dafür vermisse, dass Plastosomen als frei- lebende Einzelorganismen existieren; denn, so wenig ich mich berechtigt fühle, über die Natur der Bakterien zu urteilen, so scheinen mir doch zwischen den Plastosomen und selbst den niedersten Bakterienformen bei grosser Ähnlichkeit erhebliche Unterschiede, z. B. in ihrem Verhalten gegen Säuren, zu bestehen. Andererseits ist aber zu bedenken, dass die freilebenden Plasto- somen entweder ausgestorben oder sich (z. B. zu Bakterien) meta- morphosiert haben könnten. Es könnte sogar ein- und mehr- zellige niedere Lebewesen geben, welche keine Plastosomen beherbergen und deren Elemente sich nur durch Teilung von ihresgleichen vermehren, ohne dass diese Tatsache einen Beweis gegen eine ursprüngliche Entstehung der Zelle aus Plastosomen bilden würde. Die Zelle muss als ein Organismus betrachtet werden, welcher bereits eine lange Phylogenese hinter sich hat (vgl. auch Schlater 1899). Für eine Genese der Zelle aus Plastosomen spricht vor allem, dass sich zwischen den Plastosomen embryonaler Zellen keine Unterschiede irgendwelcher Art feststellen lassen. Im weiteren Verlauf seiner Literaturübersicht richtet Schreiner gegen die Plastosomentheorie der Vererbung eine Reihe von Angriffen, auf welche ich unten (S. 84 und 126) zurück- kommen werde. Schliesslich erinnert er daran, dass Retzius 1914 zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Plastosomenlehre sich auf falschem Wege befinde, weiss aber im übrigen aus dem gesamten Inhalt der Retziusschen Streitschrift nur einen Passus allgemeiner Natur anzuführen, welcher in dem Satze gipfelt: „Was in ihr (der Plastosomenlehre) richtig sein kann, ist nicht neu, und was in ihr als neu erscheint, ist nicht richtig, aber unklar und schwankend.“ In meiner Antwort an Retzius (1914, 2) hatte ich es nicht für nötig gehalten, den letzteren Satz besonders zu widerlegen, 60 Friedrich Meves: will mich nunmehr aber auch diese Mühe nicht verdriessen lassen, da Schreiner ihn mir nicht nur 1916, S. i0S, sondern auch schon 1915, S. 149, d. i. in zwei aufeinander folgenden Abhand- lungen, entgegenhält. Die ursprüngliche Meinung von Benda und mir, dass es sich bei den „Mitochondrien“ um neuentdeckte Zellbestandteile handle, wurde von sämtlichen Autoren geteilt, die sich im Anschluss an uns über diese Gebilde ausgesprochen haben; z. B. von M. Heidenhain (1900, Waldeyer (1903), Gold- schmidt (1904), Prenant (1904), O0. Hertwig (1906), Regaud (noch Dezember 1908) und von zahlreichen anderen, zu denen, wie ich (1914,2 S.290 und 1917, S. 249, Anmerkung |) mitgeteilt habe, auch Flemming gehört hat. Nachdem ich nun aber in den Jahren 1907—-1908 gezeigt hatte, dass die Chondrio- konten oder Plastokonten mit den Fila Flemmings von 1882, die Mitochondrien oder Plastochondrien mit den Granulis von Alt- mann identisch sind, dass also die Befunde von Benda und mir schon früher auch in Gewebszellen studierte Bildungen betreffen, durfte Retzius, auf diesen von mir erbrachten Nachweis gestützt, allerdings sagen, dass in der Plastosomenlehre nicht alles neu ist, hätte dann aber zu gleicher Zeit bemerken müssen, dass es sich hierbei um eine Erkenntnis handelt, welche durch meine Arbeit gewonnen ist. Retzius selbst kommt, wie ich betonen muss, für die Feststellung der genannten Tatsache in keiner Weise in Betracht. Nach dem von Schreiner zitierten Retziusschen Satz („Was in ihr [der Plastosomenlehre| richtig sein kann, ist nicht neu, und was in ihr als neu erscheint, ist nicht richtig, aber unklar und schwankend“) muss nun aber derjenige, welcher mit den Protoplasmastudien der letzten 12 Jahre unbekannt ist, glauben, dass es in der Plastosomenlehre überhaupt nichts neues und zugleich richtiges gibt. Daher will ich hier wenigstens einige Hauptpunkte namhaft machen, bezüglich deren die Plasto- somenforschung zu neuen und sicheren Ergebnissen geführt hat, vorher aber um Entschuldigung bitten, wenn ich mehrfach Gesagtes wiederhole. Zunächst ist der Plastosomenforschung der Nachweis zu verdanken, dass Flemming zwei verschiedene Arten von Fäden im Protoplasma beschrieben und irrtümlicherweise miteinander Die Plastosomentheorie der Vererbung. 61 identifiziert hat, nämlich erstens die „Fila“, welche er 1876 bis 1882 am lebenden Objekt aufgefunden hat, und zweitens die Fäden der von den Zytozentren ausgehenden Strahlungen und der gleich oder ähnlich beschaffenen feinen Netzwerke oder Gerüste, die man ziemlich allgemein bei stärker sauren Fixierungen in tierischen Zellen antrifft. Die Feststellung, dass Plastochondrien und Altmannsche Granula identisch sind, hat ferner bewirkt, dass in der Wert- schätzung der Altmannschen Granula, welche bis dahin meistens entweder als Ausfällungsprodukte (Alfr. Fischer) oder, wenn nicht als solche, als Bestandteile der Strahlungen und Faden- gerüste (Flemming) angesehen wurden, ein völliger Umschwung eingetreten ist. Selbst ein meiner Auffassung der Protoplasma- struktur so wenig freundlich gesinnter Forscher wie Arnold, der irrtümlicherweise glaubt, Plastosomen durch seine Jodjodkali- Mazerationsmethode sowie durch vitale Färbung mit Methylenblau oder Neutralrot dargestellt zu haben, „will bereitwillig bekennen“ (1913, S. 455), „dass die Granulalehre durch die Mitochondrien- forschung gefördert wurde“. „Zum Teil“, meint er, „ist es der Mitochondrienforschung zu verdanken, dass die Granula allgemeinere Anerkennung gefunden haben und an ihrer Präexistenz nicht mehr gezweifelt wird.“ Man vergleiche auch die oben zitierte Äusserung von Schreiner. Durch die Erkenntnis, dass die Flemmingschen Fäden von 1876—82 und die Altmannschen Granula nur zwei ver- schiedene Erscheinungsformen einer und derselben Substanz dar- stellen, ist es weiterhin gelungen, die Flemmingsche Filar- theorie und die Altmannsche Granulalehre bis zu einem gewissen Grade miteinander zu versöhnen (vergl. Meves 1910). In neuester Zeit hat man die Plastosomen vom befruchteten Ei durch die Blastomeren bis zu den Embryonalzellen und den Zellen des erwachsenen Körpers ununterbrochen verfolgen und so ihre schon von Altmann behauptete Kontinuität sicher stellen können. Nachdem bereits Flemming die intra- und interzellulären Fibrillen (speziell die Bindegewebsfasern) auf seine „Fila“ zurück- geführt, Altmann die Granula als Bildungsstätten der Stof- wechselprodukte angesprochen hatte, bin ich selbst 1908 auf Grund von Beobachtungen an Wirbeltierembryonen zu dem Re- sultat gekommen, dass die Plastosomen den verschiedensten 62 Friedrich Meves: Differenzierungen, welche im Lauf der ontogenetischen Entwick- lung auftreten, strukturellen und stofflichen, als materielles Sub- strat zugrunde liegen. Dieser Satz ist durch zahlreiche neuere Arbeiten bestätigt worden. Eine Reihe von Autoren sind gleich mir der Über- zeugung, dass die Lehre vom Kernmonopol der Vererbung heute, nachdem eine Beteiligung der männlichen Plastosomen bei der Befruchtung nachgewiesen ist, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Eine hervorragende Rolle hat die Plastosomenforschung in den letzten Jahren auch auf botanischem Gebiet gespielt: hier sei nur daran erinnert, dass die Trophoplasten oder Chromato- phoren (die Chlorophylikörper, Stärkebildner und Farbkörper) nach den Untersuchungen von Pensa, Lewitsky, Guillier- mond, mir selbst u. a. bei den höheren Pflanzen von Plastosomen abstammen. Alle diese neuen und wichtigen Ergebnisse der Plastosomenforschung und noch viele andere mehr, durch welche unsere Kenntnis von der Morphologie des Protoplasmas eine erhebliche Vertiefung erfahren hat, werden in dem Satz, den Retzius formuliert und Schreiner ihm zweimal nachgesprochen hat, vollkommen ignoriert! Wenn Retzius ferner in diesem selben Satz behauptet, dass das, was in der Plastosomenlehre „als neu erscheint“ (!), „unklar und schwankend“ sei, so habe ich schon 1912, S. 92 u. £. und 1914, 2 gezeigt, dass die Unklarheit auf Seiten von Retzius ist, welcher die Plastosomen andauernd mit den Fäden der Strahlungen und der in vielen tierischen Zellen möglicherweise intra vitam vorkommenden Gerüste zusammenwirft. Dagegen glaube ich selbst (1915, 2, S. 289) gerade als ein „Hauptergebnis meiner Arbeit“ betrachten zu dürfen, dass sie mir ermöglicht hat, „in das Chaos der Lehre von der Protoplasmastruktur etwas Ordnung hineinzubringen.“ Die Stellungnahme von Retzius erklärt sich, wie ich 1910 und 1914, 2 ausgeführt habe, dadurch, dass er für das Studium der Protoplasmastruktur Methoden gebraucht hat, durch welche die Plastosomen in den meisten Fällen mehr oder weniger zerstört werden. Selbst Schreiner (1915, S. 149) vermag die Kritik, welche Retzius 1914 an den Plastosomen geübt hat, nur als Die Plastosomentheorie der Vererbung. 63 „eingehend und sachlich“ zu beloben; in der Tat dürfte schon heute ziemlich allgemein feststehen, dass sie ein Fehlgriff ge- wesen ist. Benda, welcher in seinem Vortrag (1914) anmerkungs- weise (S. 31) auch die Gegnerschaften erwähnt, die sich gegen die „Mitochondrien“ erhoben haben, findet den „Widerspruch eines Forschers wie Retzius am schwersten verständlich und am meisten bedauerlich“: „zumal sich“, sagt er, „hier be- merken lässt, dass sich der Widerspruch mit jeder neuen Publi- kation in der Tonart verschärft.“ Benda glaubt fest, dass wenn Retzius sich noch entschliesst, sich in die Technik der Mito- chondrienmethode hineinzuarbeiten, „wir noch den Tag erleben können, wo ein neuer Prachtband seiner ‚biologischen Unter- suchungen‘ mit Mitochondrienbildern angefüllt ist“. IV. Zum Verhalten der Plastosomen bei der Be- fruchtung. Nachträge und Erwiderungen. l. Ascaris und Filaria. Für die Anschauung, dass die Plastosomen bei der Ver- erbung beteiligt sind, ist durch meine Befunde an Nematoden eine sicher begründete Unterlage geschaffen worden. Ich habe bei Ascaris und Filaria festgestellt, dass männliche Plastochondrien bei der Befruchtung im Eiprotoplasma ausgestreut werden. Bei Ascaris treten sie nach den Beobachtungen, welche ich 1911,1 beschrieben habe, erst in das Eiprotoplasma über, nachdem sie sich in Körner von der Grösse der Eiplastochondrien zerlegt haben; bei Filaria dagegen wandern sie als grössere Granula aus dem Spermium aus und zerteilen sich erst hinterher. Mit der Stellung, welche Retzius (1911), Vejdovsky ar 12), Breld (1912, Lund 2), ’Romeis (1912, 1913) und v. Kemnitz (1912) zu meiner Ascarisarbeit eingenommen haben, habe ich mich bereits 1913, S. 235—244 beschäftigt. An dieser Stelle sollen die Kritiken, welche neuerdings von Faur&-Fremiet (1913), Held (1916) und Schreiner (1916) daran geübt worden sind, zur Sprache gebracht, vorher aber noch zwei Äusserungen von Lams (1913) und C. Rabl (1915) über van Beneden und sein Verhältnis zur Frage nach der Mitwirkung des Proto- plasmas bei der Befruchtung wiedergegeben werden. 64 Friedrich Meves: Lams (1913) schreibt, dass van Beneden, wenn er die Befruchtung des Ascariseies mit unseren heutigen Methoden hätte untersuchen können, die wesentliche Rolle des Protoplasmas bei der Befruchtung ganz gewiss nicht bezweifelt haben würde. Die Tatsachen, welche van Beneden (nach Lams S. 303: „gräce ä des methodes rudimentaires“) festgestellt habe, hätten ihn (1853) dazu veranlasst, auszusprechen, dass es Gründe gäbe, zu glauben „que, de toutes parties constitutives du zoosperme, la seule qui joue un röle actif dans la fecondation de l’@uf, c’est le petit noyau chromatique, entoure de sa couche claire perinucleaire“. Er hat aber nach Lams intuitiv das allzu Absprechende dieser Behauptung erkannt; denn er macht, wie Lams sagt, in seinen „eonclusions generales“ die ausdrücklichsten Vorbehalte. „Il est certain“, schreibt van Beneden 1883 S. 613, „que le zoosperme apporte dans le vitellus non seulement un noyau, mais aussi du protoplasme. Rien n’autorise ä affırmer que le röle du protoplasme spermatique est secondaire dans la fecondation; mais j’aı signale quelques faits qui permettent de douter de l’importance de l’apport protoplasmique. Üette question reste entierement ouverte.“ C. Rabl (1915, S. 66 und 81) bemerkt zu dem gleichen Punkt, dass van Beneden in seiner Ascarismonographie (1883 bezw. 1884) die Möglichkeit einer Beteiligung des Protoplasmas bei der Befruchtung „nicht geradezu in Abrede stellt“, dass er sich aber später 1887) von Strasburger. O. Hertwig, Weismann, Kölliker hat „ins Schlepptau nehmen lassen“. Faure-Fremiet (1915) hat den gesamten Entwicklungs- zyelus der (Geschlechtszellen bei Ascaris megalocephala vom morphologischen, hauptsächlich aber vom chemischen und physi- kalischen Standpunkt studiert. Den Ausstreuungsvorgang der männlichen Plastochondrien hat er an Eiern, welche mit Perchrom- säure fixiert waren, bestätigt gefunden. Er beschreibt, dass die Granula des Spermiums zuerst als Tröpfehen von Ya u Durch- messer, weiter als kleine Massen mit unscharfen Konturen oder als Gruppen von kleineren Körnchen erscheinen, welche letzteren sich alsbald trennen und sich allmählich im Eiprotoplasma zer- streuen. Dieser Vorgang zeigt nach seiner Meinung, dass die Grösse der Plastochondrien eine „Funktion des Milieus“ ist. „Si Die Plastosomentheorie der Vererbung. 65 l’on considere les granules mitochondriaux comme des goutte- lettes lipoides, on concoit que la grosseur de celles-ci ne soit qu’une question de tension superficielle variable avec l’etat du cytoplasme (voir Mayer, Rathery et Schaeffer). Nous savons que les mitochondries des cellules mäle et femelle de l’Ascaris sont constitudes vraisemblablement par le m&me lipoide, et nous voyons ainsi ces @l&ments prendre une nouvelle forme d’equilibre determinee par les conditions speciales au cytoplasma ovulaire, & mesure que le cytoplasma spermatique diffuse dans celui-ci et s’y mele intimement.“ Meinerseits glaube ich nicht, dass die Zerlegung der männ- lichen Plastochondrien, denen ich (wie allen Plastosomen) eine komplizierte Organisation, eine „Metastruktur“ im Sinne von Roux, zuschreibe, eine so einfache, rein physikalische Erklärung wie die von Faur&-Fremiet gegebene zulässt, sondern möchte darin einen Lebensakt dieser Elemente sehen. An späterer Stelle (S. 668) weist Faur&-Fremiet, welcher schon früher (1910) Zweifel an der Berechtigung einer Plasto- somentheorie der Vererbung geäussert hatte, auf folgende Be- obachtung von Boveri und Hogue (1909) hin, welche nach seiner Ansicht gegen eine organbildende Bedeutung der Plasto- somen spricht. Boveri und Hogue haben Ascariseier unter starker Zentrifugalwirkung sich teilen lassen und dabei die Ab- * schnürung eines „Granulaballs“ beobachtet. Hinterher treten in den meisten Fällen Störungen der Furchung ein; die Entwicklung kann aber auch normal verlaufen. Faur&-Fremiet hat sich nun durch histologische Methoden davon überzeugt, dass die „Granula“ von Boveri Mitochondrien sind. Man kann daher, nach Faure-Fremiet, aus dem angeführten Experiment schliessen, dass die „Mitochondrien“ nicht nur für die Segmentierung, sondern auch für die erste Differenzierung entbehrlich sind, da sie vom Ei getrennt werden können, ohne dass die Bildung des Embryo dadurch notwendig gestört wird. „Les mitochondries“, schliesst Faur&-Fremiet, „ne constituent pas, en un mot, une substance organo-formative.“ Dagegen lässt sich nun aber einwenden, dass nach Boveri und Hogue ein Teil der „Granula“ im Ei zurückbleibt; es er- scheint also sehr wohl denkbar, dass durch die Vermehrung dieser letzteren Ersatz für die verloren gegangenen geschaffen wird. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 92. Abt. II. 5 66 Friedrich Meves: Held hat 1916 seinen beiden vorläufigen Mitteilungen aus dem Jahre 1912 über die Befruchtung des Ascariseies die aus- führliche Arbeit folgen lassen. Er kommt darin (S. 199) zu dem Resultat, dass die Plastosomen des Spermiums „sicherlich eine gewisse Bedeutung für den Prozess der Befruchtung besitzen“. Wie hoch sie einzuschätzen sei, könne dagegen dem augenblick- lichen Stand der Untersuchung nicht mehr entnommen werden. An anderer Stelle (S. 189) sagt Held von denselben Elementen, dass sie „für den Altmannschen Satz ‚omne granulum e granulo‘ einen guten Beweis liefern“ ; „ob sie aber irgend eine bioblastische Bedeutung haben, im Leben des Protoplasmas sowohl wie hier ganz besonders für den Prozess der Befruchtung, bleibt so dunkel wie vorher.“ Held bezeichnet die Plastosomen auch neuerdings noch mit dem von Arnold gebrauchten Ausdruck „Plasmosomen“, was aus Gründen, die ich seit 1912 mehrfach dargelegt habe, (z. B. 1915, 2, S. 295 u. folg. und 1917, S.256—257), nicht an- gängig ist. Der Name Plastosomen, meint Held S. 212, „recht- fertigt sich nicht aus irgend einem klar erbrachten Beweis, dass diese Elemente des Protoplasmas auch wirklich diesen Namen verdienen. Nur Wünsche, Hoffnungen, Spekulationen, dass es so sein werde, stehen hinter ihm.“ Meinerseits verstehe ich nicht, wie man die Berechtigung dieses Namens angesichts der zahl- reichen Beweise, die auf tierischem und pflanzlichem Gebiet für eine formative Bedeutung der Plastosomen beigebracht sind, heute noch ernstlich in Abrede stellen kann. Die Bezeichnung Plastosomen stimmt, wie ich 1917, S. 294 ausgeführt habe, dem Sinne nach mit dem Ausdruck Plastiden überein, welcher nach Wiesner den Ohromatophorenanlagen vorbehalten bleiben sollte, und rechtfertigt sich schon allein dadurch, dass die Identität dieser Plastiden, d. i. der Chromatopborenanlagen mit Plasto- somen durch die Untersuchungen von Pensa, Lewitsky, Guilliermond, mir selbst u. a. unwiderleglich bewiesen worden ist. Die Abweichungen, welche die vorläufigen Mitteilungen von Held gegenüber meinen eigenen Angaben zeigen, habe ich 1913 im wesentlichen auf die mangelhafte Konservierung des von Held untersuchten Materials zurückgeführt. Als Anzeichen einer solchen habe ich damals die von Held wie schon früher von L. und R. Zoja (1891), mir (1910, 2) und Retzius (1911) beschriebene Die Plastosomentheorie der Vererbung. 67 Auswanderung unverkleinerter männlicher Plastochondrien nam- haft gemacht; ferner die Erscheinung, dass die Eiplastochondrien nach Held „an mehr oder minder gröberen oder auch sehr feinen Protoplasmafäden aufgereiht“ sein sollen, sowie das von Held erwähnte Auftreten von plastosomatischen „Ringgranulis“ und „echten Ringen“, welche sicher weiter nichts als Artefakte dar- stellen. Die Fixierungen, welche Held 1912 erzielt hat, sind aber nicht nur für Plastosomenstudien ungenügend gewesen, wie sich daraus ergibt, dass nach Held (1912, 2, S. 244) die Dotter- kugeln zu der inneren Perivitellinhülle, in welcher das Ei schwimmt, ausfliessen (!) sollen. Die nunmehr vorliegende ausführliche Arbeit von Held gibt mir wiederum Veranlassung, zahlreiche Irrtümer von ihm zu berichtigen, wobei ich mich allerdings auf die hauptsächlichsten beschränken muss; auch kann ich nicht umhin, gegen verschiedene von Held geübte Entstellungen Einspruch zu erheben. Das Bestreben, meinen Anteil an der Erforschung der in Rede stehenden Probleme zu verkleinern, tritt in der Arbeit von Held, wie ich schon 1917 (S. 307, Anm.) gesagt habe, „so offen- sichtlich zu Tage, dass es schon darum seine Wirkung verfehlen wird“. Ein Beispiel dafür, wie Held den Sachverhalt entstellt, findet sich sofort in der Einleitung. Held sagt dort von meiner Ascarisarbeit (1911,1), dass die Ergebnisse derselben nach Retzius in der Luft schweben; weiter erklärt er, ebenso wie Retzius zu dem Resultat gekommen zu sein, dass „schon“ (!) „für den Vorgang der Verschmelzung männlicher und weiblicher Plasto- somen keine Spur eines Beweises erbracht sei“ (!. So Held, trotzdem ihm bekannt sein müsste, erstens, dass es mir in erster Linie darauf ankam, darzutun, dass die männlichen Plastosomen überhaupt bei der Befruchtung beteiligt sind, nicht aber darauf, dass sie sich mit den weiblichen vereinigen ; zweitens, dass ich niemals behauptet habe, bei Ascaris eine Kopulation bewiesen zu haben! Ich habe schon in meiner Seeigelarbeit (1912, 2, S. 84) betont, dass der Beweis für einen solchen Vorgang, welchen ich ebenso wie Naegeli (1884) mit Bezug auf die hypothetischen elterlichen Idioplasmen und Delage (1895) mit Bezug auf die Altmannschen Granula von Spermium und Ei theoretisch postu- 5* 68 Friedrich Meves: liert habe, bei Ascaris „schwer zu erbringen sein dürfte“. „Ich habe zwar“, sagte ich damals, „eine Beobachtung beschreiben können, welche in diesem Sinne gedeutet werden könnte, bleibe mir aber bewusst, dass es sich einstweilen nur um eine Hypothese handelt; an dieser möchte ich allerdings bis auf weiteres, zum mindesten als an einer berechtigten Forschungshypothese fest- halten.“ Und zu demselben Punkt habe ich 1913, S. 235—236 gegenüber Retzius bemerkt: „Ich habe meinerseits niemals behauptet, diese Kopulation [zwischen männlichen und weiblichen Plastochondrien im Ascarisei] gesehen und bewiesen oder auch nur wahrscheinlich gemacht zu haben. Ich habe nur ausgesprochen, dass die Volumenzunahme, welche an meinen Präparaten bald nach der Auswanderung der männlichen Körner zu konstatieren ist, mit einer Kopulation zusammenhängen könnte, habe aber aus- drücklich hervorgehoben, dass die Vergrösserung möglicher- weise auf Rechnung einer Quellung zu setzen sei, welche ein- getreten sein könnte, weil das fixierende Reagens die auf diesen Stadien bereits stark verdiekte Dotterhaut erst nach Ablauf einiger Zeit zu durchdringen vermag.“ Es ist mir auffallend, dass auch dieser Passus von Held übersehen worden ist, obwohl er sich in derselben Abhandlung (1913) findet, in welcher ich die vorläufigen Mitteilungen von Held ausführlich kritisiert habe. Was nun die am Ascarisei zu erhebenden tatsächlichen Befunde anlangt, so sind die Differenzen zwischen Held (1916) und mir wiederum wie schon 1912 in erster Linie auf die von Held angewandte Methodik zurückzuführen. Zunächst ist, wie ich im folgenden zeigen werde, nach wie vor ausgeschlossen, dass das von Held studierte Eimaterial für Plastosomenstudien ein- wandfrei konserviert gewesen sein kann. Ausserdem aber ist Held bei der Beurteilung seiner Färbungen, welche er an Celloidin- schnitten ausgeführt hat, ohne die erforderliche Kritik zu Werke gegangen. Zur Fixierung der Ascariseier hat Held das schon von L. und R. Zoja angewandte Altmannsche Gemisch gebraucht, welches ich 1911 nach vielem Herumprobieren mit anderen Reagentien als das für Plastosomenstudien an diesem Objekt am meisten geeignete bezeichnet habe. Held zerschneidet die Uterusschläuche in kleine, nicht ganz 1 cm lange Stücke. Ich Die Plastosomentheorie der Vererbung. 69 habe dagegen 1911,1 angegeben, man müsse den Inhalt der Ei- röhren in dem Fixierungsmittel zerzupfen (so, dass womöglich jedes einzelne Ei mit dem Reagens in Berührung kommt). Die Prozedur des Zerzupfens in dem stark osmiumsäure- haltigen Gemisch habe ich nicht ohne zwingende Gründe an- gewandt, denn ich habe sie an meinen Schleimhäuten von Nase und Augen häufig unangenehm genug empfunden. Ausser- dem wurde es durch das Zerzupfen nötig, die isolierten Eier bei der Einbettung in Paraffin wieder zu sammeln. Ein dafür geeignetes Verfahren, welches mich voll befriedigte, habe ich erst nach vielen Versuchen ausfindig gemacht; es besteht in der Anwendung von Gelatinehülsen, welche P. Mayer schon 1907 für derartige Zwecke empfohlen hatte. Held sagt nun von meiner Angabe, dass die Altmannsche Flüssigkeit nur dann „ausgezeichnete Fixierungen“ liefert, wenn man sie auf die isolierten Eier einwirken lässt, dass sie mit seinen Erfahrungen nicht übereinstimme. Die Güte der Fixierung sei von ganz anderen Faktoren abhängig, als davon, dass die Eiballen minutiös zerzupft werden müssen, sie werde „mehr oder minder beeinflusst“ dadurch, dass die Durchlässigkeit der Eischalen für die Fixierungsflüssigkeit bei verschiedenen Würmern individuell verschieden sei. Letztere Tatsache ist ja nun allerdings seit langem bekannt. Jedoch würde man, wenn man ca. | cm lange Stücke der Eiröhren mit dem Altmannschen Gemisch fixiert, auch beifehlenden Eischalen von den mehr im Innern gelegenen Eiern schlechte Fixierungen erhalten; denn, wie jeder weiss, der sich eingehender mit den Plastosomen beschäftigt hat, werden diese Gebilde bei allen etwas grösseren Objekten nur in einer schmalen peripheren Zone gut konserviert, welche der Einwirkung des heagens am stärksten ausgesetzt war; die zentralen Partien dagegen sind für Plastosomenstudien immer unbrauchbar, einerlei, um welche Art von Material es sich handelt. Wie viel mehr muss sich diese Er- scheinung bei den Uterusschläuchen von Ascaris geltend machen, welche prall mit Eiern gefüllt sind, die eine resistente Schale besitzen und von einem zähen Eiweissbelag umhüllt sind! Hierzu kommt nun noch, dass bei Fixierung von annähernd 1 em langen Stücken der Uterusschläuche die mehr zentralen Eier nicht sofort abgetötet werden, sondern Zeit erhalten, sich 70 Friedrich Meves: pathologisch zu verändern, wozu sie um so mehr neigen werden, als das Reagens zunächst nur in stark verdünntem Zustand mit ihnen in Berührung kommt; bei den reifenden Eiern, deren Emp- findlichkeit bekannt ist (vgl. Boveri 1888, S. 14), könnte schon die vor dem Tode eintretende Abkühlung, welche durch Anwendung des kalten Fixierungsmittels bedingt wird, zu abnormen Erscheinungen, z. B. zu einer überstürzten Aussaat unzerlegter männlicher Plastochondrien, Anlass geben. Auf alle diese Punkte habe ich schon früher wiederholt auf- merksam gemacht. Held bleibt aber dabei, dass „die Unterschiede der Fixierungsweise unwesentlich für den Erfolg derselben sind!“ Er hat von den beiden Schläuchen eines Wurms den einen in kurze Stücke zerschnitten und die Eiballen in der Fixierungs- tlüssigkeit zerzupft, den zweiten dagegen in gleich lange Stücke von ca. 1 cm zerlegt, „die dann ohne weiteres und unzerzupft fixiert worden sind“, hat aber einen „wesentlichen Unterschied“ nicht bemerkt. Einige fixierte und eingebettete Schlauchstücke hat er ferner der Länge nach geschnitten, wobei er fand, „dass zwischen den in der Mitte des Stückes gelegenen Eiern und den oberflächlichen einerseits und endlich den an beiden Schnittenden etwas konvex hervorgequollenen Eiballen, die doch unmittelbar von der Fixierungsflüssigkeit getroffen worden sind, kein noch so feiner Unterschied irgendwelcher Art zu sehen“ war. Das sind nun allerdings Konstatierungen, die zu den sonstigen Erfahrungen der Plastosomenforscher in diametralem Gegensatz stehen und nach meinem Dafürhalten nur eine Erklärung zulassen: dass bei dem ersten Versuch von Held auch die isolierten und bei dem zweiten auch die „oberflächlichen“ Eier und die „an den beiden Schnittenden etwas konvex hervorgequollenen Eiballen“ schlecht fixiert gewesen sind. Bei dem zweiten Versuch könnten die am besten konser- vierten Eier an der Oberfläche der konvex hervorgequollenen Ei- ballen später abgebröckelt sein. Handelt es sich um Eier mit schwer durchlässiger Schale, so bedingt die Lage in der Tat keinen grossen Unter- schied. Besonders vom Ende der zweiten Reifungsteilung an werden die Ascariseier, selbst wenn man sie durch Zerzupfen in Altmannschem Gemisch isoliert, erst nach Ablauf einiger Zeit abgetötet und kommen auch dann zunächst jedenfalls nur mit — Die Plastosomentheorie der Vererbung. einer minimalen Menge des heagens in Berührung. Wenn man Eier von diesem Stadium an mit Altmannschem Gemisch momentan fixieren will, muss man, wie ich 1914 auseinander- gesetzt habe, ein zuerst von Artom (1908 in einer Mitteilung aus dem Würzburger Zoologischen Institut) empfohlenes Verfahren anwenden, welches darin besteht, die im Uterus enthaltenen lebenden Eier mit einem Kohlensäure-Gefriermikrotom zu schneiden (die dick beschalten Eier werden durch die Kälte nicht geschädigt) und sie dann in die Fixierungsflüssigkeit zu bringen. Die neuen Resultate, welche Held erzielt zu haben glaubt, schreibt er der Anwendung einer Doppelfärbung zu, „die es erlaubt, gewisse Anteile des Spermienprotoplasmas und die des befruchteten Eies selbst so different zu färben, dass sie sich auf allen Stadien des Befruchtungsprozesses und bis in die Periode der Furchung des Eies hinein unterscheiden lassen.“ Diese Doppelfärbung besteht in einer Molybdänhämatoxylin- färbung, welche mit der Altmannschen Fuchsin-Pikrinsäure- methode als Nachfärbung kombiniert wird. Sie ist, wie Held sagt, „von vielen Besonderheiten“ abhängig. Die nicht ganz 1 cm langen Stücke kommen, ohne vorher gewässert zu sein, in langsam steigenden Alkohol, um schliesslich in Zelloidin einge- bettet zu werden. Die Paraffindurchtränkung soll eine „um- fassende und zuverlässige Kontrastfärbung der Granula der Spermie und derjenigen des Eies“* erschweren oder verhindern. Das in Zelloidin eingeschlossene Material „muss schnell durch- gearbeitet werden“; ein solches, „welches einige Wochen in dem 80 proz. Alkohol gelegen hat, gibt keine sichere Doppelfärbung mehr“. Die Dicke der Zelloidinschnitte hat Held (S. 76) „sehr variieren müssen“; er ist bei den ersten Befruchtungsstadien bis zu 30 u (!) aufwärts gegangen, „ohne dass sowohl das Gelingen der Doppelfärbung wie die Genauigkeit der Beobachtung darunter gelitten hätte“. Die technischen „Besonderheiten“ dieser „Kontrastfärbung“ sind sicherlich geeignet Befremden zu erregen; die Schluss- folgerungen aber, welche Held aus seinen Färbungsresultaten zieht, sind im höchsten Grade angreifbar. „Die Molybdänhämatoxylinfärbung allein“, sagt Held, „lässt nach ihrer Differenzierung im Eiprotoplasma zahlreiche dunkel- schwarz gefärbte Granula übrig und dazwischen andere, die blass- 12 Friedrich Meves: gelblich erscheinen.“ Das sind nach Held zwei Arten von Ei- granulis, die er als schwarze und gelbe Eigranula unterscheiden will. Ebenso erscheinen auch an denjenigen Präparaten, welche ausschliesslich nach der Altmannschen Methode tingiert sind, die einen Granula nach Held rot, die anderen „leicht orangegelb“. Nach meiner Überzeugung gibt es aber nur eine einzige Sorte von Eiplastochondrien: die gelben sind weiter nichts als schwarze bezw. rote, welche ihre Farbe abgegeben haben. Die Diffe- renzierung von Zelloidinschnitten, welche bis zu 30 « dick sind, muss notwendig längere Zeit in Anspruch nehmen, so dass sich ein Teil der Eigranula sehr leicht entfärben kann. Meistens wendet Held die beiden Färbungen, von denen eine jede für sich allein geeignet ist, die vorhandenen Plasto- chondrien zur Anschauung zu bringen, nacheinander an. Lässt man nun die Molybdänhämatoxylinfärbung vorausgehen und färbt mit Fuchsin nach, so werden zunächst alle Granula rot tingiert: das Fuchsin überdeckt das Hämatoxylin, soweit das letztere nicht schon extrahiert war. Bei dem Differenzierungs- verfahren mit Pikrinsäurealkohol lässt sich der rote Farbstoff aus den kleinen Granulis verhältnismässig leicht entfernen, wie man leicht konstatieren kann, wenn man die Altmannsche Methode auf Paraffinschnitte von 5 « allein anwendet. Dagegen halten die grossen Granula das Fuchsin energisch fest. Wir erhalten also Präparate, in denen die grossen Granula rot, die kleinen schwarz (Fig. 26 bis 38 oder 39 von Held) oder auch schwarz und gelb gefärbt sind. Gegen dieses letztere Färbungsresultat istan und für sich nichts einzuwenden. Jedoch folgt daraus keineswegs, dass die männlichen und weiblichen Plastochondrien substantiell verschieden sind; denn es könnte sich, wie ich schon 1913, S. 242 bemerkt habe, um weiter nichts als um eine Konzentrations-Doppelfärbung'!) im Sinne von A. Fischer, d. h. um eine rein physikalische Er- scheinung handeln. ‘) Fischer (1899) führt unter anderen Beispielen für eine solche an, dass er Granula verschiedener Grösse, die er durch Fällung einer 40°/oigen Albumoselösung mit Platinchlorid erhalten hatte, mit Methylgrün-Fuchsin in prachtvoller Weise doppelt färben konnte, und zwar die grösseren sub- stanzreicheren Granula blaugrün, die kleineren rot. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 73 Held will nun aber nicht bloss die „groben Granula“ der eingedrungenen Spermien, sondern auch „ihre kleiner gewordenen Teilungsprodukte“ different haben färben können. Seine Fig. 40 bis 46 zeigen Eizellen, in denen gleich grosse Granula teils schwarz, teils rot gefärbt sind. Hierzu möchte ich zunächst C. Rabl zitieren, welcher 1915 S. 131 schreibt: „Ich habe die schönen Präparate Helds über die Befruchtung von Ascaris selbst gesehen und glaubte!), als sie noch frisch waren und die Farbenunterschiede der zwei Arten von Körnern (Plasmosomen Held) noch gut erkennen liessen, die vom Spermatozoon eingeführten Plasmosomen von den schon von früher her im Ei vorhandenen unterscheiden zu können.“ Dass C. Rabl in bezug auf die Unterscheidungsmöglichkeit der Granula in den „frischen“ Präparaten nur „glaubte“, muss doch zu denken geben. In der Tat wird selbst durch einen so kräftigen Farben- unterschied zwischen schwarzen und roten Körnern, wie die Heldsche Tafel VII ihn zeigt, absolut nicht bewiesen, dass die roten Körner „spermiogener“ Natur sind. Es könnte sich hier um eine ähnliche Erscheinung wie bei den von Held durch Einfachfärbung dargestellten schwarzen (bezw. roten) und gelben Granulis des unbefruchteten Eies. d. h. also um eine un- reine Tinktion handeln. Bei Anwendung der Doppelfärbung könnte es auch beim Vorhandensein gleich grosser und gleich beschaffener Körner in den befruchteten Eiern besonders an dicken Schnitten sehr leicht passieren, dass bei der Differenzierung mit Pikrinsäure- Alkohol ein Teil der Granula das Fuchsin abgibt, während ein anderer Teil es noch festhält; bei den ersteren wird dann das Schwarz der vorausgesandten Molybdänhämatoxylinfärbung zum Vorschein kommen. Damit will ich aber keineswegs in Abrede stellen, dass sich ein Verfahren wird auffinden lassen, durch welches die zerlegten männlichen Plastochondrien separat gefärbt werden können. Held erscheint der Gedanke „neu und überraschend“, „dass die Protoplasmagranula einer Spermie und diejenigen des Eies so different beschaffen seien, dass man sie voneinander unter- scheiden könnte“. Darin muss ich ihm widersprechen; denn wir !) Von mir gesperrt. 74 Friedrich Meves: wissen seit langem, dass die plastosomatischen Bestandteile des reifen Spermiums sich färberisch vielfach anders verhalten als z. B. die Plastosomen der Spermatiden oder der Eizellen. Zum Beispiel lässt sich der Spiralfaden reifer Säugetierspermien mit Hilfe der Plastosomenmethoden meistens nicht mehr tingieren; Benda (1914, S. 27) bemerkt, dass die „Mitochondrien“ hier „tatsächlich unter einer chemischen oder physikalischen Modi- fikation persistieren, die nur ihre Farbstoffaffinität verändert“: bei der Befruchtung werden sie „sicherlich reorganisiert und reaktiviert.“ ') Z/weifellos wird man nun auf diese Verhältnisse Doppel- färbungen bei der Befruchtung gründen können. Ich selbst habe 1915 bei Mytiluseiern nach Fixierung mit Altmannschem Gemisch und aufeinanderfolgender Färbung mit Eisenhämatoxylin und Säurefuchsin die Eiplastochondrien schwarz, das Nebenkernorgan des in das Ei eingedrungenen Spermiums dagegen rötlich tingiert erhalten können. Diese Färbung kommt anscheinend folgender- maßen zustande. Das Nebenkernorgan des Mytilusspermiums besteht aus fünf Kügelchen, welche am hinteren Umfang des Kopfes um den Ansatz des Schwanzes herum gelegen sind. Diese lassen sich nach Fixierung mit Altmannschem (Gemisch sowohl mit Eisenhämatoxylin als auch mit Säure- fuchsin nach Altmann tingieren, geben aber den Farb- stoff bei beiden Verfahren sehr leicht wieder ab und erscheinen dann ganz durchsichtig und hell. Wendet man nun bei dem befruchteten Ei zunächst eine Eisenhämatoxylinfärbung an, so kann man sehr leicht die Eiplastochondrien, welche im Mittel die gleiche Grösse haben wie die Kügelchen des Neben- kernorgans, noch stark schwarz gefärbt erhalten, während diese letzteren bereits völlig entfärbt sind. Schickt man alsdann eine Säurefuchsinfärbung (am besten die Kullsche Modifikation der- selben) nach, so gelingt es, den Kügelchen des Nebenkernorgans nachträglich einen rötlichen Ton zu verleihen; dagegen erscheinen die Eiplastochondrien nach wie vor rein schwarz, wahrscheinlich, weil die Rotfärbung, welche sie durch das Säurefuchsin erhalten, gegen ihre durch das Fisenhämatoxylin bewirkte intensive Schwärzung nicht aufkommen kann. !, In ähnlicher Weise habe ich mich selbst schon 1913, S. 245, be- züglich des plastosomatischen „Nebenkerns“ bei Insekten geäussert. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 75 Weiter ist es nun sehr wohl denkbar. dass die Körner, welche nach meiner Annahme durch Zerlegung der Kügelchen des Nebenkernorgans entstehen, sich ebenfalls noch eine Zeitlang, bis zu ihrer völligen „Reaktivierung“, anders färben als die weiblichen. Ich muss aber dabei bleiben, dass die beiden Granulasorten, welche Held im befruchteten Ascarisei (nach eingetretener Zer- legung der männlichen Plastochondrien) herausgefärbt hat, keines- wegs verschiedenen Ursprungs zu sein brauchen. Die Schilderung der tatsächlichen Verhältnisse be- ginnt Held mit derjenigen der Protoplasmastruktur des reifen Eies. Er beschreibt ein sehr feines und enges Netz- werk oder Gitter, dessen Maschen von „Interfilarmasse“ erfüllt sind; bei einem Teil der Eier haben sich stärkere „Protoplasma- strahlen“ ausgebildet, welche vom Kern in radiärer Richtung aus- gehen. Dieses Plasmagitter, sagt Held S. 91, hat Meves „voll- ständig in dem Fixierungsbild des Ascariseies übersehen“: dabei verweist er auf meine Erklärung (1911, 1, S. 692), dass ich von einem Fadenwerk in der Grundsubstanz nichts wahrgenommen hätte. Ich muss nun aber behaupten, dass das „Netzwerk“ von Held besonders an dickeren Schnitten überhaupt nicht zu über- sehen ist. Es handelt sich jedoch gar nicht um ein solches, sondern um jenes bekannte Bild, welches durch Vakuolisierung der Grundsubstanz bedingt wird: die Heldschen Netzfäden sind die optischen Durchschnitte von Wabenwänden! Die Plasmafäden, deren vitale Existenz ich 1911, 1 als zweifelhaft bezeichnet habe, liegen in dem „Netz- oder Plasmagitter“ von Held eingeschlossen ! Held ist also bis zu dem Problem, welches ich 1911 ım Auge gehabt habe, überhaupt nicht vorgedrungen. Ich bekämpfe seit Jahren die Bendasche Anschauung, dass die „Mitochondrien“ in „Plasmafäden“ eingefügt seien, und vertrete den Standpunkt, dass sie gleichzeitig mit diesen in der Regel nur bei ungenügender Fixierung mit den zum Plastosomenstudium dienenden Reagentien sichtbar sind und dann vielfach mit den „Plasmafäden“ ver- backen erscheinen. !) ') Was speziell das Ascarisei anlangt, so habe ich schon früher darauf hingewiesen, dass diejenige Substanz, aus welcher die Granula der Ovozyten 76 Friedrich Meves: Held hat nun, wie er sagt, mit Hilfe der Molybdänhäma- toxylinfärbung feststellen können, dass die Eiplastochondrien ent- weder „der Substanz der Fäden eng angeschmiegt sind oder in ihr eingebettet liegen“. „In der Substanz der derberen Fäden, in derjenigen der breiteren Plasmabalken“, schreibt er S. 80, „sind die Granula sicherlich eingeschlossen. Das wäre eine intrafilare Lage“ In Wirklichkeit hat es sich hier nur um eine Lage innerhalb der Grundsubstanzlamellen gehandelt! Darin aber hat Held völlig Recht: die „Protoplasmafäden“, welche er beschreibt, bekommt man nicht, wie ich es 1911, 1 von dem Fadenwerk behauptet habe, dessen Vitalität ich als zweifelhaft bezeichnete, nur dann zu sehen, wenn die Wirkung der Osmium- säure eine ungenügende gewesen ist. Wenn Held aber daneben behauptet: „Die von mir (Held) untersuchten und in Chrom- osmium fixierten Eier sind sicherlich nicht weniger stark osmiert gewesen, wie die von Meves untersuchten Objekte“, so ist dies in Anbetracht dessen, dass Held ca. 1 cm lange Stücke der Uterusschläuche fixiert hat, ausgeschlossen. Das „Geheimnis“ der zweierlei Sorten von Eiplastochondrien von dem Held S. 205 spricht, habe ich oben bereits gelüftet und brauche ich hier nicht wieder darauf zurückzukommen. Held beschreibt ferner, dass die Plastochondrien im Ei- körper ungleich verteilt sind, was mir ebenso vollständig wie die Existenz des „Plasmagitters“ entgangen sei. Ich bemerke dazu, dass ich in Übereinstimmung mit den Gebrüdern Zoja gefunden habe, dass die Plastochondrien in Eiern, die sich erst kürzlich von der Rhachis gelöst haben, besonders in der Gegend des sog. disque polaire von van Beneden stärker angehäuft sind. Von einer anderen ungleichen Verteilung habe ich in der Tat nichts wahrgenommen und bezweifle auch, dass es sich dabei um eine regelmässige Erscheinung handelt. !) Im Protoplasma des Spermiums sollen nach Held zwei geformt sind, in den Zellen der Wachstumsperiode, wie schon L. und R. Zoja angeben, lange, vielfach gewundene und verschlungene Fäden (Plastokonten) bildet, von denen es ausgeschlossen erscheint, dass sie ihrerseits noch wieder in Plasmafäden eingelagert sein sollten. ') Aber, wie Boveri (1910, S. 106) festgestellt hat, gibt es ja aller- dings z. B. auch Ascarisweibehen, deren Eier wenigstens auf dem Stadium, auf welchem sie entleert werden, einen deutlich polaren Bau darbieten. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 77 Arten von „Plasmosomen“ — Plastosomen existieren, grosse oder Makrosomen und sehr viel feinere oder Mikrosomen. Diese Angabe stelle ich dahin richtig, dass es im Ascaris- spermium nur eine einzige Sorte von Plastosomen gibt; das sind die Plastochondrien, welche ich unter diesem Namen be- schrieben habe. Hingegen muss ich nach meiner Kenntnis der Ascarisspermien, die sich keineswegs auf Altmann präparate beschränkt, die vitale Existenz von „Mikrosomen“ in Abrede stellen. Die bezüglichen von Held beschriebenen Bilder sind nach meinem Dafürhalten Kunstprodukte, welche durch Überfärbung bezw. Mitfärbung der Grundsubstanz (oder durch Niederschlags- bildung in der letzteren bei der Silberbehandlung) zustande ge- kommen sind. Würden tatsächlich distinkte Körner in der Grundsubstanz des Spermiums noch neben den von mir sogenannten Plastochondrien vorhanden sein, so wäre es auf alle Fälle unan- gebracht, sie mit diesen letzteren unter einer Bezeichnung zu- sammenzuwerfen. Indem Held zur Beschreibung des Befruchtungsvor- gangs übergeht, konstatiert er zunächst, dass an Präparaten seiner Doppelfärbung in der Grundsubstanz des Spermiums während der Zentrierungsperiode kleine schwarz gefärbte Granula in zunehmender Menge auftreten. Nach Held sollen es Eigranula sein, welche in das Innere des Spermiums eingedrungen sind. Ich behaupte dagegen, dass diese kleinen Granula des Spermien- protoplasmas ausnahmslos durch Zerlegung der grossen männ- lichen Plastochondrien entstanden sind. Sämtliche Übergänge zwischen grossen und kleinen Plastochondrien des Spermiums lassen sich in meinen Präparaten während einer bestimmten Periode im Spermienprotoplasma leicht auffinden. Die Schwarz- färbung, welche die kleinen Granula des Spermienprotoplasmas bei der Heldschen Doppelfärbung zeigen, kann aber nicht als Beweis für die ovogene Natur dieser Granula angeführt werden; denn, wie wir oben bereits gesehen haben, lässt diese Doppel- färbung, soweit sie nicht überhaupt unreine Tinktionen liefert, einfach alle kleinen Körner schwarz, alle grossen rot erscheinen. Bei Filariaeiern, bei denen die männlichen Plastochondrien in das Eiprotoplasma auswandern, bevor sie sich völlig zerlegt haben, werden zu keinem Zeitpunkt Granula vom Kaliber der 78 Friedrich Meves: Eiplastochondrien im Spermienprotoplasma angetroffen (vgl. die Tafeln I und II meiner Filariaarbeit 1915, 1). Schliesslich würde ein Eindringen männlicher Plastochondrien in den Spermienkörper ein Vorgang sein, dessen Bedeutung nicht einzusehen wäre. Eine schon mehrfach erörterte Differenz zwischen Held und mir betrifft die Art und Weise, wie die Aussaat der männlichen Plastochondrien (der Makrosomen von Held) vor sich geht. L. und R. Zoja (1891) haben dem Anschein nach eine Auswanderung unverkleinerter männlicher Plastochondrien an- genommen. Jedenfalls habe ich eine solche gelegentlich meiner vorläufigen Mitteilung (1910, 2) beobachtet, in welcher ich die Be- schreibung der Gebrüder Zoja bestätigt habe. Auch Retzius hat 1911 konstatiert, es liesse sich an den geeigneten Präparaten „überall dartun, dass die mit den Spermien in die Eier von Ascaris megalocephala eindringenden, relativ grossen Protoplasma- körner sich in die betreffenden Eier distribuieren.“ Die Eier, auf welche sich meine erste Schilderung aus dem Jahre 1910 bezog, wiesen nun aber, wie ich schon 1911,1 S. 686 und wiederum 1913, S. 241 festgestellt habe, unverkennbare Fixierungsfehler auf. Als ich dann später den Inhalt der Uterus- schläuche von sorgfältig warm gehaltenen Würmern möglichst rasch nach dem Tode des Wirts in der Altmannschen Mischung zerzupfte, und zwar so, dass womöglich jedes einzelne Ei mit dem Reagens in Berührung kam, gewann ich die einwandfreien Präparate, welche ich 1911, 1 völlig naturgetreu beschrieben und abgebildet habe; bei ihnen fand ich, dass die Plastochondrien des Spermiums sich in allen Fällen vor der Auswanderung in kleinere Körner von der Grösse der Eiplastochondrien zerlegt haben. Held lässt demgegenüber in seinen vorläufigen Mitteilungen (1912) die männlichen Plastochondrien, wie L. und R.Zoja (1891), ich früher (1910, 2) und Retzius(1911)angenommen haben, unzer- legt aus dem Spermienkörper in das Eiprotoplasma übertreten, sich in ihm zerstreuen und dann erst zerfallen. In seiner ausführlichen Arbeit (1916) hater sich aber meiner Darstellung ausdem Jahre 1911 bereits insofern genähert, als er nunmehr zwei Typen (A und B) annimmt, welche sich durch eine „ungleich schnelle Umwandlung und Aufteilung der Makrosomen“ unterscheiden. „Bei dem Typus A, dem Typus der langsameren Teilungsweise, werden alle Makro- Die Plastosomentheorie der Vererbung. 19 somen erst im Dotter zu kleineren Granulis vervielfältigt, nach- dem sie von der Spermie her ausgestreut worden sind. Bei dem Typus B dagegen beginnt der gleiche Prozess schon innerhalb der Spermie, ohne allerdings alle Makrosomen zu ergreifen.“ Dagegen hat Held (S. 133) einen „dritten Typus, den von Meves beschriebenen, niemals gefunden“. Sollte dieser Typus ihm bei seinen weiteren Ascarisuntersuchungen noch begegnen, so werde er ihn „selbstverständlich anerkennen“ und als Typus © rangieren; bis dahin bestreite er das Vorkommen dieses Typus. Meinerseits bleibe ich bei der Ansicht, dass die Ausstreuung unzerlegter männlicher Plastochondrien bei Ascaris ein durch den Eintritt abnormer Verhältnisse überstürzter, krankhafter Vorgang ist. Das Gegenteil wird nicht dadurch bewiesen, dass Held „bei Wurm 15“, dessen Eier er „unter allen Kautelen“ konser- viert hat, nur den Typus A und B aufgefunden hat. Lässt sich ein Übergang unzerlegter männlicher Plastochondrien bei An- wendung derselben Vorsichtsmassregeln, welche ich 1911 be- obachtet habe, bei der Mehrzahl der untersuchten Würmer nach- weisen, so will ich, wie ich schon 1917, 8. 308 erklärt habe, gern aufhören, ihn als eine pathologische Erscheinung zu be- trachten und mich der Meinung von Romeis!) anschliessen, dass es bei Ascaris verschiedene Modifikationen des Vorgangs gibt. Im übrigen erscheint mir dieser Punkt prinzipiell nach wie vor belanglos. Held (1916) möchte nun aber seine Leser glauben machen, dass in meinen Präparaten eine „partielle Verteilung der Makro- somen“ (Typus B) vorläge, die ich vollständig übersehen hätte. Er hat die Figuren meiner Abhandlung (1911,1) „mit der Lupe“ (!) untersucht und zunächst in Fig. 5 „rechts von der Spermie ein Makrosom“ entdeckt, „das nicht kleiner ist wie viele von den in der Spermie gelegenen“. In Wirklichkeit liegt hier ein Korn, welches der Lithograph etwas zu gross gezeichnet hat; sein Durchmesser beträgt aber noch nicht halb so viel wie derjenige eines unzerlegten männlichen Plastochondriums! Ferner findet Held in meiner Fig. 10 „dicht oberhalb des Spermienrandes, aber voll- !) Romeis (1913) teilt mit, dass er in vielen seiner Präparate ebenso wie Held, „und zwar schon früher als dieser“, grössere Körnchen in der Peripherie des Eies aufgefunden habe; in anderen Präparaten konnte er sie jedoch nicht wahrnehmen. s0 Friedrich Meves: ständig im Dotter eingeschlossen, vier Makrosomen, von denen nur eines etwas kleiner ist, und etwas weiter davon entfernt noch ein derartiges auffallendes Korn“. In der Tat ist der obere Rand des Spermiums an dieser Stelle bei der Reproduktion nicht richtig wiedergegeben worden; er musste ein klein wenig höher gelegt werden. Schliesslich hat Held bei seinen Lupenstudien auch noch in meinen Fig. 15—17 „gröbere Körner frei im Dotter“ bemerkt. Hier handelt es sich aber um Stadien, auf welchen nicht nur die Zerlegung, sondern auch die Ausstreuung der männlichen Plastochondrien im wesentlichen beendet ist; die Annahme von Held, dass diese etwas grösseren freie Körner spermiogener Natur seien, ist rein willkürlich. Meinerseits kann ich nur die Versicherung wiederholen, dass in den Präparaten, welche meiner 1911 in diesem Archiv ver- öffentlichten Schilderung der Befruchtung des Ascariseies zu- grunde liegen, von einer Ausstreuung unzerlegter Plastochondrien keine Rede sein kann. Wo eine solche stattgefunden hat, wie es in meinen ersten Ascarispräparaten (1910, 2) der Fall war, ist dies ein Vorgang, der überhaupt nicht übersehen werden kann. Held versucht weiter meine 1911,1 gegebene Beschreibung in ihrer Bedeutung zu schmälern, indem er (S. 185) die Frage aufwirft: „inwieweit haben die Beobachtungen von Meves den Vermischungsvorgang der spermiogenen Granula mit den eigenen des Eies aufgeklärt?“ und sie dahin beantwortet (S. 186), dass meine Untersuchung „nur im allgemeinen und nach einer Seite hin es hat wahrscheinlich machen können, dass Spermien- granula in den Eidotter eindringen“. Gegen diese Behauptung von Held lege ich meinerseits nachdrücklichste Verwahrung ein und konstatiere, dass die Aus- wanderung der männlichen Plastochondrien und ihre Vermischung mit den weiblichen durch meine Darstellung und die begleitenden Figuren auf das klarste bewiesen worden ist. Von meiner Schilderung (1911) habe ich 1913, S. 233 bis 234, folgende Zusammenfassung gegeben: „Indem das eingedrungene Spermium gegen die Eimitte wandert (wobei es mehr und mehr kugelig wird), bedeckt sich seine Oberfläche mit Plasto- chondrien, welche aus dem Innern austreten. Auf der Oberfläche des Sper- miums zerlegen sie sich in kleinere Körner; ebenso zerlegen sich auch die Plastochondrien, welche im Innern der Samenzelle zurückgeblieben sind, und zwar zuerst diejenigen im Schwanzteil, während sie im Bereich des Kopfteils WR" Die Plastosomentheorie der Vererbung. sl zunächst noch durchweg mehr gross bleiben. Später, bald nachdem das Spermium die Eimitte erreicht und sich völlig abgekugelt hat, sind seine sämtlichen Plastochondrien in kleine Körner, welche es dicht durchsetzen, von der Grösse der Eiplastochondrien zerfallen.“ „Wenn das Spermium sich dem Eizentrum nähert, dreht es seine Schwanzspitze gegen dieses. Um die Schwanzspitze als Mittelpunkt beginnen nun die Plastochondrien der Eizelle sich anzusammeln'.;. Nachdem das Spermium die Eimitte eingenommen hat, umgeben sie es auf allen Seiten, so dass sie eine vollständige Umhüllung desselben bilden; dagegen haben sie sich aus den peripheren Teilen der Eizelle gänzlich zurückgezogen.‘ „Auf einem weiteren Stadium beginnen die männlichen Plastochondrien in das Eiprotoplasma überzutreten?). Zunächst wird die Mitte des kugeligen Spermienkörpers von Körnern frei; dagegen häufen sie sich in der Peripherie des Spermiums und in der Umgebung desselben im Eiprotoplasma an. Auf diese Weise entsteht folgendes Bild: das körnerfreie Zentrum des Spermien- körpers wird von einer sehr körnerreichen Zone eingefasst, welche über den Rand des Spermiums in das Eiprotoplasma hinübergreift und den Kontur des Spermiums verdeckt. Nach aussen grenzt sich diese Zone mit unregel- mässig zackigem Kontur gegen eine weniger körnerreiche ab, in welche wahr- scheinlich erst wenig oder keine männlichen Plastochondrien gedrungen sind.“ „Die Auswanderung der männlichen Plastochondrien wird in der Folge immer stärker. Schliesslich hat der Spermienkörper seine sämtlichen Körner an die Eizelle abgegeben; das Spermium besteht nunmehr (abgesehen vom Kern) ausschliesslich aus zytoplasmatischer „Grundmasse‘ oder aus Zwischen- substanz; die Konturen des Spermienkörpers, welche durch die überwan- dernden Plastochondrien verdeckt waren, treten wieder deutlich hervor.“ Was aber meine Figuren anlangt, so kann selbst Held nicht umhin, zuzugeben, dass sie auffällige Zwischenstadien zeigen, „welche indirekt für den Austritt der Spermiengranula in den Dotter sprechen“. Wenn er S. 185 hinzufügt, hierbei dürfe nicht übersehen werden, dass „die ganze von Meves gegebene Dar- stellung und Deutung völlig im Bann der Zojaschen Idee der Granulaaussaat steht“, so ist dieses wiederum eine der von ihm beliebten Entstellungen. Gleichzeitig mit der Ausstreuung der „Makrosomen“ geht nach Held eine „Zerlegung“ der Spermiengrundsub- stanz vor sich. !) In seltneren Fällen beobachtet man, dass sich zunächst unabhängig vom Spermium im Zentrum des Eies eine Ansammlung von Plastochondrien bildet, in welche das Spermium mit dem Schwanzteil voran hineinrückt. ?) Es ist möglich, wenn es sich auch nicht konstatieren lässt, dass einzelne männliche Plastochondrien sich schon auf früheren Stadien von der Spermienoberfläche abgelöst haben. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 92. Abt. II. 6 82 Friedrich Meves: Die Spermiengrundsubstanz soll sich vom Zentrum des Eies aus „wie ein sich auflösender und im Eidotter zerflatternder Schleier“ ausbreiten (S. 148), so dass z. B. zur Zeit der beendeten I. Reifungsteilung der ganze Querschnitt des Eies bis zur Ober- fläche hin von solchen spermiogenen Protoplasmateilen durchsetzt ist. Mit der Zerlegung der Grundsubstanz soll die Verteilung der Spermienmikrosomen einhergehen (S. 190); „der Trans- port der Mikrosomen ist an die Grundsubstanz der Spermie ge- bunden“. Abkömmlinge der Spermienmikrosomen sollen nach Held noch in den ersten Blastomeren als morphologische Elemente der Protoplasmastruktur, anscheinend in besonderer Verteilung, enthalten sein; sie sollen hier in der Hauptsache nur die Ober- fläche des Protoplasmaleibes durchsetzen. Ich habe demgegenüber bereits oben konstatiert, dass die von Held beschriebenen Mikrosomen des Spermiums nach meiner Überzeugung weiter nichts als Kunstprodukte sind. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, so würde die Behauptung von Held, dass Abkömmlinge der Mikrosomen in den Blastomeren des Vierzellenstadiums „eine feinere und besondere Protoplasmagranu- lierung geliefert haben“, meines Erachtens jeder Grundlage ent- behren. Von den Plastosomen habe ich 1911, 1 gesagt, dass sie mir als der einzige Bestandteil des Protoplasmas erscheinen, welcher bei der Vererbung wirksam sein kann; die Grund- substanz könne keine Rolle dabei spielen, weil sie z. B. bei der Histogenese des Säugetierspermiums bis auf einen minimalen Rest abgeschnürt wird. Dieser Einwand, den ich mir nach Held „selbst gemacht“ habe, erscheint Held „zum mindesten als zu einseitig“. „Es käme zunächst darauf an, zu zeigen, was der Rest für feinere Strukturteile führt und ob diese später im Dotter zugrunde gehen oder nicht. Die Kleinheit kann an und für sich kein sicheres Merkmal dagegen sein, solange man nicht die Mög- lichkeit seiner Persistenz und vor allem die Grösse seiner Teilung und Vermehrung beurteilen kann.“ Meine Betrachtung soll nach Held „bereits“ (!) „alle Mikrosomen ausser acht gelassen“ haben. „Da diese aber ebenfalls, wenn auch vielleicht nur zum Teil, im Dotter des befruchteten Eies erhalten bleiben und in den ersten Blastomeren weitergeführt werden, so muss jene Auffassung dem- entsprechend geändert und erweitert werden.“ Und was die Die Plastosomentheorie der Vererbung. 83 Zwischen- oder Grundsubstanz des Ascarisspermiums anbeträfe, so werde sie in sehr feiner Weise im ganzen Eidotter verteilt; was aus ihr werde, sei nur eine offene Fraxe geblieben, weil die Methode fehle, ihre Umsetzungen zu verfolgen. Held schreibt sogar S. 76 oben, dass der „Plasmakörper“ des Spermiums (womit nach dem Zusammenhang nur die Grundsubstanz gemeint sein kann) „vielleicht den wichtigsten Anteil des Protoplasmas bei der Befruchtung zu vermitteln“ habe! Meinerseits halte ich daran fest. dass mein Einwand gegen eine Beteiligung der Grundsubstanz bei der Vererbung (den nicht ich mir gemacht habe, sondern den die Natur unsallenan die Hand gibt) von grösstem Gewicht ist. Ich möchte ihn noch durch den Hinweis unterstreichen, dass bei den Spermien vieler Tiere überhaupt keine nachweisbare Grundsubstanz vorhanden ist. Selbst dann aber, wenn das Spermium protoplasmatische Grundsubstanz in grösserer Menge führt, so ist diese nach meiner Überzeugung strukturlos und kann als Vererbungsträger wohl deshalb nicht in Betracht kommen, weil es sich, wie ich mit Hensen, Naegeli u. a. annehme, bei der Vererbung um einen „morpho- logischen, durch geformte Substanzen getragenen Vorgang“ (Hensen 1911, S. 384) handelt. Damit ist nicht gesagt (vergl. Meves 1911, 1, S. 109), dass von der Grundsubstanz des Ascaris- spermiums nicht noch irgendwelche chemische Wirkungen aus- gehen können, welche möglicherweise sogar (z. B. für die Ein- leitung der Entwicklung) sehr wichtig sind. Schliesslich sei noch erwähnt, dass Held die Granula der Attraktionssphären „für etwas besonderes hält“. „Denn ich finde“, sagt er. „dass diese Granula bei meiner Doppelfärbung zum Unter- schied von den reinen Altmann - Präparaten, wie sie die Meves- schen Figuren 3, 4 usw. zeigen, nicht wie die gewöhnlichen Plasmosomen rein rot gefärbt sind, sondern sich durch einen auffallenden Orangeton auszeichnen . “ „Die Plasmosomen, die ich im Dotter von einem bestimmten Stadium der Befruchtung an in spermiogene und oogene einteile, halten sich in der Haupt- sache von dieser Stelle der orangefarbenen Granula frei.“ Meinerseits muss ich die Annahme Helds von der besonderen Natur der Granula, welche um die Zentrosomen angehäuft sind, als irrtümlich bezeichnen. Ich behaupte, dass die Plastochondrien 6* 84 Friedrich Meves: der Attraktionssphären z. B. in den Figuren 46a und b von Held durch die Fixierung verdorben sind, und füge hinzu. dass Held wie aus diesem, so auch sonst fast aus jedem anderen Fixierungs- und Färbungsartefakt einen neuen Befund macht. Gut erhaltene Attraktionssphären aus Präparaten, die nach Anschneiden der Eischalen mit Altmannschem Gemisch fixiert und mit Säure- fuchsin-Pikrinsäure gefärbt sind, habe ich 1914, 1 auf Tafel VI und VII abgebildet. Mit obigen Bemerkungen möchte ich es einstweilen an der Kritik der Heldschen Arbeit genug sein lassen, obwohl ich noch lange nicht alle Irrtümer, welche sich darin finden, zur Sprache gebracht habe. Ich will nur noch hinzufügen, dass ich meine Angaben (1911, 1) auch in allen übrigen Punkten, in denen sie von denjenigen Helds abweichen, aufrecht erhalte. Schreiner hat in der zum Teil schon oben besprochenen Einleitung seiner 1916 erschienenen Abhandlung auch das Be- weismaterial geprüft, welches durch meine Arbeiten zugunsten einer Mitwirkung der Plastosomen bei der Vererbung herbeige- schafft worden ist, und hat konstatiert, dass sowohl ich wie Duesberg (1912) zugeben müssen, dass die im Ascarisei aus- gestreuten männlichen Plastochondrien „sich bald unserer weiteren Verfolgung vollkommen entziehen“. Schreiner fordert demgegenüber allen Ernstes den direkten Beweis ihrer Persistenz; meine, „in jeder neuen Arbeit wieder- kehrenden Beteuerungen, dass die männlichen Plastochondrien unmöglich untergehen können“, genügen nicht, um „dem Un- gläubigen solche Belege zu ersetzen“. Schreiner sucht sich also vor der Plastosomentheorie der Vererbung durch negative Beweise zu retten, „mittels deren“, wie Naegeli 1384, S. 218 sagt, „die neueren Forschungen der Morphologen im Widerspruche mit der klaren Forderung einer logischen und exakten Methode so manche unhaltbare Meinung in die Wissenschaft einführen wollen. Der negative Beweis kann nichts Positives dartun; er sagt uns weiter nichts, als dass auf diesem Wege der Forschung die Grenze des Könnens erreicht sei.“ In dem vorliegenden Fall existiert nicht das leiseste An- zeichen dafür, dass die männlichen Plastochondrien, nachdem sie sich in kleinere Körner zerlegt haben, zugrunde gehen. Wenn Die Plastosomentheorie der Vererbung. 35 Schreiner behaupten will, dass sie verschwinden, so möge er es doch seinerseits beweisen. Zugunsten der letzteren Annahme lässt sich, wie ich 1915, 1 S. 30 bemerkt habe, kaum etwas anderes geltend machen, als dass eine Persistenz der männlichen Plasto- chondrien im Ei „mit der Monopolstellung unvereinbar ist, welche dem Chromatin der Samenzelle von vielen Seiten bei der Über- tragung erblicher Eigenschaften eingeräumt wird“. Dagegen gibt es zahlreiche Gründe, welche für ein Erhaltenbleiben dieser Elemente sprechen. Weiter polemisiert Schreiner gegen die Plastosomentheorie der Vererbung auf Grund der unhaltbaren Meinung, die er sich gebildet hat, dass die Plastosomen „als Neubildungen aufzufassen“ seien, welche (zwischen je zwei Zellteilungen) aus dem Kern hervorgehen. Zwar sei „von mehreren Seiten“ nachgewiesen worden. dass Plasmagranula während der Furchungsteilungen, ähnlich wie während anderer Zellteilungen, von einer Zelle auf ihre Tochterzellen übertragen werden. Auch wüssten wir, dass die Plasmagranula sich während der weiteren Embryonalent- wicklung zu Kettchen und Fäden umbilden und die Fäden viel- leicht wieder in Körnchen zerfallen können. In keinem Fall sei aber das Schicksal dieser Plasmaelemente während der Embryonal- entwicklung bis jetzt in so eingehender Weise verfolgt worden, dass wir berechtigt seien, über ihre Vermehrungsweise „irgend- welche begründete Meinung“ zu haben (!). Die Angaben, welche sich hierüber in meiner Filariaarbeit finden, sind nach Schreiner, der die Plastosomen aus Nukleolarsubstanz (!) ent- stehen lässt, „charakteristisch für die Oberflächlichkeit, mit welcher diese wichtige Frage noch behandelt wird.“ Meves, sagt Schreiner, „fand in jungen Furchungsstadien des Eies von Filaria papillosa zahlreiche ganz feine Plasmakörnchen, in späteren Stadien dagegen dicke Stäbchen in sparsamer Anzahl. Meves kümmert sich aber nicht im geringsten darum, wie sich diese ganz anders gestalteten Plasmaelemente herausgebildet haben. Es genügt ihm die Überzeugung, dass sie, wie ihre Bildung auch vor sich gegangen sein möge, aus den vereinigten männlichen und weiblichen ‚Plastochondrien‘ des Eies sicher entstanden sein müssten.“ Trotz Schreiner kann es nun aber heute als ausgemacht gelten, dass die Plastosomen genuine Bestandteile des Proto- 36 Friedrich Meves: plasmas sind, welche nur wachsen und sich teilen können und von einer Zellgeneration auf die andere übergehen. Die Richtig- keit dieses Satzes ist gerade für die Embryonalentwicklung durch die Arbeiten von mir (1908), Duesberg (1910), Rubaschkin (1910, 1912), Levi (1915 und früher) u. a. völlig sichergestellt worden. Die Kontinuität der Plastosomen, sagt Duesberg (1912) mit Recht, „konnte vom befruchteten Ei bis zu den vorge- schrittensten Stadien, die untersucht worden sind, selbst bis zum Erwachsenen erwiesen werden“. Die von Zeit zu Zeit immer wieder auftauchenden Angaben über eine nukleäre Abstammung der Plastosomen halte ich keiner neuen Widerlegung für wert, nachdem ich ihre Irrtümlichkeit zuerst 1907, 1, S. 480 dargetan habe (vergl. auch Duesberg 1912). Ich habe nun in meiner Filariaarbeit beschrieben, dass, nachdem die männlichen Plastochondrien aus dem Spermium in das Eiprotoplasma ausgewandert sind und sich hier in kleinere Körner vom Kaliber der Eiplastochondrien zerlegt haben, in der Eizelle und ebenso noch in den ersten Blastomeren ausschliesslich kleine Plastochondrien, auf den späteren Stadien der Furchung dagegen an Stelle der kleinen Plastochondrien Plastokonten vor- handen sind. Da die Kontinuität der Plastosomen, wie gesagt, feststeht, hätte ich eine Entstehung der Fäden aus den Körnern ohne weiteres annehmen dürfen, zumal die Tatsache, dass Plasto- chondrien „sich zu Fäden aneinanderreihen oder zu Fäden aus- wachsen“ können, jedem Plastosomenforscher bekannt ist. Ich erinnere daran, dass ich schon 1900 durch den Hinweis darauf die von Benda in einem anderen Sinne gebrauchte Bezeichnung „Mitochondrien“ oder „Fadenkörner“ zu rechtfertigen gesucht habe. Speziell im Lauf der Furchung ist ein Übergang von Plastochondrien in Plastokonten bereits in verschiedenen Fällen, von Duesberg, Rubaschkin, Levi u. a., beobachtet worden. Meine Behauptung, dass die Plastokonten, welche bei Filaria während der Furchung auftreten, aus Körnern entstehen, beruhte nun aber keineswegs auf einer blossen Annahme, sondern mir haben schon 1915 zahlreiche Zwischenstadien zwischen meinen Figuren 37 und 38, welche ich hier als Textfiguren 1 und 3 reproduziert habe, vorgelegen. Allerdings habe ich in meiner Filariaarbeit geschrieben, dass ich die Herausbildung der dicken Plastokonten Fig. 1. Fig. 2 Kıg., 3, Die Plastosomentheorie der Vererbung. 87 + Sr”, RE Ben ER ar 5x 2 . Längsschnitt durch ein frühes Furchungsstadium des Eies von Filaria papillosa. Acht Zellen auf dem Schnitt getroffen. Das Protoplasma enthält zahlreiche feine Plastochondrien und daneben vereinzelte rundliche homogen aussehende Ballen unbekannter Natur. Nach Meves 1915, 1. Querschnitt eines späteren Furchungsstadiums. Das Protoplasma enthält an Stelle der Plastochondrien (Fig. 1) ziemlich reichliche feine Plastokonten, welche besonders in der Nähe der Kernober- fläche gelegen sind. Längsschnitt eines stark vorgerückten Furchungsstadiums. Circa 70 Zellen getroffen. Ihr Protoplasma enthält dickere Plastokonten in geringer Anzahl. Nach Meves 1915, 1, tofo) Friedrich Meves: in den Furchungszellen „nicht verfolgt“ hätte; damit habe ich aber nur sagen wollen, dass ich die Zwischenstadien zeichnerisch nicht festgelegt hätte. An den Plastosomen spielen sich, einige Zeit nach Beginn der Furchung anfangend, in umgekehrter Reihen- folge dieselben Prozesse ab, wie ich sie für die Wachstumsperiode der Ovozyten geschildert habe. Während im Lauf dieser Wachs- tumsperiode aus dicken Plastokonten dünnere und aus diesen Plastochondrien hervorgehen, lagern sich die Körner in den Furchungszellen zu dünnen Fäden zusammen, die sich später immer mehr verdicken. Das Studium dieser Vorgänge in den Furchungszellen be- reitet allerdings, jedenfalls bei Anwendung derjenigen Methode, welche ich 1915 zur Sichtbarmachung der Plastosomen bei Filaria hauptsächlich gebraucht habe (Fixierung mit modifiziertem Flemmingschen Gemisch und Färbung mit Eisenhämatoxylin) erhebliche Schwierigkeiten. In Fig. 2 habe ich aus meinen alten Präparaten den Quer- schnitt eines Furchungsstadiums abgebildet, das nach der Grösse der Kerne etwa in der Mitte zwischen Fig. 1 und 3 stehen dürfte. Da ein Untergehen der in das Eiprotoplasma übergetretenen männlichen Plastochondrien meines Erachtens nicht in Frage kommt, war ich ferner zu der Annahme berechtigt, „dass nicht nur die Eiplastochondrien, sondern auch die in der Eizelle aus- gesäten und zerlegten männlichen Plastochondrien an der Ent- stehung der Plastokonten Anteil genommen haben“. 2. Phallusia und Mytilus. Bei der Ascidie Phallusia und der Muschel Mytilus, bei denen ich den Befruchtungsvorgang 1913 und 1915 studiert habe, ist die Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung viel weniger demonstrativ wie bei Ascaris und Filaria, weil bei den erstgenannten Tieren ein starkes Missverhältnis zwischen der Menge der männlichen und derjenigen der weiblichen Plastosomen, zu- ungunsten der ersteren, besteht. Dieses Missverhältnis dürfte R. Hertwig im Auge haben, wenn er schreibt (1916, S. 135—136): „In der Neuzeit hat es nicht an Versuchen gefehlt, den Chromosomen ihre Bedeutung als Vererbungsträger abzusprechen, dafür die Substanz der Mito- cehondrien als das eigentliche Idioplasma zu deuten. Die Ver- Die Plastosomentheorie der Vererbung. 89 suche gründen sich auf den Nachweis, dass Ei- und Samenzelle reich an Mitochondrien sind, vernachlässigen dagegen die Tat- sache, dass der Reichtum an Mitochondrien in Ei- und Samenzelle ein ganz verschiedener ist.“ Hierzu darf ich bemerken, dass ich meinerseits stets die Ansicht vertreten habe, dass die Vererbung durch Protoplasma und Kern zusammen bewirkt wird. Im übrigen hat schon Pfeffer (1897, S. 47) ausgeführt, dass sich aus der geringen Menge des Protoplasmas ein entscheidendes Argument gegen die Bedeutung desselben nicht ableiten lässt. „Denn von der Körper- masse“, sagt er, „hängt doch nicht die Bedeutung eines Menschen im Gemeinwesen ab und die Bakterien demonstrieren sehr schön, wie eine winzige lebendige Masse, indem sie zu intensiver Ver- mehrung befähigt ist, die gewaltigsten Leistungen zu vollbringen und selbst die grössten Organismen zu vernichten vermag. Zudem können gewaltige Reizerfolge durch unglaublich geringe Mengen ausgelöst werden.“ Bedenkt man nun aber, dass die Plastosomen eine Anlage- substanz darstellen, so muss die Menge der schliesslich vorhandenen männlichen Plastosomen allerdings eine Rolle spielen. Die Schwierigkeiten, welche sich daraus ergeben, dass diese Menge im Anfang (gleich nach dem Eindringen des Spermiums) meistens eine ausserordentlich geringfügige ist, lassen sich jedoch leicht aus dem Weg räumen. Der oft enorme Volumensunterschied zwischen Spermium und Ei hat seinen Grund doch nicht nur darin, dass der Reichtum an Protoplasma bzw. Plastosomen ein verschiedener ist; auch der Kern des Eies ist dem Kopf des Spermiums an Masse ungeheuer überlegen.!) Trotzdem erweisen sich Sperma- und Eikern bei der Befruchtung als äquivalent. Dann ist aber auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass die im frisch besamten Ei vorhandene Ungleichheit der männlichen und weiblichen Plastosomen durch nachträgliche Ver- mehrung der ersteren beseitigt werden könnte. Allerdings ist wohl ausgeschlossen, dass der Ausgleich sich in allen Fällen bis !) Betrachten wir dagegen die Stammzellen von Spermium und Ei, die Spermätogonien und Oogonien, so sind diese bei vielen Tieren nicht nur an Grösse, sondern auch in bezug auf den Bau von Kern und Protoplasma, speziell auch in bezug auf Menge und Gestalt der Piastosumen, so völlig gleich, dass sie sich überhaupt nicht unterscheiden lassen. 90 Friedrich Meves: zum Beginn der ersten Furchungsteilung (Auftreten der Zelleibs- teilung) vollzieht. Zum Beispiel erscheint es kaum annehmbar, dass das ganze grosse Phallusiaei schon bis zum Abschluss der ersten Furchungsteilung von männlichen protoplasmatischen Erbstoffen durchsetzt sein könnte. Das ist aber auch durchaus nicht nötig: in den Furchungszellen ist für die völlige Durchdringung noch Zeit genug. „Die Befruchtung vollendet sich“, wie ich schon 1915, 2, S. 56 geschrieben habe, „vielfach erst im Lauf der Keim- bildung“. Auch die nach meinem Dafürhalten theoretisch not- wendige Vereinigung der männlichen und weiblichen Plastosomen tritt ja allem Anschein nach in den meisten Fällen erst während der Furchung ein. Noch erheblich viel stärker als bei Phallusia und Mytilus ist das Missverhältnis in bezug auf die Menge der männlichen und weiblichen Plastosomen, wenn wir die kolossalen Eier vieler Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel den oft sehr winzigen Spermien derselben Tiere gegenüberstellen. Hier treten nun aber bei der Befruchtung normalerweise mehrere, zum Teil sogar zahlreiche Spermien in das Ei ein. Der Kopf eines derselben wandelt sich zu einem Spermakern um, welcher mit dem Eikern kopuliert. Die übrigen Spermien verhalten sich bei den verschiedenen Tieren verschieden; sie gehen nach den Autoren entweder sofort zugrunde oder aber ihre Köpfe bilden sich ebenfalls zu Spermakernen um, welche bei Selachiern und Reptilien bestehen bleiben und die sog. Merozytenkerne liefern. Rückert (1899) hat bei einem Ei von Torpedo allein in der Keimscheibe (!) nicht weniger als 57 Spermaköpfe gezählt. Der Nutzen dieser sog. physiologischen Polyspermie ist bisher ausschliesslich mit Rücksicht auf die Spermaköpfe disku- tiert worden. Boveri (1882, 2 S. 401) bezeichnet es als auffallend, dass die Polyspermie gerade den grössten Eiern zukommt. „Man könnte daran denken, dass dies kein zufälliges Zusammentreffen sei, sondern dass sich die Polyspermie in Anpassung an die Grösse des Eies ausgebildet habe, da ja in einer grossen Protoplasma- masse bei einer grösseren Anzahl von Spermakernen mehr Aus- sicht besteht, dass einer davon rechtzeitig den Eikern auffindet, als wenn nur ein einziger vorhanden ist“. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 31 Die gleiche Auffassung wird von Sobotta (1896) vertreten. Rückert (1899) betont demgegenüber, dass bei Selachiern die Köpfe derjenigen Spermien, welche sich in den groben Dotter einbohren, sehr bald zugrunde gehen. „Es kommen somit für die Befruchtung nur diejenigen Spermaköpfe in Betracht, welche direkt von oben in die Keimscheibe und allenfalls noch in den sie seitlich umschliessenden feinen Dotter eindringen. Dies ist aber ein verschwindend kleiner Bruchteil des ganzen Eies, und wird man daher nicht annehmen dürfen, dass die Polyspermie eine Anpassung an das grosse Volumen des Eies sei. Höchstens käme in dieser Hinsicht das Volumen des Keimes in Betracht... .; ob aber der Unterschied zwischen manchen Selachierkeimen, z. B. denen von Torpedo ocell., und grösseren monosperm befruchteten Eiern, z. B. denen einiger Anuren, so bedeutend ist, dass sich daraus für die Selachier die Notwendigkeit der Polyspermie für die Erhaltung der Art ableiten lässt, steht doch dahin“. Rückert ist seinerseits zu der Vorstellung gelangt, dass die Polyspermie bei Selachiern infolge der mit dem Wachstum des Eies einher- gehenden Rückbildung einer ursprünglich vorhandenen starken Eihaut eingeführt worden ist. „Dass damit ein grösserer oder geringerer Vorteil für das Gelingen der Befruchtung und die Weiterentwicklung des Eies verbunden war, ist eine wohl mög- liche, aber nicht notwendige Annahme. Es reicht für die Er- klärung vollständig aus, wenn wir wissen, dass das Ei gegen die Nachteile und Gefahren, welche das Eindringen einer Mehrzahl von Spermaköpfen mit sich bringen kann, geschützt war oder sich durch Anpassung zu schützen vermochte.“ Korschelt und Heider (1903, S. 696) bemerken zu der Frage nach der Funktion der zu mehreren oder zu vielen in das Ei eintretenden Spermien folgendes: „Liefern sie wirklich mehrere oder sogar zahlreiche Kerne und veranlassen sie sogar eine Zer- klüftung des Dotters, wie dies letztere bei den Selachiern der Fall ist, so wird man von einer Beeinflussung der Dottermasse durch sie, vielleicht im Sinne einer besseren Verwendung bei der weiteren Entwicklung des Embryos sprechen und daraus den Schluss ziehen dürfen, dass möglicherweise auch den wenigen überzähligen Spermatozoen, die bei verschiedenen Tieren ausser dem die Befruchtung vollziehenden Spermatozoon, in das Ei ein- dringen, eine ähnliche Funktion zukommt.“ 93 Friedrich Meves: „Insofern“, fahren Korschelt und Heider fort, „als hier generative Zellen bzw. Kerne zu einer ‚vegetativen‘ Verrichtung verwendet werden, zeigt diese Erscheinung eine gewisse Ähnlichkeit mit der sog. doppelten Befruchtung der Angiospermen, allerdings tritt auch sofort ein Unterschied darin hervor, dass dort einer der generativen (‚Sperma‘)-Kerne mit einem der polaren Kerne des Embryosacks verschmilzt, also nicht allein wie die oben besprochenen Spermakerne die weitere Umwandlung durchläuft. Von dieser Vereinigung, d. h. also der Mitverwendung eines generativen Kerns, geht die Bildung des Endosperms aus (Nawaschin 1898, Guignard 1899 u. 1901, Strasburger 1900). Vielleicht wird man die Ähnlichkeit als eine allzu entfernte befinden, doch wollten wir immerhin darauf verweisen.“ Meinerseits suche ich den Sinn der physiologischen Poly- spermie darin, dass den grossen, dotterreichen Eiern, bei denen sie vorkommt, durch die oft in beträchtlicher Zahl eindringenden Spermien männliches Plastosomenmaterial in grösserer Menge zugeführt wird. Wenn der Vorgang der Polyspermie nicht weiter verbreitet ist, so dürfte dies an den damit verbundenen Gefahren liegen, welche in dem Auftreten einer pluripolaren ersten Furchungs- spindel und in pathologischer Weiterentwicklung des Eies bestehen. 3. Echinus. a) Ausführung der Hypothese, welche ich 1912 an das Verhalten der männlichen plastosomatischen Sub- stanz bei der Befruchtung des Seeigeleies geknüpft habe. Bei Echinus habe ich 1912 zu meiner nicht geringen Über- raschung konstatieren können, dass das plastosomatische Mittel- stück des Spermiums bei der ersten Furchungsteilung in eine der beiden Blastomeren übergeht. Dadurch wurde ich veranlasst, die Hypothese, welche Van der Stricht, Lams und Henneguy für das Säugetierei aufgestellt haben (s. unten), auf das Seeigelei zu übertragen. Ich nahm an, dass das Mittelstück bei der Furchung zunächst weitergegeben wird, um später in Körner zerlegt zu werden, und dass die Nachkommen derjenigen Zelle, in welcher diese Zerlegung stattfindet, den Seeigel hervorgehen lassen; die Zellen, welche keine Mittelstücksubstanz erhalten. bilden nach meiner Vorstellung diejenigen Teile des Pluteus, welche bei der Entstehung des definitiven Tieres abgeworfen oder resorbiert werden. Diese Hypothese, welche ich im folgenden näher ausführen und gegen Angriffe verteidigen will, lässt sich unschwer mit einer Die Plastosomentheorie der Vererbung. =B, Anschauung zur Deckung bringen, welche schon vor langer Zeit von Joh. Müller und Carus vertreten, von späteren Autoren aber allerdings aufgegeben worden ist: mit der Anschauung, dass das definitive Echinoderm auf dem Wege des Generationswechsels als Knospe an der Larve ent- steht. Die ersten Forscher, welche die Entwicklung der Seesterne (Echinaster, Asteracanthion) studierten (Sars,Agassiz,Desor), betrachteten sie als eine unvollkommene Metamorphose. „In der Tat“, sagt Joh. Müller (1850, S. 103—104), ‚der Seestern konnte entstanden sein wie der Schmetterling aus der Raupe, der Frosch aus der Froschlarve, und wie die Larvenform des Echinaster von der See- sternform absorbiert wird, oder wie der Schwimmapparat, die Larvengebilde vom Seestern sich abstossen, so wird die Form der Froschlarve von der Form des Frosches absorbiert und teilweise wie Schwanz und Kiemen aufgegeben.“ Joh. Müller fand nun aber bei seinen Untersuchungen über die Entwicklung der Seesterne, Ophiuren und Seeigel etwas ganz anderes. Das Wesentliche und Neue besteht nach ihm in folgendem: „Die neue Tierform“, sagt er (1850, S. 104), „erscheint in der alten wie eine Knospe, zuerst sehr klein, an einer Stelle bei Seite innerhalb der vollkommen organisierten Larve; diese Knospe ent- wickelt sich auf Kosten des Mutterstammes. Ich verglich bei der ersten Mitteilung über diese Gegenstände die Larve mit einem Stickrahmen und das Echinoderm mit der darauf aufgeführten Stickerei. Das Echinoderm ist lange ein völlig neues Geschöpf in der Larve: ich zeigte, dass sein Mund von dem Mund der Larve verschieden ist, von neuem und an einer ganz anderen Stelle entsteht, dass die Achse der Larve sich mit der Achse des Echinoderms kreuzt, dass die beiden Seiten des einen und andern verschieden, die Bauch- und Rückenseite der Larve ein anderes als die Bauch- und Rückenseite des Echinoderms, vorn und hinten bei beiden verschieden sind. Ich bewies aber auch, dass, indem die Larve verloren geht, ihr Magen und Darm das einzige ist, welches in das neue Tier aufgenommen wird.“ Auf Grund dieser Beobachtungen kam Joh. Müller (1848, S. 305 und 1850, S. 104—105) zu dem Resultat, dass die Meta- morphose der genannten Echinodermen „der Larvenerzeugung oder der geschlechtslosen Knospenerzeugung jbeim Generations- wechsel verwandt“ ist. „Am nächsten steht sie der Metamorphose 94 Friedrich Meves: des Monostomum mutabile (siehe Siebold, Wiegm. Arch. 1855). Das heisst, sobald die Larvenerzeugung nur eine einzige Knospe statt mehrerer hervorbringt, so ist sie von der Metamorphose der Echinodermen nicht zu unterscheiden. Ob aber eine oder mehrere Knospen erzeugt werden, kann nicht wesentlich sein. Die Bipinnaria asterigera ist nicht als Schwimmapparat des Seesterns auf- zufassen, wie es die norwegischen Naturforscher angesehen. Die Larve der Asterien, Ophiuren, Seeigel ist die Amme des Echinoderms im doppelten Sinne des Wortes, einmal im Sinne des Herrn Steenstrup, d.h. im Sinne des Generationswechsels, dann auch im gewöhnlichen Sinne des Wortes: denn die Larve speist das Echinoderm als ihre Knospe.“ In einer 1849 erschienenen Schrift von V. Carus „Zur näheren Kenntnis des Generationswechsels* wird den Echino- dermen auf Grund der Untersuchungen von Sars und Joh. Müller ein Generationswechsel zugeschrieben, welcher sich von demjenigen bei Medusen, Salpen und Trematoden nur dadurch unterscheide, dass jede Amme nicht viele, sondern nur ein einziges Individuum grosszieht. Dieses entwickelt sich aus einer im Innern der Amme befindlichen Keimmasse. Der Ausdruck Larve für die Zwischenstufen in der Entwicklung der Echinodermen ist daher nach Carus (S. 29) „unrichtig gewählt. indem allerdings die Metamorphose an einem und demselben materiellen Substrat, aber nicht unmittelbar an dem vorhergehenden Gliede der Differen- zierungsreihe, sondern mit Hülfe neuer keimfähiger Grundlagen ausgeführt wird“. Joh. Müller (1850, S. 105) betonte demgegenüber, dass ihm hier aus den vorliegenden Beobachtungen zu viel gefolgert zu werden scheine; er müsse bei seiner früheren Ausdrucksweise stehen bleiben, dass die Metamorphose dieser Tiere „der Larven- erzeugung oder der geschlechtslosen Knospenerzeugung beim (Grenerationswechsel verwandt sei“. „Das Echinoderm entsteht als eine Knospe, als ein sehr kleines in dem Leibe der Larve, es wird ein neues Wesen angelegt, genährt, ausgebildet; aber ausser dem hier offenbaren Generationswechsel kommt etwas vor, welches unter das Prinzip der Metamorphose gehört und nicht unter das Prinzip des Generationswechsels. Das durch Knospe entstandene neue Wesen umwächst den Magen und Darm des alten; auch der After der Larve, wenn ein solcher vorhanden war Die Plastosomentheorie der Vererbung. 95 (Bipinnaria), bleibt bei dem neuen Tier; der Magen und Darm aber wird ganz hinübergenommen. Es geschieht also mit Magen und Darm, was mit den meisten Organen, nicht allen, bei der Verwandlung des Frosches geschieht, dass sie in die neue Form mit hinübergenommen werden. Ausser den Verdauungsorganen besitzt die Echinodermenlarve keine wesentlichen anderen inneren Eingeweide; die neue Form nimmt nicht den Schlund, aber das Haupteingeweide bis ans Ende des Verdauungsapparates mit. Und damit ist bewiesen, dass das Prinzip der Metamorphose ebenso unverkennbar bei der Entwicklung der Echinodermen auftritt als das Prinzip des Generationswechsels. Ich verstehe unter Gene- rationswechsel nichts anderes als die Folge zweier Organismus- Formen, wovon die eine in oder an der anderen als Minimum zuerst entsteht, als Knospe; die zweite, nämlich die entwickelte Knospe erst die zur geschlechtlichen Zeugung bestimmte Form ist, aus welcher durch geschlechtliche Zeugung die geschlechts- lose Form hervorgeht, die wieder zur Knospenerzeugung be- stimmt ist.“ In der Folgezeit hat man jedoch den Gedanken, dass bei den Seesternen, Ophiuren und Seeigeln ein, wenn auch nur partieller, Generationswechsel (oder eine Metagenese) vorliegen könnte, fallen gelassen, und heute ist wohl die Auffassung allgemein, dass „in bezug auf die Echinodermen die Metamorphosennatur bei der Entwicklung nicht bezweifelt werden darf“ (Metschnikoff, 186975739): Korschelt und Heider bemerken zu dieser Frage in ihrem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte (1890, S. 287) folgendes: „Während frühere Forscher zu glauben geneigt waren, dass der Seestern sozusagen als Knospe an der Larve entstände, wissen wir heute, dass auch hier ein Übergang des Larvenkörpers in denjenigen des ausgebildeten Tieres stattfindet. Allerdings treten dabei gewisse Modifikationen auf, indem sich der Körper des Echinoderms zunächst nur in einem verhältnismässig kleinen Ab- schnitt des Larvenkörpers anlegt. Erst allmählich wird dann der grössere Teil der Larve zu der Bildung des Seesterns herange- zogen. In bestimmten Fällen allerdings scheint dieser letztere Vorgang auszubleiben, und das Echinoderm nimmt dann nur aus einem Teil des Larvenkörpers seinen Ursprung. Bei diesem Ent- wicklungsmodus löst sich der junge Seestern vom Larven- 96 Friedrich Meves: körper ') ab, und dieser letztere soll noch längere Zeit zu existieren vermögen (Joh. Müller, Koren und Danielsen). Ein solches Ver- halten konnte Veranlassung geben, den Vorgang als Knospung anzu- sehen, welche Auffassung aber durch die zu schildernde Umwandlung des Larvenkörpers bei anderen Seesternen widerlegt wird.“ Mir scheint nun aber die Metamorphose aller Seesterne, ÖOphiuren und Seeigel prinzipiell übereinzustimmen, und möchte ich auf Grund der Feststellung, dass das Mittelstück des Echi- nidenspermiums bei der ersten Furchungsteilung der einen von Fig. 4. Bipinnaria asterigera, Larve von Luidia Sarsi Düb. et Kor., mit dem jungen Seestern. Nach Joh. Müller 1850. ') Gemeint ist die als Bipinnaria asterigera beschriebene Seesternlarve, auf welche Joh. Müller in dem oben angeführten Zitat ebenfalls Bezug nimmt, und welche ich hier in Fig. 4 abgebildet habe. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 97 beiden Tochterzellen zuerteilt wird, die Anschauung von Joh. Müller und Carus von neuem aufnehmen und damit die Hypo- these verbinden, dass die Zellen, welche die Knospe bilden, von derjenigen Blastomere eines späteren Furchungsstadiums ab- stammen, in der das Mittelstück, nachdem es bis dahin unver- ändert weitergegeben war, in Körner zerlegt wird. Das weitere Schicksal des Mittelstücks (nach Abschluss der ersten Furchungsteilung) auf dem Wege der Beobachtung zu verfolgen, bin ich 1914, 2 bemüht gewesen. Ich habe die Furchung des Seeigeleies bis zum 32-Zellenstadium studiert, habe aber niemals eine Zerlegung dieses Spermienbestandteils beobachten können. Dagegen habe ich ein in seiner Form gänz- lich unverändertes Mittelstück in Keimen verschiedenen Alters bis zu dem genannten Entwicklungsstadium hin aufgefunden, und zwar in so zahlreichen Fällen, dass ich die Möglichkeit, es handele sich um disperm oder polysperm befruchtete Eier, die sich normal entwickelt hätten, nicht in Rechnung zu stellen brauchte; ich traf es entweder in einer Zelle deranimalen, oder, und zwar, soviel ich mich erinnere, in der Mehrzahl der Fälle, in einer solchen der vegetativen Hälfte an; jedoch niemals in einer der vier „Mikro- meren“ des 16-Zellen-Stadiums. Daraufhin konnte ich nun allerdings damals (1914, 2) nicht umbin, mir die Frage vorzulegen, ob die Plastosomentheorie der Vererbung nicht durch diese Befunde zu Fall gebracht werde. Ich habe mich aber angesichts der zahlreichen Gründe, welche die Annahme einer Mitwirkung der Plastosomen bei der Vererbung für mich unabweisbar machen, in meiner Überzeugung nicht er- schüttern lassen. Mit am schwersten wiegt für mich die Erkenntnis, welche mich 1908 zur Aufstellung meiner Theorie veranlasst hat, dass die Plastosomen genuine und Grundelemente des Protoplasmas darstellen, welche im Lauf der Öntogenese die verschiedensten Neuformationen bilden. Sie sind ferner im Ei und Spermium konstant vorhanden und machen einen integrierenden Bestandteil beider aus. Wir kennen apyrene, d. h. kernlose Spermien (vgl. Meves 1902), aber solche, welche keine Plastosomen besitzen, sind noch nicht nachgewiesen worden.') Die protoplasmatische !) Vejdovsky (1911—1912) will allerdings bei einer Heuschrecke, L Diestramena und Montgomery (1912) bei Peripatus gefunden haben, dass Archiv f. mikr. Anat. Bd. 92. Abt. II. 7 98 Friedrich Meves: Grundsubstanz der Samenbildungszelle wird bei Säugetieren im Laauf der Spermiogenese bis auf einen ganz minimalen Rest ab- geworfen; dagegen werden sämtliche Plastosomen zum Aufbau des Spermiums herangezogen. Die Plastosomen bilden an den Spermien verschiedener Tiere die mannigfachsten Strukturen, welche in ausserordentlich wechselnder Weise (bald an der Seite des Kopfes, bald hinter demselben um die Ursprungsstelle des Schwanzfadens herum, bald als Hülle um einen mehr oder minder langen Anfangsteil des letzteren) lokalisiert sind. Daraus schliesse ich, dass ihnen keine motorische (Benda) oder mechanische (Koltzoif) Funktion zukommen kann und dass sie überhaupt weniger für das Eigenleben der Spermien von Bedeutung sind als vielmehr ein Material darstellen, welches erst im Ei zur Wirksam- keit gelangt. Wie das Verhalten des Mittelstücks des Echinidenspermiums im besamten Ei beweist, kann diese Wirksamkeit nun aber nicht etwa darin bestehen, dass in Gestalt der männlichen plasto- somatischen Substanz ein spezifischer chemischer Stoff ins Ei ein- geführt wird, welcher die Entwicklung anregen soll. Somit scheint mir für das Vorhandensein der Plastosomen am Spermium keine andere plausible Erklärung übrig zu bleiben, als dass diese Ele- mente Vererbungsträger darstellen. Eine Beteiligung der Plastosomen bei der Befruchtung ist ferner besonders bei Ascaris und Filaria, aber auch bei Phallusia und Mytilus, direkt nachgewiesen worden. Das Verhalten der männlichen plastosomatischen Substanz, wie wir es im Seeigelei beobachten, darf aber nicht für sich allein, sondern nur unter Berücksichtigung des Befruchtungsvorganges bei anderen Tieren beurteilt werden. Hierzu kommt noch, dass Teile des Spermiums, welche ihre Rolle mit dem Eindringen desselben in das Ei ausgespielt haben, wie z. B. der Schwanzfaden bei Echinus oder das Spitzenstück bei Mytilus, sehr rasch resorbiert werden. Wäre das Mittelstück des Seeigelspermiums dem Untergang bestimmt, so würde es im Ei schnell zugrunde gehen. Ich blieb daher schon 1914, 2 bei der Überzeugung, von die Samenfäden sich gegen Ende der Reifung ihrer Plastosomen entledigen. Jedoch sind diese Angaben sicher unzutreffend.. Vgl. Meves 1913, S. 244 bis 246. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 38) welcher ich heute mehr als je durchdrungen bin: dass durch das Verhalten des Mittelstücks bei der Furchung des Seeigeleies ein Ziel angestrebt wird, welches ich nur in der Richtung einer Mit- wirkung bei der Befruchtung und Vererbung zu erblicken vermag. Während ich nun aber 1912, 2 noch für möglich hielt, dass der Darm der Echinidenlarve über eine der „Makromeren“ männ- liche plastosomatische Substanz beziehen könnte, musste ich diese Ansicht 1914, 2 aufgeben und glaubte ich damals mich auf die Annahme beschränken zu sollen, dass alle oder fast alle Teile des jungen Seeigels mit Ausnahme des Darms und der Vaso- peritonealblasen mit Mittelstückssubstanz versorgt werden. „Die Zellen der zuletzt genannten Organe“, schrieb ich noch 1915, 1, S. 39, „würden demnach allerdings keine männlichen Plastosomen erhalten ; die Möglichkeit aber, dass fast der ganze übrige Leib des jungen Seeigels durch das Mittelstück des Samenfadens väter- liche Eigenschaften ererbt, bleibt bestehen“. Nachdem ich nun aber neuerdings auf das embryologische Prinzip der Substitution bzw. Methorisis (siehe unten) auf- merksam geworden bin, kehre ich zu meiner alten Hypothese zurück, dass das definitive Echinoderm aus Zellen besteht, welche sämtlich mit männlicher plastosomatischer Substanz versehen sind. Bevor ich in die weitere Erörterung eintrete, sei die Entwicklung der Seesterne, Ophiuren und Seeigel nach der neuesten Darstellung von Heider (1913) und nach dem Lehrbuch von Korschelt und Heider (1890) skiz- ziert. Die ersten Stadien bis zum Beginn der Umwandlung in das definitive Tier beschreibt Heider (1913, S. 310) für alle Echinodermen gemeinsam folgendermassen: „Das kleine, mit feinen Dotterkörnern gleichmässig durchsetzte Ei der Echinodermen entwickelt auf dem Wege einer totalen und eigentümlich regulären Dotterklüftung (sog. Radiärtypus der Furchung) eine kugelförmige Coeloblastula, aus welcher durch Einstülpung eine Gastrula entsteht. Die gallerterfüllte Furchungshöhle (primäre Leibeshöhle) wird durch den relativ kleinen Urdarm nicht völlig verdrängt. Indem in diesen Raum vom Scheitel des Urdarmes aus Zellen der Darmwand amöboid einwandern, kommt es zur Ausbildung eines Mesenchymgewebes, aus welchem das Bindegewebe, das Skelettgewebe und die Blutlakunen des ausgebildeten Tieres, aber nicht die Körpermuskeln hervorgehen. Oft setzt die Mesenchymbildung schon vor der Entwicklung der Urdarmeinstülpung ein, doch auch in diesem Falle vom vege- tativen Pole aus erfolgend. Nur spärlich lauten einige Angaben, dahingehend, dass auch vom Ektoderm aus Mesenchym gebildet werden könne.“ „In der Regel wird der Blastoporus nicht verschlossen. Aus ihm, dessen Lage uns ursprünglich den hinteren Pol der Primärachse kennzeichnet, 7 100 Friedrich Meves: geht die Afteröffnung der Larve hervor. Während der Urdarm sich streckt, krümmt er sich etwas nach der Seite, und jene Seite, gegen die er sich biegt, kennzeichnet uns die spätere Ventralseite der Larve. Sein Vorderende deutet ey 3 % ‚m ° Mn zum" @ NO IRRÄNIIIIIN ar A] ® Sr NUN \) Il um Fig. 5. Entwicklung der Echinodermenlarve. Schema. A, B und © Ansichten dreier aufeinander folgender Stadien von der linken Seite gesehen; D, E und F dieselben Stadien, von der Bauchseite gesehen. a After, ak Akron (Scheitel- platte), e primäres Enterocoelsäckchen, m Mund resp. Mundbucht, w Wimper- schnur. Nach Heider aus „Kultur der Gegenwart“ Teil 3, Abt. 4, Bd. 2, 1913. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 101 gegen eine inzwischen als Einsenkung des Ektoderms entstandene Mundbucht (Fig. 5A, m). Bevor er aber mit dieser Mundbucht sich vereinigt, schnürt er von seinem Vorderende rechts und links je ein Säckchen (Fig.5A und D, ce) ab, welche als primäre Enterocoelsäckchen bezeichnet werden sollen... .. Der Darmkanal gliedert sich nun durch auftretende Einschnürungen in drei Abschnitte: Ösophagus, Magen und Intestinum (Fig.5); durch Vereinigung mit der Mundbucht wird er durchgängig und zur Nahrungsaufnahme geeignet. Auch der After (a) verändert seine Lage. Er rückt an der Ventralseite empor, wodurch der Enddarm in seiner Verlaufsrichtung gegen die des Magens abgeknickt wird. Man könnte vielleicht diese Lageveränderung des End- darms und der Afteröffnung am richtigsten dadurch erklären, dass man ein stärkeres Anwachsen der dorsalen hinteren Partien des Embryos (bei x in Fig. 5A) annimmt.“ „Es wird nun jene Partie der Ventralfläche, welche den Mund enthält, ein wenig nach innen eingebuchtet und dieses versenkte Mundfeld umgibt sich mit einer ungefähr trapezförmig gestalteten Wimperschnur (Fig. 5C andakew)i.. ... = „Überblicken wir in kurzem den Bau des so erreichten Larvenstadiums (Fig. 5C und F). Es hat im allgemeinen noch immer rundlich ellipsoidischen Körperumriss. Das Vorderende ist durch die Scheitelplatte, die wenig hervor- tritt und bald verschwindet, gekennzeichnet. An der Ventralseite finden wir das eingebuchtete umsäumte Mundfeld.e. Der Darm verläuft ventralwärts eingekrümmt und in drei Abschnitte gegliedert vom Munde zum After. Der Raum zwischen Darmwand und äusserer Haut ist von Mesenchym erfüllt. Zu beiden Seiten des Ösophagus finden sich die primären Enterocoelsäckchen.“ Aus dem gekennzeichneten Anfangsstadium bilden sich nun die ver- schiedenen Formen der Echinodermenlarven hervor, welche als Pluteus, Aurieularia, Bipinnaria und Brachiolaria unterschieden werden. Von Vor- gängen, die sich während dieser Zeit im Innern abspielen, ist vor allem die Weiterentwicklung der Enterocoelsäckchen ins Auge zu fassen. „Wir fanden in der jungen Larve zwei Coelomsäckchen zu den beiden Seiten des Ösophagus (Fig.5C und F,e). Diese strecken sich nach hinten und schnüren zwei neben dem Magen gelegene Säckchen (Fig. 6A, Bls, rs) ab. Wir haben dann zwei Paare von Säckchen. Das vordere Paar (vorderes Enterocoel Ive, rve) liegt neben dem Ösophagus, das hintere Paar, welches dem Magen seitlich angeschmiegt ist (ls, rs), wollen wir als Somatocoel be- zeichnen, weil aus ihm die eigentliche Leibeshöhle des Echinoderms hervor- geht. Die Autoren bezeichnen es meist als hinteres Enterocoel. Das linke vordere Enterocoelsäckchen (Fig. 6lve) entsendet nun einen kurzen Kanal (Porenkanal Fig. 6B. po) nach der Rückenwand und mündet mit einem meist ziemlich in der Medianlinie des Rückens gelegenen Porus nach aussen. Dieser Rückenporus oder Hydroporus ist als Anlage der ersten primären Durch- bohrung der Madreporenplatte zu betrachten ..... .„ „Bald sprosst aus dem linken vorderen Enterocoel nach hinten eine neue Knospe hervor (Fig. 6C, Ih). Sie wird zur Hydrocoelanlage, d. h. zur Anlage des Ambulakralgefäßsystems. Frühzeitig nimmt sie hufeisenförmige 102 Friedrich Meves: Gestalt (Fig. 6D, Ih) an, und wenn das Hufeisen sich zu einem Ringe schliesst, so ist der zirkumorale Gefässring gebildet. Man erkennt auch bald, dass von dem Hufeisen fünf Zipfel hervorwachsen, in denen wir die Anlage der Radiärkanäle des Ambulakralsystems zu erkennen haben. Die Verbindung in welcher das Hydrocoelsäckchen mit dem linken vorderen Enterocoel steht, ist als Anlage des Steinkanals zu betrachten (Fig. 6D, st). Wir verstehen nun, warum der Steinkanal nicht direkt in der Madreporenplatte ausmündet, sondern vielfach in eine unter dieser Platte gelegene Ampulle. Offenbar haben wir in dieser Ampulle einen Rest des linken vorderen Enterocoelsäckchens (la) zu erblicken. Aber aus diesem Säckchen geht überdies noch der Axial- Fig. 6. Schema der Entwicklung der Coelomsäckchen in einer Echinodermenlarve. Ansicht vom Rücken. a After, la linkes Axocoel, Ih linkes Hydrocoel, ls linkes Somatocoel, Ive linkes vorderes Enterocoel, m Mund, po Rücken- porus, ra rechtes Axocoel, rh rechtes Hydrocoel, rs rechtes Somatocoel, rve rechtes vorderes Enterocoel, st Steinkanal. Nach Heider aus „Kultur der Gegenwart“, Teil 3, Abt. 4, Bd. 2, 1913. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 103 sinus hervor. Wir wollen es von dem Momente an, da sich das Hydrocoel- säckchen von ihm abtrennte, als Axocoelsäckchen bezeichnen.“ „Die gleichen Umwandlungen erfährt wenig später das rechte vordere Enterocoelsäckchen. Auch dieses wird in ein rechtes Hydrocoel (Fig. 6D, rh) und rechtes Axocoel (ra) gesondert. Doch haben diese Bildungen mehr rudimentären Charakter und scheinen bald zu verschwinden, ohne dass be- stimmte Teile des ausgebildeten Echinoderms aus ihnen hervorgingen..... E „Wenn wir Fig. 6C betrachten, so erkennen wir, dass die Coelom- anlage der Echinodermenlarve aus drei hintereinander liegenden Paaren von Säckchen besteht, welche wir als Axocoel (la, ra), Hydrocoel (Ih, rh) und Somatocoel (ls, rs) bezeichnen. Das linke Axocoel mündet durch den Poren- kanal dorsalwärts aus. Das linke Hydrocoel ist dem linken Axocoel durch den Steinkanal (st) verbunden. Die beiden Somatocoele umgreifen den Magen. Würden sie ihn völlig umwachsen, so müsste ein in der Medianebene gelegenes Mesenterium zur Ausbildung kommen.“ Boa. Fig. 8. Bipinnarialarven mit der Anlage des Seesterns in verschiedenen Stadien, H Wassergefässrosette. K Kalkausscheidung, in der Anlage der antiambu- lacralen Fläche des Seesterns gelegen. Nach Joh. Müller 1852. 104 Friedrich Meves: Die ungemein komplizierte Metamorphose, durch welche die Echino- dermenlarve in die ausgebildete Form übergeführt wird, findet sich bei Heider nur kurz behandelt: ich schildere sie mit den Worten von Korschelt und Heider: „Die erste Anlage des Seesterns findet im hinteren Teile des Larvenkörpers statt. Links vom Magen liegt: die fünfstrahlige Anlage des Wassergefäßsystems (Fig. 7 H), während auf der rechten Seite des Magens eine Anlagerung von Mesenchymzellen auftritt, in der sich bereits die ersten Skeletteile (Fig. 7 K) ausscheiden. Durch die Wassergefäßrosette wird die ventrale oder ambulakrale Seite des künftigen Seesterns bezeichnet, durch Fig. 12. Fünf Stadien aus der Entwicklung von Echinaster sepositus (Gray). Nach Nachtsheim, aus Zool. Anz., Bd. 44, 1914. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 105 die Skelettbildung seine dorsale oder antiambulakrale Fläche, Beide kommen getrennt zur Anlage. Schon sehr früh ist an ihnen der fünfstrahlige Bau des Seesterns zu erkennen. An der ambulakralen Fläche äussert er sich dadurch. dass in der Larvenhaut unmittelbar über den Radien der Wasser- gefäßrosette fünf Falten entstehen, an der antiambulakralen Fläche aber lagern sich die Kalkstäbehen in Form eines Fünfecks entsprechend ab. Beiderseits ist mit der Ablagerung der kutisbildenden Mesenchymzellen zu Seiten des Magens zugleich eine Verdickung der Epidermis verbunden. — Das Verständnis dieser Vorgänge wird dadurch erschwert, dass die ambu- lakrale und antiambulakrale Fläche nicht parallel, sondern beinahe im rechten Winkel gegeneinander geneigt sind. Zwischen beiden liegt der umfangreiche Magen. In der allerdings einem etwas früheren Stadium entsprechenden Fig. 7 sieht man die Wassergefäßrosette (H) zum Teil verdeckt vom Magen» während die Anlage der antiambulakralen Fläche diesem aufliegt. Die letztere entwickelt sich in der Weise weiter, dass sich aus den Kalkkonkrementen eine Anzahl von Platten bildet (vgl. weiter unten), welche eine pentagonale Fläche darstellen. Indem diese sodann in fünf Fortsätze auswächst, wird die Rückenfläche der Arme des Seesterns angelegt. Auf ihr erscheinen warzenförmige Höcker, aus denen später die Stacheln hervorgehen.“ „Auf dieser Stufe kommt der Seestern, wenigstens in bezug auf seine dorsale Aussenseite, der Gestaltung des ausgebildeten Tieres bereits nahe und man sieht ihn der Larve anhängen, deren hinteres Ende er ganz einge- nommen hat (Fig. 8). Ihr vorderer Abschnitt ist noch recht wohl erhalten, doch beginnt nunmehr auch dessen Rückbildung. Er verkümmert allmählich, indem seine Substanz durch die als Phagozyten funktionierenden Mesenchym- zellen aufgenommen, intrazellulär verdaut und wohl zur Verwendung beim Aufbau des neuen Körpers brauchbar gemacht wird (Metschnikoff). Zugleich mit diesen Vorgängen verringert sich der Umfang des Magens; infolgedessen vermögen sich die beiden getrennt angelegten Flächen des See- sterns einander zu nähern. Sie decken sich und verwachsen schliesslich miteinander ...... £ „Es fragt sich jetzt, in welcher Weise der Larvendarm sich zu dem neugebildeten Seestern verhält. Die älteren Angaben lassen darüber nichts Genaueres erkennen, weshalb wir uns in bezug hierauf an die neueren Untersuchungen von Ludwig über Asterina gibbosa halten ..... 5*) !) Bei den Seesternen finden sich mannigfache Ausnahmen von der typischen Gestaltung der Larven. Dies ist z. B. der Fall bei der erwähnten Asterina und ferner bei Echinaster, dessen Entwicklung neuerdings (1914) von Nachtsheim untersucht ist. Die Figuren 9—13 habe ich derMitteilung von Nachtsheim entnommen. Die anfangs kugelförmigen Larven nehmen zunächst ein birnförmiges Aussehen an, mit spitzerem Vorder- und breiterem Hinterende. Bei der in Fig. 9 dargestellten Larve hat sich unterhalb des Vorderendes (oben, eine Delle ausgebildet, das erste Anzeichen der Entwicklung des für die Echinasterlarve charakteristischen Haftorgans. Die Entwicklung des Haftorgans geht folgendermassen vor sich: „Die Delle vertieft sich, das Vorderende wölbt sich gegen die Delle vor, und unterhalb derselben entstehen 106 Friedrich Meves: „Bei Asterina löst sich der Munddarm der Larve vom Magen ab und hängt als ein nach innen blind geschlossenes Rudiment dem Larvenmunde an. Der Darm ist eine Zeitlang ohne jede Verbindung mit der Aussenwelt. Der definitive Mund des Seesterns wird sodann dadurch gebildet, dass eine Ausbuchtung des Magens gegen die Körperwand vorwächst und schliesslich nach aussen durchbricht. Der Magen selbst wird in den Seestern hinüber- genommen ..... Schon früher als die Verbindung des Darms mit dem Munde ist der After obliteriert und erst nach Bildung der Mundöffnung ent- steht der neue After.“ Ebenfalls bei der Pluteuslarve der Ophiuren „legen sich die ambulakrale und antiambulakrale Fläche gesondert an und liefern erst durch ihre Vereinigung den späteren Stern“ (Fig. 14). Zwischen der Metamorphose der Echiniden und derjenigen der übrigen Echinodermen besteht (nach der Darstellung Metschnikoffs) insofern ein gewisser Unterschied, als „sich hier eine Einstülpung der Larven- haut bildet, an deren Grunde die erste Anlage des Seeigelkörpers auftritt. So kommt es, dass diese erste Anlage nicht frei zutage liegt, sondern ähnlich wie durch ein Amnion von einer Falte der Larvenhaut überdeckt wird.‘ Fig. 14. Pluteuslarve mit dem jungen Ophiurenstern. Nach Joh. Müller 1848. zu gleicher Zeit zwei buckelförmige Erhebungen. Auch aus dem vorgewölbten Vorderende differenzieren sich sehr bald zwei solche buckelförmige Erhebungen heraus.“ In Fig. 10 ist das Haftorgan schon nahezu fertig. Der zukünftige Seestern bildet sich aus dem hinteren Teil der Larve. Das Haftorgan wird, nachdem es seine Aufgabe erfüllt hat, resorbiert. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 107 „Die Umbildungsvorgänge des Pluteus in den Seeigel sind folgende: Im Innern des mit vier Armen versehenen Pluteus von Strongylocentrotus lividus liegen rechts und links vom Magen die Enterocoelsäcke; das Hydrocoel lagert sich über dem linken derselben und hat die Form einer Retorte, deren Stiel am Rücken der Larve nach aussen mündet (ähnlich in Fig. 15 und 16 von einem Spatangiden, doch liegen bei diesen Formen die Verhältnisse etwas anders). Später, wenn der Pluteus sechsarmig geworden ist, bildet sich über dem Hydrocoel eine Einstülpung der äusseren Haut (Fig. 15). Dieselbe geht hervor aus einer Verdickung der Epidermis, welche sich allmählich einsenkt und mit ihrem Boden schliesslich das Hydrocoel berührt. Der verdickte, scheibenförmige Grund der Hauteinstülpung ist die erste Anlage der Unter- fläche des Seeigelkörpers (von Joh. Müller als ‚„Seeigelscheibe‘ bezeichnet). f M f { f Fig. 15. Pluteuslarve eines Spatangiden, mit Einstülpung (E) der Larvenhaut. Der Boden der Einstülpung ist die sogenannte Seeigelscheibe. Nach Metsch- nikoff 1869. ’ 108 Friedrich Meves: Über sie legen sich die weit schwächeren Seitenteile der Einstülpung als ein amnionartiger Überzug (Fig. 16). Die Einstülpungsöffnung hat sich ver- engert, bleibt aber erhalten, während bei den Spatangiden später andere Verhältnisse eintreten. — Das Hydrocoel wächst jetzt in fünf Fortsätze aus, und das gleiche tut die Seeigelscheibe, indem sie einen Hautüberzug über jeden der Fortsätze bildet. Dadurch sind die ersten fünf Füsschen des Seeigels entstanden... ... n „Während der geschilderten Veränderung im Bereich der Seeigelscheibe macht sich auch die erste Andeutung der Rückenfläche des künftigen Seeigels bemerkbar ...... Bei fortschreitender Entwicklung nimmt die Scheibe immer mehr an Umfang zu und dabei erweitert sich auch die Einstülpungs- öffnung wieder... .. Zu dieser Zeit beginnt das Larvenskelett zu zer- Pluteuslarve eines Spatangiden, mit Hauteinstülpung (E), von welcher das Hydrocoel überdeckt wird. Nach Metschnikoff 1869. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 109 fallen und die Pluteusarme werden infolgedessen zurückgebildet. Der Körper nimmt dadurch ungefähr die Form einer Halbkugel an, mit der Scheibe als Basis. Immer mehr hat sich der Umfang der Scheibe vergrössert, und ent- sprechend wurde auch die Öffnung der Einstülpung erweitert. Die amnion- ähnliche Hülle verstreicht aber dabei allmählich und schliesslich bildet sie nur noch eine Ringfalte, welche den Umfang der Scheibe umgibt und am Ende verschwindet. So scheint auch das „Amnion‘“ direkt in die Haut des Seeigels überzugehen, und zwar dürfte es denjenigen Teil der Haut liefern, welcher die sohlenartige Bauchfläche mit dem gewölbten Rücken verbindet.“ „Die inneren Larvenorgane gehen in den Seeigel über... .. - Im folgenden soll nun zunächst untersucht werden, auf welche Weise die Anlagen der ventralen und dorsalen Körperfläche des jungen Seeigels mit männlicher plastoso- matischer Substanz ausgestattet werden könnten; es soll die Frage beantwortet werden, wie dies möglich ist, trotzdem das Mittel- stück im Beginn der Furchung bald in einer animalen, bald in einer vegetativen Blastomere gefunden wird. Die Untersuchungen von Vöchting auf botanischem, von Driesch u.a. auf zoologischem Gebiet haben gezeigt, dass das Schicksal einer Zelle oder Zellgruppe bei der Entwicklung durch den Ort bestimmt wird, welchen sie im Keimganzen einnimmt. Dieser Ort kann nun aber durch Zellgleiten (Cytolisthesis, Roux) geändert werden. Wir wissen durch zahlreiche entwicklungsmechanische Ex- perimente, dass sich flächenhaft berührende Zellen vielfach gleitende Bewegungen ausführen. Driesch (1892) hat gefunden, dass speziell bei Echiniden Halbblastulae, welche aus einer der beiden Blastomeren des Zweizellenstadiums hervorgegangen sind, durch Gleiten der Zellen aneinander zu einer verkleinerten Ganzform geschlossen werden. Garbowski (1905), der Bruchstücke von Echinidenkeimen mit anderen, welche er mit Neutralrot vital ge- färbt hatte, zusammenkoppelte, beobachtete an den neuen Indi- viduen im weiteren Verlauf der Furchung regulatorische Prozesse, die auf Umformung und Verlagerung der Blastomeren beruhen. „Die Zellen werden je nach Bedarf verlängert oder zugerundet, zwängen sich unter anderen durch, in das Innere einer Morula geratende Blastomeren bahnen sich den Weg zur Oberfläche, es werden Lücken in klaffenden Wänden der Keime ausgefüllt und dgl. mehr.“ 110 Friedrich Meves: Das Zellgleiten bildet aber nicht nur bei gestörtem, sondern auch bei normalem Entwicklungsgeschehen, wie Korschelt und Heider (1902, S. 230) sagen, einen „bedeutungsvollen Faktor“: man wird nach den genannten Autoren „keine ÖOntogenie be- obachten können, bei der nicht Einschlägiges zur Erscheinung käme“. Unter diesen Umständen würde es demnach keinen Unter- schied machen. welcher Blastomere das Mittelstück des Echiniden- spermiums bei der Furchung zuerteilt wird, falls wir nur an- nehmen dürfen, dass diejenige Zelle, in welcher die supponierte Zerlegung des Mittelstücks eintritt, bzw. ihre Nachkommen, nach- träglich durch Zellgleiten an die richtige Stelle gelangen.') Dass durch die Cytolisthesis bewirkt werden könnte, dass der sich entwickelnde Urdarm aus Zellen besteht, welche mit Mittelstückssubstanz versorgt sind, ist wohl ausgeschlossen, da die ganze untere Wand der Blastula, wie besonders die Beobachtungen von Boveri (1901, S. 649 und Fig. 537—40) lehren, zur Bildung des Urdarms eingestülpt wird. Dann würden aber auch die Zellen des sekundären Mesenchyms?), welche sich von der Kuppe des Urdarms ablösen, von männlicher plastosomatischer Substanz frei sein müssen. Diese sind es aber, welche nach der Auffassung !) Auf botanischem Gebiet hat Krabbe (1886) auf die allgemeine Verbreitung von Zellverschiebungen aufmerksam gemacht, welche er auf „gleitendes Wachstum‘ zurückführt. Dieselbe Erscheinung ist später von anderen, neuerdings besonders von Klinken (1914) und Neeff (1914) studiert worden. Letzterer Autor schreibt in seiner „Zusammen- fassung der Ergebnisse“ S. 541—542: „Die Zellen zeigen durch ihre Wachs- tumsbewegungen eine relative Selbständigkeit innerhalb des Gewebeverbandes. Indem die einzelnen Zellen aus dem festen Verband der Nachbarzellen sich loszulösen und auf der Nachbarzellwand in ziemlich grosser Ausdehnung zu gleiten vermögen, ... . . offenbaren sie eine gewisse Unabhängigkeit von den Nachbarzellen. Dieser selbständigen Funktion der Zelle, als Elementarorganismus betrachtet, tritt... .. sofort ihre Abhängig- keitsbeziehung zum Organismus gegenüber, die sie als Teil eines Ganzen beherrscht: das polare Wachstum. Die Zelle als Glied des Organismus führt ihre Bewegungen nicht willkürlich, sondern nach gesetzmässigen Wechsel- beziehungsen im Organismus in bestimmter Richtung aus.“ 2) Bei Echiniden scheiden noch vor dem Auftreten der Urdarmein- stülpung am vegetativen Pol der Blastula Zellen aus dem Epithelverband aus, die das sog. primäre Mesenchym bilden, aus welchem nach Boveri das Larvenskelett hervorgeht. Die Plastosomentheorie der Vererbung. El der meisten Autoren das „Bindegewebe, Skelettgewebe und die Blutlakunen des ausgebildeten Tieres“ entstehen lassen. Meines Erachtens wäre nun aber zu untersuchen, ob nicht noch auf viel späteren Stadien der Entwicklung eine neue (tertiäre) Mesenchymbildung einsetzt. Vielleicht erfolgt sie von der „Seeigelscheibe“ sowie von demjenigen Ektoderm- bezirk aus, welcher zur Rückenfläche des jungen Seeigelkörpers wird. Auf eine weitere Möglichkeit für die Entstehung eines tertiären Mesenchyms komme ich unten zurück. Obwohl nun der Larvendarm und damit auch die An- lage des Vasoperitonealsystems ursprünglich aus Zellen besteht, welche keine männliche plastosomatische Substanz enthalten, so könnte doch in dieser Beziehung später eine Änderung ein- treten. Im Lauf der Entwicklung kommt es häufig vor, dass alte Örgane zugrunde gehen und durch neue ersetzt werden. Kleinenberg (18836, S. 216) spricht in diesem Fall von einem Wechsel oder einer Substitution der Organe. „Das nachfolgende Organ lässt sich in keiner Weise morphologisch von dem vorhergehenden ableiten, aber jenes hatte dieses zur genetischen Voraussetzung, es konnte nur in einem gerade so angeordneten Organismus entstehen und ist allein durch das Vorhandensein eines früheren, später aufgelösten, geordneten Zustandes erklärlich.“ Kleinenberg (S. 223) bezeichnet sogar als „theoretisch möglich, dass die endgültige Organisation eines Tieres allein auf Substitutionen beruht“, und vermutet schon (S. 217) speziell von der Umwandlung der Echinodermenlarve in das definitive Tier, dass sich dabei „ziemlich ausgedehnte Sub- stitutionen vollziehen“. Eine der Substitution nahe verwandte Erscheinung ist die- jenige der Grenzverschiebung oder Methorisis (von uer« und 0005 = Grenze). Schimkewitsch (1908, S. 585) versteht darunter folgendes. „Entsteht ein Organ aus zwei Anlagen ver- schiedener Herkunft, welche oft verschiedenen Keimblättern an- gehören, so kann die Grenze zwischen diesen beiden Anlagen, infolge des Überhandnehmens der einen derselben und der gleich- zeitigen Abnahme der anderen, nach der einen oder der andern Richtung hin verschoben werden. Es ist nun wohl denkbar, dass die eine Anlage schliesslich völlig durch die andere verdrängt 112 Friedrich Meves: werden kann, und dass das Organ gemischter Herkunft dann zu einem gleichgearteten Organ wird.“ Man hat nach Schimkewitsch zwei Kategorien von Methorisis zu unterscheiden. Bei der ersten Kategorie erfolgt die allmähliche Ersetzung der einen Anlage durch die andere auf die Weise, dass die ersetzende Anlage ihre ursprünglichen morpholo- gischen Charaktere beibehält: in EN diesem Fall wird ein Teil der Ä Funktionen der ersetzten Anlage N auf die neue Anlage übergehen N müssen. Bei der zweiten Kate- N | gorie gleicht die ersetzende An- lage der ersetzten (Fig. 17): es Sa findet ein voller Ersatz der ver- Schematische Darstellung der Me- : ‚ 3 thorisis. Nach Schimkewitsch drängten Teile, nicht nur inmer- 1908. phologischer, sondern auch in physiologischer Hinsicht statt. Es scheint mir nun sehr wohl möglich, dass der Magen- Darmkanal des späteren Echinoderms unter gänzlicher Verdrängung des Larvendarms durch Substitution oder Methorisis neu entstehen könnte. Der definitive Mund liegt inmitten der zur oralen Körper- haut werdenden Seeigelscheibe. Der Magen-Darmkanal der Larve verliert nach Beginn der Metamorphose seine Verbindung mit der Aussenwelt: Mund und Anus der Larve gehen nicht in die ent- sprechenden Bildungen des erwachsenen Tieres über. Der Öso- phagus des jungen Seeigels bildet sich von dem definitiven Mund aus in Form einer Einstülpung, welche mit einem Auswuchs des Magens zusammentrifft (Mac Bride 1903, S. 310-311). Die Afteröffnung entsteht sehr spät, bei Echinus microtubereulatus erst, nachdem der junge Seeigel einen Durchmesser von ca. 6 mm erreicht hat (Bury 1895, S. 82 und Mac Bride 1903). Auf dem Wege der Substitution oder der Methorisis könnte nun auch die Epithelbeschaftenheit des Vasoperitoneal- systems geändert werden. Das linke Coelomsäckchen öffnet sich schon auf einem sehr frühen Stadium (nach Mac Bride bei Echinus esculentus am vierten Tage) durch den „Wasserporus“ an der Rückenfläche der Die Plastosomentheorie der Vererbung. 113 Larve im Bereich desjenigen Ektodermbezirkes, welcher zur dor- salen Fläche des definitiven Echinoderms wird!) (vgl. die neben- stehende Figur 18 nach Metschnikoff). Erst viel später (bei Eehinus eseulentus am neunten Tage) teilt es sich in eine vordere und hintere Hälfte (linkes vorderes Enterocoel und linkes Somatocoel). Demnach besteht die Möglichkeit, dass das Epithel des linken Coelom- bläschens bis zum Eintritt der Teilung in ein linkes vorderes Enterocoel und ein linkes Somatocoel auf dem Wege der Methorisis vom Eetoderm der larvalen Rückenfläche aus neu ge- bildet wird. Da linkes und rechtes Somato- coel sehr bald ineinander übergehen, können auch die Zellen, welche das rechte Somatocoel auskleiden, durch Min Substitution bezw. Methorisis einen ll. anderen Charakter annehmen. Da- Fig. 18. gegen kann in der Epithelbeschaffen- Seesternlarve (von der Rücken- heit derjenigen Bildungen, welche aus fläche gesehen). an der man dem rechten vorderen Enterocoel- Nenn g 2 kennen kann. Nach Metsch- säckchen hervorgehen, kein Wechsel nikoff 1869. eintreten. Diese haben aber, wie wir gesehen haben, „mehr rudimentären Charakter und scheinen bald zu verschwinden, ohne dass bestimmte Teile des ausge- bildeten Echinoderms aus ihnen hervorgehen“. Schliesslich sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass ein tertiäres Mesenchym durch Knospung vom Vasoperitoneal- epithel neu gebildet wird, nachdem dieses letztere seine Natur geändert hat. Auf diese Weise glaube ich als vorstellbar erwiesen zu haben, dass sämtliche Zellen des definitiven Seeigels mit männlicher plastosomatischer Substanz versorgt sind. Dabei habe ich nichts anderes getan, als zwei allgemein gültige embryo- !) Heider hat bei der oben reproduzierten bildlichen Darstellung, welche er von der Entwicklung: der Coelomsäckchen gibt, auf dieses zeitliche Verhältnis keine Rücksicht genommen. Archiv f. mikr. Anat. Bd.92. Abt. II. 8 114 Friedrich Meves: logische Prinzipien, dasjenige der Uytolisthesis und dasjenige der Substitution bezw. Methorisis, auf die Entwicklung der Echiniden angewandt. Wie sich mir herausgestellt hat, ist meine Hypothese ferner im Grunde eine ganz alte, welche ich in ein neues Gewand ge- kleidet habe. Die Metamorphose der Seesterne, Ophiuren und Seeigel ist, wie wir gesehen haben, schon vor langer Zeit von Joh. Müller und Carus als ein mit Knospung einhergehender Generationswechsel aufgefasst worden. Wenn nun der Generations- wechsel darin besteht, dass „die Entwicklung durch das Ein- schieben neuer Zwischenreihen unterbrochen wird, und dass also die Entwicklung mit Generationswechsel sich von der mit Meta- morphose durch das Auftreten neuer Keime unterscheidet“ (Carus 1849; vgl. auch denselben 1856, S. 6), so würde bei den ge- nannten Echinodermen, falls ihre Ontogenese in der oben skizzierten Weise verläuft, in der Tat ein Generationswechsel vorliegen. Meine Hypothese gibt aber erst eine Erklärung dafür, worin das Be- sondere der „neuen Keime“ besteht, und zugleich eine Recht- fertigung für ihr Auftreten. Im Gegensatz zu den Seesternen, Ophiuren und Seeigeln entwickeln sich andere Echinodermen, wie z. B. die Holothurien und das pentakrinoide Stadium von Comatula, durch direkte Um- formung der Larvengestalt. Bei diesen müsste demnach die plastosomatische Substanz, welche von dem Spermium in das Ei hineintransportiert wird, bei der ersten Furchungsteilung ebenso wie z. B. bei Ascaris auf beide Blastomeren verteilt werden. Ein Übergang der männlichen plastosomatischen Substanz in eine der beiden ersten Furchungszellen, wie ich ihn bei Echiniden gefunden habe und bei Seesternen und Ophiuren bestimmt an- nehme, könnte dagegen möglicherweise auch noch in anderen Tierklassen, z. B. bei den Heteronemertinen und bestimmten (ephyreen, zur Beobachtung kommen. bei den Heteronemertinen, auf welche ich in diesem Zu- sammenhang schon 1912, 2, S. 117 hingewiesen habe, geht aus dem Ei die als Pilidium und Desors Typus bekannte Larvenform hervor. Der Wurm legt sich mit Hilfe von Ektodermeinstülpungen an, die in der Umgebung des Mundes auftreten und später als Kopf- und Rumpfscheiben den Darm umwachsen. Das Ektoderm der Larve geht bei der Metamorphose zugrunde und die Nemertine Die Plastosomentheorie der Vererbung. 115 schlüpft, nach dem Ausdruck von Bürger, aus dem Pilidium wie aus dem Ei. In ähnlicher Weise wird bei bestimmten Gephyreen (Sipun- culus) ein grosser Teil des Larvenektoderms zur Bildung einer Embryonalhülle (Serosa) verwandt, welche von dem fertigen Tier abgeworfen wird. Es ist nun von grösstem Interesse, dass die Larvenhaut der Nemertinen und Gephyreen schon 14908 von Hubrecht als ein Vorläufer des Trophoblasten der Säugetiere angesprochen worden ist, dessen Zellen nach der Hypothese von Van der Stricht, Lams und Henneguy gleichfalls keine männliche protoplas- matische Erbmasse führen. b) Die an meiner Seeigelhypothese geübten Kritiken. Ich beginne damit, die Berechtigung des Zweifels zu er- örtern, welcher von C. Rabl (1915) und Held (1916) an der Richtigkeit meiner Deutung des sog. Mittelstücks des Echiniden- spermiums geäussert worden ist. C. Rabl ist gleich mir der Überzeugung, dass geformte Bestandteile des Protoplasmas bei der Vererbung mitwirken und hält es speziell für wahrscheinlich, dass den Plastosomen bei der Befruchtung von Ascaris eine wichtige Rolle zukommt; er be- zeichnet es aber in einer Anmerkung zu S. 131 als fraglich, „welchem Teil eines Spermatozoons von Ascaris das sogenannte Mittelstück eines Echinidenspermiums entspricht“. „Letzteres“, heisst es daselbst, „enthält wohl sicher nicht das Zentrosoma, wie man eine Zeitlang glaubte. Mit voller Sicherheit geht dies aus den schönen Beobachtungen von Retzius (Biologische Unter- suchungen 1912, XV) und Meves (Arch. f. mikr. Anat. 1912) HERVOR)... Könnte nicht vielleicht der Anfang des Schwanzes eines Echinidenspermatozoons dem Hals plus Verbindungsstück eines Säugetierspermatozoons entsprechen? Dabei bleibt aber immer noch die Frage offen: was ist das sogenannte Mittelstück des Spermatozoons eines Echiniden, und was hat es für eine Be- deutung? Die Bedeutung, die man ihm früher zuschrieb, hat es gewiss nicht; auch nicht die, die Meves vermutete. — Die !) Zu der Anführung von Retzius vergl. das unten auf S. 126 Gesagte. 8*+ 116 Friedrich Meves: Spiralhülle des Verbindungsstückes eines Säugetierspermatozoons entsteht bekanntlich nach Brunn und Benda (neuerdings durch Duesberg bestätigt) aus der Aneinanderreihung oder Ver- schmelzung kleiner protoplasmatischer Körner (Brunnscher Körner oder Mitochondrien von Benda). Wenn dieses Stück bei der Befruchtung mitverwendet wird, so gelangen durch das- selbe bestimmt geformte Gebilde des Protoplasmas, die man mit dem allgemein von Arnold gebrauchten Namen Plasmosomen bezeichnen kann, in das Ei. Existiert nın an der Schwanzwurzel eines Echinidenspermatozoons etwas, was mit diesen zwei Ab- schnitten eines Säugetierspermatozoons verglichen werden kann und vor allem: existiert ein Homologon des Spiralfadens des Verbindungsstückes ?* Abgesehen davon, dass es „Zentrosomen“ in der Spermatide und am Spermium überhaupt nicht gibt, sondern nur Zentriolen, und dass es unzulässig ist, die v. Brunnschen Körner, Mito- chondrien oder Plastochondrien mit dem Arnoidschen Namen Plasmosomen zu bezeichnen, unterliegt es nun aber nicht dem geringsten Zweifel, dass das Homologon des Spiralfadens bei Säugetieren das sog. Mittelstück bei Echinus ist. Die plastosomatische Natur dieses Mittelstückes ist längst in einwandfreier Weise erwiesen worden. Zuerst hat es Pictet (1891, S. 95) als einen „Nebenkern“ im Sinne von v. la Valette St. George angesprochen. Von letzterem Gebilde wissen wir. dass es durch eine Vereinigung von Körnern entsteht, von denen ich (1900) gezeigt habe, dass sie mit Mitochondrien oder Plasto- chondrien identisch sind. Pictet selbst hatte bereits gefunden, dass das Mittelstück des Echinidenspermiums durch Verschmelzung einer Anzahl stark lichtbrechender Körnchen gebildet wird. Auch Field (1895, S. 252) beschreibt, dass im Protoplasma der Sper- matide kleine Granula verstreut sind, welche zu immer grösseren verschmelzen, bis sie eine geringe Anzahl von stark lichtbrechenden Kügelchen bilden, die sich schliesslich zu einer einzigen Masse, dem Mittelstück, vereinigen. Nach beiden Autoren sollen nun allerdings die von ihnen beobachteten Körner von den Fasern der letzten Reifungsspindel abstammen. Ich habe mich aber 1912, 2, S. 101 davon überzeugt, dass diese letztere Angabe nicht zutrifft, dass die Körner vielmehr Plastochondrien darstellen. Zu dem gleichen Resultat wie ich selbst, dass das Mittel- Die Plastosomentheorie der Vererbung. 117 stück als ein echter Nebenkern aufgefasst werden muss, ist auch Retzius (1910, S. 62) auf Grund seiner weit ausgedehnten ver- gleichend-morphologischen Studien über den Aufbau der Spermien gekommen. Eine andere Bildung, welche mit der Spirale des Säugetier- samenfadens homologisiert werden könnte, existiert am Echinus- spermium nicht. Nach Held (1916, S. 204) hat „der Mevessche Befund bei Parechinus miliaris, wonach das Mittelstück der Spermie nur in die eine der beiden ersten Blastomeren und anscheinend in völlig unverändertem Zustand übergeführt wird, nicht erwiesen, dass dieses so ungegliederte und allein gefärbte Gebilde des Mittelstückes auch das ganze wirkende Spermioplasma repräsen- tiert“. „Wenn sich ausschliessen lässt erstens, dass die Seeigel- spermie keine den Ascarismikrosomen z. B. vergleichbare Granula enthält, und dass zweitens die Altmannsche Fuchsinfärbung niemals heterogene Gebilde in sonst homologen Zellen darstellt, so wäre erst dann eine eindeutige Schlussfolgerung gegeben.“ Die von Held beschriebenen „Mikrosomen“ des Ascaris- spermiums sind nun aber nach meiner Überzeugung wahrscheinlich weiter nichts als ein Trugbild, welches durch Färbung der proto- plasmatischen Grundsubstanz (oder Niederschlagsbildung, siehe oben) zustande gekommen ist. Davon abgesehen lässt sich am Echinusspermium nicht die geringste Spur von Grundsubstanz, welche Träger von „Mikrosomen“ sein könnte, nachweisen; dass aber der Schwanzfaden selbst „wirkendes Spermioplasma“ repräsen- tieren sollte, ist mir unwahrscheinlich. Dagegen lässt sich ganz gewiss nicht ausschliessen, „dass die Altmannsche Fuchsin- färbung niemals heterogene Gebilde in sonst homologen Zellen darstellt“. Entwicklungsgeschichte und vergleichende Morphologie beweisen aber, wie gesagt, dass das Mittelstück des Echinus- spermiumsdem Nebenkern von v.laV alette St. George homolog ist. Andere Autoren lehnen eine Beteiligung des Mittelstücks bei der Vererbung auf Grund der von mir mitgeteilten Beobach- tungen ab oder bezeichnen sie wenigstens als unwahrscheinlich. Nach G. Hertwig (1912, S. 237— 238) „ist zuzugeben, dass für einen Anhänger der Übertragung erblicher Charaktere durch 118 Friedrich Meves: das Spermaprotoplasma die gleichmässige Verteilung desselben auf die Blastomeren eine notwendige Annahme ist“. „In einer soeben erschienenen Arbeit hat nun aber Meves den äusserst wichtigen Nachweis führen können, dass das Mittel- stück des Seeigelspermatozoons bei der ersten Teilung nicht gleichmässig auf die beiden ersten Blastomeren verteilt wird, sondern nur in eine der beiden Furchungszellen zu liegen kommt. Ja, es scheint fast, als ob es auch bei der nächsten Teilung nicht gleichmässig verteilt würde. Doch stehen hierüber die endgültigen Untersuchungen noch aus. Auf jeden Fall aber sind die Beobach- tungen von Meves, der als Anhänger der Lehre, dass die Plasto- chondrien erbliche Eigenschaften übertragen, gerade die gleich- mässige Verteilung des Spermaplasma auf die Blastomeren nach- weisen wollte, höchst bemerkenswert. Sie zeigen mit absoluter Sicherheit, dass das Spermaplasma nicht als Idio- plasma anzusprechen ist, dass allein der Spermakern die väterlichen Eigenschaften überträgt, die in den zahlreichen beim Seeigel angestellten Bastardierungsversuchen zutage treten. Somit sind die Untersuchungen von Meves ein neuer wichtiger Beweis für die Richtigkeit der von O. Hertwig und Strasburger aufgestellten Theorie: „Die Kernsubstanzen sind allein die Träger des Idioplasma“. In bezug auf die letztere Folgerung kann ich G. Hertwig nun allerdings nicht beistimmen, wohl aber darin, dass von allen Bestandteilen des Spermiums nur der Kern auf die Gestaltung des Pluteus (nicht aber des Seeigels!) Einfluss besitzt; denn nur die Kerne, nicht aber die Plastosomen, sind in allen Zellen des Pluteus männlich und weiblich zugleich. Treten also, wie es bei der Kreuzung einiger Echinidenarten der Fall ist, Plutei auf, welche in bezug auf die Skelettstruktur gemischten Vererbungs- typus zeigen (im allgemeinen tragen ja die Bastardlarven den mütterlichen Charakter zur Schau!), so können die hier zum Vor- schein kommenden Merkmale nur durch den Kern übertragen sein. Ebenso wie G. Hertwig sucht auch O. Hertwig (1912 bis 1916) die Tatsache, dass das Mittelstück bei der ersten Furchungsteilung in die eine der beiden ersten Blastomeren über- geht, als einen Beweis dafür zu verwerten, dass der Kern der alleinige Vererbungsträger sei. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 119 In der „Allgemeinen Biologie“ von OÖ. Hertwig (vierte Aufl. 1912) heisst es auf S. 404: „Von den Gegnern der Idio- plasmakerntheorie ist häufig als Einwand geltend gemacht worden, dass kein Grund vorliege, dem Kern vor dem Plasma einen Vor- zug einzuräumen, da die im Mittelstück und kontraktilen Faden enthaltene protoplasmatische Substanz sich bei der Befruchtung doch auch dem Eiplasma beimische und sich vermehren und auf alle Tochterzellen verteilen könne, wenn sich dies auch nicht direkt habe beobachten lassen. Der Einwand ist jetzt hinfällig geworden. In einer wichtigen, mit zuverlässigen Methoden aus- geführten Untersuchung der Befruchtung des Seeigeleies hat Meves festgestellt, dass das aus Chondriosomen entstandene Mittelstück des Samenfadens sich nach seinem Eindringen un- verändert erhält und während der ersten Teilung nur in eine der beiden Tochterzellen gerät. Während also die Kernsubstanz äquivalent auf alle Tochterzellen verteilt wird, ist dies ganz sicher bei den übrigen Bestandteilen des Samenfadens nicht der Fall. Schon jetzt steht nach der zuverlässigen Beobachtung von Meves, der selbst das Gegenteil erwartet hatte und beweisen wollte, fest, dass wenigstens die Hälfte aller Zellen der Seeigellarve vom Mittelstück keine Substanz besitzt. Es erscheint aber auch sehr fraglich, ob überhaupt bei den Deszendenten der Tochterzelle., welche das Mittelstück erhalten hat, eine gleichmässige Vertei- lung desselben stattfindet. Vorderhand erscheint dies jedenfalls sehr unwahrscheinlich. Hoffentlich werden auch über diesen Punkt die weiter fortgesetzten Untersuchungen von Meves bald die gewünschte Aufklärung bringen.“ In ähnlicher Weise hat sich OÖ. Hertwig auch in seinem neuerdings (1916) erschienenen Werk „Das Werden der Organismen“ ausgesprochen. „Zugunsten der Kernidioplasmatheorie“, sagt er daselbst S. 123, „ist ferner auch eine Art von apagogischem Beweis, d.h. ein Beweis e contrario, mit aufzuführen. Er betrifft den von gegnerischer Seite häufig erhobenen Einwand, dass kein Grund vorliege, dem Kern vor dem Plasma einen Vor- zug einzuräumen; denn die im Mittelstück und kontraktilen Faden des Spermatozoon enthaltene protoplasmatische Substanz mische sich bei der Be- fruchtung doch auch dem Eiplasma bei, sie könne sich vermehren und auf alle Tochterzellen verteilen, wenn sich dies auch nicht direkt habe beobachten lassen. Auch dieser Einwand ist nach dem gegenwärtigen Stand der exakten Forschung hinfällig geworden. Denn es ist jetzt durch Beobachtung an einzelnen tierischen Objekten sichergestellt, dass Mittelstück und Faden des Spermatozoon bei der Vererbung keine Rolle spielen können. 120 Friedrich Meves: In einer wichtigen, mit zuverlässigen Methoden ausgeführten Unter- suchung der Befruchtung der Seeigeleier hat Meves nachgewiesen, dass der aus Chondriosomen bestehende Teil vom Mittelstück des Samenfadens sich nach seinem Eindringen unverändert im Ei erhält und während der ersten Teilung nur in eine der beiden Tochterzellen gerät. Dasselbe wiederholt sich auch noch in einer ganzen Reihe der nächstfolgenden Teilungen. Das Mittelstück nimmt auch jetzt noch am Vermehrungsprozess der Zellen nicht teil und wird als ganzes immer nur in eine der beiden Tochterzellen auf- genommen. Während also die Kernsubstanz äquivalent auf alle Tochter- zellen verteilt wird, ist dies ganz sicher bei den übrigen Bestandteilen des Samenfadens nicht der Fall. Wenn das Ei z.B. in 32 Zellen zerfallen ist, findet man nur in einer von ihnen das Mittelstück. An der Richtigkeit dieser Untersuchungen ist um so weniger zu zweifeln, als Meves sie unter- nommen hatte in der Erwartung, das Gegenteil durch sie beweisen zu können. Was ferner das Schicksal der kontraktilen Geissel des Samenfadens im Ei betrifft, so liegen hierüber zwei Angaben von Van der Stricht und Lams vor. Der eine hat am Ei der Fledermaus, der andere am Ei des Meerschweinchens nachgewiesen, dass der Schwanz des Samenfadens noch längere Zeit nach der Befruchtung bestehen bleibt und bei der ersten Teilung gleichfalls nur einer der beiden ersten Tochterzellen zugeteilt wird. In meinen Augen sind derartige Beobachtungen, denen sich jetzt, wo die Auf- merksamkeit auf diesen Punkt gerichtet ist, wohl bald ähnliche anreihen werden, ein wichtiger indirekter Beweis dafür, dass die Bedeutung eines Idioplasma nur der Kernsubstanz zukommen kann. Denn alle übrigen Sub- stanzen, die noch im Samenfaden vorkommen, wenn wir von dem in mancher Hinsicht noch rätselhaften Zentrosom absehen, erfüllen schon von vornherein nicht die Grundbedingung, die man an eine Vererbungssubstanz stellen muss, nämlich die Bedingung, dass sie bei der Zellteilung auf die Embryonalzellen gleichmässig verteilt wird. Zu der Stellungnahme von OÖ. Hertwig hat sich nun schon C. Rabl (1915, S. 131) folgendermassen geäussert. Er bemerkt zunächst, dass ihm hinsichtlich meiner Ergebnisse über das Verhalten des Mittelstückes des Echinidenspermatozoons bei der Befruchtung (1912) weitere Untersuchungen notwendig scheinen. „Jedenfalls“, fährt er fort, „ist es verfrüht, jetzt schon ein be- stimmtes Urteil darüber abzugeben; und so kurzer Hand, wie dies von OÖ. Hertwig in der neuesten Auflage seiner Allgemeinen Biologie geschehen ist, ist die Frage sicher nicht zu entscheiden“. In der Tat lehnt OÖ. Hertwig eine Mitwirkung des Mittel- stücks bei der Vererbung ja lediglich deshalb ab, weil das „Idio- plasma“ auf die beiden ersten Blastomeren gleichmässig verteilt werden müsse. Was nun zunächst die Forderung anlangt, dass die Verteilung eine „gleichmässige“ sei, so bitte ich hierzu meine früheren Ausführungen 1908, S. 854 und folgende zu vergleichen. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 121 Meines Erachtens genügt es ferner, wenn die protoplasmatische Erbmasse bei der Furchung dem Plasma derjenigen Blastomeren bei- gemengt wird, welche dem definitiven Tier Entstehung geben. Es könnte als eine Verschwendung des kostbaren Plastosomen- materials erscheinen, welches an den Spermien der meisten Tiere nur in sehr geringer Menge vorhanden ist, wenn z. B. bei Hetero- nemertinen und Sipunculus die Zellen der Larvenhaut, bei Säuge- tieren diejenigen des Trophoplasten damit ausgestattet würden. Dass das Mittelstück des Echinidenspermiums bis mindestens zum 32= Zellenstadium unverändert weitergegeben wird, spricht nach meiner Ansicht mehr für als gegen meine Hypothese: denn sie wäre kaum durchführbar, wenn eine Zerlegung des Mittel- stücks schon viel fräher eintreten würde. Will man meine Hypothese zurückweisen (vielleicht, weil man sich innerhalb der Grenzen der Beobachtung halten will), so wird man wenigstens zugeben müssen, dass das Verhalten des Mittelstücks bei der Befruchtung des Seeigeleies nicht als ein Beweis e contrario zugunsten der „Kernidioplasmatheorie“ an- ‘geführt werden kann. Wir würden dann hier höchstens ein „non liquet“ aussprechen dürfen. Buchner (1913) wiegt zunächst die „Chromidienlehre“ und die „Mitochondrienlehre“ gegeneinander ab. „Was man früher in manchen Punkten der Chromidienlehre mit Recht vorwerfen konnte, gilt heute in vollem Maße für die Mitochondrienlehre, die in einer vom Kern stets unabhängigen spezifischen Substanz im Plasma eine Struktur von prinzipieller Bedeutung für die Funktion der Zelle, für die histologische Differenzierung, für die Vererbung väterlicher und mütter- licher Eigenschaften sieht. Hat die Chromidienlehre die dem Plasma a priori innewohnenden Strukturen vernachlässigt, so tut dies heute in gesteigertem Mabe die Mitochondrienlehre mit der Funktion des Kerns. Hat diese manches vereint, was heterogener Natur ist, so schablonisiert jene heute in ungleich höherem Maße. Man hat denen, die den Kernaustritt von Chromatin be- schrieben haben, eine nicht genügende Färbetechnik vorgeworfen; heute mehren sich die Stimmen, die die Bendasche Methode, auf die sich die Identität aller Mitochondrien und ihre Unabhängigkeit vom Kern stützt, als eine hierfür sehr ungeeignete, weil keineswegs selektive Färbung bezeichnen, in bedenklicher Weise.“ Nachdem Buchner so seinem Herzen Luft gemacht und der „Mitochondrienlehre* im allgemeinen seine Meinung ge- sagt hat, fährt er folgendermassen fort: „Und ich glaube end- lich nicht, dass je die Chromidienlehre so gewaltsam ihre Be- 122 Friedrich Meves: funde der Theorie zuliebe gedeutet hat, wie Meves dies tut, wenn er annimmt, dass aus einer Seeigelblastomere nur larvale, bei der Metamorphose resorbierte Organe, aus der anderen das definitive Tier wird, nur weil er selbst beobachtete, dass die väter- lichen mitochondrialen „Vererbungsträger“ stets nur in eine Blastomere gelangen. Gerade dieses Objekt ist ein klassisches Beispiel für ein harmonisch-äquipotentielles System der form- bildenden Faktoren, und die Entwicklungsgeschichte lehrt uns, dass Mesenchym, Coelom und Darm je zur Hälfte aus einer der ersten Furchungsblastomeren gebildet werden.“ Den Vorwurf, dass ich den Übergang des Mittelstücks in die eine der beiden Blastomeren „gewaltsam der Theorie zuliebe“ gedeutet hätte, kann Buchner nur erheben, weil er den Wert der Plastosomen unterschätzt. Meinerseits bin ich der Über- zeugung, dass diese Gebilde im Leben der Zelle und bei der Be- fruchtung eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen wie der Kern. Finden wir, dass die männliche plastosomatische Substanz bei der ersten Furchungsteilung in die eine der beiden Blasto- meren übergeht, so müssen wir uns mit unserer Theorie dieser Tatsache anpassen. Dass von den beiden ersten Blastomeren diejenige, welche das Mittelstück erhält, direkt zum definitiven Tier wird, ist nie- mals meine Meinung gewesen, wie Buchner zu glauben scheint, sondern ich habe schon 1912, 2 angenommen, dass das Mittel- stück bei der Furchung zunächst weitergegeben wird. Wenn Buchner ferner betont, dass das Seeigelei ein „klassisches Beispiel für ein harmonisch-äquipotentielles System der formbildenden Faktoren“ sei, so verstehe ich nicht, wie dieser Umstand einen Einwurf gegen meine Hypothese abgeben könnte; denn, wenn tatsächlich sämtliche Zellen der Seeigelblastula hinsichtlich ihrer „prospektiven Potenz“ untereinander gleich, d. h. in bezug auf ihr Entwicklungsvermögen gleichwertig sind, so erscheint es mir erst recht gleichgültig, welcher Blastomere das Mittelstück bei der Furchung zuerteilt wird. Ich gebe je- doch zu, dass meine ursprüngliche Annahme (1912, 2), der Darm der Echinidenlarve könne über eine der „Macromeren“ männliche plastosomatische Substanz beziehen, von vornherein als unwahrscheinlich zu bezeichnen war. Buchner schreibt schliesslich, dass er bei der Lektüre der letzten eingehenden Zusammenfassung der „Mitochondrienlehre“ (gemeint ist das Die Plastosomentheorie der Vererbung. 123 Referat von Duesberg (1912), in welchem Buchner an verschiedenen Stellen Ungenauigkeit der Beobachtung und der Berichterstattung über fremde Arbeiten vorgeworfen wird) das Gefühl gehabt habe, „dass dieser Forschungszweig unter Vernachlässigung der Wirbellosenzytologie zu einem Kapitel der Histologie der Anatomen erstarrt!“ Dass es seit Flemming und Altmann bis in die neueste Zeit hinein in erster Linie Vertreter der menschlichen Anatomie gewesen sind, welche dieses Gebiet bearbeitet haben, ist nun ja allerdings richtig. „Vernachlässigung der Wirbellosenzytologie* kann man ihnen aber gewiss nicht zum Vorwurf machen, (von meinen eigenen und Duesbergs Schriften z. B. beschäftigen sich die Mehrzahl mit Wirbellosen.. Und um zu sehen, wie wenig dieser Forschungszweig „erstarrt“ ist, braucht Buchner nur einen Blick auf die seit 1913 neu erschienenen Arbeiten über tierische und pflanzliche Plastosomen zu werfen. Nachtsheim (1914) hat in einem Artikel der Natur- wissenschaftlichen Wochenschrift: „Sind die Mitochondrien Ver- erbungsträger ?“ diese Frage unter Hinweis auf meine Befunde bei Parechinus miliaris verneint. Bei diesem Seeigel, sagt er S. 581, hoffte Meves „eine ähnliche ‚Aussaat‘ männlicher Mitochondrien bei der Befruchtung zu finden wie bei Ascaris, aber er kam zu einem sehr unerwarteten Resultat“. „Das sog. Mittelstück des Echinidenspermiums enthält nach Meves Mitochondrien. Statt dass aber diese Mitochondrien in Körner zerfallen und in das Eiplasma übertreten, bleibt das Mittel- stück gänzlich unverändert im Ei liegen und gelangt in die eine der beiden ersten Blastomeren. Man sollte meinen, diese Tat- sache genüge, um zu beweisen, dass die männlichen Mitochondrien für das sich entwickelnde Tier völlig bedeutungslos, dass sie zum mindesten aber nicht die Rolle von Vererbungsträgern spielen können. Doch Meves ersinnt eine neue Hypothese, um seine alte Hypothese zu retten. Aus dem Seeigelei entwickelt sich bekanntlich eine Larve, der Pluteus, und erst aus diesem entsteht dann auf sehr komplizierte Weise das endgültige Tier, der See- igel. Bei der Umwandlung des Pluteus in den Seeigel werden grosse Teile der Larve eingeschmolzen, resorbiert und nur relativ wenige Larvenorgane werden von dem jungen Seeigel übernommen. Zu diesen Organen gehört der Larvendarm. Meves meint nun, ‚dass die später untergehenden Teile des Pluteus aus Zellen ent- stehen, welche bei der Furchung keine Mittelstückssubstanz er- halten haben, dass dieses Material vielmehr ausschliesslich den- 124 Friedrich Meves: jenigen Zellen reserviert wird, welche in die Anlage des jungen Seeigels übergehen‘. Schon Buchner hat in seiner scharfen aber treffenden Kritik!) der Mitochondrienlehre darauf hingewiesen, wie gewaltsam diese Deutung der Befunde ist, zumal da gerade dieses Objekt ein klassisches Beispiel für ein har- monisch-äquipotentielles System der formbildenden Faktoren ist. Wer aber trotzdem noch daran zweifelt, dass Meves sich auf einem falschen Wege befindet, der möge dessen neueste Arbeit zur Hand nehmen, in der er das weitere Verhalten des Mittel- stückes des Echinidenspermiums beschreibt. Am Schlusse der ersten Arbeit hatte er geschrieben: ‚Nach Erreichung des Blastula- stadiums müssten zu den Zellen, welche mit Mittelstücksmasse versorgt worden sind, jedenfalls diejenigen der vegetativen Hälfte gehören, von welchen die Bildung des Urdarmes ausgeht‘. Jetzt muss er gestehen: ‚Auf Grund der Schicksale des Mittelstückes, welche ich in der vorliegenden Arbeit festgestellt habe, kann es nun aber wohl als ausgeschlossen gelten, dass männliche plasto- somatische Substanz in die Zellen des Larvendarms . . . hinein- gelangt‘. Wer die der Arbeit beigegebenen Abbildungen unvor- eingenommen betrachtet, der wird sich wohl kaum der Ansicht verschliessen können, dass dem Mittelstück des Spermatozoons bezw. seinen Mitochondrien eine Bedeutung bei der Entwicklung nicht zukommt, und Meves trügen seine Ahnungen wohl nicht, wenn er sagt: ‚Man wird daher in meinen Befunden am Seeigelei vielfach wohl mehr einen Beweis für das ‚Kernmonopol der Ver- erbung‘ erblicken, als den Gegenbeweis, den ich zu finden gehofft hatte.“ Meine Ahnungen gingen allerdings dahin, dass die Anhänger der O. Hertwig-Strasburgerschen Lehre versuchen würden, sich hinter meinen Seeigelbefunden zu verschanzen, wie dies auch tatsächlich eingetreten ist. Nachtsheim schliesst mit der Versicherung, dass die Theorie vom „Kernmonopol der Vererbung“ nicht erschüttert sei, und mit folgendem Zitat nach Boveri (1894): „Mag sogar alles, was uns im Metazoenkörper als Leistung imponiert, direkt Proto- plasmaleistung sein, dies schliesst so wenig die alleinige Be- stimmung der individuellen Merkmale des Kindes durch die Kerne !) Von mir gesperrt. Was es mit dieser „scharfen aber treffenden Kritik“ auf sich hat, haben wir soeben gesehen. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 125 der kopulierenden Sexualzellen aus, wie die Herstellung eines Hauses durch Maurer und Zimmerleute ausschliesst, dass dieses Haus in seiner ganzen Besonderheit nach dem Kopf eines Archi- tekten gebaut ist“. Zu diesem von Boveri herangezogenen Vergleich ist nun aber zu bemerken, dass er unberechtigt ist und eine petitio prin- cipii enthält. Was wir behaupten dürfen, ist, dass der Kern die formative Tätigkeit der Zelle „wesentlich mit bestimmt“ (Pfeffer 1897, S. 47). Im übrigen gilt noch immer, was Flemming 1882, S.1 geschrieben hat: „dass die Kenntnis von den Funktionen des Zellkerns noch heute so gering oder so unsicher ist, dass jetzt so gut wie zur Zeit der Entdeckung gefragt werden kann, wozu er eigentlich da sei“. Selbst dann aber, wenn ich als erwiesen annehme, dass, wie O0. Hertwig (1909, S. 54) es ausdrückt, „die Ausführung im Protoplasma, die Leitung im Kern liegt“, so muss ich meine Meinung dahin aussprechen, dass, um auf den von Boveri ge- brauchten Vergleich zurückzukommen, der Architekt des Vaters sich seinen eigenen Stamm von Handwerkern zum Hausbau mit- bringt. Das Verhalten, welches das Mittelstück des Echiniden- spermiums bei der Eifurchung zeigt, ist, wie ich zugebe, auf den ersten Blick geeignet, auch einen Anhänger der Plasto- somenlehre der Vererbung in seiner Überzeugung irre zu machen. Das scheint der Fall bei Duesberg (1915) gewesen zu sein, welcher S. 65 meint, dass ich meine Theorie dadurch selbst um- gestossen hätte, dass ich das Mittelstück auf dem Blastulastadium bald in den Zellen der animalen, bald in denjenigen der vege- tativen Hälfte des Keims nachwies. Duesberg kann sich einer- seits den „Optimismus“ nicht erklären, mit dem ich trotzdem an der Möglichkeit festhalte, dass das Mittelstück in die Anlage des jungen Seeigels übergeht. „D’autre part“, schreibt er, „je ne puis oublier certains faits qui ne trouvent jusqu’iei leur expli- cation que dans l’hypothese de la valeur idioplasmique des chon- driosomes du spermatozoide: leur constance, l’@elimination de la substance fondamentale du protoplasma au cours de la spermio- genese, l’absence de toute autre explication satisfaisante (cf. Duesberg 1912), enfin leur sort chez certaines especes, comme 126 Friedrich Meves: l’Ascaris, au cours des phenomenes de la fecondation. De nou- velles recherches me paraissent vivement desirables.“ Meinerseits gebe ich mich der Hoffnung hin, dass es mir gelungen ist, durch meine obigen Ausführungen Duesberg davon zu überzeugen, dass sich aus der Tatsache, dass das Mittel- stück bald in einer Zelle der animalen, bald in einer solchen der vegetativen Hälfte gefunden wird, ein Einwand gegen meine Theorie nicht herleiten lässt, und, dass eine Versorgung sämtlicher Zellen des jungen Seeigels mit männlicher plastosomatischer Substanz durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt. Schreiner (1916) hat sich zu der Frage nach der Be- teiligung der Plastosomen bei der Befruchtung des Seeigeleies folgendermassen vernehmen lassen. Retzius, beginnt er, „hatte im befruchteten Ei von Pare- chinus miliaris und microtuberculatus hinter dem Spermienkopf vier bis fünf Körner nachweisen können, die sich sowohl von den Dotterelementen wie anderen Körnungen des Fiplasmas deutlich unterscheiden, mit dem „Nebenkernorgan“ des reifen Spermiums aber genau übereinstimmten und zweifellos auch mit diesem iden- tisch waren. Meves fand diesen Körper im befruchteten Ei von Parechinus miliaris wieder und fasste ihn als das plastosomatische Mittelstück des Samenfadens auf.“ Hierzu möchte ich bemerken, dass ich (1911, 2, 1912, 1 und 2) die Bilder, welche Retzius beschreibt und zeichnet, mit den von mir beobachteten in keiner Weise in Einklang bringen konnte. Ich habe schon 1912, 2, S. 110 bezweifelt, dass es sich bei den Körnerkomplexen, welche Retzius im befruchteten See- igelei aufgefunden hat, überhaupt um Mittelstücke handelt; ist dies dennoch der Fali, „so müssen sie jedenfalls durch das Konser- vierungsmittel stark verändert sein“. Schreiner konstatiert dann weiter, „dass es hier in der Welt leider nicht immer so geht, wie man es hätte wünschen können“, und dass die Prophezeiung meiner vorläufigen Mit- teilung (1911, 1, S. 101), dass das Mittelstück des eingedrungenen Samenfadens sich alsbald in Körner zerlegen würde, nicht ein- getroffen ist: „Bis zum 32 - Zellenstadium gelang es Meves sein Ides Mittelstücks] Schicksal zu verfolgen, und noch fand er es völlig unverändert in einer der Furchungszellen gelegen“. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 127 „Dieser Befund verlangte selbstverständlich eine neue Hilfs- hypothese, um mit der Theorie in Einklang gebracht werden zu können. Die Hypothese wird auch gleich von Meves geliefert.“ Schreiner will dem Leser den Inhalt dieser Hypothese sowie die allgemeinen Betrachtungen, welche ich daran knüpfe, nicht vorenthalten, weil ihm beide in gleichem Grade lehrreich er- scheinen, und zitiert den Schlusspassus meiner Filariaarbeit, auf Grund dessen er zu dem Resultat kommt, dass die Plastosomen- theorie der Vererbung „ihren Anhängern mit der Zahl und Kühn- heit der zu ihrer Aufrechterhaltung notwendig gemachten Hiilfs- hypothesen nur an Wahrscheinlichkeit zu gewinnen scheint“; er selbst ist der Ansicht, dass, nach den bei den Säugetieren und Echinodermen gemachten Beobachtungen, die Hypothese als sehr unwahrscheinlich bezeichnet werden darf“. Darauf möchte ich mit einem Satz antworten, den ich einem Vortrag von A. Lang (1909) „über Vererbungsversuche“ ent- nehme: „Tausend Dinge, die unserer beschränkten Einsicht als unmöglich erschienen, haben sich eben doch als tatsächlich sich ereignend herausgestellt“. Schliesslich hat auch noch v. Kemnitz (als dritter aus dem Münchener zoologischen Institut, nach Buchner und Nachtsheim) in einem Referat über meine Filariaarbeit (Arch. f. Zellforschung, Bd. 14, 1917, S. 567) gegen meine Seeigelhypo- these (1912) unter Hinweis auf Buchner (1913) Stellung genommen und folgendes vorgeschlagen: „Man mache das Experi- mentum crucis und trenne auf dem zweiten Zellenstadium die Blastomeren einer Seeigelkreuzung, zeige, dass die Blastomeren, die keine väterlichen Mitochondrien (Spermienmittelstück) ent- halten, auch keine väterlichen Larven- bezw. Seeigelcharaktere liefern und umgekehrt, und der Beweis der idioplasmatischen Natur der Mitochondrien ist erbracht.“ Meinerseits halte ich dieses Experiment für wenig aussichtsvoll, weil mir wahrschein- lich ist, dass bei Besamung eines Seeigeleies mit einem artfremden Spermium die männliche plastosomatische Substanz im Lauf der Entwicklung der Degeneration anheimfällt; denn andernfalls müssten meines Erachtens Echinodermenbastarde in der Natur reichlich vorkommen. 128 Friedrich Meves: 4. Vesperugo und Cavia. Am Ei der Fledermaus (Vesperugo noctula) hatte Vander Stricht 1909 die schöne von Lams (1910) am Meerschweinchenei bestätigte Entdeckung gemacht, dass der Spermienschwanz, dessen Verbindungsstück von einer plastosomatischen Hülle umgeben ist, bei der ersten Furchungsteilung in die eine der beiden Blastomeren übergeht. Nun hatte van Beneden, wie Van der Stricht (1909) mitteilt, bereits vermutet, dass die beiden ersten Blastomeren des Kanincheneies eine verschiedene Wertigkeit hinsichtlich der Bil- dung des Embryo und der Fetalhüllen besitzen. Van der Stricht (1909), Lams (1910) und Henneguy (Diskussion zu dem Vortrag von Lams, 1910), denen ich mich angeschlossen habe, haben dann angenommen, dass diejenige Blastomere, welche den Spermienschwanz!) erhält, den eigentlichen Embryo, die andere den sogenannten Trophoblasten (im Sinne von Hubrecht) bildet. Später (1914, 1915) hat dann Levi in einem Ei von Ves- pertilio murinus, welches in drei Blastomeren geteilt war, das Fortbestehen des Verbindungsstückes in einer der beiden kleineren Furchungszellen beobachtet. Die angeführte Hypothese würde demnach dahin abgeändert werden müssen, dass einer der vier ersten Blastomeren die Rolle der „Embryonalblastomere* zufallen muss. BemerkenswerterweisehatnunSobotta(1913, 2 und) eben- falls eine Ungleichwertigkeit der vierersten Blastomeren des Säuge- tiereies angenommen, und zwar in demselben Sinne, dass die eine Blastomere den Embryo, die anderen drei den Trophoblasten oder das „ausserembryonale Material“ bilden, um darauf eine Hypothese über die Entstehung eineiiger Zwillinge des Menschen und der Polyembryonie bei den Gürteltieren aufzubauen. Diese Anschau- ung lässt sich mit der Auffassung, zu welcher Van der Stricht., Lams,Henneguyundich uns durch das Verhalten des Spermien- schwanzes genötigt sehen, ohne weiteres in Übereinstimmung bringen. Wir haben also bei den Säugetieren denselben Fall wie bei den Echinodermen (siehe oben S. 93 und 114): dass diejenige !) Van der Stricht scheint sämtlichen Bestandteilen des Spermien- schwanzes Bedeutung für die Vererbung beizulegen; jedenfalls weist er auf die plastosomatische Hülle des Verbindungsstücks nicht speziell hin. Die Plastosomentheorie der Vererbung. 129 Hypothese, deren wir für die Plastosomenlehre der Vererbung bedürfen, sich mit einer zweiten vereinigen lässt, welche auf ganz anderen Voraussetzungen beruht. Sobotta selbst hatte allerdings kurz vor der Aufstellung seiner Hypothese (gelegentlich eines Referats 1913, 1) den Schluss von Van der Stricht, Lams, Henneguy und mirals „sehr voreilig“ bezeichnet und hat ihn auch später (1915, S. 494) noch „glatt abgelehnt“. Wie er 1915 schreibt, ist er „weit davon entfernt“, seiner Hypothese diejenige Deutung, welche man ihr nach meiner Meinung geben muss, unterzulegen, weil er „keines- wegs davon überzeugt“ ist, „dass dem Eintritt des Spermaschwanz- fadens ins Ei bei der Befruchtung eine derartige Bedeutung bei- zumessen ist, wie das von einigen Seiten, u.a.auch von Meves, geschieht“. Sobotta wendet gegen eine Mitwirkung der Plasto- somen bei der Vererbung ein, dass er den Schwanzfaden des Spermiums im befruchteten Ei der Maus „sehr oft vermisst“ habe, woraus er schliessen will, dass dieser Teil des Spermiums bei der Maus „durchaus nicht regelmässig“ in das Ei eindringt. Meiner- seits vermag ich, wie ich bereits 1916, 1, S. 614 ausgeführt habe, solchen negativen Befunden keinen Wert beizulegen, zumal Lams und Doorme schon 1907, S. 305, ebenfalls bei der Maus, zu einem ganz anderen Resultat wie So botta gelangt sind, welches sie, wie folgt, formulieren: „Nous croyons nos preparations et nos dessins assez d@mon- stratifs pour etablir le fait suivant, avec toute la certitude voulue!): chez la Souris blanche et les Mammiferes en general, le spermatozoide entier ou presque entier (la partie terminale de la queue parfois exceptee) entre et se loge dans le cytoplasme de l’oeuf; la f&condation consiste par consequent dans l’apport ä l’oeuf de la chromatine (tete) et du protoplasme (queue) du germe mäle.“ Literaturverzeichnis. Altmann, R., 1890: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. I. Aufl. Leipzig 1890 (II. Aufl. 1894). 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R., 1896-1898: Stato attuale degli studi sulla fecondazione. Disser- tazione di libera docenza. Bolletino scientifico, anno 18—20, Pavia. a, N. 137 Aus dem Anatomischen Institut der Universität München. Vorstand: Geheimrat Professor Dr. J. Rückert. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle (Colaeus monedula). Ein Beitrag zur Frage nach den physiologischerweise im Ovar stattfindenden Rückbildungsvorgängen. Von H. Stieve. Hierzu Tafel II—VII und 2 Textfiguren. Inhaltsübersicht: Seite Einleitung . . . ee Be en Material und meehnik RE ee en ; 150 Lage des Ovars innerhalb der Bauchhöhle . Ka „159 A. Die makroskopische Entwicklung und Rückbildung de etc beimsansgewachsenen‘ Tier u 2,1 WA EN TUI 2,17 4258 1. Biologische Vorbemerkungen. . . . SIE RERSERDBTERTUR GET EENG) 15 10) 2. Entwicklung des Ovars bis zur Be, SER TRE ENT BERN TRETGEERN 1 032 3. Legezeit. . . ; ee en > 109 4. Rückbildung an la ea EN CE EN N 1) 5- Nachlegen . . . . ae A V >>) B. Die feineren Vorgänge bei hab dung ae Be 5 34 Normalzahlider Chromosomen. 1.1022 2.552189 2. Oogonien . . . RE re a her rd Ns, 1 ro 90 3. Die kleinsten en Eu - . 193 4. Wachstumsperiode bis zur Kurgiiklie der ennenerlinder. putzerformen ... las cae del Sehe salz a AT RUE RER 7: 17 5. Synapsis-ähnliche Haren Kae DR AI 11 FA 23 11 Peg a "5 FIRE ER BR 05 6. Die Lampenzylinderputzerformen a) Bildung, .. .4%..:: Ban ee er enk204 b) Rückbildung zu Femen Fäden a ee 2 ve 2 0 20 7. Kernmembran . . . . RL) 8. Kernplasmarelation wahrend te w asumapeiode a C. Die Kerne zugrunde gehender Follikel . . . . 2 2.......214 D. Besprechung der Befunde . . . . . 219 1. Einteilung der Entwicklung va! Rüekbildung der Follikel . 220 2. Netzförmige Anordnung des Chromatins in den jüngsten Vozyten!... : .. N ER RO We 3. Bildung des no spirems BUBEN EURER. Re. 2 20N) A Bıldmesderä@hromosomen 4.2: EN. ZB En Ruhestadiumeninnil gene Veen ee 237 ou 138 H. Stieve: GESynapsisee er: pt 7. Bildung der anlegt aerumen ERNEST 2 8. Rückbildung der Chromosomen zu feinen Fadenpaaren 20 Die Ursache der Rückbildungsvorgänge in den Ovarien . . . . 270 Übereinstimmung der Vorgänge beim Zugrundegehen somatischer Zellen mit denen beim Untergange der Keimzellen . . ...:......23 Literatur .. A e Burd\e N T Erklärung der Abbilningen! FERNE IM IE FEN) Bi EI A Einleitung. Die zahlreichen Untersuchungen, welche sich mit den Ent- wicklungsvorgängen in den Keimdrüsen beschäftigt haben, er- strecken sich in erster Linie auf die äusserst mannigfaltigen und verwickelten Vorgänge, welche sich an den Kernen der heran- wachsenden Geschlechtszellen abspielen. Hauptsächlich waren die Veränderungen, die an den als Chromosomen bezeichneten Ge- bilden vorgehen, geeignet, das Augenmerk der Forschung auf sich zu lenken und die Grundlage zu bilden für neue Untersuchungen und daran anschliessende (redanken und Betrachtungen über das Wesen der Fortpflanzung und Vererbung. Bekanntlich hat Boveri (1889) auf Grund seiner Beobachtungen an den Geschlechtszellen von Ascaris megalocephala im Anschluss an die Untersuchungen Rabls den Satz aufgestellt, dass die Chromosomen der Teilungs- kerne vollkommen selbständige Gebilde sind, welche die wich- tigsten Bestandteile des Kernes darstellen und ihre Individualität auch im ruhenden Kern dauernd bewahren. Diese Annahme wurde in der Folgezeit von verschiedenen Seiten bestätigt und erhielt ihre wesentlichste Stütze durch die grundlegenden Untersuchungen Rückerts (1892), der am veifenden Selachierei nachweisen konnte, dass die Chromosomen der letzten Oogonienteilung sich als selbständige Individuen während der ganzen Wachstumsperiode der Oozyte erhalten, in diesem Zeitabschnitt zwar eine Reihe der tiefgreifendsten Ver- änderungen durchmachen, jedoch niemals verschwinden oder ihre vollkommene Selbständigkeit aufgeben. Zu dem nämlichen Er- gebnis gelangte später Born (1892, 1894) durch seine Arbeiten über das Amphibienkeimbläschen. Durch die fast völlige Übereinstimmung der Befunde an zwei so entfernten Tierarten erschien die Theorie von der Kon- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 159 tinuität der Chromosomen während der Wachstumsperiode der Eizelle gesichert, und man nahm allgemein an, dass eben diese Gebilde, welche während des Heranreifens der Geschlechtszellen so auffallende Umwandlungen durchmachten, die Überträger der erblichen Eigenschaften von den Eltern auf die Kinder seien. Es tat dieser Anschauung auch keine Einbusse, dass früher Schultze (1387) beim Frosch und Holl (1890) beim Huhne Stadien des Keimbläschens aufgefunden hatten, in denen keine Spur der Chromosomen vorhanden zu sein schien. Die beiden Forscher hatten eben ihre Untersuchungen zu einer Zeit aus- geführt, in welcher einesteils die schlecht ausgebildete histo- logische Technik die Beobachtung erschwerte, andererseits aber bis dahin noch völlig unbekannte Vorgänge am übrigen Follikel in erster Linie das Augenmerk auf sich lenkten und deshalb die wesentlich feineren schwer zu beobachtenden Veränderungen am Kern, deren hohe Bedeutung noch unbekannt war, mehr in den Hintergrund drängten. Die beiden Arbeiten bildeten deshalb keine Widerlegung der Theorie von der Kontinuität der Chromo- somen. Erst Carnoy und Lebrun (1897) versuchten auf Grund ihrer Untersuchung am Amphibienkeimbläschen darzulegen, dass die Chromosomen der Reifungsteilung vollkommen neue Gebilde seien, die aus einigen der massenhaft im Kern vorhandenen Nukleolen hervorgehen und mit den Elementen der letzten Oogo- nienteilung nicht den geringsten Zusammenhang haben. Dieser Anschauung schlossen sich eine ganze Reihe von Forschern, zum Teil gestützt auf eigene Beobachtungen an anderen Objekten, an. Zur Entscheidung der Frage nach der Kontinuität der Chromosomen wurden nun in der Folgezeit fast alle Klassen, ja man kann fast sagen, alle Gattungen des Tier- und Pflanzenreiches untersucht und die gewonnenen Ergebnisse miteinander verglichen. Trotz der ungeheuren Masse des vorliegenden Vergleichsmaterials konnte jedoch bisher eine einheitliche Auffassung der beobachteten Erscheinungen in den reifenden Geschlechtszellen nicht erzielt werden, im Gegenteil, durch die Kenntnis der Vorgänge an einem neuen Objekt erschienen die Verhältnisse fast stets noch ver- wickelter, und wir sind heutzutage fast weiter denn je davon ent- fernt, einen wirklich genauen Einblick in jene äusserst wichtigen Vorgänge zu besitzen, welche die Vorbereitung des Eikernes auf 140 H. Stieve: die Reifungsteilungen bilden. Auch die erhebliche Verbesserung, welche die histologische Technik gerade während der letzten Jahrzehnte erfuhr, konnte nichts zur Entscheidung der Frage beitragen, die Forschung war auf einem toten Punkte angelangt, und es musste ein Weg gefunden werden, um die Vorgänge in den reifenden Geschlechtszellen von einem ganz neuen Gesichts- punkt aus betrachten und so vielleicht die bestehenden Wider- sprüche beseitigen zu können. Als ich auf Anregung von Herrn Geheimrat Rückert die Oogenese des Haushuhnes nachprüfte, um die verschiedenen Gegensätze, welche die Arbeiten von Loyez (1905, 1906) und Sonnenbrodt (1908) aufweisen, zu klären, gelang es mir nach- zuweisen (1913), dass erstens Sonnenbrodt zu seinen Unter- suchungen schlechtes Material verwendet hatte, dass aber ausserdem an den Ovarien der Hühner ganz allgemein anatomisch nachweis- bare Rückbildungsvorgänge einsetzen, sobald ein Tier in veränderte äussere Verhältnisse gebracht wird. Diese Degenerationserschei- nungen werden durch den Untergang des Kernes eingeleitet, der mit Zerfall und völligem Schwund des Chromatins einhergeht. Die festgestellten Ergebnisse waren ganz verschiedene, je nach- dem das Ovar eines Tieres während der Legezeit oder während des Brütens oder der Mauser untersucht wurde. Im ersteren Falle konnte die Kontinuität der Chromosomen einwandfrei fest- gestellt werden, im letzteren Falle dagegen war die Beurteilung durch die Anwesenheit massenhafter degenerierender Follikel, in deren Kern keine Spur des Chromatins mehr nachweisbar war, erschwert. Demnach erschien es äusserst wahrscheinlich, dass die so oft beschriebene Auflösung der Chromosomen eine Rück- bildungserscheinung ist, welche durch die äusseren Umstände, unter denen sich ein Tier befindet, hervorgerufen wird. Es galt also die Keimzellen einer Tierart nicht wie bisher als gewissermassen selbständige Individuen zu untersuchen, die sich vollkommen unabhängig von dem Organismus, der sie hervor- gebracht hat, trägt und ernährt, entwickeln, sondern in ihrer Abhängigkeit vom mütterlichen Organismus und den zahlreichen Veränderungen und Einflüssen, denen dieser während des Ver- laufes eines Jahres unterworfen ist. Wie falsch eine derartige vollkommen isolierte Betrachtung gerade der Geschlechtszellen, wie sie bisher gang und gäbe war, Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 141 ist, muss bei einiger Überlegung jedem, auch dem Nichtfach- mann klar werden, weisen doch in der ganzen Natur ständig alle möglichen Erscheinungen auf die ungeheure Abhängigkeit der Keimdrüsen von dem sie tragenden Organismus hin. Schon Darwin (1910) betont dieses Wechselverhältnis in allen seinen Schriften, er sagt z. B. in seinem gelesensten Werke „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“: „Viele Tat- sachen beweisen deutlich, wie ausserordentlich empfänglich das Reproduktivsystem für sehr geringe Veränderungen in den um- gebenden Bedingungen ist. Nichts ist leichter, als ein Tier zu zähmen und wenige Dinge sind schwieriger als es in der Gefangen- schaft zu einer freiwilligen Fortpflanzung zu bringen, selbst wenn die Männchen und Weibchen bis zur Paarung kommen.“ Auch an vielen anderen Stellen seiner Werke betont Darwin immer und immer wieder, dass es fast ausschliesslich die Fortpflanzungs- organe sind, welche ganz unabhängig vom allgemeinen Gesund- heitszustand des Tieres in der tiefgehendsten Weise beeinflusst werden, wenn das betreffende Individuum in äusserlich veränderte Bedingungen gebracht wird. Diese Tatsache ist jedem geläufig, der sich jemals mit der Zucht freilebender Tiere in der Gefangenschaft beschäftigt hat. Allein nicht nur freilebende Tiere, sondern auch Haustiere sind in dieser Hinsicht äusserst empfindlich. So hören Haushühner, Enten und Gänse, die bis dahin an freien Auslauf gewöhnt waren, sofort auf zu legen, wenn sie unter sonst ganz unveränderten Be- dingungen im Stall oder in Käfigen gehalten werden (Stieve 1918). Demnach ist keineswegs eine somatische Beeinflussung, etwa durch veränderte Nahrung und ähnliches, notwendig, sondern es genügt eine lediglich psychische Beeinflussung des betreffenden Tieres, um in kürzester Zeit die Tätigkeit seiner Geschlechtszellen in tiefgehendster Weise zu verändern. Höchst auffällig ist in dieser Hinsicht eine Be- obachtung, die mir Herr Professor Hofer anlässlich eines Vor- trags in der Morphologischen Gesellschaft im Dezember 1913 mitteilte: In den Fischzuchtanstalten werden bekanntlich die künstlich entnommenen Eier frisch gefangener Weibchen mit dem ebenfalls künstlich, durch sogenanntes Streifen entnommenen Samen der Männchen befruchtet. Wird diese Streifung unmittel- bar nach dem Fang vorgenommen, so enthält die Samenflüssig- keit massenhaft lebendige, lebhaft bewegliche Spermatozoen. 142 H. Stieve: Werden jedoch die gefangenen Tiere, in diesem besondern Falle Huchen, vor der Streifung auch nur 12—24 Stunden im Fisch- behälter, im fliessenden Wasser der Isar aufbewahrt, also unter den nämlichen Bedingungen wie vorher, lediglich ihrer Freiheit beraubt, so enthält der entnommene Samen keine lebenden, sondern nur mehr tote Spermatozoen und ist deshalb selbstverständlich nicht mehr befruchtungsfähig. Die kurze Zeit der Gefangenschaft hat also so tiefgreifende Veränderungen an den Greschlechtszellen hervorgerufen. Auf die (Greschlechtstätigkeit der im Freien lebenden Tiere haben klimatische Verhältnisse einen wesentlichen Einfluss und es ist eine allen Jägern sehr wohl bekannte Tatsache, dass durch einen plötzlichen Witterungsumschlag die Brunst bzw. Balz unter- brochen und oft um mehrere Wochen verschoben werden kann. Ja, im Grunde genommen ist die Fortpflanzungstätigkeit der Tiere vollkommen von den Witterungsverhältnissen abhängig, sie be- ginnt meistens im Frühjahr, später oder früher je nach dem Ein- tritt wärmerer Witterung. Der Mensch ist im allgemeinen in bezug auf seine Geschlechtstätigkeit unabhängig von Witterungs- einflüssen, aber auch von ihm ist bekannt, dass bei ganz gesunden Frauen Orts- und Klimawechsel, ja sogar eine einmalige starke (Gremütserregung ein- oder mehrmaliges Ausbleiben der Menstruation zur Folge haben kann (Bumm 1905). Neben diesen äusseren Einflüssen spielt zweifellos auch die Ernährung eine grosse Rolle, ja es scheint sogar ein gewisses Wechselverhältnis zwischen der Funktion der Keimdrüsen und dem Fettansatz zu bestehen. Pflüger (1863) macht darauf aufmerksam, dass durch die Zeugungsfähigkeit und die mit ihr in innigem Zusammenhang stehende Bereitung der Geschlechts- drüsenprodukte sehr wahrscheinlich eine bedeutende Fettmenge des Körpers verbraucht wird, wie aus der Fettansammlung bei kastrierten Individuen und bei solchen, deren Zeugungstätigkeit ganz aufgehört hat, hervorgeht. Benecke (1885) gibt an, dass Mastforellen. obwohl sie grosse Mengen von Eiern produzieren, zur Laichgewinnung nicht zu gebrauchen sind, da ihre Eier sich bei weitem nicht so gut entwickeln, wie die ungemästeter Fische. „Zur Laichgewinnung sollten in den Forellenzuchtanstalten immer nur die in den Bächen oder in Streckteichen unter natürlichen Verhältnissen sich nährenden Fische benutzt werden.“ Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 143 Weiterhin ist es bekannt, dass zur Mast bestimmte Hühner nicht kastriert zu werden brauchen, es genügt vielmehr, lediglich die betreffenden Tiere in kleine Käfige zu sperren und über- mässig zu füttern, worauf reichlicher Fettansatz am ganzen Körper und fettige Degeneration der Ovarien bzw. Hoden erfolgt. Barfurth (1886) stellt eine ganze Reihe von Tatsachen zu- sammen, die alle beweisen, dass allzu reichliche Ernährung schäd- lich auf die Zeugungskraft wirkt. Fette Kühe rindern fort- während, konzipieren aber nicht, alle Mastrassen sind wenig fruchtbar. Auch bei gut genährten, zur Fettsucht neigenden Rindern anderer Rassen tritt leicht Unfruchtbarkeit ein. Äusserst eingehend untersuchte Barfurth (1886) die Ur- sachen der Sterilität der Forellen. Eine ganze Anzahl von Teich- tforellen laichen nämlich jeweils nicht ab und sind dann im nächsten, häufig auch im übernächsten Jahre. zuweilen für das ganze spätere Leben, steril. Als Ursache des Nichtablaichens kommt in erster Linie zu reichliche Ernährung, dann aber auch ungünstige Beschaffenheit des Aufenthaltsortes in Betracht, da nämlich Forellen ihre Eier niemals auf schlammigem Grund, sondern nur auf klarem Kiesboden ablegen. Steht ein solcher nicht zur Verfügung, oder ist das Tier zu gut ernährt, so werden die ent- wickelten Eier im betreffenden Jahr nicht abgestossen, sondern verbleiben im Ovar. Diese nicht abgestossenen Eier werden sodann im Verlaufe der nächsten Zeit resorbiert, und zwar ist die Schnelligkeit, in der sich dieser Vorgang abspielt, abhängig von der Ernährung des Tieres. Bei schlecht ernährten Forellen erfolgt die Resorption rasch, da die in den Eiern enthaltenen Reservestoffe für den Körper benötigt werden, bei gut ernährten Forellen langsam und bei Mastforellen so gut wie gar nicht. Da aber die nicht abgelegten Eier in allen Fällen degenerieren, so bilden sie einen unnützen, ja sogar schädlichen Bestandteil des Ovars, der die Weiteraus- bildung junger Follikel hemmt und bei langem Bestehen dauernd vollkommen unmöglich macht. Bei der Rückbildung der nicht ausgestossenen Follikel wird zuerst der Kern und dann erst langsam der Dotter aufgelöst. Barfurth beweist hier also durch langdauernde, sehr gründ- liche Untersuchungen die unmittelbare Abhängigkeit der Keim- drüsen von den äusseren Verhältnissen ; leider sind seine grund- 144 H. Stieve: legenden Beobachtungen bisher nur wenig beachtet und niemals als Ausgangspunkt für Untersuchungen am Zellkern und der chromatischen Substanz verwendet worden. Dass derartige Vorgänge an den (Geschlechtsorganen auch von entsprechenden anatomisch nachweisbaren Veränderungen der chromatischen Substanz begleitet sind, ist wohl anzunehmen. Wie Lubosch (1912) bemerkt, sind „offenbar die jeweils vor- kommenden Zustände des Chromatins von äusserst mannigfaltigen biologischen Einflüssen abhängig, die durch Lebensweise. (Ge- schlechtstätigkeit und Eiablage ausgeübt werden“. In der letzten Zeit wurden auch mehrfach Beobachtungen mitgeteilt, welche für eine solche Annahme sprechen. So fand Haecker (1892) Unter- schiede zwischen erst- und mehrgebärenden Copepoden, seine Beobachtungen wurden von Matscheck (1910) bestätigt. Jörgensen (1910) fand bei Proteusweibchen, die etwa 14 Tage in Gefangenschaft gehungert hatten, vereinzelte Stadien in den Keimzellen vor, die er bei weniger lang gefangenen Tieren nicht nachweisen konnte, und sah sie deshalb für Degenerationsformen an. Er wies auch nach, dass einzelne Stadien, die ValentinSchmidt (1904) in die normale Oogonese von Proteus einreiht, sich nur bei derartigen Hungerweibchen mit degenerierenden ÖOvarien auf- finden lassen und deshalb nicht zu Stadien der normalen Ent- wicklung gerechnet werden dürfen. Bemerkenswert ist dabei, dass Lubosch (1914) bei ganz frisch gefangenen und sofort konservierten Tritonen genau dieselben Zellformen, die Jörgensen als Degenerationsstadien erkannt hat, nachweisen konnte. Er erblickt in ihnen jedoch normale Formen, die lediglich „durch die eigentümliche Lebens- weise unserer Molche mit ihrer frühzeitig im März beginnenden Fortpflanzung und zwar in den von Wind und Wetter, Austrock- nung und Versumpfung oder Überschwemmung bedrohten Sümpfen und Wasserläufen bedingt seien.“ Er beachtet dabei allerdings nicht. dass in den Ovarien aller Tiere vereinzelte zugrundegehende Follikel beobachtet wurden, besonders in der Zeit während und nach der höchsten Geschlechtstätigkeit, dass also physiologischer- weise eine ganze Anzahl von Follikeln ofienbar als Folge dieser äusseren Einflüsse der Degeneration verfallen. Das Vorkommen atretischer Follikel in ganz normalen Ovarien ist schon lange bekannt. Als erster beschreibt wohl Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 145 Swammerdam (1737) im Eierstock von Fröschen zugrunde gehende Eier. Später erwähnt Jörg (1515) das Vorkommen degenerierender Follikel am Ovar der Vögel, Rathke (1820) fand bei Fischen zugrunde gehende Eier, er beschreibt nämlich bei Blenius viviparus vereinzelte, noch am Eierstock festsitzende Eier, die halbentwickelte Embryonen enthalten. „Welche Embryonen aber, indem wegen zu grosser Festigkeit der Kapsel diese nicht durch- brochen werden konnte, wieder zugrunde gehen müssen.“ Grohe (1863) fand in menschlichen Ovarien bei Frauen jeden Alters fettig degenerierende Follikel und betrachtet diesen Vorgang nicht als physiologisch, sondern als pathologisch, eine Unterscheidung, die ja im Grunde genommen vollkommen gleichgültig ist. Wenn eben in allen Ovarien pathologische, das heisst zugrunde gehende Follikel vorkommen, dann muss man eine solche Erscheinung. so paradox es klingen mag, doch als physiologischen Vorgang be- zeichnen, im normalen Ovar finden eben physiologischerweise stets auch Rückbildungsprozesse statt. In diesem Sinne äussert sich auch Pflüger (1863). der in Säugetierovarien schon in den frühesten Lebensperioden zahl- reiche, in Rückbildung begriftene Follikel beobachtete. Henle (1863) fand ebenfalls im menschlichen Ovar atretische Follikel. Leidig (1852) und Oskar Hertwig (1877) beschrieben dege- nerierende Follikel bei verschiedenen Hirudineenarten. P. E. Müller (1866—69) und Weismann (1865) wiesen nach, dass bei Daphnoiden zur Bildung eines Eies stets mehrere andere Ei- zellen nach vorhergehender Degeneration resorbiert werden. Waldeyer (1870) erwähnt in Rückbildung begriffene Follikel bei verschiedenen Säugetierarten und auch bei Vögeln. Slaviansky (1870— 74) findet ebenfalls Follikel in regressiver Metamorphose beim menschlichen Weibe in allen Lebensaltern, ebenso die zahl- reichen anderen Untersucher, welche sich mit diesem Objekt be- schäftigt haben. Balfour (1878) beschreibt bei Seyllium normaler- weise im Ovar vorkommende Rückbildungsprozesse, Schneider (1880) bestätigt die Befunde Hertwigs und erwähnt, dass der Untergang der Follikel durch fettige Degeneration eingeleitet werden kann. Sehr ausführlich schildert von Brunn (1892) die Rück- bildung nicht ausgestossener Eierstockseier bei Vögeln. Er unter- suchte verschiedene freilebende Arten und fand in der Zeit von Archiv f.mikr. Anat. Bd.92. Abt. II. 10 146 H. Stieve: Anfang März bis Mitte November bei alten Tieren stets atretische Follikel, vereinzelt auch schon vor der ersten Eiablage des Jahres. In neuester Zeit hat Dubuisson (1906) den nämlichen Vor- gang bei Fröschen, Reptilien und Vögeln beschrieben, Perez (1907) bei Tritonen. v. Winiwarter und Sainmont (1900) schildern in ausführlichster Weise die Rückbildung nicht aus- gestossener Follikel bei Säugetieren und erwähnen das Zugrunde- gehen zahlreicher, selbst sehr junger Follikel in allen Stadien der Eientwicklung. Bei allen diesen Arbeiten wurden jedoch fast nur die Vor- gänge, die sich am Follikelepithel und am Dotter abspielen, einer eingehenden Untersuchung unterzogen, der Kern als wichtigster Bestandteil der Zelle wurde gar nicht oder nur ganz nebensächlich behandelt, da er meist schon völlig zerfallen ist, wenn die Rück- bildungserscheinungen am übrigen Follikel deutlich erkennbare Formen angenommen haben. Nur wenige Arbeiten erwähnen auch mit einigen Worten die Vorgänge am Kern. Die ersten dies- bezüglichen Beobachtungen teilt Strahl (1892) mit, er stellte am Ovar von Lacerta agilis bei einigen reifen, sonst vollkommen unveränderten Eiern das Schwinden des Keimbläschens fest. Zuerst erschienen Vakuolen mit färbbarem Inhalt, die unregel- mässig im Kerne verstreut lagen. Strahl nimmt an, dass es sich bei diesen Gebilden um normale Kernbestandteile handelt, die sich im Zustand der Degeneration vergrössern und später zerfallen. Weiterhin fällt dann der ganze Kern der Auflösung anheim. Bühler (1902), der die Rückbildung geplatzter und ungeplatzter Follikel sehr eingehend studierte, fand den Vorgang der Atresie ebenfalls durch das Zugrundegehen des Kernes ein- geleitet. Bei Cyklostomen quillt das Keimbläschen auf, es besitzt zunächst noch eine deutliche Membran, aber äusserst spärlichen Chromatingehalt. Die Chromatinkörner bevorzugen bei Häma- toxylin — Safraninfärbung das Hämatoxylin. „Oft sind sie indessen nur sehr blass, wie gequollen und vielfach sind an ihrer Stelle nur Lücken in der homogenen Grundlage des Kernes zu sehen. Ein Liningerüst fehlt im Innern vollständig.“ Ausführlicher beschreibt er den Vorgang bei Teleostiereiern: „Ist in einem Ei, das als atretisch zu erkennen ist, ein Kern vorhanden, so zeigt er je nach dessen Grösse verschiedenen Charakter. Bei kleineren Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 147 Eiern, etwa von 0,1 mm Durchmesser und darunter ballt sich das Chromatin zu groben Klumpen zusammen und zerfällt wie der ganze Kern in [rümmer, die später wohl samt dem Eiproto- plasma_ resorbiert werden. In grösseren Eiern ist die Kern- veränderung ähnlich wie ich sie bei Petromyzon beschrieben habe. Der Kern nimmt zu an Grösse, seine zuvor rundliche Form wird länglich, unregelmässig, seine Membran dünner, ausgezackt. Der Inhalt färbt sich homogen, das zarte Gerüst macht einer gleichmässigen. körnigen Trübung Platz, die grösseren Ühromatinkörner, die sich am längsten erhalten haben, blassen ab und verquellen.“) Bühler beschreibt also hier den körnigen Zerfall des Chromatins als zweifellosen Degenerationsprozess. Bei der äusserst eingehenden Untersuchung, welche die Ovarien in den Arbeiten der letzten Jahre stets erfahren haben, konnten die vorhandenen Rückbildungsvorgänge niemals un- beachtet bleiben und es finden sich dementsprechend auch in fast allen neueren Oogenesen Bemerkungen, die auf das Vorkommen atretischer Follikel zwar hinweisen, den Vorgängen am Kerne jedoch stets nur eine ganz untergeordnete Rolle beimessen. Um unter den vielen diesbezüglichen Mitteilungen nur eine heraus- zugreifen, alle einzeln anzuführen, würde weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. erwähne ich die Untersuchungen d’Hollanders (1905). der in den Ovarien ganz junger Hühner, unmittelbar nach dem Ausschlüpfen, schon massenhaft atretische Follikel fand. Besonders waren in den Ovarien von zwei Tieren 10 bzw. 12 Tage nach dem Verlassen des Eies fast alle Oozyten in fettiger Degeneration begriffen. Auch hier beginnt der Rück- bildungsprozess mit dem Zerfall des Kernes, eine Beobachtung, auf die wir besonders grossen Wert legen müssen und deshalb die Angaben Hollanders wörtlich hier angeben: „Quand aux oocytes en voie de degenerescence ou on trouve A toutes les phases de la periode d’accroissement: leurs noyau subit des phenomenes de karyolyse“. „A un premier degre la nucleine se condense sous forme d’anses ou de travees chromatiques epaques sans structure“. Besonders wichtig sind auch die Untersuchungen v. Hanse- manns (1913). Er stellte durch genaue Zählungen fest, dass ‘, Im Original nicht gesperrt gedruckt. 2 148 H. Stieve: im Ovar eines Kindes von zwei Jahren ungefähr 48000 Follikel vorhanden sind, in dem eines Weibes aber beim Eintritt in die Pubertät nur mehr 16000. Von diesen werden wieder nur un- gefähr 500 während des ganzen Lebens ausgestossen, alle nicht ausgestossenen verfallen früher oder später der Atresie. Hanse- mann weist also nach, dass auch im menschlichen Ovar unter physiologischen Verhältnissen ein massenhaftes Zugrundegehen von Follikeln stattfinden muss, und bezeichnet diesen Vorgang als Kampf der Eier im Ovarium, der den Zweck hat. nur die kräftigsten Eier zur Ablage gelangen zu lassen. Ebensolche und ähnliche Rückbildungsvorgänge finden sich in den Ovarien aller Tiere, auch bei Pflanzen lassen sich analoge Pro- zesse nachweisen. und es erscheint erstaunlich, dass eben diese Vorgänge bisher so wenig Beachtung gefunden haben und noch niemals in der gleichen eingehenden Weise studiert wurden wie alle sonstigen Vorgänge am Kerne der reifenden Eizelle, die ja bis in die kleinsten Einzelheiten aufs ausführlichste beschrieben sind. Trotz der ungeheuren Verschiedenheiten, welche die Unter- suchungsergebnisse am gleichen Gegenstand aufwiesen. wurde noch nie der Nachweis zu führen gesucht, inwieweit diese (regensätze sich auf Einreihung der Anfangsformen sich rückbildender Kerne in die normale Oogonese zurückführen lassen, ja es wurde der Rückbildungsformen meist überhaupt garnicht gedacht. Lieber ging man daran, für eine einzige Tierart mehrere verschiedene Formen der Eientwicklung anzunehmen, als auch nur einige der höchst merkwürdigen vorgefundenen Stadien fallen zu lassen, da sie eben keine progressiven, sondern regressive Formen dar- stellten. Wir denken hier ganz besonders an die äusserst um- fangreichen Untersuchungen, die Carnoy und 'Lebrun (1897 bis 1903) an Urodelen anstellten. Nur Sonnenbrodt (1908) macht einen Versuch zu einer solchen Erklärung, ohne jedoch näher auf die Rückbildungsvorgänge einzugehen, der Unter- suchungen Jörgensens (1910) wurde schon oben Erwähnung getan. Wie schon oben erwähnt wurde, gelang es mir (1913) am Ovar des Haushuhnes nachzuweisen, dass der Zerfall der Chromo- somen stets den Beginn der Rückbildung des ganzen Follikels zur Folge hat, und dass im nicht atretischen Follikel die Chromosomen stets als deutliche, selbständige (rebilde vorhanden sind. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 149 Im Verlaufe meiner Arbeiten erkannte ich aber bald, dass das Haushuhn kein günstiges Objekt für Beobachtungen über die phyvsiologischerweise am Ovar stattfindenden Rückbildungsvorgänge ist. Die grossen, in überaus reichlicher Anzahl vorhandenen Fol- likel, wır zählten an einzelnen Ovarien über hundert von mehr als 2 mm Durchmesser, boten unüberwindliche Schwierigkeiten, da es zwar notwendig, aber nicht möglich war, stets alle Follikel eines ausgewachsenen Tieres zu untersuchen. Andererseits zeigte es sich auch bald, dass es nicht anging, krankhafte, bzw. künst- lich hervorgerufene Veränderungen an den Ovarien richtig zu beurteilen, bevor wir nicht genauen Aufschluss über die physio- logischen Vorgänge an diesen Organen hatten. ei unserem Suchen in der Literatur stiessen wir hier auf eine grosse Lücke, in keiner Arbeit gehen die Angaben über die Bildung und Rückbildung des Vogeleierstockes über einige kurze allgemein gefasste Bemerkungen hinaus. Die Vorgänge am Ovar des erwachsenen Huhnes sind in grossen Zügen beschrieben, bei freilebenden Vögeln aber ebenso wie die feineren Einzelheiten beim Huhn noch völlig unbekannt, der Rückbildung des Ovars nach der Legezeit wurde bisher überhaupt noch keine Aufmerk- samkeit gewidmet. Um diese Lücke auszufüllen, galt es zunächst die Ent- wicklung und Rückbildung des Eierstockes an freilebenden aus- gewachsenen Vögeln während eines ganzen Jahres fortlaufend zu untersuchen und die normalerweise sich dabei abspielenden Vor- gänge genau zu studieren, in der gleichen Weise wie dies Tandler und Groß (1912) beim Maulwurfshoden getan und für die ge- fundenen tiefgreifenden Veränderungen den Ausdruck „Saison- dimorphismus“ angewendet haben. Um für diese Untersuchungen möglichst einfache Verhält- nisse zu bekommen, musste die betreffende Vogelart mehrere Bedingungen erfüllen. 1. Musste sie während des ganzen Jahres in beliebiger An- zahl leicht erhältlich sein, denn es ist klar, dass sich während des Aufenthaltes der Zugvögel in fremden Weltteilen sehr wichtige Veränderungen an den Keimdrüsen abspielen können, die dann der Beobachtung entgehen. Es konnte sich also nur um eine Standvogelart handeln, die während des ganzen Jahres mit den gleichen Individuen die gleiche Gegend bevölkert. Denn auch bei 150 He Stiewe: Strichvögeln können wir nicht sicher sein, ob das im November bei uns erlegte Tier nicht etwa höher im Norden erst im August brütete, während die früher untersuchten Individuen das gleiche schon im Juni oder Juli taten. 2. Die Eier durften nicht zu gross sein und sollten normaler- weise in möglichst geringer Zahl abgelegt werden. Die beträcht- liche Grösse der Follikel erschwert in den späteren dotterreichen Stadien die Untersuchung ganz wesentlich, ebenso vergrössert die hohe Zahl der Follikel, wie sie sich z. B. bei allen Hühnervögeln findet, die Arbeit um ein erhebliches. 3. Die betretftende Vogelart sollte, wenn möglich, nur einmal im Jahr brüten, denn es ist klar, dass durch jede weitere Brut die Verhältnisse wesentlich verwickelter werden, was in Anbetracht unserer bisherigen völligen Unkenntnis über diesen Gegenstand auch nicht erwünscht erschien. Die gewöhnliche Dohle, Colaeus monedula, entspricht den drei gestellten Anforderungen vollkommen. Sie wird zwar häufig als Zugvogel bezeichnet, kommt jedoch in allen Gegenden, in denen sie heimisch ist, so besonders in ihrem Hauptverbreitungs- gebiet Russisch-Polen, auch während der strengsten Winter in ungeheurer Menge vor, so dass es leicht ist, jederzeit eine ge- nügende Anzahl von Exemplaren zu erhalten. Sie brütet im all- gemeinen nur einmal im Jahre und legt 5—6, in Ausnahmefällen 7 Eier. Wie ich mich durch zahlreiche, an frischen Eiern vor- genommenen Messungen überzeugte, beträgt der Durchmesser des Dotters 12,5—13,5 mm, also im Durchschnitt 13 mm, die grössten von uns gefundenen Follikel hielten 14,9 mm im Durch- messer, waren also im Vergleich zum Haushuhne, bei dem wir Follikel bis zu 42,5 mm Durchmesser fanden, leicht zu unter- suchen. Material und Technik. Im ganzen erstrecken sich meine Untersuchungen auf 218 weibliche Dohlen, die in der Zeit von Anfang Juni 1916 bis Ende Mai 1917 getötet wurden. Sie stammten alle aus der näheren und weiteren Umgebung von Cholm in Russland. Der grösste Teil von ihnen wurde geschossen und unmittelbar darauf seziert, so dass die Ovarien spätestens 5 Minuten nach dem Tode, meist noch früher, in die Fixierungsflüssigkeiten kamen. Ein kleiner Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 151 Teil der Tiere, besonders brütende Weibchen, wurde lebendig gefangen und durch Chloroformdämpfe getötet. Von 20 ausgewachsenen Tieren verschiedenen Alters wurden die Ovarien in lückenlose Schnittserien zerlegt, von 34 weiteren wurden kleinere Teile oder auch nur einzelne Follikel unter- sucht. Bei den übrigen Tieren beschränkte ich mich auf die makroskopische Untersuchung. Meine Beobachtungen erstrecken sich im grossen und ganzen nur auf die Vorgänge am Ovar des ausgewachsenen Tieres. Es widersprach mir jedoch, bei der Follikelentwicklung mit dem fertig ausgebildeten Organ zu be- ginnen, weshalb meine Befunde besonders auch zur Feststellung der Chromosomenzahlen an den Ovarien einiger Nestjungen und Embryonen ergänzt wurden. Bei diesen handelt es sich zum Teil um Individuen, deren Alter sich nicht auf den Tag feststellen liess, was jedoch für das Ergebnis der Untersuchung belanglos sein dürfte. Um den Einfluss des Gefangenlebens auf die Geschlechts- zellen zu untersuchen, versuchte ich mehrmals alte Weibchen während der Lege- und Brütezeit gefangen zu halten, sie tobten sich jedoch stets innerhalb weniger Stunden zu Tode oder sassen apathisch in einer Ecke des Käfigs, verweigerten jede Nahrungs- aufnahme und gingen ebenfalls nach wenigen Stunden ein. Die Ovarien wurden mit den darunter liegenden (reweben entnommen und im ganzen fixiert. Die Fixierung war in dieser Weise vollkommen einwandfrei, eine gegenseitige künstlich hervor- gerufene Pressung der Follikel kam niemals zur Beobachtung. In Anwendung kamen folgende Fixierungstlüssigkeiten: 1. Konzentrierte wässrige Sublimatlösung mit einem Zusatz von 5°/o Eisessig, kalt oder bei 37 Grad angewendet. Mit diesem Gemisch erzielten wir durchwegs die günstigsten Ergebnisse, die Follikel aller Stadien wurden tadellos fixiert, Kern und Plasma- strukturen wurden bei den kleineren Follikeln ebensogut dar- gestellt als durch andere Mittel, für die grösseren Follikel von über 1 mm Durchmesser ist Sublimateisessig die einzige Flüssig- keit, die sowohl Kern als auch Dottermassen tadellos erhält. Nur zur Darstellung von Fettmassen ist es nicht geeignet. 2. Flemmingsche Lösung. Das schwache Gemisch ist zur Konservierung von ÖOvarien vollkommen ungeeignet, weder Kern noch Plasma werden selbst bei den kleinsten Follikeln auch nur 152 H. Stieve: einigermassen fixiert. Wir müssen in dieser Hinsicht Lubosch (1902) vollkommen beistimmen. Das starke Gemisch wurde teils kalt, teils auf 50 Grad erhitzt angewendet. Die damit erzielten Ergebnisse waren gut, insofern es sich um kleine Ovarien mit nur ganz kleinen Follikeln handelte. Aber auch hier waren die tieferen Schichten häufig schlechter erhalten, der Kerninhalt er- schien öfter von der Kernmembran losgelöst und häufig zu einer unförmigen, unregelmässig geformten Masse umgestaltet, die keinerlei Struktur mehr erkennen liess. Im (regensatz zu Jörgensen konnten wir bei Anwendung der heissen Lösung keinerlei Vorteile gegenüber der Anwendung bei Zimmertempe- ratur feststellen, die erstere erschwert lediglich das Arbeiten wegen der äusserst unangenehmen Osmiumdämpfe. Zur Darstellung von Fettgewebe ist das (Gemisch unentbehrlich, sonst bietet es keinerlei Vorteile gegenüber von Sublimateisessig, die besonders von Jörgensen so sehr hervorgehobene bessere Fixierung der jungen Oozyten konnten wir bei unserm Objekt nicht finden. Es sei auch gleich hier bemerkt, dass die Flemmingsche Lösung zur späteren Anwendung der Dreifachfärbung nach Flemming sehr gut durch Sublimateisessig ersetzt werden kann. 3. Carnoysches (remisch. Es fixiert die Kerne im all- gemeinen gut, ist jedoch für die Plasmastrukturen besonders der grösseren Eier vollkommen ungeeignet und bietet deshalb keinerlei Vorteile gegenüber den beiden vorigen. 4. Bouinsches Gemisch. Es eignet sich hauptsächlich zur Fixierung der grossen und grössten Follikel, bei denen es die Kernstrukturen gut erhält. Es bietet jedoch ebenfalls keine Vor- teile gegenüber dem Sublimateisessig und wurde deshalb nur wenig angewandt. Von sonstigen Fixierungstlüssigkeiten wurden noch ange- wendet Zenkersche Flüssigkeit, Hermannsche Flüssigkeit und Müllersche Flüssigkeit, sie bieten jedoch keinerlei Vorzüge gegenüber den vorgenannten Mitteln. Die weitere Behandlung der Ovarien vollzog sich dann wie folgt: Die Sublimateisessigpräparate wurden nach 5—10 stündigem Verweilen in der Fixierungsflüssigkeit in Wasser, 30%, 50°/o und dann 70°/o Alkohol, letzterer mit Zusatz von etwas Jod- tinktur, überführt. Dieser wurde mehrmals gewechselt bis kein Hellerwerden der Flüssigkeit mehr zu beobachten war und die Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 153 Präparate einen leicht gelblichen Ton angenommen hatten. Dann wurden die grösseren Follikel abgetrennt, die Ovarien in 80/o, 90%, 96% und absoluten Alkohol überführt, in denen sie je eine Stunde blieben, sodann durch Chloroform-Alkohol und Chloro- form in Chloroform-Paraffin bei 35 Grad und reinem Paraffın von 54 Grad Schmelzpunkt je eine halbe Stunde gelassen und dann eingebettet. Von allen Ovarien wurden Serien ge- schnitten, die Schnittdicke betrug 6—15 u je nach der Grösse der Follikel. Wir möchten gleich hier bemerken, dass es keinen Wert hat, von den grösseren Follikeln möglichst dünne Schnitte anzufertigen (unter 12 u), da dann der Kern auf zu viele Schnitte verteilt ist und es zu schwer fällt, sich ein genaues Bild von der Kernstruktur zu machen. Die grösseren Follikel von über 6 mm Durchmesser wurden meist nicht im ganzen eingebettet, nur von einzelnen wurden zum Studium der Dottermassen Querschnitte angelegt. Bei den meisten wurde nur das Keimbläschen freipräpariert. Am leichtesten gelingt dies, wenn man die in Sublimateisessig gehärteten Follikel mit Boraxkarmin im ganzen färbt, mit Salzsäurealkohol von ziemlich geringer Konzentration differenziert und dann in 80°/o Alkohol vorsichtig aufschneidet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Keimbläschen, das am frischen Follikel deutlich durch die Follikelhülle durchschimmert, am fixierten jedoch von aussen nicht mehr zu sehen ist, fast stets gegenüber dem Follikelstiel unter- halb der Narbe befindet. Am einfachsten ist es, den Sitz des Keimbläschens am frischen Follikel vor der Fixierung mit einem Höllensteinstift zu bezeichnen. Von der Innenseite des auf- geschnittenen Follikels werden die Dottermassen unter Alkohol mit einem weichen Haarpinsel entfernt, hierauf das Keimbläschen ausgeschnitten und eingebettet oder in der von Rückert (1892) angegebenen Weise mit einer Nadel unter der Präparierlupe ab- gehoben und im ganzen untersucht. In der Hauptsache wurden folgende Färbemethoden ange- wendet: 1. Boraxkarmin. Er wurde hauptsächlich zur Stückfärbung benützt, die mit Sublimateisessig fixierten Ovarien blieben stets 3—4 Tage in der Lösung und wurden dann mit "/2°/o Salz- säure-Alkohol ausgezogen, solange bis sich auch bei längerem Stehen keine neuen Farbstoffwolken bildeten. Zur Gegenfärbung 154 H. Stieve: wurde Lichtgrün verwendet. Die Ergebnisse waren sehr zufrieden- stellend, die chromatische Substanz hebt sich sehr klar und scharf ab und ist bis in die kleinsten Einzelheiten gut erkenntlich. Ganz besonders eignet sich die Methode zur Färbung der grossen Follikel. 2. EisenhämatoxylinnachHeidenhain. Auch diese Färbung gibt ganz vorzügliche Bilder, besonders von den Kernstrukturen. Die Form und Dicke der Chromosomen ist jedoch sehr stark vom Grade der Differenzierung abhängig, weshalb eine ständige Nach- prüfung an Präparaten, die mit ausschliesslichen Kernfärbemitteln behandelt sind, notwendig ist. Ein weiterer Nachteil ist, dass sich die Nukleolen in Hinsicht auf die Farbenreaktion nicht von den Chromosomen unterscheiden. 3. Dreifachfärbung nach Flemming. In der von Wini- warter und Sainmont (1900) angegebenen Modifikation. Die Färbung gibt, wenn wirklich genau nach der Vorschrift verfahren wird, ganz besonders schöne und klare Bilder, wie sie die beiden Belgier in der zitierten Arbeit ausführlich schildern. Auch die Fettmassen sind bei der Verwendung von Xylol gut darstellbar, unsere Ergebnisse decken sich hierin vollkommen mit denen Winiwarters und Sainmonts, wir konnten auch niemals be- merken, dass „das vorübergehend abgelagerte Deutoplasma und die definitiven Fettschollen“ von Xylol aufgelöst werden, wie dies Jörgensen 1910 angibt, im Gegenteil, sie zeigten sich fast noch besser als bei Chloroformbehandlung. Wie schon oben er- wähnt, wurde die Färbung von uns auch bei mit Sublimateisessig fixierten Präparaten mit bestem Erfolg angewendet. Die dieser Färbemethode oft vorgeworfene Umständlichkeit ist jedenfalls nicht grösser als bei der Heidenhainschen Eisenhämatoxylin- färbung. Hier wie dort muss die Differenzierung unter dem Mikroskop verfolgt werden. Über die Haltbarkeit der Präparate können wir uns noch kein abschliessendes Urteil erlauben, die ältesten von ihnen sind nunmehr 22 Monate alt und zeigen die Farbe noch in der gleichen Frische wie am ersten Tag. Neben diesen Färbungen wurden noch andere angewendet, über sie wird das Nähere an den betreffenden Stellen gesagt werden. Vor allem kamen neben den regressiven Färbungen mit Boraxkarmin, Safranin und Hämatoxylin auch progressive Fär- bungen mit Delafieldschem und Hansenschem Hämatoxylin Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 155 zur Verwendung, die mit den beiden verschiedenen Verfahren erzielten Ergebnisse deckten sich vollkommen. Lage des Ovars innerhalb der Bauchhöhle. Als Grundlage für die Beschreibung dient das Ovar eines alten Weibchens, 6 Wochen nach dem Ende der Brütezeit. also während der Herbstmauser (Abb. 1). Es entspricht dies den Befunden, die wir an der überwiegend grossen Mehrzahl der untersuchten Tiere nachweisen konnten, nur in einer geringen Zahl von Fällen fanden sich unbedeutende Abweichungen von dem hier geschilderten Verhalten, die jedoch keinerlei wesentliche Bedeutung besitzen. :Das betretfende Ovar ist 9,2 mm lang, am kaudalen Ende 4,6 mm, am kranialen 4,0 mm breit. Der laterale Rand verläuft gerade, parallel zur Körperachse, der mediale verläuft im kranialen Teil zuerst parallel dem lateralen Rande, bildet dann eine kleine medialwärts vorspringende Nase, durch die eine Verbreiterung des Ovars um 0,6 mm hervorgerufen wird, und verläuit dann wieder parallel zu seiner früheren Verlaufsrichtung. Der kaudale, gerade Rand bildet mit dem medialen einen leicht spitzigen, mit dem lateralen einen leicht stumpfen Winkel, der kraniale Rand bildet mit beiden Seiten einen rechten Winkel, der medialwärts kantig, lateralwärts etwas abgerundet erscheint. Die Form des Ovars ist ungefähr die eines Rechtecks. Die querverlaufende, weiter unten näher beschriebene Furche beginnt 1 mm kaudalwärts von der medialen, kranialen Ecke, zieht in einem Winkel von ungefähr 120 Grad zur Körperachse lateralwärts und trifft den lateralen Rand 2,8 mm kaudalwärts von der kranialen, lateralen Ecke. Sie teilt das Ovar etwa im Verhältnis von 1 zu 3. Was die Lage des Ovars zum Skelett betrifft, so reicht es ungefähr vom oberen Rande des ersten Lendenwirbels bis zum unteren Rande des zweiten primären Sakralwirbels. Die dorsale Fläche des Ovars liegt dem obersten Lappen der linken Niere vollkommen an und bedeckt dessen mediale Seite. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Rückfläche, ein schmales, ungefähr halbmondförmiges Feld am kranialen Pol liegt der linken Nebenniere auf. Diese überragt jedoch den kranialen Rand des Ovars um etwa °/s ihrer Grösse. 156 H. Stieve: Der mediale Rand des Ovars liegt ungefähr in der Median- ebene und schneidet im grossen und ganzen mit dem medialen Rande der linken Niere ab, der den medialen Rand der rechten Niere in der Mittellinie berührt. Die kraniale Hälfte des medialen Randes liegt unmittelbar an der Vena Cava inferior und an der Aorta abdominalis an. Gleich unterhalb des oben beschriebenen medialwärts vorspringenden Höckers teilt sich die Aorta in die beiden Arteriae ischiadicae, ebenso die Vene, die Teilungsäste der letzteren verlaufen in tiefen Furchen an der Vorderseite der Nieren etwa in einem Winkel von 60 Grad auseinander, und zwar die linksseitige unterhalb des Ovars durch und tritt genau im lateralen kaudalen Eck unterhalb des Ovars vor. Sie schimmert deutlich durch das Ovarialgewebe durch. Der kaudale Abschnitt des medialen Randes liegt dem medialen Rande der rechten Niere an. die beiden Ränder bilden zusammen eine Rinne, in der die sehr feine Arteria sacralis media nach abwärts zieht. Der kraniale Rand des Ovars liegt der linken Nebenniere auf, der laterale sowohl als der kaudale der linken Niere. Die Ventralseite des Ovars wird in ihrer ganzen Ausdehnung vom Magen bedeckt. Sie bildet deutlich zwei Flächen, die im stumpfen Winkel ineinander übergehen, eine obere, die in der Hauptsache vom kranialen Teil des Ovars gebildet wird und eine untere, die zusammen mit den kaudalen Teilen der Vorderfläche beider Nieren eine Mulde bildet, in welcher der Magen liegt. Diese beiden Flächen der Ventralseite des Ovars stossen in einer leicht dachgiebelförmig vorspringenden Kante zusammen, die un- gefähr parallel der oben beschriebenen Querfurche, etwas kaudal- wärts von dieser verläuft. An dieser Stelle ist das Ovar am dicksten. Die Verdickung wird bedingt durch eine Umschlags- falte, die das Ovarialgewebe an dieser Stelle bildet. Die Tube, die in dem hier beschriebenen Fall als gerade- verlaufendes, leicht um die Längsachse gedrehtes, schlaftes Rohr erscheint, mündet etwa 1 cm unterhalb des kaudalen Randes des Ovars, die Fimbrien reichen bis an das Ovar heran und bedecken den kaudalen Teil des lateralen Randes. Ich halte eine derartige ausführliche Schilderung der Lage des Ovars für unbedingt nötig, da sich in keinem zoologischen Buche genaue Angaben über die Lage des Eierstocks bei Vögeln Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 157 finden. Sogar die neuesten und bestausgestatteten Werke machen hiervon keine Ausnahme. Ich erinnere an die neueste Ausgabe von Brehms Tierleben, wo sich im ersten Band der Vögel auf Seite 20 eine geradezu unglaublich schlechte Abbildung von den weiblichen (seschlechtsorganen der Taube naclıı Haller (1904) und Kückenthal (1903) findet. Das Ovar sitzt in diesem Falle dem kranialen Pole der linken Niere ungefähr so auf, wie die linke Nebenniere des Menschen der linken Niere. Bei der weiteren Entwicklung und Vergrösserung breitet sich das Ovar gleichmässig nach allen Seiten aus. es bedeckt während der Legezeit sowohl den kranialen Lappen der linken Niere, als auch die linke Nebenniere vollständig, ebenso die mediale Hälfte des kranialen Lappens der rechten Niere. Die grössten dotterreichen, gestielten Follikel hängen in das Becken herab. Dabei wird der Magen etwas nach vorne und oben ver- lagert. Bei dem in Abb. 1 wiedergegebenen Tier findet sich auch ein rechtes Ovar, es stellt ein kleines, 12 mm langes, bis zu 3 mm breites, sichelförmiges Gebilde dar, das hinter der Leber, ein- gekeilt zwischen dem kranialen Pol der rechten Niere, der rechten Nebenniere und dem Zwerchfell keinerlei Gelegenheit hat. sich weiter zu entwickeln. An dieser Stelle fanden wir stets das rechte Ovar, falls ein solches vorhanden war. Bekanntlich kommt ja bei den Vögeln nur das linke Ovar und die linken Ausführungswege der Geschlechtsdrüsenprodukte zur Entwicklung. Das rechte Ovar ist nicht vorhanden, bzw. es degeneriert mit zunehmendem Alter der Tiere. Bei jungen, eben ausgeflogenen Vögeln lässt es sich nicht eben selten nach- weisen, wir fanden es bei jungen Dohlen in ungefähr 5°/o der Fälle. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch Van Durme (1914), der in drei Fällen bei sehr jungen Schwalben ein rechtes Ovar nachweisen konnte. „Ils renfermaient des ovules rares. en voie d’atresie manifeste.* Auch wir fanden in dem rechten Ovar stets nur wenige, zumeist atretische Follikel. Leider gibt Van Durme nichts über die Lage des Ovars an. Die oben geschilderte und in der Abbildung 1 wieder- gegebene Lage des rechten Ovars entspricht vollkommen derjenigen des rechten Hodens ausserhalb der Fortptlanzungszeit. Während dieser Periode legt der rechte Hoden fast stets eingekeilt zwischen 158 JE, Shonlear@: rechter Niere, Nebenniere und Leber, die betreffenden Organe bilden an seiner Oberfläche oft tiefe Impressionen, so dass er ein facettiertes Aussehen zeigt. Während der Fortpflanzungszeit entwickeln sich dann die Hoden zu beträchtlicher Grösse, der rechte bleibt jedoch stets wesentlich hinter dem linken zurück, er rutscht auf der rechten Niere in die Bauchhöhle herab, bis er unterhalb der Leber die Möglichkeit zu ungehindertem Wachstum findet. Allem Anschein nach ist das rechte Ovar zu einer solchen Wanderung nicht be- fähigt und muss deshalb unter dem Druck der umgebenden Or- gane degenerieren. Im Verlaufe der Generationen ist es dadurch zu einem völligen Schwund der rechten Keimdrüse und sekundär auch der Ausführungswege beim weiblichen Vogel gekommen und nur in vereinzelten Fällen entwickelt sich auch das rechte Ovar. In der Anlage sind bei allen Vögeln Keimdrüsen und Aus- führungsgänge beiderseits vorhanden. Beim Huhn und bei der Taube beginnt der rechte Eierstock unmittelbar nach der Ge- schlechtsdifferenzierung zurückzubleiben, dieser Zeitpunkt beginnt mit dem sechsten bis siebten Bebrütungstag (Waldeyer |1370)]). Bei den Wat- und Schwimmvögeln wächst nach Hoffmann (1892) das rechte Ovar während einer langen Periode der embryonalen Entwicklung ebenso stark wie das linke, die Rückbildung tritt hier erst sehr viel später ein. Dem anfänglichen Zurückbleiben in der Entwicklung folgt später eine echte Rückbildung, die schliesslich zum gänzlichen Schwund des rechten Ovars und der rechten Ausführungsgänge führt. Wiedersheim (1902) fand bei Nacht- und Tag-Raub- vögeln, Tauben und Papageien, auch noch beim erwachsenen Tier mehr oder weniger deutliche Reste des rechten Eierstockes und Eileiters. Nach Semon (1337) bleibt auch der rechte Hoden sehr häufig in der Entwicklung zurück, allerdings niemals in dem Maße wie der rechte Eierstock, eine Erscheinung, die wir bei der Dohle ebenfalls beobachten konnten. Die makroskopische Entwicklung und Rückbildung des Eier- stockes beim ausgewachsenen Tier. Biologische Vorbemerkungen. Bevor wir auf die Beschreibung der eigentlichen ana- tomischen Befunde eingehen, sei es gestattet, einige Bemerkungen Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 159 über das Leben der Dohle vorauszuschicken. die zum Verständnis der nächstfolgenden Erörterungen notwendig sind. Die Dohle lebt in Polen ganz entschieden als Standvogel, einzelne, besonders auffallend gefärbte Tiere konnten während des ganzen Jahres hindurch am gleichen Platz beobachtet werden. Auch trieben sich stets grosse Schwärme um die Wohnhäuser und Kasernen Cholms herum, selbst während des ungewöhnlich kalten Winters 1916/17. Die Brütezeit 1916 war im Anfang Juni be- endet, um diese Zeit sah man massenhaft junge ausgeflogene Tiere. Diese sind in den ersten Monaten nach dem Austfliegen an den Gelbschnäbeln, in der späteren Zeit noch bis zum Ende der nächsten Brutperiode deutlich an der braunen Färbung der Iris zu erkennen. Bei älteren Tieren nimmt die Iris eine graue und später eine fast weisse Färbung an. Die Mauser begann gleich nach Beendigung der Brütezeit und war bis Mitte September bei allen Tieren beendet. Bis zum Dezember lebten die Dohlen in grossen Schwärmen, eine Ab- sonderung war nicht zu beobachten. Vom Januar ab taten sich die Pärchen zusammen, fast stets war ein Männchen und ein Weibchen dicht beieinander, eine Erscheinung, die auch beim Fliegen im Schwarm deutlich zu beobachten war. In den aussergewöhnlich warmen Tagen der ersten Januar- hälfte 1917 begannen einzelne alte Tiere mit dem Nestbau. Hier und da sah man auch ein schnäbelndes Paar oder ein Männchen, das seinen Gesang zum Besten gab. Mitte Januar setzte grosse Kälte ein und hielt bis Ende Februar an. Gleichzeitig trat starker Schneefall ein. Durch diese ungünstige Witterung wurde die begonnene Fortpflanzungstätigkeit unterbrochen, die Sorge um Nahrung und das Bestreben, sich vor der grimmigen Kälte, der zahlreiche Tiere zum Opfer fielen, zu schützen, stand im Vorder- grund. Mitte März mit dem Eintritt der wärmeren Witterung begann die Nestbautätigkeit von neuem, zuerst bemerkte man nur vereinzelte ältere Tiere Reiser in die Kamine, ihre gewöhnlichen Brutstätten, tragen, Anfang April begannen auch die jungen Tiere mit dem Nestbau. Am 16. April fand ich bei einem alten Weibchen das erste Ei, vom 22. April ab war kaum mehr ein Nest ohne Eier. Schon am 30. April hatten alle Tiere vollkommen abgelegt, das 160 H. Stieve: Brutgeschäft war im vollsten Gange. In der Zeit vom 29. April bis 1. Mai wurden 52 Weibchen untersucht, es fand sich dabei nicht ein einziges, das noch nicht abgelegt hatte. Aus dieser Erscheinung zeigt sich klar, mit welcher (Gesetzmässigkeit sich das Fortpflanzungsgeschäft bei den freilebenden Tieren, im Gegen- satz zu unseren Haustieren, vollzieht. Eine Ausnahme bildete nur das alte Tier Nr. 77, auf das wir weiter unten noch aus- führlich zu sprechen kommen. Die Zahl der abgelegten Eier betrug gewöhnlich sechs. seltener fünf, in einem Falle fanden wir sieben Eier. Eine höchst beachtens- werte Erscheinung, die. wie Altum (1869) angibt, bei allen Vögeln vorkommt, die ihren einmal erkorenen Neststand auch für die Zu- kunft wieder zu benutzen pflegen, ohne Zweifel aber bei allen denjenigen, welche mehrmals im Jahre brüten, das Nachlegen konnten wir auch bei den Dohlen beobachten, obwohl diese bloß einmal im Jahre zu brüten pflegen. Altum schildert diese Eigenschaft wie folgt: „Eine im hohen Maße bemerkenswerte Tatsache ist es ferner, dass in der Regel die Vögel nicht eher brüten, als bis die volle Eierzahl im Neste liegt und, was wohl zu beachten, sie diese Zahl durch Nachlegen ergänzen. wenn man sie frühzeitig mehrerer Eier beraubt. Nimmt man z. B. aus einem (srünspechtnest, welches fünf Eier enthält, zwei, so ist am dritten Tage darauf die Anzahl wieder vollzählig, nimmt man dann wiederum zwei und fährt auf diese Weise fort, so hat man end- lich gegen 17 Eier erhalten. Dann aber ist der Vogel erschöpft.“ Naumann glaubt, dass in diesem Jahre die Eier zweier Bruten ohne Pause abgelegt werden, eine Annahme. die sicherlich auf Irrtum beruht da erstens auch solche Vögel nachlegen. die im allgemeinen keine zweite Brut halten und da ausserdem die Zahl der abgelegten Eier höher sein kann als diejenige von zwei Bruten zusammen. Bei Dohlen fand das Nachlegen stets statt, wenn ein Teil der Eier aus dem Neste entfernt wurde, bevor noch das Gelege vollständig war. In diesem Falle wurden stets so viele Eier nach- gelegt, bis die erforderliche Zahl von fünf oder sechs voll war. Wurden alle Eier auf einmal entfernt, so verliess der betreffende Vogel das Nest und entzog sich dadurch der Beobachtung. Wurden jedoch nach Beginn des Brütens, also wenn die Eierzahl schon vollständig war und der Vogel schon ganz aufgehört hatte Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 161 zu legen, eines oder mehrere Eier entfernt, so brütete der Vogel auf dem Rest der Eier, in einigen Fällen auf einem einzigen rubig weiter, offenbar weil er die Fähigkeit verloren hatte, noch weiter zu legen. Wie wir weiter unten sehen werden, finden alle diese Erscheinungen restlos ihre Erklärung in den an den Ovarien er- hobenen anatomischen Befunden. Die Ablage der Eier erfolgte meistens in den ersten Stunden des Vormittags, zwischen 7 und 9 Uhr, häufig aber erst später gegen 12 Uhr, ja manchmal auch erst am Nachmittage. Unsere häufigen Versuche, einen Vogel unmittelbar nach der Eiablage, wenn der nächste Follikel eben geplatzt ist, zu erhalten, schlugen alle fehl. Wird das Nest genau beobachtet, so geht das Weibchen häufig zur Eiablage nicht hinein, es verlegt ein Ei. Wird das Weibchen unmittelbar vor der Eiablage gefangen, so stirbt es meist, bevor es gelegt hat, findet aber wirklich in der Gefangen- schaft eine Eiablage statt, so unterbleibt doch das Platzen des nächsten Follikels. In mehreren Fällen bekamen wir Tiere, bei denen sich im Anfangsteil der Tube ein nur von einer dünnen Eiweißschicht umgebener Dotter vorfand, die histologische Unter- suchung ergab jedoch schon den Zustand des Zwei- oder Vier- Zellenstadiums. Eine so genaue Beobachtung der Eiablage, wie sie Van Durme (1913) bei Schwalben ausführte, war bei den wesentlich scheueren Dohlen nicht möglich. Zumeist wurden die ersten drei Eier an drei aufeinander- folgenden Tagen abgelegt, dann folgte ein Ruhetag und hierauf wurden die letzten drei oder zwei Eier wieder an aufeinander- folgenden Tagen gelegt. Häufig wurde jedoch von dieser Norm abgegangen, der Ruhetag erfolgte nach dem zweiten oder vierten Ei, in einzelnen Fällen fanden auch zwei Ruhetage statt, so dass sich dann die Eiablage über acht Tage erstreckte, in vielen Fällen wurden aber auch alle sechs Eier an sechs aufeinanderfolgenden Tagen abgelegt. Die Brütezeit der Dohle beträgt 18 Tage, die ersten Jungen bekamen wir am 4. Mai. Ungefähr 20 Tage nach dem Aus- schlüpfen verlassen die jungen Vögel das Nest. Leider musste ich meine Untersuchungen am 15. Mai 1917 abbrechen, ich er- hielt jedoch aus der Zeit vom 15. Mai bis Mitte Juni noch einige gut fixierte Ovarien, so dass sich meine Untersuchungen wirklich über ein volles Jahr erstrecken. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 92. Abt. II. ht 162 H. Stieve: 2. Entwicklung des Ovars bis zur Legezeit. Das Ovar einer jungen Dohle stellt im Juli einen kleinen 6—7 mm langen, 4-5 mm breiten, schmutzig gelblichweissen, flachen, kaum 2 mm dicken Körper von fast rechteckiger Gestalt dar. Das kraniale Ende erscheint mehr abgerundet, das kaudale in vielen Fällen spitz ausgezogen, der mediale Rand ist wulstig, etwas verdickt, während der laterale sich nicht über die Ober- fläche des Organs erhebt. Die ventrale, freie Seite des Organs erscheint allerfeinstens granuliert. (Quer über das ganze Ovar verläuft eine tiefe, spaltartige Furche, sie beginnt etwa am vor- deren Ende des medialen Randes und zieht von da aus quer etwas kaudalwärts bis zum lateralen Rande, den sie ungefähr zwischen dem kranialen und mittleren Drittel erreicht. Kaudal- wärts von dieser Furche erscheint das Ovar leicht wulstig ver- dickt. es wird durch sie ungefähr im Verhältnis von 1:3 geteilt. Die Furche ist an allen Ovarien nachweisbar, wird jedoch während der Legezeit infolge des starken Follikelwachstums undeutlich, erscheint aber nach Ende der Brütezeit bei älteren Tieren wieder ebenso deutlich wie bei jüngeren. Bedingt wird die Furche durch eine S-förmige, querver- laufende Faltung des ganzen Oozytenlagers, sie stellt also eine Obertlächenvergrösserung dar. Auf Quer- und Längsschnitten zeigt ein solches Ovar fol- genden Bau (Abb. 2): Die oberflächlichste Schicht wird gebildet durch das Ovarialepithel, eine einfache Lage zylindrischer Zellen von 6—8 u Höhe. Die Kerne dieser Zellen haben längsovale Formen mit abgestumpften Polen und sind relativ gross. Im Kerne findet sich ein feinfaseriges Chromatinnetz und 1—3, häufiger mehr sehr dunkel färbbare Nukleolen. Mitosen fanden sich im Ovarialepithel der ausgewachsenen Dohle nie mehr, ebenso konnte Sonnenbrodt (1908) beimausgeschlüpften Hühnchen keine Mitosen mehr nachweisen. Nach d’Hollander (1905) werden sie beim Huhn schon nach dem 15. Brütetag selten und hören gegen die Geburt hin ganz auf. Wir fanden bei ausgeschlüpften Nest- jungen von Oolaeus noch sehr zahlreiche Mitosen, allerdings nicht mehr im eigentlichen Ovarialepithel, sondern nur in den tieferen Schichten des Ovars. Unmittelbar unter dem Epithel findet sich eine dünne Schicht äusserst gefässreichen Bindegewebes, das aus spindelförmigen Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 163 Zellen mit längsovalem Kern gebildet wird und durch zahlreiche Bindegewebszüge unmittelbar mit den tiefsten Schichten des Ovars in Verbindung steht, von denen aus auch die Versorgung mit Blutgefässen erfolgt. Unterhalb dieser Bindegewebsschicht findet sich die eigentliche Parenchymschicht des Ovars, sie hat eine Dicke von 200-500 u und wird durch eine 3—4fache Lage von kleinen Follikeln ge- bildet, die dicht nebeneinander gedrängt zwischen gefässreichen Bindegewebszügen liegen. Die Follikel sind im grossen und ganzen von ziemlich gleicher Grösse, ihr Durchmesser beträgt 30—50 u.') Ihre Gestalt ist bald kreisrund, bald längsoval, häufig erscheint sie an einer oder mehreren Stellen abgeplattet, als Folge des gegenseitigen Druckes der einzelnen Follikel. Ich halte diese Er- scheinung, da sie sich in allen Ovarien findet, für eine physiologische Folge des raschen Follikelwachstums und führe sie nicht auf die Einwirkung der Fixierungsmittel zurück. Bei schlechter Fixierung bietet sich ein ganz anderes Bild, die gepressten Follikel er- scheinen dann ganz unregelmässig, die feinere Struktur des Proto- plasmas ist zerstört. das Epithel häufig gequetscht und eingerissen. In der tiefsten Lage der Parenchymschicht finden sich ver- einzelte grössere Follikel von bis zu 400 u Durchmesser. Sie erscheinen vollkommen in das darunter liegende Bindegewebe eingebettet und verursachen an der Oberfläche des Ovars keinerlei Vorsprünge oder Erhebungen. Die meisten derartigen grösseren Follikel finden sich im Bereiche der tiefen Querfurche und be- dingen zum grossen Teil die wulstige Verdickung der kaudal von dieser Furche gelegenen Falte. Die Follikel sind umgeben von einem sehr blutgefässreichen Gewebe, das sich spärlich zwischen, jedoch in mächtiger Lage unterhalb der Parenchymschicht findet. Es besteht zum grössten Teil aus Bindegewebe mit langen spindelförmigen Zellen und dunkelgefärbten Kernen, von bald walzenförmiger, bald mehr spindeliger Gestalt. Zwischen den Maschen dieses Gewebes finden sieh zahlreiche runde, bis ovoid geformte Zellen mit grossen runden bläschenförmigen Kernen von 5—6 u Durchmesser. Im Kerne ist ein Chromatingerüst deutlich in netzförmiger Anordnung erkennbar, ausserdem 1—2 runde Nukleolen. Bei Dreifachfärbung !) Anmerkung. Die Grösse des Follikels wird hier wie im folgenden stets mit dem Follikelepithel gemessen. 11* 164 H. Stieve: nach Flemming erscheint das Chromatinnetz violett, die Nukleolen rot. Der Kernsaft ist klar homogen. Die Zellen selbst haben einen Durchmesser von 8—10 u, ihr Protoplasma ist ziemlich hell und zeigt allerfeinste Struktur, von der wir nicht zu ent- scheiden wagen, ob sie als netz- oder wabenförmig bezeichnet werden soll. Die Zellen liegen bald einzeln, bald in Gruppen von 3—5 beieinander. Es handelt sich um die Zwischenzellen des Ovars. sie unterscheiden sich deutlich von den weiter unten be- schriebenen oogonienähnlichen Gebilden. Die tiefste Schicht des Ovars besteht aus lockerem Binde- gewebe, das die Verbindung mit den darunterliegenden Organen herstellt. In ihm finden sich äusserst zahlreiche Blutgefässe. Um einen genauen Aufschluss über die Zahl der im jungen Ovar enthaltenen Follikel zu bekommen, wurde bei zwei jungen, im September erlegten Tieren eine Zählung der Follikel vor- genommen. Die beiden Dohlen hatten sicher noch nie gebrütet. Jedes der Ovarien wurde in lückenlose Schnittserien von 12 u Dicke zerlegt. Da die Kerne der kleinen Follikel, welche die überaus vorwiegende Mehrzahl bildeten, 16—20 u Durch- messer hatten. so konnte auf dem Schnitt von 12 «u Dicke ohne weiteres beurteilt werden, ob der vorliegende Kern die Haupt- masse oder nur einen Ausschnitt darstellte. Mit Hilfe des Projektionsapparates wurde sodann jeder einzelne Schnitt durch- gezählt, alle grösseren Follikel graphisch rekonstruiert, um eine doppelte Zählung des männlichen Follikels zu vermeiden. Auf diese Art und Weise wurde sicherlich eine annähernd richtige Zahl gewonnen. Das Ergebnis dieser äusserst mühsamen Unter- suchung war folgendes: Im Ovar des einen Tieres fanden sich rund 26000, in dem des anderen 24500 Follikel. Wir konnten keinerlei Angaben darüber ermitteln, wie alt eine Dohle wird, nimmt man aber eine Fortpflanzungstätigkeit während 20 Lebensjahren an, so würden während dieser Zeit selbst bei zwei Bruten mit je sechs Eiern im Jahre, ein Fall, der sicher- lich niemals eintritt, 240 Follikel zur Entwicklung kommen, also kaum der hundertste Teil von den im jungen Ovar vorhandenen. Leider gelang es uns nicht zahlenmässig nachzuweisen, ob die Anzahl der Follikel im Ovar mit zunehmendem Alter regelmässig abnimmt, angenommen werden muss eine solche Erscheinung un- bedingt, da ja in jedem Jahre einige Eier abgelegt werden, ausser- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 165 dem eine grössere Anzahl von Follikeln zugrunde geht und keinerlei Neubildung stattfindet Äusserlich ist an dem Ovar keine Grössenabnahme mit zunehmendem Alter festzustellen. wie wir uns an über 100 während des Herbstes und Winters unter- suchten Tieren überzeugen konnten. Aus der Tatsache des Vor- handenseins einer so ungeheuren Anzahl von Follikeln im jungen Ovar an und für sich darf man wohl schon schliessen. dass eine erhebliche Menge von ihnen zugrunde gehen muss, denn wenn alle Follikel, die einmal in die Wachstumsperiode eingetreten sind, auch zur Ablage kämen, hätte die Natur das Organ nicht in so verschwenderischer Weise ausgestattet. Die Ovarien alter Vögel unterscheiden sich im Juli nur wenig von denen junger, sie sind makroskopisch von gleicher Grösse und meist auch von gleichem Aussehen, nur erscheint das Ovar bei jungen Tieren meist dreieckig. kaudalwärts spitzig aus- laufend. während es bei älteren Tieren reine rechteckige Form zeigt. Bei älteren Tieren findet sich auch stets eine reichlichere Zahl grösserer Follikel bis zu etwa 500 « Durchmesser in den tieferen Schichten des Ovars, die zuweilen auf der Obertläche kleine Höcker hervorrufen, niemals jedoch die Lage der kleineren Follikel durchbrechen. Bei alten und bei jungen Tieren finden sich jedoch auch stets neben den vielen Follikeln von gewöhnlichem Aussehen vereinzelte, welche in Rückbildung begriffen sind. Von August bis Ende Oktober zeigen die Ovarien keinerlei makroskropisch nachweisbare Veränderungen, mit Ausnahme einer geringen Dickenzunahme. Die Oberfläche erscheint immer noch feinstens gekörnt, nur ganz vereinzelt bemerkt man bei alten Tieren gegen Ende Oktober hier und da eine leichte buckelige Vortreibung der Oberfläche, meistens am kranialen Teile oder im Bereiche des Querwulstes, ein Zeichen, dass an dieser Stelle ein Follikel durchzubrechen beginnt. Das Wachstum der am tiefsten gelegenen Follikel hält an. Die grössten von ihnen haben jetzt einen Durchmesser von 800 « erreicht und drängen die darüber- liegenden Follikellager auseinander, ohne jedoch noch selbst die Obertläche zu erreichen. Dieses Wachstum der Follikel hält stetig an, das Ovar wird dicker und gewinnt auch in der Länge und Breite an Ausdehnung. Zugleich verändert sich sein Aussehen. Während es bisher hell- grau-gelblich erschien und die darunter liegenden Gefässe deutlich 166 H. Stieve: durchschimmern liess, zeigt es vom November ab ein mehr schleimig-glasiges Aussehen, entsprechend dem Aussehen der kleineren Follikel.e. In einzelnen Fällen beträgt die Dicke des Ovars jetzt bis zu 4 mm, die Länge 10 mm, die Breite 6—7 mm. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist der kraniale Teil dem kaudalen in der Entwicklung voraus. Im Dezember finden sich bei vielen Ovarien im kranialen Teil schon Follikel von 1 mm Durchmesser und darüber. Sie haben die Parenchymschicht und die darüber liegende Epithellage auseinandergedrängt und erscheinen an der Oberfläche des Organs als kalotten- bis halbkugelförmige, glasige Höcker. Mikroskopisch zeigen die überwiegend grosse Mehrzahl der Follikel gewöhnlichen Bau, es finden sich jedoch in jedem Ovar auch zahlreiche, deren Epithel an einer Seite mehrschichtig erscheint, die Oberfläche ist runzelig, leicht verdickt. Es handelt sich bei ihnen zweifellos um in Rückbildung begriftene Follikel. In bezug auf ihre Lage im Ovar bieten sie keinerlei Besonderheiten dar, sie finden sich ebenso häufig im kranialen als im kaudalen Teil. Keinerlei Tatsachen lassen auf eine ungünstigere Lage gegenüber den nicht atretischen Follikeln schliessen. Während des Januar und Februar gingen nur ganz unbe- deutende Veränderungen an den ÖOvarien vor, noch zu Ende des letzteren Monats hatten sie eine Grösse von 10—11 mm Länge, 5—6 mm Breite und 3—5 mm Dicke. Auch der makroskopische und mikroskopische Bau zeigte, abgesehen von der sehr geringen (Grössezunahme der Follikel, keine Besonderheiten. Die Zahl der in Rückbildung begrifftenen Follikel nimmt stetig zu, es finden sich alle Stadien des Zerfalles, wie ihn v. Brunn (1892) beschrieben hat. Der kraniale Teil des Ovars ist jetzt dem kaudalen ent- schieden in bezug auf Grösse der Follikel, aber auch in Hinsicht auf die Zahl der zugrunde gehenden Follikel überlegen. Gegen Ende Februar nimmt die Zahl der grösseren Follikel im ganzen Ovar zu, ein rascheres Wachstum hat begonnen. Die Oberfläche des ganzen Organs besteht nunmehr aus grösseren, kalotten- bis halbkugelförmig vorspringenden Follikeln von 0,9 bis 1,2 mm Durchmesser. Auf dem Schnitt finden sich zwischen diesen grösseren Follikeln die kleineren, in Nestern von verschiedener (Grösse beieinander liegend, daneben auch zahlreiche atretische Follikel. Diese letzteren verfallen nach und nach der binde- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 167 gewebigen Entartung, sinken in die tieferen Bindegewebsschichten des Ovars zurück und gehen dort spurlos unter. Im März treten die grösseren Follikel mehr und mehr aus der übrigen Masse des Ovars vor; an den beiden Enden, besonders am kranialen, finden sich meist schon ein oder zwei gestielte Follikel von 1,5 bis2 mm Durchmesser. Sie sind heilgelblich, fast rötlich gefärbt und zeigen glasiges Aussehen. Auf dem Schnitt ist zu erkennen, dass kein oder fast kein Wachstum der kleinsten Follikel mehr stattfindet, in der Hauptsache finden sich nur mehr solche von unter 70 oder über 300 uw Durchmesser, daneben wieder zahlreiche zugrunde gehende in allen Stadien. Das mikro- skopische Bild des Ovars verändert sich in der nächsten Zeit nur sehr wenig, stets lassen sich massenhaft kleinste Follikel von unter 70 « und solche von über 300 « in allen Stadien der Entwicklung nachweisen, daneben massenhaft atretische. Bis zum Ende der Legezeit soll daher keine neue Schilderung des mikro- skopischen Bildes mehr gegeben werden. Von Anfang April an besteht die Oberfläche des Ovars stets nur mehr aus kalottenförmigen bis halbkugelförmigen Follikeln, aber auch einzelnen grösseren, die weiter vorgetreten sind und deshalb entweder knopfförmig vorragen oder gestielt erscheinen. (Genaue Massangaben über die Grösse des Organs sind nun nicht mehr möglich, das ganze Ovar zeigt ein mehr oder weniger traubiges Aussehen. Anfangs April finden sich meist 3—5 ge- stielte Follikel von 1—2 mm Durchmesser, ihre Zahl nimmt stetig zu. Ein am 12. April 1917 erlegtes Tier zeigte zehn Follikel von 1,3—1.7 mm Durchmesser, ein am 17. April 1917 erlegtes 13 gestielte Follikel von 1,3—2,6 mm Durchmesser, ein am 18. April 1917 erlegtes 16 Follikel von 1,4—4,4 mm Durchmesser. Im allgemeinen fanden wir nach dem 20. April 1917 an den Övarien aller Tiere 12—20. selten mehr gestielte Follikel von 1, 2—4,5 mm Durchmesser. Sie zeigen durchwegs glatte glänzende Oberfläche und das schon oben beschriebene glasige, hellrosa bis gelbliche Aussehen. Nur selten findet sich ein gestielter Follikel mit runzeliger Oberfläche, der sich schon durch seine Farbe, die dunkelgraurot schmutzig und undurchsichtig erscheint, von den anderen unterscheidet. Er befindet sich, wie die mikroskopische Untersuchung sofort ergibt, in Rückbildung. 168 H. Stieve: Neben diesen 12—20 gestielten Follikeln von 1,2 -4,4 mm Durchmesser finden sich im letzten Drittel des Aprils in allen Övarien auch grössere, bis zu 14,9 mm Durchmesser. Sie besitzen ebenfalls glatte glänzende Oberfläche, unterscheiden sich jedoch durch ihre Farbe ganz wesentlich von den kleineren. An ihrer Oberfläche verlaufen zahlreiche Blutgefässe, die sich in leuchtend roter Farbe von dem ockergelb gefärbten Follikel prächtig ab- heben, nur ein schmaler Streifen gegenüber dem Stil des Follikels bleibt von Blutgefässen frei, die Narbe, nämlich die Stelle, an welcher beim späteren Platzen des Follikels die Hülle einreisst. Am Ovar eines Tieres finden sich am 20. April 1917 je ein Follikel von 9,7 mm, 7,3 mm und 4,7 mm Durchmesser, ausser- dem 15 kleinere ebenfalls gestielte von 1,5—3,7 mm Durch- messer. Voraussichtlich hätte das Tier am 22. April 1917 das erste Ei gelegt. Am Tage vor der ersten Eiablage zeigt das Ovar einer Dohle (55) folgenden Befund: Grösster Follikel 12,35 mm, nächster 11,4 mm, nächster 5,2 mm, dann 5,0 mm, ausserdem 17 gestielte von geringerer (Grösse. Die drei grössten Follikel befinden sich am kranialen Teile des Ovarıums und hängen in die Bauchhöhle herab, wobei sie die kleineren jedoch nicht bedecken, da sie an die Seite des Ovars verdrängt erscheinen. In Kürze sollen auch die Veränderungen, die sich während der letzten Zeit an den Ausführungsgängen der Geschlechts- produkte, also an Tube und Uterus abspielten. beschrieben werden. Wie schon früher gesagt wurde und auch aus der Abbildung 1 zu ersehen ist, stellt die Tube während des Herbstes und Winters ein ziemlich gerade an der linken Seite der Rückwand der Bauch- höhle verlaufendes, schlauchartiges (rebilde dar, dessen Wände schlaff aufeinander liegen. Von Ende Februar ab beginnt dieses Rohr sich zu verdicken und gleichzeitig mächtig in die Länge zu wachsen. Da die Anheftungsstelle diesem Wachstum nicht folgen kann, sondern in ihrer Länge unverändert bleibt. muss sich die Tube in Schlangenwindungen legen, um sich in der geschilderten Art ausdehnen zu können. Ihr Endabschnitt, der Uterus, bleibt in einer Länge von 12—18 mm gerade. Die Aussenseite der Tube und des Uterus erscheint jetzt gelblich-weiss, schmierig und sehr stark injiziert. Die Gesamtlänge der Ausführungsgänge beträgt jetzt bis zu 20 cm gegenüber von 4—5 cm im Herbste, Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 169 die Dicke 9 mm gegenüber von 2 mm im Herbste; die Ausführungs- gänge haben sich also in der Länge auf das Vierfache, im Volumen um ein Vielfaches vergrössert. Es würde weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen, wollten wir alle Vorgänge an den Geschlechtsorganen, die sich im Verlaufe eines Jahres abspielen, genau bis in alle Einzelheiten schildern. Es soll hier nur das Wichtigste über die Vorgänge am Ovar und ausführlich die Veränderungen, denen der Kern unterliegt. beschrieben werden. Alle anderen Vorgänge, so besonders die eingehende Untersuchung der Follikelbildung und Rückbildung, sowie die Veränderungen, die sich am Dotter abspielen, werden zunächst nicht berücksichtigt. 3. Legezeit. Wenn ein Follikel seine volle Reife erlangt hat, so reisst seine Hülle im Bereiche der als Narbe bezeichneten Stelle durch, der Inhalt. bestehend aus Dotter und Kern, entleert sich in die Tube. Die leere Follikelhülle bleibt am Ovar als sogenannter Calix hängen und bildet sich in der Folgezeit rasch zurück. Unmittelbar nach dem Platzen hängt die Follikelhülle als schlafter, leerer Sack, in dessem Inneren sich wenig blutiges Gerinnsel vor- findet, in die Bauchhöhle; schon nach wenigen Stunden aber hat sich die schlaffe Wandung zusammengezogen und bildet nunmehr einen etwa S mm langen Körper mit runzeliger Oberfläche, der lebhaft an eine am Stiele hängende, getrocknete Birne erinnert, jedoch an seinem freien. dem Stiel gegenüberliegenden Teil bis gut auf die Hälfte seiner Länge gespalten erscheint. Dieser Spalt verleiht dem ganzen (Gebilde ein schnutenförmiges Aussehen (Abb. 3, 5, Abb. 4, 1). Die Bezeichnung „Kelch“ kennzeichnet das Aussehen nur schlecht. Am nächsten Tage, also ungefähr nach 24 Stunden, hat sich der Calix weiter verkleinert und zwar hauptsächlich in seinen peripheren, weiter vom Stiel entfernten Teilen. Dadurch ist die breite spaltförmige Öffnung wesentlich kleiner geworden, sie besteht nur mehr als flach-rautenförmiger Spalt am freien Ende des Kelches. Dieser selbst erscheint nicht mehr so runzelig als am ersten Tage, seine Oberfläche ist etwas mehr geglättet (Abb. 3, 6, Abb. 4, 2). Am dritten Tage, also nach 48 Stunden, hat sich der Kelch 170 H. Stieve: weiterhin verkleinert und gegen den Stiel hin zusammengezogen. Auch die Öffnung ist wieder kleiner geworden, die Oberfläche hat sich weiter geglättet (Abb. 3, 7, Abb. 4, 3). Vom vierten Tage ab geht die Rückbildung langsamer von statten. Der Kelch schrumpft weiterhin zusammen, seine Form nähert sich mehr und mehr der einer Kugel, die Öffnung bleibt als kleiner schmaler Spalt am Gegenpole des Stieles bestehen. Die Farbe des Gebildes, die bisher graurötlich war, beginnt nun- mehr ins gelbliche überzugehen (Abb. 4, 4). Am fünften Tage zeigt der wiederum kleinere Kelch meist deutlich hellgelbe Färbung, die Oberfläche des nunmehr ganz kugeligen Gebildes ist nur mehr leicht runzelig. die Öffnung mit freiem Auge nicht mehr erkennbar. In vielen Fällen jedoch. wie in dem unserer Abbildung zugrunde liegenden (Abb. 4, 5), findet eine bläschenförmige Auftreibung des Follikels statt; die ober- flächlichste, sonst leicht gerunzelte, gelb durchschimmernde Hülle erscheint glatt und rötlich, die Öffnung als trichterförmig ein- gezogene Vertiefung. Beim Anstechen entleert sich klare seröse Flüssigkeit. Diese Bläschenbildung findet sich oft noch bis zum siebenten oder achten Tag Am sechsten Tage nach dem Platzen erscheint der Kelch, falls nicht die eben geschilderten Veränderungen vorlagen, als kleines kugelrundes, runzeliges Knöpfehen von ockergelber Farbe, eine Öffnung ist nicht mehr zu erkennen. Der Durchmesser beträgt nunmehr 3—4 mm (Abb. 4, 6). Dieses Knötchen bildet sich in der Folgezeit noch weiter zurück und versinkt im Parenchym des Ovars. Am zehnten bis zwölften Tag nach dem Platzen ist meist von den Resten der Follikelhülle nichts mehr zu sehen, wenige Tage später sind auch die letzten Überbleibsel im Bindegewebe des Stroma aufgegangen und dann auch mikroskopisch nicht mehr nachzuweisen. Mit Hilfe der Calices lässt sich die Zahl der von dem betreffenden Tier abgelegten Eier genau bestimmen und auch mit einiger Sicherheit feststellen, wann die letzte Eiablage erfolgt ist. Kehren wir nun wieder zur Beschreibung der ganzen Ovarien während der Legezeit zurück. Bei einer alten Dohle (No. 58) findet sich ungefähr '/s Stunde nach Ablage des ersten Eies am Eierstock ein Calix, das Ovar zeigt traubiges Aussehen, im ganzen sind 19 gestielte Follikel vorhanden. Der grösste hat einen Durchmesser von 13,6 mm, der nächst kleinere 11,3 mm, der Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 171 nächste 7,4 mm, der viertgrösste 4,4 mm, die weiteren Follikel haben 3,6 bis 1,4 mm Durchmesser und zeigen helles glasiges Aussehen, während die vier grössten ockergelb erscheinen. Tube und Uterus sind noch leer. Etwa eine Stunde nach der Ablage des zweiten Eies zeigt das Ovar folgenden Bau (Nr. 59): Neben zwei Kelchen findet sich ein grösster Follikel von 14,1 mm Durchmesser. je einer von 10,8 mm, 6,9 mm und 5,5 mm Durchmesser von ockergelber Farbe, ausser- dem dreizehn von 4,0 bis 1,6 mm Durchmesser und glasigem hellen Aussehen. im ganzen also siebzehn gestielte Follikel. Tube und Uterus sind leer. Unmittelbar nach der Ablage des drittes Eies zeigt das Ovar einer Dohle (Nr. 61) folgenden Bau (Abbildung 3: die betreffende Zeichnung wurde nach dem fixierten Präparat angefertigt und zeigt deshalb keine (refässe und Narben an den Follikeln. Sie bringt jedoch die Grössenverhältnisse der einzelnen Teile in der genauesten Weise zum Ausdruck): Neben drei Kelchen sind fünf- zehn gestielte Follikel vorhanden. Der grösste (1) hat 12,8 mm Durchmesser, der zweitgrösste (2) 11,4 mm, der drittgrösste (3) 8.3 mm und der viertgrösste (4) 5.2 mm. Diese vier Follikel erscheinen ockergelb, die übrigen elf kleineren zeigen das oft geschilderte glasige Aussehen. Eileiter und Uterus sind leer. Alle gestielten Follikel wurden, wie auch bei den beiden vorigen Tieren, histologisch untersucht und zeigten keinerlei Rückbildungs- vorgänge, weder an der Hülle noch am Kern. Im übrigen Ovar fanden sich jedoch massenhaft in Rückbildung begriffene Follikel in allen Stadien. Dohle Nr. 71 hatte an drei aufeinanderfolgenden Tagen je ein Ei gelegt, bei der Tötung fand sich im Uterus ein vollkommen ausgebildetes Ei mit gefärbter Kalkschale. Dementsprechend zeigte das Ovar vier Calixes, ausserdem zwei ockergelbe Follikel, der grössere hatte 14,9 mm Durchmesser, der nächstkleinere 11,9 mm. Beide hatten vollkommen glatte Oberflächen und er- wiesen sich auch bei der histologischen Untersuchung als nicht in Rückbildung begriffen. Der drittgrösste Follikel hatte 5 mm Durchmesser, seine Oberfläche war leicht gerunzelt, mikroskopisch bot er das Bild beginnender Degeneration, er soll weiter unten noch ausführlich beschrieben werden, da er der einzige Follikel ist, bei dem die Rückbildung nach Beginn der Bildung des gelben 172 H. Stieve: Dotters eingesetzt hatte. Ausserdem waren noch sechs gestielte Follikel vorhanden von 2.7 bis 1,5 mm Durchmesser, vier von ihnen zeigten ebenfalls beginnende Rückbildung. Dohle Nr. 72 hatte an vier aufeinanderfolgenden Tagen vier Eier gelegt, ein fünftes Ei mit vollständiger, gefärbter Kalk- schale fand sich im Uterus. Am Ovar waren fünf Calices und ein grosser ockergelber Follikel von 14,4 mm Durchmesser, ausser- dem noch 17 gestielte Follikel von 3,0 bis 1,35 mm Durchmesser, die zum Teil schon die Zeichen der beginnenden Degeneration an sich trugen. Vierzehn von ihnen zeigten jedoch noch vollkommen normale Beschaffenheit. Dohle Nr. 75 hatte an sechs aufeinanderfolgenden Tagen sechs Eier gelegt und zwar das letzte sieben Stunden bevor sie getötet wurde. Das Ovar, das als Typus eines Ovars am Tage der letzten Eiablage in Abb. 4 wiedergegeben ist, zeigt sechs Calices und ausserdem dreiunddreissig gestielte Follikel von 3.0 bis 1,5 mm Durchmesser. Von ihnen befinden sich fünf in Rück- bildung, ebenso finden sich im Ovar selbst, wie bei allen den eben beschriebenen Tieren massenhaft degenerierende Follikel in allen Grössen, jedoch verhältnismässig wenig in Grössen von zwischen 50 und 500 « Durchmesser. Im vorigen sind die Ovarien von sieben Tieren beschrieben worden vor Ablage des ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften und vor und nach Ablage des sechsten Eies. Alle sieben Dohlen stellten Fälle dar, die nach unserer Ansicht sechs Eier gelegt hätten. An den beobachteten Tieren fand die Eiablage jeweils ohne Pause an aufeinanderfolgenden Tagen statt, mit Ausnahme vielleicht des Tieres Nr. 61, das voraussichtlich nach der Ablage des dritten Eies einen Tag ausgesetzt hätte. Im ganzen wurden 31 Weibchen während der Legezeit getötet, die Befunde an den Ovarien boten jedoch nichts von dem hier geschilderten Verhalten Abweichendes und sollen deshalb auch nicht einzeln aufgeführt, sondern nur bei der folgenden Besprechung berücksichtigt werden. Selbstverständlich liesse sich ebenso eine Reihe von Tieren. die nur fünf Eier legen, zusammenstellen, die Befunde an den Ovarien wären in diesem Falle die gleichen, nur fände sich jeweils ein Calix weniger. Eine Ausnahme von den Befunden während der Legezeit machte lediglich die Dohle Nr. 77, ein auffallend kleines und Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 173 schmächtiges Tier, das am 28. April erlegt wurde. Es war aufs äusserste abgemagert, alle Muskeln waren dünn und sehr schlaff, nirgends am Körper fand sich Fett. Die Eingeweide zeigten keinen krankhaften Befund. Das Ovar war 13,4 mm lang, 10,8 mm breit und etwa 4,4 mm dick, es bewies durch das Fehlen von Kelchen sofort, dass das betreffende Tier noch nicht gelegt hatte. Im ganzen waren zehn grössere Follikel vorhanden, von denen jedoch keiner gestielt war, sie überragten die Oberfläche des Ovars nur halbkugelförmig, der grösste von ihnen hatte 2 mm im Durchmesser. Weder makroskopisch noch mikroskopisch zeigten sie Zeichen von Rückbildung. Neben ihnen fand sich eine unge- heure Menge von atretischen Follikeln in allen Stadien in so grosser Anzahl, wie sie sonst nur bei brütenden Weibchen, nie- mals aber vor der Eiablage beobachtet werden konnte. Offenbar hatte dieses Tier irgend einen Krankheitsprozess durchgemacht, weshalb die Entwicklung des Eierstockes zurückgeblieben war, oder die schon begonnene Entwicklung war unterbrochen worden und hatte erst später nach Ablauf der Krankheit wieder be- gonnen. Fassen wir nun die während der Eiablage erhobenen Befunde zusammen. Anschaäulicher als durch jede Beschreibung kann dies an Hand der Tafel III ausgeführt werden. Auf ihr sind die an den Tieren Nr. 53, 58, 59, 61, 71, 72 und 75 gewonnenen und im vorigen beschriebenen Ergebnisse schematisch dargestellt; die schwarzen Kreisscheiben stellen den Durchschnitt der einzelnen Follikel in natürlicher Grösse dar, die senkrecht untereinander liegenden Kreise gehören zu je einem Tier und zwar, in Spalte 1 zunlDohle 53, 2:2u:158; 3 zu 59, 4 zw/6l, 5.2w:!74,.6 zu ’72:und 7 zu 75. Die Follikel sind unterhalb der punktierten horizon- talen Linie eingetragen, oberhalb der betreffenden Linie sind die Calices schematisch wiedergegeben, das betreffende Schema soll einen ungefähren Längsschnitt darstellen, gibt also ungefähr die Grösse an. Der jeweils jüngste Kelch liegt am nächsten der punk- tierten Linie, der älteste am weitesten von ihr entfernt. Die Zahl der Kelche gibt die Zahl der abgelegten Eier an. In dem Schema ist ebenfalls angenommen, dass jedes Tier sechs Eier an sechs auf- einander folgenden Tagen gelegt hätte. Die schräg verlaufende, ausgezogene Linie trennt die Follikel, die sicher, beziehungs- weise aller Wahrscheinlichkeit nach, zur Ablage gelangt wären, 174 H. Stieve: von denen, welche ohne besondere Umstände nicht zur vollen Reife gekommen wären. Unmittelbar vor dem Platzen hat der Follikel bei der Dohle einen Durchmesser von 14,0 bis 15,2 mm, also im Mittel 14,6 mm. Der Dotter des gelegten Eies hat 13 mm im Durchmesser, rechnet man dazu die Follikelhüllen in einer Dicke von 7—8 mm, so ergibt sich die obige, für den Follikel angegebene Zahl. Im Schema zeigen die Follikel folgende Grössen: 12,5 mm, 13,6 mm, 14,1 mm, 12,3 mm, 14,9 mm, 14,4 mm, im Mittel 13,7 mm. Der Durch- schnitt bleibt also um 9 mm hinter der oben angegebenen Zahl zurück. Dies rührt daher, dass die Follikel des Tieres 1, 2 und 4 nicht unmittelbar vor dem Platzen stehen, also sicher noch an (Grösse zugenommen hätten. Der obige Durchschnitt wurde an den grössten Follikeln von 17 Dohlen gewonnen, die entweder eben gelegt hatten oder doch ein Ei mit gefärbter Kalkschale im Uterus trugen, bei denen also das Platzen der Follikel in den nächsten 4—6 Stunden erfolgt wäre. Ausserdem scheint es. als ob die später abgelegten Eier etwas grösser als die zuerst abgelegten sind, wie auch aus dem Schema ersichtlich ist. Der zweitgrösste Follikel hat einen Durchmesser von 11 bis 12 mm, im Durchschnitt also 11,5 mm, im Schema 11,4 mm, 11,3 mm, 10,8 mm, 11,4 mm, 11,9 mm und 3,0 mm. Dieser letztere kommt jedoch nicht mehr in Betracht, da er ja nicht mehr abgelegt worden wäre, wenigstens sicherlich nicht am nächsten Tage, wie aus seiner geringen Grösse hervorgeht. Als Durch- schnittszahl im Schema ergibt sich demnach 11,3 mm, was dem oben angegebenen Durchschnitt sehr nahe kommt. Der drittgrösste Follikel hat einen Durchmesser von 7,5 bis 8,5 mm, also im Durchschnitt S mm, bei den vier in Betracht kommenden Tieren 1—4 des Schemas 8,2 mm, 7,4 mm, 6,9 mm, s,3 mm, also im Durchschnitt 7,7 mm. Der viertgrösste Follikel misst gewöhnlich 4—6 mm, demnach im Mittel 5 mm, im Schema 5,0 mm, 4,4 mm, 5,5 mm, also auch hier durchschnittlich 5,0 mm. Der fünftgrösste Follikel übertrifft die übrigen kleinen gestielten Follikel des Ovars nicht mehr beträchtlich an Grösse, ja fast stets finden sich im Ovar der legenden Dohlen eine ganze Reihe von Follikeln der gleichen Grösse und man kann deshalb Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 175 nicht entscheiden, welcher von ihnen als nächster zur Ablage gekommen wäre. Sein Durchmesser beträgt ungefähr 3,6 mm. Er unterscheidet sich auch in keiner Weise durch Färbung oder Blutgefässreichtum von den andern kleinen Follikeln, während die vier grössten Follikel durch ihre ockergelbe Farbe und die massenhaften Blutgefässe einen wesentlichen Unterschied darbieten. Ziehen wir nun das Gesamtergebnis aus dieser Zusammen- stellung. so ergibt sich für die einzelnen Tage folgende Grösse und Kubikinhalt der Follikel. Vor der Ablage Durchmesser Kubikinhalt unmittelbar! .2 2"... 14,6 mm 1627,24 cbmm alas len; 1,5: 0; 796,50 24 Ele DR er er 8.0, 267,94 ae 5:02%% 65,36 1: RE A RE 3,6%, 24,00 Oder mit anderen Worten, während der letzten vier Tage seines Bestehens vergrössert der Follikel seinen Durchmesser von 3.6 mm auf 14,6 mm, also um 11 mm, seinen Inhalt von 24,00 cbmm auf 1627,24 cbmm, also um 1603,24 cbmm, und zwar nimmt diese Vergrösserung an den einzelnen Tagen progressiv zu, denn sie beträgt am viertletzten Tage 41,36 cbmm am drittletzten Tage 202,58 „ am vorletzten Tage 628,56 am letzten Tage 830722 7, Die Summe dieser Vergrösserungen ist gleich der (Grösse des reifen Follikels weniger der Grösse des ursprünglich vor- handenen Follikels von 24,00 cbmm Inhalt. Vergleichen wir nun mit dieser ungeheuer raschen Grössen- zunahme das Wachstum während der vorhergehenden Tage und Monate. In dem ganzen Zeitabschnitt vom Beginn des Wachs- tums im August bis zu Beginn des eben geschilderten raschen Wachstums im April hat der Follikel sich von 30—50 u auf 3600 u (3,6 mm) vergrössert, also im ganzen seine Substanz, die anfangs so klein ist, dass wir sie gleich 0 annehmen dürfen, da ein Kubikinhalt von 200—600 Kubikmykra, wie er etwa dem 7 176 H. Stieve: kleinsten Follikel entspricht, innerhalb der Fehlergrenzen liegt. in 8—9 Monaten um 24,00 cbmm vermehrt, was einer täglichen Zunahme von etwa 0,089 cbmm entspricht. Diese ist also so gering. dass wir sie auch mit den genauesten Messungen von einem Tag auf den andern kaum feststellen können. Selbstver- ständlich erfolgt die Zunahme nicht so gleichmässig, sondern im Anfang der Zeit langsamer, später rascher. Im Anfang würde ja eine Vergrösserung um 0,089 cbmm einer Vergrösserung auf das mehrmals hundertfache des Volumens gleichkommen. So viel steht jedenfalls fest, dass der Follikel der Dohle zwei Wachstumsperioden durchläuft, eine. deren Dauer neun Monate, vielleicht auch mehr be- trägt, in welcher nur eine ganz geringe Vergrösse- rung statt hat und eine zweite, die nur vier Tage dauert, in der ein überaus rasches Wachstum er- folgt. Die letztere Periode fällt mit der Anhäufung des gelben Dotters zusammen. Ganz ähnliche Verhältnisse fanden wir früher (1913) für die Entwicklung des Follikels beim Haushulne. Sehr anschaulich lässt sich das Follikelwachstum in Form einer Kurve darstellen (Abb. 1). Auf der Ordinate ist der Kubikinhalt der Follikel in Abständen von je 100 cbmm ein- ee 201978 7 /6 1 7473 2 zr\0\9\8\7\6|5|1413 2|71A o e A zu u I 11 Kg die einzelnen Tage. Da ll BENE | [| nt [kat wann das Wachstum des 2 u +71 Follikels begonnen hat, so ıTtTT wurde vom Tag der Ab- lage (A) an gerechnet, es A | 1 bedeutet also 1 = einen Tag vor der Ablage, 2 = I are u zwei Tage vor der Ablage eiatzfafelojaf ii usw. Die betreffende Kurve | | | stellt das Wachstum in n 411 den letzten 24 Tagen dar, A dabei ist deutlich zu sehen ERBERENEENREEREEERGE | 'EBEN Se. ‚SEERNEBEENGEESEREDEERDEEN wie die -Grössenzunahme SRDRRANZaNEOnNERNERnEEZ NET bis zum vierten Tage Fie. 1. nach. der Ablage eine (Erklärung .im Text.) äusserst geringe ist. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. IH der linke Teil der Kurve verläuft anscheinend mit der Abseisse parallel. Wollte man ihn ganz auszeichnen, so müsste man bei einem Wachstum von neun Monaten die Kurvenlinie nach links um 472 mm, also fast einen halben Meter verlängern, erst dann würde die Kurvenlinie die Abseisse schneiden. Im Gegensatz zu diesem langsamen Ansteigen im Anfangsteil steht das rasche Ansteigen im Endteil, das von Tag zu Tag während der letzten vier Tage grösser wird, bis bei dem in der Kurve mit * bezeichneten Zeit- punkt das Platzen des Follikels eintritt. Da jedoch jeweils nicht nur ein Follikel im Ovar wächst, sondern mehrere, so ist die Gresamtdottermenge, die ein Tier an einem Tage abzusondern hat. eine ganz erhebliche, sie soll im folgenden berechnet werden. Dabei soll wieder eine Dohle als Gıundlage dienen, welche die Durchschnittszalil von sechs Eiern legt. Die Berechnung erstreckt sich nur auf die in Frage kommenden sechs Follikel. das übrige Ovar bleibt vollkommen unberücksichtigt. Wir nehmen also an, am ersten Tage zu Beginn des Dotterwachstums seien nur sechs Follikel von je 24,00 cbmm Inhalt vorhanden. (Die Follikel werden in der Reihenfolge, wie sie abgelegt werden, fortlaufend numeriert.) Am ersten Tag nimmt Follikel 1 um 41,36 cbmm zu. Am zweiten Tage Follikel 1 um 202,55 cbmm, Follikel 2 um 41,36 cbmm. Am dritten Tage Follikel 1 um 528,55 cbmm. Follikel 2 um 202,58 cbmm, Follikel 3 um 41,36 cbmm. Am vierten Tage Follikel 1 um 830,72 cbmm, Follikel 2 um 528,58 cbmm. Follikel 3 um 202.58 cbmm, Follikel 4 um 41,36 cbmm. Am fünften Tage wird Follikel 1 abgelegt, Follikel 2 nimmt um 830,72 cbmm, Follikel 3 um 528,58 cbmm, Follikel 4 um 202,55 cbmm und Follikel 5 um 41,36 cbmm zu. Am sechsten Tage wird Follikel 2 abgelegt, Follikel 3 nimmt um 830,72 cbmm zu, Follikel 4 um 528,55 cbmm, Follikel 5 um 202,58 cbmm und Follikel 6 um 41,36 cbmm. Am siebten Tage wird Follikel 3 abgelegt. Follikel 4 nimmt um 830,72 cbmm zu, Follikel 5 um 528,58 cbmm. Follikel 6 um 202,58 cbmm. Am achten Tage wird Follikel 4 abgelegt, Follikel 5 nimmt um 830,72 cbmm, Follikel 6 um 528,55 cbmm zu. Archiv f.mikr. Anat. Bd.92. Abt. II. 12 178 el, Spenge Am neunten Tage wird Follikel 5 abgelegt, Follikel 6 nimmt um 830,72 cbmm zu. Am zehnten Tage wird Follikel 6 abgelegt, eine Zunahme erfolgt nicht mehr. Nach diesem Tage ist das Ovar an Grösse gleich der Zeit vor Beginn des starken Follikelwachstums, abzüglich der sechs abgelegten Follikel von je 24 cbmm Inhalt, die Gesamtmenge des Ovars hat also nur um 144 cbmm abgenommen, alles andere ist inzwischen neugebildet und wieder abgelegt worden. Die Gesamtmenge des Dotters an den einzelnen Tagen beträgt: Tag| abgelegte Menge Ineusevitaere Menge indes 1. _ 41,36 cbmm 155,36 cbmm 9, a 243,9 , 199 300% 3. — Else 1201,82 4. u ET 2805.06 „ 5. 1627,24 cbmm 1603,24, 2781.06 9% 6. 1627,24 n 1605,24 a 2757,06 y a ID6res er 9691. TO 8. 1627,24. 1359,30 5 2423.10. 2% g: 1627,24 7, 830,12 5 1627,24 10.10 1697.34° 7° = = Die Zeit der Anhäufung des gelben Dotters erstreckt sich also auf neun oder wenn, was häufig der Fall ist, zwischen dem zweiten und dritten oder dritten und vierten Ei ein Tag Pause eintritt, auf 10 Tage. Im letzteren Falle verteilt sich die Dotter- menge des siebten bzw. achten Tages auf zwei Tage. Die Ge- samtmenge des ausgeschiedenen Dotters bleibt selbstverständlich die gleiche und beträgt 9763,44 cbmm, was dem Kubikinhalt von sechs ausgewachsenen Follikeln, abzüglich der schon vorhandenen sechsmal 24 Kubikmillimeter entspricht. Sehr anschaulich lässt sich diese Zu- und Abnahme wieder in Form einer Kurve (Abb. 2) darstellen. Auf der Ordinate ist der Kubikinhalt der Gesamtdottermasse des Ovars von 100 zu 100 cbmm eingetragen, auf der Abscisse die einzelnen Tage des starken Dotter- wachstums fortlaufend numeriert. Die Kurve selbst zeigt die Jeweils im Ovar vorhandene Dottermenge einschliesslich der Follikelhüllen, Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 179 doch ıst auch hier die grosse Masse des Ovars nicht mit berück- sichtigt, sondern nur die sechs wirklich zur Ablage gelangten Follikel. Infolgedessen beginnt die Kurve bei 6X24=144 cbmm und endigt bei 0. Hier wie in allen vorigen Fällen ist die Dicke der Follikelhülle stets mit zur Dottermasse gerechnet, ein Fehler. der sich nicht gut ausschalten lässt, jedoch ohne Bedeutung für das (sesamtergebnis sein dürfte Die Kurve zeigt klar das rasche Anwachsen der Dotter- massen bis zum fünften Tag. an welchem vor dem Platzen des ersten Follikels die grösste Höhe erreicht wird. Das Platzen eines Follikels bedingt selbstverständlich jeweils ein augenblick- liches steiles Abfallen, das jedoch am fünften, sechsten, siebten, auch noch am achten Tage fast ganz wieder ausgeglichen wird. Da alle Follikel als genau gleich gross angenommen werden, so ist auch der abfallende Teil der Kurve jeweils gleich lang. Der aufsteigende Teil, also die abgesonderte Dottermenge, ist am vierten, fünften und sechsten Tage gleich gross, trotzdem erreicht auch am sechsten und siebten Tage der Gipfel der Kurve nicht die Höhe des Vortages, da die neugebildete Menge = etwas geringer ist als die abgelegte. Am ersten Tage findet die Dotterbildung nur an einem. am zweiten an zwei, am dritten an drei, am vierten, fünften und sechsten an je vier am siebten an drei, am achten an zwei und am neunten wiederan einem Follikel statt. Rechnet man zu dieser Dottermenge noch die Masse des Ei- weisses für sechs Eier, das ja auch während der gleichen Zeit ausge- Fig. 2. schieden wird, so kann (Erklärung im Text.) Tage der 180 H. Stieve: man ermessen, welchen ungeheueren Kraftverbrauch die Legezeit für die Vögel bedeutet. Wie gross ist dieser Aufwand erst für Hühnervögel, die zweimal im Jahre 15 Eier ablegen, oder gar für unsere besten Haushuhnrassen, die nach Leukhardt (1353) und König (1904) 240 ja 300 Eier im Jahre ablegen. In einer sehr ausführlichen Arbeit hat Gerhartz (1914) die zum Bau der Eizelle notwendige Energie untersucht. Seine Ver- suchsobjekte bilden Hühner, die jeden zweiten Tag ein Ei ab- legten. Er fand beim Huhne ein ganz ähnliches Dotterwachstum, wie wir es für die Dohle nachweisen konnten, seine Figur 11 gibt das Dotterwachstum ebenfalls in Form einer Kurve wieder, die sich mit unserer Kurve 1 deckt. Nur erstreckt sich beim Huhn der steile Anstieg, also die Zeit der letzten raschen An- häufung des gelben Dotters, über acht Tage. also genau über die doppelte Zeit wie bei unserem Objekte, was wieder bestens damit übereinstimmt, dass bei den von Gerhartz untersuchten Tieren die Eiablage jeweils am zweiten Tage. bei den Dohlen aber schon am nächsten Tage erfolgte. Bei einem weiteren Huhne, dessen Dotterentwicklung Ger- hartz in seiner Figur 12 darstellt, erfolgt die Dotterbildung innerhalb sechs Tagen. Beide durch die Kurven wiedergegebenen Wertgruppen ordnet Gerhartz auch der (resetzmässigkeit einer Reihe unter. Auch er misst die Follikel mit der Hülle, er be- rechnet jedoch nicht den Kubikinhalt, sondern stellt das Gewicht fest, ein Verfahren, das ja zu dem nämlichen Ergebnis führen muss, vorausgesetzt, dass das spezifische Gewicht aller Follikel gleich ist. Dies dürfte aber annähernd der Fall sein, obwohl nach Gerhartz die Dotter der kleineren Follikel bei weitem wasserreicher sind, als die der grösseren. (Siehe auch Stieve 1918). 4. Rückbildung nach der Legezeit. Wenden wir uns nun dem Schicksal derjenigen Follikel zu. die dieses letzte starke Wachstum nicht durchmachen, die also nicht abgelegt werden. Durchschnittlich sind von ihnen 12— 20 in jedem Ovar vorhanden, ihre Zahl kann aber in manchen Fällen nur 6—7, in anderen bis zu 30 und mehr betragen. Bei den der Tafel III zugrunde liegenden Tieren sind im Falle 5 (Dohle 71) auffallend wenig, im Falle 7 (Dohle 75) auffallend viele vor- Die Entwicklung des Bierstockseies der Dohle. 181 handen. Ihre Grösse beträgt gewöhnlich 3,5 bis 1,5 mm. die kleineren Follikel sind meist ungestielt und deshalb schwerer zu messen, selbstverständlich sind in jedem Ovar auch kleinere Follikel vorhanden, und es lässt sich eine ununterbrochene Reihe bis zu den kleinsten von 30 « Durchmesser wohl bei jedem Tier herstellen. Allerdings kommen, wie schon oft erwähnt, Follikel von weniger als 500 « und mehr als 70 « Durchmesser bei den Tieren während der Legezeit nur selten vor. Der Umstand, dass sich in einem einzigen Ovar während der Zeit der Fortpflanzung alle, oder wenigstens fast alle Grössen von Follikeln auffinden lassen, hat viele Forscher veranlasst, die Oogenese einer Tierart an einem einzigen Exemplar zu unter- suchen und aus den gewonnenen Befunden die tiefgehendsten Schlüsse zu ziehen. Wie falsch ein derartiges Unternehmen ist, werden wir im folgenden zu zeigen (relegenheit haben. Wie Winiwarter und Sainmont (1908) sehr richtig bemerken, haben derartige Untersuchungen lediglich statistischen Wert, ja nicht einmal dies, naclı unserer Ansicht sind sie nur dazu be- rufen. Verwirrung anzustiften, da sie niemals vollkommen klare. einwandfreie Befunde liefern können. Ist es doch geradezu aus- geschlossen, an einem einzigen oder einigen wenigen Ovarien zu beurteilen, welche von den aufgefundenen Follikeln sich im An- tangsstadium der Rückbildung befinden und welche nicht. Um uns also wieder dem Studium der nicht abgelegten Follikel zuzuwenden, betrachten wir zunächst einige Tiere während des der Eiablage folgenden Zeitabschnittes. Unmittelbar nach Ablage des letzten Eies beginnt das Brutgeschäft, und zwar brüten beide Eltern, die Weibchen von nachmittags 2 Uhr bis morgens 10 Uhr, also während des grössten Teiles des Tages, in der übrigen Zeit die Männchen. Schon äusserlich unterscheidet sich nun das brütende Weibchen wesentlich vom Männchen und vom legenden Tier. Die Bauchhaut, die ja den Eiern unmittelbar aufgelegt wird, er- scheint kahl, die Epidermis ist trocken und schilfert sich in grossen Schuppen ab. Bei der Sektion findet man eine merkwürdige ödematöse Schwellung aller Organe, besonders aber der Bauch- haut. die oft bis 1 cm dick ist. Dieser Wasserreichtum der Organe nimmt bis zum Ausschlüpfen der Jungen und dann noch 3—4 Tage lang stetig zu, also während eines Zeitabschnittes von 182 H. Stieve: ungefähr 3 Wochen, und geht dann innerhalb weniger Tage, spätestens im Verlaufe einer Woche, vollkommen zurück, wenn die Weibchen sich bei der Nahrungssuche für die Jungen wieder ausgiebig bewegen. Während der Tage des Brütens bilden sich Eileiter und Uterus rasch zurück, am Ende der Brütezeit zeigen sie wieder die früher beschriebene und in Figur 1, Tafel IV. wieder- gegebene Form. Die Brütezeit kann also gewissermaßen dem Wochenbett der Säuger gleichgestellt werden. Das Ovar einer Dohle am 2. Brütetag ist abzüglich der sechs Calices 13,5 mm lang, 8,5 mm breit und etwa 7 mm dick, entspricht also in seiner Grösse einem Ovar vor Beginn der Ei- ablage. Die Oberfläche besteht nur aus kleinen, gestielten Fol- likeln von 3,5 bis 1,5 mm Durchmesser. Diese sind von glasig schleimigem Aussehen und hellgraurötlicher Farbe, die Follikel- hülle erscheint jedoch bei den meisten von ihnen nicht mehr glatt, sondern leicht gerunzelt. Mikroskopisch lassen sich an den meisten Follikeln von mehr als 1 mm Durchmesser Rückbildungsvorgänge nachweisen. Die weiterhin stattfindenden Vorgänge vollziehen sich nur sehr langsam, so dass die Unterschiede zwischen zwei Tagen nur sehr gering sind. Es sollen deshalb nur einige Övarien be- schrieben werden, die mehrere Tage auseinanderliegen. Am 6. Brütetag zeigt das Ovar folgenden Bau: Die Länge beträgt 11,4 mm, die Breite etwa 8 mm, die Dicke 4,5 mm. Sechs Calices sind vorhanden, der grösste ist 5 mm lang mit noch deutlich erkennbarer Öffnung, er zeigt hellgraurote Farbe, die übrigen stellen kleine knopfförmige Gebilde von schmutzig- gelber Farbe und 3 bis 1,5 mm Durchmesser dar. Zahlreiche gestielte Follikel sind vorhanden, die grössten haben 2,6 mm Durchmesser, zwischen ihnen und den kleinsten finden sich alle Übergänge. Die meisten haben runzelige Oberfläche und zeigen dadurch schon makroskopisch deutlich an, dass sie sich in Rück- bildung befinden. Einige haben schmutziggelbe Farbe und unter- scheiden sich nur wenig von den kleinsten Calices. Mikroskopisch lassen sich an den meisten Follikeln von über 400 « Durchmesser Rück- bildungserscheinungen nachweisen, es finden sich aber auch immer noch vereinzelte, die keinerlei solche Vorgänge erkennen lassen. Am 14. Brütetag misst das Ovar in der Länge 10 mm, in der Breite 6 mm, in der Dicke etwa 4 mm. Galices Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 183 sind nicht mehr zu erkennen, nur noch vereinzelte, eben sicht- bare gelbliche Knötchen, als letzte Reste der geplatzten oder zurückgebildeten Follikel, ausserdem noch zahlreiche kleine ge- stielte Follikel von 2,6 mm Durchmesser und darunter. die makroskopisch wie mikroskopisch das nämliche Bild bieten wie beim vorigen Tier. Aber selbst noch 14 Tage, ja 3 Wochen nach Beendigung der Eiablage finden sich in den Ovarien ver- einzelter Tiere noch vereinzelte, bald mehr bald weniger, ge- stielte Follikel, die keinerlei Rückbildungserscheinungen zeigen. Am 21. Brütetag hat das Ovar eine Länge von 8,5 mm, eine Breite von 6 mm und eine Dicke von 3—4 mm. Die Ober- fläche bietet jetzt wieder das gleiche Bild wie im Spätherbste, unregelmässige leicht höckerige Wülste, an denen sich keinerlei einzelne Follikel mehr erkennen lassen. Die tiefe Querfurche ist wieder sehr deutlich zu sehen. Die Farbe des Ovars ist hellgrau- gelblich, die Blutgefässe schimmern wieder durch. Nur am kranialen Teil finden sich stellenweise noch Follikel von 2—3 mm Durchmesser, bei einem Tier Nr. 93 ein solcher von 2,7 mm Durchmesser, mit vollkommen glatter Oberfläche. Er zeigt jedoch mikroskopisch ebenfalls schon die Zeichen des Verfalls, das Fol- likelepithel ist an der einen Seite mehrschichtig. Daneben finden sich bei diesem Tier noch zwei gestielte Follikel von 2,7 mm, bzw. 1,6 mm Durchmesser, deren gerunzelte Oberfläche schon makroskopisch deutlich zeigt, dass auch bei ihnen die Rückbildung schon begonnen hat. Im ganzen übrigen Ovar findet sich kein Follikel von über 100 « Durchmesser von normalem Aussehen. Die letzten Reste der Calices gehen im Stroma des Organs unter. Nach weiteren acht Tagen zeigt das Ovar das nämliche Aus- sehen wie es oben bei den alten Tieren im Herbste beschrieben wurde, seine Länge beträgt 6—8 mm, seine Breite 4—6 mm. die Dicke 3—4 mm. An der Oberfläche ist die tiefe Querfurche und vereinzelte kleinere Furchen, sonst aber keinerlei Struktur erkenntlich. Mikroskopisch besteht das Organ aus einer unter dem Epithel liegenden geschlossenen Schicht von kleinen Follikeln mit 30—40 u Durchmesser, die in 3—4facher Lage anzutreften sind, in den tieferen Schichten einige grössere im Wachstum be- griffene, im Stroma noch die Reste atretischer Follikel als einziges Zeugnis von den hochgradigen, stürmischen Entwicklungsvorgängen, die sich noch vier Wochen vorher an dem Organ abgespielt haben. 184 H. Stieve: Wenige Tage später sind auch diese Reste der vergangenen Brut- periode verschwunden. Für den Vogel beginnt nunmehr die Zeit des Federwechsels, während der der Körper alle Kräfte zur Er- neuerung seines Kleides benötigt. Erst wenn nach 3—4 Wochen die Mauser beendet ist, beginnt wieder die neue Entwicklungs- und Wachstumsperiode der Oozyten für das kommende Frühjahr. In ganz vereinzelten Fällen konnten wir auch vier Wochen nach Beginn des Brütens am Ovar noch einige gestielte Follikel von 1—2 mm Durchmesser nachweisen, im Höchstfalle fünf, die keinerlei Zeichen der Rückbildung an sich trugen. Vielleicht handelt es sich bei diesen Vögeln um solche Tiere, die zu einer zweiten Brut geschritten wären. Dies mag in einigen (regenden bei Dohlen vorkommen, in Polen gehört es sicher zu den Aus- nahmen. denn es gelang uns weder im Jahre 1916 noch 1917 eine zweite Brut aufzufinden. Auch zeigten mehr als 40 Weib- chen, die während und nach der ersten Brut untersucht wurden, so starke Rückbildungen an den Ovarien, dass eine Ablage von 5—6 Eiern in diesem Frühjahr sicher nicht mehr erfolgen konnte. Eine Ausnahme machten nur die oben geschilderten Vögel, drei an der Zahl. Unsere Untersuchungen haben also ergeben, dass alle nicht abgelegten Follikel des Dohlenovars, 6—33 gestielte und mehrere Dutzend, vielleicht hundert ungestielte, während der kurzen Zeit- spanne von drei, im höchsten Falle fünf Wochen vollkommen zurückgebildet werden, bindegewebig entarten und schliesslich in Stroma des Ovars untergehen. Von den vielen im Verlaufe eines Jahres heran- wachsenden Follikeln wird also nur eine ganz ge- ringe Zahl, fünf bis sechs, manchmal sieben, ihrer eigentlichen Bestimmung, der Entwicklung zu reifen Eiern, zugeführt, die weitaus überwiegende Mehr- zahl, mehrere hundert, ihre Zahl lässt sich auch nicht annähernd feststellen, verlassen das Ovar überhaupt nicht, sondern gehen, ehe sie ihre Ent- wicklung vollendet haben, zugrunde. Auf diese äusserst wichtige Tatsache hat noch keiner der vielen Forscher, die sich mit der Entwicklung des Eierstockeies beschäftigt haben, hingewiesen, obwohl sie nicht nur in physio- logischer, sondern wie wir weiter unten sehen werden, besonders Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 185 in histologischer Hinsicht von ungeheurer Bedeutung ist. Es er- scheint ganz unverständlich, warum alle bisherigen Untersucher, selbst solche, welche die Rückbildungsprozesse in Ovarien er- kannten, doch die weite Verbreitung und hohe Bedeutung dieser Vorgänge nicht beachteten, sondern achtlos an ihnen vorüber- gingen. 5. Nachlegen. Von dem Standpunkte ausgehend, dass keine Erscheinung in der Natur, die eine so allgemeine Verbreitung besitzt, wie die eben geschilderten Rückbildungsvorgänge und sich offenbar auch im Verlaufe der Jahre so restlos erhalten hat, trotz ihrer an- scheinlichen Widersinnigkeit vollkommen zwecklos sein kann, wollen wir nunmehr der Frage nach der Bedeutung dieser Rück- bildungsvorgänge näher treten, bzw. danach, warum im Vogelovar überhaupt eine so grosse Menge von Follikeln gebildet wird, wenn doch später die meisten von ihnen nicht ihrem Endzweck zugeführt werden. Wir haben gesehen, dass die Atresie im all- gemeinen nur Follikel unter einer Grösse von 3,5 mm Durch- messer, also vor Beginn des letzten Dotterwachstums befällt und nur in Ausnahmefällen grössere Follikel. Hier und da mag wohl die ungünstige Lage im Organ selbst und die damit verbundene schlechtere Ernährung die Ursache des Absterbens sein, in ganz vereinzelten Fällen, bei gestielten Follikeln. wohl auch Druck durch die Nachbarorgane, vielleicht auch eine der Stieltorsion von Geschwülsten ähnliche Erscheinung. In allen diesen Fällen kann es sich jedoch nur um vereinzeltes Auftreten der Rück- bildungsvorgänge handeln. wie es etwa in den ersten Monaten der Wachstumsperiode der Fall ist, nicht aber um eine so all- gemeine Erscheinung, welche die sämtlichen grösseren Follikel restlos betriftt, sobald die Eiablage beendet ist. Eine Erklärung konnten wir finden, indem wir das Nachlegen, das ja schon ein- gangs in den physiologischen Vorbemerkungen besprochen wurde, an unserem Objekt nachprüften. Wir entnahmen dem Neste einer Dohle, die 5 Eier gelegt hatte, am Tage der Ablage des fünften Eies 4 Eier, das Tier setzte einen Tag aus, legte dann aber an vier aufeinander folgenden Tagen je ein Ei, also im ganzen mit den zuerst gelegten 5 Eiern 9 Eier. Nun wurden abermals 4 Eier aus dem Neste genommen, die Mutter legte wieder 4 Eier nach, an vier aufeinander folgenden 156 H>Strewe: Tagen, nachdem sie zuerst einen Tag mit dem Legen ausgesetzt hatte. Im ganzen hatte dieses Tier also 13 Eier in 15 Tagen abgelegt. Vielleicht hätte der Versuch nochmals wiederholt werden können. Die betreffende Dohle wurde am Tage der letzten Eiablage getötet, am Ovar fanden sich 13 mehr oder weniger zurück- gebildete Calices und nur ein gestielter Follikel von 3.5 mm Durchmesser, sonst nur ganz kleine, die Oberfläche kaum über- ragende Follikel von unter 1 mm Durchmesser, zum grössten Teil in Rückbildung begriffen. Bei mehreren anderen Dohlen wurde der gleiche Versuch ausgeführt, die Zahl der entnommenen Eier war verschieden, die höchste Zahl, die wir von einem Tier bekamen, war 18 Stück an 21 Tagen. Häufig verliessen die Tiere nach der ersten oder zweiten Eientnahme das Nest und entzogen sich dadurch der Be- obachtung. Eine ganze Reihe aber wurde getötet und ilıre Ovarien untersucht. Sie unterschieden sich von denen anderer Tiere, das heisst solcher, die nur die gewöhnliche Eierzahl ab- legten bzw. abgelegt hatten, einzig und allein durch die grössere Anzahl der Kelche und die geringere Anzahl der gestielten Fol- likel. Sonst waren stets, je nach der Zeit, in der das Tier getötet wurde, alle die Stadien des Ovars zu beobachten, die oben genau beschrieben wurden und in Tafel III wiedergegeben sind. Es fehlten eben nur die kleineren, im unteren Teil der Tafel gezeichneten gestielten Follikel. Der Versuch glückte stets dann, wenn die Wegnahme der Eier spätestens unmittelbar nach der Ablage des letzten Eies er- folgte, in diesem Fall legte das Tier nach 2—3 Ruhetagen weiter, bis die Normalzahl von Eiern, also 6 oder 5, erreicht war. Dieses Nachlegen erfolgte jedoch nicht endlos, sondern nur bis zu einer Höchstzahl von 18 Eiern. Danach blieben die Tiere auf vier, drei. ja selbst nur auf einem Ei sitzen und brüteten bis zum Ausschlüpfen der Jungen, oder sie wurden, was in seltenen Fällen auch schon nach der ersten Wegnahme der ersten Eier und stets dann geschah, wenn alle Eier aus dem Nest entfernt wurden, vergrämt, verliessen das Nest und entzogen sich dadurch unserer Beobachtung. Wir konnten dann auch nicht mehr feststellen, ob das betreffende Tier anderwärts in einem neuen Nest nochmals zu legen begann, oder in diesem Jahr überhaupt nicht mehr legte. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 187 Ganz anders verhielten sich diejenigen Weibchen. bei denen die Wegnalıme der Eier erst einen oder mehrere Tage nach Ab- lage des letzten Eies erfolgte, also nach Beginn der Brütezeit. wenn die oben geschilderte ödematöse Schwellung des Körpers schon eingetreten war. In diesem Fall fand ein Nachlegen nie- mals mehr statt, das betretfende Tier brütete auf der verbliebenen Eierzahl weiter und wenn auch nur ein einziges die ganze Tätig- keit der Eltern in Anspruch nahm. Wurden alle Eier entfernt. dann sassen die alten Vögel oft mehrere Tage mit aufgeblasenen Federn am Nestrande, in vereinzelten Fällen brüteten sie selbst auf dem leeren Neste noch einige Tage fort und verliessen dann das Nest. Wir wollen hier nieht auf die physiologische Seite dieser Untersuchungen näher eingehen, vor allem nicht darauf, was den Vogel zu der Ablage der Eier veranlasst, sondern nur auf die dabei gewonnenen anatomischen Befunde und diese zur Erklärung der in Frage stehenden Vorgänge am Ovar verwerten. Durch unsere Versuche konnten wir zweifellos feststellen, dass beim Nachlegen auch jene kleinen Follikel zur Entwicklung kommen, die unter gewöhnlichen Ver- hältnissen der physiologischen Rückbildung anheim gefallen wären. Diese Entwicklung kann an den betreffenden Follikeln jedoch nur dann stattfinden, wenn am Ovar noch nicht die durch die Brütetätigkeit ausgelösten Rückbildungsvorgänge begonnen haben. Ist dies einmal der Fall, so bleibt das Tier, wenn ihm die Eier genommen werden, in dem betreffenden Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach unfruchtbar, es sei denn, dass die- jenigen Follikel, an denen wir auch nach Beginn der Brütezeit zunächst noch keine Rückbildungsvorgänge beobachten konnten, späterhin doch noch zur Entwicklung gelangen, ein Vorgang, der jedoch von uns niemals beobachtet wurde. Die kleinen gestielten Follikel stellen also das Reserve- material dar, das nur dann benützt wird, wenn die ursprünglich abgelegten Eier zugrunde gehen. Wir haben in dieser Er- scheinung also eine Zweckmässigkeitseinrichtung, zur Erhaltung der Art zu erblicken, die den Vogel vor ganzer oder zum mindesten vorübergehender Unfruchtbarkeit in einem Jahr schützt. Naturgemäss werden ja von den natürlichen Feinden der Vögel die meisten Eier gerade während der Legezeit zerstört, 185 H. Stieve: da während dieses Zeitabschnittes die Eltern noch nicht brüten und dabei die Eier durch ihre Färbung oder Körperkraft schützen. Sie haben reichlich damit zu tun, die nötige Nahrung zu sammeln, die ihr Körper zur Bereitung der Eier bedarf. Dementsprechend hat der Vogel die Fähigkeit, die verloren gegangenen Eier während der Legezeit zu ergänzen und trägt dadurch zur Erhaltung der Art bei. Während der Brutzeit ist ein Verlust der Eier nur selten. Die Notwendigkeit des Nachlegens wird an den alten Vogel also nicht mehr so häufig herantreten. Diese langbekannten Tatsachen haben nunmehr durch die anatomischen Befunde an den Ovarien eine Erklärung gefunden. Fassen wir nochmals kurz die Ergebnisse der in den letzten Abschnitten mitgeteilten Beobachtungen zusammen. Im Ovar der erwachsenen Dohle findet sich eine grosse Menge kleiner Follikel von 30—50 «4 Durchmesser. Ihr Wachs- tum beginnt im Herbst, bei den jungen Vögeln gleich nach dem Verlassen des Nestes, bei den älteren erst nach Beendigung der Mauser. Die Follikel wachsen von dieser Zeit an gleichmässig sehr langsam weiter, bis sie zu Beginn der Legezeit im April einen Durchmesser von ungefähr 3,5 mm erlangt haben. Bis zu dieser Grösse entwickelt sich jedoch nur eine geringe Zahl von ihnen, meist 10—20, die übrigen verfallen physiologischerweise der Atresie. Diese Rückbildungsvorgänge beginnen schon gleich zu Anfang des Follikelwachstums, also schon bei ganz jungen Tieren. Von den 10—20 grösseren Follikeln entwickeln sich 5—6, ausnahmsweise 7, innerhalb eines Zeitabschnittes von je 4 Tagen bis zu einer Grösse von 14,5 mm, dann erfolgt das Platzen des Follikels. Wir unterscheiden demnach bei der Ent- wieklung der Oozyte beim ausgewachsenen Vogel zwei Perioden, eine von 8—10 Monaten Dawer, während welcher langsames, aber gleichmässiges Wachstum statt hat und eine zweite von vier Tagen Dauer, in deräusserst rasches Wachstum, Anhäufung des gelben Dotters stattfindet. Alle nicht abgelegten Follikel, die einmal in die Wachs- tumsperiode eingetreten sind, also eine Grösse von über 100 u Durchmesser haben, unterliegen der physiologischen Rückbildung, sobald die Eiablage beendet ist und die Brütezeit begonnen hat. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 159 Die grössten von ihnen können jedoch zur Entwicklung und Ab- lage kommen, wenn dem Vogel die gelegten Eier genommen werden, bevor er zu brüten begonnen hat. Sie bilden also eine Reserve, die zum Ersatz der verloren gesangenen Eier dient. B. Die feineren Vorgänge bei der Entwicklung und Rückbildung des Kernes. 1. Normalzahl der Chromosomen. Vor der Beschreibung der Vorgänge am Zellkerne selbst sollen hier einige Angaben über die Normalzahl der Chromosomen vorausgeschickt werden, da ihre Feststellung für die nachfolgenden Beobachtungen von Wichtigkeit ist. Die unbedingt genaue Ermittelung der Normalzahl der Chromosomen war bei unserm Objekt, wie bei vielen anderen, nicht möglich. Die geringe Grösse der Zellen und die verhältnis- mässig hohe Zahl ziemlich grosser Chromosomen, die in keinem Zustand der Kernteilungsfiguren vollkommen getrennt und über- sichtlich lagen, erschwerte die Arbeit ungeheuer. Es wurden alle möglichen embryonalen Gewebe untersucht, angefangen von den Zellen des Gastrulastadiums bis zu denen einzelner Organe, auch die zahlreichen Mitosen im Epithel der grösseren Follikel wurden einer genauen Prüfung unterworfen. Die an einigermassen über- sichtlichen Zellen gewonnenen Zahlen schwankten zwischen 17 und 24, wonach die normale Chromosomenzahl auf durchschnittlich 20 festgesetzt werden kann. Etwas günstiger war das Ergebnis bei der Untersuchung der jüngsten Övarialeier. Es wurde eine grosse Anzahl von Oogonienteilungen durchgezählt und zu diesem Zwecke von den betreffenden Ovarien ziemlich dicke Schnitte (15 u) angefertigt, um sicher nur ganze Zellen und nicht irgendwelche Ausschnitte zu untersuchen. ÖOogonienteilungen fanden wir bei allen unter- suchten Dohlen vor dem Ausschlüpfen aus dem Ei, in grosser Menge aber auch nach dieser Zeit. Erst bei Vögeln von s—10 cm Körperlänge wurden die Kernteilungsfiguren in den Ovarien seltener und hörten bei 14 cm grossen Tieren ganz auf. In dieser Hinsicht stehen unsere Beobachtungen in ent- schiedenem Gegensatz zu denen d’Hollanders (1905), der bei ausgeschlüpften Hühnern nie mehr Mitosen nachweisen Konnte. Allerdings ist ja das Huhn in seiner Entwicklung beim Aus- 190 H. Stieve: schlüpfen als Nestflüchter schon wesentlich weiter vorgeschritten, auch was das Integument und die Sinnesorgane betrifft, als die Dohle, die bekanntlich zu den Nesthockern gehört und beim Ver- lassen des Eies noch ohne Federkleid und blind, vollkommen auf die Fürsorge der Eltern angewiesen ist. Allein d’Hollander gibt auch an, bei Nesthockern, er untersuchte einige Singvögel. nach dem Ausschlüpfen keine Oogonien und Mitosen mehr auf- gefunden zu haben. Bei den Oogonienteilungen gelang es in der Polansicht der Spindel fast stets die überwiegend grössere Mehrzahl der Chromo- somen genau abzugrenzen. Es wurden von jeder Zelle jeweils mehrere Zeichnungen der verschiedenen Einstellungsebenen ent- worfen und auf diese Art und Weise die Zahl der zweifelhaften Stellen, bei denen man nicht sicher sagen konnte, ob es sich um ein oder zwei Chromosomen handele, auf ein Geringstmass herab- gedrückt. Wir zählten in den einzelnen Zellen 16—24 Chromo- somen. Die Zahl,der im Urei vorhandenen Chromo- somen beträgt demnach ebenso wie in den Körper- zellen im Mittel 20. Über weitere Zählungen, die an den Oozyten vorgenommen wurden, soll weiter unten berichtet werden. 2. Dogonien. OVogonien konnten wir in Ovarien aller Tiere bis zu einer Körperlänge von 14 cm nachweisen, über ihre Herkunft wurden keinerlei Beobachtungen gemacht, es darf jedoch als sicher an- genommen werden, dass sie sich direkt aus den Zellen des Ovarial- epithels entwickeln. Die kleinsten von ihnen (Abb. 5—7) haben einen Durchmesser von 7—9 u, ihr Kern einen solchen von 5 bis 6 u bzw. S-9 zu 4—5 u. Sie zeigen bald runde, bald mehr ovoide Form. In dem grossen bläschenförmigen Kern findet sich ein feinstes Ohromatinnetz, an den Kreuzungsstellen der einzelnen Fäden dieses Netzwerkes häuft sich das Chromatin in Brocken an. Bei den kleinsten Formen (Abb. 5), die wohl unmittelbar aus einer Teilung hervorgegangen sind und grösstenteils Kugel- gestalt besitzen, ist das Chromatinnetz besonders deutlich, ebenso ist hier die stets einfache Kernmembran sehr gut darstellbar. An ihrer Innenseite ist das Chromatin in grösseren Brocken an- gelagert. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 191 Während des nun folgenden Wachstums (Abb. S—10) nimmt der Kern eine mehr längsovale Form an, die Kernmembran und das Chromatinnetz verlieren etwas an Deutlichkeit, sind jedoch noch stets gut darstellbar. An den Kreuzungsstellen der Chro- matinfäden findet sich nach wie vor das Chromatin in Gestalt grösserer und kleinerer, unregelmässig gestalteter Brocken. jeder Kern enthält meist einen grösseren und 3—4 kleinere derartige Chromatinklumpen. Dass es sich bei diesen Gebilden tatsächlich um Chromatinansammlungen und nicht um nukleolenartige Ein- lagerungen handelt, ergibt sich einwandfrei aus ihrem Verhalten den spezifischen basischen Chromatinfarben gegenüber, mit denen sie sich stets sehr deutlich färben. Nukleolen konnten wir an Oogonien niemals beobachten. Gegen die Annahme, dass es sich bei den eben beschriebenen Zellen um junge ÖOozyten handle, spricht erstens ihre Lage im Organ selbst und dann hauptsäch- lich ihr Vorkommen in ganz jungen Ovarien, in denen sich über- haupt noch keinerlei Oozyten nachweisen lassen. Die Vorgänge im Protoplasma sollen, wie schon oben gesagt. im allgemeinen nicht mitberücksichtigt werden, hier nur soviel, dass bei den Oogonien das Plasma meist eine homogene, ziemlich dunkle Beschaffenheit zeigt, irgendwelche Einlagerungen sind nicht zu beobachten, mit Ausnahme des hier noch sehr undeutlichen Dotterkernes, der sich bei günstigen Schnittrichtungen als dunkler, dem Kern sich halbmondförmig anlagernder Hof zeigt, nur selten ist das Zentriol erkennbar. Öogonienteilungen. Haben die Oogonien eine Grösse von etwa 10 u zu5—6 4 erlangt (Abb. 9—10), so gehen abermals Veränderungen an ihnen vor. Die bisher kompakten Chromatinbrocken beginnen sich auf- zulockern und auf die feinen Stränge des Netzwerkes zu ver- teilen. Gleichzeitig sammelt sich an der Innenseite der Kern- membran neues Chromatin in grossen Brocken an (Abb. 10). Während sich der Zellkern selbst stetig vergrössert, verteilt sich alles in ihm enthaltene Chromatin gleichmässig auf das ganze Netzwerk und verschwindet so von der Kernmembran (Abb. 11). Anfangs erscheinen die Kreuzungsstellen noch klumpig verdickt, nach und nach verschwinden diese Auftreibungen, und bald er- scheinen im ganzen Netzwerk alle Chromatinfäden von gleich- 192 H. Stieve: mässiger Stärke (Abb. 12). Zugleich beginnt die Kernmembran zu schwinden, das Zentriol nimmt Bisquitform an und teilt sich später in die beiden Tochterzentriolen. Nach dem völligen Schwinden der Kernmembran ordnet sich das chromatische Netz- werk zu einem feinen lockeren Knäuel an, während die Tochter- zentriolen auseinander rücken (Abb. 13 und 14). Währenddessen haben die Oogonien ihre bisher ovoide Form verloren, sie besitzen, wie in allen folgenden Stadien bis zur beginnenden Tochterstern- bildung, stets deutlich kugelige Gestalt mit einem Durchmesser von 10 —12 u. Einen Längsspalt konnten wir in diesem Stadium des Monospirems nie beobachten, ebensowenig später, nachdem schon die Teilung in die einzelnen Mutterchromosomen stattge- funden hatte. Der lockere Faden zerfällt nunmehr in die einzelnen Chromo- somen (Abb. 15—19). deren Zahl. wie wir schon oben feststellten, im Mittel 20 beträgt. Dabei tritt eine wesentliche Verdickung und Verkürzung der einzelnen Teilstücke auf, die Mutterchromo- somen besitzen im Mittel wohl die doppelte Dicke als der lockere Faden. Es handelt sich bei diesem Vorgang offenbar um eine /usammenziehung und nicht um Anhäufung von neuem Chromatin. Häufig kann man beobachten (Abb 15). dass in einem Teil des Kernes der Faden schon vollkommen in die einzelnen Chromo- somen zerfallen ist. während im anderen Teil die Chromosomen noch durch dünne Uhromatinbrücken miteinander in Verbindung stehen. Die einzelnen Chromosomen stellen kurze, plumpe, meist leicht gebogene Stäbchen dar, die doppelt bis dreimal so lang als dick sind. Sie sind untereinander von sehr verschiedener (srösse und Gestalt, oft ganz kurz, fast kugelförmig, dann wieder länglich, gerade gestreckt oder gebogen. Ilhre Länge unterliegt viel grösseren Schwankungen als die Dicke, ja man kann fast behaupten, dass der Dickendurchmesser bei allen Chromosomen einer Zelle gleich ist. Niemals konnten wir ein einzelnes Chromo- som beobachten, das sich von den übrigen durch seine besondere Gestalt, Lage oder Färbbarkeit wesentlich unterschied. Anfänglich, das heisst gleich nach der Teilung des Mono- spirems, liegen die Chromosomen ziemlich locker und gleichmässig über den grössten Teil der Zelle verstreut und treten erst später mehr und mehr gegen die Mitte hin zusammen (Abb. 16—19), bis sie schliesslich nur mehr etwa die Hälfte bis ein Drittel des Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle, 193 ganzen Zellinhaltes einnehmen. Die Zentriolen sind deutlich sicht- bar, ebenso die Spindel, wogegen die Polstrahlung im ganzen Kerne nicht sehr deutlich ausgeprägt ist. Während die Chromosomen in der Mitte der Zelle zusammen- geballt sind, beziehungsweise dicht beieinander liegen. erfolgt ihre Teilung, im Anschluss daran ihr Auseinanderrücken und die Verteilung auf die Tochterzellen. Die feineren Einzelheiten dieses Vorgangs lassen sich an unserem Objekte nicht feststellen. Die grossen, oben genauer beschriebenen Mutterchromosomen treten in den dichten Haufen zusammen, in diesem Zustande sind die einzelnen von ihnen nur äusserst schwer und zwar nur an den Randpartien voneinander zu trennen. Wenn sich der Haufen löst und die einzelnen Chromosomen wieder deutlich abgrenzbar sind, hat ihre Teilung bereits stattgefunden, man erkennt die Tochter- chromosomen (Abb. 20—21), die wesentlich dünner sind als die Mutterchromosomen, sich jedoch in der Länge nicht von ihnen unterscheiden. Ihre Zahl beträgt, soweit wir dies feststellen konnten, in jeder Tochterzelle ungefähr 20. Aus dem Vergleich der Tochterchromosomen mit den Mutterchromosomen und aus der Analogie dieser Vorgänge mit den an anderen Objekten be- obachteten dürfen wir annehmen, dass eine Längsteilung der Chromosomen stattgefunden hat. Die Zentriolen und die Spindelfasern sind während dieser zu- letzt beschriebenen Vorgänge sehr deutlich sichtbar. Gleich nach dem Auseinanderrücken liegen die Chromosomen ziemlich locker, während des nun folgenden Auseinanderrückens der Tochterzellen ziehen sie sich jedoch mehr und mehr zu zwei Haufen zusammen, deren jeder den Kern der künftigen Zelle bildet. 3. Die kleinsten Oozyten. Während die beiden Tochterzellen mehr und mehr ausein- anderrücken, lockert sich der in der Mitte gelegene Chromosomen- haufen wieder auf und lässt nunmehr auch wieder Einzelheiten erkennen. Er besteht aus einem, vielleicht auch aus mehreren langen Fadenstücken, die jedoch nicht gleichmässig dick sind, sondern in ziemlich regelmässigen Zwischenräumen wulstig auf- getrieben erscheinen. Dabei ist es schwer zu entscheiden, ob es sich tatsächlich um einen einzigen fortlaufenden Faden oder um mehrere wirr durcheinander liegende Teilstücke handelt. Manch- Archiv f.mikr. Anat. Bd. 92. Abt. I. 13 194 H. Stieve: mal scheint das erstere der Fall zu sein, häufiger jedoch das letztere (Abb. 24, 25, 26), jedenfalls, sofern überhaupt ein konti- nuierlicher Faden vorhanden war, so ist sein Bestand kein langer, er löst sich in kürzester Zeit, noch ehe die Trennung der Tochter- zellen ganz vollendet ist, in einzelne Teilstücke auf, welche dann die Mitte der Zelle in allen Richtungen durchziehen. Nun erfolgt zunächst wieder eine Vermehrung des Chroma- tins, die mit dem Grössenwachstum der Oozyten Hand in Hand geht. noch bevor die Kernmembran sich gebildet hat. Die einzelnen Chromatinfäden erscheinen dick und plump und zwar besonders an den Randpartien des Kernes (Abb. 27). Während die Oozyte ständig an Grösse zunimmt, verteilt sich dann das Chromatin gleichmässig auf die wirr durcheinander liegenden Fadenstücke, gleichzeitig bildet sich eine deutliche Kernmembran (Abb. 23). Nach und nach erlangen alle Chromatinfäden ziemlich gleiche Dicke und zeigen nur noch an ganz vereinzelten Stellen kolbige Auftreibungen, sie liegen noch immer regellos durcheinander, häufig berühren sie sich an Kreuzungspunkten, stellenweise scheinen sie sich zu gabeln, und es ist deshalb nicht mehr sicher zu ent- scheiden, ob es sich jetzt noch um einzelne Fadenstücke, oder um ein richtiges Netzwerk handelt (Abb. 29—31). An einer Stelle des Kernes beginnt sich etwas Chromatin anzusammeln und einen grösseren Klumpen zu bilden (Abb. 31). Nach und nach löst sich dieses Gewirr von Chromosomen in ein feinstes Netzwerk auf. Die junge Oozyte hat nunmehr ungefähr 15 « Durchmesser, ihr Kern einen solchen von 8—10 u, in ihm ist das Chromatin wieder als feinstes, sehr deutlich dar- stellbares Netzwerk verteilt, es finden sich ein, höchstens zwei sehr deutlich sichtbare chromatische Klumpen von annähernd kugelförmiger Gestalt und glatter Oberfläche, die jedoch auch hier nicht als Nukleolen, sondern lediglich als Anhäufung von Chromatin anzusprechen sind, da sie alle basischen Chromatin- farben in der gleichen Weise wie das Netzwerk aufnehmen. Bei Dreifachfärbung nach Flemming erscheinen alle Kernstrukturen leuchtend rot. Die kleinen Oozyten sind inzwischen durch die zwischen- wachsenden Zellen immer mehr auseinandergedrängt worden und sind nun von einem einschichtigen Epithel umgeben, das anfangs aus ganz flachen, später mehr kubisch geformten und schliesslich Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 195 zylindrischen Zellen bestelt. Was die Herkunft dieser Follikel- epithelzellen betrifft, so dürfen wir auf Grund unserer Präparate mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass sie sich ebenso wie die Oogonien aus dem Keimepithel entwickeln. In Ovarien ganz junger, noch im Ei befindlicher Tiere beobachteten wir häufig ganze Nester von indifierenten Zellen mit längsovalen, bläschenförmigen Kernen. deren Herkunft aus dem Keimepithel zweifellos erschien, ja in allen Übergängen festgestellt werden konnte. Aus diesen Zellen entwickelten sich später die Follikelepithelzellen. Andererseits konnte aber auch die Entwicklung der Oogonien aus den Ovarial- epithelzellen beobachtet werden. Uns erscheint also eine gemein- same Herkunft der Ei- und Follikelepithelzellen äusserst wahr- scheinlich, der gleichen Anschauung sind Waldeyer (1870, 1901), Balfour (1878), Schulin (1851), Borsenkow (1869), Nuss- baum (1901), Janosick (1885, 1890), d’Hollander (1905) und Jörgensen (1910). v. Mihalkowicz (1885) dagegen lässt aus dem Keimepithel eigene Sexualstränge entstehen, aus denen die Oogonien gebildet werden, während die Follikelzellen unmittelbar aus dem Keimepithel hervorgehen; er tritt also eigent- lich auch für gemeinsame Abstammung, jedoch unter Ausschaltung der indifferenten Zellen ein. Holl (1890) lässt die Follikel- zellen von den Bindegewebszellen des Ovars abstammen. Kohl- brugge (1901) beschreibt die Bildung von Follikelzellen aus Elementen, die der Eizelle gleichwertig sind. er hält auch die Theca follieuli nicht für eine bindegewebige Hülle, sondern lässt sie aus modifizierten Follikelzellen hervorgehen. Im Gegensatz dazu kommt Harz (1884) zu dem Schluss, dass „wohl nichts anderes übrig bleibt als anzunehmen, dass die Zellen der Membrana granulosa innerhalb des Stromas von den Ureiern gebildet werden.“ Was die Frage nach der Zahl der aufeinanderfolgenden Oogonienteilungen betrifft, so konnten wir bei Colaeus über sie keinen Aufschluss erhalten. Die Teilungen treten im Ovar an ganz verschiedenen Stellen stets nur einzeln und niemals nester- weise auf, auch liegen die Oogonien nicht in scharf umschriebenen Nestern zusammen. Infolgedessen ist eine Berechnung der statt- gefundenen Teilungen aus der Zahl der beieinander liegenden Oogonien hier nicht möglich. Bouin (1901) und King (1908) nehmen ja an, dass die in einem Neste vereinigten Oogonien Tochterzellen einer einzigen Mutteroogonie sind und berechnen 15% 196 H. Stieve: aus ihrer Zahl die Anzahl der Oogonienteilungen. Allerdings muss dabei als Voraussetzung dienen, dass alle Zellen eines Nestes aus der gleichen Anzahl von Teilungen hervorgegangen sind. Bei der Dohle sind die jüngsten Oogonien stets auch schon scharf umschrieben und deutlich voneinander abgegrenzt, ein Oogoniensynzytium, wie Bataillon (1891) es beobachtete, konnten wir nicht nachweisen. Die jüngsten Oozyten zeigen in allen Fällen das Uhromatin sehr deutlich in netzförmiger Anordnung, es ist mit allen basischen Farbstoffen ohne weiteres darzustellen. Ein „Chromatinzer- stäubungsstadium“, wie es von zahlreichen Untersuchern, so be- sonders von Bouin (1901), von Winiwarter und Sainmont (1908) und Jörgensen (1910) für ihre Objekte als bezeichnend für die jüngsten Oozyten angegeben wird, konnten wir nicht nach- weisen, wenigstens nicht in normalen Oozyten. Unsere Beobach- tungen stimmen darin mit d’Hollander (1905), Loyez (1905 bis 1906) und Sonnenbrodt (1908) überein. Bei den im letzten Abschnitt beschriebenen Vorgängen handelt es sich für uns in der Hauptsache um die Feststellung der Chromosomenzahlen, sowie um die Entstehung und Form der jüngsten Oozyten. Eine weitere Untersuchung von Ovarien junger, nicht ausgewachsener Tiere wurde nicht mehr vorgenommen, weil sich diese Arbeit nur mit den Vorgängen am Ovar der aus- gewachsenen Dohle beschäftigen soll, was wir hier nochmals aus- drücklich betonen wollen. Wenn wir auch bei den jüngsten aus- gewachsenen Tieren noch kleine Oozyten vorfanden, welche den zuletzt beschriebenen Formen vollkommen glichen, man vergleiche hierzu die Abbildungen 32 und 33, so erscheint es doch keines- wegs ausgeschlossen, dass sich in der Zwischenzeit Vorgänge, ähnlich oder ebenso, wie sie d’Hollander (1903) bei ver- schiedenen Vogelarten in jüngerem Alter nachweisen konnte. an den Oozyten abspielten. Ganz ähnliche Formen wie d’Hollander fand Sonnenbrodt (1908) ebenfalls bei ganz jungen eben aus- geschlüpften Hühnern, sie sind für uns hier auch deshalb weniger von Bedeutung, weil die Angaben der Untersucher über sie fast vollkommen übereinstimmen und vor allem, weil während dieses Zeitabschnittes keinerlei Stadien beschrieben sind. in denen eine Zerstäubung oder auch nur ein Undeutlichwerden der Chromo- somen stattfinden soll. Es bedeutete daher eine überflüssige Arbeit, Die Entwicklung des Bierstockseies der Dohle. 197 solche. von keiner Seite angezweifelte Befunde immer wieder zu bestätigen und dadurch die ohnehin schon fast unübersehbare Literatur über die Oogonese unnützerweise noch zu vergrössern. 4. Wachstumsperiode bis zur Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen. Im Ovarium einer ausgewachsenen jungen Dohle unmittelbar nach dem Verlassen des Nestes findet sich, wie schon bei der makroskopischen Beschreibung gesagt wurde, eine 2—3 fache Schicht von Follikeln. Die kleinsten von ihnen zeigen den näm- lichen Bau wie die zuletzt beschriebenen (Abb. 33— 35), sie haben einen Durchmesser von 16—17 u, der Kern misst S—10 «u. Im Kerne ist das Chromatin als feinstes, äusserst deutlich mit Kern- farbstoffen darstellbares Netzwerk zu sehen, an den Kreuzungs- stellen der Maschen dieses Netzwerkes erscheinen oft leicht knötchenförmige Verdiekungen. Meist ist es schwer zu entscheiden, ob es sich um ein echtes Netz oder um einzelne wirr durcheinander liegende Fäden handelt. Jedenfalls wurden niemals Gabelungen, sondern stets nur echte Überkreuzungen der Fäden festgestellt. Stets findet sich ein. manchmal auch zwei kleine, äusserst deut- liche, weiter oben genau beschriebene Chromatinklumpen. Bei Dreifachfärbung nach Flemming erscheint das ganze Kerngerüst leuchtend rot, die Kerne befinden sich also in keinem Ruhestadium, was auch den Tatsachen entspricht, da die Oozyten sicher nur kurze Zeit in diesem Zustande verweilen. Der Kernsaft ist hell, homogen die Kernmembran, sehr deutlich darstellbar, stets ein- fach. Im Protoplasma, das netzige oder wabige Struktur zeigt, findet sich bei günstiger Schnittrichtung ein Dotterkern. Die eben beschriebenen Follikelformen finden sich bei ganz jungen aus- gewachsenen Dohlen noch in geringer Zahl, bei älteren Tieren nicht mehr. Sie stellen die kleinsten beim ausgewachsenen Tier nachweisbaren Oozyten vor (Abb. 33. 34) und sind von einer ein- fachen Schicht flachen Follikelepithels umgeben. Mit der Follikel- hülle beträgt der Durchmesser des ganzen Follikels 25—30 u.') Ausserdem finden sich in das lockere, zwischen den Follikeln befindliche gefässreiche Bindegewebe eingelagert, bei Tieren jeden ') Anmerkung. Alle Angaben über die Grösse der Follikel be- greifen in Zukunft stets die Follikelhülle mit in sich. 198 H. Stieve: Alters und zu jeder Jahreszeit, stets vereinzelte, bald allein, bald zu mehreren beieinander liegende kleine runde Zellen, die sich durch ihren Bau wesentlich von den umliegenden Bindegewebs- zellen und von den Zwischenzellen des Ovars unterscheiden. Der bläschenförmige Kern hat einen Durchmesser von 5—7 ıı, die ganze Zelle einen solchen von 9—11 u. Der Kern ist meist kugelrund, seltener längsoval oder offenbar unter dem Druck des umgebenden Gewebes (Folge der Fixierung?) etwas anders ge- staltet, er besitzt eine sehr deutliche, besonders mit Eisenhäma- toxylin gut darstellbare Membran. In seinem Innern findet sich ein allerfeinstes Chromatinnetz, dessen Fäden in der Hauptsache in radiärer Richtung verlaufen. doch stehen diese radiären Fasern wieder durch feine Queıfasern miteinander in Verbindung. An einzelnen Stellen, besonders an den Kreuzungspunkten, erscheinen die Fasern knötchenförmig verdickt. ebenso an den Stellen. wo sie scheinbar in die Kernmembran einmünden. Meist in der Mitte des Kernes findet sich an einer, manchmal auchan zweibis drei Stellen eine grössere Anhäufung chromatischer Substanz, als unregelmässig geformte Brocken mit höckeriger Oberfläche, zu denen die meisten Chromatinfäden sich hinziehen. Der Kernsaft erscheint homogen ziemlich dunkel. Bei Dreifachfärbung nach Flemming erscheint das Chromatin der Kerne violett. Das Protoplasma zeigt aller- feinste netzige (oder wabige?) Struktur, einen Dotterkern oder sonstige Einlagerungen konnten wir nicht nachweisen. Häufig, wenn mehrere dieser Zellen unmittelbar nebeneinander liegen, sind die Grenzen nicht deutlich sichtbar, ohne dass man jedoch von einer synzytialen Bildung sprechen kann. Die Zellen gleichen in jeder Hinsicht den früher beschriebenen und in Abb. 5 und 6 wiedergegebenen Oogonien, sind also wahrscheinlich auch als Oogonien anzusprechen. Niemals finden sich jedoch in den Ovarien ausgewachsener Tiere, die wir alle ausdrücklichst daraufhin untersuchten. Oogonien- teilungen oder die kleinsten Oozytenformen. Beim erwachsenen Tier findet also sicherlich unter gewöhnlichen Verhältnissen keine Neubildung von Oozyten mehr statt, was ja auch bei der un- geheuren Anzahl der vorhandenen Eizellen vollkommen überflüssig wäre. Ob die soeben beschriebenen oogonienähnlichen Gebilde noch jemals zur Entwicklung kommen, lässt sich sehr schwer feststellen, es wäre aber immerhin möglich, dass sie eine Art Die Entwicklung des Eierstuckseies der Dohle. 199 Reservematerial vorstellen, welches in der Lage ist, in Ausnahme- fällen neue Oozyten zu bilden, wenn z. B. durch irgendwelche Krankheitsprozesse alle im Ovar vorhandenen Oozyten zugrunde gegangen wären, ähnlich wie ja auch sonst im Körper viele Ge- webe die Fähigkeit besitzen, im Notfall, das heisst zum Ausgleich von Krankheitsprozessen, eine regenerative Tätigkeit zu entfalten, die ihnen sonst nur im Embryonalleben zukommt. Die Eizellen nehmen verhältnismässig rasch an Grösse zu (Abb. 34—36), ohne dass sich an dem Bau des Kernes eine wesentliche Veränderung zeigt. Erst wenn der Kern einen Durch- messer von 15—16 u, der ganze Follikel einen solchen von 30 bis 35 « erlangt hat, bemerkt man wieder Veränderungen. Der Chromatinbrocken beginnt sich aufzulockern und schliesslich ganz zu zerfallen, gleichzeitig verdicken sich die Fäden des Chromatin- netzes. Anfangs zeigen sich die Kreuzungsstellen der Fäden ver- dickt, später die Fäden selbst an einzelnen Stellen und schliess- lich weisen sie im ganzen Kern eine ziemlich gleichmässige Stärke auf und zeigen nur mehr ganz vereinzelte spindelförmige Auf- treibungen. Nunmehr hat sich auch das Chromatinnetz verändert, das Chromatin bildet einen langen, dünnen, vielfach gewundenen und geschlungenen, in seinen Windungen den ganzen Kern gleichmässig durchziehenden Faden (Abb. 37). Dieser ist jedoch immer noch nicht in allen seinen Teilen von ganz gleicher Dicke, sondern zeigt auch jetzt noch vereinzelte dickere und dünnere Abschnitte. Der Kernsaft ist hell, homogen, ein Kernkörper oder eine umschriebene Chromatinanhäufung ist nicht vorhanden. Am Faden konnten wir niemals einen Längsspalt oder auch nur die Andeutung eines solchen erkennen. Neben diesen Kernen mit sehr deutlich ausgeprägtem Mono- spirem finden sich stets auch solche, in denen sich der laden durch eine Zeitlang gut und leicht verfolgen lässt, sich aber dann plötzlich zu gabeln scheint, ausserdem auch die in Abb. 38 wieder- gegebenen Kerne, bei denen es sich schwer sagen lässt, ob es sich noch um netzförmige Verteilung oder schon um die Aus- bildung des Monospirems handelt. Die beiden zuletzt beschriebenen Formen sind sicherlich die letzten Übergänge vom netzförmigen Zustand des Chromatins in den fadenförmigen, in denen die letztere Form noch nicht vollkommen ausgebildet ist. Bei der völligen Ausbilduug des Monospirems hat der Kern einen Durchmesser 200 H. Stieve: von 18—19 u erreicht, der ganze Follikel einen solchen von un- gefähr 40 u. Nunmehr zerfällt der Faden in einzelne Abschnitte, indem er sich an verschiedenen Stellen quer teilt (Abb. 39). Offenbar spielt sich dieser Vorgang nicht am ganzen Kern gleichzeitig ab, sondern nach und nach, man findet nämlich häufig Kerne, bei denen schon einzelne Chromosomen vollkommen isoliert liegen, daneben aber der Faden auf lange Strecken hin ununterbrochen sich verfolgen lässt. Aber auch, wenn die Teilung am ganzen Faden vollzogen ist. sind die Teilstücke niemals von gleicher Länge, sondern unterscheiden sich in bezug auf ihre Grösse sehr wesent- lich voneinander, insofern die kürzesten vonihnen etwazwei Dritteldes Kerndurchmessers ausmachen, die längsten aber gut das Doppelte. Der Kern hat inzwischen nur wenig an Grösse zugenommen, er hat jetzt einen Durchmesser von ungefähr 20 «, der Follikel einen solchen von 42—45 u. Die Gesamtmasse des Chromatins hat sich dabei aber keineswegs vermehrt. sondern ist auf dem gleichen Stand wie im Zustand des Monospirems geblieben, weshalb der Kern jetzt etwas chromatinärmer und dadurch heller als früher erscheint. Von hoher Bedeutung war jetzt für uns die Feststellung der Uhromosomenzahl. Leider stellten sich uns bei diesen Unter- suchungen noch grössere Schwierigkeiten entgegen als bei den früheren, an Oogonien vorgenommenen Zählungen. Die erhebliche Grösse des Kernes bedingte eine sehr grosse Schnittdicke, wollte man den ganzen Kern sicher auf einem Schnitt vorfinden. Schon dadurch allein war das Arbeiten sehr erschwert, noch mehr aber dadurch, dass die einzelnen Chromosomen fast nie in einer dem Objekttisch des Mikroskopes parallelen Ebene lagen und auch zumeist nicht gerade, sondern in mehr oder weniger gewundenen Linien in allen Richtungen den Kern durchsetzten. Dazu kam noch der wesentliche Grössenunterschied zwischen den einzelnen Chromosomen. Durch Anfertigung zahlreicher Zeichnungen von jeder Zelle gelang es jedoch mehrmals wenigstens einigermassen sicheren Aufschluss über die Chromosomenzahl zu erhalten, sie betrug 15—24, im Durchschnitt also wieder 20. Esfandalso wieder eine Teilung in die Normalzahl der Chromo- somen statt. Nicht immer lagen die Chromosomen ganz klar und deut- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 201 lich voneinander getrennt, es kamen vielmehr auch Kerne zur Beobachtung (Abb. 40). bei denen die Teilstücke des Fadens sich oftmals überkreuzten und an den überkreuzten Stellen allem An- scheine nach berührten. Dabei erschienen besonders bei Hämatoxylin- färbungnach Heidenhain die Überkreuzungsstellen oftmals-etwas verdickt. Bei anderen Färbemethoden (Boraxkarmin, Safranin) konnten wir diese Verdickung nicht nachweisen und halten sie deshalb für ein Kunsterzeugnis der betreffenden Färbemethode. Solche Bilder legen ja den Gedanken nahe, ob die Bildung der Chromosomen nicht auch unter Umgehung des Monospirems un- mittelber aus dem Netzwerk des Kernes erfolgen kann, wie dies von einigen Untersuchern angenommen wird. Auf Grund der zahlreichen vorgefundenen, überaus deutlich ausgeprägten Fälle eines Monospirems glauben wir jedoch eine solche Annahme mit Sicherheit ausschliessen zu können. Die getrennten Chromosomen unterliegen nun weiterhin noch deutlichen Veränderungen. Während sie gleich nach ihrem Ent- stehen aus dem kontinuierlichen Faden noch die nämliche Be- schaffenheit zeigen wie der Faden selbst, also ziemlich lange, häufig knötchenförmig verdickte, leicht geschlängelte oder selbst etwas gewundene Fäden darstellen, erfahren sie in der Folgezeit eine Verkürzung und gleichzeitige geringe Verdickung (Abb. 41). Sie erscheinen nunmehr in ihrem ganzen Verlauf ziemlich gleich- mässig dick, meist ganz glatt und zeigen nur ganz vereinzelte stachel- bis dornenförmige, kurze seitliche Auswüchse. Sie sind gleichmässig im ganzen Kerninnern verteilt und zeigen in bezug auf ihre Lage nichts Charakteristisches. Man findet sie in jeder Richtung liegend. bald quer in der Mitte des Kernes, bald senk- recht, bald parallel zur Oberfläche verlaufend, oftmals hat es den Anschein. als ob sie an die deutlich sichtbare Kernmembran an- stössen. Auch jetzt noch erscheinen sie öfters wie gegabelt, was sich jedoch bei genauer Untersuchung niemals als richtig erweist, vielmehr handelt es sich in solchen Fällen stets um Kreuzungen, bei denen ein Teil des einen Chromosoms in einer anderen Ebene liest oder durch andere Chromosomen verdeckt wird. Die Zahl der vorhandenen Chromosomen lässt sich nunmehr leichter fest- stellen als bei den vorhergehenden Zellformen, sie beträgt 16 bis 24. also wieder im Mittel 20, es hat also sicherlich keinerlei Konjugation der Chromosomen stattgefunden. Der Kernsaft ist 202 H. Stieve: klar. homogen, der Kern hat sich nicht wesentlich vergrössert. Die chromatische Substanz lockert sich in der Folgezeit etwas auf und gleichzeitig tritt eine deutliche Längs- spaltung jedes einzelnen CGhromosoms ein (Abb. 42 und 43). Häufig kann man anfangs nur einen ganz schmalen Längsspalt beobachten, der sich bloss über einen Teil des Chromo- soms erstreckt, häufig über die Mitte, in welchem Fall er den Eindruck eines knopflochartigen Schlitzes macht. in selteneren Fällen an einem oder an beiden Enden. In diesem Falle kann man echte (rabelungen beobachten. es erscheinen sodann aber die beiden Spalthälften, wesentlich dünner als das ungespaltene Stück. Oft tritt der Spalt bei einem Chromosom an mehreren Stellen gleichzeitig auf, so dass die beiden Spalthälften eine Strecke weit gemeinsam verlaufen, dann auseinanderweichen, sich wieder ver- einigen, nochmals auseinanderweichen und sich schliesslieli noch- mals vereinigen. Der Kernsaft bleibt dabei gleichmässig klar. der Kern sowohl als auch der Follikel haben kaum an Grösse zugenommen. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird die Längs- spaltung der Chromosomen immer deutlicher (Abb. 44 und 45). Die beiden Spalthälften sind nunmehr vollkommen selbständige Fäden, die paarweise sich mehrfach überkreuzend beieinander liegen. Sie sind jeweils gleich lang und bezeugen auch in der Folgezeit stets durch ihre Lage ihre gemeinsame Abstammung. Stets überkreuzen sich die beiden Fäden, entweder nur einmal. meist jedoch zwei- oder dreimal und bilden dann x- oder achter- förmige Figuren. In selteneren Fällen kann man auch eine vier- malige Überkreuzung beobachten, ja manchmal erscheinen die beiden Teile auf eine kürzere oder längere Strecke hin wie um- einander gedreht. Um dem Einwand zu begegnen. dass es sich nicht um eine Längsspaltung. sondern um eine Parallelkonjugation je zweier Chromosomen handle, habe ich die Zahl der Chromosomenpaare bei den zuletzt beschriebenen Zellkernen wieder festgestellt und konnte stets mindestens 17, oft bis zu 23 Paare, im Durch- schnitt also 20 Chromosomenpaare nachweisen, die Gesamt- zahlderChromosomen war also durch Längsspaltung auf das Doppelte vermehrt worden. Nach den zuletzt beschriebenen Bildern hiesse es ja auch Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 203 wirklich, um mit Rückert (1892) zu reden, „den Dingen Ge- walt antun“, wollte man eine Längsspaltung der Uhromosomen leugnen. Nach vollzogener Teilung der Chromosomen scheint der Kern in ein gewisses Ruhestadium einzutreten. Während der ganzen zuletzt beschriebenen Vorgänge erscheint das Chromatin bei Dreifachfärbung nach Flemming leuchtend rot und behält diese Farbe auch noch in der Folgezeit bei, nach Anschauung von Winiwarter und Sainmont (1908) befinden sich die Kerne also nicht in Ruhe. Die geschilderten Vorgänge gehen sicherlich sehr langsam vor sich, was aus der grossen Anzahl von Follikeln hervorgeht, welche die eben beschriebenen Kernbilder zeigen. Solche Kerne, wie die zuletzt beschriebenen (Fig. 44 und 45), mit einem Durchmesser von ungefähr 20 « und Follikeldurch- messer von 45—50 u und paarweise gekreuzten, fadenförmigen Chromosomen finden sich ausnahmslos in den Ovarien aller aus- gewachsenen Tiere in sehr grosser Zahl. sie stellen die gewöhn- lichste Form dar, in der sich der Oozytenkern zeigt, den Ruhe- zustand, in dem die Oozytenkerne durch das ganze Leben des Tieres verweilen können, die jüngsten Formen, die sich in den Övarien älterer Tiere nachweisen lassen. 5. Synapsisähnliche Formen. In allen den bisher beschriebenen Kernen waren die Chromo- somen auf das ganze Kerninnere gleichmässig verteilt, niemals liess sich eine von chromatischer Substanz vollkommen freie Zone im Innern oder am Rande des Kernes nachweisen. In vereinzelten Ovarien jedoch. besonders in solchen, die mit Flemmingschem Gemisch fixiert waren, fanden sich vorzüglich in den tieferen Schichten des Ovars Follikel mit Kernen, wie sie in Abb. 47 wiedergegeben sind. Die ganze Masse der Chromosomen ist auf einen dichten Knäuel in der Mitte des Kernes zusammengeballt. der von einer wesentlich helleren Randzone umgeben ist. Diese ist vollkommen frei von chromatischer Substanz und nur an der deutlich sichtbaren Kernmembran hängen vereinzelte chromatische Fasern. Häufig steht der zentrale Chromosomenknäuel durch einen oder mehrere Chromatinstränge an einer Stelle mit der Kernmembran in Verbindung. Die Chromosomen zeigen meist paarige Anordnung, nur selten finden sich solche Bilder an 204 ak Shntenye: Kernen, an denen die Längsteilung der Chromosomen noch nicht stattgefunden hat. Derartige Kerne erscheinen jedoch niemals vollkommen rund mit glatter ganzrandiger Oberfläche, sondern zeigen stets eine in Wellenlinien verlaufende, oft höckerig aus- gebuchtete Membran. Es handelt sich bei ihnen um synapsis- ähnliche Gebilde. In seltenen Fällen fand ich auch Formen, wie sie Abb. 46 darstellt, bläschenförmige Kerne, in denen sich ein oder mehrere grosse, exzentrisch gelegene Chromatinbrocken finden und ausserdem ein feines, meist nur schlecht färbbares chromatisches Netzwerk. dessen Maschen etwa ?/s des Kerninnern einnehmen und scheinbar in Schleifentouren von und zu den chromatischen Brocken verlaufen. ba. Bildung der Lampenzylinderputzerformen. Wenn die Oozyte das eben beschriebene Ruhestadium ver- lässt, beginnt die eigentliche Wachstumsperiode, die zur Reife und schliesslich zum Platzen des Follikels führt. Zunächst tritt eine langsame Grössenzunahme ein. Während die Chromosomen in der zuletzt geschilderten Verteilung im Kerne liegen, vermehrt dieser seine Masse, ohne dass zunächst die Vermehrung des Chroma- tins gleichen Schritt hält. Die Chromosomen bleiben paarweise umeinander geschlungen, als deutliche dünne Fäden mit kleinen seitlichen Höckern und Vorsprüngen gleichmässig über den ganzen Kerninhalt verteilt. Mit der steigenden Grössenzunahme des Kernes vergrössert sich jedoch der Abstand der Chromosomen untereinander und von der Kernmembran, so dass häufig die Haupt- masse des Chromatins von einer hellen, von jeglicher chromatischen Substanz freien Zone umgeben erscheint (Abb. 52, 53). Diese helle Randzone ist jedoch wahrscheinlich nur eine Folge der äusserst lockeren Verteilung der verhältnismässig kleinen Chromo- somen im Kern, die in ziemlich grossen Abständen voneinander und auch von der Kernoberfläche entfernt liegen. Sie kann aber auch die Folge eines gewissermaßen in Schüben erfolgenden appo- sitionellen Wachstums sein, in dem der Kern neue Baustoffe aus dem umgebenden Plasma aufnimmt und zuerst in der Rinden- zone ablagert. Dann erfolgt wieder eine gleichmässige Vertei- lung der Chromosomen im ganzen Raum, hierauf wieder Wachstum usw. Der Kernsaft erscheint während dieser Zeit hell und voll- kommen homogen. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 205 In den Ovarien alter Tiere, niemals bei jungen Vögeln, die noch nicht gelegt haben, finden sich jetzt häufig ein, manchmal auch zwei oder mehrere Nukleolen. Sie färben sich äusserst kräftig mit Hämatoxylin nach Heidenhain, erscheinen bei Dreifach- färbung nach Flemming anfangs hellviolett, im (Gegensatz zu den leuchtend roten Chromosomen, verlieren aber in der lolge- zeit an Färbbarkeit, erscheinen schmutzig braunrot und zerfallen schliesslich in schlecht färbbare Brocken, die im Kernsaft unter- gehen. Gewöhnlich treten sie in Kernen von 25—30 u Durch- messer auf, sind bis zu einer Kerngrösse von 35 «u sehr deutlich und zerfallen dann rasch, meistens in dem Stadium, wenn auch in den Zellen junger Tiere ohne Nucleolen der Kernsaft nicht mehr homogen ist, sondern eine feine Körnung anzunehmen be- ginnt. Nur in seltenen Fällen sind sie noch nach der Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen in Kernen von 50 —60 u Durch- messer vorhanden. Die Chromosomen nehmen jetzt an Länge zu, sie erscheinen immer noch paarweise verschlungen, jedoch nicht mehr als Fäden mit vereinzelten dorn- oder stachelförmigen Ausläufern, sondern sie bestehen jetzt aus einer grossen Anzahl perlschnurartig aneinandergereihter Körnchen (Abb. 54). Diese Beschaffenheit behalten die Chromosomen während der nächsten Zeit bei, sie vermehren jedoch ihre Substanz nicht, nehmen auch nur ganz wenig an Länge zu, dagegen werden die sie bildenden Körnchen feiner und kleiner und lassen manchmal einen deutlichen Zwischen- raum erkennen, so dass das Bild einer feinsten Perlschnur hier noch besser anwendbar ist als in den früheren Stadien. Der Kernsaft erscheint nunmehr gleichmässig, äusserst dicht gekörnt (Abb. 55). Bei Hämatoxylinfärbung nach Heidenhain erscheinen diese feinen Körner im Kernsaft hellgrau, bei Dreifachfärbung nach Flemming hellrosa, bei Safranin-Lichtgrünfärbung grün. Während sich der Kern ständig vergrössert, gehen an den Chromosomen äusserst wichtige Veränderungen vor. Von den einzelnen Körnchen, die sie zusammensetzen, fliessen nach allen Seiten und Richtungen feinste fadenförmige Fortsätze in den noch immer dichtgekörnten Kernsaft, es kommt zur Bildung der bekannten von Rückert (1902) und Born (1902) zuerst aus- führlich beschriebenen Lampenzylinderputzerformen (Abb. 56). Während der ersten Zeit der Ausbildung solcher Formen nehmen 206 Eiasıb eve: die einzelnen, die Chromosomen zusammensetzenden Körnchen die Form von quergestellten Stäbchen an und vergrössern dabei ihren Abstand voneinander. Gleichzeitig beginnt ihre Aufnahme- fähigkeit für spezifische Kernfarbstoffe geringer zu werden. Während sie bisher stets bei Dreifachfärbung mit Flemming in leuchtendem Rot erschienen, zeigen sie von nun an nur mehr einen hellbraun- roten Farbton. Sie lassen sich jedoch stets in ausgezeichneter Weise mit Hämatoxylin nach Heidenhain darstellen, diese Färbung bietet also ein vorzügliches Hilfsmittel beim Studium eben dieser Kernformen. Wie verschieden jedoch die Bilder sein können, die man mit dieser Methode am gleichen Kern, je nach der stärkeren oder schwächeren Fixierung erzielt, zeigen unsere Abbildungen 57 und 55. Sie stammen beide vom nämlichen Kern, Abb. 57 ist richtig differenziert und lässt die Zusammensetzung der Chromosomen nur aus quergestellten Fäden erkennen, während bei Abb. 58 die Differenzierung eine zu kurze war, wodurch bei den Chromosomen an einzelnen Stellen ein zentraler Faden vor- getäuscht wird. Die verschiedene Grösse der beiden Bilder rührt davon her, dass in dem der Abbildung 57 zugrunde liegenden Schnitt die Kernmitte, in dem Schnitt, nach dem Abbildung 58 gezeichnet worden ist, aber mehr die Kernoberfläche getroffen ist. Die quergestellten, das einzelne Chromosom bildenden Stäbchen senden nach allen Richtungen hin feine fadenförmige Ausläufer in das Kernlumen, die bald den ganzen Kern- saft vollkommen durchsetzen. Auf dicken Schnitten gelingt es häufig einen solchen Ausläufer auf eine weite Strecke hin zu ver- folgen. In dünnen Schnitten jedoch, wie sie den Abbildungen 57—-59 zugrunde liegen, begegnet man meist nur kurzen Bruch- stücken der Ausläufer. Der zentrale Teil der Chromosomen er- scheint stets wesentlich dunkler als die peripheren Partien, weil sich hier die einzelnen Fäden in grosser Menge überkreuzen und gewissermassen miteinander verfilzen. Ein zentraler Faden, wie ihn Sonnenbrodt (1908) annimmt, besteht jedoch sicherlich nicht, er kann aber, wie schon oben erwähnt, bei der Heiden- hainschen Hämatoxylinmethode manchmal vorgetäuscht werden, wenn die Differenzierung eine ungenügende ist, weil sich dann in der Mitte des Chromosoma soviel Niederschläge anhäufen, dass eine genaue Abgrenzung der einzelnen Fäden gegeneinander un- möglich wird. Bei ganz starken Vergrösserungen hält es oft äusserst Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 207 schwer, an Kernen, wie sie Abbildung 59 darstellt, die einzelnen Chromosomen deutlich zu verfolgen und abzugrenzen, bei schwacher Vergrösserung heben sich die zentralen Teile jedoch stets deut- lich von der Umgebung ab und man erkennt dann, dass auch jetzt noch die Chromosomen zumeist paarweise miteinander ver- schlungen sind. Verhältnismässig leicht gelingt dann mittels des Rekonstruktionsverfahrens eine genaue Zählung der Chromosomen, auch jetzt sind stets 17—23 Paare vorhanden, also im ganzen 34—46 Uhromosomen. Doch kann man jetzt in seltenen Fällen auch vereinzelt liegende Chromosomen beobachten, die sich von den paarweise angeordneten stets durch auffallend geringe (Grösse unterscheiden. Wir haben uns in solchen Fällen stets bemüht zu ermitteln, ob es sich bei diesen Formen nicht um Bruchstücke handelt, es gelang auch oftmals den Zusammenhang mit einem Chromosomenpaar festzustellen, in anderen Fällen aber lagen die betreffenden Gebilde sicher vereinzelt und selbständig im Kernsaft. Die Frage, ob die Ausläufer der Chromosomen untereinander in Verbindung stehen, sei es durch Zusammenfliessen oder sei es durch achromatische Brücken, müssen wir entschieden verneinen. Wir konnten niemals eine Gablung der freien Fäden oder sonst eine Stelle in unseren Präparaten auffinden, die für eine solche Vereinigung spräche. Jörgensen (1910) nimmt eine Verbindung durch achromatische Brücken an, ohne solche jemals gesehen zu haben. Wenn diese Kernformen den höchsten Grad ihrer Ausbildung erlangt haben (Abb. 59), so erscheint der ganze Kernsaft voll- kommen gleichmässig durchsetzt von den einzelnen Ausläufern der Chromosomen, deren Lage nur mehr durch die Verfilzung im Bereiche der angenommenen Achse gekennzeichnet ist. Dabei beginnen die Fäden selbst ihr Aussehen zu verändern, sie erscheinen nicht mehr glatt, sondern leicht gekörnt. ja, an vereinzelten Stellen zeigen sie deutlich perlschnurförmige Anordnung. Äusserst wichtig ist ihr färberisches Verhalten während der zuletzt geschilderten Vorgänge. Während nämlich anfänglich die Chromosomen bei Dreifachfärbung nach Flemming als leuchtend rote Fäden er- schienen, erfolgte dann ein entschiedenes Abblassen der Farbe, zu Beginn der Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen erschienen sie stets schlecht gefärbt und stellten sich, wie schon oben gesagt, in schmutzigem Braunrot dar. Nunmehr auf dem Höhepunkt der 208 H. Stieve: Entwicklung dieser Formen erscheinen sie leuchtend violett. der ganze Kern ist von violetten Fäden durchsetzt, die Dreifachfärbung ergibt jetzt ebenso deutliche, ja viel schönere Bilder als die Eisenhämatoxylinfärbung. Auch mit Boraxkarmin und Safranin sind die Chromosomen jetzt wieder ausgezeichnet darstellbar. Die chromatische Substanz hat also während dieses Zeitabschnittes ihr Verhalten gegenüber den Farbstoffen verändert, eine Tatsache, die im theoretischen Teil noch eine ausführliche Besprechung erfahren soll. auf die wir aber wegen ihrer grossen Wichtigkeit schon hier hinweisen möchten. Während dieses Zeitabschnittes hat der Kern auch seime äussere Form und Lage innerhalb des Follikels geändert. Er ist mehr und mehr gegen die Oberfläche gerückt und hat die kugelige Gestalt mit der ovoiden vertauscht, wobei die dem Follikelepithel zugekehrte Seite mehr abgeplattet erscheint als die dem Follikel- inneren zugekehrte. Bei schwacher Vergrösserung (Abb. 60a) sieht man das ganze Kerninnere durchsetzt von unendlich vielen fein gekörnten Fäden, die nach allen Richtungen hin den homo- genen Kernsaft durchqueren. Beim näheren Zusehen erkennt man die Chromosomen. Sie stellen dünne, paarweise verschlungene Fäden dar, die gleichmässig im ganzen Kerne verstreut liegen. Die Fäden zeigen perlschnurartigen Bau, ähnlich wie in der Zeit vor der Bildung der Lampenzylinderputzerformen. In Abb. 60b sind nur die Chromosomen eingezeichnet, sonst stellt diese Abbildung den gleichen Schnitt durch den nämlichen Kern dar wie 60a, Der durch einen Kreis gekennzeichnete Teil des Kernes ist in Abb. 60c bei starker Vergrösserung wiedergegeben. Auch hier fällt es nicht mehr schwer, die drei in dem betreffenden Bezirk liegenden Chromosomenpaare wieder zu erkennen, gleichzeitig gelingt es aber auch unschwer festzustellen, dass die Chromo- somen in keinem Zusammenhang mehr mit den seit- lichen Ausläufern stehen, diese sind vielmehr von den zentralen, die CÖhromosomen bildenden Körner- reihen abgerückt und selbst in kleine Bruchstücke von verschiedener Länge zerfallen. Bei Hämatoxylin- färbung nach Heidenhain erscheinen Chromosomen wie Aus- läufer tief schwarz, bei Dreifachfärbung nach Flemming jedoch stellen sich die Ausläufer von dem Augenblick an, wo sie den Zusammenhang mit den Chromosomen verloren haben, nur mehr Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 209 in schmutzigem Braunrot dar, während die Chromosomen selbst leuchtend violett gefärbt sind und dadurch sehr stark vortreten. Man findet auch häufig Kerne, bei denen sich Übergänge zwischen dem vorigen und dem zuletzt beschriebenen Stadium zeigen, in denen also ein Teil der Chromosomenausläufer violett, ein Teil aber braunrot erscheint. Durchzählt man sorgfältig die einzelnen Schnitte, in die der Kern zerlegt ist. so kann man auch jetzt unschwer die Zahl der Chromosomen feststellen. Leichter gelingt dies allerdings noch, wenn der Kern im ganzen untersucht wird. Es finden sich nach wie vor 17—24, also im Mittel 20 Chromosomenpaare, jedoch keine einzel liegenden Chromosomen mehr. 6b) Rückbildung der Lampenzylinderputzerformen. Der Kern ist nunmehr ganz an die Oberfläche des Follikels gerückt, seine dem Follikelepithel zugekehrte Seite ist völlig abgeplattet, die Form ist jetzt die einer plankonvexen Linse. Der Kernsaft erscheint feinstens, ziemlich dicht gekörnt, bei Dreifach- färbung nach Flemming erscheinen diese Körner leuchtend rot, die Chromosomen violett Diese stellen feinste Fäden dar, die in der oft beschriebenen Art paarweise verschlungen sind und in den mittleren Partien des Kernes ziemlich dicht beieinander liegen (Abb. 61). Der Follikel hat nunmehr einen Durchmesser von 3 bis 35 mm erlangt und somit den ersten Abschnitt seines Wachstums beendet, es beginnt der zweite kurze, durch Anhäufung des gelben Dotters gekennzeichnete Teil der Entwicklung. Während dieser letzten vier Tage rücken die Uhromosomenpaare mehr und mehr in der Mitte des Kernes zusammen (Abb. 62), bis sie schliesslich vor dem Platzen des Follikels ganz dicht beieinander liegen und einen kleinen kugelförmigen Raum von etwa 10 u Durchmesser in der Mitte des Kernes einehmen (Abb. 63). Gleichzeitig ver- kürzen sie sich wesentlich, behalten aber ihre bezeichnende paar- weise Anordnung bei. Ihr Dickendurchmesser vergrössert sich dabei etwas, so dass sie gegen Schluss der Wachstumsperiode wieder wesentlich plumper erscheinen als gleich nach dem Ab- schmelzen der seitlichen Ausläufer. Durch diese Verkürzung und mit ihr einhergehende Verdickung wird auch bedingt, dass sich die Fadenpaare nur mehr ein-, höchstens zweimal überkreuzen Archiv f.mikr. Anat. Bd. 92. Abt. II. 14 310 H. Stieve: Man trifft jetzt nur noch x- oder ösenförmige Figuren. In bezug auf die Farbenreaktion tritt jetzt keine Veränderung mehr ein, der Kernsaft bleibt nach wie vor gleichmässig. äusserst dicht gekörnt. Nukleolen treten seit der völligen Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen nicht mehr auf, es sei denn, dass man die feinen, im Kern zerstreuten Körner als Nukleolen bezeichnen will. wozu ihr färberisches Verhalten wohl berechtigt. Die Gestalt des Kernes hat sich weiter verändert, er ist mehr und mehr abgeplattet, seine äussere, gegen das Epithel zugewendete Seite erscheint etwas eingebuchtet, so dass der ganze Kern unmittelbar vor dem Platzen des Follikels die Form einer konkav-konvexen Linse besitzt. 7. Kernmembran. Eine Kernmembran ist während der ganzen Wachstums- periode in allen Fällen nachweisbar, sie stellt sich besonders bei Heidenhainscher Eisenhämatoxylinfärbung sehr deutlich dar und zeigt sich am besten an etwas schlecht fixierten Kernen (Abb. 64). Bei ihnen hängt die sehr stark gefärbte Membran noch mit den Dottermassen zusammen, sie stellt eine leicht ge- schlängelte Linie dar, an deren Innenseite noch vereinzelte Proto- plasmareste hängen, der Kern selbst liegt geschrumpft, von einem hellen Hof umgeben im Innern der Membran. Die eigentümliche Form der Chromosomen, die kolbenförmige Auftreibung der Aus- läufer, ist eine Folge der schlechten Fixierung, an gut konser- vierten Präparaten konnten wir sie niemals wahrnehmen. Normalerweise erscheint die Kernmembran stets einfach, ungefaltet und glatt, gelappte Kerne kamen bei nicht degenerie- renden Follikeln und guter Fixierung niemals zur Beobachtung, ebensowenig amöboide Fortsätze wie sie zuerst von O. Schultze (1857) und später von Fick (1899) bei Amphibieneiern be- schrieben wurden. An schlecht fixierten Kernen, wie dem oben abgebildeten, sind solche Erscheinungen häufiger, es handelt sich bei ihnen, wenigstens bei unserem Objekt, um artefizielle Bildungen, wie dies auch Giardina (1903) und Jörgensen (1910) an- nehmen. In einem gewissen Zeitabschnitt ist es auch bei Dohlen äusserst schwierig, die Kerne so zu konservieren, dass keine Schrumpfung stattfindet. Nämlich dann, wenn die Follikel schon A Me u un Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 211 ziemlich gross, die Kerne aber noch nicht an die Oberfläche empor- gerückt sind. Bei ganz oberflächlich gelegenen Follikeln und besonders bei Anwendung von Sublimateisessig konnte aber auch hier eine gute l’ixierung erzielt werden, in welchem Falle sich die Kernmembran stets glatt und ohne Falten zeigte. Stets war nur eine einfache Kernmembran vorhanden, eine doppelte Membran, wie sie unter anderem von d’Hollander (1905) und Loyez (1905—06) in gewissen Stadien der Eient- wicklung beschrieben wird, kann an schlecht fixierten Präparaten vorgetäuscht werden. indem der schmale Streifen der Kern- membran. welcher der Schnittdicke entspricht, sich der Länge nach umfaltet und so die obere und untere Schnittfläche gleich- zeitig beobachtet wird. Was die Frage betrifft, ob die Wanderung des Kernes vom Innern des Follikels nach der Oberfläche passiv oder aktiv erfolgt, so müssen wir uns entschieden der ersteren Annahme anschliessen. Ein aktives Wandern setzt ja stets eine Bewegung von seiten des Kernes voraus, die nur in der Art der Ortsveränderung ein- zelliger Tiere erfolgen könnte. Da sich jedoch keinerlei amöboide Auswüchse am Kerne nachweisen lassen, etwa in der Art, wie sie Fick (1899) an Amphibieneiern beobachtete, so kann wohl auch nicht von einer aktiven Lageveränderung gesprochen werden, denn auf welche Weise sollte sie stattfinden? Dass der Kern wie bei Selachiern (Rückert 1892), wo er von allem Anfang an exzen- trisch liegt. lediglich infolge seines eigenen (Grössenwachstums schliesslich die Oberfläche des Follikels erreicht, ist bei Colaeus nicht anzunehmen, da er hier in den jüngeren Stadien um das mehrfache seines Eigendurchmessers von der Oberfläche entfernt liegt und auch niemals so gross wird, dass sich eine solche An- nahme rechtfertigen liesse. Zudem spricht die Lage des Kernes, der die Oberfläche des Follikels stets an der dem Stiel gegenüber- liegenden Stelle unterhalb der Narbe erreicht, auch für ein passives Wandern. Der Blutgefässreichtum der Follikelhülle ist in der (regend des Stieles am grössten, nimmt von da an stetig ab, bis in der Narbengegend die Blutgefässe vollkommen fehlen. Dem- entsprechend wird auch die Absonderung von Dottermaterial nicht an der ganzen Follikeloberfläche gleichmässig sein, sondern am reichlichsten da stattfinden, wo die meisten Blutgefässe sind, welche die Zufuhr des Nährmaterials besorgen, also wieder in 14* 21» HRsSiniexie: der Gegend des Stieles. Der Kern wird dabei an die Stelle der geringsten Ausscheidung, die zweifellos unterhalb der Narbe liegt, gedrückt, weil dort der Ort des geringsten Druckes von aussen, also des stärksten Innendruckes ist. Für diese Auffassung spricht auch die starke Abplattung des Kernes, die wahrscheinlich nur eine Folge des intrafollikulären Druckes ist. Dass dieser in der (regend der Narbe am stärksten sein muss, beweist auch schlagend der Umstand. dass ja das Platzen der Hülle stets in der Narbe erfolgt. 8. Kernplasmarelation während der Wachstums- periode. Um die Vorgänge, die sich während der Wachstumsperiode an den Follikeln abspielen richtig beurteilen zu können, obliegt es uns noch die Vergrösserung von Zelle und Kern und ihr gegen- seitiges (srössenverhältnis zu untersuchen und zahlenmässig aus- zudrücken. Die jüngsten Oozyten. die wir im Ovar der eben dem E: entschlüpften Dohle beobachten konnten. hatten einen Durch- messer von etwa 15 u, ihr Kern einen solchen von 5—7 u. Daraus berechnet sich für den Kern ein Kubikinhalt von ungefähr 174,3 cbu. für die ganze Zelle ein solcher von 1775,0 cbu. von diesen ist der Inhalt des Kernes abzuziehen, worauf für das Plasma 1580,8 cbu verbleiben. Das Verhältnis von Kern zu Plasma ist also gleich 174,3 :1580,8 oder gleich 1:9. Follikel und Kern wachsen nun ziemlich gleichmässig weiter, zu Beginn der Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen hat der Kern etwa 110 u, der Follikel 240 „» Durchmesser. nach der gleichen Berechnung wie oben verhält sich der Inhalt des Kernes zu dem des Plasmas wie 712140:6376540, also ebenfalls noch ungefähr wie 1:9. Wesentlich anders ist jedoch schon das Verhältnis zur Zeit der höchsten Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen, wo einer Kerngrösse von 160:100 u eine solche des Follikels von 700:1000 « entspricht, das Verhältnis ist nunmehr 1141000 zu 310247080 oder gleich 1: 310. /u Beginn der Anhäufung des gelben Dotters, der ziemlich genau mit der Zeit zusammenfällt, in welcher die Ausläufer der Chromosomen abschmelzen und diese wieder als feine Fäden er- scheinen, beträgt die Kerngrösse etwa 188:156 «, der Follikel hat Die Entwicklung des Bierstockseies der Dohle. 213 etwa 3,6 mm Durchmesser, das Verhältnis ist folgendes: 2554 760 zu 24000000000 (24 cbmm) oder wie 1:9200. Während der Anhäufung der Dottermassen, also in den letzten vier Tagen vor dem Platzen, findet ein Kernwachstum überhaupt nicht mehr statt, der Kern ändert lediglich seine Form, nicht aber seine Grösse und misst unmittelbar vor dem Platzen des Follikels 304:40 u, er verhält sich zu dem 14,6 mm im Durchmesser haltenden Follikel wie 2554760: 1627 240 000 000 oder wie 1:650 000. Selbstverständlich unterliegen die einzelnen Grössen ziemlich beträchtlichen Schwankungen, wie überhaupt die Zellgrössen bei den einzelnen Tieren untereinander und selbst beim gleichen Individuum sehr verschieden sein können. Es wurden hier wieder Mittelwerte ausgewählt, die im folgenden kurz zusammen- gestellt sind. Follikeldurchmesser | Kerndurchmesser [Verhältnis (Kern —]) Kay MH 3 240 u 110 u gel] 850 u 160 «:100 u 31031 3600 u (3,6 mm) 188.156 u 9200: 1 14600 « (14,6 mm) 304 u:40 u 650000: 1 Der Übersichtlichkeit halber wurde die Grösse von Kern und Follikel hier durch den Durchmesser und nicht durch den Kubikinhalt ausgedrückt. Haben wir früher in der Wachstumsperiode des Follikels zwei Abschnitte unterschieden, einen längeren, der durch langsames Wachstum und einen kurzen, der durch äusserst rasches Wachs- tum gekennzeichnet ist, so können wir für das Verhalten des Kernes ebenfalls zwei Abschnitte festlegen, die sich zeitlich voll- kommen mit denen des ganzen Follikels decken, nämlich den ersten, in welchem der Kern sich vergrössert und den zweiten, in dem er keine Volumenzunahme erfährt, sondern nurmehr die äussere Gestalt verändert. Wie beim Follikel, so gehen auch beim Kern die beiden Perioden unmerklich ineinander über. Die Kernplasma- relation verschiebt sich während der ganzen Wachstumsperiode zuungunsten des Kernes. 214 H. Stieve: Auch für die chromatische Substanz kann die nämliche Ein- teilung in zwei Abschnitte getroffen werden, da ja während des Kernwachstums sich auch das Chromatin vermehrt und ausbreitet, dann an der Grenze zwischen beiden Perioden plötzlich stark ver- mindert wird, um während der Zeit der letzten Dotteranhäufung ziemlich gleich zu bleiben. Es rückt nunmehr in der Mitte des Kernes zusammen und nimmt schliesslich lediglich noch den kleinen Raum von 10 « Durchmesser ein, stellt also keine wesentlich grössere Menge als gleich nach der letzten Oogonienteilung dar. C. Die Kerne zugrunde gehender Follikel. Die in den letzten Abschnitten geschilderten Vorgänge an den Kernen betrafen stets nur Befunde an Follikeln in Ovarien von Dohlen, die noch nicht mit dem Brutgeschäft begonnen hatten. und stets wurden unter den Follikeln nur solche ausgewählt. die auch bei genauester Durchmusterung aller Schnitte keinerlei Spuren der beginnenden Degeneration zeigten. Das erste untrüg- liche Zeichen für die eintretende Atresie äussert sich fast stets in einem einseitigem Wuchern des Follikelepithels, das in diesem Falle doppelt oder mehrschichtig erscheint, oft nur an ganz umschriebenen kleinen Stellen, während es sonst überall noch seine gewöhnliche einschichtige Anordnung aufweist (Ab. 68—71). v. Brunn (1892) erblickt in dem Auftreten besonderer Zellen im Follikelepithel das erste Anzeichen der beginnenden Rückbildung. Ein Teil der Follikelzellen verwandelt sich in schmalere, höhere Gebilde von sternförmiger Grundfläche, welche sich nach innen von den die ursprüngliche Form bewahrenden untereinander verbinden und sie so von der Berührung mit dem Dotter ausschliessen. Holl (1890) hat die nämlichen Zellen beobachtet, er hält sie jedoch für normale Gebilde, die ebentalls aus den Nährzellen des Epithels hervorgegangen sind und als Stütz- zellen die Verbindung zwischen Tunica adventitia einerseits und Membrana propria andererseits herstellen. Er beobachtete auch das Mehrschichtigwerden des Follikelepithels, hielt es aber für eine normale Erscheinung, was sicherlich nicht der Fall ist. Loyez (1905—06). die gleichfalls in seltenen Fällen „L’atresie ovulaire“ bei Vögeln, häufiger bei Reptilien beobachtet hat. bezeichnet das Eindringen von Elementen des Follikelepithels, welche die Rolle von Phagozyten spielen, als Hauptanzeichen der Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 215 beginnenden Atresie. Sie fand das Epithel beim Hühnerfollikel stets einschichtig, mit Ausnahme von Follikeln, die ungefähr 1 mm Durchmesser besassen, bei denen eine doppelte Zellschicht vor- handen war. Ich (1913) konnte beim Huhn stets nur ein ein- schichtiges Follikelepithel beobachten. Auch bei Colaeus war das Follikelepithel stets einschichtig. Bezüglich der Hollschen Stützzellen konnte ich mir kein abschliessendes Urteil bilden, sie finden sich keineswegs regel- mässig, lassen sich aber häufig auch bei solchen Follikeln nach- weisen, die sonst nicht das geringste Zeichen der beginnenden Degeneration zeigen. Die nämliche Beobachtung macht v. Brunn und glaubt, dass die betreffenden Follikel später zugrunde gehen, dass ihnen aber durch die Anwesenheit der betreffenden Zellen allein noch nicht die Möglichkeit des Wachstums genommen ist. Diese Annahme hat sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich, unsere Befunde bestätigen voll und ganz die Angaben vonv. Brunn, wir wagen jedoch nicht zu entscheiden, ob die betreffenden Zellen wirklich unter allen Umständen die Rückbildung einleiten müssen. Vorsichtshalber schalteten wir jedoch alle Follikel, welche solche Zellen zeigten, bei unseren Untersuchungen aus. Für die Be- urteilung, ob sich ein Follikel in Rückbildung befinde, war uns immer erst das Wuchern des Follikelepithels massgebend, vielleicht gelingt es uns jedoch später in einer ausführlichen, besonderen Untersuchung die Bedeutung der Hollschen Stützzellen zu klären. Wie schon anfangs erwähnt, fanden wir vereinzelte atretische Follikel ausnahmslos in allen Ovarien. Da sich jedoch während der Brütezeit fast alle Follikel in Rückbildung befanden. so wurden für die folgenden Feststellungen in erster Linie Ovarien brütender Tiere benutzt, die dort gewonnenen Ergebnisse jedoch stets auch an anderen Ovarien bestätigt. Auch das Ovar der Dohle Nr. 77 wurde vollkommen untersucht, ebenso diejenigen junger Tiere, bis etwa sieben Tage nach dem Ausschlüpfen. Die gefundenen Vorgänge sind folgende: Gleichzeitig mit dem Mehrschichtigwerden des Follikelepithels setzen auch am Kerne äusserst tiefgreifende, wichtige Veränderungen ein. Das Chromatin zeigt zunächst die Neigung sich zusammenzuballen und verliert dabei die Aufnahmefähigkeit für basische Farben in mehr oder weniger hohem Maße. Zur Zeit der netzförmigen Verteilung des Chromatins im Kern tritt sofort eine feinste Zer- 216 H. Stieve: stäubung des gesamten Chromatins ein, nur die grösseren Brocken erhalten sich noch längere Zeit in unverändertem Zustand (Abb. 69). Der nämliche Vorgang kann eintreten, wenn ein Kern im Zustand des Monospirems untergeht. Haben die Chromosomen Fadenform angenommen, so bildet jedes von ihnen ein kleines, nukleolen- artiges Kügelchen von unregelmässiger Oberfläche (Abb. 66). Man beobachtet dann deutlich, wie die feinen Fäden bald vom Ende, bald von der Mitte anfangen zusammenzuschmelzen und grössere Chromatinklumpen zu bilden. Dabei können die beiden Teile eines Chromosomenpaares zu einem einzigen Klumpen ver- schmelzen, gleichzeitig scheint auch häufig eine leichte Zusammen- ballung der feinen Körner des Kernsaftes einzutreten. Befindet sich der Kern in einem Stadium, in welchem sich die Lampenzylinderputzerformen eben bilden, so zerfällt jedes Chromosom in einen Haufen kleiner, äusserst schlecht färbbarer Körnchen (Abb. 68). Das bezeichnendste an diesem Verfall ist, dass die Chromosomen, beziehungweise ihre körnigen Überreste, ihre Färbefähigkeit schon verloren haben zu einer Zeit, wo die im Kernsaft verstreuten Körner sich noch gut färben (Abb. 65); diese erscheinen dann, besonders bei Eisenhämatoxylinfärbung, äusserst deutlich im Vergleich mit den untergehenden Chromo- somen. Ausgezeichnet stellt Sonnenbrodt (1908) diesen Zer- fall in seiner Fig. 25, Taf. 20 dar, bemerkt aber nicht, dass es sich dabei um einen Rückbildungsvorgang handelt, wie ich schon 1913 nachweisen konnte. Bei Kernen, bei denen die Lampenzylinderputzerformen ihre höchste Ausbildung erlangt haben, also ihre Ausläufer gleich- mässig durch den ganzen Kern senden, findet keine Verklumpung des Chromatins statt: die Erscheinung der Unfähigkeit, Farbstoffe aufzunehmen, steht hier im Vordergrunde, die Chromosomen zer- fallen in Körnchen und Fäden und der ganze Kern erscheint ausgefüllt von einem feinsten, undeutlichen Gerinnsel (Abb. 67). Bei Dreifachfärbung nach Flemming tritt auch hier zuerst ein Farbumschlag ein, das violette Chromatin erscheint schmutzig braunrot, ohne dass jedoch die zentralen Teile der Chromosomen von diesem Vorgang ausgeschlossen sind. Später verliert es die Färbbarkeit ganz. Auch bei Safranin-Lichtgrünfärbungen tritt bei Zugrundegehen des Kernes stets ein Farbumschlag ein, indem sich die früher roten Kernstrukturen nunmehr leuchtend grün Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 217 färben. Bei der Eisenhämatoxylinmethode nach Heidenhain erscheinen die Kerne gleichmässig grau, nur die grösseren Chromatin- klumpen nehmen noch lange Zeit die dunkle schwarze Färbung an. Hand in Hand mit diesen Vorgängen gehen bei Kernen jeder (srösse auch Veränderungen an der Kernmembran vor sich, sie wird wellig, gefaltet, zeigt Ausstülpungen und ist nicht mehr so deutlich wie früher darstellbar. Nach und nach zerfallen auch in Kernen, in welchen eine Verklumpung des Chromatins stattgehabt hat, die Reste der Chromosomen vollständig, der Kernsaft erscheint homogen, nimmt nur mehr sehr schwach Farbe auf und lässt nur in wenigen Fällen noch feine, spärliche Körnelung erkennen, Die Kernmembran wird dünner und dünner und reisst schliesslich an verschiedenen Stellen ein. Der Kern hat seine Gestalt mehr und mehr verändert. es macht den Eindruck als ob er im Dotter zer- tliesse, da er pseudopodienartige Fortsätze nach Art der Amöben nach allen Richtungen ausstreckt. Schliesslich wandern Phagozyten in den völlig zerfallenen Kern ein und lösen ihn ganz auf. In vereinzelten Fällen finden sich aber auch noch nach dem voll- ständigen Verschwinden des Kernes im Dotter einige grobe Chromatinklumpen, die noch lange erhalten bleiben können. Es steht ohne jeden Zweifel fest, dass es sich bei den eben beschriebenen Vorgängen des Chromatinzerfalles um Rückbildungs- erscheinungen und zwar ausschliesslich um solche handelt, denn 1. konnte ein Zerfall oder ein Verschwinden der Chromosomen nur an solchen Follikeln beobachtet werden, die auch am Epithel, wenn auch nur geringe Zeichen der Atresie zeigen und wurden hunderte, ja tausende von normalen Follikeln in allen Stadien untersucht, in denen sich die Chromosomen stets einwandfrei und deutlich darstellen liessen. Die vorübergehende schwächere Färbbarkeit mit gewissen basischen Farbstoffen zu Beginn der Ausbildung der Lampen- zylinderputzerformen zeigt keinen Zerfall der Chromosomen an, da diese sich in diesen Stadien stets mittels der Heidenhain- schen Hämatoxylinmethode in der besten Weise darstellen, was bei beginnendem Zerfall nicht mehr möglich ist. In der Oogenese von Colaeus monedula lassen sich also während der ganzen Wachstumsperiode vom Entstehen der Oozyten an bis zum Platzen des Follikels die Chromosomen stets als deutliche, selb- ID 218 H. Stieve: ständige Gebilde nachweisen; Kerne, in denen sich die Chromosomen verklumpen und dadurch eine Umwandlung in Nukleolen vortäuschen oder in denen das Chromatin zerstäubt, beziehungsweise über- haupt nicht mehr nachweisbar ist, sind Degenerations- formen, bei denen auch niemals mehr eine Neu- bildung des Chromatins bezw. der Chromosomen stattfindet. i Die meisten derartiger atretischer Follikel konnten in den Ovarien brütender Tiere nachgewiesen werden, hier findet eine Rückbildung aller grösseren Follikel statt, das heisst aller der- jenigen, die in die eigentliche Wachstumsperiode eingetreten sind, also einen Durchmesser von über 70 « besitzen. Aber auch während des ganzen Jahres finden sich in den Ovarien aller Vögel Rückbildungsformen, wenn auch in geringerer Zahl. Schon bei ganz jungen Tieren treten sie gleich nach der letzten Oogonienteilung in grösserer Menge auf (Abb. 69) und fallen allgemein durch ihren homogenen, schlecht färbbaren Kern, in dem nur ganz wenige, grössere Chromatinbrocken liegen, auf: sie sind, wie wir weiter unten beweisen werden, dievon Winiwarter und Sainmont (1908) und mehreren anderen Forschern beschriebenen „noyaux poussi6eroids“. In den nächstfolgenden Zeitabschnitten sind die atretischen Formen verhältnismässig sehr selten, sie treten erst wieder in vermehrter Zahl auf, wenn die junge Oozyte nach dem Ruhe- stadium in die eigentliche Wachstumsperiode eintritt. Von da ab nimmt ihre Zahl fortschreitend zu und erreicht nach Ablage der Eier während der Brütezeit ihren Höhepunkt. Eıst wenn dann alle grösseren Follikel zurückgebildet sind, also wenn das Ovar nur mehr Oozvten im Ruhestadium enthält, finden sich wieder nur mehr ganz vereinzelte Degenerationsformen. In besonderen Fällen, wie bei dem offenbar kranken Tier Nr. 77, kann die Zahl der atretischen Follikel auch vor der Eiablage eine ausser- gewöhnlich grosse sein. Berücksichtigt man den Umstand, dass von den vielen Follikeln, welche in einem Jahre tatsächlich in die Wachstums- periode eintreten, gewöhnlich nur sechs abgelegt werden, so kann man schon daraus berechnen, dass die Zahl der atretischen Follikel auch unter normalen Verhältnissen beim Vogel in einem Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 219 Jahre fast ebenso gross ist als die der heranwachsenden, da jeder einmal in die Wachstumsperiode eingetretene Fol- likel. nie mehr in ein Ruhestadium treten kann, sondern unbedingt zugrunde gehen muss, sobald sein Weiterwachstum aus physiologischen oder pathologischen Gründen gehemmt wird. Eine physiologische Hemmung des Follikelwachstums tritt nach der Eiablage ein, wo das Individuum seine eigentliche Fort- pflanzungstätiekeit beendet hat. Eine pathologische im Falle einer Krankheit oder auch bei sonstiger ungünstiger Beeinflussung des Muttertieres, wie sie in der Einleitung besprochen wurden, also zum Beispiel während der ersten Zeit des Gefangenlebens. Selbstverständlich gehen durch Witterungsumschläge, Gefangen- leben und ähnliche Veränderungen nicht jeweils alle Follikel zugrunde, es kann vielmehr unter günstigen Verhältnissen nach einer gewissen Rückbildungszeit und nach Gewöhnung an die neuen Verhältnisse zur Weiterentwicklung der noch niebt zurückgebildeten Follikel kommen, in welchem Falle also kein Zugrundegehen aller Follikel stattgefunden hat. Dies beweisen die Befunde an gefangenen Tieren, die nach einiger Zeit des Gefangenlebens, in seltenen Ausnahmefällen noch in derselben Fortpflanzungsperiode, zur Ei- ablage schreiten. Offenbar gehen ‚jeweils zuerst die grössten im Ovar vorhandenen Follikel zugrunde und erst nach und nach greift der Degenerationsprozess auch auf die kleineren über (Stieve 1918). D. Besprechung der Befunde. Es dürfte nunmehr wohl angezeigt erscheinen, das Verhalten des Kerngerüstes, wie es in den vorhergehenden Abschnitten aus- führlich geschildert wurde, noch einmal in den Haupttatsachen kurz zusammenzufassen und zugleich die an Colaeus monedula erhobenen Befunde mit denen anderer Untersuchungsobjekte zu vergleichen. Dabei soll jedoch nicht die ganze über diesen Gegen- stand vorhandene Literatur ausführlich berücksichtigt werden, sondern in erster Linie nur die grösseren neueren Arbeiten, deren Untersuchungsergebnisse sich wenigstens in den Hauptlinien mit den unserigen vergleichen lassen, denn es hat meiner An- sicht nach nicht den geringsten Wert, Objekte wie z. B. den neuerdings von Öschmann (1914) untersuchten Tubifex (Hydrillus bavaricus) dem unseren gegenüber zu stellen. bei denen die Be- 220 H. Stieve: funde von Grund auf verschieden sind und gar nichts Gemeinsames zeigen, das als Ausgangspunkt des Vergleiches dienen könnte. In erster Linie sollen daher die Untersuchungen über die Ent- wicklung der Sauropsiden und Amphibieneier als Vergleichsobjekte herangezogen werden. 1. Einteilung der Entwicklung und Rückbildung der Follikel. In den jüngsten Oozyten erscheint das Uhromatin als aller- feinstes, gleichmässig verteiltes Netzwerk. Diese Formen finden sich in grosser Anzalıl bei ganz jungen Tieren gleich nach dem Ausschlüpfen. Oozyten von gleichem Bau, nur etwas grösser, konnten wir in geringer Anzahl noch bei eben ausgeflogenen Dohlen nach- weisen. Der Unterschied in der Zellgrösse entspräche den Er- fahrungen von Winiwarter und Sainmont (1908), dass Oozyten von gleicher Bauart in Ovarien älterer Tiere stets grösser sind als bei Embryonen. Ob sich während des von uns nicht unter- suchten Zeitabschnittes wesentliche Veränderungen an den Oozyten abspielen, entzieht sich unserer Beurteilung. Das Chromatin ordnet sich nunmehr in Form eines Mono- spirems an, dieses zerfällt sodann in 20 Chromosomen. Diese erfahren zunächst eine Verkürzung und geringe Verdickung und teilen sich sodann der Länge nach in je zwei Tochterhälften, die jedoch nicht auseinanderweichen, sondern während der ganzen Folgezeit bis zum Platzen des Follikels in der gleichen Anord- nung nachweisbar sind, ungeachtet der sonstigen Vorgänge, die sich an ihnen abspielen. Während des nunmehr einsetzenden Wachstums der Oozyte verlieren die Chromosomen ihre kompakte Struktur, sie erscheinen zuerst als perlschnurartige Körnerreihen, senden sodann Fortsätze in das ganze Kerninnere aus und bilden die Lampenzylinderputzerformen. Sobald der Kern sein Grössen- wachstum beendet hat, schmelzen alle seitlichen Ausläufer rasch ab und die Chromosomen erscheinen wieder als paarweise ver- schlungene Fäden von geringer Grösse im ganzen Kern verstreut. Während der nächsten vier Tage des raschen Dotterwachstums ziehen sich die Chromosomen auf einen kleinen Raum in der Kernmitte zurück, verkürzen sich dabei erheblich und nehmen zugleich etwas an Dicke zu. Beim Platzen des Follikels nehmen sie nur mehr einen Raum ein, der kaum grösser ist als der Kern der kleinsten Oozyten. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle 221 Während dieser Umbildungen verändern die Uhromosomen auch ihr Verhalten gewissen Farbstoften gegenüber, sie nelımen anfangs bis zum Beginn der Ausbildung der Lampenzylinder- putzerformen alle basischen Kernfarbstoffe gierig auf und erscheinen bei Dreifachfärbung nach Flemming leuchtend rot. Sodann verlieren sie etwas die Aufnahmefähigkeit für Kernfarbstoffe und erscheinen deshalb etwas weniger deutlich, ohne jedoch jemals zu verschwinden, zeigen sich aber im Stadium der höchsten Aus- bildung der Lampenzylinderputzerformen äusserst deutlich und sind jetzt wieder mit allen Kernfarbstotten ausgezeichnet darstell- bar. Bei Dreifachfärbung erscheinen sie nunmehr violett, ent- sprechen also in ihrem färberischen Verhalten dem Chromatin ruhender Kerne. Der Kern hat in diesem Zeitpunkt sein Wachs- tum beendet, die Chromosomen haben ihre Aufgaben erfüllt und verharren jetzt bis zum Platzen des Follikels, wahrscheinlich also bis zum Eintritt in die erste Reifungsteilung in einem gewissen Ruhezustand. Dabei verlieren sie alle überflüssige Masse und ziehen sich auf einen möglichst kleinen Raum zusammen. Nukleolen in der Art, wie sie bei der Entwicklung haupt- sächlich der Amphibieneier von Born (1894), Carnoy und Lebrun (1897—1903), Lubosch (1902), Jörgensen (1910) und anderen beschrieben wurden, finden sich bei Colaeus monedula nicht. Bei ganz jungen Oozyten kommt es zur klumpigen An- häufung von Chromatin an einer oder mehreren Stellen des Kernes, ihre Massen werden zur Bildung des Monospirems wieder ver- braucht, sie stellen Chromatinspeicher, aber keine echten Nukleolen dar. Ausserdem finden sich bei älteren Tieren, bei denen die Chromosomen oft sehr lange, mehrere Jahre, im Ruhezustand im Kerne lagen, häufig, ja fast regelmässig zu Beginn der Wachstums- periode, mehrere Nukleolen. Sie gehen im Verlaufe des weiteren Kernwachstums durch Zerfallim Kernsaft unter. Die abgeschmolzenen seitlichen Ausläufer der Chromosomen sammeln sich bei Colaeus monedula nicht in Form grosser Nukleolen an, etwa in der Art wie dies Sonnenbrodt (1908) und andere beim Huhn beobachten konnten, sondern bleiben als feinste Körnchen im ganzen Kern- saft verteilt, denen man wohl die Bezeichnung Nukleolen geben darf, da diese Benennung ja an kein Gebilde von bestimmter Grösse geknüpft ist. Teilt man also die ganze intrafollikuläre Wachstumsperiode, 222 H. Stieve: wie das so üblich ist, in einzelne Abschnitte ein, so kann man bei Colaeus monedula deren neun unterscheiden: l. Netzförmige Verteilung des Uhromatins. Bildung des Monospirems. Monospirem. Bildung der Chromosomen. Verkürzung der Chromosomen. Längsspaltung der Chromosomen. Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen. Rückbildung der Lampenzylinderputzerformen. 9. Verkürzung und Zusammenrücken der Chromosomen. Als Grundlage für diese Einteilung hat mir stets ausschliess- lich das Verhalten des Chromatins gedient. Die übrigen Vorgänge an den Kernen, wie Bildung und Zerfall der Nukleolen oder Ver- änderungen des Kernsaftes gehen mit diesen Erscheinungen parallel und sind grösstenteils durch sie bedingt. Es liesse sich natürlich auch eine Einteilung treffen, die ausschliesslich die beiden letzt- erwähnten Vorgänge als Richtpunkte nähme, unrichtig und begrift- verwirrend halten wir es jedoch, wenn man wie Sonnenbrodt (1908) bald die eine, bald die andere mehr hervorstechende Er- scheinung lerausgreift, um nach ihr einen besonderen Abschnitt des Kernwachstums zu benennen, sie dürften sich lediglich als Unterabteilung den Hauptabschnitten zuweisen lassen, aber niemals mit ihnen gleichgestellt werden. Sonnenbrodt unterscheidet 12 Perioden, von denen 5 zur ersten, 7 zur zweiten oder eigent- lichen Wachstumsperiode zuzurechnen sind, d’Hollander beschreibt 10 Typen von a—j, Typ a sind Oogonien, also treffen auf die Oozyten noch 9 Formen, nämlich b Noyau & reticulum, ce noyau Aa chromatin central, d noyau a fin peloton, e Noyau a synapsis, f synapsis deploye, g gros cordon, h cordon perl- pherique, i fendillement longitudinal, j noyau a reticulum. Im Anhang schildert d’Hollander noch die Entstehung der aneaux plumeux. Für den gleichen Zeitabschnitt nimmt Sonnenbrodt 5 Perioden an, 1. Chromatinbildung, 2. Anordnung des Chromatins am Fadenwerk des Kernes, 3. Längsteilung der Chromosomen, 4. Bildung eines Nukleolus, 5. Dickenwachstum der Chromosomen. Er gibt an, dass d’Hollander 11 Stadien aufstelle, ein Irrtum, der wohl darauf beruht, dass Sonnenbrodt nicht bemerkt hat, dass das erste Stadium d’Hollanders noch Oogonien sind, also ur u er [0 6) Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 223 nicht hierher gehört, und er zweitens seinen Typ j verschieden benennt, nämlich Noyau a reticulum und Noyau du follieule primordial. Auch für die hückbildungsvorgänge lassen sich einzelne Perioden unterscheiden, wiewohl diese nicht bei allen Kernen ganz gleichmässig eintreten, nämlich: 1. Verklumpung des Chromatins. 2. Vollkommener Zerfall des Chromatins. 3. Auflösung des ganzen Kernes. Ist das Chromatin vor Beginn der Atresie in feinen Fäden ım ganzen Kerne gleichmässig verteilt, so fällt Stadium 1 fort und es tritt sofort der vollkommene Zerfall des Chromatins ein. 2. Netzförmige Anordnung des Chromatins. Bei den jüngsten Oozyten ist die spärlich vorhandene chroma- tische Substanz gleichmässig im ganzen Kerne als feinstes sehr deutliches Netzwerk verteilt, nur an vereinzelten Stellen finden sich grössere Chromatinanhäufungen. Findet eine Atresie des Follikels statt, was in diesem Zeitpunkt gleich nach Beendigung der letzten Oogonienteilungen sehr häufig der Fall ist, so zerfällt das Chromatinnetz zunächst staubförmig, während die grösseren Brocken anfänglich noch erhalten bleiben. Gleichzeitig verliert der Kern die Aufnahmefähigkeit für basische Farbstoffe, er erscheint nun bei Eisenhämatoxylinfärbung gleichmässig hellgrau, bei Dreifach- färbung nach Flemming braunrot und bei Safranin-Lichtgrün- färbung leuchtend grün. Diese Kernformen wurden zum ersten- mal von Van Beneden und Julin (1884) bei der Sperma- togenese von Ascaris megalocephala beschrieben und in der Ooge- nese von Bouin (1901) bei Rana temporaria. Der letztere beobachtete nach einer Anzahl von Teilungen die Oogonien in einen Ruhezustand übergehen. Dabei veränderten sie ihr Aus- sehen wesentlich, an Stelle der bisherigen feinsten, netzförmigen Verteilung des Chromatins erschien jetzt der Kerninhalt feinstens granuliert und eine ansehnliche Zahl „des nucl&eoles chromatiques“ war sichtbar. Dieses veränderte Aussehen des Kernes kann nach der An- sicht des Autors nicht die Folge der Färbung sein, denn man begegnet neben ganzen Nestern von Kernen „ayant subit la pulverisation chromatique“ anderen Nestern, in denen die Zellkerne 224 H. Stieve: deutlich die netzförmige Beschaffenheit des Chromatins zeigen. Das Auftreten dieser Zellformen bezeichnet das Ende der Oogonien- teilungen, sie stellen also die jüngsten Oozyten dar. „A l’interieure de leurs noyaux Sans membraned’'enveloppe!) et a chroma- tine finement pulverisee on appercoit de tres rares bätonnets ou plu- töt des filaments minces et tortoueux, form6s sans doutes par la juxtaposition des granules chromatiques repondus dans l’aire nucle- aire.“ Aus diesen Zellen entwickeln sich dann langsam wieder andere mit deutlich nachweisbarem, fadentörmigen Chromatin. Bouin kommt nicht auf den Gedanken, dass es sich hier um Degene- yationstormen handelt. obwohl ihn schon allein die fehlende Kern- membran deutlich hätte darauf hinweisen müssen. Lams (1907) bestreitet zwar dieses Verschwinden der Kernmembran. während (remmil (1596) es ebenfalls feststellen konnte. Die Bilder von der Rekonstruktion des Chromatins. die Bouin gibt, sind nichts anderes als verschieden weit fortgeschrittene Zerfallstadien, welche Bouin nur in umgekehrter Reilıenfolge aneinanderfügt. Bekanntlich ist ja die Seriation der einzelnen Stadien gerade in dieser Anfangszeit der Eientwicklung oft äusserst schwierig und ganz der Anschauung des Untersuchers unterworfen. Bei Amphibien wurden solche Zerstäubungsstadien noch mehrfach beschrieben, so besonders von Lams (1907) und Jörgensen (1910), der letztere beschäftigt sich sehr eingehend mit ihnen und hält sie nicht für Rückbildungsformen, sondern meint ganz im Gegenteil, „das fein zerpulverte Chromatin wird diffus im Kern zerstäubt. um dadurch, wie das schon Born (1894) ausgesprochen hat, seine höchste Aktivität zu erlangen.“ „Diese das Wachstum einleitenden Prozesse der Chromatinzerstäubung werden aber unterbrochen, dadurch dass das eben zerstäubte Chromatin (vielleicht eine Art phylogenetischer Reminiszenz) ein neues enormes Wachstum erfährt und sich zu einer weiteren Teilung vorbereitet“. Sehen wir uns nun die Befunde Jörgensens (1910) genauer an, was an Hand seiner ausführlichen Beschreibung und einer sehr grossen Anzahl glänzender Abbildungen auf keine Schwierigkeiten stösst. Auf eine letzte Oogonienteilung, in der die Chromosomen noch im Diasterstadium, einzeln deutlich sichtbar vorhanden sind (Taf. 33, Fig. S I c.), folgt unmittelbar der Zustand der feinsten !) Anmerkung: Im Original nicht gesperrt gedruckt. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 225 Zerstäubung, in dem mit Ausnahme einiger Nukleolen keinerlei Kernstruktur mehr erkennbar ist (Taf. 33, Fig. 9 I. e.). Das Entstehen dieser Zellformen wurde nicht beobachtet, alle Über- gangsstadien fehlen. Es bleibt also der Phantasie des Unter- suchers überlassen, sich die Entstehung der feinsten Chromatin- zerstäubung auszudenken. Lediglich aus der völligen Überein- stimmung seiner Befunde mit denen von Bouin, Lams und King schliesst Jörgensen auf das normale Vorkommen dieser Zerstäubungsformen. Er beobachtet sehr richtig die Veränderung in der Färbbarkeit des Kerninhaltes und schliesst daraus. dass das Chromatin während dieser Zerstäubung seine Reaktion umkehrt, „um kurze Zeit darauf wieder unter Erlangung seiner früheren Reaktion heranzuwachsen“. Während der Zerstäubung finden sich im Kerne Nukleolen, respektive Öhromatinkonglomerate, welche sich basophil färben (wie bei Bouin), die sicher nichts anderes sind als die Reste des zugrunde gehenden Uhromatins. Über die Rekonstruktion des Chromatins vermag Jörgensen auch keine genauen Angaben zu machen. „Nur in wenigen Fällen sieht man in der homogenen Kerngrundsubstanz feinste achro- matische Körnchen auftreten, die heranwachsen, ihre alte Basophilie wieder erhalten und schliesslich die in das Boukettstadium ein- gehenden Chromosomen bilden.“ Seine Abbildungen, die diesen Vorgang zeigen sollen, sind alles andere als beweisend. Fig. 10 und 11 (Taf. 33 1. c.) stellen noch ganz charakteristische Zerfall- stadien dar, während die nächstfolgende Zelle (Fig. 13, Taf. 331. c.) schon ein deutliches feines Chromatingerüst in netzförmiger Anordnung zeigt, genau in der gleichen Weise wie die jüngsten von mir beobachteten Oozyten. Dieses Stadium ist also dasjenige, in das sich die Tochterzellen der letzten Oogonienteilung umwandeln. Fig. 9, 10 und 11 (Taf. 33 1. e.), die Jörgensen gewaltsam in die Oogonese einreiht, sind sicherlich Degenerationsformen, Jörgensen selbst beobachtete bei ihnen massenhaftes Zugrunde- gehen. „Neben dieser ersten, die Oogonien befallenden Degene- rationswelle werden die kritischen Stadien der ersten Chromatin- zerstäubung von einer Massenvernichtung heimgesucht.“ Dies ist eine äusserst wichtige Feststellung, nur bilden diese Zerstäubungs- stadien selbst schon den ersten Schritt zum Untergang, das Faltigwerden der Kernmembran, das Jörgensen als erstes Degenerationszeichen ansieht, bedeutet, wie wir an unserem Objekte Archiv f.mikr. Anat. Bd.92. Abt. II. 15 226 Hr Stievwe: fanden, immer schon einen weiter vorgeschrittenen Grad des Zerfalles. Lams (1907) stützt sich mit seinen Angaben hauptsächlich auf die Arbeit Bouins und bestätigt dessen Befunde, nur bestreitet er das Verschwinden der Kernmembran in den fraglichen Stadien. Auf seine Arbeit trifft das über die Bouinschen Befunde Gesagte ohne weiteres zu und es erübrigt sich deshalb hier näher darauf einzugehen. Die einzige Abbildung, welche die Zerstäubung des Cliromatins beweisen soll (Taf. 19, Fig. 3 1. c.), ist sehr undeut- lich, sie zeigt in dem hellen Kernsaft nur sehr viele grössere und kleinere dunkelgefärbte Nukleolen, aller Wahrscheinlichkeit nach die Reste des zusammengeballten Chromatins. Von einer eigent- lichen Chromatinzerstäubung kann nicht ‚gesprochen werden. King (1908) beobachtet keine völlige Zerstäubung des Chromatins „At this period the chromatin shows little capacity for staining and, as in the resting oogonia it is in the form of minute granules which are either scattered along the nuclear membrane or distributed on the linin fibres which form an irregular reticulum.“ Sie beobachtet also ein feines Retikulum, an dem sich das staubförmige Chromatin anlagert. Ihre Abbildung (Taf. 2, Fig. 20 1. e.) entspricht ganz den Bildern, die wir bei den jüngsten Oozyten von Colaeus monedula fanden. Es ist natürlich Anschauungssache, ob man das Kerngerüst als Linin- fäden mit daran angehäuftem Chromatin bezeichnen will oder als Chromatinfäden. Die Hauptsache ist, dass das Chromatin über- haupt eine bestimmte regelmässige Anordnung zeigt und nicht vollständig ohne jeden Zusammenhang im ganzen Kern zerstreut liegt. Nach den Angaben Kings haben die jüngsten Oozyten, in denen die Chromatinzerstäubung am feinsten, also das Kern- gerüst am undeutlichsten ist, stets gelappte Kerne. Das Auftreten solcher Kernformen lässt aber immer schon den Verdacht auf- kommen, dass es sich bei ihnen um Rückbildungsformen handelt, wenngleich wir die Möglichkeit des Vorkommens gelappter Kerne auch bei nicht degenerierenden Follikeln gerade bei Amphibien nicht ohne weiteres von der Hand weisen wollen. Alles in allem hat Jörgensen sowohl als auch Bouin voll- kommen richtig beobachtet und nur die Befunde falsch gedeutet, das gleiche trifft auch für Lams und King zu; die Zerstäubungs- stadien gehören eben stets zugrundegehenden Oozyten an, die Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 227 sich nur mit Mühe und ohne eigentliche Übergangsstadien in die Vogonese einreihen, dagegen zwanglos als Degenerationsformen erklären lassen. Ausser bei Amphibien wurde eine vollständige Zerstäubung des Chromatins bei ganz jungen Oozyten noch von Winiwarter und Sainmont (1908) im Ovarium der Katze beobachtet. Nach ihren Untersuchungen bleiben die Eizellen nach einer Reihe auf- einanderfolgender Teilungen rund, anstatt wie früher ovoide Formen anzunehmen: „Les chromosomes ont disparu comme tels et ne sont plus reconnaissable depuis longtemps. Les quelques blocs plus gros que l’on voit dans les noyaux protobroques, se desagregent & leur tour et, en derniere analyse, la chromatine se repand uniforme&ment a travers tout l’espace du noyau, sous forme d’une veritable poussiere:; les grains ont approximati- vement un volume egal; ıls sont un peu plus serres le long de la membrane nucleaire toujours bien nette. Cette r&partition imprime au noyau un aspect bien caracteristique, une teinte sombre uniforme oü la charpente achromatique n’ est guere deulable (fig. 23 et 36)“. „Les noyaux poussieroides renferment tous, sans exception deux elements distinets: un nucleole vrai, color€e en rouge vif et un element bleu fonce, gensralement plus volumineux et plus allonge.“ Zu dieser Beschreibung geben die belgischen Forscher zwei Abbildungen (Taf. 5, Fig. 23 und 36 1. c.). Die erste davon soll die. Verbindung zwischen den eben aus der Teilung hervor- gegangenen jüngsten Oozyten, die das Chromatin noch sehr deutlich zeigen (Fig. 22 I. c.) und dem wesentlich grösseren Stadium (Fig. 24 I. c.) bilden, in dem das Chromatin ebenfalls wieder sehr deutlich als feinstes Netzwerk zu sehen ist. Wie die Zerstäubung, also der Übergang von Fig. 22 in Fig. 23 erfolgt, wird weder abgebildet noch geschildert, ebensowenig wie die Rekonstruktion des Chromatins zwischen Fig. 23 und Fig. 24 statthat. Auch die Entstehung von Fig. 36 aus Fig. 22 wird weder abgebildet noch beschrieben, die feinste Zerstäubung des Chromatins ist bei diesen Zellformen eben einfach da, ihre Ent- stehung wird nicht beobachtet. Die Neubildung des Chromatins erfolgt über die noyaux transitoires. „L’apparition d’une ordonnance plus complexe marque un pas en avant. Les grains sont maintenant disposes en files courtes ; le volume des grains 15* 2238 H. Stieve: est encore constant, mais au fur et A mesure que s’ebauchent des filaments, certains grains semblent confluer pour donner naissance a des masses plus volumineuses. Bientöt on distingue nettement la partie achromatique reliant les granulations de chromatine entre elles; plus les filaments tendent a converger vers le nucl&eole, qui occupe approximativement le centre du noyau.“ Es bilden sich also auch hier die nämlichen Oozyten- formen, die ich, d’Hollander und andere für die jüngsten halten, mit feinstem netzförmig verteiltem. sehr deutlich darstell- barem Chromatin. Verfolgen wir nun den ganzen Vorgang an Hand der Abbildungen Winiwarters. Wie schon gesagt, stellt der Übergang von Fig. 23 zu 24 einen sehr bedeutenden Sprung dar. die Oozyte 24 ist gut doppelt so gross als die vorhergehende. Das Chromatin ist in ihr sehr deutlich zu sehen, von einem Zer- fall kann nicht die Rede sein. Das gleiche gilt bei der zweiten Serie, die auch nur das Wiedererscheinen, nicht aber das Ver- schwinden des Chromatins darstellt. Ein völliges Verschwinden hat hier überhaupt nicht stattgefunden, denn auch in dem Kern Nr. 36 ist das Chromatinnetz ganz gut zu sehen, es macht nur einen etwas schlecht gefärbten Eindruck. Die Zelle Nr. 37 unterscheidet sich nur wenig von der vorigen, dagegen ist der Sprung von Nr. 37 zu Fig. 38, sowohl was die Grösse der Zelle als auch die Deutlichkeit des Chromatins betrifft, ein sehr erheb- licher. Es liessen sich ohne jede Schwierigkeit übrigens die Figuren 35, 37 und schliesslich auch 38 aneinander reihen und würden dann die Entwicklung der Oozyte ohne das zwischen- geschobene Zerstäubungsstadium ganz zwanglos darstellen. Auch Winiwarter und Sainmont finden massenhafte atretische Follikel in den jungen Ovarien, anfangs weniger später, besonders bei Embryonen zwischen dem vierzigsten und fünfzigsten Tag, sehr viele; hier bilden die zugrunde gehenden Zellen grosse Gruppen, in denen man alle Stadien der Rückbildung genau studieren kann. Man vergleiche nun die Zellen in der zugrunde gehenden Gruppe (Fig. 62, Taf. 6 1. c.) mit denen der Fig. 23, 36 und 37 auf Taf. 5 und man wird alle diese „noyaux poussie- roides“ dort wiedererkennen, zwar kleiner, was an der Wieder- gabe durch den Autor liegt, aber sonst von der gleichen Bauart. Der Prozess der Rückbildung setzt nach Winiwarter und Die Entwicklung des: Eierstockseies der Dohle. 229 Sainmont stets zuerst am Kern ein, eine sehr wichtige Fest- stellung. durch die meine Untersuchungen voll bestätigt werden. „Il prend un aspect homogene et fonce: la chromatine ne se colore plus en bleu. mais en lie de vin sale. Le reseau delicat des noyaux protoproques ou la fine pulverisation des noyaux poussieroides, font place a des amas de particules grossieres surtout reunies autour du nucleole. Le fond clair du noyau, le suc nucleaire parait imbibe d’une substance colorante, dissoute. C'est ce qui donne ä l’ensemble l’aspect fonc&e homogene, dont nous venons de parler. A ce moment la forme et le volume du noyau sont encore intacts.“ Nach und nach balit sich dann das Chromatin in klumpige Massen zusammen, der Kern verliert seine Gestalt und zerfällt schliesslich. Die Unterschiede zwischen den Kernen im ersten Stadium des Zerfalles und denen mit feinster Chromatinzerstäubung sind, wenn man die beiden Beschreibungen nebeneinander liest, nur äusserst gering, nach den Abbildungen überhaupt kaum zu er- kennen. Man vergleiche noch den zugrunde gehenden Kern Fig. 66 mit dem noyau poussieroide von Fig. 36, der Unterschied besteht hauptsächlich in der Grösse. Sehr wesentlich ist auch noch die Lokalisation der degenerierenden Zellen: „Les gruppes que nous venons de decerire, appartiennent de preference a la couche des noyaux poussi6roides et transitoires.“ Also auch hier die gleiche Beobachtung über das massenhafte Zugrundegehen der fraglichen Formen wie bei Jörgensen, die meine Auffassung, dass die jüngsten Oozyten mit feinst zerstäubtem Chromatin beginnende Degenerationsformen sind, vollkommen bestätigen. Wir können diese Auseinandersetzungen also dahin zu- sammenfassen, dass gleich nach den letzten Oogonienteilungen zweifellos ein Teil der neugebildeten Oozyten zugrunde geht. Diese Rückbildung beginnt mit einem staubiörmigen Zerfalldes Chromatins, und alle Kerne, die diese Erscheinung zeigen, sind in Rückbildung begriffen, entwickeln sich nicht mehr weiter und dürfen des- halb selbstverständlich auch nicht in den Ent- wieklungsgang der Oozyte eingeschoben werden. Der Zeitpunkt des Auftretens der ersten Oozyten bedeutet eben in der Entwicklungsgeschichte des Eies einen Wendepunkt, die Zellen, die sich bisher durch Teilung vermehrten, treten nun- 230 H. Stieve: mehr in die Periode des (rössenwachstums ein. Nach Hertwig (1903— 1908) befinden sich die jüngsten Oozyten in einem Zustand der Depression. Nach seiner Kernplasmarelationstheorie benötigt jede Zelle, um sich überhaupt teilen zu können, einer gewissen Spannung zwischen Kern und Plasma, die in dem beide:seitigen (srössenverhältnis zum Ausdruck kommt. Durch eine grössere Anzahl rasch aufeinanderfolgender Teilungen wird eine Schwächung der Teilungsenergie herbeigeführt, die sogenannte Depression. Diese äussert sich in einer „Teilungsmüdigkeit der Zelle“. die während des nunmehr folgenden Ruhestadiums vor Beginn der Wachstumsperiode zu einer Neuorganisation des Kernapparates und Hand in Hand damit zu erneuter Teilungsfähigkeit führt. Während der Oozytenteilungen hat die (srösse des Kernes im Verhältnis zum Plasma immer mehr zugenommen, es entsteht dadurch ein gewisses Missverhältnis. das seinen Höhepunkt bei den sehr plasmaarmen jüngsten Oozyten erreicht. Allem Anschein nach kann nun ein grosser Teil der jungen Oozyten diesen an- fänglichen Depressionszustand nicht überwinden und geht deshalb zugrunde. Dabei spielen sicherlich auch äussere, nicht in der Oozyte selbst gelegene Momente eine Rolle. Durch die Oozyten- teilungen ist das Parenchym des Ovar im Verhältnis zum blut- gefässreichen Stroma stark vermehrt, die Ernährungsverhältnisse der massenhaft dicht beieinander liegenden jüngsten Oozyten sind die denkbar schlechtesten und erst die neu zu bildende Follikel- hülle schafft hier Abhilfe und bringt gute Ernährungsmöglich- keiten mit sich, während gleichzeitig die Oozyte selbst ihren inneren Depressionszustand überwunden hat. Wenn aber diese ersten kritischen Zeiten gleich nach der letzten Oogonienteilung einmal vorüber sind, so befinden sich im Ovar nur widerstands- fähige, kräftige Oozyten, da wie bei jedem Ausleseprozess. so auch bei dieser ersten Degenerationswelle sicher nur die schwächsten Zellindividuen zugrunde gegangen sind. Deshalb werden in der nächsten Zeit die Bilder degenerierender Oozyten in den Ovarien seltener. 3. Bildung des Monospirems. Im Zustand der feinsten, netzförmigen Anordnung des Chromatins verbleiben die Oozyten bis zur Ausbildung des Mono- spirems. Während dieses Zeitabschnittes, der keinesfalls lange Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 231 währt und auch keinen Ruhezustand darstellt, tritt eine geringe Grössenzunahme ein. Das Chromatin, das zur Bildung des Mono- spirems dient, stammt sicherlich zum weitaus grössten Teil aus dem Netzwerk des Kernes selbst. wahrscheinlich findet jedoch auch eine geringe Neubildung durch Aufnahme von Nahrungs- stoffen aus dem Zelleibe statt. Der einfache, vielfach gewundene Faden ist gleichmässig im ganzen Kerninneren verteilt, eine Zusammenballung in der Mitte des Kernes findet nicht statt. Nach d’Hollander zieht sich das Chromatin gleich nach der netzförmigen Verteilung auf das Kerninnere zusammen, bildet dann feine Fäden, die sich wieder gleichmässig im ganzen Kern verteilen und tritt schliesslich in das Synapsisstadium ein. Nach Sonnenbrodt zieht sich das gesamte Kerngerüst nach der Mitte des Kernes zusammen, es bildet sich ein wirrer Haufen einzelner Chromosomen, die aber bald wieder mit ihren freien Enden den ganzen Kern durchsetzen. Sodann durchlaufen die Chromo- somen noch verschiedenartige Entwicklungsprozesse und bilden schliesslich durch enge gegenseitige Verschlingung ein nur die Mitte des Kernes einnehmendes Gerüst. In diesem Zustand sind die Oozyten in ein Ruhestadium eingetreten. Auch d’Hollander beobachtete noch verschiedene Umwandlungsprozesse an den Oozyten, bis nach Längsspaltung aus den Chromosomen Maschen und Schlingen gebildet werden, die den ganzen Kern gleichmässig ausfüllen und so ein Netzwerk vortäuschen Können. Das Ruhestadium Sonnenbrodts beschreibt Holl (1890) als jüngstes Stadium der Eizellen des Huhnes, die Verschiedenheit in der Auffassung rührt wohl dalıer, dass Holl nur die Ovarien ausgewachsener Tiere untersuchte. Es ist möglich, dass die von d’Hollander und Sonnenbrodt beschriebenen Stadien von mir nicht beobachtet wurden, da sielr ja meine Untersuchungen wie die Hollschen hauptsächlich auf die Ovarien ausgewachsener Tiere erstrecken. 4. Bildung der Chromosomen. Durch Querteilung des Monospirems entstehen die einzelnen Chromosomen, die sich in der Folgezeit verkürzen, etwas ver- dicken und dann eine Längsspaltung erfahren. Diese Längs- spaltung wurde zuerst von Rückert (1892) beschrieben. Bei den kleinsten Eiern von Pristiurus besteht das Kerngerüst schon 232 H. Stieve: aus einzelnen paarweise beieinander liegenden Chromosomen, „von ziemlich gleichmässiger Dieke und gedrungenem Verlauf, die einen, den ganzen Kernraum anfüllenden Knäuel bilden“. In einer späteren Arbeit (1893) beobachtete Rückert auch die Entstehung des Längsspaltes, er fand. „dass der Spaltungsvorgang der Fäden beim Übergang des Ureies zur Eimutterzelle, das heisst unmittelbar nach oder noch während der letzten mitotischen Teilung des Eies stattfindet“. Eine netzförmige Verteilung des Chromatins beobachtete er also nicht. Bei Colaeus monedula findet der im Prinzip gleiche Vorgang erst später statt, wenn das Ei schon eine ziemlich beträcht- liche Grösse erlangt hat. Wie vor jeder Teilung bildet sich ein Monospirem, das in die einzelnen Chromosomen zerfällt, diese erfahren eine Längsteilung, die Spalthälften rücken jedoch nicht auf die Tochterzellen auseinander, sondern bleiben paarweise ver- schlungen und durchlaufen vor dem Eintritt in die Reifungs- teilungen noch mannigfache Veränderungen. d’Hollander beobachtete die Längsteilungen der Chromosomen gleich nach der Synapsis, Sonnenbrodt ganz zu Anfang des Kernwachstums, er lässt durch Längsteilung die doppelte Chromosomenzahl entstehen, ohne jedoch seine Angaben durch genaue Zählungen zu bestätigen. Nach dem Ruhestadium liegen dann die chromatischen Fäden meist paarweise verschlungen im Kernsaft, die Paare lassen sich jedoch nur in vereinzelten Fällen deutlich verfolgen. Paarweise Verschlingungen konnte Sonnenbrodt jedoch noch bis zur „Auf- lösung der Chromosomen“ beobachten. Holl erwähnt nichts von der Längsspaltung, wie er überhaupt stets nur von einem Faden- knäuel und niemals von einzelnen Chromosomen spricht, wenigstens nicht in der ersten Zeit der Wachstumsperiode. Jörgensen (1910) lässt nach dem ersten Chromatin- zerstäubungsstadium, das zwischen Vermehrungs- und Wachstums- periode eingeschaltet ist, das chromatische Netzwerk neu entstehen und unter Heranziehung des in den basischen Nukleolen gespei- cherten Chromatins ein elegantes, den ganzen Kern in dichten Windungen ausfüllendes Spirem bilden. Dies kontrahiert sich und zerfällt in deutlich längsgespaltene Segmente, also ganz analog dem von mir beschriebenen Vorgang, nur dass der Längsspalt und die Kontraktion bei Proteus früher eintritt als bei Colaeus. Bei Proteus ordnen sich nunmehr die einzelnen Chromosomen zum Bukettstadium an und verschwinden dann nochmals, um erst ae ee > Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 2 nachdem der Kern eine Reihe von tiefgreifenden Veränderungen durchgemacht hat wieder zu erscheinen. Wir können hier nicht genau auf alle Einzelheiten der Be- funde Jörgensens eingehen, wir haben seine Untersuchungen schon im Jahre 1914 an frischem, einwandfreiem Material nach- zuprüfen begonnen und können das Ergebnis unserer Beobachtung, die leider durch den Krieg unterbrochen wurde, schon jetzt dahin zusammenfassen, dass sich in der Vogonese von Proteus anguineus die chromatische Substanz während der ganzen Eientwicklung stets in ununterbrochener Reihe verfolgen lässt, eine Auflösung oder Zerstäubung des Chromatins findet in nicht degenerierenden Kernen nicht statt. Die ausführliche Darstellung unserer Be- tunde behalten wir uns für eine spätere Arbeit vor. Der sehr erhebliche Unterschied der Ergebnisse erklärt sich sehr einfach daraus, dass Jörgensen. wie er selbst angibt (1910, Seite 457 l. e.). seine Untersuchungen an „unzureichendem Material“ aus- geführt hat. Er bearbeitete nur die Ovarien von fünf Proteus- weibehen, die angeblich frisch gefangen von Adelsberg geschickt waren. Schon in der Einleitung haben wir auf die hochgradige Empfindlickeit der Keimdrüsen gegenüber äusseren Einflüssen hingewiesen und verschiedene Belege für unsere Behauptung bei- gebracht. Ausserdem konnten wir (1913, 1918) an Hühnern zeigen, dass schon eine eintägige Veränderung in den äusseren Verhält- nissen schwerwiegende Degenerationserscheinungen an den grössten Follikeln von Hühnerovarien zur Folge haben kann, die mit einem Zerfall der chromatischen Substanz beginnt. Was für Veränderungen muss nun erst das Gefangenleben beim Olm hervorrufen! Man bedenke zuerst die meist ziemlich rohe Behandlung durch die Fänger, dann den tagelangen Aufenthalt in Gläsern oder wasser- gefüllten Erdlöchern im Keller der Adelsberger Bauern, schliesslich die Bahnfahrt im sauerstoffarmen warmen Wasser, das Schütteln und ähnliche Insulte, unter denen das Licht sicherlich nicht die kleinste Rolle spielt, die alle in grösstem Gegensatz stehen zu dem früheren ungestörten, ruhigen Leben in absoluter Dunkelheit bei einer Temperatur von 5—8 Grad, im klaren sauerstoffreichen Wasser der Grotte. Schon äusserlich zeigt ein solches Tier ein ganz verschiedenes Aussehen, im einen Fall äusserst lebhafte Bewegungen, leuchtend rote, buschige Kiemen, weisse, glänzende 234 H. Stieve: gut durchblutete Haut, die bei Berührung oft kolossale Schleim- mengen absondert und stets prall mit Kot gefüllten. durch die äusseren Hüllen deutlich durchschimmernden Darm. Im anderen Falle, schon nach eintägiger Gefangenschaft sind die Tiere matt, der Darminhalt ist entleert, die Haut beginnt sich zu pigmen- tieren, sie ist nicht mehr so stark durchblutet und sondert nur mehr wenig Schleim bei Berührung ab. Die Kiemen sind infolge des Vorwiegens der Lungenatmung blass rosa und schon nach wenigen Tagen auf kaum die Hälfte ihrer früheren Grösse zusammengeschrumpft. Wer einmal diesen Unterschied gesehen hat, den können auch die Olmfänger in Adelsberg nicht mehr täuschen und, wie sie das gerne tun. lang gefangen gehaltene Exemplare als frisch gefangen abliefern. Dass die Veränderungen an den ÖOvarien dementsprechende sind. ist wohl selbstverständlich, und es ist nur schade, dass ein so gewissenhafter Untersucher wie Jörgensen seine Arbeitskraft an ein derartig verdorbenes Material verschwendete ohne selbst eine Ahnung von der Unzulänglichkeit seiner Arbeitsweise zu haben. Der schädigende Einfluss des Grefangenlebens ist zwar schon von manchen Seiten bestritten worden, trotz der vielen Tatsachen, die sein Vorhandensein beweisen, so von Lovez (1905—06). Sie begründet ihre Anschauung mit der Tatsache, dass auch bei frei- lebenden Tieren, die sofort nach der (refangennahme getötet und konserviert wurden. in den Ovarien atretische Follikel vor- handen sind. Ich glaube im ersten Teil dieser Arbeit eingehend genug nachgewiesen zu haben, dass das Vorkommen von atretischen Follikeln in den Ovarien an und für sich ein vollkommen physio- logisches Vorkommnis bedeutet. Das Gefangenleben oder sonstige Veränderungen der äusseren Verhältnisse bedingt jedocheine Hemmung desnormalen Ablaufes der gesamten Vorgänge in den Keimdrüsen, also eine Lahmlegung der Fortpflanzungstätigkeit. An dieser Tatsache ändert der Umstand. dass auch im Freileben vereinzelte Follikel zurückgebildet werden, nichts. Es ist selbstverständlich, dass bei längerem Gefangenleben eine Gewöhnung an diesen Zustand statthaben kann, in welchem Falle auch die normale Tätigkeit der (Geschlechtsdrüsen wieder eintritt. Auch dies ist längst von Tierzüchtern an Haustieren beobachtet worden. Wenn z. B. Hühner, die bisher im Freien Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 235 gehalten waren und regelmässig legten, in Käfige gebracht werden, so hören sie zu legen auf. Nach 3—4 wöchentlicher Gefangen- schaft und entsprechender Pflege beginnen sie jedoch wieder zu legen. Es handelt sich dabei nicht um eine einfache Unterbrechung der Entwicklungsvorgänge im Ovar, etwa so, dass der grösste Follikel einfach 3—4 Wochen später platzt, sondern vielmehr alle grösseren Follikel bilden sich in den ersten Tagen der (refangen- schaft zurück, dann beginnt ein neues Follikelwachstum und erst wenn einer der kleineren Follikel die entsprechende Reife erlangt hat, tritt ein Platzen und erneute Eiablage ein. Bei freilebenden Tieren sind die durch das Gefangenleben hervorgerufenen Veränderungen wesentlich tiefgreifender, es gehen weit mehr Follikel zugrunde, wahrscheinlich alle, die sich nicht in einem Ruhestadium, sondern in der Wachstumsperiode befinden und dementsprechend setzt die erneute Tätigkeit der Geschlechts- drüsen erst viel später, meist erst in der nächsten Fortptlanzungs- periode, oft aber auch erst nach Jahren wieder ein. Bei den von Loyez als Beispiel angeführten Geckonen mag es sich um einen solchen Fall von Gewöhnung handeln, die Tiere wurden mehrere Monate gefangen gehalten und nahmen gut und reichlich Nahrung zu sich. Zudem sind die Geckonen ja auch keine scheuen Tiere und leben meist in der nächsten Umgebung des Menschen, häufig mit ihm die gleichen Räume zum Aufent- halt benützend, so dass für sie das Leben im Terrarium lange keine so tiefgreifenden Veränderungen bedingt als für den Olm. Loyezist der Ansicht, dass die verschiedenen Rückbildungs- erscheinungen im Ovar lediglich die Folge des verschiedenen Ernährungszustandes sind. Dass eine Beziehung zwischen Er- nährung und Funktion der Geschlechtsdrüsen tatsächlich besteht, wurde ebenfalls in der Einleitung besprochen, jedenfalls aber treten die diesbezüglichen Einflüsse im Gegensatz zu den anderen oben ausführlich geschilderten stark in den Hintergrund. An Hand von äusserst primitiven Zeichnungen beschreibt Loyez die Eientwicklung von nicht weniger als 41 verschiedenen Tierarten, sie macht keinerlei Angaben über die Herkunft des untersuchten Materials, ihre Beobachtungen erstrecken sich fast ausschliesslich auf ausgewachsene Tiere, und zwar wurde an- scheinend von jeder Spezies meist nur ein Exemplar bearbeitet. Es ist eine von denjenigen Untersuchungen, denen nicht einmal 236 H. Stieve: das Verdienst zukommt, erheblich neue Beobachtungen mitgeteilt zu haben, die lediglich dazu dienen, durch zahlreiche sehr verschieden- artige Befunde dasohnehin schon in derLiteratur überdie Geschlechts- zellen wenigstens zum Teil bestehende Durcheinander zu vergrössern. Die kleinsten Oozyten, die Loyez beschreibt, zeigen das Chromatin in netzförmiger Anordnung, später entwickelt sich daraus ein dünner Faden, dann tritt Synapsis ein, und schliess- lich erscheint das Chromatin wieder netzförmig. Sie beobachtet bei Reptilien und Vögeln die Ausstossung von Nukleolen, Granu- lationen ja selbst Chromosomen in das Plasma, eine Erscheinung, die bisher bei Vögeln noch von keiner Seite geschildert wurde. Bis zur Ausbildung des zweiten chromatischen Netzes, das sich aus den einzelnen Teilen des dicken Fadens zusammensetzt, ver- läuft die Entwicklung der Oozyten bei den verschiedenen Tierarten ungefähr gleichartig. von da ab ist sie bei den einzelnen Arten grossen Verschiedenheiten unterworfen. Die einzelnen Chromosomen entwickeln sich aus dem sekun- dären Netzwerk ohne Bildung eines Monospirems. Die Längs- teilung der Chromosomen hat Loyez übersehen, was bei der Obertlächliehkeit ihrer Untersuchungen nicht zu verwundern ist. Sie findet jedoch sicher bei allen von ihr untersuchten Objekten statt, wie ganz deutlich aus den Abbildungen hervorgeht, in denen die Chromosomen sehr häufig paarweise verschlungen dargestellt sind. in derzuerst von Rückert (1892) beschriebenen ArtundWeise. Lovez führt diese Erscheinung darauf zurück, dass sich zwei getrennte Chromosomen miteinander verschlingen, scheinbar hält sie den ganzen Vorgang, über dessen Bedeutung sie kein Wort verliert, für eine zufällige Lagebeziehung von zwei Chromosomen zueinander. Zu einer solchen Anschauung kann man nur dann kommen, wenn man, wie das ja meist geschieht, die Kerne nur auf Schnitten untersucht. Hier erblickt man in den grösseren Kernen meist nur Bruchstücke der Chromosomen, und nur selten lieet ein Paar in seiner ganzen Ausdehnung in einem Schnitt und zeigt das geschilderte Bild der paarweisen Verschlingung. Untersucht man aber das mit Boraxkarmin im Stück gefärbte Keimbläschen im ganzen. so kann man sich sofort davon über- zeugen, dass das paarweise Beieinanderliegen eine ganz allge- meine Erscheinung ist, und dass die einzelliegenden Chromo- somen zu den grössten Seltenheiten gehören. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 23 I >. Ruhestadium. Nach erfolgter Längsteilung liegen die Chromosomen zu- nächst als dünne, paarweise verschlungene Fäden gleichmässig im ganzen Kerne zerstreut. Oft hält es sehr schwer zu ent- scheiden, ob es sich im gegebenen Falle wirklich um einzelne Chromosomenpaare handelt; besonders bei Anwendung von schwachen Vergrösserungen scheint den Kern nur ein fein- maschiges Netzwerk auszufüllen, dessen Fäden an vielen Stellen gespalten sind. Bei Anwendung von Immersionssystemen und bei genauer Verfolgung der einzelnen Chromatinfäden gelingt es jedoch stets, die einzelnen Chromosomenpaare abzugrenzen und auch ihre isolierte Lage festzustellen. Der Kern befindet sich nunmehr in einem Ruhestadium, das über viele Jahre bestehen bleiben kann. Ein ähnliches Ruhestadium haben Sonnenbrodt beim Huhn und Loyez bei den verschiedenen von ihr unter- suchten Tieren beobachtet, nur bemerkten sie keine Zusammen- setzung des Netzwerkes aus einzelnen Chromosomen. Sie lassen dann später die Chromosomen unmittelbar aus dem Netzwerk der Ruhekerne hervorgehen. d’Hollander nimmt überhaupt kein Ruhestadium während des von ihm untersuchten Abschnittes der Eientwicklung an, seine Beobachtungen erstrecken sich jedoch nur auf die Ovarien von Hühnern bis zu 20 Tagen nach dem Ausschlüpfen. Bei so jungen Tieren lässt sich aber die Frage nach dem Vorhandensein eines Ruhestadiums überhaupt nicht entscheiden. Van Durme (1914) untersuchte die Eientwicklung bei verschiedenen Vogelarten und wendet dabei sein Augenmerk in erster Linie auf die Dotterbildung. Die Vorgänge im Kerne decken sich in den Anfangsstadien mit denen, die d’Hollander beschreibt (Typ a bis j). Der Typ j, das Pseudoretikulum, findet sich in allen Ovarien ausgewachsener Tiere, die Oozyten können in diesem Zustand jahrelang verharren. Trotzdem erblickt Van Durme in ihm keinen Ruhezustand, „mais plutöt periode d’un arrete de developpement“. Worin der Unterschied besteht, können wir nicht recht einsehen, denn nach unserer Ansicht kommt ein jahrelanger Stillstand in der Entwicklung einem Ruhe- zustand sicher gleich, es handelt sich hier um Wortklaubereien, welche nur die einheitliche Auffassung erschweren. Van Durme sieht als eigentlichen Ruhezustand Kerne vom Typ a 238 H. Stieve: d’Hollanders an und bezeichnet sie als „Noyau ovocytaire apres la derniere mitose ovogoniale“, also als OVozyten, obwohl d’Hollander den Typ a ganz ausdrücklich nicht den Oozyten, sondern den Oogonien zurechnet, also auch hier der gleiche Irr- tum, der Sonnenbrodt unterlaufen ist. Solche Oogonien konnten auch wir in den Ovarien ausgewachsener Tiere nach- weisen, wir haben sie oben beschrieben und dabei unsere Ansicht über ihre mutmassliche Bedeutung geäussert. Sie befinden sich sicherlich auch im Zustand der Ruhe, was jedoch keineswegs ausschliesst, dass die Vozyten in einem gewissen Stadium der Ent- wicklung nicht gleichfalls in ein Ruhestadium eintreten können. Dass in der Eientwicklung bei Vögeln ein Ruhestadium vorhanden sein muss, ergibt sich 1. daraus, dass während des ganzen Lebens des ausgewachsenen Vogels keine neuen Oozyten gebildet werden. Die sämtlichen Oozyten, die jemals zur Entwicklung kommen, sind schon im Ovar des jungen Tieres vorhanden und da viele von ihnen sicher erst nach Jahren, vielleicht nach Jahrzehnten in die Wachstumsperiode eintreten, so müssen sie bis zu dieser Zeit in einem Zustand der Ruhe verharren, 2, daraus, dass kleine Oozyten vom oben beschriebenen Bau in den Ovarien aller Tiere, junger wie alter, in sehr grosser Anzahl nachweisbar sind. Sie stellen bei allen älteren Tieren die jüngsten und kleinsten auffindbaren Formen dar und müssen demnach im gleichen Zustand während mehrerer Jahre verweilt haben. Bei den im ersten Lebensjahre zur Reife gelangenden Fol- likeln ist natürlich diese Ruhezeit nur sehr kurz, denn schon im September oder Oktober beginnt die Wachstumsperiode der Oozyten. Bei einzelnen von ihnen mag eine eigentliche Pause in der Ent- wicklung überhaupt nicht eingetreten sein. Wir können daher mit Sonnenbrodt bei der Weiterentwicklung der Oozyten zwei verschiedene Arten unterscheiden, nämlich 1. die Wachstumsperiode bei jungen Tieren im ersten Lebens- jahre, bei denen die Oozyten einen kurzen oder gar keinen Ruhezustand durchgemacht haben und 2. die Wachstumsperiode bei zwei- und mehrjährigen Tieren, bei denen die Oozyten erst nach einer mindestens einjährigen Ruhepause neuerlich beginnen sich zu vergrössern. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 239 Die Unterschiede zwischen den beiden Entwicklungen sind nicht gross, sie bestehen lediglich darin, dass im ersteren Falle niemals Nukleolen auftreten, im zweiten Falle dagegen bilden sich zu Beginn des Wachstums der Chromosomen mehrere kleine Nukleolen, meist an Kreuzungsstellen von zwei Chromosomen, oft auch am Ende eines einzelnen CUhromosoma, sie bleiben nicht lange bestehen, sondern lösen sich auf und gehen im Kernsaft unter. Offenbar haben sich während der langen Ruhezeit über- flüssige Substanzen in den Chromosomen abgelagert, die nun zu Beginn der Wachstumsperiode in Form von Nukleolen gewisser- massen wie Exkrete ausgestossen und dann resorbiert werden. Sonnenbrodt fand während des Ruhestadiums stets einen Nukleolus, welcher in der ersten Zeit der Wachstumsperiode, bei jüngeren Tieren später als bei älteren, zerfällt. Auch d’Hollander beschreibt einen solchen Nucleolus, ebenso Hol. Lo vez beobaclıtete mehrere kleine Nucleolen. 6. Synapsis. Bevor wir zur Besprechung der eigentlichen Wachstumsperiode übergehen, ist es wohl noch notwendig, einige Worte über die Zellformen zu sagen, bei denen die Chromosomen nur in der Mitte des Kernes dicht beieinander gedrängt liegen oder solche, in denen ein oder mehrere exzentrisch gelegene Chromatinbrocken sich finden und ausserdem ein feines, meist schlecht färbbares Netzwerk, dessen Fäden etwa zwei Drittel des Kerninneren aus- füllen und scheinbar in Schleifentouren von und zu den chroma- tischen Brocken verlaufen. In beiden Fällen könnte man an Synapsis denken, besonders die zweite Form erinnert stark an die von d’Hollander, Winiwarter und Sainmont gegebene Schilderung dieser viel umstrittenen Zellform. Die Konzentration des Chromatins ist jedoch bei Colaeus monedula nie eine so starke, als in den ausgebildetsten Fällen von Synapsis, wie sie von vielen Untersuchern beschrieben werden. Im zweiten beschriebenen Fall handelt es sich sicher um einen Kern im An- fangsstadium der Rückbildung, die grossen Chromatinbrocken und zugleich die geringe Färbbarkeit der wenigen noch vorhandenen Fäden lassen hierüber keinen Zweifel aufkommen, obwohl die einfache Schicht der Follikelzellen häufig noch keine Neigung zur Wucherung zu zeigen scheint, sondern erst bei weiter im 240 H. Stieve: Zerfall vorgeschrittenen Kernen, wenn ausser den grossen Chromatin- brocken keine Spur von Kernstruktur mehr nachweisbar ist. mehr- schichtig wird. Im anderen Fall dagegen kann die Möglichkeit, dass die zentrale Zusammenballung der Chromosomen eine Folge der Fixierung sei, nicht unmittelbar von der Hand gewiesen werden. Die betreffenden Oozyten finden sich nur in den tieferen Schichten des Ovars und zwar ausschliesslich bei mit Flemmingscher Flüssigkeit fixierten Stücken. Der zentrale Chromosomenballen ist von einem hellen Hof umgeben, der frei von jeglichem Kernsaft ist, erst unmittelbar an der Kernmembran findet sich wieder ein schmaler Streif, gebildet aus Kernsaft und kleinen clıromatischen Brocken, es macht fast den Eindruck, als ob die Chromosomen hier mit der Kernmembran verklebt gewesen wären, durch den starken schrumpfenden Einfluss des Fixierungsmittels aber abgerissen und auf das Innere des Kernes zusammengedrängt wurden. In den betreffenden Schichten des Ovars fanden sich fast nie gut fixierte Kerne gleicher Stadien, während andererseits die fraglichen Kerne in Ovarien, deren tadellose Fixierung bis in die tiefsten Schichten ausser Frage stand, niemals nachgewiesen werden konnten. Während also in einem Falle mit Sicherheit die beginnende Atresie für die Zusammenziehung des Chromatins verantwortlich gemacht werden kann, ist im anderen Falle auch der Einfluss des Fixierungsmittels in Frage zu ziehen. Anzeichen einer beginnenden Degeneration finden sich hier weder am Epithel des Follikels, noch an den Chromosomen selbst, diese erscheinen vielmehr bis ins einzelste als feine, deutliche, gut färbbare Fäden. - Nach unserer Ansicht handelt es sich hier um das allererste Anfangs- stadium der Degeneration, dem Zusammentreten der Chromosomen folgt dann später erst der eigentliche Schrumpfungsprozess. Unsere Anschauung deckt sich hier mit derjenigen Buchners (1909), der zuerst auf die grosse Ähnlichkeit hingewiesen hat, welche gewisse Degenerationsftormen der Spermatozytenkerne von Oidipoda mit den von Winiwarter und Sainmont (1908), Molle (1907) und Popoff (1907) als Synapsis beschriebenen Zellformen besitzen. Er konnte bei seinen Präparaten die Möglich- keit eines Fixierungsproduktes ausschliessen, „da die aberranten Kernformen sich unmittelbar nebeneinander in den verschiedensten Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 241 Stadien finden und da selbst völlige normale Kerne zwischen ihnen liegen“. Er weist also in gut fixierten Präparaten den Übergang dieser synapsisähnlichen Formen zu den Stadien völligen Kernzerfalles nach und erblickt als Ursache für diese Degeneration eine Gleich- gewichtsstörung im Wachstum von Kern und Plasma. Auch die Beschreibung. welche d’Hollander von der Synapsis gibt. lässt die überaus grosse Ähnlichkeit dieses Zell- stadiums mit Degenerationsformen, die sicher als solche erkannt wurden, durchblicken. Man vergleiche dazu seine Abbildungen 30—32 und 38 (Tafel 5,1]. ce.) und vor allem 69, 2 und 71 (Tafel 6, l.c.) mit der Zelle, die in Abbildung 72 (Tafel 6, I. ec.) wieder- gegeben ist und vom Autor selbst als beginnende Degenerations- form bezeichnet wird. Ein Unterschied in der Anordnung des Uhromatins ist in beiden Fällen nicht zu erkennen. Bekanntlich ist ja ein grosser Teil der Untersucher bestrebt, dieSynapsislediglich als Fixierungsartefakt hinzustellen, so besonders Meves (1907—1908), welcher sie niemals an gut fixierten Stücken antraf, dagegen häufig in der Mitte der untersuchten Objekte, also an Stellen. in welche die Fixierungsflüssigkeiten nicht gut eindrangen. Der gleichen Ansicht ist auch Wassermann (1911), dem es gelang, durch Alkoholfixierungen an Wurzelkernen von -Allıum cepa künstlich Synapsisstadien zu erzeugen. Er gibt aber in einer späteren Arbeit (1913) zu, dass das synaptische Phänomen auch als eine „während des Lebens der Zelle eingetretene Kern- schädigung“ angesehen werden kann. Gegen diese Fixierungs- hypothese kann mit Recht der Einwand gemacht werden, dass keineswegs alle Zellen bei Anwendung des betreffenden Mittels eine Schrumpfung des Chromatins erfahren. sondern nur solche, die eine gewisse Anordnung der chromatischen Substanz zeigen, die also doch mehr als andere Zellen dazu neigen, bei Anwendung ungeeigneter Fixierungsmittel ihre Kernstruktur zu verändern. ‘Gerade dieses verschiedene Verhalten der Kerne muss uns darauf hinweisen, dass wir es bei der Synapsis doch mit einer besonderen Bescliaffenheit der chromatischen Substanz zu tun haben, welche sie nicht befähigt. ihre Struktur und Anordnung auch einem schlechten Fixierungsmittel gegenüber aufrecht zu erhalten. wie dies in anderen Zellen desselben Ovars der Fall ist. In einem Falle, bei Allium cepa, äussert sich diese Hin- fälligkeit des Chromatins nur bei bestimmten Fixierungsmitteln Archiv f. mikr. Anat. Bd.92. Abit. II. 16 242 H. Stieve: (Alkohol), während bei anderen Fixierungsmitteln noch die ursprüng- liche Form beibehalten wird. In zahlreichen anderen Fällen aber, wie bei Oidipoda und den vielen Objekten, welche synaptische Formen zeigen, jedoch bei allen Fixierungsflüssigkeiten. Im letzteren Falle ist eben der krankhafte Zustand des Chromatins schon weiter vorgeschritten. Wir können also in der Synapsis das erste Anzeichen der beginnenden Zelldegeneration erblicken, das sich im Bestreben des Chromatins, sich zusammenzuballen, kennzeichnet. In den allerersten Anfängen äussert sich dieser Zustand nur bei An- wendung gewisser Fixierungsmittel, welche die vorhandene Tendenz zur Verklumpung unterstützen. So ist es auch erklärlich, dass in den oberflächlichen Schichten eines Präparates, in welche das Fixierungsmittel rasch und in voller Konzentration eindringt, das Chromatin noch in seiner ursprünglichen Form erstarrt, während es in den tieferen Schichten unter dem langsamen Einwirken der hier zunächst stark verdünnten Flüssigkeit seinem Bestreben sich zu verklumpen, dem bisher vielleicht noch eine gewisse Spannung im Kerninnern entgegenstand, nachgeben kann. Durch die Fixierung würde hier also ein Zustand ausgelöst werden, der auch im Leben, jedoch erst einige Zeit später, eingetreten wäre. 7. Bildung der Lampenzylinderputzerformen. Die eigentlicie Wachstumsperiode der Oozyte zerfällt in zwei Zeitabschnitte, in den ersten wesentlich längeren, in welchem Kern und Plasma eine Vermehrung erfahren und in den zweiten von vier Tagen Dauer, in welchem lediglich eine Anhäufung von Dottermassen stattfindet. Die Chromosomen erfahren in der ersten Periode eine ungeheure (Grössenzunahme, ohne jedoch ihr gegen- seitiges Verhältnis, das durch die paarweise Verschlingung gekenn- zeichnet ist, zu verändern. Die anfangs anscheinend soliden Fäden teilen sich zunächst unter gleichzeitigem Längenwachstum in einzelne Körner und erhalten dadurch ein perlschnurartiges Aus- sehen. Aus diesen Körnerreihen entwickeln sich diejenigen Formen, die schon häufig beschrieben und mit den verschiedensten Namen belegt wurden, der gebräuchlichste unter ihnen dürfte der von Rückert (1892) eingeführte „Lampenzylinderputzerform“ sein, da er die Gestalt der Chromosomen in diesem Zustand wirklich am besten kennzeichnet. Born (1892) bezeichnet sie als Chromatin- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 243 fadenstränge, Lubosch (1902) als Moosfiguren, die französischen Autoren gewöhnlich als Noyaux barbelees. Die Ausbildung dieser Formen geht äusserst langsam vor sich und benötigt einen Zeit- raum von mehreren Monaten. Anfangs scheinen die Chromosomen nur aus kurzen quer gestellten Stäbchen zu bestehen, diese ver- längeın sich und erstrecken sich immer weiter in den Kernsaft, wobei sie sich schliesslich haarlockenartig durcheinanderwinden und dabei den ganzen Kern in allen Richtungen durchsetzen. Gabelungen der einzelnen Fäden kommen nicht vor, ebensowenig kommt eine Verbindung der Ausläufer zweier verschiedener Chromosomen zustande, auch eine Verbindung durch chromatische Brücken konnten wir niemals beobachten. Die Chromosomen bewahren also auch im Zustand der höchsten Aus- bildung der Lampenzylinderputzerformen voll- kommen ihre Selbständigkeit. Eines der Hauptmerkmale dieser Chromatinfadenstränge ist, dass in der Zeit der höchsten Entwicklung ein zentraler, gewisser- maßen den Körper des Chromosoma darstellender Faden nicht besteht, vielmehr ist seine angenommene Lage nur durch die wesentlich dichtere Verflechtung der einzelnen Fäden gekenn- zeichnet. Wenn Sonnenbrodt (1908) angibt, dass ein scharfer, dunkel gefärbter Achsenfaden die Grundlage der Chromatinfaden- stränge bildet, der sich bei einzelnen von ihnen aus mehreren gleich langen Teilen zusammenzusetzen scheine, so hat er die eigentlichen Formen in der vollsten Entwicklung gar nicht oder nur an schlecht differenzierten Präparaten beobachtet. Er gibt auch in keiner seiner Abbildungen wirklich schön ausgebildete Formen wieder, ein Umstand, der weiter unten noch ausführlich besprochen werden soll. Im Zusammenhang mit der Eientwicklung wurden diese Kernformen zum erstenmal von Holl (1890) beschrieben und vor allem äusserst eingehend von Rückert (1892) und Born (1892). Seitdem konnten sie fast in allen Eiern, die reichlichen Nahrungsdotter besitzen und sich entweder inäqual oder partiell furchen, nachgewiesen werden, es scheint also, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen den grossen Dottermassen und der starken Ausbreitung, bzw. Oberflächenvergrösserung der Chromo- somen besteht. Allerdings beginnt ja die Hauptanhäufung der grossen Dottermengen erst dann, wenn sich die Chromosomen 16* 244 H. Stieve: wieder zu kleinen, dünnen Fäden zurückgebildet haben, die starke Ausbreitung hat also wohl den Zweck, den Kern in entsprechender Weise vorzubereiten und so das entstehende Missverhältnis in der Kernplasmarelation schon im voraus auszugleichen. Merkwürdiger noch als die Form der Lampenzylinderputzer- chromosomen ist ihr färberisches Verhalten. Wie wir oben aus- führlich beschrieben haben und auch alle Untersucher. welche die betreffenden Formen an ganz verschiedenen Objekten nach- wiesen. übereinstimmend beobachten konnten, zeigen die Chromo- somen während der Zeit der Ausbildung der seitlichen Faden- stränge eine verminderte, oftmals äusserst geringe Aufnahme- fähigkeit für Farbstoffe jeder Art und haben durch dieses \Ver- halten bei einigen Beobachtern die Meinung hervorgerufen, dass eben diese Phänomene, in denen die Mehrzahl der Forscher die Äusserung höchster Lebensenergie erblickt. nichts anderes sind als die Einleitung eines später vollständig werdenden Zerfalles. Trotz dieser geringen Färbbarkeit gelingt es aber stets an ein- wandfreien, das heisst nicht in Rückbildung befindlichen Oozyten die Chromosomen auch mit spezifischen Kernfärbemitteln (Borax- karmin, Safranin) sichtbar zu machen, ganz abgesehen davon, dass wir in der Eisenhämatoxylinmethode von Heidenhain ein ganz ausgezeichnetes Mittel haben, um auch die bei der Aus- bildung der fraglichen Formen stattfindenden Vorgänge in allen Einzelheiten aufs schönste darzustellen. Sobald der Höhepunkt der Ausbildung erreicht ist, das heisst. wenn gegen Ende der (rössenwachstumsperiode des Kernes das Chromatin seine feinen Ausläufer über das ganze Kerninnere verteilt und damit seine Oberfläche und auch wohl seine Wirksamkeit auf das grösst- möglichste Maß gesteigert hat. dann nimmt es auch alle spezi- tischen Farbstoffe wieder ausgezeichnet auf und ist deshalb auch leicht darstellbar. Die Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten liegt otten- bar in den chemischen Vorgängen, welche den Wachstumsprozess begleiten. Die Chromosomen müssen, um sich in der geschil- derten Weise, wie Rückert (1892) berechnet, von 2 Kubik- mykra auf 15700 Kubikmykra zu vergrössern, eine ungeheure Menge von Nahrungssubstanzen aus dem Kernsaft aufnehmen und zu Chromatin verarbeiten. Diese Verarbeitung erfolgt aber offenbar nicht unmittelbar nach der Aufnahme, sondern erst Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. as, ziemlich langsam, und deshalb bestehen die Chromosomen während der Wachstumsperiode stets aus zwei verschiedenen Substanzen. nämlich aus den schon zu gut färbbarem Chromatin umgewan- delten Teilen und aus den neuaufgenommenen Substanzen, die noch nicht umgewandelt sind und deshalb auch noch nicht spezi- tische Färbbarkeit zeigen, aber mit dem Chromatin innig ge- mischt sind. Wir haben es also mit einer richtiggehenden Ver- dünnung des Chromatins in den Chromosomen selbst zu tun, welche die weniger deutliche Tinktion zur Folge hat. Ausser- dem mögen die chemischen Umsetzungsprozesse, die während dieser Zeit besonders lebhaft sind, auch zur teilweisen Neutrali- sierung des Chromatins beitragen. Wie sich bei Dreifachfärbung nach Flemming deutlich zeigt, finden wirklich derartige che- mische Vorgänge in den Chromosomen statt, denn sie färben sich zu Beginn der Wachstumsperiode leuchtend rot, also mit Safranin, am Ende aber deutlich violett also mit Grentiana. Zwischen beiden Zeitpunkten mnss es einen Abschnitt geben, in welchem sie ent- weder beide Farbstofte gleichmässig oder aber keinen von beiden besonders gut aufnehmen. Das letztere ist der Fall und ist die Ursache der schlechten Färbbarkeit. Dass dieses Verhalten nur die chemische Zusammensetzung, nicht aber die Form der Chromo- somen betrifft, beweisen die Eisenhämatoxylinpräparate, die an normalen Follikeln niemals ein Undeutlichwerden, geschweige denn einen Zerfall der Chromosomen erkennen lassen. Ungefähr im gleichen Sinne äusserte sich auch Rabl (1885), der bei Pro- teus ähnliche Kernformen beobachtet hat und in der chemischen Zusammensetzung des (rerüstwerkes den Grund für die schlechte Färbbarkeit erblickt. Tritt ein wirklicher Zerfall bei Chromosomen ein, was je- doch nur in atretischen Follikeln stattfindet, dann begleitet die schlechte Färbbarkeit eine Verklumpung der Faden- stränge, sie verlieren ihre Form, haben keinen Zusammenhang mehr und lassen sich auch mit der Heidenhainschen Eisen- hämatoxylinmethode nicht mehr darstellen. Später lösen sich auch ihre letzten Reste im Kernsaft auf, der Kern erscheint als- dann eine Zeitlang gleichmässig gekörnt und schliesslich voll- kommen homogen, bei Safranin-Lichtgrünfärbung hellgrün, bei Heidenhainfärbung gleichmässig hellgrau und bei Dreifach- färbung nach Flemming hellbraunrot. Noch später zerfällt die DAG E H. Stieve: Kernmembran, der Kern geht vollkommen zugrunde und mit ihm der ganze Follikel. Vergleichen wir nun unsere Beobachtung über die Lampen- zylinderputzerformen mit denen anderer Untersucher. Schon Flemming (1882) beschreibt diese eigentümlichen Formen der Chromosomen an einem jüngeren Eierstocksei von Siredon pisci- formis, spricht sich jedoch nicht weiter über das Schicksal dieser Gebilde aus, ebensowenig Iwakawa (1882) bei Triton. Flemming gibt jedoch an, dass er bei Amphibien und Fischen regelmässig solche Kernformen gefunden hat. Rabl (1885) be- obachtete die gleiche Anordnung des Chromatins bei mittelreifen Ovarialeiern von Proteus, enthält sich aber ebenfalls eines Urteils über ihre Bedeutung und ihr weiteres Schicksal, er betrachtet die betreffenden Zellformen als Ruhekerne. Der erste, der das Auftreten der Chromatinfadenstränge in der Eientwicklung als einen wichtigen Abschnitt während der Wachstumsperiode der Oozyte beim Haushuhne beschreibt. ist H ol1 (1890), er gibt eine ausführliche Schilderung der fraglichen Kerne, lässt allerdings die Fadenstränge unmittelbar aus dem Netzwerk des Kernes hervorgehen und im Verlauf der Entwicklung wieder verschwinden. In ausführlichster Weise beschrieb dann zwei Jahre später Rückert die Entstehung und schliessliche Um- bildung der Lampenzylinderputzerformen, er erwähnt die schlechte Färbbarkeit, betont aber ausdrücklich, dass von einem Verschwinden der Chromosomen während der ganzen Entwicklung des Keim- bläschens nicht die Rede sein könne. Auch Born (1892 — 1894) beschreibt bei Triton taeniatus die Entwicklung und Rückbildung der Chromatinfadenstränge und erwähnt einen Zerfall mit keinem Worte. Bei dem von ihm untersuchten Objekte kann die unmittel- bare Umwandlung der fraglichen Chromosomenformen in den Knäuel einfacher Chromatinfäden sehr deutlich beobachtet werden, seine Befunde zeigen bis ins kleinste eine vollkommene Überein- stimmung mit denen Rückerts am Selachierei. Born hat, wie er selbst angibt, die Rückertsche Arbeit erst nach Fertigstellung seiner Untersuchungen gelesen und war selbst überrascht von der grossen Ähnlichkeit, die zwischen den beiden Beobachtungen besteht. Im Anschluss an die Arbeiten von Rückert und Born nahm Holl (1893) eine Nachprüfung der Ergebnisse seiner ersten Arbeit vor und fand, wie er in seinen Mitteilungen über das Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 247 Säugetierei angibt, das chromatische Fadengerüst auch in solchen Follikeln, in denen er es bei seiner ersten Untersuchung nicht nachweisen konnte. Er kommt deshalb zu folgendem Schluss: „Mit Beziehung auf die Befunde Rückerts und Borns ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass das Fadenwerk dieses Keim- bläschens (296 zu 128 «) aus jenen Gerüststrängen hervorgegangen ist, welche in meiner oben zitierten Abhandlung (1890) in Fig. 7 abgebildet sind“. Und weiter: „Nach diesem Befunde scheint es mir wohl sehr wahrscheinlich, dass das weitere Schicksal dieses Fadenwerkes beim Huhne ein solches ist, wie es Rückert und Born bei Selachier- und Amphibieneier gefunden haben.“ Holl widerruft also selbst seine Angaben über die Auflösung der Chromatinfadenstränge, eine Tatsache, die den meisten neueren Untersuchern, ich erwähne nur Sonnenbrodt, Loyez und d’Hollander, vollkommen unbekannt ist. Im Anschluss an die drei zuletzt erwähnten Arbeiten möchte ich noch bemerken, dass sich bei Colaeus monedula die Kern- strukturen in den fraglichen Stadien weitaus am besten bei Fixierung mit Sublimateisessig darstellen lassen. Born hält dieses Gemisch für vollkommen ungeeignet gerade zur Darstellung der Chromatinfadenstränge und führt die geringen Unterschiede in den Ergebnissen seiner Arbeit mit denen Rückerts auf die ver- schiedene Fixierung der Objekte zurück. Rückert selbst hat aber gerade zur Darstellung der fraglichen Formen Flemmingsche . Lösung benützt und konnte mit ihrer Hilfe auch da noch die typischen Chromosomen zur Anschauung bringen, wo bei Sublimat- präparaten nur noch feinste Fäserchen und Körnchen zu sehen waren. Augenscheinlich verhalten sich eben die einzelnen Objekte den verschiedenen Fixierungsflüssigkeiten gegenüber nicht ganz gleich. Loyez (1905—1906) konnte bei allen 41 untersuchten Tierarten die Lampenzylinderputzerformen auffinden, sie weist auch auf die schlechte Färbbarkeit der Chromosomen in diesem Zustand hin, bemerkt aber ebenfalls, dass von einer völligen Auf- lösung des Chromatins, also einer staubförmigen Verteilung im ganzen Kernsaft, niemals gesprochen werden kann. Dagegen beschreibt Sonnenbrodt (1908)den völligen Zerfall der Chromatin- iadenstränge beim Haushuhn. Sie bilden zunächst körnige Züge und Inseln und werden schliesslich in feinste Körnchen aufgelöst, 248 H. Stieve: die zerstreut im Kernsaft liegen. „Die im Kernsaft suspendierten Körnchen ordnen sich nunmehr zu einer Art Stützgerüst für den Kern an. Es entsteht ein körniges Netzwerk, das den Kern voll- kommen durchsetzt. Die körnigen Züge verlaufen vorwiegend in senkrechter Richtung. Die Maschen des ganzen Netzwerkes werden von hellerem Kernsaft ausgefüllt. Dieses Stützgerüst erhält sich während der ganzen weiteren Wachstumsperiode und bildet die Grundlage jedes älteren Keimbläschens, blasst jedoch bei älteren Kernen immer mehr ab“. Ich konnte schon früher (1913) nachweisen, dass Sonnen- brodt zu seinen Untersuchungen zum Teil sicherlieiı nicht mehr frisches Material verwendet hat, dass sich aber seine Schilderungen vom Zerfall der Chromosomen auf Keimbläschen beziehen, deren Follikel sich in regressiver Metamorphose befunden hatten. Sonnenbrodt meint zwar, er habe „alle Hühner, die in Rückbildung befindliche Eier zeigten, gänzlichst von der Unter- suchung ausgeschlossen“, dies ist jedoch vollkommen unmöglich, denn es gibt gerade beim Huhn überhaupt keinen Eierstock, in dem sich nicht atretische Follikel nachweisen lassen. Hätte sich Sonnenbrodt die Mühe genommen und auch nur ein einziges derartiges Ovar, das makroskopisch keinerlei Rückbildung erkennen liess, vollständig in Schnittserien zerlegt, so hätte ihm diese Tat- sache nicht entgehen können. Er erhielt alle über drei Monate alten Legehühner, also alle, bei denen die fraglichen Stadien vor- kommen, bei der Ankunft der russischen Geflügeltransporte in Berlin, „unter den Opfern des Transportes befanden sich noch immer mehrere lebendwarme, tote Tiere“. Wie lange diese Tiere sich auf dem Transport befanden, gibt Sonnenbrodt nicht an, sicherlich aber, da sie aus Russland kamen, mehrere Tage. Während dieser Zeit konnten die schwersten Rückbildungsvorgänge an den ÖOvarien stattfinden, und es ist zu verwundern, dass sich unter den untersuchten grossen Follikeln überhaupt noch solche mit einiger- massen normalen Kernformen fanden. Wie stark aber die Rück- bildungsvorgänge waren, geht daraus hervor, dass Sonnenbrodt, der ja ihre Bedeutung überhaupt nicht kannte, von 93 Hühnern 40 allein wegen der makroskopisch vorgefundenen Degenerations- erscheinungen ausschaltete. Betrachten wir seine Angaben im einzelnen. Die früheren Stadien der Entwicklung (Fig. 1—22 l.c.) untersuchte er an Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle 249 Hühnern im Alter von unter 3 Monaten, die er sich durch eigene Brutversuche und Ankauf verschaffte, sie kamen also nicht aus den Geflügeltransporten und zeigen alle gut fixierte Kerne mit glatter Oberfläche ohne Rückbildungserscheinungen. Auch Fig. 23 ist noch gut fixiert, der betreffende Kern gehört einem 4 Monate alten Huhn an. Die übrigen Kerne stammen alle von älteren Tieren aus den Transporten. Fig. 24 zeigt eine fast an Synapsis erinnernde Zusammenziehung der Chromosonen. die „körnig bröckelig und varikös sind“ in der Mitte des Kernes, ebenso Fig. 26, beide lassen deshalb den Gedanken naheliegend erscheinen, dass es sich auch bei ihnen um beginnende Degenerationsformen handelt. Fig. 25 gibt uns in der denkbar schönsten Weise den beginnenden Zerfall der Chromosomen wieder, wie er zu Anfang der Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen stattfindet, wenn der betreffende Follikel atretisch wird. Die Körnung des Kernsaftes, der stark wellige Verlauf der Kernmembran, alles passt vollkommen zu diesem Bilde. Man vergleiche nur seine Abbildung (251.c.) mit unserer Nr. 65 und wird sofort die vollkommene Übereinstimmung fest- stellen können. Die Abbildung 27 von Sonnenbrodt stammt von einem zweijährigen Leghuhn und zeigt den Zerfall der Chromo- somen im Zeitpunkt ihrer höchsten Ausbildung, also dann, wenn ihre Ausläufer den ganzen Kern gleichmässig durchsetzen. Dieses Stadium selbst ist Sonnenbrodt entgangen, selbstverständlich, denn alle Follikel der fraglichen Grösse, die er untersucht hat, befanden sich in Rückbildung. Die kleinen im Kerne verstreuten Körnchen sind die letzten Reste der Fadenstränge, ihre Anord- nung vorzugsweise in senkrechter Richtung zur Kernoberfläche entspricht auch meinen Beobachtungen (1913) an degenerierenden Zellkernen beim Huhne. Bei der Dohle habe ich eine solche Anordnung nicht beobachten können. Neben den zerfallenen Chromosomen beweist auch die starke Faltung der Kernmembran den beginnenden Untergang. Ausser diesen beiden in Abbildungen wiedergegebenen Kernen beschreibt Sonnenbrodt noch eine Reihe anderer, bei denen ebenfalls die Chromosomen im Zerfall begriffen, beziehungsweise schon vollkommen zerfallen sind. Im ganzen erstreckt sich sein Urteil über den Zerfall der Chromosomen auf sechs ausführlich beschriebene Follikel. Der Beginn des Zerfalles wird schon bei einer Follikelgrösse von 0,615 zu 0,715 mm beobachtet, er wird 250 H2Strewve: dann deutlicher und deutlicher, um bei einer Follikelgrösse von 0,960 zu 1,275 mm den höchsten Grad der Ausbildung erreicht zu haben. Hier ist der Kernsaft von feinsten Körnern durch- setzt, „die sich in seinem grössten Teil zu einem eigenartigen verschwommenen Netzwerk angeordnet haben.“ Der grösste Follikel, der das Phänomen des Zerfalles noch bietet, misst 1.782 zu 1,944 mm. Der Kern hat sich der Oberfläche genähert und zeigt einen den grössten Teil des Zentrums einnehmenden Nukleolenhaufen. („Haufen von nukleolenartigen, dicken chroma- tischen Körnern.“) „In einigen Schnitten tritt in diesem Nukle- olenhaufen nach dem Grunde des Keimbläschens hin ein hellerer weniger stark gekörnter, nukleolenfreier grosser Fleck auf.“ In diesem Falle haben wir es mit einem Kerne zu tun, bei dem die Abschmelzung der seitlichen Chromosomenausläufer, die zur Bildung der Nukleolen führt, schon stattgefunden hat. Die feinsten Fäden, welche nunmehr die Chromosomen darstellen, sind aber zerfallen und hinterlassen den beschriebenen nukleolenfreien Raum. Es steht ausser allem Zweifel, dass es sich auch hier um eine be- ginnende Degeneration handelt. Ich konnte in meiner früheren Arbeit durch zahlreiche Versuche an Haushühnern dartun, dass gerade diejenigen Oozyten, welche sich am Ende der Wachstumsperiode des Kernes befinden. bei denen also die Chromosomen die höchste Ausbildung der Fadenstränge zeigen, am leichtesten der Atresie verfallen und deshalb bei ungünstiger Beeinflussung des Ovars zuerst Rück- bildungserscheinungen zeigen. Sie lassen sich aber wegen der geringen Grösse der Follikel makroskopisch nicht feststellen und bei oberflächlicher Untersuchung springen sie auch im mikro- skopischen Bild nicht ohne weiteres in die Augen. Erst bei ein- gehenderer Untersuchung der Schnitte kann man sich von ihrem massenhaften Vorhandensein überzeugen. Scheinbar befinden sich die Oozyten in jener Zeit wieder, wie gleich nach der letzten Oogonienteilung, in einem Zustand der inneren Depression, welche durch das rasche Grössenwachstum des Kernes bedingt wird und eine besonders hohe Widerstandslosigkeit gegenüber äusseren Einflüssen mit sich bringt. Hätte Sonnenbrodt zu seinen Untersuchungen besseres Material, das heisst freilebende, bis zum Augenblick der Tötung genau beobachtete Tiere ver- wendet. so wäre ihm niemals der Irrtum unterlaufen, solche ru a A Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 291 Rückbildungserscheinungen in die normale Eientwicklung einzu- reihen. In einigen Punkten eine gewisse Ähnlichkeit mit meinen Befunden an Colaeus monedula zeigen auch diejenigen von Carnoy und Lebrun (1897—1903) und Lubosch (1902), welche die genauen Untersuchungen Borns zu widerlegen scheinen. In ihrer ausführlichen, allerdings durch die äusserst komplizierte Darstellung und die oftmaligen Wiederholungen etwas schwer verständlichen Arbeit beschreiben Carnoy und Lebrun zuerst die Eientwicklung von Salamandra maculosa. Im jungen Keimbläschen findet sich ein unseementierter Nukleinfaden, zu dem allmählich neuentstehende Nukleinnukleolen hinzutreten. Der Nukleinfaden zerfällt sodann in Nukleolen. manchmal vollständig, gewöhnlich bleiben jedoch einige Fadenreste längere Zeit be- stehen, aus ihnen bilden sich formlose körnige Klumpen. die später wieder in feinste Körner zerfallen. Manchmal geht die Auflösung des Kernfadens unter Bildung von Chromatinfaden- strängen vor sich. Noch vor Ablauf des Chromosomenzerfalles findet die Auflösung der Nukleolen statt, die sich in ganz ähn- lichen Formen, selbst unter Bildung von lampenzylinderputzer- ähnlichen Gebilden abspielen kann. In einem späteren Entwick- lungsstadium bilden sich dann im Kerne die typischen Chromatin- fadenstränge aus, die ihrerseits dann wieder körnig zerfallen. Ein Teil der Zerfallsprodukte löst sich auf, ein anderer Teil nimmt vollkommene Kernstruktur an und lässt schliesslich einen Nukleinfaden austreten. Dabei kommen auch die von Rückert und Born beschriebenen verschlungenen Chromosomenpaare zur Beobachtung, die jedoch „mit voller Sicherheit“ nur Auflösungs- figuren der Chromosomen darstellen, sie gehen zu 26 Paaren aus 26 der 600 vorhandenen Nukleolen hervor. Die Beobachtungen Rückerts am Selachierei hat Garnoy nachgeprüft und will dabei dieselben Auflösungsfiguren wie bei seinen Objekten ge- funden haben. Ausserdem wurde Pleurodeles Waltlii Mich. unter- sucht. in einer späteren Arbeit Triton cristatus, und auch bei diesen Objekten konnte beobachtet werden, dass sich die Reifung der Oozyten auf ganz verschiedene Art vollziehen kann. Im grossen und ganzen lassen sich drei Typen unterscheiden. Es würde zu weit führen, hier alle die Einzelheiten der Untersuchung zu referieren, wir müssen in dieser Hinsicht auf die Originalarbeit verweisen. 252 H. Stieve: Kurz zusammengefasst schildert Lubosch (1902) die Vor- gänge wie folgt: „Carnoys Auffassung ist in Kürze folgende: Der nach der letzten Teilung der Geschlechtszellen entstandene Chromatinknäuel löst sich in Nukleolen auf. Diese Nukleolen lassen nach verschiedenen Modi sekundäre Filamente aus sich hervorgehen. Es folgt dann abermalige Auflösung der Nukleolen nach anderer Art, abermals Bildung von Figuren. Der in dieser Periode gebildete Zentralkörper enthält die Trümmer von Nukle- olenfiguren und Auflösungen von Nukleolen selbst. Sodann ent- ledigt sich der Zentralkörper aller fädigen Elemente, lässt wiederum aus deren Trümmern neue Nukleolen hervorgehen u.s.f. Es bleibt somit von den ursprünglichen Chromatinfäden nichts übrig. Die Kontinuität der Chromosomen wird während der Reifung durch eine Anzahl von Nukleolengeschlechtern unterbrochen. Die Chromosomen der Reifungsteilungen sind nicht nur chemisch, sondern auch morphologisch vollkommen neue Individuen.“ Lubosch (1902) hat die Arbeit einer Nachprüfung unter- worfen und untersuchte zu diesem Zwecke die Ovarien von 14 während der Laichzeit getöteten Tritonen. Er bestätigt einerseits die Untersuchung der belgischen Autoren, indem auch er perio- dische Nukleolenbildung und Figurenauflösung beobachtete. Es gelang ihm jedoch andererseits auch nachzuweisen, dass ein Teil der Chromatinfiguren direkte Abkömmlinge der ursprünglich im Kern vorhandenen Chromatinsubstanz sind, und dass sich nur ein Teil von ihnen aus Nukleolen neubildet. Auf die Möglichkeit der Entstehung eines Chromosoms aus einem Nukleolus kommen wir weiter unten noch ausführlich zu sprechen. Was die Arbeiten Carnoys und Lebruns betrifft, so liegt ihnen sicherlich ein ungeheures Material zugrunde, das mit äusserstem Fleiss bearbeitet wurde. Es wäre daher ganz falsch, die Befunde, die sicher, wie auch die Nachuntersuchung von Lubosch beweist, genau sind und den tatsächlich in den betreffenden Keim- bläschen vorkommenden Verhältnissen entsprechen, anzuzweifeln. Äusserst einfach wäre es ja, wollte man das System, das Carnoy und Lebrun auf die Arbeit Rückerts anwenden, auf ihre eigene Arbeit zur Geltung bringen und ihre Befunde einfach als „irrig und Produkte einer Voreingenommenheit“ bezeichnen. Mit derartigen ausfälligen Bemerkungen ist aber weder eine Unter- suchung widerlegt, noch auch der Wissenschaft auch nur das Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 253 Geringste gedient, einen Fortschritt bedeutet die Nachprüfung einer Arbeit nur dann, wenn es gelingt, den Nachweis zu führen, dass die Beobachtungen des ersten Untersuchers entweder falsch gedeutet waren, oder aber auf welche Art und Weise die etwaigen falschen Beobachtungen zustande kamen. (regen die Untersuchungen der: beiden Belgier lässt sich in erster Linie anführen, dass bei ilınen die Seriation der Figuren keineswegs einwandfrei ist und dass sich ausserdem auch nicht jedes Chromosom des Stadium 3 und 4 auf einen Nukleolus zurückführen lässt. Zudem wird das völlige Verschwinden der Chromosomen nicht einwandfrei bewiesen. Die gleichen Einwände erhob seinerzeit auch Lubosch (1902), dessen Anschauungen über die Arbeiten Carnoy und Lebruns wir im grossen und ganzen beipflichten können. Wir müssen jedoch noch hinzufügen, dass nach unserer Ansicht der Beschreibung eines jeden Ent- wicklungsprozesses, der vom gleichen Anfangsstadium zum gleichen Endstadium auf, bei verschiedenen Individuen derselben Art ganz verschiedenen Wegen führt, das grösste Misstrauen entgegen- zubringen ist. Die Entwicklungsvorgänge in der Natur vollziehen sich nach allgemein feststehenden unabänderlichen Regeln, die nicht nur bei den einzelnen Individuen einer Art, sondern sogar bei allen Arten des Tier- und Pflanzenreiches in den Grundzügen gleich sind. Niemanden wird es einfallen, für die Entwicklung eines noch so unwichtigen Organs, z. B. des Prozessus vermiformis des Menschen, drei verschiedene Entwicklungsmodi bei verschiedenen Individuen anzunehmen. Nur bei der Entwicklung der Geschlechts- zellen haben es die eben zitierten Forscher unternommen, eine solche Anschauung zu vertreten, weil es ihnen nur mit Hilfe einer solchen, sonst ganz unmöglichen Hypothese gelingen konnte, die ver- schiedenen Zellformen, die sie in den Ovarien aufgefunden hatten, und die sich auch beim besten Willen nicht in ein einziges Schema pressen lassen, zu erklären. Dass ein grosser Teil aller dieser merkwürdigen Stadien Kernen angehört. die sich nicht mehr in Entwicklung, sondern in Rückbildung befinden, hat keiner der Untersucher bedacht. Hätten Carnoy und Lebrun und Lubosch den Rückbildungsvorgängen mehr Aufmerksamkeit zugewendet, so hätten sie die Vorgänge bei der Eientwicklung der Urodelen wahrscheinlich wesentlich einfacher erklären können. Sie deuteten zwar selbst in ihrer 254 H. Stieve: zweiten Arbeit an, dass sie bei Triton taeniatus wesentlich andere Kernbilder bekamen, wenn sie die Ovarien gefangener oder freilebender Tiere untersuchten, machten aber leider keine ausführlichen Angaben über diese äusserst wichtige Beob- achtung. Die poikilothermen Amphibien sind aber, wie vielleicht kein anderes Tier, den Unbilden der Witterung ausgeliefert, da sie nicht nur von der Wärme, sondern auch vollkommen vom Feuchtig- keitsgehält ihrer Umgebung abhängig sind. Und gerade während ihrer Fortpflanzungstätigkeit, die sich bei Tritonen von April bis Juni erstreckt, sind in unseren Breiten die Schwankungen in den Witterungsverhältnissen am grössten. Zu Anfang der Zeit kann Nachtfrost oder verspäteter Schneefall eintreten, gegen Ende längere Hitze und Trockenheit. Lubosch hat (1902) darauf hingewiesen, dass derartige äussere Verhältnisse die Ursache für die grosse Verschiedenheit in den aufgefundenen Kernformen sind, ohne jedoch die Möglichkeit der Degeneration der betreffenden Oozyten zu bedenken. Nach seiner Anschauung müssen sich ottenbar die Kerne der Follikel auch nach den tiefgreifendsten Veränderungen zu normalen Eiern entwickeln. (serade damit. dass die äusseren Einflüsse sicherlich Ver- änderungen an den Ovarien hervorrufen, erklärt es sich, dass mit der Menge des untersuchten Materials auch die Zahl der ver- schiedenen Bilder zunimmt und schliesslich so gross wird, dass sie sich wie bei Carnoy und Lebrun nur mehr durch drei parallel laufende verschiedene Entwicklungen bei der gleichen Tierart erklären lassen. Zu Beginn der Wachstumsperiode sind die Oozyten alle gleich und deshalb decken sich auch hier die Untersuchungsergebnisse, am Ende, beim Eintritt in die Reifungs- teilungen, sind nur mehr diejenigen Oozyten vorhanden, die allen äusseren Einflüssen widerstanden haben und ihre Entwicklung glücklich beenden konnten, infolgedessen stimmen auch hier die Betunde beim gleichen Objekt überein. Gerade die Tatsache, dass die verschiedenen von den einzelnen Untersuchern beschriebenen Vorgänge dann doch schliesslich zum gleichen Endergebnis führen, muss uns darauf hinweisen, dass auch die vorhergehenden Ver- änderungen wenigstens in grossen Zügen gleich sind und dass alle jene Zellformen, die sich nur mit grösster Mühe und unter Heranziehung zahlreicher Hilfshypothesen in den Entwicklungs- a || Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle 255 gang einfügen lassen, krankhafte Gebilde sind, die sich nicht weiter entwickeln, sondern zurückbilden. Der Gang der Entwicklung des reifenden Tritoneneies ist von Born (1594) ausführlichst beschrieben worden, er ist einfach. klar und ohne Hilfshypothese verständlich. Offenbar hat Born (Glück gehabt, dass ihm bei seiner Untersuchung keine Rück- bildungsformen unterkamen, oder er hat sie gesehen und entweder als regressive Formen erkannt oder als Erzeugnis der Fixierung betrachtet, was bei dem hohen Wert, den er der mikroskopischen Technik beimisst, wohl denkbar erscheint. Nach Lubosch hat Janssens (1904) es nochmals unternommen, die Eientwicklung bei Triton nachzuprüfen. Er beobachtete nach den Telophasen der letzten oogonialen Kinesen ein Ruhestadium, dem dann die Bilduug des dünnen Knäuels, ein synapsis-ähnliches Stadium, das je nach der besseren oder schlechteren Fixierung schwächer oder stärker ausgebildet ist, folgt. Während des darauffolgenden Boukettstadiums teilen sich die 12 Chromosomen in 24 Teilhälften. „Diese Parallelfadenpaare bleiben bestehen die ganze Entwicklung des Eies hindurch.“ „Während der ganzen Entwicklung dieser doppelten Chromosomen bleiben dieselben unabhängig von den Nukleolen.“ Janssens bestätigt also voll und ganz die Befunde Borns und weist nochmals für Triton die Kontinuität der Chromo- somen nach, er erwähnt zwar „dass gewisse Nukleolen dadurch, dass sie sich in der unmittelbaren Nähe der Chromosomen befinden, die Bilder trüben“. Auch „die 12 Fadenpaare erleiden während dieser langen Periode so bedeutende Veränderungen, dass man sie oft kaum erkennen kann“, vom völligen Zerfall oder Schwund der Chromosomen ist jedoch nirgends die Rede, ebensowenig von einer Umbildung in Nukleolen. Wir können daher nicht verstehen, aus welchem Grunde Lubosch (1914) die Arbeit Janssens denjenigen zuteilt, bei denen die Persistenz der Chromosomen nur zweifelhaft bleibt, „wenn sie auch in manchen Eiern noch höchst wahrscheinlich gemacht werden kann“. Nach allem vorher Gesagten dürfen wir wohl mit Sicher- heit annehmen, dass auch bei den Amphibien alle Kernformen, die einen ganzen oder teilweisen Zerfall des Chromatins zeigen, sich nur in solchen Follikeln finden, die in Rückbildung begriffen sind. Auf die Umwandlung der Chromosomen in Nukleoleu komme ich weiter unten noch näher zu sprechen. Der Zer- 256 H. Stieve: fall des Chromatins dürfte also auch beim Keim- bläschen der Amphibien kein Stadium der normalen Vogenese, sondern einen Degenerationsprozess be- deuten. Bekanntlich hat Fick (1899—1907). der ursprünglich auf Grund seiner Untersuchungen am Axolotlei (1893) „bei der grossen Übereinstimmung der Objekte“ es für angezeigt hält, „auch für den Axolotl ein Erhaltenbleiben des chromatischen Kerngerüstes in der ganzen Entwicklung des Keimbläschens im Sinne Rückerts und Borns anzunehmen“, nach Durchsicht der Präparate Uarnoys und Lebruns und gestützt auf eigene Beobachtungen am Froschei seine Anschauungen geändert. Er tritt jetzt für eine völlige Auflösung und Wiederherstellung des Chromatins im Amphibienkeimbläschen ein. Da eine ausführliche Veröffentlichung seiner Befunde am Frosch nicht erfolgt ist, so erübrigt sich hier ihre Besprechung. Fick hat aber schon bei seiner ersten Mitteilung (1899) auf das Vorkommeu von atre- tischen Follikeln im Ovarium des Frosches hingewiesen, ohne je- doch scheinbar diesem Umstande grössere Aufmerksamkeit zuge- wendet zu haben. Ss. Rückbildung der Chromosomen zu feinen Faden- paaren. Wenn das Keimbläschen seine endgültige (Grösse erlangt hat, haben auch die Chromosomen den höchsten Grad der Aus- bildung erfahren, ihre Ausläufer sind über den ganzen Kern gleichmässig verteilt. Nunmehr erfolgt die Rückbildung der Chromosomen zu einfachen feinen Fäden durch Abschmelzung der seitlichen Ausläufer. Bei Colaeus monedula spielt sich dieser Vorgang sehr rasch ab, die Ausläufer trennen sich von den Uhromosomen, zerfallen körnig. verändern ihre Reaktion gegen- über Farbstoften und liegen dann als kleine Körner, die man wohl auch als Nukleolen bezeichnen könnte. gleichmässig im Kernsaft zerstreut. Auch die Chromosomen sind anfangs gleich- mässig im Kern verteilt, rücken dann aber rasch auf die Kern- mitte zusammen, wo sie schliesslich nur mehr einen äusserst kleinen Raum einnehmen. Anfangs erscheinen sie als lange. äusserst dünne Fäden, sie verkürzen sich jedoch wesentlich und nehmen dabei an Dicke zu, so dass keine erhebliche Substanz- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 257 abgabe mehr erfolgt. Stets liegen zwei von ihnen in der gleichen Weise wie früher beieinander. Infolge der Verkürzung und Ver- dickung hat jedoch die Zahl der gegenseitigen Überkreuzungen abgenommen, die Chromosomenpaare bilden jetzt nur noch ein- fache elliptische Ösen oder x-förmige Figuren. Wie schon öfters erwähnt, hat auch das chemische Ver- halten der Chromosomen verschiedenen Farbstoffen gegenüber sich nunmehr verändert, während nämlich früher die Lampen- zylinderputzerformen bei Flemmingfärbung leuchtend rot er- schienen, nehmen sie jetzt in erster Linie die violette Farbe an und beweisen dadurch deutlich, dass in ihrer Zusammensetzung wichtige Veränderungen vorgegangen sind. Soweit ich dies nach meinen Präparaten beurteilen kann, behalten die Chromosomen diese veränderte Aufnahbmefähigkeit für Kernfarbstoffe bis zur ersten Reifungsteilung bei, sie befinden sich demnach nach der Auffassung v. Winiwartersund Sainmonts im Ruhezustand, was ja auch der Tatsache entspricht, dass keine tiefgreifenden Veränderungen mehr an ihnen wahrnehmbar sind. Erfolgt während dieses nur kurzen Entwicklungsabschnittes eine Atresie des Follikels, so tritt kein unmittelbarer Zerfall des Chromatins ein, sondern die Chromosomen ballen sich zunächst zusammen, jedes von ihnen bildet einen kleinen chromatischen Klumpen, welcher für den Untersucher, der seine Entstehungs- weise”nicht kennt, einen Nukleolus vortäuschen kann. Erst dieser Klumpen zerfällt dann später in kleine, schlecht färbbare Stücke, und von da ab vollzieht sich der Untergang des Kernes in der früher geschilderten Art und Weise. Offenbar ist in diesem Zeit- abschnitte die lebenswichtigste Substanz der Chromosomen, die in äusserst konzentrierter Form vorhanden ist, weit zäher als früher und setzt deshalb dem Zerfall einen gewissen Widerstand entgegen. Die Chromosomen können jedoch ihre Form nicht mehr bewahren und nehmen deshalb Kugelgestalt an, wie andere leblose flüssige Massen, die in einer Flüssigkeit von gleichem spezifischem Gewicht suspendiert sind. Wir können aber sowohl den Kern als auch die Chromosomen selbst sicherlich gleich nach dem Einsetzen der Atresie als mehr oder weniger leblose Massen betrachten, an denen sich keine aktiven, sondern nur mehr passive Veränderungen vollziehen. Leider konnte ich diesen Vorgang bei Colaeus monedula Archiv f. mikr. Anat. Bd.92. Abt. II. 7 258 H. Stieve: nur in einem Falle beobachten und musste deshalb meine Be- funde an Haushühnern ergänzen. Ich habe Hühnerfollikel in allen Grössen im Zustand der Atresie untersucht und konnte an ihnen stets die oben beschriebenen Vorgänge beobachten. Sobald bei grösseren Follikeln die Theka zu schrumpfen, das Epithel zu wuchern anfängt, nehmen die fadenförmigen Chromosomen Kugel- gestalt an und zerfallen später. Die gleiche Beobachtung machte Sonnenbrodt (1908) bei der Untersuchung eines grossen, often- bar in Rückbildung begriftenen Follikels. Die vorgefundenen Bilder sind ziemlich mannigfaltig, entweder stellen die Chromo- somen ein gleichmässiges kompaktes (rebilde von kugel- oder mehr tropfenförmiger (restalt dar, ihre Einschmelzung ist dann eine vollständige, oder aber ihr eines Ende ist klumpig verdickt, das andere noch fadenförmig, oder sie sind in der Mitte bauchig auf- getrieben und ihre beiden Enden ragen aus dem dicken Teile hervor. Auch können zwei und mehr Chromosomen zu einem einzigen Klumpen verschmelzen. Es ist selbstverständlich, dass man alle diese Bilder, falls man ihre Entstehungsart nicht kennt, auch so deuten kann, dass sich die Chromosomen aus Nukleolen entwickeln, nach all dem Vorhergesagten erscheint es jedoch über- tlüssig, eine solche Meinung nochmals zu widerlegen, der einmal in Degeneration begriftene Follikel verfällt ja unrettbar dem Untergang, eine Neubildung des einmal zerfallenen oder ver- klumpten Chromatins findet sicherlich nicht statt. Ich habe gerade diesem Punkte unserer Untersuchung ganz besondere Auf- merksamkeit gewidmet, konnte jedoch niemals irgendwelche Bilder auffinden, die ein Weiterwachsen atretischer Follikel beweisen könnten. Bei Selachiern (Rückert 1892) und Hühnern (Stieve 1915) geht die Rückbildung der Lampenzylinderputzerformen in den Grundzügen ebenso wie bei Colaeus vor sich, die seitlichen Aus- läufer schmelzen ab und hinterlassen den Stamm der Chromosomen als feinste, paarweise verschlungene Fäden. Der Abschmelzungs- prozess geht jedoch langsamer vor sich, die abgeschmolzenen Massen bilden grössere Nukleolen, es scheint hier also eine zähere Beschaffenheit der betreftenden Substanzen vorzuliegen, die eine so feine Verteilung wie in meinem Falle ausschliesst. Die weiteren Vorgänge an den Chromosomen sind dann die gleichen wie bei unserem Objekt. Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 259 Auch bei Amphibien-Keimbläschen findet nach Born ein langsames Zusammenziehen des Chromatins auf den angenommenen Achsenfaden statt, wobei sich gleichzeitig die Zahl der im Kern vorhandenen Nukleolen vermehrt, es tritt also auch hier ein Ab- schmelzen von Chromosomenbestandteilen ein. Eine so hochgradige Konzentration, wie sie ohne diesen Vorgang notwendig wäre, ist ja auch ganz undenkbar. Lubosch (1902) nimmt eine Kon- zentration der fädigen Elemente an, durch welche eine zentrale Masse gebildet wird. um welche sich die Nukleolen lagern. Der Vorgang dürfte der nämliche sein wie ihn Born schildert. Lovez (1905—1906). die ja ebenfalls für die Persistenz der Chromosomen eintritt. schildert den Vorgang wie folgt: „Les CUhromosomes deviennent plus tard des cordons lisses ou granuleux, soit par transformation directe de la forme precedente, soit par resolution des filaments barbel&s en granulations et r&union de ces granulations en cordons chromatiques, soit enfin par la production de masses chromatiques dans lesquelles se forme un cordon qui se deroule.“ Die schliesslich verbleibenden Formen sind feinste fadenföormige Chromosomen, deren Enden korkzieherartigumeinander gewunden sind. Die paarweise Verschlingung hat Loyez demnach falsch gedeutet,indem sie eine Verschlingung eines einzigen Fadens annimmt, obwohl sie in den vorhergehenden Stadien paarweise verschlungene Chromosomen abbildet und beschreibt, allerdings nur als gelegentliches Vorkommnis. Ihre Befunde verdienen deshalb einige Beachtung, weil in ihnen eine ganze Reihe von Degenerationsformen sehr geschickt in die normale Oogenese eingereiht werden. Bei der wenig sorg- fältigen Auswahl ihres Materiales mussten ja Rückbildungs- erscheinungen besonders häufig sein. Loyez beschreibt auch bei den verschiedensten Tierarten einen körnigen Zerfall der Chromatin- fadenstränge, lässt sich aber die einmal zerfallenen Chromosomen niemals ganz zerstäuben, sondern stets wieder vereinigen und so doch noch die definitiven Fäden bilden. Die zahlreichen Bilder von Umwandlung der Chromosomen in Nukleolen und umgekehrt entsprechen vollkommen den von mir als regressiven Formen erkannten und müssen deshalb auch als Rückbildungsformen betrachtet und dementsprechend ausgeschaltet werden. Im ganzen aber kann man sagen, dass die Entwicklung der chromatischen Substanz im Eibläschen der sämtlichen 41 von Loyez unter- 17* 260 H. Stieve: suchten Tierarten ziemlich gleichartig verläuft, ungefähr in derselben Art wie bei Colaeus monedula. Betrachten wir ihre Untersuchungsergebnisse im einzelnen. Bei Anguis fragilis erfahren die Chromosomen bis ins Kleinste die nämlichen Veränderungen wie bei der Dohle, ein Zerfall oder eine Umbildung in Nukleolen wurde nicht beobachtet. Die Blind- schleiche ist eben ein Tier, das in der Umgebung von Paris vor- kommt, weshalb es Loyez wohl leicht war, frisches Material zu bekommen, bei dem viele normal sich entwickelnde Kerne vor- handen waren. Die paarweise Verschlingung, die aus den Ab- bildungen deutlich hervorgeht, wird auch hier nicht erwähnt. Im grossen und ganzen ebenso verläuft die Eientwicklung bei Lacerta muralis, einer ebenfalls in der Nähe von Paris vorkommen- den Eidechsenart. Die Chromosomen bilden die Lampenzvlinder- putzerformen und verwandeln sich dann in feine Fäden, deren paarweise Vereinigung sehr deutlich abgebildet ist. Als feinste Fäden treten sie auch in die Reifungsteilung ein, aber dazwischen erfahren sie einmal eine Umwandlung in Nukleolen. „Les differentes parties se contournent, s’enchevetrent, pour former un petit peloton tres serre, qui finit par prendre l’aspect d’un bätonnet ou d’une masse arrondie ou ovale, plus ou moins irreguliere.“ Hier beobachtet Loyez eine Degenerationsform mit beginnender Chromatinverklumpung, die sie einfach als besonderes Stadium in den normalen Entwicklungsgang einreiht. Dass es sich dabei um einen atretischen Follikel handelt, steht für uns ausser allem Zweifel, man braucht nur die Übereinstimmung der Abbildung Nr. 16a mit unserer Abbildung Nr. 67 zu vergleichen. Bei Lacerta muralis var. d’Algerie, also einer Ortsvarietät der vorigen, verläuft die Eientwicklung genau ebenso, nur fehlt die vorübergehende Verklumpung der Chromosomen, das heisst. Lo yez hat hier zufälligerweise keinen atretischen Follikelbeobachtet. Dieser sehr erhebliche Unterschied in den Vorgängen bei der gleichen Art beweist uns recht deutlich, von welchen Zufällig- keiten die Beobachtungen gerade in dieser Arbeit abhängig waren. Auch bei Lacerta stirpium Daud. vollziehen sich, abgesehen von den Nukleolen, deren Verhalten wir nicht berücksichtigen, soweit es nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Chromo- somen steht. die Veränderungen an der chromatischen Substanz in derselben Weise wie bei der vorigen Art, die Chromosomen Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle 261 zeigen weder Zerfall noch Verklumpung. Die gleichen Befunde liefert Lacerta viridis L., bei Lacerta vivipara kamen nur die letzten Stadien zur Beobachtung. in denen die Chromosomen als Fäden in der Mitte des Kernes, umgeben von Nukleolen, zusammen- gerückt sind. Bei Platydactylus muralis entwickeln sich aus dem anfäng- lichen dichten Netzwerk ebenfalls die Chromotinfadenstränge. Diese bilden durch Querteilung eine grössere Anzahl von Tochter- chromosomen, ein Vorgang, der weder ausführlich beschrieben, noch durch Abbildungen oder genaue Zahlenangaben belegt wird und dessen Richtigkeit wir deshalb anzweifeln müssen. Die Teil- stücke der Uhromosomen rücken auf die Kernmitte zusammen, behalten dabei aber noch ihr bisheriges Aussehen, zerfallen sodann, aus ihren Resten bilden sich schliesslich die feinen, dicht- verschlungenen Fäden. Mit Ausnalıme der Teilung der Chromo- somen auch hier wieder der nämliche Vorgang. Bei Chaleides ocellatus und Uromastix achantinurus wurden nur die Anfangsstadien der Entwicklung untersucht, auch hier bilden sich Chromatinfadenstränge aus. die sich während des Ab- schmelzens der seitlichen Ausläufer als feine Fäden auf die Mitte des Kernes zusammenzielen. Auch bei Tropidonotus viperinus bilden sich die typischen Lampenzylinderputzerformen aus, sie zeigen jedoch in färberischer Hinsicht ein auffallendes Verhalten insofern, als sie bei gleich- zeitiger Anwendung von Glychhämalaun und Safranin beide Farb- stoffe aufnehmen. Loyez schliesst daraus ganz richtig, dass die betreffenden Formen nicht ganz aus Chromatin bestehen, sondern nur mit Chromatin getränkt sind. Dies entspricht auch meiner oben wiedergegebenen Ansicht, dass nämlich die schlechte Färb- barkeit von der grossen Menge neu aufgenommener, noch nicht zu Chromatin verarbeiteter Substanzen herrührt. Die Chromo- somen zerfallen hierauf und verteilen sich „pulverartig“ im ganzen Kern. Der Kernsaft ist fein gekörnt und besitzt einen bläulichen Farbton. Hier reiht Loyez wieder einen in Degeneration begriffenen Kern in die normale Oogenese ein. Die feine Körne- lung und die bläuliche Färbung des Kernsaftes entsprechen ganz den Bildern, die wir bei Colaeus in atretischen Follikeln vorfanden. Die Hauptmasse des Chromatins sammelt sich jetzt in einem nukleolenartigen Gebilde (Corpuscule pyr@no-chromatique), aus 262 HaStiev.e: dem dann die Chromosomen als feine Fäden hervorgehen und weiterhin das gleiche Schicksal erleiden wie bei den anderen Tierarten. Da sich ein ähnlicher Vorgang bei unserm Objekte nie beobachten liess, so enthalten wir uns einer Kritik dieser Erscheinung. Die Übereinstimmung der Anfangs- und Endstadien mit den unseren lässt jedoch den Gedanken naheliegend erscheinen. dass auch bei T'ropidonotus viperinus die Vorgänge die gleichen sind und dass der Kern mit dem Corpuscule pyreno-chromatique ebenfalls ein Degenerationsstadium darstellt. bei dem alle Chromo- somen sich zu einem grossen Klumpen vereinigt haben. Dies dürfte auch für Tropidonotus natrix zutreffen, bei welcher Loyez ganz ähnliche Vorgänge beobachtete. Sehr auffällig ist dabei, dass gerade die beiden Natternarten, die als grösstenteils im Wasser lebende Tiere den Unbilden und Schwankungen der Witterung besonders ausgesetzt sind. solche merkwürdigen Vorgänge im Kerne der Oozyten zeigen. Bei der Landschlange Vipera aspis liegen die Verhältnisse wieder wesentlich einfacher, hier bilden sich die Lampenzylinder- putzerformen unmittelbar zu feinen Fäden um, die sich dann allerdings noch einmal etwas verklumpen. um schliesslich wieder als feine Fäden zu erscheinen. Auch hier ist die Verklumpung ein Zeichen der beginnenden Degeneration, eine Annahme, die umsomehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt, als in Kernen. die diese Erscheinung zeigen, auch noch andere merkwürdige Figuren, die „bätonnets nucleaires“, enthalten sind, die gleichfalls auf ausser- gewöhnliche Vorgänge hinweisen. Bei Cistudo europaea und Testudo graeca bilden sich die Chromatinfadenstränge in feinste Fäden um, die wieder auf die Mitte des Kernes zusammenrücken, das Verhalten der Nukleolen ist bei beiden Arten verschieden. Von Testudo radiata kamen nur jüngere Stadien zur Beobachtung, die Lampenzylinderputzer- formen scheinen zu zerfallen, das heisst, in dem einzigen Ovar, das noch dazu wahrscheinlich nach der Eiablage untersucht wurde, befinden sich die grösseren vorhandenen Follikel im Zustand der beginnenden Atresie. Es erübrigt sich also hier, ebenso wie bei Crocodilus niloticus, wo jeweils nur ein Ovar untersucht wurde, an diese lückenhaften Befunde längere Erörterungen anzuknüpten. Beim Haushuhn beobachtet Loyez ebenfalls die Umwand- lung der Chromatinfadenstränge in feine Fäden, schiebt aber auch Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 263 hier, wie ja schon von Sonnenbrodt (1905) nachgewiesen wurde, einen degenerierenden Kern in die normale Entwicklungsreihe ein und gestaltet dadurch die Verhältnisse wesentlich verwickelter als sie es in Wirklichkeit sind. Bei Pterocles personatus wurde nur ein Ovar untersucht, das in fixiertem Zustand aus Madagaskar bezogen wurde, es enthält als grösste Follikel solche, in denen die Lampenzylinderputzerformen körnig zu zerfallen scheinen. Bei Columba livia dagegen bilden sie sich in kleine körnige Fäden um, ältere Stadien kamen nicht zur Beobachtung, ebenso wurden bei einer ganzen Reihe anderer Vögel nur einzelne voll- kommen herausgerissene Stadien der Eientwicklung untersucht und aus ihnen dann bindende Schlüsse gezogen. Es hat wenig Sinn, diese ganz oberflächlichen Beobachtungen einer näheren Be- sprechung zu unterziehen, denn sie beschreiben stets nur Bruch- stücke der Entwicklung an einem Material von äusserst fragwürdiger Herkunft. Das nämliche gilt für die vier Arten von Cephalapoden. bei denen auch nur ein ganz kleiner Abschnitt der Eientwicklung beschrieben wird. Sonnenbrodt (1908) beobachtete nach dem Verschwinden der Chromosomen das Auftreten eines Nukleolenhaufens in der Mitte des Kernes, innerhalb dessen dann die Chromosomen als ganz zarte Körnerlinien auftreten. „Es ist wohl anzunelimen, dass die Chromosomen sich aus der Substanz der Nukleolen bilden, denn diese verschwinden in der Umgebung der neuen Chromosomen.“ Hier überbrückt Sonnenbrodt durch Gedanken die Lücke, die durch Einreihung von Degenerationsfornen in den normalen Entwicklungsgang gerissen worden ist. Wie ich früher (1913) nachgewiesen habe, verfallen diejenigen Follikel. in deren Kern die Chromosomen wieder fädige Gestalt, nicht mehr die der Chromatinfadenstränge besitzen, in denen das Chromatin also in konzentrierterer Form vorhanden ist, weniger rasch der Rück- bildung, beziehungsweise die Rückbildungserscheinungen am Kerne treten bei ihnen nicht so bald in den Vordergrund. Infolge- dessen fand Sonnenbrodt hier noch normalere Verhältnisse und lässt die angeblich neuen Chromosomen einfach aus den Nukleolen entstehen, ohne auch nur den geringsten Beleg dafür beibringen zu können. Aus seinen Abbildungen ist das Ver- schwinden der Nukleolen nicht zu ersehen, die obige Mitteilung beruht also wohl auf der Tatsache, dass an der Stelle, an welcher 264 H. Stieve: ein Chromosoma liegt, eben kein Nukleolus mehr Platz hat. Die Nukleolen liegen deshalb hier weniger dicht. Das Auftreten der Nukleolen stellt Sonnenbrodt als seine Entdeckung hin: „Diese Nukleolenbildung, wie sie bei vielen anderen Arten schon fest- gestellt ist, wurde bisher immer bei den Vögeln geleugnet. Auch Loyez schreibt: „Hier — bei den Vögeln — gibt es keine Nukleolenbildung wie bei den Reptilien.““ Der betreffende Satz heisst bei Loyez wörtlich (Seite 326): „Il n’ya jamais chez les oiseaux un nombre considerable de nucl&oles comme chez les reptiles. Tres reduits chez certaines &speces ıls peuvent m&me faire completement defaut pendant la plus grande partie du developpement ovarien comme chez la Poule.“ Loyez stellt also nur fest, dass die Nukleolen während eines langen Zeitab- schnittes der Entwicklungsperiode fehlen, eine Angabe, die ja auch mit den Beobachtungen Sonnenbrodts übereinstimmt. Dass sie aber die Nukleolen beim Huhn in den letzten Entwick- lungsphasen gesehen hat, zeigt ihre folgende Schilderung, Seite 300,1. c.: „De petits nucl6oles, ou plutöt des granulations nucle- olaires. bien colorables par l’ematoxyline au fer, sont assez nom- breuses dans la region des masses chromatiques.“ Bei anderen . Vogelarten sind die Nukleolen grösser und ebenfalls ausführlichst beschrieben und abgebildet, so bei Fringilla caelebs, Acedo ispida, Himantopus autumnalis und besonders deutlich bei der Ente. Selbst eine nur flüchtige Betrachtung der Zeichnungen (Seite 324 Fig. 71 b, 1. c.) hätte Sonnenbrodt über seine irrige Meinung aufklären können, besonders da die tiefschwarzen Nukleolen hier deutlich bezeichnet sind, also selbst das Lesen des Textes gar nicht notwendig gewesen wäre. Im weiteren Verlauf der Entwicklung verhalten sich dann die Chromosomen beim Huhne auch nach den Untersuchungen Sonnenbrodts ebenso wie bei Colaeus monedula, eine Beobach- tung. die ich schon früher (1913) bestätigen konnte. Van Durme (1914) beobachtete bei verschiedenen Vögeln (Haushuhn, Taube, Schwalbe und Sperling) die Bildung der Chromatinfadenstränge, welche ebenso wie ihre Rückbildung in der gleichen Weise wie bei Colaeus monedula erfolgt. Im Stadium der höchsten Ausbildung sind die Chromosomen fast ganz ver- schwunden, aber stets noch nachweisbar. Sodann erfolgt ein Abschmelzen der seitlichen Ausläufer unter gleichzeitiger Bildung u 7 ee Peer nn u Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohble. 265 von Nukleolen. Bei der Schwalbe spielt sich dieser Vorgang sehr rasch ab, nur wenige Nukleolen treten auf, bei der Taube bleiben die Chromosomen länger im Kern verteilt und nähern sich schliess- lich der plankonvexen Oberfläche des Kernes, beim Sperling ziehen sie sich innerhalb des zentralen Nukleolenhaufens zusammen. Beim Huhne endlich erfolgt die zentrale Wanderung schon bei den Lampenzylinderputzerformen. Nukleolen sind in geringer Menge vorhanden, verschwinden aber verhältnismässig rasch wieder. Van Durme betont ausdrücklich, dass die Chromosomen während der ganzen Entwicklung der Oozyten niemals verschwinden, eine Feststellung. die eine angenehme Bestätigung meiner Befunde und Widerlegung der Sonnenbrodtschen Angaben vom Zerfall der Chromosomen beim Haushuhne bildet. Des weiteren schildert Van Durme ausführlich die paar- weise Verschlingung der Chromosomen, ohne sich jedoch in Er- örterungen über ihre Entstehung einzulassen, ausserdem die Verkürzung und Verdickung, die diese (Gebilde während der letzten Periode der intrafollikulären Entwicklung erfahren. Auch bei Amphibien findet nach Born (1894) und Jans- sens (1904) die Rückbildung der Chromatinfadenstränge in der nämlichen Weise statt. Die Chromosomen verlieren ihre seitlichen Ausläufer und werden zu feinen, paarweise verschlungenen Fäden verwandelt. Auf die äusserst komplizierten Verhältnisse, wie sie Carnoy und Lebrun und später Lubosch darstellten, wollen wir hier nicht nochmals zurückkommen. Janssens beobachtete genau die paarweise Verschlingung der Chromosomen. Auch Lubosch lässt einen Teil der Chromosomen der ersten Richtungs- spindel aus den ursprünglich im Kern vorhandenen Moosfiguren hervorgehen. einen anderen Teil aber aus Nukleolen neu entstehen. Jörgensen beobachtete bei Proteus nur die Bildung, nicht aber die Rückbildung der Chromatinfadenstränge, bei einem Teil der Tiere weist er die Kontinuität der Chromosomen vom Jüngsten Oozytenstadium (nach der ersten Zerstäubung) an nach, bei einem anderen Teil tritt noch eine zweite Zerstäubung ein, die wir wohl ebenso wie die erste als Rückbildungserscheinung ansprechen dürfen, um so mehr als sie sich gar nicht bei allen Individuen findet. King (1908) beobachtet bei Bufo ebenfalls die Bildung und Rückbildung der Chromatinfadenstränge zu feinen Fäden ohne 266 H. Stieve: ein zwischengeschobenes Stadium des Zerfalles. „At no period in the developpement of the oozyte does the basichromatine disappear nor does it become condensed in the form of nucleoli. and the chromosomes can be traced continiously from the time that they are first formed by the breaking of the spireme up to the stage when tlıe germinal vesicle disintegrates in preparation for the maturation mitosis“. Doch beobachtete sie (1901) den völligen Zerfall der Chromosomen unmittelbar vor der Bildung der Rich- tungsspindel, eine Erscheinung, die an anderen Objekten noch nie festgestellt wurde. Vor der Reifungsteilung bilden die Chromo- somen zwölf paarweise verschlungene Fäden. die aus den Lampen- zylinderputzerformen hervorgegangen sind und eine Zusammen- setzung aus feinsten Körnchen erkennen lassen. Diese Fadenpaare zerfallen in dem Augenblick, in welchem die Kernmembran ver- schwindet in feinste Körnehen. Aus diesen Körnchen entstehen dann zwölt kurze, plumpe chromatische Brocken, aus denen sich erst nach der völligen Ausbildung der ersten Reifungsspindel wieder die Chromosomenpaare in (restalt von Ringen entwickeln. Dieser letztere Vorgang wurde aber nicht mehr beobachtet. King gesteht selbst zu, dass hier eine Lücke in ihren Untersuchungen bestehe. Sie sah tatsächlich nur den Zerfall der Chromosomen, nicht aber ihre Neubildung. Ihre Schilderung des Vorgangs ist nicht ganz klar und ruft bei andern Lesern die Meinung hervor, dass kein Zerfall der Chromatinschleifen statt gehabt hat. so äussert sich z.B. Fick in seinem Referat über die Arbeit (1901): „die zwölf Chromatinschleifen, die sich während der ganzen Zeit erhalten haben sollen“ usw. Bei Betrachtung der ausgezeichneten Abbildungen Kings kann auch gar kein Zweifel darüber aufkommen, dass die Chromatin- ringe der ersten Reifungsspindel (Tafel 29, Fig. 24—28 |]. c.) die nämlichen (rebilde sind, als die paarweise verschlungenen Chromo- somen der ältesten Ovarialeier vor dem Zerfall (Tafel 28, Fig. S, l. e.), sie entsprechen ihnen, sowohl was die Zahl als auch die Form betrifft, vollkommen. King fand in den ältesten Ovarial- eiern im Frühjahr die Chromosomen in der angegebenen Form und Verteilung vor, die jüngsten abgelegten Eier zeigten bereits die voll ausgebildete erste Richtungsspindel. Um den zwischen- liegenden Zeitraum zu überbrücken, versuchte King die fehlenden Stadien experimentell zu erzeugen. Sie schnitt zu diesem Zweck Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 267 die grössten Eier aus den Ovarien der Tiere aus und brachte sie in Wasser, wo sich angeblich die Eier noch stundenlang weiter entwickelten. Dabei kamen mannigfache Degenerationserschei- nungen zur Beobachtung, in bestimmten Fällen aber fand nach der Ansicht Kings auch eine normale Weiterentwicklung statt. Wenn die Eier nämlich in Wasser überführt wurden, bevor der letzte Reifungsprozess richtig begonnen hatte, dann blieben sie einige Stunden unverändert im Wasser liegen und platzten schliess- lich. Manche Eier konnten aber bis zu 20 Stunden im Wasser belassen werden, ohne überhaupt irgendwelche Veränderungen zu zeigen. Nur bei einer ganz geringen Zalıl von Eiern spielte sich auch nach der Entfernung aus dem Ovar im Wasser die normale Weiterentwicklung ab. King fand verschiedene Zustände der Kerne, in einigen war das Gliromatin vollkomnien zerstäubt, in anderen lagen 12 plumpe Clhromatinbrocken. die je nach dem Zustand des Kernes verschiedene Formen aufwiesen, auch ver- schieden gross waren; doch befanden sielı sämtliche Uhromosomen stets im gleichen Zustand der Entwicklung. Nun kommt die grosse Lücke (break) in der Beobachtung. Die Umformung der Uhromatinbrocken in die Chromosomenfäden wurde niemals gesehen. Die nächsten Beobachtungen wurden wieder an Eiern ausgeführt, die vom Tier selbst abgelegt waren, also ihren normalen Entwicklungsgang durchgemacht hatten. Hier erschienen die Chromosomen wieder deutlich als Fadenpaare, die später Ringform annehmen und dann in die beiden Tochter- chromosomen zerfallen. Was aber King zwischen die beiden an normalen Eiern beobachteten Bilder einschiebt, sind keine normalen Vorgänge, sondern Rückbildungsprozesse, Degenerationserschei- nungen, die sich an den Eiern abspielten, sobald sie aus dem Ovar entfernt und ins Wasser gebracht wurden. King meint selbst „Ihe processes which are about to be described appear, therefore, to be nearly if not entirely normal“. Sie ist sich also der Un- sicherheit ihrer Untersuchungsergebnisse wonl bewusst. Der Vorgang, der sich an den Eiern nach der Entfernung aus dem Ovar abspielt, ist ungefähr folgender: Sind die Eier in der Entwicklung noch stark zurück, das heisst, hätten sie bis zu ihrer Ausstossung noch eine erhebliche Zeit im Ovar verbleiben und durch das mütterliche Blut ernährt werden müssen, so ver- 268 H.:Stieve: halten sie sich im Wasser wie beliebige Körperzellen, sie quellen und gehen schliesslich nach längerer oder kürzerer Zeit durch Zerplatzen zugrunde. Sind die Eier jedoch auf dem Stadium angelangt, wo sie einer erneuten Nahrungszufuhr von seiten des Müttertieres nicht mehr bedürfen, also unmittelbar vor dem Platzen des Follikels und der Ausstossung aus dem Ovar, dann haben sie genügend Selbständigkeit, um dem schädlichen Einfluss des Wassers zwar eine Zeitlang zu trotzen, sie gehen nicht unmittelbar durch Quellung zugrunde, sind aber auch nicht imstande, ihre normale Entwicklung fortzusetzen, sondern verfallen der Rückbildung in der gleichen Weise, wie dies im Ovar eintritt, wenn der Follikel als solcher zugrunde geht, aber kein direktes Plasmagift die sofortige Quellung bewirkt. Bei diesen älteren Eiern ist also lediglich die quellende Wirkung des Wassers ausgeschaltet, das Ei unterliegt jedoch einer regressiven Metamorphose, das Chromatin ballt sich zusammen und erfährt dann eine Zerstäubung im ganzen Kernsaft. Damit wird der Vorgang beendet. King fügt die einzelnen Stadien des Zerfalles in umgekehrter Reilienfolge aneinander und bekommt so die Neubildung des Chromatins, die Bildung der Richtungsspindel kann sie nicht mehr feststellen. bier sind die Unterschiede zwischen den normalen und den Rück- bildungsvorgängen zu gross. Am lebenden, aus dem Eierstock entfernten Ei von Bufo werden also experimentell alle die Stadien der Rückbildung erzeugt, die ich bei der Atresie der Follikel im Ovarium selbst beobachten konnte. Die Untersuchungen Kings bilden demnach einen sehr schönen Beleg für die von mir geschilderten Vorgänge am Dohlen- ovar und zeigen vielleicht den Weg, wie wir alle Rückbildungs- stadien an der Eizelle künstlich in vitro erzeugen können. Ist es ja dem Pathologen doch schon längst bekannt, dass sich an frisch dem Körper entnommenen, steril aufbewahrten Gewebs- stückchen genau die nämlichen Vorgänge abspielen, wie im Körper selbst bei dem Prozess der Nekrose. Wir behalten uns vor, in einer weiteren Arbeit die betreffenden Vorgänge ausführlich nach- zuuntersuchen, sowohl an Amphibien als auch an Vogeleiern und erwarten uns von diesen Untersuchungen die klarsten Aufschlüsse über alle Rückbildungsvorgänge an den Eizellen. Es handelt sich dabei sicher um ähnliche Vorgänge, wie wir sie früher (1913) dadurch erzeugten, dass wir abgetötete Hühner mehrere Stunden U EEG Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 269 bei 37 Grad im Brutschrank liegen liessen. In den Eizellen der betreffenden Tiere waren alle Chromosomen in körnigem Zerfall begriffen. Wahrscheinlich hatte an den betreffenden Ovarien eine Art Degenerationsprozess eingesetzt, der erst später nach dem völligen Absterben des Gewebes beendet wurde. Es erscheint wohl angezeigt. im Anschluss an die vorher- gehende Besprechung hier auf die Befunde Buchners an Ortho- pteren näher einzugehen. Buchner (1909) fand bei Gryllus im Gegensatz zu den Erscheinungen bei Oidipoda, wo die Chromo- somen während der ganzen Wachstumsperiode erhalten bleiben, eine vollkommene Zerstäubung des Chromatins unmittelbar nach der Tetradenbildung. Die Neubildung der Chromosomen konnte nicht mehr beobachtet werden, da die Zerstäubungsformen am weitesten in der Entwicklung fortgeschritten waren. Wir dürfen wohl auch hier annehmen, dass die Rekonstruktion des Uhromatins niemals mehr stattgefunden hätte, dass vielmehr auch hier ein Zustand der Degeneration vorliegt. Die Abbildungen Buchners sprechen ganz für diese Annahme, ebenso seine Be- schreibung des Vorganges. „Zunächst sind es noch breite Bänder, die den Kern durchziehen; aber auch diese lösen sich auf und zerfallen in flockige Massen, die den Kern gleichmässig durch- setzen.“ Buchner gibt nicht an, wie lange Zeit nach der Ge- fangennahme die Ovarien der Tiere konserviert wurden, es wäre leicht denkbar, dass in der Zwischenzeit die Rückbildung der grössten Follikel schon begonnen hat. Die Verhältnisse müssten auch hier durch entsprechende Untersuchungen klar gelegt werden. Wir glauben nunmehr alle Objekte eingehend besprochen zu haben, die in ihrer Eientwicklung eine mehr oder weniger grosse Ähnlichkeit mit Colaeus monedula besitzen und dabei gezeigt zu haben, dass bei ihnen die Entwicklung im grossen und ganzen in den nämlichen Bahnen verläuft, die Rückert (1892) für Selachier festgelegt hat. Die häufig beschriebene Zerstäubung des CUhromatins, der Zerfall der Chromosomen liess sich dabei stets als Zeichen der beginnenden Atresie des betreffenden Fol- likels nachweisen. Wir konnten auch zeigen, dass derartige Zer- fallsstadien meist nur gewaltsam und ohne Übergänge in die normale Reihe der Entwicklungsprozesse eingeschoben werden können. Ausser bei den hier besprochenen wurde auch noch bei einigen anderen Objekten ein Zerfall der Chromosomen beschrieben, diese 270 EIS bILeVGer: wurden jedoch nicht in die Besprechung aufgenommen, weil sie zu wenig, meist gar keine Vergleichspunkte mit den von uns untersuchten besitzen. Bei vielen von ihnen ist die Beurteilung schon deshalb sehr erschwert, weil von ihnen nicht einmal die Art und Weise der Fortpflanzung ganz sicher bekannt ist. Tiere aber, bei denen Lebensweise und Geschlechtsverhältnisse nicht bis in alle Einzelheiten genau bekannt sind, eignen sich über- haupt nicht zur Entscheidung der Frage, ob eine Zerstäubung des Chromatins tatsächlich während der normalen Entwicklung des Eies vorkommt, wenngleich sie zur Klärung von Einzelheiten des Entwicklungsvorganges ganz gut herangezogen werden können. Zur Beurteilung der genauen Vorgänge während der ganzen Ei- entwicklung ist jedoch vollständige Kenntnis der Fortpflanzungs- verhältnisse erste Vorbedingung, ausserdem muss sich die Unter- suchung mindestens fortlaufend über den Verlauf eines ganzen Jahres erstrecken, denn nur dann können die Rückbildungsvor- gänge im Ovar richtig erkannt und beurteilt werden. Die Ursachen der Rückbildungsvorgänge in den Ovarien. Nach eingehender Widerlegung der abweichenden Befunde glaube ich im Vorhergehenden dargetan zu haben, dass sich bei allen meroblastischen, mit reichlichem Nahrungsdotter beladenen Eiern, wahrscheinlich auch bei allen sich inäqual furchenden (Amphibieneiern) die Entwicklung in der gleichen Weise abspielt, nämlich in der ersten langen Periode Längsspaltung der Chromo- somen und Bildung der Lampenzylinderputzerformen, in der zweiten kurzen Periode Rückbildung dieser Formen durch Abschmelzung der seitlichen Ausläufer. die Abschmelzungsprodukte dienen zur Entstehung mehr oder weniger grosser Nukleolen, die im äussersten Fall nur als feinste Körnchen den Kernsaft gleichmässig durch- setzen, sonst aber in der Hauptsache in der Mitte des Kernes liegen. Die fadenförmigen Chromosomen ziehen sich auf einen umschriebenen Bezirk zusammen, bis sie in die erste Reifungs- teilung eintreten. Während der ganzen Entwicklung bleibt die paarweise Vereinigung erhalten. Zahlreiche Follikel vollenden jedoch den Entwicklungsgang nicht, sondern gehen vorher zugrunde und zwar befällt physio- logischerweise das ganze Ovar gleich nach Beendigung der Oogonien- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 271 teilungen eine Massendegeneration der jüngsten Follikel. Während der Wachstumsperiode gehen ständig vereinzelte Follikel zugrunde, ihre Zahl vergrössert sich fortschreitend gegen das Ende der intrafollikulären Entwicklungszeit. Follikel. bei denen die An- häufung des gelben Dotters schon begonnen lat, gehen unter physiologischen Bedingungen gar nicht oder wenigstens nur aus- nahmsweise zugrunde. Nach der Eiablage findet eine Rückbildung sämtlicher grösserer, sich nicht im Ruhestadium befindlicher Fol- likel statt. Das Ovar des alten Tieres gleicht dann wieder voll- kommen dem des jungen eben ausgeflogenen Vogels. Unter pathologischen Bedingungen, das heisst, wenn ein Tier während der Entwicklungszeit der Geschlechtsdrüsen in ver- änderte Verhältnisse gebracht wird, die durch Krankheit, Gefangen- leben, ja selbst durch abnorme Witterung bedingt sein können, tritt ebenfalls eine Rückbildung aller Follikel ein und zwar befällt sie nach Eintritt der Schädigung zuerst die grössten, am weitesten ausgebildeten und dann schrittweise die jeweils nächst kleineren, die kleinsten werden nur ausnahmsweise bei ganz lange anhaltenden schweren Schädigungen betroffen. Auf die letzterwähnten krankhaften Erscheinungen soll erst in einer anderen Arbeit an Hand unserer ausführlichen experimen- tellen Untersuchungen zurückgekommen werden,') es ist jedoch notwendig, hier die mutmassliche Ursache der physiologischerweise stattfindenden Rückbildungsvorgänge zu erwägen. Für die erste, die jüngsten Oozyten befallende Degenerations- welle wurde schon früher der von der gestörten Kernplasma- relation herrührende Depressionszustand der Zelle verantwortlich gemacht. Während der weiteren Entwicklung verfallen anfangs nur wenige, später immer mehr Follikel der Atresie. Diese hat ihren (rund wahrscheinlich in der schlechteren Ernährung einzelner Oozyten, denn es ist klar, dass bei dem gleichmässigen Wachsen von so vielen gleichgearteten Gebilden das eine oder andere etwas abgedrängt wird und unter dem Druck der anderen Follikel, viel- leicht auch der Nachbarorgane zu leiden hat. Dieser Druck seinerseits verursacht nun wieder eine schlechtere Blutzufuhr und mit ihr ungenügende Ernährung des Follikels, wodurch der Kern als wichtigster, aber auch empfindlichster Bestandteil der Eizelle ı) Die Arbeit ist inzwischen erschienen (Stieve 1918). DAT H. Stieve: zugrunde geht. Von da ab erscheint der ganze Follikel nur noch als Fremdkörper, der, wie die Untersuchungen Barfurths (1886) beweisen, sogar schädigend wirkt, er wird resorbiert. Die Entwicklung der Follikel im Ovar erfolgt ja nicht nach einem gemeinsamen Bauplan, der zur Bildung eines einheitlichen Organs führt, dessen einzelne Teile voneinander abhängig sind, sondern wir müssen in ihr schon eine getrennte Ausbildung von Einzelindividuen erblicken, die auch noch während der Zeit ihres Zu- sammenhanges mit einander in Konkurrenz treten. Dieser Kampf der Teile im Organismus (Roux) führt zum Untergang der schwächeren und zum Bestehenbleiben der durch günstigere Lage, vielleicht aber auch durch besondere Wachstumsenergie ausgezeichneten Oozyten, die dann allein zur Entwicklung kommen und die Bildung besonders tauglicher Eier und junger Individuen zur Folge haben. Der ganze Vorgang ist nichts anderes als ein Selektionsprozessinnerhalb des Muttertieres selbst. Dies entspricht auch der Anschauung v. Hansemanns (1909), der von einem gegenseitigen Kampf der Eier im Ovar spricht. Im gleichen Sinne äussert sich Aschner (1914). Zu Anfang der Entwicklung wird eine grosse Anzahl neuer Individuen, die jüngsten Oozyten gleich nach der letzten Oogonien- teilung, neuen Bedingungen ausgesetzt und wie stets in einem solchen Falle gehen alle diejenigen von ihnen, die den neuen Be- dingungen nicht gewachsen sind, zugrunde. Die Überlebenden sind nun an und für sich widerstandsfähigere, kräftigere Individuen. Sie treten nunmehr miteinander in Konkurrenz, die stärksten unter ihnen eilen den schwächeren in der Entwicklung voraus und drängen alle weniger widerstandsfähigen beiseite. Im allgemeinen erreicht nur eine kleine Anzahl ihr Ziel, zur Fortpflanzung und Erhaltung der Art zu dienen, nämlich die wenigen Follikel, die wirklich zur Reife und Ablage gelangen. Sie stehen aber selbst nach dem Ausscheiden aus dem Ovar noch in einem gewissen Wettbewerb mit den im Ovar zurückgebliebenen, denn diese können stets noch an ihre Stelle treten, falls die ersteren durch einen äusseren Zufall vernichtet werden. Hat jedoch die Auswahl einmal endgültig stattgefunden, das heisst, ist mit Beginn des Brütens der eigentliche Vorgang der Fortpflanzung beendet, dann gehen alle Follikel, die zu langsam in der Entwicklung waren, also ihre Bestimmung wegen der höheren Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 2 Wachstumsenergie anderer nicht erreichen konnten, zugrunde. Der Körper des Muttertieres ist nicht imstande, während der äusserst anstrengenden Brütezeit auch noch eine grosse Anzahl von im Wachstum begriffenen Follikeln zu erhalten, er braucht seine ganzen Kräfte zur Bebrütung und Erhaltung der abgelegten Eier, deshalb müssen auch die grösseren, im Zustand des Wachs- tums, also der gesteigerten Assimilation befindlichen Oozyten unter- gehen und nur die ruhenden kleinen, die gewissermassen weniger Anspruch stelien, können erhalten bleiben. Von den vielen in die eigentliche Wachstumsperiode ein- getretenen Follikeln erreichen also nur die kräftigsten ihr Ziel, nur sie werden abgelegt und dienen so zur Erhaltung der Art. Alle Oozyten aber, die dieses Ziel nicht erreichen, das heisst, nicht zur Ablage gelangen, nachdem sie einmal in die Wachstums- periode eingetreten sind, gehen zugrunde, sie haben sich im Daseinskampf nicht bewährt und müssen deshalb untergehen. Übereinstimmung der Vorgänge beim Zugrunde- gehen somatischer Zellen mit denen beim Untergang der Keimzellen. Die Rückbildung der Oozyten wird stets durch den Zerfall, beziehungsweise die klumpige Entartung der Chromosomen ein- geleitet, eben jener Gebilde, die den auffallendsten Bestandteil des Kerninhaltes bei allen normalen Oozyten bilden und wenigstens bei unserm Objekt und bei sehr vielen anderen stets, wenn auch in den verschiedensten Formen, nachweisbar sind. Wir haben für diese (rebilde die Bezeichnung Chromosomen stets gebraucht, da eine solche Benennung in der Literatur so üblich ist. Es erscheint uns jedoch notwendig, den Begriff der Chromosomen hier noch näher festzulegen. Ursprünglich rührt ja die Bezeichnung von dem färberischen Verhalten der betrefienden Gebilde her, sie nehmen bestimmte Farbstoffe besonders gierig auf und erscheinen deshalb im Gegensatz zu anderen weniger deutlich färbbaren Kernbestandteilen deutlich und auffällig. Diese Ableitung des Namens von einer einzigen, zunächst zwar besonders hervorstechenden, Eigenschaft war in der ersten Zeit nach der Entdeckung vielleicht gerechtfertigt, hat aber sicherlich schon viel Verwirrung angerichtet. indem nämlich einige Forscher Be- denken trugen, die Chromosomen in einem Zustand, in welchem Archiv f.mikr. Anat. Bd. 92. Abt. II. 18 274 H. Stieve: sie sich nicht so deutlich färberisch darstellen lassen, noch als die nämlichen Gebilde wie früher zu bezeichnen. Dass solche Bedenken hinfällig sind, liegt auf der Hand, es wäre ebenso, wie wenn wir die „Feldgrauen“ nicht mehr als Soldaten bezeichnen wollten, wenn sie eine blaue Friedensuniform angelegt haben. Fick und besonders Carnoy und Lebrun nehmen als Grundlage ihrer Bezeichnung die äussere Form, sie belegen mit dem Namen Chromosom jeden fädigen Bestandteil des Kernes. Eine solche Erklärung trifft jedoch nicht das Richtige, da wie auch Jörgensen darlegt, in diesem Falle unwichtige, faden- förmige Nukleolenauflösungsfiguren unter den Begriff der Chromo- somen fallen würden, gegebenenfalls auch die noch nicht körnig zerfallenen, aber schon abgeschmolzenen seitlichen Ausläufer der Chromatinfadenstränge. Ebenso falsch ist es, „Tout masse de chromatine, quelque soit sa forme“ als Chromosomen hinzustellen, wie dies Eismond (1898) tut, da dann ja alle Kerneinschlüsse auch die in degenerierenden Kernen liegenden Chromatinklunpen, als Chromosomen zu betrachten wären. Wir halten die Definition des Begriffes, die Jörgensen eng anschliessend an Marechal (1906) gibt, für die beste: „Als Chromosomen sind zu bezeichnen die Struktureinheiten, die während der ganzen Oogenese un- abhängig von der Färbung und trotz grösster Metamorphosen erhalten bleiben“ und fügen noch hinzu: in einer für jede Tier- art konstanten Zahl. Bekanntlich hat Boveri (1889) im Anschluss an Unter- suchungen Rabls die Hypothese aufgestellt, dass die Chromo- somen selbständige Individuen im Kerne sind und auch „während der Dauer der ruhenden Kerne als selbständige Ge- bilde bestehen bleiben“. Diese Annahme wurde in der Folge- zeit von vielen Seiten heftig angegriffen und zwar in erster Linie auf Grund der Befunde an reifenden Ei- und Samenzellen, in denen sich bei einigen Tierarten in einem oder gar mehreren Abschnitten, die man der Wachstumsperiode einreihte, überhaupt keine Spur von Chromatin nachweisen liess. In erster Linie hat Fick die Kontinuität der Chromosomen bestritten, seine Einwände wurden aber grösstenteils von Haecker (1907) und Vejdowsky (1907) widerlegt. Durch unsere Beobachtungen haben wir einen neuen Beleg für die Kontinuität der Chromosomen erbracht, indem wir nachweisen konnten, dass ein vollständiger Zerfall der Chromo- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 3) somen stets das Zeichen einer beginnenden Atresie ist, dass sich die Chromosomen also niemals mehr neubilden können, wenn sie einmal vollkommen zerfallen sind. Wir können dabei nicht sicher entscheiden, ob der Zerfall die Rückbildung des Follikels ver- anlasst. indem nach Zugrundegehen des wichtigsten Bestandteiles der Eizelle, des Kernes auch der übrige Follikel nicht mehr lebens- fähig ist, oder ob andererseits infolge krankhafter Veränderungen der Follikel, bedingt durch ungünstige Lage, schlechte Blutver- sorgung und Ähnliches, der Kern nicht mehr weiter bestehen kann. Die Zusammenklumpung des Chromatins zu groben, unförmigen Ballen wurde schon häufig als Zeichen der beginnenden Degene- ration beschrieben, ebenso auch in letzter Zeit von Sonnenbrodt die Umwandlung der fadenförmigen Chromosomen in nukleolen- artige Gebilde, die ja im Grunde genommen in diesem Falle auch nichts anderes sind als Chromatinklumpen. Diese Vorgänge bilden in einigen Kernstadien nur die Vorläufer, denen dann auch der völlige Zerfall, die feinste Zerstäubung des Chromatins folgen kann. Haecker hat für den Zustand des Kernes, in welchem das Chromatin gleichmässig über den ganzen Inhalt zerstäubt ist, den Ausdruck „Keimbläschenstadium“ geprägt. Es ist eine Kern- form, die sich nur in den reifenden Ei- und Samenzellen, niemals aber in somatischen Zellen nachweisen lässt, vielleicht weil eben diese beiden Zellarten besonders genau untersucht sind, vielleicht aber auch, weil man bei Körperzellen alle Formen, deren Kerne wie in diesem Falle keine deutliche Struktur mehr zeigen, mit vollem Recht als krankhaft, beziehungsweise abgestorben bezeichnet. Niemand ist noch auf den Gedanken gekommen, die farblosen Kerne der obersten Epidermiszellen als Zerstäubungsformen zu schildern. bei denen später eine Rekonstruktion des Chromatins stattfindet und zwar wahrscheinlich nur aus dem Grunde, weil wir hier den weiteren Untergang der Zellen Schritt für Schritt beobachten können. Anders verhält es sich bei der Ei- und Samenentwicklung. Hier sehen wir stets nur einzelne Stadien der Entwicklung vor uns, die durch die Fixierung in einer mehr oder weniger den wirk- lichen Verhältnissen entsprechenden Form festgehalten sind. Für die Aneinanderreihung dieser Stadien gibt uns die zunehmende Grösse der Kerne einen gewissen Anhaltspunkt. Wie unsicher 187 276 H. Stieve: dieser jedoch ist, beweisen die zahlreichen wissenschaftlichen Kontroversen über die Seriation der einzelnen Stadien. Da wir die Weiterentwicklung der Kerne im Einzelfall also nicht verfolgen können, sondern nur aus den grösseren Kernen Schlüsse darauf zu ziehen imstande sind, in welcher Richtung die Weiterentwick- lung voraussichtlich stattgefunden hätte, so ist die Entscheidung, ob der vorliegende Zustand der Zelle sich nach der einen oder anderen Richtung weiter entwickeln wird, ob wir es also mit einem regressiven oder progressiven Stadium zu tun haben, sehr schwer, ja oft unmöglich. Man bedenke nur, welche Schwierig- keiten bis heute noch die richtige Beurteilung der Synapsis bereitet. Bei Colaeus monedula weisen die Veränderungen am Follikel- epithel meist den richtigen Weg, und wir konnten deshalb mit Sicherheit entscheiden, dass das Kleimbläschenstadium stets eine Degenerationsform des Zellkernes ist. In anderen Fällen, wie z. B. bei der Katze (Winiwarter und Sainmont) und beim Olm (Jörgensen), hätten die massenhaften, in unmittelbarster Nähe dieser Oozytenformen liegenden zweifellosen Degenerations- formen einen Fingerzeig für die richtige Beurteilung dieser (re- bilde geben müssen. Merkwürdigerweise sind aber gerade die Rückbildungsvor- gänge in den Ovarien trotz ihrer ungeheuren Häufigkeit bisher kaum beachtet und auch noch kaum zur Erklärung strittiger Zelltormen herangezogen worden. Und doch hätte allein schon ein Vergleich der Zahl der ursprünglich im jungen Ovar vor- handenen Follikel mit derjenigen der während des Lebens aus- gestossenen zeigen müssen, dass die Anzahl der zurückgebildeten Keimzellen um ein vielfaches grösser ist als die Zahl derjenigen, die wirklich ihre Entwicklung vollenden. Auf diese Tatsache können wir nicht eindringlich genug hinweisen. Die Erscheinungen bei der Rückbildung der Keimzellen sind im grossen und ganzen genau die gleichen wie diejenigen, welche sich bei der Nekrose der Körperzellen abspielen. Zum Vergleich sollen die Vorgänge der Nekrose menschlichen oder tierischen (sewebes hier kurz geschildert werden, da sie ja den meisten Forschern, die sich mit der Untersuchung der Keimdrüsen beschäf- tigen, ganz besonders den Zoologen, mehr oder weniger unbekannt sind. Wir halten uns dabei an die Beschreibungen Dürcks (1903). Nach ihm lassen sich die Dekonstruktionsprozesse in ver- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 277 schiedene Gruppen nebeneinander hergehender Erscheinungen zer_ legen, von denen bald die eine, bald die andere mehr vorherrscht. je nach. der Beschaffenheit des befallenen Organs und nach den äusseren Umständen. „Vor allem macht sich an dem absterbenden: (rewebe ein zunehmender Schwund der Chromatinsubstanz der Kerne bemerklich, ein Vorgang, den man als Karyolysis bezeichnet (Klebs). Die Kernfärbungen an Schnitten durch solche Gewebe ergeben nicht mehr die normale, kräftige Tinktion der gesunden Umgebung. sondern, soweit die Kerne überhaupt noch darstellbar sind, erscheinen sie ungemein blass.“ Dürck führt dieses Ab- blassen auf die Einwirkung des Plasmastromes zurück, die ab- gestorbenen Teile werden mit Lymphe durchspült, wodurch es zur Lösung und allmählichen Auslaugung des Chromatins kommt. „Daneben oder gelegentlich schon vorher tritt eine eigentümliche Umlagerung des Chromatins ein, welche schliesslich zu einer Zer- trümmerung des Chromatingerüstes in kleine Partikelchen führt.“ In anderen Fällen vollzieht sich der Untergang des Kernes auf von den bisher geschilderten Vorgängen verschiedene Art und Weise für welche die Pathologen die Bezeichnung Karyorrhexisgeprägt haben. Der Vorgang spielt sich in einer ganz bestimmten Reihen- folge ab, „die entstehenden Bilder erinnern häufig an diejenigen, die bei der normalen Kernteilung auftreten“. Zunächst kommt es zu einer Anhäufung des Chromatins mit scheinbarer Ver- mehrung der chromatischen Substanz. „Dicke, plumpe bisquit- und hantelförmigeoderunregelmässigeckigeund sternförmige Chromatin- körner lagern sich dem Kerngerüste an und führen so zu dem Zustand der Gerüsthyperchromatose, in anderen Fällen lagern sich diese Chromatinklumpen mehr der Kernmembran an, ein Zu- stand, der mit Kernhyperchromatose bezeichnet wird. Dann erfolgt Einreissen und Verschwinden der Kernmembran und schliesslich vollkommene Auflösung der übrig gebliebenen Chromatinbrocken. Schon vorher kann die chromatische Substanz aus dem Kern aus- treten, entweder in einzelnen grossen, tropfenförmigen Gebilden ausfliessen oder in Form zahlreicher feinster Kügelchen durch die Kernwand durchtreten.* „Es muss dabei übrigens bemerkt werden, dass nahezu die gleichen Vorgänge wie an den ruhenden Kernen sich wirklich auch an solchen einstellen können, die sich in Karyokinese befinden, wodurch die Erscheinungsformen noch viel mannigfaltiger und vielgestalteter werden.“ Vielfach sieht 378 H. Stieve: man nun eine Verdichtung der Kernsubstanz eintreten und ihr Chromatin, welches gleichzeitig einer Auslaugung unterliegen kann, zerklüftet sich in einzelne wenige Tropfen. Nach Herxheimer (1912) spielt sich dieser Vorgang des Kernzerfalles sehr rasch ab, er nimmt häufig nur 12—24 Stunden Zeit in Anspruch. Also auch hier, bei der Nekrose des somatischen Gewebes lassen sich zwei verschiedene Formen der Kerndegeneration unter- scheiden, in einem Falle, der Karyolysis, feinste Zerstäubung des Chromatins, verbunden mit Verlust der Aufnahmefähigkeit für typische Kernfarben, im anderen Falle, der Karyorrhexis, Ver- klumpung des Chromatins und daran anschliessend Auflösung und vollständiger Zerfall. Die Übereinstimmung mit den Befunden an Keimzellen ist eine vollkommene. Bei den Körperzellen jedoch, wo der Vorgang der Degeneration stets ganze umschriebene (Gre- websabschnitte aus deutlich nachweisbaren Ursachen befällt, hat noch niemand versucht, den Chromatinzerfall als eine normale Erscheinung zu erklären, der später eine vollständige Wieder- herstellung dieses wichtigsten Kernbestandteiles folgt. Nur bei Keimzellen war ein solcher Irrtum möglich, da hier die Rück- bildungsvorgänge meist vereinzelt inmitten dessonst völlig gesunden (Gewebes vorkommen und deshalb nicht sofort als solche erkenn- bar sind. Äusserst wichtig erscheint uns noch der Umstand, dass nach den Angaben Dürcks (1903) die Erscheinungen der Karyorrhexis vielfach auch an aseptisch aufbewahrten, frisch entnommenen Ge- websstückchen eintreten, allerdings meist in geringerer Ausbildung. Ein solcher Vorgang fand an den aus dem Ovar entfernten Eiern von Bufo (King 1901) statt und ich konnte ihn (1913) an Haus- hühnern nachweisen. Sicherlich tritt er auch stets ein, wenn die Keimdrüsen nicht sofort nach der Tötung des Tieres fixiert werden und führt dann auch zu einer Verschleierung der vorgefundenen Bilder. Meine Behauptung, dass alle Kernformen in der Oogonese, welche eine vollständige Zerstäubung oder hochgradige Verklum- pung des Chromatins zeigen, Rückbildungsformen sind, welche den Untergang der betreffenden Oozyte einleiten und sich nie mehr zu normalen Formen entwickeln, lässt sich also durch vier Beweise stützen. 1. Die betreffenden Formen finden sich bei günstigen Ob- Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 279 jekten (Colaeus monedula, Haushuhn) nur in Follikeln, die auch noch anderweitige Zeichen der Atresie an sich tragen. 2. Die Formen stimmen vollkommen mit solchen somatischer Zellen überein, die zweifellos als Rückbildungsformen bekannt sind. 3. Die Formen lassen sich experimentell erzeugen und zwar erstens dadurch, dass das lebende Tier unter ungünstige Ver- hältnisse gebracht wird, welche eine Degeneration der Keimdrüsen zur Folge haben und zweitens durch längeres Liegenlassen der dem Körper entnommenen oder im getöteten Tier verbliebenen Keimdrüsen, wobei durch die eintretenden Leichenerscheinungen ähnliche Zellbilder hervorgerufen werden. 4. In Zeiten, in denen eine physiologische Rückbildung des ganzen Ovars stattfindet, also nach Beendigung der Fortptlanzungs- tätigkeit, finden sich fast ausschliesslich die betreftenden Kern- formen in den grösseren Follikeln. Entsprechend der grossen Anzahl physiologischerweisezugrunde gehender Follikel sind die Degenerationsformen äusserst zahlreich und ergeben ganz verschiedene Bilder, je nach dem Zustand, in dem sich der Kern bei Beginn der Degeneration befunden hat. Der Vorgang der Rückbildung verläuft auch nicht in so streng umschriebenen Linien und führt nicht zur Bildung einer fest- stehenden Form wie bei der Entwicklung. Deshalb ist es auch verständlich, dass die Zahl der verschiedenen vorgefundenen Zell- formen um so grösser ist, je mehr einzelne Kerne untersucht werden. Bei Bearbeitung eines kleinen, im geeigneten Zeitpunkte entnommenen Materials können die Rückbildungsformen im Ver- gleich zu den normalen sehr zurücktreten und deshalb auch ganz übersehen werden. Wenn aber wiez. B. von Carnoy und Lebrun eine sehr grosse Anzahl von Individuen derselben Art ohne jede Berücksichtigung der Lebensbedingungen und ohne Kenntnis des häufigen Vorkommens von Rückbildungserscheinungen untersucht werden, dann muss die Zahl der Einzelbilder so gross werden, dass sie sich auch beim besten Willen nicht mehr in ein einziges Schema pressen lässt. In diesem Fall muss dann der Untersucher zu dem Ausweg greifen, für dieselbe Tierart zwei und mehr ver- schiedene Entwicklungsmöglichkeiten anzunehmen, die vom näm- lichen Ausgangszustand zum nämlichen Endzustand führen und nur in der Zwischenzeit weit voneinander abweichen. Auf die Unzulänglichkeit derartiger Untersuchungen habe ich oben ein- 250 H. Stieve: gehend hingewiesen, sie können niemals zur Klärung der Frage nach den Vorgängen in den Geschlechtszellen beitragen. Sollen also in Zukunft die Verschiedenheiten in den Befunden nicht ins Unendliche wachsen, so muss den regressiven Vorgängen in den Ovarien und Hoden weit mehr Beachtung geschenkt werden als dies bisher der Fall war. Die Zellforschung hat dann in erster Linie ihr Augenmerk darauf zu richten, die ersten Andeutungen der Rückbildung an den Zellen zu erkennen und alle diese Bilder rücksichtslosaus der normalen Eientwicklung auszuschliessen. Der verbleibende Rest darf dann, erst wenn er zweifellos als progressive Form erkannt ist, als Stadium der normalen Ent- wicklung bezeichnet werden. Sicherlich wird die Anzahl dieser unzweifelhaften Zellformen eine verhältnismässig kleine sein, sie werden sich zwanglos. gewissermassen selbverständlich aneinander anschliessen und dann ein klares, ungetrübtes Bild von den tat- sächlich statthabenden Vorgängen geben, welche die heranwachsende Ei- oder Samenzelle auf die erste Reifungsteilung vorbereiten. Literaturverzeichnis. Altum. B.: Der Vogel und sein Leben. Münster 1869. Aschner,B.: Über den Kampf der Teile im Ovarium. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. 40, 1914. Balfour: On the structure and development of the vertebrate ovary. Quarterly Journal of micr. science. Nef. Series, Vol. 18, 1878. Barfurth, D.: Biologische Untersuchungen über die Bachforelle. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 27, 1886. Bataillon, E., Recherches anatomiques experimentelles sur la metamor- phose des amphibien anoures. 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Fig. 10, 11. Allmähliche Ausbildung des Spirems. Fig F er . 12, 13, 14. Monospirem der Oogonienteilung. ig. 15—18. Mitose in Polansicht. Fig. 19—21. Mitosen in Seitenansicht. ig. 22, 23. Anaphasen. ig. 24—26. Telophasen 27—31. Entwicklung der netzförmigen Verteilung des Uhromatins in den jungen Oozyten. Fig. 32. Netzförmige Verteilung des Chromatins (junge Dohle 89 etwa 5 Tage nach dem Ausschlüpfen, 12 cm gross). Fig 33, 34. Netzförmige Verteilung des Chromatins (ausgewachsene Dohle). Q ee $ Q Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. 287 35—36. Bildung des Monospirems (ausgewachsene Dohle). . 57, 38. Monospirem. . 39. Teilung des Monospirems in Uhromosomen. ,. 40, 41. Verkürzung und Verdickung der Chromosomen. g. 42, 43 Beginnende Längsspaltung der Chromosomen. 44, 45. Vollzogene Längsspaltung der Chromosomen. '. 46, 47. Synapsisähnliche Formen. ig. 45-67. Soweit nicht anders bemerkt (60a und b) Vergrösserung Zeiss homogene Immersion 1,5 mm, Kompensationsokular 4. .. 45—52. Längsspaltung der Uhromosomen. . 53, 94. Nukleolenbildung. . 95. Perlschnurartige Chromosomen . 56. Beginn der Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen. Follikel- durchmesser 196 a, Kerndurchmesser 42 u. . 97. 58. Lampenzylinderputzerformen: Follikeldurchmesser 460 „, Kern- durchmesser 56:78 u. Fig. 57 ist nach Heidenhainscher Häma- toxylinmethode gut differenziert, Fig. 58 stellt einen Schnitt durch denselben Kern nach der gleichen Färbemethode schlecht differen- ziert dar. ig. 59, 60c, 61, 62, 63, 66 und 67 stellen Ausschnitte aus den Schnitten durch die betreffenden Kerne dar, da die ganzen Kerne nicht mehr in einem Gesichtsfeld darstellbar waren. . 99. Höchste Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen, Follikel 750 zu 950 „, Kern 100:160 «. . 60a, b, c. Abschmelzung der seitlichen Ausläufer, Follikeldurchmesser 3,5 mm, Kern 156:188 „. 60a und b Vergrösserung Zeiss Apo- chromat 16 mm, Kompensationsokular 18. 60b stellt den näm- lichen Schnitt wie 60a dar, die seitlichen Ausläufer sind jedoch nicht eingezeichnet. um die Ühromosomen deutlicher erscheinen zu lassen. Der durch den Kreis gekennzeichnete Teil des Kernes ist in Fig. 60c bei starker Vergrösserung wiedergegeben. . 61. Fadenförmige Chromosomen, Follikel 4,0 mm, Kern 140: 200 «. . 62. Fadenförmige Chromosomen, Follikel 5 mm, Kern 110:224 u. . 63. Chromosomen unmittelbar vor dem Platzen des Follikels. Follikel 14,9 mm, Kern 40:304 ». . 64. Schlecht fixierter Kern. . 65-—-67. Kerne atretischer Follikel. 65. Zerfall der im Entstehen begriffenen Ohromatinfadenstränge. Follikel 264:288 u, Kern 64:86 u. . 66. Zerfall nach Ausbildung der fadenförmigen Chromosomen. Follikel 5,0 mm, Kern 58:274 u. . 67. Zerfall bei höchster Ausbildung der Lampenzylinderputzerformen. Follikel 992:1300 „, Kern 176:124 .. . 68. Grösserer Follikel in beginnender Rückbildung. Bei den mit 1 be- zeichneten Stellen beginnt das Epithel mehrschichtig zu werden. Vergr. 1: 100. 288 HH. Stieve: Die Entwicklung des Eierstockseies der Dohle. Fig. 69. Kleinster, in Rückbildung befindlicher Follikel mit staubförmiger Verteilung des Chromatins. Bei 1 beginnen die Epithelzellen zu wuchern. Vergr. 1:500. Fig. 70. Schnitt durch die Wand eines normalen Follikels von etwa | mm Durchmesser, einschichtiges Epithel. Fig. 71. Schnitt durch die Wand eines Follikels im Beginn der Atresie, Beginnende Wucherung des Epithels links Durchmesser des Follikels etwa 1 mm. Berichtigungen. In der Abhandlung von Friedrich Meves: Die Plasto- somentheorie der Vererbung etc. muss es auf Seite 78, Zeile 3 von oben statt „männlicher“ (Plastochondrien) heissen: „weiblicher“. In der Abhandlung von S. Gutherz: Zur Lehre vom Ur- sprung der tierischen Keimzellen lies auf Seite 39, Zeile 11 von unten statt Vergr. 1500: Vergr. 1000. Archiv fmikroskop. Anatomie Bd. XCH, Abt Il. VIER ESchultz-Henckegez Schultz-Hencke gez Werner u Winter Frankfurt. Winter. Frankfur&$M. Werner u E.Schultz-Hencke gez Tafel Ill. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XCII, Abt. II. Deus Bi > Ye Archiv f mikroskop.Anatomie Ba. XCH, Abt.Z. En ie EP ee 7 Da 7-4 B.Nereshheimergez. 5-38 H,Stieve gez. Werner u Winter Franfurt2IN. Archiv £ mikroskop. Anatomie Bd. XCH Abt.1l. Taf. H. Stieve gez Werneru Winter. Frankfurt HH. Taf. UI. Archiv £mikroskop. Anatomie Ba. XC AbtI. 5 8 . ” © . .. EG} LE Ah FAR Par ei >) = Werner u.Winter Franklurt3!, 64-66 H.Stievegez. 68-71 B.Neresheimergez u... 94 + EEE DEE DEZE DE IE NCH . dal -- ” ”. * 5 re irn ; EI NEN u. I - De ii + . nm .. tr RETTET rI NL ..*+ ..- ® FH. Hu) ? i SUEMERENHIEIEHEE ‘» eo. 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